Martina Weinrich 5 Seit 2010 Weiterbildungsstudium »Klinische Linguistik« MSc in Salzburg 5 Fortbildungsangebote zur Therapie phonologischer Störungen 5 Zertifikat Hochschullehre Bayern 5 Ausbildung in Systemischer Supervision/Praxisanleitung 5 Mitarbeit am bayerischen Lehrplan für die Ausbildung an Berufsfachschulen für Logopädie 5 Mitaufbau der Berufsfachschule für Logopädie in Regensburg 5 Seit 1996 Lehrlogopädin an der Staatlichen Berufsfachschule für Logopädie am Universitätsklinikum Regensburg im Fachbereich Kindersprache 5 Mehrjährige Berufstätigkeit in Sondereinrichtungen und logopädischen Praxen mit dem Schwerpunkt »Kindliche Sprachentwicklungsstörungen« 5 Ausbildung zur Logopädin in Erlangen
Heidrun Zehner 5 Seit 2008 berufsbegleitendes Studium »BA Bildungswissenschaft« in Hagen 5 Fortbildungsangebote zur Bewegungsunterstützten Lautanbahnung und Phonologietherapie 5 Mitgründerin des Fortbildungsinstituts FIdEL 5 Ausbildung in Systemischer Supervision/Praxisanleitung 5 Fortbildungen u.a. in Motopädagogik 5 Seit 1993 Lehrlogopädin an der Staatlichen Berufsfachschule für Logopädie an der Universität Erlangen-Nürnberg im Fachbereich Kindersprache 5 Mehrjährige Tätigkeit in einer logopädischen Praxis und einem Sprachheilkindergarten 5 Ausbildung zur Logopädin in Erlangen 5 Studium der evangelischen Theologie in Göttingen und Hamburg
Monika Maria Thiel, M.A. Herausgeberin seit 2000, Gesamtkonzeption der Reihe »Praxiswissen Logopädie«
© by Meinen Fotografie München
5 Inhaberin von Creative Dialogue e.K. (Kommunikations- und HR- Beratung, Coaching, Konfliktmanagement, Teamentwicklung), München 5 Train the Trainer-Qualifizierung 5 Ausbildung in Collaborative Practice/Law 5 Weiterbildung zur Wirtschaftsmediatorin 5 Studium der Psycholinguistik, Arbeits- und Organisationspsychologie und Interkulturellen Kommunikation, LMU München 5 Lehrlogopädin und Leitende Lehrlogopädin, Staatliche Berufsfachschule für Logopädie an der LMU, München 5 Ausbildung in Systemischer Supervision/Praxisanleitung 5 Logopädin (Klinik, Forschung, Lehre), Bremerhaven, Frankfurt am Main, New York 5 Ausbildung zur Logopädin, Köln 5 Studium der Theologie, Tübingen und Münster
Caroline Frauer, (geb. Ewerbeck), M.A. Herausgeberin der Reihe »Praxiswissen Logopädie« seit 2006 5 Studium der Psycholinguistik, Arbeits- und Organisationspsychologie und spanischer Literaturwissenschaft, LMU München 5 Zusatzqualifikation: Kommunikationstechnik 5 Trainerin im Bereich Kommunikation und Rhetorik 5 Selbstständige Tätigkeit als Logopädin, München, Stuttgart 5 Ausbildung zur Logopädin, München
Praxiswissen Logopädie Herausgegeben von Monika Maria Thiel und Caroline Frauer
Martina Weinrich Heidrun Zehner
Phonetische und phonologische Störungen bei Kindern Aussprachetherapie in Bewegung 4. Auflage Mit einem Geleitwort von Dr. Ulrike Wohlleben Mit 18 Abbildungen und 9 Tabellen
13
Martina Weinrich
Monika Maria Thiel
Staatliche Berufsfachschule für Logopädie am Universitätsklinikum Regensburg 93042 Regensburg e-mail:
[email protected]
Creative Dialogue e. K. Frundsbergstraße 2 80634 München e-mail:
[email protected] URL: www.creativedialogue.de
Heidrun Zehner Staatliche Berufsfachschule für Logopädie Waldstr. 14 91054 Erlangen e-mail:
[email protected]
Caroline Frauer Maximilian-Wetzger-Str. 9 80636 München e-mail:
[email protected]
Cartoons in diesem Buch: Abb. 1.2, 1.5, 5.1, 6.3 und 6.8 Calvin and Hobbes © Watterson. Reprinted with permission of niversal Press Syndicate. All rights reserved. Abb. 3.1, 6.1, 6.4, 6.5 und 6.6 Haiopeis Cartoons (©) Lappan Verlag GmbH
Ê Sagen Sie uns Ihre Meinung zum Buch: www. Springer.de/978-3-642-2 ISBN-13 978-3-642-2
27-4
27-4 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. SpringerMedizin Springer-Verlag GmbH ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2003, 2005, 2008, 2011 Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Planung: Marga Botsch, Heidelberg Projektmanagement: Heidemarie Wolter, Heidelberg Umschlaggestaltung: deblik Berlin Satz: medionet Publishing Services Ltd., Berlin SPIN: 80026331 Gedruckt auf säurefreiem Papier
22/2122 – 5 4 3 2 1 0
VII
Geleitwort Die Reihe »Praxiswissen Logopädie« ist mit dem vorliegenden Buch um einen Band reicher geworden, der mit seinem Inhalt einen wichtigen Beitrag für den Alltag jeder im Bereich Kindersprache tätigen KollegIn leistet. Als Logopädin mit vielen Jahren praktischer Erfahrung in diesem Bereich und als Linguistin mit dem Anspruch, diese Tätigkeit auf ein solides theoriegeleitetes Fundament stellen zu können, empfinde ich vor allem die Verknüpfung von kurzgefassten Ausführungen zu den schwierigen und Bände füllenden Themen Phonetik und Phonologie mit gründlichen Überlegungen zu Diagnostik und möglichen Therapieansätzen für Kinder mit Artikulationsstörungen als sehr hilfreich. Durch den reichen Fundus an ausführlich beschriebenen Spielideen ist eine einfache Umsetzung in die Praxis gewährleistet. Das Kapitel 4.2. »Das Konzept der bewegungsunterstützten Lautanbahnung« bereitet mir besondere Freude, weil nun erstmals schriftlich fixiert ist, was an der Erlanger Berufsfachschule für Logopädie seit ca. 30 Jahren gelehrt wird. Diesem Thema habe ich viel Aufmerksamkeit gewidmet, als Studierende wie auch später als Lehrlogopädin an dieser Lehranstalt und jetzt in frei praktizierender Tätigkeit. Die Erfahrung zeigt, dass Lautanbahnung mit Hilfe ganzkörperlicher Spannungsregulierung und Bewegung in vielen Fällen eine entscheidende Hilfestellung für einen indirekten und spielerisch aufgebauten therapeutischen Ansatz vor allem für Kinder mit phonetischen Artikulationsstörungen bedeutet, die mitunter auch von besonderen Beeinträchtigungen, z. B. Spaltfehlbildungen betroffen sind. Die Darstellung dieser Möglichkeit, Kindern in ganzheitlicher und ihrem sensomotorischen Entwicklungsstand angemessener Weise einen Weg für den Erwerb eines korrekten Lautinventars zu bahnen, fehlt seit langem in der entsprechenden Literatur. Dass diese Lücke nun durch zwei meiner ehemaligen Studierenden geschlossen wurde, erfüllt mich nicht nur persönlich mit Stolz, sondern entspricht vor allem meiner Überzeugung, dass neben allen anderen beschriebenen therapeutischen Ansätzen dieses »Erlanger Kleinod« seinen angemessenen Platz in der logopädischen Ausbildung und Ausübung gefunden hat. Dr. Ulrike Wohlleben
Erlangen, im April 2003
IX
Vorwort zur vierten Auflage »Was ist das: Liegt am Strand und hat einen Sprachfehler? Eine Nuschel.« Nachdem Aussprachestörungen nun auch in den humoristischen Bereich Einzug gehalten haben, scheint die Zeit reif für eine neue Auflage. Wieder sind viele Monate ins Land gezogen, in denen sich die Therapie von Aussprachestörungen weiterentwickelt hat. Wir haben das Vergnügen, unseren Leserinnen und Lesern eine vierte aktualisierte und überarbeitete Auflage präsentieren zu dürfen. Wir freuen uns über das unverändert große Interesse an unserm Buch »Phonetische und phonologische Störungen bei Kindern«! In dieser Auflage haben wir das Kapitel zur Sprachverarbeitung (7 Kap. 1.2.3) nochmals aktualisiert und stark erweitert, hier werden nun zwei Wortverarbeitungsmodelle genauer vorgestellt und vertieft, die Unterschiede zwischen den Modellen werden verdeutlicht. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die Therapie der Aussprachestörungen zunehmend an Sprachverarbeitungsmodellen orientiert. Zur ICF und ihrer Übertragung auf die phonetisch-phonologische Therapie haben wir die aktuelle Diskussion zusammengefasst (7 Kap. 5.1.2) und neueste Erkenntnisse zur Kodierung von Aussprachestörungen durch »Cores« skizziert. Ein weiteres Kapitel (7 Kap. 5.2.2) widmet sich den Überlegungen zur Evidenzbasierung im phonetisch-phonologischen Bereich. Hier sind grundsätzliche Gedanken zum evidenzbasierten Vorgehen sowie Möglichkeiten der Übertragung auf den Bereich der Aussprachestörungen aufgenommen worden. Ganz neu ist die Erweiterung der Druckausgabe unseres Buches um einen umfassenden Download-Bereich. Alle Untersuchungsbögen und Materialtipps aus dem Inneren des Buches haben hier eine zusätzliche Bleibe gefunden. Dadurch haben Sie die Möglichkeit, sich thematisch geordnet über Spiel- und Übungsmaterialien im Überblick und auf dem aktuellsten Stand zu informieren. Zudem sind im Downloadbereich alle Bezugsquellen der im Buch vorgestellten Materialien aufgeführt. Nun können Sie mit Ihrem Zugangspasswort von überall aus auf Untersuchungs- oder Anamnesebögen, Materialhinweise sowie Bezugsquellen zugreifen. Zum Downloadbereich kommen Sie über den Link www.springer.com/978-3-642-17632-6, dort klicken Sie auf Online Specials - et voilà! Wie immer haben wir fachliche Neuerungen aufgegriffen, unsere Literaturliste aktualisiert und erweitert und Aktualisierungen bei den Testverfahren berücksichtigt. Die Zeit war nicht nur reif für eine neue Auflage, sondern auch für einen Abschied vom nicht mehr eindeutigen Begriff »Dyslalie«. Wir ersetzen diesen nun passender durch Aussprachestörungen oder phonetisch-phonologische Störungen - doch sehen Sie selbst... Zum Schluss ist es uns ein Anliegen, all denen Danke zu sagen, die uns auch in dieser neuen Auflage wieder unterstützt haben, das gilt für unser privates Umfeld, hier unsere Familien und Freunde (freundliche Worte und warmes Essen sowie technischer Support in Krisenzeiten!) und in besonderer Weise unserer Herausgeberin Monika Maria Thiel, die in einem wunderbar gestalteten konzeptionellen Treffen durch köstliches Essen und fachlichen Austausch (man beachte die Reihenfolge!!) in nicht zu unterschätzendem Ausmaß unsere geistigen Höhenflüge unterstützt hat. Danke an Euch alle! Regensburg und Erlangen im Januar 2011 Martina Weinrich und Heidrun Zehner
X
Vorwort zur vierten Auflage
Hinweise zum Text Im gesamten Buch notieren wir sprachliche Äußerungen in breiter Transkription und lehnen uns eng an die schriftsprachliche Schreibweise an. Damit wollen wir eine leichte Lesbarkeit gewährleisten. Bei der Nennung der therapeutischen Berufsgruppen haben wir uns für »Logopädin«, »Therapeutin« usw. entschieden, da Frauen in unserem Beruf deutlich stärker repräsentiert sind. Die männlichen Kollegen sind natürlich in gleicher Weise einbezogen!
XI
Inhalt 1 1.1 1.2 1.2.1
1.2.2
1.2.3
1.2.4 1.2.5
1.3 1.3.1
1.3.2
1.3.3 1.4 1.4.1
1.4.2
1.4.3 1.5 1.5.1 1.5.2
Theoretische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . Definition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Physiologische Lautbildung und -verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lautbetrachtung unter phonetischen Kriterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der Vokale. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der Konsonanten . . . . . . . . . . . . . Lautbetrachtung unter phonologischen Kriterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phoneme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prosodie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachverarbeitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autonome Modelle und phonologische Sprachverarbeitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spracherwerbstheorien zur phonetischphonologischen Entwicklung . . . . . . . . . . . . Physiologischer Lautspracherwerb . . . . . . . Lautwahrnehmung und phonologische Bewusstheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phonetisch-artikulatorische Fähigkeiten. . . Phonologisches Regelsystem. . . . . . . . . . . . . Erwerbsalter der einzelnen Laute. . . . . . . . . Pathologische Lautbildung und -verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phonetische Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Sigmatismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Multiple Interdentalität . . . . . . . . . . . . . . . . . Phonologische Störungen . . . . . . . . . . . . . . . Verspätete Überwindung physiologischphonologischer Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . Ungewöhnliche phonologische Prozesse. . . Dyspraktische Störungen. . . . . . . . . . . . . . . . Ätiologie von Aussprachestörungen . . . . . . Beeinträchtigungen der Aufnahme und Verarbeitung von Sinnesreizen . . . . . . . . . . . Hören und Hörwahrnehmung . . . . . . . . . . . Sehen und visuelle Wahrnehmung. . . . . . . . Bewegungsstörungen der Artikulationsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orofaziale Dysfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentrale Programmierungsstörungen . . . . . Erbanlagen und Einflüsse des familiären Umfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einteilung der Aussprachestörungen. . . . . . Phonetische und phonologische Störungen Anzahl der fehlgebildeten Laute und Verständlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 2 2 3 4 7 7 8 9 10 16 18 18 20 20 23 25 26 26 27 27
2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3
Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele und Inhalte der Anamneseerhebung . Therapeutische Zielsetzungen. . . . . . . . . . . . Themenbereiche der Anamnese . . . . . . . . . . Durchführung des Anamnesegesprächs . . . Zeitpunkt und Gestaltung der Anamnese. . Wahl des Settings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Möglichkeiten der Gesprächsführung . . . . . Art der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 38 38 39 42 42 42 43 43
3 3.1
Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Überlegungen zur Durchführung der Diagnostik . . . . . . . . Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Günstige Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . Diagnostisches Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . Sprachproduktion und Sprachverständnis . Expressive sprachliche Fähigkeiten/ Sprachproduktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rezeptive sprachliche Fähigkeiten/ Sprachverständnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kognition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sozial-interaktiver Bereich . . . . . . . . . . . . . . Atmung und Stimme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswertung der Diagnostikergebnisse . . . . Erstellen der Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diagnoseformulierung und ICF . . . . . . . . . . Erste Überlegungen zur Therapieplanung .
45
Gängige Therapiekonzepte . . . . . . . . . . . . Die Behandlung der Artikulationsstörungen nach Van Riper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodisches Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . . Das Hören in der Artikulationsbehandlung Der Korrekturvorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Konzept der bewegungsunterstützten Lautanbahnung BULA. . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewegungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewegungsrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eingesetzte Körperteile . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodisches Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . .
65
3.1.1 3.1.2 3.2 3.2.1
3.2.2
3.3 3.3.1
27 27 29 30
3.3.2
30 30 31
4.1.1 4.1.2
32 32 33
4.2
4 4.1
4.2.1 4.2.2
33 34 35 4.2.3 35
46 46 47 48 48 49 55 55 56 57 59 59 59 60 60 63 64
66 66 66 66 67 69 70 70 70 70 71 72
XII
Inhalt
4.3 4.3.1 4.3.2
Therapie der orofazialen Dysfunktion. . . . . Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodisches Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . . Zungenruhelage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muskelübungen im orofazialen Bereich . . . Ansaugeübungen für die Zunge . . . . . . . . . . Schluckübungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Automatisierung des neuen Schluckens . . . Metaphon-Konzept zur Behandlung phonologischer Störungen . . . . . . . . . . . . . . Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodisches Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 1: Bewusstmachen lautlicher Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 2: Korrektur der Lautverwendungsfehler . . . . Die Assoziationsmethode nach McGinnis . Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodisches Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arbeitsabschnitt: Laute und Wörter . . . . . 2. Arbeitsabschnitt: Sätze. . . . . . . . . . . . . . . . 3. Arbeitsabschnitt: Erzählungen . . . . . . . . . Psycholinguistisch orientierte Phonologie Therapie P.O.P.T. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodisches Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipieller Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau bei Kontaktassimilationen . . . . . . .
4.4 4.4.1 4.4.2
4.5 4.5.1 4.5.2
4.6 4.6.1 4.6.2
5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.2 5.2.1 5.2.2
5.2.3 5.2.4 5.3 5.3.1
5.3.2
Einleitende Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen . . . . . . . . . . . . Allgemeine Leitlinien zur Therapiegestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Beziehung zum Kind . . . . . . . . . Ganzheitlicher Ansatz der ICF . . . . . . . . . . . Die ICF in der Sprachtherapie . . . . . . . . . . . Therapieprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der phonetisch-phonologischen Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rahmenbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl des Therapieansatzes . . . . . . . . . . . . . . Besondere Gegebenheiten . . . . . . . . . . . . . . . Evidenzbasiertes Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . Arbeit mit den Therapiebausteinen . . . . . . . Wahl der Übungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aussprachestörung in speziellen Kontexten Therapie bei Kindern mit komplexen Störungsbildern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aussprachestörung im Rahmen einer Sprachentwicklungsstörung . . . . . . . . Phonetisch-phonologische Therapie bei behinderten Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie bei Erwachsenen. . . . . . . . . . . . . . .
73 73 74 74 74 74 74 75 75 75 76 76 77 78 78 79 79 80 80 81 81 81 81 83
5.4 5.4.1
5.4.2
6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.2 6.2.1 6.2.2
6.2.3
6.2.4
6.3 6.4 6.4.1
85 86 86 87 88 89
6.4.2 6.4.3 6.4.4
90 90 91 91 93 95 96 97
6.5 6.5.1
97
6.6.2
97 98 99
6.5.2 6.6 6.6.1
Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodisches Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . . Interdisziplinäre Zusammenarbeit . . . . . . . . Untersuchungen durch den Facharzt. . . . . . Vorstellung beim Kieferorthopäden. . . . . . . Abklärung des Gehörs . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . .
99 99 100 100 101 101 101
Therapiebausteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Aufbau der Therapiefähigkeit . . . . . . . . . . . . 105 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Konzentration und Aufmerksamkeit . . . . . . 106 Hörtraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Nonverbale auditive Sensibilisierung. . . . . . 108 Auditive Wahrnehmungsförderung bei phonetischen Störungen . . . . . . . . . . . . . 109 Lautwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Eigenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Auditive Wahrnehmungsförderung bei phonologischen Störungen . . . . . . . . . . . 112 Phonologische Bewusstheit. . . . . . . . . . . . . . 113 Auditive Differenzierung und Kategorisierung von Lautmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Überlegungen zum methodischen Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Einsatz von Computerprogrammen . . . . . . 122 Grob- und Feinmotorik . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Orofaziale Sensomotorik . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Mundmotorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Methodisches Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Übungssammlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Mundsensorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Orofazialer Tonus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Übungsaufbau zur Vorbereitung der Lautanbahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Mundmotorische Übungen für [ ³] . . . . . . . 131 Mundmotorische Übungen für [k] . . . . . . . 132 Elternberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Ziele und Inhalte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Unterstützung zu Hause . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Methodisches Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Häufigkeit der Gespräche . . . . . . . . . . . . . . . 134 Lautanbahnung und Lautfestigung bei phonetischen Störungen . . . . . . . . . . . . . 135 Kriterien für die Reihenfolge der Lautanbahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Therapiephasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Anbahnung des Lautes. . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Stabilisierung auf Silbenebene . . . . . . . . . . . 137 Stabilisierung auf Wortebene . . . . . . . . . . . . 138 Stabilisierung auf Satzebene . . . . . . . . . . . . . 139
XIII
Inhalt
6.6.3
6.6.4
6.7 6.7.1 6.7.2
6.7.3
6.7.4 7 7.1 7.2 7.2.1
7.2.2
7.3 7.3.1
7.3.2
Stabilisierung auf der Ebene des halbspontanen Sprechens . . . . . . . . . . . . Transfer in die Spontansprache . . . . . . . . . . Verlängerung des Abstandes zwischen den Therapiestunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeit an den einzelnen Lauten . . . . . . . . . . Laute der vorderen Artikulationszone. . . . . Laute der mittleren Artikulationszone . . . . Laute der hinteren Artikulationszone . . . . . Spielideen zur Lautfestigung . . . . . . . . . . . . . Rahmenhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Silbenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wortebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Satzebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Halbspontansprachebene . . . . . . . . . . . . . . . Spontansprachebene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei phonologischen Störungen . . . . . . . . . . . Reihenfolge der behandlungsbedürftigen phonologischen Prozesse. . . . . . . . . . . . . . . . Methodische Möglichkeiten . . . . . . . . . . . . . Auditive Wahrnehmung und phonologische Bewusstheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inputspezifizierung und Modellierung . . . . Einsatz von Minimalpaaren . . . . . . . . . . . . . Arbeit mit Lauten und Lautgruppen . . . . . . Spontansprache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spielideen zum Metaphon-Konzept. . . . . . . Substitutionsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Silbenstrukturprozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . Spielideen zu P.O.P.T. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anamnesebogen für Aussprachestörungen Lautbefund: Protokoll- und Auswertungsbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinweise zu Aufbau und Verwendung der Bögen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Protokollierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Protokoll- und Auswertungsbogen des Lautbefundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lautbefund: Protokollbogen . . . . . . . . . . . . . Lautbefund: Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . Bogen zur Klassifizierung von Aussprachestörungen . . . . . . . . . . . . . . . Hinweise zu Aufbau und Verwendung des Bogens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Protokollierung und Auswertung. . . . . . . . . Bogen zur Klassifizierung von Aussprachestörungen . . . . . . . . . . . . . . .
7.4 139 140 7.5 140 140 141 141 145 152 156 156 156 157 158 158 159 159 159 161 161 161 162 163 165 172 173 173 178 180 183 184 189 189 189 189 191 191 192 195 195 195 196
Minimalpaare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Substitutionsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Silbenstrukturprozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeicheninventar des »International Phonetic Alphabet IPA« . . .
197 197 200 202
8
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
9
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
1 Theoretische Grundlagen 1.1
Definition
–2
1.2
Physiologische Lautbildung und -verwendung
1.2.1
Lautbetrachtung unter phonetischen Kriterien – 2
1.2.2
Lautbetrachtung unter phonologischen Kriterien
1.2.3
Sprachverarbeitung
1.2.4
Spracherwerbstheorien zur phonetisch-phonologischen
–2
–7
–9
Entwicklung – 16 1.2.5
Physiologischer Lautspracherwerb
1.3
Pathologische Lautbildung und -verwendung
1.3.1
Phonetische Störungen – 26
1.3.2
Phonologische Störungen – 27
1.3.3
Dyspraktische Störungen – 29
1.4
Ätiologie von Aussprachestörungen – 30
1.4.1
Beeinträchtigungen der Aufnahme und Verarbeitung von Sinnesreizen
– 18
– 25
– 30
1.4.2
Bewegungsstörungen der Artikulationsorgane
– 32
1.4.3
Erbanlagen und Einflüsse des familiären Umfelds
1.5
Einteilung der Aussprachestörungen – 34
1.5.1
Phonetische und phonologische Störungen
1.5.2
Anzahl der fehlgebildeten Laute und Verständlichkeit
– 33
– 35
M. Weinrich, H. Zehner, Phonetische und phonologische Störungen bei Kindern, DOI 10.1007/978-3-642-20028-1_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
– 35
1 2
2
Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
1.1
Definition Der Begriff Aussprachestörung umfasst phonetische und phonologische Störungsaspekte. Seine Verwendung wird im Folgenden dargestellt.
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Das Wissen um die physiologischen Zusammenhänge, die die Aussprache betreffen, erleichtert das Verständnis und Analysieren von auftretenden Störungsformen. Immer noch existieren diverse unterschiedliche Begriffe (Aussprachestörung, Dyslalie, phonetisch-phonologische Störung, Artikulationsstörung), die zwar je nach Ansatz anders definiert, häufig jedoch trotzdem synonym für das gleiche Erscheinungsbild der Ausspracheauffälligkeit verwendet werden. Dies verdeutlicht die Komplexität des Störungsbildes und verlangt nach einer fundierten Auseinandersetzung mit den Begrifflichkeiten. Der in der Vergangenheit lange verwendete Begriff Dyslalie kommt aus dem Griechischen und setzt sich zusammen aus der Vorsilbe »dys« und dem Wort »lalein«. Dys meint immer eine Einschränkung einer Fähigkeit, während lalein mit sprechen übersetzt werden kann. Dyslalie steht somit im Sinne seiner eigentlichen Bedeutung für eine eingeschränkte Sprech-/ Artikulationsfähigkeit. Damit ist ursprünglich gemeint, dass bestimmte Laute motorisch nicht richtig gebildet werden können. Im Laufe der Zeit wurde der Begriff Dyslalie jedoch als Oberbegriff für verschiedene Arten von artikulatorischen Auffälligkeiten verwendet. Grundsätzlich können zwei Arten lautlicher Einschränkungen unterschieden werden. So ist es möglich, dass ein Kind bestimmte Laute aufgrund von artikulationsmotorischen Schwierigkeiten nicht richtig bildet. Es kann also den Laut phonetisch nicht realisieren (Lautbildungsstörung), das Sprechen ist beeinträchtigt. Andere Kinder können Laute zwar richtig bilden, setzen diese aber im Wort nicht korrekt ein. Sie haben Schwierigkeiten, die Laute gemäß den sprachsystematischen phonologischen Regeln richtig anzuwenden (Lautverwendungsstörung). Hierbei handelt es sich um sprachliche Schwierigkeiten, die auch als phonologische Störungen bezeichnet werden. Bedingt durch die aktuelle psycholinguistische Sichtweise auf Aussprachestörungen hat sich im logopädischen Kontext mittlerweile die Unterscheidung dieser beiden Störungsformen etabliert. Möchte man übergreifend über Auffälligkeiten im Bereich der Lautbildung und -verwendung sprechen, wird gerne der Begriff Aussprachestörung verwendet. Dieser Begriff vermeidet eine zu einseitige Sichtweise auf das komplexe Störungs-
bild und grenzt es recht stimmig von Störungen anderer sprachlicher Ebenen ab (Wortschatz- oder Wortfindungsstörung, morphosyntaktische Störung). Nach Möglichkeit wird im Folgenden trotzdem zwischen Lautbildung (stellvertretend für die sprechmotorische Fertigkeit) und Lautverwendung (stellvertretend für die regelhafte Anwendung der Laute) unterschieden. ! Beachte Eine Aussprachestörung umfasst Einschränkungen im Bereich der Lautbildung und -verwendung.
Prinzipiell kommen beide beschriebenen Phänomene auch in der normalen Sprachentwicklung vor. Erst wenn sie außerhalb der Altersnorm auftreten, spricht man von einer Aussprachestörung. Zusammenfassung Bei Aussprachestörungen können zwei Arten lautlicher Einschränkungen unterschieden werden: 4 Phonetischer Aspekt: Die motorische Fertigkeit, einen Laut zu artikulieren, ist nicht gegeben. Es handelt sich um eine Lautbildungsund damit Sprechstörung. 4 Phonologischer Aspekt: Die Fähigkeit, einen artikulatorisch richtig gebildeten Laut korrekt im Wort anzuwenden, ist eingeschränkt. Es handelt sich um eine Lautverwendungs- und damit Sprachstörung.
1.2
Physiologische Lautbildung und -verwendung Die Laute der deutschen Sprache werden unter phonetischen und phonologischen Gesichtspunkten beschrieben. Es wird dargestellt, wie sich die physiologische Lautentwicklung beim Kind vollzieht und welche Voraussetzungen dafür nötig sind.
1.2.1 Lautbetrachtung unter
phonetischen Kriterien Phonetische Untersuchungen beschäftigen sich mit den physiologischen Gegebenheiten bei der Lautbildung. Man analysiert anhand folgender Fragestellungen:
4 Artikulatorische Phonetik: Wie werden die Laute artikulationsmotorisch gebildet? 4 Akustische Phonetik: Welche physikalischen Eigenschaften weisen sie auf? 4 Auditive Phonetik: Wie funktioniert die Aufnahme und Weiterleitung der lautlichen Reize? ! Beachte Gegenstand ist immer der Einzellaut in seiner materiellen Beschaffenheit, das sog. Phon.
Phone werden üblicherweise in eckigen Klammern [ ] notiert, dies bezeichnet die konkrete lautliche Äußerung. Da es im logopädisch-therapeutischen Alltag immer um die Arbeit mit realen kindlichen Äußerungen geht, wird im Folgenden hauptsächlich diese Schreibweise verwendet (7 Kap. 1.2.2). Natürlich treten einzelne Laute im normalen Gespräch nicht isoliert auf. Das Sprechen besteht vielmehr aus einer kontinuierlichen Abfolge von Einzellauten, die sich in ihren Artikulationsbewegungen gegenseitig beeinflussen. Man spricht von Koartikulation oder auch assimilatorischen Vorgängen. Somit wird jedes Phon abhängig von seiner lautlichen Umgebung immer etwas anders ausgesprochen werden. Bei [z] in »Sonne« werden beispielsweise die Lippen schon leicht gerundet sein, während sie bei »Sieb« eher breit gezogen sind. Eine schematische Einteilung gesprochener Sprache wie sie im Folgenden vorgestellt wird, ist also immer schwierig. Deshalb gibt jede Unterteilung die tatsächliche Lautrealisation nur annähernd wieder. Bei der Betrachtung der verschiedenen im Deutschen existierenden Laute unterscheidet man zunächst Vokale und Konsonanten.
Einteilung der Vokale Die Vokale sind von Fehlbildungen weniger häufig betroffen als Konsonanten. In der Therapie jedoch spielen sie als Koartikulatoren eine nicht zu unterschätzende Rolle. ! Beachte Bei der physiologischen Bildung der im Deutschen verwendeten Vokale kann der Luftstrom ohne Hindernis den Mundraum passieren, der Nasen-RachenRaum wird durch das Velum weitgehend abgeschlossen.
Vokale sind immer stimmhaft. Sie erhalten ihren charakteristischen Klang durch die Lage der Zunge und die Stellung von Lippen und Kiefer. Diese Kriterien sind in . Übersicht 1.1 dargestellt.
1
3
1.2 · Physiologische Lautbildung und -verwendung
. Übersicht 1.1. Hauptordnungskriterien für Vokale Rundungsgrad der Lippen 4 gerundet wie in »rot«, 4 ungerundet wie in »Katze«. Öffnungsgrad des Kiefers 4 geschlossen wie in »schief«, 4 offen wie in »Katze«, 4 mehrere Zwischenwerte. Zungenhöhe 4 hoch wie in »schief«, 4 tief wie in »Schaf«, 4 mehrere Zwischenwerte. Zungenhebung bezogen auf die horizontale Artikulationsstelle der Zunge 4 vorne wie in »See« (Vorderzungenvokale), 4 zentral wie in »Ball« (Mittelzungenvokale), 4 hinten wie in »Huf« (Hinterzungenvokale).
Vokalviereck Das in . Abb. 1.1 dargestelle Vokalviereck verdeutlicht nochmals die oben genannten Parameter. So können die einzelnen Vokale bezüglich ihres Bildungsortes und der Stellung der Zunge zugeordnet werden. Der Vollständigkeit halber sind auch die Diphthonge aufgeführt. Die Vokale sind phonetisch transkribiert. . Tabelle 1.1 verdeutlicht deren Aussprache. Im Folgenden werden die Vokale entsprechend der hier dargestellten Transkription notiert. Auf eine zusätzliche Kennzeichnung der Vokallänge (außer bei [a:]/[a] und [Ǫ:]/[Ǫ]) wird verzichtet. . Tabelle 1.1. Aussprache deutscher Vokale [i] o Igel [ǹ] o bitte [e] o Tee [Ǫ] o Bett [Ǫ:] o zählen
[y] o hüten [Ȟ] o Hütte [ø] o schön [œ] o Hölle
[u] o Schule [ș] o Butter [o] o Ofen [ǣ] o Schloss
[a:] o Vase [a] o Fall [Ǩ] o Glocke [aǹ] o frei
[ǣǹ] o Eule
[aș] o Haus
4
Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
1 2 3 4 5 6
. Abb. 1.1. a Vokalviereck, b Diphthonge. (Ergänzt nach einer Vorlage von Pompino-Marschall 1995, S 254, Abb. 111)
7 8 9 10 11 12
. Abb. 1.2. Zwerchfellbeherrschung ist alles. (Aus Watterson 1995b; CALVIN AND HOBBES (©))
13
Einteilung der Konsonanten
14 15 16 17 18 19 20
Im Gegensatz zur Bildung der Vokale ist die Bildung der Konsonanten dadurch gekennzeichnet, dass bei ihrer Produktion eine Verengung oder ein Verschluss im Ansatzrohr den Luftstrom hemmt. Der Phonationsstrom muss ausreichend kräftig sein, damit er die gebildete Enge passieren oder den Verschluss sprengen kann. Eine physiologische Zwerchfellspannung ermöglicht die kontrollierte und dosierte Luftführung. Das Zwerchfell wird (nicht nur bei der Artikulation!) gezielt aktiviert (. Abb. 1.2). Für die exakte Realisation des Lautmusters wird außerdem eine physiologische orale Muskelfunktion benötigt. Auf eine detaillierte Beschreibung der am Artikulationsvorgang beteiligten Muskelgruppen wird hier nicht näher eingegangen. Die Beschreibung der Konsonanten erfolgt in der Regel anhand folgender Kriterien: 4 Artikulationsstelle (Ort der lautbildenden Hemmstelle),
4 artikulierendes Organ (hemmstellenerzeugendes Organ), 4 Artikulationsmodus (Art der Hemmstellenbildung), 4 Überwindungsmodus (Art der Überwindung der Hemmstelle), 4 Stimmlosigkeit/Stimmhaftigkeit. Artikulationsstelle und artikulierendes Organ bilden dabei den Artikulationsort, Artikulationsmodus und Überwindungsmodus kennzeichnen die Artikulationsart. . Tabelle 1.2 erleichert das Verständnis der phonetischen Transkription für die Konsonanten des Deutschen. Aufgeführt werden gängige Phoneme mit ihren allophonischen Varianten (7 Kap. 1.2.2).
Artikulationsart Bei den Konsonanten unterscheidet man, ob die zu deren Bildung erzeugten Hemmstellen den Luftstrom völlig unterbrechen oder nur behindern. Außerdem
5
1.2 · Physiologische Lautbildung und -verwendung
. Tabelle 1.2. Aussprache deutscher Konsonanten [p] o Pass [b] o Biene
[t] o Tasse [d] o Dieb
[k] o Kamel [g] o Gast
[m] o Mann
[n] o Nase
[ń] o Engel
[f ] o Fell [v] o Wald
[s] o Wasser [z] o Sonne [ ³] o Schal [ç] o stechen [j] o ja
[x] o suchen [F] o Dach [Ȑ] o Ruhe (norddeutsch) [h] o Hammer
[l] o Los [r] o raus (Zungenspitzen-R)
[ȏ] o raus (Rachen-R)
wird berücksichtigt, in welcher Form der Phonationsstrom das Hindernis überwindet (z. B. durch Reibung oder Sprengung). Die Konsonanten lassen sich dadurch in verschiedene Lautgruppen einteilen (. Übersicht 1.2). Die Nasale nehmen eine gewisse Sonderstellung innerhalb der Konsonanten ein. Sie sind die einzige Konsonantengruppe, bei deren Bildung die Luft nicht durch den Mund sondern durch die Nase entweicht. ! Beachte Die Einteilung nach der Artikulationsart orientiert sich daran, wie der Luftstrom an den gebildeten Hindernissen vorbeigleitet.
Manchmal werden die Laterale und Vibranten auch unter dem Ausdruck Liquidae zusammengefasst. Nasale und Liquidae bilden die Gruppe der Sonoranten (klangbildende Laute), Plosive, Frikative und
. Übersicht 1.2. Artikulationsarten von Konsonanten* 4 Plosive (Verschlusslaute, Explosivlaute) Ein vollständiger oraler Verschluss staut den Phonationsstrom, bevor die Luft plötzlich freigegeben wird (Sprengung des Hindernisses). Der Luftstrom entweicht durch den Mund. Man unterscheidet stimmhafte (Lenes) und stimmlose (Fortes) Plosive. Stimmlose Plosive: [p], [t], [k] Stimmhafte Plosive: [b], [d], [g] 4 Nasale Wie bei den Plosiven erfolgt ein totaler oraler Verschluss, gleichzeitig ist das Velum jedoch gesenkt. Die Luft entweicht durch die Nase und erzeugt damit eine nasale Resonanz. [m], [n], [ń] 4 Frikative (Reibelaute, Engelaute) Der Phonationsstrom durchstreicht geräuschhaft eine schmale Enge. Die Luft entweicht oral. Auch hier unterscheidet man stimmhafte und stimmlose Frikative (Lenes/Fortes). Stimmlose Frikative: [f ], [s], [ ³], [ç], [x], [F], [h] Stimmhafte Frikative: [v], [z], [j], [Ȑ] 4 Lateral Die zentrale Zone des vorderen Mundraumes wird verschlossen. Bei gleichzeitiger Erzeugung einer Enge entweicht die Luft an den beiden Seiten der Zunge. Der Nasenraum ist abgeschlossen. [l]
1
4 Vibranten (Schwingelaute) Der Phonationsstrom wird durch einen intermittierenden Verschluss unterbrochen. Die Luft entweicht durch den Mund. [r], [ȏ] 4 Affrikaten (Verschluss-Engelaute) Dieser Doppellaut ist aus einem Plosiv und einem Frikativ benachbarter Artikulationsstellen zusammengesetzt. Ein zunächst gebildeter Verschluss geht in eine Engebildung über. Die Luft wird kurzzeitig gestaut und entweicht dann geräuschhaft durch den Mund. [pf ], [ts], [t ³]
* Der Einfachheit halber werden im restlichen Buch nur folgende Laute verwendet: – Statt der Unterscheidung zwischen [x] und [F] wird, wie oft üblich, bei Hinterzungenvokalen ausschließlich das [x] notiert. – Der Frikativ [Ȑ] und das [r] werden im Text nicht mehr explizit unterschieden. Beide Laute können regional bedingt an die Stelle des geschriebenen [ȏ] treten. – Die Schreibweise des Phonems [j] als Frikativ wird beibehalten, obwohl sie nicht ganz korrekt ist (eigentlich [Ȭ]). Häufig wird sie in der Literatur jedoch so verwendet.
6
Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
1
Affrikaten werden als Obstruenten (geräuschbildende Laute) bezeichnet.
2
Artikulationsort
3 4 5 6 7 8 9 10
Im Gegensatz zur Konsonanteneinteilung nach Artikulationsart wird der Mundraum hier in verschiedene Bereiche unterteilt, die einzelnen Konsonanten werden diesen Bereichen zugeordnet.
Artikulationszonen. Im logopädischen Alltag hat sich
eine Einteilung der Konsonanten in sog. Artikulationszonen bewährt (. Übersicht 1.4). Die Zuordnung der Konsonanten erfolgt dabei nach praxisorientierten Kriterien (Stiller u.Tockuss 2001).
! Beachte Der Artikulationsort beschreibt, an welcher Stelle der Luftstrom die erzeugte Enge oder den Verschluss passiert und welches Artikulationsorgan das Hindernis verursacht.
Zur Verdeutlichung der verwendeten Termini veranschaulicht . Abb. 1.3 die Einteilung des Mundraums und die Unterteilung der Zunge als wichtigstes Artikulationsorgan. Mit Hilfe dieser Unterteilung ist es möglich, die Konsonanten des Deutschen nach Artikulationsorten zu klassifizieren. . Übersicht 1.3 gibt diese Klassifikation wieder. Die Orientierung hierfür erfolgt am »International Phonetic Alphabet« IPA (7 Kap. 7.5).
. Abb. 1.3. Artikulationsbereiche und -organe des Mundraums
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. Übersicht 1.3. Artikulationsorte von Konsonanten* 4 Bilabiale Der Laut entsteht durch den Kontakt von Oberund Unterlippe. [p], [b], [m] 4 Labiodentale Bei der Lautbildung legt sich die Unterlippe an die oberen Schneidezähne an. [f ], [v] 4 Alveolare1 Die Zungenspitze artikuliert gegen den oberen Alveolardamm. [t], [d], [n], [l], [r], [s]/[z]2 4 Postalveolare/Präpalatale Der vordere Teil der Zunge artikuliert ge gen den vorderen Teil des harten Gamens. [ ³] 4 Palatale Der mittlere Teil der Zunge artikuliert gegen den harten Gaumen. [ç], [j]
4 Velare Der hintere Teil der Zunge artikuliert gegen den weichen3 Gaumen. [k], [g], [ń], [x] 4 Uvulare Das Zäpfchen vibriert. [ȏ] 4 Laryngeale/Pharyngeale/Glottale Die Bildung des Lautes erfolgt im Rachen-/Kehlkopfbereich. [h] 1
In manchen Grammatiken werden das [t], [d], [n], [l] und [r] als Dentale bezeichnet 2 Beim dorsalen [s]/[z] nähert sich die Zungenmitte dem oberen Alveolardamm, während die Zungenspitze an den unteren Schneidezähnen liegt. 3 Nicht immer kann man alle Laute exakt einem Artikulationsort zuordnen. Das [k] wird z. B. je nach Koartikulator eher palatal (z. B. bei [e] und [i]) oder eher velar (z. B. bei [a] und [u]) artikuliert. In der Regel wird es aber als Velar bezeichnet.
7
1.2 · Physiologische Lautbildung und -verwendung
1
Phoneme . Übersicht1.4. Artikulationszonen von Konsonanten 4 Vordere Artikulationszone: Bilabiale, Labiodentale. 4 Mittlere Artikulationszone: Alveolare, Postalveolare. 4 Hintere Artikulationszone: Palatale, Velare, Uvulare, Laryngeale.
i Tipp Literaturempfehlung 4 Pompino-Marschall B (1995) Einführung in die Phonetik. Walter de Gruyter, Berlin New York 4 Valaczkai L (1998) Atlas deutscher Sprachlaute. Instrumentalphonetische Untersuchung der Realisierung deutscher Phoneme als Sprechlaute. Edition Praesens, Wien
Zusammenfassung 4 Phonetische Kriterien für die Lauteinteilung sind artikulatorischer, akustischer oder auditiver Art. 4 Analysiert wird das Phon, der konkret geäußerte Laut, das in eckigen Klammern [ ] notiert wird. 4 Man unterscheidet Vokale und Konsonanten, die Konsonanten lassen sich nochmals nach Artikulationsart und -ort einteilen. 4 Die einzelnen Laute werden in phonetischer Transkription festgehalten.
Während sich phonetische Untersuchungen mit konkret wahrnehmbaren Lauten, den Phonen beschäftigen, geht es nun um abstrakte Lauteinheiten, die Phoneme. Dazu wird analysiert, welche Laute bedeutungsunterscheidend wirken. Diese bedeutungsunterscheidende Funktion lässt sich mit Hilfe von Minimalpaaren herausstellen. Ein Minimalpaar besteht aus einem Wortpaar, das nur in einem kleinsten lautlichen Element differiert (z. B. Saal – Schal). Durch dieses Element verändert sich jedoch die Bedeutung des Wortes grundlegend, die beiden Laute [z] und [ ³] stehen in Opposition zueinander. Laute, die eine derart bedeutungsunterscheidende Funktion besitzen, werden als Phoneme bezeichnet. Phoneme werden, im Gegensatz zu Phonen, in / / notiert, auch hier bedient man sich der phonetischen Transkription (7 Kap. 7.5). ! Beachte Ein Phonem ist die kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit der Sprache.
> Exkurs Es gibt Laute, die nicht als Phoneme bezeichnet werden, sondern allophonische Varianten eines bestimmten Phonems darstellen. So stehen die Laute [ç] und [x] nicht in Opposition zueinander, da [ç] prinzipiell nur nach Vorderzungenvokalen, im Wort-und Silbenanlaut und nach Konsonanten, [x] hingegen nur nach Hinterzungenvokalen gesprochen wird. Hier handelt es sich um Allophone des Phonems /x/. Auch [r] und [ȏ] gelten nicht als Phoneme, da sie nicht bedeutungsunterscheidend wirken. Es handelt sich um regionale Aussprachebesonderheiten, man spricht von den Allophonen vom Phonem /r/.
Betrachtet man Phoneme genauer, erkennt man, dass sie aus verschiedenen distinktiven (unterscheidenden) Merkmalen bestehen.
1.2.2 Lautbetrachtung unter
phonologischen Kriterien Die phonologische Sichtweise verdeutlicht die Funktion von Lauten im Sprachsystem. Laute werden bezüglich ihrer unterscheidenden Eigenschaften und Kombinationsmöglichkeiten analysiert. Damit werden die Regeln der Lautverwendung ersichtlich (Jahn 2007).
Distinktive Merkmale Das Analysieren der einzelnen Phoneme ermöglicht, deren wesentliche akustische oder artikulatorische Merkmale zu erkennen. Diese Merkmale sind für die bedeutungsunterscheidende Funktion des Phonems verantwortlich. Sie werden meist in sog. Merkmalsmatrizen dargestellt, wobei es auch hier keine einheitliche Klassifizierung gibt. Die Zusammenstellung der Merkmale wird heute in der Regel an die erforderlichen Bedürfnisse angepasst. . Übersicht 1.5 veranschaulicht wichtige distinktive Merkmale für den logopädischen Alltag. Als Bei-
8
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
Prosodie . Übersicht 1.5. Distinktive Merkmale von Phonemen Artikulationsort und -organ 4 anterior (vorne im Mundraum): Bilabiale, Labiodentale, Alveolare, 4 koronal (Anhebung der Zungenspitze): Alveolare, Präpalatale, 4 hoch (hohe/r Zungenmitte und -rücken): Präpalatale, Palatale, Velare. Artikulationsart 4 konsonantisch: alle Konsonanten, 4 dauernd (der Luftstrom wird nicht blockiert): Frikative, Laterale, Vibranten, 4 frikativ, 4 nasal, 4 lateral. Stimmhaftigkeit Geräusch-oder klangbildend 4 sonorant (klangbildend): Laterale, Vibranten, Nasale.
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
spiele werden Konsonanten gewählt (s. auch . Übersicht 1.2 und 1.3). Bei jedem Phonem gilt, dass das jeweilige Merkmal entweder vorhanden [+] oder nicht vorhanden [– ] ist. So lassen sich einzelne Phoneme bezüglich ihrer distinktiven Merkmale unterscheiden.
Die phonologische Sichtweise beschäftigt sich nicht nur mit dem einzelnen Phonem und seinen distinktiven Merkmalen. Vielmehr betrachtet sie auch, wie Phoneme zu Silben, Silben zu Wörtern und Wörter zu Sätzen verbunden werden und welche sprachrhythmischen und prosodischen Besonderheiten diesen Kombinationen zu Grunde liegen. ! Beachte Sprachrhythmus bedeutet, dass sich betonte und unbetonte Elemente der Sprache regelmäßig abwechseln.
Der Betonungswechsel kann sowohl innerhalb eines Wortes als auch wortübergreifend stattfinden.
Phonotaktik Die Phonotaktik beschreibt die Regeln, nach denen Phoneme zu Wörtern verbunden werden. Der Wortaufbau bezüglich Phonemabfolge und Silbenstrukturen unterliegt dabei bestimmten Gesetzmäßigkeiten. Im Deutschen trifft man zum Beispiel auf folgende Silbenstrukturen: 5 Konsonant-Vokal-Folgen (KV), zum Beispiel [da:], 5 Konsonant-Vokal-Konsonant-Folgen (KVK), zum Beispiel [fǹ∫], 5 KKVK-Folgen, zum Beispiel [blat].
/ ³/: [–anterior], [+koronal], [+hoch], [+konsonantisch], [+dauernd], [+frikativ], [–nasal], [–lateral], [–stimmhaft], [–sonorant].
In den gewählten Beispielen bildet jede Phonemabfolge eine Silbe und gleichzeitig ein Wort. Aber auch bei Wörtern, die aus mehreren Silben bestehen, lassen sich bei jeder einzelnen Silbe bestimmte Strukturen erkennen: 5 Der Silbenkern (Nucleus) besteht in der Regel aus einem Vokal oder Diphthong. 4 Vor dem Silbenkern können bis zu 3 Konsonanten stehen, sie bilden den Silbenbeginn (Onset). Eine Silbe kann auch mit Vokal beginnen. In diesem Fall entsteht vor dem Vokal ein »Kehlkopfton« [?], der als Silbenbeginn zählt. 4 Das Silbenende (Coda) kann aus einer Konsonantenabfolge nach dem Silbenkern bestehen. In diesem Fall handelt es sich um eine geschlossene Silbe. Endet die Silbe mit dem Silbenkern und damit ohne Konsonant, so spricht man von einer offenen Silbe. 4 Silbenkern und Silbenende bilden zusammen den Reim der Silbe.
Diese Phoneme unterscheiden sich also lediglich in den Merkmalen anterior (Artikulationsort) und hoch (Zungenhöhe).
Innerhalb einer Silbe lässt sich eine bestimmte »Klangabfolge« feststellen (Sonorität): die Silbe beginnt mit Phonemen, die wenig Klang besitzen, der Klanganteil
> Beispiel Tasse und Tasche unterscheiden sich nur durch die Phoneme /s/ und / ³/. Die Merkmale der Phoneme lassen sich wie folgt definieren: /s/: [+anterior], [+koronal], [–hoch], [+konsonantisch], [+dauernd], [+frikativ], [–nasal], [–lateral], [–stimmhaft], [–sonorant].
9
1.2 · Physiologische Lautbildung und -verwendung
steigert sich bis zum Vokal oder Diphthong im Silbenkern und nimmt zum Silbenende wieder ab. Die beschriebenen Gesetzmäßigkeiten spielen bei der Kombination von Silben zu Wörtern sowie deren Betonung eine wichtige Rolle. Obwohl es verschiedene Wortbetonungen gibt, findet sich im Deutschen der Trochäus als typisches Betonungsmuster (Penner et al. 2006, Fikkert et al. 1998). ! Beachte Beginnt eine rhythmische Abfolge innerhalb eines Wortes mit einer betonten Silbe, an die sich eine unbetonte Silbe anschließt, so spricht man von einem Trochäus.
Es gibt viele Wörter, die lediglich aus einem Trochäus bestehen. Hierbei handelt es sich um Zweisilber ([ha:zǨ], [tasǨ], [kanǨ]). Analysiert man Mehrsilber bezüglich ihrer Betonung genauer, so lässt sich auch hier häufig das trochäische Betonungsmuster am Wortende erkennen ([ba`na:nǨ], [∫oko`la:dǨ], [lǣkǣmo`tivǨ]. Weitere Wortstrukturen mit anderen Silbenbetonungen sind (S unbetonte Silbe, `S betonte Silbe): S`S `SSS SS`S
[pa`ket] [`∫mǪtǟlǹŋ] [ǪlǪ`fant]
Intonation Nicht nur innerhalb eines Wortes oder einer Silbe lässt sich Sprache unter rhythmischen Aspekten betrachten. Auch wortübergreifend wird die Betonung bedeutsam, durch sie lassen sich sprachliche Äußerungen akzentuieren und gliedern. Der Tonhöhenverlauf gilt dabei als wichtigstes prosodisches Element. Durch ihn kann der Hörer zum Beispiel Aussage- von Fragesätzen unterscheiden. Aber auch andere Komponenten wie Dynamik (Lautstärkeänderungen), Sprechtempo und Pausen ermöglichen das Setzen von Wort- oder Satzakzenten. i Tipp Literaturempfehlung 4 Fischer R (2009) Linguistik für Sprachtherapeuten. ProLog, Köln 4 Grassegger H (2006) Phonetik Phonologie, 3. Aufl. Schulz Kirchner, Idstein 4 Vater H (2002) Einführung in die Sprachwissenschaft, 4. Aufl. Fink, München 4 Gadler H (2006) Praktische Linguistik, 4. Aufl. Francke, Tübingen
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4 Willi U (2004) Phonetik und Phonologie. In: Linke A, Nussbaumer M, Portmann PR Studienbuch Linguistik. (Reihe Germanistische Linguistik) 5. Aufl. Niemeyer, Tübingen
Zusammenfassung 4 Die phonologische Lautbetrachtung analysiert die Funktion von Lauten im Sprachsystem. 4 Die Beschäftigung mit den distinktiven Merkmalen von Phonemen ermöglicht, deren bedeutungsunterscheidende Funktion zu erkennen. 4 Im Gegensatz zum Phon handelt es sich beim Phonem um eine abstrakte sprachliche Einheit, die in Schrägstrichen / / notiert wird. 4 Segmentübergreifend beschreibt die Phonotaktik Kombinationsregeln, nach denen Phoneme zu Wörtern verbunden werden. Auch prosodische Merkmale kommen hier zum Tragen.
1.2.3 Sprachverarbeitung Um Abläufe bei der Sprachproduktion und dem Sprachverständnis nachvollziehen zu können, um das diagnostische Vorgehen zu optimieren sowie eine passende Therapieplanung abzuleiten, werden rezeptive und expressive sprachliche Leistungen und deren mentale Organisationsstrukturen durch Sprachverarbeitungsmodelle dargestellt. Sehr häufig werden Modelle zur Veranschaulichung des Wortabrufs und der Strukturierung des Lexikons verwendet. Andere Modelle beziehen auch die grammatikalische Form von Äußerungen mit ein. Prinzipiell lassen sich autonome Modelle von interaktiven Modellen unterscheiden. Autonome Modelle sind Modelle, die für einzelne sprachliche Leistungen spezifische Module annehmen, die unabhängig von anderen Modulen arbeiten und eine hoch spezialisierte Funktion haben. Die Sprachverarbeitung erfolgt in serieller Abfolge (weswegen sie häufig auch als „serielle Modelle“ bezeichnet werden), Informationen werden von einem Modul zum nächsten weitergeleitet, wobei die Weiterleitung erst dann erfolgt, wenn die Verarbeitung auf der vorherigen Stufe abgeschlossen ist. Der Informationsfluss erfolgt in eine Richtung, ähnlich wie bei der Produkterstellung in einer Fabrik. Die Verarbeitung innerhalb der einzelnen Module wird bei diesen Modellen nicht näher erläutert.
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Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
! Beachte Viele der als autonom bezeichneten Modelle stellen nicht nur einen Verarbeitungsweg dar, sondern zeigen auch alternative oder parallele Weiterleitungsmöglichkeiten auf (z.B. Logogen-Modell, Kotten 1997). Interaktive Modelle, auch konnektionistische Model-
le genannt, gehen davon aus, dass zwischen einzelnen sprachlichen Strukturen Wechselwirkungen bestehen. Sie orientieren sich an der neuronalen Informationsverarbeitung im Gehirn und nehmen an, dass Sprachverarbeitung in Netzwerken mit Knoten und Verbindungen stattfindet. Jeder Knoten repräsentiert dabei eine sprachliche Einheit (z.B. ein Wort oder ein Phonem). Die verschiedenen Knoten sind netzwerkartig miteinander verknüpft, der Informationsfluss findet parallel in mehrere Richtungen statt („spreading activation“). Dadurch sind unterschiedliche Einheiten simultan aktiv, ähnlich wie dies in einer gut funktionierenden Teamarbeit der Fall ist. Ein in der semantisch-lexikalischen Kindertherapie aktuelles interaktives Modell ist das Modell nach Dell (Dell 1999, Rupp 2008). Für die Therapie phonologischer Störungen spielen interaktive Modelle im Praxisalltag derzeit allerdings eine eher untergeordnete Rolle. Hybride Modelle berücksichtigen in ihrer Darstellung sowohl autonome als auch interaktive Aspekte. Damit geben sie einen Überblick über angenommene serielle Abläufe während der Sprachproduktion oder Aufgaben zum Sprachverständnis. Gleichzeitig greifen sie auch interaktive parallele Prozesse in einzelnen Modulen oder zwischen solchen auf. Ein sehr bekanntes hybrides Modell ist das Sprachverarbeitungsmodell von Levelt (1989). Prinzipiell trennen Sprachverarbeitungsmodelle zwischen der Bedeutung eines Wortes (Lemma) und seiner Form (Lexem). In Bezug auf den Lauterwerb und die Lautverwendung im Wort sind solche Modelle interessant, die speziell die Verarbeitung und den Abruf der phonologischen Form eines Wortes darstellen. Diese Modelle zeigen, welche Verbindung zwischen Wortbedeutung und Wortform besteht und wie es Kindern gelingt, das Wort in seiner korrekten phonologischen Form passend zur Bedeutung abzuspeichern und abzurufen. Für die Therapie phonologischer Störungen werden bisher autonome Modelle zur Veranschaulichung verwendet (z.B. Hewlett 1990, Stackhouse u. Wells 1997). Diese sollen deshalb im Folgenden näher betrachtet werden.
Autonome Modelle und phonologische Sprachverarbeitung Generell werden in autonomen Sprachverarbeitungsmodellen unterschiedliche Sprachverarbeitungskomponenten und -wege dargestellt. Unabhängig von der
Funktion jeder einzelnen Komponente sowie dem gewählten Modell lassen sich übergreifende Prinzipien in der Darstellung erkennen. So wird zunächst zwischen Speichervorgängen und Verarbeitungsprozessen unterschieden. Letztere werden nochmals in In- und Output-Prozesse unterteilt. ! Beachte Wie sich die mentalen sprachlichen Organisationsstrukturen einschließlich der phonetisch-phonologischen Repräsentationen beim Kind genau entwickeln, ist bisher nicht eindeutig geklärt. Speicherung. Informationen über Sprache werden
nach unterschiedlichen Kriterien gespeichert. Es handelt sich um eine innere kognitive Repräsentation des sprachlichen Wissens (vorstellbar wie verschiedene kleine Lexika). Die inhaltliche Bedeutung eines Wortes (semantische Repräsentation/semantisches Lexikon) wird getrennt von formalen Kriterien (phonologische Repräsentation/phonologisches Lexikon) abgespeichert. Das phonologische Lexikon enthält Informationen zur Silbenstruktur, zur Betonung und zum Lautbestand eines Wortes. Bei In- und Outputprozessen wird auf die Informationen in den einzelnen Lexika zugegriffen. Input-Prozesse. Die auditiven Stimuli, die vom Hörer
aufgenommen werden, müssen analysiert werden. Diese Analyse erfolgt in unterschiedlichen Ebenen. In der Regel geht es darum, sprachliche von nicht-sprachlichen Reizen zu unterscheiden, Laute zu diskriminieren und kleinere Einheiten in Wörtern zu erkennen (z.B. Silben, Anlaute, Reime). Input-Prozesse werden auch als Dekodierungsvorgänge bezeichnet. Output-Prozesse. Um ein gewünschtes Wort zu arti-
kulieren, müssen die Informationen aus den einzelnen Lexika abgerufen und verknüpft werden. Im phonologischen Bereich stehen hierfür spezielle OutputLexika zur Verfügung, die einzelne formale Elemente für die Sprachproduktion bereit halten. Das kognitive Wissen wird in einen konkreten motorischen Plan umgesetzt, der schließlich die motorische Ausführung ermöglicht. Output-Prozesse werden auch als Enkodierungvorgänge bezeichnet. Die einzelnen Ebenen und Lexika sind vielfältig miteinander verknüpft. Zusätzlich gibt es Einheiten und Verbindungswege, die während des Sprechvorgangs die Speicherung der geplanten Lautabfolgen ermöglichen und die Sprachverarbeitung durch Rückkopplungsmechanismen absichern.
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1.2 · Physiologische Lautbildung und -verwendung
Je nach Art der Sprachproduktionsleistung (z.B. Nachsprechen, Benennen, bekanntes/unbekanntes Wortmaterial) ergeben sich unterschiedliche und vielfältige Möglichkeiten der Sprachverarbeitung. Zwei Verarbeitungswege (. Abb. 1.4) sollen an dieser Stelle kurz skizziert werden, da sie das Verständnis für spezielle therapeutische Methoden erleichtern (7 Kap. 4.6 u. Kap. 6.2.3). Im wesentlichen unterscheiden sich die beiden Sprachverarbeitungsvarianten dadurch, dass einmal das semantische Lexikon aktiviert wird, das andere Mal nicht. Variante 1: Aktivierung des semantischen Lexikons. Die-
se Route wird immer dann verfolgt, wenn das Kind Begriffe benennen soll, die ihm bereits inhaltlich bekannt sind oder die ihm z.B. visuell vorliegen. Dem aus dem semantischen Lexikon abgerufenen Wort werden entsprechende Informationen aus dem phonologischen Lexikon zugeordnet. Variante 2: Keine Aktivierung des semantischen Lexikons. Wenn neue oder unbekannte Begriffe nachge-
sprochen werden sollen, mit denen das Kind inhaltlich nichts assoziieren kann, wird ein phonologisch orientierter Verarbeitungsweg gewählt. Dabei wird (so weit möglich) auf Informationen in den phonologischen Lexika zugegriffen. Prinzipiell spielt das Wissen um phonologische Informationen eine bedeutende Rolle im korrekten Wortabruf und in der korrekten Artikulation. ! Beachte Um ein Wort fehlerfrei zu artikulieren, muss (unabhängig von der Wortbedeutung) der Zugriff auf die phonologischen Merkmale dieses Wortes gelingen.
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Sprachverarbeitung im Lupenblick Im Folgenden soll die Sprachverarbeitung näher »unter die Lupe« genommen werden. Dabei gilt es, aus der Vielzahl existierender Modelle grundlegende Übereinstimmungen herauszufiltern. Alle Sprachverarbeitungsmodelle sind hypothetische Konstrukte und lassen deshalb Raum für vielfältige Überlegungen und Fragestellungen. Um hilfreiche Gedanken für Diagnostik- und Therapieplanung aufzeigen zu können, wird an dieser Stelle auf zwei ausgewählte Sprachverarbeitungsmodelle Bezug genommen. In Anlehnung an das Sprechverarbeitungsmodell von Stackhouse u. Wells (1997) sowie dem Sprachproduktionsmodell von Hewlett (1990) stellt . Abb. 1.5 Zusammenhänge zwischen Teilprozessen der Sprachverarbeitung dar. Jedes Kästchen repräsentiert einen bestimmten Verarbeitungsmodus, die Pfeile symbolisieren unterschiedliche Verarbeitungswege. Um die Vorgänge leicht verständlich zu vermitteln, wird zunächst darauf verzichtet, Prozesse in ihrer gesamten Komplexität darzustellen. Vielmehr sollen an dieser Stelle einzelne Komponenten näher erläutert werden, um ein grundlegendes Verständnis für spezielle Sprachverarbeitungsleistungen zu schaffen. Im Anschluss werden dann die zwei genannten Modelle von Hewlett (1990) und Stackhouse u. Wells (1997) genauer vorgestellt. i Tipp Im Bereich neurologischer Störungsbilder wird bei Überlegungen zur Sprachverarbeitung häufig das Logogen-Modell genutzt (Kotten 1997). Die Sprachverarbeitungsmodelle, die derzeit in der Therapie von kindlichen Aussprachestörungen als Bezugsmodelle herangezogen werden, lassen sich gut mit diesem Modell vergleichen.
Variante 1 Semantisches Lexikon Input
Output Phonologische Informationen
Variante 2 Input
Phonologische Informationen
. Abb. 1.4. Zwei Varianten der Sprachverarbeitung
Output
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Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
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Bedeutungsspeicher Semantische Informationen
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Eingangsspeicher Phonologische Informationen
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Ausgangsspeicher Motorisches Programm
Motorischer Programmierer Phonologisches Erkennen
Motorisches Planen
Input
Output
. Abb. 1.5. Sprachverarbeitung kompakt
Vom Hören zum Verstehen Ein Kind hört ein Wort. Bis dieser auditive Reiz vom Kind verstanden werden kann, wird er zunächst auf unterschiedlichen Ebenen bearbeitet. Zunächst soll anhand der Abbildung diese Inputverarbeitung näher erläutert werden.
! Beachte Bei Aufgaben, die vom Kind verlangen, sich rezeptiv mit der Struktur von Wörtern zu beschäftigen, wird auf das Wissen dieser phonologisch-lexikalischen Repräsentation zugegriffen. Auch das Identifizieren eines auditiv angebotenen Wortes gelingt nur mithilfe dieses Speichers.
Phonologisches Erkennen. Auditiv wahrgenommene
sprachliche Reize werden auf dieser Ebene in kleinere Einheiten zerlegt, es erfolgt eine auditive Analyse. Je nach Sprachentwicklungsstand des Kindes erfolgt die Segmentierung in Silben oder auch einzelne Phoneme. Durch das Segmentieren kann an dieser Stelle entschieden werden, ob der sprachliche Input zur eigenen Muttersprache gehört und dementsprechend weiter verarbeitet wird. Sprachliche Reize, die keiner bekannten Sprache anzugehören scheinen, werden an dieser Stelle von der Weiterverabeitung abgekoppelt. Eingangsspeicher. In diesem phonologischen Inputlexikon sind Informationen über die Wortform gespei-
chert. Das Wissen beinhaltet all die relevanten Wortstrukturen, die nötig sind, um ein Zielwort von anderen Wörtern zu unterscheiden. Das bedeutet, dass das Lexikon nicht die komplette Lautabfolge der Wörter enthält, sondern z.B. nur Informationen über wesentliche Einheiten der Silbe wie Silbenkern oder Silbenbeginn. Auch prosodische Merkmale wie die Wortbetonung sind hier abgespeichert.
Bedeutungsspeicher. Um ein Wort inhaltlich zu ver-
stehen, müssen zu diesem Wort semantische Informationen abgespeichert sein, auf die im Verarbeitungsprozess zugegriffen werden kann. Auch dieses semantische Wissen muss sich beim Kind erst entwickeln und differenziert sich im Laufe der Zeit immer weiter aus.
Aussprechen eines Wortes Wenn das Kind nun ein Wort produzieren will, müssen Output-Prozesse in Gang gesetzt werden, die im Folgenden verdeutlicht werden sollen. Ausgangsspeicher. In diesem phonologischen Outputlexikon sind Merkmale eines Wortes abgespeichert, die
speziell für die Wortproduktion genutzt werden. Das phonetisch-phonologische Programm liefert Informationen über artikulatorische Besonderheiten wie die Bewegungen der Artikulationsorgane oder die Stellung von z.B. Lippen oder Zunge. Damit handelt es sich bei dem hier abgespeicherten Wissen um eine Art motorisches Programm.
1.2 · Physiologische Lautbildung und -verwendung
! Beachte Beim Benennen eines bekannten Items wird vom Bedeutungsspeicher direkt auf das motorische Programm zugegriffen. Motorisches Planen. Das im Ausgangsspeicher abgeru-
fene Programm muss nun in eine Lautabfolge umgesetzt werden, was in diesem motorischen Verarbeitungssystem geschieht. Dazu gehört nicht nur, die einzelnen Laute in der korrekten Reihenfolge anzuordnen, sondern auch, die prosodischen Merkmale des Wortes zu aktivieren und Rhythmus und Intonation im sprachlichen Kontext zu berücksichtigen. Der in diesem Speicher erstellte motorische Plan wird im Anschluss bei der Artikulation des Wortes konkret motorisch ausgeführt.
Der »Joker« Bei den bisher beschriebenen Vorgängen wurde vom Verstehen und Produzieren bereits bekannter Realwörter ausgegangen. Gerade im Spracherwerb stößt ein Kind jedoch immer wieder auf ihm (noch) unbekannte Wörter, die es (wenn auch nicht immer sofort völlig korrekt) nachspricht. Um dieses Phänomen erklären zu können, wird an dieser Stelle noch eine andere Verarbeitungsmöglichkeit aufgezeigt. Motorischer Programmierer. Für neue Wörter oder Pseu-
do-Wörter sind keine Einträge in den Lexika abgespeichert. Um diese Wörter aussprechen zu können, müssen neue motorische Programme erstellt werden. Dies geschieht im motorischen Programmierer. Hier sind phonologische Einheiten wie z. B. der Silbenkern oder Silbenbeginn abgespeichert, die neu zusammengesetzt werden können. Ist der angebotene sprachliche Reiz auditiv analysiert und als »unbekannt« befunden worden, so erstellt der motorische Programmierer für dieses Wort ein neues motorisches Programm. Für dieses Programm wird anschließend wie bei Realwörtern im motorischen Verarbeitungssystem ein motorischer Plan erstellt, der die Aussprache des Wortes ermöglicht. ! Beachte Das neue motorische Programm wird im Ausgangsspeicher abgelegt und steht dem Kind dort bei einer erneuten Verarbeitung des Wortes zur Verfügung.
Fazit Damit ermöglicht das Sprachverarbeitungssystem beim Nachsprechen oder Benennen von bekannten Wörtern einen direkten Zugriff auf die gespeicherten Informationen der verschiedenen Lexika. Das Verarbeiten von unbekanntem Wortmaterial allerdings gelingt nur durch das Erstellen neuer Programme.
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Sprachproduktionsmodell von Hewlett Das Sprachproduktionsmodell von Hewlett (1990) stellt dar, wie Wörter phonologisch verarbeitet werden und wie die phonetische Produktion dieser Wörter erfolgt (. Abb. 1.6). Inputprozesse werden in diesem Modell nicht genauer erläutert. Eine erste phonologisch-lexikalische Ebene umfasst das Input- und Output-Lexikon. Das InputLexikon enthält perzeptionsgeleitete Merkmale über die Wortform (Informationen über Lautmerkmale, Silbenstrukturen und prosodische Eigenschaften), während das Output-Lexikon die entsprechenden produktionsgeleiteten Merkmale des Wortes bereitstellt. Der motorische Programmierer erhält Informationen aus dem Input-Lexikon und nutzt diese, um für unbekannte Wörter einen motorischen Plan zu erstellen. Diese Informationen werden zum motorischen Verarbeitungssystem weitergeleitet. Gleichzeitig dienen die Informationen über motorische Pläne auch als Grundlage für Übertragungsregeln zwischen Input- und Output-Lexikon sowie als Ausgangsbasis für das Abspeichern entsprechender Merkmale im Output-Lexikon. Damit spielt der motorische Programmierer im kindlichen Spracherwerb eine wichtige Rolle. Eine zweite Ebene bezieht sich auf das motorische Verarbeitungssystem. Hier sind Informationen über artikulatorische Gesten (konkrete Bewegungsabfolgen) und prosodische Merkmale eines Wortes enthalten. Hewlett unterteilt das motorische Verarbeitungssystem in eine Silben- und eine Lautebene. Er geht davon aus, dass bei Kindern die motorische Verarbeitung zunächst vor allem auf Silbenebene stattfindet. Im Verlauf der kindlichen Entwicklung wird dann zunehmend segmental und damit lautbezogen verarbeitet. Die dritte Ebene des Modells bezieht sich auf die Bewegungsausführung bei der Wortartikulation. Konkrete orofaziale Bewegungen werden durch den Vokaltrakt möglich. Die Verarbeitung von neuen und dem Kind unbekannten Wörtern wurde bereits angesprochen. Sie erfolgt über das Erstellen neuer motorischer Programme durch den motorischen Programmierer. Eine schnellere, automatisierte Route geht direkt vom Input- zum Output-Lexikon. Dieser Verarbeitungsweg wird beim Produzieren von bereits bekannten Wörtern angenommen. Insgesamt wird die Verarbeitung durch Rückkopplungsprozesse ständig kontrolliert. Zusätzlich gibt es Korrekturinstanzen, die fehlerhafte Bewegungsmuster überarbeiten und korrigieren. Eine Instanz arbeitet automatisch innerhalb des motorischen Verarbeitungssystems. Hier werden Anpassungen an Veränderungen der Artikulationsorgane vorgenommen (z.B.
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Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
Input-Lexikon
. Abb. 1.6. Sprachproduktionsmodell nach Hewlett (1990).
Output-Lexikon
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Motorischer Programmierer
Motorisches Verarbeitungssystem - Silbenebene
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Motorisches Verarbeitungssystem - segmentelle (Laut-)Ebene
Bewegungsausführung
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Vokaltrakt Form, Bewegung
Zeitloser Informationsfluss Informationsfluss in Echtzeit Rückkopplung
Sprachsignal
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aufgrund einer veränderten Zahnstellung). Das im Output-Lexikon erstellte Bewegungsprogramm wird bei dieser Korrekturfunktion beibehalten. Eine weitere Korrektur bzw. Überarbeitung erfolgt im motorischen Programmierer. Hier werden fehlerhafte motorische Programme korrigiert und neu erstellt, was eine vorherige Rückmeldung von einer anderen Person erfordert. Damit handelt es sich bei dieser Überarbeitungsfunktion nicht um eine spontane Korrekturinstanz, dem Sprecher muss die inkorrekte Produktion bewusst sein oder bewusst gemacht werden (s. auch Jahn 2007).
Sprechverarbeitungsmodell von Stackhouse und Wells Im Sprechverarbeitungsmodell von Stackhouse und Wells (1997) werden ebenfalls phonetisch-phonologische Verarbeitungsprozesse dargestellt. Ähnlich wie im Modell von Hewlett werden verschiedene Verarbeitungsebenen unterschieden, wobei zusätzlich der Bezug zur semantischen Repräsentation hergestellt wird (. Abb. 1.7). Außerdem lassen sich mit diesem Modell auch Input-Prozesse erklären. Als wichtige Speicherinstanzen finden sich drei unterschiedliche Arten lexikalischer Repräsentationen. Das Modell unterscheidet hierbei eine phonologische
und semantische Repräsentation sowie ein motorisches Programm. Die phonologische Repräsentation beinhaltet ein abstraktes Wissen über wortformale Aspekte. Zentral scheinen dabei solche Informationen zu sein, die notwendig sind, um eine formale Einheit (z.B. den Kern einer Silbe) von anderen Einheiten zu unterscheiden. Im Gegensatz dazu enthält die semantische Repräsentation das Wissen über die Bedeutung von Wörtern. Das motorische Programm schließlich liefert das Basiswissen über artikulatorische Gesten (Bewegungsabfolgen). Hier sind Informationen über die Stellung und Bewegung der Artikulationsorgane gespeichert. Diese Informationen stehen dem Sprecher bei bekannten Wörtern sofort zur Verfügung und ermöglichen eine automatisierte Wortproduktion (direkter Zugriff von der semantischen Repräsentation auf das motorische Programm). Neben den drei Speichern lassen sich nun Inputvon Output-Prozessen unterscheiden. Input-Prozesse. Vom Sprecher wahrgenommene auditive Reize werden zunächst peripher weitergeleitet (im Modell etwas irreführend als „Auditive Verarbeitung“ bezeichnet). Anschließend wird auf einer nächsten Verarbeitungsebene entschieden, ob es sich bei den auditiven Reizen um sprachliche oder nicht sprachliche Reize handelt. Auditive Reize, die als sprachliche
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1.2 · Physiologische Lautbildung und -verwendung
. Abb. 1.7. Sprechverarbeitungsmodell nach Stackhouse und Wells (1997).
Semantische Repräsentation Phonologische Repräsentation Phonologisches Erkennen
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Motorisches Programm Motorisches Programmieren Phonetisches Diskriminieren
Diskrimination Sprachl./nicht sprachl. Reize
Motorisches Planen
Auditive Verarbeitung
Motorische Ausführung
Input
Output
Reize befunden wurden, werden in einem nächsten Verarbeitungsmodul weiter überprüft (Phonologisches Erkennen). Die Reize werden hier in kleinere Einheiten wie z.B. Silben segmentiert. Durch diese Segmentierungsvorgänge kann entschieden werden, ob es sich bei dem wahrgenommenen Stimulus um einen muttersprachlichen Reiz handelt. Sprachliche Reize, die nicht der Muttersprache angehören, werden vom weiteren Verarbeitungsprozess ausgeschlossen. Die Größe der segmentierten Einheiten hängt stark vom Sprachentwicklungsstand des Kindes ab (je älter das Kind, desto kleiner sind die Einheiten, in die zerlegt wird.) Als einen zusätzlichen Verarbeitungsprozess nimmt das Modell das „phonetische Diskriminieren“ an. Dieser Prozess wird für sprachliche Reize aktiviert, die nicht der Muttersprache angehören und ermöglicht deren weitere Verarbeitung. Damit scheint dieser Prozess eine wichtige Funktion beim Erwerb der Muttersprache, vor allem jedoch beim Fremdspracherwerb zu spielen. Output-Prozesse. Um neue unbekannte Wörter oder Unsinnswörter zu produzieren, steht im Verarbeitungsprozess der motorische Programmierer zur Verfügung. Er kann spontan neue motorische Programme erstellen und greift auf einen Speicher zu, der einzelne phonologische Einheiten enthält. Diese Einheiten werden dann zu neuen Kombinationen zusam-
mengesetzt. Im Spracherwerb erhält diese Instanz damit eine äußerst relevante Funktion. Nachdem ein motorisches Programm gebildet oder aus dem vorhandenen Speicher für motorische Programme abgerufen wurde, muss nun eine konkrete Lautabfolge erstellt werden (Motorisches Planen). Hierzu werden die abstrakten artikulatorischen Gesten in eine korrekte Lautabfolge umgesetzt, wobei auch Wortrhythmus und Intonation der Äußerung geplant werden. Wurden alle Prozesse der OutputVerarbeitung durchlaufen, kann das Wort artikuliert werden. Bei der motorischen Ausführung handelt es sich um einen rein peripheren Prozess, mögliche Bewegungseinschränkungen der Artikulationsorgane können sich an dieser Stelle negativ auf die Lautbildung auswirken (s. auch Fox 2007a). Spezielle Rückkopplungsvorgänge werden im Modell nicht näher bezeichnet. > Exkurs Bei Kindern, die Schwierigkeiten mit der Aussprache von Wörtern haben, lassen sich anhand eines Sprachverarbeitungsmodells Hypothesen zu möglichen Störungspunkten wie z.B. Eingangsspeicher oder motorischer Programmierer aufstellen (7 Kap. 1.4.1, Abschn. »Hören und Hörwahrnehmung«). Dazu müssen in einer gezielten Diagnostik verschiedene
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Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
Teilleistungen überprüft und in Beziehung zueinander gesetzt werden. Aussagekräftige Aufgaben sind das Benennen oder Nachsprechen von Realwörtern, das Nachsprechen von Unsinnswörtern sowie verschiedene Aufgaben zur phonologischen Bewusstheit (7 Kap. 3.2.2, Abschn. »Wahrnehmung«). Für jede Teilleistung werden alle Verarbeitungswege überdacht, die zur Lösung genau dieser Aufgabe theoretisch möglich wären. Danach wird durch gezielte Auswahl einer fortführenden Aufgabenstellung versucht, die Verarbeitungsvariante so weit wie möglich einzugrenzen. Je genauer sich der »Störungsort« im Sprachverarbeitungsprozess ermitteln lässt, desto gezielter kann die Therapie geplant werden. Ein solch modellgeleitetes, psycholinguistisch orientiertes diagnostisches Vorgehen bei Kindern wird zunehmend mehr propagiert. Die praktische Durchführung und Auswertung wirft wegen fehlender Normdaten allerdings noch Schwierigkeiten auf. Entsprechende Ergebnisse sollten deshalb mit kritischer Wachsamkeit interpretiert werden.
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Zusammenfassung 4 Sprachverarbeitungsmodelle beschreiben kognitive Vorgänge bei rezeptiven und expressiven sprachlichen Leistungen. 4 Bisher werden für die Therapie phonetisch-phonologischer Störungen autonome Modelle zur Veranschaulichung verwendet. 4 Bei autonomen Modellen lassen sich Speichervorgänge von In- und Output-Prozessen unterscheiden. 4 Die phonologische Form des Wortes wird unabhängig von der Wortbedeutung abgespeichert. 4 Für eine fehlerfreie Aussprache muss prinzipiell der Zugriff auf die phonologischen Merkmale des Wortes gelingen. 4 In der phonetisch-phonologischen Entwicklung müssen alle Strukturen und Speicher angelegt werden sowie die Arbeitsvorgänge ausreifen. 4 Für den Erwerb neuer Wörter spielt der motorische Programmierer eine wichtige Rolle, da er das Erstellen neuer motorischer Programme ermöglicht.
1.2.4 Spracherwerbstheorien
zur phonetisch-phonologischen Entwicklung Die beschriebenen phonetischen und phonologischen Aspekte der Artikulation werden nun im Hinblick auf den kindlichen Lauterwerb erweitert. Bei der Lautentwicklung geht es einerseits um den Erwerb der Fähigkeit, die Laute motorisch richtig zu bilden. Zusätzlich muss das Kind aber auch lernen, wann es welche Laute einsetzen muss, damit das von ihm gewünschte Wort hörbar wird. Damit muss es sich auch ein Wissen über die sprachsystematische Anwendung der Laute aneignen (phonologisches Regelsystem). So können kleine Kinder manche Wörter mit komplexen Lautverbindungen bereits korrekt sprechen, in einem anderen Wort ersetzen sie jedoch dieselben Laute. Es kann auch vorkommen, dass ein Kind ein Wort, das es schon einmal korrekt artikuliert hat, plötzlich wieder lautlich verändert. Nur wenn man beide Aspekte in der kindlichen Lautentwicklung berücksichtigt, werden diese Phänomene verständlich. Die existierenden theoretischen Erklärungsansätze zum Lauterwerb berücksichtigen und gewichten diese zwei Aspekte in unterschiedlich starkem Maße. Die einzelnen Theorien orientieren sich dabei an unterschiedlichen Faktoren (z. B. lerntheoretisch oder kognitiv ausgerichtet). Damit werden die verschiedenen Sichtweisen der Erklärungsansätze deutlich (Romonath 1991). Heute geht man davon aus, dass der Lauterwerb linguistisch-kognitiv geprägt ist und nach bestimmten strukturellen Gesetzmäßigkeiten abläuft. Damit steht
der Erwerb des phonologischen Wissens im Vordergrund. Vertreter kognitivistischer und interaktionistischer Erklärungsansätze heben die Bedeutung des Spracherwerbs als aktiven Lernprozess hervor und weisen auf den Einfluss individueller Fähigkeiten des Kindes hin. So werden auch die motorisch-artikulatorischen Möglichkeiten in der Entwicklung mitberücksichtigt. ! Beachte Bisher gibt es keine Lauterwerbstheorie, die allen Komponenten der phonetisch-phonologischen Entwicklung vollständig gerecht wird und diese hinreichend erklärt.
> Exkurs Jakobson als einer der ersten Vertreter universalistischer Ansätze hat 1969 eine umfassende Theorie über den kindlichen Lauterwerb aufgestellt. Sie ist heute zwar zum Teil widerlegt, dient aber trotzdem
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1.2 · Physiologische Lautbildung und -verwendung
immer noch als Grundlage für Forschungen in diesem Bereich. Jakobson geht dabei von folgenden Grundgedanken aus: 4 Im Anschluss an die als vorsprachlich bezeichnete Lallperiode erwirbt das Kind die Laute stufenartig, wobei die einzelnen Stufen gesetzmäßig und weltweit allgemeingültig aufeinander aufbauen (»Schichtenbau des Sprachlautsystems«, Jakobson 1969, S 59). 4 Der Aufbau der Stufen unterliegt allgemeinen »Fundierungsgesetzen«: Jeder neu zu erlernende Laut erfordert als Grundlage den Erwerb der Laute aus der darunter liegenden Entwicklungsstufe. 4 Die Stufenfolge des Phonemsystems richtet sich nach dem »Grundsatz des maximalen Kontrastes und schreitet vom Einfachen und Ungegliederten zum Abgestuften und Differenzierten« (Jakobson 1969, S 93). Damit geht es nicht um die Aneignung einzelner Laute, sondern um den Erwerb von lautlichen Oppositionen, die später als distinktive Merkmale bedeutsam werden (7 Kap. 1.2.2). 4 Zunächst werden die in allen Sprachen zu findenden Oppositionen erworben (minimaler Konsonantismus/Vokalismus), später werden die sprachspezifischen Oppositionen erlernt. 4 Als erstes wird die Opposition konsonantisch – vokalisch ([p]–[a]) erlernt. 4 Bei den Vokalen erfolgt zunächst die Unterteilung in breit–eng ([a]–[i]), später treten Zwischenlaute auf. 4 Innerhalb der Konsonanten erfolgt die Unterscheidung in nasal–oral ([m]–[p]), später in bilabial–alveolar ([m]–[n]). 4 Bei den Konsonanten gilt weiterhin, dass Plosive vor Frikativen sowie vordere Konsonanten (Bilabiale, Labiodentale und Alveolare) vor hinteren Konsonanten erworben werden. Außerdem setzt der Erwerb der Affrikaten den entsprechenden Frikativ voraus. Kritisch an Jakobsons Thesen ist, dass nicht alle beobachteten Kinder die Laute genau in dieser Abfolge erlernen und dass keine Unterscheidung hinsichlich der Lautposition im Wort getroffen wurde. Außerdem hat Jakobson keine Aussagen über die Entwicklung von Mehrfachkonsonanzen gemacht. Trotzdem haben sich viele seiner Annahmen bestätigt und sind vor allem für den Bereich der phonologischen Entwicklung relevant (7 Kap. 1.2.5).
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. Übersicht 1.6 stellt abschließend die Gesetzmäßig-
keiten im kindlichen Spracherwerb dar, die heute als relativ gesichert gelten.
. Übersicht1.6. Regeln in der Sprachentwicklung 4 Für den Erwerb der einzelnen Lautgruppen gilt folgende Reihenfolge: Vokale oPlosive o Nasale oFrikative oAffrikaten. 4 Kinder erlernen zuerst Laute, die vorne im Mundraum gebildet werden, es folgen hintere Laute (»von vorne nach hinten«). 4 Einzelkonsonanten werden vor Mehrfachkonsonanzen beherrscht. 4 Die Kinder erwerben zunächst die unterschiedlichen Artikulationsarten, bevor sie sich die Artikulationsorte der Konsonanten aneignen. 4 Es gilt die Annahme, dass Frikative zuerst wortfinal, Plosive zuerst wortinitial vom Kind gelernt werden.
Zusammenfassung 4 Zur phonetisch-phonologischen Entwicklung existieren unterschiedliche Spracherwerbstheorien, wobei keine dieser Theorien den Lauterwerb hinreichend erklärt. 4 Als relativ gesichert gilt heute, dass der Lauterwerb nach bestimmten strukturellen Gesetzmäßigkeiten abläuft und den Erwerb des sprachsystematischen phonologischen Regelwissens beinhaltet. 4 Jakobson hat diesbezüglich erste wesentliche Erkenntnisse geliefert, indem er vom Erwerb lautlicher Oppositionen ausgeht. Das Kind lernt so die ersten distinktiven Merkmale von Phonemen.
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Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
1.2.5 Physiologischer
Lautspracherwerb
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Im Folgenden wird die kindliche Lautentwicklung konkretisiert. Diese beinhaltet expressive Fähigkeiten des Kindes wie auch die Entwicklung rezeptiver und kognitiv-klassifikatorischer Leistungen. Bei der Sprachproduktion werden phonetisch-artikulatorische und phonologisch-sprachsystematische Fähigkeiten beschrieben. Auch wenn die genannten Teilbereiche getrennt aufgeführt werden, hängen sie natürlich eng zusammen und bedingen sich gegenseitig.
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Lautwahrnehmung und phonologische Bewusstheit
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Als Voraussetzung für die Lautproduktion muss sich beim Kind zunächst die Fähigkeit der Lautwahrnehmung entwickeln. Erst wenn ein Kind in der Lage ist, Laute auditiv zu unterscheiden und zu klassifizieren, kann es lernen, diese auch selbst richtig zu produzieren und anzuwenden. Erstaunlicherweise ist es dem Kind schon im ersten Lebensjahr möglich, Laute akustisch-phonetisch zu differenzieren. Es verbindet einzelne Laute zunächst noch nicht mit einer bestimmten Bedeutung, sondern orientiert sich eher an prosodischen Merkmalen von Äußerungen. > Exkurs
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Im Deutschen entwickeln Kinder bereits im sechsten Lebensmonat eine Vorliebe für das trochäische Wortbetonungsmuster (7 Kap. 1.2.2, Abschn. »Prosodie«). Die Kinder nehmen durch diese Betonung Wortgrenzen im Satz wahr und eignen sich so ein erstes Wissen über sprachliche Strukturen an. In der weiteren Entwicklung scheint die Wahrnehmung des Trochäus den Erwerb von verschiedenen Silbenstrukturen zu erleichtern sowie Wortbildungsregeln und gramma-
tikalische Besonderheiten zu verdeutlichen. Somit ist eine ungestörte Lautwahrnehmung im Säuglingsalter nicht nur für den Erwerb phonologischer Regeln bedeutsam (Penner et al. 2006, Penner 2004).
Der Prozess, phonologisch relevante Strukturen wahrzunehmen und diese Strukturen für die eigene Sprachproduktion zu nutzen, erstreckt sich über mehrere Jahre. Dabei sind in zunehmendem Maße höherentwickelte kognitive Leistungen erforderlich. Das Kind erfährt, dass sprachliche Äußerungen nicht nur Inhalte vermitteln, sondern auch nach bestimmten formalen Kriterien aufgebaut sind. ! Beachte Das Kind entwickelt neben anderen metalinguistischen Fähigkeiten eine phonologische Bewusstheit. Diese ermöglicht ihm zunehmend eine bewusste Auseinandersetzung mit der Lautstruktur von Äußerungen.
Durch den spielerischen Umgang mit Sprache erhöht das Kind zunächst seine Aufmerksamkeit gegenüber Sprachstrukturen, ohne dass es dabei jedoch bewusst über diese reflektiert. So beginnt es beispielsweise, Reime zu erkennen oder zu produzieren (. Abb. 1.8) und Laute von Wörtern spielerisch zu verändern (»Dri Chinisin mit dim Kintribiss«). Auch die Fähigkeit zur Silbensegmentierung von Wörtern entwickelt sich schon relativ früh. Das Kind verfügt zu diesem Zeitpunkt über die sog. phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne (Jansen et al. 2002). Mit ungefähr fünf Jahren ist das Kind dann zu lautassoziativen Leistungen in der Lage (phonologische Bewusstheit im engeren Sinne). So kann es z. B. vorgegebene Laute in einem Wort identifizieren (»Hörst du ein [i] in dem Wort Igel?«) oder mit
16 17 18 19 20 . Abb. 1.8. Reimen will gelernt sein! (Aus Watterson 1995a; CALVIN AND HOBBES (©).)
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1.2 · Physiologische Lautbildung und -verwendung
Bildunterstützung Laute zu Wörtern zusammenfügen (»Welches Bild meine ich, wenn ich Ei-s sage?«). Eine vollständige phonologische Bewusstheit, die kategoriale Leistungen wie komplexe Lautanalyse- und -synthesefähigkeiten beinhaltet, erreichen Kinder normalerweise erst nach dem Schuleintritt. Erst dann ist es ihnen möglich, Wörter in einzelne Laute zu zerlegen oder einzelne Laute zu Wörtern zusammenzufügen. Der Erwerb des Schriftsprachsystems dient dem Kind hier als Hilfe. Gleichzeitig ist eine normal entwickelte phonologische Bewusstheit aber Voraussetzung für die Entwicklung der Schriftsprache (Jahn 2007)! . Übersicht 1.7 verdeutlicht die Entwicklung der Fähigkeit, sich bewusst mit lautlichen Strukturen von Sprache auseinandersetzen zu können. Die ausgewählten Fertigkeiten sind als ungefähre Richtlinien zu verstehen, da auch in diesem Bereich weder eine einheitliche Terminologie noch gezielte Altersangaben vorliegen. Die zuletzt genannten Leistungen werden erst nach dem Schuleintritt erworben.
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Zusammenfassung 4 Als Voraussetzung für die Lautproduktion muss sich zunächst die Lautwahrnehmung entwickeln. Diese spielt schon im ersten Lebensjahr eine wichtige Rolle. 4 Die Entwicklung der phonologischen Bewusstheit ermöglicht dem Kind zunehmend einen bewussten Zugriff auf die Lautstruktur der Sprache. Man unterscheidet zwischen phonologischer Bewusstheit im weiteren und engeren Sinne. 4 Komplexe lautanalytische und -synthetische Fähigkeiten werden erst durch den Erwerb der Schriftsprache möglich, gleichzeitig ist für diesen die phonologische Bewusstheit jedoch eine wichtige Voraussetzung.
. Übersicht 1.7. Beispiele für die Entwicklung der phonologischen Bewusstheit Erkennen und Produzieren von Reimwörtern 4 Das Kind erkennt, dass sich »Schuh« und »Kuh« reimen. 4 Es kann ein Reimwort ergänzen (»Ene mene miste, es rappelt in der – Kiste«). Silbensegmentieren von Wörten 4 Das Kind lernt, dass man bei »Schmetterling« dreimal klatschen kann. Lautidentifikation 4 Das Kind kann die Frage, ob es ein [a] in »Apfel« hört, richtig beantworten. Lautsynthese (assoziativ) 4 Wenn das Kind die Lautfolge [da – x] vorgesprochen bekommt, kann es dazu das richtige Bild aus mehreren finden. Später erkennt es das Wort auch ohne Bildvorgabe. Wortlängen unterscheiden (nach Silbenanzahl) 4 Das Kind realisiert, dass man bei »Regenschirm« öfter klatschen kann als bei »Wolke« und dass deshalb dieses Wort länger ist. Positionsbestimmung einzelner Laute 4 Die Frage nach dem ersten oder letzten Laut von »Oma« kann das Kind richtig beantworten.
Lautsynthese 4 Das Zusammenfügen einzelner vorgegebener Laute zu einem Wort gelingt ([b-e-s-Ǩ-n] wird zu »Besen«). Lautanalyse 4 Das Zerlegen von Wörtern in einzelne Laute ist möglich (»Faden« wird zu [f-a:-d-Ǩ-n]). Wortlängen unterscheiden (nach Lautanzahl) 4 Das Kind ist in der Lage, die Wortlänge durch die Lautanzahl zu bestimmen. Es erkennt, dass »Lokomotive« ein längeres Wort als »Tasse« ist. Lautmanipulation 4 Das Kind ist in der Lage, Wörter durch das Entfernen von Lauten zu verändern. Es merkt, dass das Wort »Laus« entsteht, wenn es bei »Klaus« das [k] weglässt. 4 Es kann einzelne Laute in Wörtern austauschen und den dadurch entstehenden Bedeutungsunterschied erkennen (Ersetzen des [f ] durch das [t] bei »Fisch«).
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Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
Phonetisch-artikulatorische Fähigkeiten Um Laute physiologisch bilden zu können, muss das Kind im Laufe seiner Entwicklung sein artikulatorisches Bewegungsrepertoire und die orale taktilkinästhetische Wahrnehmung mehr und mehr ausdifferenzieren. Dadurch lernt es zunehmend auch Laute zu artikulieren, die mehr Koordination erfordern. Eine wesentliche Grundvoraussetzung hierfür ist die erste Lallperiode, die ungefähr bis zum sechsten Lebensmonat andauert. In dieser Zeit produziert das Kind eine Vielfalt an unterschiedlichen Lauten. Dabei geht es vorrangig um ein Ausprobieren der Sprechwerkzeuge, das Kind macht erste motorische und taktil-kinästhetische Erfahrungen im orofazialen Bereich. Meistens artikuliert das Kind zunächst Laute im hinteren Mundraum (Laryngeale, Velare). Durch die fortschreitende grobmotorische Entwicklung und die damit einhergehende Erweiterung des Bewegungsrepertoires bildet das Kind dann zunehmend auch Laute der vorderen Artikulationszonen. Während der zweiten Lallperiode geht ein Teil des Lautbestandes wieder verloren. Das Kind orientiert sich nun am Gehörten aus der Umgebung und versucht, Lautproduktionen nachzuahmen. Dadurch reduzieren sich die gebildeten Laute auf die der Muttersprache. Dem Gehör kommt damit eine zentrale Funktion zu. In dieser Zeit kommt es durch Silbenverdopplungen zu den sog. Lallmonologen, die bereits das trochäische Betonungsmuster erkennen lassen (Betonung auf der ersten Silbe). An das zweite Lallstadium schließt sich mit ungefähr zwölf Monaten übergangslos die Phase der ersten 50 Wörter an. Diese tauchen häufig eingebettet in Lallmonologe auf und zeichnen sich durch eine ähnliche Silbenstruktur aus. Die Konsonant-Vokal-Folgen (z. B. [gaga]) werden zunehmend mit bestimmten Bedeutungen verknüpft (z. B. »Papa«). Dabei scheint das Kind zu diesem Zeitpunkt die Wörter eher als lexikalische Einheiten abzuspeichern. Ein phonemorientiertes Lernen findet noch nicht statt. Bei den Wortproduktionen dominieren die Laute der letzten Lallphase. Damit werden vorwiegend vordere Plosive und Nasale verwendet ([p], [b], [d], [t], [m], [n]). Vereinzelt tauchen allerdings auch schon hintere Plosive ([k], [g]), Frikative ([f], [v]) und das [h] auf. Die Laute werden in dieser Phase noch sehr instabil verwendet, bis dann mit ungefähr 18 Monaten die Phase des phonologischen Systemerwerbs einsetzt. Im Verlauf der weiteren Entwicklung werden die Laute phonetisch-artikulationsmotorisch immer mehr gefestigt.
! Beachte Zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr sind schon fast alle Konsonanten im phonetischen Lautbestand des Kindes vorhanden, das [s]/[z] werden als letzte Laute wesentlich später korrekt artikuliert.
Phonologisches Regelsystem Mit ungefähr 18 Monaten beginnt das Kind, sich ein sprachsystematisches Wissen über die Lautverwendung anzueignen. Es lernt, wann und an welcher Stelle im Wort einzelne Laute eingesetzt werden müssen. Das phonologische System des Kindes ist dabei zunächst eigenständig und zeichnet sich im Vergleich zum Regelsystem des Erwachsenen durch Vereinfachungen aus. Diese Vereinfachungen werden als phonologische Prozesse bezeichnet. Im normalen Spracherwerb sind hauptsächlich die Konsonanten von den Prozessbildungen betroffen. Im Laufe der Zeit überwindet das Kind die einzelnen Prozesse und nähert sein phonologisches Regelsystem immer mehr dem der Erwachsenen an. Folgende phonologischen Prozesse lassen sich unterscheiden: 4 Silbenstrukturprozesse, 4 Assimilationsprozesse, 4 Substitutionsprozesse. Silbenstrukturprozesse. Das Kind verändert die Sil-
ben- und damit Wortstruktur, indem es Laute oder Silben auslässt (Elisionen) oder hinzufügt (Additionen). Manchmal verändert es auch die Reihenfolge einzelner Silben wie bei [kǣlǣmotivǨ] statt »Lokomotive«. Lässt das Kind Silben im Wort aus, so handelt es sich oft um die unbetonten Silben ([fant] statt »Elefant«). Außerdem scheinen sich die Kinder an der trochäischen Betonung von Wörtern zu orientieren, sie reduzieren Mehrsilber auf trochäische Zweisilber ([na: nǨ] statt »Banane«). Assimilationsprozesse (Harmonisierungs-, Umgebungsprozesse). Die Laute innerhalb eines Wortes werden
bezüglich ihrer Artikulationsart oder ihrem Artikulationsort einander angeglichen. Dabei unterscheidet man zunächst zwischen progressiven und regressiven Assimilationen: 4 Bei der progressiven Assimilation beeinflusst ein zuerst im Wort auftretender Laut einen nachfolgenden (»Pudel« wird zu [pubǨl]). 4 Bei der regressiven Assimilation wird der zuerst auftretende Laut an den nachfolgenden angeglichen (»Schaf« wird zu [fa:f]). Weiterhin lässt sich noch die Kontaktassimilation von der Fernassimilation unterscheiden:
21
1.2 · Physiologische Lautbildung und -verwendung
4 Bei der Kontaktassimilation werden zwei im Wort direkt aufeinander folgende Laute angeglichen (»Treppe« wird zu [kȏǪpǨ]). 4 Bei der Fernassimilation hingegen sind die sich gegenseitig beeinflussenden Laute durch mindestens einen Laut voneinander getrennt (»Tiger« wird zu [kigǟ]). Auch die Umstellung von Lauten innerhalb eines Wortes gehört zu den Assimilationsprozessen. Man spricht von einer Permutation oder Metathesis (»Schiff« wird zu [fǹ³]). Substitutionsprozesse (Ersetzungsprozesse). Das Kind
ersetzt Laute oder Lautgruppen. Dabei unterscheidet man, ob es sich bei der Ersetzung um einen Wechsel des Artikulationsortes (»See« wird zu [fe]) oder der Artikulationsart (»See« wird zu [te]) handelt.
