Ulrike Röttger · Sarah Zielmann (Hrsg.) PR-Beratung
Ulrike Röttger Sarah Zielmann (Hrsg.)
PR-Beratung Theoretische K...
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Ulrike Röttger · Sarah Zielmann (Hrsg.) PR-Beratung
Ulrike Röttger Sarah Zielmann (Hrsg.)
PR-Beratung Theoretische Konzepte und empirische Befunde
Bibliografische Information der deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Barbara Emig-Roller VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-16955-2
Inhalt Ulrike Röttger / Sarah Zielmann Beiträge zur Kartografie der PR-Beratung.............................................................................. 7
Bausteine einer Theorie der PR-Beratung Ein Gespräch mit Nicole J. Saam Organisationssoziologische Zugänge zu PR-Beratung ......................................................... 19 Ulrike Röttger / Sarah Zielmann Entwurf einer Theorie der PR-Beratung ............................................................................... 35 Peter Szyszka Kommunikationsberatung als Beobachtung dritter Ordnung. Versuch einer systemtheoretischen Vermessung .................................................................. 59
Empirische Befunde zur PR-Beratung Joachim Preusse / Jana Schmitt Zum Status Quo der PR-Beratungs-Forschung. Stand und Perspektiven eines vernachlässigten Forschungsfeldes ....................................... 75 Reinhold Fuhrberg Erfolg ohne Wirkung? Analyse der Erfolgskriterien von PR-Agenturen und Kunden ............................................. 87 Stefanie Löhn / Ulrike Röttger Vertrauen in die Vertrauensspezialisten. Theoretische Konzeption und empirische Analyse von Vertrauen in der PR-Beratung ....................................................................... 105 Olaf Hoffjann / Ulrike Röttger Wissensmanagement in PR-Agenturen ............................................................................... 125
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Inhalt
Besondere Merkmale des Arbeitsfeldes PR-Beratung Swaran Sandhu Legitimitätsexperten in eigener Sache? Zur sozialen Konstruktion der PR-Beratung ....................................................................... 151 Juliana Raupp Wie professionell ist die PR-Beratung? Ein Beitrag zu Stand und Perspektiven der Professionalisierungsdebatte in der PR-Forschung............................................................. 173 Stephanie Opitz / Gerhard Vowe Typen externer politischer PR-Dienstleister. Ein Beitrag zur Vermessung der PR-Welt .......................................................................... 187 Sonja B. Lorenz Genderaspekte im doppelten Beratungsdreieck externer PR-Dienstleistungen ................. 197
Herausforderungen und Wandel der PR-Beratung Lars Rademacher Wirksam beraten! Konsequenzen eines veränderten Strategiebegriffs für die Kommunikationsberatung ............................................................ 213 Christopher Storck Kapitalmarkt, Stakeholder, Controlling – Paradigmenwechsel in der Kommunikationsberatung........................................................ 227
Zu den Autorinnen und Autoren dieses Bandes.................................................................. 235
Beiträge zur Kartografie der PR-Beratung
Ulrike Röttger / Sarah Zielmann
Externe PR-Berater, die ergänzend oder ersetzend zu internen PR-Funktionsträgern Organisationen aller Art beraten, nehmen seit jeher im Berufsfeld eine Schlüsselstellung ein: Der Beginn der modernen Organisationskommunikation wurde beispielsweise durch externe PR-Berater wie Ivy Lee und Edward Bernays vorangetrieben und geprägt (vgl. Cutlip u. a. 71994: 103ff.) und auch heute noch haben Agenturen und externe Einzelberater einen erheblichen Einfluss auf die Weiterentwicklung und Professionalisierung des PR-Berufes: Sei es als zentrale Sozialisationsinstanz, da nach wie vor die PR-Karriere sehr vieler PR-Praktiker in einer Agentur ihren Ausgangspunkt nimmt. Sei es als Innovationsmotor und Quelle neuer PR-Instrumente und Verfahren wie zum Beispiel dem Kommunikations-Controlling oder schließlich als Vorreiter einer PRProfessionalisierung. Verschiedene Autoren weisen darauf hin, dass PR-Agenturen – bezogen auf Aspekte eines konventionellen Professionsverständnisses wie zum Beispiel berufliche Sozialisation, Aus- und Weiterbildung und ethische Orientierung – einen Professionalisierungsvorsprung gegenüber der in-house PR aufweisen (vgl. etwa die empirische Studie von Röttger/Hoffmann/Jarren 2003 sowie zur Schnittstelle von PR-Ethik und Professionalisierung Bowen 2004: 75; Bentele 2003: 136f.; Curtin/Boynton 2001: 411; Day/Dong/Robins 2001). Allerdings gibt es auch eine andere Seite, die nicht verschwiegen werden soll: Ebenso wie positive Übertragungseffekte von der Leistungsfähigkeit externer Dienstleister auf die Wahrnehmung der gesamten Branche zu beobachten sind, existieren auch negative Effekte: Umstrittene, unethische oder rechtlich bedenkliche Praktiken einzelner Berater oder Agenturen stehen immer wieder in der öffentlichen Kritik und prägen das in weiten Teilen schlechte Image der PR (vgl. u.a. Bentele/Seidenglanz 2004). Externe PR-Beratung basiert auf besonderen Beobachtungs- und Analysekompetenzen, die durch spezielle Kompetenzen bezüglich der methodischen Kommunikations-
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planung und der professionellen Kommunikationsproduktion ergänzt werden. Dabei ist auffallend: „Der Prozess Beratung bleibt bei aller Sorgfalt in Vorbereitung, unmittelbarer Leistung am Kunden, Reflexion und Evaluation ein extrem sensibles, leicht zu irritierendes Unterfangen.“ (Staubauch 2008: 6) Das heißt, dass Kommunikationsberatung bzw. PR-Beratung stets relevante Kontexte spezifischer Klienten berücksichtigen muss.
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PR-Forschung ohne PR-Berater
Gleichwohl externe Dienstleister eine Schlüsselstellung im Berufsfeld einnehmen und sie in den vergangenen Jahren quantitativ und qualitativ weiter an Bedeutung gewonnen haben (siehe für Großbritannien z.B. Miller/Dinan 2000), steht jedoch eine systematische Vermessung des Arbeitsfeldes PR-Beratung nach wie vor aus. Eine Differenzierung in interne und externe PR wird selbst in Standardwerken wie dem Handbuch PR (Bentele/Fröhlich/Szyszka 2008; ähnlich auch Röttger 2009) nicht berücksichtigt. Dies betrifft sowohl empirische Analysen zu den Typen, Rollen, Funktionen und Handlungsfeldern der PR-Beratung wie auch Analysen der Interaktionen, der wechselseitigen Wahrnehmungen und Erwartungen von PR-Beratern und Klienten. Denn insbesondere die systematische Analyse der Interaktion und Perzeption zwischen PRBeratern und ihren Klienten kann Hinweise zur Rolle und zum Stellenwert externer PR-Berater in unterschiedlichen gesellschaftlichen Handlungsfeldern liefern. Die Aufarbeitung wechselseitiger Erwartungen und Rollenwahrnehmungen kann dabei Hinweise auf Kooperations- und Konfliktpotenziale liefern und macht zugleich etablierte Formen und Regeln des Umgangs sichtbar, die für den Beratungsprozess konstitutiv sind. Thurber (1998) beschrieb bereits vor mehr als zehn Jahren anlässlich des Symposiums der American Political Science Association aus dem Jahr 1997 das Theoriedefizit im Hinblick auf die Rolle (politischer) PR-Berater (im Kontext von politischen Kampagnen und Wahlen). Bei einem Vergleich der Literatur über den Typus politischer PR-Berater zeigte sich, dass diese entweder unwissenschaftlich von Journalisten und Praktikern oder nur deskriptiv von Forschern behandelt werden: Die klassischen Arbeiten schildern nur unsystematisch das Berufsfeld des Beraters. Viele Studien beziehen sich zudem laut Medvic (2001) bei der Auswahl der untersuchten Berater auf Listen von Fachzeitschriften und Berufsverbänden. Diese Vorgehensweise hat zwar einerseits den Vorteil einer besseren Erreichbarkeit. Andererseits wird dabei eine Vorauswahl getroffen, die durch die Selbstidentifikation der Berater und deren Bereitschaft, Geld für die Aufnahme in eine Liste oder einen Verband zu zahlen, beschränkt ist (vgl. Medvic 2001: 121). „It is obviously difficult to find (..) consultants to interview without relying on lists that […] are either too inclusive or incomplete.“ (Ebd.: 123) Andere Bereiche, etwa der Einsatz und die Eigenschaften von externen PR-Beratern in der Wirtschaft oder im Sport sowie den dortigen Berater-Klienten-Beziehungen, sind noch weniger erforscht.
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Gefordert sind vor diesem Hintergrund eine gründliche empirische Vermessung des Feldes sowie gleichermaßen eine stärkere theoretische Fundierung der PR-Beratung. Vorhandene PR-Theorieansätze reflektieren die Gemeinsamkeiten aber insbesondere auch Unterschiede zwischen interner und externer PR in der Regel nicht. Die Theoriebildung bezieht sich vielmehr undifferenziert auf „die“ PR und unterstellt damit eine Übertragbarkeit der jeweiligen Überlegungen auf die unterschiedlichen organisationsbezogenen Ausprägungen von PR. Unberücksichtigt bleiben so etwa die Fragen, was genau die Aufgaben und Funktionen externer PR-Berater sind, welche Folgen sich aus den unterschiedlichen Organisationsformen und PRKunden-Beziehungen im Falle interner und externer-PR-Funktionsträger für die Beschreibung der Funktionen und Leistungen der PR ergeben und wie die Kooperation zwischen interner und externer Beratung gemanagt werden sollte. Wilhelmer weist auf eine hinsichtlich der ersten Frage interessante Unterscheidung der Begrifflichkeiten „counseling“ und „advising“ hin (vgl. Wilhelmer 2009: 123f.): Während bei denjenigen, die „counseln“, die Ausrichtung der Intervention im Fragen, Beobachten und Anbieten von Orientierungsmodellen besteht, ist es beim „advisen“ Ratschläge geben von Experten, Anweisungen in Rezeptform und Antworten auf Klientenfragen erteilen. Im ersten Fall entstehen Lösungen also im Klientensystem durch die Interventionen/Irritationen der neutralen, aber anregenden Berater, während im letzteren Fall der Berater mit objektiver Urteilskraft die Lösung nennt. Dass diese Beratermerkmale zwar analytisch differenziert werden können, in der Praxis jedoch oftmals nicht trennscharf sind, ist das Eine. Das Andere ist, dass zurzeit in der organisationssoziologischen Forschung ein Trend dahin geht, eher eine Komplementärberatung zu fordern und unterschiedliche Wege dafür skizziert werden (siehe exemplarisch Königswieser/Sonuc/Gebhardt 2006).
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Kartografie externer PR-Dienstleister
Mit dem Ziel an der bislang unzureichenden Kartografie externer PR-Dienstleister weiter zu arbeiten und die Vermessung der PR zu verfeinern, fand im Herbst 2008 die Jahrestagung der Fachgruppe PR/Organisationskommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Münster statt. Ausgangspunkt für die Ausrichtung der Tagung in Münster war das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Forschungsprojekt „PR-Beratung in der politischen Kommunikation“ der Herausgeberinnen. Ziel war es, die vorhandenen theoretischen Überlegungen aus unterschiedlichen Disziplinen zu diskutieren und zusammenzuführen. Der vorliegende Sammelband hat seinen Ursprung in dieser Fachgruppentagung die nicht zuletzt Dank der finanziellen Unterstützung von Hering Schuppener Consulting durchgeführt werden konnte. Für die Publikation konnten weitere Beiträge gewonnen werden, die nicht Bestandteil des Tagungsprogramms waren.
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Bausteine einer Theorie der PR-Beratung
Die Vermessung der PR-Beratung beginnt mit der erforderlichen theoretischen Fundierung des Gegenstandes. In einem Gespräch mit einer der Herausgeberinnen skizziert Nicole J. Saam unterschiedliche organisationssoziologische Zugänge zur Beschreibung und Analyse von PR-Beratung. Sie konzipiert PR-Beratung als einen Spezialfall von Organisationsberatung, d.h. einer Interaktionsbeziehung zwischen Organisationen. Dabei verdeutlicht Saam, dass die Frage, was PR-Beratung kennzeichnet, wesentlich vom Organisationsbegriff abhängt, den man der weiteren Analyse zugrunde legt. Die Implikationen unterschiedlicher theoretischer Zugänge analysiert sie beispielhaft u.a. anhand der Neuen Institutionenökonomik und der Organisationstheorie der Luhmann’schen Systemtheorie. Der Beitrag zeigt zahlreiche Ansatzpunkte auf, wie organisationssoziologische Fragestellungen und Ansätze für die PR-(Beratungs-)Forschung fruchtbar gemacht werden können und erweitert damit die PR-Forschungslandkarte um einige interessante Perspektiven. Weitere Bausteine einer Theorie der PR-Beratung bieten die beiden Beiträge von Ulrike Röttger und Sarah Zielmann sowie von Peter Szyszka. Den Beiträgen ist gemeinsam, dass sie PR-Beratung unter Rückgriff auf systemtheoretische Überlegungen konzipieren: Kein Wunder, schließlich lassen sich die spezifischen Beobachtungskonstellationen im Kontext der PR(-Beratung) aus der Perspektive der Luhmann’schen Systemtheorie sehr präzise beschreiben. Allerdings beschreiten beide Beiträge unterschiedliche Lösungswege: Während Szyszka PR-Beratung bzw. Kommunikationsberatung als Beobachtung dritter Ordnung einstuft, die in der Lage ist, die Bedingungen und Möglichkeiten der Beobachtung zweiter Ordnung und ihrer Folgen als Reflexion von Differenzen zu reflektieren, skizzieren Röttger/Zielmann PR-Beratung als Beobachtung zweiter Ordnung: PR-Beratung als Beobachtung zweiter Ordnung kann die Selbst- und Fremdbeobachtung des Klienten beobachten. Röttger und Zielmann stellen in ihrem Beitrag zunächst die Besonderheiten der Berater-Klienten-Konstellation im Falle (externer) PR-Beratung heraus und konzipieren Vertrauen als zentralen Mechanismus zur Reduktion der seitens der Klienten wahrgenommenen Risiken der Berater-Klienten-Beziehung bzw. des Beratungsprozesses. Ihre Überlegungen münden in ein heuristisches Modell, das als konzeptionelle Grundlage für zukünftige Studien geeignet erscheint. Auch Szyszka beschreibt externe PRBeratung in Abgrenzung zu internen PR-Funktionsträgern und stellt die Potenziale wie auch die Limitierungen ihrer besonderen Beobachtungsposition heraus: Er identifiziert Beobachtungs- und Interventionsdilemmata: Die externe Perspektive verhilft zu besonderen Beobachtungsmöglichkeiten, impliziert aber auch einen eingeschränkten Zugang zu organisationaler Selbstbeschreibung. Zudem führt sie dazu, dass externe Berater nur durch organisationale Rollenträger „hindurch wirken“ können. Die genannten Dilemmata münden in das zentrale „Berater-Paradox“: Beratung erfordert eine gewisse Nähe zur beratenen Organisation, da die Kenntnis organisationaler Selbstbeschreibung Voraussetzung für passgenaue beraterische Interventionen darstellt. Zugleich grenzt diese
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Nähe die Beobachterperspektive des Beraters ein und schwächt seine “quasi-neutrale” Perspektive als Beobachter dritter Ordnung. Die Ausbalancierung von Nähe und Distanz zwischen Berater und Klient ist entsprechend ständiger Bestandteil der Interaktionen zwischen Berater und Klient.
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Befunde zur PR-Beratung
Empirische Ergebnisse zu unterschiedlichen Aspekten der PR-Beratung bieten die folgenden vier Beiträge: Eine systematische Bestandsaufnahme der vorliegenden empirischen Forschung zur PR-Beratung liefern Joachim Preusse und Jana Schmitt. Aufgrund fehlender Studien, die sich explizit mit externen Dienstleistern befassen, werten sie allgemeine Berufsfeldstudien mit Blick auf die PR-Beratung aus. Ihr Blick richtet sich zudem auf das benachbarte Forschungsfeld der Unternehmensberatung mit dem Ziel, Erkenntnisse der hier vergleichsweise weit vorangeschrittenen empirischen Forschung für die PR-Beratungs-Forschung nutzbar zu machen. Sie identifizieren die vorhandenen begrifflichen und inhaltlichen Unschärfen des PR-Beratungsbegriffs als zentrale Problematik empirischer Beratungsforschung, die zur Folge hat, dass der Untersuchungsgegenstand stets nur im Einzelfall und in Abhängigkeit von spezifischen Erkenntnisinteressen bestimmt werden kann. Die daraus erwachsende Inkommensurabilität der Befunde und Zersplitterung des Forschungsfeldes scheinen aus dieser Perspektive nicht auflösbar zu sein. Eine zentrale Forderung an die Beratungsforschung, Beratung nicht nur aus Beraterperspektive, sondern explizit auch aus Kundensicht zu analysieren, löst Reinhold Fuhrberg in seinem Beitrag ein. Er befasst sich mit den Kriterien für PR-Erfolg aus Sicht von PR-Beratern und von PR-Kunden, die er in insgesamt 80 explorativen Leitfadengesprächen erhoben hat. Die Interviews zeigen, dass erwartungsgemäß sowohl für Kunden wie für Agenturen Effekte in den Bereichen Input bis Outflow bei der Erfolgsbestimmung eine große Rolle spielen. Darüber hinaus identifiziert Fuhrberg einen informalen PR-Erfolg, dessen Bewertungskriterien sich nicht ausschließlich an den Zielen des Kunden bzw. der Agentur, sondern stärker an externen Erwartungen, der Anerkennung in der Organisationsumwelt, d.h. durch PR-Laien, orientieren. Fuhrberg sieht die besondere Bedeutung dieses „informalen PR-Erfolgs“ auch darin, dass dieser – oftmals verdeckt – die Bewertung des formalen Erfolgs beeinflusst. Nicht nur mit Blick auf die Frage, wann PR erfolgreich ist, ist die Zusammenarbeit von Klienten mit PR-Agenturen bzw. PR-Beratern aus Sicht der Kunden als ambivalent zu bewerten: Sie soll einerseits Unsicherheiten reduzieren, andererseits birgt der Beratungsprozess aber spezifische Risiken, die die Klienten nie vollständig absorbieren können. Klienten von PR-Beratern sind daher darauf angewiesen, diesen zu vertrauen. Stephanie Löhn und Ulrike Röttger beschreiben in ihrem Beitrag Vertrauen als zentralen Mechanismus, der Kunden einen wirkungsvollen Umgang mit wahrgenommenen Risiken in der Zusammenarbeit mit PR-Beratern ermöglicht. Ihre empirische Studie – Leitfadengespräche mit PR-Kunden – bestätigt die unter Wissenschaftlern und PR-
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Praktikern weit verbreitete, aber bisher nicht hinterfragte Vermutung, dass Vertrauen wesentlich zum Erfolg von PR-Beratung beitragen kann: Indem es den Klienten den Umgang mit wahrgenommenen Risiken ermöglicht, trägt es wesentlich zu einer Steigerung der Qualität und Effizienz des PR-Beratungsprozesses bei. Die Regel ‚Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser‘ ist im Hinblick auf die Effizienz von PR-Beratungsprojekten daher im umgekehrten Sinne anzuwenden. PR-Agenturen als Anbieter von PR-(Beratungs-)Dienstleistungen gehören zu den Organisationen, deren wirtschaftliche Existenz und Wettbewerbsposition in hohem Maße von ihrem intellektuellen Kapital, ihrer Lern- und Innovationsfähigkeit abhängt. Die kontinuierliche Wissensgenerierung stellt für PR-Berater eine zentrale strategische Herausforderung dar: Zum einen ist PR-Beratungswissen ausgeprägt prozesshaft und kontextabhängig. Zum anderen ist eine individuelle Kompetenzerweiterung als klassische Reaktion auf gestiegene Ansprüche unter den Bedingungen der Globalisierung von Informationsmärkten und von Wissen sowie angesichts des Kompetenzzuwachses auf Seiten der Klientenorganisationen heute nicht mehr ausreichend. Wie PRAgenturen neues Wissen generieren, welche Verfahren zur Wissensspeicherung und anwendung in den Agenturen eingesetzt werden, haben Olaf Hoffjann und Ulrike Röttger im Rahmen von Leitfadengesprächen mit Geschäftsführern und Mitarbeitern von zehn führenden PR-Agenturen in Deutschland erhoben und analysiert. Die Analyse macht deutlich, dass die überwiegende Mehrzahl der Agenturen die Bedeutung eines systematischen und nicht rein technisch verstandenen Wissensmanagements grundsätzlich erkannt hat. Defizite zeigen sich jedoch in der konkreten Umsetzung des Wissensmanagements im Berufsalltag: Statt eines Wissensmanagements betreiben viele Agenturen in erster Linie eine Daten- und Informationssammlung. Die besondere Relevanz von Praxis und Erfahrungen, die Wissen von Informationen unterscheidet, wird in diesem Zusammenhang nur von wenigen erkannt.
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Spezifika des Arbeitsfeldes PR-Beratung
Im dritten thematischen Abschnitt des Sammelbandes werden spezifische Aspekte des Arbeitsfeldes PR-Beratung in den Blick genommen und detailliert analysiert. Swaran Sandhu beschreibt die Rolle von PR-Beratern als Legitimationsexperten – zum einen für die Organisation, die sie beauftragt und zum anderen in eigener Sache, um ihre Beratungsleistung zu verkaufen. Mit Blick auf die Klientenorganisation beschreibt Sandhu die duale Funktion der Kommunikationsberatung, die für Organisationen eine legitimatorische Ressource darstellt und die Organisation zugleich nach institutionalisierten Erwartungen ihrer Umwelt konstruiert. Er greift dazu auf zentrale Konzepte des organisationalen Neoinstitutionalismus zurück und überträgt diese auf das Feld der PRund Kommunikationsberatung. Am Beispiel der deutschen Sektion des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen, Unicef, die Ende 2007 aufgrund unsachgemäßer Verwendung von Spendengeldern in die öffentliche Kritik kam, erläutert er, inwiefern Kommunikationsberatung Agentschaft für Dritte und für abstrakte Prinzipien über-
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nimmt. Die breite öffentliche Akzeptanz von Kommunikationsberatung sieht Sandhu gerade in ihrer Rolle als Agenten für andere Akteure verankert. In vielen Beiträgen dieses Bandes spielen Fragen der PR-Professionalisierung zumindest am Rande eine Rolle und generell zeigt sich, dass das Thema Professionalisierung in der PR-Forschung ein Dauerthema ist. Der Blick in die Forschung offenbart jedoch widersprüchliche Befunde und uneinheitliche Bewertungsmaßstäbe. Vor diesem Hintergrund setzt sich Juliana Raupp in ihrem Beitrag zum Ziel, verschiedene Professionalisierungsindikatoren zu systematisieren und Kriterien aufzustellen, die es erlauben, eine Professionalisierung der Kommunikationsberatung empirisch zu erfassen. In diesem Zusammenhang betont Raupp die notwendige Unterscheidung einer Professionalisierung des Berufsfeldes und der Professionalität des beruflichen Handelns. Professionalisierung verweist in der von ihr vorgeschlagenen Heuristik auf Institutionalisierungsprozesse des Berufsfeldes, Professionalität auf berufsbezogenes soziales Handeln. Das von ihr entwickelte Ordnungsschema dient nicht nur als Heuristik, sondern ermöglicht zudem Forschungsdefizite und Forschungsbefunde der empirischen Professionalisierungsforschung systematisch aufzuzeigen. Einen Beitrag zur Vermessung der PR-Welt bieten Stephanie Opitz und Gerhard Vowe in ihrem Aufsatz. Konkret befassen sie sich mit dem Feld der externen Dienstleister für politische PR. Sie gehen der Frage nach, inwiefern diese sich von anderen Kommunikationsdienstleistern unterscheiden. Und: Lassen sich wiederum einzelne Typen externer Dienstleister für politische PR unterscheiden? Ihre empirisch basierte Realtypologie basiert auf Leitfadeninterviews mit rund 50 politischen Kommunikationsdienstleistern. Die Befunde verdeutlichen die Heterogenität externer PR-Dienstleister im Bereich der politischen Kommunikation. Ebenfalls mit einem spezifischen Aspekt der Kommunikationsberatungsbranche befasst sich Sonja Lorenz in ihrem Beitrag: Sie diskutiert die Frage, welche Faktoren die überdurchschnittlich starke „Feminisierung“ im Agentur- und Selbstständigensektor begünstigen und zugleich geschlechtsspezifische Mechanismen der Status- und Machtverteilung im externen PR-Dienstleistungssektor (re)produzieren. Um die Spezifika der strukturellen Rahmenbedingungen wie auch der besonderen psychologischen Anforderungen in der PR-Beratung herausarbeiten zu können, skizziert sie das “doppelte Beratungsdreieck externer PR-Dienstleistungen”: Kennzeichnend für PR-Beratung ist demnach eine Verschränkung von zwei unterschiedlichen Dienstleistungsdyaden, der Dyade der ‚Primärdienstleistung’ zwischen Auftraggeber und Berater und der Dyade der ‚Sekundärdienstleistung’ zwischen PR-Berater und Journalist. Die spezifischen Genderaspekte in diesem doppelten Beratungsdreieck ‚Kunde-Berater-Stakeholder’ arbeitet Lorenz in der Folge heraus.
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Herausforderungen und Perspektiven der PR-Beratung
Im letzten thematischen Block des Buches stehen Herausforderungen und Perspektiven der PR-Beratung im Zentrum des Interesses. Mit der Differenz von Rat und Tat – Kommunikations-Management-Beratung einerseits und verlängerter Werkbank andererseits – befasst sich zunächst Lars Rademacher in seinem Beitrag. Er unterzieht klassische Beratungsverständnisse, deren Grundannahmen und Implikationen einer grundlegenden Prüfung. Dies schließt den für PR-Beratung, deren Aufgabe es u.a. ist, Steuerung von Strategieprozessen auf professioneller Ebene zu begleiten, zentralen Strategiebegriff ein. Rademacher schlägt nun ein modifiziertes Strategieverständnis vor, das verbunden ist mit einer Abkehr von simplen Steuerungsannahmen (z.B. des medialen Diskurses). Er greift dazu auf Überlegungen aus der chinesischen Philosophie zurück und versucht diese Denktradition mit den sich scheinbar ausschließenden Überlegungen zur strategischen Kommunikationsberatung zu verbinden. Im Ergebnis führt dies zu einem weitgehenden Verzicht von Zweck-Mittel-Relationen und einer Betonung von Situativität und Flexibilität: Im Zentrum einer derart verstandenen Kommunikationsberatung steht die Beobachtung und Beschreibung des Situationspotenzials als Bedingung für Wirksamkeit. Christopher Storck skizziert schließlich die drei aus seiner Sicht zentralen, aktuellen Trends der Kommunikationsberatung – umrissen mit den Stichworten Kapitalmarktorientierung, Stakeholder-Dialog und Kommunikations-Controlling – und beschreibt deren Auswirkungen auf die Branche. Er prognostiziert eine weitere voranschreitende Polarisierung der Beratungslandschaft: In PR-Agenturen einerseits, die sich zunehmend in Richtung Managementberatung entwickeln und in Agenturen andererseits, die primär als verlängerte Werkbänke der PR-Abteilungen agieren.
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Ausblick
Die für diesen Sammelband konzipierten Beiträge zeigen: Ausgelagerte Politikberatung ist ebenso wenig wie externe Management-Beratung ein neues Phänomen. Allerdings ist sie – besonders seit den 1990er Jahren – gekennzeichnet durch mehr Medienaufmerksamkeit, neue Institutionen und Akteure und damit auch mehr Konkurrenz. Im Politikbereich ist eine Ursache für die Bedeutungszunahme externer Beratung nach Falk et al. (2007) die Entwicklung von Government zu Governance – ein Prozess, der in ähnlicher Form auch für die Wirtschaft festgestellt werden kann. Sie drückt sich in der Politik durch mehr Handlungsträger (Akteursvielfalt) beim Regieren aus und rückt die öffentliche Politikgestaltung in Richtung eines horizontal-informellen Modus. Dies führt dazu, dass Beratung vermehrt nachgefragt wird und dabei über nationale Grenzen hinaus geht. In der Folge werden erstens horizontale, beratende Kommunikation zwischen unterschiedlichen Akteuren wichtiger, da sich die Politikebenen vermischen, zweitens differenzieren sich die Aktivitäten und Produkte der Berater aus und drittens entstehen neue Möglichkeiten der Beratung durch das Outsourcing, die Profes-
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sionalisierung, neue Finanzierungsarten und neue Kommunikationstechnologien. (Vgl. ebd.: 328ff.) Das Thema der externen (PR-)Berater wird also keinesfalls unbedeutend werden, vielmehr zeigt sich, dass sie essentiell sind zur Existenzsicherung von Organisationen und damit durchaus einen relevanten gesellschaftlichen Integrationsbeitrag leisten. Es wäre daher wünschenswert, wenn zukünftig theoretisch wie empirisch an die ersten Überlegungen und Ergebnisse in diesem Band angeknüpft würde und weitere Arbeiten folgten. Literatur Bentele, Günter (2003): Der „Fall Hunzinger“, Lobbying und die Ethik der Public Relations. In: Rupert Ahrens/Eberhard Knödler-Bunte (Hg.): Public Relations in der öffentlichen Diskussion. Die Affäre Hunzinger – ein PR-Missverständnis. Berlin: 127-140. Bentele, Günter/René Seidenglanz (2004): Das Image der Image-Macher. Eine repräsentative Studie zum Image der PR-Branche in der Bevölkerung und eine Journalistenbefragung. Leipziger Skripten für Public Relations und Kommunikationsmanagement. Nr. 7. Leipzig. Bentele, Günter/Romy Fröhlich/Peter Szyszka (2005): Handbuch der Public Relations. Wissenschaftliche Grundlagen und berufliches Handeln. Mit Lexikon. Wiesbaden. Bowen, Shannon A. (2004): Expansion of Ethics as the Tenth Generic Principle of Public Relations Excellence: A Kantian Theory and Model for Managing Ethical Issues. In: Journal of Public Relations Research, Vol. 16, No. 1: 65-92. Cutlip, Scott M./Allen H. Center/Glen M.Broom (1994): Effective Public Relations. 7th Edition. Prentice Hall. Curtin, Pat A./Lois A. Boynton (2001): Ethics in Public Relations. In: Robert L. Heath (Ed.): Handbook of Public Relations. Thousand Oaks, London, New Delhi: 411-421. Day, Kenneth D./Qingwen Dong/Clark Robins (2001): Public Relations Ethics. An Overview and Discussion of Issues for the 21st Century. In: Robert L. Heath (Ed.): Handbook of Public Relations. Thousand Oaks, London, New Delhi: 403-409. Falk, Sonja/Dieter Rehfeld/Andrea Römmele/Martin Thunert (2007): Kooperative Politikberatung. Ein neues Beziehungsgeflecht zwischen Politik und Politikberatung? In: Politische Vierteljahresschrift. Vol. 48, Nr. 2: 322-337. Königswieser, Roswitha/Ebru Sonuc/Jürgen Gebhardt (2006): Komplementärberatung. Das Zusammenspiel von Fach- und Prozess-Know-how. Unter Mitarbeit von Gerhard Jochum. Stuttgart. Medvic, Stephen K. (2003): Professional Political Consultans: An Operational Definition. In: Politics. Vol. 23, No. 2: 119-127. Miller, David/William Dinan (2000): The rise of the PR industry in Britain, 1979-98. In: European Journal of Communication. Vol. 15, No. 1: 5-35. Röttger, Ulrike (Hg.) (2009): Theorien der Public Relations. Grundlagen und Perspektiven der PRForschung. 2. akt. u. erw. Aufl. Wiesbaden. Röttger, Ulrike/Jochen Hoffmann/Otfried Jarren (2003): Public Relations in der Schweiz. Konstanz. Staubach, Maria L. (2008): Co-Produktion – Ein Entwurf zur Konzeptionierung von Coaching. In: Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung, Jg. 26, Nr. 1: 6-13. Thurber, James A. (1998): A Slate of Candidates, a Recession of Economists, an Advice of Consultants. The Study of Campaign Consultants: A Subfield in Search of Theory. In: Political Science and Politics. Vol. 31, No. 2: 145-149. Wilhelmer, Doris (2009): Erinnerung an eine bessere Zukunft. Syntax für eine komplementäre Innovationsberatung. Heidelberg.
Bausteine einer Theorie der PR-Beratung
Organisationssoziologische Zugänge zu PR-Beratung
Ein Gespräch mit Nicole J. Saam
Die Entstehungsgeschichte der folgenden (schriftlich geführten) wissenschaftlichen Aussprache geht auf die PR-Fachgruppentagung im Oktober 2008 in Münster zurück. Nicole J. Saam konzipierte in ihrer Keynote PR-Beratung als einen Spezialfall der Organisationsberatung und skizzierte unterschiedliche organisationssoziologische Zugänge zur Analyse von PR-Beratung. Idee der folgenden Verschriftlichung ist es, im Nachklang diejenigen Bezüge aus der Forschung zur Organisationsberatung detaillierter herausarbeiten, die für die Analyse von PR-Beratung und diesbezügliche BeraterKlienten-Interaktionen besonders relevant sind. Ulrike Röttger: Sie erachten PR-Beratung als einen Spezialfall von Organisationsberatung. Was genau kennzeichnet so verstanden PR-Beratung? Nicole J. Saam: Zunächst würde ich nicht sagen, dass ich PR-Beratung als einen Spezialfall von Organisationsberatung erachte, sondern dass ich PR-Beratung aus organisationssoziologischer Perspektive analysiere. Das ist mein theoretischer Zugang. Andere Zugänge sind natürlich auch möglich. PR-Beratung als Organisationsberatung bezeichnet eine Interaktionsbeziehung zwischen Organisationen. Ich betrachte also jene Fälle nicht, in denen der Beratene keine Organisation ist. PR-Beratung kann sich beispielsweise auch an Filmstars richten. Das möchte ich als Individualberatung von Organisationsberatung abgrenzen. Was dann genau PR-Beratung kennzeichnet, hängt wesentlich vom Organisationsbegriff ab, den man der weiteren Analyse zugrunde legt. Ich greife einmal zwei organisationstheoretische Ansätze heraus, die Neue Institutionenökonomik und die Organisationstheorie der Luhmann’schen Systemtheorie. Aus institutionen-ökonomischer Perspektive werde ich darauf abheben, dass man Organisationen und ihre Umweltbeziehungen als Netzwerke von impliziten oder expliziten Verträgen analysieren kann, die zwischen den Beteiligten zur Regelung ihrer Interaktionen geschlossen werden. Aus
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Nicole J. Saam
diesem Blickwinkel erscheint PR-Beratung als Produkt, als ein auf dem Markt gehandeltes Kontraktgut – konstituiert durch einen bilateralen Beratungsvertrag –, das in mehr oder weniger intensiver Interaktion zwischen Berater und Klient erst nach Vertragsschluss erstellt wird. Hieraus ergibt sich, dass Klient wie PR-Berater nach Vertragsabschluss erheblichen Einfluss auf die Qualität des Gutes nehmen können. Während manche Leistungsversprechen standardisiert werden können, z.B. das Essen in einer Restaurant-Kette, stellt eine Beratung, die zur Lösung von Entscheidungsproblemen des Klienten beiträgt, welche den Aufbau und die Gestaltung seiner kommunikativen Umweltbeziehungen betreffen, ein – zumindest bisher – nicht standardisiertes Leistungsversprechen dar. Dies hat Informations- und Unsicherheitsprobleme zur Folge: Die Qualität des Gutes kann weder vor noch nach dem Kauf eindeutig bestimmt werden. PR-Beratung hat Vertrauensqualitäten. PR-Beratung lässt sich weder als Suchgut noch als Erfahrungsgut korrekt beschreiben, denn weder die Optimierung der Anzahl der Suchschritte vor der Kaufentscheidung noch Trial-and-Error-Prozesse nach dem Kauf können Sicherheit über die Qualität der PR-Beratung herstellen. Aus der Perspektive der Luhmann’schen Systemtheorie dagegen lässt sich PRBeratung als wechselseitige Beobachtung eines beratenden und eines beratenen selbstreferentiellen Organisationssystems beschreiben. Der PR-Berater ist als Beobachter zweiter Ordnung gefragt, um dem Klienten seine blinden Flecke zugänglich zu machen. Ein Beobachter zweiter Ordnung kann die Selbst- und Fremdbeobachtung des Klienten beobachten. Aus diesem Blickwinkel lässt sich beispielsweise ein Monitoring des PR-Beraters als Fremdbeobachtung der Fremdbeobachtung des Klienten durch seine Bezugsgruppen, also als Fremdbeobachtung zweiter Ordnung beschreiben. Imagekreation kann man in diesem Sinne als in Auftrag gegebene Fremdbeschreibung auffassen. Das Zugänglich-Machen des blinden Flecks der Klientorganisation darf man sich jedoch nicht als Aufklärungsprogramm im traditionellen Vernunftaufklärungsstil vorstellen. Die Luhmann’sche Systemtheorie thematisiert grundlegende Grenzen der PR-Beratung. Im Verhältnis von PR-Beratern und Klienten gibt es Kommunikationssperren, die strukturell bedingt sind. Sie sind auf die Ebenendifferenz von Beobachtungen erster und zweiter Ordnung zurückzuführen. Es ist unmöglich, alles was man auf der Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung sieht, in die Ebene erster Ordnung einzubringen. Klienten werden als operativ geschlossene soziale Systeme aufgefasst, die durch PR-Berater lediglich irritiert werden können. Ich komme jetzt auf Ihre Ausgangsfrage zurück. Was kennzeichnet so verstanden PR-Beratung? Es gibt also mehrere Antworten. Eine lautet: PR-Beratung ist rationales Handeln. Eine andere, PR-Beratung ist Kommunikation. Natürlich meine ich damit nicht, dass PR-Beratung rationales Handeln oder Kommunikation ist. Wir können PRBeratung so beschreiben. Und das ist sehr spannend. Einmal, weil beide Antworten ihre Berechtigung haben. Zum zweiten, weil es noch viele weitere Antworten gibt, die ebenso für sich beanspruchen dürfen, wesentliche Aspekte dessen zu beschreiben, was wir beobachten können, wenn wir PR-Beratung analysieren.
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Die Definition, die Sie benutzen, „PR-Beratung kennzeichnet eine fallspezifische komplexe Dienstleistung, die zur Lösung von Entscheidungsproblemen des Klienten beiträgt, welche den Aufbau und die Gestaltung von kommunikativen Umweltbeziehungen betreffen“, nennt einige wichtige Kennzeichen von PR-Beratung, die man theorieunabhängig formulieren kann. Wenn man PR-Berater und Klient als Organisationen analysiert, wie für diesen Sammelband, dann erschließen sich weitere Kennzeichen der PR-Beratung, die nun systematischen Perspektiven auf Organisationen folgen, Perspektiven, die inkommensurabel sein können, aber nicht müssen. Ich kann Ihnen also nicht eine Antwort auf diese Frage geben. Alle weiteren Antworten darauf, was PRBeratung so verstanden kennzeichnet, hängen von der Organisationstheorie ab, die ich zugrunde lege. Ulrike Röttger: „Das hört sich ja fast so an, als wäre die Wahl des theoretischen Zugangs beliebig. Plädieren Sie für freies „Theorien-Shopping“? Nicole J. Saam: Die Wahl der Theorie ist abhängig von der Forschungsfrage, die ich stelle. Ich muß in der Lage sein, diese Frage fruchtbar in den Begriffen einer Theorie zu formulieren. Wenn ich beispielsweise PR-Beratung als soziales Handeln rekonstruieren will, dann brauche ich einen handlungstheoretischen Ansatz. Je nachdem, ob ich Aspekte der Rationalität oder der Inszenierung des Handelns herausarbeiten will, werde ich dann eine geeignete Handlungstheorie auswählen. Der theoretische Zugang ist keineswegs beliebig. Ulrike Röttger: Kommen wir nun zu einzelnen Theorien: Was bietet die Systemtheorie den PR-Beratern? Nicole J. Saam: PR-Beratern selbst bietet sie die Möglichkeit, Beratungshandeln kritisch zu reflektieren. Den Blick weg von Personen, hin auf soziale Systeme zu richten, und zu überlegen, in welchen Zusammenhängen diese Vorstellung hilfreich ist. Beispielsweise kann er oder sie seine Handlungsmöglichkeiten reflektieren. Er kann sich fragen, welche Handlungsmöglichkeiten sich ihm erschließen oder verschließen, wenn er sich den Klienten und das Beratungsunternehmen als geschlossene soziale Systeme denkt. Er kann reflektieren, welche Differenzschemata seinem Beratungshandeln zugrunde liegen. Er kann sich bewusst machen, auf welchen Setzungen und Annahmen sie beruhen. Er kann überlegen, wie sich diese Differenzschemata von jenen unterscheiden, die er beim Klienten erkennt. Er kann sich fragen, welchen Beschränkungen der Klient durch die Differenzschemata unterliegt, die er anwendet. Er kann reflektieren, wie er mit den Unterschieden zwischen den Differenzschemata beider Seiten umgehen will. Beispielsweise kann er abwägen, ob und, wenn ja, wie er dem Klienten einige dieser Beschränkungen vermitteln will. Letztendlich läuft diese Reflexion immer darauf hinaus, dem PR-Berater die Grenzen seines Beratungshandelns bewusst zu machen. Das mag auf den ersten Blick entmutigend wirken. Andererseits entlastet es den Berater von Fehleinschätzungen und Selbstüberschätzung. Es kann eben auch hilfreich sein, wenn man reflektiert hat, wo
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man die Grenzen des aktuellen Beratungsprojekts verortet. Es kann eine befreiende Wirkung haben, wenn man sich bewusst macht, dass man als Berater nur irritierend, nicht jedoch zielgerichtet in die Klientorganisation intervenieren kann. Ulrike Röttger: Immer wieder wird der Vorwurf laut, dass Berater nicht angefragt werden, um Organisationshandeln effizienter zu machen, sondern um bereits gefällte Entscheidungen zu legitimieren, sei es nach innen, sei es nach außen. Welche Funktionen der PR-Beratung für die Klienten können unter Rückgriff auf unterschiedliche theoretische Zugänge beschrieben werden? Nicole J. Saam: Es ist interessant, dass Sie hier von Vorwürfen sprechen. Aus organisationssoziologischer Perspektive haben Vorwürfe in Bezug auf Funktionen, die ein Organisationssystem für ein anderes erfüllt, keine Basis. Einen solchen Vorwurf kann man nur formulieren, wenn man eine Funktionslogik für überlegen hält, wenn Sie die Effizienz ansprechen, also die ökonomische Funktionslogik. Aber mit welcher Begründung? Ist Beratung unehrlich oder moralisch minderwertig, wenn sie Entscheidungen der Unternehmensleitung legitimiert? Und wenn die Unternehmensleitung, aus welchen Gründen auch immer, genau das braucht? Aus diesem moralischen Blickwinkel argumentieren die organisationssoziologischen Theorien nicht. Ich habe in Erinnerung, dass Sie in einem Aufsatz1 die Überzeugung zum Ausdruck gebracht haben, dass PR sich in Unternehmen nachhaltig als Bestandteil der reflexiven Steuerung nicht durchsetzen wird, solange der Beitrag der PR zur Wertschöpfung nicht benannt und ausgewiesen ist und solange PR nicht anschlussfähig an das dominante Erfolgskriterium wirtschaftlicher Effizienz ist. Man könnte diese Überzeugung, die Sie als ernüchternde Erkenntnis bezeichnen, auf PR-Beratung übertragen. Dann würde man erwarten, dass Organisationen PR-Beratung nur in Anspruch nehmen, wenn sie Organisationshandeln effizienter macht. Hier hat der Neo-Funktionalismus jedoch mit Nachdruck herausgearbeitet, dass Beratungsunternehmen oft weniger aus Effizienzerfordernissen, sondern zur Sicherung interner und externer Legitimität der Klientorganisation eingesetzt werden. Organisationen können sich in Situationen befinden, in denen Legitimität wichtiger zum Überleben ist als tatsächliche Leistungsfähigkeit, intern, wenn Machtkämpfe oder Führungsschwäche die Durchsetzung von Entscheidungen erschweren, oder extern, wenn ihre Ressourcenausstattung stattdessen weitgehend von allgemein anerkannter besonderer Förderungswürdigkeit abhängt. Auch strukturfunktionalistische Ansätze haben die Legitimationsfunktion als eine mögliche Funktion von Organisationsberatung beschrieben. Es ist also nichts Besonderes, wenn PR-Beratung bereits gefällte Entscheidungen legitimiert. Man könnte aber herausarbeiten, durch welche Tätigkeitsmerkmale sich PR-Beratung im Vergleich zu anderen Beratungsformen wie Managementberatung oder Organisationsentwicklung
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Vgl. Röttger, Ulrike (2005). Kommunikationsmanagement in der Dualität von Struktur. Die Strukturationstheorie als kommunikationswissenschaftliche Basistheorie. In: Medienwissenschaft Schweiz 15, 1-8.
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für die Legitimierung von Entscheidungen beim Klienten in besonderer Weise auszeichnet. Ulrike Röttger: Erachten Sie die Legitimationsfunktion als die zentrale Funktion von PR-Beratung? Nicole J. Saam: Wenn man das Blickfeld auf die Frage Effizienz versus Legitimation verengt, und PR-Beratung mit anderen Tätigkeitsfeldern der Organisationsberatung vergleicht, dann ist PR-Beratung sicherlich das Beratungsfeld, das am stärksten die Legitimationsfunktion wahrnimmt. Andererseits sollte man den Blickwinkel nicht vorschnell in diese Richtung verengen. Ihre Frage, welche Funktionen der PR-Beratung für die Klienten beschrieben werden können, möchte ich im Detail den KommunikationswissenschaftlerInnen überlassen, die dazu forschen. Ich will hier nur Hinweise geben auf eine Frage, die man meines Erachtens nicht übergehen sollte, auch wenn sie zunächst eher akademisch scheint. Es stellt sich die Frage, ob man aus analytischen Gründen die Funktionen von Public Relations von den Funktionen der PR-Beratung unterscheiden sollte. Leider ist der Begriff Berater in der PR unklar, weil Berater als Label für das Berufsfeld weit eingeführt ist. Das ist eine eigenartige Situation, die Missverständnisse erzeugen muss. Ich trenne im Folgenden PR-Arbeit von PR-Beratung – so wie Sie es für diesen Sammelband anstreben. Sonst hätte auch die dem Buch vorangehende Tagung überhaupt keinen Neuigkeitswert. Gibt es also Argumente dafür, dass PR-Beratung andere Funktionen für den Klienten übernimmt als die hauseigene PR-Abteilung? Wenn es diese Argumente nicht gibt, dann ist die Antwort auf Ihre Frage vergleichsweise einfach: Die Funktionen der PR-Beratung fallen mit den Funktionen der PR zusammen. Hier möchte ich jetzt systemtheoretisch argumentieren: Weil die PR-Agentur eine Organisation in der Umwelt des Klienten ist, kann sie auch andere Funktionen übernehmen als die PR-Abteilung, die ein Teilsystem der Klientorganisation ist. Dann kann man Ihre Frage präzisieren und fragen, welche Funktionen der PR-Beratung sich gleichsam als geliehene Funktionen der PR darstellen oder sich als originelle Funktionen aus der Beratungstätigkeit ableiten. Zu den geliehenen Funktionen. Zankl, Merten und beispielsweise auch Bentele haben Versuche vorgelegt, die Funktionen von Public Relations zu bestimmen.2 Als Ergebnis bieten sie uns Listen unterschiedlicher Funktionen von beachtlicher Länge an. 2
Zankl (1975) unterscheidet die Informations-, Kontakt-, Führungs-, Image-, Harmonisierungs-, Absatzförderungs-, Stabilisierungs- und Kontinuitätsfunktion. Merten (1999) trennt zwischen den externen Funktionen der Erhöhung des Bekanntheitsgrads, der Erzeugung von Images und Schaffung von Akzeptanz, Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Interessenausgleich und den internen Funktionen Information, Motivation, Erzeugung von „Wir-Gefühl“ und Botschafter. Bentele (1999) unterscheidet die Primärfunktionen Wahrnehmung, Information, Kommunikation und Persuasion von Sekundärfunktionen wie etwa Publizität, Image, Vertrauen, Harmonisierung, Krisenumgang, Bestandserhaltung, Kritik und Integration. Vgl. Zankl, Hans Ludwig. (1975). Public Relations. Leitfaden für die Unternehmens-, Verbands- und Verwaltungspraxis. Wiesbaden. Merten, Klaus (1999). Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Bd. 1: Grundlagen der Kommunikationswissenschaft. Münster. Bentele, Günter (1999). Funktionen von Public Relations. In: ders. (Hrsg.). Berufsfeld Public Relations. Studienband 1 des PR-Kolleg Berlin. Berlin, 101-134.
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Stellen wir kurz hinten an, dass mich diese Listen von Funktionen recht ratlos hinterlassen. Diese Zuschreibungen von Funktionen stehen bei Zankl in der Tradition des Strukturfunktionalismus und bei Merten knüpfen sie an Luhmanns funktionalstrukturelle Systemtheorie – also nicht an seine später entwickelte autopoietische Systemtheorie – an, wenn auch eher implizit als explizit. Bentele hat dagegen normative Formulierungen vorgelegt. Es handelt sich nicht um theoretisch hergeleitete Funktionen. Beide genannten Versionen der Systemtheorie gehen davon aus, dass Klienten und Berater offene soziale Systeme sind, die durch ihre Umwelt in hohem Grad beeinflusst werden können. Aus dieser Perspektive hat PR-Beratung wie jegliche Organisationsberatung die Funktion, Defizite in der organisationalen Leistungserbringung des Klientsystems zu beheben und hierdurch zur Bestandserhaltung, Umweltanpassung und Zielverwirklichung der Klientorganisation beizutragen. Den Begriff Defizite sollte man dabei sehr weit auffassen. Ein Defizit wäre etwa auch, dass ein Unternehmen mangels hinreichender Größe keine eigene PR-Abteilung hat. PR-Beratung wird dann obige Funktionen ganz oder teilweise übernehmen. Originelle Funktionen aus der Beratungstätigkeit decken dann Defizite beim Klienten ab, die nicht in der PR selbst begründet sind. Das kann vieles sein und aus strukturfunktionalistischer Perspektive wurden Funktionen wie die Transferfunktion – damit wird die Wissens- und Erfahrungsübertragung angesprochen –, die Legitimationsfunktion oder etwa die Wirtschaftlichkeitsfunktion, also Kostenersparnis genannt. Ich hatte gerade gesagt, dass mich die Listen von Funktionen recht ratlos zurücklassen. Das deshalb, weil der strukturfunktionalistische Ansatz viele Freiheitsgrade für die Bestimmung von Funktionen lässt, sobald man das klassische AGIL-Schema verlässt. Dieses Problem beschränkt sich keineswegs auf die Beschreibung von Funktionen von PR und PR-Beratung. Es kennzeichnet alle strukturfunktionalistischen Analysen von Organisationsberatung. Insgesamt ergibt sich ein heterogenes Bild von Beraterfunktionen, bei dem man klare Aussagen vermisst, zum Beispiel welche die zentralen Funktionen von Beratung, hier von PR-Beratung, sind. Mit der Vielfalt potenzieller Funktionen ist nicht nur das Problem der überzeugenden Systematisierung von Beraterfunktionen verbunden. Berater übernehmen im Laufe eines Beratungsprozesses verschiedene Funktionen. Funktionen können sich während des Beratungsprozesses ändern. Während des Verlaufs eines Beratungsprozesses werden in empirisch kaum zu ermittelnder Weise unterschiedliche Mischungen dieser Funktionen realisiert. Ich habe den Eindruck, dass es uns mit diesem Ansatz nicht gelingt, die Funktionen von PR-Beratung im Gegensatz zu den Funktionen von PR klar herauszuarbeiten. Deswegen schlage ich vor, an dieser Stelle bevorzugt auf Luhmann zurückzugreifen. Hilfreich erscheint mir die Möglichkeit, Selbstbeobachtung von Fremdbeobachtung zu unterscheiden. PR-Arbeit in einer unternehmens- beziehungsweise organisationseigenen Abteilung ist demnach der Selbstbeobachtung zuzuordnen und sie liefert Selbstbeschreibungen, insofern die PR-Abteilung das eigene Unternehmen beobachtet. Beobachtet sie relevante Stakeholder in der Umwelt des Unternehmens und aus Unternehmensperspektive, dann handelt es sich um die Beobachtung der Fremdbeobachtung.
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PR-Beratung liefert demgegenüber eine Fremdbeobachtung des Klienten wie auch eine Fremdbeobachtung seiner Umwelt. Die originellen Funktionen der PR-Beratung gegenüber der PR-Arbeit ergeben sich aus der Differenz von Selbstbeobachtung und Fremdbeobachtung. Auf diese Unterscheidung sollte man meines Erachtens aufbauen, wenn man Funktionen der PR-Beratung von Funktionen der PR klar abgrenzen möchte. Ulrike Röttger: Sie beschreiben PR-Beratung außerdem als Agentschaft für andere Akteure und für abstrakte Prinzipien. Was ist genau damit gemeint? Nicole J. Saam: Diese Perspektive bringt der Neo-Insitutionalismus ein. Er hat einen zentralen Beitrag zum Verständnis moderner Akteure geleistet, indem er sich der Frage zugewendet hat, wie die institutionelle Struktur der Gesellschaft diejenigen sozialen Einheiten hervorbringt und legitimiert, die man gemeinhin als Akteure bezeichnet. Es ist nicht selbstverständlich, dass Menschen sich als Akteure begreifen und als Akteure auftreten. Diese Annahme übernimmt ungefragt kulturelle Regeln der modernen westlichen Gesellschaft in soziologische Theoriebildung. Die Fähigkeit und Befugnis, für sich selbst zu handeln, ist das Ergebnis der kulturellen Übertragung einer ursprünglich nur Gott zugeschriebenen Handlungsfähigkeit. Der umfassende gesellschaftliche Rationalisierungsprozess, den Max Weber beschreibt, verschiebt die Vorstellungen von Handlungsfähigkeit und Autorität auf Elemente der Gesellschaft. Sie verdichten sich im Konzept des Akteurs. Nicht Akteure konstituieren die Gesellschaft, sondern die moderne Gesellschaft konstituiert den Akteur. Das Argument der gesellschaftlichen Konstruktion rationaler Akteure wird von den Neo-Institutionalisten auch auf Organisationen übertragen. Daran knüpfen Meyer und Jepperson3 an. Sie konzipieren den Begriff der agency – der im Deutschen mit Agentschaft übersetzt wurde – bewusst als Gegenbegriff zu sozialem Handeln. Agentschaft bezeichnet die legitimierte Vertretung eines legitimierten Prinzipals, der ein Individuum, eine Organisation, ein Nationalstaat oder ein abstraktes Prinzip sein kann. Aus dieser Perspektive kann man nun argumentieren, dass PR-Beratung in vielfältiger Weise an der Konstruktion des Klienten als modernem Akteur mitwirkt. Am offensichtlichsten gilt dies für die Imagekreation. PR-Berater schaffen ein organisationsintern und organisationsextern wirksames Image des Klienten. PR-Berater sind darüber hinaus Musterbeispiele für die von Meyer und Jepperson bezeichnete Agentschaft für andere. Im Rahmen des Lobbying treten PR-Berater als Agenten des Klienten auf. Und PR-Berater wirken an der Produktion und Verbreitung von gesellschaftlichen und Organisationsmythen mit. Als Mythen gelten in diesem Zusammenhang alle Deutungssysteme, die einfache und nicht-hinterfragbare Kausalerklärungen bereitstellen und Handlungsfähigkeit in Situationen herstellen, die durch hohe Komplexität gekenn3
Meyer, John W./Ronald L. Jepperson (2005). Die „Akteure“ der modernen Gesellschaft. Die kulturelle Konstruktion sozialer Agentschaft. In: John W. Meyer: Weltkultur. Wie die westlichen Prinzipien die Welt durchdringen. Hrsg. und eingeleitet von Georg Krücken. Frankfurt a. M., 47-84.
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zeichnet sind. PR-Berater verbreiten rationalisierte Vorstellungen von Organisation, die ein Element des Rationalisierungsprojekts der Moderne sind, z.B. die Vorstellung, dass Organisationen offen und transparent kommunizieren. Dies ist dann Agentschaft des PR-Beraters für Prinzipien. Bei PR-Beratern könnte man meines Erachtens unter diesem Blickwinkel insbesondere die Agentschaft für Themen analysieren. Ich denke hier beispielsweise an Monitoring, Agenda Setting und Public Affairs. Im Rahmen des Monitoring erkennen PR-Berater sich anbahnende Themen. Agenda Setting besteht im Setzen konkreter Themenschwerpunkte für die Öffentlichkeit. Und im Rahmen der Public Affairs beschäftigen sie sich mit dem Aufspüren von Themen und geplanten Regelungen zu einem Zeitpunkt, bevor diese in der massenmedialen Öffentlichkeit diskutiert werden. Ulrike Röttger: Beratung wird mitunter als Innovationsspiel betrachtet. Was genau ist damit gemeint? Nicole J. Saam: Diese Perspektive greift mikropolitische Aspekte von Beratungen auf. Berater, auch PR-Berater, betreten oftmals ein Minenfeld, wenn sie sich zum Klienten begeben. Dort gibt es Machtkämpfe in und zwischen Abteilungen, zwischen verschiedenen Führungskräften, zwischen Top- und mittlerem Management. Crozier und Friedberg 4 haben mit der strategischen Organisationsanalyse einen Ansatz vorgelegt, der die Kontingenz des Verhaltens von Berater und Klient mikropolitisch erklärt. Sie betrachten Organisation als eine Gesamtheit von Spielen, die miteinander verbunden sind. Spiele bezeichnen dabei Interaktionszusammenhänge, die einerseits geregelt sind, andererseits bieten sie den Akteuren viele Handlungsoptionen. Nach der Vorstellung von Crozier und Friedberg vereinen sie Freiheit und Zwang. Man könnte in diesem Sinne etwa davon sprechen, dass die Mitglieder der PRAbteilung eines Unternehmens das PR-Spiel spielen. Dieses Spiel kann man als Routine-Spiel beschreiben, als ein etabliertes Spiel in der Klientorganisation, das den Bestand und die Funktionserfüllung der Organisation sichert. Innovationsspiele sind Metaspiele im Verhältnis zu Routinespielen. Sie sind besondere Spiele des Managements, die Routinespiele verändern, weil sie die normalen Aufgaben reorganisieren. Deshalb gefährden die Innovationsspiele die Routinespiele. Innovationsspiele folgen einer anderen Spiellogik als Routinespiele: Während Routinespieler in Kategorien von Beständigkeit und Sicherheit denken und hierfür Wertschätzung erhalten, folgen Innovationsspieler einer auf Wandel und Risiko basierenden Handlungs- und Gratifikationslogik. Die Innovationsspieler sind auf die Kooperation der Routinespieler angewiesen, da letztlich nur die Routinespieler die Routinen verändern können. Die Bemühungen um Wandel stoßen bei den Routinespielern auf Widerstand. Innovationsspiele in Organisationen zu spielen ist inzwischen Routine. Insofern kann man sie auch nur mehr als besondere Routinespiele des Managements betrachten.
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Crozier, Michel/Erhard Friedberg (1979). Macht und Organisation. Die Zwänge kollektiven Handelns. Königstein/Ts.
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Stellen wir uns nun vor, dass ein Unternehmen einen PR-Berater hinzuzieht. Dann wird dieser Berater in die Innovationsspiele hineingezogen. Er erhält eine Aufgabe, die ihm Mitglieder der PR-Abteilung vielleicht neiden. Vielleicht macht er sich auch die Organisationsentwicklung zum Gegner, weil ihn niemand darauf hinweist, dass diese Abteilung gerade ein Unternehmensleitbild entwickelt hat, das mit dem neu zu schaffenden Image abgestimmt sein sollte. Ein Top-Manager arbeitet möglicherweise gezielt darauf hin, dass das ganze PR-Beratungsprojekt scheitert, weil es von seinem Konkurrenten in Auftrag gegeben wurde, und setzt immer wieder erneut eine Überarbeitung des vorgeschlagenen Konzepts des PR-Beraters durch. Während des Beratungsprozesses nimmt der PR-Berater die Rolle eines MetaSpielers ein: Er agiert als vom Auftraggeber abhängiger Mitspieler im Meta-Spiel, im Innovationsspiel. An den Routinespielen nimmt er nicht teil, jedenfalls nach Vorstellung der strategischen Organisationsanalyse. Ulrike Röttger: Eine mit den angesprochenen Spielen thematisierte Eigenschaft von Beziehungen ist, dass die einzelnen Beziehungspartner jeweils über gewisse Macht verfügen. Wie lassen sich die Dominanzstrukturen in der Klient-Berater-Interaktion theoretisch beschreiben? Wovon hängt die Dominanz bzw. Macht des Beraters ab? Und wovon hängt die Dominanz des Klienten ab? Nicole J. Saam: In einem Beratungsprojekt sind Berater und Klient voneinander abhängig. Beide sind auf ihre wechselseitige Mitwirkung angewiesen. Aus Sicht der strategischen Organisationsanalyse ist entscheidend, in welchem Umfang jeder Beteiligte dem anderen verweigern kann, das zu tun, was dieser von ihm wünscht. Der grundlegende Einsatz, der letztlich in jeder Machtbeziehung auf dem Spiel steht, ist die Voraussehbarkeit des Verhaltens der Beteiligten. Jeder Akteur wird dabei versuchen, seinen eigenen Freiraum soweit wie möglich auszuweiten und gleichzeitig den Freiraum des anderen einzuschränken. Da sich die strategische Organisationsanalyse auf die Machtbeziehungen in Organisationen konzentriert, kann sie im Gegensatz zur Luhmann’schen Systemtheorie die Interaktion von zwei Organisationssystemen nicht problematisieren. Der Berater erscheint als Mitspieler im Innovationsspiel, dem dieselben potenziellen Machtquellen zur Verfügung stehen wie dem Klienten. Potenzielle Machtquellen, wie sie die strategische Organisationsanalyse konzipiert, sind Expertenwissen, Umweltbeziehungen, Kontrolle von Informations- und Kommunikationskanälen und die Nutzung organisationaler Regeln. Sie werden auch als Unsicherheitszonen bezeichnet, die ein Akteur infolge der Unvorhersehbarkeit seines Handelns gegenüber dem anderen kontrolliert. Man sollte erwarten, dass Mitglieder des Klienten im Beratungsprojekt sowohl den Kontakt zwischen verschiedenen Einheiten einer Organisation monopolisieren, indem sie wichtige Informations- und Kommunikationskanäle kontrollieren, als auch Unsicherheitszonen, um Vorschriften und Verfahren, die ursprünglich geschaffen wurden, um die Unvorhersehbarkeit des Verhaltens der Organisationsmitglieder zu verringern.
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Die Mitglieder des Klienten werden vermutlich auch eher über die Fähigkeit verfügen, tagtägliche Funktionsprobleme zu lösen, und nicht der Berater. So bleibt die Monopolisierung des Kontakts zwischen der Organisation und ihrer Umwelt die einzig relevante Machtquelle des PR-Beraters. Crozier und Friedberg betonen, dass das Vorhandensein einer Ungewissheitszone noch nichts über den Willen oder die Fähigkeit der Akteure aussagt, die sich bietende Gelegenheit auch wirklich zu ergreifen. Das Verhalten der Organisationsmitglieder ist kontingent, weil die Spielstrukturen und -regeln nur einen indirekten Einfluss auf das Verhalten haben. In der Regel sind mehrere gewinnbringende Strategien möglich, zwischen denen die Beteiligten wählen können, und welche sie wählen, kann nicht vorhergesagt werden. Spielstrukturen und – regeln sind für die Akteure einerseits Restriktionen, andererseits sind sie aber auch Produkt früherer Machtverhältnisse und Verhandlungen, und als solche sind sie nicht unangefochten. Alle Akteure werden versuchen, die Spielstrukturen und -regeln zu ihren Gunsten zu verändern. Freilich sind Innovationsspiele in der Regel zeitlich begrenzt. Dies sollte die Mitglieder des Klienten gegenüber dem PR-Berater begünstigen. Man kann sich der Frage nach den Dominanzstrukturen in der Klient-BeraterInteraktion aber auch von anderer Seite nähern, über das Konzept der Rollendominanz. Das ist der symbolisch-interaktionistische Zugang zu dieser Fragestellung. Hier wurde herausgearbeitet, dass sich im Laufe des Beratungsprozesses die Rolleninhalte von Berater und Klient verändern. Parallel dazu verschiebt sich die Machtverteilung zwischen beiden Akteuren. Zu Beginn eines Beratungsprojektes dominiert die Klientenrolle die Beraterrolle, weil es der Klient ist, der den Berater auswählt. Der Berater kann in dieser Situation nichts anderes tun, als die ihm angebotene Rolle zu übernehmen und die geäußerten Erwartungen in seine Verhaltensdispositionen aufzunehmen. Im weiteren Verlauf des Beratungsprojektes sind verschiedene Entwicklungen möglich: In asymmetrischen Berater-Klient-Beziehungen, z.B. im Business Process Reengineering, in dem der Berater als Experte auftritt, dominiert der Berater dadurch, dass er seine Expertenmacht ausübt. Damit ist nun nicht wie bei der strategischen Organisationsanalyse seine Fähigkeit angesprochen, tagtägliche Funktionsprobleme der Klientorganisation zu lösen, sondern das neue Wissen, das er als Externer der Klientorganisation zur Verfügung stellt, der Strukturfunktionalismus würde sagen, seine Transfer-Funktion. Hier bezieht sich die Expertenmacht auf die Fähigkeit, Wissen, Fachwissen, Know-how oder Erfahrungen auf die Klientunternehmung zu übertragen. Von einem PR-Berater kann man erwarten, dass er über Expertenmacht beispielsweise in Bezug auf Imagekreation, Monitoring, Agenda Setting oder Lobbying verfügt. In symmetrischen Berater-Klient-Beziehungen gibt der Berater einen Teil seiner Dominanz zugunsten einer kompetenten Teilnahme des Klienten am Problemlösungsprozess auf. Man müsste untersuchen, welche Mandate für PR-Beratung und welche Kompetenzverteilungen im Klientunternehmen solche symmetrischen Beziehungen zur Folge haben. Hierdurch wird Raum für wechselseitige Rollenbildung geschaffen. Nochmals eine andere Nuancierung erfährt die Frage nach der Macht des Beraters, wenn man Foucaults Konzept von Wissen und Macht zugrunde legt. Damit kann man
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herausarbeiten, dass das Beraterwissen im Unterschied zu wissenschaftlichem Wissen oder zum Wissen der Professionen auf einer Kombination von Wissen und Macht beruht, die erst den Durchgriff auf die Organisation ermöglicht. Das Beraterwissen leistet einen Beitrag zur Gouvernementalität von Organisationen, den weder das wissenschaftliche Wissen noch das Wissen der Professionen leisten können. So hat Legge5 in einer faszinierenden Fallstudie gezeigt, wie diskursive Praktiken wie beispielsweise die Konstruktion von Geschichten durch ihre Verbindung von Wissen und Macht die Rückbindung von Beraterwissen an Gruppen in der Klientorganisation ermöglichen, die miteinander im Wettbewerb stehen. Geschichten stellen einen Transmissionsmechanismus dar, der Beraterwissen in Machtpraktiken in der Klientorganisation übersetzt. Mir sind keine Studien bekannt, die überprüft haben, ob PR-Berater auf diesen Transmissionsmechanismus zurückgreifen. Ulrike Röttger: Eng mit Fragen der Macht, die bei der Analyse von Beratungsbeziehungen und -prozessen allerdings häufig außen vor gelassen werden, ist die Vertrauensproblematik in Beratungsprozessen verbunden. Vertrauen ist eine Form des Umgangs mit wahrgenommenen Risiken, die in der Beratung insbesondere dann wichtig wird, wenn andere Mechanismen zur Reduktion von Risiko wie Verträge oder Kontrolle als nicht ausreichend angesehen werden. Bislang liegen jedoch nur wenige theoretische Ausarbeitungen zur Rolle von Vertrauen in PR-Beratungsbeziehungen vor. Inwieweit ist beispielsweise der institutionen-ökonomische Ansatz geeignet, hier einen analytischen Zugang zu ebnen? Nicole J. Saam: Ich möchte zuerst bemerken, dass wir uns Vertrauen in der Regel als interpersonales Vertrauen denken. Vertrauen in Personen wird durch Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Authentizität begründet. Das steht aber bei Beratungsprozessen nicht im Vordergrund. Wenn eine PR-Agentur ein Unternehmen berät, ist interorganisationales Vertrauen gefragt. Während man sich vorstellen kann, dass eine PR-Agentur glaubwürdig und verläßlich sein kann, scheint mir das Konzept der Authentizität, das üblicherweise auf Personen bezogen wird, nicht auf Organisationen übertragbar zu sein. Was ist eine authentische PR-Agentur? Wir benötigen also einen Theorieansatz, der problematisieren kann, warum Vertrauen in Beratungsbeziehungen wichtig ist und der die Entstehung von Vertrauen zwischen Organsationen beschreiben und erklären kann. Meines Erachtens hat die Neue Institutionenökonomik diese Fragestellung am weitesten entwickelt. Dort gibt es das Konzept des Vertrauensgutes. Beratung, auch PR-Beratung, ist kein klassisches Austauschgut, sondern ein Kontraktgut, für das besondere Informations- und Unsicherheitsprobleme typisch sind. Das Kontraktgut wird durch einen bilateralen Beratungsvertrag konstituiert und es wird in mehr oder weniger intensiver Interaktion zwischen Berater und Klient erst nach Vertragsschluss erstellt. 5
Legge, Karen (2002). On Knowledge, Business Consultants and the Selling of Total Quality Management. In: Clark, Timothy/Robin Fincham. (Hrsg.). Critical Consulting. New Perspectives on the Management Advice Industry. Oxford, 74-90.
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Klient und Berater können nach Vertragsabschluss erheblichen Einfluss auf die Qualität des Gutes nehmen. Die Qualität des Gutes kann weder vor noch nach dem Kauf eindeutig bestimmt werden. Wie kann ich als Kunde wissen, dass der PR-Berater das Monitoring gewissenhaft vorgenommen hat und nicht quick and dirty? Das werde ich nie wissen. Der institutonenökonomische Ansatz stellt die Vertrauensqualitäten von Organisationsberatung in den Mittelpunkt. Er richtet sein ganzes Augenmerk darauf, Instrumente eines rationalen Vertrauensmanagements von Seiten des Klienten auszuarbeiten. Sie haben in Ihrer Frage gesagt, dass Vertrauen eine Form des Umgangs mit wahrgenommenen Risiken ist, die in der Beratung insbesondere dann wichtig wird, wenn andere Mechanismen zur Reduktion von Risiko wie Verträge oder Kontrolle als nicht ausreichend angesehen werden. Hier verfolgt die Institutionenökonomik eine andere Argumentationslogik. Sie geht davon aus, dass sich zu Beginn der potenziellen Geschäftsbeziehung zwischen PR-Agentur und Klient beide nicht kennen. Es besteht daher auch kein Vertrauen zwischen ihnen. Der Beratungsvertrag und Kontrollinstrumente wie gemeinsame Sitzungen, Zwischenberichte und Endberichte sind Mechanismen, die Vertrauen herstellen sollen. Wenn der Berater weiß, dass der Klient notfalls eine nicht erbrachte, aber vereinbarte Leistung einklagen könnte, wird er sie mit größerer Wahrscheinlichkeit erbringen. Wenn der Berater weiß, dass der Stand des Projekts zu festgelegten Zeitpunkten vor Mitgliedern der Klientorganisation zu präsentieren ist, wird er gewissenhafter arbeiten. In diesem Sinne hat die Institutionenökonomik eine Fülle von Instrumenten des rationalen Vertrauensmanagements für Klienten beschrieben. Interessante Beispiele, die ich noch nennen will, sind die Durchführung von Beraterauswahlverfahren, der Aufbau von langfristigen Geschäftsbeziehungen zu Beratern und die Vereinbarung eines Erfolgshonorars. Beschrieben wurden ebenfalls Instrumente für Berater wie der Aufbau von Reputation, Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit wie Vorträge auf Kongressen, Tagungen, Seminaren und an der Universität, Publikationen und Lehrtätigkeiten, sowie der Aufbau von Geschäftsfreundschaften. Geschäftsfreundschaften sind nicht identisch mit Geschäftsbeziehungen. Es sind nur einfach vertrauensvolle Beziehungen zwischen Teilnehmern des Wirtschaftslebens. Die Neue Institutionenökonomik, insbesondere die Agenturtheorie, hat Kategorien entwickelt, mit denen diese Instrumente klassifiziert und die Bedingungen ihres erfolgreichen Einsatzes beschrieben werden. Allerdings hat dieser Ansatz eine große Leerstelle: Das Vertrauen in den Klienten wird nicht thematisiert. Die Agenturtheorie analysiert die Vertrauensbildung aus der Sicht des Klienten. Dass der Berater auch Vertrauen in den Klienten aufbauen muss, bleibt außen vor. Ulrike Röttger: Mit welchen theoretischen Zugängen lassen sich speziell BeraterKlient-Interaktionen und die Kontingenz des Beratungshandelns beschreiben? Nicole J. Saam: Ich möchte mich Ihrer Frage gerne aus zwei Perspektiven nähern. Einmal kann ich mich der Frage nach der Kontingenz über die Unterscheidung von De-
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terminismus und Voluntarismus zuwenden; zum Zweiten über die Unterscheidung von Zielgerichtetheit und Ergebnisoffenheit der Intervention. Sind Berater- und Klientorganisation, und damit auch ihre individuellen Mitglieder, durch die strukturellen Merkmale der Kontexte eingeschränkt, in die sie eingebettet sind, oder sind sie weitgehend autonom handelnde Akteure? Die Kontingenz des Beratungshandelns betont zum einen die strategische Organisationsanalyse, auf die ich vorhin schon eingegangen bin. Für Crozier und Friedberg ist das Verhalten der Organisationsmitglieder deshalb kontingent, weil die Spielstrukturen und -regeln nur einen indirekten Einfluss auf das Verhalten der Spieler haben. In der Regel sind mehrere gewinnbringende Strategien möglich, zwischen denen die Beteiligten wählen können, und welche sie wählen, kann nicht vorhergesagt werden. Das gilt für Organisationsmitglieder und Meta-Spieler gleichermaßen. Das ist der mikropolitische Ansatz, die Kontingenz des Beratungshandelns zu erklären. Die Autonomie der Akteure wird auch vom Symbolischen Interaktionismus hervorgehoben. Beratungshandeln wird als symbolisch vermittelte Interaktion begriffen, die die aktive Mitwirkung des Individuums an der Rollenbildung anerkennt. Wie die Beziehung zwischen Berater und Klient in der tatsächlichen Situation gestaltet wird, hängt von interpretativen Prozessen ab. Wie interpretiert die beratende Organisation ihre Rolle als Berater und die Rolle des Klienten? Wie interpretiert die ratsuchende Organisation ihre Rolle als Klient und die Rolle des Beraters? Wie interpretieren die relevanten Mitglieder beider Organisationen die symbolischen Ausdrücke, die sie in ihren Gesprächen verwenden? Hinsichtlich der aktiven Beteiligung an der Rollenbildung wird bei beiden die Dominanz des Role-Making hervorgehoben, d.h. die aktive Neudefinition der Rolle durch die Rolleninhaber. Die zweite Perspektive betrifft die Zielgerichtetheit der Intervention. Lässt sich die Intervention des Beraters beim Klienten als zielgerichteter, linearer Prozess des Wissenstransfers rekonstruieren oder als kontingenter, ergebnisoffener Prozess? Die Luhmann’sche Systemtheorie vertritt ohne Zweifel die Extremposition der Unmöglichkeit einer gezielten Intervention. Die Unmöglichkeit leitet sich aus Kommunikationssperren ab, die grundsätzlich nicht überwunden werden können. Wenn Klienten Irritationen durch Berater aufsuchen, um sie in Informationen umzuwandeln und für ihr Entscheiden zu nutzen, dann beschränkt sich die Intervention des Beraters darauf, Orientierungswissen anzubieten. Klienten machen daraus, was sie wollen. Auch postmoderne Theorieansätze betrachten Intervention als ergebnisoffen. Wenngleich das Beraterwissen in Diskurse eingebettet ist, so ist es doch in viele heterogene Diskurse eingebettet, z.B. in organisationsberaterische, organisationstheoretische, organisationale und gesellschaftliche Diskurse. Zugleich diagnostiziert die Postmoderne das Ende der großen Erzählungen, etwa das Ende der Erzählung von der Rationalisierung und der Erzählung vom Berater als Akteur. Während hier der Zugang analytisch über Erzählungen und Diskurse geschieht, ist ein zweiter Zugang über Foucaults Konzept von Wissen und Macht möglich, auf das ich schon vorhin eingegangen bin. Intervention funktioniert nicht als einfach zu denkender Wissenstransfer, weil das
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Beraterwissen den Durchgriff auf die Organisation nur ermöglicht, wenn es auf einer Kombination von Wissen und Macht beruht. Ulrike Röttger: Welche Fragen ergeben sich aus dem gerade von Ihnen erwähnten symbolisch-interaktionistischen Ansatz speziell für die Analyse der PR-Beratung? Nicole J. Saam: Im Wesentlichen sind da zwei bedeutende Fragen, die mit dem Role-Making verbunden sind. Die Frage nach den Erwartungen, die Klient und PRBerater wechselseitig aneinander richten, und die Frage nach der Bedeutung interpretativer Prozesse in der Interaktion zwischen PR-Berater und Klient. Also, welche Erwartungen richtet der PR-Berater an den Klienten und umgekehrt? Wie wirken die relevanten Mitarbeiter beider Unternehmen bei der Erwartungsbildung gegenüber dem anderen jeweils zusammen? Welche Erwartungen des Klienten erfüllen die PRBerater nicht und warum nicht? Dies kann man natürlich auch in umgekehrte Richtung fragen. Resultieren Probleme oder Konflikte im Beratungsprojekt aus unklaren, sich widersprechenden oder nicht erfüllten Erwartungen? Gibt es bedeutende Dritte, die an das Beratungsprojekt Erwartungen richten? Eng damit verbunden ist die Frage, wie aktiv der PR-Berater seine Rolle als Berater aushandelt. Wie erkennt und nutzt er interpretative Spielräume in Aushandlungsprozessen mit dem Klienten? Wie viel Zeit räumt er interpretativen Prozessen in der Interaktion mit dem Klienten ein? Auch diese Frage wird man in umgekehrte Richtung untersuchen. Kommt es bei der Interpretation von Handlungen oder Situationen zu unterschiedlichen Deutungen? Wenn ja, gibt es typische Situationen, in denen dies zu beobachten ist? Auf welchen Annahmen basieren die abweichenden Interpretationen? Analytisch trennen sollte man davon die Tatsache, dass die PR-Tätigkeit selbst bedeutende interpretative Momente enthält. Sie heben in Ihrem Artikel6 hervor, dass PR Deutungsmuster und Interpretationshilfen bietet. Das gilt natürlich auch für PRBeratung. Wenn wir uns nicht die Interaktion zwischen PR-Berater und Klient ansehen, sondern die PR-Tätigkeit im Rahmen des Beratungsprojekts, dann ergeben sich weitere Fragen, etwa danach, ob der PR-Berater andere Deutungsmuster und Interpretationshilfen anbietet als unternehmenseigene PR und wie er sie in interpretativen Prozessen vermittelt. Dann sind wir natürlich schon wieder bei der Berater-Klient-Interaktion. Ulrike Röttger: In der deutschsprachigen PR-Forschung spielen postmoderne Ansätze – anders als beispielsweise in den USA – bislang keine Rolle. Welche Potenziale sehen Sie hier mit Blick auf die Analyse von PR-Beratung? Nicole J. Saam: Ich denke in erster Linie an die Analyse von Sprachspielen. Auf welche Sprachspiele und Diskurse greifen PR-Berater bei der Imagekreation, beim Agenda Setting zurück? Ein besonderes Sprachspiel scheint mir auch eine Analyse wert: Wie kommt es, dass der Begriff Berater als Label für das Berufsfeld weit eingeführt ist?
