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Vorwort „Es ist ein eigenes ding mit unsern Philologicis“, schreibt der Graezist Karl Ludwig Kayser 1841 im Blick auf seine Homerstudien, „je weiter man hinein tritt, desto grçsser und durch seine weite niederschlagend wird der hintergrund; am ende ist das bischen, was man errungen hat, nichts im vergleich mit dem noch zu leistenden.“ Diese entmutigende Klage ber die Arbeit des Philologen zitiert Hermann Usener im Vorwort1 zu seiner Ausgabe der Schriften Kaysers, die vierzig Jahre spter erschien. Zu diesem Zeitpunkt stand die altertumswissenschaftliche Forschung in hçchstem Ansehen, nicht zuletzt aufgrund einer methodisch reflektierten Quellenkritik, die tradierte Geschichtsbilder durch moderne Darstellungen ersetzte. Dazu hatten Sammlungen, Untersuchungen und monographische Studien in einem jahrzehntelangen Prozess beigetragen und ganz allmhlich – die Edition Useners zeigt dies – das Bewusstsein dafr geschrft, dass auch die Philologie eine Geschichte hat, bei deren Betrachtung und einem ebenfalls weit zurckweichenden „hintergrund“man eine hnlich resignierende Haltung wie Karl Ludwig Kayser in der Mitte des 19. Jahrhunderts einnehmen kçnnte. Um diese Geschichte darzustellen, bedarf es immer wieder neuer Bemhungen und der Zusammenarbeit von Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen. Erst vergleichsweise spt ist erkannt worden, wie notwendig die Historisierung der eigenen Fcher betrieben werden muss, um deren institutionelle Voraussetzungen und die Herausbildung bestimmter Praxisformen zu verstehen. Dagegen ist jngst weniger in historischer als programmatischer Absicht unter dem Stichwort ‘Re-Philologisierung’ eine Diskussion darber gefhrt worden, ob sich die Literaturwissenschaften zu einer umfassenden Kulturwissenschaft erweitern oder auf ihren textwissenschaftlichen Kern beschrnken sollen. Auf der einen Seite stehen die risikobereiten Befrworter einer weitgehenden ffnung fr kulturwissenschaftliche Fragestellungen; gefordert wird eine Unterbrechung lhmender Forschungsroutinen, das Eingehen auf neue Herausforderungen und eine transdisziplinre Orientierung. Auf der anderen Seite wird auf der Bewahrung philologischer Kompetenz bestanden, auch auf der Widerlegbarkeit der Deutung eines Details durch den Verweis 1
Hermann Usener (Hrsg.)(1881): K. L. Kayser’s Homerische Abhandlungen. Leipzig: Teubner, S. XV.
VI
Vorwort
auf historische Daten, kurz auf positivem Wissen, das einen Zuwachs am sichersten in den bestehenden Fachgrenzen erhlt. Wer sich auf frhe Formen der Kulturgeschichtsschreibung einlsst, wird rasch sehen, dass die genannte Alternative so nicht besteht, der ‘cultural turn’ bestimmt nicht erst die Problemlagen unserer Gegenwart. Die Sammlung der vorliegenden Beitrge, die sich in einem weiten Spektrum von der Klassischen Philologie und Archologie, der Judaistik und Orientalistik, der Theologie und Philosophie bis hin zu den Naturwissenschaften bewegen, versuchen davon einen Eindruck zu vermitteln und damit zugleich einige der noch wenig untersuchten Bereiche der Philologiegeschichte zu erschließen. Dabei ist auch auf jene Effekte geachtet worden, die Vorgnge der ‘Pluralisierung’ in der Gelehrtenkultur der Frhen Neuzeit anzeigen. Dieser Begriff wird – wie der ihm komplementre der ‘Autoritt’ – im Sinne der theoretischen und konzeptionellen Vorgaben verwendet, die der Mnchener Sonderforschungsbereich 573 ‘Pluralisierung und Autoritt in der Frhen Neuzeit’ fr die Arbeit in den Teilprojekten entwickelt hat. Phnomene der Pluralisierung sind in der Frhen Neuzeit vielfach zu beobachten, sie finden sich besonders hufig in den gelehrten Diskursen, wo Fragen der Wissensordnung und -speicherung zur Wahrnehmung von Kontingenz und zu Konflikten fhren, die wiederum den Ruf nach Instanzen der Legitimation, kurz nach alten oder neuen ‘Autoritten’ verstrken. Die in diesem Band zusammengefassten Arbeiten sind das Ergebnis einer Tagung, die unter dem Thema ‘Philologie als Wissensmodell’ vom 20. bis 22. Juli 2006 in Mnchen stattgefunden hat. Die ersten berlegungen zu der Veranstaltung und ihre Ausarbeitung waren das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen dem Teilprojekt B 7 (‘Neuordnungen des Wissens’, geleitet von Friedrich Vollhardt) des SFB 573 und einem von Denis Thouard entwickelten Kooperationsprojekt (‘Hermeneutik und Methode’, CNRS). Dass sich aus dieser Kooperation ein fruchtbarer internationaler Dialog entwickeln konnte, haben wir den Kollegen zu verdanken, die unserer Einladung gefolgt sind. Zum Gelingen des Symposions haben Jan-Dirk Mller (Mnchen), Andr Laks (Paris) und Roland Kany (Mnchen) beigetragen, die mit großem Engagement die Diskussionen in den einzelnen Sektionen geleitet haben. Fr die Finanzierung der Tagung haben wir dem Sonderforschungsbereich 573 der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu danken. Ein weiterer Dank fr die finanzielle Untersttzung gebhrt dem BayerischFranzçsischen Hochschulzentrum – Centre de Coopration Universitaire
Vorwort
VII
Franco-Bavarois sowie der Ambassade de France en Rpublique Fdrale d’Allemagne – Bureau de la coopration universitaire. Friedrich Vollhardt
Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Denis Thouard Einleitung Die Folgen der Philologisierung . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Fosca Mariani Zini Das Erbe der humanistischen Philologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
Pierre Lardet Entre grammaire et philosophie, la philologie, science ou art ? Sur l’emendatio la Renaissance et au-del . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
Klara Vanek Antike Grammatik und kritische Philologie: Johannes Wower ber die Methode der Textverbesserung in der Tractatio de polymathia von 1603 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
109
Hlne Parenty Philologie et pratiques de lecture chez Isaac Casaubon . . . . . . .
139
Eckhard Keßler Philologische Methode und Naturwissenschaft . . . . . . . . . . . . . .
165
Ralph Hfner Lucas Holstenius und die neue Astronomie am Hofe Papst Urbans VIII. Barberini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
181
Emmanuel Bury La preuve philologique comme argument : Gassendi et picure face la rvolution scientifique (1624 – 1658) . . . . . . . . . . . . . .
207
Lutz Danneberg Hermeneutik zwischen Theologie und Naturphilosophie: der sensus accommodatus am Beginn des 17. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . .
231
Nicolas Piqu Du texte de l’origine l’origine du texte. La querelle entre Richard Simon et Jean Le Clerc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
285
X
Inhalt
Anette Syndikus Philologie und Universalismus Gabriel Nauds enzyklopdische Schriften und ihre Rezeption im deutschsprachigen Raum . . . . . .
309
Martin Mulsow Mikrogramme des Orients: Johann Christoph Wolfs Notizhefte und seine Cudworth-Lektre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
345
Author Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung Die Folgen der Philologisierung Denis Thouard 1. Philologie und Wissen Das erneute Interesse fr die Geschichte der gelehrten Tradition basiert nicht allein auf der selbstkritischen Annahme, dass man doch von dem ‘berholten’ Wissensstand in bestimmten Punkten abhngt, sondern auch auf der Erkenntnis, dass ein Rckblick notwendig ist fr die berwindung der Aporien, die spter mit der Selbstbestimmung der Geisteswissenschaften aufgetaucht sind. Die unvermeidliche Ausdifferenzierung des literarischen Triviums und des mathematischen Quadriviums hat zu Wissensformen gefhrt, die nichts mehr gemein haben. Neben der glorreichen modernen Naturwissenschaft, die sich auf den Erfolgen der Mathematisierung der Physik ihren Kçnigsweg gebahnt hat, sitzt die armselige Historia, kaum getrçstet von der Literatur, die letztlich ihre Zuflucht in den neu erfundenen oder wiederentdeckten ‘Kulturwissenschaften’ sucht. Aber hat man dabei nicht vergessen, wie tief die grundlegende philologische Schulung auch die tragenden Figuren der Naturwissenschaften geprgt hatte? Die Untersuchung dieser vorlufigen Wissensform, sofern sie zur Vorbereitung einer modernen Auffassung des Wissens und der Vernunft beigetragen hat, ist der Gegenstand der hier versammelten Studien. Dabei treten zwei Aspekte in den Vordergrund: Einerseits gilt es zu erforschen, inwiefern die neuen Rationalittsformen, die mit der Philologie erfunden wurden, eine Wirkung auf die Auffassung der Vernunft berhaupt hatten; andererseits soll direkt gefragt werden, wie die Naturwissenschaftler mit dem philologischen Wissen selbst umgegangen sind, ob sie dabei eine Legitimierung,1 eine methodologische Anregung oder eine inhaltliche Sttze gesucht haben.
1
Keßler 1979, Humanismus und Naturwissenschaft, 23 – 40. Fr die sprachliche Verbesserung dieses Texts mçchte ich an dieser Stelle Lilian Landes, Stefanie Kießling und Anette Syndikus danken.
2
Denis Thouard
Die Frhe Neuzeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie zwei Wissensmodelle unterschiedlicher Natur entworfen hat, ein philologisches und ein mathematisches. Die Erfindung der Philologie als kritischer Umgang mit Texten erlaubte es – etwa seit Valla oder Poliziano –, die Zeugnisse der Vergangenheit einer systematischen Untersuchung zu unterziehen. Die Handschrift wurde zum Gegenstand einer sorgfltigen Erkenntnis, die mittels der Urteilskraft, des Iudicium des ‘Kritikers’, zustande kam.2 Die Textberlieferung wurde vor das Gericht des Kritikers gestellt. Die neuzeitliche Philosophie hat ihrerseits im 17. Jahrhundert zunehmend eine geometrische Inspiration verfolgt, die ihren Gegenstand im abstrakten Raum des Denkens nachkonstruiert. Die Mathematisierung der Physik durch Galilei und die geometrisch geformte Methode von Descartes zeigen, wie die Wissenschaft der Natur ihre Inspiration gerade nicht aus dem Umgang mit Texten nimmt. Im Gegenteil, wie exemplarisch bei Descartes zu beobachten ist, kommt sie nicht selten bewusst in Konflikt mit der Philologie.3 Bis zu ihren Abgrenzungsversuchen ist aber die Konkurrenz der modernen Philosophie mit der Philologie zu beobachten. Ob es sich dabei einfach um einen Paradigmenwechsel im Sinne Kuhns handelt oder nicht, sei vorbergehend dahingestellt. Die hier geprfte Annahme versucht die Grenzen und die Tragweite einer mçglichen Bedingung der Naturwissenschaft durch die Philologie zu untersuchen. Die Solidaritt zwischen dem Wissenschaftsanspruch der Philologie und dem der Naturwissenschaft wurde bisher kaum erforscht. Ein zentraler Aspekt der vorliegenden Publikation ist es, dieses Bndnis nher zu untersuchen. Auch wenn die Philologie die Spuren der Vergangenheit kritisch untersucht, so bleibt sie dennoch auf diese angewiesen. Sie hngt von der 2 3
Fr eine genaue Genealogie des Criticus siehe jetzt Benedetto Bravo 2006, Critice, 135 – 195, der ber Jaumann 1995, Critica hinausgeht. In der Formulierung von Jaumann 1995, Critica, 167: „Da die Vernunft more geometrico an der Naturgesetzlichkeit und an sich selbst das geeignete Demonstrations- und Forschungsfeld gefunden hatte, auf dem sie ihre Erkenntnistauglichkeit bewies (nach Maßgabe eines Erkenntnisbegriffs freilich, den sie selbst geschaffen hatte), mußten die ehemals artistischen ‘Wortdisziplinen’, die sich Welt ber Textbedeutungen aneigneten, einschließlich der Historie, einem rapiden Bedeutungsverlust anheim fallen“. Diese Darstellung der Verbreitung einer neuen Rationalitt verkennt die Rolle, die die philologische Rationalitt als solche spielen konnte. Die Behauptung, die Philologie sei nicht „theoriefhig“ gewesen, sollte mit den mçglichen Formen einer solchen „Theoretisierung“ konfrontiert werden, die nicht unbedingt als „Theorie der Philologie“ oder schlegelianisch als „Philosophie der Philologie“ zutage traten. Die Frage ist, ob diese Vernunft nicht doch etwas (und dann was?) von der Philologie geerbt hat.
Die Folgen der Philologisierung
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Tradition ab, indem sie diese hinterfragt. Sie berliefert Inhalte, indem sie das Medium kritisiert, das diese vermittelt. Mit der Philologie musste man also die Wunschvorstellung aufgeben, einen unmittelbaren Zugang zu den Gedanken der Vergangenheit zu finden. Sie weist vielmehr den mittelbaren als einzigen Zugang zur alten Welt, indem sie die berlieferten Texte erst ediert beziehungsweise bersetzt und kommentiert.4 Man geht von der Wiedergabe einer Prsenz durch die Beschreibung in die bewusste Distanzierung und technische Behandlung einer Quelle ber, die als solche gekennzeichnet und zitiert wird.5 Dabei liefert sie auch einen Zugang zur Tradition, indem sie mit ihrer passiven bernahme bricht. Die wissenschaftliche Bewegung des 17. Jahrhunderts hingegen – so vorsichtig man auch immer mit einer solch pauschalen Vorstellung umgehen sollte – zieht ausdrcklich den Bruch und den Neuanfang vor. Wenig Wissen wird von den Gelehrten wirklich erwartet. Die cognitio ex datis ist ihr unwichtig geworden. Um die Rolle der Philologie in diesem Zusammenhang genauer skizzieren zu kçnnen, muss ihre jeweilige Bestimmung genau analysiert werden. Whrend die Philosophie noch bis Newton die wissenschaftlichen Bemhungen bezeichnet, wurde in der Frhen Neuzeit die Philologie sehr unterschiedlich verstanden, je nach der gewhlten Perspektive. Sie konnte als universelles Wissen von dem, was sprachlich vermittelt wird, gesehen werden, aber auch als technische Behandlung der schriftlichen Urkunden oder als Ansammlung von unterschiedlichen Wissensbestnden in Gestalt einer Enzyklopdie. Es wird im Folgenden versucht, diese verschiedenen Aspekte nher zu beleuchten. Eigentlich widerspricht der formellen Ansicht der 4
5
Fr eine Beschreibung dieses langwierigen Prozesses siehe Rdiger 1961, Die Wiederentdeckung, 511 – 580, und Mazal 2003, Die berlieferung. Unter zahlreichen und wichtigen Verçffentlichungen zu dem Thema in den letzten Jahren seien hier nur einige Titel angegeben, die von einem regen Interesse der Forschung zeugen: Grafton 1991, Defenders of the Text; Gratfon, 2001, Bring out Your Dead; Grafton/ Jardine 1986, From Humanism to the Humanities; Jaumann 1995, Critica; Hfner (Hrsg.) 2001, Philologie und Erkenntnis; Mariani Zini (Hrsg.) 2001, Penser entre les lignes; Keßler/Kuhn (Hrsg.) 2003, Germania latina; Galland/Hallyn/Tournoy (Hrsg.) 2005, La philologie humaniste; Bury (Hrsg.) 2005, Tous vos gens latin; Ligota/Quantin (Hrsg.) 2006, History of Scholarship; Bernardi Perini (Hrsg.) 2004, Il latino nell’et dell’umanesimo. Ginzburg 2006, Il filo e le tracce, 15 – 38, bes. 23 – 35. Die Edition kann ihrerseits auf die Wiederherstellung eines ‘Prsenz-Effekts’ zielen, wie es Gumbrecht 2003, Die Macht der Philologie, 18 f. suggeriert. Doch die Aufgabe des Philologen ist hauptschlich eine Art Trauerarbeit, es gilt, Abschied vom Originalen zu nehmen und zu versuchen, einen (schçnen, funktionellen oder sinnvollen) Ersatz zu entwerfen.
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Denis Thouard
Philologie als ars critica ihre enzyklopdische Bestimmung nicht. Die Konstitution von ‘Datenbanken’ wird oft als Bedingung der Behandlung von Texten betrachtet, die ihrerseits dazu beitragen, sie zu bereichern. Die philologische Ttigkeit ist meistens auf ein Wissen angewiesen, das ihre Bemhungen rechtfertigt und das sie ausnutzt. Aber neben der Anhufung nicht immer verwendbaren Wissens hat die Entwicklung bestimmter Verfahren sicher eine breitere, wenn auch nicht immer gebhrend wahrgenommene Auswirkung gehabt. Um die Tragweite der Philologisierung der kulturellen Vergangenheit zu verstehen, sollte man sich zunchst von der technischen Textarbeit entfernen und sich dann fr den intellektuellen Gestus interessieren, von dem die Philologie zeugt, wie die Entstehung der ‘kritischen Ttigkeit’. Als eine bestimmte Richtung des wissenschaftlichen Interesses aber wirkt die Kritik oft ambivalent, sofern sie zerstçrt und zugleich Neues stiftet. Diese doppelte Perspektive lsst sich besonders in der Frhen Neuzeit beobachten. 2. Pluralisierung der Sprachen und Vereinheitlichung des Kanons Die Renaissance hat zuerst die klassischen Sprachen (Griechisch und Latein, dann Hebrisch) wiederentdeckt und gepflegt, um sich bald ihrer Pluralisierung und der Fçrderung der modernen Sprachen zu widmen, die sich allmhlich im europischen Sprachraum durchsetzten. Diese Vervielfltigung der Ausdrucksmçglichkeiten wurde auch reflektiert. Parallel zur ‘Grammatisierung’ der Sprachen, also zu der technischen Behandlung der bisher nur gesprochenen Volkssprachen, die sich in der Anfertigung von Grammatiken und Wçrterbchern ausdrckte,6 wirkte die ‘Philologisierung’ der Texte objektivierend. Das Verhltnis zwischen dieser technischen Behandlung und ihrem rationalen Potential ist hier Gegenstand einer gemeinsamen Erforschung. Die Entdeckung der sprachlichen Pluralitt wird ihrerseits von einer Vereinheitlichung begleitet. Diese kann als Wirkung der philologischen 6
Dieser Begriff wurde in die Sprachwissenschaftsgeschichtsschreibung von Sylvain Auroux eingefhrt. Er bezeichnet die erste technische Behandlung der gesprochenen Sprachen in der Frhen Neuzeit, denen die Ehre einer grammatischen Behandlung zuteil wurde, in der Folge von Antonio de Nebrija [1492] 1931, Gramtica. Siehe Auroux 1992, Histoire des ides linguistiques, 2, 11 – 64. Es handelt sich hier nicht direkt um die Normalisierung der Sprachweise, sondern um die Beschreibung und Systematisierung von den bisher nur intuitiv von den Sprechern wahrgenommen Sprachstrukturen und Regeln. Siehe Oesterreicher 2005, Die Entstehung des Neuen.
Die Folgen der Philologisierung
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Autorisierung betrachtet werden. Die Herstellung eines Kommentars und ferner die sorgfltige Behandlung eines bestimmten Corpus mit den Werkzeugen der Textkritik bringt eine Wrdigung des Gegenstandes hervor, die nicht selten zu der Erfindung des Autors im modernen Sinn fhrt. Schreibt ein Cristoforo Landino einen Kommentar zur Divina Commedia, so wird dieses Werk als Klassiker anerkannt. Dass er dies fr eine Schrift in volgare macht, zeigt die allmhliche Konstitution eines volkssprachlichen Kanons, der sich von den philologischen Techniken inspirieren lsst.7 Die Selbstautorisierung durch den Selbstkommentar ist – von Dante bis Bruno – keine Ausnahme. Die Philologisierung der eigenen Schriften trgt dazu bei, sich als Autor darzustellen und bringt dabei eine gespaltene Subjektivitt hervor, die kennzeichnend fr eine bestimmte Modernitt des Humanismus ist. Die Philologie ist nicht ohne die Frage nach den Sprachen denkbar. Die Heilige Schrift, aber auch die klassischen Texte des Altertums, werden in der Frhen Neuzeit Gegenstand einer neuen ‘technischen’ Behandlung, die danach strebt, sie mçglichst lesbar, sicher und verwendbar zu machen. Indem sie sich aber meist auf die alten Wissenssprachen konzentriert, betont die Philologie ihren Ausnahmecharakter den Volkssprachen gegenber. Sie begleitet den Vorgang der Pluralisierung der Sprachen in der Frhen Neuzeit und versucht, ihn zu reflektieren, indem sie auf ihren schriftlichen Zustand zurckschaut, der sich in ber die Zeiten geretteten Texten und Schriften darbot. Die Philologie blickt also in die Vergangenheit, aber dieser Blick gilt primr den berlieferten Dokumenten, den Texten. Wo sie entstellt waren, galt es, sie anhand der recensio und der coniectura zu emendieren, so dass ihre Aktualitt wiederhergestellt werden konnte. Bei diesen Ttigkeiten zielt der Philologe darauf, den mçglichst besten Zustand dieser Werke wiederzugeben, wobei dieses Ziel durch ußere Umstnde oft nicht einmal denkbar war. Aber immerhin versucht er, sich zugunsten des Textes, dem er dient, zurckzuziehen. Seine Aufgabe ist ihrem Wesen nach eine vorlufige, die erst dann ihr Ziel erreicht, wenn sie hinter dem gedruckten Text verschwindet. Die allmhliche Erfindung einer besonderen Kodierung der getroffenen Entscheidungen, die weitere Entfaltung der diakritischen Zeichen und die Konstituierung eines eigentlichen Apparatus criticus machen die Handhabung des Philologen immer diskreter. Die Sammlungen von Anmerkungen und verschiedenen Lesarten, also von Werken, die die philologische Vermittlung betonen, verlieren ihre Eigen7
Siehe Regn (Hrsg.) 2004, Questo leggiadrissimo Poeta!, und zu Landino: La Brasca 1989, Cristoforo Landino, 696 – 855.
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Denis Thouard
stndigkeit und werden an den Rand des Textes gesetzt, als Fußnoten, Marginalia, Referenzen.8 Die philologische Vermittlung neigt dazu, unsichtbar zu werden, nachdem ihre ‘Verbesserung’ einmal in den Text eingegangen ist. Wenigstens in einem besonderen, aber zentralen Fall wirkte die philologische Autorisierung zugleich als eine Entheiligung: Die Bemhungen um eine Wiedergewinnung der Bibel, die durch Luthers bersetzung beispielhaft das Sprachbewusstsein der Frhen Neuzeit geprgt haben, wirkten auch zweideutig. In der Bibel hat man nmlich das Wort Gottes geehrt und es doch als Text behandelt. Die Lehre wollte man aus der Quelle schçpfen und lief dabei Gefahr, ihre Heiligkeit zu historisieren. Das Wort, das man aus dem Text las, war nicht auf eine sprachliche Begebenheit zu reduzieren. So haben die ersten Versuche, das Lesen der Bibel zu erleichtern, wie bei der Clavis Scripturae sacrae des Mathias Flacius Illyricus (1567), auch wenn ihr Autor ein hervorragender Philologe und besonders Hebrist war, keineswegs eine philologische Lektre befçrdert. Die sptere Spaltung der dogmatischen und der historisch-kritischen Aneignung der Bibel fand erst am Ende des 17. Jahrhunderts statt und prgte erheblich die Gestalt der Aufklrung. Andererseits wurde durch das Konzil von Trient die Vulgata als autorisierte Fassung anerkannt, wobei der Philologie jeglicher Anspruch auf eine endgltige Autoritt in dem Bereich aberkannt wurde. Das war der Fall, bis die gewagte (und deswegen nicht allgemein gebilligte) Strategie eines Richard Simon den Nachdruck auf die Fehler des biblischen Textes und auf die Dunkelheit von dessen Rezeptionsgeschichte legte, um einen Konsens seitens der Kirche erforderlich zu machen. Aber die Beseitigung der philologischen Einmischung, sofern sie mçglich war, versprach keineswegs die berwindung der ußeren Bestreitung ihrer Legitimitt, wie sie von den Naturwissenschaften her betrieben wurde. Zwischen der Autoritt der Schrift und der Autoritt der Naturwissenschaft soll also die kritische Rolle der Philologie thematisiert werden, und zwar in doppelter Hinsicht. Als Tarnung einerseits, soweit die einsetzende Naturwissenschaft es ntzlich finden konnte, sich seitens der bonae litterae besttigt zu sehen. Und als Vorbedingung ihrer eigenen Bemhungen andererseits, sofern die Philologie den Blick fr ein auf Wissen begrndetes Urteil schrfte, das in nuce Befreiungspotentiale enthielt. Philologie als Wissensmodell bedeutet in diesem Sinn, dass man bereits mit der innerphilologischen Distanzierung und Infragestellung der Tradition einen Bruch 8
Siehe Battezzatto 2006, Renaissance Philology, 75 – 112; Grafton 1995, Die tragischen Ursprnge.
Die Folgen der Philologisierung
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im geschichtlichen Kontinuum feststellen kann, ohne welchen die naturwissenschaftliche Emanzipation berhaupt nicht denkbar gewesen wre. Was wiederum nicht sagen soll, dass die Philologie allein Vernunft vorbereitet oder modernisierend gewirkt htte. Ihre Neigung zum enzyklopdischen Wissen und zum Ansammeln hçchst heterogener Kenntnisse hat nicht selten die Ausbung der Urteilskraft durch zuviel Gelehrsamkeit belastet, die den Philologen in den Augen eines Immanuel Kant wie ein Kamel aussehen ließ. Die enorme Aufnahme der Kenntnisse aus den Quellen griechischer und rçmischer Weisheit forderte nicht nur die Verfeinerung eines neuen Instruments, sondern man brauchte auch eigene Ordnungsprinzipien, um dieses Wissen berblicken und benutzen zu kçnnen. Diese zwei Aspekte haben sich sogar gegenseitig bedingt, soweit die philologische Behandlung der Handschriften die Beherrschung zahlreicher Sachkenntnisse erforderte, welche nicht anders zu bekommen waren als durch eine sichere philologische bung an den klassischen Texten. Das Lesen wurde zur Bedingung des Edierens und lief ber die Zusammenstellung von Exzerpten und Datensammlungen wie die Adversaria-Hefte des Casaubon oder die Notizen des Johann Christoph Wolf, die ihre Lesefrchte zusammentrugen und damit ber ein umfangreiches Wissen verfgen konnten, ohne sich nur auf das schwache Gedchtnis sttzen zu mssen. Die philologische Ttigkeit war zugleich auf die Bibliotheken angewiesen, die einem bestimmten Interesse entsprachen und deswegen eine Vororientierung ber das verfgbare Wissen mitbestimmten. Die neuen Editionen werden mit Anmerkungen und gegebenenfalls Kommentaren versehen, die aus diesem angehuften Wissen schçpfen. Neben der Entfaltung einer histoire critique wie bei Richard Simon, die die materiellen Bedingungen der Dokumente und Texte untersucht, hat sich auch die Enzyklopdie als kritisch konstituiert, zuerst mit Bayles Historisch-kritischem Wçrterbuch, das die Gelehrsamkeit in den Dienst einer geistigen Polemik stellt, dann mit den Leistungen von Diderot und D’Alembert im ‘Zeitalter der Kritik’. Es ist genau diese Spannweite, die mit dem philologischen Humanismus ansetzt und bis zur kantischen Kritik ber Bayle, Simon und Le Clerc fhrt, die durch die folgenden Untersuchungen sondiert wird. Dabei sind hier neben synthetischen berblicken bestimmte Fallstudien dargestellt, die der ganzen Fragestellung Gestalt und Stoff geben. Es werden im folgenden zwei Aspekte und Fragestellungen besonders hervorgehoben: erstens, dass die Renaissance eine aktive Rolle in der Vorbereitung der intellektuellen und technischen nderungen der wissenschaftlich orientierten Neuzeit gespielt hat, die im Rckblick meistens nicht mehr angemessen erscheint; zweitens,
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Denis Thouard
dass die Hauptvertreter der ‘neuen Wissenschaft’ oft philologische Kenntnisse besaßen, die fr ihre methodologische Ausrstung nicht ohne Belang sein konnten. 3. Renaissance als Vorbedingung von der Neuzeit Wilhelm Dilthey gilt nicht nur als der Erfinder der Geisteswissenschaften, welche verschiedene traditionelle Fcher unter sich versammeln und dabei mit den einheitlichen Naturwissenschaften vergleichbar werden. Er hat auch die These vertreten, dass die Wissenschaften in der Neuzeit eine starke Naturalisierung erfahren haben, welche die Eigenart der Humanitates vçllig verkannt habe. Diese These hat er historisch belegen wollen, indem er die gemeinsame Bezeichnung des ‘natrlichen Systems’ der Geisteswissenschaften vorschlug. Die blinde Anwendung naturwissenschaftlicher Begriffe und Schemata auf das historische Leben habe deren Individualitt bersehen und ein formelles Scheinwissen hervorgebracht. Seine Studien, die Hobbes und Spinoza einen betrchtlichen Einfluss zusprechen, hat er in Weltanschauung und Analyse des Menschen seit Renaissance und Reformation zusammengestellt.9 Aber diese historischen Studien waren selbst von dem starken philosophischen Interesse geprgt, die Verfahren der Naturwissenschaften fr die Erklrung der geistigen Erscheinungen grundstzlich als ungeeignet zu erklren. Von Droysen und York beeinflusst, begriff Dilthey den historischen Geist als unzugnglich fr die Verfahren der Naturwissenschaften, hnlich wie Bergson die dure der rumlich verstandenen Zeit entgegensetzte oder wie Heidegger die Analyse der Zeit vor ihrer dinghaften Verkennung retten wollte. Sein eigenes Anliegen war es dabei, fr dieses Gebiet dasselbe zu leisten, was Kant fr die newtonschen Wissenschaften geleistet hatte, allerdings in direkter Konkurrenz zur Leistung der Naturwissenschaften. Seine Revision der Erkenntnistheorie bekmpft also ein Feindbild, das er sich selbst geschaffen hat. Indem er die Traditionslinien des Rechts, der Geschichte, der Philologie und so weiter verfolgt und zu einer neuen Synthese fhren will, besttigt er die selbst vorausgesetzte Spaltung und aktualisiert sie erst. Aber hat man in der Frhen Neuzeit tatschlich die Erkenntnisgegenstnde derart ‘naturalisiert’? Verschiedene Begriffe und Methoden wurden 9
Dilthey 1914, Weltanschauung und Analyse, besonders: „Das natrliche System der Geisteswissenschaften im 17. Jahrhundert“, 90 – 245. Fr eine Kritik dieser philosophischen Geistesgeschichte siehe Leinkauf (Hrsg.) 2003, Dilthey und Cassirer.
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hier geprft, auf weitere Gebiete angewandt, um sie dann an den neuen Erkenntniszusammenhang und die neuen Ziele anzupassen. Man behandelte zum Beispiel Texte oft so, als htten sie die Eigenschaften eines ‘Kçrpers’, also eine Einheit und innere Hierarchie, ein ußeres und ein Inneres, und lieh sich dabei etwa Begriffe aus der Medizin. Das bedeutete aber keineswegs, dass man dabei den Unterschied verkannt htte, der einen Text von einem zu heilenden Kçrper trennt. Umgekehrt bertrug man auch bestimmte philologische Kunstgriffe auf andere Gebiete.10 In diesem Fall befand man sich bereits jenseits der schlichten Verwendung einer gelufigen Metapher, wie sie von Hans Blumenberg am Beispiel vom ‘Buch der Welt’ untersucht worden ist. Es handelte sich eher um den Versuch, neue Instrumente der Erkenntnis zu gewinnen. Die humanistische Ausbildung der intellektuellen Eliten seit der Renaissance trug dazu bei, dass sie selbstverstndlich im Gebiet der Humaniora Anregungen zur Interpretation der Natur bekamen. Derartige bertragungen glte es nher zu beschreiben und zu verstehen. Die neue Naturwissenschaft hat sich wohl gegen die Welt der Bcher und der Gelehrsamkeit herausgebildet, indem sie sich auf die Sinne, auf die Erfahrung oder auf die Abstraktheit der Geometrie berief. Dafr hat sie aber nicht unbedingt von dem Gestus des Lesens, das heißt von den vorhandenen hermeneutischen Modellen Abschied genommen, wie man es an vereinzelten, dunkel geworden Spuren etwa in der Baconschen Interpretatio naturae oder der Kantischen Kritik ablesen kann. Deshalb wird die Frhe Neuzeit hier als eine Schwellenepoche betrachtet, die am Schnittpunkt zwischen antiker und moderner Philologie, Geschichtswissenschaft und Philosophie liegt – als die Scheidung zwischen Naturwissenschaft und Humaniora, spter ‘Geisteswissenschaften’ genannt, noch keine Selbstverstndlichkeit war. In dem noch wenig differenzierten Zustand der wissenschaftlichen Disziplinen der Frhen Neuzeit, in ihren oft unbestimmten enzyklopdischen Unternehmen, liegen unerforschte Mçglichkeiten, aufgegebene Begriffe und vergessene Berhrungspunkte. In dem Vordisziplinren gibt es womçglich Hinweise auf das Interdisziplinre oder wenigstens fr ein feineres Verstndnis unserer begrifflichen Teilungen, unserer Denk-, Handlungs- und Wissenskategorien. Hinter den naturwissenschaftlichen Errungenschaften des 17. Jahrhunderts von Galilei bis 10 Vgl. Danneberg 2003, Die Anatomie, 20: „Die Erzeugung neuer Wissensansprche mittels Philologie in Disziplinen, die primr nichts mit ihr zu tun haben, ist in der Zeit nicht ungewçhnlich und gilt in einem hnlichen Umfang wie bei der Medizin etwa fr die Mathematik des 16. Jahrhunderts, die secundum Graecos florierte.“
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Denis Thouard
Newton kann man folglich oft humanistischen Voraussetzungen nachspren, die es einzuschtzen gilt. 4. Die Rationalitt der Philologie Das zweite Thema gehçrt eigentlich mehr der Wissenschaftsgeschichte. Wenn im Falle von Galilei ziemlich klar ist, dass er von der Rhetorik und berhaupt vom humanistischen Erbe nicht viel fr seine wesentlichen Innovationen bernommen hat, so lsst sich doch die Frage stellen, inwieweit diese textmethodische Schulung der meisten Protagonisten der neuen Naturwissenschaft zur Wissenschaftsbildung beigetragen hat oder nicht. Betrachtet man manche Berhrungspunkte, die immer wieder unsere Aufmerksamkeit wecken, so ist diese Frage sicher noch nicht endgltig geklrt. Sie betrifft den heuristischen Prozess der Erforschung, nicht die Grundlegung, aber dabei kann sie eigentlich zu den wichtigen Voraussetzungen gezhlt werden. Ein gewisser kritischer Blick auf die Autoritt, auch auf die eigene, hat sicher die Philologie befçrdert, auch wenn man ihren Anteil daran nicht mehr wahrnimmt. Soweit Kepler, Galilei, Boyle oder Newton sich nicht nur beilufig mit philologischen und hermeneutischen Problemen beschftigt haben, sondern prinzipiell und ohne die sptere Hierarchie der positivistischen Wissenschaftsgeschichtsschreibung zu beachten, ist es berhaupt nicht unangebracht zu fragen, was die Relevanz dieser Textpraxis fr ihre eigentliche naturphilosophische Forschung gewesen sein mag. Die Versuchung liegt nahe, in bestimmten Fllen eine Porositt der Methoden zu vermuten oder zumindest wechselseitige Anregungen. Das beeintrchtigt natrlich in keiner Weise die Autonomie der naturwissenschaftlichen Verfahren und Methoden, kçnnte diese aber teilweise besser beleuchten und womçglich zu neuen Ergebnissen fhren. Die Forschung hat bisher eher die Rhetorik als mçgliches Modell der philosophischen beziehungsweise naturwissenschaftlichen Erforschung und Darstellung untersucht, wie manche Studien ber Galilei zeigen. Die systematische Frage der Relevanz philologischer Verfahren fr die Schrfung des empirischen Blicks sowie fr die Strkung des kritischen Bewusstseins wurde dagegen eher vernachlssigt.11 11 Die aufschlussreichen Aufstze von Anthony Grafton zielen eher auf eine Kulturgeschichte der frhneuzeitlichen Gelehrsamkeit als auf eine systematische Prfung der kognitiven Tragweite philologischer Werkzeuge.
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Ist die ars critica eine rein technische Angelegenheit, oder nimmt sie an der Herausbildung einer bestimmten Rationalitt teil? Sind die Regelsammlungen rein empirisch? Beschrnkt sich das philologische Verfahren beim Edieren, Korrigieren, Konjektieren auf die rein handwerkliche Ebene, oder hat sich daran ein bestimmter Umgang mit Texten und Urkunden entwickelt, der den Ansatz einer anderen Vernunftauffassung und besonders einer Urteilslehre in sich trgt? Der Beitrag der Textdisziplinen zur Methodik und berhaupt zur neuen Rationalittsauffassung wurde von der Forschung oft vernachlssigt. Es stellt sich also unter anderem die Frage, ob und inwiefern die Philologie als Voroder Mitbedingung der naturwissenschaftlichen Entwicklung angesehen werden kann, oder ob sie von Anfang an eine andere Wissensbestimmung eingeleitet hat, die mit dem ‘Idiographischen’ im Sinne Windelbands zusammenhngt, also mit der Frage nach dem Individuellen.12 ber die Gesetzmßigkeit des Singulren nachzudenken und dabei ein kritisches Urteil zu begrnden, in der recensio wie in der conjectura, setzt die Erfindung einer mçglichen Textform voraus, welche die Philologie als eine Lehre der reflektierenden Urteilskraft entwirft. In dieser Hinsicht haben wir es mit einem Stck Archologie der Wissenschaften und deren Spaltung zu tun. Der Streit zweier Wissensmodelle, die teilweise artikuliert werden kçnnen – wie etwa schon bei Francis Bacon, Hobbes, hauptschlich aber bei Spinoza oder Le Clerc –, ist bestimmend fr die Behauptung der kritischen Idee, die sich mit der Frhaufklrung allgemein verbreitet. So prgt die Philologie noch den Wortschatz der Philosophen, von Spinozas emendatio intellectus bis zu Kants Kritik der Vernunft. Es ist besonders wichtig, eine bessere Kenntnis dieser Spannung zu vermitteln, da ihre Bedeutung inzwischen verloren gegangen beziehungsweise aus dem Blickfeld geraten ist, zugunsten einer Geschichtsschreibung, die einseitig den Siegeszug der modernen Philosophie sowie der Naturphilosophie betont. Wenn Philologen sich mit philosophischen Texten beschftigen, oder umgekehrt, wenn sie aus den exegetischen Regeln eine Methode beziehungsweise eine Methodik entwickeln, legen sie auch den Grund fr eine neue, rein philosophische Reflexion ber das Wissen und seine Ordnung.
12 Windelband 1924, Geschichte und Naturwissenschaft; dazu Krijnen/Orth (Hrsg.) 1998, Sinn, Geltung, Wert.
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5. Zwischen Kritik und Enzyklopdie: Urteilen und Anordnen Die hier versammelten Studien sind ein Beitrag zu einem besseren Verstndnis dieses komplizierten Sachverhalts, den unsere raffinierte und ausdifferenzierte wissenschaftliche Kultur nicht immer angemessen zu schtzen weiß. Im ersten Teil wird zunchst die Konstitution des philologischen Instrumentariums durch die Bearbeitung ihrer Grundbegriffe vorgestellt, die sich als Experiment der Vernunft an ihrer sprachlichen Gegebenheit zeigt. Dann wird thematisch untersucht, welche Wirkungen der philologische Blick auf gewisse wissenschaftliche Gesprche in den Bereichen der Kosmologie, der Astronomie und der Chemie gehabt haben mag. Als einen spezifischen – und besonders problematischen – Fall darf man die philologia sacra betrachten, die dafr sowohl in ihrem Verhltnis zur Naturwissenschaft als auch ihren inneren kritischen Ansprchen dargestellt wird. Schließlich werden die enzyklopdischen Anwendungsmçglichkeiten der Philologie anhand von zwei Beispielen skizziert. Aufgabe ist es, den strengen Begriff der Philologie als ars critica in der Frhen Neuzeit in der Vielfalt ihrer Gestalten zu beschreiben. Fosca Mariani Zini (Lille/Mnchen) versucht, den Beitrag der humanistischen Philologie einzuschtzen. Indem sie die Wissenschaftsgeschichtsschreibung einer kritischen Untersuchung unterzieht – die eine (meist die italienische Geschichtsschreibung) sucht teleologisch nach Vorfahren, die andere (in der angelschsischen Welt) beurteilt die ltere Philologie abschtzig nach modernen Wissenschaftskriterien –, bereitet sie den Weg fr eine angemessenere Aufnahme des Erbes der Renaissance. Gegen die gngige Vorstellung, die humanistische Philologie sei durch ein bermaß von Konjekturen und insbesondere durch deren Beliebigkeit gekennzeichnet, die systematische recensio sei dagegen der einzige wissenschaftliche Weg zur Rekonstruktion eines Archetyps, betont Mariani Zini die methodische Bedeutung der Konjektur. Bei Lorenzo Valla (1407 – 1457) und Angelo Poliziano (1454 – 1494) nmlich kçnne man von einer dialektischen Legitimierung der emendatio sprechen. Was in der Rhetorik ein a-technisches beziehungsweise externes Beweismittel war, wird in der Philologie zum Gegenstand der Beweisfhrung. Nach diesen einleitenden berlegungen ber den Humanismus zielen die folgenden Beitrge auf die Frage, wie die Philologie als ars critica zu einem eigenen Methodenbewusstsein gelangt ist. Pierre Lardet (Paris) zeigt, dass sich die Kritik (erst im 19. Jahrhundert wird sich der Ausdruck ‘Philologie’ durchsetzen) immer als techne oder ars, die Grammatik dagegen unterschiedlich verstanden hat. So hatte zum Beispiel Julius Caesar Scaliger
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(1484 – 1558) darauf bestanden, dass seine Schrift De causis linguae latinae (1540) gemß seines Wissenschaftsanspruchs beurteilt wurde, weil er darin philosophisch mit den vier aristotelischen Ursachen operiert. In diesem Fall bedeutet der Wissenschaftsanspruch eine Entphilologisierung. Auch bei Scaligers Sohn Joseph-Justus (1540 – 1609) hat die Philologie nur eine bergangsrolle gespielt, da sein Hauptziel die Begrndung einer auf der Chronologie basierten Geschichtswissenschaft war. Sein Buch De emendatione temporum (1595) zeugt von dieser Fortentwicklung. Das Paradox des Philologen als Emendator ist nmlich, dass seine Aufgabe mit ihrer Ausfhrung verschwindet. Indem er beauftragt wird, einen lesbaren Text zu liefern, soll er sich berflssig machen. Mit genauen Grenzziehungen zeigt Pierre Lardet, wie komplex und verwickelt die frhneuzeitliche wissenschaftliche Lage ist, und wie man doch genaue bertragungen von einem Gebiet in das andere verfolgen kann. Die dauerhafte Aktualitt dieser philologisch geprgten Urteilslehre wird ber die klassische Philosophie hinaus bei der Performance des gebrtigen Indianers James Luna whrend der venezianischen Biennale 2005 besttigt. Nach dieser bersicht, die viele Autoren von Poliziano bis Jean Le Clerc und manche Problemfelder berhrt, befassen sich zwei weitere Beitrge mit Spezialfllen. Klara Vanek (Kçln) untersucht die kritische Methode, wie sie im enzyklopdischen Begriff der ‘Philologie’ bei Johannes Wower (1574 – 1612), in der Tractatio de polymathia (1603), dargestellt wird. Wower band die Grammatik und Kritik in ein Konzept von Polymathie und Enzyklopdie ein. Außerdem entpuppt sich Wowers Darstellung von Textkritik bei nherem Hinsehen als ein Abriss der antiken, vornehmlich der hellenistischen Grammatik. Wower kompilierte fr die kritike ein betrchtliches Korpus an antiker und byzantinischer Literatur und brachte so umfassende antike Wissensbestnde ber Textkritik und Philologie zutage. Wower gibt ausfhrliche Quellen an, die ber die Bestimmung der Grammatik und der Kritik in der alexandrinischen Philologie Aufschluss geben und besonders fr die genaue und oft bestrittene Inspiration der modernen critica neben der grammatica und der philologia begriffsgeschichtlich wertvoll ist. Das ‘Panoptikum an antiquarischer Gelehrsamkeit’, das Wower zusammenfasste und verfgbar machte, bildete eine wichtige Inspirationsquelle fr die spteren Gelehrten. Hl ne Parenty (Clermont-Ferrand) konzentriert sich ihrerseits auf die Werkstatt von Isaac Casaubon (1559 – 1614), indem sie anhand von dessen Exzerptenheften sein philologisches Verfahren prft. In seinen Animadversiones in Athenaeum (1600) hat Casaubon den Criticus portrtiert, der Urteilskraft (judicium) mit Wissen (eruditio) und Praxis (usus) verbinden soll. Die in der Bodleian Library erhaltenen Adversaria geben Ausknfte
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ber die Art, wie Casaubon seine Kommentare mit Hilfe dieser Sammlungen von als notatu digni ausgewhlten Wçrtern und Fakten vorbereitet hat. Man kann sich dabei fragen, ob die Liebe zur varietas als methodisch bezeichnend fr die Arbeit des Philologen betrachtet werden kann und zu welchen neuen Anordnungsprinzipien diese Arbeitsmethode fhrt. Nach dieser Sondierung der strengen Praxis der Philologie als Textbehandlung und Verbesserung, die an sich bereits Anstze der Vernunft zeigen, werden in der folgenden Sektion Philologie und Naturwissenschaft die Berhrungspunkte sowie die Streitpunkte zwischen beiden untersucht. Dabei wird das Problem verfolgt, wie bei der direkten Konfrontation dieser sprachlichen Technik mit den Ansprchen der modernen Naturwissenschaft ein festes Wissen von den kosmologischen Begebenheiten hervorgebracht werden kann, welches das unendliche Universum als seinen Rahmen entwirft. Eckhard Keßler (Mnchen) zeigt in seinem Beitrag Philologische Methode und Naturwissenschaft, wie die Philologie ihr Anwendungsgebiet seit der Antike stufenweise erweitert hat. Als Kunst der Behandlung von Texten hatte sie bereits bei den Alexandrinern eine spezifische praktische Funktion, nmlich die Etablierung eines Kanons von klassischen Werken, welche aufgrund ihrer besonderen Bedeutung einer Wiederherstellung ihrer Form, einer Erklrung ihres Sinns und einer berlieferung bedrftig und wert waren. Es hat sich hierbei zumeist um poetische Werke gehandelt. Die philologische Methodik wurde dann in der Renaissance auf die Historiographie ausgeweitet, indem das Interesse an sprachlicher Vermittlung individueller menschlicher Erfahrungen ins Zentrum rckte. Der Sinn fr die Kontingenz menschlicher Handlungen fhrte laut Keßler ber die Historiographie im engeren Sinne hinaus zu einer Historisierung auch der Naturwissenschaften, soweit diese sich als Produkte des praktischen, sinnlichen und theoretischen Umgangs der Autoritten mit der Natur verstehen ließen. Die philologische Behandlung der Leittexte (wie Aristoteles oder Galen) fhrte zu ihrer Pluralisierung und zur Untergrabung ihrer Autoritt. Die zwei folgenden Beitrge geben zwei verschiedene Beispiele, wie die Philologie mit der Naturwissenschaft in Berhrung treten konnte. Mit Lucas Holstenius (1596 – 1661) beschreibt Ralph Hfner (Tbingen) eine Gelehrsamkeit, die eher parallel zu den naturwissenschaftlichen Entwicklungen entstand, diese aber trotzdem wahrnahm. So kann man, nach Hfner, in Holstenius’ lateinischer bersetzung der Sonnenhymnik des Proklos in gewisser Weise die Aufnahme des heliozentrischen Weltbildes erkennen, auch wenn Holstenius selbst explizit nur mit philologischen und poetischen Quellen umgeht. Bei Pierre Gassendi (1592 – 1655) lsst sich dieser Prozess
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in beinahe umgekehrter Weise beobachten, wie Emmanuel Bury (Versailles) erklrt. Dieser habe seine neue wissenschaftliche Weltauffassung durch die Autoritt eines antiken Philosophen zu legitimieren versucht. So bringt ihm seine Epikurforschung Argumente fr sein Syntagma Philosophicum (1658), und hilft ihm, eine Alternative zum Aristotelismus anzubieten. Mit der Verbesserung des Textes von Epikur (in Diogenes Lartius, Buch X) versuchte Gassendi seine eigene Lehre zu verteidigen, indem er Epikur zu ihrem Wegbereiter machte. Wenn auch der rein philologische Anteil seiner Animadversiones in Decimum Librum D. Laertii (1649) in Anbetracht des Kommentars selbst nur gering ist, so sollte er nach Gassendi dennoch erheblich zur berzeugung seiner Widersacher beitragen. Wenn er ecjour mit moleculas (und nicht mit tumores, wie Traversari es getan hatte) wiedergibt, so versucht er anscheinend, einen Begriff zu schaffen, der zwischen dem Atom und der Erscheinung bestimmte Phnomene erklren kçnnte. Die strategische Rolle der philologischen Aneignung Epikurs durch Gassendi soll aber nicht bersehen lassen, dass Gassendi auch ein eigenes philosophisches Interesse an Epikur hatte und zugleich eine radikal andere Wissensauffassung verteidigte. Den bergang von der Naturwissenschaft zur biblischen Philologie in der dritten Sektion Die Bibel zwischen Naturwissenschaft und Textgeschichte bildet der Aufsatz von Lutz Danneberg (Berlin), der die hermeneutische Tragweite von Galileis Verteidigung der kopernikanischen Kosmologie analysiert. Dabei wollte sich Galilei wohl zuerst nur gegen die Angriffe der Kirche verteidigen, indem er glaubte beweisen zu kçnnen, seine Physik ließe sich reibungslos mit der richtig verstandenen Bibel vereinbaren. Gleichwohl stellen seine scharfsinnigen berlegungen einen eigenen Beitrag zur Entwicklung nicht nur der katholischen hermeneutica sacra dar. Vor dem Hintergrund der engen Verbindung zwischen der probatio hermeneutica und der probatio theologica in den christlichen Auslegungslehren mit der nicht zuletzt auf die Auctoritas Augustini zurckgefhrten Prioritt des buchstblichen Sinns (sensus litteralis), reflektiert Galilei ausdrcklich auch die Bedingungen fr den bergang vom wçrtlichen zum nichtwçrtlichen (figrlichen) Sinn der Heiligen Schrift. Hinzu kommt als spezieller Gedanke der ihrer Anpassung an die beschrnkte Fassungskraft der Menschen. Aber da, wo Theologen die accommodatio ad captum vulgi als notwendige Herablassung der Heiligen Schrift angesichts der Schwche aller Menschen deuten, verbindet sich bei Galilei dieses hermeneutische Mittel zur Schlichtung des Konflikts intra- und extrabiblischer Wissensansprche mit der Unterscheidung von cognitio vulgaris des vulgus und der cognitio accurata des nichttheologischen Experten, des Philosophen. Damit gewinnt der
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traditionelle Gedanke der Akkommodation zur Lçsung interpretatorischer Probleme eine spezielle Funktion fr die Schlichtung von Konflikten zwischen dem neu gebildeten naturphilosophischen Wissen und der tradierten Wçrtlichkeit der Heiligen Schrift. Wo sich solche Konflikte auftun, lassen sie sich (grundstzlich) durch die Annahme des Vorliegens einer Akkommodation beheben, da die Wahrheit nicht gegen sich selbst streiten kçnne – ein weithin unstrittiger Grundsatz. Konsequenz dieses Brckenschlags vom buchstblichen zum angeglichenen Sinn aber ist, dass der sensus litteralis der Bibel nicht immer die objektive, eigentliche Wahrheit (cognitio philosophica) wiedergibt, sondern sich allein nach dem richtet, was dem wissenschaftlichen Laien als verstndlich und plausibel zumutbar erscheint. Bei dem in mathematischen Lettern geschriebenen ‘Buch der Natur’ hingegen habe sich Gott nicht der Fassungskraft des Menschen angepasst, und daher sei dieses Buch auch durchgngig dem akkuraten philosophischen Erkennen zugnglich. Das rechtfertige dann, dieses Erkennen eines Gegenstandes, der jenseits von Anpassungen an die menschlichen Schwchen unverstellt ist, zur Grundlage auch der Deutung der Aussagen der Heiligen Schrift zu nehmen, insofern sie von Dingen der Natur und nicht von Glaubensdingen spricht, die ihre eigentliche Domne darstellen und in der sie sich nach Galilei auch nicht angepasst habe. Nicolas Piqu (Lyon) stellt die Akten und die Auswirkungen des Streits zwischen Richard Simon (1638 – 1712) und Jean Le Clerc (1657 – 1736) ber die Auffassung der Bibel dar. Wo Simon sich aufgrund seines starken Traditionsbegriffs, nach welchem die Wahrheit nicht an den Ursprung gebunden war, mit der Geschichtlichkeit und Zweideutigkeit der Urkunden abfinden konnte, musste Le Clerc die Tradition und sogar den Buchstaben angreifen, um die Botschaft von ihrem historisierten Medium zu lçsen. Die wissenschaftliche Kritik wird also von beiden auf unterschiedliche Weise eingesetzt: Sie konzentriert sich bei Simon auf die Textberlieferung, bei Le Clerc auf die sprachliche Form und den historischen Zusammenhang, ohne jeweils den Wahrheitsanspruch der Bibel in Frage zu stellen. Diese Auseinandersetzung ist kennzeichnend fr die unterschiedlichen Auffassungen von Textkritik sowie fr die Dramatisierung des Streits zwischen Bibelautoritt und historischer Kritik, die zu einem vçllig neuen Verstndnis der Geschichte selbst hinfhren. Die Beitrge der letzten Sektion Philologie und Enzyklopdie machen die Beziehungen zwischen der philologischen Arbeit und der historischen Erkenntnis zum Thema. So untersucht Anette Syndikus (Mnchen) die Spannung zwischen der Kritik und dem Universalismusanspruch bei Gabriel Naud (1600 – 1653), wie sie vor allem in seinen bibliographischen
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Schriften sprbar ist, nmlich in dem Advis pour dresser une bibliothque (1627) und in der Bibliographia politica (1633). Genaue philologische Quellenarbeit und der Versuch, ‘alle Knste und Wissenschaften’ zu erfassen, scheinen sich auszuschließen. Die Flle der Enzyklopdie scheint tendenziell dem Anspruch einer vernnftigen neuen Anordnung des Wissens zu widersprechen, doch soll bei Naud eine „cognoissance superficielle de tous les arts & sciences“uns von bestimmten Meinungen und Vorurteilen befreien. InGabriel Nauds enzyklopdischen Schriften finden sich nmlich beide Ansprche – zumindest der Intention nach – vereint: Erst die Kenntnis verschiedenartiger, auch bisher vernachlssigter Bcher und Erfindungen aus der Vergangenheit ermçgliche Fortschritte in den Wissenschaften; denn nur so, durch das Abwgen der Standpunkte, werde das Urteilsvermçgen geschrft. Dass mit Nauds Betonung der Gesamtheit der Disziplinen in ihrem historischen Verlauf tatschlich eine Neuordnung des Wissens in Gang gesetzt wurde, belegt die Rezeption seines Ansatzes ab ca. 1640 in der frhneuzeitlichen Wissenschaftsgeschichte, die spter als Historia literaria unter anderem die universitre Propdeutik geprgt hat. In Deutschland, wo Peter Lambeck, Hermann Conring oder Valentin Heinrich Vogler sich um die Historia literaria bemhten, war dieser Versuch besonders wichtig. In seinem Beitrag Mikrogramme des Orients stellt Martin Mulsow (Rutgers University, NJ) die Exzerpte aus Cudworth von Johann Christoph Wolf (1683 – 1739) vor und kommentiert sie. Bei den Exzerpten handelt es sich um zumeist in winziger Schrift verfasste Notizbcher, die nach Lemmata geordnet sind und die die Art seines Wissenserwerbs dokumentieren. Die spteren Bcher, darunter sein Manichaeismus ante Manichaeos, et in christianismo redivivus (1707), greifen auf sie zurck, wie berhaupt alle seine Arbeiten zur Kirchengeschichte und Religionsgeschichte. Wenn das Exzerpieren bei Casaubon dessen Kommentare bereicherte, was waren dann Wolfs Absichten? Der Herausgeber der Casauboniana (1710) hatte sicherlich auch andere Ziele, die noch der Tradition der Kontroverstheologie verpflichtet waren und zugleich auf eine orientalistische Erweiterung des historischen Wissens hindeuteten. Der gelehrte Habitus der Zitatsammlungen galt aber zuerst keiner wissenschaftlichen Absicht, sondern der Fortfhrung der Theologie mit anderen Mitteln. Vielfltig wird also durch die angefhrten Beispiele die Bedeutung der ars critica fr andere Gebiete des Wissens und Denkens angedeutet. Sei es bei der Verfertigung bestimmter Korrekturverfahren oder bei der grundstzlichen Reflexion ber die Klassifizierung eines sich rasch anhufenden Wissensbestands: Die Philologie fçrderte die Ausbildung einer autonomen Urteilskraft, die den Umgang mit der berlieferung als einen nicht nur
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rezipierenden, sondern auch rekonstruierenden Prozess verstand. Ein Modell fr die Wissenschaft der Neuzeit war die Philologie sicher nicht; sie hat aber auf die Neuformung der Wissensauffassung bis in die Philosophie und die Naturwissenschaft hinein erheblich eingewirkt. Wenn das vorliegende Buch diese noch zu entdeckende mittlere Gegend zwischen zwei auseinander getretenen Wissenszweigen gangbar und anziehend fr andere macht, so wird es getan haben, was es verspricht.
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Das Erbe der humanistischen Philologie1 Fosca Mariani Zini 1. Vom Unbehagen der Erwartung eines reichen Erbes Damit von einem Erbe die Rede sein kann, muss es etwas geben, das der Nachkommenschaft hinterlassen wird – und natrlich sollte es sich dabei vorzugsweise um etwas Wertvolles handeln. In der Historiographie gilt oftmals als wertvoll, was neuartig ist. So gesehen bestnde das Erbe der humanistischen Philologie in der Neuartigkeit ihrer Lektre- und Interpretationspraxis, die sie an die tradierten Texte herantrgt. So wre im italienischen Humanismus des 15. Jahrhunderts eine neue ars, ja eine neue Methode entwickelt worden, die zunchst den Wortlaut der tradierten Texte rekonstruiert, um dann deren Sinn zu deuten. Wie will man Aristoteles oder Vergil verstehen, wenn man nicht lesen kann, was sie gesagt oder geschrieben haben? Die Humanisten htten sich mithin von den allegorischen Lektren und den abenteuerlichen Etymologien (des Mittelalters) verabschiedet. Vor allem aber htten sie das genealogische Studium der handschriftlichen berlieferung begrndet – und mit dem großen Poliziano sogar den Grundriss einer ekdotischen Methode skizziert. Von daher sei es zu verstehen, dass die Humanisten ein begrndetes Misstrauen gegenber der Konjektur gehegt htten.2 Doch der Versuch, das Erbe der humanistischen Philologie anhand des Kriteriums zu beurteilen, was sie an Neuartigem und Wertvollem in der Kunst, die Werke der Alten zu lesen und zu verstehen, hervorgebracht hat – dieser Versuch sttzt sich auf falsche Vorannahmen und fhrt zu falschen Schlussfolgerungen. Die erste dieser falschen Vorannahmen ist die folgende: Das Neue ist auch das Beste. Dies ist nmlich ein Werturteil, kein rationales Argument, und daher ist es ebenso wertlos wie sein Gegenteil: Das Alte ist das Beste. – Wie oft wird doch der ‘guten alten Zeit’ nachgetrauert. 1 2
Aus dem Franzçsischen von Klaus Grbl. Danken mçchte ich Lutz Danneberg, der Hinweise zur Sache gab, sowie der Alexander von Humboldt-Stiftung, die diese Forschung ermçglichte. Vgl. dazu Rizzo 1973, Lessico filologico.
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Aus der Sicht der Historiographie impliziert die genannte Vorannahme aber noch eine weitere, die da lautet: Was spter kommt, ist viel besser als das, was frher da war. Auch dies ist ein Werturteil, dessen Gegenteil natrlich ebenso unbrauchbar ist. Diese Annahme ist jedoch symptomatisch fr eine teleologische Konzeption von Geschichte, die sich in der italienischen Historiographie sehr hufig niedergeschlagen hat. Nach diesem Verstndnis htte sich die humanistische Philologie von den ‘barbarischen’ Interpretationsverfahren der mittelalterlichen Universitten verabschiedet und die rigiden Standards der Lachmannschen Philologie antizipiert. Diese teleologische Sichtweise, die ja an sich schon fragwrdig ist, fhrt zu fatalen Konsequenzen: Die Historiographie hat sich nmlich in die Irre fhren lassen, so dass sie heute in großen Schwierigkeiten steckt. Sie ist gewissermaßen in eine Falle geraten, die die Humanisten selbst mit Geschick ausgelegt hatten. Denn oft hat sie die Neuheit, die tempi moderni, die die Humanisten verkndeten, allzu wçrtlich genommen, ohne sich wirklich darber im klaren zu sein, dass diese vorgebliche Modernitt vor allem ein Mittel der Autoreprsentation war: ein Selbstbildnis fr die Nachwelt. Wer aber genauer hinschaut, der erkennt im Italien des 15. Jahrhunderts eine Situation des intensiven Kontakts und des Austauschs zwischen den Gelehrten und dem Hof, so dass die wahren Zsuren vielleicht gar nicht da liegen, wo sie oftmals gesucht wurden.3 Folglich sieht sich die Historiographie – vor allem die italienische – großen Schwierigkeiten gegenber. Sie versucht nmlich in der Tat, die humanistische Lektrepraxis mit dem Maß der Philologie zu messen, wie sie heute als wissenschaftliche Disziplin besteht. Der Blickwinkel, der hier eingenommen wird, kann als ‘Innenperspektive’ bezeichnet werden: Untersucht wird die Entwicklung einer Methode und einer Disziplin, die man – retrospektiv – ‘Philologie’ nennen kann. Man kennt das Ende der Geschichte (oder glaubt zumindest, es zu kennen), und ausgehend von diesem Ende werden die Anfnge bewertet. Dieser Standpunkt ist mçglicherweise legitim; er bringt aber große Probleme mit sich, denn er beinhaltet – nochmals – eine falsche Schlussfolgerung und eine falsche Vorannahme. Ich mçchte zunchst auf die falsche Schlussfolgerung eingehen: Die Schlussfolgerung ist, dass die humanistische Philologie unter den gegebenen Voraussetzungen (einer teleologischen Geschichtskonzeption) nach dem Kriterium ihres ‘Erfolgs’ bewertet wird. Kann man aber tatschlich behaupten, dass die humanistische Philologie eine philologische Methode war, eine kritische Wissenschaft, die den Wortlaut der Quellen wiederherstellte? 3
Vgl. dazu Bianchi 2003, Studi sull’aristotelismo.
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An dieser Stelle werden die Probleme besonders deutlich. Historiker wie Branca, Rizzo und Daneloni4 haben mit großer Przision die humanistische Lektrepraxis rekonstruiert, und sie haben dabei klar und deutlich deren Grenzen aufgezeigt. Nichtsdestoweniger wird den Humanisten nach wie vor ein ausgereiftes philologisches Wissen unterstellt: ein Wissen, das die Konjektur ablehnt und das sich der genealogischen Methode bedient, ein gewissenhaftes Manuskriptstudium, das die auctoritas hçher bewertet als die ratio. Nach dieser Konzeption wre die humanistische Philologie drauf und dran gewesen, eine echte Wissenschaft zu werden!5 Entsprechend leicht ist es der amerikanischen Historiographie gefallen, diese Sichtweise anzuprangern: So konnte die Annahme widerlegt werden, dass es im 15. Jahrhundert so etwas wie eine Philologie gegeben habe. Es konnte gerade der innovatorische Charakter der humanistischen Philologie relativiert werden;6 ferner wurde die herausragende Stellung von Poliziano betont;7 und es wurde gezeigt, dass die vermeintliche Exklusivitt mit einigen durchaus banalen Elementen versetzt war.8 Wenn also die humanistische Philologie als ‘Erfolgsprojekt’ in Bezug auf die positivistische Philologie Lachmannscher Prgung bewertet werden soll, dann ist andererseits zu erwarten, dass die ‘Misserfolge’ mçglichst ausgeblendet werden und dass gegen Einwnde wie die folgenden angegangen wird: Wenn es da etwas gab, dann war das keine Philologie; wenn es tatschlich eine Philologie gab, dann nur als Ausnahmeerscheinung; und auch diese Ausnahmen waren am Ende nur scheinbare. – Darber hinaus argumentieren einige neuere Arbeiten,9 dass bestimmte Aktivitten, die angeblich philologisch oder humanistisch gewesen sein sollen, wie zum Beispiel die genealogische Methode, die Mehrsprachigkeit und das vergleichende Textstudium, auch schon frher praktiziert wurden. Wo will man dann aber die Trennlinie setzen? Was die spezifischen Leistungen des Poliziano angeht, so erscheint es zunchst einfacher, diese gegen die Kritiker zu verteidigen: Entgegen allen Einwnden kann immerhin argumentiert werden, dass er der einzige war, der das conferre und das emendare unterschied und der die Geschichte der 4 5 6 7 8 9
Vgl. z. B. Rizzo 1973, Il Lessico; Branca 1983, Poliziano; Daneloni 2001, Poliziano. Eine erwhnenswerte Ausnahme ist Cesarini Martinelli 1978, Margine al commento di A. Poliziano, insbesondere 77 f. Vgl. Hankins 1990, Plato. Vgl. Grafton 1983, J. Scaliger, Bd. 1, Kap. 1. Vgl. Grafton 1983, J. Scaliger, Bd. 1, Kap. 1; Wilson 1992, Byzantium. Ich denke etwa an die Untersuchung zur mittelalterlichen Exegese von Dahan 1999, Exgse chrtienne.
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Handschriften zurckverfolgte. Doch unglcklicherweise stellt sich auch das große Erfolgsprojekt der humanistischen Philologie, nmlich Polizianos Secunda centuria,10 als Misserfolg heraus, und zwar gleich in doppelter Hinsicht: Zum einen ließ Poliziano sein Werk unvollendet. Seine erste Arbeit, die Prima centuria,11 war von den Zeitgenossen scharf kritisiert worden, weil sie nicht erkannten, welche Neuerungen seine Methode gegenber den Humanisten wie etwa Calerdini brachte, mit denen er freilich sehr hart ins Gericht ging.12 Zum anderen wandte sich Poliziano in den letzten Lebensjahren von der Poesie und von der Philologie ab, um sich der Lehre des Organon in der Linie der akademischen Tradition zu widmen.13 Es gibt einige Anzeichen, die auf eine Krise Polizianos gegenber seiner eigenen Lektrepraxis schließen lassen; diese Hypothese wird von vielen beinahe widerwillig formuliert. Denn die Resignation und die Umorientierung Polizianos stellen fr die Historiographie ein Problem dar. Bisweilen findet sich der Erklrungsversuch, Poliziano habe danach gestrebt, smtliche Aspekte des geschriebenen Worts zu verstehen, und zwar mithilfe einer Art enzyklopdischer Bildung, in der „das Leben zur Literatur und die Literatur zum Leben wird“.14 Doch schon die Wahl der Begriffe zeugt von großen Schwierigkeiten: denn das, was Poliziano selbst als encyclopedia bezeichnete, gleicht eher einem Wissenskatalog, und berhaupt sind wenige Begriffe so vage und unbestimmt wie der des Lebens. Der Rckgriff auf dieses Konzept ist Ausdruck des Unvermçgens, klare Definitionen zu geben, und er zeigt auch, dass es nicht einfach ist, den Organizismus des 19. Jahrhunderts hinter sich zu lassen. Doch das grçßte Unbehagen bereitet nach wie vor Lorenzo Valla. In seiner Repastinatio 15 wollte er sowohl die Argumentationskunst als auch die Ontologie reformieren, indem er sich sowohl mit Aristoteles und Quintilian als auch mit Boetius und Paulus Venetus auseinandersetzte. Er prangerte die Falschheit der Donatio Constantini an,16 und zwar mit Argumenten, die den Anspruch auf Beweiskraft erhoben. Dem Historiker rumte er die Mçglichkeit ein, die Universalitt zu erreichen, die Aristoteles dem Tragçdiendichter vorbehalten hatte. In seinen Elegantiae 17 wagte er es sogar, das feh10 11 12 13 14 15 16 17
Poliziano 1972, Miscellaneorum centuria seconda. Poliziano 1489, Miscellaneorum centuria prima. Vgl. dazu Fera 1998, Dibattito umanistico. Vgl. dazu Poliziano 1986, Lamia. Vgl. dazu Branca 1983, Poliziano; Martelli 1995, A. Poliziano. Valla 1982, Repastinatio. Valla 1976, Falso credita. Valla 1540, „Elegantiarum libri“, Opera Omnia.
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lerhafte Latein Francesco Petrarcas zu verbessern, ganz zu schweigen von dem Unmut, den das Latein des Boetius bei ihm hervorrief. Das historische Studium der lateinischen Sprache diente seinem Streben nach lexikalischer perspicuitas (dies ist die Bedeutung von elegantia). Das Latein sollte wieder zu der przisen Sprache werden, die es bei den alten Rçmern war. In seiner ‘philologischen’ Arbeit ber Titus Livius machte er von einer Methode Gebrauch, die seine modernen Kritiker verstçrte und ihre Erwartungen enttuschte. M. Regoliosi hat dieses Thema ausfhrlich untersucht.18 Dank ihrer Untersuchung wurde die philologische Arbeit Vallas besser bekannt. So kritisiert er in seinem Antidotum in Facium 19 die Lektremethoden, die seine Kollegen und Rivalen am neapolitanischen Hof, Antonio Panormita und Bartolomeo Facio, auf Titus Livius anwendeten. Sicherlich machte Valla weithin Gebrauch von den palographischen Kriterien, die rational und çkonomisch sind und die nur die Beherrschung der handschriftlichen Abbreviationstechniken voraussetzten. Aber auch seine Rivalen bedienten sich dieser Methode, die ja weit verbreitet war. Sie ist unmittelbar aus den Schwierigkeiten der scriptio continua und aus den Problemen im Umgang mit den Fehlern der Kopisten hervorgegangen, ber die man schon seit langem geklagt hatte. Frappierend ist bei Valla jedoch der hufige Einsatz der Konjektur. Fr ihn ist die Berufung auf die auctoritas der Manuskripte nur Ausdruck eines schwachen und abhngigen Geistes. Außerdem interessiert sich Valla nicht fr die kritische Bewertung der handschriftlichen Zeugnisse, auch wenn er in der zweiten Version seiner Arbeit ber das Neue Testament, der Collatio,20 der Geschichte der Manuskripte etwas mehr Aufmerksamkeit schenkt. Das Schlimmste ist – wenn ich so sagen darf –, dass Vallas Konjekturen zu Titus Livius oftmals treffend sind, dass ihn die palographische Methode dagegen oftmals zu irrtmlichen Korrekturen verleitet. Das eigentliche Problem liegt sicherlich darin: Es gibt vielleicht gar keine sichere Methode, um den Wortlaut der Texte zu restituieren. Die ekdotische Methode, die Stemmata und die eliminatio codicum descriptorum verleihen der Philologie nicht den Status einer positiven Disziplin. Vielleicht darf man von der Philologie gar nicht erwarten, eine positive Wissenschaft zu sein. Der große Timpanaro, dessen kleines Buch La genesi del metodo di Lachmann 21 mit der Zeit immer besser wird, zeigt die Grenzen der Lachmannschen 18 Vgl. dazu Regoliosi 1986, Congetture a Livio; Regoliosi 1995, Divinatio e collatio; Regoliosi 2004, Filologia; Regoliosi 2005, Metodo filologico. 19 Valla 1981, Antidotum in Facium. 20 Valla 1970, Collatio. 21 Vgl. Timpanaro 1963, La Genesi.
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Methode auf: Sein mechanistisches Denken fhrt dazu, dass bedeutsame Varianten eliminiert werden; es kappt die Verbindung zwischen Textkritik und Interpretation und privilegiert den bequemen Begriff des Archetyps, ohne dabei die historisch determinierten sprachlichen Kontexte der berlieferung zu bercksichtigen. Diese Grenzen wurden selbst von den Schlern Lachmanns, vor allem von Otto Jahn wahrgenommen. Timpanaro lehnt die Vorstellung ab, dass die Philologie eine positive Wissenschaft sein kçnne, der Lachmann als Modell zu dienen habe. ber die auctoritas der berlieferung hinausgehend, pldiert er fr den rationalen Einsatz der Urteilskraft des Philologen, fr dessen Argumentation, seine Konjekturen, fr ein vielfltiges und ausgewogenes Wissen, fr das der Philologe G. Pasquali beispielhaft steht. Timpanaro und Rizzo bewerten Polizianos Begriff des Archetypen oder die Stellung, die die Konjektur bei ihm einnimmt, auf so unterschiedliche Weise, weil sie zwei unterschiedliche Konzeptionen von Philologie vertreten.22 Dies bedeutet, dass mindestens zwei verschiedene Auffassungen von Philologie mçglich sind und dass es nicht feststeht, ob die Humanisten sich in der Konzeption wiedererkannt htten, die ihnen blicherweise zugeschrieben wird. Vielleicht wrden sie sich am Ende in keiner der beiden Konzeptionen wiederfinden, die wir heute kultivieren. An dieser Stelle mçchte ich auf die falsche Vorannahme zurckkommen. Die Bewertung der humanistischen Philologie als tatschlicher oder imaginrer Erfolgsgeschichte, die auf ein ihr vollkommen fremdes Modell bezogen wird, ist Ausdruck der Tatsache, dass unser Urteil von unseren Erwartungen und berzeugungen, von unseren Ansprchen und Bewertungsmaßstben abhngt. Man msste die Perspektive umkehren und die Sache vielmehr aus der Warte der Humanisten angehen; man msste sich fragen, welche ihre Erwartungen und berzeugungen, ihre Ansprche und Bewertungsmaßstbe waren. Nun kçnnte man erwidern, dass dies ganz unmçglich sei; denn zum einen seien wir nicht in der Lage, nicht aus unserer Perspektive zu denken; zum anderen sei es uns nicht mçglich, uns in ihr Denken hineinzuversetzen. Doch dies ist kein Argument, sondern beschreibt nur den gegebenen Zustand. Wir mssen uns daher bemhen, uns ber unsere eigenen Vorurteile klarzuwerden. Darber hinaus sollten wir ernst nehmen, was uns verstçrt und Probleme bereitet. Anstatt ber unsere Irritation hinwegzugehen und Momente des bereifers oder des ausufernden Organizismus zu diagnostizieren, sollten wir dazu bergehen, das, was uns mangelhaft erscheint, in all seiner Kohrenz zu betrachten, wie etwa 22 Vgl. dazu Mariani Zini 1996, Poliziano.
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Vallas Vorliebe fr Konjekturen oder Polizianos Abwendung von der Philologie zugunsten der aristotelischen Dialektik. An dem Punkt, wo unsere Erwartungen enttuscht werden, sollten wir beginnen, die Erwartungen und den Anspruch der anderen zu verstehen. Die Fragen, die sich in dieser Perspektive stellen, sind folgende: Was bedeutete philologische Aktivitt fr die Humanisten? Welcher eigentliche Sinn wurde dieser Aktivitt zugeschrieben? Auf welche spezifischen Probleme sollte sie eine Antwort geben? Mir scheint, in genau diesem Sinne ist es legitim, die Frage nach einem mçglichen Erbe der humanistischen Philologie als Erkenntnis- und Wissenschaftsmodell zu stellen. Wohlgemerkt ist dieses Erbe nicht zwangslufig das ‘Wertvollste’, was die Humanisten uns hinterlassen haben. Denn in einer natrlichen Linie erben wir auch ihre Schwchen und ihre Mngel, ganz zu schweigen von den Schulden, die wir frher oder spter begleichen mssen – einschließlich der Zinsen. 2. Die Philologie als Urteilskraft Ich mçchte nun auf einige dieser ‘Schulden’ nher eingehen und mich dabei auf die Forschungsanstze beziehen, die von Denis Thouard im Einfhrungsvortrag zu diesem Buch skizziert wurden. Mehr noch als der Erfolg einer philologischen Methode, der eine große Zukunft bestimmt ist, stellt uns die humanistische Lektre- und Interpretationspraxis vor zwei nicht unerhebliche Probleme: Einmal bedarf es einer neuen Reflexion ber den Zusammenhang zwischen Denken und Sprache; zum anderen ist da der Versuch, ein neues Verfahren der Interpretation zu entwickeln, das diesem Zusammenhang gerecht wird.23 Das erste Problem betrifft also das Verhltnis von Denken und Sprache. Die ‘Geburt’ der humanistischen Philologie erklrt sich nicht nur aus den Ansprchen einer neuen Klasse von Gebildeten oder – ein wenig spter dann – durch die Erfindung des Buchdrucks; sie setzt eine sprachliche Situation voraus, wie sie kennzeichnend fr das Italien des 15. Jahrhunderts ist. Zu diesem Zeitpunkt ist Italien das einzige Land im von der lateinischen Schriftlichkeit dominierten Okzident, das zum einen eine Diglossie-Situation aufweist (um den Ausdruck von M. Tavoni zu gebrauchen)24 und das zum anderen schon eine hochrangige volkssprachliche Literaturproduktion vorweisen kann, nmlich dank Dante, Petrarca und Boccaccio. Die 23 Vgl. dazu Mariani Zini (Hrsg.) 2001b, Penser entre les lignes. 24 Vgl. dazu Tavoni 1984, Latino, grammatica, volgare.
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Hochrangigkeit dieser Literatur ist auf zwei Aspekte zu beziehen: Zum einen haben die genannten Autoren eine volkssprachliche Literatur begrndet, zum anderen postulieren sie fr ihr Werk einen ‘philosophischen’ Status – zumindest im Sinne der Moralphilosophie. Jedenfalls handelt es sich bei der Volkssprache – oder besser: bei den Volkssprachen – noch nicht um Kultursprachen, auch wenn mit Sperone Speroni schon ziemlich bald die Frage gestellt wird, ob man Philosophie auf mantuesisch betreiben kann. Doch auch das Lateinische stellt ein gewisses Problem dar. Die italienischen Humanisten beanspruchen es in direkter Erblinie fr sich, doch auch sie mssen anerkennen, dass das Latein nicht mehr ihre Muttersprache ist. Was noch schlimmer ist: es hat sich mit den Jahrhunderten so stark gewandelt, dass das Latein des Vergil nicht das Latein des Ennius oder Statius, des Boetius oder des Augustinus ist. Den Versuch, das Lateinische wiederzubeleben, hat es in Wirklichkeit aber nie gegeben. Die Humanisten sprechen unaufhçrlich davon wie von einem zertrmmerten und begrabenen toten Kçrper. Oft wird von dem Wunsch der Humanisten gesprochen, das Latein wieder aufleben zu lassen, mitsamt seiner großen Bildungstradition; doch dabei wird vergessen, dass sie zugleich betont haben, dass ein solches Unterfangen vçllig unmçglich sei. In Wahrheit waren ihre berlegungen nmlich viel subtiler. Oft sprachen die Humanisten in Bildern, bedienten sich berhmter aristotelischer Homonymien, wie etwa beim Vergleich der lebendigen und der toten Hand oder im Bild vom Brger, der keiner mehr ist, nachdem er seine Heimat verloren hat, es sei denn per Homonymie. Die Humanisten fragen sich vielmehr, welcher Art ihr Latein sein kçnnte, als Bildungssprache, wobei ihnen sehr wohl bewusst war, dass das alte Latein lngst begraben war. Denn man kann das Latein durchaus benutzen, wie die alten Rçmer das ihre benutzten, als Mittel der Kommunikation und des Austauschs und als Sprache, die eine Gemeinschaft stiftet. So gesehen bestehen die Unterschiede nur hinsichtlich der Methode, nicht hinsichtlich der Zielsetzung. Poliziano glaubt, dass sich im alten Latein alle Ausdrcke finden, die man braucht, und daher fhrt er in seinen Sprachgebrauch archaische Termini ein, die niemand mehr versteht. Valla glaubt ganz im Gegenteil, dass Neologismen zu propagieren sind und dass neue Sachen nach neuen Bezeichnungen verlangen, nach Bezeichnungen also, die wiederum niemand versteht, zumindest am Anfang. Somit entstehen die philologischen Aktivitten im Rahmen dieser besonderen Sprachreflexion. Das Bewusstsein, dass die Sprache eine Geschichte hat und individuell gebraucht wird und dass ein Nebeneinander von mehreren Bildungssprachen mçglich ist – dieses Bewusstsein macht die Frage nach der Verstndigung zum Problem. Man kann nicht verstehen, was
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der andere denkt, wenn man nicht rekonstruieren kann, was er sagt. Jedenfalls ist das, was er sagt, obskur – nicht nur aufgrund von Kopistenfehlern,25 sondern auch weil die Sprache historisch ist.26 Die Bedeutung der Wçrter verndert sich im Lauf der Geschichte, genauso wie die gesellschaftlichen Konventionen. Im brigen ist der Sprachgebrauch eines Autors immer einzigartig, er kann Neuerungen oder Abweichungen von bestehenden Regeln aufweisen. Wie will man diese Abweichungen bewerten? Dies lsst sich gut an Poliziano zeigen: Die eine oder andere Stelle bei Catull erscheint seiner lateinischen Sprache fremd;27 doch ist das nicht genau der richtige Ort fr eine Innovation, fr einen bewussten Traditionsbruch? Fr die Humanisten besteht das große philologische Problem nicht so sehr in der Gefahr, nichts zu verstehen, sondern darin, dass man zu verstehen meint, auch wenn man nichts versteht! Die Varianten und die vorgenommenen Korrekturen geben Anlass zu Konflikten, weil mitunter mehrere Lçsungen mçglich sind, weil man immer auch dann schon ein wenig versteht, wenn man sich irrt. Meiner Ansicht nach besteht eine der wichtigsten Hinterlassenschaften der Humanisten darin, dass sie auf originelle Art und Weise ber die Phnomenologie des Irrtums und ber smtliche Figuren des Falschen nachdachten. So klassifiziert etwa Valla die Figuren des Falschen auf einer Achse der Wahrheit und des Falschen im Wort und im Denken, die er mit der Achse der Absicht und des Unwillentlichen kreuzt.28 Eines des wesentlichen Philosopheme der Epoche ist die Verleumdung, das Verfahren, einen anderen etwas sagen zu lassen, was er so nicht gesagt hat, wobei aber wahre Zeichen benutzt werden.29 Ich werde das hier nicht weiter vertiefen, weil ich diese Figur schon an anderer Stelle untersucht habe. Darber hinaus gebrauchen die Humanisten oftmals den Ausdruck sincerus, um eine korrekte oder korrigierte Handschrift zu bezeichnen. Dies impliziert zwei Dinge: Ein ‘unverflschtes’ Manuskript ist nicht zwangslufig ein ‘wahres’ Manuskript, also eines, das dem Original am nchsten kommt; es ist ein Manuskript, dessen Wortlaut der Intention der Lesbarkeit am ehesten gerecht wird. Das Problem der Intention ist essentiell in der Rechtsphilosophie, etwa in den Topica des Cicero, oder auch in der Moralphilosophie seit Abelard. Im Humanismus wird die Intention zum zentralen Bezugspunkt der Interpretationskunst, jedoch nicht hinsichtlich dessen, was der Autor 25 26 27 28 29
Poliziano 1972, Miscellaneorum centuria seconda, 32, 37. Poliziano 1489, Miscellaneorum centuria prima, 14, 48, 83. Poliziano 1489, Miscellaneorum centuria prima, 19, 69. Valla 1982, Repastinatio, 10 – 20. Vgl. dazu Mariani Zini 2001a, Grammairien humaniste.
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htte sagen wollen, sondern hinsichtlich dessen, was tatschlich geschrieben steht. Die Reflexion ber die Figuren des Wahren und des Falschen muss der philologischen Praxis vorausgehen. Sie fußt auf zwei grundlegenden berzeugungen, die das Denken des klassischen Zeitalters ablehnte, zumindest in ihren wesentlichen Manifestationen. Zum einen ist das die berzeugung, dass Sprache nicht nur ein Mittel zum Ausdruck der Gedanken ist, sondern auch und vor allem ein konstitutiver Bestandteil des Denkens. In unterschiedlichen Sprachen wird nicht in identischer Weise gedacht, und mit dem Fortschreiten der Zeit werden in derselben Sprache nicht dieselben Sachen gedacht. Daher meinen die Humanisten, dass man, um das Wissen zu reformieren, zunchst die Sprache des Wissens reformieren muss. Eben dieses Projekt treibt sie an, nicht irgendein unbestimmter Hang zur Vielfalt, zur copia, oder gar eine noch konfusere Neigung zum ‘Leben’ des geschriebenen Worts. Wenn nun ein wesentlicher Zug des klassischen Zeitalters der Versuch ist, das Wissen zu reformieren – entsprechend ist der Begriff der emendatio sehr prsent –, dann geht es dabei in jedem Fall um eine Reform des Verstehensprozesses, denn nur so ist es mçglich, die Obskuritten des Sprachlichen zu berwinden. Die Reflexion ber das Wahre und das Falsche nimmt somit eine zentrale Stellung ein und sorgt fr vielfltige Probleme, wie sich etwa bei Descartes zeigt: Wenn Klarheit und Evidenz die Kriterien des Wahren sind, warum gibt es dann die Starrsinnigen, die dennoch nichts verstehen? Oder schlimmer noch: wie ist es zu erklren, dass man sich irrt oder dass man getuscht wird? Es muss wohl an den Leidenschaften liegen, wenn die Klarheit getrbt wird – nicht an der Sprache. Gibt es Hinweise auf derartige zeitgençssische Reflexionen, etwa in den Naturwissenschaften? Nun birgt der enge Zusammenhang von Denken und Sprache ein weiteres Problem, einen weiteren ‘Schuldposten’, wenn man so will. Es geht um die Funktion der Philologie als ‘Hilfsmittel’, als remedia. Wie will man die Bedeutung eines Diskurses verstehen, der einmalig ist und der in einer spezifischen Sprache in einer spezifischen Situation geußert wird? Oder anders ausgedrckt: Wie will man die Argumentation der anderen rekonstruieren, ausgehend von dem, was sie gesagt haben? Die philologische Methode hat also das Ziel, die Argumentation eines anderen zu rekonstruieren, bevor darber in angemessener Weise geurteilt werden kann. Doch hier stçßt man auf eine erste Schwierigkeit: Auch wenn die Humanisten eine Form der Analogie voraussetzen mssen zwischen der Art und Weise, wie ich argumentiere und denke und wie ein anderer argumentiert und denkt, so heben sie doch hervor, dass man den Diskurs des
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anderen nicht von sich selbst aus denken kann. Denn wrde man dies tun, so verfehlte man in der Tat die Einzigartigkeit dessen, was der andere wirklich gesagt hat. An anderer Stelle habe ich die Parallelen der humanistischen Philologie zur hermeneutica rationalis herausgestellt; es bleibt aber bei einem grundlegenden Unterschied: Wenn ich einem anderen hnlich bin, so ist er mir nicht hnlich.30 Und schon tut sich ein zweites Problem auf: Die Rede, die ich anhand des Gesagten zu rekonstruieren versuche, ist nicht mehr: kein Dialog ist mçglich. Die Philologie arbeitet zwar mit ‘Zeugnissen’, doch gilt es den Begriff der Zeugschaft neu zu denken. Denn die Philologie kann sich nicht auf Augenzeugen berufen oder auf die Art von Zeugnissen, wie sie dem Historiker zur Verfgung stehen. Die Philologen sind sich durchaus bewusst, dass das Zeugnis das schwchste Glied in der Argumentationskette ist. Sie wissen das aufgrund ihres intensiven Studiums rhetorischer und juristischer Texte. Fr Aristoteles haben Zeugenaussagen – genauso wie die Folter – keine Beweiskraft, sie sind keineswegs bindend und kçnnen ebenso zur Verteidigung wie zur Anklage dienen. Wo Aristoteles von technischem versus untechnischem Beweis sprach, bedienen sich dagegen Cicero und Quintilian der Opposition innerer versus ußerer Beweis. So werden Zeugenaussagen zwar als tatschliche Beweise anerkannt, ihr Status bleibt aber sekundr gegenber den inneren Beweisen.31 Schließlich geben Zeugenaussagen stets Anlass zu Kontroversen. Sie leisten keine eindeutige Klrung im Konfliktfall. So gesehen scheint mir der Versuch, den Humanisten das genealogische Verfahren zuzuschreiben, im Widerspruch zu stehen zu ihrer profunden berzeugung, dass Zeugenaussagen eine beraus problematische Form des Beweises darstellen. Poliziano behauptet fortwhrend, dass das Zeugnis der ltesten Handschriften nicht beweiskrftig ist, dass es darber hinaus der Urteilskraft und der Analogie bedarf. Die Philologie darf sich nicht an den Historikern orientieren, sondern – so sagt Poliziano selbst – an den Mathematikern und Anatomen.32 Es ist jedenfalls richtig, dass hier eine wesentliche Verschiebung stattfindet: Im Unterschied zu den griechischen und rçmischen Rhetorikern ist das Zeugnis fr die Humanisten kein Element des Beweises mehr, sondern Gegenstand der Untersuchung! Es ist nicht mehr das, was den Beweis liefert, sondern das, was es zu beweisen, was es zu bewahrheiten gilt. In eben dieser 30 Vgl. dazu Danneberg 1994, Probabilitas hermeneutica; Danneberg 2001, Logik und Hermeneutik; Danneberg 2005, Grammaticus. 31 Vgl. dazu Calboli Montefusco 1998, Force probatoire. 32 Vgl. Poliziano 1498, „Panepistemon“, Opera Omnia, 462.
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Hinsicht verabschiedet sich die humanistische Philologie von der rhetorischen Tradition der ußeren Beweise. Sie macht sich auf die Suche nach einer Methode, durch die der Wahrheitsanspruch oder zumindest der Anspruch auf Glaubwrdigkeit berprft werden kann. An dieser Stelle kommt die dialektische Tradition zum Zuge, nmlich als Methode der berprfung dessen, was der andere sagt. Eben diese Methode benutzt Valla in der Donatio Constantini, und eben diese Methode rechtfertigt seine Prferenz fr die Konjektur.33 Dieser Disziplin wendet sich Poliziano zu, als er der Philologie den Rcken kehrt, und zwar in dem Bewusstsein – so meine Hypothese –, dass man das, was der Autor sagen wollte, nicht aufgrund einer semantischen Einheit erschließen kann, sondern dass es dazu komplexere Einheiten in Betracht zu ziehen gilt, wie die Propositionen.34 Man kçnnte also sagen, dass die Humanisten neben den eher technischen ‘Hilfsmitteln’ (remedia) wie den Sprachkenntnissen, dem Paralleltextvergleich oder der lexikalischen Bedeutungsanalyse den reflektierten und kritischen Einsatz der Urteilskraft fordern. Dies geschieht mit dem Ziel, die Fundiertheit dessen zu berprfen, was ein anderer gesagt hat. Doch dabei verndert sich die Zielrichtung des Beweises: Es geht weder um die berprfung der Widerspruchslosigkeit dessen, was der Autor geschrieben hat, noch geht es um dessen Wahrscheinlichkeit – es geht vielmehr um dessen Kohrenz. Das Kriterium zur berprfung der Kohrenz ist die Inkompatibilitt, die Unvereinbarkeit. Nach Valla ist es beispielsweise inkompatibel, dass Constantin dieses oder jenes gesagt haben soll (das heißt unvereinbar mit seinem Stand, mit seinem Sprachgebrauch, mit seiner Interessenlage und so weiter); nach Poliziano ist es inkompatibel, dass Aristoteles gedacht haben soll, dass das Enthymem ein verkrzter Syllogismus sei (und zwar inkompatibel hinsichtlich der Definition der Prmissen, hinsichtlich des Vergleichs mit anderen Disziplinen der Argumentation und hinsichtlich Aristoteles’ eigener Argumentationspraxis).35 Die Erschließung der Inkompatibilitten ist nicht nur ein Hilfsmittel; sie impliziert vielmehr die Voraussetzung, dass die Argumentation des anderen Ausdrucks einer Form von Rationalitt ist, deren Kohrenz man zumindest rekonstruieren kann. Es ist die Voraussetzung, die man spter ‘Billigkeitsprinzip’ oder ‘principle of charity’ nennen wird. Man unterstellt, dass der andere weiß, was er sagt und warum er es sagt – bis zum Beweis des Gegenteils. 33 Vgl. dazu Ginzburg 2003, L. Valla. 34 Vgl. Poliziano 1489, „Dialectica“, Opera Omnia, 524 f. 35 Vgl. Poliziano 1972, Miscellaneorum centuria seconda, Kap. 55.
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Hall 1913, Companion, 108 ; Bollack [1977] 1997, Rflexions, 93 sq. ; Kenney 1974, Classical Text, 144 ; Grafton 1983, J. Scaliger, I, 229.
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Pierre Lardet
1. En quÞte de scientificit ? Politien, Beatus Rhenanus, Joseph Scaliger, Schoppe « L’valuation de la philologie humaniste en termes de russite par rapport un mod le qui lui tait tranger signifie que notre jugement se forme partir de nos attentes […]. Il faudrait renverser la perspective […]. C’est peut-Þtre quand [celles-ci] sont frustres que l’on peut commencer comprendre [celles] des autres ». Prolongeant la mise en garde d’Anthony Grafton cite en pigraphe, cette proposition de Fosca Mariani Zini m’appara t comme une invite dpasser le pessimisme teint de mlancolie dont ont fait montre nagu re d’minents spcialistes du domaine.2 Ainsi Edward J. Kenney qualifiait « les activits » de la Renaissance en la mati re d’ « essentiellement antiphilologiques », sauf distinguer de rares lueurs dans ce ciel sombre :en Politien, « certains gards en avance sur son poque », il discernait « quelque chose d’apparent la curiosit scientifique travaillant simplement se satisfaire elle-mÞme »; le « conservatisme » d’un Beatus Rhenanus lui semblait « pouvoir Þtre qualifi proprement parler d’attitude scientifique »; et constatant que Schoppe dfinit des « catgories d’erreur » en mati re de transmission des textes, il voyait l « une bauche (adumbration) – on aurait tort de dire plus – d’un traitement de la question plus scientifique qu’auparavant ». Cas isols sur fond d’un « chec d’ensemble quant un traitement scientifique des faits » impossible sans la reconnaissance de leur historicit, laquelle aurait chapp mÞme d’aussi grands esprits que Juste Lipse et Casaubon – mais pas Joseph Scaliger, « exception remarquable »3 Vittore Branca, de son ct, aura vant chez le Politien d’apr s 1490 des « positions d’quilibre pleinement scientifique » et « de scrupuleux doute mthodique ».4 Enfin Silvia Rizzo a salu dans telle 2 3
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Mariani Zini 2009, Erbe, 4 sq. (ici mÞme). Kenney 1974, Classical Text, 3, 5 sq., 27, 38, 48 (je souligne). Cf. Reynolds/ Wilson [1968] 31991, Scribes, 210 : pour la « notion d’archtype mdival », Scaliger tait « tr s en avance sur son temps » (« far ahead of his time »). Kenney dit Politien « in advance of his age » (p. 5), mais C.G. Cobet (1813 – 1889) « a century or so behind his time » force de « s’Þtre concentr sur l’emendatio » au mpris de la recensio : « approche fondamentalement non scientifique ou scientifiquement dficiente » (117 – 124, spc. 117, 119, 121 [je souligne]). Cf. inf., n. 175. Branca 1983, Poliziano, 247 (je souligne). Cf. 248 sq. : ses « intrÞts scientifiques » ; 250 : la philologie selon Politien, « science qu’il faut faire aller de l’avant avec une implacable acribie », « tablissant les choses scientifiquement » ; 251 : « science implicite prliminaire tout savoir ».
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dmarche du mÞme Politien une « rigueur scientifique », mais non sans souligner qu’une philologie qu’on puisse ainsi qualifier tait l’poque chose rarissime.5 A vrai dire, tait-ce mÞme seulement concevable ? Et ‘scientifique’ ne sert-il pas dans tous ces cas dsigner ce qui, des usages de ce temps, resterait validable par le ntre, apr s que la philologie y a acquis ses lettres de noblesse universitaire ? Anachronisme grce auquel seraient pieusement recueillies et exposes, une fois dtaches du ‘prscientifique’, les reliques o nous serions fonds reconna tre rtrospectivement nos valeurs. L’histoire des sciences nous apprend rinscrire dans les contingences de chaque poque des vrits supposes intemporelles. Politien, Beatus Rhenanus, Joseph Scaliger, Schoppe ne se souciaient pas de rpondre nos questions, ils ne visaient pas Þtre scientifiques au sens o nous l’entendons.6 John D’Amico recherche propos de Beatus une position d’quilibre : « Il est tentant de juger un diteur et critique textuel de la Renaissance d’apr s une mthodologie moderne de type lachmannien » et en mÞme temps « invitable pour l’historien de se rfrer, parfois inconsciemment, des principes modernes »; mais « caractriser sous forme d’tapes successives une entreprise scientifique ou semi-scientifique, c’est s’exposer aux dangers du progressisme ».7 En l’occurrence, l’apport « scientifique » de ladite « mthodologie moderne » rside d’ailleurs bien davantage dans la premi re partie de la critique textuelle, la recensio de la tradition manuscrite, que dans la seconde qui m’intresse ici, l’emendatio du texte (encore que celle-ci s’applique alors, non plus au textus receptus, mais celui que la recensio a permis de reconstruire).8 Cependant Luca Bianchi, autrement moins ngatif que Kenney dans son apprciation de la Renaissance, note judicieusement que, si la philologie y est devenue « une des forces d’entra nement de toute la culture », elle l’aura d « paradoxalement ses limites ‘techniques’ »: c’est « justement l’absence de crit res 5 6
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Rizzo [1973] 1984, Lessico, 249 et 262 (je souligne). Kenney met du reste en garde contre l’ «abus de langage » (qui consisterait parler de ‘philologie’ propos de Loup de Ferri res) et l’ «anachronisme » (qu’il y aurait « distinguer les fonctions de copiste, rudit, critique » chez les humanistes, ou « supposer qu’Aristarque, Hygin ou Loup aient entendu l’emendatio conjecturale au sens d’un savant moderne ») : Kenney 1974, Classical Text, 3 et 144. D’Amico 1988, Theory, 5 (je souligne). Kenney 1974, Classical Text, 112. Voir l’important ouvrage du ddicataire de Kenney : Timpanaro [1963] 1985, Genesi (et ses prolongements : Fiesoli 2000, Genesi).
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‘scientifiques’ pour dcider entre les diverses leÅons transmises par les manuscrits » qui « obligea une connaissance approfondie des auteurs »: d s lors, « de critique interne du texte, la philologie s’leva une forme gnrale du savoir historique » fonde sur un « principe hermneutique fondamental » remontant aux « grammairiens alexandrins », savoir que « chaque auteur est lui-mÞme son meilleur interpr te »: d’o cette chance que « les passages difficiles ou corrompus d’un auteur peuvent s’entendre la lumi re d’autres passages du mÞme ».9 2. Une terminologie plurielle : ars critica et philologie/philosophie Interrogation rhtorique, pourra-t-il sembler, que celle sur « la philologie, science ou art ? », tant la rponse s’impose : la notion d’ars critica n’estelle pas en effet classique pour dsigner cette discipline ? 10 Plus insolite en fait qu’il n’y para t, elle mrite qu’on s’y arrÞte dj. Et d’abord pour sa facture de syntagme accolant au substantif ars l’adjectif critica. Ici, c’est ce dernier qui dfinit : il dcoupe cette esp ce particuli re qu’est la ‘critique’ au sein de la gnralit de l’ars, genre lui-mÞme opposable – et souvent oppos – cet autre que dsigne scientia. O l’on voit que, si la philologie n’tait pas encore scien-ce, la science n’tait pas loin et pouvait se profiler son horizon, serait-ce sous la forme restrictive o Kenney l’introduit : « Textual criticism is not a pure, but an applied science ».11 Curieusement cependant le franÅais ne dit pas – ou plus – ‘la critique’ pour rendre ars critica,12 mais bien ‘la logique, la rhtorique’ en regard de ars logica, ars 9 10 11 12
Bianchi 2003, Studi, 195 (je souligne). Elle a t reprise rcemment – francise – dans le titre de Llored 2001, Philologie. Kenney 1974, Classical Text, 4 (je souligne). Cf. Simon 1678, Histoire, prface la 1re d., 13 sq., dans : Laplanche 1986, L’Ecriture, 230, n. 149 : « Chaque Art a ses termes particuliers et qui lui sont en quelque sorte consacrs. C’est en ce sens qu’on trouvera souvent dans cet ouvrage le mot de Critique, et quelques autres semblables, dont j’ai t oblig de me servir, afin de m’exprimer dans les termes de l’Art que je traitois. De plus, les personnes savantes sont dj accoutumes l’usage de ces termes dans notre langue. Par exemple, Cappelle, Critica Sacra [Louis Cappel, Paris, 1650], Angleterre : Critici sacri [9 vol. in-fol., Londres, 1660], on dit la Critique de Cappelle, les Critiques d’Angleterre. » Pour une srie de titres o entre ce terme comme adjectif ou substantif d s le tournant des XVIe–XVIIe si cles, voir Jaumann 1995, Critica, 163, n. 18 ; Lipse 1596, Opera. T. 1 : Omnia quae ad criticam spectant ; Schickeradt 1597, Epistola critica ; Gruterus 1602, Lampas […] hoc est, thesaurus criticus ; Castiglione 1605, Observationum in criticos decas
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rhetorica. En revanche nous parlons aujourd’hui de ‘la critique’ en la distribuant en esp ces diversement qualifies : ‘la critique musicale, cinmatographique, thtrale’, voire ‘culinaire’ (conformment l’existence de l’‘art’ du mÞme nom), auxquels cas elle se charge son tour de dterminations adjectivales, relatives aux domaines o une esthtique est l’œuvre et o le got s’exerce. Il s’agit alors de ‘la critique’ devenue substantif partir de l’adjectif qu’elle tait – l’un et l’autre introduits en franÅais par Joseph Scaliger en 158013 –, ce qui n’est pas sans faire songer la mutation qui, l’Age classique, fera passer le mot ‘mystique’ du statut d’adjectif celui de substantif, avec la tentative remarquable de constituer ‘la mystique’ en « science ».14 Ainsi substantive, ‘la critique’ tout court est quant elle le calque de (ars) critica (o l’adjectif a en quelque sorte vacu ars, dfinitivement sous-entendu), mais, depuis la fin du XVIIIe si cle, ce calque ne sert plus gu re dsigner, sinon justement sous la forme spcifie – et rtrcie – de la ‘critique textuelle’ (aboutissant aux ‘ditions critiques’), ce pour quoi un autre nom, celui de ‘philologie’, s’est impos au XIXe au sens dont nous hritons ( ct – ou en lien avec – d’autres disciplines en charge d’autres formes galement spcifies : ‘critique historique, littraire’…),15 sens qui s’est charg avec le temps et selon les contextes de connotations diverses qu’ont releves notamment Michael Werner et Pierre Judet de La Combe.16
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prima ; Robbiges 1617, Codex criticus. D’abord et surtout : Estienne 1587, De criticis veteribus graecis et latinis […]. Autres titres : voir Jehasse [1976] 2002, Renaissance. Laplanche 1986, L’Ecriture, 94. Voir inf., n. 121 (et la lettre cite ad n. 67). Certeau 1964, Mystique, 267 – 281 ; Certeau 1982, Fable, chap. 3 : « La science nouvelle », 107 – 155 (spc. 127 – 137 : « L’adjectif d’un secret » ; 138 – 155 : « Le substantif d’une science ») ; Certeau 2005, Lieu, 323 – 341, spc. 326. L’acception large de ‘la critique’ tout court tait encore celle, hrite de l’Antiquit (voir inf., ad n. 43 sq.), de l’Encyclopdie. Ainsi d’Alembert 1755, Erudition, 914 sq. : « De la connoissance de l’Histoire, des Langues & des Livres, na t cette partie importante de l’rudition, qu’on appelle critique, & qui consiste ou dmÞler le sens d’un auteur ancien, ou restituer son texte, ou enfin (ce qui est la partie principale) dterminer le degr d’autorit qu’on peut lui accorder […] Le premier avantage que produisit l’tude des Langues fut la critique […] : on purgea les anciens textes des fautes que l’ignorance ou l’inattention des copistes y avoient introduites ; on y restitua ce que l’injure des tems avoit dfigur ; on expliqua par de savans commentaires les endroits obscurs ; on se forma des regles pour distinguer les crits vrais d’avec les crits supposs […] ». Werner 1990 note (Philologie moderne, 12 – 14) qu’aujourd’hui en allemand « l’extension de la substance philologique [‘Philologie’, ‘-loge’] s’oppose l’usage de l’adjectif ou de l’adverbe ‘philologisch’ » (je souligne), qui « met l’accent sur la
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Cependant – nouvelle anomalie, mais accorde cette instabilit pistmologique – cet autre nom peut para tre son tour insolite (tout en tant d’origine vritablement antique, alors que celui, latin ou latino-grec, d’ars critica fait figure de belle ‘copie d’ancien’ – lance avec succ s la fin du XVIe si cle sur le mod le d’ars grammatica, dialectica…, succ s qui s’puisera avec le XVIIIe).17 Car si ‘philologie’ (calque du latin antique philologia, lui-mÞme emprunt au grec) ressemble tant d’autres termes d’aspect galement grec se terminant par le composant ‘-logie’, tels ‘thologie, mythologie’ (hrits de l’Antiquit grco-latine), ou ‘chronologie, psychologie, zoologie’ (calques de nologismes latins, du XVIe si cle – le second forg par Melanchthon – ou, pour le troisi me, du XVIIe), ce n’est en fait qu’une apparence : le ‘-logie’ de ‘philologie’ ne dsigne nullement la gnralit d’un logos au sens de ‘discours sur, tude de’ (Dieu, les fables, les poques, l’me, les animaux…) comme c’est le cas quand logos vient s’accoler un premier composant (theos, muthos, khronos, psukhÞ, z on, etc.) vis--vis duquel il fonctionne au fond comme le fait ars par rapport des adjectifs dans ars rhetorica, poetica, critica (et aussi bien cabalistica, gymnastica, graphica, etc.).18 Le logos de ‘philologie’, au lieu de signifier l’organisation rationnelle d’un ensemble de ralits constitu en objet de science et le traitement systmatique du domaine en dimension historique du travail sur les textes » dans un sens « nopositiviste » – le substantif renvoyant plutt « la communaut pratique de ceux qui […] s’occupent de littratures et de langues anciennes et modernes » en sa « dimension pdagogique » et en sa « division en sous-disciplines ». Frappants sont en regard les « jugements de valeur » et la « dlimitation de territoires dans des luttes d’influence » que « sous-tend en France la notion de ‘philologie’ » : « connotation pjorative » stigmatisant des « esprits certes rudits mais incapables de s’lever au niveau de la vritable critique », ou revendication du terme par des « groupes minoritaires » (mdivistes, occitanistes…) qui « mprisent les spculations thoriques, les grandes synth ses, les abstractions structuralistes ». A l’encontre de l’image reÅue, « triomphale », d’une « philologie classique » leve au rang de « science paradigmatique », Judet de La Combe 1990 souligne quant lui (Philologie classique, 24 – 27) les « tensions non rsolues et souvent destructrices » dans la philologie allemande du XIXe si cle entre l’ «exigence » d’un « fondement philosophique » et celle d’une « positivit historienne », et le fait que la « pratique de la critique, textuelle et historique » a tendu « supplanter l’opration hermneutique » aux dpens de la « scientificit » que « devait assurer leur complmentarit ». 17 Voir inf., ad n. 116 – 123. 18 Ces trois derniers qualificatifs respectivement chez Johann Reuchlin (1517), Girolamo Mercuriale (1573), Charles-Alphonse Dufresnoy (1668). Cf. Heumann 1712, ars therapeutica, inf., ad n. 122.
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question, fait office, au sens de ‘langage’ ou de ‘langue’, de complment d’un premier composant, non plus nominal mais verbal, et qui renvoie l’engagement d’un acte affectif : philein, ‘aimer, chrir’.19 Or ‘philologie’ partage notamment ce type de formation avec ‘philosophie’ et, pas plus que la philosophie n’est ‘sagesse de l’amour’, la philologie n’est ‘langage de l’amour’, mais bien ‘amour du langage’ comme l’autre est ‘amour de la sagesse’. Non pas simple dtermination d’une spcialit parmi d’autres, mais lection d’un objet par un sujet qui s’investit avec passion dans sa quÞte et se dvoue cette cause.20 En somme une vocation ou un idal, plutt qu’un mtier qu’on exerce ou qu’une activit qu’on pratique ‘dans les r gles de l’art’ justement, selon l’expression consacre. Plus qu’un art, donc, et moins – ou autre chose – qu’une science ?
19 Cf. Vitelli [1917] 1979, Filologo, 1129 : « Philologos pu valer quanto philobiblos […] dunque colui che ama e cerca di appropriarsi […] tutta ‘l’intellettualit’ consegnata nei libri o logoi che vogliano dirsi ». 20 Cf. Milner 1978, dont L’amour de la langue traite de « cet art d’aimer qui se dit grammaire » et de « cette science qui se dit linguistique » entre lesquels « la limite tient en un axiome que dnie le premier et dont la seconde se soutient : le rel de la langue est de l’ordre du calculable » (prface, 7 [je souligne]). Sur le philosophe, « ami de la sagesse », voir Deleuze/Guattari 1991, La philosophie, 8 – 16 ; sur l’homologie « philologie/philosophie », Hummel 1997, Philologica, 163 : « Le mot de philologie offre la droutante physionomie d’une activit rfractaire la scientificit. Il partage avec philosophie une logique progressive o -logie ne dsigne pas la dmarche d’un sujet mais l’objet de l’enquÞte […] Dans le cas de la philologie, c’est d’une quÞte amoureuse qu’il est question […] singularit imputable l’analogie avec la premi re forme de la quÞte spculative qu’est la philosophie et l’impossibilit de forger un glossolalique *logologie » (je souligne). Ce dernier terme fut en fait – Denis Thouard me le rappelle – le mot de Novalis pour qualifier en 1798 certains de ses fragments (Œuvres, II, 47 – 59. Cf. Cassin 1995, L’effet sophistique, 21 – 117 : « De l’ontologie la logologie », spc. 113 sq. : « L’ide de logologie », citant notamment « Monologue » [Œuvres, II, 86 sq.] o « le caract re autotlique de la langue donne ‘l’ide la plus prcise […] de l’essence […] de la posie’ »). On aurait l le concept d’une rflexion transcendantale faisant pendant la « philosophie de la philologie » de Friedrich Schlegel : voir Thouard 1996, Critique et hermneutique, spc. 32 – 34 ; Fabian 2002, Novalis’ Poetics. Cassin voque aussi (117) Le cabinet logologique, exposition de Jean Dubuffet (Paris, 1970) selon qui « le titre […] proc de de l’ide d’un logos au second degr qui, cessant d’Þtre un chiffrement renvoyant aux phnom nes et objets du monde, se met prolifrer partir de lui-mÞme ».
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3. Dette de la science moderne envers la philologie de la Renaissance ? En ce point le foss semble se creuser par rapport cette conception de la scientificit qui, au tournant des XIXe–XXe si cles, aura achev d’riger la Wissenschaft en construction intellectuelle et en opration sociale dont la validit soit garantie par une thique de probit attache l’apprciation objective et impartiale des faits. Reste qu’historiquement, pour le dire dans les termes de Jean-Claude Milner, « la mthodologie du textuel a jou un rle dcisif dans la constitution du savoir moderne » dans la mesure o c’est « la critique textuelle de la Renaissance » qui – « par contraste » avec son ancÞtre du monde hellnistique o l’on tenait que « le sujet du savoir critique doit Þtre affect par son savoir » – aura « peu peu dvelopp [cette] structure d’indiffrence » de la part du sujet savant par rapport l’objet de savoir, devenue dsormais la norme.21 D’o alors ce paradoxe que ce serait, non une science patente, mais un ‘art’ aux exigences accrues – ars critica – que la Wissenschaft a t redevable d’une inspiration qui aura contribu, partir de Galile, la faire devenir ‘science’ au sens moderne, l’incitant passer – j’ajoute cette rfrence Alexandre Koyr – « du monde de l’‘ peu pr s’ l’univers de la prcision ».22 Cependant le mod le wbrien de la science impliquerait cet autre paradoxe que, « si passionn qu’il se perÅoive dans son existence de savant, le sujet sachant n’en est pas moins structuralement indiffrent ».23 Ce sur quoi n’aura pas t sans incidence le terme allemand Beruf que Max Weber appliquait la science, terme susceptible des deux acceptions, nettement distinctes en franÅais, de ‘mtier’ (ou ‘profession’) et de ‘vocation’.24 L’investissement subjectif inhrent cette derni re rejoindrait ainsi celui que comporte tymologiquement le nom de ‘philologie’. Or c’est justement un emprunt la discipline ainsi nomme que, dans cette confrence de 1917 intitule Wissenschaft als Beruf, Weber a eu recours pour caractriser la science moderne : le crit re d’une authentique « vocation intrieure » celle-ci, ce serait en effet qu’on soit prÞt souscrire l’exigence de « spcialisation » dsormais consubstan21 Milner 2006, Le Juif, 76 – 80, et l’ensemble des chap. 2 et 3 : « La structure du savoir moderne » (53 – 74) et « Les textes saisis par le savoir » (75 – 90), o Weber (ci-apr s) appara t en « porte-parole du savoir absolu ». 22 Dans : Koyr [1948] 1971, Etudes (initialement : Critique, n. 28). Cf. dj d’Alembert, inf., n. 118. 23 Milner 2006, Le Juif, 62 (je souligne). 24 Kalinowski, dans : Weber [1919] 2005, La science, 9, n. 2 ; 111 – 115.
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tielle l’activit scientifique – ce dont le sociologue prsente la pratique de l’emendatio conjecturale comme le mod le par excellence : Un rsultat vraiment dfinitif et efficace, aujourd’hui, est toujours un rsultat spcialis. Qui ne poss de pas la facult de se mettre un jour des œill res, pour ainsi dire, et de s’lever jusqu’ l’ide que le destin de son me dpend de la justesse de la conjecture qu’il va faire pour tel passage d’un manuscrit ferait mieux de rester l’cart de la science. Il n’aura jamais vcu en lui-mÞme ce qu’on peut appeler ‘l’exprience’ de la science. Sans cette trange ivresse, que tournent en drision tous ceux qui elle reste trang re, sans cette passion, sans ce « Il a fallu des millnaires pour te faire na tre la vie, et d’autres millnaires attendent en silence » que tu russisses tablir cette conjecture, on n’a pas la vocation de la science et mieux vaut faire autre chose. Car pour l’homme en tant qu’homme, rien ne vaut qui ne peut Þtre fait avec passion. 25
La philologie allemande s’tait acquis dans l’Europe du XIXe si cle un poids institutionnel et un prestige intellectuel qui expliquent qu’elle ait pu fournir la rfrence majeure pour illustrer un idal gnral de scientificit.26 Les « œill res » qu’voque ici Weber – se faisant provocant face la contestation montante vis--vis du « positivisme » attach une philologie qui « faisait figure de science exacte parmi les sciences de la culture »27 – renvoient un regard volontairement born : aux antipodes par consquent de l’esprit myope et triqu que pouvait suggrer l’rudition critique, s’agissant au contraire pour Weber d’voquer l’intelligence au maximum de la concentration et de l’acuit que lui rend possible le champ minimal o s’inscrit l’objet qu’elle se donne 25 Weber [1919] 2005, La science, 20 (c’est l’auteur qui souligne – la citation entre guillemets restant identifier). Cf. inf., n. 66, Grafton propos de Joseph Scaliger : « Chronology as a Vocation ». 26 Voir Steinwachs 1990, Perspectives, 269 – 271, distinguant de la philologie textuelle humaniste celle de l’idalisme allemand, avec l’exigence, partir de Fichte, d’une « philologie comme science », en un sens « pas seulement mthodologique » ; Rupp-Eisenreich 1990, La leÅon, 367 – 369 : « Le mod le de la science de l’Antiquit » (sa fondation par C. G. Heyne et F. A. Wolf ; le dbat entre G. Hermann et A. Boeckh). 27 Dans : Weber [1919] 2005, La science, 20, n. 2, et 151 – 162, I. Kalinowski montre que le sociologue visait les ides propages par le cercle de Stefan George, ce qui lui valut la rplique d’Erich von Kahler (Der Beruf der Wissenschaft, 1920), dfendant l’ide d’une « science nouvelle » face la « science ancienne » de Weber et « la spcialisation croissante, l’isolement et le rtrcissement de l’activit » qu’elle impliquait ; quoi rpondit Ernst Troeltsch en 1921, imputant un « dilettantisme distingu » et un « aristocratisme nietzschen » cette « hostilit la routine habituelle des tailleurs de mosaques philologiques ».
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observer. D’o le caract re emblmatique de la restitution conjecturale, succ s escompt par l’esprit qu’une « passion » anime, mais proportionne la rigueur d’une mthode prouve et d’un dispositif construit. De faÅon en quelque sorte parall le, la notion d’‘art’ classiquement distingue de celle de ‘science’ s’tait trouve, mais beaucoup plus tt, considrablement rehausse, et ce d s la premi re Renaissance, italienne quant elle, avant de prendre sous cette forme renouvele une dimension l aussi europenne : les peintres, sculpteurs et architectes du Quattrocento, forts de l’ut pictura poesis horatien et favoriss par l’essor de formes galement renouveles de mcnat civil ou ecclsial, s’taient ingnis soustraire leurs disciplines l’orbite mdivale des ‘arts mcaniques’.28 Dans le mÞme temps cet autre praticien d’un ‘art’ qu’tait, sous le patronage de Donat, le grammairien avait revendiqu un statut suprieur et, dans le meilleur des cas, a pu devenir, tels Gasparino Barzizza, Guarino de Vrone, Vittorino de Feltre, l’un de ces ‘humanistes’ experts en disciplines librales que requrait la formation d’lites montantes ; ou, comme Lorenzo Valla, Ange Politien, Ermolao Barbaro, l’un de ces ‘critiques’ dont on se souvenait que l’Antiquit avait reconnu la dignit sans commune mesure avec la comptence lmentaire d’un banal ma tre d’cole. Enfin s’taient dvelopps entre humanistes et artistes des changes tels que le discours des uns se chargea d’esthtique et que la pratique des autres se retrouva marque par les catgories intellectuelles des lettrs.29 La conviction s’installa que l’artiste ne saurait se rduire un simple technicien : inspires, ses crations apparurent de plus en plus comme relevant d’une vocation spcifique ; 30 et leur mise en œuvre fut rgle, en tout cas en peinture, par une mthodologie base scientifique (celle qui s’labora du De pictura d’Alberti au trattato inachev de Lonard en passant par le De prospectiva pingendi de Piero della 28 Lee 1991, Ut pictura ; Panofsky [1955] 1969, L’œuvre d’art, 109 sq. Artista fut d’abord un mot du Paradis de Dante (13, 77 ; 18, 51 ; 30, 33), comment par B. Varchi dans une des Lezzioni de 1547 (cf. inf., n. 32) sur un sonnet o MichelAnge s’applique ce titre (Barocchi [1971] 1979, Scritti, VI, 1322 et 1327), dsignation en volgare d’une activit noble vs artifice et artegiano : voir Pommier 2007, L’Art, 23 – 32 (et 32 – 105, pour l’expansion de cette conception italienne de l’artiste la Renaissance, de Ptrarque B. Castiglione). 29 Lee 1991, Ut pictura ; Baxandall [1971] 1989, Humanistes. Sur Politien comme ‘critique’ : inf., ad n. 55. 30 Pommier 2007, L’Art. Sur le rle « vraiment dcisif » – en science comme ailleurs (« vie pratique, art […] ») – de« l’inspiration » dont « la passion n’est qu’une condition pralable » : Weber [1919] 2005, La science, 20 – 24.
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Francesca).31 Cela dans le cadre de dbats o, par-del Lonard rpondant propos de la peinture, puis de la sculpture, la question de savoir se scienza o no – la peinture oui, en tant que « d’abord mentale », mais pas la sculpture, arte meccanichissima –, s’inscrira Benedetto Varchi constatant quant lui cette rciprocit qui fait que, « pris au sens large », les termes d’‘art’ et de ‘science’, tout en correspondant des abiti – les habitus de l’intellect – differentissimi, « comprennent aussi bien », le premier « toutes les sciences », le second « tous les arts ».32 Anthony Grafton s’est inscrit en faux contre la th se d’historiens modernes (tel Robert Mandrou) qui, impressionns par la « condescendance » dont Francis Bacon, Descartes, Galile mÞme, firent montre en « avocats de la Nouvelle science » envers l’poque qui les avait prcds, en ont conclu qu’ partir de 1600 et jusqu’ « l’essor en Allemagne d’une hermneutique et d’une historiographie neuves », les idaux humanistes en mati re d’tudes littraires et de pratiques philologiques s’taient trouvs balays. Il tient quant lui, avec d’autres historiens (Noel Swerdlow, Vivian Nutton, etc.), que « l’histoire de l’humanisme ressemble celle de la science » et que « bien des mthodes techniques forges » la Renaissance « continuaient d’Þtre appliques par cette philologie suppose rvolutionnaire qu’est la philologie allemande de la fin du XVIIIe si cle ».33 En quoi il vite l’anachronisme qui consisterait parler d’ « anticipation » de la part des humanistes. Nanmoins subsiste ses yeux en sa relative opacit cet objet de « vive contestation » qu’est the nature of humanist scholarship, tant donn l’insuffisante dtermination de ses « relations avec la Nouvelle philosophie, la Nouvelle science ».34
31 Damisch 1998, Service, 3 sq., voque cette « libre circulation entre ce qui a nom ‘art’ et ‘science’ dont tmoigne le De prospectiva pingendi, manifeste […] d’une science nouvelle qui, faisant foin de l’optique, ne devrait plus rien qu’ la gomtrie », sauf que Piero reste situer « sa juste place entre Alberti qui ne cesse de s’excuser […] des efforts […] qu’imposait l’emprunt l’optique gomtrique […] et Lonard qui entendra mettre l’accent sur la composante physique, voire physiologique, de l’optique ». 32 Varchi 1547, Lezzione nella quale si disputa della maggioranza delle arti. Textes dans : Barocchi [1971] 1977, Scritti, I, 71 – 77 (Lonard), 99 – 105 (Varchi), spc. 71 – 73 et 100. Prononce en 1547, cette Lezzione de Varchi parut en 1549. Voir inf., n. 126. 33 Grafton 1991, Defenders, 1 – 5. 34 Grafton 1991, Defenders, 11.