1
. Tabelle 1.3 stellt die phonologischen Prozesse dar, die bei sprachunauffälligen deutschsprachigen Kindern
beobachtet werden konnten. Die Orientierung erfolgt dabei hauptsächlich an der Studie von Fox u. Dodd (1999), allerdings fließen auch Ergebnisse der Untersuchungen von Hacker u. Wilgermein (2001) und Hacker u. Weiß (1986) mit ein. Da die einzelnen Studien in diesem Bereich mit unterschiedlichen Untersuchungsbedingungen (Art des Testmaterials, Anzahl der überprüften Kinder) und Auswertungskriterien erfolgten, sind sie nur eingeschränkt miteinander vergleichbar (Hacker u. Wilgermein 2001, Jahn 2007). So differieren die Aussagen über das obligate Auftreten mancher Prozesse (z. B. Nasalierung), manche Prozesse wurden nur bei ganz bestimmten Lauten oder in bestimmten Wortpositionen beobachtet. Auch eine genaue zeitliche Abfolge und Überwindung der einzelnen Prozesse kann nur bedingt festgeschrieben werden. Die in . Tabelle 1.3
. Tabelle 1.3. Physiologische phonologische Prozesse und ihre Überwindung: Zusammenfassung der Ergebnisse verschiedener Studien Bis ca. 2;6 Jahre Silbenstrukturprozesse Auslassung finaler Konsonanten: Vor allem [k] und Nasale werden ausgelassen
[za] statt »Sack«
Substitutionsprozesse Nasalierung: Oral gebildete Konsonanten werden durch Nasale ersetzt
[nǣx] statt »Loch«
Lenisierung (Stimmgebung): Stimmlose werden durch stimmhafte Konsonanten ersetzt
[de] statt »Tee«
Bis ca. 3;0 Jahre Silbenstrukturprozesse Auslassung initialer Konsonanten
[a:l] statt »Schal«
Auslassung initialer Konsonantenverbindungen
[ǣkǣdil] statt »Krokodil«
Substitutionsprozesse Plosivierung: Frikative werden durch Plosive ersetzt
[dak] statt »Dach«
Deaffrizierung: Affrikaten werden durch Frikative ersetzt, betrifft hier die Ersetzung von [ts] durch [s]
[suk] statt »Zug«
Glottalisierung/Öffnung: Ersetzung eines Konsonanten durch [h], betrifft hier vor allem die Ersetzung des [ȏ]
[hǣk] statt »Rock«
Rückverlagerung: Vordere Konsonanten werden nach hinten verlagert, betrifft hier hauptsächlich die Ersetzung von Frikativen durch [ç]
[tǹçǨ] statt »Tische«
22
1 2
Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
. Tabelle 1.3. (Fortsetzung) Bis ca. 3;6 Jahre Silbenstrukturprozesse
3
Auslassung unbetonter Silben
4
Silbenstrukturprozesse
5
Bis ca. 4;0 Jahre
Auslassung des [g] in der unbetonten Silbe [gǨ] (auch als Präfix)
[pǪnst] statt »Gespenst« [ǨlașIǨn] statt »gelaufen«
Auslassung des finalen Konsonaten [l]
[na:dǨ] statt »Nadel«
6
Substitutionsprozesse
7
Vorverlagerung: Hintere Konsonanten werden nach vorne verlagert, hier vor allem Alveolarisierung von Plosiven und Frikativen
8
[tanǨ] statt »Kanne«
Assimilationsprozesse Regressive Assimilationen
9
[na:nǨ] statt »Banane«
[fǹf ] statt »Schiff«
Bis ca. 4;6 Jahre Silbenstrukturprozesse
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Reduktion von Mehrfachkonsonanz Reduktion auf K1 (erster Konsonant der Verbindung) oder K2 (zweiter Konsonant der Verbindung) Plosiv + [l], Plosiv + [ȏ] [fl], [fȏ]
[bǪt] statt »Brett« [ligǨ] statt »Fliege«
Reduktion auf K2 [ ³] + Konsonant [ts] + [v]
[vaǹn] statt »Schwein« [vǪǟk] statt »Zwerg«
Reduktion auf K2K3 (zweiter und dritter Konsonant) oder K3 (dritter Konsonant) [ ³] + Plosiv + [ȏ]
[pȏǹtsǨ] oder [ȏǹtsǨ] statt »Spritze«
Reduktionen wortmedial
[tseba:] statt »Zebra«
Reduktionen wortfinal: Elision des letzten Konsonanten
[a:ts] statt »Arzt«
Substitutionsprozesse Fortisierung (Entstimmlichung): Plosive in Konsonantenverbindungen werden fortisiert
[plumǨ] statt »Blume«
23
1.2 · Physiologische Lautbildung und -verwendung
aufgeführten Altersangaben veranschaulichen, wann ein Kind die einzelnen Prozesse ungefähr überwunden hat. Die Schwierigkeit, aussagekräftige und allgemeingültige Eckdaten zum phonologischen Regelerwerb aufzustellen, zeigt sich nicht nur beim Vergleich unterschiedlicher Untersuchungen. Nachdem Fox die Daten ihrer ersten Studie von 1999 erneut auswertete und dabei andere Bewertungskriterien heranzog, ergaben sich Ergebnisse, die teilweise deutlich von denen der Erstauswertung abwichen. So wurden unter anderem Prozesse, die vorher als physiologisch eingestuft worden waren, nun eher als pathologische Auffälligkeit bewertet. Es empfiehlt sich daher, die aufgeführten Prozesse und Altersangaben als Richtwert zu verstehen, der sich unter Umständen verändern kann. . Tabelle 1.4 stellt das Ergebnis von Fox (2007a) nach der Reanalyse ihrer Studie von 1999 dar. Aufgeführt sind die phonologischen Prozesse, die sie nun als physiologisch wertet. Auf folgende Besonderheiten und Unterschiede weist Fox hin: 5 Die Auslassung initialer Konsonanten wird nicht mehr als physiologischer Prozess gewertet, da er nur bei sehr wenigen Kindern zu finden ist (Ausnahme: Auslassung des [g] in Vorsilben und im Präfix des Partizips). 5 Physiologischerweise scheint die Auslassung des finalen Konsonanten [l] nur bis 2;6 Jahre aufzutreten. 5 Unbetonte Silben werden ausgeprägt nur bis zum Alter von 3;0 Jahren ausgelassen, später findet sich dieser Prozess nur noch vereinzelt. 5 Von einer Plosivierung im physiologischen Sinne spricht Fox nur, wenn der Artikulationsort des beabsichtigten Frikativs erhalten bleibt und wenn die Plosivierung eher vereinzelt auftritt. 5 Eine Glottalisierung anderer Laute als des [ȏ] wertet Fox als pathologisch, ebenso die Rückverlagerung anderer Alveolare als der Frikative. 5 Die Vorverlagerung von Plosiven scheint ein Kind schneller zu überwinden als die Vorverlagerung von Frikativen (ungefähr schon mit 3;6 Jahren). 5 Die Kontaktassimilation [tȏ] und [dȏ]→[kȏ] und [gȏ] bezeichnet Fox nun als pathologischen Prozess. ! Beachte Es ist davon auszugehen, dass der Erwerb des phonologischen Regelsystems mit 4;0–4;6 Jahren weitgehend abgeschlossen ist. Bis zum Alter von 5;0 Jahren können phonologische Prozesse allerdings noch in vereinzelten Wörtern auftreten.
1
Erwerbsalter der einzelnen Laute Unter Berücksichtigung der bisher beschriebenen Entwicklungsvorgänge in Lautwahrnehmung und -produktion wird nun die Lautentwicklung im Einzelnen dargestellt. Prinzipiell kann man unterscheiden zwischen: 4 Lauten, die sehr früh sowohl phonetisch als auch phonologisch erworben werden (z. B. [m]), 4 Lauten, die erst später erworben werden, zum Erwerbszeitpunkt aber phonetisch wie auch phonologisch gefestigt sind (z. B. [ ∫ ]), 4 Lauten, die phonetisch im Lautrepertoire des Kindes vorhanden sind, bevor sie phonologisch korrekt eingesetzt werden (z. B. [f]) und 4 Lauten, die phonologisch korrekt verwendet werden, obwohl sie phonetisch noch nicht gefestigt sind (z. B. [s]/[z]). . Übersicht 1.8 verdeutlicht, wann Kinder Einzelkonsonanten und Konsonantenverbindungen phonetisch und phonologisch erworben haben. Die Altersanga-
ben basieren auf den Ergebnissen von Fox u. Dodd (1999) und orientieren sich an deren 90-%-Kriterium (Ein Laut wird dann als erworben betrachtet, wenn 90 % der Kinder einer Altersgruppe diesen Laut mindestens zweimal korrekt produziert haben). Das [s] und [z] tauchen in der Übersicht nicht auf, da sie noch bis zum sechsten Lebensjahr phonetisch nicht sicher beherrscht werden. Zusammenfassung 4 Kinder lernen im Laufe ihrer Entwicklung, wie sie die einzelnen Laute artikulationsmotorisch bilden müssen und nach welchen Regeln die Laute im Wort verwendet werden. 4 Während der ersten 18 Lebensmonate beginnt das Kind, verschiedene Laute zu produzieren (erste und zweite Lallperiode, Phase der ersten 50 Wörter). Die Laute werden zu diesem Zeitpunkt noch sehr instabil verwendet. Danach setzt der Erwerb des phonologischen Regelwissens ein. Dieser erstreckt sich über mehrere Jahre. Gleichzeitig differenziert das Kind seine artikulationsmotorischen Fähigkeiten weiter aus. 4 Der Lauterwerb folgt strukturellen Gesetzmäßigkeiten und ist mit 4;6–5 Jahren weitgehend abgeschlossen.
24
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Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
. Tabelle 1.4. Überblick über die phonologischen Prozesse im normalen Spracherwerb: Reanalyse der Daten von Fox u. Dodd 1999 in Kombination mit Daten von Fox 2007a. Silbenstrukturprozesse
2;5
2;11
3;5
3;11
4;5
4;11
Vereinzelte Auslassung finaler Konsonanten (vor allem von [l]) Vereinzelte Auslassung unbetonter Silben Reduktion von Mehrfachkonsonanz Substitutionsprozesse
2;5
2;11
3;5
3;11
4;5
4;11
2;5
2;11
3;5
3;11
4;5
4;11
Lenisierung (Plosive und [f] bei erhaltenem Artikulationsort und -art) Vereinzelte Plosivierung (bei erhaltenem Artikulationsort) Glottalisierung/Öffnung des [ȏ]
10 11
Vorverlagerung von [ŋ] (Alveolarisierung) Vereinzelt Deaffrizierung ([ts]ѧ[s])
12 13 14 15
Rückverlagerung ([z], [s], [∫]ѧ[ç], vor allem wortmedial) Vorverlagerung der Plosive [k] u. [g] (Alveolarisierung) Fortisierung (Plosive in Konsonantenverbindungen)
16
Vorverlagerung von [∫] u. [ç] (Alveolarisierung)
17
Assimilationsprozesse
18
Vereinzelt Assimilationen (mehr regressive als progressive)
19
Der Auswertung liegen folgende zwei Bewertungskriterien zugrunde: 5 Mindestens 10 % der Kinder einer Gruppe weisen diesen Prozess auf. 5 Jedes betroffene Kind zeigt den Prozess mindestens drei Mal.
20
25
1.3 · Pathologische Lautbildung und -verwendung
1
. Übersicht 1.8. Lauterwerb: korrekte motorische Realisation sowie korrekter Einsatz im Wort Alter
Einzelkonsonanten
Konsonantenverbindungen (initial)
1
1;6–1;11
[m] [d]
-
2
2;0–2;5
[b] [p] [n]
-
3
2;6–2;11
[v] [f ] [l] [t] [x] [k] [h]
-
4
3;0–3;5
[j] [ń] [ȏ] [g]
[pf ] [fȏ] [kl]
5
3;6–3;11
-
[bl] [bȏ] [fl] [gl] [gȏ]
6
4;0–4;5
[ç]
[dȏ] [tȏ] [kȏ] [kn] [kv] [ ³l] [ ³m] [ ³n] [ ³ȏ] [ ³p] [ ³v] [ ³t]
7
4;6–4;11
[ ³]
[ ³pȏ] [ ³tȏ]
Anmerkungen: 4 [s] und [z] werden in dieser Tabelle nicht erwähnt, da diese Laute häufig noch bis zum sechsten Lebensjahr phonetisch nicht sicher realisiert werden. 4 In der Praxis zeigt sich, dass viele Kinder das [³] bereits früher als hier aufgeführt beherrschen. Die Angaben in der Übersicht beziehen sich auf das Lebensalter, in dem 90% der Kinder den Laut korrekt bilden und verwenden können.
1.3
Pathologische Lautbildung und -verwendung
Nach der Beschreibung der physiologischen Lautbildung und -verwendung wird nun auf entsprechende Fehlleistungen eingegangen. Damit sind Fehlbildungen aufgrund artikulationsmotorischer Schwierigkeiten wie auch Einschränkungen in der regelhaften Anwendung der Laute gemeint. Mögliche Fehlleistungen werden näher erläutert. Gleichzeitig werden gängige Termini vorgestellt, um Lautbildungsund Lautverwendungsfehler zu beschreiben.
Mit dem Wissen um die physiologischen Vorgänge bei der Lautentwicklung lassen sich mögliche Lautbildungs- und Lautverwendungsfehler leicht nachvollziehen. So kann es einerseits zu phonetischen Störungen kommen, wenn das Kind artikulationsmotorische Probleme bei der Lautrealisierung hat. Andererseits können Schwierigkeiten im phonologisch-sprachsystematischen Gebrauch der Laute auftreten, analog spricht man dann von phonologischen Störungen. Natürlich treten auch Kombinationen beider Bereiche auf, eine exakte Zuordnung der Auffälligkeiten zu einem der beiden Schwerpunkte ist dabei nicht immer möglich. Zusätzlich kann das Auftreten von dyspraktischen Störungen die Aussprache des Kindes verändern.
Zur genaueren Beschreibung von Aussprachestörungen existieren unterschiedliche Termini. Viele der teilweise immer noch verwendeten Begriffe dienten bisher hauptsächlich der Beschreibung phonetischer Störungen. Mit der Unterteilung in phonetische und phonologische Störungen wird die Unzulänglichkeit mancher dieser Begriffe deutlich. Im Folgenden werden deshalb nur solche Termini aufgeführt, die relativ klar gegeneinander abgegrenzt werden können. Im Zweifelsfall wird immer auf deren Praxisrelevanz Bezug genommen. Bevor die phonetischen, phonologischen und dyspraktischen Störungen konkretisiert werden, soll noch auf die Konstanz und Konsequenz von Lautbildungsund Lautverwendungsfehlern verwiesen werden: 4 Konstante versus inkonstante Auffälligkeiten: Das Kind verändert ein Phonem immer bzw. nicht immer. 4 Konsequente versus inkonsequente Auffälligkeiten: Das Kind ersetzt oder verändert ein Phonem immer bzw. nicht immer auf die gleiche Art. Der Einsatz dieser Begriffe erfolgt üblicherweise bei der Beschreibung einzelner Phoneme. Eine Übertragung dieser Termini auf die Beschreibung von ganzen Lautklassen (7 Kap. 1.3.2) erscheint nur bedingt möglich. So kann man beispielsweise sicher von einer inkonstanten, nicht jedoch von einer inkonsequenten Plosivierung
26
Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
sprechen. Nur wenn die Laute, die von einer Plosivierung betroffen sind, einzeln aufgeführt werden, lassen sich die Beschreibungskriterien verwenden (z. B. »[f] wird inkonsequent durch [p] oder [t] plosiviert.«).
! Beachte
3
1.3.1 Phonetische Störungen
Sigmatismus
4
Prinzipiell gibt es ganz unterschiedliche Möglichkeiten, wie ein Laut fehlgebildet werden kann. Das hängt immer mit den speziellen artikulationsmotorischen Schwierigkeiten des Kindes zusammen. So macht es einen Unterschied, ob ein Kind z. B. bei der [ ³]-Bildung lediglich keine ausreichende Wangenspannung aufbauen kann, oder ob seine Zungenkraft und -koordination beeinträchtigt ist. Deshalb ist es unmöglich und wenig hilfreich, alle Lautfehlbildungsarten phonetischer Art aufzulisten.
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! Beachte Wenn ein Kind einen Laut durch einen nicht-muttersprachlichen ersetzt (z. B. durch ein [T]) oder ihn konstant fehlbildet, kann man davon ausgehen, dass das Kind Schwierigkeiten mit der motorischen Realisierung des Lautes hat (phonetische Störung).
> Exkurs Je nach theoretischem Ansatz werden allerdings konstante Fehlbildungen auch zu den phonologischen Störungen gezählt (Jahn 2007). Genauso können inkonstante Lautbildungsfehler durch artikulationsmotorische Schwierigkeiten hervorgerufen werden. So kann es sein, das ein Kind einen Laut in Verbindung mit günstigen Koartikulatoren schon richtig bilden kann. Erhöht sich aber die motorisch-koordinatorische Anforderung (z. B. bei Mehrfachkonsonanzen), kommt es wieder zur Lautfehlbildung.
Eine immer noch gängige Terminologie für Fehlbildungen einzelner Laute ist, die griechische Bezeichnung des entsprechenden Buchstabens zu verwenden. Diese wird durch die Endung »-tismus« bzw. »- zismus« ergänzt. Diese Termini werden schwerpunktmäßig dann verwendet, wenn es sich um phonetische Störungen handelt. In der Praxis trifft man vor allem auf folgende Begriffe: 4 Sigmatismus (Fehlbildung des [s]/[z]), 4 Schetismus (Fehlbildung des [ ³]), 4 Rhotazismus (Fehlbildung des [ȏ]). Ein Nachteil dieser Bezeichnung ist, dass aus ihr nicht ersichtlich wird, wie der fehlgebildete Laut realisiert wird.
Die international gebräuchliche Schreibweise ist vorzuziehen. Sie ermöglicht durch eine genaue Notation des Ersatzlautes einen schnelleren Einblick in die Störung (z. B. [ȏ] o [l]).
Der Sigmatismus ist die am weitesten verbreitete phonetische Störung. Deshalb wird an dieser Stelle näher auf ihn eingegangen. Die physiologische [s]/[z]-Bildung ist in 7 Kap. 6.6.3 beschrieben. . Übersicht 1.9 listet die in der Praxis zu beobachtenden Varianten eines Sigmatismus auf. Beim lateralen Sigmatismus lassen sich die unterschiedlichen Fehlbildungsmöglichkeiten noch genauer bezeichnen: 4 Sigmatismus lateralis dexter: Die Luft entweicht nach rechts. 4 Sigmatismus lateralis sinister: Die Luft entweicht nach links. 4 Sigmatismus bilateralis: Die Luft entweicht nach beiden Seiten. Diese Unterscheidung wird allerdings im logopädischen Alltag nur vereinzelt verwendet. Im Folgenden seien noch weitere [s]/[z]-Fehlbildungsarten genannt, die deutlich seltener auftreten:
. Übersicht 1.9. Häufig auftretende Sigmatismusarten 4 Sigmatismus addentalis: Die Zunge wird an die oberen Schneidezähne gepresst, die Luft entweicht fächerförmig über den vorderen Zungenteil. Der so entstehende Laut klingt unscharf und dumpf. 4 Sigmatismus interdentalis: Die Zungenspitze liegt bei der Artikulation sichtbar zwischen den Zähnen. Durch die interdentale Lage wird die Luft nicht mehr gebündelt, sie entweicht über den gesamten vorderen Zungenteil. Dieser Laut klingt ebenfalls unscharf und dumpf. 4 Sigmatismus lateralis: Die Zunge bildet keine mediane Rille. Die Luft entweicht seitlich in die Wangentaschen. Es entsteht ein auffällig schlürfendes Geräusch. Man kann noch unterscheiden, ob die Luft ein- oder beidseitig entweicht. Manchmal wird zusätzlich der seitengleiche betroffene Mundwinkel zurückgezogen.
27
1.3 · Pathologische Lautbildung und -verwendung
4 Sigmatismus lateroflexus: Es wird eine mediane Rille gebildet, die Zungenspitze weicht bei der Artikulation aber nach einer Seite ab. Der Luftstrom wird meist gegen den Eckzahn gelenkt. Häufig wird gleichzeitig der entsprechende Mundwinkel verzogen. Es entsteht ein ähnlich schlürfender Klang wie beim Sigmatismus lateralis. 4 Sigmatismus palatalis: Die Zungenspitze einschließlich der medianen Rille wird zurückverlagert, der Luftstrom wird gegen den harten Gaumen gelenkt. Der Laut klingt ähnlich wie ein [ç] oder ein [ ³]. 4 Sigmatismus nasalis: Die Luft entweicht aufgrund einer fehlerhaften Velumfunktion ganz oder teilweise durch die Nase. 4 Sigmatismus stridens: Durch eine übertriebene Rillenbildung entsteht ein spitz klingender pfeifender Zischlaut. Diese Sigmatismusform kommt häufiger vor und wird nicht immer therapiert.
Multiple Interdentalität Beim Phänomen der multiplen Interdentalität werden mehrere Laute interdental gebildet. Meistens handelt es sich dabei um sämtliche Alveolare. Diese Auffälligkeit kann immer wieder in Kombination mit interdentalen Sigmatismen oder orafazialen Muskelfunktionsstörungen beobachtet werden (7 Kap. 1.4.2, Abschn. »Orofaziale Dysfunktion« und 7 Kap. 4.3.) Zusammenfassung 4 Von einer phonetischen Störung spricht man, wenn das Kind Laute durch nicht-muttersprachliche Laute ersetzt oder die Lautfehlbildung konstant zu beobachten ist. 4 Der Sigmatismus ist eine oft anzutreffende phonetische Störung. Er tritt in unterschiedlichen Varianten auf.
1.3.2 Phonologische Störungen Auch im phonologischen Bereich können unterschiedliche Arten von Lautverwendungsfehlern beobachtet werden. Sie treten bei Kindern auf, die Schwierigkeiten beim Erwerb des phonologischen Regelsystems haben. Wie in der physiologischen Entwicklung werden diese Lautauffälligkeiten mit Hilfe phonologischer Prozesse beschrieben. Dabei weisen sprachauffällige Kinder in der Regel ähnliche Prozesse auf wie sprachunauffällige Kinder. Trotzdem lassen sich gewisse Unterscheidungen treffen, die im Folgenden dargestellt werden.
1
! Beachte Bei inkonstanten und inkonsequenten lautlichen Veränderungen handelt es sich häufig um phonologische Schwierigkeiten. Die Kinder können die Laute artikulationsmotorisch bilden, sie haben allerdings Schwierigkeiten bei deren regelhafter Anwendung.
> Exkurs Vor allem inkonsequente Fehlbildungen lassen auch die Möglichkeit dyspraktischer Schwierigkeiten zu. Diese sind vor allem bei einer großen Diskrepanz zwischen Übungssituation und Spontansprache zu vermuten. Bei Kindern mit phonologischen Störungen lassen sich inkonsequente Fehlleistungen meistens durch Assimilationsprozesse erklären (7 Kap. 1.3.3 und 1.4.2).
Man unterscheidet zwei Untergruppen phonologischer Prozesse: 4 verspätete Überwindung physiologisch-phonologischer Prozesse, 4 ungewöhnliche phonologische Prozesse.
Verspätete Überwindung physiologisch-phonologischer Prozesse Das Kind hält länger als üblich an allen oder einzelnen Prozessen fest, die normalerweise im Spracherwerb auftreten (. Tabelle 1.3 und 1.4). So kann es zu einer asynchronen Entwicklung des phonologischen Regelsystems kommen. > Beispiel 4 Bei einem fünfjährigen Kind fallen noch die Silbenstruktur-, Substitutions- und Assimilationsprozesse auf, die eigentlich mit 4;0 Jahren überwunden sein sollten. Damit kann ein allgemein verspäteter phonologischer Regelerwerb festgestellt werden. 4 Ein fünfjähriges Kind zeigt außer einer deutlichen Alveolarisierung keine Auffälligkeiten in der Lautverwendung. Somit fällt eine asynchrone Entwicklung des phonologischen Regelsystems auf.
Ungewöhnliche phonologische Prozesse Neben verspätet überwundenen physiologischen Prozessen treten sog. idiosynkratische Prozesse auf. Das heißt, dass beim Kind phonologische Prozesse zu beobachten sind, die in der normalen Entwicklung entweder gar nicht oder nur vereinzelt und über eine kurzen Zeitraum auftreten. Da sich jedes Kind individuell
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Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
entwickelt, ist es auch hier nicht möglich, alle eventuell auftretenden Prozesse vorzustellen. Im Folgenden werden Prozesse benannt, die in der logopädischen Praxis öfter beobachtet werden können, die aber in der Regel im normalen Spracherwerb in dieser Form nicht vorkommen. Andere Prozesse können eigenständig klassifiziert werden. Dabei orientiert man sich bei der Namensgebung immer an Artikulationsart oder -ort der Ersatzlaute: 4 Silbenstrukturprozesse – Auslassung initialer Konsonanten. Der erste Konsonant im Wort wird ausgelassen, das Wort beginnt mit dem »Kehlkopfton« ([?a: f] statt »Schaf«). – Glottisverschluss. Das Kind lässt das initiale [h] im Wort weg (["șnt] statt »Hund«). – Addition. Hinzufügen eines Lautes, meist in finaler Wortposition ([∫a:ft] statt »Schaf«). – Reduktion von Mehrfachkonsonanz. Reduzierung auf einen Laut, der nicht in der ursprünglichen Konsonantenverbindung vorkommt ([da:s] statt »Gras«). 4 Assimilationsprozesse – Kontaktassimilation [tȏ]→[kȏ]. Die Angleichung findet im Wort statt und kann auch den stimmhaften Plosiv betreffen ([kȏǪpǨ] statt »Treppe«, [gȏaǹ] statt »drei«). – Permutation. Laute werden umgestellt ([lǪtǟ∫mǹń] statt »Schmetterling«). 4 Substitutionsprozesse (den Artikulationsort betreffend) – Rückverlagerung zum [∫]. ([ta∫Ǩ] statt »Tasse«). – Rückverlagerung von alveolaren Nicht-Frikativen. Alveolare Plosive oder Nasale werden nach hinten verlagert ([kǣpf] statt »Topf«). 4 Substitutionsprozesse (die Artikulationsart betreffend) – Plosivierung mit Wechsel des Artikulationsortes. Frikative werden durch Plosive eines anderen Artikulationsortes ersetzt ([dat] statt »Dach«). – Lateralisierung. Ersetzung von nicht-lateralen Konsonanten durch Laterale ([la:zǨ] statt »Nase«, [lǣk] statt »Rock«). – Denasalierung. Ersetzung von Nasalen durch andere Konsonanten ([da:mǨ] statt »Name«). – Affrizierung. Ersetzung eines Frikativs durch einen Affrikaten ([bșt³] statt »Busch«).
Sonderfälle Als Sonderfälle werden hier ungewöhnliche phonologische Prozesse bezeichnet, die sich nicht eindeutig einer der oben aufgeführten Kategorien zuordnen lassen.
Vokalische Prozesse Bei einigen Kindern werden Vokale verändert. Es kann z. B. durch eine veränderte Lippenrundung oder Zungenlage zur Modifikation von Vokalen kommen ([hȞnt] statt »Hund« oder [grun] statt »grün«). Möglicherweise besteht hier ein Zusammenhang mit der verbalen Entwicklungsdyspraxie (7 Kap 1.3.3).
Lautpräferenz Der Begriff »Lautpräferenz« beschreibt das Phänomen, dass eine oder mehrere Lautgruppen durch einen einzigen Konsonanten ersetzt werden. Das Kind verwendet diesen einen Konsonanten bevorzugt und besonders häufig (Hacker 1999). Dies geschieht überwiegend in der Anlautposition einen Wortes (z. B. Ersetzung aller Wortanlaute durch ein [d]). Dieser Ersatzlaut übernimmt die Funktion mehrerer verschiedener Konsonanten, man spricht daher von einem funktionell belasteten Laut. Die Sprache des Kindes wird dadurch meistens sehr unverständlich. Möglicherweise lässt sich die Verwendung eines funktionell belasteten Ersatzkonsonanten durch das Zusammentreffen mehrerer phonologischer Prozesse erklären (Hacker 1999). Wenn beispielsweise eine Plosivierung von Frikativen, eine Vorverlagerung und eine Reduktion von Mehrfachkonsonanz mit einer Lenisierung zusammentreffen, bleibt als Ersatzlaut gewissermaßen nur noch das [d] übrig.
Onsetprozesse Es ist auch denkbar, dass die Verwendung eines einzigen Ersatzlautes für viele Konsonanten ein Problem der Wortbetonung ist. Immer wenn der Anlaut (= Onset, s. auch 7 Kap. 1.2.2, Abschn. »Prosodie«) eines Wortes bzw. einer betonten Silbe ersetzt wird, spricht man von einem Onsetprozess (z.B. [hogl`hedǟ] statt »Vogelfeder«). Fox (2007a) beschreibt, dass bei der Substitution des Wort-Onsets durch [d] oder [h] lediglich die Primärkonsonanten (m, n, b, p, d, t) nicht betroffen seien, alle anderen betonten Konsonanten oder Konsonantenverbindungen würden ersetzt. Zusammenfassung 4 Wenn Kinder Laute inkonstant oder inkonsequent ersetzen, handelt es sich in der Regel um phonologische Schwierigkeiten. 4 Man unterscheidet zwischen der verspäteten Überwindung physiologisch-phonologischer Prozesse und ungewöhnlichen phonologischen Prozessen.
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1.3 · Pathologische Lautbildung und -verwendung
1.3.3 Dyspraktische Störungen Einige wenige der Kinder mit Aussprachestörungen fallen dadurch auf, dass ihre Verständlichkeit besonders in spontansprachlichen Äußerungen sehr schlecht ist und dass bewährte Therapieansätze kaum Erfolge zeigen. Auf den ersten Blick ähneln diese Symptome den Auffälligkeiten bei phonologischen Störungen, bei genauerer Betrachtung zeigen die Kinder jedoch Schwierigkeiten in ihrer verbalen Praxie, also in der Fähigkeit, Lautmusterfolgen zu realisieren. Es handelt sich hierbei vermutlich um »eine Störung der Programmierung der Myofunktionen, die für die Sprechproduktion eingesetzt werden müssen« (Schulte-Mäter 1996, S 15), was nicht mit einer einfachen Schwäche der Artikulationsmotorik gleichbedeutend ist. Diese Störung wird in Abgrenzung zu den erworbenen Dyspraxien verbale Entwicklungsdyspraxie oder kindliche Sprechapraxie (Lauer u. Birner-Janusch 2010) genannt. Hiervon zu unterscheiden ist wiederum die orale Dyspraxie (7 Kap. 1.4.2). Diese bezeichnet die eingeschränkte Fähigkeit, Abfolgen von mundmotorischen Mustern ohne Beteiligung des Sprechens umzusetzen. Die in der Literatur (Schulte-Mäter 1996, Dannenbauer 1999) beschriebenen Symptome der verbalen Entwicklungsdyspraxie unterscheiden sich nicht prinzipiell von denen der phonologischen Störung, sondern eher in der Häufigkeit des Auftretens. Daher ist eine differentialdiagnostische Aussage derzeit noch nicht sicher zu treffen (7 Kap. 3.3.1). In 7 Kap. 7.3.2 wird ein Bogen zur Klassifizierung von Ausspracheauffälligkeiten vorgestellt, der versucht, diesen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Im Folgenden werden einige typische Symptome einer verbalen Entwicklungsdyspraxie genannt: 5 Die Abfolge bzw. Sequenzierung von Lautbildungsmustern ist störungsanfällig. Dies ist in Abhängigkeit von der Komplexität der Äußerung zu beobachten, je länger die Äußerung, desto auffälliger ist die Aussprache. Dann sind Lautumstellungen und -additionen typisch. 5 Häufig zeigen die Kinder Schwierigkeiten mit der willkürlichen Artikulation, die unwillkürlichen Bewegungen sind unauffällig. 5 In vielen Fällen treten Suchbewegungen bei der Artikulation auf. 5 Schnelle Lautabfolgen (Diadochokinese), insbesondere wenn auch noch der Artikulationsort verändert werden muss, fallen dem Kind schwer. 5 Insgesamt sind auch inkonsequente Lautfehler bei sprechdyspraktischen Kindern häufiger. Hier ist ein Zusammenhang mit der Komplexität der Äußerung, aber auch mit der koartikulatorischen Umgebung zu vermuten.
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! Beachte Innerhalb der Gruppe der phonetisch-phonologisch auffälligen Kinder gibt es eine eigene kleine Gruppe von Kindern mit sprechdyspraktischen Schwierigkeiten. Es gibt derzeit keine sicheren differentialdiagnostischen Verfahren, um sie von den »einfachen« phonologischen Störungen abzugrenzen.
> Exkurs Die Therapie von Kindern mit verbaler Entwicklungsdyspraxie unterscheidet sich von der »normalen« Phonologie-Therapie, was aufgrund der schlechten differentialdiagnostischen Möglichkeiten eine Schwierigkeit darstellt. Besonderer Wert wird bei den Therapieansätzen auf das Lernen durch Assoziationen (Schulte-Mäter 1996) gelegt. Das bedeutet, dass der Sprechvorgang durch andere Sinneskanäle unterstützt wird, z.B. durch die taktil-kinästhetische oder die visuelle Wahrnehmung. Im Folgenden wird eine Auswahl von drei Ansätzen knapp skizziert, die sich in der Behandlung von Entwicklungsdyspraxien bewährt haben (Schulte-Mäter 1996, Birner-Janusch 2003, Lauer u. Birner-Janusch 2010). 1. Melodische Intonationstherapie Um die melodischen Fähigkeiten des Kindes, die auf der rechten Hirnhälfte lokalisiert sind, mit zu nutzen, werden Sprachäußerungen melodisch intoniert. Unterstützend dazu klopfen Kind und Therapeutin mit der Hand gemeinsam den Rhythmus. Gebärdensprachliche Gesten werden zur Unterstützung herangezogen (Birner-Janusch 2003). 2. Assoziationsmethode nach McGinnis In diesem Programm werden mit dem Kind Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Sinneskanälen hergestellt. Assoziiert werden das Mundmuster, der taktil-kinästhetische Eindruck, der Lautklang, das Mundbild der Therapeutin und der Laut als Graphem. Auf diese Weise können starke Modalitäten die schwächeren unterstützen. Durch die Verschriftung wird die Sequenzbildung erleichtert (7 Kap. 4.5). 3. PROMPT bzw. TAKTKIN Einem systematischen Aufbau folgend werden in diesem Therapieansatz manuelle Hinweisreize an der orofazialen Muskulatur des Kindes gesetzt, die ihm eine Ausführung der Sprechbewegung und der koartikulatorischen Bewegungen ermöglichen. Gleichzeitig werden pathologische Muster gehemmt (BirnerJanusch 2003). In der – vor allem angloamerikanischen - Literatur werden noch verschiedene andere Ansätze beschrieben, die sicherlich über die o.g. Ansätze hinaus einiges an therapeutischem Potential beinhalten.
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Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
1.4
Ätiologie von Aussprachestörungen
Es werden mögliche Ursachen für das Auftreten einer phonetisch-phonologischen Störung beschrieben. Die Einteilung in einzelne Verursachungsbereiche verdeutlicht deren Bedeutung für die Art der Aussprachestörung.
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Hören und Hörwahrnehmung Eine normale Hörfähigkeit und -verarbeitung ist für die Sprachentwicklung eine wesentliche Voraussetzung. Dieser Bereich spielt deshalb auch für die Lautentwicklung eine wichtige Rolle (7 Kap. 1.2.5, Abschn. »Lautwahrnehmung und phonologische Bewusstheit« und Abschn. »Phonetisch-artikulatorische Fähigkeiten«).
Peripheres Hörvermögen Bei der Verursachung von Aussprachestörungen können Einschränkungen in unterschiedlichsten (Teilleistungs- ) Bereichen eine Rolle spielen. Zum einen haben verschiedene nichtsprachliche Entwicklungsbereiche des Kindes eine Auswirkung auf dessen lautsprachliche Fähigkeiten. Gleichzeitig dürfen kognitive Lernprozesse und mentale Organisationsstrukturen nicht vernachlässigt werden. Aber auch die das Kind umgebende Umwelt hat eine spezielle Funktion für die (Laut- ) Sprachentwicklung. Die verschiedenen Faktoren müssen dabei immer im Zusammenhang betrachtet werden. ! Beachte Meistens handelt es sich bei der Entstehung einer Aussprachestörung nicht nur um eine Ursache, sondern um einen Ursachenkomplex von primär verursachenden und sekundär aufrechterhaltenden Faktoren.
Die Gewichtung dieser Faktoren ist variabel und kann sich im Laufe der Zeit auch immer wieder verändern und verschieben. Folgende Ursachen kann man grob unterscheiden (Grohnfeldt 1996, S 8): 4 Beeinträchtigungen der Aufnahme und Verarbeitung von Sinnesreizen, 4 Bewegungsstörungen der Artikulationsorgane, 4 Erbanlagen und Einflüsse durch das familiäre Umfeld.
1.4.1 Beeinträchtigungen der
Aufnahme und Verarbeitung von Sinnesreizen Bei diesen Störungen unterscheidet man zwischen: 4 dem peripheren Hörvermögen und der zentralen Verarbeitung des Hörereignisses, 4 den taktil-kinästhetischen Wahrnehmungsmöglichkeiten im orofazialen Bereich und 4 der Sehfähigkeit und der visuellen Wahrnehmung.
Für eine physiologische Lautbildung und -verwendung muss das Kind in der Lage sein, eigene und fremde Äußerungen auditiv zu vergleichen. Damit kann es seine Aussprache besser kontrollieren und eventuell korrigieren. Nur so wird eine korrekte Nachahmung möglich (Thiel 2000, S 18ff, Van Riper u. Irwin 1994). Schon ab 25–30 dB Hörverlust können artikulatorische Fehlleistungen auftreten. Ein Hochtonverlust führt z. B. leicht zu Schwierigkeiten bei der Bildung der Frikative. ! Beachte Bei Kindern mit einer Schallleitungs- oder Schallempfindungsschwerhörigkeit ist häufig die Artikulationsfähigkeit eingeschränkt.
Vor allem persistierende leichte Schallleitungsschwerhörigkeiten, wie sie bei Dauererkältungen auftreten können, sind in ihrer Bedeutung für die Entwicklung phonetisch-phonologischer Fähigkeiten nicht zu unterschätzen. Sie treten im Kindesalter häufig auf, werden aber seltener als Schallempfindungsschwerhörigkeiten erkannt. ! Beachte Durch ein dauerhaft leicht eingeschränktes Hörvermögen kann der Lauterwerb deutlich erschwert werden.
Zentral-auditive Verarbeitung Auch eine herabgesetzte Hörwahrnehmung und -verarbeitung kann unter anderem zu Lautverwendungsstörungen führen. Hierbei sind die Kinder trotz eines eventuell normalen peripheren Hörvermögens nicht oder nur eingeschränkt in der Lage, Sprachlaute und prosodische Strukturen adäquat zu verarbeiten. . Übersicht 1.10 listet die verschiedenen auditiven Wahrnehmungsqualitäten auf, die beeinträchtigt sein können (Böhme 2006, Lauer 2006, Thiel 2000, Breitenbach 1995). Vor allem lautliche Schwierigkeiten in den einzelnen Wahrnehmungsbereichen beeinflussen die Fähigkeit, Laute korrekt in der eigenen Sprachproduktion zu verwenden.
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1.4 · Ätiologie von Aussprachestörungen
1
> Exkurs . Übersicht 1.10. Verschiedene Qualitäten der auditiven Wahrnehmung 4 Auditive Aufmerksamkeit 4 Auditive Lokalisation: Richtungshören. 4 Auditive Selektion: Figur-Hintergrund-Unterscheidung, Stör-Nutzschall-Trennung. 4 Auditives Gedächtnis: Speicherung, Merkfähigkeit, Hörgedächtnisspanne. 4 Auditive Sequenzerfassung: Reihenfolgegedächtnis. 4 Auditive Diskrimination: Differenzierung verschiedener auditiver Stimuli, hier vor allem Phonemdiskrimination. 4 Auditive Identifikation: Erkennen eines auditiven Stimulus in einem akustischen Gesamtkomplex, hier vor allem Lauterkennung im Wort. 4 Auditive Analyse: Zergliedern eines akustischen Gesamtkomplexes in einzelne Elemente, hier vor allem Erkennen der Position von Ziellauten in Wörtern. 4 Auditive Synthese: Zusammenfügen einzelner Elemente zu einem akustischen Gesamtkomplex. 4 Auditive Ergänzungsfähigkeit: Vervollständigung von fragmentarischen akustischen Gebilden zu sinnvollen Informationen.
Kinder mit Einschränkungen in der zentral-auditiven Verarbeitung sind oft nicht in der Lage, die relevanten Informationen aus dem sprachlichen Input herauszufiltern, die sie für eine Weiterentwicklung ihres formal-sprachlichen Regelsystems benötigen. Sie erfassen phonologische Strukturen und prosodische Besonderheiten der Sprache nur unzureichend und können keine altersgemäße phonologische Bewusstheit entwickeln (7 Kap. 1.2.5, Abschn. »Lautwahrnehmung und phonologische Bewusstheit«). Damit können diese Kinder lautliche Eigenschaften der Sprache nicht nach formalen Kriterien wahrnehmen oder verarbeiten. Bei diesen Kindern kommt es oft zu phonologischen Störungen (7 Kap. 1.5.1, Penner et al. 2006 und Thiel 2000).
Je nach theoretischem Ansatz existiert auch die Annahme, dass es sich bei phonologischen Störungen nicht um Schwierigkeiten der auditiven Wahrnehmung handelt. Vielmehr werden Einschränkungen in den mentalen Organisationsstrukturen als verursachend angenommen. Vorstellbar sind hier sowohl unvollständig entwickelte phonologisch-lexikalische Repräsentationen als auch Übertragungsprobleme von Informationen. Dadurch komme es zu den typischen Reaktionen phonologisch auffälliger Kinder beim Vergleich von auditiver Fremd- und Eigenwahrnehmung. Die Kinder sind tatsächlich häufig in der Lage, lautliche Unterschiede bei anderen Personen zu erkennen, für entsprechende eigene Fehlleistungen fehlt ihnen aber die Einsicht (Jahn 2007).
! Beachte Die Beeinträchtigung der phonologischen Bewusstheit kann neben einer phonologischen Störung auch Schwierigkeiten in den anderen rezeptiven und expressiven sprachlichen Bereichen zur Folge haben. Beim Schulkind können Störungen des Schriftspracherwerbs auftreten.
Taktil-kinästhetische Wahrnehmung Nicht nur die auditive Rückkopplung, sondern auch eine physiologische orale taktil-kinästhetische Wahrnehmungsfähigkeit sind für die Lautbildungskontrolle wichtig. Nur wenn das Kind Rückmeldungen über Stellung, Spannungszustand und Bewegungsausmaß seiner Artikulationsorgane erhält und verarbeiten kann, wird es in der Lage sein, diese koordiniert einzusetzen. Vor allem schnelle Bewegungsabfolgen werden so erst möglich. Störungen in diesem Bereich führen damit ebenfalls zu Schwierigkeiten in der Aussprache. Diese fallen häufig besonders im spontanen Sprechen mit zunehmender Komplexität der Äußerungen auf, da die Kinder hier die Lautbildung nur schwer kontrollieren können.
Sehen und visuelle Wahrnehmung Einschränkungen im Sehvermögen oder der visuellen Wahrnehmung können Aussprachestörungen mitverursachen, denn bei der Lautbildung orientiert sich das Kind unter anderem am Mundbild seines Gegenübers. Im Vergleich zu den anderen beschriebenen Wahrnehmungsfähigkeiten spielt die Sehfähigkeit allerdings eine eher untergeordnete Rolle bei der Verursachung einer phonetisch-phonologischen Störung.
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Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
Zusammenfassung 4 Vor allem eine eingeschränkte Hörfähigkeit und Defizite in der zentral-auditiven Verarbeitung können Aussprachestörungen verursachen. 4 Schwierigkeiten im Bereich der Verarbeitung auditiver Sinneseindrücke führen oft zu phonologischen Störungen. 4 Durch eine verminderte orale taktil-kinästhetische Wahrnehmungsfähigkeit kann es beim Kind zu Lautbildungstörungen kommen.
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1.4.2 Bewegungsstörungen
der Artikulationsorgane
. Übersicht 1.11. Ursachen für eine eingeschränkte orofaziale Beweglichkeit Organische Veränderungen der Sprechwerkzeuge 4 Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, 4 Zahnstellungsanomalien, 4 Kieferanomalien, 4 Lippen- und Zungenveränderungen. Zentral bedingt 4 zerebrale Bewegungsstörungen (Zerebralparese), 4 neurologische Prozesse aufgrund von Tumoren oder Hirnblutungen, 4 Paresen, 4 zentrale Programmierungsstörungen (orale Dyspraxien, verbale Entwicklungsdyspraxien).
Aufgrund von Muskelschwächen oder motorischer Ungeschicklichkeit im orofazialen Bereich kann ein Kind Schwierigkeiten haben, bestimmte Laute korrekt zu bilden. Dabei sind vor allem motorisch schwierig zu bildende Laute wie das [s]/[z] oder [ ³] oder komplexere Lautverbindungen wie z. B. Mehrfachkonsonanzen betroffen. Häufig entstehen dadurch Aussprachestörungen phonetischer Art (7 Kap. 1.5.1). Die Bewegungsstörungen können unterschiedlich verursacht werden, wie in . Übersicht 1.11 zu erkennnen ist. Die artikulatorischen Einschränkungen hängen immer vom Schweregrad der zugrunde liegenden Problematik ab. Dadurch variieren auch die jeweiligen Zielsetzungen in der Therapie. Bei einem zerebralparetischen Kind sind sicher nicht die gleichen Erfolge zu erwarten wie bei einem Kind mit einer nur minimalen eingeschränkten orofazialen Muskelfunktion. Häufig sind orale Bewegungsstörungen mit Einschränkungen in der taktil-kinästhetischen Wahrnehmung in diesem Bereich gekoppelt. Die Kinder haben kein Gespür für die geforderten artikulatorischen Bewegungsabläufe. Das macht sich dann natürlich vor allem bei komplexeren Bewegungsabfolgen (Spontansprache) bemerkbar (7 Kap. 1.4.1, Abschn. »Taktilkinästhetische Wahrnehmung«).
wogenheit des orofazialen Gleichgewichts; die Muskelgruppen der Zunge, der Lippen und der Wangen weisen veränderte Spannungszustände auf. Diese Dysbalance geht meist mit einer Funktionsstörung des Schluckens einher, wobei verschiedene Ausprägungsgrade (z. B. addentales oder interdentales Schlucken) zu beobachten sind. Die Zunge des Kindes drückt beim Schlucken nicht gegen den oberen Alveolardamm, sondern gegen die (meist oberen) Schneidezähne oder zwischen diese. Kompensatorisch spannen sich andere Muskelgruppen (z. B. M. mentalis und M. masseter) an. Der falsche Schluckablauf hat häufig eine Verformung des Kiefers zur Folge, welche die saubere Artikulation der Laute erschwert oder unmöglich macht. Meist sind hierbei [s]/[z] und [ ³] betroffen (7 Kap. 4.3).
Orofaziale Dysfunktion
! Beachte
Neben den erwähnten motorischen Schwächen, die für phonetische Störungen ursächlich sein können, begegnet man auch noch den mit einer Schluckstörung kombinierten (in der Praxis oft auch als Myofunktionelle Störungen bezeichnet). Hierbei besteht eine Unausge-
Habituell bedingt 4 ungünstiger Flaschensauger im Säuglingsalter (zu große Form, zu großes Saugerloch), 4 zu langer Schnullergebrauch, 4 Daumenlutschen, 4 andere Lutschgewohnheiten (sog. Habits).
Ein verändertes Schluckmuster ist häufig mit phonetischen Störungen verbunden. In diesen Fällen muss zuerst die orofaziale Myofunktion behandelt werden, dann erst kann an der Lautbildung gearbeitet werden.
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1.4 · Ätiologie von Aussprachestörungen
Zentrale Programmierungsstörungen Willkürliche und bewusst geplante Bewegungen im orofazialen Bereich können durch das Vorliegen von zentralen Programmierungsstörungen erschwert oder gar verhindert werden. Diese Störung wird als orale Dyspraxie bezeichnet. Dabei kann neben der allgemeinen oralen Beweglichkeit und Steuerungsfähigkeit auch das Sprechen betroffen sein. Je mehr sich das Kind um die korrekte Ausführung einer Bewegung bemüht, desto schlechter wird diese. Auffallend sind hier deutliche Suchbewegungen, die als Hauptindiz für das Vorliegen einer oralen Dyspraxie gelten (7 Kap. 3.3.1). Zu den zentralen Programmierungsstörungen gehört auch die verbale Entwicklungsdyspraxie (7 Kap. 1.3.3), die in Kombination mit der oralen Dyspraxie auftreten kann, aber nicht zwingend muss. Beide Störungen sind auch unabhängig voneinander zu beobachten. Zusammenfassung 4 Bewegungsstörungen der Artikulationsorgane können organisch, zentral oder habituell bedingt entstehen und führen in der Regel zu phonetischen Störungen. 4 Eine orofaziale Dysfunktion, die meist eine Störung des Schluckens beinhaltet, tritt häufig in Kombination mit einer phonetischen Störung auf. 4 Zentrale Programmierungsstörungen können orale Dyspraxien oder verbale Entwicklungsdyspraxien zur Folge haben.
1.4.3 Erbanlagen und Einflüsse
des familiären Umfelds Im Zusammenhang mit Sprachentwicklungsstörungen wird immer wieder die Bedeutung der Familie für die kindliche Entwicklung diskutiert. Interessant ist die Frage, inwiefern sich Einflüsse der kindlichen Umwelt speziell auf den Lauterwerb auswirken. Hilfreich ist hier, das Auftreten der Aussprachestörung im Gesamtkontext des Kindes zu betrachten. ! Beachte Bei einer isolierten phonetischen Störung spielt der familiäre Einfluss sicher eine weit geringere Rolle als beim Auftreten von Ausspracheauffälligkeiten im Rahmen einer komplexen Sprachentwicklungsstörung.
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Zunächst wird auf die Möglichkeit einer genetischen Verursachung hingewiesen. . Übersicht 1.12 veranschaulicht mögliche erblich bedingte verursachende Faktoren. Die Beurteilung, ob gewisse Verhaltensmuster der Eltern verursachend oder aufrechterhaltend für eine Aussprachestörung sein können, erfordert immer eine genaue Betrachtung der familiären Situation. Bei einigen Sprechstörungen liegt der Verdacht nahe, dass die Eltern diese eigentlich ganz »süß« finden und deshalb der Therapie eher zurückhaltend gegenüber stehen. In diesem Fall ist es besonders wichtig, im Anamnesegespräch den Auftrag an die Logopädin zu klären (7 Kap. 2.1.1). ! Beachte Die Art des Umgangs mit einem Kind, das Schwierigkeiten mit der Aussprache hat, hält möglicherweise dessen Störung aufrecht. Dieser Aspekt sollte vor allem beachtet werden, wenn trotz intensiver therapeutischer Bemühungen nur geringe oder keine Fortschritte beim Kind zu beobachten sind.
In . Übersicht 1.13 werden Einflüsse aufgeführt, die das Auftreten oder Fortbestehen einer Aussprachestörung begünstigen können. Auch wenn es scheint, dass die Familie oder die Eltern durch ihr Verhalten die Lautentwicklung des
. Übersicht 1.12. Genetisch bedingte Aussprachestörungen 4 Familiäre Sprachschwäche: Auch andere Familienmitglieder haben oder hatten als Kinder phonetisch-phonologische Störungen. Viele Eltern berichten spontan im Anamnesegespräch, dass auch sie selbst oder ein naher Verwandter bereits Schwierigkeiten mit der Aussprache hatten. Der Sigmatismus ist hier eine weitverbreitete Sprechstörung. (Trotzdem muss eine familiär gehäuft auftretende Aussprachestörung nicht zwingend vererbt sein!) 4 Physiognomie: Durch die Vererbung bestimmter körperlicher Gegebenheiten können Aussprachestörungen begünstigt werden. Beispiele: – starke hypotone Muskelspannung (Rundrücken, Mundatmung), – Gebissfehlstellung (starker Über- oder Unterbiss).
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Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
. Übersicht 1.13. Umwelteinflüsse bei Aussprachestörungen
Zusammenfassung 4 Auch bei Aussprachestörungen sollte möglichen genetisch verursachenden Komponenten und dem familiären Einfluss Bedeutung zukommen. 4 Die familiäre Konstellation ist immer mit der nötigen Vorsicht und Wertschätzung zu hinterfragen. 4 Häufig wirken gewisse Verhaltensweisen gegenüber Kindern mit phonetisch-phonologischen Störungen weniger verursachend als eher aufrechterhaltend.
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Mangelhafte Sprachanregung/Sprachvorbild 4 sprachliche Unter- oder Überforderung (zu wenig/nicht kindgemäßes Sprachangebot, zu hohes Sprechtempo), 4 fehlerhafte Aussprache der Eltern/Umgebung (Den Eltern ist nicht immer klar, dass sie selbst kein gutes sprachliches Vorbild sind, da viele Aussprachestörungen von den Betroffenen nicht als solche wahrgenommen werden. In diesen Fällen ist Fingerspitzengefühl vonnöten!). Familiäre Konstellationen 4 Überbehütung und damit »Kleinhalten« des Kindes (z. B. beim jüngsten Kind oder »Nachzüglern«), 4 Aufmerksamkeitsgewinn (z. B. wenn das Kind mehr Aufmerksamkeit durch die Eltern erhält, weil diese die Ausspracheauffälligkeit als »niedlich« empfinden), 4 Geschwisterpositionen und -rivalitäten (z. B. Aussprachestörung als regressives Verhalten bei der Geburt eines Geschwisterchens), 4 »Kind als Symptomträger« (z. B. wenn durch die Aussprachestörung des Kindes eine kontinuierliche Zuwendung der Eltern gewährleistet und damit das familiäre Gleichgewicht aufrecht erhalten wird).
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Kindes eher ungünstig beeinflussen, darf nie vergessen werden, dass die Familie ein in sich geschlossenes System darstellt. Dabei hat jedes Verhalten einen (Hinter-) Grund, der genau betrachtet werden sollte! ! Beachte Prinzipiell kann man davon ausgehen, dass Eltern nach ihren Möglichkeiten das Kind unterstützen wollen. Sie sollten deshalb nicht zum »Sündenbock« abgestempelt werden! Häufig haben sich Eltern schon viele Gedanken zu Ursachen und Veränderungsmöglichkeiten gemacht, die wert sind, aufgegriffen zu werden.
1.5
Einteilung der Aussprachestörungen
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Aussprachestörungen einzuteilen. Gängige Einteilungstypen werden näher beschrieben und analysiert. Dabei wird besonders auf ihre Relevanz für die Diagnosestellung in der logopädischen Praxis eingegangen.
Bei der Einteilung von Aussprachestörungen gibt es die unterschiedlichsten Formen der Zuordnung. Diese unterscheiden sich je nach theoretischem Hintergrund deutlich und sind mehr oder weniger kompatibel. In der logopädischen Praxis haben sich nicht alle Einteilungen bewährt. Manche erscheinen zu ungenau oder sind durch neue Erkenntnisse nicht mehr uneingeschränkt vertretbar. ! Beachte Während früher häufig die ursachenorientierte Einteilung gebraucht wurde, teilt man heute eher nach linguistisch-sprachsystematischen Gesichtspunkten ein. Gleichzeitig wird die Art der Fehlbildung eher beschrieben als mit einem Terminus belegt (7 Kap. 1.3.1).
1.5.1 Phonetische und phonologische
Störungen Die Einteilung der Aussprachestörungen in phonetische oder phonologische Störungen wird derzeit am häufigsten verwendet. Diese linguistisch-sprachsystematische Einteilung orientiert sich an phonetischen und linguistischen Kriterien und berücksich-
35
1.5 · Einteilung der Aussprachestörungen
tigt, ob ein Laut entweder artikulatorisch nicht gebildet oder im Wort nicht richtig verwendet werden kann. Damit wird die lautliche Fehlleistung qualitativ beurteilt. Das Wissen um die Vorgänge beim physiologischen Lauterwerb spielt dabei die zentrale Rolle (7 Kap. 1.1 und 1.2). Diese Erkenntnisse fließen in der Darstellung von . Übersicht 1.14 ein. In der logopädischen Praxis sind Mischformen, die sog. phonetisch-phonologischen Störungen häufig zu beobachten. Dabei treten entweder beide genannten Schwierigkeiten kombiniert auf (d. h. manche Laute können motorisch nicht gebildet werden, bei anderen Lauten fallen phonologische Prozesse auf), oder eine eindeutige Zuordnung bestimmter lautlicher Auffälligkeiten zu einem der beiden Aspekte ist nicht möglich (7 Kap. 1.3). > Exkurs Fox verweist darauf, psycholinguistische Modelle in die linguistisch-deskriptive Sichtweise zu integrieren. Als Ursachen kindlicher Aussprachestörungen gelten hier Störungen innerhalb verschiedener Ebenen der Sprachverarbeitung (7 Kap. 1.2.3, 1.2.4 und 1.4.1). Fox schließt sich daher der Klassifikation von Dodd (1995) an, welche die phonetische Störung von verschiedenen Untergruppen der phonologischen Störung unterscheidet (Dodd 1995, Fox 2001). Neben der »klassischen« Form der konsequenten phonologischen Störung, die durch das Vorkommen von mindestens einem pathologischen Prozess gekennzeichnet ist, werden auch noch zwei weitere Untergruppen unterschieden. Zum einen handelt es sich um die phonologische Verzögerung (nur physiologische Prozesse), zum anderen um die inkonsequente phonologische Störung (stark inkonsequente Lautverwendungsfehler). Je nach Untergruppe sieht Fox einen anderen Therapieansatz vor.
1
1.5.2 Anzahl der fehlgebildeten Laute
und Verständlichkeit Diese Einteilung orientiert sich unabhängig von der Art der Aussprachestörung an quantitativen Kriterien. Die Klassifizierung erfolgt somit nach der Anzahl der fehlgebildeten Laute bzw. der daraus resultierenden Gesamtverständlichkeit des Kindes. Da diese Einteilung ursprünglich für phonetische Störungen verwendet wurde, lässt sie sich nach heutigem Kenntnisstand nur schwer auf alle Ausspracheauffälligkeiten übertragen. Vor allem die ausschließliche Orientierung an der Anzahl fehlgebildeter oder falsch verwendeter Laute ist schwierig. Wie soll damit beispielsweise die Reduktion aller Mehrfachkonsonanzen beurteilt werden? Außerdem existiert keine einheitliche Definition, bei wie vielen Lauten welche Bezeichnung dieser Einteilung zutrifft. ! Beachte Unter psycholinguistischen Gesichtspunkten erscheint eine quantitative Einteilung der Aussprachestörung unzureichend.
In . Übersicht 1.15 wird dargestellt, wie man Aussprachestörungen aufgrund der beschriebenen Kriterien unterteilen kann. Hier findet sich dementsprechend auch der früher hauptsächlich verwendete Begriff Dyslalie als Bezeichnung für das Störungsbild. Diese Einteilung wird in neueren Veröffentlichungen nur noch selten verwendet.
. Übersicht 1.15. Quantitative Einteilung von Aussprachestörungen . Übersicht 1.14. Linguistisch-sprachsystematische Einteilung von Aussprachestörungen 4 Phonetische Störung: Die Laute können sprechmotorisch nicht gebildet werden. 4 Phonologische Störung: Die Laute werden sprachsystematisch bezüglich des phonologischen Regelsystems nicht richtig angewendet.
4 Partielle Dyslalie: Ein bis zwei Laute werden fehlgebildet, das Kind ist gut verständlich. 4 Multiple Dyslalie: Mehr als zwei Laute sind von einer Fehlbildung betroffen, die Verständlichkeit ist deutlich erschwert aber noch gewährleistet. 4 Universelle Dyslalie: Die Fehlbildung betrifft praktisch fast die gesamten phonetisch-phonologischen Strukturen, das Kind spricht nahezu unverständlich.
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Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen
Zusammenfassung 4 Die Orientierung an qualitativen Kriterien führt zur linguistisch-sprachsystematischen Einteilung. Dabei werden phonetische von phonologischen Störungen abgegrenzt. 4 Die Einteilung nach Anzahl der fehlgebildeten Laute und Verständlichkeit erfolgt unter quantitativen Gesichtspunkten. Man unterscheidet die partielle von der multiplen und der universellen Dyslalie. Diese Einteilung wird heute praktisch nicht mehr verwendet.
2 Anamnese 2.1
Ziele und Inhalte der Anamneseerhebung – 38
2.1.1
Therapeutische Zielsetzungen
2.1.2
Themenbereiche der Anamnese
2.2
Durchführung des Anamnesegesprächs
2.2.1
Zeitpunkt und Gestaltung der Anamnese
2.2.2
Wahl des Settings
2.2.3
Möglichkeiten der Gesprächsführung
– 38 – 39
– 42
– 42
– 42 – 43
M. Weinrich, H. Zehner, Phonetische und phonologische Störungen bei Kindern, DOI 10.1007/978-3-642-20028-1_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 2 · Anamnese
2.1
Ziele und Inhalte der Anamneseerhebung
Die Anamnese leitet in der Regel den therapeutischen Prozess ein und ist deshalb für diesen bedeutsam. Vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten erlauben der Therapeutin, ihr eigenes Vorgehen zu entwickeln. Das Anamnesegespräch hat immer eine besondere Bedeutung für den Beziehungsaufbau zwischen Therapeutin und Bezugspersonen des Kindes. Im Folgenden wird dargestellt, warum die Therapeutin eine Anamnese durchführt und wie diese bei Aussprachestörungen inhaltlich aufgebaut ist.
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2.1.1 Therapeutische Zielsetzungen Der erste Kontakt kommt in den meisten Fällen durch das Anamnesegespräch zwischen Therapeutin und den Bezugspersonen des Kindes zustande.
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> Exkurs In der Regel handelt es sich bei den Bezugspersonen um die Eltern des Kindes. Selbstverständlich kommt es auch vor, dass die Therapeutin im Gespräch auf beispielsweise Großeltern, Verwandte oder Nachbarn des Kindes trifft. Im Folgenden wird von den Eltern gesprochen, andere entsprechende Personengruppen werden implizit mit angesprochen.
Für die Therapeutin ergibt sich die Möglichkeit, einen Eindruck von der Familie des Kindes zu erhalten und Informationen über die kindlichen Sprechund Sprachschwierigkeiten zu erlangen. Die Eltern auf der anderen Seite werden das Erstgespräch dazu nutzen, sich ein Bild von der Therapeutin und deren möglicher Arbeitsweise zu machen. Gleichzeitig sollen sie mehr oder weniger detailliert über ihr Kind, dessen Entwicklung und ihr soziales Umfeld berichten. Für Eltern ist das nicht immer einfach. Manche haben Schwierigkeiten, sich genau an bestimmte Einzelheiten in der kindlichen Entwicklung zu erinnern. Für andere stellen einzelne Fragen einen Eingriff in die familiäre Privatsphäre dar. Wieder andere Eltern haben schlechte Erfahrungen mit entsprechenden Gesprächen oder Gesprächspartnern gemacht. ! Beachte Das wichtigste Ziel des Erstgesprächs ist, einen guten und vertrauensvollen Kontakt zu den Eltern herzustellen. Die Eltern sollen sich angenommen und sicher fühlen. Nur so wird eine kooperative Zusam-
menarbeit möglich, die den späteren Erfolg der Therapie entscheidend beeinflussen kann.
Als Grundlage für die Therapieplanung und eventuell auch für das diagnostische Vorgehen wird die Therapeutin in der Anamnese Informationen zur Krankheitsgeschichte des Kindes erfragen. Diese dienen auch dazu, mögliche Erklärungsansätze für die Ursache der Aussprachestörung zu finden. Außerdem kann die Therapeutin im Gespäch Hinweise erhalten, wie in der Familie mit der kindlichen Störung umgegangen wird. Die Art der Eltern, über ihr Kind und dessen Schwierigkeiten zu sprechen, zeigt, wie sie ihr Kind erleben und wahrnehmen. Übereifrige Interpretationen und vorschnelle Urteile sind allerdings immer zu vermeiden! Es ist wichtig, klar zu trennen zwischen: 4 erfragten Anamnesedaten, 4 eigenen Beobachtungen und 4 Interpretationen. Wenn das Kind während des Gesprächs anwesend ist, kann die Beobachtung der Eltern-Kind-Interaktion in diesem Zusammenhang zusätzliche Informationen liefern. Da das Anamnesegespräch meistens das therapeutische Vorgehen einleitet, sollte auch über die Motivation der Eltern gesprochen werden. Es macht einen Unterschied, ob Eltern auf Anraten von Drittpersonen zur Therapie kommen oder sich schon längere Zeit selber Gedanken über die Schwierigkeiten ihres Kindes machen. Die Mitarbeit der Eltern kann den Erfolg einer Therapie durchaus beeinflussen. Damit die Eltern das Kind und die Therapeutin bestmöglich in ihrer Arbeit unterstützen können, sollten Ziele und Inhalte der Therapie schon zu Beginn mit ihnen besprochen und abgestimmt werden. Dazu gehört, den Auftrag der Eltern zu erfragen, um deren Anliegen und Wünsche entsprechend berücksichtigen zu können. ! Beachte Eine Auftragsklärung zu Beginn der Therapie erleichtert die Therapiegestaltung und fördert Motivation und Kooperationsbereitschaft.
> Exkurs Die Notwendigkeit klarer Absprachen in Bezug auf Therapieziele und -erwartungen ist seit einiger Zeit auch im ICF-Modell formuliert (DIMDI 2005, 7 Kap. 5.1.2, Abschn. »Die ICF in der Sprachtherapie«). ICF ist die Abkürzung für International Classification of Functioning, Disability and Health der WHO
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2.1 · Ziele und Inhalte der Anamneseerhebung
2001 (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit). Dieses Klassifikationsmodell blickt verstärkt auf Komponenten, die dem Patienten ermöglichen, sich sinnvoll mit seiner Umwelt auseinandersetzen zu können. Für die Therapie von Kindern bedeutet dies z.B., dass versucht wird, das Umfeld des Kindes so mit einzubeziehen, dass eine sprachliche Teilhabe des Kindes erleichtert wird. Die therapeutische Konsequenz könnte eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Sprachtherapeutin, Eltern und Kindergarten sein. Bezogen auf die Anamneseerhebung äußert sich das in der Frage: Zeigen die Bezugspersonen die Bereitschaft und Motivation für eine weiterreichende Kooperation? Welche konkreten Maßnahmen können sich die Eltern vorstellen? . Übersicht 2.1 fasst die beschriebenen Punkte noch-
mals zusammen.
2.1.2 Themenbereiche der Anamnese Die Informationsgewinnung erstreckt sich über mehrere Bereiche, um ein umfassendes Bild von dem Kind in seiner Entwicklung zu erhalten. Folgende Teilgebiete werden im Gespräch näher beleuchtet (SchreyDern 2006, Flossmann u. Tockuss 1994): 4 Anlass der Anmeldung, 4 Familien- und Eigenanamnese, 4 Spiel- und Sozialverhalten, 4 psychosoziale Situation, 4 Wahrnehmung der Störung im Umfeld des Kindes, 4 bisherige und geplante Therapien oder Maßnahmen. . Übersicht 2.1. Ziele des Anamnesegesprächs 4 Kontakt zu den Eltern aufbauen. 4 Informationen zur Krankheitsgeschichte des Kindes einholen. 4 Mögliche Ursachen der Aussprachestörung ableiten. 4 Hinweise für den familiären Umgang mit den kindlichen Schwierigkeiten erhalten. 4 Eltern-Kind-Interaktion beobachten. 4 Motivation und Auftrag sowie Ziele der Eltern für die Therapie abklären.
2
Diese Bereiche werden prinzipiell bei allen kindlichen Sprech- und Sprachstörungen erfragt. Je nach angegebener oder vermuteter Störung können im Gespräch jedoch schon Schwerpunkte gesetzt werden (7 Kap. 2.2). Trotzdem ist es wichtig, Informationen zu allen genannten Bereichen einzuholen, um dem Kind in seiner Gesamtentwicklung gerecht zu werden. In . Übersicht 2.2 sind Fragen formuliert, die bezüglich der genannten therapeutischen Zielsetzungen relevant sind. Fragen, die speziell der Abklärung einer phonetisch-phonologischen Störung dienen, werden dabei besonders gewichtet. Der Fragebogen in 7 Kap. 7.1 ermöglicht der Therapeutin, Antworten der Eltern ggf. mitzuprotokollieren. Die Fragen des Anamnesebogens greifen ICF-Aspekte auf. Zusammenfassung 4 Das Anamnesegespräch ist in den meisten Fällen der erste Kontakt zu den Eltern. Mit dem Anamnesegespräch verfolgt die Therapeutin unterschiedliche Ziele. Oberstes Anliegen sollte jedoch immer das Herstellen einer vertrauensvollen Beziehung sein. 4 Die verschiedenen Entwicklungsbereiche des Kindes werden im Gespräch beleuchtet. 4 Auch bei einer phonetisch-phonologischen Störung sollte die Therapeutin Informationen zu allen Entwicklungsbereichen einholen, um das Kind in seiner Gesamtpersönlichkeit erfassen zu können.
40
Kapitel 2 · Anamnese
. Übersicht 2.2. Anamnesefragen bei Aussprachestörungen
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Anlass der Anmeldung 4 Wer nimmt diesen ersten Termin wahr? (Beide Eltern, ein Elternteil, andere Bezugspersonen?) 4 Was wird als Grund der Vorstellung genannt? 4 Wie umfassend wird die Aussprachestörung betrachtet? 4 Welche Auswirkungen hat die Störung im Alltag? Familienanamnese 4 Gibt es weitere Familienmitglieder mit phonetischphonologischen Störungen oder anderen Sprechoder Sprachauffälligkeiten? 4 Gibt es Familienmitglieder mit Hörstörungen oder sonstigen die Sprache oder das Sprechen beeinträchtigenden Erkrankungen? Schwangerschaft und Geburt 4 Gab es Komplikationen während der Schwangerschaft? (z. B. Infektionen, Blutungen, Medikamenteneinnahme, vorzeitige Wehen, Unfälle, Lageanomalien des Embryos?) 4 Wie verlief die Geburt? (Termingerechte Geburt, Komplikationen wie Sauerstoffmangel oder Nabelschnurumschlingung, Spontangeburt oder Kaiserschnitt/Zangengeburt/ Saugglocke, Geburtsgewicht und -größe, APGARWerte, Probleme nach der Geburt wie Gelbsucht?) Frühkindliche Entwicklung 4 Wurde das Kind gestillt? Gab es dabei Schwierigkeiten? 4 Gab es Probleme beim Saugen und Schlucken? (Wurde beim Flaschensauger das Saugloch vergrößert?) 4 Wie gelang die Umstellung auf feste Nahrung? Gab es Schwierigkeiten beim Kauen? 4 Hatte oder hat das Kind Abneigungen gegen feste Nahrungsmittel? (z. B. gegen Karotten, harte Brotrinde?)
Krankheiten 4 Welche Krankheiten hatte und hat das Kind? 4 Ist das Kind häufig erkältet? 4 Hatte es oft Mittelohrentzündungen? 4 Leidet das Kind an Allergien oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten? 4 Gab es schwerwiegendere Erkrankungen im Kindesalter? (Operationen, Unfälle, Krankenhausaufenthalte?) 4 Nimmt das Kind Medikamente ein? Welche und wogegen? Sensomotorische Entwicklung 4 Wie verlief die motorische Entwicklung des Kindes? Wann konnte das Kind frei sitzen/krabbeln/ laufen? 4 Hatte oder hat das Kind Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht? (Stolpert es häufig? Geht es unsicher? Vermeidet es starke Bewegungsänderungen, z. B. Schaukeln?) 4 Hat das Kind Probleme mit der Grobmotorik? (z. B. untypisches Gangbild, Schwierigkeiten beim Klettern?) 4 Wie ist die Feinmotorik? (Stifthaltung beim Malen, Schneiden, Umgang mit kleinen Materialien, Händigkeit?) 4 Wie reagiert das Kind auf verschiedene Materialien? (z. B. auf Sand, Matsch, Wasser, Leim?) 4 Wie reagiert es auf Körperkontakt? Sucht oder meidet es ihn? 4 Ist das Kind geschickt? Wie geht es mit Material um? 4 Wie schätzen die Eltern das Gehör des Kindes ein? Wurde schon ein Hörtest gemacht? Wie war das Ergebnis?
2.1 · Ziele und Inhalte der Anamneseerhebung
41
2
. Übersicht 2.2. (Fortsetzung) Anamnesefragen bei Aussprachestörungen Sprachentwicklung 4 Hat das Kind als Säugling gelallt/gebrabbelt? Wann? Gab es einen Zeitpunkt, zu dem es plötzlich wieder verstummt ist? 4 Wann sprach das Kind die ersten Wörter (auch »Mama« und »Papa«)? 4 Wann kamen die ersten Mehrwortäußerungen und Sätze? 4 Stellte das Kind Fragen? 4 Gab es Rückschritte oder Pausen in der sprachlichen Entwicklung des Kindes? 4 Wie erleben die Eltern das sprachliche Verhalten des Kindes? Wie kommuniziert das Kind allgemein? (Spricht es gerne/viel/eher wenig? Spricht es verständlich?) 4 Sehen die Eltern die sprachlichen Auffälligkeiten im Zusammenhang mit einem bestimmten Ereignis? Spielverhalten 4 Wie spielt das Kind? (Kann es Regeln einhalten? Ist es ausdauernd im Spiel? Mit wem spielt es? Kann es sich auch alleine beschäftigen? Was spielt es besonders gerne? Welche Rolle übernimmt das Kind im Spiel?) Sozialverhalten 4 Wie verhält sich das Kind im Umgang mit anderen Personen? (Wie schnell findet es Kontakt? Hat es Freunde? Sind die Freunde älter oder jünger? Kann sich das Kind durchsetzen? Welche Rolle übernimmt das Kind im Kontakt mit anderen Personen?) Psychosoziale Situation 4 Welche Bezugspersonen hat das Kind?
Psychosoziale Situation (Fortsetzung) 4 Sind die Eltern berufstätig? (Wieviele Stunden am Tag abwesend?) Welchen Beruf haben sie erlernt, welchen üben sie derzeit aus? 4 Hat das Kind Geschwister? In welchem Alter? Wie versteht es sich mit ihnen? 4 Wer lebt noch in der Familie? 4 Geht das Kind in den Kindergarten/in die Schule? In welche/n? Gibt es dort Schwierigkeiten? 4 Wie wird in der Familie gesprochen? (Dialekt? Mehrsprachig?) 4 Hat das Kind spezielle Angewohnheiten? (z. B. Schnuller, Daumenlutschen?) 4 Was kann Ihr Kind besonders gut? Worauf sind Sie bei Ihrem Kind stolz? Wahrnehmung der Störung im Umfeld des Kindes 4 Wer bemerkte die Sprach-/Sprechschwierigkeiten des Kindes? Wen stören sie? 4 Wie reagiert die Umwelt auf diese? (z.B. Eltern, Erzieherinnen, andere Kinder?) 4 Gibt es andere, nichtsprachliche Schwierigkeiten? Teilhabe am sozialen Leben 4 Wie nimmt das Kind seine Schwierigkeiten wahr? 4 Wovon halten die sprachlichen Schwierigkeiten das Kind im Alltag ab? 4 Inwiefern ist das Kind in seinen sozialen Belangen durch die Sprach-/Sprechstörung beeinträchtigt? Bisherige und geplante Therapien oder Maßnahmen 4 War das Kind schon in therapeutischer Behandlung anderer Fachrichtungen? Finden derzeit weitere Therapien statt? 4 Liegen spezielle Untersuchungs- oder Therapiebefunde anderer Berufsgruppen vor? (z.B. Hörtest, ergotherapeutischer Befund?) 4 Hat das Kind noch andere Termine oder Verpflichtungen? Auftrag der Eltern an die Therapie 4 Was erwarten die Eltern von der logopädischen Therapie? 4 Was ist ihnen besonders wichtig? Was sind sie bereit, dazu beizutragen?
2
42
Kapitel 2 · Anamnese
2.2
Durchführung des Anamnesegesprächs
Die Art der Kontaktaufnahme und der Gesprächsgestaltung entscheidet darüber, ob eine vertrauensvolle Basis zwischen Therapeutin und Eltern entstehen kann. Grundsätzliche Gedanken zur Gesprächsführung werden im Folgenden näher erläutert
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2.2.1 Zeitpunkt und Gestaltung
der Anamnese Wie bereits erwähnt (7 Kap. 2.1.1) geht es im Anamnesegespräch um die Gestaltung des Erstkontaktes und um das Einholen wichtiger Informationen. Durch ein reines Abfragen der für die Therapie relevanten Daten kommt jedoch häufig der Aufbau eines persönlichen Kontaktes zu kurz. Überlegungen zur Form der Anamnesedurchführung sollen der Therapeutin ermöglichen, eine für sie passende Gesprächsgestaltung zu finden. Prinzipiell sind folgende Möglichkeiten der Anamneseerhebung denkbar: 4 Anamnese vor/nach der Diagnostik oder dem Therapiebeginn. 4 Anamnesedurchführung mit/ohne das Kind. 4 Anamnese in Form eines Gesprächs/Fragebogens zum Ausfüllen für die Eltern. 4 Umfang der Anamnese: – sofortiges Erfragen aller Bereiche, – zunächst gezieltes Nachfragen bei bestimmten Teilgebieten, spätere Ergänzung der fehlenden Informationen. Je nach Ausgangssituation bieten alle genannten Vorgehensweisen Vor- und Nachteile. Da ein wichtiges Ziel der Anamnese jedoch immer der Aufbau eines guten Kontaktes zu den Eltern ist, sind nachfolgend erläuterte Überlegungen besonders wichtig. Der Einsatz eines Fragebogens, der von den Eltern ausgefüllt wird, ermöglicht, dass das Gespräch zur Klärung besonders relevanter Punkte genutzt werden kann. Das Ausfüllen des Fragebogens im Vorfeld kann dabei wichtige Erstinformationen liefern. Denkbar ist allerdings auch, zunächst im Gespräch wichtige Inhalte näher zu erörtern und den Fragebogen als Ergänzung in den nächsten Stunden einzusetzen. Eine versierte Therapeutin notiert während des Gesprächs bestimmte Informationen sofort. Der Kontakt zu den Eltern darf darunter aber nicht leiden.
Bei Zeitmangel empfiehlt es sich, die Anamnese aufzuteilen. So können in der ersten Stunde besonders relevante Daten eingeholt werden, eine Ergänzung erfolgt dann in Folgestunden. Dieses Vorgehen ermöglicht der Therapeutin, mehr Zeit für die Diagnostik des Kindes zu haben. Außerdem kann sie eigene Beobachtungen zum Kind später mit denen der Eltern abgleichen. Die Durchführung des Anamnesegesprächs in Anwesenheit des Kindes kann sich als schwierig erweisen, denn das Warten auf die Therapeutin fällt manchen Kindern nicht leicht! In diesen Fällen wird für das Anamnesegespräch mit den Eltern ein Extratermin für eine der Folgestunden vereinbart. Das kann bei Kindern mit starkem Störungsbewusstsein oder Konzentrationsschwierigkeiten sinnvoll sein. Eventuell kann das Kind bei manchen Fragen auch in die Anamnese mit einbezogen werden. Die Fragen zum Spielund Sozialverhalten lassen sich z. B. sehr gut direkt an das Kind stellen (7 Kap. 2.1.2). Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Eltern durch die Gestaltung des Erstkontaktes auch einen Eindruck von der therapeutischen Kompetenz der Logopädin erhalten. Deshalb zahlt sich ein durchdachtes Vorgehen sicher auch für die Therapeutin aus.
2.2.2 Wahl des Settings Eine angenehme entspannte Atmosphäre ist die Grundvoraussetzung für ein offenes Gespräch zwischen Therapeutin und Eltern. Dabei spielt auch die Gestaltung des äußeren Rahmens eine wichtige Rolle. Die Eltern sollen das Gefühl bekommen, dass sich die Therapeutin Zeit für ihre Sorgen und Bedürfnisse nimmt. Deshalb darf das Gespräch nicht »zwischen Tür und Angel« stattfinden. Die Therapeutin achtet vielmehr darauf, dass ein ruhiger Raum zur Verfügung steht und das Gespräch nicht durch Telefonate oder ähnliche Störungen unterbrochen wird. Den Eltern wird eine Sitzgelegenheit angeboten. Es ist günstig, das Gespräch an einem Tisch zu führen (Ablagemöglichkeit für die Therapeutin, Distanzwahrung für die Eltern). Die Sitzposition über Eck gewährleistet dabei die Möglichkeit zur Distanzierung wie auch genug Offenheit für beide Seiten. Ausreichende Lichtverhältnisse ermöglichen den Blickkontakt zum Gesprächspartner. Dabei sollte sich die Lichtquelle nicht im Rücken einer der beiden Parteien befinden. Ist das Kind beim Gespräch anwesend, sollte ihm eine Spielmöglichkeit angeboten werden. Ein Kindertisch wird optimalerweise so platziert, dass das Kind
2.2 · Durchführung des Anamnesegesprächs
zwar nicht direkt ins Gesprächsgeschehen involviert ist, aber trotzdem die Möglichkeit hat, die Eltern und die Therapeutin im Auge zu behalten. So kann es eventuell bei bestimmten Themen auch ins Gespräch mit einbezogen werden (7 Kap. 2.2.1).
2.2.3 Möglichkeiten der
Gesprächsführung Wie für alle Gespräche gilt auch für die Anamneseerhebung, dass die Art der Gesprächsführung den Verlauf und das Ergebnis des Gesprächs entscheidend beeinflusst. Die Therapeutin beachtet deshalb grundlegende Kommunikationsregeln und achtet auf ein wertschätzend geführtes Gespräch (Büttner u. Quindel 2005). . Übersicht 2.3 formuliert stichpunktartig wichtige Regeln zur Gesprächsführung. Dabei werden Kriterien der klientenzentrierten wie auch Elemente der systemischen Gesprächsführung berücksichtigt (Gordon 2001, Hane 1998). Situationsbezogen orientiert sich die Therapeutin in ihrem Vorgehen am jeweiligen Gesprächspartner. Das Anamnesegespräch lässt sich dementsprechend unterschiedlich gestalten. Prinzipiell sollte vermieden werden: 4 Abfragen statt Gespräch. 4 Suggestivfragen/geschlossene Fragen/Alternativfragen. 4 Keine Pausen. 4 Bewertungen/negative Kritik/Interpretationen.
Art der Fragestellung Es ist eine Kunst, offene Fragen zu formulieren. Sie sollen den Gesprächspartner zum Erzählen animieren und ihm gleichzeitig einen thematischen Rahmen vorgeben. Wenn die Eltern nicht sofort verstehen, was die Therapeutin genau wissen möchte oder wenn sich durch offene Fragen Schwierigkeiten im Kontakt ergeben, sollte sich die Therapeutin nicht scheuen, ihre Fragestellung zu verändern. Abhängig von der Persönlichkeit der Eltern kann es notwendig werden, bestimmte Elemente der Gesprächsführung zu variieren. Im Folgenden wird aufgezeigt, wie das therapeutische Verhalten den unterschiedlichen Bedürfnissen des Gesprächspartners angepasst werden kann. Die drei skizzierten Gesprächssituationen treten in der Praxis immer wieder auf. Erinnerungshilfen. Eltern, die Schwierigkeiten haben,
sich an bestimmte Gegebenheiten zu erinnern, brauchen möglicherweise ergänzende Hilfsfragen (z. B. bei
43
2
. Übersicht 2.3. Die Kunst der Gesprächsführung Über das Vorgehen im Gespräch informieren, das Gespräch strukturieren 4 Zu Beginn Überblick über die Ziele und Inhalte und den zeitlichen Rahmen des Gesprächs geben. 4 Inhalte des Gesprächs immer wieder zusammenfassen. 4 Abschluss des Gesprächs ankündigen. Fragen neutral stellen 4 Offene Fragen/W-Fragen (»Mit welcher Fragestellung kommen Sie?«). Zuhören 4 Blickkontakt halten. 4 Selber Pausen machen, damit die Eltern Zeit zum Reden haben. 4 Eltern ausreden lassen, nicht unterbrechen. 4 Aktives Zuhören: Das von den Eltern Genannte wird nochmals mit eigenen Worten wiederholt. Allparteilich sein 4 Beide Eltern (soweit anwesend) ins Gespräch mit einbeziehen. 4 Fragen jeweils an beide Elternteile stellen (denn meistens übernimmt ein Elternteil die Führungsrolle!). 4 Für alle Seiten Verständnis zeigen. Empathie zeigen 4 Unvoreingenommen zuhören. 4 Nicht kritisieren. 4 Versuchen, sich in die Lage der Eltern zu versetzen.
benötigten Altersangaben Bezüge zu Geburtstagen herstellen). Rededrang. Manchmal kann es nötig sein, kla-
re Gesprächsregeln zu formulieren, vor allem wenn Eltern ein großes Redebedürfnis zeigen: »Ich merke, dass Sie sehr viel zu berichten haben. Da uns momentan nur begrenzt Zeit zur Verfügung steht, muss ich Sie hier leider unterbrechen. Vielleicht können wir später nochmals auf dieses Thema zurückkommen«.
44
Kapitel 2 · Anamnese
Unsicherheit. Bei Eltern mit starken Ängsten oder
2
Sorgen werden dagegen zuerst die bisherigen Bemühungen bestärkend hervorgehoben und die eigene Kompetenz als Hilfsmöglichkeit dargestellt. i Tipp
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Literaturempfehlung Gedanken zur Gesprächsführung fußen im weitesten Sinn auf der Auseinandersetzung mit zwischenmenschlicher Kommunikation, besonders mit Möglichkeiten und Schwierigkeiten unterschiedlicher Kommunikationsformen. Folgendes Werk beschäftigt sich sehr anschaulich mit dieser Thematik und bezieht sich unmittelbar auf den logopädischen Praxisalltag: 4 Büttner C, Quindel R (2005) Gesprächsführung und Beratung. Sicherheit und Kompetenz im Therapiegespräch. Springer, Berlin Heidelberg. Zur weiteren Vertiefung bietet sich folgende Literatur an: 4 Schulz von Thun F (1998) Miteinander reden 1 und 2. Störungen und Klärungen. Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 4 Watzlawick P, Beavin JH, Jackson DD (2003) Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien, 10. Aufl. Huber, Göttingen
Zusammenfassung 4 Es gibt unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten des Anamnesegesprächs. Der Zeitpunkt des Gesprächs (vor oder nach der Diagnostik) und die Art der Durchführung (mit oder ohne Anwesenheit des Kindes, Einsatz eines Fragebogens, Durchführung eines Folgegesprächs) können von der Therapeutin frei gewählt werden. 4 Ein durchdachtes Setting bietet günstige Voraussetzungen für ein offenes, konstruktives Gespräch. Der Raum wird deshalb entsprechend vorbereitet. 4 Die Therapeutin versucht, eine wertschätzende Atmosphäre zu schaffen, indem sie ihre Gesprächsführung sensibel gestaltet. Sie passt die Art ihrer Fragestellungen flexibel an das jeweilige Elternpaar an. 4 Neben dem Erfragen von Daten stellt sich die Therapeutin im Anamnesegespräch in ihrer Kompetenz dar.
3 Diagnostik 3.1
Allgemeine Überlegungen zur Durchführung der Diagnostik – 46
3.1.1
Ziele
3.1.2
Günstige Rahmenbedingungen
3.2
Diagnostisches Vorgehen
3.2.1
Sprachproduktion und Sprachverständnis
3.2.2
Teilleistungen – 55
3.3
Auswertung der Diagnostikergebnisse
3.3.1
Erstellen der Diagnose
3.3.2
Erste Überlegungen zur Therapieplanung
– 46 – 47
– 48 – 48
– 60
– 60 – 64
M. Weinrich, H. Zehner, Phonetische und phonologische Störungen bei Kindern, DOI 10.1007/978-3-642-20028-1_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
2 3
46
Kapitel 3 · Diagnostik
3.1
Allgemeine Überlegungen zur Durchführung der Diagnostik
Die Diagnostik ist die Voraussetzung, um eine Therapie effektiv planen zu können. Im Folgenden werden Ziele und Grundregeln zur Durchführung der logopädischen Untersuchung dargestellt und verschiedene Möglichkeiten des Vorgehens skizziert.
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Mit der Durchführung der Diagnostik beginnt die logopädischen Arbeit. Diese Untersuchung ist die Grundlage für alle weiteren sprach- und sprechfördernden Schritte. Der Therapeutin stehen verschiedene Wege zur Verfügung.
Logopädisches Screening Eine bewährte Vorgehensweise zur Erhebung diagnostischer Daten ist die Verwendung eines Screenings, das sich aus der langjährigen Erfahrung innerhalb einer Praxis, Schule oder einer anderen Institution entwickelt hat. Obwohl dies ein informelles Verfahren und daher nicht objektiv ist (im Gegensatz zu standardisierten Tests), ermöglicht es doch eine umfassende Aussage über die Fähigkeiten des Patienten in den verschiedenen Teilleistungsbereichen. Ergänzt wird das Screening durch Beobachtungen zum Verhalten des Kindes. Auf diese Weise ergibt sich ein sehr zutreffendes Profil des Kindes, das eine maßgeschneiderte Therapieplanung erlaubt. Erfahrene Therapeutinnen wissen den Wert dieser informellen Untersuchung als zuverlässiges Verfahren zu schätzen.
Standardisierte Testverfahren Über das logopädische Screening hinaus gibt es normierte bzw. standardisierte Tests zur Sprachentwicklung wie z. B. die Patholinguistische Diagnostik bei Sprachentwicklungsstörungen (Kauschke u. Siegmüller 2009), den Sprachentwicklungstest für drei- bis fünfjährige Kinder SETK 3–5 (Grimm 2001) oder den Psycholinguistischen Entwicklungstest PET (Angermaier 1977). Zu den unterschiedlichen Wahrnehmungbereichen wie der auditiven oder visuellen Wahrnehmung existieren ebenfalls standardisierte Testverfahren, z. B. Frostigs Entwicklungstest der visuellen Wahrnehmung FEW (Frostig 2000) und motorische Untersuchungsverfahren wie der Motoriktest für 4- bis 6-jährige Kinder MOT (Zimmer u. Volkamer 1987). Diese Testverfahren – im interdisziplinären Team zum Teil auch von Therapeutinnen aus verschiedenen Fachgebieten durchgeführt – erlauben die Erweiterung der Diagnostikergebnisse um standardisierte Werte.
Die häufig angewandte Praxis, Untertests zu eng umrissenen Fragestellungen aus den standardisierten Testverfahren zu isolieren, z. B. Untertests zur auditiven Wahrnehmung (PET-Untertest Zahlenfolgengedächtnis), ist bei einigen Tests streng genommen nicht zulässig. Dieses Vorgehen entsprang dem Mangel an eigenen standardisierten logopädischen Diagnostikverfahren. In den letzten Jahren konnten diese Lücken zunehmend durch die Entwicklung von logopädischlinguistischen Testverfahren geschlossen werden.
3.1.1 Ziele Die logopädische Diagnostik wird unter mehreren Aspekten durchgeführt (. Übersicht 3.1). Zum einen betrachtet die Sprachtherapeutin natürlich die Persönlichkeit des Kindes, sie stellt fest, ob sie es mit einem eher selbstsicheren oder schüchternen Kind zu tun hat. Diese Einschätzung ist wesentlich für die weitere Gestaltung der Diagnostikstunde. Dann untersucht sie die sprachlichen Schwächen, aber auch die Fähigkeiten in diesem Bereich. ! Beachte Die Stärken des Kindes haben eine wichtige Funktion in der Planung und Durchführung der Therapie (7 Kap. 5.1.2, Abschn. »Die ICF in der Sprachtherapie«). Durch die Nutzung von Eigenschaften der »Schokoladenseiten« des Kindes können z. B. seine Motivation und der Therapieerfolg maßgeblich gefördert werden. Auch die Offenheit der Eltern für eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Logopädin ist sicherlich stärker vorhanden, wenn bei ihrem Kind positive Eigenschaften und Fähigkeiten wie eine hohe Frustrationstoleranz, besondere Kreativität oder eine beachtenswerte Ausdauer gewürdigt werden.
Durch Beobachtung und gezielte Aufgabenstellungen erhält die Therapeutin auch einen orientierenden Überblick über weitere Teilleistungen wie Kommunikationsverhalten, Wahrnehmung oder Motorik. Aus all diesen Ergebnissen und den Informationen aus dem Anamnesegespräch ergeben sich eventuell Hinweise auf Faktoren, die die Sprach- oder Sprechstörung verursacht haben oder aufrechterhalten. Außerdem bilden diese Fakten und Hypothesen die Grundlage für eine weitere Therapieplanung. Und schließlich wird aufgrund der Diagnostikergebnisse eine Diagnose formuliert.
47
3.1 · Allgemeine Überlegungen zur Durchführung der Diagnostik
3
3.1.2 Günstige Rahmenbedingungen . Übersicht 3.1. Ziele der Diagnostik 4 Ersten Kontakt zum Kind aufbauen. 4 Informationen über den sprachlichen Stand erhalten. 4 Verschiedene Teilleistungen orientierend einschätzen. 4 Hinweise auf Faktoren sammeln, die die Sprechoder Sprachstörung verursachen oder aufrechterhalten. 4 Informationen zur Therapieplanung einholen. 4 Diagnose erstellen.
! Beachte Obwohl die logopädische Untersuchung naturgemäß das Hauptaugenmerk auf die sprachlichen Fähigkeiten richtet, darf die Gesamtpersönlichkeit des Kindes nicht unberücksichtigt bleiben.
Um einen möglichst umfassenden Eindruck von dem Kind zu erhalten, werden folgende Bereiche genauer untersucht (7 Kap. 3.2): 4 sprachliche Fähigkeiten, 4 sensomotorischer Bereich, 4 kognitiver Bereich, 4 sozial-interaktiver Bereich. Vorsicht Bei Kindern mit einer ausgeprägteren Aussprachestörung darf eine Überprüfung des Gehörs durch den HNO-Arzt, Phoniater oder eine pädaudiologische Untersuchungsstelle nicht versäumt werden. Auch dem kleinsten Verdacht auf eingeschränktes Hören muss nachgegangen werden.
Zusammenfassung 4 Die logopädische Diagnostik ist die Grundlage für das weitere therapeutische Vorgehen. 4 Das Kennenlernen des Kindes ist genauso wichtig wie das Beurteilen der Fähigkeiten und Schwächen im sprachlichen Bereich und weiterer Teilleistungen.
Neben den räumlichen Bedingungen, wie dem reizarmen, störungsfreien Untersuchungsraum, sind die emotionalen Bedingungen wichtig. Die Therapeutin sollte deshalb in der Diagnostik ganz besonderen Wert auf eine warme und verständnisgetragene Einstellung dem Kind gegenüber legen. Auch ein offenes und wertschätzendes Zugehen auf die Eltern ist für die zukünftige Zusammenarbeit ein wesentlicher Grundstein. ! Beachte Der gute Kontakt zum Kind und zu den Eltern kommt an erster Stelle, die Durchführung der Testverfahren erst danach!
In der Situation der Erstuntersuchung müssen viele verschiedene Interessen berücksichtigt werden. Zum einen ist da das Kind, das sprachliche Auffälligkeiten aufweist, zum anderen die Eltern, die Auskunft bekommen wollen über den Sprachentwicklungsstand des Kindes. Schließlich gibt es noch die Therapeutin, die einerseits die Untersuchungen zu den sprachlichen und nichtsprachlichen Fähigkeiten und Schwächen des Kindes durchführen möchte, die aber auch den kindlichen Interessen gerecht werden will und es in diesem ersten Kontakt nicht sofort überfordern möchte. In manchen Fällen wird es nicht möglich sein, die Bedürfnisse von allen zu erfüllen. Dann gilt: Der Kontakt zum Kind hat Vorrang. Auf einem guten Kontakt zum Kind aufbauend kann die Therapeutin alle Untersuchungen auch in der zweiten Stunde noch durchführen. Dagegen dürfte es schwierig sein, ein »vergraultes« Kind noch für die Diagnostik oder für die Therapeutin zu gewinnen. Häufig können in einer Stunde nicht alle für die Diagnose oder die Therapieplanung notwendigen Informationen erhoben werden. In diesem Fall lädt die Therapeutin das Kind und seine Eltern zu einem weiteren Diagnostiktermin ein. Dass die Durchführung der Diagnostik zwei bis drei Stunden in Anspruch nimmt, entspricht zunehmend dem logopädischen Alltag. Zusammenfassung 4 Der erste Eindruck, den die Therapeutin auf Kind und Eltern macht, ist die Grundlage für die weitere Zusammenarbeit. 4 Eine optimale Gestaltung des Rahmens für die logopädische Diagnostik ermöglicht die besten Ergebnisse.
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48
Kapitel 3 · Diagnostik
3.2
Diagnostisches Vorgehen
Im nachfolgenden Kapitel werden verschiedene Diagnostikmöglichkeiten zur Überprüfung der Sprachentwicklung und der Teilleistungen vorgestellt. Es wird ein praktikabler Weg beschrieben, wie ein Kind in seiner Ganzheit diagnostisch eingeschätzt werden kann. Der Schwerpunkt der vorgestellten Verfahren liegt auf der phonetisch-phonologischen Untersuchung.
Nachdem die Therapeutin im Anamnesegespräch (7 Kap. 2) von den Eltern schon einige Informationen über das Kind erhalten hat, kann sie sich in der anschließenden Diagnostik einen eigenen Eindruck verschaffen. Der erste Schritt besteht in einem Screening, das die für das Sprechen wesentlichen Faktoren beim Kind untersucht. Nach einer freien Gesprächssituation, die einen ersten Eindruck vom Kind und seiner Aussprache vermittelt, wird typischerweise ein Lautbestand durchgeführt, der Aufschluss über die Lautbildungs- und -verwendungsfehler gibt. Die darin auffälligen Laute werden dann auf ihre Stimulierbarkeit untersucht. Daran schließt sich eine Überprüfung der (nicht-) sprachlichen Teilleistungen, besonders der auditiven Wahrnehmung und zentral-auditiven Sprachverarbeitung, an. Die orofaziale Sensomotorik wird orientierend untersucht, wobei hier der Schwerpunkt auf den motorischen Fähigkeiten liegt. Die anderen Motorikbereiche – Fein- und Grobmotorik – werden ebenfalls betrachtet. Dies geschieht entweder durch Beobachten des natürlichen Bewegungsverhaltens des Kindes oder durch gezielte Aufgabenstellungen. Auf die Kognition des Kindes geben Fähigkeiten wie Zählen, Mengen erkennen und Farbenkenntnis wichtige Hinweise. Das Sprachverständnis wird durch verschiedene verbale Aufgabenstellungen, die ohne Verwendung nonverbaler Hilfen gegeben werden, überprüft. Unsicherheiten in diesem Bereich werden durch entsprechende Tests weiter untersucht. Der in . Übersicht 3.2 skizzierte Ablauf einer logopädischen Diagnostik – in einer oder mehreren Stunden durchgeführt – hat sich in der Praxis gut bewährt. Das Screening kann gut auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes abgestimmt werden, was z. B. die Reihenfolge der Tests oder deren spielerische Gestaltung betrifft. Falls der mit diesem Vorgehen erhobene Befund nicht eindeutig ist oder sich Verdachtsmomente auf eine zusätzliche Störung ergeben haben, können diese in den nächsten Stunden durch eine entsprechende Überprüfung weiter untersucht werden (. Übersicht 3.3). Eventuell ist auch eine ergänzende Diagnostik, z. B. der sensomotorischen Fähigkeiten, durch eine andere Berufsgruppe angezeigt.
. Übersicht 3.2. Logopädisches Diagnostik-Screening 4 Mit Warming-up-Gespräch oder kurzer Freispielsequenz mit dem Kind (Spontansprache) beginnen. 4 Lautbestandsscreening durchführen (s. auch 7 Kap. 7.2). 4 Stimulierbarkeit der fehlgebildeten Laute überprüfen. 4 Auditive Diskrimination, Sequenzerfassung und Gedächtnis abtesten. 4 Orofaziale Sensomotorik überprüfen. 4 Grob- und feinmotorisches Screening durchführen. 4 Kognitive Fähigkeiten beobachten. 4 Sprachverständnis untersuchen.
. Übersicht 3.3. Erweiterte Diagnostik 4 Erweiterte Analyse der phonetisch-phonologischen Fähigkeiten durchführen. 4 Phonologische Bewusstheit überprüfen. 4 Schluckvorgang untersuchen. 4 Sprachverständnis genau abklären (informell oder standardisiert). 4 Wortschatz (informell oder standardisiert) und Wortfindung überprüfen. 4 Morphosyntax analysieren (informell oder standardisiert). 4 Eventuell Zusatzdiagnostik durch eine andere Berufsgruppe veranlassen.
Im Folgenden wird das Vorgehen innerhalb der einzelnen Diagnostikbereiche genauer beschrieben.
3.2.1 Sprachproduktion und
Sprachverständnis Die sprachlichen Fähigkeiten zu untersuchen ist das Hauptanliegen der Logopädin und an dieser Stelle der Schwerpunkt des Diagnostikverfahrens. Es empfiehlt sich, eine möglichst natürliche Sprachprobe des Kindes in die Diagnostik mit einzubeziehen. Das gelingt am besten in einer freien Spielsituation. Darüber hinaus ist es aber meistens noch notwendig, in konstruierten Situationen weitere sprachliche Funktionen zu untersuchen.
49
3.2 · Diagnostisches Vorgehen
Expressive sprachliche Fähigkeiten/ Sprachproduktion Die Beurteilung der Sprachproduktion anhand der im Folgenden beschriebenen linguistischen Ebenen hat sich in der Praxis bewährt. Dadurch wird eine systematische Analyse aller sprachlichen Bereiche gewährleistet, die eine umfassende Einschätzung des kindlichen Sprachstandes ermöglicht.
Phonetisch-phonologische Ebene Der zentrale Bereich für die logopädische Arbeit mit ausspracheauffälligen Kindern soll hier aufgegriffen und genauer besprochen werden. Die Kenntnis sämtlicher phonetisch-phonologischer Prozesse und somit die Einteilung in primär phonetische, primär phonologische oder phonetisch-phonologische Störungen, stellt den Ausgangspunkt für die Therapie dar. Auch eine Einschätzung der oralen Praxie ist für die Therapie von Bedeutung. Die phonetisch-phonologische Untersuchung betrachtet sowohl die Lautbildung als auch die Lautverwendung. In der Praxis werden immer wieder Kinder vorgestellt, die jeden einzelnen Laut nachsprechen können, deren Sprache in der spontanen Rede jedoch »zerfällt« und unverständlich wird (. Abb. 3.1). In diesem Fall muss natürlich ein anderes Vorgehen als die Anbahnung der Laute gewählt werden. In den letzten Jahren wurden mehrere Ausspracheprüfungen entwickelt, die ganz speziell die phonologischen Prozesse untersuchen, z. B.: 4 Patholinguistische Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen, standardisierte 2. Auflage inkl. computergestützter Auswertung + CD-Rom (Kauschke und Siegmüller 2009) 4 Bilderbuch zur Aussprachediagnostik bei Kindern (Hild 2002). 4 PLAKSS – Psycholinguistische Analyse kindlicher Sprechstörungen (Fox 2007b).
3
4 Analyseverfahren zu Aussprachestörungen bei Kindern, AVAK-Test mit CD-Rom (Hacker u. Wilgermein 2002). 4 LOGO Ausspracheprüfung (Wagner 1994; 1997). Diesen phonetisch-phonologischen Analyseverfahren ist gemein, dass sie sämtliche Sprachlaute (vor allem die Konsonanten) in verschiedenen lautlichen Umgebungen abprüfen. Jeder Laut wird mehrfach abgetestet, nämlich in den verschiedenen Wortpositionen mit unterschiedlichen Vokalen und in mehreren Konsonantenkombinationen. Das Kind wird aufgefordert, Bilder zu benennen. Es werden Nomen verwendet, um ein möglichst vollständiges Benennen zu gewährleisten. Wegen des relativ hohen Aufwands empfiehlt sich die Durchführung einer solchen Analyse nur bei Kindern, die durch eine unverständliche Aussprache auffallen und bei denen ein Lautbestandsscreening (Beispiel . Abb. 3.2, Itemliste im eDownloadbereich) keine eindeutigen Hinweise auf die Art der lautlichen Fehlleistung bietet. > Exkurs Penner betrachtet phonetisch-phonologische Störungen grundsätzlich unter anderen Aspekten. Zentral in seinem Ansatz ist die Hypothese, dass sich Ausspracheauffälligkeiten auf prosodisch-sequentielle Schwierigkeiten zurückführen lassen. Der Sprachrhythmus wird als grundlegend für Wortbildungsfähigkeiten gesehen, die Lautverwendung spiegelt entsprechende Leistungen. Dementsprechend verwendet Penner in seiner Diagnostik nicht die gängigen Lautprüfverfahren, sondern konzentriert sich auf die Untersuchung unterschiedlicher phonotaktischer Strukturen (Penner et al. 2006).