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Vgl. Fußnote 1.
Organisationssoziologische Zugänge zu PR-Beratung
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Ulrike Röttger: PR-Beratung wurde bislang seitens der Kommunikationswissenschaft nicht oder nur am Rande behandelt. Wo sehen Sie den größten Handlungs-/Forschungsbedarf? Was sind aus Ihrer Sicht relevante Forschungsfragen? Nicole J. Saam: Nicht nur seitens der Kommunikationswissenschaft. Auch die Forschung zur Organisationsberatung hat PR-Beratung weitgehend vernachlässigt. In Lehrbüchern zur Organisationsberatung wird dieses Beratungsfeld meist ausgeklammert, teilweise wird die PR-Beratung in anderer Begrifflichkeit aufgenommen, beispielsweise jüngst als Reputation Management.7 Relevante Forschungsfragen. Ich hatte gerade darauf hingewiesen, dass der Begriff Berater als Label für das Berufsfeld weit eingeführt ist. Deswegen scheint mir eine Begriffsklärung zu Beginn besonders wichtig. Von wem sprechen wir, wenn wir von PRBeratung sprechen? Das Thema dieses Sammelbandes kann nur neue Impulse geben, wenn PR-Beratung und PR-Arbeit kontrastiert werden können. Damit sind nach der Begriffsklärung auch Fragen angesprochen wie welche Funktionen erfüllt PR-Beratung, die eine organisationsinterne PR-Abteilung nicht erfüllen kann, oder kann sie das doch? Welche Diskurse greift PR-Beratung auf, die PR nicht aufgreift und warum kann sie das? Es gibt noch eine zweite, eher theoretische Frage, die man meines Erachtens nicht übergehen sollte, auch wenn sie vielleicht zunächst langweilig scheint: Das ist die Frage nach der Struktur der Interaktionsbeziehung in der PR-Beratung. Mein erster Eindruck ist, dass die Minimalstruktur einer Beratungsbeziehung, die wir in der Organisationsberatung normalerweise zugrunde legen, eine Dyade aus Berater und Klient, der PR-Beratung nicht gerecht wird. Der PR-Berater agiert im Kontext des Beratungsprojekts nicht nur mit dem Klienten, sondern auch mit Gatekeepern, z.B. Journalisten, und oder Bezugsgruppen, z.B. der Öffentlichkeit. Müssen wir die Triade als Minimalstruktur der Beratungsbeziehung in der PR-Beratung betrachten? Wenn ja, was folgt daraus? Andererseits, wird das Beratungsprojekt – und damit auch die Beratungsbeziehung – nicht durch den Beratungsvertrag konstituiert, den nur PR-Berater und Klient unterschreiben? Besteht die eigentliche Beratungsbeziehung also doch nur aus der Dyade? Welche Konstellationen ergeben sich bei verschiedenen PR-Tätigkeiten zwischen Berater, Klient, Gatekeeper und Bezugsgruppen? Mit welchen Konsequenzen für den Berater? Gibt es etwa besondere, nur für PR-Berater typische Rollenkonflikte? Ulrike Röttger: Gibt es ein Forschungsvorhaben zur PR-Beratung, das Sie reizen würde? Nicole J. Saam: Ja, einer der spannendsten Aspekte ist für mich das Impression Management der PR-Berater. Wie Goffman hervorhebt, handeln Menschen nicht einfach, Menschen inszenieren ihr Handeln. Wir können uns den PR-Berater als Darsteller denken und seinen Klienten als Publikum. Der PR-Berater bietet eine Darstellung – der Klient natürlich auch –, aber diesen Aspekt vernachlässigt Goffman. Ich fände es tat7
Niedereichholz, Christel/Joachim Niedereichholz (2008). Consulting Wissen. Modulares Trainingskonzept für Berater mit Fallstudienhinweisen. München.
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Nicole J. Saam
sächlich sehr spannend zu erforschen, wie PR-Berater die Umwelt der Organisation erzeugen, die sie dem Klienten erschaffen, verfügbar und zugänglich machen. Wie inszenieren PR-Berater ihre Kontakte vor dem Klienten? Wie inszenieren PR-Berater Öffentlichkeit? Welche Geschichten erzählen PR-Berater, um ihr Wissen zu inszenieren? Wie inszeniert der Berater sein Lobbying, Agenda Setting oder Monitoring gegenüber dem Klienten? Wie inszeniert der PR-Berater sein Bild der Klientorganisation? Wie inszeniert er das neue Image, das er der Klientorganisation vorschlägt? Im Rahmen meiner empirischen Forschung habe ich mich mit Aspekten der Inszenierung noch wenig beschäftigt. Bei diesem Forschungsvorhaben würde ich vieles lernen. Das reizt mich. Ulrike Röttger: Und kann andererseits die Forschung zu PR-Beratung einen Beitrag zur Beratungsforschung leisten? Nicole J. Saam: Ja, das kann ich mir vorstellen. Für mich war interessant zu erfahren, dass die Strukturationstheorie in der Forschung zu PR Bedeutung erlangt hat. Bis vor kurzem gab es keine beratungswissenschaftlichen Arbeiten auf der Basis dieses Theorieansatzes 8 . Oder vielmehr, die Theoriekonzeption von Giddens wurde immer zugleich mit der strategischen Organisationsanalyse verbunden, vermutlich, weil der Strukturationstheorie eine Handlungstheorie fehlt. So haben beispielsweise einige Dissertationen, die als empirische Studien angelegt waren, in der Analyse dann die mikropolitische Dimension sehr in den Vordergrund gestellt. Ich denke, dass man die Strukturationstheorie nicht auf Mikropolitik verkürzen sollte. Unbestritten ist dies eine Dimenson, die die Strukturationstheorie beinhaltet. Dennoch, ich stelle mir eine Analyse vor, die den Aspekt der Signifikation stärker herausarbeitet, als das bisher geschehen ist. Möglicherweise kann hier die Forschung zu PR und in Zukunft zu PRBeratung einen wertvollen Beitrag leisten, weil hier bisher keine Verengung auf Mikropolitik stattgefunden hat.
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Vgl. meine Aufarbeitung des Standes der Forschung in: Saam, Nicole J. (2007). Organisation und Beratung. Ein Lehrbuch zu Grundlagen und Theorie. Münster.
Entwurf einer Theorie der PR-Beratung
Ulrike Röttger / Sarah Zielmann
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Zur Notwendigkeit einer Theorie der (externen) PR-Beratung1
In einer von Globalisierung, Wertewandel und den damit verbundenen Modernisierungsrisiken geprägten Welt sind Organisationen aller Art mit einer wachsenden Handlungs- und Planungsunsicherheit konfrontiert, die zu einem verstärkten Bedarf an Beratung führt. Der Begriff der „Beratungsgesellschaft“ (Kolbeck 2001: 16) zeigt an, dass unterschiedliche Formen und Typen der Organisations- und Individualberatung in der jüngeren Vergangenheit einen deutlichen Bedeutungszuwachs erlebt haben. Dabei hat neben der traditionellen Unternehmensberatung vor allem auch die PR-Beratung an Relevanz gewonnen. Insbesondere vor dem Hintergrund einer zunehmend kritischen medialen Beobachtung aller gesellschaftlichen Bereiche sind die Anforderungen an die Kommunikativität von Organisationen gestiegen. Donges benennt als Indikatoren für organisationsbezogene Medialisierungsprozesse u.a. die Etablierung von internen Kommunikationsabteilungen, eine Steigerung und Diversifizierung von PR-Mitteilungen sowie die Externalisierung von Kommunikationsaufgaben (vgl. Donges 2008: 147ff.). Zu diesen externen Experten zählen auch PR-Berater (Agenturen und Einzelberater). So selbstverständlich und häufig der Terminus PR-Beratung in der Praxis verwendet wird, so ungeklärt ist er in der PR-Forschung. So ist weder der Beratungsbegriff mit Blick auf den Anwendungsbereich PR inhaltlich aufgearbeitet noch werden Aspekte der PR-Beratung konzeptionell aufgegriffen (vgl. Röttger 2006). Gerade in Anbetracht der steigenden Inanspruchnahme interner wie externer PR ist es aber erforderlich, deren unterschiedlichen Funktionen und Leistungen hinreichend zu differenzieren. Die jeweiligen Organisationsbeziehungen – Intra-Organisationsbeziehungen bei inter1
Die folgenden Überlegungen zu einer Theorie der PR-Beratung sind Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsprojekts „PR-Beratung in der politischen Kommunikation“ (Projektlaufzeit 1.2.2008.-31.10.2009).
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Ulrike Röttger / Sarah Zielmann
nen und Inter-Organisationsbeziehungen im Falle von externen PR-Funktionsträgern – und deren Konsequenzen für PR-Beratung sind bislang jedoch nicht hinlänglich reflektiert worden. Die vorliegende Literatur zu PR-Beratung basiert vornehmlich auf Fallstudien und bleibt dabei deskriptiv. Beschreibungen von Einzelfällen über das PR-Berufsfeld oder einzelne Segmente sind aber nur bedingt geeignet, um PR-Beratung systematisch zu erforschen sowie ihren organisationalen oder gesellschaftlichen Stellenwert zu diskutieren. Beispielsweise haben aus dem Feld der politischen Kommunikation diejenigen Berater besondere Beachtung gefunden, die für Kampagnen im Wahlkampf engagiert werden. Während Forscher im deutschsprachigen Raum erst vor gut zehn Jahren begannen, diesen PR-Beratern Aufmerksamkeit zu schenken, reichen im US-amerikanischen Raum die Standardwerke über ‚political consultants’ weiter zurück (z.B. schon Nimmo 1970; Kelley 1956). Nichtsdestoweniger widmen auch sie sich dem Sonderfall von Beratern im Wahlkampf, nicht (politischen) PR-Beratern im Allgemeinen. Zudem geschieht dies eher mit dem Ziel einer Bestandsaufnahme dieses Beratertypus und nicht, um ein allgemeines konzeptionelles Verständnis zu explizieren. Überdies fußen die Studien vor allem auf Befragungen der Berater. Entsprechend fehlen Daten über die Beziehungen von Beratern und ihren Klienten. Es ist daher das Ziel der nachstehenden Überlegungen, PR-Beratung unter besonderer Berücksichtigung der spezifischen Beziehungen zwischen PR-Beratern und den (Auftrag gebenden) Organisationen theoretisch zu fundieren. Erforderlich ist dazu eine semantische Unterscheidung, die die vorhandene funktionale Differenzierung zwischen externer PR-Dienstleistung und Inhouse-PR widerspiegelt. Dem folgt das vorliegende Verständnis von PR-Beratung als Kommunikationsdienstleistung, die von externen, d.h. wirtschaftlich und organisatorisch eigenständigen Anbietern erbracht wird. Der Beratungsbegriff wird exklusiv für externe Dienstleistungen durch PR-Agenturen oder PR-Einzelberater verwendet. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass „interne PRBeratung“ per definitionem nicht existiert. Dies impliziert selbstverständlich nicht, dass interne PR-Funktionsträger nicht beratend tätig werden bzw. externe Dienstleister nicht auch operativ tätig sind. Allerdings soll die gewählte Bezeichnung deutlich machen, dass externe Dienstleister gerade aufgrund ihrer Externalität besonders günstige Voraussetzungen für die Erbringung von Beratungsleistungen mitbringen. Der Theorieentwurf wird in zwei Schritten entwickelt: Mittels Überlegungen zur systemischen Beratung werden die Differenzen zwischen interner und externer PR dargestellt und die Besonderheiten der Berater-Klienten-Konstellation bei PR-Beratung herausgearbeitet. In den Mittelpunkt rücken Fragen zu den Interaktionsbeziehungen zwischen Berater- und Klientenorganisation sowie die Möglichkeiten und Grenzen beraterischer Interventionen (vgl. Kap. 2). Zum Verständnis der wechselseitig angewandten Kontrollmechanismen in der Kooperation werden im Anschluss Erkenntnisse unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen zum Vertrauen in Austauschprozessen systematisiert und es wird veranschaulicht, inwiefern Mechanismen, die dazu dienen, das wahrgenommene Risiko zu minimieren, relevantes Element der Berater-Klienten-
Entwurf einer Theorie der PR-Beratung
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Beziehung sind (vgl. Kap. 3). Die Überlegungen münden in ein heuristisches Modell, das alle relevanten Faktoren bündelt, die theoretisch abgeleitet wurden und das damit eine konzeptionelle Grundlage für zukünftige Studien darstellen könnte (vgl. Kap. 4).
2
Bausteine einer Theorie der PR-Beratung
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Grundlagen eines systemischen Beratungsverständnisses
Den elaboriertesten theoretischen Zugang zur Beratung bietet derzeit die systemische Beratungstheorie (Scherf 2002; vgl. u.a. Mingers 1996; Willke 1999). Diese bietet sich als Rahmen zur Analyse von PR-Beratung an, da sie hinreichend komplex ist zur Beschreibung unterschiedlicher Beratungssysteme. Die systemische Beratungstheorie ermöglicht es, vorhandene Ansätze der PR-Forschung und der Organisationsberatung unter einer kohärenten Perspektive zusammenzuführen. Klientenorganisationen werden in der systemischen Beratungstheorie als autopoietische – selbstreferentielle, operativ geschlossene – Systeme verstanden. Selbstreferentielle Systeme erfassen Umweltphänomene ausschließlich gemäß ihrer eigenen Strukturen. Die Umwelt verliert damit den Status als Beeinflussungsgröße und kann konsequent nur noch in Abhängigkeit vom System gedacht werden. Die Wirkungen beraterischer Interventionen sind folglich abhängig vom internen Operationsmodus des jeweiligen Systems, das Gegenstand von Steuerung (Beratung) ist (vgl. Willke 1999: 109). Systemische Beratung als (steuernde) Intervention muss sich als Ereignis im Perzeptionsbereich des intervenierten Systems darstellen, um als relevante Information in die operativen Kreisläufe des beratenen Systems eingeschleust werden zu können und letztlich Veränderungsprozesse auszulösen. Um entsprechende Veränderungsimpulse geben zu können, muss der Berater in der Lage sein, sich ein adäquat komplexes, nichttrivialisierendes Bild von den Operationsweisen des Klientensystems zu machen, um sich mit dessen Operationslogik koppeln zu können. Dies geschieht im Rahmen des Beratungssystems, das auf wiederkehrenden Interaktionen basiert und durch wechselseitige Interpretationen von Berater und Klient geprägt ist (siehe Abb. 1; vgl. Carqueville 1991). Beratung heißt entsprechend, „zwischen dem Berater und seinem Klienten einen Kommunikationsprozess zu entfalten, in dem der Klient etwas über sich lernt, was nur er wissen kann.“ (Baecker 1994: 146)
Aus Sicht der systemischen Beratungstheorie sind nicht nur Interaktionen und wechselseitige Erwartungen, sondern insbesondere auch der Beginn des Beratungsprozesses und die Motivation von Interesse, aus der heraus Organisationen mit externen Beratern zusammenarbeiten. Denn die Art und Weise, in der Organisationen in Kontakt mit externen Beratern treten und sich auf diese beziehen, liefert Informationen darüber, wie die Organisation sich mit sich selbst und der Umwelt in Bezug setzt. Wann Organisationen welche Beratungsdienstleistungen mit welchen Erwartungen beanspruchen, gibt Auskunft über die relevanten (formalen und informalen) Regeln und Strukturen der
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Organisationen, die das Management von kommunikativen Umweltbeziehungen betreffen. Abb. 1: Konstruktion des Beratungssystems
Quelle: Eigene Darstellung.
Wie kommt der Berater in die Lage, die Impulse zu finden, auf die das zu beratende System sensibel reagiert? Die Systemtheorie fordert Berater auf, die System-/UmweltDifferenz zu nutzen oder anders gesagt: Die Berechtigung zur Intervention liegt in den Beobachtungsmöglichkeiten der Berater, die das System selbst nicht hat. Berater als Beobachter 2. Ordnung können beobachten, welche Differenz der Beobachtung 1. Ordnung zu Grunde liegt und welchen Restriktionen die verwendete Unterscheidung unterliegt. Diese „Objektivierung“ des beratenen Systems ist nur möglich, weil Berater Beobachter 2. Ordnung und nicht Teil des Klientensystems sind (vgl. Groth 1999: 65ff.). Hier wird noch einmal deutlich, wie wichtig die analytisch saubere – bislang allerdings von der Theoriebildung kaum berücksichtigte – Unterscheidung von internen PR-Experten und externen PR-Beratern ist. In der Literatur zur klassischen Organisationsberatung werden als Gründe für die Zusammenarbeit mit externen Beratern in der Regel folgende Aspekte genannt, die mit den jeweils genannten Funktionen der Beratung korrespondieren (vgl. u.a. Strasser 1992; Nicolai 2000: 246ff.): Transfer von Erfahrung und Wissen (Wissenstransferfunktion). Bereitstellung von z.B. technischen Kapazitäten (Kapazitätserweiterungsfunktion). Das Einbringen einer neutralen Perspektive (Neutralitäts-/Objektivierungsfunktion). Unterstützung des Auftraggebers bei der Durchsetzung bereits getroffener Entscheidungen (Durchsetzungs- bzw. Politikfunktion). Der Einsatz externer Berater zur Legitimation strittiger Entscheidungen oder bestimmten strategischen Verhaltens auf Klientenseite (Legitimationsfunktion).
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Die Auflistung verdeutlicht zentrale Unterschiede zwischen klassischen Organisationsberatungsansätzen und der systemischen Beratung: Während in der systemischen Beratung die Rolle des Beraters in erster Linie die eines Beobachters ist, der das Klientensystem über Formen des systemischen Lernens und der Selbstreflexion bei der Komplexitätsbewältigung unterstützt, wird Beratern in klassischen Ansätzen eine direktivere Rolle zugewiesen: Im Zentrum steht die Einbringung von Expertenwissen zur Problemlösung, Vermittlung von Inhalten oder auch von Prozesswissen durch den Berater. Der Vorstellung einer möglichen und erfolgversprechenden Fremdsteuerung durch direkte Interventionen in klassischen Ansätzen steht die Annahme der Selbstorganisation, die kontextuelle Interventionen erfordert, in systemischen Ansätzen gegenüber. Vor diesem Hintergrund sind aus Sicht der systemischen Beratung die in der Aufzählung genannten Aspekte nicht als Funktionen von Beratung im engeren Sinne zu verstehen, sondern eher als mögliche Erwartungen von Klienten an die Leistungen von Beratern bzw. als Gründe für die Inanspruchnahme von Beratern zu interpretieren. Überlegungen oder Modelle, die die unterschiedlichen Erwartungsdimensionen im Kontext der PR-Beratung erfassen und systematisieren, liegen bislang nicht vor. Bevor diese im Folgenden inhaltlich konkretisiert werden können, ist es erforderlich, ein angemessen komplexes Verständnis von PR allgemein zu explizieren und die Spezifika der PR-Beratung genauer herauszuarbeiten. 2.2
Definition und Abgrenzung von PR-Beratung
PR erfüllt im organisationalen Kontext ganz allgemein die Funktion der prospektiven und der situativen Steuerung von Beobachtungs- und Interaktionsprozessen zwischen der Auftrag gebenden Organisation und ihren Umwelten mit dem Ziel der Legitimation von Organisationsinteressen und -handeln (vgl. ausführlicher Jarren/Röttger 2004). Zum einen leistet PR damit einen relevanten Beitrag zur Umweltkontrolle und Umweltbeeinflussung mittels der Ressource Kommunikation. Zum anderen liefert PR darüber einen Beitrag zu der bereits angeführten organisationalen Selbstbeobachtung. Steuerung und Selbstbeobachtung (Reflexierung) fördern die Koorientierung zwischen der Auftrag gebenden Organisation und Akteuren der Umwelt und zielen auf eine Harmonisierung von Selbst- und Fremdbeschreibungen. In anderen Worten: Berater können dazu beitragen, mittels Irritation von Selbstbeschreibungen auf Beobachtungen beruhende Entscheidungsfindungen zu erleichtern (vgl. Jansen 2007: 111f.). Dazu gehört neben der Konfrontation mit Fremdbeschreibungen z.B. auch die oftmals impliziten und nicht bewussten Kriterien bewusst zu machen, die der eigenen Selbstbeschreibung zu Grunde liegen. PR-Berater stehen dabei als wirtschaftlich eigenständige Einheiten in einem gewerblichen Dienstleistungsverhältnis zu ihrem Auftraggeber und erbringen in seinem Auftrag spezielle Dienstleistungen, die auf die Lösung von Beobachtungs- und Interaktionsprozessen bzw. Kommunikationsproblemen bezogen sind (vgl. Nöthe 1994: 66). PR-Beratung kann damit als ein Spezialfall der Organisationsberatung betrachtet wer-
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den. In Anlehnung an gängige Definitionen der Organisationsberatung (vgl. u.a. Hafner/Reineke 1992: 30f.) wird PR-Beratung hier definiert als „eine fallspezifische, von externen Einzelberatern oder Organisationen angebotene komplexe Dienstleistung, die zur Reflexivitätssteigerung und zur Lösung von Entscheidungsproblemen der Klientenorganisation beiträgt, welche den Aufbau und die Gestaltung von kommunikativen Umweltbeziehungen betreffen bzw. von diesen tangiert werden.“
Unterscheidung von interner und externer PR
Unter Rückgriff auf die bereits dargelegten Überlegungen zur Beobachtung 1. und 2. Ordnung können interne und externe PR systematisch anhand der je relevanten Beobachtungsoperationen unterschieden werden (siehe Abb. 2, vgl. Röttger 2005). Abb. 2: Beobachtungsoperationen interner und externer PR
Quelle: Röttger 2005: 16.
Interne PR optimiert als Grenzstelle von Organisationen deren Beobachtungskapazitäten. Ihr obliegt als Bestandteil der Organisation die interne Beobachtung der Organisation selbst (B(i)) und die Beobachtung relevanter Stakeholder in der Organisationsumwelt aus Perspektive der Organisation (B(st)). Um eine Reflexierung der Organisation zu ermöglichen und Input für Entscheidungen im Umgang mit den Divergenzen zwischen Selbst- und Fremdbeschreibungen zu liefern, versucht PR zudem die Perspektive externer Stakeholder zu antizipieren: Interne PR beobachtet die Organisation im Sinne einer Simulation der Fremdperspektive durch die Brille der Stakeholder. Dies ist das zentrale Dilemma interner PR: Sie muss die Organisation quasi aus einer externen Perspektive beobachten, ist aber Teil der Organisation selbst. Demgegenüber können ex-
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terne PR-Funktionsträger, die als organisatorisch und wirtschaftlich eigenständige Einheiten nicht Teil der Organisation sind, diese nicht nur aus einer simulierten, sondern tatsächlich externen Perspektive beobachten. Externalität kann in diesem Zusammenhang als günstige Voraussetzung für die Erzeugung von Reflexivität angesehen werden (vgl. Hoffmann/Steiner/Jarren 2007: 49). Ihre Externalität hat zudem weitere Konsequenzen, zum Beispiel in Bezug auf das ihnen zur Verfügung stehende Wissen. Organisationsberatungen sind Prototypen der wissensintensiven Organisation (vgl. u.a. Willke 1998a; Willke 1998b; Alvesson 1995; Starbuck 1992). PR-Dienstleister stehen vor der kontinuierlichen Herausforderung, Wissen zu generieren und zu systematisieren. Während sie insbesondere über PRspezifisches Wissen verfügen, hat das Klientensystem bezogen auf branchenrelevante Daten und vor allem auf die organisationseigenen Prozesse – dazu zählen neben ökonomischen Aspekten auch soziale Verhaltensmuster – einen Wissensvorsprung. Zur Entwicklung adäquater Problemlösungen sind PR-Berater daher auf Informationen durch ihre Klienten angewiesen, auf deren Input und deren Unterstützung. Der Prozess der Dienstleistungserstellung ist von einer starken Integration des „externen Faktors“, d.h. des Kunden geprägt (vgl. u.a. Meffert/Bruhn 2003: 27ff.). PR-Dienstleistungen sind in hohem Maße auftraggeber- und kontextabhängig. Wie sich der für die Beratungsleistung relevante Informationsaustausch in der informationellen Asymmetrie ausgestaltet, ist nicht zuletzt eine Frage des Vertrauens (vgl. Kap. 3). Da PR-Beratung wie bereits erwähnt kommunikativ zu bearbeitende Entscheidungen fokussiert, die sich aus wechselseitigen Beobachtungs- und Interaktionsbeziehungen zwischen einer Organisation und ihren Umwelten ergeben, agiert PR-Beratung immer unter Bezugnahme auf öffentliche Kommunikation, sei es im Versuch der Verhinderung öffentlicher Kommunikation oder Bezug nehmend auf öffentlich vermittelte bzw. zumindest partiell öffentlich beobachtbare Kommunikationsbeziehungen. Dies hat Folgen für die Minimalstruktur der Interaktionsbeziehungen: Während in der klassischen Organisationsberatung die Dyade als Standardstruktur (Berater/Klient) angesehen werden kann, ist in der PR-Beratung die Triade (Berater/Klient/Bezugsgruppen bzw. Öffentlichkeit) als Minimalstruktur anzusehen (siehe auch den Beitrag von Saam in diesem Band). Die im Kontext öffentlicher Kommunikation angesiedelten Gegenstände der Beratung und die sich daraus ergebenden Anforderungen an Beratung verlangen im Kontext einer Theorie der PR-Beratung also ebenfalls besondere Aufmerksamkeit. 2.3
Spezifika der Gegenstände von PR-Beratung
Beratung des internen Kommunikationsmanagements oder der Organisationsleitung, Beratung in Fragen der Unternehmenskultur, von Veränderungsprozessen oder bei Medienkooperationen: Zunächst fällt die große Heterogenität der angebotenen Dienstleistungen, der anbietenden Dienstleister und der je angesprochenen Bezugsgruppen auf. Die für PR-Beratung typische triadische Struktur zwischen Auftraggeber, PRDienstleister und den jeweiligen Bezugsgruppen (vgl. Bentele/Nothhaft 2004; Nothhaft
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2002; Röttger 2009) verdeutlicht, dass Auftraggeber und Dienstleistungsnutzer im Fall der PR-Beratung regelmäßig nicht identisch sind. PR-Dienstleistungen werden in der Regel nicht am Kunden (Auftraggeber) selbst, sondern an dessen Bezugsgruppen erbracht. Dies hat u.a. Folgen für die Leistungs- und Qualitätsbewertung, die der Auftraggeber nicht oder nur sehr begrenzt aus eigenem Erleben oder eigener Erfahrung heraus treffen kann. Um PR-Beratung und insbesondere deren Effekte bewerten zu können, müssen daher die unterschiedlichen Leistungserwartungen der zentralen Anspruchsträger „Auftraggeber“ und „Bezugsgruppen“ berücksichtigt werden. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass zahlreiche Spezifika der PR-Beratung für deren Klienten besondere Risiken darstellen: Neben der triadischen Struktur, die zum einen die Komplexität der Effektbewertung für die Auftraggeber erhöht und zum anderen eine potenzielle Informationsasymmetrie zu Gunsten der PR-Beratung impliziert, z.B. weil diese über spezifisches Detailwissen bzgl. ausgewählter Bezugsgruppen verfügt, sind insbesondere die nur schwer evaluierbaren Wirkungen von (öffentlicher) Kommunikation zu nennen. Komplexität von Kommunikationswirkungen
Der vielschichtige Wirkungsbegriff wird traditionell definiert als „Veränderung von Wissen, Einstellungen oder Verhalten als (kausal verursachte) Folge von Kommunikation“ (Schmidt/Zurstiege 2000: 93). In der PR- und Werbepraxis finden sich weit verbreitet unilineare Steuerungsannahmen, die eine eindeutige Kausalität zwischen Kommunikationsmaßnahmen und ihren Wirkungen unterstellen. Regelmäßig wird hier klassischen Stimulus-Response-Modellen gefolgt, deren Wirkungsbeziehung analog dem Einwirken einer physikalischen Kraft auf einen Gegenstand konzipiert wird (vgl. dazu Merten 1999: 334). Ein solcher Rückgriff auf Stimulus-Response-Annahmen und die damit verbundenen Annahmen der Transitivität, Proportionalität und Kausalität als elementaren Funktionsprinzipien von Kommunikation (vgl. ebd.) wird der alltäglichen PR-Realität aber nicht gerecht. Denn wie auch immer geartete Wirkungen von Kommunikation beruhen letztlich auf dem komplexen Zusammenspiel einer Vielzahl von Einzelfaktoren, die analytisch-empirisch nur isoliert und damit unter Ausklammerung permanent einwirkender intervenierender Variablen erfassbar sind. Insofern sind Wirkungen immer nur partiell zu erfassen. Aufgrund der Mittel- und Langfristigkeit von Kommunikations- bzw. PR-Wirkungen ergeben sich zudem Probleme der zeitlichen Zurechenbarkeit von Kommunikationsmaßnahmen und Kommunikationswirkungen. Die allgemeinen Probleme der Erfassung und Bewertung von Kommunikationswirkungen potenzieren sich im Falle öffentlicher Kommunikation u.a. durch die Komplexität der verschiedenen Öffentlichkeitsebenen und Selektionsstufen (siehe hierzu u.a. Gerhards/Neidhardt 1991), sowie der Vielzahl vorab unbekannter Sprecher und Akteure, die sich zu einem Thema äußern, es kommentieren und bewerten oder es in den Kontext anderer Themen stellen und somit neu interpretieren. Organisationen, die – mit oder ohne Unterstützung durch PR-Berater – öffentlich kommunizieren, müssen sich an die Laienorientierung des Publikums anpassen, ohne vorab im Detail zu wissen, wer das Publikum sein wird und wie es reagieren wird. Öffentlich kommunizierende Orga-
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nisationen und deren PR-Berater handeln damit in der Regel ohne genaue Kenntnisse der Wirkungsfolgen und unter der Bedingung einer begrenzten Steuerbarkeit öffentlicher Kommunikations- und Thematisierungsprozesse. Aus Perspektive der PR-Berater bedeutet dies, dass diese regelmäßig Lösungsvorschläge zum Umgang mit Situationen entwickeln müssen, in denen trotz fehlender Kenntnis über die Wirkungen des eigenen Handelns bzw. des Klienten-Handelns, trotz unklarer Wege und Mittel zur Zielerreichung gehandelt werden muss. Beratung, die sich mit dem Beziehungsfeld von Organisationen, mit wechselseitigen Beobachtungen und Beschreibungen befasst, ist regelmäßig mit komplexen, schlecht strukturierbaren Situationen, mit nicht vorhersehbaren Entwicklungen konfrontiert, in denen kausal-lineare Lösungen nur begrenzt erkennbar sind bzw. mit hoher Wirkungssicherheit angewendet werden können. Gegenstände von PR-Beratung sind also potenziell öffentlich beobachtbare (Kommunikations-)Beziehungen einer Organisation mit ihren Stakeholdern. Die Zahl der Beziehungspartner geht theoretisch ins Unendliche. Ihre jeweilige Beziehungsintensität ist oftmals unbekannt und ändert sich im Zeitverlauf. „Der Prozess der Beratung bleibt bei aller Sorgfalt in Vorbereitung, unmittelbarer Leistung am Kunden, Reflexion und Evaluation ein extrem sensibles, leicht zu irritierendes Unterfangen“ (Staubach 2008: 6): Die Reaktanz des Feldes sowie die Dynamik und die Komplexität öffentlicher Kommunikationsprozesse führen dazu, dass PR-Beratung von hohen Unsicherheiten begleitet ist und in der Folge Beratungsprozesse und deren Konsequenzen nur begrenzt plan-, steuer- und voraussagbar sind. Ein weiteres aus diesen Umständen resultierendes Charakteristikum für PRBeratung ist, dass es bei der Einschätzung bezüglich der Beziehungen zwischen der Organisation und ihren Stakeholdern weniger um Faktenwissen, sondern vielmehr um Bewertungswissen geht. Wertwissen als Orientierungsmaß
Der Wirtschaftswissenschaftler und Psychologe Timo Meynhardt (2003) hat darauf hingewiesen, dass Organisationen (und folglich auch deren Berater) heute immer häufiger mit komplexen Situationen konfrontiert sind, in denen Sach- und Faktenwissen2 und einfache Standardlösungen an Grenzen stoßen. Er unternimmt daher mit seinem Ansatz des „Wertwissens“ den Versuch, den vermeintlichen in der betriebswirtschaftlichen und organisationstheoretischen Literatur vorhandenen Gegensatz von Wissen und Werten aufzuheben und Werte als handlungsleitende Wissensform in Organisationen aufzuwerten. Individuen orientieren sich allgemein stark sozial (vgl. Kramer 2006: 5), das heißt, neben rationalen Komponenten gilt es in Interaktionssituationen die emotionale Seite zu beachten (vgl. Fischer/Tewes 2001: 308). Je weniger kausal-lineare Lösungen für Handelnde erkennbar sind bzw. angewendet werden können, desto eher greifen Men2
Sachwissen umfasst im Sinne analytisch korrekter Schlussfolgerungen Aussagen, die ohne subjektive Bewertung und ohne Rückgriff auf den Aussagenden selbst auskommen, in diesem Sinne wertfrei sind (Meynhardt 2003: 52f.).
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schen auf scheinbar irrationale Orientierungshilfen wie Meinungen, Einstellungen, Überzeugungen oder Intuition zurück. Diese und weitere Phänomene werden von Meynhardt als Wertwissen beschrieben. Wertwissen umfasst Phänomene die Orientierung bieten, wie man typischerweise mit bestimmten Problemen umgeht (Bewertungsmaßstäbe) (vgl. Meynhardt 2003: 53). Letztlich beinhaltet Wertwissen Bewertungsprozesse, die nicht vollständig durch gesicherte Erkenntnis begründet werden können. Dieses Wissen ist als Ausdruck einer Beziehung zwischen einem wertendem Subjekt und einem bewerteten Objekt zu verstehen, das nicht außerhalb der Beziehung existiert. Wertwissen und Sachwissen konstituieren sich gegenseitig, wenngleich fließende Grenzen zu beobachten sind, sie also selten in Reinform auftreten. Allerdings sind etwa Produktionsabläufe oder Fragen der Buchhaltung nicht in gleicher Weise unternehmenskulturell überformt wie die Wertschätzung für Leistungsstreben. Im Kontext öffentlicher Kommunikation, in Bezug etwa auf die Prognose der Entwicklung öffentlicher Thematisierungsprozesse oder die Chancen einer De-Thematisierung spielt Wertwissen im Sinne Meynhardts eine zentrale Rolle. Dies unterstreicht wiederholt die Situationsgebundenheit und die Komplexität von PR-Beratung. 2.4
PR-Beratungsrollen
Neben der Berücksichtigung der komplexen Charakteristika der Gegenstände von PRBeratung ist es zudem erforderlich, unterschiedliche PR-Beraterrollen zu systematisieren, um die wechselseitigen Erwartungen und Interpretationen im Beratungssystem explizit erfassen zu können. Rollen sind zu verstehen als Aggregate der Leistungserwartungen und der durch Rolleninhaber interpretierten Erwartungen, die an die PRBeratung gestellt werden bzw. der Realisierung eigener Verhaltensvorstellungen – im Sinne des Role-Making (Mead/Morris 2000) und Role-Taking (Turner 1962). Rollen werden in kommunikativen Interaktionsbeziehungen durch Wahrnehmung und Interpretation von Erwartungen und Abgleich dieser mit den eigenen Rollenvorstellungen ausgehandelt und „sorgen für regelmäßiges, vorhersagbares Verhalten als Voraussetzung für kontinuierlich planbare Interaktionen“ (Peuckert 2000: 290). Die Rolle selbst ist nicht immer Merkmal eines einzelnen Akteurs, sondern Abstraktion von Aufgaben und Leistungen seiner Organisation. Die Unterscheidung von Mikro- und Meso-Ebene und damit von individuellem PR-Berater einerseits und der Beratungsorganisation (Agentur) andererseits ist bedeutsam. Zudem sind beide Ebenen interdependent: Erwartungen an die Rolle der Beratungsorganisation schlagen sich auf der Mikroebene in Erwartungen an die Rolle individueller Berater nieder und umgekehrt. Rollenerwartungen gewährleisten in ihrer Komplementarität die grundlegende Differenz externer Berater und ihrer Klienten (vgl. Hoffmann/Jarren/Steiner 2007: 58ff.). Eine differenzierte Betrachtung der Rollenkonstellationen von PR-Beratung steht noch aus; vorliegende Typologisierungen wurden in der Regel nicht theoriegeleitet entwickelt und sind entsprechend unsystematisch. Aus der Literatur lassen sich allerdings
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zwei zentrale Rollendimensionen ableiten, die sich auf entgegengesetzten Polen gegenüberstehen und die die Differenz von Rat und Tat als Ausgangspunkt nehmen (siehe Abb. 3): Die Experten- versus Prozessberatung einerseits und die konzeptionelle versus umsetzungsorientierte Beratung andererseits. Abb. 3: Idealtypische Rollendimensionen der PR-Beratung
Quelle: Eigene Darstellung.
Typisch für die Expertenberatung ist die Delegation der Problemlösung vom Klienten an den Berater; Expertenberater liefern Ideen, Informationen und Interpretationen und entwickeln für das Klientensystem konkrete Lösungsvorschläge. Experten bearbeiten Probleme im Sinne von begründbaren, sachlogischen und regelgeleiteten Ableitungen, sie wenden primär Regelwissen in einem technisch-instrumentellen Sinne an (vgl. Dewe et al. 1995; 17f.). Demgegenüber steht bei der Prozessberatung stärker die „Hilfe zur Selbsthilfe“ im Vordergrund: Der Berater initiiert und strukturiert den Problemlösungsprozesses ohne selbst inhaltlich an der Entwicklung der Lösung beteiligt zu sein. Ihm kommt insbesondere die Aufgabe zu, dem Klientensystem das notwendige Prozess-Know-how zur Verfügung zu stellen und dessen Problemlösungskapazität zu verbessern. Die beiden Rollendimensionen sind voneinander unabhängig und sind in unterschiedlicher Form kombinierbar: So ist sowohl eine Prozessberatung denkbar, die sich mit konzeptionellen Fragen beschäftigt, als auch stärker umsetzungsorientierte Prozessberatung (z.B. im Kontext der Optimierung konkreter Kommunikationsinstrumente). Gleiches gilt für die Expertenberatung, die ebenfalls stärker konzeptionell oder umsetzungsorientiert ausgerichtet sein kann.
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Idealtypisch ist Beratung – wie bereits erwähnt – analytisch von operativ ausgerichteten Dienstleistungen zu unterscheiden: Beratung ist nicht Entscheidung und Beratung ist nicht Umsetzung. Gleichwohl können aber unterschiedliche Formen der PRBeratung nach ihrer Nähe zu konkreten Umsetzungsfragen unterschieden werden: Während konzeptionelle Beratung an grundlegenden Fragen der Kommunikationsstrategie und des Kommunikationsmanagements ansetzt, gibt umsetzungsorientierte Beratung Rat mit Blick auf die Planung und Umsetzung konkreter Kommunikationsmaßnahmen. Beide Formen der Beratung – und dies ist entscheidend – greifen die grundlegende Differenz von Rat und Tat auf, gleichwohl ist insbesondere bei der umsetzungsorientierten Beratung die Nähe zu operativ ausführenden Tätigkeiten deutlich größer. Die reine Beratungsfunktion ist als Idealtyp von PR-Beratung anzusehen. Mit Blick auf die Praxis zeigt sich jedoch, dass die Übergänge von Rat zu Tat fließend sind und eine rein Rat gebende, umsetzungsferne Beratung in der PR vermutlich eher selten anzutreffen ist. Viele Formen der empirisch vorfindbaren „Beratung“ müssen daher eher als operative Dienstleistung und weniger als Beratung im engeren Sinne bezeichnet werden. Hier zeigen sich Unterschiede zwischen PR-Beratung und anderen Formen der Beratung von Organisationen. Unternehmensberatung fokussiert etwa auf die Bearbeitung betriebswirtschaftlicher Probleme, ohne dabei in der Regel für die Implementierung der vorgeschlagenen Problemlösungen engagiert zu werden. „PR-Beratung“ ist demgegenüber – das zeigt zumindest der empirische Blick – in hohem Maße in die Implementierung involviert. Eine aktuelle Befragung in Österreich von über 200 Unternehmen, die mit PR-Agenturen zusammenarbeiten, zeigt beispielsweise, dass Agenturen dort quasi als verlängerte Werkbank zu betrachten sind: Über die Hälfte der Auftraggeber entwickelt PR-Konzepte selbst und nur ein geringer Teil erarbeitet sie zusammen mit der Agentur (9%) bzw. lässt das PR-Konzept allein durch die Agentur entwickeln (6%) (vgl. Jurik 2008: 60); die Agenturen dienen hier in erster Linie zur Ausführung bereits ausgearbeiteter Konzepte. PR-Beratung, die völlig losgelöst von Fragen der Umsetzung erfolgt, existiert in der Praxis im Unterschied zur Unternehmensberatung eher nur in Ausnahmefällen. In der Konsequenz ist daher eine Distanzierung des Beraters von konkreten Ergebnissen oder Effekten des Beratungsprozesses in der PR-Beratung weniger möglich als bei anderen, stärker managementorientierten Formen der Organisationsberatung. Grundsätzlich ist allerdings davon auszugehen, dass sich unterschiedlich ausgeprägte PR-Beratungsrollen zwischen den skizzierten Polen beschreiben lassen. Zugleich ist anzunehmen, dass Berater in der Praxis mehrere Rollen im Portfolio haben, die sie jeweils situationsspezifisch und gemäß den konkreten Kundenerwartungen einsetzen. Die ausgeprägte Umsetzungsnähe externer PR-Dienstleister hat erwartbar Folgen: Sofern PR-Berater auch eine Umsetzung ihrer Beratungsinhalte anbieten, droht möglicherweise ein Verlust an Autonomie durch die eigene Involvierung in organisationale Prozesse. Denn PR-Berater, die stark umsetzungsorientiert arbeiten, werden partiell zu Betroffenen, denen geringere Glaubwürdigkeit und höhere Eigeninteressen als nichtinvolvierten Akteuren zugeschrieben werden.
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Eingangs wurde betont, dass die bisherige Forschung zur PR-Beratung insbesondere bezüglich der Beschreibung und Analyse der Beratungsbeziehungen, die das Beratungssystem konstituieren, Lücken aufweist. Mit Blick auf die sozialen Beziehungen wurden die Rollenkonstellationen als Ausdruck wechselseitiger Erwartungen diskutiert sowie die diffizilen Gegenstände der PR-Beratung, die in Teilen die Erwartungserfüllungen erschweren. Hinsichtlich der Möglichkeiten beraterischer Intervention sollen im nächsten Kapitel insbesondere Fragen des Vertrauens, aber auch der Kontrollmechanismen in den Mittelpunkt rücken, die als wesentliche Komponenten von Dienstleistungsbeziehungen angesehen werden können (vgl. Di Luzio 2005: 69), ohne dass jedoch ihre genauen Ausprägungen in der Literatur hinreichend erläutert werden.
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Vertrauen und Kontrolle als zentrale Merkmale des Beratungssystems
Untersuchungen zum Vertrauen in PR-Beratung
Vertrauen in Personen gilt als Voraussetzung jedweder sozialer Beziehung und gilt zusammen mit dem Vertrauen in Organisationen sowie dem Vertrauen in soziale Systeme (Wahlsystem, Gesundheitssystem etc.) zugleich als ein universelles Phänomen. Entsprechend ist Vertrauen Gegenstand der Auseinandersetzung vieler unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen: Die Soziologie, die Psychologie, die Politikwissenschaft, die Wirtschaftswissenschaft und in jüngster Zeit auch die Kommunikationswissenschaft befassen sich mit unterschiedlichen Aspekten des komplexen Konstruktes Vertrauen (für einen knappen Überblick siehe Bentele/Seidenglanz 2005: 347ff.). Ein kontinuierliches Bestreben ist disziplinübergreifend die Erforschung von Vertrauen zwischen Organisationen (vgl. u.a. Sako 1992; Loose/Sydow 1994). Vertrauen realisiert sich jedoch erst in den sozialen Beziehungen und zwar basierend auf den Erfahrungen der Interaktion, den Interpretationen der Handlungen des anderen (z.B. Kompetenzzurechnungen) (vgl. Raschke/Tils 2007: 403f.). Empirische Studien, die sich allgemein mit der Zusammenarbeit von Unternehmens- bzw. Organisationsberatern und deren Klienten befassen und das Kriterium Vertrauen dabei explizit abfragen, betonen durchweg die Relevanz von Vertrauen als Auswahlkriterium (vgl. u.a. Wick 2000; Meffert 1990; Grechuchna 2006). In einer landesweiten Berufsfeldstudie ermittelten Röttger, Hoffmann und Jarren als zentrale Faktoren, die bei der Agenturauswahl aus Sicht der Klienten eine Rolle spielen a) eine vorherige erfolgreiche Zusammenarbeit, b) Branchenkenntnisse, c) eine stimmige und adäquate Konzeptpräsentation durch die Agentur, sowie d) der gute Ruf der Agentur und e) eine ähnliche Philosophie von Agentur und Unternehmen (vgl. Röttger/Hoffmann/Jarren 2003: 234). Die wenigen vorliegenden Arbeiten zur Rolle von Vertrauen im Kontext der PR-Beratung stammen überwiegend aus den Wirtschaftswissenschaften (Grechuchna 2006; Gierl 1999; Wiedenfels 2007). In der Kommunikationswissenschaft wurde Vertrauen bislang eher vereinzelt und in nicht aufeinander Be-
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zug nehmenden Arbeiten analysiert. Es liegen nur wenige grundlegende Konzepte von Vertrauen vor (Kohring 2004; insbes. Bentele 1994). Dies gilt auch für Analysen zu Vertrauen im Kontext von Organisationen und ihrer internen und externen Kommunikation3. Erste Hinweise auf Risikopotenziale in der PR-Beratung kann eine Untersuchung von Reinhold Fuhrberg zu den Konfliktthemen und -potenzialen zwischen Beratern und Klienten liefern. Fuhrberg analysierte jedoch ausschließlich die Perspektive der PR-Berater (Fuhrberg 1996: 90ff.). Er ermittelte in einer qualitativen Befragung von 37 PR-Beratern folgende zentrale Konfliktpunkte: Häufig wechselnde Kundenberater, überzogene Honorarforderungen, gute Präsentation – aber schlechte Umsetzung, Überziehen von Budgets, Nichteinhaltung von Zusagen und Deadlines sowie unklare Rechnungen (vgl. ebd.: 91; vgl. ähnlich für Österreich Jurik 2008). Es lässt sich konstatieren: Die aus der Prinzipal-Agent-Theorie (vgl. u.a. Saam 2002; 2007) allgemein bekannten Probleme des Klienten, Vertragspartner wie z.B. PRBerater und deren Leistungen vollumfänglich beurteilen zu können – hidden charakteristic, hidden intentions, hidden knowledge/information, hidden action – verschärfen sich im Falle der PR-Beratung für die Klienten aufgrund der aufgeführten Spezifika der Beratungsgegenstände. Die Eigenschaften der Leistungen können in der Regel aufgrund der komplexen Problemstellung nicht exakt geklärt werden (vgl. Kaiser/Ringlstetter 2006: 101). Vertrauen als Mechanismus zur Reduktion von Komplexität
Die Schwierigkeit der Klienten, Effektivität und Effizienz der Arbeit von Beratern bzw. der Beratungsleistungen zu beurteilen wird zudem deutlich, wenn wir die Merkmale von PR-Beratungsdienstleistungen nochmals genauer betrachten: PR-Beratung wurde als spezifische Dienstleistung konzipiert, die von externen PR-Funktionsträgern für Organisationen erbracht wird. Als konstitutive Eigenschaften von Dienstleistungen, die auch auf PR zutreffen, gelten (vgl. u.a. Meffert/Bruhn 2003; Nerdinger 1994): ein immaterielles Leistungsangebot auf Basis bestimmter Leistungspotentiale des Anbieters, die Synchronität von Dienstleistungserbringung und Entgegennahme durch den Nachfrager (Nicht-Lagerfähigkeit und Nicht-Transportfähigkeit), die Integration eines „externen Faktors“ in den Dienstleistungsprozess. Abnehmer von PR-Dienstleistungen sind daher tendenziell „überforderte Beobachter“ (Luhmann 1990: 245ff.), die vorab gar nicht und auch im Nachhinein nur begrenzt die Qualität der Beratung beurteilen können. Sie müssen in hohem Maße vertrauen. Zudem orientieren sie sich an unterschiedlichen Ersatzcodes, etwa Reputation, Selbstdarstellungskompetenzen der PR-Berater, spezifischen Wissensangeboten, der Einhaltung von 3
Siehe hierzu die Magisterarbeit von Andreas Voß, der sich intensiv mit Fragen des Vertrauens im Kontext der internen Kommunikation und Unternehmensführung befasst hat (Voß 2006; siehe auch Röttger/Voß 2008). Die Rolle von Vertrauen in der Zusammenarbeit von Unternehmen mit PR-Agenturen hat Stefanie Löhn (2008) in ihrer Magisterarbeit aus Kundenperspektive analysiert (siehe hierzu auch den Beitrag von Löhn/Röttger in diesem Band).
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allgemeinen gesellschaftlichen Werten und Normen (Fischer/Tewes 2001: 308) oder eingeführten Kennziffern, Standards und Gütesiegeln der Branche – wie sie intensiv und weitreichend z.B. im Kontext des Qualitätsmanagements in Agenturen eingeführt wurden.4 Es ist aufschlussreich, sich an dieser Stelle die Differenz von interner PR-Arbeit und externer PR-Beratung vor Augen zu führen: Im Falle interner PR-Funktionsträger wird das Risikoempfinden u.a. durch Mitgliedschaftsregeln kompensiert. Vertrauen im Fall der PR-Beratung ist hingegen ein zirkuläres Phänomen; Vertrauensbeziehungen stabilisieren sich rekursiv (Drepper 2006: 195f.; Sydow 1998: 40f.). Das heißt, Vertrauen setzt ein gewisses Maß an Vertrauen auf der Grundlage von Vorerfahrungen voraus (Mencke 2005: 149). Dieses kann beispielsweise bei der allerersten Begegnung und Interaktion geprägt werden und wird dann in der weiteren Kooperationsfolge verfestigt oder erschüttert bzw. zerstört. Klienten, die die Erfahrung gemacht haben, dass ihre Vertrauensentscheidung in einen PR-Berater positiv bestätigt wurde, werden diesem am ehesten erneut Vertrauen schenken (vgl. auch Ahlert/Kenning/Petermann 2001: 287). Theoretisch bedeutsam zur weiteren Beschreibung von Vertrauen im Kontext von PR-Beratung sind vor allem der funktionalistische Ansatz von Luhmann, der als „Referenzpunkt der jüngsten Konjunktur des Vertrauensthemas“ (Endreß 2002: 28) gilt, sowie die Theorie des Vertrauens von Kohring (2004). Ausgangspunkt der dahinter stehenden Überlegungen ist, Vertrauen als Mechanismus zu konzeptualisieren, der die soziale Komplexität reduziert und Unsicherheit bzw. Risiko tolerierbar macht (vgl. Luhmann 1989: 5), wobei der Bedarf für Vertrauen auch von der Verfügbarkeit bzw. Nichtverfügbarkeit funktionaler Äquivalente abhängig ist. Vertrauen ist ein wesentliches Element im Umgang mit wahrgenommenen Risiken in Beratungsbeziehungen. Weitere Mechanismen zur Minimierung von Risiken sind beispielsweise Verträge oder speziell eingerichtete Kontroll- und Informationssysteme. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass PR-Beratung für Klienten von zahlreichen Unsicherheiten bzw. Risiken geprägt ist: Ob die (kontingente) Entscheidung für die Zusammenarbeit mit einer PRAgentur sich als richtig herausstellt, hängt vom (kontingenten) Verhalten der PRAgentur bzw. ihrer Berater ab: Handeln die Berater beispielsweise tatsächlich im Sinne der Organisation, verfügen sie z.B. über die versprochene Expertise und setzen sie diese richtig ein? Angesichts dieser und weiterer zahlreicher Unsicherheiten ist es Ziel der Klienten – allerdings auch der Berater –, die Handlungen und Entscheidungen im Beratungssystem möglichst gut zu kontrollieren. Dabei sollte bereits deutlich geworden sein, dass Erfahrungen und Erwartungen der erneuten Erfüllung der Erfahrungen eine entscheidende Rolle spielen: „Wer Vertrauen erweist, nimmt Zukunft vorweg. Er handelt so, als ob er der Zukunft sicher wäre.“ (Luhmann 1989: 8) Vertrauen bringen sich mindestens zwei in einem sozialen Kontext involvierte Akteure entgegen, die sich wechselseitig beeinflussen können und die nicht vollständig 4
Vgl. zum Aspekt der Gütesiegel im Zusammenhang mit Vertrauen in Unternehmen auch Hubig/ Simoneit 2007: 183.
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determiniert sind (vgl. Möllering/Sydow 2005: 66). Vertrauen bietet Handlungsoptionen in Situationen, in denen Akteure eigentlich aufgrund unvollständigen Wissens und mangelnder Informationen handlungsunfähig wären. Vertrauen ist damit zugleich eine „riskante Vorleistung“ (Luhmann 1973: 23), eine als-ob-Unterstellung, die enttäuscht werden kann (Kron/Schimank/Lasarczyk 2003: 376). Ähnlich wie bei der Unterscheidung von Rollenerwartungen auf der Mikro- und Meso-Ebene gilt es bei Vertrauenssituationen zu differenzieren zwischen einzelnen Personen, d.h. interpersonalem Vertrauen und Systemvertrauen, d.h. Vertrauen in (Organisations-)Systeme als Vertrauensobjekte. So ist danach zu fragen, ob und inwieweit Systemvertrauen im Kontext der PR-Beratung eine Rolle spielt. Erste empirische Befunde (vgl. Löhn 2008: 105f.) weisen darauf hin, dass der Stellenwert von Systemvertrauen und interpersonalem Vertrauen sich im Laufe des Beratungsprozesses verändert: Während zu Beginn des Beratungsprozesses Systemvertrauen von hoher Bedeutung für die Klienten ist, gewinnt im voranschreitenden Beratungsprojekt das interpersonale Vertrauen deutlich an Bedeutung und das Systemvertrauen wird nachrangig (vgl. zu der Aufteilung – erweitert in Personen-, Institutionen und Systemvertrauen – auch Kaiser/Ringlstetter 2006: 104). Zugleich ist davon auszugehen, dass personales und System-Vertrauen nicht nur wesentliche Auswahlkriterien sind, sondern sich zudem im Beratungsprozess gegenseitig (positiv) beeinflussen (vgl. Greschucha 2006: 169). Zentral ist in diesem Zusammenhang die Frage, wie im Gegenüber Gründe für eine Vertrauenswürdigkeit bzw. einen Vertrauensentzug in der Interaktion identifiziert werden. Faktoren von Vertrauenswürdigkeit umfassen a) die erwartete Handlungsfähigkeit (Kompetenz, Können; ability), b) Aspekte der Handlungsbereitschaft (Integrität, Wollen; integrity) als auch c) Wohlwollen gegenüber dem Klienten (benevolence) (vgl. Mayer/Davis/Schoorman 2006: 90ff.). Des Weiteren ist von Interesse, welcher Art, Dauer und Variabilität die Erwartungen sind, die sich auf den Interaktionspartner richten. Dies inkludiert zu beschreiben und zu analysieren, welche Merkmale im PRBeratungsprozess ausschlaggebend für die Entgegenbringung von Vertrauen sind: Während z.B. Ärzte durch den Doktortitel, Symbole wie den weißen Kittel und eventuell auch die Benutzung einer Fachsprache (kompetent und) vertrauenswürdig erscheinen, so ist in Bezug auf PR-Berater unklar, woran sich Klienten orientieren, um zu entscheiden, ob sie einem Berater vertrauen können oder nicht. Ein weiterer offener Punkt sind etwaige ‚Vertrauensstrategien’ der Berater selbst, inwiefern sie also aktiv versuchen, einen Beitrag für ihre Vertrauenswürdigkeit zu leisten.
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Dimensionen von Vertrauen
Kohring begreift eine Vertrauenshandlung als „eine Handlung, die das wahrgenommene Risiko, Handlungsverantwortung an andere Akteure zu delegieren, kompensiert und dadurch Handlungsoptionen aufrechterhält, die sonst nicht möglich gewesen wären. Indem es selektives Anschlusshandeln ermöglicht, reduziert Vertrauen Komplexität.“ (Kohring 2006: 124)
Vertrauensrelationen implizieren eine Delegation von Handlungsverantwortung seitens des Vertrauenssubjektes, trotz des damit verbundenen und wahrgenommenen Risikos, das nicht durch anderweitige Mechanismen abgesichert ist. Die Übertragung von Handlungsverantwortung ist seitens des Vertrauenssubjektes mit spezifischen Erwartungen an das Vertrauensobjekt verbunden und sie ist dann erfolgreich, wenn das Vertrauensobjekt die an sie gerichteten Leistungserwartungen erfüllt. Vertrauen richtet sich demnach auf bestimmte empirische Leistungen (vgl. ebd. 2004: 122), auf spezifische Funktionen, die von dem Vertrauensobjekt erwartet werden. Diese Dimensionen von Vertrauen sind jeweils im Einzelfall zu bestimmen. Es ist davon auszugehen, dass die unterschiedlichen Erwartungen des Vertrauenssubjektes simultan durch das Handeln des Vertrauensobjektes erfüllt werden müssen, um Vertrauen zu ermöglichen. Ein solcher Vertrauensbegriff löst sich von statischen Merkmalszuschreibungen zu einzelnen Akteuren und betont stattdessen die Wichtigkeit von Interaktionen in Vertrauensrelationen (Kohring 2002: 108). Welche Vertrauensdimensionen im Detail in Interaktionen zwischen PR-Beratern und Klienten bedeutsam sind, lässt sich letztlich nur empirisch beantworten. Auf der Grundlage der bisherigen Überlegungen zu PR, zu Organisationsberatung allgemein und PR-Beratung im Speziellen lassen sich jedoch erste Annahmen über mögliche Funktionserwartungen treffen, die aus Sicht der Klienten von den Beratern im Beratungshandeln erfüllt werden müssen, um Vertrauen zu ermöglichen: Vertrauen in die neutrale („interessenlose“) Außenperspektive des Beraters Vertrauen in die richtige Problem- und Situationsanalyse durch den Berater (u.a. wg. seiner Beobachtungsperspektive 2. Ordnung) Vertrauen in die Anregung neuer Reflexionsprozesse und deren Etablierung in der Organisation durch den Berater (inkl. Steigerung der Entscheidungsfähigkeit der Klientenorganisation) Vertrauen in die Formulierung von relevanten Veränderungsimpulsen sowie die Irritation in Bezug auf dysfunktionale Routinen und die Implementierung einer neuen Selbststeuerungskompetenz Vertrauen in die Ausarbeitung einer adäquaten Problemlösungsstrategie: Vertrauen nicht nur in die Fähigkeit der Formulierung, sondern auf Wunsch auch Umsetzung einer tragfähigen Problemlösung Vertrauen in die Loyalität des Beraters und sein Engagement für den Kunden Vertrauen in die Handlungsfähigkeit und Handlungsbereitschaft des Beraters (operatives Geschäft) Vertrauen in die Unterstützung durch den Berater bei der Legitimation und Durchsetzung strittiger Entscheidungen
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Vertrauen in die Fähigkeit und Bereitschaft des Beraters, Erfahrungen und Wissen in die Organisation einzubringen Die Auflistung macht deutlich, dass zahlreiche vertrauensrelevante Erwartungen (u.a. Umsetzung einer tragfähigen Problemlösung, Einsatz des Beraters im operativen Geschäft), die vermutlich in der Praxis von hoher Relevanz sein werden, mit der zuvor vorgenommenen Konzeptionalisierung eines autonomen Beraters als Beobachter 2. Ordnung nur begrenzt kompatibel sind. Wir können hier angenommene Ansprüche von Klienten an PR-Berater identifizieren, die den idealtypischen systemischen Beratungsfunktionen zuwiderlaufen und die Autonomie der PR-Beratung tendenziell in Frage stellen. Zugleich ist aus anderer Perspektive danach zu fragen, ob die idealtypischen Beratungsfunktionen seitens der Klienten überhaupt nachgefragt werden. Ob und inwieweit ein hier skizziertes Berater-Ideal, dass der Differenz von Rat und Tat folgt, im Falle der PR empirisch belastbar ist, muss Gegenstand weiterer Forschung sein. Welche Aspekte spielen nun bei konkreten Vertrauensentscheidungen und Vertrauenshandlungen in der PR-Beratung eine ausschlaggebende Rolle? Was sind Gründe für Vertrauen? Die zuvor aufgeführten theoretischen Näherungsversuche müssten in empirischen Studien überprüft werden. Ob eine Vertrauensentscheidung richtig war oder nicht, ist in letzter Konsequenz von den Vertrauensgebern allerdings erst im Nachhinein zu beurteilen. Luhmann geht insofern davon aus, dass „der Vertrauende um Gründe nicht verlegen sein wird“ (Luhmann 1973: 26); die eigene – riskante – Vertrauensentscheidung also letztlich immer legitimieren wird. Angesichts der Tatsache, dass Vertrauensentscheidungen immer riskant bleiben und diese in der Regel nicht völlig unreflektiert und spontan erfolgen, ist davon auszugehen, dass Menschen, die vor einer Vertrauensentscheidung stehen, alle verfügbaren Anhaltspunkte zur Absicherung ihrer Entscheidung nutzen werden. Diese hier als Vertrauensfaktoren bezeichneten Aspekte werden in der Literatur auch als „Vertrauenstreiber“ (Wiedenfels 2007: 1) oder „Quellen für Vertrauen“ (Fischer/Tewes 2001: 308) bezeichnet.
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Zusammenfassung und Ausblick
Die Spezifika der idealtypischen PR-Beraterrolle liegen unter anderen darin, dass es weniger darum geht, reine Fakten aufzuzeigen oder Expertenwissen zu vermitteln. Stattdessen kommt es darauf an, Beziehungen zwischen einer Organisation und ihren Stakeholdern dahingehend zu bewerten, welche Konsequenzen sich für die Legitimation der Organisation ergeben. Da Beziehungskonstellationen einem permanenten Veränderungsprozess unterliegen, neue Partner ins Spiel kommen und Bande enger bzw. loser werden, ist dies eine komplexe und anspruchsvolle Aufgabe, die noch dazu nicht immer seitens der Klienten nachgefragt werden dürfte. Dennoch soll abschließend erneut hervorgehoben werden, dass die zentrale Funktion von PR-Beratung in der Reflexivitätssteigerung der Klientenorganisation besteht. Diese Funktion können PR-Berater insbesondere aufgrund ihrer außen stehenden Beobachtungsposition wahrnehmen. Aus dieser Perspektive ist es ihnen möglich, Organisa-
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tions-Umwelt-Beziehungen in einer Art zu beobachten und zu bewerten, wie es das Klientensystem aufgrund seiner Selbstreferentialität nicht tun kann. Gemeinsam mit spezifischem Fachwissen, das dem Klienten intern nicht zur Verfügung steht, ermöglicht dies PR-Beratern zum einen ihren Klienten bei Entscheidungsfindungen und deren kommunikativem Management zu helfen. Zum anderen sind PR-Berater in der Lage, mit den Klienten in einen Interaktionsprozess zu treten und ihnen gewissermaßen einen Spiegel vorzuhalten und den Klienten derart zu ermöglichen, aufgrund ihres eigenen Insiderwissens eine eigene, neue Sicht auf die Probleme und mögliche Lösungen zu werfen. Inwieweit diese Reflexivitätssteigerungsfunktion stärker seitens der Klienten nachgefragt und in Anspruch genommen wird hängt stark mit deren Verständnis von PR zusammen, mit konkreten Erwartungen an PR-Berater und der Bereitschaft, sich auf eine Kooperation einzulassen. Letztlich kommt es zum einen darauf an, inwieweit die PR-Berater tatsächlich über versprochene Kompetenzen und Können verfügen sowie in der Lage sind, sich auf die situativen Bedürfnisse und Erfordernisse des spezifischen Klienten einzustellen. Schließlich bedeutet jeder Auftrag auch für die PRBerater dahingehend ein gewisses Maß an Unsicherheit, als dass vorab nicht exakt gesagt werden kann, ob es zu einer adäquaten oder besser noch optimalen Lösung kommen wird. Dies ist abhängig von zahlreichen unsicheren Faktoren: dem dynamischen Beziehungsgeflecht mit dem Kunden und den kaum vorhersehbaren, fragilen Reaktionen der wichtigen Bezugsgruppen. Zum anderen setzt erfolgreiche PR-Beratung eine gewisse Professionalität der Klienten voraus, das heißt Klienten sollten sich nicht nur der Möglichkeiten und Grenzen von PR-Beratung bewusst sein, sondern insbesondere die Chancen von konzeptioneller Beratung erkennen und nutzen, PR-Beratung also nicht als reine Umsetzung von Problemlösungen betrachten. PR-Berater erfüllen in der Praxis vermutlich vor allem die Funktion einer „verlängerten Werkbank“, nicht aber Beratungsfunktionen im engeren systemischen Sinne. Dies ist wohl in vielen Fällen den Erwartungen der Klienten geschuldet. Aufgrund der starken Umsetzungsorientierung und der starken Bezugnahme auf Wertwissen des Klienten laufen PR-Berater stets Gefahr, ihre Autonomie zu verlieren. Diese Abgrenzungsprobleme bestehen generell in der Beratungspraxis, zeigen sich jedoch in Bezug auf PR-Beratung verschärft. Dies beinhaltet zum einen die Gefahr, dass das generelle Reflexionspotenzial von PR-Beratung sich nicht entfalten kann bzw. unausgeschöpft bleibt. Damit entgehen dem Klienten Gestaltungspotenziale. Zum anderen sind damit für erwartbar PR-Berater Status-, Reputations- und Einkommensverluste verbunden. Das folgende, eingangs angekündigte heuristische Modell ist als Weiterbearbeitungsangebot zu verstehen:
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Abb. 4: Heuristisches Modell zu den Einflussgrößen auf PR-Beratung
Quelle: Eigene Darstellung.
Das heuristische Modell macht deutlich: Wenn Klienten von PR-Beratern in erster Linie erwarten, dass diese sie in ihrer Selbstreflexion unterstützen und die PR-Berater die Zusammenarbeit vor allem als Rat geben (Konsultation) verstehen, in der dann in der Regel insbesondere Wertwissen relevant ist, dann wird idealtypische Beratung im Sinne systemischer Beratung ermöglicht. Dabei zeigt sich, dass zu Beginn des Beratungsprozesses Klienten stärker in die Beratungsorganisation, also die Agentur, vertrauen. Nach einer positiven Erfahrung mit der Agentur und dort natürlich mit einzelnen Beratern verschiebt sich das Vertrauen von der Agentur auf einzelne Personen in die Agentur. Falls die Klienten vor allem konkrete Problemlösungen erwarten, so verschiebt sich die Primärfunktion von PR-Beratung zu faktenbasierter Umsetzung. Streng genommen kann hier nicht mehr von PR-Beratung gesprochen werden, sondern es handelt sich ausschließlich um operativ ausgerichtete PR-Dienstleistungen. Wenngleich hier die Risikominimierung weniger auf Vertrauen in das Beratersystem beruht, sondern vielmehr auf Verträgen, so dürfte auch hier über die Zeit eine Verschiebung vom System- zum Personenvertrauen zu beobachten sein. Zur Überprüfung und Ausgestaltung des Modells wäre es auch interessant, inwieweit Agenturen unterschiedliche Formen von Beratung anbieten und inwieweit sie dies je nach Klient flexibel halten und genauer zu beleuchten, wovon es abhängig ist, dass Klienten die unterschiedlichen Formen von Beratung nachfragen.
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Kommunikationsberatung als Beobachtung dritter Ordnung Versuch einer systemtheoretischen Vermessung Peter Szyszka
Der in der Kommunikationspraxis verwendete Begriff „PR-Berater“ ist unscharf: Eigentlich benennt der Begriff semantisch einen spezifischen Dienstleistungsbegriff, in der PR-Praxis wird er aber auch als generelle Berufsbezeichnung für Mitarbeiter von PR-Agenturen, wie auch branchenweit als allgemeine PR-Berufsbezeichnung verwendet. Dies führt zu der Frage, ob sich Kommunikationsberatung – und mithin PRBeratung – dennoch in einem engeren, begriffspezifischen Sinne beobachten und beschreiben lässt. Dazu werden im Folgenden Forschungsproblem und Forschungsbedarf zunächst anhand von Praxisbeobachtungen und empirischen Befunden aufgerissen, um daran anschließend Kommunikationsberatung als einen Typ von Organisationsberatung systemtheoretisch zu untersuchen. Ausgehend von Luhmanns Befund, dass eine Entscheidung erst durch deren Kommunikation zur Entscheidung wird, der Umgang mit Kommunikation im Kontext von Entscheidungen also von grundlegender Bedeutung für die Reproduktion von Organisationen ist, werden Kommunikationsmanagement und Kommunikationsberatung mit Hilfe des Begriffs der Beobachtung und der Unterscheidung in Beobachter erster, zweiter und dritter Ordnung organisationstheoretisch modelliert. Dabei geht es insbesondere darum, eine funktionale Differenz zwischen beiden Typen von Kommunikationsexperten herauszuarbeiten. Anhand dieser Unterscheidungen wird abschließend der Begriff PR-Berater ausdifferenziert.
1
Forschungsproblem
Bei wenigen Themen der PR-Forschung sind grundlegende Defizite so augenfällig wie beim Thema PR-Beratung. Obwohl mit Ivy Lee und Edward Bernays zwei PR-Berater prominent in der ersten Reihe der Gründerväter moderner PR-Arbeit stehen (vgl.
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Peter Szyszka
Cutlip u.a. 71994: 103ff.), blieb dieser Themenkomplex abseits akademischer Abschlussarbeiten und PR-Berufsfeldstudien bzw. PR-Bildungsuntersuchungen weitgehend ausgeblendet (vgl. Röttger/Hoffmann/Jarren 2003; Szyszka/Schütte/Urbahn 2009). Dabei ist ein zentrales Praxisproblem bis heute evident, auf das Fuhrberg schon vor mehr als zehn Jahren hingewiesen hat: „PR-Beratung ist nicht PR-Beratung“ (1997: 221f.). Was Fuhrberg meint, kann exemplarisch mit einem Zitat des renommierten schweizerischen Agenturchefs Peter Knobel gezeigt werden: „Der Berater der PR-Agentur beschäftigt sich [..] damit, ob die Story des Auftraggebers ausreichenden Nachrichtenwert hat, um Journalisten zu einer entsprechend platzierten Berichterstattung bewegen zu können.“ (2006: 17)
Die hier skizzierte Aufgabenstellung lässt sich auf die einfache Formel „PR-Dienstleistung gleich Beratung“ bringen, nicht aber als Beratung in einem engeren Sinne einstufen. PR-Berater ist nicht nur eine generelle Bezeichnung für Agenturmitarbeiter, sie wird auch ganz allgemein als PR-Berufsbezeichnung verwendet, wie PR-Ausbildungsund Prüfungsbezeichnungen im deutschsprachigen Raum ausweisen. Den indifferenten Umgang mit dem Beratungsbegriff stützen Befunde einer deutschen Berufsfeldstudie aus den Jahren 2003/04, die sich mit Fragen und Problemen der Wirtschaftskommunikation auseinandergesetzt hat (Szyszka/Schütte/Urbahn 2009). Dort gaben 36,4 Prozent der befragten Agenturen bei der Frage nach ihrem Agenturtypus „Beratung“ an (n = 231; Mehrfachnennung),1 wohingegen aber nur 9,1 Prozent oder 21 Befragte an anderer Stelle ein Selbstverständnis als „Beratungsagentur“ betonten. Bei der Nachfrage nach einschlägigen Leistungsangeboten wiederum rangierte „Beratung“ mit Presse/Medienarbeit und Produkt-PR an der Spitze (65,9% „sehr häufig“, 30,9% „eher häufig“); die extra abgefragte „Beratung der Organisationsleitung/Geschäftsführung“ (39,3% „sehr häufig“, 30,8% „eher häufig“) immer noch an sechster Stelle (bei 18 Items). Da in der sozialen Wirklichkeit – so zeigt die Untersuchung weiter – operative Dienstleistungen dominieren, erscheint dieser Befund auf den ersten Blick überhöht und lässt auf soziale Erwünschtheit schließen. Wird dies allerdings im Kontext des angeführten Knobel-Zitats betrachtet, wird deutlich, dass in der Praxis unter Beratung offensichtlich ganz allgemein das Einbringen fachlicher Expertise in die Zusammenarbeit mit einem Kunden verstanden wird. Diesem sehr weiten Verständnis von Beratung lässt sich ein Beratungsbegriff im engeren Sinne entgegensetzen, wie ihn etwa der Bundesverband Deutscher Unternehmer definiert: „Unternehmensberatung ist das Angebot von unabhängigem Rat und unabhängiger Hilfe im Bezug auf Managementaufgaben. Dies schließt typischerweise die Identifizierung von und die Suche nach Problemen und/oder Chancen, die Empfehlung von angemessenen Aktivitäten und die Hilfe bei der Umsetzung der Empfehlungen ein.“2
1
2
Mögliche Items bei dieser Frage waren: „Beratung“, „Event- Agentur“, „Full Service- Agentur“, „Grafik-/Design-Büro“, „Pressebüro“, „Werbeagentur“, „Marketingagentur“. Vgl. die Satzung des Bundesverbandes Deutscher Unternehmer (BDU), Fassung vom 21.09.06, § 1.
Kommunikationsberatung als Beobachtung dritter Ordnung
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Die Betonung liegt hier auf der Unterstützung des Managements bei der Entscheidungsfindung und deren Begleitung bei der Umsetzung von Entscheidungen; im Gegensatz zum Knobel-Beispiel geht es hier also in erster Linie um strategische und nur begleitend um operative Dienstleistungen. Eine Vermischung der Ebenen strategischer und operativer Kommunikationsdienstleistungen muss sich folgerichtig in der Selbstdarstellung der Gesellschaft Public Relations Agenturen (GPRA), die sich als „Full Service“-PR-Dienstleister und nicht oder weniger als Unternehmensberatungen im vorstehend skizzierten Sinne verstehen. „Consulting“ ist hier einer von elf ausgewiesenen Leistungsbereichen, für den allerdings nur Handlungsfelder, nicht aber Spezifika von Beratungsleistungen skizziert werden: „Beratung und Betreuung rund um Analyse, Benchmarking, Strategie, Positionierung, Medienansprache, Organisation, Krise und Issue, Changeprozess, Corporate Social Responsibility, Moderation und Qualifizierung“.3
Stapf hat Anfang der 1990er Jahre im Rahmen einer Berufsfelduntersuchung den Verdacht geäußert, dass PR-Beratung keine klassische Leistung der Unternehmensberatung sei und deshalb dort auch nur vereinzelt angeboten würde (1991: 40); er stützte diesen Befund auf die Beobachtung, dass seinerzeit mit PR-Beratung vor allem operative und weniger allgemeine unternehmensstrategische Aufgaben bezeichnet wurden. Im Gegensatz hierzu findet sich heute, knapp zwei Jahrzehnte später, in der Kommunikationspraxis eine kleine Zahl von „Unternehmensberatungen für Kommunikation“, die sich aus der Gruppe der PR-Agenturen und -Berater ausdifferenzieren und als unternehmensstrategisch ausgerichtete Kommunikationsberater (Advisors in Communications) verstehen, wie das nachfolgende Beispiel belegt: „Wir verstehen uns als Sparringspartner unserer Klienten und betrachten es als unsere Aufgabe, wichtige Managemententscheidungen mitzugestalten. Das bedeutet, aus kommunikativer Perspektive die richtigen Fragen im Rahmen strategischer Projekte zu stellen und diese durch Kommunikationslösungen zielführend zu begleiten. Dazu antizipieren und bewerten wir die Auswirkungen strategischer Entscheidungen auf die Stakeholder in Form kommunikativer Szenarien, entwickeln die erfolgskritischen Kommunikationsinhalte und vermitteln diese in maßgeschneiderten internen und externen Kommunikationsprogrammen“.4
Wird unterstellt, dass es sich hierbei um gelebte Praxis und nicht bloß um eine Etikettierung handelt, dann lassen sich im PR-Kontext zwei Basistypen von „Beratung“ markieren: Beratung in einem weiteren Sinne, wie sie von klassischen PR-Agenturen im Rahmen ihrer Mandate erbracht wird und sich im Wesentlichen auf die Planung und Umsetzung strategisch-operativer Kommunikationskonzepte bezieht, und Beratung in einem engeren Sinne als kommunikationspolitische Beratung 5 von Mandanten im Zusammenhang mit unternehmenspolitischen Entscheidungsprozessen, der Umsetzung von Entscheidungen sowie im Umgang mit den Konsequenzen 3 4 5
www.pr-guide.de, Link „Leistungen“. Selbstdarstellung Deekeling Arndt Advisors: www.deekeling-arndt.de/html/de/beratungsansatz.html. „Kommunikationspolitik“ meint hier ein Geschäftsfeld der Unternehmensführung analog zu Personalpolitik, Finanzpolitik usw.
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Peter Szyszka
von Entscheidungen, wobei es hier zunächst um die Entscheidungsfindung selbst und erst dann um eine Kommunikation von Entscheidungen geht. Bei beiden Basistypen handelt es sich um Typen externer Kommunikationsdienstleistung. Der Beratungsbegriff allerdings ist im PR-Kontext nicht auf externe Dienstleistungen beschränkt. So taucht er auch intern etwa als „Beratung der Geschäftsführung in Kommunikationsfragen“ auf und zählt hier zu den Anforderungen an Führungskräfte im Kommunikationsmanagement. Im Folgenden wird deshalb zunächst auf theoretischer Ebene nach der funktionalen Differenz zwischen interner und externer Kommunikationsberatung gefragt, ehe abschießend nochmals die Unterschiede externer ‚Beratertypen‘ thematisiert werden.