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4. Philosophie, philologie, grammaire : affinits et lignes de partage Autant de rvaluations encore poursuivre, mais partir desquelles le rapprochement entre ‘philosophie’ et ‘philologie’ au titre de la formation semblable des deux mots gagne, semble-t-il, Þtre crois avec ce motif insistant qu’est l’alternative ‘science ou art’. Les termes de celle-ci ont resurgi nagu re, et d’abord sous la forme du ‘ni l’un ni l’autre’, dans la rponse de Gilles Deleuze et Serge Guattari la question dont ils ont fait un titre : « Qu’est-ce que la philosophie ? »35 Voyant en elle « l’activit qui cre les concepts », ils la distinguent tant de la science qui « op re par fonctions » que de l’art qui « op re par percepts et affects », ce qui pourtant n’empÞcherait pas qu’elle « entre en rsonance » avec celui-ci comme avec celle-l.36 Si la nature de l’investissement appara t commun la philosophie et la philologie, l’objet de cet ‘amour’ diff re : ‘la sagesse’ d’un ct, ‘le langage’ (ou ‘la langue’, ou ‘les lettres’) de l’autre. Voil qui me porterait situer ces deux sujets d’intrÞt passionn aux deux bouts en quelque sorte d’un trajet qui va de l’lmentaire l’accomplissement. Car le langage, c’est le mdium dont la ma trise initie d s le plus jeune ge conditionnera toute la suite de l’existence : y accder est donc l’objectif indispensable des premiers apprentissages ; la sagesse, c’est l’abou-tissement de l’exprience, le couronnement de la vie : toute l’tendue de celleci n’est pas de trop pour y atteindre. Apprendre lire et crire : par l commence le cursus scolaire, par l l’enfant fait son entre dans la vie, et non par la philosophie, laquelle occupera bien plutt ceux qui envisagent d’avoir la quitter s’il est vrai que, comme le rappelle Montaigne la suite de Cicron, « philosopher, c’est apprendre mourir ».37 Certes, il est une philologie plus haute que celle de l’cole lmentaire, et d s lors plus proche de la philosophie : non pas videmment celle que Sn que dplorait chez ceux qui enten-dent « se cultiver l’esprit sans songer l’me » de sorte que « ce qui fut philosophie est devenu philologie »,38 35 Cf. sup., n. 20. 36 Deleuze/Guattari 1991, La philosophie, quatri me de couverture. 37 Montaigne [1592] 1962, Essais, I, 20 : « Que philosopher c’est apprendre mourir », commenÅant ainsi : « Cicero dit que Philosopher ce n’est autre chose que s’aprester la mort » (cf. la commentatio mortis des Tusculanes I, 74, reprenant la meletÞ thanatou de Platon, Phdon 80e, 81a). 38 Quae philosophia fuit, facta philologia est : Lettres Lucilius, 108, 23, en introduction aux § 24 – 35 o Sn que distingue les points de vue du grammaticus (attentif aux particularits de langue et de style), du philosophus (soucieux de leÅons thiques : bri vet de la vie, quÞte du bonheur), et du
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mais bien celle qu’a en vue Montaigne rappelant que, parmi ses disciples, Znon prfrait les philologoi, « curieux d’apprendre les choses », aux logophiloi, « qui n’avoyent soing que du langage »; 39 et celle dont son contemporain Juste Lipse, champion d’un no-stocisme,40 a pu se flatter peu avant sa mort de l’avoir mue en philosophie : Ego philologiam in philosophiam feci. 41 Un peu plus d’un si cle auparavant, Politien avait quant lui fini par se dtacher du noplatonisme de Ficin au profit d’un « aristotlisme vigoureux » combin un amore della parola – une ‘philologie’ – non moins sensible la fragilit de la transmission des textes qu’ celle de l’illusion potique.42 Rapporter la distance entre philologie et philosophie la diffrence entre ces deux ges de l’existence que sont l’enfance et l’ge mr conduit rappeler la tr s ancienne proximit entre philologie et grammaire. On sait la concurrence dans la tradition hellnistique des trois dnominations grammatistÞs (ou grammatikos), kritikos et philologos. 43 Pour autant que
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philologus (tout entier ses curiosits d’rudit et d’antiquaire). Voir Romano 1991, Filologo. Montaigne [1592] 1962, Essais, I, 26 (« De l’institution des enfants »), 172 (d’apr s Stobe, 36, 218). Lagre 1994, Lipse. Lettre 84, 70 (dans : Lipse 1611, Epistolarum centuria) J. Wover (1603), dans : Grafton 1991, Defenders, 39 et n. 61. En tmoigne son Orphe, po te et amant dsespr jusqu’ la mort et au dmembrement, tandis que celui de Ficin se distinguait par la puissance miraculeuse de sa voix, symbole de l’lvation de l’me au-dessus de la mati re : Branca 1983, Poliziano, 63 (et, pour l’aristotlisme, 248). Amore della parola en cho et hommage au titre choisi par Branca 1983, Poliziano e l’umanesimo della parola. Sur les rapports riches et complexes entre posie, philologie et philosophie chez Po-litien, voir aussi Mariani Zini 1999, Langue et dialectique. En 1697, l’Ars critica de Le Clerc ne conna tra plus qu’une distribution fonctionnelle : la philologie, la « mati re » qu’elle « amasse » (congerit) ; la philosophie, « l’ordre » suivant lequel elle « classe » (digerit) (ddicace, dans : Pitassi 1987, Croire et savoir, 48 et n. 29 [p. 143]. Voir inf., ad n. 74 et 80). Pour leur mise en « concurrence » au XIXe si cle chez Boeckh : inf., n. 186. Pfeiffer 1968, History, 158 – 161 ; Jaumann 1995, Critica, 61 sq., et 402 sq., citant Scaliger, J. 1619, Diatriba de critica (reprise posthume de lettres F. Vertunien [1575] et P. Scriverius [non date] : Jehasse 1976 [2002], Naissance, 200 et n. 15) : « Tria genera grammaticorum : alii tekhnikoi, alii historikoi, tertium genus kritikoi vocantur. Tekhnikoi elementa […] docent, item partes orationis, structuram verborum et similia. Eos Graeci grammatistas potius quam grammatikous et Latini ‘litteratores’, non ‘grammaticos’ vocant […] Ars autem non ‘grammatica’, sed ‘litteratura’. Historici in fluminum, montium, regionum
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leur fluidit d’emploi, non exempte d’empi tements rciproques, permette de les cerner, le terme de kritikos aurait t davantage en usage l’cole de Pergame (avec notamment Crat s de Mallos), tandis que celle d’Alexandrie (avec Aristarque) aura plutt recouru aux deux autres, distinguant ainsi deux niveaux, l’un lmentaire, celui du grammatistÞs (-tikos), l’autre, celui du philologos, plus relev (et mÞme beaucoup plus dans le cas d’ratosth ne qui se disait ‘philologue’ au sens de ‘polymathe’, le logos en question dsignant alors le discours explicatif ou la dmonstration rationnelle en tous genres). Or cette pluralit de dsignations n’est pas sans rapport avec la question du statut pistmologique de la grammaire, fort dbattue depuis Platon et Aristote partir de ces trois modes de savoir que sont la ‘connaissance empirique’ (empeiria), l’‘art’ (tekhnÞ), et la ‘science’ (epistÞmÞ). La tradition avait fini par trancher en faveur de tekhnÞ, mÞme si la dfinition de Denys le Thrace fait de la grammaire une « connaissance empirique », avec ses six parties : « lecture (anagn sis) experte, explication (exÞgÞsis) des tropes, lucidation (apodosis) des mots rares, dcouverte (eurÞsis) de l’tymologie, tablissement (eklogismos) de l’analogie, critique (krisis) des po mes ». Autre dcoupage, quadripartite chez les Latins, avec Varron, puis Diom de : « lecture (lectio), exg se ou explication (enarratio), correction (emendatio), jugement critique (iudicium) », reprenant un schma colport par les scholiastes de Denys : « correction (diorth tikon), lecture (anagn stikon), explication (exÞgÞtikon), criti-que (kritikon) » – sauf que la correction, absente chez Denys, venait alors en tÞte :44 en la rapprochant du nominibus occupati sunt. Abstrusas historias[…] explicant, genealogias deorum, heroum ac priscorum […] rimantur […] Nobilior utraque kritikÞ. Nam critici tanquam censores quidam […] praecipua huius studii pars, transposita in auctoribus suis sedibus vindicare […] conciliatio sententiarum etiam in philosophis ad eos pertinebat […] Criticae principes apud Graecos sunt Aristophanes, Crates, Aristarchus […] ; apud Hebraeos ‘Masoritae’ […] HÞ kritikÞ apud eos ‘Masoreth’ vocatur. Apud Latinos […] omnium princeps Varro. » 44 Lallot 1989, Grammaire, 69 – 75 ; Desbordes 1990, Ides romaines, 35 – 39 (citant Varron, tributaire d’un canon alexandrin, d’apr s Diom de, Ars 2, GLK 1, 426, 21 : « La lecture est l’non-ciation diversifie […] se pliant la qualit des personnages […] ; l’exg se, l’explication des significations obscures […] ; la correction, le redressement des erreurs dans la graphie ou la forme ; le jugement, l’valuation […][d]es po mes et autres textes ») ; 46 (citant le scholiaste de Denys ; cf. Lallot, 74). Pour Lallot, 75, « l’absence de la diorth sis [chez Denys] a chance de trahir […] une tendance […] apprhender [l’]art [grammatical] travers ses applications scolaires » (la correction du texte par le ma tre tant alors prsuppose).
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iudicium, on aura dessin l’esquisse de ce qui deviendra le champ propre de la philologie comme discipline prcisment ‘critique’. Reste le caract re composite de l’activit grammaticale, combinant des aspects systmatiques (ceux qui rel vent du tekhnikon ou du methodikon) et d’autres non systmatisables (ceux qui ressortissent l’historikon), ainsi que, dans le sillage de Quintilien, toute la Renaissance, de Battista Guarino Grard-Jean Vossius, l’a observ.45 5. La grammaire, art ou science ? Jules-Csar Scaliger entre Politien et Vossius L’oscillation entre art et science a affect l’histoire de la philologie sur la longue dure. Au Moyen Age, on la voit intervenir propos, non de la philologie qui n’existait que sous forme d’un ensemble de pratiques, et non pas comme discipline constitue, mais de la grammaire laquelle ces pratiques se rattachaient. C’est ainsi que Hugues de Saint-Victor, Simon et Bo ce de Dacie, Siger de Courtrai commencent par poser au sujet de la grammaire (comme Lonard de Vinci le fera, on l’a vu, propos de la peinture et de la sculpture)46 la question de savoir « si elle est une science »: utrum sit scientia ? Et les avis sont partags. Ceux qui rpondent par l’affirmative sont les Modistes et autres grammairiens spculatifs.47 Ce sera encore le cas au dbut du XVe si cle avec Giovanni da Soncino. Mais la Renaissance est son tour partage, et parfois clectique : ainsi, au tournant des XVe–XVIe si cles, l o Niccol Perotti parle d’un ‘art’ (« de parler et d’crire correctement »), Sulpizio da Veroli remplace ‘art’ par ‘science’, et Alde Manuce prend le parti de cumuler les deux : ‘science et art’. Plus tard, en 1540, Jules-Csar Scaliger, Padouan naturalis FranÅais, est catgorique : « Il s’agit, non pas d’un art, mais 45 Quintilien, Inst. orat. 1, 9, 1 ; Guarino 1459, De modo […] docendi (dans : Keßler 2001, Lecture, 22) ; Vossius 1635, De arte, I, 6, p. 23 : « Duabus Grammatices partibus […] plerique veterum […] adiiciunt tertiam, miktÞn seu kritikÞn. Ea miktÞ vocatur, quia ex utraque [methodikÞ seu horistikÞ (= artis praecepta) et historikÞ seu exÞgÞtikÞ (= intellectus et enarratio auctorum)] mixta est : kritikÞ vero, quia consistat in emendatione, ac iudicio […] Nimirum emendationis erat, quod falso inserta tollerent, ac corrupta a librariis corrigerent. Iudicii fuit […] quod scripta spuria discernerent a legitimis. » 46 Sup., ad n. 32. 47 Pinborg 1967, Sprachtheorie ; Hunt 1980, Grammar ; Rosier 1983, Grammaire. Cf. dj Roos 1959, Grammatik, 94 – 106, spc. 98.
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d’une science ». Peu apr s, en 1547, le Florentin Benedetto Varchi estimera qu’ « il n’y a l vritablement ni une science ni un art ». Presque un si cle plus tard (en 1635), le Nerlandais Grard-Jean Vossius s’opposera fermement « l’minent Scaliger » – suivi, il est vrai, Vossius le note, par ce « grammairien » pourtant « de meilleure qualit » que fut l’Allemand Nicodemus Frischlin (en 1584) –, et il cartera scientia pour revenir ars. 48 Au temps des Lumi res, on verra l’Encyclopdie de Diderot et d’Alembert arbitrer ce tr s ancien conflit en alignant la distinction ‘science/art’ sur celle du ‘gnral’ et du ‘particulier’. Soit alors deux types de grammaire, l’une « antrieure aux langues », l’autre « postrieure »: d’abord la « gnrale » qui « est une science parce qu’elle n’a pour objet que la spculation raisonne des principes immuables et gnraux de la parole » (en tant que « prononce ou crite dans toutes les langues »); ensuite la « particuli re » qui « est un art parce qu’elle envisage l’application pratique des institutions arbitraires et usuelles d’une langue
48 Scaliger, J.-C. 1540, De causis, I, 1, p. 2 (2004, 42) : « Neque […] ars est, sed scientia » ; Varchi 1549a, Lezzione : « Alcune o discipline o facolt […] non sono veramente n scienze n arti, come […] la gramatica e la loica […] non trattando di cose ma di parole […] e […] non essendo in […] poter nostro totalmente il farle o ’l non farle » (Barocchi [1971] 1977, Scritti, I, 101 sq.) ; Vossius 1635, De arte, I, 2, p. 6 : « Grammatic[a] […] recte definitur ‘ars pure loquendi’. Iul. Scaliger, vir summus, hanc definitionem oppugnans, scientiam, non artem esse vult. Ac Scaligerum […] sequitur melioris notae grammaticus […] Frischlinus. Competit ei peripatetica artis definitio ‘quia fabricat notiones secundas ad pure loquendum’. Scientia vero esse nequit, quia ea est rerum aeternarum, grammatica autem est rerum contingentium ». Voir Jensen 1990, Rhetorical Philosophy, 103 – 106. S’inscrivant comme Frischlin dans le sillage du De causis, Sanctius et Schoppe (inf., n. 72) reviendront nanmoins la grammaire comme ars, mais en entendant ars comme une quasi-science : Lecointre 1993, Grammatica philosophica, 538 – 541. L’objection de Vossius refl te la th se aristotlicienne classique. Cf. Dupleix [1603] 1984, Logique, I, 1, p. 31 sq. : « Les disciplines (comme enseigne le Philosophe) reÅoivent mesme division que les choses […] necessaires, ou advenantes, que les Latins appellent contingentes […] Necessaires sont […] [les] perpetuelles [ou qui] dependent […] si ncessairement de leurs causes, qu’icelles poses […] elles s’ensuivent : comme l’eclipse de la Lune […] Advenantes sont celles […] que les hommes font si bon leur semble, comme une maison, un lict […] Or des choses necessaires il y a Science, des advenantes Art, suivant le […] Philosophe [Arist. Eth. Nic. 6, 3 sq.] » ; I, 8, p. 49 : « Que la Logique n’est proprement […] ny Science, ni Art » (cf. cependant I, 10 : inf., n. 65).
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particuli re aux principes gnraux de la parole ».49 Quant la philologie, objet d’un article bref, le malaise est patent que suscitera alors ce collage htroclite – « esp ce de science compose de grammaire, de potique, d’antiquits, d’histoire, de philosophie, quelquefois mÞme de mathmatiques, de mdecine, de jurisprudence, sans traiter aucune de ces mati res fond, ni sparment, mais les effleurant toutes ou en partie »; cependant, mÞme si le ‘philologue’ se voit ainsi rduit un touche--tout, un ‘amateur’ superficiel de ‘logoi’ disparates, subsiste le rappel du fait que, correspondant nos « belles-lettres » ou « humanits », cette discipline « faisoit autrefois la principale et la plus belle partie de la grammaire ».50 En revendiquant pour la grammaire le statut de science, Scaliger s’tait quant lui montr cohrent avec l’ambition affiche par son titre : crire un De causis linguae latinae, c’tait inscrire cette discipline dans le cadre du syst me des causes aristotliciennes, seul cens Þtre mÞme de lui confrer enfin une vraie rigueur scientifique. Mais il est significatif que, pour pouvoir lui donner cette armature philosophique, il ait tenu la dlester de certaines de ses attributions : l’ « interprtation » et le « jugement ».51 Ces deux fonctions, hermneutique (expliquer et apprcier les œuvres) et critique (discerner l’authentique), relevaient traditionnellement, l’une d’une pdagogie littraire gnraliste (technique du commentaire), l’autre d’une textologie savante (expertise critique). Scaliger les veut extrieures cette science de la langue que doit redevenir la grammaire, une fois restaure la lumi re de l’aristotlisme. Pour lui, ‘dphilologiser’ la grammaire va de pair avec son projet de la ‘rescientificiser’. Et puisque la grammaire a vocation Þtre science, alors la philologie dont il la distingue reste du domaine de l’art. Ainsi crira-t-il au dbut de sa Potique, rservant cette fois de mani re indite – faut-il la dire prkantienne ? – la « critique » au philosophe :
49 Beauze/Douchet 1757, Grammaire, 841. La suite prcise que cette « distinction » ne vaut pas « sparation », car « l’art ne peut donner aucune certitude la pratique s’il n’est clair et dirig par les lumi res de la spculation ; la science ne peut donner aucune consistance la thorie si elle n’observe les usages combins et les pratiques diffrentes pour s’lever par degrs jusqu’ la gnralisation des principes ». Nicolas Beauze publiera en 1767 une Grammaire gnrale. 50 [Mallet] 1765, Philologie (cf. Mallet 1754, Critique, 489, dplorant que « les mauvais grammai-riens eussent oblig » cette « Littrature universelle qui […] faisoit anciennement la principale et la plus belle partie de la Grammaire de changer son nom en celui de Philologie »). 51 Voir inf., ad n. 53 sq.
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Les grammairiens ont toutes les audaces depuis qu’ils ont annex leur art en troisi me partie la kritikÞ. Ce n’est pas en tant que grammairiens qu’un tel ‘jugement’ peut leur Þtre attribu : il faut y voir l’office d’un philosophe du premier rang qui seul a le droit de juger de toutes les sciences. Aussi sont-ils compl tement stupides ceux qui nous donnent le nom de grammairien au vu de nos Causes de la langue latine. Tout ce qui s’y trouve, en effet, y est valu l’aune de la philosophie. Car comment le praticien d’un art peut-il prouver ses principes ? Or nous, nous prouvons l tous ceux que les grammairiens reÅoivent pour bien connus.52
Et en effet c’est d s son premier chapitre que le De causis avait « ni qu’on ait eu raison d’attribuer » au grammairien « le rle qui consiste juger », et affirm – Schoppe citera ce passage dans son De arte critica 53 – que, pour ce qui est d’avoir compt au nombre de ses tches celle d’interprter les auteurs, cela ne rel ve assurment pas du grammairien, mais de tout homme de savoir, selon la capacit laquelle ressortit chaque chose, car les textes des orateurs, des po tes et des historiens sont bourrs de divers arts et sciences qui ne regardent pas tant les grammairiens comme tels que les vritables praticiens des arts.54
Celui qui tait vis l, c’est certainement Politien qui, dans sa Lamia (1492), avait tenu redorer le blason du grammaticus, rduit indment ses yeux au statut subalterne de pdagogue lmentaire, en lui rendant les attributions lies la haute culture du kritikos antique : Pour moi, je me dclare interpr te d’Aristote […] je ne me dclare pas philosophe […] Est-ce que Philopon n’est pas un interpr te convenable d’Aristote ? Or nul ne l’appelle philosophe, tous grammairien […] Le rle des grammairiens, c’est de passer au crible et d’expliquer toutes sortes d’crivains : po tes, historiens, orateurs, philosophes, mdecins, juristes. Notre poque, peu au fait des ralits antiques, a enclos le grammairien dans un cercle trop troit. Or cette catgorie a possd jadis, chez les anciens, tant d’autorit que seuls les grammairiens taient juges et censeurs de tous les crivains, et c’est pourquoi on les appelait aussi ‘critiques’ […] Car le ‘grammairien’ n’est rien d’autre en grec que ce qu’est en latin le ‘lettr’. Mais nous, nous avons rabaiss ce titre en le renvoyant l’cole ordinaire comme un vulgaire moulin.55 52 53 54 55
Scaliger, J.-C. 1561, Poetices libri, I, 5 (1994, I, 126). Schoppe [1597] 1662, De arte, 29. Scaliger, J.-C. 1540 De causis, I, 1 (2004, 44). Poliziano [1492] 1986, Lamia, 16 sq. Evoquant peu apr s ses commentaires de textes juridiques et mdicaux, Politien revendique sans complexe la qualit de grammairien : « Nec aliud inde mihi nomen postulo quam grammatici ». Voir Scaglione 1961, The Humanist ; Mariani Zini 1996, Poliziano ; Mariani Zini 1999, Langue et dialectique, 410 – 449, spc. 414 sq., parlant du « trouble » li au
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S’rigeant en philosophe et refusant d’Þtre assimil un grammairien, Scali-ger prend le contre-pied : il ne veut pas tant rehausser le second que le contrler, et revisiter sa discipline o il va dnoncer successivement plus de six cents « erreurs », pour, grce cette forme-l – et sv re – d’emendatio, la rtablir au rang de science en sondant les « profondeurs » o « se retranche la philosophie ».56 Au lieu d’encourager le grammairien se poser en critique, il lui demande de se replacer sous la juridiction du philosophe, et donc de se soumettre la critique de celui-ci. Ce faisant, il portait atteinte la hirarchie des statuts et la distinction des disciplines – opration en tous temps hasardeuse57 –, et il dut constater, non sans dpit, la rception ngative faite son ouvrage par les deux professions concernes, les philosophes refusant absolument qu’on les rabaisse, les grammairiens ne demandant nullement Þtre rehausss; les premiers se rclamant de droits jugs exclusifs, les seconds se drobant des devoirs perÅus comme exorbitants.58 Dans le mÞme temps cependant lui-mÞme endossait en tant que poticien la profession de critique : deux des sept livres de sa considrable Potique (parue seulement posthume en 1561, republie en 1581, 1586, 1594, etc. et salue en 1597 par le De arte critica de Schoppe),59 il donne en effet les titres de Criticus et
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fait d’ «interprter » un philosophe sans soi-mÞme Þtre tel, mais compens par le « droit » qui fonderait cette activit de grammairien conÅue comme « discipline critique de la langue » en toutes ses dimensions (r gles, tradition, œuvres). Cf. J. Scaliger soulignant (sup., n. 43) qu’aux critici revenait la conciliatio sententiarum « mÞme chez les philosophes » (ce qu’il revendique pareillement propos des mdecins : inf., ad n. 69). Scaliger, J.-C. 1540, De causis, lettre liminaire, f. aa 3r (2004, 4) : « Non aliis […] legibus […] quam quae in philosophiae recessu […] fixae essent ». Cf. Scaliger, J.-C. 1561, Poetices libri, prface, f. a. ii.r : « […] a tam profundis recessibus […] ex naturae penitissimis thesauris erutae sunt causae linguae latinae » (1994, I, p. 6). Cf. de nos jours l’ «activit la fois philosophique et philologique » de Jean Bollack, selon Llored 2001, Philologie, 147, au « risque [pour lui] d’Þtre considr comme non-philosophe par les philosophes professionnels tout en passant pour excessivement thoricien et critique [aux yeux d]es philologues acadmiques », d’o le caract re « inclassable » de son œuvre « dans les formes actuelles de la division du travail intellectuel » – l’instar d’ «une autre figure excentrique de la philologie », Jacob Bernays au XIXe si cle, « moins philosophe que les philosophes de mtier », mais « beaucoup plus que les philologues de son temps ». De Bollack 1998, ce livre au titre vocateur : J. Ber-nays. Un homme entre deux mondes. Scaliger, J.-C. 1561, Poetices libri, prface, f. a. ii.r (1994, I, p. 6). Schoppe [1597] 1662, De arte, 7.
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d’Hypercriticus (livres V–VI), s’agissant d’instruire mthodiquement le futur po te en mati re d’ « imitation » et de « jugement » par l’examen des mrites compars, soit des po tes latins par rapport aux grecs (ceux-ci surpasss par ceux-l), soit des seuls latins mais aux diffrents ges de la latinit (y compris l’poque moderne).60 Innovation « spectaculaire » qui, selon Herbert Jaumann, contribua lever la critique tr s au-dessus du strict cadre grammatical auquel elle avait jadis marg, et prpara efficacement la fortune du concept proprement philologique de critica au tournant des XVIe–XVIIe si cles, concept du reste largi entre-temps par la ‘mtaphorisation’ qu’opra le second Scaliger, fils du prcdent, en appliquant la chronologie historique la notion d’emendatio. 61 Le premier Scaliger eut certainement le mrite de secouer la routine des grammairiens, mais il l’a fait en crditant Aristote d’une autorit souveraine dont il n’a pas pu savoir ou pas voulu mesurer quel point, d s son poque, celle-ci tait dj fortement conteste ou vigoureusement repense (ainsi par Pierre de la Rame [Ramus] en France, par Bernardino Telesio et Francesco Patrizi en Italie). Ce qui tait en jeu, c’tait la conception mÞme de la science, et la crise qu’elle subissait. On sait que, dans une perspective fort loigne de ce que la « culture commune d’aujourd’hui » entend par l, « pour Aristote, une science est un corpus organis de connaissances, fond sur l’assentiment accord de ‘premiers principes’ (indmontrs), l’activit cognitive visant la saisie des ‘causes’ (classes selon le quadruple schma bien connu), c’est--dire d’explications rationnelles ayant pour base les constatations des sens et de l’exprience commune et pour moyen l’encha nement mthodique de syllogismes concluants ».62 Or le XVIe si cle a vu simultanment se lzarder « l’unit conceptuelle et rfrentielle » qu’avait longtemps garantie le syst me aristot-licien au sein d’une « rpublique des savoirs, internationale et interconfession-nelle », et s’accentuer la « diffrenciation des aristotlismes » (inventoris remarquablement par Charles B. Schmitt et Charles H. Lohr)63 selon « un proc s de sparation conduit toujours plus avant (entre langues, Etats-nations, confessions, disciplines…) ».64 Diffrenciation dont est un indice cet ventail de positions qui va de 60 Voir Balavoine/Laurens (ds) 1986, La statue, spc. Jehasse 1986, L’architecture de la Potique, 66 – 68. 61 Jaumann 1995, Critica, 163 sq. Cf. Grafton (inf., n. 66 et 73). 62 Giard 1999, Conclure, 518 sq. Cf. Lohr 1999, Aristotelian theories. 63 Ainsi, du premier, Aristote et la Renaissance, 1983 ; du second, Latin Aristotle Commentaries, 1967 – 2005. 64 Giard 1999, Conclure, 519.
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Scaliger, suivi par Frischlin, tenants de la grammaire comme science en tant que la philosophie lui en conf re le label, jusqu’ Vossius la redfinissant comme art au motif qu’il n’est de science que de l’ternel, en passant par les Sanctius et Schoppe qui prfr rent aussi parler d’art, mais en chargeant ce terme d’un fort coefficient de scientificit… Et bien d’autres, tels Varchi ou Dupleix, se sont inscrits dans ce dbat.65 6. Du premier au second Scaliger et de Schoppe Leibniz : l’emendatio transfre l’histoire, la philosophie, aux sciences De Jules-Csar Scaliger, le philosophe d’Agen, on passe aisment Joseph-Juste Scaliger, le philologue de Leyde, en effet « fils du prcdent », ainsi qu’il aura tenu le faire imprimer – Iulii Caesaris filius – la suite de son nom sur la page de titre de tous ses livres. Et pourtant ce saut de gnration correspond aussi un sensible changement d’orientation. Outre son passage au protestantisme, le fils, apr s avoir pratiqu assidment une philologie de haut vol (ditant avec bonheur des auteurs difficiles : Varron, Ausone, Festus, les lgiaques latins, Manilius, Hippocrate), s’employa avec brio dbrouiller les probl mes d’tablissement de chronologies qui se posaient la science historique, et c’est celle-ci finalement qu’il se consacra, de sorte qu’apr s avoir t « central », son intrÞt pour l’dition de textes se rvla « transitoire »,66 dgot qu’il en fut aussi par la monte d’un pdantisme la fois grammatical et mondain qu’il dnonÅait en ces termes en 1580 : Puisque tant de gens se meslent de ce mestier, il ne fault point que ceux qui l’ont exerc si amusent plus. Aussi ne ferons-nous plus, car cella en va comme 65 Varchi, en 1547 : « Scienza […] non altro che la cognizione delle cose universali e necessarie e conseguentemente eterne, avuta mediante la dimostrazione » (Lezzione, dans : Barocchi [1971] 1977, Scritti, I, 101) ; par contre, en 1603, Dupleix : « Ce seroit une chose trop absurde de rejetter du nombre des sciences et des arts cte discipline [la logique], de laquelle nulle science et nul art ne se peut passer […] Science se prend en deux manieres. La premiere […] pour une […] asseure cognoissance de la chose par sa cause […] En second lieu […] pour toute cognoissance certaine […], ores qu’elle ne soit par la propre cause […] [Telles sont] toutes […] disciplines les preceptes desquelles sont asseurs et bien regls : en laquelle signification le Philosophe appelle Science mesme la grammaire [Arist. cat. 2 (1b1)] » (Logique, I, 10, p. 53). 66 Le second qualificatif est de Kenney 1974, Classical Text, 48. Le premier est de Grafton 1983, J. Scaliger, I, 137 ; cf. Grafton 1993, J. Scaliger, II, 89 – 99 : « 1578 – 1580 : Chronology as a Vocation ».
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d’une tricherie de la Rota, ou un Rabbinisme. Certainement je prvois que les petitz grammatics seront cause que non seullement les critiques, mais aussi la critique mesmes sera expose en rise. Et quoiqu’il tarde, vous verrs que ces faiseurs de discours et Acadmies en feront leur souppers et disners avec les dames qui manient l’Astrolabe, pensants que ceux qui se sont ports heureusement en cest affaire soient semblables ces grateurs de Priscian. Je commence moi mesmes me moquer d’eux.67
Les deux spcialisations successives de Joseph Scaliger en critique textuelle et historique font appara tre la distance prise par rapport l’idal philosophique et encyclopdique de son p re, domin par les trois grandes figures d’Aristote, de Cicron et de Virgile.68 Ecrivant en 1574 son ami FranÅois Vertunien, un mdecin, il clbrait cette « branche du savoir que les ignorants appellent grammaire sans la comprendre », et dont la partie la plus haute – la critique – « spare l’apocryphe de l’authentique, corrige ce qui est corrompu, rectifie les attributions, travaille sur toutes sortes de po tes, orateurs, philosophes ». « La critique elle seule, sans l’anatomie, rglera la question », avait-il assur face au corps mdical. Sola critice : nul besoin donc d’acqurir une comptence particuli re. Etablir le texte d’Hippocrate comme lui-mÞme allait s’en charger n’est l’affaire que du philologue, preuve le fait que les mdecins se rv lent incapables d’interprter correctement les textes fondateurs de leur art.69 On le voit : cette exaltation des comptences de la grammaire en tant que critique est aux antipodes de la fin de non recevoir qu’avait oppose le premier Scaliger au grammairien s’arrogeant le droit d’ « annexer son art la critique » et de « juger de toutes les sciences » au lieu de laisser cela, d’une part au philosophe, de l’autre aux titulaires des disciplines concernes. Dans la ligne de la ‘dispute des arts’ souvent pratique la Renaissance (juristes et mdecins notamment rivalisant pour la prminence),70 la polmique qui accompagna en 1578 la parution du De vulneribus capitis d’Hippocrate opposa en effet Joseph Scaliger, son nouvel diteur, aux mdecins, et en particulier Louis Duret, professeur au Coll ge des lecteurs royaux – « ceste pouvre beste » 67 Lettre 33 ( Claude Dupuy, 7 juillet 1580), dans : Scaliger, J. 1879, Lettres franÅaises, 109 sq. 68 Voir Michel 1986, Scaliger entre Aristote et Virgile ; d. Magnien de Scaliger, J.-C. 1999, Orationes ; Jensen 1990, Rhetorical Philosophy ; Lardet 1986a, L’aristotlisme ‘prgrin’ ; Lardet 1990, Grammaire et philosophie. 69 Grafton 1983, J. Scaliger, I, 181 sq., citant Scaliger, J. 1627, Epistolae, 30 sq. et 117 sq. ; Scaliger, J. 1572, Castigationum explicatio, 31. 70 Garin (d.) 1947, Disputa delle arti. Voir inf., n. 126.
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qui « se vante en pleine chaise [i.e. chaire] que je lui ai drob ses corrections » –, et il y fit la dmonstration qu’il tait « plus comptent pour expliquer et corriger les textes scientifiques classiques que les professionnels de cette science ».71 S’il est quelqu’un qui s’inscrivit au moins partiellement dans la ligne du premier Scaliger, auteur du De causis linguae latinae, ce fut plutt, la gnration d’apr s celle de son fils, le Kaspar Schoppe de la Grammatica philosophica (1628).72 Or, longtemps avant de se faire ainsi grammairien philosophe, mais peu avant sa conversion au catholicisme (1598) et son retour-nement contre Joseph Scaliger (qui s’tait fait le dfenseur de la lgende familiale chafaude par son p re, soi-disant descendant des Scaliger, princes de Vrone), Schoppe avait t, en 1597, l’auteur d’un De arte critica, et qui en privilgiait explicitement la pars emendatrix. L’emendatio en question y est aussi clairement d’un philologue qu’avait t d’un historien celle des huit livres de Joseph Scaliger sur la chronologie : De emendatione temporum (1583).73 Mais, cent ans exactement apr s l’ouvrage de Schoppe, on verra Jean Le Clerc se mettre, sous le titre aussi d’Ars critica (1697), dborder les proccupations proprement littraires et textuelles en direction d’enjeux historico-religieux de plus vaste envergure, et ce presque l’aube d’un si cle – le XVIIIe, celui par excellence de la critique – o, dans le champ philosophique, celle-ci occupera, avec Kant notamment, la place majeure que l’on sait.74 Et l’emendatio, apr s Þtre passe avec Beatus Rhenanus, puis avec Joseph Scaliger, du textuel l’historique,75 fera l’objet d’une appropriation
71 Grafton 1983, J. Scaliger, I, 183 sq., citant Scaliger, J. 1879, Lettres franÅaises, 74. 72 Entre-temps tait parue, fortement redevable – son sous-titre l’indique – au De causis de Scaliger, la Minerva seu de causis linguae latinae de Sanctius ([1562] 1587 ; voir Clerico 1982, Minerva, introd. et notes), dont Schoppe s’inspire plus directement (voir Lecointre 1993, Grammatica philosophica ; Lecointre 1998, Grammatiktheorie). 73 Grafton 1993, J. Scaliger, II, 143 – 357 : « Emendatio temporum » ; Grafton 1991, Defenders, chap. 4 : « Scaliger’s Chronology : Philology, Astronomy, World History » (104 – 144, montrant comment J. Scaliger sut progressivement marier les deux traditions prexistantes en mati re de chronologie, l’une « humaniste », l’autre « systmatique »). 74 Voir, sur les enjeux thiques et politiques entre absolutisme et Lumi res, Koselleck 1959, Kritik und Krise (en franÅais : 1979, Le rgne de la critique) ; sur philologie et philosophie, Thouard 1999, Critique philologique. 75 Pour Beatus, voir D’Amico 1988, Theory, 208 : « All of his hard work on corrupt texts was ultimately meant to prepare him for his work as an historian. In this he
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philosophique, comme en tmoignent des titres comme, de Spinoza vers 1661, le Trait de la rforme de l’entendement (puisque, pour « rforme », dans le latin on a en l’occurrence emendatio),76 et de Leibniz en 1694 les Rflexions sur l’avancement de la mtaphysique relle, intitul cens traduire De primae philosophiae emendatione, mais « d’une mani re qui n’a rien d’vident » et appelait explicitation.77 Cependant on peut citer encore, insparablement philologique et scientifique (s’agissant de mathmatiques), l’ouvrage – achev en 1547 mais rest fort longtemps indit – de Francesco Maurolico sur le traitement des sections coniques dans l’Antiquit grecque par Apollonios de Perga : Emendatio et restitutio conicorum (Messine, 1654). Et six ans plus tard (Londres, 1660) para t l’Examinatio et emendatio mathematicae hodiernae de Thomas Hobbes sur les travaux de John Wallis.
was able to bridge the gap between classical philology […] and history […] In order to […] write good history, Beatus began with textual criticism. » 76 S’agissant de « produire par la pense une faÅon de soigner (medendi [nerl. te verbeteren]) l’entendement et de le purger (expurgandi) » : § 16 (Spinoza 1992, 65. Cf. 171 : il s’agit d’une « mdecine de l’esprit parall le celle du corps »). Emendare, -datio encore aux § 67 propos de la « correction » de l’ide fausse, et 77 propos de la « rforme » de l’obstination (du faux sceptique) (Spinoza 1992, 65 et 105, dfendant ailleurs [145 sq.] l’usage tabli de traduire par ‘rforme’, « avec sa connotation thique », mais prcisant qu’il faut voir l « une purification qui nettoie l’esprit de ce qu’il peut y avoir initialement […] en lui d’tranger lui-mÞme »). Cf. Moreau 1994, Spinoza, 19 : « La situation dcrite [dans le prologue : § 1 – 11] est assimile une maladie mortelle […] o l’issue derni re […] ne sera rendue fatale que par un mauvais choix du malade […] C’est bien d’Þtre ou de prir qu’il s’agit ». Emendare, -datio, ‘gurir, -ison’, sont bien attests dans le corpus mdical antique (et dans l’Histoire naturelle de Pline) : Thesaurus linguae latinae, s.v., col. 456, 46 – 50 ; 463, 48 – 464, 40. Sur ce mÞme registre chez Schoppe (apr s d’autres) : inf., n. 196. 77 Ainsi Devaux 2003, Advancement & emendatio, notant que, de Bacon et Glanvill Leibniz, la notion d’advancement se dplace de la « dignit » au « progr s » et que l’emendatio de Leibniz « implique la fois ‘progr s’ et ‘correction’ », celle-ci reflte par cette « mtaphysique relle », « fondement de la dynamique », qu’voque Leibniz partir de 1691. Devaux propose de rendre cette emendatio par ‘rtablissement’, « intgrant l’tablissement – nouveaut d’un acquis – et la dimension de correction » (50). Cf. Janke 1963, Emendation.
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7. Premiers thoriciens de l’emendatio vus par les modernes Revenons aux pionniers de la rflexion thorique sur la critique plus tard qualifie de ‘textuelle’. En 1974, Edward Kenney intitulait ses deux chapitres successifs sur ce sujet, l’un « The art of emendation : theory », l’autre « The art of emendation : practice ».78 En revanche, mais comme symtriquement, FranÅoise Desbordes, en 1990, tout en faisant largement tat de ces grammairiens antiques qu’on appelle ‘artigraphes’, donne pour titres deux chapitres galement successifs : « La grammaire : la science des textes » et « La grammaire : la science de la langue ».79 Kenney passe en revue ces quatre premiers ‘thoriciens’ que furent, dans la seconde moiti du XVIe si cle, puis la fin du XVIIe, l’Italien Francesco Robortello (1516 – 1567) avec son De arte sive ratione corrigendi Antiquorum libros disputatio (1557), le Nerlandais Willem Canter (1542 – 1575) avec son De ratione emendandi Graecos auctores syntagma (1566), puis, dj voqus, l’Allemand Kaspar Schoppe (ou Scioppius, 1576 – 1649), auteur d’un De arte critica, et praecipue de altera eius parte emendatrice, quaenam ratio in Latinis scriptoribus ex ingenio emendandis observari debeat (1597), enfin le Genevois d’origine franÅaise Jean Le Clerc (1657 – 1736), auteur d’une Ars critica in qua ad studia linguarum, Latinae, Graecae et Hebraicae, via munitur ; veterumque emendandorum, spuriorum scriptorum a genuinis dignoscendorum, et iudicandi de eorum libris ratio traditur (1697).80 Kenney qui consacre sept pages Robortello, trois Schoppe et autant Le Clerc, en donne peine plus d’une Canter. Mais il ne distribue pas son estime proportion de l’espace ainsi partag. Car si Robortello « marque un commencement », sa faÅon de traiter le sujet « manque d’quilibre » et son approche palographique est « inadquate ».81 « Plus ambitieux », le trait de Schoppe, d’ailleurs « meilleur critique », se rv le de son ct « immature et incomplet », « dcevant sur le plan pratique », et ne fait souvent que « reflter l’opinion courante ».82 Quant aux « capacits » de Le Clerc, mÞme si son ouvrage est « beaucoup 78 Kenney 1974, Classical Text, chap. 2 et 3, 21 – 46 et 47 – 74 (je souligne). 79 Desbordes 1990, Ides romaines, chap. 2 et 3, 35 – 44 et 45 – 61 (je souligne). 80 Voir l’d. Pompella (1975) de Robortello 1557 (noter les rserves de Martellotti 1976) ; Carlini 1967, Robortello ; Jaumann 1995, Critica, 160 – 162, 176 – 180, 187 – 188 ; Grafton 1998b, Schoppe ; Pitassi 1987, Croire et savoir ; Thouard 1999, Critique philologique. 81 Kenney 1974, Classical Text, 30, 35, 36. 82 Kenney 1974, Classical Text, 37 sq.
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plus substantiel et systmatique » que les prcdents, elles sont « de deuxi me ordre » comme est « de seconde main son savoir »; des « remarques prcieuses et de bon sens », il « mÞle beaucoup de ngligence et de rhtorique creuse »; « ses exemples ne sont ni bien choisis ni discuts de faÅon cohrente ». On le crditera « au mieux », en mati re d’emendatio, d’ « une sorte de solide bon sens », mais les « r gles » qu’il donne forment « un bizarre pot-pourri de principes fondamentaux (et toujours valables), de procds empiriques et de prescriptions conventionnelles ».83 Reste Canter, hlas trop tt disparu. « Des trois [avant Le Clerc], c’est lui de loin le plus savant (scholarly) et le meilleur »: « il ne gaspille pas son nergie en polmique ou en autoclbration », « il sait de quoi il parle et s’en tient ce qu’il sait », son ouvrage est « sommaire mais minemment professionnel » et, « quand il traite de manuscrits et de copistes par exprience personnelle », « tout est » chez lui « sanity, sobriety, pith and point ». Eloge aussi appuy qu’il est concis, l’instar de son objet, ce « carnet d’un homme de l’art » (the notebook of a craftsman) qui va « sans fioritures » droit au cœur du sujet84 et fait tat d’une pratique plus loquente que la thorie,85 moins que celle-ci ne soit juge d’autant meilleure ici qu’elle s’y dclare peine comme telle et se prsente modestement au plus pr s de la ralit des textes : tudes de cas rassembles sous forme de « catalogue raisonn »86 et prfigurant ces notes critiques qui, plus tard, viendront clairer les choix effectus dans des apparats. Sans minimiser les mrites de Canter, les successeurs de Kenney feront mieux valoir ceux de Schoppe et de Le Clerc. Jaumann estime que, si le travail de Schoppe « est indubitablement le plus important du genre », c’est qu’ « il est le seul poursuivre des buts de plus de porte et plus systmatiques », et pour Grafton, « en tant qu’il combine la forme 83 Kenney 1974, Classical Text, 40 et 42 sq. 84 Kenney 1974, Classical Text, 36 sq. Cf. Reynolds/Wilson [1968] 31991, Scribes, 179 sq. ; Grafton 1998b, Schoppe, 236. 85 Kenney 1974, Classical Text, 27 : « In textual criticism an ounce of practice is worth a ton of precept ». Cf. Robortello contestant qu’il soit « plus facile de dlivrer des prceptes que de pratiquer l’art dj constitu et dot des siens propres » (tel celui « de la navigation » ou « de la guerre ») que certains veulent croire « inutile » : au contraire « il faut commencer par apprendre fond l’art en question et faire en sorte d’en porter intrieurement comme en quelque sorte l’habitus (ut eius habitum animo veluti quendam geras), chose facile obtenir par la pratique et l’exercice quotidiens » (Robortello 1975, 1, 19 sq., p. 39). 86 Kenney 1974, Classical Text, 36 (en franÅais dans le texte).
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systmatique et la prcision du dtail rudit, son livre ressemble assez au mariage de Robortello et de Canter ».87 Quant l’Ars de Le Clerc, Jaumann y voit « le premier essai pour fonder rationnellement la mthode de la critique philologique, critica sacra et profana » (encore qu’en s’y rclamant de la « science cartsienne », Le Clerc ne fasse gu re que reconduire « le rationalisme inhrent la critique depuis Valla et son successeur Erasme »). Thouard souligne que, « contre un cartsianisme intransigeant qui rejette toute rudition », Le Clerc « veut lgitimer le domaine » de cette derni re qu’il « montre susceptible d’une forme de rationalit propre », et « propose une synth se des savoirs du texte et de la mthodologie moderne ».88 Grafton apprcie qu’il « rsume avec autorit et lgance deux si cles de travaux dans les domaines de la critique textuelle et historique ». Maria Cristina Pitassi avait lou quant elle ce « ma tre livre », « exemplaire d’une rflexion thorique sur les fondements et les instruments d’[une] critique » soucieuse de « concilier [les] deux univers [apparemment] opposs de l’rudition et de la science », et qui « repose sur un patient travail de synth se entre les donnes les plus rcentes de la philologie, de la linguistique et de la philosophie »: « loin d’Þtre un manuel aseptique de r gles d’mendation, il refl te au contraire les enjeux culturels de son temps »89 (curieux loge toutefois que cette derni re formulation puisque sa gnralit un peu ple l’emendatio sert 87 Jaumann 1995, Critica, 161 ; Grafton 1998b, Schoppe, 236. 88 Jaumann 1995, Critica, 176 et 178 ; Thouard 1999, Critique philologique, 154 sq., louant Le Clerc de « ne pas se limiter la critique philologique stricto sensu, savoir […] la recensio et l’emendatio, et les questions d’attribution et de datation », si bien que « la critique […] n’est nullement coupe, comme […] au XIXe si cle, de sa finalit hermneutique ». Et de fait Le Clerc exige qu’on ait l’ «intelligence » des auteurs : « Criticen vocamus artem intelligendorum veterum scriptorum […] Volo eum [i.e. criticum] ante omnia niti intelligere quid veteres velint » (Ars, prface ; cf., d s 1688, les « R gles de critique pour l’intelligence des anciens auteurs ») : Pitassi 1987, Croire et savoir, 50 – 52, 55 – 60 (« En quÞte de sens »), spc. 57 sq. (quant l’interpretatio, Le Clerc en dplore la frquente opacit, celle d’un « voile tr s pais » ou d’un « masque » : « saepe contingit […] esse […] instar densissimi veli aut larvae »). De Pitassi Thouard, les accents s’inversent : pour Pitassi, reprenant l’ordre de l’Ars (d’abord les langues, puis la relation entre mots et ides, enfin la critique textuelle ou d’authenticit), la tche du critique n’y « saurait Þtre compl te si l’on se borne au seul moment hermneutique » (je souligne), second des trois (voir 60 sq. : « L’emendatio comme summus apex de la critique », spc. 63 : « approche fondamentalement philologique ». Cf. cependant 47 [inf., n. 201]). 89 Grafton 1998a, Origines, 163 ; Pitassi 1987, Croire et savoir, XIII, 47 sq., 65.
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de repoussoir, se trouvant en effet rduite ce qui para t devoir passer pour l’expression la plus pauvre de la philologie). Grce au parcours la fois rtrospectif, comparatif et cumulatif brillamment synthtis par Kenney dans le cadre prestigieux des Sather Classical Lectures, on voit se constituer l’archive d’un pass o s’originent lointainement nos conceptions modernes, et surgir une mmoire o elles peuvent se ressourcer leur avantage, assures qu’elles sont de valoir mieux que l’image qui leur est renvoye par ce miroir assez primitif. Pardel la diversit des apprciations que porte Kenney, le dossier qu’il a rassembl illustre une cohrence entre ces quatre ressortissants de nations diffrentes que sont Robortello, Canter, Schoppe et Le Clerc, dans leur engagement au service d’une cause qui leur est commune. Cohrence rehausse par le fait qu’elle s’tablit exemplairement l’chelle europenne, tandis que le latin, langue morte de l’un des grands corpus antiques sauvegarder, mais aussi langue savante de ces auteurs en tant que mdium vivant de la science et de la philosophie du temps, demeure encore la langue par excellence de la Rpublique des lettres.90 Cependant, ce qui devrait ressortir de cet chelonnement sur pr s d’un si cle et demi (mais un rythme ingal : trois ouvrages en quarante ans, le dernier cent ans plus tard… Qu’en est-il du vide que para t laisser le XVIIe si cle ? ), c’est sans doute davantage qu’une relative harmonie des points de vue et qu’un certain progr s dans la mthodologie, et autre chose qu’une continuit rassurante ; et ce pourrait Þtre que l’unit de cette Europe savante dont quatre reprsentants sont ici convoqus comme en ambassadeurs (selon un dispositif de mise en srie d’ailleurs dj utilis en son temps par l’un d’entre eux, comme on va le voir) requrait d’autant plus instamment qu’on la construise au plan thorique et pdagogique qu’elle tait en voie de se dfaire au plan linguistique mesure que le pluriel des vernaculaires faisait reculer l’hgmonie du latin ; 91 c’est aussi qu’elle tait – cette unit – dj gravement compromise, voire effectivement brise (et n’allait pas, de longtemps, cesser de l’Þtre), du fait des dchirements confessionnels, des conflits politiques, etc. C’est donc tout autant la volont de conjurer cette dfection multiforme qu’ l’ambition de produire de la science – sinon comme condition ncessaire du succ s de cette conjuration – qu’auront alors t lis, d’une part l’urgence de ‘remdier’ – emendatio – 90 Voir Bury (d.) 2005, Le latin (XIVe–XVIIe s.), spc. l’introd. (7 – 22) ; Waquet 1998, Le latin, XVIe–XXe s., spc. la premi re partie : « Le signe europen » (17 – 142). 91 Voir inf., n. 94.
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des dficiences devenues criantes dans la transmission et l’interprtation des documents fondateurs d’une tradition branle,92 et d’autre part l’accouchement difficile de cette nouvelle-ne – la philologie – comme discipline de savoir part enti re, ce pour quoi il fallait violenter quelque peu cette mÞme tradition qui n’autorisait pas clairement une telle mergence. Somme toute, les leÅons de l’histoire, magistra vitae, seraient plus contrastes que parfois ne le laissent appara tre les prsentations qui en sont donnes. D’o l’accent qu’il importe de mettre beaucoup plus fortement, pour complter celle de Kenney (qui du reste ne prtendait pas se situer en historien mais en ‘classiciste’), sur ce qu’on peut appeler, en appliquant la philologie le titre dj voqu de Reinhart Koselleck, le rapport entre « crise » et « critique ».93 8. Schoppe et la « mise en thorie »94 de la philologie partir de la grammaire Schoppe a retenu l’intrÞt de Kenney pour avoir dfini l’emendatio comme n’tant « rien d’autre que de signaler toutes les formes de depravatio »,95 ce qui dnoterait un « dplacement d’accent, lger mais pas 92 Sont lire en ce sens Beatus Rhenanus et J. Scaliger mettant la philologie au service de l’histoire (pour Beatus, voir sup., ad n. 75, et Lardet 2001, Variante, conjecture, 377). De plus, l’invention des traditions nationales aura, en France, reprsent un recours contre les dsordres du temps, notamment chez le juriste Etienne Pasquier, alli au parti modr des ‘politiques’. En historien soucieux de rigueur philologique, il exhuma et exploita une foule de documents d’archives pour son œuvre monumentale : Les Recherches de la France (10 livres [1560 – 1621]. Voir Pasquier 1996). Sur l’importance prise par ‘la critique’ au temps de « l’essor de l’humanisme rudit », voir Jehasse [1976] 2002, Renaissance. 93 Sup., n. 74. Si Koselleck n’avait pas pour objet la philologie, d’autres ont, dans le sillage ou non de Kenney, fait avancer la question dans ce domaine et pour cette poque : Jehasse, Laplanche, Pitassi, Grafton, Jaumann, Thouard. 94 J’adapte mon propos ce concept instruit par Giard 1986, La mise en thorie du franÅais, spc. 64 sq., s’agissant de « dterminer par quel processus un vernaculaire a pu [ la Renaissance] acqu-rir le statut de langue de savoir » apr s avoir t « sans lieu propre de thorisation » (car sans « existence reconnue », ni « place tablie dans la classification des sciences, ni tradition organise dans l’enseignement, ni corpus textuel […] auquel se reporter ») ; Giard 1992, L’entre en lice des vernaculaires, spc. 211. Lors d’un programme conduit sur l’histoire des savoirs la Renaissance, nous avions postul que la naissance de la philologie et la monte des vernaculaires taient considrer en rapport l’une avec l’autre.
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sans importance, de la correction comme chose en soi, produit fini, russite appelant l’admiration, l’ide de la critique comme reconstruction d’un processus historique ».96 Bien plus frappant dans son cas me para t Þtre un fait qu’avait signal Kenney propos de Canter,97 et sur lequel, propos de Schoppe, ne revient pas Grafton – davantage attentif pour sa part « l’appartenance de la critique textuelle la tradition rhtorique »98 –, et c’est que l’armature du classement de Schoppe est emprunte une autre tradition : celle, antique galement, de cette discipline constitue qu’est la grammaire, avec la distribution caractristique en « dbut, milieu, fin » des « lettres, syllabes, mots » donnant lieu des « omissions, ajouts superflus, transpositions » – mais aussi et d’abord « corruptions ».99 Celles-ci, objet certes spcifique d’une ars critica s’appropriant le classique schma quatre oprations utilis par les grammairiens et rhteurs antiques pour dcrire et classer les phnom nes linguistiques,100 ne s’en inscrivent pas moins, quand viennent Þtre 95 « Nihil aliud quam quo quidque modo depravatum fuerit indicare » (prface, f. **[1]r ; cf. [*8]r). 96 Kenney 1974, Classical Text, 38 (je souligne). Pour Jaumann 1995, Critica, 161, ce dernier aspect ne sera « bien caractris » qu’ partir de Joseph Scaliger. 97 Kenney 1974, Classical Text, 36 sq., soulignant que ce dernier a procd selon « un ordre ascendant de complexit, depuis les changements de lettres isoles via les syllabes jusqu’aux mots entiers, avec leurs conjonctions et disjonctions », et que « cette classification, qu’on retrouve chez Schoppe » et d’autres, « tait naturelle pour un critique familier de la doctrine grammaticale antique ». Cf. ibid., 38, n. 2. 98 En tant qu’elle met aux prises dans un dbat public des concurrents au moins aussi soucieux de l’impact de leurs arguments que de la solidit de ceux-ci (Grafton 1998b, Schoppe, 232 [je souligne]), d’o leur got de la « querelle » : une « maladie » que dplore Lipse cit par Schoppe (inf., n. 196). Cf. Grafton 1983, J. Scaliger, I, 228 sq. : « Renaissance philology always remained a field populated by rhetoricians […] Philological treatises were cast as much in personal as in substantive terms, designed as much to win support from inexpert patrons as assent from expert readers, and aimed as much to contribute to broadly literary enterprises as to recover a lost past. The rules of rhetoric governed the game of philology. » 99 Schoppe [1597] 1662, De arte, 38 sq. 100 Desbordes 1983, Addition, soustraction, mutation, mtath se. Soit adiectio, detractio, inmutatio, transmutatio (rpondant au grec prosthesis, aphairesis, alloisis, metathesis). Appliqu des domaines tr s divers (orthographe, barbarisme, mtaplasme, tymologie, figures, mtrique…), ce schma « reprend les catgories de la physique d’Aristote (quantit, qualit, lieu) » (27 sq.). L’ambivalence du grec alloisis, ‘changement’ (neutre), mais aussi – et littralement – ‘altration’ (pjorative), permet d’en user pour diagnostiquer la
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dtaills les nombreux cas d’ « une lettre prise pour une autre », dans un mode d’exposition qu’auront inspir les sries de « changements (mutationes) de telle lettre en telle autre » qui, chez les grammairiens anciens (et apr s eux humanistes, tel en particulier le Scaliger du De causis), formaient la base de leurs inventaires morphophonologiques.101 Reste cette diffrence majeure que les grammairiens voyaient dans ces changements des conversions qui s’organisaient positivement en sries rguli res (sauf exceptions), rvlatrices par consquent d’une cohrence essentielle, inhrente la structure de la langue, tandis que, chez Schoppe et autres initiateurs la critique textuelle, il ne s’agit plus que de confusions dont les rcurrences sont assignables ngativement aux ambiguts accidentelles des types d’criture auxquels avaient affaire les copistes – ambiguts soit internes chacun de ces types, soit, plus frquemment, tenant aux formes que prend une mÞme lettre dans des critures diffrentes (celles, le cas chant, du mod le d’une part, de la copie de l’autre). Soit le remploi d’un dispositif formel, dlest de la substance linguistique pour la prsentation de laquelle la grammaire, rduite ici une prsence pour ainsi dire ‘en creux’, s’en tait servi : coquille vide proportionne une thorie qui trouve s’y loger commodment pour autant que celle de Schoppe se veut principalement taxinomie (emendandi ratio unico schematismo definita) ou typologie (typus emendandi rationem exhibens).102 C’est donc en effet tout « naturellement » (comme l’crivait Kenney) que la pratique philologique se sera tourne vers celui des arts libraux avec lequel elle avait des accointances tr s anciennes, et auquel elle restait rattache comme tant l’une des branches traditionnelles de son activit ordinaire. Si bien que la question serait alors plutt de savoir comment la philologie en sera venue progressivement se distinguer de la grammaire, puis se dtacher d’elle – encore que sans doute jamais compl tement.103 Cette prise d’autonomie, Schoppe la revendique : ‘corruption’ (qualitative), dfaut le plus grave auquel doive remdier l’emendatio philologique. Pour Kenney 1974, Classical Text, 29, le remploi de cette classification antique, si « fascinant » qu’il soit, ne « marque pas de progr s vers une thorie critique systmatique ». 101 Ainsi Priscien, Inst. gramm. 1, 27 – 49, GLK 2, 21 – 37 ; Scaliger, J.-C. 1540, De causis, I, 20 – 34, p. 38 – 64 (Scaliger 2004, 114 – 162). 102 Schoppe [1597] 1662, De arte, 20 et 37. Cf. inf., ad n. 181 sq. (autre remploi humaniste d’un sch me grammatical antique : le couple ratio/auctoritas). 103 « Grammaire et philologie » a t longtemps en France (jusque dans les annes 1960) l’intitul de l’un des quatre ‘certificats’ de la licence de lettres classiques. Cf.
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comme jadis Politien dont il fait, et bon droit, « le premier » en date des nombreux critici recentiores qu’il recense,104 il sait que ce titre de ‘critique’ fut d’abord adopt par ceux des grammairiens antiques qui, depuis Crat s, avaient promu la pratique correspondante, mais, se plaÅant explicitement dans le sillage du premier Scaliger, il s’insurge contre l’ « orgueil » et la « prsomption » de modernes grammatici prtendant « s’arroger cette fonction » qui les dpasse, et la rduire n’Þtre qu’ « une partie de la grammaire ».105 En dfinitive, la diffrence interroger serait moins celle, antique, entre art et science que celle, moderne, entre langue (objet de la grammaire et, ultrieurement, de la linguistique) et textes (objet de la philologie et de la littrature). Il y aurait lieu de retracer la faÅon dont s’est opr le dpart entre l’ambition d’une science (philosophique) de la langue, comme l’a tent le De causis linguae latinae de Scaliger senior (sur des bases aristotliciennes en passe d’Þtre sapes), et la ma trise d’un art Collomp 1931, Critique des textes, 1 : entre autres sens du mot ‘philologie’, il y a l’ «un des noms de la science […] nomme […] grammaire compare ou grammaire historique », mÞme si « maintenant » [en 1931] on parle plutt en ce cas de « linguistique » ou de « science du langage » (changements significatifs : ‘grammaire’ s’effaÅait, ‘science’ s’affichait). 104 Schoppe [1597] 1662, De arte, 6. Voir Grafton 1983, J. Scaliger, I, chap. 1 : « Angelo Poliziano and the Reorientation of Philology », 9 – 44, dmontrant le rle fondateur, voire « rvolutionnaire » (27, n. 59), en mati re de philologie et de critique textuelle qui revient Politien bien plus qu’ Valla, pourtant « philologue tr s original » (mais en un temps o « la philologie tait la servante de la rhtorique ») et particuli rement brillant dans l’art de l’emendatio conjecturale (11 – 13). La force de Politien, ce serait notamment d’avoir su, dans ses Miscellanea, procder la « critique systmatique des sources » en rompant avec la conjecture telle que l’avait presque exclusivement pratique un Broalde (22 – 28). Cf. Mariani Zini 1999, Langue et dialectique, 66 – 82 : « La pratique philologique de l’emendatio » chez Politien. Celui-ci l’entend comme « correction grammaticale » et « comprhension du sens » moyennant « la restitution de la lettre » ; sa « grammaire philologique » se distinguerait par un triple progr s : production de la « citation » non plus comme « argument d’autorit » mais comme « pi ce conviction » ; « approche gnalogique » fonde sur « une conscience historique » ; « critique » tout la fois « linguistique et textuelle », « comparative et interprtative ». 105 Schoppe [1597] 1662, De arte, 3 sq. Lecointre 1998, Grammatiktheorie, 246, souligne le « mpris » de Schoppe, qui « appartient l’lite philologique », pour les simples « professeurs de grammaire ». Cf. Jaumann 1995, Critica, 163 : « Nach diesem neuen Begriff ist critica lngst nicht mehr ein Moment der grammatischen praelectio eingekapselt in das System der ars grammatica » (et 121 : l’activit critique se dtachant peu peu de la discipline grammaticale).
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(philologique) des textes, comme l’a pratiqu avec brio Scaliger junior (avant d’en venir poser avec son De emendatione temporum les fondements chronologiques d’une science renouvele de l’histoire). Si je retiens ici l’un et l’autre Scaliger – uterque Scaliger, comme on disait jadis avec loge106–, c’est comme figures emblmatiques d’une succession qu’il s’agirait d’examiner plus vaste chelle. Un travail qu’aura amorc sa faÅon le De arte critica de Schoppe puisqu’il ne se compose pas de la seule exposition tabulaire qu’voque Kenney des cas qui ncessitent des corrections, mais aussi de deux autres sections consacres l’une passer en revue les « critiques et philologues anciens et modernes », l’autre produire « quelques tmoignages et prceptes de savants au sujet des critiques » (y interviennent en bonne place et y sont salus les Scaliger). Grce la kyrielle d’hommes minents – pas loin d’une centaine – que Schoppe convoque ainsi et dont, pour certains, il cite quelques passages vocateurs, la philologie acquiert une visibilit sociale et se voit pourvue de lettres de noblesse. Faire dfiler tous ces savants et laisser la parole quelques-uns parmi les plus loquents, c’est en effet les constituer en ‘thorie’, au sens concret du terme grec sous-jacent, c’est--dire les donner en ‘spectacle’ (difiant), se faire l’ordonnateur de leur ‘procession’ (impressionnante), les enrler au sein d’une ‘dputation’ (comme dignes reprsentants de la discipline illustrer). FaÅon habile de se dispenser en bonne partie d’avoir laborer soi-mÞme la ‘thorie’, au sens cette fois intellectuel du mot, de ce savoir en voie d’organisation et d’expansion : ce pour quoi, si l’on en croit Kenney, Schoppe n’avait pas la carrure – chose excusable vu sa jeunesse, laquelle rendait normal et dcent qu’il fasse mine de s’effacer devant tant d’autres, plus chevronns… Ce qui pourtant ne l’empÞcha pas, propos des critures anciennes dites « romaine » et « lombarde » ainsi que des erreurs de copistes elles imputables, de piller silencieusement, comme l’a dmontr Grafton, ce-lui – Joseph Scaliger – dont son trait fait par ailleurs un loge dithyrambique.107 Mais, tout prendre, ce pillage aussi est un hommage. 106 Lardet 2003, Ambitions, 165 – 167. 107 Grafton 1998b, Schoppe, 237 – 242, spc. 241 : « Schoppe’s analysis of the forms of scribal error came quite specifically from his later ennemy Joseph Scaliger. Only the systematic form in which he presented them was new » ; 242 : « More significant than the technical caliber of Schoppe’s Ars critica is its derivation from Scaliger ». Schoppe parle propos de J. Scaliger d’incredibilis ars et dexteritas et il cl bre ses scripta aurea tels, au temps de Numa, « les boucliers sacrs tombs du ciel », etc. : Schoppe [1597] 1662, De arte, 10.
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Si la modestie qu’affecte Schoppe ne va pas sans fiert (ainsi soulignet-il que, malgr sa jeunesse, justement, il a dj fait ses preuves sur le terrain pratique de la critique textuelle dans deux contributions publies,108 exploites d’ailleurs dans le De arte), elle s’affiche nanmoins quand il limite son rle celui d’un collector : pour pouvoir « signaler » (indicare) les types de depravatio, il convenait en effet d’en « faire la collecte » (colligere) : « Je n’ai fait que collecter les fautes observes » (observatas tantum mendas collegi).109 Observation effectue sur manuscrits puisque c’est surtout l’criture qui gn re les fautes, et que souvent celles-ci s’expliquent une fois qu’on a assimil les probl mes poss par les types d’criture. Le but dclar de Schoppe est de suppler au manque frquent de contact direct avec les manuscrits de la part de ceux qui se risquent corriger les textes. A ceux qui « n’en ont pas vu », son recueil en procurera tout le moins une exprience mdiate110 puisque lui se fonde sur l’observation directe (la sienne, laisse-t-il entendre ; en fait celle aussi certainement des Scaliger et autres qui, eux, ont vu et auxquels il se fie). Il s’agit donc de combler le foss entre les deux types d’emendatio : celle qui s’exerce ope codicum, et la conjecture au sens fort, c’est--dire ex ingenio ; ou plutt d’tendre autant que possible le domaine de la premi re et de rduire proportion celui de la seconde car, effectue « sans livres » (sans appui dans les manuscrits, sans contact avec eux), celle-ci est « divination incertaine et prilleuse ».111 Et les exemples rassembls par Schoppe fourniront mieux qu’un ersatz de la consultation des manuscrits puisque chez lui la mati re, outre qu’elle est garantie authentique et doit valoir son prsentateur un « crdit insoupÅonnable »,112 se trouve organise en « chapitres » qui « faciliteront la tche » du critique, lui permettant de retrouver rapidement les cas auxquels 108 Les Verisimilia en quatre livres, les Suspectae lectiones en cinq (1596 et 1597), recueils de corrections portant principalement, le premier sur Symmaque, Cornlius Npos, Properce, Ptrone ; le second sur Plaute et Apule (Lecointre 1993, Grammatica philosophica, 424 et 432). Schoppe [1597] 1662, De arte, f. *2v : « Ego quid valeam, ex Verisimilibus meis et nuper prioribus quinque Suspectarum lectionum libris […] ». 109 Schoppe [1597] 1662, De arte, f. [*8]v. 110 Schoppe [1597] 1662, De arte, f. [*8]r : « nullis manuscriptis instructos […] quamvis illi scriptos libros nullos inspexissent, his tamen exemplis admoniti, viderent quo quidque modo depravari potuerit ». 111 Schoppe [1597] 1662, De arte, 67 : « Scito semel, mi critice, omnem tuam divinationem, nisi quod libri scripti auxilio sient, incertam et periculosam esse. » 112 Schoppe [1597] 1662, De arte, f. [**4]r : « Lector erudite […] confidere me quod […] fidem meam in laudatis libris manuscriptis non sis suspecturus. »
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correspondent les probl mes qu’il rencontre, et de vrifier si la conjecture qu’il envisage se trouve par l « confirme ».113 Au « dlire » de la conjecture sans base objective, Schoppe entend parer en posant, au sens strict, un garde-fou. Mais en se refusant identifier son « labeur » de collector, « plus pnible que savant », la tche – dont il fournit des exemples – d’un « subtil et sagace investigator des fautes », ne sugg re-t-il pas ses lecteurs de lui dcerner aussi le beau titre que lui-mÞme n’est pas loin de s’arroger ? 114 Kenney juge « remarquable » que les « trois premiers » traits thoriques en mati re d’emendatio aient t des « œuvres de jeunesse (juvenilia) ».115 C’est vrai de Canter et de Schoppe qui font para tre les leurs l’ge respectif de vingt-quatre et vingt et un ans, mais, mÞme si la publication a pu tarder suivre la composition, Robortello en avait alors tout comme Le Clerc pr s de quarante : l’ge auquel la mort avait clos la riche carri re de Politien. En fait le partage dcisif est mon avis celui qui s’op re entre les titres des deux premiers d’une part (ars sive ratio corrigendi de Robortello, ratio emendandi de Canter), des deux derniers de l’autre (ars critica chez Schoppe, puis Le Clerc). La ratio des premiers renvoie la ‘mthode’, concept majeur la Renaissance, de Melanchthon et Sturm Bodin et au ramisme (et bien sr jusqu’ Descartes),116 quivalent en effet possible – ars sive ratio – de cette ‘technique’ qu’est l’ars, en charge d’un type d’opration (la ‘correction’) que spcifient en l’occurrence des grondifs synonymes : corrigendi, emendandi. Cependant l’ars est aussi la ‘discipline’ qui enseigne tel(s) savoir-faire, et tend alors s’inscrire dans l’organisation de ces savoirs dont le septnaire des arts libraux (trivium et quadrivium) a longtemps reprsent la figure canonique. Or, chez Schoppe et Le Clerc, ars n’est plus spcifi par un grondif, mais qualifi par un adjectif – critica –, cette fois sans quivalent 113 Schoppe [1597] 1662, De arte, f. **[1]r : « Hoc […] unicum audacter adfirmare ausim, omnem quae sit ab ingenio emendationem necesse esse ut ad capita illa a me praescripta referatur et exemplo aliquo modo confirmetur. » 114 Schoppe [1597] 1662, De arte, f. [*8]r/v : « molesto magis quam erudito labore congessi […] nec inani persuasione quasi ego praeter ceteros sim ille subtilis et sagax mendarum investigator ». Cf. Jaumann 1995, Critica, 162 : « Beides theorisiert Scioppius nachdrcklich, die topischen Monita wie das ingeniçse Wesen des criticus, und letzteres vornehmlich an sich selber. Wenige philologische Schriften dieser Zeit enthalten so viel Selbstthematisierung in Verbindung mit khnen Urteilen ber die grossen Autoritten des orbis eruditus wie diese Jugendschrift […] ». 115 Kenney 1974, Classical Text, 37. 116 Gilbert 1960, Concepts of Method. Voir aussi note suivante.
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chez leurs deux prdcesseurs, et qui, de plus, introduit par rapport au classique trivium une innovation, calque nanmoins sur le mod le reÅu : ars critica faisant pendant ars grammatica, logica, rhetorica ; et mÞme, plus prcisment, l’ars critica s’installant en position distincte aupr s de l’ars grammatica la faÅon dont, depuis Valla, Politien et Rudolph Agricola jusqu’ Pierre de la Rame, l’ars dialectica avait pris une importance nouvelle et une consistance spcifique comme en tiers entre ces deux ‘arts’ du trivium qu’taient la logica et la rhetorica.117Analogie sans doute non fortuite si l’on songe aux garanties de ‘probabilit’ que visent assurer aussi bien la dialectique comme art de l’argumentation discursive que la critique en tant qu’art de la conjecture textuelle.118 C’est en tout cas avec Schoppe introduisant ars critica dans le titre mÞme de son ouvrage, et par l intronisant la discipline ainsi dsigne, que s’effectue la coupure symbolique qui donne droit de cit la philologie comme galit avec la grammaire, au lieu qu’elle lui soit simplement rattache et subordonne. En ritrant ce geste l’anne mÞme du centenaire de ce premier De arte critica, Le Clerc ratifiera l’importance de cette nomination, non sans que le champ qu’elle recouvre et le contexte dans lequel elle intervient ne se soient entre-temps sensiblement largis.119 Reste que Schoppe glosait ars critica de telle faÅon qu’elle demeurait la « mthode de correction conjecturale » que les Robortello et Canter dont il se savait le successeur avaient eue en vue.120 S’il y a eu 117 Voir Vasoli 1968, Dialettica e retorica ; Bruy re 1985, Mthode et dialectique ; Meerhoff 1988, Agricola et Ramus ; Mack 1993, Valla and Agricola. 118 Cf. d’Alembert 1755, Erudition, 916 : « L’esp ce de sagacit que demandent certaines branches de l’rudition, par ex. la critique, n’est gu re moindre que celle […] ncessaire l’tude des sciences, peut-Þtre mÞme y faut-il quelquefois plus de finesse : l’art et l’usage des probabilits et des conjectures suppose en gnral un esprit plus souple et plus dli que celui qui ne se rend qu’ la lumi re des dmonstrations » (je souligne). Autre analogie entre philologie et dialectique ( propos de Politien) : inf., n. 188. 119 Ainsi Richard Simon en 1680 : « La critique ne regarde pas seulement les diffrentes significations des mots, ou les quivoques, ou les diverses leÅons ; elle examine aussi les faits historiques, mÞme ceux qui appartiennent la thologie lorsqu’il ne s’agit point de la foi » (Rponse Spanheim) ; et en 1711 l’‘art critique’ selon le Trait des abus de la critique du jsuite Laubrussel : « Borne d’abord de pures discussions de grammaire, elle a ensuite acquis ou usurp le droit de juger de tout » (dans : Neveu 1994, Erudition, 212 sq.). 120 Schoppe [1597] 1662, De arte, 20 : « ars critica sive mendosos Latinorum auctorum locos ex ingenio emendandi ratio » (je souligne). Sur Canter : ibid., 8 (o son titre est donn sous intellectuelle la forme Syntagma corrigendi scriptores graecos). De Robortello, Schoppe sait qu’ «il a publi jadis un livre de hac ipsa
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progr s et mÞme changement d’orientation, c’est Joseph Scaliger qu’ils sont imputables, on l’a vu, et si le jeune Schoppe a pu, dans le titre de son ouvrage, mettre en sc ne avec -propos l’expression ars critica, toute nouvelle en latin, ce doit Þtre galement d’abord au second Scaliger qu’il le doit, ainsi sans doute qu’ Juste Lipse.121 Notons d’ailleurs, car le fait a chapp Kenney, que c’est une vritable srie qu’aura ainsi inaugure Schoppe : continue par Le Clerc, elle conna tra en effet un troisi me cha non en 1712 avec la Commentatio de Arte critica, et speciatim de Arte therapeutica de Christoph August Heumann, o c’est bien l’emendatio qui resurgit, en sa double acception philologique et, par mtaphore, mdicale, sous ce nom insolite d’ars therapeutica, forme spcifique de l’ars critica ; 122 et mÞme un quatri me en 1730, et l encore dans l’aire germanique, avec les Principia artis criticae explicata et demonstrata inclus dans la Philosophia Pollingiana du philosophe et thologien bavarois Eusebius Amort, lequel avait dj publi en 1723 des Nova philosophiae planetarum et artis criticae systemata rapprochant curieusement cosmologie et philologie.123 Il se peut que d’autres cha nons restent reprer. corrigendi ratione », livre que lui-mÞme n’a pu voir, mais qui, croit-il, n’a pas d contenter le grand Paul Merula, de Leyde, puisqu’il « a promis rcemment un libellus sur le mÞme sujet » – ou plutt, Schoppe veut le croire, « sur la formation et littraire du criticus » (ibid., f. **[3]v) : ce qui laisse donc place son propre ouvrage, prsent comme meilleur que celui de Robortello et moins ambitieux que celui de Merula. Place lgitime coup de spculations sur la nature et la qualit d’ouvrages potentiellement rivaux du sien. 121 Lipse « accrditera l’emploi du mot en latin » (Jehasse 2002 [1976], Naissance, 201, notant galement ‘le’ et ‘la critique’ dans le franÅais de J. Scaliger ; 222 sq.). Ars critica n’appara t pas, que je sache, en latin antique et mdival, ni la Renaissance avant les derni res dcennies du XVIe si cle. Calque du grec : ainsi kritikÞ (tekhnÞ) chez Platon, Politique, 260c (mais au sens, non philologique, d’‘art de juger’ [vs prescrire] ; cf. Lucien, Herm. 68). Voir la Diatriba de J. Scaliger cite sup., n. 43, usant du grec et du latin : (hÞ) kritikÞ ou critica. Sur la dette inavoue de Schoppe envers J. Scaliger selon Grafton : sup., n. 107. 122 Le « […] et speciatim de Arte therapeutica » rpond au « […] et praecipue de altera eius parte emendatrice » qui suivait et spcifiait de la mÞme faÅon « De arte critica » dans le titre de Schoppe. Pour la mtaphore mdicale, voir inf., n. 196. Le titre de Heumann est signal par Jaumann 1995, Critica, 159, n. 7 (la Commentatio occupant les p. 1 – 58 de ses Parerga critica). 123 Ouvrages que je n’ai pu encore consulter. La critique fut beaucoup pratique par ce polymathe (1692 – 1775), chanoine de S. Augustin Polling, auteur notamment d’une Epistola critica (1728), d’une Notitia critica de logica Neotericorum (incluse aussi dans sa Philosophia Pollingiana) et d’une Demonstratio critica religionis Catholicae (1744).
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9. « Arts de faire »124 en attente de scientificit : des pratiques en avance sur la thorie ? Exerc par les plus grands, l’art savant de la philologie du Quattrocento donne lieu des styles en fait bien distincts : blouissante virtuosit d’un Valla dans ses Emendationes sur Tite-Live, crasant ses rivaux par la sret confondante de ses conjectures ; ma trise consomme d’un Politien plein de mordant et de sduction dans ses Miscellanea, observateur aigu des moindres traces de vrit que rec lent la matrialit des manuscrits et le dessin des critures, et capable d’esquisser des r gles pour en tirer parti ; prudence extrÞme et marche lente, aust re, rectiligne d’un Barbaro dans ses Castigationes sur Pline l’Ancien, beaucoup plus confiant dans l’usage de l’auteur et les rapprochements avec d’autres que dans les leÅons des manuscrits.125 Ces diffrences le manifestent : tant d’abord une pratique, l’art s’inscrit en des mani res de faire certes acquises par apprentissage mais aussi hautement personnalises, voire rinventes, et d s lors bien des artistes rpugnent s’en expliquer verbalement. Aux questions qu’on leur pose, les rponses d’un peintre sur sa peinture, d’un musicien sur sa musique, seront plus d’une fois laconiques, fuyantes, nigmatiques mÞme : comment user commodment et adquatement de mots pour rendre ce qu’exprime avec sa force propre le langage des couleurs ou des sons que chacun s’est forg, langage sans mots ? Ils s’en remettront faute de mieux aux… ‘critiques’, distincts d’eux-mÞmes en l’occurrence et complmentaires, et dont c’est le mtier – sauf garder la libert de ne pas se reconna tre dans leurs propos. 124 D’apr s Certeau [1980] 1990, Arts de faire, o il s’agit d’ «expliciter les combinatoires d’oprations qui composent aussi […] une ‘culture’, et d’exhumer les mod les d’action caractristiques des usagers » (XXXVI), en postulant « une logique de ces pratiques » – ce qui tait « revenir au probl me, dj ancien, de ce qu’est un art ou ‘mani re de faire’ » (puisque, « des Grecs Durkheim, en passant par Kant, une longue tradition s’est attache prciser les formalits complexes […] qui peuvent rendre compte de ces oprations-l ») (XLs [les soulignements sont de l’auteur]). Problmatique clairante, mÞme si l’ouvrage est consacr au « quotidien » dans l’espace social contemporain et que les « pratiques retenues (lire, parler, marcher, etc.) » (XLIV [voir le t. 2 par Giard/Mayol [1980] 1994, Habiter, cuisiner]) ne sont pas du type professionnel et spcialis dont je traite ici (corriger, diter, traduire des textes anciens). 125 Rizzo [1973] 1984, Lessico, 230 – 235 ; Lardet 2001, Variante, conjecture, 373 et 379 sq. ( la suite de Pozzi 1976 – 1979, diteur des Castigationes, et de Branca 1980, E. Barbaro, spc. 144 – 171 ; Branca 1983, Poliziano). Pour Valla : inf., n. 167.
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Prenons le cas de ce contemporain du premier Scaliger que fut, mais Florence, un peintre suprÞmement dou : Jacopo da Pontormo. Il n’a gu re laiss par crit, en plus d’un journal de ses annes ultimes (mars 1554–octobre 1556), qu’une lettre de 1547, en rponse l’enquÞte de l’acadmicien Benedetto Varchi sur les mrites compars de la peinture et de la sculpture – nouveau le topos de la ‘dispute des arts’.126 La rhtorique de Pontormo dans sa rponse Varchi ne se confond videmment pas avec le « matrialisme dsertique » (notations d’une scheresse pathtique sur ses malaises, sa nourriture, les tapes de son travail et la fatigue qu’il lui en cote) qui, selon l’admirable tude qu’a consacre cet artiste Jean-Claude Lebensztejn, impr gne son journal – lequel, « purement pratique d’intentions », pouvait n’Þtre « pas le lieu de penses sur la peinture ». Cependant la lettre respire un « orgueil » et une « sorte d’ironie ngative » non moins frustrantes pour qui voudrait y dchiffrer un message du peintre sur son art et sur son œuvre. Comme bien d’autres artistes du temps, Pontormo eut un critique, non des moindres, en la personne de Giorgio Vasari qui, en 1568, publia sa Vita : or, en dpit de « la justesse du portrait », Lebensztejn y voit le biographe « se battre les flancs pour essayer de comprendre, et avouer finalement qu’il n’y arrive pas ».127 126 Cf. sup., ad n. 70. Dossier dit par Barocchi [1971] 1978, Scritti, III : lettre de Pontormo (504 – 507), parmi d’autres (galement Varchi) de Vasari, Bronzino, Sangallo, Michel-Ange, etc. ; nombreux textes sur le mÞme th me : de Vinci (475 – 488), Varchi (524 – 544 : Lezzione nella quale si disputa della maggioranza delle arti), B. Cellini (600 – 610 : Sonetti intorno alla disputa di precedenza fra la Scultura e la Pittura), V. Borghini (611 – 673 : Selva di notizie), etc. Voir Laffranchi 2000, Maggioranza delle arti, 653 – 655. Pommier 2007, L’Art, 378 – 386. 127 Pontormo [1554 – 1556] 1992b, Journal, 82, 85, 106 sq., 126, 349 – 351 (traduction de la lettre Varchi) ; spc. 107 : dans la lettre, « Pontormo dplace la question et parle [des] pratiques [de la peinture et de la sculpture], c’est--dire de leurs fatigues, tout en commenÅant par dire qu’il ne pourra pas les exprimer enti rement avec des mots ou de l’encre. Ce motif des peines de l’artiste, intraduisibles en paroles, domine la lettre, et se retrouve, sous les mots, travers le journal » ; 126 : « On dirait que chez Pontormo quelque chose maintient le silence […] la fin de sa lettre Varchi, la mÞme rticence [que dans le journal] lui fait couper court un dveloppement sur la mortalit de l’œuvre d’art par une formule de politesse extraordinairement alambique, qui annule tout le contenu de la lettre avant de s’annuler soi-mÞme ». « Ironie » galement souligne par Barocchi [1971] 1978 (ad Pontormo 1547, Lettera), dans : Scritti, III, 504, n. 1 ; 507, n. 3. Voir aussi Pinelli [1993] 1996, Manire, 21 – 53 : « Vasari et Pontormo », spc. 35 (leur « tension conflictuelle »), 48 sq. (« incompatibilit entre [leurs] faÅons de concevoir l’art et le rle mÞme de l’artiste », « opposition »
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Qu’on pense galement aux traducteurs, souvent bien en peine d’expliciter la thorie de leur pratique et d’riger leurs tours de main en la mthode qu’on leur suppose. Ils prf rent s’en tenir dans leurs prfaces tout un ensemble de lieux communs (au demeurant suggestifs : ainsi pour le corpus d’auteurs franÅais du XVIe si cle dont Luce Guillerm a analys la ‘topique’),128 alors que cet ‘art’ qui est le leur est pour une large part affaire de got, d’intuition, de flair, de sens linguistique la fronti re de deux langues entre lesquelles, avec des ruses de passeur, ils ngocient chacun sa faÅon des transferts qu’ils n’ont cure de dclarer. Les meilleurs d’entre eux auront investi l beaucoup d’ingniosit et de subtilit, et jusqu’ mÞme pouvoir prtendre, non seulement – selon une tradition qui remonte l’Antiquit et que ractive la Renaissance – rivaliser avec l’original, mais encore l’embellir – ce qui, pour les diteurs de textes, a pu reprsenter une relle « tentation ».129 O l’on re-trouve cette congenialit con l’autore e l’opera que Giorgio Pasquali posait comme indispensable au praticien de l’emendatio (derni re tape du processus philologique, apr s recensio et eliminatio codicum), dont il soutenait qu’elle est affaire d’arte qui « incarne de faÅon emblmatique [la] fracture [entre] deux phases […] de l’histoire artistique du Cinquecento »). 128 Guillerm 1988, Sujet de l’criture, 2e partie : « L’auteur, les mod les et le pouvoir, ou la topique de la traduction autour de 1540 », 343 – 597. 129 Berman 1986, Essence de la traduction, 71 : « Que la traduction, en tant que captation du sens, soit ipso facto embellissante, cela explique pourquoi, la limite, il est impossible de traduire ‘tel quel’ un texte mal crit […] Car cela heurte de front la vise de l’acte de traduire […] Le plus souvent, d s que le traducteur a dcouvert les points faibles du texte, il s’empresse de jeter sur eux le voile […] : il fait […] dispara tre les dfauts. » Point de clivage entre le geste littraire de traduire et celui, philologique, d’diter, la dontologie duquel s’impose de ne pas cder « la tentation d’embellir » (Pasquali 1949, Edizione critica, 479). Reste qu’ la Renaissance les diteurs de textes sont loin de se conformer strictement pareil « idal de neutralit » (Lardet 2001, Variante, conjecture, 375 sq.). Ils rejoignent en cela les traducteurs (ce que d’ailleurs ils sont souvent aussi euxmÞmes) : Valla en particulier pratiquera ce type de translatio ad sensum qui, pardel le « respect » de l’auteur grec traduit en latin, « tend rivaliser avec lui et le surpasser » (Cortesi 1995, Tecnica, 163 [d’apr s F. Lo Monaco]). Conception tr s ancienne : voir Traina 1988, Traduzioni, 93 – 103 ; Chiesa 1987, Ad verbum, 95 – 103. Hummel 1997, Philologica, 198 – 203, spc. 200, voque la hirarchie implicite qui, avec l’essor de la philologie comme discipline scientifique, a jusqu’ nos jours subordonn celle-ci, « activit ‘pure’ parce qu’elle entend rendre les textes leur nudit et authenticit premi re », la traduction, « tche ‘impure’ dans la mesure o elle repose sur l’invitable trahison de la langue originelle », d’o la « difficult » pour la seconde de « conqurir sa lgitimit philologique » (soulign par l’auteur).
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non suscettibile di regole. 130 D’o aussi la distinction de Paul Collomp approuve par Kenney entre « penser une conjecture », qui « est en grande partie affaire de talent » – ce en quoi « la conjecture est un art », ajoute Collomp, citant Theodor Birt – et pouvoir « la justifier », qui « est affaire de science ».131 On rapprochera ce que d’autres disent de l’art de traduire : « Le bagage thorique du traducteur est en gnral pauvre et pragmatique », constate George Steiner.132 Paolo Chiesa note que, pour les traducteurs « entre Antiquit tardive et haut Moyen Age », comme « peut-Þtre pour [ceux] de tous les temps, la thorie vient ‘apr s’ ».133 Pour Antoine Berman, « la traduction peut fort bien se passer de thorie, non de pense », et s’il parle de ‘traductologie’, c’est au sens, non d’une « ‘discipline’ objective », mais de « la rflexion de la traduction sur ellemÞme partir de sa nature d’exprience », l’exclusion de « tout savoir objectivant et extrieur » et l’encontre de toute « ambition d’chafauder une thorie gnrale ».134 Voil qui rejoint ce qu’crivait Kenney des « meilleurs scholars » parmi les philologues de jadis, bien excusables ses yeux d’avoir t « trop occups faire le travail pour s’arrÞter expliquer en dtail ce qu’ils taient en train de faire », non sans regretter toutefois que « l’ars de Casaubon, tout comme celle de Scaliger, n’ait jamais t crite ».135 A faire ainsi l’loge de praticiens supposs quasiment ‘scientifiques’ avant la lettre alors que – sinon mÞme parce que – ils se sont maintenus distance de la thorisation, Kenney n’tait au fond pas si loin – moins qu’il n’et prfr se rclamer du pragmatisme anglo-saxon ? – de ce champion des Lumi res que fut Diderot, auteur de l’article « Art » de l’Encyclopdie : pour ce dernier en effet, lu dans les termes de Michel de Certeau, « l’art est un savoir qui op re hors du discours clair […] bien plus, ce savoirfaire devance, par sa complexit, la science claire ». D’o un « retard […] dans le rapport de la science aux arts »: « un handicap temporel spare des savoir-faire leur progressive lucidation par des sciences pistmologiquement suprieures », si bien qu’on « se hte vers ces pratiques encore distance des sciences mais en avance sur elles ». Plus tard, avec Durkheim, 130 Pasquali 1949, Edizione critica, 477 – 480. 131 Collomp 1931, Critique, 16 (dans : Kenney 1974, Classical Text, 129 [je souligne]) ; Birt 31913, Kritik und Hermeneutik, 124 (je souligne). 132 Steiner [1975] 1978, Aprs Babel, 255. 133 Chiesa 1987, Ad verbum, 51. 134 Berman 1985, La traduction et la lettre, 38 – 41. 135 Kenney 1974, Classical Text, 28.
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l’art sera « par rapport la science un savoir en lui-mÞme essentiel mais illisible sans elle ».136 Art et science : double polarit gnratrice d’une tension qui en tout cas perdure alors mÞme qu’volue la dfinition de chacun des ples. Mais plus que cette derni re importerait finalement la dsignation de l’espace ainsi ouvert, articulant art et science sans abolir leur cart. Une « complexit » en mal d’ « lucidation », un « essentiel » encore « illisible »: ces expressions que je prends Certeau lecteur de Diderot et de Durkheim ne donnent pas le sens mais commandent une tche; elles mettent en marche vers ce qui manque sans prjuger de ce qu’il sera. Par rapport mon propos, je croirais en retrouver l’quivalent, d’une part dans ce que Politien avait su poser, on y reviendra, comme condition du succ s de l’emendatio conjecturale – savoir que « de la place soit laisse » pour la restitution d’une vrit encore invisible ( extraire de la confrontation des donnes dans un espace o, au lieu de le saturer, elles laisseront le vide que viendra remplir une invention judicieuse); et d’autre part dans ces « œill res » que, selon Max Weber expliquant quoi reconna tre qu’on a « la vocation de la science », on est prÞt se mettre pour pouvoir accder l’ « trange ivresse » d’une conjecture russir tout prix.137 Pour Politien s’imposait de ‘laisser du jeu’ (un peu comme aux checs pour que puisse Þtre conÅu le coup dcisif ) ; pour Weber c’tait un champ (visuel) qu’on devait consentir restreindre. Espaces de nature diffrente, et dont l’expansion ou la limitation ne sont donc pas commensurables. Reste qu’en se fixant l’une ou l’autre de ces contraintes, on se donne de part et d’autre le moyen artificiel de produire l’intensit qui permettra d’arriver voir vraiment, voir le vrai, savoir. Art et science taient donc l bien moins opposer qu’ conjuguer. 10. L’mergence d’un mtalangage : aspects de l’emendatio la Renaissance Dans les annes 1420, le De interpretatione recta du Florentin Leonardo Bruni avait assimil la traduction l’art du peintre qui, imitant un tableau de ma tre, s’efforce d’ « attraper la ressemblance » et de « se couler » dans
136 Certeau [1980] 1990, Arts de faire, 104 sq. et 108 (c’est lui qui souligne). 137 Voir inf., ad n. 153 ; sup., ad n. 25.
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le style du mod le.138 A cet gard l’ars critica serait situer galement du ct de ce qu’il est convenu d’appeler prcisment des ‘mtiers d’art’ : elle restaure les textes comme l’bnisterie les meubles ou, suivant une comparaison utilise par Valla, comme on fait de la restauration de tableaux.139 Il y faut au moins autant de got que de savoir. Comment effectuer le travail et juger des rsultats sinon en allant y voir de pr s – aid par les œill res dont Weber prne l’usage – avant de prendre nouveau du recul ? Patient et coteux labeur, mais qui mriterait qu’on l’applique davantage aux anciens diteurs de textes en se penchant sur les apparats qu’ils n’ont rdigs que sous forme inchoative, et en pesant les conjectures qu’ils se sont autorises au fur et mesure de leurs annotationes, castigationes, observationes… La visite de ces cimeti res de leÅons plus ou moins mort-nes pourrait en effet conduire, sinon – mais sait-on jamais ? – remettre en circulation telles conjectures remarquables peut-Þtre tombes trop vite dans l’oubli, du moins en rendre la paternit leurs vritables inventeurs.140 Par-del ces heureuses restitutions, ce genre d’enquÞte ne peut manquer d’Þtre instructif quant aux pratiques et aux mentalits des philologues d’autres poques. Diffrent – et tr s fcond – a t le parti de Silvia Rizzo. Avec le souci constant d’ « chapper la tentation de surimposer des significations modernes aux termes techniques d’alors », son Lessico filologico a pass au crible les textes des humanistes, de Ptrarque jusqu’ la fin du Quattrocento, afin de donner « une connaissance aussi exacte que possible des expressions dont ils ont us pour dcrire les manuscrits et pour indiquer les diverses oprations de leur activit philologique ».141 Ainsi a-t-elle fait merger tout un mtalangage partir duquel s’esquisse 138 Bruni [1424 – 1426] 1928, De interpretatione, 86 : apr s avoir voqu po te et sculpteur, il compare le traducteur ceux qui « copient une peinture » (ad exemplum picturae picturam aliam pingunt) ; 87 : « Ita se conformabit ut singulorum figuram assequatur […] Rapitur enim interpres vi ipsa in genus dicendi illius de quo transfert, nec aliter servare sensum commode poterit nisi sese insinuet ac inflectat per illius comprehensiones et ambitus cum verborum proprietate orationisque effigie. » 139 Valla [1447] 1981, Antidotum, IV, 10, 2, p. 370 : « […] qui verba illius, veluti in tabula colores ac lineamenta ob vetustatem aliove quo casu abolita, sic reponit ut veritatem representet ». Voir Regoliosi 1986, Congetture, spc. 53. 140 Rizzo [1973] 1984, Lessico, 173, propos de « tutto […] l’enorme materiale [umanistico] che giace in gran parte inesplorato nelle nostre biblioteche » : « finalmente […] si moltiplicheranno le restitu-zioni ad umanisti di conietture che nei nostri apparati vanno sotto il nome di studiosi moderni ». 141 Rizzo [1973] 1984, Lessico, Prface, IX.
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la thorie l’tat naissant de la discipline en train de se constituer (taitelle art ou science ? La question n’appara t pas comme ayant t d s ce temps-l l’ordre du jour). Pour ce qui est de l’emendatio (ou, quivalemment, correctio et, plus rare, castigatio), la riche mosaque des textes recenss, classs et comments par Rizzo permet d’en caractriser trois aspects – tat, action, rsultat (lequel est tat issu d’une action) –142 qui, si on les laissait indistincts (tel curieusement, pour le latin antique, le Thesaurus linguae latinae), donneraient prise quelques paradoxes. Car la correction se prsente ou comme tat de fait, savoir quand un texte est correct ; ou comme action consistant faire qu’un texte soit correct, avec alors ce rsultat qu’une fois « corrig » (emendatus), il est « correct » (emendatus galement, mais cette fois qualificatif issu du participe pass) ; 143 d’o en apparence ou bien cette contradiction que l’emendatio rend vaine l’emendatio (mais c’est parce que l’une est tat, l’autre action), ou cette redondance que l’emendatio produit l’emendatio (mais c’est qu’alors l’une est action, l’autre rsultat). Tantt l’emendatio s’annulerait elle-mÞme comme superflue, tantt elle se redoublerait tautologiquement… Au travers des effets que sugg rent l’ambigut et la polyvalence du mot emendatio, et par-del leur caract re sophistique, se profilent certains des probl mes lis cette notion de « correction » et aux pratiques qui s’y rapportent. Car s’il est vrai qu’un texte correct n’est pas corrigible (impossibilit qui souligne les ventuels exc s d’un z le hypercritique), il reste qu’un texte incorrect doit autant que possible Þtre corrig (ncessit qui s’impose face d’invitables dficiences, assignables la ngligence des copistes, la passivit des lecteurs, l’usure du temps…). Mais il demeure qu’un texte incorrect n’est pas toujours corrigible. D s lors le fait d’Þtre ‘incorrigible’ s’applique soit un texte correct, qui par dfinition n’a pas Þtre corrig, soit un texte ce point incorrect qu’il n’est plus susceptible de l’Þtre.144 La complexit du travail de correction se mesure exemplairement dans une lettre o, vers le dbut du XVe si cle, Gasparino Barzizza dtaille 142 Rizzo [1973] 1984, Lessico, 265 – 276, spc. 266 – 268. 143 Sur ces deux sens – tat ou action – d’emendatus (et de correctus) chez les humanistes : Rizzo [1973] 1984, Lessico, respectivement 214 sq. ; 265 et 274 (soit dans deux chapitres successifs intituls justement : « Lo stato del testo » et « L’intervento sul testo »). 144 Voir inf., n. 164 (Francis Bacon dnonÅant la diligentia temeraria), 170 (paradoxe du manuscrit dont « toute la correction tait d’Þtre tr s corrompu »), 196 (Juste Lipse dnonÅant le « prurit » des correcteurs et Crusius s’en prenant ceux qui in locis sanis sanandis operam perdunt).
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Giovanni Corner celui qu’il vient d’effectuer sur un manuscrit du De oratore, manuscrit qu’il lui renvoie (« Oratorem tuum emendatum ad te mitto ») pour que celui-ci en fasse tablir une copie au propre : dcoupage en sections et chapitres, tablissement de sommaires, collation avec d’autres manuscrits anciens auxquels ont t empruntes des leÅons, leve d’ambiguts, rvision de la ponctuation, de l’orthographe, des sparations de mots, correction de fautes dues des confusions de lettres, comblement de lacunes (mais – remarquable prcaution de philologue conscient des limites que lui impose le respect d l’auteur – « dans la marge titre de commentaire, non dans le texte », ce qui et t « une vraie folie »: vehementer temerarium). Avec toute cette gamme d’oprations, l’emendatio est en l’occurrence œuvre de grammairien au grand sens humaniste – celui qu’endossera Politien – incluant les fonctions de philologue et d’diteur au sens moderne puisqu’elle va de l’tablissement scrupuleux du texte une mise en page soigne visant lui assurer le maximum d’intelligibilit et de lisibilit.145 Vaste et haute ambition, conforme aux exigences du « modus legendi humaniste » et l’ « universalisation de son mod le » telles que les a analyses judicieusement Eckhard Keßler partir notamment, d’une part, du grammairien Battista Guarino, fils et continuateur du fameux Guarino de Vrone et auteur d’un De modo et ordine docendi et discendi (1459), et d’autre part du mdecin Niccol Leoniceno, coll gue de Battista Ferrare (mais en mathmatiques, philosophie morale, et bien sr mdecine), et auteur, outre de travaux de critique philologique sur Pline l’Ancien (1492) proches des Castigationes de Barbaro, d’un bref mais important De tribus doctrinis ordinatis (1508). Cet ouvrage-ci, qui dveloppe « une interprtation de Galien en rupture avec la tradition aristotlicienne », « tend aux sciences thoriques la mthode de consti145 Rizzo [1973] 1984, Lessico, 263 sq. (d’apr s Sabbadini [1914] 1971, Storia, 81 sq.) : « Divisi […] singulos libros in tractatus et capitula ; sententiam quae in partes multas diffusa erat, in brevissimam summam et quasi in caput redegi ; omnia quae potui antiquiora librorum exemplaria collegi, quod ex unoquoque verius videbatur attentissime in hunc nostrum transtuli ; quae ambigua erant aut propter librariorum incuriam aut propter vetustatem interpretatus fui ; multa divisa composui, plura composita divisi ; litterarum figuras similitudine aliqua inter se commutatas multis locis correxi ; quaedam etiam cum deficerent supplevi, non ut in versum cum textu Cice-ronis ponerentur (esset enim id vehementer temerarium nec ab homine docto ferendum), sed ut ea in margine posita commentariorum locum tenerent. » La copie de Corner a t conserve : ms. Milano, Biblioteca Ambrosiana, E 127 sup.
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tution d’un art partir de son but » (mthode qui « trouve son origine dans la thorie de la lecture grammaticale de Battista Guarino, conÅue au dpart pour une discipline particuli re »), ce qui lui « permet de faire de la lecture grammaticale des humanistes la condition universelle de l’enseignement et de la pratique de toutes les sciences ».146 O l’on retrouve la problmatique ‘science/art’, ainsi que le rle minent de la grammaire tel que rinterprt par la premi re Renaissance. A cet gard il faut noter que, diplm de Padoue, Jules-Csar Scaliger, mdecin lui aussi et philosophe de la grammaire, fera mention trois reprises de Leoniceno comme de l’un de ses « ma tres ».147 Toutefois il tiendra galement s’affirmer libre de toute infodation : non seulement il se dclare quant lui aristotlicien rsolu, mais, en homme d’une gnration plus tardive, il dcide de repenser plus strictement la grammaire en subordonnant autant que possible l’usage la raison, la pratique la thorie, le corpus au syst me. Science ses yeux, on l’a vu, et non plus art, et pour cela mÞme reconduite un essentiel proprement linguistique, distance donc du vaste champ des pratiques philologiques dveloppes jusqu’alors par l’humanisme.148 D s lors la position ici de Leoniceno n’aura gu re pu recevoir son aval. Cependant l’emendatio prend aussi des formes plus spcifiques. Outre qu’il revient chaque auteur de parfaire par elle son propre ouvrage, elle est inhrente au travail des copistes, forcment inducteur de fautes, d’o l’indispensable complment que constitue la rvision de la transcription par collation avec le mod le (exemplar). Corrections d’auteur, correction par le copiste ou son rviseur : deux oprations de routine dont un Ambrogio Traversari fournit nombre d’attestations relatives ses traductions du grec.149 Philologique au sens moderne sera un troisi me type 146 Keßler 2001, Lecture, spc. 20 – 25 et 38 – 41 (je souligne). 147 Scaliger, J.-C. [1537] 1999, Oratio secunda, f. G [1]v, p. 340, l. 3142 (et n. 180 – 181 [ la p. 376]) ; Scaliger, J.C. 1539, Hippocratis liber, 62 ; et 1557, Exercitationum liber, 146, 7, f. 200v. 148 Voir sup. « 5. La grammaire, art ou science? […] ». Aux tudes cites sur Scaliger philosophe (n. 68), ajouter Lardet 1986b, J.-C. Scaliger et ses ma tres (y apporter l’emendatio due Magnien [Scaliger [1531/1537] 1999, Orationes, 381] et lire Leoniceno, non Leonico Tomeo). 149 Ainsi d’apr s Rizzo [1973] 1984, Lessico, 251 : « Nous en avons fini avec [le Pseudo-] Denys […] Quand l’ensemble du travail [de traduction] aura t corrig (emendatum) […] nous te l’enverrons pour le faire transcrire sans fautes (sine mendis transcribendum) de sorte qu’il puisse [ensuite] Þtre transcrit par d’autres avec plus de soin et de facilit » ; 253 : « Nous n’aurons pas du tout peiner pour corriger la transcription (minimus labor erit emendandae scripturae) tant donn
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d’emendatio, s’agissant cette fois de critique textuelle. Les textes en effet comportent toujours des mots ou des passages qui « ont besoin » de correction (opus habere, indigere).150 Il faut donc « oser » corriger (audere) : risque courir, et qui peut bien ou mal tourner – bien pour un Valla, confiant juste titre dans son talent : « Tout comme nous avons corrig cela, osons galement corriger encore ceci (ita hoc quoque emendare […] audeamus) et le rtablir dans son intgrit premi re »; 151 mal pour quelqu’un qui n’avait pas l’envergure d’un Politien au dire de celui-ci : « Ayant os suppler imprudemment Apellicon […] et corriger – du moins c’est ce qu’il croyait faire – son ide (pro arbitrio, quemadmodum quidem putabat, emendare ausus), il a souill ces livres par une foule d’erreurs ».152 On verra plus loin d’autres cas o corriger se retourne en son contraire… C’est que la correction ex ingenio, quand elle est pure conjecture (c’est--dire sans mÞme un tayage d’ordre graphique), tend se rvler bien plus souvent arbitraire que gniale, ou superflue quoique ingnieuse. Davantage susceptible de succ s est celle tente ope codicum ou, comme l’exprime Politien, « apr s collation », c’est--dire une fois effectue la comparaison avec d’autres tmoins considrs avec attention, dfauts compris : Moi, Politien, j’avais collationn la copie en question (contuleram […] hoc ipsum exemplar) avec trois tr s anciens manuscrits et, selon la r gle que je me suis fixe (proque instituto meo), de ces anciens-l je n’ai pas mÞme laiss tomber les leÅons dont il tait clair qu’elles taient corrompues (ne illa quidem quae liquebat esse corrupta […] omisi), et cela pour qu’ celui qui corrigerait soit laisse de la place pour une conjecture (ut coniecturae locus emendaturo super esset).153
La force et l’originalit ici de Politien, c’est, comme le souligne Rizzo avec admiration, d’avoir su dcomposer rigoureusement le processus en deux temps : d’abord l’examen comparatif de la tradition manuscrite qui
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que la ncessit nous incombe de corriger ce que nous avons traduit (traducta corrigere) » – autrement dit, Traversari fera d’une pierre deux coups : ayant rviser la qualit de sa traduction, il en profitera pour vrifier l’exactitude de la copie. Rizzo [1973] 1984, Lessico, 266 sq., citant Traversari : « Sunt quaedam […] quae emendatione opus habeant », et Broalde : « Illud quoque in eodem scriptore […] indiget emendationis […] Ille quoque versus qui indiget emendationis corrigatur ». Rizzo [1973] 1984, Lessico, 256. Rizzo [1973] 1984, Lessico, 257. Rizzo [1973] 1984, Lessico, 261 sq. (suscription de 1490 la collation de Pline l’Ancien).
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fournit des donnes, toutes retenues ce stade (mÞme manifestement mauvaises), ensuite seulement le choix de la correction apporter partir de l’ventail des leÅons recueillies, correction conjecturale si aucune de celles-ci ne convient. « Laisser de la place » (ut locus super esset), c’est ouvrir et meubler avec les donnes disponibles un espace o la confrontation pourra avoir lieu, et donc suspendre la dcision critique aussi longtemps que n’a pas t dlimit ce champ clos o le discernement aura non seulement la libert mais aussi les moyens de s’exercer. Suspens provisoire et recul profitable : dans les intervalles des leÅons en prsence mais insatisfaisantes, et du fait du jeu qui subsiste entre elles de sorte qu’aucune ne ‘marche’ (telles les pi ces mal jointes et disparates d’un mcanisme qui du coup ne fonctionne pas), viendra se loger le cas chant la conjecture qui, faisant soudain sens, les congdiera toutes, mais pas sans que le correcteur ait tir parti, pour la produire, des suggestions offertes par le cadre comparatif ainsi construit – ce que systmatisera un jour l’apparat critique (le XVIIIe si cle verra s’en prciser la technique).154 Que le texte authentique soit dgager avec prcaution de leÅons errones dans le rseau desquelles, dfigur ou rduit l’tat de traces, il se trouve enserr, et que la vrit puisse surgir au carrefour d’erreurs multiples soigneusement examines et peses,155 c’est ce dont sera galement convaincu Beatus Rhenanus.156 154 De mÞme, Misc. II, 15, 1 sq. (dans : Rizzo [1973] 1984, Lessico, 288 ; Branca 1983, Poliziano, 247) : ne voyant pas ce que peuvent Þtre les ocellatae (osselets) auxquels Sutone rapporte qu’Auguste jouait avec des enfants (Aug. 83), Politien « ne trouve pas hors de propos (ab re) d’ajouter en quelque sorte une invention de son cru (si ego quoque aliquid velut affinxero [sans doute prfrable affixero]) aux conjectures des autres, au motif qu’il est d’usage qu’il y ait place pour la conjecture lorsque la leÅon [du texte reÅu, du manuscrit disposition] ne donne rien et que diverses contributions sont apportes par tels ou tels (quoniam locus esse coniecturae solet ubi nil lectio suppeditat variaque a diversis afferuntur) ». Sur l’apparat critique : Lardet 2001, Variante, conjecture, 372 sq. 155 Politien, Misc. I, 57 : anciens manuscrits qui « vestigia adhuc servant haud obscura verae indagandae lectionis quae de novis codicibus ab improbis librariis prorsus obliterantur » ; et cette suscription (prserve par Bandini) : « […] ut scilicet periculum faciam an ex ipsis quoque male cohaerentibus litteris veram lectionem coniectare aut eminisci valeam » (dans : Kenney 1974, Classical Text, 7 et n. 5). 156 D’Amico 1988, Theory, 80 : « Corrupt manuscripts could offer much if they were properly treated, since their errors often concealed a true reading. Beatus compared these readings with precious metal mixed with the refuse of gold and silver shops. Thus an editor must comb the remains of old but corrupt manuscripts, for without them conjecture is often false. Beatus argued that, on
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On sait la fascination qu’exerÅait la divinatio, risque extrÞme et suprÞme libert pour l’esprit livr ses propres forces et provoqu lire entre les lignes.157 Le terme divinatio est-il la Renaissance simplement « synonyme » de coniectura comme l’crit D’Amico ? S’il a pu tendre le devenir au cours du XVIe si cle – une banalisation qui ne serait pas insignifiante : passage du sens sacral au sens profane (celui du franÅais ‘deviner’ ou de l’anglais ‘guesswork’) –, il convient, comme le fait Rizzo, de partir de plus haut. La coniectura, qui s’entendait encore au XVe si cle en son sens premier d’hypoth se gnrant une dduction d’ordre logique, est l’œuvre de la ratio, soit que celle-ci s’accorde avec une auctoritas positive (textuelle : leÅons des manuscrits, ou parall les fournis par des tmoignages d’auteurs anciens), soit qu’elle y supple lorsque l’auctoritas fait dfaut, si bien que cette ratio appara t d’une tout autre nature que la rvlation (d’essence religieuse) qu’tait cense procurer la divinatio. 158 D’o l’emphase largement rhtorique d’un Poggio faisant mine, dans les annes 1428 – 1430, de se trouver accul cette derni re ( propos de Plaute, ou encore des Philippiques, dans des versions si ab mes que mÞme la coniectura semblait devoir rester impuissante) :159 pour qui se souvenait de Cicron parlant avec prudence de la divinatio (cette « prdiction et pressentiment des faits qu’on regarde comme fortuits »: « noble et utile facult – si du moins elle existe – par laquelle notre nature mortelle many occasions, hard work and careful analysis had unearthed correct readings from the defective manuscripts and printed texts. » Cf. aussi Regoliosi pour Valla : inf., n. 167. 157 Cf. le titre Penser entre les lignes de l’ouvrage dit par Mariani Zini 2001. 158 D’Amico 1988, Theory, 10 ; Rizzo [1973] 1984, Lessico, 287 – 293, spc. 290 : « Mentre la coniectura si muove nel campo della verosimiglianza et pu sostenersi sul ragionamento, la divinatio qualcosa di irrazionale, quasi un’ispirazione divina. » Voir inf., ad n. 178. 159 Poggio, Epist. 3, 17 : « Philippicas Ciceronis emendavi cum hoc antiquo codice qui ita pueriliter scriptus est, ita mendose, ut in iis quae scripsi non coniectura opus fuerit, sed divinatione »; 4, 17 : « Est […] nulla verborum distinctione ut persaepe divinandum sit », dans : Rizzo [1973] 1984, Lessico, 174, n. 1 (notant l une « exagration voulue » de la part de l’humaniste, « dpit » par l’tat des manuscrits). Voir Magnaldi 2002, Poggio e le Filippiche, 184, confirmant quant « la justesse de la mthode de Poggio » l’avis de Rizzo qui s’inscrivait en faux contre la « svrit » et le « mpris » de divers philologues modernes, eux-mÞmes choqus, notait-elle (330), par le « mpris » de Poggio envers le copiste du ms. V (Vaticano, Bas. S. Petri H 25, IXe s.). Cf. Rizzo [1973] 1984, Lessico, 327 – 338 (et Lardet 2001, Variante, conjecture, 388, n. 67, propos de cette rcurrence du « mpris », indice de « seuils pistmologiques » entre le temps de Poggio et le ntre, et qu’il ne faudrait pas vouloir trop vite « aplanir »).
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pourrait approcher de tr s pr s la puissance divine »), c’tait comme d’esprer le miracle d’une illumination tombe du ciel : quasi un’ispirazione divina. 160 A l’exercice de la philologie alors comme aujourd’hui pourrait s’appliquer la maxime de La Rochefoucauld : « Le plus grand dfaut de la pntration n’est pas de n’aller point jusqu’au but, c’est de le passer ». Lecteur suppos pntrant et se donnant pour tel, le philologue est en principe toujours sur le qui-vive : la limite, il lit son texte comme on se fraye un chemin parmi des sables mouvants ; pas pas il le sonde et, conscient des alas de la transmission manuscrite, il est en alerte chaque mot :161 sens trop moyennement plausible pour ne pas laisser craindre qu’une lectio facilior soit venue rapicer un passage corrompu ; obscurit troublante de la lectio difficilior qui rclame pour se faire admettre l’effort d’un surcro t d’intelligence.162 D’o les dformations professionnelles inverses de l’exc s, ou de confiance, ou de dfiance, l’une et l’autre observables soit eu gard au texte reÅu, indment suspect ou trop facilement accept (selon qu’on est hypercritique, ou bien press, distrait, pour ne pas dire stupide), soit en fonction de l’ide plus ou moins haute 160 Cicron 1992, Divination, I, 1 et 9, trad. Freyburger/Scheid, 23 et 28. Les mots d’italien sont ceux de Rizzo (sup., n. 158). 161 Cf. Mallet 1754, Critique, 491 : « Le critique est un pilote habile que son art seul conduit [au port], si toutefois il est permis d’appeler art une suite de tentatives incertaines et de rencontres fortuites o l’on ne marche qu’ pas tremblants. » Mes ‘en principe’ et ‘ la limite’ signalent une vigilance idale, gu re pratique la Renaissance « la mentalit de laquelle tait trang re la collation systmatique des manuscrits », le manuscrit tant alors « un point de rfrence pour les passages difficiles, et non pas l’autorit suprÞme » (Pozzi 1976, introd. aux Castigationes de Barbaro, XCVII et CVI). A cet gard le cas de Poggio recopiant les Philippiques d’apr s un manuscrit prÞt par Niccoli, puis reportant en marge de sa copie (Firenze, Biblioteca Laurenziana, Laur. 48, 22) les variantes d’un manuscrit carolingien (V : sup., n. 159), fait partiellement exception : si en effet « [sa] collation ne vise pas noter toutes les diffrences entre les deux manuscrits, mais seulement amliorer le texte du sien », reste qu’il « ne recourt pas V seulement l o le sien ne lui donne pas de leÅon satisfaisante, mais proc de […] une confrontation attentive et systmatique, prenant V toutes les leÅons son avis meilleures […] et comblant avec V toutes les lacunes » (Rizzo [1973] 1984, Lessico, 332). 162 Selon Laplanche 1986, L’Ecriture, 1121, c’est Le Clerc qui « impose le crit re de la lectio difficilior, contraire celui de Cappel, le sensus clarior ». Cf. Pitassi 1987, Croire et savoir, 63 ; Thouard 1999, Critique philologique, 157, n. 3 (d’apr s Timpanaro 1963, Genesi). Curieusement, dans l’index de Kenney 1974, Classical Text, 171, il est question de lectio antiquior, germana, recepta, etc., mais pas de lectio difficilior.
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que le critique se fait de ses capacits (au risque d’Þtre alors ou timor ou tmraire). Les plus fascinants sont srement, et non exclusifs l’un de l’autre, d’une part l’esprit hypercritique qui, doutant de tout (tel le fameux P re Hardouin),163 tend corriger le texte mÞme l o il n’y a pas lieu de le faire,164 et d’autre part le critique sr de lui et que grise la conjecture – « ivresse trange » mais indispensable aux yeux de Max Weber165–, surtout s’il la tire uniquement de son propre fonds, ex ingenio, tel un acrobate travaillant sans filet.166 Et en effet c’est aussi par son ct sportif et spectaculaire que la conjecture aura t tentante pour les humanistes : ainsi des prouesses de Valla dans ses Emendationes sur TiteLive, aiguillonn qu’il fut publiquement la cour de Naples par la mdiocrit vindicative des Panormita et Facio.167 Si l’on consid re avec Grafton que « la rhtorique a gouvern ce jeu »,168 raison de plus alors pour souligner ce caract re d’preuve de vrit : un risque tait couru, et qui n’tait pas fictif. De l’clatante « divination » l’irrecevable « dlire », le pas est vite franchi et le partage pas forcment facile faire. A l’instar du proverbial traduttore traditore, on trouve chez Robortello la dnonciation du glissement en mati re de critique textuelle de prtendus correctores d’effectifs corruptores, de mÞme qu’on avait eu chez Salutati la dploration sur les menda introduits sous couleur d’emendationes, et qu’on verra 163 Le jsuite Jean Hardouin (1646 – 1729), « cas vraiment limite », mais qui « n’est pas un phno-m ne isol », d’un grand rudit (en numismatique, philologie, etc.) qui, par passion apologtique, se mit partir de 1690 voir partout des apocryphes : Marrou [1954] 1975, Connaissance historique, 130 – 139. 164 Francis Bacon, en 1623, taxait de diligentia temeraria ces « critiques, pas rares, qui ont coutume de supposer une faute dans le manuscrit d s qu’ils tombent sur quelque chose qu’ils ne comprennent pas » (De dignitate, VI, 4, dans : Jaumann 1995, Critica, 188). Cf. Crusius, cit inf., n. 196. 165 Weber [1919] 2005, La science, 20 (sup., ad n. 25). 166 Cf. Kant [1790] 1985, Critique de la facult de juger, § 43, « De l’art en gnral », note (p. 1085 et n. 2), distinguant « les tours du funambule » des « prtendus arts du prestidigitateur » qui ne tiennent qu’ la connaissance d’un « truc ». Cit par Certeau [1980] 1990, Arts de faire, 113 – 117 : « Un art de penser : Kant », spc. 114 : « L’art de faire est ainsi admirablement dfini […] le pratiquant lui-mÞme fait partie de l’quilibre qu’il modifie sans le compromettre ». 167 Regoliosi 1981, Valla, Panormita, spc. 305 ; Regoliosi 1986, Congetture, spc. 55, soulignant que Valla a une « prdilection » pour la correction ope ingenii, proportionne du reste la « grande faiblesse » sur ce point de ses adversaires, mais que, pour ses conjectures, « il sait rcuprer de l’intrieur le terme manquant, [c’est--dire] dans les rsidus corrompus de la tradition ». 168 Cit. sup., n. 98.