. Abb. 3.1. Geld oder Lehm (der Teufel sitzt im Detail). (Aus Siemensen 2000b)
50
2 3
Kapitel 3 · Diagnostik
Name:
Datum:
geb.:
Prüferin:
Lautbefund: Protokollbogen 1. Artikulationszone An
4
In
Aus
[p]
5 6 7
[b]
An
In
Aus
[pf]
[pfl]
[pl]
[pʀ]
[bl]
[bʀ]
[fl]
[fʀ]
An
In
Aus
An
In
Aus
An
In
Aus
[m] [f] [v]
9 10 11 12
2. Artikulationszone An
In
Aus
An
In
Aus
[t]
[tʀ]
[d]
[dʀ]
[n] [l] [r]
13 14 15
3. Artikulationszone An
In
Aus
An
In
Aus
[ç] [j]
16
[k]
[kv]
[kn]
[kl]
[kʀ]
[g]
[gl]
[gʀ]
[ŋ]
[ŋk]
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[x] [ʀ] [h] . Abb. 3.2. Protokoll und Auswertung einer phonologischen Störung bei einem 5;6-jährigen Kind (KK Konsonantenkombination)
3.2 · Diagnostisches Vorgehen
. Abb. 3.2. (Fortsetzung)
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3
7
52
Kapitel 3 · Diagnostik
Silbenstrukturprozesse Zielwort
2
Realisation
Auslassung unbetonter Silben
3 Vereinfachung mehrsilbiger Wörter
4 5 6
Auslassung finaler Konsonanz
betroffene Phoneme:
7
Auslassung initialer Konsonanz
betroffene Phoneme:
betroffene Konsonantenkombinationen
9
Reduktion von Mehrfachkonsonanz 4 Reduktion auf K1
10
4 Reduktion auf K2
11
4 Reduktion auf K3
12
4 Reduktion auf Kx 4 Reduktion auf Doppelkonsonanz
13 Substitutionsprozesse
14 15 16 17
betroffene Phoneme Plosivierung Vorverlagerung Rückverlagerung sonstige Prozesse:
18 19 20
Lautpräferenz für . Abb. 3.2. (Fortsetzung)
3.2 · Diagnostisches Vorgehen
II Auswertung 1. phonetisch altersentsprechende Lautfehlbildungen nicht altersentsprechende Lautfehlbildungen
2. phonologisch altersadäquate phonologische Prozesse
nicht altersadäquate physiologische phonologische Prozesse
pathologische phonologische Prozesse
3. Sonstiges Störungen der Sprechmotorik sonstige organische Beeinträchtigungen
III Ergebnis phonetische Störung phonologische Störung gemischt phonetisch-phonologische Störung . Abb. 3.2. (Fortsetzung)
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3
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Kapitel 3 · Diagnostik
Neben den oben aufgeführten Analyseverfahren sollen die Prüfbögen nicht unerwähnt bleiben, die in verschiedenen Praxen oder Institutionen für die Anwendung im logopädischen Alltag entwickelt wurden. Beispielhaft wird hier ein Lautanalysebogen vorgestellt, der sich bewährt hat, da er in relativ kurzer Zeit durchführbar ist und trotzdem ein umfassendes Bild der phonetischphonologischen Fähigkeiten erlaubt (. Abb. 3.2, s. auch 7 Kap. 7.2.2). Im vorliegenden Beispiel wird eine phonologische Störung dokumentiert. Die genaue Anwendung des Bogens ist in 7 Kap. 7.2.1 beschrieben. Für eine umfassende Beurteilung der phonetischphonologischen Fähigkeiten sollte nicht versäumt werden, die im Analyseverfahren fehlgebildeten Laute auf ihre Stimulierbarkeit zu untersuchen. Beobachtungen zur Kieferöffnung beim Sprechen und die Einschätzung der Verständlichkeit ergänzen das Bild, die Beurteilung von Prosodie und Intonation rundet die Untersuchung ab. Die abschließende Auswertung der Ergebnisse konzentriert sich auf folgende Punkte: 1. Phonetische Fähigkeiten: Sind alle Laute im Lautinventar vorhanden (hierbei werden auch die Ersatzlaute mitgewertet)? Hat das Kind die nötigen Fähigkeiten zur sprechmotorischen Realisation (Steuerung und Kontrolle) der Laute? 2. Phonologische Fähigkeiten: Ist die Lautverwendung altersadäquat? Hat das Kind die bedeutungsunterscheidende Funktion von Lauten erfasst? 3. Phonologische Prozesse: Lassen sich Tendenzen feststellen, dass Laute immer auf ähnliche Art und Weise verändert werden (z. B.: alle Frikative werden plosiviert) oder treten die Lautersetzungen immer an der gleichen Wortposition (z. B. im Anlaut) auf? 4. Dyspraktische Komponente: Eine weitere Fragestellung bezieht sich auf die Konstanz und Konsequenz der lautlichen Fehlleistungen. Wird beispielsweise jedes [k] ersetzt? Wird es immer durch [t] ersetzt? Vor allem inkonsequente Lautfehler können Hinweise auf eine dyspraktische Komponente geben (7 Kap. 1.3.2 u. 7 Kap. 1.3.3). Zusammenfassung Folgende Bereiche werden bei der Untersuchung der phonetisch-phonologischen Ebene näher betrachtet: 4 Phoneminventar, 4 Stimulierbarkeit der einzelnen Laute, 4 phonologisches System (Lautverwendung), 4 Ausformung der Laute, Kieferöffnungsweite, Prosodie, Verständlichkeit.
Übrige sprachliche Ebenen Ein weiterer wichtiger Bestandteil der logopädischen Untersuchung ist die Überprüfung der fehlenden linguistischen Ebenen. Bei einem Kind, das wegen einer phonetisch-phonologischen Störung vorgestellt wird, liegen in vielen Fällen zusätzliche sprachliche Schwierigkeiten im Sinne einer Sprachentwicklungsstörung vor. Eine logopädische Untersuchung umfasst deshalb immer alle linguistischen Ebenen. Die übrigen linguistischen Bereiche sind hier trotz ihrer Wichtigkeit nur kurz gestreift, da das vorliegende Werk auf die reine Aussprachediagnostik beschränkt ist. Dieses Thema wird von anderen Autoren (z. B. Schrey-Dern 2006, Kauschke u. Siegmüller 2009) ausführlich behandelt. Semantisch-lexikalische Ebene. Untersuchte Bereiche
sind: 4 der aktive Wortschatz, 4 die Wortarten, 4 die Wortfindung und 4 die Art der Fehlbenennung (semantische oder phonologische Paraphasien). Der passive Wortschatz findet im Abschn. »Rezeptive sprachliche Fähigkeiten/Sprachverständnis« Erwähnung. Ein erster Eindruck ergibt sich aus der Benennung der Bilder im Lautbefund. Genauere Informationen erhält man durch einen Wortschatztest, z. B. Aktiver Wortschatztest für 3- bis 5-jährige Kinder-Revision AWST-R (Kiese-Himmel 2005). Hier sind zusätzlich
zu den Nomen auch andere Wortarten vertreten. Eine Analyse der spontansprachlichen Fähigkeiten (z. B. im Freispiel oder beim Anfangsgespräch) erlaubt ebenfalls eine Einschätzung der semantisch-lexikalischen Fähigkeiten. Morphosyntaktische Ebene. Die Untersuchung der
morphosyntaktischen Ebene sollte ebenfalls in keiner logopädischen Diagnostik fehlen. Häufig finden sich auch beim Kind mit vorwiegend phonetisch-phonologischer Störung kleinere Unsicherheiten. Bei Kindern mit einer komplexen Aussprachestörung lässt sich die Morphosyntax in vielen Fällen nicht eindeutig beurteilen, da die Verständlichkeit sehr stark beeinträchtigt ist. Die Überprüfung der Syntax beinhaltet die Satzbildung (vor allem die Stellung des Verbs im Satz) und die Satzlänge. Außerdem wird die Verwendung von Haupt- und Nebensätzen und von verschiedenen Satzarten überprüft.
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3.2 · Diagnostisches Vorgehen
Die Untersuchung der morphologischen Fähigkeiten umfasst die Flexion von Verben und Substantiven sowie die Komparation. Die Analyse der Spontansprache (z. B. Clahsen 1986, Kruse 2006, Schrey-Dern 2006) erlaubt der Therapeutin eine umfassende Beurteilung der genannten Leistungen. Auch Testverfahren wie die Evozierte Sprachdiagnose Grammatischer Fähigkeiten ESGRAF (Motsch 1999) oder die Patholinguistische Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen (Kauschke u. Siegmüller 2009) können zur Anwendung kommen. Sprachpragmatische Ebene. Auffälligkeiten in der
Sprachpragmatik kommen bei Kindern mit phonetisch-phonologischen Störungen ebenfalls vor. Es fällt dann beispielsweise auf, dass die Kinder viel Gestik und Mimik – zum Teil auch sprachersetzend – verwenden. Die Übertragung von Gedankeninhalten gelingt ihnen nur eingeschränkt. In diesen Fällen liegt der Therapieschwerpunkt nicht auf der Behandlung der Aussprache, sondern auf der Verbesserung der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit! Aufschluss über sprachpragmatische Fähigkeiten geben hauptsächlich gezielt inszenierte Situationen, die ein Versprachlichen nötig machen und eine sprachersetzende Kommunikation erschweren (z. B. verdeckte Bilder erraten).
Rezeptive sprachliche Fähigkeiten/ Sprachverständnis Besonders im Zusammenhang mit phonologischen Störungen begegnet man immer wieder Kindern, die neben der Aussprachestörung Auffälligkeiten im Sprachverständnis haben. Folgender Zusammenhang besteht hierbei: Sprachverständnisschwierigkeiten sind häufig durch Einschränkungen in der auditiven Wahrnehmung bedingt. Auditive Wahrnehmungsstörungen wiederum können zu phonologischen Störungen führen (7 Kap. 1.4.1, Abschn. »Hören und Hörwahrnehmung«). Deshalb werden phonologische Störungen nicht selten von Einschränkungen im Sprachverständnis begleitet. Zum Sprachverständnis gehört definitionsgemäß der passive Wortschatz. Er lässt sich am besten durch eine konstruierte Spielsituation untersuchen. Folgende Untersuchungsschritte haben sich für die Beurteilung des Sprachverständnisses bewährt: 4 Die Therapeutin lässt das Kind in der Untersuchungssituation mehrere Aufträge ausführen, wobei sie keine nonverbalen Hilfen gibt. Die Überprüfung des Sprachverständnisses sollte auf Satzebene begonnen werden. Zu dieser Ebe-
3
ne zählen einfache Sätze (»Gib die Puppe mal der Mama«) und komplexe Aufforderungen (»Hole mir mal die Puppe, mit der wir letztes Mal gespielt haben«). Bei Schwierigkeiten des Kindes auf der Satzebene wird die Wortebene hinzugenommen (»Zeige: Frosch, Mädchen, Hund«). So lässt sich auch ein Eindruck vom passiven Wortschatz des Kindes gewinnen. 4 Mit dem Psycholinguistischen Sprachverständnis- und Sprachentwicklungstest PSST (Wettstein 1997) liegt ein Testverfahren vor, das eine Einschätzung der Sprachverständnis-Strategien erlaubt. Der Marburger Sprachverständnistest für Kinder MSVK (Elben u. Lohans 2000) ist ebenso wie der Test zur Überprüfung des Grammatikverständnisses TROG-D (Fox 2006) als reiner Sprachverständnistest konzipiert. 4 Die Durchführung spezifischer Untertests aus standardisierten Verfahren ist eine gängige, wenn auch umstrittene weitere Möglichkeit. Zum Beispiel erlauben die jeweiligen Untertests Wortverständnis im PET oder in der Patholinguistischen Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen
eine (orientierende) Einschätzung des Sprachverständnisses. ! Beachte Das Sprachverständnis ist ein wesentlicher Untersuchungsbereich, der auch bei einem Kind mit dem Störungsschwerpunkt auf phonetisch-phonologischer Ebene nicht vernachlässigt werden sollte.
Zusammenfassung 4 Die Untersuchung der gesamten expressiven und rezeptiven sprachlichen Fähigkeiten ist auch bei den Kindern notwendig, die vermutlich nur eine phonetisch-phonologische Störung aufweisen. 4 Eine ausführliche Diagnostik ermöglicht eine umfassende logopädische Therapie. 4 Durch die genaue Untersuchung des Kindes können weitergehende Störungen rechtzeitig erkannt werden.
3.2.2 Teilleistungen Die Beurteilung weiterer Teilleistungen gibt Hinweise auf die gesamte Entwicklung des Kindes. Außerdem ermöglicht diese übergreifende Diagnostik, dass verursachende oder aufrechterhaltende Faktoren aus
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Kapitel 3 · Diagnostik
dem Bereich der Wahrnehmung und Motorik – soweit möglich – abgebaut oder vermindert werden. Diese ganzheitliche Betrachtung ist in der Konsequenz die Grundlage für eine umfassende logopädische Betreuung des Kindes. ! Beachte Im Zweifelsfall sollte sich die Logopädin nicht scheuen, eine interdisziplinäre Untersuchung der Wahrnehmungsleistungen zu veranlassen.
Wahrnehmung Wahrnehmung lässt sich in der logopädischen Praxis so gut wie nicht messen oder anderweitig objektiv beurteilen. Man kann nur anhand der Reaktionen auf Sinnesreize bestimmte Wahrnehmungsleistungen vermuten, also die Reaktionen interpretieren. Dieser Interpretation muss eine gute Dokumentation der Beobachtungen zugrunde liegen. Im Folgenden werden die Wahrnehmungsbereiche genauer beschrieben, die eine Aussprachestörung verursachen bzw. aufrechterhalten können: 4 auditive Wahrnehmung, 4 taktil-kinästhetische Wahrnehmung, 4 visuelle Wahrnehmung.
Auditive Wahrnehmung Die auditive Wahrnehmung hat eine zentrale Stellung in der Entstehung von Aussprachestörungen. Dies betrifft besonders die phonologischen Störungen. Aber auch bei den phonetischen Störungen sind gute auditive Wahrnehmungsleistungen eine Voraussetzung für den Erwerb des korrekten Lautes. Die im Folgenden beschriebenen auditiven Teilleistungen (s. auch Lauer 2006) werden in der logopädischen Diagnostik hauptsächlich betrachtet (7 Kap. 1.2.5, Abschn. »Lautwahrnehmung und phonologische Bewusstheit« und 7 Kap. 1.4.1, Abschn. »Hören und Hörwahrnehmung«).
Auditive Diskrimination Im Hinblick auf die korrekte Bildung und Verwendung von Phonemen gilt der phonematischen Diskrimination ein besonderes Augenmerk. Auch die zugrunde liegende nichtsprachliche auditive Differenzierungsfähigkeit kann in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein. Folgende Untersuchungsmöglichkeiten haben sich bewährt: 4 Phonematische Diskrimination, 4 Geräuschdiskrimination.
Phonematische Diskrimination. Meistens wird die Lautagnosieprüfung nach Schäfer (1986) durchgeführt. Dem
Kind werden Minimalpaare bei verdecktem Mundbild vorgelegt. Diese ähnlich klingenden Begriffe sollen vom Kind auditiv unterschieden werden, als Reaktion zeigt es auf das betreffende Bild. Geräuschdiskrimination. Diese Untersuchung kann
mit Instrumenten oder mit anderen geräuschbildenden Gegenständen durchgeführt werden. Bewährt hat sich das Hör-Memory. Aus einer Auswahl von ca. 5 Geräuschdosenpaaren soll das Kind die zusammengehörigen auditiv identifizieren. Beim InstrumenteRaten soll das Kind erkennen, welches Instrument gerade verdeckt angespielt wurde.
Auditives Gedächtnis/auditive Sequenzerfassung Die Merkfähigkeit für Zahlen- oder Silbenfolgen kann Hinweise liefern, wie ein Kind Sprache verarbeitet. Beim Reproduzieren von Ziffernfolgen wird in der Regel auf bereits abgespeicherte Informationen zugegriffen. Für das Nachsprechen von Silbenfolgen müssen hingegen neue motorische Programme gebildet werden. Durch das Gegenüberstellen beider Leistungen lassen sich deshalb Hinweise auf eine bevorzugte Sprachverarbeitungsroute ableiten (7 Kap. 1.2.3). Zur Überprüfung der beschriebenen Leistungen gibt es verschiedene Verfahren wie z. B.: 4 den Mottier-Test aus dem Zürcher Lesetest ZLT (Linder u. Grissemann 2000) oder 4 den Untertest Zahlenfolgengedächtnis des PET.
Phonologische Bewusstheit Die phonologische Bewusstheit ist eine wichtige Fähigkeit im Hinblick auf das Verständnis phonologischer Strukturen. Sie ist für die Umstrukturierung des phonologischen Systems und für den späteren Schriftspracherwerb von Bedeutung und umfasst eine gute Wahrnehmungsfähigkeit für Wortgestalten unabhängig von der Semantik. Phonologische Bewusstheit im weiteren Sinn bedeutet Fähigkeiten wie z.B. Reime zu erkennen oder Silben zu segmentieren, im engeren Sinn meint sie z.B. Anlaute zu identifizieren oder Wörter in Einzellaute zu zerlegen. Durch Verfahren wie z.B. den Test für Phonologische Bewusstheitsfähigkeiten TPB (Fricke und Schäfer 2008), das Bielefelder Screening BISC (Jansen et al. 2002), den Bogen zur Untersuchung metaphonologischer Fähigkeiten (Kreuz 2000) oder Die Diagnostischen Einschätzskalen DES (Barth 2006) können folgende Leistungen des Kindes untersucht werden:
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3.2 · Diagnostisches Vorgehen
4 Erkennen von Reimen („Reimt sich »Haus« auf »Maus«?«), 4 Segmentieren von Wörtern in Silben (»Wie oft kannst du bei »Telefon« klatschen?«), 4 Identifikation von Anlauten (»Was hörst du am Anfang von »Oma«?«), 4 Synthese von Lauten zu Wörtern (»Was hörst Du, wenn ich »Ei-s« sage?«). i Tipp Materialempfehlung 5 »Der Rundgang durch Hörhausen« (Frank et al. 2001): Dieses Material ist sehr spielerisch aufbereitet und ermöglicht die Diagnostik und Förderung von verschiedenen Leistungen der phonologischen Bewusstheit als Grundlage für den Schriftspracherwerb. 5 »Anlaute hören, Reime finden, Silben klatschen.« (Martschinke et al. 2004): Auch dieses Verfahren lässt sich gut für eine spielerische Diagnostik im Vorschulalter und für Schulanfänger nutzen.
! Beachte Die Überprüfung der phonologischen Bewusstheit ermöglicht, Hypothesen zur Art der Sprachverarbeitung aufzustellen und sollte in einer umfassenden Diagnostik enthalten sein.
Taktil-kinästhetische Wahrnehmung Die Fähigkeit, über das Fühlen feine Unterschiede wahrzunehmen, hat ebenfalls Auswirkungen auf den Lauterwerb. Störungen in diesem Wahrnehmungsbereich, vor allem im Mundraum, erschweren dem Kind eine zuverlässige Rückmeldung über die Bildung des Lautmusters. Häufig gehen Störungen der taktil-kinästhetischen Wahrnehmung im orofazialen Bereich mit solchen im ganzkörperlichen Bereich einher. Deshalb erfolgt auch eine Untersuchung der taktil-kinästhetischen Wahrnehmung der Hände. Paarige Gegenstände sollen im Grabbelsack oder in einer Tastkiste ohne visuelle Kontrolle erfühlt werden. Die Beobachtung des Kindes in unterschiedlichen Spielsituationen gibt ebenfalls wichtige Hinweise: 4 Wie ist sein Umgang mit verschiedenen Materialien (Matsch, Sand, Kleister, Fingerfarben)? 4 Wie ist seine Kraftdosierung beim Hantieren? 4 Wie geschickt ist es mit den Händen? Die Untersuchung der taktil-kinästhetischen Wahrnehmung im Mundbereich ist im Abschn. »Orofaziale Sensomotorik« beschrieben.
3
Visuelle Wahrnehmung Die visuelle Wahrnehmungsfähigkeit ist zu einem geringeren Anteil am Erwerb der Laute beteiligt. Das Kind bekommt über das Sehen zusätzliche Informationen über das Mundbild und – soweit sichtbar – die Lage der Zunge im Mund. Dieser Bereich hat besondere Relevanz für die phonetischen Störungen. Auch die visuelle Differenzierung kann genauer betrachtet werden. Es geht darum, kleine Unterschiede in Bildern zu entdecken. Im Handel erhältliche Spiele, z. B. Differix (Ravensburger Verlag), bilden dafür eine gute Basis. Suchspiele mit dem Bilderbuch (Details erkennen oder »Ich sehe was, was du nicht siehst«) geben ebenfalls Hinweise auf die visuellen Wahrnehmungsleistungen. Eine weitere Möglichkeit ist, Dinge im Raum suchen zu lassen, z. B. Gummitiere verstecken und nur ein kleines Stückchen Rüssel oder Schwanz sichtbar herausragen lassen. Zusammenfassung 4 Die auditive Wahrnehmung ist in vielen Fällen Ursache für phonetisch-phonologische Störungen. Ihre Untersuchung ist besonders wichtig. 4 Der phonematischen Diskrimination, der Merkfähigkeit für Ziffern- und Silbenfolgen sowie der phonologischen Bewusstheit kommt große Bedeutung zu, da diese Leistungen Aufschlüsse über die Art der Sprachverarbeitung geben können. 4 Störungen in der taktil-kinästhetischen Wahrnehmung können die Lautbildung erschweren. Deshalb beobachtet die Therapeutin die taktil-kinästhetischen Fähigkeiten des Kindes. 4 Die visuelle Wahrnehmung ist in geringem Umfang – über das Absehen von Mundmustern – an der Lautbildung beteiligt. Orientierende Beobachtungen geben einen ersten Eindruck von diesem Teilleistungsbereich. 4 Eine weiterführende Testung spezieller Wahrnehmungsmodalitäten durch Ergotherapeutinnen oder Psychologinnen ist in vielen Fällen sinnvoll.
Motorik Kinder mit Aussprachestörungen, besonders mit phonetischen Störungen, weisen häufig auch Schwierigkeiten im Bereich der Motorik auf. Umgekehrt haben Probleme in der Fein- und Grobmotorik oft auch Defi-
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Kapitel 3 · Diagnostik
zite in der Mundmotorik zur Folge, was zu phonetischen Störungen führen kann. Deshalb ist es wichtig, alle motorischen Bereiche – die orofaziale (Senso-) Motorik, die Fein- und die Grobmotorik – genauer zu betrachten.
Orofaziale Sensomotorik Der Begriff orofaziale Sensomotorik umfasst Artikulationsmotorik plus Mundsensorik (= taktil-kinästhetische Wahrnehmung im orofazialen Bereich). Motorische und sensorische Schwächen im Mund kommen bei Kindern mit Aussprachestörungen häufig vor. Defizite in diesen Teilleistungen können bei phonetischen Störungen als verursachend, bei phonologischen Störungen teilweise als aufrechterhaltend verstanden werden. Die orofaziale Sensomotorik kann auf vielfältige Weise überprüft werden.
i Tipp Materialempfehlung 4 Mimix. Das lustige Grimassenspiel für 3–6 Kinder ab 5 Jahre, FX Schmid, 1993 4 Felix, die Katze (Mundmotorikspiel). G Frank/P Grziwotz-Buch, Verlag am Sprachheilzentrum, Adresse im eDownloadbereich 4 Na logo, Logopädischer Kartensatz »Mundmotorik«. Trialogo Verlag
! Beachte Die genaue Betrachtung und Dokumentation der mundmotorischen Fähigkeiten ist eine wichtige Grundlage, um eine effektive Therapie zu planen und durchzuführen. Nicht immer werden mundmotorische Übungen gezielt durchgeführt. Genauer analysieren heißt später effektiver therapieren!
Artikulationsmotorik Bei der Überprüfung der Artikulationsmotorik werden folgende Parameter betrachtet, die später für die Lautanbahnung eine wichtige Rolle spielen: 4 Kraft, 4 Schnelligkeit, 4 Beweglichkeit, 4 Bewegungssteuerung (= Zielgerichtetheit), 4 Koordination, 4 Tonus. Bei der Funktionsanalyse der Mundmotorik werden außerdem verschiedene Bereiche des Mundes und des Gesichtes differenziert. Diese kommen später bei den Mundmotorikübungen zur Anbahnung von Lauten zum Tragen: 4 Lippen, 4 Wangen, 4 Zunge, 4 Gaumensegel. Der wichtigste Muskel für die Lautbildung ist die Zunge. Deshalb erfährt sie eine Unterteilung, die eine noch genauere Analyse der Funktionen ermöglicht. Im Folgenden sind die wichtigsten Regionen genannt: 4 Zungenspitze, 4 Zungenmitte, 4 Zungenrücken, 4 Zungenränder. Für die Überprüfung der Artikulationsmotorik gibt es verschiedene Kartenspiele mit mundmotorischen Übungen im Handel. Außerdem besteht die Möglichkeit, das Kind verschiedene »Grimassen« nachmachen zu lassen.
Neben der Motorik wird das Aussehen des orofazialen Bereiches (s. auch Kittel 2009) beurteilt: 4 Mundschluss, 4 Aussehen der Lippen (wulstig, eingerissen, wund), 4 Aussehen der Zunge (zerfurcht, mit Zahnabdrücken), 4 Gaumen. Eventuell ergeben sich hier Hinweise auf eine orofaziale Dysfunktion.
Mundsensorik Die orale taktil-kinästhetische Wahrnehmung wird ebenfalls überprüft. Hierfür eignen sich verschiedene Tastkörper (z. B. Formen wie Sterne, Kreise, Ovale oder Rechtecke aus kieferorthopädischem Material oder – selbst hergestellt – aus Möhrenscheiben). Diese Prüfkörper werden mit dem Kind zusammen benannt und ihm anschließend möglichst bei geschlossenen Augen auf die Mitte der Zungenspitze gelegt. Das Kind soll raten, welche Form sich im Mund befindet. Kinder mit intakter oraler Wahrnehmung erraten alle Formen innerhalb weniger Sekunden (Hahn 1988). Auch Beobachtungen zur oralen Wahrnehmung des Kindes sind von Bedeutung: 4 Wischt es sich den Mund auffallend häufig ab? 4 Bemerkt es, wenn Speichel in den Munwinkeln ist oder aus dem Mund herausläuft?
Feinmotorik Die Beweglichkeit und Geschicklichkeit der Finger und Hände hängt erfahrungsgemäß mit der mundmotorischen Geschicklichkeit zusammen. Kinder mit
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3.2 · Diagnostisches Vorgehen
feinmotorischen Schwächen haben häufig auch Probleme in der Mundmotorik. Die Feinmotorik wird untersucht durch Aufgaben wie: 4 Perlen auffädeln, 4 Döschen öffnen, 4 Schleife aufziehen, 4 Malen, 4 Gummiring lösen, 4 Knöpfe oder 4 Reißverschluss öffnen. Dies wird beim Umgang mit den Materialien in der Diagnostiksituation beobachtet. Bei der Beurteilung der Feinmotorik orientiert man sich an einer Entwicklungstabelle, z. B. der von Kiphard (2000).
Grobmotorik/Tonus Überprüft wird der Gang, die Haltung, die Bewegung im Raum durch Beobachtung und diagnostische Übungen, z. B. Einbeinstand, Hüpfen auf einem oder beiden Beinen, Treppe herauf oder herunter gehen. Entwicklungsskalen erleichtern eine Einschätzung der Grobmotorik des Kindes. Der Tonus eines Kindes sollte in die Untersuchung miteinbezogen werden, da dieser Auswirkungen auf die Mundmotorik hat. Neben dem hypo- und hypertonen Kind gibt es auch das Kind mit unausgewogenem Tonus. Beispielsweise kann der Schulter-NackenBereich verspannt sein, während sich im Rumpf deutliche Muskelschwächen zeigen.
3
4 Kann es eine Bildergeschichte richtig legen und wiedergeben? 4 Wie plant es Handlungen? Im Gespräch oder Freispiel lässt sich ein Eindruck vom Umweltwissen erhalten. Hat das Kind ein »Spezialgebiet« (z. B. die Kenntnis sämtlicher Saurierarten, aller Automarken oder der zoologischen Grundbegriffe)?
Sozial-interaktiver Bereich Die Therapeutin beobachtet, wie das Kind mit seinen Eltern und mit ihr als Untersucherin interagiert. Eine Videoaufzeichnung dieser Gesprächs- oder Spielsituation ist für die spätere Auswertung hilfreich. Es sollte auch darauf geachtet werden, inwieweit das Kind über Kommunikationsregeln (z. B. ausreden lassen) verfügt und den Blickkontakt hält. Ist es für das Kind wichtig, dass die Therapeutin seinen Erzählungen folgen kann? Informationen aus der Anamnese ergänzen das Bild.
Atmung und Stimme Pathologische Funktionen im Bereich von Stimme und Atmung kommen auch im Zusammenhang mit Aussprachestörungen vor, häufiger begleiten sie allerdings komplexere Sprachentwicklungsstörungen. Auffälligkeiten sollten auf alle Fälle über einen längeren Zeitraum beobachtet werden. Je nach Ausmaß der Störung können diese innerhalb der phonetisch-phonologischen Therapie behandelt werden. Atmung. Der Atemtyp (kostoabdominal, thorakal)
Zusammenfassung 4 Schwächen in der Fein- und Grobmotorik können sich auf die Mundmotorik auswirken. Deshalb werden alle motorischen Bereiche (ggf. auch interdisziplinär) untersucht. 4 Die Überprüfung der Mundmotorik erfolgt differenziert in Parameter und artikulatorische Bereiche. Dies dient der späteren Therapieplanung.
Kognition Mit einfachen Materialien kann die Therapeutin einen ersten Einblick in die kognitiven Leistungen des Kindes bekommen: 4 Wie weit kann es zählen? 4 Kann es bereits einfache Rechnungen ausführen? 4 Wie ist seine Kenntnis von Farben und Mengen?
und die Atem-Sinn-Einheiten werden beobachtet. Stimme. Die Therapeutin achtet auf den Stimmklang
des Kindes (knarrend, heiser oder rau) und beurteilt die Sprechstimmlage. Zusammenfassung 4 Die Untersuchung und Beobachtung relevanter Entwicklungsbereiche ermöglicht der Therapeutin Hypothesen zur Entstehung oder Aufrechterhaltung der Aussprachestörung zu bilden. 4 Dieses Vorgehen erlaubt, dass vermutete Ursachen oder aufrechterhaltende Faktoren in der folgenden Therapie nach Möglichkeit abgebaut werden. 4 Zudem ermöglicht ein ganzheitlicher Blick auf das Kind eine individuell zugeschnittene Behandlung.
2 3
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Kapitel 3 · Diagnostik
3.3
Auswertung der Diagnostikergebnisse
Nach abgeschlossener Diagnostikphase werden alle Ergebnisse zusammengetragen, die Therapeutin sichtet und gewichtet sie. Nachdem die Diagnose gestellt ist, kann eine erste Therapieplanung vorgenommen werden.
4 5
3.3.1 Erstellen der Diagnose
6
Ein wichtiges Anliegen der logopädischen Diagnostik ist, eine Störung zu klassifizieren und zu einer Diagnose zu gelangen. Das bedeutet bei Aussprachestörungen auch, zwischen phonetischen und phonologischen Störungen sowie dyspraktischen Auffälligkeiten zu unterscheiden. Für diese Differenzierung wurde der vorliegende Klassifizierungsbogen (. Abb. 3.3 und 7 Kap. 7.3) konzipiert. Die verschiedenen Untersuchungsergebnisse werden dort als eher phonetisch, phonologisch oder dyspraktisch eingestuft und führen dann zu einer Einschätzung, welche Art der Aussprachestörung vorliegt. Da auch dieses Vorgehen keine absolute Sicherheit erreicht, muss die Untersucherin dieses Ergebnis immer mit ihrem persönlichen Eindruck vergleichen. Sollten weiterhin Zweifel bestehen, wird ein Therapiebeginn Klarheit bringen. Der Aufbau des Klassifizierungsbogens und seine Anwendung sind in 7 Kap. 7.3.1 beschrieben. Die Protokollierung und Auswertung des Bogens wird im Folgenden genau aufgelistet:
7
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> Beispiel David, ein 6-jähriger Junge, wurde von seinen Eltern wegen seines »Lispelns« vorgestellt. Die Auswertung des Bogens ergibt folgendes Bild: 4 Lautanalyse: David bildet Laute fehl, indem er diese durch nichtmuttersprachliche ersetzt. Seine Fehlbildungen sind konstant, es handelt sich immer um eine konsequente Fehlbildung. Die fehlgebildeten Laute sind nicht stimulierbar, es finden sich keine Additionen, phonologische Prozesse liegen nicht vor. Die Lautfehlbildungen treten spontan und auf der Wortebene auf. 4 Analyse der orofazialen Sensomotorik. Bei David fallen mundmotorische Schwierigkeiten und ein abweichendes Schluckmuster auf. Suchbewegungen liegen nicht vor.
4 Analyse der auditiven Wahrnehmungsfähigkeiten. David hat keine Schwierigkeiten in der phonologischen Bewusstheit. Er kann den Ziellaut vom Ersatzlaut in der Fremd- wie auch in der Eigenwahrnehmung gut differenzieren. 4 Auswertung. Wertet man die angekreuzten Felder aus, so erhält man acht Hinweise auf eine phonetische, zwei auf eine dyspraktische und keinen Hinweis auf eine phonologische Störungskomponene. Der Schwerpunkt der Störung liegt also im phonetischen Bereich.
Wie dem Klassifizierungsbogen zu entnehmen ist, gibt es verschiedene Hinweise, ob eine Aussprachestörung eher phonetisch oder phonologisch ist. Kinder mit rein phonetischen Störungen haben häufig Schwierigkeiten in der Mundmotorik, z. B.: 4 schlaffer Zungentonus, 4 unbewegliche Lippen oder 4 gravierende mundmotorische Koordinationsstörungen. Ihnen fehlt die Möglichkeit, die auditiv wahrgenommenen Laute sprechmotorisch zu realisieren (7 Kap. 1.4.2). ! Beachte Bei Kindern, die deutliche Suchbewegungen aufweisen, kann es sich um eine dyspraktische Störung handeln.
Kinder mit phonologischen Störungen haben häufiger auditive Schwächen, z. B. in der Diskrimination von Lauten oder in der auditiven Aufmerksamkeit. Auch eine verkürzte Hörmerkspanne trägt zu Schwierigkeiten bei, eine Lautabfolge korrekt zu realisieren (7 Kap. 1.4.1, Abschn. »Hören und Hörwahrnehmung«). Aus dem bisher Beschriebenen ergibt sich, dass konstante Lautfehlbildungen aufgrund sprechmotorischer Schwierigkeiten eher auf eine phonetische Störung hinweisen. Bei inkonstantem Gelingen des korrekten Lautes liegt der Verdacht einer phonologischen Störung nahe. In manchen Fällen können sprechmotorische Schwächen und dyspraktische Auffälligkeiten zusätzlich zum Tragen kommen. Leider ist aber eine eindeutige Formel wie: »Auditive Wahrnehmungsstörung plus inkonstanter Lautbildung plus guter Mundmotorik ist gleich phonologische Störung« nicht immer zutreffend – es gibt Mischformen, bestehend aus phonetisch-phonologischen Störungen mit Anteilen aus beiden. Beispielsweise kann ein lateraler Sigmatismus (phonetisch) mit einer [k-t]-Schwäche (phonologisch) kom-
3.3 · Auswertung der Diagnostikergebnisse
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. Abb. 3.3. Klassifizierung der Aussprachestörung am Beispiel einer phonetischen Störung bei einem 6-jährigen Kind
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Kapitel 3 · Diagnostik
biniert sein. Sowohl die auditive Wahrnehmung als auch die Mundmotorik können mehr oder weniger auffällig sein (s. auch 7 Kap. 1.4). Und, wie immer, gibt es auch Ausnahmen. Die Aufgabe einer Diagnose liegt – neben der Einschätzung der Störung als »phonetisch oder phonologisch« – darin, eine möglichst kurze und verständliche Zusammenfassung aller Diagnostikergebnisse darzustellen. Dieser Befund soll: 4 strukturiert und eindeutig die Leistungen und Schwächen des Kindes beinhalten, 4 eine klare Aussage über den Schweregrad treffen und 4 auch für andere therapeutische Berufsgruppen verständlich sein. Im logopädischen Alltag gibt es über die Formulierung der Diagnose wenig Einigkeit, an beinahe jeder Schule wird ein anderes Vorgehen gelehrt. Im Folgenden wird eine Diagnoseformulierung vorgestellt, die sich in der langjährigen Praxis der Autorinnen bewährt hat: 1. Benennung der sprachlichen Symptomatik und Einschätzen der Verständlichkeit. 2. Konkretisierung: Aufzählen der Lautfehlbildungen oder der phonologischen Prozesse in der Reihenfolge des physiologischen Lauterwerbs (oder daran orientiert, was die Kommunikation am meisten beeinträchtigt). 3. Beschreibung der übrigen linguistischen Ebenen. 4. Beschreibung weiterer Beobachtungen zu Teilleistungen (Wahrnehmung und Motorik) und sonstiger Auffälligkeiten. 5. Eventuell Formulieren einer vermuteten Ursache.
Beispiel 1: Diagnose einer phonologischen Störung bei einem 5;6-jährigen Kind (. Abb. 3.2) Es besteht eine phonologische Störung, die durch folgende Punkte gekennzeichnet ist: 4 Phonetisch-phonologische Ebene. – Vorverlagerungen in Form einer Alveolarisierung, inkonstant bei Velaren ([k] → [t], [g] → [d], [ń] → [n]), konstant beim Postalveolar ([ ∫ ] → [s]/[z]), – Inkonstante Rückverlagerung von [s]/[z] → [ ∫ ], – Reduktion von Mehrfachkonsonanz (auf den ersten oder zweiten Laut der Konsonantenverbindung). 4 Die übrigen sprachlichen Bereiche sind unauffällig.
4 In der auditiven Wahrnehmung zeigen sich deutliche Einschränkungen: – Die auditive Phonemdiskrimination ist herabgesetzt, betroffen sind vor allem die Laute, die beim Sprechen substituiert werden ([k] – [t], [g] – [d], [ ∫ ] – [s]/[z]). – Die auditive Sequenzerfassung (Reihenfolgegedächtnis) ist stark verkürzt (Stand eines 3;6–4;0-jährigen Kindes). – Insgesamt fällt auf, dass die Konzentrationsfähigkeit des Kindes bei Aufgaben im Bereich der auditiven Wahrnehmung stark nachlässt. Es wird dann motorisch unruhig und ist durch andere Reize sehr leicht ablenkbar. Schwierigkeiten in der auditiven Aufmerksamkeit und Selektion sind deshalb zu vermuten. 4 Die visuelle und taktil-kinästhetische Wahrnehmung wirken unauffällig. 4 Auch im grob- und feinmotorischen Bereich sowie in der orofazialen Sensomotorik zeigen sich keine Einschränkungen. 4 Ursache für die phonologische Störung scheinen die Schwierigkeiten in der auditiven Wahrnehmung zu sein.
Beispiel 2: Diagnose einer phonetischen Störung bei einem 6;0-jährigen Kind (. Abb. 3.3) Es besteht eine phonetische Störung im Rahmen einer orofazialen Dysfunktion mit den konstanten Lautfehlbildungen: 4 [ ∫ ] wird lateral gebildet, [s] o [T]. Die Verständlichkeit ist kaum beeinträchtigt. Weiterhin zeigt sich folgendes Bild: 4 Die übrigen Sprachbereiche sind altersentsprechend. 4 Im orofazialen Bereich besteht ein starkes muskuläres Ungleichgewicht. Der Tonus hier ist deutlich schwach, eine Schnutenbildung ist nicht möglich, die Zungenspitze hat wenig Spannung, die Koordination der Zungenmuskulatur ist unsicher. 4 In der Fein-und Grobmotorik liegen keine Auffälligkeiten vor. Der Körpertonus ist unausgewogen, im Schulter-Nacken-Bereich sind deutliche Anspannungen sichtbar, der Rumpf wirkt eher hypoton. 4 Die auditive Wahrnehmung ist unauffällig, die visuelle Wahrnehmung ist leicht eingeschränkt (Figur-Grund-Unterscheidung), die taktil-kinästhetische Wahrnehmung ist ebenfalls unauffällig. 4 Als Ursache wird eine orofaziale Dysfunktion in Betracht gezogen, die familiär gehäuft auftritt.
63
3.3 · Auswertung der Diagnostikergebnisse
Diagnoseformulierung und ICF Es ist sinnvoll, in den formulierten Diagnosebeispielen die Beschreibung von besonderen Fähigkeiten des Kindes zu ergänzen, um einer ressourcenorientierten Sichtweise Raum zu geben. So wird es möglich, nicht nur die Einschränkungen des Patienten wahrzunehmen, sondern auch im Blick zu haben, wie sich der Patient mit seinen (sprachlichen) Auffälligkeiten im Kontakt mit der Umwelt behauptet. Dieser Blick auf den Patienten greift Gedanken auf, die in der ICF formuliert werden (7 Kap. 5.1.2, Abschn. »Die ICF in der Sprachtherapie«). In der konkreten Umsetzung kann eine Würdigung der Stärken beispielsweise so aussehen: 4 Als Ressourcen des Kindes zeigen sich seine hohe Frustrationstoleranz und seine gute Motivation und Mitarbeit. 4 Die Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit des Kindes ist als besondere Stärke hervorzuheben. 4 In Situationen, in denen das Kind aufgrund seiner Aussprachestörung nicht verstanden wird, ist es in der Lage, seine Wünsche und Bedürfnisse auch nonverbal zu verdeutlichen. 4 Weiterhin kompensiert das Kind seine sprachlichen Schwierigkeiten mit einem ausgeprägten natürlichen Charme, der bei Gesprächspartnern in vielen Fällen spontan Sympathie hervorruft. Eine Diagnose, die entsprechend der Vorgaben der ICF formuliert wird, listet alle Befundergebnisse (Schwierigkeiten und Stärken) unter den entsprechenden ICFKriterien auf. Damit können Befunde einzelner Patienten besser miteinander verglichen werden. > Beispiel Phonetisch-phonologischer Bereich Körperstruktur: Gutes peripheres Hörvermögen. Körperfunktion: Aussprachestörung in Form einer gemischt phonetisch-phonologischen Störung, auditive Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung, muskuläres Ungleichgewicht im orofazialen Bereich. Aktivität: Handeln im Spiel ist altersentsprechend möglich. Teilhabe: Kommunikation mit der Umwelt ist stark eingeschränkt. Umweltfaktoren: Eltern und Kindergarten unterstützen das Kind in jeder Hinsicht. Personbezogene Faktoren: Das Kind ist hoch motiviert, seine Kommunikation zu verbessern.
3
> Exkurs Aktuell gibt es im logopädischen Berufsalltag zwei konkurrierende Strömungen: Die organisatorischen Rahmenbedingungen der Heilmittelrichtlinien 2004 und das Klassifikationsmodell ICF der WHO (DIMDI 2005) geben unterschiedliche Sichtweisen vor. Einerseits eröffnet sich durch die Implementierung der ICF (vgl. auch Kap. 5.1.2) eine andere Sichtweise auf den Patienten. Neben der Funktionseinschränkung durch die Sprach- oder Sprechstörung werden auch sein Kontext, seine Lebensumstände und seine Teilhabe am sozialen Leben in den Fokus der Betrachtung gerückt. Andererseits spricht der Heilmittelkatalog (2004) eine andere Sprache. Die Diagnose »SP3 Störungen der Artikulation – Dyslalie« formuliert beispielsweise rein sprachliche bzw. kommunikative Ziele; andere Funktionen als diese werden nicht berücksichtigt, die Menge der Verordnungen ist dementsprechend zurückhaltend ausgelegt. Die anderen Diagnosen sind in gleicher Weise betroffen. Die unterschiedlichen Klassifikationsmodelle schaffen ein Dilemma und werfen in der Praxis viele Fragen auf: Wie sollen innerhalb der knapp bemessenen Anzahl der Therapieeinheiten die sprachlich-kommunikativen Fähigkeiten verbessert und die »gesellschaftliche Teilhabe« angeregt werden? Wie soll sich die ICF in Diagnoseformulierung und Behandlung von Patienten etablieren, wenn lebensweltliche Kontexte nicht in den Heilmittelrichtlinien abgebildet sind? Für die behandelnde Logopädin ergibt sich hieraus eine Gratwanderung; es kann fast nicht gelingen, ICF und Heilmittelrichtlinien gleichzeitig zu berücksichtigen.
Zusammenfassung 4 Zuerst werden sämtliche Ergebnisse der Diagnostik zusammengetragen. 4 Die Aussprachestörung wird als eher phonetisch, phonologisch oder dyspraktisch klassifiziert. 4 Phonetische Störungen gehen häufig mit Schwierigkeiten in der Mundmotorik einher. Die Lautfehlbildung ist eher konstant. 4 Suchbewegungen weisen auf eine dyspraktische Komponente hin. 4 Phonologische Störungen sind häufig durch auditive Wahrnehmungsstörungen verursacht, die Lautverwendung zeigt sich oft inkonstant. 4 Phonetisch-phonologische Störungen sind eine Mischung aus beiden Störungsschwerpunkten.
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Kapitel 3 · Diagnostik
3.3.2 Erste Überlegungen zur
Therapieplanung
2 3 4 5
Nach der Analyse der Diagnostikergebnisse wird ein individueller Behandlungsplan erstellt, der auf das Kind und die zu behandelnde Störung zugeschnitten ist. Folgende Fragen stellen sich im Vorfeld: 1. Ist eine logopädische Therapie nötig und ist sie zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll? Könnte man die Familie auch – nach ausführlicher Beratung zu sprachförderndem Verhalten – noch einmal in eine Pause schicken? 2. Liegen neben der Ausspracheauffälligkeit noch Störungen in anderen linguistischen Bereichen
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vor? Welcher Bereich beeinträchtigt die Kommunikationsfähigkeit des Kindes am meisten? Ist das Sprachverständnis des Kindes altersentsprechend? Ist eine phonetisch-phonologische Therapie indiziert? Liegt der Schwerpunkt der Störung auf der Phonetik oder auf dem phonologischen System? Das heißt: müssen Laute angebahnt werden oder muss dem Kind das System der Bedeutungsunterscheidung nahe gebracht werden? Mit welchem Laut oder welcher Lautgruppe soll begonnen werden? Welche Teilleistungen (Mundmotorik, auditive Wahrnehmung usw.) sollten in die Therapie mit einbezogen werden, um die Grundbedingungen für eine effektive Arbeit an der Aussprache optimal zu gestalten? Welches Vorgehen ist für dieses Kind geeignet? Ist ein direktes oder ein eher indirektes Arbeiten erforderlich? Welche Rahmenbedingungen sind für die Therapie sinnvoll (Wieviele Einheiten pro Woche, welche Dauer der Einheit)? Welche therapiebegleitenden Maßnahmen sind nötig, um einen Erfolg zu ermöglichen?
Die genaue Therapieplanung und das therapeutische Vorgehen werden ausführlich in den 7 Kap. 5 und 6 beschrieben.
Zusammenfassung 4 Die Therapeutin entscheidet, ob eine phonetisch-phonologische Therapie zum jetzigen Zeitpunkt Erfolg verspricht. 4 Sie wählt ein Vorgehen aus und orientiert sich dabei am Entwicklungsstand des Kindes. 4 Sie plant die spezielle Sprach- oder Sprechtherapie und die Förderung der Teilleistungen des Kindes.
4 Gängige Therapiekonzepte 4.1
Die Behandlung der Artikulationsstörungen nach Van Riper – 66
4.1.1
Ziele – 66
4.1.2
Methodisches Vorgehen – 66
4.2
Das Konzept der bewegungsunterstützten Lautanbahnung BULA – 69
4.2.1
Ziele
4.2.2
Funktionsweise
4.2.3
Methodisches Vorgehen
4.3
Therapie der orofazialen Dysfunktion
4.3.1
Ziele – 73
4.3.2
Methodisches Vorgehen – 74
4.4
Metaphon-Konzept zur Behandlung phonologischer Störungen – 75
4.4.1
Ziele – 75
4.4.2
Methodisches Vorgehen – 76
4.5
Die Assoziationsmethode nach McGinnis
4.5.1
Ziele – 78
4.5.2
Methodisches Vorgehen – 79
4.6
Psycholinguistisch orientierte Phonologie Therapie P.O.P.T. – 81
4.6.1
Ziele
4.6.2
Methodisches Vorgehen
– 70 – 70 – 72
– 73
– 78
– 81 – 81
M. Weinrich, H. Zehner, Phonetische und phonologische Störungen bei Kindern, DOI 10.1007/978-3-642-20028-1_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 4 · Gängige Therapiekonzepte
4.1
Die Behandlung der Artikulationsstörungen nach Van Riper
Die Auswahl an Therapiemethoden zur Verbesserung der Artikulation ist riesig, ständig werden alte Methoden weiterentwickelt und neue konzipiert. Jede Logopädin kreiert aus den ihr bekannten Verfahren ihr ganz eigenes, indem sie Anteile aus verschiedenen Konzepten aufgreift und mit eigenen Ideen verbindet. Um dieses Vorgehen immer wieder hinterfragen zu können, ist es nötig, die zugrunde liegenden Therapiemethoden zu kennen. Deshalb wird in diesem Kapitel »Van Riper« in seiner ursprünglichen Form vorgestellt.
Van Ripers Konzept zur Behandlung von Artikulationsstörungen ist die Grundlage der gängigen Behandlungsformen für phonetische Störungen. Seit seiner Veröffentlichung hat der Ansatz in der logopädischen Arbeit einige Umwandlungen erfahren. Viele Elemente der heutigen Sprechtherapie sind von Van Riper übernommen, häufig auch ohne ihn als Urheber zu kennen. Das Werk »Speech correction, principles and methods« wurde 1939 von Van Riper in den USA veröffentlicht. Im Jahr 1958 folgte »Voice and Articulation« von Van Riper und Irwin. Für die deutsche Bearbeitung wurde der Teil »Artikulation« isoliert und separat herausgegeben. In der Folge fand diese Methode der Artikulationstherapie schnelle Verbreitung im deutschen Sprachraum.
4.1.1 Ziele
4.1.2 Methodisches Vorgehen Um das Standardmuster des Ziellautes anzubahnen, wird zuerst am Hören, genauer gesagt an der auditiven Identifikation und Diskrimination, gearbeitet. Dadurch wird die Korrekturmöglichkeit des Kindes verbessert, damit es besser die richtige von der fehlerhaften Lautbildung unterscheiden kann. Darauf aufbauend probiert das Kind mehrere Bildungsmöglichkeiten des Lautes aus, wodurch es sich dem Standardlaut annähert. Wenn dies gelungen ist, wird das korrekte Muster durch Übung stabilisiert, bis es auch unter ungünstigen Bedingungen sicher in der Spontansprache verwendet wird. Die aufeinander aufbauenden Schritte werden im Folgenden beschrieben.
Das Hören in der Artikulationsbehandlung Van Riper betrachtet die auditive Kontrolle über die Lautbildung als Grundlage für den Erwerb des Standardmusters. Das Vorgehen gliedert sich in zwei Teile, nämlich die Korrekturfunktion und die auditive Eigenwahrnehmung.
Korrekturfunktion Die Therapie beginnt mit der Arbeit an der auditiven Korrekturfunktion. Das bedeutet, dass die Therapeutin das Kind darin unterstützt, die Lautbildung von anderen auditiv wahrzunehmen. Diese Leistung wird Fremdwahrnehmung genannt. Das Kind soll fähig werden, die Artikulation seiner Umgebung mit der korrekten Lautbildung zu vergleichen, um dann in einem weiteren Schritt sein eigenes Artikulationsmuster dem von anderen Sprechern gegenüberzustellen.
Auditive Eigenwahrnehmung Dieses Konzept verfolgt das Ziel der korrekten Lautbildung. Das bedeutet konkret, dass das Kind am Ende der Behandlung in der Lage sein soll, den bisher fehlgebildeten Laut in allen Positionen im Wort und Lautverbindungen und in allen Sprechsituationen, also auch in Eile, in Wut und kurz vor dem Einschlafen, korrekt zu bilden. Die Therapie beinhaltet grundlegende Übungen zur auditiven Fremd- und Eigenwahrnehmung sowie Artikulationsübungen. Sie basiert auf der Erkenntnis, dass ein Laut, der vom Sprecher nicht als falsch identifiziert wird, auch nicht verändert werden kann. Deshalb beginnt die Therapie Van Ripers mit Übungen zur auditiven Wahrnehmung, bevor das Kind sich expressiv dem korrekten Laut nähern soll.
Das Kind lernt, auf seine eigene Lautbildung zu hören und damit seine Eigenwahrnehmung zu schärfen. In einem nächsten Schritt wird die eigene Lautbildung mit der korrekten fremden Lautproduktion verglichen (Van Riper nennt dies Kreisprozess). Dafür wird das Heraushören des Ziellautes aus unterschiedlich komplexen Äußerungen geübt. Selbst in »bedeutungsvoller Konversation« (Van Riper u. Irwin 1994, S. 137) soll der Standardlaut identifiziert werden können. Ein weiteres Ziel ist die Identifikation von Lauten, die die Therapeutin absichtlich fehlerhaft bildet. ! Beachte Erst wenn das Kind auf die richtige Lautbildung seiner Umgebung achtet und diese mit der eigenen vergleicht, wird es imstande sein, sich selbst zu verbessern.
67
4.1 · Die Behandlung der Artikulationsstörungen nach Van Riper
Der Korrekturvorgang Wenn es in der Therapie gelungen ist, die auditive Identifikation und Diskrimination des Patienten für Laute zu verbessern, geht es im nächsten Schritt darum, die Lautbildung zu korrigieren. Auch diese Phase besteht aus zwei Schwerpunkten, nämlich der Anbahnung und der Stabilisierung des Ziellautes.
Anbahnungsphase In dieser Phase wird das eigene Lautmuster dem Standardmuster angenähert. Dies wird von Van Riper als Zielsuche bezeichnet. Die Zunge soll jetzt lernen, eine andere als die gewohnte Artikulationsstelle und -stellung zu verwenden. Das bedeutet, dass das Lautbildungsmuster neu erlernt wird, der Laut wird angebahnt. Zu diesem Schritt gehört auch, die Vielfalt der Fehlbildungen auszuprobieren. > Exkurs »Die Bewegungen und Stellungen, die einen neuen Laut hervorbringen, müssen erst gefunden werden, bevor sie gelernt werden können. In unserer Therapie müssen wir dem Lispler helfen, eine präzise Kombination taktiler und kinästhetischer Empfindungen mit seinem Mund zu suchen, eine Kombination, die für sein Ohr einen s-Laut hervorbringt, der dem s-Laut der Norm entspricht« (Van Riper u. Irwin 1994, S 134). Phonetische Lokalisation. Zur Anbahnung eines Lautes
fordert die Therapeutin das Kind auf, mit seiner Zunge eine bestimmte Stellung einzunehmen. Von dieser aus soll es selbstständig versuchen, den korrekten Laut zu bilden. Diese Artikulationsstellung ist als Ausgangsposition für die Bildung des Ziellautes gedacht. Schlüsselwortmethode. Dieses Vorgehen eignet sich
ebenfalls zur Anbahnung eines Lautes. Voraussetzung ist, dass der Ziellaut in manchen Wörtern bereits korrekt artikuliert wird. Diese Schlüsselwörter werden mehrfach wiederholt, wobei das Kind den Ziellaut betont und verlängert, z. B. indem es dabei auf 20 zählt. Auf diese Weise kann der Ziellaut, bisher nur unbewusst richtig artikuliert, nun auch absichtlich korrekt gebildet werden.
Stabilisierungsphase Wenn das Kind die Artikulationsstellung des korrekten Lautes gefunden hat, gilt es, das neue Lautmuster zu festigen. Diesen Vorgang bezeichnet Van Riper als Stabilisieren oder Fixieren des Ziellautes. Der linguistische Anspruch an die Äußerungen ist dabei ansteigend, vom isolierten Laut bis zur anspruchsvollen Konversation.
4
! Beachte Die Festigung des neu erlernten Lautes lässt sich über die wiederholte Übung des Standardlautes und die konsequente Anwendung eines Feedbacks erreichen.
Da der anzubahnende Laut in der Vergangenheit mehrere tausend Male fehlerhaft gebildet wurde, hat sich ein sehr festes Lautmuster eingeprägt, das jetzt durch ein neues ersetzt werden soll.
Stabilisierung auf Lautebene Zuerst wird der angebahnte Laut isoliert geübt, so dass der taktil-kinästhetische Eindruck mit dem auditiven Eindruck gekoppelt werden kann. In dieser Phase ist es wichtig, dass die Therapeutin einen Teil der Feedback-Funktion übernimmt. Damit hilft sie dem Kind zu entscheiden, ob der von ihm gebildete Laut der korrekte war. Ziel dieser Phase ist, dass das Kind bestimmen kann, ob der auditive und der taktil-kinästhetische Eindruck dem Standardmuster entspricht und die Lautbildung somit korrekt war.
Stabilisierung auf Silbenebene Die Festigung des Ziellautes in der Silbe verbindet mehrere Vorteile. Zum Einen kann der Laut in sämtlichen Lautkombinationen geübt werden, zum Anderen wird die habituelle Fehlbildung bekannter Wörter vermieden. Darüber hinaus kann durch einen geschickt ausgewählten Koartikulator das Kind zusätzlich in seiner Artikulation unterstützt werden. > Exkurs Koartikulation. Vokale (und auch Konsonanten), die vor und nach einem Laut gebildet werden und dadurch dessen Klang beeinflussen, nennt man Koartikulatoren. Ihr Einfluss ist manchmal erleichternd, manchmal aber auch erschwerend für die Lautbildung. Ein Vokal, der eine ähnliche Mund- und Zungenstellung (also einen ähnlichen Artikulationsort) aufweist wie der Ziellaut, erleichtert dessen Bildung. Auch Laute, die die gleiche Artikulationsart haben (wie z. B. alle Plosive), können sich gegenseitig unterstützen. Umgekehrt wird die Bildung des korrekten Lautes schwieriger, wenn das Muster des benachbarten Lautes stark unterschiedlich ist. Beispielsweise wird der Laut [s] durch [i] unterstützt, da bei beiden Phonemen die Lippen stark gespannt sind und die Zungenspitze im vorderen Mundbereich liegt. Ein [u] erschwert das korrekte [s], da die beiden Artikulationsstellungen stark von einander abweichen.
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Kapitel 4 · Gängige Therapiekonzepte
Die verschieden hohen Anforderungen an das Kind werden in der Therapie durch die Verwendung sinnleerer Silben erreicht. Je nach Leistungsstufe wird der Ziellaut mit einem koartikulatorisch günstigeren oder schwierigeren Vokal verknüpft. Die Stabilisierung des Lautes in verschiedenen phonetischen Umgebungen wird auch phonetische Stabilisierung genannt. In dieser Phase wird das Standardmuster unter verschiedenen Bedingungen gefestigt. Eine Zwischenstufe, schwieriger als die Silben-, einfacher als die Wortebene, besteht in der Stabilisierung des neuen Lautes auf Pseudowort-Ebene. Phantasie- oder Unsinnswörter, die den Regeln der Sprachbildung unterliegen (für das Deutsche konstruierte Beispiele wären rul, gedel, müre), werden verwendet. Sie können auch zusätzlich von Therapeutin und Kind mit Bedeutungen oder Funktionen belegt werden.
Stabilisierung auf Wortebene
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Im nächsten Schritt erfolgt die sog. semantische Stabilisierung. Das bedeutet, dass der neue Laut in sinnvollen Wörtern und Sätzen verwendet wird. In dieser Phase ist die Eigenwahrnehmung nochmals von Bedeutung, da das Kind zunehmend auf seine eigene Lautbildung achten soll, um sie ggf. zu korrigieren. Die Stabilisierung auf Wortebene beginnt mit der Übung einfacher Wörter, z. B. eignen sich Einsilber zu Beginn gut. Zuerst befindet sich der neue Laut im Anlaut, dann im Auslaut und schließlich in Inlaut des Wortes.
Situationen mit größerer Anspannung artikulieren zu lassen. Dies entspricht einer hohen Sprechleistungsstufe, in welcher die Konzentration sich sowohl auf den Inhalt als auch die Aussprache verteilen muss.
Transfer Nach dieser Vorarbeit soll die korrekte Artikulation nun in der Spontansprache fest verankert werden. Damit das neue Sprechen zur Gewohnheit werden kann, bedarf es verschiedener Kontrollmechanismen, wie der Verbesserung der taktil-kinästhetischen Wahrnehmung oder auch der Einbeziehung der Angehörigen. Außerdem wird ein »Bestrafungs-System« etabliert, wobei die »Strafen« natürlich mit Humor und Bedacht ausgewählt werden (z. B. ein Cremepunkt auf die Nase, eine Murmel in ein Gefäß für jeden Fehler). Vielleicht möchte sich das Kind seine »Strafe« selbst ausdenken. (In der heutigen Praxis wird dieses Prinzip meistens umgekehrt: nicht die Fehlleistung, sondern der richtige Laut wird verstärkt – und zwar positiv!). Zum Schluss der Therapie soll der neue Laut in allen Sprechsituationen und in allen Gemütszuständen korrekt gebildet werden können. . Übersicht 4.1 fasst nochmals die Stufen der Artikulationsbehandlung nach Van Riper zusammen. Der Aufbau der Stabilisierungsphase wird in . Übersicht 4.2 dargestellt.
. Übersicht 4.1.
Stabilisierung auf Satzebene Wenn das Kind einige Schlüsselwörter gut beherrscht und in der Lage ist, auftretende Fehlbildungen zu korrigieren, beginnt die Arbeit auf Satzebene. Hier schlägt Van Riper verschiedene Techniken vor, z. B. das SlowMotion-Sprechen oder das Schattensprechen (Van Riper u. Emerick 1984). 4 Slow-Motion-Sprechen. Kind und Therapeutin sprechen einen Satz gleichzeitig und extrem langsam, wobei sie den Ziellaut besonders dehnen. 4 Schattensprechen. Die Therapeutin spricht einen Satz (oder auch mehrere) vor, das Kind wiederholt diese sofort oder nach einer kleinen Pause.
Stabilisierung unter Zeit- und Emotionsdruck Die neu erlernten Fähigkeiten werden nun unter Zeitund Emotionsdruck gefestigt. Das Kind soll Wörter und Sätze zuerst langsam sprechen und dann das Tempo steigern, ohne dass es zu Fehlbildungen kommt. Eine weitere Möglichkeit der Stabilisierung besteht darin, den Patienten mit höherer Lautstärke oder in
Stufen der Artikulationsbehandlung nach Van Riper Das Hören in der Artikulationsbehandlung 4 Korrekturfunktion, 4 auditive Eigenwahrnehmung. Anbahnung des Lautes 4 Arbeit mit dem isolierten Laut bis zu seiner korrekten Bildung. Stabilisierung des korrekten Lautes 4 Lautebene, 4 Silbenebene, 4 Wortebene, 4 Satzebene. Transfer in die Alltagssprache 4 Verbessern der Eigenkontrolle, 4 Einbeziehen des Umfeldes, 4 »Bestrafungs«-System.
4.2 · Das Konzept der bewegungsunterstützten Lautanbahnung BULA
4.2 . Übersicht 4.2.
Stabilisierung auf den verschiedenen Ebenen Stabilisierung auf Lautebene 4 Üben des isolierten Ziellautes. Stabilisierung auf Silbenebene 4 Festigung des Lautes in Silben mit unterschiedlicher phonetischer Nachbarschaft und variierenden Konsonant-Vokal-Anordnungen. 4 Verwendung von Pseudowörtern, also Phantasieoder Unsinnswörtern zur Übung gängiger Lautkombinationen. Stabilisierung auf Wortebene 4 Beginn mit einfachen Einsilbern. 4 Steigerung von initialer über finale nach medialer Lautposition im Wort. Stabilisierung auf Satzebene 4 Verwendung von Schlüsselwörtern in Sätzen.
Zusammenfassung 4 Die Behandlung von Kindern mit Artikulationsstörungen nach Van Riper ist der Ursprung von vielen heutigen Behandlungsmethoden für phonetische Störungen. 4 Grundlegende Bedeutung kommt der Förderung der auditiven Fremd- und Eigenwahrnehmung zu. 4 Die physiologische Artikulation wird zuerst beim isolierten Laut geübt, dann in der Silbe, im Wort, auf Satzebene und zum Schluss in der Spontansprache. 4 Die Anforderungen an die Lautbildung steigen von eher zufälligen Lautproduktionen bis hin zur korrekten Lautbildung unter Stress.
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4
Das Konzept der bewegungsunterstützten Lautanbahnung BULA
Die Verbindung von Lautanbahnung und Bewegung hat sich in der Artikulationstherapie vielfach bewährt. Die bewegungsunterstützte Lautanbahnung verknüpft anzubahnende Laute mit einer passenden Bewegung, wodurch die Bildung des korrekten Ziellautes unterstützt wird und daher in der Regel leichter gelingt. Phonetische Störungen können so auch bei jüngeren Kindern oder Kindern mit Leidensdruck gut behandelt werden.
Die bewegungsunterstützte Lautanbahnung geht vom Grundgedanken auf die »LUB (Lautunterstützende Bewegungen der funktionellen Therapie nach Weiser)«* zurück. Diese wurden Mitte der 70er Jahre von der Erlanger Lehrlogopädin Weiser entdeckt und in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie (damals Prof. Kittel) und der Kieferklinik in Erlangen untersucht. Man fand eine Methode der Lautanbahnung, die Kinder mit Aussprachestörungen (besonders bei zugrundeliegenden Spaltbildungen) auf sehr indirekte und unbewusste Weise in der Lautbildung unterstützt. In Testreihen, in denen von Probanden während der Artikulation Gaumenabdrücke genommen wurden, konnte nachgewiesen werden, dass bestimmte Körperbewegungen oder -haltungen tatsächlich Auswirkungen auf Zungenbewegungen und somit auf Artikulationsmuster haben. Zu diesem Zweck wurde eine Paste auf das Gaumenmodell aufgestrichen, auf der sich dann Bewegungen der Zunge abzeichneten. Diese Erkenntnis machte sich Weiser für ihren Therapieansatz zunutze. Durch Bewegungen, die gleichzeitig mit der Lautbildung ausgeführt werden, können bestimmte Parameter des Lautmusters speziell unterstützt werden. Artikulationsauffällige Kinder vermögen den Ziellaut in der Übungssituation leichter zu bilden. Die Methode wurde im Laufe der Jahrzehnte durch die verschiedenen Lehrenden an der Erlanger Berufsfachschule für Logopädie und durch die Anwenderinnen in der Praxis modifiziert, durch Spielideen erweitert und schließlich auch systematisiert. Im Folgenden wird das Konzept der bewegungsunterstützen Lautanbahnung so beschrieben, wie es derzeit an der * Im Februar 2001 wurde das Markenzeichen »LUB (Lautunterstützende Bewegungen der funktionellen Therapie nach Weiser)« eingetragen. Eine Veröffentlichung von Weiser selbst ist den Autorinnen nicht bekannt.
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Kapitel 4 · Gängige Therapiekonzepte
Erlanger Berufsfachschule für Logopädie gelehrt und angewendet wird.
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4.2.1 Ziele Mit Hilfe von Bewegungen soll dem Kind die korrekte Lautbildung erleichtert werden, was erfahrungsgemäß in vielen Fällen zu einer kürzeren Therapiedauer führt. Vor allem bei Kindern mit hohem Leidensdruck oder auch bei jüngeren Kindern ist von Bedeutung, dass indirekter und spielerischer gearbeitet werden kann. Dies bedeutet für die kleinen Patienten häufig ein schnelleres Vorankommen in der Therapie, da die Motivationslage besser ist. Auch bei (drohender) Verweigerung des Kindes bietet sich das indirekte Vorgehen an. Kinder, die mit anderen, direkteren Herangehensweisen überfordert wären, profitieren sehr von der bewegungsunterstützten Lautanbahnung. ! Beachte
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Der ansprechende Charakter der Lautanbahnung »mit Hand und Fuß« ist ein großer Pluspunkt dieser Methode!
4.2.2 Funktionsweise Das Wirkungsprinzip der bewegungsunterstützten Lautanbahnung beruht auf einer Art Verbindung zwischen verschiedenen Körperregionen (Parallelen findet sich in der Naturheilkunde. Viele Heilmethoden gehen von einer Verbindung der Organe untereinander, z. B. durch Meridiane, aus). Durch Spannungsveränderung, eine in eine bestimmte Richtung und auf eine bestimmte Art ausgeführte Bewegung von Händen und Füßen lässt sich das Geschehen im Mundraum beeinflussen. Für die Methode sind folgende Kriterien von Bedeutung: 4 Bewegungsart, 4 Bewegungsrichtung, 4 eingesetzte Körperteile.
Bewegungsart Darunter versteht man, wie eine Bewegung ausgeführt wird. Man kann zwischen einer geführten oder einer lockeren, einer Bewegung gegen Widerstand und einer solchen mit Impuls unterscheiden. > Beispiel 4 Stellen Sie sich vor, Sie schieben einen schweren, rauen Ziegelstein über eine mit Teppich bezogene schiefe Ebene nach oben. Das kostet wirklich
Mühe! Dann handelt es sich um eine geführte Bewegung (wie beim Laut [ ∫ ]). 4 Sie nehmen in Gedanken eine Handvoll Löwenzahnsamen (von der Pusteblume) und werfen ihn großzügig und leicht auf Ihren Rasen. Dies ist eine lockere, nicht geführte Bewegung (wie bei [l] und [n]). 4 Rumpelstilzchen ärgert sich, weil es das Kind der Königin nicht bekommt. Voller Zorn und mit der entsprechenden Kraft stampft es mit dem Fuß auf und ... das Ende ist bekannt. Das war eine impulshaft ausgeführte Bewegung (wie bei [k])!
Je nach Bewegungsart wird eine unterschiedliche Spannung erzeugt. Die Art der Spannung, die für die Bildung eines bestimmten Lautes benötigt wird, kann mit Händen und Füßen nachempfunden werden. ! Beachte 4 Für Plosive wird eine kurzzeitig sehr hohe Spannung gehalten, die dann gelöst wird. 4 Frikative benötigen eine feindosierte Spannung, die dauerhaft gehalten wird.
Die Artikulationsart eines Lautes wird von der Spannung mitbestimmt. Um den Tonus in einer bestimmten Region der Zunge zu beeinflussen, wird in Händen oder Füßen Spannung erzeugt (7 Kap. 6.6.3). Die Tonusbeeinflussung kann sehr zielgenau eingesetzt werden. Beispielsweise kann Spannung, die in den Fingerspitzen aufgebaut wird, den Tonus in der Zungenspitze beeinflussen.
Bewegungsrichtung Dieser Begriff lässt sich am wenigsten genau umfassen. Die Bewegungsrichtung beschreibt die Bewegungstendenz von Zungenspitze oder -rücken oder auch den Lippen bei der Artikulation. Bei einigen wenigen Lauten versagt dieses Erklärungsmodell jedoch, da das Lautbildungsmuster keine Richtung erkennen lässt. Hier zählt dann die Erfahrung. > Beispiel 4 Beim Laut [ ∫ ] werden die Lippen für die Schnute nach vorne geschoben, was einer Bewegung nach vorne entspricht. Die Zungenspitze nähert sich an den Zungenruhelageplatz am oberen Alveolardamm an. Die Bewegung geht deshalb insgesamt nach vorne-oben. 4 Beim Laut [k] legt sich der Zungenrücken an den Gaumen an, was einer Bewegung nach oben entsprechen würde. Zur Lösung des aufgestauten Luftstromes aber schnellt der Zungenrücken
71
4.2 · Das Konzept der bewegungsunterstützten Lautanbahnung
nach unten. Die unterstützende Bewegung insgesamt ist deshalb nach unten.
4
. Tabelle 4.1. Zusammenhang zwischen Artikulationsart des Lautes und Bewegungsart
Eingesetzte Körperteile Wie in . Abb. 4.1 skizziert, gibt es korrespondierende Regionen im Körper, die einander beeinflussen können. Das lässt sich auch im Alltag häufig beobachten: > Beispiel 4 Wenn Kinder feinmotorisch anspruchsvolle Tätigkeiten ausführen, arbeitet ihre Zunge häufig mit, sie findet sich zwischen den Lippen oder im Mundwinkel wieder. 4 Stellen Sie sich vor, Sie haben einen winzig kleinen Kaktusstachel im Zeigefinger stecken. Nun bemühen Sie sich mit der anderen Hand – unter Verwendung des Zangengriffes – den Störenfried zu entfernen. Wo würde sich in diesem Fall Ihre Zungenspitze befinden? (Vielleicht ergibt sich demnächst eine Beobachtungssituation im engeren Familienkreis – dann fragen Sie nach!).
Diese Erkenntnisse wurden für die Lautanbahnung nutzbar gemacht. Hände wie auch Füße haben sich zur Lautunterstützung bewährt. Bei den Händen kommen hauptsächlich die Fingerspitzen, die Handkanten und der Handballen zum Einsatz. Darüber hinaus wird differenziert, ob eine oder beide Hände eingesetzt werden. Bei den Füßen ist häufig die Ferse die unterstützende Region, seltener die Fußaußenkanten. Die genaue Übereinstimmung zwischen Lautmuster und Bewegung besteht also in nachfolgend aufgelisteten Punkten:
Artikulationsart
Bewegungsart
Frikative: Strömende, anhaltende Laute mit unterschiedlicher Spannung [f ], [s]/[z], [ ∫ ]
Geführte, anhaltende Bewegung mit unterschiedlicher Spannung
Plosive: Laute mit Verschlussbildung, die explosionsartig gelöst wird [k], [t], [p] und [g], [d], [b]
Impulshafte Bewegung
Vibranten: andauernde Laute mit intermittierendem Verschluss [r], [ȏ]
Bewegung mit Zwerchfellgegenspannung
4 Artikulationsart – Bewegungsart: Ein plosiver Laut benötigt eine impulshafte und kraftvolle Bewegung, ein strömender Laut eine andauernde Bewegung (. Tabelle 4.1). 4 Artikulationsort – eingesetzte Körperteile: Wie in . Abb. 4.1 skizziert, bestehen Verbindungen zwischen der Zunge und Händen oder Füßen. Um beispielsweise den Zungenrücken zu unterstützen, werden die Handballen, ein- oder beidseitig, eingesetzt (. Tabelle 4.2).
. Abb. 4.1. Korrespondierende Regionen
72
Kapitel 4 · Gängige Therapiekonzepte
. Tabelle 4.2. Zusammenhang zwischen Artikulationsort und eingesetzten Körperteilen
2
Artikulationsort
Eingesetzte Körperteile
Zungenspitze
Fingerspitzen Fußzehen oder -ballen
4
Zungenrücken
Handballen Ferse
5
Zungenränder
Handaußenkanten Fußaußenkanten
6
Velum
Zwerchfell
7
. Tabelle 4.3. Zusammenhang zwischen Bewegungsrichtung der Zunge und Bewegungsrichtung eingesetzter Körperteile Bewegungsrichtung der Zunge
Bewegungsrichtung von Händen oder Füßen
10
Zungenbewegung nach vorne
Bewegung vom Körper weg
11
Zungenbewegung nach oben
Bewegung der Hand/ Hände nach oben
12
Zungenbewegung nach hinten
Bewegung auf Körpermitte zu
Rillenbildung (d. h. eine AufeinanderzuBewegung der Zungenränder)
Handkanten/Füße gegeneinander pressen
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4 Bewegungsrichtung der Zunge – Bewegungsrichtung der eingesetzten Körperteile: Mit den oben genannten Einschränkungen lässt sich feststellen, dass die »Idee« einer Bewegungsrichtung des Ziellautes durch eine entsprechende Hand- oder Fußbewegung nachempfunden wird (. Tabelle 4.3). ! Beachte Eine optimal unterstützende Bewegung für einen Einzellaut orientiert sich an drei Parametern des Ziellautes: 4 der Artikulationsart, 4 dem Artikulationsort und 4 der Bewegungsrichtung der Zunge.
Die . Tabellen 4.1–4.3 und . Abb. 4.1 verdeutlichen den Zusammenhang zwischen Artikulation und Bewegung anhand der oben genannten Parameter. Es sind die Lautgruppen beispielhaft aufgeführt, die am häufigsten fehlgebildet werden (7 Kap. 6.6.3). In . Abb. 4.1 werden die Beziehungen zwischen Zunge und Hand genauer dargestellt.
4.2.3 Methodisches Vorgehen Der anzubahnende Laut wird unter folgenden Kriterien betrachtet: 4 Artikulationsart, 4 Artikulationsort und 4 Bewegungsrichtung der Zunge. Aus diesen drei Parametern ergibt sich dann eine unterstützende Bewegung, die gleichzeitig mit dem Laut ausgeführt wird (s. auch 7 Kap. 6.6.3 und 2.19 im e Downloadbereich). Durch eine Veränderung der Bewegung (z. B. indem der Anfangsimpuls verstärkt oder die Bewegungsrichtung variiert wird) lässt sich die Lautbildung beeinflussen. Zur Verdeutlichung der beschriebenen Zusammenhänge soll das Vorgehen anhand eines Beispiellautes beschrieben werden. > Beispiel Beispiel für die [ ∫ ]-Anbahnung: Der Laut [ ∫ ] ist ein Strömungslaut, bei dem der Luftstrom durch eine deutliche Enge geführt wird. Dadurch entsteht ein Widerstand. Die Zungenspitze bildet diese Enge durch eine Annäherung an den Alveolardamm, die Zungenränder legen sich gleichzeitig an die Molaren an. Die Bewegungsrichtung der Zunge ist nach vorne-oben. Die passende Bewegung ergibt sich daraus wie folgt: 4 Bei der Bewegung der Hände werden die Handkanten durch Druck oder Reibung auf der Unterlage stimuliert (zur Unterstützung der Zungenränder). 4 Die Bewegung ist anhaltend und geführt (entspricht dem Charakter des Frikatives). 4 Die Hände werden nach vorne-oben bewegt (zur Unterstützung der Bewegungsrichtung der Zunge). Eine passende Spielidee könnte sein, dass Kind und Therapeutin abwechselnd eine Tonschale, die mit schweren Baumaterialien gefüllt ist, über ein Brett als schiefe Ebene zu einer Spielbaustelle fahren. Für einen stärkeren Einsatz der Zungenränder ist es optimal,
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4.3 · Therapie der orofazialen Dysfunktion
wenn bei dieser Bewegung die Handkanten Kontakt zur Unterlage haben.
Zusammenfassung 4 Die bewegungsunterstützte Lautanbahnung unterstützt die Lautbildung durch Bewegungen von Händen und Füßen. 4 Die Bewegung imitiert den Laut im Hinblick auf Artikulationsart, Artikulationsort und Bewegungsrichtung der Zunge. 4 Durch die Verbindung von Lautbildung und Bewegung verläuft die Artikulationstherapie weniger bewusst und ist daher auch für jüngere Kinder oder Kinder mit hohem Leidensdruck gut geeignet.
Weitere Spielideen zur bewegungsunterstützten Lautanbahnung finden sich in 7 Kap. 6.6.3. Die in . Übersicht 4.3 zusammengestellten Prinzipien geben Hinweise auf eine effektive Anwendung der bewegungsunterstützten Lautanbahnung.
. Übersicht 4.3.
Wichtige Prinzipien zur Anwendung der bewegungsunterstützten Lautanbahnung BULA 4 Die bewegungsunterstützte Lautanbahnung ist nur bei phonetischen Störungen sinnvoll. 4 Um die Unterstützungsfunktion der Bewegung auszunutzen, muss der Laut gleichzeitig mit dieser produziert werden. 4 Die bewegungsunterstützte Lautanbahnung ist eine indirekte Methode. Spiegel, phonetische Lokalisation etc. sind direkte Methoden. Die Kombination beider Methoden kann für das Kind verwirrend sein. Deshalb sollte diese mit der entsprechenden Vorsicht verwendet werden. 4 Manche Kinder kommen mit der Vermischung auch sehr gut klar, ihnen dient die Bewegungsunterstützung als zusätzliche Hilfe, z. B. zur direkten Anbahnung mit Hilfe des Spiegels. 4 Wie jede Hilfe sollte die lautbegleitende Bewegung bald wieder abgebaut werden. 4 Optimal ist eine ausgewogene Körpergrundspannung. Davon ausgehend können die besten Ergebnisse erzielt werden. 4 Fersensitz und Kniestand unterstützen einen guten Tonus. 4 Fehlhaltungen oder -spannungen sollten korrigiert werden, um den Erfolg der Methode nicht zu gefährden. 4 Jüngere Kinder und Kinder mit hohem Leidensdruck nehmen die bewegungsunterstützte Lautanbahnung besser an als ältere Kinder. 4 Die bewegungsunterstützte Lautanbahnung ist nur eine Methode von vielen!
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4.3
Therapie der orofazialen Dysfunktion
Orofaziale Dysfunktionen (auch als myofunktionelle Störungen bezeichnet) treten immer häufiger auf. Da sie oft mit Aussprachestörungen, besonders der Frikative, einhergehen, soll ihre Behandlung hier kurz beschrieben werden. Aussprachestörungen aufgrund einer orofazialen Dysfunktion sind immer phonetische Störungen.
Entwickelt wurde die Therapie der orofazialen Dysfunktion hauptsächlich im angloamerikanischen Raum. (Zur Entwicklung der Myofunktionellen Therapie s. Hahn 1988, S 88ff). Wegbereiter dieser neuen Therapieform in Europa ist besonders Garliner (1974). In Deutschland wurde die Therapieform u. a. von Hahn (1988) und Kittel (2009) aufgegriffen und an deutsche Verhältnisse adaptiert. Im Folgenden wird das Vorgehen von Kittel beschrieben.
4.3.1 Ziele Bei der orofazialen Dysfunktion liegt ein pathologisches Schluckmuster zugrunde, das mit einer Dysbalance der Muskelgruppen im orofazialen Bereich einhergeht (7 Kap. 1.3.1, Kap. 1.4.2, Abschn. »Orofaziale Dysfunktion«). Dies kann zu phonetischen Störungen und zu Verformungen des Kiefers führen. Die Behandlung der orofazialen Dysfunktion hat den Ausgleich des Muskel-Ungleichgewichtes zum Ziel. Das gestörte Gleichgewicht wird durch Training der verschiedenen Muskelgruppen (wieder) hergestellt und dadurch der pathologische Bewegungsablauf beim
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Kapitel 4 · Gängige Therapiekonzepte
Schlucken verändert. Als Ausgangspunkt für das korrekte Schlucken ist die Zungenruhelage zu sehen. Die Kontaktfläche der Zungenspitze beim Schluckvorgang soll an der Papilla incisiva am Alveolardamm sein und nicht wie bisher (meist) an den Schneidezähnen. Die veränderte Ruhelage beim Schlucken hat auch Auswirkungen auf den Artikulationsort verschiedener Laute, typischerweise besonders bei [s]/[z] und [ ³]. Neben dem Abbau des pathologischen Schluckverhaltens geht es in der Myofunktionellen Therapie auch um »die Lösung der gleichzeitig bestehenden Ganzkörperproblematik« (Kittel 2009), z. B. Ganzkörpertonus, Atmung, Auge-Hand-Koordination oder Grobmotorik. Die Myofunktionelle Therapie ist keine eigentliche Behandlungsmethode für Aussprachestörungen. Sie ist aber häufig bei Patienten mit Sigmatismen oder Schetismen indiziert, wenn die Ursache der Störung in einer Fehlfunktion des Schluckens liegt. ! Beachte
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Bei Patienten mit Sigmatismus, Schetismus (lateralis) oder multipler Interdentalität muss an eine orofaziale Dysfunktion gedacht werden, ganz besonders, wenn sich die Lautfehlbildungen als therapieresistent erweisen.
11 4.3.2 Methodisches Vorgehen
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Der erste Schritt in der Therapie ist das Auffinden und Halten der korrekten Zungenruhelage. Erst im Anschluss daran werden die Muskelfunktion, der Muskeltonus und somit das muskuläre Gleichgewicht verbessert. Am Ende der Behandlung wird das Schluckmuster korrigiert. Parallel zur Arbeit im orofazialen Bereich werden immer Atmung und Haltung mit einbezogen. Eine anschauliche Darstellung der einzelnen Etappenziele und viele Übungsideen finden sich bei Kittel (2009). Voraussetzung für die Myofunktionelle Therapie ist eine gute Motivation des Kindes. Der Übung, vor allem auch der häuslichen Übung, kommt ein hoher Stellenwert zu, denn schließlich muss ein lang bestehendes motorisches Muster verändert werden. Ohne das Muskeltraining zu Hause ist ein Therapiefortschritt nicht möglich. Diese hohen Anforderungen lassen einen Behandlungsbeginn bei orofazialer Dysfunktion in der Regel nicht vor der Einschulung sinnvoll erscheinen. Eine Ausnahme stellt u. a. das Heidelberger Gruppenkonzept für myofunktionelle Störungen GRUMS dar (Lleras u. Müller 1993). Nach diesem Ansatz wer-
den Kinder bereits ab einem Alter von vier Jahren behandelt, ein Schlucktraining findet nicht statt.
Zungenruhelage Zunächst wird mit dem Kind das Einhalten der Zungenruhelage erarbeitet. Dafür muss die Zunge in der Lage sein, diesen Platz überhaupt einzunehmen. In besonders schweren Fällen ist das der Zunge nicht möglich. Dann wird zuerst die Zungenkraft verbessert, bis die Ruhelage für kurze Zeit gehalten werden kann.
Muskelübungen im orofazialen Bereich Im nächsten Schritt werden Muskelübungen durchgeführt, die zuerst die Zungenmuskulatur, dann die Muskulatur der Lippen stärken. Die Übungen für die Zunge bezwecken eine Verbesserung von Kraft, Koordination und Bewegungssteuerung der Zunge. Die Lippenübungen verbessern in erster Linie den Tonus, so dass ein guter Mundschluss erreicht wird und kompensatorische Fehlspannungen abgebaut werden.
Ansaugeübungen für die Zunge Nach Abschluss der Zungen- und Lippenübungen, besonders nach Kräftigung der Zungenmitte, folgen Ansaugeübungen. Die Zungenspitze wird an die Papilla incisiva gelegt, die Zungenmitte wird am Gaumen angesaugt. In dieser Phase werden kleine Gummiringe auf die Zungenspitze gelegt, die eine Kontrolle darüber ermöglichen, ob sie ihren Platz eingehalten hat. Wenn dies der Fall ist, liegen die Gummiringe nach dem Ansaugen noch dort, wo die Therapeutin sie zuvor platziert hat.
Schluckübungen An die Ansaugeübungen schließen sich Schluckübungen an. Zuerst wird nur Speichel geschluckt; Gummiringchen ermöglichen wieder die Kontrolle des korrekten Bewegungsablaufes. Im Anschluss daran werden – nun ohne Gummiringe – Schluckübungen mit Festem (Keksen oder Knäckebrot) durchgeführt. Die Zungenfunktion kann jetzt nur noch von außen kontrolliert werden. Zu diesem Zweck schluckt das Kind mit offenen Lippen, so dass die Therapeutin sehen kann, ob Speisebrei oder Speichel durch die geschlossenen Zahnreihen nach vorne gedrückt wird. Noch schwieriger wird es dann, wenn Flüssigkeiten geschluckt werden sollen. Dies geschieht zum Abschluss dieser Übungsphase, wenn das Kind feste Speisen bereits sicher und gut schlucken kann.
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4.4 · Metaphon-Konzept zur Behandlung phonologischer Störungen
Automatisierung des neuen Schluckens Die letzte Phase ist die Automatisierungsphase, in der das neue Schluckmuster zunehmend in den Alltag integriert wird. Mit dem Kind wird besprochen, welcher Anteil der regelmäßigen Mahlzeiten unter »Übungsaspekten« – mit offenen Lippen und unter Kontrolle durch einen Spiegel – eingenommen werden soll. Die Abstände zwischen den Stunden werden nun verlängert, die Therapiestunden dienen nur noch der Kontrolle des bisherigen Erfolges. ! Beachte Eine reine Artikulationstherapie zeigt bei einer orofazialen Dysfunktion keinen dauerhaften Erfolg.
Auch wenn der Laut korrekt gebildet werden kann, lässt er sich in den meisten Fällen im Alltag nicht beibehalten. Die Behandlung der orofazialen Dysfunktion bereitet häufig erst die Basis für eine erfolgreiche Artikulationstherapie. Abschließend sind die einzelnen Schritte der Myofunktionellen Therapie nach Kittel (Kittel 2009) beschrieben (s. dazu auch . Übersicht 4.4).
. Übersicht 4.4.
Der Aufbau der Myofunktionellen Therapie nach Kittel 1. Übungen zur Zungenruhelage. 2. Muskelübungen im orofazialen Bereich: – Zungenübungen, – Lippenübungen. 3. Ansaugeübungen für die Zunge. 4. Schluckübungen. 5. Automatisierung des neuen Schluckens.
Zusammenfassung 4 Orofaziale Dysfunktionen sind häufig für phonetische Störungen ursächlich. 4 Ziel der Behandlung ist der Aufbau eines physiologischen Schluckmusters. 4 Dies gelingt durch das Einüben der korrekten Zungenruhelage und durch die Kräftigung der orofazialen Muskulatur. 4 Ein Therapiebeginn mit Schlucktraining ist erst ab dem Schulalter sinnvoll.
4.4
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Metaphon-Konzept zur Behandlung phonologischer Störungen
Bisher wurden Therapiekonzepte vorgestellt, die bei der Behandlung phonetischer Störungen eingesetzt werden. Das Metaphon-Konzept ist dagegen ein Therapieprogramm für Kinder mit sprachsystematischen Schwierigkeiten der Lautverwendung.
Das Metaphon-Konzept wurde von Howell und Dean in den 80er Jahren in England entwickelt und kurz danach erstmalig veröffentlicht (Howell u. Dean 1994). Im Rahmen ihrer Diplomarbeit im Studiengang »Lehr- und Forschungslogopädie« beschäftigte sich Jahn mit dem englischen Therapiekonzept und stellte 1998 eine für das Deutsche adaptierte Version dieses Programms vor (Jahn 1998). 2001 erschien hierzu eine umfassende Veröffentlichung (2.Aufl. Jahn 2007). > Exkurs Ein weiteres Konzept zur Behandlung phonologischer Störungen ist die Minimalpaartherapie (s. Weiner 1981, Hacker 2002). Da das methodische Vorgehen der Minimalpaartherapie jedoch im Groben der Durchführung des Metaphon-Konzepts auf Wortebene entspricht, soll es hier nicht nochmals gesondert aufgeführt werden. Eine zusammenfassende Beschreibung der Minimalpaartherapie findet sich auch bei Jahn (2007).
4.4.1 Ziele Kinder mit phonologischen Störungen haben Schwierigkeiten mit der korrekten Lautverwendung. Ihr Wissen über sprachsystematische Regeln im lautlichen Bereich ist nicht ausreichend weit entwickelt. Das Metaphon-Konzept fördert die bewusste und kognitive Auseinandersetzung mit Lautmerkmalen der Sprache. Die Aufmerksamkeit des Kindes wird gezielt auf spezifische Eigenschaften von Lauten, Lautgruppen und -strukturen gelenkt. Es soll verdeutlicht werden, dass sich Wortbedeutungen verändern, wenn Lautmerkmale in bestimmten Wortpositionen durch andere ersetzt werden. Zum Beispiel lässt eine Ersetzung des Lautmerkmals »frikativ« durch »plosiv« aus dem »See« den »Tee« werden. Das Kind wird für eigene Lautverwendungsfehler sensibilisiert, gleichzeitig wird der gezielte Einsatz der korrekten Strukturen geübt.
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Kapitel 4 · Gängige Therapiekonzepte
Das Vorgehen orientiert sich an den phonologischen Prozessen des Kindes (im obigen Beispiel eine Plosivierung von Frikativen). Diese werden durch eine genaue Analyse ermittelt (7 Kap. 3.2.1). Substitutionsund Silbenstrukturprozesse können mit dem Metaphon-Konzept behandelt werden, Assimilationsprozesse und vokalische Prozesse werden nicht berücksichtigt (7 Kap. 1.2.5 und 1.3.2). Um dem Kind die von ihm verwendeten Prozessstrukturen bewusst zu machen und es für die korrekten phonologischen Regeln zu sensibilisieren, werden ihm Lautgruppen angeboten. ! Beachte In der Therapie geht es nicht um die Anbahnung und Festigung einzelner Laute. Vielmehr werden betroffene Lautklassen oder -strukturen einander gegenübergestellt, um deren Bedeutungsunterschiede zu verdeutlichen.
4.4.2 Methodisches Vorgehen Das Therapiekonzept gliedert sich in die folgenden zwei Phasen mit jeweils unterschiedlichen, aufeinander aufbauenden Teilzielen: 4 Phase 1: Bewusstmachen lautlicher Eigenschaften. 4 Phase 2: Korrektur der Lautverwendungsfehler. Diese Phasen und Teilziele werden bei jedem einzelnen Prozess durchlaufen. Die Umsetzung der jeweiligen Bereiche sollte für das Kind motivierend sein, dabei jedoch nicht zu sehr vom sprachlichen Inhalt ablenken. Die spielerische Gestaltung ist deshalb durch sich wiederholende einfache Handlungsabfolgen gekennzeichnet.
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Phase 1: Bewusstmachen lautlicher Eigenschaften
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Ziel dieser Phase ist, das Interesse des Kindes für lautliche Eigenschaften zu wecken. Das Kind soll im sprachlichen Teil ihm angebotene Stimuli auditiv differenzieren.
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Konzeptebene Mit diesem Teilbereich erfolgt der Einstieg in die Therapie. Das Kind soll auf spielerische Weise mit den Merkmalen des gewählten Prozesses vertraut gemacht werden. Bei Substitutionsprozessen werden die spezifischen Merkmale der betroffenen Lautgruppen eingeführt. Am Beispiel der Plosivierung von Frikativen hieße das »kurz« für Plosive, »lang« für Frikative. Bei Silbenstrukturprozessen, z. B. Reduktion von Mehr-
fachkonsonanz auf einen Konsonanten, beschäftigt sich das Kind mit unterschiedlichen Mengen und Reihenfolgen. Dadurch werden die Grundlagen für die spätere Arbeit mit den Silbenstrukturen geschaffen. Bei der Reduktion von Mehrfachkonsonanz wäre das z. B. »ein Pferd wartet auf sein Futter« stellvertretend für einen Konsonanten, also die Silbenstruktur Konsonant – Vokal, »zwei Pferde warten auf Futter« stellvertretend für die Doppelkonsonanz, also die Silbenstruktur Konsonant – Konsonant – Vokal. Die Merkmale werden in kurze Handlungsabfolgen eingebettet erarbeitet. (Lange/kurze Züge fahren lassen, für ein oder zwei Tiere einen Stall bauen).
Geräuschebene Die erarbeiteten Merkmale werden nun auf Geräuschebene übertragen. So können kurze mit langen Geräuschen verglichen oder die Anzahl und Reihenfolge wahrgenommener Geräusche analysiert werden. Dabei kann die Therapeutin mit Instrumenten wie auch mit selbst erzeugten Geräuschen arbeiten. Das Kind soll nicht nur hören, sondern auch aktiv unterschiedliche Geräusche erzeugen. Als Reaktion auf einen auditiven Stimulus erfolgt wieder eine kurze spielerische Handlung, z. B.: 4 Bei einem kurzen Geräusch darf der kurze Zug fahren, bei einem langen Geräusch der lange Zug. 4 Bei einem Trommelschlag werden alle Tiere gefüttert, die alleine im Stall stehen, bei zwei Trommelschlägen alle Tiere, die zu zweit einen Stall haben. Eventuell können in dieser Phase schon Referenzsymbole für die Merkmale eingeführt werden (s. Abschn. »Lautebene – bei Substitutionsprozessen« und Abschn. »Silbenebene – bei Silbenstrukturprozessen«).
Lautebene (bei Substitutionsprozessen) Jetzt beginnt die Arbeit mit den vom phonologischen Prozess betroffenen Lauten/Lautgruppen. Die wesentlichen Merkmale dieser Lautgruppen werden auf Referenzkarten bildlich dargestellt und den erarbeiteten Begriffen zugeordnet (z. B. »ein Luftballon fliegt« für Frikative – langes Geräusch, »ein Luftballon zerplatzt« für Plosive – kurzes Geräusch). Die Therapeutin artikuliert verschiedene Frikative und Plosive zur entsprechenden Referenzkarte. Das Kind soll die Laute differenzieren und zuordnen, indem es mit einer spielerischen Handlung reagiert (s. Abschn. »Konzeptebene« und »Geräuschebene«). Als visuelle Kontrollmöglichkeit erhält es dann die entsprechende Referenzkarte. Nachdem das Kind zunächst nur rezeptiv differen-
4.4 · Metaphon-Konzept zur Behandlung phonologischer Störungen
ziert, soll es dann auch aktiv produzieren. Dabei wird
es von der Therapeutin animiert, möglichst verschiedene Laute einer Lautklasse zu verwenden. Eventuell braucht das Kind hier Hilfen bei der phonetischen Realisation der Laute.
Silbenebene (bei Silbenstrukturprozessen) Es werden ebenfalls Referenzkarten eingeführt (z. B. »ein Pferd vor einer Kutsche« für die Abfolge Konsonant – Vokal, »zwei Pferde vor einer Kutsche« für die Mehrfachkonsonanz Konsonant – Konsonant – Vokal). Die Therapeutin bietet dem Kind isolierte Silben mit der entsprechenden Struktur an, die Laute können dabei variieren ([ka]-[kla], [ba]-[bla]). Das methodische Vorgehen entspricht ansonsten dem der Lautebene bei Substitutionsprozessen. Allerdings produziert das Kind in dieser Phase die Silben noch nicht, sondern konzentriert sich auf deren rezeptive Unterscheidung.
Wortebene Die Therapeutin arbeitet jetzt mit Minimalpaaren, um dem Kind die bedeutungsunterscheidende Funktion der Phoneme bewusst zu machen. Die Minimalpaare werden entsprechend dem phonologischen Prozess ausgewählt (z. B. »Kuh/Schuh« bei Plosivierung von Frikativen, »Schwein/Wein« bei Reduktion von Mehrfachkonsonanz). Jeder Begriff ist auf einer Bildkarte dargestellt. Die Therapeutin zieht eine Bildkarte und benennt diese. Wie auch in der Minimalpaartherapie führt das Kind die dem Bild entsprechende Handlung aus. Zum Beispiel gibt das Kind bei »Kuh« der Kuh Futter, bei »Schuh« darf es sich einen Zauberstein aus dem Zauberschuh nehmen. Gleichzeitig werden bei Metaphon jedoch auch in dieser Phase die Referenzsymbole eingesetzt. Dabei ist das jeweilige Referenzbild auf der Rückseite der Bildkarte zu sehen (vorne Kuh – hinten zerplatzender Luftballon, vorne Schuh – hinten fliegender Luftballon). So kann die Therapeutin das Kind zusätzlich nach der Art des Geräusches im genannten Wort fragen (»War da das kurze oder lange Geräusch drin?«). Nachdem das Kind geantwortet hat, kann es durch Umdrehen der Karte seine Antwort mit dem Referenzsymbol überprüfen. Zunächst wird nur mit einem Minimalpaar gearbeitet, später werden bis zu drei weitere Minimalpaare hinzugenommen. Die Auswahl der Minimalpaare sollte dabei sowohl unter linguistischen Kriterien erfolgen, als auch semantisch sinnvoll sein (7 Kap. 6.7.2).
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Phase 2: Korrektur der Lautverwendungsfehler In dieser Phase produziert das Kind die entsprechenden Laute. Es soll den inhaltlichen Bedeutungsunterschied erkennen, der durch eine fehlerhafte Lautverwendung enstehen kann. Ziel ist die Eigenkorrektur der lautlich falschen Äußerung. Das Vorgehen entspricht im Wesentlichen der Minimalpaartherapie (die allerdings Referenzsymbole nicht zwingend vorsieht).
Wortebene In der Phase der Wortebene wechselt das Kind von der Hörer- in die Sprecherrolle, der spielerische Ablauf wird wie bisher beibehalten. Die Rollen werden immer wieder getauscht, auditives Differenzieren und aktives Produzieren der Laute sind also gleichermaßen gefragt. Damit das Kind möglichst oft die bisher nicht verwendete Zielstruktur benutzt, muss das Spiel entsprechend gestaltet werden. Dies kann z. B. über eine besonders reizvolle Handlungsreaktion erfolgen. Für das Kind ist es sicher spannender, gemeinsam mit der Therapeutin viele Zaubersteine aus dem Zauberschuh zu stibitzen, als die Kuh zu füttern. Es wird sich daher (hoffentlich!) bemühen, möglichst oft auch selber »Schuh« zu produzieren. Die Therapeutin kann aber auch durch eine geschickte Vorstrukturierung der Situation das Kind zu der gewünschten Lautverwendung animieren. Eine entsprechende Anzahl der jeweiligen Bildkarten (also viele »Schuh«-Karten, weniger »Kuh«-Karten) fordert entsprechende sprachliche Äußerungen. Anstelle konkreter Handlungen schlagen Howell u. Dean (1994) das Spiel Geheime Botschaften mit den Minimalpaarbildkarten vor. Es wird steigernd mit mehreren Minimalpaaren gearbeitet. > Exkurs Beim Spiel Geheime Botschaften sind die Referenzsymbole nicht mehr auf der Rückseite abgebildet. Die Minimalpaarbilder werden zur Hälfte offen, zur Hälfte verdeckt präsentiert. Der Sprecher zieht eine verdeckte Karte und benennt sie, der Hörer wählt aus den offen liegenden Karten die gleiche aus. Die Karten werden verglichen, gleichzeitig soll mit dem Kind über den Grund des Erfolgs/Misserfolgs gesprochen werden (»Woher wusstest du, dass ich diese Karte meine?«).