2
Beobachtungen zu Beobachtern
Kommunikationsberatung lässt sich systemtheoretisch als ein Typ von Organisationsberatung rekonstruieren. Luhmann hat Organisationsberater als Beobachter eingestuft, welche beobachten können, „dass und wie Organisationen? sich selbst beobachten“ (2000: 470). Berater verfügen also über eine besondere Expertise, die sie für den Bereich ihrer Expertise über naive Beobachter stellt, die nur sehen, was sie beobachten, das Beobachtete aber nicht fachlich bewerten können. In diesem – weiteren – Sinne ist jeder Experte für den Geltungsbereich seiner Expertise ein Berater, weil er naiven Beobachtern als Beobachtungsbeobachter die Bedeutung ihrer Beobachtungen aus fachlicher Perspektive erläutern kann. Dies gilt entsprechend für Kommunikationsmanagement als Experten für die Beobachtung von Kommunikation. Organisationen reproduzieren sich durch Entscheidungen, die durch Kommunikation für alle nicht am Entscheidungsprozess beteiligten zugänglich werden. Nur kommunizierte Entscheidungen können exekutiert und von Dritten beobachtet werden (vgl. ebd.: 63ff.). Bereits dies verdeutlicht einen grundsätzlichen organisationspolitischen Stellenwert von Kommunikationsexpertise, der durch die besondere Problematik von Kommunikation als einem ergebnisoffenen Prozess dreifacher Selektion, der gleiches Sinnverstehen ausschließt, unterstrichen wird. Deshalb müssen in drei Schritten Entscheidungen, die Kommunikation von Entscheidungen und die Beobachtung der Kommunikation von Entscheidungen betrachtet werden. Weitere Untersuchungsschritte wenden sich dann allgemeinen Organisationsbeobachtern und dann Kommunikationsmanagement und Kommunikationsberatung als Fachbeobachtern zu. 2.1
Entscheidung und Kommunikation
In seiner Grundlagenarbeit zur Theorie formaler Organisationen hat Luhmann neben der grundlegenden Organisation/Umwelt-Differenz 14 Grundannahmen für die Beschreibung von Organisationen zusammengefasst (ebd.: 45-54); die vier ersten führen an das Thema Beratung als Beobachtung dritter Ordnung heran: Organisationen entstehen und reproduzieren sich durch Entscheidungen als Ereignisse, die immer ein Vorher und ein Nachher unterscheidbar machen.
Kommunikationsberatung als Beobachtung dritter Ordnung
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Um sich durch Entscheidungen selbst erzeugen zu können, beobachten sich Organisationen selbst und bestimmen die Differenz zu ihrer Umwelt. Zur Auswertung von Beobachtungen und zur Findung immer wieder neuer Entscheidungen benutzen Organisationen die eigene Identität. Organisationen, die sich selbst beobachten, operieren als Beobachter zweiter Ordnung, welche die eigenen Beobachtungen diagnostizieren; die „Theorie der Organisation“ sei deshalb ein Beobachter dritter Ordnung: „Sie beobachtet ein sich selbst beobachtendes System und kann folglich ihre Beobachtung auch auf Sachverhalte erstrecken, die einer Selbstbeobachtung unzugänglich sind“ (vgl. ebd.: 47). Entscheidungen als Operationen sind die Voraussetzung für die Reproduktion von Organisationen. Aber: Erst dadurch, dass „es zur Kommunikation von Entscheidungen kommt und das System auf dieser Operationsbasis operativ geschlossen wird“, wird eine Entscheidung aktiviert (ebd.: 63, 67). An den Prozessen der Findung kontingenter Grundsatzentscheidungen ist nur ein kleiner Kreis von Organisationsmitgliedern beteiligt, der über Kontingenzwissen zu Entscheidungen verfügt; diese Beschränkung gilt auch bei Entscheidungen auf nachgeordneter Ebene. Mit der Kommunikation der Entscheidung, die Interessenvertretung ist, verbindet sich das bekannte Problem von Kommunikation als eines Prozesses dreifacher Selektion. Dies bedeutet einerseits, dass die Qualität der Umsetzung von Entscheidungen durch weisungsgebundene Organisationsmitglieder von der Qualität der Mitteilung dieser Entscheidungen in sachlicher, zeitlicher und sozialer Hinsicht abhängig ist. Entscheidungen schaffen ein Vorher/Nachher, welches Beobachter jeweils entlang eigener sozialer Identität interpretieren und bewerten, um Informationen zu gewinnen und Zusammenhänge zu verstehen. Informationsgewinnung findet organisationsintern an der Beobachterschnittstelle Entscheidungssystem/Umsetzungssystem(e) durch weisungsgebundene Organisationsmitglieder und an der Schnittstelle Organisation/Umwelt durch externe Organisationsbeobachter statt. Luhmann definiert Entscheidungen als Beobachtungen, bei welchen Entscheidungsoptionen als Alternativen beobachtet, unterschieden, bezeichnet und optional präferiert werden. Er betont, dass „vermutlich die Klärung der Alternativenlage für eine Entscheidung sehr viel wichtiger (und schneller zu handhaben) [sei] als die Ausleuchtung aller Folgen einer bestimmten Option“ (ebd.: 132f.), was indirekt schon auf einen unterschiedlichen Expertisebedarf verweist. Entscheidungen basieren auf der Beobachtung und Bewertung von Differenzen. Beobachtung operiert mit Differenzen (vgl. ebd. 1992: 84). Dabei kommt es zu zweiwertigen Unterscheidungen, bei denen nur eine Seite bezeichnet und beschrieben, die andere aber ausblendet wird. Da sich der Beobachter beim Beobachten und Unterscheiden nicht beobachten kann, ist „die in der Beobachtung operativ verwendete, aber nicht beobachtbare Unterscheidung [..] der blinde Fleck des Beobachters“ (ebd. 2000: 223). Bateson hat bereits früher darauf hingewiesen, dass Beobachtungen nicht mehr als die Fähigkeit voraussetzen, dass ein beobachtendes System Unterschiede registrieren kann, die es für das eigene System als bedeutsam erach-
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Peter Szyszka
tet, die Logik der Beobachtung also immer die Logik des beobachtenden Systems und seiner kognitiven Struktur und damit Selbstreferenz sei (vgl. 1972: 381). 2.2
Beobachter erster und zweiter Ordnung
Ein selbstreferenzieller Beobachter ist in diesem Sinne ein ‚naiver’ Beobachter (Beobachter erster Ordnung). Er beobachtet ausgewählte Objekte oder Sachverhalte etwa bei Abweichungen von Erwartungen, ohne dabei seinen blinden (Beobachtungs-)Fleck mitreflektieren zu können. Anders ausgedrückt: Seine Beobachtung ist zwar immer Information für den Beobachter. Einer Beobachtung erster Ordnung liegt aber Selektion und Reduktion zugrunde, ohne dass der Beobachter dies reflexiv beobachten kann. Für ihn wird nur sichtbar, was seine Beobachtung sichtbar macht. Im Gegensatz hierzu kann ein Beobachter zweiter Ordnung Beobachter beobachten und deren Beobachtungsoperationen reflexiv behandeln (vgl. Luhmann 1997: 74f.). Er verfügt also über eine spezifische Reflexionskompetenz: „Er kann sehen, dass er nicht sehen kann, was er nicht sehen kann“ (Kneer/Nassehi 1993: 110). Beobachtungen zweiter Ordnung sind damit strukturell immer an Beobachtungen erster Ordnung gekoppelt; da auch Beobachter zweiter Ordnung nur andere Beobachter, aber nicht sich selbst bei der Beobachtung beobachten können, verbleiben sie für den Bereich ihrer eigenen Selbstbeobachtung Beobachter erster Ordnung, benötigen also selbst die Hilfe anderer Fachbeobachter. Auf Organisationen übertragen spiegelt sich dies in der funktionalen Ausdifferenzierung unterschiedlicher, gemeinsam an Entscheidungsprozessen beteiligter Regelungssysteme (Managementsysteme) wider, in denen idealtypisch Experten auf der Basis ihrer jeweils unterschiedlichen Fachexpertise zur Aushandlung von Entscheidungen beitragen, also gemeinsam versuchen, den blinden Fleck zu minimieren. Angehörige dieser fachlichen Funktionssysteme sind für ihren Bereich Fachbeobachter, weil sie jeweils spezifische Beobachtungsdifferenzen beobachten und damit verbundene Chancen und Risiken beurteilen können. Sie sind Beobachter zweiter Ordnung, die sich für den Bereich ihrer Fachexpertise analytisch-strategisch und damit reflexiv mit Beobachtungsdifferenzen auseinandersetzen und Rückschlüsse bezüglich organisationaler Entscheidungen ziehen können. An dieser Stelle kann eine Verortung und Differenzierung von interner und externer Kommunikationsberatung ansetzen. 2.3
Kommunikationsmanagement
Die Frage, ob Beobachtungen als Beobachtungen erster oder zweiter Ordnung einzustufen sind, lässt sich anhand des vorstehenden Denkmodells als Differenz von FachExpertise/Fehlen von Fach-Expertise entscheiden: Experten können die Bedeutung ihrer Beobachtungen fachlich reflektiert bewerten. Derartige Experten finden sich im Management von Organisationen beispielsweise im Personal-, Finanz- oder Absatzmanagement oder eben auch im Kommunikationsmanagement. Kommunikationsmanagement wird hier also als ein zentrales Managementsystem von Organisationen (Corporate Communications, strategische PR-Arbeit) verstanden, das sich mit den Kommu-
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nikationsproblemen einer Organisation auseinandersetzt, diese Expertise in organisationspolitische Entscheidungsprozesse einbringt und organisationspolitische Entscheidungen kommunikationspolitisch umsetzt.6 Im Rahmen des Kommunikationsmanagements bildet Public Relations-Management ein funktionales Subsystem des Kommunikationsmanagements, das sich als Beobachter zweiter Ordnung mit den Öffentlichkeitsbeziehungen der eigenen Organisation auseinandersetzt. Public Relations sind in diesem Sinne ein Netzwerk von Beobachtungsbeziehungen zwischen einer Organisation und deren Bezugsgruppen (vgl. Szyszka 2009: 138ff.). Public Relations-Management verfügt über Fachexpertise zum interessengeleiteten Umgang mit relationalen Differenzen und Diskrepanzen innerhalb dieses Beziehungsnetzwerkes. Relationale Differenz meint dabei den Unterschied, der zwischen einer Organisation und einer Bezugs- oder Stakeholdergruppe aufgrund unterschiedlicher sozialer Identität und unterschiedlicher Geltungsansprüche beider Seiten besteht und aufgrund unterschiedlicher Deutungsmuster zu unterschiedlicher Interpretation und Bewertung von Beobachtungen eines gleichen Sachverhalts führt (vgl. Abb. 1). Da eine Organisation über relationale Beziehungen zu unterschiedlichen Bezugsgruppen verfügt, muss sich Public Relations-Management – unter Relevanz- und Präferenzerwägungen – nicht nur mit diesen Differenzen, sondern auch mit den Differenzen zwischen diesen Differenzen – hier als Diskrepanzen bezeichnetet – auseinandersetzen (vgl. ebd.: 146ff.). Public Relations-Management ist für den Bereich seiner Fachexpertise ein Beobachter zweiter Ordnung (B 2), der das organisationale Management (B 1) und Bezugsgruppen (Stakeholder) bei ihrer Beobachtung im mittelbaren oder unmittelbaren Kontext organisationspolitischer Entscheidungsprozesse und Entscheidungen dahingehend beobachtet, welcher Einfluss von (möglichen) Entscheidungen auf relationale Differenzen und Diskrepanzen ausgeht, welche Veränderungen diese also im relationalen Beziehungsnetzwerk erwarten lassen bzw. eingetreten sind. Public RelationsManagement setzt sich einerseits mit den kommunikativen Konsequenzen organisationspolitischer Entscheidungen auf die öffentlichen Beziehungen einer Organisation und deren Rückwirken auseinander. Auf der anderen Seite beobachtet es Entscheidungen und Verhalten von Bezugsgruppen, deren Folgen für die Geltungsansprüche der eigenen Organisationen im Kontext des relationalen Beziehungsnetzwerks und analysiert möglichen abzuleitenden kommunikationspolitischen Handlungsbedarf seitens der eigenen Organisation. Darüber hinaus verfügt es über Interventionsprogramme, mit deren Hilfe relationale Differenzen und Diskrepanzen im Sinne der Organisationsinteressen ‚bearbeitet’ und beeinflusst werden sollen. Public Relations-Management bewirtschaftet das Sozialkapital einer Organisation, das in gewährtem öffentlichem und sozialem Vertrauen seinen Ausdruck findet und in Reputation und Images sowie Einstellung, Meinung und Verhalten von Bezugsgruppen bezüglich organisationaler Gel6
Unter „Kommunikationsmanagement“ wird hier ein übergreifendes, koordinierendes und integrierendes organisationales Funktionssystem im Sinne von Corporate Communications verstanden, während Public Relations-Management eine abgeleitete Subfunktion bildet.
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Peter Szyszka
tungsansprüche gründet (ebd.: 139ff.): Eben dieses spiegelt die Qualität der relationalen Differenzen und Diskrepanzen. Public Relations-Management übt damit Einfluss auf die Möglichkeiten organisationaler Selbstreproduktion aus und ist Interessenvertretung. Abb. 1: Organisationsbeobachter
externe PR-Beratung internes PR-Management
B1 Organisation/ Organisationsführung
B3 Differenz 1
B2
Stakeholder 1 Diskrepanz(en)
Differenz 2
Stakeholder 2
Quelle: Eigene Darstellung.
Möglichkeiten und Grenzen von Beobachtung und Einflussnahme werden durch die Art der Funktionalisierung abgesteckt: So kann Public Relations-Management – abhängig vom organisationspolitisch zugewiesenen Mandat – Mitentscheider, interner Berater oder auch nur operativ agierender Kommunikator sein. Aus systemtheoretischer Perspektive sind dies hier jedoch nur Spielarten organisationspolitischer Funktionalisierung. Bedeutsamer ist ein anderer Aspekt, auf den verschiedene Autoren hingewiesen haben. So stammt von March die Beobachtung, dass „ein Großteil organisatorischen Verhaltens, Entscheidungen eingeschlossen, [..] mehr aus dem Befolgen von Regeln als dem Abschätzen von Konsequenzen“ bestehe (1990: 9). Baecker hat im gleichen Sinne festgestellt, dass die „Selbstbeschreibung eines Systems [..] ein System und damit die dazugehörigen Personen“ als Rollenträger determiniere (1999: 16). Die Zugehörigkeit zu einer Organisation grenzt demnach die Möglichkeit zur Entfaltung von Expertise wieder ein, weil der Beobachter als organisationaler Rollenträger Teil der Differenz ist (vgl. Abb. 1: B 2 – Stakeholder). Man könnte auch sagen: Als Beobachter zweiter Ordnung bleiben sie ‚Gefangene’ organisational geprägter Attributionen. Ihre Fachexpertise und damit ihre Möglichkeit zu fachlicher Reflexion bleibt zwar aufrechterhalten, wird aber durch die organisationale Einbindung und die damit fehlende Distanz zu den zu bewertenden Differenzen und Diskrepanzen relativiert (blinder Fleck), weil sich der Fachbeobachter beim Beobachten nicht selbst beobachten und seine Interessenbindung nicht wirklich sehen kann. Diese Determination ist Folge der Selbstbeschreibung von Organisationen, die Luhmann als „die Produktion eines Textes oder funktionaler Äquivalente eines Textes“ definiert hat, „mit dem und durch den die Organisation sich selbst identifiziert“ (2000:
Kommunikationsberatung als Beobachtung dritter Ordnung
67
417), in welchem die Geschichte einer Organisation, ihre Identität und Kultur, ihre Ziele und Perspektiven als Folge ihrer eigenen Selbstbeobachtung kondensieren; hiervon geht Selbstbindung aus. Diese Bindung an organisationale Selbstbeschreibungen prägt Fachbeobachter, weil sie diese Bindung, selbst wenn sie sie reflektieren wollen, nicht wirklich reflektieren können. Andererseits ist die Bindung an Selbstbeschreibung aber auch Reflexionschance. Baecker hat nämlich weiter festgestellt, dass die Art und Weise der Determination nur internen Beobachtern zugänglich sei (vgl. 1999: 16). Sie können also die Selbstbeschreibung beobachten und damit mitreflektieren, nur nicht ihren Umgang mit diesen Selbstbeschreibungen. Public Relations-Management beobachtet mit fachlicher Expertise einen ausgewählten Teil der (Selbst-)Beobachtungen des Managements – nämlich den der öffentlichen oder Öffentlichkeits-Beziehungen – hinsichtlich tatsächlicher oder möglicher kommunikativer Konsequenzen organisationspolitischer Entscheidungen sowie der Konsequenzen bezugsgruppenseitiger Entscheidungs- und Verhaltensveränderungen für das organisationale Beziehungsnetz und die Möglichkeiten der eigenen organisationalen Reproduktion. Bezogen auf die Beobachtung der Kommunikation organisationaler Entscheidungen lassen sich damit drei Typen von Beobachtern unterscheiden (vgl. nochmals Abb. 1): Organisationsentscheider als Fachexperten anderer Fachgebiete, die im beschriebenen Sinne auf dem Gebiet der Kommunikation Laien sind (B 1), Angehörige des Kommunikationsmanagements als ‚abhängige’ Kommunikationsexperten, die über eine entsprechende fachliche Expertise für den Bereich Kommunikation verfügen (B 2), auf Sachebene aber in die System-Umwelt-Differenz der vertretenen Organisation eingebunden sind und die Art ihres Beobachtens beobachten können, und – im Vorgriff auf das folgende Teilkapitel – Kommunikationsberater als ‚unabhängige’ Kommunikationsexperten, die über eine von der fachlichen Ausrichtung her sehr ähnliche Expertise verfügen, deren Art des Beobachtens sich aber schon deshalb von den Vorgenannten unterscheidet, weil sie eben nicht unmittelbarer Teil der zu beobachtenden Differenzen sind (B 3). Deutlich wird damit, dass Kommunikationsmanagement überall dort die Unterstützung eines Dritten benötigt, wo die eigene Zugehörigkeit zur organisationalen SystemUmwelt-Differenz problematisch wird, weil der eigene Standpunkt nicht ausreichend mit beobachtet und ggf. in Frage gestellt, eine relationale Differenz also nicht ausreichend differenzunabhängig beobachtet werden kann. Diese Fälle liegen vor, wenn interne Beobachter Reflexionsdefizite eigener Beobachtung erkennen oder einer unabhängigen Bestätigung ihrer abhängig gewonnenen Befunde oder Einschätzungen bedürfen, also erkennen, dass eine andere Ausprägung fachlicher Expertise einen Mehrwert besitzt. Damit kommt Kommunikationsberatung ins Spiel.
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2.4
Peter Szyszka
Kommunikationsberatung
Kommunikationsberatung kann als Beobachtung dritter Ordnung eingestuft werden, welche Organisation/Bezugsgruppen-Differenzen differenzungebunden beobachten kann, weil sie nicht unmittelbar an die Beobachtungsinteressen des zu beobachtenden Systems gekoppelt ist. Kommunikationsberater beobachten, unterscheiden, benennen und bewerten Differenzen aus der quasi-neutralen Position eines Dritten (vgl. Abb. 1: B 3). Nach Luhmann ist dieser Beobachtertyp in der Lage, die Bedingungen und Möglichkeiten der Beobachtung zweiter Ordnung und ihrer Folgen als Reflexion von Differenzen zu reflektieren (vgl. 1992: 509) und damit zu beobachten, wie sich diese Beobachtungssysteme bilden und verändern (vgl. ebd.: 499). Beobachtung dritter Ordnung ist Fremdreferenz und nicht mehr Selbstreferenz. Der Begriff „quasi-neutral“ deutet an, dass auch hier Einschränkungen zu attestieren sind. Diese bestehen darin, dass ein Kommunikationsberater einen Beobachtungsauftrag erhält und damit an ein Mandat gebunden ist. Werden Berater mit Journalisten als Angehörige eines gesellschaftlichen Beobachtungssystems verglichen, werden die mit einer Mandatsbindung einhergehenden Einschränkungen deutlich. Beide sind – zumindest idealtypisch – nicht unmittelbar an die Differenzsysteme (Organisation/Bezugsgruppen) angebunden, die sie beobachten. Bei der Beurteilung und Bewertung des Beobachteten gehen ihre Wege jedoch auseinander. Journalismus beschreibt Bausteine von Gesellschaft, fragt nach der gesellschaftlichen Relevanz seiner Beobachtungen und will im gesellschaftlichen Interesse Einfluss auf öffentliche Meinungsbildung nehmen. Kommunikationsberatung dagegen beschreibt Organisationsprobleme als Probleme im Umgang mit partikularen Geltungsansprüchen (Mandantenprobleme), fragt nach organisationspolitischen Optimierungspotentialen und trägt damit zur Orientierung und Entscheidungsfindung des Mandanten bei. Beobachtung ist hier durch Organisationsprobleme definiert und an konkrete Erwartungen verbunden. Beratung zeichnet sich dadurch aus, dass sie Fremdbeobachtung der Bedingungen, Möglichkeiten und Folgen der Differenzbeobachtungen und -benennung ihrer Mandanten ist, ausgewählte Teile derer Selbstbeschreibung kritisch hinterfragt, spiegelt und interveniert, um auf Veränderungen in den Skripten der Selbstbeschreibung hinzuwirken, wodurch die Möglichkeit organisationaler Interessenvertretung optimiert werden soll. Kommunikationsberater werden – wie andere Organisationsberater auch – als Beobachtungs- und Interventionsexperten hinzugezogen. Ihre differenzunabhängigen Beobachtungen erfolgen zielgerichtet. Sie stehen allerdings vor einem Beobachtungs- und einem Interventionsdilemma: Als Beobachter haben sie nur einen sehr eingeschränkten Zugang zu organisationaler Selbstbeschreibung. Ein fremd selektierter Zugang wird ihnen nur durch Mitteilung über Selbstbeschreibungen und damit durch Selbstdarstellung eröffnet. Dies hat zur Folge, dass die Beobachtungen eines Beraters in eine ganz bestimmte Richtung gelenkt werden und sich durch größere Nähe zu den Organisation/Bezugsgruppen-Differenzen seine neutrale Position relativiert. Um mit den Befunden seiner Beobachtungen auch als „Interventionsexperte“ wirken zu können, wie dies der Systemtheoretiker Willke am Beispiel der therapeutischen Beratungspraxis gezeigt
Kommunikationsberatung als Beobachtung dritter Ordnung
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hat, steht der Berater vor einem weiteren Problem: Er kann nur durch organisationale Rollenträger „hindurch wirken“ (vgl. 2005: 23), ist also auf die Akzeptanz seiner Expertise und das Vertrauen der mit ihm kooperierenden organisationalen Entscheider und damit auf eine relative psychische Nähe angewiesen. Beobachtungs- und Interventionsdilemmata münden daher in einem „BeraterParadox“ des Beobachters dritter Ordnung: Beratung zeichnet sich durch die Aufrechterhaltung einer kritischen Distanz zum Beratungsmandat aus; die Möglichkeit zur Reflexion der einschränkenden Reflexionsbedingungen des Beobachters zweiter Ordnung ist der funktionale Mehrwert eines Beobachters dritter Ordnung, der zur Geltung kommen soll. Soll Beobachtung allerdings nicht beliebig geschehen, ist nicht nur Kenntnis organisationaler Entscheidungen, sondern auch organisationaler Selbstbeschreibung Voraussetzung für zielgerichtete Beobachtung und Intervention; Beratung bedarf also einer relativen Nähe zur beratenen Organisation. Die aus der Organisation/BeraterRelation resultierende mittelbare Bindung legt aber gleichzeitig den Beobachtungsfokus fest und grenzt damit letztlich die Beobachterperspektive des Beraters ein. Dieser blinde Fleck des Beraters, der nicht beobachten kann, wie er an die Organisation/Berater-Relation gebunden beobachtet, wird durch seine externe Rolle abgefedert: Da er i. d. R. über verschiedene Beratungsmandate verfügt, ist er nicht nur an die Interessen eines Mandanten gebunden, kann vergleichend beobachten und Differenzerfahrungen mit unterschiedlichen Beratungsmandaten in seine Fachexpertise einbringen, was den blinden Fleck teilweise relativiert. Kommunikationsberater können eingeschränkt als Beobachter dritter Ordnung eingestuft werden, weil sie über ein weiterreichenderes Beobachtungspotential verfügen als Kommunikationsmanager (Fachentscheider für Kommunikation) und ‚naive’ Kommunikationsbeobachter (allgemeine Entscheider). Ihre Fachexpertise ist Fremdreferenz in der Auseinandersetzung mit sachlicher, zeitlicher und sozialer Komplexität: In der Sachdimension ist Kommunikationsberatung Beobachtung und Bewertung organisational vernetzter und an Selbstbeschreibung gebundener Organisationsoperationen einer Mandanten-Organisation, die hinsichtlich relationaler Differenzen und Diskrepanzen untersucht werden (Beziehungskomplexität). In der Zeitdimension ist Kommunikationsberatung Beobachtung und Bewertung der Mandanten-Organisation (und vergleichbarer anderer Organisationen) im Umgang mit Kontingenz (Entscheidungskomplexität), wobei es insbesondere um die Konsequenzen von Entscheidungen (Vorher/Nachher) geht. In der Sozialdimension ist Kommunikationsberatung Beobachtung und Bewertung der Operationsbedingungen und Operationen verschiedener Mandanten in Entscheidungserwartungen und Entscheidungen in vergleichbaren Situationen (soziale Komplexität). Anhand des Berater-Paradox lässt sich dabei zeigen, dass ein Berater als Beobachter dritter Ordnung in der Praxis streng genommen immer nur ein Berater auf Zeit sein kann. Mit zunehmender Dauer der Zusammenarbeit mit einem Kunden erwirbt ein Be-
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Peter Szyszka
rater immer weiter reichendere Kenntnisse über die Selbstbeschreibungen eines Mandanten, was zwangsläufig Einfluss auf die Art und Weise seiner Beobachtung nimmt; schon eine bewusste Reflexion derartiger Einflüsse verändert im Grunde die Beobachtungsperspektive. Insgesamt kann unterstellt werden, dass eine zunehmende Kenntnis der Selbstbeschreibungen des Mandanten dazu führt, dass sich die Beobachtungsleistungen eines Beraters in dem Maße in Richtung eines Beobachters zweiter Ordnung verschiebt, wie seine Abhängigkeit von der zu beobachtenden Differenz steigt. Eine langfristige Zusammenarbeit verändert also die Beraterrolle; dies näher zu analysieren bedürfte allerdings empirischer Untersuchung.
3
PR-Berater und andere PR-Fachkräfte
Kehren wir zum Ausgangsproblem dieses Beitrags zurück: den PR-Beratern. Beobachten wir mit den vorstehend entwickelten Denkzeugen abschließend noch einmal diejenigen, die sich in der PR-Praxis PR-Berater nennen oder zu PR-Beratern ernannt werden, dann lässt dies die nachfolgende Unterscheidung zu: PR-Berater im engeren Sinne (‚echte’ Berater) wären in diesem Sinne externe PRExperten, sofern sie als Beobachter dritter Ordnung fachlich weitgehend unabhängig Fremdreferenz als Beratungsexpertise für ihre Mandanten erbringen. In der Praxis findet sich dies bei Unternehmensberatungen für Kommunikation und in Bereichen von PR-Agenturen, soweit sie sich derartigen Beratungsmandaten widmen. PR-Berater im weiteren Sinne (interne Berater) wären dann interne Kommunikationsexperten, soweit sie als Beobachter zweiter Ordnung auf Basis fachlicher Analyse mit ihrer fachlichen Expertise direkt oder indirekt Einfluss auf organisationspolitische Entscheidungsprozesse nehmen. PR-Fachkräfte und keine Berater im eigentlichen Sinne (‚so genannte’ Berater) wären danach alle anderen Berufsangehörigen, die letztlich als Beobachter erster Ordnung im Wesentlichen mit dem mehr oder weniger zielgerichteten Einsatz von PRMaßnahmen und Instrumenten beschäftigt sind und deren ‚Beratungskompetenz’ sich auf Beratung in operativen Prozessen und Fragen operativer Aufgabenerledigung beschränkt. Diese Unterscheidung legt die empirisch zu überprüfende Vermutung nahe, dass die große Mehrheit aller PR-Fachkräfte nicht als PR-Berater in einem engeren oder auch weiteren Sinne tätig ist. Die mit dem Beraterbegriff unterstellbare Aufwertung des beruflichen Status, der von vielen Branchenangehörigen in Anspruch genommen wird oder dessen Inanspruchnahme berufsständisch vorgegebene Berufsbezeichnungen nahe legen, verhindert vermutlich eine klarere Positionierung. Die eingeführte semantische Mehrdeutigkeit des Begriffs PR-Berater kann also – so die hier abschließend vertretene These – als eine bewusste semantische Dehnung des Begriffs eingestuft werden. Dies darf nicht den Blick dafür verstellen, dass in der Praxis auch PR-Berater als Beobachter dritter Ordnung nachgefragt werden. Dies zeigt die im letzten Dezenium zunehmende
Kommunikationsberatung als Beobachtung dritter Ordnung
71
Ausdifferenzierung von Unternehmensberatungen für Kommunikation, aber auch die aktuelle Wirtschaftskrise 2008/09. Literatur Baecker, Dirk (1999): Organisation als System. Frankfurt a. M. Cutlip, Scott M./Allen H. Center/Glen M. Broom (1994): Effective Public Relations. 7th Edition. Prentice Hall. Fuhrberg, Reinhold (1997): PR-Geschichte ohne Berater. Defizite deutscher PR-Forschung. In: Peter Szyszka (Hg.): Auf der Suche nach Identität. PR-Geschichte als Theoriebaustein. Berlin, 219232. Kneer, Georg/Armin Nassehi (1993): Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme. Eine Einführung. München. Knobel, Peter P. (2006): Public Relations-Agenturen führen. Für Auftraggeber und Agenturleiter. Bremen. Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie. Frankfurt a. M. Luhmann, Niklas (1992): Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt a. M. Luhmann, Niklas (1997): Weltkunst. In: Jürgen Gerhards (Hg.): Soziologie der Kunst. Produzenten, Vermittler und Rezipienten. Opladen, 55-102. Luhmann, Niklas (2000): Organisation und Entscheidung. Wiesbaden. Leipziger, Jürg (2004): Konzepte entwickeln. Handfeste Anleitungen für bessere Kommunikation. Frankfurt a. M. March, James (Hg.) (1990): Entscheidung und Organisation. Wiesbaden. Stapf, Ingo (1991): Die deutsche PR-Beratungsbranche. Eine Systematisierung des Marktes, der Wettbewerbssituation und der Bedeutung der Branchenverbände DPRG und GPRA. In: prmagazin, Jg 22., Nr. 6, 37-48. Szyszka, Peter (2009): Organisation und Kommunikation. Integrativer Ansatz einer Theorie zu Public Relations und Public Relations-Management. In: Ulrike Röttger (Hg.): Theorien der Public Relations. Grundlagen und Perspektiven der PR-Forschung. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Wiesbaden, 135-150. Szyszka, Peter/Dagmar Schütte/Katharina Urbahn (2009): Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland. Wirtschaftskommunikation. Konstanz. Willke, Helmut 2005: Systemtheorie II: Interventionstheorie. Stuttgart.
Empirische Befunde zur PR-Beratung
Zum Status Quo der PR-Beratungs-Forschung Stand und Perspektiven eines vernachlässigten Forschungsfeldes Joachim Preusse / Jana Schmitt
1
Einleitung
Dem Thema Beratung wird in der Unternehmenspraxis große Bedeutung zugesprochen. Gleichwohl spiegelt sich dieser Trend in der PR-Forschung bislang kaum wider: Theoriebeiträge beginnen sich zu entwickeln, empirische Studien sind jedoch nach wie vor rar. Vor allem letztere könnten jedoch dazu beitragen, den bislang nur unscharf gegenüber den benachbarten Tätigkeitsfeldern der Management- und Unternehmensberatung einerseits und weiteren Aufgabenfeldern von PR- bzw. KommunikationsAgenturen andererseits abgegrenzten Forschungsgegenstand näher zu beleuchten. Der vorliegende Beitrag bietet daher einen ersten Überblick über den derzeitigen empirischen Forschungsstand einer sich etablierenden PR-Beratungs-Forschung. Zunächst werden empirische Studien, in denen einzelne Aspekte des Themenkomplexes „PR-Beratung“ bzw. „PR-Berater“ eine Rolle spielen, zusammengetragen. Aufgrund des bisherigen Forschungsdefizits in diesem Feld (vgl. u.a. Femers 2002: 28f.; Fuhrberg in diesem Band), werden dabei vor allem PR-Berufsfeldstudien berücksichtigt. In diesen steht der Aspekt PR-Beratung zwar in der Regel nicht im Zentrum des Forschungsinteresses, doch finden sich hier dennoch die bisher umfassendsten empirischen Auseinandersetzungen mit dem Thema. In einem zweiten Schritt erfolgt ein Blick in das benachbarte Forschungsfeld zur Unternehmensberatung mit dem Ziel, Erkenntnisse der hier vergleichsweise weit vorangeschrittenen empirischen Forschung für die PR-Beratungs-Forschung nutzbar zu machen und deren Perspektiven zu diskutieren. Laut Berufsbild der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) gehört Beratung zu den Kernaufgaben der PR – ohne dass dabei eine systematische Unterschei-
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Joachim Preusse / Jana Schmitt
dung zwischen organisationsinternen und -externen Erbringungsorten vorgenommen würde: „Öffentlichkeitsarbeit/Public Relations hat sechs Kernaufgaben […]: Analyse, Strategie, Konzeption […], Kontakt, Beratung, Verhandlung, Text und kreative Gestaltung (Informationserarbeitung und -gestaltung, Aufbereitung in Informationsträgern), Implementierung (Entscheidung, Ausplanung von Maßnahmen, Kosten und Zeitachse), Operative Umsetzung und Nacharbeit, Evaluation (Effektivitäts- und Effizienzanalysen, Korrekturen).“ (DPRG 2009)
In der kommunikationswissenschaftlichen PR-Forschung spielt die empirische Auseinandersetzung mit externen PR-Beratern, PR-Beratung oder speziellen Aspekten diesbezüglich bisher so gut wie keine Rolle (vgl. Röttger 2006: 73f.). Studien, die sich explizit diesem Forschungsgegenstand oder seiner Geschichte widmen (vgl. dazu Fuhrberg 1997), liegen bisher nicht vor. Auch von der Beratungspraxis sind nur vereinzelt Studien zu spezifischen Aspekten der PR-Beratung durchgeführt worden (vgl. Kap. 2). Entsprechende kommunikationswissenschaftliche Befunde sind allerdings zum Teil in übergreifenden Berufsfeldstudien erhoben worden. Eine Zusammenfassung im Sinne eines „state of the field“ der empirischen Forschung fällt folglich recht knapp aus. Die Gründe für diesen Sachverhalt sind vielschichtig. Das Kernproblem liegt in der Unschärfe und Mehrdeutigkeit der Begriffe „PR“ und „Beratung“. Der Beratungsbegriff umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Dimensionen. Angefangen bei der Organisationsform des beratenden Unternehmens, über Beratungsfelder (Strategieberatung, Organisations-/Prozessberatung, IT-Beratung sowie Human Resources-Beratung) bis zum Zeitrahmen (Langzeitberatung, projektbezogene Beratung) (vgl. BDU 2009). Auch mit Blick auf die PR-Beratung gilt, was Steyrer (1991: 7f.) für den Begriff der Unternehmensberatung festgestellt hat: „[Dieser] weist einen äußerst geringen Präzisionsgrad (welche Merkmale treffen überhaupt auf ihn zu) und ein Höchstmaß an Inkonsistenz (Zuordnung unterschiedlicher Merkmale) auf, was einerseits mit dem großen Spektrum möglicher Formen der Beratung von Unternehmen und andererseits mit zahlreichen ähnlich gelagerten und häufig synonym verwendeten Begriffen, wie Betriebsberatung, Wirtschaftsberatung oder Managementberatung, zusammenhängt.“
Im Folgenden werden diejenigen Beiträge aus der PR-Forschung zusammengestellt, die einzelne Aspekte des Themas PR-Beratung aufgreifen.
2
Empirische Beiträge zur PR-Beratungs-Forschung
Für den deutschsprachigen Raum liegen bzgl. des PR-Berufsfeldes wissenschaftliche Studien von Nöthe (1994), Fuhrberg (1996, 2009), Merten (1997), Röttger (2000), Röttger, Hoffmann und Jarren (2003), Wienand (2003), Schuster (2005), Fröhlich, Peters und Simmelbauer (2005), Hoffmann, Steiner und Jarren (2007), Zerfass (2008), Löhn (2008) sowie Opitz und Vowe (2009) vor (vgl. Tab. 1).1
1
Die Studie „Public Relations in Deutschland. Eine Studie zur Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen, Wirtschaftsverbänden und PR-Agenturen“ von Szyszka, Schütte und Urbahn war zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags noch nicht publiziert.
Zum Status Quo der PR-Beratungs-Forschung
77
Mit Ausnahme der Studien von Nöthe (1994), Opitz/Vowe (2009), Löhn (2008) und Fuhrberg (1996) sowie der pr+co-Studie (2003), die sich dem Arbeitsfeld der PRAgenturen widmen, liegt der Forschungsschwerpunkt der aufgeführten Studien überwiegend in einer Bestandsaufnahme des Berufsfeldes PR im Allgemeinen. Der Aspekt „PR-Beratung“ wird dabei in fast allen Studien thematisiert, steht jedoch bei der Mehrheit der vorliegenden Untersuchungen nicht im Zentrum des Interesses. Vielmehr wird PR-Beratung als ein Teilbereich des Tätigkeitsfeldes von PR-Agenturen bzw. in der Kategorie „Selbstständige PR-Berater“ miterhoben. Spezifische Erkenntnisse bspw. über das Rollenselbstverständnis, Professionalisierungstendenzen oder die Wahrnehmung des Berufsstandes durch Klienten lassen sich anhand der Ergebnisse nicht gewinnen. Problematisch ist hierbei vor allem, dass den Studien in der Regel keine eindeutige Definition von „PR-Beratung“ bzw. „PR-Beratern“ zugrunde liegt. Betrachtet man die Sample-Zusammenstellung der einzelnen Studien genauer, so fällt auf, dass lediglich in der Studie von Röttger/Hoffmann/Jarren hinsichtlich der Tätigkeitsfelder und -dimensionen von PR-Agenturen explizit auf die Unterscheidung zwischen beratenden und operativ ausgerichteten Dienstleistungen hingewiesen wird (vgl. Röttger/Hoffmann/Jarren 2003: 208f.). Die Definitionsproblematik des Terminus „Beratung“ findet sich auch hier wieder: Beratung ist demnach keine exklusive Dienstleistung, die nur durch Agenturen oder selbstständige PR-Berater erbracht wird, sondern eine prinzipielle Kernaufgabe der PR, die interne PR-Funktionsträger gleichermaßen erfüllen (vgl. ebd.: 211). Die Studie wählt im Folgenden einen Berater-Begriff, der sich auf externe PR-Funktionsträger und ihre Dienstleistungen beschränkt (vgl. ebd.). Im Rückschluss bedeutet dies, dass alle von externen PR-Funktionsträgern erbrachten Dienstleistungen dem Beratungsprozess zugeschrieben werden. In der Zusammenstellung des Samples wird daher nicht weiter zwischen primär beratenden und operativ tätigen PR-Dienstleistern unterschieden, vielmehr erfolgt eine Kategorisierung von PRAgenturen nach PR-Umsatzanteil sowie Mitarbeiterzahl (vgl. ebd.: 221). In den übrigen Studien lassen sich einzelne (demographische) Angaben zu der Gruppe der PR-Berater finden (vgl. u.a. Fröhlich/Peters/Simmelbauer 2005: 81-116; Merten 1997: 44-48; Wienand 2003: 234-314), aufgrund der mangelnden terminologischen Vergleichbarkeit der Studien handelt es sich hierbei jedoch um unverbunden nebeneinander stehende Ergebnisse. Es ist daher festzuhalten, dass dem grundsätzlich wahrgenommenen Bedeutungszuwachs von PR-Beratung bislang keine entsprechende Fundierung auf empirischer Ebene zugrunde liegt. Aktuelle, systematisch erhobene und wissenschaftlich fundierte Informationen zu diesem Berufsfeld liegen bislang nicht vor. Defizite können hier sowohl im quantitativen Bereich – aufgrund mangelnder Daten zu Zahlen der PR-Berater – als auch im qualitativen Bereich ausgemacht werden. Wie bei PR-Berufsfeldstudien allgemein lässt sich hierbei festhalten, dass eine empirische Erhebung dadurch erschwert wird, dass es sich um einen Beruf mit freiem Zugang sowie ohne konsensualisierte Berufsbezeichnungen handelt.
PR-Leiter der größten Wirtschaftsunternehmen, aller staatlichen und privaten NPOs sowie aller PR-Agenturen in Hamburg
PR-Leiter der größten Wirtschaftsunternehmen, aller NPOs auf Bundesebene, aller Behörden auf Bundes- und Kantonsebene sowie alle PR-Agenturen in der Schweiz
PR-Praktiker aus Wirtschaftsunternehmen, NPOs (Verbände, Vereine, Behörden) und Agenturen sowie selbstständige PR-Berater
Röttger (2000)
Röttger/Hoffmann/ Jarren (2003)
Wienand (2003)
schriftliche Befragung
Gegenüberstellung der gegenseitigen Erwar- Online-Befragung tungen und Einschätzungen von Agenturen und Unternehmen
Stichprobe: 685 Rücklauf: 297
Stichprobe: ca. 2500 Rücklauf: 355
Stichprobe: 1019 Rücklauf: 275
Stichprobe: 2878 Rücklauf: 941
Strukturen des Berufsfelds Öffentlichkeitsar- schriftliche Befragung beit; Merkmale und Einstellungen der PRKommunikatoren Wiederholung der Untersuchung von Merten schriftliche Befragung (1997)
Stichprobe: 1581 Rücklauf: 517
Stichprobe: 1200 Rücklauf: 440
37 Leitfadeninterviews
schriftliche Befragung Identifikation des Berufs- und Tätigkeitsfeldes Öffentlichkeitsarbeit; Analyse der Aspekte Macht und Autonomie der PR als Auftragskommunikation
Aktueller Stand bzw. Trends in der Entwick- schriftliche Befragung lung des Berufsfelds PR hinsichtlich der Anforderungen (Wissen, Fertigkeiten, persönliche Eigenschaften) an Berufsinhaber
PR-Praktiker aus PR-Agenturen, WirtFröhlich/Peters/ Überblick über berufliche Situation; ErforSimmelbauer (2005) schaftsunternehmen, Behörden, Verbänden, schung evtl. Unterschiede zwischen weibVereinen und Parteien sowie selbständige lichen und männlichen PR-Experten PR-Berater in Deutschland
pr+co. GmbH (2003) PR-Verantwortliche in Unternehmen sowie PR-Dienstleister aus Agenturen
PR-Praktiker aus Wirtschaftsunternehmen, Verbänden bzw. Vereinen, Agenturen sowie Pressesprecher und selbstständige PRBerater
Berater auf Geschäftsführer-, Etat- und Pro- PR-Agentur-Kunden-Beziehung: Erfolgskri- Leitfadeninterviews jektleiterebene aus GPRA-Agenturen terien für Öffentlichkeitsarbeit, unterschiedliche Bewertungen und Konflikte in diesem Arbeitsprozess
Merten (1997)
Sample
schriftliche Befragung; ergän- Stichprobe: 194 zende telefonische Befragung Rücklauf: 106 der zehn größten Werbeagenturen sowie Inhaltsanalyse von Stellenanzeigen
Erhebungsmethode
Fuhrberg (1996)
Erfassung und Analyse der Merkmale und Entwicklung von PR-Agenturen in Deutschland
Forschungsinteresse
PR-Agenturen in Deutschland (Geschäftsführer, Inhaber bzw. leitende Angestellte)
Untersuchungsfeld
Nöthe (1994)
Autoren
Tab. 1: Empirische Beiträge der PR-Berufsfeldforschung mit Beratungsbezug
78 Joachim Preusse / Jana Schmitt
Sample
50 Leitfadeninterviews
Repräsentanten von politischen Kommunika- Empirisch basierte Typologie der Dienstleis- Leitfadeninterviews tions-Dienstleistern in Führungspositionen ter für politische Kommunikation (einschließbzw. aus den Reihen der Gründer lich Wahlkampf, Lobbying, Public Affairs)
Opitz/Vowe (2009)
Quelle: Eigene Darstellung.
10 Leitfadeninterviews
Leitfadeninterviews Ermittlung der praktischen Relevanz des Klientenvertrauens im PR-Beratungsprozess
Klienten von PR-Agenturen (leitende PRExperten in Unternehmen)
45 Leitfadeninterviews mit PR-Beratern 35 Leitfadeninterviews mit Kunden
Leitfadeninterviews
Löhn (2008) Siehe auch: Löhn/Röttger (2009)
Bewertung von PR auf Agentur- und Klientenseite; Erfolgskriterien der PRAkteure und deren Hinweise auf bestimmte Handlungsmuster
Etatverantwortliche PR-Berater von GPRAAgenturen; PR-Etat-Verantwortliche von GPRA-Kunden (keine Agentur-KundenPaare)
Fuhrberg (2009)
Stichprobe: ca. 24500 Rücklauf: 1524
PR-Verantwortliche in Organisationen und PR-Agenturen in Europa
Online-Befragung
Stichprobe schriftliche Befragung: 654 Rücklauf: 337, davon 236 nicht im Bereich der polit. Kommunikation tätig, daher in der Auswertung: 101 Stichprobe Leitfadeninterviews: 19; Realisation: 16
Zerfass (2008) Aktuelle Entwicklungen und Trends im Kommunikationsmanagement und den Public Relations in Europa
Schweizer PR-Agenturen, die Dienstleistun- Beschreibung von politischer Kommunikation Schriftliche Befragung; ergängen im Bereich der politischen Kommunika- als Dienstleistung in der Schweiz zende Leitfadeninterviews mit tion, Full-Service-Dienstleistungen oder ausgewählten Beratern Dienstleistungen im Bereich der Kampagnenkommunikation anbieten
Hoffmann/Steiner/ Jarren (2007)
Erhebungsmethode
Explorative Studie zum Prozess der kommu- Leitfadeninterviews, Experten- 8 Leitfadeninterviews nikativen Beratung von Bundesministerien gespräche 3 Expertengespräche durch Politikberatungs-Agenturen
Forschungsinteresse
Vertreter aus Politikberatungs-Agenturen und Bundesministerien; Branchenexperten
Untersuchungsfeld
Schuster (2005)
Autoren
Tab. 1: Empirische Beiträge der PR-Berufsfeldforschung mit Beratungsbezug (Fortsetzung)
Zum Status Quo der PR-Beratungs-Forschung 79
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Joachim Preusse / Jana Schmitt
Berufsinhaber können dementsprechend nicht zuverlässig über ihre Berufsbezeichnung identifiziert werden. Darüber hinaus bestehen keine Verzeichnisse über Berufsinhaber, auch Mitgliederlisten von Berufsverbänden stellen hier aufgrund mangelnder Repräsentativität keine geeignete Grundlage dar. Angesichts des Mangels an empirischen Daten zu Beratern und zum Beratungsprozess in der PR-Forschung wird im Folgenden ein Blick in das benachbarte Feld der Unternehmensberatungs-Forschung geworfen. Im Vergleich zur PR-Forschung, bei der Metaforschung bislang noch rar ist (vgl. Bentele 2003: 61), liegen in diesem Feld Metaanalysen vor, die sich explizit empirischen Beratungsstudien zugewendet haben. Eine solche Erweiterung des Blickfeldes erscheint lohnenswert, da einerseits beide Beratungsbereiche in der Praxis durch fließende Übergänge gekennzeichnet sind und sich andererseits auch die Forschungsdesigns einer sich entwickelnden PR-Beratungs-Forschung erwartbar an die Unternehmens-Beratungs-Forschung anlehnen werden.
3
Metaanalytische Forschung zur Unternehmensberatung
Die empirische Unternehmensberatungs-Forschung konzentriert sich – in Abgrenzung zur Management-Beratungs-Forschung – auf die Untersuchung von Unternehmungen als nachfragende Einheit und klammert die Einzelberatung von Managern als Untersuchungsgegenstand aus (vgl. Ernst 2002: 11). Zwei metaanalytische Studien (Steyrer 1991; Mohe 2004) bieten einen kompakten Überblick über die empirische Beratungsforschung von 1974 bis 2003 im deutschsprachigen Raum. 2 Wurde dem Thema innerhalb der betriebswirtschaftlichen Forschung lange Zeit wenig Beachtung geschenkt, besteht das Hauptproblem mit zunehmender Forschungsintensität vor allem in der Unübersichtlichkeit und Fragmentierung des Forschungsgebiets. Entsprechende Studien sind kaum vergleichbar und gelangen zu teils widersprüchlichen Ergebnissen (vgl. Mohe 2004: 693). Von einem einheitlichen Forschungsfeld „empirische Unternehmensberatungs-Forschung“ kann daher weder auf Basis der metaanalytischen Ergebnisse von Steyrer (1991) noch von Mohe (2004) gesprochen werden. Noch immer gilt: „Man kann [.] einen gewissen ,Forschungswildwuchs’ attestieren, da die einzelnen Untersuchungen kaum aufeinander abgestimmt sind und jedes Forschungsprojekt das empirische Feld von neu auf zu bearbeiten scheint. […] Jene Fragestellungen, die sich einer Aufarbeitung relativ leicht erschließen, sind bereits auf einem deskriptiven Niveau beantwortet.“ (Steyrer 1991: 21)
Innerhalb des Betrachtungszeitraumes 1991 bis 2003 wurde mehr als die Hälfte der empirischen Studien in den Jahren 2000 bis 2003 veröffentlicht – insofern ergibt sich sowohl innerhalb des Untersuchungszeitraumes als auch im Vergleich zur Vorgängerstudie von Steyrer (1991) ein allgemeiner „Aufwärtstrend“ (Mohe 2004: 696) der em2
Mohe identifizierte über eine Recherche im Internet und in verschiedenen Datenbanken insgesamt 37 empirische Studien für den Zeitraum 1991 bis 2003. Neben Mohe nimmt auch Steyrer (1991) eine metaanalytische Perspektive ein, mit der er den Zeitraum von 1974 bis 1990 abdeckt. Hier konnte er 22 empirische Studien identifizieren.
Zum Status Quo der PR-Beratungs-Forschung
81
pirischen Beratungsforschung. Gerade angesichts der Vielzahl an Publikationen ist es erstaunlich, dass im Bereich der Unternehmensberatung weiterhin ein Theoriedefizit festgestellt wird. „Von einer schlüssigen Theorie der Beratung ist man noch weit entfernt“ (Mohe/Heinecke/Pfriem 2002: 14). Vielmehr lässt sich bislang ein Übergewicht an praxisorientierten Erkenntnisinteressen ausmachen. Eine Vorreiterrolle kommt im Gebiet der Unternehmensberatungs-Forschung der angelsächsischen Literatur zu, was sicherlich in der vergleichsweise späten Etablierung des Berufsfeldes in Deutschland zu erklären ist. Als Forschungsschwerpunkt kann zunächst einmal der Bereich der privatwirtschaftlichen Beratung – im Vergleich zur Beratung des öffentlichen Sektors – ausgemacht werden, wobei schwerpunktmäßig Erfolgsfaktoren, Problemfelder, Beratungsphasen oder Beraterkonzepte untersucht werden (vgl. Raffel 2006: 23). Die empirischen Befunde der Unternehmensberatungs-Forschung können grob danach gegliedert werden, ob sie der Berater- bzw. Angebots- und/oder der Klientenbzw. Nachfrageseite gewidmet sind. Steyrer kommt 1991 (19, 22ff.) in seiner Zusammenschau empirischer Studien aus den Jahren 1974 bis 1990 zu dem Schluss, dass „bereits alle maßgeblichen nachfrage- und angebotsorientierten Fragestellungen einer empirischen Analyse unterzogen wurden.“ Dazu zählt er auf Seiten der Anbieter insbesondere Studien zu Angebotsschwerpunkten und dem Spezialisierungsgrad der angebotenen Leistungen sowie zu „verschiedenen personellen und organisatorischen Begebenheiten bei den Beratungsunternehmen selbst“ (Steyrer 1991: 19)3, nachfrageseitig vor allem Fragen nach Determinanten der Beraterauswahl4 und der Transparenz des Beratermarktes. Für beide Betrachtungszeiträume (Steyrer 1991; Mohe 2004) gilt aber, dass sich die Mehrzahl der empirischen Studien zur Unternehmensberatung mit der Klientenseite befasst. Einen wesentlichen Grund hierfür erkennen beide in der tendenziell ablehnenden Haltung von Anbietern von Beratungsleistungen, sich an entsprechenden Studien zu beteiligen. Systematisierungsvorschlag empirischer Fragestellungen zur Unternehmensberatung
Steyrer (1991: 13ff.) arbeitet aus der bis 1990 vorliegenden Literatur – ausgehend von der Arbeit Fleischmanns (1984) – fünf elementare Bausteine einer Theorie der Beratung heraus, die den Interaktionszusammenhang zwischen Berater und Klient beschreiben und strukturieren (vgl. Abb. 1). Die zentralen Elemente einer Theorie der Beratung, die zugleich der Systematisierung empirischer Fragestellungen dienen können, lauten demgemäß: (1) Interaktionszusammenhang, (2) interaktionsunterstützende Me3
4
Konkreter: Untersuchungsergebnisse zu soziodemografischen Merkmalen von Beratern (Alter, soziale Herkunft), zum formalen Bildungs- und Qualifikationsniveau, zur Motivation der Ergreifung des Beraterberufs und verschiedenen gesellschaftlichen Wertehaltungen (vgl. Steyrer 1991: 37). Im Detail identifiziert Steyrer (1991: 24ff.) folgende Themen empirischer Studien, die sich mit den „Determinanten der Konsultation“ befassen: Analysen zur Häufigkeit von Konsultationen sowie positiver und negativer Konsultationsneigungen; Analysen des Entscheidungsprozesses über die Hinzuziehung eines Beraters in potenziell zu beratenden Organisationen; Analysen der Kontaktanbahnungsversuche zwischen Klienten und Beratern; Analysen unterschiedlicher Erwartungshaltungen im Klientensystem und unterschiedlicher Lösungen des Problems der Beraterauswahl.
82
Joachim Preusse / Jana Schmitt
thoden, (3) Interaktionshintergrund, (4) Beraterrolle und (5) Klientenrolle. Diese Systematik ist, so Steyrer (1991: 18), mit Blick auf die empirische Beratungsforschung in zweifacher Hinsicht relevant: Zum ersten geht es darum, grundlegende Erfolgsvoraussetzungen der Interaktionsbeziehungen von Berater und Klient herauszuarbeiten. Zum zweiten werden hinsichtlich aller fünf Elemente konkrete Fragestellungen relevant, bspw. nach der Lern- und Kooperationsbereitschaft von Beratern und Klienten, dem klienteninternen Entscheidungsmodus im Zuge der Inanspruchnahme von Beratungsleistungen, den klientenseitig zu erbringenden Leistungen zur Erhöhung der Erfolgschancen von Beratungsprozessen u.v.a.m. Abb. 1: Systematisierung empirischer Fragestellungen zum Thema Beratung
Quelle: Steyrer 1991: 17.
Trends der empirischen Forschung zur Unternehmensberatung
Mohe stellt in seiner Metaanalyse empirischer Studien der Jahre 1991 bis 2003 fest, dass sich die neuere Forschungsperspektive erweitert und ausdifferenziert hat. Insbesondere der Evaluation von Beratungsleistungen ist in jüngeren Studien die Aufmerksamkeit der empirischen Beratungsforschung zu Teil geworden, wobei hier überwie-
Zum Status Quo der PR-Beratungs-Forschung
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gend quantitative Erhebungsmethoden zum Einsatz kommen. Kritisch betrachtet er das dahinter stehende positivistische Wissenschaftsverständnis: „Mit der Annahme, dass Beratungsleistungen quasi ,ingenieurmäßig’ eindeutig bewertet werden können, wird die Evaluation als rein technisches, berechenbares Problem behandelt. […] Geht man jedoch davon aus, dass Beratung auch latente Funktionen bedient, ergeben sich weit reichende Konsequenzen für den Gegenstand der Evaluation an sich und damit auch für die Wahl der Forschungsstrategie. Latente Beratungsfunktionen, die zum Beispiel zur Legitimierung bereits getroffener Entscheidungen des Managements dienen und nur ungern von den Akteuren beider Seiten offen gelegt werden, sind durch quantitative Erhebungsmethoden nur schwer in den Blick zu bekommen.“ (Mohe 2004: 699f.)
Einen eindeutigen Bedeutungsgewinn erkennt Mohe (vgl. ebd.) auch hinsichtlich der empirischen Forschung zur internen bzw. Inhouseberatung, die auch in der Unternehmenspraxis zunehmend betrieben wird. Darüber hinaus arbeitet Mohe (ebd.: 700f.) den Trend der zunehmenden Ambiguität und Inkommensurabilität der Befunde empirischer Beratungsforschung heraus, die sich bspw. anhand der in einzelnen Studien identifizierten Kriterien der Beraterauswahl durch Klienten äußern. Diese lassen sich allerdings mit der uneinheitlichen und wenig trennscharfen Definition des Untersuchungsgegenstandes und divergierender methodischer Ansprüche einzelner Forscher erklären. Einen langsamen, in jüngerer Zeit aber verstärkten Einzug in die empirische Erforschung der Unternehmensberatung konstatiert Mohe mit Blick auf Studien zur systemischen Beratung. Hauptschwierigkeit ist nach Mohe (2004: 699) die Operationalisierbarkeit insbesondere der Erfolgsfaktoren der systemischen Beratung, mache diese sich doch „durch ihr Konzept des Beobachtens und Irritierens a priori unangreifbar […].“ (Ebd.: 699) Methodik der empirischen Unternehmensberatungs-Forschung
Eine einheitliche Methodik der empirischen Unternehmensberatungs-Forschung ist nicht auszumachen. Zwar stellt Mohe (vgl. ebd.: 696f.) im Vergleich zum Betrachtungszeitraum von Steyrer (1991) einen leichten Zuwachs an qualitativen Forschungsansätzen fest 5 , gleichwohl dominieren auch in jüngeren Studien quantitative Forschungsansätze. Überwiegend handelt es sich dabei um schriftliche Befragungen – diese kamen in 17 der 37 untersuchten Studien (45,9%) zum Einsatz. Mit Blick auf die eingesetzten Analysemethoden beobachtet er eine verstärkte Hinwendung zu multivariaten Analysemethoden. Oftmals, so konstatiert er, wird dabei „methodisches Vorgehen über inhaltliches Erkenntnisinteresse gestellt [.]. Typischerweise wird in Untersuchungen dieser Art zunächst auf methodische Mängel älterer Untersuchungen hingewiesen, was allerdings nicht zur Ablehnung des Forschungsansatzes führt, sondern im Gegenteil in Plädoyers für eine Verfeinerung quantitativer Methodik auf höherem Niveau einmündet.“ (Mohe 2004: 697)
5
Die Methode des mündlichen Interviews kommt in knapp 30 Prozent (elf Fälle) der untersuchten Studien zum Einsatz, 13,5 Prozent der Studien (fünf Fälle) kombinieren die schriftliche und mündliche Methode, zwei Fällen liegt eine Dokumentenanalyse plus Interviews zugrunde. Je eine Studie arbeitet mit der Beobachtung bzw. der Beobachtung, ergänzenden Interviews sowie einer Dokumentenanalyse in der methodischen Umsetzung.
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Joachim Preusse / Jana Schmitt
Insofern wird, so folgert Mohe, in der neueren empirischen Beratungsforschung mitunter einem „Messfetischismus“ im Sinne Lamneks (Lamnek 2005: 12f.) gehuldigt.
4
Perspektiven für die empirische PR-Beratungs-Forschung
Was kann aus der Auseinandersetzung mit der empirischen Forschung zur Unternehmensberatung im Hinblick auf die Erforschung der PR-Beratung gefolgert werden? Angesichts der Analogien von Unternehmens- und PR-Beratung – insbesondere hinsichtlich begrifflicher Unschärfen („PR“, „Beratung“) sowie dem ungeregelten Berufszugang – lässt sich vermuten, dass die von Steyrer (1991) und Mohe (2004) aufgezeigten Entwicklungen der Unternehmensberatungs-Forschung auch auf eine sich entwickelnde PR-Beratungs-Forschung zutreffen würden. Das Problem liegt vor allem in der Annäherung an und der Eingrenzung des Feldes: In der empirischen Realität ist jeder Akteur „PR-Berater“ bzw. jede Organisation „Beratung“, der/die sich so nennt. Eine Eingrenzung des Feldes über die Selbstbezeichnung der Akteure und Organisationen ist angesichts des in keiner Form geschützten und inflationär gebrauchten Begriffs problematisch, denn sehr erwartbar ist nicht überall „Beratung“ drin, wo „Beratung“ draufsteht. Als alternative Eingrenzungsmöglichkeit bietet sich beispielsweise die literaturgeleitete Aufstellung von als berater- bzw. beratungstypisch festgelegten Tätigkeitsprofilen und -schwerpunkten an. Als „PRBerater“ wäre dann jeder Akteur bzw. jede Organisation zu qualifizieren, der/die bestimmte Tätigkeiten in einem bestimmten Ausmaß ausführt. Hierbei könnten auch Akteure und Organisationen Teil eines Untersuchungssamples werden, die sich selbst nicht als „PR-Berater“ bzw. „Beratung“ sehen. Diese und weitere denkbare Annäherungs- und Eingrenzungsversuche an das Feld machen deutlich: Den prototypischen PR-Berater bzw. die PR-Beratung gibt es nicht, zu vielfältig und einem zu kurzfristigen Wandel unterworfen sind die Tätigkeits- und Aufgabenfelder, die an Berater herangetragenen Problemstellungen sowie ihre formellen und informellen Beauftragungsgründe. „PR-Berater“ bzw. „Beratung“ ist immer, wer seitens der Forschung auf der Grundlage spezieller Fragestellungen – von unterschiedlichen PR-Beratungs-Ansätzen über tatsächliche und wahrgenommene Erfolgsfaktoren des Beratungsprozesses, dem Spezialisierungsgrad von Anbietern dieser Dienstleistung bis hin zur klassischen Frage nach den Determinanten der Berater- und Klientenauswahl u.v.a.m. – dazu gemacht wird. Das heißt für die empirische Erforschung des Feldes: Der Untersuchungsgegenstand kann stets nur im Einzelfall und in Abhängigkeit von spezifischen Erkenntnisinteressen bestimmt werden. Man wird in der Konsequenz mit einer Inkommensurabilität der Befunde und einer Zersplitterung des Forschungsfeldes leben müssen. Angesichts divergierender Erkenntnisinteressen werden einzelne Studien, die sich von ihrem Selbstverständnis dem Feld der PRBeratungs-Forschung zurechnen, hinsichtlich Fragestellung, Methodik und Ergebnissen kaum vergleichbar sein. Erwartungen an die Vergleichbarkeit von Befunden der empirischen PR-Beratungs-Forschung sollten folglich nicht zu hoch gehängt werden.
Zum Status Quo der PR-Beratungs-Forschung
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Dass einzelne Studien gleichsam puzzleartig zu einem in sich mehr oder weniger geschlossenen Gesamtbild führen, ist eher unwahrscheinlich. Vielmehr ist mit Blick auf die Unternehmensberatungs-Forschung zu erwarten, dass eine Vielzahl von Einzelaspekten unabhängig voneinander untersucht wird, entsprechende Studien möglicherweise zu sich widersprechenden Ergebnissen führen und letztlich mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben. Mit Blick auf die Unternehmensberatungs-Forschung fällt zudem auf, dass diese überwiegend anwendungsorientiert ist und praktische Probleme löst, was mitunter zu fließenden Übergängen zur Beratungspraxis führt. Insoweit wäre einer sich entwickelnden PR-Beratungs-Forschung anzuraten, die Bearbeitung von grundlegenden, nicht unmittelbar praxisrelevanten Fragestellungen nicht aus dem Blick zu verlieren und ihr Verhältnis zur Beratungspraxis mit Blick auf konkrete Forschungsprojekte und den damit verbundenen Verwertungsinteressen eindeutig zu klären, denn die „Relevanz sozialwissenschaftlichen Wissens bemisst sich nicht ausschließlich und auch nicht in erster Linie daran, inwieweit das forschungsbasierte Wissen unmittelbar handlungsrelevant ist. Im Gegenteil: Ein naiver Anwendungsbezug [...] verkennt vielmehr die unterschiedlichen Logiken, denen Alltagshandeln und Wissenschaft unterliegen. Viele alltagspraktische Probleme sind schlicht zu komplex, als dass sie auf der Grundlage wissenschaftlichen Wissens allein gelöst werden können.“ (Raupp 2006: 39)
Die beschriebene Ausgangslage der Annäherungs- und Eingrenzungsproblematik des Untersuchungsfeldes sowie die Gegebenheit, dass letztlich jeder Beratungsprozess einen spezifischen, kaum vergleichbaren Einzelfall darstellt, sprechen für eine prioritäre Verwendung qualitativer Methoden. Hier könnte eine sich etablierende PR-BeratungsForschung aus der empirischen Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Fragestellungen der Unternehmensberatung lernen, um gar nicht erst in einen „Messfetischismus“ im Sinne Lamneks (2005: 12f.) zu verfallen. Literatur Bentele, Günter (2003): Kommunikatorforschung: Public Relations. In: Günter Bentele/Hans-Bernd Brosius/Otfried Jarren (Hg.): Öffentliche Kommunikation: Handbuch Kommunikations- und Medienwissenschaft. Wiesbaden, 54-78. Bundesverband deutscher Unternehmensberater e.V. (BDU) (2005): Facts & Figures zum Beratermarkt 2004. Bonn. Bundesverband deutscher Unternehmensberater e.V. (BDU): http://www.bdu.de/t_bran.html (Stand: 05.02.2009). Deutsche Public Relations Gesellschaft e.V. (DPRG): http://www.dprg.de/statische/itemshowone. php4?id=39 (Stand: 10.02.2009). Ernst, Berit (2002): Die Evaluation von Beratungsleistungen. Prozesse der Wahrnehmung und Bewertung. Wiesbaden. Femers, Susanne (2002): Beratungsmarkt und Beratungstheorie. Eine Bestandsaufnahme. In: Alexander Güttler/Joachim Klewes (Hg.): Drama Beratung! Consulting oder Consultainment? Frankfurt a. M., 21-34. Fleischmann, Petra (1984): Prozeßorientierte Beratung im Strategischen Management. München. Fröhlich, Romy/Sonja Peters/Eva-Maria Simmelbauer (2005): Public Relations. Daten und Fakten der geschlechtsspezifischen Berufsfeldforschung. München. Fuhrberg, Reinhold (1996): Das Kopf-Bauch-Dilemma. PR-Beratung zwischen Erfolg und Konflikt.
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Erfolg ohne Wirkung? Analyse der Erfolgskriterien von PR-Agenturen und Kunden1 Reinhold Fuhrberg
„Wir stellen für unsere Kunden die Weichen für erfolgreiche Kommunikation.“ „Wir managen Kommunikationsaufgaben zuverlässig, schnell und erfolgreich.“ „Wir tragen mit unseren Kommunikationsstrategien und -programmen messbar zum Erfolg unserer Kunden bei.“ So oder ähnlich lauten aktuelle Leistungsversprechen in Selbstdarstellungen von PR-Agenturen. Kommunikationsverantwortliche von Unternehmen und Organisationen berichten in PR-Fachzeitschriften meist über den Erfolg ihrer PRArbeit. Und die PR-Branche zeichnet jährlich die erfolgreichsten Menschen und Projekte der deutschsprachigen PR-Wirtschaft – ob Kunden oder Agenturen – mit Preisen wie dem „Deutschen PR-Preis“ oder den „PR Report Awards“ aus. Die Erfolgszuweisungen lassen vermuten, dass diesen Leistungs- und Ergebnisbewertungen eindeutige Erfolgskriterien zugrunde liegen, die auf zielgerichtetem Handeln der beteiligten Akteure basieren. Dies stellt einen Grundstock professioneller Handlungsweise dar. Zugleich wird jedoch seit Jahrzehnten ein Defizit bei der normativ geforderten PR-Evaluation beklagt: Einerseits fehlten geeignete Maßnahmen, andererseits würden bestehende Verfahren aus Zeit-, Geld- und Kostengründen unzureichend umgesetzt. Wie lässt sich dieser vermeintliche Widerspruch erklären und welchen Erfolgskriterien unterliegt die PR-Praxis auf Kunden- und Agenturseite? Ist es denkbar, dass es PR-Erfolge jenseits kommunikativer Wirkungen und damit Zielerreichungen gibt, die auf eine systematische PR-Evaluation verzichten lassen? Die Bearbeitung dieser Fragestellungen reduziert Forschungsdefizite sowohl hinsichtlich der Evaluationspraxis in der PR, als auch hinsichtlich des Phänomens externer PRBeratung. 1
Der Beitrag skizziert erste Teilergebnisse eines demnächst veröffentlichten Dissertationsprojektes des Autors.
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Den PR-Erfolg im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen PR-Agentur und Kunde zu betrachten, erscheint aus mehreren Gründe geeignet, um Einblicke in die Handlungsweisen von PR-Akteuren zu geben. Kunden identifizieren und explizieren einen externen Unterstützungsbedarf. PR-Agenturen bieten potenziellen Kunden gegen Entgelt ihre Dienstleistungen an und stellen Lösungen von Kommunikationsproblemen in Aussicht. Kommt es zur Zusammenarbeit, findet ein Ressourcentausch zwischen PRDienstleister und Kunde statt: Dienstleistung gegen Vergütung. Stets wird dem Tun und den erwarteten Ergebnissen ein Wert zugemessen, sei es in Form der Vergütungserwartung durch den externen Dienstleister, sei es in Form der Vergütungsbereitschaft durch den Kunden. So ist zu konstatieren, dass Zielsetzungen und Bestandteile der Tätigkeiten in dem gemeinsamen Arbeitsprozess z.B. über das Briefing, über Verträge, Angebote oder Aufträge explizit benannt werden und damit den PR-Akteuren gegenwärtig sind. Diese Zielsetzungen und damit Erfolgskriterien gilt es zu identifizieren. Im Folgenden wird zunächst das Phänomen PR-Beratung kurz umrissen und der Begriff PR-Erfolg präzisiert, bevor die Ergebnisse von Leitfadengesprächen mit Beratern der Gesellschaft Public Relations Agenturen e. V. (GPRA) und GPRA-Kunden vorgestellt werden, in denen sie u.a. nach ihren Erfolgskriterien befragt wurden. Dabei wurde bewusst darauf verzichtet, vorweg einen theoretischen Ansatz zur Erklärung der Akteurshandlungen zugrunde zu legen, um Artefakten vorzubeugen, die aus einengenden Sichtweisen und Fragestellungen resultieren. Vielmehr wurden die PR-Akteure angeregt, entlang des Prozesses der Zusammenarbeit von PR-Agenturen und Kunden Bewertungs- und Entscheidungsprozesse zu beschreiben. Abschließend werden die Befunde zu den Erfolgskriterien in der PR kurz daraufhin abgeglichen, inwieweit sie sich in handlungstheoretischen Beschreibungs- und Erklärungsmodellen wiederfinden.
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PR-Beratung – Begriffsbestimmung und Abgrenzung
Die externe PR-Beratung ist sowohl hinsichtlich der Beschäftigtenzahl als auch ihrer ökonomischen Bedeutung eine wichtige Größe in der PR-Branche. Mindestens ein Viertel der rund 40 000 hauptberuflich im PR-Kerngeschäft Beschäftigten (vgl. Fröhlich 2008: 434) in Deutschland sind in der externen PR-Beratung tätig. Über ein Drittel (35,5%) der Anfang 2008 verzeichneten 2 700 Mitglieder der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) 2 arbeitet in Agenturen oder als selbständige Berater. Der DPRG-Index PR-Berater von 2005 verzeichnete in rund 700 Agenturen knapp 7 000 Mitarbeiter (vgl. DPRG 2005a), die PR-Agentur-Datenbank des Internetportals PRJournal3 verweist 2009 auf insgesamt 1 960 PR-Agenturen. Im Jahr 2007 erwirtschafte-
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Vgl. http://www.dprg.de/statische/itemshowone.php4?id=5, 10.02.2009, eigene Berechnung. Bei der Annahme, dass alle DPRG-Agenturen dort gelistet sind, ergäben sich rund 1 260 zusätzliche PR-Dienstleister. Sollten diese jeweils nur einen Mitarbeiter haben, läge die Beschäftigtenzahl bei 8 260, bei durchschnittlich drei Mitarbeitern wären dies 10 780 Beschäftigte (vgl. http://datenbanken.pr--journal.de/agenturen/alle-agenturen.html, 10.02.2009).
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ten allein die 33 GPRA-Agenturen einen Honorarumsatz von rund 200 Mio. Euro (vgl. GPRA 2008). Trotz ihrer Branchenrelevanz besteht ein Forschungsdefizit im Bereich externer PRDienstleistung. Bislang lag der Fokus auf der Publikation von Praxisratgebern für das Führen von oder die Zusammenarbeit mit PR-Agenturen (z.B. Hanstein 2002; Knobel 2006). Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit externer PR-Dienstleistung fand nur vereinzelt statt. So gab es Befunde beispielsweise zum Beratungsmarkt (z.B. Nöthe 1994), zu seiner historischen Entwicklung (vgl. Fuhrberg 1997), zu Beraterrollen (z.B. Johnson 1989; Femers 2002), zum Beratungsprozess (z.B. Thiele 1996), zu Konfliktfeldern in Agentur-Kunden-Beziehungen (z.B. Bourland 1993) sowie zu seiner (system)theoretischen Konzipierung (vgl. Röttger 2006). Eine Analyse der Erfolgskriterien zwischen Agenturen und Kunden steht aus. Hinsichtlich des Begriffs „PR-Beratung“ besteht eine definitorische Unschärfe. Die alltagssprachliche Bezeichnung „PR-Berater” lässt offen, ob damit ausschließlich externe PR-Dienstleister gemeint sind oder auch Mitarbeiter von PR-Abteilungen in Organisationen. Während die 1991 von DPRG und GPRA gegründete Deutsche Akademie für Public Relations GmbH (DAPR) noch mit dem einheitlich vergebenen Titel „Geprüfte/r PR-Berater/in (DAPR)” auf eine begriffliche Trennung verzichtete, sind die Berufsverbände in jüngerer Zeit um eine Differenzierung bemüht. Die Titel der Prüfungsabschlüsse der DPRG oder seit 2008 der Prüfungs- und Zertifizierungsorganisation der deutschen Kommunikationswirtschaft (PZOK) lauten „PR-Berater(in)/PRReferent(in) (DPRG)“ bzw. „PR-Berater(in)/PR-Referent(in) (PZOK)“. Jedoch handelt es sich dabei um identische Prüfungsinhalte (vgl. PZOK 2008), was gleiche Anforderungen für beide Seiten unterstellt. Gestützt wird diese Annahme sowohl vom aktuellen DPRG-Berufsbild, wonach die Beratung als eine Aufgabe innerhalb der sechs Kernaufgaben professioneller PR gilt und damit Tätigkeitsbereich aller PR-Akteure ist (vgl. DPRG 2005b: 8f.), als auch durch Berufsfeldstudien, wonach sowohl selbständige PRBerater und PR-Agenturen als auch PR-Praktiker in Organisationen beraten (z.B. Wienand 2003: 273). Das zu beobachtende Auslagern von Kommunikationsabteilungen zu externen Agenturen sowie die Übernahme von Agenturen in die Organisation lässt diese Grenzen weiter verschwimmen. So ist zu konstatieren, dass es sich beim Titel „PRBerater“ um eine ungeschützte Berufsbezeichnung handelt, für die keine eindeutige Tätigkeitsbeschreibung vorliegt, die PR-Beratung trennscharf von anderen PR-Dienstleistungen und -Tätigkeiten unterscheidet. Neben der Differenzierung zwischen interner und externer Beratung ist zu bestimmen, inwieweit durch PR-Agenturen überhaupt Beratung stattfindet. Die strikte Trennung zwischen Rat und Tat, wie sie die systemische Organisationsberatung postuliert (z.B. Ellebracht/Lenz/Osterhold 2009), dient der Wahrung der externen Perspektive sowie der Unabhängigkeit bei der Empfehlung von Handlungswahlen. Nur diejenigen PR-Dienstleister als PR-Berater zu bezeichnen, die ausschließlich beratend und nicht operativ tätig sind, wäre somit analytisch präzise, würde allerdings die beratenden Elemente operativ tätiger PR-Akteure verleugnen. Diese strikte Trennung erscheint aus
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mehreren Gründen problematisch: Im Prozess der Zusammenarbeit verändern sich oftmals die Arbeitsfelder, d.h. nach den anfänglich analytisch-konzeptionellen Empfehlungen fordern die Kunden von der Agentur meist im zweiten Schritt die Umsetzung der vorgeschlagenen Aktivitäten ein. Auch während der Umsetzung kommt es zu beraterischen Tätigkeiten, wenn beispielsweise die sich permanent ändernden Rahmenbedingungen eine kommunikative Neuorientierung erforderlich machen oder wenn Ratschläge zur Umsetzung einzelner Maßnahmen erteilt werden. Aber auch innerhalb von Organisationen sind Beratungsfunktionen mit eingeschränkter Außenperspektive denkbar (vgl. Mohe 2002). Letztlich kann diese Unterscheidung zwischen Rat und Tat analytisch durchaus als „kurios verschachtelt“ bezeichnet werden (Fuchs 2004: 247), da einerseits das Ratgeben selbst als Tat aufgefasst werden kann, andererseits sich das Beraten auf noch nicht stattgefundene Handlungen bezieht, d.h. die Tat zeitlich lediglich aufgeschoben wird. Die Aktivitäten von PR-Agenturen sind Teilbereiche von PR-Dienstleistungen, die vereinzelt bzw. phasenweise beratenden Charakter haben. In Anlehnung an Bruhns allgemeine Dienstleistungsdefinition lassen sich die PR-Dienstleistungen wie folgt charakterisieren (vgl. Bruhn 2008: 24): PR-Dienstleistungen sind selbständige, marktfähige Leistungen zur Lösung von PR-Problemen, die mit der Bereitstellung und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten in den Bereichen Situationsanalyse, Strategie, Taktik, Durchführung und/oder Evaluation verbunden sind (Potenzialorientierung). Im Rahmen des Leistungserstellungsprozesses werden auf der Basis normativer Regeln interne Ressourcen (Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten) und externe Faktoren (Kunden, Kundenobjekte – Briefing, Texte, Fotos, etc. –, Bezugsgruppen) kombiniert (Prozessorientierung). Ziel des Dienstleistungsanbieters ist es letztlich, ökonomische Ressourcen vom Leistungsnachfrager dafür zu erhalten, dass seine Dienstleistung für den Kunden nutzenstiftende kommunikative Wirkungen bei dessen Bezugsgruppen erzielt bzw. die Organisation bei der Anpassung an Umfeldbedingungen unterstützt (Ergebnisorientierung). Erbringer derartiger Leistungen sind kommerzielle PR-Dienstleister. Dazu zählen neben PR-Agenturen und sogenannten Einzelberatern allerdings z.B. auch Anbieter für das Adressmanagement, die Distribution von PR-Materialien, die Produktion von TV- oder Audiobeiträgen, Ausschnittdienste sowie Markt- und Meinungsforschung. Bei externer PR-Beratung helfen, zeitlich befristet, beauftragte externe PR-Experten gegen Entgelt hilfesuchenden Organisationen oder Einzelpersonen bei dem Aufbau und der Gestaltung kommunikativer Beziehungen mit deren Bezugsgruppen, insbesondere bei der Prävention bzw. Lösung von Kommunikationsproblemen. Bezüglich der Informationsbeschaffung, der organisationalen Kommunikationsstruktur sowie der Kommunikationskonzeption bieten sie fallspezifisch komplexe fertige Problemlösungen an und/oder aktivieren beim Kunden einen Lernprozess und unterstützen bzw. verbessern damit dessen Entscheidungs- und Handlungskompetenz, ohne dabei die finale Durchführungsverantwortung gegenüber den Bezugsgruppen zu übernehmen. Die finale Handlungsentscheidung verbleibt beim Kunden. Die externen PR-Berater entstam-
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men einem anderen Machtsystem als ihre Kunden, sind jedoch finanziell zumindest teilweise von ihnen abhängig. Im Gegensatz zu ihren Kunden verfügen sie über eine externe Sichtweise auf den Beratungsgegenstand, da sie selbst nicht vom Kommunikationsproblem betroffen sind. Zwischen PR-Berater und Kunde bestehen Unterschiede in der Prozesssteuerungs-, Fach- und Lösungskompetenz, wobei die Ratgeber über eine spezifische Beratungsqualifikation verfügen. Verwalten sie dabei als erwerbswirtschaftlich orientierte Dienstleister treuhändlerisch die Kundenetats und erzielen dadurch hauptsächlich oder vollständig ihre Erlöse, agieren sie entweder als PREinzelberater oder in PR-Agenturen. Arbeiten in solchen Dienstleistungsunternehmen mindestens vier festangestellte Mitarbeiter (sowie eventuell auch projektweise freie Mitarbeiter), handelt es sich um eine PR-Agentur. Als PR-Berater sollen Akteure gelten, die zumindest phasenweise beraterische PR-Tätigkeiten ausüben.
