Panos Konstantin Praxisbuch Energiewirtschaft
Panos Konstantin
Praxisbuch Energiewirtschaft Energieumwandlung, -transport und -beschaffung im liberalisierten Markt
2. bearbeitete und aktualisierte Auflage
123
Dipl.-Ing. Panos Konstantin Panoramastr. 4/1 71576 Burgstetten
[email protected]
ISBN 978-3-540-78591-0
e-ISBN 978-3-540-78592-7
DOI 10.1007/978-3-540-78592-7 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2009, 2007 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Einbandgestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
Geleitwort
Seit die Menschheit den Sprung in die Industriegesellschaft geschafft hat, steht die Nutzung von Energie als wesentlicher Produktionsfaktor im Mittelpunkt des Fortschritts. Die Bereitstellung von Energie für den täglichen Bedarf von Haushalten und Unternehmen ist für die Industrieländer zu einer Selbstverständlichkeit geworden, ein komfortables Niveau, das Schwellen- und Entwicklungsländer ebenfalls anstreben. Vor diesem Hintergrund kommt der Energiewirtschaft als einer der herausragenden technisch-wirtschaftlichen Disziplinen eine besondere Bedeutung zu. Die hier zu lösenden Aufgaben beschränken sich nicht nur auf die technische Optimierung von Anlagen und Verfahren zur Energieumwandlung, sondern sie erstrecken sich weit hinein in betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Fragestellungen. Die besten Lösungen können nur in der engen Zusammenarbeit zwischen Ingenieuren, Kaufleuten und Ökonomen gefunden werden. Am Beispiel eines privatfinanzierten Kraftwerksprojektes kann man deutlich machen, dass es ohne eine solche interdisziplinäre Zusammenarbeit keine vernünftige Realisierung gibt. Das vorliegende Werk ist ein Versuch, aus der Sicht des Praktikers einen Leitfaden zu schaffen, der es auch dem Berufsanfänger gestatten soll, sich in die komplexe Materie einzuarbeiten. In seinen mehr als 27 Jahren Berufserfahrung in der Energiewirtschaft hat der Verfasser als Berater und verantwortlicher Projektleiter Erfahrungen und Kenntnisse gesammelt, die es wert sind, an eine zahlreiche Leserschaft weitergegeben zu werden. Georg Fichtner Vorsitzender der Geschäftsführung Stuttgart, im Sommer 2006
Vorwort zur zweiten Auflage
Der Wandel in der Energiewirtschaft sowohl im Hinblick auf die Technik als auch hinsichtlich der Energiegesetzgebung und Preisentwicklung nimmt zunehmend rasantere Formen an. Zwei Jahre nach der ersten Auflage erscheint nunmehr das „Praxisbuch Energiewirtschaft“ in der vollständig neu bearbeiteten zweiten Auflage. Text, Tabellen, Abbildungen und Beispiele wurden aktualisiert, und das Buch wurde durch neue Inhalte ergänzt. Dabei sind auch Anregungen von Kollegen, Kunden und Benutzern des Buches mit eingeflossen. Die Konzeption des Buches wird aber beibehalten. Hauptziel dabei ist die Zur-Verfügung-Stellung von praxisnahem technisch/wirtschaftlichen Wissen in prägnanter Form und in der notwendigen Breite und Tiefe für die Entwicklungsphase von Energieprojekten. Verbrauchsstrukturen und Preisentwicklung aller Energieträger wurden in Kapitel 1 und 2 bis zum Redaktionsschluss dargestellt und analysiert. In beiden Kapiteln wurden auch neue Inhalte aufgenommen. Der Primärenergiemarkt war in den letzten Jahren durch einen ununterbrochenen Preisanstieg gegenzeichnet. Mitte 2008 erreichte der Rohölpreis eine historische Rekordhöhe und ist dann nach Ausbruch der Finanzkrise in kurzer Zeit massiv eingebrochen. Diese Entwicklung bestätigte die These, dass Prognosen über Energiepreisentwicklung von der Realität immer wieder widerlegt werden. In Kapitel 3 wurden die Vergütungsregeln für Strom aus erneuerbarenEnergien und aus Kraft-Wärme-Kopplung nach den novellierten Gesetzen in mehreren Tabellen übersichtlich dargestellt und die Ermittlung der EEG-Umlage neu aufgenommen. Im Teil über Klimaschutz wurde der EUEmissionshandel wesentlich ausführlicher behandelt sowie die Auswirkungen der Regelungen des Zuteilungsgesetzes 2009 auf die Stromgestehungskosten in zahlreichen Beispielen demonstriert. Die Grundlagenkapitel 4, 5 und 6 wurden aktualisiert und teilweise ergänzt. Neu aufgenommen wurde in Kapitel 6 die Beschreibung des Entwicklungsstandes der Verfahren zur Reduzierung von CO2-Emissionen bei Kraftwerken. Soweit derzeit möglich wurden auch die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Investitionen für Kraftwerke und auf die Stromgestehungskosten behandelt.