Satzebene Die Minimalpaare werden jetzt in festen Satzmustern angeboten und produziert. Es wird wieder mit Bildkarten gearbeitet. Die Sätze sollten möglichst wenige zusätzliche morphologisch-syntak-
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Kapitel 4 · Gängige Therapiekonzepte
. Übersicht 4.5.
4 Es wird nicht mit Einzellauten gearbeitet, vielmehr werden Lautgruppen und -strukturen einander gegenübergestellt. Die Therapie orientiert sich an den phonologischen Prozessen des Kindes. 4 Die Gestaltung der Therapie soll das Kind zwar motivieren, aber nicht von der Aufmerksamkeit auf die Sprache ablenken. Deshalb werden einfache Handlungen bevorzugt. 4 Durch den Einsatz von Bildkarten und Referenzsymbolen erhält das Kind beim Metaphon-Konzept auch eine visuelle Rückmeldung über seine Leistungen.
Das Metaphon-Konzept
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Phase 1: Bewusstmachen lautlicher Eigenschaften Das Kind soll vor allem auditiv differenzieren: 4 Konzeptebene, 4 Geräuschebene, 4 Lautebene (bei Substitutionsprozessen) bzw. Silbenebene (bei Silbenstrukturprozessen), 4 Wortebene. Phase 2: Korrektur der Lautverwendungsfehler Das Kind soll nun die Laute selber aktiv produzieren: 4 Wortebene, 4 Satzebene.
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tische Anforderungen an das Kind stellen, z. B. »Lege Schwein in die Dose!« Auch hier soll das Kind wieder zur Reflexion über die verwendeten Lauteigenschaften oder Silbenstrukturen angeregt werden (s. Abschn. »Wortebene«). . Übersicht 4.5 stellt das geschilderte Vorgehen nochmals dar. Das Therapieprogramm ist für Kinder ab einem Alter von etwa 4 Jahren konzipiert. Bei Kindern mit einer ausschließlich phonologischen Störung ohne zusätzliche Auffälligkeiten werden ungefähr acht Therapieeinheiten für die Behandlung eines phonologischen Prozesses veranschlagt. Zur Überprüfung des Generalisierungseffekts wird danach ein Screening durchgeführt. Ein phonologischer Prozess gilt als überwunden, wenn das Kind bei 80 % der Prüfwörter Verbesserungen zeigt. Danach kann der nächste Prozess erarbeitet werden. Zusammenfassung 4 Das Metaphon-Konzept ist ein Therapieprogramm für Kinder mit phonologischen Störungen. 4 Ziel des Programms ist, das Kind bewusst mit den lautlichen und strukturellen Merkmalen der Sprache zu konfrontieren. Dadurch soll es für eigene Lautverwendungsfehler sensibilisiert werden. Es handelt sich somit um eine Therapie, die auf kognitiver Ebene ansetzt.
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Die Assoziationsmethode nach McGinnis
Diese schon lange bekannte Behandlungsmethode wird im Hinblick auf ihre Verwendungsmöglichkeit in der Therapie von Aussprachestörungen vorgestellt. Ursprünglich für die Behandlung zentral-auditiver Verarbeitungsprobleme konzipiert, kann sie auch bei phonologischen oder dyspraktischen Störungen zum Einsatz kommen.
In den 20er Jahren des 20. Jh. traf McGinnis in den USA bei ihrer Arbeit mit Gehörlosen auf Kinder, die nicht die für Gehörlose typische Sprachentwicklung durchliefen. Für diese sog. zentralorganischen Sprachentwicklungsstörungen (Petersen 1980) entwickelte sie eine Therapiemethode, die sie »Assoziationsmethode« nannte und 1963 zum ersten Mal in den USA veröffentlichte (McGinnis 1963). Kempcke erprobte diese Methode seit 1974 am Werner-Otto-Institut in Hamburg und stellte sie 1980 in Deutschland vor (Kempcke 1980).
4.5.1 Ziele Bei Kindern mit Schwierigkeiten in der zentralen Sprachverarbeitung können Prozesse der Dekodierung oder Enkodierung wie auch integratorische Leistungen betroffen sein (Petersen 1980). Somit fallen diese Kinder unter anderem durch stark eingeschränkte auditive Wahrnehmungsfähigkeiten oder sog. Programmierungsstörungen von Bewegungsmustern auf. Sie haben Probleme, schnell aufeinander-
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4.5 · Die Assoziationsmethode nach McGinnis
folgende Reize adäquat aufzunehmen, zu verarbeiten und zu speichern oder geplante Lautfolgen in Bewegungsabfolgen umzusetzen. ! Beachte Ziel der Therapiemethode nach McGinnis ist, eine Verbindung zwischen den Leistungen der Aufnahme, Speicherung und des willkürlichen Abrufs von Sprache herzustellen. Den betroffenen Kindern sollen die formale Struktur von Sprache und die entstehenden Bewegungsabfolgen verdeutlicht werden.
Folgende kindliche Schwierigkeiten sollen durch die Assoziationsmethode verbessert werden: 4 Mundbewegungen beim Sprechen diskriminieren und identifizieren. 4 Laute im Wort diskriminieren und identifizieren. 4 Reihenfolgen (Lautabfolgen und artikulatorische Bewegungsmuster) speichern. 4 Lautabfolgen und die dazugehörigen Bewegungsmuster willkürlich abrufen. Diese Schwierigkeiten fallen häufig bei Kindern mit phonologischen Störungen oder verbalen Entwicklungsdyspraxien auf (7 Kap.1.3.3, 7 Kap. 1.4.1, Abschn. »Hören und Hörwahrnehmung«, 7 Kap. 1.4.2, Abschn. »Zentrale Programmierungsstörungen« und 7 Kap. 3.3.1). Deshalb bietet sich die Assoziationsmethode hier als eine mögliche Behandlungsmethode an.
4.5.2 Methodisches Vorgehen Das Therapieprogramm gliedert sich in drei aufeinander aufbauende Abschnitte: 4 1. Arbeitsabschnitt: Laute und Wörter. 4 2. Arbeitsabschnitt: Sätze. 4 3. Arbeitsabschnitt: Erzählungen. Dabei soll das Kind jeweils lernen, einzelne Elemente der Sprache wahrzunehmen, zu produzieren, abzuspeichern und bewusst abzurufen (Laute in Wörtern, Wörter in Sätzen). Im Anschluss daran erfolgt dann das Zusammenfügen der Einzelelemente zu Reihenfolgen (Lautkombination zu Wörtern, Wortkombination zu Sätzen). Das Heranführen des Kindes an formalsprachliche Kriterien erfolgt bei der Assoziationsmethode sehr strukturiert. Der Ablauf der einzelnen Einheiten gestaltet sich immer wieder gleich und wird dadurch für das Kind durchschaubar. Auf ein spielerisches Angebot wird bewusst verzichtet, damit die kindliche
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Konzentration gezielt auf das Sprechen gerichtet werden kann. Besondere Bedeutung kommt der Verwendung von Graphemen (visuelles System) zu. Die visuelle Modalität soll die beeinträchtigten auditiven und motorisch-kinästhetischen Bereiche verknüpfen und kognitive integratorische Leistungen fördern. ! Beachte Die Assoziation von Laut, Mundmuster und Schrift erleichtert dem Kind Aufnahme-, Speicher- und Abrufleistungen.
Eine absolut sichere und korrekte Artikulation der einzelnen Laute ist dabei Grundvoraussetzung.
1. Arbeitsabschnitt: Laute und Wörter In der ersten Arbeitsphase erlernt das Kind zunächst einzelne Phoneme. Dabei erarbeitet die Therapeutin als erstes Laute, die vom Kind leicht abgelesen oder motorisch umgesetzt werden können. Die Lautanbahnung erfolgt in der Regel direkt (Verdeutlichen der Artikulationsbewegung) oder assoziativ (Lautassoziationsbilder, z. B. »Bild mit einem lachenden Kind« = [a]). Jeder Laut wird nach der Anbahnung sofort mit dem entsprechenden Graphem (geschrieben in großen Druckbuchstaben) kombiniert. Sobald das Kind mindestens zwei bis drei Phoneme korrekt artikulieren kann, bietet die Therapeutin diese in einem sinnvollen Wort an. Die visuelle Verdeutlichung der Phonemabfolge im Wort erfolgt durch eine entsprechende Gestaltung des Schriftbildes. Die Phoneme werden deshalb in zwei Farben geschrieben, die sich jeweils abwechseln (Vokale = rot, Konsonanten = blau). ! Beachte Bei der farblichen Verschriftung orientiert sich die Therapeutin immer an der Abfolge der Phoneme, auch wenn einzelne Phoneme durch mehr Grapheme abgebildet werden.
> Beispiel Das Dehnungs-h bei »Mehl« wird in der gleichen Farbe wie der Vokal (rot) und beide Konsonanten bei »Bett« in einer Farbe (blau) geschrieben.
Das Kind lernt nun, sich die Reihenfolge der Phoneme zu merken und diese entsprechend zu produzieren. Durch ein den Begriff repräsentierendes Bild erfährt es schließlich die Bedeutung der Phonemabfolge. Das Schriftbild dient dabei rein assoziativen Zwecken. Am Ende der Therapieeinheit soll das Kind die erlernten
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Kapitel 4 · Gängige Therapiekonzepte
Wörter auch ohne Schriftbild korrekt abrufen und artikulieren können.
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! Beachte Es geht also nicht darum, dem Kind das Lesen beizubringen!
Durch das kontinuierliche Erarbeiten weiterer Phoneme und Kombinieren der Phoneme zu neuen Wörtern wird mit dem Kind systematisch ein Vokabular von ungefähr 50 Begriffen (hauptsächlich Substantive) aufgebaut.
2. Arbeitsabschnitt: Sätze Nach bekanntem Vorgehen erfolgt in dieser Phase eine Erweiterung des Vokabulars um andere Wortarten (z. B. Verben, Adjektive, Pronomen, Artikel). Durch das Zusammenfügen von Wörtern zu Sätzen soll die Merkspanne des Kindes verlängert und seine serialen Fähigkeiten gesteigert werden. Das Verbinden der Wörter zu Satzmustern erfolgt erst, wenn das Kind die einzelnen Wörter sicher produzieren kann. Die Sätze sollten zunächst kurz sein und die gleiche syntaktische Struktur enthalten (einfache Frage- und Aussagesätze). Um dem Kind ausreichende Wiederholungsmöglichkeiten zu gewährleisten, bietet die Therapeutin möglichst viele der erarbeiteten Wörter in dieser vorgegebenen Satzstruktur an. Die Satzauswahl orientiert sich am Kind und erfolgt angepasst an die individuellen Möglichkeiten und Bedürfnisse. Auch in dieser Phase kann das Schriftbild zur Unterstützung der Merkfähigkeit herangezogen werden. Um die Wortabfolge im Satz zu verdeutlichen, verschriftet die Therapeutin die einzelnen Wörter im Wechsel rot und blau.
3. Arbeitsabschnitt: Erzählungen Durch das Einführen von komplexeren grammatikalischen Strukturen werden nun die bekannten Satzmuster variiert. Durch ein gezieltes Erweitern der Ausdrucksmöglichkeiten soll das Kind zunehmend auch eigene Erlebnisse erzählen können. . Übersicht 4.6 stellt den beschriebenen Ablauf nochmals im Überblick dar. Die Therapie ist für Kinder konzipiert, die mindestens 4 Jahre alt sind. Sie sollte spätestens bei Schuleintritt beendet sein, um Verwirrungen bezüglich des Lesen- und Schreibenlernens zu vermeiden.
. Übersicht 4.6.
Assoziationsmethode nach McGinnis 1. Arbeitsabschnitt (Laute und Wörter) 4 Erlernen einzelner Phoneme, 4 Erlernen erster Substantive. 2. Arbeitsabschnitt (Sätze) 4 Erlernen einfacher Frage- und Aussagesätze, 4 Erlernen einzelner sich wiederholender Satzmuster. 3. Arbeitsabschnitt (Erzählungen) 4 Steigerung der linguistischen Kriterien bei der Satzbildung, 4 Hinzunahme abstrakterer Bereiche, 4 Erweiterung des Ausdrucksrepertoires.
Zusammenfassung 4 Die Therapie nach McGinnis ist eine Methode für Kinder mit Störungen in der zentralen Sprachverarbeitung. Diese Kinder fallen durch eingeschränkte auditive Wahrnehmungsleistungen (wie oft bei phonologischen Störungen) und durch Schwierigkeiten bei der artikulatorischen Bewegungsplanung auf (7 Kap. 1.4.2, Abschn. »Zentrale Programmierungsstörungen«). 4 Ziel der Methode ist eine deutliche Strukturierung des Sprachangebots, so dass das Kind einzelne Laute und die dazugehörigen Artikulationsbewegungen wahrnehmen, differenzieren, speichern und abrufen kann. 4 Der Einsatz von Graphemen ermöglicht dem Kind, eine Verbindung zwischen den verschiedenen an der Lautbildung beteiligten Modalitäten herzustellen. Die Grapheme dienen lediglich als Assoziationshilfe. Unter Hinzunahme des visuellen Systems soll die Integration auditiver und motorisch-kinästhetischer Leistungen erleichtert werden. 4 Die visuelle Vorgabe von Laut- und Wortabfolgen hilft dem Kind bei der Erweiterung seiner Merkspanne. Es wird somit explizit die Fähigkeit geschult, Reihenfolgen zu erkennen, zu speichern und abzurufen. 6
4.6 · Psycholinguistisch orientierte Phonologie Therapie P.O.P.T
4 Der Therapieablauf ist klar strukturiert und beinhaltet keine spielerischen Sequenzen. Die Konzentration wird bewusst auf das Sprechen gelenkt. 4 Die Therapie nach McGinnis kann auch bei Kindern mit ausgeprägten phonologischen Störungen oder verbaler Entwicklungsdyspraxie eingesetzt werden. 4 Spätestens bei Schuleintritt sollte die Behandlung mit der Assoziationsmethode beendet sein.
4.6
Psycholinguistisch orientierte Phonologie Therapie P.O.P.T.
Dieses neue psycholinguistische Therapiekonzept wurde für die Behandlung phonologischer Störungen entwickelt. Es orientiert sich an einzelnen Sprachverarbeitungsprozessen.
Das Therapiekonzept P.O.P.T. zur Behandlung phonologischer Störungen wurde von Fox (2007a) auf Grundlage des Sprechverarbeitungsmodells von Stackhouse und Wells (1997) konzipiert, klinisch erprobt und auf seine Wirksamkeit hin überprüft. Das Konzept beinhaltet unter anderem Anteile der bisherigen Therapieansätze zur Behandlung phonologischer Störungen.
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4
gisch auffällige Kind die Erkenntnis, dass unterschiedliche Laute einem Wort unterschiedliche Bedeutungen geben. Das therapeutische Vorgehen ist hier sehr direkt und bewusst.
4.6.2 Methodisches Vorgehen Zunächst wird wie bei allen anderen Programmen zur Behandlung phonologischer Störungen ein Prozess ausgewählt (7 Kap. 6.7.1). Dies geschieht nach folgenden Kriterien: Pathologische Prozesse, also solche, die nicht in der normalen Sprachentwicklung vorkommen, werden vorrangig behandelt. Ebenso wird den Prozessen, die die meisten Phoneme betreffen, die größte Wichtigkeit eingeräumt.
Prinzipieller Aufbau Das Vorgehen ist in drei Phasen aufgeteilt, eine zusätzliche Vorübung sensibilisiert das Kind für den Unterschied zwischen Wortbedeutung und Wortklang: 5 Vorübung: Unterscheiden zwischen Semantik und Phonologie. 5 Phase I: Auditives Differenzieren von Einzellauten. 5 Phase II: Produzieren der betroffenen Laute. 5 Phase III: Identifizieren und Produzieren der Laute in Wörtern. Das Besondere an diesem Therapiekonzept ist, dass von Anfang an speziell mit den Lauten, die als Zieloder Ersatzlaute fungieren, gearbeitet wird. Diese breite Basis wird in allen Phasen des Konzeptes beibehalten.
4.6.1 Ziele
Vorübung: Unterscheiden zwischen Semantik und Phonologie
Kinder mit phonologischen Störungen haben Schwierigkeiten, Laute in ihrer bedeutungsunterscheidenden Funktion zu verwenden. Das Therapieprogramm P.O.P.T. verfolgt das Ziel, das phonologische Regelsystem des Kindes an das des Erwachsenen anzupassen, sodass dem Kind als Folge der Therapie ein korrekter Lauteinsatz möglich ist. Zu diesem Zweck wird das »Spektrum der Lautkontraste« (Fox 2007a, S 242) durch die Verdeutlichung der Einzellaute erweitert. Jedes Phonem, das als Ziel- oder Ersatzlaut fungiert, wird mit einem Symbolbild verbunden. Auf diese Weise wird dem Kind vermittelt, dass jedes einzelne Phonem einen eigenen Charakter und eine eigene Bedeutung hat und somit in der Folge auch eine eindeutige Funktion im Wort. In der Konsequenz bedeutet dies für das phonolo-
Das Verständnis des Unterschiedes zwischen Semantik und Phonologie ist die Voraussetzung für die folgenden Arbeitsabschnitte. In dieser Vorübung werden von der Therapeutin verschiedene Wörter richtig oder falsch vorgesprochen, das Kind entscheidet bei jedem Item durch eine Handlung, ob es sich um ein reales Wort gehandelt hat. Beispielsweise soll ein Krokodil gefüttert werden. Jedesmal, wenn die Therapeutin das gesuchte Wort falsch ausspricht, verschließt das Krokodil (mit Hilfe des Kindes) sein Maul, erst wenn die Therapeutin das Zielwort in der korrekten Form artikuliert, sperrt das Tier sein Maul weit auf. Somit wird der Wortklang von der Wortbedeutung getrennt, was dem Kind in der Folge ermöglichen soll, die eigenen Fehler bei der Therapeutin als falsch wahrzunehmen, also die Fähigkeit zum Fremdhören zu verbessern.
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Kapitel 4 · Gängige Therapiekonzepte
Phase I: Auditives Differenzieren von Einzellauten
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Dieser Arbeitsabschnitt beinhaltet ein rein rezeptives Vorgehen. Das Kind soll verstehen, dass die verschiedenen Laute, die es bisher als Ziel- und Ersatzlaute verwendet hat, nicht austauschbar sind. Es wird eine eindeutige Zuordnung für jeden Ziel- und Ersatzlaut zu einem Lautsymbol hergestellt (z. B. wird der Laut [k] mit dem Bild eines holzhackenden Mannes verknüpft). Eine Ausnahme von dieser Zuordnungsregel bildet die Plosivierung, hier werden nur die Ziellaute mit Symbolen belegt. Für die Zuordnung zu Lautsymbolen sind die kindlichen Fähigkeiten zur Diskrimination und Identifikation von Lauten nötig, das Kind soll befähigt werden, Phoneme voneinander zu unterscheiden und Einzellaute eindeutig aus einer Auswahl herauszuhören. Die Verknüpfung von Laut und Symbol sieht in der Praxis so aus, dass die Therapeutin das Lautsymbol (z.B. den Holzhacker für [k], den tropfenden Wasserhahn für [t], die Schlange für [s] etc.) zeigt oder malt und dazu das passende Phonem artikuliert. Sie zeigt ihr Mundbild und verdeutlicht für das Kind, wie sie den Laut bildet. Dadurch soll das Interesse des Kindes an der Lautbildung geweckt werden, es kann selbst den Laut ausprobieren, wird aber nicht dazu aufgefordert. Wenn die Symbole eingeführt sind, spricht die Therapeutin vermischt Ziel- und Ersatzlaute vor, das Kind diskriminiert diese und ordnet sie - in einem Spiel (7 Kap. 6.7.4) verpackt - dem passenden Lautsymbol zu. Bereits in der ersten Phase wird bei guten Leistungen, d.h. dass 80% der Laute richtig zugeordnet werden, in der jeweiligen Ebene rasch gesteigert. Die Steigerung erfolgt von Laut- über Silbenebene zur Ebene der Unsinnswörter, bis dann mit realen Wörtern gearbeitet wird. Das Lautmaterial wird schon sehr bald in allen Positionen in der Silbe und im Wort angeboten. Die Arbeit mit Unsinnswörtern ist an diesem Therapiekonzept das Besondere. Pseudowörter werden verwendet, da sie ähnlich komplex aufgebaut sind wie Realwörter, aber nicht mit einer Wortbedeutung verknüpft sind, die für das Kind mit einer bestimmten (inkorrekten) Phonologie verknüpft sein könnte. Diese Phase ist ausschließlich rezeptiv, das Kind wird nicht zu expressiven Leistungen aufgefordert.
Phase II: Produzieren der betroffenen Laute Im zweiten Therapieabschnitt wird expressiv gearbeitet. Das Kind wird ermutigt, die verschiedenen Zielund Ersatzlaute im Kontrast zueinander auszuprobieren, wobei die Lautproduktion selbst nicht korrigiert
sondern »eher moduliert« (Fox 2007a, S 253) wird. Das Kind soll den Unterschied im Lautmuster erfassen und sich durch Ausprobieren einer korrekten Lautrealisation annähern. Die expressive Arbeit findet von Anfang an im Wechsel mit der Therapeutin statt. Anfangs werden alle betroffenen Laute isoliert (oder, im Fall der Kontaktassimilation, die Konsonantenverbindungen [dȏ], [gȏ], [tȏ] und [kȏ]) verwendet, bei zunehmender Sicherheit des Kindes wird das Niveau auf Silbenebene gesteigert. Dem Kind soll deutlich werden, dass die betroffenen Laute unterschiedliche Bildungsmuster haben. Es soll sich diese Muster langsam zu eigen machen, indem es ein »motorisches Programm für die neuen Laute« (Fox 2007a, S 253) entwickelt.
Phase III: Identifizieren und Produzieren der Laute in Wörtern Im dritten Arbeitsabschnitt wird rezeptives und expressives Vorgehen kombiniert. Das Kind soll seine neu erworbenen rezeptiven Fähigkeiten dazu nutzen, ein neues Bildungsmuster für die von den phonologischen Prozessen betroffenen Wörter zu entwerfen. Kind und Therapeutin artikulieren im Wechsel, jeweils unterstützt durch die Lautsymbolkarten, »so dass das Kind schauen kann, welche Strategien der Therapeut (...) verwendet« (Fox 2007a, S 254). Beide Sprecher probieren alle Möglichkeiten des Lauteinsatzes aus, wobei sie das »Lesen« der Lautsymbolkarten unterstützt. > Beispiel »Lesen«. Das Kind hat eine Auswahl von Lautsymbolkarten vor sich liegen. Es zieht eine Bildkarte und entscheidet sich durch Ausprobieren, welcher der durch die Symbolkarten repräsentierten Laute der passende für dieses Zielwort ist. Ein Beispiel soll die etwas spröde Beschreibung verständlicher machen: Ein Kind mit dem phonologischen Prozess »Plosivierung von Frikativen« zieht eine Karte mit einer Fee (»Fee« wird von ihm als [te] ausgesprochen). Vor ihm liegen die Symbole Biene für [z], Staubsauger für [v], Dusche für [ ³] und Wind für [f ]. Stück für Stück probiert es die Laute der Symbolkarten aus: »See?, nein, Wee?, auch falsch, Schee?, nie gehört, Fee?, ja, das klingt richtig!«.
Diese Phase hat die Verknüpfung von phonologischem Wissen mit neuen motorischen Mustern zum Ziel. Besonders wichtig ist hier die Kontrollmöglichkeit durch das Eigenhören, das Kind soll die eigene Aussprache überprüfen und selbstständig korrigieren. Um das Kind in der Umgestaltung seines phonologischen Systems zu unterstützen, setzt die Therapeutin verschiedene Feedback-Strategien ein. Sie präsen-
4.6 · Psycholinguistisch orientierte Phonologie Therapie P.O.P.T
tiert ihr Sprachangebot mit einer besonders starken Betonung der Ziel- und Ersatzlaute. Zusätzlich gibt sie dem Kind ein Corrective feedback mit Betonung dieser Laute und verdeutlicht metasprachlich, wie sich ein Wort anhören würde, wenn es mit einem Laut von dieser oder jener Symbolkarte ausgesprochen würde. Ein weiteres wichtiges Prinzip ist die Arbeit in Intervallen. Fox spricht sich explizit für eine Therapie aus, in der das Kind über einen überschaubaren Zeitraum (ca. 20 Stunden ) zwei Mal in der Woche behandelt wird. An diese Phase intensiver Arbeit schließt sich dann, wenn das Kind in der Lage ist, die eigene Lautverwendung mindestens auf Wortebene zu kontrollieren und zu korrigieren, eine dreimonatige Pause an, die der Stabilisierung des Erlernten dient. . Übersicht 4.7 gibt einen Überblick über die Arbeitsphasen des Therapiekonzeptes P.O.P.T.
. Übersicht 4.7.
Psycholinguistisch orientierte Phonologie Therapie P.O.P.T. Vorübung: Unterscheiden zwischen Semantik und Phonologie 4 Unterscheiden von korrekt und falsch artikulierten Wörtern, 4 Trennen von Wortbedeutung und Wortklang. Phase I: Auditives Differenzieren von Einzellauten 4 Diskriminieren und Identifizieren von Ziel- und Ersatzlauten auf Lautebene, in Silben, Unsinnsund Realwörtern, 4 Verbesserung des Fremdhörens. Phase II: Produzieren der betroffenen Laute 4 Artikulieren von Ziel- und Ersatzlauten im Kontrast, 4 Bildung eines motorischen Programms für die vom Prozess betroffenen Laute. Phase III: Identifizieren und Produzieren der Laute in Wörtern 4 Planen des korrekten Lauteinsatzes vor der Artikulation (Eigenkontrolle), 4 Abgrenzen der einzelnen Laute und deren Einsatz im Wort, 4 Produzieren von Wörtern mit Ziel- und bisherigen Ersatzlauten.
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4
Aufbau bei Kontaktassimilationen Die Behandlung des häufig vorkommenden Prozesses der Kontaktassimilation ([tȏ] und [dȏ] wird zu [kȏ] und [gȏ]) erfordert ein erweitertes Vorgehen. Fox stellt eine Behandlungsmöglichkeit in 6 Schritten vor. Der Schwerpunkt bei diesem Vorgehen liegt in der differenzierten Wahrnehmung der wortinitialen Konsonantenverbindungen.
1. Schritt: Identifizieren von isolierten Wortanlauten Das Kind wird zuerst damit vertraut gemacht, dass jedes Wort einen Anfangslaut hat, diesen soll es erkennen. Die Therapeutin spricht zunächst nur Wörter mit fließenden Anlauten, dann mit allen Anlauten vor. Wenn das Kind den Anlaut bei der Therapeutin sicher erkennen kann, soll es dies auf selbst gesprochene Wörter übertragen.
2. Schritt: Identifizieren beider Konsonanten von initialen Konsonantenverbindungen Das Kind erfährt, dass manche Wörter zwei Anfangslaute haben. Es soll genau wahrnehmen können, wie der erste und wie der zweite Laut heißt. Auch hier erfolgt wieder eine Steigerung von zwei fließenden Lauten zu einer Kombination von fließendem und gestopptem Laut. Die Ziel-Konsonantenverbindungen werden noch nicht verwendet. Am Ende des zweiten Schrittes kann das Kind auch bei selbst gesprochenen Wörtern den ersten und zweiten Anlaut identifizieren.
3. Schritt: Auditives Differenzieren von Alveolaren und Velaren Nun lernt das Kind die Phoneme [k], [g], [t] und [d] zu unterscheiden, indem es die beiden Velare und die beiden Alveolare eindeutig dem jeweiligen Lautsymbolbild zuordnet. Die Steigerung erfolgt von Lautund Silbenebene über Unsinnswörter (mit Ziel-Konsonantenverbindungen) zu Realwörtern (ebenfalls mit Ziel-Konsonantenverbindungen). Dieser Schritt entspricht der Phase I im normalen Aufbau bei P.O.P.T.
4. Schritt: Identifizieren beider Konsonanten in der Ziel-Konsonantenverbindung Das Kind soll nun bei den Ziel-Konsonantenverbindungen den ersten und den zweiten Laut erkennen, die Therapeutin spricht zuerst gedehnt, dann in normaler Sprechgeschwindigkeit vor.
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Kapitel 4 · Gängige Therapiekonzepte
5. Schritt: Produzieren der ZielKonsonantenverbindung
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In diesem expressiven Übungsabschnitt wird auf Silben- und Wortebene mit Ziel-Konsonantenverbindungen gearbeitet. Dieser Schritt entspricht der Phase II im normalen Aufbau bei P.O.P.T.
6. Schritt: Einsatz der Konsonantenverbindungen in Wörtern Diese rezeptiv-expressive Arbeitsphase gibt dem Kind die letzte Sicherheit in der Verwendung der Konsonantenverbindungen. Im Wechsel mit der Therapeutin benennt das Kind Bildkarten, die Begriffe mit allen vier Konsonantenverbindungen enthalten. Es entscheidet bei jedem einzelnen Wort, welche der Konsonantenverbindungen die Richtige ist (s. Phase III im normalen Aufbau bei P.O.P.T.). Zusammenfassung
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4 P.O.P.T. ist ein Therapiekonzept zur Behandlung phonologischer Störungen bei Kindern. 4 Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Schärfung der auditiven Fremd- und Eigenwahrnehmung im Hinblick auf die Unterscheidung von Ziel- und Ersatzlauten. 4 Von Anfang an werden in der Regel alle Laute, die vom Prozess betroffen sind, also auch die Ersatzlaute, in die Arbeit einbezogen. 4 Die einzelnen Laute werden mit Lautsymbolen verknüpft, um dem Kind eine eindeutige Zuordnung zu ermöglichen. 4 Die Fähigkeit zur Identifikation und Diskrimination der Laute ist Basis für die korrekte Lautanwendung und hat einen entsprechenden Stellenwert innerhalb der Therapie. 4 Therapeutische Feedback-Strategien unterstützen den Lernprozess des Kindes. 4 Die Therapie findet zweimal pro Woche statt, intensive Arbeitsphasen wechseln sich mit Pausen ab.
5 Einleitende Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen 5.1
Allgemeine Leitlinien zur Therapiegestaltung – 86
5.1.1
Aufbau der Beziehung zum Kind
5.1.2
Ganzheitlicher Ansatz der ICF – 87
5.1.3
Therapieprinzipien
5.2
Aufbau der phonetisch-phonologischen Therapie – 90
5.2.1
Rahmenbedingungen
5.2.2
Wahl des Therapieansatzes
5.2.3
Arbeit mit den Therapiebausteinen
5.2.4
Wahl der Übungsform
5.3
Aussprachestörung in speziellen Kontexten – 97
5.3.1
Therapie bei Kindern mit komplexen Störungsbildern – 97
5.3.2
Therapie bei Erwachsenen – 99
5.4
Interdisziplinäre Zusammenarbeit – 100
5.4.1
Untersuchungen durch den Facharzt
5.4.2
Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen
– 86
– 89
– 90 – 91 – 95
– 96
– 100 – 101
M. Weinrich, H. Zehner, Phonetische und phonologische Störungen bei Kindern, DOI 10.1007/978-3-642-20028-1_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Kapitel 5 · Einleitende Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen
5.1
Allgemeine Leitlinien zur Therapiegestaltung
Die Planung des Therapieaufbaus und Gedanken zur methodischen Umsetzung der gewählten Ziele stehen am Beginn jedes Therapieprozesses. Um eine Therapie möglichst effektiv durchführen zu können, berücksichtigt die Therapeutin unabhängig vom zu behandelnden Störungsbild grundsätzliche Leitlinien. Sie werden im Folgenden dargestellt und gelten auch für die Behandlung phonetisch-phonologischer Störungen.
Wodurch ist eine Kommunikationssituation normalerweise gekennzeichnet? Ganz wesentlich ist zunächst der Wunsch eines oder beider Gesprächspartner(s), sich auszutauschen und die Bereitschaft, dem Gegenüber eigene Gedanken mitzuteilen. Dieses Bedürfnis führt in der Regel zu einem Gespräch. Die Sprache ist dabei unser hauptsächliches Kommunikationsmedium. Ein Gespräch wird meist dann als bereichernd erlebt, wenn es freiwillig entstehen kann und durch gegenseitiges Interesse geprägt ist. Der Einsatz von Sprache bekommt einen Sinn, es wird klar, dass man durch Sprache etwas bewirken kann. Diese grundlegenden Kommunikationsprinzipien bilden den Ausganspunkt für die therapeutischen Interventionen. Es gilt, in der Therapie Kommunikation und Sprache unabhängig vom Störungsschwerpunkt interessant und bereichernd für das Kind anzubieten. Das Kind soll Lust am Sprechen und der Sprache entwickeln können. Die Therapeutin gestaltet die Therapie so, dass das Kind zum Sprechen motiviert wird. Nur so kann sie erreichen, dass das Kind bereit ist, neue Sprech- oder Sprachmuster auszuprobieren. ! Beachte Die Motivierung des Kindes ist der Motor für eine erfolgreiche zielgerichtete Behandlung und somit wichtigstes Therapieprinzip (7 Kap. 6.1.1).
Um die Motivation des Kindes kontinuierlich gewährleisten zu können, berücksichtigt die Therapeutin die individuellen kindlichen Bedürfnisse. Dabei haben sich bestimmte methodische Vorgehensweisen in der Praxis bewährt.
5.1.1 Aufbau der Beziehung zum Kind Die Therapeutin wird in der Behandlung eine wichtige Bezugsperson für das Kind. Zu ihr kommt es mit seinen phonetisch-phonologischen Schwierigkeiten. Regelmäßig wird es zwar von ihr mit neuen Aufgaben gefordert, erfährt aber gleichzeitig auch kontinuierliche Hilfe. Durch die Therapeutin erhält das Kind die Möglichkeit, seine Lautfehlbildungen oder Lautverwendungsfehler abzubauen und seine kommunikativen Fähigkeiten zu verbessern. Damit sich das Kind auf die Führung der Therapeutin einlassen kann, ist ein vertrauensvoller Kontakt grundlegende Voraussetzung und die Basis für die Therapie. Das Kind soll sich als Person angenommen fühlen, um sich auch in schwierigen Situationen öffnen zu können. Die Gestaltung einer wertschätzenden, von gegenseitiger Achtung geprägten Atmosphäre in der Therapie ist deshalb ein wichtiges Ziel. Dazu gehört auch, sprachfördernde Verhaltensweisen zu berücksichtigen (Wendlandt 2006, Dannenbauer 2002, Wyatt 1973). Hierzu verdeutlichen . Übersicht 5.1 und 5.2 wichtige Richtlinien. Die Therapeutin signalisiert dem Kind, dass sie es als gleichberechtigten Partner mit seinen Gefühlen und Bedürfnissen ernst nimmt. Trotzdem führt und leitet sie mit der nötigen Sensibilität. Um dem Kind bestimmte Verhaltensweisen zu ermöglichen, dient sie immer als Vorbild. Dieses therapeutische Auftreten ermöglicht ein kontinuierliches entspanntes Arbeiten.
. Übersicht 5.1. Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung 4 Die Therapeutin akzeptiert das Kind als selbstständige Person mit eigenen Gedanken, Bedürfnissen und Stärken. 4 Das Kind erfährt, dass es eigene Ideen äußern darf. Die Therapeutin berücksichtigt diese in angemessener Weise. 4 Die Therapeutin beachtet die Gefühle des Kindes und geht entsprechend mit ihnen um. 4 Auftretende Schwierigkeiten (auch im wechselseitigen Kontakt) werden mit dem Kind gemeinsam geklärt, die Therapeutin versucht dabei, sich in die Lage des Kindes zu versetzen. 4 Die Therapeutin macht ihr Vorgehen transparent für das Kind. Sie ist in ihrem Auftreten echt, konsequent und für das Kind durchschaubar.
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5.1 · Allgemeine Leitlinien zur Therapiegestaltung
5
! Beachte . Übersicht 5.2. Sprachförderndes Verhalten 4 Aktives Zuhören (inhaltliches Eingehen auf kindliche Äußerungen). 4 Ausreden lassen. 4 Pausen im eigenen Sprechen. 4 Blickkontakt. 4 Angemessenes Sprachangebot, Orientierung am Sprachstand des Kindes. 4 Verbalisieren der wahrgenommenen kindlichen Gefühle. 4 Corrective feedback (korrigierende Rückmeldung): Die fehlerhafte kindliche Äußerung wird mit korrektem Ziellaut/mit korrekter Zielstruktur wiederholt (7 Kap. 6.5.1).
Zusammenfassung 4 Oberstes Prinzip jeder Therapie ist die kontinuierliche Motivationsförderung des Kindes. Therapie soll Spaß machen! 4 Damit das Kind ein vertrauensvolles Verhältnis zur Therapeutin aufbauen kann, präsentiert sich diese entsprechend wertschätzend und kommunikationsfördernd. Sie akzeptiert das Kind als Person mit eigenen Bedürfnissen.
5.1.2 Ganzheitlicher Ansatz der ICF Der ganzheitliche Ansatz ist zunehmend gängiger Grundgedanke einer Therapie. Dabei werden die verschiedenen Schwierigkeiten des Patienten nicht isoliert, sondern im Rahmen der Gesamtpersönlichkeit betrachtet (Thiel 2000). Durch dieses Vorgehen wird dem Kind ermöglicht, seinen Fähigkeiten entsprechend mit seiner Umwelt zu interagieren. Die ICF (s. Abschn. »Die ICF in der Sprachtherapie«) stellt diesen Aspekt der »Teilhabe am Leben« bewusst als Therapieziel in den Vordergrund.
Im Vordergrund steht die Person, nicht das einzelne Symptom! Für die Therapie bedeutet das: Schwierigkeiten werden unter Berücksichtigung der jeweiligen persönlichen Bedürfnisse angegangen.
So orientiert sich die Spielgestaltung an Neigungen und Vorlieben des Kindes, das Interesse des Kindes soll durch die angebotenen Sequenzen geweckt werden (7 Kap. 6.1.1). Spezielle Übungseinheiten zur Förderung einzelner Teilleistungsbereiche werden kommunikativ gestaltet oder zumindest in eine situative Handlung eingebettet. Erfahrungsgemäß lassen sich Kinder dann begeistern und fesseln, wenn sie hinter ihrem Tun und Anstrengungen einen Sinn sehen. So ist beispielsweise die Festigung eines Lautes auf Silbenebene sicher interessanter, wenn das Kind mit den gesprochenen Zaubersprüchen etwas bewirken kann, als wenn diese nur in Form von Vor- und Nachsprechen erfolgt. Die Therapeutin berücksichtigt bei ihrem Angebot weiterhin das Wissen um sensorische Integrationsleistungen und deren Bedeutung für den Lernerfolg (Ayres 2002). Ein multimodales Arbeiten, bei dem das Kind verschiedene Sinneseindrücke miteinander verbinden kann, erleichtert vielen Kindern die Aufnahme und Verarbeitung angebotener Stimuli, auch im Bereich der Aussprache. Vor allem Bewegungen und der gezielte Aufbau von Körperspannung lassen sich bei der Therapie phonetischer Störungen ideal für die Lautanbahnung nutzen. Das Prinzip der bewegungsunterstützten Lautanbahnung basiert auf entsprechenden Überlegungen (7 Kap. 4.2). Bei Kindern, die von einem multimodalen Angebot nicht profitieren können, konzentriert sich die Therapeutin auf einzelne Teilleistungen (7 Kap. 5.3.1, Abschn. »Phonetisch-phonologische Therapie bei behinderten Kindern«). Desweiteren fördert ein alltagsnahes und am Kind orientiertes Angebot dessen Sprechfreude, auch bezüglich der Übernahme neu erlernter lautlicher Strukturen. ! Beachte Bei der Therapie der Aussprachestörung stehen phonetisch-phonologische Fähigkeiten im Vordergrund. Andere Therapiebausteine werden unterstützend oder ergänzend in den Ablauf integriert.
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Kapitel 5 · Einleitende Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen
Zusammenfassung
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4 Bei der Planung und Gestaltung der Therapie orientiert sich die Therapeutin vorrangig am Kind, weniger am Symptom. 4 Ein ganzheitliches Vorgehen ermöglicht dem Kind, seine Schwierigkeiten individuell und alltagsbezogen bewältigen zu können.
Die ICF in der Sprachtherapie Die Einführung des Klassifikationsmodells ICF im Jahr 2001 regt zu einer neuen Betrachtungsweise von Krankheit innerhalb des Gesundheitswesens an (DIMDI 2005, Schliehe 2006). ICF ist die Abkürzung für International Classification of Functioning, Disability and Health der WHO 2001 (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit). Diese Einteilung ersetzt das alte ICIDH (International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps). Das stärker defizitorientierte ICIDH wird abgelöst von einem bio-psycho-sozialen Klassifikationsmodell von Gesundheit und Krankheit, das die verschiedenen Komponenten von der Funktionsfähigkeit (functioning) des Menschen stärker als bisher berücksichtigt.
Bereiche der ICF
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Die Komponenten des ICF-Modells sind in zwei grobe Bereiche zu trennen. Zum einen wird die Funktionsfähigkeit des Menschen eingeschätzt (also seine mehr oder weniger vorhandene Leistungsfähigkeit) mit den Teilbereichen Körperfunktion, Körperstruktur, Aktivität und Teilhabe. Zum anderen betrachtet man die Kontextfaktoren (das sind Faktoren aus den Lebensumständen des Patienten). Die Kontextfaktoren unterteilen sich wiederum in Umweltfaktoren sowie personale Faktoren. Durch diese komponentenbezogene Betrachtungsweise können negative Faktoren wie z. B. Gesundheitsprobleme und neutrale und/oder förderliche Faktoren wie Ressourcen oder günstige Rahmenbedingungen in ihrer Wirkung auf den Menschen berücksichtigt werden. Zur besseren Verständlichkeit sind die Grundbereiche in . Übersicht 5.3 schematisch dargestellt. Zu jedem der Grundbereiche kann nach der Durchführung der Diagnostik eine Aussage formuliert werden. Für den ersten Bereich ergeben sich medizinischtherapeutische (Körperstruktur und -funktion) und parallel patientenspezifisch orientierte Therapieziele (Aktivität und Teilhabe). Weiterhin werden, wo immer
. Übersicht 5.3. Grundbereiche des ICF-Modells Erster Bereich: Funktionsfähigkeit und Behinderung 4 Teilbereich Körperstruktur und Körperfunktion (»Körperstruktur« bezieht sich auf den organischanatomischen Zustand, »Körperfunktion« auf physiologische Prozesse.), 4 Teilbereich Aktivität und Teilhabe (Partizipation). Zweiter Bereich: Kontextfaktoren 4 Teilbereich Umweltfaktoren, 4 Teilbereich individuelle, personbezogene Faktoren (Diese sind nicht in der ICF klassifiziert.).
möglich, Aspekte des zweiten Bereichs einbezogen. Eine Diagnoseformulierung, die sich an den Vorgaben der ICF orientiert, findet sich beispielhaft in 7 Kap. 3.3.1 (Abschn. »Diagnoseformulierung und ICF«)
Ziele der ICF Die ICF verfolgt verschiedene Zielsetzungen, z.B. eine gemeinsame Sprache zwischen Krankenkassen, Ärzten, Rentenversicherungen, Wissenschaftlern und natürlich den Heilberufen, aber auch eine einheitliche Kodierungsmöglichkeiten von Krankheit (was zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch Zukunftsmusik ist, da die »Core-Sets«, die Bereiche der Klassifikation, noch nicht endgültig festgelegt sind). Für die logopädische Therapie lässt sich – ebenso wie für jede andere medizinisch-therapeutische Maßnahme – das Klassifikationsmodell als Grundlage, z. B. für Diagnoseformulierung, den Therapieaufbau oder auch für die Behandlungsberichte gut nutzen. Die verschiedenen Komponenten des Modells sind zuerst einmal neutrale »Sichtfenster«, die von Seiten der Logopädin mit den Stärken und Schwächen in der Gesundheit dieses einen Patienten gefüllt werden können. Auf diese Weise kann sich eine andere Betrachtung ergeben, z. B. eine, die ein sehr förderndes Umfeld eines Kindes mit Aussprachestörung oder eine gute Motivation von Eltern und Kind in besonderer Weise würdigt. Somit hat das Kind nicht in erster Linie eine Störung, sondern ist vielmehr ein Kind, das neben seiner Aussprachestörung viele Stärken mitbringt. ! Beachte Das ICF-Modell klassifiziert nicht den Menschen, sondern die verschiedenen Komponenten seiner Gesundheit und Funktionsfähigkeit in Hinsicht auf positive, neutrale oder hemmende Aspekte.
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5.1 · Allgemeine Leitlinien zur Therapiegestaltung
ICF-Children and Youth (ICF-CY) bei Aussprachestörungen
Zusammenfassung
In Anlehnung an die ICF erstellten McLeod und McCormack (2007) ein „Core-Set“, das wichtige Kategorien speziell für kindliche Sprach- und Sprechstörungen beschreibt. Einige Codes wurden in diesem Zusammenhang neu aufgenommen, andere wurden im Hinblick auf die Verwendung bei Kindern modifiziert. Bezogen auf die Kodierung kindlicher Aussprachestörungen lassen sich folgende Besonderheiten festhalten (Schauß-Golecki 2009):
4 Das ICF-Klassifikationsmodell erlaubt mit seinen unterschiedlichen Komponenten eine Betrachtung der Gesundheit eines Patienten, die die Bereiche Körper, Aktivität und Teilhabe am Leben in Wechselwirkung mit Kontextfaktoren einbezieht. 4 Als eine Erweiterung und Modifizierung der ICF wurde die ICF-CY speziell für kindliche Sprach- und Sprechauffälligkeiten erstellt.
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Bereich »Körperstruktur«. Innerhalb dieses Bereichs
finden sich in der Regel bei Kindern mit Aussprachestörungen keine eindeutig nachweisbaren Abweichungen. Bereich »Körperfunktion«. Bislang existiert hier nur
eine Kodierung, die sich speziell auf die Aussprache bezieht (b320: Artikulationsfunktion). Dies wird der Komplexität des Störungsbildes nicht gerecht, eine Ausdifferenzierung des Codes sowie Einführung weiterer Codes (z.B. für die phonologische Funktion) wird bereits gefordert. Bereich »Aktivität und Partizipation«. Als eine der rele-
vantesten Komponenten erscheinen die Codes zur Kommunikation (d310-d399). Hier kann beschrieben werden, wie sich die Aussprachestörung des Kindes auf kommunikativer Ebene zeigt. Diesbezügliche Ergebnisse basieren meist auf Beobachtungen oder Informationen aus dem Anamnesegespräch. Auch andere Komponenten wie z. B. spielerische Aktivität, Lernverhalten im Spiel oder soziale Beziehungen können mit spezifischen Codes genauer erläutert werden. Bereich »Umweltfaktoren und personenbezogene Faktoren«. Als besonders bedeutsam werden hier die Codes
für »Unterstützung und Beziehungen« (e310-e399) sowie »Einstellungen« (e410-e499) gesehen. Erfasst werden sollen beispielsweise familiäre Interaktionsmuster sowie die Einstellung von Familienmitgliedern zum Kind und dessen Ausspracheauffälligkeiten. Hierdurch kann die Einbindung in die Therapie oder Beratung von Familienmitgliedern abgeleitet werden. Auch personenbezogene Faktoren sollen erfasst werden (keine Kodierung vorhanden!), um die Therapie individuell auf das Kind abstimmen zu können.
5.1.3 Therapieprinzipien Zu den Grundregeln einer motivationsfördernden und effektiven phonetisch-phonologischen Therapie gehört, auch aus der Therapie anderer Störungsbilder bekannte Therapieprinzipien zu berücksichtigen. Zunächst ermöglicht die Therapeutin dem Kind, seine phonetisch-phonologischen Schwierigkeiten Schritt für Schritt zu bearbeiten. Sie wählt Übungen gezielt aus und steigert den Schwierigkeitsgrad sukzessiv. Damit das Kind genügend Zeit hat, neue lautliche Strukturen zu verinnerlichen und zu verarbeiten, bietet die Therapeutin kontinuierliche Wiederholungssequenzen an. Wiederholungen bestimmter Übungen dürfen dabei das Kind nicht ermüden, eine spielerische oder methodische Veränderung schafft neue Anreize! Durch die Art des Übungsangebots ermöglicht die Therapeutin dem Kind immer wieder neue Erfolgserlebnisse. Dabei kann es sich um noch so kleine Veränderungen handeln. Dem Kind soll bewusst werden, dass es in der Lage ist, seine Schwierigkeiten zu meistern. Jeder Fortschritt und jedes Bemühen des Kindes werden von der Therapeutin durch echtes und deutliches Lob verstärkt. Das Kind erhält so die Bestätigung, etwas Besonderes geleistet zu haben und wird für weitere Schritte motiviert. Bei Schwierigkeiten bietet die Therapeutin gezielte Hilfestellungen an. Diese werden mit den wachsenden Fähigkeiten des Kindes langsam wieder abgebaut. Das Kind darf dabei nie das Gefühl bekommen, vor einem unlösbaren Problem zu stehen. Dementsprechend werden Übungen auch erst dann gesteigert, wenn das Kind das bisherige Teilziel sicher beherrscht. . Übersicht 5.4 fasst die dargestellten Maßnahmen nochmals zusammen. Konkrete Anregungen zur Umsetzung finden sich in 7 Kap. 6 bei den jeweiligen Therapiebausteinen.
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Kapitel 5 · Einleitende Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen
! Beachte . Übersicht 5.4. Allgemeine Therapierichtlinien
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4 Kleinschrittiges Vorgehen: Eins nach dem Anderen angehen. 4 Häufige Wiederholungen: Denn: Übung mit Spaß macht Meister. 4 Schaffen von Erfolgserlebnissen: Das Kind merkt: »Ich kann es.« 4 Echtes Lob: Die Therapeutin stellt die Leistung des Kindes heraus. 4 Gezielte Hilfen: Das Kind erfährt Unterstützung.
7 Zusammenfassung Folgende grundlegende Therapieprinzipien ermöglichen dem Kind, gesetzte Ziele zu erreichen und gleichzeitig Selbstbestätigung zu erlangen: 4 kleinschrittiges Vorgehen, 4 regelmäßige Wiederholungen, 4 gezielte Hilfestellungen, 4 ausreichendes Lob.
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5.2
Aufbau der phonetischphonologischen Therapie
Allgemeine therapeutische Leitlinien wurden bereits im vorherigen Kapitel beschrieben. Im Folgenden geht es nun ganz speziell um die Gestaltung einer phonetisch-phonologischen Therapie. Vor allem Gedanken zur Wahl des Therapieansatzes stehen dabei im Vordergrund. Es werden die Einsatzmöglichkeiten der einzelnen Therapiebausteine (7 Kap. 6) dargestellt.
Die Therapeutin ist gefordert, Ziele und Inhalte der Therapie prozess- und patientenorientiert zu verändern. Die Bereitschaft zur kontinuierlichen Selbstreflexion und flexiblen Therapiegestaltung ist Grundvoraussetzung und gewährleistet eine effektive Behandlung.
5.2.1 Rahmenbedingungen Organisatorische Überlegungen zur Therapiegestaltung werden zu Beginn der Behandlung mit den Eltern abgesprochen und betreffen vor allem die Frequenz der Therapieeinheiten. Es wird festgelegt, wie viele Therapiestunden das Kind pro Woche erhält und wie lange eine Therapieeinheit dauert (in der Regel 45 Minuten). Je nach Störungsschwerpunkt und -schweregrad variiert auch die Dauer der Gesamtbehandlung. Vor allem bei komplexen Aussprachestörungen kann sich die Therapie über einen längeren Zeitraum erstrecken. In der Praxis hat es sich als günstig erwiesen, intensive Arbeitsphasen mit Therapiepausen zu kombinieren. In der Regel festigt sich das während der Therapie neu erworbene Artikulationsmuster oder phonologische Wissen in sinnvoll gesetzten Behandlungspausen. Auch ein neu gewähltes Therapieziel (z. B. neuer Laut/phonologischer Prozess oder anderer sprachlicher Bereich) kann die Stabilisierung des bisher Erlernten unterstützen. Neue lautsprachliche Muster können so automatisiert werden, ohne das Kind zu überfordern. i Tipp Eltern akzeptieren Behandlungspausen eher, wenn man sie rechtzeitig ankündigt und von Festigungsphasen für das Kind spricht. Durch diese Formulierung wird die therapeutische Zielsetzung transparenter.
Zusammenfassung
Nachdem sich die Therapeutin aufgrund der Diagnostikergebnisse dafür entschieden hat, mit der Behandlung der phonetisch-phonologischen Schwierigkeiten zu beginnen (7 Kap. 3.3.2), plant und gewichtet sie einzelne Feinziele. Sie wählt dabei besonders relevante Ziele als Therapieeinstieg. Diese erste Therapieplanung dient zunächst als Orientierungshilfe, muss allerdings im weiteren Therapieverlauf immer wieder neu überdacht werden.
4 Je nach Störungsschwerpunkt variieren die Rahmenbedingungen einer phonetischphonologischen Therapie (Therapiebeginn und -frequenz, Gesamtdauer). 4 Die in intensiven Therapiephasen erarbeiteten Lautstrukturen festigen sich oft in sinnvoll gesetzten Therapiepausen.
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5.2 · Aufbau der phonetisch-phonologischen Therapie
5.2.2 Wahl des Therapieansatzes Sehr häufig kommen Kinder mit komplexeren Aussprachestörungen in die logopädische Praxis. Die Therapeutin stellt fest, dass das Kind im phonetischen und im phonologischen Bereich Schwierigkeiten hat. Für den Therapieeinstieg muss sie also entscheiden, in welchem Bereich sie mit dem Kind zunächst schwerpunktmäßig arbeiten möchte. Sie berücksichtigt dabei folgende Grundüberlegungen: 4 Auftretenshäufigkeit der lautlichen Fehlleistungen: – Dominieren phonetische oder phonologische Schwierigkeiten? – Wodurch ist die Verständlichkeit des Kindes am meisten beeinträchtigt? – Welche Laute sind leicht stimulierbar? – Was stört das Kind oder die Eltern am meisten? 4 Alter und Persönlichkeit des Kindes: – Welche phonetisch-phonologischen Auffälligkeiten liegen außerhalb der Altersnorm? – Für welche Therapieform erscheint das Kind aufgrund seines Alters und seiner Gesamtpersönlichkeit am empfänglichsten? – In welchem Bereich sind schnelle Fortschritte und somit eventuell nötige Erfolgserlebnisse für das Kind zu erwarten? 4 Schwierigkeiten in anderen Teilleistungsbereichen: – Hat das Kind zusätzlich Probleme in anderen (Teilleistungs-)Bereichen? – Welche sind eher für die phonetische, welche für die phonologische Störung relevant? – Welche dieser Schwierigkeiten dominieren oder scheinen das Kind besonders zu beeinträchtigen? 4 Therapeutischer Auftrag: – Welche Wünsche haben die Eltern, wie lautet deren Auftrag an die Therapie? Unter Berücksichtigung aller bisher genannten Aspekte wählt die Therapeutin den phonetischen oder phonologischen Bereich als Therapieeinstieg aus. Danach entscheidet sie konkret über Feinziele und methodisches Vorgehen. Aufbau und Inhalte der Therapie unterscheiden sich bei phonetischen und phonologischen Störungen grundlegend. Während es im sprachlichen Teil bei phonetischen Störungen um Lautanbahnung und Lautfestigung geht (7 Kap. 6.6), handelt es sich bei phonologischen Störungen um eine Umstrukturierung des Sprachlautsystems (7 Kap. 6.7). Entsprechend dem sprachlichen Störungsschwerpunkt werden weitere Teilleistungsbereiche ausgewählt (7 Kap. 5.2.3 und 7 Kap. 6.1–6.4).
5
. Tabelle 5.1 gibt einen schematischen Überblick über Ziele und Inhalte der Therapie bei phonetischen/ phonologischen Störungen. Häufig stellt sich während der Therapie heraus, dass bestimmte zunächst zurückgestellte Schwierigkeiten das geplante Vorgehen erschweren. Ein Kind mit einer phonologischen Störung hat beispielsweise bei der Minimalpaararbeit große Schwierigkeiten, einzelne Laute im Wort motorisch zu realisieren. In diesen Fällen verändert die Therapeutin flexibel den geplanten Therapieverlauf und wechselt unter Umständen sogar den Therapiebereich. So können Übungen zur Lautanbahnung und zur orofazialen Sensomotorik im beschriebenen Fall auf die dann folgende Minimalpaararbeit vorbereiten und dem Kind die Rückkehr zur phonologisch ausgerichteten Therapie erleichtern.
! Beachte Bei Kindern mit Störungen im phonetischen wie auch im phonologischen Bereich muss ein zunächst gewählter Schwerpunkt eventuell gewechselt und das therapeutische Vorgehen verändert werden. Damit ergibt sich eine Therapie, die Elemente des Ansatzes bei phonetischen mit denen bei phonologischen Störungen kombiniert.
Besondere Gegebenheiten Je nach vorliegender Aussprachesymptomatik, bestimmen zusätzliche Überlegungen das therapeutische Vorgehen. Zahnwechsel. Bei Vorschulkindern muss der eventu-
ell anstehende Zahnwechsel in die Überlegungen zur Wahl des Therapieansatzes einbezogen werden. Bei Lauten, zu deren Bildung ein geschlossener Frontzahnbereich besonders wichtig ist (z. B. beim [s]/[z]) sollte eine Lautanbahnung während des Zahnwechsels wohl überlegt werden (. Abb.5.1). Vor allem wenn die Lautfehlbildung bisher interdental war, kann die Arbeit am Laut für das Kind zusätzlich erschwert sein, da der natürliche Widerstand der Frontzähne nicht oder nur eingeschränkt vorhanden ist. In diesem Fall ist es sinnvoll, zunächst andere Therapiebausteine vorzuziehen oder die Therapie erst zu einem späteren Zeitpunkt zu beginnen. Phonologische Störung als reine Verzögerung. Bei die-
ser Art der phonologischen Störung (Fox 2007a) zeigen sich beim Kind ausschließlich physiologische phonologische Prozesse (7 Kap. 1.5.1). Handelt es sich dabei um eine Verzögerung von ca. 3–6 Monaten, so kann über einen Zeitraum von ca. 6 Monaten beo-
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Kapitel 5 · Einleitende Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen
. Tabelle 5.1.
Therapeutisches Vorgehen bei phonetischen und phonologischen Störungen Phonetische Störung
Phonologische Störung
Merkmal
Sprechstörung
Sprachstörung
Ziel
Korrekte motorische Lautrealisation
– Korrekter Lauteinsatz im Wort – Korrekte Realisation von Silben- und Wortstrukturen
Grundlagenarbeit
– Herstellen eines orofazialen Muskelgleichgewichts – Verbesserung der oralen taktilkinästhetischen Wahrnehmung
Nonverbale auditive Sensibilisierung
Auditive Sprachverarbeitung
Förderung der auditiven Diskrimination von Ziel- zu Ersatzlaut (einschließlich auditiver Identifikation und Positionsbestimmung im Wort)
– Förderung der auditiven Phonemdiskrimination und -klassifikation – Förderung der phonologischen Bewusstheit (im weiteren und engeren Sinne)
Spezifische sprachliche Arbeit
Arbeit am Einzellaut: – Lautanbahnung – Stabilisierung auf Silben-, Wort-, Satzund Halbspontansprachebene – Transfer in die Spontansprache
Arbeit mit Lautgruppen und Wortstrukturen (rezeptiv und expressiv): – Verdeutlichen von Lautmerkmalen – Verdeutlichen von Silben- und Wortstrukturen – Umstrukturierung des phonologischen Systems
parallel
Berücksichtigen anderer beeinträchtigter Therapiebereiche (s. Diagnostikergebnisse)
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bachtet werden, ob das Kind die Prozesse von selbst überwindet. Erst danach ist eine Therapie angezeigt.
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Phonologische Störung in Form einer inkonsequenten Störung. Diese Diagnose trifft Fox nach klar vorge-
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gebenen Richtlinien. Die Kinder fallen durch stark inkonsequente Lautverwendungsfehler auf und sollen deshalb nach einem speziellen Therapieprogramm behandelt werden (Inkonsequenz-Therapie, Fox 2007a). Dabei werden mit dem Kind Einzellaute erarbeitet und anschließend zu Lautreihen zusammengefügt. Nach und nach werden dann Wörter gezielt geübt. Diese Wörter sollen aus Lautabfolgen bestehen, die das Kind realisieren kann. Es wird viel über das Nachsprechen gearbeitet. Eine Therapiestudie über dieses Vorgehen liegt derzeit noch nicht vor. Dyspraktische Auffälligkeiten. Bei Kindern, die eine
verbale Entwicklungsdyspraxie haben oder bei denen im Verlauf der Therapie dyspraktische Symptome auffallen, muss das therapeutische Vorgehen entsprechend angepasst werden. Für diese Kinder bietet es sich an, zusätzliche Hilfen wie Schriftzeichen, Gebärden oder rhythmisch-melodische Aspekte in die Therapie zu integrieren. Auch das Arbeiten über Assozi-
ationen erleichtert diesen Kindern die korrekte Lautproduktion (7 Kap. 1.3.3, 7 Kap. 4.5, Schulte-Mäter 1996, Birner-Janusch 2003, Lauer u. Birner-Janusch 2010).
Evidenzbasiertes Vorgehen Mit dem zunehmenden Anspruch einer wissenschaftlich fundierten Therapie einerseits und den knapper werdenden Ressourcen des Gesundheitssystems andererseits gewinnt das evidenzbasierte Vorgehen mehr und mehr an Bedeutung. »Evidenzbasiert« bedeutet, dass die Wirksamkeit der Therapie nachgewiesen wird. Somit soll eine effektive und finanzierbare Behandlung gewährleistet werden. Die Forderung nach evidenzbasiertem Handeln findet ihren Ursprung in der evidenzbasierten Medizin. Der behandelnde Spezialist stützt sein individuelles klinisches Wissen so weit wie möglich auf die Ergebnisse externer systematischer Forschung. Diagnostische und therapeutische Entscheidungen sollen außerdem abgestimmt auf die individuellen Patientenbedürfnisse erfolgen. Diese Erkenntnisse lassen sich auch auf andere Berufsgruppen übertragen. Damit ergibt sich für die evidenzbasierte Praxis ein Drei-Säulen-Prinzip (Dollaghan 2007):
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5.2 · Aufbau der phonetisch-phonologischen Therapie
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. Abb. 5.1. Zahnwechsel! (Aus Watterson 1995a; CALVIN AND HOBBES (©).)
1. Therapeutenkompetenz durch individuell erwor-
bene Fähigkeiten und Erfahrungen, 2. Externe Evidenz durch Wissen aus Studien und anderer Forschung, 3. Patientenbedürfnisse durch dessen individuelle Erfahrungen und Präferenzen. Therapeutische Entscheidungen erfolgen somit unter Berücksichtigung aller drei Grundprinzipien und sollen eine optimale Versorgung des Patienten gewährleisten. ! Beachte In der evidenzbasierten Praxis verpflichtet sich die behandelnde Berufsgruppe zum Wohle des Patienten auf hohe professionelle Standards.
Für die Therapeutin heißt das, ihr eigenes therapeutisches Handeln genau zu planen und dessen Erfolg regelmäßig zu überprüfen. Hierbei ist sie gefordert, ihre therapeutischen Entscheidungen bewusst treffen, begründen, beurteilen und revidieren zu können (Beushausen 2009). Dieses Vorgehen wird auch als »Clinical Reasoning« bezeichnet. Das Wissen um existierende Studien zur Wirksamkeit von Diagnostikoder Therapiekonzepten sowie das Einbeziehen entsprechender Ergebnisse in das eigene therapeutische Handeln werden zu Bestandteilen der therapeutischen Tätigkeit.
Einbeziehen externer Evidenz Um externe Studien für die eigene Therapie nutzen zu können, bietet sich ein Vorgehen an, wie es Beushausen (2005) beschrieben hat. Hierbei lassen sich fünf Schritte im methodischen Vorgehen ausmachen, die im Folgenden vorgestellt und kurz erläutert werden:
1. Formulieren einer präzisen klinischen Fragestellung
Die Frage bezieht sich auf ein konkretes Problem oder einen konkreten Patienten, z.B. »Welche Methoden einer phonologischen Therapie wurden bereits durch Studien überprüft?« 2. Suche nach externer Evidenz (Forschungsergebnisse)
Die Therapeutin nutzt relevante Datenbanken oder andere Quellen (Fachartikel in Fachzeitschriften oder andere Veröffentlichungen), um Belege für die Effektivität phonologischer Behandlungskonzepte zu finden. Über die Eingabe von geeigneten Suchbegriffen in Datenbanken im Internet lassen sich so viele Artikel zur entsprechenden Fragestellungen finden. i Tipp Therapeutinnen, die selber nicht im wissenschaftlichen Kontext arbeiten und deshalb keinen Zugriff auf z. B. Universitätsdatenbanken haben, müssen für Artikel teilweise eine Gebühr bezahlen, bevor sie diese für den eigenen Gebrauch herunterladen können. 3. Kritische Bewertung der Forschungsergebnisse
Bevor ein Forschungsergebnis auf das eigene Handeln übertragen werden kann, wird es zunächst gezielt überprüft. Dies erfordert ein eigenständiges reflektierendes, vergleichendes Begutachten und Hinterfragen der Studie. 4. Prüfen der Forschungsergebnisse in Bezug auf den konkreten Patienten
Die aktuelle Studie sollte die Wirksamkeit der Therapiemethode für das betreffende Störungsbild nachweisen. Außerdem sollten sich keine Belege dafür finden, die Methode für den ausgewählten Patienten als kontraindiziert einzustufen (z. B. nicht altersadäquat, da kognitiv zu anspruchsvoll). Wenn diese Ergebnisse vorliegen,
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Kapitel 5 · Einleitende Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen
bezieht die Therapeutin das Forschungsergebnis in ihre konkrete Therapieplanung ein. Sie kann später begründen, warum sie sich für die Wahl dieser Therapiemethode entschieden hat. 5. Evaluation der gewählten Vorgehensweise
Um das eigene therapeutische Vorgehen evaluieren zu können, dokumentiert die Therapeutin ihre Behandlung sorgfältig. Außerdem überprüft sie ihre Behandlungserfolge regelmäßig durch Zwischendiagnostiken. Durch die Verwendung standardisierter Diagnostikinstrumente kann sie ihre Ergebnisse auch gegenüber Kostenträgern oder verordnenden Ärzten nachweisbar belegen. i Tipp Das beschriebene Vorgehen erscheint einer Therapeutin im logopädischen Praxisalltag möglicherweise nicht praktikabel. Gerade die Suche nach wissenschaftlichen Belegen wird im alltäglichen Kontext vermutlich schwer realisierbar sein. Allerdings lassen sich Informationen zu neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen auch in Fachzeitschriften oder Fortbildungen finden. Logopädisch spezialisierte Arbeitsgruppen können zusätzlich Entlastung bieten. Insofern kann man sich der Forderung nach externer Evidenz annähern und so sein therapeutisches Handeln optimieren.
Einbeziehen der Patientenbedürfnisse
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Neben der eigenen therapeutischen Kompetenz und der prinzipiellen Offenheit gegenüber neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen spielt das Einbeziehen der Patientenbedürfnisse in die Therapieplanung eine wichtige Rolle in der evidenzbasierten Praxis. Nur durch das Abstimmen von eigenen Überlegungen mit den Wünschen und Zielen des Patienten kann eine effektive Therapie gelingen. Die Therapeutin ist gefordert, die individuellen Bedürfnisse des Patienten nach Entscheidungsbeteiligung zu erkennen und ihr therapeutisches Vorgehen dementsprechend zu planen. Das Einbeziehen des Patienten bei den Zielsetzungen der Therapie entspricht gleichzeitig den Vorgaben der ICF (7 Kap. 5.1.2). Eine sinnvolle und effektive Behandlung, die sich an den Alltagsanforderungen des Patienten orientiert und dessen persönliche Belange berücksichtigt, wird so möglich. Die Beziehung zwischen Therapeutin und Patient erhält dadurch eine besondere Bedeutung. Um geeignete Ziele für die Therapie definieren zu können, geben die »SMART-Regeln« aus dem Projektund Personalmanagement einen ersten Anhaltspunkt (Armstrong 2006). SMART als Abkürzung für »Specific – Measurable – Achievable – Relevant – Timely«
bedeutet, dass Therapieziele spezifisch (genau), messbar, erreichbar, relevant und zeitlich definiert sein sollten. Ein Vorgehen in dieser Form macht die Therapie durchschaubar und ermöglicht, Therapieprozesse immer wieder abgleichen zu können. Das Definieren von Zielen in der Kindertherapie erfolgt in der Regel mit den kindlichen Bezugspersonen. Es erscheint aber durchaus sinnvoll, auch die Kinder selber in den Zielsetzungsprozess mit einzubeziehen. In welcher Form dies geschieht, muss sicher von Kind zu Kind entschieden werden. Alter, Störungsbewusstsein und kognitive Fähigkeiten des Kindes spielen hier eine zu berücksichtigende Rolle. ! Beachte In der Kindertherapie werden Ziele mit den Bezugspersonen und ggf. auch mit dem Kind gemeinsam definiert.
Evidenzbasierte Praxis bei phonetischen und phonologischen Störungen Bei der Wahl des Therapieansatzes berücksichtigt die Therapeutin in ihrer Planung unterschiedlichste Kriterien (s. Beginn 7 Kap. 5.2.2 und Abschn. »Besondere Gegebenheiten«): 4 Auftretenshäufigkeit der lautlichen Fehlleistungen, 4 Alter und Persönlichkeit des Kindes, 4 Schwierigkeiten in anderen Teilleistungsbereichen, 4 therapeutischer Auftrag der Eltern, 4 besondere Gegebenheiten (z.B. Zahnwechsel, spezielle Formen der phonologischen Störung, dyspraktische Auffälligkeiten). Die Auflistung der bisherigen Kriterien bezieht sich auf fachlich-therapeutische Kenntnisse und Erfahrungen und berücksichtigt außerdem spezifische Patientenvoraussetzungen und -wünsche. Damit werden die evidenzbasierten Anforderungen der zwei Säulen »Therapeutenkompetenz« und »Patientenbedürfnisse« abgedeckt. Um der Forderung nach »externer Evidenz« entsprechen zu können, sollte bei der Wahl des Therapieansatzes zusätzlich berücksichtigt werden, 4 welche der zur Verfügung stehenden Therapiemethoden bereits erprobt wurden, 4 ob entsprechende Veröffentlichungen vorliegen, 4 wann die Therapiemethode erstmalig veröffentlicht wurde und 4 ob wissenschaftliche Studien zur Effektivität erfolgten.
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5.2 · Aufbau der phonetisch-phonologischen Therapie
Gleichzeitig ist interessant, 4 auf welche Bezugsmodelle sich die jeweilige Therapiemethode bezieht, z. B. psycholinguistisches Sprachverarbeitungsmodell, anatomisches Modell und 4 für welchen Störungsaspekt die Methode konzipiert wurde, z. B. artikulatorisches Vorgehen nach van Riper (1994), psycholinguistisches Vorgehen nach Fox (2007). Berücksichtigt man all diese Parameter bei der Wahl der Therapiemethode, so lässt sich erkennen, dass momentan noch nicht für alle Methoden ausreichend Daten zur Verfügung stehen, um deren Einsatz unter dem Kriterium der externen Evidenz rechtfertigen zu können. Streng genommen würden damit bewährte Therapiekonzepte aus dem Methodenkoffer herausfallen. Es bleibt zu hoffen, dass zukünftige Studien hier mehr Klärung bringen. Damit würden Therapiemethoden, die sich in der Praxis »subjektiv« bewährt haben und von Therapeutinnen aufgrund ihrer positiven Erfahrung angewendet werden, auch eine objektive Anerkennung erfahren. ! Beachte Ein evidenzbasiertes Vorgehen stützt sich immer auch auf die therapeutische Erfahrung sowie die Bedürfnisse des Patienten. Eine alleinige Fokussierung auf externe Evidenzen sollte vermieden werden.
Zusammenfassung 4 Bei Kindern, die phonetische und phonologische Störungen haben, wählt die Therapeutin zunächst gezielt einen Bereich aus. Sie entscheidet jedoch im Therapieverlauf patientenbezogen über das weitere Vorgehen. Eventuell kombiniert sie Elemente des phonetisch orientierten Vorgehens mit solchen des phonologisch ausgerichteten Therapieansatzes. 4 Weitere Teilleistungsbereiche werden entsprechend dem sprachlichen Störungsschwerpunkt ausgewählt. 4 Die Therapeutin berücksichtigt bei ihren Zielsetzungen die individuellen Möglichkeiten sowie Bedürfnisse des Patienten. 4 Angelehnt an die evidenzbasierte Praxis orientiert sich die Wahl der Therapiemethode auch an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
5
5.2.3 Arbeit mit den
Therapiebausteinen Das individuelle Behandlungskonzept einer phonetisch-phonologischen Therapie setzt sich aus mehreren einzelnen Therapieelementen zusammen, die störungsspezifisch ausgewählt werden. Diese Elemente bilden die Therapiebausteine, die in . Übersicht 5.5 dargestellt sind. Je nach Art und Ausprägungsgrad der Störung werden alle oder nur einige Bausteine im Verlauf der Therapie eingesetzt. Ein schematisches Vorgehen, das sich ungeachtet der Diagnostikergebnisse und des Störungsschwerpunktes (phonetisch oder phonologisch, . Tabelle 5.1) für alle Kinder mit Aussprachestörungen anwenden lässt, ist nicht möglich. Dementsprechend gilt es, die in 7 Kap. 6 beschriebenen Therapiebausteine nicht als zwingende Vorgabe in der aufgeführten Reihenfolge zu verstehen. Vielmehr sind sie unter praxisorientierten Gesichtspunkten in dieser Form aufgelistet. Die einzelnen Bausteine lassen sich nochmals unter speziellen Kriterien zusammenfassen: Grundlegend für jegliche Art sprachtherapeutischer Intervention ist zunächst der Aufbau der Therapiefähigkeit (7 Kap. 6.1). Vor allem zu Beginn der Behandlung kann es sein, dass (je nach Kind) ein größerer Teil der zur Verfügung stehenden Zeit genutzt werden muss, um das Kind auf die spezifische sprachliche Arbeit vorzubereiten. Manche Kinder fallen zudem nicht nur durch sprachliche Schwierigkeiten auf. Bei Kindern mit allgemeinen Entwicklungsverzögerungen müssen oft auch grob- und feinmotorische Grundvoraussetzungen geschaffen werden, um später an sprachbezogenen Leistungen arbeiten zu können (7 Kap. 6.3). Vor allem bei Kindern mit phonetischen Störungen kann dieser
. Übersicht 5.5. Bausteine der phonetisch-phonologischen Therapie 4 4 4 4 4 4
Aufbau der Therapiefähigkeit (7 Kap. 6.1). Hörtraining (7 Kap. 6.2). Grob- und Feinmotorik (7 Kap. 6.3). Orofaziale Sensomotorik (7 Kap. 6.4). Elternberatung (7 Kap. 6.5). Lautanbahnung und Lautfestigung bei phonetischen Störungen (7 Kap. 6.6). 4 Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei phonologischen Störungen (7 Kap. 6.7).
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Kapitel 5 · Einleitende Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen
Therapiebaustein eine wichtige Rolle einnehmen und zur Arbeit an der orofazialen Sensomotorik überleiten (7 Kap. 6.4). Einen äußerst wichtigen Therapiebaustein stellt die Verbesserung der zentral-auditiven Sprachverarbeitung dar, die hier als Hörtraining bezeichnet wird (7 Kap. 6.2). In diesem Baustein finden sich sowohl für die Arbeit bei phonetischen als auch phonologischen Störungen ausführliche Informationen zur Förderung der unterschiedlichen Teilleistungen. Hilfreich für die Therapieplanung ist es, einen Bezug zwischen der jeweiligen Teilleistung und einem Sprachverarbeitungsmodell herzustellen (7 Kap. 1.2.3) und sich zu verdeutlichen, welches Modul bzw. welcher Verarbeitungsweg durch die Förderung gestärkt wird. Entsprechende Hinweise finden sich auch direkt in 7 Kapitel 6.2. > Exkurs
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Bei der Zuordnung von Teilleistungen der zentralauditiven Sprachverarbeitung zu Modulen eines Sprachverarbeitungsmodells (. Abb. 1.5) ist es sinnvoll, Input- Leistungen von Output- Leistungen zu trennen. Wird mit Realwörtern gearbeitet, die vom Kind rezeptiv unterschieden oder analysiert werden müssen, so kann man davon ausgehen, dass phonologische Informationen zu Wörtern im Eingangsspeicher aktiviert, verstärkt oder neu abgelegt werden. Bei rezeptiven Differenzierungsaufgaben von Pseudowörtern hingegen wird vermutlich eher das phonologische Erkennen gefördert. Alle Aufgaben, bei denen das Kind selber Wörter oder Wortteile produzieren soll, aktivieren motorische Programme im Ausgangsspeicher und leiten diese über das motorische Verarbeitungssystem weiter.
Die Elternberatung (7 Kap. 6.5) erfolgt kontinuierlich und therapiebegleitend, unabhängig von der Art der sprachlichen Störung. Abschließend wird das konkrete Vorgehen bei phonetischen und phonologischen Störungen beschrieben (7 Kap. 6.6 und 6.7). Hier finden sich viele Spielideen zur Lautanbahnung und -festigung bzw. der Arbeit an den phonologischen Prozessen. ! Beachte Die Darstellung der Lautanbahnungsmethoden berücksichtigt besonders die bewegungsunterstützte Lautanbahnung.
Prinzipiell fließen bei der Arbeit an Lautproduktion und -verwendung Elemente aus den verschiedenen bekannten Therapiekonzepten mit ein (7 Kap. 4).
Dabei kombiniert die Therapeutin in der Regel einzelne Bereiche der unterschiedlichen Konzepte miteinander. Dadurch kann sie die speziellen Vorteile einzelner Methoden gezielt nutzen und diese patientenund prozessorientiert einsetzen. Jede Therapeutin kann so ihren eigenen Therapiestil finden und weiterentwickeln. Zusammenfassung 4 Bei den Therapiebausteinen lässt sich die grundlegende Basisarbeit von der therapiebegleitenden Elternberatung sowie der spezifisch sprachlichen Arbeit im phonetischphonologischen Bereich abgrenzen. 4 Das Hörtraining spielt eine wichtige Rolle und umfasst unterschiedliche Teilleistungen der zentral-auditiven Sprachverarbeitung. 4 Sinnvollerweise stellt man bei der Planung des Hörtrainings einen Bezug zu einem Sprachverarbeitungsmodell her. 4 Prinzipiell werden einzelne Therapiebausteine patienten- und prozessorientiert ausgewählt und ggf. verändert. 4 Die Auswahl der Therapiebausteine orientiert sich am sprachlichen Störungsschwerpunkt (phonetische oder phonologische Störung).
5.2.4 Wahl der Übungsform Für jeden einzelnen Therapiebaustein innerhalb der phonetisch-phonologischen Arbeit gibt es eine Vielfalt an Möglichkeiten, dem Kind die Lerninhalte anzubieten. Es ist ein direkteres oder indirekteres Vorgehen möglich, oder eines, das vom Kind mehr oder weniger Sprachproduktion verlangt. Siegmüller u. Kauschke (2006) haben für ihren patholinguistischen Ansatz fünf verschiedene Formen beschrieben und teilweise weiterentwickelt, wobei sie die Herangehensweisen als Methoden bezeichnen. Um nicht zu verwirren, wird hier der Begriff Übungsformen gewählt, da der Begriff »Methode« von verschiedenen Autoren unterschiedlich verwendet wird. Im Folgenden werden die verschiedenen Formen der Erarbeitung von Therapieinhalten in Bezug auf die Therapie phonetisch-phonologischer Störungen skizziert, genauere Ausführungen und viele Beispiele finden sich am angegebenen Ort.
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5.3 · Aussprachestörung in speziellen Kontexten
Es kann unterschieden werden in: 4 Inputspezifizierung, 4 Modellierung, 4 Übungen, 4 Kontrastierung und 4 Metasprache.
Zusammenfassung 4 In jedem Therapieansatz gibt es verschiedene Möglichkeiten der Inhaltsvermittlung. 4 Die Übungsformen Inputspezifizierung, Modellierung, Übung, Kontrastierung und Metasprache eignen sich in unterschiedlicher Weise für die verschiedenen Arten und Phasen der phonetisch-phonologischen Therapie.
Inputspezifizierung bedeutet, dass die Therapeutin
ihre sprachlichen Äußerungen in einer ganz bestimmten Weise aufbereitet und präsentiert, sodass das Kind anhand dieser Äußerungen Wissen über das phonologische System dazu gewinnen kann. Das Kind ist nur Hörer, es muss keine expressiven Leistungen erbringen. Mit Modellierung sind therapeutische Interventionen gemeint, die die Äußerungen des Kindes aufgreifen und verändert wiedergeben. Modelliert wird, nachdem das Kind etwas gesagt hat. In sprachtherapeutischen Veröffentlichungen wird mit Modellierung zumeist das Corrective Feedback verbunden, es gibt jedoch auch andere Formen, z. B. die Alternativfrage oder die »reine Wiederholung« im Sinne einer Bestätigung (Siegmüller u. Kauschke 2006). Die Übung ist eine Form, die allen sprachtherapeutisch Arbeitenden wohl vertraut ist. In Übungen wird gezielt und direkt an der Wahrnehmung oder Produktion der gewünschten Strukturen gearbeitet. Übungen sind stark gelenkte Anforderungen an die Leistungen des Kindes. Unter Kontrastierung versteht man, dass Strukturen einander zum Vergleich gegenübergestellt werden. Das Kind kann durch die vergleichende Betrachtung lernen, dass nur eine Form richtig ist (z. B. bei Minimalpaaren oder auch Phase 1 bei P.O.P.T.) und diese Erkenntnis in seinem phonologischen System verankern. Das metasprachliche Arbeiten leitet das Kind an, über Sprache nachzudenken, z. B. indem bei der Minimalpaartherapie Missverständnisse verbalisiert werden, die durch eine Bedeutungsänderung entstehen. Das Kind kann diese Auseinandersetzung zur »Überwindung der Stagnation« (Siegmüller u. Kauschke 2006, S 44) im phonologischen System nutzen. Für die verschiedenen phonetisch-phonologischen Therapieansätze sind in der Regel ganz unterschiedliche Übungsformen sinnvoll, wobei kein Ansatz ausschließlich von einer Übungsform bestimmt wird. Auch integriert nicht jedes Therapieverfahren alle Übungsformen. Es ist immer die »sinn-volle« Auswahl aus der Vielfalt, die dem Kind den optimalen Lernerfolg ermöglicht.
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5.3
Aussprachestörung in speziellen Kontexten
Eine phonetisch-phonologische Therapie bei Erwachsenen und bei Kindern mit umfassenden Sprachentwicklungsstörungen oder -behinderungen muss in besonderer Weise gestaltet werden. Im Folgenden werden mögliche Vorgehensweisen skizziert.
Ziele und Aufbau einer phonetisch-phonologischen Therapie verändern sich bei Patienten, deren Ausspracheauffälligkeiten in besonderen persönlichen Kontexten auftreten. Immer wieder diagnostiziert die Therapeutin bei Kindern mit einer phonetisch-phonologischen Störung auch eine komplexe Sprachentwicklungsstörung. Möglicherweise finden auch Erwachsene mit einer Aussprachestörung den Weg in die logopädische Praxis. Bei diesen Patientengruppen hat sich bewährt, einige grundsätzliche Überlegungen zu berücksichtigen. Diese werden im Folgenden dargestellt.
5.3.1 Therapie bei Kindern
mit komplexen Störungsbildern Im logopädischen Alltag arbeitet man sehr oft mit Kindern, deren phonetisch-phonologische Auffälligkeiten im Rahmen von allgemeinen Sprachentwicklungsverzögerungen oder -störungen auftreten. Die Aussprachestörung ist nur ein Symptom von vielen. Sind die sprachlichen Schwierigkeiten zudem Folge einer zugrundeliegenden Behinderung (z. B. einer Zerebralparese oder geistigen Behinderung) ergibt sich für die Therapie ein entsprechend angepasstes Vorgehen.
Aussprachestörung im Rahmen einer Sprachentwicklungsstörung In der Diagnostik stellt sich schnell heraus, ob ein Kind lediglich Schwierigkeiten auf phonetisch-phonologischer Ebene zeigt, oder ob zusätzlich Sprachver-
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Kapitel 5 · Einleitende Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen
ständnisstörungen, Wortschatz-/Wortfindungsschwierigkeiten oder dysgrammatische Auffälligkeiten vorliegen. Möglicherweise fällt es dem Kind auch schwer, Sprache adäquat in der Kommunikation einzusetzen. Bei Einschränkungen in mehreren linguistischen Ebenen wägt die Therapeutin genau ab, in welchem Bereich sie das Kind zunächst fördert (7 Kap. 3.3.2). Ein wichtiges Kriterium ist, welche Schwierigkeiten das Kind hauptsächlich in seinen kommunikativen Möglichkeiten beeinträchtigen. Ob primär die Aussprachestörung behandelt wird, hängt entscheidend von der Art der Ausspracheauffälligkeit ab (phonetische oder phonologische Störung). ! Beachte In der Regel tritt die Behandlung phonetischer Störungen zu Gunsten einer Dysgrammatismustherapie oder der Arbeit im semantisch-lexikalischen Bereich in den Hintergrund.
Kinder, die in allen sprachlichen Ebenen Schwierigkeiten haben, profitieren im Alltag nur wenig von einem phonetisch korrekt gebildeten Laut. Wichtiger für diese Kinder ist die Förderung sprachsystematischer Fähigkeiten: 4 Wortschatz erweitern, 4 Wortfindung verbessern und 4 physiologische morphosyntaktische Strukturen aufbauen. Handelt es sich dagegen um eine phonologische Störung (bei der ja ebenfalls sprachsystematische Leistungen betroffen sind), kann die phonetisch-phonologische Therapie unter Umständen den Therapieprozess einleiten. ! Beachte Die Förderung phonologischer Fähigkeiten verbessert in der Regel zentrale Verarbeitungsqualitäten in diesem Bereich. Das wirkt sich häufig positiv auf andere beeinträchtigte sprachliche Modalitäten aus (z. B. semantisch-lexikalische Ebene).
Allerdings muss immer genau beobachtet werden, ob die Arbeit im phonologischen Bereich die übrigen linguistischen Ebenen tatsächlich entscheidend beeinflusst. Eventuell kann eine gezielte Förderung anderer sprachlicher Bereiche parallel zur Behandlung der Aussprachestörung nötig sein. ! Beachte Beeinträchtigungen des Sprachverständnisses sollten immer vorrangig behandelt werden!
Phonetisch-phonologische Therapie bei behinderten Kindern Kinder mit Behinderungen haben häufig Schwierigkeiten im phonetisch-phonologischen Bereich. Je nach Art der Behinderung treten eher phonetische, phonologische oder dyspraktische Störungen auf. Prinzipiell unterscheidet sich die Behandlung der Aussprachestörung hinsichtlich Zielsetzungen und methodischem Vorgehen von der Therapie nichtbehinderter Kinder. ! Beachte Oberstes Gebot ist, die phonetisch-phonologische Therapie immer im Hinblick auf den kommunikativen Nutzen für das Kind zu gestalten.
Das heißt zum einen, dass die Behandlung der Aussprachestörung eventuell zu Gunsten der Förderung von Wortschatz/Wortfindung oder Grammatik zurückgestellt wird. Zum anderen meint das aber auch, dass die Therapie den Möglichkeiten des Kindes angepasst werden muss. Die Ziele werden deshalb wesentlich niedriger gesteckt als bei Kindern ohne Behinderung. Das kann bedeuten, dass vom Kind nicht verlangt wird, den Laut tatsächlich physiologisch zu bilden. Häufig lässt die Art der Behinderung nur eine annähernd korrekte Lautbildung zu (z. B. bei einer Zerebralparese oder dem Down-Syndrom). Für die Lautverwendung müssen ebenfalls oft Abstriche gemacht werden. Wichtig ist, dem Kind möglichst die phonologischen Regeln zu verdeutlichen, die seine Verständlichkeit wesentlich erhöhen. Vor allem bei schwerer geistig behinderten Kindern halten sich manche Substitutionsprozesse hartnäckig. Häufig findet zudem kein Transfer der erlernten phonologischen Gesetzmäßigkeiten statt. Das heißt, dass Lautstrukturen eventuell bei jedem Einzelwort erarbeitet werden müssen, Therapiemethoden wie das Metaphon-Konzept greifen eher nicht. ! Beachte In der Regel fördert die Therapie bei behinderten Kindern in verstärktem Maße grundlegende Teilleistungsbereiche (7 Kap. 5.2.3 und 6).
Dem Aufbau der Therapiefähigkeit kommt besonderes Gewicht zu. Aber auch Hörtraining oder die Förderung motorischer Fähigkeiten erstrecken sich in vielen Fällen über einen langen Zeitraum, bevor gezielt mit der Arbeit im lautsprachlichen Bereich begonnen werden kann. Behinderte Kinder sind häufig in verschiedenen Entwicklungsbereichen eingeschränkt. Auch ihre zen-
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5.3 · Aussprachestörung in speziellen Kontexten
tralen Integrationsleistungen sind meistens betroffen. Das heißt für die Therapeutin, dass sie ganz besonders darauf achtet, Schwierigkeiten isoliert anzubieten. Das gleichzeitige Stimulieren verschiedener sensomotorischer Modalitäten ist oft kontraindiziert. Die Kinder benötigen in der Regel ihre volle Aufmerksamkeit für einen einzigen Teilleistungsbereich. Ein kombiniertes Angebot überfordert sie. Beispielsweise eignet sich die bewegungsunterstützte Lautanbahnung für behinderte Kinder weniger (7 Kap. 4.2). Anders als bei nichtbehinderten Kindern sind häufige Wiederholungen besonders nötig und selbstverständlich. Geduld und Verständnis für die speziellen Bedürfnisse des Behinderten prägen des therapeutische Vorgehen. Die bereits beschriebenen Therapierichtlinien finden besondere Berücksichtigung (7 Kap. 5.1.3). Zusammenfassung 4 Aussprachestörungen sind häufig im Rahmen allgemeiner Sprachentwicklungsstörungen zu beobachten. In diesem Fall wird genau abgewogen, welche der sprachlichen Modalitäten als erstes behandelt wird. 4 Die phonetisch-phonologische Therapie muss manchmal zu Gunsten der Förderung von Wortschatz/Wortfindung oder Grammatik zurückstehen, vor allem wenn es sich um eine phonetische Störung handelt. 4 Bei Kindern mit Behinderungen unterscheiden sich Zielsetzungen und methodisches Vorgehen. Ziele in der phonetisch-phonologischen Therapie müssen deutlich niedriger gesteckt werden. Bevor die Aussprachestörung behandelt werden kann, fördert die Therapeutin in der Regel lange Zeit mitbeeinträchtigte grundlegende Teilleistungen.
5.3.2 Therapie bei Erwachsenen
5
Ziel Das vorrangige Ziel einer phonetisch-phonologischen Therapie bei einem Erwachsenen ist, die Lautbildung des Patienten zu korrigieren. In erster Linie gelingt das über eine Verbesserung der Eigenwahrnehmung. Wenn der Patient in der Lage ist, seine Lautbildung sicher als »falsch« zu identifizieren, ist der wichtigste Schritt in Richtung auf eine bessere Artikulation vollzogen.
Methodisches Vorgehen Anamnestisch ist es wichtig zu erfahren, ob die Lautfehlbildung neu entstanden ist (z. B. durch Prothesen oder auch durch eine schlechter werdende auditive Rückmeldung), oder ob sie schon immer bestand. Außerdem sollte die Motivation geklärt werden und auch, wieviel Arbeit der Patient bereit ist, in die Therapie zu investieren. ! Beachte Bei Patienten mit lange bestehenden Aussprachestörungen ist viel Übung erforderlich, um ein neues Lautbildungsmuster einzuschleifen.
Im nächsten Schritt ist es sinnvoll, den Patienten auf eine orofaziale Dysfunktion hin zu untersuchen. Kann diese ausgeschlossen werden, wird die Untersuchung einiger Teilleistungen vorgenommen, besonders der mundmotorischen Fähigkeiten und der Lautdifferenzierung. Sollte eine orofaziale Dysfunktion vorliegen, wird diese nach den gängigen Konzepten zuerst behandelt (s. auch 7 Kap. 4.3). Nun kann dem Patienten die korrekte Artikulation gezeigt werden, am besten mit Hilfe eines Spiegels. Kann er dieses Lautmuster reproduzieren, soll er es in Verbindung mit Vokalen regelmäßig üben. Diese Aufgabe kann einem Erwachsenen schon relativ früh für zu Hause übertragen werden, wenn er über eine gute Eigenwahrnehmung verfügt und in der Lage ist, sich selbst zu verbessern. Sobald der korrekte Laut in der Silbe gut gefestigt ist, wird er in der Therapiestunde auf Wort- und Satzebene übertragen. ! Beachte
Immer wieder finden auch Erwachsene, die unter einer Aussprachestörung leiden, den Weg in die logopädische Therapie. Meist handelt es sich bei der Störung um einen inter- oder addentalen Sigmatismus oder einen Sigmatismus oder Schetismus lateralis. Das therapeutische Vorgehen unterscheidet sich dabei wesentlich von dem bei Kindern.
Ein frühzeitiger Beginn mit Tonaufnahmen bietet sich an, damit der Patient lernt, seine Lautbildung selbstständig zu kontrollieren.
Die Arbeit kann dann auf Lesetextebene fortgesetzt werden. Zuerst werden alle Stellen mit Ziellaut im Text farbig markiert. Dann liest der Patient diesen Text laut vor und achtet dabei auf seine Artikulation. Die Rückmeldung darüber erfolgt anfangs durch die Therapeu-
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Kapitel 5 · Einleitende Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen
tin, später allein durch eine Tonaufnahme. Am Ende dieser Phase wird der Patient in der Lage sein, seine Lautbildung ohne Hilfsmittel, allein aufgrund seiner Eigenwahrnehmung selbst zu beurteilen. Als Stufe, die vom Schwierigkeitsgrad zwischen Lesetext und Spontansprache liegt, haben sich Ratespiele und Rätsel bewährt. Auch Witze sind prima zur Festigung von Lauten geeignet, zumal gute Witze geradezu zur Verwendung im Alltag auffordern! Der schwierigste Schritt liegt in der Übernahme des korrekten Lautes in die Spontansprache. Es bietet sich an, den Patienten in Rollenspielen auf eine von ihm gewählte Kommunikationssituation vorzubereiten. Später kann die Übung in vivo stattfinden, eventuell mit einem Walkman für eine abschließende Auswertung direkt im Anschluss an die Übung aufgezeichnet. Geeignete Kommunikationssituationen sind z. B. Einkaufen beim Gemüsehändler oder Erfragen eines Weges bei Passanten. Wenn der Patient dies wünscht, können Angehörige nach Absprache in die Festigungsphase mit einbezogen werden, indem sie beispielsweise in vorher vereinbarten Situationen auf die Lautbildung achten. i Tipp Es können Erinnerungszeichen verabredet werden, die dem Patienten den Hinweis geben, seine Artikulation zu kontrollieren.
Möglicherweise kann die Therapie zu diesem Zeitpunkt schon beendet werden. Eine Wiedervorstellung nach einigen Wochen und (eine) weitere nach wenigen Monaten ermöglicht der Therapeutin eine Erfolgskontrolle. Dem Patienten dient es dazu, noch »am Ball zu bleiben«. Prognostische Aussagen über den Erfolg einer phonetisch-phonologischen Therapie im Erwachsenenalter zu treffen fällt sehr schwer, da das Gelingen in einem sehr hohen Maße von der Mitarbeit und Motivation des Patienten und von seinen Möglichkeiten abhängt. Nicht zuletzt spielt auch die zugrunde liegende Ursache eine entscheidende Rolle. Eine Aussprachestörung aufgrund einer Kieferfehlstellung lässt sich weit schwieriger behandeln als eine, die aus Gewohnheit seit Kindertagen besteht.
Zusammenfassung 4 Bei Aussprachestörungen im Erwachsenenalter handelt es sich meistens um Sigmatismen oder Schetismen. 4 Eine orofaziale Dysfunktion sollte diagnostisch ausgeschlossen werden, da deren Behandlung ein anderes Vorgehen erfordert. 4 Mit Erwachsenen kann sehr direkt an der Artikulation gearbeitet werden. 4 Die schwierige Leistung des Transfers in die Spontansprache kann gut durch häusliche Übungen unterstützt werden.
5.4
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Wie bereits beschrieben, treten phonetisch-phonologische Störungen häufig im Rahmen komplexerer Sprachentwicklungsstörungen auf. Auch Begleitstörungen lassen sich oft feststellen. Immer wieder handelt es sich hierbei um die die Aussprachestörung verursachenden Auffälligkeiten. Der Kontakt zum verordnenden Arzt und ggf. zu anderen therapeutischen Berufsgruppen ist deshalb Bestandteil des therapeutischen Vorgehens.
Um dem Kind eine optimale Förderung zu gewährleisten, achtet die Therapeutin darauf, dass nötige ärztliche Untersuchungen stattfinden und das Kind ggf. auch bei anderen Berufsgruppen zur Diagnostik oder Therapie vorgestellt wird.
5.4.1 Untersuchungen
durch den Facharzt In der Regel ist der (Kinder-)Arzt der erste Anlaufpunkt für die Eltern, wenn sie Schwierigkeiten bei ihrem Kind bemerken. Er verordnet dann die nötigen Therapien. Der Kontakt der Therapeutin zum Arzt ist deshalb für eine erfolgreiche Therapie wichtig. Sinnvollerweise informiert die Therapeutin den Arzt über ihre Diagnostikergebnisse und Einschätzung des Kindes. Auch im Therapieverlauf dient ein regelmäßiger Austausch dazu, die therapeutische Versorgung des Kindes zu optimieren. Nur wenn der Arzt Einblicke in die therapeutische Sichtweise erhält, kann er die Förderung des Kindes sinnvoll koordinieren.
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5.4 · Interdisziplinäre Zusammenarbeit
5
! Beachte Bei Aussprachestörungen dienen spezielle ärztliche Untersuchungen einem zielgerichteten therapeutischen Vorgehen.
Vorstellung beim Kieferorthopäden Es kann sinnvoll sein, Kinder, deren phonetische Störung im Rahmen einer orofazialen Muskelfunktionsstörung auftritt (7 Kap. 1.4.2, Abschn. »Orofaziale Dysfunktion«), zur genaueren kieferorthopädischen Abklärung zu schicken. Eine genaue Absprache über den Zeitpunkt eventuell nötiger kieferregulierender Maßnahmen und logopädischer Therapie optimieren hier eindeutig die Behandlungserfolge. Erst wenn ein Kind sein pathologisches Schluckmuster oder seine orofaziale Muskelfehlfunktion eigenaktiv verändern kann, wird sich die kontinuierliche Fehlbelastung des Kiefers durch die auf ihn einwirkenden Muskelkräfte minimieren. Andererseits ermöglicht eine einleitende, vor der logopädischen Therapie stattfindende kieferorthopädische Regulierung oft wesentlich schneller Erfolge in der Therapie der orofazialen Muskelfunktionsstörung. Deshalb sollten die kindlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten vom Arzt und der das Kind behandelnden Logopädin gemeinsam durchdacht und ein entsprechendes Therapiekonzept entworfen werden.
Zusammenfassung 4 Damit therapeutische Interventionen optimal auf das Kind abgestimmt werden können, arbeitet die Logopädin mit verordnenden und weiterbehandelnden Ärzten zusammen. 4 Sie unterrichtet die Ärzte über ihre Diagnostikergebnisse und wesentlichen Therapieinhalte.
5.4.2 Zusammenarbeit mit anderen
Berufsgruppen
Der Zusammenhang zwischen Aussprache und zugrundeliegender Hör- und auditiver Wahrnehmungsfähigkeit wurde bereits erläutert (7 Kap. 1.4.1, Abschn. »Hören und Hörwahrnehmung«).
Ein Kind mit einer phonetisch-phonologischen Störung im Rahmen einer Sprachentwicklungsstörung hat oft auch Schwierigkeiten in nichtsprachlichen Entwicklungsbereichen. Immer wieder begegnet die Therapeutin Kindern, die durch Wahrnehmungsschwierigkeiten oder motorische Koordinationsprobleme auffallen. Diese Kinder sind unter Umständen nicht in der Lage, sich auf ein gezieltes sprachtherapeutisches Arbeiten einzulassen, da sie schon in grundlegenden Bereichen an ihre Grenzen stoßen. Sie können sich z. B. häufig schlecht konzentrieren, fallen durch eine starke motorische Unruhe auf oder haben Schwierigkeiten in der allgemeinen Bewegungsplanung. Gerade die Arbeit an der Aussprache, die sehr differenzierte und gezielte Verarbeitungs-, Integrations- und Umsetzungsprozesse erfordert, stellt diese Kinder oft vor enorme Schwierigkeiten.
! Beachte
! Beachte
Abklärung des Gehörs
Prinzipiell sollten alle Kinder mit Problemen in Lautbildung oder -verwendung vor der logopädischen Therapie audiologisch abgeklärt werden.
Gerade bei Kindern mit phonologischen Störungen empfiehlt sich neben der Überprüfung des Gehörs mittels Tonaudiogramm auch die Durchführung sprachaudiometrischer Tests. Mithilfe der Sprachaudiometrie lassen sich eventuell Rückschlüsse auf mögliche Störungen in der auditiven Verarbeitung ziehen (Thiel 2000). Für eine abschließende Beurteilung sollte aber immer noch die logopädische Abklärung der auditiven Wahrnehmungsleistungen mit einbezogen werden (7 Kap. 3.2.2, Abschn. »Wahrnehmung«).
Kinder, die durch starke sensorische Integrationsschwierigkeiten auffallen, sollten immer ergotherapeutisch abgeklärt und ggf. behandelt werden.