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PR-Erfolg – Begriffsbestimmung
Erfolg ist der positive Effekt, das erwünschte Ergebnis einer Handlung, d.h. eines motivational gesteuerten Verhaltens. Somit bemisst sich der Erfolg an der Zielsetzung einer Handlung und dem entsprechenden Zielerreichungsgrad, der Misserfolg dagegen am Nichterreichen des Ziels. Die Erfolgskontrolle versucht mittels Soll-Ist-Analyse festzustellen, ob die Handlung ein angestrebtes Ziel erreicht hat. Dabei will sie auch Gründe für das (Nicht-)Erreichen identifizieren, um künftiges Handeln verbessern zu können. Sofern dabei Entscheidungshandeln zum Tragen kam und sich auf Grundlage transparenter prozeduraler Rationalität eine kausale Verbindung zwischen Handlungsentscheid und Zielerreichung herstellen lässt, kann der Erfolg in dem Maße als eigener Erfolg verbucht werden, wie externe Einflussfaktoren ausgeschlossen werden können (vgl. Schimank 2005: 55ff.). Entfällt die prozedurale Rationalität, steigt bei reiner Ergebnisrationalität die Beliebigkeit der Erfolgszuweisung. Erfolge können leichter für sich reklamiert und Misserfolge externen Ursachen zugeschrieben werden. Je nach Handlungsziel und Anspruchsniveau bewerten verschiedene Akteure Handlungsergebnisse unterschiedlich, beurteilen den Erfolg anders. Ein Blick auf PR-Konzeptionsmodelle (vgl. Merten 2000) sowie auf Darstellungen des PR-Arbeitsprozesses zeigt: PR ist aus Kommunikatorsicht zweckrational konzipiert. PR soll in der Regel Ziele in Form relationaler Aussagen verfolgen (vgl. Bentele/Nothhaft 2006: 126): Bezogen auf X (Organisation, Produkt, Thema etc.) soll mittels strategischer Vorgehensweise und taktischem Einsatz von Kommunikationsmaßnahmen ein kommunikatives Ziel Z (Zustand) bis zum Zeitpunkt t bei den Bezugsgruppen B erreicht werden, um den übergeordneten Organisationszweck zu erfüllen. Das kommunikative Ziel und damit der Erfolg der PR lassen sich somit nicht unabhängig von den Bezugsgruppen realisieren. Am Ende des Prozesses soll laut normativ festgelegter PR-Arbeitsschritte (vgl. Szyszka 2008: 38ff.) die Zielerreichung im Rahmen der summativen Evaluation, der Erfolgskontrolle gemessen und bewertet werden.
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In Berufsfeldstudien wurden PR-Akteure über vorgegebene kommunikative Ziele u.a. danach befragt, welche Erfolgskriterien sie in der Öffentlichkeitsarbeit für wie relevant halten (z.B. Röttger 2000: 296ff.; Szyszka/Schütte/Urbahn 2009). Die höchste Zustimmung der Befragten erfuhr eine hohe, kontinuierliche und positive Medienresonanz – rund 90 Prozent hielten sie für eher oder sehr wichtig –, was auf eine starke Medienorientierung verweist. Etwas geringer (rund 60 bis 80%) eingestuft wurden Ziele wie Meinungsänderungen bei Entscheidern, Dialog mit relevanten Teilöffentlichkeiten, Information der Bevölkerung, öffentliche Themen besetzen, Profilierung durch einheitliches Erscheinungsbild. Das Schlusslicht bei den Erfolgskriterien (rund 40 bis 50%) bildeten die Vermittlung bei internen Konflikten, die Mitarbeiteraktivierung, politische Entscheidungsbeeinflussung sowie Zielgruppenmobilisierung. Dabei zeigten sich größere Unterschiede zwischen den Organisationsformen, was auf deren jeweiligen zentralen Organisationszweck zurückzuführen ist und somit die Abhängigkeit der PR-Akteure von ihren jeweiligen Strukturen, ihren auftraggebenden Organisationen dokumentiert (vgl. Röttger 2000: 300ff.). Im Vergleich zwischen Unternehmen und Agenturen hielten Unternehmen die Mitarbeitermobilisierung, die Vermittlung bei internen Konflikten und ein einheitliches Erscheinungsbild für wichtiger, was für eine stärkere Binnenorientierung spricht. Die Agenturen dagegen erachteten Dialog mit Zielgruppen, Sachinformationen an die Öffentlichkeit, Zielgruppenmobilisierung und die Besetzung öffentlicher Themen für wichtiger als die Unternehmensseite, was auf eine stärkere Außenorientierung verweist (vgl. Szyszka/Schütte/Urbahn 2009). Wenn sich der PR-Erfolg, wie diese Ergebnisse nahelegen, in erster Linie am Erreichen kommunikativer Ziele, an Wirkungen bei den Bezugsgruppen festmacht, müsste die PR-Evaluation diese konsequent überprüfen und bewerten. Diese normativ postulierte Vorgehensweise ist jedoch in der Praxis nur begrenzt der Fall. So zeigt eine Analyse der von der DPRG seit 1970 ausgezeichneten PR-Kampagnen, dass Ziele und Bezugsgruppen im Planungsprozess unzureichend festgelegt werden, nennenswerter Fortschritt in Konzeption und Evaluation von PR fraglich seien (vgl. Baerns 2005). Die Evaluationsforschung in der PR erfolgt zu selten und zu unwissenschaftlich (Clipping sammeln und zählen dominieren, elaboriertere Verfahren wie Befragungen oder Zeitreihenanalysen sind rar) (vgl. pr+co 2004; Schütte 2006; News aktuell 2008). Der „European Communication Monitor 2007“ kommt nach der Befragung von über 1 000 PRExperten in Europa zum Schluss: „Public relations evaluation is most important, but still deficient in Europe“ (Zerfaß et al. 2007: 41). Wenn einerseits PR zweckrational konzipiert ist, andererseits die mangelnde Evaluation des Erreichens kommunikativer Zielsetzungen auf begrenzt rationales Handeln schließen lässt, stellt sich die Frage nach weiteren Erfolgsindikatoren in der PR.
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Fragestellung und Methode
Um die Divergenz zwischen normativen Vorgaben und praktischem Handeln zu erklären, sind zwei gegensätzliche Vorgehensweisen möglich. Entgegen dem klassischen forschungslogischen Ablauf (z.B. Friedrichs 1985: 50ff.) soll nicht ein Phänomen sozialer Realität anhand einer als geeignet betrachteten Theorie – z.B. Handlungstheorien (z.B. Miebach 2006) sowie Theorieansätze der Organisationsberatung (vgl. Saam 2007) – empirisch überprüft werden. D.h. es werden keine Hypothesen aufgestellt und anhand ausgesuchter Merkmale über Fragestellungen verifiziert oder falsifiziert. Dies birgt ansonsten die Gefahr, Artefakte zu produzieren, d.h. nur die Ausschnitte der Wirklichkeit zu beleuchten, die der jeweilige theoretische Ansatz zulässt oder nur die in der empirischen Erhebungsmethode begründeten Phänomene zu identifizieren, welche lediglich die Strukturen beschreiben, die sie vorgeben (vgl. Merten/Teipen 1991: 84f.). Vielmehr wurde als exploratives Erhebungsverfahren in dem noch weitgehend unerforschten Feld das qualitative Leitfadeninterview gewählt. Es versucht die soziale Wirklichkeit in ihrer Ganzheit zu beschreiben und zu verstehen (vgl. Mayring 2002: 67ff.). Damit soll der Frage nachgegangen werden, welchen Erfolgskriterien die Bewertungen von PR auf Agentur- sowie auf Kundenseite unterliegen und inwieweit die Erfolgskriterien der PR-Akteure Hinweise auf bestimmte Handlungsmodelle geben. Insgesamt wurden 45 rund einstündige explorative Leitfadengespräche mit etatverantwortlichen PR-Beratern von GPRA-Agenturen (40 in den Jahren 1995/1996, fünf 2004/2006) sowie 35 Leitfadengespräche mit PR-Etat-Verantwortlichen von GPRAKunden (30 davon 1995/1996, fünf 2004/2006) geführt. Agentur-Kunden-Paare konnten nicht befragt werden, da dies insbesondere von der Agenturseite aus existenziellen Gründen als irritierende Einmischung in die ohnedies sensible und problematische Kundenbeziehung vehement abgelehnt wurde. Die Gespräche wurden transkribiert und mittels der qualitativen Datenanalyse-Software MAXqda2 ausgewertet (vgl. Kuckartz 2007). Der Gesprächsleitfaden orientierte sich an dem in der Literatur und aus eigener Erfahrung abgeleiteten Arbeitsprozess zwischen PR-Agenturen und ihren Kunden, bei dem die Befragten jeweils an einem Kunden- bzw. Agenturbeispiel den Prozess der Zusammenarbeit nachzeichnen sollten. Er beginnt mit der Kundenentscheidung für den Agentureinsatz, läuft weiter über das Briefing und die Konzeption bis hin zur Umsetzung und Bewertung der PR-Aktivitäten. Agentur- und Kundenvertreter wurden nach der Darstellung des Prozesses danach befragt, was sie persönlich unter Erfolg in der Öffentlichkeitsarbeit verstehen. Zur Vertiefung und genaueren Beantwortung der Fragestellung wurde den Agentur-Beratern die Frage gestellt: „Wenn Sie an die Arbeit für Ihren Kunden denken, woran machen Sie für sich den Erfolg in der Öffentlichkeitsarbeit fest?“ Dazu bekamen sie Karteikarten mit der Bitte, jeweils eines ihrer PRErfolgskriterien bzw. -indikatoren in Bezug auf ihren Kunden aufzuschreiben und diese kurz zu erklären. Das Gleiche sollten sie anschließend in Hinblick auf die vermuteten PR-Erfolgskriterien ihrer Kunden tun. Auch die Kundenseite wurde nach dem gleichen Muster und mit derselben Methode befragt. Auf die Selbsteinschätzung folgte die
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Fremdeinschätzung. Die dabei geäußerten Erfolgskriterien geben Antworten aus vier verschiedenen Perspektiven und ermöglichen damit ein differenziertes Bild der jeweiligen PR-Erfolgskriterien innerhalb der Agentur-Kundenbeziehung.
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PR-Erfolgskriterien
Von den 45 Agenturberatern (A) haben 44 Aussagen zu eigenen Erfolgskriterien gemacht, 43 zu Aussagen der Erfolgskriterien ihres Kunden. Auf Kundenseite (K) haben alle 35 Kunden etwas zu ihren eigenen Erfolgskriterien gesagt, 30 etwas zu den Kriterien ihrer Agentur. Die Analyse der Aussagen zeigt zum einen, dass Erfolg generell als Zielerreichung beschrieben wird: Erfolg ist, „[...] wenn man das Ziel, was man sich vorher gesetzt hat, [...] wirklich erreicht“ (K1). Allerdings gibt es dabei Vorbehalte gegenüber objektiv festgelegten Erfolgskriterien, was auf begrenzt rationales Handeln schließen lässt: „Aber letztendlich ist es ein Bauchgefühl, zu sagen, was ist eigentlich zielorientiert. Deshalb bin ich skeptisch, zu sagen, was eigentlich objektive Erfolgsfaktoren sind“ (A43). Zum anderen ergeben sich erwartungsgemäß zahlreiche Erfolgskriterien im Bereich der mittlerweile etablierten Ziel- und Evaluationsebenen Output, Outgrowth, Outcome und Outflow (vgl. DPRG 2000: 7), die noch um die vorgelagerte Ebene Input ergänzt wird. Leistungserstellung (Input)
Hier lässt sich der Erfolg in arbeitsprozess- und inhaltsbezogene Kriterien unterscheiden. Kunden wie Agenturen sind der Ansicht, dass die Kundenseite Pünktlichkeit, Schnelligkeit, kurze Wege, Sorgfalt, Vollständigkeit und Richtigkeit der Leistungen, Zuverlässigkeit, reibungslose Zusammenarbeit/Abwicklung, Leistungstransparenz, Budgettreue und ein internes Controlling erwartet, alles zentrale Qualitätskriterien der ISO-Diskussion Mitte der 1990er Jahre (z.B. Berth/Sjöberg 1997). „Erfolg ist sicherlich einmal, wenn auf der rein organisatorischen Seite ein Projekt reibungslos gelaufen ist“ (A2). Aus Kundensicht wünschen Agenturen sich eine planbare Zusammenarbeit (Ressourcen), den ungehinderten Informationszugang auf Kundenseite, Verständnis für Arbeitsabläufe in der Agentur, Entscheidungsfreude und Input seitens der Kunden sowie reibungslose Freigaben. Inhaltsbezogene Erfolgskriterien beziehen sich auf die Ausgestaltung der Kommunikationsmaßnahmen und damit des -prozesses. Kunde wie Agentur sehen Problembewusstsein, strategisches Vorgehen, zielgruppengerechte Botschaften und Texte sowie Kreativität als Erfolgsmaßstäbe an. „Für uns ist Erfolg, dass man über uns sagen würde, die finden oft kreative Lösungen [...]“ (A38). Reichweite/Verfügbarkeit (Output)
Analog zu den Berufsfeldstudien ist das dominierende Ziel und Erfolgskriterium beider Seiten eine positive, umfangreiche Medienberichterstattung („Die schönste Erfolgskontrolle ist, wenn wir eine umfangreiche Pressemappe haben“ (K22)), die effizient erreicht wurde: „Man schreibt einmal einen Bericht und dann verkauft man den an drei
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Medien [...]“ (A18). An der Mediendominanz wird jedoch auch Kritik geäußert. Agenturen bemängeln, dass Kunden oft („Wenn der Vorstandsvorsitzende möglichst oft sein Foto in der Zeitung sieht“ (A4)), positiv („[...] Presseberichte, die positiv sind, danach lechzt er unwahrscheinlich“ (A39) und prominent („Der findet das ganz klasse, wenn er sich in der FAZ sieht oder im Manager Magazin [...]“ (A37)) in die Medien platziert sein wollen. Auch Kunden kritisieren die Medienfixierung innerhalb ihrer Organisationen. Der Produktmanager „[...] sieht ja sehr viel stärker den kurzfristigen Erfolg, den er auch Kraft seiner Ziele wiederum sehen muss. Er findet das toll, wenn heute die Pressekonferenz gewesen ist und morgen die Zeitungen voll stehen“ (K23). Diese Aussagen zeugen von einer begrenzten Handlungsautonomie der PR-Akteure. Die Agenturen bedienen die Kundenanliegen, die PR-Experten auf Kundenseite bedienen die Anliegen der organisationsinternen PR-Laien, seien es Produktmanager oder Geschäftsführer. Der Widerspruch zwischen den Erwartungen der Organisation sowie denen der Journalisten an die PR-Experten führt zu einem Inter-Rollen-Konflikt, der Widerspruch zwischen Fremderwartung und journalistischem Selbstbild zu einem Person-RolleKonflikt. Je nach Machtdominanz der PR-Laien, beispielsweise in Form von Budgethoheit oder Weisungsbefugnis, müssen sich die PR-Akteure mehr oder weniger deren Ansinnen beugen. Kommunikative Wirkungen (Outgrowth/Outcome)
Hier stehen direkte und indirekte Wirkungen bei den Bezugsgruppen im Fokus. Als Wirkungsebenen gelten die Thematisierung („Das kann auch ruhig mal negativ sein, Hauptsache man ist überhaupt im Gespräch“ (K1)), das Wissen um (Bekanntheit) und Wissen über: „[...] eine Steigerung des Wissens in der Zielgruppe über unsere Thematik, das ist das entscheidende Erfolgskriterium“ (K24), sowie Einstellungs- und Verhaltensänderungen: „Ist eine intendierte Einstellungsänderung oder gar eine intendierte Verhaltensänderung messbar merkbar? Das sind die weitest gehenden Erfolgskriterien“ (K24). Kunden erwarten dabei von der Agentur, dass sie ihnen hilft, die Zielgruppen im intendierten Sinne zu beeinflussen. Die Agenturseite dagegen sieht auch Wirkungen auf Kundenseite als Erfolg an: „Darüber hinaus, das ist eben ein wechselseitiger Prozess, ablesbare Haltungs- und Meinungsänderung sowohl auf Kunden- als auch auf Zielgruppenebene, weil der lernt ja auch und verändert sich und sieht Dinge vielleicht etwas anders, bekommt Erfahrungen“ (A28). Agenturvertreter verstehen sich in ihrem Rollenselbstverständnis daher auch als Vermittler, die Beziehungsmanagement betreiben wollen: „Ein erfolgreicher PR-Berater muss die Innensicht des Unternehmens, die der Auftraggeber hat, und die Außensicht des Unternehmens, die dessen Kunden haben oder dessen Zielgruppen, verbinden. D.h. er muss aus dem Unternehmen das kriegen, was die außen wissen wollen. Das ist auch unsere einzige Existenzberechtigung, weil das kann weder die Innenseite leisten noch die Außenseite“ (A13).
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Wertschöpfungsbeitrag (Outflow)
Als erfolgreich gilt es hier, wenn das Handeln der PR-Akteure dazu beiträgt, übergeordnete Organisationsziele der Kunden- wie der Agenturseite zu erreichen und damit deren Organisationszweck zu erfüllen. Aus Agentursicht wollen Kunden vor allem mittels Kommunikation ihren Absatz steigern: „Lassen Sie es mich ganz brutal ausdrücken: Auch im ethischen Bereich ist es so, er möchte verkaufen. Das ist letztendlich der einzige Erfolg“ (A6). Dies überträgt sich auch auf die Agentursicht, die ihren Kunden beim Verkauf helfen wollen. Allerdings widerstrebt diese kundenseitige Verkaufserwartung dem Agentur-Selbstbild als Vermittler: „Das, was irgendein Bereichsleiter in der Buchhaltung schön findet, muss nicht unbedingt das sein, was eine Zielgruppe schön findet, oder richtig oder intelligent“ (A13). Auch die Kausalität zwischen Kommunikation und Verkauf wird durchaus in Frage gestellt: „Habe ich so meine Zweifel, ob das funktioniert“ (K16). So werden schon mal plausible Erfolgszuschreibungen konstruiert: „Der Kunde weiß auch, dass er mit PR nicht direkt die Verkaufszahlen beeinflussen kann. Das ist ja Quatsch. Er hat aber Sorge, dass ihm da was wegbricht. Und in dem Moment, wo wir nach einem Jahr oder so sehen, es ist nichts weggebrochen, wäre das sicherlich auch eine Sache, die er unserer Arbeit versuchen würde zu attribuieren“ (A39). Der Legitimationsdruck führt zu ergebnisrationalem Handeln. Unabhängig davon, ob vorher rational oder nur routinemäßig gehandelt wurde, ob Zufälle etwas beeinflusst haben, entspricht das Ergebnis der Intention, wird das Handeln ex post rationalisiert. Auch die Agenturseite strebt Wertschöpfung an, den Etatgewinn, die Etatabsicherung und -ausweitung: „Was ein betriebswirtschaftlicher Indikator ist, ist die Budgetausweitung. [...], das ist das Allerschönste für uns“ (A5). Das Agenturcontrolling erwartet vom Berater eine profitable Etatführung, d.h. viel Ertrag bei wenig Aufwand: „Man kann noch so tolle Ideen haben und noch so guten Willens sein, noch so hart arbeiten, das ist irgendwann alles nicht mehr interessant, wenn die Zahlen, die Erlöse nicht stimmen“ (A21). Der Kunde dagegen will viel Leistung für wenig Geld und erkennt die divergierenden Interessen: „Für eine Agentur ist natürlich ein Erfolgskriterium, dass unterm Strich eine schwarze Zahl herauskommt, ganz klar. Da gibt es keine in irgendeiner Weise falsche Verbrüderungen in Bezug auf eine Sache“ (K24). Maximale Renditeerwartung (Agentur) vs. optimale Kosten-Nutzen-Relation (Kunde) bereiten den Agenturberatern zusätzlich einen Ziel- und Rollenkonflikt, da sie nicht immer ihren Selbstanspruch an die Qualität ihrer Arbeit werden umsetzen können. Neben diesen zu erwartenden Erfolgskriterien werden jedoch noch eine Reihe weiterer genannt, die primär nicht mit den kommunikativen Zielsetzungen in Verbindung stehen, sondern im Rahmen der Agentur-Kunden-Beziehung eher als akteursbezogene Erfolgsindikatoren bezeichnet werden können.
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Jeder Akteur ist bestrebt, im Handeln seinem Selbstbild zu genügen. Entsprechende Bestätigungen gelten als Erfolge: Soziales Engagement bei „Herzensangelegenheiten“ trägt Früchte, geförderte Mitarbeiter werden beim Kundenkontakt souverän, die eigene Expertise verbessert sich, eigene Ansprüche werden erfüllt oder übertroffen. „Dann, was einen persönlichen Erfolgsindikator angeht, das permanente Nachfragen der Beratungsleistung. Das Suchen des Kontaktes, der Meinung oder der Bewertung durch den Berater, ist für mich auch ein Erfolgsindikator, also gebraucht zu werden“ (A28). Ein Agenturberater kritisiert die Überbewertung von Journalistenkontakten durch Kunden und distanziert sich damit von der entsprechenden Rollenerwartung: „Welche Kontakte haben sie, mit wem gehen Sie regelmäßig essen, was ziemlich bescheuert ist, weil es nicht entscheidend ist, ob ich den Menschen kenne. [...] Nur wenn ich die richtigen Informationen habe, obwohl ich den Journalisten nie vorher gesehen habe, dann kriege ich ihn sowieso“ (A5). Macht
Ein persönliches Erfolgskriterium auf der Kundenseite ist die organisationsinterne individuelle Machtausweitung der Kundenposition: Wenn der Kunde „[...] mit unserer Unterstützung seinen Einflussbereich vergrößert. Das ist ein ganz klarer Erfolgsindikator für ihn“ (A28). Weitere Beispiele sind hier die Durchsetzungskraft gegenüber Vorgesetzten und Kollegen („[...] dass ich mich durchgesetzt habe oder überzeugt habe, dass es akzeptiert wird“ (K8)) sowie Jobofferten. Stets handelt es sich dabei um eine Erweiterung des Handlungsspielraumes auf Kundenseite. Vertrauen
Ein weiteres Erfolgskriterium ist das Vertrauen in die Agentur-Kunden-Beziehung. „Vertrauen seitens des Klienten, dass er auch mit den schwierigsten Problemen immer wieder zu mir kommt oder zu der Agentur kommt. Das ist ein Mordserfolg“ (A8). Der Kunde vertraut in die Leistung der Agentur, die reibungslose Zusammenarbeit, die Vertraulichkeit und die Verlässlichkeit. Umgekehrt verlässt sich die Agentur beim Kunden darauf, dass nicht hinter dem Rücken eine neue Agentur gesucht wird. Beides zeugt von Transparenz der jeweiligen Ziele, von eindeutiger Rollenzuschreibung und -übernahme. Die Erwartung entspricht der Erfahrung. Anerkennung
Agenturen wie Kunden setzen auf die Anerkennung ihrer Kunden, Vorgesetzten, Kollegen sowie der Branche. Maßstab des Agenturerfolges ist die Anerkennung durch den Kunden: „Denn das Feedback, das der Kunde gibt, [...] ist eigentlich der Erfolg meiner Arbeit oder auch das Maß für den Erfolg meiner Arbeit. Es kann ja gut sein, dass ich Maßnahmen umsetze und ganz hervorragend umsetze, aber es geht völlig am Kunden vorbei“ (A24). Maßstab für den Kundenerfolg ist die Anerkennung durch Vorgesetzte. Diese bezieht sich dabei sowohl auf die PR als auch auf die Entscheidung, die richtige Agentur ausgewählt zu haben. „Und ich sage mal, wenn man irgendeine Sache macht
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und die gefällt dem Vorstand, da kann die im Prinzip noch so schlecht sein, dann ist das eine tolle Sache gewesen. Und wenn man irgend etwas macht, wovon man wirklich glaubt, dass es sehr sinnvoll ist und wirklich auch für das Unternehmen was bringt und es wird z.B. im Vorstand zerrissen, dann können Sie sich auf den Kopf stellen, dann ist die Arbeit nichts wert“ (K17). Wenn nur das gut ist, was dem Kunden oder Vorstand gefällt, und alles schlecht ist, was missfällt, auch wenn es nach professionellen Maßstäben nicht gerechtfertigt war, zeugt dies von einer begrenzten Handlungsautonomie der PR-Akteure gegenüber PR-Laien und davon, dass Rollenerwartungen eher übernommen als ausgehandelt werden. Dies spricht für einen Professionalisierungsbedarf auf beiden Seiten, bei Agenturen wie Kunden, bei Experten wie Laien. Eine andere Funktion hat die Anerkennung durch PR-Kollegen aus der Branche des Kunden sowie aus der PR-Branche: „Für die [Agenturen] sind die größten Erfolgskriterien, wenn sie in ihren Branchen-Insiderclubs entsprechend prämiert werden, um das mal so deutlich zu sagen. [...] Ich glaube, es gibt keine Branche, die sich gegenseitig so gerne schmückt wie die Werbe- und PR-Szene“ (K29). Hier wird die externe Expertise zur Aufwertung der eigenen Arbeit herangezogen. (Miss-)Erfolgsgründe
Als Ursachen für Erfolg in der PR wird das eigene Leistungsvermögen genannt, d.h. Disziplin, Fleiß, Analyse und professionelle Umsetzung: „Ursache für Erfolg kann eigentlich nur gute Arbeit sein“ (A34). Misserfolge dagegen basieren auf schlechter Abstimmung zwischen Agentur und Kunde, auf mangelndem Einfühlungsvermögen gegenüber den Bezugsgruppen („Misserfolge sind für mich, wenn ich den Zielgruppenerwartungen nicht entsprochen habe“ (A22)) sowie auf nicht beeinflussbaren Faktoren (Glück bzw. Pech): Höhere Gewalt verändert das Meinungsklima, Umweltkatastrophen ruinieren das Image, Ereignisse (z.B. Flugzeugabsturz) lassen Pressetermine platzen. Ein Kunde kritisiert dabei die mangelnde Selbstkritik der Agenturen: „Ich habe noch nie von einer Agentur, mit der wir zusammen gearbeitet haben, auch nur ein negatives Wort über das gehört, was sie selber gemacht haben“ (K28). Zusammenfassend lässt sich konstatieren: Die Bereiche Input bis Outflow spielen auf beiden Seiten erwartungsgemäß eine wichtige Rolle. Agenturberater und Kunden bemessen hier mehr oder weniger rational den formalen Erfolg ihrer PR-Arbeit (vgl. Abb. 1), weil diese Kriterien Gegenstand der wechselseitigen Bewertung zwischen Agentur und Kunden sind. Beim formalen PR-Erfolg ist auffallend, dass viele Agenturvertreter bei den Kunden die Arbeitsentlastung im Inputbereich als sehr wichtig erachten. Die Kunden legen mehr Wert auf die operative Unterstützung der Agenturen als auf deren beraterische Kompetenzen. Laut Kunden ist den Agenturen vor allem der Bereich der eigenen Wertschöpfung wichtig, also Gewinne zu erwirtschaften, was aufgrund gegensätzlicher Zielsetzungen zu Konflikten mit den Kunden führen kann. Auf Agenturseite besteht daher ein permanentes Abwägen, um optimale Rendite bei optimaler – nicht maximaler Kundenzufriedenheit zu erzielen. Denkbar sind Einflüsse ökonomischer Zielsetzungen
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auf die inhaltliche Ausgestaltung der PR und somit auf den Input: Wird auf umfangreiche Analysen zu Beginn verzichtet? Werden Maßnahmenvorschläge bevorzugt, die mit weniger Aufwand erfolgsversprechend sind bzw. deren Erfolg leichter nachweisbar ist, obgleich andere, aufwendige Maßnahmen kommunikativ erfolgreicher wären (z.B. Medienarbeit vs. interpersonale Kommunikation)? Abb. 1: Formale und informale Erfolgsindikatoren in Agentur-Kunden-Beziehungen
Quelle: Eigene Darstellung.
Parallel dazu besteht der informale PR-Erfolg, dessen Bewertungskriterien sich nicht allein am Organisationszweck des Kunden/der Agentur orientieren, sondern an den Strukturen und Handlungen der beteiligten (korporativen) PR-Akteure sowie an deren Umfeld (PR-Branche/Branche der Kunden). Er drückt sich oftmals in der Anerkennung von PR-Laien aus, basiert auf den jeweiligen Strukturen, Machtkonstellationen, Versuchen der Identitätsbehauptung, Rollenerwartungen und -übernahmen auf beiden Seiten. Der informale PR-Erfolg beeinflusst – oftmals verdeckt – die Bewertung des formalen Erfolges, wie auch formale PR-Erfolge Einfluss auf das informelle Beziehungsgefüge haben. Um durch dokumentierte Misserfolge nicht an Handlungseinfluss zu verlieren, kann transparente, wissenschaftlich gestützte Erfolgsmessung gezielt verhindert wer-
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den. Dies erleichtert beliebige Erfolgszuweisungen. Aber auch wissenschaftlich erzielte Messergebnisse, insbesondere auf der Output-, Outgrowth und Outcomeebene der Bezugsgruppen, können je nach Auftraggeber und Intention sehr unterschiedlich interpretiert werden. Z.B. schließen in bestimmten Konstellationen – PR-Abteilung mit geringer organisationsinterner Handlungsautonomie wählt Agentur aus – Agentur und Kunde temporäre Koalitionen und stützen sich gegenseitig nach außen in der positiven Bewertung der gemeinsamen Arbeitsergebnisse. Hier ist denkbar, dass die PR-Arbeit auf der Input- und Outputebene als erfolgreich deklariert wird, ohne entsprechende kommunikative Wirkungen bei den Bezugsgruppen nachzuweisen. Würde dagegen der Vorstand oder das Marketing der PR-Abteilung eine PR-Agentur „vorsetzen“, ist zwischen Agentur und PR-Abteilung eher mit einer negativen Arbeitsbewertung und daher mit einer Konfrontation zu rechnen. Die stärkere Thematisierung der Anerkennung des Kunden sowie die AgenturKunden-Beziehung als Erfolgskriterium auf Agenturseite weisen auf eine asymmetrische Abhängigkeit zu Ungunsten der Agenturen hin. Je nach Bewertungshoheit (Macht) und Grad der Rationalität können informale PR-Erfolge formale PR-Erfolge substituieren. Daher ist es im Sinne einer professionellen Zusammenarbeit notwendig, auch informale Ziele so weit wie möglich zu identifizieren. Darüber hinaus ist es erforderlich, zwischen erfolgreichem Arbeitsprozess und kommunikativem Erfolg, also zwischen Prozess- und Ergebnisqualität zu unterscheiden.
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Theoretische Implikationen
Als Erklärungsrahmen für das Handeln von PR-Akteuren bieten sich theoretische Ansätze an, die insbesondere die Wechselseitigkeit von Struktur und Handlung in den Fokus stellen. Dies gilt für Giddens Strukturationstheorie (vgl. Giddens 1997) und ihre Adaptionen zur Erklärung von PR-Handlungen und -Strukturen (z.B. Jarren/Röttger 2004). Soziales Handeln wird demnach durch Strukturen zugleich eingeschränkt wie angeregt und ermöglicht. Darauf aufbauend entwickelte Schimank seinen „akteurstheoretischen Handwerkskasten“ zur Erklärung von Handlungswahlen (vgl. Schimank 2002: 17ff.): Er basiert auf vier soziologischen Akteursmodellen (Homo Sociologicus, Homo Oeconomicus, ‚emotional man‘ und Identitätsbehaupter) und verweist auf drei Arten sozialer Strukturen, die strukturelle Effekte handelnden Zusammenwirkens erklären: Deutungsstrukturen (z.B. geteiltes Wissen über die Funktionsweise kommunikativer Prozesse), Konstellationsstrukturen (Konkurrenzverhältnissen, Koalitionen oder funktionierenden Arbeitsbeziehungen) und Erwartungsstrukturen (rechtliche/ethische Normen, (in)formalen Organisationsregeln). Diese Strukturen wiederum ergeben sich aus drei Arten von Akteurskonstellationen: der Konstellation wechselseitiger Beobachtung, der Konstellation wechselseitiger Beeinflussung und der Konstellation wechsel-
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seitiger Verhandlung4. Aus dieser kombinatorischen Vielfalt sich gegenseitig beeinflussender Strukturelemente versucht Schimank diejenigen zu identifizieren, die das spezifische Handeln kausal hochgradig prägen. Bezogen auf das PR-Handeln sei hier exemplarisch auf die drei Akteurmodelle hingewiesen, die aus den Erfolgskriterien abgeleitet werden konnten. Homo Oeconomicus
Die Aussagen zu den Erfolgskriterien belegen den Versuch rationaler Handlungsweise, d.h. mittels strategischer Kommunikation bei begrenzten Ressourcen einen maximalen Nutzen für die Organisation bzw. die Agentur zu erzielen. Dabei stoßen die Akteure an die Grenzen rationalen Handelns. Rationalitätsfiktionen/-fassaden kaschieren Unsicherheiten, Kausalitäten werden ex post (re)konstruiert, Kunden erhalten die Erfolgsnachweise, die sie verstehen, Kostensicherheit durch Evaluationsverzicht wird Wirkungsunsicherheit vorgezogen, Erfolge werden eher internal eigenen Fähigkeiten und Anstrengungen zugeschrieben, Misserfolg dagegen eher external mangelnden Fähigkeiten der Gegenseite, übergroßen Aufgabenschwierigkeiten sowie dem Zufall attribuiert (vgl. Weiner 1994: 257ff.). Inkrementales Vorgehen5 lässt aktuelle Problembereiche auf sich zukommen und löst sie schrittweise. Dabei sucht der Akteur in Handlungsroutinen ohne situative Prüfung vertraute Ziele, Mittel und Erfolgsfaktoren (PRTools/-Checklisten), modifiziert Bestehendes in kleinen Schritten (Stückwerktechnologie) und sieht den Erfolg eher im Erreichen kleiner Zwischenziele (z.B. Medienberichterstattung) als in der kommunikativen Problemlösung. Homo Sociologicus
Die Agentur- und Kundenseite agieren in ihren Mikrorollen (als Individuum) und Makrorollen (allgemein als Berater oder Kunde) (vgl. Carqueville 1991: 254ff.), in einem ständigen „role making“ und „role taking“. Beide Seiten versuchen jeweils ihren Machtbereich auszuweiten, um das eigene Wollen zum Sollen der jeweils anderen Seite werden zu lassen. Dies erfolgt beispielsweise im Bereich von Handlungsroutinen, über den Ressourcentausch regelnde Verträge, über formale und informale Regeln wie auch innerhalb von Entscheidungshandeln. Dabei kann die Unsicherheit der kommunikativen Zielsetzung wie auch der erzielten kommunikativen Wirkung durchaus als Machtfaktor fungieren, wenn z.B. die Agentur stets im Ungewissen bleibt, ob sie die Kundenerwartungen erfüllt hat oder nicht. Die Erfolgskriterien machen Rollenzuschreibungen deutlich, die sich im Zeitverlauf ändern können: Vom Experten wird Problemlösung erwartet, vom Partner Prozessrationalität und Kooperation, vom Handlanger Arbeitsentlastung, etc. Anerkennung und Vertrauen als Rollenakzeptanz haben dabei einen hohen Stellenwert. 4
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Schimank grenzt sich mit dieser scheinbaren Tautologie von alltagssprachlichen und sozialwissenschaftlichen Verhandlungsbegriffen ab, die auch den Austausch von Versprechen sowie Drohungen dazuzählen, und wählt eine engere, kooperative Sichtweise (vgl. Schimank 2002: 285). Der Inkrementalismus (z.B. Schimank 2005: 237-306) befasst sich mit der Frage, welche Strategie trotz begrenzter Rationalität dennoch zu einem Höchstmaß an Rationalität führen kann.
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Die Leitfadengespräche zeigten auch, dass Agenturberater und Kunden darum bemüht sind, ihrem Selbstbild zu entsprechen. Erscheint ihnen dies gefährdet, greifen sie zu handlungsleitenden „Praktiken der Identitätsbehauptung“ (vgl. Schimank 2002: 139ff.): Kritisiert der Kunde eine PR-Maßnahme als erfolglos, kann der Berater sie als unter den gegebenen schwierigen Umständen erfolgreich umdefinieren. Erfährt der Kunde in seiner Organisation Rollenzwänge, die seinen Selbstansprüchen widersprechen, kann er ironisch auf Rollendistanz gehen. Erfolge sind also immer auch in der kommunikativen Zielerreichung, im Arbeitsprozesses, in der Rollensicherheit sowie in der Identitätsbewahrung zu verzeichnen. Die limitierte Handlungsautonomie der Agentur- und Kundenseite gegenüber PRLaien, die sich auch an der Definition von Erfolg festmacht, verdeutlicht ein Professionalisierungsdefizit der Branche. Eine Reduktion des PR-Erfolges auf die Anerkennung der Kunden hieße, sich dem jeweiligen Qualifikationsniveau der Kunden anzupassen. Dies hätte mit ernstgemeinter PR-Beratung nichts zu tun. Ein prozessrationales Vorgehen, wie es mit der Qualitätsdiskussion begann und heute in scorecard-basierten Modellen des strategischen Kommunikations-Controllings seine Fortsetzung findet (vgl. Pfannenberg/Zerfaß 2005), ist zumindest um mehr Transparenz bei der Entscheidungsfindung bemüht. Die Qualität der dafür zugrunde liegenden Datenbasis basiert auf dem Potenzial, Kommunikationswirkungen systematisch zu erfassen. Die Bewertung der PR und der externen PR-Beratung als gesellschaftlich verantwortungsvolles Handeln wird davon abhängen, inwieweit die externe Bezugsgruppenperspektive bei der Erfolgsdefinition Einzug findet. Wird dies noch eingebettet in das Verständnis gegenseitiger Rollenerwartungen und -übernahmen zwischen PR-Beratern und Kunden, zwischen Agentur und Kundenorganisation, wäre ein weiterer Schritt in Richtung PRProfessionalisierung getan. Literatur Baerns, Barbara (2005): Public Relations ist was Public Relations tut. In: prmagazin, 36. Jg. / Heft 9, 51-58. Bentele, Günter / Howard Nothhaft (2006): Konzeptionslehre und PR-Prozess. In: Günter Bentele / Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hg.): PR für Fachmedien. Professionell kommunizieren mit Experten. Konstanz, 105-138. Berth, Kirsten / Göran Sjöberg (1997): Quality in Public Relations. Copenhagen: International Institute for Quality in Public Relations (IQPR). Bourland, Pamela G. (1993): The Nature of Conflict in Firm-Client Relations: A Content Analysis of Public Relations Journal, 1980-89. In: Public Relations Review, 19. Jg. / Heft 4, 385-398. Bruhn, Manfred (2008): Qualitätsmanagement für Dienstleistungen – Grundlagen, Konzepte, Methoden. 7. überarb. und erw. Aufl. Berlin. Carqueville, Petra (1991): Rollentheoretische Analyse der Berater-/Klientenbeziehung. In: Michael Hofmann (Hg.): Theorie und Praxis der Unternehmensberatung. Bestandsaufnahme und Entwicklungsperspektiven. Heidelberg, 247-280. Deutsche Public Relations-Gesellschaft e. V. (DPRG) (2000): PR-Evaluation. Messen, Analysieren, Bewerten – Empfehlungen für die Praxis. Bonn.
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Vertrauen in die Vertrauensspezialisten Theoretische Konzeption und empirische Analyse von Vertrauen in der PR-Beratung Stefanie Löhn / Ulrike Röttger
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Einleitung
Angesichts der stetig wachsenden Unsicherheiten in einer von Wertewandel, Globalisierung und Modernisierungsrisiken geprägten Welt haben Wirtschaftsunternehmen und andere Organisationen zunehmende Herausforderungen zu bewältigen. Nie standen Unternehmen und ihre Repräsentanten derart im Fokus der Öffentlichkeit wie heute. Gleichzeitig war es für sie noch nie so wichtig, sich gegenüber einflussreichen Stakeholdern zu legitimieren und sich durch Kommunikation und Imagebildung von ihren Wettbewerbern auf gesättigten Märkten abzuheben (vgl. Röttger 2005: 15; Klewes et al. 2002: 46). Entscheider in Chefetagen und Kommunikationsabteilungen sehen sich in Anbetracht dessen mit steigender Handlungs- und Planungsunsicherheit konfrontiert. Zudem genügen oft die internen Ressourcen einer Organisation nicht, um die vielschichtigen Aufgaben zu bewältigen (vgl. Hoffmann/Steiner/Jarren 2007: 42). Immer häufiger nehmen Unternehmen daher, auch in Sachen Kommunikation, die Unterstützung externer Beratungsunternehmen in Anspruch: „Die Expansion der organisationsbezogenen Beratungsdienstleistungen basiert auf dem enormen Komplexitätszuwachs. Sie profitiert von der Unkalkulierbarkeit und dem zunehmenden Risiko von Entscheidungen in Organisationen.“ (Wimmer 1991: 75)
PR-Agenturen und -Berater1 sollen Unternehmen helfen, Komplexität zu reduzieren, indem sie Arbeitsschritte übernehmen und Entscheidungshilfen in Kommunikationsfragen bieten. Die Soziologin Susanne Mingers (1996: 15f.) sieht in der Inanspruchnahme von Beratungsleistungen eine „Strategie zur Absorption von Unsicherheit und zur Reduktion des Risikopotentials von Entscheidungen“. Dies ist jedoch nur die eine 1
Als Berater werden im Folgenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von externen PR-Dienstleistern (Agenturen) bezeichnet.
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Seite der Medaille. Auf der anderen Seite stellt die Zusammenarbeit mit einem externen Beratungsunternehmen eine Organisation vor neue Herausforderungen, die wiederum Komplexität und Unsicherheiten erhöhen. Von der Auswahl der Agentur über den Austausch sensibler Informationen in der alltäglichen Zusammenarbeit bis zu der Bewertung der erbrachten Leistungen ist der PR-Beratungsprozess von etlichen Risiken geprägt, die häufig weder durch rationale Überlegungen noch durch vertragliche Klauseln (vollständig) eliminiert werden können. Die grundlegende Annahme dieses Beitrags lautet daher: Um angesichts dieser Rahmenbedingungen die Handlungsfähigkeit im Beratungsprozess zu erhalten, braucht der Klient einen wirkungsvollen Mechanismus zum Umgang mit Risiko: Vertrauen. Ziel dieses Beitrags, der auf einer empirischen Untersuchung im Rahmen einer Magisterarbeit am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster basiert (Löhn 2008), ist es, die spezifische Relevanz des Vertrauens von Klienten in ihre PR-Berater zu untersuchen. Dazu wurden im Sommer 2008 zehn Leitfadeninterviews mit PR-Dienstleistungsabnehmern (Klienten) durchgeführt. Von besonderem Interesse ist, an welchen als riskant wahrgenommenen Punkten im PR-Beratungsprozess Vertrauen für die Klienten notwendig wird und ob es Unterschiede im Vertrauen in einzelne PR-Berater oder die Agentur als Ganzes gibt. Zudem soll gezeigt werden, welche Faktoren die Vergabe von Klientenvertrauen in PR-Berater und -Agenturen im Verlauf des Prozesses möglicherweise begünstigen können. Ein besonderer Reiz dieser Fragestellungen liegt darin, dass letztlich das Vertrauen in vermeintliche ‚Vertrauensspezialisten‘ untersucht werden soll: PR und PR-Treibende sollen Vertrauen in die Auftrag gebende Organisation schaffen (vgl. u.a. Bentele 1994: 151). Die Studie „Public Relations in der Schweiz“ (Röttger/Hoffmann/Jarren 2003), für die auch externe PR-Berater befragt wurden, ergab, dass diese ihr Rollenverständnis am zweithäufigsten mit der Aussage: „Ich schaffe Vertrauen zwischen Organisation und Öffentlichkeit“ (ebd.: 252) beschreiben. 2 Es erscheint somit umso lohnenswerter zu untersuchen, ob es diesen (vermeintlichen) ‚Vertrauensspezialisten’ darüber hinaus auch gelingt, das Vertrauen ihrer Klienten zu gewinnen. Im Folgenden wird zunächst die Relevanz von Vertrauen, Risiko und risikominimierenden Mechanismen im PR-Beratungsprozess erläutert, bevor in diesem Zusammenhang eine theoretische Konzeption von Vertrauen und Vertrauensfaktoren entworfen wird. Nach der Analyse des aktuellen empirischen Forschungsstands und seiner Lücken werden das Forschungsdesign und insbesondere die Operationalisierung des Vertrauenskonstrukts erläutert. Es folgen die Darstellung der zentralen Untersuchungsergebnisse sowie ein Fazit mit Implikationen für Wissenschaft und Praxis.
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Häufiger wurde nur die Aussage „Ich unterstütze die Organisation beim Erreichen ihrer wirtschaftlichen bzw. politischen Ziele“ (Röttger/Hoffmann/Jarren 2003: 252) gewählt.
Vertrauen in die Vertrauensspezialisten
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Bedeutung von Vertrauen und Risiko im Kontext von PR-Beratung
Die grundlegende Annahme dieses Beitrags ist, dass Vertrauen einen wirksamen Mechanismus darstellt, der Klienten den Umgang mit Risiken in der PR-Beratung ermöglicht (siehe hierzu auch den Beitrag von Röttger und Zielmann in diesem Band). Es ist daher auch der Begriff Risiko zu definieren. PR-Beratung erfolgt in der Regel als mehrstufiger Prozess, der sich idealtypisch in drei grundlegende Phasen einteilen lässt: Die „Potentialphase“ (Bouncken 2000: 11), in der sich eine Zusammenarbeit zwischen Klient und Agentur anbahnen kann, die „Prozessphase“ (ebd.), die die eigentliche Kooperation umfasst, und die „Ergebnisphase“ (ebd.), in der es um die Bewertungen der Ergebnisse und Leistungen geht (vgl. ebd.). Die Annahme, dass Vertrauen von essenzieller Bedeutung für den Erfolg von PRBeratungsprozessen sei, ist in der Fachliteratur unstrittig und wird in unterschiedlichen Zusammenhängen hervorgehoben (vgl. u.a. Nöthe 1994: 177; Femers 2002: 50; Hoffmann/Steiner/Jarren 2007: 42): „Vertrauen ist eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche partnerschaftliche Beratungsbeziehung. Vertrauen bewirkt gute Zusammenarbeit, welche ihrerseits wieder vertrauensfördernd wirkt; Vertrauen und Kooperation verstärken sich also gegenseitig.“ (Strasser 1993: 78)
In Anlehnung an Luhmann soll Vertrauen hier zunächst als „Form der Reduktion von Komplexität“ (Luhmann 1973: 8) und als „Lösung für spezifische Risikoprobleme“ (Luhmann 2001: 144) verstanden werden (siehe hierzu ausführlicher Abschnitt 3). Als ein Grund für die besondere Rolle von Vertrauen im Kontext von PR-Beratung wird u.a. die eingeschränkte „Qualitätsbeurteilung und Informationsmangel-Situation“ (Röttger 2006: 83) seitens der Klienten genannt. Der Wirtschaftswissenschaftler und Unternehmensberater Klaus Leciejewski ist der Meinung, dass in der PR-Beratung das „persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Berater und Klient entscheidender als in anderen“ (Leciejewski 1996: 107) Beratungszweigen sei, da hier „harte Fakten“ (ebd.) wie z.B. der Marktvergleich in der Unternehmensberatung wegfielen. Häufig wird entsprechend hervorgehoben, dass Vertrauenswürdigkeit eine der wichtigsten Eigenschaften eines PR-Beraters sei (vgl. Nöthe 1994: 145). Alle Autoren (vgl. u.a. auch Fuhrberg 1999: 47; Neujahr 2005: 228) betonen zwar die Bedeutung von Vertrauen für die PRBeratung, tun dies jedoch zumeist relativ beiläufig und ohne ihren jeweiligen Vertrauensbegriff zu definieren. Eine empirische Untersuchung des Zusammenhangs von Vertrauen und PR-Beratung blieb in der Kommunikationswissenschaft bisher ebenfalls aus. Auch die wirtschaftswissenschaftliche Literatur, die sich bereits intensiver mit dem Vertrauensphänomen in Verbindung mit Dienstleistungs- und Beratungsprozessen beschäftigt hat (vgl. u.a. Ahlert et al. 2001; Bouncken 2000; Fischer/Tewes 2001; Greschuchna 2006; Mencke 2005; Plötner 1995; Wiedenfels 2007), liefert nur wenige Anhaltspunkte für das spezifische Feld PR-Beratung. Eine entsprechende theoretische Konzeption und empirische Untersuchung ist daher gewinnbringend für das ohnehin kaum bearbeitete Forschungsfeld PR-Beratung. An der Entstehung einer Risiko-Situation sind immer mindestens zwei Akteure beteiligt (vgl. Kohring 2004: 90f.), die aktiv entscheiden und Einfluss nehmen können.
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Risiko entsteht durch die Verknüpfung der Handlung eines Akteurs mit der Handlung eines anderen Akteurs, d.h. dann, wenn der Erfolg bzw. die Konsequenz einer Handlung oder Entscheidung des einen Akteurs von der Handlung des anderen Akteurs abhängig ist (vgl. ebd.) Eine solche Situation ist deshalb riskant, weil der eine Akteur nicht wissen kann, welche Motive der andere haben könnte und wie er sich verhalten wird. Diese Situation doppelter Kontingenz wird von den Beteiligten als Risiko wahrgenommen (vgl. Kohring 2004: 90f.). Das Gegenüber kann den Erwartungen des Akteurs entweder entsprechen oder sich zu seinen eigenen Gunsten opportunistisch verhalten. Indem sich ein Akteur aus einer Reihe von Möglichkeiten dafür entscheidet, eine kontingente Selektion mit der ebenfalls kontingenten Selektion eines anderen Akteurs zu verknüpfen, geht er ein Risiko ein. Er macht sich abhängig und muss die Konsequenzen tragen. Diese können sowohl positiv als auch negativ ausfallen. Risiko birgt somit auch immer eine „Chance“ (ebd.: 91). Es wird zudem stets subjektiv empfunden und könnte daher von Beobachtern zweiter Ordnung in anderem Maße wahrgenommen werden als von den betroffenen Akteuren. Übertragen auf den Prozess der PR-Beratung sind zahlreiche Punkte denkbar, an denen ein Klient Risiken eingeht, wenn er mit PR-Dienstleistern zusammenarbeitet. Schließlich gehört es zu den zentralen Funktionen von PR-Beratung, dass die Agentur ihren Klienten strategisch berät oder operativ entlastet und ihm Arbeit abnimmt. Risikopotenzial besteht für den Klienten bereits bei der Auswahl einer PR-Agentur auf einem für nahezu jedermann zugänglichen und entsprechend intransparenten PRBeratungsmarkt (vgl. u.a. Fuhrberg 1999; Röttger 2006). Da es weder geschützte Berufsbezeichnungen noch festgelegte Ausbildungsstandards in der PR gibt, kann sich ein Klient weder der Leistungsfähigkeit noch der Leistungsbereitschaft seiner Berater sicher sein (vgl. Kaiser/Ringlstetter 2006: 101f.). Der Kunde weiß zu Beginn eines Projektes nicht, was er für sein Geld bekommt und wie die Qualität der Agenturleistung ausfallen wird (vgl. Hoffmann/Steiner/Jarren 2007: 42).3 Dennoch ist er auf die Arbeit der Agentur angewiesen. Ein charakteristisches Dilemma von PR-Beratungsleistungen besteht darin, dass ihre Erstellung simultan zur Leistungsabgabe erfolgt (vgl. Greschuchna 2006: 10; Fischer/Tewes 2001: 305f.). Der Klient hat somit keine Möglichkeit, das ‚Produkt‘ zu testen oder im Nachhinein umzutauschen. Aufgrund fehlender Informationen, z.B. über die Effizienz des Beratereinsatzes oder die tatsächliche Wirkung einer PR-Maßnahme, kann ein Klient die Qualität häufig weder vor noch nach dem Kauf eindeutig bestimmen (vgl. Röttger 2006: 81). PR-Beratung ist somit ein „Vertrauens-“ oder bestenfalls ein „Erfahrungsgut“ (ebd.; vgl. auch Greschuchna 2006: 56). Letztlich geht ein Klient immer dann ein Risiko ein, wenn er sich auf die Leistungen oder Ratschläge der Agentur verlässt, ihr sensible Informationen anvertraut oder sie in Kontakt zu wichtigen Stakeholdern (z.B. Medien) treten lässt. Fehler einer PRAgentur und ihrer Mitarbeiter können für das von der Öffentlichkeit beobachtete 3
Ähnliche Probleme identifiziert auch die aus der Neuen Institutionenökonomik stammende Agenturtheorie, die von Informationsdefiziten und generell opportunistisch handelnden Akteuren in Wirtschaftsbeziehungen ausgeht (vgl. Saam 2007).
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Klientenunternehmen leicht zu massiven Imageschäden führen, die auch wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Es ist daher für eine Klientenorganisation notwendig, sich soweit wie möglich gegen die beschriebenen Risiken abzusichern. Detaillierte Agenturverträge als rechtlich bindende Institutionen (vgl. Hoffmann/Steiner/Jarren 2007: 43), die häufig auch Vertraulichkeitserklärungen oder Konkurrenzausschlussklauseln beinhalten, sind daher zentrales Element einer jeden Beratungsbeziehung. Der Vertrag stellt einen „Mechanismus zur Stabilisierung unsicherer Erwartungen und zur Verringerung von Handlungskomplexität“ (Ripperger 1998: 27f.) dar. Verringerte Handlungskomplexität begrenzt Risiken, indem entweder die „Eintrittswahrscheinlichkeit des schädigenden Ereignisses [oder die; d.V.] Höhe der schädigenden Konsequenzen“ (vgl. ebd.: 30), wie z.B. finanzieller Verluste, verringert wird. Eine Vergütungsmethode, die das Risiko für den Klienten verringert, das des Beraters allerdings erhöht, ist die vollständige oder teilweise erfolgsabhängige Honorierung. Diese scheint in der Praxis an Relevanz zu gewinnen, ist aber dennoch nicht unproblematisch, da sie nicht nur eine konkrete Definition von Erfolg, sondern auch dessen Messbarkeit und den Einsatz entsprechender Instrumente voraussetzt. Erfolgsabhängige Vergütung kann das Risiko des Klienten insofern senken, als die Honorarkosten bei unbefriedigender Agenturleistung für ihn geringer ausfallen. Sie stellt allerdings keine ‚Versicherung‘ gegen schlechte Agenturleistungen dar. Einen „vollständigen Vertrag“ (Ripperger 1998: 32), der alle möglichen Kontingenzen berücksichtigt, kann es demnach nicht geben (vgl. ebd.). Risiken können somit durch Verträge zwar minimiert, aber niemals ganz ausgeschlossen werden. Ein weiterer Mechanismus zur Verringerung von Risiken ist die Einrichtung von Kontroll- und Informationssystemen, die den PR-Berater disziplinieren sollen, indem der Klient sich intensiv über die Arbeitsschritte des Beraters informiert und diese nach Möglichkeit kontrolliert (vgl. Saam 2007: 69). Maßnahmen dieser Art bedeuten für den Klienten allerdings erstens erhebliche zeitliche Aufwendungen und Kosten und sind zweitens nur begrenzt möglich, da der Klient, allein aus zeitlichen Gründen, weder alle Arbeitsbereiche des Beraters kontrollieren kann, noch Informationen über jeden Arbeitsschritt erhalten wird. Es bleibt festzuhalten: Weder detaillierte Verträge noch Kontroll- oder Informationssysteme können das Risiko für den Klienten in der PR-Beratung vollständig ausschließen. Selbst wenn die beschriebenen Mechanismen greifen, wird immer ein Restrisiko bestehen bleiben. Spätestens an diesem Punkt setzt die Bedeutung eines anderen Mechanismus zum Umgang mit Risiko ein: Vertrauen.
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Theoretische Konzeption von Vertrauen
Das Konstrukt Vertrauen ist im Verständnis dieser Arbeit sinnvollerweise nur in engem Zusammenhang mit dem Faktor Risiko zu konzipieren. Dessen Relevanz wird zwar von vielen Autoren angedeutet, aber in ihren Vertrauensdefinitionen oft nicht hinreichend berücksichtigt. Im Unterschied dazu liefert Matthias Kohring nicht nur eine de-
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taillierte Analyse des Risikobegriffs, sondern richtet auch seine theoretische Vertrauenskonzeption konsequent daran aus. Angelehnt an Kohrings Entwurf zum Vertrauen in Journalismus wird das Klientenvertrauen in der PR-Beratung hier daher folgendermaßen definiert (siehe hierzu auch Röttger/Zielmann in diesem Band): Vertrauen in eine PR-Agentur bzw. einen PR-Berater liegt dann vor, wenn ein Klient Handlungsverantwortung an sie bzw. ihn delegiert (und damit die Erfüllung einer bestimmten Erwartung verbindet), obwohl er diesbezüglich ein Risiko wahrnimmt, das er anderweitig nicht vollständig absichern kann (vgl. Kohring 2004: 132). Die Wahrnehmung eines Risikos ist somit eine grundlegende Voraussetzung für Vertrauen und macht es überhaupt erst notwendig. Wird ein Risiko nicht wahrgenommen, so spricht Kohring von „Vertrautheit“ (ebd.: 101). Das Vertrauen des Klienten ist ein Mechanismus zur Lösung spezifischer Risikoprobleme, die aufgrund übermäßiger Komplexität und mangelnden Wissens, z.B. in PR-Beratungsprozessen, entstehen (vgl. ebd.: 84; Luhmann 2001: 144). Kohring bezieht sich in seiner Konzeption in weiten Teilen auf die Vertrauenstheorie Niklas Luhmanns, die noch immer der zentrale Referenzpunkt des wissenschaftlichen Vertrauensdiskurses ist (vgl. Endreß 2002: 28). Luhmann zufolge ist Vertrauen ein wirkungsvoller Mechanismus zur „Reduktion von Komplexität“ (Luhmann 1973: 7), der ein spezifisches Zeitproblem überbrückt: Der Klient als „Vertrauenssubjekt“ (Bentele/Seidenglanz 2005: 355) weiß nicht, wie sich sein PR-Berater als „Vertrauensobjekt“ (ebd.) in der Zukunft verhalten wird. Im Akt des Vertrauens entscheidet sich der Klient dafür, sich auf eine bestimmte (für ihn wünschenswerte) Selektion des Beraters festzulegen und so zu handeln, als gebe es in der Zukunft nur diese eine Möglichkeit (vgl. Kohring 2004: 94). Er könnte z.B. darauf vertrauen, dass der PR-Berater sich im Kontakt zu relevanten Stakeholdern, wie z.B. Journalisten, angemessen verhalten wird. Eine Vertrauenshandlung ist somit immer eine Selektion, die sich auf die selektive Handlung eines anderen bezieht (vgl. Kohring 2002: 96). Indem ein Klient seinem Berater vertraut, übernimmt er freiwillig dessen „Fremdselektion als Eigenselektion“ (Kohring 2004: 129) oder zeigt zumindest die Bereitschaft dazu. Er gibt Handlungsverantwortung ab, denn er hat selbst nur bis zu einem bestimmten Punkt Einfluss auf den Ausgang einer Situation: Ob der Berater sich angemessen verhalten, verantwortungsvoll mit den ihm anvertrauten Informationen umgehen und effizient arbeiten wird, wird sich erst in der Zukunft herausstellen. Vertrauen zu schenken ist somit immer eine „riskante[n] Vorleistung“ (Luhmann 1973: 23). Im Gegensatz zu Verträgen oder anderen Kontroll- und Informationsmechanismen besteht die Funktion des Vertrauens somit nicht darin, Risiko zu minimieren oder gar zu eliminieren, sondern darin, es zu tolerieren (vgl. Kohring 2004: 130) und auf diese Weise Handlungsspielräume zu eröffnen bzw. aufrechtzuerhalten. Die Erwartungen, die der Klient mit der Abgabe von Handlungsverantwortung an seinen PR-Berater richtet, stellen die spezifische Referenz des Vertrauens dar, die Kohring (2004: 120) als „Dimensionen“ von Vertrauen bezeichnet. Vertrauen richtet sich demnach immer auf „empirische Leistungen“ (ebd. 122), die von sozialen Akteuren erbracht werden sollen. Bei Vertrauen, das sich nicht mehr interpersonal auf ein-
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zelne Personen, sondern auf größere Kollektive bezieht, handelt es sich um Systemvertrauen. Da es in modernen Gesellschaften eine Vielzahl ausdifferenzierter sozialer Systeme gibt, die Komplexitätsreduktionsfunktionen übernehmen, nimmt auch die Relevanz des Systemvertrauens zu. Vertrauen in das System „PR-Agentur“ richtet sich auf das richtige bzw. angemessene Funktionieren des Systems, d.h. dessen Programmierung (vgl. Kohring 2004: 110f.). Selbstverständlich sind es aber auch im Fall von Systemvertrauen (mehrere) Personen, die letztlich die entscheidenden Selektionen vornehmen. Systemvertrauen kann daher auch durch interpersonales Vertrauen in einzelne Repräsentanten eines Systems entstehen. Personale Akteure agieren hierbei quasi als Vertrauensvermittler (vgl. ebd.: 111). Es ist dennoch sinnvoll, interpersonales und systemisches Vertrauen zu unterscheiden und zu berücksichtigen, denn es ist durchaus denkbar, dass ein Klient einem einzelnen PR-Berater ein anderes Maß an Vertrauen entgegenbringt als einer PR-Agentur als Ganzes (vgl. Möllering/Sydow 2005: 77) oder dass die unterschiedlichen Vertrauensformen auf verschiedenen Einflussgrößen beruhen. Hieran schließt sich die Frage an, warum Akteure überhaupt Vertrauen schenken, obwohl sich Vertrauenssituationen gerade dadurch auszeichnen, dass dem Vertrauenssubjekt problemspezifisches Wissen fehlt. Im Folgenden werden all jene bewussten oder unbewussten Einflussgrößen, die zum Aufbau von Vertrauen beitragen können, als Faktoren4 für Vertrauen bezeichnet. Auch Günter Bentele, der neben Kohring einen der wenigen kommunikationswissenschaftlichen Beiträge zum Vertrauensdiskurs liefert, verwendet den Begriff der „Vertrauensfaktoren“ (Bentele 1994: 144) und geht davon aus, dass deren Zuschreibung durch das Vertrauenssubjekt auf das Vertrauensobjekt zu Vertrauen führen kann (vgl. ebd). Wichtige Vertrauensfaktoren stellen demnach u.a. die Sach- und Problemlösungskompetenz des Vertrauensobjekts, seine Kommunikationsadäquatheit, kommunikative Konsistenz und Transparenz dar (vgl. Bentele 1994: 144ff.). Es ist jedoch anzumerken, dass Bentele keine spezifische Untersuchung zu Vertrauensfaktoren durchgeführt hat, sondern sich hierzu lediglich auf Ergebnisse der Quellenglaubwürdigkeitsforschung (u.a. von Hovland et al. 1959) bezieht. In Anlehnung an Kohring wird hier zwischen spezifischen und unspezifischen Vertrauensfaktoren unterschieden. Spezifische Faktoren für Vertrauen beruhen demnach auf „positiven oder ausgebliebenen negativen Erfahrungen mit dem Vertrauensobjekt“ (Kohring 2004: 179), die das Vertrauenssubjekt generalisiert und auf „zukünftige Handlungen projiziert“ (ebd.). Anders gesagt: Jemand vertraut einem anderen, weil er bisher die positiven Erfahrungen gemacht hat, dass seine Vertrauenserwartungen bestätigt wurden. Unspezifische Faktoren hingegen basieren auf Indizien und symbolischen Implikationen (vgl. ebd., Luhmann 1973: 31), die das Vertrauenssubjekt an Merkmale knüpft, die es z.B. dem Vertrauensobjekt, seinen Mitteilungen oder deren Kontext zuschreibt (vgl. Kohring 2004: 181, vgl. auch Bouncken 2000: 7). Akteure können einer4
Andere Autoren meinen Ähnliches, wenn sie z.B. die Begriffe „Gründe für Vertrauen“ (Kohring 2004: 178), „Determinanten der Vertrauensbildung“ (Bouncken 2000: 7), „Quellen für Vertrauen“ (Fischer/ Tewes 2001: 308) oder „Vertrauenstreiber“ (Wiedenfels 2007: 1) benutzen.
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seits aktiv nach diesen relevanten Merkmalen und Symbolen suchen (Screening), andererseits haben aber auch die potenziellen Vertrauensobjekte die Möglichkeit, aktiv Signale auszusenden (Signaling) und Anhaltspunkte für ihre Vertrauenswürdigkeit zu geben (vgl. Greschuchna 2006: 57).
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Forschungsstand
Das Feld der relevanten Referenzstudien zum Thema ist sehr überschaubar, da die Forschung zu Vertrauen in der (PR-)Beratung noch am Beginn steht. Zudem sind Befunde aus benachbarten Gebieten, wie z.B. dem Dienstleistungssektor im Allgemeinen (vgl. zur Übersicht Neumann 2007: 80ff.; Greschuchna 2006: 95f.), aufgrund der (branchen-)spezifischen Referenz der Vertrauensvergabe nicht ohne weiteres übertragbar. Ähnlich lückenhaft wie die empirische Forschung zu Vertrauen in der Beratung ist auch die empirische Untersuchung von PR-Berater-Klienten-Beziehungen im Allgemeinen. Lediglich eine relevante Studie aus dem deutschsprachigen Raum kann hierzu angeführt werden. Sie stammt von Reinhold Fuhrberg (1996) und beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen PR-Beratern und ihren Kunden, und hier insbesondere mit möglichen Konflikten. Als zentrale Konfliktpunkte nennt er u.a. häufig wechselnde Kundenberater, überzogene Honorarforderungen, gute Präsentation, aber schlechte Umsetzung, Überziehen von Budgets, Nichteinhaltung von Zusagen und Deadlines sowie unklare Rechnungen (vgl. ebd.: 91). Auch, wenn für den Zweck des vorliegenden Beitrags die direkten Aussagen von Klienten interessanter und gehaltvoller gewesen wären, können Fuhrbergs Ergebnisse als erste Hinweise darauf gewertet werden, wo im Beratungsprozess aus Sicht der Kunden Risikopotenzial besteht. Einen weiteren wichtigen Referenzpunkt stellt die Dissertation von Larissa Greschuchna (2006) dar, die sich mit Vertrauen in der Potenzialphase der Unternehmensberatung von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) beschäftigt. Sie untersuchte, welchen Stellenwert interpersonales und systemisches Vertrauen im Vergleich zu anderen Kriterien bei der Auswahl des Beratungsunternehmens einnimmt, welche Einflussfaktoren bei der Entstehung dieses Vertrauens eine Rolle spielen und inwiefern sich das Vertrauen auf die Projektbeauftragung auswirkt (vgl. ebd.: 5). Zentrale Ergebnisse der Untersuchung sind, dass interpersonales und organisationales Vertrauen nicht nur aus Sicht der Klienten die wichtigsten Kriterien bei der Agenturauswahl sind (vgl. auch Wick 2000; Meffert 1990), sondern sich im Beratungsprozess gegenseitig positiv beeinflussen (vgl. Greschuchna 2006: 169). Als wichtigste Einflussfaktoren für das organisationale Vertrauen in das Beratungsunternehmen ermittelte sie das „auf die Bedürfnisse der KMU ausgerichtete Leistungsspektrum“ sowie die Reputation des Beratungsunternehmens; für das interpersonale Vertrauen in den Berater waren v.a. dessen „fachliche und soziale Kompetenz“ (ebd.: 169) entscheidend. Zudem stellte sich heraus, dass sich interpersonales und systemisches Vertrauen positiv auf die Projektbeauftragung auswirken (vgl. ebd.).
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Heribert Gierl beschäftigte sich in seiner Arbeit mit Vertrauen im Beratungsgeschäft und untersucht dabei einerseits Vertrauen in Unternehmens- und andererseits in Bankberater (vgl. Gierl 1999). Er fand heraus, dass wahrgenommene Reziprozität und Ähnlichkeit sich ebenso signifikant auf die Vergabe von Vertrauen seitens der Klienten auswirken wie wahrgenommene positive Anhaltspunkte zur Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Beraters (vgl. ebd. 205 u. 209f.). Die wahrgenommene Leistungsfähigkeit (bei Bankberatern) wurde dabei besonders von positiven Erfahrungen des Kunden mit dem Berater und von der Reputation des Beraters beeinflusst. Die wahrgenommene Attraktivität (in Bezug auf Aussehen, Einfühlungsvermögen usw.) wirkte sich positiv auf die wahrgenommene Leistungsfähigkeit und -bereitschaft aus. Die einzige bisher vorliegende Untersuchung zum Vertrauen in PR-Agenturen fand im Rahmen des Dissertationsprojektes des Aachener Wirtschaftswissenschaftlers Gunnar Wiedenfels statt. Da Wiedenfels bisher nur die praxisrelevanten Ergebnisse der Untersuchung veröffentlicht hat (Wiedenfels 2007), liegen noch keine Informationen über seine theoretische Basis, sein Verständnis von Vertrauen und die Begründung seiner Methodenwahl vor. Angesichts dessen sind seine Ergebnisse zwar für die vorliegende Arbeit von großem Interesse, müssen aber unter Vorbehalt betrachtet werden, da sich v.a. methodische Defizite nicht ausschließen lassen. Der zentrale Befund von Wiedenfels‘ Untersuchung lautet, dass Vertrauen in den Anbieter „für die Absicht, eine PRBeratung zu beauftragen, überragende Bedeutung hat“ (ebd.). Das Vertrauen werde dabei nicht „blind“ (ebd.) geschenkt, sondern sei von der wahrgenommenen Vertrauenswürdigkeit des Anbieters abhängig, die wiederum vom Anbieter aktiv gestaltet werden könne, so Wiedenfels (ebd.). Für folgende Eigenschaften und Maßnahmen, die der Anbieter betonen bzw. ergreifen kann, ermittelte Wiedenfels einen besonderen Einfluss auf das Vertrauen der Kunden: 1. Die „Reputation des Anbieters“. 2. Die „Nutzung expliziter externer Referenzen“ (ebd.). 3. Die Betonung von Gütesiegeln, Auszeichnungen oder Mitgliedschaften in Branchenverbänden, also des „institutionellen Hintergrund[es]“ (ebd.). 4. Die Betonung „sozialer Ähnlichkeit“, d.h. gemeinsamer Werte und Interessen zwischen Anbieter und Kunde (ebd.). Als statistisch nicht signifikant erwiesen sich der Einfluss von persönlichen Beziehungen zwischen Kunde und Anbieter sowie das Angebot von risikominimierenden Maßnahmen, wie z.B. erfolgsabhängiger Honorierung (vgl. ebd.: 2). Letzteres führt Wiedenfels v.a. darauf zurück, dass sich die Qualität von PR als Vertrauensgut ohnehin nur schwer bestimmen lasse.5 Aus seinen Untersuchungen zieht er den Schluss, dass PR-Agenturen in ihren MarketingAnstrengungen die o.g. Vertrauenstreiber besonders berücksichtigen sollten, um das Vertrauen der potenziellen Kunden aufzubauen bzw. nicht zu gefährden (vgl. ebd.). Ein markanter Kritikpunkt an der Studie ist hier bereits anzumerken: Als Wiedenfels im Sommer 2007 in PR-Fachportalen zur Teilnahme an seiner Befragung aufrief, tat er dies unter der Überschrift „Wann vertrauen Sie einer PR-Agentur?“6 und beging damit 5
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Hier ist fraglich, ob risikominimierende Maßnahmen überhaupt als „Vertrauenstreiber“ (Wiedenfels 2007: 2) bezeichnet und untersucht werden sollten, denn Vertrauen wird gerade dort relevant, wo andere Mechanismen nicht mehr greifen. Vgl. http://openpr.de/news/umfrage.html (Stand: 17.03.2008).
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– ähnlich wie Gierl und Greschuchna (allerdings nur bei der Frage nach Vertrauen als Auswahlkriterium) – den mutmaßlichen Kardinalfehler der empirischen Forschung: Er fragte direkt nach Vertrauen bzw. nach Vertrauensfaktoren. Diese Vorgehensweise verbietet sich aus mehreren Gründen: Wird dem Interviewpartner z.B. die Frage gestellt „Vertrauen Sie Ihrer PR-Agentur?“, so könnte diese Frage bei ihm Reflexion und möglicherweise auch ein Risikobewusstsein hervorrufen, das zuvor gar nicht vorhanden war (vgl. Kohring 2004: 137). Auf diese Weise könnten Vertrautheitssituationen, die sich gerade durch die Abwesenheit von Risikowahrnehmung auszeichnen, irritiert werden. Des Weiteren könnte der Befragte sein Risikobewusstsein mit Misstrauen verwechseln, was ebenfalls die Forschungsergebnisse verfälschen würde (vgl. ebd.; Plötner 1995: 164). Es ist somit nicht ratsam, Vertrauen oder Risikowahrnehmung direkt zu thematisieren, da es die Befragten beeinflussen könnte. Zudem ist eine Bejahung der Relevanz von Vertrauen in vielen Untersuchungen schon deshalb wenig überraschend, weil Vertrauen in der Gesellschaft generell als „wünschenswerter Zustand“ (Schweer/Thies 2003: 3) betrachtet wird. Ein weiterer Grund, der gegen direkte ‚Vertrauensfragen‘ spricht, liegt in dem diffusen Verständnis von Vertrauen: Zwar ist ‚Vertrauen‘ ein im Alltag gängiger und viel genutzter Begriff und einer befragten Person würde die Beantwortung einer direkten Vertrauensfrage vermutlich nicht schwerfallen. Fraglich ist hierbei jedoch, was die jeweilige Person unter Vertrauen versteht und ob dieses Verständnis der zuvor erarbeiteten theoretischen Konstruktion von Vertrauen entspricht. Um diese Problematik zu umgehen und weil Vertrauen ein theoretisches Konstrukt ist, das nicht direkt beobachtet oder gemessen werden kann (vgl. u.a. Kohring 2004: 137; Wesemeier 2002: 71), muss es operationalisiert werden. Zu den weiteren Kritikpunkten am aktuellen Forschungsstand gehört, dass der Faktor Risiko in den bisherigen Untersuchungen zwar gelegentlich erwähnt wird (vgl. Greschuchna 2006), aber empirisch völlig unberücksichtigt bleibt. Obwohl Beratung in der Theorie immer als mehrstufiger Prozess dargestellt wird, konzentrieren sich die Untersuchungen der genannten Autoren zudem überwiegend auf die Potenzialphase eines Beratungsprozesses. Da allerdings anzunehmen ist, dass auch in der Prozess- und Ergebnisphase riskante Situationen entstehen können, besteht somit noch erheblicher Forschungsbedarf, was die Relevanz von Vertrauen im Verlauf eines Beratungsprozesses angeht. Vergleichsweise häufig wurden in Theorie und Empirie potenzielle Faktoren für Vertrauen behandelt. Kritisch ist hierzu allerdings anzumerken, dass in den Studien häufig mit vorgegebenen Antwortkategorien gearbeitet wurde, so dass das Ergebnisfeld von vornherein begrenzt war und die Möglichkeit ausgeschlossen wurde, weitere relevante Faktoren zu ermitteln. Eine Differenzierung von interpersonalem Vertrauen und Systemvertrauen findet sich einzig bei Greschuchna. Dass diese Differenz in den anderen Studien nicht berücksichtigt wurde, ist als Defizit anzusehen, da aus den theoretischen Ausführungen hervorgeht, dass durchaus ein Unterschied zwischen beiden Vertrauensarten bestehen kann. Insgesamt steht die Vertrauensforschung im Zusammenhang mit (PR-) Beratungsprozessen noch am Beginn, ein kommunikationswissenschaftlicher Untersuchungsansatz fehlte bisher gänzlich.
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Forschungsdesign
Ausgehend von den beschriebenen Defiziten des Forschungsstandes wurde eine qualitative, überwiegend explorativ ausgerichtete Untersuchung anhand eines teilstrukturierten Interviewleitfadens mit Klienten von PR-Agenturen durchgeführt (Löhn 2008). Die zentralen Forschungsfragen lauteten hierbei: 1) Wo liegen im Prozess der PR-Beratung aus Sicht der Klienten riskante Punkte, an denen Vertrauen in die PR-Agentur oder den PR-Berater für sie relevant wird? 2) Welche Faktoren führen dazu, dass Klienten ihrer PR-Agentur bzw. ihrem PR-Berater vertrauen? Im Detail sollte außerdem untersucht werden, ob sich das Vertrauen der Klienten eher auf einzelne Berater oder die Agentur als Ganzes bezieht, ob die relevanten Vertrauensfaktoren eher spezifischer oder unspezifischer Art sind und ob diesbezüglich Veränderungen im Verlauf des PR-Beratungsprozesses festzustellen sind. Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, ist bei einer derartigen Fragestellung der Operationalisierung des Konstrukts ‚Vertrauen‘ besondere Beachtung zu schenken. Dazu muss zunächst die Wahrnehmung von Risiko als Bestandteil bzw. Voraussetzung von Vertrauen operationalisiert werden: Existieren Situationen, in denen Klienten sich von den Leistungen ihrer PR-Agentur abhängig fühlen (doppelte Kontingenz) und dadurch möglicherweise negative Konsequenzen befürchten? Um Hinweise hierauf zu finden, wurde im Gespräch mit den Klienten u.a. nach Problembereichen in der Zusammenarbeit oder nach negativen Erfahrungen mit Agenturen und Beratern gefragt. Eine weitere Form der Operationalisierung von Vertrauen bezieht sich auf den Aspekt der Übertragung von Handlungsverantwortung, z.B. indem Klienten wichtige Aufgaben delegieren oder sensible Informationen preisgeben. Die Abgabe von Handlungsverantwortung ohne erkennbare Risikowahrnehmung wurde als Situation der Vertrautheit eingestuft. Um ausschließen zu können, dass ein wahrgenommenes Risiko durch andere Mechanismen aufgefangen wird, müssen außerdem die risikominimierenden Mechanismen ermittelt werden, die Klienten in der Kooperation mit Agenturen zum Einsatz bringen. Gefragt wurde u.a. danach, wie eng Abstimmungsschritte zwischen Agentur und Kunde verlaufen und ob erfolgsabhängige Honorare vereinbart werden. Die Operationalisierung der spezifischen und unspezifischen Faktoren für Vertrauen zielt darauf ab, positive Aspekte zu ermitteln, die Klienten in Bezug auf ihre Agentur oder einzelne Berater wahrnehmen, z.B. durch Erfahrungen oder Merkmalszuschreiben. So wurde z.B. danach gefragt, welche Faktoren bei der Agenturauswahl entscheidend sind oder was nach Meinung der Klienten eine gute Zusammenarbeit ausmacht. Es wurde angenommen, dass die ermittelten Vertrauensfaktoren Rückschlüsse darauf zulassen würden, ob sich das Vertrauen der Klienten eher interpersonal auf einzelne Berater oder als Systemvertrauen auf die ganze Agentur bezog. Aus dieser Operationalisierung ergaben sich die zentralen Untersuchungskategorien. Ob und inwiefern Klienten Risiken wahrnehmen, welche risikominimierenden Mechanismen sie einsetzen und welche spezifischen und unspezifischen Vertrauensfaktoren für sie relevant sein können, wurde rein explorativ ermittelt. Deduktiv erfolgte die Überprüfung der relevanten Kriterien zur Feststellung von Vertrauen. In welchen
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Situationen die Klienten Handlungsverantwortung abgeben, wurde wiederum explorativ untersucht. Im Rahmen der Untersuchung wurden im Juni und Juli 2008 zehn Interviews mit leitenden PR-Expertinnen und -Experten von Unternehmen geführt, die mit einer oder mehreren PR-Agenturen zusammenarbeiteten. Die relativ geringe Fallzahl ist mit dem stark explorativen Charakter der Analyse, die im Rahmen einer Magisterarbeit durchgeführt wurde, begründet. Da die befragten Personen aus den beschriebenen methodischen Gründen nicht über den tatsächlichen Forschungsfokus „Vertrauen“ informiert werden durften, wurden sie um ein Gespräch zum Thema „Die Zusammenarbeit mit PR-Agenturen aus Sicht der Kunden“ gebeten. Die Ansprechpartner stammten aus Unternehmen unterschiedlicher Branchen, wie z.B. der Lebensmittelindustrie, der Telekommunikation, der Fotografie- und Druckertechnologie, der Wasch- und Reinigungsmittelindustrie sowie aus der Versicherungs- und Energiewirtschaft. Alle Unternehmen waren ganz oder überwiegend im B-to-C-Sektor angesiedelt und hatten mindestens 1000 Mitarbeiter.