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tourns en drision par Francis Bacon ces exemplaria maxime castigata qui « sont souvent minime omnium casta ».169 MÞme type de retournement dans une suscription humaniste appose sur la copie tire d’un manuscrit si mauvais qu’il s’attire ce verdict sans appel : « fait partir d’un mod le dont le plus haut degr de correction tait d’Þtre extrÞmement corrompu ».170 Ce n’est qu’en dsespoir de cause – dfaillance des manuscrits et manque de tmoignages d’auteurs – qu’Ermolao Barbaro se rsoudra quant lui la conjecture, ce « rem de extrÞme » et « hasardeux », et que son ami Politien n’appliquait pas lui-mÞme sans « retenue » ni « dfiance ».171 Beatus Rhenanus dira de son ct la conjecture « ncessaire en l’absence de secours venu d’ailleurs »,172 mais, prudent et modeste, prfrera (comme longtemps avant lui Barzizza, on l’a vu, pour sa version lacuneuse du De oratore) s’en expliquer part sous forme de commentaire plutt que de l’introduire dans le texte.173 Et s’il arriva Joseph Scaliger 169 Robortello [1557] 1975, De arte, 2, 12, p. 40 ; Salutati, De fato, 2, 6, dans : Rizzo [1973] 1984, Lessico, 267 ; Bacon, De dignitate, VI, 4, dans : Jaumann 1995, Critica, 189. 170 Ab exemplari cuius summa emendatio erat esse corruptissimum (dans : Rizzo [1973] 1984, Lessico, 268). Autrement dit : « L o il tait le plus correct, il tait encore tr s corrompu ». 171 Pour Barbaro : Pozzi 1976, introd. aux Castigationes, LXV. Pour Politien : Rizzo [1973] 1984, Lessico, 289 s. Selon Branca 1983, Poliziano, 157, le chap. 1er de la 2de centurie des Miscellanea de Politien «contrappone alle facili e personali coniecturae la divinatio raggiunta attraverso la ricostruzione della trasmissione testuale e la pi strenua acribia filologica». Or en fait Politien n’intitule pas ce chapitre De divinatione pour «opposer» divinatio coniectura, mais parce que ce titre rpond celui de l’ouvrage de Cicron concern, le De natura deorum (dont l’ordre aurait t perturb, et que Politien, parlant d’un corps «mis en pi ces» tel celui d’Hippolyte, a cru pouvoir rtablir : voir Auvray-Assayas 1997, L’ordre). Divinatio qui n’appara t que dans le titre du chapitre n’y est nulle part « oppos » coniectura, terme que, dans le corps de celui-ci, Politien assume pleinement (dans le cadre du couple reÅu coniectura/auctoritas : inf., ad n. 179 et 181 – 183) puisqu’il prcise qu’ici, la diffrence de ce qu’il avait fait ailleurs (Misc. I, 25), il « ne s’appuie que sur la conjecture » (non vetustatis auctoritate sed coniectura nitimur dumtaxat). 172 D’Amico 1988, Theory, 80 et n. 34, citant les Annotationes sur Pline l’Ancien (1526) : « Opus est coniectura quando nullum aliunde subsidium ». 173 D’Amico 1988, Theory, 92, 102, 121. Pour Barzizza : sup., ad n. 145. MÞme rserve chez Guarino de Vrone face du grec illisible dans un Sutone : « Vt abstinerem potius visum est, ne in scribendo magis quam transcribendo temerarius et arrogans essem »; et chez Pomponio Leto ditant Varron : « In his quae inscitia penitus corrupit, non ausus sum manum imponere ne forte magis depravarem » (dans : Rizzo [1973] 1984, Lessico, 284 et 289, apr s Sabbadini
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de « compter davantage sur la correction conjecturale que sur le tmoignage manuscrit », Å’aurait t par « dfi » envers ceux qui, tel le tr s expriment Piero Vettori, « avaient critiqu sa tmrit ».174 Le temps est encore loin o Heumann dj voqu posera en principe que « la conjecture savante, c’est--dire en accord avec les r gles critiques, doit Þtre prfre de beaucoup aux manuscrits, puisque toute leur autorit ne repose que sur la foi des copistes et leur savoir-faire ».175 Franche hirarchisation thorique qui accorde peu au document, beaucoup une raison critique dont on a appris depuis davantage se dfier. Mais dj les meilleurs des humanistes avaient su Þtre plus quilibrs dans leur pratique. Si le mtalangage des philologues de la Renaissance n’est ni une cration ex nihilo ni la reproduction l’identique de la terminologie antique ou mdivale qu’il prolonge ou ractive, ce qu’il comporte plus ou moins nettement de technicit ne se superpose pas simplement la ntre. Silvia Rizzo a mis en relief des diffrences : ainsi la distinction majeure de l’poque ne passait pas entre recensio et emendatio, mais entre les deux types de cette derni re (dsigns par la suite comme ope codicum et ope ingenii). La collation restait alors subordonne et intgre tel point l’emendatio que, pour l’voquer, on parlait significati-vement d’emendare ad exemplar (ou ex codice [codicibus]) (corriger en se rapportant au mod le, ou partir du [de] manuscrit[s]) bien plus que de conferre – l’exception notable de Politien, principal utilisateur de ce verbe en tant que, comme on l’a dit, il a su, de l’emendatio, distinguer en novateur exigeant une collatio qu’en plus il a souvent fait porter sur plusieurs manuscrits.176 Donc « pas de distinction terminologique » selon 1922, Metodo, 58). Non sans malice, Casaubon « s’tonnera » du mlange de scrupule et d’aplomb chez Joseph Scaliger diteur de Manilius, qui tout la fois dclare ses « doutes » de « correcteur » et conf re ses « conjectures » une « vrit » d’ «oracles » (dans : Grafton 1983, J. Scaliger, I, p. 190, et n. 52). Politien se fixait une conduite plus mesure : « Neque […] in re dubia perplexaque refellam quod alii dixerint, sed ipse afferam simpliciter, non dixerim : quid sentiam, sed : quid suspicer » (Misc. II, 15, 2, dans : Rizzo [1973] 1984, Lessico, 288 ; Branca 1983, Poliziano, 247). Voir Lardet 2001, Variante, conjecture, 371 sq. 174 Grafton 1983, J. Scaliger, I, 191, propos du Manilius (Paris, 1579). Cf. inf., ad n. 180. 175 Parerga, 25 (§ 16), dans : Thouard 1999, Critique philologique, 161. Cf. sup., ad n. 122. Quelque 150 ans plus tard, Cobet partagera encore cette attitude, rtrograde pour son poque selon Kenney (sup., n. 3). 176 Rizzo [1973] 1984, Lessico, 244 – 249.
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qu’on « corrigeait » (emendare, corrigere, castigare) ope codicum ou ope ingenii, et pas davantage selon qu’on « compltait » (supplere) des lettres ou mots manquants « par collation ou par conjecture ».177 Pour le couple coniectura/divinatio, Rizzo se livre une analyse fine, et presque hsitante force de scrupule : le sens de la premi re chez les humanistes serait « voisin de celui de la moderne ‘conjecture’, quoiqu’il ne s’agisse pas encore le plus souvent d’un terme technique et qu’y soit toujours prsente la valeur de ‘supposition’ », alors que la divinatio laquelle ils « l’opposent » dsigne « quelque chose d’irrationnel » et n’a « jamais la valeur technique moderne », encore qu’il puisse y avoir dans ces deux termes, mais « plutt » dans le premier, « dj un prsage de ce que sera leur fortune future dans le langage des philologues ».178 Eclairant est en tout cas le diagnostic qui remonte la source de ces deux notions cardinales, vritables « canons de l’emendatio humaniste », que sont la ratio (s’exprimant par des argumenta ou sous forme de coniectura) et l’auctoritas (de manuscrits, ou de tmoignages d’auteurs anciens).179 Rizzo produit alors onze citations (dont sept de Politien), qui illustrent l’accord entre l’une et l’autre, exception faite de deux (chez Politien) : cas problmatiques o la conjecture n’a pas l’aval de « l’autorit » (celle qui s’attache « l’anciennet » d’un manuscrit). La mÞme situation se retrouvera pr s d’un si cle plus tard quand, dans une lettre que cite Grafton,180 un correspondant de Marc-Antoine Muret fait tat (en 1575) de la « vive attaque » de Vettori contre ceux « qui, en corrigeant les crits des bons auteurs, accordent plus de poids aux conjectures qu’ l’autorit »: ce « blme sv re » allait, crivait-il, aux Coniectanea de Joseph Scaliger sur Varron propos desquels « Vettori soutenait qu’on ne doit jamais, ou rarement, s’carter de l’autorit, mais qu’il faut se dtourner absolument des conjectures comme de ‘faux tmoins’ (pseudeis marturas) ». Ratio et auctoritas : pour ce couple normalement uni mais parfois malheureusement disjoint, la source, selon Rizzo, ne serait autre que « la terminologie grammaticale antique pour laquelle ratio est l’analogie, auctoritas l’usage des auteurs » – terminologie relative au dbat fonda177 Rizzo [1973] 1984, Lessico, 286 sq. 178 Rizzo [1973] 1984, Lessico, 287 sq. D’allure prscientifique, divinatio a russi se maintenir comme quivalent de ‘conjecture’ : ainsi Maas [1927] 1958, Textual Criticism, 11. Sans doute moyennant la dsacralisation qui l’aura fait entendre au sens simplement de ‘guesswork’. Cf. sup., ad n. 158. 179 Rizzo [1973] 1984, Lessico, 293 – 295. 180 Graftom 1983, J. Scaliger, I, 184 et n. 30 ( la p. 319).
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mental entre analogistes (avec Aristarque), dfenseurs de la langue comme syst me, et anomalistes (avec Crat s), privilgiant la langue comme corpus.181 C’est cette terminologie qui se trouverait ici « rpte avec d’autres contenus ».182 Reste que la grammaire n’a pas eu l’exclusivit du couple en question, dont le rle s’est exerc aussi en philosophie, thologie (depuis Tertullien et Augustin), droit, histoire…183 Tous domaines qui peuvent certes l’avoir reÅu de la grammaire, comme aussi bien, et plus directement, l’hriti re naturelle de celle-ci qu’est la philologie humaniste. Le remploi n’en est pas moins remarquable et, comme dj celui observ chez Schoppe,184 vient confirmer que l’ars critica de la Renaissance s’inscrit bien dans la filiation de l’ars grammatica, mais non sans la prise d’autonomie qui lui aura fait dtourner ses fins propres les catgories reÅues. Ce qui repose la question des conditions du changement de statut qu’aura symbolis son ambition de devenir science, d’art qu’elle tait. Je l’ai soulign : Jules-Csar Scaliger n’aura pu soutenir que la grammaire tait science qu’en l’amputant de cette dimension historique et critique que la premi re Renaissance avait exalte en elle. Peut-on voir l une premi re bauche de la spcialisation qui en viendra tablir sparment la linguistique et la philologie, apr s que se sera efface l’antique distinction entre art et science au profit d’une scientificit largie et reconfigure ? En fait, entre la conception aristotlicienne de la science (scaligrienne entre autres), proroge sous divers avatars jusqu’ la veille de l’Age classique, et la science au sens moderne (wbrien entre autres), plusieurs rvolutions, techniques, politiques, idologiques, sont intervenues, et des seuils pistmologiques (galilen d’abord) ont d Þtre franchis… Au fur et mesure que les paradigmes se transformaient, les termes du probl me se sont dplacs. Et si la philologie parviendra se faire octroyer le statut convoit, elle le paiera du fait que le terme de science aura lui-mÞme chang de sens et se retrouvera alors souvent affect d’un qualificatif rducteur : « science auxiliaire » (une sous181 Voir Baratin/Desbordes 1981, Analyse linguistique, 43 – 45. S’inspirant surtout de Varron, le livre 13 et dernier du De causis de J.-C. Scaliger est consacr en majeure partie ce dbat. 182 Rizzo [1973] 1984, Lessico, 295. 183 Rich 1993, Divina pagina ; Cantin 1972, Ratio et auctoritas ; Arduini 1983, Magistra ratione ; et ce mot du juriste Edward Coke (adversaire de Francis Bacon) : « Ratio et auctoritas, duo clarissima mundi lumina ». 184 Sup., ad n. 99 sq. et 102 (les quatre oprations relatives aux lettres, syllabes, mots).
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discipline de l’histoire) ou « science applique » (face « science pure » ou « thorique »).185 Cicatrice d’un pass de plus en plus lointain, cette stigmatisation discr te aura reconduit sa faÅon d’anciennes hirarchies, de vieilles rivalits : entre science et art, entre arts libraux et arts mcaniques, entre philosophie et philologie.186 Des hirarchies qui, au fil des si cles, n’avaient pu bien sr demeurer immuables :187 la modification de ces rapports auront contribu les apprciations changeantes de termes comme ‘grammaire’, ‘critique’, ‘philologie’.188 Viendra le temps 185 Ainsi Kenney 1974, Classical Text, sup., ad n. 11. Les ‘arts appliqus’ sont ceux qu’on appelle aussi ‘arts dcoratifs’ : « arts appliqus aux choses utilitaires » selon le dictionnaire Robert, citant par ailleurs cette phrase loquente de Taine 1882, Philosophie de l’art, IV, 1, 2 : « Platon, voyant que les mathmaticiens de Sicile appliquaient leurs dcouvertes aux machines, leur reprocha de dgrader la science » (je souligne). 186 Cf. Werner 1990, Philologie moderne, 16 sq. : au XIXe si cle « la philologie s’est constitue en discipline en opposition ou plutt en concurrence avec la philosophie », fait « particuli rement sensible » chez August Boeckh 1877, Encyclopdie, 18, ce « fondateur » pour qui « la philosophie est la science de la connaissance, la philologie celle de la (re)connaissance d’une connaissance dj produite par le pass », si bien qu’en elles deux « toutes les autres sciences plongent leurs racines ». « Conception totalisante » qui voluera avec Usener et Wilamowitz vers une « hermneutique tributaire de l’historicisme ». Voir aussi Judet 1990, Philologie classique : sup., n. 16. 187 Cf. Certeau [1980] 1990, Arts de faire, 102 – 117 : « L’ethnologisation des ‘arts’ », spc. 102 sq., 106 sq. Ces « procdures sans discours […] apparaissent […] comme […] des ‘rsistances’ relatives aux critures scientifiques » dveloppes par « la raison issue de l’Aufklrung », hriti re de « l’ide de mthode » – « germe de la scientificit moderne depuis le XVIe si cle » –, qui « systmatise l’art » et avec laquelle « s’impose le schma […] d’un discours qui organise la mani re de penser en mani re de faire »; d’o non plus « sparation de deux savoirs hirarchiss […] mais opposition des pratiques articules par le discours celles qui ne le sont pas (encore) ». « De Bacon Christian Wolff […], [on] colonise [l’]immense rserve d’‘arts’ et de ‘mtiers’ qui, faute de pouvoir encore s’articuler dans une science, peuvent dj Þtre introduits dans le langage par une ‘Description’ et […] amens une plus grande perfection », si bien que « la position des ‘arts’ est fixe, proche mais hors de la science » – ce dont « l’Encyclopdie est un rsultat en mÞme temps que le drapeau : Dictionnaire raisonn des sciences, des arts et des mtiers […] voisinage qui est la promesse d’une assimi-lation ultrieure [d]es ‘sciences’ et [d]es ‘arts’ ». Plus tard, chez Durkheim, l’art, « enkyst dans la particularit, n’en forme pas moins un ‘syst me’ et il est organis par des ‘fins’ – deux postulats qui permettent une science et une thique de tenir sa place le discours ‘propre’ dont il est priv » (les soulignements sont de l’auteur). Cf. sup., ad n. 124. 188 Ainsi chez Politien, rfractaire aux fronti res disciplinaires (Lamia, introd. d’A. Wesseling, XIII–XIV ; Branca 1983, Poliziano, 25 : la philologie a chez lui,
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o, comme l’crit Michel de Certeau, « entre la science et l’art, on envisage – [ainsi, entre autres] Christian Wolff en 1740 –, non une alternative mais la complmentarit et, si possible, l’articulation », œuvre d’ « un troisime homme », lequel – « ingnieur », puis technocrate, expert… – « a hant et hante toujours le discours clair (philosophique ou scientifique) ».189 11. Une emendatio contemporaine : James Luna Plasticit des mots et registres d’emploi varis : pour l’emendatio, on a vu ces derniers tour tour grammatical, philologique, historique, thique, philosophique, mathmatique, mdical… J’voquerai en guise de coda un remarquable emploi contemporain, et qui allie cration esthtique et engagement socital. A savoir le spectacle et les installations prsents la Fondation Querini Stampalia l’occasion de la 51e Biennale de Venise (juin–novembre 2005) par l’Amricain James Luna sous le titre d’Emendatio 190 – le terme latin, notons-le, non son calque anglais « emendation ». Cet artiste, un indien luiseÇo (Californie du Sud), y fait notamment mmoire de son compatriote Pablo Tac – qui l’une des installations ddie une « chapelle » –, jadis envoy Rome par la mission franciscaine de San Luis Rey o il tait n (nord du comt de San Diego) pour s’y prparer devenir missionnaire. Apr s sept ans d’tudes, il y mourut dix-neuf ans le 13 dcembre 1841, laissant cent cinquante pages manuscrites : travail de pionnier o figurent entre autres, en espagnol et en luiseÇo, mais aussi en latin (d’o l’emendatio de Luna : un terme dont Tac a pu lui-mÞme faire usage), des notes sur la grammaire lui-seÇo et une bauche de dictionnaire luiseÇo-espagnol, ainsi que des remarques empreintes de fiert, de douleur et d’humour sur les coutumes et comme « introduction toutes les disciplines et aux sciences mÞmes », une « fonction analogue celle qu’avait eue la dialectique lors de la Renaissance du XIIe si cle »). Aussi se veut-il grammairien (au sens lev), et non philosophe, tout en passant des lettres la philosophie sans gard au qu’en-dira-t-on, et en pratiquant gnialement ce qui appara t aujourd’hui comme ‘philologie’. Ce en quoi il tait aux antipodes d’un Sn que mprisant au nom de la philosophie les vues bornes du grammairien et du ‘philologue’ (mais au sens d’‘antiquaire’). Voir sup., n. 38 et 55. 189 Certeau [1980] 1990, Arts de faire, 108 (c’est lui qui souligne). 190 Adresse URL : http : //www.jamesluna.com [consult le : 03. 04. 2008]. Catalogue de l’exposition : Lowe/Smith 2005, James Luna.
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croyances des LuiseÇos (danses, peintures corporelles, termes religieux, chamanisme…) et sur l’histoire coloniale et la christianisation considres de leur point de vue.191 Quant au spectacle, il a consist de la part de Luna en une danse caract re rituel voquant le sort territorialement dplorable et sanitairement dgrad fait aux indiens. Mani res de corriger l’image altre, errone, de ceux-ci telle que fabrique et colporte par les blancs, et de faire resurgir le texte d’une histoire efface, falsifie. Et en cela bel et bien e-mend-atio, action d’‘enlever du faux’, savoir le mendum (ou menda), ‘dfaut’ (physique) ou ‘faute’ (de langage, de comportement, de copie), tel aussi justement le ‘mensonge’ : mendacium (« mieux vaut se taire que de mentir », a crit Pablo Tac).192 Ce qui – pour revenir Certeau, rflchissant cette fois sur « science et fiction » (et j’y vois un lien avec ma question sur ‘science ou art’) – correspond ce « fonctionnement de la fiction » li au fait que « l’historiographie occidentale lutte contre [elle] »: Non que [l’historiographie] dise la vrit. Jamais historien n’a eu pareille prtention. Plutt, avec l’appareil de la critique des documents, l’rudit enl ve de l’erreur aux ‘fables’. Le terrain qu’il gagne sur elles, il l’acquiert en diagnostiquant du faux […] comme si, install au milieu des narrativits […] d’une socit […], il s’employait pourchasser le faux plus qu’ construire le vrai, ou comme s’il ne produisait de la vrit qu’en dterminant de l’erreur.193
Mais en mÞme temps qu’elle est ainsi radication du faux, l’emendatio selon Luna op re un dtournement – et mÞme retournement – de sens par emprunt ironique la culture dominante. Ce ressortissant d’un 191 Haas 2005, Pablo Tac (dont le manuscrit est conserv Bologne : Biblioteca dell’Archiginnasio, fonds Mezzofanti), spc. 52, soulignant la frquence du verbe ‘pleurer’ dans les exemples de grammaire labors par le jeune indien. Cf. Wachtel [1971] 2004 , La vision des vaincus ; Certeau [1975] 2002a, L’criture, chap. 5, « Ethno-graphie. L’oralit, ou l’espace de l’autre », 245 – 283 (sur le Voyage […] en la terre du Brsil de Jean de Lry, 1578), spc. 282 : « deux fonctionnements du sauvage par rapport au langage qui en traite : comme objet du discours constructeur de tableaux, ou comme altration […] de ce discours »; Certeau [1980] 1990, Arts de faire, XXXVII, sur l’ «quivoque » qui « lzardait de l’intrieur la ‘russite’ des colonisateurs […] aupr s des ethnies indiennes » : celles-ci « faisaient de [ce] qui leur tait impos autre chose que ce que le conqurant croyait obtenir » ; elles le « subvertissaient […] par leur mani re de [l’]utiliser des fins et en fonction de rfrences trang res au syst me qu’[elles] ne pouvaient fuir ». 192 Lowe/Smith 2005, James Luna, 112. 193 Certeau [1987] 2002b, Histoire, chap. 1 : « L’histoire, science et fiction », 53 – 84, spc. 53 sq.
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peuple assujetti rappelle que les traditions – orales – de celui-ci ont t supplantes sinon annihiles par cette tradition crite de l’envahisseur sur laquelle, et depuis si longtemps (comme l’indique ce revenant qu’est ici le latin), la philologie veillait. « Emendatrice », elle l’est donc aussi en ce sens, inavou ou peu reconnu, que pour elle le maintien en son intgrit du propre au double sens du mot (own mais aussi clean) a galement pass par l’vacuation de l’autre, ‘purification’ ou ‘nettoyage’ ethnique : termes forts, sinistrement prsents la mmoire contemporaine, et desquels emendatio est smantiquement proche. En quoi la philologie se rv le ‘science auxiliaire’, non pas au simple sens d’une classification pistmologique (l’adjectif spcifiant dans l’organi-sation des savoirs une position subordonne), mais aussi deux titres autrement redoutables, et qui impliquent responsabilit : la complicit que cette ‘auxiliaire’ aura entretenue avec l’orthodoxie d’une criture de l’histoire (emendatio traduisant le grec diorth sis, ‘redressement, correction’, qui a le mÞme double champ d’application thique et philologique) ; 194 et l’efficacit avec laquelle cette force qui n’est pas que d’appoint aura second dans la poursuite de leurs objectifs plus ou moins dclars de domination et de normalisation l’historiographie et le pouvoir que celle-ci ‘reprsentait’ (en tant qu’elle s’en faisait la porte-parole et, experte en communication, le donnait voir sous le jour qu’il souhaitait). La probit des principes qui rgissent la philologie dans son œuvre d’emendatio n’est donc pas aussi indpendante d’intrÞts de connaissance ou d’action et de prsupposs moraux ou politiques que voudrait le faire croire la prtention l’objectivit et la neutralit dites ‘scientifiques’. D s lors on s’interrogera avec Certeau sur le « privil ge » dont « est affect le discours techniquement arm » de la science, lequel, « en dnonÅant du faux, fait croire du rel » et « s’autorise parler au nom [de celui-ci] »: parole d’ailleurs double d’un silence non moins suspect, attestant l’amnsie – dnonce sa faÅon par Luna – quant au fait que « le discours ‘scientifique’ qui ne parle pas de sa relation au ‘corps’ social ne saurait articuler une pratique », et qu’en cela « il cesse d’Þtre scientifique ».195 Luna exploite avec subtilit une polyvalence dj rencontre : l’emendatio ludique et dramatique qu’il met en sc ne vient exorciser son envers, savoir celle, srieuse mais dangereuse, que sut mobiliser 194 Voir sup., n. 44 et 76 sq. 195 Certeau [1987] 2002b, Histoire, 54 sq. ; Certeau [1975] 2002a, L’criture, 85 (c’est lui qui souligne), et tout le chap. 2 : « L’opration historiographique », 77 – 142.
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l’historiographie, « science et fiction », au bnfice des puissances dont elle pouvait servir les desseins. Plus encore, en s’attachant la dimension sanitaire, non seulement face la malnutrition, au diab te, la toxicodpendance des indiens, mais aussi face la maladive idologie conqurante, inductrice de ces effets dsastreux, des blancs appels d s lors faire amende honorable, ‘s’amender/mender’ eux-mÞmes, l’emendatio de Luna se donne finalement, par-del les deux significations prcdentes (cette viction du faux laquelle il proc de, cet crasement de l’altrit auquel il s’oppose) pour ce qu’elle est au plus profond, et qui rejoint la tradition dont il a t ici question : une ‘thrapeutique’. Autre forme de restauration, non plus du sens de textes crits mais d’une humanit inscrite en des corps, et qui passe par la rforme des mentalits au sein d’une socit violente et ingalitaire. Si la philologie a eu historiquement pour mission d’‘mender’ les textes altrs et de dissiper les dlires de lecteurs hypercritiques comme le faisaient l’gard des corps souffrants la mdecine196 et vis--vis des esprits faux la philosophie197 (prcdant la psychiatrie), il est comprhensible qu’elle ait d possder la fois, comme idalement ces derni res, tout le moins le doigt d’un art et autant que possible la rigueur d’une science. Science ‘applique’ ou ‘auxiliaire’ si l’on veut (tant sauves les rserves que Luna a conduit formuler), mais surtout et d’abord ‘science 196 Tel Schoppe qui « voit l’extrÞme ncessit de prescrire un nouveau rgime pour apporter quelque rem de la folie prsomptueuse de ces critiques que dmange l’envie de tout changer n’importe comment […] mais de quel droit, [eux dont], sans appui dans les livres, les corrections sont comme des rÞves de malades » (De arte, prface, f. *8v). Schoppe se souvient ici (Grafton 1998b le note : Schoppe, 237, n. 25) de son ma tre Konrad Rittershausen (Rittershusius) dont son De arte citera la Dissertatio de causis variantium […] lectionum, o la « comparaison » qui suit est rapporte Marc-Antoine Muret : « […] non aliter quam medicus olim attendere solet rationem victus qua aegrotus uti solitus sit, etiamsi diaeta manifeste prava sit » (De arte, 89). Schoppe cite aussi (ibid., 32) Juste Lipse selon qui « la plupart des correcteurs sont atteints de deux sortes de maladie (duplex morbus) : got de la querelle et prurit (litigium et prurigo) », ce dernier – un interventionnisme compulsif – faisant que le malade se trouve rejoindre ceux qu’Otto Crusius (1857 – 1918) appellera « cette race de mdecins [des textes] qui perdent leur peine remettre en tat des passages en parfait tat (qui in locis sanis sanandis operam perdunt) », c’est--dire les philologues hypercritiques (dans : Hall 1913, Companion, 150, en pigraphe son chap. 7 : « Emendation »). Cf. aussi l’ars therapeutica de Heumann (titre inspir de Schoppe) : sup., ad n. 122. 197 Tel Spinoza avec sa « rforme – emendatio – de l’entendement » vise galement thrapeutique, s’agissant, on l’a vu (n. 76), de « soigner » l’esprit et de le « purger ».
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humaine’ au sens o Vittore Branca a pu crire du chapitre De divinatione de Politien (inaugurant la seconde centurie des Miscellanea) qu’il « conf re une dignit quasi sacrale de vraie scienza dell’uomo la restitution des monuments littraires ».198 « Humaines » en effet sont les productions que cette ‘science’ a la charge de prserver, avec l’‘amour’ (philein) que mritent, par-del la disparition de leurs auteurs et de leurs transmetteurs, ces fragiles tracs ‘langagiers’ (logoi), vestiges souvent insulaires de continents effondrs, voire engloutis199– ou, pour reprendre l’image mdicale mythique de Politien, « corps mis en pi ces » qu’il faudrait pouvoir, en nouvel Esculape, rtablir en son intgrit.200 Dpt remis ces survivants que sont de gnration en gnration, gardiens de la mmoire crite, les philologues, et bien nomms, tant ce qui leur est confi l appara t la fois prcieux et prcaire. On pourra donc sourire de la condescendance pleine d’optimisme qu’ l’Age classique – heureux temps o « presque tous les meilleurs autheurs ont t rendus publics par l’impression » et o il n’y aurait plus gu re de « mauvaises herbes » « arracher » –, l’acadmicien Pierre-Daniel Huet, polygraphe rudit et mondain, et ma tre d’œuvre de la fameuse srie d’auteurs latins Ad usum Delphini (logiquement plus soucieuse de pdagogie que de philologie), affichait vis--vis de ces « sarcleurs » que seraient « les critiques », les opposant aux « habiles jardiniers » (dont il est sans doute) qui « recueillent les bonnes ». Et on n’est pas oblig de le suivre quand il conclut, sv re : Je n’approuverais pas qu’un homme se dvout la critique, et f t son capital de courir apr s ces syllabes fugitives, et de travailler ces rparations de mots ruineux.201 198 Branca 1983, Poliziano, 157. 199 Comme l’a mis en vidence Bardon 1952/1956, La littrature latine inconnue. 200 Sup., n. 171. Voir Branca 1983, Poliziano, 238 sq. ; Greene 1982, Light, chap. 8 : « Poliziano : the past dismembered » (147 – 170) ; Mariani Zini 1996, Poliziano, 169. 201 Huetiana, 1722, XXIII, 64 sq., dans : Pitassi 1987, Croire et savoir, 47, comme tmoignage (parmi d’autres : Descartes, Malebranche, etc.) de « la mfiance gnrale dans laquelle la critique tait tombe », ce dont Le Clerc voudra la « sortir », et donc « combattre la tendance ne voir en [elle] qu’un instrument de l’tablissement du texte en oubliant sa dimension interprtative ». Pitassi (ibid., n. 16 [et p. 141]) fait « remarquer que le dbat sur le statut pistmologique de la critique s’tait annonc bien avant le cartsianisme », preuve la polmique de Vossius « avec Joseph Scaliger » [sic : en fait, non pas avec celui-ci, mais contre feu Jules-Csar, son p re] sur le statut de la grammaire, science ou art. Voir Volpilhac-Auger (d.) 2000, Ad usum Delphini.
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A quoi Politien avait en quelque sorte rpondu par avance : Voil comment je suis homme : rien ne me fait autant plaisir que ces trouvailles de choses enfouies dans les livres, et que l’on considrait depuis longtemps dj comme perdues sans espoir.202
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202 Misc. II, 31, 8 (dans : Rizzo [1973] 1984, Lessico, 299 ; Branca 1983, Poliziano, 251) : « Ita enim homo sum : nihil aeque me iuvat atque inventiunculae istae rerum in libris reconditarum diuque iam desperatarum. »
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Antike Grammatik und kritische Philologie: Johannes Wower ber die Methode der Textverbesserung in der Tractatio de polymathia von 16031 Klara Vanek 1. Einleitung Der Literrhistoriker Martin Schmeitzel (1679 – 1747) wandte sich im Jahre 1728 in seinem wissenschaftshistorischen Versuch zu einer Historie der Gelehrtheit auch der Critica zu und begann den Abschnitt mit der Frage nach der Definition: Solchem nach ist das erste, daß wir um einen rechten Begriff und Concept von der Critica uns bekFmmern m=gen. Da aber dieses Worth von einigen sehr weitl(uffig, von andern dagegen in gar engem Verstand genommen wird, so trifft auch hier die Frage ein: wie nimts der Herr?2
Critica werde unterschiedlich verwendet, mal „weitl(uffig“ als allgemeine Beschftigung mit der antiken Literatur, mal als Kritik „in gar engem Verstand“. Zu letzterer fhrte Schmeitzel in der entsprechenden Fußnote aus: In welchem Verstand sie eine Wissenschafft ist, die nur allein um den rechten Verstand derer Worthe, sich bekFmmert, mithin bey obscuren oder verdorbenen Stellen alter Schrifften, sich bemFhet, was verdorben ist zu verbessern, was f(lschlich eingeschoben ist auszumertzen, und was obscur deutlich zu machen u.s.w. Und die nun weiter nichts als dieses verstehen, werden von einigen nur Buchst(bler, Buchstabs-Gelehrten genennet, und wenn sie in unn=thigen Diengen der Sache zu viel thun, Grillenf(nger, Kalm(user. 3
Zu dieser spezialistischen Kritik gehçre es, den richtigen Wortsinn zu ermitteln, unverstndliche Stellen zu erklren und verderbte Lesarten zu verbessern. Solche philologischen Konzepte und Techniken der Textkritik, deren Protagonisten freilich von manch einem – wie Schmeitzel einrumt – 1 2 3
Fr umfassende Hilfestellungen bin ich Markus Stein zu großem Dank verpflichtet. Denis Thouard danke ich fr seine kritischen Anmerkungen. Schmeitzel 1728, Historie der Gelehrtheit, 440 f. (Hervorhebungen bei Schmeitzel). Schmeitzel 1728, Historie der Gelehrtheit, 441 (Hervorhebungen bei Schmeitzel).
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als „Buchst(bler“ oder gar als „Kalm(user“ verspottet werden,4 bilden das Thema des vorliegenden Beitrags. Unsere Suche nach historischen Konzepten der Textkritik fhrt uns ber Schmeitzel zur Tractatio de polymathia von Johannes Wower aus dem Jahr 1603. Denn Wower berschrieb in seinem enzyklopdischen Abriss der Philologie einen Abschnitt mit dem Titel jqitij¶ und ging dort eigens auf die Methode der Textverbesserung ein. Den Ausgangspunkt fr die Analyse von Wowers Konzept von Textverbesserung bildet die Anlage der Tractatio de polymathia, insbesondere Wowers Auffassung von Grammatik und Philologie sowie sein Verstndnis von jqitij¶. Bei der Textverbesserung wird es dann darum gehen, welche Rolle antike Literatur und Philologie innerhalb der jqitij¶ spielte, und um die Methode der Textkritik selbst. Diesen Ausfhrungen werden nun einfhrend einige Bemerkungen zu Wowers Person und Werk vorangestellt. 2. Johannes Wower: Person, Werk und die Tractatio de polymathia Der Nachwelt ist von Wower das Bild eines mrrischen Zeitgenossen berliefert. So jedenfalls werden sein Charakter und privates Leben im Zedler-Artikel beschrieben: Er hat sich niemahls verheyrathet gehabt, und auch von Heyrathen nicht gerne was hçren wollen. Er hat bey allen vorfallenden Gelegenheiten eine Mine gemacht, als wenn ihm der Tod lieber als das Leben sey: gestalt er denn mit Gewalt ein Stoicker seyn wollen; hat aber dennoch immer gepinselt5 und ist niemahls mit seinem Stande zufrieden gewesen. Sonst hat er gerne Music gehçret, und sich auch zuweilen einen guten Rausch getruncken. Er ist auch ein sonderbarer Liebhaber von Hunden und Pferden gewesen.6 4
5 6
Mit Kalmusern sind wohl – im Anschluss an eine Wortschçpfung von Johann Fischart (ca. 1546 – 1590) – „gelehrte Stubenhocker“ gemeint, so Art. „Kalmuser“, in: Meyers Konversations-Lexikon. Eine Enzyklopdie des allgemeinen Wissens. Bd. 9. Stuttgart: Verlag des Bibliographischen Instituts (41887), 409: „Kalmuser (niederdeutsch auch: Klamser), ein seit dem 16. Jh. aufgekommenes Wort, wird zuerst von Fischart im Sinn von Schmarotzer angewendet; spter nahm es die Bedeutung eines gelehrten Stubenhockers an, daher s.v.w. Grillenfnger, Kopfhnger, auch Knauser. Die Herkunft des Wortes ist unsicher; nach einigen ist es eine Verstmmelung von Kamaldulenser, welche im Volk noch heute K. heißen.“ In Grimm 1889, Deutsches Wçrterbuch, Bd. 7, Sp. 1864 findet sich als Bedeutung fr ‘pinseln’: „weichmtig weinerlich thun, weinerlich klagen, lamentieren“. Art. „Wower oder Wouwer“, in: Zedler 1749, Universal-Lexicon. Bd. 59, Sp. 573 – 588, hier: Sp. 577 f.
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Wie es auch immer um sein wohl ziemlich unleidliches Wesen bestellt gewesen sein mag, Johannes Wower (1574/1575 – 1612) stammte jedenfalls aus Hamburg und war Gelehrter, Diplomat und Lehrer.7 Als Spross einer gutbetuchten Kaufmannsfamilie konnte er nach seinem Studium in Marburg und Leiden eine ausgedehnte peregrinatio academica unternehmen, die ihn nach Frankreich und Italien fhrte. Nach zwçlfjhriger Reise kehrte er 1602 nach Hamburg zurck. Fortan betrieb er seine gelehrten Studien parallel zu diplomatischen Diensten. Seine letzte Anstellung fand er als Hofund Kammerrat in Gottorp beim Herzog Johann Adolf, wo ihm auch die Bibliothek unterstand. Wower unterhielt Kontakte zu Gelehrten der damaligen res publica literaria, die er whrend seiner studentischen Wanderjahre kennengelernt hatte. So war er in Leiden mit zahlreichen berhmten Philologen zusammengekommen, etwa mit dem Grzisten Bonaventura Vulcanius (1538 – 1614) und mit dem Drucker und Arabisten Franciscus Raphelengius (1539 – 1597). Wower war außerdem ein Schler von Joseph Justus Scaliger (1540 – 1609), mit dem er einen Briefwechsel pflegte und dem er spter seine Petronius-Ausgabe widmete. In Paris unterhielt er Beziehungen zu FranÅois Pithou (1544 – 1621), Jacques Bongars (1554 – 1612) und Pierre Daniel (1530 – 1603), in Montpellier traf er auf Isaac Casaubon (1559 – 1614). Auf seiner Reise erhielt er auch Zutritt in die gelehrten Kreise zahlreicher italienischer Stdte. Auf seiner endgltigen Rckreise machte er einen Abstecher nach Prag, wo sich im Umfeld des Hofs von Rudolf II. ein Gelehrtenzirkel gebildet hatte. Seine Verbindungen zur Gelehrtengemeinschaft des beginnenden 17. Jahrhunderts spiegeln sich auch in einem umfnglichen Briefwechsel wider – die postum erschienenen Epistolarum centuriae duae (1618) wurden aber von ihrem Herausgeber Geverhart Elmenhorst (ca. 1580 – 1621) leider anonymisiert.
7
Zur Biographie von Wower (auch: Wouwer, von Wouweren, Wowern) vgl. Sarau 1982, Wower, und Deitz 1995, Ioannes Wower, 132 – 137. Angaben finden sich außerdem in: Art. „Wower oder Wouwer“, in: Zedler 1749, Universal-Lexicon, Bd. 59, Sp. 573 – 588; Bursian 1883, Geschichte der classischen Philologie, 302 f.; Urlichs 21892, Altertumswissenschaft, 74; C. E. Carstens: Art. „Wowern“, in: Allgemeine Deutsche Biographie 1898, Bd. 44, 220; Sandys 1908, Classical Scholarship, 306; Sochatoff 1976, Petronius, 335; Grafton 1993, Joseph Scaliger, 492 – 494. Luc Deitz, 1995, Ioannes Wower, warnt davor, den Hamburger Johannes Wower, der die Tractatio verfasste, mit dem Johannes Wower aus Antwerpen (1578 – 1635) zu verwechseln, der bei Justus Lipsius studierte. Vgl. auch Art. „Wower oder Wouwer“ im Zedler, Sp. 588 f.
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Schriftstellerisch war Wower hauptschlich als Philologe ttig.8 Drei Ausgaben antiker Profanliteratur gehen auf ihn zurck, das Satyricon des Petronius aus dem Jahre 1595, die Opera des Sidonius Apollinaris zusammen mit den Anmerkungen des aus Brgge stammenden Juristen Petrus Colvius (1567 – 1594) von 1598 sowie die philosophischen Schriften des Apuleius von 1606.9 Wowers Arbeiten zu Kirchenschriftstellern sind die Editionen von De errore profanarum religionum des Firmicus Maternus von 1603, eine Ausgabe, die bis 1826 der Standardtext bleiben sollte, sowie jene des Dialogs Octavius von Minucius Felix aus dem gleichen Jahr, die die pseudocyprianische Schrift De idolorum vanitate mit beinhaltet. An Kommentaren und Anmerkungssammlungen von Wower gibt es die Emendationes epidicticae zu Tertullian, Notae zum Octavius des Minucius Felix, Annotationes zum Firmicus Maternus sowie Emendationes und Lectiones zum Apuleius. Die Qualitt von Wowers Philologie ist bei heutigen Historikern allerdings umstritten.10 Neben solchen genuin philologischen Arbeiten sowie freieren Texten (Panegyricus auf den dnischen Kçnig Christian IV. von 1603 und Dies aestiva, seu de umbra paegnion von 1610) gibt es noch eine Abhandlung ber lateinische und griechische Bibelbersetzungen (postum 1618). Als Wowers Hauptwerk gilt die Tractatio de polymathia. Der genaue Titel des enzyklopdischen Versuchs Wowers lautet De polymathia tractatio. Integri Operis de studiis Veterum !pospasl²tiom („Abhandlung ber die Polymathie. Ein Fragment eines grçßeren Werkes ber die Gelehrsamkeit der Alten“).11 Die Tractatio erschien zuerst in Hamburg im Jahre 1603 und 8 In diesem Abschnitt sttze ich mich auf die Ergebnisse von Luc Deitz 1995, Ioannes Wower. 9 Zu Wowers Apuleius-Ausgabe vgl. Hfner 2004, Wandlungen, 200 – 202. 10 Luc Deitz bemerkt dazu, dass wegen fehlender entsprechender Untersuchungen kein abschließendes Urteil gefllt werden kçnne (1995, Ioannes Wower, 140). Allerdings fhrt er eine Untersuchung des Grzisten Pierre Petitmengin an, in der dieser sich negativ ber Wowers Tertullian-Arbeit ußert (Petitmengin 1961, Fulvio Orsini, 133 f.). Deitz ringt sich zu der Einschtzung durch, dass „the picture of Wower as an editor and as a textual critic that would emerge from such an exercice would not be an altogether flattering one“ (141). 11 Zur Tractatio de polymathia vgl. auch Art. „Wower oder Wouwer“, in: Zedler 1749, Universal-Lexicon, Bd. 59, Sp. 573 – 588, hier: Sp. 580 – 582; Bursian 1883, Geschichte der classischen Philologie, 303; Boeckh 21886, Enzyklopdie, 37; Bernardini/ Righi 21953, Il concetto, 99 – 104; Khlmann 1982, Gelehrtenrepublik, 290 f.; Zedelmaier 1992, Bibliotheca universalis, 286 – 290; Deitz 1995, Ioannes Wower, 142 – 150; Jaumann 1995, Critica, 170 – 172; Deitz 2001, Vossius, 8 f., 23 f.
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wurde im Folgejahr ohne Vernderungen nachgedruckt.12 Eine weitere Ausgabe von Jacob Thomasius erschien 1665 in Leipzig und Jacob Gronovius nahm die Tractatio schließlich 1701 in den zehnten Band des Thesaurus antiquitatum Graecarum auf. Wower gliederte die polymathia, das ganze Wissen, in doctrina und scientia: Dvo ergo membra Polymathiæ constituo. Doctrinam, quæ constat optimarum artium ac disciplinarum cultu, & scientiam rerum ipsarum inquisitione paratam, quam confert sollers & fructuosa peregrinatio.13
Nach lngeren Ausfhrungen zur scientia, verstanden als Sachwissen, sucht man in der Tractatio allerdings vergeblich. Die doctrina, der allein behandelte Teil der Polymathia, und damit die in seinem !pospasl²tiom exponierte Wissensklassifikation orientiert sich am ordo der artes liberales mit der Aufteilung in das logische Trivium und das mathematische Quadrivium.14 Letzteres handelte Wower knapp in Kapitel 22 ab, und auch die trivialen Disziplinen Logik und Rhetorik werden in jeweils einem Kapitel (20 und 21) nur kurz gestreift, verglichen mit der Grammatik, auf die 16 von insgesamt 31 Kapitel fallen. In der restlichen Tractatio ußerte sich Wower ber verschiedene Aspekte seines Bildungsprogramms. Letztlich bleibt von den vielen Bereichen, die die Polymathia eigentlich konstituieren, nur die grammatica brig. Sie ist die einzige Disziplin, die Wower in der Tractatio de polymathia ausfhrlich behandelte. Abgesehen davon, dass Wower eine Theorie der Polymathie und des Enzyklopdismus bot, kann die Tractatio deshalb auch als Abhandlung ber Grammatik charakterisiert werden. Die Anlage der Schrift als Fragment beziehungsweise Abriss (!pospasl²tiom) entpuppt sich aus diesem Blickwinkel als Kunst12 Die Herzog August Bibliothek stellt im Rahmen des Thesaurus eruditionis-Projekts unter der URL http://diglib.hab.de/drucke/125-38-quod-1/start.htm [letzter Zugriff: 15. 01. 2009] eine digitalisierte Version des Exemplars mit der Signatur A: 125.38 Quod. (1) der Tractatio de polymathia zur Verfgung. Sofern nicht anders gekennzeichnet, stammen die Primrzitate alle von Wower. Die Angaben beziehen sich im folgenden auf die Seite und die Zeile des Textes. 13 „Ich stelle die Polymathia aus zwei Gliedern zusammen, und zwar aus derdoctrina, die in der Pflege der besten Knste und Wissenschaften besteht, sowie aus der scientia, die durch die Untersuchung der Dinge selbst erworben wird, zu der die geschickte und fruchtbare Ermittlung beitrgt.“ (22.11 – 15) Die bersetzungen in diesem Beitrag stammen, sofern nicht anders gekennzeichnet, von mir. 14 Graphische Darstellungen von Wowers Wissensaufteilung finden sich in Bernardini/Righi 1953, Il concetto, 100; Deitz 1995, Ioannes Wower, 146; Jaumann 1995, Critica, 171; Deitz 2001, Vossius, 28 f.
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griff: Wower gab zwar seine allgemeine Ansichten ber Polymathie zum Besten, auf die konkrete Ausfhrung der Wissensklassifikation freilich verzichtete er. Allein die grammatica bettete er in sein enzyklopdisches Wissenssystem ein – er etablierte und legitimierte sie auf diese Weise als Gelehrsamkeitsparadigma.15 3. Grammatik, Philologie und Kritik In Kapitel 8 (52.11 f.) definierte Wower die Grammatik als Methode des richtigen Schreibens und Sprechens sowie als Lehre von der Auslegung der Dichter und Historiker („recte scribendi loquendique ratio; & scientia interpretandi potas & historicos“). Anschließend machte er sich Gedanken ber die Gestalt der Grammatik selbst: […] clarius rem ostendam, ex IV eius officiis, quæ Marius Victorinus & Diomedes referunt, tres illius partes constituam: tewmijμm siue lehodijμm, 1ngcgtijμm & jqitijμm.16
Wower nannte hier eine Dreiteilung, bezog sich zugleich auf die bei Varro und in der sptantiken Varro-Rezeption bliche Vierteilung der Grammatik. Diese referierte er im Anschluss beim rçmischen Grammatiker Diomedes (2. Hlfte 4. Jh.): Ad hanc diuisionem præit Varro apud Diomedem lib. II cuius hæc uerba: Grammaticæ officia, ut asserit Varro, constant in partibus quatuor, lectione, enarratione, emendatione & iudicio.17
Daran schließt Wower die ungenauere Varro-Paraphrase von Marius Victorinus an:
15 Den Aspekt der Legitimationsschrift betont Zedelmaier 1992, Bibliotheca universalis, 289. 16 „Um die Sache klarer darzustellen, will ich von den vier Aufgaben, ber die Marius Victorinus und Diomedes berichten, drei Teile behandeln, den technischen beziehungsweise methodischen, den exegetischen und den kritischen Teil.“ (52.20 – 23) 17 „Varro (bei Diomedes im Buch 2) geht dieser Aufteilung voraus, seine Worte [lauten] folgendermaßen: ‘Die Aufgaben der Grammatik bestehen, wie Varro behauptet, aus vier Teilen, aus der Lektre, Auslegung, Verbesserung und dem Urteil.’“ (52.23 – 25, Hervorhebung bei Wower, zit. Diomedes: Ars grammatica, Keil 1.426)
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Marius Victorinus lib. I. Grammaticæ præcipua officia sunt quatuor, scribere, legere, intellegere, probare.18
Unter bergehung der abweichenden Aufteilung von Victorinus ordnete Wower die lectio der tewmij¶ pars, die narratio der 1ngcgtij¶ pars sowie das iudicium und die emendatio der jqitij¶ pars zu. Dann gab er die fr ihn eigentlich verbindliche Bestimmung der grammatica aus der Schrift Adversus mathematicos von Sextus Empiricus (2./3. Jh.) wieder: Sextus Philosophus aduersus Mathematicos: t/r cqallatij/r t¹ l´m 1stim Rstoqij¹m,t¹ d³ tewmij¹m, t¹ d³ Qdia¸teqom. di± or d³ jat± to»r poigt±r ja· succqave?r lehode¼etai.19
Die Aufteilung der Grammatik diskutierte Wower im weiteren Verlauf des Kapitels 8 (53.13 – 54.12) anhand weiterer Stellen aus antiker Literatur. Dabei verwies er auf Quintilians Institutio oratoria und zitierte Ciceros De oratore (1.187), einen Brief (88.3) Senecas (d. J.), die von Sextus Empiricus in Adversus Mathematicos (1.248) wiedergegebene Stelle des Tauriskos, Athenaios’ Deipnosophistai (13.51.586e), ein Fragment aus Suetons Pratum de rebus variis zu Vergil (Aen. 8.515) und schließlich die Sechsteilung des Dionysios Thrax am Anfang seiner T´wmg cqallatij¶. Die im Mittelalter bliche Sprach-, Lese- und Schreiblehre entspricht bei Wower der grammatistica (Kapitel 5 – 7), die der eigentlichen Grammatik vorgelagert ist und die Wower in zwei Bereiche (Lesen einerseits und Schreiben und Rechnen andererseits) aufteilte. Die Grammatik selbst stellte Wower in der Tractatio entlang einer Dreiteilung dar: Auf den technischen Teil (Kapitel 8) folgt in den Kapiteln 9 bis 15 eine umfassende Wort- und Realienkunde (die sogenannte grammatica exegetica) und in den Kapiteln 16 bis 18 die Arbeit an den Texten (die sogenannte grammatica critica). Diese Auffassung von Grammatik verweist ber Sextus Empiricus und Dionysios Thrax auf das alexandrinische Grammatikkonzept. Allerdings war Wower mitnichten der erste Gelehrte in der frhen Neuzeit, der sich auf die hellenistische Grammatik berief.20 Wie wir etwa von Aldo Scaglione (1961) 18 „Marius Victorinus [schreibt] in Buch 1: ‘Es gibt vier Hauptaufgaben der Grammatik: das Schreiben, Lesen, Verstehen und Prfen.’“ (53.8 f., Hervorhebung bei Wower, zit. Marius Victorinus: Ars grammatica, Keil 6.4) 19 „Der Philosoph Sextus [Empiricus schrieb] in Adversus Mathematicos: ‘Die Grammatik besteht aus einem historischen, einem technischen und einem speziellen Teil, der die Dichter und Schriftsteller behandelt.’“ (53.10 – 13, zit. Sext. Emp. adv.math. 1.91) 20 Zum Bezug auf antike Grammatiktraditionen in der frhneuzeitlichen Ars corrigendi-Literatur vgl. auch Vanek 2007, Ars corrigendi, 121 – 129.
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wissen, hatte im 15. Jahrhundert unter anderem schon Angelo Poliziano (1454 – 1494) das antike Verstndnis von Grammatik und Gelehrsamkeit aufgegriffen. In dieser Tradition steht auch die Philologie von Joseph Justus Scaliger, die er unter anderem in seiner postum 1619 erschienenen, aber wohl bereits 1595 verfassten Diatribe de arte critica skizzierte.21 Die Bezeichnung von Philologie und der Gebrauch der Begriffe grammatica, philologia und critica waren in der frhen Neuzeit keineswegs einheitlich. Grammatica konnte die Triviumsdisziplin und damit eine reine Sprach-, Lese- und Schreiblehre bezeichnen, in der hellenistischen Tradition aber auch das enzyklopdische Gelehrsamkeitssystem inklusive Realienkunde, Textkritik und Literaturbewertung. Zu Beginn von Kapitel 15 definierte Wower den Teil der grammatica exegetica, der sich mit den Dingen beschftigt, wiederum folgendermaßen: „Hanc Grammaticæ partem Rstoqijμm, propri vikokoc¸am appellarunt“22 und verstand damit unter Philologie eine Art Realienkunde. Gerhard Johannes Vossius (1577 – 1649), der inhaltlich in der Tradition von Wower stand, fasste in De philologia (postum 1650) darunter einen Teil der Polymathie neben der Mathematik und Logik, der sich der Rede (sermo) und den Dingen (historia) zuwendet.23 Der Teil, der dem sermo gewidmet ist, besteht aus Rhetorik und Metrik sowie eben auch der Grammatik. Mit Grammatik bezeichnete Vossius keine enzyklopdisch angelegte Altertumskunde mehr, das bernimmt bei ihm jetzt die philologia. Damit erreichte Vossius die Umkehrung des Verhltnisses von philologia und grammatica, wie es Wower konzipiert hatte. Textverbesserung und Editi21 Jaumann 1995, Critica, 159 f. Jaumann druckte im Anhang (402 f.) seines Buchs ber die Critica den Text der Diatribe de arte critica ab. Wahrscheinlich war Wower die Diatribe schon als Manuskript vor der Drucklegung der Tractatio bekannt, jedenfalls orientieren sich einige Passagen zur jqitij¶ eng an der kurzen Diatribe Scaligers (so auch Jaumann 1995, Critica, 172). Abgesehen davon, dass Wower eine hnliche Systematik wie Scaliger entwarf und in 153.19 – 22 die gleiche Stelle bei Ausonius (ep. 13.27 – 30) ber das lacerum corpus Homeri („der verstmmelte Kçrper des Homer“) zitierte (Scaliger 1619, Diatriba, 5, bei Jaumann 1995, Critica, 402), bernahm er auf 134.15 – 135.6 fast wçrtlich eine lngere Bestimmung der Aufgaben der Kritiker, die Scaliger aus verschiedenen antiken Schriften zusammengestellt hatte (Scaliger 1619, Diatriba, 5 f., bei Jaumann 1995, Critica, 402). Auch im kurzen Abschnitt ber die Masora (155.1 – 7) klingt Scaligers Text (Scaliger 1619, Diatriba, 6, bei Jaumann 1995, Critica, 403) bei Wower deutlich durch und in seiner Bemerkung ber die rçmische Kritik (156.8 – 11) folgte Wower dem Text von Scaliger (Scaliger 1619, Diatriba, 7, bei Jaumann 1995, Critica, 403) fast im Wortlaut. 22 „Diesen Teil der Grammatik nannte man den historischen Teil, also die Philologie im eigentlichen Sinne.“ (114.21 f.) 23 Vgl. dazu ausfhrlich Deitz 2001,Vossius.
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onstechniken sind brigens in Vossius’ Konzept von Philologie nicht mehr vertreten.24 Neben grammatica und philologia wurde in der frhen Neuzeit auch critica als Bezeichnung fr Philologie gebraucht, wie wir eingangs schon bei Schmeitzel sahen.25 Dieses Verstndnis begegnet uns auch bei Kaspar Schoppe (1576 – 1649) in seiner Ars critica (1597).26 Dort wies er den Critici die Aufgabe zu, die antiken Schriftsteller zu verbessern, und fhrte dazu aus: id […] gemino modo effici potest, ut nimirum, quae in illorum scriptis obscura sunt explanentur: illa autem, quae vel vetustate vel scaevorum quorundam temeritate & audacia depravata vel luxata sunt, denuo restituantur & resarciantur.27
Schoppe meinte also, die critica bestehe aus zwei Teilen, der Textinterpretation, verstanden als Erklrung und Auslegung schwieriger Stellen, und der Textkritik, also der Verbesserung und Wiederherstellung von durch die berlieferung verdorbenen Stellen. Vor dem Hintergrund dieser uneinheitlichen frhneuzeitlichen Bezeichnungspraxis fr Philologie, Grammatik und Kritik wollen wir uns nun der Frage zuwenden, welche Aufgaben und Funktionen Wower unter jqitij¶ subsumierte und wie er die Methode der Textverbesserung behandelte. Wower konzipierte die critica nmlich als einen Teil der grammatica. Nachdem Wower in Kapitel 8 die grammatica technica sowie in den Kapiteln 9 bis 15 die grammatica exegetica abgehandelt hatte, begann er in Kapitel 16 mit der „Tertia Grammaticæ pars jqitij¶“ (122.13), mit dem dritten Teil der Grammatik, der jqitij¶. Insgesamt widmete er der jqitij¶ drei Kapitel seiner Tractatio de polymathia: In Kapitel 16 behandelte er den ersten Teil der jqitij¶, das iucidium, in den Kapiteln 17 und 18 besprach er den zweiten Teil, der sich mit der emendatio beschftigt.
24 Vgl. dazu Jaumann 1995, Critica, 172 und Deitz 2001, Vossius, 23 f. 25 Wie Herbert Jaumann in seinem Standardwerk zur Critica (1995) zeigte, wurde unter Kritik in der frhen Neuzeit allerdings vornehmlich Literaturkritik und -interpretation verstanden, also die Bewertung und Aneignung von Stil und Inhalt der antiken literarischen Zeugnisse. 26 Zu Schoppes Ars critica vgl. Grafton 1998, Kaspar Schoppe; Vanek 2007, Ars corrigendi. 27 „Dies […] kann auf zwei Arten erreicht werden: [Zum einen] freilich, indem die [Stellen], die in den Schriften jener [Schriftsteller] dunkel sind, erklrt werden. [Zum anderen,] indem aber jene [Stellen], die durch ihr hohes Alter oder durch die Leichtfertigkeit und Waghalsigkeit von manch einem ungeschickten [Kritiker] verderbt oder verrenkt wurden, wiederhergestellt und wieder ausgebessert werden.“ Schoppe 1597, Ars critica, fol. B4v.
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Zu Beginn des Kapitels 16 nahm Wower eine Bestimmung des iudicium vor, des ersten Teils der jqitij¶: Duas Criticæ partes præcipuas reperio, quarum hæc est, qua uelut Censores de auctoribus iudicabant, sua cuique opera uindicabant, uera & germana suppositiciis discernebant, & omnium scriptorum quasi quendam censum agebant. Hanc itaque partem rect iudicium dixeris, alteram emendationem.28
Damit subsumierte Wower unter das iudicium in erster Linie das, was spter ‘hçhere Kritik’ genannt wird: Es geht um die Beurteilung der Echtheit von Literatur und ihres Werts. Im einzelnen werden vier Bereiche des iudicium unterschieden: Die mit Censores verglichenen Philologen haben die Aufgaben, erstens die Schriftsteller zu beurteilen, zweitens zu prfen, welche Schriften sie tatschlich geschrieben haben, drittens welche Schriften ihnen flschlicherweise zugeordnet oder unter ihren Namen verçffentlicht wurden sowie viertens eine Auswahl von Musterautoren zu erstellen. Nach einleitenden Erluterungen werden im Verlauf des Kapitels 16 (124.21 – 127.18) ausfhrlich Beispiele der Echtheitskritik besprochen. Wower zeigte, dass unter dem Namen eines Autors oftmals die Schriften eines anderen standen und wie es gelang, den richtigen Verfasser zu ermitteln. Daran schließt ein Abschnitt an, der sich unter anderem mit der Geschichte der antiken Echtheitskritik beschftigt. Darber hinaus erçrterte Wower auch andere Ttigkeiten der jqitijo·, etwa die Anlage von Werkskatalogen und die Verwaltung von Bibliotheken. Zu Beginn des Kapitels 17 (134.15 – 135.6) kam Wower auf die emendatio auctorum zu sprechen.29 Im einzelnen geht es darum, unechte Einschbe mit kritischen Zeichen zu markieren, verderbte Stellen zu verbessern, Entscheidungen ber zweideutige Lesarten zu treffen sowie Konjekturen zu prfen und gegebenenfalls zurckzuweisen. Außerdem sollen die Kritiker Fehler beheben, die durch die Verstellung einzelner Buchstaben oder Silben entstanden, und Texte einteilen und gliedern. Allerdings ußerte sich Wower im Kapitel 17 erst einmal eingehend ber die inhaltliche Prfung und Be-
28 „Ich finde zwei Hauptteile der Critica vor. Der eine [Teil der Critica] besteht darin, daß sie wie Zensoren ber die Autoren urteilten, ihnen ihre Werke zuschrieben, das Wahre und Echte von dem Untergeschobenen unterschieden und sozusagen eine Beurteilung aller Schriftsteller vornahmen. Deswegen bezeichnet man wohl zu Recht diesen Teil als iudicium und den anderen [Teil] als emendatio.“ (123.19 – 24) 29 Der Wortlaut lehnt sich hier auffallend eng an die Formulierung in der Diatribe de arte critica seines Lehrers Joseph Justus Scaliger (1619, Diatriba, 5 f., bei Jaumann 1995, Critica, 402) an. Vgl. dazu die Anmerkung 21.
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wertung der antiken Schriftsteller (135.7 – 139.21). Im restlichen Kapitel 17 beschrieb Wower detailliert kritische Zeichen. 4. Antike Philologie in Kapitel 18 Erst im letzten der drei Kapitel der Abhandlung zur jqitij¶ diskutierte Wower die Textkritik im engeren Sinne: In der Hauptsache geht es hier um verschiedene Arten und Ursachen von Fehlern im Wortlaut und ihre Verbesserung. In diesem Kapitel 18 finden sich drei Abschnitte, in denen sich Wower eingehender mit einzelnen Problemfeldern von Textverbesserung beschftigte: Auf den Seiten 146.27 bis 147.27 behandelte er Homerphilologie und auf den Seiten 148.23 bis 150.31 spezielle Probleme der Bibelkritik. Außerdem geht es in einem weiteren Abschnitt (154.25 – 155.7) um die Textkritik hebrischer Texte. Nach diesen kurzen Exkursen beschloss Wower seine Ausfhrungen zur jqitij¶ mit allgemeinen Bemerkungen zur Geschichte der Textkritik, zu den Bezeichnungen von Textkritikern und zu Philologenschulen. 4.1. Die Kompilation Wower handelte in seiner ganzen Tractatio de polymathia seine Themen anhand antiker Literatur ab. Er gab die Quellen fr sein Wissen ber die Antike direkt an, zitierte entsprechende Passagen und verwies auf andere Stellen und Schriften. Das gilt auch fr Kapitel 18. Hier werden an die 120 Stellen genannt, die sich aus ber 60 Texten von 38 Schriftstellern speisen. An 45 Stellen verwies Wower bei den Nennungen auf Stellen in antiken Schriften, ohne sie zu zitieren. Daraus ergibt sich, dass Wower diesen Abschnitt aus rund 75 Stellen antiker Schriften kompilierte. Wower entnahm seine Beispiele berwiegend der griechischen Literatur und zitierte die griechischen Stellen. Meistens gab er eine bersetzung oder zumindest eine Paraphrase bei. Am hufigsten (nmlich an 20 Stellen) schçpfte Wower sein Wissen aus dem byzantinischen Lexikon Suda. Es folgen Hieronymus (zehn Stellen), Galen und Athenaios (je sieben) sowie Strabo, Stellen aus AratosKommentaren und Augustinus (je sechs). Außerdem zog Wower Stellen aus Aelian, Apollonios Dyskolos, Aristides, Dio Chrysostomos, Diogenes Lartios, Erotian, Eunapios, Eustathios, Flavios Josephos, Harpokration, Kedrenos Georgios, Platon, Plutarch, Porphyrios und Theophylaktos von Achrida heran sowie, an lateinischen Autoren, Ausonius, Cicero, Aulus Gellius, Plinius den lteren, Sueton und Varro. An patristischer Literatur verarbeitete er abgesehen von Hieronymus und Augustinus noch Stellen aus
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Ambrosius, Cassiodor, Clemens von Alexandria, Eusebius von Caesareia, Epiphanios von Salamis, Irenaeus, Rufinus von Aquileia und Tertullian. Darber hinaus verwies Wower auf Stellen aus Aristoteles, Herodikos und Philo von Alexandrien, ohne sie eigens zu zitieren. Auch wenn Wower viele Stellen aus der Suda anfhrte, ist sein Text keine einfache Kompilation aus dem byzantinischen Lexikon, wie die zahlreichen anderen zitierten antiken Schriften belegen. Hervorzuheben ist dabei die patristische Literatur und dass Wower diese Texte trotz ihres in der frhen Neuzeit immer noch sakrosankten Status’ als historische Quellen behandelte. Auffllig ist auch der Schwerpunkt auf der griechischen Literatur, wenn man bedenkt, dass Kenntnisse der griechischen Sprache und Literatur im Vergleich zur lateinischen in Wowers Zeit unverhltnismßig geringer ausgebildet waren. Hierin zeigt sich wohl die Prgung Wowers durch seine Lehrer und seine Ausbildung – man denke etwa an Scaligers Meisterschaft im Griechischen sowie die Griechisch-Begeisterung der Pariser Gelehrten im Umkreis der Pliade. Es spiegelt Wowers Absicht wider, sich mit seiner Tractatio an ein hochgebildetes Publikum zu wenden. Vielleicht war die von großer Gelehrtheit und Belesenheit zeugende Literaturausschçpfung in dieser Kompilation angesichts der ansonsten mittelmßigen Qualitt von Wowers philologischen Arbeiten aber auch ein Grund dafr, dass ihn Zeitgenossen des Plagiats verdchtigten.30 4.2. Auswahl der antiken Textbeispiele In Wowers Darstellung der Textkritik in Kapitel 18 sind methodische Anweisungen und die Darstellung von Beispielen weniger eng miteinander verbunden, als man erwarten kçnnte.31 Wower entwickelte die methodischen Grundstze nicht anhand konkreter Beispiele, sondern referierte die textkritischen Stellungnahmen antiker Schriftsteller. Entsprechend wenige 30 Nach der Verçffentlichung der Tractatio de polymathia wurden Vermutungen geußert, Wower habe in Montpellier ein entsprechendes Manuskript von Isaac Casaubon abgeschrieben oder gar gestohlen. Auch wenn Casaubon selbst sich offenbar nicht plagiiert fhlte, wurden hnliche Vorwrfe noch eine lngere Zeit spter erhoben (vgl. Bursian 1883, Geschichte der classischen Philologie, 303 (Anm.); Deitz 1995, Ioannes Wower, 135, 143). Allerdings waren die Kenntnisse der antiken Literatur in dieser Zeit vielleicht umfassender, als man erwarten wrde. Das vermutet etwa Anthony Grafton in Bezug auf die Kenntnisse der philologischen ußerungen von Galen (vgl. Grafton 1991, Hermes, 164 f.) 31 In Abhandlungen ber Textverbesserung wurden die methodischen Prinzipien meist aus der damaligen philologischen Praxis abgeleitet. Vgl. dazu Vanek 2007, Ars corrigendi, besonders 149 – 153, 206 – 210, 267 – 269.
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Beispiele fr Textkritik liefert der Abschnitt, es finden sich nur sieben Stellen, an denen einzelne Lesarten ausfhrlicher besprochen werden. Dabei handelt es sich um Probleme aus den beiden Homerischen Epen, dem Hippokratischen Korpus, den Phainomena des Aratos und aus der Bibel. Doch auch diese Lesartendiskussionen entlehnte Wower antiken Schriftstellern, nmlich Strabo, Aristides, Galen und Athenaios sowie dem byzantinischen Theologen Theophylaktos von Achrida.32 Insgesamt erwhnt Wower antike philologische Arbeiten zu den Schriften von Homer, Hippokrates, Epicharmos, Platon, Aristoteles, Theophrast, Aratos, Ennius, Ariston, Eudoros von Alexandria sowie zur Bibel und den Kirchenvtern.33 Bemerkenswert ist an dieser Auswahl, dass Stellen aus der Bibel und patristischer Literatur vorkommen: Der Bercksichtigung von sakraler Literatur im Zusammenhang mit der kritischen Behandlung von Texten liegt die prinzipielle Einsicht in ihre Korruptheit und berlieferungsvarianz zugrunde, und das war im Zeitalter von protestantischer Orthodoxie und katholischer Gegenreformation keine Selbstverstndlichkeit. Beide konfessionellen Parteien hielten am Dogma der Verbalinspiration fest.34 Wower stellte dagegen die kritische Behandlung sakraler und profaner Texte im Prinzip gleich. Das war immerhin so heikel, dass Wower der biblischen Philologie einen eigenen Abschnitt (150.3 – 21) einrumte und dort zum Problem der Verbalinspiration Stellung nahm. Er vertrat die Position, dass strenggenommen nur die gçttliche Botschaft heilig sei, die Sprache des 32 Homer, Ilias 2.409: 151.32 – 152.4 (Diskussion durch Athenaios 177c–d), Odyss. 4.15 und Ilias 18.604: 152.4 – 16 (Diskussion durch Athenaios 180c–e), Odyss. 4.84: 152.16 – 26 (Diskussion durch Strabo 16.4.27.784C), Ilias 19.216 – 219: 152.32 – 153.6 (Diskussion durch Aristides: or. 28.26 f.); Hippokrates, Epid. II. 92.20: 151.18 – 25 (Diskussion durch Galen in Com. zu Hipp. Epid. II, Khn 17.A360 – 363), Nat.Hom. 1.6 f.: 151.26 – 28 (Diskussion durch Galen in Com. zu Hipp. Nat.Hum., Khn 15.20, CMG V 9,1.12 f.); NT, Hebr. 2.9: 149.10 – 15 (Diskussion durch Theophylaktos, Com. Epist. ad Hebr. 2.660). 33 Homer: 146.27 f., 146.29 f., 147.1 f., 147.3, 147.4, 147.8, 147.10, 147.11 f., 147.12 f., 147.15 – 19, 147.20, 147.21 – 23, 151.32 – 152.4, 152.4 – 16, 152.16 – 26, 152.32 – 153.6, 153.8 f., 153.10 – 12, 153.13 f., 153.21, 153.23 f., 153.27, 153.32 – 154.2, 154.2 – 6, 154.9 f.; Hippokrates: 148.12 – 14, 148.15 f., 148.17, 151.18 – 25, 151.26 – 28, 151.30; Epicharmos: 154.14 – 17; Platon: 151.30, 154.12 – 14; Aristoteles: 144.16 – 23, 154.14 – 17, 154.17 – 21; Theophrast: 154.14 – 17; Aratos: 145.5 – 13, 147.31 – 148.8; Ennius: 146.24 f.; Ariston: 152.28 – 30; Eudoros von Alexandreia: 152.28 – 30; Bibel: 148.23 f., 148.24 – 26, 148.28 – 149.9, 149.10 – 15, 149.16 – 18, 149.21 f., 149.24 f., 149.29 f., 150.1 f., 154.5, 155.3, 155.5; Kirchenvter: 150.21 f. 34 Zu den Aporien der Bibelkritik in dieser Zeit vgl. den berblick und die weiterfhrenden Verweise in Jaumann 1995, Critica, 138 – 147, bes. 145.
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Textes aber spteren, durch die menschliche berlieferungsgeschichte geprgten Vernderungen unterworfen sei. Abgesehen von sakralem Schrifttum umfasst diese Literaturauswahl nur noch ltere griechische Literatur. Der Vergleich mit den textkritischen Bemhungen seiner Zeit zeigt, dass Wower mit seiner Auswahl keine Bezge auf die aktuelle Philologie nahm.35 Vielmehr waren diese Autoren die philologischen Gegenstnde einer anderen Epoche, nmlich vor allem der hellenistischen Philologie im alexandrinischen Musaion aus dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert.36 4.3. Antike Philologie Wower fhrte whrend seiner Darstellung der Textverbesserung ausschließlich Beispiele aus antiker Literatur an. Außerdem berichtete er in erster Linie ber den Stand und die Errungenschaften der Philologie in der Antike. Zunchst schilderte Wower (146.27 – 147.7) mit Plutarch, Plinius dem lteren und Strabo, wie Alexander der Große den Wert der Homerepen erkannt habe und sein eigenes Exemplar in einer kostbaren Drogenbchse mit sich herumtrug, weswegen diese Ausgabe auch diºqhysir B 1j toO m²qhgjor genannt wurde.37 Dass es sich dabei um eine Ausgabe von Aristoteles selbst oder mit Verbesserung desselben handelte, muss wohl in den Bereich der Legende verwiesen werden.38 Im Laufe der Darstellung der antiken Philologie kam Wower neben Alexanders Homerausgabe auch auf weitere antike Texteditionen zu sprechen, so etwa auf die (angebliche) Homerausgabe von Aratos, aber auch auf den Ennius von Octavius Lampadius oder die Hippokratesedition von Artemidoros Kapiton.39 Daneben nannte er viele 35 In Wowers eigenem gelehrten Umfeld, wie etwa an der Universitt Leiden oder in Paris, wurden – abgehend vom renaissancehumanistischen Ciceronianismus – zunehmend archaische, sptantike und byzantinische Texte rezipiert und ediert, man denke beispielsweise an den Einfluss der Zweiten Sophistik (Aulus Gellius, Apuleius u. a.) oder an die blhende Plautus-Philologie in dieser Zeit. Vgl. dazu etwa Grafton 1983, Joseph Scaliger, 96 f.; Hfner 2005, Antiquarianismus, 288 – 290. 36 Zur Geschichte der antiken Philologie vgl. beispielsweise Grfenhan 1843 – 1850, Geschichte; Sandys 1903, History of classical Scholarship; Wilamowitz-Moellendorff 1921, Geschichte der Philologie; Reynolds/Wilson 31991, Scribes and Scholars; Pfeiffer 21978, Geschichte der klassischen Philologie; Pçhlmann 1994, berlieferungsgeschichte; Montanari 1998, Homer. 37 Plutarch: Alex. 8.2, Plinius: Hist.Nat. 7.29. 30. 108, Strabo: Geogr. 13.1.27.594C. Vgl. dazu auch: Hartke 1935, M²qhgn. 38 So Pfeiffer 21978, Geschichte der klassischen Philologie, 97 f. 39 147.18, 146.24 f., 148.15 f.
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Philologen, die sich in der Antike mit Homer und anderer Literatur beschftigten. Er erwhnte ausdrcklich die folgenden antiken philologischen Schriften:40 Krates von Mallos (ca. 200 – 150 v. Chr.): Diºqhysir (Iki²dor ja· (Odusse¸ar („Verbesserung der Ilias und der Odyssee“) Asklepiades von Myrlea (ca. 2. Jahrhundert v. Chr.): Vikosºvym bibk¸ym dioqhytij² („ber die Verbesserung philosophischer Bcher“) Erotianos (Mitte/Ende 1. Jahrhundert n. Chr.): Collectio vocum Hippocraticarum („Sammlung Hippokratischer Wçrter“) Pamphilos (1. Jahrhundert n. Chr.): T´wmg kritik¶ („Kunstlehre der Kritik“) Ptolemaios von Askalon (1. Jahrhundert n. Chr.): Peq· t/r 1m (Odusse¸ô (Aqist²qwou dioqh¾seyr („ber die Verbesserung des Aristarch in der Odyssee“) Tyrannion der Jngere (1. Jahrhundert n. Chr.): Diºqhysir ’Olgqij¶ („Verbesserung des Homer“) Sueton (75 – 160 n. Chr.): De grammaticis illustribus („ber die berhmten Grammatiker“) Apollonios Dyskolos (ca.150 n. Chr.): Peq· sumt²neyr („ber die Syntax“) Polion Grammatikos (unsicher, nach Suda p.2176): Peq· t_m paq± cq²lla "laqtamol´mym („ber Verstçße gegen die Schreibweise“) Als Philologen tauchen zunchst historische Figuren wie der mythische Gesetzesstifter Lykurg, der athenische Tyrann Peisistratos (zusammen mit seinem Sohn Hipparchos) und der schon erwhnte Alexander der Große auf.41 Aus der Zeit Alexanders und Aristoteles’ wird berichtet, dass Anaxarch und Kallisthenes philologische Arbeiten ber Homer betrieben htten und dass es hnliche Anstrengungen von Demetrios von Phaleron, Hekataios von Abdera und Philitas von Kos gegeben habe.42 Aus Wowers Nennungen lsst sich eine ganze Genealogie der alexandrinischen Philologie zusammenstellen, die von Zenodotos, Eratosthenes von Kyrene, Aristophanes von *
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40 Diese Schriften finden sich in Wowers Tractatio (nach der in der nachfolgenden Liste angegebenen chronologischen Reihenfolge) an folgenden Stellen: 147.9 f., 147.24 f., 156.19 f., 153.14 – 16, 147.23 f., 153.10 – 12, 147.10 – 12, 156.9 f., 153.7 – 9. 41 Lykurg: 153.29 – 31; Peisistratos: 146.27 f., 153.27 f.; Hipparchos: 153.28; Alexander: 147.2 – 6. 42 Anaxarch: 147.3 f.; Kallisthenes: 147.3 f.; Demetrios: 152.3 f.; Hekataios: 155.25 – 28, Philitas: 155.32.
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Byzanz, Athenokles von Kyzikos und Aristarch von Samothrake ber Apollodoros von Athen, Asklepiades von Myrlea, Poseidonios und Diodoros von Tarsos bis hin zu Didymos, Ptolemaios von Askalon, Tyrannion dem Jngeren, Seleukos Homerikos und Apollonios Dyskolos reicht.43 Daneben kommen andere Philologen und Gelehrte mit philologischen Arbeiten und ußerungen zur Sprache, etwa Aratos, Krates von Mallos, Ptolemaios Epithetes, Andronikos von Rhodos, Strabo, Pamphilos, Thrasyllos, Flavios Josephos, Longinos, Aristides, Athenaios und Achilles Tatios.44 Die rçmische Philologie findet mit Octavius Lampadio, Aelius Stilo Praeconinus, Terentius Varro, Santra, Valerius Probus und Sueton vergleichsweise geringe Beachtung.45 Die Textkritik sakraler Literatur ist auf der christlichen Seite durch die Bibelkritik von Lukianos von Antiocheia und Hieronymus vertreten, auf der jdischen Seite mit einem kurzen Abschnitt ber die Masora.46 Schließlich erwhnte Wower ausgehend von Galen die Hippokrates-Philologie von Bakcheios von Tanagra, Zeuxis, Glaukias, Artemidoros Kapiton und Dioskurides dem Jngeren.47 Neben der Bibel- und der rçmischen Philologie bercksichtigte Wower somit hauptschlich die Tradition der alexandrinischen Philologie. Am Ende seines Beitrags (156.11 – 20) ging er sogar ausdrcklich darauf ein, wie in der Antike Schulen in der Philologie unterschieden wurden. Er nannte die Schule des Aristarch und seine Schler Didymos und Pamphilos (sowie den Gegner Ptolemaios Epithetes) sowie die Schule des Aristophanes und seine Schler Diodoros und Artemidoros. 43 Zenodotos: 147.8, 153.8 f., 153.12 f., 153.20, 154.2 – 6; Eratosthenes: 155.20 – 25; Aristophanes: 147.12 f., 156.18, 156.19; Athenokles: 152.2; Aristarch: 146.20, 147.12 f., 152.2, 152.4 – 11, 153.12, 153.14, 153.20, 153.32 – 154.2, 154.2 – 6, 155.18, 156.13, 156.14, 156.14 f., 156.16, 156.17, 156.17 f.; Apollodoros von Athen: 154.14 f., 155.20 – 25; Asklepiades von Myrlea: 147.24 f.; Poseidonios: 152.22 f.; Diodoros: 152.13 – 15, 156.18; Didymos: 156.13; Ptolemaios: 153.10 – 12; Tyrannion: 147.10 – 12; Seleukos: 153.8 f., 155.31; Apollonios: 153.7 – 9. 44 Aratos: 147.12 f., 147.14 – 19, 147.21 – 23; Krates: 147.9 f., 153.20, 155.18, 155.28 – 30; Ptolemaios Epithetes: 156.14 f.; Andronikos: 154.15 – 17; Strabo: 152.28 – 31; Pamphilos: 153.14 – 16, 156.13 f.; Thrasyllos: 154.12 – 14; Flavios Josephos: 153.23 – 26; Longinos: 155.32 – 156.7; Aristides: 152.31 – 153.5; Athenaios: 152.12 f., 152.15 f.; Achilles Tatius: 145.11 – 13. 45 Octavius: 146.24 f.; Aelius: 156.11; Varro: 153.20, 156.10 f.; Santra: 156.11; Valerius Probus: 146.22 – 24; Sueton: 156.9 f. 46 Lukianos: 146.25 – 27, 148.28 – 149.9; Hieronymus: 149.19 – 25; Masora: 155.1 – 7. 47 Bakcheios: 151.11 f.; Zeuxis: 151.11; Glaukias: 151.11; Artemidoros: 148.15 f., 156.18 f.; Dioskurides: 148.15; Galen: 151.18 – 25, 151.26 – 28.
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Bei Wowers jqitij¶ handelt es sich also um einen historischen berblick ber die antike Textkritik mit Schwerpunkt auf der alexandrinischen Philologie. Die zeitgençssische Diskussion um Textverbesserung und die behandelten Schriftsteller, Lesartenbeispiele und philologischen Erkenntnisse berging Wower dabei vçllig. Wie Wower die Methode der Textverbesserung selbst darstellte, soll nun abschließend geklrt werden. 5. Die Textkritik 5.1. Bereiche der Textverbesserung In Kapitel 18 definierte Wower die emendatio, den zweiten Teil der jqitij¶, folgendermaßen: Hic uer succurrit Critice, deprauata corrigit, uocum & literarum mutationes obseruat, paqacq²llata, hoc est, ut Cassiodorus de diuinis lect. interpretatur, vitia scripturæ emendat, ueram lectionem substituit, superuacua aut præposter diligenti adiecta tollit.48
Wower machte an dieser Stelle fnf Aufgaben der Kritik aus, nmlich die Verbesserung von verdorbenen Stellen, die Feststellung der Varianten, die Berichtigung von Schreibfehlern, die Entscheidung ber Lesarten und die Suberung des Textes von unechten Zustzen.49 Im Laufe des Kapitels 18 kam Wower mehrmals darauf zurck50 und nannte dabei noch verschiedene andere Ttigkeiten, wie die Abschrift von Handschriften, die Erstellung von Anmerkungen und kritischen Zeichen, die Suche nach Hilfsmitteln und nach anderen Vorlagen sowie die Herausgabe des Textes.51 Außerdem bemerkte er: Sed præter hæc auctorum opera dispersa colligere, & in certas partes distribuere Criticorum munus.52 48 „Hier aber kommt die Critice zu Hilfe, die verdorbene Stellen verbessert, Vernderungen von Wçrtern und Buchstaben verfolgt, paqacq²llata (das sind, wie Cassiodor in den Institutiones divinarum litterarum bersetzt, Schreibfehler) berichtigt, die richtige Lesart einsetzt sowie das berflssige oder das aus verkehrter Sorgfalt Hinzugefgte tilgt.“ (146.15 – 19, Hervorhebung bei Wower). 49 hnliche Stellen sind 150.31 – 151.2 und 154.22 – 25. 50 145.4 f., 146.22 – 24, 151.9 – 14, 153.18 – 22, 153.29 – 31. 51 Abschrift: 145.4 f., 153.29 – 31; Anmerkungen: 147.22 – 24; kritische Zeichen: 153.22; Hilfsmittel: 151.2; andere Vorlagen: 151.10 f.; Edition: 153.29 – 31. 52 „Aber abgesehen davon besteht die Aufgabe der Kritiker darin, die verstreuten Werke der Schriftsteller zu sammeln und auf bestimmte Teile zu verteilen.“ (153.16 – 18)
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Neben den verschiedenen Bereichen von Philologie ging Wower im Kapitel 18 ausfhrlich auf die Zusammenstellung sowie die Einteilung der Werke eines Schriftstellers ein.53 Er wies allerdings darauf hin (148.17 – 23), dass es auch superuacua Critice („berflssige Kritik“) gibt, wenn Kontroversen ber einzelne Stellen – wie in Platons Protagoras (343e) – unnçtig ausfhrlich gefhrt werden und in Geznk und Sticheleien ausarteten. Wower erfasste unter emendatio im Kapitel 18 verschiedene Formen von Textarbeit, die von der Abschrift ber die Verbesserung bis hin zur Edition reichen und sogar Aufgaben der hçheren Kritik wie der Schriftensammlung und -einteilung einschließen. Im Zusammenhang mit solchen Definitionen benutzte er das Wort Critica beziehungsweise die grzisierte Form Critice. 54 Die griechische jqitij¶ findet sich nur an einer Stelle im Text.55 Alternativ zu Critice verwendet Wower – oft etwas allgemeiner – die Bezeichnung grammatica beziehungsweise cqallatij¶.56 5.2. Die an der Textkritik beteiligten Personen Mit der Verbesserung von Texten sind verschiedene Personen beschftigt. Zunchst begegnet man Bezeichnungen, die vom Fach der Kritik beziehungsweise der jqitij¶ und der Grammatik beziehungsweise der cqallatij¶ abgeleitet sind (critici, jqitijo¸, grammatici, cqallatijo¸).57 Diese Namen fungieren als eine Art ‘Berufsbezeichnung’58 sowie als Auszeichnungen der Gelehrsamkeit und Exzellenz des betreffenden Philologen: In einem Abschnitt (155.15 – 156.7) werden solche Philologen (Aristoteles, Apollodoros von Athen, Eratosthenes von Kyrene, Hekataios von Abdera, Krates von Mallos, Seleukos, Philitas von Kos und Longinos) aufgezhlt, denen in der Antike Ehrenbezeichnungen wie jqitijºr, Philosophus Criticus, 53 146.22 – 24, 153.26 – 28, 153.29 – 31, 153.31 – 154.2, 154.2 – 6, 154.8 – 14, 154.14 – 17, 154.17 – 19, 154.22 – 25. 54 146.15, 148.18, 151.4, 151.6, 151.29, 152.27, 153.15 f., 154.23, 155.15. 55 155.20. 56 Grammatica: 146.24, 152.21, 154.29, 155.7, 155.30, 156.8; cqallatij¶: 155.20, 155.9 – 14. 57 Critici: 146.20, 150.31, 151.32, 152.18, 153.18, 153.20, 154.18 f., 155.1, 155.20, 156.5, 156.10, 156.11 f.; jqitijo¸7155.19, 155.23, 155.27, 155.29, 155.32, 156.1; grammatici: 145.7, 148.22, 156.10, 156.15 f., 156.17(bis); cqallatijo¸ 145.9, 155.18, 155.23, 155.25, 155.27, 155.32, 156.13(bis). 58 Etwa Diodorus Grammaticus (152.14) oder Seleucus Alexandrinus Grammaticus (155.31). Auf die gleiche Weise werden bezeichnet: Tyrannion der Jngere (147.11), Polion (147.23), Asklepiades von Myrlea (147.24), Zenodotos (153.13), Pamphilos (153.14 f.) und Aristarch von Samothrake (153.32).
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Grammaticus oder cqallatijºr jqitijºr verliehen wurden. Daneben steht auch der pokulah¶r, der Hochgelehrte (155.32 – 156.1). Am Ende des Kapitels (156.11 – 20) stellte Wower noch Stellen zusammen, in denen die Zugehçrigkeit zu antiken Philologen- und Gelehrsamkeitsschulen diskutiert wird, eben die sectae der Critici, Philosophi und Grammatici. Spezifischer auf die Ttigkeit der Textverbesserung ausgerichtet ist der emendator, der allerdings auch mit gescheiterten Verbesserungen in Verbindung steht.59 Die in dieser Zeit gelufige Bezeichnung corrector taucht in Wowers Text zwar nicht auf, wohl aber die spçttische Anspielung corruptor. 60 So werden Philologen genannt, die den Texten mit ihrer Arbeit mehr Schaden als Nutzen bringen. Eine hnlich ambivalente Rolle wie Philologen spielen auch Personen, die am berlieferungsprozess beteiligt sind, also bersetzer, Kommentatoren und Schreiber. Interpretes werden sowohl bersetzer als auch Kommentatoren und Herausgeber genannt, allerdings tauchen sie berwiegend im Zusammenhang mit dem Verderben von Texten auf.61 Neben dem bersetzer und dem Kommentator, der an einer Stelle auch als Scholiastes bezeichnet wird,62 spielen Schreiber und Kopisten die weit wichtigste Rolle im berlieferungsprozess. Entsprechend finden sich auch einige griechische und lateinische Bezeichnungen im Text: Ein Schreiber ist der scriba, der cqave¼r oder der notarius. 63 Außerdem taucht scriptor neben der Bezeichnung eines antiken Schriftstellers in der Bedeutung von ‘Schreiber’ auf.64 Am hufigsten begegnet uns der Schreiber als librarius. 65 Dass Wower patristisches Schrifttum in seiner Kompilation bercksichtigte, wirkte sich auch auf die von ihm genannten Personen aus. Er zitierte nmlich Stellen, an denen Fehler in der Bibel mit der mutwilligen Zerstçrung christlicher Autorittstexte durch Juden, durch heretici, durch konkurrierende christliche Sekten (Nestorianer) und durch „improbißimi
59 146.11, 146.27, 147.8, 148.26 f. 60 148.15, 150.22. Zu correctores und corruptores in der textkritischen Theorie des 16. Jahrhunderts vgl. Vanek 2007, Ars corrigendi, Kap. 3 (Nachweise zum Wortgebrauch finden sich auf 157). 61 148.10, 148.14, 149.27, 151.9, 151.20. Neutrale oder positive Nennungen sind nur 151.11 und 154.19. 62 145.11. 63 Scriba: 145.2; cqave¼r 144.24, 145.12; notarius: 146.7. 64 145.25, 146.27. 65 144.15, 144.24, 145.3, 146.8, 146.14, 148.26, 149.20 f., 150.25, 150.30, 151.21.
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homines, profanæ religionis principes“ erklrt werden.66 Gleichzeitig ging Wower in einem kurzen Abschnitt (154.26 – 155.7) eigens auf die Verdienste der hebrischen Gelehrsamkeit ein und ließ die Geschichte aller Gelehrsamkeit bei Moses beginnen: Damit stand er im Einklang mit Gepflogenheiten seiner Zeit, da Rckfhrungen auf alttestamentliche und hebrische Ursprnge der jeweiligen Sache Ansehen sicherten und sie mit besonderer Autoritt versahen.67 Auch hob Wower die Verdienste der hebrischen Textkritik hervor: Die ersten critici bei den Hebraei hießen Masorithae. Den Masoreten komme das Verdienst zu, dass sie den – ursprnglich ohne Worttrennung und Punktierung geschriebenen – hebrischen Text der lex (Tora beziehungsweise Pentateuch) sowie der Biblia (Altes Testament) punktierten und die Wçrter und Stze unterschieden. 5.3. Fehler und ihre Grnde Ausgangspunkt fr die Textverbesserung ist die Feststellung, dass Texte beziehungsweise einzelne Stellen korrupt sind, es findet sich also einiges, was confusa, corrupta, depravata, erosa, interpolata, mendosa, mutata oder emendata peruersius ist.68 Außerdem gibt es corruptelae, depravata, depravationes, lacunae, menda und mendositates, mutationes, paragrammata beziehungsweise paqacq²llata und vitia scripturae. 69 Neben solchen Fehlern ist zudem von Textvarianz die Rede, wenn ber die varietas lectionum und variae lectiones oder ber eine dissentiens lectio gesprochen wird.70 Die einzelnen Fehlerarten, die in der Tractatio zur Sprache kommen, sind das Ergebnis von Wowers willkrlicher Auswahl aus den konsultierten antiken Autoren. Textkorruption entsteht etwa dadurch, dass unechte Zustze (addita, adiecta, supervacua, aliena, adulterina, innovata) in den Text 66 Iudaei: 148.27, 149.29 (Augustinus: civ.15.11); heretici: 148.27; Nestoriani: 149.10 – 15 (Theophylaktos: Com. Epist. ad Hebr. 2.660); principes profanae religionis: 149.6 (Suda k685 ber Lukianos von Antiocheia). 67 Vgl. dazu Zedelmaier 2003, Ursprungsdebatte. 68 Confusus: 153.25 f.; corruptus: 145.1, 145.16, 146.1 f., 146.4, 148.26 f., 150.18; depravatus: 145.6, 148.13 f., 149.5; erosus: 144.21; interpolatus: 147.31; mendosus: 145.14 f., 146.1 f., 149.26 f., 151.13, 155.10; mutatus: 146.13 f., 150.18, 151.1; emendatus peruersius: 146.13 f. 69 Corruptela: 149.7, 150.23 f., 150.31; depravatum: 146.15; depravatio: 145.22; lacuna: 144.22; mendum: 144.22 – 24, 149.21, 150.15 – 17; mendositas: 150.1; mutatio: 146.15 f.; paragrammata: 146.5 f.; paq²cqallata 146.16; vitium scripturae: 146.17. 70 146.4 f., 147.30 f., 148.11 f., 148.25, 150.31.
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gerieten,71 Textstcke verschoben wurden oder ein Schreiber den Strich im Buchstaben q vergaß und so ein o herauskam.72 Außerdem zitierte Wower (152.31 – 153.5) Aristides mit einer Stelle (or. 28.26 f.), wo dieser sich ber unfhige Philologen beschwert, die in einem Homervers ein Wort vom Ende eines Verses an den Anfang des nchsten setzten. Schließlich fhrte Wower einige Stellen ber Fehler auf, die durch die Darstellung von Zahlen durch Buchstaben im Griechischen und die daraus sich ergebenden Verwechslungen von Buchstaben und Ziffern entstehen.73 Diese Fehlerbeschreibungen beinhalten meistens Ausknfte ber die Genese der jeweiligen Korruptel. Sie geben auch Hinweise auf die dahinterstehenden Ursachen. Abgesehen von einer Stelle (149.4 f.), an der Wower mit der Suda (k685) ber die Bibelkorruption in der Zeit von Lukianos von Antiocheia darauf verwies, sie sei durch den Lauf der Zeit selbst sowie insbesondere durch die fortwhrende bersetzung von verschiedenen Mnnern („ipsoque tempore & perpetua uariorum translatione“) verderbt worden, fhrte er Textfehler in den meisten Fllen auf allgemeine Unzulnglichkeiten der bearbeitenden Kopisten und Philologen zurck. Diese vitia reichen von Unachtsamkeit (incuria), Nachlssigkeit (negligentia) und Stumpfheit (stupor) ber Unerfahrenheit (imperitia) bis hin zu falschem Verhalten wie Zgellosigkeit (lascivia), verkehrtem beziehungsweise allzu erregtem Scharfsinn (praeposterum beziehungsweise sollicitum nimis acumen), bertriebener Sorgfalt (praepostera diligentia) und bermßiger Begierde am Verbessern (libido nimia corrigendi).74 5.4. Verfahren der Textverbesserung In Kapitel 18 der Tractatio findet sich keine systematische Darstellung der Methode der Textkritik. Vielmehr erschçpfen sich entsprechende Ausfhrungen meistens in krzeren Passagen, in denen Wower Stellen aus antiker Literatur zum Thema auffhrte. An einer Stelle gelang es ihm aber, einige textkritische Vorgehensweisen zusammenzustellen:
71 72 73 74
146.13 f., 146.18 f., 147.29 f., 149.3 f., 151.1. 151.18 – 25; 152.4 – 16. 145.17 f., 145.18 – 21, 145.21 – 23, 145.25 f. Incuria: 146.8; negligentia: 144.15; stupor: 144.14; imperitia: 144.14 f., 145.2, 146.7, 146.11 f., 146.13, 148.26; lascivia: 148.9; acumen: 147.29, 148.9 f.; praepostera diligentia: 146.18 f.; libido nimia corrigendi: 147.28 f.
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In hoc erg tam multiplici corruptel Critici uarias lectiones recensent, & quæ potissimm sequenda sit indicant, ab alijsperperam innouata aut mutata notant, exemplaria comparant, omnia subsidia conquirunt.75
Kern der textkritischen Arbeit sei der Vergleich der voneinander abweichenden Textfassungen. Das heißt hier exemplaria comparare und wird sinngemß an mehreren Stellen im Text wiederholt.76 Dazu gehçrt auch die Forderung, dass Kopisten ihre Abschrift mit der Vorlage abgleichen sollen.77 Ziel der Suche sind Lesarten, die korrupte Stellen oder lacunae („Lcken“) verbessern beziehungsweise ergnzen kçnnen. Hier griff Wower hauptschlich auf Galen zurck, der sich an vielen Stellen in seinen Kommentaren und Einleitungen zu seiner Hippokrates-Ausgabe zu Problemen der textkritischen Arbeit ußerte.78 Denn Wower meinte: Galenus in VI. Hippocratis de morbis uulgaribus ueras Critices leges præscribit, easq; se impleuisse ostendit; ad cuius grauissimi uiri exemplar utin omnes sese componerent, qui in his literis uersantur.79 75 „Wegen der so beraus vielfltigen Korruptheit also mustern die Kritiker die [voneinander] abweichenden Lesarten und zeigen, welchen am ehesten gefolgt werden soll. Sie vermerken, was von Anderen auf verkehrte Weise erneuert oder verndert wurde, vergleichen die Abschriften und spren alle Hilfsmittel auf.“ (150.31 – 151.2) 76 Etwa collatio codicum: 146.3 f. (Cod. Theodos., tit. De resp. prud.); ad exemplaria emendare: 147.4 f. (Paraphrase auf Strabo: Geogr. 13.1.27.594C.); codices conquirere: 151.10 f. (Paraphrase auf Galens Einleitung zu seinem Com. 1 zu Hippokrates’ Epid. 6, Khn 17.A793 f., CMG V 10,2,2.3 f.). 77 144.24 – 145.1 (Strabo: Geogr. 13.1.54.609C) und 145.1 f. (lat. Paraphrase von Wower). 78 Galens Hippokrates-Philologie begegnet auch heute einem regen Forschungsinteresse, vgl. dazu etwa Lpez Frez 1992, Galeno; Manetti/Roselli 1994, Galeno; Pçhlmann 1994, berlieferungsgeschichte, 76 f.; Hanson 1998, Galen. 79 „Galen schreibt in [seinem Kommentar zum Buch] VI der Epidemiai des Hippokrates die Grundstze der wahren Critica vor und zeigt, wie er ihnen gefolgt ist. Wrden sich doch nur alle, die sich dieser Art von Gelehrsamkeit widmen, nach dem Vorbild dieses beraus wichtigen Mannes richten!“ (151.5 – 9) Wower bezog sich im Kapitel 18 außerdem auf folgende Schriften Galens: Galens Kommentar zu Hippokrates’ Epidemiai: 148.12 – 16: Verweis auf eine Stelle in Galens Einleitung zum Com. 1 zu Epid. 6, Khn 17.A795, CMG V 10,2,2.4; 151.9 – 18: Paraphrase auf Galens Einleitung zum Com. 1 zu Epid. 6, Khn 17.A793 f., CMG V 10,2,2.3 f.; 151.18 – 21: Verweis auf Com. zu Epid. 2, Khn 17.A360–A363; 151.21 – 25: Zitat aus Galens Einleitung zum Com. 1 zu Epid. 6, Khn 17.A794 f., CMG V 10,2,2.4. Galens Kommentar zu Hippokrates’ De natura humana: 148.16 f.: wahrscheinlich Verweis auf Com. 1.2, Khn 15.21, CMG V 9,1.13; 151.26 – 28: Lesartendiskussion von Hippokrates Nat.Hom. 1.6 f. in Com. 1.1, Khn 15.20, CMG V 9,1.12 f. Galens Schrift De antidotis (Khn 14.31):
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In einer freieren Paraphrase einer Stelle in der Einleitung Galens zum ersten Kommentar zum sechsten Buch der Epidemiai von Hippokrates gab dann Wower wieder, wie Galen seine textkritische Methode beschrieb: Librum istum interpretes uari corrupisse ait, & pro suo arbitratu scripturam immutasse: ideoq; se coactum conquirere ueteres codices, & aliorum interpretum libros, ut Zeuxidis Tarentini, Bacchij & Glauciæ, quorum operam probaturus erat, si proposit antiqu scriptur locum mendosum indicassent, atq; ita demum suam emendationem sensui & rationi consentientem in medium attulissent.80
Wie schon in Wowers eigener Beschreibung der Textverbesserung liegt auch hier die Methode, mit der Galen die Verbesserung der hippokratischen Schriften angeht, darin, verschiedene Textfassungen heranzuziehen und sie miteinander zu vergleichen. Vor allem Galen geht davon aus, dass alte Lesarten besonders verlsslich sind und somit grçßere Autoritt genießen. Im Anschluss an die eben zitierte Paraphrase Galens findet sich die Anweisung Galens, so sehr, wie es nur geht, an der alten Lesart festzuhalten („ut retineamus, quantum licet, antiquam lectionem“).81 An anderer Stelle zitierte Wower wiederum eine Stelle aus der Timon-Vita des Diogenes Lartios, an der Timon den Ratschlag gibt, die alten Handschriften (!qwa?a !mt¸cqava) den verbesserten vorzuziehen.82 Darber hinaus gibt es einige Hinweise auf Prinzipien und Kriterien des Verbesserns. So soll eine Verbesserung wahrscheinlich und gleichartig („probabilis aut verisimilis“) sein und darauf ausgerichtet sein, mçgliche Zweideutigkeit (!lvibok¸a) auszuschließen.83 An der eben zitierten Stelle
80
81 82 83
145.13 – 17 (bersetzung) und 145.17 – 21 (Zitat und bersetzung). Galens Schrift De placitis Hippocratis et Platonis: 151.29 f.: Pauschaler Verweise auf weitere Beispiele fr Galens Hippokrates-Philologie. „Er [Galen] sagte: ‘Die Ausleger htten dieses Buch auf vielfltige Weise verdorben und nach bloßem Belieben den Wortlaut gendert. Und deswegen sei er gezwungen gewesen, alte Kodizes zusammenzusuchen wie auch die Schriften anderer Ausleger wie Zeuxis Tarentinus, Bakcheios oder Glaukias. Man musste [die alten Kodizes und] die Auslegungen darauf durchsuchen, ob sie die fehlerhafte Stelle verzeichneten, indem sie eine alte Lesart erwhnten. Und [man soll] schließlich die eigene Verbesserung, die dem Sinn und dem Verstand entspricht, allgemein verfgbar machten.’“ (151.9 – 14, Hervorhebungen bei Wower) Die Stelle bei Galen ist: Khn 17.A793 f., CMG V 10,2,2.3 f. 151.15. 147.14 – 17 (Diogenes Lartios 9.113). Vgl. dazu auch Pfeiffer 21978, Geschichte der klassischen Philologie, 126 f. 151.17 (Paraphrase auf Galen: Einleitung zu Com. 1 zu Hipp. Epid. 6, Khn 17.A793 f., CMG V 10,2,2.3 f.) und 151.28 (Galen: Com. zu Hipp. Nat.Hum.,
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erinnerte Wower außerdem noch an Galens Forderung, dass eine Verbesserung Sinn und Verstand entsprechen soll („emendatio sensui & rationi consentiens“). Angesichts des Nachdrucks, mit dem die Unfhigkeit von Schreibern und Philologen angeprangert und als Hauptgrund fr die Verderbnis der Texte ausgemacht wird, kçnnte man bei den methodischen Anweisungen einen Tugend- und Kompetenzkatalog erwarten. Diese Vermutung ergibt sich auch aus der geradezu toposhaften Gegenberstellung von tchtigen und unzulnglichen Philologen im textkritischen Diskurs dieser Zeit.84 Doch Forderungen nach richtigem Verhalten bleiben in Wowers Kompilation weitgehend aus. Wower gab diesbezglich nur eine Passage aus der patristischen Literatur zu Beginn von Kapitel 18 wieder: Quo mirum in modum peccasse librarios existimo. Nam D. Irenæus & Hieronymus initio Chronicorum adiurant illos, ut diligentius conferant & emendent quæ transcripserunt.85
Weil sie die Texte verdarben, ermahnen also die Kirchenvter Irenaeus und Hieronymus die Kopisten, bei ihrer Arbeit methodisch vorzugehen und Sorgfalt walten zu lassen. Damit machte Wower eine Andeutung auf eine Stelle bei Irenaeus, die er weiter unten ausfhrlich zitierte: Hinc est cur D. Irenæus adiuret librarium per Dominum nostrum Iesum Christum, & gloriosum eius aduentum, quo iudicaturus est uiuos & mortuos, ut conferat postquam transcripserit, & emendet ad exemplar unde scripsit. Quam adjurationem retulit Eusebius Hist. Ecclesiast. lib. V. & Hieronymus in Irenæo, qui initio Chronicorum, obtestatur & adiurat librarios, ut ea quæ descripsissent, conferrent & emendarent.86 Khn 15.20, CMG V 9,1.12 f.). Bei Wower steht versehentlich !lvobokoc¸a statt !lvibok¸a. 84 Vgl. die Skizze eines solchen Tugend- und Kompetenzdiskurses als Antwort auf die unfhigen Philologen in der Ars corrigendi-Literatur des 16. Jahrhunderts in Vanek 2007, Ars corrigendi, 179 – 195. 85 „Ich meine, daß die Schreiber auf erstaunliche Weise Fehler machten. Denn der Heilige Irenaeus und der Heilige Hieronymus (am Anfang seiner Chronik) beschwçren die Schreiber, das, was sie abschrieben, mçglichst sorgfltig zu vergleichen und zu verbessern.“ (145.2 – 5) 86 „Das ist der Grund, warum der Heilige Irenus den Schreiber beschwçrt, ‘im Namen unseres Herrn Jesus Christus, und seiner glorreichen Ankunft, wenn er ber die Lebenden und die Toten richten wird, er mçge, nachdem er die Abschrift erstellte hatte, [die Abschrift] mit dem Exemplar, aus dem er abgeschrieb, vergleichen und [die Abschrift] verbessern.’ Diese Beschwçrung [des Irenaeus] zitierte Eusebius in seiner Kirchengeschichte, Buch 5, ebenso wie [sich] Hieronymus am Anfang seiner Chronik auf Irenaeus [bezog, als er schrieb]: ‘Er beschwor und flehte die Schreiber an,
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Die hier im Wortlaut wiedergegebene Beschwçrung von Irenaeus wurde, wie Wower erklrte, durch zwei Stellen berliefert, nmlich in Buch 5 (20.2) der Kirchengeschichte des Eusebius sowie am Anfang der Chronik des Hieronymus. Bei der zweiten hier als Zitat ausgewiesenen Stelle handelt es sich wohl um eine Paraphrase von Wower.87 Dieser Stelle vorangestellt ist schließlich noch eine hnlich lautende Passage bei Rufin.88 6. Schluß In der Tractatio de polymathia stoßen wir auf das Verstndnis von Textverbesserung als Teil der Textkritik, auf deren Bezeichnung als critica beziehungsweise jqitij¶ sowie auf deren Konzipierung als einer der drei Teile der Grammatik. Wower beruft sich dabei auf die Tradition der enzyklopdischen Grammatik in der alexandrinischen Philologie. Es ist kein Zufall, dass Wower in seiner Tractatio de polymathia allein die Grammatik als Disziplin ausfhrt, gilt sie ihm doch als Gelehrsamkeitsideal. Grammatik ist die zentrale Bildungsdisziplin und wird etwa im Bereich der grammatica exegetica beziehungsweise Rstoqij¶ in Teilen selbst als umfassende Realienkunde angelegt. Dass Wower Textkritik zur Grammatik ausdrcklich dazuzhlt, erklrt sich aus antiken Vorgaben, verbindet sich aber auch mit aktuellen Herausforderungen: Die frhneuzeitliche Philologie war mit dem Projekt beschftigt, das antike Erbe in gedruckten kritischen Ausgaben der frhneuzeitlichen Gelehrtenwelt zur Verfgung zu stellen. Jeder Gelehrte, ob Naturwissenschaftler, Theologe, Mediziner oder Philosoph, setzte sich mit antiken Vorlagen auseinander, war Editor, bersetzer und Kommentator antiker Literatur und musste philologische Techniken beherrschen. Dieser Wesenszug des frhneuzeitlichen Gelehrtentums spiegelt sich deutlich in Wowers Bercksichtigung philologischer Techniken wider. Das war keinesfalls selbstverstndlich, wurde Textverbesserung doch oftmals (etwa in Lipsius’ De philologia) nicht oder spter etwa bei Schmeitzel unter doch das, was sie abgeschrieben hatten, abzugleichen und zu verbessern.’“ (150.24 – 30, Hervorhebungen bei Wower) 87 Die Beschwçrungsformel am Anfang der Chronik von Hieronymus gibt etwa die Patrologia Latina unter dem Titel obtrectatio Eusebii samt griechischer Fassung wieder (27.39 f.), andere Ausgaben (wie GCS Helm oder Fotheringham) lassen sie dagegen weg. 88 150.21 – 24 (Rufin: Praefatio in libros Origines peq· !qw_m, in: Origines 1913, De principiis, GCS, 3 – 6, 6).
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Verweis auf ihren von manchem als etwas arg technisch empfundenen Charakter als eine Art ‘Buchstblerei’ behandelt. Der Abschnitt ber die jqitij¶ in der Tractatio de polymathia steht außerdem im Kontext der zeitgençssischen Bemhungen um eine methodische Grundlegung der Textkritik. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts wurde an einer Ars corrigendi geschrieben – man denke etwa an die Kunstlehren von Francesco Robortello (1557), Willem Canter (1571) und Kaspar Schoppe (1597).89 Der Abriss Wowers im Kapitel 18 bildet eine Ergnzung der textkritischen Methodologien, kommt aber ohne jede Bezugnahme auf diese Theoriebildung aus: Wower erwhnte sie nicht, nannte keine Beispiele aus der damaligen Philologie und zeigte sich auch in der theoretischen Anlage von ihr unbeeinflusst. Seine Ausfhrungen sind im Konzept wenig originell, da er sie aus einer Vielzahl von antiken Textstellen kompilierte. Allerdings fçrdert die Analyse dieser Zusammenstellung zutage, dass Wower hier auf der Grundlage einer breiten Auswertung antiker Texte nichts weniger als eine Geschichte der Textkritik in der Antike verfasste und dem Leser dazu die einschlgigen Stellen aus der Literatur des Altertums an die Hand gab. Wower verfolgte mit seiner jqitij¶ also die Absicht, diese Ttigkeit historisch zu untermauern und – durch die Einbettung in die Tractatio de polymathia – in ein autoritatives Gelehrsamkeitskonzept zu integrieren. Mit Wowers Bezug auf die Philologie des Altertums haben wir es freilich mit einer besonderen Form des historischen Legitimierungsversuchs zu tun. Denn antike Philologiegeschichte zeigt etwa in Gestalt Galens, dass die Antike nicht nur die autoritative Literatur hervorgebracht hat, sondern gleichzeitig auch das Instrumentarium fr den Umgang mit diesen Texten. Die Existenz von methodischer Reflexion der Wiederherstellung und Bewahrung von Texten fhrte dem frhneuzeitlichen Gelehrten deutlich vor Augen, dass die antike Literatur nicht nur in der blen Zeit des ‘finsteren Mittelalters’ schwerste Schden und Verluste erlitten haben muss, sondern bereits in der Antike selbst. Wowers Darstellung der Textverbesserung birgt ein ganzes Panoptikum an antiquarischer Gelehrsamkeit. In Kapitel 18 begab er sich auf einen Streifzug durch die Geschichte der antiken Beschftigung mit Philologie, mit dem Verbessern von in der Antike kanonisierter Literatur und mit den daraus resultierenden Problemen. Wower betrieb in der Tractatio de polymathia Wissenschaftsgeschichte, und zwar mit den Zielen, vergessene antike – und damit autoritative – Wissensbestnde zu reaktivieren und das 89 Vgl. Vanek 2007, Ars corrigendi.
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Abkrzungsverzeichnis CMG Corpus Medicorum Graecorum GCS Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte Khn Karl Gottlob Khn: Medicorum Graecorum Opera quae exstant Keil Heinrich Keil: Grammatici Latini
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Philologie et pratiques de lecture chez Isaac Casaubon Hlne Parenty Jusqu’ une poque rcente, la philologie du XVI me si cle faisait l’objet de critiques quasi-unanimes : les savants1 brocardaient son caract re nonscientifique, son absence d’esprit de syst me dans la recension des tmoins du texte tablir (recensio codicum), le caract re tr s slectif des collations et une grande imprcision dans la dsignation des sources des variantes. Les jugements exprims sur Isaac Casaubon (1559 – 1614)2 n’chappent pas la r gle, et Monique Mund-Dopchie, apr s avoir examin ses travaux prparatoires une dition d’Eschyle qu’il n’a jamais mene bien, tout en reconnaissant son flair et sa connaissance remarquable de la langue et des realia grecs, crit : Casaubon, l’instar de ses contemporains, ragit selon l’inspiration du moment et il ne tente jamais de dfinir les principes rgissant l’dition d’un texte.3
Si, depuis une vingtaine d’annes,4 la philologie humaniste tend Þtre rhabilite et, en tout cas, mieux comprise, il demeure souvent beaucoup d’interrogations sur son fonctionnement prcis. Une des difficults auxquelles nous sommes confronts, corollaire de l’absence de mthode universellement partage, est qu’elle est indissociable de l’individu qui l’exerce, mÞme s’il existe des tendances lies au lieu, aux traditions nationales5 ou l’poque. La recherche ne peut donc se fonder que sur des tudes de cas et, propos d’un philologue donn, se demander quand et comment il corrige un texte qu’il juge corrompu, comment il effectue les oprations de slection entre diffrentes leÅons possibles, ou selon 1 2 3 4 5
Voir en particulier Kenney 1974, The classical Text, 18 et suivantes. La biographie la plus compl te ce jour de Casaubon est celle de Pattison [1875] 2 1892, Isaac Casaubon. Mund-Dopchie 1984, La survie d’Eschyle, 357. A cet gard, les travaux d’Anthony Grafton sur Politien et Joseph Scaliger ont t dcisifs (Grafton 1977, Politien ; Grafton 1983, Joseph Scaliger). On distingue en effet traditionnellement, la Renaissance, la mthode italienne, tr s respectueuse des manuscrits, et la mthode franÅaise, qui accorde beaucoup plus d’importance la conjecture. Voir sur ces questions Kenney 1974, The classical Text et Grafton 1983, Joseph Scaliger.
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quelles modalits il exerce son jugement. Sur ces questions, les discours des humanistes eux-mÞmes sont rarement explicites et le chercheur qui veut reconstituer par lui-mÞme le processus d’emendatio sur un texte donn doit non seulement retrouver le matriau dont disposait le philologue qu’il tudie (ce qui est possible dans certains cas) mais aussi faire preuve la fois de comptences philologiques tr s pointues (idalement, aussi aiguises que celui de son objet de recherche) et d’une connaissance prcise du contexte intellectuel dans lequel volue ce dernier. Dans le cas de Casaubon, la tche est colossale, tant l’humaniste s’est assimil le corpus latin et grec jusqu’aux oeuvres les plus obscures et les plus difficiles, et s’est rendu capable de susciter des rapprochements entre les œuvres les plus dissemblables. Mon but ne sera donc pas de donner le fin mot de la philologie de Casaubon, mais plutt, en prenant comme point de dpart les propos qu’il tient sur la critik, de m’interroger sur ce qui la rend possible. Soit, par exemple, le cas des Deipnosophistes d’Athne, ouvrage tr s difficile et de proportions monumentales dont Casaubon produisit en 1597 une dition et en 1600 un norme commentaire dominante philologique, les Animadversiones in Athenaeum. Comment se met-il en tat d’accomplir de telles ralisations ? Au-del du matriau (abondant) accumul pour ce texte prcis (manuscrits, ditions antrieures, collations), quel est le travail qu’il ralise en amont afin de dvelopper ses comptences philologiques ? Pour donner des lments de rponse cette question, je me propose de m’appuyer sur les papiers personnels de l’humaniste, dont une partie a t conserve la Bodleian Library sous le nom d’adversaria. Certains d’entre eux, en effet, nous montrent comment Casaubon, au fur et mesure de ses lectures, prenait des notes afin de se constituer des sortes de fiches sur diffrents sujets, susceptibles d’Þtre rutilises, l’occasion, pour clairer ou corriger un point de texte. De tels documents font ressortir le lien intrins que entre philologie et savoir, et nous montrent l’humaniste proccup en permanence d’accro tre ses connaissances, dans les domaines les plus divers. 1. Casaubon philologue : discours de la mthode 1.1. L’emendatio : manuscrits et conjecture Casaubon n’a jamais crit de trait sur sa conception de la critik. Il dsirait le faire, et l’annonce dans l’avis « Au lecteur » de ses Animadver-
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siones in Athenaeum (1600), mais ce projet est rest lettre morte, au grand dam des chercheurs de notre poque. En revanche, ce texte prfaciel, qui introduit un commentaire monumental aux Deipnosophistes d’Athne destin complter l’dition qu’il a ralise trois ans plus tt, est un des textes de l’humaniste o les remarques de mthode sont les plus fournies. Il y cite ses sources principales de faÅon suffisamment prcise pour que des philologues modernes aient pu les identifier, et y explique assez clairement comment il a procd pour corriger son texte. Il existait jusqu’ l’dition Casaubon deux ditions imprimes des Deipnosophistes : une dition aldine de Marcus Musurus ralise en 1514 et une autre procure Ble en 1535 par Jacques Bdrot et Christian Herlin. Deux traductions ont t ralises, une par Nol dei Conti en 1556, la seconde par Jacques Dalchamps en 1583. A cela, il faut ajouter un fragment publi en 1564 par Willem Canter dans ses Novae lectiones avec l’aide de Joseph Scaliger. Casaubon prend comme point de dpart l’dition la plus rcente (il semble qu’il n’ait pas eu acc s directement l’autre) et l’mende partir de deux manuscrits qui lui sont prÞts,6 une collation de l’dition aldine ralise par Benedetto Egio, et quatre collations du manuscrit Farn se.7 Ce dernier est, l’poque, un des meilleurs tmoins du texte : il s’agit d’une copie d’un manuscrit du X me si cle, appartenant la biblioth que de Bessarion,8 qui tait lui-mÞme inaccessible l’poque. Toutefois, il ne contient pas, non plus que les autres, le texte des deux premiers livres. Celui-ci ne nous est connu que tr s partiellement, par une epitom, dont Casaubon utilise une transcription9 que lui a envoye son ami Hoeschel d’Augsbourg.10
6 L’un d’entre eux vient de la Biblioth que Palatine, l’autre appartient Andr Hurault, sieur de Maisse. Actuellement conserv au British Museum, ce dernier manuscrit a fait l’objet d’une br ve tude : Arnott 1964, A note. 7 L’une a t ralise cinquante ans plus tt par Henri Estienne, beau-p re de Casaubon, une autre, effectue par Benedetto Egio, lui a t fournie, comme la collation de l’aldine, par Pierre Galez, son coll gue l’Acadmie de Gen ve, une autre encore, de Conrad Gesner, lui a t prÞte par Gaspar Wolf, et la derni re, d’Andr Schott, lui a t communique par Marc Welser. 8 Ce manuscrit est conserv la biblioth que Saint-Marc Venise, o il porte la cote Marcianus 447. Pour plus de dtails sur la tradition manuscrite des Deipnosophistes, on pourra se reporter l’introduction de l’dition d’AlexandreMarie Desrousseaux dans la Collection des Universits de France (Athne 1956, Deipnosophistes). 9 Cette transcription est conserve actuellement au British Museum. Casaubon ne la cite pas dans sa liste des tmoins utiliss pour raliser cette dition.
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A partir de tout ce matriau, il est capable de proposer un embryon de stemma, en classant les tmoins en deux grandes familles d’apr s les erreurs communes : 11 d’une part, l’dition aldine (dont il suppose, sans le dire, qu’elle doit reflter un manuscrit), le manuscrit palatin et celui d’Andr Hurault, de l’autre, le manuscrit Farn se dont il affirme qu’il est de loin le meilleur, et que son propre texte, grce aux diffrentes collations consultes, en est une quasi-dition. Enfin, il explique quelle mthode il a adopte pour corriger le texte dans ses deux travaux successifs, l’dition de 1597 et les Animadversiones de 1600 : Etant donn que, pour mender les auteurs anciens, il y a deux mthodes, d’apr s les livres et par la conjecture, j’ai suivi chacune des deux en corrigeant Athne. La premi re, c’tait il y a trois ans, lorsqu’ l’instigation de mon grand ami, l’excellent Jrme Commelin, j’ai prpar l’dition qui, peu avant la mort prmature et douloureuse de ce savant, a t pu-blie chez lui. Le travail que j’ai ralis ne manquait ni d’importance, ni d’utilit pour cet auteur. En effet, en collationnant l’dition de Ble avec la quantit de manuscrits que j’avais ma disposition, j’ai publi pour la premi re fois beaucoup de passages qui ne l’avaient jamais t auparavant en grec, et j’en ai mend davantage, qui taient tr s corrompus dans les ditions prcdentes, en suivant en partie l’autorit des manuscrits, en partie des procds assurs et manifestes aux yeux de tous. […] Mais l’autre mthode, que j’ai suivie ici, a t beaucoup plus difficile. Dans mon prcdent travail, j’ai augment et mend les ditions publies au moyen des manuscrits ; dans ce second, j’ai fait passer les leÅons des ditions et mÞme des manuscrits la pierre de touche de la droite raison.12 10 David Hoeschel (1556 – 1617), conservateur de la biblioth que d’Augsbourg et correspondant tr s rgulier de Casaubon jusqu’ sa mort, est surtout connu de nos jours pour avoir procur l’dition princeps de la Bibliothque de Photius en 1601. Casaubon lui a apport son aide pour cette dition en lui envoyant le manuscrit de cet ouvrage que possdait Henri Estienne. Etait-ce sa faÅon de s’acquitter de la dette contracte pour la mise disposition de l’Epitom ? En tout cas, les deux hommes devaient frquemment pratiquer ce genre d’change de services dans les annes suivantes. 11 « Nihil ergo mirum, plenum esse hujus generis mendorum, quantum extat hodie Athenaei exemplarium. Quae quidem e duobus inter se jam olim diversis omnia esse transfusa et descripta observavimus. » Avis « Au lecteur », Animadversiones. 12 « Porro cum emendandi veteres auctores duplex sit via, e libris et ex ingenio, utramque nos viam in corrigendo Athenaeo institimus. Priorem quidem ante annos quattuor, cum impulsu optimi atque amicissimi Hiernoymi Commelini, eam editionem adornavimus, quae paulo ante immaturum et studiosi luctuosum illius viri obitum ex ipsius officina prodiit. Neque levis, neque parum huic auctori utilis opera nostra extitit. Collata enim editione Basiliensi cum ea
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Casaubon justifie la ncessit de la conjecture en rappelant plusieurs reprises dans son avis « Au lecteur » que la plupart des corruptions qui affectent le texte des Deipnosophistes sont tr s anciennes, antrieures l’Epitom du XII me si cle, qui les signale, et remontent peut-Þtre mÞme l’Antiquit ; partant de l, il para t vain de faire confiance outre mesure aux manuscrits. Tous les exemplaires, comme nous venons de le dire, sont souills d’erreurs, si anciennes qu’elles sont apparues avant Eustathe et l’auteur des Excerpta, qui lui est encore antrieur. Ce dernier en a conserv beaucoup, et si difficiles corriger que l’homme rudit qui, il y a des si cles et des si cles, a confectionn l’Epitom, avoue franchement laisser de ct de nombreux passages du fait de leur corruption.13
Cependant, rserver la correction conjecturale aux notes est une pratique normale l’poque, que l’on retrouve dans nombre d’ditions humanistes. Henri Estienne, par exemple, affirme vigoureusement ce principe dans ses Diatribae « de variis in Horatium observationibus » , o il critique l’ « audace » dont a fait preuve Lambin dans son dition du po te latin. On sait nanmoins que, sur ce point, il peut y avoir de la distance entre la thorie et la pratique : Estienne imprimeur est connu pour avoir de son propre chef introduit des modifications dans les textes qui lui taient confis pour impression par d’autres humanistes. Bien plus, l’affirmation de ce principe est souvent assortie d’un correctif qui laisse la porte ouverte une pratique beaucoup plus anarchique et souterraine de
scriptorum codicum copia, quae tum erat ad manum, multa primi publicavimus, antehac Graece edita nunquam, plurima item emendavimus, in prioribus editionibus corruptissima : partim librorum secuti auctoritatem, partim certas et omnibus manifestas rationes. […] At longe operosior altera est ratio, quam sumus hic secuti. Priore illa opera vulgatas editiones e veteribus libris auximus et emendavimus, posteriore hac et vulgatorum, et manu etiam scriptorum codicum lectionem ad rectae rationis obrussam exegimus. », Casaubon 1600, avis « Au lecteur ». 13 « Haec igitur omnia exemplaria, sicut modo dicebamus, mendis inquinata sunt, adeo vetustis, ut ante Eustathium et eo priorem Excerptorum auctorem, qui multos illarum retinent, sint natae, adeo non facilibus ad emandandum, ut eruditus vir, qui ante multa secula Epitomen illam confecit, fateatur ingenue, multa se, quod essent corrupta, missa facere », Casaubon 1600, Animadversiones, avis « Au lecteur ».