Eine Abstimmung zwischen Ergotherapeutin und Logopädin ermöglicht dem Kind dabei ein gezieltes und sinnvolles Lernen. Eventuell kann die Logopädin auch Elemente zur Wahrnehmungsförderung in ihre Therapie integrieren. Möglicherweise ist es bei einzelnen Kindern aber auch nötig, die logopädische Therapie zunächst zu Gunsten einer ergotherapeutischen Behandlung zurückzustellen. Diese Entscheidung sollte immer auf den Einzelfall bezogen getroffen werden und sich an den Möglichkeiten und Belangen des Kindes orientieren. Bei Kindern, deren phonetisch-phonologische Schwierigkeiten im Rahmen einer organischen Grunderkrankung auftreten, muss die Therapie entsprechend
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Kapitel 5 · Einleitende Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen
geplant und die zu erwartenden Erfolge realistisch eingeschätzt werden (z. B. Kinder mit Zerebralparesen oder geistiger Behinderung, s. auch 7 Kap. 5.3.1, Abschn. »Phonetisch-phonologische Therapie bei behinderten Kindern«). Diese Kinder nehmen in der Regel verschiedene Therapien in Anspruch. Auch hier sollte ein regelmäßiger Austausch zwischen den einzelnen Therapeutinnen selbstverständlich sein. Da die Kinder meist sehr lange therapeutisch betreut werden, kann ein Wechsel der Therapieformen für das Kind unter Umständen motivierend sein und einer Therapiemüdigkeit vorbeugen (z. B. zunächst ein Jahr Ergotherapie, dann ein Jahr Logopädie). Ein kontinuierlicher Austausch zwischen den einzelnen Berufsgruppen ermöglicht, den Bedürfnissen und Möglich-
keiten des Kindes gerecht zu werden. Bei Kindern, die ihre Therapien im Rahmen der Frühförderung erhalten, ist dieser regelmäßige Austausch der die Kinder behandelnden Ärzte und Therapeutinnen sicherlich optimal gewährleistet. Zusammenfassung 4 Der regelmäßige Austausch zwischen den das jeweilige Kind behandelnden Therapeutinnen ermöglicht, die Therapien an den individuellen kindlichen Bedürfnissen zu orientieren. 4 Eventuell ist es sinnvoll, einzelne Therapien abwechselnd durchzuführen (z. B. zunächst Ergotherapie, dann Logopädie).
6 Therapiebausteine 6.1
Aufbau der Therapiefähigkeit – 105
6.1.1
Motivation
6.1.2
Konzentration und Aufmerksamkeit
6.2
Hörtraining – 108
6.2.1
Nonverbale auditive Sensibilisierung
6.2.2
Auditive Wahrnehmungsförderung
– 105 – 106
– 108
bei phonetischen Störungen – 109 6.2.3
Auditive Wahrnehmungsförderung bei phonologischen Störungen – 112
6.2.4
Überlegungen zum methodischen Vorgehen
– 122
6.3
Grob- und Feinmotorik
6.4
Orofaziale Sensomotorik
6.4.1
Mundmotorik
– 125
6.4.2
Mundsensorik
– 130
6.4.3
Orofazialer Tonus
6.4.4
Übungsaufbau zur Vorbereitung der Lautanbahnung
6.5
Elternberatung
6.5.1
Ziele und Inhalte
6.5.2
Methodisches Vorgehen
– 123 – 125
– 131
– 132 – 133 – 134
M. Weinrich, H. Zehner, Phonetische und phonologische Störungen bei Kindern, DOI 10.1007/978-3-642-20028-1_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
– 131
6.6
Lautanbahnung und Lautfestigung bei phonetischen Störungen – 135
6.6.1
Kriterien für die Reihenfolge der Lautanbahnung
6.6.2
Therapiephasen – 137
6.6.3
Arbeit an den einzelnen Lauten
6.6.4
Spielideen zur Lautfestigung
6.7
Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei phonologischen Störungen – 159
6.7.1
Reihenfolge der behandlungsbedürftigen phonologischen Prozesse
– 141
– 156
– 159
6.7.2
Methodische Möglichkeiten
6.7.3
Spielideen zum Metaphon-Konzept
6.7.4
Spielideen zu P.O.P.T.
– 180
– 135
– 161 – 173
105
6.1 · Aufbau der Therapiefähigkeit
6.1
Aufbau der Therapiefähigkeit
Die Fähigkeit des Kindes, sich auf die Therapie einzulassen ist eine wesentliche Voraussetzung, um Lernerfolge zu haben. Welche Faktoren diese Therapiefähigkeit ausmachen, beschreibt das folgende Kapitel.
Die Therapiesituation stellt eine hohe Anforderung für ein Kind dar. Neben der Trennung von den Eltern wird auch verlangt, dass es sich auf eine fremde Person einlässt. Darüber hinaus soll das Kind in der Stunde mit einer gewissen Arbeitshaltung ans Werk gehen und konzentriert mitarbeiten. Das gelingt am besten, wenn das Kind von sich aus motiviert ist, seine phonetisch-phonologischen Fähigkeiten zu verbessern. Durch geschicktes Agieren der Therapeutin lässt sich die Motivation und Konzentration des Kindes ebenfalls erhöhen.
6.1.1 Motivation Grundlage für den Therapieerfolg ist eine gute Motivation des Kindes. Sie ist der Motor für jedes Lernen und somit für Fortschritte in der Therapie. Darum ist ein wichtiges Therapieprinzip, Motivation aufzubauen oder zu erhalten. Dabei muss das Kind richtig eingeschätzt werden: 4 Wo ist die Leistungsgrenze? 4 Entspricht der Anspruch der Therapie den Fähigkeiten des Kindes? 4 Was ist zuviel, was ist zuwenig Anforderung? Eine ständige Über- oder Unterforderung wird das Kind frustrieren und seine Motivation mindern. Besonders bei Kindern, die unter Leidensdruck stehen oder Konzentrationsschwächen aufweisen, muss das Niveau der Übungen sorgfältig gewählt werden. Zur richtigen Einschätzung der Leistungsgrenze achtet die Logopädin in verschiedenen Anforderungssituationen darauf, ob Demotivierungszeichen (. Übersicht 6.1) auftreten. Diese Zeichen, z. B. Ablenkungsversuche, geben Hinweise darauf, dass für das Kind etwas »nicht stimmt« und sollten dementsprechend ernst genommen werden. ! Beachte Was ein Kind bewältigen kann, hängt stark ab von: 4 seinem Alter, 4 seinem Selbstvertrauen und nicht zuletzt auch 4 seiner Frustrationstoleranz.
6
Durch geschickte Therapieplanung und durch den Einsatz von ansprechendem Spielmaterial kann die Therapeutin die Motivation des Kindes verbessern. Hier reichen die Möglichkeiten von Naturmaterialien und Bauernhoftieren bis hin zu aktuellen Figuren wie Transformers und Pokémon. Lieblingsspielsachen des Kindes können ebenfalls sinnvoll in die Stunde integriert werden. Zusätzlich tragen zur Motivation des Kindes Verstärker bei wie beispielsweise: 4 Stempel auf die Hand (mit Lebensmittelstempelfarbe!) geben, 4 Sticker aussuchen lassen, 4 erbrachte Leistungen durch Schaubilder verdeutlichen. In den letzten Minuten der Therapieeinheit kann mit dem Kind die Therapiestunde z. B. wie folgt besprochen werden: 4 Wie hat es die Hausaufgaben erledigt? 4 Wie war seine Mitarbeit? 4 Wie hat es den Ziellaut gebildet? 4 Welches Spiel hat ihm am besten gefallen? Die Einschätzung von Kind und Therapeutin wird miteinander verglichen, dann darf das Kind einen Stempel oder Sticker aussuchen und in sein Heft o. ä. kleben. Die Motivation des Kindes zu erhalten oder zu verbessern, ist ein wichtiges Anliegen während der Therapie. Im therapeutischen Alltag haben sich einige Regeln für die Planung und Durchführung einer Therapiestunde bewährt (. Übersicht 6.2). Die Beachtung dieser Leitsätze hat nicht nur Auswirkungen auf die einzelne Therapiestunde, sondern
. Übersicht 6.1. Woran lässt sich erkennen, dass ein Kind demotiviert ist? 4 Das Kind »macht nicht gut mit« (was auch andere Ursachen haben kann, z. B. Übermüdung oder Erschöpfung). 4 Es kommt nicht (mehr) gern zu den Therapiestunden. 4 Es lenkt immer wieder von den eigentlichen Aufgaben ab (»Was spielen wir jetzt?«). 4 Es sagt häufig »das kann ich nicht« oder »ich weiß nicht«. 4 Es fragt mehrmals nach dem Ende der Stunde.
106
Kapitel 6 · Therapiebausteine
. Übersicht 6.2.
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Durchführung einer motivierenden Therapiestunde 4 Das Thema der Therapiestunde wird am Interesse des Kindes orientiert, der flexiblen Logopädin ist es egal, ob für den Laut gehüpft oder eine Karte aufgedeckt wird. 4 Jede Einheit wird nach Möglichkeit mit einem Erfolgserlebnis beendet – ggf. muss hierfür das Niveau einer Übung abgesenkt werden. 4 Für das Niveau der Übungen ist die Leistungsgrenze des Kindes ausschlaggebend. Konkret bedeutet dies, dass eine Übung gesteigert werden kann, wenn vom Kind 70–75 % der Laute in einer Phase richtig gebildet oder verwendet werden. 4 Die Therapeutin bespricht das Vorgehen in der Therapie oder die Struktur der Therapiestunde mit dem Kind. 4 Die Leistungen des Kindes werden für das Kind transparent gemacht, z. B. mit Hilfe von Schaubildern (»Diese Buchstaben hast du jetzt schon alle gelernt, und nur diesen einen müssen wir deiner Zunge noch beibringen«). 4 Echtes und angemessenes Lob wird vom Kind am besten angenommen. Das bedeutet, dass das Kind nur dann gelobt wird, wenn es eine besondere Leistung erbracht hat, z. B. sich besonders bemüht hat oder ganz allein an die Schnute gedacht hat. 4 Jede Stunde hat ein für das Kind (und die Therapeutin) positives Ende.
14 15
18
hilft dem Kind auch über einen längeren Zeitraum, die Freude an der Arbeit und an seinen Fortschritten zu erhalten. Die Motivation des Kindes soll schließlich im Verlauf der gesamten Therapie bestehen bleiben. Hierfür sind auch längere Pausen wichtig, in denen sich das Kind von den Arbeitsphasen erholen kann. Zudem wird in dieser Zeit das bereits Gelernte stabilisiert und zumindest teilweise in die Spontansprache übertragen.
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Was man nicht tun sollte:
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20
4 Das Kind in der Stunde loben, der Mutter nach der Stunde in Anwesenheit des Kindes die Defizite aufzeigen. Es empfiehlt sich dann eher einen Extratermin für ein Elterngespräch auszumachen oder um einen Telefonanruf zu bitten.
4 Negative Leistungen hervorheben, die positiven als selbstverständlich hinnehmen. 4 Kurz vor Ende der Stunde noch eine weitere Stufe erklimmen wollen – das kann demotivierend ausgehen. 4 Obwohl ein Teilbereich noch nicht ausreichend gefestigt ist, an der nächsten Stufe arbeiten – das Kind ist dadurch überfordert und eventuell auch frustriert. i Tipp In manchen Fällen lässt sich ein Kind trotz aller Tricks nicht zur Mitarbeit motivieren. Dann sollte die Therapeutin versuchen zu klären, ob das Kind diesen Laut oder diese Laute überhaupt lernen möchte. Wenn das Kind daran (bewusst oder unbewusst) kein Interesse hat, ist es sinnvoll, die Therapie abzubrechen oder auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.
Zusammenfassung 4 Motivation ist der Motor für jede Therapie – nur ein motiviertes Kind wird gute Fortschritte machen. 4 Der Therapeutin stehen für die Planung und Durchführung der Therapiestunden viele Möglichkeiten offen, um die Motivation des Kindes zu erhalten oder zu verbessern.
6.1.2 Konzentration und
Aufmerksamkeit Viele Kinder mit Sprech- und Sprachstörungen haben zusätzlich Konzentrationsschwächen, die aus eventuell vorliegenden Wahrnehmungsdefiziten resultieren können. Um einer Überforderung vorzubeugen, sollte die Aufmerksamkeitsdauer des Kindes nicht überschritten werden. Kindern mit Wahrnehmungsschwächen fällt es erfahrungsgemäß viel schwerer, längere Zeit bei einer Sache zu bleiben. Dies gilt für jede einzelne Übung ebenso wie für die Dauer der Therapiestunde. ! Beachte In mehreren kürzeren Einheiten lässt sich meist effektiver arbeiten als in selteneren, aber dafür längeren Therapiestunden!
Bei Kindern mit gravierenden Konzentrationsschwierigkeiten sollte die Ursache hierfür genau abgeklärt werden, damit eine eventuell zugrunde liegende Stö-
107
6.1 · Aufbau der Therapiefähigkeit
. Übersicht 6.3. Konzentrationsfördernde Maßnahmen innerhalb der phonetisch-phonologischen Therapie 4 Die Stunde soll transparent sein, eventuell unterstützt durch einen gleichbleibenden Ablauf. (Hierzu eignen sich Rituale besonders gut, z. B. wird im ersten Teil der Stunde immer etwas versteckt, das man später braucht, im letzten Teil gibt es immer ein kurzes Freispiel). 4 Es ist günstig in Einheiten zu planen, die sich flexibel verlängern oder verkürzen lassen, ohne dass die Übung beispielsweise abrupt abgebrochen wirkt. 4 Spiele sollten nicht gleich beendet werden, wenn das Kind keine Lust mehr hat, sondern mit angekündigtem Ende noch ein bisschen ausgedehnt werden (»jeder macht noch zweimal«). 4 Eine gute Motivation (7 Kap. 6.1.1) kann die Konzentration erleichtern. 4 Kurze Bewegungseinheiten zwischen den einzelnen Übungen lockern die Stunde auf und bringen Kind und Therapeutin in eine gute Nutzspannung! 4 Die Reduzierung des Reizangebots ist ein wesentlicher Faktor für eine konzentriertere Stunde. Das Arbeitszimmer sollte reizarm sein (an den Wänden hängen wenige Bilder, das Spielzeug für den
rung (z. B. das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom oder eine Sensorische Integrationsstörung) nicht übersehen wird. Ansprechpartner ist in erster Linie der behandelnde Arzt, er überweist ggf. an die entsprechende Berufsgruppe. Konzentrationsförderung im Rahmen der phonetisch-phonologischen Therapie ist auf vielerlei Weise möglich (. Übersicht 6.3). Auch hier gilt es, die Individualität des Patienten zu berücksichtigen. Während das eine Kind klare Regeln und Grenzen braucht, ist es für das andere wichtig, dass die Therapeutin seine »Umwege« mitgeht.
späteren Therapieverlauf ist zugedeckt, die Fenster sind geschlossen), damit die visuelle und auditive Ablenkung so gering wie möglich ist. 4 Die Therapeutin geht selbst strukturiert an die Stunde heran. Das bedeutet vor allem, dass sie sich nicht vom Kind mit dessen (Un-)Struktur anstecken lässt. Die Therapeutin bestimmt den Ablauf! (»Warum ist da oben ein Lautsprecher?«, »Was spielen wir als nächstes?«, »Hast Du eigentlich ein Auto?«, »Ich hab‘ Geburtstag gehabt!« …). Diese Ablenkungsmanöver werden von der Logopädin nach Möglichkeit wenig oder gar nicht beachtet. 4 Wenn das Kind immer wieder Fragen stellt, die vom momentanen Ziel wegführen, empfiehlt sich die Einführung einer »Quasselzeit« am Ende der Stunde. In diesen Minuten kann die Therapeutin entweder auf alle Fragen eingehen – oder sie bietet dem Kind als Alternative ein Spiel an. Auf diese Weise lässt sich einschätzen, wie wichtig das Frage-Antwort-Spiel für das Kind ist.
Zusammenfassung 4 Die Konzentration ist ein wichtiger Faktor, der dem Kind erleichtert, Lernziele zu erreichen. 4 Leichtere Störungen der Konzentration werden in der logopädischen Therapie aufgegriffen, ausgeprägte Formen von Konzentrationsschwäche werden besser interdisziplinär behandelt. 4 Eine flexible und vorausschauende Therapiegestaltung kann das Interesse des Kindes am Lernen und somit seinen Therapieerfolg unterstützen.
6
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108
Kapitel 6 · Therapiebausteine
6.2
Hörtraining
Das Hörtraining beinhaltet Übungen, die die auditiven Wahrnehmungsleistungen des Kindes verbessern. Bei phonetischen und phonologischen Störungen unterscheiden sich Zielsetzungen und Aufbau des Hörtrainings. Vor allem bei der Therapie der phonologischen Störung ist das Hörtraining ein grundlegender Therapiebereich.
Beim Hörtraining handelt es sich nicht um eine Schulung des peripheren Hörens, sondern es werden auditive Aufnahme- und Verarbeitungsfähigkeiten und damit zentrale Leistungen des Kindes gefördert. Da die Therapeutin das Kind aber zum »Hören« auffordert, wird im Folgenden der Begriff Hörtraining verwendet (. Abb. 6.1).
6.2.1 Nonverbale auditive
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Sensibilisierung Als Einstieg in die Therapie wählt die Therapeutin zunächst unspezifische Wahrnehmungsübungen, die das Kind generell für das »Horchen und Lauschen« sensibilisieren sollen. Diese ersten basalen auditiven Wahrnehmungserfahrungen dienen der Vorbereitung gezielter sprachlicher Hörübungen. ! Beachte Vor allem bei Kindern, die zusätzlich zur Aussprachestörung Auffälligkeiten in den anderen sprachlichen Bereichen haben, sollte zunächst auf nonverbaler Ebene gearbeitet werden.
Je nach Art der Aussprachestörung variieren Intensität und Inhalt des nonverbalen Hörtrainings. Bei isolierten phonetischen Störungen kann die Arbeit in diesem Bereich kurz gehalten werden oder manchmal sogar ganz entfallen. Es bieten sich Übungen zur auditiven Diskrimination und Identifikation an. > Exkurs Mit Identifikation ist immer das Heraushören eines einzelnen auditiven Stimulus aus einer Gesamtheit gemeint (7 Kap. 1.2.5, Abschn. »Lautwahrnehmung und phonologische Bewusstheit«, 7 Kap. 1.4.1, Abschn. »Hören und Hörwahrnehmung« und Lauer 2006).
Kinder mit phonologischen Störungen profitieren in der Regel vom nonverbalen Hörtraining, da sie sich
. Abb. 6.1. Große Ohren! (Aus Siemensen 2000a)
auf diese Weise langsam auf die gezielte sprachliche Informationsverarbeitung vorbereiten können. Inhaltlich können hier Übungen zu allen auditiven Wahrnehmungsqualitäten eingesetzt werden (7 Kap. 1.4.1, Abschn. »Hören und Hörwahrnehmung«). Gearbeitet wird mit Geräuschen, Klängen oder Rhythmen. Als Material dienen beispielsweise Geräuschdöschen, Instrumente, selbst erzeugte Geräusche und Alltagsgeräusche. Verschiedene Spiele sind in diesem Bereich möglich (Jahn 2007; Breuer u. Weuffen 2006; Lauer 2006; Küspert u. Schneider 2006; Thiel 2000).
Übungssammlung Geräuschesuchspiel. Das Kind soll im Raum Geräusche
lokalisieren (selbst erzeugt oder durch entsprechendes Spielzeug verursacht). i Tipp - Hilfe Mehrmalige oder lautere Geräuschvorgabe erlauben dem Kind, sich länger einzuhören. Geräusche raten. Die Therapeutin macht Geräusche
vor, das Kind muss diese erraten. Je nach Art der Geräusche lässt sich der Schwierigkeitsgrad beliebig steigern (z. B. Papier schneiden, Stoff schneiden, auf Holz klopfen, über den Teppich gehen). i Tipp - Hilfe Die Therapeutin reduziert das Angebot oder wählt sehr unähnliche Geräusche. Geräuschememory. Auch ein Geräuschememory mit
gefüllten Filmdöschen (z. B. mit Streichhölzern, Reis, Erbsen, Büroklammern und anderem Material) macht Spaß und trainiert die Fähigkeiten des Kindes.
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6.2 · Hörtraining
6
i Tipp - Hilfe Mehrmaliges Ausprobieren oder das Reduzieren der Geräuschpaare erleichtern die Schwierigkeit. Dieses Spiel ist wirklich nicht leicht! Instrumente raten. Instrumente können diskriminiert,
identifiziert (»herausgehört«) oder bestimmten Kategorien zugeordnet werden (laut – leise, hoch – tief, lang – kurz). Je nach Instrumentenvorgabe lässt sich auch hier der Schwierigkeitsgrad beliebig variieren. Auch das »Nachkomponieren kleiner Musikstücke« (Instrumente in Reihe) macht Kindern immer wieder Spaß, vor allem wenn besondere Instrumente wie Rainmaker oder Oceandrum zur Verfügung stehen.
Zusammenfassung 4 Zu Beginn der Therapie wird zunächst die nonverbale auditive Wahrnehmung gefördert. 4 Je nach Art der Aussprachestörung kommt diesem Bereich mehr oder weniger Gewicht zu. Während die Förderung der nonverbalen auditiven Wahrnehmungsfähigkeiten bei phonetischen Störungen relativ kurz gehalten werden kann, nimmt sie bei phonologischen Störungen mehr Raum ein.
i Tipp - Hinweis Klangähnliche Instrumente wie Triangel und Zymbeln sind wesentlich schwieriger zu unterscheiden als z. B. Triangel und Trommel. »Musiktanzen«. Entsprechend den kindlichen Bedürf-
nissen lassen sich die einzelnen Leistungen auch gut mit Bewegungssequenzen verbinden. Man kann Geräusche oder Instrumente z. B. bestimmten Bewegungen zuordnen, die beim Hören ausgeführt werden müssen (Trommel = Hüpfen, Triangel = auf Zehenspitzen gehen, Gong = hinlegen). Möglich ist auch die Umsetzung eines vorgegebenen Rhythmus in eine bestimmte Bewegungsform. i Tipp - Materialempfehlung Spiele zur Differenzierung von Alltagsgeräuschen: 4 »Geräusche drinnen«, 4 »Geräusche draußen«, 4 »Klanglotto 1«, 4 »Tierstimmenlotto«. Bei diesen Spielen müssen Geräusche bestimmten Bildern zugeordnet werden. »Klanggeschichten«: 4 »Klanglotto 2«, 4 »Tönende Geschichten«, 4 »Klanggeschichten 1«. Anhand von Situationsbildern oder Bildergeschichten können die Höreindrücke visuell verfolgt oder gesucht werden. Bezug über: Advesco Schubi Lernmedien GmbH, Adresse im e Downloadbereich
6.2.2 Auditive
Wahrnehmungsförderung bei phonetischen Störungen Ein Kind mit einer phonetischen Störung lernt in der Therapie, die von ihm bisher fehlgebildeten Laute korrekt zu artikulieren. Begleitend zur Lautanbahnung und Lautfestigung muss es auch die Fähigkeit erwerben, seine Lautbildung selbst kontrollieren und somit korrigieren zu können (7 Kap. 1.4.1, Abschn. »Hören und Hörwahrnehmung« und 7 Kap. 4.1). Das Hörtraining für Kinder mit phonetischen Störungen gliedert sich in einzelne Bereiche. Es erfolgt innerhalb der einzelnen Therapiephasen parallel zur direkten Arbeit am Laut (7 Kap. 6.6.2). Vor der gezielten Arbeit mit Phonemen erfolgt in den meisten Fällen eine kurze auditive Sensibilisierung im nichtsprachlichen Bereich. Die sich anschließende Förderung der Lautwahrnehmung lässt sich nochmals in Teilbereiche untergliedern, die unterschiedliche Anforderungen an die auditiven Verarbeitungsleistungen des Kindes stellen. Sie werden deshalb in der Therapie aufeinander folgend angeboten (. Übersicht 6.4). Um dem Kind langsam eine Eigenkorrektur seiner Lautbildung zu ermöglichen, wird zunächst seine auditive Fremdwahrnehmung gefördert. Sobald das Kind selber sprechen soll und die korrekten Laute übt, bietet die Therapeutin auch Übungen zur Förderung der auditiven Eigenwahrnehmung an. ! Beachte Die Differenzierung zwischen fehlgebildetem und physiologischem Laut bildet einen Schwerpunkt der auditiven Wahrnehmungsförderung bei phonetischen Störungen.
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
Lautwahrnehmung
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Die Übungen zur Lautwahrnehmung dienen dazu, das Kind zunehmend gezielter auf seine eigene Lautfehlbildung aufmerksam zu machen und den Unterschied zum physiologischen Laut zu verdeutlichen. Das Übungsangebot erstreckt sich von Übungen zur Lautdiskrimination und -identifikation bis hin zu lautanalytischen Aufgaben (Positionsbestimmung des Ziellautes im Wort). Übungen zur Lautanalyse erfordern dabei größere Verarbeitungsleistungen vom Kind als Diskriminations- oder auch Identifikationsübungen. Alle Diskriminations- und Identifikationsübungen lassen sich auf der Ebene von Laut, Silbe, Wort, Satz oder Text durchführen. Sinnvollerweise steigert die Therapeutin das Angebot langsam. So ist es denkbar, zunächst nur Lautdiskriminations- und Lautidentifikationsübungen anzubieten und dabei von Laut- bis zur Textebene zu steigern (also z. B. den Ziellaut zunächst aus Lautreihen, später aus Silben, Wörtern oder ganzen Texten heraushören zu lassen). Genauso ist es aber auch möglich, Lautidentifikationsübungen nur bis zur Wortebene durchzuführen und gleichzeitig analytische Aufgaben auf Silbenebene einzuführen (z. B. die Position des Ziellautes in der angebotenen Silbe bestimmen zu lassen). ! Beachte Übungen zur Lautidentifikation und Positionsbestimmung werden am besten durchgeführt, wenn das Kind den entsprechenden Laut selber auf Silben- oder Wortebene produzieren soll.
3. Diskrimination des Ziellautes vom fehlgebildeten Laut/Identifikation des Ziellautes. Im Folgenden werden beispielhaft verschiedene Übungen zu den genannten Bereichen dargestellt. Das Kind soll in den beschriebenen Beispielen für die physiologische [ ∫ ]-Bildung (statt einer lateralen Bildung) sensibilisiert werden. Dabei werden Übungen entweder zur Laut-, Silben-, Wort- oder Satzebene aufgeführt.
Diskrimination des Ziellautes [ ∫ ] von einem beliebigen Laut/Identifikation des Ziellautes [∫] Wolkenspiel. Die Therapeutin spricht dem Kind belie-
bige Laute vor, das Kind soll das [ ∫ ] erkennen und eine entsprechende Handlung ausführen (z. B. ein Stück Watte auf eine Wolke kleben). Die Laute sollen sich dabei möglichst in vielen Merkmalen unterscheiden, z. B. [ ∫ ] versus Plosive (Lautebene). Zauberschatz. Der Zauberer spricht unterschiedliche
Zauberwörter (Silben mit [ ³], Silben mit anderen Konsonanten). Beim Zauberwort mit [ ³] darf sich das Kind etwas vom Schatz stibitzen, bei anderen Zauberwörtern muss es etwas abgeben (Silbenebene).
Diskrimination des Ziellautes [ ∫ ] von einem phonetisch ähnlichen Laut (Frikative)/ Identifikation des Ziellautes [ ∫ ] Wegsuche. Der Wind weist den Zwergen/Gespenstern
Mit einem durchdachten Hörtraining parallel zur Lautfestigung lässt sich die kindliche Aufmerksamkeit auf den Ziellaut und dessen Einsatz im Wort lenken. Dies kann das Kind gezielt in der korrekten Lautartikulation unterstützen.
den Weg durch den Wald. Es gibt einen Weg für den [ ³]-Wind und einen Weg für alle anderen Windarten (Frikative). Entsprechend der therapeutischen Vorgabe führt das Kind die Zwerge/Gespenster über den [ ³]-Weg oder den anderen Weg durch den Wald (Lautebene).
Lautdiskrimination und Lautidentifikation
Ferienreise. Die Therapeutin spricht Wörter mit [ ³]
Die Lautdiskrimination steht meist am Anfang gezielter Lautwahrnehmungssequenzen, geht aber relativ schnell zu Lautidentifikationsübungen über oder überschneidet sich mit ihnen (Laute müssen meistens nicht nur unterschieden, sondern gleichzeitig aus komplexen Lautgebilden herausgehört werden). Innerhalb dieses Therapiebereichs fördert man drei unterschiedliche Fähigkeiten, die vom Schwierigkeitsgrad ansteigen: 1. Diskrimination des Ziellautes von einem phonetisch unähnlichen Laut/Identifikation des Ziellautes. 2. Diskrimination des Ziellautes von einem phonetisch ähnlichen Laut/Identifikation des Ziellautes.
oder anderen Frikativen im Anlaut vor. Das Kind erhält für jedes richtig gehörte [ ³] einen Stempel in seinen Reisepass, damit es in das [ ³]-Ferienland einreisen kann (Wortebene).
Diskrimination des Ziellautes [ ∫ ] vom fehlgebildeten Laut (lateralen[ ∫ ])/ Identifikation des Ziellautes [ ∫ ] Hexentrank. Die kleine Hexe muss das Hexen üben!
Nur bei Zauberwörtern mit einem physiologischen [ ³] bekommt sie vom Kind eine weitere Zutat für ihren Hexentrank (Silben mit physiologischem und fehlgebildetem [ ³], Silbenebene).
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6.2 · Hörtraining
Turmspiel. Die Therapeutin liest verschiedene Sät-
ze vor und produziert dabei physiologische und laterale [ ³]-Laute. Beim physiologischen [ ³] darf sich das Kind einen Bauklotz für den späteren Turmbau nehmen (Satzebene). i Tipp - Hilfe Die Therapeutin kann dem Kind bei allen Übungen die Aufgabe erleichtern, indem sie den Ziellaut besonders betont oder ihn von eventuellen Restlauten abtrennt.
Positionsbestimmung des Ziellautes im Wort Bei dieser schwierigeren Verarbeitungsleistung soll das Kind erkennen, ob sich ein Ziellaut am Anfang, in der Mitte oder am Schluss einer Silbe oder eines Wortes befindet. Gerade für die Übernahme eines neu erlernten Lautes in die Spontansprache ist diese Fertigkeit eine wichtige Voraussetzung. Das Kind lernt, das Wort formal zu zergliedern und Anlaute von In- und Auslauten zu unterscheiden. Es erkennt somit, dass der gewünschte Ziellaut an einer ganz bestimmten Wortposition produziert werden muss und die Laute im Wort in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet sind. Dementsprechend bieten sich vor allem Spiele an, bei denen einzelne Elemente in Reihe präsentiert oder geordnet werden (z. B. ein Zug mit der Lok vorne und dem Waggon in der Mitte und hinten, ein Bus mit Sitzplätzen vorne, in der Mitte und hinten). Optimalerweise achtet die Therapeutin darauf, dem Kind die Reihe entsprechend der Schreibrichtung von links nach rechts zu präsentieren. Damit ist »vorne« für das Kind immer links, »hinten« rechts.
Übungsmöglichkeiten für ein Kind mit einem lateralen Schetismus Zugtransport. Ein Zug transportiert alle Tiere zur Wei-
de. Es gibt einen vorderen, einen mittleren und einen hinteren Waggon. Die Therapeutin spricht Silben mit initialem, medialem oder finalem [ ³], das Kind ordnet die Tiere den entsprechenden Waggons zu (Silbenebene). Zauberschlange. Die Zauberschlange möchte ger-
ne bunt werden! Entsprechend den Zauberwörtern der Therapeutin beklebt das Kind die Schlange vorne, in der Mitte oder hinten mit Transparentpapier oder Krepppapierkügelchen (Silbenebene). (Raum-) Schiff. »Ein Schiff fährt über´s Meer…!« Jeder
Passagier erhält sein spezielles Passwort und steigt dementsprechend vorne, in der Mitte oder hinten ein.
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Oder: Ein Raumschiff fliegt auf den Mond, die Astronauten verteilen sich entsprechend der Anweisung des Bordkommandeurs (Wortebene)! i Tipp - Hilfe Um die Lautposition zu verdeutlichen, kann die Therapeutin den Laut besonders betonen, ihn kurz von den anderen Lauten absetzen oder, als letzte Hilfsmöglichkeit, eine entsprechende Geste mit der Hand während der Lautabfolge machen.
Eigenwahrnehmung Im Verlauf der Therapie wird die Förderung der Eigenwahrnehmung immer wichtiger. Das Kind muss lernen, seine eigene Lautbildung klanglich einzuschätzen, um sie eventuell verändern zu können. ! Beachte Das Eigenhören kann in den Übungsverlauf einfließen, sobald das Kind selber Laute produzieren muss. Ob dies schon auf Lautebene oder erst auf Wortebene verstärkt geschieht, hängt dabei vom Kind ab.
Ein Kind mit hohem Störungsbewusstsein profitiert möglicherweise eher davon, die physiologische Lautbildung zunächst mit Hilfe der Therapeutin sichern zu können, bevor es selber seine Schwierigkeiten beurteilen muss. Ein Kind, das mit guter Motivation in die Therapie kommt und von Anfang an sehr bewusst mit seiner Lautfehlbildung umgeht, kann dagegen durch das frühzeitige Eigenhören motiviert werden. Dadurch sind auch schnellere Therapieerfolge zu erwarten. Beim Eigenhören wird das Kind bei den Sequenzen zur Lautproduktion aufgefordert, seine eigene Lautbildung zu beurteilen und ggf. zu verändern. Dabei ist wichtig, zusammen mit dem Kind eindeutige Beurteilungskriterien festzulegen. Als Beurteilungshilfen bieten sich Richtwerte an. So kann die Lautbildung mit der eigenen vorherigen verglichen werden (»nicht so gut wie vorhin«, »genauso gut«, »besser als vorher«). Natürlich kann immer das Vorbild der Therapeutin als Anhaltspunkt dienen. Auch das Einführen einer Skalierung ist möglich. Dabei wird mit dem Kind festgelegt, welcher Punktwert welcher Leistung zugeordnet werden soll (z. B. Punktwert 0 = »fehlgebildeter Laut«, Punktwert 1 = »besser als normalerweise«, Punktwert 2 = »fast richtig«, Punktwert 3 = »physiologisch«). Ein Punktesystem lässt sich gleichzeitig sehr gut als spielerische Motivierung nutzen (z. B. wenn man erst mit einer gewissen Punktzahl den Schatz erhält/auf das Trampolin darf/ eine Medaille bekommt).
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
2 3 4 5 6 7 . Abb. 6.2. Häuslicher Übungsplan
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Um die Aufmerksamkeit auch zu Hause gezielter auf die veränderte Lautbildung zu richten, ist es sinnvoll, dem Kind zu diesem Zeitpunkt Hausaufgaben mitzugeben. So soll es z. B. zu festgelegten Terminen selber auf seine Lautbildung achten und diese wie oben beschrieben beurteilen. Ein schematischer Plan, in dem das Kind seine Leistungen notiert, kann in der nächsten Therapie als Ausgangspunkt für weitere Übungen dienen (. Abb. 6.2). Abschließend werden die beschriebenen Ziele der auditiven Wahrnehmungsförderung nochmals in . Übersicht 6.4 aufgeführt.
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Zusammenfassung 4 Bei Kindern mit phonetischen Störungen beinhaltet das Hörtraining vor allem, das fehlgebildete Lautmuster vom physiologischen zu unterscheiden. 4 Übungen zur Phonemdiskrimination und identifikation und das Bestimmen der Ziellautposition im Wort unterstützen die Lautanbahnung und -festigung.
6.2.3 Auditive . Übersicht 6.4. Aufbau des Hörtrainings bei phonetischen Störungen Lautwahrnehmung 1. Lautdiskrimination, 2. Lautidentifikation, 3. Positionsbestimmung des Ziellautes im Wort. Eigenwahrnehmung
Wahrnehmungsförderung bei phonologischen Störungen Im Gegensatz zum Hörtraining bei phonetischen Störungen geht es bei phonologischen Fehlleistungen darum, die Kinder für lautliche Eigenschaften von Sprachstrukturen zu sensibilisieren. Die Kinder sollen lernen, die ihnen angebotene Sprache formal zu analysieren. Ein gezieltes auditives Angebot ermöglicht dem Kind, relevante lautstrukturelle Merkmale eines Wortes abzuspeichern; eine phonologisch orientierte Sprachverarbeitung wird gefördert (7 Kap. 1.2.4). Durch eine Erweiterung des kindlichen phonologischen Wissens und die Auseinandersetzung mit Lautmerkmalen und sprachrhythmischen Besonderheiten lernt das Kind,
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6.2 · Hörtraining
einzelne Laute zu differenzieren und deren Funktion im sprachlichen Kontext zu erkennen. Dies erleichtert später die korrekte Lautverwendung im Wort. Damit wird den Kindern ein Angleichen ihres phonologischen Regelsystems an das der Erwachsenen ermöglicht. ! Beachte Das Hörtraining, besonders die Förderung der auditiven Eigenwahrnehmung, bildet bei phonologischen Störungen den zentralen Therapieschwerpunkt und lässt sich nicht als eigener Therapiebaustein von der laut-sprachlichen Arbeit abgrenzen.
So kann auch keine exakte hierarchische Struktur im Aufbau festgelegt werden. Vielmehr existieren unterschiedliche Teilbereiche, die aufeinander aufbauend oder ineinander greifend die Fähigkeiten des Kindes im phonologischen Bereich verbessern sollen (. Übersicht 6.5). Die Förderung der auditiven Wahrnehmung im nichtsprachlichen Bereich und der phonologischen Bewusstheit (7 Kap. 1.2.5, Abschn. »Lautwahrnehmung und phonologische Bewusstheit«) kann sowohl vorbereitend als auch parallel zur gezielten Arbeit an den phonologischen Prozessen angeboten werden. Letztere beinhaltet in hohem Maße auditive Lautdiskriminations- und Kategorisierungsübungen. Der Förderung der auditiven Eigenwahrnehmung des Kindes kommt dabei besondere Bedeutung zu.
Phonologische Bewusstheit Die gezielte Auseinandersetzung mit Lautaspekten und lautlicher Sprachstrukturierung ist die Voraussetzung für den regelhaften Gebrauch der Phoneme in der Spontansprache. Die Förderung in diesem Bereich orientiert sich am Verlauf der normalen kindlichen Entwicklung (7 Kap.1.2.5, Abschn. »Lautwahrnehmung und phonologische Bewusstheit«). Damit beginnt die Therapie in dem Bereich, der sich auch physiologischerweise als erstes entwickelt. ! Beachte Erst wenn dem Kind die Übungen zur phonologischen Bewusstheit im weiteren Sinne gelingen, kann mit der Förderung der phonologischen Bewusstheit im engeren Sinne begonnen werden.
Im Folgenden werden zu den unterschiedlichen Leistungen der phonologischen Bewusstheit kleine Übungssammlungen vorgestellt und Anregungen für das methodische Vorgehen formuliert. Außerdem wird jeweils auf geeignetes Therapiematerial verwiesen. Neben dem Übungsmaterial, das bei den Einzelleistungen genannt wird, gibt es mittlerweile verschie-
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dene Veröffentlichungen und Materialien, die Ideen und Spielanregungen für alle Bereiche der phonologischen Bewusstheit liefern. i Tipp Materialempfehlung 4 »Hören, lauschen, lernen« (Küspert u. Schneider 2006): Bekannt als das Würzburger Trainingsprogramm liefert dieser Klassiker grundlegende Ideen zu einem strukturiert aufgebauten Vorgehen. Zum Übungsheft gehören auch Bildkarten. Bezug über: Vandenhoeck & Ruprecht 4 »Förderung der phonologischen Bewusstheit zur Vorbeugung von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten« (Christiansen 2005): Die genannten Übungen beziehen sich auf den Aufbau des Würzburger Trainingsprogramms und sind für Gruppen konzipiert. Die sehr ansprechenden und kindgerechten Spielideen sind in einem Übungskatalog zusammengefasst und lassen sich gut für die Einzelarbeit umwandeln. Auch sind passende Arbeitsblätter als Kopiervorlage erhältlich. Hier macht Üben wirklich Spaß! Bezug über: Druckerei Joost 4 »Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsleistungen bei Vorschulkindern« (Burger-Gartner u. Heber 2006): Der Ordner enthält Arbeitsblätter und Spielanregungen, die sich ohne großen Aufwand in der logopädischen Praxis verwenden lassen. Eine theoretische Einführung stellt gut verständlich relevante Zusammenhänge dar. Bezug über: modernes lernen Borgmann KG Alle Adressen s. e Downloadbereich
Phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne Zunächst wird das Kind mit groben auffälligen verbalauditiven Merkmalen vertraut gemacht. Die Auseinandersetzung mit Sprache erfolgt auf Text-, Satz-, Wortund Silbenebene und umfasst: 4 Lieder, Verse und Reime erlernen, 4 Reime erkennen und bilden, 4 Signalwörter aus Texten oder Sätzen heraushören, 4 Nomina Komposita aus Einzelwörtern zusammensetzen, 4 Sätze in einzelne Wörter zergliedern, 4 Wörter in Silben segmentieren.
Übungssammlung »Mit Sprache spielen« Übungen aus diesem Bereich lassen sich gut als Einstieg in die formal-sprachliche Arbeit nutzen. Kinder, die noch nicht bewusst über Sprachstrukturen reflektieren können, profitieren von einer ersten indirekten Sensibi-
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
lisierung durch (Bewegungs-) Lieder, Fingerspiele oder
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Bilderbücher mit Texten in Versform. Entsprechende Bücher sind in den letzten Jahren vermehrt veröffentlicht worden (s. Materialempfehlung). Durch die Einbettung der sprachrhythmischen Spiele in Texte und Handlungen kann sich das Kind noch an semantischen Bezügen orientieren. Gleichzeitig findet eine erste Auseinandersetzung mit Reimen und Silbensegmentierung statt. Hoppe hoppe Reiter. »Hoppe hoppe Reiter, wenn er fällt,
dann schreit er, fällt er in den Graben, dann fressen ihn die Raben, fällt er in den Sumpf, dann macht der Reiter plumps«. Das Kind sitzt bei der Therapeutin auf dem Schoß, sie wippt bei jeder Silbe mit den Knien und öffnet diese beim letzten Wort, so dass das Kind zwischen den Knien hindurch plumpst. Alternativ kann die Therapeutin die Silben durch rhythmischen Druck ihrer Hände auf den Knien des Kindes verdeutlichen. Das ist der Daumen. »Das ist der Daumen, der schüttelt
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die Pflaumen (Zeigefinger), der hebt sie auf (Mittelfinger), der trägt sie nach Haus’ (Ringfinger), und der kleine Schelm isst sie alle alle auf (kleiner Finger)«. Zu jedem Satz wird der entsprechende Finger gezeigt, das Kind soll nach Möglichkeit mitmachen. Ene mene muh. »Ene mene muh, raus bist du, raus bist
du noch lange nicht , sag’ mir erst wie alt du bist«. Mit Abzählversen wie diesem lässt sich leicht derjenige ermitteln, der das nächste Spiel beginnen darf. i Tipp - Materialempfehlung (Bilder-) Bücher 4 »Fingerspiele und andere Kinkerlitzchen« (Pousset 2001): Dieses Buch liefert viele Anregungen für Finger- und Sprachspiele aller Art. 4 »Schöne alte Kinderspiele« (Dürr u. Stiefenhofer 2001): Eine Veröffentlichung mit altbekannten Kinderspielen, darunter auch Finger- und Sprachspiele. 4 »Der Grüffelo« (Scheffler u. Donaldson 2002): Ein wunderschönes spannendes Bilderbuch mit einem Text in Reimform. Eine Maus prahlt, mit dem (Phantasie-) Ungeheuer »Grüffelo« befreundet zu sein und steht ihm dann plötzlich gegenüber..... 4 »Mit Ottern stottern, mit Drachen lachen« (Schreiber-Wicke u. Holland 2006): Ein Bilderbuch, bei dem Verse von A bis Z vom Kind selbst durch das fehlende Reimwort beendet werden sollen. Der Reim ist semantisch gut erschließbar und beinhaltet unterschiedliche Wortarten. Ansprechende Bilder verdeutlichen den Versinhalt, eine Auflösung findet sich am Buchende.
Übungssammlung »Reimen und Silben segmentieren« Dieser Übungsbereich bildet die eigentliche Basis der phonologischen Bewusstheit im weiteren Sinne. Das Kind soll sich mit Reimen und dem Zergliedern von Wörtern in Silben beschäftigen. Dabei können zunächst Übungen herangezogen werden, bei denen semantische Zusammenhänge die phonologischen Aufgaben erleichtern. Bildmaterial bietet dem Kind die Möglichkeit, einen konkreten inhaltlichen Bezug herzustellen und kann deshalb als Hilfe eingesetzt werden. Allerdings kann dieses inhaltliche Assoziieren unter Umständen zu sehr von der Aufmerksamkeit auf die formale sprachliche Struktur ablenken. In diesem Fall ist es sinnvoller, rein auditiv zu arbeiten. Ein Analysieren der sprachlichen Form ohne jeglichen inhaltlichen Bezug stellt bereits eine Steigerung innerhalb dieses Aufgabenbereichs dar. Insgesamt gilt es, dem Kind strukturelle phonologische und sprachrhythmische Merkmale unabhängig von Inhalt und Bedeutung des sprachlichen Angebots zu verdeutlichen. Angelehnt an das Wissen um Sprachverarbeitungsvorgänge werden beim Reimen zunächst rezeptive Übungen angeboten (Verbesserung von InputProzessen, 7 Kap. 1.2.3). Erst wenn das Kind in diesem Bereich sicher ist, wird es zur Reimproduktion angeregt. Hierbei muss das Kind bereits komplexe phonologische Sprachverarbeitungsleistungen erbringen, bei denen nun auch Output-Prozesse gefordert sind. i Tipp Um ein rein phonologisches Verarbeiten zu gewährleisten, kann das Reimen auch mit sinnleerem Material (also Unsinnswörtern) geübt werden. Für manche Kinder ist dies sogar leichter, vor allem, wenn es um das Produzieren von Reimwörtern geht.
Das Silbensegmentieren dient dazu, dem Kind ein erstes Wissen über den Wortaufbau zu vermitteln. Hilfreich für das Kind ist, das Unterteilen der Wörter über möglichst viele Wahrnehmungskanäle zu verdeutlichen. So lassen sich einzelne Silben gut durch Klatschen oder Hüpfen darstellen. Eine höhere Leistung besteht darin, die Anzahl der Silben zu erkennen und visuell zu verdeutlichen (z. B. für jede Silbe einen Bauklotz oder ein Glasnugget). Zunächst sollte das Segmentieren von Zweisilbern geübt werden, danach können Drei- und Mehrsilber in das Wortangebot integriert werden. Die Arbeit mit einsilbigen Wörtern bereitet dem Kind oft Schwierigkeiten, es funktioniert Einsilber gerne zu Zweisilbern um (»Ti-hisch« statt »Tisch«). Deshalb werden entsprechende Wörter erst ganz zum Schluss mit dem Kind geübt.
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6.2 · Hörtraining
> Exkurs Das in der logopädischen Praxis häufig angewandte »Silbenklatschen« ermöglicht dem Kind, die Untergliederung des Wortes wahrzunehmen. Allerdings erhält das Kind durch diese Form der Darbietung keine Information über den Sprachrhythmus des Wortes. Die Silben werden beim Klatschen in der Regel nicht mehr in ihrer natürlichen Betonung angeboten, sondern eher »skandiert« ([‘ba‘na:‘nǨ]). Penner et al. (2006) schlagen vor, die Silbenbetonung durch unterschiedliche Symbole visuell zu verdeutlichen (ein großer Kreis für die betonte Silbe, ein kleiner Kreis für die unbetonte Silbe). Das zunächst visuelle Erkennen des Betonungsmusters soll im Anschluss durch rhythmische Gesten erweitert werden (ein kräftiges Klatschen für die betonte Silbe, ein kurzes Fingerschnipsen oder »die-Nasenspitze-berühren« für die unbetonte Silbe). Durch dieses Vorgehen soll das Kind für das im Deutschen typische trochäische Betonungsmuster sensibilisert werden. Die Wortwahl wird gezielt geplant. Zunächst werden dem Kind zweisilbige Wörter mit trochäischer Betonung im Kontrast zu Einsilbern angeboten (»Blume« versus »Kopf«). Danach werden Wörter gegenüber gestellt, die eine unbetonte Vorsilbe aufweisen, jedoch einmal auf einer betonten Silbe, das andere Mal mit einem Trochäus enden (»Paket« versus »Rakete«). Für die unbetonten Vorsilben wird eine weitere Geste eingeführt (Hände auf den Rücken legen). Penner et al. (2006) betrachten diese Art der Silbenarbeit sowie den Sprachrhythmus als grundlegend für den weiteren Aufbau von Sprachstrukturen. Das von den Autoren entprechend konzipierte Therapieprogramm und therapeutische Vorgehen wird allerdings in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Bilderreime. Dem Kind werden drei Bilder vorgelegt, es
soll das Reimpaar herausfinden, indem es auf die zwei passenden Bilder zeigt (rezeptive Übung). Zusätzlich erschwerend kann das dritte Bild in einem semantischen Zusammenhang zu einem der anderen Bilder stehen (Haus – Maus – Katze). i Tipp - Hilfe Die Therapeutin stellt jeweils zwei Wörter einander gegenüber und betont sie besonders.
Vorsicht Bei Kindern, die sich sehr an der inhaltlichen Bedeutung von Wörtern orientieren, lenken Bilder eventuell ab. Hier bietet die Therapeutin die Wörter nur auditiv an. In diesem Fall muss das Kind die Reimwörter allerdings selber benennen, es handelt sich dann um eine expressive Übung.
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»Dichten«. In einem Zweizeiler fehlt das letzte (Reim- )
Wort. Das Kind ergänzt selbständig (»In einem großen Haus – wohnt eine kleine Maus.«, expressive Übung). i Tipp - Hilfe Durch das Anbieten von drei Bildern, von denen eines das Zielwort zeigt (Maus – Katze – Hund zur Auswahl), kann das Kind verschiedene Begriffe im Zweizeiler ausprobieren: »In einem großen Haus wohnt eine kleine Katze?«, »Nein.«, »Hund?«, »Nein.«, »Maus?«, »Ja!«. Marsmenschensprache. Die Marsmenschen haben
zwar eine andere Sprache, die Wörter reimen sich aber immer auf bekannte Wörter. Das Kind soll zu einem vorgegebenen Wort (Maus) selber das Wort der Marsmenschen erfinden (z.B. »Schaus« oder »Faus«, expressive Übung). Sprechzeichnen. »Schaukel hin und schaukel her, klei-
ner Frosch und großer Bär«. Das Kind spricht den Vers und malt gleichzeitig zu jeder Silbe eine vorgegebene »Schaukel« (nach oben offener Halbkreis) im Wechsel von links nach rechts sowie rechts nach links nach. Die Silbensegmentierung des Verses wird dadurch motorisch erfahrbar und visuell sichtbar. Ein Froschund Bärenbild können als zusätzliche Motivation und semantischer Bezug dienen. i Tipp - Hilfe Die Therapeutin unterstützt das Kind eventuell, indem sie die Malbewegung führt. »Tiergehegeordnung«. Die Tiere müssen in ihre Gehe-
ge gebracht werden. Es gibt Gehege für Tiere mit einsilbigen, zweisilbigen, und dreisilbigen Namen (Kuh, Löwe, Giraffe). Jeder Name wird nach Silben geklatscht und das Tier entsprechend zugeordnet (Silbensegmentierung von Wörtern). Ob die Mutter errät, warum der Hase beim Löwen im Käfig ist? i Tipp - Hilfe Bei Schwierigkeiten spricht die Therapeutin das Wort silbisch oder führt die Hände des Kindes beim Klatschen.
i Tipp - Materialempfehlung Reimen 4 »Haus-Maus-Laus« (Merkspiel mit Dreierreimen): Mit diesem Kartenspiel können zwei bis vier Spieler das Reimen üben. Bezug über: LingoPlay GmbH & CoKG
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
Silbensegmentierung 4 »Silbolo« (Wortgliederung in Silben): Dieses Kartenspiel ist für zwei bis sechs Spieler gedacht. Bezug über: LingoPlay GmbH & CoKG, Adresse im e Downloadbereich 4 »Silben-Rallye«: Bei diesem Brettspiel geht man nicht entsprechend einer gewürfelten Augenzahl sondern entsprechend der Silbenanzahl eines Wortes vorwärts. Bezug über: Habermaaß GmbH, Adresse im e Downloadbereich Sprechzeichnen 4 »Sprache und Bewegung« (Seyd 2004): In diesem Buch werden die grundlegenden Formen für das Sprechzeichnen dargestellt, die einfachen Verse lassen sich gut in der Therapie verwenden. 4 »Vers und Form« (Hertig 2002): Die Sammlung an unterschiedlichsten Versen und Zeichenformen lässt sich in der Therapie variabel einsetzen.
Übungssammlung »Wörterspiele«
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In diesem Übungsbereich soll sich das Kind intensiv mit Einzelwörtern beschäftigen. Dazu gehört zunächst, Wörter aus Texten oder Sätzen herauszuhören. Das Identifizieren von Wörtern fordert vom Kind eine erste bewusste sprachlich-auditive Analyse und ermöglicht ihm, seine rezeptiven Fähigkeiten zu verbessern (Aktivierung von Input-Prozessen der Sprachverarbeitung). Um ihm diese komplexe Leistung zu erleichtern, können als (Merk-) Hilfe Bildkarten oder Figuren für die zu identifizierenden Wörter vorgelegt werden. Die auditive Identifikationsleistung ist am schwierigsten, wenn der sprachliche Kontext kein inhaltliches Schlussfolgern ermöglicht. Als Steigerung kann man deshalb Wörter aus Wortreihen heraushören lassen. Die Wörter der Wortreihe können in einem semantischen Zusammenhang stehen oder phonologisch ähnlich aufgebaut sein. Je nach entsprechender Wortwahl lässt sich so der Schwierigkeitsgrad der Übung weiter anheben. i Tipp - Hilfe Bei älteren Kindern lässt sich die Wortidentifikation aus Wortreihen auch mit Unsinnswörtern durchführen. Ein semantischer Bezug ist nicht möglich, eine rein phonologische Analyseleistung wird gezielt gefördert.
Das Zusammenfügen von Nomen zu Nomina Komposita zählt zur auditiven Synthese. Hierbei soll das Kind erkennen, dass einzelne sprachliche »Bausteine« aneinandergehängt werden können. Man beginnt mit einfachen Nomina Komposita wie »Apfel-baum« und
steigert auf solche, bei denen beim Synthetisieren ein Fugenelement ergänzt werden muss (»Sonne-n-blume«). Bildkarten für die Nomen erleichtern die konkrete Vorstellung. Besonders günstig ist, wenn man die neue Bedeutung des Nomen Kompositums auch anhand eines Bildes zeigen kann (Bild von »Apfel«, Bild von »Baum«, Bild von »Apfelbaum«). Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass sich die Bedeutung des Nomen Kompositum bildlich-logisch aus den Einzelnomen erschließen lässt (Bild für »Tür«, Bild für »Schloss«: isoliertes Türschloss, kein Märchenschloss, Bild für »Türschloss«: Tür mit Türschloss). Nomina Komposita, bei denen dieser logische Schluss nicht möglich ist, werden erst ganz zum Schluss in die Arbeit integriert, da hier ein entsprechendes semantisches Wissen erforderlich ist (z.B. »Zaun« + »König« wird zu »Zaunkönig«). Ein weiteres Übungsfeld findet sich im Zerlegen von Sätzen in Einzelwörter. Ähnlich wie bei der Silbensegmentierung von Wörtern lässt sich das Unterteilen visuell oder motorisch verdeutlichen (z. B. für jedes Wort Hüpfen auf den nächsten Schaumstoffblock). Vorsicht Diese Leistung fällt Kindern oft bedeutend schwerer als das Silbensegmentieren, da sich Einzelwörter im Satz nicht immer sofort sprachrhythmisch erschließen lassen. Auf keinen Fall sollten Übungen zur Satzzergliederung mit solchen zur Silbensegmentierung gemischt werden. »Achtung Maus«. Die Therapeutin liest einen Text, das
Kind soll immer beim Signalwort »Maus« der Spielzeugmaus eine Nuss zum Fressen hinlegen (Wortidentifikation). i Tipp - Hilfe Durch besondere Betonung des gewünschten Begriffs oder auch kurzes Stoppen des Sprechflusses vor dem Zielwort erhält das Kind zusätzliche Hinweise. Zauberwort. Man darf erst dann den nächsten Zauber-
stein von der Zauberstraße nehmen, wenn in der Wortreihe das Zauberwort »Rose« ertönt: Hose – Dose – Blume – Rose, wann ist es soweit? Im Anschluss kann man mit den Zaubersteinen einen Schatz auslösen. Wörterfreundschaft. Dem Kind wird ein Wort genannt,
es soll aus zwei weiteren Wörtern das Wort heraussuchen, das mit dem ersten »Freundschaft schließen will«. So lässt sich das Bilden von Nomina Komposita üben (»Garten – Zaun«, zur Auswahl »Straße« und »Zaun«).
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6.2 · Hörtraining
i Tipp - Hilfe Durch Abbildungen der drei Begriffe kann das Zusammenfügen und Entstehen des neuen Begriffs visuell verdeutlicht werden: das Bild für das Anfangsnomen liegt bereit, die zwei anderen Bilder werden rechts angelegt, das entstehende Wort wird »gelesen« (»Garten – Straße«? – »Nein!«, »Garten – Zaun«? – »Ja!«). Wörterdomino. Auf den Dominokarten sind jeweils
zwei Bilder abgebildet. Man muss das linke Bild einer Dominokarte finden, das zusammen mit dem rechten Bild der ersten Karte ein neues Wort (Nomen Kompositum) ergibt (Haus/Baum → Schule/Schloss → Garten/ Blumen → Wiese/Garten). Wörterstraße. Auf dem Boden wird eine Straße aus
Schaumstoffblöcken gelegt. Für jedes Wort in einem vorgegebenen Satz darf man einen Block weiterlaufen (Bewusstmachen der Einzelwörter im Satz). Wann erreicht man das Ziel? i Tipp - Hilfe Die Therapeutin trennt beim Sprechen die einzelnen Wörter deutlich voneinander ab.
i Tipp - Materialempfehlung Wortidentifikation 4 »Ratz-Fatz«, 4 »Ratzolino«. Bei diesen Spielen müssen bestimmte Begriffe aus einer vorgelesenen Geschichte herausgehört werden. Die zu identifizierenden Begriffe liegen als Holzfiguren vor. Bezug über: Habermaaß GmbH, Adresse im e Downloadbereich Nomina Komposita »Aus 2 mach 1« (Kartenspiel): Mit den Karten lässt sich das Zusammensetzen von Hauptwörtern üben. Bezug über: Piatnik Deutschland GmbH, Adresse im e Downloadbereich
Phonologische Bewusstheit im engeren Sinne Aufbauend auf den grobanalytischen Leistungen der oben beschriebenen Übungen erfolgt nun die Auseinandersetzung mit der Phonemgestalt von Wörtern. Damit lernt das Kind, minimale verbal-auditive Einheiten zu erkennen und bewusst mit diesen umzugehen (7 Kap. 1.2.5, Abschn. »Lautwahrnehmung und phonologische Bewusstheit«). Im Wesentlichen geht es dabei um: 4 Anlaute von Wörtern diskriminieren und identifizieren,
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4 Wörter aus Einzellauten zusammmenfügen, 4 Wörter in Einzellaute zerlegen. ! Beachte Bei der Förderung in diesem Bereich sollte berücksichtigt werden, dass sich die Fähigkeiten physiologischerweise erst im Vorschulalter entwickeln. Damit entfällt das im Folgenden beschriebene Vorgehen bei deutlich jüngeren Kindern.
Bei allen Übungen zur phonologischen Bewusstheit im engeren Sinne wird mit Einzellauten gearbeitet. Das Kind soll lernen, die klanglichen Unterschiede der Laute auditiv zu unterscheiden. Um diese Leistung langsam aufzubauen und die Anforderungen sukzessive zu steigern, werden die Laute gezielt ausgewählt. Begonnen wird mit Lauten, die aufgrund ihrer distinktiven (unterscheidenden) Merkmale auditiv leichter wahrnehmbar sind und von anderen Lauten besser abgegrenzt werden können. Erst zum Schluss erfolgt die Arbeit mit minimalen Unterschieden im Lautklang. Damit ergibt sich der folgende hierarchische Aufbau in der Lautauswahl (dargestellt am Beispiel des Anlautes): 1. Langvokale, z. B. bei Ofen und Esel, 2. Kurzvokale, z. B. bei Affe und Insel, 3. Dehnbare Konsonanten a) Frikative, z. B. bei Schule und Fuß, b) Lateral und Vibranten, z. B. bei Lampe und Regen, c) Nasale, z. B. bei Mond und Nase, 4. Nicht dehnbare Konsonanten a) stimmlose Plosive, z. B. bei Kanne und Tisch, b) stimmhafte Plosive, z. B. bei Ball und Dach. Die Abfolge innerhalb der Gruppen von dehnbaren und nicht dehnbaren Konsonanten kann je nach kindlichen Schwierigkeiten variiert werden (z. B. Beginn mit stimmhaften Plosiven vor stimmlosen Plosiven oder zunächst Verwendung von Lateral und Vibrant vor der Arbeit mit den Frikativen). Die Nasale sollten jedoch erst am Ende in die Arbeit mit den dehnbaren Konsonaten einbezogen werden, da sie auditiv schwer differenzierbar sind und ihre Unterscheidung Kindern oft bis ins Schulalter schwer fällt.
Übungssammlung »Anlautidentifikation« Bevor mit dem Kind an der Lautabfolge in Wörtern gearbeitet wird, erhält es die Möglichkeit, seine Aufmerksamkeit auf einzelne Laute im Wort zu richten. Die Anlautidentifikation bietet sich an, da Laute
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
zu Beginn eines Wortes leichter wahrnehmbar sind als in der Wortmitte und deren Position dem Kind gut verdeutlicht werden kann. Bei der Anlautidentifikation muss das Kind eine erste auditive Analyseleistung erbringen, da es den Anlaut aus dem Wort als Gesamtkomplex herauslösen und von den anderen Lauten differenzieren muss. Die Arbeit in diesem Bereich stellt deshalb die Grundlage für die darauf aufbauenden Übungen der Lautsynthese und Lautanalyse dar. Je nach Art der Aufgabenstellung werden ausschließlich rezeptive oder rezeptiv-produktive Sprachverarbeitungsvorgänge gefördert (7 Kap. 1.2.3). Übungen, bei denen das Kind lediglich hören muss (»Hörst du ein [m] am Anfang von Mond?«) erleichtern ihm, die Anlaute später selber zu produzieren (»Was hörst du am Anfang von Mond?«). Damit ergibt sich ein Vorgehen, bei dem das Kind die Anlaute zunächst nur identifizieren, später identifizieren und benennen soll. i Tipp Das Dehnen oder Betonen des Wortanlautes hilft dem Kind, diesen auditiv besser wahrzunehmen, wobei der exakte Lautklang beim Dehnen beibehalten werden muss.
Wenn die Therapeutin bei rezeptiven Übungen den Anlaut auch isoliert vorgibt, achtet sie darauf, diesen Laut genau so auszusprechen, wie er in der Lautabfolge im Wort hörbar wird (»Hörst du ein [a] am Anfang von Affe?« anstelle von »Hörst du ein [a:] am Anfang von Affe?«). Bei diesen Übungen kann sie dem Kind außerdem Grapheme als Merkhilfe anbieten. Gerade Vorschulkinder sind häufig sehr stolz, erste Buchstaben erkennen zu können oder zu lernen. ! Beachte Der Einsatz von Graphemen zur Förderung der phonologischen Bewusstheit ist immer als Unterstützung für die auditive Wahrnehmung zu sehen und sollte nicht als »Lesen- oder Schreibenlernen« missverstanden werden!
Wörter, bei denen das Kind die Anlaute selber benennen soll, müssen so gewählt werden, dass das Kind diese Laute isoliert produzieren kann. Eventuell kann bei entsprechenden Übungen deshalb nicht mit allen Lauten gearbeitet werden.
i Tipp Übungen zur Anlautidentifikation lassen sich auch mit Unsinnswörtern durchführen. Ausgehend vom Sprachverarbeitungsmodell (7 Kap. 1.2.5) wird hier das phonologische Erkennen gefördert, da für Unsinnswörter keine Einträge im Ein- oder Ausgangsspeicher vorliegen.
Als Erweiterung dieser Übungskategorie ist es möglich, Aus- oder Inlaute vom Kind identifizieren und benennen zu lassen oder die Position von einzelnen Lauten im Wort zu bestimmen. Auch Vokale als Silbenkern können vom Kind im Wort identifiziert werden (»Was hörst du in Schal?«), diese Art der Übung wird in der Lese- und Rechtschreibtherapie gerne als Einstieg verwendet. ! Beachte Lautidentifikationsleistungen sind eine zentrale Voraussetzung für die Überwindung phonologischer Prozesse wie auch den Erwerb von Schriftsprachefähigkeiten. Anlaute-Sortieren. Das Kind erhält die Anweisung, der E-Zauberin beim Sammeln von E-Bildern zu helfen. Es
soll alle Wörter mit [e] im Anlaut herausfiltern. Die Therapeutin benennt verschiedene (für das Kind nicht sichtbare) Bildkarten. Hat sich das Kind entschieden, erhält es die Bildkarte (auf der auch das Schriftbild zu sehen ist). Diese Übung kann rezeptiv oder rezeptivproduktiv gestaltet werden. i Tipp - Hilfe Zur Kontrolle dient eine Buchstabenkarte mit dem Graphem E. Das Kind kann durch Vergleich des Schriftbildes (beziehungsweise des ersten Buchstabens) mit der Buchstabenkarte seine Antwort überprüfen. Warenlager-Sortiment. Das Kind soll den A-, O- und E-
Einkaufsläden die richtigen Waren für ihr Warenlager zuordnen. Dem Kind werden Wörter mit den jeweiligen Anlauten vorgesprochen, es soll diese richtig identifizieren, benennen und kategorisieren. Danach darf es den entsprechenden Gegenstand einsortieren (rezeptiv-produktive Übung). Anlaute-Domino. Die Dominokarten müssen immer
entsprechend des passenden Anlautes zusammengelegt werden. Das Kind benennt die Bilder selber, identifiziert den Anlaut und sucht sich zum Anlegen ein passendes Bild mit dem gleichen Anlaut (rezeptivproduktive Übung).
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6.2 · Hörtraining
i Tipp - Hinweis Bei der Anlautidentifikation nach eigenständigem Benennen des Bildes (Output-Prozess) werden andere Sprachverarbeitungsvorgänge aktiviert als beim Identifizieren nach auditiver Fremdvorgabe (InputProzess)!
i Tipp - Materialempfehlung 4 »Initialo« (Anlaute-Schwarzer-Peter), 4 »L wie Löwe« (Ablegespiel zur Anlauterkennung). Mit beiden Kartenspielen kann das Identifizieren von Anlauten geübt werden. Bezug über: LingoPlay GmbH & CoKG, Adresse im e Downloadbereich 4 »AnlautFit« (Kartenspiel): Auf jeder Karte ist ein Bild zu sehen, zu dem ein zweites mit dem gleichen Anlaut gesucht werden muss. Ein Ablenkerbild erhöht die Schwierigkeit. Bezug über: ProLog Therapie- und Lernmittel, Adresse im e Downloadbereich
Übungssammlung »Lautsynthese« Dieser Therapiebereich fordert vom Kind differenzierte Leistungen im Umgang mit einzelnen Lauten. Das Kind muss in der Lage sein, Einzellaute auditiv korrekt wahrzunehmen, sich die vorgegebenen Laute zu merken und diese dann in der korrekten Reihenfolge so zu produzieren, dass ein Wort entsteht. Hierbei muss unterschieden werden, ob dem Kind das entstehende Wort inhaltlich bekannt ist oder nicht. Handelt es sich um Wörter, die das Kind aus seinem Alltag kennt, so kann es semantisch assoziieren und eine bildliche Vorstellung des Begriffs entwickeln. Bei Wörtern, die das Kind inhaltlich noch nicht kennt (oder bei Unsinnswörtern), ist dies nicht möglich. Versucht man diese Leistung mit Hilfe eines Sprachverarbeitungsmodells zu erklären, so zeigt sich, dass das Kind bei solchen Wörtern nicht auf bestehende Einträge in seinem Ein- oder Ausgangsspeicher zurückgreifen kann (7 Kap. 1.2.3). Statt dessen wird hier eher das Erstellen neuer motorischer Programme gefordert. Das Synthetisieren von Lauten zu Unsinnswörtern kann mit dem Kind deshalb ergänzend geübt werden. i Tipp In der Regel fällt dem Kind die Lautsynthese leichter, wenn es die entstehenden Wörter mit einem inneren Bild verbinden kann.
Bevor das Kind explizit einzelne Laute synthetisieren soll, können zunächst Einzellaute vom Restwort abgetrennt angeboten werden (»Was wird aus
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Sch- ule?«). Diese Art der Übung ist einfacher und
kann das Kind auf die eigentliche Lautsynthese vorbereiten. Bei der Itemauswahl sollte darauf geachtet werden, zunächst Wörter anzubieten, die sich aus dehnbaren Lauten zusammensetzen. Später können dann auch nicht dehnbare Laute integriert werden. Damit die Anforderung an die kindliche Merkfähigkeit langsam steigt, werden erst Wörter mit wenigen Lauten gewählt (z. B. Fuß), nach und nach wird die Lautanzahl gesteigert (z. B. Schmetterling). Um dem Kind das Zusammenfügen der Laute zu verdeutlichen, können die Einzellaute visualisiert werden (z. B. für jeden Laut einen Bauklotz). Zunächst spricht die Therapeutin jeden Laut isoliert und zeigt dabei auf den zugehörigen Klotz, das Synthetisieren demonstriert sie im Anschluss durch das Zusammenschieben der Bauklötze. ! Beachte Die einzelnen Laute müssen von der Therapeutin genau so ausgesprochen werden, wie sie durch koartikulatorische Vorgänge im Wort hörbar sind. Dies betrifft vor allem: 4 Kurzvokale isoliert kurz (z. B. [a] - nicht [a:] - bei »Kannen«), 4 Stimmlose Plosive isoliert ohne Schwa-Laut (z. B. [k] - nicht ([kǨ] - bei »Kind«), 4 Diphthonge isoliert nicht trennen (z. B. [aǹ] - nicht [a] + [ǹ] - bei »Eis«), 4 Endungs-e als Schwa-Laut (z. B. bei »Hose«), 4 Vokalisierung des Endungs-er (z. B. bei »Wasser«), 4 Auslautverhärtung bei stimmhaften Plosiven (z. B. bei »Korb«). Wörter-Finden. Die Therapeutin spricht dem Kind
einzelne Laute vor, es soll diese synthetisieren und das entstandene Wort aus einer Bilderauswahl herausfinden. i Tipp - Hilfe Die Pausen zwischen den Einzellauten werden verkürzt. Menschen-Roboter. Ein Roboter, der so aussieht wie
ein Mensch, kann nur die Einzellaute von Wörtern unverbunden sprechen (Therapeutin). Wenn er mit dem Hilfsroboter (Kind) bei jedem Einzellaut in Verbindung tritt (Fingerimpuls auf den Handrücken), kann der Hilfsroboter die Signale aufnehmen und in ein normales Wort umwandeln (Lautsynthese). Straßenbaumeister. Die Steine (Moosgummiplatten) lie-
gen unverbunden nebeneinander. Die Therapeutin arti-
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
kuliert die Einzellaute eines Wortes, das Kind synthetisiert die Laute und darf die entsprechende Anzahl an Steinen zu einem Teilstraßenstück zusammenbauen.
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Wörterbaumaschine. Für jedes Wort gibt es ein Bild,
das die Therapeutin entsprechend der Lautanzahl zerteilt hat (z. B. Bild von »Schal«, zerschnitten in 3 Teile). Die Bildteile liegen verdeckt auf dem Tisch. Nachdem das Kind die Einzellaute synthetisiert hat, darf es die Bildteile umdrehen und zusammensetzen. Anhand des Bildes kann es überprüfen, ob es das richtige Wort produziert hat.
Übungssammlung »Lautanalyse« Das Zerlegen von Wörtern in Einzellaute ist eine sehr schwierige Leistung und beendet in der Regel die Förderung im Bereich der phonologischen Bewusstheit. Ähnlich wie bei der Lautsynthese reihen sich mehrere Teilleistungen aneinander und müssen exakt koordiniert werden, damit die entsprechende Aufgabe gelöst werden kann. Das Kind muss sich das ihm angebotene Wort solange merken, bis ihm das Zerlegen in die Laute geglückt ist. Es muss die Lautabfolge auditiv korrekt wahrnehmen, die Laute trennen und schließlich in der passenden Reihenfolge einzeln aktivieren und produzieren können. Dazu sind physiologische Lautdifferenzierungsfähigkeiten eine notwendige Voraussetzung. Um die Anforderungen für das Kind langsam zu steigern, werden (wie bei der Lautsynthese) bestimmte Grundsätze bei der Itemauswahl berücksichtigt: 4 Zunächst Wörter mit wenig Lauten, später Erhöhen der Lautanzahl im Wort, 4 zunächst Wörter mit dehnbaren Lauten, später werden nicht dehnbare Laute integriert.
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Zur Verdeutlichung kann die Lautanzahl für das Kind visualisiert werden, indem es für jeden produzierten Laut des Wortes einen symbolischen Gegenstand (z. B. Glasnugget oder Bauklotz) erhält. In der Folge kann es die Laute zählen und so Wortlängen über die Lautanzahl miteinander vergleichen.
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! Beachte
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Wenn das Kind die Einzellaute produziert, sollte darauf geachtet werden, dass es die Laute lautierend, nicht buchstabierend ausspricht. Dies dient auch einer adäquaten Vorbereitung für das Lesen- und Schreibenlernen.
i Tipp Die auditive Analyse kann auch mit Unsinnswörtern geübt werden, ein Zugriff auf gespeicherte Einträge wird hierbei umgangen (7 Kap. 1.2.3).
Lautperlenkette. Die Therapeutin bietet dem Kind
Wörter an, die es in seine Einzellaute zerlegen soll. Für jeden Laut erhält das Kind eine Perle, die es im Anschluss auffädeln darf. i Tipp - Hilfe Beim Vorsprechen kann die Therapeutin die einzelnen Laute schon etwas voneinander trennen. Wörtertürme. Das Kind erhält für jedes Wort, das es
korrekt in seine Einzellaute zerlegt, die entsprechende Anzahl an Bauklötzen. Aus den Klötzen wird ein Turm gebaut, für jedes Wort ein extra Wortturm. Vor den Turm wird das passende Bild gelegt, im Anschluss können die Wortlängen anhand der Turmhöhen miteinander verglichen werden. Lautanzahl-Quartett. Jeweils vier Karten müssen einan-
der zugeordnet werden. Das Kriterium ist dabei die Lautanzahl. Es gibt vier Bilder von Wörtern mit drei Lauten (z. B. Hut, Fuß, Schal, Ball), vier Bilder von Wörtern mit vier Lauten, vier Bilder von Wörtern mit fünf Lauten. Wenn man vier Karten einer Kategorie gefunden hat, dürfen die Karten abgelegt werden. Die Karten werden im Wechsel voneinander gezogen, die Wörter in die Laute zerlegt und zugeordnet. i Tipp - Hilfe Dies ist ein schwieriges Spiel. Zwischen den Spielern sollte ein Sichtschutz stehen, damit man seine eigenen Karten vor sich ablegen kann und dadurch einen besseren Überblick behält. Das Zerlegen in die Einzellaute erfolgt trotzdem laut, damit die Therapeutin Hilfen geben kann. Lautanzahl-Memory. Die Bilder liegen verdeckt auf dem
Tisch, ein Bild wird umgedreht, das Wort in seine Einzellaute zerlegt und die Lautanzahl bestimmt. Genauso verfährt man mit dem nächsten Bild. Passt die Lautanzahl der zwei Wörter zusammen, erhält man das Paar. Ansonsten bleibt ein Bild offen liegen, das zweite wird wieder umgedreht. Bei jedem neuen Zug bleibt ein weiteres Bild offen, so dass man im Velauf immer mehr Möglichkeiten erhält, ein Paar zu finden. i Tipp - Materialempfehlung 4 »PhonoFit: Lautanzahl? … Nicht egal!«: Die Bilderkarten werden entsprechend ihrer Lautanzahl zu Paaren zusammensortiert. Insgesamt ergeben sich 20 Kartenpaare.
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6.2 · Hörtraining
4 »LautFit« (Kartenspiel): Zu jedem bildlich dargestellten Wort muss aus zwei weiteren Bildern das herausgesucht werden, dessen Wort die gleiche Lautanzahl wie das Ausgangswort hat. Bezug über: ProLog Therapie- und Lernmittel, Adresse im e Downloadbereich
Bezug zu den phonologischen Prozessen Um die spezielle Problematik des gerade behandelten phonologischen Prozesses aufzugreifen und die Lautdifferenzierung und -kategorisierung zu unterstützen, werden gezielt einzelne Übungen zur phonologischen Bewusstheit ausgewählt. Es gelten dabei folgende Grundsätze: Substitutionsprozesse. Das Kind hat Schwierigkeiten,
einzelne Laute zu differenzieren und an bestimmten Wortpositionen voneinander abzugrenzen. Um die kindliche Aufmerksamkeit auf die vom Prozess betroffenen Laute zu lenken, werden vor allem Lautidentifikationsübungen und Übungen zur Silbensegmentierung durchgeführt. Bei den Spielen zur Anlautidentifikation werden als Anlaute die vom Kind substituierten Laute sowie die Ersatzlaute gewählt. Silbenstrukturprozesse. Die
kindliche Schwierigkeit besteht im Wahrnehmen von Wortstrukturen und Analysieren der jeweiligen Einzelelemente. Das Kind muss also für den Rhythmus und strukturellen Aufbau von Sprache sensibilisiert werden. Seine Aufmerksamkeit sollte gezielt auf Einzelelemente einer komplexen sprachlichen Äußerung gelenkt werden. Hierfür eignen sich das Sprechzeichnen, Identifizieren von Wörtern in Sätzen, Bilden und Zerlegen von Nomina Komposita, Spiele zur Silbensegmentierung, Unterteilen von Sätzen in Wörter sowie Spiele zur Anlautidentifikation. Lautpräferenz. Das Kind verwendet einen Laut bevor-
zugt, meist in Anlautposition oder an der betonten Stelle im Wort. Es gilt, beim Kind das Bewusstsein für unterschiedliche Anlaute bzw. Betonungssilben zu wecken. Reimspiele, Spiele zur Silbensegmentierung wie auch Spiele zur Anlautidentifikation bieten sich hier an.
Auditive Differenzierung und Kategorisierung von Lautmerkmalen In diesem Bereich werden dem Kind die speziellen lautlichen Eigenschaften der Phonemgruppen bewusst gemacht, die von phonologischen Prozessen betroffen sind. Die kindliche Aufmerksamkeit wird gezielt auf diese Phoneme gelenkt, sie sollen vom Kind audi-
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tiv differenziert werden. Die Therapeutin verdeutlicht wesentliche distinktive Merkmale, Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Es geht darum, das Kind für die bedeutungsunterscheidende Funktion einzelner Phoneme zu sensibilisieren und ihm eigene Lautverwendungsfehler aufzuzeigen. Die Förderung der auditiven Eigenwahrnehmung steht deshalb im Vordergrund, das Kind wird verstärkt zur Lautproduktion angeregt. Das Hörtraining beinhaltet also die Arbeit an der Lautproduktion (bzw. umgekehrt), das genaue methodische Vorgehen ist deshalb in 7 Kap. 6.7 beschrieben. . Übersicht 6.5 stellt die einzelnen Bereiche der auditiven Wahrnehmungsförderung nochmals zusammenfassend dar. . Übersicht 6.5. Aufbau des Hörtrainings bei phonologischen Störungen Phonologische Bewusstheit 1. Phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne (Verse, Reime, Wortidentifikation, Nomina Komposita, Satz- und Wortzergliederung). 2. Phonologische Bewusstheit im engeren Sinne (Anlautidentifikation, Lautsynthese, Lautanalyse). Diskrimination und Kategorisierung von Laut(struktur)merkmalen (Förderung der Eigenwahrnehmung, 7 Kap. 6.7).
Zusammenfassung 4 Bei Kindern mit phonologischen Störungen bildet das Hörtraining den zentralen Schwerpunkt der Therapie. 4 Übungen zur Förderung der phonologischen Bewusstheit im weiteren und engeren Sinne dienen dazu, das Kind für die lautsprachlichen Strukturen zu sensibilisieren. Sie können prozessbezogen ausgewählt werden. 4 Die Förderung der phonematischen Diskriminations- und Kategorisierungsfähigkeit ermöglicht dem Kind eine Auseinandersetzung mit den lautlichen Merkmalen von Phonemgruppen. Sie beinhaltet in hohem Maße das Eigenhören, ist in die gezielte Förderung der Sprachproduktion integriert und wird dort näher erläutert (7 Kap. 6.7).
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
6.2.4 Überlegungen zum
methodischen Vorgehen
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Trotz unterschiedlicher Strukturierung des therapeutischen Angebots bei phonetischen und phonologischen Störungen gibt es einige grundlegende Richtlinien, die die Therapeutin in den Übungssequenzen beachtet: 4 Visuelle Unterstützung, 4 Hilfe bei Schwierigkeiten, 4 Motivation, 4 Hausaufgaben.
Visuelle Unterstützung Kinder, die Schwierigkeiten im Bereich der auditiven Wahrnehmung haben oder mit neuen Übungen konfrontiert werden, kompensieren in der Regel durch eine verstärkte visuelle Kontrolle. Es ist also sehr wichtig, die Aufmerksamkeit des Kindes gezielt auf das Hören zu lenken. Die Therapeutin achtet deshalb bei ihren Vorgaben darauf, visuelle Hilfen nur bei Schwierigkeiten des Kindes anzubieten. So wird z. B. ein Sichtschutz aufgestellt oder das eigene Mundbild beim Vorsprechen abgedeckt.
Hilfe bei Schwierigkeiten Ist ein Kind nicht in der Lage, die geforderte Leistung zu erbringen, bietet die Therapeutin gezielte abgestufte Hilfestellungen an (z. B. indem sie den Laut, den das Kind identifizieren soll, besonders betont oder ihn vom Rest des Wortes abtrennt). Erst wenn es dem Kind möglich ist, eine gestellte Aufgabe richtig zu lösen, werden die Hilfestellungen nacheinander wieder abgebaut. Die visuelle Unterstützung (z. B. über das Mundbild) sollte beim Hörtraining als letzte Hilfsmöglichkeit gewählt werden. Eine Steigerung des Schwierigkeitsgrades einer Übung erfolgt erst, wenn das Kind die vorherige Stufe ohne Hilfe bewältigen kann!
Motivation Das Kind nimmt beim Hörtraining zunächst eine passive Rolle ein, es re-agiert auf die Aktion der Therapeutin. Deshalb sollten die Reaktionsmöglichkeiten einen gewissen Anreiz haben und das Kind motivieren. Eine entsprechende spielerische Gestaltung schafft hier gute Voraussetzungen. Die spielerische Umsetzung einer Übung darf das Kind allerdings nicht von der eigentlichen Aufgabe ablenken. Gerade bei Kindern mit phonologischen Schwierigkeiten ist es manchmal sogar hilfreich, die Übung klar und eindeutig durchzuführen und nicht in eine Rahmenhandlung einzubetten. Die Motivierung kann dann durch anschließende freie Spielsequenzen erfolgen.
Hausaufgaben Für manche Kinder scheint die Förderung in der Therapie nicht auszureichen. Die Eltern fragen, ob sie zu Hause mit ihrem Kind üben können. Alle Übungen, die allgemein die auditive Aufmerksamkeit wecken und fördern, können im häuslichen Umfeld mit dem Kind durchgeführt werden (7 Kap. 6.2.1). Auch Spiele, die das Kind eher indirekt mit Sprachstrukturen vetraut machen (phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne) können die Eltern zu Hause anbieten. In 7 Kap. 6.2.3 (Abschn. »Phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne«, Materialempfehlung) sowie im Literaturverzeichnis sind Bücher aufgeführt, die Anregungen für Reimspiele und Abzählverse enthalten (z. B. Dürr u. Stiefenhofer 2001; Pousset 2001). Gezielte, vor allem sprachlautbezogene Übungen sollten allerdings nur in ausgewählten Fällen mitgegeben werden. Viele dieser Übungen erfordern eine eindeutige Anleitung und klare Durchführung, Eltern übernehmen somit die schwierige Rolle der Ko-Therapeuten. ! Beachte Prinzipiell werden nur solche Übungen mit nach Hause gegeben, die das Kind in der Therapie relativ sicher beherrscht!
Einsatz von Computerprogrammen Mittlerweile gibt es verschiedene Softwareprogramme, die die Förderung auditiver Wahrnehmungsleistungen unterstützen sollen. Die Arbeit am Computer hat Vorund Nachteile. Viele Kinder fasziniert der Bildschirm und das Betätigen der Tastatur. Teilweise kennen sie dieses Medium von häuslichen Computerspielen. Gerade ältere Kinder lassen sich durch die Arbeit am Computer oft besser motivieren. Trotzdem sollte der Computereinsatz in der Therapie oder zu Hause gut durchdacht werden. Ein Kind wirklich gezielt zu fördern heißt, das therapeutische Vorgehen genau den jeweiligen kindlichen Bedürfnissen und Möglichkeiten anzupassen. Dem Kind sollten in jeder Übungssequenz die Hilfen angeboten werden, die es genau zu diesem Zeitpunkt benötigt. Die »herkömmlichen« Spiele zur auditiven Wahrnehmungsförderung lassen sich häufig leichter abwandeln und dadurch besser am Leistungsprofil des Kindes orientieren. Zudem ist es für die Therapeutin einfacher, gezielte Hilfen einzusetzen. Dies ist bei der Arbeit am Computer nur sehr eingeschränkt möglich. Hier besteht die Gefahr, Übungen schematisch auszuwählen und das Kind möglicherweise zu über- oder unterfordern.
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6.3 · Grob- und Feinmotorik
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! Beachte Bei der Arbeit am Computer sollte die Hilfe durch einen Erwachsenen unbedingt gewährleistet sein.
4 Übungen zur nonverbalen auditiven Sensibilisierung können von Eltern auch gut zu Hause durchgeführt werden. 4 Der Einsatz spezieller Software zur auditiven Wahrnehmungsförderung sollte gut überlegt werden und individuell auf das Kind abgestimmt sein.
i Tipp - Softwareprogramme 4 AudioLog 4: Diese vierte Version des Hörtrainingsprogramms von AudioLog beinhaltet verschiedene Übungen zur Förderung der auditiven Wahrnehmung und zentralen Sprachverarbeitung. Bezug über: Firma flexoft 4 Detektiv Langohr: – PRO-Version. Das Set für »Pro-fis« besteht aus einer CD, einer CD-Rom und verschiedenen Abbildungen und Bildkarten. Die Höraufgaben dienen der Förderung unterschiedlicher auditiver Wahrnehmungsleistungen innerhalb der Therapiestunde. – HOME-Version. Dieses Programm ist für das häusliche Üben konzipiert, es handelt sich um eine CD-Rom. Bezug über: Trialogo Verlag 4 Multimediaversion des Würzburger Trainingsprogramms zur phonologischen Bewusstheit: Das Trainingsprogramm dient zur Unterstützung der Therapie nach dem Arbeitsbuch »Hören, lauschen, lernen« (Küspert u. Schneider 2006). Zu jeder Übungseinheit des Buches finden sich entsprechende Spiele, die mit den Kindern zusammen bearbeitet werden sollen. 4 Multimedia-Spiele aus dem Würzburger Trainingsprogramm zur phonologischen Bewusstheit: – Lauschen, reimen, Silben trennen, – Sätze, Wörter, Laute. Diese Übungsprogramme sind für das häusliche Üben konzipiert. Bezug über: Laier und Becker/Psychologie & Multimedia GbR Alle Adressen im e Downloadbereich
Zusammenfassung 4 Die Therapeutin gestaltet das Übungsangebot durchdacht, indem sie das Kind ausreichend motiviert und kontinuierliche Hilfe bei Schwierigkeiten anbietet. 4 Die Aufmerksamkeit des Kindes wird gezielt auf das Hören gelenkt, die Therapeutin achtet auf mögliche visuelle Kompensation. 6
6.3
Grob- und Feinmotorik
Grob-, Fein- und Mundmotorik sind bereits entwicklungsphysiologisch eng miteinander verknüpft. Daraus ergibt sich für die Therapie die Notwendigkeit, alle motorischen Teilleistungen mit zu fördern. Therapeutische Möglichkeiten zur Förderung der Grob- und Feinmotorik sind im Folgenden beschrieben.
Der Erwerb von motorischen Fähigkeiten verläuft gemäß einer festgelegten Reihenfolge. Ein Kind entwickelt zuerst die groben Bewegungen wie das Sich-Drehen und Aufsetzen. Erst aus dieser Position wird die gezieltere Bewegung von Händen und Fingern möglich, die Feinmotorik bildet sich aus. Als letztes erfolgt die Weiterentwicklung der Mundmotorik, die letztlich die Lautentwicklung ermöglicht. Dieser Zusammenhang verdeutlicht die Bedeutung der motorischen Fähigkeiten für die Aussprache des Kindes. Diese enge Verknüpfung zeigt sich auch im Bereich der Pathologie. Störungen der groben Körperbewegungen setzen sich häufig in der Feinmotorik und auch in der Mundmotorik fort. Die Motorik der Finger ist in ganz besonders enger Weise mit der Mundmotorik verbunden, was sich z. B. zeigt, wenn Kinder (oder auch Erwachsene) feinmotorisch schwierige Aufgaben durchführen und die Zungenspitze parallel »mitarbeitet«. Umgekehrt bedeutet dies, dass Bewegungsspiele mit den Fingern auch die Entwicklung der orofazialen Motorik fördern. ! Beachte Grob- und feinmotorische Fähigkeiten können innerhalb der phonetisch-phonologischen Therapie gefördert werden. Hier gilt: Starke Abweichungen von der Altersnorm sollten unbedingt interdisziplinär untersucht werden (7 Kap. 5.4.2).
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
. Übersicht 6.6. Spielanregungen zur Förderung der Grob- und Feinmotorik innerhalb der logopädischen Therapie
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4 Kleine Bewegungseinheiten zu Beginn der Stunde und zwischen den einzelnen Übungen erleichtern dem Kind eine effektive Mitarbeit während der ganzen Stunde. Zum Beispiel kann ein Bewegungslied oder ein kurzer Kampf mit Schaumstoffschwertern durchgeführt werden. Auch der Therapeutin tut »Action« gut. 4 Kleine Bildkarten sind in buntbeklebten Klopapierrollen versteckt und werden mit einem Ball abgeschossen. 4 Das Material für eine Übung ist im Zimmer verteilt und darf vom Kind mit der Rakete (dem Rollbrett) eingesammelt werden. 4 Unter die Bildkarten, die benannt werden sollen, sind »Turnkarten« gemischt.
4 Die verschiedenen Übungen einer Stunde werden auf kleinen Kärtchen dargestellt. Nach jeder Übung wird die Karte in einen Briefumschlag, ein Säckchen oder eine Socke gesteckt und auf eine Leine gehängt. 4 Für jede korrekte Lautbildung (oder später für jedes korrekt artikulierte Wort) darf sich das Kind z. B. ein Wattestückchen oder einen Papierstreifen nehmen. Am Schluss der Stunde kann dann ein Schneemann mit Schneeflocken beklebt werden, ein Tiger bekommt die verloren gegangenen Streifen wieder oder eine Bildkarte wird in einen Briefkasten gesteckt.
In der logopädischen Therapie sollte auf alle Fälle dem Bewegungsbedürfnis des Kindes Rechnung getragen werden. Dies gelingt auf vielfältige Weise, wie die Übungen und Spielanregungen in . Übersicht 6.6 verdeutlichen. Der Tonus ist ebenfalls eng mit der Grobmotorik verbunden. Viele Übungen zu den grobmotorischen Fähigkeiten des Kindes fördern gleichzeitig seinen Tonus. Eine hypotone Körperspannung setzt sich auch im orofazialen Bereich fort, das bedeutet in der Konsequenz, dass die Behandlung des orofazialen Hypotonus auch vom Gesamtkörper her begonnen werden muss. Einige einfache Übungen zur Verbesserung des Hypotonus sind in . Übersicht 6.7 zusammengestellt. Seltener begegnet man in der logopädischen Praxis gesamtkörperlich hypertonen Kindern. Diese Patienten wirken häufig extrem »unter Strom« stehend, sehr angespannt, zum Teil auch überfordert. In Bezug auf die Lautbildung äußert sich eine hypertone Körperspannung manchmal in einem interdentalen Sigmatismus oder auch einem Sigmatismus stridens (»pfeifender« Sigmatismus).
Dies gelingt durch kindgerechte Übungen aus der Eutonie (beispielsweise Bobinger 1998), der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobson (z. B. Olschewski u. Knörzer 1996) oder dem Autogenen Training (z. B. Müller 1993).
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i Tipp
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Um effektiv am orofazialen Tonus und der Lautbildung arbeiten zu können, sollte eine ganzkörperliche Tonusregulation mit einbezogen werden. Eutonisierende Übungen können zu Beginn der Stunde oder auch immer wieder zwischen den einzelnen Übungen durchgeführt werden.
. Übersicht 6.7. Tonuserhöhende Übungen 4 Trampolinspringen macht Spaß und belebt. 4 Das Kind geht mit den Fersen aufstampfend wie ein Gorilla oder Elefant durch den Raum. 4 Therapeutin und Kind liegen auf dem Rücken und haben die Füße gegeneinander gedrückt. Diese Maschine setzt sich langsam in Bewegung, steigert die Geschwindigkeit um dann wieder in ein gemächlicheres Tempo zu fallen. 4 Beide sitzen im Langsitz auf dem Boden. Mit den Füßen werden Sandsäckchen aufgenommen und auf ein Tuch (oder in eine Kiste) geworfen. Wer das Sandsäckchen des anderen trifft, bekommt einen Extrapunkt.
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6.4 · Orofaziale Sensomotorik
Zusammenfassung 4 Gute Fähigkeiten im motorischen Bereich sind eine Voraussetzung für die Arbeit an der Artikulation. Dies gilt besonders für phonetische Störungen. 4 Motorische Schwächen sollten in der logopädischen Therapie berücksichtigt und ansatzweise mitbehandelt werden, sofern diese nicht zu ausgeprägt sind. 4 Grundsätzlich erfolgt die Behandlung vom Ganzen zum Detail: Zuerst wird z. B. der Tonus ganzkörperlich aufgebaut, dann erst erfolgt die Tonuserhöhung im orofazialen Bereich.
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Fähigkeiten soll die Lautbildung erleichtert werden, indem das »Instrument«, die orofaziale Muskulatur, verbessert wird. Es muss darauf geachtet werden, dass auch tatsächlich gezielt an den Grundlagen für den jeweiligen Laut gearbeitet wird. Voraussetzung hierfür ist eine genaue Analyse der mundmotorischen Fähigkeiten und Schwächen sowie die genaue Kenntnis der physiologischen Voraussetzungen für die richtige Lautbildung. Die Unterteilung der Mundmotorik in verschiedene Parameter und Bereiche erleichtert die erforderliche differenzierte Betrachtung (7 Kap. 3.2.2, Abschn. »Motorik«). Vorsicht
6.4
Orofaziale Sensomotorik
Der Begriff Orofaziale Sensomotorik umfasst den Bereich der Mundmotorik wie auch die Mundsensorik, die taktile Wahrnehmung im Mundbereich. Auch der orofaziale Tonus wird unter diesen Begriff subsumiert.
i Tipp Die Förderung der kindlichen Fähigkeiten im Bereich der orofazialen Sensomotorik ist aus der logopädischen Arbeit nicht wegzudenken. Dies gilt in besonderer Weise für Kinder mit rein phonetischen Störungen. Die Förderung der orofazialen Sensomotorik ist aber nur ein Bereich unter vielen und sollte deshalb nicht überbewertet werden.
6.4.1 Mundmotorik ! Beachte Einschränkungen in der Mundmotorik sind bei den phonetischen Störungen häufig Ursache für die fehlgebildeten Laute.
Im Gegensatz dazu sind bei den phonologischen Auffälligkeiten mundmotorische Schwächen nicht Ursache der Störung. Sie können aber die Anwendung der korrekt gesprochenen Laute in schwierigeren Lautfolgen erschweren.
Methodisches Vorgehen Die Arbeit an der Mundmotorik ist – besonders bei phonetischen Störungen – ein wichtiger Therapiebaustein. Durch das Training der mundmotorischen
Der Mundbereich ist eine sehr sensible Zone, die bei einigen Kindern aufgrund ihres Störungsbewusstseins negativ besetzt ist.
Dies sollte bei der Durchführung des mundmotorischen Trainings berücksichtigt werden. Es ist empfehlenswert, sich in kleinen Schritten dem orofazialen Bereich anzunähern, beispielsweise wird zuerst das ganze Gesicht geschminkt, dann tupft die Therapeutin kleine Honigkleckse um die Lippen. Als letztes können Stimulationsübungen für die Zungenspitze durchgeführt werden. ! Beachte Die Arbeit am orofazialen Bereich setzt einen vertrauensvollen Kontakt zwischen Kind und Therapeutin voraus. Daraus ergibt sich, dass in der Anfangsphase der Therapie mundmotorische Übungen mit der gebotenen Behutsamkeit angegangen werden sollten.
Wenn mundmotorische Übungen als »Grimassen« oder »Fratzen schneiden« verkauft werden, ist so manches Kind noch begeisterter dabei (. Abb. 6.3)!
Allgemeine Regeln Nach einer eher einführenden und allgemeinen Förderung des orofazialen Bereiches kann mit gezielten Übungen begonnen werden. Die Beachtung folgender Regeln hat sich als hilfreich erwiesen: 4 Die Übungen können zuerst weniger spezifisch sein, sie sollten danach genauer auf das spezielle Problem abgestimmt sein (vom Groben zum Feinen). 4 Der Beginn des Trainings kann in eine Zungengeschichte eingepackt sein (s. auch Franke et al. 2007). 4 Man arbeitet am und im Mund von vorne nach hinten, von den äußeren (perioralen) Regionen des Mundes zum Mundinnenraum (den intraoralen Regionen).
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
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. Abb. 6.3. Mundmotorik für Fortgeschrittene. (Aus Watterson 1994; CALVIN AND HOBBES (©) .)
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6.4 · Orofaziale Sensomotorik
4 Hilfen, z. B. Kontrolle durch den Spiegel, das Mundbild der Therapeutin oder ein Bewusstmachen der Zielregion mit gefrorenen Wattestäbchen, erleichtern es dem Kind, die Übungen durchzuführen. 4 Um die Effektivität der muskelaufbauenden Übungen zu gewährleisten, sollten diese immer mehrmals hintereinander durchgeführt werden. 4 Sehr komplexe motorische Muster werden bei Schwierigkeiten des Kindes in überschaubare Einzelabschnitte zerlegt. 4 Unmutsäußerungen des Kindes sind ernst zu nehmen. Vielleicht können Therapeutin und Kind gemeinsam zu einer Alternative finden, die auf andere Weise »die Mundmuskeln stark macht«. Ähnlich wie bei der Lautanbahnung orientiert man sich auch bei der mundmotorischen Arbeit an einer sinnvollen Reihenfolge der Übungen. Durch den Übungsaufbau nach den oben beschriebenen Regeln wird verhindert, dass das Kind überfordert wird. ! Beachte Das Kind kann sich leichter an die Anforderungen gewöhnen, wenn der Schwierigkeitsgrad der Übungen ansteigt. Durch eine langsame Annäherung wird eine eventuell abwehrende Reaktion verringert. Hausaufgaben. Eine Auswahl an Übungen für den orofa-
zialen Bereich kann dem Kind mit nach Hause gegeben werden. Die Eltern sollten mit den Übungen so vertraut sein, dass sie die richtige Durchführung kontrollieren und ggf. verbessern können. Ein Übungsplan, der vom Kind ausgefüllt werden soll (z. B. durch einen Stempel in das Feld der jeweiligen Mundmotorikübung) erlaubt der Therapeutin eine Kontrolle über die Häufigkeit des Übens. Zusätzlich ist es für das Kind motivierend, wenn es zeigen kann, was es »gearbeitet« hat.
Übungssammlung Um eine Verbesserung der Lautbildung zu ermöglichen, ist es wichtig, genau jene Muskelgruppen und Parameter zu trainieren, die für diesen einen konkreten Laut wichtig sind – oder für Laute, die später behandelt werden. Vorsicht Auch wenn alle mundmotorischen Muster für einen Ziellaut beherrscht werden, ist es trotzdem möglich, dass dieser Laut weiterhin nicht produziert werden kann. Für die Therapie bedeutet das, dass die Bewegung mit der Lautproduktion gekoppelt geübt werden muss.
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Im Folgenden sind einige Anregungen für zielgerichtete Mundmotorikübungen beschrieben (s. auch Lleras u. Müller 1993 oder Kittel 2009). Diese sind nach den Regionen Zunge – Lippen – Wangen gegliedert.
Übungen für die Zunge Die Zunge ist das wichtigste Organ für die Artikulation. Der Zungenmuskel ist ein ganz besonderer Muskel, da er am einen Ende frei beweglich ist. Dadurch hat er wesentlich differenziertere Möglichkeiten als alle anderen Muskeln, er ist aber auch leichter von Funktionseinschränkungen betroffen. Bei Kindern mit phonetischen Störungen liegen häufig Defizite im Tonus oder der Beweglichkeit der Zunge vor. Auch eine eingeschränkte Bewegungssteuerung tritt häufig zutage.
Übungen zur Förderung von Tonus und Kraft Bonbon im Mund. Die Zunge wird von innen fest gegen
die Wange gedrückt, Therapeutin und Kind können fühlen und sehen, wie dick das Bonbon ist. i Tipp - Hinweis Ein Spiegel ist bei fast allen Übungen zur Mundmotorik eine gute Hilfe. Besser als ein Handspiegel ist allerdings ein an der Wand befestigter Spiegel geeignet, da das Kind sich dann nur auf den Mundbereich und nicht zusätzlich auf die Handhaltung zu konzentrieren braucht. Zunge spitzen. Die Zunge wird spitz herausgestreckt,
draußen gespannt gehalten, eventuell kann man noch ein Fischli oder einen Smartie darauf balancieren. i Tipp - Hilfe Mit Hilfe des Spiegels kann das Kind kontrollieren, ob die Zunge wirklich spitz ist. Zauberbrot. Ein Stückchen Backoblate wird auf die
Zungenspitze gelegt und mit einem Schnalzen an den Gaumen geklebt und somit weggezaubert. Mit der Zungenspitze wird das Zauberbrot (Oblatenstückchen) vom harten Gaumen abgerubbelt. i Tipp - Hilfe Bei der Durchführung der Übung ist darauf zu achten, dass das Kind die Oblate nur sehr kurz auf der Zungenspitze hält, bevor es schnalzt. Oblatenstückchen, die bereits gut eingespeichelt sind, lassen sich kaum mehr von der Zunge lösen. Spatel drücken. Speziell für die Zungenränder eignet
sich die folgende Übung: Ein Holzspatel wird seitlich
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
an den Zungenrand angelegt. Das Kind soll die Zunge nach seitlich bewegen, die Therapeutin hält den Spatel dagegen. Die Seiten werden abgewechselt.