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Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Risikowahrnehmung
Grundsätzlich ist bei neun der zehn befragten Klienten 7 eine generelle Risikowahrnehmung in Bezug auf die Kooperation mit PR-Agenturen festzustellen, wobei deren Ausmaß ebenso differiert wie die geschilderten Risikosituationen. Die Klienten geben an, sich in unterschiedlicher Weise von den Leistungen ihrer Agentur abhängig zu fühlen. Häufig sehen sie sich in der Situation, dass sie aufgrund von hohem Zeitdruck, personeller Ressourcenknappheit oder fehlendem Know-how ein Projekt nicht ohne die Unterstützung der Agentur hätten bewältigen können. Sie fühlen sich dabei oft dem Risiko finanzieller Verluste oder anderweitiger Schäden ausgesetzt, sollte die Arbeit der Agentur fehlerhaft oder die Qualität der Leistungen nicht zufriedenstellend sein. Insbesondere in Bezug auf ungenaues Arbeiten oder fehlendes Verständnis der Agentur für die Bedürfnisse und Besonderheiten des Kunden haben viele Klienten bereits negative Erfahrungen gemacht. Besonders hoch scheint das wahrgenommene Risiko bei etwa der Hälfte der Befragten gegenüber Juniorberatern zu sein, deren geringe Berufserfahrung als häufige Ursache für Fehler betrachtetet wird. Das scheinbar größte Risiko sehen die Befragten in der relativ hohen Mitarbeiterfluktuation in PR-Agenturen. Fast alle haben diesbezüglich schon negative Erfahrungen gemacht. Den Weggang eines verantwortlichen Beraters, der schon längere Zeit für einen Klienten tätig war, betrachten die Klienten als „Know-how-Verlust“, der für sie zudem großen Aufwand in der Einarbeitung eines neuen Ansprechpartners mit sich bringt. Ein Klient beschreibt seine Erfahrungen so: 7
Ausgenommen ist hier nur ein Klient, der sich zum Zeitpunkt der Untersuchung noch in der Auswahl phase befand bzw. erst seit kurzer Zeit mit PR-Agenturen zusammengearbeitet hatte.
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„[W]enn ein Projekt ein halbes Jahr dauert, dann passiert es […] auch bei PR-Agenturen, dass mitten im Galopp das Pferd gewechselt wird und je nachdem, wo man gerade steckt, ist das dramatisch.“
Viele Klienten berichten, dass der Weggang eines bestimmten Beraters sogar häufig der Grund dafür gewesen sei, die PR-Agentur zu wechseln. Ihr persönliches Risiko sehen einige Befragte darüber hinaus vor allem dadurch verstärkt, dass sie sich intern in ihrem Unternehmen für die Leistungsqualität, die teils als intransparent empfundenen Honorarforderungen und das Verhalten der Agenturen bzw. ihrer Mitarbeiter rechtfertigen müssen: „Am Ende aller Tage trage ich die Verantwortung, das ist das Problem. Ich muss das Risiko abschätzen.“ Für Kunden ist es somit nicht nur im Interesse ihres Unternehmens, sondern auch in ihrem eigenen Interesse von erheblicher Bedeutung, dass die von ihnen gewählten PR-Agenturen gute Leistungen fristgerecht und zu angemessenen Preisen liefern. Wäre dies nicht der Fall, stünden sie vor einem Legitimationsproblem. Es überwiegt daher bei den Befragten die generelle Meinung, dass es nicht leicht ist, die richtige PR-Agentur zu finden bzw. dass bei der Auswahl häufig ein Risiko bleibt: „[E]s ist insofern, in Anführungszeichen, ein gewisses Risiko, weil Sie ja nicht wissen, ob sich das bestätigt, was sich im ersten Moment ergeben hat.“
Die in der Theorie beschriebene Problematik, dass die Qualität von PR-Beratungsleistungen von den Kunden auch nach dem ‚Kauf‘ bzw. der Erbringung der Leistung nicht eindeutig zu beurteilen ist, sehen die befragten Klienten allerdings kaum. Zwar räumen einige ein, dass der Erfolg mancher PR-Maßnahmen schwer messbar sei, doch übertragen sie dies nicht auf die Bewertung der Agenturleistungen. Aus Sicht der befragten Klienten ist PR-Beratung daher eher als Erfahrungs- denn als Vertrauensgut einzustufen, da die Klienten aus ihrer Sicht keine Schwierigkeiten damit haben, Qualität und Erfolg eines Beratungsprojektes im Nachhinein zu beurteilen. Risikominimierende Mechanismen
In der Potenzialphase der PR-Beratung stehen den Kunden kaum wirksame Mechanismen zur Reduktion von Risiko zur Verfügung. Einige geben an, abgesehen von Pitches, kleinere Probeaufgaben für die Agenturen zu stellen, in denen diese ihre Leistungsfähigkeit und Kreativität beweisen könnten. In der Prozessphase der PR-Beratung ist aus Sicht der Klienten die Steuerung der PR-Agentur offenbar der wesentliche Mechanismus zur Reduktion des beschriebenen Qualitätsrisikos. Ein Klient erklärt: „Und alle Erfahrung zeigt ja auch, je intensiver ich gebrieft habe und ein gemeinsames Verständnis wir entwickelt haben, desto eher passt das Arbeitsergebnis auch zum Preis, der angeboten ist. […] [E]s geht nicht ohne hohes Engagement seitens des Auftraggebers.“
Die Klienten sind der Ansicht, durch eine gute Steuerung und intensive Briefings Einfluss auf die Qualität der PR-Beratungsleistung nehmen und so das Risiko schlechter Leistungen reduzieren zu können. Sie sehen sich selbst in der Verantwortung, geben aber gleichzeitig an, sich in einer gewissen Abhängigkeit von ihren PR-Agenturen zu befinden – ihr eigener Einflussbereich ist somit immer begrenzt. Ein anderes Instrument zur Risikoreduktion, das die Klienten während der Produktion bzw. bei der Fer-
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tigstellung eines PR-Produktes häufig zum Einsatz bringen, ist die Kontrolle der extern erbrachten Arbeitsschritte. Eine Klientin beschreibt: „Ich gucke den [Presseverteiler; d.V.] jedes Mal wieder durch, wo[bei] ich finde, dass das echt nicht jedes Mal wieder mein Job sein müsste.“ Kontrolle mag somit zwar in vielen Fällen ein effektives Mittel zur Risikominimierung sein, bedeutet allerdings für den Kunden erheblichen Aufwand und Ressourceneinsatz und ist daher wenig effizient. Zwar sind Abstimmungs- und z.T. Kontrollprozesse für die Klienten in der Kooperation mit Agenturen selbstverständlich, allerdings dürfen sie offenbar ein gewisses Maß an Aufwand nicht überschreiten, da sie ansonsten als zusätzliche Belastung empfunden werden. Einige Interviewpartner merken an, dass sie bei einzelnen Beratern oder Agenturen stärker kontrollieren als bei anderen – ein Aspekt, der im nächsten Abschnitt zum Thema Vertrauen näher behandelt wird. Zum Teil erwähnen die Klienten Vertraulichkeitserklärungen, die sie einsetzen, um eventuelle Risiken bei der Weitergabe sensibler Informationen an die Agentur zu minimieren. Nur zwei Befragte geben an, zum Teil erfolgsabhängig zu honorieren. Dieser Mechanismus zur Risikoreduktion ist im Gegensatz zu den bisher Beschriebenen besonders in der Ergebnisphase des Beratungsprozesses von Bedeutung, scheint aber in der Praxis weniger relevant zu sein. Gleiches gilt auch für die Evaluation der Agenturarbeit, die in der Praxis selten über das Erfassen von Presseclippings hinausgeht. Es bleibt somit festzuhalten, dass zwar unterschiedliche Mechanismen zur Risikoreduktion von den Klienten eingesetzt werden, dass diese jedoch meist mit hohen Transaktionskosten verbunden und zudem nur begrenzt einsetzbar sind. Ein Restrisiko bleibt für die Klienten somit immer bestehen. Vertrauen
Vertrauen ist für die Klienten im Prozess der PR-Beratung offenbar ein bedeutsamer Mechanismus im Umgang mit wahrgenommenen (Rest-) Risiken. Dies ist nicht nur daran festzumachen, dass ein Großteil der Befragten – auch ohne direkt darauf angesprochen worden zu sein – aus seinem Alltagsverständnis heraus angibt, dass Vertrauen eine wichtige Grundlage der Zusammenarbeit sei bzw. eine gute Zusammenarbeit ausmache. Vor allem die deduktive Überprüfung der generierten Untersuchungskriterien lässt darauf schließen, dass die Klienten zumindest einem Teil ihrer PR-Agenturen bzw. -Berater Vertrauen schenken. Sie geben Handlungsverantwortung ab, indem sie bestimmte Aufgaben den Agenturen bzw. Beratern überlassen oder sich – insbesondere in Krisenfällen oder anderen sensiblen Projekten – auf deren Rat verlassen. Sie tun dies, obwohl sie die beschriebenen Risiken wahrnehmen, die sie zudem nicht gänzlich durch andere Mechanismen absorbieren können. Ein Klient verdeutlicht diese Zusammenhänge der zentralen Komponenten des Vertrauenskonstrukts geradezu beispielhaft, indem er die Situation eines gemeinsam mit der Agentur organisierten Events schildert: „[D]a kann natürlich in der Zwischenzeit sehr viel passieren und natürlich kann es auch mal passieren, dass Sie sagen ‚das war ja wohl gar nichts‘. Na klar, ein bisschen Risiko bleibt da immer, einen Großteil des Risikos kann man vorher wegarbeiten, aber am Ende muss man darauf vertrauen, dass sie [die Mitarbeiter der Agentur; d.V.] das können.“
Vertrauen in die Vertrauensspezialisten
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Auch ein anderer Klient berichtet von alltäglichen Situationen, anhand derer das Vertrauen in die Agentur bzw. die Berater erkennbar wird: „Das fängt damit an, dass wir uns darauf verlassen müssen, dass die […] [Mitarbeiter der Agentur; d.V.] in der Nacht vor der Pressekonferenz […] Pressemappen konfektionieren […] und es hört auch da auf, dass sie uns die richtigen Vorschläge machen. Also, wenn wir jetzt diese Printkampagne machen. Das ist natürlich ein Risiko.“
Noch deutlicher wird die Relevanz von Vertrauen im Vergleich mit Situationen, in denen es offensichtlich nicht vorhanden ist. Die Untersuchung ergab, dass Klienten nicht allen ihren Agenturen bzw. Beratern in gleichem Maße vertrauen, was insbesondere am Grad ihrer Steuerungs- und Kontrollaktivitäten abzulesen ist. Eine Klientin gibt an, bei einigen Beratern alles noch einmal zu kontrollieren, während sie bei anderen Beratern wisse, dass das nicht notwendig sei. Letzteren könne sie „blind“ vertrauen und sie daher völlig selbstständig arbeiten lassen. Nur diese Art von Kooperation sei für sie eine wirkliche Entlastung. Ähnliches berichten auch andere Klienten. Da in einigen Fällen nicht eindeutig auszumachen ist, ob sich die Risikowahrnehmung der Klienten auf die Arbeit aller oder nur bestimmter Berater bzw. Agenturen bezieht, kann in einigen Fällen sogar ein Vertrautheitsverhältnis (ohne Risikowahrnehmung) zu einzelnen Beratern nicht ausgeschlossen werden. Konsequenz derartiger Vertrauens- oder Vertrautheitsbeziehungen ist häufig eine langjährige Kooperation, die auch mit einem geringen Interesse der Klienten an anderen Agenturen einhergeht. Die Untersuchung ergab, dass Vertrauen in allen Phasen des PR-Beratungsprozesses, insbesondere aber während der alltäglichen Zusammenarbeit in der Prozessphase, in der am meisten Handlungsverantwortung abgegeben wird, von Bedeutung ist. Als zentrale Dimensionen von Vertrauen lassen sich hierbei gute bzw. effiziente operative Unterstützung sowie gute bzw. richtige strategische Beratung ausmachen. Bezüglich der Unterscheidung von interpersonalem und Systemvertrauen ist festzustellen, dass sich das Vertrauen bei einem Großteil der Klienten stärker auf einzelne Berater denn auf ganze Agenturen bezieht. Dies lässt sich besonders daran ablesen, dass viele Klienten vom PR-Berater „ihres Vertrauens“ sprechen, auf besondere Kompetenzen einzelner Personen hinweisen oder je nach Berater unterschiedlich starke Kontrollmechanismen einsetzen. Insbesondere die Tatsache, dass der Weggang bestimmter Berater in vielen Fällen zum Anlass für einen Agenturwechsel genommen wird, bestätigte diese Vermutung. Die Bindung an einzelne Berater, denen Vertrauen entgegengebracht wird, ist somit offenbar häufig wichtiger als die Bindung an die Agentur. Diese Annahme wird auch durch die ermittelten Vertrauensfaktoren bestärkt. Faktoren für Vertrauen
In Bezug auf mögliche Faktoren für Vertrauen erweist sich – so paradox es zunächst klingen mag – Vertrauen selbst als wichtigster Vertrauensfaktor. Genauer gesagt sind es die spezifischen Erfahrungen der Klienten mit der PR-Agentur bzw. dem -Berater, d.h. bestätigte Vertrauenserwartungen im Verlauf der bisherigen Beratungsbeziehung. Alle Klienten weisen darauf hin, dass sie Wert auf eine langfristige Zusammenarbeit legen bzw. dass diese am besten funktioniere, wenn die Agentur bzw. ein Berater das
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Unternehmen schon länger kenne. Wiederholte Vertrauenserfahrungen, z.B. in Bezug auf Qualität, Termin- und Budgettreue, sind somit innerhalb einer bestehenden Beratungsbeziehung die spezifischen Faktoren, die das Vertrauen fördern und bestärken können. Bei der Auswahl einer noch unbekannten Agentur sind dies Erfahrungen anderer Kunden, die sich in Empfehlungen, Referenzen und der Reputation einer PRAgentur widerspiegeln und Systemvertrauen begünstigen. Ergänzt werden diese spezifischen Faktoren im zweiten Schritt beim persönlichen Kennenlernen durch unspezifische Faktoren, wie z.B. Sympathie oder den „ersten Eindruck“. Diese unspezifischen Faktoren beziehen sich in erster Linie auf einzelne Berater und können somit interpersonales Vertrauen hervorrufen, dessen Bedeutung im Verlauf der Beratungsbeziehung sogar weiter zunimmt. Dies ist vor allem an einem Faktor zu ermessen, auf den nahezu alle Klienten hinwiesen: Die ‚richtige Chemie‘ bzw. der ‚gute Draht‘ zwischen dem Klienten und einzelnen Beratern: „Der direkte Draht. Sie müssen […] einen Draht zu jemandem haben. Bei jemandem […] mit dem Sie nicht warm werden, wird das nichts. […] Das ist wirklich eine Frage der Chemie. […] Es ist people‘s business. “
Auch wenn die ‚Chemie‘ ein wenig greifbarer und natürlich unspezifischer Faktor ist, der offenbar viel mit affektiven, emotionalen Reaktionen und Assoziationen des Klienten zu tun hat, scheint er von enormer Bedeutung zu sein. Konkretere Faktoren, die aus Sicht der Klienten hinzu kommen, sind u.a. die bewiesene Kompetenz der Berater oder deren Verständnis für das Unternehmen. Hinzu kommen bestimmte Eigenschaften der PR-Berater, wie z.B. Sorgfalt, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit oder Authentizität, die ihnen von ihren Klienten entweder zugeschrieben werden oder für sie im Sinne einer bestätigten Vertrauenserwartung direkt erfahrbar waren. Je nachdem, können sie als spezifische bzw. unspezifische Faktoren für interpersonales Vertrauen verstanden werden. Es hat sich herausgestellt, dass sich das Vertrauen der Klienten im Laufe der Zusammenarbeit mit einer PR-Agentur zunehmend interpersonal auf einzelne PR-Berater ausrichtet, was vor allem daran festzumachen ist, dass viele Klienten ihre Agentur wechseln, wenn der ‚Berater des Vertrauens‘ diese verlässt. Eine Klientin formuliert dies folgendermaßen: „Wenn man da auf Agenturseite einen Ansprechpartner hatte, mit dem man wirklich richtig gut zusammenarbeiten konnte, wo man wusste, klar, das klappt eben so auf blinden Zuruf, die Chemie stimmte einfach, das Know-how war da und das bricht dann plötzlich ab. Das ist eigentlich fast mit das Schlimmste, was passieren kann.“
Die Relevanz des Systemvertrauens, das vor allem bei der Entscheidung für eine Agentur zum Ausdruck kommt, nimmt somit im Laufe des Prozesses zugunsten des interpersonalen Vertrauens ab. Möglicherweise ist dies darauf zurückzuführen, dass sich nur bei einzelnen Beratern die beschriebenen spezifischen Faktoren mit unspezifischen Faktoren wie der ‚richtigen Chemie‘ verbinden und so einen stärkeren Einfluss entfalten.
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Fazit und Ausblick
Vertrauen ist im Prozess der PR-Beratung für eine erfolgreiche Beziehung zwischen Klienten und ihrer PR-Agentur bzw. ihren PR-Beratern von erheblicher Relevanz. Es konnte gezeigt werden, dass Vertrauen ein wirksamer Mechanismus im Umgang mit den Risiken ist, die Klienten an unterschiedlichen Punkten im PR-Beratungsprozess wahrnehmen. Bereits die Auswahl einer PR-Agentur betrachten die meisten Klienten als schwierigen Prozess, der mit entsprechender Sorgfalt durchgeführt werden muss. Auch in der alltäglichen Zusammenarbeit mit ihren Agenturen nehmen die Klienten Risiken wahr. Sie sind sich bewusst, dass sie z.T. von den Leistungen der jeweiligen PR-Agentur abhängig sind. Sie ziehen die Möglichkeit in Betracht, dass die Arbeit der Agentur fehlerhaft oder die Qualität der Leistungen nicht ausreichend sein könnte und befürchten entsprechend finanzielle Verluste oder die Verschwendung zeitlicher und personaler Ressourcen. Gerade deshalb kann es aus ihrer Sicht riskant sein, Aufgaben an eine Agentur abzugeben oder sich auf deren Rat zu verlassen. Die Klienten tun dies dennoch, was in vielen Fällen als Zeichen des Vertrauens zu verstehen ist. Neben Vertrauen spielen allerdings auch risikominimierende Mechanismen wie Steuerung oder Kontrolle eine entscheidende Rolle. In der Untersuchung fällt auf, dass die Klienten diese Mechanismen je nach Agentur oder Berater in sehr unterschiedlichem Maße anwenden: Während einige ein hohes Maß an eigener Arbeitskraft und Transaktionskosten aufbringen, um die Arbeit der Agentur zu kontrollieren, verzichten andere bewusst darauf. An dieser Stelle macht das Vertrauen in die Agentur bzw. den Berater den entscheidenden Unterschied aus. Vertrauen ist somit – wenn es belohnt wird – nicht nur die effektivere und kostengünstigere Variante im Umgang mit Risiken in der PR-Beratung, sondern führt zudem zu langfristigen Kooperationsbeziehungen. Die Regel ‚Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser‘ wäre im Hinblick auf die Effizienz von PR-Beratungsprojekten demnach wohl im umgekehrten Sinne anzuwenden. Vertrauen kann dazu beitragen, die Qualität der Zusammenarbeit zu verbessern. Im Verlauf des Beratungsprozesses scheint sich das Vertrauen der Klienten immer stärker interpersonal auf einzelne Berater auszurichten, während die anfängliche Bedeutung des Systemvertrauens in die Agentur nachrangig wird. Nicht selten sprechen die Klienten vom ‚PR-Berater ihres Vertrauens‘ und beziehen somit ihre positiven Vertrauenserfahrungen vor allem auf einzelne Berater und weniger auf die Agentur als Ganzes. Es entwickelt sich durch das Vertrauen offenbar eine enge Bindung an einzelne Berater, die oftmals stärker ist als die Bindung an die Agentur. Diese Vermutung wird auch durch das Untersuchungsergebnis bestärkt, dass emotionale Aspekte wie Sympathie oder die schwer definierbare ‚richtige Chemie‘ grundlegende unspezifische Vertrauensfaktoren darstellen, die den Aufbau von Vertrauen fördern. Ergänzt durch die spezifischen Faktoren der bestätigten Vertrauenserwartungen tragen sie maßgeblich dazu bei, dass Klienten ihren PR-Beratern Vertrauen entgegenbringen. Konsequenz dieses Vertrauens ist es, dass der Wunsch der Klienten nach einer langfristigen Zusammenarbeit noch verstärkt wird und sie daher kein großes Interesse an Angeboten anderer Agenturen zeigen.
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Die Resultate der Untersuchung decken sich zum Teil mit denen vorliegender Studien zu ähnlichen Themen, bringen aber auch wichtige neue Erkenntnisse hervor. Zunächst setzt die vorliegende Untersuchung, im Gegensatz zu allen anderen Studien, bei den Risiken an, die Vertrauen überhaupt notwendig machen und liefert dazu konkrete Anhaltspunkte. Sie rückt die Spezifika der PR-Beratung in den Fokus und betrachtet Vertrauen nicht nur in Bezug auf die Agenturauswahl, sondern auch im Hinblick auf die alltägliche Zusammenarbeit und die Leistungsbewertung. Auch im Hinblick auf potenzielle Faktoren für und Dimensionen von Vertrauen zeigt die Untersuchung neue Aspekte auf. Der bisher sehr vernachlässigte kommunikationswissenschaftliche Forschungsbereich der PR-Beratung konnte ein Stück weiter erschlossen und um neue Erkenntnisse bereichert werden. Die vorgestellten Ergebnisse sind bisher jedoch lediglich als Annahmen zu verstehen. Insbesondere konnte mit der angewandten Methode keine Kausalität zwischen den potenziellen Vertrauensfaktoren und der Vergabe von Vertrauen ermittelt werden. Um valide Ergebnisse zu erreichen, ist daher ein weitaus aufwendigeres Forschungsprojekt mit der Entwicklung und quantitativen Überprüfung eines Messmodells für Vertrauen erforderlich. Zudem sind weitere Gesichtspunkte denkbar, unter denen die Zusammenhänge von Vertrauen und PR-Beratung untersucht werden könnten, wie z.B. die umgekehrte Sichtweise – das Vertrauen des PR-Beraters in seine Klienten. Zumindest aber könnte überprüft werden, wie die Agenturseite die Aspekte in der Beratungsbeziehung betrachtet, die hier von den Klienten als bedeutsam hervorgehoben wurden. Mit Blick auf die Beratungspraxis kann es für PR-Agenturen von Interesse sein, die vom Kunden als riskant wahrgenommenen Punkte näher zu betrachten und zu überprüfen, ob sie möglicherweise vermeidbar sind. Die Untersuchung gibt darüber hinaus Hinweise darauf, wie das Vertrauen der Klienten aktiv durch Agenturen und Berater gefördert werden kann. Vor allem eine stärkere Qualitätskontrolle und eine personelle Konstanz, insbesondere im direkten Kundenkontakt, sind hierzu unabdingbar. Der Weggang eines Beraters, der seit langem mit einem Projekt bzw. einem Klientenunternehmen vertraut ist und gute Arbeit geleistet hat, bedeutet für viele Klienten den Verlust ihres Vertrauensobjekts, der häufig zum Agenturwechsel führt. Um dies zu vermeiden, sollten die Agenturen sich intensiv darum bemühen, ihre Mitarbeiter langfristig zu binden und ihnen entsprechende Anreize zu schaffen. Dies scheint bisher häufig vernachlässigt zu werden. Die immense Bedeutung des Vertrauens in der PR-Beratung wird – soviel sie auch von allen Seiten beschworen wird – offenbar in der Praxis noch häufig unterschätzt. Ob PR-Agenturen und -Berater nun tatsächlich die Betitelung als ‚Vertrauensspezialisten‘ verdient haben, konnte und sollte anhand der vorliegenden Untersuchung nicht ermittelt werden. Eines ist allerdings deutlich geworden: Sollten sie der Rolle als ‚Vertrauensspezialisten‘ gerecht werden wollen, so ist es für sie in jedem Fall lohnenswert, dies insbesondere gegenüber ihren eigenen Klienten zu tun.
Vertrauen in die Vertrauensspezialisten
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Wissensmanagement in PR-Agenturen
Olaf Hoffjann / Ulrike Röttger
Unabhängig von der strittigen Frage, ob das Label der „Wissensgesellschaft“ moderne Gegenwartsgesellschaften angemessen und zutreffender beschreibt als andere Klassifizierungen, ist die vermehrte Wissensbasierung von Arbeit und eine steigende Zahl wissensintensiver Organisationen als Tatsache anzuerkennen. Berater ganz allgemein und in der Folge auch PR-Agenturen können als Prototypen des Wissensarbeiters bzw. der wissensintensiven Organisation angesehen werden: Die Bereitstellung von Kompetenzen zur Lösung individueller, schwer standardisierbarer Problemlagen zählt zum Leistungsprofil von PR-Agenturen. Agenturen als wissensintensive Organisationen stehen damit vor der kontinuierlichen Herausforderung, ihren Umgang mit Wissen zu systematisieren und zu steuern. Gleichwohl Wissen eine entscheidende Ressource für PR-Agenturen und PRBerater darstellt, liegen bislang keine wissenschaftlichen Analysen zu Fragen der Identifikation, der Generierung, des Transfers und der Reflexion von Wissen in PRAgenturen vor. Ziel der vorgestellten empirischen Studie ist es daher, auf der Basis von 20 Leitfadeninterviews mit Vertretern führender deutscher PR-Agenturen, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie in PR-Agenturen mit der Ressource Wissen umgegangen wird, wie also Wissen generiert, ausgetauscht, angewendet und gegenüber Kunden dargestellt wird.
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PR-Agenturen als „knowledge intensive firms“
PR-Agenturen weisen hinsichtlich ihres Leistungsangebotes sowie bezüglich ihrer Organisationsstrukturen ein sehr vielgestaltiges Spektrum auf. Kleinstagenturen mit einigen wenigen Mitarbeiten finden sich neben großen, mehrere hundert Mitarbeiter umfassenden Netzwerkagenturen, stark spezialisierte Agenturen stehen neben solchen, die das ganze Spektrum der PR und ggf. auch der Werbung anbieten.
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Olaf Hoffjann / Ulrike Röttger
Insbesondere die Identifikation von Agenturen, die vor allem PR-Leistungen erbringen, ist in der Praxis nicht leicht. Zwar können Agenturen prinzipiell hinsichtlich ihres Spezialisierungsgrades unterschieden werden: Neben „Kommunikationsagenturen“, die das gesamte Spektrum von Kommunikationsdienstleistungen aus den klassischen Bereichen Werbung, Marketing und PR anbieten, finden sich z.B. stärker spezialisierte PR-Dienstleister. Angesichts fehlender klar definierter Tätigkeitsmuster und Bezeichnungen sind jedoch die Übergänge zwischen den verschiedenen Kommunikationsdienstleistern fließend. Bei aller Vielgestaltigkeit ist ihnen der Charakter als erwerbswirtschaftlich orientiertes Dienstleistungsunternehmen gemein, das dauerhaft oder projektbezogen Kommunikationsleistungen im Auftrag von Kunden erbringt (vgl. Nöthe 1994: 66; Merten 2000: 22). Die Dienstleistungen von PR-Agenturen können analytisch unterschieden werden in beratungsorientierte, insbesondere zu strategischen Fragen, sowie in umsetzungsorientierte (vgl. Hoffmann/Steiner/Jarren 2007: 120ff.). In der Praxis sind die Grenzen zwischen strategischer Beratung und Umsetzung allerdings fließend. So weisen beispielsweise Ergebnisse der PR-Berufsrollenforschung (Leichty/Springston 1996) weniger auf die Existenz von klassischen beratenden Manager- und ausführenden Techniker-Rollen (siehe im Überblick: Toth et al. 1998), sondern vielmehr von „Hybridrollen“ hin, die sowohl strategisch-konzeptionelle wie auch operativ-ausführende Tätigkeiten umfassen. Sehr allgemein und unter Betonung der strategischen Beratungsfunktionen von PRAgenturen kann deren Leistungsspektrum definiert werden als fallspezifische, von externen Personen/Organisationen angebotene komplexe Dienstleistung, die zur Reflexivitätssteigerung und zur Lösung organisationaler Entscheidungsprobleme des Dienstleistungsabnehmers beiträgt, welche den Aufbau und die Gestaltung von kommunikativen Umfeldbeziehungen betreffen bzw. von diesen tangiert werden (vgl. u.a. Hafner/Reineke 1992: 30f.; Wohlgemuth 1995: 15). Während bei umsetzungsorientierten Dienstleistungen die Lösungen stärker standardisiert und damit weniger wissensintensiv sind, ist bei strategisch ausgerichteten Beratungsdienstleistungen das eingesetzte Wissen in hohem Maße kontextsensitiv und prozesshaft und veraltet daher relativ schnell. Das relevante Wissen ist einer permanenten Revision unterworfen und bedarf der ständigen Aktualisierung (vgl. Willke 1998: 114ff.). Für PR-Agenturen, die u.a. strategische Beratungsdienstleistungen anbieten, wird Wissen, so die Annahme, zu einer zentralen Ressource. Solche PR-Agenturen können aufgrund der Tatsache, dass ihre Wertschöpfung in herausragendem Maße auf der Expertise zur Erbringung einer spezifischen Dienstleistung basiert (vgl. Soukup 2001: 48), als „knowledge intensive firms“ (Starbuck 1992) bezeichnet werden. Charakteristisch für wissensintensive Unternehmen ist zudem, dass sie insbesondere hoch qualifizierte Experten beschäftigen, die wissensbasierte Arbeit verrichten. Auf organisationaler Ebene sind wissensintensive Strukturen charakteristisch. Willke spricht in diesem Zusammenhang von systemischer Intelligenz im Sinne
Wissensmanagement in PR-Agenturen
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einer kollektiven Eigenschaft der Organisation, die sich aus dem Wissen des Systems selbst ergibt (vgl. Willke 2004: 57). PR-Agenturen gehören damit zu den Organisationen, deren wirtschaftliche Existenz und Wettbewerbsposition geradezu ausschließlich von ihrem intellektuellem Kapital, ihrer Lern- und Innovationsfähigkeit abhängen. Allerdings ist bislang wenig bekannt darüber, wie in Agenturen mit Wissen und Wissensmanagement umgegangen wird.
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Wissen und Wissensmanagement
Wissen gilt heute angesichts dynamischer, hoch komplexer und räumlich weit reichender Unternehmensumwelten als ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil und Erfolgsfaktor von Unternehmen. Zunehmend wird Wissen als vierter Produktionsfaktor betrachtet, der die klassischen Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden (Natur) ergänzt bzw. der diese in zunehmendem Maße zu ersetzen vermag (vgl. Rehäuser/Krcmar 1996: 9ff.). Wissen wird nicht nur auf betrieblicher, sondern auch auf volkswirtschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Ebene ein hoher Stellenwert zugewiesen. Dahinter steht die Beobachtung, dass die Industriegesellschaft sich sukzessive zur Wissensgesellschaft wandelt, die von wissensbasierten Dienstleistungen, Gütern sowie Arbeit geprägt ist (vgl. Willke 1998: 2ff.). „Von einer Wissensgesellschaft oder einer wissensbasierten Gesellschaft lässt sich sprechen, wenn zum einen die Strukturen und Prozesse der materiellen und symbolische Reproduktion einer Gesellschaft so von wissensabhängigen Operationen durchdrungen sind, dass Informationsverarbeitung, symbolische Analyse und Expertensysteme gegenüber anderen Faktoren der Reproduktion vorrangig werden.“ (Willke 1998: 355; für einen Überblick siehe Bleicher/ Berthel 2002).
Gleichwohl Wissen als zentrale Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen angesehen wird, fehlt es bislang an einer systematischen Auseinandersetzung und Klärung des Wissensbegriffs. In der Regel wird implizit vorausgesetzt, dass Wissen in Organisationen vorhanden ist, welches gemanaged werden kann (vgl. Riempp 2004). Entsprechend problematisch ist auch der Begriff des Wissensmanagements aus wissenschaftlicher Perspektive. Die Popularität und Allgegenwärtigkeit des Begriffs ist häufig gepaart mit einer pragmatisch-praktizistischen und damit oberflächlichen Interpretation. Ohne Frage dominieren praktizistisch ausgelegte und in der Regel theorielose Konzepte des Wissensmanagements. Ausnahmen stellen hier insbesondere Ansätze zum systemischen Wissensmanagement dar (u.a. Willke 1998, 2004). 2.1
Wissen
Der Wissensbegriff im Kontext des Wissensmanagements wird je nach wissenschaftlicher Disziplin sehr uneinheitlich verwendet. Konsens existiert allenfalls hinsichtlich der generellen Konzipierung von Wissen als Ressource und hinsichtlich der informationstheoretischen Wurzeln von Wissen (vgl. Schreyögg/Geiger 2003: 8). Ausgangspunkt der allgemein anerkannten Differenzierung von Daten, Informationen und Wissen bilden Zeichen, die mittels eines Codes oder einer Syntaxregel zu Daten verknüpft
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werden. Daten im Sinne von „beobachtbaren Unterschieden“ (Willke 2004: 28) werden durch Zuweisung von Bedeutung, durch Einordnung in spezifische Problem- und Relevanzkontexte zu Informationen. Daten existieren folglich nicht an sich, sondern sind als beobachtungsabhängige Größe zu verstehen. Wissen entsteht schließlich aus der zweckorientierten Kombination von unterschiedlichen Daten und Informationen und ihrer Einordnung in den Kontext des jeweiligen Vorwissens. Prägnant kann Wissen bezeichnet werden als „Informationen mit Wert“ (Neumann 2000), als „Ansammlung von gelernten Erfahrungen, Konzepten, Fähigkeiten und normativen Orientierungen [.], die einem Subjekt zur Verfügung steht, um Handlungen, Verhaltensweisen und Problemlösungen zu generieren“ (Reihlen 2003: 577). Sehr häufig wird Wissen im Kontext des Wissensmanagements als Ressource beschrieben, teils als durch Teilung vermehrbare, teils als knappe (Macht-)Ressource. Mit der Vorstellung von Wissen als Ressource ist in der Regel die problematische Annahme verbunden, Wissen könne wie traditionelle Ressourcen bewirtschaftet werden. Wissen ist aber nicht nur intangibel, sondern verhält sich u.a. bezüglich Generierung, Besitz, Gebrauch und Preisbildung anders als materielle Ressourcen. Es nutzt sich durch Gebrauch nicht ab und kann generell von mehreren Personen an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeitpunkten geteilt werden (vgl. Rehäuser/Krcmar 1996: 10ff.). Gegenüber der Vorstellung von Wissen als Ressource ist daher bezogen auf den Stellenwert von Wissen im Unternehmen seine Beschreibung als Produktionsfaktor angemessener, d.h. als bei der Herstellung von Waren und Dienstleistungen benötigter Input (vgl. Baecker 2003: 95). Auch aus einer systemtheoretischen Perspektive wird Wissen in seiner Bedeutung für Unternehmen als vierter Produktionsfaktor aufgefasst (vgl. Baecker 2003: 96), darüber hinaus unterscheidet sich der systemtheoretische Wissensbegriff jedoch deutlich von dem hier bislang erörterten betriebswirtschaftlichen Verständnis. Der systemtheoretischen Perspektive unterliegt ein Verständnis von Wissen als Beobachtungsdifferenz: „Wissen [kann] nicht nach der Art eines zeitbeständigen Vorrates begriffen werden, sondern nur nach der Art einer komplexen Prüfoperation.“ (Luhmann 1991: 129) Wissen wird demnach kommunikativ als selbstreferentielle Eigenleistung von sozialen Systemen erzeugt. Ausgangspunkt bilden Irritationen, die von strukturellen Kopplungen mit der Umwelt ausgehen und im System auf bestimmte Erwartungen in Form von Strukturen treffen. Stimmen Irritationen und Erwartungen nicht überein, kann es entweder zu einer Korrektur der kognitiven Erwartungen oder aber zu einer Adressierung der Enttäuschung auf ein System in der Umwelt kommen. Die Bewertung der zukünftigen Bedeutung der Problemlösung (Kondensierung) und die wiederholte Anwendung von Wissen, die zur sozialen Bewährung der Problemlösung in verschiedenen Situationen beiträgt (Konfirmierung), führt schließlich zu Stilisierung von Informationen als Wissen (vgl. Luhmann 1991: 108ff.; siehe Abb. 1). Hier wird die Relevanz von Erfahrungen und Praxis deutlich: Organisationen sammeln kein Wissen, sondern eignen es sich an. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang und in Abgrenzung vom bereits dargelegten betriebswirtschaftlichen Verständnis von Wissen, dass Wissen im systemtheoreti-
Wissensmanagement in PR-Agenturen
129
schen Verständnis nicht hierarchisch aus Zeichen und Daten über eine sogenannte Wissenstreppe entsteht, sondern als „Sediment einer Unzahl von Kommunikationen, die kognitive Erwartungen benutzt und markiert hatten und mit ihren Resultaten reaktualisierbar sind“ (Luhmann 1991: 134ff.). Abb. 1: Stilisierung von Wissen nach Luhmann
Quelle: Eberl 2001: 58.
2.2
Wissensmanagement
Ganz allgemein kann Wissensmanagement als Konzept zum effektiven und effizienten Umgang mit dem Produktionsfaktor Wissen in Organisationen angesehen werden. Für die gezielte und strategisch gesteuerte Generierung, Speicherung und Nutzung von Wissen ist dabei zum einen auf epistemologischer Ebene die Unterscheidung von implizitem und explizitem Wissen und zum anderen auf ontologischer Ebene die Differenzierung in individuelles und organisationales Wissen bedeutsam (vgl. Nonaka/ Takeuchi 1997: 71ff.). Wissen in Organisationen existiert nicht nur in den Köpfen der Organisationsmitglieder und Organisationswissen ist mehr als die Summe aller individuellen Wissensbestände. Es handelt sich um Wissen, „which is available to organizational decision makers and which is relevant to organizational activities (Duncan/Weiss 1979: 85 zit.n. Sydow/van Well 1999: 123). Organisationswissen ist „in den Operationsformen eines sozialen Systems“ (Willke 2000: 17) gespeichert – angefangen z.B. von Leitbildern über allgemeine Regeln bis hin zu Routinen und Ritualen –, es wird durch organisatio-
130
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nale Praktiken der Organisationsmitglieder re-produziert und ist in diesen wirksam (vgl. Sydow/van Well 1999: 123). Die Generierung von Organisationswissen basiert im Wesentlichen darauf, individuelles (Experten-)Wissen und kollektives Wissen einzelner Teams und Abteilungen personen- und teamunabhängig so zu speichern, dass es von Organisationsmitgliedern im alltäglichen Handeln unter Bezugnahme auf Regeln und Ressourcen angewendet und somit Struktur re-produziert wird. Organisationales Wissen ist insofern überindividuelles Wissen, das zwar von Personen getrennt ist, aber nicht unabhängig von diesen gebildet wird. Willke versteht Wissensmanagement als „die Gesamtheit organisationaler Strategien zur Schaffung einer „intelligenten“ Organisation“ (Willke 1998). Diese Strategien beziehen sich dabei sowohl auf die Kompetenzen und das Wissen der einzelnen Organisationsmitglieder wie auch auf die Schaffung einer „kollektiven Intelligenz“ (ebd.) sowie die notwendige technologische Infrastruktur. Grundlegend für organisationale Prozesse der Wissensgenerierung und die Frage, wie das von Einzelnen erzeugte Wissen in die organisationale Wissensbasis integriert werden kann, sind die Unterscheidung von implizitem und explizitem Wissen sowie Transferprozesse zwischen beiden Wissensformen (vgl. Nonaka 1994). Die Grundlage dieser Unterscheidung stellt das Konzept des „tacit knowledge“ von Polanyi dar (1966). Implizites Wissen ist im „praktischen Bewusstsein“ (Giddens 1997) der Akteure verankert, eingebettet in Erfahrungen und Gelerntem und daher nicht von den Personen zu trennen. Es ist zudem nur schwer kommunizierbar und diskursiv wenig zugänglich. Bei explizitem Wissen handelt es sich demgegenüber um bereits formuliertes, dokumentiertes und begründbares Wissen. Organisationen können nach Nonaka insbesondere dann erfolgreich Wissen generieren, wenn die komplizierten und voraussetzungsreichen Übergänge zwischen explizitem und implizitem Wissen im Rahmen routinisierter Prozesse erfolgen (siehe Tab. 1). Tab. 1: Modi der Wissensgenerierung in Organisationen zu von
implizitem Wissen
explizitem Wissen
implizitem Wissen
Sozialisation
Externalisierung
explizitem Wissen
Internalisierung
Kombination
Quelle: Wilke 1998 in Anlehnung an Nonaka 1994.
Wissensgenerierung im Rahmen von Sozialisation beruht auf dem Austausch von implizitem Wissen im Rahmen einer gemeinsamen Handlungspraxis und setzt insofern einen geteilten Erfahrungskontext voraus. Demgegenüber bedarf Externalisierung der expliziten Dokumentation des Wissens. Der Fall der Kombination, also der Generierung von explizitem Wissen durch explizites Wissen, hat insbesondere für große, schnell wachsende oder räumlich weit verteilte Organisationen große Relevanz. Schließlich kennzeichnet Internalisierung als vierter Modus der Wissensspirale Pro-
Wissensmanagement in PR-Agenturen
131
zesse der individuellen Aneignung und „Verinnerlichung“ von neuem ursprünglich explizitem Wissen (Willke 2004: 37). Der in der (praxisorientierten) Literatur am häufigsten zitierte WissensmanagementAnsatz stammt von Probst et al. (Probst/Raub/Romhardt 1997; Probst/Romhardt 2002). Die von Probst et al. formulierten Bausteine des Wissensmanagements werden dabei zwar häufig als theoretisches Modell zitiert, gleichwohl die Autoren selbst einen Theorieanspruch des Modells ausdrücklich verneinen (vgl. Romhardt 1997: 1). Ihre in Form eines Regelkreises konzipierten Bausteine des Wissensmanagements stellen die praxisorientierte und pragmatische Weiterentwicklung von Konzepten des organisationalen Lernens dar. Die sechs zentralen Bausteine des Wissensmanagements – Wissensidentifikation, -erwerb, -entwicklung, -verteilung, -nutzung und -bewahrung – lassen sich aus der Bündelung von Problemstellungen ableiten, mit denen Organisationen beim Umgang mit der Ressource Wissen konfrontiert sind (vgl. Probst/Raub/Romhardt 1997). Abb. 2: Bausteine des Wissensmanagements
Quelle: Eberl 2001: 58.
Die Stärke des Wissensmanagement-Modells von Probst et al. liegt in seiner hohen Plausibilität und Praktikabilität. Unverkennbar sind die großen Parallelen dieses Ansatzes zu linearen Kommunikationsmodellen. Daher trifft die Kritik an diesen linearen Modellen auch auf das Wissensmanagement-Modell von Probst et al. zu. So erscheint der Ansatz insbesondere hinsichtlich seiner mangelnden theoretischen Fundierung und der starken Fokussierung auf Wissen als Ressource problematisch (vgl. Wilkesmann/ Rascher 2004: 18). Die Autoren weisen darauf hin, dass Wissen von Individuen konstruiert werden muss, zugleich wird jedoch gerade dieser Aspekt bezogen z.B. auf As-
132
Olaf Hoffjann / Ulrike Röttger
pekte der Wissensteilung nicht hinreichend berücksichtigt. Probleme bei der Wissensteilung werden ausschließlich als mangelnde Bereitschaft zur Wissensaufnahme z.B. im Sinne des „Not-invented-here“-Syndroms angesehen. Grundsätzliche Probleme, die entstehen können, weil Empfänger bzw. Wissensanwender Wissen vor ihrem persönlichen Erfahrungshintergrund in anderer Art und Weise als vom Sender intendiert rekonstruieren, werden nicht berücksichtigt bzw. thematisiert.
3
Untersuchungsanlage
Ausgehend von der festgestellten starken Wissensbasiertheit von PR-Dienstleistungen und der sich daraus ergebenden hervorgehobenen Bedeutung von Wissen für PRAgenturen ist es Ziel der empirischen Studie, das Verständnis und den Stellenwert von Wissen und Wissensmanagement bei PR-Agenturen zu erheben und zu analysieren. Folgende Aspekte sind dabei von Bedeutung: Relevanz von Wissen - Welche Bedeutung hat Wissen für PR-Agenturen? - Welches Verständnis von Wissen und Wissensmanagement besteht? Generierung von neuem Wissen - Wie gewinnen Agenturen neues Wissen? - Welche Wissens- und Informationsquellen sind relevant? Dokumentation & Austausch von Wissen - Welche Routinen oder Regeln gibt es hinsichtlich des Austauschs von Wissen? - Wie wird Wissen intern expliziert und zur Verfügung gestellt? strategische Einbindung des Wissensmanagements - Wie ist die Koordinierung des Umgangs mit Wissen intern verankert? - Welche Strukturen und Prozesse, die den kontinuierlichen Austausch von Wissen gewährleisten, lassen sich in den Agenturen identifizieren? Ziel der Untersuchung ist es, die relevanten Prozesse und Verfahren des Managements von Wissen in PR-Agenturen zu analysieren. Entsprechend beschränkt sich die Analyse nicht auf die Anwendung von ausdrücklichen Wissensmanagement-Konzepten und auf Verfahren, die in den Agenturen explizit unter der Begrifflichkeit Wissensmanagement geführt werden. Auch implizite Ausgestaltungsformen des Managements von Wissen sind Bestandteil der Untersuchung. So zeigt eine Studie von Howaldt, Klatt und Kopp (2004), dass in Beratungsunternehmen und wissensintensiven Netzwerken zahlreiche Strategien und Methoden existieren, die sich auf zentrale Prozesse wie die Identifikation von Wissen, die gemeinsame Wissensnutzung und die Generierung von neuem Wissen beziehen, ohne dass diese jedoch unter dem Label Wissensmanagement kommuniziert werden. Um die skizzierten Forschungsfragen zu beantworten, wurden im März und April 2006 Leitfadeninterviews mit Vertretern von zehn Mitgliedsagenturen der „Gesellschaft Public Relations Agenturen“ (GPRA) geführt. Da das Feld der PR-Agenturen
Wissensmanagement in PR-Agenturen
133
bezogen auf formale wie inhaltliche Kriterien eine sehr große Heterogenität aufweist und bislang kein offizielles Gesamtregister der in Deutschland tätigen Agenturen vorhanden ist, wurde aus der angestrebten Grundgesamtheit aller PR-Agenturen in Deutschland die Auswahlgesamtheit aller GPRA-Mitgliedsagenturen bestimmt (vgl. Kromrey 2006: 271). Diese Entscheidung begründet sich darin, dass in der GPRA die führenden Agenturen der Branche organisiert sind. Aufgrund der hohen Anforderungen, die Agenturen bei einer Aufnahme in die GPRA erfüllen müssen1, ist zudem zu erwarten, dass diese eher Verfahren des Wissensmanagements aktiv einsetzen als andere Agenturen. Denn insbesondere in größeren, professionell geführten Agenturen ist ein systematisches Wissensmanagement erwartbar. Bei der Auswahl der Agenturen wurde darauf geachtet, dass sowohl national wie international agierende Unternehmen sowie Agenturen mit einem oder mehreren Büros bzw. Netzwerkagenturen im Sample berücksichtigt wurden, um somit mögliche Einflussfaktoren auf die Bedingungen, Funktionen und die Ausgestaltung des Wissensmanagements erfassen zu können. Da die Wissensgenerierung, -speicherung und -anwendung in hohem Maße von der jeweiligen Funktion der Befragten in der Agentur abhängig sind, wurde jeweils ein Mitglied des Topmanagements bzw. der Geschäftsführung (Abkürzung im Folgenden: GF) und ein Mitarbeiter aus dem mittleren Management (MM) befragt. Auswahlkriterien für die Mitarbeiter des mittleren Managements waren eine Agenturzugehörigkeit von mindestens zwei Jahren sowie das Innehaben einer Teamleiterposition. Die genannten Kriterien sollen gewährleisten, dass die Befragten über fundierte Einblicke in das Wissensmanagement verfügen. Die folgenden Auswertungen basieren auf 20 mit Geschäftsführern und Mitarbeitern von GPRA-Mitgliedsagenturen geführten Leitfadeninterviews, die eine Länge zwischen 26 und 60 Minuten hatten. Die Themenbereiche des Leitfadens wurden aus den theoretischen Vorüberlegungen und den daraus abgeleiteten Forschungsfragen entwickelt: Bedeutung/Relevanz von Wissen, Wissensgenerierung, Dokumentation und Austausch von Wissen, strategische Einbindung des Wissensmanagements. Berücksichtigt wurden dabei jeweils die im Wissensmanagement relevanten Dimensionen Organisation, Mensch und Technik. Die Leitfadengespräche wurden telefonisch durchgeführt und mit dem Einverständnis der Befragten aufgezeichnet, transkribiert und mit der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet und interpretiert.
4
Ergebnisse
4.1
Relevanz von Wissen
Die Relevanz von Wissen wird von allen Befragten als extrem hoch eingeschätzt – als „conditio sine qua non“ (GF 2). Aufgrund des Problems der sozialen Erwünschtheit und da das Thema Wissensmanagement bis vor einigen Jahren in der Agentur-Szene 1
Die Aufnahmekriterien der GPRA sind unter folgender Adresse dokumentiert: http://www.pr-guide.de/ index.php?id=125.
134
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sehr intensiv diskutiert wurde, überraschen die Antworten nicht. Daher ist es aufschlussreich, welche Einschränkungen zum Wissen in einer Agentur gemacht werden. Hier sind vor allem zwei Aspekte interessant. Vereinzelt wird die Kreativität neben Wissen als zweiter zentraler Faktor für die Qualität von Agenturleistungen genannt. Agenturen, so ein Geschäftsführer, „sind letztlich auch nicht wissensgetrieben, wir sind ideengetrieben“ (GF 8). Hier zeigt sich, dass von PR-Agenturen neben strategischen Beratungsleistungen auch kreative Lösungen und in der Regel auch deren Umsetzung erwartet werden. Mehrfach wird darauf verwiesen, dass insbesondere für eine erfolgreiche Akquise die „Inszenierung von Kompetenz“ (GF 7) wichtiger seien als eine fundierte ErstBeratung. „Da ist Verkaufsgeschick immer noch wichtiger als Hintergrundwissen. Ganz selten gibt es Pitches, wo man im Detail erklären muss, welches Fachwissen Berater haben. Da ist häufig die Performance entscheidend.“ (MM 2) Als Gründe hierfür werden einerseits fehlendes Insiderwissen, andererseits selbstkritisch fehlendes Branchen- und Disziplinwissen genannt. Bestärken dürften viele Agenturen der Erfolg solcher „Taschenspielertricks“ (Goffman 1998: 22). Kunden handeln in solchen Situationen höchst rational und irrational zugleich: Irrational, weil sie sich bewusst für die Agentur mit der besten Selbstdarstellung und damit nicht zwingend für die mit der fundiertesten Analyse entscheiden. Rational, weil Vertrauen eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Klienten-Berater-Beziehung ist – und Vertrauen ist in der Klienten-Berater-Beziehung vor allem auch ein Vertrauen in Personen, das in Erst-Gesprächen auch auf Grundlage vordergründiger Aspekte wie Mimik, Gestik und Sprache geschenkt wird. 4.2
Verständnis von Wissen und Wissensmanagement
Die Befragung macht deutlich, dass es große Unterschiede im Wissensverständnis zwischen den Agentur-Vertretern und einer systemtheoretischen Perspektive, wie sie beispielsweise Willke vertritt, gibt. Wie oben bereits erläutert, versteht Willke unter Wissen in Abgrenzung zu Daten und Informationen „die Veredelung von Information durch Praxis“ (2004: 28). Ohne Praxis gibt es kein Wissen, da Wissen „eine auf Erfahrung gegründete kommunikativ konstituierte und konfirmierte Praxis“ (2004: 33) ist. Während Wissen in diesem Verständnis also Praxis und Erfahrung voraussetzt, verstehen viele Befragte unter Erfahrung die Reflexion nach Anwendung von Wissen. Viele Befragte scheinen „Erfahrung“ folglich als „Wissen“ im Sinne Willkes zu verstehen, während sie „Wissen“ mit „Information“ gleichsetzen. Dieses unterschiedliche Verständnis setzt sich auf den weiteren Ebenen fort: So verweisen viele Befragte im Kontext von Wissen auf die im Intranet oder auf dem Agenturserver abgelegten Dateien. Insgesamt ist also ein „verschobenes“ Begriffsverständnis zwischen der wissenschaftlichen und der Praktiker-Perspektive zu beobachten (s. dazu Tab. 2).
Wissensmanagement in PR-Agenturen
135
Tab. 2: Divergierendes Verständnis der Begriffe Daten, Informationen, Wissen und Erfahrung in Theorie und Praxis Begriff
Systemtheoretisches Verständnis (nach Willke)
Daten
Rohstoff (z.B. Zahlen, Sprache/Texte, Bilder)
Informationen
systemspezifische aufbereitete Daten
Wissen
Einbau von Informationen in Erfahrungskontexte
Begriff
Verständnis der Mehrzahl der Befragten
Daten / Informationen
Informationsangebote (z.B. Fachliteratur, Marktforschungsdaten)
Wissen
systemspezifisch aufbereitete Daten
Erfahrung
Reflexion nach Anwendung von „Wissen“
Quelle: Eigene Darstellung.
Dieses divergierende Begriffsverständnis hat zunächst nur Folgen für das explizite Wissensmanagement (vgl. Howaldt/Klatt/Kopp 2004). Denn wenn die Befragten unter Wissen überwiegend Informationen verstehen, werden sich auch ihre expliziten Wissensmanagement-Aktivitäten hierauf beschränken. Doch auch die Frage nach weiteren Aktivitäten des implizitem Wissensmanagements, also Aktivitäten, die die Befragten selbst nicht dem Wissensmanagement zuordnen würden, bestätigt das beschriebene Begriffsverständnis der Praxis: Die Mehrzahl der Aktivitäten beziehen sich auf Daten und Informationen, eher wenige – deutlich zeitaufwändigere – Aktivitäten fokussieren auf Wissen (s. ausführlich dazu Abschnitt 4.4). Viele Agenturen betreiben demnach kein Wissensmanagement, sondern eher ein Daten- und Informationsmanagement – und selbst dies wird im Folgenden noch einzuschränken sein. Denn ihr Verständnis von Wissensmanagement haben fast alle Befragten mit Hinweisen auf die Umverteilung, Zirkulation bzw. das Teilen von Wissen erläutert, während nur vereinzelt die Generierung neuen Wissens angeführt wurde. Da sich auch dieses explizite Wissensmanagement weitgehend mit dem impliziten Wissensmanagement deckt, ist hier ein weiteres Defizit zu konstatieren: Die Generierung neuen Wissens wird vielfach vernachlässigt. Statt eines Informationsmanagements betreiben viele Agenturen also eher eine Informationssammlung. Dieses Defizit an Wissensmanagement-Aktivitäten überrascht umso mehr, da die Befragten die Unterscheidung von personalem und organisationalem Wissen bestätigen. So betonen fast alle Befragten, dass „Wissen nicht als Wissensinsel bei einzelnen Personen“ (MM 8) liegen dürfe, sondern Mitarbeiter es frühzeitig Kollegen und damit der Agentur zugänglich machen müssten. Hierzu dürften insbesondere die Erfahrungen beigetragen haben, wenn der Weggang von Mitarbeitern zum Verlust projektspezifischen Wissens und damit zum Verlust des Kunden geführt hat. Für Geschäftsführer ist die Fluktuation und deren Folgen daher ein „gemanagtes Phänomen“ (GF 8), das viele Agenturen dazu bewogen haben dürfte, insbesondere in die Externalisierung von Wissen im Sinne Nonakas (1994) zu investieren: Wenn Kunden in sehr kleinen Teams oder gar von einzelnen Beratern betreut werden, und wenn es eine hohe Fluktuation gibt, besteht für die Agentur eine große Notwendigkeit, kundenspezifisches Wissen zu dokumentieren.
136
4.3
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Generierung von neuem Wissen
Agenturen, die neues Wissen generieren, sind lernende Organisationen. Sie passen ihre Strukturen an sich stetig verändernde Umweltbedingungen an. In der Befragung wurde eine Vielzahl von Wegen genannt, wie PR-Agenturen lernen und sich neues Wissen aneignen. Zunächst wurde dabei deutlich, dass sich das Lernen vor allem auf die Aneignung von Wissen bezieht, das es innerhalb der Agentur oder in der Branche bereits gibt (s. Abb. 2). Nur wenige Aktivitäten zielen darauf, Wissen zu gewinnen, das in der Branche noch nicht existiert und damit einen Wettbewerbsvorteil für die Agentur darstellen würde. Abb. 3: Wissensaktivitäten und -quellen von PR-Agenturen
Quelle: In Anlehnung an Willke 2001: 79.
Zudem zeigen die Antworten, dass die vier Modi der Wissensgenerierung in Organisationen von Nonaka (1994; siehe Tab. 1) in Agenturen ganz unterschiedlich ausgeprägt sind. Dies beginnt bei der Externalisierung von Wissen, die in vielen Agenturen unterentwickelt ist. So gibt es nur in wenigen Agenturen Routinen, wie das Wissen von Mitarbeitern, das sie sich beispielsweise durch die Lektüre von Branchenzeitschriften oder durch den Besuch von externen Seminaren angeeignet haben, für andere Mitarbeiter aufbereitet wird. Ein ähnliches Defizit ist bei Gast-Referenten zu beobachten, die viele Agenturen zu internen Vorträgen einladen. Diese Vorträge sind in der Regel punktuell und wenig nachhaltig, da sie selten nachbearbeitet werden. Viele Agenturen nutzen also nur selten die Möglichkeiten, implizites Wissen zu explizitem Wissen zu machen. Aus der unterentwickelten Externalisierung fogen eine gleichermaßen unterentwickelte Internalisierung und Kombination unterschiedlichen expliziten Wissens, da beide Modi die Externalisierung voraussetzen. Die Kombination ist insbesondere bei großen nationalen und internationalen Agenturen mit mehreren Standorten notwendig, da
Wissensmanagement in PR-Agenturen
137
hier die Sozialisation als Lernform unzureichend ist. Allerdings beschränken sich in vielen Agenturen mit mehreren Büros die Wissensmanagement-Maßnahmen auf ein Daten-orientiertes Intranet (s. ausführlich dazu Abschnitt 4.4) sowie vereinzelte internationale Weiterbildungsmaßnahmen. Nur sehr selten werden Standort übergreifende oder gar internationale Arbeitsgruppen gebildet. Die Konsequenz daraus ist, dass häufig Standorte internationaler Agenturen nicht wissen, was andere Standorte wissen, und damit erst gar nicht die Möglichkeit haben, dieses Wissen für sich nutzbar zu machen. Der vorherrschende Lernmodus in Agenturen ist demnach immer noch die Sozialisation. So betonten viele Befragte die Bedeutung des „Trainings on the job“, das angesichts vielfach fehlender Strukturen der Externalisierung auf das Verhältnis zwischen Meister und Schüler reduziert wird, in dem der Trainee den erfahrenen Berater beobachtet und ihn nachahmt. Auch die nicht abgefragte, aber in der Branche zu beobachtende Tendenz, erfahrene und sozialisierte Berater in neue Büros zu schicken, zeigt die Dominanz des Modus Sozialisation gegenüber dem der Kombination. Abschließend sollen noch zwei besondere Quellen zur Generierung von Wissen erläutert werden. Die PR-Forschung wird von den befragten Agentur-Vertretern als relativ unwichtig eingeschätzt. Zum einen wird insbesondere die deutsche PR-Forschung als praxisfern kritisiert. Sie würde sich mit „Scheinproblemen“ beschäftigen, die im „gesellschaftlich-praktischen Zusammenhang“ keine Relevanz besäßen (GF 7). Vereinzelt wird die amerikanische Forschung für ihre Praxisnähe gelobt. Zum anderen wird als Hürde genannt, dass die PR-Forschung immer zu spät komme. Wichtige Themen wie Web 2.0 würden von der Praxis und nicht von der Wissenschaft gesetzt. Ein problematischer Ausgangspunkt des Wissenserwerbs sind die Kunden, die von vielen Agenturen sehr offen als relevante Quelle von Wissen genannt wurden. Durch die enge Zusammenarbeit selbst junger Mitarbeiter mit dem Kunden, so ein Geschäftsführer, wird „sehr viel Wissen direkt am Kunden generiert“ (GF 4). Hier bestätigt sich Willkes These „von der paradoxen Konstitution von Beratungswissen, weil Berater sich von der Praxis belehren lassen, welche sie belehren sollen“ (Willke 1998: 173). Diese Fokussierung auf den Kunden setzt sich fort bei der Frage, zu welchen Anlässen und mit welchen Mitteln Agenturen neues Wissen generieren. 4.4
Auslöser und Ressourceneinsatz zur Gewinnung neuen Wissens
Was eine Agentur als relevantes Wissen bzw. als künftige Herausforderungen einstuft, entscheidet sie zwar immer selbst, aber mit einem mindestens doppelten Umweltbezug – nämlich in Bezug auf neue Entwicklungen in unterschiedlichen Systemen (z.B. Wissenschaft, Journalismus) und in Bezug auf die erwartete Nachfrage von Kunden. Für eine Agentur ist es daher relevant, dass sie solche Entwicklungen frühzeitig selbst erkennt, aufgreift und sich dadurch einen Wissensvorsprung verschafft (z.B. durch neue Beratungsangebote). Die Antworten lassen jedoch vermuten, dass es genau umgekehrt ist: In der Regel sind Kundenanfragen der Anlass, neues Wissen zu generieren. „Neues Wissen kommt immer nur durch einen Pitch oder eine Herausforderung, die uns von
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Olaf Hoffjann / Ulrike Röttger
draußen gestellt wird.“ (MM 5) Agenturen finden sich in solchen Fällen nicht in der von ihnen genannten Rolle des Antreibers, sondern des Getriebenen wieder. Während sich bei der Wissensgenerierung anlässlich von Kunden- bzw. AkquiseAnfragen die Frage nach der wirtschaftlichen Verwertbarkeit in der Regel nicht stellt, ist dies bei selbst identifizierten Wissensgebieten durchaus der Fall. Entsprechend ist auch der Aufwand, der jeweils betrieben wird. Bei der Wissensgenerierung anlässlich von konkreten Anfragen wird in der Regel ein sehr großer Aufwand betrieben. Wissensgenerierung ist hier ein „Abfallprodukt“ der Wertschöpfung: Es werden in allen Agenturen Projektgruppen gebildet, in denen bei AkquiseProjekten in der Regel sehr hochrangige Mitarbeiter Mitglied sind. Es wird häufig auf bestehende Netzwerke zurückgegriffen. Es werden ggf. externe Experten „eingekauft“, wenn das Wissen innerhalb der Agentur nicht vorhanden ist. Dagegen ist Wissensgenerierung ohne konkrete Anfragen in der Regel zufällig, mit einem geringen finanziellen Aufwand verbunden (z.B. externe Gast-Referenten, Vorträge von Mitarbeitern) und nur selten an eine Arbeitsgruppe delegiert, die das Thema über einen längeren Zeitraum bearbeitet. Das belegt eindrucksvoll folgendes Zitat: „Gibt es eigentlich den Fall, dass man sich aus Jux und Dollerei ... Wissen aneignet? Ja, ein Beispiel wäre ein Fall zum Thema Online Audit. Aber warum wir das gemacht haben? ... Da gab es einen Mitarbeiter, der hatte ein gutes Gefühl dafür ... Das ist immer die Mischung, dass man das Gefühl hat, dass ein Thema relevant sein könnte und ein Produkt weiterentwickelt sein könnte. Aber meist muss man das dann auch verkaufbar machen, sonst macht man das nicht. Und in den Fällen hatten wir meist Kunden, die das wollten.“ (GF 1) Zusammenfassend kann man konstatieren: Je größer und konkreter die Neugeschäftserwartungen sind, desto größer sind auch die Investitionen in die Gewinnung neuen Wissens. Aktivitäten zur Wissensgenerierung ohne konkrete Anfragen nutzen meist das persönliche Wissen und das Engagement von Mitarbeitern. Reflexives und reflektierendes Lernen im Sinne Argyris/Schön (2002) sind folglich zumindest bei der Gewinnung neuen Wissens wenig ausgeprägt. Ein Lernen des Lernens, um ein schnelleres und effektiveres Lernen zu erreichen, ist ebenso selten zu finden, wie ein reflektiertes Lernen, in dem Organisationen Strategien entwickeln, die zeigen, was primär zu lernen sei und worauf sich Lernen richten soll. Bei der Wissensgenerierung dominiert demnach die Konditionalprogrammierung: Es gibt Anlässe wie Akquise-Anfragen, die ein routiniertes Verfahren auslösen (z.B. Zusammenstellung des Projektteams). Selten hingegen gibt es eine Zweckprogrammierung, in der die Agentur selbst Wissensdefizite erkennt und entsprechend eine Arbeitsgruppe einrichtet. Für eine einzelne Agentur ist dies so lange risikolos, wie die Konditionalprogrammierung in der Branche die Regel ist. Allerdings wird dies die Stellung von PR-Agenturen als Ganzes gegenüber den Kunden als strategische Berater nicht stärken.
Wissensmanagement in PR-Agenturen
4.5
139
Dokumentation und Austausch von Wissen
Grundsätzlich können bezüglich der Dokumentation von Wissen zwei grundlegende Aspekte unterschieden werden: Zum einen die kontinuierliche Wissensdokumentation im Rahmen der Dienstleistungserbringung für den Kunden sowie zum anderen die vom konkreten Kunden losgelöste zusätzliche Dokumentation von Erkenntnissen einzelner Berater oder Teams beispielsweise nach Projekten in Form von Erfahrungsberichten (Best-Practice-Beispiele), Checklisten oder Handbüchern. Im Vordergrund steht in den Agenturen – parallel zur stark kundengetriebenen Generierung von Wissen – die alltägliche Wissensdokumentation im Rahmen der Bearbeitung von konkreten Kundenprojekten. Sehr deutlich wird hier, dass in allen Agenturen – wenn auch sicherlich mit unterschiedlichen Ausprägungen – kooperative Teamarbeit in hohem Maße unternehmenskulturell verankert ist und eine permanente teaminterne sowie auch -übergreifende (informale) Kommunikation als Selbstverständlichkeit angesehen wird. Dieser offene Austausch wird nur durch sehr wenige Regeln, Vorgaben oder Kontrollmechanismen strukturiert. Ob und in welchem Ausmaß explizite Regeln z.B. zur Datenablage existieren und wie verbindlich diese sind, unterscheidet sich bei den einzelnen Agenturen sehr stark. Insbesondere Agenturen, die ISO-zertifiziert waren bzw. ein Qualitätsmanagementsystem eingeführt haben, zeichnen sich hier durch einen sehr hohen und verbindlichen Reglementierungsgrad aus. Die Hälfte der Agenturen gibt an, dass über das kundenbezogene Informations- und Wissensmanagement hinaus, Projektwissen z.B. in Form von Fallbeschreibungen aufbereitet wird. Deutlich wird jedoch, dass die Funktion derartiger Fallbeschreibungen weniger in der eigentlichen Wissensgenerierung und im Wissensaustausch liegt, sondern dass diese vor allem eine Darstellungs- und Referenzfunktion haben und zur Eigen-PR genutzt werden: Mit diesen könne man einerseits „in Kundengespräche gehen“ (MM 8: 4) und sie könnten „in der Außendarstellung [...], also als Referenzdarstellung verwendet werden“ (GF 8: 3). Neben technischen Lösungen – meist auf der Basis von Server- und seltener von Intranet-Lösungen inklusive spezifischer (Kontakt-)Datenbanken – ist für den Wissensaustausch vor allem ein mehr oder weniger ausdifferenziertes System von „Meetings“ auf unterschiedlichen Ebenen – von Führungskräften, einzelnen Teams, der Gesamtagentur oder einzelnen Mitarbeitergruppen wie z.B. Trainees – bedeutsam. Diese Treffen dienen allerdings in erster Linie dem Controlling, d.h. der aktuellen Steuerung von Projekten. Sie sind von wenigen Ausnahmen abgesehen weniger zur Generierung neuen Wissens und für den Wissensaustausch geeignet. Neben den genannten Meetings spielen im Rahmen des Wissensaustausches interne Seminare, die in einzelnen Agenturen zum Teil sehr ausdifferenziert angeboten und durchgeführt werden, eine wesentliche Rolle. Sehr häufig handelt es sich dabei um punktuelle Know-how Sessions von erfahrenen Beratern. Schließlich existieren in fast allen Agenturen Agenturhandbücher (online/offline) für neue Mitarbeiter.
140
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Gegenüber den genannten Formen des Austausches von projekt- und themenspezifischem Wissen sind in den Agenturen fest etablierte reflexive Strukturen z.B. in Form von Feedback-Runden nach Projekten eher schwach ausgeprägt. Es zeigt sich damit zusammenfassend, dass die Bedeutung des Wissensaustauschs in den Agenturen erkannt wird. Dies schlägt sich in einer ausgeprägte Meetingkultur nieder, die jedoch nur begrenzt für einen Wissensaustausch geeignet ist, sondern stärker Controlling-Funktionen erfüllt. 4.6
Probleme und Barrieren im Umgang mit Wissen
Wissensmanagement, dies haben die bisherigen Ausführungen deutlich gemacht, ist ein komplexes Zusammenspiel personaler und struktureller Faktoren. Bedeutsam sind für die operative Umsetzung eines auf Erhöhung von Problemlösungs- und Innovationsfähigkeit ausgerichteten Wissensmanagements die drei Gestaltungsdimensionen Mensch, Organisation und Technik, die in einem wechselseitigen Einflussverhältnis stehen (vgl. u.a. Pawlowsky 2002). Auch die Schwierigkeiten bei der Umsetzung eines bewussten und gezielten Umgangs mit Wissen in den Agenturen, die mit einer Ausnahme von allen Befragten beschrieben wurden, lassen sich prinzipiell diesen drei Dimensionen zuordnen: Technik
Technische Kommunikations- und Informationsinstrumente bzw. Systeme, die das „Speichern“ sowie den Austausch von Wissen innerhalb der Agentur unterstützen, werden als das Rückrat des Wissensmanagements angesehen. Es wird jedoch deutlich, dass in fast allen Agenturen keine auf die Bedürfnisse und Anforderungen des Wissensmanagements zugeschnittene technische Infrastruktur vorhanden ist. Analog zur häufig anzutreffenden Reduktion von Wissensmanagement auf „Informationsmanagement“ finden sich in den meisten Agenturen technische Lösungen, die allenfalls die koordinierte und systematische Ablage von Informationen und deren wiederholtes Abrufen ermöglichen und im besten Fall auch erleichtern. Konkret handelt es sich dabei meist um Server-Lösungen mit einer kundenbezogenen Ablage. Gepaart mit fehlenden Regeln und einer fehlenden Kontrolle der Ablagepraxis führen derartige Lösungen nach Ansicht einiger Befragter schnell zum Information-Overkill. Organisation
Strukturelle Aspekte, die eine optimale Umsetzung des Wissensmanagements in Agenturen verhindern oder erschweren, werden von den Befragten eher selten thematisiert. Wenn überhaupt, dann wird hier auf den problematischen Wissensaustausch zwischen verschiedenen Standorten hingewiesen. Wissensmanagement ist auch in Netzwerkagenturen häufig sehr standortspezifisch aufgestellt und ausgeprägt. Die Möglichkeiten, die sich aus der Größe und bei den internationalen Networks aus der Internationalität ergeben, werden auf diese Weise nur selten ausgeschöpft.
Wissensmanagement in PR-Agenturen
141
Mensch
So vielfältig die Ausführungen zu Schwierigkeiten des Wissensmanagements hinsichtlich der Gestaltungsdimension Mensch sind, auffällig ist, dass zahlreiche in der Literatur benannte typische Probleme von den Befragten nicht genannt werden (vgl. u.a. Bullinger/Wörner/Prieto 1997): So beschreiben die Befragten nicht das Problem eines fehlenden Bewusstseins der Agenturmitarbeiter für die Notwendigkeit und Relevanz des Wissensmanagements. Auch die Problematik, dass Wissen von Mitarbeitern als Machtfaktor angesehen und im Sinne der eigenen Interessenverfolgung zurückgehalten wird, wird ganz überwiegend nicht thematisiert. Ebenfalls nicht genannt wurde das Problem der Entstehung von Elite-Wissen oder auch der reibungslosen Wissensweitergabe zwischen Führung und Mitarbeitern. Ob die überwiegend flachen Hierarchien in den Agenturen und tendenziell partizipativen Unternehmenskulturen den Einsatz von Wissen als Machtressource tatsächlich weitgehend verhindern oder ob hier der Faktor der sozialen Erwünschtheit die Befragungsergebnisse prägt, kann an dieser Stelle nicht abschließend beurteilt werden. Insgesamt spiegeln die Antworten zu den Problemen und Barrieren im Umgang mit Wissen jedoch den Status der Agenturen als wissensintensive Organisationen, der allen Befragten sehr bewusst ist, gut wider. Deutlich werden dabei zudem ein stark auf individuelle Experten fokussiertes Verständnis des Wissensmanagements und ein eher weniger technisch geprägtes Verständnis. 4.7
Strategische Einbindung des Wissensmanagements
Wissensmanagement ist in Agenturen kein Systemzweck, sondern immer nur Mittel zum Erreichen der Organisationsziele: Um eine bessere Beratungsqualität zu erreichen und damit den kurz- und langfristigen Erfolg der Agentur zu sichern. Wissensmanagement-Aktivitäten sind damit immer zugleich wissens- und marktbezogen. Hellmut Willke (vgl. 2001: 87ff.) macht dies mit zwei Kreisläufen deutlich: Der innere Kreislauf ist wissensbezogen und selbstreferentiell – hier geht es um die Generierung, Aktivierung, Generalisierung, Verteilung, Nutzung und Revision des Wissens. Der äußere Kreislauf ist marktbezogen und fremdreferentiell – hier geht es um die Frage: Wozu braucht die Agentur welches Wissen? Wissensmanagement ist das Management der Differenz dieser beiden Kreisläufe. Würde der innere Kreislauf überbetont, würden Agenturen zu Forschungsinstituten werden. Eine Fixierung auf den äußeren Kreislauf würde dazu führen, dass zu wenige Ressourcen in Wissensmanagement-Aktivitäten investiert würden – und damit Zukunftspotenziale riskiert würden. Von den befragten Geschäftsführern wird eindeutig der äußere Kreislauf als wichtiger beurteilt. So begründen viele den Erfolg zurückliegender WissensmanagementAktivitäten vor allem mit ihrer Kleinteiligkeit und Einfachheit; vor Investitionen in komplexere Lösungen scheuen viele zurück. Zudem machen einige Geschäftsführer den Erfolg des Wissensmanagements am Ausmaß des Cross Sellings fest. Spezialisierte Teams sollen also Dienstleistungen anderer Teams beim Kunden anbieten. Die Funktion des Wissensmanagements ist es hier, dass die Teams die Vorteile der von der
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Olaf Hoffjann / Ulrike Röttger
Agentur angebotenen Beratungsangebote kennen, um diese dem Kunden zu empfehlen und bei Bedarf Kollegen hinzuzuziehen. Schließlich zeigt sich die Dominanz des äußeren Kreislaufs auch in den eingesetzten Personal-Ressourcen: Es ist bereits in Abschnitt 4.5 deutlich geworden, dass von Beratern Wissensmanagement-Aufgaben eher als zusätzliche Belastung empfunden werden. Zudem gibt es nur sehr vereinzelt Mitarbeiter, die von anderen Tätigkeiten befreit sind, um das Management von Wissen zu betreuen. Positiv ist hier zu konstatieren, dass für fast alle Geschäftsführer die Weiterentwicklung und Leitung des Bereichs Wissensmanagements „Chefsache“ ist. Die Geschäftsführer agieren also paradox, wenn sie einerseits Wissensmanagement zur Chefsache erklären und damit als wichtiges Thema deklarieren und andererseits wenige Ressourcen investieren. Auf dieses Paradoxon reagieren sie in einer für sie ganz und gar typischen Weise: Sie nutzen das Thema Wissensmanagement für die Eigen-PR. So werden betreute Abschlussarbeiten für die Eigen-PR ebenso genutzt wie Veranstaltungsformate, die den Eindruck von Wissen generierenden Veranstaltungen erwecken, aber nach eigener Aussage durchgeführt werden, weil „wir zeigen können, dass wir eine Agentur sind, bei der Wissen einen sehr hohen Stellenwert hat“ (GF 5).
5
Gruppen von Wissensmanagern
Die zehn Agenturen, deren Vertreter befragt wurden, können zu unterschiedlichen Gruppen von Wissensmanagern geclustert werden. Die Gruppen unterscheiden sich hinsichtlich der Relevanz, die sie dem Wissen und der Generierung von Wissen zumessen sowie dem vorherrschenden Modus der Wissensgenerierung. Die Gruppen stellen zudem eine evolutionäre Entwicklung dar. Kleine Agenturen sind in der Regel zunächst gute Wissenssozialisierer. Das Problem eines expliziten Wissensmanagements stellt sich dann erst bei größeren Agenturen mit mehreren Büros. „Wissenssozialisierer“
Ein Sonderfall sind kleine Agenturen mit einem Büro, die kein explizites Wissensmanagement, aber wegen ihrer geringen Größe ein sehr erfolgreiches implizites Wissensmanagement betreiben. In diesen Agenturen ist die Sozialisation der dominierende Lernmodus. Berufseinsteiger lernen nicht nur direkt von erfahrenen Beratern, sondern haben wegen der geringen Größe auch schnell einen Überblick über die laufenden Projekte und das personenspezifische Wissen. Wenig ausgebildet ist hingegen die Generierung neuen Wissens: Hier hängt der (Akquise-)Erfolg häufig vom Wissen und den Selbstdarstellungsqualitäten des Eigentümers ab, auf den die Agenturstruktur zugeschnitten ist. Diese kleinen inhabergeführten Agenturen dominieren in Deutschland den Markt der PR-Agenturen. Der Erfolg kann bei ihnen aber auch schnell zu Problemen führen: Denn sobald das Wachstum dazu führt, dass die Sozialisation als Lernmodus nicht mehr ausreicht, sind ganz neue Formen des Wissensaustausches notwendig. Viele Agenturen „degenieren“ zum Datensammler, nur wenige schaffen es direkt zum Qualitätsmanager oder Wissensmanager.