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la conjecture. Scaliger, qui par ailleurs vitup re les pratiques d’Estienne,14 dclare : Pour ma part, j’ai tendance penser qu’il ne faut jamais avoir cette audace, moins que l’erreur soit absolument manifeste.15
Mais qu’est-ce qu’une erreur absolument manifeste ? S’agit-il d’une faute d’orthographe, de grammaire, d’une faiblesse de style ? La mÞme question se pose pour Casaubon, lorsqu’il dclare, propos de son dition d’Athne, ne s’Þtre cart des manuscrits qu’en suivant « des procds assurs et manifestes aux yeux de tous » , sans autre prcision. L’absence de dfinition claire de ce type d’expression permet videmment tous les abus. Pierre Lardet16 a montr comment les diteurs de Saint Jrme la Renaissance se sont livrs sans le dire, et probablement en toute bonne foi, des toilettages que n’autorisait aucun manuscrit, pour rendre le texte conforme aux normes du beau style, selon l’ide qu’ils s’en faisaient d’apr s les Elegantiae de Valla. Des corrections de ce genre, dont on trouve aussi des exemples dans la tradition grecque,17 ont peut-Þtre t ralises en vertu de ce principe. 1.2. Le criticus Que la conjecture soit revendique ou sauvage, reste savoir sur quoi se fonde un philologue comme Casaubon pour la produire. Or on chercherait en vain chez lui un discours thorique sur les techniques proprement dites d’emendatio, comme on peut les trouver l’poque dans les traits techniques qu’a tudis Klara Vanek.18 En revanche, il insiste sur l’quipement intellectuel ncessaire au criticus. 14 Il le dcrit comme un homme « qui omnes quotquot edidit editve libros, etiam meos, suo arbitrio jam corrupit et deinceps corrumpet », Scaliger [1669] 1711, Scaligeriana, 118. 15 « Ego vero nunquam id audendum putaverim, nisi error sit manifestissimus », Scaliger [1669] 1711, Scaligeriana, 118. 16 Lardet 2001, Variante, conjecture, 369 – 388. 17 C’est probablement lui galement qui prside aux retouches effectues sur le texte de Polyen dans le manuscrit de Darmarius utilis par Casaubon, tel que les dcrit Woelflin, le dernier diteur en date des Stratagemata (Polyen 1858, Introduction) : ce dernier explique que Darmarius, ou le copiste du manuscrit qu’il a pris comme mod le, a introduit de nombreuses corrections dans le texte, ajoutant en particulier des mots de liaison, pour viter des asynd tes ressenties comme des fautes de langue. 18 Vanek 2007, Ars corrigendi.
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Dans les Animadversiones in Athenaeum, il voque, assez bri vement, les trois qualits que ce dernier doit possder : Pour pouvoir traiter ces passages corrompus, il faut un grand jugement, une grande rudition et une exprience considrable : ces trois qualits font le critique authentique. 19
Notons que, si l’une des trois qualits requises chez le critique est, au moins partiellement, du ct de l’inn (judicium), les deux autres, en revanche (eruditio et usus), sont de l’ordre de l’acquis, avec un accent mis sur la pratique, la rptition et l’accroissement du savoir. On retrouve ici la triade caractristique de la paideia antique : natura (talents inns), doctrina (connaissance), usus (exercice).20 Les manuscrits de l’humaniste contiennent une page, crite antrieurement,21 intitule De critice o les mÞmes ides apparaissent sous une forme lg rement diffrente : Instrumenta Critices. Veteres codd. et doctrina, lectio multiplex, lectio-num memoria, ingenium sagax, judicium firmum.22
En dehors de la ncessit de manuscrits anciens, dont l’absence, dans l’avis « Au lecteur » , est logique, puisque Casaubon y parle de la conjecture, les autres lments voqus ne diff rent pas fondamentalement. Si ‘doctrina’ est un quasi-synonyme d’‘eruditio’, ce qui est de 19 « Itaque in illis tractandis judicio magno opus, magna eruditione nec mediocri usu : quae tria Criticum illum comil¹m perficiunt. » 20 Sur la postrit de cette triade au XVI me si cle, voir Goyet 2004, La notion d’thique d’habitude. Je remercie Francis Goyet d’avoir attir mon attention sur ce point. 21 Bodleian Library, Casaubon 11, p. 128. Cette page est difficilement datable et, comme la plupart des papiers de Casaubon, elle a fait l’objet d’additions successives. Certains indices permettent nanmoins d’affirmer que les notes qui la constituent ont t prises l’poque o l’humaniste tait professeur de grec l’acadmie de Gen ve, c’est--dire dire avant 1597 : il cite les Scolies Aristophane, dont nous savons par ailleurs qu’ils les a lues en 1590 et voque dans un ajout marginal, comme possesseur d’un livre, son concitoyen Charles Perrot. Enfin, si l’on consid re par ailleurs que les auteurs que Casaubon a lus au cours de son sjour Montpellier, entre 1597 et 1599, pendant qu’il prpare ses Animadversiones, ne figurent pas une seule fois dans cette page, alors que Casaubon les rutilise massivement dans tous ses travaux des annes 1597 – 1600, on peut affirmer que ces notes n’ont pas t retravailles apr s 1597. Il ne faut donc pas y voir le brouillon de l’Ars critica projet en 1600, mais un projet antrieur, qui n’a pas t men bien. 22 « Les instruments de la critique : manuscrits anciens, science, lectures multiples, souvenir de ses lectures, esprit pntrant, jugement ferme. »
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l’ordre du discernement est ici voqu de faÅon plus prcise : l’essentiel rside dans la fermet, ainsi que dans le flair (l’adjectif ‘sagax’ voque l’image du chien de chasse). Enfin, ‘lectio multiplex’ et ‘lectionum memoria’ sont du ct de l’exprience, qui est la fois rptition et mmorisation de ce qui a dj t vu ou vcu. Le bon critique est donc celui qui poss de une facult de discernement pour reprer les passages fautifs, pour peser galement les leÅons des manuscrits (d’o l’allusion aux ‘veteres codices’), mais qui est aussi capable de mobiliser tout son savoir et ses lectures antrieures pour claircir un point prcis, rejeter le cas chant les leÅons des manuscrits et produire une conjecture. Cela suppose donc un certain rapport la lecture, l’acquisition du savoir, la mmoire, que l’on peut en partie prciser d’apr s l’examen des pratiques de lecture de l’humaniste. 2. Savoir et autoformation : les pratiques de lecture de Casaubon 2.1. Studia Pour Casaubon, en effet, acqurir la connaissance la plus prcise et la plus compl te possible des textes anciens23 est si important que cela semble souvent plus une fin qu’un moyen. Entre lire et crire, l’humaniste, qui a somme toute relativement peu publi,24 prf re nettement lire. Rpondant Duplessis-Mornay qui l’interroge sur ses travaux en cours, il crit en 1604, dans un curieux mlange de franÅais et de latin :
23 Casaubon ne limitait videmment pas ses lectures aux oeuvres de l’Antiquit grco-latine : il lisait galement des textes hbreux et arabes, ainsi que des ouvrages contemporains. Ces derniers sont cependant peu mentionns lorsqu’il voque ses studia dans les Ephmrides. Notons galement que, pour lui, le corpus grec ne s’arrÞte pas la fin de l’Antiquit (il en va diffremment avec le corpus latin, o il cite peu de textes mdivaux) : il s’intresse aussi aux textes byzantins, surtout partir du moment o, Paris, il a acc s aux manuscrits de la biblioth que royale. 24 S’il s’est attaqu des auteurs particuli rement difficiles, tels que Strabon ou Athne, la liste de ses ditions et commentaires n’a aucune commune mesure avec le programme ditorial encyclopdique de son beau-p re Henri Estienne, par exemple.
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Je suis sur le point de faire un Polybe, grec-latin. Mais je ne puis gagner sur moi cela, que docere alios malim scribendo, quam ipsum me erudire legendo.25
Dans les Ephmrides, le journal qu’il tient partir de son trente-huiti me anniversaire,26 le mot « studia » revient comme une litanie pour dsigner ses activits intellectuelles.27 Ce journal, qu’il conÅoit, dit-il dans la page liminaire, comme un « registre de l’ensemble de [s]on temps » ,28 lui sert essentiellement comptabiliser29 sous le regard de Dieu le temps pass, jour apr s jour, aux travaux studieux, pour tcher de l’accro tre en rduisant autant que possible la dure accorde aux autres activits (qu’elles rel vent de la vie familiale, des relations amicales, des affaires avec les imprimeurs ou de toute autre sph re), exception faite des devoirs religieux. Par exemple, le 14 janvier 1599, dsespr d’avoir perdu presque toute sa journe, il crit : O Dieu de mon salut, porte secours mes studia, sans lesquelles pour moi la vie ne mrite pas d’Þtre vcue.30 25 « […] de prf rer instruire les autres en crivant plutt que de me cultiver en lisant », Casaubon 1709, lettre du 25 novembre 1604. 26 Ce texte, rest tr s longtemps indit, n’a t publi pour la premi re fois qu’en 1850. Une nouvelle dition est en cours, assortie d’une traduction franÅaise et de notes, par Matteo Campagnolo et Andr-Louis Rey. Les Ephmrides ont fait l’objet de deux tudes rcentes : Engammare 2004, L’ordre du temps, 96 – 106 et Millet 2006, Le sto cisme au quotidien. Voir galement Parenty 2007, Casaubon hellniste, chapitre 4. 27 Pour une tude plus dtaille de ce mot, voir Parenty 2009, Casaubon hellniste, chapitre 5. 28 « Comme la dpense du temps est la plus coteuse de toutes, et que le Stocien latin a dit juste titre que la seule avarice honorable est celle du temps, pour tenir le compte d’une chose si prcieuse et ne jamais subir de regret tardif, j’ai dcid de commencer ces Ephmrides, registre de l’ensemble de mon temps, afin de me rjouir si je l’ai bien employ, et d’en rendre grce Dieu tr s bon tr s grand et, si j’en ai perdu ne rien faire ou ne pas Þtre ce que je fais, de le savoir galement, et de reconna tre mon malheur ou mon manque de prudence » (« Cum sit p²mtym pokutek´statom !m²kyla t¹ toO wqºmou, vereque dixerit Stoicus Latinus unius rei honestam avaritiam esse, temporis : quo mihi constaret ratio tam pretiosae rei, nec sera poenitudo unquam invaderet, hanc 1vgleq¸da et totius mei temporis rationarium istud visum instituere, ut et bene collocato gauderem, ac Deo Opt. Max. gratias agerem, et siquid nihil, aut aliud agenti periisse, id quoque scirem et meam infelicitatem aut imprudentiam agnoscerem »). 29 Comme le montre Engammare 2004, L’ordre du temps, ce type de rapport comptable au temps est typique de la Gen ve de l’poque. 30 « O Deus salutis meae, adjuva studia mea, sine quibus non est mihi biyt¹r b biºr. »
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Que dsigne exactement le mot studia tel que l’emploie Casaubon ? Pour autant que l’on puisse en juger – sur ces questions, comme sur bien d’autres, les Ephmrides seront toujours trop allusives notre got – ce mot renvoie tout un ensemble de pratiques savantes, dans un continuum qui s’tend de la lecture la rdaction de commentaires destins la publication, en passant entre autres par l’annotation, la confection d’extraits, la collation, l’dition de textes, la traduction et divers types de brouillons. L’accent est cependant mis par l’humaniste sur l’accroissement de ses connaissances par la confrontation avec des textes nouveaux, bien plus que sur la production : lorsqu’il met au point ses Animadversiones Athne, dont les 700 pages in-folio lui prennent un an de travail, il se plaint rguli rement dans les Ephmrides d’avoir terminer ce pensum, et souhaite en avoir fini au plus vite, comme si crire galement relevait, la longue, des activits chronophages. On peut avoir un assez bon chantillon de ce que Casaubon appelle studia en examinant ses papiers personnels, dont une partie nous ont t conservs la Bodleian Library sous le nom d’adversaria. Certes, ces manuscrits ne nous donneront jamais acc s l’ensemble de ses activits studieuses, mais seulement celles dont l’crit garde la trace. Certaines d’entre elles, en effet, taient peut-Þtre orales, puisque l’humaniste mentionne par moments la prsence d’un amanuensis, un jeune secrtaire avec lequel il travaillait, selon des modalits qu’il ne prcise pas. D’autres, coup sr, taient purement mentales (apprentissage par cœur, rflexion…). Cependant les adversaria, tout incomplets qu’ils sont, constituent un document irremplaÅable pour nous faire comprendre en quoi consiste le travail intellectuel quotidien d’un homme comme Casaubon. Ils nous montrent en particulier quel point ses lectures sont orientes par la philologie. 2. Les adversaria de Casaubon 2.1. Les cahiers d’Oxford : un ensemble disparate Les soixante volumes de manuscrits conservs sous le nom de Casaubon la Bodleian Library constituent un ensemble extrÞmement disparate.31 Conservs et relis apr s la mort de l’humaniste par les soins de son fils 31 Ces manuscrits, pour le moment, ont t tr s peu exploits par les chercheurs. Ma propre tude se fonde sur un sondage effectu sur trois d’entre eux, consults sous forme de microfilms : manuscrits Casaubon 4, 11 et 29.
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Mric, ils runissent pÞle-mÞle des notes et brouillons crits diffrentes poques sur des sujets divers, ainsi que des papiers qu’ils conservait, crits de diverses mains. Voici, titre d’exemple, un rcapitulatif du contenu du manuscrit 11 : a) Fragments allographes (main non identifie le plus souvent) : Notes philologiques (collations ou conjectures) : tr s nombreuses, concernant souvent des textes dits par Casaubon. Parmi elles, des notes Lycophron de Thodore de B ze et des notes Apule de Scaliger. Textes antiques recopis dans un manuscrit. Textes rdigs de quelques pages (par exemple un loge fun bre, une description de Rome). Matriau accumul sans ordre sur un sujet prcis : « Senatusconsultum de demolitione aedium » . b) Cas particuliers : Imprims : un sonnet anonyme faisant l’loge fun bre de Casaubon,32 des loges fun bres de J. de Serres, une vie de Thucydide traduite par Bartholomeus Parthenius. Imprim annot : vie de Thucydide par Marcellinus traduite par Casaubon pour l’dition Estienne, annote de sa main. Notes de Casaubon recopies d’une autre main. Figures imprimes reprsentant des combats navals. c) Fragments autographes : Traductions de l’hbreu et du grec (un texte de David Cimhi, des vers d’Empdocle). Rsum du De cruce de Lipse, sous forme de tableau arborescent. Notes de cours sur Euripide. Matriau accumul sur un sujet : « Generalia quaedam de magistratibus » , « De critice » . Exercices d’criture et de langue en copte et en trusque. Notes philologiques Galien et Plutarque. Comptes rendus de lecture : description d’ouvrages prcis, ventuellement accompagnes d’un jugement. Listes d’ouvrages : bibliographie sur La guerre des Gaules de Csar, liste de manuscrits grecs trouvs dans la biblioth que de Henri Estienne. *
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32 A l’vidence, Mric a donc joint aux papiers de son p re des textes le concernant.
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Textes rdigs de statut incertain, intituls « De Senecae stylo » , « De studio conservandi hereditates suis antiquis possessoribus » . Vocabulaire grec-latin : liste de traductions donnes par Dorat certains mots dans l’Anthologie. Textes recopis, l’un copte, les trois autres grecs. Un tel type d’assemblage interdit videmment de reconstituer l’ensemble des pratiques studieuses d’une journe ou d’une priode donne. Ce caract re htroclite, cependant, n’est pas seulement d au mode de conservation des papiers de l’humaniste. Certains indices, en effet, nous montrent que les adversaria originels constituaient eux aussi un ensemble disparate. En particulier, une page, qui contient un sommaire de la main de Casaubon, montre qu’il avait runi dans le mÞme cahier une srie de documents portant sur des textes compl tement diffrents : des notes de Jacques Lect et de Scaliger l’Histoire Auguste, des notes de Lect Ammien Marcellin, d’autres (d’auteurs inconnus) aux Caractres de Thophraste, Polybe et Sutone, auxquels s’ajoutent une lettre de Scaliger sur le De Pallio de Tertullien et un fragment de Sutone. Plus profondment, ce type de composition dsordonne est inhrent la pratique des adversaria.33 Il est cohrent avec les recommandations des traits pdagogiques de la mÞme poque. En effet, le jsuite Francesco Sacchini, dans son De ratione libros cum fructu legendi (1614), crit : *
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Je voudrais que vous eussiez au moins deux cahiers : dans l’un vous dposerez tout ce qui se prsente d’excellent dans vos lectures, sans observer aucun ordre ; l’autre cahier vous servirait digrer tout ce que le premier contient en gros, et l’arranger sous diffrents chapitres ou lieux communs.34
Les adversaria se distinguent donc en principe des recueils de lieux communs35 en ceci que les notes y sont prises sans ordre, au fur et mesure de la lecture, alors que les recueils de lieux communs obissent une topique, certes variable selon les poques et les individus, mais dtermine l’avance. Le mot adversaria, l’origine, est emprunt au vocabulaire de
33 Pour une tude dtaille du genre des adversaria, voir Chatelain 1996, Du Parnasse l’Amrique. 34 Nous citons ici la traduction de Durey et Morsan : Sacchini [1614] 1786, Moyens de lire avec fruit. 35 Sur les lieux communs la Renaissance, voir Moss [1996] 2002, Les recueils de lieux communs ; Blair 1997, The Theater of Nature ; Goyet 1996, Le sublime du lieu commun.
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la comptabilit,36 o il dsigne le brouillard, la comptabilit au jour le jour, par opposition aux livres de comptes proprement dits : les adversaria sont le support phm re sur lequel on note les oprations sur le moment avant de les recopier au propre dans les registres destins, eux, Þtre archivs. Les adversaria de Casaubon constituent donc un lieu de transit provisoire, mais dans un sens tr s large : l’humaniste y note ce qui peut toujours servir un crit futur. Les adversaria fonctionnent ainsi parfois comme un brouillon, mais aussi souvent comme une banque de donnes. Le probl me qui se pose, d s lors, est celui du classement : si l’humaniste noircit plusieurs pages par jour, comment peut-il savoir, des annes plus tard, o se trouvent les notes qu’il a prises sur les magistrats, ou sur tel ou tel texte ? Une possibilit rside bien sr dans la constitution de sommaires au dbut ou la fin de chaque cahier ; mais elle est insuffisante pour retrouver rapidement un fragment d’une ou deux pages. Il faut donc envisager plutt un syst me d’indexation, donc des titres donns chaque fragment permettant de les indexer. Nanmoins, un tel syst me s’loigne passablement de la caractristique principale des adversaria, qui est l’absence de classement, et les rapproche donc davantage en apparence du syst me des lieux communs. Je voudrais ici donner un exemple de cas o les adversaria apparaissent clairement comme une pratique mnmonique et une banque de donnes, tout en gardant leur caract re propre, qui est d’Þtre crites au fil de la plume, en pousant le mouvement de la lecture. 2.2. Les adversaria ordonns : le manuscrit 29 2.2.1. Aspect matriel, composition et datation On trouve en effet, parmi les manuscrits de Casaubon, des cahiers qui portent explicitement le titre ‘Adversaria’, avec un numro de tome. Deux d’entre eux, numrots en grec a et b, sont conservs Oxford sous la cote Casaubon 29. Ce ne sont videmment pas les seuls (Casaubon, dans une addition du volume a, fait allusion un volume c), mais ils forment un tout, puis-qu’ils comportent, au dbut du 1er tome, un index commun. Le premier volume porte pour titre exact « Liber rerum cursim 36 Il est employ dans le Pro Roscio de Cicron : « [Adversaria] sunt menstrua, [tabellae] sunt aeternae ; haec delentur statim, illae serventur sancte ; haec parvi tempori memoriam, illae perpetuae existimationis fidem et religionem amplectuntur ; haec sunt disiecta, illae sunt in ordinem confectae. » (II, 7)
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observatarum sive Adversariarum to. a. Is. Casaubonus » . L’adverbe ‘cursim’ (littralement ‘en courant’) peut se comprendre ici au sens d’ ‘au fil de la lecture’. L’expression ‘adversaria ordonns’, que j’utilise leur propos, semble paradoxale, mais le titre que leur a donn l’humaniste montre bien qu’il considrait ces cahiers comme des adversaria par excellence ; et d’autre part, ils constituent un effort de mise en ordre du savoir contenu dans les livres. Je me propose ici d’examiner le premier volume, tant entendu que beaucoup de remarques que l’on peut faire son propos sont galement valables pour le second. En ce qui concerne la datation, on peut avancer la date de 1590 pour la premi re mouture : cette date figure explicitement dans les premi res pages, non numrotes, o l’humaniste relate un fait d’actualit ; d’autre part, p. 2, Casaubon ouvre une entre ‘ichneumon’, (rat d’Egypte) o il prcise avoir vu un tel animal Francfort, ville o il s’est prcisment rendu cette anne-l. Cependant, il continue complter ces adversaria pendant des annes, au moins jusqu’ la fin des annes 90 puisque, dans les premi res pages, il voque une hirondelle qui entre dans son bureau Montpellier, o il ne rside qu’ partir de 1597. Les adversaria se prsentent comme une suite d’entres sur des sujets divers, comportant presque toujours un titre tr s explicite et en gnral sans ordre dans les mati res traites. Elles tirent souvent leur origine de l’ouvrage que Casaubon lit en lecture suivie : pages 3 – 20, les scolies Aristophane, pages 24 – 31 Platon (en particulier les Lois), pages 34 – 36 Donat, pages 37 – 54 Dmosth ne et les scolies, pages 64 – 86 les Vies de Plutarque, pages 96 – 112 Cicron, pages 114 – 118 Tatien. Cependant, il arrive frquemment que soient intercales dans les pages concernes des entres o il n’est pas question de l’auteur en question, ce qui montre bien que l’humaniste ne lit jamais un seul livre la fois. Enfin, dans les derni res pages (le volume en contient 148 numrotes, suivies de 21 non numrotes), la diversit est telle qu’on ne saurait identifier d’ouvrage lu en continu. Les entres sont rpertories dans l’index qui se situe au dbut du 1er volume, prsent sous forme de colonnes. Chacune de ces colonnes correspond une initiale, et les titres d’entres y sont inscrits dans l’ordre alphabtique, au fur et mesure. Cet index mÞle mots latins et grecs, les grecs tant indexs la lettre latine qui correspondrait leur translittration.37 37 Cette translittration, cependant, ne semble pas obir des r gles bien dfinies : au j correspond parfois un c, parfois un k. Certaines lettres, qui notent un son n’existant pas en latin, posent un probl me spcifique, que Casaubon a rsolu de
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En ce qui concerne le corps du texte, on constate que Casaubon ouvre des entres de longueur variable (de quelques lignes plusieurs pages) en laissant toujours une marge gauche quivalente au quart de la largeur. L’entre part d’un locus d’un texte lu qui appara t comme notatu dignus pour une raison ou pour une autre, le cite avec le numro de page, le commente et le rapproche en gnral d’autres textes. Entre deux entres, Casaubon laisse systmatiquement plusieurs lignes vides qui seront remplies au fur et mesure des lectures postrieures. Ensuite, il compl te ces adversaria pendant des annes. Certaines entres seront l’objet de tr s nombreux ajouts successifs, qui gagneront les marges et la page oppose, d’autres resteront dans leur tat d’origine, d’autres encore – le cas est cependant tr s rare – se rduisent leur seul titre et demeurent dsesprment vides (p. 81, « De hasta et judiciis centurialibus » ). 2.2.2. Contenu Les sujets qu’il juge ‘notatu digna’ sont tr s varis. Si on veut les regrouper en rubriques, on peut dire qu’un quart environ concernent spcifiquement les verba, trois quart les res, tant bien entendu que, dans de nombreux cas, les deux sont difficiles distinguer. Un cas particulier est celui des proverbes, qui sont au nombre d’une douzaine, grecs et latins, avec un net avantage pour les premiers : Casaubon cherche visiblement en trouver de nouveaux, qui n’ont pas t reprs par ses prdcesseurs. Ces derniers ont une valeur rhtorique (ils peuvent Þtre utiliss pour appuyer des discours futurs). Mais l’intrÞt de les conna tre est galement, et surtout, philologique, dans la mesure o ils constituent une squence de mots aisment identifiable, que l’on peut restituer sans grand risque d’erreur quand le texte est corrompu. Les verba Du point de vue des verba, on trouve dans ces cahiers quelques remarques d’orthographe, de grammaire, d’accentuation, de ponctuation ou de prononciation, concernant toutes la langue grecque : par exemple, Casaubon cherche dterminer si le mot j¼ttaqor ne serait pas le mÞme que j¼paqor (p. 2) ou il met en exergue un jeu de mots chez deux faÅons diffrentes : le h est index la lettre notant le phon me le plus proche (t), quant au x et au w, ils ne figurent l’initiale d’aucun mot, comme si Casaubon avait choisi ses titres d’entres en pensant la commodit de l’indexation.
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Aristophane montrant la proximit des phon mes ei et g (« De pronunciatione toO ei et g » p. 13). Les questions de formation des mots apparaissent souvent sous forme de listes. Casaubon donne notamment un catalogue de mots grecs construits avec le suffixe idios (« t¼poi derivationum in Qd¸or » p. 26) ou encore recense des mots latins avec leurs tymologies supposes, soit latines soit grecques, en donnant une rfrence un auteur antique, tantt grammairien ou lexicographe (Hsychius, Donat), tantt non (Aulu-Gelle, Cicron…). Ainsi, ‘polliceo’ vient de ‘licitatio’, ‘vehemens’ de ‘veho’ ; mais ‘amplus’ vient de ‘%lpkeor’ ou ‘!m²pkeor’, ‘lugeo’ de ‘k¼ny’ et ‘vestis’ de ‘b´stor’. Plusieurs entres portent galement sur la distinction des nuances de sens entre des parasynonymes, comme l’entre intitule « literae epistolae » (p. 2). Mais les questions les plus frquentes sont celles qui portent sur les hapax grecs : Casaubon cherche en dcouvrir le sens exact et en trouver d’autres occurrences. P. 17, par exemple, il s’intresse au mot rpacyce¼r, trouv dans les Oiseaux d’Aristophane, et ne conclut pas ; il attend visiblement de voir s’il ne peut pas dcouvrir une occurrence plus explicite dans ses lectures ultrieures. Ce ne sera pas le cas, et pour cause : le Bailly traduit par « truelle de maÅon » , avec cette seule rfrence. En revanche, propos du mot !lv¸bkgstqom, mot employ dans l’Evangile de Matthieu lors de la vocation des premiers aptres pour dsigner le filet qu’ils jettent,38 Casaubon renvoie Plutarque, chez qui il vient de trouver une seconde occurrence. On a donc affaire ici au cas inverse : Casaubon ne note le mot faisant difficult qu’au moment o il trouve enfin un lment d’lucidation. On peut remarquer, ce propos, le souci extrÞme de prcision de l’humaniste. En effet, le sens approximatif de ce mot est vident : un hellniste dbutant y reconna t la racine bal/bl indiquant l’ide de jeter, et le prfixe amphi, autour. Un objet que l’on jette autour, dans un contexte o il est question de pÞcheurs, ne peut Þtre qu’un filet. Mais cela ne suffit pas au lexicographe pointilleux qu’est Casaubon : il veut savoir de quoi il s’agit exactement. Dans le cas des hapax, la question est double : il faut la fois dterminer leur sens prcis et savoir s’ils ne rsultent pas d’une faute de copiste. La dcouverte d’une seconde occurrence permet souvent de rpondre la deuxi me question, et d’attester de l’existence du mot.
38 La Bible de Jrusalem traduit par ‘pervier’ (Mat. 4.18).
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Les res En ce qui concerne les res, les sujets abords sont d’une grande varit. J’ai tent de les regrouper dans quelques grandes rubriques, mÞme si plusieurs d’entre eux ne s’y laissent pas enfermer. La tr s grande majorit d’entre elles portent sur l’Antiquit grecque ou latine. Parmi les exceptions, citons un point de civilisation ‘barbare’, portant sur les sept conseillers des rois de Perse (« septem consiliarii regum Persarum ») et une simple collection de loci sur les serpents et leur caract re malfique, intitule « serpentes instrumenta Satanae » (p. 36). Il s’agit l du seul cas o les adversaria tendent se rapprocher du recueil de lieux communs traditionnel : les textes sont pris comme autant d’autorits, sans que Casaubon les confronte pour les mettre en question, et la multiplication des rfrences, qui illustre simplement le th me, ne peut avoir d’autre fin que rhtorique. Parmi les autres entres qui sortent du lot, quelques unes notent des faits d’actualit insolites. L’une d’elles, intitule « De cinerum esu et vi » (p. 32) voque un homme des environs de Gen ve qui a vcu pr s de cent ans en mangeant des cendres dans son potage. Mais le fait auquel Casaubon consacre le dveloppement le plus long se trouve sur les deux premi res pages, non numrotes, de ce cahier. Ce texte, sans titre, non index, commence par la phrase : Notatu dignum est quid accidit in agro Genevensis die Jovis 28 Maii anno 1590 circa horam noctis fere decimam.39
L’vnement notatu dignum est un orage d’une extrÞme violence (en fait, probablement un tremblement de terre), qui dfonce les chemins et arrache les cltures ; mais son rsultat le plus marquant est l’apparition de deux fosses (foramina), sur une leve de terre, assez profondes pour qu’un homme puisse s’y tenir debout, et dont Casaubon peine s’expliquer l’origine : en effet, elles ne peuvent pas Þtre dues au ruissellement de l’eau, puisqu’elles se trouvent dans un lieu lev. Apr s l’vnement inexplicable survient le drame : un cavalier qui montait la garde passe par l et tombe dans l’une des deux fosses, o on le retrouve le lendemain mort. La derni re exception dans les sujets traits est une srie d’entres sur les animaux. Dans celle qui traite du rat d’Egypte (‘ichneumon’), Casaubon dcrit l’animal qu’il a vu Francfort, en terminant sur sa particularit suppose, qui est de pouvoir se reproduire ‘sine coitu’. Dans les annotations marginales, il renvoie 3 sources : Oppien, Nicandre et 39 « Mrite d’Þtre not l’vnement qui a eu lieu dans l’arri re-pays genevois le jeudi 28 mai 1590, pendant la nuit, vers 10 heures. »
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Jean Tzetz s. La page suivante contient une description assez prcise de la chauve-souris (Mujteq¸r), qui semble faite d’apr s nature ; l encore, la rfrence Pline n’appara t que dans un ajout marginal. Assez frquentes dans les premi res pages, les entres concernant des animaux se font ensuite plus rares : tout au plus faut-il signaler l’entre sur les loirs (‘Glires’, p. 72), o Casaubon donne le nom grec de l’esp ce et prcise, en citant Pline, qu’ils constituaient un mets de choix, et deux entres sur les cris des animaux d’apr s les textes antiques, p. 122 (« De vocabulis animalium » ) et p. 138 (« De voce singulis animalium propria » ). En ce qui concerne les entres relatives l’Antiquit grecque ou latine, un grand nombre d’entre elles portent sur les institutions d’Ath nes et de Rome (en nombre presque gal), un autre grand bloc concernant les mores et les realia, ce qui concerne la vie quotidienne, avec des sousrubriques : hygi ne et habillement (type de vÞtement, port de la barbe), civilit (pratique du baiser, faÅon de se saluer), monnaies, crmonies et rites (crmonies religieuses, funrailles), onomastique, pratiques lies l’criture (copistes, supports). Il faut y ajouter des entres traitant de coutumes tr s varies (les sceaux, la magie, les cadeaux faits par les grands aux acteurs, les clefs… ). On peut trouver un autre grand bloc autour de tout ce qui rel ve du droit : fonctionnement des tribunaux, chtiments, questions techniques sur la faÅon de perdre la nationalit romaine. Enfin, certaines catgories sont moins nourries : divisions du temps (est-ce que la semaine existe ailleurs que chez les Hbreux ? ), questions de chronologie, architecture (comment taient faits les toits, les lambris…?), questions d’archologie romaine (o tait le cirque Flaminius ?). Les auteurs ou les ouvrages cits sont plus de 60. Parmi les Modernes, Casaubon fait rfrence Bud (surtout pour les monnaies o il semble vouloir complter le De asse), Scaliger, Cujas, Turn be (dont il dit toujours du bien) et Lipse, qu’il critique souvent sur des dtails et qui il reproche de ne pas avoir assez pris en compte les sources grecques.40 Chez les Anciens, ou Byzantins, les auteurs cits vont d’Aristophane Jean Tzetz s. Les rfrences la Bible, Ancien et Nouveau Testament, sont nombreuses. On peut aussi noter l’importance donne aux scolies, aux ouvrages de type lexicographique ou encyclopdique comme L’Histoire naturelle de Pline ou la Souda. En revanche, certains types d’auteurs comme les historiens ou les Tragiques sont presque absents, ce que l’on peut imputer au fait qu’ils sont exploits dans d’autres cahiers ; en effet, le 40 Sur les rapports d’mulation qu’entretenaient Lipse et Casaubon, voir Parenty 2007, Casaubon hellniste, chapitre 3 et 6, et Tournoy 1998, Ad ultimas.
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tome 2 des Adversaria porte spcifiquement sur les historiens et, quant aux Tragiques, Casaubon annonce un correspondant en 158641 qu’il a runi des lments les concernant. Enfin, l’humaniste a visiblement cess d’alimenter ce cahier de faÅon systmatique au bout d’un certain temps car, s’il fait allusion une fois un vnement survenu pendant qu’il tait Montpellier (entre 97 et 99), beaucoup d’auteurs qu’il a dcouverts ce moment-l (notamment des P res Grecs) ne sont pas cits. On voit donc que, mÞme si les adversaria accumulent parfois du matriau de faÅon impressionnante, ils ne visent pas l’exhaustivit et conservent un ct brouillon. 2.3. Bilan sur les Adversaria ordonns : un rpertoire de rarets ? De la composition de ces adversaria, on voit se dgager quelques grands principes : varit extrÞme dans les sujets abords et dans les auteurs cits, got pour la distinction et la prcision (les nuances de sens entre deux para-synonymes, les attributions exactes de tel tribunal par rapport tel autre), et intrÞt pour les sries (accumulation de rfrences sur un sujet donn, comme dans les longues pages surcharges d’additions sur les foulons,42 tablissement de catalogues aussi prcis que possible, comme ceux des liturgies ou des juridictions Ath nes). En outre, si ces cahiers sont un lieu de transit entre lecture et criture, leur orientation philologique est manifeste au moins deux titres. Tout d’abord, les textes lus ne sont jamais pris comme autorit, puisque tout ce qu’ils disent est a priori rvocable en doute, et mrite une confirmation par la confrontation avec d’autres sources et l’exercice du jugement. D’autre part, le matriau qu’ils mettent en exergue et slectionnent dans les textes antiques appara t comme prdigr en vue du travail philologique : la connaissance des moeurs, des lois, des institutions, des realia est ncessaire qui veut tablir un texte, puisque, pour pouvoir raliser cette opration, il faut pouvoir les reconna tre ou les imaginer derri re un texte corrompu ou allusif. De mÞme, il faut avoir sa disposition le vocabulaire le plus tendu possible, afin d’Þtre capable de reprer et ventuellement de restituer dans un texte que l’on dcouvre tel ou tel mot rare. 41 Lettre 4 Dirk Canter, mai 1586, Casaubon 1709, Isaaci Casauboni. 42 Il est possible que cet entassement de rfrences corresponde la prparation d’un cours sur la question. On sait que Casaubon s’intressait, d’une mani re gnrale, aux questions relatives aux vÞtements : Gen ve, il demande en vain la permission d’tudier en cours le De Pallio de Tertullien et Gen ve, un de ses cours porte prcisment sur les vÞtements Rome.
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Un cas particulier, cet gard, est celui des hapax. Casaubon leur accorde, visiblement, une grande attention, qui peut, en partie, s’interprter en termes philologiques : l’hapax constitue, par excellence, le matriau sur lequel s’exerce la perspicacit du philologue, puisque se pose toujours la question de savoir s’il faut le conserver (auquel cas il s’agit d’un vritable hapax) ou le supprimer, en le rduisant au statut de faute de copiste. Face ce probl me, le rflexe de Casaubon est de rechercher, au gr de ses lectures, une deuxi me occurrence, dont la prsence pourrait attester de l’existence du terme en question. Ce got du mot rare doit aussi Þtre replac dans le contexte de l’hellnisme franÅais, qui se caractrise, depuis Bud,43 par son grand intrÞt pour la lexicographie. Celui-ci est en partie li, chez l’auteur des Commentarii linguae graecae, une volont de revivifier le latin44 en l’obligeant se dvelopper et s’enrichir grce au transfert des ressources du grec. Joseph Scaliger se situe dans sa continuit lorsqu’il s’efforce, dans sa jeunesse, de traduire l’Alexandra de Lycophron45 en latin : choisissant dessein un texte tr s rudit qui multiplie les hapax et les mots rares, il s’efforce de le rendre dans un latin quivalent ; faisant grand usage de termes archaques ou inusits. Si l’on en croit son l ve Daniel Heinsius,46 il cherche, grce cette traduction, remettre en circulation des mots latins oublis, afin d’ouvrir le champ de l’loquence moderne. Cependant, chez Casaubon, cette quÞte de l’hapax, ou du moins de la raret, ne se limite pas au domaine du langage. Or, si la volont de reprer le plus possible de coutumes ou de realia antiques rarement cits peut, elle aussi, s’interprter en termes philologiques, puisque, pour savoir s’il faut ou non corriger un texte, il est important de comprendre les allusions qu’il renferme, il n’en va pas de mÞme pour toutes les entres des adversaria qui voquent des animaux tranges, ou encore des aberrations 43 Voir Bud 1529, Commentarii linguae graecae ; Toussain 1552, Lexicon graecolatinum ; Estienne 1572, Thesaurus. Pour une analyse du Lexicon de Toussain, voir Mund-Dopchie 1984, La survie d’Eschyle. 44 Sur ce point, voir Bud 1532, De studio et De Philologia. 45 Lycophron 1566, Alexandra. 46 Voir Heinsius 1611, De tragoediae constitutione, cit par Grafton 1983, Joseph Scaliger, 116 : « Ita eleganter quasdam veterum Graecorum fabulas Acciano et Pacuviano charactere vir incomparabilis Iosephus Scaliger et Florens Christianus convertere. Quae vel ut discrimen inter hos et reliquos appareat, cum cura sunt legendae. Tum ut lepor et venustus pristinae antiquitatis squalor animum demulceat. Postremo, ut si res ferat, quaedam transferantur, quemadmodum ex Ennianis Maro. »
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physiques ou biologiques (l’homme qui se nourrit exclusivement de cendres, l’orage qui ouvre la terre). Toutes ces entres nous montrent que l’humaniste, au-del des ncessits propre l’ars critica, semble rechercher la raret et l’insolite pour eux-mÞmes. Ce type d’intrÞt n’a rien d’tonnant une poque qui voit se multiplier les cabinets de curiosits,47 les canards48 et les recueils d’histoires prodigieuses.49 Il est caractristique de cet « ge de la curiosit » , pour reprendre l’expression de K. Pomian,50 qui s’tend des dbuts de la Renaissance aux environs de 1650, o le singulier et l’inhabituel ont un statut privilgi. L’insolite dans les phnom nes naturels, comme l’ont montr Michel Foucault51 et Jean Card, est perÅu comme un signe : signe de la vitalit de la nature et de la toute-puissance de Dieu, mais aussi signe dchiffrer. Conna tre, c’est la fois savoir reprer ces signes (ce qui chappe au savoir constitu) et tcher, dans un deuxi me temps, de les arraisonner en les mettant en relation avec des lments connus, par divers procds reposant sur la ressemblance. Le savoir s’organise donc autour d’lments particuliers juxtaposs. Ce que nous montrent les adversaria de Casaubon, cependant, c’est qu’un lien existe entre culture de la curiosit et philologie, qui prend peut-Þtre la forme d’une influence rciproque. La philologie telle qu’elle s’exerce l’poque, reposant sur l’lucidation d’lments parcellaires souvent nigmatiques, a probablement jou un rle plus important qu’on ne le souligne ordinairement dans la forme que prend le savoir la Renaissance. Mais il est probable galement que la propension voir dans tout vnement sortant de l’ordinaire un signe de bonne sant de la nature, comme le souligne Card, et une manifestation de la toutepuissance divine joue un rle dans cette tendance de Casaubon accorder aux faits insolites une valeur bien suprieure celle qu’ils peuvent avoir en mati re philologique.
47 Pour une synth se rcente sur les cabinets de curiosits, voir Mauri s 2002, Cabinets de curiosit. 48 Voir ce propos Card 1977, La nature et les prodiges. 49 Voir par exemple Boaistuau 1560, Histoires prodigieuses et les analyses de Card 1977, La nature et les prodiges. 50 Pomian 1982, La culture de la curiosit. 51 Foucault 1966, Les mots et les choses, 32 – 59.
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2.4. Got de l’insolite et autoformation. Tout se passe finalement comme si chez lui, le raisonnement philologique dbordait de son cadre ou de son domaine de validit (si tant est que celui-ci, l’poque, soit nettement dfini), pour parfois tourner vide. Un tel emballement, paradoxalement, est peut-Þtre ncessaire au bon fonctionnement de son ars critica : s’exerÅant sur des objets divers, il peut constituer un entra nement la mthode philologique. Ainsi, l’exemplaire que possdait Casaubon de l’dition d’Athne de 1535,52 qui a servi de base la sienne, comporte une annotation manuscrite de sa main, dont divers indices permettent de penser qu’elle a t appose avant 1583,53 l’poque o, g d’une vingtaine d’annes, il tudie le grec l’Acadmie de Gen ve. A la page 30, propos d’un passage du livre I o il est question d’une m re morte avec ses trois enfants apr s avoir mang des champignons vnneux, il crit en marge : Pater meus exemplum vidit etiam tristius. Novem septemve filias eiusdem patris moriuntur apud Rupellenses post esum fungorum.54
Face au rcit d’un vnement insolite, Casaubon puise dans sa mmoire un vnement comparable, encore plus insolite et encore plus pathtique. Lire, pour Casaubon, c’est donc, tr s souvent, rechercher l’lment insolite, pour tcher ensuite de le dchiffrer et de l’intgrer un savoir commun en recherchant d’autres occurrences. En cela, cette premi re lecture nave d’Athne prfigure, paradoxalement, les lectures plus philologiques qui la suivront. En ce sens, on pourrait interprter les adversaria ordonns du manuscrit 29 non seulement comme une banque de donnes, un ensemble de fiches ventuellement rutilisables, mais aussi comme un banc d’essai : le lieu o, par une srie d’exercices, le philologue s’entra ne et se forme lui-mÞme.
52 Cet ouvrage est conserv la rserve de la Biblioth que Nationale de France (BNF) sous la cote Z 31. 53 Pour plus de dtails sur cette question, voir Parenty 2009, Casaubon hellniste, chapitre 7. 54 « Mon p re a vu un exemple encore plus triste : sept ou neuf filles du mÞme p re meurent pr s de la Rochelle apr s une ingestion de champignons. » (ma traducion). La citation est la page 30 de l’Athne annot (Athne 1535), Biblioth que Nationale de France, BNF Z 31 (cf. note 52).
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Philologische Methode und Naturwissenschaft Eckhard Keßler Das Thema unseres Kolloquiums setzt voraus, dass wir bereits wissen – wer wsste es nicht? – was ‘Philologie’ ist und stellt uns die Aufgabe, sie in Hinblick auf ihre Eignung und Leistungsfhigkeit als Wissensmodell zu untersuchen und zu prfen. Mein Problem ist, dass ich nicht weiß, was Philologie ist, worin genau ihre Methoden bestehen, wie genau sie von anderen Wissensmodellen abgegrenzt werden kann. Um nicht berhaupt zu schweigen, gehe ich darum von der Definition eines bedeutenden Historikers der Philologie aus, der seine ersten und seine letzten Jahre als akademischer Lehrer an der Mnchener Universitt zugebracht hat, nmlich von Rudolf Pfeiffer in seiner History of Classical Scholarship: Philologie ist die Kunst, die literarische Tradition zu verstehen, zu erklren und wiederherzustellen. Sie entstand als selbstndige wissenschaftliche Disziplin im dritten vorchristlichen Jahrhundert dadurch, daß Dichter sich bemhten, ihr literarisches Erbe, die Klassiker, zu bewahren und zu nutzen. So begann die Philologie wirklich als ‘klassische’ Philologie.1
Fr unsere Fragestellung scheint mir in dieser Definition vor allem wichtig zu sein, dass die Philologie als Kunst (ars) bestimmt wird, denn aus dieser Bestimmung leiten sich einige wesentliche allgemeine Eigenschaften ab, die dann genauer spezifiziert werden kçnnen: 1. Die Philologie hat keinen theoretisch-spekulativen, sondern einen praktischen beziehungsweise poietisch produktiven Charakter.2 2. Sie untersucht ihren Gegenstand nicht mit der selbst zweckhaften Zielsetzung, ihn in seiner Wahrheit zu erkennen, sondern unter dem Aspekt seiner Leistungsfhigkeit fr die Erreichung eines bestimmten Zweckes beziehungsweise fr die Optimierung einer bestimmten Ttigkeit.3 1 2 3
Pfeiffer 1968, Classical Scholarship, 1 (dt. bers., Klassische Philologie, 18). Vgl. Aristoteles, Metaphysik I, 1; 981 a 2 – 24. Vgl. Aristoteles, Rhetorik I, 1; 1354 a 6 – 11.
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3. Sie hat daher einen empirischen Ausgangspunkt – die Gegebenheit einer bestimmten Zielsetzung oder eines bestimmten Tuns – und unterliegt zur Bewertung ihrer Richtigkeit dem empirischen Kriterium des Erfolges beziehungsweise der mçglichst vollkommenen und leichten Erreichung des jeweils gesteckten Zieles. 4. Sie wandelt sich daher mit dem Wandel der Zielsetzungen und hat eine eigene Geschichte. Der Gegenstand nun, auf den die Philologie gerichtet ist und der in allem Wandel der Zielsetzungen die spezifische Identitt dieser ars garantiert, ist, wie der Name sagt, der kºcor – das Wort, die Sprache und das, was in ihr seinen Ausdruck findet und durch sie vermittelt wird. Wenn Worte Zeichen sind, dann ist die Philologie die Kunst des Umgangs mit Zeichen, die nicht in Hinblick auf das, was sie ontologisch an sich selbst sind, sondern, was sie bedeuten und wofr sie zu stehen vermçgen, betrachtet, untersucht und benutzt werden. Allgemeines Ziel der Philologie wre also, die Zeichenfunktion des lgos oder der lgoi in Hinblick auf ihre Leistungsfhigkeit und je tatschliche Leistung zu analysieren, und zwar sowohl unter dem Aspekt dessen, der die Zeichen gebraucht, wie dessen, der sie verstehen soll oder will. Es kçnnte nun so scheinen, als wre die Philologie als solche die allgemeine Kunst der Kommunikation durch das Medium lgos, htte nicht Pfeiffers Befund den allgemeinen Gegenstand der Philologie auf die ‘literarische Tradition’ – the literary tradition – und schließlich, noch weiter, auf die ‘Klassiker’– the classics – eingeschrnkt und neben dem Verstehen und Erklren auch noch das Wiederherstellen dieser Tradition als spezifische Aufgabe des Philologen benannt und damit ber die allgemeine Problematik der Kommunikation hinaus eine dreifache historische Komponente eingefgt: dass nmlich die Zeichen, um deren Verstehen und Gebrauch es der Philologie geht, 1. schriftlich reprsentiert sind, 2. durch den historischen Abstand in ihrer Bedeutung und in ihrer materiellen Reprsentation verdunkelt sind, und 3. aber, gleichsam als Kompensation dafr, aufgrund der aktuellen Auszeichnung als ‘Klassiker’, einen besonderen Rang besitzen. Folglich wre bei Pfeiffer die Kunst der Philologie eine historische Disziplin, deren Gegenstand die Vergegenwrtigung des Vergangenen ist. Was aber jeweils durch die selektive Hand des Historikers zum Rang des Klassischen und daher philologisch zu Erarbeitenden erhoben wird, das hngt, wie alles historisch Erinnerte, von der Intention des Historikers ab. In den Jahrhunderten der hellenistischen Philologie – die im 3. Jahrhundert v. Chr. im Alexandrien des Kallimachos ihren Hçhepunkt hatte –
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war, wenn wir Pfeiffer weiterhin folgen kçnnen, die erste ausgezeichnete Literatur- und Kommunikationsgattung, die philologischer Pflege gewrdigt wurde, die Poesie. Sie ist nicht nur primrer Gegenstand der Analyse und wiederherstellenden Bewahrung, sondern auch neuer schçpferischer Synthese und Produktion. Grund fr diese Sonderrolle der Poesie kçnnte jene Feststellung des Aristoteles in der Poetik sein, dass die Dichtung ‘philosophischer’ und ‘bedeutsamer’ sei als die Geschichtsschreibung, da diese das tatschliche Tun einzelner Individuen erzhlt, die Dichtung aber allgemeine, dem menschlichen Handeln eigene Verhaltensmuster zu benennen bestrebt ist, die so nicht in der Erfahrung gegeben sind und daher grçßere Verstndnis- und Vermittlungsprobleme bereiten.4 Wenn so die alexandrinische Philologie sich um das Erhalten, Verstehen und Produzieren von universalen Verhaltensweisen in der Poesie bemht, ist der Gegenstand der zweiten Blte der Philologie, mit der die ununterbrochene philologische Tradition der Neuzeit einsetzt, eben jene Geschichte, welcher Aristoteles wegen der Besonderheit ihrer Inhalte die philosophische Valenz abgesprochen hatte. Zwar hat, wie Rudolf Pfeiffer zurecht – unter Hinweis auf Poliziano – betont,5 auch die Philologie des Humanismus die Beziehung zur Poesie nicht aufgegeben und sollte Dichtung in lateinischer Sprache zu einem untrglichen Markenzeichen der Humanisten werden, aber der spezifische Schwerpunkt des philologischen Tuns der Humanisten, das aus der philosophischen Krise der nominalistischen Skepsis hervorgegangen war, scheint von Anfang an nicht auf dem Universalen, sondern auf dem dem Universalen zugrunde liegenden Besonderen gelegen zu haben. Wie Giuseppe Billanovich in seinen beeindruckenden Arbeiten gezeigt hat,6 steht am Anfang, bei Petrarca und seinen Vorgngern, die ‘Livius-Philologie’, als deren Ergebnis aus der fragmentarisierten und vielschichtigen berlieferung des 4
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Aristoteles: Poetik 9; 1451 b 1 – 11, in: Aristoteles 1961, Poetik, 39 (bersetzung von mir partiell verndert): „Denn der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden sich […] darin, daß der eine erzhlt, was geschehen ist, der andere, was geschehen kçnnte (ho a n gnoito). Darum ist die Dichtung auch philosophischer und bedeutsamer (spoudaiteron) als die Geschichtsschreibung. Denn die Dichtung redet eher vom Allgemeinen, die Geschichtsschreibung vom Besonderen. Das Allgemeine besteht darin, darzustellen, was bestimmte Menschen von bestimmter Art nach Angemessenheit oder Notwendigkeit reden oder tun; darum bemht sich die Dichtung, indem sie es mit Namen bezeichnet. Das Besondere ist, zu berichten, was Alkibiades tat oder erlebte.“ Pfeiffer 1976, Classical Scholarship. Vgl. vor allem Billanovich 1981, Livio.
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rçmischen Geschichtsschreibers ein neuer Text – der berhmte Codex Harleianus MS 2493 in der Bibliothek des Britischen Museums – entsteht, dessen marginale Gliederungen und Querverweise, Feststellungen von Lcken, Konjekturen und Korrekturen inhaltlicher Art, Hinweise auf parallele berlieferungen anderer Autoren, topographische Identifikationen und Sacherklrungen aller Art das wçrtliche Verstndnis des Textes, den sensus historicus, erschließen und durch moralisierende Wertungen fr die Gegenwart aktualisieren.7 Beide Perspektiven auf die mehr oder weniger zuverlssig tradierten klassischen Texte – die Frage nach dem, was die Autoren wirklich gesagt haben, gesagt haben kçnnen oder zu sagen gewollt haben und die Frage, was diese Aussagen fr die Gegenwart der Angesprochenen bedeuten – werden im Humanismus weiter fortgesetzt und theoretisch reflektiert. Vor allen Dingen wird, was den sensus historicus, den realen, erfahrbaren Gehalt einer Aussage, angeht, immer wieder die grundlegende Bedeutung der Erfahrung fr jegliches Wissen und alle Weisheit betont. So lesen wir bei Petrarca unter Hinweis auf die Autoritt des Aristoteles: Denn wenn die Erfahrung die Kunst macht, die bung sie aber erzeugt, ernhrt und vollendet, wird auch wahr, was Affranius meint, daß die Weisheit der Dinge die Tochter der bung und der Erinnerung ist, wçrtlich: ‘bung hat mich gezeugt, als Mutter gebar mich Erinnerung/ sophia nennen die Griechen, sapientia ihr mich’.8
Und Lorenzo Valla verkndet ein Jahrhundert spter im Prooemium seiner Geschichte Kçnig Ferdinands von Aragonien, nicht ohne implizit der oben zitierten Stelle aus der Poetik des Aristoteles zu widersprechen: Und daher werde ich nun die Geschichte vergleichen mit der Philosophie jener, die uns den Krieg erklren. […] Denn soweit ich jedenfalls urteilen kann, lassen die Geschichtsschreiber in ihren Reden mehr Gewicht, mehr Klugheit, mehr brgerliche Weisheit erkennen als irgendein Philosoph in seinen Lehrstzen. Und, wenn es nicht stçrt, daß ich die Wahrheit sage: aus der Geschichte flossen die meiste Kenntnis ber die Natur, die spter andere in Lehrstze gossen, der grçßte Teil der Moral, die meisten Lehren jeglicher Weisheit.9 7 8
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Vgl. Keßler 22004, Petrarca, 59 – 77; Weiss 1969, Petrarch, 30 – 47. Petrarca [1554] 1965, Epistolae seniles, II, 3, 840 f.: „Experientia, inquit Aristoteles, artem fecit idque enim vere dicere nulla artium neget […] Experientia siquidem artem facit, usus autem artem gignit, nutrit ac perficit, verumque fit quod Affranius opinatur rerum sapientiam, usus ac memoriae filiam, verba tenes ‘Usus me genuit, mater peperit memoria/Sophiam vocant me Graii, vos sapientiam’“. Valla, L. 1973, Gesta, Prooemium § 11, S. 6: „Ideoque iam historiam comparabo cum istorum, qui nobis litem intentant, philosophia. […] Etenim quantum ego
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Damit wird der sensus historicus, der nach seiner Genese der materiellste und daher niedrigste unter den vier Sinnen eines Textes war, zum eigentlichen Wahrheitstrger aufgewertet und seiner Sicherung fglich grçßte Aufmerksamkeit gewidmet. In den Praefationes zu den historiographischen Werken der Humanisten und in den Artes historicae, den systematischen Anleitungen zur Verfassung solcher Werke, die sich daraus entwickeln, hat die Reflexion ber die Mçglichkeit historischer Wahrheit und deren grçßtmçgliche Sicherung folglich einen festen Platz. Dabei wird vom 14. bis zum 16. Jahrhundert eine durch ihre Vielfalt und Intelligenz beeindruckende historisch-kritische Methodik entwickelt,10 die nicht nur in der Historiographie selbst, sondern auch auf anderen Gebieten zum Einsatz kommt. Leuchtendes Beispiel dafr ist im 15. Jahrhundert Lorenzo Valla, der nicht nur durch die kritische Frage nach dem wahren Wortlaut der Heiligen Schrift die Bibelphilologie begrndet,11 sondern auch durch historisch-kritische Analyse die ‘Konstantinische Schenkung’, deren Rechtmßigkeit schon lange aus juristisch-systematischen Grnden in Zweifel gezogen worden war, als Flschung entlarvt12 und in der Jurisprudenz durch die Forderung, die systematische Rekonstruktion des rçmischen Rechtes durch die Signifikationsklrung seiner Sprache zu ersetzen, zum Begrnder des mos gallicus, der neuen, in Frankreich entwickelten humanistischen Praxis der Rechtswissenschaft wird13 und mit seinen Elegantiae Latinae Linguae schließlich, einer umfangreichen Sammlung ausgewhlter Signifikationsklrungen, ber die Grenzen der Jurisprudenz hinaus zu einem beispielhaften Anreger neuer lateinischer Lexikographie wird, die der rhetorischen Forderung, umfangreiche Sprachkompetenz durch entsprechende
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quidem iudicare possum, plus gravitatis, plus prudentie, plus civilis sapientie in orationibus historici exhibent, quam in preceptis ulli philosophi. Et si vera fateri non piget, ex historia fluxit plurima rerum naturalium cognitio, quam postea alii in precepta redegerunt, plurima morum, plurima omnis sapientie doctrina“. Vgl. Keßler 1971, Theoretiker, bes. 22 – 25; Keßler 1983, Theorie, 29 – 49. Vgl. Valla, L. 1978, Antidotum, § 134, S. 112: „Sed quid est, per deos bonos, ut tecum tuis verbis agam, Scriptura Sacra? Omnis ne Veteris Testamenti interpretatio? At ista multiplex est et varia atque hec illi magnopere repugnans. […] Ubi quid dicas tu esse Sacram Scripturam? Certe nullam nisi veram interpretationem. At hec que sit incertum est. […] ut mea translatio si vera fuerit sit appellanda Sancta Scriptura, non illius. Et si proprie Scriptura Sancta sit ea que sancti ipsi Hebraice vel Grece scripserunt, nam Latinum nihil tale est.“ Vgl. Setz 1975, Valla. Vgl. Kelley 1970, Foundations; Maffei 1956, Gli inizi.
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Sachkompetenz, die copia verborum durch die copia rerum zu ergnzen, entgegen zu kommen sucht.14 Dennoch unterscheidet sich das Ergebnis der berlegungen am Ende des 16. Jahrhunderts – etwa bei Uberto Foglietta oder Francesco Patrizi15 – nicht wirklich von Petrarcas frher Einsicht, dass die Erzhlung eines historischen Geschehens notwendig von der Subjektivitt der betrachtenden und erzhlenden Person gefrbt ist und folglich historische Wahrheit weder erreicht werden noch als Kriterium des guten Historikers dienen kann. Bei der historischen Findung und philologischen Prfung seiner Inhalte msse der Historiker sich daher mit dem begngen, was den Anschein der Wahrheit besitzt und glaubwrdig zu sein scheint, und seine ihm eigentmliche Legitimation nicht aus der Vermittlung von Wahrheitserkenntnis, sondern von Praxisorientierung zu gewinnen suchen. In der Praefatio von 1368/1369 zu seinen Viten berhmter Mnner schreibt Petrarca: Hierbei glaubte ich, die blinde und nutzlose Sorgfalt derer meiden zu sollen, die die Worte aller Historiker immer wieder gelesen haben, um ja nicht in den Verdacht zu kommen, irgendetwas zu bergehen, und wenn sie einander widersprechen, den gesamten Text ihrer Geschichte mit undurchsichtigen Bedenken und unauflçsbaren Verstrickungen berzogen haben. Ich will weder der Friedensstifter noch der Sammler aller Historiker sein, sondern jenen folgen, die entweder mehr Wahrscheinlichkeit oder mehr Autoritt besitzen. […] Bei mir findet sich nichts außer dem, was entweder auf die Tugenden oder auf die Laster bezogen werden kann. Denn dies ist, wenn ich mich nicht irre, das fruchtbare Ziel der Historiker, jenes auszubreiten, was der Leser entweder verfolgen oder fliehen soll.16
Es ist also die Unmçglichkeit, den sensus historicus in seiner Wahrheit zu sichern, aus der der andere zentrale Aspekt humanistischer Philologie, die moralische, auf das Handeln bezogene Perspektive hervorgeht. Die Philologie ist auch im Humanismus, was schon in ihrem Ars-Charakter impliziert war, kein Selbstzweck: Als sein Bruder Gerhard Petrarca um eine emendierte 14 Vgl. Valla, L. 1551, Elegantiae; Valla, L. 1952, Praefationes; Speroni 1976, Vocabulario; Perotti 1989 – 2001, Cornu Copiae; Keßler 1981, De significatione. 15 Vgl. Keßler 1971, Theoretiker, 25; Keßler 22004, Petrarca, 24 – 33. 16 Petrarca 1964, De viris, Prohemium § 4 – 6, S. 3 f.: „Qua in re temerariam et inutilem diligentiam eorum fugiendam putavi, qui omnium historicorum verba relegentes, nequid omnino pretermisisse videantur, dum unus alteri adversatur, omnem historie sue textum nubilosis ambagibus et inenodabilibus laqueis involverunt. Ego neque pacificator historicorum neque collector omnium, sed eorum imitator quibus vel verisimilituo certior vel auctoritas maior est […] Apud me nisi ea requiruntur, que ad virtutes vel virtutum contraria trahi possunt; hic enim, nisi fallor, fructuosus historicorum finis est, illa prosequi que vel sectanda legentibus vel fugienda sunt“.
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Kopie des Gottesstaates von Augustinus bittet, wird er abgewiesen: Von jenen, die wirklich gelehrt sind, solle man keine durchkorrigierten Codices erwarten: „sie haben Wichtigeres und Lobenswerteres zu tun. Der Architekt lçscht nicht den Kalk, er lsst ihn lçschen“.17 In seinen um 1550 entstandenen, aber auf die frhen dreißiger Jahre zurckdatierten programmatischen Briefen zu Grundfragen des Umgangs mit der schriftlichen Tradition der Antike distanziert sich Petrarca von einer Philologie im Sinne Senecas, das heißt als reine Verbalanalyse und formales Sprachspieltraining und nennt sein Tun ‘studia litterarum’ oder ‘bonum et salubre studium’ und beteuert, dass er stets den Grundsatz des Aristoteles, dass die Moralphilosophie nicht dem Erwerb von theoretischem Wissen, sondern dem praktischen Handeln des Menschen zu dienen habe, auf alle Texte, welcher Art sie auch waren, bertragen habe.18 Damit hat Petrarca nicht nur der philologischen Arbeit an den tradierten Texten den Auftrag gegeben, moralische Bildung und praktische Handlungskompetenz zu vermitteln, den die humanistischen Pdagogen des 15. Jahrhunderts, allen voran Guarino da Verona, bernehmen und, wie sie sich rhmen, erfllen werden.19 Petrarca hat, darber hinaus, die Handlungsorientierung zur universalen Zielsetzung philologischen Tuns erkoren. Er hat jede philologische Ttigkeit in den Dienst der praktischen oder produzierenden Ttigkeit des Menschen gestellt und damit den der Philologie eigenen Bereich der Realitt ber die alexandrinische Poesie hinaus auf den gesamten Raum des Handelns, den Bereich der Kontingenz schlechthin, ausgedehnt. Dass und wie erfolgreich diese Ausrichtung der humanistischen Philologie Petrarcas im Rahmen der Jurisprudenz war, haben wir schon gesehen 17 Vgl. Petrarca 1933 – 1942, Epistolae familiares XVIII, 5, 4, Bd. 3, 282: „Quid de aliis dicam, qui non persuasione benevola, sed vero et incorrupto iudicio docti sunt, rarum semper, nostra autem aetate rarissimum genus? Sed ne ab illis quidam semper correctos ad unguem codices exspectes: maiora quedam et laudabiliora pertractant. Non calcem temperat architectus, sed iubet ut temperetur“. 18 Vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik II, 2; 1103 b 28: „Da nun die gegenwrtige Untersuchung nicht der reinen Forschung dienen soll wie die brigen (denn wir fragen nicht, um zu wissen, was die Tugend sei, sondern um gut zu werden, da wir anders keinen Nutzen von ihr htten), so mssen wir die Handlungen prfen, wie man sie ausfhren soll“; Petrarca 1933 – 1942, Epistolae familiares I, 3, 8, Bd. 1, 23: „[…] ich weite das, was Aristoteles vom moralischen Teil der Philosophie gesagt hat, auf alle ihre Teile aus“. Vgl. auch Keßler 2008, La ‘philologie morale’. 19 Vgl. Guarino 1915 – 1919, Epistolario, Ep. 159, Bd. 1, 261 – 264, an einen ehemaligen, politisch erfolgreichen Schler: „So hast […] du bewiesen, daß die Musen nicht nur die Saiten der Leier sondern auch die Staaten zu regieren vermçgen“.
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und kann nicht eigentlich berraschen, verhalf sie doch im ‘Streit der Fakultten’den Juristen zu einem nicht unbedeutenden Vorteil. Nachdem erst einmal, wie bei Coluccio Salutati nachzulesen ist, die metaphysisch zu sichernde unhistorische Wahrheit durch die dem historischen Wandel unterworfene, sinnlich begrndete empirische Einsicht ersetzt wurde, musste auch die Naturphilosophie sich als hypothetische Disziplin verstehen lassen, die sich vor dem Kriterium der Erfolgskontrolle auszuweisen und als ‘scientia operativa’durch ihren Beitrag zum ‘bonum commune’ zu legitimieren hatte.20 Sie war, wie ein Jahrhundert spter der hollndische Humanist Rudolf Agricola, der den italienischen Humanismus diesseits der Alpen bekannt machte, lehrte, ntzlich,21 insofern sie, als Medizin, den Kranken gesund machte, und zu dulden, insofern sie, als Freizeitbeschftigung, den Mßigen davor htete, auf abwegigere Gedanken zu kommen. Wenn aber so die theoretischen Disziplinen als ‘scientia operativa’ der dem Kontingenten eigenen Kriteriologie unterworfen werden, kann die Logik, als das argumentative Instrument der spekulativen Wissenschaften, nicht unberhrt von dieser finalen Umwidmung bleiben. Lorenzo Valla wird in seiner Repastinatio der Dialektik und Philosophie die Lehre vom Beweis als Teil der rhetorischen Findungskunst definieren und der Rhetorik unterordnen22 – das heißt sie nur insoweit gelten lassen, als im Bereich der Kontingenz hypothetisch von Notwendigkeit und Beweisbarkeit ausgegangen werden kann. Agricola wird in seiner ‘Dialektischen Findungskunst’, gesttzt auf den generellen Zweifel der akademischen Skepsis an der Erkennbarkeit der Wahrheit, die der Rhetorik eigene Topos-Lehre auch auf die spekulativen Wissenschaften ausdehnen23 und Nicolao Leoniceno, Huma20 Vgl. Salutati 1990, De nobilitate, Kap. XXXVIII, 250 – 269. 21 Vgl. Keßler 1979, Humanismus. 22 Vgl. Valla, L. 1982, Repastinatio II, Prooemium § 3, Bd. 1, 175 f.: „Erat enim dialectica res brevis et facilis, id quod ex comparatione rhetorice diiudicari potest. Nam quid aliud est dialectica, quam species confirmationis et confutationis? He ipse sunt partes inventionis, inventio una ex quinque rhetorice partibus“. 23 Agricola 1992, De inventione I, 1, 10 f. (die deutsche bersetzung ist durch eine Satzumstellung in ihrem Sinn entstellt): „Utilem autem esse hanc locorum rationem apparet, cum magnae parti humanorum studiorum (quandoquidem pleraque in ambiguo haerent, et dissentientium certa-minibus sunt exposita. Exigua enim portio eorum quae discimus certa et immota est adeoque si Academiae credimus, hoc solum scimus quod nihil scimus. Certe plaeraque pro cuiusque ingenio, ut accommodatissime ad probandum quisque excogitare potuerit, alio atque alio trahuntur). Tum vero eis praecipue confert, qui tractant illa quorum nullae traditae sunt artes: dico qui consilio rem publicam gubernant […]“. Whrend der zweite Fall die drei Formen der Rede – das genus delibara-tivum, iudicativum und demonstrativum – betrifft,
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nist, Naturphilosoph und Mediziner wird in einer Reinterpretation der galenischen Wissenschaftslehre die Wissenschaft (scientia) mit der Kunst (ars) gleichsetzen und als Anordnung von einzelnen Erkenntnissen auf ein angestrebtes praktisches oder theoretisches Ziel hin definieren. Das Ziel ist die Regel und der Prfstein von allem, was in einer jeden Kunst oder Wissenschaft berliefert wird. Denn das wird Prinzip und Theorem einer Kunst genannt, was fr das schnellere oder bessere Erreichen des Zieles dieser Kunst ntzlich ist. Andernfalls, wenn sie keinen Nutzen in Hinblick auf das Ziel der Kunst leisteten, wrden sie, wie Galen im Buch, das De optima doctrina berschrieben ist, sagt, auch nicht Theorem genannt werden.24
‘Sensus historicus’ als unmittelbarer Erkenntnisgegenstand und ‘Praxisorientierung’ als dahinter stehendes Erkenntnisinteresse scheinen so die humanistische Philologie auszuzeichnen und auch das von ihr vermittelte Realittsverstndnis zu bestimmen. In dem Maße aber, in dem die Philologie sich gegen Ende des 15. Jahrhunderts der gesamten schriftlichen Tradition bemchtigte, musste sich auch dieses Realittsverstndnis universalisieren. Ein plakatives Zeugnis solcher Universalisierung ist die Enzyklopdie des Piacentiner Humanisten Giorgio Valla, die unter dem Titel De expetendis et fugiendis rebus opus das gesamte ihm zugngliche, teils erstmals aus dem Griechischen bersetzte Wissen zu vereinen sucht.25 Weniger ambitiçs, aber darum um so ernster zu nehmen sind die drei beinahe gleichzeitigen philologischen Untersuchungen der von den humanistischen Pdagogen empfohlenen Naturgeschichte des Plinius,26 in denen die empirisch begrndete kritische Sacherklrung systematisch von der Geschichte menschlichen Handelns auf die Geschichte der menschlichen Erfahrung mit der Natur bertragen wird und in deren Folge der Spanier Juan Luis Vives seine Schler auffordern wird, nach dem Beispiel der Alten selbst in die handelt der erste Fall von den theoretischen Disziplinen, deren Sicherheit und Unbezweifelbarkeit Agricola – wie die meisten Humanisten – im Kontext der sptscholastischen Skepsis und unter Verweis auf die Akademische Skepsis – bezweifelt. 24 Vgl. Leoniceno o. J., De tribus doctrinis, 13r 1 – 6: „[…] finis est regula & examen omnium que in quavis arte aut scientia traduntur. Illa enim principia atque theoremata artis esse dicuntur quae ad finem eius artis vel facilius vel citius assequendum utilia sunt, alioquin si nullum praestarent ad finem artis usum: ‘Nec theoremata quidem’ ut ait Galenus in libro qui De optima doctrina inscribitur ‘dicerentur’“. 25 Valla, G. 1501, De expetendis. 26 Vgl. Barbaro [1492/1493] 1973/1979, Castigationes Plinianae; Leoniceno 1492, Plinii […] errores; Collenuccio 1493, Pliniana defensio; vgl. dazu Sarton 1953, Appreciation, 78 – 86.
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Natur hinauszugehen und mit eigenen Augen sowie in Gesprchen mit Hirten und Bauern Naturerfahrung zu sammeln.27 Etwa zur gleichen Zeit beginnt auch Angelo Poliziano die philologischen Methoden nicht nur auf historische, poetische und rhetorische, sondern auch auf medizinische, juristische und – nicht ohne den Widerstand seiner philosophischen Kollegen zu provozieren – auf die philosophischen Texte mit Einschluss der aristotelischen Logik anzuwenden.28 Das bedeutet aber, dass das Instrument der Philologie, das von den Humanisten zur kritischen Prfung und Sicherung von Aussagen ber kontingente Tatsachen entwickelt worden war, die die Welt des menschlichen Handelns ausmachen, auf die Aussagen ber die Welt der logischen und natrlichen Notwendigkeiten angewandt, auch diese behandeln, als seien sie 27 Vives: „De tradendis disciplinis“ IV,1, in: Vives 1782 – 1790, Opera omnia, Bd. 6, 350 (deutsche bers. in: Vives 1896, ber den Unterricht, 280 f.): „[N]ihil hic jam opus est altercationibus et rixis, sed aspectu quodam; itaque contemplabitur rerum naturam in coelo et nubilo et sereno, in agris, in montibus, in silvis; tum ex iis quaeret, ac sciscitabitur multa, qui in locis illis sunt frequentes, quod genus hortulani, agricolae, pastores, venatores, quod Plinius, et alii harum rerum magnis auctores, indubie fecerunt; neque enim unus aliquis potest omnia haec adeo tum multa, tum varia, intuendo obire“. 28 Vgl. Poliziano 1489, Miscellanea. Cent. prima.; Poliziano 1972, Miscellanea. Cent. Secunda; Poliziano [1553] 1971, Opera omnia; Poliziano 1925, Le selve. Vgl. dazu Mariani Zini 1999, Ange Politien. Weniger bekannt, aber dank seiner 9 Auflagen im 16. Jahrhundert ein fruchtbarer Multiplikator ist Polizianos Schler Raffaele Maffei Volaterranus (1451 – 1522), der den dritten Teil seiner Enzyklopdie Commentariorum urbanorum XXXVIII libri, der die Grundlagen der verschiedenen Artes – variarum artium rudimenta – beinhalte, ‘Philologia’ berschreibt, und diesen Titel – nicht ohne Anspielung auf neuplatonische ‘Aufstiegsvorstellungen’ – so begrndet (vgl. Maffei [1506] 1559, Commentariorum, 562): „Tertius hic mihi scribitur operis tomus ob res varias philologia, unde Acteus Actei Capitonis libertus [gemeint ist wohl Ateius Praetextatus Philologus, Zeitgenosse Ciceros, der sich rhmte, Autor von 800 Bchern ‘Miscellanea’ zu sein] qui similia conscripsit cognomen invenit, quem postea Tyro Tullius, Plinius, Macrobius, Capella, Boetius, Latinorumque alii sunt imitati: ex Graecis vero Athenæus, Pausanias, Ælianus. Sic enim […] nos ad rerum divinarum cognitionem summique opificis amorem perventuros existimamus, si humilia prius atque humana didicerimus. Sempiterna quoque virtus eius & divinitas, ex eorum scientia quae conspicimus facile deprehenditur. Enimvero clausi tenebris & carcere cæco statim lucem arduam nisi per intervalla paulatimque contueri non valemus, neque unum illud, ensque perfectum nisi ex pluribus facile cognoscere: ad quod adsequendum & diligentia & tempore & natura bona est opus“. Zu Maffei vgl. Lohr 1988, Commentaries, 234 f.; Kraye 1988, Moral philosophy, 328; Lines 2002, Aristotle’s Ethics, 497 f. Die Tatsache, dass Vives (vgl. Vives [1782 – 1790] 1964, Opera omnia Bd. 6, 350) die Philologia des Volaterrranus ausdrcklich zur Lektre empfiehlt, unterstreicht dessen Wirkung.
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kontingent oder – um es weniger paradox und widersprchlich auszudrcken – sie betrachten die Welt der logischen und natrlichen Notwendigkeiten, so wie sie uns in den Schriften der Alten begegnet, als Ergebnis menschlichen Handelns und damit als individuell verursacht und geschichtlich bedingt – so wie schon die frhen Humanisten in der Diskussion um vita actica und vita contemplativa darauf hingewiesen hatten, dass das kontemplative Leben eine Form des Lebens ist und daher auch eine Weise der Praxis darstellt, die den Kriterien des Handelns zu unterwerfen ist.29 Es ist folglich nur konsequent, wenn, so wie in der Historia die mangelnde Sicherheit der Kontingenz mit den Instrumenten der Philologie nach Mçglichkeit und Wahrscheinlichkeit zu klren versucht wird, auch in den spekulativen Wissenschaften die kontingenten Elemente philologisch aufgearbeitet werden. Sowird zum Beispiel Simone Porzio, Philosoph in Neapel und Pisa in der ersten Hlfte des 16. Jahrhunderts, zu Beginn seiner Disputation ber den menschlichen Geist philologisch klren, dass der Begriff der Entelechie in der aristotelischen Definition der Seele als „erste Entelechie eines natrlichen, organischen Kçrpers“ nicht, wie von den meisten lateinischen Interpreten gelehrt, perpetua motio – ‘unaufhçrliche Bewegung’, sondern perfectio et finis postremus per motionem partus – ‘Vollkommenheit und letztes durch Bewegung erreichtes Ziel’ bedeutet und folgert dann auf dieser Grundlage, dass der menschliche Geist nach Aristoteles als sterblich zu betrachten sei.30 Pomponazzi aber, Porzios Lehrer, erklrt in seinem Kommentar zu De partibus animalium zur gleichen Frage nach der Unsterblichkeit der Seele, dass er einerseits die Wahrheit mit Sicherheit nicht kenne und dass er andererseits aufgrund seiner eigenen scartofia, seiner ‘Notizen’, ‘glaube’, dass Aristoteles die menschliche Seele nicht anders behandele als die Seelen der anderen Lebewesen – nmlich als sterblich und dem Werden und Vergehen unterworfen –, und dass er folglich den menschlichen Intellekt als eine Art des sensus, des ‘Sinnesvermçgens’, verstehe, die nur metaphorisch als Intellekt bezeichnet werden kçnne, whrend er den wahren und ewigen Intellekt allein Gott und den reinen Intelligenzen zukommen lasse.31 29 Vgl. z. B. Salutati 1990, De nobilitate, 214, 14: „Quicquid speculando vel practicando prevides, presens ordinas aut preteritum recordaris a prudentia est, quam si tollas non remanebit ars inanisque reddetur scientia“. 30 Vgl. Porzio 1551, De humana mente, 7 – 11. 31 Vgl. Pomponazzi 2004, Expositio 47, Z. 183 – 198: „In hac materia dicam duo: unum de certo, scilicet, quod non intelligo et quod sum perplexus; secundum autem quod dico, licet invitus dicam, est quod ego credo, sicut dixi in meis scartofiis, quod Aristoteles non posuerit animam intellectivam immortalem, sed quod posuerit eam
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Damit ist Pomponazzi bereits einen Schritt weiter gegangen als Porzio: er begngt sich damit, die Lehre des Aristoteles statt als wahr oder mit der Wahrheit bereinstimmend als die subjektive aber rational nachvollziehbare Position eines bedeutenden Philosophen zu erweisen, und er setzt diese subjektive, nicht wahrheitsfhige Position des Aristoteles mit der consideratio naturalis, der ‘natrlichen’ oder ‘der Natur angemessenen Betrachtungsweise’ berhaupt gleich, und entzieht so der menschlichen Naturbetrachtung generell die Wahrheitsfhigkeit. Da sie auf das als wesentlich sinnlich definierte menschliche Erkenntnisvermçgen gesttzt ist, unterliegt sie der Geschichtlichkeit menschlicher Erfahrung, die, im Lichte unterschiedlicher Betrachtungsweisen – considerationes – erworben, nach dem von Leoniceno fr Galen proklamierten artistischen Wissenschaftsmodell produktiv verarbeitet und erfolgkontrolliert gesichert werden muss.32 mortalem, generabilem et corruptibilem, sicut posuit alias animas, quoniam Aristoteles in preterita lectione dixit intellectum sive mentem in nullis animalibus esse. Unde credo quod mens Aristotelis fuerit ista, quod anima sit mortalis (et Scotus etiam fuit istius opinionis ad mentem Aristotelis). Nam intellectus noster est quidam sensus, et metaphoricus. Nam Aristoteles hic dicit: intellectus sive mens in nullis est, loquendo de intellectu vero. [vgl. Pomponazzi 1954, De immortalitate Kap. 9, S. 126 – 128: „Et quod dicitur in primo De partibus capite 1, de intellectu non spectare ad naturalem, verum est de vero intellectu: ipse est movens non motus; at humanus est movens motus, quare hic est de consideratione naturali“.] Sed intellectus noster non est verus intellectus; sed intellectus intelligentiarum est verus intellectus, quae non intelligunt de novo sed per suas substantias et nullas habent alterationes, ad mentem Aristotelis. Quoniam secundum theologos in solo Deo non est novitas. Intellectus noster secundum Aristotelem est mortalis et non est intellectus verus sed metaphoricus, quoniam verus intellectus in nullis animalibus est“. Vgl. auch fr die Bedeutung dieses Kommentars Perfetti 2000, Aristotle’s Zoology, der auch auf die philologischen Aspekte dieser Kommentartradition eingeht. 32 Vgl. Pomponazzi 2004, Expositio 20, Zeile 158 – 182: „In ista parte [Aristoteles 639 b 11] ponit tertiam questionem, quae talis est: cum philosophus naturalis consideret quatuor genera causarum, vellem scire numquid causa finalis sit potior causa efficiente vel econtra; an, scilicet, philosophus debeat demonstrare per causam finalem vel per causam effectivam. Principatum sane [Aristoteles 639b14] Hic solvit et dicit quod philosophus naturalis considerat utramque causam, scilicet finalem et efficientem. O, quae est potior? Dicit quod causa finalis est potior. […] Et hoc est in rebus naturalibus et etiam in arte, quae quidem ars est simia naturae etc. et imitatur eam, licet non perfecte ex toto, sed in quantum potest. Demonstro ergo in arte quod finis est principium rei, puta in sanitate. Medici enim primo cognoscunt quid est sanitas et post ex sanitate, quae est finis, accipiunt omnia. Nam dicunt sanitas est adequatio quatuor humorum, unde vident medici quod hic excedit in calido et quia excedit in calido. Ex quo contrariis contraria curantur, ideo applicant frigida. […] Et sic videtis quod ex fine omnia necessitantur et finis necessitat efficiens“.
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Wie erfolgreich diese ‘Historisierung’ der antiken Autoritten generell war, lsst sich – etwa am Beispiel des Aristoteles – nicht nur an den eine Vielzahl von Texten und Textcorpora produzierenden, neuen und unterschiedlichen Zwecken dienenden bersetzungen seit Leonardo Bruni vom Quattrocento bis zum Ende des 16. Jahrhunderts verfolgen,33 sondern auch an der seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts in nicht zu erwartender Zahl wachsenden Produktion von Aristoteles-Kommentaren,34 deren Charakter faktisch alle mçglichen Variationen zwischen rein philosophischer und rein philologischer Orientierung annehmen zu kçnnen scheint.35 Charles Schmitt spricht von einer nicht nher zu begrenzenden Vielzahl von Renaissance-Aristotelismen:36 so sind es die Anhnger des Aristoteles und Propagatoren seiner Lehre in und außerhalb der Universitten selbst, die eben dadurch, dass sie sich – nicht zuletzt unter dem Einfluss der sich ausbreitenden Philologie – zunehmend darum bemhen, das, was Aristoteles wirklich gesagt hat, zu eruieren, die Autoritt und Verbindlichkeit des Philosophus untergraben. Aber dieser Einfluss ist nicht nur zerstçrerisch, sondern der gleiche Akt, der die Autoritten von ihrem Sockel strzt, schafft auch den Raum fr neue wissenschaftliche Bemhungen. Gesttzt auf die stets historische sinnliche Wahrnehmung, begleitet von dem reduzierten Wahrheitsanspruch des allenfalls probablen Kontingenten und eingebettet in die finalistische Erfolgskontrolle der ars kann der Anatom es wagen, seinen eigenen Augen zu trauen, kann der Astronom sich anmaßen, die Erde aus dem Mittelpunkt der Welt zu vertreiben und dem Planeten die vollkommene Umlaufbahn des Kreises zu rauben, kann der Naturphilosoph – ich denke an Bernardino Telesio, den Bacon the first of the moderns nennen zu kçnnen meinte37 – den gçttlichen Demiurgen aus der Schçpfung verbannen und dem Universum die Vollkommenheit eines autopoietischen Systems verleihen.
33 Vgl. Schmitt 1983, Aristotle; Keßler 1995, Aristoteles Latine. 34 Lohr 1988, Commentaries XIII. 35 Vgl. Schmitt 1983, Aristotle, 46 – 49; Lines 2002, Aristotle’s Ethics, 238 – 246 (Pier Vettori), 279 – 284 (Francesco Piccolomini). 36 Schmitt 1983, Aristotle, 10 – 33. 37 Vgl. Telesio 1965 – 1977, De rerum natura; Bacon 1859, De principiis, 114: „De Telesio autem bene sentimus, atque eum ut amantem veritatis et scientiis utilem et nonnullorum placitorum emendatorem et novorum hominum primum agnoscimus“; vgl. auch Keßler 1992, Selbstorganisation.
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Lucas Holstenius und die neue Astronomie am Hofe Papst Urbans VIII. Barberini Ralph Hfner 1. Einleitung Galileis Widerruf des Heliozentrismus im Jahr 1633 gehçrt noch immer zu den faszinierendsten Ereignissen innerhalb der Wissenschaftsgeschichte der Neuzeit. Insbesondere seit der 1983 erschienenen Studie von Pietro Redondi, Galileo eretico, ist immer mehr sichtbar geworden, dass der Fall der ppstlichen Sonderkommission von einem Syndrom sozialgeschichtlich bemerkenswerter Umstnde bestimmt worden ist, die mit den wissenschaftlichen Ergebnissen von Galileis Beobachtungen und Berechnungen nicht mehr unmittelbar zusammenhingen. Redondi hat gezeigt, dass die Hypothese des Heliozentrismus, die zur zweiten Verurteilung Galileis gefhrt hat, nur die Spitze eines Eisbergs war. Im Hintergrund stand vielmehr, so Redondi, die durch den jesuitischen Aristoteliker Orazio Grassi betriebene Ablehnung des antiken Atomismus im Streit um das Geheimnis der Eucharistie. Kern der Auseinandersetzung war also die theologische Rechtfertigung des Aristotelismus der spanischen Neu-Scholastik. 1 Es steht nun weder in meiner Absicht noch in meinem Vermçgen, den Ergebnissen ausgewiesener Wissenschaftshistoriker eine neue These an die Seite zu stellen. Meine berlegungen zielen vielmehr darauf ab, die – zugegebenermaßen bescheidene, aber bisher unbeachtete – Rolle, die Lucas Holstenius in der entscheidenden Phase des Prozesses gegen Galilei gespielt hat, ins Licht zu setzen. Dabei knpfe ich an berlegungen an, die ich in meinem Buch Gçtter im Exil im Zusammenhang mit Holstenius’ Wirksamkeit im Dienste des Kardinals Francesco Barberini entwickelt habe.2 Ich mçchte das Ergebnis meiner berlegungen schon vorwegnehmen: Holstenius’ Rckgriff auf die antike doxographische Tradition hatte offenbar das doppelte Ziel, Galileis Heliozentrismus-Hypothese von den Vor1 2
Vgl. Redondi 1991, Galilei. Vgl. Hfner 2003, Gçtter im Exil, Erster Teil, Kapitel 2.
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wrfen des intellektuellen Libertinismus einerseits und der neu-paganen Idololatrie andererseits zu befreien. Es ist bisher nicht gesehen worden, dass die beiden Verurteilungen Galileis im Jahr 1616 und 1633 diejenigen Jahrzehnte markieren, in denen die vergleichende Mythenforschung zu einer bemerkenswerten Blte gekommen war. Durch den immer engeren Kontakt mit den Vçlkern in den Kolonien gewinnt die Idololatrie-Forschung eine neue Qualitt, wie nicht nur an Grotius’ De veritate religionis christianae (1627) gezeigt werden kçnnte. Grotius’ Buch wurde brigens im Umkreis des Papstneffen und Kardinals Francesco Barberini eifrig gelesen.3 Das Phnomen der heidnischen Idololatrie steht in einem kritischen Spannungsbogen zur konfessionell differenzierten Begrndung des christlichen Glaubens. Man war inzwischen hçchst sensibel geworden im Blick auf die Mçglichkeit eines ‘christlichen Platonismus’, mit dem Gelehrte wie Nicolaus Cusanus und Marsilio Ficino das Ziel ihrer Forschungen begrndet hatten. Bevor wir uns Holstenius’ Stellungnahme im Einzelnen vergegenwrtigen, mçchte ich noch rasch zwei offenbar unausrottbare Gemeinpltze aus dem Wege schaffen, die vorwiegend in der Halbwelt literaturwissenschaftlicher Forschung ein rgerliches Dasein fristen. 1. Es macht keinen Sinn, irgendwelche, aus einem modernen Vorbegriff gewonnene Definitionen dessen, was man als Platonismus, Aristotelismus, Stoizismus etc. bezeichnet, auf die Ereignisgeschichte des frhneuzeitlichen Denkens zu applizieren. Galilei hat sowohl platonische als auch aristotelische, atomistische und pythagoreisch-demokriteische Theorieelemente aufgenommen, deren jeweilige Funktion nur aus dem spezifischen Zusammenhang und in der Gesamtheit seines Denkens abzuschtzen ist. Gewiss, im Blick auf den Heliozentrismus ist Galilei entschiedener Anti-Aristoteliker. Aber wie steht es dann um die Vereinbarkeit von Platonismus und Heliozentrismus? Hans Blumenberg hat 1975 in dem Galilei gewidmeten Kapitel seiner Studie Die Genesis der kopernikanischen Welt mit unbertroffenem Scharfsinn dargelegt: „Die Reste des Aristotelismus sind bei ihm wieder die schon von Aristoteles integrierten Platonismen.“4 Wohlfeile Schematisierungen, die sich in den Kçpfen mancher Zeitgenossen festgesetzt haben, konterkarieren geradezu mutwillig den Versuch, unendlich komplexe historische Prozesse aus den zeitgençssischen 3 4
Vgl. Hfner, Gçtter im Exil, 177 f. Blumenberg 31996, Genesis, 480.
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Kontexten heraus zu verstehen und zu rekonstruieren. In einem außerordentlich wichtigen, heute offenbar kaum noch zur Kenntnis genommenen Aufsatz von 1973, La rivoluzione copernicana e il mito solare, schrieb Eugenio Garin: Del resto i grandi pensatori, quelli che – scienziati o filosofi – hanno davvero mutato alle radici il modo di vedere le cose, se esaminati da vicino costituiscono sempre un conturbante groviglio: credere di tagliare quei nodi isolando dalla mutevole filosofia una verit „scientifica“, pura illusione, e fonte di equivoci a non finire sul terreno storico. Cos, distinguere in Platone, e nella tradizione platonica, da Proclo a Ficino, una metafisica pitagorizzante da una esatta scienza fisico-matematica, non solo la pi antistorica operazione che si possa immaginare: soprattutto un errore fuorviante, dal momento che spesso gli spunti scientifici pi fecondi fermentarono proprio dagli umori pi torbidi.5
In diesem Sinne werden wir versuchen, das in der Tat ziemlich entscheidende Verhltnis von Platonismus und Aristotelismus aus dem zeitgençssischen Verstehenshorizont zu bestimmen. 2. Eine weitere landlufige Behauptung beruht auf der Annahme, dass Galilei einer auf Erfahrung gegrndeten Wissenschaft gegen die (kirchliche) Autoritt von Texten und Traditionen zum Durchbruch verholfen habe. Am Anfang seines Denkens steht aber nicht die Erfahrung, sondern vielmehr die Theorie. Auch hierber hat sich Blumenberg mit hinreichender Deutlichkeit geußert, wenn er ber den „Untergang der aristotelischen Physik“ formuliert: Tatschlich beschreibt sie ziemlich zutreffend gerade das, was sich der unmittelbaren alltglichen Erfahrung darbietet. […] Ein Satz wie der, daß alles, was sich bewegt, durch eine Kraft bewegt wird, gibt die unreflektierte Erfahrung wieder, die wir im Nahbereich unseres Lebens machen kçnnen. Es ist einfach nicht zutreffend, daß das kritische Heilmittel gegen diese Naturphilosophie ein Mehr an Erfahrung gewesen sei.6
Im brigen tuscht die These vom Durchbruch der Erfahrungswissenschaften ber die Tatsache hinweg, dass wir unsere Erfahrungsinhalte allererst deuten mssen, wenn wir sie zur Deutlichkeit eines Begreifens bringen wollen. Der weitaus berwiegende Teil unserer Erfahrungen ist wertlos, weil und insofern er uns nichts bedeutet. Erst wenn wir beginnen, uns etwas aus den Phnomenen zu machen, gewinnen sie eine Bedeutung fr unser Leben, unser Erkennen und Handeln. Galileis Heliozentrismus 5 6
Garin [1975] 1992, Rivoluzione copernicana, 268. Blumenberg 31996, Genesis, 461.
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widerspricht offenbar zunchst der Erfahrung, die wir tglich beim ‘Aufgang’ und ‘Untergang’ der Sonne machen kçnnen. Es bedurfte allerdings einer Theorie, das heißt eines Verfahrens zur Auslegung dieser Phnomene, um ihnen einen unerhçrten Sinn beizulegen. Galilei, so der Wissenschaftshistoriker Libero Sosio, „findet den verborgenen Sinn in der Konkretion alltglicher Wirklichkeit“.7 Man weiß, dass Galileis irrige Theorie der Gezeiten einen wesentlichen Anteil an der Begrndung des heliozentrischen Weltbildes hatte. Dieses Beispiel zeigt sehr gut, dass Erfahrungen als solche vçllig sinnlos sein kçnnen. Erst wenn wir die Zeichen der Natur deuten, gewinnen sie fr uns eine Bedeutung. Man mag diese Bedeutung mit dem Anspruch auf Wahrheit verknpfen, aber man halte sich bewusst, dass jedes Urteil, das wir ber unsere Erfahrungsinhalte fllen, ebenso subjektiv wie fehlbar ist. Die Diskussion ber das heliozentrische System belehrt uns nicht sowohl ber den Wahrheitsgehalt von Erfahrungen, als vielmehr ber den Geltungsanspruch von Deutungen.
2. Holstenius’ Weg nach Rom Lucas Holstenius8 besuchte das Akademische Gymnasium seiner Heimatstadt Hamburg, bevor er sich um 1616 nach Leiden begab, um dort das Studium der Medizin aufzunehmen. Zu Jahresende 1617 begleitete er den großen Geographen Philipp Cluver auf einer Forschungsreise nach Italien, die ihn bis nach Sizilien fhrte.9 Cluver war berzeugt, dass viele dunkle Stellen der antiken Literatur durch die archologische Erforschung der historischen Sttten erklrt werden kçnnen. Seine italienische Expedition ist ein Musterbeispiel fr das soeben entwickelte Verhltnis von Erfahrung und Bedeutung. Es ist ein Umstand von kaum abzumessender Tragweite, dass ihn die antike Literatur mit Auslegungen von Phnomenen konfrontierte, deren Substrat – die Erfahrung – nur den Zweck einer Besttigung des bereits Gewussten hatte. Nicht die Erfahrung rechtfertigt die Zeichen, vielmehr 7 8 9
Sosio 1970, Galileo, LXII. Vgl. Wagner 1901 – 1903, Leben des Lucas Holstenius; Friedensburg 1904 – 1908, Lebensgeschichte des Lucas Holstenius; Rabe 1895, Lucas Holstenius’ Nachlaß; Rietbergen 1987, Lucas Holstenius; Vçlkel 1987, Individuelle Konversion. ber Holstenius’ Arbeiten zur alten Geographie informiert unbertroffen: Almagi 1942, Opera geografica. Zu Cluver vgl. Erasmus 1962, Origins of Rome, 60 – 67, 99 – 108; Hfner 2001, Altertum.
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sind es die fr wahr gehaltenen Zeichen, die durch die Erfahrung nachtrglich zu beglaubigen sind. Die Expedition holte also durch Erfahrung nur nach, was viele Jahrhunderte zuvor bereits durch Zeichen gedeutet oder wahrgesagt worden war. Dieses Erkenntnismodell ist von modernen Erkenntnismodellen grundstzlich unterschieden, weil es bereits die Wahrheit der Zeichen voraussetzt. Ich habe von einer „kognitiven Differenz“ gesprochen, um dieses spezifische Verhltnis zwischen Wahrheit und Bedeutung zu charakterisieren. Ein Beispiel: Sobald die Reisenden am Averner See angelangt waren, hatte Cluver nichts Eiligeres zu tun als den Eingang zur Unterwelt durch Autopsie zu beglaubigen, von dem Vergil in dem berhmten sechsten Buch der Aeneis berichtet hatte. Man sollte nicht vergessen, dass in der zeitgençssischen Poetik das Epos von der Geschichtserzhlung nur durch das Kriterium der gebundenen Rede unterschieden war. Im Hinblick auf den Wahrheitsanspruch sind beide Gattungen jedoch identisch. Der Eingang zur Unterwelt ist fr Cluver ein derartiges Zeichen – man kçnnte geradezu von einem Wahr-Zeichen sprechen – dem eine gleichsam experimentelle Erfahrung zuzuordnen war. Jahrzehnte spter hat Holstenius behauptet, dass Cluver keineswegs alles mit eigenen Augen gesehen hatte, wenn er die Bedeutung historischer Sttten erluterte. Offenbar reichte bereits die Supposition einer Erfahrung hin, die dann gar nicht mehr wirklich gemacht werden musste. In den Jahren 1622 und 1623 hielt sich Holstenius zu Forschungen in Oxford auf. Damals entstanden zahlreiche Exzerpte aus der antiken Literatur, die ihm die Handschriften der Bodleian Library bereitstellte. Im Sommer 1625 traf er in Paris ein, wo er rasch Zugang zu dem gelehrten Kreis der Brder Dupuy fand.10 ber die Vermittlung des provenÅalischen Gelehrten Claude-Nicolas Fabri de Peiresc11 und des rçmischen Altertumsforschers Girolamo Aleandro lernte Holstenius den jungen Kardinal Francesco Barberini kennen. Francesco, der sich in diplomatischer Mission in Paris aufhielt, sich aber hauptschlich seinen wissenschaftlichen Interessen widmete, bot Holstenius die Verwaltung seiner Privatbibliothek an. Im Juli 1627 begab er sich nach Rom und war seither Mitglied des Kardinalshaushalts.12 10 Vgl. Plissier 1886 – 1888, Amis d’Holstenius. 11 Zu diesem vgl. Miller 2000, Peiresc’s Europe. 12 Vgl. Vçlkel 1993, Rçmische Kardinalshaushalte; zum weiteren Kontext der Barberini in Rom vgl. Pecchiai 1959, Barberini; Fosi 1997, Ombra dei Barberini.
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ber die Motive der noch in Paris erfolgten Konversion zum Katholizismus hat sich Holstenius am 9. Juli 1631 gegenber seinem Fçrderer Peiresc geußert. Es ist nicht unwichtig, dass er gerade damals die Frontstellung zwischen christlichem Platonismus auf der Seite des Katholizismus und neuscholastischem Aristotelismus auf der Seite der Lutheraner mit aller Schrfe betont hat: Als ich nmlich sah, daß Bessarion, Steuco und andere die Lehre Platons durch die Schriften der heiligen Vter bekrftigten, widmete ich mich ganz der Lektre der lateinischen und griechischen Werke, in denen jene die betrachtende und mystische Theologie untersuchen, durch welche der Geist zu Gott hin aufgerichtet wird. Und so geschah es, daß ich die gçttliche und wohlgegrndete Denkart der heiligen Vter von ganzem Herzen bewunderte und bald nahezu unvermerkt gewahr wurde, daß ich in den Schoß der katholischen Kirche gesetzt sei: was auch Augustinus in seinen Preisungen bezeugt, daß es ihm widerfahren sei. Jene gçttlichen Betrachtungen richteten meinen Geist so zur Erkenntnis der Wahrheit auf und bestrkten ihn, daß er durchaus nicht durch die Widerwrtigkeiten und kleinlichen Untersuchungen, welche die mit dem Glauben beschftigten Neuerer zu bewegen pflegen, in Unttigkeit verfallen sei.13
Worum es in jenem Streit um Galileis Heliozentrismus in Holstenius’ Perspektive ging, war vor allem auch eine Rettung des Modells des christlichen Platonismus, der durch den protestantischen Schul-Aristotelismus einerseits und durch die von den Jesuiten bevorzugte spanische Neuscholastik andererseits zunehmend bedroht worden war. Auch hier wieder handelt es sich um den – machtpolitischen – Geltungsanspruch von Deutungen: Die Freiheit des Denkens und der Forschung (die libertas philosophandi), die von den Philologen und Antiquaren eingefordert wurde, wurde in jenen Jahren in zunehmendem Maße durch den Vorwurf des Libertinismus und der Idololatrie denunziert.14
13 Holstenius 1817, Epistolae ad diversos, 224: „Cum enim a Bessarione, Steucho aliisque Platonis doctrinam SS. Patrum scriptis confirmari viderem, totum me Latinis Graecisque operibus legendis dedi, quibus illi contemplativam et mysticam quoque theologiam pertractant, qua in Deum animus excitatur. Atque ita factum est, ut SS. Patrum divinam ac solidam philosophandi rationem toto animo admirarer, et mox inscius ferme in catholicae ecclesiae gremio me constitutum cernerem: quod sibi quoque usu venisse D. Augustinus in Confessionibus testatur. Meum sane animum divinae illae contemplationes adeo ad veritatis cognitionem erexerunt, et confirmarunt, ut nequaquam circa tricas et quaestiunculas, quales de Fidei negotio novatores movere solent, post modum langueret.“ 14 Vgl. Pintard 1943, Libertinage rudit.
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Mit dem Aufstieg der Barberini kam dem Sonnenmythos eine besondere Bedeutung zu. Das heilsame Werk, das Maffeo Barberini mit der Wahl zum Papst Urban VIII. in Angriff genommen hatte, wurde blicherweise mit den wrmenden Strahlen verglichen, durch die die Sonne alles Irdische belebt. Antike Mnzen zeigten die Sonnenscheibe flankiert von Lçwen;15 bereits die Nativitt Maffeos im Zeichen des Lçwen musste auf sein knftiges Amt gedeutet werden.
3. Variationen des Sonnenmythos: Archologie, Malerei, Musik Entscheidend ist fr unsere Betrachtung, dass die Propaganda des Hauses Barberini dem Sonnenmythos eine bemerkenswerte Rolle in der çffentlichen Reprsentation des Papstes zugesprochen hatte. Ich mçchte in aller Krze vier Beispiele fr die Persistenz des Sonnenmythos geben: eines aus dem Bereich der Archologie, zwei aus dem Bereich der Malerei und abschließend eines aus dem Bereich der Musik. Die Beispiele sind chronologisch angeordnet, und sie erstrecken sich von der Frhzeit von Galileis astronomischen Forschungen ber die kurze Epoche des Dialogs ber die Weltsysteme bis in die Zeit nach seiner Verurteilung. 1. Der Altertumsforscher Lorenzo Pignoria (1571 – 1631) hatte im Jahr 1606 auf dem Kapitol eine Marmorplatte entdeckt, die eine Mithrasgrotte darstellte.16 Pignoria berichtete zehn Jahre spter darber in einem Aufsatz, den er seiner Edition von Vincenzo Cartaris Untersuchung Le vere e nove imagini de gli dei delli antichi beigefgt hat.17 Obwohl das Marmorrelief stark verwittert war, konnte er auf dem Bauch des MithrasStieres die Worte „deo soli invict[o][…] mithre“ entziffern. ber der Grotte waren Sonne und Mond mit ihren Pferdegespannen zu sehen. In den Mithras-Mysterien, so referierte Pignoria nach Porphyrs Abhandlung De abstinentia, seien die Mnner als Lçwen, die Frauen als Lçwinnen, andere als Raben, Adler oder Sperber bezeichnet worden. Pignorias Zeitgenossen waren fasziniert von den Mysterien des Mithraskultes.18 Gewiss, die Opferrituale erregten denselben Schauder wie alle 15 Vgl. Delatte/Derchain 1964, Intailles magiques, 215 – 232, hier § 5; Hfner 2003, Gçtter im Exil, 145. 16 Vgl. hierzu Hfner 2003, Gçtter im Exil, 110 f. 17 Vgl. „Annotationi di Lorenzo Pignoria, al libro Delle Imagini del Cartari“, in: Cartari 1615, Vere e nove imagini, 501 – 576, hier 505 f. 18 Zu diesem selbst vgl. Merkelbach 1984, Mithras.
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Zeugnisse der heidnischen Idololatrie; aber die ußerlichen Zeichen dieses ersten Gçtzendienstes verbargen offenbar das Geheimnis des Monotheismus: ein wahres Substrat also, wie es die dem „einzigen unbesiegbaren Gott“ gewidmete Inschrift anzeigte. 2. Im Jahr 1628 legte man das Fundament fr die neue Residenz der Barberini, den sogenannten Palazzo Barberini alle Quattro Fontane.19 Die Arbeiten schritten rasch voran, so dass Andrea Sacchi bereits 1629 mit der Ausmalung der Decke eines reprsentativen Salone auf dem Piano nobile des Nordflgels beginnen konnte. Das Fresko zeigt in der Mitte die Personifikation der ‘Gçttlichen Weisheit’ (divina sapientia), von der alles Licht, das den weiten Himmelsraum erleuchtet, auszugehen scheint.20 Sie sitzt auf einem goldenen, reich verzierten Thron, dessen Fuß mit zwei flankierenden Lçwen geschmckt ist. Ikonologisch handelt es sich offenbar um denselben Typus der von zwe Lçwen bewachten Sonnenscheibe, wie sie uns von alten Mnzen bekannt ist.21 Die ‘Gçttliche Weisheit’ ist von elf weiblichen Tugendallegorien sowie von Amor mit dem Lçwen und Timor mit dem Hasen umgeben, die sie gleichsam zu umkreisen scheinen. In diesen Reigen reiht sich der Erdglobus zu ihren Fßen ein, der in seiner karthographischen Genauigkeit zur Irritation Anlass gibt. Das Verhltnis, in dem die sonnengleiche ‘Gçttliche Weisheit’ und die von ihr partiell erleuchtete Erde stehen, schließt – um es vorsichtig auszudrcken – eine heliozentrische Interpretation des gesamten Programms zumindest nicht aus. Die Vermutung, Sacchi habe ein heliozentrisches System dargestellt, wird noch durch die Tatsache bestrkt, dass Tommaso Campanella der Urheber des Programms ist.22 Campanella hatte bekanntlich 1616 – im Jahr der ersten Verurteilung Galileis durch Roberto Bellarmin – die Apologia pro Galilaeo, mathematico florentino verfasst, die jedoch erst 1622, im Jahr vor dem Tod Gregors XV. und der Wahl Urbans VIII., erschienen war.23 Urban VIII., der Galileis Forschungen zur Zeit der Entstehung des Freskos noch vorbehaltlos guthieß, konnte in Sacchis Gemlde einen Hymnus auf die Stellvertreterschaft des Papstes auf Erden 19 Vgl. Blunt 1958, Palazzo Barberini; Waddy 1985, Taddeo Barberini; Waddy 1990, Roman Palaces. 20 ber die Deckengemlde vgl. Scott 1991, Images of Nepotism. 21 Vgl. oben, Anm. 15. 22 Vgl. Scott 1991, Images of Nepotism, 93. Scotts These wurde von Michel-Pierre Lerner in Frage gestellt, ohne dass er jedoch eine plausible Begrndung htte geben kçnnen. Vgl. Lerner 1995a, Tommaso Campanella, 148. 23 Zu Campanellas Verhltnis zu Galilei vgl. Lerner 1995b, Science galilenne.
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sehen, der von helfenden Satelliten, den Erdkreis zu regieren, umgeben ist. In unbertrefflicher Weise bringt das Gemlde die biblische (salomonische) Weisheit, das Herrscherlob und das heliozentrische Weltbild zur Deckung. Nach der Berichtigung des Kalenders von 1582 bekrftigte die Kurie ein weiteres Mal ihre providentielle Rolle gegenber den anderen Konfessionen, indem sie das astronomische Weltbild richtigstellte. 3. Bald nach dem Beginn des Pontifikats Papst Urbans VIII., vermutlich im Jahr 1625, hatte sich Nicolas Poussin dauerhaft in Rom niedergelassen.24 Rasch gehçrte er zu den gefragtesten Malern, dessen rtselhafte Sujets zu den begehrtesten Spielwerken der rçmischen Aristokratie gehçrten. Eines der frhen, nicht datierten Gemlde – es entstand vermutlich zwischen 1629 und 1635 – zeigt Helios und Phaethon mit Saturnus und den vier Jahreszeiten.25 Das Sujet wurde bisher stets vor dem Hintergrund der Erzhlung bei Ovid, Met. II, gelesen. Phaethon bittet Helios, den Sonnenwagen lenken zu drfen. Auf den ersten Blick scheint das Sujet also bloß ein mythologisches Motiv zu illustrieren und folglich einer heliozentrischen Interpretation gnzlich zu widerstreben; und dennoch fgt es sich in den Rahmen des neuen Weltbildes. Poussins Sujet – so meine These – ist nicht die Illustration eines im brigen beliebten Mythologems, sondern eine Allegorie der Zeit – wie er brigens deren mehrere gemalt hat.26 In Ovids Phaethon-Mythos tritt der Zeitgott berhaupt nicht auf. Poussins Sujet wird jedoch wesentlich von ihm bestimmt. Auf geflgelten Sohlen durcheilt Kronos den Zeitenraum, der sowohl die irdische Zeit – die Vier Jahreszeiten – als auch die kosmische Zeit – den Zodiakalkreis – umgreift. Helios-Apollon, auf seine Leier gesttzt, nimmt in seiner vçllig ruhenden Haltung die Positur antiker Herrscherdarstellungen ein. Der verborgene Sinn des Bildes çffnet sich etwas weiter, wenn man es nicht von der von Ovid erzhlten PhaethonGeschichte liest, sondern es in den Zusammenhang von Plutarchs Platonischen Fragen 27 und Proklos’ Sonnenhymnus stellt. Proklos’ Hymnus auf Helios war in den Kreisen der Heliozentriker nicht nur durch Johannes Kepler prsent; im engsten Barberini-Zirkel arbeitete Holstenius 24 Vgl. Blunt 1960, Premire priode romaine; Wild 1980, Nicolas Poussin; Santucci 1985, Poussin; Wright 1989, Poussin. 25 Vgl. Wright 1989, Poussin, Kat.-Nr. 50. 26 Vgl. das Gemlde Allegorie vom Tanz des Lebens (Il Ballo della vita humana), Wallace Collection, London (Wright, Kat.-Nr. 115), sowie meine Deutung im Kontext des rçmischen Neuplatonismus in: Hfner 2003, Gçtter im Exil, 98. 27 Zu Plutarch vgl. ausfhrlich weiter unten.
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damals an einer neuen lateinischen bersetzung des selben. Zwar hatte Proklos den die Jahreszeiten regierenden Sonnengott in Bewegung gedacht, aber er ließ die Mçglichkeit der Interpretation des Hymnus nach dem verborgenen – unaussprechlichen – Sinn zu. 4. In den vierziger Jahren des 17. Jahrhunderts schrieb der rçmische Komponist Luigi Rossi (1597 – 1653) die Kantate Ergi la mente al sole. Der Hauptteil wird von dem Wechselgesang des rezitativen Bass-Solos, das die Sonne (Il Sole) personifiziert, und einem ariosen, meist dreistimmigen Sopran bestimmt. Von fnfstimmigen Madrigalen gerahmt, steht sie in der fr den sakralen Raum konzipierten Tradition der geistlichen rappresentazione. Man darf von Rossis Kantate keine allzu große Originalitt erwarten; derartige Werke waren fester Bestandteil des geistlichen Musiklebens jener Zeit. Stilistisch steht sie eher in der Tradition der rçmischen Oper des elf Jahre lteren Stefano Landi, oder auch umgekehrt: die zeitgençssische Oper bedient sich bereitwillig des geistlichen Formenrepertoires. Die Aufforderung ‘Richte Deinen Geist auf die Sonne’ ist eine scharfsinnige Kontrafaktur des prominenten mosaischen Idololatrie-Verbots aus Deuteronomium 4,19: „daß du auch nicht deine Augen aufhebest gen Himmel und sehest die Sonne und den Mond und die Sterne, das ganze Heer des Himmels, und fallest ab und betest sie an und dienest ihnen, welche der HERR, dein Gott, verordnet hat allen Vçlkern unter dem ganzen Himmel.“ Wir haben es also schon im Titel der Kantate mit einer ausgesprochen deutlichen Idololatrie-Kritik zu tun. Dass das Werk in den Kontext der zeitgençssischen Idololatrie-Debatte gestellt ist, wird durch die Rede der personifizierten Sonne deutlich. Der Sonnendmon stellt sich als Weltseele vor, die – bemerkenswert genug – im Mittelpunkt und in den Himmelssphren wirksam ist: „Son anima del mondo,/ operosa nel centro e nelle sfere,/che quelle d’astri, e questo d’or fecondo.“ Die Pflanzen danken es ihm mit einem stummen musikalischen Applaus. Die Vçgel mit ihrem Morgengesang und die suselnden Winde wetteifern in ihrem Bestreben, „Anbeter“ („adorator“) des Sonnenlichts zu sein. Aber die Vçgel sind nicht die einzigen „gçtzendienlichen Snger“ („canori idolatri“), die dem Sonnendmon in ihrer Verblendung Tribut zollen. „Alles begegnet meinem Leben spendenden Auge mit Ehrerbietung, sei es nun mit ausgesprochenen Worten oder mit einer stummen Sprache.“ („tutto, con noto, tacito linguaggio,/al mio ciglio vital paga l’hommaggio“). Die dann folgende dreistimmige Sopran-Arie verleiht dieser Ehrerbietung unmittelbar sinnlichen Ausdruck. Unsere Erde, so heißt es dort,
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wre ein „dunkles Verlies“ („prigion oscura“), wrde sie nicht durch die „unerschçpfliche Strahlenquelle“ zum heiteren Tag erweckt. Die ganze Natur wrde in der Finsternis ihres Schmerzes klagen. Im zweiten Rezitativ macht der Sonnendmon jedoch deutlich, dass er berhaupt nicht der Verehrung wrdig sei „in Vergleich zu dem, der mit mchtigem Klang mich zum Herrschen erweckte.“ Dieser ist, mit einer ausgesprochen barocken rhetorischen Figur, der „Sohn des Nichts“. Im Verhltnis zu Ihm, der in jenem unerschçpflichen Licht sich verbirgt, so der Sonnendmon weiter, „bin ich ein Wolkengespinst, Rauch und Schatten“, „ein schauerliches Ungeheuer, ein Gespenst des Vergessens“ („un mostro d’horror, larva d’oblio“). Der Schluss dieses Rezitativs ist auch deshalb bemerkenswert, weil dieses lichte „Gespenst des Vergessens“ fr den Menschen zugleich ein Zeichen der Erinnerung, ein Zeitenzeiger nmlich, ist. Der Sonnendmon erniedrigt sich nicht nur im Anblick des verborgenen Gottes, er erniedrigt sich auch vor den Glubigen, wenn er seine Lichtstrahlen auf den Boden der Kirche wirft: „Ich rhme und bescheide mich dabei, das Fundament und der Fußboden zu sein, nicht nur fr Ihn, sondern auch fr die Fße seiner Diener.“ („Io mi glorio e mi contento/d’esser base e pavimento,/ non ch’a lui alli pi de servi sui“). Man wird es lngst bemerkt haben, dass der unbekannte Textdichter – innerhalb dieser unendlich oszillierenden barocken Rhetorik – sehr przise die Anlage sogenannter astronomischer Meridiane zum Zwecke der Zeitmessung beschrieben hat. Derartige Gnomone, die seit der Antike in Gebrauch waren, finden sich auf dem Fußboden mehrerer rçmischer Kirchen. Die Kantate ist zugleich ein berckend schçnes Beispiel fr die Leichtigkeit, mit der man im damaligen rçmischen Ambiente die Beschreibung eines mathematischen Przisionsgerts und die Rhetorik mystischer Affekte in eins zu setzen vermochte: „Ich werde darin geradezu bermtig“, so der Sonnendmon, „denn die Spur, die mir ein vorber ziehender Engel aufdrckt, erstrahlt noch sehr viel leuchtender als ich.“
4. Campanellas Hypothesen Unsere vier Beispiele mçgen gengen, um zu zeigen, dass der Sonnenmythos fr die rçmischen Antiquare, Knstler und Wissenschaftler der Zeit eine Herausforderung im Blick auf die katholische Dogmatik darstellte. Campanella, der Erfinder des Programms von Sacchis Deckenfresko, war seit
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1626 in den Zellen des Heiligen Offiziums inhaftiert und erlangte erst im Januar 1629 seine Freiheit wieder. Seit Juni 1628 befand er sich im Dominikanerkonvent von S. Maria sopra Minerva im Hausarrest. Am Vorabend des Pfingstfestes 1628 hatte er in einem Memorandum seine berzeugung widerrufen, dass das heliozentrische Weltbild die wahren Verhltnisse am Himmel abbildete. Diese Stellungnahme gehçrt in die Vorgeschichte der Verurteilung Galileis. Mit Campanella, der mit Urban VIII. in engstem Kontakt stand, war einer der wichtigsten Verteidiger Galileis ausgeschaltet. In dem im Heiligen Offizium verfassten Memorandum legte Campanella dar, dass die Auseinandersetzungen ber die Konsistenz der Himmelsumlufe eine „geheime Verschwçrung der Wissenschaftler unserer Zeit“ sei, die darauf gerichtet sei, die „Wahrheit des Evangeliums zu verdunkeln“. Diese Verschwçrung sei ein Zeichen der drohenden Apokalypse, wie Campanella mit dem Apostel versicherte: „In den letzten Tagen werden Betrger kommen und umhergehen und sagen: ‘Wo ist die Verheißung und die Ankunft jenes [sc. des Heilands]?’“28 Wie aber verhielt sich Campanella nun zum heliozentrischen Weltsystem? Seine Argumentation ist deshalb so spannend, weil er mit der Widerlegung Galileis zugleich auch die von den Jesuiten favorisierte aristotelische Astronomie desavuierte. Fr Campanella stand fest, dass die Gegenwart einer apokalyptischen Endzeit sich von der Himmelskonfiguration zur Zeit des Aristoteles grundlegend gewandelt hatte. Hatte Aristoteles behauptet, dass die Himmelskçrper whrend vieler Jahrtausende weder Ort noch Bewegung, weder Zahl noch Grçße nderten, so schien die Verheißung Christi, jener „fleischgewordenen Weisheit“, sich nun zu verwirklichen: „Die himmlischen Mchte werden sich [aus ihren rtern] bewegen und die Sterne werden vom Himmel herabfallen.“29 Damit waren die aristotelischen Gesetze der Physik außer Kraft gesetzt. Die Planeten seien der Erde inzwischen gefhrlich nahe gekommen, und die Sternbilder, die ihre ‘Huser’ gewechselt hatten, machten die Korrektur des Kalenders unter Gregor XIII. notwendig, um das irdische mit dem astronomischen Jahr wieder in bereinstimmung zu bringen. Campanellas Volte gegenber dem Heiligen Offizium war ebenso verblffend wie unangreifbar, und sie ist zugleich ein Meisterstck ‘politischer’ Rhetorik, indem er darlegte: Er, Campanella, habe niemals behauptet, dass 28 Tommaso Campanella, Brief an Urban VIII., „Dal Sant’Offitio la vigilia dello Spirito Santo 1628“, Reinschrift, nicht von Campanellas Hand, BAV, Cod. Barb. lat. 6465, foll. 1r–6v, hier fol. 1r. 29 Tommaso Campanella, Brief an Urban VIII., BAV, Cod. Barb. lat. 6465, fol. 1v.
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Urban VIII. die Ansicht des Kopernikus ber die Bewegung der Erde teile, aber es stehe nichts im Wege, „nach den Regeln der Logik“ hypothetic zu erwgen, welche Planetenverhltnisse sich ergben, „wenn sie sich bewegte“. Und Campanella schloss: „Denn in der Tat war es notwendig, Kopernikus zu folgen, die Reform des Kalenders nmlich erhlt wahre und mchtige Besttigungen von seinen Beobachtungen, wenn auch nicht von seinen Lehren.“30
5. Lsst sich der Heliozentrismus aristotelisch interpretieren? Man sieht leicht, dass es in diesen Diskussionen berhaupt nicht mehr um die Wahrheit von Beobachtungen und Argumenten ging, sondern um die Gltigkeit des Aristotelismus fr die katholische Dogmatik. Die Befrworter des Heliozentrismus waren zumeist ausgesprochene Platoniker, wie sehr sich auch der Platonismus eines Kepler von dem eines Galilei unterscheiden mochte. Das neue Weltbild, das die offizielle kirchliche Dogmatik zum Einsturz bringen konnte, brachte den Platonismus folglich in den Ruf des Libertinismus. Mit dem neu-paganen Libertinismus schien aber auch der Idololatrie wieder Tr und Tor geçffnet. Es mag zunchst vielleicht etwas irritieren; aber dieser Zusammenhang von Libertinismus, Platonismus und Idololatrie konnte deshalb bisher noch berhaupt nicht wahrgenommen werden, weil man den aristotelischen Geozentrismus stets aristotelisch und den Heliozentrismus stets vor dem Hintergrund der platonisierenden Tradition gesehen hat. Interpretiert man jedoch das heliozentrische System im Kontext der aristotelischen Metaphysik, so fhrt Galileis Weltbild zu der fr viele schockierenden Einsicht, dass die Idololatrie – der Sonnendienst – der einzig wahre Gottesdienst wre. Galilei hatte behauptet, dass die Planeten auf ihren Bahnen von der – selbst unbewegten – Sonne im Mittelpunkt des Universums herumgefhrt wrden. Fr 30 Tommaso Campanella, Brief an Urban VIII., BAV, Cod. Barb. lat. 6465, fol. 4v : „[…] E poi perche num. 8 non dissi, che V[ostra] B[eatitudine] fauorisse all’opinion di Copernico; m perche nell’Jndice nouo st scritto se ben mi ricordo, per ordine di V[ostra] B[eatitudine] che si pu tener hypothetic il suo libro quando dice, che la terra si muoue, mettendo questa conditionale se si mouesse, seque &c. et conditionalis non ponit in esse per regola logicale non ho inferito, che V[ostra] B[eatitudine] fauorisse questa opinione, ma che sustinendam hypothetic cum philosophorum commodo, et Reip[ublicae] incolumitate simul mira prouidentia curauit. Perche in vero era necessario tener Copernico, perche la riforma del Kalendario h testimonianze vere e povtenti dalle sue osseruationi, ma non dall’opinioni […].“
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die aristotelische Metaphysik jedoch ist Gott der das All durchherrschende „unbewegte Beweger“. Aus dieser Annahme ergeben sich bestimmte anthropozentrische Folgerungen im Blick auf das Verhltnis der ruhenden Erde mit seinen vornehmsten Bewohnern und dem „gleich wie ein Geliebtes“ bewegenden Gott.31 Diese Folgerungen sind in vielfltiger, hier nicht zu reflektierender Weise in die christliche Dogmatik seit Thomas von Aquin, dem Autor einer Summa contra gentiles, eingeflossen. Indem Galilei die Sonne in den ruhenden Mittelpunkt des Alls rckte, von dem aus alle Himmelsbewegungen unter Einschluss der Bewegung der Erde abhngen, hat er nicht nur den Menschen mit seinem Planeten marginalisiert, wie Blumenberg zurecht betont hat. Galileis Ansicht hatte vielmehr zur Folge, dass die unbewegte Sonne – aristotelisch gesehen – mit dem unbewegten Beweger identisch war! Der sichtbare Sonnenkçrper also war – zumindest im Lichte der Darlegungen der aristotelischen Metaphysik – der „Gott selbst“, der sich den Geschçpfen der Verehrung darbot. Betonen wir noch einmal, dass es sich bei der Anklage gegen Galilei also nicht um die Suche nach wissenschaftlicher Wahrheit handelte, sondern um die Frage der Geltung der aristotelischen Metaphysik im Hinblick auf die dogmatische Begrndung des Glaubens. Der Sonnenkult war inzwischen so eng mit der Symbolik und dem Herrschaftsanspruch der Barberini verknpft, dass der ‘Fall’ Galilei sich zu einem Fall des Papstes auszuwachsen drohte. Htte Urban VIII. seine Anhngerschaft Galileis aufrechterhalten, so htte er sich auf der Grundlage der – dogmatisch verbindlichen – aristotelischen Metaphysik dem Vorwurf der Idololatrie und des neu-paganen Libertinismus ausgesetzt. Der Jesuit Orazio Grassi hatte bereits offen von der Mçglichkeit eines Staatsstreichs – einer Entmachtung des Papstes – gesprochen.32 Der ‘Beweis’der Idololatrie des Papstes, der bekanntermaßen die Nhe zu Freidenkern wie Galilei und Campanella suchte, htte nicht nur innerhalb der rçmisch-katholischen Intriguen Aufsehen erregt; er htte auch die politische Stellung des Heiligen Stuhls in der Auseinandersetzung mit dem Protestantismus mçglicherweise entscheidend geschwcht. Der persistente Vorwurf, der Papst sei der Anti-Christ, htte sich auf verblffende Weise besttigt.