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i Tipp - Hilfe Das Kind soll die Zunge zuerst gerade herausstrecken, dann erst wird der Spatel angelegt.
Übungen zur Förderung von Schnelligkeit und Beweglichkeit Zungenturnen. Die Zunge »turnt« rein – raus, hoch – runter, hin – her und zwar schnell und auch langsam. Kompensatorische Mitbewegungen sollen hierbei vermieden werden.
i Tipp - Hilfe
7
9 10 11 12 13
Bei kompensatorischen Mitbewegungen des Unterkiefers hilft dem Kind manchmal die eigene Hand am Kinn, um die Mitbewegungen zu spüren und dann zu vermeiden.
Übungen zur Förderung der Koordination Zähne ablecken. Lippen und Zähne werden abgeleckt,
mal oben, mal unten, mal oben und unten, schnell und langsam im Wechsel. i Tipp - Hilfe Ein Unterteilen der Übung in kurze Teilabschnitte erleichtert dem Kind die Durchführung. Zähne zählen. Die Zungenspitze fährt von Zahn zu
Zahn und zählt. i Tipp - Hinweis
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Die tatsächliche Anzahl der Zähne ist nicht wichtig, der Weg ist das Ziel.
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Zickzack stempeln. Die Zunge drückt immer abwech-
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selnd oben und unten gegen einen Zahn und bewegt sich auf diese Weise einmal von der einen zur anderen Seite.
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i Tipp - Hilfe
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Mundraumerkundung. Mit dem Kind gemeinsam wird
der Mundraum erforscht, als ob er das Weltall wäre. Wo fühlt es sich weich oder hart an, wo endet der Mundraum oben? i Tipp - Hilfe Manche Kinder finden es unterstützend, wenn sie anschließend ihre taktilen Eindrücke mit Spiegelbild und Gebissmodell vergleichen können. So werden die verschiedenen Wahrnehmungen verknüpft.
Übungen zur Förderung der Bewegungssteuerung Nutellatupfen. Auf den Lippen und später auch im
Mund werden Nutellatupfen mit einem Wattestäbchen aufgebracht. Das Kind soll diese Stelle mit der Zunge sauber lecken. Das gleiche geht auch mit Honig oder Schokoladenstreuseln. Vorsicht Bei allen mundmotorischen Übungen mit Hilfe von Süßigkeiten oder anderen Lebensmitteln muss vorher eine Allergie, z. B. auf Nüsse oder Farbstoffe ausgeschlossen werden! Gummibärchen-Such-und-Finde-Spiel. Mit einem Gum-
mibärchen, das auf einen Zahnstocher gespießt ist, werden verschiedene Stellen außerhalb und innerhalb des Mundes berührt. Das Kind soll mit der Zunge den Ort wiederfinden, wo es die Berührung gespürt hat. i Tipp - Hilfe Da periorale Reize meist besser wahrgenommen werden als intraorale, sollte mit der Stimulation außerhalb des Mundes begonnen werden. Eisstäbchen. Gefrorene Orangensaft-Wattestäbchen
Im Spiegel kann das Kind die Zungenbewegung kontrollieren und sich vergewissern, dass sich das Kinn nicht mitbewegt. Zungensee. Speziell für die Kräftigung der Zungen-
ränder und die Koordination der Zungenmuskeln ist diese Übung geeignet: Die Zunge wird außerhalb des Mundes zu einer Schale geformt. Die Therapeutin tropft mit einer Pipette möglichst viele Wassertropfen in die Mulde und zählt mit. Wer schafft am meisten?
können in der gleichen Weise eingesetzt werden. Durch den Kältereiz stimulieren sie besonders stark. ! Beachte Bei allen Übungen mit Süßigkeiten sollten die Eltern informiert werden, damit sie mit dem Kind im Anschluss an die Stunde Zähne putzen können.
Übungen für die Lippen Die Lippen haben für die Artikulation ebenfalls eine wichtige Funktion. Durch Anspannung der Lippen wird der Mundraum verändert, was bei den Vokalen zu einer Veränderung des Klanges führt. Bei manchen Konsonanten – den Labialen – sind die Lippen die Stelle der Engebildung (7 Kap. 1.2.1). Auch für die Bildung der Frikative sind die Lippen von Bedeu-
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6.4 · Orofaziale Sensomotorik
6
tung, beispielsweise wird ein [ ³] ohne Lippenrundung immer zu hochfrequent klingen. Im Folgenden werden einige Übungen für die Lippen beschrieben.
Geräuschbildung. Deshalb sollten auch die Wangen in das mundmotorische Training einbezogen werden.
Übungen zur Förderung von Lippentonus und Mundschluss
Pusteübungen. Alle Spiele, in denen langanhaltend
Hundeknochen. Das Kind hält einen Spatel wie einen
Hundeknochen zwischen den Lippen, währenddessen erzählt die Therapeutin eine kleine Geschichte. Die Übung kann auch mit zwei Hälften von einer großen Oblate durchgeführt werden – die Hälften werden wie ein Entenschnabel im Mund gehalten. Pusteübungen. Pusteübungen sind gut geeignet für die
Spannung des M. orbicularis oris. Es gibt vielfältige Spielmöglichkeiten wie beispielsweise: 4 Seifenblasen machen, 4 feinen Sand von Bildkarten oder Muggelsteinen wegpusten, 4 Tischfußball mit einem Ping-Pong-Ball spielen, 4 Papierschnipsel auf ein Klebebild pusten oder 4 bunte Tintenkleckse mit einem Strohhalm auf dem Papier verteilen. i Tipp - Hinweis Bei Pusteübungen ist darauf zu achten, dass die Voraussetzungen für die Luftstromführung optimal sind. Der Oberkörper sollte deshalb gerade aufgerichtet sein.
Übungen zur Förderung der Beweglichkeit
Übungen zur Förderung von Tonus und Beweglichkeit gepustet wird, sind für den Spannungsaufbau der Wangen geeignet (s. auch Abschn. »Übungen zur Förderung von Lippentonus und Mundschluss«). Bei Pusteübungen ist darauf zu achten, dass das Kind nicht mit aufgeblähten Wangen und auch nicht zu lang pustet! Strohhalm saugen. Das Saugen mit einem Strohhalm för-
dert ebenfalls den Wangentonus. Zum Beispiel können die Plastikplättchen aus dem »Flohspiel« oder Spielmünzen aus Papier angesaugt und transportiert werden. i Tipp - Hinweis Das Kind mit Strohhalmen trinken zu lassen ist eine gute Anregung für zu Hause. Fruchtgummischnüre essen. Fruchtgummi in Spa-
gettiform sind bei vielen Kindern sehr beliebt. Diese Schnüre können in den Mund gesogen oder, nur mit Hilfe der Lippen, hineingeschoben werden. i Tipp - Hilfe Es ist günstiger, die teilweise sehr langen Fruchtschnüre zu halbieren, da einerseits ein Erfolg so leichter möglich ist und das Kind andererseits nicht den Großteil der Stunde damit beschäftigt ist, die Schnüre zu zerkauen!
Rosinen picken. Einzelne Rosinen werden mit den Lip-
pen von einem Teller aufgegriffen. i Tipp - Hilfe Weniger Rosinen auf dem Teller machen die Übung leichter, mehr Rosinen lassen sie schwieriger werden. Lippenstiftküsse. Das Kind drückt Lippenstift-Kuss-
münder auf ein Blatt Papier, diese werden mit Buntstiften zu Schmetterlingen weitergestaltet.
Seilbahn. An einen festeren Baumwollfaden wird ein
kleines Tier geknotet. Nur mit dem Mund soll dieses hochgezogen werden, indem die Schnur mit der Zungenspitze am Alveolardamm fixiert wird, während sich die Lippen vorstülpen, um noch etwas »Leine« zu holen. i Tipp - Hinweis Ungefärbte und wenig fusselnde Garne, z. B. Topflappenwolle, oder spezielle Baumwollgarne aus dem MFT-Bedarf eignen sich als Übungsmaterialien.
Vorsicht Bei der Verwendung von Lippenstiften (oder Schminkfarben allgemein) sollten die Eltern vorher wegen Allergien befragt werden.
Übungen für die Wangen Die Wangen legen sich bei der Artikulation verschiedener Frikative an die Molaren an und bilden somit eine Barriere für den Luftstrom. Fehlt dieses Hindernis, z. B. aufgrund eines schlaffen Wangentonus, kommt es bei der Formung von Frikativen zu einer störenden
Bonbon verstecken. Dieses Spiel wurde bereits bei
den Übungen zur Kräftigung der Zunge beschrieben (s. Abschn. »Übungen zur Förderung von Tonus und Kraft«). Fischmaul. Das Fischmaul ist eine geeignete Übung
speziell zur Förderung der Wangenbeweglichkeit. Bei geschlossenen Lippen werden die Wangen in den Mund gesogen. Fortgeschrittenen gelingt es sogar jetzt noch, die Lippen leicht zu bewegen!
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
i Tipp - Hilfe
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Dem Kind kann die Anleitung gegeben werde, die »Zähne« etwas »auseinander zu machen«, sonst können die Wangen nicht eingezogen werden.
Exkursion. Die Zunge macht nach Anleitung durch die
Therapeutin eine Erkundungsreise durch den Mund (oder nach Amerika, auf den Mond, in einen Dschungel …). Diese Übung dient der Mundraumwahrnehmung.
Luftballon aufblasen. Diese Übung ist ebenfalls geeig-
Stimulation mit Eisstäbchen. Mit in Orangensaft
net, die Wangen zu kräftigen. Einigen Kindern fällt diese Übung sehr schwer, besonders wenn eine Schwäche des Gaumensegels hinzukommt (wie es bei LKGKindern meistens der Fall ist). In diesen Fällen sind einfachere Pusteübungen vorzuziehen.
getränkten und gefrorenen Wattestäbchen berührt die Therapeutin verschiedene Stellen um den Mund herum oder auch im Mund. Das Kind kann die gleiche Stelle bei der Therapeutin zeigen, bei älteren Kindern auch an einem Gebissmodell oder es beschreibt den Ort der Berührung.
Zusammenfassung 4 Die Arbeit an der Mundmotorik ist bei phonetischen Störungen ein wichtiger Therapiebaustein. 4 Die Auswahl der einzelnen Übungen ist genau auf die mundmotorischen Fähigkeiten, die für den anzubahnenden Laut benötigt werden, abgestimmt. 4 Es empfiehlt sich, die Übungen vom Groben zum Feinen und von außen nach innen aufzubauen.
i Tipp - Hilfe Das Kind kann mit dieser Art der Übung leichter vertraut werden, wenn die Reize anfangs außen am Mund gesetzt werden und dies zudem mit Hilfe des Spiegels kontrolliert werden kann. Gummibärenspieße. Verschiedene Stellen im Mund
des Kindes werden berührt – dann soll das Kind diese beschreiben oder die gleichen Stellen am Mund der Therapeutin berühren. Auch das Zeigen des stimulierten Platzes mit der Zunge ist möglich. i Tipp - Hilfe
6.4.2 Mundsensorik Die Fähigkeit, im orofazialen Bereich taktil-kinästhetische Reize wahrzunehmen, wird als Mundsensorik bezeichnet. Diese Wahrnehmung ist nötig, damit das Kind Rückmeldungen über die Lage der Zunge im Mund oder auch die Spannungsverhältnisse von Wangen und Lippen erhält. Auch die Zungenruhelage wird durch die Mundsensorik kontrolliert. Somit hat das Kind in der taktil-kinästhetischen Wahrnehmung ein wichtiges Kontrollinstrument über seine Lautbildung. Häufig ist bei Kindern mit Artikulationsstörungen die taktile Wahrnehmung im Mundraum eingeschränkt, was den Erwerb der korrekten Laute erschwert. Hier kann auch eine ganzkörperliche taktil-kinästhetische Wahrnehmungsschwäche zugrunde liegen. In diesem Fall wird vom Groben zum Feinen gearbeitet, also zuerst an der Körperwahrnehmung, z. B. durch Spiele wie »Buchstaben auf den Rücken schreiben« (weitere Übungen zur Körperwahrnehmung s. Meier u. Richle 2000). Im Folgenden werden Übungen vorgestellt, die geeignet sind, die taktile Wahrnehmung im orofazialen Bereich zu fördern.
Um im Falle eines Rollentausches Verwirrungen zu vermeiden, sollten die Spieße des Kindes farbig markiert sein. Vorne oder hinten. Die Bewusstmachung der vorde-
ren und hinteren Mundregion, z. B. mit einem kleinen Klecks Joghurt oder Honig ist eine gute Vorübung bei Kindern, die [k] durch [t] ersetzen. Ein kleiner Klecks wird vorne im Mund (Mundvorhof, Alveolardamm) oder hinten (Zungenrücken, Übergang vom harten zum weichen Gaumen) aufgetragen, das Kind unterscheidet dann in vorne oder hinten. Vorsicht Der Würgereiz sollte nicht ausgelöst werden!
Zusammenfassung 4 Die taktil-kinästhetische Wahrnehmung im Mundraum ermöglicht dem Kind eine Rückmeldung über die Lage der Zunge. 4 Bei Kindern mit phonetischen Störungen ist die orofaziale Sensorik häufig beeinträchtigt. 4 Stimulationsübungen können die taktile Wahrnehmungsfähigkeit des Kindes verbessern.
131
6.4 · Orofaziale Sensomotorik
6.4.3 Orofazialer Tonus Bei Kindern mit Störungen der Artikulation ist häufig ein nicht ganz ausgewogener Tonus beobachtbar. Dies gilt sowohl für den orofazialen als auch für den ganzkörperlichen Bereich. Ausgeglichene Spannungsverhältnisse im ganzen Körper, Eutonus oder Normotonus genannt, sind zwar optimal für die logopädische Therapie, aber nicht immer erreichbar. Hinweis auf einen mangelnden orofazialen Tonus ist z. B.: 4 ein mangelhafter Mundschluss, oft mit Mundatmung kombiniert, 4 hängende Wangen oder 4 wulstige und aufgeworfene Lippen. Wenn der orofaziale Hypotonus mit einer mangelnden Ganzkörperspannung (7 Kap. 6.3) einhergeht, sollte die Förderung des orofazialen Tonus mit der Erhöhung des ganzkörperlichen Tonus beginnen. Auch ein Hypertonus im Mundbereich kommt vor. Hier lässt sich häufig eine eingeschränkte Beweglichkeit der Lippen oder auch ein »festgefrorenes« Lächeln beobachten, nicht selten in Kombination mit einem Sigmatismus oder Schetismus stridens. Auch in diesem Fall geht der Weg über eine ganzkörperliche Tonusverbesserung. Zum Beispiel können kindgerechte Übungen aus der Eutonie oder der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobson durchgeführt werden. Phantasiereisen für Kinder haben sich ebenfalls sehr gut bewährt, um den ganzkörperlichen Tonus günstig zu beeinflussen (Müller 1993). ! Beachte Beim orofazialen Hypo- und Hypertonus geht der Weg vom Groben zum Feinen. Es sollte zuerst am Ganzkörpertonus, dann am orofazialen Tonus gearbeitet werden.
Für die Arbeit am Tonus genügt es in den meisten Fällen, eine kurze Bewegungseinheit zu Beginn der Stunde oder auch zwischen den einzelnen Übungen durchzuführen. Diese kleinen Sequenzen zeigen bereits große Wirkung! Wenn der ganzkörperliche Tonus ausgeglichen ist, kann direkt an den orofazialen Spannungsverhältnissen gearbeitet werden. Hier bieten sich zur Tonuserhöhung mundmotorische Übungen an, die das ganze Gesicht mit einbeziehen. Gesichtsmassagen, z. B. Ausklopfen oder Ausstreichen, sind geeignet, um die Spannung zu reduzieren.
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i Tipp -Materialempfehlung 4 Na Logo Kartensatz »Mundmotorik«: Verschiedene Mundmotorikübungen sind kindgerecht dargestellt. Bezug über: Trialogo Verlag, Adresse im e Downloadbereich 4 Adams I et al. (2003): Kunterbunt rund um den Mund. Materialiensammlung für die mundmotorische Übungsbehandlung. Modernes Lernen, Dortmund Es handelt sich um eine umfangreiche Sammlung der verschiedensten Mundmotorikübungen. 4 LingoMaps: Die ansprechend gestalteten Materialien enthalten neben Spielanregungen für die Mundmotorik auch Spiele für die auditive Wahrnehmung und die Lautfestigung. Bezug über: Lingoplay GmbH & CoKG, Adresse im e Downloadbereich
Zusammenfassung 4 Ausgewogene Spannungsverhältnisse im orofazialen Bereich sind eine Voraussetzung für den Erwerb der Laute. 4 Artikulationsauffällige Kinder haben häufig einen schwächeren Muskeltonus im Mundbereich. 4 Bereits kurze Einheiten zur Tonusregulation zeigen in der Stunde Erfolg.
6.4.4 Übungsaufbau zur Vorbereitung
der Lautanbahnung Im Folgenden sind beispielhaft für zwei gängige Lautbildungsfehler die passenden Übungen dargestellt. Es werden die Voraussetzungen für die korrekte Lautbildung und ein möglicher Übungsaufbau beschrieben.
Mundmotorische Übungen für [ ∫ ] Ziel: Anbahnung des Lautes [ ∫ ] Voraussetzungen für die physiologische Lautbildung sind: 4 korrekte Schnutenbildung, 4 ausreichende Spannung in den Zungenrändern und in den Wangen, 4 mediane Rinne, 4 fein dosierte Luftstromführung.
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
Übungssammlung Übung zur Förderung der Schnutenbildung. Lippenstift-
Übungen zur taktil-kinästhetischen Unterscheidung von vorne und hinten. Mit einem gefrorenen Wattestäb-
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Kussmünder werden auf ein Blatt Papier gedrückt. Wer den kleinsten und rundesten Abdruck macht, hat gewonnen.
chen berührt die Therapeutin die Zungenspitze oder den Zungenrücken des Kindes. Das Kind »darf raten«, wo die Berührung war.
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Übungen zur Stärkung der Zungenränder. Ein Holzspa-
Übung zur Förderung der taktilen Wahrnehmung, besonders der Zungenspitze. Das Kind fährt mit der Zungen-
4 5 6 7
tel wird seitlich an die Zungenränder gelegt, das Kind soll die Zunge zur Seite bewegen, während die Therapeutin den Spatel dagegen drückt. Die Seiten werden abgewechselt. Neben den Zungenrändern wird auch die Bildung einer medianen Rinne gefördert.
spitze an seinen Zähnen entlang. Es fühlt, wo die Zähne glatt und wo sie rau oder zackig sind. Zusammenfassung 4 Die Arbeit an Mundmotorik und -sensorik ist vor allem bei Kindern mit phonetischen Störungen ein wichtiger Baustein. 4 Die Übungen werden genau auf den Lautbildungsfehler und das korrekte mundmotorische Muster abgestimmt. 4 Verschiedene visuelle und taktile Hilfen erleichtern dem Kind das mundmotorische Training.
Übung zur Förderung des Wangentonus. Die Lippen
sind geschlossen, das Kind wechselt ab zwischen Wangen einziehen und aufblasen. Oder es schiebt einen Luftball von der einen in die andere Wange, die Therapeutin darf raten, wo sich dieser gerade befindet. Übung zur dosierten Luftabgabe. Pusten mit verschie-
9
denen Materialien, z. B. Seifenblasen, Papierschnipsel, bunte Tintenkleckse. Auch Tischfußball mit einer Wattekugel ist ein gut geeignetes Spiel.
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Mundmotorische Übungen für [k]
11
Voraussetzungen für die physiologische Lautbildung sind: 4 Bewegung des Zungenrückens gegen das Gaumensegel, 4 Abschluss des Mundraumes vom Nasen-RachenRaum, 4 Kontakt der Zungenspitze mit den unteren Schneidezähnen.
6.5
! Beachte
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Ziel: Anbahnung des Lautes [k]
Elternberatung
Die Beratung und Anleitung der Eltern bzw. der Bezugspersonen bei den phonetisch-phonologischen Störungen hat besonders im Hinblick auf den Transfer der Laute oder Lautgruppen Bedeutung. Im Folgenden wird ein mögliches Vorgehen dargestellt.
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Übungssammlung
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berte Tiere, die einen Schatz vor dem bösen, schlafenden Zauberer in Sicherheit bringen wollen. Dies gelingt nur, wenn sie selbst schnarchen und damit die Geräusche ihres Diebstahls übertönen. Oder einfacher: Mit dem Kind wird gegurgelt oder wie ein Drache gefaucht.
In der Therapie von Aussprachestörungen ist die Rolle der Eltern nicht zu unterschätzen. Sie sehen das Kind weit häufiger als die Therapeutin, sie können das Kind in seinem natürlichen Kontext beobachten und fördern. Nach entsprechender Anleitung können sensible Eltern sehr gut als Ko-Therapeuten fungieren und verschiedene Aufgaben übernehmen. Durch eine Umstrukturierung der Familien, durch Trennung oder Scheidung der Eltern sind es häufig nicht die beiden leiblichen Eltern, die mit dem Kind leben, sondern neue Partner, die in unterschiedlicher Weise als Bezugspersonen für die Kinder zur Verfügung stehen.
Übung zur Kräftigung des Velums. Papiersterne werden
! Beachte
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Bei Ersetzung von [k] durch [t] muss auch an einen phonologischen Prozess gedacht werden.
Übungen zur Sensibilisierung der dritten Artikulationszone. Kind und Therapeutin sind im Wechsel verzau-
mit einem Strohhalm angesaugt. So werden sie auf ein Blatt Papier, auf das ein Himmel gemalt ist, transportiert. Dort klebt man sie dann fest.
Die besonderen Umstände von Patchwork-Familien sollten in der logopädischen Beratung berücksichtigt werden.
133
6.5 · Elternberatung
Im Folgenden wird »Eltern« und »Bezugspersonen« synonym verwendet.
6
. Übersicht 6.8. Inhalte der Elterngespräche
6.5.1 Ziele und Inhalte Erfahrungsgemäß haben Eltern den Wunsch, regelmäßig über die Therapieinhalte informiert zu werden. Die Bezugspersonen sollen von Anfang an nach Möglichkeit an der Therapie ihres Kindes teilhaben. Das hilft ihnen auch, Inhalte aus den Therapiestunden zu Hause weiterzuführen. Zum Austausch mit den Eltern gehört, dass die Diagnose erklärt und der Therapieaufbau skizziert wird. Zusammenhänge zwischen den eventuell festgestellten (nicht-)sprachlichen Teilleistungsschwächen und dem Sprechen oder der Sprache werden erläutert. Selbstverständlich ist es auch wichtig, beide Eltern für sprachförderndes Verhalten zu sensibilisieren und umgekehrt sprachhemmendes Verhalten aufzuzeigen, damit es abgebaut werden kann. Möglicherweise wollen die Eltern wissen, wer denn »Schuld« sei an der Aussprachestörung des Kindes. Hier kann eine wertschätzende Antwort eine große Entlastung bedeuten – meist sind es die Mütter, die sich mit dieser Frage belasten. Im Folgenden sind Beispiele für eine mögliche Antwort auf die Frage nach der Schuld formuliert (s. auch Büttner u. Quindel 2005): > Beispiel 4 »Ich merke, dass Sie sich sehr um optimale Entwicklungschancen für Ihr Kind bemühen. Deshalb haben Sie eine logopädische Behandlung eingeleitet.« 4 »Eine Aussprachestörung hat viele Ursachen. Angeborene Teilleistungsschwächen oder ein beeinträchtigtes Hörvermögen, z. B. durch häufige Mittelohrentzündungen können eine Aussprachestörung zur Folge haben. Niemals ist ein Faktor alleinige Ursache.«
In . Übersicht 6.8 sind einige Themen zusammengestellt, die nach und nach mit den Eltern besprochen werden sollten.
Unterstützung zu Hause Aufgrund der unterschiedlichen Vorgehensweise bei phonetischen im Vergleich zu phonologischen Störungen unterscheidet sich auch die Rolle der Bezugspersonen im Therapieprozess. Während bei phonetischen Störungen das Aufgabengebiet für die Eltern klar umrissen ist, erfährt es bei den phonologischen Auffälligkeiten viele Ein-
4 Ergebnisse der Diagnostik. 4 Stärken und Schwächen des Kindes. 4 Zusammenhang der festgestellten Defizite mit der Aussprachestörung. 4 Aufbau und Vorgehen in der Therapie. 4 Sinn des Spiels in der Therapie. 4 Unterstützungsmöglichkeiten für zu Hause. 4 Sprachförderndes und sprachhemmendes Verhalten. 4 Eventuell sinnvolle weitere Untersuchungen.
schränkungen. Trotz unterschiedlich häufiger Anwendung ist das Corrective feedback bei beiden Störungen ein wichtiger Bestandteil der häuslichen Förderung.
Corrective feedback Die Verwendung der korrigierenden Rückmeldung oder des Corrective feedback sollte den Eltern in fast jedem Fall erklärt werden: 4 Corrective feedback bedeutet, dass Wörter, in denen das Kind einen Laut fehlgebildet oder falsch verwendet hat, von den Eltern wiederholt werden. 4 Bei der Wiedergabe ist der korrekte Laut oder die Zielstruktur zu betonen. 4 Die Wiedergabe erfolgt in einer kurzen Sequenz, nur das Wort oder eine kurze Phrase werden wiederholt. 4 Das Corrective feedback wird nur bei dem einen Laut bzw. der Phonemgruppe verwendet, der/die in der Therapie gerade behandelt wird. 4 Sein Einsatz sollte wohldosiert erfolgen, häufig, aber nicht zu häufig. 4 Die Wiederholung erfolgt in einem bestätigenden Tonfall. Beispiel: Das Kind sagt [tatsǨ], die Mutter oder der Vater wiederholt korrigierend: »Ja, genau, eine Katze«. 4 Wenn beim Kind die auditive Wahrnehmung für das Zielphonem noch nicht vorhanden ist, kann auf das Corrective feedback vorübergehend verzichtet werden. Die regelmäßige Verwendung des Corrective feedback erleichtert dem Kind erfahrungsgemäß die korrekte Lautbildung oder -verwendung. Zusammen mit einer verbesserten Fremdwahrnehmung kann es durch
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
diese Intervention mit dem korrekten Wortklang vertraut gemacht werden. Dadurch wird der Vergleich mit der eigenen Lautproduktion möglich, was zur langfristigen Selbstkorrektur (7 Kap. 6.6.2, Abschn. »Stabilisierung auf der Ebene des halbspontanen Sprechens« und 7 Kap. 6.7.2) führen kann.
Häusliche Förderung bei phonetischen und phonologischen Störungen Phonetische Störungen Bei der Therapie mit phonetisch auffälligen Kindern können die Bezugspersonen in der Regel gut in eine häusliche Förderung eingebunden werden. Übungsmöglichkeiten bieten sich bereits im Bereich der Grundlagen, hier können die Eltern mundmotorische Übungen oder Spiele nach Anleitung durch die Therapeutin durchführen. Das Training kann mehr oder weniger spielerisch verpackt sein. Ab der Phase der Lautfestigung auf Wortebene können dann vielfältige Spiele mitgegeben werden. Beliebte Anregungen für zu Hause sind beispielsweise: 4 Memorys oder Dominos für die Wortebene, 4 Bildergeschichten für die Satzebene und 4 Geschichten für die Spontansprache. ! Beachte Es muss sichergestellt sein, dass die Eltern die Übungen richtig und auch kindgerecht durchführen.
Phonologische Störungen Anders verhält es sich mit der häuslichen Förderung bei Kindern mit Störungen im phonologischen System. Übungen zum Hörtraining eignen sich nur bedingt, da diese von der Zielsetzung und Durchführung eine sehr komplexe therapeutische Basis benötigen. Lediglich im Bereich der nonverbalen auditiven Wahrnehmung können Eltern zu Hause spielerische Übungen durchführen (7 Kap. 6.2, Abschn. »Nonverbale auditive Sensibilisierung«). Auch das Vorlesen von Geschichten oder Versen in Reimform unterstützt die therapeutische Arbeit (7 Kap. 6.2.3, Abschn. »Phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne«).) Je nach therapeutischem Vorgehen können die Bezugspersonen im sprachlichen Bereich Aufgaben übernehmen. Auch hier sei wieder auf das Corrective feedback verwiesen, das die Eltern jetzt anwenden können. Zu einem späteren Zeitpunkt der Therapie – wenn mit dem Kind bewusst über seine Lautverwendungsfehler gesprochen wird –, kann eine Unterstützung zu Hause sinnvoll sein. Die Bezugspersonen können z. B. Missverständnisse verbalisieren, die durch einen Lautverwendungsfehler entstehen.
Wichtig ist, dass die Eltern ihr Kind nur zu festgelegten Zeiten auf einen falschen Lauteinsatz aufmerksam machen. Die Korrektur sollte sehr vorsichtig und kindgerecht geschehen. Keinesfalls darf ein Störungsbewusstsein verstärkt werden. Wenn die Therapeutin Zweifel daran hat, ob die Eltern diese anspruchsvolle Aufgabe gut meistern können, sollte sie besser keine Hausaufgaben mitgeben. ! Beachte Lieber keine Förderung zu Hause als eine Überforderung. Die Gefahr der Belastung der Eltern-Kind-Interaktion ist groß!
Zusammenfassung 4 Die Bezugspersonen des Kindes sind wichtige Partner in der Behandlung der phonetisch-phonologischen Störung. Sie sollten dementsprechend wertgeschätzt werden. 4 Bei allen Aussprachestörungen ist es wichtig, dass die Eltern über die Ergebnisse der Diagnostik und den Verlauf der Therapie informiert werden. 4 Die Bezugspersonen können bei phonetischen Störungen den Transfer der korrekten Laute in die Spontansprache unterstützen. Hierzu bedarf es einer guten Anleitung. 4 Bei Störungen mit phonologischem Schwerpunkt können Eltern – sofern sie vorsichtig und kindgerecht vorgehen – ebenfalls Aufgaben für den Transfer übernehmen. 4 Bei beiden Störungen kann in der Regel das Corrective feedback gewinnbringend angewendet werden. 4 In manchen Fällen ist die Eltern-Kind-Interaktion nicht dazu geeignet, häusliche Übungen durchzuführen.
6.5.2 Methodisches Vorgehen Damit die Beratung der Eltern möglichst gewinnbringend gestaltet wird, sind in . Übersicht 6.9 einige Hinweise zu ihrer Gestaltung zusammengefasst. Weitere Anregungen zur Gestaltung der Gespräche finden sich in 7 Kap. 2.2.2 und 2.2.3.
Häufigkeit der Gespräche Es gibt zwei grundsätzliche Möglichkeiten der Arbeit mit den Bezugspersonen:
135
6.6 · Lautanbahnung und Lautfestigung bei phonetischen Störungen
4 Gespräche als Bestandteil einer jeden Therapiestunde oder 4 Sondertermine für Gespräche.
! Beachte Durch die Mitarbeit der Eltern kann der Erfolg in der Therapie wesentlich unterstützt werden.
Welche Form gewählt wird, hängt von der zeitlichen Flexibilität der Eltern ab, aber auch vom Umfang dessen, was besprochen werden soll. Günstige Zeitpunkte für ausführlichere Elterngespräche sind: 4 nach der Diagnostik, 4 vor einer längeren Pause, 4 bevor Hausaufgaben mitgegeben werden und 4 kurz vor dem Abschluss der Therapie.
. Übersicht 6.9. Hinweise zur Arbeit mit den Bezugspersonen 4 Das alte Familienmodell Vater-Mutter-Kind wird zunehmend durch »Patchworkfamilien« ersetzt. Dies muss in der Beratung der Familie berücksichtigt werden. 4 Die Arbeit mit den Bezugspersonen sollte regelmäßig durchgeführt werden (in regelmäßigen Abständen, z. B. immer am Ende der Stunde). 4 Elternberatung braucht Zeit und kann daher nicht zwischen Tür und Angel stattfinden. Besser sind regelmäßige Einheiten, ggf. auch ohne das Kind. 4 Jeder neue Schritt in der Therapie wird erklärt, damit die Betreuer immer genau wissen, an welchem Ziel gerade gearbeitet wird. 4 Die Therapeutin sollte den Eltern und ihren bisherigen Bemühungen Wertschätzung entgegenbringen. Auch wenn die bisherige häusliche Sprachförderung vielleicht nicht wie dem Lehrbuch entsprungen war, haben sich die Eltern doch Gedanken gemacht. 4 Auch Väter sind Eltern – und sollten daher von Anfang an einbezogen werden, und z. B. ganz explizit zu den Gesprächen eingeladen werden.
6
Zusammenfassung 4 Es empfiehlt sich, die Eltern regelmäßig über Therapieinhalte und -ziele zu informieren. 4 Eine wertschätzende und verständnisgetragene Haltung der Therapeutin gegenüber den Bezugspersonen erleichtert eine gewinnbringende Zusammenarbeit.
6.6
Lautanbahnung und Lautfestigung bei phonetischen Störungen
Schon seit vielen Jahrzehnten gibt es Konzepte zur Behandlung phonetischer Störungen. Im Folgenden wird kein neues Verfahren beschrieben, sondern es wird eine Komposition bewährter Ansätze vorgestellt, welche in optimaler Weise die Individualität des Kindes berücksichtigt.
Bei Kindern mit phonetischen Störungen ist das Therapieziel die korrekte Artikulation in der freien Redesituation. Dies gelingt über die Ersetzung der fehlgebildeten Laute durch korrekt artikulierte Phoneme. Der erste Schritt liegt in der Anbahnung dieses korrekten Lautes, danach erfolgt die Stabilisierung auf Silben- und Wortebene. Der letzte Schritt ist der Transfer des korrekten Phonems in die Spontansprache. Wenn mehrere Fehlbildungen vorliegen, wird eine Entscheidung getroffen, welche Laute zuerst zu behandeln sind. In 7 Kap. 6.6.1 werden die Kriterien für diese Entscheidung erläutert.
6.6.1 Kriterien für die Reihenfolge
der Lautanbahnung Es hat sich bewährt, die Eltern mindestens alle 4–6 Wochen ausführlicher zu informieren. Wenn es der Therapeutin von Anfang an gelingt, eine vertrauensvolle und wertschätzende Atmosphäre zu schaffen, werden die Eltern im Verlauf der Therapie eher bereit sein, die Anregungen der Therapeutin in den Alltag zu übertragen.
Welcher Laut eignet sich für den Beginn der Therapie am ehesten? Für diese Wahl werden Kriterien, z. B. die physiologische Entwicklung der Laute oder die Beeinträchtigung der Verständlichkeit durch diese Lautfehlbildung, betrachtet. Ein weiteres Kriterium ist die Erlernbarkeit des Lautes für das Kind.
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
! Beachte
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Besonders der erste Laut sollte so gewählt sein, dass er dem Kind ein Erfolgserlebnis ermöglicht, welches die Motivation für die weitere logopädische Therapie unterstützt.
Relevante Überlegungen für die Reihenfolge der Lautanbahnung sind: 4 physiologischer Lauterwerb, 4 Beeinträchtigung der Verständlichkeit, 4 Ablesbarkeit, 4 Konstanz/Inkonstanz der Fehlbildung, 4 Stimulierbarkeit. Physiologischer Lauterwerb. Die fehlgebildeten Lau-
te werden in die Reihenfolge des physiologischen Lauterwerbs gebracht. Zuerst werden also Laute der vorderen Artikulationszone (7 Kap. 1.2.5, Abschn. »Erwerbsalter der einzelnen Laute«) angebahnt.
fig nur gefestigt, nicht angebahnt werden müssen. Das Kind kommt auf diese Weise relativ schnell zu einem Erfolg. ! Beachte Faustregel: Wenn ca. 50 % eines inkonstant gebildeten Lautes in der Spontansprache bereits richtig gebildet werden, wird das Kind den Rest im allgemeinen ohne therapeutische Intervention erlernen.
Wenn in diesem Fall mehrere Laute betroffen sind, kann mit einem anderen als dem »halbrichtigen« begonnen werden. Sollte es nur dieser eine sein, ist eine Beratung der Eltern in Verbindung mit einem Kontrolltermin in spätestens 3 Monaten sinnvoll. Die Eltern sollen in dieser Zeit das Corrective feedback anwenden, um das Kind in dem begonnenen Prozess optimal zu unterstützen. Stimulierbarkeit. Laute, die stimulierbar sind, d. h. ohne
Beeinträchtigung der Verständlichkeit. Es gibt Laute, die
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im Deutschen häufiger verwendet werden (beispielsweise [s] und [ ∫ ]) und solche, die seltener vorkommen (z. B. [p] und [v]). Häufig vorkommende Laute, die fehlgebildet werden, beeinträchtigen die Verständlichkeit stärker als seltener verwendete Phoneme. Ein weiteres Kriterium für die Verständlichkeit ist der Unterschied zwischen Ziellaut und Ersatzlaut. Wenn dieser Unterschied sehr groß ist, leidet die Verständlichkeit der Aussprache stärker als bei einer nur dezenten Abweichung. Eine schlechte Verständlichkeit kann für das Kind zu Frustration und Leidensdruck führen. > Beispiel
14 15 16 17 18 19 20
Wenn der Laut [s] durch [t] oder [d] ersetzt wird, kommt es zu einer schlechteren Verständlichkeit. Wenn das [s] lediglich addental gesprochen wird, hat dies eine nur geringfügige Beeinträchtigung des Klanges zur Folge, die Artikulationsstörung fällt meistens nicht einmal auf.
weitere Vorübung vom Kind isoliert nachgesprochen werden können, eignen sich gut für den Therapiebeginn, da die manchmal etwas schwierige Phase des Anbahnens entfällt. Durch den raschen Erfolg wird die Motivation des Kindes sehr gestärkt. Ob ein Laut stimulierbar ist, kann in den ersten Stunden leicht in Erfahrung gebracht werden. ! Beachte Es gibt viele Gründe, mit dem einen oder anderen Laut zu beginnen. Im Zweifelsfall soll derjenige gewählt werden, der am ehesten Erfolg verspricht. . Übersicht 6.10 fasst die Kriterien, nach denen
die Reihenfolge der Lautanbahnung festgelegt wird, zusammen.
. Übersicht 6.10. Ablesbarkeit. Laute, die gut vom Mundbild abzule-
sen sind, lassen sich in der Regel leichter anbahnen als »verborgene« Laute. > Beispiel [ ∫ ] versus [k]: [ ∫ ] ist ein Laut mit deutlichem Mundbild, während das [k] sich schlecht vom Mundbild ablesen lässt. Konstanz/Inkonstanz der Fehlbildung. Laute, die schon
manchmal (aber noch nicht häufig) richtig gebildet werden, sind eine gute Startmöglichkeit, da sie häu-
Reihenfolge der Lautanbahnung 4 Wie ist die physiologische Lautentwicklung, muss dieser Laut bereits erworben sein? 4 Wie stark ist die Verständlichkeit durch diese Fehlbildung beeinträchtigt? 4 Ist der Laut leicht ablesbar (also in den vorderen Artikulationszonen gebildet)? 4 Ist er inkonstant bereits vorhanden, wenn ja, zu wieviel Prozent? 4 Ist der Laut isoliert stimulierbar?
6.6 · Lautanbahnung und Lautfestigung bei phonetischen Störungen
Zusammenfassung 4 Es gibt verschiedene Kriterien, in welcher Reihenfolge die Laute sinnvollerweise anzubahnen sind. 4 Im Zweifelsfall entscheidet sich die Therapeutin für den Laut, der sich am wahrscheinlichsten mit Erfolg anbahnen lässt.
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das Kind Defizite in der auditiven Wahrnehmung aufweist, wird das Hörtraining weiterhin durchgeführt. Übungen zur Verbesserung der mundmotorischen Fähigkeiten werden ebenfalls so lange wie nötig beibehalten. Sobald vom Kind die Produktion eines Lautes verlangt wird, gibt die Therapeutin ein Feedback über die Lautbildung.
Eindeutiges Feedback 6.6.2 Therapiephasen Nachdem die Diagnostik abgeschlossen ist und die Ergebnisse ausgewertet (7 Kap. 3.3) und mit den Eltern besprochen (7 Kap. 6.5) wurden, kann die eigentliche logopädische Behandlung beginnen. Die Therapie der phonetischen Störung gliedert sich in mehrere Phasen, die in diesem Buch aus strukturellen Gründen voneinander abgegrenzt werden. In der Praxis sind die Übergänge fließend, nicht zu jeder Zeit lässt sich die Arbeit eindeutig einer bestimmten Phase zuordnen.
Grundlagen Das Vertrauensverhältnis, das zwischen Kind, Eltern und Therapeutin entsteht, ist die wichtigste Grundlage für eine Therapie. Erst wenn dieses gute Verhältnis einen Anfang genommen hat, beginnt die konkrete Arbeit in Hinblick auf die Lautbildung. Von Beginn an werden Übungen zur orofazialen Sensomotorik und zur Hörwahrnehmung, z. B. zur Lautdifferenzierung, durchgeführt (7 Kap. 6.4 und 7 Kap. 6.2.2, Abschn. »Lautwahrnehmung«). Dadurch werden die Funktionen verbessert, die für die korrekte Lautbildung benötigt werden. Diese Übungen werden auch in den späteren Phasen der Therapie beibehalten, solange, bis die mundmotorischen Schwächen ausgeglichen und die auditiven Teilleistungen verbessert sind. Bei Kindern, die nur eine isolierte Artikulationsstörung und wenig Begleitstörungen haben, kann mit der Lautanbahnung schnell begonnen werden. Anders bei Kindern mit umfassenderen Störungen oder mit einem großen Störungsbewusstsein. Hier liegt der Schwerpunkt häufig über längere Zeit auf den grundlegenden Therapiebausteinen wie z. B. Förderung der Motivation und der Konzentration (7 Kap. 6.1).
Anbahnung des Lautes Nun kann mit der Arbeit am Laut begonnen werden. Der Laut wird angebahnt, wobei die verschiedenen Hilfen eingesetzt werden (7 Kap. 6.6.3). Wenn
Die Therapeutin ist für das artikulationsauffällige Kind eine wichtige Feedbackinstanz. Sie gibt dem Kind die eindeutige Rückmeldung, wann die Lautbildung korrekt war und wann noch Fehler aufgetreten sind. Solange die Fähigkeit des Kindes zur Eigenwahrnehmung und Selbstkorrektur noch nicht zuverlässig funktioniert, ist das Feedback der Therapeutin die einzige Kontrolle für den Patienten. Hieraus ergibt sich die Wichtigkeit, die Lautbildung eindeutig und ehrlich zu beurteilen. Um auf der anderen Seite nicht demotivierend zu wirken, beurteilt die Therapeutin auch andere Kriterien, z. B. das mundmotorische Muster oder die Annäherung an den richtigen Lautklang. Hier gilt es, transparent und mit eindeutigen Kriterien zu arbeiten, um das Kind nicht zu verwirren. > Beispiel 4 »Jetzt hat das [ ∫ ] genau richtig geklungen.« 4 »Ich habe eine tolle Schnute gesehen.« 4 »Dein [ ∫ ] hat schon fast richtig gerauscht«.
Stabilisierung auf Silbenebene Der Laut ist in der vorangegangenen Phase soweit gefestigt, dass das Kind ihn isoliert gut bilden kann. Nun wird die Schwierigkeit erhöht, indem an den Ziellaut Vokale angehängt werden. Man beginnt in der Regel mit einem Vokal, der dem Ziellaut von der Mundstellung her ähnlich ist, z. B. [ ∫ ] und [u] oder [s] und [i]. Die Therapeutin probiert mit dem Kind die verschiedenen Vokale aus und achtet dabei auf die kindliche Artikulation. Auch die Position des Ziellautes in der Silbe kann nun verändert werden, in der Regel vom Anlaut über den Auslaut zum Inlaut. Wenn der Laut auf Silbenebene in jeder Position zu 70–75 % korrekt gebildet wird, kann mit der Arbeit auf Wortebene begonnen werden.
Steigern Ganz allgemein ist das Steigern, also das Anheben des Niveaus, die große Kunst in der logopädischen Therapie (. Abb. 6.4). Es sollte so gesteigert werden, dass das Kind immer an seiner Leistungsgrenze arbeitet. Wenn das Niveau zu niedrig gewählt ist, langweilt sich
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
. Abb. 6.4. Steigern nach Art des Haifischs. (Aus Siemensen 2000a)
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das Kind möglicherweise, wenn zu hoch angesetzt wird, ist die Gefahr der Frustration groß. Beides ist für die Motivation des Patienten ungünstig. Das Niveau einer Übung ist passend gewählt, wenn das Kind einen Teil der Items ohne Mühe gut artikuliert, sich bei einem zweiten Teil anstrengen muss und es bei einem dritten Teil zu Fehlern kommt. Mit der gebotenen Vorsicht, was Prozentangaben betrifft, kann man als grobe Richtlinie ein Verhältnis 1:1:1 annehmen. Um das Niveau der Übung anzuheben, erhöht man die Anforderung um eine Stufe. Wenn dem Kind beispielsweise die Bildung des isolierten Lautes in der Übung zu 70–75 % gelungen ist, steigert die Therapeutin um eine Stufe auf Silbenebene mit wortinitialem Ziellaut, wobei der folgende Vokal ein günstiger Koartikulator sein sollte. Die nächst höhere Stufe ist dann die Silbe mit einem nachfolgenden ungünstigeren Koartikulator. In einem weiteren Schritt wird die Position des Ziellautes verändert, dieser steht nun im Auslaut. Das stufenweise, kleinschrittige Steigern wird so lange beibehalten, bis das Kind innerhalb einer Stufe weniger als 70 % korrekte Lautbildungen erreichen kann. Dann hat die Therapeutin die Leistungsgrenze erreicht und arbeitet auf diesem Niveau, unter Einsatz der verschiedenen Hilfen, wiederum bis 70–75 % der Lautbildungen richtig sind.
Stabilisierung auf Wortebene Wortebene bedeutet in der kindlichen Vorstellung, am »richtigen Sprechen« zu arbeiten. Deshalb ist die Stabilisierung auf Wortebene häufig mit einem deutlichen Motivationsschub für das Kind verbunden. Nun endlich kann das Kind zu Hause auch zeigen, was es gelernt hat. Für die Reihenfolge des Vorgehens auf Wortebene gilt die gleiche Regel wie auf Silbenebene (obwohl dies manchmal nicht der physiologischen Entwicklung entspricht): 4 erst Anlaut, 4 dann Auslaut, 4 dann Inlaut. Wenn die Therapeutin beobachtet, dass das Kind sehr sicher mit dem neuen Laut umgeht, kann die Reihenfolge auch freier gestaltet werden. Zum Einstieg in die Wortebene bieten sich Ausrufe an wie z. B. «Schau!«, »Komm!« oder »Raus!« Mit der korrekten Anwendung des neu erlernten Lautes auf Wortebene haben die Kinder häufig mehr Schwierigkeiten als in den Ebenen zuvor, da hier die Gewohnheit (Konditionierung) wieder ins Spiel kommt. i Tipp - Hilfe Eine Fehlartikulation »aus alter Gewohnheit« kann relativ gut durch ein Trennen des Wortes in Ziellaut und Wortrest aufgelöst werden.
6.6 · Lautanbahnung und Lautfestigung bei phonetischen Störungen
> Beispiel Der Zielbegriff ist »Schule«. Die Therapeutin gibt als Vorbild [ ∫ ] (Pause) [ulǨ] vor. So kann sich das Kind erst einmal auf das [ ∫ ] konzentrieren und dann den Rest des Wortes aussprechen. Auch das Einschieben des Lautes [h] ist eine gute Möglichkeit, die Arbeit auf Wortebene zu erleichtern. Beispiel: [ ∫ ] (Pause) [hulǨ].
Innerhalb der Wortebene ist eine Steigerung des Schwierigkeitsgrades leicht möglich. ! Beachte Wörter, die den Ziellaut mehrmals enthalten oder die den Ziellaut und den Ersatzlaut enthalten, sind schwieriger zu artikulieren als solche mit nur einem Ziellaut.
> Beispiel Steigerung bei Fehlbildung des Lautes [k], der Ersatzlaut ist [t]: von »Kamel« (1u [k]) über »Kakao« (2u [k]) zu »Kettcar« (2u [k] und Ersatzlaut).
Hausaufgaben In der Phase der Wortebene kann begonnen werden, dem Kind Hausaufgaben zur Lautbildung mitzugeben. Dadurch kann die Lautfestigung sehr unterstützt werden. Nach Möglichkeit sollten die Eltern die Durchführung der Übung, die mit nach Hause gegeben wird, bereits in der Therapiestunde gesehen haben, damit Durchführungsfehler vermieden werden. In diesem Zusammenhang kann die Therapeutin die Eltern auch noch einmal auf die Verwendung des Corrective feedback (7 Kap. 6.5) hinweisen. i Tipp Hausaufgaben sollten in der folgenden Stunde grundsätzlich besprochen werden!
Konsonantenverbindungen Während der Arbeit auf Wortebene werden auch die Konsonantenverbindungen erarbeitet. Genau genommen zählt man die Konsonantenverbindungen zur Silbenebene, aus Gründen der Motivation empfiehlt es sich jedoch, diese erst im Zusammenhang mit der Wortebene zu behandeln. In der Regel reicht es aus, die Konsonantenverbindungen nur am Anfang der Silbe zu erarbeiten und diese im Anschluss daran gleich auf Wortebene zu festigen. Das Kind hat zu diesem Zeitpunkt gute Fähigkeiten zum Transfer erworben und kann diese nun auch auf die Festigung der Konsonantenverbindungen anwenden.
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i Tipp - Hilfe Eine gute Möglichkeit zur Erarbeitung der Konsonantenverbindungen ist das Einfügen eines »Schwa«Lautes zwischen die beiden Konsonanten.
Wenn diese Leistungsstufe sicher beherrscht wird, kann die Festigung des Ziellautes auf Satzebene begonnen werden.
Stabilisierung auf Satzebene Die Arbeit auf Satzebene bedeutet, dass nun die Begriffe der Wortebene in komplexeren Strukturen verwendet werden. Anfangs sollte ein Satz zuerst einmal nur ein Wort mit dem Ziellaut enthalten. Es empfiehlt sich ein festes Satzmuster, in welches eine vorher auf Wortebene erarbeitete Auswahl an Begriffen mit dem Ziellaut eingefügt wird. Dieses feste Satzmuster wird Reihensatz genannt. > Beispiel Laut [k]: 4 Lena malt einen Kuchen. 4 Lena malt ein Kamel. 4 Lena malt einen Käfer.
Später werden die Sätze anspruchsvoller, im weiteren Verlauf der Therapie werden mehrere Wörter mit dem Ziellaut in einen Satz integriert. Die Satzmuster sind nicht mehr fest, sondern flexibel. Dies stellt den Übergang zur Halbspontansprachebene dar. i Tipp Bei Kindern, die noch zusätzlich dysgrammatische Strukturen aufweisen, ist darauf zu achten, dass das verwendete Satzmuster vom Kind bereits beherrscht wird.
! Beachte Immer nur eine Schwierigkeit auf einmal behandeln!
Stabilisierung auf der Ebene des halbspontanen Sprechens Diese Phase stellt den Übergang von der Satzebene zur Spontansprache dar. Die vom Kind verlangten Satzmuster weisen immer mehr Variationen auf. Zur Unterstützung werden Bildvorlagen angeboten, die zum freieren Erzählen anregen. Eine gute Übung mit hohem »Spaßfaktor« sind die sog. Quatschgeschichten: Therapeutin und Kind decken abwechselnd je zwei oder mehr Bildkarten auf und erzählen mit diesen Begriffen eine kleine Geschichte. Je verrückter, desto besser!
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
Selbstkorrektur
Abschluss
Zunehmend wird das Kind ermuntert, seine Lautbildung selbst zu beurteilen, um nach und nach die Fähigkeit zur Selbstkorrektur zu erweitern (Beurteilungshilfen für das Kind sind in 7 Kap. 6.2.2, Abschn. »Eigenwahrnehmung« beschrieben). Die Therapeutin erkundigt sich immer wieder, ob dieser Laut nun richtig gebildet wurde. Das Auslegen von »falschen Fährten«, nämlich auch bei guter Lautbildung nachzufragen, animiert das Kind langfristig, wirklich nachzudenken und nachzuspüren, ob es korrekt artikuliert hat.
In der letzten Stunde wird dem Kind abschließend aufgezeigt, was es alles geleistet und geschafft hat, vielleicht wird sogar eine Medaille für den richtigen Laut verliehen (in Gold!). Mit den Eltern wird ggf. zusätzlich besprochen, woran im weiteren Verlauf noch gearbeitet werden muss. Falls keine weitere Therapie mehr nötig ist, wird das Kind noch einmal zu einem Kontrolltermin 6–8 Wochen nach Ende der Therapie einbestellt, damit die Therapeutin sich vergewissern kann, dass der Laut nun vollständig in die Spontansprache übernommen wurde und keine Restsymptomatik mehr vorliegt.
! Beachte Gute Leistungen des Kindes sollten ausführlich gelobt werden!
Transfer in die Spontansprache Der letzte Schritt auf dem Weg zum gefestigten Laut ist seine Verwendung in der Spontansprache. In dieser Phase sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Erlebnisberichte und Ratespiele, Lautgeschichten (Geschichten, in denen der Ziellaut häufig vorkommt) und Handpuppentheater sind ansprechende Übungen, um dem Laut den »letzten Schliff« zu geben. Zu Hause kann das Kind in dieser Phase durch eine festgelegte »Lautzeit« unterstützt werden, eine abgesprochene Zeit, in der Kind und Eltern besonders auf die korrekte Verwendung des Lautes achten. Zu diesem Zweck kann ein Belohnungssystem eingeführt werden, z. B. für jeden richtigen Laut oder Satz oder für jede gut geglückte Übungseinheit wird ein Aufkleber verliehen oder ein »Funkelstein« (= Glasstein) in eine Wasserflasche geworfen. Es ist schön für das Kind, wenn seine Erfolge auf diese Weise sichtbar gemacht werden. Das motiviert! Den Eltern kommt in dieser Phase eine wichtige Rolle zu: sie übernehmen ko-therapeutische Aufgaben (auf die sie gut vorbereitet sein sollten!). Deshalb beginnt die Therapeutin sich »auszuschleichen« und gibt ihre bisherigen Aufgaben Stück für Stück an die Eltern ab.
Verlängerung des Abstandes zwischen den Therapiestunden Das Ende der Therapie oder des Therapieabschnittes rückt in greifbare Nähe, was mit Kind und Eltern besprochen werden sollte. Es bietet sich an, die Abstände zwischen den einzelnen Stunden nun zu verlängern, beispielsweise nur noch für alle 2–3 Wochen Therapiestunden zu vereinbaren. Die Arbeit am Laut findet hauptsächlich zu Hause statt, die Therapiestunden wirken in diesem Prozess lediglich unterstützend für Eltern und Kind. In diesen Stunden können auch neue Spielanregungen gegeben werden. Außerdem kontrolliert die Logopädin, ob sich der korrekte Laut einschleift.
i Tipp - Materialempfehlung 4 »Na Logo«: Dieses Basisbrettspiel kann mit verschiedenen Kartensätzen zu einzelnen Lauten ergänzt werden. 4 »Quartette«: Die Quartette eignen sich für die Lautfestigung. Sie wurden speziell für die Arbeit mit kleinen Kindern konzipiert. 4 »Zwillingsbilder«: Hier handelt es sich um eine Art Memory zu den verschiedenen Lauten. Bestelladresse für diese Spiele: Trialogo Verlag 4 »Werscherberger Sprachfibel zur Behandlung von Stammelfehlern«: Diese Sammelmappen enthalten Laut- und Situationsbilder. Bestelladresse: AWO Wohnanlage Schlichthorst 4 »Spiele zur Stammlertherapie«: Ansprechend gezeichnete Bilder, die sich auch gut als Kopiervorlagen zum Mitgeben eignen. Bestelladresse: Verlag am Sprachheilzentrum 4 »Schatzpiraten«: Ein spannendes Spiel, das viele Möglichkeiten bietet, die Ziellaute in der freieren Kommunikation zu festigen. Bestelladresse: LingoPlay GmbH & CoKG Alle Adressen s. e Downloadbereich
Zusammenfassung 4 Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Kind und Therapeutin ist die wichtigste Grundlage für das gemeinsame Arbeiten. 4 Vor Beginn der Arbeit am Laut werden die Grundlagen für die Lautbildung verbessert. 4 Der Ziellaut wird isoliert angebahnt und dann auf Silben, Wort- und Satzebene gefestigt. 4 Der nächste Schritt liegt in der Übernahme in die Spontansprache. 6
6.6 · Lautanbahnung und Lautfestigung bei phonetischen Störungen
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Ableitung 4 Gegen Ende der Therapie übernehmen die Eltern zunehmend ko-therapeutische Aufgaben. 4 Ein Kontrolltermin schließt die Therapie oder Therapiephase ab.
6.6.3 Arbeit an den einzelnen Lauten
Ein anzubahnender Laut kann von einem anderen Laut abgeleitet werden. Bei dieser Hilfe wird die Koartikulation ausgenutzt, also die gegenseitige Beeinflussung von nacheinander gesprochenen Lauten. Beispielsweise unterstützt die Mundstellung bei [u] die für [ ∫ ] benötigte Lippenrundung und Wangenspannung. Bei der Ableitung ist allerdings zu berücksichtigen, dass nur von solchen Lauten abgeleitet werden kann, die vom Kind bereits richtig gebildet werden!
Vorstellungshilfen Nachdem das methodische Vorgehen bei phonetischen Störungen näher erläutert wurde, werden jetzt konkrete Anbahnungsmethoden einzelner Laute vorgestellt. Um den Nutzen dieses Kapitels für die Leser optimal zu gestalten, wurde es als Nachschlagewerk konzipiert. Im Folgenden wird der Aufbau des Kapitels kurz skizziert. Die häufig vorkommenden Lautfehlbildungen werden – den Artikulationszonen von vorne nach hinten folgend – nacheinander beschrieben, wobei innerhalb der Artikulationszonen zuerst die Plosive, dann die Frikative und zum Schluss die übrigen Lautgruppen aufgeführt werden. Im Detail ist die Reihenfolge der Lautgruppen wie folgt: In der vorderen Artikulationszone kommen zuerst die Bilabiale, dann die Labiodentale, in der mittleren Zone zuerst die Alveolare, dann die Postalveolare, in der hinteren Zone zuerst Palatale, gefolgt von Velaren und Uvularen. Der einzelne Laut wird zuerst unter dem Aspekt der physiologischen Lautbildung betrachtet. Die Art des Lautes und sein artikulatorisches Muster sind kurz beschrieben, zusätzlich werden die wichtigsten Voraussetzungen für eine korrekte Artikulation aufgelistet. Für jeden einzelnen Laut sind die verschiedenen Hilfen zur Anbahnung zusammenfassend beschrieben, daran schließt sich – mit vielen ausführlichen Spielideen – die spielerische Umsetzung mit Hilfe der bewegungsunterstützten Lautanbahnung an. Diese Spielideen erlauben ein leichtes Übertragen der Vorüberlegungen in die praktische Arbeit. Folgende Hilfen zur Anbahnung werden bei den einzelnen Lauten beschrieben:
Phonetische Lokalisation Bei dieser Lautanbahnungsmöglichkeit werden dem Kind Artikulationsort, -art und -organ des entsprechenden Lautes bewusst gemacht (z. B. anhand eines Bildes oder vor dem Spiegel). Das Kind soll den nötigen Bewegungsablauf verstehen, um ihn gezielt ausführen zu können. Das Heranführen an die physiologische Lautbildung erfolgt direkt.
Bilder oder assoziative Vorstellungen zu den jeweiligen Lauten ergänzen die genannten Möglichkeiten. Dem Kind fällt es leichter, eine gute Spannung im orofazialen Bereich aufzubauen und für die Artikulation zu nutzen, wenn es ganzkörperlich bereits über einen passenden Tonus verfügt, z. B. weil es in ein spannendes Spiel eingebunden ist.
Bewegungsunterstützte Lautanbahnung Mit Hilfe dieser Anbahnungsmethode kann das Kind die neuen Laute gut spielerisch erlernen (7 Kap. 4.2). Grundvoraussetzungen für die Bewegung, Bewegungsart, eingesetzte Körperteile und die Bewegungsrichtung werden detailliert erläutert. Die genaue, auf jeden Laut speziell ausgerichtete Bewegungsdurchführung wird dadurch nachvollziehbar.
Laute der vorderen Artikulationszone Bei den im vorderen Mundraum gebildeten Lauten werden zunächst Übungsmöglichkeiten für die Bilabiale [p], [b] und [m] beschrieben, gefolgt von den Labiodentalen [f] und [v].
Der Laut [p] Das [p] ist ein stimmloser bilabialer Plosiv. Die Lippen werden kurzzeitig aufeinander »gepresst«. Durch ein plötzliches Lösen des Verschlusses kann die zuvor gestaute Luft entweichen. Das Velum schließt dabei den Nasen-Rachen-Raum ab.
Voraussetzungen für die korrekte Bildung 4 Die Lippen müssen sich schließen können. 4 Für den Spannungsaufbau bei der Verschlussbildung muss ausreichend Lippen- und Wangenkraft vorhanden sein. 4 Das Zwerchfell muss genügend Spannung aufbringen, um das kurzzeitige Stauen der Luft zu ermöglichen. 4 Eine physiologische Velumfunktion ermöglicht den velopharyngealen Abschluss.
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
Anbahnungsmöglichkeiten
Fährmann. Die Fährmänner schieben sich im Liegen
Phonetische Lokalisation. Das Kind wird angewiesen,
ein Boot (z. B. eine Kiste) zu. Das [p] erfolgt in dem Moment, in dem das Boot mit den Füßen zum Gegenüber geschoben wird.
die Lippen fest zu schließen bzw. zusammen zu pressen und dann »platzen« zu lassen. Ein Spiegel dient als visuelle Kontrollmöglichkeit. Um dem Kind die plötzliche Luftfreigabe deutlich zu machen, kann z. B. eine Kerze »ausgeplatzt« oder ein Stückchen Watte mit dem [p] weggepustet werden.
Zaubershow. Der Zauberer zaubert verschiedene Din-
4
Ableitung. Das [p] kann über das [m] abgeleitet wer-
ge »aus der hohlen Hand«: Gegenstände werden in der geschlossenen Faust (mit dem Handrücken nach unten) kurz gedrückt und dann durch ein Lösen der Faust dem Publikum präsentiert.
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den: Das Kind soll plötzlich die Lippen öffnen und gleichzeitig pusten.
Der Laut [b]
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Vorstellungshilfen. Eine »stotternde« Maschine kann
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i Tipp
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eventuell als Vorstellung dienen.
Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Grundvoraussetzung ist eine starke Zwerchfellkraft. Die Zwerchfellspannung muss kurz gehalten und dann gelöst werden können. 4 Bewegungsart: Die Bewegung ist kräftig, kurz und erfolgt mit einem starken Impuls. 4 Körperteile: Beide geschlossenen Fäuste werden plötzlich geöffnet, eventuell kann auch ein kurzer Druck mit den Füßen ausgeführt werden. 4 Bewegungsrichtung: Wesentlich ist der Impuls des Lösens der zuvor aufgebauten Spannung. Zunächst erfolgt ein kurzes Zusammenpressen der Finger zur Faust, dann öffnet sich diese nach vorne. 4 Das [p] wird in dem Moment artikuliert, in dem die Spannung gelöst (also z. B. die Faust geöffnet) wird. 4 Durch die Bewegung wird das Lösen der fest zusammengepressten Lippen unterstützt.
Spielideen für die bewegungsunterstützte Lautanbahnung Der explosionsartige Charakter sollte sich in der Spielhandlung wiederfinden. Günstigerweise wählt man Material, das man gut in der Faust drücken kann (z. B. Knetekugeln, Softball, Styropor). Backmaschine. Die Pizza- oder Kuchenbackmaschine
geht ans Werk. Vorbereitete Knetekugeln werden kurz zusammengepresst und auf [p] fallen gelassen. Ballspiel. Das gegenseitige Zuprellen eines Softballs
erfolgt durch ein kurzes Zusammendrücken des Balls in der Hand mit anschließendem Lösen.
Das [b] ist ein stimmhafter bilabialer Plosiv. Es wird wie das [p] gebildet, allerdings ist beim [b] der Lippendruck beim Aufeinanderpressen geringer. Das Lösen des Verschlusses wird mit Stimmgebung verbunden.
Voraussetzungen für die korrekte Bildung Die Voraussetzungen entsprechen denen des [p], die Lippenmuskulatur muss hier einen lockeren Druck aufbauen können.
Anbahnungsmöglichkeiten Phonetische Lokalisation. Das Kind soll die Lippen fest
schließen und dann »laut« öffnen. Die Hand vor dem Mund kann den (im Gegensatz zum [p]) leichteren Lufthauch erspüren. Ableitung. Die Anbahnung kann wie beim [p] über das
[m] erfolgen. Das Überleiten vom [m] zum [b] erfordert ein Lösen des Lippenschlusses. Vorstellungshilfen. Auch hier könnte es sich um eine
»stotternde« Maschine handeln. i Tipp Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Die Grundvoraussetzung entspricht der beim [p]. 4 Bewegungsart: Die Bewegung ist etwas weicher und lockerer als die beim [p], der Impuls eher sanft. 4 Die eingesetzten Körperteile entsprechen denen beim [p], die Faust ist beim [b] allerdings nur locker geschlossen. 4 Die Bewegungsrichtung kann dem Vorgehen beim [p] entnommen werden. 4 Unterstützt wird durch die Bewegung das Lösen der locker geschlossenen Lippen.
6.6 · Lautanbahnung und Lautfestigung bei phonetischen Störungen
Spielideen für die bewegungsunterstützte Lautanbahnung Im Gegensatz zum [p] ist der Charakter des [b] leichter, weicher und beruhigender. Diese Gegebenheiten sollten im Spielangebot und in der Materialwahl berücksichtigt werden. Schneefall. Es ist Winter. Kind und Therapeutin las-
sen es schneien, indem sie kleine Wattekugeln in die lockere Faust nehmen und dann fallen lassen. Die Watte darf in der Faust nur leicht gedrückt werden. Wasserball. Ein großer, nicht zu fest aufgeblasener
Wasserball wird hin und hergerollt. Der Ball wird mit der gesamten Handfläche leicht gedrückt und beim Lösen des Drucks auf [b] zum Gegenüber geschickt.
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4 Beim [m] geht es meistens eher um einen Spannungsabbau! 4 Bewegungsart: Die Bewegung wird großzügig gestaltet, ist weit und geführt. Lange runde Bewegungen ohne Druck und Impuls werden dem [m] am ehesten gerecht. 4 Körperteile: Die Bewegung wird mit locker geschlossenen Fäusten durchgeführt, eventuell können auch die nebeneinander stehenden Füße eingesetzt werden. 4 Bewegungsrichtung: Aus der Körpermitte werden die Hände nach vorne geführt. Denkbar ist auch eine weite Bogenbewegung, die mit den Armen von der Seite nach vorne geführt wird. Sie erfolgt ungefähr in Bauchhöhe. 4 Die Bewegung unterstützt den lockeren Mundschluss und die ruhige Phonation.
Der Laut [m] Das [m] ist ein bilabialer Nasal. Bei seiner Bildung sind die Lippen locker geschlossen. Durch das gesenkte Velum kann die Luft durch die Nase entweichen und die nasale Resonanz erzeugen.
Voraussetzungen für die korrekte Bildung 4 Der lockere Lippenschluss muss möglich sein. 4 Die Lippen- und Wangenmuskulatur sollte in der Lage sein, eine feine Spannung zu erzeugen. 4 Eine physiologische Velumfunktion und unauffällige nasale Resonanzfähigkeit ermöglichen, dass Luft durch die Nase entweicht.
Spielideen für die bewegungsunterstützte Lautanbahnung Die Spiele sollten durch eine wohlige Atmosphäre gekennzeichnet sein, die zum Spannungsabbau beiträgt. Ruhige Handlungen, eventuell in kleine Geschichten eingebettet, bewirken eine gelöste Stimmung, das Material ist weich und leicht (z. B. Watte, Wolle). Bärenfütterung. Der Bär im Wald bekommt Futter.
Langsam wird ihm dies von außen zur Mitte (oder vom Körper weg nach vorne) zugeschoben. Er freut sich und brummt dazu.
Anbahnungsmöglichkeiten Phonetische Lokalisation. Das Kind wird auf die locker
Schiffsmotor. Ein Schiff wird langsam nach vorne
geschlossenen Lippen hingewiesen, die es im Spiegel beobachten kann. Eventuell kann es den Lippenschluss mit zwei Fingern kontrollieren. Die nasale Resonanz kann an den Nasenflügeln erspürt werden.
geschoben. Es transportiert die Tiere zur Weide, man hört sein Motorengeräusch.
Ableitung. Das [m] muss in der Regel nicht abgeleitet
werden. Eventuell kann man ausgehend vom [v] die Lippen schließen lassen. Vorstellungshilfen. Das Brummen eines Bäres symbo-
lisiert den Lautcharakter sehr gut. i Tipp Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Grundvoraussetzung beim [m] ist (im Gegensatz zu den meisten anderen Lauten), dass nur sehr wenig Spannung aufgebaut werden darf. Der Spannungszustand sollte ausgeglichen und ruhig sein, das Kind bleibt locker, damit der Laut eine gute Resonanz erhält.
Frau Holle. Frau Holle lässt es schneien. Schneeflocke
für Schneeflocke (Wattestückchen) wird in der locker geschlossenen Faust nach vorne bewegt und fällt dann zu Boden.
Der Laut [f] Das [f] ist ein stimmloser labiodentaler Frikativ. Die oberen Schneidezähne liegen leicht auf der gespannten Unterlippe auf, der Luftstrom wird gegen die obere Zahnreihe gelenkt und entweicht flächig nach vorne.
Voraussetzungen für die korrekte Bildung 4 Eine möglichst vollständige Frontzahnreihe ermöglicht einen geschlossenen Kontakt mit der Unterlippe.
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
4 Ein physiologisches anatomisches Verhältnis zwischen Ober- und Unterkiefer erleichtert den Kontakt von Zähnen zu Unterlippe. 4 (Unter-) Lippen- und Wangenmuskulatur sollten genügend Spannung aufbringen können. 4 Eine gute Zwerchfellspannung erlaubt die Fähigkeit zur dosierten Luftabgabe.
Blätterbild. Der Wind bläst Blätter durchs Land. Hinter-
her kann gemeinsam ein Blätterbild gestaltet werden. Papagei. Der auf Papier gemalte Papagei braucht noch
Federn. Diese werden ihm »zugeblasen« und dann aufgeklebt. Tiere füttern. Die Tiere haben Hunger! Das Futter
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Anbahnungsmöglichkeiten Mundbild leicht ablesbar. Dem Kind wird erklärt, dass es mit den oberen Zähnen leicht auf die Unterlippe »beißen« soll, um dann »durch die Zähne zu blasen«. Eventuell kann die Unterlippe auch mit dem Zeigefinger leicht an die oberen Schneidezähne gedrückt werden. Der Spiegel bietet eine gute visuelle Korrekturmöglichkeit.
Schnee. Der Schneesturm weht über die Spielzeugstadt
Ableitung. Das [f] wird normalerweise nicht von ande-
Bei der Arbeit an Strömungslauten sollte der Oberkörper möglichst gut aufgerichtet sein, damit das Zwerchfell optimal arbeiten kann.
ren Lauten abgeleitet. Eventuell kann die Anbahnung über das Blasen erfolgen.
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(Heu) wird vom Wind gebracht.
Phonetische Lokalisation. Die Bildung des [f] ist vom
und bringt große dicke Schneeflocken (Watte). Käferspiel. Ein kleiner Käfer (auf den Fingerspitzen
der geschlossenen Hand) fliegt zu verschiedenen Stationen im Zimmer, die vorher erwürfelt werden. ! Beachte
Vorstellungshilfen. Das [f] lässt sich sehr gut mit dem
Der Laut [v]
Wind assoziieren, der durch die Bäume bläst.
Das [v] ist ein stimmhafter, labiodental gebildeter Frikativ. Bei seiner Bildung legt sich die Innenseite der Unterlippe leicht an die oberen Schneidezähne an. Die Unterlippe wird durch die vorbeiströmende Luft ein wenig in Vibration versetzt.
i Tipp Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Grundvoraussetzung ist eine guter Gesamtkörpertonus, damit das Zwerchfell ausreichend Spannung für die dosierte Luftführung aufbauen kann (also auch auf eine aufrechte Oberkörperhaltung achten, z. B. durch den Fersensitz!) 4 Bewegungsart: Die Bewegung erfolgt geführt, strömend, weiträumig und langsam und darf nicht zu lang sein (Ausatemkapazität des Kindes beachten!). 4 Körperteile: Es werden in der Regel beide Hände (und Arme) eingesetzt, die Konzentration liegt dabei auf den Fingerspitzen. 4 Die Bewegungrichtung erfolgt immer vom Körper weg: von der Körpermitte weg nach vorne (oben) oder von der Seite nach vorne. Die Bewegung sollte nicht zu weit nach oben erfolgen, sonst wird das Halten der Spannung erschwert. 4 Die Bewegung soll vor allem die gleichmäßige und dosierte Luftabgabe nach vorne unterstützen.
Voraussetzungen für die korrekte Bildung 4 Eine geschlossene obere Frontzahnreihe ist für die Anbahnung des Lautes nötig. 4 Die Unterlippe sollte über eine gute Spannung verfügen. 4 Auch die Wangen sollten leicht angespannt sein. 4 Das Zwerchfell hat eine gute Spannung und kann den Phonationsstrom gut dosiert abgeben.
Anbahnungsmöglichkeiten Phonetische Lokalisation. Das Kind berührt mit den
oberen Schneidezähnen die Unterlippe, es entsteht ein lockerer Kontakt. Dann soll es brummen wie ein Bär. Der Spiegel hilft dem Kind, die Artikulation zu kontrollieren. Ableitung. Vom [f], dann soll das Kind Stimme dazu
geben (»so dass der Hals zittert«).
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Spielideen für die bewegungsunterstützte Lautanbahnung
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Der Grundcharaker des Lautes ist ruhig und vorsichtig. Es bieten sich Spiele an, in denen langsame geführte Handlungen vorkommen. Das Material ist leicht, so dass man es fliegen lassen kann (z. B. Federn, Blätter, Watte).
Vorstellungshilfen. Hier eignet sich das Brummen, z. B.
eines Bären oder einer Maschine (Waschmaschine oder Betonmischmaschine).
6.6 · Lautanbahnung und Lautfestigung bei phonetischen Störungen
i Tipp Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Als Grundvoraussetzung muss das Zwerchfell eine fein dosierte Dauerspannung halten können. 4 Bewegungsart: Weite, nach vorne gerichtete Bewegungen entsprechen dem Laut am besten. Die Bewegung sollte gegen einen leichten Widerstand erfolgen. 4 Körperteile: Die ganze Hand wird eingesetzt, wobei ein- oder beidhändig agiert werden kann. 4 Bewegungsrichtung: Die Bewegungen erfolgen vom Körper nach vorne. Sie können aus der Körpermitte nach vorne oder von den Seiten des Körpers nach vorne ausgeführt werden. 4 Unterstützt wird vor allem die gleichmäßige Luftabgabe.
Spielideen zur bewegungsunterstützten Lautanbahnung Der Grundcharakter der Spiele ist langsam und eher gemütlich. Gut geeignet sind Spiele, in denen etwas vom Körper weg geschoben wird. Das Material sollte eher schwer sein und Widerstand bieten. Bärenspiel. Bei jüngeren Kindern bieten sich Bären-
spiele mit großen und kleinen Bären an. Auf diese Weise kann mit verschiedenen Tonhöhen (Stimme!) gearbeitet werden. Brummteddy. Das Kind ist ein Spielzeugteddy, der auf
Druck brummt. Der Teddy darf nur brummen, wenn (leicht!) auf den Bauch gedrückt wird, nicht bei Druck auf andere Körperstellen. Schiebespiele. Das Schieben von schwereren Dingen
über den Knietisch eignet sich ebenfalls als Anbahnungsspiel. Beispielsweise können Gegenstände in einer Keksdose, die mit Sand gefüllt ist, versteckt werden. Die Dose wird über den Tisch hin und her geschoben, das Kind darf suchen, was darin versteckt ist. Kistenschieben. Ein ähnliches Spiel findet im Liegen
statt: Kind und Therapeutin liegen auf dem Rücken und schieben eine schwere Holzkiste mit den Füßen hin und her.
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Schwebende Gespenster. Kind und Therapeutin sind
beide gefährliche Gespenster. Sie knien gegenüber auf dem Boden und haben eine Decke oder ein Laken über Köpfe und Schultern gelegt. Auf ein bestimmtes Signal (durch die Ko-Therapeutin oder die Mutter/den Vater) schweben sie nach oben und artikulieren dabei [v].
Laute der mittleren Artikulationszone Es folgen Übungsmöglichkeiten zu den Alveolaren [t], [d], [s], [z], [n], [l] und [r]. Abschließend werden Anbahnungs- und Spielmöglichkeiten für den häufig fehlgebildeten Postalveolar [ ∫ ] aufgeführt.
Der Laut [t] Das [t] ist ein stimmloser alveolarer Plosiv. Bei seiner Bildung legt sich die Zungenspitze an den oberen Alveolardamm und bildet dort kurzzeitig einen Verschluss. Die gestaute Luft wird plötzlich freigegeben, der velopharyngeale Abschluss durch das gehobene Velum verhindert das Entweichen der Luft durch die Nase.
Voraussetzungen für die korrekte Bildung 4 Eine geschlossene obere Zahnreihe erleichtert die Verschlussbildung mit der Zungenspitze. 4 Die Zungenspitze benötigt genügend Kraft und Spannung, um sich heben und den Druck aufbauen zu können. 4 Auch das Zwerchfell muss eine große Spannung aufbauen und halten können, um das kurzzeitige Stauen der Luft zu ermöglichen (Haltung und Gesamtkörpertonus optimieren!). 4 Für das Abschließen des Nasen-Rachen-Raums sind ausreichend Kraft, Spannung und Aktivität des Velums nötig.
Anbahnungsmöglichkeiten Phonetische Lokalisation. Beim [t] wird dem Kind vor
dem Spiegel gezeigt, dass sich die Zungenspitze hinter die oberen Zähne an den »Schlafplatz« legen muss. Eventuell kann diese Stelle taktil stimuliert werden (z. B. mit Nutella). Ableitung. Das [t] kann durch einen verstärkten
Boden und drückt mit den Füßen gegen einen Ball, der an der Wand liegt.
Druckaufbau über das [d] abgeleitet werden. Ähnlich wie beim [k] und [p] ist es möglich, den Plosiv über den Nasal der gleichen Artikulationsstelle abzuleiten. Das [n] wird phoniert, die Nase zugehalten und gegen den entstehenden Druck das [t] »weggeschleudert«.
Geisterspiel. Das Kind ist ein gefährlicher Geist, der
Vorstellungshilfen. Regentropfen tröpfeln vom Him-
mit weit ausgebreiteten Armen (vielleicht sogar in einem Geisterkostüm?) durchs Zimmer schwebt.
mel!
Balldrücken. Das Kind liegt mit dem Rücken auf dem
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
i Tipp
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Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Grundvoraussetzung für den Spannungsaufbau und dessen schnelles Lösen ist eine sehr hohe Zwerchfellkraft und -spannung, diese wird durch eine gute Ausgangshaltung begünstigt. 4 Bewegungsart: Die Bewegung ist kurz und impulshaft mit einer hohen Spannung. 4 Körperteile: Eingesetzt werden die Fingerspitzen (denkbar ist z. B. der Zangengriff ) oder die Zehenspitzen. 4 Bewegungsrichtung: Die Bewegung erfolgt von unten bzw. der Körpermitte aus nach oben. 4 Durch die Bewegung wird das Anheben und schnelle Lösen der Zungenspitze unterstützt.
Spielideen für die bewegungsunterstützte Lautanbahnung Der impulshafte Charakter des Lautes findet sich wieder in Spielen mit kurzen Spannungsmomenten. Günstig ist Material, das man antippen, zupfen oder wegschnipsen kann. Luftballon. Ein Luftballon wird mit den Fingerspitzen
über eine Schnur getippt.
Anbahnungsmöglichkeiten Phonetische Lokalisation. Wie beim [t] wird dem Kind
die Zungenstellung veranschaulicht, zusätzlich soll es »laut« sprechen. Ableitung. Das [d] kann wie das [t] vom [n] abgelei-
tet werden. Vorstellungshilfe. Ein »stotternder« Motor dient als
Assoziationsmöglichkeit. i Tipp Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Die Grundvoraussetzungen entsprechen denen beim [t], das Lösen der Spannung erfolgt hier allerdings etwas weniger impulshaft. 4 Bewegungsart: Die Bewegung ist impulshaft, aber leicht mit nicht zu viel Druck. 4 Die eingesetzten Körperteile entsprechen denen beim [t]. 4 Bewegungsrichtung: Die Bewegung erfolgt eher nach unten (da der Charakter des [d] schwerer und tragender als der beim [t] ist), kann aber auch nach oben ausgeführt werden. 4 Unterstützt wird das Anheben und Lösen der Zungenspitze.
Seifenblasen. Das Kind soll möglichst große Seifenbla-
sen pusten und anschließend mit den Fingerspitzen zum Platzen bringen.
Spielideen für die bewegungsunterstützte Lautanbahnung Der Grundcharakter der Spiele entspricht dem beim [t].
Kran. Der Kran transportiert Bausteine. Diese werden
mit den Zehenspitzen nach vorne getippt.
Klebemaschine. Als Klebemaschine kleben Kind und
Fingerfarbenbild. Gemeinsam wird ein Bild mit Fin-
Therapeutin mit leichtem Druck der Fingerspitzen Papierschnipsel auf einem Blatt fest.
gerfarben getupft. Futternester. Mit dem Zeigefinger werden Löcher Indianer. Kind und Therapeutin schleichen als Indianer
auf Zehenspitzen durch den Raum und verständigen sich dabei in der Indianersprache.
in eine Knetekugel gedrückt, um dort Futter für die Vögel zu deponieren. Murmelspiel. Kind und Therapeutin drücken mit den
Fröschehüpfen. Kleine mit Fröschen bemalte Steine
werden mit Daumen und Zeigefinger weggeschnipst. Welcher Frosch springt am weitesten?
Der Laut [d] Das [d] ist ein stimmhafter alveolarer Plosiv. Seine Bildung entspricht der des [t], beim Artikulieren erfolgt eine zusätzliche Stimmgebung.
Voraussetzungen für die korrekte Bildung Die Voraussetzungen entsprechen denen beim [t].
Fingerspitzen Löcher in eine Styroporplatte (z. B. um anschließend Murmeln hineinkullern zu lassen).
Der Laut [s] Das [s] ist ein stimmloser Frikativ der mittleren Artikulationszone, der unter Einsatz der Zungenspitze (apikales [s]) oder auch der Zungenmitte (dorsales [s]) am Alveolardamm des Oberkiefers gebildet wird. Hierfür wird durch Anspannen der Zungenränder eine mediane Rinne gebildet, entlang derer der Luftstrom geführt wird. Die Luft entweicht durch eine kleine Öffnung zwischen Zungenspitze und Alveolardamm. Sie strömt gegen die Zähne, wodurch das typische Geräusch entsteht.
6.6 · Lautanbahnung und Lautfestigung bei phonetischen Störungen
Voraussetzungen für die korrekte Bildung 4 Der Zahnreihenschluss sollte gewährleistet, die Frontzähne geschlossen sein. 4 Eine ausreichende Spannung in Zungenspitze und -rändern ermöglicht den für den Laut typischen Bewegungsablauf. 4 Eine wohldosierte Lippen- und Wangenspannung erleichtert die Lautbildung. 4 Wie bei anderen Frikativen ist die Fähigkeit zur dosierten Luftabgabe von Bedeutung. Ein ausreichender Gesamtkörpertonus bildet dafür eine optimale Ausgangsbasis. 4 Um das spezifische [s]-Geräusch nachahmen zu können, ist eine ausreichende auditive Diskriminationsfähigkeit im Hochtonbereich nötig.
Anbahnungsmöglichkeiten Phonetische Lokalisation. Dem (älteren) Kind kann
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6
hat als die Therapeutin. Vorsichtige Bewegungen unterstützen den feinen Charakter des Lautes. 4 Körperteile: Typisch ist der Einsatz von Fingerspitzen, ein- oder beidhändig. Es wird entweder gezogen oder geschoben oder getupft. Der Zangengriff ist günstig, da er die Feinspannung im orofazialen Bereich unterstützt. Der die Bewegung ausführende Arm sollte zu Beginn der Bewegung fast gestreckt sein. 4 Die Bewegungsrichtung verläuft nach unten oder oben. Bei interdentalen Sigmatismen wird die Bewegung zum Körper hin ausgeführt. Dadurch wird das Anheben der Zungenspitze und das Zurückziehen der Zunge unterstützt.
Spielideen für die bewegungsunterstützte Lautanbahnung
am Kiefermodell die korrekte Zungenruhelage gezeigt werden. Diese ist die Ausgangslage für die Bildung des apikalen (oberen) [s]. Die Ruhelage kann auch mit Eisstäbchen stimuliert werden. Mit dem Kind werden die drei Kriterien (»Tricks«) für die [s]-Bildung besprochen (und eventuell mit Bildkarten verdeutlicht): 4 Die Zähne sollen »fast zu« sein. 4 Die Lippen machen einen Grinsemund. 4 Die Zungenspitze »schwebt« vor dem Schlafplatz (oder an den unteren Schneidezähnen).
Die Grundstimmung für Spiele zur Anbahnung des [s] soll leise und vorsichtig sein. Leise, weil z. B. der gefährliche Riese nicht geweckt werden darf, vorsichtig, damit der Zauberer nicht bemerkt, dass aus seinem Zauberwald Feen befreit werden. Auch eine gewisse Spannung, die dem Spiel innewohnt, erleichtert dem Kind eine passende Körperspannung. Daraus ergibt sich das Material: Das Material darf klein und »fisselig« sein. Spannende Figuren wie Hexen oder Zauberer sind gut geeignet. Als Spiele bieten sich Schatzsuchen an oder generell Spiele, bei denen ein Geheimnis gehütet werden soll.
Ableitung. Das [s] kann vom Laut [t] abgeleitet wer-
S-Maschine. Aus einer alten Malzkaffeedose wird eine
den. Hierfür soll das Kind leise ein [t] sagen und es dann »wegpusten«. Es kann vom [k] abgeleitet werden, was besonders beim interdentalen Sigmatismus sinnvoll ist. Ein Laut der hinteren Artikulationszone kann die Zunge etwas nach hinten orientieren. Das Kind soll leise [k] sagen und es dann in ein [s] verzaubern.
»S-Maschine« gebaut. In den Deckel der Dose wird ein Loch gebohrt, durch dieses zieht man dann eine Paketschnur. Beide Spieler dürfen abwechselnd ziehen und dazu das [s] artikulieren.
Vorstellungshilfen. Der Laut [s] kann sehr gut mit dem
Zischen einer Schlange assoziiert werden. Oder das Kind soll ein »Geräusch« machen wie der Zauberwind, der ganz leise durch die Bäume streicht. i Tipp Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Grundvoraussetzung ist ein guter Gesamtkörpertonus, damit das Zwerchfell ausreichend Spannung für eine dosierte Luftabgabe aufbauen kann. 4 Bewegungsart: Die Bewegung erfolgt fein strömend und geführt, wobei beachtet werden muss, dass das Kind eine geringere Ausatemkapazität
Urwaldtiere. Gummitiere sind mit Schnüren befestigt.
Diese werden aus dem Urwald (z. B. unter einem Tuch hervor) gezogen. Damit eine feine Spannung aufgebaut werden kann, sollte gegen Widerstand an einer Schnur oder ähnlichem gezogen werden. Losbude. Bei Lotteriespielen werden kleine Rollen
oder Papierstreifen aus einer Trommel gezogen. ! Beachte Das [s]/[z] ist für viele Kinder der Laut, der am schwierigsten erlernbar ist. Eine Therapie, die altersangepasst erfolgt (nicht zu früh, aber auch nicht erst im fortgeschrittenen Schulalter) verhindert unnötigen Leidensdruck (. Abb. 6.5).
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
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. Abb. 6.5. Lispeln und Leidensdruck. (Aus Siemensen 1998)
Der Laut [z]
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Das [z] unterscheidet sich vom [s] lediglich im Merkmal der Stimmhaftigkeit.
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Voraussetzungen für die korrekte Bildung
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Es gelten in etwa die gleichen Voraussetzungen wie für das [s]. Die für diesen Laut benötigte Spannung ist etwas geringer als für das [s].
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Anbahnungsmöglichkeiten
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für das [s] durchführen. Dem Kind kann als zusätzlicher Trick gezeigt werden, dass der Laut ein bisschen an der Zungenspitze kitzelt.
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Spielideen für die bewegungsunterstützte Lautanbahnung Der Grundgedanke der Spiele ist dem [s] vergleichbar. Es sind die Spiele gut geeignet, bei denen länger etwas gezogen wird. Impulshaftes, kurzes Ziehen ist ungünstig. Biene. Das Thema »Biene« eignet sich allgemein sehr
gut zur Anbahnung des [z]. Zum Beispiel können Bienen aus Bast oder Papier mit einem Faden aus einem Bienenstock (Eimer oder Kiste) gezogen werden.
Phonetische Lokalisation. Diese lässt sich genau so wie
Ableitung. Sinnvollerweise lässt sich das [z] von
stimmhaften Lauten ableiten. Eine Ableitung vom [d] ist einen Versuch wert: leise [d] sagen lassen und es dann wegpusten. Vorstellungshilfen. Eine Biene, die summt, eignet sich
sehr gut, um den Laut zu verbildlichen. i Tipp Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Die Bewegung entspricht der beim [s], wird nur etwas weicher und sanfter ausgeführt. 4 Unterstützt wird das Anheben der Zungenspitze.
Flugzeug. Für eher technisch interessierte Kinder hat
sich die Abwandlung des Bienenspiels in »Flugzeug fliegt Flughafen an« sehr bewährt. Wie oben beschrieben werden Flugzeuge gezogen, in diesem Fall vielleicht über das Rollfeld.
Der Laut [n] Das [n] ist ein alveolarer Nasal. Die Zungenspitze legt sich locker hinter die oberen Schneidezähne an den Alveolardamm und bildet dort einen Verschluss. Das Velum ist gesenkt, die Luft entweicht durch die Nase und erzeugt dadurch die nasale Resonanz.
6.6 · Lautanbahnung und Lautfestigung bei phonetischen Störungen
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6
Voraussetzungen für die korrekte Bildung
Der Laut [l]
4 Die Zungenspitze muss sich heben können. 4 Nur wenn eine physiologische Velumfunktion sowie freie nasale Verhältnisse gegeben sind, kann die Luft durch die Nase entweichen.
Bei dem [l] handelt es sich um einen stimmhaften Lateral, der durch einen Kontakt von der Zungenspitze mit dem Alveolardamm gebildet wird, die Luft entweicht nach beiden Seiten. Eine Fehlbildung des [l] kommt sehr selten vor.
Anbahnungsmöglichkeiten Phonetische Lokalisation. Vor dem Spiegel wird dem
Voraussetzungen für die korrekte Bildung
Kind der »Schlafplatz« der Zunge gezeigt (und eventuell taktil stimuliert). Dann wird es zum »lauten« Sprechen aufgefordert. Die nasale Resonanz kann wie beim [m] an den Nasenflügeln erspürt werden.
Die Zungenspitze muss sich anheben können.
Ableitung. Das [n] kann vom [l] abgeleitet werden,
indem bei dessen Artikulation der Mund fast geschlossen wird.
Anbahnungsmöglichkeiten Phonetische Lokalisation. Von der Zungenruhelage
ausgehend kann dem Kind bei geöffnetem Mund gut die korrekte Artikulationsstellung gezeigt werden. Die Verwendung eines Spiegels bietet sich an. Die Zungenruhelage lässt sich nach Berührung mit gefrorenen Wattestäbchen vom Kind besser wahrnehmen.
Vorstellungshilfen. Wie auch das [m] kann das [n] als
Motorengeräusch gelten.
Ableitung. Das Kind öffnet den Mund weit und pho-
i Tipp
niert ein [a]. Dann legt es die Zungenspitze hinter die oberen Schneidezähne.
Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Grundvoraussetzung ist ähnlich wie beim [l] der Aufbau und das Halten einer adäquaten Zwerchfellspannung für die dosierte Luftabgabe. 4 Bewegungsart: Die Bewegung wird sanft, weiträumig und fließend durchgeführt. 4 Körperteile: Beide Hände werden eingesetzt, wobei die Handinnenflächen nach oben zeigen. Die Konzentration liegt auf den vorderen Fingeranteilen. 4 Bewegungsrichtung: Die Bewegung erfolgt aus der Körpermitte nach vorne oben. 4 Das lockere Anlegen der Zungenspitze an den oberen Alveolardamm wird unterstützt.
Spielideen für die bewegungsunterstützte Lautanbahnung Bei den Spielen für das [n] ist auf eine ruhige Atmosphäre zu achten, die fließende Bewegungen erlaubt. Wind. Der Wind lässt Blätter vom Boden in die Luft flie-
gen. Die Blätter werden auf den Handinnenflächen nach oben transportiert und dort wieder fallen gelassen. Kran. Ein Kran transportiert Tiere vom Boden aus
über ein Hindernis. Die Tiere überfliegen dieses auf den Handinnenflächen. Gespenster. Die kleinen Gespenster fliegen los. Aus
der Hocke steht man langsam auf, die Arme und Hände werden entsprechend der bewegungsunterstützten Lautanbahnung mit nach oben geführt.
Vorstellungshilfen. Der Laut kann gut mit etwas Flie-
gendem assoziiert werden. Der Propeller eines Flugzeuges oder ein Segelflieger eignen sich als »Lautträger«. i Tipp Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Grundvoraussetzung ist das Halten einer adäquaten Zwerchfellspannung für eine dosierte Luftabgabe. 4 Bewegungsart: Die Bewegung ist weich und fließend, sie kann viel Raum einnehmen. 4 Körperteile: Beide Hände werden eingesetzt. Die Ausführung der Bewegung sowohl mit der ganzen Hand (das entspricht der nur leichten Spannung der Zunge bei der Lautbildung) als auch mit den Fingerspitzen (da der Laut mit der Zungenspitze gebildet wird) ist möglich. 4 Die Bewegungsrichtung ist vom Körper weg, die Hände werden nach vorne-oben geführt. 4 Das lockere Anlegen der Zungenspitze an den Alveolardamm wird unterstützt.
Spielideen zur bewegungsunterstützten Lautanbahnung Die Grundstimmung des Lautes ist weich und harmonisch, die verwendeten Materialien dürfen leicht, aber nicht zu klein sein. Wolkenhimmel. Kind und Therapeutin gestalten einen
Himmel, indem sie Wolken ans Firmament heften. Zu
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
diesem Zweck werden große Wattebäusche oder wolkenförmige Papierstücke nach oben gehoben. Dort werden sie vom Himmelspersonal (ein Elternteil steht vielleicht auf dem Tisch?) entgegengenommen. Frau Holle. Eine Abwandlung stellt dieses Spiel dar:
4
Alle Mitspieler agieren im Märchen von Frau Holle und werfen händeweise Federn nach oben. Anstelle von Federn können auch Verpackungschips (aus Styropor) genommen werden.
5
Segelflieger. Verpackungschips stellen kleine Segel-
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flugzeuge dar. Sie werden mit den Fingerspitzen beider Hände aus einem großen Sack geholt und großzügig im Raum verteilt.
Der Laut [r] > Exkurs Üblicherweise wird das [ȏ] (»Rachen-R«, s. Abschn. »Der Laut [ȏ]«), angebahnt, da es leichter zu bilden ist. In einigen Fällen kann es jedoch sinnvoller sein, das vordere [r] anzubilden. Dies ist dann der Fall, wenn in der Familie des Kindes das »Zungenspitzen-R« gesprochen wird und das Kind zudem schon Ansätze für diesen Laut zeigt, z. B. indem es als Ersatzlaut das [l] gewählt hat. Auch wenn regional das [r] üblich ist und das Kind keine Ansätze zeigt, das [ȏ] zu artikulieren, sollte ein Versuch mit dem »Zungenspitzen-R« gemacht werden.
! Beachte
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Es ist wichtig zu beachten, dass das [r] im Allgemeinen später als das [ȏ] erworben wird.
14
Das [r] ist ein stimmhafter Vibrant der mittleren Artikulationszone, der mit der Zungenspitze am Alveolardamm des Oberkiefers gebildet wird. Der Luftstrom passiert die Enge zwischen Zungenspitze und Alveolardamm und versetzt die Zungenspitze in Schwingung.
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Voraussetzungen für die korrekte Bildung
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4 Das Zwerchfell sollte Spannungen über längere Zeit halten können. 4 Die Zungenspitze muss ebenfalls über eine gute Spannung verfügen. 4 Außerdem muss sie vibrationsfähig sein.
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Anbahnungsmöglichkeiten
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dem Kind die Zungenspitze gezeigt. Bei älteren Kindern oder Erwachsenen hat sich folgende Methode bewährt: Der Patient lässt den Kopf entspannt nach vorne hängen, die Zunge liegt locker am Alveolar-
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Phonetische Lokalisation. Mit Hilfe des Spiegels wird
damm. Dann soll er ein kräftiges Hauchen produzieren, das die Zungenspitze in Schwingung versetzt. Ableitung. Das Kind wird aufgefordert [d] und [l]
immer schneller im Wechsel oder viele [d] in rascher Abfolge zu artikulieren. Vorstellungshilfen. Das [r] vibriert wie eine Maschine,
eine Salatschleuder oder ein Waschbrett, über das man rubbelt. i Tipp Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Grundvoraussetzung ist ein optimaler Gesamtkörpertonus, der eine dauerhafte Zwerchfellspannung unterstützt. 4 Bewegungsart: Die Bewegung sollte länger andauernd sein. Ein leichter Anfangsimpuls ermöglicht der Zungenspitze, in Schwingung zu geraten. Um die Zwerchfellaktivität zu unterstützen, sollte die Bewegung gegen Widerstand ausgeführt werden. 4 Körperteile: Um die Zungenspitze zu stimulieren, bietet sich der Einsatz der Fingerspitzen an, der Einsatz der ganzen Hand sollte vermieden werden. Die Bewegung kann ein- oder beidhändig ausgeführt werden. 4 Die Bewegungsrichtung kann vom Körper weg oder zum Körper hin sein. 4 Spannung und Vibrationsvermögen der Zungenspitze werden unterstützt.
Spielideen für die bewegungsunterstützte Lautanbahnung Dem Charakter des Lautes entspricht am besten eine ziehende Bewegung oder eine Rollbewegung. Obwohl eine Bewegung, die den Laut weitestgehend imitiert, schwierig zu konstruieren ist, können die genannten Spielideen die Lautanbahnung doch sehr unterstützen. Da das [r] selten angebahnt wird, ist der Hauptteil der Spiele im Abschn. »Der Laut [ȏ]« beschrieben. Eine Abwandlung der Spielideen im Hinblick auf einen verstärkten Einsatz der Fingerspitzen ist zweckmäßig. Zupfen. Fingerspitzenbetonte Bewegungen wie z. B.
Zupfen unterstützen die Zungenspitze. Die Bewegungen können ein- oder beidhändig sein. Das verwendete Material kann hier feiner und kleiner sein als bei [ȏ].
Der Laut [ ∫ ] Das [ ∫ ] ist ein stimmloser Frikativ, der in der mittleren Artikulationszone unter Einsatz der Zungenspitze und der Zungenränder am Alveolardamm des Oberkiefers
6.6 · Lautanbahnung und Lautfestigung bei phonetischen Störungen
gebildet wird. Hierfür wird die Bildung einer medianen Rinne benötigt, durch welche die Luft strömen kann. Der Luftstrom wird durch eine kleine Öffnung zwischen Zungenspitze und Alveolardamm gegen die Zähne geleitet, wodurch das typische Geräusch verursacht wird. Für das Lautgeräusch ist die Bildung einer Schnute wichtig.
Voraussetzungen für die korrekte Bildung 4 Eine geschlossene Frontzahnreihe erleichtert die Anbahnung des [ ∫ ]. 4 Die Bildung der Schnute muss möglich sein. 4 Ein ausreichender Gesamtkörpertonus begünstigt den Aufbau der nötigen Spannung im orofazialen Bereich. 4 Eine gute Wangenspannung verhindert das seitliche Austreten der Luft in Zusammenarbeit mit den gespannten Zungenrändern. 4 Durch die Anhebung der Zungenränder wird die mediane Rinne gebildet. 4 Eine gute Zwerchfellspannung begünstigt die dosierte Luftabgabe. 4 Die auditive Diskriminationsfähigkeit ermöglicht die Unterscheidung von anderen Lauten, besonders Frikativen.
Anbahnungsmöglichkeiten Phonetische Lokalisation. Bei der phonetischen Loka-
lisation des [ ∫ ] ist die Schnutenbildung der wichtigste Punkt. Dem Kind wird unter Zuhilfenahme eines Spiegels gezeigt, wie die Schnute aussehen soll. Darüber hinaus kann es zu Experimenten mit der Zunge angeleitet werden. Es soll z. B. die Zunge im stark gespitzten Mund nach vorne und hinten bewegen, um verschiedene Artikulationsstellen auszuprobieren. Um eine geeignete Wangenspannung zu simulieren ist es mitunter günstig, das Kind seine Hände leicht gegen die Wangen pressen zu lassen. Diese Hilfe wird später wieder abgebaut, wenn das Kind einen Höreindruck vom Laut bekommen hat.
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i Tipp Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Grundvoraussetzung ist ein guter Gesamtkörpertonus, damit das Zwerchfell ausreichend Spannung für eine dosierte Luftabgabe aufbauen kann. 4 Bewegungsart: Die zum [ ∫ ] passende Bewegung ist etwas geführt, das bedeutet, sie wird gegen einen leichten Widerstand ausgeführt. 4 Körperteile: Die Ausübung von leichtem Druck von Händen (oder Füßen) gegeneinander unterstützt einen Spannungsaufbau in den Zungenrändern. Eine Stimulation der Handkanten regt die Zungenränder ebenfalls zur Tonuserhöhung an. Um beide Zungenränder anzusprechen, empfiehlt es sich, beidhändig oder beidbeinig zu arbeiten. 4 Die Bewegungsrichtung ist nach vorne oder vorne-oben. 4 Die Schnutenbildung und das Anheben der Zungenränder werden unterstützt.