Wissensmanagement in PR-Agenturen
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„Datensammler“
In vielen befragten internationalen Agentur-Networks, aber auch in einer nationalen Agentur mit mehreren Büros beschränken sich die Wissensmanagement-Aktivitäten häufig auf das Sammeln von Daten und Informationen mittels technischer Lösungen. Da in der Regel Mitarbeiter aller weltweiten Büros im Intranet Daten ablegen können, wird das Intranet bei den Datensammlern schnell zu einem „Moloch, der nicht mehr beherrschbar ist“ (GF 3) und das daher nur noch selten zur Recherche genutzt wird. Grund hierfür sind fehlende Regeln, was wie abzulegen ist. Zudem verschärft sich im internationalen Kontext das Problem, dass Wissen und Informationen immer systemrelativ sind. Nationale Besonderheiten von Mediensystemen und Marktanforderungen führen auch zu nationalen Besonderheiten des relevanten PR-Wissens. Hinzu kommt, dass es in den internationalen Networks nur relativ wenige Länder-übergreifende Foren gibt, in denen „reflexiv auf die unterschiedlichen Perspektiven Bezug genommen wird“ (Nassehi 2000: 100). In einer solchen Perspektive könnten eingespielte und damit bislang nicht hinterfragte Unterscheidungen mit anderen Unterscheidungen konfrontiert werden, die man zuvor nicht berücksichtigt hat (vgl. ebd.). Daraus folgt, dass häufig jedes Büro ein eigenes implizites Wissensmanagement qua Sozialisation betreibt, dieses Wissen aber von anderen Büros nicht genutzt werden kann. Internationale Networks sind also hinsichtlich des Wissensmanagements eher eine Ansammlung vieler kleiner Agenturen und weniger ein international aufgestellter Wissensmanager. „Qualitätsmanager“
Diese Gruppe konzentriert sich nicht mehr auf den Austausch von Daten und Informationen, sondern auf den Austausch von Wissen. Der Antrieb hierfür ist das Qualitätsmanagement – also das Bemühen, in allen Teilen der Agenturen ein ähnliches Niveau an Beratungsdienstleistungen zu bieten. Letztlich ist das Wissensmanagement dem Qualitätsmanagement untergeordnet und wird zumeist auch als solches bezeichnet. Das Thema Qualitätsmanagement ist in den 1990er Jahren in der GPRA im Kontext der ISO-Zertifizierung intensiv diskutiert worden, so dass Regeln und Routinen zur Ablage von Wissen selbst bei den Agenturen noch zu finden sind, die heute nicht mehr ISOzertifiziert sind. Zusätzlich zu technischen Plattformen gibt es bei den Qualitätsmanagern einen Fokus auf interne Runden, in denen Projekterfolge reflektiert werden und Mitarbeiter Wissen in Vorträgen explizit machen. Allerdings besteht bei dieser Gruppe ein Fokus auf die Gegenwart, also der Ablage und dem Austausch von Wissen; deutlich unterentwickelt ist die Wissensgenerierung. „Explizite Wissensmanager“
Nur wenige befragte Agenturen betreiben ein erfolgreiches explizites Wissensmanagement. Die expliziten Wissensmanager eint zunächst die Erkenntnis, dass ein erfolgreiches Wissensmanagement neben technischen Lösungen Regeln und Routinen zur Ablage braucht sowie Foren für Reflektion. Neben dem Qualitätsmanagement ist hier ein weiterer Impetus das Cross Selling, das das Wissen um andere Beratungsangebote voraussetzt. Zudem gibt es bei den expliziten Wissensmanagern einen regelmäßigen
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Olaf Hoffjann / Ulrike Röttger
und weitgehend geregelten Austausch mit externen Experten und der Wissenschaft. Die Investitionen in die Wissensgenerierung sind aber auch bei ihnen insgesamt betrachtet noch relativ wenig ausgeprägt.
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Fazit
Der Erfolg von PR-Agenturen als „knowledge intensive firms“ (Starbuck 1992) hängt in hohem Maße davon ab, ob es ihnen gelingt, vorhandenes Wissen auszutauschen und neues Wissen zu generieren, um sich einen Wissensvorsprung gegenüber Kunden und Wettbewerbern zu sichern. Die Befragung hat ein doppeltes Defizit aufgezeigt. Erstens beschränken sich viele Agenturen auf die Sammlung von Informationen. Die besondere Relevanz von Praxis und Erfahrungen, die Wissen von Informationen unterscheidet, wird nur von wenigen erkannt. Zudem wird insbesondere in großen Networks die Systemrelativität von Wissen unterschätzt, so dass eine netzwerkweite Wissensteilung häufig scheitert. Zweitens wird der Generierung neuen Wissens nur wenig Bedeutung zugemessen. Viele Agenturen betreiben also ein doppelt halbiertes Wissensmanagement: Statt eines Wissensmanagements betreiben viele eher eine Daten- und Informationssammlung. Insgesamt muss eine relativ geringe Elaboriertheit des Ausgestaltungsund Systematisierungsgrades von Wissensmanagement in den Agenturen konstatiert werden. In nur zwei der zehn untersuchten Agenturen ist eine bewusste Steuerung und Gestaltung der einzelnen Wissensmanagementelemente und -prozesse zu erkennen. Während alle Befragten die Relevanz von Wissensmanagement und Wissen als sehr wichtig bewerten und es in vielen Agenturen bereits technische Ablagestrukturen gibt, sind als zentrales Problem fehlende personelle Ressourcen zu nennen. Wenn sich Mitarbeiter auf Kundenprojekte konzentrieren, bleibt wenig Zeit zur Aufbereitung des Wissens, geschweige denn, Wissen unabhängig vom Kunden zu generieren und damit den Kunden zu beraten. Wissensmanagement-Tätigkeiten sind in Agenturen selten gratifiziert, so dass sie zumeist zu Gunsten der Projektarbeit wegfallen. Damit hängt eine Überschätzung technischer Lösungen eng zusammen, die in großen Agenturen mit mehreren Standorten eine notwendige Voraussetzung sind, um Wissen explizit zu machen und damit ein Standort-übergreifendes Lernen zu ermöglichen. Intranets und Server sind aber einerseits immer nur so gut wie die Regeln und Routinen, die die Ablage organisieren. Zudem ersetzen sie nicht Team-Runden, die der Auswertung dienen, sowie Team-übergreifenden Foren, in denen vorhandenes Wissen kombiniert werden und so zu wirklich neuer Wissensgenerierung beitragen kann. Zudem ist der Austausch mit externen Experten wie Wissenschaftlern oder Beratern anderer Disziplinen wenig ausgeprägt. Wenn Agenturen wenige Ressourcen in die Gewinnung neuen Wissens investieren, schwächen sie damit ihre Rolle als strategische Berater. Dies insbesondere auch, weil die Kunden von PR-Agenturen verstärkt über eigene PR-Kompetenzen und eigenes PR-Wissen verfügen. Hinzu kommt, dass immer mehr Mitarbeiter auf Kundenseite zuvor in PR-Agenturen tätig waren und daher die von einigen Befragten erläuterten „Ta-
Wissensmanagement in PR-Agenturen
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schenspielertricks“ von Agenturen kennen. Das Beurteilungsvermögen der Agenturkunden bezüglich „guter“ und „schlechter“ Beratung ist heute damit besser denn je. Und schließlich werden insbesondere Kommunikationsabteilungen vieler internationaler Konzerne immer klüger, weil sie mit deutlich größeren Ressourcen ein Wissensmanagement-System aufbauen. Wenn PR-Agenturen hier nicht nachziehen, drohen sie zur verlängerten Werkbank ihrer Kunden zu werden. Der Anteil umsetzungsorientierter Dienstleistungen dürfte weiter zunehmen, während die Nachfrage nach beratungsorientierten Dienstleistungen abnähme. Die Gründe für die Wissensmanagement-Defizite sind vielfältig. Zum einen erscheinen die Lösungen von PR-Problemen vielfach banal und alltäglich. Während für Industrieunternehmen eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung selbstverständlich ist, scheinen insbesondere die Geschäftsführer vieler PR-Agenturen noch der Überzeugung zu sein, Lösungen „aus dem Ärmel schütteln zu können“. Dabei stützen sie sich auf die Einsicht in die Kontingenz von PR-Lösungen: Viele scheinen aus der aufgeklärten Einsicht, dass es nicht die einzig „richtige“ Lösung für ein PR-Problem gibt, die Konsequenz gezogen zu haben, dass man dann auch die Investitionen in die Suche nach sehr guten Lösungen reduzieren könne. Hinzu kommt die Gefahr einer Abwärtsspirale, die ein Geschäftsführer skizziert hat: „Die Defizite sind gewaltig. Das hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass wir einfach zu ‚billig’ geworden sind. Wir generieren am Markt nicht mehr das Geld, um Systeme finanzieren zu können, die eine ... bessere Dienstleistung gewährleisten können. Das ist ein großes Problem, da sehe ich auch eine Schere aufgehen: Die Anforderungen werden immer höher, ... aber die Bereitschaft, dafür einen angemessenen Preis zu zahlen, wird geringer. Und das führt einfach dazu, dass ein größerer Täuschungsspielraum entsteht. Das heißt, die Agenturen werden Querbeet dazu gezwungen, eine Qualität von Leistungen vorzutäuschen, Stichwort: Inszenierung von Kompetenz. Das ist etwas, worunter die Agenturen durchweg leiden – vielleicht auch nicht ‚leiden’, es gibt natürlich einige, die daraus Erfolg ziehen –, aber die Qualitätsmaßstäbe sind am Markt ins Wanken geraten.“ (GF7)
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Wissensmanagement in PR-Agenturen
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Besondere Merkmale des Arbeitsfeldes PR-Beratung
Legitimitätsexperten in eigener Sache? Zur sozialen Konstruktion der PR-Beratung Swaran Sandhu
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Einleitung und Aufbau
Kommunikationsberatung ist ein Wachstumsmarkt. Ob globaler Konzern, regionaler Verband oder lokale Kirchengemeinde – Organisationen aller Art holen sich Unterstützung durch externe Kommunikationsberater. Woher kommt diese breite Akzeptanz von Kommunikationsberatung? Bislang gibt es nur wenige Erklärungsmodelle von PRBeratung, die über praktische Handlungsanweisungen hinausgehen (vgl. z.B. Röttger 2006). Ziel dieses Beitrags ist es, Kommunikationsberatung aus einer stärker theoriebasierten Warte zu beleuchten. Die grundlegende These ist, dass PR-Berater an der sozialen Konstruktion von Organisationen nicht nur mitwirken, sondern dabei die Funktion von Legitimitätsexperten übernehmen. Die Idee für diesen Beitrag1 geht auf eine Passage aus Berger und Luckmanns Klassiker „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“ (1969) zurück. Dort beschreiben die Autoren den Prozess der Legitimierung, in dessen Rahmen neben der Sprache und einfachen Schemata vor allem „Experten“ (1969: 101) eine besondere Funktion zugeschrieben wird: Experten setzen Standards und tragen Ideen in die Welt hinaus. Sie entwickeln Modelle und Theorien, durch die sie in manchem Fall „praktische Probleme erfinden“ (ebd.: 102), die bislang nicht wichtig waren. Ist es nun Ironie oder Zynismus, PR-Berater als Legitimitätsexperten zu verstehen? Als Spezialisten für die öffentliche Meinung, die „gemacht werden muss“ (Habermas 1971: 239) und als Teil einer umfassenden „Legitimitätsmaschinerie“ (Berger/Luckmann 1969: 94), die am Laufen gehalten werden muss? Aus einer ganz anderen theoretischen Perspektive sieht Hoffjann die Legitimationsfunktion als zentrale Funktion der Public Relations an 1
Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag im Rahmen der Tagung „Die Mesoperspektive in der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft“ am 20. September 2008 in Vitznau, Schweiz. Den Teilnehmern der Tagung und den Herausgeberinnen des Bandes danke ich sehr für ihre konstruktiven Hinweise.
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Swaran Sandhu
(2001: 127-141). PR-Beratung scheint unmittelbar mit der Legitimationsfunktion der Organisation verknüpft zu sein. Deshalb ist es theoretisch sinnvoll, PR-Berater als Legitimitätsexperten zu beschreiben. Und dies in doppelter Hinsicht: erstens für die Organisation, die sie beauftragt und zweitens in eigener Sache, um ihre Beratungsleistung zu verkaufen. Zum Aufbau: Dieser Beitrag wählt als theoretischen Zuschnitt ausgewählte Konzepte, die dem Neoinstitutionalismus zugeschrieben werden. Zu Beginn wird kurz eine Begriffsklärung von PR- und Kommunikationsberatung vorgenommen (beide Begriffe werden nachfolgend synonym verwendet). Der erste Teil des Beitrags beschreibt zentrale Konzepte des organisationalen Neoinstitutionalismus und überträgt diese auf das Feld der PR- und Kommunikationsberatung: PR-Beratung wird in diesem Zusammenhang erstens als eine legitimatorische Ressource für Organisationen verstanden. Der Einsatz von Beratung zeigt, dass Organisationen sich Experten leisten und somit die „richtigen“ Lösungsansätze umsetzen. Kommunikationsberatung führt zweitens zu einer Angleichung der Prozesse auf Klienten- und Beraterseite. Auf Klientenseite sind Organisationen häufig mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Die Bandbreite der verwendeten Lösungsansätze ist aber meist eingeschränkt auf akzeptierte Modelle. Deshalb kommt es – abgesehen von den Inhalten der Beratung – zu einer strukturellen und formalen Angleichung der Instrumente. Drittens transportieren Agenturen bestimmte Problemlösungen in Organisationen hinein. Sie sind somit wesentlicher Bestandteil der Diffusionsprozesse von Managementmoden. Der zweite Teil des Beitrags diskutiert die soziale Konstruktion von PR-Beratung. Soziale Konstruktion meint die Entwicklung einer Organisationsform nach bestimmten Kriterien, die kulturell-kognitiv bereits in den Köpfen verankert sind. Diese Perspektive ist in der PR-Forschung eher ungewöhnlich, da meist der Akteur (Berater, Organisation) in den Vordergrund gerückt wird. Der Neoinstitutionalismus blendet bewusst den Akteursstatus aus und rückt stattdessen übergeordnete Einflussfaktoren wie regulative Vorgaben (Gesetze), Normen und Werte sowie kulturelle Praktiken auf Organisationen ins Zentrum der Analyse. Mit diesem stärker gesellschaftswissenschaftlichen Fokus wird ein alternatives Erklärungsmodell verfolgt. Was bedeutet dies aber für die PRBeratung, die ohne Frage einen wesentlichen Akteur für die Konstitution von Beratung darstellt? Ein möglicher Lösungsweg liegt im Modell der Agentschaft für andere Akteure (vgl. das einleitende Interview von Ulrike Röttger mit Nicole Saam in diesem Band). Je nach Situation wechselt die PR-Beratung ihre Agentschaft und verfügt so über ein breites Spektrum an Legitimitätsformen. Der Beitrag endet mit einem Fallbeispiel und einem Ausblick über vertiefende Forschungsfragen. Den Beginn macht aber eine kurze Einführung in die Definitionen von PR- und Kommunikationsberatung.
Legitimitätsexperten in eigener Sache?
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Kommunikationsberatung: Definition und Entwicklung der Branche
Als Kommunikations- oder PR-Beratung wird nachfolgend die Interaktionsbeziehung zwischen einer Organisation (Klient) und einer Kommunikationsberatung (Agentur) verstanden, die zeitlich befristet ist und in der Regel vergütet wird (Mandat) (vgl. Hoffmann/Steiner/Jarren 2007: 43ff.). PR-Beratung kann durch individuelle Experten oder „Gurus“ (Huczynski 2006), organisationsintern oder durch wissenschaftsnahe Forschungsprojekte stattfinden. Der Schwerpunkt der Analyse liegt hier auf organisational verfestigten Formen der organisationsexternen Beratung. Die übliche Organisationsform auf Beraterseite ist das Agenturmodell (Bruhn/Ahlers 2007; Vowe/Opitz 2006). Es lehnt sich an Kanzleistrukturen aus dem Rechtsbereich und Partnermodelle aus der Wirtschaftsprüfung oder Managementberatung an und hat sich als Standardbezeichnung für die spezialisierte Form der Kommunikationsberatung eingebürgert. Bereits im Begriff der „Agentur“ (oder „agency“) ist das Handeln als Agent für Dritte angelegt – ein Aspekt, der später noch näher beleuchtet werden wird. Bewusst werden von Kommunikationsberatern inzwischen andere Selbstbeschreibungen für ihre Dienstleistung wie „Unternehmensberatung für Kommunikation“ oder „Societät für Kommunikation“ gewählt, um eine symbolische Differenzierung von der Branche herbeizuführen, auch wenn der Inhalt der Beratung überwiegend gleich bleibt. Die Existenz und der Bestand von Kommunikationsberatung werden nicht grundsätzlich kritisch hinterfragt. Im Gegenteil, die Branche ist während der letzten 20 Jahre stark gewachsen2 und gilt als etablierter Wirtschaftszweig. In der „beratenden Gesellschaft“ (Schützeichel/Brüsemeister 2004) ist es für die meisten Organisationen oder Personen (z.B. Politiker oder Vorstände) selbstverständlich, sich beraten zu lassen. Für das generelle Wachstum der Beratung liegen aus managementsoziologischer Perspektive einschlägige Analysen vor: In einer Welt, in der Entscheider sich immer stärker absichern und ihr Risiko reduzieren wollen (vgl. Faust 2002: 22f.), gelten Berater als „Supra-Experten“ und „Rationalitätszertifizierer“ (Ernst/Kieser 2002: 57-63). Die Dynamik der Medialisierung exponiert Organisationen immer stärker. Sie werden zum Gegenstand medialen Interesses und öffentlicher Diskussion, ob sie dies wollen oder nicht. Dies führt zum Zwang der Selbstdarstellung, zur Imagepflege, die zur „elementaren Angelegenheit des Überlebens“ erwächst (Münch 1995: 115). Otfried Jarren kreist die Ursachen für den Bedeutungszuwachs der Kommunikationsberatung in der 2
Statistische Kennzahlen über den Kommunikationsberatungsmarkt sind schwierig zu rekonstruieren: Dazu können für Deutschland die statistischen Erhebungen des Bundesamts für Statistik herangezogen werden. Doch PR wurde bislang in den statistischen Erhebungen nicht als eigene Branche oder Wirtschaftszweig (WZ) ausgewiesen. Erst mit der Reform der Wirtschaftszweige 2003/2008 werden über den Code KA-74.14.2 (WZ 2003) bzw. M-70.21.0 (WZ 2008, entspricht dem internationalen Code ISIC 7020), PR-Beratungen bundesweit einheitlich statistisch erfasst. Für die letzten fünf Jahre (20032008) liegen bundesweit nur Erfassungen für den Wirtschaftszweig KA-74.14 vor, der Unternehmensund Public-Relations-Agenturen gemeinsam erfasst. Mit der Einführung der WZ 2008 kann nun PRBeratung gesondert erfasst werden kann. Allerdings wird die Einführung der neuen Klassifikation wahrscheinlich bis 2013 dauern (www.destatis.de). Bis zu diesem Zeitpunkt stehen nur punktuelle Selbstauskünfte der Branche zur Verfügung, wie z.B. Vesper (2008), der für das Jahr 2008 der Branche ein zweistelliges Wachstum bescheinigte.
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Swaran Sandhu
Trias (1) Ausdifferenzierung, (2) Externalisierung und (3) Professionalisierung von strategischer Beratung ein (2007: 52f.). Imagepflege und Kommunikationsaufgaben werden an Experten außerhalb der Organisation vergeben (Externalisierung), die Kommunikationsberater. Die Beratungsleistungen selbst haben sich auf spezifische Branchen oder bestimmte Dienstleistungen spezialisiert (Ausdifferenzierung) und werden durch Aus- und Weiterbildungen der Berater z.B. durch berufsständische Zertifizierung flankiert (Professionalisierung). Mit dieser dichten Analyse ist vor allem die Entwicklung im Feld der Kommunikationsberatung gut erklärt. Die Frage nach der breiten Akzeptanz der Kommunikationsberatung ist noch offen. Ein alternatives Erklärungsmodell für die Kommunikationsberatung liefert der organisationale Neoinstitutionalismus. Natürlich erkauft man sich mit jedem theoretischen Zuschnitt gewisse Vorund Nachteile. Doch damit erreicht man punktuell eine neue Tiefenschärfe der Analyse. Hier liegt der Schwerpunkt vor allem in einer stärker gesellschaftsorientierten Perspektive und geht auf Kosten der Analyse der Interaktionsbeziehungen zwischen Beratung und Organisation.
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Der Neoinstitutionalismus als alternatives Erklärungsmodell für die Kommunikationsberatung
Vor der Übertragung von neoinstitutionellen Konzepten auf die Kommunikationsberatung sind einige Sätze zur theoretischen Einordnung des Neoinstutionalismus notwendig. Der soziologische bzw. organisationale Neoinstitutionalismus ist eine dominante Theorierichtung der nordamerikanischen Organisationsforschung. Er ist kein geschlossenes Paradigma, sondern ein Sammelbegriff für verschiedenen Ausprägungen und Forschungsfelder (vgl. Hasse/Krücken 2005; Meyer 2008; Meyer/Walgenbach 2008; Greenwood et al. 2008). Während der Neoinstitutionalismus in anderen Sozialwissenschaften seit den 1980er Jahren breite Akzeptanz gefunden hat, ließ die Renaissance des Ansatzes in der Kommunikationswissenschaft lange auf sich warten (vgl. Donges 2006: 564). Inzwischen liefert der Neoinstitutionalismus ein theoretisches Gerüst für verschiedene kommunikationswissenschaftliche Fragestellungen (vgl. z.B. Wehmeier 2006; Donges 2008; Pfetsch/Adam 2008; Sandhu 2009). Mit welchen Grundannahmen operiert die neoinstitutionelle Perspektive? Der organisationale Neoinstitutionalismus greift auf drei Bausteine zurück: gesellschaftliche Rationalisierung, Sozialkonstruktivismus und symbolischer Interaktionismus. Die Wurzeln des organisationalen Neoinstitutionalismus liegen bei Max Weber (1922) und sind somit in weiten Teilen als kulturalistische Sozialtheorie zu verstehen. Die Organisationsforschung hat Max Weber häufig auf sein Bürokratiemodell reduziert. Zu Unrecht, war er doch gerade an übergreifenden gesellschaftlichen Rationalisierungsprozessen und deren Wirkung interessiert (okzidentale Rationalisierung; Protestantismusthese). Der zweite Referenzpunkt ist die sozialkonstruktivistische Grundhaltung von Peter Berger und Thomas Luckmann (1969). Ihre wissenssoziologische Perspektive rückt die kulturell-kognitive Bedeutung von symbolischen Sinnwelten und die
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legitimatorische Funktion der Sprache ins Zentrum und hat zur kognitiven Wende in den Sozialwissenschaften geführt. Die Bedeutung von Institutionen als „übergreifende Erwartungszusammenhänge“ (Hasse/Krücken 2005: 15) sowie die Einbettung von sozialem Handeln in gesellschaftliche Strukturen sind wiederkehrende Grundmuster neoinstitutioneller Analysen. Dritter Baustein ist die interaktionsbezogene Mikrosoziologie von Erving Goffman (1971). Inszenierung, zeremonielle Darstellungen und symbolisches Handeln sind wichtiger für die Legitimation als effizient-rationales Handeln. Zusammengefasst lehnen neoinstitutionalistische Ansätze verhaltenswissenschaftliche oder rational-choice Ansätze ab und wenden sich stattdessen kognitiven und kulturellen Erklärungsmustern zu (vgl. DiMaggio/Powell 1991: 8). Überlegungen zur Beratung aus neoinstitutionalistischer Perspektive sind im deutschsprachigen Raum meist auf die Managementberatung beschränkt (vgl. z.B. Kieser 1996; Kieser 1997; Ernst/Kieser 2002; Faust 2002; Meier 2004; Reihlen/Veit 2006; Saam 2007: 173-196; Höhner 2008). Im englischsprachigen und skandinavischen Raum hat sich das Thema Managementmoden (vgl. Abrahamson 1996) als intensives Forschungsfeld entwickelt. Besonders das Beziehungsgeflecht zwischen Beratern, Wissenschaft und so genannten Management-Gurus steht im Mittelpunkt der Analysen (vgl. z.B. Berglund/Werr 2000; Mazza/Alvarez 2000; Sahlin-Andersson/Engwall 2002a; Sahlin-Andersson/Engwall 2002b; Engwall/Kipping 2004; Huczynski 2006; Perkmann/Spicer 2008).
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Kommunikationsberatung aus neoinstitutioneller Perspektive
Die Rolle von Beratern und Kommunikation wird bereits in den Grundlagentexten des organisationalen Neoinstitutionalismus angeschnitten: [..] highly professionalized consultants who bring external blessings on an organization are often difficult to justify in terms of improved productivity, yet may by very important in maintaining internal and external legitimacy” (Meyer/Rowan 1977: 355).
Meyer und Rowans Hinweis dient als Ausgangspunkt für die nachfolgende Betrachtung der Kommunikationsberatung aus neoinstitutioneller Perspektive. Nicht Effizienz, sondern Legitimität steht im Zentrum. Erstens kann Beratung als legitimatorische Ressource verstanden werden. Zweitens führt Beratung zu Homogenisierungsprozessen bei Klienten. Drittens spielen Berater als Promotoren eine wichtige Rolle im Diffusionsprozess von Ideen, Methoden und Modellen in Organisationen. Als Beispiele für die soziale Konstruktion von und durch Beratung werden diese drei Elemente im Folgenden beschrieben und mit Beispielen aus der PR-Branche illustriert. Beratung als legitimatorische Ressource
Meyer und Rowan (1977) argumentieren, dass Organisationen in einen institutionellen Kontext eingebettet sind. Dieser institutionelle Kontext definiert die Erwartungen und Vorstellungen darüber, wie Organisationsformen aufgebaut sein sollten und wie sie sich zu verhalten haben. Je stärker diese Vorstellungen in der Umwelt verankert sind und je weniger sie hinterfragt werden, desto intensiver wirken sie auf die Organisation
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ein. Für die stärkste Ausprägung sprechen Meyer und Rowan von Rationalitätsmythen (vgl. 1977: 343). Organisationen handeln so, wie sie handeln, weil es keine (für sie erkennbare) Alternative gibt. Beispiele dafür sind die Einführung von ISO-Zertifizierungen, Gleichstellungsbeauftragten, Diversity Management oder der Qualitätssicherung in Organisationen. Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, ob die eingesetzten Funktionen und Prozesse tatsächlich ihre Ziele erreichen. Organisationen, die hierauf verzichten, werden als irrational eingeschätzt. Sie können Vertrauens-, Reputationsund Imageverluste erleiden, die im Extremfall entweder zur völligen Reform oder zur Abschaffung der Organisation führen. Für Organisationen erfüllt die Kommunikationsberatung vor allem eine symbolische, eine legitimatorische Funktion (vgl. Meyer/Rowan 1977: 355; Meier 2004: 223f.). Es geht dabei weniger um die Inhalte der Beratung, sondern darum, dass überhaupt beraten wird. Der Einsatz von Beratern demonstriert legitimierte Expertise (vgl. Blake/Mouton 1976: 5). Diese „Zurschaustellung“ von Beratung erfolgt unabhängig von den tatsächlichen Inhalten der Beratung und kann als symbolisches Management (vgl. Pfeffer 1981) verstanden werden. Vor allem bei Unsicherheit oder in Krisen werden Kommunikationsberatungen von Organisationen herangezogen. Der Einsatz von Spezialisten dokumentiert nach innen und außen das rationale Verhalten von Organisationen. Zweitens kann die Übernahme oder Anpassung an bereits erfolgreiche „Managementmoden“ (Kieser 1996) zusätzliche Legitimität verleihen. Auch hier ist der Inhalt der Beratung selbst zweitrangig, solange die Organisation demonstrieren kann, dass sie die neuesten Prozesse und Verfahren einsetzt. Ein Beispiel: Während Mitte der 1990er Jahre Unternehmenswebsites ein Nischendasein führten, kann es sich heute kein Unternehmen mehr erlauben, auf eine angemessene Selbstdarstellung im Internet zu verzichten. Im Gegenteil: Neue Technologien wie Weblogs oder Social Software (vgl. Zerfaß/Sandhu 2008) schaffen neue Unsicherheiten für Organisationen. Es ist häufig wichtiger, dabei zu sein und Innovativität darzustellen und zu inszenieren, als diese tatsächlich in aller Konsequenz ein- und umzusetzen. Drittens können Kommunikationsberater dazu dienen, bereits beschlossene Tatsachen als externe Experten erneut zu bestätigen und diese gegen interne und externe Kritik abzusichern. Auch hier liegt die legitimatorische Funktion im Kern des Beratungsauftrags. Gerade bei umstrittenen Vorhaben, die unter Umständen mit einem starken Widerstand innerhalb der Organisation verbunden sind, stärken externe Berater die Entscheidungsdurchsetzung der Organisationsleitung. Isomorphieprozesse der PR-Beratung
Neben der Legitimationsfunktion sind Isomorphieprozesse ein wichtiges neoinstitutionelles Argument. Unter Isomorphie werden generell strukturelle Angleichungsprozesse zwischen Organisationen verstanden. Auch durch die Beratung ist dies zu beobachten. Obwohl Agenturen aus Wettbewerbsgründen versuchen, sich möglichst stark zu differenzieren, zeigen sich überraschend viele Ähnlichkeiten in Struktur und Ergebnis von Beratung. Strukturelle Angleichung entsteht durch Zwang, Nachahmung oder normati-
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ven Druck und wird durch unterschiedliche Trägermechanismen weitergegeben (vgl. DiMaggio/Powell 1983). Isomorphieprozesse durch Zwang entstehen durch den Einfluss ressourcenreicher Akteure. Dazu gehören vor allem staatliche oder regulative Anforderungen, die an eine Branche gerichtet sind. Für die PR-Beratungsbranche sind die staatlichen Eingriffe relativ gering gehalten. Der Zugang zum Beruf PR-Berater ist frei und nicht reguliert. Die Fundamente des Rechts (z.B. Pressefreiheit) und der Wirtschaft (z.B. freie Berufswahl) greifen weitestgehend, so dass besondere Sanktionen kaum notwendig sind. Zwar erhöht sich bei Skandalen der öffentliche Druck auf die Branche (vgl. Ahrens 2003), aber dies führte nicht zu nachhaltigen regulativen Eingriffen. Die Selbstregulierungskräfte – beispielsweise über das Schiedsgericht des Deutschen Rates für Public Relations – sind eher symbolischer Natur, da die Sanktionsmechanismen beschränkt sind. Innerhalb der Branche zeigen sich Anpassungsprozesse durch Zwang, etwa wenn internationale Agenturnetzwerke ihre inländischen Tochterunternehmen zur Übernahme von bestimmten Praktiken, Programmen oder Organisationsformen zwingen, um die Agenturidentität und -konsistenz aufrecht zu erhalten (vgl. dazu DiMaggio/Powell 1983: 151). Insgesamt können die zwanghaften Angleichungsprozesse für die PRBeratung aber als gering eingeschätzt werden. Weitreichender sind Isomorphieprozesse durch Nachahmung, die vor allem bei hoher Unsicherheit stattfinden. Agenturen beobachten sich gegenseitig und orientieren sich an Organisationen, die eine dominante Stellung im Feld haben. Etablierte Vorbilder führen Praktiken in das Feld ein, die mit etwas Verzögerung von anderen Agenturen übernommen werden, wie z.B. Intranets und Twitter-Accounts für Berater, standardisierte Konzeptionsverfahren, Inhouse-Schulungen oder Assessment-Center für die Bewerberauswahl. Nicht umsonst schaffen Senior-Berater aus etablierten Beratungen häufig den Sprung in die Selbstständigkeit oder Geschäftsleitung von kleineren Beratungen, weil sie das spezifische Know-How von vorbildhaften Agenturen in die neue Agentur einbringen können. Zugleich schaffen Kommunikationsberatungen bestimmte Lösungsansätze für ihre Klienten. Dabei greifen sie auf ihre eigenen Konzepte zurück und versuchen, diese möglichst häufig auch an andere Klienten zu verkaufen. Erfolgreiche Lösungen werden von Dritten beobachtet und imitiert, was zu einer Nachahmung führen kann. Angleichungsprozesse können durch normativen Druck entstehen. PR-Berater haben keineswegs einen völlig offenen Handlungshorizont. Sie unterliegen institutionellen Rahmenbedingungen, die eng an die kollektive Rationalität einer Profession gekoppelt sind. Dazu gehören bestimmte Handlungsmuster, Problemlösungskompetenzen, aber auch Werte und Normen, die in der Ausbildung oder durch berufliche Sozialisation und die Mitarbeit in Berufsverbänden vermittelt werden. Beispielsweise sind die Karrierewege in Agenturen über bestimmte Karrierestufen wie z.B. Volontariat/Trainee, Juniorberater, Berater, Seniorberater, Partner oder ähnliches festgelegt. Die Ausbildungsinstitute und Branchenverbände sind wichtige Einflussgrößen auf die kol-
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lektive Wahrnehmung eines Berufsfeldes3. Je stärker das Berufsfeld standardisiert und reguliert ist, desto stärker ist die Homogenität in dem Berufsfeld. In den letzten fünfzehn Jahren hat die PR-Branche einen deutlichen Professionalisierungsschub erlebt. Seit ca. Mitte der 1990er Jahre wurde das Angebot in der Hochschullehre deutlich ausgebaut und der kommerzielle Markt der Aus- und Weiterbildung ist stark gewachsen. 2008 wurde die Prüfungs- und Zertifizierungsorganisation der deutschen Kommunikationswirtschaft (PZOK) sowie andere Zertifizierungseinheiten eingeführt. Dies sind sichtbare Indikatoren für eine verstärkte Institutionalisierung und Zertifizierung der Ausbildung, die wiederum zu einer Verbreitung von gemeinsam geteilten Wertvorstellungen und erlernten Problemlösungskompetenzen bei den Absolventen führt. Bei Zertifizierungen z.B. zum geprüften PR-Berater werden bestimmte Modelle für die Problemlösung eingeübt, erwartet und geprüft und verankern sich so in der Praxis. Modelle und Konzepte unterliegen vorherrschenden Meinungen, wie sie aussehen sollten. Beispielsweise müssen Einreichungen für die höchste Branchenauszeichnung, den deutschen PR-Preis, auf vier A4-Seiten folgende Rubriken abdecken: Ausgangslage, Kommunikationsziel, taktische Instrumente, Umsetzung/Evaluation, Wertschöpfung und einen Budgetplan (http://www.der-deutsche-pr-preis.de/anforderungen.htm). Während die ersten vier Punkte klassische Konzeptionsmodelle abbilden, ist der Punkt „Wertschöpfung“ neu hinzugekommen. PR-Beratungen sind also gezwungen, entsprechendes Know-How im Bereich Wertschöpfung aufzubauen, wenn sie eine erfolgreiche Teilnahme planen. Beratungsunternehmen verfügen häufig über selbst entwickelte Konzeptionsverfahren. Als bloße Variationen weichen sie jedoch nicht grundsätzlich von etablierten Standardmustern ab (vgl. Szyszka 2008: 38-47), so dass auch sie ihren Beitrag zur Ausbildung eines gemeinsamen Verständnisses von adäquater Problemlösungskompetenz leisten. Die Folge sind eine spezifische Rekrutierungsstruktur und vergleichbare Karriereverläufe innerhalb der Beratungsbranche. Sie ermöglichen den horizontalen Wechsel von Beratern zwischen Agenturen – ein Aspekt, der seinerseits wiederum zur Angleichung der Agenturen aneinander beiträgt. Berufsverbände wie die Deutsche Gesellschaft für Public Relations e.V. (DPRG) oder die Gesellschaft der Public Relations Agenturen e.V. (GPRA) definieren (Ausbildungs-)Standards und stellen gleichzeitig ein Selbstregulativ für die Branche dar. So unterwerfen sich GPRA-Agenturen nicht nur bestimmten ethischen Kodizes, sondern sie müssen die Consultancy Management Standards (CMS II) Zertifizierung durch die ICCO (International Communication Consultancies Organization) alle zwei Jahre erneut bestehen. So sind sie gezwungen, ihre Prozesse permanent zu beobachten und ggf. zu optimieren. Die Selbstregulierung 3
Die Frage, ob PR eine Profession ist oder nicht (vgl. Wienand 2003) ist dabei sekundär. Unbestritten dürften die professionsähnlichen Einflussfaktoren von Verbänden, Zertifizierungen, Ethik-Kodizes auf die Ausbildungsinhalte, berufliche Sozialisation und Weiterbildung von PR-Fachleuten sein. Je stärker sich diese angleichen, desto stärker führt dies zu einer Anpassung in den Köpfen der PR-Fachpersonen. DiMaggio und Powell (1983: 153f.) sehen v.a. zwei Mechanismen hier am Werk, nämlich die formale Ausbildung sowie das Engagement in Berufsverbänden, mit der Konsequenz, dass Fachleute „tend to view problems in a similar fashion, see the same policies, procedures and structures as normatively sanctioned and approach decisions in much the same way“ (ebd.: 153).
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der Branche wird durch den Deutschen Rat für Public Relations (DRPR) überwacht. Der DRPR verfügt überwiegend über symbolischen Handlungsspielraum (Rüge, Mahnung, Ausschluss), ist aber aufgrund der überschaubaren Branchenkonfiguration relevant als Indikator für das wünschenswerte Branchenselbstverständnis. Der normative Druck im Feld scheint sich mit steigender Professionalisierung der PR-Beratung zu erhöhen. Diffusionsprozesse der Kommunikationsberatung
Alle sozialen Praktiken verbreiten sich durch verschiedene Trägermechanismen. Im Gegensatz zu natürlichen Ausbreitungsmodellen wie Pandemien (vgl. Strang/Soule 1998) oder sozialen Diffusionsmodellen wie Innovationen (vgl. Rogers 2003) unterliegen Ideen der sozialen Konstruktion (vgl. Czarniawska/Joerges 1996). Unter Ideen als Sammelbegriff fallen auch Themen, Theorien und Modelle (häufig aus anderen Disziplinen oder Problemlagen), die aufgegriffen, adaptiert und "übersetzt" werden. Dieses "editing" und "packaging" kann ganz unterschiedliche Formen annehmen und wird zunehmend durch Beratung professionalisiert (ebd.: 36). Dies trifft genau den Kern der PR-Beratung. Gerade die kommunikative Rekonfiguration von Problemen – das Framing – und deren kommunikative Darstellung ist die Kernkompetenz der Kommunikationsberatung. Für den Kommunikationsprozess besonders wichtig sind einfach darstell- und umsetzbare Modelle und Standardisierungen. Die Fachpresse, Branchenkonferenzen oder Arbeitskreise zwischen Wissenschaftlern und Praktikern werden so zu Resonanzböden für Ideen, die immer wieder neu verpackt und arrangiert werden (vgl. Sahlin-Andersson/Engwall 2002b: 15). Agenturen werden zu Agenten von Lösungskonzepten, die in Organisationen angewandt werden. Kommunikationsberater sind "merchants of meaning" (Czarniawska/Joerges 1996: 37) und tragen so zur Sinnstiftung und Implementation von Lösungen in Organisationen bei. Auf ihrer Habenseite verbuchen die Berater legitimatorische und symbolische Wirkungen: Die Bekanntmachung von Referenzkunden oder erfolgreichen Projektabschlüssen, Buchpublikationen oder Keynote-Vorträge von Beratern gelten als Garanten für deren Zuverlässigkeit und Kompetenz. Mitunter nehmen Lösungskonzepte den Status einer Mode (oder moderner: eines Hypes) an. Einem Zyklus folgend wird ein Thema erst als unwichtig oder als Nischenthema eingestuft, bevor es sich schnell verbreitet und hohe Akzeptanz findet. Nach einer Hochphase flaut das Interesse wieder stark ab und eine neue Modewelle beginnt. In der Managementforschung liegen zahlreiche Forschungsergebnisse vor, die das zyklische Element dieser Modewellen für Managementmoden bestätigen (vgl. exemplarisch Kieser 1997; Abrahamson/Fairchild 1999). Dies trifft wahrscheinlich auch für die Kommunikationsberatung zu. Agenturen müssen mit anderen Beratern mitziehen, z.B. wenn neue Technologien wie Web 2.0 eingeführt oder Methoden wie das Kommunikationscontrolling in den Portfolios der Beratungsleistung angeboten werden. Wahrscheinlich lässt sich auch empirisch ein PR-Modezyklus nachzeichnen, der mit Regelmäßigkeit neuartige Konzepte aufbringt und diese dann nach einer Hochphase wieder verwirft, egal ob die Konzepte Innovationskommunikation, Weblogs, Business-TV,
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Integrierte Kommunikation oder Communication Scorecard heißen (vgl. Murphy 2005). Ist ein Konzept gerade in der Wachstums- oder Hochphase, profitieren spezialisierte Berater. Sie haben ein Interesse daran, diese Phase möglichst lange aufrechtzuerhalten und ihre Mandate auszubauen. Denn gerade in Phasen der Unsicherheit erschaffen Experten Probleme – und somit einen Markt – die es zuvor nicht gab (vgl. Einleitung). Die Selbstbeschreibung von Legitimitätsexperten
Kommunikationsberatungen haben – im Gegensatz zur Managementberatung – die explizite Aufgabe, über symbolische Kommunikation für die Legitimation ihres Auftraggebers zu sorgen. Dies deutet auf eine spezifische Kompetenz bei den Kommunikationsagenturen hin. Sie lässt sich exemplarisch 4 durch die Selbstbeschreibung und Claims der Agenturen illustrieren: „Kommunikation schafft Werte.“ (Wertkreation) „Wir beherrschen komplexe Kommunikationsprozesse.“ (Kontrolle, Steuerung) „Wir sind effizient und kennen die Bedürfnisse unserer Kunden.“ (Effizienz, Kundennähe) „Kommunikation kann ganz einfach sein. Wenn man weiß wie.“ (Expertenwissen) Diese Claims sind exemplarisch und ziehen sich so oder in leichter Variation durch viele Selbstbeschreibungen von Agenturen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie keine Inhalte präsentieren, sondern zeremonielle Darstellungen der Organisation sind. Im letzten Zitat – es ist alles ganz einfach, "wenn man weiß wie“ – wird deutlich, wie sich Kommunikationsberatungen als Vereinfacher stilisieren, die über Expertenwissen verfügen, das nur zahlenden Kunden zusteht. Damit die Beratung auf Akzeptanz stoßen kann, muss sie mit legitimiertem Vokabular (vgl. Meyer/Rowan 1977: 349) den institutionalisierten Erwartungshaltungen an eine Beratung Rechnung tragen.
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PR-Beratung als Akteur und Agent
Bislang sind verschiedene Facetten der PR-Beratung diskutiert worden, die sowohl die soziale Konstruktion auf Klienten- als auch Agenturseite erklären können. Dabei kann der Eindruck entstanden sein, dass PR-Beratung nur ein „Spielball“ von institutionellen Anforderungen ist. Dies liegt am speziellen theoretischen Zuschnitt des Neoinstitutionalismus. Die frühen Texte zielten darauf ab, den in den Sozialwissenschaften dominanten „rationalen Akteur“ bewusst auszublenden (vgl. Meyer/Walgenbach 2008: 126) und stattdessen kulturelle Muster und kognitive Skripte als primäre Erklärungsvariab4
Grundlage der qualitativen Inhaltsanalyse waren die Selbstbeschreibungen auf den Websites der 30 umsatzstärksten Kommunikationsberatungen Deutschlands im August 2008. Dafür wurden die Claims und Aussagen auf der jeweiligen Startseite sowie die (soweit vorhandenen) spezifischen Rubriken „Profil“, „Wir über uns“, „Philosophie“, „Leitbild“, „Mission“ etc. ausgewertet. Lagen mehrere Rubriken vor, wurde jeweils die in der Navigation ranghöchste und prägnanteste Aussage berücksichtigt, weil diese stärker im Vordergrund stand. Nicht berücksichtigt wurden aktuelle Nachrichten oder wechselnde Meldungen.
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len heranzuziehen (vgl. DiMaggio/Powell 1991). Innerhalb dieses Kontextes hat sich die Diskussion um die Rolle von Akteuren in zwei Stränge entwickelt: Über das Modell des institutionellen Entrepreneurs (vgl. DiMaggio 1988; Hardy/Maguire 2008) führen stärker handlungsorientierte Autoren das Akteurskonzept quasi durch die Hintertüre wieder ein. Das zweite Modell sieht den modernen Akteur vor allem als soziale Konstruktion an. Dieser Ansatz liefert die Möglichkeit einer differenzierteren Analyse von Kommunikationsberatung, ohne die These der sozialen Konstruktion aufzugeben. Als Akteure gelten Individuen, Organisationen oder Staaten. Der autonom entscheidende und rational handelnde Akteur ist eine herrschende Weltsicht, ein "Mythos" (Meyer/Boli/Thomas 1994: 21) oder eine Art überhöhter "Glauben" (Meyer/Jepperson 2005: 48), der in den Sozialwissenschaften dominant ist. Für Meyer und Jepperson ist der moderne Akteur eine "historische und zugleich aktuelle kulturelle Konstruktion" (ebd.), dessen Ausformung vor allem auf der Rationalisierung der Moderne basiert. Natürlich bedeutet diese Konstruktion nicht, dass es keine handelnden Individuen oder Organisationen gibt, im Gegenteil. Die Handlungen der Akteure basieren eben primär auf kulturell-kognitiven Regeln und Skripten, die sie prägen. So gehört es zu einer modernen Organisation, eine ordentliche Buchführung zu haben, Minderheiten zu fördern oder nach strengen wissenschaftlichen Kriterien Entscheidungen zu fällen. Offen bleibt bislang, wie nun Organisationen Handlungen ausüben können, wenn sie überwiegend durch kulturelle Muster definiert sind. Meyer und Jepperson haben vier grundlegende Modelle der Agentschaft5 entwickelt. Akteure können Agenten für sich selbst, für andere Akteure, für Nicht-Akteure und für abstrakte Prinzipien sein (vgl. Meyer/Jepperson 2005: 60-65). Akteure können als Agenten ihrer selbst kulturell geforderte Skripte für die Ausgestaltung ihrer Organisation abarbeiten. Unter Skripten verstehen Neoinstitutionalisten kognitive Strukturen, die eine bestimmte Sequenz von routinisierten Handlungsmuster auslösen (vgl. Klatetzki 2006: 53). Diese Skripte sind tief verwurzelt und werden in der Regel kaum noch hinterfragt. Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, dass es Kommunikationsberatung gibt und dass diese in Agenturen organisiert sind. Beratungen nehmen beispielsweise bestimmte Organisationsformen (z.B. Partnermodelle) ein oder demonstrieren in der Beratung rationales Vorgehen, indem sie überprüfbare und nachvollziehbare Verfahren einsetzen und diese dokumentieren. Diese Anforderungen werden nach und nach immer stärker verfeinert. Eine Abweichung von diesen Skripten ist nicht wahrscheinlich, da andere (legitimierte) Organisationsformen nicht erkannt werden (können) oder kulturell nicht legitimiert sind. Als Agenten ihrer selbst treten PRAgenturen als professionalisierte Legitimitätsexperten auf. Akteure treten als Agenten für andere Akteure ein. Meyer und Jepperson sprechen hier von einer auffallenden "Leichtigkeit" (2005: 60ff.), mit der Akteure für andere Ak5
Unter Agentschaft verstehen die Autoren "die legitimierte Vertretung eines legitimierten Prinzipals, der ein Individuum, eine real bestehende oder potentielle Organisation, ein Nationalstaat oder ein abstraktes Prinzip sein kann" (Meyer/Jepperson: 2005: 49, Fußnote 2). Agentschaft ist somit ein "integraler Bestandteil des modernen Akteurs" (Meier 2004: 234).
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teure handeln: "Sie stehen anderen Akteuren mit Rat und Tat zur Seite, klären sie über ihre wahren Interessen auf und dienen liebend gerne als Vorbild" (Meier 2004: 233). Und weiter: "Organisationen stellen bei jeder Gelegenheit ihre Erfolge zur Schau (statt sie vor ihren Konkurrenten geheimzuhalten, was eine ältere und für rationales Verhalten typischere Strategie ist). Nationalstaaten [und Organisationen!, d. V.] wollen nichts lieber, als mit Unmengen von Hilfsprogrammen, Öffentlichkeitsarbeit und Präsentationen […] dem Rest der Welt als Modell zu dienen" (Meyer/Jepperson 2005: 62f.).
Beratungen können nur dann für andere Akteure eintreten, wenn die Grundmuster der Organisation sehr ähnlich sind. Würden sich Organisationen extrem unterscheiden, wären der Aufwand und das Eindenken in die jeweilige Organisationsform sehr anspruchsvoll. Diese Homogenisierung ist eine Folge des weltweiten Rationalisierungsprozesses. Etablierte Organisationsmuster verbreiten sich weltweit. Kulturelle Unterschiede werden durch Organisationen nivelliert. Um es überspitzt zu sagen: Der Starbucks Latte schmeckt weltweit gleich, egal ob er in Spanien, der Schweiz oder Südafrika konsumiert wird. Der Grund dafür liegt in „planetaren Rationalisierungsmodellen“ (Bosshart 2004: 84; vgl. dazu ausführlich das Argument der McDonaldisierung von Ritzer 1995). Weil sich Organisationen und ihre Probleme ähneln, können Beratungen relativ einfach Organisationen als Klienten annehmen, die ihnen unbekannt sind. Es macht also kaum einen Unterschied, ob eine karitative Organisation, ein Verband, eine Schule oder ein Unternehmen beraten wird. Internationale Agenturnetzwerke oder FullService Agenturen bedienen dieses breite Spektrum an Organisationen und beraten Parteien und Konsumgüterhersteller, Automobilzulieferer und karitative Verbände. Große Agenturen bilden zur Komplexitätsbewältigung intern eine Matrix-Organisation entlang den Dimensionen Funktion (z.B. Public Affairs, Krisenkommunikation) und Branchenkompetenz (Industrie, Konsumgüter, Verwaltung, etc.) aus. Die Grundmuster und -instrumente der Beratung bleiben aber ähnlich. Zwar versuchen Agenturen sich über spezifische Beratungsprodukte zu differenzieren, doch dies sind meist nur Variationen eines Musters (Fleishman-Hillard nennt das Modell „Point of Impact“, BursonMarsteller „Perception is reality“ oder Weber-Shandwick “Scoreboxx”). Eine MetaAnalyse der einzelnen Instrumente wird wahrscheinlich einen Rückschluss auf einige wenige, gemeinsam geteilter Grundannahmen zeigen. Der Grund dafür liegt sowohl in der Rationalisierung als auch in den Skaleneffekten, die durch standardisierte Instrumente erreicht werden können: Die Instrumente können mit nur geringen Veränderungen auf die spezifischen Probleme der Klienten angepasst werden. Akteure übernehmen die Agentschaft für Einheiten ohne Akteurstatus, also im Namen von Nicht-Akteuren, wie z.B. für vom Aussterben bedrohte Tierarten, untergehende Sprachen, den tropischen Regenwald, aber auch für Menschen, die nicht bereits in Vereinen oder Verbänden organisiert sind. Die Akteure üben so eine Art Stellvertreterstatus für Dritte aus, die nicht am Diskurs teilnehmen können. Häufig geben Verbände und Vereine über Lobbyarbeit diesen Nicht-Akteuren eine Stimme. Dadurch werden sie aber selbst zum Akteur. Nicht nur greifen Lobbys, Non-Profit-Unternehmen
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oder Vereine verstärkt auf Kommunikationsberatung zurück, auch Unternehmen machen sich z.B. über Corporate Social Responsibility-Programme zum Anwalt einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Die Kommunikationsberatung entwickelt in diesem Fall ein Konzept für einen Akteur, der wiederum einen Nicht-Akteur vertritt. Ein Beispiel, um dies zu verdeutlichen: Im Falle der Regenwald-Kampagnen ("jede Kiste Bier schützt den Regenwald") übernimmt eine Brauerei die Anwaltschaft für den NichtAkteur Regenwald, der durch den WWF vertreten wird (vgl. Luchtefeld et al. 2006). In dieser Konstellation muss die Kampagnenberatung sowohl die zugeschriebenen Interessen des Regenwalds als auch die Interessen des direkten Kunden – der Brauerei und des WWF – sinnvoll ausbalancieren. Häufig geraten gerade solche Konstellationen ins Kreuzfeuer der Kritik, weil diese Stellvertreterfunktion nicht klar genug herausgearbeitet und kommuniziert wird. Akteure können abstrakte Prinzipien oder kulturelle Autoritäten vertreten. Ein solches Prinzip kann die Suche nach Wahrheit oder Wissen sein, d.h. es kann all jene Aktivitäten umschließen, die mit dem Wissenschafts- oder Rechtssystem verbunden sind. Es ist das Idealbild eines Wissenschaftlers, der die zu erforschende Sache zum Gegenstand seiner Passion macht und weniger am persönlichen Aufstieg interessiert ist. Diesen Vertretern von abstrakten Prinzipien wird eine hohe Autorität zugeschrieben, auch und gerade deshalb, weil häufig die lebenspraktischen Auswirkungen bei abstrakten Prinzipien sehr gering sind. Ein Beispiel sind Aufklärungs- oder Bildungskampagnen: 2009 ist das internationale Jahr der Astronomie. Dieser Entscheid und die nationale Umsetzung wurden von der UNESCO definiert. Dies ist natürlich kein Zufall – die UNESCO verfügt (als guter moderner und rationaler Akteur) über einen „Mid-Term Strategic Plan“, der für die nächsten fünf Jahre die Themen und Aktionsfelder definiert, in denen Aktionen (und damit auch begleitende Kommunikationsmaßnahmen) umgesetzt werden. Diese Kampagnen sind nicht an ökonomische Kenngrößen gekoppelt, sondern beziehen ihre Legitimität aus den übergeordneten abstrakten Prinzipien, die sie vertreten. Da hier in der Regel moralisch aufgeladene und kulturell hoch angesehene Themen im Zentrum stehen, werden Kommunikationsagenturen durch ihre Mitarbeit in diesem Bereich „mitgeadelt“. Kommunikationsberatung kann – über das Konstrukt der Agentschaft – als Akteur für sich selbst, für dritte, für Akteure ohne Akteursstatus und für abstrakte Prinzipien auftreten. Auch Kommunikationsberatungen unterliegen dominanten Rationalitätsvorstellungen ihrer Umwelt. Deshalb müssen Kommunikationsagenturen die Anforderungen ihrer Umwelt möglichst gut erfüllen, um als rationaler Akteur gelten zu können. So werden Beratungskonzepte wissenschaftlich untermauert und Konzeptionen auf gängige Modelle aufgesetzt (die häufig einen Theorieimport aus der Managementberatung darstellen). Beispielsweise ist die Entwicklung der Communication Scorecard ein Derivat der in der Unternehmensführung eingesetzten Balanced Scorecard. Ziele werden operationalisiert, damit diese im Rahmen einer Evaluation überprüfbar werden. Bevorzugt werden Kooperationen mit Wissenschaftlern eingegangen, um eine unabhängige Legitimierung zu erreichen und Rationalität nach außen zu demonstrieren:
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Swaran Sandhu „Wer sich vor einem Gericht, bei einer Anhörung in einem Gesetzgebungsverfahren oder vor dem Urteil der öffentlichen Meinung kompetent verteidigen will, muss stets behaupten, sein Handeln nach bestem wissenschaftlichen und professionellen Wissen gewählt zu haben; wer angibt, er habe nach dem Rat einer Handleserin gehandelt, hat schlechte Karten.“ (Meyer/Jepperson 2005: 54)
Und gerade dieses legitimierende Wissen liefern Beratungen. Wie dieses Wissen Organisationen konstruiert, zeigt das nachfolgende Fallbeispiel 6 um den Spendenskandal von Unicef Deutschland. Es illustriert die wesentlichen Punkte des Beitrags und zeigt das Erklärungspotential der neoinstitutionellen Perspektive. Der Fall und Aufstieg von Unicef
Bis Ende des Jahres 2007 war die deutsche Sektion des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen, Unicef, eine hoch angesehene und öffentlich stark exponierte Organisation mit über 8.000 ehrenamtlichen Mitgliedern. Sie steht unter der Schirmherrschaft der Ehefrau des Bundespräsidenten. Ende 2007 erlitt Unicef Deutschland durch eine unsachgemäße Verwendung von Spendengeldern einen immensen Reputationsschaden. Was war der Auslöser? In einem Pressebericht vom 28.11.2007 wurde dem UnicefGeschäftsführer vorgeworfen, Spendengelder veruntreut und Aufträge ohne Verträge vergeben zu haben (vgl. Schindler 2007). Unter anderem sollen pensionierte Mitarbeiter Honorare von mehreren 100.000 Euro und professionelle Fundraiser überdurchschnittliche Honorare erhalten haben. Mit einer Stellungnahme am 01.12.2007 reagierte die Unicef auf die Anschuldigungen, legte die entstandenen Kosten offen und beauftragte kurze Zeit später (06.12.2007) die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zur Überprüfung der Mittelverwendung. Die Staatsanwaltschaft Köln wurde aktiv und leitete ein Verfahren gegen den damaligen Geschäftsführer ein. Zu diesem Zeitpunkt war die (kommunikative) Krise bereits in vollem Gange und konnte von Seiten Unicefs nicht mehr eingedämmt werden. Welche Auswirkungen hatte die Krise? Im Wochenrhythmus wurden neue Verfehlungen veröffentlicht und die „Entzauberung des Guten“ (Denso 2008) hatte kurz vor Weihnachten – zur Hauptspendenzeit – längst die gesamte Medienlandschaft erfasst. Der Spendenskandal wurde zur existenziellen Bedrohung für Unicef. Binnen zwei Monaten verlor die Hilfsorganisation über sieben Millionen Euro Spendengelder und 37.000 Fördermitglieder (vgl. o.V. 2008). Am 02.02.2008 trat die Vorsitzende (die ehemalige Ministerpräsidentin Heide Simonis) zurück, am 13.02.2008 folgte der damalige Geschäftsführer. Am 20.02.2008 wurde Unicef vom Deutschen Zentralinstitut für Soziale Fragen DZI das Spendensiegel für Transparenz und verantwortliche Mittelverwendung aberkannt. Der Vorstand trat kurze Zeit danach geschlossen zurück. Welche Maßnahmen wurden ergriffen? Ein personeller Neuanfang wurde am 10.04.2008 durch die Wahl eines neuen Vorstands dokumentiert. Mit dem neuen Vor6
Dieses Beispiel dient nur der Illustration und ist keine vollständig ausgearbeitete Fallstudie. Das Datenmaterial wird primär durch die archivierten Pressemeldungen der Organisation und über Medienberichte abgedeckt. Auf eine umfangreiche Quellendokumentation wird verzichtet, um den Lesefluss aufrecht zu erhalten.
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stand wurden angesehene Beratungen als „Team Unicef“7 eingesetzt, um die Organisation pro-bono zu beraten und zu reformieren (http://www.unicef.de/index.php?id =5358). Dazu gehörten u.a. die Strategieberater Roland Berger als Prozessoptimierer, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young für das Compliance-Management, die Personalberatung Egon Zehnder für die Suche nach einem neuen Vorsitzenden und Geschäftsführer und die Kommunikationsberatung Pleon für die Kommunikationsstrategie. Welche Ergebnisse hatten die Aktionen? Mit der konzertierten (Beratungs)-Aktion wurde die Neupositionierung von Unicef eingeleitet. Neue Prozesse und Rechenschaftspflichten wurden eingeführt, die Website überarbeitet und die Kommunikationsstrukturen verbessert. Insgesamt wurde durch Personal- und Prozesswechsel symbolisch mit der Vergangenheit abgeschlossen. Die Veränderungen haben relativ schnell gewirkt: Zwei erfahrene und angesehene Manager aus der Wirtschaft übernahmen Vorsitz und Geschäftsführerposten. Die Managerin des Jahres 2005 und jetzige Geschäftsführerin von Unicef, Regine Stachelhaus, sagt zur Neuausrichtung: „Wir wollen Unicef zu einem Vorzeigeunternehmen machen“ (Brauer 2009). Das sinkende Spendenaufkommen wurde stabilisiert und Einzelspenden liegen bereits wieder über dem Vorjahresniveau (vgl. ebd.). Im November 2008 belegte Unicef bei der Auslobung des Transparenzpreises von PWC unter 55 Teilnehmern bei der ersten Teilnahme den neunten Rang (http://www.unicef.de/index.php?id=6058). Der neue Geschäftsbericht (für das Jahr 2007) war dreimal umfangreicher als der vorhergehende und steht ganz im Zeichen der Transparenz. Sogar die Gehaltsstruktur der hauptamtlich Angestellten wurde offen gelegt. Die Buchprüfung wurde freiwillig nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs durchgeführt, die auch für große Kapitalgesellschaften gelten. Zusätzlich wurde ein Risikobericht veröffentlicht. Welche Erklärungen liefert die neoinstitutionelle Perspektive? Als Agent für abstrakte Prinzipien (Schutz und Förderung von Kindern) verfügt Unicef über eine hohe moralische Autorität. Im Falle einer Krise ist die Fallhöhe deshalb besonders hoch – eine Tatsache, die das Fallbeispiel anschaulich demonstriert. Insbesondere der mediale Druck und die intensive personelle Verflechtung in Wirtschaft und Gesellschaft zwangen die Organisation, sich den institutionellen Anforderungen zu unterwerfen und „Transparenz“ als neues Leitbild zu definieren. Als Organisationsform unterschied sich Unicef kaum von Großkonzernen und konnte so auch ohne Probleme beraten werden. Die legitimierten Bausteine aus der institutionellen Umwelt (vgl. Meyer/Rowan 1977: 345), z.B. Jahres- und Risikoberichte über eine ausführliche Mittelverwendung, wurden ohne große Probleme in die Organisation eingepasst. Zunächst wurde Beratung als legitimatorische Ressource eingesetzt. Allein der massive Einsatz von angesehenen Beratungen demonstriert nach außen Legitimität. Die Beratungen tragen die jeweils besten Methoden und Modelle in die Organisation 7
Ob die Anspielung auf die Marvel Comics Superhelden Serie „Team America“ aus den 1980er Jahren bewusst oder nur zufällig ist, sei dahingestellt. Jedenfalls gehören die Beratungen in ihren jeweiligen Spezialisierungen zu den bekanntesten in Deutschland.
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hinein. Berater wurden so auch im Fall Unicef zu Promotoren von legitimierten Problemlösungen (Prozessoptimierung, Risikobericht, etc.) und haben zur Diffusion von etablierten Organisationsmodellen beigetragen. Dabei war es zweitrangig, ob die Inhalte an sich sinnvoll waren oder nicht – solange das Modell gemeinhin akzeptiert war, erhielt die Organisation Legitimität zurück. Zugleich wurde sie dadurch anderen Organisationen ähnlicher bzw. wird das Thema Transparenz für das gesamte Feld der NonProfit-Organisationen zu einem Thema. So müssen sich nun auch Organisationen mit Fragen der Mittelverwendung auseinandersetzen, die bis dato untadlig waren. Die Berater selbst haben in diesem Prozess unterschiedliche Rollen eingenommen: Als Agenten für Dritte – nämlich Unicef – haben sie Klienten kostenlos beraten. Der Zusammenschluss der „Besten der Besten“ machte ein Scheitern in den Augen der Öffentlichkeit von Beginn an unmöglich. Den Beratungen wird eine solch hohe Expertise zugeschrieben, dass ihre Empfehlungen kaum in Frage gestellt werden können. Sie vertreten das Idealbild der Legitimitätsexperten. Als Agenten für sich selbst haben diese Berater im Fall Unicef aber auch ihre eigenen Interessen vertreten, wenn auch nicht offensiv. Der selbstlose Einsatz in einer hochbrisanten Krise diente dem Reputationsaufbau und wird so zu einem Reputationsausweis der Legitimitätsexperten in eigener Sache. Gleichzeitig sind die Berater bei ihrem Mandat unangreifbar, weil sie Agenten für abstrakte Prinzipien wie Hilfsbereitschaft, Unterstützung der Schwachen und Bedürftigen sind. Ein Nebeneffekt der Kommunikationsarbeit: Das Thema „Transparenz“ wurde erfolgreich auf die öffentliche Agenda gesetzt und positiv besetzt. Verschiedene Verbände (VENRO, DZI, etc.) haben seit April 2008 eine „Transparenzinitiative“ gestartet: Nach innen sollen Prozesse überprüft und optimiert, nach außen „eine bestmögliche Qualität und Transparenz“ dokumentiert werden (http://www.dzi.de/Statement _DZI.pdf); ein Code of Conduct wurde verabschiedet und Good Governance vorangetrieben. Es ist absehbar, dass diese Prozesse die gesamte Non-Profit-Branche erfassen werden und somit – um erneut den Bogen zum Neoinstitutionalismus zu schlagen – zu stärkeren Isomorphieprozessen führen. Auch Organisationen, die nicht in der Kritik standen, müssen sich künftig diesen neuen Transparenzstandards unterwerfen, wenn sie weiterhin als legitim gelten wollen. Natürlich liefert die Fallstudie keinen Blick „hinter die Kulissen“ des Beratungsgeschäfts. Es ist mit dem Blick von außen nicht ersichtlich, welche Rolle das „Team Unicef“ und insbesondere welchen Beitrag die Kommunikationsberatung Pleon bei der Neupositionierung eingenommen hat. Dazu sind andere Methoden (teilnehmende Beobachtung, qualitative Interviews, etc.) und ausgefeilte Evaluationen notwendig. Doch dies ist auch nicht das Ziel der Fallstudie. Stattdessen soll die Selbstverständlichkeit, mit der Kommunikationsberatungen über verschiedene Formen der Agentschaft auf Organisationen einwirken, illustriert werden. Somit soll der Blick für die gesamtgesellschaftlich relevanten Legitimierungsmechanismen geschärft werden. Und dazu gehört ohne Frage auch die Kommunikationsberatung, die von „Freund und Feind“ (z.B. das Deutsche Atomforum e.V. und Greenpeace e.V.) gleichermaßen in Anspruch genommen wird.
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Fazit und Ausblick
Kommunikationsagenturen sind wichtige Akteure im Zusammenspiel zwischen Organisationen und ihrer Umwelt. Dabei haben sie eine duale Funktion. Sie sind eine legitimatorische Ressource für Organisationen und konstruieren zugleich die Organisation nach institutionalisierten Erwartungshaltungen ihrer Umwelt. Der Beitrag hat auf zwei unterschiedlichen Ebenen argumentiert. Die vordergründige Analyseebene war das Verhältnis zwischen Organisation und Kommunikationsberatung. Gleichzeitig wurde aber auch die Kommunikationsberatung selbst zum Gegenstand der Analyse. Dieselben institutionellen Prozesse, die auf Organisationen wirken, wirken auch auf Kommunikationsagenturen. Zu oft wird diese Perspektive in der Forschung ausgeblendet. Agenturen sind – genau wie andere Organisationen auch – in weiten Teilen Produkte ihrer Umwelt. Die duale Rolle von Agenturen als Promotoren von Beratungskonzepten und ihr nicht zu unterschätzender Einfluss in der Konstruktion und Konstitution von modernen Organisationsformen macht sie zu einem spannenden Untersuchungsfeld. Ideen und Konzepte, die außerhalb der gesellschaftlichen Rationalitätsvorgaben liegen, werden ignoriert und abgewertet. Kommunikationslösungen werden zur rationalen "Commodity". Als Blaupausen konstruieren sie in beratenden Organisationen typische Lösungsmodelle. Und dies ist es gerade, was die Kommunikationsbranche von außen gesehen so schwierig zu analysieren macht, nämlich der Balanceakt zwischen „Commodity“ und „Creativity“: Kommunikationsberatung soll kreativ, kompetent und individuell sein – muss sich aber gleichzeitig den institutionellen Anforderungen unterwerfen. Mit der sozialen Konstruktion der Agentschaft für andere wurde ein Theoriemodell eingeführt, das überzeugend darstellen kann, warum Kommunikationsberatung so erfolgreich ist. Sie übernimmt die Agentschaft für Dritte und für abstrakte Prinzipien und wird deshalb kaum angreifbar und gewinnt dadurch „Legitimität, Autorität und Reputation“ (Meier 2004: 236). Und somit ist auch die eingangs gestellte Frage nach der breiten Akzeptanz der Kommunikationsberatung geklärt. Der organisationale Neoinstitutionalismus bietet der kommunikationswissenschaftlichen Forschung ein reichhaltiges Angebot für theoretische und empirische Forschungskonzepte. Gerade die beiden zitierten Grundlagentexte Meyer/Rowan (1977) und DiMaggio/Powell (1983) liefern Erklärungspotential für die PR-Forschung, das im Rahmen der Theoriebildung weiter entwickelt werden kann. Im Anschluss an den Beitrag bieten sich drei mögliche Stoßrichtungen für fortführende Forschungsdesigns in der PR-Beratung an: Die Analyse der Genese und Entwicklung der PR-Beratung im deutschsprachigen Raum seit ca. 1960. Nur ansatzweise liegen Analysen vor, wie sich das Beratungsfeld entwickelt hat. Welche institutionellen Faktoren haben auf die Entstehung des Feldes eingewirkt? Welche Ausbildungs- und Rekrutierungsmuster liegen vor? Durch die Rekonstruktion der Feldentwicklung können institutionelle Mechanismen offen gelegt werden. Dazu könnte eine Längsschnittanalyse der Verbandsgeschichte von DPRG (Gründung 1958), GPRA (Gründung 1973) und DRPR (Gründung 1987) gekoppelt mit einer Analyse der Fachpresse vorgenommen werden.
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Die Vertiefung der Auseinandersetzung mit der sozialen und kommunikativen Konstruktion durch Beratung. Kommunikationsberater übernehmen eine wichtige Übersetzungsrolle zwischen abstrakten, theoretischen Konzepten auf der einen Seite und deren Implementation in Organisationen auf der anderen Seite. Bislang ist nur wenig darüber bekannt, nach welchen kognitiven Mustern und Annahmen die Beratungsprozesse ablaufen. Das Konzept des „Theoretisierens“ (Strang/Meyer 1993: 492ff.) bietet dazu eine gute Plattform und lässt sich m.E. gut auf die PR anwenden. Empirisch kann dies durch teilnehmende Beobachtungen, Dokumentenanalysen von Konzeptionen oder durch die Begleitung von Beratungsprozessen geschehen. Die Analyse von Managementmoden im PR-Bereich. Ab wann tauchen neue Konzepte auf? Gibt es ein Lebenszyklusmodell der Konzepte in der PR-Beratung? Welche Promotoren sind besonders wichtig? Wie ist das Verhältnis zwischen Wissenschaft, Berufspraxis und Fachmedien aufgebaut? Hier bieten sich Netzwerkanalysen von Diffusionsprozessen in organisationalen Feldern an. Wie schnell werden soziale Praktiken von Organisationen übernommen? Welche Organisationstypen übernehmen neue Praktiken zuerst? Welche Rolle spielen dabei Berater, die Theorien und Modelle implementieren? Entsteht ein sozialer Anpassungsdruck durch mächtige Organisationen? Durch diese Analyse lassen sich tiefere Einblicke in die Zusammenhänge und Diffusionsprozesse zwischen Wissenschaft, Beratung und Beratungspraxis. Es ist notwendig für die PR-Forschung, die Anschlussfähigkeit an Konzepte aus der Organisationsforschung herzustellen, die eine Metaperspektive auf das eigene Forschungsfeld erlauben. Insbesondere ermöglicht der Neoinstitutionalismus die Ausweitung der Perspektive auf gesellschaftlich situierte Mechanismen, die auf die Organisations-, Kommunikations- und Beratungspraxis einwirken. Somit leistet der Ansatz eine theoretische Verbindungslinie zwischen der Organisation und ihrer Umwelt (vgl. Röttger 2009: 22) und liefert einen neuen Blickwinkel, der jenseits des Effizienzprimats des ökonomisierten Kommunikationsmanagements liegt. Literatur Abrahamson, Eric (1996): Management fashion. In: The Academy of Management Review, Vol. 21, No. 1, 254-285. Abrahamson, Eric/Gregory Fairchild (1999): Management fashion: lifecycles, triggers, and collective learning processes. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 44, No. 4, 708-740. Ahrens, Rupert (Hg.) (2003): Public Relations in der öffentlichen Diskussion: die Affäre Hunzinger ein PR-Missverständnis. Berlin. Berger, Peter L./Thomas Luckmann (1969): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit (zitiert nach 20. Auflage 2004), Frankfurt a. M. Berglund, Johan/Andreas Werr (2000): The invincible character of management consulting rhetoric: How one blends inconsumerates while keeping them apart. In: Organization, Vol. 7, No. 4, 633-655. Blake, Robert R./Jane S. Mouton (1976): Consultation. Bonn, Reading.
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Wie professionell ist die PR-Beratung? Ein Beitrag zu Stand und Perspektiven der Professionalisierungsdebatte in der PR-Forschung Juliana Raupp
Wie es um die Professionalisierung der PR-Beratung steht, darüber weiß die Forschung zu Public Relations vergleichsweise wenig. Das liegt einerseits an mangelnden empirischen Befunden. Es liegt aber auch an der mangelhaften wie widersprüchlichen theoretischen Fundierung des Konzepts der Professionalisierung. Röttger (2000: 124) hat der PR-Forschung im Hinblick auf eine theoriegeleitete Ausarbeitung von Professionalisierung einen Nachholbedarf attestiert: Die Professionalisierungsdiskussion in der PRForschung bewege sich auf dem Stand der berufssoziologischen Erkenntnisse der 1960er und frühen 1970er Jahre. Inzwischen haben verschiedene Untersuchungen die Debatte vorangetrieben (vgl. für den deutschsprachigen Raum insb. Röttger 2000; Wienand 2003; Fröhlich et al. 2005). Die Erkenntnisse, die aus diesen Forschungsarbeiten abgeleitet werden, lassen sich, kurz gefasst, als ambivalent umschreiben. Zwar sehen die meisten Autoren Fortschritte in Bezug auf die Professionalisierung von PR, sind sich aber über den Grad der erreichten Professionalisierung nicht einig. Es gibt jedoch auch Stimmen, die die Professionalisierbarkeit der PR grundsätzlich in Abrede stellen und von PR als Handwerk oder als Beruf – in Abgrenzung zur Profession – sprechen (Cutlip 1978, zit. in Wright 1981: 49; Wienand 2003, 2005). Neben dem ungeklärten Stand der Professionalisierung der PR ist weiterhin offen, welche Anhaltspunkte es für den „Professionalisierungsvorsprung“ externer Dienstleister gibt, wie es die Schweizer Untersuchung von Röttger, Hoffmann und Jarren (2003) nahelegt. Vor dem Hintergrund dieser widersprüchlichen Befunde und Deutungen soll die übergeordnete Frage nach der Professionalisierung der PR-Beratung im folgenden Beitrag so re-formuliert werden: Welche Indikatoren sind geeignet, um die Professionalisierung der PR-Beratung empirisch zu erfassen? Diese Frage erscheint auch deshalb relevant, da die PR-Beratung ein heterogenes Berufsfeld ist. Der Begriff PR-Beratung
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umfasst im Weiteren sowohl die von PR-Agenturen angebotenen Dienstleistungen als auch Dienstleistungen im Bereich der PR-Kommunikation, die (oft unter anderen Bezeichnungen) im Rahmen der Politikberatung und der Unternehmensberatung erbracht werden. Eine Systematisierung verschiedener Professionalisierungsindikatoren, so die Annahme, ist die Voraussetzung dafür, Aussagen über den jeweiligen Professionalisierungsgrad der verschiedenen Bereiche der PR-Beratung treffen zu können. Ziel des Beitrags ist es, ein Ordnungsschema für die Beschreibung und Analyse von Professionalisierungsprozessen der PR-Beratung zu entwickeln und die Ansätze und Befunde der PR-Professionalisierungsforschung darin zu verorten. Zu diesem Zweck werden verschiedene Stränge und Konzepte der PR-Berufsfeld- und Professionalisierungsforschung, der Beratungsforschung sowie der Berufssoziologie aufeinander bezogen. Im ersten Teil des Beitrags werden theoretische Ansätze zur Professionalisierung dargestellt und überprüft, inwieweit diese auf PR-Beratung bereits angewendet worden sind beziehungsweise anwendbar sind. Im zweiten Schritt wird der Stand der empirischen Forschung zur Professionalisierung der PR und der PR-Beratung skizziert. Auf dieser Grundlage wird schließlich ein theoriegeleitetes Raster entwickelt, das die empirische Forschung zur Professionalisierung der PR-Beratung ordnet und noch offene Forschungsfragen aufzeigt.
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Theoretische Ansätze zur Professionalisierung
Die anglo-amerikanische Berufssoziologie unterscheidet primär zwischen funktionalistischen Ansätzen und machttheoretischen Professionalisierungskonzepten, die als Reaktion auf den Funktionalismus entstanden sind. Der Grundidee des Funktionalismus zufolge übernehmen Professionen gesellschaftlich zentrale Aufgaben, wobei sich professionelle Rollen ausdifferenzieren (Parsons 1968). So übernimmt beispielsweise die Medizin die Sorge um die Gesundheit von Bürgern, die Juristen die Sorge um das Rechtssystem. Aus Sicht des machttheoretischen Ansatzes dagegen sind Professionen in erster Linie Machtträger, die bestimmte Berufsfelder kontrollieren (Freidson 1970). Der Diskussion um Funktionalismus versus machttheoretischem Ansatz liegt der Gegensatz von einem professionellen Dienstideal auf der einen Seite und wirtschaftlichem Handeln auf der anderen Seite zugrunde. Doch dabei handelt es sich nur auf den ersten Blick um einen Gegensatz, denn zahlreiche Professionen vereinen Gemeinwohlorientierung mit wirtschaftlichen Interessen (vgl. Mieg 2003: 31). In der deutschsprachigen PR-Berufsforschung wurde die Unterscheidung zwischen funktionalistischen und machttheoretischen Ansätzen unter den Bezeichnungen Merkmalsansatz und Strategieansatz übernommen (vgl. Signitzer 1994; Röttger 2000; Wienand 2003). Vereinfacht gesprochen bedient sich der Merkmalsansatz einer Auflistung von Charakteristika (u.a. wissenschaftlich fundiertes Berufswissen, standardisierte Ausbildungsgänge, das Vorhandensein berufsständischer Organisationen, berufsspezifische ethische Normen, berufliche Autonomie und Allgemeinwohlorientierung), deren jeweiliges Vorhandensein den Übergang von einem Beruf zu einer Profession markiert.