31 Vgl. Aristoteles, Met. 1072 b3. 32 Vgl. Redondi 1991, Galilei.
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6. Lucas Holstenius ber das System des Philipp Lansberghe Nehmen wir all diese Aspekte zusammen, so haben wir eine sozialgeschichtlich einzigartige Konstellation vor uns. Wenn es eine Rettung Galileis und des Heliozentrismus gab, so konnte sie in der Tat nicht durch zustzliche Beobachtungen oder Experimente, sondern nur auf dem Wege sachhaltiger Argumente erreicht werden. Francesco Barberini, der den Vorsitz der Sonderkommission innehatte, war einer der leidenschaftlichsten Anhnger Galileis. Es lag deshalb nahe, dass er seinen Bibliothekar, Lucas Holstenius, um ein Gutachten in dieser Sache bat. Gewiss, man durfte von Holstenius keine Apologie Galileis erwarten, wie sie Campanella ein Jahrzehnt zuvor unternommen hatte – mit den bekannten Folgen, die 1628 in den vom Heiligen Offizium erzwungenen Widerruf mndeten. Holstenius sammelte vielmehr Zeugnisse aus der doxographischen berlieferung der antiken Literatur, die er – und darin liegt das eigentlich erstaunliche Ereignis – dem 1630 publizierten Traktat ber die Erdbewegung von Philipp Lansberghe entnahm. Philipp van Lansberghe (1561 – 1632) wies in dieser Schrift die tgliche und jhrliche Bewegung der Erde nach, nachdem er sich bereits eingehend mit den Problemen der Chronologie der heiligen Geschichte im Anschluss an Joseph Justus Scaligers De emendatione temporum (1583) beschftigt hatte.33 Lansberghe, obwohl Protestant, war fr eine Verteidigung des Heliozentrismus – sollte sie denn gelingen – umso besser geeignet, als man ihm, anders als Galilei, nicht den geringsten Vorwurf des Libertinismus machen konnte. Wo immer mçglich, sicherte sich Lansberghe nicht nur durch das Zeugnis der Kirchenvter ab; er versuchte vielmehr nachzuweisen, dass das kopernikanische System vorzglich mit der christlichen Dmonologie – mit der Auffassung eines von guten und bçsen Geistern durchherrschten Universums – zusammenstimmte. In Galileis Himmelsmechanik hatten die Geister keinen Ort mehr. Galileis Ablehnung und Desinteresse an der Keplerschen Astronomie hatte bekanntlich darin ihren Grund, dass er ihm vorwarf, noch immer mit okkulten Krften zu operieren. Ich mçchte aus Holstenius’ Exzerpt De systemate mundi Copernici & Lanspergij drei Aspekte herausheben, die mir fr den Umgang der philologischen Textkritik mit der doxographischen berlieferung besonders ergiebig zu sein scheinen. 1. Unter der berschrift Terram moveri alij quoque docuerunt findet sich eine Aufstellung der wichtigsten Textzeugen fr die Annahme der Erd33 Zu Scaliger vgl. Grafton 1983 – 1993, Joseph Scaliger.
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Abb. 1 Lucas Holstenius: De systemate mundi Copernici & Lanspergij.
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Abb. 2 Lucas Holstenius: Terram moveri alij quoque docuerunt.
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Abb. 3 Lucas Holstenius: Platonis sententia in Timaeo.
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bewegung, die von Herakleides Pontikos ber Demokrit bis zu Aristarch von Samos und dem Babylonier Seleukos reicht. Quellen der berlieferung sind der immer wieder zitierte Timaios-Kommentar des Proklos, das Florilegium des Johannes Stobaios und Plutarch. 2. Vor dem Hintergrund unserer Beobachtung, dass der ‘Fall’ Galilei im Kern eine Auseinandersetzung ber den politischen Geltungsanspruch des Aristotelismus war, kam der Frage erhebliches Gewicht zu, ob bereits Aristoteles’ Lehrer Platon Heliozentriker gewesen sei. Wenn man nachweisen konnte, dass Platon in Wahrheit den Heliozentrismus favorisiert hatte, so war zumindest der schwerwiegendste Vorwurf der Idololatrie entkrftet. Unter der berschrift Platonis sententia in Timaeo findet sich eine einlssliche Diskussion des Problems. Auch wenn die entsprechende Stelle Tim. 40 b8–c3 allbekannt ist, mçchte ich sie dennoch in dem Zusammenhang zitieren, in dem sie in unserem Exzerpt erscheint. Sie figuriert hier nmlich nicht als unmittelbar aus Platons Dialog gezogenes Zitat, sondern als Referat aus dem zweiten Buch von Aristoteles’ Abhandlung De coelo. Diese Perspektivierung gibt nicht nur unserer These, dass es sich bei dem ‘Fall’ Galilei um eine Auseinandersetzung um den herrschenden Aristotelismus handele, entscheidendes Gewicht, sie ist auch umgekehrt ein vorzgliches Beispiel fr die Autoritt, die die Textkritik im Blick auf die Entscheidung dogmatischer Fragen inzwischen gewonnen hatte. Unser Exzerpt beginnt zunchst mit einer Paraphrase des entsprechenden Abschnitts bei Aristoteles, wie man sie von den humanistischen Aristoteles-Kommentaren kennt: Aristoteles lib[ro] 2. de coelo, postquam Pythagoreos impugnasset qui terram circa ignem mundi centrum in orbem verti statuebant, ait, illos terram quidem in centro universi posuisse, sed motum rotationis eidem tribuisse: atque id a Platone in Timaeo scriptum asserit. hinc acris contentio Platonicorum contra Aristotelem de vera Platonis mente. quo loco scribit: c/m d³ tqov¹m lem Blet´qam, Qkkoul]mgm d³ tμm peq· t¹m d·a pamt¹r pºkom tetal]mom, vukaja ja· dgliouqc¹m mujtºr te ja· Bl]qar 1lgwam¶sato, pq~tgm ja· pqesbut\tgm he_m fsoi 1mt¹r oqqamoO cecºmasim.34 34 Holstenius, BAV, Barb. gr. 69, fol. 56v : „Nachdem er die Pythagoreer angegriffen hatte, die behaupteten, daß die Erde um das Weltfeuer gefhrt werde, sagt Aristoteles im zweiten Buch der Abhandlung ber den Himmel, daß sie zwar die Erde im Zentrum des Alls aufgestellt haben, derselben aber eine Rotationsbewegung beigelegt haben: und er behauptet, daß Platon dies im Timaios geschrieben habe. Daher die unerbittliche Auseinandersetzung der Platoniker mit Aristoteles ber Platons eigentliche Ansicht. An jenem Ort schreibt er: ‘Die Erde aber, unsere Ernhrerin,
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Es war seit lngerem bekannt, dass die berlieferung dieses Zitats gerade an der entscheidenden Stelleproblematisch war. Fr uns ist jedoch ein weiterer Umstand bemerkenswert: Die Frage war nmlichnun berhaupt nicht mehr, ob der Heliozentrismus durch Beobachtungen und Berechnungen von der Art, wie sie Galilei durchgefhrt hatte, nachgewiesen werden konnte, sondern vielmehr, inwieweit die Textkritik in der Lage war, dem Heliozentrismus durch die Autoritt Platons gegenber dem Aristotelismus Geltung zu verschaffen. In unserem Exzerpt lesen wir weiter: Tota haec controversia ab una litera dependet. nam Aristoteles eRkoul]mgm legerat, ubi alij constanter Qkkol]mgm legunt. hoc esse, ut Proclus lib[ro] 4. p. 281 explicat, sviccol]mgm jai numewol]mgm ; ut Simplicius ad d[ictum] l[ocum] Aristotelis pag. 125.l. [?] pqosdedecl]mgm : quod & Apollonij Rhodij auctoritate comprobat. Uterque autem varijs rationibus ex alijs locis Platonis & Timaei libellorum petitis Aristotelis explicationem refutat. neque aliter Chalcidius pag. 214 Platonis mentem explicat, qui Qkkol]mgm, constrictam, vertit.35
Behauptete Platon also, dass die Erde – „unsere Ernhrerin“, „Wchterin und Werkmeisterin von Nacht und Tag“ – „sich um die durch das All gespannte Achse wlzt“ (bersetzung Zekl), oder wollte er nur sagen, dass die Erde, „unsere Ernhrerin“, ‘um die Achse herum „zusammengedrngt ist“ oder „im Zaum gehalten wird“’? 3. Auch wenn man die erste und im allgemeinen anerkannte Lesart annimmt, so muss das Wort Qkkoul]mgm nicht unbedingt die Bewegung der Erde bedeuten, ganz abgesehen davon, dass von der zentralen, ruhenden Stellung der Sonne ja berhaupt nicht die Rede ist. Dass Holstenius (mit Lansberghe) die Stelle des Timaios dennoch zugunsten des supponierten welche um die durch das All gezogene Achse herumgeballt ist, bildete er zur Wchterin und Werkmeisterin von Tag und Nacht als die erste und lteste von den Gottheiten, soviel ihrer innerhalb des Weltgebudes entstanden sind.’“ (Vgl. Platon, Tim. 40 b8–c3. bersetzung Franz Susemihl). 35 Holstenius, BAV, Barb. gr. 69, fol. 56v : „Diese ganze Kontroverse hngt von einem einzigen Buchstaben ab. Aristoteles nmlich hatte eRkoul]mgm [wlzt sich, d. h. ist in Bewegung] gelesen, wo andere stets Qkkoul]mgm [zusammengedrngt] lesen: das heißt, wie Proklos im vierten Buch, S. 281, erlutert, sviccol]mgm jai numewol]mgm [zusammengeschnrt und zusammengehalten]; wie Simplikios am angegebenen Ort der Schrift des Aristoteles, S. 125, pqosdedecl]mgm [zusammengebunden]: was er auch durch die Autoritt des Apollonios von Rhodos besttigt. Beide aber verwerfen aus verschiedenen Grnden, die sie aus anderen Stellen der Traktate Platons und des Timaios genommen haben, die Auslegung des Aristoteles. Genau so legt Chalcidius, S. 214, die Ansicht Platons aus, indem er Qkkol]mgm mit „constrictam“ [zusammengeschnrt], bersetzt.“ (Vgl. Aristoteles, De coelo 293 b30 – 33).
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Heliozentrismus Platons auszulegen gedachte, macht ein wichtiger Zusatz deutlich, mit dem er den unteren Rand der Seite versah: „Sed inprimis videndus Plutarch[us] lib[ro] quaest[ionum] Plat[onicorum] pag. 1006.“ Mit dem Verweis auf Plutarchs Platonische Fragen gewinnt die Diskussion um Platons Heliozentrismus in der Tat eine neue Qualitt. Das Kriterium der Autoritt hat sich in signifikanter Weise verschoben: Es handelt sich jetzt nicht mehr darum, zu klren, was Platon gedacht haben mochte, es ging nun vielmehr um die Frage, was der gelehrte Kommentator (Plutarch) glaubte, dass Platon gedacht hatte. In der Tat stellt sich Plutarchs achtes Fragestck als ein Dokument heraus, das die Kontroverse um den Heliozentrismus in jenen Jahren tiefreichend grundiert hatte. Und noch ein weiterer Aspekt, der sich nur aus Plutarchs berlegungen gewinnen lßt, ist entscheidend: Kçnnen (christologische) Anthropozentrik und platonisch-paganer Heliozentrismus zusammen bestehen? Oder anders gefragt: Welche Folgerungen ergeben sich aus dem Heliozentrismus fr die (heils-geschichtliche) Stellung des Menschen im Kosmos? Der zentrale Gedanke von Plutarchs achtem Fragestck ist nicht das Problem des Heliozentrismus; dieses ist vielmehr eingebettet in eine Untersuchung ber das Wesen der Zeit und ber die Funktion, die den Gestirnen als „Werkzeugen der Zeit“ (eqcama wqºmou) zukommt. Diese Perspektive ist bereits in der Eingangsfrage exponiert. Plutarch legt dar: „Was meint Timaios, wenn er sagt, dass die Seelen in die Erde, den Mond und die anderen Werkzeuge der Zeit alle gest seien?“36 Scheinbar unvermittelt folgt dann die Frage nach der mçglichen heliozentrischen Interpretation der Stelle aus Platons Timaios. Aber gerade die Koppelung der beiden Fragen – die Aussaat der Seelen und das Problem des Heliozentrismus – lsst die Spannung, von der wir soeben sprachen, deutlich genug hervortreten. Plutarch befragt die Auffassung des platonischen Timaios folgendermaßen: „Hat er [sc. Timaios] die Erde so in Bewegung gesetzt wie die Sonne und den Mond und die fnf Planeten, die er wegen ihrer Umlufe Werkzeuge der Zeit genannt hat, und sollte die ußerung, dass die Erde sich um die durch das All gespannte Achse windet, so verstanden werden, dass sie nicht beisammen gehalten und in Ruhe ist, sondern dass sie sich windet und schlngelt, wie spter Aristarch und Seleukos bewiesen haben, der eine nur als Hypothese, Seleukos aber auch durch Beobachtung?“ Zur Bekrftigung von Platons fraglichem He36 Plutarch, Platon. quaest. VIII, 1006 BC.
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liozentrismus fgt Plutarch noch hinzu: „Theophrast berichtet, dass Platon im Alter bedauert habe, dass er der Erde den mittleren Ort des Alls zugewiesen hatte, obwohl er ihr nicht zukomme.“37 Im weiteren Verlauf des achten Fragestcks geht Plutarch nicht weiter auf den Heliozentrismus ein. Denn dieser ist nur einer von vielen Aspekten, die ber die Betrachtung des Wesens der Zeit in Anschlag zu bringen sind. Und, so kçnnen wir sogleich – etwa mit Campanella – hinzufgen, die exakte Messung der Zeit ist auch ohne die Annahme des heliozentrischen Systems mçglich. Entscheidend fr Holstenius und seine Zeitgenossen ist vielmehr der Umstand, dass Platon, selbst wenn er Heliozentriker gewesen sein sollte, fr eine Anklage wegen Idololatrie und intellektueller Libertinage nicht in Betracht kommt. Gewiss, so Plutarchs Referat, Platon habe dem Sonnengestirn eine große Wrde beigelegt. Es sei Kçnig und Herr ber alles Sichtbare, gleichwie das Gute Kçnig und Herr ber alles Intelligible sei. Das Verhltnis des Guten zum Sonnengestirn ist jedoch ein solches von Ursache und Verursachtsein. Das Sonnengestirn ist ein Spross (5jcomor) des Guten. Durch seinen Lichtschein bringt es dem Sichtbaren das Werden, so wie das Gute dem Intelligiblen das Sein und Erkanntsein ermçglicht. Als Werkzeug der Zeit ist das Sonnengestirn „Aufseher und Wchter“, der die Vernderungen und Jahreszeiten bestimmt, und er ist dem herrschenden und ersten Gott ein „Helfer“ (sumeqcºr). Nichts anderes hatte brigens Luigi Rossi in die barocke Rhetorik seiner Kantate „Ergi la mente al sole“ bersetzt. Ein letzter Aspekt aus Plutarchs Platonischen Fragen ist fr uns von Bedeutung. Entgegen der aristotelischen Doktrin ist die Zeit fr Platon kein bloßes Akzidenz der Bewegung. Sie ist vielmehr Ursache, Vermçgen und Ursprung dessen, wodurch alles Werdende zusammengehalten wird; sie ist Ursprung von Symmetrie und Ordnung, welche das ganze beseelte Weltall bewegt. Die Vorsehung schuf das All und die Zeit zugleich. Vor der Zeit gab es keinen Himmel, aber es gab Bewegung: unbestimmte, chaotische, seelenlose Bewegung, gleichsam die ‘gestaltlose Materie der Zeit’.38 Beide, das All und die Zeit, sind, insofern sie eine maßvolle Ordnung zur Erscheinung bringen, sichtbare Bilder Gottes (eQjºmer toO heoO).39 In analoger Weise ist auch die Seele maßvolle Ordnung, denn sie ist Zahl, die sich selbst bewegt. 37 Plutarch, Platon. quaest. VIII, 1006 C. 38 Plutarch, Platon. quaest. VIII, 1007 C. 39 Plutarch, Platon. quaest. VIII, 1007 CD.
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7. Ergebnis Damit kommen wir nochmals auf die beiden Gemlde Andrea Sacchis und Nicolas Poussins zurck. Wie eine Illustration des achten Fragestcks Plutarchs mutet es jetzt an, wenn Poussin den Sonnengott als Kçnig, Herrscher und Ordner der Jahreszeiten, die ihn umgeben, einsetzt. Er ist, wie die Gestirne des Zodiakalkreises, Werkzeug des Kronos, der die maßvolle Ordnung des Werdenden zusammenhlt. Phaethons Sturz, der sich in der Bitte des Jnglings nur erst ankndigt, wre eine apokalyptische Aufhebung der maßvollen Ordnung, die in das Chaos zeitloser Bewegung versinken wrde. Weil sie – der Kosmos und die Zeit – zugleich geschaffen worden sind, so Plutarchs Referat der Lehre Platons, „werden sie auch zugleich wieder aufgelçst werden, wenn einmal eine Auflçsung sie erfaßt.“40 Dem Verstndnis Galileis nach kçnnen wir sagen: Das Programm von Poussins Gemlde realisiert eine „maschera o sembianza poetica“, ein Gleichnis und eine Maske, hinter der sich eine wahrhafte Geschichte („verace istoria“) verbirgt. Andrea Sacchi seinerseits hatte auf seinem Deckenfresko des Palazzo Barberini Personifikationen der christlichen Tugenden um die „gçttliche Weisheit“ angeordnet. Sie, die ‘gçttliche Weisheit’, ist Schçpferin einer maßvollen und also werthaften Ordnung der Zeit. Indem er die Erde aus dem Mittelpunkt an den Rand des Himmelssystems gerckt hat, rettet er doch zugleich diese werthafte – genauer: ethische – Ordnung unter den Bedingungen des heliozentrischen Weltbildes. Ja, die zentrale Stellung des Sonnengestirns in der Personifikation der ‘gçttlichen Weisheit’ ist nur das sichtbare Werkzeug des Guten. Urban VIII. ist der von der Vorsehung eingesetzte irdische, allen Glubigen sichtbare Reprsentant eines Amtes, um das die Christenheit wie um ihren ruhenden Pol kreist. In der Frage nach dem Heliozentrismus ging es nicht um die Feststellung einer szientifischen Wahrheit, sondern um die Bewhrung einer ethischen Ordnung. Wie muss man sich diese werthafte Ordnung vorstellen? Sie ist ein Reich von Zeichen, denen eine bestimmte, aller Erfahrung voraus liegende Bedeutung zukommt. Sie ist ein Zeichensystem, mit dem wir dem Chaos unserer Erfahrungen Konsistenz geben kçnnen. Holstenius’ Exzerpt aus Lansberghes Traktat ber die Erdbewegung zeigt sehr gut, daß es sich bei der Diskussion um den Heliozentrismus nicht um die ‘Lesbarkeit einer Welt von Tatsachen oder Erfahrungen’ handelte, sondern um die ‘Lesbarkeit eines Mythos’, insofern das All ein sehr komplexes System von werthaften Zeichen 40 Plutarch, Platon. quaest. VIII, 1007 D
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ist. „Man kann die Welt einen Mythos nennen“ (5nesti c±q ja· t¹m jºslom l¼hom eQpe?m), schrieb der Neuplatoniker Salustios in der Abhandlung ber die Gçtter und die Welt. Leone Allacci, einer der engsten Kollegen und Freunde von Holstenius im Umkreis Francesco Barberinis, hatte genau zu Beginn der 1630er Jahre eine Edition des Traktats vorbereitet.41 In dem Prozess gegen Galilei war Holstenius’ Sichtung der Zeugnisse des antiken Heliozentrismus vermutlich der letzte Versuch, das neue Weltbild gegen den Vorwurf des Libertinismus und der Idololatrie zu verteidigen. Auch Galilei hatte es schließlich vorgezogen, die ‘wahre Geschichte’ des Sonnensystems mit einem „poetischen Gleichnis“ zu umkleiden.
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Biblioteca Apostolica Vaticana, Barb. gr. 69, fol. 53r. Abb. 2: Biblioteca Apostolica Vaticana, Barb. gr. 69, fol. 56r. Abb. 3: Biblioteca Apostolica Vaticana, Barb. gr. 69, fol. 56v.
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La preuve philologique comme argument : Gassendi et picure face la rvolution scientifique (1624 – 1658) Emmanuel Bury La question de l’usage de la philologie dans l’laboration des savoirs l’poque moderne se pose particuli rement dans le cas qui va nous intresser ici : il se trouve en effet que Pierre Gassendi (1592 – 1655), qui a consacr trente ans de sa vie diter et commenter un texte antique, le livre X des Vies des philosophes de Diog ne Larce, a accompli ce travail en vue, notamment, de proposer des hypoth ses nouvelles en mati re de science de la nature, et il a ainsi fait entendre la voix d’picure dans le concert de thories suscites par la rvolution scientifique des xvie et xviie si cles. Le recours un ancien, et l’usage des procdures philologiques ncessaires pour en diter le texte peut sembler paradoxal. Francis Bacon, un des p res de l’pistmologie nouvelle, n’avait-il pas condamn sans appel ce genre de savoir, fond essentiellement sur la tradition et sur la mmoire?1 Il est vrai que, durant ce si cle qui voit l’tablissement d’une ‘rpublique des sciences’ au sein de la tr s humaniste ‘rpublique des lettres’, dont elle compl te et prolonge l’activit savante, non sans tirer parti des cadres qui la constituent, l’entreprise de Gassendi n’tait pas dnue de sens.2 L’argumentation fonde sur des preuves tires des textes, et sur l’autorit d’une source antique, n’avait pas perdu toute sa force, et l’hypoth se atomiste avait, plus que jamais, besoin de la caution picurienne.3 Dans le cadre de ce colloque, mon propos sera d’essayer de comprendre en quoi le travail philologique de Gassendi sur le texte d’picure, tel qu’il nous est lgu par les Vies de Diog ne Larce, a pu 1 2 3
Voir Bacon 1620, Parasceve, 505, cit par Grafton 1991, Defenders of the Text, 2 ; voir Bury 2005a, Connaissance des textes. Voir Bury 2006, Gassendi ; sur le cadre d’ensemble de la Rpublique des lettres et son volution, voir Bots et Waquet 1995, Rpublique des Lettres. Rochot 1944, Travaux, a fait l’histoire du processus qui a men Gassendi consacrer son activit au livre X de Diog ne Larce ; l’tude plus rcente de Joy 1987, Gassendi ; a repris l’enquÞte nouveau frais.
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prendre la valeur d’un ‘argument’ en faveur de l’hypoth se atomiste que les avances de la science moderne remettaient alors au got du jour. Je ne reviendrais pas sur le fait que ce type d’argumentation a d’abord pour mrite, cette poque, de rpondre aux attentes de l’activit savante dans la Rpublique des lettres, et que, pour consacrer une doctrine laquelle on avait dni, jusque-l, toute consistance philosophique, le recours au travail d’dition, de traduction et de commentaire tait une voie lgitime, qui ‘autorisait’ le nom et le texte d’picure.4 Gassendi avait commenc son œuvre philosophique en s’en prenant l’aristotlisme de l’cole, dans ses Exercitationes paradoxicæ adversus Aristotelem (1624) : de fait, charg d’enseigner la philosophie Aix (1617 – 1623), il avait en effet perÅu avec acuit la strilit de ce discours et son incapacit dcouvrir le vrai, notamment en mati re de philosophie naturelle, ce qui tait un obstacle au progr s de la science. Car sous le patronage de Peiresc, qui lui ouvrit la voie de l’rudition, aussi bien que sous l’influence de Gautier de la Valette, qui l’initia l’astronomie, Gassendi, l’occasion de son enseignement, avait aiguis son intrÞt pour les sciences.5 Le travail critique le conduisait remettre en question le dogmatisme de l’cole, en promouvant notamment le recours l’observation et l’exprience.6 C’est pourquoi le recours picure a pu lui appara tre, dans un second temps, comme l’outil dont il avait besoin, pour proposer un mod le alternatif de philosophie naturelle, puis lui aussi dans l’autorit des anciens, mais plus conforme, y regarder de pr s, aux nouvelles hypoth ses nes de la rvolution scientifique. Gassendi a d, pour se faire, se ‘convertir’ l’approche philologique et historique – comme l’a montr L. S. Joy7–, tout en mettant profit un voyage aux Pays-Bas (1629 – 1630), o le physicien Isaac Beckmann l’aurait encourag tudier et reconstituer la physique d’picure.8 l’origine, le travail d’dition et de traduction du texte de Diog ne Larce tait entrepris des fins personnelles, dans la mesure o Gassendi ne souhaitait pas publier cette traduction, mais simplement disposer d’un
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Sur cet aspect, voir Bury 2006, Connaissance des textes, 656 sq. Voir Rochot 1944, Travaux, 2. Sur la vocation philosophique de Gassendi et son orientation initiale, voir Bloch 1971, Philosophie de Gassendi, 30 – 33. Joy 1987, Gassendi, 25 – 40 (« how to acquire the skills of a French humanist »). Voir Rochot 1944, Travaux, 36 – 39.
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texte dont il pourrait faire usage facilement ; c’est du moins ce qu’il affirme dans une lettre Peiresc du 11 septembre 1629 : Ce quoy je m’occupe maintenant, c’est de traduire le Xe livre de Larce qui est tout d’picure rempli de tant de fautes qu’il n’est presque pas recognoissable en tous les lieux les plus importants. J’ay devant moy diverses traductions, notes et manuscripts et confrant le tout avec la petite cognoissance que j’ay de la philosophie de cest homme, je tasche d’en faire une traduction ma mode, et que je puisse dbiter quand j’employeray l’autorit de Larce.9
Il faudra attendre au moins vingt ans pour qu’un premier tat de ce travail voie le jour sous forme imprime : ce sont les Animadversiones in decimum librum Diogenis Laertii, publies Lyon en 1649, qui offrent l’dition du texte grec avec la traduction latine de Gassendi, mais surtout un corps considrable de notes qui constituent un vritable commentaire, tendant reconstruire systmatiquement le corps de doctrine picurien, partir des trois lettres conserves et transmises par le livre X de Diog ne Larce (Lettre Hrodote, sur la physique, Lettre Pythocls, sur les corps clestes, et Lettre Mnce, sur la conduite de la vie). De fait, le texte grec-latin n’occupe, somme toute, que 92 pages (p. 9 – 100) du premier volume, les notes et commentaires s’tendant sur les 1668 pages restantes,10 sans compter les pi ces liminaires (lettre ddicatoire M. de Barancy, sommaire des titres donns aux paragraphes du commentaire), l’appendice plac la fin du tome I (262 pages numrotes part, i–cclxii, comportant une srie d’opuscules, dont, entre autres, le rcit de l’exprience du vide, et le Syntagma Philosophiae Epicuri sous sa premi re forme) et les index la fin du tome 3. Le dcoupage en trois tomes correspond en fait au contenu des trois lettres, le premier tome exposant, sous forme de commentaire suivi du texte original, la canonique (les §§ 30 – 34, qui prc dent la Lettre Hrodote) et la physique d’picure (p. 114 – 752), le second exposant les Meteorologia (p. 753 – 1179) et le troisi me des Ethica (p. 1181 – 1768). Les vingt-neuf premiers paragraphes du texte de Diog ne Larce, qui sont le rcit de la vie proprement parler, avec le texte du testament d’picure et la liste de ses disciples, ne donnent donc lieu qu’ une dizaine de pages de notes (p. 103 – 113), essentiellement philologiques, c’est-dire qui portent sur des amendements du texte, des conjectures ou des 9 Gassendi 1892, Lettres Peiresc, 217. 10 On trouve une description de ces volumes dans Rochot 1944, Travaux, 139 sq.
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claircissements.11 Il est vrai que certaines conjectures attestent dj la vaste connaissance du corpus ancien qui traite, de pr s ou de loin, de la doctrine d’picure : ainsi, pour justifier un ajout tir d’un manuscrit – qui est le texte reÅu aujourd’hui –, Gassendi ( propos de l’image de la voile – !j²tiom – pour signifier la fuite ‘toutes voiles dehors’ devant la paideia) fait appel Plutarque, qui cite la formule deux reprises, mais aussi Quintilien, avant de dvelopper le propos sur le sens de paideia, qu’il compare, d’apr s Martianus Capella, la vikokoc¸a, (dont il justifie la traduction par eruditio en prenant appui sur Cicron).12 La proportion entre le texte et les notes est tout autre quand on aborde les exposs de la doctrine : l’index titulorum plac en tÞte du tome 1 tmoigne de la volont de structurer le commentaire au fil du texte, en faisant clairement appara tre les points de doctrine abords.13Ainsi, la table de la Pars canonica (p. 117 – 158) donne la description des grands tÞtes de chapitres (De Sensu, de Anticipatione, sive Praenotione, de Passione, avec une digression sur de Opinione comparata cum sensu), puis elle donne la liste des ‘canons’ en question, offrant ainsi comme un rsum du contenu, sorte d’aide-mmoire pour se reprer dans la profusion du texte. Tout en suivant l’ordre de la Lettre Hrodote, Gassendi parvient « donner l’impression d’une construction systmatique » .14 Rochot insiste sur le fait que, au-del de l’rudition historique, qui dgage les principales ides de l’picurisme la lumi re du texte, comment l’aide des autres sources sur l’picurisme antique – Lucr ce, Cicron, Sextus Empiricus, entre autres –, Gassendi s’efforce de mettre en rapport les th ses atomistes avec les expriences modernes. S’il est vrai, selon les formules de Rochot, que le commentaire ‘littral et perptuel’ du texte constitue un ‘poids’ et qu’il ‘entrave’ l’adaptation aux ‘questions du jour’, il n’en reste pas moins que l’on peut lgitimement s’interroger sur l’apport proprement philologique du travail de Gassendi. Rochot, embo tant le pas certains 11 Par exemple, lorsqu’il rtablit le texte j¼mtator contre Aldobrandi qui lisait vstator, § 3, (p. 10, l. 22, et note p. 103), en s’appuyant sur les mss, ou qu’il remplace la leÅon 1m´pkgsem par 1m´pkgsar, en tirant son autorit de Suidas (p. 11, l. 32, et note, p. 104) ; ailleurs, il cite en note, comme le font les diteurs modernes, le texte d’une citation d’picure que l’on trouve plus compl te chez Athne (XII, 546 e) et traduite dans Cicron (Tusc., III, 41) : traduction dont Gassendi reconna t s’Þtre inspir (p. 12, l. 13, et note, p. 104). 12 § 6, p. 12, l. 21, et note, p. 104 sq : cf. Plutarque, de Aud. poet., 15D, Contra Ep. beat., 1094D, Quintilien, Inst. orat., XII, 2, 24. 13 Voir ce qu’en dit Rochot 1944, Travaux, 141 – 157. 14 Rochot 1944, Travaux, 144.
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contemporains, comme Mric Casaubon ou Meibom (lui-mÞme diteur de Diog ne Larce, en 1692), se montre assez critique envers les talents philologiques de l’auteur du Syntagma : il impute cela un apprentissage tardif de la mthode,15 et il lui reproche de mÞler constamment le texte et la glose dans la traduction elle-mÞme. Il est vrai que Gassendi ne se prive pas d’ajouter, en italiques, dans le corps mÞme de sa traduction latine, des additions qui claircissent, commentent, ou inflchissent le propos. Il n’est pas moins vrai qu’il en rend compte constamment dans les notes : on voit l que son principal souci va au-del de la simple dition correcte du texte, et qu’il s’agit bien de donner lire un picure la fois cohrent au regard de l’ ‘picurisme’ reconstitu au fil du commentaire et ‘utilisable’ dans le cadre des doctrines modernes, notamment en ce qui concerne les hypoth ses sur la mati re ou les nouvelles thories astronomiques. D’autre part, selon Rochot, l’appareil critique, dans son ‘aridit’, avait pour rle de dissimuler « ce que la philosophie d’picure pouvait avoir d’inquitant » .16 En recomposant le texte du commentaire, et en ditant part les notes concernant proprement la critique textuelle, l’diteur posthume du Syntagma mettra de ct la partie strictement ‘philologique’ du travail de Gassendi : les notes ‘grammaticales’ figurent en effet au tome V, avec l’dition et la traduction du texte de Diog ne Larce.17 Si on se fonde sur l’dition de 1658, on dnombre quatre cent notes pour l’ensemble du texte du livre X : les 70 premi res, portant sur les 29 premiers paragraphes (selon le dcoupage actuel) sont analogues celles de l’dition de 1649 (pp. 57 – 62, = pp. 101 – 119 en 1649), 27 notes commentent la pars canonica (§§ 31 – 34, pp. 62 – 69) – alors que l’dition de 1649 dveloppe amplement le commentaire (pp. 114 – 159) –, 119 notes clairent la Lettre Hrodote (pp. 69 – 84),18 66 la Lettre Pythocls (pp. 84 – 92),19 118 couvrent la partie « thique » (Effata de sapiente varia, pp. 93 – 120, Lettre Mnce, pp. 120 – 127, Juq¸ai dºnai, pp. 127 – 166) ; dans ce dernier cas, les notes portant sur la doxographie thique (§§ 119 – 121) sont surtout des commentaires dvelopps de la 15 Rochot 1944, Travaux, 163. 16 Rochot 1944, Travaux, 163 sq. 17 Gassendi 1658, Opera, t. 5, 57 – 166 ; le texte et la traduction latine du livre X sont rdits en tÞte de ce mÞme volume, pp. 1 – 56. 18 Ce qui correspond, comme nous l’avons vu, aux pp. 159 – 752 du commentaire de 1649. 19 Avec les dveloppements tirs du Syntagma, ces notes reprsentent les pp. 753 – 1179 des Animadversiones de 1649.
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teneur de chaque maxime, analogues ceux de l’dition de 1649 ;20 il en est de mÞme pour les notes portant sur le Maximes capitales, identiques en 1658 et 1649 ;21 seule la Lettre Mnce, qui donne lieu seulement 31 notes ‘philologiques’, isoles sur huit pages en 1658, correspond, en 1649, 456 pages de commentaires (t. 3, pp. 1238 – 1693), o les mÞmes notes sont le point de dpart d’amples dveloppements autonomes, sur Dieu (pp. 1250 – 1295), sur les vertus (p. 1424 – 1592), sur la libert et la fortune (pp. 1594 – 1646) ou sur la divination (pp. 1649 – 1677). Ces dveloppements des Animadversiones, qui exposaient et reconstruisaient la doctrine au fil du texte, sont devenus entretemps le corps mÞme du Syntagma philosophicum : comme l’a montr R. Pintard, il ne s’agissait pas d’une simple reprise, avec ragencement des notes, mais bien d’une recomposition totale qui ajoutait aux dveloppements dj existants dans le texte de 1649, des dveloppements nouveaux, ou dj crits auparavant, mais non intgrs au corps des Animadversiones. 22 Ce corps de notes n’en demeure pas moins un aspect important du travail de Gassendi, qui a fait un rel effort d’emendatio et de conjecture, et qui s’est donn la peine de ‘critiquer’ le textus receptus partir des manuscrits dont il disposait, tout en confrant entre elles les ditions qui avaient dj t faites de l’œuvre de Diog ne Larce. De plus, il pouvait prendre appui sur les conseils de son ami Mnage, qui prparait, lui aussi, une dition des Vies des Philosophes : son propre commentaire ne para tra qu’en 1664, l’occasion de la rdition de l’dition dite ‘aldobrandine’ que le philologue anglais Pearson fera Londres.23 Keimpe A. Algra, dans une tude tr s prcise sur Gassendi et le texte de Diog ne Larce,24 a rpertori les outils que Gassendi a pu mettre profit pour prparer son dition, sa traduction et son commentaire philologique du Livre X : il disposait de l’dition princeps de Jrme 20 Cf. Gassendi 1649, Animadversiones, 1185 – 1238. 21 Cf. Gassendi 1649, Animadversiones, 1693 – 1758. 22 Pintard 1943, Libertinage rudit, 40 : en fait, les longs dveloppements doctrinaux prsents dans les Animadversiones taient dj issus de l’norme travail manuscrit que Gassendi avait entrepris sur picure, et qu’il avait ‘dpec’ pour grossir les volumes de 1649. 23 Sur les ditions successives du texte de Diog ne Larce de la princeps (Froben, 1533) celle de H. S. Long (Oxford, 1964), voir l’utile mise au point de Knoepfler 1991, Vie de Mndme ; le fait que l’auteur s’attache exclusivement au texte de cette Vie (livre II, chap. 17) explique nanmoins qu’il ne fasse aucune mention du travail de Gassendi en la mati re. 24 Algra 1994, Gassendi.
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Froben (Ble, 1533) et de celle due Henri Estienne (Gen ve, 1570) ; il a russi obtenir, comme l’atteste une lettre son ami Luillier,25 l’dition Aldobrandine (Rome, 1594).26 Il tire aussi un grand profit de l’dition de Lucr ce dont il dispose, qui est due Gifanius (van Giffen, Anvers, 1565) : celle-ci comporte en effet le texte grec de la Lettre Hrodote d’Epicure, et, comme le rappelle Algra, elle a le grand mrite de mettre, en marge de ce texte, des renvois prcis aux passage parall les de Lucr ce, et de donner une liste des passages de Cicron o il est question de la physique picurienne.27 Gassendi disposait donc de tout un pan de la « philologie doxographique » dj consacre ce texte difficile, et il a su en tirer parti pour diter et annoter son texte dans les Animadversiones. De surcro t, l’minent juriste Charles-Annibal Fabrot avait mis sa disposition l’dition princeps annote par Henri Estienne, comme l’indique la prface aux Animadversiones 28 et Lucas Holstenius lui avait communiqu les notes concernant le livre X que Tommaso Aldobrandini avait apposes sur la mÞme dition princeps, lorsqu’il prparait sa propre dition :29 cet diteur n’ayant pas pu achever le travail – il n’avait pas rdig son commentaire au livre X quand il mourut30 –, l’acc s ses notes par le biais d’Holstenius tait d’autant plus prcieux. Enfin, Nicolas Rigault et les 25 Lettre du 2 novembre 1632, dans Gassendi 1944, Lettres Luillier, 4 : « J’ay trouv chez le dict sieur Proest un exemplaire du Larce de l’dition de Rome que j’emporte, et ainsy il ne sera pas ncessaire de m’envoyer celui que Messieurs Dupuy, […] devaient recouvrer de Rome. » 26 Sur ces ditions voir Knoepfler 1991, Vie de Mnd me, respectivement 44 – 47, 56 – 64 et 64 – 72. 27 Algra 1994, Gassendi, 86 ; il conviendrait de mentionner aussi l’dition de Lucr ce par Denis Lambin (1563), dont Brundel (1987) suppose que Gassendi a fait grand profit (pp. 49 sq). 28 Gassendi 1649, Animadversiones, 2. 29 Gassendi 1649, Animadversiones, 2 ; cf. la lettre Holstenius du 11 mai 1632, au t. 6 de Gassendi 1658, Opera, 50 : « Illic, facta tibi copia Basileensis Exemplaris, cui b lajaq¸tgr Aldobrandinus Notas marginaleis, lectionsque varias illustri manu apposuisset ; decerpsisti ex codice integrum librum decimum, ipsumque ad me transmisisti. » 30 Cette dition fut en effet publie par les soins du neveu de Tommaso, Pietro Aldobrandini, apr s la mort de ce dernier (1572) ; sur les mrites de cette dition, voir Knoepfler 1991, Vie de Mnd me, 64 – 72. Outre la qualit de la traduction latine, plus lgante que la vieille version de Traversari qui faisait autorit depuis le milieu du xve si cle et qui avait t largement diffuse par les premiers imprims, cette dition a le mrite de prendre appui sur de meilleurs manuscrits que ceux de la ‘vulgate’ et de proposer des bonnes leÅons et des conjectures utiles.
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fr res Dupuy avaient mis sa disposition deux manuscrits du texte grec, dont un des codices optimi (le Parisinus Graecus 1759 : le sigle P de nos ditions actuelles). Si on laisse de ct les notes qui portent sur les ajouts que Gassendi a jug bon de mettre dans la traduction pour clairer le sens, on peut relever un certain nombre de conjectures ou de corrections, dont certaines ditions modernes tiennent encore compte : en examinant par exemple l’apparat critique de la plus rcente dition du texte de Diog ne Larce, due Miroslav Marcovich,31on peut relever, pour le livre X, la mention de quatre-vingt-douze variantes ou conjectures dues Gassendi ; Marcovich en retient cinquante-neuf qu’il suit pour tablir son texte. Pour la Lettre Hrodote (§§ 35 – 83), qui retiendra plus particuli rement notre attention ici, l’diteur moderne suit vingt-quatre fois les leÅons de Gassendi, sur les trente-cinq qu’il mentionne. Et ce chiffre donne une faible ide du travail de dtail auquel s’est livr le chanoine de Digne : de fait, dans l’dition de 1658 – sur laquelle nous prenons appui pour plus de commodit, car les notes ‘philologiques’ sont isoles des plus amples dveloppements prsents dans les Animadversiones de 1649 –, cette lettre donne lieu, comme nous l’avons vu, cent-dix-neuf notes de Gassendi,32 dont la plus grande part sugg re au moins une variante, et le plus souvent deux ou trois, pour rendre compte des choix d’interprtation, pour clairer les passages corrompus ou obscurs : suppressions, additions, interpolations accompagnent les conjectures proprement dites et les corrections ope codicis. Par exemple, pour les premiers paragraphes qui posent les principes de l’tude de la nature (§§ 37 – 45),33 on compte dix-sept entres de notes (chaque entre tant signale par le numro de ligne et la citation du mot ou du segment de phrase sur lequel porte la note), qui donnent lieu l’explicitation d’au moins seize conjectures. D s la premi re note,34 pour clairer le sens, Gassendi propose d’ajouter, apr s l’affirmation initiale (« D’abord, rien de ne vient partir de ce qui n’est pas » ),35 le « membre » (hocce quasi membrum) suivant : ja· oudem vhe¸qetai eQr t¹ lμ em expliquant que cela compl te le raisonnement, et claire la proposition de la phrase suivante : « et si ce qui 31 Diog ne 1999 – 2002, Vies : le livre X se trouve dans le 1er volume, pp. 709 – 813. 32 Gassendi 1658, Opera, t. 5, 69 – 84 : ces notes renvoie au texte correspondant dans la mÞme dition, 13 – 31. 33 Gassendi 1658, Opera, t. 5, 14 – 17 ; notes correspondantes, 69 – 72. 34 Gassendi 1658, Opera, t. 5, 69 sq., renvoi la 14, l. 39. 35 Pq_tom lem fti oqhem c¸metai 1j toO lem emtor = Diog ne 1999 – 2002, Vies, 736, l. 9.
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dispara t tait dtruit et allait dans le non-Þtre »;36 cela justifie enfin, selon lui, d’ajouter aussi la proposition complmentaire de la premi re (clarum est suppleri debere & illud in gratiam prioris) : EQ l³m c±q 1c´meto t¹ 1jvaimºlemom 1j toO lμ emtor. Tout ce qui para t elliptique dans les noncs conservs par le doxographe est donc explicit et dploy – selon une pratique de la copia tout humaniste –, la lumi re de tous les lments de la tradition philosophique susceptibles de les clairer.37 On comprend facilement, toutefois, que ce genre d’amendement, qui tient plus du commentaire que de l’tablissement de texte proprement parler, n’ait pas retenu l’attention de la critique qui a suivi, mÞme si Mnage, dans son propre commentaire, signale le premier ajout avec ce bref jugement : « de mani re tout fait ingnieuse » (ingeniose prorsus).38 Plus dcisive au regard de la tradition textuelle, la note suivante donne lieu une autre addition au textus receptus de la « vulgate »; on lit en effet, dans l’dition Gassendi : « De plus, la totalit des choses, ce sont d’une part les corps et de l’autre le vide » (!kk± lμm ja· t¹ p÷m 1sti p0 lem s_lata p0 de jemºm) ;39 cette conjecture a t suivie par certains diteurs modernes – qui lisent toutefois, plus simplement <s_la ja· jemºm> – comme Long ou Marcovich, au lieu du texte initial qui affirme simplement que « le tout est » (!kk± lμm ja· t¹ p÷m 1sti).40 Marcovich renvoie explicitement la leÅon de Gassendi : on voit pourtant que le texte figurant dans l’dition elle-mÞme est lg rement diffrent (avec le distributif p0 lem… p0 de), et c’est la note qui justifie le choix ventuel de la conjecture la plus simple en renvoyant une expression approchante de la lettre Pythocls (§ 86),41 puis en allguant Plutarque (Contre Colots,
36 ja· eQ 1vhe¸qeto de. t¹ !vamifºlemom eQr t¹ lμ em = Diog ne 1999 – 2002, Vies, 736, l. 11 ; je suis la traduction de Balaud, Diog ne 1999, Vies. 37 Voir ce qu’crit Gassendi au dbut de cette mÞme note : Aggreditur hic suae Physiologiae explicationem Epicurus, ac initium ducit generalissimo illo, receptissimoque apud Antiquos omnes Effato, Ex nihilo nihil fit, qud cm aliunde fieri multa constet, commodm exinde arripiatur occasio agendi de materia, principiisve, ex quibus ea fiunt. (Gassendi 1658, Opera, t. 5, 69 sq.). 38 Mnage 1664, Observationes, 537. 39 Gassendi 1658, Opera, t. 5?, 15, l. 10 sq. (= Diog ne 1999 – 2002, Vies, 737, l. 2 sq.) ; je suis ici la traduction de Brunschwig et Pellegrin dans Long et Sedley 2001, Philosophes hellnistiques, t. 1, 66. 40 Voir Diog ne 1999, Vies, 1267, qui rejette cette conjecture, la suite de Bollack et Wismann 1971, La Lettre d’Epicure. 41 Gassendi cite le texte grec dti t¹ p÷m s_la ja· !mavμr v¼sir, qu’il traduit par Universum esse corpus, & naturam intactilem ajoutant ut puta Inane, ce qui oriente
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o l’on trouve quasiment cette formule : tμm t_m emtym v¼sim s¾lata eQmai ja· jem¹m) et surtout, en citant Cicron (De Natura Deorum, II, 82), qui donne la variante, en latin : qui omnia Naturae nomine appellent, ut Epicurus, qui ita dividit, Omnia, quae secundum naturam, esse Corpora, et Inane. Il est vrai que le texte complet de Cicron ne mentionne picure ici qu’au titre d’exemple de ceux « qui utilisent le mot de nature pour tout » , et qu’il ajoute un troisi me terme omis par Gassendi : « les accidents » («quaeque his accident»).42 Cela explique sans doute le recours final Lucr ce qui formule sans quivoque l’affirmation prÞte picure : Gassendi cite en effet les vers 419 sq. du chant I du De Natura rerum :43 Omnis, ut est igitur per se Natura duabus Consistit rebus, quae Corpora sunt, & Inane.
La confrontation explicite avec d’autres textes de la tradition montre bien, dans ce cas prcis, comment l’elocutio mÞme du texte « restitu » est en jeu : ce sont bien les « cellules idelles » ch res Jean Deprun que Gassendi isole ainsi, force de lectures dans la vaste mmoire des textes philosophiques de l’antiquit, et les philosoph mes gagnent une bonne part de leur vraisemblance par les chos qu’ils font rsonner. Examinant l’apport philologique de Gassendi, K. Algra avait dj remarqu l’cart entre le texte prcis de l’ajout original et les apparats critiques actuels, qui suivent l’option de Gassendi, mais en cherchant une formulation « palographiquement » plus probable : son jugement est donc tr s nuanc, en ce qui concerne le travail proprement philologique du savant, tout en mettant l’accent sur le caract re « systmatique » de la dmarche.44 Il convient de comprendre aussi que, dans la perspective qui est celle de l’diteur de 1649, l’autorit du texte d’picure s’acquiert par une le sens de !mavμr (intangible, impalbable) selon la th se que le commentateur veut illustrer. 42 La phrase compl te de Cicron est la suivante (selon les diteurs actuels) : « Sunt autem qui omnia naturae nomine apellent, ut Epicurus, qui ita dividit : omnium quae sint naturam esse corpora et inane quaeque his accidant » ; cf. Cicron 2002, De la Nature des dieux, 93 sq. 43 Gassendi 1658, Opera, t. 5, 70 ; on trouve le rapprochement avec Lucr ce dans Long et Sedley 1988, Philosophes hellnistiques, t. 2, 20 sq. Les diteurs font aussi le renvoi Plutarque, Col., 1112F. 44 Algra 1994, Gassendi, 100 : « Cela nous montre, encore une fois, que ce qui comptait pour Gassendi, tait d’avoir amend le texte de faÅon plausible ad sententiam, tandis qu’il se souciait peu de trouver des explications plus strictement palographiques ou philologiques aux altrations. »
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procdure de « reconnaissance » et de « familiarit » , que l’on pourrait assimiler la doxa, selon les modalits de l’argumentation.45 En rarticulant, au fil des notes, les divers noncs convergents relatifs la doctrine du ma tre du Jardin, Gassendi fournit un soubassement ses conjectures qui font du texte fourni par Diog ne Larce une somme et une synth se de cette doctrine – aussi efficace et lisible, bien des gards, que les actuelles ditions et traductions, qui ne rendent, elles aussi, le texte de Diog ne lisible et cohrent qu’au prix d’une abondante annotation, qui, pas moins que Gassendi lui-mÞme, se voit toujours contrainte de confronter les divers testimonia antiques pour clairer les sens des passages les plus difficiles. Il est certain que le fait d’ajouter des membres au texte grec pour en clairer le sens aboutit parfois multiplier les conjectures propter cohaesionem, comme l’crit souvent Gassendi.46 De surcro t, si l’on prend comme guide l’apparat critique rcent de Marcovich, on constate qu’il accepte certaines conjectures, en suivant Usener, ou en allguant Mnage, sans toujours relever que Gassendi les suggrait dj : ainsi, au § 51, dans une glose qui donne jat² tima j¸mgsim 1m Bl?m aqto?r sumgll´mgm t0 1pibok0,47 l’insertion du mot j¸mgsim est dj revendique par Gassendi (« Vocem hanc suppleo, ut quam manifeste deesse, repetitio ejusdem phraseos aliquoties facta demonstret » ), et l’explication qu’il donne de ce passage concernant la conception de la fausset dont picure tmoigne ici, est tout fait conforme aux commentaires modernes.48 La familiarit que Gassendi a acquise avec la pense d’picure et de ses commentateurs anciens explique donc la justesse de certaines de ses conjectures, comme 45 Sur cette question, voir les pages tr s clairantes de G. Declercq 1992, L’art d’argumenter, 31 – 61. 46 Voir, par exemple Gassendi 1658, Opera, t. 5, 70, la note la l. 11 de la p. 15 : Addo hic particulam ja, propter cohaesionem cum mox additis et, plus bas (note la l. 28, mÞme page) : adjeci autem particulam de propter cohaesionem ; cf. p. 74, note la l. 6 de la p. 20 (§ 52), o l’ajout est justifi, « outre la cohsion de l’interprtation » (praeter cohaesionem interpretando supernotatam), par la logique de la comparaison avec l’coulement (NeOla). 47 Gassendi 1658, Opera, t. 5, 19, l. 40 (cf. Diog ne 1999 – 2002, Vies, 744, l. 5) : « en raison d’un certain mouvement en nous-mÞmes li une apprhension imaginative » ( traduction Balaud dans Diog ne 1999, Vies, 1273). 48 Gassendi 1658, Opera, t. 5, 74 : « inculcante Epicuro toto hoc loco falsitatem ac errorem esse non in nuda apprehensione, seu sensu, seu intellectu facta ; sed in sola opinione, sive in judicio, quod mens ad simplicem apprehensionem addit ». Cf. Diog ne 1999, Vies, 1273 – 1274 : « L’ide de ce passage dlicat est donc que dans l’opinion qui s’ajoute la sensation rside l’origine du faux et de l’erreur. »
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lorsque, par exemple, il prf re lire 1maqce¸ar l o la tradition manuscrite et la « vulgate » donnent 1meqce¸ar49 (§ 52) ; il traduit per evidentiam, et explique en note : Loquitur enim Epicurus de fundamento veritatis, quod in evidentia est situm, quodque inconcussum servare hortatur.
Quelques lignes plus bas, lorsqu’il est question des hypoth ses d’picure concernant l’audition, Gassendi sugg re de lire Ne¼lator l o les manuscrits donnent pme¼lator50 justifiant cette conjecture par le dbut de la phrase suivante (t¹ d³ pme¼la toOto …) et expliquant que ce mot est la fois plus gnral et plus cohrent avec ceux qui ont t employs prcdemment pour dcrire l’intervention des images sur la vision.51 C’est d’ailleurs l’occasion de son interprtation de ce passage, pour rendre compte de l’expression eQr bloioleqe?r ecjour, que Gassendi invente le nologisme molecula appel une grande fortune : Talis vero effluxus, instar guttularum aqua fullone exsufflata, dispergitur in moleculas, quae ex particulis similibus constent. 52 On notera l’incise ajoute par Gassendi qui illustre le phnom ne dcrit par picure par une image concr te et pratique – ce que l’on pourrait d’ailleurs interprter comme une trace probable de l’esprit exprimental de ce savant, qui refuse l’abstraction.53 De fait, au fil de son travail, Gassendi inscrit les hypoth ses picuriennes dans le contexte de la pense mcaniste de son temps ; comme l’a montr Henk Kubbinga dans un article consacr la thorie molculaire chez Gassendi,54 le nologisme forg cette occasion refl te 49 Gassendi 1658, Opera, t. 5, 20, l. 3 et note, p. 74 (cf. Diog ne 1999 – 2002, Vies, 745, l. 5) ; sur cette conjecture, voir Algra 1994, Gassendi, 98, qui fait remarquer juste titre que cette correction dnote une bonne connaissance de l’pistmologie picurienne, o l’vidence joue un rle cl. 50 Gassendi 1658, Opera, t. 5, 20, l. 6 et note, p. 74 (cf. Diog ne 1999 – 2002, Vies, 745, l. 8) ; Usener, apr s Mnage, suivait dj cette correction (cf. Mnage 1664, Observationes, 540 : gQe¼lator pro pme¼lator rescribit Gassendus certissima conjectura). 51 Gassendi 1658, Opera, t. 5, 74 : « Ut praeteream Ne¼lator vocem esse & generaliorem, & cohaerentiorem cum iis, quaepraemissa sunt de visione interventu imaginis habitae, ut Ne¼lator sive !poqqo¸ar tim´rVG. 52 T¹ de. MeOla toOto eQr bloioleqe?r ecjour diaspe¸qeta¸ ûla tim± dias]fomtar sulp²heiam pq¹r !kk¶kour ; cf. Diog ne 1999, Vies : « Et cet coulement se rpand en masses ayant des parties semblables, qui conservent en mÞme temps qu’une co-affection rciproque, une unit propre […] ». 53 Voir, ce propos, Bloch 1971, Philosophie de Gassendi, passim et notamment le chap. 8 : « A la recherche des ‘res concretae’ : atomisme et chimie », 233 – 278. 54 Kubbinga 1994, La thorie molculaire.
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bien les proccupations du savant dans ce domaine. Il rappelle notamment que la « vulgate » (Traversari) avait traduit ecjour par tumor, ce qui, dans le contexte assez flou de son interprtation, semblait signifier « enflure » , « gonflement » ou « boursouflure »; l’interprtation de Gassendi est, en comparaison, beaucoup plus claire, et d’autant plus qu’elle repose, en fait, sur une vision plus nette des choses, qui n’est rien moins qu’une interprtation corpusculaire du phnom ne.55 C’est en cela que son travail philologique est, bien des gards, un travail d’argumentation en faveur des hypoth ses modernes labores par la science de son temps, notamment dans le domaine de la mati re. Il convient donc de lire les conjectures de Gassendi et les notes philologiques qui les justifient et qui les clairent comme une prise de position dans le champ contemporain des recherches. Kubbinga a rapproch notamment les hypoth ses de Gassendi des thories labores par le physicien Joachim Jungius (1587 – 1657), qui associa les perspectives de la chimie de son temps avec les hypoth ses atomistes pour esquisser une des premi res thories molculaires de la mati re, soucieuse de rendre compte de la constitution des lments intermdiaires entre les minima naturalia qui chappent notre perception et la mati re que nous percevons. Gassendi s’inscrit en effet dans le cadre des dbats de son temps, qu’il convient d’voquer rapidement ici. Dans ce domaine, on prsente souvent Daniel Sennert (1572 – 1637) comme un des initiateurs : il s’tait efforc d’tablir la constance des lments, en essayant d’unifier les conceptions issues d’Aristote, de Galien et de Paracelse,56 ce qui le menait analyser les quatre lments en termes de particules minimales, dont la combinaison aboutissait des formes distinctes. Un autre contemporain de Gassendi, Jean-Chrysostome Magnen (~1590–~1679), auteur d’un Democritus revi-viscens, sive de atomis (Pavie, 1646), avait tent de reprendre la doctrine atomiste de Dmocrite en la combinant avec la thorie lmentaire – qui distingue au moins trois lments (eau, terre, feu), en refusant donc l’ide d’une materia prima indiffrencie –, ce qui 55 Kubbinga 1994, La thorie molculaire, 295 : « On dirait que le son consiste, d’apr s Ambrosius, en simulacra un peu plus grossiers que ceux qui causent la vision. Or l’interprtation de Gassendi nous semble beaucoup plus claire ; l’appareil sonore produit un effluve qui, l’instar de l’eau exprime par un foulon, ‘est dispers en molcules, qui consistent en particules semblables’ (dispergitur in moleculas, quae ex particulis similibus constent). Si le rapport entre ces ‘particules’ et ces ‘molcules’ n’est pas prcis, il demeure que le son est expliqu en termes corpusculaires. » 56 Sur Sennert, voir Gregory 1966, Studi sull’atomismo.
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suppose que la combinaison chimique des atomes ne modifie pas leur identit et leurs proprits : on voit ce qui l’loigne de la perspective de Gassendi – pour qui seuls la grandeur, la forme et le mouvement taient dterminants – d’autant plus qu’il refuse aussi l’existence du vide. Mais cela atteste que les perspectives sur l’atomisme et la mati re contemporaines de l’entreprise de Gassendi n’taient pas simples et univoques : la rfrence Dmocrite ou picure n’tait pas suffisante, mÞme si leur atomisme semblait utile pour fonder une critique des thories aristotliciennes de la mati re. Un Sbastien Basson, par exemple, se rclamait d’Hippocrate (prtendument disciple de Dmocrite) pour fonder son atomisme.57 La parution, en 1651, de l’Idea Physicae de David van Goorle (Gorlaeus) – qui propose lui aussi une version de l’atomisme, o se mÞlent les deux lments primaires, eau et terre, sans ngliger le rle ventuel des trois lments chimiques (sel, soufre, mercure) – atteste que le travail de Gassendi est loin d’Þtre une tentative isole, qu’il conviendrait de rduire un travail d’« antiquaire » et de curieux, sous prtexte qu’il fait appel aux outils de la philologie et de l’histoire pour tayer son syst me. Depuis les travaux de Pintard et de Rochot, puis avec ceux d’Olivier Bloch, on a justement mis l’accent sur la faÅon dont le Syntagma assimilait progressivement les exprimentations les plus rcentes dans le corps de la synth se, et qu’il refltait ainsi l’actualit de la vie scientifique.58 Mais il serait juste de reconna tre aussi que, en retour, le travail proprement philologique joue un rle dans l’laboration des doctrines nouvelles. La diversit mÞme des « atomismes » en concurrence cette poque, qui n’a pas empÞch l’assimilation de l’atomisme du xviie si cle un nopicurisme, est peut-Þtre un signe de la russite de l’entreprise de Gassendi.59 Il est vrai que le choix de l’picurisme par le savant chanoine de Digne tenait aussi sans doute, comme l’a suggr Margaret J. Osler,60 57 Voir Basson 1621, Philosophiae naturalis. 58 Aux travaux proprement consacrs Gassendi, il conviendrait d’ajouter les travaux portant sur l’histoire des sciences qui accordent une place non ngligeable aux apports de ce dernier, comme le fait, par exemple, Clericuzio 2000, Elements, 63 – 71. 59 Voir Garber 1998, Body in Gassendi, 569 : « Considrant la multiplicit des types d’atomisme qui ont merg durant la Renaissance tardive, il peut sembler surprenant que, dans la seconde moiti du xviie si cle, l’atomisme fut de plus en plus identifi avant tout avec sa plus radicale forme ancienne, la philosophie d’picure. » (je traduis). 60 Voir Osler 1993, Ancients, Moderns.
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au fait que, parmi les alternatives l’aristotlisme, la philosophie du Jardin tait celle qui s’accordait le mieux ses propres perspectives thologiques, et que c’est aussi grce l’interprtation qu’il en donne, et qui va dans le sens d’un providentialisme volontariste, que Gassendi a assur picure une place dans le canon philosophique du xviie si cle.61 Il n’en reste pas moins que l’intrÞt de Gassendi pour les spculations de son temps concernant la structure de la mati re, et notamment selon la perspective des chimistes, prparait aussi une rception positive de ces travaux, du point de vue de la science moderne.62 L’entreprise philologique prend donc sens dans un contexte o les « paradigmes » s’affrontent : les thories chimiques rcentes avaient suscit, comme nous venons de le voir, un regain d’intrÞt pour l’hypoth se atomiste. Si Gassendi demeurait tr s rserv l’gard des spculations occultistes lies l’alchimie, il avait manifest tr s tt de l’intrÞt pour la porte exprimentale et le souci d’analyse concr te dont cette discipline faisait preuve. C’est dans cette perspective que son intrÞt pour Etienne de Clave a t tudi par O. Bloch ;63 et H. Hirai a, depuis, bien montr combien Gassendi, au-del de la seule lecture de de Clave, pouvait Þtre aussi redevable son ami Guy de La Brosse, botaniste influenc par les doctrines chimiques nouvelles, et d’autres lectures hautement probables cette poque, comme celle de Pierre Sverin ou de Joseph Du Chesne (Quercetanus), qui avait t, au dbut du si cle, le chef de file des mdecins chimistes en France.64 C’est bien dans la ligne de la pense « chymique » de la Renaissance que Gassendi a puis les lments d’une doctrine corpusculaire l’aidant laborer une tape intermdiaire entre les atomes et les res concretae, qui perm t, notamment, de rendre compte des qualits sensibles de la mati re sans sacrifier la rduction initiale de toute proprit de la mati re aux trois qualits mcaniques (la figure, la grandeur et le mouvement). Le Syntagma, en 1658, dans un dveloppement propos des qualits « secondes » de la mati re, donne
61 Osler 1993, Ancients, Moderns, 142 sq. ; cf. Osler 1994, Divine will. 62 D’autant que l’audience de Gassendi tait assure par les cercles savants les plus influents de l’poque, comme l’a montr Lennon 1993, The Battle of Gods, notamment 26 – 34 (« The Gassendist Success »). 63 Bloch 1971, Philosophie de Gassendi, 259 – 266. 64 Sur Du Chesne, voir Hirai 2005, Concept de semence, 267 – 294 ; sur ses polmiques avec la Facult de mdecine de Paris, voir Bury 2005b, Les lieux de l’argumentation.
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lieu un expos dtaill sur les doctrines chimiques rcentes :65 Gassendi en expose la thorie lmentaire de base, puis voque les hypoth ses des recentiores en la mati re (depuis Paracelse jusqu’ Digby, en passant par Severinus, Fludd, Telesio, Patrizzi, Campanella).66 Ces intrÞts contemporains sont sensibles dans les notes que Gassendi consacre aux §§ 54 – 57, o le texte d’picure revient sur les qualits des atomes.67 Pour clairer le texte, l’diteur juge ncessaire d’ajouter des lments dans la traduction, mais aussi de rajouter des membres de phrase en grec : dans le premier cas, lorsqu’il est question de « tout ce qui est naturellement li la forme » (fsa 1n !m²cjgr sw¶lator sulvu/ 1sti – & si quae praeterea cum ipsa figura necessariam cognationem habent), Gassendi ajoute, cujusmodi sunt, exempli causa, asperitas & lævor. 68 Il s’agit bien, explique-t-il en note, de lever toute ambigut quant aux genre de qualits dont il est question, et de bien faire comprendre qu’il n’y a pas d’autres qualits propres la mati re que la figure, le poids et la grandeur.69 Dans le second cas, d s la phrase suivante, Gassendi prend la libert d’ajouter tout un membre de phrase au grec pour insister clairement sur le fait que les qualits soumises au changement ne sont pas dans la nature des atomes, mais qu’elles sont dues au changement de position des atomes, et il rp te, dans le texte mÞme, que les trois seules qualits propres aux atomes sont les trois qui ont t nonces prcdemment : Poiºtgter c±q %kkai, oXom wq_la te, ja· heqlºtgr paq± tμm h´sim t_m !tºlym letab²kkousi, di¹ ja· ta?r !tºloir oqj 1mup²qwousi. Poiºtgr de
65 Gassendi 1658, Opera, t. 1 : Physicae, Sectio I, Liber III, « De Materiali Principio rerum », chap. III : « De Opinionibus statuentium Materiam affectam aliquibus etiam ex Qualitatibus vocatis secundi », 241 – 247. 66 Gassendi 1658, Opera, t. 1, 244 – 247 ; sur la tradition paracelsienne en France, voir Debus 1991, French Paracelsians et Hirai 2005, Concept de semence. 67 Gassendi 1658, Opera, t. 5, 20 sq. et notes, pp. 74 sq. ; cf. Gassendi 1649, Animadversiones, 41 – 44 : le commentaire correspondant commence p. 290 pour s’achever p. 418, et comporte essentiellement une longue srie de dveloppements sur les diffrentes qualits de la mati re – qui commen-ce d s la p. 291 – avec, notamment, une longue ‘dissertation’ sur les proprits de l’aimant, pp. 362 – 389, puis une vingtaine de pages sur la gnration et la corruption, pp. 389 – 407. 68 Gassendi 1658, Opera, t. 1, 20. 69 Gassendi 1658, Opera, t. 1, 74 : « adnoto solum ad illud sulvu/ 1sti, additum fuisse interpretando, cujusmodi sunt Asperitas, & Lævor ; ne ambigatur, quid ille velit ; & ut intelligatur non esse propterea plures qualitates, sive proprietates, qum tres, videlicet Figuram, Pondus, & Magnitudinem, habendas. »
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p÷sa aqta?r 1mup²qwousa, ja· Qd¸a, oVar pqoeiqgl´mar 1st· diamoe?m, lμ letab²kkei.70
La note explicite la volont de bien distinguer ces qualits intrins ques des autres qualits sensibles (couleur, odeur, saveur, chaleur, etc.) : ces derni res ont bien leur origine dans la structure atomique de la mati re, mais elles ne sont pas des qualits propres aux atomes, elles rsultent simplement de l’agencement des atomes, et leur changement ventuel n’est que la consquence d’une modification de cet agencement. Pour justifier les termes de son ajout, Gassendi cite la scholie du § 44, qui annonÅait ce passage-ci, prcisant que « la couleur, selon les douze livres des lments, change selon la position des atomes » :71 il en reprend donc les termes et les transpose ici, en prenant appui sur le fait que ce passage tait « annonc » par la scholie, mÞme si le texte du § 54 diff re dans le dtail, en dfinitive. Mais cela l’autorise, ses yeux, complter le texte reÅu cet endroit, non sans remplaÅer le verbe !kk²tteshai letab²kkeim, dans la mesure o c’est celui-ci que Diog ne Larce emploie dans ce passage.72 De mÞme, il justifie l’usage du terme 1mup²qweim (« exister dans » – utilis par Aristote), car ce verbe rend compte avec exactitude du caract re intrins que et naturel des proprits, ce que raffirme l’adjectif Qd¸a.73 70 « [D]’autres qualits, comme la couleur et la chaleur changent en fonction de la position des atomes, c’est pourquoi elles n’appartiennent pas en propre aux atomes. Toute qualit leur appartenant et leur tant propre, comme celles dj voques que l’on peut concevoir, n’est pas sujette au changement. » Gassendi 1658, Opera, t. 1, 20, l. 40–p. 21, l. 1. Il traduit ainsi : « Siquidem qualitates aliae, quemadmodum color, aut calor pro varietate positionis Atomorum commutantur, ipsismetque adeo Atomis non sunt [il ajoute ensuite, dans la traduction latine seulement : seu natura minim sunt].Qualitas vero omnis ipsis inexistens, [ajoute, en latin : seu naturalis], ac propria, cujusmodi possunt tres illae memoratae intelligi, mutationi non est obnoxia. » 71 [T]¹ de wq_la paq± tμm h´sim t_m !tºlym !kk²tteshai 1m ta?r ib( stoiwei¾sesi vgsi, § 44 (= Diog ne 1999 – 2002, Vies, 745, l. 5), ibid., 17, l. 8 s, avec une note, p. 72. 72 Voir la note, Gassendi 1658, Opera, t. 1, 75 : « colorem vero ipso Atomorum commutari positu : patet in textu, ut vulgo habetur, nullam fieri neque coloris, neque alterius Qualitatis, positu Atomorum commutatae, mentionem. Utor vero hic verbo letab²kkeim, passive etiam significante, non autem verbo !kk²tteshai, quod insinuavit Lartius ; quoniam hic illud, non vero hoc aliquoties repetitur. » 73 Gassendi 1658, Opera, t. 1 .75 : « Quod autem deinceps utor verbo 1mup²qweim, ejusque participio, ad designandum quae Qualitates, ut connaturales & perpetuae, insint ; aut ut adventitiae, & temporaneae, non insint Atomis ; occasionem habeo ex iis, quae sequuntur ; ex quibus licuit etiam priores appellare
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On voit donc que le travail philologique de Gassendi va dans le sens d’un renforcement de la doctrine et de son homognit, tout en prparant les dveloppements du commentaire qui vont prendre appui sur cette thorie de la mati re pour laborer une conception propre des semina rerum : car Gassendi n’avait besoin que de cette affirmation ritre des trois qualits intrins ques (la figure, la grandeur et le mouvement) pour, d’une part, rfuter la physique qualitative et finaliste de la tradition aristotlicienne et scolastique, et d’autre part, pour fonder un dynamisme atomistique et molculaire partir de la notion picurienne de s¼cjqisir que sa propre exprience, notamment dans l’tude des cristaux, avait confirme.74 C’est la lumi re d’une telle exprience que l’on peut lire la note suivante, portant, justement, sur l’affirmation « qu’il faut que quelque chose de solide et indissoluble subsiste dans la dissolution des composs » (1peid¶peq de? ti rpol´meim 1m ta?r diak¼sesi t_m sucjq¸seym, steqe¹m ja· !diak¼tom) : Gassendi insiste sur le fait qu’il s’agit ici, non de la simple « altration » , mais bien de la gnration et de la corruption, c’est--dire de la naissance et de la disparition des choses concr tes, et du devenir de la mati re dans ce processus.75 Le rle de la composition des corps y est fondamental, car il s’agit de savoir s’il y a changement de substance, ou simplement altration des qualits : les Animadversiones offrent, cette occasion, une longue analyse des conceptions antiques sur le ce sujet – partir, naturellement, d’Aristote – et font le point avec prcision sur la s¼cjqisir picurienne, non sans arri re-penses venues de la chimie moderne comme, par exemple, lorsque Gassendi commente les vers de Lucr ce sur les effets du feu : il y explique le processus de combustion du bois, qu’il analyse en terme de dcomposition (en feu, en lumi re, en fume, en cendres, en sel,
QVd¸ar, quatenus insunt, quemadmodum quae esse dicuntur inseparabiles proprietates. » 74 Sur la thorie des semina rerum chez Gassendi, voir Bloch 1971, Philosophie de Gassendi, 445 – 456, complter et nuancer dsormais par Hirai 2005, Concept de semence, 463 – 471 ; sur l’tude des cristaux par Gassendi en 1635, cf. B. Rochot 1944, Travaux, 66 sq. 75 Note, Gassendi 1658, Opera, t. 1, 75 : « Cum hic vero loci Epicurus agat non modo de ea mutatione, quam vulgo Alterationem vocant ; sed etiam de ea, quam Generationem, & Corruptionem, seu Ortum, & Interitum » Dans les Animadversiones, cette note marque le dbut d’un long dveloppement qui porte justement ce titre (« De Ortu & Interitu, seu Generatione & Corruptione rerum », pp. 389 – 407).
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etc.), ce qui correspond bien au travail de laboratoire familier aux chimistes.76 Dans la suite du mÞme texte,77 Gassendi, pour aller dans le sens de sa conception d’ensemble, prf re lire lem pokk_m l o les manuscrits donnent 1m pokko?r, ce qu’il traduit (avec un ajout) : tum ob factam transpositionem
complurium (« tantt par le dplacement de nombreux » ), auquel il ajoute, dans le texte latin quae in uno situ, qualitatem unam, in alio etiam exhibeant. Il inflchit ainsi le texte dans un sens qui met l’accent sur le rle des atomes – terme qu’il rajoute tr s souvent dans la traduction latine – et sur le changement spatial de position (situs), en rptant bien qu’il n’y a pas de changement de qualit intrins que. De mani re analogue, il lit, quelques lignes plus bas, to¼tour, l o les manuscrits donnent toOto (« en effet il est ncessaire que cela subsiste » toOto c±q ja· !macja?om rpol´mei), expliquant que to¼tour (ceux-l) renvoie plus explicitement aux termes qui prc dent : ecjour de ja· swgltislo»r Qd¸our, que Gassendi traduit par moleculae figurulaeque propriae, expliquant en note qu’il fait cette correction : pour que le mot renvoie autant ecjour, qui dsigne la grandeur, qu’ swglatislo»r, qui dsigne la figure ( savoir les deux proprits des Atomes qui sont aussi immuables et aussi incorruptibles, et qui subsistent autant dans toute dissolution, que les Atomes eux-mÞmes)78
ce qui va dans le sens des ajouts oprs dans la traduction latine, qui prcisaient, propos de moleculae, « seu quantillacumque magnitudines » , et « inexsistentes » , pour qualifier les figurulae. La conjecture to¼tour corres-pondait aussi un ajout latin dans la traduction, qui insistait sur le fait que cela subsistait cum Atomorum substantia. Plus bas encore (au dbut du § 55),79 Gassendi ajoute ja· t¹ l´cehor, la simple 76 Gassendi 1658, Opera, t. 1, 399 – 401 ; la calcination tait une des oprations de base de la chimie traditionnelle. 77 Gassendi 1658, Opera, t. 1, 21, l. 5 – 8 ; voir Balaud 1999, Diogne : la dissolution des composs « qui produira des changements non pas vers le non Þtre ni partir du non Þtre, mais grce des dplacements dans de nombreux corps, et pour certains grce des apports et des retraits » (d t±r letabok±r oqj eQr t¹ lμ cm poi¶setai oqd8 1j toO lμ emtor, !kk± jat± letah´seir, 1m pokko?r, tim_m de.. ja· pqosºdour ja· !vºdour). 78 Gassendi 1658, Opera, t. 1, 75 : « ut vox referatur tam ad ecjour, quibus magnitudo, quam ad swglatislo»r, quibus figura (duae scilicet Atomorum proprietates tam incommutabiles, tamque incorruptibiles, ac tam in omni dissolutione superstites, quam ipsae Atomi) designantur. » 79 Gassendi 1658, Opera, t. 1 21, l. 14, et note, p. 75.
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mention originale de t¹ sw/la, ritrant le souci d’associer systmatiquement la « grandeur » et la « figure » , ut comparatio integra sit, explique-t-il en note. Le travail d’amendement du texte va donc systmatiquement de pair avec le travail d’« interprtation » , au sens complexe qu’il avait alors, puisqu’il recouvrait autant la question de la traduction que celui de l’exg se – comme en tmoignera quelques annes plus tard le trait De Interpretatione de Pierre-Daniel Huet (1661). L’interpretatio de Gassendi recouvre tous ces aspects, et les conjectures y sont une part aussi dterminante que les ajouts apports la traduction latine, le tout tant clair et orient par le corps mÞme des notes. C’est dire que, mÞme isoles du vaste corpus doctrinal qui constituait l’essentiel des Animadversiones, les notes purement philologiques regroupes en 1658 offrent avec le texte, dit et traduit selon les procdures que nous avons essay de caractriser, une vritable mise en forme de la doctrine picurienne, telle que la conÅoit Gassendi, c’est--dire telle qu’il en a besoin pour difier son propre corps de doctrine. D’un ct, l’appel la doxographie dans le corps du commentaire fixe la doctrine au sein d’une doxa que Gassendi s’efforce de rendre famili re son lecteur, constituant ainsi un cadre gnral d’argumentation, o il introduit peu peu les lments issus des nouvelles perspectives scientifiques ; de l’autre, au fil du texte, l’« diteur » op re des choix et sugg re des conjectures qui sont autant de pierres d’attente pour la future synth se – celle qu’oprera (imparfaitement, faute de vritable ma tre d’œuvre) le Syntagma de 1658. C’est en ce sens que l’on peut parler d’un usage de la « preuve » philologique par Gassendi : ses notes sont en effet autant d’arguments en faveur de la thorie picurienne qu’il cherche promouvoir, et le texte auquel il aboutit est, si l’on peut dire, la preuve « extrins que » dont le philosophe a besoin pour attester la validit des th ses picuriennes, et confirmer leur accord ‘objectif ’ avec les nouvelles hypoth ses nes de la rvolution scientifique. Cette finalit, qui ne vise pas le texte pour lui-mÞme, mais un objectif plus large pour lequel ce texte n’est qu’un moyen, explique les ‘liberts’ que le commentateur-diteur prend avec la rigueur philologique telle que nous la concevons depuis Lachmann ; il ne s’agit donc pas d’valuer ce travail l’aune exclusive de nos pratiques actuelles, mais de lui restituer cohrence et signification dans le cadre du projet philosophique de Gassendi, en rapport avec le contexte intellectuel et savant de son temps, ft-ce au risque de ritrer l’infini le geste hermneutique qui tait dj l’origine de cette entreprise.
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Cela peut surprendre aujourd’hui, tant nous sommes attachs l’ide d’une rupture opre par les nouveaux paradigmes – rupture dont le geste cartsien de « table rase » serait emblmatique – ; or, Gassendi n’est pas l’homme de la rupture, alors mÞme qu’il est bien du ct de la nouvelle science (et, bien des gards, il l’est beaucoup plus que Descartes). Comme les exprimentateurs « chymistes » , Gassendi proc de par ttonnements ; c’est dire qu’il n’affirme rien de faÅon monolithique et dogmatique. Mais il n’est pas hsitant pour autant : la hardiesse de ses conjectures, les ajouts qu’il op re dans le texte latin, tout cela atteste qu’il a une vision ferme de son projet et une image nette de ‘son’ picure. La philologie telle qu’il la pratique convient bien cette dmarche qui repose sur un travail patient, qui confronte les sources et les hypoth ses, qui a le souci de faire l’historia des probl mes avant de proposer ses propres hypoth ses ; sa rflexion toujours situe dans la perspective d’un dialogue avec toutes les doctrines rend en effet ncessaire d’intgrer la dimension historique dans la construction des probl mes, mÞme lorsqu’il s’agit de philosophie naturelle. Le caract re ‘exprimental’ qui transpara t derri re les hypoth ses – scientifiques ou textuelles – de Gassendi est sans doute la marque la plus frappante du rapport troit qu’on peut tablir, dans l’laboration de sa pense, entre philologie et science nouvelle : parce qu’il propose plus qu’il ne conclut, Gassendi philologue semble bien dans la ligne de la ‘science’ de son temps, qui devait construire des mod les hypothtiques pour essayer de rendre compte de ce qui chappait la pure saisie des sens. De ce point de vue, la philologie, comme art de la reconstruction ‘vraisemblable’ d’un texte porteur d’une doctrine considre comme homog ne et cohrente, semble bien avoir partie lie avec le travail de construction, non moins ‘vraisemblable’, d’une thorie de la mati re qui soit conforme cette doctrine, mais sans trahir les donnes nouvelles de l’exprimentation : mod le pistmologique, la philologie peut donc appara tre bon droit comme un ‘art de la prudence’ heuristique dont Gassendi avait besoin pour penser le nouveau, la lumi re de ce qui, dans ‘l’ancien’, avait t nglig par la tradition dominante.
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Hermeneutik zwischen Theologie und Naturphilosophie: der sensus accommodatus am Beginn des 17. Jahrhunderts Lutz Danneberg Ich mçchte versuchen, die epistemische Situation ein wenig zu umreißen, in der ein hermeneutisches Konzept, nmlich der sensus accommodatus, als brauchbar erschien, um ein Problem zu lçsen, das sich als der wohl bedeutendste Wissenskonflikt zwischen (Natur-)Philosophie und (Bibel-)Theologie in der Zeit darstellte. Vieles freilich muss des Umfangs wegen dabei ganz ausgeblendet bleiben, einiges kann nur knapp angesprochen werden. Das betrifft sowohl die allgemeinen Voraussetzungen – einerseits die Entwicklung der Hermeneutik als Instrument der Schlichtung theologischer Streitigkeiten, andererseits die kontroverse außertheologische Erçrterung kosmologischer Wissensansprche – als auch die speziellen Bedingungen, unter denen zum einen die jeweiligen konkreten Handlungen (wie Verbote oder Unterlassungsaufforderungen), zum andern die besondere Konstellation des einzigen hier von mir nher betrachteten Beispiels zu sehen sind. Das Beispiel bildet Galileis Darlegungen zur Interpretation der Heiligen Schrift, mit denen er Vorwrfe des epistemischen Widerstreits zwischen zwei ‘Quellen’ des Wissens – ratio cum experientia versus scriptura sancta – zu schlichten versuchte. Doch auch hier muss vieles unbercksichtigt bleiben, etwa die mit Galileis Ansichten vergleichbaren, wenn auch nicht allein im Detail differierenden hermeneutischen Auffassungen Keplers, der zudem, wenn auch erfolglos, mit einer Verteidigungsschrift in die inneren italienischen Kontroversen zu intervenieren versuchte;1 gleiches gilt fr die weitere Entfaltung des Akkommodationsgedankens im 17. Jahrhundert, und nicht einmal ein schweifender Blick kann auf seine sptere Entwicklung und seinen Niedergang aufgrund massiver hermeneutischer Kritik am sensus accommodatus zu Beginn des 19. Jahrhunderts geworfen werden.2 1 2
Die Beziehungen waren zumindest von Seiten Galileis nach anfnglicher Euphorie eher unterkhlt, hierzu die ausgezeichneten Untersuchungen von Bucciantini 1995, Contro Galileo, sowie Bucciantini 2003, Galileo e Keplero. Vgl. Danneberg 2000, Schleiermacher, 194 – 246.
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Um wesentliche Aspekte des Ergebnisses vorwegzunehmen: Galileis Darbietungen verbleiben im Rahmen der mit seinen Opponenten geteilten hermeneutischen Auffassungen, die mit einer einzigen Ausnahme auch den konkurrierenden Konfessionen gemeinsam sind – so sind denn auch in den protestantischen Gebieten im Wesentlichen die gleichen Kontroversen ausgetragen worden, und auch hier ist es zu entsprechenden Verboten gekommen, auch wenn sie aus eher kontingenten Grnden den Nachgeborenen mitunter als weniger spektakulr erscheinen. Auch wenn es fr eine durch spekulative Diskurse ber wissenschaftliche Revolutionen verwçhnte Jetztzeit nur schwer nachvollziehbar erscheint: faktisch sahen die epistemischen Situationen anders aus. Innovationen im Wissen waren mit Tradierungen und Autorisierungen zu verbinden, wenn man ihnen berhaupt zur Visibilitt oder sogar zur Plausibilitt verhelfen wollte. Oftmals sitzt man mehr oder weniger naiv den Selbstbekundungen der Akteure auf, dabei vergessend, dass sie selbst Partei in den Wissenskonkurrenzen der Zeit sind. Bei nherer Betrachtung drckt sich das nicht zuletzt in der Ambivalenz zahlreicher Vorstellungen aus, die sich in der einen oder anderen Weise auf die ‘Quellen’ des Wissens beziehen: Sie sind gleichermaßen polemisch (ausgrenzend) wie programmatisch (vorausgreifend). Nicht zuletzt gilt das fr die Autopsie, aber auch die ratio: So wird das Sehen mit den eigenen Augen bei dem antiken Anatomen Galen ebenso betont wie Mitte des 16. Jahrhunderts bei Andreas Vesal oder zu Beginn des 17. Jahrhunderts bei William Harvey, und zwar so, als sei nie zuvor das eigene Sehen betrieben worden. Offenbar reicht allein der Hinweis Vesals oder Harveys auf die Autopsie zum Konstrukt von Meilensteinen in der Entwicklung etwa der anatomischen Wissenschaften nicht aus und auch nicht dazu, die Gte der neuen Wissensansprche mit der Verwirklichung des eigenen Sehens erklren zu wollen. Zu erklren wre zunchst, wie man sich immer auf dieselbe Vorstellung berufen konnte und zugleich dabei der Legitimation von unterschiedlichen Wissensansprchen zu dienen vermochte, die man trotz der durchgngigen Betonung der Autopsie zuvor nicht gesehen hatte oder nicht zu sehen vermocht hatte. In der Berufung auf die Autopsie liegt denn auch nicht selten ein zweifacher Gebrauch vor: als Abgrenzungs- und als Approximations-Konzept. Im abgrenzenden Gebrauch richtet sich die Anrufung der Autopsie gegen etwas. Das Konzept der Autopsie konkretisiert sich dann vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Tradition, gegenber der man sich mit der Berufung auf das eigene Sehen positioniert: Etwas Bestimmtes, das zuvor gesehen worden ist, sieht man nicht mehr, oder man sieht etwas, das zuvor nicht gesehen wurde. Erklrt wird diese Abweichung nun, indem man an-
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nimmt, die mittlerweile als problematisch erscheinenden Wissensansprche beruhten nicht auf Autopsie oder kçnnten nicht darauf beruht haben. Grundstzlich ist die Anrufung der Autopsie immer und allen zugnglich gewesen und das polemische Konzept einer solchen Anrufung bildet die pars destruens; die pars construens bernimmt das programmatische Konzept. Dabei ist das Programm lngst nicht der Vollzug; es hat durchweg nur den prospektiven Charakter eines Versprechens. Das jedoch sehen erst die nachfolgenden Generationen: Das Programm realisiert sich erst als Approximation. Doch all das bedeutet nicht eo ipso ein ‘anderes Sehen’, sondern zunchst einmal, etwas anders oder anderes zu sehen. Der Schluss auf das Anders-Sehen ist ebenso methodisch problematisch wie der auf Diskontinuitt ohne Scheitern der Annahme von Kontinuitt. Die jeweiligen Hinweise auf Autopsie lassen sich mithin nicht ablçsen von den epistemischen Situationen ihres Auftretens. Zwar ndert sich etwas, aber erkennen lsst sich das nur im Verbund mit anderen Vernderungen, aber auch Kontinuitten, die im Blick auf ihre Bestandteile – wie etwa Erfahrung, Vernunft, Heilige Schrift und Autoritt – gegeben sind. Aber es geht nicht allein darum, ein bewegliches Ensemble, durch das sich eine epistemische Situationen strukturiert, im Auge zu behalten, sondern nicht weniger darum, die einzelnen Elemente berhaupt erst einmal angemessen im Blick auf die anderen zu bestimmen. Galilei zum Beispiel hebt nicht nur in seinen hermeneutischen Schriften immer wieder hervor, Wissensansprche seien gegrndet auf manifesten Erfahrungen und notwendigen Demonstrationen („bene fondata sopra manifeste esperienze e necassarie dimonstrazioni“).3 Zwar kçnne ein solches Wissen niemals der Heiligen Schrift selbst widerstreiten, denn auch fr ihn gilt ihre inerrantia, doch kçnne es die Interpretationen widerlegen, die ihr zuteil geworden sind. Zentral nun ist fr die Darlegungen zur hermeneutica sacra ein Konzept des sensus accommodatus, das just davon ausgeht, dass sich die hier entscheidenden Konflikte mit extra-biblischem Wissen durch die Annahme des (tuschenden) Augenscheins lçsen lassen und das angesichts einer Behauptung, die wie kaum eine zweite dem manifesten Augenschein widerstritt, nmlich die der Bewegungslosigkeit der Sonne. Die Autopsie, die manifeste sinnliche Beobachtung – ebenso wie der sensus litteralis der scriptura sacra – ist zwar gewiss und berzeugend, aber nur fr den Wissenden, fr den ‘Experten’. Einen der Protagonisten im Dialogo lsst Galilei sagen – offenbar eine subkutane Kontrafaktur zu einer Bemerkung des 3
Vgl. etwa Galilei [1615] 1895c, Lettera, 312, 320 mit „senso manifesto“.
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Aristoteles ber die Pythagoreer –,4 dass man den Pythagoreern, also den Kopernikanern, nicht genug Bewunderung zollen kçnne, weil sie sich ber die offensichtliche Auskunft der Sinne, selbst der eigenen, also der Autopsie, „gewaltsam“ hinweggesetzt htten.5 An keinem Punkt seiner Reflexionen zu einer hermeneutica sacra erscheint Galilei als innovativ, auch wenn er eine bewunderungswrdige, stilistisch elegante und scharfsinnige, dabei auch wesentlich kompaktere und ausgefeiltere Darstellung als etwa Kepler bietet. Es ist daher auch nicht wichtig, dass er in hermeneuticis wohl auch Hilfe anderer beansprucht hat und ihn sicherlich Paolo Antonio Foscarinis Lettera sopra l’ opinione de’ Pittagorici, e del Copernico inspiriert haben drfte. Dieses Werk hat er whrend der Arbeit an seinem zweiten thematisch einschlgigen Brief erhalten, das ein hnliches Regelwerk erçrtert wie Galilei – nicht zuletzt ausfhrlich den sensus accommodatus. 6 Wenn Galilei in seinem zweiten einschlgigen Brief Lettera a Madama Cristina di Lorena Granduchessa di Toscana ausgiebig auf den Augustin von De Genesi ad Litteram als Autoritt zurckgreift, dann entspricht er damit den Geflogenheiten des argumentum ab auctoritate, auf denen die hermeneutischen Regelbegrndungen der Zeit durchweg beruhen. Aber das bedeutet weder, dass solche Schriften zur hermeneutischen Reflexion nicht Orte gewisser rationaler Argumentationen waren, noch, dass Galilei seine hermeneutischen Maximen nur bei dieser Autoritt htte finden kçnnen. In seinem ersten, fr das Thema einschlgige Lettera a D. Benedetto Castelli finden sich hnliche Ausfhrungen wie in seiner zweiten Intervention, ohne dass die Zeugnisse der Kirchenvter bemht worden wren. Einzig innovativ ist in diesen Schriften seine StellenExegese, und zwar nicht allein um zu zeigen, dass unter Wahrung ihres sensus litteralis bestimmte Passagen der Heiligen Schrift keine geozentrische Deutung erlauben, sondern mit dem Versuch, die wesentlich strkere Behauptung zu begrnden, dass dies berhaupt keine geozentrische zu leisten vermçge, sondern es allein einer heliostatische gelinge, den sensus litteralis zu 4 5 6
Diese tten aufgrund ihrer vorgefassten Ansichten der Erfahrung Gewalt an, so Aristoteles, De caelo, II, 13 (293a). Galilei [1632] 1891, Dialog, 3. Tag, 342. Vgl. Foscarini [1615] 1853, Lettera, 465 f. unterscheidet drei Formen des bergangs von einer ersten ‘problematischen’ wçrtlichen Bedeutung zu einer zweiten Bedeutung; den Ausgangspunkt bildet die berlegungen, dass, wenn die kopernikanische Theorie sich als wahr erweist, sie deshalb nicht mit Aussagen der Heiligen Schrift konfligieren muss (472), da sie sich insbesondere nach der Akkommodation entsprechend korrigieren ließen.
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retten, so dass diese Stellen zugleich die „falsit e impossibilit del mondano sistema Aristotelico e Tolemaico“ zeigen wrden.7 Im Zuge der Ankndigung einer kirchlichen Revision des Falls Galileo durch Papst Johannes Paul II. 1979 hat die Forschung enormen Auftrieb erhalten. Nicht zuletzt gilt das auch fr die theologischen und – im Vergleich zu der zuvor eher marginalen Behandlung – vor allem fr die hermeneutischen Aspekte. Auch wenn ich mit den vorgetragenen Analysen oftmals nicht bereinstimme, kann ich das im Weiteren nicht einmal anmerken. Alle von mir gelesenen Autoren,8 die Analysen zum Thema beizusteuern ver7
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Vgl. Galilei [1613] 1895b, Lettera, 285 – 287; auch Galilei [1615] 1895c, Lettera, 343 – 347. – Spter hat sich Galilei zum Thema wohl nicht mehr nennenswert geußert; in seiner spteren Kontroversschrift gegen Ingoli von 1624, in Galilei [1624] 1896, Lettera, 509 – 561, erwhnt er zwar (409), dass dieser neben astronomici und filosofici auch theologici Argumente vorgebracht habe, geht aber auf letztere mit keinem Wort ein. Neben lteren Untersuchungen vor 1979 wie Martini [1966] 1980, Galilei; Hine 1973, Copernican Astronomy, 134 – 149; sowie Shea 1975, La Controriforma; Barone 1982, Diego de ZuÇiga, 319 – 334; Leonardi 1982, Verit, 597 – 635; Longo 1982/ 1983, Foscarini; Baldini 1983, L’astronomia; Baldini 1992, Legem impone subactis; Baldini/Coyne 1984, The Louvain Lectures; Basile 1983, Galileo; Basile 1987, L’invenzione; Coyne/Baldini 1983, The Young Bellarmine; Pedersen 1983, Galileo; Pedersen 1984, Galileo’s Religion; Russo 1983, Galile; Vasoli 1984, Tradizione; Moss 1983, Galileo’s Letter; Moss 1984, Galileo’s Rhetorical Strategies; Moss 1986, Rhetoric; Moss 1993, Novelties, 129 – 211; Bolado 1985, de ZfflÇiga; Fabris 1986, Galileo; Finocchiaro 1986, Galileo’s Trial; Finocchiaro 1995, Methodological Judgement; Shea 1986, Galileo; Caroti 1987, Un sostenitore napoletano; Pesce 1987, Galileo a Cristina di Lorena; Pesce 1991a, Lettera a Cristina; Pesce 1991b, Galilei a Castelli; Pesce 1992, Lettera Copernicana; Pesce 1995, L’indisciplinabilit; Pesce 1998, Il primo; Pesce 2000, Lettera a Cristina, 9 – 66; Feldhay 1988, Catholicism; Feldhay 1995, Galileo; Feldhay 2001, Galileo and the Church; Deason 1989, John Wilkins and Galileo Galilei; Westfall 1989, The Trial of Galileo; Boaga 1990, Annotazioni; Blackwell 1991b, Galileo; Blackwell 1991a, Foscarini’s Defense; Blackwell 1998, Science; Goldstein 1990, Astronomical Miracles; Festa 1991, Galile hrtique?; Reeves 1991, Daniel 5; Reeves 1992, Augustine and Galileo; Mayaud 1994, Deux textes au cœur du conflit; Sullivan 1994, Galileo’s Apparent Orthodoxy; Stabile 1994, Linguaggio della natura; Brotns 1995, The Reception of Copernicus; Kelter 1995, The Refusal; Fantoli [1994] 1996, Galileo for Copernicanism; Howell 1996a, History of Hermeneutics; Howell 1996b, Copernicanism; Poppi [1996/1997] 2001, Carlo Conti a Galileo; Carroll 1997, Galileo; Caroll 2001, Biblical Exegesis; McMullin 1998, Galileo on Science; Ponzio 1998, Copernicanesimo; Battistini 2000, Galileo; Beretta 1999, Le procs de Galile; Lerner 1999, L’ ‘hrresie’ hliocentrique; Brundell 2000, Bellarmine; Dorn 2000, Autonomie der Naturwissenschaften; Pantin 2000, Dissiper les tnbres; Pantin 2002, Science et religion; Rudavsky 2001, Galileo and Spinoza; Biagioli 2003, Book of Nature.
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suchen, werden der Komplexitt der epistemischen Situation nicht gerecht, abgesehen davon, dass nicht selten noch immer mehr oder weniger anachronistische Konzeptionalisierungen einfließen, die unbemerkt die Ergebnisse vorprgen. Aufgrund des beschrnkten Raums kann auch ich hier nur Andeutungen bieten, die weiter auszufhren wren. Ich werde dabei so verfahren, dass ich, nach allgemeineren Darlegungen zur epistemischen Situation der probatio hermeneutica und theologica in der Zeit Galileis wesentliche Teile seiner Argumentation darstelle und sie kommentiere. Selbst hierbei muss ich mich beschrnken; das betrifft vor allem die Ausfhrlichkeit der erforderlichen Kontextualisierungen. Das gilt beispielsweise fr den mehrfach von Galilei angesprochenen Grundsatz,9 dass zwei Wahrheiten sich nicht widersprechen kçnnten und aus einem Widerspruch beider folge, dass eine von beiden keine Wahrheit darstelle. Es handelt sich dabei um eine fr alle Konfessionen zugngliche Interpretations- und Schlichtungsmaxime. Im Hintergrund steht ein lange Zeit unwidersprochener philosophischer Basissatz: die Wahrheit stimmt mit der Wahrheit berein (verum vero consonat), sowie – durchweg als quivalente Formulierung aufgefasst (was freilich nicht zwingend ist): die Wahrheit widerspricht nicht der Wahrheit (verum vero non repugnat). Daraus schließt man (ebenfalls allein genommen nicht zwingend), dass allein das Falsche dem Wahren widerspreche (solum falsum vero dissonat). Formulierungen entsprechender Annahmen finden sich bereits in der Antike. Der Grundsatz omne verum omni vero consonat drfte auf Aristoteles zurckgehen, der in der Nikomachischen Ethik sagt: „Man muss nun ber diesen Begriff des Guten und der Glckseligkeit nicht nur aufgrund von Schlussfolgerungen reden und aus Beweisgrnden, sondern auch aus der allgemeinen Anschauung. Denn mit der Wahrheit stimmen alle Tatsachen berein, und mit dem Irrtum dagegen werden sie rasch in Widerspruch geraten.“10 Wichtig fr die christliche Rezeption dieses Basissatzes ist seine Autorisierung durch die Kirchenvter. Dem widerstreite zwar die zumeist dem arabischen Philosophen Averroes zugeschriebene Ansicht der doppelten Wahrheit (duplex veritas), nach der in der Philosophie etwas wahr sein kçnne, was in der Theologie falsch ist. Doch ist es nicht leicht, berhaupt einen christlichen Vertreter dieser Ansicht ausfindig zu machen, der sie sich selbst zuschreibt und so tritt sie denn wohl zumeist nur als Fremdzuschreibung auf. Entscheidender aber ist, dass die Annahme verum vero non 9 Vgl. z. B. Galilei [1613] 1895b, Lettera, 283: „[…] due verit non posson mai contrariarsi, […].“ Ferner Galilei [1615] 1902, Brief, 185. 10 Aristoteles, Nic Eth, I, 8 (1098b 8 – 10).
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repugnat nicht konfligieren musste mit der ebenfalls von allen geteilten Annahme der Existenz von Glaubensmysterien, die supra rationem oder naturam seien. Nicht nher eingehen werde ich zudem auf die gelegentlich geußerte Auffassung, Galileis Aussagen zur Schlichtung seien nur Anpassungen im Sinn einer simulatio oder dissimulatio, mit denen er mithin gegen seine berzeugung nur in einen bestimmten hermeneutische Diskurs eingestiegen sei. Solche Vermutungen sind weitaus schwieriger nachzuweisen als sie aus heutiger Sicht nahe liegen mçgen – darauf beispielsweise zu schließen, dass Galilei bestimmte rhetorische Muster bei seinen Argumentationen verwendet habe, ist allein genommen ein non sequitur. Es ist eine alte Maxime, allein aus den vorhandenen berzeugungen der Adressaten heraus fr einen von ihnen bislang nicht geteilten Wissensanspruch zu argumentieren: Also das Erzeugen von Konsens aus Dissens durch angenommenen Konsens. Zwei Varianten sind in diesem Zusammenhang einschlgig: die reductio und die dissimulatio. Eine reductio liegt vor, wenn es sich um die hypothetische (vorlufige) Ausklammerung eigener berzeugungen bei der Argumentation handelt, eine dissimulatio dann, wenn es das kontrafaktische Annehmen eines Konsenses mit demjenigen ist, den man zu berzeugen gedenkt. Der Unterschied beider Arten der Konsensbildung ist beachtlich: Bei der reductio klammert man etwas hypothetisch aus, was man teilt, aber der andere nicht. Bei der dissimulatio nimmt man etwas hypothetisch an, was man nicht teilt, aber der andere. Der Unterschied liegt im Ziel der Argumentation: Jemanden unter Verzicht auf bestimmte Beweismittel von der Wahrheit eines Wissensanspruchs zu berzeugen und damit zur Zustimmung zu veranlassen oder ihn (zunchst) unter Annahme bestimmter Beweismittel zur Zustimmung zu einem Wissensanspruch zu veranlassen. Der Wissensanspruch, zu dem man ihn veranlasst, ist zwar im zweiten Fall auch wahr, aber die Grnde, die zur Zustimmung veranlassen, sind es nicht. In diesem Fall erzeugt man Zustimmung mit falschen Argumenten, in jenem mittels einer suboptimalen Argumentation. Wie dem auch sei: einige Momente seiner berlegungen wecken eher den Eindruck, Galilei unternehme in seinen beiden Briefen nicht allein eine Verteidigung seiner kosmologischen Auffassungen hinsichtlich des Widerstreits mit dem sensus litteralis der Heiligen Schrift; es handelt sich also um mehr als nur um eine Argumentation ex concessu, nmlich um einen ernsthaften Beitrag zur hermeneutica sacra. Das, was die bisherigen Untersuchungen oftmals verwundert bemerkt und wenn nicht, dann nicht hinreichend analysiert haben, sind zwei Momente. Sie betreffen die Stellung des sensus litteralis sowie das Konzept des sensus accommodatus. Beim sensus litteralis geht es vor allem um die Grnde
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fr seine besondere Auszeichnung, und zwar bei allen Konfessionen. Das bleibt so lange im Dunkeln, wie man nicht erkennt, dass es bei der probatio hermeneutica im Rahmen der Auslegungslehre zu einer berlagerung und Verzahnung mit der probatio theologica im Rahmen der Beweislehre kommt. Die Ermittlung des Sinns der Heiligen Schrift durch die hermeneutica sacra dient allein dem Beweis und zunchst zu nichts anderem. Beide, probatio hermeneutica wie theologica, sind nach dem Verstndnis aller konfessionellen Parteiungen nicht unabhngig voneinander, gleichwohl lassen sich beide (analytisch) voneinander trennen. Dann erkennt man, dass beide in unterschiedlichen Beziehungen zu einander stehen kçnnen. Nur erwhnt sei, dass sich mit Hilfe dieser Unterscheidung zahlreiche Wegstrecken und Weggabelungen der Entwicklung der hermeneutica sacra und generalis systematisch erhellen, vor allem konfessionsneutral beschreiben und analysieren lassen. Dass ihre Beziehung bei der katholischen Beweislehre anders als bei der protestantischen gefasst wird, haben nachdrcklich die einschlgigen Dekrete auf dem Tridentinum deutlich gemacht, nicht zuletzt mit der Auszeichnung der Vulgata als den beweistauglichen Text der Heiligen Schrift – freilich nicht fr die hermeneutica sacra als solche, sondern insofern der Text fr die probatio theologica eine Rolle spielen soll. Aus der Sicht der Protestanten wird diese Diskrepanz zur hermeneutica lange Zeit zum Sinnbild ihres berlegenheitsanspruchs angesichts der veritas hebraica und graeca. Vor dem Hintergrund dieser Unterscheidung erscheinen zahlreiche, nicht allein protestantische Konzepte zumindest ex post – nicht unbedingt im Verstndnis der mit ihnen agierenden Akteure – als ambiguin. Das gilt beispielsweise fr alle ad-fontes-Maximen, aber auch fr die Annahme des einen Sinns, die sensus-unitas-Maxime, der Heiligen Schrift, die ein Herzstck der protestantischen Beweislehre bildet – „neque enim scriptura plusquam unicum sensum simplicissimum habet“11–, aber zugleich auch eine hermeneutische Seite besitzt. Gleiches gilt fr ein zweites Herzstck der protestantischen Beweislehre, dem sola-scriptura-Prinzip. Zum einen kann es beweistheoretisch die alleinige Quelle umschreiben, aus der Wissensansprche eines spezifischen Charakters begrndet zu entlehnen seien, zum anderen hermeneutisch den Bereich der Argumente, die fr eine Bedeutungszuweisung an den Text als zentral erscheinen. In seiner hermeneutischen Gestalt tritt die sola-scriptura-Maxime in der Formel scriptura sui ipsius interpres auf, und das fhrt zu einer Rechtfertigung des hermeneutischen Parallelstellenverfahrens im Rahmen der interpretatio authentica – quilibet optimus verborum suorum interpres. Ihre beweistheoretische Transformation 11 Luther [1519 – 1521] 1892, Operationes in Psalmos, 645.
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erfhrt sie dann als interpretatio secundum analogiam fidei. Der bergang von scriptura per scripturam zu interpretatio secundum analogiam fidei erscheint im (protestantischen) Selbstverstndnis als so eng gefgt, dass faktisch kein Hiat sichtbar ist.12 Diese Ambiguitten sind den genannten Konzepten weder mitgegeben noch in ihnen angelegt. Erst sie geben zu erkennen, wie die einschlgigen hermeneutisch-beweistheoretischen Konzepte sich im Laufe der Zeit unter den Hnden der Akteure entwickeln und verwandeln. Die im Tridentinum erfolgte Auszeichnung der vulgata Latina editio als authentisch – wie der zeitgençssische terminus technicus lautet – wre hiernach zunchst als eine Festlegung im Rahmen der theologischen Beweislehre zu sehen. Eingeschrieben ist dann der Unterschied zwischen beweistheoretischer Authentizitt und hermeneutischem Ursprung. Der anhaltende Streit unter katholischen Theoretikern, in welchem Sinne der Ausdruck ‘authentisch’ zu verstehen sei: inwiefern er nur als eine juridische (authentica iuridica) oder auch als eine kritische Authentizitt, lsst sich dann begreifen als eine Auseinandersetzung, die ber den Grad der Dependenz der probatio theologica von der Auslegungslehre gefhrt wird. Das Selbstverstndnis der Protestanten zielte demgegenber auf die Realisierung einer mçglichst weitreichenden bereinstimmung zwischen Beweis- und Auslegungslehre. Da die Auslegungslehre sich seit dem 16. Jahrhundert bestndig vernderte und ein Auseinanderdriften beider drohte, legte das den Protestanten fortwhrend nahe, die theologische Beweislehre an die Vernderungen der Auslegungslehre anzupassen. Wohingegen die katholische Beweislehre im Großen und Ganzen konstant bleibt und sich dabei die Kluft zwischen ihr und den Auslegungslehren bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zunehmend vergrçßerte, konnte das aber auch bedeuten, dass von dieser grçßeren Unabhngigkeit beider gerade die Bibelphilologie profitierte, indem die katholischen Gelehrten bestimmte philologische Befunde mitunter schneller akzeptieren konnten wie das Beispiel Richard Simons zeigt.13 Demgegenber fhrten die fortwhrenden Versuche der Protestanten, ihre Beweislehre gleichsinnig zu den Entwicklungen der Auslegungslehre zu formen, zum tendenziellem Verlust gerade ihres Charakters als Beweislehre. 12 Nur ein Beispiel: Heerbrand 1591, Dispvtatio, 11, § 74: „Est autem Scriptura per Scripturam interpretanda, sicut Apostolus monet: Prophetiam analogiam fidei esse debere“ – Anspielung auf Rçm 12, 6 – „vt etiam Patres ipsi senserunt & docuerunt.“ Auch § 35, 7 [recte: 5]: „Et ea ipsa illustrantur perpetuo Scripturae consensu, fidei Analogia, & obseruato Spiritus sancti scopo, facta collatione ad loca clariora […].“ Auch § 100, 15. 13 Vgl. Danneberg 2003b, Spanheim’s Dispute.
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Dass bei den Protestanten sich die Auslegungslehre gegenber der Beweislehre durchsetzte – jene dominierte, diese sich anschmiegte – ist erklrbar, aber keineswegs zwangslufig. Markieren die sola-scriptura- mit der sensus-unitas- neben der claritasscripturae-Annahme die Differenzpunkte zwischen protestantischer und katholischer Beweislehre und bieten ein Gegengewicht zur katholischen Trias von Traditionsprinzip (in libris scriptis et sine scripto traditionibus), kirchenvterlicher Einstimmigkeit (unanimis consensus sanctorum Patrum) und ppstlichem magisterium, liegt der Unterschied (anders als man zumeist meint) gerade nicht in der differierenden Betonung des sensus litteralis als Fundament der probatio theologica. Wo auch immer man den Bruch im Jahrhundert der Reformation sehen will, hier ist er am wenigsten zu finden. Sptestens seit dem Kirchenvater Augustin gilt der Satz figura non probat – also: der nichtwçrtliche Sinn besitzt keine Beweiskraft. Martin Luther verwendet diese Formel und schreibt sie Augustin zu.14 Obwohl sie sich im Wortlaut bei diesem Kirchenvater nicht findet, bietet er gleichwohl zahlreiche Stellen, die das von Luther Gemeinte und oft Angesprochene zum Ausdruck bringen.15 Doch lange vor der Reformation ist das opinio communis. An diesem Gedanken orientiert beispielsweise Thomas von Aquin seine Beweislehre, die sich bei ihm unter der Maxime symbolica theologica non est argumentativa entfaltet.16 In den Bibelkommentaren der vorreformatorischen Zeit wird das dann wie selbstverstndlich angenommen, so etwa bei dem sicherlich von dem Aquinaten beeinflussten Nikolaus von Lyra (1270 – 1349).17
14 Luther [1521] 1889, Rationis Latomianae, 63, auch Luther 1915, Vorlesungen, 109: „Ac pulchre dixit Augustinus: […]“, auch Luther 1921, Tischreden, Nr. 6989, 308: „St. Augustinus hat eine Regel gegeben, quod figura et allegoria nihil probet, sed historia, verba et grammatica, die thuns. Figura die thut nichts uberall.“ 15 Vgl. z. B. Luther 1911a, In epistolam, 657: „Allegoriae non pariunt firmas probationes in Theo-logia, sed velut picturae ornant et illustrant rem“; oder Luther 1912, Tischreden, Nr. 1219, 607: „[…] sie beweisen nicht […].“ 16 Vgl. etwa Thomas von Aquin [1271] 1954, Contra retrahentes, cap. 7, 775 (169): „Nec ab huiusmodi figuris efficax argumentatio trahitur, ut Augustinus dicit in quadam epistola contra Donastistas. Et Dionysius dicit in Epistola ad Titum, quod symbolica theologia non est argumentativa.“ Auch konzis in Thomas von Aquin [1266 – 73] 1925, Summa Theologica, I–I, q 1, a 10, ad primum (22), wo es ber den wçrtlichen Sinn (sensus litteralis) heißt: „[…]; ex quo solo potest trahi argumentum, non autem ex iis quae secundum allegoriam dicuntur […].“ 17 Vgl. Nicolaus de Lyra [1322 – 1331] 1971, Postilla, cap. XVII, Bbiij (linke Spalte): „[…] necessariffl[m] [st] [n]cipere ab [n]tellectu sensus l[ite]ralis, max[m]e cffl[m]
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Nicht leicht zu eruieren sind allerdings die Grnde, weshalb man meinte, sich bei der probatio theologica auf den sensus litteralis beschrnken zu mssen – und sicherlich hat man es auch nicht immer getan. Abgesehen von juristischen Einflssen – die Heilige Schrift wurde wie ein Gesetzestext behandelt –, aber auch von philosophischen berlegungen zu dem, was ‘grundlegend’ sei, hat es wohl entscheidend mit den unterschiedlichen Graden der Gewissheit zu tun, mit der man meinte, dass der Mensch die unterschiedlichen sensus zu erkennen vermag. Ein sensus mysticus, das meint zunchst nicht mehr als einen verborgenen Sinn, ist fr einen Christen jeglicher Konfession der Zeit in der Schrift, wenn auch nicht unbedingt an jeder Stelle – das ist keine Frage, und nur erwhnt sei dabei, dass bei keiner Konfession die beweistheoretische Auszeichnung des sensus litteralis auch bedeuten musste, dass dieser sensus gegenber anderen in jeder Hinsicht einen hçheren Rang besaß: So konnte man dem sensus mysticus seu spiritualis eine grçßere dignitas oder nobilitas zuerkennen. Ihn jedoch zu erkennen, galt vornehmlich wegen seiner Gottesnhe im Unterschied zum sensus litteralis als wesentlich weniger gewiss – mithin handelt es sich nicht zuletzt um einen epistemischen Grund fr diese Auszeichnung. Das erklrt zunchst, dass der Widerstreit mit einer bestndig tradierten wçrtlichen Bedeutung etwa der heliostatischen Kosmologie sich gleichermaßen als ein Problem fr jede der zeitgençssischen Konfessionen darstellte. Aber damit ist das Konzept des sensus litteralis alles andere als problemlos, und zwar erneut fr keine der Konfessionen. Das erste ist, dass es in unterschiedlicher Strenge fr die probatio theologica konzipiert sein konnte. Die faktisch strengste Fassung bestand in der Forderung, dass im Text die terminologische Prsenz (in terminis terminantibus) des zu Beweisenden explizit gegeben sein musste. Auf solche Beweisforderungen hat Michel Servet etwa seine Behauptung des nicht schriftgemßen Charakters der Lehre der Trinitt gesttzt18– mit den bekannten Folgen; aber auch der frhe ex solo sensu l[ite]rali [et] n[n] mystic[o] possit argum[n]tu[m] fieri ad p[ro]bation[m] vel declaration[m] alicui[us] dubii […].“ 18 Vgl. Servet 1531, De Trinitatis Erroribvs Libri Septem S.l. 1531, fol. 64v, wo es heißt, man solle den Ausdruck ‘Trinitt’ vermeiden, da er nicht biblischer Herkunft sei (meine Hervorhebung): „Et sic concedo, aliam personam patris, aliam personam filij, aliam personam spiritus sancti: & concedo patrem, filium & spiritum sanctum, tres in una deitate personas, & haec est uera trinitas. Se uoce scripturis extranea uti nollem, ne forte in futurum sit philosophis occasio errandi, & cum antiquioribus, qui ea uoce san usu sunt, nihil mihi quaestionis est, modo haec trium rerum in uno Deo blasphema & philosophica distinctio mentibus hominum eradicetur.“An anderer Stelle (fol. 32r) wird er expliziter: „[…] cum nec unum uerbum reperiatur in tota
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Luther hat bei der Kritik an bestimmten theologischen Auffassungen mitunter auf ein so strenges Verstndnis von Wçrtlichkeit zurckgegriffen. Freilich vermochte er nach demselben strengen Kriterium nicht, alle seine eigenen theologischen berzeugungen durch die Heilige Schrift zu fundieren, was ihm denn auch schnell seine katholischen Gegner vorgehalten haben. Diese strenge Fassung per verba und nicht per sensum findet sich gelegentlich bei den Kirchenvtern (aqtok´nei) und ist im Mittelalter nicht selten kritisiert worden, wie etwa von Thomas von Aquin.19 Das Verbot der sogenannten errores Ockamicorum richtet sich gegen die Annahme, dass immer eine strenge ‘Wçrtlichkeit’ (virtus sermonis – ex virtute sermonis) anzunehmen sei; entgegengesetzt wurde dem eine an voluntas oder intentio des Autors ausgerichtete Bedeutungsauffassung.20 Die weniger strengen Fassungen des sensus litteralis schließen dann etwa den sensus metaphoricus oder parabolicus ein.21 Der zweite strittige Punkt liegt in der Frage, wann der bergang von einem wçrtlichen zu einem nichtwçrtlichen sensus erforderlich und gerechtfertigt erscheint. Auch wenn zwischen den Konfessionen unstrittig war, dass die Heilige Schrift als Wort Gottes nicht nur einen sensus litteralis (im beweistheoretischen Sinn) besitzt, wie zugnglich ein solcher sensus jenseits des sensus litteralis auch immer erschien, stellen sich zwei Probleme: Zum einen das des bergangs von einem wçrtlichen sensus im hermeneutischen Verstndnis (etwa als sensus grammaticus, sensus litterae) zu einem sensus Biblia de trinitate, nec de suis personis, nec de essentia, nec de unitate suppositi, nec de plurimum rerum una natura, nec de alijs eorffl[m] cenophonijs & logomachijs, quas Paulus falsae agnitionis esse ait.“ 19 Thomas von Aquin [1266 – 1273] 1925, Summa Theologica, I, q. 36, 2, ad 1 (202). 20 Gegen wen sich das auch immer richten mochte, das einzige angefhrte Beispiel ist die Heilige Schrift, bei der eine so eingeschrnkte Bedeutungskonzeption die Gefahr beinhalte, ihr auf solche Weise falsche Behauptungen zuzuweisen: „Kein Magister […] mçge sich unterstehen, einen bekannten Satz eines Autors, ber dessen Buch er Vorlesungen hlt, fr schlechthin falsch [simpliciter falsa] oder fr wçrtlich genommen falsch [de virtute sermonis falsa] zu erklren, wenn er glaubt, dass der Autor beim Aufstellen dieses Satzes das Richtige meinte [habuerit verum intellectum]. Vielmehr soll er diesen Satz anerkennen oder die richtige und die falsche Bedeutung unterscheiden, denn mit der gleichen Begrndung mssten sonst Stze der Bibel dem reinen Wortlaut [absoluto sermone] nach fr falsch erklrt und das ist gefhrlich“, zitiert nach Paqu 1970, Nominalistenstatut, 9; auch Paqu 1970, Nominalistenstatut, 11: „Desgleichen soll niemand behaupten, man drfe keinen Satz anerkennen, der nicht in seinem eigentlichen Sinn [sensu proprio] richtig sei. Das fhrt zu den genannten Irrtmern, denn die Bibel und die Autoren verwenden die Worte nicht immer nach ihrer eigentlichen Bedeutung.“ 21 Vgl. Danneberg 1995, Sensus metaphoricus, 66 – 104.