Spielideen für die bewegungsunterstützte Lautanbahnung Der Grundcharakter der Spiele ist eher langsam, bedächtig. Bewegungen werden langsam und gegen einen Widerstand ausgeführt. Das Material darf nicht zu leicht sein. Getöpferte Schalen oder mit Steinen beladene Kisten eignen sich gut. Umzug des Zwergendorfes. Über eine schiefe Ebe-
ne werden alle Möbel ins neue Dorf geschoben, das Transportbehältnis sollte eine kleine Holzkiste oder eine schwere Tonschale sein. Baustellenspiel. Beide Hände stellen einen Kran dar,
indem sie die Handinnenkanten gegeneinander pressen und somit eine Schale bilden, in der Baumaterial (Kastanien, Linsen oder Sand) befördert wird. Kisten schieben. Eine schwere Kiste wird über den
Ableitung. Das [ ∫ ] kann vom [ç] abgeleitet werden,
indem eine Schnute gebildet und das [ç] »nach vorne geschoben wird«. Der Vokal [u] unterstützt in Silben mit [ ∫ ] die Schnutenbildung. Um das sinntragende Wort »Schuh« zu vermeiden, hat es sich bewährt, die Silbe [u∫ ] zu verwenden. Vorstellungshilfen. Das [ ∫ ] rauscht wie der Wind, oder
wie die Luft, die durch Bäume streift. Der Wind kann zum Sturm anschwellen und bietet auch in dieser Hinsicht wieder Stoff zum Experimentieren.
Knietisch geschoben, z. B. um für ein Hotel Einkäufe in die Großküche zu schaffen. Eisstockschießen. Über den Teppichboden werden Eis-
stöcke (mit Sand oder Steinen gefüllte, mit Filz oder Leder umklebte Cremedosen) geschossen. Diese sollen einen Puck treffen. Wer am dichtesten dran ist, darf sich ein Spiel aussuchen. Frösche-Seerosen-Springen. Als Frösche bemalte Steine
(oder auch hier wieder befüllte Cremedosen) werden über den Boden auf Papierseerosen geschoben.
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
Laute der hinteren Artikulationszone
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Im Folgenden werden Übungsmöglichkeiten für die Palatale [ç] und [j], die Velare [k], [g] und [x] sowie den Uvular [ȏ] beschrieben.
Der Laut [ç] Das [ç] ist ein stimmloser palataler Frikativ. Bei seiner Bildung wölbt sich der mittlere Teil der Zunge gegen den harten Gaumen und bildet dort eine Enge. Die Luft durchstreicht diese geräuschhaft, wobei das Velum den Nasen-Rachen-Raum abschließt. Die angehobenen Zungenseitenränder verhindern ein seitliches Entweichen der Luft.
Bewegung mit den Füßen werden die Fußaußenkanten auf dem Boden entlang geführt. 4 Bewegungrichtung: Diese erfolgt vorsichtig zum Körper hin und wird mit einem leichten Heben kombiniert. 4 Durch die Bewegung wird das Anheben der mittleren Zunge gegen den harten Gaumen, das Zurückführen der Zunge und die Velumspannung unterstützt.
Spielideen für die bewegungsunterstützte Lautanbahnung Der Charakter der Spiele ist langsam, mit geführten Bewegungen.
Voraussetzungen für die korrekte Bildung 4 Die Zunge muss ausreichend Kraft und Spannung besitzen, um sich vor allem im Bereich der Zungenmitte und -ränder wölben zu können. 4 Das Velum muss sich heben können, um den Nasen-Rachen-Raum abzuschließen. 4 Für die dosierte Luftabgabe ist eine Dauerspannung des Zwerchfells nötig.
Hexenfang. Tiere werden von der Hexe eingefangen
Anbahnungsmöglichkeiten
Malerspiel. Die Handflächen werden mit Fingerfar-
Phonetische Lokalisation. Dem Kind wird erklärt, dass
be bestrichen, ein Gegenstand wird von unten durch leichte Streichbewegungen angemalt.
die Zungenspitze hinter den unteren Schneidezähnen liegt und die Zunge sich weiter hinten nach oben wölben muss (so dass man nicht mehr in den »Hals« sehen kann). Ein Spiegel sollte auf jeden Fall bereit stehen. Ableitung. Besonders gut lässt sich das [ç] provozie-
ren, wenn das Kind sehr oft und schnell hintereinander [hi]-[hi]-[hi] sagt. Das Kind kann aber auch ein [i] bilden, die Zungenstellung beibehalten und dann nur noch »flüstern«.
und mit einem Lachen hergeholt (Transportieren der Tiere auf der Handinnenfläche). Katzenstreit. Ein Würfel zeigt an, welche der beiden
Katzen sich etwas vom Futter herholen darf (Transport auf den Händen), die jeweilige Katze faucht dazu.
Der Laut [j] Das [j] ist ein stimmhafter palataler Frikativ. Wie beim [ç] wölbt sich der mittlere Teil der Zunge gegen den harten Gaumen und bildet dort eine Enge. Die Luft durchstreicht diese bei gleichzeitiger Stimmgebung, wobei das Velum den Nasen-Rachen-Raum abschließt. Die angehobenen Zungenseitenränder verhindern ein seitliches Entweichen der Luft.
Voraussetzungen für die korrekte Bildung Vorstellungshilfen. Die Katze faucht! Oder die Hexe lacht
mal wieder ([ç] mehrmals hintereinander sprechen).
Die Voraussetzungen für die Lautbildung entsprechen denen beim [ç].
i Tipp
Anbahnungsmöglichkeiten
Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Grundvoraussetzung ist eine ausreichende, dauerhaft gehaltene Zwerchfellspannung für die dosierte Luftführung (günstige Ausgangshaltung beachten!). 4 Bewegungsart: Die Bewegung ist geführt, sie erfolgt mit einem leichten Anfangsimpuls, fließend und weiträumig. 4 Körperteile: Es werden beide Hände (und Arme) eingesetzt, die Handinnenflächen zeigen dabei nach oben. Eventuell können die beiden Handkanten gegeneinander gedrückt werden. Bei der
Alle Anbahnungsmöglichkeiten, die beim [ç] beschrieben wurden, können für die Lautanbahnung des [j] genutzt werden. Auch die dort beschriebene bewegungsunterstützte Lautanbahnung gilt hier entsprechend. Lediglich der Aspekt der Stimmgebung kommt verändernd hinzu, ändert aber nichts an den beschriebenen Spielmöglichkeiten.
Der Laut [k] Das [k] ist ein stimmloser velarer Plosiv. Bei seiner Bildung hebt sich der hintere Zungenteil gegen den weichen Gaumen und bildet dort einen Verschluss.
6.6 · Lautanbahnung und Lautfestigung bei phonetischen Störungen
Gleichzeitig schließt das Velum den Nasen-RachenRaum ab, damit die Luft nicht durch die Nase entweicht. Der gebildete Verschluss zwischen Zungenhinterteil und Gaumen wird »explosionsartig« gelöst, dadurch wird die kurzzeitig gestaute Luft freigegeben. Durch das Lösen des gebildeten Verschlusses entsteht das Lautgeräusch des [k].
Voraussetzungen für die korrekte Bildung 4 Das Zwerchfell muss viel Spannung und Kraft aufbringen können, um das Stauen der Luft zu ermöglichen. Dies erfordert erneut einen optimalen Gesamtkörpertonus einschließlich einer günstigen Ausgangshaltung. 4 Die Velumfunktion muss intakt sein. 4 Der Zungenrücken muss sich heben und wölben sowie einen kurzen Druck herstellen können.
Anbahnungsmöglichkeiten Phonetische Lokalisation. Die bewusste Anleitung des
[k] ist in der Regel eher schwierig. Vor dem Spiegel kann das Kind angehalten werden, seine Zungenspitze an die vorderen unteren Schneidezähne zu legen und dann hinten die Zunge soweit zu heben, dass man »den Hals« nicht mehr sehen kann. Eventuell kann man die Wahrnehmung des hinteren Zungenteils durch eine taktile Stimulation (z. B. Esspapier) erleichtern.
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4 Bewegungsart: Die Bewegung ist kurz, kräftig und impulshaft und erfolgt mit deutlichem Druck. 4 Körperteile: Die Bewegung kann mit den Händen wie auch mit beiden Füßen (Fersen) ausgeführt werden. Beide oder ein Handballen führen eine Druckbewegung durch, eventuell kann der Druck auch mit der Faust erfolgen. 4 Die Bewegungsrichtung ist immer von der Körpermitte nach unten bzw. vom Körper weg. 4 Das Anheben und schnelle Lösen des Zungenrückens und die Velumspannung werden unterstützt. 4 Wenn der Druck mit Handballen oder Ferse länger gehalten wird, erfolgt die Artikulation des [k] in dem Moment, in dem die Spannung gelöst wird.
Spielideen für die bewegungsunterstützte Lautanbahnung Der Wechsel von starkem Spannungsaufbau und plötzlichem Lösen der Spannung sollte beim Spiel berücksichtigt werden. Dies kann man vor allem durch geeignetes Material erreichen (hartes oder verformbares Material wie Knete oder Bälle). Presslufthammer. Ein Presslufthammer drückt Steine
für den Straßenbau platt (Knetekugeln). Teigmaschine. Die Pizzabäcker benötigen noch Teig
(Knetekugeln platt drücken). Vorsicht Das Stimulieren des weichen Gaumens oder des hinteren Zungenteils birgt die Gefahr, den Würgreflex auszulösen, zumal die reflexauslösende Zone bei Kindern weiter vorne als bei Erwachsenen ist.
Dschungeldurchquerung. Dschungelforscher bewegen
sich durch den Urwald. Um wilde Tiere zu verscheuchen, besteht jeder Schritt aus einem Fersendruck mit »Abschreckgeräusch«.
Ableitung. Das [k] kann provoziert werden, indem das
Kartoffeldruck. Ein Bild wird mit Kartoffeldruck gestal-
Kind ein [ń] artikuliert und sich dabei die Nase zuhält. Das Versperren des Luftwegs durch die Nase erhöht den Druck, der zwischen Hinterzunge und Gaumen aufgebaut wird. Das Kind soll dann das [k] »nach vorne wegschleudern«. Die Artikulation des [x] kann in ein [k] überführt werden, wenn man das [x] mehrmals hintereinander möglichst kurz und impulshaft spricht.
tet. Für den Druckaufbau soll die (ungeschälte) Kartoffel gut in der Handfläche liegen.
Vorstellungshilfe. Das [k] knallt wie ein Hammer oder
Schnipselbild. Papierschnipsel werden durch einen
kräftigen Druck mit den Handballen aufgeklebt. Bootsfahrt. Die Kapitäne fahren mit ihrem Boot (Sit-
zen in einem Pappkarton). Dabei drücken sie sich mit den Fersen vom Boden ab.
wie Faustschläge auf den Tisch. i Tipp Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Grundvoraussetzung ist ein optimaler Gesamtkörpertonus. Vor allem eine hohe Zwerchfellkraft muss aufgebaut werden, dazu ist viel Spannung im Bauchbereich nötig. Die Zwerchfellspannung muss kurz gehalten und dann gelöst werden können.
Ballspiel. Kind und Therapeutin »drücken« sich Bäl-
le zu. Ein Schaumstoffball wird zunächst plattgedrückt und dann durch das Lösen des Drucks dem Partner zugespielt. Post. Die Angestellten bei der Post müssen Briefmar-
ken auf die Briefe kleben.
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
Der Laut [g]
Plätzchen backen. Kugeln aus Salzteig werden mit den
Die Bildung des Lautes [g] entspricht dem [k], wobei das [g] stimmhaft gebildet wird.
Die Voraussetzungen sind mit dem Laut [k] vergleichbar. Die Lösung des Verschlusses zwischen hinterem Zungenrücken und Velum erfolgt sanfter als bei [k].
Handballen langsam platt gedrückt, wobei die Handballen über den Teigplätzchen noch etwas abgerollt werden. Rüber drücken. Ein Pezziball liegt zwischen Kind und Therapeutin. Mit beiden Händen versuchen die Spieler den Ball über eine Linie ins gegnerische Feld zu drücken.
Anbahnungsmöglichkeiten
Der Laut [x]
Phonetische Lokalisation. Das Kind kann vor dem Spie-
Das [x] ist ein stimmloser velarer Frikativ. Die Luft durchstreicht hier eine in der hinteren Artikulationszone gebildete Enge. Diese wird durch das Anheben des hinteren Zungenteils gegen den weichen Gaumen erzeugt, wobei das Velum den Nasen-Rachen-Raum abschließt.
Voraussetzungen für die korrekte Bildung
gel gezeigt bekommen, wo die Zungenspitze liegen soll. Dies ist nur sinnvoll, wenn der Ersatzlaut [d] ist. Die Vermittlung der Lage des Zungenrückens ist schwierig, da dieser von den Kindern meist nicht isoliert wahrgenommen wird. Ableitung. Es ist möglich, das [g] vom [ń] abzuleiten. Das Kind soll diesen Laut artikulieren und dann plötzlich stoppen, indem es beispielsweise die Zunge nach vorne stößt. Dadurch entsteht häufig bereits ein [g].
Voraussetzungen für die korrekte Bildung Die Voraussetzungen entsprechen denen beim [ç], lediglich der Ort der Zungenhebung ist beim [x] weiter hinten.
Vorstellungshilfen. Diese sind ähnlich wie beim [k].
i Tipp Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Als Grundvoraussetzung muss das Zwerchfell eine kurze, nicht zu kräftige Spannung aufbauen und dann lösen können. 4 Bewegungsart: Die Bewegung ist kurz, kräftig und impulshaft, aber sanfter und langsamer als bei [k]. 4 Körperteile: Die Bewegung kann mit den Handballen oder den Fersen ausgeführt werden. Der Einsatz kann ein- oder beidseitig erfolgen. 4 Die Bewegungsrichtung ist immer von der Körpermitte nach unten oder nach vorne-unten. 4 Das Anheben und das schnelle Lösen des Zungenrückens und die Spannung des Velums werden unterstützt.
Spielideen für die bewegungsunterstützte Lautanbahnung Der Charakter der Spiele sollten von eher kräftigem und schnellem Temperament sein, jedoch langsamer und weicher als beim [k]. Dies wird durch Material ermöglicht, das verformbar ist und trotzdem Widerstand bietet, z. B. Knetmasse oder Salzteig, Schaumgummi oder Kissen. Detektivspiel. In eine weiche Masse werden Abdrü-
cke von den Handballen gemacht. Dies könnte in ein Detektivspiel eingepackt sein.
Anbahnungsmöglichkeiten Phonetische Lokalisation. Wie beim [ç] oder [k] wird
dem Kind die Lage der Zungenspitze und das Heben der Zunge vor dem Spiegel erläutert (»Die Zunge macht hinten einen Berg«). Das (ganz weiche und leise) Gurgeln mit etwas Spucke macht die Artikulationsstelle für das Kind spürbar. Ableitung. Das Kind soll ein [ç] artikulieren und dabei
den Mund weit öffnen. Das [x] entsteht auch, wenn man das [h] bildet und dabei die Zunge etwas nach hinten schiebt. Vorstellungshilfen. Kind und Therapeutin schnarchen
ganz laut! (Dabei kann das [x] eventuell zuerst inspiratorisch entstehen!). i Tipp Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Als Grundvoraussetzung ist eine lang andauernde, sehr kräftige zwerchfellgestützte Spannung nötig. 4 Bewegungsart: Die Bewegung beginnt mit einem Anfangsimpuls und erfolgt gegen einen Widerstand. Sie dauert länger an. 4 Körperteile: Beide Hände greifen oder halten einen Gegenstand. Das Festhalten kann auch mit den Handballen erfolgen. 4 Bewegungsrichtung: Die Bewegung geht zum Körper hin, eventuell nach unten oder gleich in Beckenhöhe.
6.6 · Lautanbahnung und Lautfestigung bei phonetischen Störungen
4 Das Anheben des Velums und des hinteren Zungenteils sowie das Zurückführen der Zunge werden durch die Bewegung unterstützt. Die Arbeit gegen Widerstand soll das Aufrechterhalten der Zwerchfellspannung begünstigen.
Spielideen für die bewegungsunterstützte Lautanbahnung Um die für das [x] nötige Dauerspannung des Zwerchfells zu unterstützen, sollten die Spiele spannungsreich gestaltet werden (»Achtung, gleich passiert etwas!«). Damit immer gegen Widerstand gearbeitet werden kann, wird schweres Material gewählt (z. B. Steine, viele Bauklötze). Die Spiele können ähnlich wie bei der [ȏ]-Anbahnung gestaltet werden. Steintransport. Eine schwere Kiste wird abwechselnd
hergezogen, um z. B. Steine aus dem Steinbruch abzutransportieren. Drachentrick. Die Tiere sollen vom Drachen befreiet
werden. Dazu müssen diese in einem (schweren) Boot über den Fluss gezogen werden. Damit der schlafende Drache nichts merkt, simulieren Kind und Therapeutin ein Schnarchen. Riesenspiel. Die Riesen decken den Tisch und ziehen
auf einem Tablett Geschirr zu sich her.
Der Laut [ȏ] In den meisten Fällen wird bei Kindern mit Rhotazismus das »Rachen-R« angebahnt. Die Ausnahmen von dieser Regel sind im Abschn. »Der Laut [r]« beschrieben. Das [ȏ] ist ein Vibrant der hinteren Artikulationszone, der mit Velum und Zungenrücken gebildet wird. Der Luftstrom passiert die Enge zwischen Velum und Zungenrücken und versetzt das Velum in Schwingungen.
Voraussetzungen für die korrekte Bildung 4 Das Zwerchfell sollte Spannung über längere Zeit halten können. 4 Das Velum muss ebenfalls über eine gute Spannung verfügen. 4 Außerdem muss es schwingungsfähig sein. 4 Der Zungenrücken sollte sich nach oben wölben können.
Anbahnungsmöglichkeiten
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den. Einigen Kindern hilft auch die Anleitung, es »hinten im Hals wackeln zu lassen«. Ableitung. Das Kind soll [x] artikulieren und dann
leiser werden oder eventuell die Stimme dazugeben, indem es eine Melodie auf [x] singt (das klingt zwar nicht sehr schön, hilft aber!). Auch eine Ableitung vom [k] ist möglich. Das Kind artikuliert [k] und versucht dann, den Laut »im Mund nach vorne zu schieben«. Eine weitere Möglichkeit besteht im Versuch, [k] und [x] immer abwechselnd artikulieren zu lassen. Vorstellungshilfen. Hierfür bieten sich Motoren- oder
Maschinengeräusche an. i Tipp Bewegungsunterstützte Lautanbahnung 4 Als Grundvoraussetzung dient ein optimaler Gesamtkörpertonus der dauerhaften Zwerchfellspannung. 4 Bewegungsart: Die Bewegung sollte länger andauernd sein. Ein leichter Anfangsimpuls erleichtert dem Velum häufig das Schwingen. Um die Zwerchfellaktivität zu unterstützen, sollte während der Bewegung eine Spannung gegen Widerstand gehalten werden. 4 Körperteile: Die Bewegung kann ein- oder beidhändig ausgeführt werden. Die Benutzung nur einer Hand lässt sich leichter in ein geeignetes Spiel integrieren. 4 Die Bewegungsrichtung kann vom Körper weg oder zum Körper hin sein. 4 Velumspannung und Vibrationsvermögen werden unterstützt.
Spielideen für die bewegungsunterstützte Lautanbahnung Der Grundcharakter des Lautes wird am besten in einer ziehenden oder schiebenden Bewegung aufgegriffen, die kraftvoll und gegen Widerstand ausgeführt wird. Wurf-, Zug- oder Rollbewegungen sind hierbei gut geeignet. Die »typische« Bewegung, die in allen drei Bereichen den Laut [ȏ] imitiert, ist schwierig zu konstruieren. Trotzdem kann mit den folgenden Spielideen sehr erfolgreich gearbeitet werden. Tauziehen im Sitzen. Therapeutin und Kind sitzen sich
auf dem Boden gegenüber und ziehen abwechselnd an einem dicken Seil.
Phonetische Lokalisation. Ein direktes Zeigen der Arti-
kulation ist beim [ȏ] nicht gut möglich. Durch Gurgeln kann dem Kind die Artikulationszone bewusst gemacht und die Velumbeweglichkeit verbessert wer-
Piratenboot. In einer Holzkiste, die mit Steinen
beschwert ist, werden verschiedene Schätze auf ein Piratenboot gezogen.
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
Waschtag. Über ein Waschbrett zu rubbeln, stimuliert
die Vibrationsbewegung des Velums optimal.
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Im Folgenden sind einige Möglichkeiten genannt, die für die verschiedenen sprachlichen Ebenen genutzt werden können.
Abzupfspiel. Von einer Wäscheleine werden Säckchen
mit einer kräftigen Bewegung heruntergezogen – diese können mit Rate- oder Mundmotorikkarten oder anderen Materialien für das nachfolgende Spiel befüllt sein. Schleuderbilder. Die Salatschleuder ist das Instrument
schlechthin für die Anbahnung des [ȏ]. In das Innere der Salatschleuder wird ein rundes Papierstück gelegt. Auf dieses tropft man dünnflüssige (Wasser-) Farbe. Wenn die Schleuder lange genug auf [ȏ] gedreht wurde, entstehen tolle Farbklecksbilder. Abrollern. Eine Murmel wird in einem Holzreifen
gerollt. An der Außenseite des Reifens können wieder verschiedene Karten oder Materialien liegen, z. B. auch kleine Zettel mit der Hausaufgabe.
6.6.4 Spielideen zur Lautfestigung
Schatzsuche. Ein Schatz muss gefunden werden, der
von der Hexe/vom Krokodil/vom Zauberer/von der bösen Fee/von den Außerirdischen bewacht wird. Dazu müssen verschiedene Aufgaben erfüllt werden. Für jede gelöste Aufgabe gibt es Murmeln/Glasnuggets/Steine usw., die hinterher als Tausch für den Schatz verwendet werden können. Olympiade. Wie bei einer Olympiade müssen auch in
der Therapie verschiedene Disziplinen durchlaufen werden (die natürlich alle besondere Namen haben). An der Tafel/im Olympiaheft usw. wird jede Leistung notiert, zum Schluss gibt es eine Medaille (z. B. eine besonders schöne Perle/eine kleine Pappmedaille). Dschungeldurchquerung. Im Dschungel lauern immer
wieder Gefahren. Die müssen bei der Durchquerung bewältigt werden (einzelne Aufgaben). Zaubertrank. Für einen Zaubertrank braucht man ver-
In 7 Kap. 6.6.3 wurden Gestaltungsmöglichkeiten zur Lautanbahnung beschrieben. Viele dieser Spielideen lassen sich auch gut für die Silben-, Wort- oder Satzebene abwandeln. Die folgenden Spielideen sollen zusätzliche Anregungen zur spielerischen Umsetzung der Lautfestigung liefern. Sie entstammen der praktischen logopädischen Tätigkeit und haben sich in dieser Form in der Therapie bewährt.
Rahmenhandlung Vor allem auf Silben- und Wortebene profitieren kleinere Kinder von Spielhandlungen, die einen Rahmen für die gesamte Stunde bieten. Das Kind absolviert nicht »Übung für Übung«, sondern erlebt die Stunde als ein in sich geschlossenes Spiel. Die einzelnen Sequenzen bauen spielerisch aufeinander auf und greifen logisch ineinander. i Tipp Dem Argument, dieses Vorgehen sei in der Praxis nicht durchführbar, weil zu zeitaufwendig, kann nur bedingt zugestimmt werden. In der Tat lassen sich große Spielaufbauten nicht immer realisieren. Oft reicht aber schon die spielerische Idee, die das Kind anstelle einer Übung eine spannende Aufgabe empfinden lässt!
schiedene Zutaten, die man nur erhält, wenn man bestimmte Aufgaben erledigt. Mit dem Zaubertrank wird die Hexe wieder gesund/kann der Drache betäubt werden, der die gefangenen Tiere bewacht usw.
Silbenebene Marsmenschen. Bei einem Besuch auf dem Mars muss
jeder Astronaut die Sprache der Marsmenschen können. Anhand einzelner Gegenstände wird geübt (jeder Gegenstand = Silbe mit Ziellaut). Zaubern. Silben als Zaubersprache sind unschlagbar
in ihrer Anwendung. Mit den Zaubersprüchen lassen sich: 4 Tiere befreien, 4 Blumen erhalten ihre Blütenblätter (z. B. beim Basteln eines Bildes), 4 Schiffe können gefährliche Untiefen passieren (um bestimmte Dinge zu transportieren), 4 böse Geister werden versteinert (dadurch wird der Weg frei), 4 kleine Wattebäusche fliegen zum Vogelnest (damit das schön weich wird) usw. Angeln. Mit einem handelsüblichen Angelspiel wer-
den Fische gefangen. Vor dem Angeln muss man einen »Angelschein« erwerben, indem man eine entsprechende Silbe artikuliert.
6.6 · Lautanbahnung und Lautfestigung bei phonetischen Störungen
Abrollern. Um einen Holzreifen sind Bildkarten gelegt,
z. B. mit Abbildungen von Dingen oder auch Gegenständen, die man für eine Expedition in den Dschungel benötigt. Bevor die Kugel in Bewegung gesetzt wird, sagt man noch eine Zaubersilbe, die der Murmel hilft, die gewünschte Karte oder einen bestimmten Gegenstand zu treffen. Zauberwort. Beinahe jedes Spiel lässt sich mit einem
Zauberwort in ein Spiel für die Silbenebene »verzaubern«. Vor jeder Spielhandlung soll die betreffende Silbe artikuliert werden, z. B. bevor man eine Memorykarte umdreht, vor dem Würfeln oder vor dem Kegeln.
Wortebene
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Variante: Bunte Klopapierrollen, in die eine oder mehrere Karten hineingesteckt sind, werden abgekegelt. »Spiele-Bastler«. Ein großer bunter Karton (DIN A3)
dient als Spielfeld, das gestaltet werden soll. Das Startfeld ist vorgegeben. Verschiedene Bildkarten liegen zum Aufkleben bereit, die Bilder sind noch nicht sichtbar. Abwechselnd wird gewürfelt, entsprechend der Anzahl der gewürfelten Augen werden Felder in Reihe auf den Karton gemalt, jede Reihe schließt mit einem Bild, das vom Kind gezogen, benannt und dann aufgeklebt wird. Das Spiel kann zu Hause wie ein normales Würfelspiel gespielt werden, die Bilder werden beim Ziehen benannt (oder weitere Begriffe mit dem Ziellaut werden gesucht).
Memory. Altbekannt und doch immer wieder beliebt
und geeignet ist ein Memoryspiel mit Bildpaaren, die den Ziellaut enthalten. Diese müssen beim Aufdecken benannt werden.
Eisenbahn. Die Eisenbahn wird aufgebaut, unterwegs
gibt es verschiedene Stationen, an denen jeweils verdeckte Bilder liegen. Der Zug fährt von Station zu Station und lädt alle Bilder auf.
Klatschmemory. Das Spiel wird mit gewöhnlichen
Memorykarten gespielt. Im Gegensatz zur Memoryspielregel wird nun lediglich eine Karte aufgedeckt und benannt. Diese bleibt offen liegen. Wenn nun im weiteren Verlauf des Spieles die identische Karte noch mal umgedreht wird, muss man beide Karten sofort mit den Händen »abschlagen«. Wer dies als Erster schafft, darf das Pärchen benennen und behalten. Sieger ist, wer zum Schluss die meisten Paare hat. Dieses Spiel hat ein hohes Tempo und ist sehr spannend. Es sollte nur mit Kindern gespielt werden, die auf Wortebene bereits sicher sind. Abrollern. Auch für die Wortebene lässt sich das Abrol-
lerspiel mit dem Holzreifen gut einsetzen. Bildkarten mit dem Ziellaut werden verdeckt um einen Reifen gelegt. Abwechselnd wird eine Murmel im Reifen entlang »gerollert«, das Bild, bei dem die Murmel liegen bleibt (oder das der Murmel am nächsten ist), wird umgedreht und benannt.
Unter Wasser. Bei einem Tauchgang unter Wasser fin-
den sich die merkwürdigsten Dinge (z. B. verschiedene Gegenstände mit dem Ziellaut oder Bilder). Diese werden an Land gebracht, benannt und eventuell sortiert (z. B. nach Lautposition im Wort). Wörtercollage. Mit Hilfe eines Katalogs (z. B. von
einem Kaufhaus) oder auch frei sollen vom Kind möglichst viele Wörter mit dem geforderten Ziellaut gefunden werden. Die Bilder werden ausgeschnitten und zu einer Collage zusammengestellt, die Wörter werden eventuell aufgeschrieben (und zu Hause vom Kind mit einem selbstgemalten Bild ergänzt). Stadt-Land-Fluss. Zu verschiedenen vorgegebenen
Oberbegriffen soll das Kind ein Wort finden, das den Ziellaut enthält. Als Hilfe können verschiedene Bilder zur Auswahl angeboten werden. Frösche hüpfen. Unter bunten Tüchern werden Bild-
Schützenkönig. An die Wand oder die Tür werden Bil-
der gehängt (oder Briefumschläge, die mit Bildern gefüllt werden). Das Kind wirft die Bilder/Umschläge mit einem Softball ab, im Anschluss wird das jeweilige Bild benannt.
karten versteckt. Frösche (z. B. Flöhe aus dem Flohspiel) dürfen von einem Tisch oder Hocker hinunter auf die Tücher springen. Wessen Frosch ein Tuch erwischt hat, darf eine Karte benennen und behalten. Weihnachtsmann. Aus einem Katalog werden Bilder
Kegeln. Kegel werden so aufgestellt, dass sie zwar
zusammen stehen, aber einzeln abgeschossen werden können. Unter jedem Kegel liegt verdeckt eine Bildkarte. Das Kind muss jeden Kegel einzeln treffen, erhält dann die Bildkarte und benennt diese.
von Wörtern mit dem Ziellaut ausgeschnitten und, nachdem sie benannt wurden, auf einen großen Schlitten geklebt.
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
Sieben-Sachen-Suchen. Im Therapieraum oder zu
Vorsicht
Hause werden sieben oder beliebig viele Gegenstände, die mit dem Ziellaut beginnen, gesucht und benannt.
Aufforderungen wie »Sag mal einen Satz dazu!« oder »Und jetzt sag nochmal den ganzen Satz!« sind schnell geäußert, motivieren das Kind aber nicht wirklich. Hinweise dieser Art sollten vermieden werden. Statt dessen bietet die Therapeutin ihr Vorbild oder geschickte Fragen an, die den gewünschten Satz als Antwort provozieren.
Reise ins All. Zu einem Ausflug in den Weltraum wer-
den verschiedene Gegenstände eingepackt (z. B. passende Bildkarten von einem Memory oder aus dem »Kofferpackenspiel«). i Tipp - Materialempfehlung 4 »Na Logo«: Ein Brettspiel mit verschiedenen Kartensätzen zu den einzelnen Lauten, bei dem die Karten auch gut für andere Spiele verwendet werden können. Bezug über: Trialogo Verlag 4 »LingoMaps«: Für einzelne Laute zusammengestellt, enthalten die LingoMaps abwechselnde Spielideen zur Mundmotorik, auditiven Wahrnehmung und Lautfestigung. Ein sehr ansprechendes Material auf Bastelbögen. Bezug über: LingoPlay GmbH & CoKG 4 »Spiele zur Stammlertherapie«: Viele Gegenstandsbilder zu den einzelnen Lauten können für die einzelnen Spiele herangezogen werden. Bezug über: Verlag am Sprachheilzentrum Alle Adressen s. e Downloadbereich
Satzebene
i Tipp - Materialempfehlung 4 »Werscherberger Sprachfibel zur Behandlung von Stammelfehlern, Mappe D«: Hier handelt es sich um eine Sammlung von Situationsbildern zu den einzelnen Lauten. Bezug über: AWO Wohnanlage Schlichthorst 4 »ABC-Bilder«: Zu den wichtigsten Lauten gibt es jeweils ein Suchbild, das viele Begriffe mit dem Ziellaut enthält. Bezug über: Advesco Schubi Lernmedien GmbH Alle Adressen s. e Downloadbereich
Halbspontansprachebene Kaufladen. Beim Kaufladenspiel werden von der Ver-
käuferin bestimmte Lebensmittel oder andere Gegenstände verlangt. Damit der Ziellaut im Gespräch möglichst oft verwendet werden muss, ist der Laden mit entsprechendem Material (Bildkarten oder Realgegenstände) ausgestattet.
Pantomime. Abwechselnd werden auf Bildern darge-
stellte Personen/Gegenstände/Tätigkeiten vorgespielt, der andere muss raten (»Du bist ein …, Du verwendest einen …, usw.«). Die Abbildungen sollten den Ziellaut enthalten.
Bildergeschichten. Die einzelnen Karten einer Bil-
dergeschichte werden abgeworfen/vom Seil gezupft/ erhüpft, anschließend wird die Geschichte gelegt und erzählt. Eventuell kann eine Fortsetzung überlegt werden.
Laute-Sammel-Spiel. Gemeinsam wird ein Situations-
bild betrachtet, auf dem möglichst viele Gegenstände mit dem Ziellaut enthalten sind. Abwechselnd wird mit einem Satz eine dargestellte Situation beschrieben. Dabei muss jeder Satz mindestens einen Ziellaut enthalten. Wer am meisten Laute gesammelt hat, hat gewonnen.
Geschichtenerzähler. Anhand von dargebotenen Bild-
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Quatschgeschichten. Aus zwei bis drei vorgegebenen
Pappkino. Diese Spiel ist eine Variation des vorherigen.
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Bildern (die natürlich den Ziellaut enthalten) soll ein Unsinnssatz gebildet werden. Dieses Spiel begeistert viele Kinder!
Aus einer Pappschachtel wird ein Rechteck herausgeschnitten. Auf einem breiten Papierstreifen sind Zielwörter geklebt oder gemalt, eventuell auch als fortlaufende Geschichte. Dieser Streifen wird nun unter dem ausgeschnittenen Fenster entlanggezogen, Therapeutin und Kind erzählen eine passende Geschichte.
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i Tipp Fast alle Spiele, die unter Wortebene aufgeführt sind, können mit entsprechender Vorgabe auch auf Satzebene gespielt werden. Die Sätze werden in diesem Fall standardisiert gebraucht.
karten (Gegenstands- oder Situationsbilder, bei deren Benennung nach Möglichkeit der Ziellaut gefordert sein sollte) wird gemeinsam oder abwechselnd eine Geschichte erzählt. Eventuell kann sie in einem Heft notiert oder auf Kassette aufgenommen werden.
Hörspiel. Anhand von vorgegebenen Begriffen (nach
Möglichkeit den Ziellaut enthaltend) wird ein Hörspiel auf Kassette aufgenommen. Dabei können ver-
6.7 · Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei phonologischen Störungen
schiedene Geräusche mit einbezogen werden (z. B. Wasserplätschern, Klopfen usw.). Besonders beliebt sind Kriminal- oder Gruselgeschichten. i Tipp Je eigenaktiver und kreativer das Kind, desto freier kann die Erzählsituation gestaltet werden. Zu beachten ist, dass nicht alle Kinder spontan Ideen entwickeln können. In diesem Fall bietet die Therapeutin verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl an.
i Tipp - Materialempfehlung 4 »Und dann….?« (Box 1/Box 2): Die Fortsetzung der Bildergeschichten kann selbstständig überlegt werden. 4 »Combimage«: Auf verschiedenen Bildkarten sind Personen, Gegenstände, Tiere und Schauplätze abgebildet. Anhand der Bilder lassen sich eigene Geschichten erfinden. 4 »Der kleine Herr Jakob«, »Papa Moll«: Diese Geschichten mit viel Witz eignen sich gut zum Erzählen von Handlungsabläufen und Reflektieren der dargestellten Situationen. Bezug über: Advesco Schubi Lernmedien GmbH, Adresse im e Downloadbereich 4 »Schatzpiraten«: Ein ansprechendes Spiel, das viele Möglichkeiten bietet, die Ziellaute in der freieren Kommunikation zu festigen. Bezug über: LingoPlay GmbH & CoKG, Adresse im e Downloadbereich
Spontansprachebene Rollenspiel. Therapeutin und Kind schlüpfen in ver-
schiedene Rollen (z. B. Tiere, Piraten, Mondfahrer) und erleben Abenteuer. Kaspertheater. Eine gemeinsam gestaltete Geschichte
kann am Ende der Stunde der Mutter/dem Vater vorgespielt werden. Witze erzählen. Kinder im Grundschulalter haben häu-
6.7
159
6
Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei phonologischen Störungen
Das im Folgenden beschriebene therapeutische Vorgehen unterscheidet sich grundlegend von der Therapie phonetischer Störungen. Zentrales Merkmal der phonologisch ausgerichteten Therapie ist die Arbeit mit Lautklassen. Vor allem der Förderung der auditiven Eigenwahrnehmung kommt dabei besonderes Gewicht zu. Die verschiedenen Therapieansätze lassen sich patientenorientiert auswählen und kombinieren.
Bei Kindern mit phonologischen Störungen liegen keine artikulatorisch-sprechmotorischen Schwierigkeiten zugrunde. Vielmehr fallen sie durch ein eingeschränktes sprachlich-strukturelles Wissen über die Anwendung von Lauten auf. Im kommunikativen Kontext können möglicherweise Missverständnisse entstehen, wenn die Kinder durch entsprechende Lautverwendungsfehler eine Bedeutungsänderung von Begriffen bewirken (. Abb. 6.6). ! Beachte Ziel der phonologischen Therapie ist, das Kind für die lautsystematischen Regeln der Sprache zu sensibilisieren, um ihm den korrekten Lauteinsatz zu ermöglichen.
Auf ein segmentorientiertes, am Einzellaut ausgerichtetes Vorgehen wird verzichtet. Statt dessen beinhaltet das strukturorientierte Angebot die Arbeit mit Lautklassen. Das Kind setzt sich dabei mit deren charakteristischen Eigenschaften auseinander und erfährt die bedeutungsunterscheidende Funktion von Phonemen. Eine exakte phonologische Prozessanalyse ist für dieses Vorgehen Grundvoraussetzung und leitet den Therapieprozess ein (7 Kap. 3.2.1, Abschn. »Expressive sprachliche Fähigkeiten/Sprachproduktion«).
fig großes Interesse an Witzen. In der Therapie können die besten Witze gesammelt und den Eltern vorgetragen werden.
6.7.1 Reihenfolge der
Märchenfiguren. Nachdem die Therapeutin ein Mär-
Auf der Grundlage der Ergebnisse der Prozessanalyse wählt die Therapeutin ihre Feinziele aus. Der Reihenfolge bei phonetischen Störungen entsprechend entscheidet sie in diesem Fall, welchen phonologischen Prozess sie als erstes mit dem Kind bearbeiten möchte. Dabei orientiert sie sich an folgenden Kriterien (s. Jahn 2007; Hacker u. Wilgermein 2001; Hacker 2002; Hacker 1996):
chen erzählt hat, suchen sich das Kind, die Therapeutin und eventuell auch die Mutter eine oder mehrere Rollen aus. Auf diese Weise fand schon so manches Märchen ein neues und unerwartetes Ende.
behandlungsbedürftigen phonologischen Prozesse
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
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. Abb. 6.6. Was meinst du wirklich? (Aus Siemensen 1998)
4 4 4 4 4 4
physiologischer Lauterwerb, Beeinträchtigung der Verständlichkeit, Lautpräferenz, Auftretenshäufigkeit einzelner Prozessbildungen, Anzahl der vom Prozess betroffenen Laute, Stimulierbarkeit.
Physiologischer Lauterwerb. Vorrangig werden zunächst
Prozesse behandelt, die Kinder auch im normalen Lautspracherwerb früher überwinden. Idiosynkratische oder eher ungewöhnliche Prozesse sollten dabei möglichst frühzeitig abgebaut werden (7 Kap. 1.2.5, Abschn. »Phonologisches Regelsystem« und 7 Kap. 1.3.2). Beeinträchtigung der Verständlichkeit. Die Überwin-
dung der phonologischen Prozesse, die die Verständlichkeit des Kindes hauptsächlich beeinträchtigen, steht in der Therapie im Vordergrund.
Auftretenshäufigkeit einzelner Prozessbildungen. In der
Regel beeinträchtigen häufig und konstant auftretende phonologische Prozesse die Aussprache des Kindes stärker als seltener auftretende. Sie werden deshalb vorrangig behandelt. Allerdings weisen inkonstante Prozessbildungen darauf hin, dass das Kind schon erste Ansätze zu deren Überwindung zeigt. Durch die Arbeit an den inkonstanten, weniger häufig auftretenden Prozessen kann die Therapeutin das Vorgehen gezielt an die bereits eingetretenen Entwicklungsfortschritte des Kindes anpassen. Anzahl der vom Prozess betroffenen Laute. Ein pho-
nologischer Prozess kann sich bei allen oder nur einzelnen Lauten der betroffenen Lautgruppe zeigen. Je mehr Laute vom Prozess betroffen sind, desto stärker weicht die kindliche Artikulation von der physiologischen Aussprache ab. Deshalb stehen diese Prozesse in der Therapie im Vordergrund.
Lautpräferenz. Vom Kind besonders häufig als Ersatzlaut
eingesetzte Laute (= funktionell belastete Laute) beeinträchtigen in vielen Fällen auch die Verständlichkeit. Sie finden deshalb von Beginn an besondere Berücksichtigung. Durch eine geschickte Auswahl des Prozesses lässt sich ein verringerter Gebrauch des funktionell belasteten Lautes erreichen. Die Arbeit am Prozess der Plosivierung ermöglicht beispielsweise eine Abnahme des vorher gehäuft verwendeten Ersatzlautes [t].
Stimulierbarkeit. Wenn nicht alle Laute einer Laut-
gruppe von einer Prozessbildung betroffen sind, lässt sich die Überwindung dieses Prozesses leichter initiieren. Einzellaute werden leichter übernommen, wenn sie isoliert stimulierbar sind. . Übersicht 6.11 fasst die genannten Kriterien nochmals zusammen.
6.7 · Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei phonologischen Störungen
. Übersicht 6.11. Kriterien für die Auswahl phonologischer Prozesse 4 Welcher der zu beobachtenden Prozesse tritt im physiologischen Lauterwerb sehr früh auf und sollte eigentlich schon überwunden sein? 4 Wodurch ist die Verständlichkeit maßgeblich beeinträchtigt? 4 Gibt es funktionell belastete Laute? 4 Wie häufig tritt der Prozess auf? Lassen sich schon Ansätze zu dessen Überwindung erkennen? 4 Sind alle Laute von der jeweiligen Prozessbildung betroffen? Verwendet das Kind manche Laute der Lautgruppe schon korrekt? 4 Lassen sich die vom Prozess betroffenen Einzellaute stimulieren?
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fälligkeiten). In diesem Zusammenhang sollte sich die Therapeutin auch Gedanken machen, wie bewusst sie das Kind voraussichtlich mit seinen Lautverwendungsfehlern konfrontieren kann. Dementsprechend wählt sie einzelne Therapiebausteine oder -methoden aus.
Auditive Wahrnehmung und phonologische Bewusstheit Da Kinder mit phonologischen Störungen häufig Schwierigkeiten im Bereich der auditiven Wahrnehmung und phonologischen Bewusstheit haben, bildet die Förderung dieses Bereichs eine wesentliche Grundlage für die Arbeit an den phonologischen Prozessen. Das Hörtraining bereitet auf die gezielte Arbeit mit den Lautgruppen vor oder erfolgt parallel zu dieser. Das genaue methodische Vorgehen hierzu findet sich beim Therapiebaustein »Hörtraining« (7 Kap. 6.2.3). Zur Unterstützung der Therapie können Eltern einzelne, vor allem nichtsprachliche Hörübungen auch zu Hause durchführen. Klare Vorgaben durch die Therapeutin verhindern, dass Eltern mit der Rolle der Ko-Therapeuten überfordert werden (7 Kap. 6.2.4 und 7 Kap. 6.5.1, Abschn. »Unterstützung zu Hause«).
Zusammenfassung
Grundüberlegungen
4 Ziel des phonologisch orientierten Therapieansatzes ist, dem Kind den korrekten Lauteinsatz im Wort zu ermöglichen 4 In der Therapie werden keine Einzellaute erarbeitet. Durch die strukturorientierte Arbeit mit Lautklassen erfährt das Kind sprachsystematische Regeln, die ihm die Lautverwendung im Wort verdeutlichen sollen. 4 Bei der Wahl eines zu therapierenden phonologischen Prozesses berücksichtigt die Therapeutin die physiologische Lautentwicklung und patientenbezogene Kriterien (Erhöhen der Verständlichkeit, Aufgreifen bestehender Ansätze zur Überwindung einzelner Prozesse).
Ziel der Therapie ist, das kindliche phonologische Regelsystem an das der Erwachsenen anzugleichen. Das Kind wird deshalb für die physiologischen Gesetzmäßigkeiten der Lautverwendung sensibilisiert. Dadurch soll sich sein sprachsystematisches Wissen verändern, erweitern und zu einer Überwindung der phonologischen Prozesse führen. In der Behandlung phonologisch beeinträchtigter Kinder werden existierende Therapiemethoden und -konzepte individuell ausgewählt und kombiniert. Folgende drei Möglichkeiten der Therapie phonologischer Störungen lassen sich unterscheiden: 1. Input spezifizieren und Modellierungstechniken aufgreifen, 2. Minimalpaare einsetzen, 3. mit Lauten und Lautgruppen arbeiten. ! Beachte
6.7.2 Methodische Möglichkeiten Nach der Auswahl relevanter, für das Kind bedeutsamer Prozesse und ersten Überlegungen zum Therapieaufbau plant die Therapeutin das inhaltliche Vorgehen. Sie orientiert sich dabei an den persönlichen Voraussetzungen und Möglichkeiten des Kindes. Andere sprachliche oder nichtsprachliche Beeinträchtigungen werden im Gesamtkonzept berücksichtigt (z. B. phonetische Schwierigkeiten, dyspraktische Auf-
Allen Methoden ist gemeinsam, dass dem Kind nicht einzelne Laute nacheinander, sondern mehrere Laute parallel angeboten werden. Die auditive Wahrnehmung des Kindes wird gezielt stimuliert.
Das Vorgehen differiert allerdings hinsichtlich der Art, wie die Kinder auf Sprachstrukturen und Bedeutungsunterschiede durch Lautverwendungsfehler hingewiesen werden. Auch im Grad ihrer spielerischen Umsetzung unterscheiden sie sich. Während das Arbeiten
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
mit Inputspezifizierung und ausgewählten Modellierungstechniken für das Kind eher indirekt und spielerisch ist, fordert der Einsatz von Minimalpaaren eine deutlich bewusstere Auseinandersetzung mit den verwendeten lautlichen Strukturen. Ziel ist prinzipiell, dass das Kind die spezifischen Merkmale der betroffenen Phoneme oder Silbenstrukturen erkennt und verändert. Wenn das Kind beginnt,
die neu erarbeiteten charakteristischen Merkmale zu verwenden, deutet dies auf eine Überwindung des bestehenden phonologischen Prozesses hin. Im Folgenden werden die bereits erwähnten methodischen Vorgehensweisen näher erläutert: 4 Inputspezifizierung und Modellierung, 4 Einsatz von Minimalpaaren, 4 Arbeit mit Lauten und Lautgruppen. Zur genaueren Einarbeitung sei auf die Werke von Hacker u. Wilgermein 2001, Jahn 2007 und Fox 2007a verwiesen, in denen das therapeutische Arbeiten sehr ausführlich dargestellt wird.
Inputspezifizierung und Modellierung Die auch aus der Therapie spezifischer Sprachentwicklungsstörungen bekannten Techniken wie Inputspezifizierung (Siegmüller u. Kauschke 2006) und Modellierungstechniken (Dannenbauer 1999) können auch für die Behandlung phonologisch beeinträchtigter Kinder genutzt werden. Dabei soll durch einen speziell aufbereiteten Input sowie ein gehäuftes Anbieten der geforderten Zielstrukturen die Aufmerksamkeit des Kindes auf die spezifischen lautlichen Merkmale gelenkt werden. Vom Kind wird dabei die korrekte Aussprache nicht bewusst verlangt. Vielmehr erhofft sich die Therapeutin durch das wiederholte Präsentieren von ausgewählten Wörtern, dass das Kind die Zielstrukturen fokussiert und diese in der Folge sukzessiv in die eigene Spontansprache übernimmt. Fehlerhafte Äußerungen greift sie in Form von Modellierungstechniken wie z.B. dem Corrective feedback auf (7 Kap. 6.5.1, Abschn. »Unterstützung zu Hause«). Die Wörter werden in strukturierten Inputsequenzen oder frei gestalteten kommunikativen Spielhandlungen angeboten, die dem Kind natürliche Interaktionssequenzen ermöglichen. Das Sprachangebot sollte »natürlich, frequent, prägnant, variabel, flexibel kontrastreich« und »funktional eingebettet« erfolgen (Siegmüller u. Kauschke 2006, S 33). ! Beachte Das Kind lernt durch den Einsatz von Inputspezifizierung und Modellierungstechniken eher unbewusst und entsprechend den Regeln des normalen Sprach-
erwerbs. Dieses Arbeiten eignet sich vorrangig für Kinder, die noch nicht in der Lage sind, sich kognitiv mit spezifischen Eigenschaften von Phonemen auseinanderzusetzen.
Präsentieren geeigneter Wörter Die Therapeutin wählt Wörter aus, die sie dem Kind sinnvoll in Handlungssequenzen präsentieren kann. Sie berücksichtigt dabei einige grundlegende Überlegungen und orientiert sich an lexikalischen und linguistischen Kriterien (s. auch . Übersicht 6.12): Phonemanzahl. Prinzipiell wird mit allen Phonemen des betroffenen phonologischen Prozesses gearbeitet (z. B.
alle Frikative beim Prozess der Plosivierung). Allerdings kann es sinnvoll sein, zunächst nur einen Teil der betroffenen Phoneme anzubieten und erst nach einigen Stunden die restlichen der Phonemgruppe zu integrieren (z. B. weil manche der Laute entwicklungsphysiologisch noch nicht produziert werden, von weiteren phonologischen Prozessen betroffen sind oder phonetische Schwierigkeiten vorliegen). Berücksichtigen günstiger Koartikulatoren. Das Wissen um assimilatorische Vorgänge (7 Kap. 1.2.1) kann
genutzt werden, um dem Kind die Übernahme neuer Lautstrukturen zu erleichtern. Dementsprechend werden möglichst günstige Koartikulatoren gewählt. > Beispiel Wenn am Prozess der Velarisierung gearbeitet wird, sollten die in den Wörtern angebotenen Alveolare zunächst in Verbindung mit Vorderzungenvokalen wie [e] und [i] erfolgen. Bei zweisilbigen Wörtern wird zusätzlich darauf geachtet, dass in keiner der Silben ein Konsonant der hinteren Artikulationszone vorkommt (also lieber »Teddy« als »Tiger«). Lautposition im Wort. Die Phoneme werden möglichst in verschiedenen Wortpositionen angeboten. Dabei
beachtet die Therapeutin die Gesetzmäßigkeiten der physiologischen Sprachentwicklung. > Beispiel Frikative werden zunächst wortfinal, Plosive dagegen wortinitial erworben. Unter Umständen kann es sinnvoll sein, die gewählten Phoneme zunächst nur in einer Wortposition anzubieten, in Folgestunden sollten dann aber andere Wortpositionen miteinbezogen werden. Einsatz unterschiedlicher Wortarten. Der gleichberech-
tigte Einsatz von Nomen, Verben, Adjektiven und Par-
6.7 · Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei phonologischen Störungen
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! Beachte
. Übersicht 6.12. Kriterien für die Wortauswahl 4 Alle Phoneme des betroffenen Prozesses anbieten. 4 Günstige Koartikulatoren auswählen. 4 Die gewählten Phoneme in allen Wortpositionen präsentieren (unter Berücksichtigung physiologischer Enwicklungsprinzipien). 4 Unterschiedliche Wortarten einsetzen. 4 Das kindliche Verständnis von Wortbedeutungen und Handlungszusammenhängen berücksichtigen. 4 Itemanzahl begrenzen.
tikeln ermöglicht ein natürliches Präsentieren in der spielerischen Handlung. Manchmal ist es schwierig, unter Berücksichtigung aller Kriterien geeignetes Wortmaterial zusammenzustellen. In diesem Fall kann die Therapeutin auch Phantasienamen ins Spiel einbeziehen. Lexikalische Kriterien. Bei der Auswahl der Wörter
achtet die Therapeutin darauf, dass sich diese auch unter lexikalischen Kriterien eignen. Das Fokussieren der Aufmerksamkeit auf die lautsprachliche Form gelingt dem Kind in der Regel am ehesten bei Begriffen, die ihm bedeutungsmäßig klar sind. Eine Übernahme der Begriffe in die eigene Sprachproduktion kann außerdem nur dann erfolgen, wenn die gewählten Wörter sinnvoll in eine Handlung eingebettet werden. > Exkurs Es kann allerdings auch passieren, dass ein Kind gerade bei einem ihm bekannten Begriff enorme Schwierigkeiten zeigt, die neu erlernte lautliche Regel umzusetzen. Möglicherweise hat es diesen Begriff in seiner phonologischen Form ganzheitlich abgespeichert und deshalb Probleme, diesen formal zu analysieren (7 Kap. 1.2.5, Abschn. »Phonetisch-artikulatorische Fähigkeiten« o »Phase der ersten 50 Wörter«). In diesem Fall erleichtert das Arbeiten mit unbekannten Begriffen die Umsetzung der neuen Strukturen! Itemanzahl. In den einzelnen Stunden begrenzt die
Therapeutin die Itemanzahl. Beginnend mit ungefähr 5–10 Begriffen kann in weiteren Stunden auf bis zu ungefähr 15 Wörter gesteigert werden.
Generell gilt, Schwierigkeiten linguistischer Art so weit zu reduzieren, dass das Kind die gewählten Wörter richtig aussprechen kann, wenn es den falschen Prozess überwindet.
Häusliche Unterstützung Die Inputspezifizierung und der Einsatz von Modellierungstechniken ist eine für das Kind unbewusste Therapiemethode. Sinnvollerweise übernehmen die Eltern zu Hause vor allem das Corrective feedback (7 Kap. 6.5.1, Abschn. »Unterstützung zu Hause«). Dadurch können sie das Kind sprachlich unterstützen, ohne es zu überfordern.
Therapiebeispiel Das Kind plosiviert Frikative, wobei diese alle stimulierbar sind. Zusätzlich fallen bei längeren Wörtern dyspraktische Schwierigkeiten auf. Das Kind hat außerdem deutliche Abstraktionsschwierigkeiten. Phonologischer Prozess. Plosivierung von Frikativen. Überlegung zur Auswahl des Wortmaterials
4 Frikative nur im Aus- oder Inlaut (Entwicklungsphysiologie), 4 nach Möglichkeit Wörter ohne Plosive, 4 alltagsnahe und kurze Begriffe. Gewählte Begriffe. Esel, Hase, Haus, Bauch, Wasser,
essen, heiß, nass, ich, auch. Spielhandlung. Die Tiere auf dem Bauernhof haben
Hunger. Sie essen (»Der Hase/der Esel will essen!«), trinken vom Wasser (»Ich will auch was!«), solange bis sie satt sind (»Mein Bauch ist voll!«). Die Sonne scheint (»Ist das heiß!«). Die Tiere überlegen, ob sie ans Wasser gehen (»Ich gehe – nicht – zum Wasser.«). Wenn man ins Wasser geht, wird man nass! Wer ist alles nass? Im Haus ist es nicht so heiß (»Ich gehe lieber ins Haus! Ich auch!«). Wird man im Haus auch nass?
Einsatz von Minimalpaaren In der Therapie der phonologischen Störung hat sich mittlerweile etabliert, Minimalpaare zu verwenden. Dieser Therapieansatz (Weiner 1981) konfrontiert das Kind sehr bewusst mit seinen eigenen Lautverwendungsfehlern und fördert somit sein Eigenhören. Dabei werden Minimalpaare ausgewählt, die vom Kind durch seine phonologischen Prozesse gleich ausgesprochen werden. Durch das gezielte Anbieten dieser Begriffe in Kommunikationskontexten sollen Situ-
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
ationen geschaffen werden, die zu Missverständnissen führen. Diese werden anschließend mit dem Kind geklärt, indem es von der Therapeutin zur Reflexion über den Grund dieser Missverständnisse angehalten wird. Die Arbeit setzt sofort auf Wortebene an. ! Beachte Die sehr direkte Auseinandersetzung mit Lauten und deren bedeutungsunterscheidender Funktion verlangt vom Kind ausgereifte kognitive Fähigkeiten. Diese Therapiemethode eignet sich für Kinder, die mit ihren Schwierigkeiten bewusst umgehen und alt genug sind, um über diese auf metasprachlicher Ebene reflektieren zu können. Einzelne Minimalpaare werden exemplarisch verwen-
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det, um die Überwindung des betroffenen phonologischen Prozesses einzuleiten. Anschließend kann die Therapeutin weitere Laute der gleichen Phonemgruppe in das Therapiegeschehen integrieren, ohne dass sie diese in Form von Minimalpaararbeit präsentieren muss. Diese Laute werden lediglich gehäuft angeboten, so dass das Kind sie in seine Sprachproduktion übernehmen kann.
. Übersicht 6.13. Aufbau der Minimalpaartherapie 4 Ein vom phonologischen Prozess betroffenes Lautpaar wählen. 4 Ein Minimalpaar nach linguistischen Kriterien bestimmen. 4 Wortbedeutung mit dem Kind klären. 4 Das Minimalpaar in einer spielerischen Handlung präsentieren: das Kind soll diskriminieren (rezeptive Fähigkeiten). 4 Rollenwechsel, die Therapeutin handelt entsprechend der Äußerungen des Kindes: das Kind soll produzieren (expressive Fähigkeiten). 4 Die entstandene Missverstehenssituation klären. 4 Eventuell den neuen Laut üben. 4 Weitere Wörter mit dem betroffenen Laut in eine Spielhandlung integrieren. 4 Andere Laute der vom phonologischen Prozess betroffenen Phonemgruppe in die Spielhandlung hinzunehmen (eventuell nochmals Minimalpaarpräsentation).
Vorgehen Nachdem ein phonologischer Prozess ausgewählt wurde, entscheidet sich die Therapeutin für ein exemplarisches, von diesem Prozess betroffenes Lautpaar (bestehend aus Ziel- und Ersatzlaut). Danach wählt sie ein Minimalpaar aus: ein Begriff enthält dabei den Ziel-, der andere den Ersatzlaut des gewählten Lautpaares. Bei der Wahl des Minimalpaares berücksichtigt sie Parameter wie Wortart, Lautposition im Wort, Silbenstruktur und Koartikulatoren (s. auch die Überlegungen im Abschn. »Inputspezifizierung und Modellierung« und . Übersicht 6.12). Die Therapeutin klärt mit dem Kind die Bedeutung der gewählten Begriffe und präsentiert ihm dann das Minimalpaar in einem möglichst sinnvollen kommunikativen Kontext. Das Kind hört zunächst nur (rezeptive Phase) und handelt entsprechend des von ihm identifizierten Begriffes (s. Abschn. »Therapiebeispiel«). Wenn das Kind die Begriffe sicher auditiv differenzieren kann, erfolgt ein Rollentausch. Das Kind spricht nun selber (produktive Phase), die Therapeutin führt die zum jeweilig gehörten Begriff passende Handlung aus. In dieser Phase erfährt das Kind jetzt, dass die Therapeutin unter Umständen eine andere Handlung ausführt, als von ihm durch seine Wortvorgabe beabsichtigt. Die Therapeutin kann dann mit dem Kind den Grund für das entstandene Missverständnis klären. Sie weist das Kind auf die unterschiedliche Bedeutung der Wör-
ter bzw. die bedeutungsunterscheidende Funktion der Phoneme hin. Das Kind erhält die Möglichkeit, seine Lautproduktion zu verändern und den neuen Laut zu üben. Eventuell greift die Therapeutin hier auf Inhalte der phonetisch orientierten Therapie zurück (z. B. Bewusstmachen der Artikulationsstelle). Daran anschließend werden weitere Wörter mit dem neu »gelernten« Laut in das Spielgeschehen integriert. Um jedoch ein auf einen einzelnen Laut zentriertes Vorgehen zu vermeiden, führt die Therapeutin möglichst bald weitere Laute der von dem phonologischen Prozess betroffenen Phonemgruppe ein. Eventuell muss das Bewusstsein des Kindes dabei nochmals über Minimalpaare mit den neuen Lauten geschärft werden. Das beschriebene Vorgehen wird in . Übersicht 6.13 nochmals skizziert. In 7 Kap. 7.4 ist unter praxisorientierten Kriterien eine Liste mit Minimalpaaren zusammengestellt (s. auch Jahn 2007). Konkrete Spielideen zu einzelnen Minimalpaaren finden sich in 7 Kap. 6.7.3.
Häusliche Unterstützung Das Kind wird durch die Minimalpaararbeit sehr bewusst auf seine Lautverwendungsfehler aufmerksam gemacht. Es soll seine Aussprache gezielt selbst
6.7 · Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei phonologischen Störungen
korrigieren können. Wenn das Kind in der Therapie schon mit mehreren Lauten der betroffenen Phonemgruppe gearbeitet hat, können die Eltern mit dem Kind auch zu Hause üben. Dazu bespricht die Therapeutin mit Kind und Eltern, zu welchen Zeiten das Kind genau auf die »gelernten Laute« achten soll (z. B. eine halbe Stunde am Tag, wenn Eltern und Kind gemeinsam spielen oder ein Buch anschauen). Die Eltern erhalten den Auftrag, das Kind bei einem fehlerhaft verwendeten Laut bewusst auf das Wort hinzuweisen (»Heißt das [tu] oder [∫u]?«). Eventuell kann anhand eines Hausaufgabenplans entschieden werden, wie sicher die neue phonologische Regel bereits angewendet wird (. Abb. 6.2). Das Kind und die Eltern beurteilen dabei beide. Um das Kind zusätzlich zu motivieren, können positive Verstärker eingesetzt werden (z. B. Sticker).
Therapiebeispiel Alle Frikative, obwohl isoliert stimulierbar, werden plosiviert. Das Kind bemerkt seine Schwierigkeiten und formuliert diese. Es reagiert sehr gut auf spielerische Handlungen. Phonologischer Prozess. Plosivierung von Frikativen. Überlegungen zur Wahl des exemplarischen Lautpaares/zum Minimalpaar
4 Nach Möglichkeit Wörter, in denen nur ein Frikativ vorkommt, 4 zunächst Frikativ im Anlaut (Erhöhen der Verständlichkeit). Laut- und Minimalpaar. [z] – [t], Saal – Tal. Überlegungen zur Spielgestaltung. Um das Kind aus-
reichend zu motivieren, sollten als Reaktionen kurze Spielhandlungen erfolgen. Ein ausschließliches Arbeiten mit Bildkarten (Zeigen der genannten Begriffe) scheint zu wenig animierend. Damit das Kind später in der Produktionsphase möglichst oft selber »Saal« verwendet, wird für dieses Zielitem ein besonderer spielerischer Anreiz geboten. Spielidee. Das Krokodil hat alle Tiere der kleinen Hexe
gefangen. Damit die Hexe ihre Tiere zurückbekommt, muss sie dem Krokodil für jedes Tier einen Schatzstein aus dem Saal bringen. Im Tal dagegen bekommt die Hexe nur normale Steine. Der Rabe hilft und gibt der Hexe die Anweisung, wo sie hingehen soll (»Saal« oder »Tal«). Je nach Anweisung erhält die Hexe einen entsprechenden Stein.
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Integration weiterer Begriffe mit [z] im Anlaut
4 See, Sonne, Sand. 4 Gestaltung eines Sommerbildes, wobei man blaue, gelbe oder weiße Papierschnipsel zieht und jeweils entscheidet, ob man das Papier für den See, die Sonne oder den Sand braucht. Integration weiterer Frikative
4 [f] (z. B. Fee, Fell), 4 [ ∫ ] (z. B. Schuh, Schal), 4 [x] (z. B. Fach). Eventuell müssen diese Frikative auch über Minimalpaare eingeführt werden! i Tipp - Materialempfehlung 4 »Passt Fast Audiominimalpaare«: Diese Sammlung von verschiedenen Minimalpaaren ist nach phonologischen Prozessen zusammengestellt. Das Übungsset besteht aus einer Audio-CD und Bildkarten. 4 »Links oder Rechts?«: Das Brettspiel kann mit Minimalpaarkartensätzen zu den phonologischen Prozessen »Verlagerung von Plosiven«, »Reduktion«, »Auslassung und Öffnung« und »Änderung der Artikulationsart« gespielt werden. Bezug über: Trialogo Verlag, Adresse im e Downloadbereich 4 »Minimix«: Ein Ratespiel mit Minimalpaaren um genaues Hinhören und Aussprechen betroffener Laute zu üben. Bezug über: Prolog Verlag, Adresse im e Downloadbereich
Arbeit mit Lauten und Lautgruppen Für manche Kinder scheint es sinnvoll, bereits vor der Arbeit mit Realwörtern die charakteristischen Merkmale der von den phonologischen Prozessen betroffenen Phoneme zu verdeutlichen. Die auditive Aufmerksamkeit des Kindes wird gezielt auf einzelne phonologische Strukturen gelenkt, die Auseinandersetzung mit Phonemen, phonematischen Eigenschaften und Silben- bzw. Wortstrukturen steht im Vordergrund. Vom Kind wird dabei eine gezielte Hinwendung zu formalen sprachlichen Kriterien verlangt, die Wortbedeutung spielt zunächst keine Rolle. Die lautstrukturelle Arbeit erleichtert dem Kind das Abspeichern relevanter phonologischer Merkmale und stärkt phonologisch orientierte Sprachverarbeitungsprozesse. Dies soll später einen Wortabruf mit korrektem Lauteinsatz ermöglichen (7 Kap.1.2.3, »Sprachverarbeitung«). Das Hören und Eigenhören spielt eine wesentliche Rolle im therapeutischen Prozess. Bevor mit dem
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
Kind der korrekte Lauteinsatz beim Sprechen geübt wird, lernt es, bestimmte Laute oder lautliche Strukturen gezielt auditiv wahrzunehmen. Die bewusste aber trotzdem spielerische Therapie soll dem Kind die kognitiv ausgerichtete Arbeit erleichtern. i Tipp Jüngere Kinder oder Kinder mit einem starken Störungsbewusstsein können durch das intensive auditive Angebot langsam auf den Lauteinsatz im Wort vorbereitet werden.
Vorgehen Unabhängig von der Wahl des Therapiekonzeptes gilt es, sich bei der Arbeit mit Lauten und Lautgruppen einen sinnvollen therapeutischen Ablauf bewusst zu machen. Je nach Bedürfnis des Kindes können so Elemente verschiedener Konzepte miteinander verknüpft werden oder eigene Ideen in das therapeutische Vorgehen einfließen. Prinzipiell gilt das im Folgenden dargestellte Vorgehen für jeden einzelnen phonologischen Prozess und gliedert sich in verschiedene Teilschritte: 4 Vorbereitende Übungen, 4 auditive Differenzierung und Kategorisierung von Lauten (rezeptive Phase), 4 Arbeit mit Lauten und Silben (Übergang zur Sprachproduktion), 4 Einsetzen der Laute in Wörtern und Sätzen (expressive Phase). Die bei jedem Teilschritt beschriebenen Beispiele sollen die praktische Umsetzung verdeutlichen und orientieren sich am Metaphon-Konzept (7 Kap. 4.4) und an P.O.P.T. (7 Kap. 4.6). Gedanken aus anderen Konzepten zur Behandlung phonologischer Störungen fließen mit ein (Therapiekonzept nach McGinnis, 7 Kap. 4.5, Minimalpaartherapie, s. Abschn. »Einsatz von Minimalpaaren«).
Vorbereitende Übungen Um das Kind an die phonologisch ausgerichtete Therapie heranzuführen, wird es zunächst auf die Art der Übungen eingestimmt. Das Hören und Kategorisieren von auditiven Stimuli soll auf die anschließende phonembezogene Arbeit vorbereiten. Das Kind setzt sich kognitiv damit auseinander, dass verschiedene Höreindrücke (z.B. Geräusche oder Wörter) bestimmten vorgegebenen Merkmalen zugeordnet werden können. Konkret bedeutet dies, dass das Kind Stimuli, die ihm auditiv angeboten werden, differenzieren und voneinander abgrenzen soll. Die Abgrenzung erfolgt durch die Vorgabe von zwei unterschied-
lichen Kategorien (z.B. im Metaphon-Konzept die Kategorie »lang« als Merkmal von Frikativen gegenüber der Kategorie »kurz« als Merkmal von Plosiven, bei P.O.P.T. die Kategorien »richtig« oder »falsch« zur Unterscheidung von korrekt oder fehlerhaft artikulierten Wörtern). Jeder Höreindruck wird einer dieser Kategorien zugeordnet, die Zuordnung erfolgt durch eine entsprechende Spielhandlung. Das Kind lernt, dass auf sich unterscheidende auditive Stimuli auch entsprechend unterschiedliche Reaktionen oder Handlungen erfolgen müssen. Diese Erfahrung bildet die Grundlage für die spätere Erkenntnis, dass Phoneme oder Wortstrukturen charakteristische und unterscheidende Eigenschaften besitzen. Je nach Konzept unterscheidet sich die Auswahl der angebotenen Stimuli, sie beziehen sich aber immer unmittelbar auf den zu therapierenden phonologischen Prozess. ! Beachte In dieser Phase wird mit dem Kind geübt, genau auf angebotene Stimuli zu hören und diese nach vorgegebenen Kriterien zu unterscheiden.
> Beispiel Metaphon. Die Therapeutin macht dem Kind verschiedene Geräusche vor, das Kind entscheidet durch eine Handlung, in welche der vorgegebenen Kategorien das Geräusch gehört (z.B. »kurz« oder »lang«, »vorne« oder »hinten«). P.O.P.T. Die Therapeutin spricht dem Kind verschiedene Wörter vor, manche falsch, manche korrekt artikuliert. Das Kind entscheidet bei jedem Item durch eine Handlung, ob es korrekt oder falsch war.
Rezeptive Phase: Auditive Differenzierung und Kategorisierung von Lauten Nun beginnt die sprachliche Arbeit mit Lauten oder Lautgruppen, die vom phonologischen Prozess betroffenen sind. Diese werden dem Kind auditiv angeboten und sollen von ihm unterschieden und vorgegebenen Merkmalen zugeordnet werden. Wichtig ist, mit dem Kind nicht an einzelnen Lauten zu arbeiten, sondern nach und nach alle Laute anzubieten, die das Kind durch seinen phonologischen Prozess ersetzt bzw. die in der vom Prozess betroffenen Lautgruppe enthalten sind. Um dem Kind den Unterschied zwischen der Gruppe der Ziel- und jeweiligen Ersatzlaute zu verdeutlichen, werden die Ersatzlaute ebenfalls in das Hörtraining integriert. Die Hörwahrnehmungsübungen spielen eine zentrale Rolle und bilden die Grundlage für die Umstrukturierung des phonologischen Regel-
6.7 · Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei phonologischen Störungen
systems des Kindes. Deshalb widmet die Therapeutin dieser Phase viel Zeit. Das Kind kann so optimal auf den sich anschließenden Lauteinsatz im Wort vorbereitet werden. Zunächst wird nur mit Einzellauten gearbeitet, danach wird die Schwierigkeit für das Kind langsam gesteigert. Je nach Prozess und gewähltem Konzept bietet die Therapeutin die Laute in Silben und Wörtern an. Das Kind muss die einzelnen Laute identifizieren, voneinander differenzieren und schließlich kategorisieren. Wählt die Therapeutin auf Wortebene Mini-
malpaare, so kann dem Kind sehr gut die bedeutungsunterscheidende Funktion einzelner Laute verdeutlicht werden. Dies entspricht dem Vorgehen in der Minimalpaartherapie (s. Abschn. »Einsatz von Minimalpaaren«) sowie der Therapie nach dem MetaphonKonzept. Bei P.O.P.T. werden zusätzlich Unsinnswörter in die Therapie integriert. Dadurch soll gewährleistet werden, dass das Kind ausschließlich phonologisch verarbeitet und nicht kompensatorisch über die Wortbedeutung assoziiert. Prinzipiell soll das Kind zunächst nur hören und differenzieren, jedoch noch nicht selber sprechen. Um dem Kind das Zuordnen der Laute zu vorgegebenen Kriterien zu erleichtern, erscheint es sinnvoll, die einzelnen Kategorien zu visualisieren. Bewährt haben sich Referenzbilder oder Lautsymbolkarten. Jede vorgegebene Kategorie ist anschaulich auf einem Bild dargestellt und ermöglicht dem Kind, die einzelnen auditiven Vorgaben mit einem visuellen Eindruck zu verknüpfen. > Exkurs Referenzbilder visualisieren die Merkmale einer ganzen Lautgruppe. So dient z.B. das Bild eines zerplatzenden Luftballons als Kennzeichen für die Gruppe der kurz gesprochenen Plosive (s. MetaphonKonzept). Lautsymbolkarten verdeutlichen Eigenschaften von Einzellauten und orientieren sich am Klang des jeweiligen Lautes. Beispielsweise steht das Bild eines Staubsaugers für den Laut >v@, eine Schlange symbolisiert das >s@ (s. McGinnis oder P.O.P.T.).
Das Kind hat die Aufgabe, die von der Therapeutin vorgegebenen Laute auditiv zu differenzieren und durch eine passende Handlung dem entsprechenden Referenzbild bzw. der Lautsymbolkarte zuzuordnen. ! Beachte Ziel dieser Phase ist, das Kind auditiv so weit zu sensibilisieren, dass es die von ihm falsch verwendeten Laute von den korrekten unterscheiden und bewusst zuordnen kann.
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> Beispiel Metaphon. Beim Prozess der Plosivierung spricht die Therapeutin dem Kind Frikative und Plosive isoliert vor. Das Kind differenziert die Lautgruppen durch spielerische Zuordnung zu den Referenzkarten »fliegender Luftballon« für Frikative und »zerplatzender Luftballon« für Plosive. P.O.P.T. Zur Überwindung des Prozesses »Vorverlagerung« spricht die Therapeutin dem Kind Silben vor, die die verschiedenen Ziel- und Ersatzlaute enthalten ([k],[g],[t],[d]). Das Kind entscheidet bei jeder Silbe durch eine spielerische Zuordnung zu den Lautsymbolkarten (z.B. Holzhacker für [k], Gans für [g], tropfender Wasserhahn für [t], Seifenblasen für [d]), welcher Laut enthalten ist.
Übergang zur Sprachproduktion: Laute und Silben Nachdem das Kind in der auditiven Fremdwahrnehmung sicher geworden ist, wird es nun an die eigene Lautproduktion herangeführt. Das Ausprobieren isolierter Laute steht im Vordergrund. Häufig können Kinder mit einer Lautverwendungsstörung die Einzellaute spontan bilden, die Laute müssen also nicht angebahnt werden. Die Erfahrung zeigt, dass manche Kinder dennoch Schwierigkeiten haben, bestimmte Laute bewusst und auf Aufforderung korrekt zu produzieren. In diesem Fall wird ein kurzer phonetischer Exkurs eingeschoben, um dem Kind die Lautbildung zu verdeutlichen (7 Kap. 6.6, Abschn. »Anbahnung des Lautes« und Abschn. »Stabilisierung auf Silbenebene« und 7 Kap. 6.6.3). Wichtig ist, nicht zu lange bei einzelnen Lauten zu verweilen, sondern möglichst zügig wieder alle vom phonologischen Prozess betroffenen Laute zu integrieren. Außerdem soll das Kind nicht nur die von ihm bisher nicht oder falsch verwendeten Laute produzieren. Vielmehr werden Ziel- und Ersatzlaute im Wechsel artikuliert. Dies erfordert vom Kind die Fähigkeit zur Lautdifferenzierung und -kategorisierung. Die Therapeutin bietet die Laute selbst immer wieder auditiv an, dadurch wird dem Kind ständig ein neuer passender Höreindruck geboten. Dieser Höreindruck ist sehr wichtig, stellt für das Kind eine Korrekturfunktion dar und soll ihm seine eigene Lautproduktion erleichtern. Möglicherweise können Kinder die neuen Laute dann schneller selber produzieren, wenn diese vorher lange genug phonematisch diskriminiert wurden. Von diesem Grundsatz geht das Therapiekonzept P.O.P.T. aus. Die Lautproduktion erfolgt hier erst dann, wenn das Kind die Laute sehr sicher in verschiedenem Wortmaterial (Silben, Unsinnswörter, Realwörter) identifizieren kann. Denkbar ist aber auch, das Artikulieren der Laute mit den Übungen zur auditiven Differenzierung zu
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
koppeln. Häufig wünschen Kinder von sich aus einen Rollenwechsel, wollen nicht mehr nur hören und reagieren, sondern selbst agieren. Dieses eigene Interesse kann sinnvoll aufgegriffen werden. Wenn das Kind die Phoneme also isoliert auditiv differenzieren und kategorisieren kann, wird ihm ermöglicht, die Laute direkt im Anschluss an die Lautdiskrimination (s. Abschn. »Rezeptive Phase: Auditive Differenzierung und Kategorisierung von Lauten«) zu produzieren. Es ergibt sich dadurch ein Vorgehen, bei dem sich auf Laut- wie auch später auf Wortebene auditives Differenzieren und aktives Produzieren der Phoneme abwechseln. Vorsicht Gelingt es dem Kind nicht, vorgegebene Einzellaute korrekt zu produzieren, sollten diese weiterhin nur auditiv angeboten werden. Die Produktion kann zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufgegriffen werden.
Das Metaphon-Konzept greift auch in dieser Phase die Kategorien aus der auditiven Arbeit auf und verdeutlicht sie durch die schon bekannten Referenzbilder. Die Referenzbilder dienen als »roter Faden« und machen das Vorgehen für das Kind durchschaubar. Abwechselnd mit der Therapeutin produziert das Kind zu einem vorliegenden Referenzbild (z.B. »fliegender Luftballon«) einen bestimmten Laut (in diesem Fall einen Frikativ). Bei P.O.P.T. soll das Kind die Laute lediglich imitieren, die Lautsymbolkarten sind hier nicht vorgesehen. Evtl. kann die Lautproduktion im Anschluss auf Silbenebene gefestigt werden. ! Beachte
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Das Kind erhält die Möglichkeit, alle von ihm bisher falsch verwendeten Laute sowie die jeweiligen Ersatzlaute zu produzieren. Die motorische Umsetzung der Laute steht im Vordergrund.
> Beispiel Metaphon. Die Therapeutin artikuliert im Wechsel mit dem Kind passend zu den Referenzkarten Laute der betroffenen Lautgruppen (z.B. Frikative oder Plosive zu »fliegendem/zerplatzendem Luftballon« beim Prozess »Plosivierung«), als Reaktion erfolgt vom »Hörenden« eine passende Spielhandlung. P.O.P.T. Die Therapeutin spricht dem Kind bei einer einfachen Spielhandlung (z.B. Bälle werfen) jeweils einen Ziel- oder Ersatzlaut vor (z.B. [k],[g],[t],[d] beim Prozess der Vorverlagerung), das Kind imitiert. Diese Übung findet im Wechsel statt, mal gibt die Therapeutin vor, mal das Kind.
Expressive Phase: Wörter und Sätze Schließlich soll das Kind üben, die Laute korrekt im Wort einzusetzen. Es werden Wörter angeboten, die bisherige Ersatzlaute enthalten, wie auch Wörter mit den neu erarbeiteten Ziellauten. Dadurch wird dem Kind verdeutlicht, dass einzelne Laute im Kontrast zueinander stehen und möglicherweise sogar bedeutungsunterscheidend wirken können. Dieser Bedeutungsunterschied kann durch das Arbeiten mit Minimalpaaren sehr gut aufgezeigt werden (s. Abschn. »Einsatz von Minimalpaaren« und 7 Kap. 4.4). Mögliche Missverständnisse durch kindliche Lautverwendungsfehler werden verbalisiert und mit dem Kind gemeinsam geklärt. Hierdurch setzt sich das Kind eigenaktiv und kognitiv mit dem Lauteinsatz auseinander. Das Bewusstsein des Kindes wird gezielt auf die Eigenwahrnehmung und -kontrolle der Lautverwendung im Wort gelenkt. Idealerweise sollte sich das Kind schon vor der Wortproduktion überlegen, welchen Laut es für eine korrekte Artikulation einsetzen muss. Um dem Kind dieses aktive Kategorisieren zu erleichtern, werden die bekannten Referenzbilder/Lautsymbolkarten verwendet. Das Kind wird daran erinnert, dass es unterschiedliche Kategorien von Lauten gibt und erhält gleichzeitig eine visuelle Kontrollmöglichkeit. Evtl. kann man die Lautsymbolkarten auch dazu nutzen, das geforderte Wort mit einem Laut der einen wie auch der anderen Kategorie zu sprechen. Das Ausprobieren und Gegenüberstellen erleichtert möglicherweise die bewusste Lautkategorisierung und -produktion (s. P.O.P.T.). Auch in dieser Phase wechseln sich Therapeutin und Kind mit der Wortproduktion ab. Das Kind soll so immer wieder einen Höreindruck erhalten und sich bei seiner eigenen Lautverwendung am Vorbild der Therapeutin orientieren. Die neu erworbene Fähigkeit des Kindes, Laute im Wort korrekt einzusetzen, kann evtl. abschließend in Sätzen geübt werden. In der Regel wird die Arbeit am jeweiligen phonologischen Prozess jedoch beendet, wenn das Kind auf Wortebene sicher mit der Lautkategorisierung und dem Einsetzen der Laute umgehen kann. ! Beachte In der letzten Therapiephase lernt das Kind, die verschiedenen Ziel- und Ersatzlaute in seiner eigenen Wortproduktion zu kontrollieren. Das Eigenhören erhält zentrale Bedeutung.
6.7 · Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei phonologischen Störungen
> Beispiel Metaphon. Therapeutin und Kind ziehen abwechselnd Karten von einem Stapel, auf denen Minimalpaarwörter abgebildet sind. Die Therapeutin benennt verdeckt ihre Karte, das Kind handelt entsprechend, indem es z.B. bei »Schuh« einen Zauberstein in einen Schuh legt und bei »Kuh« eine Spielzeugkuh füttert. Gleichzeitig wird das entsprechende Referenzbild gezeigt. Es erfolgt ein ständiger Rollenwechsel.
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In der Phase des aktiven Lauteinsatzes im Wort erhält das Kind schließlich auch für zu Hause gezielte Aufgaben. Das Kind wird aufgefordert, beim Sprechen auf die behandelten Laute zu achten, die Eltern sollen das Kind auf eventuelle Lautverwendungsfehler hinweisen. Die häusliche Unterstützung entspricht den Aufgaben, die bei der Arbeit mit Minimalpaaren gegeben werden (s. Abschn. »Einsatz von Minimalpaaren«).
Therapiebeispiel Metaphon P.O.P.T. Therapeutin und Kind ziehen abwechselnd Karten von einem Stapel, die Begriffe mit den Zielund bisherigen Ersatzlauten enthalten. Beide überlegen sich, welcher Laut aus der vorliegenden Auswahl an Ziel- und Ersatzlauten bei diesem Wort eingesetzt werden muss. Sie probieren anhand der Lautsymbolkarten die verschiedenen Möglichkeiten aus und entscheiden sich dann für die korrekte Version.
Die beschriebenen zentralen Therapieelemente einer phonologischen Therapie, die mit einzelnen Lauten und Lautgruppen arbeitet, sind in . Übersicht 6.14 zusammengefasst. . Tabelle 6.1 stellt dar, wie diese Therapieelemente im Metaphon-Konzept und bei P.O.P.T. umgesetzt sind und ermöglicht so einen direkten Vergleich dieser zwei Vorgehensweisen im Gesamtüberblick.
Häusliche Unterstützung Das Arbeiten mit Lauten und Lautgruppen erfolgt in verschiedenen aufeinander aufbauenden Phasen. Hausaufgaben werden dementsprechend angepasst. Solange das Kind in der Therapie vor allem hören muss und Laute differenzieren und kategorisieren soll, werden die Eltern aufgefordert, das Corrective feedback einzusetzen (7 Kap. 6.5.1, Abschn. »Unterstützung zu Hause«). Eventuell können sie die in der Therapie gerade behandelten Laute in ihrem Sprachangebot etwas betonen. Dadurch erhalten die Kinder auch zu Hause nochmals einen korrekten lautlichen Höreindruck. Nur wenn die Eltern mit ko-therapeutischen Funktionen betraut werden können, gibt die Therapeutin Übungen zur auditiven Lautdifferenzierung und -kategorisierung mit nach Hause. Sobald das Kind in der Therapie selber einzelne Laute produziert, kann es aufgefordert werden, diese Laute auch zu Hause immer wieder auszuprobieren. Das Kind erhält zusätzlich die entsprechenden Referenzbilder oder Lautsymbolkarten, damit es sich beim »Üben« an der jeweiligen Kategorie orientieren kann. Wichtig ist, dass das Kind üben kann, aber nicht muss. Dadurch wird der Charakter des »Experimentierens« in den Vordergrund gerückt und ein zu einseitig auf Einzellaute ausgerichtetes Vorgehen vermieden.
Ein in der Gesamtentwicklung verzögertes Kind plosiviert isoliert stimulierbare Frikative. Es fällt ein deutliches Störungsbewusstsein auf. Phonologischer Prozess. Plosivierung von Frikativen. Wahl eines charakteristischen bedeutungsunterscheidenden Merkmals von Plosiven/Frikativen. Kurz – lang.
. Übersicht 6.14. Arbeit mit Lauten und Lautgruppen 4 Vorbereitende Übungen Das Kind lernt, genau hinzuhören. Es soll auditiv angebotene Stimuli unterscheiden und bestimmten vorgegebenen Kategorien zuordnen. 4 Rezeptive Phase: Auditive Differenzierung und Kategorisierung von Lauten Durch ein gezieltes auditives Angebot soll das Kind Ziel- und Ersatzlaute des jeweiligen phonologischen Prozesses differenzieren und schließlich in Wörtern identifizieren. Die Abgrenzung und Zuordnung der Laute erfolgt mit Hilfe von Referenzbildern bzw. Lautsymbolkarten. 4 Übergang zur Sprachproduktion: Laute und Silben Nach der rezeptiven Arbeit erhält das Kind die Möglichkeit, die vom Prozess betroffenen Zielund Ersatzlaute motorisch zu üben und auch expressiv gegeneinander abzugrenzen. 4 Expressive Phase: Wörter und Sätze Schließlich werden alle Ziel- und Ersatzlaute in Wörtern artikuliert. Das bewusste Differenzieren der Laute voneinander und der gezielte und korrekte Lauteinsatz im Wort werden mit Hilfe von Referenzbildern bzw. Lautsymbolkarten geübt. Das Kind lernt, den Lauteinsatz zu planen und eigenaktiv zu kontrollieren. Das Eigenhören steht im Vordergrund.
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
. Tabelle 6.1. Methodischer Vergleich: Metaphon-Konzept und P.O.P.T.
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Metaphon-Konzept
P.O.P.T.
Inhalt
Darstellen unterscheidender Merkmale der vom Prozess betroffenen Phoneme oder Wortstrukturen
Verdeutlichen des Unterschiedes von Semantik und Phonologie
Methodik
Einführen von Begriffen für die unterscheidenden Merkmale und Klären deren Bedeutung auf Konzept- und Geräuschebene
Unterscheiden von korrekt und falsch artikulierten Wörtern
Aufgabe für das Kind
Kind hört, handelt und ordnet zu
Kind hört und ordnet zu
Vorbereitende Übungen
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Rezeptive Phase: Auditive Differenzierung und Kategorisierung von Lauten
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Inhalt
Auditives Angebot aller betroffenen Ziel- und Ersatzlaute
innerhalb der kompletten Lautgruppen
ohne weitere Laute der Lautgruppen
Sprachliches Material
1. Laute (bei Ersetzungsprozessen) oder Silben (bei Silbenstrukturprozessen) 2. Minimalpaare
1. 2. 3. 4.
11
Methodik
Einsatz von Referenzbildern (ein Bild für eine Lautgruppe)
Einsatz von Symbolkarten (ein Bild für einen Laut)
12
Aufgabe für das Kind
Kind hört und ordnet den Referenzbildern zu, eingebettet in spielerische Handlung
Kind hört und ordnet den Symbolkarten zu, eingebettet in spielerische Handlung
9 10
13 14
Laute Silben Unsinnswörter Realwörter
Übergang zur Sprachproduktion: Laute und Silben Inhalt
15
Artikulation von Ziel- und Ersatzlauten
und von weiteren Lauten der beiden Lautgruppen
ohne weiterer Laute der Lautgruppen
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Phonologischer Prozess
Nur bei Ersetzungsprozessen, diese Phase entfällt bei Silbenstrukturprozessen
Wird unabhängig vom Prozess immer durchgeführt
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Zeitpunkt
Integriert in die rezeptive Phase, direkt im Anschluss an das auditive Differenzieren von Lauten
Nach der rezeptiven Phase
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Sprachliche Ebene
Isolierte Laute
1. Isolierte Laute 2. Laute eingebettet in Silben
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Methodik
t Ziel- und Ersatzlaute abwechselnd t Im Wechsel mit der Therapeutin t Einsatz von Referenzbildern
t Ziel- und Ersatzlaute abwechselnd t *m Wechsel mit der Therapeutin
Aufgabe für das Kind
Kind produziert Laut zum entsprechenden Referenzbild, eingebettet in spielerische Handlung
Kind soll mit den einzelnen Lauten experimentieren, eingebettet in spielerische Handlung
20
171
6.7 · Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei phonologischen Störungen
6
. Tabelle 6.1. (Fortsetzung) Expressive Phase: Wörter und Sätze Inhalt
Einsetzen von Lauten im Wort mit Eigenkontrolle: Alle betroffenen Ziel- und Ersatzlaute
Zeitpunkt
Nach rezeptiver Phase
Nach rezeptiver Phase
Sprachliches Material
1. Minimalpaare isoliert 2. Minimalpaare in kurzen Sätzen
Wörter isoliert
Methodik
t Wörter mit Ziel- wie auch Ersatzlauten t Im Wechsel mit der Therapeutin t Einsatz von Referenzbildern zur visuellen Kontrolle nach der Wortproduktion
t Wörter mit Ziel- wie auch Ersatzlauten t Im Wechsel mit der Therapeutin t Einsatz von Symbolkarten als Auswahlmöglichkeit vor der Wortproduktion
Aufgabe für das Kind
Kind artikuliert ein Wort, überprüft durch Referenzbild und klärt evtl. Missverständnis mit Therapeutin, eingebettet in spielerische Handlung
Kind probiert anhand der Symbolkarten Wort mit verschiedenen Lauten aus und entscheidet sich für korrekte Artikulation, eingebettet in spielerische Handlung
Spielerisches Einführen der Begriffe. »Die Vogelmama
füttert ihre kleinen und großen Kinder mit kurzen und langen Würmern.« Auf einem vorbereiteten Bild sind zwei Nester zu sehen. In einem sitzen kleine Vögel, im anderen größere. Das Kind darf lange und kurze Wollfäden zu den passenden Vögeln kleben. Die Therapeutin versprachlicht, fragt nach, führt die Begriffe »lang – kurz« präsentierend ein. Geräuschebene. Die Zwerge aus den Ländern »Lang«
und »Kurz« sind bei der Fee zum Geburtstag eingeladen (lange Zwerge, kurze Zwerge). Sie kündigen ihr Kommen durch charakteristische Geräusche an (Instrumente, die unterschiedlich lang gespielt werden). Die Fee muss anhand des Geräusches erkennen, ob ein langer oder kurzer Zwerg kommt. Wahl eines die Begriffe verdeutlichenden Referenzbildpaares. Zerplatzender Luftballon (kurz) – fliegender
Luftballon (lang). Die Referenzbilder werden eingeführt.
Die Therapeutin zieht jeweils eine Karte vom Stapel der Referenzkarten (Karten mit zerplatzendem Luftballon, Karten mit fliegendem Luftballon). Entsprechend der bildlichen Vorgabe lautiert sie Frikative (langer Weg) und Plosive (kurzer Weg). Das Kind handelt, indem es die Tiere über den langen oder kurzen Weg marschieren und Futter einsammeln lässt. Zur Überprüfung seiner Reaktion erhält es anschließend die Referenzkarte. Die Therapeutin verwendet möglichst viele verschiedene Frikative und Plosive. Auch das Kind soll beim anschließenden Rollentausch verschiedene Laute einer Phonemgruppe für »lang« und »kurz« produzieren. Zur Bildung von Frikativen wird es durch die spielerische Vorgabe angeregt. Eventuell erfolgt ein kurzer phonetischer Exkurs, um dem Kind die Bildung einzelner Laute (vor allem der Frikative) zu erläutern. Vorgehen. Siehe Minimalpaartherapie (Abschn. »Einsatz von Minimalparen«) bzw. Metaphon-Konzept (7 Kap. 4.4). Weiteres
Therapiebeispiel P.O.P.T. Lautebene. »Die Tiere suchen nach Futter, weil sie sich
einen Wintervorrat anlegen wollen. Zur Weide führt ein langer und ein kurzer Weg. Auf dem langen Weg gibt es viele Kastanien, Erbsen und Nüsse, auf dem kurzen Weg hingegen findet sich nur wenig Futter.«
Ein Kind mit deutlichem Störungsbewusstsein und starken auditiven Merkschwierigkeiten plosiviert fast alle Frikative. Phonologischer Prozess. Plosivierung von Frikativen.
172
Kapitel 6 · Therapiebausteine
Vorübung. »Das Krokodil frisst nur richtige Wörter.«
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Eine Handpuppe erhält vom Kind nur dann das Bild, wenn das entsprechende Wort von der Therapeutin richtig artikuliert wurde. Die Therapeutin wechselt zwischen fehlerhafter und korrekter Artikulation. Zunächst artikuliert die Therapeutin einzelne Wörter grob abweichend, nach und nach bietet sie die Wörter mit plosivierten Frikativen an. Einführen der Symbolkarten. Die Therapeutin bietet
für zunächst drei Frikative Symbolkarten an und verbindet diese mit einer passenden Handlung. In Folgestunden werden dann die restlichen Frikative eingeführt. Bei [z] (Biene) darf eine Spielzeugbiene fliegen, bei [s] (Schlange) werden einer aufgemalten Schlange Papierschnipsel aufgeklebt, bei [ ∫ ] (Lok) wird ein Tier in die Lok eingeladen, bei [f] (Wind) darf Watte weggepustet werden, bei [v] (Staubsauger) wird mit einem Strohhalm Papier angesaugt und in den Mülleimer transportiert, bei [ç] (Hexe) erhält die Hexe eine Zaubermurmel für ihren Zaubertrank, bei [x] (Krümelmonster) darf ein Keks genommen werden. Diskriminieren und Identifizieren. Zunächst artikuliert
die Therapeutin die in der Stunde aktuellen Frikative isoliert, das Kind reagiert mit der zum Laut und der Symbolkarte passenden Handlung. Danach werden die Frikative in Silben in allen Positionen angeboten (z.B. [zi], [ofo], [ax]), im Anschluss in ein- und zweisilbigen Unsinnswörtern ohne und mit Konsonantenverbindungen (z.B. [hes], [va:la:], [pifta:]). Zuletzt soll das Kind die Frikative aus Realwörtern heraushören, unterscheiden und entsprechend handeln. Experimentieren mit Lauten. »Autorennen« Bevor das
Auto startet, muss ein Startsignal gesprochen werden (isolierter Frikativ oder später Silbe mit Frikativ). Abwechselnd mit der Therapeutin versucht das Kind nun, die einzelnen Frikative selber zu artikulieren. Die Therapeutin dient als Modell und gibt Corrective feedback. Einsetzen der Frikative im Wort. »Memory« Ein Memo-
ry, bestehend aus Begriffen mit Frikativen, wird nach den gängigen Regeln gespielt. Zusätzlich liegen die Symbolkarten der verwendeten Frikative aus. Nach dem Ziehen einer Karte muss überlegt werden, welches »Symbol« im Wort enthalten ist. Danach wird das Wort mit dem korrekten Frikativ artikuliert.
Spontansprache In der Therapie werden (unabhängig vom gewählten methodischen Konzept) neue phonologische Regeln erarbeitet. Schließlich soll das Kind diese Regeln
auch spontan verwenden können. Manchmal kann es nötig sein, nach der Arbeit auf Wortebene die phonologischen Strukturen auf Satzebene oder halbspontan zu festigen. Das Vorgehen entspricht dabei dem Aufbau bei phonetischen Störungen (7 Kap. 6.6.2, Abschn. »Stabilisierung auf Satzebene« und »Stabilisierung auf der Ebene des halbspontanen Sprechens«). Häufig bewirkt die gezielte Förderung auf Wortebene jedoch eine Übernahme der neu erlernten Regeln in die Spontansprache, ohne dass noch explizit in diesem Bereich gearbeitet werden muss. Die Therapeutin weist das Kind lediglich auf Lautverwendungsfehler in spontanen Äußerungen hin und regt es zur Selbstkorrektur an. ! Beachte Die Therapeutin sollte die kindliche Artikulation so korrigieren, dass das Kind trotzdem das Interesse der Therapeutin am Inhalt seiner Mitteilungen erkennt.
Wenn das Kind bei ungefähr 70–75 % der Wörter die Laute physiologisch einsetzt, die es vorher falsch verwendet hat, kann die Therapie an diesem Prozess beendet werden. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass es sinnvoll ist, zu diesem Zeitpunkt eine Therapiepause zu machen. In den allermeisten Fällen festigen sich die neu erlernten Regeln in dieser Zeit. Je nach Art der Störung kann anstelle einer Therapiepause auch mit der Arbeit an einem anderen phonologischen Prozess oder sprachlichen Bereich begonnen werden. Zusammenfassung 4 In der Therapie von Kindern mit phonologischen Störungen stellen die Förderung der auditiven Eigenwahrnehmung und der phonologischen Bewusstheit einen Schwerpunkt dar. 4 Drei methodische Vorgehensweisen haben sich etabliert. Sie unterscheiden sich vor allem in der Art, wie sie das Kind auf seine Lautverwendungsfehler aufmerksam machen: – Das Arbeiten mit Inputspezifizierung und Modellierungstechniken ist eine eher indirekte Therapiemethode. Das Kind lernt unbewusst. – Die Minimalpaartherapie konfrontiert das Kind sehr direkt mit seinen Lautverwendungsfehlern und fördert besonders das Eigenhören. 6
6.7 · Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei phonologischen Störungen
–
Für Kinder mit starkem Störungsbewusstsein empfiehlt sich eine Therapie, die langsam an den Laut-einsatz im Wort heranführt. Beim Arbeiten mit Lauten und Lautgruppen erhält das Kind die Möglichkeit, Laute auditiv zu differenzieren und zu kategorisieren. Das Visualisieren der Kategorien durch Bilder ist ein wesentliches Therapieelement. 4 Bei der Wahl der Wörter oder Minimalpaare, die dem Kind präsentiert werden, berücksichtigt die Therapeutin linguistische und lexikalische Kriterien.
6.7.3 Spielideen zum Metaphon-
Konzept Die folgende Zusammenstellung orientiert sich an den in der Praxis häufig auftretenden phonologischen Prozessen und erfolgt in Anlehnung an Jahn (2007) und Howell u. Dean (1994). Eigene therapeutische Erfahrungen, vor allem bezüglich der spielerischen Gestaltung fließen ergänzend mit ein. Die Beschreibungen orientieren sich bei jedem phonologischen Prozess an folgender Struktur: 4 Einleitende Grundüberlegungen zum phonologischen Prozess, 4 Klären des bedeutungsunterscheidenden Merkmals (einschließlich der symbolischen Darstellung in Form von Referenzbildern), 4 Spielideen zur Konzept- und Laut- bzw. Silbenebene, 4 Spielideen zu ausgewählten Minimalpaaren. Die Auflistung soll ein leichtes Nachschlagen ermöglichen, natürlich kann jede Therapeutin die hier genannten Vorschläge eigenständig verändern. Wichtig ist, die Grundüberlegungen passend zu berücksichtigen. Um sich die bedeutungsunterscheidende Funktion der jeweiligen vom phonologischen Prozess betroffenen Phonemgruppen zu verdeutlichen, ist das Wissen um die distinktiven Merkmale einzelner Phoneme hilfreich (7 Kap. 1.2.2, Abschn. »Phoneme«). Dadurch wird auch die Darstellung der beschriebenen Referenzbilder nachvollziehbar. Bei den Spielideen finden sich Möglichkeiten, dem Kind die unterscheidenden Merkmale des phonologischen Prozesses zu verdeutlichen. Gleichzeitig werden konkrete Rahmenhandlungen vorgeschlagen,
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6
die für die Arbeit auf Laut- und Silbenebene (eventuell auch Wortebene) genutzt werden können. i Tipp Bei den Spielen zur Laut- bzw. Silbenebene werden die Referenzbilder eingesetzt. Damit erfolgt die Lautvorgabe immer entprechend dem vorliegenden Referenzbild (7 Kap. 4.4 und 7 Kap. 6.7.2, Abschn. »Arbeit mit Lauten und Lautgruppen«). Die Anzahl der Bilder für die beiden Phonemgruppen wird geschickt bestimmt. Für die Lautgruppe, die vom Kind häufig verwendet werden soll, hält die Therapeutin besonders viele Karten bereit.
Exemplarisch sind bei jedem phonologischen Prozess Spielideen zu ausgewählten Minimalpaaren beschrieben. Eine tabellarische Auflistung von Minimalpaaren findet sich in 7 Kap. 7.4. Zunächst werden verschiedene Substitutionsprozesse, danach häufig auftretende Silbenstrukturprozesse beschrieben. i Tipp - Materialempfehlung »Minimalpaarkarten« von Dorit David: Auf der Rückseite der 262 Bildkarten zu vielen verschiedenen Minimalpaaren sind die jeweiligen Referenzbilder zum entsprechenden phonologischen Prozess zu sehen (s. Jahn 2007). Bezug über: Dorit David, Adresse im e Downloadbereich
Substitutionsprozesse Verschiedene Gestaltungsideen werden zu folgenden Prozessen ausgeführt: 4 Vor-/Rückverlagerung, 4 Plosivierung, 4 Glottalisierung (Öffnung), 4 Lenisierung (Stimmgebung)/Fortisierung (Entstimmung), 4 Lateralisierung und 4 Nasalierung.