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Überträgt man den Merkmalsansatz in dieser einfachen Lesart auf PR, gelangt man zwingend zu der Schlussfolgerung, PR sei keine Profession und werde diesen Status auch niemals erreichen. Denn entscheidende Kriterien wie etwa die professionelle Autonomie und die Orientierung am Allgemeinwohl sind bezogen auf PR im Grunde unerfüllbar. PR vertritt per definitionem Partikularinteressen und orientiert sich dabei am übergeordneten Organisationsinteresse. Angesichts dieser Erkenntnisse und vor dem Hintergrund, dass der Merkmalsansatz auch in der Berufssoziologie als weitgehend überholt gilt, hat sich die PR-Forschung verstärkt dem strategieorientierten Professionalisierungsansatz zugewandt. Dieser geht davon aus, dass Berufsgruppen unter Wettbewerbsbedingungen danach streben, durch Exklusionsstrategien Deutungshoheit über bestimmte Tätigkeiten zu erlangen. Hierzu versuchen sie, sich als unverzichtbare Dienstleister zu positionieren. Aus dieser Perspektive wird die Diskrepanz sichtbar, die zwischen den Professionalisierungsstrategien, wie sie die berufspolitischen Akteure verfolgen, und der aktuellen Praxis im Berufsfeld besteht (vgl. hierzu Röttger 2000: 125; Wienand 2003). Der Merkmals- und der Strategieansatz sind in den letzten Jahren um weitere Ansätze ergänzt beziehungsweise spezifiziert worden. So richtet der Entwicklungsansatz den Blick darauf, wie Berufe und Professionen in einer historischen Perspektive vor dem Hintergrund unterschiedlicher gesellschaftlicher Entwicklungen entstanden sind und sich verändert haben. In der Regel wird hier aus einer historisch-gesellschaftsvergleichenden Perspektive untersucht, wie bestimmte Formen von Wissen, Dienstleistungen und Marktentwicklungen miteinander in Beziehung stehen (vgl. Burrage/ Thorstendahl 1990). Andere Ansätze, die Mieg (2003) unter der Bezeichnung interaktionistische Ansätze bündelt, rücken den Klientenbezug des Professionellen in den Mittelpunkt. Hier ergibt sich Professionalität aus den Gestaltungsnotwendigkeiten des professionellen Handelns. In diesem Kontext ist auch der inszenierungstheoretische Ansatz zu nennen, nach dem das Spezifikum professioneller Leistung darin besteht, dass sich professionelle Kompetenz externer Bewertung weitgehend entzieht und stattdessen die Kompetenz, sich als kompetent darzustellen, an Relevanz gewinnt (vgl. Pfadenhauer 2003). Eine Systematisierung von Professionalisierungsansätzen unter Einbeziehung verschiedener Variablen nimmt van Ruler (2005) vor. Die Beziehung zum Klienten sowie die Rolle des Wissens, der Ausbildung und der Berufsverbände sieht sie als die vier entscheidenden Variablen an, nach denen sich vier verschiedene Modelle der Professionalisierung von PR identifizieren lassen: Das Wissens-, das Wettbewerbs-, das Status- und das Persönlichkeitsmodell. Das Wissensmodell korrespondiert weitgehend mit dem Merkmalsansatz, legt den Schwerpunkt aber auf die Rolle von Wissen. Dem Statusmodell entsprechend wird Professionalisierung als ökonomisches und weniger als gesellschaftliches Konzept gesehen: Die Berufsverbände und Praktiker entwickeln bestimmte Rituale und einen bestimmten professionellen Habitus, um ihre eigene Berufsgruppe von anderen abzugrenzen. Das Wettbewerbsmodell lenkt den Blick weg von den Praktikern und den Berufsverbänden als Leistungsanbietern hin zu den Klienten als
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Leistungsabnehmern. Auch hier spielt Wissen eine zentrale Rolle, allerdings entscheidet die Nachfrage darüber, welches Wissen als relevant erachtet wird. Legt man den oben beschriebenen Strategieansatz zugrunde, so erscheinen das Statusmodell und das Wettbewerbsmodell lediglich als zwei Seiten einer Medaille. Neu in van Rulers Systematisierung ist das so genannte Persönlichkeitsmodell. Auch hier liegt der Schwerpunkt auf dem Klienten oder Kunden, doch Wissen wird anders definiert. Es geht weniger um rationales Wissen und Expertise im klassischen Sinne, sondern vielmehr um persönliche Eigenschaften und die Fähigkeit, in bestimmten Situationen Wissen anzuwenden. Ein guter Praktiker zeichnet sich nicht dadurch aus, was er weiß, sondern inwiefern es ihm gelingt, seinen Klienten zu stimulieren, anzuregen und kreative Lösungsvorschläge zu entwickeln. Dieses letzte Professionalisierungsmodell verweist auf Annahmen und Befunde aus der Beratungsforschung. Auch hier werden aus professionalisierungstheoretischer Sicht verschiedene Beraterrollen typologisiert. Je nach Autor werden z.B. die Rollen des Experten, des Arztes, des Förderers, des Problemlösers oder des Partners unterschieden (vgl. zusammenfassend Niedereichholz 2004: 7f.; Kitay/Wright 2003; Caroli 2007). Die nahezu immer genannte Beraterrolle des Experten korrespondiert dabei mit dem Wissensmodell der Professionalisierungsforschung. Allerdings erfordern Forschung, Beratung und Umsetzung jeweils spezifische Handlungsmuster und Verhaltensstrategien (vgl. Tolksdorf 2001: 199). So setzt die Beraterrolle des Experten voraus, dass neben Wissensbeständen auch Inszenierungsfähigkeiten zur Beraterrolle gehören (vgl. Saam 2007: 84ff.; aus Sicht der Praxis Güttler/Klewes 2002). Aus der Perspektive der kritischen Beratungsforschung ist der Professionalitätsgrad von Beratern abhängig von Situationen, Kunden und Marktmechanismen. Alvesson und Johansson (2002) zufolge sind Berater aufgrund der Ambiguität, die dem Beratungsprozess inhärent ist, auf „Rationalitätssurrogate“ angewiesen (Alvesson/Johansson 2002: 232). Die Arbeit der Berater, so schlussfolgern die Autoren, changiere demzufolge notwendigerweise immer zwischen Professionalität und Unprofessionalität, und dies werde in jeder Beratungssituation neu ausgehandelt. Die Beratungsforschung weist schließlich auf einen weiteren Aspekt hin, der im Zusammenhang mit der Professionalisierung von Beratungsdienstleistungen erwähnt werden muss: die Leistung, die erbracht wird. Die Professionalisierungsforschung befasst sich traditionell mit freien Berufen, zu denen auch die beratenden Berufe gehören. Eine zentrale Annahme dabei ist, wie oben erläutert, dass sich Professionalität daran bemesse, inwieweit es den Angehörigen der freien Berufe gelingt, eigene Bewertungsmaßstäbe für ihre Leistungen zu definieren. In der modernen Arbeitswelt lässt sich diese Forderung für die meisten Berufe nicht länger einlösen. Professionelles Handeln geschieht heute nahezu immer in einem Organisationskontext. Evett (2003) führte aus, dass sich Professionalität immer stärker an dem Erreichen bestimmter Zielvorgaben bemisst, die aus den Organisations(sach)zwängen herrühren, die die Berufstätigen aber für sich selbst übernehmen. So bemesse sich Professionalität in neuen or-
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ganisationalen Kontexten beispielsweise daran, inwieweit auch Karriereentwicklung, Selbstmanagement und Selbstmotivation vorhanden sind (vgl. Evett 2003: 408). Bei PR-Beratung handelt es sich ebenso wie bei Organisations- und Unternehmensberatung um eine komplexe Dienstleistung, die sich einer einfachen Qualitäts- und Wirkungsmessung entzieht. Für den Erfolg von Beratungsleistungen sind immer auch die Auftraggeber/Klienten mit verantwortlich. Bezogen auf die PR-Beratung gilt darüber hinaus, dass die Effekte strategischer Kommunikation – angesichts der vielfältigen Befunde der Medienwirkungsforschung – nur sehr schwer kausal nachweisbar sind. Daraus resultiert für die PR-Beratung eine starke Unsicherheit. Professionalisierung kann vor diesem Hintergrund als Strategie aufgefasst werden, um in einem stark mit Unsicherheit behafteten Tätigkeitsfeld Elemente der Qualitätssicherung einzuführen (vgl. Kühl 2001: 209). Die damit notwendigerweise verbundene Selbstregulierung durch Peers lässt sich in der PR-Beratung jedoch nur in Ansätzen realisieren. Denn bedingt durch den organisationalen Kontext, in dem die Beratungsleistung erbracht wird, kommen immer externe, situativ auszuhandelnde Bewertungsmaßstäbe hinzu.
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Empirische Befunde zur PR-Professionalisierung
Wright (1978) hat darauf hingewiesen, dass in der PR-Professionalisierungsforschung zwei unterschiedliche Problemstellungen untersucht werden, nämlich die Professionalisierung des Berufsstands und die Professionalität beruflichen Handelns. Vor diesem Hintergrund lassen sich zwei Forschungsstränge unterscheiden: einerseits Untersuchungen, die die Voraussetzungen für Professionalisierung in den Mittelpunkt stellen, indem sie nach der Verwissenschaftlichung von PR und den Qualifikations- und Anforderungsprofilen fragen (2.1), und andererseits Arbeiten zum Professionalisierungsgrad von PR-Funktionsträgern und zur professionellen Umsetzung des PR-Prozesses (2.2). 2.1
Qualifikations- und Anforderungsprofil PR
Ausgehend von der in der Berufssoziologie entwickelten Annahme, dass spezifisches, wissenschaftlich fundiertes Berufswissen eine zentrale Voraussetzung für Professionalisierung ist, stellt sich die Frage, wie ein idealtypisches Kompetenzraster für PR aussehen könnte und von welcher Relevanz dieses für die PR-Praxis ist. Seit etwa zehn Jahren werden Kompetenzraster für die Öffentlichkeitsarbeit entwickelt (vgl. zusammenfassend Röttger 2000: 102f.). Die PR-spezifischen Qualifikationsanforderungen, die hierin aufgeführt werden (u.a. Grundlagen der Öffentlichkeitsarbeit und der Kommunikation), scheinen auf dem Arbeitsmarkt jedoch nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Das legen zumindest empirische Untersuchungen nahe, die der Frage nachgehen, welche Anforderungen Arbeitgeber an Öffentlichkeitsarbeiter stellen. Methodisch lassen sich hierbei zwei verschiedene Arten von Untersuchungen unterscheiden: Inhaltsanalysen von Stellenanzeigen und Befragungen von Arbeitgebern und Stelleninhabern.
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Inhaltsanalysen von PR-Stellenanzeigen liegen bereits über einen längeren Zeitraum vor (vgl. zusammenfassend Wienand 2003: 325ff.). Vor allem die frühen Untersuchungen ergaben, dass bei Stellenanbietern insbesondere journalistische Qualifikationen gefragt waren. Neuere Untersuchungen zeigen eine Verschiebung; neben Qualifikationen für Pressearbeit werden verstärkt Kompetenzen in den Bereichen Mediengestaltung, Veranstaltungsorganisation, interne Kommunikation und Online-PR nachgefragt (Huber 2006). Dennoch lässt sich bis heute aus der Analyse von Stellenanzeigen kein Trend hin zu einem klar profilierten Beruf ablesen. Nach wie vor scheinen zudem von Stellenanbietern in hohem Maße operative Fertigkeiten und berufsunspezifische Fähigkeiten nachgefragt zu werden. Einen ähnlichen Befund erbrachten auch Befragungen von Stelleninhabern zum erwünschten Anforderungsprofil von PR-Praktiken (vgl. zusammenfassend Wienand 2003: 330ff.). Die Befragungen zeigten ebenfalls, dass die Anforderungen an Tätigkeiten in der PR sehr heterogen sind und vielfach PR-unspezifische Qualifikationen gewünscht werden. Was für die PR allgemein gilt, gilt auch für das – noch weniger empirisch erforschte – Feld der externen PR-Beratung. Nöthe (1994), die sowohl Stellenanzeigen von PR-Agenturen ausgewertet als auch Agenturleiter befragt hatte, ermittelte Berufserfahrung, Strategie und Analyse als besonders wichtige Qualifikationsanforderungen. Eine aktuelle Befragung politischer Kommunikationsdienstleister in der Schweiz ergab hinsichtlich des Anforderungsprofils einen ambivalenten Befund. So hielten die Befragten wissenschaftliches Wissen für vergleichsweise wenig wichtig für ihre Tätigkeiten; gleichwohl wird ein Studium (insbesondere der Politik- und der Kommunikationswissenschaften) sowie eine PR-Ausbildung für den Nachwuchs empfohlen (Hoffmann/Steiner/Jarren 2007: 180ff.). 2.2
Professionalisierung der PR-Akteure und -Prozesse
Ausgehend von der normativen Definition, dass es sich bei PR um eine Managementfunktion handele (beispielhaft für viele Grunig/Hunt 1984), wird Professionalisierung vielfach mit einem Verständnis von PR als Managementaufgabe verknüpft. Empirisch wurde demzufolge unter anderem untersucht, inwieweit PR-Prozesse tatsächlich gemanaged, d.h. systematisch geplant, gesteuert und überprüft werden. Als theoretische Grundlage für diese Untersuchungen wird häufig die PR-Rollenforschung (z.B. Dozier 1992) sowie die Exzellenz-Studie (Grunig et al. 1992) herangezogen. Empirische Untersuchungen zum Professionalisierungsgrad der PR, die sich im weiteren Sinne auf die PR-Rollenforschung und die Exzellenz-Studie stützen, sind methodisch meist als Soll-Ist-Vergleiche angelegt. Ein Verständnis von PR als Managementfunktion, die Anwendung auch zweiseitiger Kommunikationsmodelle oder die Kenntnis und Befolgung ethischer Richtlinien dienen als Gradmesser, um im Rahmen von Befragungen zu überprüfen, inwieweit diese normativen Vorgaben umgesetzt werden (vgl. Cameron/Sallot/Weaver-Lariscy 1996; zusammenfassend Grunig/Grunig 2008). Im deutschsprachigen Raum ist insbesondere die Untersuchung von Röttger (2000) zu nennen, die auf der Folie eines strukturationstheoretischen Organisationsansatzes die
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Professionalisierungsfähigkeit von PR mittels einer repräsentativen Erhebung untersuchte und der PR als Auftragskommunikation strukturelle Professionalisierungsdefizite bescheinigte. Allerdings sind hier wie bei der Exzellenz-Studie PR-Praktiker befragt worden, die inhouse tätig sind. Vergleichbar groß angelegte Studien, die sich explizit mit der Professionalisierung der Kommunikationsberatung in verschiedenen Handlungsfeldern (Wirtschaft, Politik, Non-Profit-Bereich) befassen, stehen für Deutschland derzeit noch aus. Zu nennen ist die Berufsfeldstudie in der Schweiz (Röttger/Hoffmann/Jarren 2003), derzufolge die externen Dienstleister – die Autoren unterscheiden hier zwischen Werbe- bzw. Marketingdienstleistern, Kommunikationsdienstleistern und PR-Dienstleistern – im Vergleich zu den internen PR-Funktionsträgern einen höheren Grad der Professionalisierung aufweisen. Dies ließ sich unter anderem an der Ausbildung und an der Berufserfahrung festmachen: Weit mehr Mitarbeiter in PRAgenturen hatten eine PR-spezifische Aus- und Weiterbildung absolviert als interne PR-Funktionsträger, und die Geschäftsführer von PR-Agenturen waren mehrheitlich bereits früher in der Öffentlichkeitsarbeit tätig gewesen. Darüber hinaus stellte sich heraus, dass der Organisationsgrad bei externen PR-Funktionsträgern wesentlich höher ist als bei internen PR-Experten. Eine Alternative zur Befragung von Funktionsträgern stellen inhaltsanalytische Verfahren dar. Um dokumentiertes PR-Handeln an professionellen Standards zu messen, wurden etwa Einreichungen für PR-Preise inhaltsanalytisch ausgewertet. Untersucht wird hier, inwieweit die vorgeschlagenen PR-Projekte Situationsanalysen und Evaluationen beinhalten (Pieczka 2000; Baerns 2000; Xavier et al. 2005). Der Befund ist wie bei den Befragungen gemischt; der Professionalisierungsgrad scheint vom Typ der Organisation abzuhängen, in der die PR-Dienstleistung erbracht wird. Doch diese Annahme wurde im Rahmen der Inhaltsanalysen nicht systematisch überprüft. Die bisher vorliegenden empirischen Befunde zum Berufsfeld PR zeigen trotz langjähriger Professionalisierungsbemühungen der Branche ein diffuses Bild, sowohl was die Anforderungen an Stelleninhaber im Bereich der PR und der PR-Beratung als auch was die Professionalisierung der PR-Akteure anbelangt. Man kann zwar von einer Akademisierung des Berufs sprechen, von einer Verwissenschaftlichung in dem Sinne, dass eine wissenschaftliche Leitdisziplin unverzichtbare Wissensbestände bereitstellt, kann jedoch keine Rede sein. Das Tätigkeitsfeld der PR und – in geringerem Umfang – das der PR-Beratung wird von PR-Laien dominiert und stellt sich, gemessen an normativen Maßstäben der Professionalisierung, in weiten Teilen als defizitär dar. Insgesamt scheint das diffuse Bild mit der überaus stark ausgeprägten Heterogenität der Tätigkeiten im Bereich der strategischen Kommunikation zusammenzuhängen, die unter den Begriffen PR, Kommunikationsmanagement und Kommunikationsberatung subsumiert werden. So steht das Berufsfeld explizit auch Seiteneinsteigern offen (Wright/ VanSlyke Turk 2007: 574), auch wird es immer wieder als Begabungsberuf tituliert (vgl. z.B. Pitzer 2003, zit. in Wienand 2005: 31). Gleichzeitig umfasst das Berufsfeld spezialisierte Dienstleistungen, für die in einem vergleichsweise hoch institutionalisierten Umfeld spezifische Problemlösungskompetenzen entwickelt werden müssen.
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Vorschlag eines Ordnungsschemas
Möchte man die Frage nach dem Stand der PR-Professionalisierung bearbeiten, so lassen sich, wie hier gezeigt, zwei relevante Forschungsbereiche ausmachen: Die PRProfessionalisierungsforschung und die Forschung zur professionellen Umsetzung des beruflichen Handelns. Diese beiden Forschungsstränge werden im Folgenden aufgegriffen, miteinander verknüpft und auf die PR-Beratung übertragen. Auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen zur Professionalisierungsforschung wird ein Ordnungsschema vorgeschlagen, mit dessen Hilfe Indikatoren zur Ermittlung der Professionalisierung der PR-Beratung in einen systematischen Zusammenhang gebracht werden können. Zunächst wird also grundlegend zwischen Professionalität als Merkmal professionellen Handelns und Professionalisierung als Entwicklung einer Berufsgruppe in Richtung einer Profession unterschieden. Diese Unterscheidung korrespondiert mit zwei verschiedenen sozialwissenschaftlichen Perspektiven: Während bei der Frage nach der Professionalisierung ein mesotheoretischer Blick eingenommen wird, der Institutionalisierungsfaktoren berücksichtigt, ist die Perspektive auf Professionalität eine mikrotheoretische, denn sie richtet den Blick auf das individuelle Handeln. Darüber hinaus können im Hinblick auf die beiden Dimensionen Professionalisierung und Professionalität jeweils drei Ebenen – eine sachliche, zeitliche und soziale Ebene – unterschieden werden. Auf diese Weise entsteht eine Sechsfeldermatrix, die die drei Ebenen im Hinblick auf die beiden Dimensionen miteinander ins Verhältnis setzt. Für jede der Zellen können exemplarisch jeweils Indikatoren angegeben werden, um Aussagen über die Professionalisierung der PR-Beratung zu treffen. Tab. 1: Ordnungsschema für die PR-Professionalisierungsforschung Dimension/ Ebene
Meso-Perspektive:
Mikro-Perspektive:
Professionalisierung des Berufsstandes
Professionalität des PRBeratungshandelns
Zeitliche Ebene
Entwicklung auf der Ebene der Kommunikationsbranche
Individuelle Entwicklung der Berufsausübenden
Sachliche Ebene
Formale, kanonisierte Wissensbestände, Inhalte von Standards und Richtlinien
Aktualisieren von Wissensbeständen, Anwendung von Methoden und Verfahren
Soziale Ebene
Berufsverbände: Umsetzung der Selbstkontrolle, Vertretung nach außen
Ausgestaltung der Berufsrolle, Einsatz von Kompetenzen, Vernetzung
Quelle: Eigene Darstellung.
Auf der zeitlichen Ebene geht es auf der Ebene des Berufsstandes um empirische Indikatoren, die sich auf einer temporalen Schiene festmachen lassen. Hierzu zählen bestimmte „critical events“ in der Entwicklung des Berufs, zum Beispiel die Gründung von Berufsverbänden, die Einrichtung von akademischen Studiengängen, die Einset-
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zung von berufständischen Kommissionen und Arbeitskreisen, die Verabschiedung von Kodizes usw. Auf der Mikro-Ebene können etwa Berufsbiographien von Kommunikationsdienstleistern im zeitlichen Verlauf empirisch untersucht werden; z.B. im Rahmen einer Meta-Analyse bestehender Berufsfeldstudien. So könnte die weit verbreitete Annahme, früher wechselten viele Journalisten in den PR-Bereich, heute dagegen seien immer mehr Personen ausschließlich in der PR tätig, empirisch überprüft werden. Eine Verschränkung der empirischen Befunde auf der Meso- und auf der Mikro-Ebene könnte dann Hinweise auf die interessante Frage geben, inwieweit zeitliche Parallelen hinsichtlich der Institutionalisierung des Berufsfeldes und der Entwicklung von Berufsbiographien vorhanden sind. Auf der Sachebene geht es um empirisch untersuchbare Indikatoren wie das formalisierte Wissen und dessen Systematisierung. Bezogen auf den Berufsstand wären hier etwa die Lehrangebote der verschiedenen universitären und weiterbildenden PRAusbildungsgänge inhaltsanalytisch zu ermitteln. Weitere Indikatoren für die Professionalisierung sind die Anzahl von einschlägigen Lehr- und Handbüchern, von Fachzeitschriften sowie der Status des international entwickelten Body of Knowledge der PR (vgl. Vercic et al. 2000). Auf der sachlichen Ebene sind weiter die Versuche der Standardisierung von Abschlüssen und der Qualitätssicherung von Ausbildungsangeboten in Form von Akkreditierungsverfahren zu nennen, wie sie im Rahmen der Hochschulreform, aber auch auf Seiten der Berufsverbände unternommen werden. Ein weiterer wichtiger Indikator für Professionalisierungstendenzen auf der Meso-Ebene in der Sachdimension ist der Stand der Entwicklung und der Dokumentation von standardisierten, objektiv nachvollziehbaren Verfahren zur Messung von Wirkung und Erfolg der Kommunikationsberatung. Ein Indikator für die Professionalität auf der Ebene der einzelnen Berufsangehörigen ist zunächst das Vorhandensein bestimmter Wissensbestände. Hier sind die Befunde der Berufsfeldforschung zu nennen, die eine Akademisierung der PR belegen: Die in der strategischen Kommunikation Tätigen verfügen heute mehrheitlich über einen Studienabschluss, allerdings in verschiedenen Fächern. Welche Relevanz Fachwissen und Sachwissen jeweils der Ausgestaltung der Kommunikationsberatung zukommt, wäre empirisch zu untersuchen. Professionalität im beruflichen Handeln lässt sich auf der Sachebene schließlich an der Anwendung der oben genannten Verfahren der Messung und Bewertung in der Kommunikationsberatung festmachen. Auf der sozialen Ebene geht es in der Meso-Perspektive um berufspolitische Strategien der kollektiven Durchsetzung von Deutungsmustern und Lösungsangeboten. Hier sind sowohl Bemühungen zu nennen, den Kommunikationsberufen zu besserer Bekanntheit zu verhelfen und das Ansehen des Berufs zu verbessern. Empirisch messbare Indikatoren sind Veröffentlichungen und Veranstaltungen der Berufsverbände, z.B. Preisverleihungen, aber auch Regeln und Verfahren der Sicherung der beruflichen Ethik.
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In der Mikro-Perspektive geht es auf der sozialen Ebene um den Einsatz persönlicher Kompetenzen und sozialer Ressourcen. So könnten beispielsweise in Form von Netzwerkanalysen der Grad und die Art der beruflichen Vernetzung von Kommunikationsberatern untersucht werden, um Aufschlüsse über die Orientierung an Peers bzw. an Klienten zu erhalten. Ein weiterer empirischer Indikator ist die Ausgestaltung der Beraterrolle. Hier könnten mithilfe qualitativer Verfahren, beispielsweise durch Beobachtung von Beratungssituationen, ermittelt werden, welche Bedeutung Inszenierungspraktiken zukommt und inwiefern die Berater die Fähigkeit besitzen, situativ zwischen verschiedenen Beraterrollen zu wechseln.
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Fazit
Die Frage nach der Professionalisierung der Kommunikationsberatung aufgreifend war es Ziel des Beitrags, ein Ordnungsschema zu entwickeln, das zwei Funktionen erfüllt: Es soll als Heuristik dienen und ermöglichen, systematisch Forschungsdefizite und Forschungsbefunde der empirischen Professionalisierungsforschung aufzuzeigen. Die hier vorgeschlagene Unterscheidung zwischen Professionalisierung des Berufsfeldes und Professionalität des beruflichen Handelns macht deutlich, dass es sich bei dem vielzitierten Schlagwort Professionalisierung um ein komplexes Konstrukt handelt, dessen verschiedene Facetten gleichwohl empirisch greifbar und aufeinander bezogen sind. Professionalisierung verweist in der hier vorgeschlagenen Heuristik auf Institutionalisierungsprozesse des Berufsfeldes, Professionalität auf berufsbezogenes soziales Handeln. Für die PR-Professionalisierungsforschung ergibt sich daraus die Folgerung, dass ein Ansatz, der Professionalisierung ausschließlich an Merkmalen oder an bestimmten Strategien, die Angehörige einer Berufsgruppe verfolgen, bemisst, nicht ausreicht. Aber auch die Untersuchung des PR-Prozesses allein ist unzureichend, um Aussagen über die Professionalisierbarkeit von Kommunikationsdienstleistungen treffen zu können. Berücksichtigt man auch Erkenntnisse der Beratungsforschung, wird offenkundig, dass die Anforderungen nach persönlichen Eigenschaften nicht – wie in der PRBerufsforschung üblich – notwendigerweise als Beleg einer mangelnden Professionalisierung gedeutet werden müssen. Die Fähigkeit, situativ verschiedene Rollen im Berufskontext einzunehmen, ist Bestandteil professioneller Beratung. So verbirgt sich unter den in Befragungen und Inhaltsanalysen von Stellenanzeigen viel zitierten Merkmalen „Persönlichkeit“ oder „Kontaktfähigkeit“ oft genau diese Fähigkeit. Schließlich stellt sich noch die Frage, wie sinnvoll es ist, im Hinblick auf Professionalisierung zwischen PR und PR- bzw. Kommunikationsberatung zu trennen und die Betrachtung auf Kommunikationsberatung zu fokussieren. Vielfach wird in der Literatur davon gesprochen, inhouse-PR als Managementfunktion umfasse auch die interne Beratung des Top-Managements. Allerdings sind intern arbeitende Kommunikationsverantwortliche stärker als externe Berater in den jeweiligen Organisationskontext eingebunden und unterliegen organisationalen Sachzwängen. Eine Aufwertung des in-
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ternen PR-Funktionsträgers zum Kommunikationsmanager soll, so die in der Literatur vertretene Annahme, den Einfluss der PR auf das allgemeine Management und damit den Handlungsspielraum für PR erhöhen. Nun stehen aber Management und professionelles Handeln im Sinne von Expertentum in einem Spannungsverhältnis zueinander, denn sie unterliegen zwei unterschiedlichen Handlungslogiken. Strategisches Management muss integrieren und die übergeordneten Organisationsziele fokussieren, berufsspezifisches professionelles Handeln beruht dagegen stärker auf fachlicher Spezialisierung und unterliegt zunächst einmal einer teilsystemischen Handlungsrationaliät. Vor diesem Hintergrund könnte man der Beratung ein größeres Potenzial der Professionalisierung zuschreiben, denn sie vermag von außen die Organisation als Ganzes leichter wahrzunehmen. Externalität bietet darüber hinaus strukturell die besseren Voraussetzungen für professionelles Handeln, da es sich an der Sachlogik orientieren kann und sich nicht den Organisationszwängen beugen muss (vgl. Hoffmann/ Steiner/Jarren 2007: 49). Häufig übernehmen allerdings auch externe Kommunikationsberater Umsetzungs- und Entscheidungsfunktionen und geben damit ihren potenziellen Professionalisierungsvorsprung auf. Gleichzeitig weist die Beratungsforschung verstärkt darauf hin, dass professionelles Handeln auch in Organisationen jenseits von Professionen möglich ist (Kurtz 2005). Angesichts dieser ambivalenten Befunde kann die hier entwickelte Heuristik dazu dienen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Hinblick auf die Professionalisierungstendenzen der internen und externen strategischen Kommunikation systematisch miteinander zu vergleichen. Literatur Alvesson, Mats/Anders W. Johansson (2002): Professionalism and Politics in Management Consultancy Work. In: Timothy Clark/Robin Fincham (Hg.): Critical Consulting. New Perspectives on the Management Advice Industry. Oxford u.a., 228-246. Baerns, Barbara (2000): Qualitätsmerkmale und Evaluation in der Öffentlichkeitsarbeit. In: Barbara Held/Stefan Ruß-Mohl (Hg.): Qualität durch Kommunikation sichern. Frankfurt a. M., 277290. Burrage, Michael/Rolf Thorstendahl (Hg.) (1990): Professions in Theory and History: Rethinking the Study of the Professions. London. Cameron, Glen T./Lynne M. Sallot /Ruth Ann Weaver Lariscy (1996): Developing Standards of Professional Performance in Public Relations. In: Public Relations Review Vol. 22, No. 1, 43-61. Caroli, Tobias S. (2007): Unternehmensberatung als Sicherstellung von Führungsrationalität? In: Volker Nissen (Hg.): Consulting Research. Unternehmensberatung aus wissenschaftlicher Perspektive. Wiesbaden, 109-126. Dozier, David M. (1992): The Organizational Roles of Communications and Public Relations Practitioners. In: James E. Grunig et al. (Hg.): Excellence in Public Relations and Communication Management. Hillsdale, NJ., 327-355. Evetts, Julia (2003): The Sociological Analysis of Professionalism. Occupational Change in the Modern World. In: International Sociology, Vol. 18, No. 2, 395-415. Freidson, Eliot (1970): The Profession of Medicine. New York. Fröhlich, Romy/Sonja Peters/Eva-Maria Simmelbauer (2005): Public Relations. Daten und Fakten der geschlechtsspezifischen Berufsfeldforschung. München, Wien. Grunig, James E./Larissa A. Grunig (2008): Excellence Theory in Public Relations. In: Ansgar Zer-
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Typen externer politischer PR-Dienstleister Ein Beitrag zur Vermessung der PR-Welt Stephanie Opitz / Gerhard Vowe
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Fragestellung: Welche Typen externer Dienstleister für politische Kommunikation gibt es?
Der Untertitel dieses Beitrags spielt an auf den hoch gelobten und viel verkauften Roman von Daniel Kehlmann „Die Vermessung der Welt“ – ein ironisch funkelndes Doppelporträt von Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt. Den lässt Kehlmann dabei sein, „… als im Nieselregen … vor der Stadt der letzte Abschnitt des Längengrades gemessen wurde, der Paris mit dem Pol verband. Als es vollbracht war, nahmen alle die Hüte ab und schüttelten einander die Hände: Ein Zehnmillionstel der Strecke würde … zur Einheit aller künftigen Längenmessungen werden. Man wollte es Meter nennen. Es erfüllte Humboldt stets mit Hochgefühl, wenn etwas gemessen wurde; diesmal war er trunken vor Enthusiasmus. Die Erregung ließ ihn mehrere Nächte nicht schlafen“ (Kehlmann 2008: 39).
Einen Beitrag zur Vermessung der PR-Welt sollen die Antworten auf folgende Fragen leisten: Was unterscheidet den externen Dienstleister für politische PR von anderen Kommunikationsdienstleistern? Nach welchen Merkmalen lassen sich wiederum einzelne Typen externer Dienstleister für politische PR unterscheiden? In diesen Fragen stecken Vermutungen: dass intern und extern ein trennscharfes Kriterium ist, um Typen von Kommunikationsdienstleistern zu unterscheiden; ebenso die exklusive Zuweisung zu einem Handlungsfeld – hier politische PR. Diese Vermutungen gilt es zu prüfen.
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Theoretischer Hintergrund: Politische Kommunikationsberatung1 als Knoten im Netz von Tauschbeziehungen
Theoretisch kann man PR im Lichte der Ökonomik als eine Tauschbeziehung eigennütziger Akteure fassen (Blau 2002; Homans 1972; Clausen 1972; Coleman 1992). Mit dem Kommunikationsberater hat sich ein neuer Akteurstyp in die etablierten Beziehungen der politischen Kommunikation geschoben, so z.B. zwischen politische Akteure, Journalisten und Öffentlichkeit. Die Grundannahme dieser ökonomischen Sichtweise lässt sich in drei Argumentationsschritten zusammenfassen: 1. Ein sehr großer Teil sozialen Handelns lässt sich gut erklären, wenn man davon ausgeht, dass wir es im Regelfalle mit zweckrationalen Akteuren zu tun haben. Es wird also angenommen, Akteure seien geleitet von dem Ziel, ihren Nutzen zu maximieren und ihre Kosten zu minimieren. 2. Dabei sind sie auf eine Vielzahl von Gütern angewiesen, über die in einer arbeitsteiligen Welt andere Akteure verfügen, die ihrerseits an Gütern interessiert sind, über die sie nicht verfügen. Daraus ergibt sich Kooperation, aber auch Konkurrenz um diese Möglichkeiten zur Kooperation. Die eigennützigen Akteure sind also in der Verfolgung ihrer Interessen aufeinander angewiesen und kooperieren in Form von Tauschakten. 3. Aus und für Kooperation und Konkurrenz entstehen Märkte: Der Austausch von Gütern wird institutionalisiert, also von allgemein anerkannten Normen stabilisiert. Die wichtigste ist die Reziprozitätsnorm: do ut des2. Wendet man diese Sichtweise auf politische Kommunikation an, so wird politische Kommunikation zu einem Geflecht von Märkten, auf denen Güter getauscht werden. Die Handlungsfelder wie politische PR oder Lobbying können als spezifische Tauschmärkte modelliert und die Akteure somit als „Tauschreflektanten“ begriffen werden (Weber 1964: 489), die z.B. in der politischen PR um die Chance konkurrieren, Publizität gegen Information zu tauschen (Fengler/Ruß-Mohl 2006; Sarcinelli, 2005: 267. Die Tauschpartner greifen dann auf Vermittler zurück, wenn dies die Kosten der Transaktionen im Zusammenhang mit politischer Kommunikation verringert (z.B. die Kosten für Suche, Verhandlungen und Kontrolle im Zusammenhang mit politischer Kommunikation; vgl. Coase 1937). Ein Vermittler tritt also dann z.B. zwischen Journalist und Interessent, wenn dies für mindestens eine Seite die Kosten der Kommunikation verringert und für die andere nicht erhöht. Mit der Zeit entwickelt sich ein eigener Markt für Vermittlungsdienstleistungen: Die Nachfrage stabilisiert sich, Anbieter treten in Konkurrenz zueinander. Die Beziehungen zwischen Auftraggebern und Vermittlern sind geprägt von einer eigenen Interaktionsdynamik, die mit dem Dual von „Prinzipal und Agent“ (Coleman 1992) gefasst werden kann. Damit sind Informationsasymmetrien verbunden. So kann der Dienstleis1
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Politische Kommunikationsberatung erbringen eigenständige Organisationen, also externe Dienstleister, oder spezialisierte Organisationsteile, die strategisch-konzeptionelle und technisch-operative Aufgaben im Bereich der politischen Kommunikation (Wahlkampf, politische PR und Public Affairs/Lobbying) übernehmen. Ich gebe, damit du gibst (vgl. Mauss 1990).
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ter viel versprechen und der Leistungsnehmer im Regelfalle nicht vorab beurteilen, ob die Versprechungen realistisch sind und mit welcher Wahrscheinlichkeit sie auch gehalten werden. 3 Er kann meistens schlecht einschätzen, wie es um die Qualität der Dienstleistungen bestellt ist und ob er mit einem Konkurrenten besser gefahren wäre. Der Vermittler muss also glaubhaft seine Professionalität und seine Integrität signalisieren oder auf andere Weise das Vertrauen des Auftraggebers erlangen. Bei Kommunikationsdienstleistungen stellt sich dieses Grundproblem besonders deutlich. Vor diesem Hintergrund hat sich eine Vielzahl unterschiedlicher Organisationsformen für Vermittler entwickelt, die in der politischen PR zwischen die Akteure treten. Wir finden organisationsinterne Kapazitäten, eigenständige Organisationen mit starker Binnendifferenzierung, Einzelberater u.a.m. Es ist anzunehmen, dass sie auf dem Markt für politische Kommunikationsdienstleistungen ihre jeweilige Nische gefunden haben, da sie auf spezifische Art das Problem der Informationsasymmetrie lösen (zur Entwicklung von Organisationen aufgrund von Umweltbedingungen vgl. Aldrich 1979, Hannan/Freeman 1989). Was unterscheidet nun politische PR-Dienstleister von anderen Kommunikationsdienstleistern? Und welche unterschiedlichen Typen von Vermittlern haben sich auf dem Markt für politische Kommunikation herausgebildet?
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Methodisches Design: Von der Idealtypologie zur empirisch basierten Typologie
Mit Fragen dieser Art beschäftigt sich eine Studie, die zum Ziel hat, eine empirisch basierte Typologie der Dienstleister für politische Kommunikation in einem weiten Sinne zu entwickeln, also einschließlich Wahlkampf, Lobbying und Public Affairs.4 In dieser Studie wird ein Sample von Organisationen untersucht, das auf einer bewussten Auswahl von rund 50 politischen Kommunikationsdienstleistern anhand einer theoriebasierten Idealtypologie beruht. Politische Kommunikationsdienstleister sind definiert als eigenständige Organisationen oder spezialisierte Organisationsteile, die professionelle Dienstleistungen im Bereich der politischen Kommunikation übernehmen, und zwar nicht nur technisch-operativer, sondern auch strategisch-konzeptioneller Art. Beispiele sind Geschäftsstellen von Parteien und Verbänden, Public-AffairsAbteilungen von Großunternehmen, Agenturen und Agenturdependancen, Berater und Trainer, aber auch neue Anbieter, die in diesen Markt drängen, wie internationale Anwaltssozietäten und Unternehmensberatungen. Die Idealtypologie ließ sich auf Basis des Forschungsstands zur strategischen politischen Kommunikation aus zentralen Merkmalen der sachlichen, sozialen und zeitlichen Dimension des Untersuchungsbe3
4
Umgekehrt kann der Dienstleister nicht sicher sein, dass der Leistungsnehmer nicht nachher das Entgelt oder andere Gegenleistungen zu minimieren versucht, indem er Einwände vorschiebt, Nachforderungen erhebt o.ä. Das DFG-Projekt „Politische Kommunikationsdienstleister“ wird von beiden Autoren an der HeinrichHeine-Universität Düsseldorf durchgeführt. Weitere Informationen unter www.kommunikationsdienstleister.de
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reichs bilden. In sachlicher Dimension leitend ist deshalb das Handlungsfeld mit den Ausprägungen Wahlkampf, Politische PR und Public Affairs/Lobbying (vgl. Jarren/Donges 2002). Die entscheidende soziale Dimension ist die Organisationsform mit den Ausprägungen Binnenkapazität (innerhalb einer Organisation, z.B. eigene Abteilung oder Stabsstelle), Dachkapazität (in einer übergreifenden Organisation, z.B. in einem Wirtschaftsverband oder einem Mutterkonzern), Spezialunternehmen (z.B. Agentur oder Kanzlei oder Teile davon) und Einzelberater (z.B. ehemaliger Politiker oder ehemaliger Journalist) (vgl. Kleinaltenkamp 1998). In zeitlicher Hinsicht wird nach Entwicklungsstadium differenziert: Gründung, Etablierung und Schließung sind die Ausprägungen. Wenn das Profil eines Organisationstypus gezeichnet werden soll, ist es unabdingbar, die unterschiedlichen Entwicklungsstadien im Auge zu haben. Es macht einen erheblichen Unterschied für das Organisationsprofil, ob ein Anbieter gerade erst gegründet ist und neu in den Markt eintritt oder ob er bereits länger in dem jeweiligen Handlungsfeld tätig ist. Davon ist wiederum das Stadium der Schließung zu unterscheiden, in dem ein Anbieter seine Tätigkeit beendet oder von einem anderen Anbieter übernommen wird, also als eigenständige Organisation aus dem Markt ausscheidet oder bereits ausgeschieden ist (vgl. Argyris/Schön 1996). Die Idealtypologie dient als Muster für die bewusste Fallauswahl. Die Kombination ihrer Merkmalsausprägungen erlaubt die gezielte Suche nach Prototypen für die Datenerhebung. So kommen z.B. als Prototyp für den Idealtyp des etablierten Spezialunternehmens, das Dienstleistungen für politische PR anbietet, verschiedene derzeit tätige Kommunikationsagenturen in Frage, die politische PR in ihrem Dienstleistungsportfolio haben. Die Kriterien für die Wahl eines Interviewpartners sind die Passgenauigkeit zu den genannten Eigenschaften aus der Idealtypologie, der Bekanntheitsgrad und die Erreichbarkeit bzw. Gesprächsbereitschaft. Das Datenmaterial wurde in leitfadengestützten Intensivinterviews mit Repräsentanten der Dienstleister in Führungspositionen oder aus den Reihen der Gründer erhoben. 5 Das Instrument enthielt rund 40 Variablen 6 aus den Bereichen Entwicklung, Dienstleistungen, Struktur und Umwelt der Kommunikationsdienstleister, die in der einschlägigen Literatur (z.B. Seifert 1978, Corsten 1997, Röttger 2000), als besonders relevant für die Dienstleistungstätigkeit angesehen wurden, so z.B. das Rollenkonzept des Dienstleisters oder seine Akquisestrategie. Durch eine Inhaltsanalyse der Websites der Dienstleister wurden die Gespräche vorbereitet und zeitlich entlastet. Die Feldzeit währte von Juli 2006 bis Februar 2008. Die Daten werden rechnergestützt verdichtet, um in einem multidimensionalen Merkmalsraum empirisch basierte Typen politischer Kommunikationsdienstleister zu entdecken, also Kombinationen von Merkmalsausprägungen (vgl. Kluge 1999). 5
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So wurde versucht, das Dilemma zu lösen, etwas über Organisationen herausfinden zu wollen, aber nur Personen befragen zu können. Neben der deduktiven Analyse des Datenmaterials wurden weitere Variablen induktiv ermittelt (vgl. Mayring 2002). So können letztlich rund 170 Variablen in die Datenauswertung einfließen.
Typen externer politischer PR-Dienstleister
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Ergebnisse: Typen externer Dienstleister für politische PR
4.1
Theoretisch basierte Idealtypologie
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Die theoriebasierte Idealtypologie, die Grundlage des Sampling7, bietet eine erste Antwort auf die Frage nach den Typen externer Dienstleister für politische PR. Sie nimmt ihren Ausgangspunkt bei Merkmalen, deren Auswahl deduktiv begründet wird. Idealtypen werden dann konstruiert, indem Merkmalsausprägungen systematisch kombiniert werden. Für den Untersuchungsbereich von zentraler Bedeutung sind in sachlicher Dimension das Handlungsfeld, in sozialer Dimension die Organisationsform und zeitlicher Dimension das Entwicklungsstadium der Organisation: Abb.1: Idealtypologie
Quelle: Eigene Darstellung.
Diese Merkmale werden als typenbildend erachtet. Es ist also anzunehmen, dass sie zur Kartografie der politischen Kommunikationsdienstleister beitragen, indem sie das Gelände strukturieren. Die aus den Merkmalskombinationen entstehende theoretisch basierte Typologie erlaubt, 36 idealtypische Kommunikationsdienstleister zu definieren, so z.B. den Typus des ehemaligen Einzelberaters für Wahlkampf; die neu gegründete Binnenkapazität für Public Affairs.
7
Für jeden der 36 Idealtypen wurde ein passender Prototyp in der deutschen Beratungslandschaft recherchiert. Da das Feld der Spezialunternehmen sehr heterogen erscheint, wurden mehrere Prototypen ausgewählt, so dass das Sample der Studie 50 Fälle enthält.
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Sie erlaubt damit auch, die sechs idealtypischen externen Dienstleister für politische PR zu definieren: den Typus des Spezialunternehmens für politische PR – neu gegründet, etabliert oder von Schließung betroffen, den Typus des Einzelberaters, der ohne Anbindung an eine größere Organisationsstruktur in Fragen politischer PR berät, beraten hat oder zu beraten beginnt. Diese Überlegungen ermöglichen demnach eine erste Antwort auf die Frage, welche Typen externer Dienstleister für politische PR es gibt. 4.2
Empirisch basierte Realtypologie
Es ist nun zu prüfen, inwiefern diese Idealtypen von Realtypen überlagert werden oder ob die Unterscheidungen auch in einer empirisch basierten Typologie Bestand haben. Ist also die theoretisch basierte Vermutung empirisch haltbar, dass ein externer Dienstleister für politische PR einen eigenständigen Typ unter den politischen Kommunikationsdienstleistern darstellt? Oder überlagern andere Kombinationen von Ausprägungen diesen und andere Idealtypen? Sind die theoretisch begründeten Merkmale vielleicht gar nicht typenbildend? Zur Beantwortung dieser Fragen sollen hier Variablen aus den Bereichen Organisationsstruktur und Leistungsprogramm näher betrachtet werden, und zwar die bereits aus der Idealtypologie bekannten Variablen Entwicklungsstadium Organisationsform Organisationszweck sowie drei weitere Variablen, nämlich Leistungsspektrum Verhältnis von strategischer Beratung und operativer Umsetzung Qualitätsmaßstäbe.8 Jedem Fall, also jeder Organisation, wird eine Ausprägung von allen diesen Variablen zugewiesen. Dann werden die Fälle so gruppiert, dass diejenigen zu einem Typ zusammengefasst wurden, die eine möglichst hohe Ähnlichkeit untereinander aufweisen. Gleichzeitig werden die Fälle voneinander getrennt, die eine möglichst hohe Differenz aufweisen. So entstehen Typen, die intern möglichst homogen und extern möglichst heterogen sind. Es lässt sich aus den Daten erkennen, dass das Leistungsprogramm und die Organisationsform als dominante Variablen Typen formen, während beispielsweise das Entwicklungsstadium, nach dem die Fälle in der Idealtypologie unterschieden werden, keine markanten Differenzierungen hervorbringt. Im Endergebnis liegt also eine andere Typeneinteilung vor als in der Idealtypologie.
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Zum Zeitpunkt dieser Publikation ist die Datenaufbereitung noch nicht abgeschlossen, weshalb nur ein kleiner Teil der Variablen in die Auswertung einbezogen werden kann.
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Wir fassen die Ergebnisse einer ersten Auswertung der Daten zu den sechs Variablen in drei Thesen zusammen. These 1: Einzelberater sind ein eigener Typ externer Kommunikationsdienstleister
Wenn man sich das ganze Feld der politischen Kommunikationsdienstleister ansieht, unterscheiden sich Einzelberater deutlich von Dienstleistern in Gestalt von Organisationen. Das Handlungsfeld und auch das Entwicklungsstadium verlieren demgegenüber als Unterscheidungsmerkmal an Bedeutung. Das heißt, dass die Unterschiede zwischen den Handlungsfeldern geringer sind als die Gemeinsamkeiten über die Handlungsfelder hinweg. Einzelberater, die in verschiedenen Handlungsfeldern tätig sind, haben mehr untereinander gemein als ein Einzelberater mit einer Organisation, die im gleichen Handlungsfeld tätig sind.9 Der Sonderstatus von Einzelberatern wird vor allem am Verhältnis von strategischer Beratung und operativer Umsetzung deutlich: Einzelberater sind Strategen. Sie beteiligen sich höchst selten an der Umsetzung von kommunikativen Problemlösungen – egal, in welchem Handlungsfeld sie tätig sind. These 2: Externe Kommunikationsdienstleister unterscheiden sich deutlich von internen Kommunikationskapazitäten
Bilden externe Dienstleister einen eigenen Typus, stellt also die Organisationsform eine dominante Variable dar, wie der Titel dieses Beitrags postuliert? Dies bestätigt sich: Externe Kommunikationsdienstleister, also eigenständige Beratungsorganisationen und Einzelberater, unterscheiden sich deutlich von den internen Kommunikationseinheiten, also den Organisationsteilen. Auch hier sind Handlungsfeld und Entwicklungsstadium nicht die dominanten Variablen, sondern werden von der Organisationsform überlagert, insbesondere vom Organisationszweck: Man kann die Organisationen danach unterscheiden, ob ihr maßgebender Zweck es ist, monetären Gewinn zu erwirtschaften oder Stimmen bei einer Wahl zu maximieren oder Reputationsgewinn zu erwirtschaften. Externe Kommunikationsdienstleister müssen im Regelfall mit ihren Dienstleistungen Geld verdienen. Das ist Sinn und Zweck der Organisation. Mischkalkulationen werden höchstens in Kauf genommen, um über politische Kommunikationsdienstleistungen an neue Kunden heranzukommen, aber nicht dauerhaft. Interne Kommunikationseinheiten sollen natürlich auf das übergeordnete Kommunikationsziel der Organisation einzahlen. In welchem Maße das geschieht, wird jedoch kaum gemessen. Erhalt der eigenen Strukturen ist deshalb oft ein näherliegendes Ziel. Entsprechend scheidet auch der Maßstab, mit dem Qualität gemessen wird, die externen Kommunikationsdienstleister von internen Kommunikationsbeauftragten. Als mögliche Maßstäbe werden in den Interviews genannt: Der Aufwand, der zur Erfüllung der Leistung betrieben wurde, der Ertrag der Leistung und das Verhältnis von Aufwand 9
Einzelberater unterscheiden sich auch in weiteren Merkmalen deutlich von Organisationen, z.B. in Akquise, Organisationsstruktur, ihrem Verhältnis zum Kunden und der Organisationsphilosophie.
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und Ertrag, also die Effizienz. Diejenigen, die von fremdem Geld leben, z.B. vom Begleichen der Rechnung für erbrachte Kommunikationsdienstleistungen, müssen mindestens Effektivität, eher noch Effizienz nachweisen. Sie werden am Ertrag, wenn nicht gar am Verhältnis von Aufwand und Ertrag gemessen. In internen Kapazitäten, z.B. in der Parteigeschäftsstelle oder in der Abteilung für Unternehmenskommunikation, spielt dies eine eher untergeordnete Rolle. These 3: Lobbying und PR kommen aus einer Hand – vom externen Dienstleister für Public Affairs
Bei einer genaueren Unterscheidung der externen Organisationen spielt das Handlungsfeld dann doch eine Rolle. Die Differenzierung der Handlungsfelder verläuft aber anders als idealtypisch vorgesehen. Die Variable Leistungsspektrum zeigt an, ob eines oder mehrere Handlungsfelder abgedeckt werden, nämlich Wahlkampf, PR, Public Affairs, Lobbying oder anderes. An den Daten zu dieser Variable wird deutlich, dass Spezialunternehmen für Wahlkampf sich von denen für PR und Public Affairs/Lobbying deutlich abgrenzen lassen. Die Dienstleistungen für Politische PR werden hingegen von den gleichen Organisationen erbracht wie Dienstleistungen in Sachen Public Affairs und Lobbying. Empirisch heißt dies, dass der Begriff Public Affairs nicht nur als gefälligeres Label dort draufsteht, wo Lobbying drin ist. Es gibt vielmehr einen Markt für externe Dienstleister, die sowohl direkt den politischen Entscheider ansprechen können als auch indirekt per Kampagne die breite Öffentlichkeit oder spezielle Zielgruppen in der Öffentlichkeit. Der Markt honoriert die Dienstleister mit einem solchen Spektrum mehr als Dienstleister, die entweder nur das eine oder nur das andere können.
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Fazit
Mit der Fragestellung sind wir von zwei Unterscheidungen ausgegangen: extern versus intern und politische PR-Dienstleister versus andere Dienstleister für politische Kommunikation. Die empirischen Befunde lassen beide Unterscheidungen fraglich erscheinen: (1) Die Externen gibt es nicht. Erforderlich ist eine Differenzierung zwischen Einzelberatern und anderen Organisationsformen, die sich voraussichtlich weiter differenzieren lassen. 10 (2) Es gibt den externen Dienstleister speziell für Politische PR so nicht. Denn neben der politischen PR haben diese Organisationen auch die direkte Ansprache von Entscheidungsträgern im Angebot und stellen für ihren Auftraggeber eine jeweils passende Kombination aus publiken und arkanen Aktivitäten zusammen. Es ist also sinnvoller, von Dienstleistern für Public Affairs statt für Politische PR zu sprechen. Dieser Beitrag konnte nur eine kleine Insel auf der Karte der politischen Kommunikationsdienstleister zeigen. In absehbarer Zeit wird vielleicht kein ganzer Globus vor 10
Abschließende Ergebnisse dieser Differenzierung liegen zum Zeitpunkt dieser Publikation noch nicht vor.
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uns stehen, aber die Kartierung des Archipels der politischen Kommunikationsdienstleister abgeschlossen werden können, die es ermöglicht, die Grundgesamtheit der politischen Kommunikationsdienstleister zu definieren und anzugeben, wer dazu gehört und wer nicht, wer im Zentrum steht und wer am Rand. Zugleich kann daraus ein prüfbarer Hypothesensatz zu den prägenden Merkmalen der Dienstleister entwickelt werden. Was aber hat diese Typenbildung mit der Berufspraxis zu tun? Auch darauf hat Kehlmann eine lesbare Antwort (Kehlmann 2008: 45): „Bis zum Morgen stand Humboldt neben dem Kapitän und beobachtete ihn beim Navigieren. Dann holte er seinen eigenen Sextanten hervor. Gegen Mittag begann er den Kopf zu schütteln. Nachmittags um vier legte er sein Gerät beiseite und fragte den Kapitän, wieso er so unexakt arbeite. Er mache das seit dreißig Jahren, sagte der Kapitän … Man tue das doch nicht für die Mathematik, man wolle übers Meer. Man fahre so ungefähr den Breitengrad entlang, und irgendwann sei man da. Aber wie könne man leben, fragte Humboldt, reizbar geworden vom Kampf gegen die Übelkeit, wenn einem Genauigkeit nichts bedeute? Bestens könne man das, sagte der Kapitän. Dies sei übrigens ein freies Schiff. Falls jemandem etwas nicht passe, dürfe er jederzeit von Bord.“
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Einleitung
Ausgangspunkt in diesem Beitrag sind Strukturdaten zur geschlechtsspezifischen Segmentation des Berufsfelds PR in Deutschland: Insgesamt verzeichnet die Branche seit Jahren einen kontinuierlichen (quantitativen 2 ) Feminisierungstrend, der mittlerweile sogar zu einem so genannten ‚Gender Switch’ geführt hat, d.h. dass inzwischen mehr als die Hälfte aller PR-Schaffenden in Deutschland Frauen sind. Fröhlich, Peters und Simmelbauer (2005) weisen in einer repräsentativen Berufsfeldstudie einen Gesamtfrauenanteil von 53 Prozent aus, wobei der Schwerpunkt dieser Entwicklung offensichtlich speziell im externen PR-Dienstleistungssektor zu lokalisieren ist. Mit 69 Prozent in PR-Agenturen und 63 Prozent unter selbstständigen Einzelberatern liegt der Frauenanteil hier deutlich über den Anteilen in anderen Organisationstypen wie z.B. Wirtschaftunternehmen (41%), Vereinen und Verbänden (49%) oder Behörden (38%; Fröhlich et al. 2005: 81). Diese horizontale Segmentation des Berufsfelds zeichnet sich auch in der von Bentele, Großkurth und Seidenglanz bereits zum zweiten Mal durchgeführten Mitgliederbefragung des Bundesverbands deutscher Pressesprecher (BdP) ab, in der speziell für die Gruppe organisationsinterner Kommunikationsverantwortlicher im Berufsfeld PR ein vergleichsweise niedriger Frauenanteil von 47 Prozent3 (Bentele et al. 2007: 19) ermittelt wurde.
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Besonderer Dank für den hilfreichen und konstruktiven Input bei der Überarbeitung dieses Beitrags richtet sich an Ulrike Röttger und Sarah Zielmann. In der PR-Feminisierungsforschung wird explizit unterschieden zwischen einer quantitativen Form der Feminisierung, die allein den zahlenmäßigen Anstieg des Frauenanteils bezeichnet, und einer qualitativen Form der Feminisierung, mit der z.B. weiterreichende Veränderungen der Organisationskultur oder spezifischer Handlungsweisen im Berufsfeld PR gemeint sind (Fröhlich et al. 2005: 18f.). 2007 wurden anders als in der Vorgängerstudie von 2005 zusätzlich auch Kommunikationsverantwortliche befragt, die nicht Mitglied des BdP sind. Exklusiv unter den BdP-Mitgliedern betrug der Frauenanteil 2007 44 Prozent (Bentele et al. 2007: 16ff.) – 2005 waren es 40 Prozent (Bentele et al. 2005: 25).
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Doch trotz des starken quantitativen Feminisierungstrends folgt die eigentliche Aufgaben-, Chancen- und Machtverteilung auch im externen Dienstleistungssektor des Berufsfelds PR in letzter Konsequenz den klassischen Regeln der vertikalen geschlechtsspezifischen Segmentation: Die hierarchisch höchsten Führungspositionen weden nämlich relativ zum Gesamtanteil gesehen von Männern dominiert. Insgesamt haben 52 Prozent aller Männer im Agentursektor und 70 Prozent aller selbstständigen männlichen PR-Profis Führungspositionen inne, aber nur 34 Prozent aller Frauen im Agentursektor und nur 41 Prozent aller selbstständig tätigen PR-Frauen (Fröhlich et al. 2005: 102). Ähnlich relative Diskrepanzen zum Gesamtanteil finden wir in den Befunden zu den zwei zentralen Berufsrollen im Berufsfeld PR, der sog. Techniker- und der sog. Managerrolle. Die weit verbreitete Vermutung, dass Frauen in Agenturen bessere Chancen haben, Tätigkeiten auszuüben, die der statushöheren Managerrolle zuzuordnen sind (also eher strategische oder leitende Funktionen im Gegensatz zur eher handwerklich-kreativen Aufgaben in der Technikerrolle), kann nicht bestätigt werden. In Agenturen üben nur 46 Prozent aller Frauen, aber 65 Prozent aller Männer Managertätigkeiten aus; im Selbstständigensektor ist das bei genau der Hälfte der Frauen jedoch bei 67 Prozent der Männer der Fall (Fröhlich et al. 2005: 116). So bleibt der (formale) Einfluss von Frauen also selbst im überdurchschnittlich stark feminisierten externen Dienstleistungssektor des Berufsfelds PR letztendlich begrenzt. Vor dem Hintergrund der oben vorgestellten Strukturdaten und der bislang unterbelichteten Bedeutung organisationaler Kontexte (also solcher Kriterien wie Organisationstyp, -größe, -struktur, -kultur, Leistungs- bzw. Angebotsspektrum etc.) für Genderaspekte der Karriere im Berufsfeld PR (vgl. Fröhlich/Peters 2007) soll in diesem Beitrag nun diskutiert werden, welche Faktoren die überdurchschnittlich starke Feminisierung im Agentur- und Selbstständigensektor begünstigen und zugleich geschlechtsspezifische Mechanismen der Status- und Machtverteilung im externen PR-Dienstleistungssektor (re)produzieren könnten. Die Befunde der Ursachenforschung zu geschlechtsspezifischen Karriereverläufen im Berufsfeld PR (vgl. Fröhlich et al. 2005) machen deutlich, dass solche Faktoren sowohl auf struktureller Ebene (z.B. Aspekte der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, gesellschaftlich tradierte Geschlechterbilder, geschlechtsspezifische Diskriminierung in einer männlich dominierten Arbeitsumwelt etc.) als auch auf individueller Ebene (z.B. berufliche Motive und Motivation, Selbstbewusstsein, Karriereplanung und Positionierungsstrategien etc.) existieren. Zusammen skizzieren die verschiedenen Einflussfaktoren quasi eine Art psychologische Rahmensituation, die das individuelle Erleben und Verhalten von Frauen und Männern in unterschiedlichen beruflichen Kontexten im Berufsfeld PR zu erklären vermag. Im weiteren Fokus dieses Beitrags steht deshalb die Frage nach besonderen strukturellen und psychologischen Rahmenbedingungen exter-
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ner PR-Dienstleistungen.4 Folgende Teilfragen werden in diesem Zusammenhang vertieft: Mit welcher Art von Dienstleistung haben wir es im Fall von externer PRBeratung genau zu tun und wie unterscheidet sich bei externen PR-Dienstleistungen die psychologische Rahmensituation von der interner PR-Leistungskontexte? Welche Akteure stehen in welcher Grundkonstellation zueinander und welche geschlechtsspezifischen Effekte können dabei zum Tragen kommen?
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Zur Psychologie der problemorientiert-interaktiven Dienstleistung PR
Zur Klärung dieser Fragen bieten sich zunächst einmal Anleihen bei der allgemeinen Wirtschaftspsychologie an, in der spezielle Ansätze zur Psychologie der Dienstleistung (vgl. Nerdinger 1994, 2005, 2007) die soziale Organisation von Dienstleistungen anhand der Rollentheorie beschreiben. Bei einer Dienstleistung gibt es zwei zentrale Rollen: Bedienter (synonym: Kunde, Klient, Auftraggeber, etc.) und Bedienender (Dienstleister). Der Kern der Beziehung zwischen Kunde und Dienstleister besteht nun darin, dass der Kunde ein Problem hat und im Tausch gegen finanzielle Mittel die Lösung dieses Problems vom Dienstleister einkauft. Diese Minimalstruktur der Interaktionsbeziehung zwischen Kunde und Dienstleister wird auch als Dienstleistungsdyade bezeichnet. In der Weiterentwicklung zur Dienstleistungs-Triade wird dieses Basismodell von Nerdinger nun quasi noch um eine dritte ‚Rolle’ ergänzt, womit auch der – jeweils unterschiedliche – Einfluss des organisationalen Kontexts auf das individuelle menschliche Erleben und Verhalten der Akteure berücksichtigt wird. Für die dienstleistende Person definiert die Organisation als Arbeitgeber und Arbeitsumfeld die grundsätzlichen Rahmenbedingungen der Dienstleistung. Für den Kunden manifestiert sich in der Organisation je nach Art der Dienstleistung der Erfahrungskontext der Dienstleistung. Im Berufsfeld PR stellen die Selbstständigkeit von Einzelberatern auf der einen und Agenturen auf der anderen Seite die zwei wesentlichen Grundformen solcher organisationaler Kontexte externer PR-Dienstleistungen dar.
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Theoretisch knüpft dieser Beitrag also beispielsweise an das Konzept des ‚Doing Gender’ (z.B. Rakow 1986: 21) oder auch die Strukturationstheorie von Giddens (1984) an, die auf die Notwendigkeit hindeuten, den Dualismus von Struktur und Akteur zu überwinden, um den wechselseitigen Einfluss auf soziale Phänomene wie die (Re-)Produktion geschlechtsspezifischer Selektionsmechanismen zu verstehen.
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Abb 1: Das Strukturmodell der Dienstleister-Triade
Quelle: Vgl. Nerdinger, 1994, 2005, 2007.
Nerdinger (1994, 2005, 2007) führt verschiedene Unterscheidungsmerkmale von Dienstleistungen an: u.a. die Art des Dienstobjekts sowie Grad und Intensität der Interaktion zwischen den beteiligten Akteuren. In Anlehnung an Nerdinger und unter Anwendung dieser bestimmten Unterscheidungsmerkmale 5 wird externe PR-Beratung 6 hier definiert als eine typischerweise problemorientiert-interaktive Dienstleistung mit meist längerfristig angelegten und wiederholten Kontakten bzw. relativ intensiven Beziehungen zwischen den selben Akteuren. Der Erfolg der Problemlösung ist bei externern PR-Dienstleistungen in besonderem Maße von der Zusammenarbeit der Akteure in Form längerfristiger, wiederholter und intensiver sozialer Interaktionen und kommunikativer Abstimmungen abhängig. Im Unterschied zu so genannten ‚unterstützend-interaktiven’ Dienstleistungen (Dienstobjekt ist ein Sachgut, z.B. Reparatur, Autowäsche) oder so genannten ‚persönlich-interaktiven’ Dienstleistungen (Dienstobjekt ist die Person des Kunden selbst, z.B. Psychotherapie, Massage, Weiterbildung) erschöpft sich die Interaktion zwischen Dienstleister und Kunde bei problemorientiert-interaktiven Dienstleistungen wie der PR (Dienstobjekt ist eine abstrakte Problemstellung, ähnlich z B. Anwalt, Steuerberater) nicht in der bloßen Auftragsannahme oder in direkt auf die Person des Kunden ge5
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Weitere Unterscheidungsmerkmale von Dienstleistungen wie Status, Komplexität und Risiko klassifizieren vor allem Problemlösungen als Leistungen gemäß ihrer gesellschaftlichen Relevanz (vgl. Nerdinger 1994: 57f.) und werden deshalb in diesem Beitrag mit Fokus auf die Bedeutung interaktiver Elemente nicht weiter diskutiert. Der Begriff ‚PR-Beratung’ wird in der Praxis bislang vorwiegend als unscharfer Sammelbegriff für verschiedenste externe Dienstleistungen von PR-Experten und damit kontrastierend zum Leistungsbereich der internen Organisationskommunikation verwendet. In diesem Sinne kann ‚PR-Beratung’ durchaus recht variable Leistungsangebote von der eigentlichen Strategieberatung bis hin zur Spezialisierung auf die Implementierung einzelner PR-Maßnahmen meinen. Zum wissenschaftlichen Beratungsbegriff im Allgemeinen vgl. z.B. Saam (2007: 8f.) oder auch Müller, Nagel und Zirkler (2006: 23ff.), speziell zum Beratungsbegriff in der PR vgl. z.B. Hoffmann, Steiner und Jarren (2007: 43ff.) oder auch Fuhrberg (2003) sowie Fuhrberg in diesem Band.
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richteten Handlungen. Vielmehr wird in diesem Fall die Erbringung der Dienstleistung kontinuierlich gesteuert und durch die konkreten Vorstellungen und Anregungen des Kunden begleitet (vgl. Nerdinger 2007: 376f.). Konkret folgen in der PR-Praxis auf das eigentliche Briefing üblicherweise beispielsweise wiederholte telefonische Rücksprachen, regelmäßige Meetings, Zwischenberichte, etc., in welchen Dienstleister und Kunde gemeinsam Nachjustierungen an der grundsätzlichen Zielausrichtung des Auftrags vornehmen oder auch aktuell drängende Detailentscheidungen treffen. Hier wird nun auch tatsächlich die Relevanz eines Beratungsbegriffs im Kontext externer PR-Dienstleistungen bemerkbar: Wesentliches Merkmal von Beratung (im Unterschied z.B. zur Belehrung oder zur Betreuung) ist ja gerade die Intensität der Einbindung des Ratsuchenden und seine letztendliche Entscheidungsmacht (Saam 2007: 8). Die Aufgabe des externen Beraters besteht vor allem in der Herstellung von Reflexivität und in der Unterstützung des Kunden bei der Problemlösung durch die Bereitstellung einer spezifischen Expertise (vgl. hierzu auch Hoffmann et al. 2007: 39ff.). Es ist also zu erkennen, dass im Fall der PR die Ausgestaltung von Interaktionsbeziehungen zwischen Dienstleister und Klient7 als konstituierender Faktor betrachtet werden muss, der maßgeblich Erfolg und Qualität der Dienstleistung mitbestimmt. Dienstleistungsqualität von PR bedeutet also primär „Erfahrungsqualitäten“ von Prozessen, Strukturen, Potenzialen und Personen – im Gegensatz z.B. zu manifesten „Prüfqualitäten“ von Produkten (Nerdinger 2007: 378ff.; vgl. hierzu auch Bentele/Nothhaft, 2004). Und so hängt die Wahrnehmung der Dienstleistungsqualität von PR neben organisationalen Komponenten eben auch wesentlich ab vom Erfolgsfaktor Berater (vgl. Müller et al. 2006: 46ff.).
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Geschlechtsspezifische Rollen- und Präferenzkongruenz
An dieser Stelle kommen nun wieder die Fragen nach geschlechtsspezifischen Effekten und speziell nach Gründen für den überdurchschnittlich hohen Feminisierungsgrad des externen Dienstleistungssektors im Berufsfeld PR ins Spiel. Denn glaubt man (stereotypen) Geschlechterbildern bzw. Geschlechterrollenerwartungen, so sind Frauen dank ihres ‚natürlichen’ Talents für und Interesses an Kommunikation und Beziehungsmanagement (vgl. Fröhlich et al. 2005: 143ff.) für solche interaktionsintensiven Dienstleistungsberufe wie die PR tendenziell besser als Männer geeignet. Kern dieser Annahme ist die Vorstellung einer bei Frauen besonders stark ausgeprägten Rollen- und Präferenzkongruenz (vgl. auch Fröhlich/Peters 2007). So könnte ein Job im externen PR-Dienstleistungssektor für Frauen eine Möglichkeit der Reduktion des Rollenkon7
Auch für die Vertiefung theoretischer Fragen zur Interaktionsbeziehung zwischen Berater und Klient sei auf allgemeine Ansätze aus der soziologischen Beratungsforschung verwiesen, beispielsweise die sogenannte Agenturtheorie, in deren Kern u.a. die Frage steht, wie der Klient (hier: Prinzipal) die effektive und effiziente Umsetzung seines Auftrags durch den Berater (hier: Agent) sicherstellen kann (vgl. Saam 2001, 2007; vgl. auch Opitz/Vowe in diesem Band).
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flikts zwischen weiblicher Geschlechterrolle und Berufsrolle (sog. Inter-RollenKonflikt8) darstellen. Wenn Beziehungsmanagement, Gefühlsarbeit, Kommunikation, soziale Interaktion und Dienstleistungsorientierung als weibliche Talente und zugleich als wesentliche Erfolgsfaktoren von Dienstleistungen (vgl. Nerdinger 2005: 139ff.) gehandelt werden, dann besteht hier für Frauen eventuell tatsächlich eine Möglichkeit, die sonst häufig kontroversen Erwartungen an diese beiden Rollen optimal zu verbinden. Entsprechen die beschriebenen Merkmale zudem auch dem persönlichen Selbstbild einer Frau, so wird außerdem auch eine Reduktion des Rollenkonflikts zwischen Erwartungen an die berufliche Dienstleisterrolle und persönlichen beruflichen Präferenzen und Wertvorstellungen (sog. Person-Rollen-Konflikten9) möglich. Ganz ähnlich argumentieren Ansätze, die die Feminisierung der PR-Branche erklären und vor allem auch normativ stützen, indem sie solchen „feminist values“ wie der Interaktions- und Kommunikationsfähigkeit eine positive Rolle, ja gar eine ethische Katalysatorfunktion innerhalb des Professionalisierungsprozesses der PR-Branche zuschreiben und eine Art „revolution of the heart“ proklamieren (Grunig/Toth/Hon 2000). Auch in der klassischen Unternehmensberatung scheint man übrigens verstärkt auf weibliche Mitarbeiter zu setzen und zwar ganz explizit in der Hoffnung, dass Frauen „aufgrund ihrer höheren sozialen Kompetenz und Kommunikationsfähigkeit in schwierigen Projekten die Schnittstelle zwischen Klienten und Beratung besser wahrnehmen können“ (Trauttmansdorff 2003: 103). Doch anders als vielleicht in einer Unternehmensberatung erschöpft sich der Bedarf an Kommunikations- und Beziehungsmanagement in der PR ja nicht allein im Dienstleistungsverhältnis zum Auftraggeber. Vielmehr stellen Interaktion und Kommunikation mit den jeweiligen Stakeholdern in der PR ja gleichzeitig auch per definitionem das ‚zu lösende Problem’ des Kunden und damit, z.B. in Form der kontinuierlichen Pflege der Kontakte und ‚guten Beziehungen’ zu Journalisten und anderen wichtigen Multiplikatoren, ganz wesentliche Teile der eigentlichen professionellen Aufgabe des PR-Experten dar. So scheint die Annahme vom besonderen weiblichen Kommunikationstalent Frauen also gleich in zweifacher Hinsicht zur Optimalbesetzung in der externen PR-Dienstleistung zu prädestinieren.
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Doppelte Schnittstellenfunktion im Beratungsdreieck
Zunächst unabhängig von geschlechtsspezifischen Fragen wurde im letzten Abschnitt auch deutlich, dass externe PR-Berater in ihren mehrfachen Interaktionsbeziehungen quasi in einer doppelten Schnittstellenfunktion zwischen dem Klienten auf der einen und verschiedenen Stakeholdern bzw. Multiplikatoren wie Journalisten o.ä. auf der an8
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Ein ‚Inter-Rollenkonflikt‘ gründet in der Tatsache, dass eine Person im ihrem Leben gleichzeitig immer ganz verschiedene gesellschaftliche Positionen oder Funktionen (z.B. PR-Dienstleister, Ehepartner, Vereinsleiter, Elternteil, etc.) einnimmt, die jeweils unterschiedliche Anforderungen an diese Person stellen (vgl. Nerdinger 2005: 143). ‚Person-Rollen-Konflikte‘ entstehen, wenn die an einen Rollenträger gestellten Erwartungen seiner Persönlichkeit, seinem Selbstbild, seinen Wertevorstellungen widersprechen (vgl. Nerdinger 2005: 143).
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deren Seite stehen. Deshalb kann das weiter oben vorgestellte Strukturmodell der Dienstleistungstriade dem Spezialfall PR-Beratung nicht wirklich befriedigend gerecht werden. Tatsächlich wird in der aktuellen PR-Forschung deshalb auch vor allem ein alternatives Verständnis der als Minimalstruktur zu beschreibenden Triade diskutiert, das die dritte zentrale Rolle in der Triade nicht durch die Dienstleistungsorganisation, sondern durch die jeweiligen Bezugsgruppen bzw. die jeweilige Öffentlichkeit besetzt und damit die Individualebene der Dienstleistungskonstellation PR-Beratung in den Mittelpunkt rückt (vgl. Röttger/Zielmann in diesem Band; Bentele/Nothhaft 2004). Dass jedoch auch diese Sichtweise allein den Besonderheiten externer PR-Beratungsdienstleistungen nicht erschöpfend gerecht werden kann, zeigt die weiter oben geführte Diskussion um die besondere Bedeutung von Erfahrungsqualitäten und deren Manifestation in einer untrennbaren Verknüpfung von Prozessen, Strukturen, Potenzialen und Personen. Für den Fall externer PR-Dienstleistungen bietet sich demnach eine Adaption des oben vorgestellten Strukturmodells der Dienstleistungstriade in Form einer Kombination mit der alternativen Sichtweise an: So lässt sich eine Art ‚doppeltes Beratungsdreieck’ konstruieren, wodurch eine Verknüpfung der Beziehungen auf Individualebene und der jeweiligen organisationalen Kontexte der beteiligten Akteure gelingt. Der Dienstleister ist hier als Bindeglied zwischen zwei ‚Kunden’ bzw. zwei Problemstellungen zu verstehen. Der organisationale Kontext wiederum wird anders als im Strukturmodell nicht nur auf Dienstleisterseite, sondern quasi als konstituierender Rahmen für alle drei Rollen berücksichtigt, da ja auch Kunde und Stakeholder in der PR häufig Teil einer Organisation sind (z.B. ein PR-Beauftragter in der Kommunikationsabteilung eines Wirtschaftsunternehmens oder ein Journalist in der Redaktion eines Zeitungsverlags). Im doppelten Beratungsdreieck werden unter der Grundstruktur der Triade ‚KundeBerater-Stakeholder’ zwei Dienstleistungsdyaden miteinander verwoben, wobei jeweils die dritte Rolle der Triade im Sinne des zu ‚lösenden Problems’ integriert wird: Die Dyade der ‚Primärdienstleistung’ stellt die Grundkonstellation zwischen dem Auftraggeber, also z.B. dem Kommunikationsbeauftragten in einem Unternehmen, und dem externen PR-Dienstleister, also z.B. einem in einer PR-Agentur angestellten Kundenbetreuer dar. Im Beispiel klassischer Media Relations ist der Journalist bzw. seine publizistische Arbeit quasi das zu lösende ‚Problem’. Aufgabe des externen PR-Beraters ist es, durch professionelle Medienarbeit die Kommunikationsziele und -botschaften seines Auftraggebers umzusetzen. In einer zweiten Dyade, der ‚Sekundärdienstleistung’, ist nun der Journalist der Bediente; sein vom PR-Profi zu lösendes ‚Problem’ ist z.B. die Beschaffung von Informationen über ein Unternehmen oder die Herstellung von Kontakten zu gewünschten Ansprechpartnern in einer Organisation.
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Abb. 2: Das doppelte Beratungsdreieck externer PR-Dienstleistungen
Quelle: Eigene Darstellung.
Sicherlich: Eine Dienstleistung im engeren Sinne findet zwischen externen PRBeratern und Stakeholdern nicht statt, da das Grundprinzip des direkten Äquivalententausches ‚Leistung gegen Geld’ nicht gegeben ist. Deshalb muss in diesem adaptierten Modell die Rolle des Kunden in die drei Komponenten Auftraggeber, Geldgeber und Dienstleistungsempfänger ausdifferenziert werden. Auftraggeber und Geldgeber für Primär- und Sekundärdienstleistung zugleich ist immer der Kommunikationsbeauftragte im Unternehmen bzw. in der Organisation10. Zwischen externem PR-Berater und dem Journalisten als sekundärem Dienstleistungsempfänger besteht eine Art QuasiDienstleistungsbeziehung, in der interaktive und kommunikative Abstimmungsprozesse stattfinden, und an welcher der Journalist aktiv partizipiert11. Primär- und Sekundärdienstleistung hängen im doppelten Beratungsdreieck damit untrennbar zusammen, die 10
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Im Modell können in Anlehnung an die Differenzierung in Mikro- und Makrorollen im Beratungsprozess (vgl. Carqueville 2001) sowohl Individuen als auch Organisationen in der Berater- bzw. Klientenrolle sein. Vor dem Hintergrund der spezifischen Fragestellung sozialpsychologischer Effekte wird in diesem Beitrag jedoch der Fokus auf das Individuum gelegt, das in einen jeweiligen organisationalen Kontext eingebettet ist. Eine ganz ähnliche Vorstellung findet sich auch im Intereffikationsmodell von Bentele, Liebert und Seeling (1997; vgl. auch Bentele 2008) in der Annahme von Induktionen und Adaptionen zwischen Journalisten und PR-Akteuren in einer sozial-psychischen Dimension. Und Bentele und Nothhaft betonen sogar explizit, dass sich PR-Profis gemäß den Anforderungen symmetrischer PR auch gegenüber Journalisten bzw. der Öffentlichkeit „als Dienstleister verstehen“ und sich deshalb auch „publizistischen Qualitätskriterien unterwerfen“ müssen (Bentele/Nothhaft 2004: 161).
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Existenz der Primärdienstleistung ist eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen und Bestehen der Sekundärdienstleistung; die Problemlösung in der Sekundärdienstleistung ist zugleich auch Teil der Problemlösung der Primärdienstleistung.