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litteralis als beweisfhiger Sinn im Rahmen der probatio theologica sowie zum anderen das des bergangs vom hermeneutischen wie beweistheoretischen sensus litteralis zu seinem sensus, der zwar der Heiligen Schrift angehçrt und ein sensus verus ist, aber nicht als beweistauglich gilt. Besser lsst sich das hermeneutisch so ausdrcken, dass es um den bergang von einem ersten, dem Text zugewiesenen sensus zu einem zweiten anderen sensus geht. Zwar wird der sensus litteralis mitunter als ein Erstsinn von einem Zweitsinn in lteren hermeneutischen Formulierungen abgehoben – Thomas von Aquin spricht beispielsweise von einem Erstsinn (und einer prima significatio) und einem anderen Sinn,22 ebenso Hugo von St. Viktor;23 Albertus Magnus kennt in seinem Sentenzenkommentar im Abschnitt De modis exponendi sacram Scripturam einen Ersten, Zweiten und Dritten Sinn.24 Doch zumeist ist damit etwas anderes gemeint, nmlich eine gesteigerte Abfolge des Zugangs zum Verstndnis der Heiligen Schrift, und zwar ausgerichtet an der (geistigen) Entwicklung des Lesers: Die Darlegung der verschiedenen sensus richtet sich nach seiner Fassungskraft, um ihm mit Hilfe der Schrift zum Fortschreiten zu verhelfen. Nicht selten scheinen die so zu vermittelnden sensus der Heiligen Schrift mehr oder weniger angepasst an die menschlichen Aufnahmeorgane gesehen zu werden: Literaler, moralischer und allegorischer Sinn korrespondieren mit den menschlichen Vermçgen von auditus, sensus und intellectus. Doch eine solche Vorstellung eines Aufstiegs von sensus-Arten ist nicht gemeint; gemeint ist, dass der Erstsinn eine erste, nach der Bedeutungskonzeption zulssige, aber durchaus sich als falsch erweisende Bedeutungszuweisung darstellt; sie wird im Zuge des Bedeutungsbergangs als interpretatio falsa eliminiert und ersetzt sie – wie es beim sensus metaphoricus im Unterschied etwa zum sensus allegoricus der Fall 22 Vgl. Thomas von Aquin [1266 – 1273] 1925, Summa Theologica, I, q. I, a 10 resp. (22). 23 Vgl. Hugo von St. Viktor [vor 1130] 1997, Didascalicon, VI, III (366): „[…] non tantum rerum gestarum narrationem, sed illam primam significationem cuiuslibet narrationis, quae secundum proprietatem verborum exprimitur.“ 24 Albertus 1893, Commentarii in I sententiarum, I, d. I, A, a. 1 (19 f.): „Primo occurrit sensus ostendens historiam, et ideo historicus sensus est in intellectu, secundum quod reflectitur ad sensum. Circumstant autem adhuc tria intellectum, scilicet habitus illuminans, qui est fides, ei sic in ipso est allegoricus sensus, qui adeificat fidem, sicut dicit Gregorius. Circumstat etiam ipsum intellectus practicus, et sic in ipso per reflexionem ad praxim sive opus est sensus moralis. Tertium, quod circumstat ipsum, est finis beatificans, et sic in ipso per conversionem ad ipsum, est sensus anagogicus. Cum autem non plura circumstent intellectum, non sunt plures sensus Scripturae.“
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ist.25 Deutlich wird, dass die Metaphorik des Fundaments des sensus litteralis (oder historicus) systematisch mehrdeutig ist: Erstens kann es Fundament in dem Sinn sein, dass es sich um einen wahren sensus handelt, auf den die anderen sensus ‘bauen’ – es ist eine Unterscheidung im Rahmen der Beweistheorie und der Bedeutungskonzeption als Arten des Sinns; zweitens kann es Fundament in dem Sinn sein, dass der ‘prima facie’sensus litteralis nur Ausgang fr einen Bedeutungsbergang ist. Da es in der Heiligen Schrift keinen sachlich falschen sensus geben kann, so kann der falsche sensus literalis auch kein (hermeneutisch) genuiner Schriftsinn sein, aber den Ausgangspunkt bilden fr die Erzeugung eines sensus, der hermeneutisch wie sachlich wahr ist. Dass Galileo sich bei seiner hermeneutischen Schlichtung an den sensus litteralis bindet, ist mithin etwas, wofr es keine alternativen Optionen gegeben hat. Auch wenn bei der Formulierung des Kriteriums fr die beiden Formen des bergangs weitgehend bereinstimmung bestand, bedeutet das nun aber wiederum nicht, dass die Erfllung der Bedingungen, unter denen ein bergang in der einen wie in der anderen Weise als zulssig erscheint, unstrittig gewesen ist. Das zeigt sich allein schon an dem einfachen Umstand, dass es in jeder Konfession zentrale Glaubensstze gab, die man im sensus explicitus oder implicitus des sensus litteralis begrndet sah, der aber von zumindest einer der beiden anderen Konfessionen gerade nicht als beweistheoretischer sensus litteralis akzeptiert wurde – ein Beispiel ist die Eucharistie beziehungsweise die Einsetzungsworte.26 Der nicht selten zu findende Hinweis, dass aufgrund der interkonfessionellen Konflikte die katholische Hermeneutik (gemeint ist die Beweislehre) sich besonders stark am sensus litteralis orientiert habe, verfehlt mithin die Pointe. Sie besteht allein in der Frage, wann man in berechtigter Weise von einem wçrtlichen Sinn im hermeneutischen Verstndnis zu einem nichtwçrtlichen sensus oder 25 Immerhin finden sich z. B. bei Ulrich Engelbert von Straßburg (Ulricus de Argentia bis 1277), einem Schler des Albertus Magnus, in seiner Abhandlung De summo bono nicht nur Passagen mit „secundus sensus“, sondern auch explizit nicht die Forderung der Wahrheit des Erstsinns, des Sinns „prima facie“: „Ad veritatem parabole non requiritur quod sensus litteralis verus sit, sed sufficit quod secundus sensus sit verus […]“, Ulrich Engelbert von Straßburg [1277] 1930, De summo bono, I, 22, 9 (52) sowie ebd., I, 22, 10 (55), in Verbindung etwa mit: „Sensus enim litteralis est qui in prima facie littere continetur, sive in se verus sit ut in historiis, sive veritatem tantum habeat ex relatione sua a ulteriorem sensum, ut in parabolis […]“. 26 Zu diesem Streit unter den Protestanten, der mit ausschlaggebend dafr gewesen ist, dass die hermeneutica Aufnahme in die logica gefunden hat, vgl. Danneberg 2005, Kontroverstheologie.
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einem sensus litteralis im beweistauglichen Sinn bergehen darf – und genau das ist dann auch eines der zentralen Probleme, die Galilei intensiv adressiert. Die Pointe dabei ist, dass das einhellig angenommene Kriterium des Bedeutungsbergangs – die exegetische Praxis zeugt allenthalben davon – nicht ausschloss, dass seine Erfllung durch ein extrabiblisches Wissen gegeben sein konnte. Das erklrt letztlich auch einen Aspekt, der die diesbezgliche Galilei-Forschung mitunter als Inkonsequenz Galileis moniert, zumindest sehr irritiert hat, nmlich, dass er die Wissenschaft gerade nicht in toto als unabhngig von der Heiligen Schrift (genauer vom Prinzip des beweistheoretischen sensus litteralis) aufgefasst hat. Eher bei Kepler scheinen einige Hinweise auf eine solche Unabhngigkeit schließen zu lassen, auch wenn seine Ausfhrungen hier nicht eindeutig sind. Die Formulierung des Kriteriums fr den bergang von einer wçrtlichen Bedeutung zu einem hiervon abweichenden sensus litteralis ist unisono die necessitas – es muss eine Notwendigkeit gegeben sein. In Johann Conrad Dannhauers Hermeneutik lautet das entsprechende Kriterium (regula): „Nunquam veniendnum est ad sensum orationis tropicum nisi cogat neceßitas.“27 Unter Berufung auf Augustinus hlt der frhe Cartesianer Johann Clauberg in seiner Hermeneutik fest, dass von Natur aus der eigentliche Sinn dem bertragenen vorausgehe. Doch mssten wir nur so lange an ihm festhalten, bis uns eine „Notwendigkeit“ zwinge, einen bertragenen Sinn anzunehmen.28 Danach werden die Bedingungen angesprochen, unter denen eine solche Notwendigkeit vorliegt, aber auch solche, die hierfr nicht hinreichend seien, wie etwa allein die Hufigkeit eines bestimmten Sprachgebrauchs bei einem Autor. Die Bedingung, bei der sich der Hinweis auf ein hierfr relevantes extrabiblisches Wissen versteckt, ist die natura des behandelten Gegenstandes, wenn sie sich mit der eigentlichen (wçrtlichen) Bedeutung nicht vereinbaren lasse,29 und zur Illustration dient ein immer wieder in der hermeneutica sacra zu findendes, weithin unproblematisches Beispiel: Herodes est vulpes (Luk 13, 22). Ich kann hier nicht auf die Begrndungen dafr eingehen, dass der sensus proprius als priora naturae dem bertragenen vorangehen sollte. Das gilt auch fr eine Erçrterung der Motive fr den hermeneutischen Grundsatz, dass 27 Dannhauer [1630] 1642, Idea Boni Interpretis, 85. 28 Clauberg [1654] 1691b, Logica, pars tertia, § 30, 850: „Resp. Cm sensus orationis proprius natur sit prior tropico, tam diu in illo persistendum est, donec ad hunc amplectendum adigat necessitas. Et sic S. Augustinus: semper verborum proprietatem retinendam esse, nisi quaedam bona ratio tropum suadet […].“ 29 Clauberg [1654] 1691b, Logica, pars tertia, § 30, 850: „[…] quando proprium significatum respuit ipsa rei, de qua agitur, natura, ut in hac enunciatione […].“
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man die Wçrter der Heiligen Schrift nicht leichtfertig in ihrer eng gefassten Bedeutung zu verstehen habe, wenn es die unermessliche Weisheit des Autors erlaube, ihnen eine umfassende Bedeutung zuzuschreiben und wenn dem die anderen Grundstze der Auslegung nicht widersprechen. Bei Clauberg findet dieser hermeneutische Gedanke eines sensus fecundus seine Begrndung nicht zuletzt durch die immense Ausweitung der kosmischen Grçßenverhltnisse.30 Wie dem auch sei: Eine solche explizite Formulierung des necessitas-Kriteriums findet sich bei Augustinus zwar nicht, dafr bei ihm und anderen Kirchevtern zahlreiche Stellen, mit denen sich ein solches Kriterium fraglos sttzen lsst; zudem ist es in der hermeneutischen Regelformulierung nicht unblich, dass sich die memoria ad verbum im Zuge fortwhrender Zitation bei mehr oder weniger geringfgiger mutatio verborum zu sprachlich prgnanten Sentenzen formt und auf diesem Wege zu einer memoria ad res wird; das gilt in diesem Zusammenhang auch fr die Wahl des Ausdrucks necessitas. Luther formuliert die Maxime, man solle jede Passage in ihrer einfachen, eigentlichen und ursprnglichen Bedeutung verstehen („simplici, propria et primaria significatione debeat intelligere“), es sei denn, dieser Sinn ist unsinnig.31 Er beruft sich dabei ebenfalls auf Augustinus, bei dem es unter anderem heißt: „[…] quidquid in sermone divino neque ad morum honestatem, neque ad fidei veritatem proprie referri potest, figuratum est cognoscas“.32 Um das Problem dieses Kriteriums deutlich zu machen, ist es faktisch belanglos, wen man herausgreift. So beruht nach Origenes der Grund, der den bergang zu einem zweiten oder anderen sensus scripturae 30 Vgl. Clauberg [1654] 1691b, Logica, pars tertia, cap. VII, § 43, 853: „[…] ne verba alicujus orationis facil restingas, si latiorem eis significationem profunda authoris sapientia concedat, ne aliae interpretandi abnuant.“ Clauberg fhrt fort, daß dies insbesondere da der Fall sei, wo es um die Reden Gottes gehe, „hujus enim, utpote summ sapientis summeque boni & potentis, & verba & opera augusta potius & ampla, quam angusta & limitata animo sunt cogitanda.“ Zur Begrndung einer solchen Auffassung wird just auf die neueren astronomischen Theorien verwiesen, die zu ganz anderen Grçßenverhltnissen fhrten. Die Ausdehnung des Weltalls lasse sich mit einer Ausweitung von Gottes Allmacht verbinden, so dass gebildete und fromme Mnner – Clauberg drfte hier nicht zu letzt an den reformierten Theologen Johann Coccejus (1603 – 1669) denken – bei der Interpretation der Heiligen Schrift ihren Sinn („intelligentiam, sensum & significationem“) so weit wie mçglich ausdehnen, so lange wie dem kein Grund entgegenstehe, vgl. Clauberg [1679] 1691a, Differentia inter Cartesianam, VIII., § XLV, 1227. 31 Vgl. Luther [1521] 1889, Rationis Latomianae, prim. art., 63 f. 32 Augustinus [396/397 und 425/426] 1962, De doctrina christiana, (CSEL 32), II, 10, 14 (86).
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rechtfertigt, allgemein formuliert darin, dass es zu Abweichungen gegenber den an die Schrift herangetragenen Erwartungen kommt33 Es sind „offendicula“, „intercapedines“, „inpossibilia“34– jeder Ausdruck ist im brigen der biblischen Sprache entlehnt (Rçm 9, 33; 14, 13; 8, 3) – also faktische Unwahrheiten und logische Absurditten, die dazu fhren, dass der die Erwartungen nicht gengende Literalsinn des Textes einen Bedeutungsbergang notwendig macht: Der zunchst supponierte, erste Wortsinn erscheint als „unmçglich oder unvernnftig“.35 An den Beispielen, die Origenes aus der Schrift bringt, wird die Relativierung auf die jeweiligen Annahmen, also auf das Hintergrundwissen, deutlich, die das Vernnftige und die das Mçgliche bestimmen – so etwa das Verbot, Geier zu essen (Lev. 11, 14), das als unvernnftig gilt, da dies niemand tun wrde; als unmçglich gilt das Verbot (Lev. 11, 13), den „Greif“ zu essen, da noch niemand eines Greifs habhaft geworden sei.36 Nach diesem Abweichungskriterium – es gibt noch ein solches der Flle – ist nur dann von einer ersten wçrtlichen Bedeutung zu einer anderen (nicht wçrtlichen) berzugehen, wenn sich Unvereinbarkeiten mit anderen Wissensansprchen ergeben, die man nicht aufzugeben bereit ist. Das Zentrum der Formulierung liegt immer im Abweichungscharakter – defectus litterae –, und das Variable bilden die Portionen von Wissen, die geteilt und zur Geltung gebracht werden, um Dissens zu diagnostizieren und Konsens zu erzeugen. Die necessitas drckt indirekt die Strke des (extra- oder auch intrabiblischen) Wissensanspruchs aus, der in Konflikt mit einer ersten wçrtlichen Bedeutungszuweisung tritt; das ist gleichbedeutend damit, dass die im wçrtlichen Sinn gebotenen Aussagen der Schrift absurd sind, da sie mit beraus gewissen Wissensansprchen konfligieren – und dieses Verstndnis von ‘absurd’ (absurditas) ist nicht nur in der Antike, sondern auch im 16. Jahrhundert gegeben37 und 33 Origenes [verm. vor 230] 31992, De principiis, IV. 2, 9, 726: „Sed quoniam, si in omnibus indumenti huius, id est historiae <et> legis, fuisset consequentia custodita et ordo servatus, habentes continuatum intellegentiae cursum non utique crederemus esse aliud aliquid in scripturis sanctis intrinsecus praeter hoc, quod prima fronte indicabatur, inclusum […].“ 34 Origenes [verm. vor 230] 31992, De principiis, IV. 2, 9, 726. Vgl. z. B. auch IV. 3, 4, 740, wo gesagt wird, dass „sola littera“ oftmals „inpossibilem nec nec sufficientem […] non solum irrationabilia, verum etiam inpossibilia“. 35 Origenes [verm. vor 230] 31992, De principiis, IV. 3, 731. 36 Vgl. Origenes [verm. vor 230] 31992, De principiis, IV. 3, 736 f. 37 Vgl. Luther [1525], De servo arbitrio, 707: „Absurditas itaque una est principalium causarum, ne verba Mosi et Pauli simpliciter accipiantur. Sed ea absurditas in quem peccat articulum fidei? aut quias illa offenditur? ratio humana offenditur, quae, cum in omnibus verbis et operibus Dei caeca, surda, stulta, impia et sacrilegia est, hoc loco
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reicht bis in die gemeinsame Sprache, die von Galilei selbst38 und zur Verurteilung der kopernikanischen Theorie gewhlt wird. Ersichtlich wird daraus die intendierte Strenge des neccessitas-Kriteriums fr den Bedeutungsbergang. So sehr wie diese Formulierungen berkonfessionell auch konform gewesen sind, so deutungsfhig war, wann die Bedingungen zur Erfllung dieses Kriterium vorlagen. Galilei sagt denn auch explizit, dass es mitunter nicht allein zulssig, sondern notwendig sei, von der scheinbaren (wçrtlichen) Bedeutung der Wçrter abzuweichen, und just diese Notwendigkeit wird zum Grund dafr, dass der Heiligen Schrift bei den Auseinandersetzungen allein um Wissensansprche ber die Natur nur der letzte Platz gebhre: „Stante, dunque, che la Scrittura in molti luoghi non solamente capace, ma necessariamente bisognosa d’esposizioni deverse dall’apparente significatio delle parole, mi par che nelle dispute naturali elle doverebbe esser riserbata nell ultimo luogo“.39 Diese Notwendigkeit scheint gut damit zu harmonieren, dass man Galileis Sprachgebrauch der demonstratio in einem strengen aristotelischen Sinn versteht. In der Forschung ist nicht selten auf die Merkwrdigkeit hingewiesen worden, dass Galilei sich zwar auf solche Beweise beruft, aber faktisch ber keine entsprechenden ‘notwendigen’ Beweise fr die Geltung der kopernikanischen Theorie verfgt. Zwar tritt Galilei nicht selten in der Astronomie und der Physik als Kritiker des Aristoteles auf, nicht jedoch unbedingt gegenber seiner Methodologie und so wre ihm denn durchaus ein solches strenges Verstndnis der beanspruchten demonstratio zuschreibbar, nicht zuletzt aufgrund seiner in jngerer Zeit verçffentlichten einschlgigen Juvenilia. Gleichwohl ist die methodologia docens, mehr noch seine methodologia utens, in den recht unterschiedlich gestalteten Schriften zur Begrndung von Wissensansprchen trotz intensiverer Forschungen noch immer nicht hinreichend geklrt; ich kann das hier nur konstatieren und mit einem Hinweis verknpfen. Die auffallend hufige Verwendung in seinen hermeneutischen Schriften der Formel manifeste esperienze e necessarie dimonstrazioni fr die extrabiblischen Wissensansprche, die sich nach ihm fr die Deutung des sensus litteralis in Korrektur der herkçmmlichen Deutungen heranziehen lassen, drfte zumindest in diesen Schriften auch dem Versuch zu zeigen geschuldet sein, dass seine Verteidigung der helioadducitur judex verborum et operum Dei. Eodem argumento negabis omnes articulos fidei, quod longe absurdissimum sit.“ 38 Z.B. Galilei [1615] 1895a, Considerazioni, 356. 39 Vgl. Galilei [1613] 1895b, Lettera, 282.
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statischen Auffassung und der (vermeintliche) Konflikt mit bestimmten berkommenen Auffassungen des sensus litteralis der Heiligen Schrift die Bedingungen des strengen und allgemein anerkannten necessitas-Kriteriums erfllt; und diesem Kriterium entspricht ebenso, wenn Bellarmino fr die Zurckweisung des gngigen sensus literalis der Heiligen Schrift eine vera dimonstrazione fordert.40 Das ist offenbar auch von den Zeitgenossen so wahrgenommen worden, wenn in der ersten Verçffentlichung der Lettera a Madama Cristina 1636 sie wohl von dem Protestanten Matthias Bernegger den Titel Nova-Antiqua patrum & probatorum theologorum doctrina De sacrae Scripturae Testimoniis, in Conclusionibus mere Naturalibus, quae Sensat, & necessariis demonstrationibus evinci possunt, temere non usurpandis erhlt,41 und ich kann nur darauf hinweisen, dass sich ein hnliches Kriterium auch im Bereich der naturwissenschaftlichen (astronomischen) Theorie- beziehungsweise Hypothesenbildung findet – so heißt es beispielsweise bei Michael Mstlin, dem Lehrer Keplers, im Zusammenhang mit der Erklrung der Komentenbahn, und zwar angesichts der Anwendung der heliozentrischen Theorie des Kopernikus zur Rechtfertigung: „Has de admirando Cometae huius motu demonstrationes, produxi, non ex hypothesibus longo aevo usurpatis, & pro veris habitis, sed, ut ante dici, ex Copernici sententia, non, quod novitatis amore deceptus aut fascinatus, eam approbare velim, sed postius, quod extrema necessitate compulsus, eo descenderim“.42 Also: den Beweis ber die Bewegung des bewunderungswrdigen Kometen habe er nicht aus Hypothesen abgeleitet, die seit alter Zeit gngig gewesen seien, sondern aus der Lehre des Kopernikus, und zwar nicht weil er der Neigung zu Neuigkeiten nachgegeben habe – getuscht und fasziniert sei; sondern aufgrund ußerer Notwendigkeit sei er zu diesen berzeugungen gelangt. Neben dem bei der Analyse der hermeneutischen Auffassungen Galileis nicht hinreichend bercksichtigten Problem des sensus litteralis gilt dies vielleicht noch mehr fr das Problem des sensus accommodatus. Hier ist die Sache freilich noch komplizierter. In der hermeneutica sacra, weder bei den Protestanten noch bei den Katholiken bis zur Zeit Galileis, spielt dieser sensus als zentrales Lehrstck eine sonderliche Rolle. So habe ich denn auch keine Darlegungen zur hermeneutica sacra vor Kepler und Galilei gefunden, in denen der sensus accommodatus in dieser spezifischen Verwendung zur Schlichtung des Wissenskonflikts theoretisch erçrtert und analysiert worden 40 Vgl. Bellarmino [1615] 1902, Brief, 172. 41 Vgl. Galilei 1636, Nova-Antiqua. 42 Mstlin 1578, Observatio, 54.
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wre. Allerdings findet sich seit Anbeginn ein verwandter Gedanke, der vornehmlich bei der Exegese zum Tragen kommt und auch zur Schlichtung des Widerstreits zwischen biblischen und extrabiblischen Wissensansprchen dient. Erst bei dem erwhnten Johann Clauberg scheint sich ein entsprechendes Lehrstck in der Hermeneutik zu finden, dann sogar in der hermeneutica generalis, und zwar explizit mit Hinweis auf die Heiligen Schriften und ihren anthropomorphen Formulierungen, dem seit alters unstrittigen Paradebeispiel fr die Erklrung durch accommodatio. 43 Nicht zuletzt ist diese Aufnahme vor dem Hintergrund der heftigen Auseinandersetzungen um die Schlichtung biblischer und extrabiblischer Wissensansprche an den niederlndischen Universitten der Cartesianer der ersten Generation zu sehen,44 an denen nicht zuletzt Claubergs Freund Christoph Wittich (1625 – 1687) maßgeblich beteiligt war. Dabei ist freilich zu beachten, dass es recht unterschiedliche Verwendungen des accommodatioAusdrucks gibt, die ihn in der Zeit systematisch vage werden lassen. Zunchst ist eine erste Verwendung auf intrabiblische Beziehungen bezogen. Hier stehen die Deutungen des Alten Testaments im Neuen – die allegationes – im Vordergrund. So lange ist das im allgemeinen nicht strittig gewesen, wie diese accommodationes ihre theologische Rechtfertigung durch allgemein geteilte Annahmen ber die Beziehung zwischen Neuem und Altem Testament gefunden haben.45 Erst wesentlich spter im Zuge des 18. 43 Vgl. Clauberg [1654] 1691b, Logica, pars Tertia, cap. III, § 16, 847: „Ita distinguendum est inter modos loquendi de Deo ad vulgi sensum accommodatos, & veritatem ad homines promiscue relatam continentes, quibus Sacræ Literæ uti solent, humanos affectus Deo adscribentes, & alios magis nudam veritatem, nec ad vulgus hominum relatam, exprimentes, quibus utendum est in Metaphysicis ad erudiendos scientiæ hujus filios.“ Zum Hintergrund seiner hermeneutischen Darlegungen auch Danneberg 2001, Logik. 44 Hierzu jetzt ausfhrlich Vermij 2002, The Calvinist Copernicans. 45 Beispiele dieser Verwendung von accomodare (oder synonymer Ausdrcke) sind so hufig, dass sich Beispiele eigentlich erbrigen; gleichwohl mag Erasmus hier angefhrt werden, wegen seines immensen Einflusses; so heißt es im argumentum des Hebrerbriefs, Erasmus 1704b, In Epistolam ad Hebraeos, Sp. 981 – 1024, wenn es (Sp. 982) hinsichtlich dessen, was Paulus nach Ansicht des Erasmus mit dem Alten Testament im Hebrerbrief gemacht hat: „Deinde declarat, coruscante iam Evangelio Christi, cessasse umbras Legis Mosaicae, multa repetens ex veteri Testamento, & ad Christum accomodans.“ – Als Echo hierzu erscheint Calvin, wenn es in seinem Kommentar zur Stelle des Hebrerbriefes 10, 5 heißt, dass Paulus die Zitate aus dem Alten Testament ein wenig verndert habe, um sie seiner Argumentation zu akkommodieren. Bçsartige Christen htten ihm vorgeworfen, die Schrift missbraucht zu haben; die Juden seien noch weiter gegangen, indem sie die eigentliche Bedeutung der Stelle bei Paulus verdreht htten. Calvin bietet dann eine Interpretation, nach der
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und dann zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird dieser sensus accommodatus zum sensus falsus und erscheint damit nicht mehr als eine zulssige Bedeutungszuweisung. Zugleich wird damit dann eine der wichtigsten Maximen der hermeneutica sacra, nmlich die interpretatio authentica, aufgegeben, nmlich in der Hinsicht, dass sich der Heilige Geist nicht mehr durch die das Alte Testament ausdeutenden neutestamentlichen Schriftsteller selber auslegt. Zweitens findet sich dieser Ausdruck oder Synonyme wie condescensio nicht selten in den Homiletiken, den ars praedicandi, und steht (schon seit dem Mittelalter) etwa fr Ausdrcke wie applicatio. In seiner Dogmatik Syntagma Theologiae Christianae unterscheidet der in der Zeit namhafte reformierte Theologe Amandus Polanus von Polansdorf (1561 – 1610) zwischen der Ermittlung samt Darstellung des wahren Sinns der Schrift sowie seiner Anwendung. „Partes interpretationis Scripturae duae sunt: enarratio veri sensus Scripturae & accommodatio ad usum“,46 heißt es zur Bestimmung der interpretatio beides verbindend und erluternd: „Interpretatio Sacrae Scripturae est explicatio veri sensus & usus illius, verbis perspicuis instituta, ad gloriam Dei & aedificationem Ecclesiae“.47 Diese interpretatio ist zweifach: „Omnis justa Sacrae Scriptur[a]e interpretatio duplex est, Analytica & Synthetica.“48 Die interpretatio analytica besteht in der analysis textus, die den Text und seine Teile auf den Skopus seines Autors bezieht,49 und die interpretatio synthetica wird hierzu als Umkehrung auf-
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die Deutung des Paulus mit der christologischen Deutung der zitierten Passage bereinstimmt und insoweit lge nach Calvin denn auch kein Grund vor, Paulus den Vorwurf zu machen, die Stelle verdreht zu haben. In dieser Passage verwendet Calvin den Ausdruck akkommodieren in dem Sinn, dass er die Anpassung eines mehr oder weniger klaren wçrtlichen Verstndnisses an die eigentliche, hier die christologische Bedeutung, bezeichnet, vgl. Calvin [1548] 1895, Commentarius (CR 79), Sp. 1 – 240, cap. IV, § 8 (Sp. 193): „Quia nonnihil a genuino sensu hoc testimonium detorsit Paulus ut proposito suo accommodaret: impii eum criminantur, quasi scriptura abusus fuerit. Quin etiam Iudaei, quo plus habeant coloris ad maledicendum, naturalem ipsum sensum calumniose depravant: quod de Deo praedicatur, ad Davidem vel ad populum transferendo. […] Paulus vero quum videret a Davide celebrari triumphum de omnibus Dei victoriis, quascunque in ecclesiae suae salutem retulerat, merito hunc versum de adscensione Dei accommodavit ad Christi personam.“ Vgl. Polanus [1609/1610] 1624, Syntagma, lib. I, cap. XLV, Sp. 315 A. Polanus [1609/1610] 1624, Syntagma, lib. I, cap. XLV, Sp. 314 A. Polanus [1609/1610] 1624, Syntagma, lib. I, cap. XLV, Sp. 332 A. Polanus [1609/1610] 1624, Syntagma, lib. I, cap. XLV, Sp. 332 A/B: „Analytica interpretatio, est quae fine ad principia procedit, hoc est, qu monstrato inprimis autoris scopo atque proposito ad quod omnia quae scribit referuntur, totus liber aut Psalmus aut tota Epistola in suas partes, tot que doctrinae summa in certas pro-
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gefasst – nun von den ‘Prinzipien’ zum ‘Ziel’, und Polanus beschreibt das unter Verwendung der Formel ad auditorum captum accommodato. 50 Die dritte Verwendungsweise bildet anthropomorphe oder anthropopatische Zuschreibungen (etwa Emotionen oder Empfindungen, alles, was Vernderlichkeit impliziere) in der Heiligen Schrift an Gott. Es sind seit alters die wichtigsten Beispiele, aus denen man die Notwendigkeit des Abweichens von der wçrtlichen Bedeutung in der Gestalt der Akkommodation begrndet. Obwohl es heißt (Gen 1, 26, 27), der Mensch sei als Ebenbild Gottes geschaffen, ist aufgrund theologischer Annahmen, die mit Aussagen des Neuen Testaments im sensus litteralis begrndet werden (etwa mit Joh 1, 18, Joh 4, 24, aber auch Num 23, 19), Gott unsichtbar, und schon bald ist in den sogenannten Anthropomorphiten der Gipfel der Gottlosigkeit gesehen worden. Noch Francis Bacon verweist bei seiner Behandlung der Idolen auf die Hresie der Anthropomorphiten: Nicht besser sie sei, wenn der Mensch meine, die Natur tue das, was er auch selber tue.51 Origenes wie andere konnten nicht zuletzt aufgrund der Anthropomorphismen meinen, dass ausschließlich im sensus litteralis die Gefahr der Hresie, omnium falsae intellegentiae, liege: „Die Ursache der falschen Meinung und Gottlosigkeit oder der einfltigen Rede von Gott drfte […] keine andere sein als die, daß die Schrift nicht geistlich (jat± t± pmeulatij±) verstanden, sondern nach dem bloßen Buchstaben (pq¹r t¹ xik¹m cq²lla) aufgefaßt wird.“52 Das Kriterium ist, was Gott geziemt oder wrdig (dignum deo) sei und dann sei die Notwendigkeit gegeben, vom wçrtlichen sensus abzugehen.53 Allerdings kann man angesichts der Unerkennbarkeit, Unfasslichkeit
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positiones seu theses, & propositionum, seu thesium confirmationes tanquam sua membra resolvitur.“ Polanus [1609/1610] 1624, Syntagma, lib. I, cap. XLV, Sp. 332B/C: „Synthetica interpretatio Sacrae Scripturae, est quae principiis ad finem contendit, hoc est, qu ex textu quem interpretamur, varias de eodem dogmate propositiones seu theses ad usum Scripturae inculcandum pertinentes, earfflmque confirmationes, distincte, certoque & ad auditorum captum accomodato ordine in unum colligimus atque componimus, pluribus etiam ex aliis Scripturae locis adductis, si opus sit, illustrationibus aut probationibus.“ Vgl. Bacon [1623] 1889, De dignitate, V, 4, 9 (644): „Homo fiat quasi Norma et Speculum Naturae […] hoc ipsum, inquam, quod putetur talia naturam facere qualia homo facit. Neque multa meliora sunt ista quam haeresis Anthropomorphitarum, in cellis ac solitudine stupidorum monachorum orta […].“ Origenes [verm. vor 230] 31992, De principiis, IV, 2, 2 (701). Vgl. auch Augustinus, De civ. Dei, VIII, 6, sowie Augustinus [396/397 und 425/426] 1962, De doctrina christiana, I, 6.
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und Unbegreiflichkeit Gottes die Anthropomorphismen im sensus litteralis in gewisser Hinsicht als unentbehrlich ansehen.54 Zwar ist Galilei der Ansicht, die Heilige Schrift kçnne niemals lgen oder einen Irrtum beherbergen, doch gelte das nicht fr ihre Interpreten, insonderheit dann nicht, wenn sie einige Stellen nur wçrtlich verstehen wollten.55 Es fnden sich nicht allein Widersprche (‘contradizioni’), sondern auch schwere Hresien (‘gravi eresie’), und er greift zu den wie gesehen weithin akzeptierten Beispielen der anthropomorphen Zuschreibungen an Gott in der Heiligen Schrift. Auch fr solche Formulierung ist seine Erklrung die Anpassung an das Unvermçgen der Allgemeinheit (‘per accommodarsi all’incapacit del vulgo’). Solche Akkommodationen seien allerdings von solchen zu sondern, die es wert sind, vom Verstndnis der Allgemeinheit abgeschieden zu werden und bei denen ihr wahrer Sinngehalt sowie die besonderen Grnde gerade fr diese Wahl der Wçrter zu eruieren ist.56 hnliches wird sich wieder finden bei dem Akkommodationstyp, der fr Galilei tragend ist. Die vierte Verwendungsweise bildet die ethische Akkommodation. Sie ist immer beschrnkt auf das Alte Testament (etwa angesichts der zugelassenen ‘Immoralitt’ der Patriarchen) und findet ihre allgemeinen Rechtfertigungen im Rahmen weithin geteilter theologischer Annahmen ber die Beziehung zwischen Altem und Neuem Bund (nicht zuletzt ber den sensus typologicus), so dass sie in der Regel auch nicht als sonderlich problematisch gilt.57 Die fnfte Verwendungsweise schließlich stellt die optische Akkommodation (secundum apparentiam) dar. Auch sie findet sich bereits in den exegetischen Schriften der Kirchenvter, aber auch explizit bei Thomas von 54 Vgl. z. B. Luther 1911b, Vorlesungen, 12 sowie 293 f.: „Scriptura sancta loquitur secundum cogitationem eorum hominem“. 55 Vgl. Galilei [1613] 1895b, Lettera, 282: „[…] la Scrittura non pu errare, potrebbe nondimeno talvolta errare alcuno d’suoi interpreti ed espositori, in varii modi: tra i quali uno sarebbe gravissimo e frequentissimo, quando volessero fermarsi sempre nel puro significato parole […].“ Auch Galilei [1615] 1895c, Lettera, 315 – 318. 56 Vgl. Galilei [1615] 1985c, Lettera, 315 – 318: „[…] cos per quei pochi che meritano d’esser separati della plebe necessario che i saggi espositori produchino i veri sensi, e n’additino le ragioni particulari per che siano sotto cotali parole stati profferiti.“ 57 Erneut nur ein Beispiel von Erasmus: So heißt es im argumentum zum Rçmerbrief in Erasmus 1704a, In Epistolam Pauli Ad Romanos, 550: „Quanquam autem horum pleraque peculiarius ad eam pertinent aetatem, in qua rudis adhuc paulatim suppullulabat Ecclesia Judaeis & Gentibus admixta, ac Principius Ethnicis obnoxia: tamen nihil est, unde non ad haec quoque tempora salutaris aliquid doctrinae possit accomodari.“
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Aquin, wenn es bei ihm heißt: „[…] secundum opinionem populi loquitur Scriptura“,58 sowie bei anderen mittelalterlichen Theologen. Zu den zentralen Beispielen gehçrt sogar ein astronomisches, nmlich die Stelle (Gen 1, 16), an der von den beiden großen Lichtern am Himmel (duo luminario in coelo) gesprochen wird. Gemeint sein drften damit Sonne und Mond. Allein aufgrund eines extrabiblischen Wissens hat man angenommen, dass diese Bezeichnung unvereinbar ist mit den tatschlichen Grçßenverhltnissen dieser beiden Himmelskçrper und bereits die Kirchenvter deuten den sensus litteralis in der Weise, dass die Bezeichnung sich nicht auf die Grçße der Objekts, sondern auf ihre Helligkeit bezieht (‘secundum apparentiam’),59 wenn etwa im Zuge des Rckgriffs auf die antike philosophische Unterscheidung zwischen oqs¸a umd poiºtgr diesem Fall der Lichtkçrper und das Licht, beides nicht bereinstimmen msse. Wie selbstverstndlich wird diese Angleichung des sensus litteralis an das extrabiblische Wissen im 16. und 17. Jahrhundert unter der allgemeinen Formel populariter scripsit oder ad captrum nostrum vollzogen, sei es von Calvin,60 sei 58 Vgl. Thomas von Aquin [1266 – 1273], Summa Theologica, I–II, q 98, a 3 ad 2, 457; unter Berufung auf Augustinus, ferner Thomas von Aquin [1266 – 1273], Summa Theologica, I–II, q. 101, a. 2 ad 1, 481: „[…] divina non sunt revelanda hominibus nisi secundum eorum capacitatem: alioquin daretur eis praecipitii materia, dum contemnerent quae capere non possent. Et ideo utilius fuit ut sub quodam figurarum velamine divina mysteria rudi populo traderentur: ut sic saltem ea implicite cognoscerent, dum illis figuris deservirent ad honorem Dei“, und er fgt hinzu, Thomas von Aquin [1266 – 1273], Summa Theologica, I–II, q. 101, a. 2 ad 2, 481: „[…] sicut poetica non capiuntur a ratione humana propter defectum veritatis qui est in eis, ita etiam ratio humana perfecte capere non potest divina propter excedentem ipsorum veritatem; et ideo utrobique opus est repraesentatione per sensibiles figuras.“ Er setzt zudem den Gedanken der Kondeszendens ein, um die biblischen kosmologischen Aussagen mit den nichtbiblischen Autoritten (Ptolemus und Aristoteles) zu vereinbaren, vgl. Thomas von Aquin [1266 – 1273], Summa Theologica, I–II, q. 70, a 1, 360: „Moyses autem rudi populo condescens secutus est quae sensibiliter apparent, ut dictum est, qu. 67, art. 4.“ Vgl. berhaupt Thomas von Aquin [1266 – 1273], Summa Theologica, I–I, q 65 – 74, 339 – 371, u. a. Thomas von Aquin [1266 – 1273], Summa Theologica, I–I, q 68, a 3, 355: „quod Moyses rudi populo loquebatur, quorum imbecillitati con-descendens“. 59 Vgl. etwa Chrysostomos [399 – 401] 1862, Homiliae in Genesin, (PG 53), VI, 3, Sp. 57 – 59. 60 Vgl. Calvin [1554] 1882, Commentarii, (CR 51), cap. VI, § 17 (Sp. 123): „Hoc interest, quod Moses populariter scripsit, quae sine doctrina et literis omnes Idiotae, communi sensu percipiunt: illi autem [scil. Astronomi] magno labore investigant, quicquid humani ingenii acumen assequi potest. […]. Sed quia non minus indoctis et rudibus quam sie se demitteret ad crassam istam rationem. Si de rebus vulgo ignotis loqutuus foret, causari poterant idiotae altiora haec esse captu suo. Denique quum
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es von Luther61 – von spteren Interpreten sowohl auf protestantischer als auch auf katholischer Seite gar nicht zu sprechen. Ich habe keinen einzigen Kommentar im 16. und 17. Jahrhundert gefunden, in dem das bei den beiden großen Lichtern etwa nach der Formel non quantum ad rem sed quantum ad apparentiam nicht geschieht. Zudem spielen nicht wenige Philosophen, wenn auch indirekt, so etwa Descartes,62 just auf dieses Beispiel an, wenn es um die Trglichkeit des Sehens geht, die sich darin zeige, dass man sich durch helle glnzende Kçrper hinsichtlich ihrer Grçße tuschen lasse. Dazu gehçrt denn auch Galilei selbst,63 ohne es freilich in seinen hermeneutischen Schriften als Beispiel zu nutzen.64 Solche Verwendungsweisen der accommodatio secundum apparentiam drften denn auch die Astronomen bei der Schlichtung inspiriert haben. Allerdings erfolgt eine solche Anwendung des sensus accommodatus bereits vor Kepler und Galilei.65 Besonders hervorzuheben ist dabei, dass Nicolaus von Oresme (1320/1325 – 1382) in seinem Kommentar zu Aristoteles’ De Caelo nicht nur die ‘Relativitt’der Bewegung erçrtert, sondern eine der der Erdbewegung widerstreitenden Passagen der Heiligen Schrift (Jos 10, 12 – 23; parallel Hab 3, 11) damit erklrt, sie entspreche der gewçhnlichen
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hic spiritus Dei promiscuarum omnibus scholam aperiat, non mirum est si a maxime deligat quae possint ab omnibus intelligi […]. Ergo Moses ad usum potius se convertit.“An anderer Stelle findet sich bei Calvin der Hinweis auf die Lehrintention der Heiligen Schrift, der in bestimmten Bereichen kein wahrheitsfhiges Zeugnis abverlangt werden kçnne, vgl. Calvin [1557] 1887, Commentarius (CR 60), Sp. 364 f.: „Neque enim spiritus sancti consilium fuit astrologiam docere: sed quum doctrinam proponeret rudissimis quibusque idiotis communem, populariter loquutus est per Mosem, et prophetas, ne quis praetextu difficultatis subterfugeret, sicuti videmus nihil cupidius homines captare quam ignorantiae praetextum, si nimis sublime ac reconditum est quod traditur. Etsi ergo Saturnus luna maior est, quia tamen propter longiorem distantiam hoc non patet oculis, maluit spiritus sanctus quodammodo balbutire, quam discendi viam praecludere plebeiis et indoctis.“ Vgl. Luther 1919, Tischreden, Nr. 5259, 34: „Quare credo Mosen locutum esse ad captum nostrum, quia nobis ita videatur.“ Vgl. Descartes [1641] 1915/1972, Meditationen, Med. III, § 17, 31 f. Vgl. Galilei [1632] 1891, Dialog, 351. Explizit findet sich dieses Beispiel allerdings bei Foscarini [1615], Lettera, 470 f. Hierzu neben den Hinweisen in Stengers 1984, Les premiers, sowie Howell 2002, God’s Two Books; etwa Granada 1996, Il problema, die einschlgigen Passagen sind dort als Anhang abgedruckt (823 – 828); ferner Georg Joachim Rhetikus, dessen verschollenes Werk jngst als eine 1651 anonym in den Niederlanden erschienene Schrift identifiziert wurde, vgl. Rhetikus [1651] 1984, Treatise.
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menschlichen Sprechweise (la maniere de commun parler humain)66 – mehr noch: Fr ihn ist die Achsendrehung der Erde von der Vernunft her wahrscheinlicher als die Drehung der Himmel. Noch fr Kopernikus und seine Anhnger im 17. Jahrhundert zhlt das zu den gewichtigen Argumenten, die fr die Annahme der Theorie sprchen. Nach Nicolaus handelt es sich allerdings nur um eine Wahrscheinlichkeit, der er die ‘Gewissheit’der wçrtlichen Auffassung von Ps 93 entgegensetzt67 und die ihn zur Ablehnung der Erdbewegung fhrt. Obwohl sich beides, sowohl die Akkommodation des Moses an die Redeweise und Vorstellungen der Menge, als auch die Beschrnkung des Wahrheitszeugnisses der Heiligen Schrift durch die Bestimmung ihres Skopus – denn wo die Propheten ber die Natur sprechen, drften sie nicht als Autoritten (im sensus litteralis) gelten – auch schon in Giordano Brunos Cena de le ceneri vorliegt,68 scheint das weder fr Kepler noch fr Galilei ein tragender Hinweis fr ihre diesbezgliche Abhngigkeit vom Nolaner zu sein. Obwohl sich eine solche Begrndung des bergangs beim sensus litteralis mittels der Annahme eines sensus accommodatus auch bei Galilei findet und das zu zeigen scheint, wie er sich im Rahmen der allgemeinen bibelhermeneutischen berzeugungen bewegt, ist es dann eher rtselhaft und erklrungsbedrftig, weshalb just seine Berufung auf die accommodatio ad captum vulgi zur Schlichtung des Widerstreits auf Kritik stçßt. Die Verwendung des accommodatio-Konzepts erscheint zunchst deshalb als bedenkenlos, weil seine Rechtfertigung zwei gravierende Vorwrfe ausrumen kann: Zunchst ist das der Vorwurf, dass man bei den so gedeuteten Stellen Gott oder auch nur den Heiligen Schriftstellern eine simulatio unterstellt, dann der, dass damit die inerrantia der Heiligen Schrift verworfen werden wrde. Die Logik des sensus-accommodatus-Konzept lsst sich vor dem Hintergrund solcher Vorwrfe anhand zweier Momente charakterisieren: Es bewahrt den sensus litteralis, aber um den Preis, dass die 66 Vgl. Oresme [1377] 1968, Le Livre, livre II, chap. XXV, 276: „Au sixte, de la sainte Escripture qui dist que le soleil tourne et cetera: l’en diroit que elle se conforme en ceste partie al la maniere de commun parler humain aussi comme elle fait en pluseurs lieus, sie comme la ou il est escript que Dieu se repenti et que il se courrousa//[…] rapaisa et teles choses qui ne sont pas ainsi du tout comme la lettre sonne.“ 67 Vgl. Oresme [1377] 1968, Le Livre, livre II, chap. XXV, 536: „[…] ont est mises raisons au contraire et que il n’est pas ainsi meu, et nientmoins touz tiennent et je cuide que il est ainsi meu et la terre non: Deus enim firmavit orbem terre, qui non commovebitur [Vulgata-Version von Ps 92, 1], nonobstans les raisons au contraire, car se sont persuasions qui ne concludent pas evidanment.“ 68 Vgl. Bruno [1584] 1981, Das Aschermittwochsmahl, 173 f.
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formalis veritas sermonis des sensus litteralis nicht mehr die veritas objectiva ist. Ihre Rechtfertigung erfhrt diese scheinbare Minderung durch die Annahme einer Notwendigkeit – und so geschieht es auch bei Galilei: Dass man nmlich in der Situation nicht htte anders sprechen kçnnen. Diese Notwendigkeit macht die Minderung, welche die Heilige Schrift durch den partiellen Entzug der veritas objectiva ihrer Aussagen im sensus litteralis erleidet, ertrglich und scheint die auctoritas und dignitas der scriptura sacra zu bewahren. Eine andere Rechtfertigung, die mit der ersten verbunden sein konnte (wie bei Galilei), beruht auf einer Partitionierung der Heiligen Schrift unter Rckgriff des alten Gedankens des Skopus – bei Galilei ausgedrckt als ihre erste Intention (‘primario instituto’, ‘l’intenzion primaria’): Ebenso wie sich bei der Heiligen Schrift Haupt- und Nebengedanken unterscheiden ließen (spter im Jahrhundert sind es dann sogar Versuche, die articuli principales et fundamentales von den articuli minus principales et nonfundamentales abzugrenzen), so versuchte man zwischen dem eigentlichen Ziel ihrer Kundgabe und dem zu unterscheiden, worber sie zwar spricht, aber nicht mit belehrender Absicht. Eine solche Rechfertigung wird erst mçglich angesichts eines alten Problems, das aus der spezifischen Inhomogenitt der Heiligen Schrift erwchst. Es lassen sich aus ihr nicht allein Wissensansprche begrnden, die nur ihr eigentmlich sind. Es gibt in ihr niedergelegte Wissensansprche, die sich auch auf der Grundlage ausschließlich bibelfremder Quellen gewinnen lassen. Es kommt dann zu zwei Begrndungen eines Wissensanspruchs, die beide zwar nicht dasselbe leisten mçgen, wenn der Heiligen Schrift die Prioritt in Bezug auf den erreichbaren Gewissheitsgrad zukommt, die aber beide gleichwohl als hinreichend fr die menschliche Akzeptanz des betreffenden Wissens erscheinen. Das nun erweist sich als ein anhaltendes Problem – zum einen, diese Abundanz der Beweismittel zu rechtfertigen, mithin eine Erklrung dafr zu finden, weshalb sich der Gehalt der Heiligen Schrift nicht auf die Offenbarungswahrheiten beschrnkt, zum anderen bedeutet es immer die Mçglichkeit des Konflikts mit dem aus anderen extrabiblischen Quellen – sei es die ratio oder die sensus – geschçpften, vor allem sich wandelnden Wissensansprchen. Hier liegt denn auch der Anknpfungspunkt Galileis: Es gebe zahlreiche extrabiblische Argumente fr solche Wissensansprche in der Heiligen Schrift, die nicht ihrer ‘ersten Intention’ zuzurechnen sind. Stattdessen greife man in der Auseinandersetzung zu einer Waffe, die jeden Gegner gleich in Schrecken versetze (ge-
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meint ist die Heilige Schrift).69 Wenn zwei Wahrheiten sich nicht widersprechen kçnnen, dann – so lsst sich der indirekte Schluss Galileis explizieren – msste es auch eine Vielzahl von Argumenten geben, die fr solche Wahrheiten auch extrabiblisch angefhrt werden kçnnen, und es bedrfe keiner Furcht, dass diese Argumente die Wahrheit, die das Wissen ber die Natur, das aus der Heiligen Schrift gezogen wird, in Bedrngnis bringe.70 Schließlich ist es noch die Armut und Insuffizienz der Heiligen Schrift hinsichtlich bestimmter Wissensbestnde, die durch andere Quellen als zugnglich erscheinen – angesichts der unzhligen Schlussfolgerungen in den Wissenschaften biete sie bestimmten Bereichen ein schieres Nichts an Wissen, wie es bei Galilei heißt.71 Ohne hier nher auf Galileis Auseinandersetzung mit der hermeneutischen Maxime der bereinstimmung mit unanimis consensus sanctorum Patrum nher eingehen zu kçnnen, besitzt sie hnlichkeiten mit seinen Argumenten im Rahmen der Aufteilung der Heiligen Schrift: Es seien Dinge gewesen, mit denen sich die Kirchenvter nicht nher und explizit beschftigt htten, deshalb sei ihre Autoritt hier nicht anrufbar.72 Allerdings scheint Galilei auch andeuten zu wollen, dass die Kirchenvter in diesen Fragen der Astronomie eher wie die vulgi seien; denn von ihnen zu fordern, dass sie zu bestimmten Bereichen berlegungen angestellt htten, wre gleichbedeutend damit, von ihnen zu erwarten, ber etwas nachzudenken, was (fr sie) vollkommen verborgen gewesen sei.73 Aber worin liegt das Problem in einer solchen Aufteilung der Heiligen Schrift? Was konnte man gegen die Auffassung Galileis einwenden, dass die ‘erste Intention’ der Heilige Schrift allein „in rebus fidei et morum“ liege?74 Zumal wenn das 69 Vgl. Galilei [1613] 1895b, Lettera, 285: „[…] por subito mano a un’arme inevitable e tremenda, che con la sola vista atterrisce ogni pi destro ed esperto campione?“ 70 Diese Rangordnung des epistemischen Argumentierens bei extrabiblischen Wissensansprchen findet sich bei Galilei oft, so z. B. Galilei [1615] 1895a, Considerazioni, 364, wenn auch nicht immer mit den gleicher Akzentsetzung und Ausfhrlichkeit. 71 Vgl. Galilei [1613] 1895b, Lettera, 284 f.: „[…], che come niente in comparazione dell’infinite conclusioni altissime e ammirande che in tale scienza si contengono.“ 72 Vgl. z. B. Galilei [1615] 1895a, Considerazioni, 365 f.: „E che loro non ci facessero relessione, manifesto dal non so trovare ne’loro scritti pur una parola di tale opinione […].“ 73 Vgl. Galilei [1615] 1895a, Considerazioni, 365 f.: „[…] per nissuna nota di negligenza cade sopra i Padri, se non fecero reflessione sopra quello che del tutto era occulto.“ 74 Vgl. Galilei [1613] 1895b, Lettera, 284.
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exakt der Formulierung auf dem Tridentinum entspricht,75 wenn sie, wohl zurckweisend auf eine Unterscheidung Augustins zwischen praecepta vivendi und praecepta credendi,76 die Authentizitt der Vulgata auf die res fidei et morum zu beschrnken schien. Das, was der Akzeptanz einer solchen Partitionierung im Bereich ihrer Glaubwrdigkeit entgegenstand, rhrte im Wesentlichen aus berlegungen im Rahmen der zeitgençssischen Autoritts- und Testimoniumstheorie.77 Bellarminos Unterscheidung zwischen ex parte objecti und ex parte dicentis,78 die in der Forschung offenbar nie hinlnglich erlutert und erçrtert wurde, greift genau hierauf zurck. Nicht geht es in erster Linie um die beglaubigte Sache, sondern um den, der beglaubigt. Es ist der Reputationsverlust, den ein Autor aufgrund aufgewiesener ‘Irrtmer’ bei bislang als wahr und glaubwrdig angesehenen Wissensansprchen zu erleiden droht. Mehr noch als menschliche Autoritten, bei denen solche Irrtmer im nachhinein ihre Autoritt berhaupt in Zweifel zu ziehen vermçgen, vertrage der Grad der auctoritas der scriptura sacra nicht den geringsten Irrtum, der ihr direkt zuschreibbar sei. Das bietet dann auch eine Erklrung dafr, weshalb Wissensansprche wie der kopernikanische, obwohl sie nicht direkt in Verbindung mit dem Heil des die Heilige Schrift lesenden Menschen stehen, und dies von den Gegnern auch freimtig eingerumt wird, aus biblischen Grnden so heftig widersprochen werden konnte: Man misstraute der induktiven Rationalitt der Leser – und das meint letztlich ex parte dicentis. Aufschlussreich ist, wie Galilei auf diesen Einwand respondiert. Bellarmins Beispiele waren unter anderem, dass in der Heiligen Schrift etwas ber die Anzahl der Sçhne Abrahams und Jakobs stehe. Auch das sei zu glauben, weil es in der Heiligen Schrift stehe. Galilei nimmt dieses Beispiel auf und ergnzt es um den Hund des Tobias. In der Tat hat dieses in der Zeit auf dem Regensburger Religionsgesprch 1601 zwischen Katholiken und Protestanten eine nicht unwesentliche Rolle gespielt. Es war spter dann mit Anlass fr Unterscheidungen wie etwa die des Lutheraners Johann Gerhard (1582 – 1637) zwischen fides historica, miraculorum und iustificans, um in 75 Sie verwendet freilich auch Kepler (in materia morum et fidei) in Kepler [1618] 1988, Responsio, 174 f. sowie 189 f. 76 Vgl. Augustinus 1962, De doctr. christ., II, 9, 14. Augustinus verwendet diese Formel in zwei Antwortbriefen hinsichtlich der Unterschiedlichkeit der sakramentalen und liturgischen Praxis, wobei „mores“den Sinn von „consuetudines“ hat. Ihre Visibilitt erfhrt diese Zweiteilung dann durch die Aufnahme in das Decretum Gratiani (dist. 12 c. 11), hierzu u. a. Fransen 1978/1979, Fides, 271 – 77. 77 Hierzu Danneberg 2003a, Anatomie, sowie Danneberg 2002, Skularisierung. 78 Vgl. Bellarmino [1615] 1902, Brief, 172.
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den Bereichen des Glaubens zu differenzieren und um Einwnden und absurden Konsequenzen zu begegnen.79 Wie man auch immer Galileis Hinweis auf das Beispiel des Hundes aus dem (apokryphen) Tobias-Buch deuten mag, es erscheint eher als ein entproblematisierter Ersatz fr ein Beispiel zu sein, das Bellarmin gibt, aber das Galilei nicht explizit bercksichtigt. Bellarmin bringt als Exempel dafr, dass der Schrift ex parte dicentis Glauben zu schenken sei, nicht allein die Anzahl der Sçhne Abrahams und Jakobs, sondern auch, dass Christus von einer Jungfrau geboren worden ist.80 Dabei handelt es sich um ein grundstzlich anderes Beispiel, das als ein in der Heiligen Schrift bezeugtes Wunder angesehen wird. Die angesprochene Inhomogenitt der Heiligen Schrift wird nicht zuletzt immer dann zum Problem, wenn es um die Grenzziehung zwischen der berechtigten Korrektur eines sensus litteralis angesichts seiner Absurditt aufgrund extrabiblischen Wissens geht und der Akzeptanz eines sensus litteralis trotz einer solchen Absurditt, nmlich als Glaubensgeheimnis, das supra rationem sei. Die Pointe ist, dass jedes Glaubensmysterium seinen spezifischen Charakter nur behlt, wenn es im sensus litteralis trotz Absurditt unkorrigiert bleibt. Zudem ist das Beispiel der Jungfrauengeburt beraus prominent, da es immer wieder auch zur Absetzung von dem dient, was die ratio der paganen Denker zu erreichen vermag, nmlich nur das, was ohne die Kenntnis der Offenbarung fr wahr gehalten wird – so fhrt Cicero als Exempel fr eine zwingende (notwendige) Beweisfhrung an, dass eine gebrende Frau auch mit einem Mann geschlafen hat.81 Dass Galilei dieses Beispiel gerade nicht aufnimmt, bringt indirekt etwas Wichtiges hinsichtlich seiner berlegungen zum Ausdruck: Sie betreffen weder historische Singularia noch solche Ereignisse, die nur secundum apparentiam wahr sind, und er ignoriert die Ausnahmen, die ‘Wunder’, die nach Gottes Willen in der Natur geschehen kçnnen. Ebenso wichtig jedoch ist, wie Galilei auf dieses Argument mit den Beispielen der Sçhne Abrahams und Jakobs respondiert. Er unterluft das Argument, indem er eine bestimmte Schlussfolgerung aus seiner Vorstellung der epistemischen Auszeichnung von Wissen zur Erklrung heranzieht: 79 So in Gerhard [1610, 1625] 1863, Loci Theologici, § 66, 350. Ich kann nicht weiter auf den Hintergrund eingehen; auch nicht darauf, dass hier auch der Gedanke eine Rolle spielt, dass es Gott nicht geziemt, wenn etwas berflssiges in seinen inspirierten Schriften steht und das dann einen sensus spiritualis nahe legt; so deutet z. B. Beda 1862, Interpretatio (PL 91), Sp. 927D–928 A sowie Sp. 933C–934 A, den Hund des Tobias als Verknder der frohen Botschaft. 80 Vgl. Bellarmino [1615] 1902, Brief, 172. 81 Cicero, De Inv, I, 29, 44
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Solche Angaben in der Heiligen Schrift seien deshalb auch zu glauben, weil es keinen Grund gebe anzunehmen, die Heilige Schrift weiche (in ihrem sensus litteralis) von der Wahrheit ab (und es sei dabei auch eine Akkommodation anzunehmen), denn solche Aussagen wie ihre Negationen seien in gleicher Weise fr alle Menschen glaubwrdig („egalemente credibile“). Das nun sei gerade nicht der Fall bei der Bewegung der Erde. Gerade solche Wissensansprche seien der Allgemeinheit nicht zugnglich („lontanissime dall’apprensione del vulgi“); sie zu wissen, sei nicht wichtig fr ihr ewiges Leben und hier habe sich der Heilige Geist in seinen ußerungen den Fhigkeiten aller angepasst („accomodar i pronunciati delle Sacre Lettere“), auch, wenn die Wahrheit aufgrund der Dinge selber anders sei („ex parte rei il fatto stia altramente“).82 Galilei bezweifelt nicht, dass die in der Heiligen Schrift mitgeteilten Singularia nicht zu glauben seien; er bietet aber fr diesen Sachverhalt eine andere Erklrung als die ber die Autorittstheorie (ex parte dicentis), und zwar eine Erklrung, die mit seinen Auffassungen harmoniert. Die Unterscheidung, auf der seine Entgegnung und Erklrung beruht, ist erneut die, dass die Heilige Schrift an solchen Stellen, die die Fhigkeiten der Allgemeinheit bersteigen, sich so ausdrckt, wie es diesen Fhigkeiten entspreche, zumal die Dinge, um die es gehe, nicht fr den Glauben relevant seien. Wenn auch unausgesprochen, liegt hier eine hnliche Entgegensetzung zugrunde wie spter der zwischen cognitio philosophica und cognitio historica. Allein hinsichtlich der cognitio philosophica passt sich die Heilige Schrift denjenigen an, die nur eine cognitio communis zu erlangen vermçgen. Auch hier verlagert sich das zentrale argumentative Gewicht auf den Akkommodationsgedanken selbst. Nicht selten findet der sensus accommodatus seine Begrndung auch durch den Rckgriff auf die patristischen Vorstellungen der Herablassung, der klugen Haushaltung, die sich in vielfacher Ausprgung bei so gut wie jedem der Kirchenvter findet. Zwar ist der Akkommodationsgedanke in gewisser Hinsicht alt, doch hat er eine zweifache Spezifizierung erfahren, wenn er bei Galilei (und anderen in der Zeit) zur Anwendung gelangt und erst die zweite zeigt das Problem seiner Unvertrglichkeit mit bestimmten theologischen Ansichten. Dieser ltere Akkommodationsgedanke manifestiert sich in Formeln wie Scriptura humane loquitur, der condescensio und sucjat²basir und findet sich neben Augustinus etwa bei Origenes, der gegenber dem Vorwurf des Christengegners Celsus (2 Jh.) betont, dass diese 82 Vgl. Galilei [1615] 1895a, Considerazioni, 368.
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Akkommodation keine Lge einschließe,83 bei Clemens von Alexandria (bis ca. 215), bei Johannes Chrysostomos (334/354 – 407), bei Cassian (ca. 360 – 430/435) oder bei Gregor dem Großen (ca. 540 – 604).84 Freilich verwenden die patres ecclesiae dabei verschiedene Bezeichnungen und schon in der griechischen Antike ist die Beschreibung einer gçttlichen Hausverwaltung des Universums – oQjomol¸a toO heoO – nicht ungewçhnlich, transformiert dann in das heilsgeschichtliche Gesetz des Verkehrs Gottes mit den Menschen und der Welt, einschließlich von Vorstellungen eines gestuften Offenbarungsfortschritts in Anpassung an die menschliche Erkenntnisfhigkeit.85 Der Ausdruck findet sich in seiner Profanbedeutung zudem in der Heiligen Schrift selbst, Gen 43, 16 – 19, Luk 16, aber auch Eph 3, 9, wo von der ‘konomie der Geheimnisse’, OQjo-mol¸a toO lustgq¸ou, die Rede ist. Das geschichtliche Offenbarungshandeln geschehe jat( oQjomol¸am und das bedeute auch, dass etwa die Anthropomorphismen OQjomol¸ai aufzufassen seien – das schließt dann auch die Akkommodation des Heiligen Geist an die jeweiligen Heiligen Schriftsteller mit ein. Die oQjomol¸a bietet so „un mod le d’intelligibilit“, bei der sich die einzelnen Texte der Heiligen Schrift in ein bedeutungsvolles Ganzes integrieren ließen.86 Die Offenbarung selbst erscheint als eine Anpassung an die menschliche Fassungskraft und Vorstellungsweise, gleiches gilt fr die Herablassung Gottes in Gestalt der Sendung des Gottessohns. Zugleich erscheint oQjomol¸a auch als ein rhetorischer Ausdruck, der soviel wie dispositio bedeutet, also die (zielgerechte) Auswahl und Anordnung der Gedanken,87 und das ließe sich dann auch auf die Heilige Schrift bertragen – hnlich im brigen auch der Ausdruck der accommodatio, dass nmlich ein guter Redner das, was er sagen will, den spezifischen Bedingungen seiner Zuhçrer anpasst, auch, wenn er in den klassischen Rhetoriken nicht als Fachterminus (fr aptum oder decorum, pq´tom) sonderlich in 83 Vgl. Origenes, Contra Celsum, IV, 18 f. 84 Neben den einschlgigen Forschungen zu den Genannten ferner die weiteren Hinweise bei Benin 1993, Footprints. 85 Zur Uneinheitlichkeit des Sprachgebrauchs (lateinisch auch dispensatio) etwa Lillge 1955, Oikonomia; Reumann 1961, OQjomol¸a, 370 – 379; ausfhrlicher zum griechischen Hintergrund und umfassend im Blick auf das frhe Christentum Reumann 1957, OIJOMOLIA ; ferner Reumann 1958, Steward of God; Reumann 1966/1967, OIJOMOLIA-Terms; ferner Lillge 1955, Das patristische Wort oQjomol¸a ; Widmann 1956, oQjomol¸a ; Tooley 1966, Stewards of God; Duchatelez 1970, La notion; Duchatelez 1973, La ‘condescendance’; Richter 2005; Oikonomia; sowie Marcus 1963, Subordinatianismus. 86 Waelkens 1974, L’conomie, 82. 87 Vgl. u. a. Meijering 1987, Greek Scholia, 134 – 225.
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Erscheinung tritt.88 Freilich kennt Cicero eine solche positive Verwendung im Rahmen der Rhetorik. So definiert er explizit die Aufgabe des Orators als „oratio hominum sensibus ac mentibus accommodata“.89 Das, was diese accommodatio bezeichnet, die Anpassung an die Vorurteile und Meinungen der Hçrer, kann er allerdings auch umschreiben ohne die Verwendung dieses Ausdrucks.90 Es gibt allerdings noch eine andere, eher negative Verwendung des Ausdrucks bei Cicero. Ihm erscheinen diejenigen, die berinterpretierend ihre eigenen Wissensansprche in die Texte der Dichter tragen, nicht als Philosophen; eher handle es sich dabei um die „Phantasien von Wahnsinnigen“.91 Bei der Ablehnung dieser Art des Interpretierens verwendet Cicero auch den Ausdruck accommodare und genau in diesem Sinn nun, also der willkrlichen Anpassung eines Textes an die eigenen Gedanken, von denen die ursprnglichen Autoren nichts ahnen konnten, scheint Cicero den Ausdruck accommodare zu verwenden, wenn es bei ihm ber Chrysipps’ zweites Buch in De natura deorum heißt: „[…] in secundo autem vult Orphei, Musaei, Hesiodi Homerique fabellas accommodare ad ea, quae ipse primo libro de dies immortalibus dixerit, ut etiam veterrimi poetae, quae hec ne suspicati quidem sint, Stoici fuisse videantur.“92 Es gibt mithin zwei strukturell unterschiedliche Vorgnge, die mit einund demselben Ausdruck bezeichnet werden. Beide werden fr die Hermeneutik, insbesondere die hermeneutica sacra, wirksam: Man passt seine beabsichtigte Rede an etwas anderes an – das ist der erste Vorgang; man passt etwas anderes an seine bereits gehaltene Rede, an seine vorhandenen Auffassungen an – das ist der zweite Vorgang. Die erste Art wird in der Hermeneutik zentral, wenn es um die gçttliche Deszendenz (condescensio, sucjat²basir) in Gestalt der Heiligen Schrift als das an den Menschen gerichtete gçttliche Wort, zum anderen, wenn es um die Vermittlung dieses Wortes 88 So sagt Quintilian, Inst Orat, III, 3, 9, die Lateiner besßen fr den rhetorischen Ausdruck oeconomiae kein Pendant. 89 Cicero, De orat, I, 54 (auf den platonischen, nicht aristotelischen Hintergrund, der rhetorischen accommodatio bei Cicero kann hier nur hingewiesen werden). 90 Vgl. z. B. Cicero, De orat, I, 223: „acuto homine nobis opus est et natura usuque callido, qui sagaciter pervestiget, quid sui cives eique homines, quibus aliquid dicendo persuadere velit, cogitent, sentiant, opinentur, exspectent […]“, auch Cicero, De orat, II,. 186. 91 Cicero, De nat deo, I, 41 f. 92 Cicero, De nat deo, I, 41. Nur erwhnt sei, dass der Ausdruck accommodare bei Cicero nicht auf diese beiden Bedeutungen beschrnkt ist, so kann er z. B. De fin, V, 17, sagen, dass alle davon berzeugt seien, dass das, womit sich die Klugheit (prudentia) befasse und was sie erreichen wolle, naturgemß sein msse – „aptum et accommodatum naturae“.
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etwa in der Predigt geht. Bei der zweiten Art handelt es sich um den sensus accomodatio, entweder als allegationes in der Heiligen Schrift selbst oder als applicatio des sensus der Heiligen Schrift im Zuge ihrer Ausdeutung. Weshalb freilich das patristische Konzept der condescensio oder oQjomol¸a nicht den Gedanken des sensus accommodatus in seiner Verwendung zur Korrektur eines berlieferten sensus litteralis begrnden kann, ist einfach, denn diese Herablassung wird – mit wohl nur wenigen Ausnahmen – von den Kirchenvtern als universell aufgefasst, indem sie als eine fr alle Menschen erforderliche Anpassung erscheint. Vor Gott seien alle Menschen wie Kinder (p²mter 1sl_m paid¸a t` he`),93 und der hierfr oft gewhlte Ausdruck, noch bei Calvin ist er prsent (balbutire), ist der des Lallens (xekk¸folai). Hinzu tritt mitunter, dass erst der ‘geistige Mensch’diese Anpassung durchschaue und ihr nicht mehr bedrfe, ob dieser nun nach dem Christusereignis angenommen wird, in der der Christenmensch in der Lage sei, das Alte Testament (in einigen seiner Teile) nicht mehr im karnalen sensus judaicus, dem alten sensus litteralis zu lesen, sondern spiritualiter zu verstehen, oder in einer weiteren Zukunft, in der die Wahrheit unverhllt ans Licht treten werde. Die Wahrheit ist zwar unvernderlich, aber ihre Bekanntmachung erfolge in der Zeit. Das nun lsst die erste Pointe des Gedankens der Akkommodation, so er zur Schlichtung biblischer und extrabiblischer Wissensansprche aufgerufen wird, erkennen: Nicht, dass sich Gott berhaupt nach den menschlichen Schwchen richte, vielmehr ist diese Akkommodation nur partikulr und an einen mehr oder weniger genau umschriebenen Personenkreis gerichtet: Nicht accomodatio ad captum nostrum, sondern spezifischer ad captum vulgi – drastischer noch in der Sprache Galileis: „[…] d’accomodarsi alla capacit de’ popoli rozzi e indisciplinati“.94 Das ist freilich noch eine Spezifizierung, die sich auch bei Theologen finden lsst. Es kommt eine zweite hinzu, nmlich nicht mehr allein die Ausgrenzung, sondern die Eingrenzung durch spezifische Ausgrenzung – erst sie ist es, die einen theologischen Universalismus bedroht. Erst an dieser Stelle berhrt sich das epistemische Problem mit dem, was sich als soziale Epistemologie in der Zeit bezeichnen lsst, also mit der Autorittstheorie und der Testimoniumslehre. Zwar hat es nach dieser Theorie im Rahmen einer ihrer beiden grundstzlichen Bedingungen, nmlich die der Annahme der Kompetenz neben der der Aufrichtigkeit des Zeugnisgebers, immer auch eine Unterscheidung fr bestimmte Wissensbereiche zwischen den Experten 93 Vgl. z. B. Origenes, In Jer Hom, XIX, 15. 94 Galilei [1613] 1895b, Lettera, 283; gleiche Formulierung Galilei [1615] 1895c, Lettera, 315.
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und den Nichtexperten gegeben – Ausdrcke hierfr sind unter anderem doctissimus in arte sua, probatio artifici in sua arte credendum est, experto in sua scientia credendum est; expertus. Allerdings handelt es sich durchweg um ein personenbezogenes Expertentum, nun aber um ein Konzept gruppenbezogener (disziplinrer) Eingrenzung. Das bahnt sich seit lngerem an, wenn es etwa bei Kopernikus in der Dedikationsepistel an den Papst heißt, „mathemata mathemathicis scribuntur“95 und schon bei ihm ist das kritisch gegen die Bibelexegeten gerichtet, die als nicht mathematisch Ausgebildete zu wenig von den neuen astronomischen Wissensansprchen verstehen, so dass sie aufgrund einiger Stellen der Heiligen Schrift womçglich ablehnen wrden. hnliches findet sich bei Kepler in seiner Astronomia nova.96 Die Ausgrenzung erfolgt gegenber dem theologus, die Eingrenzung bezogen auf den mathematicus – freilich ein mathematicus, der die wahren Ursachen zu ergrnden versucht und damit in disziplinre und autoritative Konflikte gert mit dem philosophus wie theologus. 97 Das drckt sich in verschiedenen Momenten aus. So beispielsweise in Galleis Klage, dass Theologen, die er wegen ihrer Gelehrsamkeit, also Kompetenz, und ihres heiligen Lebens, also Aufrichtigkeit, sehr schtze, sich nicht verpflichtet fhlten, auf die Herausforderung der gegen die alten Wissensansprche vorgebrachten Beobachtungen und Grnde berhaupt zu antworten.98 Es ist die sich anbahnende Entwicklung eines disziplinren Expertenwissens mit Vernderungen im kognitiven Status der Disziplinen, bei ihrer Hierarchisierung sowie bei der institutionellen Rahmung der Verhandlung von Wissensansprchen. Ich kann nicht darauf eingehen, wie sich die Zugehçrigkeit ausbildet: Zu Beginn ist sie weniger institutionell, sondern die Akzeptanz von bestimmten Wissensansprche stiftet Zugehçrigkeit, ist Ausweis fr eine disziplinre Kompetenz. Das zeigt sich schon vor Galilei, wenn Kepler in einem Schreiben von 1596 behauptet, alle berhmten Astronomen der Zeit folgten Kopernikus
95 Kopernikus [1543] 1971, De revolvtionibus orbitu, Praefatio Authoris (unpag.). 96 Vgl. Kepler [1609] 1937, Astronomia, Argvmenta singvlorvm capitvm (36). 97 Galilei gibt unterschiedliche Bezeichnungen in Galilei [1615] 1895a, Considerazioni, 364, werden in einen Atemzug filosofi, astronomi und matematici genannt. Bellarmin hatte den Vortrag der astronomischen Theorien ex suppositione als fr den Mathematiker ausreichend und fr den mathematicus (im disziplinren Verstndnis) fr hinreichend bezeichnet, vgl. Bellarmino [1615] 1902, Brief, 171. 98 Vgl. Galilei [1615] 1895c, Lettera, 323 f.: „non essere in obbligo di solvere le ragione o esperienze in contrario.“
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anstelle von Ptolemus99 – faktisch kçnnten es zu dem Zeitpunkt vielleicht zehn namhaftere Gelehrte gewesen sein, auf die das zutrifft –, aber es richtet sich auch danach, dass diejenigen, denen sich die erforderliche Kompetenz nicht absprechen lsst, sich ausschließen lassen, wenn sich vermuten lsst, dass sie gegen die zweite Bedingung der Autorittstheorie verstoßen, also die der Aufrichtigkeit. Bei Galilei drckt sich das darin aus, dass vorausgesetzt wird, dass man sich beim Urteilen ber den heliostatischen Wissensanspruch nicht seinen Emotionen und Interessen („passioni e interessi“) unterwirft.100 Charakteristisch ist, dass die Versuche neuer disziplinrer Ordnungen ein Wissen konturieren, das sich betreffend seiner epistemischen Gte nur in bestimmter Weise erzeugen lsst. Seinen Ausdruck findet das beispielsweise in dem Erfordernis einer zeitintensiven Beschftigung mit einem solchen Wissen.101 Es ist ein Autorisierungskonzept, das die Zugnglichkeit zu diesem Wissen durch die Festlegung bestimmter Voraussetzungen zu regulieren und zu beschrnken versucht und dadurch zugleich die Maßstbe fr die kompetente Teilnahme nicht allein an den Prozessen der Urteilsfindung ber solche Wissensansprche, sondern berhaupt an den Prozessen des kompetenten Nachvollziehens zu etablieren sucht. Bei Galilei spricht sich das an zahlreichen Stellen aus, auch wenn er dabei nicht immer dieselben Aspekte exponiert.102 Hierzu gehçrt denn auch Galileis bekannte ‘Metaphorik’, dass das Buch der Natur ohne die Kenntnis der Sprache der mathematischen Lettern niemand verstehe, ansonsten sei es beim naturalis wie in einem unzugnglichen Labyrinth („obscuro laberinto“)103 – im schrillen Kontrast zu einer lteren Tradition, nach der just das gçttliche Wort im liber naturalis den einfachen Menschen eher zugnglich erschien als das große Gelehrsamkeit erfordernde in der Heiligen Schrift. Soziale Kompo-
99 So Kepler in einem Schreiben an den Herzog Friedrich von Wrttemberg vom 29. Februar 1596 in Kepler 1945, Gesammelte Werke, Bd. XIII, 66. 100 Vgl. Galilei [1613] 1895b, Lettera 285; in Galilei [1615] 1895c, Lettera, 341, knapp die Formel „non volendo o non potendo“. 101 Vgl. u. a. Galilei [1615] 1895c, Considerazioni, 355, ferner in Galilei [1624] 1896, Lettera, 512, wo Galilei sagt, dass Kopernikus mehrere Jahre mit seinen schwierigen berlegungen zugebracht habe, wohingegen seine Kritiker nur wenige Tage darauf verwendet htten. 102 Vgl. Galilei [1615] 1895, Considerazioni, 359, ein Nichtverstehen bestimmter astronomischer Ausdrcke sei fr diejenigen entschuldbar, die sich nicht als Experten ausgeben wrden, fr die anderen ist es geradezu lcherlich, wie vermutlich Galileis Beispiel des richtigen Zusammensetzens von Buchstaben zeigen soll. 103 Galilei [1623] 1896, Il Saggiatore, 232.
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nenten, etwa Patronage und Mzenatentums,104 spielen weniger bei den konkreten Wissensansprchen selbst ein Rolle, sondern vornehmlich bei der Durchsetzung dieser neuen Vorstellung des Expertenwissens, das freilich noch immer im Rahmen der traditionellen Autoritts- und Testimoniumstheorie verbleibt, sowie der vernderten Hirarchisierung alter und neuer disziplinrer Wissensbestnde. Bei Galilei milderte sich diese Eingrenzung freilich noch durch seine gelegentlichen Hinweise, dass sich auch die „weisen Theologen“ ein entsprechendes Wissen aneignen kçnnten und dann an den einschlgigen Stellen der Heiligen Schrift auch ihren wahren Sinn (veri sensi) zu finden vermçgen;105 aber – wie sich hinzufgen lßt – zu erzeugen vermçgen sie ein solches Wissen nicht, wenn sie nicht bestimmte Voraussetzungen erfllen. Nur kurze Zeit spter findet das seine theoretische Aufnahme und Weiterentwicklung bei den Cartesianern der ersten Generation mit der Entgegensetzung von cognitio philosophica (oder accurata) und cognitio communis (historica oder vulgaris). Der hierin eingelagerte Zndstoff zeigt sich, wenn man die in vierfacher Hinsicht gesehenen Unterschiede zwischen beiden betrachtet: Hinsichtlich der Wissenstrger – das allgemeine Wissen richte sich an alle, das philosophische beschrnke sich auf die Vertreter der Profession (der jeweiligen Disziplin); hinsichtlich der Mittel der WissensErlangung – bei jenem stnden sie allen zur Verfgung, bei diesem sei die Befreiung von Vorurteilen mittels der gesunden Vernunft sowie ein bestimmtes Maß an Aufmerksamkeit erforderlich; hinsichtlich des Nutzens und des Ziels der Betrachtung – der Gegenstand der allgemeinen Wissensansprche sei aufgrund seines Bezuges auf die Sinne und das Leben allen gemeinsam, demgegenber beziehe sich das philosophische Wissen auf die Ursachen oder die absoluten Dinge; schließlich hinsichtlich des Gewissheitsgrades – jene msse sich mit Probabilitten im Status der Meinung bescheiden, kann keine gewusste Wahrheit beanspruchen, diese biete mit der certitudo metaphysica hçchste (menschlich) erreichbare Gewissheit. Hinsichtlich der Darstellungsweise gehçrt zu der einen die akroamatische (acroamatica), zu der anderen die exoterische (exoterica), und so sei denn auch die Heilige Schrift in der exoterischen abgefasst.106 104 Hierzu u. a. Westman 1980, The Astronomer’s Role; Westfall 1985, Science; Westfall 1987, Patronage; ferner, allerdings heftig umstritten, Biagioli 1993, Galileo; Voelkel 2001, Composition; Jardine 1998, Places; Barker/Goldstein 2003, Patronage. 105 Vgl. Galilei [1613] 1895b, Lettera, 282. 106 So etwa Wittich [1659] 1682, Consensus Veritatis, cap. 32, § 701, 318: „[…] Scripturae locutiones esse exotericas, qud de rebus naturalibus acroamatice agere
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Das hierauf gegrndete Selbstbewusstsein der cognitio philosophica munitioniert den alten Konflikt mit den Theologen neu und sogleich zeigt sich, wo der Knackpunkt und die Unertrglichkeit fr das theologische Selbstverstndnis liegt – entweder haben die Theologen Wissensansprche, die vor dem Richterstuhl der cognitio philosophica beraus problematisch und allein durch ihren bestimmten Status wertvoll und akzeptabel sind, oder ihr Wissen reicht ber die cognitio communis nicht hinaus. Nicht der Mensch als solcher sei der Akkommodation in der Heiligen Schrift bedrftig, sondern nur diejenigen, die nicht zum richtigen Gebrauch der Vernunft, nicht zur cognitio philosophica finden. Zunchst erhlt das eher eine stratifikatorische Deutung, dann immer ausgeprgter eine historische im Sinn des Fortschreitens des menschlichen Erkennens. Die Unertrglichkeit fr den Theologen zeigt sich noch ungebrochen und exemplarisch am Beginn bei dem Theologen Johann Jacob Rambach (1693 – 1735). Er weiß, wovon er spricht, denn er hat sich ebenso kenntnisreich wie kritisch mit verschiedenen Aspekten und Anstzen der Akkommodationslehre des 17. Jahrhunderts auseinandergesetzt.107 In den von ihm verfassten Erluterungen zu seiner in der Zeit berragenden Hermeneutik heißt es zur Akkommodation resmierend: Es ist aber diese opinio […] gefhrlich, indem sie die heilige Schrift in suspicionem mendacii bringt, und ihren Credit gar sehr schwchet und verringert, ja da sie machet, daß ein jeder Phantast: seine Einflle also rechtfertigen kan. Denn wenn die heilige Schrift sich darnach richten soll, so darf man nur sagen, sie habe da geredet nach dem Begriff des Pçbels, und habe den Gelehrten Freyheit gelassen, nach der wahren Beschaffenheit einer Sache davon zu philosophieren […]. Daher es hernach kommt, daß man der Schrift eine Pçbel=Philosophie, wie einige ungewaschene Philosophi geschrieben haben, zueignet und dieselbe also verchtlich macht.108
Die Heilige Schrift als Quelle der Theologen biete nur mehr eine cognitio communis, und es drohen wesentliche Einbußen bei ihrer auctoritas, dignitas, nobilitas und vor allem credibilitas.
ejus non sit institutum. Illa autem distinctio est communis inter locutiones vulgares sive exotericas & acroamaticas, inter probationes didascalicas & dialecticas […].“ Dazu § 702, 319: „Locutiones Acroamaticae mihi sunt eae, quae accurat rem exprimunt, quibus nuda veritas & accurata docetur: Locutiones ver exotericae sunt communes & vulgares, respondentes notitiae communi, atque propterea veritatem ad homines relatam & praejudiciis involutam exprimentes.“ 107 Vgl. Rambach [1727] 1729, Dissertatio. 108 Rambach 1738, Erluterung, lib. III, § 9, 258 f.
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So weit ist es zur Zeit Galileis aus der Sicht der Theologen lngst noch nicht. Galilei bietet in seinen einschlgigen Texten zwar auch einen genuinen Beitrag zur hermeneutica sacra, aber in der Hauptsache geht es ihm um die Beziehung zwischen den beiden (disziplinren) Gruppen, die von den vulgi ausgenommen sind, nmlich den Theologen und den (Natur-)Philosophen, und hierbei wird das alte Problem erneut verhandelt, das sich aus der Inhomogenitt der Heiligen Schrift ergibt und der daraus abgeleiten universellen Zustndigkeiten der Theologen. In Galileis Sprache meint das die Erçrterung allgemeiner Fragen zur epistemischen Stellung der Heiligen Schrift in den Auseinandersetzungen ber Wissensansprche ber die Natur: „circa’l portar la Scrittura Sacra in dispute di conclusioni naturali“.109 Dabei lassen sich zwei Aspekte unterscheiden: zum einen sei das, wofr es manifeste Erfahrungen und notwendige Beweise gebe, vor der Gefahr geschtzt, sich irgendwann einmal als falsch zu erweisen, und das hat dieses so begrndete Wissen mit der Heiligen Schrift gemein, die zweifelsfrei wahr und ohne Irrtum sei. Nicht aber gelte das fr ihre menschlichen (nicht inspirierten) Interpretationen. Den Grund sieht Galilei weniger in einer menschlichen Schwche – sie wrde auch die manifesten Erfahrungen und notwendigen Beweise erfassen – sondern sie liegt nach ihm im Gegenstand selber: Im Unterschied zum gçttlichen Buch der Heiligen Schrift kennt das der Natur keine Akkommodationen. Deutlich wird, dass Galilei mit dem Argument der Notwendigkeit nicht allein den Bedeutungsbergang bei der Heiligen Schrift meint, sondern auch die Zugnglichkeit oder Geltungsprioritt in bestimmten Bereichen des Erkennens. Denn eine solche Notwendigkeit gibt es gerade auch im Bereich der Gesetze der Natur, die ebenso wie die Worte der Heiligen Schrift aus dem Gçttlichen Wort hervorgegangen seien, die aber gehorsam dem Willen Gottes folgten, vor allem passen sie sich nicht dem Menschen an: „sieno o non sieno esposti alle capacit degli uomini“. Bei dem Buch der Natur herrsche in der Sache selbst Gewissheit. Fr die Heilige Schrift kçnne das nicht gelten, wenn bei ihr von einer (ersten) wçrtlichen Bedeutung zu einer anderen bergegangen werden muss und sie sich der Vorstellungskraft der Menschen anpasst (und damit hinsichtlich er Deutung ihres sensus litteralis unsicher ist), denn bei ihr herrschten nicht so strenge (Bedeutungs-)Regeln wie beim natrlichen Geschehen: „poi che non ogni detto della Scrittura legato a obblighi cos severi com’ogni effetto di natura.“110 Streng genommen freilich erzeugt sich diese Asymmetrie zwischen den beiden Bchern Gottes dadurch – wie am Beispiel der Jung109 Galilei [1613] 1895b, Lettera, 282. 110 Galilei [1613], Lettera, 282.
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frauengeburt gesehen –, dass Galilei die von Gott in der Natur ‘gewollten Wunder’ ignoriert, die auch dieses Buch hnlich unsicher machen wrden: Ebenso wie die Heilige Schrift unsicher sei, weil sich nicht genau sagen lasse, wann sie sich an den Menschen akkommodiert, sei es das Buch der Natur, wenn man nicht definitiv weiß, wann nach Gottes Willen Wunder wirken. Uneingeschrnkt wahr ist in ihrem sensus litteralis auch die Heilige Schrift, aber nur in den Dingen, die sich auf den Glauben (in rebus fidei et morum) erstrecken und die nicht ohne sie zugnglich sind, so dass auch extrabiblisches Wissen ihre Glaubwrdigkeit (credibili) grundstzlich nicht erhçhen kçnne.111 In den anderen Bereichen sei sie zwar auch wahr, aber der Zugang zu diesen Wahrheiten sei auch ber andere Quellen mçglich, und sie bieten grçßere Gewissheit der Erreichbarkeit der Wahrheit, weil bei der Heiligen Schrift, wenn sie ber diesen Bereich spricht, immer die Mçglichkeit akkommodierenden Sprechens bestehe. Noch spter ist es fast ausnahmslos der Fall, dass man im Bereich des Glaubens sowie im Neuen Testament keine ethische Akkommodation annimmt; erst in der zweiten Hlfte des 18. Jahrhundert wird das anders. In allen nichtdemonstrierbaren Wissensansprchen hingegen biete die Heilige Schrift die grçßere Gewissheit. Von Anbeginn an wurde das Problem gesehen, dass Gott es zugelassen habe, dass die Heilige Schrift missverstanden und missbraucht werden kçnne: In 1 Kor 11, 19 heißt es, dass Hresien (aRq´seir) sein mssten. Zwar ist es nicht so aufgefasst worden, dass Hresien etwas Gutes seien, aber doch so, dass Hresien nicht sein kçnnten, wenn die Heilige Schrift sich nicht auch falsch verstehen ließe.112 Demgegenber gibt Galilei eine Begrndung aus ihren Eigenschaften heraus, weshalb immer die Gefahr besteht, die Heilige 111 Vgl. Galilei [1613], Lettera, 284: „Io crederi che l’autorit delle Sacre Lettere avesse avuto solamente la mira a persuader a gli uomini quegli articoli e proposizioni, che, sendo necessarie per la salute loro e superando ogni umano discorso, non potevano per altra scienza n per altro mezzo farcisi credibili, che per la bocca dell’istesso Spirito Santo.“ 112 Vgl. etwa Tertullian, De resurrectione mortuorum, XL, 1 „Nihil autem mirum, si et ex ipsius instrumento argumenta captantur. Cum oporteat hareses esse, quae esse non possent, si non et perperam scripturae intellegi possent.“ Sowie Tertullian, De resurrectione mortuorum, LXIII, 8: „Nam quia ‘hareses esse oporetuerat, ut probabiles quique manifestentur’, hae autem sine aliquibus occasionibus scripturarum audere non poterant, idcirco pristina instrumenta quasdam materias illis videntur subministrasse, et ipsas quidem isdem litteris revincibles.“ Ferner Tertullian, De praescriptione haereticorum, XXXIX, 7: „Nec periclitor dicere ipsas quoque scripturas sic esse ex Dei voluntate dispositas, ut haereticis materias subministrarent, cum legam oportere haereses esse, quae sine scripturis esse non possunt.“
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Schrift falsch zu interpretieren. Im Bereich der Natur bestehe Gewissheit auf der Grundlage der Erfahrung der Sinne und notwendiger Beweise (sensata esperienza und necessarie dimostrazioni). Wenn sich die Heilige Schrift dem Fassungsversmçgen der (einfachen) Menschen selbst in ihren wesentlichen Aussagen (ber Gott) angepaßt habe, wer wollte dann, so fragt Galilei, angesichts der eher beilufigen Rede in der Heiligen Schrift ber die Erde und die Sonne, dass sie sich auch hier immer an strenge Begrenzung des eigentlichen Sinns gehalten habe?113 Zum anderen gelten allgemein die beiden canones fr die hermeneutica sacra: a veritate hermeneutica ad veritatem dogmaticam valet consequentia und a falsitate rei ad falsitatem interpretationis. Den ersten bestreitet Galilei nicht, auch wenn er allein solche Interpretationen fr definitiv gewiss hlt, die nachweislich von inspirierten Interpreten stammen;114 den zweiten nutzt er, um der Heiligen Schrift auch eine Deutung des sensus litteralis zukommen zu lassen, die sich gegenber den bisherigen Annahmen ber ihren sensus litteralis durchsetzen kann und die auf extrabiblischem Wissen beruht, so ihm denn die erforderliche epistemische Gewissheit zukommt. Dies begrndet Galilei letztlich mit dem erwhnten Satz, dass sich zwei ausgewiesene Wahrheiten nicht widersprechen kçnnten.115 Bei denjenigen extrabiblischen Wissensansprchen, die nicht in dieser Weise streng demonstrierbar seien,116 setze sich allerdings der bisherige sensus verus des sensus litteralis der Heiligen Schrift als veritas objectiva durch – bei Galilei scheint unklar zu bleiben, inwiefern das bei Wissensansprchen, die nicht „con metodo dimostrativo“, sondern nur als eine Erzhlung (pura narrazione) dargeboten oder die allein „con probabli ratione“ gesttzt werden, die also nicht bewiesen, sondern nur gelehrt werden wrden,117 dann der Fall ist, wenn sie grundstzlich oder wenn sie nur gegenwrtig nicht in dieser Weise demonstrierbar erscheinen. Diese etwas unklare Formulierung mag ein Zugestndnis darstellen, indem Galilei zwischen zwei Optionen nicht zu entscheiden scheint. Immer haben die aus der Heiligen Schrift (im sensus litteralis) gezogenen Argumente 113 Vgl. Galilei [1613] 1895b, Lettera, 283: „[…] abbia eletto di contenersi con tutto rigore dentro a i limitati e ristretti significati delle parole?“ 114 Vgl. Galilei [1613] 1895b, Lettera, 284: „parlino inspirate di celeste virt“. 115 Vgl. z. B. Galilei [1615] 1895a, Considerazioni, 365. 116 Vgl. Galilei [1615] 1895c, Lettera, 317: „all’ autorit di tutte le scritture umane, scritte non con metodo dimostrativo, ma o con pura narratione a onco con probabili ragioni“. 117 Vgl. Galilei [1615] 1895c, Lettera, 327: „dimostrate veracemente, ed altre semplicemente insegante“.
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fr Wissensansprche den Status eines argumentum ab auctoritate gehabt. Ihre Partitionierung kann zur Folge haben, dass diese Argumente dann nur wie menschliche gelten und sie dann (in der Auffassung der Zeit) grundstzlich einen geringeren argumentativen Stellenwert htten als nichttestimonale. Man kann aber auch der Ansicht sein, dass sie noch immer ihren gçttlichen testimonalen Charakter besitzen, wie es offenbar Galileis Ansicht ist, und sie daher strker seien als alle diejenigen nichttestimonalen Argumente, die nicht auf gewissen Erfahrungen und notwendigen Demonstrationen beruhten, sondern nur probabel seien. Nicht zu unterscheiden zwischen solchen Wissensansprchen, fr die es keine definitiven Begrndungen geben kann, und solchen,118 fr die es sie geben kann, aber sie noch nicht vorliegen, rechtfertigt jede Intervention des Theologen aufgrund des ‘manifesten’ sensus litteralis der Heiligen Schrift, die ihr widerstreitenden, aber nicht bewiesenen Wissensansprche zu unterbinden – so wie es denn auch mit der kopernikanischen Theorie geschehen ist. Auch wenn, wie gesagt, Galileis Auffassung in diesem Punkt nicht sehr deutlich ist, gewinnen genau hier seine Versuche der heliostatischen Ausdeutung von Passagen der Heiligen Schrift ihre besondere Bedeutung – und sie erscheinen dann nicht, wie fast immer angenommen wird, als etwas, das nach Galileis berlegungen inkonsequent ist. Die letzte Pointe findet sich auch genau hier – und es klrt sich dann auch Galileis Auffassung von der epistemischen Prioritt des sensus litteralis der Heiligen Schrift hinsichtlich solcher Wissensansprche, deren definitive Unbegrndetheit mçglicherweise nur zeitlich gegeben ist. Selbst wenn man nicht der Ansicht ist, dass die heliostatische Theorie als (bereits) definitiv bewiesen gilt, wie dies Galileis Formeln wie sensata esperienza und necessarie dimostrazioni nahe legen, dann versucht er (als letztes) zu zeigen, dass die im sensus litteralis aufgefassten Stellen der Heiligen Schrift nicht gegen sie sprechen, sondern allein eine heliostatische Deutung ihren sensus litteralis zu bewahren erlaubt. Zumindest dem angelegten Szenario nach handelt es sich dabei um eine Argumentation, die allein auf bislang unstrittigem außerbiblischem Wissen sowie auf dem sensus litteralis der Schrift aufruht. Das bedeutet jedoch auch, dass sich aus dem sensus litteralis der Heiligen Schrift, selbst wenn die heliostatische Theorie nicht zu beweisen, sondern nur probabel sein sollte, kein Unterbinden der weiteren Forschung mit dieser
118 Vgl. Galilei [1615] 1895c, Lettera, 330: „pi presto qualche probabile opinione e verisimil coniettura“.
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Theorie rechtfertigen lasse.119 Erst dann, wenn Galilei diese Art der Abhngigkeit der Naturforschung bei (gegenwrtig) nicht demonstrierten Wissensansprchen von der Heiligen Schrift nicht annehmen wrde, wren seine Versuche der heliostatischen Ausdeutung entweder inkonsequent oder sein Muster der Argumentation ex concessu. Inwiefern Galilei einen solchen Anspruch bei seiner heliostatischen Interpretation bestimmter Stellen der Heiligen Schrift mit Recht erhebt und inwiefern sich das Szenario wesentlich anders gestalten wrde, wenn er die tychonische Kompromisstheorie als Alternative bercksichtigt htte – offenbar demonstrativ ist er nicht gewillt, das zu tun120 – muss hier auf sich beruht bleiben, auch wenn es diese Theorie hinsichtlich ihrer Vertrglichkeit mit der Heiligen Schrift leichter hat als die kopernikanische121 und sich durchaus als Alternative zu den beiden kosmologischen Theorien (nicht zuletzt, aber nicht nur bei den Jesuiten) im 17. Jahrhundert entwickeln konnte.
119 Vgl. auch die abgeschwchte Darstellung mit Blick auf Bellarminos Einwand: Erst dann kçnne man dem bergang zu einem anderen sensus litteralis zustimmen oder aber, dass wir die entsprechende Passage der Heiligen Schrift nicht verstnden, wenn ihm eine vera demonstratio gezeigt werde, Bellarmino [1615] 1902, Brief, 172 – bei Galilei [1615] 1895c, Lettera, 368 f.: „[…] anzi noi non ricerchiamo altro, se non che, per utile di Santa Chiesa, sia con somma severit essaminato ci sanno e possono produrre i seguaci di tal dottrina, e che non gli sia ammesso nulla se quello in che eglino fan forza non supera di grande spazio le ragioni dell’altra parte […].“ Wenn Galilei dann sogar eine Zahlenangabe bietet – wenn sie nicht zu 90 % richtig sei, sollte sie verworfen werden –, dann ist das vermutlich nicht mehr als eine faÅon de parler, ausdrckend den hohen Gewissheitsgrad – necessitas! – der Theorie, nicht aber handelt es sich in irgendeinem Sinn um eine numerische Wahrscheinlichkeitsaussage. Wie das wohl gemeint ist, kçnnte aus der darauf folgenden Aussage hervorgehen, nach der die ‘falsche Seite’ weder einen einzigen gltigen Vernunftgrund noch Experimente fr sich anfhren kçnne. 120 Hierzu aber auch Margolis 1991, Tycho’s System. 121 Tycho Brahe hat wiederholt betont, seine Theorie widerstreite weder den Prinzipien der Physik noch der Heiligen Schrift, vgl. Brahe [1588] 1922, De mundi, 156, ferner Brahe [1592] 1916, Astronomia, 175: „non saltem contra omnem Physicam veritatem, sed & repugnante Sacrarum Literarum autoritate“; auch in einem Brief an Caspar Peucer vom 13. September 1588. In: Brahe 1924, Opera Omnia, 129, sowie in einem Schreiben an Thaddaeus Haegecius vom 1. November 1589 in: Brahe 1924, Opera Omnia, 199.
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Cette expression figure initialement dans un texte compos par P. Nicole pour servir de prface au Trait du Saint-Sacrement dit au profit des Sœurs de PortRoyal. A la suite d’une rponse du ministre Claude, ce texte fut publi en 1660 sous le titre de Tradition de l’ glise sur l’Eucharistie ; il constituera la premi re partie de la petite Perptuit, publie en 1664 par P. Nicole et A. Arnauld, dition dans laquelle nous citons cette rfrence. Derni re tape, la Perptuit de la foi de l’Eglise sera considrablement remanie et augmente par ces deux auteurs, pour devenir un texte en 5 volumes publi partir de 1669. La mthode consistant identifier un point fixe partir duquel organiser la dfense de la Tradition ne sera jamais abandonne ; mais elle ne produira pas les effets de bri vet attendus. Cette recherche s’inscrit dans le cadre de la mthode dite de prescription. Il s’agit de montrer que la position de l’Eglise n’a pas vari depuis la premi re remise en cause du dogme de la transsubstantiation dont on ait gard la trace, celle de Brenger en 1053. Cette date devient d s lors ce point fixe, figurant l’origine
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Nicolas Piqu
videmment l’expression renvoie Descartes. Ce dernier l’utilise, dans les Mditations mtaphysiques,3 pour dsigner, au-del du doute, le terme partir duquel reconstruire une connaissance stable et assure du monde physique. L’enjeu consiste donc dpasser le pyrrhonisme que semblait induire le doute. Il en va de mÞme pour Nicole : il est ncessaire, concernant le monde historique et le rapport au texte, de retrouver un point fixe partir duquel lgitimer nouveaux frais la Tradition et donc la possibilit du sens. Le XVIIe si cle est bien ce si cle o la tradition est remise en question et doit Þtre rebtie sur de nouveaux fondements. Sauf basculer du ct de Pascal, pour qui Dieu n’est plus prsent directement dans le monde humain que nous habitons. La querelle ayant oppos Richard Simon et Jean Le Clerc, qui constitue l’objet de mon expos, s’inscrit dans ce contexte. Celui d’une refondation des savoirs et des pratiques sur de nouvelles bases, ce qui conduit invitablement une transformation de ces savoirs et de ces pratiques.4 La question laquelle ils sont confronts n’est videmment pas celle, cartsienne, de l’intelligibilit du monde physique, mais celle de la lecture du Livre, de la Bible. La philologie fait de la sorte cho au mod le de rationalit de la physique, mod le davantage convoqu pour caractriser la dynamique de l’poque. Les notions de point fixe et de rvolution copernicienne que je vais Þtre amen mobiliser indiquent assez quel point le mod le philologique participe de cet essor de la rationalit caractristique du Grand Si cle. MÞme si les objets ne sont pas identiques, les enjeux paraissent comparables : comment retrouver le sens du Monde ou du Livre apr s que les modalits de leur lecture, scolastiques et traditionnelles, ont t remises en cause ? Le probl me peut Þtre prcis : comment lire le Livre alors que son ordre et son ordonnancement ont t bouleverss la suite des
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(compte tenu de l’importance de ce dogme, aucune transformation n’aurait pu avoir lieu entre l’poque du Christ et 1053 sans laisser de tmoignages) et prfigurant les positions de l’Eglise au XVIIe si cle. Ce point fixe acquiert ainsi une importance argumentative dcisive, permettant de fonder dans l’histoire la prennit du dogme de l’Eglise, en vitant de retracer factuellement la totalit cette fidlit originaire. Descartes 1964, Mditations, 19. On peut noter que Bossuet n’acceptera ni les termes ni le lieu de ce questionnement, condamnant ce qui lui appara t relever davantage de la trahison dfinitive de la Tradition que d’une ncessaire adaptation. Les positions respectives de Bossuet et de Richard Simon sont prsentes dans Magnard 1980, Richard Simon et Bossuet.
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dveloppements et des progr s de la critique biblique ? Simon et Le Clerc entrinent tous les deux cette nouvelle donne, cette onde de choc de la Renaissance et du mouvement humaniste : on ne peut plus lire, de faÅon simple et nave, la Bible comme le faisaient les gnrations prcdentes parce qu’il appara t dsormais vident que des « changements »,5 des « varits »,6 des « obscurits »7 existent dans le texte et entre ses diffrentes versions. Ils vont tous les deux proposer des principes capables de remdier cette menace de dmembrement du texte saint. Ces principes seront diffrents et cette diffrence est importante comme je le soulignerai dans la prsentation analytique de la querelle. Mais il faut noter qu’elle n’oppose pas un moderne un ancien ; elle distingue deux voies lies chacune un aspect de la modernit. Du texte de l’origine l’origine du texte se lit de la sorte la reconnaissance de la dimension humaine tant du texte que de sa reconstitution. Cette reconstitution, qui prend des formes spcifiques chez le catholique et le rform, participe de cet essor de la rationalit qui caractrise le Grand Si cle. Toutefois cette localisation de la question ne suffit pas. Car ce qui caractrise de faÅon ultime ces deux entreprises reste l’usage qui est fait de cette rationalit critique et philologique. L’histoire n’est utilise que pour retrouver un texte dont le sens pourra prtendre chapper l’histoire. Audel de l’inscription du texte dans l’histoire et de l’histoire dans le texte, la Bible reste un texte saint, dont le sens rel ve en derni re instance du dessein divin. Se dessine alors une antinomie propre la philologie applique au texte saint : conÅue d’abord comme un recours permettant de lutter contre les attaques par trop aises des libertins, soulignant l’envi le caract re composite de ces textes, la philologie historicise ce mÞme texte pour le sauver. Mais ce faisant elle met en place un sch me de pense qui risque terme de ruiner la Tradition, et jusqu’ la possibilit d’un sens universel chappant au relativisme de la contextualisation philologique.
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Simon [1678] 1685, Histoire critique, 2. Le Clerc 1685, Sentimens, 5. Le Clerc 1685, Sentimens, 36.
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L’encha nement de cette querelle est le suivant : 1678 : Parution de l’Histoire critique du vieux testament Paris, suivie d’une interdiction quasi immdiate demande par Bossuet. 1682 : Le Clerc la lit en voyage entre Saumur et Gen ve, puis il offre sa collaboration pour un projet de Bible polyglotte pour laquelle Richard Simon avait demand de l’aide la Rpublique des lettres. 1685 : Reparution de l’Histoire critique du vieux testament en Hollande, Rotterdam, apr s une dition tronque parue en 1682 Amsterdam. 1685 : Parution des Sentimens de quelques thologiens de Hollande sur l’Histoire critique du Vieux testament compos par le p. Richard Simon de l’Oratoire, premier crit sous son nom de Jean Le Clerc, alors g de 28 ans. 1686 : Rponse au livre intitul Sentimens de quelques thologiens de Hollande sur l’histoire critique du vieux testament de R. Simon. 1686 : Dfense des sentimens de quelques thologiens de Hollande sur l’Histoire critique du vieux testament contre la rponse du prieur de Bolleville de Le Clerc. 1687 : De l’inspiration de R. Simon. Une prcision importante : au moment de cette querelle Le Clerc n’a encore rien publi, alors que Simon est dj un personnage reconnu de la Rpublique des Lettres. Cette caractristique explique que les textes cits de Simon ne prsentent pas ses principes, se contentant de souligner les erreurs de son critique. J’adopterai la mÞme disposition dans cet article, analysant cette querelle partir des critiques de Le Clerc ; revenir sur l’ensemble des positions critiques de Simon exc derait largement les limites du prsent travail. On a propos de cette querelle diffrentes tudes, mobilisant plusieurs grilles d’analyse. Plusieurs livres consacrs aux deux protagonistes privilgient une surinterprtation psychologique.8 Ils s’arrÞtent longuement sur les circonstances de la rencontre entre les deux critiques. Ils avaient, sinon tout, du moins beaucoup pour s’entendre. Or ils ne l’ont pas fait. La raison de ce malentendu ne peut donc Þtre que rivalit de savants, accentue par le
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Voir Margival [1900] 1970, Essai sur Richard Simon ; Steinmann 1960, Richard Simon ; Auvray 1974, Richard Simon 1638 – 1712.
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mauvais caract re de Richard Simon et la rancœur de Le Clerc, traits psychologiques censs permettre de tout expliquer… On peut par ailleurs galement remarquer le caract re encore confessionnel de la plupart de ces mÞmes tudes critiques. Les crit res d’apprciation de cette querelle sont rests, jusqu’ il y a peu, marqus par l’appartenance confessionnelle des analystes. Un autre niveau de lecture pourrait privilgier la dimension critique de cette querelle. Il serait possible de lire cette querelle en fonction des questions critiques de l’poque, par exemple celle des auteurs du Pentateuque, Simon faisant l’hypoth se des crivains publics,9que critique Le Clerc en proposant l’hypoth se du sacrificateur venu de Babylone, mentionn au chapitre 17 du 2 e livre des Rois.10 Ce n’est pas cette problmatique que j’ai choisie.11 Elle me semble en effet passer sous silence un aspect qui me para t en revanche dcisif : la diffrence de mthode d’analyse, au-del des divergences, positives en quelque sorte. Focaliser son attention sur les divergences des rsultats d’analyse risque trop de mconna tre ces oppositions de mthode, qui me paraissent ici plus heuristiques. On peut dfinir Richard Simon comme un critique biblique catholique, esp ce pas si frquente en France la fin du XVII me si cle. Cette double caractristique circonscrit la tension qu’il dut affronter : concilier les acquis de la critique avec les crit res de sa foi catholique. Elle est parfaitement dcrite au tout dbut de l’Histoire critique du vieux testament : On ne peut douter que les vrits contenues dans l’criture Sainte ne soient infaillibles et d’une autorit divine […]. Mais comme les hommes ont t les dpositaires des livres sacrs et que les premiers originaux ont t perdus, il tait en quelque faÅon impossible qu’il n’y arrivt quelques changements.12
C’est la ncessit de rflchir cette tension qui rend Richard Simon si intressant, en l’amenant remettre en cause la conception traditionnelle d’un texte transparent, dpt naturel de la foi. Quels sont les principes de Richard Simon ? Son point de dpart est indniablement constitu par le constat des « changements »13 qui 9 Voir l’annonce de cette th se d s la p. 3 de Simon [1678] 1685, Histoire critique. 10 Voir les lettres 6 et suivantes de Le Clerc 1685, Sentimens. 11 C’est en revanche celle qui est mise en œuvre dans Quantin 1999, Le catholicisme classique. 12 Simon [1678] 1685, Histoire critique, 2. 13 Simon [1678] 1685, Histoire critique, 2.
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affectent le texte biblique. Tout d’abord l’historicit mÞme du texte. A l’oppos de la conception selon laquelle les livres bibliques ont t composs par un auteur identifi pour Þtre ensuite transmis d’un bloc aux gnrations suivantes, Richard Simon insiste sur la profonde historicit du texte biblique. Elle tient deux raisons. D’une part la longueur de la transmission. Plusieurs si cles, dans des conditions souvent difficiles, avec des supports matriels fragiles expliquent facilement l’existence de divergences entre versions. Ces divergences sont le fait d’erreur des copistes, mais pas ncessairement de fautes de leur part. D’autre part le procd mÞme de rdaction rend compte aussi des trangets que l’on rencontre dans le texte. Ce procd rsulte pour Simon d’un collectif de scribes, qui plus est diffrentes priodes. Cette rdaction collective explique elle aussi les passages parfois obscurs, les rptitions, les incompatibilits que l’on peut rencontrer. La consquence de ces deux principes est claire : il est illusoire de chercher retrouver un original pur, sans erreurs ni fautes. Tel tait pourtant l’poque l’objectif de, entre autres, l’oratorien Jean Morin et de Brian Walton, tous les deux la recherche de cet original perdu et objets de critique de la part de Richard Simon. La dcouverte en Occident cette poque de la communaut samaritaine a contribu renforcer cette quÞte.14 Les Samaritains ont alors, en effet, incarn le fantasme d’une communaut ayant chapp aux vicissitudes de l’histoire, fige dans une perptuation de ses traditions et une conservation de ses textes. Face aux dveloppements de la critique historicisante un tel refuge tait inespr ; mais illusoire. La rponse de Simon appara t par contraste singuli re. Elle consiste souligner que l’original est dsormais inatteignable la fois en fait et en principe. En fait, parce que la distance qui nous en spare, l’paisseur historique sont telles qu’il est totalement exclu de pouvoir esprer retrouver un original. En droit, parce que cette version originale n’a de plus certainement jamais exist sous la forme d’un livre unifi comme nous connaissons la Bible. Car, on l’a vu, c’est le procd mÞme de rdaction qui gn re des divergences entre versions en crant sinon de l’illisible, du moins des difficults de lecture. La recherche d’un original ne saurait donc Þtre l’ordre du jour. Cette solution, pour tentante qu’elle soit, est totalement hors de propos. 14 Voir Poliakov 1991, Les Samaritains ; Rothschild 1984, Autour du Pentateuque samaritain.
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Cette position est tr s importante car elle remet en cause un principe fondateur de la Tradition, celui prcisment de l’origine. J’entends ici par Tradition non seulement l’ensemble des textes composant un corpus orthodoxe, mais aussi le principe, la logique consistant identifier commencement, authenticit et donation de vrit. Pour la Tradition, la vrit est l’origine ; par consquent toute variation par rapport au pass confine la trahison. Richard Simon, en mettant distance l’origine, rompt avec cette logique de la Tradition. Il transforme ce faisant la conception de la temporalit, qui se fondait pour la Tradition dans l’origine, vritable matrice et fondation. Le temps historique se lib re alors de cette origine, pour exister de faÅon moderne : la variation cesse d’Þtre un crit re de fausset pour devenir une caractristique invitable du temps humain, l’anciennet cesse galement d’Þtre un crit re de vrit puisque Richard Simon distingue, on insistera l-dessus plus loin, authenticit et origine. Les variations et les probl mes de lecture ne tiennent pas uniquement l’historicit intrins que du texte. Ils tiennent aussi la nature mÞme de la langue. Tout d’abord l’volution de la langue. La langue hbraque volue comme toutes les langues. La grammaire par exemple n’est pas encore fixe au moment de la rdaction de la plupart des livres de la Bible ; Richard Simon consacre cette question les chapitres 14 16 du livre I de l’Histoire du vieux testament. Ensuite, et ce deuxi me principe est plus lourd de consquence, la langue est une invention humaine. Donc l’hbreu n’est pas un don de Dieu ; cette affirmation ragit bien entendu aux recherches de Morin et Walton, pour qui la recherche du texte original s’appuie sur la doctrine de l’hbreu, langue du Paradis. Toute langue humaine est en rapport avec les besoins des hommes, ce qui explique la diversit des langues. Richard Simon appuie cette analyse par un commentaire de l’pisode de la tour de Babel : « c’est ainsi que nous devons expliquer avec Grgoire de Nysse la confusion des langues qu’on peut attribuer Dieu selon la faÅon de parler thologique, et en mÞme temps aux hommes selon la vrit des hommes ». Il est donc ncessaire de prendre en compte la particularit de chaque peuple pour comprendre sa langue et son volution. Enfin, troisi me niveau d’analyse, tout aussi important : il est vain et faux de tout rapporter Dieu dans le texte biblique, on vient d’en voir un exemple avec l’analyse de la diversit des langues. Il existe une dimension humaine, dont on doit imprativement tenir compte. Le texte n’est qu’une pure, qui reste fonction d’un peuple. Richard Simon le note nouveau lors de la critique de la conception de la langue du Paradis que dfend Walton : « l’histoire de l’Ecriture n’est
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qu’un abrg de ce qu’on a jug de plus propre pour Þtre mis entre les mains du peuple ».15 Le texte biblique n’est donc pas un texte d’emble limpide et lisible. Il convient de savoir rsoudre les probl mes que pose sa lecture, en particulier celui concernant l’autorit. Se pose alors un dilemme, que l’on peut formuler de la faÅon suivante. Le texte est brouill, il comporte des ‘changements’ dus au fait que les hommes en ont t dpositaires. Et pourtant ce texte compose l’une des sources de la foi, ct de l’Eglise. Comment d s lors aborder la question de l’autorit de la foi ? Cette tension est forte, surtout pour les ‘plus simples’, c’est dire ceux qui n’ont ni le temps ni la facult de passer leur temps apprendre la grammaire hbraque pour lire la Bible.16 La solution de Richard Simon comporte deux propositions. La premi re concerne la ncessit de la Tradition. L’quivocit existe, elle est mÞme, on l’a vu, consubstantielle au texte et la langue. Il est par consquent vain de chercher rduire et circonscrire totalement cette dimension inalinable du texte biblique. Le projet de Simon, celui d’une histoire critique de la lettre du texte, ne peut donc se passer d’un recours la Tradition, comme si le probl me du sens du mot ne se posait pas audel de l’tablissement de la lettre. Cela fait, il n’est pas question d’interprtation. L’quivocit existe, elle est naturelle, mais cela reste un dfaut, que la Tradition peut et doit combler. De telle sorte que c’est la matrialit de la lettre qui pose probl me, et non son sens, que la Tradition viendra garantir. En voici un exemple : il concerne la traduction du terme hbreu bara. La traduction classique en est ‘crer’, en particulier dans la Gense ; Simon rpond, dans la Prface de l’Histoire critique du vieux testament, Jacques Basnage, qui l’avait accus d’une mauvaise lecture de cette notion. Il prcise alors sa position : une rfrence rabbinique lui permet d’affirmer que bara est une notion peu prcise signifiant ‘faire de quelque chose’. Par consquent « il est impossible de prouver par l’Ecriture seule sans le secours de la Tradition que le monde ait t cr de rien ».17 Il reviendra sur cette question dans sa Rponse Le Clerc de 15 Simon [1678] 1685, Histoire critique, 484. 16 P. Nicole reprend cet argument contre les rforms, affirmant que seule l’autorit de l’Eglise permet aux simples d’Þtre assurs de la possibilit du salut, cf. Nicole 1671, Prjugs lgitimes, 10 sq. Cette attention porte aux plus simples revient tr s souvent dans les controverses de l’poque. Elle renvoie au puissant enjeu sotriologique des discussions portant soit sur la Bible soit sur l’Eglise. 17 Simon [1678] 1685, Histoire critique, Prface.
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1686, en affirmant « par l (cette question de traduction) tablir la Tradition »,18 c’est--dire sa ncessit. Car il dispose, quoiqu’en dise Bossuet, d’une thorie tr s classique de la Tradition : « l’tablissement de la Religion dans les premi res glises est la vritable r gle de la foi ».19 Le deuxi me temps de la position de Richard Simon renvoie la distinction entre authentique et originaire. Cette distinction est essentielle la fois pour son dispositif, mais aussi pour l’intrÞt que nous pouvons trouver ses propos. On sait que le projet d’une critique du texte biblique a effray Bossuet, qui a interdit la diffusion de la premi re dition de l’Histoire critique en 1678. Or, au-del de l’affirmation selon laquelle Mose ne saurait Þtre l’auteur du Pentateuque, d’autres propositions de Richard Simon rendent possible une lecture orthodoxe ; c’est le cas de cette distinction fondamentale. La lettre ne pouvant pas ne pas Þtre parfois obscure, il est ncessaire de convoquer la Tradition, seule r gle permettant tous d’avoir acc s au dpt de la foi. Mais par ailleurs Richard Simon a critiqu non seulement la notion mais la logique originaire, celle qui veut qu’une proposition soit d’autant plus vraie qu’elle est ancienne. La crainte de Bossuet est que ce faisant on ne ruine l’difice mÞme de la Tradition. Cela n’est toutefois pas si immdiat : l’affirmation de la mise distance de l’origine ne met pas directement en danger l’orthodoxie. En effet, Richard Simon rappelle fort opportunment la distinction tablie par le Concile de Trente entre authenticit et origine. Cette distinction oppose le niveau de droit, l’autorit confre, au niveau de fait, l’attribution critique.20 Lorsque le concile de Trente a dclar la Vulgate seule version authentique, il s’agissait d’une authenticit canonique et nullement critique. Cette diffrenciation ne pose pas de probl me particulier un catholique, pour lequel existe un double dpt de la foi, l’Eglise et l’Ecriture. Il n’en va, en revanche, pas de mÞme pour 18 Simon 1686, Rponse, 145. 19 Simon [1678] 1685, Histoire critique, 493. Dans Magnard 1980, Richard Simon et Bossuet, P. Magnard est sv re pour l’oratorien, accus d’inconsquence en cherchant se rfrer une Tradition, dont il a par ailleurs min les fondements en dcouplant authenticit et antiquit, vrit et origine. Il est vrai que la position de Richard Simon est plus complexe que la dfense globale de la Tradition par Bossuet. Le projet d’une refondation de la Tradition sur un exercice de reconstruction critique et humain n’en constitue pas moins une entreprise possible. Dont on pourra retenir en mÞme temps l’affirmation, orthodoxe, du recours ncessaire la Tradition, et la modalit reconstruite de cette mÞme Tradition. 20 Danneberg 2003, Ezechiel Spanheim’s Dispute, 65, insiste galement sur l’importance de cette distinction.
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un protestant, d’o la difficult de Jean Le Clerc saisir cette prcision,21 pourtant essentielle du point de vue catholique. La signification de cette distinction est dcisive, car elle permet de dcoupler deux notions, jointes jusque l : la vrit et l’origine. L’identification de ces deux notions est au fondement du concept de Tradition. Les distinguer et mettre en vidence leur autonomie, en affirmant de plus la disparition de l’original biblique, revient, non ruiner la possibilit de la conservation de la foi, mais rvaluer le mod le traditionnel sur lequel s’tait jusqu’alors appuye la thologie catholique. La redfinition des rapports entre dogme et histoire prendra du temps, jusqu’ Newman et la crise moderniste. La consquence, contrairement ce que pense Bossuet, n’est pas le relativisme historique, puisque le dpt de l’Eglise continue de pouvoir assurer son rle de garant ; mais le texte biblique, pas plus que la langue n’chappent plus l’historicit, comme on va le voir.22 Les positions critiques de Richard Simon l’am nent de la sorte rvaluer le sens et la porte de l’origine.23 Or cette notion joue un rle essentiel pour le catholicisme dans sa version traditionnelle primitiviste.24 En la critiquant il contribue manciper la temporalit de toute norme originaire, jouant ainsi un rle dcisif quant l’av nement d’une reprsentation moderne de la temporalit.25 Avant d’en tirer toutes les consquences en les rapportant l’objet du colloque, il nous faut auparavant analyser les positions de Jean Le Clerc. Il convient de rappeler que Jean Le Clerc et Richard Simon partagent, audel des divergences sur lesquelles on va insister, le mÞme point de dpart, le mÞme constat quant au caract re composite et problmatique du texte biblique. Ce dernier ne peut pas Þtre lu sans un travail pralable. Une fois cette parent fondamentale souligne il devient possible de souligner que 21 Cf. Le Clerc 1685, Sentimens, 319 sq. 22 N’chappent plus l’histoire ni la langue, «l’hbreu n’a pas t dans les commencements de la mani re qu’il est prsentement», Simon [1678] 1685, Histoire critique, liv. I, chap. 12 ; ni la doctrine de l’Eglise, cf. Simon 1983, Additions ; Le Brun 1978, Entre la Perptuit ; ni videmment le texte de la Bible. 23 Au-del de l’analyse de cette querelle avec J. Le Clerc, on pourra sur ce sujet se rfrer J. Le Brun 1981, Sens et porte. 24 J’emprunte J. Le Brun cette caractrisation ; il l’utilise propos de Bossuet, cf. Le Brun 1985, Les conditions de la croyance, 182. 25 Danneberg 2003, Ezechiel Spannheim’s Dispute, 78, insiste sur l’originalit et l’importance de cette nouvelle thorie de l’origine.
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le traitement des probl mes rencontrs dans le texte n’est pas de mÞme nature chez l’un et chez l’autre. Les critiques de Jean Le Clerc sont de deux ordres. Elles concernent d’abord la critique de la Tradition. La mise en œuvre de cette critique n’est pas l’aspect le plus original des Sentimens de quelques thologiens de Hollande de Le Clerc (1685). Celui-ci commence par en rappeler la fonction de la Tradition chez Richard Simon. Au del du caract re fluctuant parce qu’historique du texte, la Tradition est le gage de la prennit du sens, cot du texte, en amont, par le biais de cet autre dpt qu’est l’glise, mais aussi partir du texte, en aval, lorsque l’quivocit du texte se pose, par l’intermdiaire du corpus que reprsentent les P res de l’glise.26 C’est principalement cette prennit que Le Clerc va s’efforcer de critiquer : « Il n’y a rien de moins assur que la Tradition ».27 Pour justifier cette proposition, il prend les exemples classiques de la critique protestante : les hsitations et les revirements catholiques quant la transsubstantiation et la grce. Les conciles pas plus que la papaut ne sont des garants suffisants. Contre la Tradition catholique, il fait donc valoir les variations et les changements, en utilisant la voie de rcrimination, qui consiste battre l’adversaire au nom de ses propres principes, auxquels il ne souscrit pas. Ce faisant Le Clerc se prive d’un recours dont on a vu combien il est essentiel pour Richard Simon. Le sens ne pourra pas advenir d’un lieu transcendant le texte, ce qui n’est gu re tonnant pour un rform. Mais la difficult s’accro t lorsque l’on sait que Jean Le Clerc rcuse aussi le parti pris mthodologique grammatical de Richard Simon. Il s’agit l de la deuxi me critique de Le Clerc, qui concerne la lettre. Elle constitue plutt une critique de l’attachement exclusif et unilatral la lettre : « par la seule grammaire on ne saurait se dmÞler de saint Paul ».28 Pour Le Clerc, la lettre n’est pas signifiante en elle-mÞme. Il justifie cette affirmation en deux temps. D’abord en comparant Richard Simon Bossuet, pour qui le sens du mot est immdiatement clair. Pour ce dernier, mÞme si le rapport entre le mot et la chose n’est pas naturel, son institution finit la longue par acqurir la clart et l’immdiatet qui garantissent le processus de 26 Simon 1686, Rponse, 33 : «on raisonnera mieux sur ces points en remontant jusqu’ la source», c’est--dire les P res. 27 Le Clerc 1685, Sentimens, 49. 28 Le Clerc 1685, Sentimens, 17.