Vor-/Rückverlagerung Dem Kind wird verdeutlicht, dass Laute an unterschiedlichen Artikulationsstellen gebildet werden und dass sich diese entweder weiter vorne oder hinten im Mund befinden. Das unterscheidende Kriterium ist demnach »vorne – hinten«.
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
Klären des bedeutungsunterscheidenden Merkmals
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Das Kind kann leicht die Bedeutung dieser Begriffe erfahren, indem die Therapeutin Gegenstände zueinander in Beziehung setzt. Das Lokalisieren kann in Bezug zum eigenen Körper oder anhand von passendem Material erfolgen. i Tipp Symbolische Darstellung/Referenzbilder 4 Elefant von vorne/von hinten, 4 Seehund balanciert einen Ball auf der Schnauze/ auf der Schwanzflosse, 4 Lok (vorne)/Waggon (hinten), 4 Kind von vorne/von hinten (. Abb. 6.7).
Spielideen zur Konzept- und Lautebene Versteckspiel. Spielzeug wird im Zimmer versteckt
(vor oder hinter einem Gegenstand) und muss gesucht werden. Wenn man etwas gefunden hat, benennt man, ob es vor oder hinter dem jeweiligen Gegenstand war (Bedeutungserfahrung). »Schlangenmaler«. Eine lange Schlange wird entweder
vorne oder hinten beklebt, man tauscht sich über den Ort aus, an dem man die Schlange »bemalt« (Bedeutungserfahrung). Eisenbahn. Das Kind darf, je nach Lautvorgabe des
»Schaffners«, in eine selbst gebaute »Eisenbahn« (zwei Stühle hintereinander) einsteigen: vorne als Lokführer (bei einem Laut der vorderen Artikulationszone) oder hinten als Reisender (bei einem Laut der hinteren Artikulationszone). Die Rollen werden getauscht. Die Eisenbahn fährt unterschiedliche Spielstationen an (Lautebene/Referenzbilder).
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Transport. Züge/Schiffe/Busse werden je nach Laut-
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vorgabe vorne oder hinten beladen. So können Tiere, Puppen usw. transportiert werden. Die Rollen werden immer wieder gewechselt (Lautebene/Referenzbilder).
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Spielideen zu Minimalpaaren Zauberwald. Um durch den Zauberwald zu gelangen,
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muss an jedem Stein die Hexe nach der gewünschten Handlung gefragt werden. Gibt sie »Tasse« vor, wird eine Zaubermurmel in eine Tasse abgelegt, bei »Kasse« darf man sich eine Zaubermurmel aus der Kasse zurückholen. Nur wer am Schluss genügend Murmeln hat, schafft den Weg durch den Wald! Geisterstunde. Während der Geisterstunde dürfen die
Gespenster ein Unwetter erzeugen. Hören die Gespen-
. Abb. 6.7. Beispiel eines Referenzkartenpaares (vorne – hinten)
ster »Wecker«, rückt auf einem Spielzeugwecker der Zeiger um eine Stunde vor und nähert sich so langsam dem Ende der Geisterstunde. Bei »Wetter« dürfen die Gespenster donnern (trommeln), es regnen lassen (Rainmaker) oder den Sturm aktivieren (Fön, der Papier wegbläst). Räubermahlzeit. Ein auf Papier aufgemalter Räuber
mit großem Bauch und einem Sack auf dem Rücken wird mit Bildern von Nahrungsmitteln fertig beklebt. Bei »Sack« wird ein Bild in den Sack geklebt, bei »satt« in den Bauch. ! Beachte Die oft sehr hartnäckige Vorverlagerung des [g] bei der Vorsilbe [gǨ] im Partizip Perfekt lässt sich nicht mit Hilfe von Minimalpaaren behandeln. Der Bedeutungsunterschied der Phoneme [g] und [d] kann mit dem Kind wie oben beschrieben erfahrbar gemacht werden. Danach wird die Ersetzung aber gezielt bei
6.7 · Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei phonologischen Störungen
der Perfektbildung geübt. Die Begriffe vorne/hinten können dem Kind helfen, seine Lautverwendung besser zu kontrollieren.
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darf das gefundene Schatzteil im Sieb deponiert werden, bei »Dieb« muss man ein Schatzteil an den Dieb abgeben.
Plosivierung
Städtebau. In einem Fass liegen alle Bauklötze für den
Kinder, die Laute plosivieren, haben Schwierigkeiten, die Artikulationsdauer von Lauten zu unterscheiden. Prinzipiell werden alle Laute, die nicht zu den Plosiven zählen, länger als Plosive gesprochen. Das unterscheidende Kriterium ist »kurz – lang«.
Städtebau bereit. Um einen Klotz zu erhalten, muss man auf das richtige Kommando warten (»Fass«). Bei »Pass« erhält man nur einen Stempel in seinen Architektenpass.
Klären des bedeutungsunterscheidenden Merkmals
Dem Kind wird verdeutlicht, dass es im Gegensatz zum [h] auch Laute gibt, bei deren Bildung eine Enge oder ein Verschluss entsteht. Je nach Art der ersetzten Laute können unterschiedliche Merkmale als Unterscheidungskriterium gewählt werden. Möglich ist z. B. die Unterscheidung in »offen – zu«. Bewährt hat sich aber auch das Kriterium »Windgeräusch – Regengeräusch«, wobei der Regen je nach Lautgruppe unterschiedlich klingt, z. B. »trommelnd« bei Plosiven, »strömend« bei Frikativen.
Kurze und lange Gegenstände oder auch Geräusche können vom Kind verglichen werden. Eine Zuordnung zu den kritischen Unterscheidungsmerkmalen ist so leicht möglich. i Tipp Symbolische Darstellung/Referenzbilder 4 Kind mit fliegendem/zerplatzendem Luftballon, 4 Raupe (ist lang)/Biene (sticht, also kurz), 4 Bach (lang fließend)/zerplatzender Ballon (kurz).
Spielideen zur Konzept- und Lautebene Seifenschaummaschine. Durch einen kurzen oder lan-
gen Strohhalm kann ins Wasser (mit etwas Spülmittel) geblubbert werden. Wie schnell steigt der Schaum beim kurzen/langen Strohhalm (Bedeutungserfahrung)? Straßenbau. Damit Autos fahren können, müssen Stra-
ßen gebaut werden. Der Architekt koordiniert, indem er anweist (= Lautvorgabe), wo kurze und wo lange Straßen hingebaut werden müssen. Natürlich darf jeder mal den Architekten spielen (Lautebene/Referenzbilder)!
Glottalisierung/Öffnung
Klären des bedeutungsunterscheidenden Merkmals Je nach gewähltem Kriterium wird das Kind anhand von Instrumenten, selbsterzeugten Geräuschen oder Gegenständen mit dem unterscheidenden Merkmal vertraut gemacht. i Tipp Symbolische Darstellung/Referenzbilder 4 Kind mit geöffnetem Mund: einmal ist das »Fenster im Hals« offen [h], einmal geschlossen, 4 ein Kind, das eine Scheibe anhaucht/ein Kind, das gurgelt, 4 fliegende Wolke (Wind = [h])/Regen.
Spielideen zur Konzept- und Lautebene Bastelspiele. Nach entsprechender Vorgabe werden
Spiegel. Einen Spiegel kann man anhauchen (Wind)
kurze und lange Fäden auf ein Bild aufgeklebt. So lassen sich z. B. Haare für den Clown, Würmer als Futter für Vögel, Schlangen im Zoo basteln. Es erfolgt immer ein Rollentausch (Lautebene/Referenzbilder).
oder mit einer Wassersprühflasche befeuchten (Regen). Die Therapeutin achtet darauf, dass die Begriffe »Wind/Regen« immer wieder genannt werden (Bedeutungserfahrung).
Spielideen zu Minimalpaaren
Wetterspiel. Wind- und Regengeräusche lassen sich
Feenhut. Einer auf Papier gemalten Fee fehlt noch ein
mit Oceandrum und Trommel toll selber erzeugen (Bedeutungserfahrung).
bunter Feenhut. Zum Bekleben liegen Papierschnipsel bereit. Bei »Fee« darf ein Schnipsel auf den Hut geklebt werden, bei »Tee« wird ein Schnipsel in eine Teetasse abgegeben. Schatzsuche. Im Zimmer wird nach einem versteckten
Schatz gesucht (z.B. Perlen oder Murmeln). Bei »Sieb«
Schranke. Die Autoschranke ist offen, wenn kein Zug
kommt oder geschlossen, wenn der Zug einfährt. Die Begriffe »offen/zu« werden immer wieder im Spiel erwähnt (Bedeutungserfahrung).
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
Gärtnerspiel. Ein Blumenbild wird gebastelt. Nach
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Lautvorgabe durch den Gärtner wächst bei jedem Regentropfen der Stängel der Blume ein Stückchen weiter (Krepppapierkügelchen), beim Windgeräusch wird das Papierstück weggeblasen. Jeder darf mal das Wachsen der Blume ermöglichen, es erfolgt also ein Rollentausch (Lautebene, Referenzbilder).
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Tunnelwächter durch Lautvorgabe, ob der Tunnel für den Zug geöffnet oder geschlossen wird (z. B. am Zoll). Natürlich muss der Zug gut kontrolliert werden, also der Tunnel möglichst oft geschlossen werden. (Das heißt, dass möglichst viele Bilder mit dem Symbol für »zu« vorliegen müssen). Wie üblich erfolgt ein Rollenwechsel (Lautebene/Referenzbilder). Hexen-Gegenzauber. Die Hexe versucht, den Schatz/
die Tiere usw. wegzuzaubern. Durch einen Gegenzauber (Lautvorgabe) können die Fenster oder Türen geöffnet (»offen«) oder geschlossen (»zu«) werden. Nur ein geschlossenes Fenster verhindert, dass die Hexe Dinge wegzaubert! Auch hier findet wieder ein Rollenwechsel statt (Lautebene/Referenzbilder).
Zoo. Im Zoo werden die Tiere in ihre Gehege geführt.
Bei »Haus« kommt das Tier in ein Haus (z.B. Pappschachtel), bei »raus« darf das Tier ins Freigehege (z.B. aus Bauklötzen).
muss das Wappen fertig gebastelt werden. Bei »Wappen« darf auf das vorbereitete Pappwappen etwas aufgeklebt oder gemalt werden, bei »Happen« frisst der Drachen etwas vom Wappenzubehör. Futtertransport. Die Tiere sollen gefüttert werden, das
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Futter (Kastanien) wird mit dem Zug her transportiert. Bei »Bahn« wird eine Kastanie in den Zug verladen, bei »Hahn« frisst der Hahn eine Kastanie auf!
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Lenisierung/Fortisierung
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Für das Kind gilt, stimmhafte von stimmlosen Konsonanten zu unterscheiden. Das Kriterium ist dementsprechend »laut« (für stimmhaft) – »leise« (für stimmlos).
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Symbolische Darstellung/Referenzbilder 4 Kind schlägt auf die Tischplatte (leise)/Kind schlägt auf eine Trommel (laut), 4 Fliege (leise)/Flugzeug (laut).
Spielideen zur Konzept- und Lautebene Komposition. Ein Musikstück variiert in seiner Dyna-
mik und besteht aus Stellen im »piano« und anderen im »forte«. Beim Musizieren werden die lauten und leisen Stellen benannt (Bedeutungserfahrung). Geräusche raten. Einer macht ein Geräusch (z. B.
auf den Tisch klopfen, stampfen, Papier rascheln, malen), der andere muss raten und bestimmen, ob das Geräusch laut oder leise war (Bedeutungserfahrung). Blumenspiel. Eine Fliege fliegt von Blume zu Blume und
bestäubt diese (kleine Papierkügelchen), das Flugzeug startet sehr laut und bringt die Blume zum Umfallen. Einer darf durch Lautvorgabe bestimmen, ob die Fliege oder das Flugzeug eingesetzt werden (viele »Fliege«Karten, da die Blume bestäubt werden soll). Die Rollen werden getauscht (Lautebene/Referenzbilder). ! Beachte In dieser Form begünstigt das Spiel die Übernahme des stimmlosen Phonems.
Ritterwappen. Für das bevorstehende Ritterturnier
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i Tipp
Tunnelwächter. Beim Eisenbahnspiel bestimmt der
Spielideen zu Minimalpaaren
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oder Geräuschen mit Alltagsgegenständen kann das Kind hier selber ausprobieren.
Klären des bedeutungsunterscheidenden Merkmals Das Unterscheidungsmerkmal »laut/leise« lässt sich leicht spielerisch erfahren. Anhand von Instrumenten
Flug nach Amerika. Das Flugzeug oder die Fliege dienen
als Transportmittel nach Amerika. Die Fliege schafft es nicht, nur das Flugzeug landet sicher. Wiederum dient die Lautvorgabe als Hinweis auf das einzusetzende Transportmittel (viele »Flugzeug«-Karten, da das Ziel Amerika ja erreicht werden soll). Auch hier findet ein Rollenwechsel statt (Lautebene/Referenzbilder). ! Beachte Die hier beschriebene Spielvariante lässt sich einsetzen, wenn das stimmhafte Phonem übernommen werden soll.
Spielideen zu Minimalpaaren Salatbeet. Auf einem Spielbrett ausgelegte Salatköpfe
(Bilder) sollen geerntet werden. Die Raupen wie auch die Räuber wollen den Salat haben. Bei »Raupen« erhält eine Raupe einen Salatkopf und wird an dieser Stelle auf das Spielbrett gesetzt, bei »rauben« verfährt man genauso mit einem Bild eines Räubers. Zum
6.7 · Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei phonologischen Störungen
Schluss wird gezählt, ob mehr Raupen oder Räuber auf dem Spielfeld sind.
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Oberzauberer. Auch hier müssen natürlich besonders viele Referenzbilder für [ȏ] vorliegen (Lautebene/Referenzbilder).
Marsmännchen. Marsmännchen wollen die Welt erkun-
den. Auf Kommando dürfen sie die Raumstation verlassen. Bei »Welt« fliegen sie auf einen beliebigen Kontinent (Bild von der Erde oder Weltkarte), bei »Feld« landen sie nur auf einem Feld (braunes Tuch). »Geschenkeservice«. Plätzchen aus Knete müssen
gebacken und verpackt werden. Bei »backen«, darf ein Plätzchen ausgestochen werden, bei »packen«, wird es in Alufolie eingepackt.
Lateralisierung Meistens erfolgt eine Lateralisierung des [ȏ]. Es muss also zwischen [l] und [ȏ] unterschieden werden. Als Unterscheidungsmerkmal bietet sich »fröhlich« (la-la-la) – »wütend« (rrrr) an.
Spielideen zu Minimalpaaren Dschungeldurchquerung. Ein als Dschungel gestaltetes
Spielfeld soll durchquert werden. Es stehen Pferde oder Leitern zur Verfügung. Bei »Reiter« darf die Spielfigur drei Felder mit dem Pferd vorrücken, bei »Leiter« erreicht sie mit der Leiter nur das nächste Feld. Mehrere Spielfiguren treten gegeneinander an. Welche Spielfigur ist als erste am Ziel? Hexenprüfung. Die Hexenprüfung verlangt, spezi-
ellen Zauberrauch zu produzieren (Seifenblasen). Bei »Rauch« darf die Hexe eine Seifenblase machen, bei »Lauch« entsteht leider nur Lauch im Beet (z.B. aufgemalt auf Papier). Rattenfänger. Der Rattenfänger will die Stadt von der
Klären des bedeutungsunterscheidenden Merkmals Kinder können gut über eigene Erfahrungen an die unterschiedlichen Gefühlszustände herangeführt werden. i Tipp Symbolische Darstellung/Referenzbilder 4 Lachendes Gesicht/wütendes Gesicht.
Spielideen zur Konzept- und Lautebene Erlebnis. Jeder schildert eine selbst erlebte Situation
und beschreibt das entstandene Gefühl (Bedeutungserfahrung). Gefühls-Rollenspiel. Bilder mit dargestellten Gefühls-
zuständen werden nachgespielt und den Kategorien »fröhlich – wütend« zugeordnet (Bedeutungserfahrung). Helferspiel. Herr »Fröhlich« und Herr »Wütend« brau-
chen Hilfe, weil sie schon ziemlich alt sind. Damit der Helfer weiß, wem er Briefe bringen/beim Malen helfen usw. soll, orientiert er sich an der Lautvorgabe des »Managers«. Jeder darf mal Manager sein (Lautebene/ Referenzbilder). Zaubertrank. Der Zauberer braucht sehr viele »rrrr«-
Zutaten für seinen Wut-Trunk. Mit diesem Zaubertrank kann er das Krokodil so wütend machen, dass es vergisst, auf die gefangenen Tiere aufzupassen. Immer, wenn der Oberzauberer ein >ȏ@ lautiert, bekommt der Zauberer eine entsprechende Zutat. Jeder ist mal
Rattenplage befreien. Bei »Ratte« lockt er ein Tier in einen Käfig, bei »Latte« kann ein Tier mit einer Latte als Brücke weiter in die Stadt vordringen (aufgemalt als Spielfeld oder mit Bauklötzen gebaut).
Nasalierung Orale müssen von nasalen Lauten unterschieden werden. Damit wird dem Kind verdeutlicht, dass es zwei unterschiedliche Wege gibt, wie die Luft bei der Artikulation entweichen kann. Ein entsprechendes Kriterium könnte »Mund – Nase« sein.
Klären des bedeutungsunterscheidenden Merkmals Dieses Unterscheidungsmerkmal lässt sich am besten über den eigenen Körper erfahren. i Tipp Symbolische Darstellung/Referenzbilder 4 Nase und Mund, 4 trötender Elefant (für Nase)/feuerspeiender Drache (für Mund).
Spielideen zu Konzept- und Lautebene Kerze ausblasen. Luft wird durch die Nase oder den
Mund gepustet, um eine Kerze zu löschen. Auf welchem Weg geht es leichter? Wie macht es mehr Spaß (Bedeutungserfahrung)? Windrad. Das Kind bläst durch einen Strohhalm, auf
dem unterhalb der Nase ein Windrädchen aufgesetzt ist. Je nachdem, ob es durch Nase oder Mund bläst,
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Kapitel 6 · Therapiebausteine
dreht sich das Rädchen/dreht sich das Rädchen nicht (Bedeutungserfahrung).
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Tierfütterung. Elefant und Drache haben Hunger. Nach
Kommando (= Lautvorgabe) wird das Futter entweder dem Elefanten gebracht (damit er wieder tröten kann) oder dem Drachen (damit der wieder Feuer speien kann). Jeder darf mal das Kommando geben (Lautebene/Referenzbilder)!
Spielideen zu Minimalpaaren Aschenputtel. Wenn das Aschenputtel alle Aufgaben
richtig erledigt, kann es die böse Stiefmutter verlassen. Bei »Futter« muss es den Vögeln Futter bringen, bei »Mutter« seiner Stiefmutter etwas zu essen hinstellen. Prinzessinnengeschenk. Die Prinzessin hätte gerne
ein neues Armband oder eine bunte Fähnchenkugel für ihr Schloss! Bei »Faden« darf ein Faden genommen und zu einem Armband geflochten werden, bei »Fahnen« wird ein Fähnchen-Spieß in eine Knetekugel gesteckt.
Silbenstrukturprozesse Bei den Silbenstrukturprozessen werden folgende Prozesse näher erläutert: 4 Auslassung initialer Konsonanten/Silben, 4 Auslassung finaler Konsonanz, 4 Reduktion von Mehrfachkonsonanz.
Auslassung initialer Konsonanten oder Silben Dem Kind muss klar werden, dass ein Initiallaut (oder eine Initialsilbe) eines Wortes nicht weggelassen werden kann. Unterscheidendes Kriterium ist somit »vorne ist etwas – vorne ist nichts«.
Klären des bedeutungsunterscheidenden Merkmals Anhand von Gegenständen und Bildern wird mit dem Kind das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines »Kopfes« geklärt. i Tipp Symbolische Darstellung/Referenzbilder 4 Elefant mit und ohne Rüssel, 4 Zug bestehend aus Lok und zwei Waggons/Zug ohne Lok, 4 Kutsche mit und ohne Pferd.
Spielideen zur Konzept- und Silbenebene Züge mit oder ohne Lokomotive fahren um die Wette. Natürlich kann nur ein Zug mit Lokomotive richtig fahren! Es wird besprochen, warum der Zug mit Lokomotive schneller ist (Bedeutungserfahrung). Zug-Wettrennen.
Wüstentransport. Das Kind belädt Kutschen mit oder
ohne Pferde. Der Wüstenführer gibt die Anweisung, welche Kutsche beladen werden muss (Silbenvorgabe durch die Therapeutin). Die Ladung muss dann durch die Wüste transportiert werden. Wie schafft das die Kutsche ohne Pferd (Silbenebene/Referenzbilder)? Köpfe-Chaos. Dem Kind werden vorgefertigte Tier-
bilder präsentiert. Die Tiere sind jeweils ohne Kopf abgebildet. Der »Köpfe-Sortierer« kann nur dann einen Kopf zuordnen, wenn er von der Therapeutin das richtige Kommando (= Silbe mit Initiallaut/Initialsilbe) erhält. Anschließend kann ein Zoobild gebastelt werden (Silbenebene/Referenzbilder).
Spielideen zu Minimalpaaren Babywalsuche. Im Meer wollen die Waleltern ihre Babys
wiederfinden. Auf einem Papier sind große und kleine Wale sowie Aale aufgemalt. Es gilt, möglichst schnell die großen mit den kleinen Walen zu verbinden. Bei »Wal« darf ein Babywal mit einem großen Wal durch z.B. eine Linie verbunden werden, bei »Aal« findet der große Wal leider nur einen Aal (entsprechende Linie). Schatzbergung. Der von einem schlafenden Krokodil
bewachte Schatz soll geborgen werden. Der Schatz ist an einer Schnur befestigt, an der gezogen werden kann. Bei »Schnur« darf der Schatz ein Stück vom Krokodil weggezogen werden, bei »Uhr« wird der Zeiger an einer Spielzeuguhr ein Stück weitergedreht und nähert sich dadurch der Uhrzeit, zu der das Krokodil aufwacht. Der Schatz muss bis zu einer vorher festgelegten Linie vom Krokodil entfernt werden, bevor dieses aufwacht und den Schatz zurückholt! Eiszeit. Es steht eine neue Eiszeit bevor! Deshalb muss
der Mais rechtzeitig geerntet werden. Ausliegende Maiskörner dürfen bei »Mais« eingesammelt werden, bei »Eis« schiebt sich ein Eisblock (Bauklotz) in die Landschaft und auf einige Maiskörner.
Auslassung finaler Konsonanz Dem Kind wird verdeutlicht, dass ein Finallaut eines Wortes nicht weggelassen werden kann. Unterscheidendes Kriterium ist somit »hinten ist etwas – hinten ist nichts«.
6.7 · Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei phonologischen Störungen
Klären des bedeutungsunterscheidenden Merkmals Wie beim Prozess der Auslassung initialer Konsonanten erfolgt das Schärfen des kindlichen Bewusstseins anhand von Gegenständen und Bildern. i Tipp Symbolische Darstellung/Referenzbilder 4 Fisch mit und ohne Schwanzflosse, 4 Lastwagen mit und ohne Anhänger.
179
6
nachtsschmuck). Bei »Zweig« darf aus dem bereitliegenden Materialvorrat ein Teil an die Zweige gehängt werden, bei »zwei« wird der Vorrat um zwei weitere Teile aus der Therapeutenkiste aufgefüllt.
Reduktion von Mehrfachkonsonanz Das unterscheidende Kriterium besteht darin, dass am Wortanfang entweder ein oder mehrere Konsonanten gesprochen werden. Das Kind erfährt: »vorne sind zwei Teile – vorne ist ein Teil«.
Spielideen zur Konzept- und Silbenebene Weide. Auf einem Bild sollen Tiere mit und ohne
Schwanz auf eine Weide geklebt werden. Die Tiere mit Schwanz wollen alle zusammen stehen! Beim Basteln wird darüber gesprochen, warum das jeweilige Tier gerade in die gewählte Weide gehört (Bedeutungserfahrung). Pferdefütterung. Pferde mit und ohne Kutsche werden
gefüttert. Jeder versprachlicht sein Handeln (Bedeutungserfahrung).
Klären des bedeutungsunterscheidenden Merkmals Auch diese Silbenstruktur wird mit dem Kind anhand von Gegenständen und Bildern erarbeitet. i Tipp Symbolische Darstellung/Referenzbilder 4 Kutsche mit einem Pferd/mit zwei Pferden (die Pferde sind links, die Kutsche rechts), 4 Giraffe mit und ohne Hals (wenn der zweite Konsonant ausgelassen wird).
Baustelle. Nach Silbenvorgabe durch die Therapeutin
müssen auf der Baustelle Lastwagen beladen werden. Es gibt einen Lastwagen mit, einen ohne Anhänger. Der Lastwagen, der die meisten Bausteine abtransportiert, gewinnt (Silbenebene/Referenzbilder). Zauberei. Die Hexe übt das Hexen (Therapeutin). Nur
beim richtigen Zauberspruch (= Silbe mit finaler Konsonanz) erhält das Tier vom Kind seinen Schwanz zurück (Silbenebene/Referenzbilder)!
Spielideen zu Minimalpaaren Baumschule. Im Wald sollen möglichst viele Bäume
wachsen. Auf Papier sind verschiedene Bäume ohne Wurzeln vorgezeichnet. Bei »Baum« dürfen Wurzeln unter einen Baum gemalt werden, bei »Bau« wird unter einen Baum eine Höhle gemalt, die das Wachsen verhindert. Wieviele Bäume überleben in der Baumschule? Später können noch Tiere in die Bäume oder in den Bau geklebt werden!
Spielideen zur Konzept- und Silbenebene Monsterspiel. Monstertiere oder Gespenster mit einem
oder zwei Köpfen werden gebastelt, im Zimmer versteckt oder spuken um die Wette. Man kann darüber diskutieren, ob Monster/Gespenster mit einem oder zwei Köpfen gruseliger sind (Bedeutungserfahrung). Zaubermurmeln. Die Zaubermurmeln müssen in Kut-
schen mit einem oder zwei Pferden geladen werden. Die Pferde ziehen die Kutschen über eine Wettrennstrecke zur Zauberburg. Eine Zaubermurmel verleiht jedem Pferd eine »Zauber – Krafteinheit« (= einen Schritt nach vorne). Nach Silbenvorgabe durch die Therapeutin werden die Zaubermurmeln verteilt, die Kutschen können die entsprechende Anzahl an Schritten ziehen: bei zwei Pferden zwei Schritte, bei einem Pferd einen Schritt (Silbenebene/Referenzbilder). Indianerzelt. Alle Tiere sollen kleine Äste transportie-
Zoll. Am Zoll werden Waren überprüft. Bei »Wagen«
dürfen diese sofort in ein Auto oder einen Laster geladen werden, bei »Waage« müssen sie zuerst gewogen und evtl. Gebühr bezahlt werden. »Zweigeschmücken«. Vorbereitete Zweige in einer Vase
sollen geschmückt werden (z.B. zu Ostern mit Eiern, im Frühjahr mit Papierblättern, im Sommer mit Papierschmetterlingen, zur Weihnachtszeit mit Weih-
ren, mit dem später ein Indianerzelt gebaut wird. Es gibt Tiere, die alleine einen Ast ziehen und Tiere, die paarweise (hintereinander) arbeiten. Je nach Silbenvorgabe durch die Therapeutin werden die Äste den einzelnen Tieren/Tierpaaren zugeordnet. Die Tiere, die zu zweit ziehen, können natürlich auch mehr transportieren. Wer wohl als erster genügend Äste gesammelt hat (Silbenebene/Referenzbilder)?
180
Kapitel 6 · Therapiebausteine
Spielideen zu Minimalpaaren Zauberschloss. Um gefangene Tiere, einen Schatz etc.
2 3 4 5 6
zu befreien, muss man eine bestimmte Anzahl an Schlüsseln zum Öffnen des Zauberschlosses mitbringen. Bei »Schlüssel« wird ein Schlüssel zum Schloss gelegt, bei »Schüssel« muss ein Schlüssel in eine Schüssel abgegeben werden und steht nicht mehr zur Verfügung. Steinbruch. Steine aus dem Steinbruch müssen abtrans-
portiert werden. Bei »Kran« wird mit dem Spielzeugkran oder Handbagger ein Stein aus dem Steinbruch geholt, bei »Kahn« kann der Stein in das wartende Boot eingeladen werden. Zaubertunnel. Die Tiere sollen Bauklötze durch den
7
9 10 11 12 13 14 15 16
Zaubertunnel transportieren. Bei »kriechen« darf das Tier mit dem Klotz durch den Tunnel kriechen, bei »riechen« muss es am Zauberduft riechen, wird dadurch betäubt und muss auf die nächste Runde warten. Es gilt, möglichst alle Tiere schnell durch den Tunnel zu bringen. Hexensabbat. Alle Hexen, Zauberer und Gespenster
wollen über das große Feuer fliegen. Bei »fliegen« darf ein Teilnehmer übers Feuer fliegen, bei »liegen« muss er sich hinlegen. Die Situation kann entweder mit Spielzeugpuppen gespielt oder auf Papier dargestellt und aufgeklebt werden.
6.7.4 Spielideen zu P.O.P.T. Im vergangenen Abschnitt wurden Spielideen beschrieben, die sich gut umsetzen lassen, wenn man das Vorgehen nach Metaphon gewählt hat. Die im Folgenden skizzierten Spielanregungen sind auf den Therapieaufbau bei P.O.P.T. abgestimmt. Hier wurde eine Orientierung anhand der Therapiephasen gewählt, eine weitere Aufteilung nach phonologischen Prozessen ist nicht sinnvoll.
17
Phase I: Auditives Differenzieren von Einzellauten
18
Im Therapiekonzept P.O.P.T. geht es in der ersten Phase ausschließlich um die auditive Diskrimination. Die vom phonologischen Prozess betroffenen Laute werden voneinander unterschieden. Es werden alle Laute verwendet, die als Ziellaute oder Ersatzlaute fungieren, eine Ausnahme bildet der Prozess der Plosivierung, hier werden nur die Ziellaute eingesetzt. Als Übungsmaterial werden Laute, Silben, Unsinnswörter und Realwörter verwendet.
19 20
Das Grundprinzip dieses Spiels ist immer das gleiche: Die Therapeutin artikuliert einen dieser Laute, das Kind trifft eine Zuordnung mit Hilfe der Symbolkarten. Um die Stunden für Kind und Therapeutin interessant zu gestalten, haben sich spielerische Verpackungen bewährt. Grundprinzip ist, dass die Teile (Fische, Edelsteine ...) des Spieles, die vom Kind ausgewählt werden sollen, immer mit einem Lautsymbol versehen sind. Die Therapeutin artikuliert verschiedene Laute, das Kind entscheidet sich durch seine Handlung, welchen Laut es wahrgenommen hat. > Beispiel Prozess Vorverlagerung, Spielidee »Fische fangen« Vor dem Kind sind verschiedene Meeresbewohner auf einem blauen Tuch ausgebreitet. Jedes einzelne Lebewesen trägt ein Lautsymbol (z.B. Holzhacker für [k], Gans für [g] und Zunge für [ń], Wassertropfen für [d] und Clown für[n]), welches aufgeklebt oder aufgemalt ist. Die Therapeutin artikuliert jetzt durcheinander die verschiedenen Laute, das Kind entscheidet nach jedem Laut, welcher Meeresbewohner per Angel vom Tuch befördert werden darf. Bei gutem Gelingen auf Lautebene wird auf Silbenebene weitergesteigert, wobei die Laute schnell in allen Wortpositionen durcheinander angeboten werden. Dann wird auf Ebene der Unsinnswörter gesteigert und zum Schluss wird auf der Stufe der Realwörter diskriminiert.
Spielideen Fische fangen. Die Therapeutin gibt vor, welche der
bunten Papierfische das Kind mit seiner MagnetAngel aus dem Becken fischen darf. Biene sucht Blume. Das Kind entscheidet nach Vorga-
be der Therapeutin, zu welcher Blume es die Biene fliegen lässt. Schatzsuche. Die Piraten haben echt Pech. Gerade als sie
das feindliche Schiff kapern wollen, zerbricht es in tausend Teile, der Schatz wird über den Meeresboden verteilt! Die Piraten bekommen von ihrer Chefin, Frau Seeräuber-Jenny, wertvolle Hinweise, unter welchen Steinen sich teure Münzen und Juwelen verborgen haben. Die Befreiung der Prinzessin. Fiese Räuber haben die
Prinzessin Morgenschön verschleppt. Aber die guten Ritter sind ihr auf der Spur. Die Hüterin des Waldes ist so freundlich und gibt hilfreiche Tipps, hinter welchen Bäumen sich weitere Hinweise zur Befreiung befinden (z.B. Teile einer Landkarte oder Buchstaben des Lösungswortes).
6.7 · Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei phonologischen Störungen
Murmelbahn. Benötigt wird eine Murmelbahn, die
sich aus Einzelteilen zusammenbauen lässt (z.B. aus Kunststoff oder Holz erhältlich). Diese Einzelteile sind in mehreren Schalen oder Schachteln, die mit Lautsymbolkarten versehen sind, verteilt. Das Kind darf bei jedem gehörten Laut aus der betreffenden Schachtel ein Murmelbahn-Teil nehmen und im Anschluss an die Hörübung die Murmelbahn aufbauen. (Nach dem gleichen Prinzip kann auch eine Eisenbahn oder ein Haus aus Bausteinen aufgebaut werden. Es ist auch denkbar, verschiedene Bastelutensilien so »erwerben« zu lassen, um damit am Ende der Stunde eine Bastelarbeit anzufertigen.) Frühlingserwachen. In verschiedenen Schalen sind
Blätter, Blüten, Schmetterlinge, Bienen etc. aus buntem Papier sortiert. Je nach Laut darf aus einer bestimmten Schale etwas herausgenommen werden, zum Schluss wird aus den Einzelteilen ein Frühlingsbild geklebt.
Phase II: Produzieren der betroffenen Laute In Phase II werden die Laute (Ziel- und Ersatzlaute vermischt) nach Vorgabe durch die Therapeutin artikuliert, wobei Kind und Therapeutin im Wechsel sprechen. Hier bieten sich Spiele an, bei denen vor jedem Spielzug (Würfeln, Flasche drehen, Frosch hüpfen lassen) Laute oder Silben produziert werden müssen. Es können Spiele verwendet werden, die in der phonetischen Therapie zur Festigung des Lautes oder der Silbe Einsatz finden, wie z.B. Zaubersprüche zur Befreiung von verwunschenen Prinzessinnen, Würfelspiele oder Bewegungsspiele, bei denen vor dem Hüpfen ein »Flitzwort« oder »Startwort« (Laut oder Silbe) artikuliert wird. Weitere Ideen finden sich in 7 Kap. 6.6.4.
Phase III: Identifizieren und Produzieren der Laute in Wörtern Für die Arbeit in Phase III benötigt die Therapeutin eine große Auswahl an kindgerecht gezeichneten Bildkarten mit den Ziel- und Ersatzlauten in allen Wortpositionen und den Konsonantenverbindungen. Das übergreifende Prinzip dieser Spiele ist, dass Kind und Therapeutin im Wechsel eine Bildkarte ziehen oder erwürfeln etc. und sich dann anhand der Auswahl an Lautsymbolen entscheiden, mit welchem Laut dieser Begriff korrekt ausgesprochen wird. Für das Vorgehen in Phase III eignen sich die handelsüblichen Sprachförderspiele wie z.B. »Na Logo« oder »Schatzpiraten«, die für die jeweiligen phonologischen Prozesse mit ausgewähltem Bildkartenmaterial ergänzt oder ausgestattet werden sollten. Auch können viele Spiele aus der phonetischen Therapie
181
6
zur Festigung der Laute auf Silben- und Wortebene (7 Kap 6.6.4) hier – entsprechend abgewandelt – sehr gut eingesetzt werden. Der Unterschied liegt lediglich in der Auswahl der Bildkarten. . Übersicht 6.15 listet einige Spiele auf, die sich besonders gut für Phase III eignen. i Tipp - Materialempfehlung »Na Logo«: Basisspiel mit verschiedenen Kartensätzen zu den einzelnen Lauten. Bezug über: Trialogo Verlag »Schatzpiraten«: Ein ansprechendes Spiel zur Behandlung von Aussprachestörungen. Bezug über: LingoPlay GmbH & CoKG Adressen im e Downloadbereich
. Übersicht 6.15. Aus der phonetischen Therapie entliehene Spielideen der Phase III 4 4 4 4 4 4
Abrollern, Angeln, Schützenkönig, Kegeln, Eisenbahn, Frösche hüpfen.
7 Anhang Die hier abgedruckten Anamnese-, Lautbefund- und Klassifizierungsbögen zum Ausdrucken sowie die Itemauswahl für den Lautbefund und weitere Informationen zu den Therapiematerialien samt deren Bezugsquellen finden Sie im Internet unter http://www.springer.com/978-3-642-20027-4 7.1
Anamnesebogen für Aussprachestörungen – 184
7.2
Lautbefund: Protokoll- und Auswertungsbogen
7.2.1
Hinweise zu Aufbau und Verwendung der Bögen
7.2.2
Protokoll- und Auswertungsbogen des Lautbefundes
7.3
Bogen zur Klassifizierung von Aussprachestörungen – 195
7.3.1
Hinweise zu Aufbau und Verwendung des Bogens
7.3.2
Bogen zur Klassifizierung von Aussprachestörungen
7.4
Minimalpaare
7.5
Zeicheninventar des »International Phonetic Alphabet IPA«
– 189
– 189 – 191
– 195 – 196
– 197
– 202
M. Weinrich, H. Zehner, Phonetische und phonologische Störungen bei Kindern, DOI 10.1007/978-3-642-20028-1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
2 3
184
Kapitel 7 · Anhang
7.1
Anamnesebogen für Aussprachestörungen
Name:
Datum:
geb.:
Therapeutin:
Adresse:
4 Gesprächspartner:
Mutter
Vater
5 6
Anlass der Anmeldung Was führt Sie zu uns? Mit welcher Fragestellung kommen Sie? (Wie umfassend wird die Aussprachestörung betrachtet?)
7
9
Familienanamnese Gibt es weitere Familienmitglieder mit phonetisch-phonologischen Störungen oder anderen Sprech- oder Sprachauffälligkeiten?
10 11
Gibt es Familienmitglieder mit Hörstörungen oder sonstigen die Sprache oder das Sprechen beeinträchtigenden Erkrankungen?
12 13 14
Schwangerschaft und Geburt Gab es Komplikationen während der Schwangerschaft? (Infektionen? Blutungen? Medikamenteneinnahme? Vorzeitige Wehen? Unfälle? Lageanomalien des Embryos?)
15 16 17 18 19 20
Wie verlief die Geburt? (Termingerecht? Komplikationen wie Sauerstoffmangel oder Nabelschnurumschlingung? Spontangeburt oder Kaiserschnitt/ Zangengeburt/Saugglocke? Geburtsgewicht und -größe, APGAR-Werte, Probleme nach der Geburt wie Gelbsucht?)
Frühkindliche Entwicklung Konnten Sie Ihr Kind stillen? Gab es dabei Schwierigkeiten?
7.1 · Anamnesebogen für Aussprachestörungen
185
Gab es Probleme beim Saugen und Schlucken? (Haben Sie beim Flaschensauger das Saugloch vergrößert?)
Wie gelang die Umstellung auf feste Nahrung? Gab es Schwierigkeiten beim Kauen?
Hat Ihr Kind Abneigungen gegen feste Nahrungsmittel? Schon immer? (z. B. gegen Karotten, harte Brotrinde?)
Krankheiten Welche Krankheiten hat Ihr Kind?
Ist Ihr Kind häufig erkältet? Hat es oft Mittelohrentzündungen? Leidet Ihr Kind an Allergien oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten? (Auch im Hinblick auf das therapeutische Angebot!)
Gab es schwerwiegendere Erkrankungen im Kindesalter? (Operationen, Unfälle, Krankenhausaufenthalte?)
Nimmt Ihr Kind Medikamente ein? Welche und wogegen?
Sensomotorische Entwicklung Wie verlief die motorische Entwicklung Ihres Kindes? Wann konnte es frei sitzen/krabbeln/laufen?
Wie schätzen Sie das Gleichgewicht Ihres Kindes ein? (Stolpert es häufig? Geht es unsicher? Vermeidet es starke Bewegungsänderungen wie z. B. Schaukeln?)
Wie ist die Grobmotorik? (z. B. beim Gehen oder Klettern?)
7
186
Kapitel 7 · Anhang
Wie schätzen Sie die Feinmotorik ein? (Stifthaltung beim Malen, Schneiden, Umgang mit kleinem Material, Händigkeit?)
2 3 4
Wie reagiert Ihr Kind auf verschiedene Materialien? (z. B. Sand, Matsch, Wasser, Leim, Creme?)
Wie reagiert es auf Körperkontakt? Sucht oder meidet es ihn?
5 Ist Ihr Kind geschickt? Wie geht es mit Material um?
6 7
Wie schätzen Sie das Gehör Ihres Kindes ein? Wurde schon ein Hörtest gemacht? Wie war das Ergebnis?
9
Sprachentwicklung Hat Ihr Kind als Säugling gelallt/gebrabbelt? Wann? Gab es einen Zeitpunkt, zu dem es plötzlich wieder verstummt ist?
10 11
Wann sprach Ihr Kind die ersten Wörter? (Auch »Mama« und »Papa«.)
12 Wann kamen die ersten kleinen Sätze?
13 14
Stellte Ihr Kind Fragen? Wann?
15
Gab es Rückschritte oder Pausen in der sprachlichen Entwicklung Ihres Kindes?
16 17
Wie erleben Sie das sprachliche Verhalten Ihres Kindes? Wie kommuniziert Ihr Kind allgemein? (Spricht es gerne/viel/eher wenig? Spricht es verständlich?)
18 Sehen Sie die sprachlichen Auffälligkeiten im Zusammenhang mit einem bestimmten Ereignis?
19 20
7.1 · Anamnesebogen für Aussprachestörungen
187
7
Spiel- und Sozialverhalten Wie und was spielt Ihr Kind? (Kann es Regeln einhalten? Ist es ausdauernd im Spiel? Mit wem spielt es? Kann es sich auch alleine beschäftigen? Was spielt es besonders gerne? Welche Rolle übernimmt das Kind im Spiel?)
Wie verhält sich Ihr Kind im Umgang mit anderen Personen? (Wie schnell findet es Kontakt? Hat es Freunde? Sind die Freunde älter oder jünger? Kann sich das Kind durchsetzen? Welche Rolle übernimmt das Kind im Kontakt mit anderen Personen?)
Psychosoziale Situation Welche Bezugspersonen hat Ihr Kind? Sind Sie berufstätig? (Wieviele Stunden am Tag abwesend?) Welchen Beruf haben Sie erlernt, welchen üben Sie derzeit aus?
Hat Ihr Kind Geschwister? In welchem Alter? Wie versteht es sich mit ihnen?
Wer lebt noch in Ihrer Familie? Geht Ihr Kind in den Kindergarten/in die Schule? In welche/n? Wie geht es Ihrem Kind dort?
Wird in Ihrer Familie noch eine andere Sprache/Dialekt gesprochen?
Hat Ihr Kind spezielle Angewohnheiten? (z. B. Schnuller, Daumenlutschen?)
Was kann Ihr Kind besonders gut? Worauf sind Sie bei Ihrem Kind stolz?
Wahrnehmung der Störung im Umfeld des Kindes Wer bemerkt die Sprech-/Sprachschwierigkeiten Ihres Kindes noch? Wen stören sie?
Wie reagiert die Umwelt auf die sprachlichen Auffälligkeiten? (z. B. Erzieherinnen, andere Kinder?)
188
Kapitel 7 · Anhang
Hat Ihr Kind auch andere, nichtsprachliche Schwierigkeiten?
2
Teilhabe am sozialen Leben Wie nimmt Ihr Kind seine Schwierigkeiten wahr?
3 4 5
Wovon halten die sprachlichen Schwierigkeiten Ihr Kind im Alltag ab?
Inwiefern ist Ihr Kind in seinen sozialen Kontakten durch die Sprach-/Sprechstörung beeinträchtigt?
6 7
Bisherige und geplante Therapien oder Maßnahmen War Ihr Kind schon in therapeutischer Behandlung anderer Fachrichtungen?
Finden derzeit (oder demnächst) weitere Therapien statt?
9 10 11
Liegen spezielle Untersuchungs- oder Therapiebefunde anderer Berufsgruppen vor? (z. B. Hörtest, ergotherapeutischer Befund?)
Welche Termine hat Ihr Kind in seiner Freizeit noch?
12 13 14
Auftrag der Eltern an die Therapie Woran würden Sie erkennen, dass die logopädische Therapie zu Ihrer Zufriedenheit verläuft? Was können Sie dazu beizutragen?
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Was wäre für Sie eine Verbesserung der derzeitigen Situation? Womit wären Sie ganz zufrieden?
Gibt es noch irgendetwas, von dem Sie denken, dass es wichtig für mich sein könnte?
189
7.2 · Lautbefund: Protokoll- und Auswertungsbogen
7.2
Lautbefund: Protokoll- und Auswertungsbogen
Die Strukturierung der Bögen zum Lautbefund wird dargestellt, die Bögen können als Kopiervorlage für die eigene praktische Tätigkeit genutzt werden. Die vorgeschlagene Itemauswahl bietet sich für ein Lautbestandsscreening an.
7.2.1 Hinweise zu Aufbau und
Verwendung der Bögen Für die Analyse phonetisch-phonologischer Auffälligkeiten hat sich der in 7 Kap. 7.2.2 dargestellte Protokoll- und Auswertungsbogen bewährt. Der Protokollbogen wird während der Diagnostik zum Eintragen der kindlichen Äußerungen verwendet, im Auswertungsteil kann im Anschluss an die Diagnostik das Ergebnis dokumentiert werden. In 7 Kap. 3.2.1 (Abschn. »Expressive sprachliche Fähigkeiten/Sprachproduktion«) ist ein ausgefüllter Bogen dargestellt, der als Anschauungsbeispiel herangezogen werden kann. Die Erhebung des Lautbefunds lässt sich mit jedem herkömmlichen Lautanalyseverfahren durchführen (7 Kap. 3.2.1, Abschn. »Expressive sprachliche Fähigkeiten/Sprachproduktion«). Da diese Analyseverfahren mit sehr vielen Items arbeiten, kann jedoch für ein Screening wie im vorliegenden Fall die Anzahl der Prüfwörter reduziert werden. Die Itemliste in 7 Kap. 7.2.3 liefert einen Vorschlag für eine Wortauswahl, die sich in der Praxis als ausreichend bewährt hat, um relevante Prozesse erkennen zu können.
7
Im Gegensatz zu anderen Lautprüfprotokollen wird bei diesem Bogen nicht das ganze Wort transkribiert, sondern die Äußerung wird sogleich analysiert. Die Therapeutin notiert während der Testung (also in dem Moment, in dem das Kind das Bild benennt), ob die Laute korrekt realisiert (+) oder durch andere ersetzt werden. Die Ersatzlaute werden sofort im entsprechenden Kästchen des Ziellautes eingetragen. Benennt das Kind also z. B. »Katze« mit [tatsǨ], so wird in das Kästchen »[k] - Anlaut« ein [t] eingetragen, bei dem Kästchen »[ts] - Inlaut« wird ein Plus vermerkt. Lässt ein Kind einen Laut oder eine Konsonantenkombination in einer Wortposition komplett weg, so wird an dieser Stelle ein Minus (–) notiert. ! Beachte Die Laute werden immer als Phoneme eingetragen. Korrekterweise müsste die Notation eigentlich in eckigen Klammern [ ] erfolgen, aus Zeit- und Platzersparnisgründen empfiehlt sich jedoch, die Klammern wegzulassen.
Bei jedem Item, das das Kind benennt, werden alle enthaltenen Konsonanten oder Konsonantenkombinationen so wie vom Kind produziert in die Kästchen eingetragen. Dadurch ergeben sich in manchen Kästchen mehrere Einträge, die später eine Aussage über die Konstanz einer Prozessbildung erlauben. i Tipp - Hilfe Die Art der Notierung erfordert etwas Übung, erleichtert jedoch im Praxisalltag eine schnelle Auswertung. In der Regel sind pro Kästchen bis zu drei Einträge möglich.
Protokollierung
Auswertung
Die Struktur des Protokollbogens orientiert sich an den Artikulationszonen, die Frikative [z],[s] und [ ∫ ] sind als besonders störanfällige Lautgruppe gesondert aufgeführt. In der linken Spalte ist der jeweilige Laut isoliert notiert. Hier werden Eintragungen vorgenommen, wenn der Laut in Verbindungen mit Vokalen im Wort vorkommt. Die mittlere und rechte Spalte führen die entsprechenden Konsonanten in Konsonantenkombinationen auf. Für jeden Laut bzw. jede Konsonatenverbindung besteht eine Notationsmöglichkeit als An- , In- oder Auslaut im Wort. Die blau markierten Felder verdeutlichen, dass der Laut in dieser Wortposition im Deutschen nicht verwendet wird. Dialektal bedingte Besonderheiten spezieller Laute (z. B. [ç] als Wortanlaut) sind hierbei nicht berücksichtigt.
Eine Analyse des Lautinventars sowie häufig auftretender phonologischer Prozesse ist bei Verwendung dieses Protokollbogens ohne großen Zeitaufwand möglich. Wie bei jedem Diagnostikinstrument wird die Auswertung anfangs etwas länger dauern, bis man mit der Art der Betrachtung vertraut ist. Im Praxisalltag hat sich jedoch gezeigt, dass bei ausreichender Kenntnis des Bogens bestimmte Prozesse unmittelbar, manchmal schon während der Testung, erkannt werden können. Bei der Laut- und Prozessanalyse ist es wichtig, nicht jeden Laut einzeln zu betrachten, sondern die Besonderheiten in der Verwendung von Lautgruppen festzustellen. Man analysiert, ob sich Artikulationsarten oder -orte von Lautgruppen oder die Silbenstruktur verändern. Auch weitere distinktive Merk-
190
Kapitel 7 · Anhang
male werden beachtet (z. B. Lenisierung oder Fortisierung von Lauten).
2 3 4 5 6 7
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
> Beispiel Man beginnt mit einem Laut (in angegebenem Beispiel mit dem [k]) und stellt beispielsweise fest, dass mehrere Ersetzungen durch [t] erfolgt sind. Das unterscheidende Merkmal der beiden Laute ist der Artikulationsort, der in der 3. Artikulationszone gebildete Laut wurde durch einen Laut der 2. Artikulationszone ersetzt. Dieser Prozess sollte jetzt für alle Laute der 3. Artikulationszone überprüft werden, was anhand der Strukturierung des Protokollbogens leicht gelingt. Entsprechend wird für andere Auffälligkeiten verfahren.
Erfahrungsgemäß lassen sich folgende Substitutionsund Silbenstrukturprozesse mit dem Bogen schnell erfassen: 4 Vor- und Rückverlagerungen, 4 Plosivierung von Frikativen, 4 Öffnung, 4 Lenisierung und Fortisierung, 4 Deaffrizierung, 4 Auslassung initialer oder finaler Konsonanz und 4 Reduktion von Mehrfachkonsonanz. Auch phonetische Fehlbildungen von [z], [s] und [ ∫ ] lassen sich sofort erkennen, ebenso, ob die Fehlbildung konstant oder inkonstant, konsequent oder inkonsequent erfolgt. Assimilationsprozesse, der Silbenstrukturprozess »Auslassung von Silben« sowie eventuelle Wortbetonungsprozesse können allerdings mit dem Bogen nicht erfasst werden. Um diese Prozesse zu analysieren, muss das gesamte Wort vorliegen. Es empfiehlt sich deshalb, während der Diagnostik eine Tonaufnahme zu machen, die später für die weitere Auswertung herangezogen werden kann. i Tipp Wenn im Protokollbogen eine inkonsequente Ersetzung einzelner Laute auffällt (also unterschiedliche Ersatzlaute in den Kästchen eines Ziellautes notiert sind), könnte es sich z. B. um Assimilationsprozesse handeln. Für diese Ziellaute sollten die entsprechenden Prüfwörter mithilfe der Tonaufnahme genauer analysiert werden.
Dokumentation der Auswertung Der Auswertungsteil des Bogens gliedert sich in drei Teile:
1. Symptome, unterteilt in »Phoninventar« und »phonologische Prozesse«, 2. Auswertung, unterteilt in phonetische und phonologische Auffälligkeiten und 3. Ergebnis. Unter Phoninventar werden die Laute eingetragen, die das Kind während der Überprüfung in keinem Fall korrekt produziert hat (auch nicht als Ersatzlaute). Hier sollte auch vermerkt werden, ob diese Laute isoliert stimulierbar sind. Bei den phonologischen Prozessen können beim Kind beobachtete Prozesse angekreuzt werden, außerdem werden die vom Prozess betroffenen Wörter oder Phoneme notiert. Es empfiehlt sich, an dieser Stelle auch anzugeben, ob der Prozess konstant oder inkonstant aufgetreten ist. i Tipp Finden sich in den Kästchen für einen Ziellaut sowohl Ersatzlaute als auch korrekte Realisationen (+), so handelt es sich um einen inkonstanten Prozess. Je nach Verhältnis der Kategorien »korrekte Realisation« und »Ersatzlaute« kann bestimmt werden, ob das Kind diesen Prozess bereits zu überwinden scheint oder ob der Prozess deutlich sichtbar ist.
In der abschließenden Auswertung werden phonetische Lautfehlbildungen sowie phonologische Prozesse zusammenfassend eingetragen. Es besteht die Möglichkeit, zwischen altersadäquaten und nicht altersadäquaten Auffälligkeiten zu unterscheiden, bei den phonologischen Prozessen kann nochmals zwischen physiologischen und pathologischen Prozessen differenziert werden. Außerdem können zusätzliche Beeinträchtigungen wie »Störungen der Sprechmotorik« vermerkt werden. Diese Zusammenfassung soll eine abschließende Beurteilung erlauben, die zwischen einer phonetischen Störung, einer phonologischen Störung sowie einer gemischt phonetischphonologischen Störung unterscheidet.
7
191
7.2 · Lautbefund: Protokoll- und Auswertungsbogen
7.2.2 Protokoll- und Auswertungsbogen des Lautbefundes Name:
Datum:
geb.:
Prüferin:
Lautbefund: Protokollbogen 1. Artikulationszone An
In
Aus
[p]
[b]
An
In
Aus
[pf ]
[pfl]
[pl]
[pȏ]
[bl]
[bȏ]
[fl]
[fȏ]
An
In
Aus
An
In
Aus
An
In
Aus
[m] [f ] [v]
2. Artikulationszone An
In
Aus
An
In
Aus
[t]
[tȏ]
[d]
[dȏ]
[n] [l] [r]
3. Artikulationszone An
In
Aus
An
In
Aus
[ç] [j] [k]
[kv]
[kn]
[kl]
[Nȏ]
[g]
[gl]
[gȏ]
[ń]
[ńk]
[x] [ȏ] [h]
192
Kapitel 7 · Anhang
[s], [z] und [ ∫ ] An
2
In
Aus
[s]
3 4
An
In
Aus
An
[ts]
[tsv]
[sp]
[st]
In
Aus
[ks] [z] [∫]
5 6 7
[ ∫p]
[ ∫pȏ]
[ ∫m]
[ ∫v]
[ ∫t]
[ ∫tȏ]
[ ∫n]
[ ∫l]
[t∫ ]
[ ∫ȏ]
Lautbefund: Auswertung I Symptome 1. Phoninventar
9 10 11
nicht realisierte Laute Elision Substitution
Substitution Elision
13
Elision
Substitution
Substitution
15 16 17
Substitution
19 20
Ersatzlaute
2. phonologische Prozesse
nicht stimulierbar stimulierbar
Ersatzlaute
nicht stimulierbar stimulierbar
Ersatzlaute
nicht stimulierbar stimulierbar
Ersatzlaute
Elision Substitution
nicht stimulierbar stimulierbar
Elision
Assimilationen/Permutationen
18
Ersatzlaute
Elision
12
14
stimulierbar
nicht stimulierbar stimulierbar
Ersatzlaute
nicht stimulierbar
193
7.2 · Lautbefund: Protokoll- und Auswertungsbogen
Silbenstrukturprozesse Zielwort
Realisation
Auslassung unbetonter Silben
Vereinfachung mehrsilbiger Wörter
Auslassung finaler Konsonanz
betroffene Phoneme:
Auslassung initialer Konsonanz
betroffene Phoneme:
betroffene Konsonantenkombinationen Reduktion von Mehrfachkonsonanz 4 Reduktion auf K1 4 Reduktion auf K2 4 Reduktion auf K3 4 Reduktion auf Kx 4 Reduktion auf Doppelkonsonanz
Substitutionsprozesse betroffene Phoneme Plosivierung Vorverlagerung Rückverlagerung sonstige Prozesse:
Lautpräferenz für
7
194
Kapitel 7 · Anhang
II Auswertung 1. phonetisch
2 3 4
altersentsprechende Lautfehlbildungen nicht altersentsprechende Lautfehlbildungen
2. phonologisch altersadäquate phonologische Prozesse
5 nicht altersadäquate physiologische phonologische Prozesse
6 7
pathologische phonologische Prozesse
9
3. Sonstiges Störungen der Sprechmotorik
10
sonstige organische Beeinträchtigungen
11
III Ergebnis
12
phonetische Störung
13
gemischt phonetisch-phonologische Störung
14 15 16 17 18 19 20
phonologische Störung
7.3 · Bogen zur Klassifizierung von Aussprachestörungen
7.3
Bogen zur Klassifizierung von Aussprachestörungen
Die Darstellung des Aufbaus des Klassifizierungsbogens sowie die entsprechende Kopiervorlage ermöglichen dessen Anwendung in der Praxis.
7.3.1 Hinweise zu Aufbau und
Verwendung des Bogens
195
7
4 Mundmotorische Schwierigkeiten können bei phonologischen Störungen als zusätzliche Beeinträchtigung vorliegen. 4 Das Schlucken kann auch bei dyspraktischen Störungen beeinträchtigt sein. 4 Je nach theoretischem Hintergrund lassen auditive Wahrnehmungsschwierigkeiten nicht unbedingt den Rückschluss auf das Vorliegen einer phonologischen Störung zu (7Kap. 1.4.1, Abschn. »Hören und Hörwahrnehmung« und 7Kap. 1.5.1).
Protokollierung und Auswertung Mit dem vorliegenden Bogen (7 Kap. 7.3.2) besteht die Möglichkeit, erste Anhaltspunkte für die Art der Aussprachestörung zu erhalten. Es wird davon ausgegangen, dass bestimmte Symptome auf eine bestimmte Art von Störung hinweisen, nämlich auf eher phonetische, eher phonologische oder eher dyspraktische Auffälligkeiten. So ist z. B. das Vorliegen phonologischer Prozesse ein ziemlich eindeutiges Indiz für eine phonologische Störung. Leider kann man aber die wenigsten Symptome eindeutig einem speziellen Störungsbild zuweisen. Lautersetzungen durch nichtmuttersprachliche Laute können z. B. als Kardinalsymptom einer phonetischen Störung gelten, kommen aber möglicherweise auch bei dyspraktischen Schwierigkeiten vor. Deshalb wurde im vorliegenden Bogen versucht, für jedes Symptom den Hinweis auf alle möglichen Störungskomponenten mit einer passenden Gewichtung festzuhalten. Jedem Störungsbild ist ein spezielles Zeichen zugeordnet, das einbis dreimal notiert ist (entsprechend der Wahrscheinlichkeit, mit dem das Symptom auf eben jene Störungskomponente hindeutet). Beim ersten Symptom »Lautfehlbildungen« z. B. erscheint der dreimalige Verweis auf eine phonetische Störungskomponente (da dieses Symptom sehr eindeutig auf eine phonetische Störung hinweist) und der einmalige Verweis auf eine dyspraktische Störungskomponente (da auch hier eventuell Lautfehlbildungen nichtmuttersprachlicher Art vorkommen können). Trotzdem stellt eine Zusammenstellung in dieser Form immer eine Vereinfachung dar und muss deshalb grundsätzlich patientenorientiert überdacht werden. Diesbezüglich sei nochmals auf folgende Punkte hingewiesen: 4 Konstante Ersetzungen werden manchmal auch zu den phonologischen Störungen gezählt (7Kap. 1.3.1). 4 Inkonstante Fehlbildungen können auch mit koartikulatorischen Anforderungen zusammenhängen und auf motorische Schwierigkeiten hinweisen (7Kap. 1.3.1).
Nach der Diagnostik überlegt die Therapeutin für jedes im Bogen aufgeführte Symptom, ob dies für das diagnostizierte Kind zutrifft. Zutreffende Symptome werden angekreuzt, eventuelle Bemerkungen notiert. Anschließend werden die von den angekreuzten Symptomen betroffenen Symbole / / z für jede Kategorie getrennt zusammengezählt, die Summe wird entsprechend notiert. Anhand eines Vergleichs der Summenwerte lässt sich nun der Schwerpunkt der Störung ablesen (= höchster Summenwert). In 7 Kap. 7.3, . Abb. 3.3 ist das Beispiel eines ausgewerteten Protokollbogens abgedruckt.
196
Kapitel 7 · Anhang
7.3.2 Bogen zur Klassifizierung von Aussprachestörungen
2 3 4 5 6 7
9 10
Name:
Datum:
geb.:
Therapeutin:
Diagnostikergebnis
trifft zu
Bemerkungen
Lautanalyse Lautfehlbildungen (Ersetzung durch nichtmuttersprachliche Laute)
Konstante Fehlbildung oder Ersetzung des Einzellautes
z
Inkonstante Fehlbildung oder Ersetzung des Einzellautes Konsequente oder inkonsequente Fehlbildung des Einzellautes
z
Inkonsequente Ersetzung des Einzellautes die fehlgebildeten/substituierten Laute sind stimulierbar
z
Additionen (Lauthinzufügungen)
z z
Phonologische Prozesse erkennbar Deutliche Diskrepanz zwischen Wortebene und Spontansprache Analyse der orofazialen Sensomotorik
11 12
Mundmotorische Schwierigkeiten
Abweichendes Schluckmuster
Suchbewegungen (auch bei der Artikulation)
13
Analyse der auditiven Wahrnehmungsfähigkeiten Schwierigkeiten in der phonologischen Bewusstheit
z
14
Schwierigkeiten bei der Lautdiskrimination von Ziellaut zu Ersatzlaut in der Fremdwahrnehmung
z
15
Schwierigkeiten bei der Lautdiskrimination von Ziellaut zu Ersatzlaut in der Eigenwahrnehmung
zz
16
Auswertung
Summe
phonetische Störungskomponente
17 18 19 20
dyspraktische Störungskomponente z phonologische Störungskomponente
Ergebnis: Schwerpunkt der Störung
Phonetisch
Dyspraktisch
Phonologisch
Anmerkung: Mit Fehlbildung ist immer die Realisierung in Form eines nichtmuttersprachlichen Lautes gemeint, Ersetzung meint, dass anstelle des Ziellautes ein anderer muttersprachlicher Laut verwendet wird.
197
7.4 · Minimalpaare
7.4
Minimalpaare
Substitutionsprozesse Laute
initial
medial
final
[k] – [t]
Kanne – Tanne Keller – Teller Kopf – Topf Kasse – Tasse Kante – Tante Katze – Tatze kahl – Tal
Wecker – Wetter
Sack – satt
[g] – [d]
Gaumen – Daumen
Nagel – Nadel Feger – Feder Bogen – Boden Wagen – Waden Flieger – Flieder
Vorverlagerung – Rückverlagerung velar – alveolar
Wange – Wanne Ringe – Rinne
[ń] – [n]
velar – bilabial
[k] – [p]
Kiste – Piste
[k] – [b]
Kuss – Bus
[t] – [p]
Tanne – Panne
[t] – [b]
Tank – Bank Tuch – Buch
[d] – [b]
Dach – Bach
Nadel – Nabel
Geld – gelb
präpalatal – alveolar
[ ∫ ] – [s]
Schal – Saal
Tasche – Tasse
Busch – Bus
palatal – alveolar
[ç] – [s]
Küche – Küsse
weich – weiß
palatal – präpalatal
[ç] – [ ∫ ]
Kirche – Kirsche
labiodental – alveolar
[v] – [z]
Wand – Sand Wal – Saal
[f ] – [z]
Fee – See Fahne – Sahne
[pf ] – [z]
Pfeil – Seil
[f ] – [p]
Fass – Pass Felle – Pelle Fels – Pelz
[f ] – [t]
Fee – Tee vier – Tier Fisch – Tisch
alveolar – bilabial
Plosivierung [f ]
Matte – Mappe
7
198
2
Kapitel 7 · Anhang
[v]
Laute
initial
[v] – [b]
Wecker – Bäcker Wand – Band Wein – Bein Welle – Bälle wach – Bach
[v] – [k]
Wanne – Kanne Wind – Kind Wald – kalt
[z] – [t]
Sonne – Tonne See – Tee Saal – Tal
3 4 5
[s]/[z]
6
[s] – [t]
7
Sieb – Dieb
[z] – [p]
Suppe – Puppe
[ ∫ ] – [b]
Schaum – Baum
[ ∫ ] – [t]
Schal – Tal
[f ] – [h]
Falle – Halle
[pf ] – [h]
Pferd – Herd Pfand – Hand
[v] – [h]
Vase – Hase Wand – Hand Wappen – Happen weiß – heiß winken – hinken
14
[z] – [h]
Sand – Hand Socke – Hocke
15
[ts] – [h]
Zahn – Hahn zart – hart
16
[ ∫ ] – [h]
Schimmel – Himmel
[b] – [h]
Bahn – Hahn Band – Hand Bauch – Hauch
[d] – [h]
Dose – Hose
[m] – [h]
Mund – Hund Maus – Haus
[n] – [h]
Nase – Hase
9 10 11
Öffnung Frikative/ Affrikaten
12 13
Plosive
17 18 Nasale
19 20
final
reisen – reiten Besen – beten
reißen – reiten
[z] – [d]
[∫]
medial
Esel – edel
Fels – Feld
199
7.4 · Minimalpaare
Liquidae
Laute
initial
medial
[l] – [h]
Land – Hand Laus – Haus Lose – Hose
[ȏ] – [h]
Rose – Hose Rasen – Hasen Rand – Hand rund – Hund raus – Haus Reis – heiß
[ȏ] – [l]
Ratte – Latte Reiter – Leiter Regen – legen Rauch – Lauch raus – Laus
[z] – [l]
Sack – Lack Socke – Locke
[b] – [p]
backen – packen Bälle – Pelle
rauben – Raupen
[d] – [t]
Deich – Teich
Mandel – Mantel
[g] – [k]
Gabel – Kabel Garten – Karten
[v] – [f ]
Welt – Feld
[v] – [pf ]
Wanne – Pfanne
final
Lateralisierung
Lenisierung – Fortisierung Plosive
Frikative
[z] – [s]
reisen – reißen
Nasalierung Frikative
Plosive
Lateral
[f ] – [m]
Futter – Mutter
[v] – [n]
Vase – Nase
[b] – [m]
Butter – Mutter
[d] – [n]
Faden – Fahnen
[l] – [m]
Kelle – Kämme
Affrizierung – Deaffrizierung [ts] – [t]
[ts] – [s]
Zopf – Topf Zeh – Tee Zahl – Tal
Platz – platt Netz – nett
Katze – Kasse Tatze – Tasse Ritze – Risse
7
200
Kapitel 7 · Anhang
2
Laute
initial
medial
[ts] – [³]
Zahl – Schal Zaun – Schaum zu – Schuh Zäune – Scheune
Tatze – Tasche
3 4
final
Silbenstrukturprozesse Auslassung initialer/finaler Konsonanten
5
Laute
7
10
Initiallaut
KK
auf K1
[b]/[p]
[bl]
blau – Bau Block – Bock
[bȏ]
Brett – Bett Brot – Boot
12
Bau – Baum Bär – Berg Decke – Deckel Ei – Eis Fell – Fels/Feld Kinn – Kind Waage – Wagen zwei – Zweig
auf K2
Braten – raten Bretter – Retter Brot – rot Brand – Rand
[pȏ]
Preis – Reis
[f ]
[fl]
Flasche – Lasche fliegen – liegen Floß – los Flocken – Locken
[t]
[tȏ]
Traube – Taube
[k]/[g]
[kl]
Klasse – Kasse
14 15 16
[gl]
Glocke – Locke
17
[kn]
Knopf – Kopf Knochen – kochen
18
[kȏ]
Kran – Kahn
Kreis – Reis kriechen – riechen
[ ∫l]
Schlüssel – Schüssel
Schlauch – Lauch
19 20
final
Reduktion von Mehrfachkonsonanz
11
13
medial
Schal – Aal Wal – Aal Mais – Eis Spiegel – Igel Schnur – Uhr
6
9
initial
[∫]
[ ∫n]
Schnabel – Nabel
[ ∫t]
Stempel – Tempel
auf K3
201
7.4 · Minimalpaare
Initiallaut
KK
auf K1
auf K2
[ ∫ ] (Forts.)
[ ∫v]
Schwein – Wein Schwelle – Welle schwach – wach
[ ∫ȏ]
schreiben – reiben
auf K3
[ ∫tȏ]
Strauch – Rauch Streich – reich Streifen – Reifen Strand – Rand
[ ∫pȏ]
Spritze – Ritze Sprudel – Rudel Spray – Reh
(nach einer Vorlage von Jahn 2007)
7
202
Kapitel 7 · Anhang
7.5
Zeicheninventar des »International Phonetic Alphabet IPA«
2 3 4 5 6 7
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Graue Flächen kennzeichnen unmögliche Artikulationen (aus Pompino-Marschall 1995)
8 Literatur
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204
2 3 4 7 6 7 8 8 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Kapitel 8 · Literatur
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207
A–D
Sachverzeichnis A Ableitung 141 Abschluss / letzte Stunde 140 Allergie 128, 129 Allophone 7 Alter, Erwerbsalter der einzelnen Laute 23 Anamnese 38–42 – Auftragsklärung 38 – Durchführung 42 – Gesprächsführung 43 – Wahl des Settings 42 – Zeitpunkt und Gestaltung 42 – Fragen bei Dyslalie 40, 41 – Ziele 38 Anamnesebogen für Dyslalien 184–188 Anbahnung (s. auch Lautanbahnung) 67, 69, 70, 137, 141–165 Anbahnungsmethoden 141 Arbeit mit Lauten und Lautgruppen 161, 165, 173 – Expressive Phase: Wörter und Sätze 168 – Rezeptive Phase: Auditive Differenzierung und Kategorisierung von Lauten 166 – Übergang zur Sprachproduktion: Laute und Silben 167 – Vorbereitende Übungen 166 Artikulation 2 – Entwicklung 19 – Koartikulation (assimilatorische Vorgänge) 3, 67, 138, 162 Artikulationsart 4–6, 70, 71 – Bewegungsart 71 Artikulationsbereiche und -organe 6 Artikulationsmotorik (Mundmotorik) 58 – Therapie 125 – Überprüfung 58 Artikulationsort 6, 71 – eingesetzte Körperteile 71 Artikulationsstörungen, phonetischer Art 32 – nach van Riper 66–70 Artikulationszonen 6, 7, 141–156 – Laute der hinteren Artikulationszone 152–156 – Laute der mittleren Artikulationszone 145–152 – Laute der vorderen Artikulationszone 141–145 Arzt 47, 100, 101 – Facharzt 100
Assimilationsprozesse 20, 28 assimilatorische Vorgänge (Koartikulation) 3, 162 Assoziationsmethode nach McGinnis (s. McGinnis) 29, 78–80 – methodisches Vorgehen 79 – Ziele 78 Atmung und Stimme 59 auditiv / auditive / auditives – Aufmerksamkeit (s. auditive Sensibilisierung) 122 – Differenzierung / Diskrimination (s. auch phonematische [Laut]diskrimination) 121, 166, 167 – rezeptive Phase 166 – Eigenwahrnehmung 66, 99, 109, 111, 113, 121, 140, 159 – Gedächtnis/ Sequenzerfassung 56 – Identifikation 82, 108, 110 – Sensibilisierung 108, 109, 113 – Wahrnehmung (s. zentral-auditive Verarbeitung) 31, 56, 108, 161 auditive Analyse 12 Auffälligkeiten – inkonsequente 25, 27, 54 – inkonstante 25, 27, 60, 136, 160, 195 – konsequente 25 – konstante 26 Aufmerksamkeit / Sensibilisierung, auditive 112, 122 Auslassung 178 – finaler Konsonanz 178 – initialer Konsonanten oder Silben 178 – Reduktion von Mehrfachkonsonanz 179 – Spielideen 178, 179, 180 Ausspracheprüfungen 49 Aussprachestörung 2, 91, 132 – Anamnese 38 – Ätiologie 30–34, 39 – Aufnahme und Verarbeitung von Sinnesreizen 30–32 – Bewegungsstörungen der Artikulationsorgane 29, 30, 32 – Definition 2 – Einteilung 34 – Erbanlagen und Einflüsse des familiären Umfeldes 33, 34 – genetische Ursachen 33 – phonetischer Aspekt 2 – phonetische und phonologische Störung 34 – phonologischer Aspekt 2, 7
M. Weinrich, H. Zehner, Phonetische und phonologische Störungen bei Kindern, DOI 10.1007/978-3-642-20028-1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
– spezielle Kontexte 97–99, 100 – Therapie 86 – Aufbau 90–92, 94, 95 – Bausteine 95, 103 ff – behinderte Kinder 98 – Einstieg 90 – Erwachsene 99, 100 – Inhalt 92 – Vorgehen 86, 90, 97, 100 autogenes Training 124
B bedeutungsunterscheidende – Funktion 7, 121, 159, 164, 167, 168 – Merkmale 173 Behandlungsplan 64 behinderte Kinder 98 Belohnungssystem 140 Betonung 8 – Trochäus 9 Bewegungseinheiten / Bewegungsbedürfnis 107, 109, 124, 131 bewegungsunterstützte Lautanbahnung [BULA] (s. Lautanbahnung) 69–74, 87, 141 Bewusstheit, phonologische 18, 19, 31, 56, 121 – auditive Wahrnehmung und phonologische Bewusstheit 161 – Einschränkungen 31 – Entwicklung 19 – im engeren Sinne 18, 117 – im weiteren Sinne 18, 122, 134 – Untersuchung 54 Bezugspersonen (s. auch Eltern) 132 BULA (s. auch bewegungsunterstützte Lautanbahnung) 69–74, 141
C Clinical reasoning 93 Coda 8 Computereinsatz 122 Computerprogramme 122 Corrective feedback 83, 133, 162
D Demotivierungszeichen 105 Diagnostik – modellorientiertes Vorgehen
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Kapitel 9 · Sachverzeichnis
Diagnostik / Diagnose 46–62, 47, 60, 62 – Auswertung 60 – Behandlungsplan 64 – diagnostisches Vorgehen 48–55 – Durchführung 47 – Erstellen der Diagnose 60–63 – erweiterte Diagnostik 48 – Feinmotorik 58 – Gehörüberprüfung 47, 101 – Klassifizierungsbogen, diagnostischer 60, 195 – Kognition 59 – Lautbefund 50–53 – Auswertung 51–53 – Protokollbogen 50–53 – Motorik 57–59 – Mottier-Test 56 – phonetisch-phonologische Untersuchung (s. dort) 49–54 – Rahmenbedingungen, günstige 47 – Screening, logopädisches 46 – sprachliche Fähigkeiten 49–55 – Sprachverständnis 55 – standardisierte Testverfahren 46 – Wahrnehmung 55 – Ziele 46, 47 Diphthonge 4 Diskrimination / Differenzierung (phonetische Lautdiskrimination) 82, 110, 121 distinktive Merkmale 7, 17, 121, 173 Dyslalie 25 – Definition 2 – Einteilung 35 – Anzahl der fehlgebildeten Laute und Verständlichkeit 35 – multiple 35 – partielle 35 – universelle 35 Dyspraxie / dyspraktische Störungen 29, 60, 78, 92, 98 – Behandlung 29, 78 – Diagnostik 60 – McGinnis, Assoziationsmethode nach (s. dort) 78–80 – Symptome 29 – Ursachen 29
E Eigenhören (s. auch Eigenwahrnehmung) 82, 111, 163, 165, 168 – Beurteilungskriterien 111 Eigenkorrektur / Selbstkorrektur 109 Eigenwahrnehmung, auditive 66, 109, 113, 121, 159, 172 Eltern 132, 134, 135, 139, 140, 163, 165
Elternarbeit – Gestaltung 134 – Häufigkeit der Gespräche 134 – Inhalte 133, 133–135 – Unterstützung zu Hause 133 – Ziele 133–135 Emotions- und Zeitdruck, Stabilisierung unter 68 Entwicklungsdyspraxie, verbale 92 Erbanlagen und Einflüsse des familiären Umfelds 33–34 Ergotherapeutin 57, 101 Ersetzungsprozesse (s. Substitutionsprozesse) 21, 28, 76–78, 121, 173 erste 50 Wörter, Phase der 20 Erwachsenentherapie 99–100 Erwerbsalter der einzelnen Laute 23 Erzählungen 80 Eutonie 124, 131 Evaluation 94 evidenzbasiertes Vorgehen 92, 94
F Facharzt 100–101 – Kieferorthopädie 101 – Überprüfung des Gehörs 47, 101 Familie / familiäres Umfeld 33 »feedback« 82, 137 – »corrective« 133, 134, 136, 169 – Erklärung für die Eltern 133–134 – Strategien 82 – therapeutisches Vorgehen 134 Feinmotorik 58, 123, 124 – Diagnostik 59 – Therapie 123, 124 Fortisierung / Lenisierung 176 – Spielideen 176 Fremdwahrnehmung 66, 109, 133, 167 Funktion, bedeutungsunterscheidende 7, 167 funktionell belastete Laute 160
G ganzheitlicher Therapieansatz 87–88 Gehörüberprüfung 47, 101 genetische Verursachung, Aussprachestörung 33 Geräusche 108, 109 Geräuschebene 76 Gesichtsmassage 131 Gesprächsführung 43 – Art der Fragestellung 43 – Empathie 43 – Häufigkeit der Gespräche 42
– Struktur 43 – wertschätzend geführtes Gespräch 43 Gestik und Mimik, sprachersetzende 55 Glottalisierung / Öffnung 175 – Spielideen 175, 176 Grapheme 118 Grapheme / Verschriftung 79, 118 Grobmotorik / Tonus 59, 123, 124 – Therapie 123, 124 – Untersuchung 59
H Halbspontansprachebene 139, 158 – Spielideen 158 Hausaufgaben 112, 122, 127, 139 häusliche Förderung 134, 163, 164, 169 – phonetische Störungen 134 – phonologische Störungen 134 Heilmittelrichtlinien 63 Hilfestellungen 89, 122, 127 HNO-Arzt 47 Hören und Hörwahrnehmung 30 – in der Artikulationsbehandlung nach van Riper 66–68 Hörspiel 158 Hörtraining 108, 108–110, 112, 121, 161, 166 – auditive – Sensibilisierung 108–109 – Wahrnehmungsförderung 109– 121 – Aufbau – bei phonetischen Störungen 112 – bei phonologischen Störungen 121 – Definition 108 – Methodik 122 – nonverbal 108 Hörvermögen, peripheres 30 – Überprüfung des Gehör 47, 101 Hypertonus 124 – orofazialer 124 Hypotonus 124 – Körperspannung, hypotone 124 – orofazialer 124
I ICF 38, 63, 87, 88, 94 – Bereiche 88 – Diagnose 63 – Ziele 88 ICF-CY 89
209
Sachverzeichnis
Identifikation 116 Identifikation, auditive 67, 116 – Lautauswahl 117 – Lautidentifikation 117, 118 – Wortidentifikation 116, 117 idiosynkratische Prozesse 27 inkonsequente Auffälligkeiten 25, 28, 35, 54 inkonsequente Störung 92 Inkonsequenz-Therapie 92 inkonstante Auffälligkeiten 25, 27, 160, 195 Input-Prozesse 10 Inputspezifizierung 97, 162 – Therapiebeispiel 163 Instrumente 109 Interdentalität, multiple 27 interdisziplinäre Zusammenarbeit 56, 100, 123 – Untersuchungen durch den Facharzt 100 – Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen 101 International Phonetic Alphabet IPA 202 Intonation 9, 13
J Jacobson 131 – Muskelentspannung, progressive nach 124, 131 Jakobson 16 – Theorie über den kindlichen Lauterwerb 16
K Kappazismus, mundmotorische Übungen 132 Kategorien 166, 167 – Visualisierung 167 Kategorisierung von Lauten / Lautmerkmalen 113, 121, 166 – rezeptive Phase 166 Kieferorthopädie / kieferorthopädische – Abklärung 101 – Regulierung 101 Kind – Aufbau der Beziehung zum 86–89 – behinderte Kinder 98–99 Klassifizierungsbogen, diagnostischer 60, 195 Koartikulation (assimilatorische Vorgänge) 3, 67, 138, 162 Kognition 59, 75, 164, 166 kognitive Repräsentation 10
Kommunikation 86, 98 Konditionierung 138 Konsequenz 25 – inkonsequente Auffälligkeiten 25 – konsequente Auffälligkeiten 25 Konsonanten 4–6 – Artikulationsart 4, 5 – Artikulationsbereiche und -organe 6 – Artikulationsort 6, 7 – Artikulationszonen 6, 7 – Aussprache deutscher Konsonanten 5 – Beschreibung 4 – Einteilung 4 – Unterscheidung Vokale und Konsonanten 7 Konsonantenverbindungen 139 Konstanz / konstante 25, 60 – Auffälligkeiten 136, 160, 195 – Lautfehlbildung 26, 60 Kontaktassimilation 21, 83 – Behandlungsmöglichkeit 83 Kontrastierung 97 Kontrollmechanismen 68 Kontrolltermin 140 Konzentration 106 – konzentrationsfördernde Maßnahmen 107 – Konzentrationsschwächen 106 Konzeptebene 76 Kopiervorlagen für die Praxis 184–202 – Anamnesebogen für Aussprachestörung 184–188 – Bogen zur Klassifizierung von Aussprachestörungen 195 – Lautbefund 191–194 – Minimalpaare 197–201 – Zeicheninventar des »International Phonetic Alphabet« (IPA) 202 Körperwahrnehmung 130 Korrekturfunktion, Artikulationsstörungen nach von Riper 66, 167 Ko-Therapeuten / ko-therapeutische Aufgaben 122, 132, 140, 161
L Lallperiode 20 – erste 20 – zweite 20 Lateralisierung 177 – Spielideen 177 Lautagnosieprüfung 56 Lautanalyse 110, 120 Lautanalysebogen 50–53, 191–194
E–L
Lautanbahnung, bewegungsunterstützte (BULA) 69–73, 135, 167 – Bewegungsart 70, 71 – Bewegungsrichtung 70 – eingesetzte Körperteile 71–72 – Methoden 141 – Prinzipien 73 – Spielideen 141–159 – Übungsaufbau zur Vorbereitung der Lautanbahnung 131–132 – Ziele 73 Lautbestandsscreening 49, 189 Lautbetrachtung – Spracherwerbstheorien zur phonetisch-phonologischen Entwicklung 16–18 – unter phonetischen Kriterien 2–7 – unter phonologischen Kriterien 7–9 Lautbildung, physiologische und -verwendung 2, 66, 67, 70 Lautbildungsfehler/Lautfehlbildung (s. auch phonetische Störung) 25, 26 Lautdifferenzierung 167 Lautdiskrimination (s. auch phonematische Diskrimination) 110, 113, 117, 137 Lautebene 67 – bei Substitutionsprozessen 76 – Stabilisierung auf 67 Laute, funktionell belastete 160 Lauterwerb / Lautentwicklung 16, 25, 123, 136, 160 – Altersangaben 23 – Entwicklung 20 – physiologischer 136 Lautfestigung (s. auch Stabilisierung) 135 – Spielideen 156 Lautgruppe (s. auch Lautklasse) 166, 167 Lautidentifikation 110, 117, 118 Lautklassen (s. auch Lautgruppen) 159 Lautmerkmale, Kategorisierung 112, 121, 167–168 Lautposition im Wort 111, 162 Lautpräferenz 28, 121, 160 – Hörtraining 121 Lautspracherwerb, physiologischer 18–29 lautstrukturelle Merkmale 112 Lautsymbol 82 Lautsymbolkarten 167–169 Lautsynthese 119 Lautverwendung 2, 7, 75, 83 Lautverwendungsfehler (s. phonologische Störung) 25, 27 Lautwahrnehmung 18, 19, 109 Leistungsgrenze 105, 106, 137
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Kapitel 9 · Sachverzeichnis
Lenisierung / Fortisierung 176 – Spielideen 176 lexikalische – Einheiten 20 – Kriterien 163 Lippen/Übungssammlung 128 – Beweglichkeit 129 – Lippentonus 129 logopädisches Screening 46, 48 – Screening 48
M McGinnis, Assoziationsmethode nach 78–80, 166 – methodisches Vorgehen 79–80 – Erzählungen 80 – Laute und Wörter 79 – Sätze 80 – Ziele 81 melodische Intonationstherapie 29 Metaphon-Konzept zur Behandlung phonologischer Störungen 75–78, 166, 169, 170, 173 – Geräuschebene 76 – Konzeptebene 76 – Lautebene (bei Substitutionsprozessen) 76 – Satzebene 77 – Silbenebene (bei Silbenstrukturprozessen) 77 – Spielideen 173–179 – Therapiebeispiel 169 – Wortebene 77 metasprachliches Arbeiten 97 Mimik und Gestik, sprachersetzende 55 Minimalpaar 7, 77, 161, 164, 167, 173–180, 197 – Einsatz 20 – Kopiervorlage 197–201 – Spielideen 174–180 – Wahl des Minimalpaares 164 Minimalpaartherapie 75, 77, 163, 164, 166 – Minimalpaarkarten 173 – Spielideen 174–180 – Therapiebeispiel 165 Missverständnis 164 Modellierung 97 Modellierungstechniken 161, 162 – Therapiebeispiel 163 Motivation 70, 86, 99, 105, 107 – Demotivierungszeichen 105 Motorik / Sensorik 57–59, 125–133 – Artikulationsmotorik 58 – Feinmotorik 58 – Grobmotorik / Tonus 59, 124
– Mundmotorik (s. auch Artikulationsmotorik) 58, 125–130 – Mundsensorik 58, 130 – orofaziale Sensomotorik 58, 125–133 motorisches Programm 12, 13 motorisches Verarbeitungssystem 13 Mottier-Test 56 Mundatmung 131 Mundbild 122 Mundmotorik 123, 125, 125–131 – Therapie 125 Mundmotorik (s. Artikulationsmotorik) 58 Mundschluss 129, 131 Mundsensorik (s. orale taktil-kinästhetische Wahrnehmung) 58, 125, 130 Muskelentspannung, progressive nach Jacobson 124 Muskelgruppen 127 Muskelübungen im orofazialen Bereich 74 Myofunktionelle Störungen (s. orofaziale Dysfunktion) 32, 73–75
N Nasalierung 177 – Spielideen 177, 178 Nomina Komposita 113, 116, 117 Nucleus 8
O Obstruenten (geräuschbildende Laute) 6 Öffnung / Glottalisierung 175 – Spielideen 175, 176 Onset 8 orale – Dyspraxien 33 – Behandlung 79 – Diagnostik 60 – Schwierigkeiten 32 – taktil-kinästhetische Wahrnehmung 31, 32, 58, 130 – Überprüfung 58 – Übungen 130 orale Dyspraxie 29, 32, 33 Organisationsstrukturen, mentale 30, 31 – Einschränkungen 30 orofaziale – Dysfunktion 32, 58, 73–75, 99, 101 – kieferorthopädische Abklärung 101 – methodisches Vorgehen 74–75
– Muskelübungen 74 – Therapie 73–75 – Ziele 73 – eingeschränkte orofaziale Beweglichkeit 32 – Sensomotorik 58, 125, 137 orofazialer Tonus 124, 131 – Hypertonus 131 – Hypotonus 124, 131 Output-Prozesse 10
P pädaudiologische Untersuchung 47, 101 Papilla incisiva 74 Patchwork-Familien 132, 135 Phantasiereise 131 Phase der ersten 50 Wörter 20 Phon 3 Phonemanzahl 162 phonematische Diskrimination (Lautdiskrimination) 56, 112 – Diagnostik 56 – Therapie 109, 164 Phoneme 7 Phonemgruppe 164 Phonemmerkmale (s. auch distinktive Merkmale) 165 Phonetik 3 phonetisch-artikulatorische Fähigkeiten 20 phonetische – Lokalisation 67, 141 – Störungen 25–27, 34, 35, 57, 60–62, 66, 69, 98, 109, 134, 135 – Artikulationsstörungen phonetischer Art 32 nach van Riper 66–69 – auditive Wahrnehmungsförderung 109 – Auffälligkeiten 35, 55, 161 – Auffälligkeiten (s. dort) 25 – Diagnose / phonetisch-phonologische Untersuchung 48–54 – häusliche Förderung 134 – Hörtraining 112 – Klassifizierung 61 – Lautanbahnung 67, 69–73, 87, 91, 135, 137, 141–159, 167 – Lautbildungsfehler / Lautfehlbildung 25–26, 132 – Sigmatismus (s. dort) 26, 74, 99 – Terminologie 26 – therapeutisches Vorgehen 135 – Therapie bei Kindern mit komplexen Störungsbildern 97–98 – Ursachen 32
211
Sachverzeichnis
phonetisch-phonologische – Analyseverfahren 49 – Störungen 35, 60 – Therapie (s. Aussprachestörungen) – Untersuchung 49 – Auswertung 54 phonologische – Bewusstheit 18, 19, 56, 113, 161 – Einschränkungen 31 – Entwicklung 19 – im engeren Sinne 18, 117 – im weiteren Sinne 18, 113, 122 – Untersuchung 56 – Prozesse 20, 21, 76, 121 – physiologische 21 – Reihenfolge 159 – Spielideen 173 – Therapie 161 – Überblick 24 – Übungen zur phonologischen Bewusstheit 121 – Störungen / Lautverwendungsfehler 25, 27, 34, 35, 50, 56, 60, 62, 75, 79, 81, 98, 112, 134, 159 – auditive Wahrnehmungsförderung 112 – Auffälligkeiten (s. dort) 27, 35, 55, 60, 133, 161, 195 – häusliche Förderung 134 – Hörtraining 112 – McGinnis (s. auch Assoziationsmethode) 78–80 – Metaphon-Konzept zur Behandlung 75–78, 166, 169, 169–170, 173 – Protokoll und Auswertung 50 – therapeutisches Vorgehen 159 – Therapie bei Kindern mit komplexen Störungsbildern 97 – Untergruppen 27 – Ursachen 32 phonologisches – Bewusstsein 18, 19, 31, 56, 113, 117, 122, 161 – Regelsystem (s. dort) 16, 20, 23 phonologisches Inputlexikon 12 phonologisches Outputlexikon 12 phonologisch-lexikalische Repräsentation 12 phonologisch-lexikalische Repräsentationen (s. auch phonetisch-phonologische Repräsentation) 10, 31 Phonotaktik (Silbenstrukturen) 8 Physiognomie, familiäre 33 Plosivierung 175 – Spielideen 175 P.O.P.T. (psycholinguistisch orientierte Phonologie Therapie) 81, 166, 170, 171, 180 – methodisches Vorgehen 81–84
– Phase I: Auditives Differenzieren von Einzellauten 180 – Spielideen 180 – Phase III: Identifizieren und Produzieren der Laute in Wörtern 181 – Spielideen 181 – Therapiebeispiel 171 – Ziele 81 – Phase II: Produzieren der betroffenen Laute 181 – Spielideen 180 Präsentieren geeigneter Wörter 162 progressive Muskelentspannung 124, 131 PROMPT 29 Prosodie 8, 8–9 – Intonation 9 – Phonotaktik 8 Protokoll und Auswertung, sprachliche Fähigkeiten 50–53 Prozesse, phonologische (s. dort) 20–21, 24, 76, 121 Pseudowörter 82, 114, 116, 118, 119, 120 Pseudo-Wörter 13 psycholinguistisch orientierte Phonologie Therapie (s. P.O.P.T.) 81 Pusteübungen 129
R Rahmenhandlung 156 Reduktion von Mehrfachkonsonanz (s. auch Auslassung) 179 – Spielideen 179, 180 Referenzsymbole / -bilder 76, 77, 167–169, 173 Regelsystem, phonologisches 16, 20–23, 27 – asynchrone Entwicklung 27 – Erwerb 27 – Prozesse 20 – Umstrukturierung 166 Reihenfolge 135–137, 159 – Lautanbahnung 135 – phonologische Prozesse 159 Reim 8 Reime / reimen 113–115 – Abzählverse 114 – Bilderreime 115 Ressourcen 63 Riper (s. van Riper) 66–69 Rückverlagerung 173 – Spielideen 174
M–S
S Sätze 80 Satzebene 68, 139, 158 – Spielideen 158 – Stabilisierung auf 68 Satzzergliederung 116 Schetismus (lateralis) 111 – mundmotorische Übungen 131 Schluckmuster 32, 73–75 Schluckübungen 74 Schlüsselwortmethode 67 Schuld 133 Screening – Lautbestandsscreening 49, 189 – logopädisches (s. auch Diagnostik) 46–48 Selbstkorrektur / Eigenkorrektur 134, 140, 172 semantisches Lexikon 11, 12 Sensomotorik, orofaziale (s. auch Motorik) 58 sensorische – Integration 87, 99 – Integrationsschwierigkeiten 101 Sigmatismus (s. auch phonetische Störung) 26, 74, 99 – Varianten 26 Silbe 8, 12 – Reim 8 – Silbenbeginn 8 – Silbenende 8 – Silbenkern 8 Silben, Auslassung initialer Konsonanten oder Silben 178 Silbenebene 67, 137, 156 – bei Substitutionsprozessen 76 – Spielideen 156 – Stabilisierung auf 67 Silbensegmentierung 114, 116 Silbenstrukturen (s. auch Phonotaktik) 8, 18, 76, 165 Silbenstrukturprozesse 20, 28, 76, 121, 173, 178 – Hörtraining 121 – Spielideen 173, 178, 179 – Therapie 76 Sinnesreize, Beeinträchtigungen der Aufnahme und Verarbeitung 30–32 Skalierung 111 SMART-Regeln 94 Softwareprogramme 123 Sonoranten (klangbildende Laute) 5 – Liquidae 5 – Nasale 5 Sonorität 8 sozial-interaktiver Bereich 59
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Kapitel 9 · Sachverzeichnis
Speicherprozesse 10 Spontansprache 68, 140, 159, 172 – Spielideen 159 Sprachanregung / Sprachvorbild, mangelhafte(s) 34 Sprachaudiometrie 101 Sprachentwicklungsstörungen 97, 101 sprachersetzende Gestik und Mimik 55 sprachfördernde Verhaltensweisen 86, 87, 133 sprachhemmende Verhaltensweisen 133 Sprachlautsystem, Umstrukturierung 159–182 – methodische Möglichkeiten 161– 173 – Reihenfolge der phonologischen Prozesse 159–160 – Spielideen – zum Metaphon-Konzept 173–180 – zu P.O.P.T. 180–182 sprachliche Fähigkeiten 48–55 – Ausspracheprüfungen 49 – expressive sprachliche Fähigkeiten 49 – phonetisch-phonologische Ebene 49–55 – Protokoll und Auswertung 50–53 – sprachliche Ebenen 54 Sprachproduktionsleistung 11 Sprachrhythmus 8, 13, 49, 115 – Spiele 114 Sprachverarbeitung 9–11 – auditive Verarbeitung 14, 15 – Ausgangsspeicher 12 – Bedeutungsspeicher 12 – Eingangsspeicher 12 – Input-Lexikon 13, 14 – Input-Prozesse 10, 14 – Inputverarbeitung 12 – motorischer Programmierer 13–15 – motorisches Planen 13, 15 – motorisches Programm 14, 15 – motorisches Sprachverarbeitungssystem 13 – Output-Lexikon 13, 14 – Output-Prozesse 12, 15 – phonetisches Diskriminieren 15 – phonologische Repräsentation 14, 15 – phonologisches Erkennen 12, 15 – phonologisch orientierter Verarbeitungsweg 11, 165–168 – phonologisch orientierte Sprachverarbeitung 112 – Rückkopplungsprozesse 13 – semantische Repräsentation 14, 15 – Störungen 35
– Verarbeitungswege 11 – zwei Varianten der Sprachverarbeitung 11 Sprachverarbeitungsmodelle 9–11, 13–15 – autonome Modelle 9 – hybride Modelle 10 – interaktive Modelle 10 – Störungen 35 Sprachverarbeitungsroute 56 Sprachverständnis 55 Sprechapraxie, kindliche 29 Sprechzeichnen 115, 116 Stabilisierung auf verschiedenen Ebenen 67–69, 137–139, 167 – auf Lautebene 67 – auf Satzebene 68 – auf Silbenebene 67 – auf Wortebene 68 – unter Zeit- und Emotionsdruck 68 standardisierte Testverfahren 46 Steigern 122, 137 Stimme, Atmung 59 Stimulierbarkeit 136, 160 Störungsbewusstsein 111, 134 Substitutionsprozesse Ersetzungsprozesse 20, 21, 28, 76, 121, 173 – Hörtraining 121 – Spielideen 173–177 – Therapie 76 Suchbewegungen 29, 33, 60 Symbolkarten 172, 180
T taktil-kinästhetische Wahrnehmung, orale (Mundsensorik) 31, 57 – Überprüfung 57 – Übungen 130 TAKTKIN 29 Testverfahren, standardisierte (s. auch Diagnostik) 46 Therapeuten / Ko-Therapeuten / ko-therapeutische Aufgaben 122, 132, 140 Therapiebausteine 95, 103 Therapieeinstieg 91, 108 Therapiefähigkeit 105 – Konzentration und Aufmerksamkeit 106, 107 – Motivation (s. dort) 70, 86, 99, 105–107 Therapiegestaltung, allgemeine Leitlinien 86–89 – Aufbau – der Beziehung zum Kind 86–87 – der phonetisch-phonologischen Therapie 90–94
– in speziellen Kontexten 97–99 – behinderte Kinder 98–99 – Sprachentwicklungsstörung 97 – Erwachsenentherapie 99–100 – ganzheitlicher Ansatz 87–89 – Therapieprinzipien 89 Therapiepausen 90, 106, 172 Therapiephasen 137–142 Therapieplanung, erste Überlegungen 64 Therapiestunde, motivierte, Durchführung 106 Tonus 124, 131 – Grobmotorik / Tonus (s. dort) 59, 123 – orofazialer Tonus (s. dort) 124, 131 – Übungen, tonuserhöhende 124 – und Beweglichkeit, Übungen 129 – und Kraft, Übungen 127 Transfer 132, 140 Transkription 3, 4 Trochäus 18, 115 – trochäische Betonung 20
U Überprüfung des Gehörs 47, 101 Übung 97 Übungsform 96 Übungsniveau 138 Umstrukturierung – des phonologischen Regelsystems 166 – des Sprachlautsystems (s. dort) 159 universelle Dyslalie 35 Unsinnswörter 82, 167 Untersuchung (s. auch Diagnostik / Diagnose) 46, 47, 49–50, 60, 62–63
V Van Riper, Artikulationsstörungen nach 66–69 – Hören in der Artikulationsbehandlung 66 – methodisches Vorgehen 66–69 – auditive Eigenwahrnehmung 66 – Korrekturvorgang 67 – Ziele 66 Väter 135 Verarbeitung, zentral-auditive (s. zentral-) 30, 56, 78, 108, 161 verbale Entwicklungsdyspraxie 29, 32, 33 – Therapie 29 Verschriftung (Grapheme) 79, 118 Verse 114
213
Sachverzeichnis
Verständlichkeit des Kindes 35, 136, 160 Verstärker 105, 165 vertrauensvoller Kontakt 125 visuelle Wahrnehmung 31, 57 – Differenzierung, visuelle 57 Vokale 3 – Einteilung 3 – Transkription 3 – Unterscheidung Vokale und Konsonanten 7 – Vokalviereck 3, 4 vokalische Prozesse 28 Vorstellungshilfen 141 Vorverlagerung 173 – Spielideen 174
W Wahrnehmung – auditive (s. zentral-auditive Verarbeitung) 30, 56, 78, 108, 161 – Eigenwahrnehmung, auditive 30, 66, 99, 109, 111, 113, 121, 159 – Fremdwahrnehmung 66, 109, 133, 167 – Körperwahrnehmung 130 – Lautwahrnehmung 18–19, 110 – orale taktil-kinästhetische Wahrnehmung 31, 57, 58, 125, 130 – visuelle Wahrnehmung 31, 57 Wahrnehmungsförderung, auditive 109–112 – bei phonetischen Störungen 109– 112 – bei phonologischen Störungen 112–122 Wahrnehmungsschwierigkeiten / -schwächen 101, 106 Wangen / Übungssammlung 129 – Tonus und Beweglichkeit 129 Witze 100, 159 Wortauswahl 163, 164 Wortbetonungprozess 28 Wortebene 68, 138, 157 – Spielideen 157 Wörtercollage 157 Wörterfreundschaft 116 Wörter, Phase der ersten 50 Wörter 20 Wörterstraße 117 Wortidentifikation 116, 117 Würgereiz 130, 153
Z Zahnwechsel 93 Zaubern 156
Zeit- und Emotionsdruck, Stabilisierung unter 68 zentral-auditive Verarbeitung / auditive Wahrnehmung 30, 56, 78, 108, 161 – Diagnostik 55 – Eigenwahrnehmung, auditive 31, 66, 99, 109, 111, 113, 121, 159, 172 – Gedächtnis / Sequenzerfassung, auditive 56 – Geräusche 108, 109 – Hörtraining 108, 109, 112, 121, 161, 166 – McGinnis (s. auch Assoziationsmethode) 78–81 – phonologische Bewusstheit (s. dort) 18, 19, 31, 56, 113, 161 – Qualitäten, verschiedene 31, 108 – Therapie / Therapiemethode 78 – Wahrnehmungsförderung, auditive (s. dort) 109–122 zentrale Programmierungsstörung 32, 33 Zungenruhelage 74 Zunge, Übungssammlung 127 – Ansaugeübungen 74 – Bewegungssteuerung 128 – Koordination 128 – Schnelligkeit und Beweglichkeit 128 – Tonus und Kraft 127 Zusammenarbeit mit anderen therapeutischen Berufsgruppen 100
T–Z
1
Theoretische Grundlagen
2
Anamnese
3
Diagnostik
4
Gängige Therapiekonzepte
5
Einleitende Überlegungen
6
Therapiebausteine
7
Anhang
8
Literatur
9
Sachverzeichnis