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‚Outsourcing‘ von Rollenkonflikten an externe Dienstleister
Wie weiter oben bereits angeschnitten wurde, stellen Rollenkonflikte wesentliche Störvariablen der problemorientiert-interaktiven Dienstleistung PR dar. Potenzielle wie tatsächliche Rollenkonflikte sind wesentliche Unterscheidungsmerkmale interner und externer PR, da sie die Rahmenbedingungen des Erlebens und Verhaltens der PR-Tätigen und damit die jeweils unterschiedliche psychologische Rahmensituation abstecken. Auch interne Kommunikationsbeauftragte nehmen zwar eine Art Schnittstellen- oder Grenzfunktion zwischen Organisation und Umwelt ein (‚boundary role’, Adams 1976; vgl. auch Theis-Berglmair 2008: 44) und erfahren aufgrund dieser Schnittstellenfunktion immer wieder Rollenkonflikte (sogenannten Inter-Sender-Konflikte, vgl. Nerdinger 2005: 143ff.), weil sie von unterschiedlichsten Akteuren (u.a. Leitung Kommunikationsabteilung, Vorstand, Aktionären, Journalisten, etc.) mit divergierenden Anweisungen bzw. Erwartungen konfrontiert werden (vgl. auch Steinmann/Zerfaß/Ahrens 1993: 38). Im Unterschied zur internen PR besteht bei der beschriebenen Grundkonstellation externer PR-Dienstleistungen aber eine Vervielfachung der Interaktionsbeziehungen und Abhängigkeitsverhältnisse und parallel dazu auch eine Vervielfachung potenzieller Quellen solcher Rollenkonflikte. Denn ein externer PR-Berater vermittelt ja in der Regel nicht nur zwischen einem einzigen Kunden und dessen relevanten Multiplikatoren, sondern muss meist mehrere Aufträge gleichzeitig bearbeiten. Dabei können durchaus recht unterschiedliche Erwartungen verschiedener Auftraggeber und Multiplikatoren an die konkrete Ausübung seiner Schnittstellenfunktion miteinander konkurrieren und im Extremfall zu existenziellen Interessenskonflikten führen. Zusätzlich wird die Position externer PR-Experten erschwert durch den für Berater typischen Person-RollenKonflikt zwischen kommerziellem Auftrag (Auftragskommunikation) und der langfristig existenziellen Glaubwürdigkeit als professioneller und unabhängiger Experte (vgl. Müller et al. 2006: 99). Speziell in der PR ist die Pflege dieser Glaubwürdigkeit als möglichst unabhängiger Experte oft eine wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung des Kommunikationsauftrags selbst, weil nur so die für erfolgreiche Kommunikation ‚auf Augenhöhe’ notwendige Akzeptanz seitens der ‚zu bedienenden’ Journalisten und sonstiger Multiplikatoren möglich wird. Rollenkonflikte jeglicher Art sind also grundsätzlich potenzielle Stressoren (vgl. Nerdinger 2005: 145), die direkten Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit und die Performance von – internen wie externen – PR-Schaffenden haben können. 12 Interne Kommunikationsbeauftragte haben nun eine relativ simple und dabei höchst effektive 12
Zum Phänomen des ‚Dienstleidens’ in der Beraterrolle in der PR vgl. auch Femers (2002, 2008).
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Möglichkeit zur Reduktion von Rollenkonflikten zur Hand, nämlich die Delegation der Schnittstellenfunktion an externe PR-Dienstleister, deren Kerngeschäft ja gerade auch in einer Spezialisierung auf die Gestaltung von Interaktionsbeziehungen besteht. Wir haben es also mit einer Art ‚Outsourcing von Rollenkonflikten’ zu tun. Externen Beratern wiederum gelingt die notwendige Spezialisierung zum einen durch die gezielte Professionalisierung von Strukturen und Prozessen, zum anderen aber auch durch den Einsatz von Spezialisten für Interaktionsprobleme und für das Handling von Rollenkonflikten.
6
Spezialisierung vs. ‚Ghettoisierung‘
Und so schließt sich hier nun auch wieder der Kreis zu unserer Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Fragen. Denn wie oben bereits ausgeführt, scheinen Frauen dank ihrer besseren Interaktionsfähigkeit für genau diese vielfachen und wichtigen Interaktionsanforderungen ja vermeintlich geradezu prädestiniert. Eine in diesem Zusammenhang wichtige Erklärung bezieht sich auf Effekte der geschlechtsspezifischen Sozialisation. So argumentieren Fröhlich et al., dass Frauen praktisch von klein auf bessere Mechanismen, sogenannten Beschwichtigungsgesten (‚conciliatory gestures’), erlernen müssten als die grundsätzlich statushöheren Männer, um Beziehungsmanagement zu betreiben und etwaige Status- und Erwartungsunterschiede auszugleichen (Fröhlich et al. 2005: 151f.; in Anlehnung an Alfermann 1996). Frauen, so könnte man sagen, haben sozialisationsbedingt quasi ein optimiertes Verhaltensrepertoire zur Erleichterung von Interaktionsprozessen parat und verfügen über eine höhere Frustrationstoleranz gegenüber Erwartungsdiskrepanzen. Vordergründig lautet das Fazit also tatsächlich: Frauen sind die optimalen ‚Boundary Spanners’ im doppelten Beratungsdreieck der externen PR-Dienstleistung. Die Annahme einer besonderen Rollen- und Präferenzkongruenz zwischen der weiblichen (stereotypen) Geschlechterrolle, geschlechtsspezifischen beruflichen Präferenzen von Frauen, der Berufsrolle und dem beruflichen Selbstverständnis als externer PR-Berater kann ganz wesentlich zur Erklärung der überdurchschnittlich starken Feminisierung des externen Dienstleistungs- und Beratungssektors beitragen. Gleichzeitig wirken jedoch genauso wie in allen anderen Teilbereichen des Berufsfelds PR auch subtile Faktoren und Prozesse geschlechtsspezifischer Status- und Machtverteilung. Fröhlich thematisiert dies in ihrer Theorie der Freundlichkeitsfalle, in der sie beschreibt, wie „Interaktions- und Kommunikationsverhalten organisationalen Status und soziale Dominanz signalisieren und klassifizieren“ (Fröhlich et al. 2005: 152). Sie argumentiert, dass solche zunächst karrierefördernden geschlechtsspezifischen Stereotypisierungen von PR-Frauen beim Aufstieg in Führungspositionen oder in die Managerrolle in Mängel im Bereich der Führungsqualität oder Durchsetzungsfähigkeit umkodiert und damit zum Karrierekiller werden (vgl. ebd.: 152ff.). Die Abbildung der traditionellen Geschlechterhierarchie als ein Mechanismus der vertikalen Segmentation wird derart in fortwährenden Prozessen der Fremd- und Selbstselektion
Genderaspekte im doppelten Beratungsdreieck
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(re-)konstruiert (vgl. auch Fröhlich/Peters 2007) und Frauen bleibt der Auf- bzw. Einstieg in die sogenannten ‚dominant coalition’ erschwert. Jenseits der Frage der individuellen Karriere von Frauen und Männern im Berufsfeld PR können solche geschlechtsspezifischen Mechanismen auch die Außenwahrnehmung und den Status des gesamten externen Dienstleistungssektors im PRBeratungsdreieck prägen. Wie in der „Agency Ghetto“-These von Fröhlich und Peters (2007: 250f.) konkretisiert, könnte eine Wahrnehmung des externen Dienstleistungssektors als ausgemachte Frauendomäne grundsätzlich die Position externer PR-Berater schwächen, weil solch eine allgemeine Konnotation mit weiblichen Attributen oft einhergeht mit einem allgemeinen Negativ-Image als ‚Frauenberuf’ und einer Marginalisierung der jeweiligen Funktionen im gesamten PR-Prozess. Mechanismen der geschlechtsspezifischen Status- und Machtverteilung schwächen außerdem zusätzlich die von grundsätzlichen, existenziellen Abhängigkeiten von Aufträgen, Etats und einschlägigen Kontakten geprägte Stellung externer Dienstleister. Denn die (Verhandlungs-) Position externer Dienstleister definiert sich ja gerade zwischen zwei meist relativ stark männlich dominierten – und damit in der Geschlechterhierarchie statushöher angesiedelten – Bezugsgruppen der Auftraggeber (interne Kommunikationsbeauftragte) auf der einen und der Multiplikatoren (z.B. Journalisten) auf der anderen Seite.
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Ausblick
Vor dem Hintergrund der hier diskutierten speziellen strukturellen Rahmenbedingungen (überdurchschnittlich hoher Frauenanteil, Vervielfachung der Interaktionsbeziehungen, Schnittstellenfunktion zwischen relativ stark männlich dominierten Berufsgruppen) und psychologischen Anforderungen (erhöhte Interaktionsanforderungen und Rollenkonflikte) externer PR-Dienstleistungen ist die zukünftige PR-Berufsfeldforschung aufgerufen, geschlechtsspezifische Aspekte wie den Feminisierungstrend der Branche und hier speziell des Beratungssegments vermehrt auch unter qualitativen Gesichtspunkten von Organisationskultur, Status und Macht und unter Reflexion sozialpsychologischer Ansätze wie der Rollentheorie zu untersuchen. Die Annahme einer besonderen Rollen- und Präferenzkongruenz bei Frauen in Bezug auf den externen Dienstleistungssektor muss konkretisiert werden hinsichtlich unterschiedlicher Leistungen und Funktionen im Beratungsdreieck; die Herausbildung neuer Frauen- oder auch Männerdomänen in Teilbereichen des Berufsfelds muss verstanden werden in Verbindung mit den unterschiedlichen Karrierewegen und individuellen Berufsbiographien von Männern und Frauen. Mehr Beachtung finden sollten dabei – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der allgemeinen Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und geschlechtsspezifischer Aspekte der Berufsmotivation und Berufszufriedenheit – weitere Differenzierungen unterschiedlicher organisationaler Kontexte in der externen PR-Dienstleistung bzw. des tatsächlichen Erwerbsstatus von externen PR-Experten. Dabei sollte die PR-Berufsfeldforschung weiter differenzieren z.B. zwischen Angestellten in Agenturen, Freiberuflern
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und gewerblich Selbstständigen und insbesondere auch zwischen so speziellen Phänomenen wie der ‚Scheinselbstständigkeit’ (Reindl 2000) oder der ‚Alleinselbstständigkeit’ (vgl. Betzelt 2006) – oft auch unter dem Begriff ‚One-Woman-Shows’ (vgl. Fröhlich/Lorenz 2008; Vaih-Baur/Kastner 2008) geführt – und diese in Hinblick auf geschlechtsspezifische Fremd- und Selbstbilder im doppelten Beratungsdreieck externer PR-Dienstleistungen ausleuchten. Literatur Adams, J. Stacy (1976): The structure and dynamics of behaviour in organizational boundary roles. In: Marvin N. Dunnette (Hg.): Handbook of industrial and organizational psychology. Chicago, 1175-1199. Alferman, Dorothee (1996): Geschlechterrollen und geschlechtsspezifisches Verhalten. Stuttgart. Bentele, Günter (2008): Intereffikationsmodell. In: Günter Bentele/Romy Fröhlich/Peter Szyszka (Hg.): Handbuch der Public Relations. 2. kor. u. erw. Aufl. Wiesbaden, 209-222. Bentele, Günter/Lars Großkurth/René Seidenglanz (2005): Profession Pressesprecher. Vermessung eines Berufsstandes. Berlin. Bentele, Günter/Lars Großkurth/René Seidenglanz (2007): Profession Pressesprecher 2007. Vermessung eines Berufsstandes. Berlin. Bentele, Günter/Tobias Liebert/Stefan Seeling (1997): Von der Determination zur Intereffikation. In: Günter Bentele und Michael Haller (Hg.): Aktuelle Entstehung von Öffentlichkeit. Akteure – Strukturen – Veränderungen. Konstanz, 225-250. Bentele, Günter/Howard Nothhaft (2004): Auf der Suche nach Qualität. Einige Gedanken und einige Dreiecke. In: Jualiana Raupp/Joachim Klewes (Hg.): Quo vadis Public Relations? Auf dem Weg zum Kommunikationsmanagement: Bestandsaufnahme und Entwicklungen. Wiesbaden, 145-163. Betzelt, Sigrid (2006): Flexible Wissensarbeit: AlleindienstleisterInnen zwischen Privileg und Prekärität. ZeS-Arbeitspapier 3-2006, Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen; http://www.zes.uni-bremen.de/ccm/content/veroeffentlichungen/arbeitspapiere.de?id=250 (Stand: 15.07.2009). Carqueville, Petra (2001): Rollentheoretische Analyse der Berater/Klienten-Beziehung. In: Michael Hofmann (Hg.): Theorie und Praxis der Unternehmensberatung. Bestandsaufnahme und Entwicklungsperspektiven. Heidelberg, 247-280. Femers, Susanne (2002): Berater und Klienten – Die Inszenierung destruktiver Beziehungen. In: Alexander Güttler/Joachim Klewes (Hg.): Drama Beratung! Consulting oder Consultainment. Frankfurt a. M., 41-54. Femers, Susanne (2008): Public Relations aus sozialpsychologischer Sicht. In: Günter Bentele/Romy Fröhlich/Peter Szyszka (Hg.): Handbuch der Public Relations. 2. kor. u. erw. Aufl. Wiesbaden, 50-61. Fielden, Sandra L./Ralph Tench/Johanna Fawkes (2003): Freelance working communications practitioners: The impact of gender on well being. In: Corporate Communications: An International Journal, 8. Jg., H. 3, 187-197. Fröhlich, Romy/ Sonja B. Lorenz (2008): Self-employed Public Relations practitioners in Germany – ‘One-woman-shows’ beyond male hierarchies? Vortrag auf der Jahrestagung der European Public Relations Education and Research Association (Mailand, 16.-18. Oktober). Fröhlich, Romy/Sonja B. Peters (2007): PR bunnies caught in the agency ghetto? Gender stereotypes, organizational factors, and women’s careers in PR agencies. In: Journal of Public Relations Research, 19. Jg., H. 3, 229-254. Fröhlich, Romy/Sonja Peters/Eva-Maria Simmelbauer (2005): Public Relations. Daten und Fakten der geschlechtsspezifischen Berufsfeldforschung. München.
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Herausforderungen und Wandel der PR-Beratung
Wirksam beraten! Konsequenzen eines veränderten Strategiebegriffs für die Kommunikationsberatung Lars Rademacher
Kommunikationsberatung lebt von vielfältigen Mythen. Einige betreffen die grundsätzliche Bereitschaft, die ‚Beratbarkeit’ von Personen oder Organisationen vorauszusetzen. Andere beziehen sich auf die Anerkennung eines nicht näher bestimmbaren Leistungsspektrums von Beratung.1 Eine dritte Perspektive bezieht sich auf Beratung als Qualitätsindikator und Rationalisierungsinstanz. Schaut man von diesem Befund aus auf die Kommunikationsberatung, die im Mittelpunkt dieses Beitrags steht, dann behaupten auf der einen Seite Beratungshäuser und so genannte (oder selbst ernannte) „spin doctors“ ein Leistungsportfolio, das strategische Kompetenzen signalisiert. Andererseits nehmen Auftraggeber Berater als ‚Geheimwaffe’ unter Vertrag und involvieren sie in Planungs- und Entscheidungsprozesse. Dieses System der closed circuits2 lebt von der Suggestivkraft der Mythen. Strukturen des Beratungshandelns zu erkennen, erweist sich daher bei näherer Betrachtung als schwieriges Unterfangen. Solche Mythen haben sich gebildet vor dem Hintergrund einer alteuropäischen Illusion der Realisierbarkeit von strategischer Planung. Das feste Vertrauen in die Strategierealisierung ist die Voraussetzung des Glaubens an eine Mechanik und Wirksamkeit von Beratungshandeln, die ein ganz spezifisches Verhältnis von Zieldefinition und Mitteleinsatz vorschreibt. 1
2
Mit dem Leistungsspektrum von Kommunikationsberatung beschäftigt sich an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK) das gemeinsam mit der Gesellschaft Public Relations Agenturen (GPRA) aufgelegte Forschungsprojekt „Kompetenzprofile der Executive-Beratung: Leistungsbeschreibung – Kundenwahrnehmung – Prozessanalyse“ (Laufzeit: April 2009 bis Dezember 2010). Mit closed circuits sind geschlossene Konstellationen aus Auftraggebern, Beratungshäusern und Anbietern von für die Beratung relevanten Theoriebeständen gemeint, die dadurch ein in sich geschlossenes Argumentations- und Verwertungssystem etablieren können (vgl. hierzu Abrahamson 1996).
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Lars Rademacher
Im vorliegenden Beitrag geht es nun darum, diese landläufigen Beratungsmythen mit einer anderen Denktradition zu vermitteln. Denn bislang stehen sich beide Perspektiven als sich ausschließende Alternativen gegenüber. Konkret handelt es sich um die Konfrontation mit der chinesischen Philosophie, die – obwohl sehr alt – durch eine Reihe neuer ‚Übersetzer’ zunehmendes Interesse in der westlichen Wissenschaft findet. 3 Einer dieser prominenten Übersetzer ist der französische Kulturwissenschaftler und Philosoph François Jullien, der sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit in Managementkreisen erfreut. Er dient im vorliegenden Beitrag als „Kronzeuge“ der oben beschriebenen Konfrontation. Gleichwohl soll eingeräumt werden, dass es sich bei diesem Versuch einer Ableitung von Erkenntnissen aus dem chinesischen Strategieverständnis um einen durchaus spekulativen Versuch handelt. Wie fruchtbar diese Überlegungen für die Theorie der PR-Beratung tatsächlich sind, müssen allein die Leser entscheiden.
1
Beratungsverständnisse
Im Mittelpunkt praktisch aller gängigen Literatur zum Thema Beratung (vgl. Grimm/ Bamberg 2006) steht der Interaktionszusammenhang von Ratgeber und Ratsuchendem. Von diesem Kern ausgehend, reicht der Beschreibungsrahmen von der Interpretation, Beratung sei ein Gespräch zwischen Ratgeber und Ratsuchendem, bis zur Position, es gehe um die Einschätzung alternativer Optionen oder die Begleitung in Entscheidungssituationen. Charakteristisch ist in jedem Fall, dass Beratungshandeln auf Entscheidungen hinführt, diese aber nicht einholen oder ersetzen kann. Ihre Aufgabe ist die Entscheidungsvorbereitung. Daher muss die Unterscheidung Berater/Entscheider stets mitgedacht werden, wenn Beratungshandeln diskutiert wird. Berater würden gern entscheiden, dürfen aber nicht. Entscheider haben mitunter die Tendenz, Entscheidungen zu delegieren oder zu verschieben, können sich aus ihrer Entscheidungspflicht aber nicht befreien (vgl. Rademacher 2001). Als Person kennzeichnen Berater Fachwissen, Erfahrung und Persönlichkeit. Erst die nähere systemtheoretische Betrachtung kommt über den anfänglichen Befund hinaus, dass Beratung sich auf Fachwissen oder Know-how bezöge, das dem Klienten Wissensvorsprünge einräumt. Denn viel wahrscheinlicher als ein direkter Übertrag von Wissen auf Klienten ist die Unterstützung desselben, eine Problemlösung aus seinem eigenen Wissen zu schaffen. Den Beratenen wird vor Augen geführt, was er bereits (und immer schon) weiß. So etwas wird beschrieben als „maieutischer Dialog“ (Schützeichel 2004: 282). In diesem Sinne wird Problemlösung durch Beratung unterstützt. Manchmal auch dadurch, dass Beratung erst Reflexionsräume eröffnet und
3
Jullien wird in den letzten Jahren von Teilen der systemtheoretischen und der systemisch-familientherapeutisch orientierten Managementforschung rezipiert. Einschlägige Autoren sind u.a. Dirk Baecker, Uwe Schimank, aber auch „Theoretiker-Praktiker“ wie Hermut Kormann. (Vgl. www.uni-leipzig.de /familienunternehmen)
Wirksam beraten!
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spontanen Handlungsdruck mindert. Darauf wird im Blick auf den Beratungsprozess der PR noch einmal zurückzukommen sein. Beratung hat sich als ein gesellschaftliches Deutungsmuster und als Beobachtungsinstanz etabliert. Berater gelten als Deuter gesamtgesellschaftlicher Entwicklung. Beratungsfiguren wie die Chefs der marktführenden Unternehmensberatungen werden im gesellschaftlichen Gespräch dazu aufgefordert, Prognosen über den Status der Gesellschaft (etwa in Bildungsfragen) abzugeben. Oder man überträgt ihnen (wie in der weltweiten Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009) die Aufgabe, ganze Unternehmenskonglomerate und Branchen neu zu strukturieren. Doch im elementaren Rahmen ist ein fast schon simpler Zusammenhang konstitutiv für jedes Beratungsverständnis: Beratung ist realisiert, wenn sich Kunden beraten fühlen und Berater für ihre Leistung vergütet werden. Beratung könnte also in erster Linie (!) einen Rezeptionsmodus des Klienten darstellen. Beratung kann schließlich auch als Qualitätsindikator verstanden werden. Denn Beratung signalisiert kontrollierte Prozesse, die Wertsteigerung garantieren und Prozessblockaden offenlegen oder gar entschärfen. Umgekehrt ist Prozesssteuerung ohne Beratung zum Risiko geworden. Qualität und Beratung scheinen als Kausalkette miteinander verwoben, Qualität entsteht aufgrund von Beratung. Abgeleitet ist Beratung damit ein Statussymbol. Denn nur wer sich Beratung leisten kann, hat eine Chance auf prognostizierbaren Erfolg. Entscheidend für die Beschreibung der PR-Beratung, die ich als spezifische Form der Kommunikationsberatung von Organisationen begreife, ist das Rollen- und Prozessverständnis im Beratungshandeln. Beratung ist dabei – anders als in der PR-Praxis häufig verwendet – kein Sammelbecken für all jene Handlungen im Auftrag des Kunden oder in der Kundeninteraktion, die nicht direkt oder indirekt mit Redaktion, Medienkontakt oder Organisation zu tun haben. Denn nicht jedes Gespräch mit dem internen oder externen Kunden ist immer gleich per Definition ein Beratungsgespräch. Umgekehrt soll aber keineswegs bestritten werden, dass es auch eine qualifizierte ausführungs- und umsetzungsbegleitende Maßnahmenberatung gibt. Doch steht das nicht im Mittelpunkt der hiesigen Überlegungen. Stattdessen soll Beratungshandeln hier zunächst von seinem Begriffskern her verstanden werden. Und beispielsweise die über Dienstleister betriebene kurzfristige Kapazitätsausweitung (i.S. der „verlängerten Werkbank“) gehört nicht zum Kern des Beraterhandelns. Beratungshandeln soll hier stattdessen als kooperative Strukturierungsleistung und Koorientierung von Berater und Klient verstanden werden. In der PR-Beratung wird diese Strukturierungsleistung herangezogen, um den Handlungsspielraum einer Kommunikationssituation in Bezug auf die relevanten Stakeholdergruppen zu definieren. Hier werden alternative Sichtweisen diskutiert und entworfen. Berater und Klient einigen sich durch die Auswahl bestimmter Umweltinformationen und deren kanonische Interpretation auf eine spezifische Situationsbeschreibung und die sich daraus ergebenden Handlungsalternativen (Koorientierung). Die PR-Beratung zielt darauf, die kommunikative Anschlussfähigkeit im Blick auf die situativ relevanten Stakeholdergruppen
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Lars Rademacher
zu erhöhen und die Zahl der Handlungsalternativen der Organisation zu steigern. Im Blick auf die Kommunikationsstrategie der Organisation hat die PR-Beratung die Aufgabe, Unternehmensstrategie innerhalb und außerhalb der Organisation zu plausibilisieren und deren Plausibilität zu prüfen. Bei wahrgenommenen Diskrepanzen ist das Ziel, einen Zusammenhang zwischen Strategie und Darstellung herzustellen. Umgekehrt vermittelt die PR-Beratung Erwartungshaltungen der Stakeholder in die Organisation. Sie gibt diesen ausgewählten Umweltinformationen dabei eine Form, die den Entscheidern der Organisation Einschätzungen über die Relevanz der Stakeholdererwartungen ermöglicht. Ulrike Röttger und Sarah Zielmann sprechen (im vorliegenden Band) in Bezug auf PR-Beratung nun von einer Beratungs-Triade Berater-Klient-Bezugsgruppe, wobei sie vorschlagen, als PR-Beratung immer externe Beratung zu bezeichnen. Damit ließe sich die terminologische Klarheit erhöhen; denn wo sich der Berater befindet (ob in der Organisation selbst oder in der Organisationsumwelt), hat Auswirkungen auf die hier vertretene Option von Beratungshandeln (vgl. die Abschnitte 3 und 4).
2
Das Strategische in der strategischen Kommunikationsberatung
Typisch für den Beratungsbegriff der PR-Praxis ist die oben bereits beschriebene handwerkliche Orientierung. Ein Berater ist in der PR-Praxis zumeist jemand, der über einen längeren Zeitraum in einer Agentur tätig ist, also Erfahrungen gesammelt hat. Der Beraterstatus ergibt sich dann ganz automatisch über die Betriebszugehörigkeit. Wer über einen Erfahrungsschatz verfügt und viel Expertise in der Durchführung und Detailplanung von PR-Maßnahmen bewiesen hat, kann als versierter Berater i.S. eines Titels gelten. Doch zugleich verbindet sich mit der Verortung im Operationalen ein Dilemma, das die PR-Beratung auflösen muss: Beratungsleistungen profitieren nur dann von einer hohen Alimentierung, wenn sie als besonders exklusiv gelten können. Die operative Medienarbeit beispielsweise, die lange das Praxisverständnis von PRBeratung prägte4, ist allerdings eine weitgehend austauschbare Leistung. Hohe Beratungshonorare (die für die PR-Praxis einen wichtigen Beweggrund darstellen) sind damit kaum zu rechtfertigen. Der Beratungsbegriff der PR-Beratungspraxis erfüllt also selbst schon strategische Funktion. Er dient als Abgrenzungsmerkmal und Nobilitierungsvokabel. Das setzt sich bis in einzelne Firmierungen der PR-Beratungsunternehmen fort.5 Die Frage ist dann zunächst nicht, was Beratung genau tut, sondern wie sie sich als solche Anerkennung verschaffen kann, um im zweiten Schritt hohe Legitimation für ihre Analysen und Empfehlungen zu erwirken. Es geht hier also um eine Vorwegnahme potenzieller Zu4
5
In einem frühen Überblick zur Qualität von PR-Beratung, den Fuhrberg (1999) zusammengestellt hat, wird die damals herrschende Dominanz der Medienarbeit deutlich. Weitergehende Beratungsleistungen kommen hier nur in einer Art Sammelbecken als „Leistungsbündel“ (1999: 41) vor. Mehrere Kommunikationsdienstleister unterstreichen ihre „Beratungsorientierung“, indem sie schon in der offiziellen Firmierung als „Kommunikationsberatung“ oder „Unternehmensberatung für Kommunikation“ auftreten.
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rechnung (i.S. Ricœrs 2006: 138-144) – noch ehe zurechenbare Handlungen erfolgt sind.6 Die Grundlage des dafür notwendigen Beratungsmythos (nicht nur im Bereich der Public Relations) stiftet die ‚Erfindung’ des Strategischen. Strategisches Handeln ist aber zunächst nichts weiter, als eine spezifische Relation von realistischer Zielsetzung und effizientem Mitteleinsatz (vgl. Brunken 2007: 253). Doch was genau ist das Strategische an der Strategischen Kommunikation? Howard Nothaft (2006) hat dazu in einem Vortrag einige Überlegungen zusammengestellt, die sich im Wesentlichen mit dem Zusammenhang zwischen Strategischer Unternehmenskommunikation 7 und der Kommunikation von Unternehmensstrategie (kurz: Strategiekommunikation) auseinandersetzen (vgl. Abb. 1). Abb. 1: Strategische Unternehmenskommunikation und Kommunikation von Unternehmensstrategie
Quelle: Nothaft 2006.
6
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Luhmann und Fuchs (1997: 211f.) bezweifeln im Übrigen den generellen wissenschaftlichen Status der „Unternehmenstheorie“, aus dem sich Unternehmensberater bedienen. Hier treffe man auf laufend wechselnde Moden, „deren nichtssagende Titel zugleich eine Neuorientierung der Forschung und der Beratung suggerieren, sich also als Etiketten der Selbstauszeichnung innerhalb der wissenschaftlichen und innerhalb der ökonomischen Konkurrenz von Beraterfirmen eignen.“ PR-Beratungsfirmen dürften hier keine Ausnahme darstellen. Nothaft (2006) empfiehlt, nicht von strategischer Kommunikation, sondern von „Strategischer Unternehmenskommunikation“ zu sprechen, um den Gegenstand damit als „managementtheoretische Frage“ zu präzisieren. Denn hinter der allgemeinen Frage nach der strategischen Kommunikation vermutet er einen philosophischen Diskurs, den er gern umgehen würde. Ich greife seine Empfehlung hier auf und folge ihr.
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Nothaft zeigt auf, dass eine Kommunikationsstrategie als unterstützender Parallelprozess zur Umsetzung einer Unternehmensstrategie zu denken ist (vgl. Abb. 2), während die Strategiekommunikation vor allem die meist mit Begriffen wie Vision oder Mission etikettierten Aussagen zur strategischen Zielsetzung eines Unternehmens für die unterschiedlichen Stakeholder interpretiert. Nothaft löst die Unterscheidung letztlich zusammenfassend unter dem Stichwort der strategischen Unternehmenskommunikation in verschiedenen Rollen auf (vgl. Abb. 3). Diese Rollen geben einen guten Anhaltspunkt, worum es in der Erfassung des strategischen Elements der Unternehmenskommunikation im Folgenden gehen sollte. Die unterschiedlichen Strategiedimensionen zeigen auf, dass der Bezugsrahmen von der Visions- bzw. Strategieentwicklung und Strategiekommunikation über operative Strategien bis zur Projektion eines künftigen Strategieverlaufs reichen kann. Abb. 2: Unternehmensstrategie und Kommunikationsstrategie als Roadmap
Quelle: Nothaft 2006.
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Strategieentwicklung und strategisches Planen ist – darüber lässt sich schnell Einigkeit herstellen – ein Feld, das sowohl PR-Manager in Unternehmen als auch Berater als Etikett oder Qualität ihrer Arbeit oder gar als Handlungsfeld für sich reklamieren werden. Ist eine Aufgabenstellung in der Organisation strategischer Natur, dann steigt das Ansehen der Aufgabe und des Ausführenden. Strategieentwicklung ist jedoch aus Sicht der Unternehmensleitung nicht genuin ein Feld der Kommunikationsabteilungen und PR-Berater. Nothaft betont, dass die Strategieentwicklung nach wie vor eher in Abteilungen angesiedelt ist, die weihevolle Namen wie Konzernentwicklung oder Ähnliches tragen. Doch mehr und mehr etablieren sich einzelne Abteilungen, in denen Kommunikationsspezialisten abseits des operativen Kommunikationsgeschäftes „Zeit zum Denken“8 haben sollen. Diese Abteilungen beteiligen sich daran, die Geschäftsfelderschließung und -absicherung für die Zukunft zu betreiben, während die operativen Kommunikationsabteilungen das Geld der Gegenwart verdienen helfen (vgl. Nothaft ebd.). Abb. 3: Rollen der strategischen Unternehmenskommunikation
Quelle: Nothaft 2006.
Von PR-Beratung darf nun erwartet werden, dass sie in der Lage ist, die Steuerung von Strategieprozessen auf professioneller Ebene zu begleiten. Hier nehmen interne und externe Beratung unterschiedliche Aufgaben wahr. Wie Röttger und Zielmann im vor8
So Christof Ehrhart bei einem Vortrag über internationales Kommunikationsmanagement am 04. Dezember 2008 an der MHMK München. Entsprechende Abteilungen existieren u.a. bei EADS und BMW. Vgl. dazu exemplarisch die Bachelorarbeit von Daniel Schuster (2009): Möglichkeiten und Grenzen der Etablierung einer konzernweiten Kommunikationsstrategie am Beispiel der BMW Group. München.
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liegenden Band betonen, simuliert die interne Beratung Externalität. Das führt zu Einschränkungen bei der Etablierung eines angemessenen Reflexionsrahmens (vgl. Röttger/Zielmann in diesem Band). Gleichwohl ist die Interpretation des Außen im Innen möglich und in gewissem Rahmen auch unumgänglich, wie im nächsten Abschnitt zu zeigen sein wird. Externe Beratung hat den Vorteil einer nicht nur simulierten Außenperspektive. Dies zeichnet sie aus. Allerdings importiert sie durch diese Perspektive ein neues Problem. Organisationsmitglieder stimmen sich permanent über ihre Positionen zum Organisationshandeln ab. Deshalb stehen sich viele dieser Interpretationen sehr nahe. Über die organisationsinterne Vernetzung werden die v.a. in einzelnen Abteilungen hochkonsistenten Organisationsbilder per Crosscheck mit Organisationsbildern anderer Abteilungen validiert. Dies geschieht primär entlang der Linien der organisatorischen Zusammenarbeit (‚strong links’), aber auch über Loops – also ungeplante Kommunikationsstränge –, die quer zu den Abteilungsstrukturen verlaufen und i.d.R. auf persönliche Nähe und Sympathie einzelner Organisationsmitglieder basieren (‚soft links’). Berater haben hingegen keinen direkten Zugang zu diesen Reflexionsebenen. Gerade das ist der Vorteil der Externalität: Sie ist frei von der Blindheit der Substrukturen, in denen Organisationsangehörige agieren. Allerdings haben sie dadurch auch nicht die Chance der Crossvalidierung mit den Angehörigen einer Unternehmensabteilung. Denn charakteristisch ist die Beauftragung von Beratern durch einzelne Führungskräfte oder Abteilungsleiter. Damit wird nur eine Organisationssicht – nämlich z.B. die der Unternehmensführung – als Setzung des Beratungsprozesses etabliert. Auch der zweite Crosscheck über die Abteilungsgrenzen hinweg entfällt in der Regel. Externe (PR-)Beratung kann daher zwar die Externalität einbringen und auf diese Weise per Irritation von Selbstbeschreibungen (vgl. Jansen 2007: 111f.; vgl. Röttger/ Zielmann in diesem Band) Entscheidungsfindungen beeinflussen. Aber ihr Blick bleibt notwendig limitiert. Natürlich lassen sich diese Effekte reduzieren durch eine langjährige Organisationsberatung und eine Tätigkeit für viele unterschiedliche Abteilungen. Auch Befragungen von Organisationsmitgliedern innerhalb komplexerer Beratungsmandate helfen dabei, die Orientierung zu erhöhen und Selbstbeschreibungen zu erfassen. Dennoch kommt es nicht zu einer Organisations(teil)innenansicht, wie sie nur durch die längerfristige Prozessbeteiligung möglich wird. Diese entsteht allenfalls bei sehr lang laufenden Beratungsprozessen (etwa sehr großen IT-Projekten oder Umstrukturierungsprozessen), bei denen die Mitarbeiter der Beratungshäuser quasi wie Organisationsmitglieder agieren. Ihr Status beginnt zu oszillieren. Weder Organisationsmitglieder noch die Berater selbst können die Statusfrage in solchen Phasen klar beantworten. Sie scheint sich aufzulösen. Wenn ein solcher Grad von Vertrautheit erreicht ist, haben Berater die Möglichkeit, eine Organisationsperspektive einzunehmen, die der des Organisationsmitglieds sehr nahe kommt, ohne mit dieser identisch sein zu müssen. Bleibt der Berater in solchen Phasen genügend angebunden an sein Beratungshaus (wird er also nicht distanzlos zu einem Quasi-Mitarbeiter der Klientenorganisation), besteht zumindest die Chance, die Crosschecks so zu implementieren, dass die durch
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Beratung intendierten Irritationen treffend ansetzen. Doch auch diese Situation hat natürlich ein Problem: Derart lang laufende Beratungsprozesse umgreifen gar nicht mehr das hier intendierte Beratungsverständnis, sind sie doch zumeist auf die Exekution einer Strategie in Form von Prozessimplementationen gerichtet. In einem strengen Sinne handelt es sich also gar nicht mehr um Beratung, sondern um operative Arbeit und die Umsetzung von Beratungsempfehlungen. In den meisten Fällen findet externe PR-Beratung eher im kurz- und mittelfristigen Rahmen statt. Projekte, bei denen Berater so intensiv beteiligt sind, dass sie im oben beschriebenen Sinne temporär mit der Organisation verschmelzen, sind nach meiner Kenntnis des Marktes sehr selten. Deshalb kann der höchste Wirkungsgrad von PRBeratung eigentlich erst dadurch entstehen, dass interne Beratungsperspektive und externe Beratungsperspektive miteinander abgeglichen werden. Ich nenne dies ein Beratungspassepartout – durchaus in Anlehnung an den bekannten Wechselrahmen. Denn exakt um diese Rahmung soll es im Folgenden gehen. Doch ein paar Grundannahmen müssen zunächst vorausgesetzt werden: Ich gehe davon aus, dass die internen Kommunikationsverantwortlichen ihre Aufgabe tatsächlich darin sehen, eine quasi externe Perspektive auf das Unternehmen als Handlungsgrundlage zu integrieren. Des Weiteren setze ich voraus, dass sie dies in der Absicht tun, aus ihrem Vorgehen eine Grundlage für solche Handlungsalternativen abzuleiten, die mit dem Begriff der Beratung umschrieben werden können. Es muss also ein eigener Beratungsanspruch vorhanden sein, der die entsprechenden Abteilungen dazu anleitet, sich als Reflexionszentren zu begreifen (vgl. Kussin 2009). Trifft diese Beratungshaltung nun auf externe Expertise, besteht die Möglichkeit zum asymmetrischen Abgleich. Natürlich handelt es sich bei diesem Abgleich keinesfalls um tatsächliche Konstellationen in der Organisation, sondern um Zugänge zur und Narrationen über die Organisation. Wie Nicole Saam (in diesem Band) betont, erzeugen PR-Berater die Umwelt der Organisation im Beratungshandeln für diese: sie erschaffen sie erst, machen sie zugänglich und verfügbar. Das hat eine eindeutige Konsequenz! Die externe Perspektive produziert eine alternative Sicht der Organisation, die einen überstarken Gültigkeitsanspruch reklamiert. Dieser hegemoniale Anspruch muss vermittelt werden, da klar ist, dass die Bestimmungsgründe der externen Perspektive den genannten Limitationen unterliegen, also nur aufgrund der Externalität zustande kommen. Deshalb bedarf es des Ausgleichs durch die interne Beratungshaltung. Auch sie ist zwar nur eine mögliche Perspektive und Interpretation der Organisationsgeschichte. Doch aus dem Abgleich der externen Beraterempfehlung mit der Eigensimulation der Organisationsgeschichte entsteht dann ein Beratungspassepartout, das relative zeitliche und räumlicher Stabilität besitzen kann.
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Ziel oder Konsequenz: Der Verzicht auf Zweck-Mittel-Beziehungen
Die Idee der Rahmung findet sich wieder, wenn die Perspektive des chinesischen Denkens eingenommen wird. Wie oben erwähnt, geht es bei der Strategie um den Einsatz bestimmter Mittel (Ressourcen), um ein Ziel zu erreichen. Voraussetzung dafür ist ein Plan, der auf das Handeln und die Organisation bezogen wird. In den Worten Julliens (1999: 53): Zu „handeln bedeutet ganz allgemein, die Mittel im Hinblick auf einen gegebenen Zweck einzusetzen, und die Wirksamkeit beruht auf der Angleichung zwischen dem Zweck und den eingesetzten Mitteln“. „In China“, so führt Jullien (ebd.: 54) weiter aus, „stoßen wir auf ein Denken der Wirksamkeit, das keinen Plan auf den Lauf der Dinge projiziert und daher das Verhältnis nicht, oder nicht mehr, aus diesem Zweck-Mittel-Blickwinkel betrachtet: die Wirksamkeit beruht folglich nicht auf einer Anwendung (der zuvor entworfenen Theorie, die das Reale verdeckt, so dass sie es rasch nach ihrem Bild kopieren kann), sondern eher auf einer Ausbeutung (indem das in der Situation gegebene Potential ausgenutzt wird).“ >Kursivierungen im Original/LR@
In diesem Zitat ist praktisch alles enthalten, was die neue Sicht kennzeichnet: Das Maß der Dinge ist nicht der Plan, der auf die Realität appliziert wird. Es geht auch nicht um die Planerfüllung. Die Augen werden auf die feststellbaren Abläufe gerichtet, nicht auf das Modell oder das Ideal. Das Fehlen eines Ideals führt zur Flexibilität den Dingen gegenüber. Entscheidend ist immer das, was da ist. Die Kohärenz des Vorgefundenen steht stets über der Theorie. Nicht das Ziel steht im Mittelpunkt, sondern die Wirkung. Diese ist eine Konsequenz aus dem Potenzial der Situation und der in ihr erfolgten Handlungen. Das Potenzial der Situation wird verstanden als Kombination aus Situation und Konstellation. Stärke und Schwäche (in einem Markt, einem Konflikt) ergeben sich aus dieser Situation, das Potenzial bestimmt den Grad an Mut, den man zum Handeln aufwenden muss. Damit ist deutlich, dass nicht das vorgegebene Ziel dominiert, sondern das Potenzial der Situation das Handeln bestimmt. Denn jedes Handeln hat stets Konsequenzen. Auf sie gilt es sich einzustellen und das Handeln danach auszurichten. Die Analyse der Situation bekommt so das alles entscheidende Gewicht im Beratungsprozess. Denn weil der Erfolg durch die Situation vorherbestimmt ist, muss über diesen Rahmen des Handelns – das Beratungspassepartout – Einigkeit erzielt werden. PR-Beratung hat dann die Aufgabe, die Abstimmung bis hin zum Beratungspassepartout zu managen. PR-Beratung arbeitet an diesem Situationspotenzial: „Genauer gesagt“, schreibt Jullien (1999: 61) über den Strategen, „seine ganze Strategie besteht darin, dafür zu sorgen, dass sich die Situation so entwickelt, dass die Wirkung zunehmend aus ihr selbst hervorgeht und dass sie zwingend ist.“
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Abschließend soll nun gezeigt werden, welche Konsequenzen sich aus einem solchen geänderten Strategieverständnis für die PR-Beratung ergeben.9 Der Begriff der Beratung wurde ja bereits mehrfach als Irritation von Selbstbeschreibungen eingeführt. Fasst man die bisherigen Erkenntnisse zusammen, so lässt sich diese Aussage offenbar noch erweitern, indem nicht nur Selbstbeschreibungen, sondern auch Fremdbeschreibungen irritiert werden. Zunächst bezieht sich dies auf solche Fremdbeschreibungen, die als Simulationen in der Organisation produziert werden (1). Im nächsten Schritt betrifft dies auch die durch externe Expertise aufgeworfenen Organisationsbeschreibungen, die als Re-Entry in die Organisation eingeführt werden (2). Diese doppelte Irritation ist im Grunde charakteristisch für jede Form von Beratung. Spezifisch für PR-Beratung ist nun, dass der Abgleich des Beratungspassepartouts in einem weiteren Schritt auch als Irritation öffentlicher Diskurse über Beschreibungen der Organisation verwendet wird (3). Diese dritte Irritationsstufe ist spezifisch für die Form von Organisationsberatung, die PR-Beratung darstellt. Ich sehe hier im Übrigen durchaus eine Nähe zum Entwurf von Peter Szyszka, der im vorliegenden Band von „Beobachtungen 3. Ordnung“ spricht. Aus der Perspektive der Wirksamkeit muss nun gefragt werden, wie der klassische Begriff der Irritation sich zur chinesischen Denkweise fügt, die im Rahmen dieses Textes als alternativer Zugang zur PR-Beratung vorgeschlagen wird. Und damit komme ich auf das Situationspotenzial zurück. Einleitend ging es um unterschiedliche Beratungsverständnisse. Dort wurde bereits der „maieutische Dialog“ (Schützeichel 2004: 282) kurz behandelt, der dem Klienten aufzeigt, was er eigentlich schon immer (aus sich heraus) wusste. Es geht darum, ihm seinen eigenen Aktions- und Interpretationsradius vor Augen zu führen. Das hilft, Handlungsdruck und Unsicherheiten zu reduzieren und macht den Weg frei für eine eingehende und nachhaltige Analyse der Situation. Denn Beratung ist vor allem Beobachtung! Gerade wenn im Kommunikationsmanagement keine allzu intensiven Verschränkungen z.B. von externem Berater und Organisation an der Tagesordnung sind, muss die Beobachtung der Organisation in ihren Kontexten und Märkten intensiv erfolgen. Das leisten einige der bereits etablierten Beobachtungsinstanzen (Medienbeobachtung, Peergroup-Beobachtung, ManagementDialoge, Manager-Befragungen, Targeting etc.). Wirksame PR-Beratung bedeutet dann, immer wieder die Organisationsperspektive (als Organisationsinnenansicht wie als Organisationsaußen-Simulation) zu hinterfragen und sie mit alternativen Organisationsinterpretationen zu irritieren, um den richtigen Zeitpunkt der Intervention vorzubereiten. Dabei handelt es sich für gewöhnlich nicht um stark divergente Perspektiven, sondern im Gegenteil um gradualisierte Interpretationsangebote (vgl. Rademacher 2009a: 58). 9
Eine weitere Alternative zur hier vorgeschlagenen Variante des geänderten Strategieverständnisses wäre, Beratung grundsätzlich als auf Irrtum angelegten Prozess zu beschreiben. Das meint nicht „trial and error“, sondern – mit Foucault – Erkenntnis als Ort des Irrtums zu rekonstruieren, von dem Agamben (2004: 8) sagt, es handele sich um ein erkenntnistheoretisch völlig unerforschtes Feld.
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Aus einer solchen veränderten Beratungshaltung folgt der entscheidende Wechsel: der vom Plan zur Situation. Von jeher arbeitet sich die PR-Beratung an Konzepten ihrer selbst ab, die voraussetzen, dass sie in der Lage sei, mediale Konstellationen vollends zu beeinflussen oder zu drehen. Schaut man jedoch genauer auf PR-Beratungsprozesse oder in operative PR-Programme, dann zeigt sich, dass allenfalls Aufmerksamkeitssteuerungen vorgenommen oder Aufmerksamkeitspunkte gesetzt werden können. PR-Programme sind hingegen nicht in der Lage, Interpretationskonstellationen so zu beeinflussen, dass sich die Situation in kurzer Frist zugunsten der beratenen Organisation dreht. Aber umgekehrt ist die Beschreibung hingegen äußerst treffend: PRBeratung ist in der Lage, die Flexibilität der beratenen Organisation so zu erhöhen, dass sie sich den sich verändernden medialen Strömungen so anpassen kann, dass ihre Argumentationen eine Vielzahl von Verbindungsmöglichkeiten aufweisen. Wirksame Beratung verbessert also die Zahl der diskursiven Anschlussstellen und ermöglicht somit der Organisation, unter wechselnden Konstellationen schneller und präziser zu handeln. Dies lässt sich aus dem PR-Alltag mit einer Reihe von Indizien stützen: Wenn das mediale Klima ein bestimmtes Thema nicht zulässt oder eine Verhaltenweise stark sanktioniert, sind diese auch mit einer anderen ‚Strategie’ meist nicht einführbar. Experten sagen dann salopp, die Zeit sei nicht „reif“ für dieses Thema. Es bleibt nichts übrig, als das Thema oder die Verhaltensweise zu ändern – oder mit den absehbaren Konsequenzen zu leben. Das bedeutet mithin, die Strömungslage der medialen Agenda zu kennen und zu nutzen. In der Medienarbeit funktioniert vieles mit ihr und praktisch gar nichts gegen sie. Starke Differenzen können kurze Aufmerksamkeitspunkte setzen, aber zumeist keine nachhaltige Themendiffusion bewirken. Agenda Setting und Agenda Building sind also nicht unabhängig von grundlegenden Themenströmen und Tasklisten, die dem allgemein Verpflichtenden und Bedeutsamen entsprechen. Sie tragen zu einem minimal verhandelten Konsens bei, der nach wie vor und in Ermangelung alternativer Begriffe als Öffentlichkeit beschrieben wird. Auf diese Taskbildung kann nur in stark begrenztem Umfang Einfluss genommen werden. Die institutionalisierte PR-Beratung einer Organisation hat hierbei die Aufgabe, die Themenströme so zu lesen, dass die medial vorhandenen Anschlusspotenziale genutzt werden können und Zeitpunkte für den richtigen Einsatz erkannt werden. Das mag im ersten Moment lapidar erscheinen. Doch was sind die Konsequenzen: Zunächst raubt das allen überzogenen Erwartungen an die Beeinflussbarkeit des medialen Diskurses den Boden. Mit für gewöhnlich stark begrenzten Ressourcen kann auch nur geringer Einfluss genommen werden. Das rückt die Frage der Bildung medialer Allianzen in den Mittelpunkt, um fehlende Ressourcen auszugleichen. Zu den im Diskurs bereits vorhandenen Tasks muss die Organisation hingegen Positionen entwickeln – sei es, um Diskursverknüpfungen leichter herzustellen zu können oder um die Reaktionsfähigkeit zu verkürzen (und damit die Flexibilität zu erhöhen).
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Durch das über PR-Beratung gesteigerte Maß an Flexibilität steigt die Zahl der Situationen mit hohem oder erhöhtem Potenzial. Doch nicht jede dieser Situationen muss genutzt werden. Die Qualität der Beratung kann darin liegen, Situationen vorbeigehen zu lassen und abzuwarten. Erst im wirklich entscheidenden Moment formuliert die Organisation im Diskurs ihre Position und übt so Einfluss aus. Sie wird dazu in solchen Momenten sogar aufgefordert! Schließlich muss sich solche Wirksamkeit auch über längere Zeit behaupten. Eine kurzfristige Änderung muss nicht zwingend eine Lösung darstellen. Deshalb wirkt auch in der PR-Beratung ein Nachhaltigkeitsfaktor, der dazu anhält, die mittel- und langfristigen Konsequenzen in das Handeln einzubeziehen. Denn PR-Beratung ist keine Technologie, sondern ein strategisches Mittel zur langfristigen Sicherung und Verbesserung des Zukunftspotenzials. Deswegen muss PR-Beratung nicht nur für die funktionalen, sondern auch für die ethischen Konsequenzen des Handelns haften (vgl. Rademacher 2009b). Die Wirksamkeit ist dann abhängig vom Situationspotenzial. Denn Wirkung, so Jullien (1999), kann man nicht erzwingen, man kann sie nur geschehen lassen. Damit ist klar, dass Wirkung nicht das Ziel ist, sondern die Konsequenz. Wirkung muss in das Handeln als Konsequenz einbezogen werden.10 Der Schwerpunkt des PR-Beratungsverständnisses entfernt sich dann eindeutig von der Perspektive der Exekution von Programmen und schwenkt über zur Beobachtung und Beschreibung des Situationspotenzials als Bedingung für Wirksamkeit. Literatur Abrahamson, Eric (1996): Management Fashion. In: Academy of Management Review, Vol. 21, No. 1, 254-285. Agamben, Sergio (2004): Wahrheit als Irrsal. In: Rainer Maria Kiesow/Henning Schmidgen (Hg.): Das Irrsal hilft. Berlin, 7-14. Bernays, Edward (1928): Propaganda. New York. Brunken, Ingmar P. (2007): Die 6 Meister der Strategie und wie sie beruflich und privat von ihnen profitieren können. 3. Aufl. Berlin. Erdl, Marc Fabian (2004): Die Legende von der politischen Korrektheit. Zur Erfolgsgeschichte eines importierten Mythos. Bielefeld. Fuchs, Peter (2004): Die magische Welt der Beratung. In: Rainer Schützeichel/Thomas Brüsemeister (Hg.): Die beratene Gesellschaft. Zur gesellschaftlichen Bedeutung von Beratung. Wiesbaden, 239-258. Fuhrberg, Reinhold (1999): Die Guten und die Schlechten: Zur Qualität externer PR-Beratung. In: Sabina Bolender-Wachtel (Hg.): PR- und Medienberater. Personen, Leistungen, Basics. Frankfurt a. M., New York, 40-48. Grimm, Jeannine/Eva Bamberg (2006): „Der Kunde ist König! Oder?“ – Anforderungen an Beratung aus Sicht von Kunden. In: Eva Bamberg/Jana Schmidt/Kathrin Hänel (Hg.): Beratung, Counseling, Consulting. Göttingen u.a., 61-77. Jullien, François (1999): Über die Wirksamkeit. Berlin. Jullien, François (2006): Vortrag vor Managern über Wirksamkeit und Effizienz in China und im Westen. Berlin. 10
Vgl. hierzu Erdls (2004: 320 ff.) Konzept des Resonanzkalküls.
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Kussin, Matthias (2009): PR-Stellen als Reflexionszentren multireferentieller Organisationen. In: Ulrike Röttger (Hg.): Theorien der Public Relations. Grundlagen und Perspektiven der PRForschung. 2. akt. u. erweit. Aufl. Wiesbaden, 117-133. Luhmann, Niklas/Peter Fuchs (1989): Kommunikationssperren in der Unternehmensberatung. In: Dies.: Reden und Schweigen. Frankfurt a. M., 209-227. Nothaft, Howard (2006): Von der Strategie. Was ist strategisch am strategischen Kommunikationsmanagement? Vortrag auf der DGPuK-Jahrestagung in Dresden, 19.06.2006. Rademacher, Lars (2001): Von der Peripherie ins Zentrum. Zur Annäherung der Unternehmenskulturen von PR-Agenturen und ihren Auftraggebern. In: PR-Guide, Mai 2001. Rademacher, Lars (2009a): PR als Literatur der Gesellschaft. Die poietische Potenz des Kommunikationsmanagements. In: PR-Magazin, Jg. 40, Heft 3, 55-60. Rademacher, Lars (2009b): Public Relations. In: Christian Schicha/Carsten Brosda (Hg.): Handbuch Medienethik. Wiesbaden, im Druck. Ricœr, Paul (2006): Wege der Anerkennung. Erkennen, Wiedererkennen, Anerkanntsein. Frankfurt a. M. Schuster, Daniel (2009): Möglichkeiten und Grenzen der Etablierung einer konzernweiten Kommunikationsstrategie am Beispiel der BMW Group. München. Schützeichel, Rainer/Thomas Brüsemeister (Hg.) (2004): Die beratene Gesellschaft. Zur gesellschaftlichen Bedeutung von Beratung. Wiesbaden.
Kapitalmarkt, Stakeholder, Controlling – Paradigmenwechsel in der Kommunikationsberatung Christopher Storck
Als Hering Schuppener im Februar 2002 die Communication Scorecard auf den Markt brachte, wurde deren Notwendigkeit begründet mit einem „Paradigmenwechsel, der die Reputation zum zentralen Erfolgsfaktor erhebt. Unternehmenskennzahlen werden nicht mehr per se als „harte“ Fakten betrachtet. Dazu werden sie erst auf Basis vorhandenen Vertrauens in ihre Richtigkeit und Aussagekraft. Dieses Vertrauen ist selbst bei tadellosem Geschäftsgebaren generell nicht mehr vorhanden, sondern muss durch nachhaltige Kommunikation hergestellt werden, die alle Stakeholder – Investoren genauso wie Analysten, Journalisten, Mitarbeiter, Kunden, politische Institutionen etc. – über möglichst viele komplementäre Kanäle mit konsistenten Informationen erreicht. Aktiengesellschaften, die diesen ständigen Dialog nicht führen, laufen Gefahr, bereits durch haltlose Gerüchte Marktkapitalisierung in Milliardenhöhe einzubüßen. […] Vertrauensbildende Kommunikation mit Kapitalgebern und deren Informationsquellen wirkt sich aber nicht nur auf die Wertsteigerung börsennotierter Unternehmen aus. Auch der Mittelstand wird sich dieser Aufgabe verstärkt stellen und seine Kommunikation professionalisieren müssen.“ (Storck 2002: 27)
Ein halbes Jahr zuvor hatte diese Einschätzung Hering Schuppener dazu bewegt, die erste betriebswirtschaftlich ausgerichtete Kommunikationsberatung in Deutschland aufzubauen. Der seit Februar 2003 selbständigen Consulting-Tochter ist es gelungen, einen Markt zu schaffen, der die Lücke zwischen klassischer PR- und strategischer Management-Beratung geschlossen hat. Mitgetragen haben diese Entwicklung Mitbewerber wie Communications & Networking Consulting AG (CNC) oder Deekeling Arndt Advisors. Drei Trends und ihre Folgen
Die Veränderung der Landschaft für Kommunikationsberatung ist längst noch nicht abgeschlossen. Drei Trends zeichnen sich ab: Der erste Trend ist zum Leitmotiv der Kommentare zur Finanzkrise geworden: Für die Finanzmärkte werden immaterielle Werte wichtiger als Stammkapital. Für die
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Christopher Storck
Kommunikationspraxis bedeutet das: Unternehmenskommunikation und Investor Relations müssen im Reputationsmanagement verzahnt werden. Der zweite Trend hat bereits zur Restrukturierung von Konzernkommunikationsabteilungen geführt: Stakeholder-Dialog ersetzt traditionelle Verlautbarungskommunikation. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit aussagekräftigen Researchs als Voraussetzung für Reputationsmanagement. Der dritte Trend wird durch die sich abzeichnende Rezession weiter verstärkt werden: Kommunikation verliert ihre Sonderrolle als controllingfreie Unternehmensfunktion. Die Integration der Kommunikationsaktivitäten in die allgemeine Unternehmenssteuerung ist unausweichlich. Welchen Folgen haben diese Entwicklungen für die Landschaft der Kommunikationsberater? Erkenntnis: Immaterielle Werte sind der Treibstoff des Kapitalmarkts
Die Finanzmarktkrise zeigt: Wenn das Vertrauen der Anleger in die Unternehmensführung fehlt, können auch die besten Fundamentaldaten den Börsenkurs nicht stabilisieren. Weil die Risiken nicht transparent sind, werden Unternehmen, deren Reputation dem nicht entgegensteht, von strategischen Investoren fallen gelassen und zum Spielball der Spekulanten. Dass der Mechanismus auch in umgekehrter Richtung funktioniert, belegt der Fall Merck & Co. Als das Unternehmen vor vier Jahren das Schmerzmittel Vioxx vom Markt nehmen musste, schien das damals zweitgrößte Pharmaunternehmen der Welt dem Untergang geweiht: Es wurde beschuldigt, die gefährlichen Nebenwirkungen des populären „Super-Aspirins“ bewusst unterschlagen zu haben. Schadenersatzklagen mit einem Streitwert von insgesamt rund 30 Milliarden US-Dollar wurden eingereicht. Das Unternehmen kam ein Jahr lang nicht aus den Negativschlagzeilen heraus. Der Aktienkurs fiel ins Bodenlose. Der Vorstandsvorsitzende nahm seinen Hut. Tausende von Mitarbeitern wurden entlassen. Das Unternehmen galt als Übernahmekandidat. In einer internationalen Befragung bewerteten 1 540 Vertreter der neun wichtigsten Anspruchsgruppen der Pharmaindustrie das Unternehmen deutlich schlechter als dessen Hauptwettbewerber (Brand & Reputation Index 2005/06, Basel: Novartis International AG). Das galt aber nicht für alle Reputationsdimensionen. Und die Antworten auf offene Fragestellungen signalisierten, dass Ärzte und Nichtregierungsorganisationen, aber auch Finanzanalysten und Fondsmanager das Unternehmen noch längst nicht abgeschrieben hatten. Viele relativierten: „Das ist eigentlich ein sehr gutes und verantwortungsvolles Unternehmen.“ „Die Qualität und Sicherheit der Produkte war immer hoch.“ „Das Management hat eigentlich nur einen Fehler gemacht: Vioxx vom Markt zu nehmen.“ Ansichten wie diese wurden von der massiven Medienberichterstattung in den Hintergrund gedrängt. Aber die gute Reputation wurde nicht ausgelöscht. Ende 2007 lag die Reputationsstärke von Merck & Co. in den 13 wichtigsten Pharmamärkten wieder oberhalb des Industriedurchschnitts (ebd.), was sich auch im Aktienkurs widerspiegelte.
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Konsequenz: Kompetenzausbau jenseits der Kapitalmarktkommunikation
Selbst einstige Ikonen des Shareholder-Value-Konzepts wie Jack Welch verdammen inzwischen die einseitige Ausrichtung der Unternehmenspolitik auf die Interessen von Investoren mit immer kürzerem Anlagehorizont (vgl. Henry 2009). Die Renaissance des in der sozialen Marktwirtschaft verankerten Stakeholder-Value-Modells ist unübersehbar. Danach ist Wertschöpfung das Ergebnis größtmöglicher Übereinstimmung der Interessen aller Gruppen, die mit ihrem Verhalten Einfluss auf den Geschäftserfolg nehmen können. Deren zum Teil sehr unterschiedlichen Ansprüche auszubalancieren, ist Ziel betriebswirtschaftlich ausgerichteten Reputationsmanagements. Dessen Kernaufgabe besteht somit in der Steuerung der Kommunikation mit allen Anspruchsgruppen. Das setzt die Verzahnung aller Disziplinen und Kanäle voraus, die dabei zum Einsatz kommen. Als größte Herausforderung hat sich das Zusammenwirken von Unternehmenskommunikation und Investor Relations erwiesen. Mit anderen Worten: das Überschreiten der Grenze zwischen der CEO- und der CFO-Berichtslinie. Hier haben Konzerne wie die UniCredit Group, aber auch Mittelständler wie Grohe Maßstäbe gesetzt, indem sie in kritischen Phasen beide Disziplinen personell zusammengeführt haben. Positives Beispiel ist die Entwicklung im Umgang mit dem Thema Corporate Social Responsibility. Was als belächeltes Gutmenschentum im Umweltschutz begann, hat sich über das Thema Ethics Compliance zum CSR Business Case im Hinblick auf die gesellschaftliche Betriebserlaubnis entwickelt. Nachhaltigkeitsratings werden längst nicht mehr nur von CSR-Managern und SRI-Fonds (Socially Responsible Investment) herangezogen. Sie werden zunehmend von Mainstream-Investoren zur Risikobewertung verwendet. Die führenden Kommunikationsberatungen haben auf diesen Bedarf reagiert: Wurden nach der Jahrtausendwende zunächst primär Kapitalmarktwissen und -kontakte aufgebaut, stand in den letzten Jahren die professionelle Kommunikation mit Nichtregierungsorganisationen, Politikern und Regulatoren im Zentrum des Kompetenzausbaus. Erkenntnis: Mit Medienarbeit allein ist Reputationsmanagement nicht zu bewerkstelligen
Selbst wenn die bisherige Medienlandschaft erhalten bliebe (wovon nicht auszugehen ist): Die vergleichsweise bequeme Verbreitung von Botschaften im Zusammenspiel mit Journalisten der Leitmedien führt nicht bei allen Anspruchsgruppen zum Ziel. Eine Masterarbeit an der Universität Düsseldorf hat für ein Pharmaunternehmen in den USA und vier europäischen Ländern empirisch untersucht, welche Zusammenhänge zwischen Reputationsentwicklung und Medienberichterstattung statistisch nachweisbar sind. Die Reputationsentwicklung wurde durch zwei Befragungen von knapp 2 000 Stakeholdern im Jahresabstand gemessen. Der Medienanalyse lagen mehr als 4 500 Artikel zugrunde. Die Studie kommt zum Ergebnis, dass bei lediglich drei von neun Stakeholdergruppen ein Einfluss zwischen Medienberichterstattung und Unter-
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nehmensreputation eindeutig feststellbar ist: bei Vertretern von Nichtregierungsorganisationen, bei Hochschulabsolventen und bei Apothekern. Alle drei Gruppen zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Informationsverhalten dem der allgemeinen Öffentlichkeit relativ ähnlich ist. Grundsätzlich wurde festgestellt: Je intensiver eine Anspruchsgruppe im Kontakt mit Unternehmen steht, desto geringeren Einfluss hat die Medienberichterstattung auf die Reputationsentwicklung. (Vgl. Emre 2008) Mit anderen Worten: Der direkte Dialog hat in der Regel größeren Einfluss darauf, wie Stakeholder ein Unternehmen wahrnehmen, als die Verlautbarungskommunikation mit Hilfe medialer Multiplikatoren. Es kommt also darauf an, seine Stakeholder zielgruppengerecht anzusprechen, sie dort abzuholen, wo sie stehen, und ihnen so weit entgegenzukommen, wie es den Geschäftsinteressen dienlich ist. Konsequenz: Aufbau von Methodenwissen und Ressourcen im Research-Bereich
Voraussetzung für gezieltes Reputationsmanagement ist zu wissen, wer die Stakeholder eines Unternehmens sind, welche Interessen sie verfolgen und welche Erwartungen sie haben. Solches Wissen ist bislang eher die Ausnahme als die Regel. Dafür gibt es drei Gründe: Systematischer Stakeholder Research unterbleibt aus Kostengründen. Mangels betriebswirtschaftlicher Einbindung ist die Unternehmenskommunikation außer Stande, das erforderliche Budget als Investition auszuweisen, der ein Wertschöpfungsbeitrag entgegensteht. Im Unternehmen vorhandenes Wissen wird nicht genutzt. Eingehendes Feedback von externen Stakeholdern wird nicht systematisch erfasst und funktionsübergreifend zugänglich gemacht. Es verbleibt in Silos oder mangels Institutionalisierung bei Einzelpersonen. Es wird zwar Research betrieben, aber die Qualität der Ergebnisse ist unzureichend, weil Budget und/oder Methodenkompetenz fehlen. Branchen, deren Geschäftsmodell weltweit in Kritik geraten ist, haben jedoch in den letzten Jahren bereits in faktenbasiertes Reputationsmanagement investiert. Prominente Beispiele sind Big Pharma, Big Tobacco, Alkohol und Fast Food. Weil die gesellschaftliche Betriebserlaubnis der Unternehmen dieser Sektoren darauf beruht, im Dialog nicht nur mit Investoren und Finanzanalysten, sondern auch und gerade mit kritischen Anspruchsgruppen zu sein. Die dafür erforderlichen Verfahren entstanden in der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Kommunikationsberatungen und Researchfirmen, wobei die Berater die Funktion der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis übernommen haben. Auch hier zeichnet sich die Existenz entsprechender Abteilungen als Merkmal für Qualitätsführerschaft ab.
Paradigmenwechsel in der Kommunikationsberatung
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Erkenntnis: Kommunikation verliert ihre Sonderrolle als controllingfreie Unternehmensfunktion
Unterm Strich muss Reputationsmanagement auf den Kapitalmarkt einzahlen. Das gilt auch für nicht börsennotierte Gesellschaften, denn auch die müssen sich ja finanzieren. Kommunikation hat daher einen nachweisbaren Wertschöpfungsbeitrag zu erbringen. Was nicht im Sinne von Ursache und Wirkung zu belegen ist, findet für Controller nicht statt. Und die werden im Gefolge der Finanzkrise verstärkt das Sagen haben. Anders als vor ein paar Jahren lautet die Frage heute nicht mehr, ob die Unternehmenskommunikation an das Konzerncontrolling angeschlossen wird, sondern wie das vor sich geht. Erschöpft sich Kommunikationscontrolling im Erbsenzählen? Oder misst es Wirkungen verursachungsgerecht und erhebt diese zur Planungsgrundlage? Abb. 1: Wirkungsstufen der Kommunikation
Quelle: DPRG / ICV 2009.
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Die Chancen für die Einführung von wirkungsbasiertem Kommunikationscontrolling stehen gut. Im März 2009 haben die Vorstände der Deutschen Gesellschaft für Public Relations (DPRG) und des Internationalen Controller Vereins (ICV) eine gemeinsame Definition der „Wirkungsstufen der Kommunikation“ verabschiedet und zum Leitbild für beide Berufsverbände erhoben. Beide Verbände sehen in diesem einheitlichen Bezugsrahmen einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Etablierung einheitlicher Standards für die Steuerung von Unternehmenskommunikation (vgl. Abb. 1). Der Beschluss markiert einen Meilenstein in der Entwicklung des Kommunikationscontrollings in Deutschland, die im November 2002 mit der Gründung des DPRGArbeitskreises „Wertschöpfung durch Kommunikation“ institutionalisiert worden ist: Die Theorie-Debatte ist beendet, ein praxistaugliches Grundmodell vereinbart, der Werkzeugkasten mit den wichtigsten Instrumenten bestückt. Das Projekt tritt in eine neue Phase: die Standardisierung von Kommunikationscontrolling. In deren Brennpunkt steht die Suche nach geeigneten Erhebungsmethoden und Kennzahlen. Hier liegen die zentralen Aufgaben der nächsten Zeit: Etablierung von Mindestanforderungen, Benchmark-Definition und Entwicklung neuer Methoden für neue Kommunikationsplattformen (z.B. Social Media). Das reicht von Verfahren der Medienevaluation bis zur Reputationsmessung, schließt aber auch die spezifische Erfassung von Input-Größen wie Ressourcen und Prozesseffizienz in Kommunikationsabteilungen ein. Mit dem neuen Wirkungsstufen-Bezugsrahmen und darauf aufbauend der Detailanalyse einzelner Methoden/Kennzahlen werden handhabbare Konventionen geschaffen. Entsprechende Themendossiers werden fortlaufend auf der DPRG-Wissensplattform www.communicationcontrolling.de veröffentlicht. Der ICV plant für 2010 ein umfassendes Statement zum Thema Kommunikationscontrolling. Hinzu kommt steigendes Interesse börsennotierter Gesellschaften daran, ihre Reputationsrisiken effektiv zu managen. Finanzdienstleister sind durch die zweite Säule von Basel II sogar gezwungen, Risikomanagementsysteme zu etablieren, die Reputationsrisiken ähnlich zuverlässig erfassen, mindern und überwachen können wie operative oder finanzielle Risiken. Die Bewältigung solcher Projekte verlangt Kompetenzen in Research, Kommunikation und Management. Konsequenz: Verschmelzung von Kommunikations- und Managementberatung
Die Polarisierung der Beratungslandschaft wird daher weitergehen. Auf der einen Seite stehen die Firmen, die in den letzten Jahren die Professionalisierung der Unternehmenskommunikation vorangetrieben haben. Sie haben die Grundlagen für Reputationsmanagement und Kommunikations-Controlling geschaffen. Sie vereinigen Methodenwissen mit praktischer Erfahrung bei der Umsetzung in Unternehmen. Ihre Entwicklung in Richtung Managementberatung beschleunigt sich mit jedem weiteren Mandat. Ihre Berater sind treibende Kräfte bei der Neuausrichtung von Kommunikationsstrategien und -abteilungen sowie der Definition von Key Performance Indicators für die Leistungskontrolle. Sie sitzen mit am Tisch, wenn externe Dienstleister für Research und Umsetzung ausgewählt werden.
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Auf der anderen Seite stehen die verlängerten Werkbänke der PR-Abteilungen auf Unternehmensseite. Dazu zählen die kleinen lokalen Agenturen, deren Leistungsangebot beschränkt ist auf klassische Pressearbeit, Produkt-PR, Kundenmagazine und interne Kommunikation in Form von Mitarbeiterzeitschriften oder Texten für das Intranet. Dazu gehören aber auch die großen internationalen PR-Warenhäuser mit ihren Knebelverträgen für die globale Umsetzung dessen, was in den Konzernzentralen beschlossen wird. Die Honorare beider Gruppen werden zunehmend von der Erreichung quantitativer Ziele abhängen. Der daraus resultierende Margendruck hindert diese Agenturen daran, die Talente einzustellen, die nötig wären, um den vierten und letzten Lehrsatz zu realisieren. Die Zukunft gehört jenen Beratungsgesellschaften, die nicht nur das Kommunikationshandwerk beherrschen, sondern auch im Kapitalmarkt zuhause sind, über Controlling-Kompetenz verfügen und Managementprozesse gestalten können. Die Qualitätsführer am deutschen Markt sind diesen Weg seit Jahren gegangen. Sie haben verstärkt Absolventen der Betriebswirtschaftslehre rekrutiert. Sie haben mit den kommunikationswissenschaftlichen Lehrstühlen in Deutschland zusammengearbeitet und sich in die Ausbildung der Studenten eingebracht, die sie nach dem Examen eingestellt haben. Und sie haben in die Entwicklung von Beratern investiert, die nicht nur mit PR-Leitern, sondern auch mit Vorständen, Investmentbankern, M&A-Anwälten, Management Consultants, Wirtschaftsprüfern und Konzerncontrollern auf Augenhöhe zusammenarbeiten können. Literatur Brand & Reputation Index 2005/06. Basel: Novartis International AG. Brand & Reputation Index 2007/08. Basel: Novartis International AG. DPRG/ICV 2009: DPRG Arbeitskreis Wertschöpfung durch Kommunikation und ICV Fach-Arbeitskreis Kommunikations-Controlling, Wirkungsstufen der Kommunikation, Version vom 16. Januar 2009. Emre, irin (2008): Der Einfluss der Medienberichterstattung auf die Wahrnehmung der Unternehmensreputation von verschiedenen Stakeholdern. Ansätze für ein integriertes Messmodell für Unternehmensreputation in der Pharmaindustrie. Masterarbeit an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Henry, Andreas (2008): Essen und träumen. Interview mit Jack Welch. In: Wirtschaftswoche, 30.03.2009. Storck, Christopher (2002): Planning Kinetics. Strategische Kommunikationsplanung auf Basis betriebswirtschaftlicher Parameter. Düsseldorf.
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren REINHOLD FUHRBERG, Jg. 1960, M. A., Studium der Publizistik, Germanistik und Volkswirtschaft in Salzburg, Mainz und Berlin. 1987–1991 PR-Berater bei Flaskamp GmbH, Berlin. 1991– 1997 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft am Studienschwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit der FU Berlin. 1998 bis 2004 Standortleitung bei Ahrens & Behrent Agentur für Kommunikation in Potsdam und Berlin. Seit 2004 Professur zur Verwaltung (PR und Kommunikationsmanagement) am Institut für Kommunikationsmanagement an der FH Osnabrück. OLAF HOFFJANN, Jg. 1971, Prof. Dr. phil., Studium der Kommunikationswissenschaft, Wirtschaftspolitik, Politikwissenschaft und Neueren Geschichte in Münster. 2000-2006 in der PR-Agentur fischerAppelt Kommunikation in Berlin, zuletzt dort stellvertretender Leiter der Berliner Niederlassung und Leiter Public Campaigning. Seit 2006 Professor für Kommunikationsmanagement an der Mediadesign Hochschule in Berlin. STEFANIE LÖHN, Jg. 1984, M. A. Studium der Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft und Soziologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Neben dem Studium absolvierte sie PR-Praktika in Unternehmen, Verbänden und Agenturen und war mehrere Jahre als freie Mitarbeiterin einer Tageszeitungsredaktion tätig. Derzeit ist sie als PR-Volontärin in einer kommunalen Pressestelle beschäftigt. SONJA B. LORENZ, Jg. 1976, M. A., Studium der Kommunikationswissenschaft, Anglistik sowie Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und an der Venice International University, Italien. 2004-2006 Mitarbeiterin im Projekt „Neue soziale Kategorisierungen und Stereotypisierungen von Geschlechterdifferenzen in Kommunikationsberufen“ am IfKW – Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung in München. Seit Dezember 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Dr. Romy Fröhlich. STEPHANIE OPITZ, Jg. 1979, Dipl.-Medienwiss., Studium der Angewandten Medienwissenschaft an der Technischen Universität Ilmenau. 2004-2005 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Technischen Universität Ilmenau. Seit 2005 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sozialwissenschaftlichen Institut der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. JOACHIM PREUSSE, Jg. 1979, Studium der Kommunikationswissenschaft, des Öffentlichen Rechts und der Wirtschaftspolitik an der Westfälischen Wilhelms-Universität. Seit 2007 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster. LARS RADEMACHER, Jg. 1972, Prof. Dr. phil., M.A., Studium der Literatur- und Medienwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Katholischen Theologie und Philosophie in Siegen und Hagen. 1996-1997 Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich 240 "Bildschirmmedien" der Universität Siegen. 1997-1998 PR-Volontariat, anschließend Account Manager, Senior Berater und Agenturleitung bei PR-Agenturen in Frankfurt und Hannover. 2004-2005 Leiter Kommunikation des Science Centers Phaeno in Wolfsburg. 2005-2007 Pressesprecher in der Konzernkommunikation der BASF SE, Ludwigshafen. Seit 2008 Professor für Medienmanagement, insb. Kommunikationsmanagement, an der MHMK München.
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Die Autorinnen und Autoren
JULIANA RAUPP, Jg. 1963, Prof. Dr. phil., Studium der Kommunikationswissenschaft und der Politikwissenschaft an der Universität von Amsterdam, mehrere Jahre Berufspraxis in der Marktforschung und in der Öffentlichkeitsarbeit, Promotion im Jahr 2000, Tätigkeiten als Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrbeauftragte und Bearbeitung eines Forschungsprojekts (DFG). Seit 2006 Professorin für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Organisationskommunikation an der Freien Universität Berlin. ULRIKE RÖTTGER, Jg. 1966, Prof. Dr. phil., Dipl-Journ., Studium der Journalistik in Dortmund. 19941998 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Journalistik der Universität Hamburg. 1998-2003 Assistentin und Oberassistentin am IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich. Seit 2003 Professorin für Public Relations an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. NICOLE J. SAAM, Jg. 1964, Prof. Dr. phil., seit 2006 Professorin für Methoden der empirischen Sozialforschung an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt; Studium der Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Soziologie in Stuttgart; Promotion in Politikwissenschaft; Habilitation in Soziologie; 1993-2001 Wissenschaftliche Assistentin und 20012006 Wissenschaftliche Oberassistentin am Institut für Soziologie der LudwigMaximilians-Universität München; Arbeitsschwerpunkte: Organisationssoziologie, insbesondere Organisationsberatung; Politische Soziologie; Methoden der empirischen Sozialforschung, insbesondere Modellbildung und Simulation. SWARAN SANDHU, Jg. 1976, Dipl. rer. com., Studium der Kommunikationswissenschaft in StuttgartHohenheim, M. Sc. in Public Relations an der Syracuse University, NY. Mehrjährige Berufserfahrung in der Kommunikations-, Politik- und Innovationsberatung. Seit 2006 wissenschaftlicher Assistent an der Universität Luzern mit den Schwerpunkten Organisation und Kommunikation. JANA SCHMITT, Jg. 1981, Studium der Kommunikationswissenschaft, romanischen Philologie und Psychologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster sowie an der Université Jean-Moulin in Lyon. Seit 2007 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. CHRISTOPHER STORCK, Jg. 1966, Dr., Studium der Osteuropäischen Geschichte, Philosophie und Slawistik in Köln und Prag. Managing Director im Düsseldorfer Büro von HERING SCHUPPENER, leitet den Geschäftsbereich Communication Performance Management. Sein Team entwickelt Mess- und implementiert Steuerungsinstrumente für Unternehmenskommunikation und Marketing global operierender Konzerne und berät Kunden in Reputationsmanagement, Corporate Branding, strategischer Positionierung, Stakeholder Research & Dialog, Ranking Management, Competitive Media Intelligence, KommunikationsControlling und Reputation Risk Management. Vorsitzender des Arbeitskreises Wertschöpfung durch Kommunikation der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) und Mitglied des Internationalen Controller Vereins (ICV).
Die Autorinnen und Autoren
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PETER SZYSZKA, Jg. 1957, Prof. Dr. phil., Studium der Kommunikationswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. 2000 bis 2004 Aufbau des Instituts für Kommunikationsmanagement an der Fachhochschule Osnabrück/Lingen (D). 2004 bis 2009 Professor für Organisationskommunikation an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Winterthur (CH). Seit 2009 Inhaber des PRVA-Stiftungslehrstuhls für Public Relations an der Universität Wien (A). GERHARD VOWE, Jg. 1953, Univ.-Prof. Dr. phil. habil., Studium der Politikwissenschaft, Informationswissenschaft, Publizistik und Geschichte an der FU Berlin. 1997-2004 Professor für Politik und Medien am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Technischen Universität Ilmenau, seit 2004 Inhaber eines Lehrstuhls für Kommunikations- und Medienwissenschaft am Sozialwissenschaftlichen Institut der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. SARAH ZIELMANN, Jg. 1976, M.A., Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Soziologie, Volkswirtschaftslehre und Öffentlichem Recht in Göttingen und Padua, Magisterabschluss in Leipzig. 2002 bis Ende 2003 Assistentin im Bereich PR/Organisationskommunikation am IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich. Seitdem wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.