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signification.29 Le Clerc critique souvent dans les Sentimens cette transparence catholique de la lettre ; c’est, pour lui, faire fi de l’quivocit incontournable de l’hbreu, qui s’impose au traducteur. Puis il dveloppe sa critique dans les lettres 11 et 12 des Sentimens et 9, 10, 11 de la Dfense des sentiments, qui constituent un petit trait de l’inspiration. La th se et l’enjeu en sont clairs : l’inspiration littrale n’existant pas, il convient de ne pas trop s’attacher la lettre. Pour tablir cela, il commence par reprendre la typologie de Grotius distinguant les prophties des histoires et des doctrines dans la Bible. La stricte inspiration littrale est exclure, sauf pour les paroles du Christ. L’inspiration du fond concerne uniquement les diffrentes sortes de prophties que sont les visions, les choses oues et les inspirations intrieures. Cette restriction de l’inspiration est apparue Richard Simon comme une ngation de l’inspiration. Cette conception permet Le Clerc d’affirmer que « l’autorit de l’criture reste dans toute sa force ».30 En effet, « ce grand z le que l’on a pour la lettre n’est qu’un voile »,31 l’essentiel est ailleurs, dans cette « conservation du sens ».32 La thorie de l’inspiration induit une conception de la lettre, qui am ne son tour la ncessit de l’interprtation. On comprend alors la relation entre la ncessit de rtablir le sens, la possibilit de cette tentative, et la mise en œuvre d’une mthode interprtative historique. La lettre du texte ne constitue pas le vecteur par lequel il sera possible d’claircir le texte ; il convient de s’intresser au sens, donc au contexte qui, lui, en reprsente le vecteur heuristique. Ne chercher travailler que la lettre ne conduit nulle part. Il convient de s’attacher ce qui est essentiel dans la foi, le sens. Le Clerc op re une distinction tr s tranche entre les choses et le fond, le sens d’un ct et les mots de l’autre. Le sens y prc de la lettre. On vient de voir quelle thorie de l’inspiration tait mobilise. L’enjeu en est fondamental : il faut pouvoir sauvegarder le fond du message, le dpt de la foi, au-del des dangers menaÅant la conservation 29 On trouve cette analyse par exemple dans Bossuet 1862, Logique, 253, mais aussi dans toutes ses analyses soulignant le moment fondateur de l’intention de signification, dont la matrice est l’origine christique. De cette position rsulte une conception transparente du signe, dont la comprhension est immdiate et ne ncessite aucune interprtation ; l encore l’institution christique, par sa force, son vidence et sa simplicit, fonctionne comme mod le. 30 Le Clerc 1685, Sentimens, 284. 31 Le Clerc 1685, Sentimens, 280. 32 Le Clerc 1685, Sentimens, 237.
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de la lettre. On peut alors recentrer son attention sur l’essentiel : « Ce ne sont pas de certains termes qui r glent notre foi mais de certains sens et il importe peu de quels mots on se serve pourvu que l’on ne s’loigne point de la doctrine que Dieu a rvle ».33 Le principe mÞme de la foi est sauv : « le fonds de l’histoire du Nouveau Testament : […] il n’en faut pas croire davantage pour Þtre sauv ».34 Cette distinction entre une lettre fondamentalement conjoncturelle et un sens absolu, dans une relative indpendance l’un de l’autre, ne menace nullement l’difice de la foi, puisque la Providence « n’a conserv inviolablement que le sens ».35 Ainsi deux principes poss par Le Clerc, pouvant appara tre contradictoires, ne le sont plus. L’criture est claire en elle-mÞme d’une part : « Malgr toute l’obscurit qui se trouve dans l’criture, elle est assez claire pour tablir invinciblement les articles ncessaires au salut » ;36 mais il existe des « obscurits »37 au sein mÞme du texte d’autre part. La coexistence de ces deux propositions met en vidence la ncessit d’une interprtation, sans laquelle la foi protestante ne pourrait plus reposer sur aucun dpt. La reconquÞte du sens, au-del donc des « varits de lecture »,38 commande de mener bien un travail d’interprtation passant par l’analyse du contexte extrieur et non seulement de la littralit du texte. Seule cette interprtation historique ouvrira la voie vers la saisie du sens ; on peut dire que c’est le contexte qui donne acc s au sens du texte. Cette ncessit de l’interprtation appara t clairement dans le probl me de la traduction, abord dans la lettre 15 des Sentimens. Il y est plus prcisment question de l’impossibilit de toute traduction littrale et de la reconnaissance des hbrasmes. En effet, « nos langues ne sont pas construites de la mÞme mani re » ;39 « il existe un gnie de la langue hbraque ».40 Il faut donc oser paraphraser, faute de quoi on tombera dans le « galimatias », qui n’est autre chose qu’un « sens suspendu et indtermin ».41 La traduction chez Le Clerc n’a pas principalement affaire de mots, mais de sens. Et pour saisir ce dernier, il faut en passer par la prise en compte du contexte. Il ne faut donc pas 33 34 35 36 37 38 39 40 41
Le Le Le Le Le Le Le Le Le
Clerc Clerc Clerc Clerc Clerc Clerc Clerc Clerc Clerc
1685, 1685, 1685, 1685, 1685, 1685, 1685, 1685, 1685,
Sentimens, Sentimens, Sentimens, Sentimens, Sentimens, Sentimens, Sentimens, Sentimens, Sentimens,
237. 284. 237. 36. 36. 5. 342. 345. 342.
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« raffiner sur les mots » ; la raison en est simple, c’est « qu’ils (les crivains sacrs) avaient accoutum d’exprimer leur mani re l’histoire des hbreux et les rvlations qu’ils ont eues du ciel ».42 Le Clerc adopte ici le principe d’accommodation, vieille r gle d’interprtation juive : « Dieu a t oblig de s’accommoder au gnie grossier de ce peuple charnel pour en tirer une obissance digne de lui c’est--dire une obissance libre ».43 Le traducteur se devra donc de retrouver ce gnie. Dans ses ouvrages ultrieurs Le Clerc dveloppera divers moyens pour y parvenir. Maria-Cristina Pitassi note : « le rtablissement du sens primitif du texte ne repose plus seulement sur des remarques philologiques ; l’enquÞte historique est mene avec une envergure toute nouvelle ».44 Nanmoins il faut galement savoir, pour que la traduction soit claire, « abandonner le gnie de la langue hbraque pour suivre celui de la langue dont on se sert ».45 L’intrÞt de Jean Le Clerc pour une traduction qui privilgie le sens au-del des mots, rsulte de sa conception de l’inspiration. La lettre est humaine, elle est libre, uniquement fonction d’un contexte historique et humain qu’il convient de savoir reconstituer. Pour cela Le Clerc propose diverses pistes. On peut en dnombrer quatre ; elles mÞlent approches philologique et historique. Tout d’abord la prise en compte du « dessein », du « motif »46 de l’auteur : « on sait que la plupart des mots et expressions prophtiques sont susceptibles de divers sens et si l’on peut dcouvrir le des sein du proph te on n’en tire pas un petit secours pour dissiper les quivoques ».47Puis l’tude des « circonstances » et de l’« occasion », qui ont prsid l’laboration du texte, ce qui permet d’viter des surinterprtations totalement anachroniques fort dommageables. Ensuite la mobilisation de l’« usage de l’poque », qui permet de saisir la littralit mÞme du texte, quitte mettre profit des rfrences profanes pour comprendre cet usage. Enfin la rfrence gnrale la « coutume de ces temps anciens ».48 Autant de marques du procd d’historicisation de l’exg se, dont Jean Le Clerc remarque l’absence chez Richard Simon, au profit de la seule « grammaire », de la seule histoire des textes. 42 43 44 45 46 47 48
Le Clerc 1685, Sentimens, 285. Le Clerc 1685, Sentimens, 15. Pitassi 1987, Entre croire et savoir, 76. Le Clerc 1685, Sentimens, 345. Le Clerc 1685, Sentimens, 17. Le Clerc 1685, Sentimens, 17. Le Clerc 1685, Sentimens, 12.
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Il faudrait ces analyses ajouter un dveloppement sur la conception nominaliste de la langue que l’on trouve chez Le Clerc. Toutefois, comme cette conception n’est pas encore thorise en 1686, je mentionnerai cet aspect rapidement. L’hermneutique de Jean Le Clerc s’articule avec une thorie conventionnaliste du langage.49 L’influence de Locke, avec qui Jean Le Clerc entretiendra une correspondance,50 est nette. Le langage ne saisit aucun absolu ; il existe donc une pluralit smantique incontournable. L’intrÞt de Le Clerc consiste avoir fait le lien entre cette conception du langage et son enjeu pour une thorie et une pratique de l’exg se historique. Puisque le sens ne peut Þtre ressaisi que par la redcouverte du contexte primitif, et que les donnes extra-textuelles sont encore quasiinexistantes, la reconstitution de l’univers mental des Hbreux devient un enjeu fondamental. L’interprtation va devoir passer par une tude de la topique, une analyse des mtaphores et des faÅons de penser qu’elles dvoilent. Ces pistes de recherche seront systmatises dans l’Ars critica la toute fin du si cle.51 Il n’existe donc pas de ralisme smantique. Et la redcouverte du sens est conscutive l’examen de la raison historique. Redcouverte qui met en vidence la fragilit de nombreuses justifications thologiques. Un seul exemple : dans les Sentimens de quelques thologiens, il applique cette analyse l’ p tre aux Romains52 de saint Paul : La plupart l’ont regard et la regardent encore non pas tant comme une p tre crite une certaine glise et qui contient des choses qui se rapportent certaines disputes qui taient en ce temps l entre juifs et chrtiens, que comme un discours adress tous le genre humain ou tout le moins aux chrtiens de tous les si cles.53
La langue est fonction d’un contexte particulier irrmdiablement distinct du ntre. Jean Le Clerc peut alors aller jusqu’ affirmer qu’une version claire en tout point est une preuve d’infidlit.54 Etonnant paradoxe pour un cartsien : alors que la mise en place des principes d’analyse critique se fait au nom du paradigme cartsien, le terme de l’analyse ne peut Þtre que l’absence de clart. 49 Pour une analyse plus prcise, voir Pitassi 1987, Entre croire et savoir, dont je m’inspire ici. 50 Voir Le Clerc 1959, Lettres. 51 Voir Le Clerc [1697] 41712, Ars critica. 52 Ce texte tait alors au centre des discussions concernant la question de la grce. L’tudier en fonction de son contexte quivalait alors montrer le caract re la fois vain de cette querelle et faux de la mthode. 53 Le Clerc 1685, Sentimens, 17. 54 Le Clerc 1685, Sentimens, 344.
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La confrontation analytique des textes de Simon et de Le Clerc souligne la diffrence de mthode, entre un projet attach la lettre du texte et un autre, plus centr sur la ncessit d’une interprtation historiciste du texte. Cette diversit rsulte de la remise en cause du statut traditionnel du texte. Mais, au-del de ces diffrences, des points communs essentiels relient ces deux entreprises. Ces points renvoient au sens de ces nouvelles techniques critiques, qui concerne l’usage qui est fait de l’histoire. Or cet usage rapproche les deux auteurs. La rfrence l’histoire, que ce soit celle des textes ou celle des circonstances dans lesquelles ont t crits ces textes, n’est qu’un moyen de rintroduire du sens dans un monde fragilis par les attaques libertines. La recherche d’un nouveau fondement capable de rassurer le texte saint, essentiel pour le salut de chacun, constitue l’horizon de leur travail. Cette entreprise de refondation inscrit le dveloppement de la philologie dans le cadre du XVIIe si cle, en tant que s’y mettent en place des sch mes et des mod les de rationalit au mÞme titre que dans le champ des sciences physiques et naturelles, pourtant davantage convoqu pour caractriser la dynamique de cette poque. Les remarques suivantes permettront de souligner la signification et l’enjeu proprement philosophiques de ce qui pourrait, sinon, n’appara tre que comme de strictes querelles techniques d’rudits. Richard Simon aussi bien que Jean Le Clerc font un usage audacieux de l’histoire, consistant chercher en son sein un socle capable de la dpasser. Ce faisant leurs travaux mettent en place une antinomie, dont le christianisme, et plus prcisment le catholicisme, mettra longtemps se dfaire.55 Le dfi est le suivant : comment rtablir le texte biblique dans son statut de dpt de la foi, capable de rordonner le monde historique en lui donnant du sens tout en vitant l’illusoire simplicit, dsormais dpasse, de la Tradition ? La tche peut sembler plus vitale encore pour le rform, dpendant davantage encore du texte ; toutefois la virulence de la raction de Bossuet montre l’envi que les catholiques taient galement tr s sensibiliss cette question de l’intgrit du texte. Comment donc continuer lire la Bible comme un livre o se donne la Parole de Dieu, seule capable de constituer un ple de stabilit, alors mÞme que les preuves 55 L’acceptation de la critique applique la Bible sera, en France, l’objet de la crise moderniste au dbut du XXe si cle. Sur ce sujet, voir Laplanche 1994, La Bible en France et Laplanche 2006, La crise de l’origine.
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critiques du caract re, au moins en partie, humain de ce texte se multiplient ? L’objectif commun de Simon et Le Clerc consiste par consquent faire mentir Bossuet, pour qui l’apparition de la critique introduisait une alternative menaÅante56 entre l’orthodoxie, synonyme d’absence de critique et d’interprtation, et l’athisme, fruit de la critique. Au-del de cette opposition entre une Tradition prenne parce qu’anhistorique et une critique invitablement voue au relativisme et la promotion de l’athisme, tous deux vont tenter de poser les principes d’une lecture la fois critique et respectueuse du caract re tout fait particulier du texte biblique. Alors il sera possible de confrer nouveau ce texte un statut de point fixe, de point d’Archim de capable de rorienter le monde historique humain, de lui redonner sens. La question fondamentale laquelle tentent de rpondre ces deux œuvres rel ve, me semble-t-il, de la recherche de ce « point fixe », voque en commenÅant propos de Pierre Nicole. ConÅue dans le cadre d’une sauvegarde du texte biblique, leur pratique de la critique a pour effet d’historiciser et d’humaniser ce texte biblique. Elle rompt ainsi avec une conception traditionnelle pour laquelle ce texte reprsentait un ple anhistorique, une matrice de sens chappant aux vicissitudes humaines. Mais la reconnaissance de cette historicit, suppose permettre de mieux saisir et comprendre le texte saint, met en place, dans le mÞme temps, un monde instable, changeant, sans point fixe, l’oppose de la conception traditionnelle de la temporalit pour laquelle la variation, la nouveaut sont condamnes en tant que trahison de l’origine normative. Les deux critiques tentent de faire bouger les oppositions, la ligne de front impose par Bossuet en associant critique et dfense de la religion. Car l’un comme l’autre ont bien conscience que refuser cette nouvelle approche du texte biblique conduit la victoire des « libertins » : le danger vient en effet de cette « infinit de difficults que les libertins ont accoutum de proposer contre l’Ecriture Sainte ».57 Ne pas utiliser cette nouvelle discipline reviendrait fragiliser dfinitivement l’Ecriture sainte. La dfense de la religion passe dsormais par l’exercice critique. Il en rsulte un brouillage et une complexit des oppositions.58 Richard Simon est parfois assimil par Le Clerc Bossuet, alors mÞme que ce 56 Prsente dans Bossuet 1763, Dfense de la Tradition. 57 Le Clerc 1685, Sentimens, 285. 58 A l’inverse L. Danneberg para t confessionnaliser l’analyse, en soulignant les enjeux diffrents de la relation entre le statut du texte et l’autorit de la foi pour
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dernier l’identifie Grotius dans sa Dissertation prliminaire sur la doctrine et la critique de Grotius de 1703, Grotius auquel se rf re par ailleurs souvent Le Clerc…59 Les œuvres de Simon et de Le Clerc sont la fois proches quant aux fins, et diffrentes quant aux moyens mis en œuvre. Cette dualit appara t encore lorsque l’on tente de caractriser l’mergence concomitante d’un nouveau mod le de savoir chez ces deux critiques bibliques. La critique de l’origine chez Richard Simon est dcisive de ce point de vue. Cette critique comporte deux moments : la reconnaissance de la disparition de l’origine, mais aussi la distinction entre original et authentique. Dans ces conditions, l’authentique rel ve dsormais d’une reconstitution rationnelle et critique. Le rapport la vrit sera donc fonction d’une construction humaine, et ne rel vera plus d’une donation originaire immdiate et transparente. MÞme s’il faut reconna tre, avec Richard Simon lui-mÞme, les limites du travail de la raison humaine, qui rclame l’intervention de la Tradition, il n’en demeure pas moins que le critique participe activement l’dification de la norme de l’authenticit. L’interprtation historique de Jean Le Clerc constitue une autre voie de travail. Le rapport la vrit de la foi ne saurait Þtre direct partir de la lettre. Pour avoir acc s la Parole, il convient de savoir reconstituer l’univers mental du peuple hbreu. Ici encore la vrit de la foi doit Þtre reconstruite partir d’un travail historique, que seul le critique est mÞme de mener. On trouve chez Le Clerc une mfiance l’gard de la transparence et de l’immdiatet. Seul le travail de la raison permettra de reconqurir ce que la Tradition catholique croyait pouvoir offrir d’emble. De deux mani res diffrentes donc, ce sont l’immdiatet et la transparence de la Tradition qui se trouvent interroges. A un mod le qui s’appuie sur une donation originaire, Richard Simon et Jean Le Clerc substituent un tout autre mod le, pour lequel la vrit est au bout, soit d’une reconstitution pour le premier, soit d’une reconstruction pour le second. Je me risquerai utiliser la notion de rvolution copernicienne, ou plutt de prmisses de rvolution copernicienne. En effet, pour la Tradition chacune des deux confessions, cf. Danneberg 2003, Ezechiel Spanheim’s Dispute, 64 ; pour autant est galement mentionn le ramnagement sur lequel j’insiste, lorsqu’est rappele l’analyse de J. Rambach runissant R. Simon, J. Le Clerc et L. Cappel, professeur Saumur au milieu du XVIIe si cle et l’un des premiers critiques systmatiques franÅais de la Bible, Danneberg 2003, Ezechiel Spanheim’s Dispute, 87 ; sur Louis Cappel, voir Laplanche 1986, L’Ecriture, le sacr. 59 Dans Bossuet 1703, Seconde instruction.
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le texte biblique poss de en lui-mÞme un ordre qui ne doit rien aux hommes ; une thorie de l’inspiration appuie cette conception d’un texte ordonn et normatif par lui-mÞme. Plus rien de tel partir des travaux critiques : ce sont les hommes, philologues et/ou historiens, qui vont recrer cet ordre que l’historicit mÞme du genre humain a brouill. Ce qui est par consquent rcus c’est le caract re immdiatement clair du texte, indpendamment de toute intervention humaine ; ce qui est en revanche soulign, c’est la part du travail humain. Ce dplacement me para t justifier cette rfrence. Toutefois je prcise tout de suite la limite de cet emprunt kantien : le travail humain de recherche ne fait que retrouver un ordre qui existe indpendamment de lui, un ordre qui plus est universel et conforme la nature des choses. Mais il n’en demeure pas moins que cette dcouverte est le fait des hommes et de leur raison. La recherche que proposent Richard Simon et Jean Le Clerc reste tributaire de la position d’une vrit universelle. De ce point de vue ils appartiennent une poque o l’hypoth se d’une vrit objective n’est pas remise en cause ; leur si cle est encore celui de Descartes et non celui de Kant qui distinguera noum ne et phnom ne. En revanche, ce qui est problmatique dsormais, c’est le mode d’acc s cette vrit. Il ne saurait plus Þtre question de prtendre pouvoir la trouver toute faite, expose directement et de faÅon transparente dans un texte, fut-il en l’occurrence la Bible. Cette vrit, celle de la foi, il convient toutefois sinon de la construire, du moins de contribuer la faire appara tre. Sa manifestation fait intervenir l’activit heuristique de l’homme, du critique. Cette critique peut exister sur un mode philologique, ou sur un autre mode plus historiciste. On est donc pass d’une problmatique de la donation du texte une problmatique de la reconstitution du texte. Cette reconstitution fait intervenir, on l’a vu, de faÅon dcisive l’histoire. Car le texte nous parvient sur fond d’historicit. Il appartient par consquent aux critiques de dgager, d’abstraire le texte de cet arri re-fond, sans pour autant nier cette dimension inalinable du texte. La ngation sera le fait de Bossuet, essayant de faÅon dsespre de prserver absolument la foi de toute historicit. La stratgie de Simon comme de Le Clerc consistera au contraire partir de cette dimension historique et donc changeante du texte pour essayer de reconstruire artificiellement, grce des artifices mthodologiques, la vrit du texte. La tension entre l’universalit de la religion et les conditions dans lesquelles elle appara t aux hommes explique cet usage de l’histoire. Cette
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tension est constitutive de ce qui appara t comme une antinomie caractristique de la modernit, tout au moins dans sa modalit qui postule l’existence d’un sens universel, sans plus disposer toutefois d’une donation originaire. Simon et Le Clerc inaugurent la voie consistant articuler reconnaissance du particularisme des poques, artificialit humaine de la reconstitution et recherche d’un sens universel. Cette dmarche et les probl mes qu’elle pose se retrouveront au centre de la querelle de l’historisme,60 en particulier chez Ernst Troeltsch cherchant dfinir une « rdemption de l’historisme ».61 Au-del des positions dfendues par Nietzsche dans la seconde des Considrations inactuelles, Troeltsch essaie de circonscrire un « point d’orientation »,62 un « fondement que l’histoire universelle doit fournir »63 capable de dpasser ce « polythisme des valeurs »64 rsultat du dveloppement de la science historique, en particulier allemande. Pour cela, en vue de ce dpassement, pour identifier nouveau ce « gouvernail l’aide duquel [naviguer] sur l’immense fleuve de la vie », il convient de mettre en contact histoire et philosophie afin qu’une « synth se culturelle prsente »65 merge de leur rencontre. Pour Troeltsch il ne fait aucun doute qu’il s’agit l d’une « forme de pense proprement moderne ».66 Cette derni re produit un « branlement gnral des esprits »,67 aboutissant ce constat, qui faisait dj peur Bossuet et contre lequel il essaya de lutter : « Tout est en lutte contre tout ».68 Le dbat ayant oppos Richard Simon Jean Le Clerc appara t alors bien comme l’un des points de dpart de cette histoire de la modernit, cherchant sa voie, partir de la pratique historienne, entre reconnaissance de l’historicit et crainte des consquences de cette reconnaissance.
60 Oexle 1996, Geschichtswissenschaft propose de cette querelle une prsentation tr s dtaille. 61 Troeltsch [1922] 1990, La crise de l’historisme, 228. 62 Troeltsch [1922] 1990, La crise de l’historisme, 228. 63 Troeltsch [1922] 1990, La crise de l’historisme, 227. 64 Troeltsch [1922] 1990, La crise de l’historisme, 220. 65 Troeltsch [1922] 1990, La crise de l’historisme, 227 sq. 66 Troeltsch [1922] 1990, La crise de l’historisme, 206. 67 Troeltsch [1922] 1990, La crise de l’historisme, 205. 68 Troeltsch [1922] 1990, La crise de l’historisme, 220.
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Philologie und Universalismus Gabriel Nauds enzyklopdische Schriften und ihre Rezeption im deutschsprachigen Raum Anette Syndikus Gabriel Naud war nicht nur Bibliotheksleiter und Sekretr von Kardinlen, sondern auch Naturwissenschaftler. Zwischen 1622 und 1626 hatte er in Paris Medizin studiert, 1626/1627 in einem damaligen Zentrum der Heilkunst, in Padua. Mit seinem Studienfreund, dem Arzt Guy Patin, blieb Naud bis an sein Lebensende befreundet. 1633 schließlich wurde er in Padua zum doctor medicus promoviert.1 Die doppelte Interessenausrichtung zeigt sich auch in seinen medizinischen Schriften: dem universittsgeschichtlich orientierten Preis der Pariser medizinischen Fakultt De antiquitate et dignitate Scholae medicae Parisiensis panegyricis cum orationibus encomiasticis von 1628 sowie in fnf ‘rztlich-philologischen Quaestiones’, in denen populrmedizinische Fragen abgehandelt werden, etwa ob Studien am Morgen gesnder sind als abendliche, oder das bis heute diskutierte ethische Problem, ob ein Arzt einen Kranken tuschen darf.2 Trotz naturwissenschaftlicher Neigungen ist Naud nicht dem Cartesianismus zuzurechnen.3 Zwar misst gerade die franzçsische Philosophiegeschichtsschreibung der damit verbundenen radikalen Neuausrichtung des 1 2
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Zur Biographie von Gabriel Naud (Naudaeus, 1600 – 1653) vgl. Bissel 1966, Bibliographia, 1 – 5, Jaumann 2004, Art. Naud, Gabriel, sowie Bœuf 2007, La bibliothque parisienne, 22 – 30, zur Promotion ebd., 25 mit Anm. 143. Die Quaestio tertia iatrophilologica, an matutina studia vespertinis salubriora erschien 1634 in Padua, die Quaestio iatrophilologica quarta, an liceat medico fallere aegrotum 1635 in Rom. Zu Weiterem vgl. das Werkverzeichnis bei Bœuf 2007, La bibliothque parisienne, 429. Zu Nauds medizinischen Interessen vgl. ebd., 30 – 42: Unter Nauds Bchern machten die medizinischen Werke im Jahr 1630 etwa ein Viertel aus (ebd., 30); seine Bibliothek „offre un panorama assez vaste de la science mdicale de son poque, avec un aspect philologique et humaniste bien marqu […]“ (ebd., 34). Vgl. dazu die Einschtzung von Jaumann 2004, Art. Naud, Gabriel, 472 b: „ein philologischer Rationalismus, der den kritischen Geist an den Buchstaben bindet, ist viel lter als das ego cogito der ‘geometrischen’ Erkenntnis“.
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Denkens im 17. Jahrhundert große Bedeutung bei,4 Naud und sein Umfeld jedoch scheinen davon wenig berhrt zu sein. Der Franzose, der von 1631 bis 1641 in Italien lebte, hatte ein lebendiges und persçnlich geprgtes Verhltnis zu ‘seinen’ Bchern und ihren Verfassern, zu dem von ihnen berlieferten Wissen. Den Urteilen und Einschtzungen der Autoren frherer Zeiten ist er mit sichtlichem Vergngen auf der Spur, und dabei macht er keinen besonderen Unterschied zwischen antiken und neuzeitlichen beziehungsweise zeitgençssischen Autoren. Von einem ‘Bruch’ mit der Tradition kann im Falle Nauds – zumindest in dieser Hinsicht – also keine Rede sein. Neue, im Rckblick geradezu innovative Wege der produktiven Umsetzung und Anwendung von Wissen bietet freilich Nauds philologisch-kritischer Zugriff auf das Schrifttum vergangener und gegenwrtiger Zeiten.5 Dies zeigt die Rezeption seiner enzyklopdischen Vorhaben im deutschsprachigen Raum, die hier ausschnittsweise vorgestellt werden soll (Abschnitt 3): Die Historia literaria, die Geschichte der Gelehrsamkeit und der Gelehrten, hatte gerade in ihren Anfngen um die Mitte des 17. Jahrhunderts entscheidende Impulse aus denjenigen Schriften Nauds bezogen, in denen gelehrte Wissensbestnde zumindest fr Teilbereiche (wie Politik, Staatswissenschaft oder Militrwesen) umfassend verzeichnet und bewertet werden.6 Dass die sptere Historia literaria sogar eine veritable ‘Neuordnung’ von Wissen fr sich beanspruchen darf, kann unter anderem ihre Verwendung als Propdeutikum an der philosophischen Fakultt zeigen (worauf hier zur Verdeutlichung nur hingewiesen sei): Whrend des gesamten 18. Jahrhunderts wird die Gelehrsamkeitsgeschichte – vor allem im deutschen Reich – nach eben den Grundstzen unterrichtet, die im 17. Jahrhundert nach und nach ausgebildet wurden, in Kçnigsberg etwa noch ber den Tod Immanuel Kants hinaus.7 Dort an der Albertina scheint es 4 5
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Deutlich wird diese Gewichtung etwa im Kapitel „Les pratiques (II). L’histoire rudite“ in Lucien Brauns Histoire de l’histoire de la philosophie von 1973, 49 – 88, hier besonders 59 – 64. Die Vielfalt mçglicher Konsequenzen, die sich noch im spteren 17. Jahrhundert aus bibliophilen Neigungen ergeben kçnnen, zeigt das Gegenbeispiel des Paul Colomis (1638 – 1692), den Hfner 2007, Literarische Zimelien, vorstellt: Bei dem Franzosen Colomis ist nicht die anwendungsbezogene und kritisch auswhlende Umsetzung, sondern ein antiquarisches Streben nach vollstndiger Erfassung – mit dem Ziel einer geistreichen gelehrten Kommunikation – das ausschlaggebende Motiv fr die Aneignung des berlieferten. Die Rolle Nauds als Anreger und Vermittler wurde bisher oftmals unterschtzt; vgl. dagegen Syndikus 2007, Die Anfnge der Historia literaria, 27 – 35. Dazu Syndikus 2008, Historia literaria als Propdeutikum an der Kçnigsberger Universitt.
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zumindest in der akademischen Lehre einen „Streit zweier Wissensmodelle“ (so die Einleitung des vorliegenden Bandes) nicht gegeben zu haben, vielmehr drfte ein Nebeneinander in unterschiedlichen Zusammenhngen zu konstatieren sein. Aus diesem Blick auf die weitere geschichtliche Entwicklung ergibt sich die Untersuchungsperspektive des vorliegenden Beitrags. Dabei gilt es den Titel des Bandes leicht zu modifizieren: Es wird im Folgenden weniger die ‘Philologie als Wissensmodell’, eher ein philologischer Zugriff als ‘Modell des Wissenserwerbs’ vorzustellen sein. Dass gerade ein philologisch-kritischer Umgang mit der Tradition Mçglichkeiten fr den Erwerb von (auch anwendungsbezogenem) Wissen schaffen kann, ist – was Gabriel Naud betrifft – keine gnzlich neue Erkenntnis. So hat etwa Paul Nelles in einem Aufsatz mit dem bezeichnenden Titel The Library as an Instrument of Discovery hervorgehoben, fr Naud sei die Bibliothek „an instrument actively engaged in the production of knowledge“.8 Nelles bezieht sich auf Nauds Schrift Advis pour dresser une bibliothque von 1627, die aus der Arbeit als Leiter der Bibliothek der Familie de Mesmes hervorgegangen war.9 ‘Philologie’ im Sinn eines methodischen Herangehens zeige sich im Advis, so Nelles, vor allem im kritischen Blick auf die vermeintlichen oder tatschlichen Autoritten der berlieferung, in der berprfung der Quellentexte auf ihre Glaubwrdigkeit sowie in der Rekonstruktion von frheren Kontroversen – immer mit dem Ziel, eine unabhngige, vorurteilsfreie Urteilsbildung zu fçrdern.10 Zu hnlichen Ergebnissen kommt Lorenzo Bianchi in seiner Studie rudition, critique et histoire chez Gabriel Naud: Bianchi sttzt sich dabei auf Nauds Herausgeberttigkeit in den spteren Lebensjahren sowie auf zwei der bekannteren historischen Schriften: 1623 fragte Naud nach der ‘Wahrheit der Geschichte der Rosenkreuzer’, 1625 verteidigte er ‘Persçnlichkeiten, die flschlicherweise der Magie verdchtigt wurden’.11 8 Nelles 1997, The Library, 41. 9 Zitiert wird nach der Ausgabe Paris 1644 (Ndr. 1990) mit der Sigle Advis 1644; alle (kursivierten) Hervorhebungen sind hinzugefgt. Vgl. dazu Blum 1963, Bibliotheca Memmiana. 10 Nelles 1997, The Library, 41, und besonders 48 f. 11 Vgl. Bianchi 2001, rudition, zu Nauds Schriften Instruction la France sur la vrit de l’histoire des Frres de la Rose-Croix. Paris 1623; Apologie pour les grands personnages qui ont est faussement soupÅonnez de magie. Paris 1625. Dort stellt sich die Frage, inwieweit Naud ein ‘Libertin’ gewesen sei, mit grçßerer Dringlichkeit als bei der Behandlung seiner bibliographisch-enzyklopdischen Arbeiten. Vgl. zuletzt Jaumann 2004, Art. Naud, Gabriel.
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So wichtig und richtig solche Beobachtungen zum kritischen Umgang mit der Geschichte beziehungsweise mit der berlieferung sind, so geht daraus doch nicht hervor, wie man sich Arbeitsweise und Zielsetzungen des Philologen Naud im einzelnen vorzustellen hat.12 Eben dies soll im folgenden (Abschnitt 1) zunchst anhand der lateinischen Bibliographia politica aufgezeigt werden, die erstmals 1633 in Venedig erschienen war. Nauds kommentierte Zusammenstellung von Bchern aus unterschiedlichen Fachgebieten, die fr einen Politiker von Nutzen sein kçnnen, wurde meines Wissens von der Forschung bisher eher am Rande beachtet – Ausnahmen bilden die reich kommentierte Ausgabe von Domenico Bosco sowie die bibliothekswissenschaftlichen Studien Rudolf Blums.13 Fr die sptere Rezeptionsgeschichte (Abschnitt 3) wichtig sind nicht nur die Bewertung und Einordnung des Schrifttums, sondern auch der umfassende Anspruch, mit dem Naud das scheinbar begrenzte Gebiet des politischen Schrifttums zu erschließen sucht (Abschnitt 2). Universal ist dabei die Breite der einzubeziehenden Disziplinen (sie reichen von der Ethik ber konomie und Geschichte bis zur Religionswissenschaft) und der behandelten Gegenstnde, die (zumindest potentiell) weder rumlich noch zeitlich eingegrenzt sind. Darin spiegelt sich ein Plan, den Naud bereits fnf Jahre zuvor im Advis entworfen hatte – eine „histoire tres-ample et particuliere des Lettres & des Liures“ war dort das Ziel einer (noch ausstehenden) wissenschaftsgeschichtlichen Gesamtdarstellung.14 So sind in der Bibliographia politica zwei unterschiedliche Herangehensweisen, die sich auf den ersten Blick auszuschließen scheinen, verbunden: die genaue philologische Quellenarbeit, die berhaupt erst „le iugement & censure des Autheurs“ ermçglicht, und der Versuch, die ‘Knste und Wissenschaften’ mçglichst vollstndig zu erfassen.15 Erst in der Verbindung von ‘Universalismus’ und ‘Philologie’ – so die 12 Vgl. etwa die listenartige Zusammenstellung zum philologischen Vorgehen bei Nelles 1997, The Library, 48, die ohne jeglichen Textbezug auskommt. 13 Nach Boscos Ausgabe von 1997, der den Text nach der in Leiden erschienen Auflage von 1642 (mit italienischer bersetzung) wiedergibt, wird im Folgenden mit den Seitenzahlen von 1642 zitiert (Naud 1642, Bibliographia, 8 – 250; vgl. Bosco 1997, Einleitung, 98 – 188, linke Seiten); eine Kapiteleinteilung fehlt bei Naud. Boscos Kommentar (190 – 276) weist – neben Spezialliteratur der Romania – die zitierten Schriften und Autoren nach. Blum hat sich vor allem mit dem Advis beschftigt (Blum 1963, Bibliotheca Memmiana); zur Bibliographia vgl. Blums gleichnamige „wort- und begriffsgeschichtliche Untersuchung“ von 1970, besonders Sp. 1029 – 1033. 14 Naud 1644, Advis, 163. 15 Naud 1644, Advis, 164. Die detaillierte Gesamtdarstellung und die kritisch auswhlende Beurteilung, „l’histoire tres-ample et particuliere des Lettres & des Liures“
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These des Beitrags – lsst sich die fr sptere Modelle der Wissensvermittlung zukunftsweisende Rolle Gabriel Nauds erklren. 1. ‘Philologie’ in Nauds Bibliographia politica Einige biographische Details sind nicht unerheblich fr das Verstndnis der mçglichen Autorintentionen, das heißt konkreter der Situationen, in denen die Lektreempfehlungen Nauds ihre besondere Bedeutung und Berechtigung gewinnen. Als Fçrderer und Verwalter der Bibliotheken von Henri de Mesmes (1622 – 1626),16 von Richelieu (1640/1641) und Mazarin (1642 – 1652) stand Naud schon in jungen Jahren in Verbindung mit fhrenden Politikern Frankreichs: de Mesmes etwa war Mitglied des kçniglichen Rates und Prsident des Pariser Parlaments. Einsicht in die geheimen Plne und Intrigen der Mchtigen konnte Naud darber hinaus als Sekretr einflussreicher Kardinle gewinnen. Von der politischen Funktion der ‘secretarii’ schreibt er selbst in der Bibliographia: „quorum fide et auctoritate interiora aulae secreta summorumque Principum negotia administrantur“.17 Am Bischofssitz des Kardinals Gianfrancesco Guido del Bagno, genannt di Bagni, ist die Bibliographia politica entstanden, denn mit dem frheren apostolischen Nuntius, den er in Paris kennengelernt hatte, war Naud 1631 nach Italien gegangen, wo er ihm – zuerst in Cervia, dann unter anderem in Rom – bis zu dessen Tod 1641 als Sekretr und Bibliothekar zur Seite stand.18 Gewidmet ist die Schrift dem Freund Jacques Gaffarel, seinerzeit Protonotar am Apostolischen Stuhl, der ihn zur Abfassung der Bibliographia gedrngt habe (1642, 9). Aus der Entstehungssituation – in Cervia gab es laut Naud keine Bibliothek, die Bewohner kmmerten sich allein um die Salzgewinnung (14 f.) und „le iugement & censure des Autheurs“, sind wie selbstverstndlich nebeneinander gestellt. (Das Zitat im Zusammenhang steht im Text nach Anm. 69.) Beide Aspekte sind auch im Untertitel der Bibliographia verbunden: „in qua plerique omnes ad civilem prudentiam scriptores qua recensentur, qua diiudicantur“ (Hervorhebungen hinzugefgt). Zum umfassenden Begriff der ‘Knste und Wissenschaften’ – „tous les Arts & Sciences“ – vgl. Naud 1644, Advis, 31 f. u. ç. 16 Zu den mit Naud befreundeten Bibliothekaren (u. a. die Brder Dupuy) und Bibliotheksbesitzern vgl. Naud 1642, Bibliographia, 12 – 14, sowie den Kommentar von Bosco 1997, Einleitung, 191, Anm. 5 (mit Literatur). 17 Naud 1642, Bibliographia, 176, vgl. dazu auch 185 f. 18 Zu Kardinal di Bagni, einem Freund Richelieus, vgl. Bosco 1997, Einleitung, 191, Anm. 4 (mit Literatur).
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– erklrt sich auch die eigentmliche Anlage des Werks: In dem Bericht fr den Freund, der an wichtigen Stellen immer wieder persçnlich angesprochen wird, gibt es keine detaillierten Angaben zu den aufgefhrten Bchern,19 auch fehlt eine Kapitelgliederung im herkçmmlichen Sinn. Stattdessen werden jeweils zu Beginn einer inhaltlichen Einheit stichwortartig Verbindungen zum Vorangehenden und Folgenden hergestellt20– stets mit Bercksichtigung der Leitfrage, inwieweit die unterschiedlichen Wissensgebiete fr einen ‘Politicus’von Nutzen sein kçnnen.21 So ergeben sich in der Sache begrndete Abfolgen und innere Zusammenhnge, die auch den Studien des Politicus zugrunde liegen sollen.22 Naud beginnt mit den allgemeinen Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens, wie sie in Ethik (18 – 44) und konomie (44 – 49) behandelt werden, darauf folgen die theoretischen Schriften der Doctrina politica im engeren Sinn (49 – 84). In einem eher praxisbezogenen Mittelteil werden folgende Themenkreise und zugehçrige Autoren vorgestellt:23 allgemeine Regeln des Regierens und die Staatsformen (84 – 101), das Verhltnis von Staat und Religion (101 – 120), von Krieg und Frieden (120 – 143), sodann die Aufgaben des Frsten (143 – 167) sowie die seiner Berater, 19 Darin ist die Bibliographia der ersten universal angelegten Wissenschaftsgeschichte der Frhen Neuzeit vergleichbar: Auch Christopher Milieus (Mylaeus) De scribenda universitatis rerum historia (Basileae 1551) ist fernab von Bibliotheken entstanden. 20 Ein Beispiel dazu (Naud 1642, Bibliographia, 49) ist unten in Anm. 49 zitiert. 21 Scattola 2008, Der Anweisende Bibliothecarius, Anm. 13 f., verzeichnet zahlreiche frhneuzeitliche Schriften zum Politicus und dessen Ausbildung (mit Literatur). 22 Die Leitfrage und die methodische Abfolge werden bereits im ersten Satz angekndigt: „Quaeris me, Gafarelle eruditissime, […] ut […] eorum [librorum ac Scriptorum] nomenclaturam aut potius oeconomiam ad te transmittam, quos instituendis tractandisque cum recta ratione et methodo Politicae studiis non inutiles fore censeo“ (9 f., Hervorhebungen hinzugefgt). – Die folgende Inhaltsbersicht (Seitenzahlen nach der Ausgabe von 1642) orientiert sich an der Einteilung Boscos (1997, 7 f., Inhaltsverzeichnis). Whrend Bosco (abgesehen von Einleitung und Schluss) zehn grçßere Themenkreise unterscheidet, listet Gladov in seinem analytischen berblick („Summaria“) ingesamt 52 gleichgeordnete Abschnitte auf (Ausgabe von 1712, 1 f., italienisch bei Bosco 1997, Einleitung, 96 f.), ein berblick, „che non rende tuttavia del tutto conto del ‘ritmo’ – Naud direbbe ‘economia’ – dell’opera“ (Bosco 1997, Einleitung, 97, Anm.). Die Einteilung bei Bissel 1966, Die ‘Bibliographia politica’, VII (Inhaltsverzeichnis), berzeugt ebenso wenig wie seine deutsche bersetzung. 23 Naud selbst fhrt einleitend drei abstrakte Oberbegriffe zur Gliederung des Mittelteils ein (Naud 1642, Bibliographia, 85 f.): die negotia der Beteiligten (vgl. 88 – 143), die beteiligten personae selbst (vgl. 143 – 196) sowie die Mittel, auxilia, zur Durchsetzung der Ziele (vgl. 196 – 221).
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Gesandten und Sekretre (167 – 196). Wichtig fr alle, die sich in der Staatsverwaltung bettigen, sind Mçglichkeiten, die verborgenen Absichten der Akteure (etwa an ihren Gesten, Mienen und Handlungen) zu durchschauen (196 – 221). Den Abschluss der Bibliographia bildet wiederum ein allgemeinerer Teil: hier zur Historie (221 – 247), auf deren Erkenntnis fçrdernde Bedeutung Naud zuvor (meist in Verbindung mit der Philosophie) wiederholt hingewiesen hatte.24 Die von Historikern berlieferte Geschichte erscheint als das fr politisches Agieren grundlegende Wissensgebiet, denn aus ihr lassen sich – so scheint Naud aus eigener Erfahrung zu urteilen – unter anderem die den Ereignissen und dem Handeln der Protagonisten zugrunde liegenden Motive erkennen und im Vergleich auf die aktuelle Situation eines Politicus beziehen.25 Die Lektre von historischen Schriften ist fr Naud also in grçßerem Maße ‘belehrend’, das heißt erkenntnis- und handlungsleitend, als unmittelbar praxisbezogene Untersuchungen wie beispielsweise zur Physiognomie (202 – 204, 210 – 214), Klimalehre (206 – 208), oder gar zu Metoskopie, Chiromantie (214 f.) und Gelotoskopie (215 f.), die am Ende des Mittelteils eher der Vollstndigkeit halber abgehandelt werden. Aufschlussreich fr das Leitthema ‘Philologie und Philosophie’, fr die Frage, wie es zu beurteilen sei, wenn sich Philologen mit philosophischen Texten beschftigen, ist weniger die Art der Prsentation; vielmehr sollen im Folgenden zunchst unterschiedliche philologische Verfahren und Beurteilungskriterien in ihrer praktischen Umsetzung exemplarisch vorgestellt werden. Immer wieder werden dabei auch Aspekte der Wissensanordnung und Wissensvermittlung zu eruieren sein, denn nicht zuletzt darin besteht ein Movens der spteren Rezeptionsgeschichte Nauds im deutschsprachigen Raum. Da weder die Demonstration philologischer Praktiken noch die von Wissensordnungen Hauptzwecke der Schrift sind, gilt es oftmals auch zwischen den Zeilen zu lesen. Ein wichtiges Anliegen zu Beginn der Bibliographia ist die Einbindung des Untersuchungsgegenstandes (beziehungsweise der nachfolgenden Un24 Vgl. Naud 1642, Bibliographia, 200 f.: „Secundum vero, quod adiumento non mediocri publicis rebus admini-stratoribus esse consuevit, partim ab Historia dependet, partim etiam Philosophia, tum naturali, tum morali, lucem mutuatur et accipit. Qua praeeunte, viam illi [201] sibi muniunt […].“ Vgl. auch ebd., 166 (zitiert in Anm. 49), 184 f., 218. 25 Vgl. die Fortsetzung des Zitats Naud 1642, Bibliographia, 200 f.): „Qua [sc. Historia] praeeunte, viam illi [sc. administratores] sibi muniunt, ad latentes hominum affectus atque mores […] facilius deprehendendos […] eorumque latentes sensus, velut specula, prospiciendos.“
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terweisungen) in die traditionelle Abfolge der Disziplinen (18 – 21, die maßgeblichen Stichworte sind zum besseren Verstndnis hervorgehoben): Quandoquidem igitur praecepta civilis vitae, quam Politicam Graeci vocant, eas Philosophiae Moralis partes ex recta scientiarum divisione subsequuntur, quae passim in scholis, et libris Philosophorum, vulgatis Ethicae ac Oeconomicae nominibus edoceri solent; [… 19 …]:26 inde est profecto quod […] rationi valde consentaneum esse existimem, politicas institutiones exordiri ab illa prima philosophiae moralis parte, quae, velut unica vitae hominum rectrix ac magistra, singulos sui muneris ac officii admonet; [… 20 …] ut accedente demum plenissima rerum, quae ad politicam spectant, instructione, nihil amplius [21] humanae perfectioni desit; voluntate sic ad boni vel mali dignotionem talibus praeceptis confirmata, et intellectu (quod hic nobis omnibus praesupponendum fuit) ad veri et falsi disquisitionem, per dialectices praecepta, plene ac sufficienter informato.
In der Moralphilosophie folge die Politica (wie sie in der griechischen Antike genannt wurde) auf Ethik und konomie – „ex recta scientiarum divisione“.27 Dieser Bezug auf eine tradierte Terminologie und auf die blichen, in Schulen und Fachschrifttum behandelten Teilgebiete der Philosophie28 ist durchaus berechtigt, waren doch die Staatswissenschaften als solche seinerzeit noch nicht im universitren Fcherkanon etabliert. Mit dem Rckgriff auf die Ethik („exordiri ab illa prima philosophiae moralis parte“) ist nicht nur eine umfassende philosophische Fundierung gewhrleistet (durch die Fhigkeit des Einzelnen, zwischen gut und bçse unterscheiden zu kçnnen)29 – zugleich ergibt sich daraus wie selbstverstndlich die Berechtigung, mit den ersten schriftlich berlieferten Zeugnissen der Moralphilosophie zu beginnen: 26 Zur Auslassung vgl. das Zitat in Anm. 29. 27 Zu dieser Abfolge vgl. auch das Zitat in Anm. 49. 28 Vgl. oben im Zitat, Naud 1642, Bibliographia, 18: „quae passim in scholis, et libris Philosophorum, […] edoceri solent“. Die Dialektik hingegen kann Naud voraussetzen (21); sie gehçrt ebenso wie Grammatik und Rhetorik zum Anfangsunterricht. 29 Im Einleitungssatz der eigentlichen Unterweisungen, der sich in der Ausgabe von Bosco 1997 ber 23 Zeilen erstreckt, werden Fragen der Individualethik wiederholt mit den Adressaten im weiteren Sinn („ad publicas res gubernandas accessisse“) sowie mit der Oeconomia (im Sinn eines geordneten Hauswesens) verbunden, die erst spter ausfhrlicher vorgestellt wird (44 – 49) – beides ist charakteristisch fr Argumentationsweise und Vorgehen Nauds. Vgl. eine Auslassung (18 f.) im obigen Zitat: „Quandoquidem igitur praecepta civilis vitae […] edoceri solent; nec ullum unquam felicibus auspiciis ad publicas res gubernandas accessisse historiarum monumentis proditum sit, qui suas antea quidem apud se et familiam suam non bene compositas exploratasque habuerit: inde est profecto quod […].“
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Haec vero morum regula […] licet multi ex antiquioribus Philosophis aeternum inclaruerint: ut Socrates ille, qui se primus felicissimo conatu ex naturae obscuritate ad morum contemplationem [22] transtulit: et qui ex eius Schola prodiere, Xenophon et Plato […]: Nescio tamen quo casu factum dixerim, ut ipsorum de hac re praeceptiones nobis iniuria temporum ferme omnes ereptae [23] fuerint; ita ut, si unum Aristotelem excipias, nullus antiquorum supersit, a quo vel ipsius disciplinae systhema repetere, vel aliquid ordine atque methodo conscriptum accipere possimus.
So nahe liegend uns heute Sokrates als erster Bezugspunkt vernunftgeleiteten Philosophierens (nach der Naturphilosophie der Vorsokratiker) erscheinen mag, so umstritten waren solche Einordnungen noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts: Den zeitlichen Einordnungen gingen minutiçse Erçrterungen von Datierungsfragen voraus – ein Hauptgeschft der Philologen. Zwar hat Naud allem Anschein nach die Richtigstellung durch Isaac Casaubon nicht gekannt, der die Lehren des Hermes Trismegistos als Ergebnis sptantiker Tradierungen entlarvt hatte: Im Advis stellt Naud ‘Trismegiste’, in dem auch andere Gelehrte noch lange nach Casaubon einen Vertreter uralter Weisheiten sahen, wie selbstverstndlich an den Anfang der Philosophie.30 Das Bemhen um nachweisbare Anciennitt ist in der Bibliographia jedoch unverkennbar. So sind alttestamentliche Zeugnisse zur ‘Geschichte der Ethik’ nicht etwa Berichten ber schriftliche Wissenstraditionen aus der ‘vorsintflutlichen’ Epoche entnommen (mit denen in der Historia literaria zum Teil noch im 18. Jahrhundert argumentiert wird),31 maßgeblich sind vielmehr sptere Schriften wie das Buch der Sprche oder das Buch der Weisheit, die wegen ihrer methodischen Klarheit und Einfachkeit auch außerhalb der Theologie instruktiv sein kçnnen (27 f.). 30 Vgl. Naud 1644, Advis, 132 (zur Aufstellung der Bcher nach den Disziplinen und der jeweiligen Chronologie): „En Philosophie, commencer par celle de Trismegiste qui est la plus ancienne, poursuiure par celle de Platon, d’Aristote, de Raymond Lulle, Ramus […]“. Vgl. Bœuf 2007, La bibliothque parisienne, 48, 64 mit Anm. 463; die von Naud benutzten Ausgaben: ebd., 129, Nr. 31. Zur Geschichte des sptantiken Corpus Hermeticum in der Frhen Neuzeit vgl. zur Einfhrung: Walker 1972, The Ancient Theology, besonders 1 – 3, 10 – 14, 17 – 21, sowie – auch zur Rezeption im deutschsprachigen Raum – Khlmann 1999, Der ‘Hermetismus’ als literarische Formation. – Isaac Casaubon (1559 – 1614) hatte seinen Nachweis in der Schrift De rebus sacris & ecclesiasticis exercitationes XVI (London 1614) verçffentlicht; in Nauds Bibliothek finden sich lediglich diverse Klassikerausgaben des Editors Casaubon. 31 Vgl. dazu Lehmann Brauns 2007, Neukonturierung und methodologische Reflexion der Wissenschaftsgeschichte, besonders 144 – 150, sowie Syndikus 2007, Die Anfnge der Historia literaria, 22 f. mit Anm. 74.
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Praeter quos non mediocri etiam adiumento esse possunt quatuor libri, sola praeceptorum […] ad mores pertinentium, excellentia inter sacros codices iure merito relati, Proverbia scilicet Salomonis, Ecclesiastes, Sapientia, et Ecclesiasticus: quorum sic est universalis doctrina, sic apta et castigata methodus, ut […] omnium hominum generi utiles esse possint, Christianis, Ethnicis, Philosophis, [28] Religiosis, Piis, Impiis […].
Schon hier wird deutlich, dass der universale Zugriff nicht nur auf umfassende Ordnungskriterien zurckgeht (die Darstellung ‘vom Anfang der Welt’, wie sie die Historia literaria versucht, wre ein solcher bergeordneter universaler Gesichtspunkt);32 darber hinaus muss die Suche nach den ltesten Quellentexten philologischen und in der Sache begrndeten Maßstben standhalten. Erst dann kann sie ‘fr alle Menschen von Nutzen sein’. Bei der Erçrterung der Schriften zur Politik (49 ff.) wiederholt sich dieses Verfahren: Moses, der lteste Verfasser alttestamentarischer Schriften, wird als der erste Gesetzgeber gerhmt; neben Platon und Aristoteles ist er der Erste, dessen Lehren zur Regierung in schriftlicher Form berkommen sind: „cum nullos habeamus antiquiores excepto Legislatore Sanctissimo Mose, aut qui copiosius et maiori arte ac doctrina gubernandae administrandaeque Reipublicae formam nobis reliquerit librorum monumentis consignatum“ (50). In der franzçsischen Formulierung des Grundsatzes im Advis, „de regarder s’ils sont les premiers qui ayent est composez sur la matiere de laquelle ils traictent“, gibt Naud eine Begrndung, die auch sonst – jenseits der Auseinandersetzungen in der ‘Querelle’ – als Topos gebraucht wird:33 Es ist das Bild vom Wasser, das an der Quelle am klarsten erscheint.34 32 Dazu Syndikus 2007, Die Anfnge der Historia literaria, besonders 7 – 10 mit Anm. 18 und 21 f. 33 Vgl. etwa aus der Formierungsphase der Historia literaria: Frisius 1592, Bibliotheca philosophorum classicorum, Vorrede, f. r : „Quis vero sitiens, non malit ex ipsis fontibus bibere, ad sedandum sitim, […] qum ex rivulis quantumvis limpidis & puris?“; Lambecius 1659, Prodromus historiae literariae, Prolegomena, f. ***2r : „Cum enim inde ab ineunte aetate […] antiquitatem summo amore & reverentia semper fuerim prosecutus, ideoque vetustissimos quosque Autores, veluti scaturigines ac fontes, recentioribus Scriptoribus, tanquam aliunde derivatis rivulis, longe praeferendos esse crediderim, contigit, ut […]“; Pasch [1695] 1700, De novis inventis, 1: „Cum enim omnis sapientia ab Antiquis ad nos derivata sit, nihilque fere dici possit, quod non dictum sit prius, dulcius omnino ex ipso fonte, quam derivatis inde rivulis aquae hauriuntur.“ Allgemeiner, mit Bezug auf die Polyhistorie: Braun 1973, Histoire de l’histoire de la philosophie, 72. – Noch im 18. Jahrhundert dient das Bild dazu, die Leistungen der Historia literaria zu erlutern; vgl. etwa Neufeldt 1724, Iudicia de historia litteraria, 2: „fundamentum H. L. constituunt […] ea, quae […]
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Auch eine Lehre oder Erfindung zeigt sich nirgendwo unverflschter als in ihren ltesten Zeugnissen. Allerdings ist dies wiederum kein absoluter Maßstab: In seinen Wrdigungen neuerer Werke kann Naud gegebenenfalls davon abgehen. Ob es sich um die ltesten berlieferten Vertreter einer Disziplin handelt oder um Autoren spterer Zeiten – immer werden hinter den kritischen Wrdigungen die klaren Maßstbe erkennbar, nach denen Naud seine Urteile fllt. Auffllig ist zunchst, dass auf positive Einschtzungen oftmals Verweise auf zahlreiche weitere Werke folgen, die einer Besprechung oder sogar einer Erwhnung nicht wert sind. So werden etwa Moses’ Schriften zur Staatskunst, die die Reihe der politischen Schriften erçffneten, noch einmal bei den Autoren des 16. Jahrhunderts gestreift, und nach der beraus lobenden Wrdigung eines (heute unbekannten) franzçsischen Auslegers der mosaischen (sogenannten) Politica 35 – durch Genauigkeit im Urteil und Klarheit des Stils empfehle es sich jedem Politicus – kann das Werk des Humanisten Sebastiano Castellion bergangen werden (63 f.): Memini etiam me alias librum quendam evolvisse, Parisiis ni fallor editum […]; in quo vernacula item lingua Politica Mosis explicabatur, tanta profecto [63] exactissimi iudicii copia ac sententiarum luce, ut quilibet emunctae naris Politicus numquam melius temporis rationem, quam in ipsius diligenti lectione, collocare possit. Quo sit, ut silentio lubens praetermittam librum sub eodem ferme titulo Castalione editum […].
Noch schlechter ergeht es im Folgenden einem Arzt aus Toulouse, dessen Ankndigung eines Werks ber den Staat (de Republica) ebenso langweilig erscheint wie seine medizinischen Schriften:36 „nec praeter taedium quidquam in legentis animo relinquit“ (65). Auch der Mangel an kritischer Verarbeitung wird wiederholt gegeißelt: ‘Alles verschluckt und wenig verdaut’ – „omnia ingerit, et pauca digerit“, heißt es ber den Juristen Gregorius instrumenta, artesque liberales dijudicandi & adplicandi integre nobis offerunt, genuinos demum aperiunt rivulos ad hauriendam aquam ex ipsis fontibus“. 34 Naud 1644, Advis, 48 f.: „On doit pareillement auoir cette consideration au choix des Liures, de regarder s’ils sont les premiers qui ayent est composez sur la matiere de laquelle ils traictent, parce qu’il est de la doctrine des hommes comme de l’eau, qui n’est iamais plus belle, plus claire & plus nette qu’ sa source, toute l’inuention venant des premiers, et l’imitation auec les redites des autres; comme l’on voit […].“ 35 Bosco 1997, Einleitung, 212 f. (Anm. 69), konnte den Verfasser nicht ermitteln. Zu Sebastiano Castellion (Castalion, 1515 – 1563) siehe ebd. 36 Bosco 1997, Einleitung, 213 (Anm. 71), erklrt das abschtzige Urteil ber Augier Ferrier (Ferrerius, 1513 – 1588) u. a. damit, dass es sich bei Ferriers ‘Ankndigung’ eines staatswissenschaftlichen Werks tatschlich um das Vorwort einer Schrift gegen Jean Bodin handelt, den Naud wiederum schtzte; siehe unten Anm. 43.
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Tholosanus, dessen reichhaltiges Werk immerhin als Fundgrube gute Dienste leisten kçnne.37 Neben sachlichen, stilistischen und im engeren Sinn ‘philologischen’ Kriterien (dazu im Folgenden) sind es immer wieder auch die Reaktionen eines Lesers, mit denen Naud sein Urteil begrndet; bei den unterschiedlichen Interessen mçglicher Rezipienten unterscheidet er sogar zwischen ‘verantwortlichen’ und ‘ausfhrenden’ Staatsorganen.38 Festzuhalten bleibt: In solchen Bewertungen greift das Prinzip einer berlegten und vernunftgegrndeten Auswahl, selbst wenn manche der Beweggrnde heute subjektiv erscheinen mçgen.39 Ohne eine gewisse Auswahl wre die Bcherflle – auch fr sptere Litterrgeschichtler – nicht zu bewltigen gewesen. Besonders klar formuliert Naud diese Notwendigkeit in einer beilufigen Bemerkung, nachdem er in Zusammenhang mit der Klimatheorie Fragen des Ansehens und des Ruhmes verschiedener Vçlker behandelt hat: „De quibus plura mihi fateor dicenda forent, si obvia et minutissima quaeque, non autem utilia tantum ac necessaria, consectarer“ (134 f.). Allein ‘das Ntzliche und Notwendige’vorstellen zu wollen, ist auch ein Grundsatz der Historia literaria des 18. Jahrhunderts, der dort – mit unterschiedlichen Begrndungen – Teil der Programmatik geworden ist.40 Der Notwendigkeit, eine Auswahl treffen zu mssen, entspricht es, dass die am hufigsten gelobte Fhigkeit eines Autors sein klares Urteil ist, sein iudicium. Die Beispiele im Folgenden sind Nauds Erluterungen zu neueren oder zeitgençssischen Schriften zur Ethik entnommen, unter deren Verfassern Pierre Charron besonders hervorsticht; auch in anderen Zusammenhngen weiß ihn Naud zu wrdigen.41 [28] Ex recentioribus autem licet infinite ferme de Morali doctrina scripserint, paucos nihilominus hic esse laudandos existimo. [… 30 …] Michal de Mon37 Naud 1642, Bibliographia, 65: „Copiosior extitit Gregorius Tholosanus, ac magis ex arte scribens, quia Iurisperitus: desiderantur tamen in eo modus, quem sibi praescribere non potuit, eruditione vulgari luxurians; et maiestas, cui non magis indulsit quam iudicio, dum omnia ingerit, et pauca digerit: caeterum valde utilis est, et diversa in se continet, propter quae thesauri instar haberi possit […].“ Zu Pierre Grgoires (Gregorius, genannt Tholosanus, 1540 – 1597) De republica vgl. Bosco 1997, Einleitung, 213, Anm. 72. 38 Vgl. etwa in der ausfhrlichen Einleitung des Mittelteils (Naud 1642, Bibliographia, 84 – 87) zu den ‘negotia’der Beteiligten: „Ista enim sunt quae [87] potissimum Legibus Politicis administrantur: reliqua, vel minus digna censentur consideratione, vel Iuris prudentibus, aut aliis Magistratibus, relinquuntur pertractanda.“ 39 Vgl. etwa das Beispiel in der vorangehenden Anmerkung. 40 Zu den verschiedenen Mçglichkeiten vgl. Grunert 2007, Von ‘guten’ Bchern, sowie Syndikus 2008, Historia literaria als Propdeutikum. 41 Siehe die folgende Anmerkung.
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taignes, ut magis abundat copia[ ] sententiarum in suis Tentamentis, et ad modum Senecae crebrius percutit, sic minus ordine ac nitore praevalet. Petrus Charondas [Pierre Charron] vel hoc ipso [31] Socrate sapientior aestimandus venit, quod sapientiae ipsius praecepta primus, quod sciam, admirabili prorsus methodo, doctrina, iudicio, in artem reduxerit. Sane eius liber, et Aristotelem nobis exhibet et Senecam, et Plu-tarchum, ac divinius etiam aliquid prae se fert, quam Antiquioribus cunctis et recentioribus fuerit concessum.
Whrend Montaigne mangelnde gedankliche Ordnung vorgehalten wird, sei Charron sogar ber Sokrates, Seneca und Plutarch zu stellen. Das ist um so bemerkenswerter, als sich Charron in dem besprochenen Werk – es handelt sich um De la sagesse von 160142 – seinerseits unter anderem auf die genannten antiken Autoren bezieht. Die Bevorzugung der jeweils ltesten Vertreter einer Disziplin, die Naud bei der Vorstellung ihrer ersten schriftlichen Zeugnisse vertreten hatte, kann also durchaus relativiert werden, wenn durch iudicium und methodus eine neue, berzeugende Darstellung gelungen ist. Oft genug werden Erklrer antiker Autoren – ‘Philologen’ im engeren Sinn – als wenig selbstndig eingeschtzt, da sie in ihren Kommentierungen nicht gengend auf ihre eigenen Mçglichkeiten vertrauten: „Supersunt alii, qui videlicet propriis viribus diffidentes […] non aliquid ex se proferre ausi sunt, sed quae ab antiquis Scriptoribus prolata fuerant excolere duntaxat atque intellectu faciliora reddere“ (36 f.). Ihnen fehlt, was außergewçhnliche Intellektuelle wie Charron oder auch Jean Bodin auszeichnet:43 eine selbstndige, produktive Fortentwicklung des berlieferten. Uninspirierte Kommentatoren hingegen begngen sich mit einer vereinfachenden Darstellung, die auf bloßen Nachvollzug ausgerichtet ist. 42 Vgl. Bosco 1997, Einleitung, 197 (Anm. 25), sowie Bœuf 2007, La bibliothque parisienne, 59 mit Anm. 426, zu Pierre Charron (1541 – 1603). Bosco verweist (ebd.) auf einen entsprechenden Vergleich zwischen antiken und zeitgençssischen Autoren in Nauds Schrift ‘ber die Staatsstreiche’: „Snque m’a servi plus qu’Aristote; Plutarque que Platon, [die Satiriker] Juvnal et Horace qu’Hom re et Virgile [Epiker]; Montaigne et Charron [plus] que tous les prcedants“ (Naud 1639, Considerations politiques, 81, Hervorhebung hinzugefgt). 43 Auch bei Jean Bodin (1529/1530 – 1596) wird – neben einer gewissen Genialitt – vor allem sein iudicium hervorgehoben: „[C]um animum inquietum ac vastissimum quem acceperat natura, tam pertinaci studio, tam inexhausta doctrina, tam admirabili iudicio excultum, ad rerum omnium comprehensionem attulerit […]. [68] Sane quantum ad eius Rempublicam spectat, fatendum est, opus esse elaboratum ingenio, expolitum industria, perfectum iudicio […]“ (Naud 1642, Bibliographia, 67 f., vgl. 66 – 69, Hervorhebungen hinzugefgt). Zu Bodin und dessen Les six livres de la Republique (Paris 1567 u. ç.; lateinisch 1586) vgl. Bosco 1997, Einleitung, 214 f. (Anm. 74 – 78).
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Das Verhltnis zu den ‘Alten’, den Autoren der griechischen und rçmischen Antike, mag ambivalent erscheinen, tatschlich jedoch richtet sich die Einschtzung nach dem jeweiligen Argumentationsziel: Geht es um die Bedeutung der ersten schriftlichen Zeugnisse eines Wissenszweiges oder einer Darstellungsform, berwiegen positive Darstellungen; bei der Wrdigung individueller Leistungen gibt es demgegenber kein allgemeinverbindliches Bewertungsraster. Dementsprechend differenziert fallen auch die Urteile ber Philologen aus: Leone Allacci etwa wird gerade fr seine Explikationen antiker Werke gelobt: „Cuius inexhaustam […] doctrinam, nescio anne magis admirer, an diligentiam in antiquorum laboribus detenebrandis ac illustrandis suspiciam“.44 Auch antike Schriftsteller sind vor Kritik nicht gefeit. Bei Cato dem lteren, dessen De agri cultura nach frhneuzeitlichen Maßstben auch als ‘Hausvterliteratur’ gilt, geht Naud ins Detail, er zitiert eine Sentenz aus der landwirtschaftlichen Fachschrift und widerspricht sozusagen mit dem gesunden Menschenverstand.45 Schriften zu çkonomischen Fragen, seien sie von antiken oder neueren Autoren, scheinen Naud grundstzlich eher suspekt zu sein, und zwar deswegen, weil diejenigen Menschen, die am meisten davon verstehen – „Patres-familias, Mercatores, Institores“ –, sich nicht zur Gelehrsamkeit berufen fhlen und daher kaum in der Lage sind, entsprechende Schriften zu verfassen.46 44 Naud 1642, Bibliographia, 163. Naud verwahrt sich dagegen, dass sein Urteil ber den Freund Leone Allacci (Allatius, 1586 – 1669) wegen der persçnlichen Beziehung getrbt sein kçnnte (ebd.). 45 Naud 1642, Bibliographia, 47: „Nam licet Cato […] praeceperit optimum Patremfamilias vendacem esse debere, haud emacem; non tamen admonuit, quid et quantum ac quo tempore vendere oporteat; quod erat tamen maximopere scitu necessarium“. – Vgl. Marcus Portius Cato (234 – 149 v. Chr.), De agri cultura III, 7. 46 Vgl. im Zusammenhang (Naud 1642, Bibliographia, 45 f.): „[I]lli vero, qui frequenti exercitatione secreta Oeconomica [46] penitissime callent, ut sunt plerumque Patres-familias, Mercatores, Institores, […] uno verbo homines lucro potius, quam studiis dediti, minime omnium apti sint quicquam de illis scripto committere.“ Die Geringschtzung, die sich bereits in der Einfhrung zum çkonomischen Schrifttum spiegelt, ist auch darin begrndet, dass Naud die Regulierung des eigenen Hausstands aus der Kenntnis ethischer Regeln ableiten zu kçnnen glaubt (ebd., 44 f.): „[R]eliquum est, ut ad illos qui de Oeconomia scripserunt levi passu me convertam. Totum vero istud negotium longe paucioribus, quam quod de moribus institutum est, mihi absolvendum esse censeo; cum quia facillimum est ipsi, qui se ad moralis disciplinae [45] praescripta composuerit, familiae suae modum ac regulam ponere; tum etiam, quia res ipsa minus arte valet vigetque, quam experientia, et usu […]; maxime, cum viri docti […] earum ferme omnium ignari deprehendantur; illi vero […]“ (zur Fortsetzung s. o., Hervorhebungen hinzugefgt).
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Eine der Begrndungen fr die eher kursorische Behandlung der Oeconomia – „quia res ipsa minus arte valet vigetque, quam experientia, et usu“47 – bietet einen ersten Hinweis darauf, wie aufmerksam Naud die Entstehungsbedingungen eines Werks bedenkt und wie differenziert er sie bei der Beurteilung zu bercksichtigen weiß – selbst wenn wir heute das Verhltnis von konomie und Politik anders einschtzen.48 Verstndnisschwierigkeiten in Rechnung stellen zu kçnnen, welche sich aus vernderten Zeitumstnden ergeben, ist eine im eigentlichen Sinn philologische Fhigkeit, und diese Fhigkeit liegt wiederum weiteren Vorgehensweisen zugrunde, die man gemeinhin mit ‘Philologie’ zu verbinden pflegt: Kommentierung, zeitliche Einordnung, Autorzuschreibung und nicht zuletzt Textkritik. Die Bercksichtigung der jeweiligen ‘Kontexte’, sei es die der Abfassungszeit, sei es seitens des Lesers, war denn auch eine der wichtigen Errungenschaften des frheren Humanismus gewesen. Um so grçßer ist die Herausforderung fr den nachgeborenen Erklrer – wie Naud selbst sehr wohl weiß. Charakteristisch fr ihn ist neben dem Wissen um die Schwierigkeiten, die unter anderem aus den unterschiedlichen kulturellen Gegebenheiten herrhren, die Zuversicht, dennoch zu einem angemessenen Verstndnis gelangen zu kçnnen. Ein Verstndnis gerade auch der ‘dunklen’, also erkrungsbedrftigen Stellen erwchst wiederum aus der Vertrautheit mit den Originaltexten – „crebra lectione“ –, aus einem Eintauchen in die Gedankenwelt des Verfassers, was nur durch eigene Lektre zu Stande kommen kann: Et licet [… sc. Aristotelem] multa scripsisse dicatur, partim difficilia atque obscura, partim etiam a nostris temporibus et moribus aliena; nulla tamen mihi videtur esse in eo difficultas, aut obscuritas, quae non improbo labore, et acri studio, ac crebra lectione pervincatur. 49 47 Vgl. das zweite Zitat (ebd., 45) in der vorangehenden Anmerkung. 48 Kernbereiche des konomischen, die Regulierung des Handels oder die Erhebung von Abgaben und Zçllen, zhlt Naud zu den Aufgaben des Frsten; vgl. Naud 1642, Bibliographia, 124 – 126 (mercium commutatio), 136 f. (vectigalium impositio). 49 Naud 1642, Bibliographia, 52; fortgesetzt im folgenden Zitat im Text. Zur Notwendigkeit einer ausgedehnten, grndlichen Lektre vgl. ebd., 166: „Quare utilissimum quoque fuerit, exercere se gnaviter in historicorum lectione“, besonders auch 49 (im Rckblick auf die bisher behandelten Werke zur Ethik und Politik): „Postquam igitur, Auctorum eiusmodi frequenti lectione meditationeque continua, imbutus plene fuerit atque informatus animus moralium et oeconomicarum virtutum documentis […]“. Nach dieser ‘Scharnierstelle’ folgen die Schriften zur Politik im Allgemeinen. – Dass sich Naud bei der Abfassung der Bibliographia von der entgegengesetzten Erwgung – der Beschrnkung auf das Ntzliche und Nçtige
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Zustzliche Motivation kann der zu Staatsgeschften berufene Leser daraus beziehen, dass er sich die mçgliche Anwendbarkeit auf die gegenwrtige Zeit vor Augen fhrt, denn schließlich habe Aristoteles seine Politik fr ‘aufgeweckte und schlaue Leute’ wie ihn selbst verfasst, also beileibe nicht nur an Gelehrte, an Philosophen gedacht: Si qua autem nostra consuetudine in his libris videntur [53] abhorrere, pauca certe ea sunt, et quae ingeniosus et prudens Lector ad haec tempora atque ad usum nostrae Reipublicae facili negotio accommodare possit, modo tamen apud se reputet, non hunc solis modo prudentibus, quem-admodum Platonem, sed catis etiam atque astutis viris, quales esse debent qui in rerum gubernaculis admoventur, politicam suam scripsisse.
Whrend Naud hier die Rezeptionsmçglichkeiten vor allem in einem positiven Sinne wrdigt (er will ja zu einer mçglichst ausgedehnten Lektre ermuntern), geht er im Advis auch auf die negativen Folgen ein, die sich aus einem – vordergrndig – ‘dunklen und gothischen Eindruck’ ergeben kçnnen, den ein Text hinterlassen kann: [C]omme sont beaucoup de Philosophes, Theologiens, Iurisconsultes Medecins, & Astrologues, que leur seule impression noire & Gothique met dans le dgoust des plus delicats Estudians de ce siecle […]. Ce qui vient proprement de ce que les siecles ou les esprits qui paroissent en iceux ont des Genies divers & des inclinations du tout differentes, ne demeurans gueres dans vn mesme ton de pareille estude ou affection aux Sciences […].50
Umfangreiche Wissensbestnde aus allen vier Fakultten sind aus dem Bewusstsein der Zeitgenossen im 17. Jahrhundert verschwunden, weil ‘die gnzlich unterschiedlichen Neigungen’ frherer Zeiten ihrem eigenen Geschmack nicht mehr entsprechen – sie dnken sich berlegen und feinsinniger. Um ‘Verdienst und Qualitt’ eines Autors angemessen beurteilen zu kçnnen, kommt es also vor allem darauf an, sich aus der ‘Versklavung durch bestimmte Meinungen zu befreien’, wie es zu Beginn des Advis programmatisch heißt: „[D]e se deliurer de la seruitude & esclauage de certaines opinis qui nous font regler & parler de toutes choses nostre fantaisie, & de iuger propos & sans passion du merite & de la qualit des Autheurs“.51 – leiten lsst, zeigt, wie sehr er je nach Erfordernissen (beim Studium bzw. im studienbegleitenden berblick) zu differenzieren weiß. Vgl. oben im Text nach Anm. 37. 50 Naud 1644, Advis, 80 f. 51 Naud 1644, Advis, 3 f. In diesem Plan fr eine knftige Bibliothek treten vor allem die Schwierigkeiten hervor, die ein solches Projekt mit sich bringt: „Aussi est-il vray qu’il n’appartient pas vn chacun de bien rencontrer en cette matiere, & que la peine & la difficult qu’il y a de s’acquirer vne cognoissance superficielle de tous les arts &
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Naud selbst fhrt demgegenber in der Bibliographia etwa anhand von Vinzenz von Beauvais aus dem 13. Jahrhundert vor, dass eine philologisch motivierte Wiederentdeckung durchaus auch zur wissenschaftlichen Diskussion der Gegenwart beitragen kann.52 Eine nicht weniger wichtige Form der Quellenbeurteilung durch den Philologen ist die berprfung ihrer Glaubwrdigkeit. Fr Naud lassen sich unter diesem Stichwort noch einmal die wichtigsten Aspekte seiner philologischen Erschließungsarbeit zusammenfassen. Wie sich gezeigt hat, ist diese je nach der Thematik und Zielsetzung unterschiedlich akzentuiert; in der Bibliographia politica, die sich als berblickswerk zu Studienzwecken versteht, kann die berprfung der Glaubwrdigkeit im Sinne der Quellenkritik entfallen. Stattdessen wird – vor allem im praxisbezogenen Mittelteil (84 – 221) – mit der experientia eine neuartige Anforderung an die zu beurteilenden Autoren gestellt. In der Bibliographia bemessen sich deren ‘Verdienst und Qualitt’ – auch – nach der Brauchbarkeit fr den homo politicus. Dem anderen Genos entsprechend, sind die Gewichte anders als im Advis verteilt.53 Statt grundstzliche allgemeine Forderungen aufzustellen, sind die Maximen fr die Lektre meist auf ein konkretes Beispiel bezogen. Im Sinn der eher anwendungsorientierten Zielsetzung formuliert Naud mit Bezug auf Cicero, einen seiner bevorzugten Autoren, eine positive Regel, die den Empfehlungen des Advis auf den ersten Blick zu widersprechen scheint: „[Q]uod optimo cuique et in arte sua versatissimo credendum est“.54 Der Rckgriff sciences, de se deliurer […]“, heißt es vor dem obigen Zitat (3); es endet mit einer erneuten Klage: „[S]ont des difficultz plus que suffisantes […]“ (4). „[Une] cognoissance superficielle“ ist also im Sinn einer nahe liegenden Beschrnkung zu verstehen: ‘auch nur eine oberflchliche’ Kenntnis zu erwerben, sei schwierig genug. Dem prfenden Philologen Naud lge die Aufforderung, sich mit Halbwissen zu begngen, fern. 52 Naud 1642, Bibliographia, 34 – 37; vgl. den Kommentar von Bosco 1997, Einleitung, 201 f. (Anm. 32 f.). 53 Schwierigkeiten beim Erwerb eines berblickswissens werden in der Bibliographia – anders als im Advis – nur zu Beginn des Mittelteils betont (84 f.). Bezeichnenderweise nennt Naud gleichzeitig ein Hilfsmittel: Ein themenbezogenes Ordnungsraster kann dazu beitragen, sich nicht in der berflle der Autoren und Meinungen zu verlieren: „[…] politicae doctrinae studiosi, debent omnino, si facilius velint reliquas eius difficultates emetiri, quaedam sibi velut summa rerum capita constituere, ad quae postea caetera omnia referre possint, [85] quae in tanta diversorum auctorum confusione ac incredibili propemodum quantitate huc et illuc dispersa continentur: eo quidem fine, ut […]“. 54 Naud 1642, Bibliographia, 57. Voran geht eine Beispielreihe antiker Autoren, die sich ebenfalls auf verlssliche Kenner ihres Faches berufen haben (56): „Unde si
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auf eine sachkundige Autoritt (in arte sua versatissimus), der man getrost Glauben schenken kçnne, ist freilich auf die Kriterien der durch Ttigkeit erworbenen Erfahrung beziehungsweise deren kritischer Verarbeitung gegrndet. ber beides habe Cicero als Staatslenker – „qui tam diu Reipublicae Romanae clavum gubernaverat“ – in reichem Maß verfgt, so dass von ihm „non nisi verissima certissimaque poterant expectari“ (ebd., 56). Um so beklagenswerter erscheint Naud der Verlust seines staatstheoretischen Hauptwerks De re publica, „cuius […] iactura aeternum nobis lugenda est“ (55), und das heute aus einem Palimpsest teilweise wiederhergestellt ist. [U]nusquisque iam per se satis existimare possunt, quantum ab omnibus uni Tullio [Ciceroni] concedendum fuisset, Politicas leges, et axiomata [sc. in De re publica] dictanti, cum non equidem […] id tantum quod probabilius esse videtur, et rationi magis consentaneum, sequutus fuerit, sed experientia ipsa [58] edoctus, nobis eleganter praeceperit, quid ex doc-trina vel usu foret in publica rerum administratione.
Die vernunftgeleitete Darstellung (rationi consentaneum), an anderen Stellen als iudicium gerhmt, ist ebenso ein Qualittskriterium wie der Bezug zwischen Theorie (doctrina) und praktischer Ausbung (usus) der Staatsverwaltung. Zwischen Buchwissen und Praxis zu vermitteln, ist eines der wichtigsten Anliegen Nauds in der Bibliographia. Immer wieder stçßt er dabei allerdings auch in Grenzbereiche vor, fr die kaum Bcher zur Verfgung stehen, sei es in der Oeconomia, deren eigentliche ‘Experten’ wenig Neigung zur Verschriftlichung ihrer Erfahrungen zeigen,55 sei es in Politikbereichen, die als solche hauptschlich aus dem Umgang mit den Akteuren zu erschließen sind. So heißt es beispielsweise zur Beschaffung von Handelswaren, die Kenntnis darber sei „melius usu ipso ac quotidiana cum expertis communicatione, quam studio, quod in libris ponatur“zu erlangen (124). Wenn Naud sogar hier auf Hilfsmittel verweisen kann – „Iuvatur nihilominus relationibus diariis, ac navigationibus Hollandorum et Hispanorum; […] ut etiam historia naturali rerum exoticarum“ (124 f.), so erinnern diese eher an die Quellentexte der Frhneuzeithistoriker unserer Tage als an die polyhistorische Buchgelehrsamkeit des 17. Jahrhunderts. ‘Philologie’ im klassischen Sinn kann man das nicht mehr nennen, aber eine Tendenz zum Aristoteles ipsemet in libris de coelo, ad Hipparchum et Eudoxum, astronomos libenter provocat; si Divus Augustinus Orosium laudat in Paganorum historiis; si [… 57 …], ea solum lege, quod optimo cuique et in arte sua versatissimo credendum est“. Zur Fortsetzung s. das folgende Zitat im Text. 55 Siehe oben im Text bei Anm. 46.
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‘Universalen’ – das zweite Thema dieses Beitrags – ist um so deutlicher erkennbar. 2. ‘Universalismus’ in Nauds enzyklopdischen Schriften Der umfassende Anspruch, unter dem Naud die Bildung eines homo politicus betrachtet, klingt – wie gezeigt – bereits zu Beginn an: Die Ethik wird als „unica vitae hominum rectrix et magistra“ gewrdigt (19); die allem politischen Handeln zugrund liege. Im zweiten Hauptteil der Schrift, in dem vor allem die konkreten Aufgaben des Frsten und seiner Untergebenen behandelt werden (84 – 221), ist die universalistische Ausrichtung noch deutlicher erkennbar. „Omnia siquidem in illis habentur fuse ac distincte pertractata; de fundamentis ac principiis communibus Societatis humanae, de Rerumpublicarum speciebus legitimis, ac singulis earum depravationibus“, wird im einleitenden Inhaltsberblick angekndigt (83 f.).56 Umfassend sollen die Kenntnisse der politisch Agierenden sein, die allgemeinen Grundlagen der Gesellschaft sollen sie sich ebenso aneignen wie die rechtmßigen Staatsformen (nach dem antiken Modell: Demokratie, Aristokratie, Monarchie) und deren Entartungen. Aber auch Vernderungen innerhalb von Staatswesen seien zu bercksichtigen: „[D]e Imperiorum ortu, incremento, conversione, interitu; de officio Principis et subditorum; de iure Belli ac pacis, de Magistratuum electione, vectigalium impositione, et rebus denique caeteris […]“ (ebd.). In dieser eigentmlichen Zusammenstellung spielt neben praktischen Notwendigkeiten wie Beamtenwahl und Zollerhebung (vgl. 167 – 179 beziehungsweise 136 f.) auch die geschichtliche Dimension eine Rolle, die im engeren Sinn erst Gegenstand des Schlussteils sein wird (221 – 247): Vom Ursprung, Aufstieg, Umschwung und Untergang von Herrschaft solle der knftige Politiker Kenntnis haben, heißt es wohl auch in Anlehnung an Francis Bacons nicht minder umfassendes Programm zur Historia literaria. 57 Inwiefern Naud dessen Anfor56 Naud 1642, Bibliographia, 83 f. Adressaten sind „[Q]ui serio desiderant in publica rerum administratione versari“ (84). Zum bergang zwischen dem ersten grundlegenden Teil und dem zweiten, scheinbar spezielleren vgl. 82 f.: „[Q]uicunque praesidiis universalibus et maximopere necessariis suffulti, ad penitioris doctrinae Politicae intelligentiam pervenire student.“ 57 Das einschlgige Kapitel (II, 4) findet sich in Bacons Schrift De dignitate et augmentis scientiarum von 1623 (1963, 198 – 201, hier 199): „Earum [sc. doctrinarum et artium] antiquitates, progressus, etiam peragrationes per diversas orbis partes […], rursus declinationes, obliviones, instaurationes“. Zur Programmatik und zum
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derungen an eine knftige Geschichte der Wissenschaften in Teilbereichen produktiv umgesetzt hat, wird im letzten Teil dieses Abschnitts zu zeigen sein. Wissen in unterschiedlichsten Einzeldisziplinen sollen jedenfalls auch diejenigen erwerben, die ein Staatsamt anstreben. Da sich die Leitung eines Gemeinwesens auf zahlreiche Lebensbereiche erstreckt, mssen im Verstndnis Nauds auch die Kenntnisse des Frsten und seiner Beamten auf Universalitt ausgerichtet sein. Warum beispielsweise smtliche Religionen in diese Unterweisung einbezogen sein sollen, erschließt sich in der gesamten Tragweite erst gegen Ende des entsprechenden Abschnitts (102 – 120): „Vix enim potest imaginatio consequi, quantum auctorum eiusmodi lectione Politicorum mentes acuantur, excitentur ad saluberrime de rebus istis consulendum, quibus […] universae plerumque Reipublicae salus et belli ac pacis momenta continentur“ (119 f.). Von der Lektre entsprechender Bcher und der dadurch vernderten Einstellung des Frsten, betont Naud in seinem emphatischen Aufruf, hnge die Entscheidung ber Krieg und Frieden und damit das Wohl des gesamten Staatswesens ab. Nun wird deutlicher, warum Kenntnisse ber Religionsstreitigkeiten im Verlauf der Geschichte beziehungsweise ber Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlichen Religionen unabdingbar zu sein scheinen. Die ursprngliche Begrndung ist nmlich ausschließlich anwendungsbezogen: „[H]abeat in promptu Politicus nonnullos auctores, quorum lectione de singulis informatus omnia postmodum, quae in tali casu fieri debent, sapientius praescribat, consiliumque sumat rebus ipsis ac intentioni suae convenientissimum“ (105) – der Frst kçnne aufgrund seiner Lektre mit grçßerer Einsicht Entscheidungen treffen und Plne fassen, die den Verhltnissen und seinen Absichten am angemessensten sind. Aber selbst in diesen auf das unmittelbare Handeln ausgerichteten Lektreanleitungen ist der weit ausgreifende Ansatz Nauds immer wieder erkennbar. So wird die zitierte Begrndung mit der Aufforderung eingeleitet, sich mit den Gemeinsamkeiten und Besonderheiten aller Religionen zu beschftigen: „Verum oportet Religionum [105] omnium principia communia, et singularum inter se persuasiones proprias, apprime intellegere, ut […]“. Die Betonung bergreifender Aspekte ist anscheinend deshalb besonders wichtig, weil dadurch die Dringlichkeit, sich solcher Fragen anzunehmen, unterstrichen wird. Dies besttigt die Einfhrung in den Abschnitt ber ‘Religion und Staat’: Da Menschen zu allen Zeiten und in allen Einfluss auf die sich konstituierende Historia literaria vgl. Syndikus 2007, Die Anfnge der Historia literaria, 6 – 13.
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Regionen der Welt davon berzeugt sind, dass ihr Leben von gçttlichen Wesen bestimmt wird, kann auch religiçser Dissens immer und berall auftreten (101 – 103). [A]d illas [sc. leges] continuo deveniendum est, quibus Reges ipsi, ac Principes […] divinitatis cultum aliquem stabilire, et merito quidem, conati sunt; cum hoc unum ab omni temporis memoria persuasum hominibus fuerit, dominos esse omnium rerum ac moderatores, Deos […102 …]. At vero, cum eiusmodi leges, et divinarum rerum constitutiones, variae semper in variis mundi partibus, et antiquitus quidem, extiterint, et nunc etiam non magis, quam olim, inter se conveniant; non raro etiam accidit, ut zelo ac aemulatione [103] pietatis, dissidia quaedam et internecinae quaestiones de illis exoriantur […].
Die zeitliche und rumliche Ausdehnung der Problemstellung als Begrndung ist auffllig, sie wird mehrfach genannt – und bezeichnenderweise wiederum mit Anklngen an Francis Bacons Programm einer Wissenschaftsgeschichte.58 Der Erwerb von Wissen ist in der Bibliographia politica letztlich immer zweckgebunden oder zumindest auf konkrete Verwendungsmçglichkeiten bezogen, mag dessen Inhalt auch zeitlich – wie bei den antiken Historikern – oder rumlich – wie bei den exotischen Produkten aus hollndischen oder spanischen Kolonien (124 f.) – noch so weit entfernt sein. Der universale Zugriff ist jedoch nicht nur oberflchlich-inhaltsbezogener Art. So wie Naud bei antiken Geschichtsschreibern die dem menschlichen Handeln zugrunde liegenden Antriebe besonders klar zu erkennen glaubt, so versucht er auch selbst immer wieder zeitbergreifende Gemeinsamkeiten oder Analogien aufzudecken, um die Notwendigkeit entsprechender Studien zu begrnden. Im Abschnitt ber die Geschichte, mit dem das Werk endet, finden sich smtliche bisherigen Beobachtungen zur universalen Anlage der Bibliographia in gebndelter Form wieder – nicht von ungefhr, ist die Historia laut Naud doch gleichsam die Leitdisziplin des Politicus. Nur wenn er sie genau studiert, kann er Fhigkeiten erwerben, die fr den Bestand eines Staatswesens unabdingbar sind: ‘Klugheit’ im politischen Handeln, prudentia politica, gewinnt man durch die Kenntnis des Ausgangs einer Handlung (ab eventu rerum), und dieser wiederum ist in der Geschichte aufgezeichnet: 58 Vgl. meine Hervorhebungen im Zitat und bei Bacon (1623) 1963, De augmentis: „Argumentum non aliud est, quam ut ex omni memoria repetatur, quae doctrinae et artes quibus mundi aetatibus et regionibus floruerint. Earum antiquitates, progressus, etiam peragrationes per diversas orbis partes (migrant enim scientiae, non secus ac populi), rursus declinationes, obliviones, instaurationes commemorentur.“
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At vero, cum ea, quae hactenus a nobis adducta sunt, materiam Politicae subministrent, tum vero formam huic addit Prudentia: cum virtus ferme unica sit, qua constituuntur augenturque Respublicae. Illa autem ab eventu rerum procedit; et eventus non nisi ab historia, aut ab usu, diiudicatur […].59
Wie beim Thema der Religionen darf es dabei keine zeitliche oder rumliche Begrenzung geben: „[R]eliquum est, ut historia, non quidem unius aetatis regionisque finibus circumscripta, sed omnium saeculorum gentiumque res gestas complexa, prudentiam politicam informet atque instruat“ (223). Denn erst aus einer Vielzahl vergleichbarer Flle lsst sich ein Maßstab fr die Beurteilung gewinnen: „[P]lerumque tamen a similibus similia existunt: neque ulla certior regula est iudicandi, quo quaequae res evasura sit, quam inspicere, quem exitum similia in longinquitate temporis saepius ac frequentius habuerint: quod equidem praestat abunde Historia“ (224). Als eine Abfolge simpler Entsprechungen will Naud dies freilich nicht verstanden wissen, weshalb er neben der bekannten Definition Ciceros („non ut testem modo temporum aut magistram vitae“) auf die des Kaisers Basilius verweist, die Geschichte sei gleichsam eine ‘aus allen Richtungen zusammengetragene und aufgehufte Weisheit’ („sed velut conglobatam coacervatamque ex eo omnibus partibus sapientiam“).60 Um dennoch den angestrebten Nutzen aus dem Studium der Geschichtsschreiber ziehen zu kçnnen, kommt es darauf an, sich nicht mit Autoren einer bloßen ‘Ereignisgeschichte’ zu begngen; im eigentlichen Sinne ‘belehrend’ sind nur diejenigen Autoren, die die ‘verborgenen Ursachen’ anzudeuten und mit einem przisen Urteil (iudicium) zu verbinden wissen (228 f.): 59 Naud 1642, Bibliographia, 222. Eine entsprechende Begrndung der Lektre geschichtlicher Darstellungen findet sich in Nauds Bibliographia militaris von 1637: „Res enim gerere, provincias et regna administrare nemo sine prudentia potest; prudentia vero ex usu, usus autem ab exemplis, et oritur et confirmatur. Quamobrem Dux noster historicorum praesertim lectioni incumbet“ ([1637] 1683, 22). Bosco 1997 hingegen zeigt im Kommentar (267 f., Anm. 225) Akzentverschiebungen im Verstndnis der „prudenza politica“ in anderen Werken Nauds auf (mit Literatur). Zur Beziehung zwischen Geschichte und Philosophie vgl. oben Anm. 24. 60 Naud 1642, Bibliographia, 224 f. – Bosco 1997 verweist lediglich auf eine zeitgençssische bersetzung des griechischen Originals (268, Anm. 257): Remonstrances de Basile, empereur des Romains, Leon son cher fils […], par le sieur Fleurence Rivault. Paris 1612, Kap. 56. In Nauds Bibliothek befand sich das griechisch-lateinische Original: […] Exhortationum Capita LXVI ad Leonem filium cognomento philosophum. Paris 1584; vgl. Bœuf 2007, La bibliothque parisienne, 264, Nr. 2192.
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Interim vero Politicorum studiis non alias leges praescribam nisi ut, inter evolvendum cuiusque gentis ac regionis Historicos, illis praesertim immorentur […], qui non tantum rerum eventus, aut acta Principum, bellaque [229] hic et alibi gesta, sed omnium latentes causas subindicant iudiciumque de singulis brevi et arguta sententia proferunt; quod velut anima censetur totius susceptae narrationis.
Worauf diese Empfehlung abzielt, ist an anderer Stelle noch deutlicher ausgesprochen: bei der praktischen Frage, wie man mit Menschen umgehen solle, die „ihr Herz, wie die Alten sagten, mit einem Schild bedecken“ und ihre wahren Absichten und Motive „gleichsam mit einer schwarzen Wolke“ verhllen (201 f.). So wie dort die Bedeutung von Gesten und Handlungen zu erschließen ist,61 so muss auch ein Geschichtsschreiber (und mit ihm sein Leser) die den Ereignissen und dem Handeln der Protagonisten zugrunde liegenden Ursachen aufdecken. Wie an vielen anderen Stellen fehlt auch hier der Bezug auf die praktische Verwertbarkeit fr den Politicus nicht. In unmittelbarem Anschluss an das letzte Zitat (229) ermuntert Naud den Leser mit dem Bild einer besonders angenehmen Speise: „Reficit enim lectorem suum is scribendi modus iucundissimae pabulo lectionis, asseritque cautionem in agendo, et spiritum in praecavendo.“ Vorausschauendes Handeln und eine vorsichtige Einstellung sind das Resultat einer Lektre, die – kçnnte man folgern – auch Distanz gegenber den eigenen spontanen Reaktionen schafft und so das ‘kluge’ Handeln befçrdert. Dass gerade antike Geschichtsschreiber alle diese Anforderungen in besonderem Maße erfllen, verwundert nicht. Sie sind laut Naud den unmittelbaren Parteinahmen nicht mehr unterworfen („minus invidiae subiacent“, 232), die jeweils handlungsleitenden Motive werden offensichtlich durch den zeitlichen Abstand klarer erkennbar. Wieder ist es gerade auch das unbestechliche iudicium, das gerhmt wird (232 f.): „[S]ane Graecam Tucydidis et Polybii, Latinamque Salustii et Titi Livii, caeteris omnibus praeferendam esse censeo: seu […] iudiciique integritatem, seu denique omnes Historiae recte conscribendae leges requiras.“ ber alle diese Qualitten verfgt auch Tacitus, der – so ist zu ergnzen – wie kaum einer der genannten Vorgnger mit schonungslosem Scharfblick die menschlichen Schwchen seiner Protagonisten aufgedeckt hat. Naud stellt ihn dementsprechend in einem geradezu hymnischen Preis (233 f.) noch weit ber die anderen. Mit Tacitus endet im Grunde der berblick, denn die Abschnitte zu Werken genealogischen und vermischten Inhalts (235 – 247) scheinen eher der 61 Naud 1642, Bibliographia, 202 f.; vgl. dazu auch das Zitat (200 f.) in Anm. 24.
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Vollstndigkeit halber angefgt;62 programmatische Aussagen fehlen. Um so nachdrcklicher wirkt der Aufruf (dessen Gewicht durch die rhetorische Frage noch unterstrichen wird), dieses in seinem Stellenwert dem rçmischen Zwçlftafelgesetz vergleichbare Grundlagenwerk nicht nur zu lesen, sondern sogar auswendig zu lernen (234 f.): Unde, si pueri, olim Iuris Civilis auspicaturi, leges XII tabularum, tamquam carmen necessarium, ediscebant; cur non et Politici, Reipublicae clavum gubernaturi, huius auctoris [sc. Cornelii Taciti] scripta memo-riae penitus commendabunt, quibus exempla simul atque oracula petant ipsius Reipublicae [235] bene feliciterque administrandae?
Die enzyklopdische Anlage der Bibliographia politica ist aufs engste verbunden mit Nauds Konzeption des homo politicus und seinen Aufgaben. Deshalb werden immer wieder Fragen einer umfassenden Ausbildung aufgeworfen, und das heißt auch: Fragen der Ordnung und Erschließung umfassender Wissens- und Traditionsbestnde. Fr solche Fragen sucht – aus einer anderen Perspektive – Francis Bacon ebenfalls eine Lçsung, dessen Kapitel zur Historia literaria in der Bibliographia an mehreren Stellen wohl aus dem Gedchtnis ‘zitiert’ wird. Dies kommt nicht von ungefhr. In den Kreisen der Mediziner, Gelehrten und Politiker, mit denen Naud im Paris der 1620er Jahre verkehrte, war Bacons Schrift De dignitate et augmentis scientiarum unmittelbar nach ihrem Erscheinen bekannt geworden, wie Paul Nelles unter anderem am Beispiel von Marin Mersennes nachgewiesen hat.63 Deutliche Spuren finden sich in Nauds Advis pour dresser une bibliotheque von 1627 wieder. Wenn ein philologisch vorgehender Mediziner wie Naud auf den Naturforscher und Empiristen Francis Bacon stçßt, so kçnnte sich – msste man denken – gerade hier eine Verbindung oder auch ein ‘Streit zweier Wissensmodelle’ entwickeln, von dem eingangs die Rede war. Doch was Naud an Bacon interessiert, ist vor allem das umfassende Konzept einer Wissenschaftsgeschichte, einer Historia literarum et artium, deren Ziele im vierten Kapitel des zweiten Buches von De augmentis vorgestellt werden.64 62 Die eher kursorische Darstellung von kommentierenden Florilegiensammlungen (vgl. ebd., 245 f.: „Caeteri […] auctorisalicuius praecipui […] placita sibi ad discurrendum proposuerint“) endet bezeichnenderweise wiederum mit Tacitus: „Sedquemadmodum […] homines eo sponte feruntur unde [247] plus honoris ac gloriae sibi promittunt; sic multo plurescommentarios eiusmodi in Tacitum edidere […]“ (247). 63 Nelles 1997, The Library, 42 mit Anm. 6, 7 (55). Der bereits im Erscheinungsjahr 1623 in Paris nachgedruckte Text befand sich in Nauds Bibliothek; vgl. Bœuf 2007, La bibliothque parisienne, 196, Nr. 1225. 64 Bacon (1623) 1963, De augmentis, 198 (Kapitelberschrift). Siehe oben Anm. 57 f.
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In diesem programmatischen Text wird erstmals eine umfassende Darstellung aller Wissenschaften und Kunstfertigkeiten gefordert, und zwar – fr alle Lnder – von den Anfngen durch smtliche Zeiten bis zur Gegenwart. Whrend man sptere Rckgriffe auf Bacons Entwurf vor allem an den toposartig verwendeten Schlsselworten wie ‘Ursprung und Fortgang’ oder den incrementa beziehungsweise progressus der Disziplinen erkennen kann,65 scheint bei Naud daneben stets der Grundsatz der Bewertung und Auswahl mitzuspielen. So wie Bacon die Darstellung auf „authores praecipui, libri praestantiores“ beschrnkt wissen will,66 ist auch im Advis von den ‘besseren’ und unentbehrlichen Autoren die Rede („le nom des meilleurs & plus necessaires en chaque Facult“), wenn Naud zu Beginn und am Ende auf seine Bibliotheksprojekte zu sprechen kommt.67 Gleichwohl ist der Anspruch auf Universalitt, auf eine mçglichst umfassende Prsentation verschiedenster Wissensgebiete unverkennbar (31): [P]uis qu’vne Bibliotheque dresse pour l’vsage du public doit estre vniverselle, & qu’elle ne peut pas estre telle si elle ne contient tous les principaux Autheurs qui ont escrit sur la grande diversit des sujets particuliers, & principalement sur tous les Arts & Sciences, […].
Wichtig fr die Konzeption der spteren Historia literaria ist daneben ein Ordnungsaspekt, die Gliederung nach Disziplinen („en chaque Facult“,68 „tous les Arts & Sciences“), die auch in der Bibliographia vor allem zu Beginn sehr ernst genommen wird.69 Zum umfassenden Anspruch aber trgt gerade die Ausweitung in die Vergangenheit, die historische Dimension bei. Dass diese Ausweitung in erster Linie inhaltlich begrndet ist, zeigt sich in der Bibliographia zum einen im Bewusstsein des zeitlichen Abstands, der ‘philologische’ Anstrengungen bei der Wrdigung unterschiedlicher kultureller Kontexte erforderlich macht, zum anderen im Wissen darum, dass die Betrachtung der Geschichte selbst erkenntnisfçrdernd ist. Sie hat verschiedenartige Erscheinungsformen ein- und desselben Phnomens (etwa bei Religionsstreitigkeiten) hervorgebracht, sie ist es, die mannigfaltige Vernderungen im Ablauf der Zeit erkennen lsst. Gerade Vernderungen und Verschiedenheiten sind es auch, die die im Advis projektierte Disziplinengeschichte der Wissenschaften kennzeichnen, die den Titel Bibliotheca 65 Belege bei Syndikus 2007, Die Anfnge der Historia literaria, Anm. 18, 22 und 28. 66 Bacon (1623) 1963, De augmentis, 199; auch 200: „[L]ibri praecipui qui per ea spatia temporis conscripti sunt in consilium adhibeantur“. 67 Naud 1644, Advis, 163 f.; vgl. 31: „[T]ous les principaux Autheurs“. 68 Siehe das folgende Zitat im Text (ebd., 163); vgl. auch Anm. 30. 69 Siehe oben bei Anm. 26 f.
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Memmiana tragen soll (163 f.). Nicht die Wissenschaften in ihrer gegenwrtigen Gestalt, sondern ihre unterschiedlichen historischen Besonderheiten sollen darin verzeichnet werden: [V]n sujet lequel n’a point encore est traict, faisant voir sous le titre de Bibliotheca Memmiana, ce qu’il y a si long-temps que l’on souhaite sÅauoir, l’histoire tres-ample & particuliere des Lettres & des Liures, le iugement & censure des Autheurs, le nom des meilleurs & plus necessaires en chaque Facult, […] le progrez des Sciences, la diuersit des Sectes, la reuolution des Arts & Disciplines, la decadence des Anciens, les divers principes des Nouateurs, & le bon droict des Pyrrheniens […].
3. Zur Rezeption Gabriel Nauds im deutschsprachigen Raum Gabriel Naud war nicht nur Kenner und Liebhaber von Bchern, sondern er spielte auch eine bedeutende Rolle im Netzwerk der europischen res publica literaria. In Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Historia literaria wird dies etwa bei Peter Lambeck (Lambecius) deutlich, der 1659 erstmals eine Schrift herausgebracht hatte, die die Gehrsamkeitsgeschichte im Titel fhrt: Sein Prodromus Historiae Literariae erfllt freilich die Erwartungen nicht, die mit der vollstndigen Wiedergabe von Bacons einschlgigem Kapitel im Vorspann geweckt werden.70 Die Vorstellung einer umfassenden Gelehrsamkeitsgeschichte hatte Lambeck wahrscheinlich whrend einer Studienreise 1646/1647 in Paris kennengelernt: Sein Onkel Lucas Holsten, seinerseits Leiter der Vatikanischen Bibliotheken, war mit Naud befreundet; so fhrte Naud den jungen Hamburger in die Pariser Gelehrtenkreise ein und ermçglichte ihm den Besuch der von ihm geleiteten Bibliotheken. Fruchtbarer fr die Anfnge der Historia literaria in Deutschland waren die Verbindungen zwischen Naud und der Universitt von Helmstedt. Hermann Conring etwa, der als Staatswissenschaftler bis in 19. Jahrhundert bekannt war,71 teilte mit dem Pariser Bibliotheksvorsteher nicht nur die Vorliebe fr Medizin und Politik – in beiden Fachgebieten lehrte Conring nacheinander als Professor. Darber hinaus war er nach seiner eigenen Aussage jenem ‘kunstfertigen Meister in der Grndung von Bibliotheken’ auch ber dessen Tod im Jahr 1653 hinaus herzlich zugetan, „desiderandae 70 Genaueres dazu bei Syndikus 2007, Die Anfnge der Historia literaria, 19 – 26. 71 Weitere Schriften Conrings zur politischen Wissenschaft verzeichnet Scattola 2008, Der Anweisende Bibliothecarius, Anm. 23 – 26.
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semper mihi memoriae amici“, schrieb er 1661.72 Nauds Bibliographia politica hat Conring 1663 und 1673, also dreißig beziehungsweise vierzig Jahre nach ihrem ersten Erscheinen, neu herausgegeben – ein weiteres Zeichen seiner Wertschtzung. Und in der Tat war diese bcherkundliche bersicht ber ein Teilgebiet der Gelehrsamkeitsgeschichte – denn als solche wurde sie rezipiert – in Deutschland verbreiteter und einflussreicher als die heute bekanntere franzçsische Schrift, der Advis: Zwischen 1641 und 1712 sind mindestens vier Ausgaben der Bibliographia mit deutschen Verlagsorten zu verzeichnen.73 Gerade diese Schrift hat – neben anderen ‘Grndungsurkunden’ wie Bacons einschlgigem Kapitel – als ein Ausgangspunkt der erst noch zu formulierenden Historia literaria gewirkt. In Helmstedt hat man sich schon frh produktiv mit der Bibliographia politica auseinandergesetzt. Dass etwa Heinrich Julius Scheurl seine bersicht ber die antike Moralphilosophie von 1648 Bibliographia moralis betitelt, begrndet er damit, dass sie in Anlage und Darstellung dem Werk des „herausragenden Philologen“ Naud hnlich sei,74 und tatschlich behandelt er wie Naud vor allem die besten Vertreter des Faches.75 Scheurls selbstndige und ungewçhnlich ausfhrliche Auseinandersetzung zeugt von einer genauen Kenntnis der Vorgehensweise seines Vorbilds: In der „Freiheit“ des Urteils – gemeint sind die zum Teil scharfzngigen Bewertungen Nauds – wolle er ihm nicht folgen,76 statt den Ruhm eines Autors herab-
72 Blum 1970, Bibliographia, 1066, Anm. 128, zitiert aus Hermann Conring: De Bibliotheca Augusta quae est in arce Wolfenbuttelensi. Helmstedt 1661, 13: (sc. Bibliothecae Cordesianae Catalogus) „[P]ublicatus cura incomparabilis illius condendarum bibliothecarum artificis et desiderandae semper mihi memoriae amici Gabrielis Naudaei“. 73 Siehe Buchner 1641, Conring 1663, 1673, Gladov 1712. 74 Auf diese Adaptation hat Blum 1970, Bibliographia, 1033, hingewiesen. Vgl. Scheurl 1648, Bibliographia moralis, Vorrede, f. (:) 3r : „Qui titulus propterea quidem praecipuÞ mihi nunc arrisit, qud in argumento haud admodum dissimili usurpatus dudum fuerit ab eruditissimo Gabriele Naudaeo. Quem uti Philologum prorsus eximium esse scio, ita in omnia tamen ipsius verba nequaquam juro […]“. Mit dieser Horaz-Anspielung („nullius addictus iurare in verba magistri“, Epistel 1.1.14) bezieht sich Scheurl seinerseits auf einen Leitsatz Nauds; vgl. Naude 1644, Advis, 48. 75 Scheurl 1648, Bibliographia moralis, f. (:) 2v : „[D]e Philosophia Morali deque optimis ejus cultoribus disserere nonnihil cepi.“ 76 Scheurl 1648, Bibliographia moralis, f. (:) 3v : „[C]ondonari mihi posse confido qud in omnibus cum ipso non faciam, sed ea in paucissimis quibusdam libertate utar, qu Ipse usus est in longe plurimis.“
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zusetzen, ziehe er es vor, Beobachtungen vorzustellen und die Beurteilung dem Leser zu berlassen.77 Auch Conring hat sich sicherlich von seinem franzçsischen Freund anregen lassen, als er schon in den 1630er Jahren begonnen hatte, literrgeschichtliche Vorlesungen „ber Schriftsteller aus den sechzehn Jahrhunderten seit Christi Geburt“ zu halten. Wie der Titel der Prolegomena zur 1703 gedruckten Ausgabe nahe legt, die ihrerseits auf Vorlesungen von 1664 zurckgeht, wurden diese auch im 18. Jahrhundert als ein Beitrag zur „lteren Geschichte der Gelehrsamkeit“ verstanden.78 Mit den Verbindungen zwischen Bacon, Naud und den ersten Protagonisten der Historia literaria in Deutschland stellt sich die Frage nach der Umsetzbarkeit des Unternehmens. Sicherlich hatte es eines ersten Anstoßes bedurft, und der war mit Bacons przisen, zugleich sehr weit ausgreifenden Forderungen zweifellos gegeben. Damit ist freilich noch nicht erklrt, auf welche Weise man diese Forderungen in der Praxis zu verwirklichen hoffte: Wie gelangte man von der „Kenntnis der Autoren und der Bcher“, die fr Naud, Conring und Lambeck gleichermaßen Ausgangspunkt fr die Erschließung der Gelehrsamkeitsgeschichte ist, zu einer umfassenden Darstellung im Sinne Bacons? Eine vorlufige Antwort soll anhand eines weiteren Zeugnisses aus Helmstedt versucht werden, das die Auffassungen Nauds zum Plan einer „histoire tres-ample et particuliere des Lettres & des Liures“ recht genau widerspiegelt.79 Valentin Heinrich Vogler, einer der vielen Schler Conrings und wie dieser Professor in Helmstedt, machte die notitia librorum zu seinem Spezialgebiet und verçffentlichte 1670 eine Bibliographie zweiten Grades, die den Studenten einen Weg zu Katalogen, Schriften- und Schriftstellerverzeichnissen weisen will. In der Einfhrung und im letzten Kapitel greift er weiter aus und stellt eine Verbindung her zwischen seinem begrenzten Gegenstand und der Geschichte im Allgemeinen sowie der Geschichte der „Kunstfertigkeiten und Wissenschaften jeder Art“ im Besonderen.80 In beiden inhaltlich fast gleichlautenden Passagen betont Vogler zu Beginn, wie wichtig die geschichtliche Einordnung ist. „sic etiam in omnibus artibus ac scientiis perquam turpe, doctrinas priscas recentioribus non posse dis77 Scheurl 1648, Bibliographia moralis, f. (:) 3v f.: „[N]ullius laudem vel existimationem imminutum, nedum sublatum eo; sed quid de quovis Auctore observatum vel mihi sit vel alijs, sine omni prorsus stomacho Lectoribus meis ostendo, aliorum interea de ijsdem judicia integra relinquens atque salva.“ 78 Conring 1703, De scriptoribus, Untertitel: „Cum prolegomenis, antiquiorem eruditionis historiam sistentibus“. 79 Naud 1644, Advis, 163 f., zitiert im Text nach Anm. 69. 80 Vogler 1670, Introductio universalis, f. ):( 3r f., bzw. (im Folgenden zitiert) S. 119.
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cernere“. Neben der Betonung des historischen Zugriffs verweist auch die Formulierung „in omnibus artibus ac scientiis“ auf den Advis: Whrend „tous les arts et sciences“ dort hufig wiederkehrt, verwendet Bacon den Ausdruck in dieser Form nicht. Dass es sich um nichts anderes als um dessen Historia literaria handelt, geht zweifelsfrei aus der inhaltlichen Bestimmung am Schluss des Abschnitts hervor, wo die bekannten Schlsselworte aus Bacons Konzept fallen: „cuius origo et progressus, incrementa item et decrementa, omnesque adeo mutationes“. All diese historischen Vernderungen kann man fr jede einzelne Disziplin dann nher bestimmen, wenn die verschiedenen Lehrmeinungen in einem genauen Zeitraster verortet sind, „quodsi vero quis exactam temporum habuerit rationem“. Zugleich gilt es, die wissenschaftlichen Hervorbringungen als solche, aber auch ihre Schwerpunkte, ihre Positionen und die Gegenpositionen zu bestimmen: „[Q]uid [sit] impugnatum, quid assertum“. Damit wird die Fhigkeit zu unterscheiden befçrdert, vor allem aber die Urteilskraft, die dann ihrerseits die Auswahl des Richtigen ermçglicht. Vogler hebt dieses Ziel hier nicht eigens hervor, im Titel seiner Introductio ist es mit der ‘notitia bonorum autorum’ immerhin benannt. Naud allerdings hatte es im Advis in aller wnschenswerten Klarheit formuliert: Die Einschtzung des gelehrten Schrifttums nach ‘Verdienst und Qualitt’, „du merite & de la qualit“,81 war auch das Bestreben Voglers. Die letzte und schçnste Frucht solcher Studien beschreibt er am Ende des zitierten Abschnitts mit der bekannten Lichtmetaphorik, und in der Vorrede wird deutlich, dass jene „clara lux“ das Licht der Wahrheit ist: „Hæc omnia quippe habere comperta ad veritatis etiam inquisitionem multo plurimum sæpe conducit.“82 Fhigkeiten auszubilden, die Wissensbestnde der Vergangenheit kritisch zu beurteilen, wird zu einem der wichtigsten Ziele der Historia literaria, und wie das Zeugnis Voglers zeigt, war dies ein Ziel schon vor Morhofs Polyhistor von 1688, dem man diese Neuorientierung gelegentlich zuschreibt. Zurckzufhren ist die Neuorientierung auf Gabriel Naud, denn er war es, der Bacons weitausgreifende Forderungen fr die Praxis handhabbar machte: Von der Anlage her sollte es – so Bacon – darum gehen, die gelehrten Traditionen nach ihren Disziplinen in ihrem jeweiligen historischen Ablauf zu ordnen, von Inhalt und Zielsetzung her sollten die Prinzipien der Beurteilung und der Auswahl des Geeigneten maßgeblich sein. Darauf weist zwar bereits Bacon hin, Naud aber hat dies in seiner Bibliotheca 81 Naud 1644, Advis, 4. 82 Vogler 1670, Introductio universalis, ):( 3v f..
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politica fr Teilbereiche in die Tat umgesetzt. Dass Naud seine Grundstze, die sich letztlich aus einer philologischen Herangehensweise herleiten lassen, ausschließlich mit Blick auf den Politicus formuliert hat, spielt bei der Rezeption in deutschen Gelehrtenkreisen keine Rolle mehr: Offensichtlich lassen sich die Kriterien ‘kritische Beurteilung’ und ‘Auswahl entsprechend der Qualitt’ verallgemeinern und ohne grçßere Probleme auf die Erschließung von Buchwissen bertragen. Der unmittelbare Bezug auf die politische Praxis, auf den, der mit der Leitung oder Verwaltung der Staatsgeschfte betraut ist, wird dabei aufgegeben. Wichtig fr die weitere Ausformung der Historia literaria in Deutschland ist, dass fr Naud die Urteilsbildung nur im historischen Zugriff mçglich scheint. Nur wenn man die Gesamtheit der im Lauf der Geschichte erarbeiteten Wissensbestnde berblickt, wenn man auch die zeitweise vergessenen oder unterdrckten Gegenpositionen bercksichtigt, lassen sich Urteile unabhngig von vermeintlichen oder tatschlichen Autoritten fllen, und nur so sind Fortschritte in den Wissenschaften mçglich. „History had thus an intrinsic investigative role“, fasst Paul Nelles zusammen, der diesen Aspekt des Advis herausgearbeitet hat.83 Dementsprechend beginnt die Bibliotheca politica bei den ersten griechischen Moralphilosophen, die schriftlich berliefert sind, beziehungsweise bei Moses, dem ersten Gesetzgeber – auch Naud weiß sich den Baconschen Forderungen verpflichtet, von den ersten Anfngen auszugehen, „ab ultima antiquitate facto principio“, heißt es in Bacons Historia literaria-Kapitel.84 So nimmt es nicht wunder, dass im 18. Jahrhundert neben Francis Bacon und Christoph Milieu auch Naud als Initiator genannt wird, als derjenige, „qui Germanos rem litterariam docuerit“ – ein Nachruhm, den Burkhard Gotthelf Struve 1704 als allgemein bekannt voraussetzt.85 Tatschlich behielt Naud ber die Mitte des 18. Jahrhunderts hinaus seinen Ruf als einer 83 Nelles 1997, The Library, 48. 84 Bacon (1623) 1963, De augmentis, 200. 85 Struve (1704) 31710, Introductio ad notitiam rei litterariae, 26; vgl. 25 – 27: Er sucht im Advis allerdings weniger litterrhistorische Einsichten als vielmehr Empfehlungen zur Einrichtung und Anordnung einer Bibliothek. – Zu denen, die Historia literaria im Sinn von Nauds Bibliographia politica definieren, gehçrt 1713 der Kçnigsberger Disputant Johann Gottlieb Olearius. Vgl. Blum 1970, Bibliographia, 1034 – 1037, 1054, Anm. 88, mit weiteren Belegen. Ein weiteres einschlgiges Zeugnis hat Nelles 2001, ‘Historia litteraria’ at Helmstedt, bei Polycarp Leyser, einem Helmstedter Philosophie- und Geschichtsprofessor, ausfindig gemacht (1715, Meditationes de genuina historia litteraria): „In articulating such a strict alliance between ‘historia litteraria’ and the library Leyser appropriated, not for the first time, the views of the Parisian ‘rudit’ of the previous century, Gabriel Naud.“
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der besten scriptores iudiciorum, das heißt als Verfasser von Literaturberblicken, die kritische Einschtzungen enthalten. In diesem Sinn wird die Bibliographia politica sogar Conrad Gesners Pandectae von 1549 zur Seite gestellt, dem zweiten Teil der Bibliotheca universalis, so etwa von Johann Andreas Fabricius 1752 und bei Heumann in den spteren Auflagen von dessen Conspectus reipublicae literariae. 86 Zwar ist ein bibliographischer berblick wie der Nauds kaum mit den ausgefhrten Kompendien der Gelehrsamkeitsgeschichte zu vergleichen, doch war es letztlich auch seine Verbindung von ‘Geschichte’ und ‘Kritik’, von ‘Universalismus’ und ‘Philologie’, die fr die knftigen Ausformungen der Historia literaria wegweisend wurde. Seine Grundstze der Wertung und der Auswahl enthalten im Kern das Potenzial fr Pluralisierungen innerhalb der Historia literaria. Denn nicht die Autoritt der Grndungsvter steht in Frage, wohl aber der Geltungsanspruch so mancher hergebrachter Autoritt oder etablierter Schulrichtung.
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Mikrogramme des Orients: Johann Christoph Wolfs Notizhefte und seine Cudworth-Lektre Martin Mulsow 1. Mikrogramme „Mikrogramme“ ist der Titel, den man den winzigen Aufzeichnungen „aus dem Bleistiftgebiet“ gegeben hat, die der Dichter Robert Walser in den Jahren zwischen 1924 und 1933 angelegt hat: Erzhltexte, die der Lupe bedrfen, um sie berhaupt entziffern zu kçnnen. Walser hat das Schreiben mit zwei Millimeter kleiner Schrift als einen Trick entwickelt, um sich selbst zu berlisten. „Sie sollen erfahren“, schreibt er an Max Rychner, „daß ich vor ungefhr zehn Jahren anfing, alles, was ich produziere, zuerst scheu und andchtig mit Bleistift hinzuskizzieren […]. Fr den Schreiber dieser Zeilen gab es nmlich einen Zeitpunkt, wo er die Feder schrecklich, frchterlich haßte, wo er ihrer mde war […], und um sich von diesem Schreibfederberdruß zu befreien, fing er an zu bleistifteln […].“1 „Mikrogramme“ mçchte ich auch die Notizen nennen, mit denen Johann Christoph Wolf seine Lektrehefte beschrieben hat. Wolf, geboren 1683, war Schler des Akademischen Gymnasiums in Hamburg und hat dann in Wittenberg Theologie studiert. Von 1712 bis zu seinem Tod 1739 war er Professor fr Griechisch und Hebrisch am Akademischen Gymnasium und Pastor der Katharinenkirche in Hamburg. Er ist bekannt fr seine vierbndige Bibliographie Bibliotheca Hebraea, seine fnfbndigen Curae philologicae et criticae zum Neuen Testament, seine Editionen von Libanios’ Briefen und zahlreichen griechischen, byzantinischen und hebrischen Texten sowie seine religionsgeschichtlichen Arbeiten, vornehmlich zur gnostisch-manichischen Tradition. Wolf war zudem ein großer Bcher1
Walser 2003, Bleistiftgebiet. Brief von Robert Walser an Max Rychner, 20.06 1927. – Mein Dank geht an Elke Matthes von der Staats- und Universittsbibliothek Hamburg, die mir mit großem Engagement geholfen hat, die Texte aufzufinden, um die es hier geht.
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sammler, und seine etwa 20 000 Bnde umfassende Bibliothek mit ihren zahlreichen Handschriften ist so etwas wie der Kern der heutigen Staats- und Universittsbibliothek Hamburg.2 Wolf hat also Mikrogramm-hnliche Notizen geschrieben, nicht mit dem Bleistift, sondern mit einer spitzen Feder. Nun ist eine zwei- bis drei Millimeter große Schrift in Lektreheften dieser Zeit keine vçllige Seltenheit, doch ich mçchte von Beginn an betonen, daß ich ein „Bleistifteln“ dieser Art immer auch fr ein Phnomen mit einer sthetischen und psychologischen Seite halte. Winzige Schrift ist nicht nur eine Sache der Praktikabilitt oder der Ersparnis von Papier, sondern auch eine Form der Aneignung von Wissen, der Anverwandlung von Bchern und Informationen in etwas Eigenes. Wenn wir etwa Wolfs Handexemplar von Johannes Leusdens Onomasticum sacrum betrachten (Abb. 1), sehen wir winzige Eintrge nicht nur auf der inneren Umschlagseite, sondern auch auf dem gesamten Titelblatt, wo immer sich ein Quadratzentimeter Platz bietet.3 Das ist nicht nur Ausnutzung von Schreibflche – so viel Ersparnis wre nicht nçtig gewesen – das ist, meine ich, mehr, das ist Aneignung. Im Rahmen dieses Verstndnisses von Aneignung durch Notizen mçchte ich im folgenden die Frage stellen, wie man sich in der philologischen Kultur Hamburgs um 1700 die Welt des alten Orients erlesen hat.4 In der Hamburger Bibliothek habe ich vor einiger Zeit eine Reihe von als „Collectaneen“ katalogisierten Heften als Wolfs Lektrehefte identifiziert. Diese Hefte kçnnen uns Auskunft ber Wolfs Lektre, seine Exzerptweisen und seine Informationsverarbeitung geben. Lsst sich die schichtenweise Aufhufung von gelehrtem Wissen in diesen Lektreheften auch als eine Art Bcherreise in die Welt der antiken Religionen verstehen? Wie ist diese Mikrogramm-Reise vor sich gegangen? Wir haben hier eine der seltenen Gelegenheiten, in exemplarischer Weise die religionswissenschaftliche Lektre eines Gelehrten Stck fr Stck nachzuvollziehen.
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Zu Wolf (1683 – 1739) vgl. Gçtten 1735, Europa, 142 – 158; Moller 1744, Cimbria, 1010 – 1015; Hoffmann 1863, Bibliophilen; Hintrger 2002, Bibliotheca Hebraea; Mulsow 2005, Johann Christoph Wolf – Vgl. Wolf 1715 – 1733, Bibliotheca Hebraea; Wolf 1725 – 1735, Curae. Cod. hist. litt. 88 46. Leusden 1684, Onomasticum sacrum. Zur Orientalistik und frhen Religionsgeschichtsschreibung in Deutschland ist die Literatur immer noch sehr sprlich. Ich verweise hier nur auf einige Titel: Behrmann 1902, Hamburgs Orientalisten; Bourel 1988, Orientalistik; Loop 2005, Kontroverse Bemhungen; Mulsow 2007a, Den ‘Heydnischen Saurteig’.
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Abb. 1 Wolfs Handexemplar. Cod. hist. litt. 88 46. Leusden 1684, Onomasticum sacrum.
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2. Eine Hamburger Tatsachenkultur Ich mçchte meine Rekonstruktion im folgenden nicht nur als eine weitere notwendige Version von Graftons und Jardines Fragemuster „How did Gabriel Harvey read his Livy?“ verstehen, sondern sie auch in den Kontext einer Fragestellung einbetten, die sich aus neueren Diskussionen ber die Rolle von wissenschaftlichen Tatsachen ergibt.5 Denn wenn wir uns fr Philologie als Wissensform interessieren, ist es nicht immer zureichend, auf die weite, polyhistorische Auffassung von Philologie in der Frhen Neuzeit im Anschluss an Bud, Wower und Vossius hinzuweisen.6 Es kann auch von Interesse sein, spezifische lokale Muster von philologisch bestimmten Gelehrtenkulturen auszumachen. Das Hamburg um 1700 war eine solche Gelehrtenkultur, mit Grçßen wie Placcius, Hinckelmann und den Edzardis, Fabricius und Wolf, spter Reimarus und Goeze.7 Gab es eine bestimmte Charakteristik dieser um das Akademische Gymnasium und die Hauptpastorate zentrierten Kultur? Barbara Shapiro hat in England eine spezifische „culture of fact“ erkennen wollen, in der sich seit Francis Bacon das Common-Law-Denken mit seinen Zuweisungen der Untersuchung der „matter of fact“ an Laien als Geschworene mit naturwissenschaftlichen Neuorientierungen verbunden hat. Sie baut dabei unter anderem auf dem auf, was Lorraine Daston zuvor ber „strange facts“ bei Bacon ausgefhrt hatte: Bacon hat Berichte ber Wunder, Monstrositten, außergewçhnliche Naturerscheinungen benutzt, um das aristotelische Wissenssystem auszuhebeln, denn die seltsamen und erratischen Einzelfakten konnten von diesem System nicht ohne weiteres erklrt werden und mussten auf hypothetische Weise neu angeordnet werden. Diese offenen Anordnungen hat Bacon propagiert, und aus ihnen wollte er eine induktiv verfahrende Wissenschaft machen.8 Kann man nun aber bei einer Philologenkultur von einer „culture of fact“ sprechen? Ich denke ja, und mçchte gleich daran erinnern, dass Bacon 5 6 7
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Grafton/Jardine 1990, Studied for Action. Vgl. den wichtigen Sammelband von Hfner (Hrsg.) 2001a, Philologie und Erkenntnis; Deitz 1995, Ioannes Wower; Zedelmaier 1992, Bibliotheca Universalis. Zur Hamburger Kultur vgl. Thiess 1783, Gelehrtengeschichte; Kopitzsch 21990, Aufklrung in Hamburg; Petersen 1998, Johann Albert Fabricius; Hfner 2001b, Philologische Festkultur in Hamburg, 349 – 378; Mulsow 2009b, Between Philology and Radical Enlightenment; Wieckenberg 2007, Johann Melchior Goeze. Daston 1991, Baconian Facts; Daston/Park 1998, Wunder; Shapiro 2000, A Culture of Fact. Weiter: Cerutti/Pomata (Hrsg.) 2001, Fatti; Pomata/Siraisi (Hrsg.) 2005, Historia.
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es auch gewesen ist, der das Projekt einer Historia literaria als Desiderat formuliert hat.9 In einer Gelehrtenkultur sind „facts“ die Einheiten an Information, die man aus Bchern beziehen kann, die man anordnet und die man auf ihre Stichhaltigkeit prft. Im Bereich der Naturwissenschaften hat Lorraine Daston von „small facts“ gesprochen, um ganz besonders das Moment der Isolierbarkeit und Kombinierbarkeit dieser Minimalinformationen hervorzuheben.10 Dem korrespondiert, meine ich, die Tendenz zum Bibliographischen, die vor allem fr die Hamburger Tatsachenkultur charakteristisch ist. Placcius hat sein großes Anonymen- und Pseudonymenlexikon verfaßt, Fabricius seine Bibliotheca graeca und die anderen Bibliothecae, Wolf seine Bibliotheca hebraea. Fr Placcius habe ich gezeigt, wie diese bibliographische Jagd nach „facts“ mit dem Korrespondenz-Austausch eines gelehrten Netzwerks und mit bestimmten Praktiken des Verzettelns einhergeht.11 Wir kçnnen sogar Bezge zu bestimmten juristischen Denkformen und zu Joachim Jungius’ Experimenten mit der Kombinierbarkeit von chemischen Stoffen und von logischen Aussagen erkennen – all dies hat zum Profil der Hamburger „culture of fact“ beigetragen.12 Doch ich mçchte noch auf eine andere Parallele zu dem, was Shapiro und Daston ber naturwissenschaftliche Tatsachenkultur sagen, hinweisen. Bacons Tatsachen waren zunchst vor allem „strange facts“. In der Welt der Gelehrten und Polyhistoren sind „strange facts“ etwas anderes als Seeungeheuer: Hier redet man mit Vorliebe ber rare und „paradoxe“ Bcher, verbotene und verbrannte Schriften, Skandale durch Hretiker. Jakob Friedrich Reimmann hat diese Einsicht in vollem Bewußtsein auf die Litterrhistorie bertragen: Rare, seltsame, extreme Bcher sind fr die Historia literaria essentiell, denn sie lassen die ganze Ausdehnung des Wissensraumes ermessen. Ein Buch wie das ber die „drei Betrger“ Moses, Jesus und Mohammed, ber das alle Welt sprach, war nach Reimmann, so schndlich es sei, ein Eckpfeiler fr den Litterrhistoriker.13 Genauso wie Bacons Monstrositten zum Anlegen von Wunderkammern angeregt haben, so haben die gelehrten Monstrositten im Sinne 9 Bacon 1783, De dignitate et augmentis scientiarum II, 4, 190 ff. Dazu Zedelmaier 1992, Bibliotheca Universalis, 304 f. 10 Daston 2001, Perch i fatti sono brevi. 11 Mulsow 2007b, Die unanstndige Gelehrtenrepublik, 217 – 245. 12 Zu Jungius vgl. Kangro 1968, Joachim Jungius’; Clucas 1994, In search of ‘The True Logick’. 13 Reimmann 1745, Eigene Lebensbeschreibung, 174 ff. Vgl. Mulsow 1998b, Die Paradoxien der Vernunft, 44.
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Reimmanns daher zum Anlegen von Bchersammlungen von ‘Rarissmima’ und ‘Clandestina’ verfhrt. Placcius, Fabricius, Wolf und ihre Kollegen haben entsprechend in ihren Bibliotheken vorzugsweise auch rare und extremistische Bcher gehabt. Dies nicht etwa, weil sie heimlich hretische Absichten gehabt htten, sondern aus dem Verstndnis fr die Ntzlichkeit von „strange facts“ fr den Polyhistor, der das Feld des Wissens abschtzen will.14 „Strange facts“ gehçren also ebenso zur Litterrgeschichte wie auch zur Faszinationsgeschichte der Frhen Neuzeit. Denn fasziniert hat ein Buch wie De tribus impostoribus natrlich, ebenso wie arabische Manuskripte aus dem Jemen oder das Apotelesmatica-Manuskript des Manethon, den man fr einen uralten gyptischen Priester hielt.15 Ein Stck dieser Faszinationsgeschichte der Hamburger Orientalistik kçnnen wir bei Abraham Hinckelmann beobachten, einem der Vorgnger Wolfs als Pastor der Katharinenkirche. Hinckelmann entwirft 1693 auf der Grundlage von griechischneuplatonischen, arabisch-sufistischen und hebrisch-kabbalistischen Manuskripten auf wenigen Dutzend Seiten eine Geschichte der altpersischen Zweiprinzipienlehre von der Antike ber die gnostisch-mystischen Strçmungen in den verschiedenen Religionen des Mittelalters bis zu Jakob Bçhme.16 Man kann mit einigem Recht Wolf als Hinckelmanns und Placcius’ Erbe bezeichnen. Placcius beerbt er als Bibliograph und Bcherkenner, Hinckelmann als Orientalist und Religionsgeschichtler. Aus Hinckelmanns Skizze macht er 1707 ein 500-Seiten-Buch, das uns noch beschftigen wird, den Manichaeismus ante Manichaeos. Er sieht darin, ganz wie Hinckelmann und im Sinne von Laktanz, die Geschichte eines Irrtums.17
14 Fr Wolf vgl. Mulsow 2005, Johann Christoph Wolf. Fr Peter Friedrich Arpe: Mulsow 1994, Peter Friedrich Arpe. 15 Zur Faszination von De tribus impostoribus vgl. Faak 1970, Die Verbreitung der Handschriften; Mulsow 2002, Moderne aus dem Untergrund; zur Faszination des Manethon-Manuskripts vgl. Hfner 2003, Gçtter im Exil, 503 ff.; Mulsow 2007a, Den ‘Heydnischen Sauerteig’, 21 ff. 16 Hinckelmann 1693, Detectio. Vgl. Mulsow 2007a, Den ‘Heydnischen Sauerteig’. 17 Wolf 1707, Manichaeismus. Zu diesem Werk vgl. Hfner 1996, Die Fsser des Zeus. Zu Laktanz 1660, Divinae Institutiones.
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3. Die Notizhefte Doch richten wir unseren Blick zunchst auf Wolfs Notizhefte. Es handelt sich um sechs pappgebundene Bnde, die bis auf den ersten Band zusammen in der Sachgruppe „Theologica“ der Hamburger Staats- und Universittsbibliothek aufbewahrt sind. Der erste Band, der zunchst verloren schien, ließ sich schließlich nach einigem Suchen in der Gruppe „Philologica“ identifizieren (Abb. 2).18 Die Bnde haben das Format von etwa 15 x 20 cm und umfassen jeweils gut 400 Seiten, Band 1 500 Seiten. Erhalten sind also rund 2500 Seiten eng beschriebene Notizen. Ab Band 3 hat Wolf durchgehend paginiert. Offenbar hatte Wolf die Bnde in seinem Handapparat stehen, auf den er immer schnell Zugriff hatte, wenn es galt, eine gelehrte Information festzuhalten. Zu diesem Apparat gehçrten außer den Notizheften noch einige gedruckte Bcher, in die Wolf ebenfalls Notizen eintrug. Es handelte sich um Bibliographien – vor allem sein durchschossenes Exemplar der beiden dicken Foliobnde von Georg Matthias Kçnigs Bibliotheca vetus et nova, erschienen 1668 (Abb. 3).19 Das war ein Kompendium von biographischen Kurzartikeln ber Autoren und ihre wichtigsten Werke. Wolf benutzte es, um die Eintrge handschriftlich mit eigenen Informationen zu ergnzen, wann immer er auf welche stieß. In einer Zeit noch vor Jçchers Gelehrten-Lexikon war es nçtig, sich ein Nachschlagewerk dieser Art anzulegen, und viele Wissenschaftler taten das privat und handschriftlich: biographische Kompendien, Kompendien ber anonyme und pseudonyme Werke, Kompendien ber Bibliotheken und deren Schtze.20 Wolfs Exemplar von Kçnigs Bibliotheca ist ein extremes Beispiel fr diese Praktik. Zuweilen sprengte die hinzugefgte Informationsmenge selbst die Fassungskraft der mikroskopisch beschriebenen durchschossenen Seiten. Dann mußten Einlegezettel her, um den Rest der Eintragungen aufzunehmen 18 Cod. theol. 2234, 2235, 2236, 2237, 2238. Das sind die Bnde 2 bis 6 von Wolfs Exzerptheften. Als Bd. 1 stellte sich der ganz anders katalogisierte Cod. philol. 409 heraus. 19 Cod. hist. lit. 28 29. Kçnig 1678, Bibliotheca. Erhalten ist nur Bd. 1 mit den Buchstaben A–H. Der zweite Band ist seit Kriegsende verschollen, d. h. befindet sich wahrscheinlich immer noch auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Zu durchschossenen Bnden allg. vgl. Brendecke 2005, ‘Durchschossene Exemplare’. 20 Als ein Beispiel kçnnen Christian Theophil Ungers umfangreiche Vorarbeiten zu einem bio-graphischen Lexikon dienen, die zum Teil ber den Nachlaß an Wolf gelangt sind. hnlich nçtig, besonders vor Placcius, aber auch nach ihm, schien vielen Gelehrten das private Anlegen von Anonymen- und Pseudonymenverzeichnissen. Dazu Mulsow 2007b, Die unanstndige Gelehrtenrepublik, 232 ff. Fr Wolf vgl. etwa die gelegentlichen Eintrge in Cod. theol. 2238: Anonymi Pseudonymi.
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Abb. 2 Notizheft Bd. 1, Cod. philil. 409. Cod. theol. 2234, 2235, 2236, 2237, 2238.
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– so geschehen etwa beim Eintrag „Clericus“, denn Jean Le Clercs Produktivitt war so groß, daß zwanzig oder dreißig Zeilen Zusatzeintrge bei weitem nicht ausreichten (Abb. 4).21 Zentral fr den Handapparat waren aber die Notizbcher. Wann und warum hat Wolf diese Lektrehefte begonnen? Das lßt sich genau sagen. Er war vierzehn Jahre alt und Schler des Hamburger Johanneums, 1697, als er Jeremias Drexels Aurifodina artium et scientiarum las. Dieses Bchlein des Mnchener Jesuiten war als Anregung fr Schler und Studenten konzipiert, sich Exzerpthefte anzulegen und beschrieb genau, wie das Exzerpieren vor sich zu gehen hatte.22 Diese Anregung hat sich Wolf zu Herzen genommen. Sogar in dem Umstand, daß die Hefte im Quartformat angelegt sind, folgt er den Vorschriften Drexels. Den ersten Eintrag betitelt Wolf denn auch entsprechend mit „Memoria“ und schreibt heraus, was Drexel ber das Problem des Vergessens und die Notwendigkeit der Erinnerung schreibt: „Gedchtnis ist ein großes Gut, aber auch ein fragiles, ausgesetzt allen Widerfhrnissen des Vergessens.“23 Daher, so Drexel, ist es nçtig, sich knstliche Sttzen des Gedchtnisses anzulegen, nmlich Exzerpte. 21 Zu Le Clerc vgl. immer noch Barnes 1938, Jean Le Clerc. 22 Drexel 1638, Aurifodina; vgl. Neumann 2001, Jeremias Drexels Aurifodina; Cevolini 2006, De arte excerpendi, bes. 118 ff. Wenn die Praxis am Hamburger Johanneum, die Schlerauf Ex-zerpier-Anweisungen hinzuweisen,nichtnochlterist,wirdsiesptestens seit Vincentius Placcius praktiziert worden sein, der eigens eine Ars excerpendi, Hamburg 1689, verfaßt hat. Wahrscheinlich wurde das Exzerpieren aber schon viel frher gelehrt, etwa auch schon durch Placcius’ Lehrer Joachim Jungius, der sich auch schon fr solche Techniken interessierte. Vgl. Meinel 1995, Enzyklopdie der Welt; vgl. weiter Zedelmaier 2002, Buch. 23 Cod. philol. 409, 1: „Memoria bonum grande, sed bonum fragile et ad omnes oblivionis injurias expositum.“ Vgl.Drexel 1638, Aurifodina, Pars I, Cap. II. Wolf fhrt fort: „Aurifod. Memoria vis multorum capax, sed rimarum plenum, hac atque illac perfluit. id.ibid.Memorianecessarium maximevitae bonum,nec tamen aliudest aequefragile in homine, morborum casus et injurias atque etiam metus sentiens. Memoria bonum grande sed bonum fragile, et ad omnes oblivionis injurias expositum. Divinitatis argumentum, eloquentiae gazophylacium, eorum quae discimus reconditorium memoria est. De memoriae felicitate videatur Drexel. Aurifod. Pars I. Cap. II.“ Drexel legt Wert darauf, daß Wissen nicht durch Zusammensuchen von Kompilationen und Florilegien erworben wird, sondern durch die Lektre von Originalschriften, die dann exzerpiert werden. Nach seinem Ratschlag sollten die Exzerpte in drei Klassen gegliedert werden: Lemmata, Adversaria und Historica. In Wolfs Notizheften liegen uns hier offenbar „Lemmata“ zusammen mit „Adversaria“ kombiniert vor, denn bei den Lemmata warenkurze, mehr oder weniger bibliographische Angaben zu den Fundorten der jeweiligen Themen zu machen, und bei den Adversaria Begriffsdefinitionen zu geben. Beides tut Wolf in seinen Heften. So nennt er den auch als Titel seines ersten Heftes: „Lemmata et adversaria a Iohanne Christopho Collecta anno 1697.“
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Abb. 3 Wolfs Handexemplar. Cod. hist. lit. 28 29. Kçnig 1678, Bibliotheca vetus et nova.
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Abb. 4 Kçnig, Bibliotheca – eingelegte Zettel zu Le Clerc.
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Mit Hilfe der sechs Bnde kçnnen wir Wolfs Lektre der kommenden Jahre genau verfolgen, ebenso wie das Anwachsen seines Wissens und die Interessen, nach denen er seine Lemmata whlte. Denn der jeweils erste Eintrag unter einem Lemma verrt oftmals, welche Quelle ihm zugrunde liegt, und die Auswahl der Lemmata in ihrer Reihenfolge gibt Aufschlsse ber den Fortgang der Lektre eines Werkes und den bergang zum nchsten Werk. Man notierte sich beim Lesen alle Topoi, die einen interessierten, machte einen ersten Eintrag und ließ mçglichst viel Platz frei, um spter weitere Funde zum jeweiligen Topos nachtragen zu kçnnen.24 Um ein Lemma spter wieder auffinden zu kçnnen, war es freilich nçtig, sich am Ende des Bandes ein alphabetisches Verzeichnis der Lemmata anzulegen, das auf die Seitenzahl verwies. Dann war es auch nicht tragisch, wenn bei einer spteren Lektre ein gleiches Lemma – vielleicht versehentlich – nochmals angelegt wurde. Wir werden spter beispielsweise sehen, daß Wolf an mindestens vier Orten Notizen zum Thema „Oracula Sibyllina“ abgelegt hat. Im ersten und zweiten Band hat Wolf die Registerverzeichnisse noch in den jeweiligen Band geschrieben, die Lemmata der restlichen Bnde hatten dann ein separates Verzeichnis, das verloren gegangen ist. Schon nach kurzer Eingewçhnung in das Exzerpieren schrumpft Wolfs Schrift von 8 Millimeter auf etwa 3 Millimeter, und das Heft gewinnt sein dann typisches Aussehen als Mikrogramm. Der Schler von 1697 trgt erst noch ganz brav Lemmata wie „Amicus“, „Pudicitia“, „Robur“, „Homo quid?“ und „Mulieres Loquaces“ ein, die mit Eintrgen aus moralisierenden Dicta antiker Philosophen versehen werden, gezogen immer noch aus der Drexel-Lektre.25 Danach folgt offenbar eine Sallust-Lektre, die Eintrge wie „Voluptas“, „Imperium“ und „Respublica“ abwirft,26 sekundiert aber schon durch die weit ungewçhnlichere Lektre von Marcello Palingenio Stellatos Poem „Zodiacus Vitae“.27 Auch die Beschftigung damit, was ein „Atheus“ sei, beginnt bereits auf Seite 29 im Jahr 1697. Solche „Atheus“Lemmata wird es in den folgenden Jahren immer wieder geben.28 Daneben 24 ber frhneuzeitliche Lektrehefte insgesamt vgl. Moss 1996, Printed Commonplace-Books; Blair 2004, Note taking; Blair 2003, Reading Strategies. 25 Cod. philol. 409, 2 ff. 26 Sallust war immer noch einer der Autoren, die bei Drexel exzerpiert waren und auf deren Lektre Drexel hinwies. 27 Palingenius 1543, Zodiacus – und viele weitere Editionen. Vgl. Cod. philol. 409, 172: „Paling. Sagit. v. 664.“ Zu Palingenius Stellatus vgl. Bacchelli 1985, Note, 275 – 292. Fr die pdagogische Benutzung des Buches: Watson 1908, The Zodiacus. 28 Vgl. etwa Cod. theol. 2235, 128; Cod. theol. 2236, 418, 716. Vgl. spter Wolf (praes.)/Boysen (resp.) [1710] 21717, Atheismi.
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geht die Schullektre weiter mit Lipsius und anderen moralisierenden und historischen Autoren. Spter folgen – man kann vermuten in den Jahren des Wittenberger Theologiestudiums ab 1703 oder schon vorher bei theologierelevanten Lektionen am Gymnasium – zunehmend theologische Eintrge.29 4. Cudworth-Lektre Was mich an dieser Stelle interessiert, ist die Frage, wann und wie Wolf den Orient entdeckt hat. Das muß vor 1707 geschehen sein, denn 1707 verçffentlicht der mittlerweile vierundzwanzigjhrige Adjunkt der philosophischen Fakultt in Wittenberg sein Werk Manichaeismus ante Manichaeos, in dem bereits der ganze Reichtum der zeitgençssischen Gelehrsamkeit ber die Religionsgeschichte der antiken Welt ausgebreitet ist.30 Eintrge, die aus dem Bereich der Themen dieses Buches stammen, tauchen erstmals in Band 3 der Notizhefte auf – przise gesagt dort auf Seite 57. Bis dahin hatte Wolf rein theologische Werke gelesen und sich Lemmata angelegt zu „Concordiae“, „Ceremoniae“, „Fides“ und „Libri apocryphi“. Dann aber folgt ein Eintrag ber „atomistische Atheisten“. Und weiter geht es mit der „Idee Gottes“, mit dem Polytheismus, den „Persiani Philosophi“, Apollonius von Tyana, den Sibyllinischen Orakeln, gypten, der orphischen Theologie und so weiter (Abb. 5) Was ist das fr ein Buch, das Wolf jetzt gelesen hat und aus dessen Lektre heraus er sich diese Lemmata eingetragen hat? Es scheint ein apologetisches Werk gewesen zu sein, das weit in die nahçstlichen antiken Religionen ausgreift, um seinen Zweck zu erreichen. Vor allem ein Werk kommt hier in Frage, das diesem Profil entspricht: Ralph Cudworths 1678 verçffentlichtes True Intellectual System of the Universe. 31 In diesem gigantischen Werk wird insbesondere im vierten Kapitel die Geschichte der heidnischen Religionen examiniert, unter Benutzung vor allem der von Vossius in De theologia gentili bereitgestellten Materialien.32 Cudworth tut dies, um nachzuweisen, daß in den Spekulationen der Alten bereits die Idee Gottes und sogar Spuren der Trinitt vorhanden gewesen sind. Offenbar hat 29 Gegen Ende des ersten Hefts sind die Eintrge dann: sepultura, miracula, papatus papistae, compendium, intentio animi. 30 Wolf 1707, Manichaeismus. 31 Cudworth 1678, The True Intellectual System. Dazu Frank 2003, Die Vernunft des Gottesgedankens; Schobinger 1988, Grundriss, Bd. 3/1, mit weiterer Literatur. 32 Popkin 1992, Cudworth, 333 – 350; Vossius 1678, De theologia gentili. Zu Vossius’ Idolatrie-Projekt vgl. Hfner 2003, Gçtter im Exil, 224 – 248.
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der etwa sieb-zehn- oder achtzehnjhrige Wolf keine Schwierigkeiten gehabt, den englischen Text zu lesen – was keineswegs selbstverstndlich ist an der Wende zum achtzehnten Jahrhundert. Schaut man genau auf die Inhalte, lßt sich erkennen, daß Wolf sich vor allem in dieses vierte Kapitel vertieft hat. Bis Seite 87 folgen die Lemmata in etwa den Themen von Cudworths Buch, und nach einigen kleinen Unterbrechungen gewinnt nach Seite 93 die Cudworth-Lektre wieder Oberhand. Erst jetzt liest Wolf die ersten Kapitel, in denen der Atomismus differenziert wird und Cudworth die „hylozoischen“Atheisten von anderen Typen unterscheidet.33 Es sind die Kapitel, die er nach dem ersten Eintrag ber atomistische Atheisten zunchst berblttert hatte. Nach einer weiteren Unterbrechung folgen bis Seite 123 noch sporadisch weitere Themen aus Cudworth: die „Theologia gentium“, „Causae Polytheismi ethnici“, „Mundus“, „Metempsychosis“, „Ideae Platonicae“ und „Sabii“.34 Es gibt allerdings ein Problem bei der Datierung dieser Eintrge. Band 2 der Lektrehefte enthlt zahlreiche Exzerpte aus Manuskripten und Bchern englischer Herkunft und ist damit mçglicherweise auf die Zeit der peregrinatio academica von 1708/1709 zu datieren.35 Wenn aber die Eintrge ab Band 3 nach dieser Englandreise liegen, dann mßte die CudworthLektre, die die Lemmata generiert hat, eine Zweitlektre gewesen sein. Die erste Lektre, die irgendwann vor 1707 stattgefunden hat, denn Cudworth ist einer der zentralen Referenzautoren im Manichaeismus, htte dann keine Spuren in den Heften hinterlassen. Das aber scheint mir unwahrscheinlich. Ich denke daher, daß Wolf bei der spteren Beschriftung der Lektrehefte den separat paginierten Band 2 der Englandreise vor die durchgehend paginierten spteren Bnde gestellt hat, um deren Folge nicht zu unterbrechen. Das ist eine Deutung des Problems. Ich werde spter noch eine andere mçgliche Deutung anfhren.
33 Cudworth 1678, The True Intellectual System, 6 ff. zum Atomismus, 63 ff. ber die verschiedenen atheistischen Argumente, und 104 ff. zu den verschiedenen Formen des Atheismus. 34 Cod. theol. 2235, 102, 107, 123 etc. 35 Cod theol. 2234. Vgl. etwa 197: Historia literaria anglorum; 200: The Naked Gospel [von Arthur Bury]; andere Eintrge zu Toland, zu englischen Deisten etc., mit vielen englischen Ex-zerpten. 331 heißt es in der ersten Person Singular: „Vidi in Bibl. Publ. Cantabrig. Bernardi Ochini Senensi Dial. 30.“ [Bernardino Ochino (1563): Dialogi XXX in duos libros divisi, quorum primus est de messia, secundus est […] potissimum de trinitate. Basel.] Ist das eine Augenzeugenschaft der Peregrinatio, oder war Wolf schon zuvor einmal in England?
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Abb. 5 Notizheft Bd. 3, Cod. 2235, S. 74: „Aegyptii“.
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Wie mag Wolf zur Cudworth-Lektre gekommen sein? Um dies przise zu bestimmen, wre sicherlich der Briefwechsel der Jahre vor 1707 auszuwerten.36 Man kann aber auch jetzt schon vermuten, daß Wolfs Lehrer Johann Albert Fabricius bei der Empfehlung der Lektre eine Rolle gespielt haben mag. Seit 1699 studierte Wolf am Akademischen Gymnasium, und im Vorfeld des zweiten Bandes Fabricius’ Bibliotheca graeca, also vor 1706, wurde er von Fabricius dazu eingesetzt, ein aus Oxford gekommenes Manuskript von Eustathius’ Homer-Kommentarien auszuwerten.37 In diesem Zusammenhang wird Wolf auch Kenntnis von Fabricius’ anderen Themen im ersten Band von 1705 erlangt haben, vor allem von der kritischen Musterung angeblich frher Weisheitslehren von Hermes, Orpheus, den Sibyllina und anderen.38 Htte Wolf seine diesbezglichen Notizheft-Eintrge erst 1705 gemacht, dann htte der Ersteintrag wohl „vid. Fabricius Bibl. graec. vol. I.“ gelautet. Doch Wolf hat sich auf Cudworth gesttzt. Daher vermute ich, daß Fabricius Wolf schon gegen Beginn von dessen Aufenthalt auf Cudworth hingewiesen hat, und daß Wolfs Lektre auf die Jahre um 1700/1701 zu datieren ist. 5. Sibyllen Suchen wir uns ein Beispiel, um Wolfs Weise des Exzerpierens – und damit der lesenden Eroberung des Orients und der antiken Religion – nachzuvollziehen. (Abb. 6) Im dritten Band der Notizhefte, den wir uns ansehen, lautet das Lemma von Seite 71 „Sibyllina Oracula“. Der erste Eintrag ganz oben auf dem noch leeren Blatt lautet: „De iis vide […] Cudw. in system. c.4. p. 281 – 284.“39 Cudworth schreibt in der Tat auf Seite 281 – 284 ber die Sibyllinischen Orakel. Er stellt gleich am Anfang klar, wie sehr die Ansichten ber diese antiken Prophezeiungen auseinandergehen: As for the Sibylline Oracles, there may […] be Two Extremes concerning them: One, in swallowing down all that is now extant under that Title, as Genuine and 36 Wolfs Briefwechsel befindet sich im wesentlichen in der SUB Hamburg; fr die frhe Zeit vgl. etwa die Briefe von und an Valentin Ernst Lçscher, Edzardi etc. 37 Wolf 1706, Index scriptorum, 306 – 329. Zur Bibliotheca graeca vgl. Petersen 1998, Johann Albert Fabricius. 38 Fabricius 1705, Bibliotheca Graeca; vgl. vor allem den alphabetisch gegliederten liber I, mit den Eintrgen zu Hermes und den Hermetica (cap. VII–XII), Orpheus und den Orphica (cap. XVIII–XX), Sibylla und Sibyllinischen Orakeln (cap. XXIX–XXXIII), Zoroaster und Zoroastrische Orakel (cap. XXXVI). 39 Zum folgenden: Cod. theol. 2235, 71.
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Sincere. […] The Other Extreme may be, in concluding the whole business of the Sibylline Oracles (as any ways relating to Christianity) to have been a mere Cheat and Figment; and that there never was any thing in those Sibylline Books […], that did in the least predict our Saviour Christ or the Times of Christianity.40
Cudworth selbst versucht eine Mittelstellung einzunehmen und zu differenzieren. Nur wenige frhe Christen, stellt er klar, scheinen die Orakel gutgeheißen und fr ihre Zwecke benutzt zu haben. Es mçge authentische Orakel gegeben haben, doch das, was wir heute besitzen, sei grçßtenteils korrupt und Flschung. Der Schler Wolf scheint das Werk zunchst nicht so sehr wegen Cudworths eigenen Ansichten zu nutzen, sondern als Steinbruch und ersten Zugang zu Themen dieser Art. Bei den Sibyllina war vieles kontrovers: ihre Datierung, ihre Herkunft, ihr Status als authentische oder geflschte Prophetie, schließlich ihr Wert fr die Wahrheit des Christentums, da in ihnen die Geburt des Erlçsers angekndigt wird. Einer der Umstnde, die das Thema der heidnischen Weissagungen christlicher Wahrheit fr die frhneuzeitliche Gelehrsamkeit so brisant machten, war nicht nur die Verknpfung von ‘falschen’ Kontexten mit ‘richtigen’ Inhalten, sondern auch die Spannung zwischen Vernunft (die fr die kritische Bewertung des Phnomens Prophetie unerlßlich ist) und ‘bervernnftigem’ Anspruch der Weissagungen. Wolf jedenfalls notiert sich die Cudworth-Referenz unter den Lemma-Titel, geht aber nicht weiter auf Cudworths Ansichten ein. Stattdessen bildet die Referenz den Auftakt fr weitere Notate, die nach und nach das ganze Blatt fllen werden. Was aber sind die Schichten an Lektre, die sich in den kommenden gut dreißig Jahren an diesen Ersteintrag angelagert haben? Bilden sie die komplexe Diskussion ab, die sich im 17. und frhen 18. Jahrhundert um die Sibyllina rankt und die Ralph Hfner krzlich rekonstruiert hat?41 Als erstes weist Wolf in seinem nchsten Eintrag nach der Erstnotierung auf eine Stelle im Hirten des Hermas, die er in Coteliers von Jean Le Clerc 1698 neu herausgegebener Ausgabe der apostolischen Kirchenvter gefunden hat. In der Anmerkung zu dieser Stelle argumentiert Cotelier – oder Le Clerc – gegen David Blondel und seine 1649 aufgestellten Theorien, in 40 Cudworth 1678, The True Intellectual System, 281 f. Zu den Sibyllina nenne ich nur einige neuere Literatur: Lightfoot 2007, The Sibylline Oracles; Buitenwerf 2003, Book III; Monaca 2005, La sibilla a Roma; vgl. allg. Speyer 1989, Religiçse Pseudepigraphie. 41 Hfner 2003, Gçtter im Exil, 249 – 422.
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denen Hermas eine mçgliche Autorschaft an den Sibyllina zugesprochen wird.42 Dann folgt ein Hinweis auf Johann Christian Nehrings deutsche bersetzung der Orakel, die 1702 erschienen war.43 Immer wieder wechselt die Art der Tinte, so daß sich erkennen lßt, daß diese Notizen keinesfalls in einem Zuge hingeschrieben sind. In dieser Weise folgen Notizen zu einer Festrede von Georg Wilhelm Kirchmaier und zu Thomas Hyde, die offenbar 1703 angefgt worden sind, denn Kirchmaier war Wolfs Griechischprofessor, als er 1703 die Wittenberger Universitt bezog.44 Jetzt sind wir also mit dem Notizbuch schon nicht mehr in Hamburg, sondern in Wittenberg. Kirchmaier hatte einen Dialog mit den Mathematikern in Wittenberg gefhrt – der im Notizbuch des Erstsemesters sein Echo gefunden hat. Thomas Hyde wiederum hatte 1700 sein epochemachendes Buch ber die altpersische Religion verçffentlicht – das in Wittenberg intensiv rezipiert wurde45 –, und darin war er auch auf das Sibyllinen-Problem eingegangen. Ob Wolf zu diesem Zeitpunkt freilich schon Hydes Buch selbst in der Hand hatte, ist nicht sicher zu sagen. Hyde hielt die Weissagungen eindeutig fr bloße Fabeln, und er hatte bemerkt, daß bei den Arabern und Persern das Zeichen fr die Jungfrau am Sternenhimmel (und die Sibylle war ja eine Jungfrau) ein Stab war, den sie in der Hand hielt, und der „Sfflmbul“ oder „Sfflmbula“ hieß. Synekdochisch, so Hyde, hieß die Jungfrau nach ihrem Stab, und bei den Phçniziern und 42 Le Clerc 1698, Patrum. Antwerpen 1698; Blondel 1649, Des Sibylles celebrees, bes. Lib. II cap. 7. Blondel gehçrt zu jenen Interpreten, die die philologische Echtheitskritik anmeldeten, ohne die Praxis der „frommen“ Pseudoepigraphie als Betrgerei werten zu wollen. Hfner 2003, Gçtter im Exil, 275 f.: „Blondel lieferte sicherlich den wichtigsten Beitrag ber die Problematik der Sibyllina in der ersten Hlfte des siebzehnten Jahrhunderts; seine umfangreichen Darlegungen sind verknpft mit einer harschen Kritik an dem sorglosen Umgang der frhchristlichen Denker mit den sibyllinischen Flschungen, und insbesondere Klemes von Alexandrien sei dieser bewußt ins Kalkl gezogenen Selbsttuschung erlegen, wenn er die heidnischen Weissagungen fr klarer und erhellender halte als die der Propheten.“ Kritisch zu Blondels Hermas-Zuschreibung ußert sich auch Fabricius 1705, Bibliotheca Graeca, ca. XXXIII, XVI. 43 Nehring 1702, Oracula Sibyllina. Vgl. Hfner 2003, Gçtter im Exil, 254 – 257. Schon der dritte Eintrag auf diesem Blatt lßt sich also auf 1702 als terminus a quo datieren. 44 „Varia de Sibyllinis erudita programma exponit J. Guilh. Kirchmaier […]“. Kirchmaier 1703, Programmata duo. Kirchmaier war seit 1701 als Nachfolger von Schurtzfleisch Professor fr griechische Sprache an der Universitt Wittenberg. 45 Vgl. die etwas spteren Dissertationen: Schneider (praes.)/Mulert (resp.) 1707, Dissertatio; Schnei-der (praes.)/Wippert (resp.) 1707, De aetate et magia Zoroastris; Schneider (praes.)/Habbe (resp.) 1708, De oraculis Zoroastris.
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Abb. 6 Notizheft Bd. 3, Cod. 2235, S. 72: „Sibyllima Oracula“.
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Chaldern sprach man von „Sibbula“, wenn man die himmlische Jungfrau meinte. Dieser Jungfrau nun schrieb man prophetische Krfte zu. Da man aus der Beobachtung der Sterne eine Wissenschaft der Voraussage gemacht hatte, bertrug man diese Eigenschaft auf die Jungfrau.46 Auf diese Weise sei der Mythos von den „Sibyllen“zu den Griechen und Rçmern gelangt. Hydes These war ein Beweis der außerordentlichen Leistungsfhigkeit der neuen Orientalistik englischen und niederlndischen Zuschnitts, wenn es darum ging, Spekulationen ber lteste Formen der Sternverehrung – angesiedelt bei den legendren „Zabiern“ – als Quelle fr europische idolatrische Kulturentwicklungen aufzuzeigen. Sie zeigte auch, daß die von Christian Rave und Samuel Bochart entwickelte Methodik, die Kenntnis des Arabischen zum Extrapolieren lterer und kaum mehr zugnglicher semitischer Wortstmme zu benutzen, fruchtbar sein konnte.47 Darauf beschftigt sich ein Satz mit dem Umstand, daß einige Orakel offenbar zur Zeit Kaiser Hadrians verfaßt worden sind.48 Henricus Valesius (Henri de Valois), so Wolf, habe in seinem Kommentar zu Eusebius’ Kirchengeschichte darauf hingewiesen.49 Inzwischen – es mag etwa das Jahr 1704 sein – war Wolf lngst so weit, daß sich Lemma-Eintrge wie dieser mit anderen berkreuzten, die er zu verwandten Themen machte. Er studierte jetzt Theologie und mag sich von daher mit Eusebius’ Kirchengeschichte befaßt haben, was zu Lemmata wie „Haeretici“ und hnlichen fhren konnte.
46 Hyde 1700, Historia religionis veterum Persarum eorumque Magorum, cap. 32. Ich benutze die Ausgabe Oxford 21760; dort 398 f.: „Apud Arabes et Persas, hoc Signum Synecdochice vocatum est Sfflmbul, seu Sfflmbula, i. e. Spica; quae tamen proprie, et absque figura, est tantum primaria hujus Signi Stella, Spicarum Fasciculum repraesentans. Et haecce Virginalis Signi Pars (nomine tamen totius, Virgo subinde vocata,) toti huic Signo exprimendo sufficiebat, cum plura, vel pingere , vel verbis prolixius describere, non esset necessarium. Chaldeis et Phoenicibus Sibulla, est Coelestis Virginis Signum: unde (cuique hoc perpendenti) Fabula Sibyllarum tam obvia est, ut quisque forte dolebit quod, sine me monente, haud citius rem perceperit. Vocem quod attinet, eadem est quae in S. Bibliis Sibbleth, quae quidem Forma quibusdam forte videatur aliquantulum diversa.“ Zu Hyde vgl. Stausberg 1997, Faszination Zarathustra, 680 – 718. Wolf notiert: „De Sibyllis singularis et ante [?] inaudita opinio a Thom. Hyde in cap. 32 de religio. veterum Persar.“ Vgl. auch Fabricius 1705, Bibliotheca graeca, cap. XXIV, XI. 47 Vgl. Rave 1649, Oriental Tongues; Bochart 1646, Geographia sacra. Zu Rave vgl. Toomer 1996, Eastern wisedome, 187 ff. 48 Vgl. Anspielungen etwa in Buch V oder Buch VIII. 49 Vgl. allg. Buitenwerf 2003, Book III.
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Schon aber kommt der nchste Eintrag im Mikrogrammstil. Wolf notiert sich in einer lngeren Passage die bedeutende Ansicht, die Isaac Vossius 1685 entwickelt hatte, daß nmlich ein Teil der Sibyllina jdischen Ursprungs sei.50 Wolf fgt einige Hinweise zur kontroversen Diskussion dieser These hinzu. Vossius war allenthalben auf große Empçrung gestoßen, weil die Vorstellung, Juden kçnnten die Prophetien verfaßt haben, nicht zu dem liebgewonnenen Modell paßte, es kçnnte außerhalb der christlichen Tradition noch so etwas wie Offenbarungen Gottes geben, die unabhngige Hinweise auf die Heilsgeschichte darstellen. Wir wissen heute, daß in der Tat die Orakel insbesondere der ersten Gruppe (Buch 1 – 8) teilweise auf jdisches Material zurckgehen, und daß etwa 160 v. Chr. ein Alexandrinischer Jude begonnen hat, Teile der Orakel umzuschreiben und dabei jdische Elemente einzuflechten. Wieder mit anderer Tinte ist die nchste Zeile auf dem Blatt geschrieben, die auf Jakob Perizonius bezug nimmt. Die Frage, wie die Kirchenvter zu den Orakeln standen, behandelt ein weiterer Eintrag.51 Wolf mag zu diesem Zeitpunkt immer noch der Wittenberger Theologiestudent sein, der sich tief in die Patristik einarbeitet. Die weiteren Eintrge umkreisen dann die Frage nach dem Flschungscharakter der Sibyllina. Daß etwa die Cumische Sibylle die Tochter des chaldischen Priesters Berosus sein solle, wird, so notiert sich Wolf, in Baronius’ Annales ecclesiastici behauptet, und er fgt gleich die Kritik an, die in den Exercitationes, also bei Casaubon, daran gebt worden ist: „a glossatore inepto ea verba inserta esse“, hatte Casaubon geurteilt.52 Damit war er bei den sptantiken Verwendungen angeblich uralter Dokumente, denn Passagen aus Berosus waren ja ber Alexander Polyhistor bei Eusebius und Josephus berliefert, aber ganz abgesehen von ihrem problematischen Quellenwert waren sie auch Anknpfungspunkt fr sptere Einschbe und Flschungen gewesen, bis hin zu Giovanni Nannis großer Flschung.53 Daß verschiedene geflschte und erlogene Orakel auch bei Johannes Malalas zu finden seien, ergnzt Wolf spter, und er nennt die Quelle, aus der er die Information hat: Bentleys Epistola ad Millium, Sei-
50 Vossius 1679, De Sibyllinis; vgl. Katz 1993, Isaac Vossius. Hfner 2003, Gçtter im Exil, 366 – 377. 51 „Sibyllina oracula alii ex patribus applaudunt [?], alli reiiciunt.“ 52 Casaubon 1614, De rebus sacris. Zu Casaubons Kritik an Baronius vgl. Grafton 1988, The Lamentable Deaths. 53 Vgl. Schmidt-Biggemann 2006, Heilsgeschichtliche Inventionen.
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te 7.54 Bentley hatte nmlich seinen berhmten Brief an John Mill aus Anlaß von dessen Edition der Malalasschen Universalchronik verfaßt. Nun folgt, wieder in anderer Tinte, ein Hinweis auf Jean Robertets franzçsische Sibyllen-bersetzung aus dem spten 15. Jahrhundert.55 In Kçnigs Kompendium gab es ein Lemma „Robertet“, das Wolf auch handschriftlich ergnzt hatte. Wolf war daher umsichtig genug, bei der Erwhnung von Robertet einen Verweis auf diesen Eintrag in sein Notizheft zu schreiben: „vid. q[uod] scripsi ad Kçnig sub Robertet.“56 Die verschiedenen Komponenten von Wolfs Handapparat waren also miteinander vernetzt. Wie Jahresringe legen sich Wolfs Lektren um den ursprnglichen Cudworth-Kern, und das Reifen seiner intellektuellen Erfahrung lßt sich an ihnen ablesen. Wir sind mit dem Notizheft lngst wieder aus Wittenberg abgereist, waren 1707 kurz mit ihm in Flensburg, und dann wurde das Heft fr zwei Jahre zur Seite gelegt, als Wolf seine Studienreise nach Holland und England antrat. Whrend dieser Zeit traten andere Hefte an seine Stelle: ein kleines Oktavheft als Tagebuch, das sich leicht in die Rocktasche stecken ließ,57 viele Extramappen mit Exzerpten aus der Bodleian Library und anderen Bibliotheken,58 und – wenn wir mit unserer Vermutung recht haben – jenes Notizheft, das spter als Heft II bezeichnet wurde und in dem sich viele Notizen ber englische Autoren finden. Die alternative Deutung fr dieses Heft wre: Es stammt, ganz nach der Reihenfolge der spteren Ordnung, aus der Zeit zwischen 1697/1698 (Heft I) und 1700/1701 (Heft III), wre also etwa 1699/ 1700 zu datieren. Die vielen englischen Zitate wren dann so zu erklren, daß Wolf in dieser Zeit, etwa sechzehnjhrig, intensiv Englisch gelernt und sich mit englischen Texten befaßt hat. Im Gymnasium gab es keinen Englisch-Unterricht, aber in einer Hafenstadt wie Hamburg durchaus Wege, im Privatunterricht bei einem Englnder den Umgang mit dieser Sprache zu lernen. Das kçnnte in der Tat erklren, warum Wolf danach in der Lage war, Cudworth im Original zu studieren. Eine bersetzung gab es von diesem Werk nicht, nur die franzçsischen Zusammenfassungen, die 54 Bentley 1691, Epistola ad Joannem Millium. Zur byzantinischen Universalchronik von Johannes Malalas vgl. Hunger 1978, Literatur der Byzantiner, 319 – 325; allg. zu diesen Chroniken und die in ihnen transportierten archaischen Elemente Adler 1989, Time Immemorial. Zu Bentley vgl. Haugen 2001, Richard Bentley. 55 Robertet 1702 und 1703, Oracles de la Sibylle. 56 Vgl. SUB Hamburg Cod. Cod. hist. lit. 28 29 (Anm. 19). Da der zweite Band verschollen ist, kann der Eintrag nicht mehr nachgeprft werden. 57 Cod. geogr. 84, SUB Hamburg. 58 Zu der reichen Ausbeute an Abschriften vor allem aus englischen Bibliotheken vgl. Mulsow 2005, Johann Christoph Wolf, 92 f.
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Jean Le Clerc in seiner Bibliothque choisie verçffentlichte – doch auch die erst ab 1703 und damit nachweislich nach der Zeit, in der Wolf seine Cudworth-Eintragungen begann. Doch in welchem Jahr befinden wir uns mit den „Sibyllina“-Eintrgen jetzt? Offenbar im Jahr 1715, zu einer Zeit, als Wolf bereits seit drei Jahren Professor am Akademischen Gymnasium in seiner Heimatstadt Hamburg war. Er schickte sich gerade an, auch noch Pastor an der Katharinenkirche zu werden und damit endgltig zum Hamburger Establishment zu gehçren. Auch ein Portrt ließ er in diesen Jahren von sich malen.59 Der unterste Eintrag auf der den Sibyllen gewidmeten Seite bezieht sich jedenfalls auf William Whiston. Whiston, der Newton-Nachfolger und Amateur-Erforscher des Urchristentums hatte 1715 eine Vindication of the Sibylline Oracles, to which are added the genuine oracles themselves erscheinen lassen.60 Er besaß eine ganz eigenartige Sicht auf das Frhchristentum, hielt Athanasius fr einen großen Flscher und die apokryphen Apostelakten fr das eigentliche Evangelium. Whiston reagiere, so ergnzt Wolf, auf John Floyers englische bersetzung der Orakel von 1713. Floyer war ein eifriger Christ und hatte die Authentizitt der Sibyllina vehement gegen Vossius’ Thesen verteidigt. Fr ihn waren sie gar ein Zeugnis der „alten vorsintflutlichen Religion“, die von Gott durch sie nach den Korruptionen dieser Religion durch die Astralund Heroenkulte von Chaldern, gyptern und Griechen wiederbekanntgemacht werden sollte.61 Die Sibyllen waren also geradezu ein Pendant zur Erneuerung der Religion durch die jdischen Propheten, und es war fr 59 Das Portrt hngt heute im Lesesaal der SUB Hamburg und stammt von Johann Salomo Wahl. Ich wrde es auf die Zeit um 1716 datieren, zumal da die Ordinierung vom Pastor ein passender Anlaß gewesen wre. 60 Whiston 1715, Sibylline Oracles. Zu Whiston vgl. Force 1985, William Whiston. 61 Floyer 1713, The Sibylline Oracles, Dedication: „I here present to you in these Oracles the old Antediluvian Religion, and all the Moral Precepts communicated to Japhet’s Family, which also contain many Prophesies concerning the Changes which would happen in the Kingdom of Japhet’s Posterity; so that we do not wholly derive all our Religion and Learning from the Jews, who convers’d formerly very rarely with the Gentiles, among whom they were but little known before their Captivity. When the Chaldeans, Aegyptians and Greeks had corrupted the Noachic Traditions of Religion, by applying their Sacrifices and Prayers to the Sun, Moon and Heroes, which were appointed for God’s Service, it pleas’d God to inspire the Sibyls, that they might restore the true ancient Worship to God alone, and correct all the errors from the old moral Precepts by these Oracles: The Jewish Men-Prophets, near the same thing, reform’d the Corruptions which Idolatry had introduc’d among them; but Woman-Prophetesses were sent to the Gentiles, because they used Women in their Heathen Oracles; and they could be least suspected by them for setting up any new Sect in Philosophy, or Religion.“ Vgl. Katz 1993, Isaac Vossius, 162 ff.
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Floyer offenbar wichtig, diesen alternativen Kanal der Heilsgeschichte offenzuhalten. Mit Vossius’ These von der jdischen Herkunft der Orakel wre alles providentielle Geschehen auf die Juden allein konzentriert gewesen. Whiston hingegen mochte die Richtigkeit von Vossius’ These nicht ausschließen. Dennoch war auch er besorgt darum, daß die gçttliche Inspiration sich in der ganzen Welt und nicht nur in einem Volk niedergeschlagen htte. Denn das bereitete die Weltgeltung auch des Christentums vor. Bei Wolf freilich waren alle diese großen Gedanken auf einen kurzen hinweisenden Satz reduziert, denn die Aufgabe von „Lemmata“ war ja nur, Kurzangaben zu notieren, keine grçßeren Passagen auszuschreiben. Wolf fgt lakonisch, auf das Whiston-Werk bezogen, zu seiner Notiz hinzu: „Habet Cl. Arpius“, „Das besitzt Herr Arpe“. Es sind unscheinbare Bemerkungen dieser Art, die uns nheren Aufschluß ber die Tauschverhltnisse geben, die hinter der Notizenpraxis stehen. Natrlich konnte Wolf nicht alle Bcher selbst besitzen, aus denen er exzerpierte. Er lieh sich welche von Fabricius, oder – vor allem wenn es heterodoxe Bcher waren – zuweilen auch von Peter Friedrich Arpe, mit dem er befreundet war. Arpe war gleichsam einer der Stuntmen fr „strange facts“: Er beschftigte sich nicht nur mit Magie und Hermetik, sondern auch mit verbotenen Schriften aller Art, und er sympathisierte wahrscheinlich auch zu einem gewissen Grad mit deren Autoren.62 Wenn Wolf clandestine Werke abschrieb, oder durch den Zukauf der Uffenbach-Manuskripte in seine Hnde bekam, dann verglich er gelegentlich mit Exemplaren, die Arpe besaß.63 Und wenn er diese clandestinen Schriften in sein Regal stellte, dann whlte er jenes Regal, das er mit der grnen Nummer „R“ bezeichnet hatte.64 Das war sein Giftschrank. Dort brachte er die meisten heterodoxen Werke unter, hnlich wie sicherlich auch Arpe in seinem speziellen Teil seiner Bibliothek.
62 Zu Arpe (1682 – 1740) vgl. Mulsow 1996, Freethinking; Mulsow 1994, Peter Friedrich Arpe; Mulsow 2002, Moderne aus dem Untergrund, 247 ff. 63 Vgl. Mulsow 2005, Johann Christoph Wolf, 102 ff. 64 Diese grne Nummer scheint fr eine bestimmte Sorte seltener und teilweise verbotener Bcher ge-whlt worden zu sein. Auch wenn die Texte in der SUB Hamburg heute anders katalogisiert sind, ist in vielen Fllen Wolfs alte Nummer noch auf ihnen erkennbar. Sie ziert zum Beispiel Wolfs Ausgabe von De tribus impostoribus (R34), Guillaume Postels Les trois merveilleux victoires des femmes (R13), den Alcoran (R11), Pseudo-Valles Ars nihil credendi (R16), John Tolands Pantheisticon (R32), Miguel Servetos Dialogus de trinitate (R5) und einige Andrea Dudith-Briefe (R14) – alles waren dies kleine Oktav-Bnde, die in ein schmales Regal fr spezielle handgeschriebene Rara paßten.
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Doch zurck zum Lemma „Sibyllina Oracula“. Nun war die Seite vollgeschrieben. Doch noch war der Rand von 3,5 cm leer. Also wanderten die nchsten (und letzten) Eintrge auf diesen Rand. Ein Hinweis auf Morhofs Polyhistor wurde dort plaziert, und weiter unten eine genauere Erluterung zu Isaac Vossius’ Position zum Sibyllen-Problem.65 Manchmal, wenn sich solche Randnotizen auf schon vorher im Hauptblatt gemachte Literaturangaben bezogen, zog Wolf mit der Feder einen Strich quer ber die Seite bis zur Referenzangabe. hnlich steht auch die unterste Notiz am Rand im Bezug zu einer im Hauptblock gemachten Angabe, denn sie zitiert eine franzçsische Passage, in der auf Floyers bersetzung der Sibyllina bezug genommen wird, auf die Wolf ja schon im Zusammenhang mit Whiston hingewiesen hatte.66 Was aber, wenn nun noch zustzliche Informationen ber die SibyllenThematik bei anderen Lektren auftraten? Dann mußte ein anderer, neuer Lemma-Eintrag her. So ist im gleichen Band der Notizhefte auf Seite 132 nochmals ein Lemma „Sibyllina Oracula“ zu finden (Abb. 7). Und auch verwandte Eintrge tauchen in spteren Heften zuweilen nochmals auf. Bei solchen spten Eintrgen, ob hier oder woanders, kommt es dann auch vor, daß Wolf sich nicht mehr auf die englische Originalausgabe von Cudworth bezieht, sondern auf Johann Lorenz Mosheims lateinische bersetzung von 1733.67 Da diese Ausgabe im Gegensatz zum Original einen Index besitzt, kann Wolf sich – nun in seinem letzten Lebensjahrzehnt – mit dem Hinweis auf den Index dieses Werkes begngen. Diese Eintrge („vid. Cudw. ed. Mosheim in indice“) beweisen, daß Wolf sein Notizheftsystem, das er als Vierzehnjhriger angelegt hat, sein ganzes weiteres Leben benutzte. Und sogar auf den vorderen Leerseiten in Kçnigs Bibliotheca hat Wolf einen – mikroskopisch kleinen – Eintrag zum Lemma „De libris Sybillinis“ geschrieben. Es scheint darin, soweit man den Eintrag entziffern kann, um die Rçmer zu gehen, ihre Arkana der Republik und die Beziehung zu den sibyllinischen Bchern (Abb. 8).
65 Morhof 1708, Polyhistor, I, I, 10, 18 – 22 = Bd. 1, 98 f. Morhof hatte die Sibyllen in seinem Kapitel „De libris mysticis et secretis“ plaziert. 66 „Les oracles des Sibylles traduites […] par le Cheval. Floyer.“ 67 Cudworth 1733, Systema intellectuale.
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6. Von der Notiz zum Buch An diesem Punkt stellt sich die Frage, wie das Verhltnis von Wolfs Notizen zu seinen gedruckten Werken beschaffen ist, insbesondere dem Manichismus-Buch. Denn Exzerpte und Notizen sind ja dazu da – ganz nach Drexel und anderen Autoren – um spter wieder ein neues Werk formen zu helfen: von der Rezeption zur Produktion. Um die Frage zu beantworten, ist es sinnvoll, einen kurzen Blick auf mehrere Lemmata zu werfen. Im ManichismusBuch macht Wolf auf den ersten 250 Seiten einen Durchgang durch die antike Religion, um, wie Hinckelmann es vorgeschlagen hatte, die Genealogie und die Universalitt des ‘Irrtums’ von den zwei Grundprinzipien nachzuweisen.68 Er behandelt die Chalder, Zoroaster, die Magoi, den Mithas-Kult, gypten, die Saber, Orpheus, die Pythagoreer, Platon, die frhchristlichen Gnostiker und Mani – Themenbereiche, die nicht von ungefhr sowohl an Cudworth als auch an die Lemmata in Wolfs Notizbchern erinnern. Und in der Tat ist Cudworth der meistzitierte Autor auf diesen Seiten, freilich ergnzt mit all den anderen Namen von Huet bis Spencer, von Dickinson bis Hyde, von Kircher bis Vossius, von Scaliger bis Le Clerc, denen man auch in den Notizen begegnet. Ein weniger gelufiger Name, doch oft zitiert, ist dabei der von Thomas Gataker, jenem presbyterianischen Geistlichen aus Rotherhithe, der 1652 eine berhmte Ausgabe der Selbstbetrachtungen von Marcus Antonius publiziert hatte.69 In den berreichen Anmerkungen zu dieser Ausgabe findet sich, hnlich wie in Hinckelmanns Bçhme-Buch, ein ganzer Schatz an philologischen und religionsgeschichtlichen Einsichten. Die Grundthese von Wolfs Buch ist es, daß die zeitgençssischen Diskussionen ber zwei Urprinzipien der Welt, das Gute und das Bçse, oder Gott und die Materie, eine lange Vorgeschichte haben, die noch hinter das Phnomen ‘Manichismus’ zurckreicht. Man msse den persischen Zoroastrismus erforschen (beziehungsweise das, was man damals dafr hielt) – und mit ihm die angrenzenden vorderasiatischen Kulturen –, wenn man die Debatten, die von Bçhme und, ganz anders gelagert, auch von Bayle ausgingen und sich auf christlich-mystische und gnostische Traditionen konzentrierten, wirklich in ihrer Tiefe verstehen wolle. Indem Wolf – mit Hinckelmann und seinen anderen Gewhrsleuten – diese Debatten nun auf eine altpersisch-sabische Vergangenheit zurckbezog, trug er zur ‘Orien68 Vgl. Hfner 1996, Die Fsser des Zeus; Mulsow 2005, Johann Christoph Wolf. 69 Gataker 1652, Marci Antonii Imperatoris de rebus suis. Zu Gataker (1574 – 1654) vgl. Webster 1997, Godly Clergy.
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Abb. 7 Notizheft Bd. 3, Cod. 2235, S. 132: „Sibyllina Oracula“.
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Abb. 8 Kçnig, Bibliotheca – Eintrag zu „De libris Sibyllinis“.
talisierung des Christentums’ bei, also der Einbettung jdisch-christlicher Tradition in einen altorientalischen Kontext.70 Darin liegt die weitere Bedeutung von Wolfs Werk, das vielleicht mehr als Symptom denn eigenstndige Forschungsleistung zu werten ist. Und darin liegt auch der tiefere Grund, weshalb Wolfs lektrehafte Aneignung des Orients fr uns von Interesse sein sollte. Wir sehen hier, wie sich die religionswissenschaftliche 70 Zu diesem Begriff vgl. Hfner 1996, Die Fsser des Zeus.
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Forschung des 17. und frhen 18. Jahrhunderts in einem langsamen Aneignungsprozeß mehr und mehr in den altorientalischen Orient und seine faszinierenden Themen wie Magie, Polytheismus oder Sternglaube eingelesen hat. Diese Phase ist noch nicht der „Orientalismus“, von dem Edward Said fr das 19. Jahrhundert spricht, und sie ist nicht und nicht mehr die Epoche der Wundererzhlungen vom Osten, mit denen uns Stephen Greenblatt vertraut gemacht hat.71 Es ist eine Phase dazwischen, eine Aneignungsgeschichte, die zugleich Wissenschaftsgeschichte und Faszinationsgeschichte ist, die zugleich objektive Forschung und Reflexe christlicher Apologetik erkennen lßt. Hier wird der Osten noch nicht als zu kolonialisierendes Objekt gesehen, aber er ist noch die Region der „Idolatrie“, das heißt des falschen Glaubens.72 Unterhalb der Semantik der Idolatrie aber ist die Bezauberung zu spren, die diese fremde Welt auf die europischen Gelehrten ausbt. All dies sollte der Betrachter mitbedenken, wenn er auf die Mikrogramme Wolfs schaut, die ich mit ihrer winzigen Schrift auch als sthetisches Phnomen zu erkennen vorschlage, als das Bannen der fremden vergangenen Welt auf das eigene Papier. Die Frage, vor der wir jetzt stehen, lautet also nicht nur: Wie wandern Wolfs Notizen in den Buchtext? Sondern auch: Wie setzt sich die Aneignung eines Faszinosums in die textliche Wiedergabe von Theorien um? Meine Antwort: Der Weg ist erstaunlich kurz. Sowohl der bergang vom Notizbuch zum gedruckten Werk als auch der von der Aneignung zur Expression kann mit einem manchmal winzigen Sprung zurckgelegt werden. Vergleicht man etwa das Lemma „Zabii“ in den Notizbchern mit den knapp vier Seiten ber die legendren Zabier oder Saber im Text – jenes Volk, dessen Astrolatrie Maimonides fr die paradigmatische Ur-Idolatrie gehalten hat73 – dann stellt sich der Drucktext als eine leicht erweiterte Umarbeitung der Notizen dar (Abb. 9).74 Die jeweils genannten Autoren 71 Said 1978, Orientalism. Es ist sicher eine Schwche von Saids Buch, daß er, mit Silvestre de Sacy und Renan beginnend und mit britischen Autoren fortfahrend, das 17. und 18. Jahrhundert nicht bercksichtigt, und auch nicht die deutschen Kontexte. Zumindest was die deutsche Szenerie angeht, verspricht jetzt Abhilfe Marchand 2001, German Orientalism. Greenblatt 1994, Wunderbare Besitztmer, bes. Kap. 2 zu Mandevilles Reisen. 72 Zur Semantik der Idolatrie vgl. Rubis 2006, Historicization of Idolatry; Sheehan 2006, Sacred and Profane; Mulsow 2001, John Seldens. 73 Vgl. Maimonides 1972, Fhrer der Unschlssigen, Buch 3, Kap. 29; zur Forschung ber die Sabier vgl. Chwolson 1856, Die Szabier; Tardieu 1986, Sabiens Coraniques. 74 Der Lemma-Eintrag ist in Cod. theol. 2235, 123.
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und Textstellen sind nahezu identisch: der Scaligerbrief Nr. 62, Herbelot mit seiner Bibliotheca orientalis, John Spencer, Hottinger, Huet, Le Clerc, Simon, Stanley, Casaubon, Pocock, Simon, Stillingfleet und natrlich Hinckelmann, der die Zabier sogar in Europa sah, in Gestalt der Druiden und Barden.75 Da Wolf schon in den Notizen die Problematiken der Forschung skizziert hatte, insbesondere Spencers Ausdehnung des Alters der Zabier ber die Zeit Mohammeds hinaus, mußte er jetzt nur noch die Notate zu einem durchlaufenden Text verbinden. Der Hinweis auf den kontroversen Artikel in der Zeitschrift Observationes selectae, der sich in den Notizen findet, ist im Buch ausgelassen, wird von Wolf aber in einer gesonderten Dissertation verfolgt.76 Die Faszination, die ich hinter den Notizen in all ihrer verbissenen Intensitt vermute, wendet sich im Drucktext eher in eine Polemik gegen neueste ‘Hypothesen’. Das gleiche Bild bietet sich zum Lemma „Aegyptii“. Die gypter spielen einen besonderen – und unrhmlichen – Part in der universalen Idolatriegeschichte, insofern der Noah-Sohn Ham, der Grnder gyptens – so die zeitgençssische Vorstellung – die Idolatrie verbreitet und in die Welt getragen habe.77 Zugleich freilich wartete die gyptische Kultur mit dem verborgenen einen Gott auf, und Cudworth sah darin einen Musterfall fr seine apologetische Zielsetzung.78 Cudworth hat auf Seite 311 ff. ber die gypter geschrieben, Wolf sich daraufhin Seite 73 bis 75b vier ganze Seiten Notizen zu ihnen gemacht, und das Thema kehrt dann auf Seite 36 – 39 und nochmals Seite 71 bis 85 im Manichismus-Buch Wolfs wieder. Flankiert werden die Stellen vom Polytheismus-Thema, das ebenfalls von Cudworth ber die Notizbcher bis zum Buch von 1707 zu verfolgen ist. Unter dem Lemma 75 Wolf 1707, Manichaeismus, 85 ff.: „Ad ZABIOS jam accedo, qui in acie hujus cohortis collocandi erant, si in eruditorum plerumque sententia de eorum antiquitate acquiescere animus fuisset. Constat enim plerosque & inprimis Arabas ad ultimam remotissimamque antiquitatem eorum referre origines, adeo ut non dubitent cum Sabais perantiqua illa gente, quae a Saba sive […] Chusi filio nomen tulit, Arabiamque felicem incoluit, Zabios non esse distinguendos, inter quos numero HOTTINGERUM Histor. Orient. lib. 1. c. 8. p. 170. recte ideo notatum a SPENCERO p. 212. de Legg. Hebr. Ritual. Et sane vel ex sola scriptionis diversitate, quae in utroque nomen Sabaeorum scilicet & Zabiorum observatur, Vir doctissimus non invalide confutari potest, quae causa etiam permovit CASAUBONUM, ut ep. 223. haec verba consignata reliquerit: […].“ etc. Vgl. Hinckelmann 1693, Detectio, 111. 76 Observationes selectae, Halle 1700 ff. Wolf 1706, Ex antiquitate orientali; vgl. Spencer 1686, De legibus, lib. II, cap. 1, 211 ff. 77 Cod. theol. 2235, 73. Vgl. Stroumsa 2006, Noah’s sons. 78 Vgl. Assmann 1998, Moses der gypter, 118 ff.
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Abb. 9 Notizheft Bd. 3, Cod. 2235, S. 125: „Sabii“.
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„Polytheismus“ hat Wolf seine Informationen auch ber die Benennungen der zwei Prinzipien des Guten und des Bçsen – auch bei den gyptern – gespeichert, die er unter anderem aus Kirchers Oedipus Aegyptiacus (und hinter ihm aus Plutarch) gezogen hatte, und die im Manichismus-Buch als eigener Abschnitt im Kontext der gypten-Diskussion wieder auftauchen (Abb. 10).79 Es kann also durchaus kleine Verschiebungen geben – doch an der generellen Verwertung der Notizen besteht kein Zweifel. Doch das ist nur die praktische Seite. Psychoanalytisch gesprochen liegt bei diesem Thema eine tiefe Ambivalenz vor. Die gyptische Kultur stçßt ab (oder hat abzustoßen), denn sie ist polytheistisch, idolatrisch, bçse. Und sie zieht an, denn sie kennt den verborgenen Gott und damit einen alterativen Weg zum wahren Glauben. Vielleicht zieht sie sogar an, weil sie die idolatrische Welt verkçrpert – aber das bleibt Spekulation. Genauso jedenfalls die sibyllinischen Orakel: Sie bedeuten falsche Prophetie, Betrgerei, pagane Religionskultur, doch auf der anderen Seite versprechen sie das Wunder einer heidnischen Weissagung Christi. Diese Ambivalenz liegt, glaube ich, der frhneuzeitlichen Phase des ‘Orientalismus’ zugrunde. In den gedruckten Endprodukten der Wissenschaft kam es dann zuweilen vor, daß die geballte Energie, die in dieser Ambivalenz lag, sich in Polemiken oder in Hypothesenwut umsetzte. Das 17. und frhe 18. Jahrhundert ist die Zeit von wilden Spekulationen ber den alten Orient – bei einer, von heute aus gesehen, ußerst schwachen Basis, ohne die Entzifferung der Hieroglyphen und der Keilschrift, ohne die Kenntnis des Avesta und so weiter80 –, und es ist die Zeit von harscher Polemik gegen alles, was nicht aufs Christentum zuluft. Die Orientalistik kmpft gegen Sozinianer, Deisten, Neumanicher, Pietisten, Separatisten und Atheisten. Aber sie blickt gebannt auf ihren Gegenstand. 7. Navigation Wenn die gelehrte Reflexion zum Sprung vom Notizbuch zum Buchtext ansetzt, verdichtet sie sich zuweilen zum Argument, manchmal – oft – bleibt sie aber auch nur bibliographische Angabe und Darstellung der Forschungssituation. Bcher wie Wolfs Manichaeismus ante Manichaeos navi79 Cod. theol. 2235, S. 66 und 66b; Wolf 1707, Manichaeismus, 80. Cudworth 1678, The True Intellectual System, 160. Kircher 1652 – 1654, Oedipus Aegyptiacus. Zu Kirchers gyptenbild vgl. Schmidt-Biggemann 2001, Hermes Trismegistos. 80 Vgl. Stausberg 2001, Von den Chaldischen Orakeln.
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Abb. 10 Notizheft Bd. 3, Cod. 2235, S. 66: „Polytheismus“.
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gieren den Leser wie einen Passagier auf einem Schiff durch das Meer der Theorien und der Gelehrsamkeit. Auf Dutzenden von Seiten stellen sie nur dar, was gedacht wird, ehe sie in eine bestimmte Richtung steuern und ein Argument entwickeln. Fast jede zweite Zeile wird ein Autor genannt, wird ein Titel oder eine Passage zitiert. Navigation und Orientierung sind Stichworte, die diese Textsorte besser charakterisieren als Begriffe wie Geschichtsschreibung, Theorie oder Wissensspeicherung. Sie sind keine schlechte Umschreibung dessen, was damals Historia literaria hieß. Schon Francis Bacon, einer der Stammvter dieser Beschftigung, hat die Metaphorik des Navigierens auf unbekannten Gewssern selbst gern verwendet.81 Dann ist das Notizbuch die aneignende Vorbereitung der Navigation, und das Buch ist die Ausfhrung der Navigation. Dazwischen liegt die Vorlesung. Ist sie auch in den Zyklus des bibliographischen Navigierens eingebunden? Whlen wir, um diese Frage zu beantworten, eine Vorlesung von Wolfs und Fabricius’ Musterschler Hermann Samuel Reimarus. Reimarus liest in den 1740er Jahren mehrfach am Akademischen Gymnasium in Hamburg ber biblische Antiquitten.82 Sein Vorlagetext sind Conrad Ikens Antiquitates hebraicae, ein seit 1732 oftmals aufgelegtes Lehrbuch.83 Gleich zu Beginn – zum § 4 der „Prolegomena“, in denen Iken John Spencer erwhnt hatte, weist Reimarus seine Schler auf den Forschungsstand zu Spencer hin. Der englische Orientalist war 1685 in De legibus hebraeorum ritualibus den mçglichen Grnden nachgegangen, aufgrund derer die Juden ihre vielen, oft bizarren Ritualgesetze aufgestellt hatten. Und er hatte vermutet, daß diese Gesetze teils eine Nachahmung, teils eine Umkehrung der lteren gyptischen Ritualgesetze waren, gegenber denen die Juden ihre eigene Kultur zu definieren hatten.84 Um dieses Buch kam man nicht herum, auch wenn in Hamburg – schon bei Wolf, wie wir beim Thema der Zabier gesehen haben – deutliche Reserven Spencer gegenber bestanden, denn die Auszeichnung der gyptischen Kultur als der lteren bedrohte den Primat der sakralen jdisch-christlichen Ordnung. Uns interessiert hier aber nicht so sehr, was Reimarus zu Spencer sagt, sondern wie er es sagt. Wie sahen solche Vorlesungen aus? In welchem 81 Zu Bacon vgl. Rossi 1974, Francesco Bacone; zur Historia literaria vgl. jetzt Grunert/ Vollhardt (Hrsg.) 2007, Historia literaria. Dort zu Bacon: Syndikus 2007, Die Anfnge der Historia literaria. 82 Ms. orient. 71 der Universittsbibliothek Rostock. Ich danke Ulrich Groetsch fr die großzgige berlassung seiner Kopie des Manuskripts. 83 Iken 1732, Antiquitates hebraicae. 84 Spencer 1685, De legibus; vgl. Assmann 1998, Moses der gypter, 86 – 117; Mulsow 2002, Moder-ne aus dem Untergrund, 85 ff.
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Verhltnis stehen sie zur Kultur der Exzerpte und Notizbcher, die wir kennengelernt haben? Hçren wir den Professor bei der Arbeit:85 „Spencers Hypothese ber den Ursprung der Riten der Hebrer hat nicht nur John Marsham gefallen, in seinem Canon chronicus von 1698 in Quarto“, teilt Reimarus seinen Schlern in sauberem Latein und mit peniblen Angaben mit, „sondern auch John Toland in den Origines Judaicae, Den Haag 1709 in Oktav“. Vielleicht ging ein leichtes Raunen durch die Bnke der Schler, denn Toland war als Freigeist verschrien. „Und schon vorher“, fhrt Reimarus fort, und eine kleine Prise Ironie mag in seiner Stimme liegen, „hat sie Maimonides im dritten Teil des More Nebuchim gefallen, in den Kapiteln 32 und 45.86 Abarbanel hat ihn dabei in Kapitel IV. seiner Leviticus-Einleitung gegen Nachmanides verteidigt, und er fhrt dabei auch Stellen aus dem Talmud und […] den Rabboth an, die diese Ansicht sttzen.“ Reimarus macht also seinen Schlern klar, daß Spencers Theorie keineswegs originr sei, sondern schon im jdischen Mittelalter diskutiert wurde, mit Bezgen, die weit ins frhe rabbinische Judentum zurckreichen. „Sie hat auch den christlichen Kirchenvtern gefallen, ber die man sich informieren kann bei Budde in der Historia ecclesiastica Veteris Testamenti Teil 1, Seite 668 ff., und bei Outram in De sacrificiis Kapitel 22, §. 1 und 2.“87 Die Schler schrieben eifrig mit. Ihr Professor war augenscheinlich dabei, Spencer historisch zu degradieren, wie man es auch im Fall eines „Spinozismus ante Spinozam“ oder „Manichaeismus ante Manichaeos“ machte, oder wie er selbst es in seinem Machiavellismus ante Machiavellum getan hatte.88 So neu waren diese 85 Ms. orient. 71, 4 f.: „Spenceri hypothesis de origine rituum Hebraeorum placuit non solum Joh. Marshamo in canone chronico, Londini 1698 in 4, sed et Joh. Tolando in origg. Judaicis, Hagae comit. 1709, 8, et dudum Maimonidi in More Nebuchim, parte III c. 32 et 45, quem vindicans contra Nachmanidem Abarbanel cap. IV exord. in Levit. etiam Talmudicis et Rabboth loca, huic sententia faventia, adducit. Placuit et patribus eccles. christiana, quos vide apud Buddeum in Hist. eccl. V. T. part. I pag. 668seqq. et Outramum, de sacrificiis cap. 22 § 1 et 2. De Jo. Spencero ejusq. hypothesi et adversariis cf. B. J. A. Fabricium in Bibliograph. antiq. cap. 15 § 3 et Jo. Fabricium in hist. biblioth. suae part. I p. 354sq. praecipue vero Christ. Matth. Pfaffium in fronte recentioris edit. libr. Spenceri de legibus Hebraeorum ritualibus. Contra hanc hypothesin in primis urgeri debet 1) antiquitas et institutio divina praecipuorum rituum, sabbathi, sacrificiorum, circumcisionis, aliorum plurimorum. Viguisse adeo apud Patriarchas ante Mosen demonstrare conatus sum in Disp. de ritibus Mosaicis ante Mosen.“ 86 Auf Spencers Anleihen bei Maimonides hatte schon Reimarus’ Lehrer Wolf mit gleichem Gestus hingewiesen. Vgl. Wolf 1707, Manichaeismus, 87. 87 Gemeint ist Outram 1677, De sacrificiis, eine gegen die Sozinianer gerichtete Schrift. 88 Budde 1701, De Spinozismo ante Spinozam; Reimarus 1729, De Machiavelismo ante Machiavellum.
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heißdiskutierten Neuerer gar nicht, vielmehr kalter Kaffee, und zugleich zeigte man ihnen noch, wer hier der historische Gebildete war und wer nicht. Das Geschft des echten Gelehrten war es in diesem Sinne, gngige Themen ‘tieferzulegen’, also ihre historische Tiefendimension aufzuzeigen, und dabei konnte es nur helfen, wenn man sich tief in die Tradition und in den Orient eingelesen hatte, wenn man seit Jahrzehnten Notizbcher fhrte, um arabische, talmudische, byzantinische, syrische, griechische, altpersische und alt-gyptische Wurzeln des Diskurses freilegen zu kçnnen. Aber Reimarus ist noch lngst nicht am Ende mit seinen bibliographischen Hinweisen: „ber John Spencer, seine Hypothese und ihre Gegner vergleiche man auch den seligen Johann Albert Fabricius in seiner Bibliotheca antiquaria, Kapitel 15, § 3, und Johann Fabricius [den Helmstedter Gelehrten, den die Hamburger Schler natrlich gut von ihrem Hamburger, erst krzlich verstorbenen Professor zu unterscheiden wußten] in der Historia bibliothecae suae Teil 1 Seite 354 ff., vor allem aber Christoph Matthus Pfaff am Anfang der Neuausgabe von Spencers Buch De legibus Habraeorum ritualibus.“ Der Tbinger Theologe Pfaff hatte nmlich 1732 eine ergnzte Neuauflage des Werkes vorgelegt und eingeleitet.89 „Gegen diese Hypothese,“ belehrt Reimarus seine Schler weiter, „muß man erstens besonders das Alter und die gçttliche Herkunft der wichtigsten Riten ins Feld fhren, des Sabbat, der Opfer, der Beschneidung und sehr vieler anderer Riten.“ Wir sehen: Eine Vorlesung am Hamburger Gymnasium war immer auch ein apologetisches Geschft, und auch wenn Reimarus zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr voll hinter dem christlichen Glauben stand, hatte er seine Zçg-linge mit Argumenten gegen die bedrohliche neuere Religionswissenschaft aus England zu munitionieren. Und er konnte das sogar aufgrund eigener Vorarbeiten tun, denn er hatte selbst 1741 eine Abhandlung De legibus Mosaicis ante Mosen publiziert, die sozusagen als „De Spencerianismo ante Spencerum“ zu lesen ist:90 „Daß [diese Riten] bereits bei den vormosaischen Patriarchen bestanden, habe ich in einer Disputation ber die Mosaischen Riten vor Moses zu zeigen versucht.“ Wenn wir nun solche Passagen mit Wolfs Notizbchern vergleichen, so fllt auf, daß der Vorlesungsunterricht sich letztlich nicht sehr von den Notizbchern unterscheidet. Auch hier: ein Navigieren durch die Literatur, 89 Spencer 1732, De legibus. Pfaff legte seiner Ausgabe die 1727 von Leonard Chappelow besorgte Edition zugrunde, die auf Spencers Manuskript basierte. 90 Reimarus (praes.)/Ziegra (resp.) 1741, De legibus Mosaicis ante Mosen cogitationes, vgl. bes. 4 f. zu Spencer.
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ein an-die-Hand-nehmen der Schler, die in die Welt der Bibel und ihres Orients eingefhrt werden. Die Schler wiederum schreiben mit, legen sich zu Hause sauber abgeschriebene Vorlesungsnotate an, die sich gegen ihre eigenen Exzerpthefte halten kçnnen und mit denen in der Hand sie durch die Bibliothek ihrer Schule, des Johanneums, navigieren kçnnen, um die genannten Stellen nachzuschlagen und ihre Kenntnis zu vertiefen. Der von Reimarus genannte Helmstedter Polyhistor Johannes Fabricius ist ja so weit gegangen, daß er seine ganze vielbndige Historie der Gelehrsamkeit als Beschreibung seiner eigenen Bibliothek angelegt hat, als nachforschendes Navigieren entlang der eigenen Bcherwnde. 8. Zirkulation Was sich uns darstellt, ist eine Welt der Zirkulation von Fakten. Philologie als Polymathie, als Wissensform von allem Gewußten,91 hat noch vor ihrer Funktion als Kritik und Interpretation in der exzerpierenden ‘inventio’ und in der Anordnung von kleinsten Wissenselementen ihre Basis. Bcher werden gelesen und exzerpiert, Lemma-Hefte werden angelegt, in denen die eroberten „small facts“ aufgezeichnet sind, die oft auch „strange facts“ sind, denn sie handeln von faszinierenden fernen Vergangenheiten im Osten, von Prophetinnen, Gçtzen und Pharaonen, aber auch von wilden und gewagten Hypothesen eines Isaac Vossius, eines John Spencer, eines Athanasius Kircher. Diese bibliographisch komprimierten und sublimierten „Tatsachen“ legen sich wie Jahresringe in den Notizheften bereinander – aber sie kçnnen jederzeit befreit werden, und ihr ambivalentes Potential kann jederzeit in „soziale Energie“ – um mit Greenblatt zu sprechen – umgesetzt werden.92 Diese Energie, wie zurckgehalten auch immer, kommt dann zum Ausdruck, wenn die Notizen in Vorlesungen verwandelt werden oder wenn sie sich in eigene Buchverçffentlichungen umsetzen. Dieser Transformationsprozeß kann ‘schwach’ oder ‘kalt’ sein, wenn kaum eine nderung zu den Notizen vorliegt, oder er kann ‘stark’ oder ‘heiß’ werden, wenn er sich in Argumente verdichtet oder gar in eigene gewagte Thesen ber den Orient. 91 Ich spiele an auf die Definition von August Boeckh: „Hiernach scheint die eigentliche Aufgabe der Philologie das Erkennen des vom menschlichen Geist Producirten, d. h. des Erkannten zu sein. Es wird berall von der Philologie als ein gegebenes Wissen voraus gesetzt, welches sie wiederzuerkennen hat.“ Boeckh [21886] 1966, Enzyklopdie und Methodenlehre, 10. 92 Vgl. Greenblatt 1993, Die Zirkulation sozialer Energie.
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Vor allem dann wird das Buch wieder der Ausgangspunkt fr neue Exzerpte, von anderen Lesern, und der Zirkulationsprozeß nimmt seinen Lauf. Vielleicht ist das Hamburg der Epoche zwischen Barock und Aufklrung das extremste Beispiel einer in sich zirkulierenden gelehrten Tatsachenkultur. So sehr das Umgehen mit Wissens-‘bytes’ charakteristisch fr die Historia-Kultur der Frhen Neuzeit berhaupt ist, so besonders ausgeprgt findet es sich doch im Hamburg der großen polyhistorischen Bibliographen. Ob diese Kultur in ihren Aneignungen und Reproduktionen als solche je in der Lage war, wirklich neues Wissen hervorzubringen – im Sinne eines Kuhnschen Paradigmenwandels – mçchte ich bezweifeln, doch diese schwierige Frage kann hier nicht Thema sein. Ich kann nur darauf hinweisen, daß bei Reimarus, der ja einen solchen Paradigmenwandel vollzog und vom Apologeten zum Offenbarungskritiker wurde, weit mehr nçtig war als nur eine interne Evolution seines orientalistischen Wissens. Es war die khle Rationalitt des Wolffianismus, und es war ein naturwissenschaftlich-technisches Kalkulieren, das ihm die Distanz vermittelte, die nçtig war, von außen auf die Hamburger Zirkulation zu schauen.93 Was Wolfs Manichismus-Buch angeht, so steckt es jedenfalls noch mitten in diesen Zirkulationen. Es besitzt zwar eine Grundthese und geht dementsprechend argumentierend vor, doch trieft es geradezu vor bibliographischem Charakter. Es ist – und man kann das ebenso positiv wie negativ sehen – ein Spiegel von Wolfs Notizheften, eine Aneinanderreihung von kurzen, ein- bis fnfseitigen Aufrissen der damaligen Wissenssituation zu Topoi der antiken Religionsgeschichte. Man kann das Buch geradezu als eine Serie von Lemmata lesen: zur Idolatrie (33 ff.), gypten (36 ff.), den Juden (40 ff.), den Chaldern (45 ff.), Zoroastriern (48 ff.), zur Feuerverehrung (50 ff.), den Magiern (55 ff.), den zwei Prinzipien (58 ff.), Mithras (62 ff.), dem Gott der gypter (71 ff.), den Zabiern (85 ff.) und so weiter. Insofern ist das Buch ein typisches Jugendwerk: Es stellt das enorme Wissen des Vierundzwanzigjhrigen aus, es zeigt seine Befhigung zur Aneignung grçßter Informationsmengen. Dieser Zug berlagert jede reifere Form der Auseinandersetzung mit der Sache, was schnell deutlich wird, wenn man das Buch mit Isaac de Beausobres gedankenvollerer spterer Histoire du Maniche et du Manicheisme vergleicht.94 Wolfs Buch ist dagegen einem anderen Werk viel nher, mit dem es sozusagen den Anlaß teilt: mit Mosheims ei93 Zu Reimarus vgl. Stemmer 1983, Weissagung und Kritik; Mulsow 2009b, Between Philology and Radical Enlightenment. 94 Beausobre 1734 und 1739, Histoire critique de Maniche et du Manicheisme; vgl. dazu Hfner 1996, Die Fsser des Zeus; Pott 2001, ‘Critica perennis’.
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genartiger und monumentaler Cudworth-bersetzung. Eigenartig ist Mosheims bersetzung, weil sie 10 % Text mit 90 % Anmerkungen berlagert, die zudem in ihrer Tendenz oft gegenlufig zu Cudworths Argumentation stehen.95 Mosheims Werk jedenfalls unterlegt Cudworths Text mit vielen Schichten zustzlicher Information, ganz wie Wolfs Notizhefte die aus Cudworth gezogenen Lemmata nach und nach mit zustzlichen Informationen bereichert hatten. Schlgt man bei Mosheim-Cudworth auf Seite 304 ff. unter „Apollonius Tyanaeus“nach, dann begegnen einem – wen wird es wundern – teilweise dieselben Namen wie in Wolfs Lemma-Eintrag in den Notizbchern (Abb. 11).96 Allerdings spricht der vierzigjhrige Mosheim aus einer viel reichhaltigeren philologischen Erfahrung als der junge Wolf (dem zumindest die ersten Schichten seiner Eintrge als Jugendprodukte zuzusprechen sind). Mosheim ußert beispielsweise betrchtliche Vorbehalte gegenber der Glaubwrdigkeit der Informationen, die Philostrat bermittelt.97 Wie dem auch sei: Die Informationsschichten, die an Cudworth angelagert werden, haben in ihrer bibliographie-nahen Zusammenballung den Charakter von eigenstndigen Gebilden, von komplexen Modulen, ja von impliziten Geschichten. Wie sehr diese Eintrge als implizite Geschichten, als gelehrte Module fungieren, zeigt auch ein letzter Blick auf eine NotizheftSeite, auf das Lemma „Metempsychosis“ (Abb. 12).98 Ich mçchte dabei auf die sthetische Qualitt zurckkommen, von der ich am Anfang gesprochen habe. Die Seite quillt ber von ihrer Flle aufgezeichneten Wissens, und es ist gerade die Gedrngtheit auf ein einziges Blatt, das diesem Wissen eine intrinsische Tendenz zur Ausdehnung gibt: Es ist Forschungsgeschichte auf einen Blick, Wissen, das expliziert und erzhlt werden will. Entscheidend ist dabei nicht zuletzt die Materialitt der Notizen-Aufzeichnung. Die Notizbcher sind ebenso wie die durchschossenen Exemplare Instrumente der Aneignung, hatte ich gesagt. Und ich hatte darauf hingewiesen, daß diese Aneignung im Kontext einer Faszinationsgeschichte zu sehen ist und vor dem Hintergrund der tiefen Ambivalenz, mit der der Orient die nordeuropischen Intellektuellen anzog und abstieß. Jetzt kann 95 Vgl. Hutton 1997, Classicism and Baroque; Baldi 1996, Confutazione e conferma. 96 Cudworth 1733, Systema intellectuale, 304 ff.; Cod. theol 2235, 71b.; Philostratus 2005, Apollonius of Tyana. Zu Apollonius von Tyana vgl. Dzielska 1986, Apollonius of Tyana. 97 Mosheim 1721, De existimatione. Dazu Mulsow 1997, Eine Rettung des Servet?, bes. 68 ff. 98 Cod. theol. 2235, 106b. Zum Thema der Metempsychose vgl. Zander 1999, Seelenwanderung.
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Abb. 11 Notizheft Bd. 3, Cod. 2235, S. 71b: „Apollonius Tyanaeus“.
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Abb. 12 Notizheft Bd. 3, Cod. 2235, S. 106 b: „Metempsychosis“.
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ich ergnzen: Sie sind auch Teil einer gelehrten Konsumkultur, eines materiellen Konsums an Wissen in Form von tausenden von angeschafften Bchern, Manuskripten und Antiquitten. Kulturelle Konsumption bildet Identitten aus, formt ‘Geschmack’ und lßt sich in Konversation und Statusmarkierung umsetzen.99 Das gilt auch fr die sehr spezielle Konsumption von Gelehrten des Schlages eines Fabricius oder Wolf. Sie sitzen inmitten ihrer zehntausende von Bchern und lassen deren Inhalte durch ihre Notizen wandern. Zuweilen kreuzen sich ihre Bcherwelten mit denen von Kollegen, mit denen eines Arpe, Winckler, Uffenbach, Morhof. Wenn sie, wie der junge Wolf, ein Buch produzieren, dann ist es zwar nicht „conspicious consumpion“, um mit Veblen zu reden, aber „conspicious production“.100 Die Faszinationsgeschichte des alten Orients ist eine Spur innerhalb dieser komplexen Konsum- und Kommunikationskultur, einer Aneignung im Vierschritt von Kaufen, Lesen, Exzerpieren und wieder in gelehrte Texte verwandeln.101 Dabei bleibt die Faszinationsgeschichte immanent in diesem Prozeß, den die Englnder und Amerikaner ‘bookish’ nennen: Reiseberichte oder gar eigene Reiseerfahrungen bleiben fast noch vçllig draußen. Das wird sich erst im Laufe des 18. Jahrhunderts ndern. Von ‘außen’ kommt nur der von der lutherischen Orthodoxie lancierte Impuls, gegen die gefhrlichen Schwrmer und ‘Fanatiker’ vorzugehen, indem man ihren ‘Irrtum’ geschichtlich seziert.102 Das gengt, um eine gelehrte Maschinerie am Laufen zu halten, die aus Bchern Bcher produziert und dabei Leistungen vollbringt, die uns noch heute staunen machen. Die soziale Energie ist tief in diese Zyklen der Zirkulation eingegraben, und selten kommt sie zum Vorschein: in polemischen Ausfllen, in Unanstndigkeiten oder in wahnwitzigen Thesen la Huet und Hardouin.103 Meist bleibt sie in den gekritzelten Marginalien versteckt und hlt die Zirkulation am Leben, gleichsam auf Betriebstemperatur. Fest steht jedenfalls eines: Die ber und ber mit winziger Tinte annotierten Bcher, die prallvoll mit Mikrogrammen versehenen Notizhefte sind eine Schlsselstation in diesem immanenten Vorgang. Die Reise in den Orient verlief ber das Bleistiftgebiet, das Robert 99 Zur Theorie kultureller Konsumption vgl. Brewer/Porter (Hrsg.) 1994, Consumption; Mulsow 1998a, Kulturkonsum. 100 Veblen 1899, The Theory of the Leisure Class. 101 Eine interessante Typologie von Aneignungen gibt Greenblatt 1993, Die Zirkulation sozialer Energie. 102 Vgl. Kaufmann 2003, Nahe Fremde; Lehmann-Brauns 2004, Weisheit in der Weltgeschichte. 103 Vgl. in diesem Sinne mein Buch 2007b, Die unanstndige Gelehrtenrepublik.
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Walser doch so viel Unbeschwertheit zurckschenkte, daß er daraus seine Romane zaubern konnte.
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Johannes Leusden: Onomasticum Sacrum (Wolfs Handexemplar) *602*. Abb. 2: Notizheft Bd. 1, Cod. philol. 409 *1029*. Abb. 3: Georg Matthias Kçnig: Bibliotheca vetus et nova (Wolfs Handexemplar) *1040*. Abb. 4: aus: Kçnig: Bibliotheca – eingelegte Zettel zu Le Clerc *1042*. Abb. 5: Notizheft Bd. 3, Cod. 2235, S. 74: „Aegyptii“ *1004*. Abb. 6: Notizheft Bd. 3, Cod. 2235, S. 72: „Sibyllina Oracula“ *616*. Abb. 7: Notizheft Bd. 3, Cod. 2235, S. 132: „Sibyllina Oracula“ *1027*. Abb. 8: aus: Kçnig: Bibliotheca – Eintrag zu „De libris Sibyllinis“ *575*. Abb. 9: Notizheft Bd. 3, Cod. 2235, S. 123: „Sabii“ *1019*. Abb. 10: Notizheft Bd. 3, Cod. 2235, S. 66: „Polytheismus“ *0999*. Abb. 11: Notizheft Bd. 3, Cod. 2235, S. 71b: „Apollonius Tyaneus“ *1003*. Abb. 12: Notizheft Bd. 3, Cod. 2235, S. 106b: „Metempsychosis“ *1016*.
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Author Index Abarbanel 379 Abelard 29 Abraham 259f., 350 Acciano 158 Achilles Tatius 124 Aelianus 119 Aelius Stilo Praeconinus 124 Affranius 168 Agricola, Rudolf 70, 172–174 Alberti, Leon Battista 44f. Albertus Magnus 243f. Aldobrandini, Thomaso 210, 213 Aleandro, Girolamo 185 Alembert, Jean Le Rond d’ 7, 39, 42, 50, 70 Alexander der Große 122f. Alexander Polyhistor 365 Algra, Keimpe A. 212f., 216, 218 Alkibiades 167 Allacci, Leone 204, 322 Ambrosius 120, 219 Amico, John d’ 37, 57, 82f., 86 Ammianus Marcellinus 150 Amort, Eusebius 71 Anaxarch 123 Andronikos von Rhodos 124 Apollodoros von Athen 124, 126 Apollonios Dyskolos 119, 123f. Apollonios von Tyana 357, 383f. Apollonios von Rhodos 200 Appolonios von Perge/Perga 58 Apuleius (Apule) 68, 112, 122, 149 Aratos 119, 121f., 124 Archimedes 285, 301 Aristarch von Samos (Aristarque) 199 Aristarch von Samothrake 37, 48, 89 Aristides 119, 121, 124, 129 Ariston 121 Aristophanes von Byzanz 48, 124, 145, 152, 154, 156
Aristoteles (Aristote) 14, 21, 24, 31f., 48, 52, 54, 56, 64, 120–123, 126, 165, 167f., 171, 175–177, 182, 192, 194, 199f., 219, 223f., 234, 236, 248, 254f., 317f., 321, 324, 326 Arius Didymos 124 Arnauld, Antoine 285 Arpe, Peter Friedrich 350, 368, 386 Artemidoros Kapiton 122, 124 Asklepiades von Myrlea 123f. skulap 95 Ateius 174 Athanasius 367 Athenaios (Athenaeus/Athne) 115, 119, 121, 124, 140–142, 144, 146, 148, 160, 210 Athenokles von Kyzikos 124 Augustinus (hl.) 28, 71, 82, 89, 119, 128, 150, 171, 186, 234f., 240, 245f., 252, 254, 259, 261, 326 Aulu-Gelle 122, 154 Ausonius 55 Averroes 236 Bacon, Francis 9, 11, 45, 58, 78, 85f., 89f., 177, 207, 252, 327, 329, 332–338, 348f., 378 Bailly 154 Bakcheios von Tanagra 124, 131 Barancy, M. de 209 Barbaro, Ermolao 44, 72, 79, 84, 86, 173 Barberini, Francesco (Kardinal) 181f., 195, 204 Barberini, Maffeo (siehe Urban VIII.) 187 Baronius, Victor 365 Barzizza, Gasparino 44, 78, 86 Basilius (Kaiser) 330
398
Author Index
Basnage, Jacques 292 Basson, Sbastien 220 Bayle, Pierre 7, 370 Beatus Rhenanus 36f., 57f., 63, 82, 86 Beausobres, Isaak de 382 Beauvais, Vinzenz von 325 Beauze, Nicolas 51 Beckmann, Isaak 208 Beda Venerabilis 260 Bdrot, Jacques 141 Bellarmin, Roberto 188, 235, 259f., 265 Bellarmino, Roberto 249, 259f., 265, 273 Bentley, Richard 365f. Bergson, Henri 8 Berman, Antoine 74f. Bernays, Jacob 53 Bernegger, Matthias 249 B roalde 66, 81 Berosus 365 Bessarion 141, 186 B ze, Thodore de 149 Bianchi, Lorenzo 22, 37f., 311 Billanovich, Giuseppe 167 Birt, Theodor 75 Bloch, Olivier 208, 218, 220f., 224 Blondel, David 361f. Blum, Rudolf 311f., 335, 338f. Blumenberg, Hans 9, 182f., 194 Boccaccio, Giovanni 27 Bochart, Samuel 364 Bodin, Jean 69, 319, 321 Boeckh, August 43, 47, 90, 112, 381 Boethius (Bo ce) 24f., 28, 174 Bçhme, Jakob 350, 370 Bollack, Jean 35, 53, 215 Bongars, Jacques 111 Borghini, V. 73 Bosco, Domenico 312–314, 316, 319–321, 325, 330 Bossuet, Jacques-Bnigne 286, 288, 293–296, 300–304 Boyle, Robert 10 Brahe, Tycho 273 Branca, Vittore 23f., 36, 47, 72, 82, 86f., 90, 95f.
Braun, Lucien 310, 317f., 386 Brundel, Barry 213 Bruni, Leonardo 76f., 177 Bruno, Giordano 5, 256 Brunschwig, Jaques 215 Caesar (Ccar) 95, 149 Calvin, Jean 250f., 254f., 264 Campagnolo, Matteo 147 Campanella, Tommaso 188, 191–195, 202, 222 Canter, Willem 59–62, 64, 69f., 134, 141, 157 Capella, Martianus 174, 210 Cappel, Louis 38, 84, 302 Cartaris, Vincenzo 187 Casaubon, Isaak 7, 13f., 17, 36, 75, 87, 111, 120, 139–160, 317, 365, 374 Cassian 262 Cassiodor 120, 125 Castellion, Sebastiano 319 Castiglione, Baldassare 38, 44 Cato der ltere 322 Catull 29 Card, Jean 159 Celsus 261 Certeau, Michel de 39, 72, 75f., 85, 90–93 Chalcidius 200 Chappelow, Leonard 380 Charron, Pierre [Charondas, Petrus] 320f. Chiesa, Paolo 74f., 273 Christian IV. 112 Christianus, Florens 158 Christopherus, Johannes 355 Chrysipp 263 Chrysostomos, Johannes 262 Cicero (Cicron) 29, 31, 46, 56, 83f., 86, 115, 119, 151f., 154, 174, 210, 213, 216, 260, 263, 325f., 330 Ciceronis, Philippicas 83 Cimhi, David 149 Clauberg, Johann 245f., 250 Claude 285 Clave, Etienne de 221
Author Index
Clemens von Alexandria 120, 262, 362 Cluver, Philipp 184f. Cobet, Carel Gabriel 36, 87 Coke, Edward 89 Collomp, Paul 66, 75 Colomi s, Paul 310 Colvius, Petrus 112 Commelin, Jrme 142 Commelinuis, Hieronymus (Commelin, Jrme) 142 Conring, Hermann 17, 334–336 Conti, Nol de 141, 235, 325 Corner, Giovanni 79 Crat s de Mallos 48, 123f. Crusius, Otto 78, 85, 94 Cudworth, Ralph 17, 345, 357f., 360f., 366f., 369f., 374, 376, 383 Cujas 156 Cusanus, Nicolaus 182 Dacie, Bo ce de 49 Dacie, Simon de 49 Dalchamps, Jacques 141 Daneloni 23 Daniel, Pierre 111, 235 Danneberg, Lutz Dannhauer, Johann Conrad 245 Dante Alighieri 5, 27, 44 Darmarius 144 Daston, Lorraine 348f. David 251 Deitz, Luc 111–113, 116f., 120, 348 Deleuze, Gilles 41, 46 Demetrius von Phaleron 123 Demokrit (Dmocrite) 199, 219f. Demosthenes (Dmosth ne) 152 Denys le Thrace (Dionysios Thrax) 48, 115 Deprun, Jean 216 Desbordes, FranÅoise 48, 59, 64, 89 Descartes, Ren 2, 30, 45, 69, 95, 227, 255, 286, 303 Desrousseaux, Alexander-Marie 141 Devaux, Michael 58 Diderot, Denis 7, 50, 75f. Didymos 124 Dilthey, Wilhelm 8
399
Dio Chrysostomos 119 Diodoros von Tarsos 124 Diogenes Laertius (Diog ne Larce) 15, 207–209, 211f., 214, 217, 223 Diomedes (Diom de) 48, 114 Dioskurides der Jngere 124 Donat 44, 152, 154 Dorat, Claude-Joseph 150 Drexel, Jeremias 353, 356, 370 Droysen, Johann Gustav 8 Du Chesne, Joseph 221 Dubuffet, Jean 41 Dufresnoy, Charles-Alphonse 40 Dupleix, Simon 50, 55 Dupuy, Claude 56, 185, 213f., 313 Duret, Louis 56 Durkheim, David mile 72, 75f., 90 Edzardi 348, 360 Egio, Benedetto 141 Elmenhorst, Geverhart 111 Empedokles (Empdocle) 149 Ennius, Quintus 28, 121f. Epicharmos 121 Epikur 15, 207–212, 215–218, 220–222, 224, 227 Epiphanios von Salamis 120 Erasmus, Desiderius (Erasme) 61, 184, 250, 253 Eratosthenes von Kyrene (ratosth ne) 48, 123, 126 Erotian 119, 123 Estienne, Henri 39, 141–144, 146, 149, 158, 213 Eudoros von Alexandria 121 Eunapios 119 Euripides (Euripide) 149 Eusebius von Ceasareia 120, 132f., 364f. Eustathios (Eusthate) 143 Fabricius, Johann Andreas/Albert 339, 348, 350, 360, 362, 364, 368, 378, 380f., 386 Fabrot, Charles-Annibal 213 Facio, Bartolomeo 25, 85 Feltre, Vittorino de 44 Ferdinand von Aragonien 168
400
Author Index
Ferri res, Loup de 37 Festus 55 Fichte, Johann Gottlieb 43 Ficin, Marsile 47, 182f. Fischart, Johann 110 Flacius Illyricus, Mathias 6 Floyer, John 367–369 Fludd, Robert 222 Foglietta, Uberto 170 Foscarini, Paolo Antonio 234f., 255 Foucault, Michel 159 Friedrich von Wrttemberg (Herzog) 266 Frischlin, Nicodemus 50, 55 Froben, Jrme 212f. Gaffarel, Jacques 313 Galen (Galien) 130–132, 134 Galez, Pierre 141 Galilei, Galileo 2, 9f., 15f., 42, 45, 89, 181–184, 186–188, 192–195, 199f., 203f., 231–237, 245, 248f., 253, 255–261, 264–267, 269–273 Garin, Eugenio 56, 183 Gassendi, Pierre 14f., 207–227 Gataker, Thomas 370 Gautier de la Valette 208 Gerhard, Johann 259f. Gesner, Conrad 141, 339 Giard, Luce 54, 63, 72 Gifanus (van Giffen) 213 Gladov, Friedrich 314, 335 Glaukias 124, 131 Goeze, Johann Melchior 348 Goorle, David van 220 Goyet, Francis 145, 150 Grafton, Anthony 3, 6, 10, 23, 35f., 43, 45, 47, 54–57, 59–61, 63f., 66f., 71, 85, 87f., 94, 111, 117, 120, 122, 139, 158, 195, 207, 348, 365 Grassi, Orazio 181, 194 Greenblatt, Stephen 373, 381, 386 Grgoires, Pierre [Tholosanus, Gregorius] 320 Gregor I., der Große 262 Gregor von Nyssa (Grgoire de Nysse) 291
Gregor XIII 192 Gregor XV. 188 Groetsch, Ulrich 378 Gronovius, Jacob 113 Grotius, Hugo 182, 296, 302 Grbl, Klaus 21 Guarino, Battista von Verona 44, 49, 79f., 86, 171 Guido del Bagno, Gianfrancesco(Di Bagni) 313 Guillerm, Luce 74 Guttari, Serge 41, 46 Hadrian (Kaiser) 364 Haegecius, Thaddaeus 273 Hfner Ralph 14, 361 Hall, Frederick W. 35, 94, 374 Hardouin, Jean 85, 386 Harpokration 119 Harvey, Gabriel 348 Harvey, William 232 Heidegger, Martin 8 Heinsius, Daniel 158 Hekataios von Abdera 123, 126 Herakeides Pontikos 199 Herbelot, Barthlemy 374 Herlin, Christian 141 Herodikos 120 Hesiod 263 Hsychius 154 Heumann, Christoph August 40, 71, 87, 94, 339 Heyne, Christian Gottlob 43 Hieronymus, Sophronius Eusebius 119, 124, 132f. Hinckelmann, Abraham 348, 350, 370, 374 Hipparch 123, 326 Hippokrates (Hippocrate) 55f., 121, 124, 130f., 220 Hippolyte 86 Hirai, Hiro 221f., 224 Hobbes, Thomas 8, 11, 58 Hoeschel, David 141f. Holstenius, Lucas 14, 181f., 184–186, 189, 195, 198–200, 202–204, 213, 334 Homer 116, 121–123, 360
Author Index
Horaz 44, 143, 155, 321, 335 Hottinger 374 Huet, Pierre-Daniel 95, 226, 370, 374, 386 Hurault, Andr 141f. Hyde, Thomas 362, 364, 370 Hygin 37 Iken, Conrad 378 Ingoli, Francesco 235 Irenaeus von Lyon 120, 132f. Jahn, Otto 26 Jakob 259f. Japhet 367 Jardine, Lisa 3, 267, 348 Jaumann, Herbert 2f., 38, 47, 54, 59–61, 63f., 66, 69, 71, 85f., 112f., 116–118, 121, 309, 311 Jehasse, Jean 39, 47, 54, 63, 71 Jeremias 144 Jesus 132, 349 Jçcher, Christian Gottlieb 351 Johann Adolf (Herzog) 111 Johannes Paul II. (Papst) 235 Johannes Stobaios 199 Josephus 365 Jungius, Joachim 349, 353 Kahler, Erich von 43 Kalinowski, Isabelle 42f. Kallimachos von Kyrene 166 Kallisthenes 123 Kant, Immanuel 7f., 11, 57, 72, 85, 303, 310 Kayser, Karl Ludwig 5 Kedrenos, Georgios 119 Kenney, Edward J. 35–38, 55, 59f., 62–65, 67, 69, 71, 75, 82, 84, 90, 139 Kepler, Johannes 10, 189, 193, 231, 234, 245, 249, 255f., 259, 265f. Keßler, Eckhardt 1, 3, 14, 49, 75 Kircher, Athanasius 370, 376, 381 Kirchmaier, Georg Wilhelm 362 Kçnig, Georg Matthias 112, 168, 202f., 351, 366, 369, 387
401
Kopernikus, Nikolaus 193, 249, 256, 265f. Koselleck, Reinhart 57, 63 Koyr, Alexandre 42 Krates von Mallos (Crat s de Mallos) 48, 123f. 126 La Brosse, Guy de 221 Lachmann, Karl 25f., 226 Laktanz (Lactance) 350 Lambeck, Peter (Lambecius) 17, 318, 334, 336 Lambin, Denys 143, 213 Landais, Jean-Paul 35 Landi, Stefano 190 Landino, Cristoforo 5 Lansberghe, Philipp 195, 200, 203 Laplanche, FranÅois 38f., 63, 84, 300, 302 Lardet, Pierre 12f., 144 Laubrussel, Ignace de 70 Le Brun, Jacques 294 Le Clerc, Jean 7, 11, 13, 16, 47, 57, 59–62, 69–71, 84, 95, 285–289, 292, 294–304, 353, 355, 361f., 367, 370, 374, 387 Lebensztejn, Jean-Claude 73 Lect, Jacques 125, 150 Leibniz, Gottfried Wilhelm 55, 58 Leonardo da Vinci (Lonard de Vinci) 49, 73 Leoniceno, Niccol (Leoniceno, Nicolao) 79f., 172f., 176 Lerner, Michel-Pierre 188, 235 Lry, Jean de 92 Leusden, Johannes 346f. Leyser, Polycarb 338 Libanios 345 Lipsius, Justus (Lipse, Juste) 35f., 38, 47, 64, 71, 78, 94, 111, 149, 156, 357 Livius, Titus (Tite-Live) 25, 72, 85, 167 Locke, John 299 Lohr, Charles H. 54, 174, 177 Long, Antony A. 143, 155, 212, 215f., 224, 248, 318, 322, 334f. Longinos 124, 126
402
Author Index
Lçscher, Valentin Ernst 360 Luillier 213 Lukianos von Antiocheia 124, 128f. Lukrez (Lucr ce) 210, 213, 216, 224 Luna, James 13, 91–94, 255 Luther, Martin 6, 238, 240, 242, 246f., 253, 255 Lycophron 149, 158 Lykurg 123 Macrobius, Ambrosius Theodosius 174 Magnard, Pierre 286, 293 Magnen, Jean-Chrysostome 219 Magnien, Michel 56, 80 Maimonides, Moses 373, 379 Malalas, Johannes 365f. Mandeville, Bernard 373 Mandrou, Robert 45 Manilius, Marcus 55, 87 Manuce, Alde 49 Marcellinus, Ammianus 149 Marcovich, Miroslav 214f., 217 Marcus Antonius 370 Mariani Zini, Fosca 3, 12, 21, 26f., 29, 36, 47, 52, 66, 83, 95, 174 Maro, Ennianis 158 Mstlin, Michael 249 Maternus, Firmicus 112 Matthus (Matthieu) 154 Matthes, Elke 345 Maurolico, Francesco 58 Meibom, Heinrich 211 Melanchthon, Philipp 40, 69 Mnage, Gilles 212, 215, 217f. Mercuriale, Girolamo 40 Mersennes, Marin 332 Merula, Paul 71 Mesmes, Henri de 56, 311, 313 Michelangelo 44, 73 Mill, John 43, 185, 366 Milner, Jean-Claude 41f. Minucius, Felix 112 Mohammed 349, 374 Montaigne, Michal de 46f., 321 Morhof, Daniel Georg 337, 369, 386 Morin, Jean 290f.
Moses (Mose) 128, 254f., 318f., 338, 349, 374, 378, 380 Mosheim, Johann Lorenz 369, 382f. Mller, Jan-Dirk 6 Mund-Dopchie, Monique 139, 158 Muret, Marc-Antoine 88, 94 Musurus, Marcus 141 Mylaeus 64, 92, 213, 302, 314, 338 Nachmanides 379 Nanni, Giovanni 365 Naud, Gabriel 16f., 309–339 Nehring, Johann Christian 362 Nelles, Paul 311f., 332, 338 Newton, Isaak 3, 10, 367 Niccoli, Niccol 84 Nicole, Pierre 285f., 292, 301 Nietzsche, Friedrich 304 Nikolaus von Lyra 240 Novalis 41 Nutton, Vivian 45 Octavius Lampadio 124 Oresme, Nikolaus v. 255f. Origines 61, 133, 379 Outram, William 379 Ovid 189 Pamphilos 123f., 126 Panormita, Antonio 25, 85 Paracelsus 219, 222 Parthenius, Bartholomeus 149 Pascal, Blaise 286 Pasquali, Giorgio 26, 74f. Pasquier, Etienne 63 Patin, Guy 309 Patrizi, Francesco 54, 170 Paulus von Tarsus 75, 242, 250f., 295, 299 Pausanias 174 Peiresc, Claude-Nicolas Fabri de 185, 208f. Peisistratos 123 Pellegrin, Pierre 215 Perizonius, Jakob 365 Perotti, Niccol 49, 170 Perrot, Charles 145 Petitmengin, Pierre 112
Author Index
Petrarca, Franceco 25, 27, 167f., 170f. Petrarca, Gerhard 170 Petronius 111f. Peucer, Caspar 273 Pfaff, Christoph Matthus 380 Pfeiffer, Rudolf 47, 122, 131, 165–167 Philitas von Kos 123, 126 Philo von Alexandrien 28, 120 Philostrat 383 Pignoria, Lorenzo 187 Pintard, Ren 186, 212, 220 Piqu, Nicolas 16 Pitassi, Maria Cristina 47, 59, 61, 63, 84, 95, 298f. Pithou, FranÅois 111 Placcius, Vincentius 348–351, 353 Platon 46, 48, 71, 90, 119, 121, 126, 152, 183, 186, 199–203, 317f., 321, 324, 370 Plautus (Plaute) 68, 83, 122 Plinius der ltere (Pline l’Ancien) 2, 50f., 58, 72, 79, 81, 86, 119, 122, 156, 173f. Plutarch 119, 122, 149, 152, 154, 189, 199, 201–203, 210, 216, 321, 376 Poggio, Gianfrancesco Bracciolini 83f. Polansdorf, Amandus Polanus v. 251 Polion Grammatikos 123, 126 Poliziano, Angelo (Politien) 2, 12f., 21, 23f., 26, 28f., 31f., 36, 47, 52, 66, 72, 82, 86f., 90, 95f., 116, 167, 174 Polybius 147, 150 Polyen 144 Pomponazzi, Pietro 175f. Pontormo, Jacopo da 73 Porphyrios 119, 187 Porzio, Simona 175f. Poseidonios 124 Poussin, Nicolas 189, 203 Proklos (Proclus) 14, 189f., 199f. Ptolemaios von Askalon 123f. Ptolemus 254, 266
403
Quintilian (Quintilien) 24, 31, 49, 115, 210, 263 Rambach, Johann Jacob 268, 302 Ramus, Petrus (Rame, Pierre de la) 54, 70, 317 Raphelengius, Franciscus 111 Rave, Christian 364 Redondi, Pietro 181, 194 Regoliosi, Mariangela 25, 77, 83, 85 Reimarus, Hermann Samuel 348, 378–382 Reimmann, Jakob Friedrich 349f. Renan, Ernest 373 Reuchlin, Johann 40 Rey, Andr-Louis 91, 147 Richelieu, Armand-Jean I. du Plessis de 313 Rigault, Nicolas 213 Rittershausen, Konrad 94 Rizzo, Silvia 21, 23, 26, 36f., 72, 77–84, 86–89, 96 Robertet, Jean 366 Robortello, Francesco 59–62, 69–71, 85f., 134 Rossi, Luigi 190, 202, 378 Rudolf II. 111 Rufin, Jean-Christophe 133 Rufinus von Aquileia 120 Rychner, Max 345 Sacchi, Andrea 188, 191, 203 Sacchini, Francesco 150 Sacy, Silvestre de 373 Said, Edward 373 Saint-Victor, Hugues de (Sankt Viktor, Hugo von) 49, 243 Sallust 356 Salutati, Coluccio 85f., 172, 175 Sanctius, Franciscus 50, 55, 57 Scaglione, Aldo 52, 115 Scaliger, Joseph Justus 13, 23, 35–37, 39, 43, 47, 50–57, 63–68, 71, 73, 75, 80, 86–89, 95, 111, 116, 120, 122, 139, 141, 144, 149f., 156, 158, 195, 370 Scaliger, Julius Caesar 12, 49, 55, 80, 89
404
Author Index
Scheurl, Heinrich Julius 335f. Schlegel, Friedrich 41 Schmeitzel, Kaspar 109f., 117, 133 Schmeitzel, Martin 109 Schmitt, Charles 54, 177 Schoppe, Kaspar 36f., 50, 52f., 55, 57–71, 89, 94, 117, 134 Schott, Andreas 141 Schurtzfleisch, Konrad Samuel 362 Scott, John Beldon 188 Scriverius, Petrus 47 Seleukos Homerikos 124, 126, 199, 201 Seneca (Sn que) 46, 91, 115, 150, 171, 321 Senesi, Bernardi Ochini 180 Sennert, Daniel 219 Servet, Michel 241, 383 Severinus 221f. Sextus Empiricus 115, 210 Shapiro, Barbara 348f. Sidonius Appolinaris 112 Siger de Courtai 49 Simon, Richard 7, 16, 38, 49, 70, 175, 239, 285–296, 298, 300–304, 374 Sokrates 317, 321 Soncino, Giovanni da 49 Sosio, Libero 184 Spanheim, Ezechiel 70, 293, 302 Spencer, John 370, 374, 378–381 Speroni, Sperone 28, 170, 180 Spinoza, Baruch de 8, 11, 58, 94, 379 Stein, Markus 75, 109 Steiner, George 75 Stellatos, Marcello Palingenio 356 Strabon 146 Struve, Burkhard Gotthelf 338 Sueton (Sutone) 82, 86, 115, 119, 123f., 150 Swerdlow, Noel 45 Tac, Pablo 91f. Tacitus, Cornelius 331f. Tavoni, Mirko 27 Telesio, Bernardino 54, 177, 222 Terentius Varro 124 Tertullian (Tertullien) 89, 112, 120, 150, 270
Theophrast (Thophraste) 121, 150, 202 Theophylaktos von Achrida 119, 121, 128 Thomas von Aquin 194, 240, 242f., 254 Thomasius, Jacob 113 Thrasyllos 124 Thucydides (Thucydide) 149 Timaios von Lokroi 200f. Titus Liviua 72, 85 Toland, John 358, 368, 379 Tomeo, Leonico 80 Toussain, Jacques 158 Traversari, Ambrogio 15, 80f., 213 Troeltsch, Ernst 43, 304 Tyrannion der Jngere 123f., 126 Tyro Tullius 174 Tzetz s, Jean 156 Uffenbach 368, 386 Ulrich Engelbert von Straßburg [Ulricus de Argentia] 244 Unger, Christian Theophil 351 Urban VIII., 188f., 192f. Usener, Hermann 5, 90, 217f. Valerius Probus 124 Valesius, Henricus (Henri de Valois) 364 Valette, Gautier de la 208 Valla, Giogio 2, 24f., 27–29, 32, 61, 66, 70, 72, 74, 77, 81, 83, 85, 144, 168–170, 172f. Valla, Lorenzo 12, 24, 44, 168f., 172 Varchi, Benedetto 44f., 50, 55, 73 Varro 48, 55, 86, 88f., 114, 119, 124 Vasari, Giorgio 73 Veblen, Thorstein 386 Venetus, Paulus 24 Vergil 21, 28, 56, 115, 185, 321 Veroli, Sulpilzio da 49 Vertunien, FranÅois 47, 56 Vesal, Andreas 232 Vettori, Pier 87f., 177 Victorinus, Marius 114f. Vives, Juan Luis 173f. Vogler, Valentin Heinrich 17, 336f.
Author Index
Volterranus, Raffaele Maffei 174 Vossius, Gerhard Johannes 49f., 95, 112f., 116f., 348, 357, 365, 367–370, 381 Vulcanius, Bonaventura 111 Wahl, Johann Salomo 367 Wallis, John 58 Walser, Robert 345, 387 Walton, Brian 291 Weber, Max 42–44, 76f., 85 Welser, Marc 141 Werner, Michael 39, 90 Whiston, William 367–369 Windelband, Wilhelm 11 Wittich, Christoph 250, 267
405
Wolf, Gaspar 17, 43, 141, 345f., 348–351, 353, 356–358, 360–362, 364–370, 372–374, 376, 378–380, 382f., 386f. Wolf, Johann Christoph 7, 17, 345f., 350, 366, 368, 370 Wolff, Christian 90f. Wower, Johannes 13, 47, 109–134, 348 Xenophon 317 York 8 Zenodotos (Zenodote) 123f., 126 Zenon (Znon) 47 Zeuxis 124, 131