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Vorwort
Der Bau von neuen Kraftwerken war seit dem Beginn der 80er Jahre fast zum Erliegen gekommen. Durch die weltweit enorm hohe Nachfrage nach neuen Kraftwerkskapazitäten und durch andere Markteffekte sind die Preise für Neuanlagen in den letzten drei Jahren drastisch gestiegen. In Kapitel 7 wurden die Investitionen für alle Kraftwerkstypen dem aktuellen Stand angepasst und deren Stromgestehungskosten neu berechnet und analysiert. Auch die Auswirkungen der Kosten für Emissionsberechtigungen nach dem Zuteilungsgesetz 2009 wurden dabei berücksichtigt. Neu aufgenommen wurde der Abschnitt über Photovoltaik-Kraftwerke. In Kapitel 9 wurde der Zugang zu den Gasnetzen ergänzt sowie auf die Bestimmung der Netznutzungsentgelte nach der Anreizregulierung bei Strom und Gas eingegangen. Wie in der ersten Auflage wurde bei jedem Abschnitt zuerst ein Entwurf vom Verfasser erstellt, und anschließend wurde dieser von Fachleuten geprüft und überarbeitet. In diesem Zusammenhang möchte ich stellvertretend folgenden Fichtner Kollegen für ihre Unterstützung und deren Beitrag zum Gelingen dieser zweiten Auflage des Buches danken: Georg Brakmann (Fichtner Solar), Johannes Laubach, Dr. Achim Stuible und Lena Kersten (Emissionshandel), Tjark Kohberg (Carbon Capture and Storage), Johannes Kretschmann (Thermische Solarkraftwerke), Okko Ulrichs (Photovoltaikanlagen). Herzlich bedanke ich mich auch bei Silke Bohms von der Fichtner Bibliothek, die mich stets mit Informationen und Literatur versorgt hat, sowie bei Monika Riepl von le-tex publishing services, Leipzig für ihre immer freundliche Unterstützung bei der redaktionellen Gestaltung des Buches. Stuttgart, im Herbst 2008
Panos Konstantin
Vorwort zur ersten Auflage
Die Energiewirtschaft ist ein Wirtschaftszweig und ein Fachgebiet. Als Fachgebiet ist die Energiewirtschaft eine Kombination aus Ökonomie und Technik und hat sich zum Ziel gesetzt, die Versorgung der Endkunden mit einer kostengünstigen, sicheren, ressourcenschonenden und umweltfreundlichen Energie zu gewährleisten. Um das zu erreichen, erforscht und analysiert die Energiewirtschaft die gesamte Kette der Energiebereitstellung von der rationellen Gewinnung, Umwandlung und Verteilung bis hin zu einer effizienten Anwendung von Energieformen unterschiedlichster Art. Das Hauptziel dieses Buches ist die praxisnahe Zur-Verfügung-Stellung des technisch/wirtschaftlichen Wissens, vor allem für die Entwicklungsphase von Energieprojekten, in der notwendigen Breite und Tiefe, ohne das in den meisten Fachbüchern dargestellte umfangreiche fachspezifische Detailwissen. Zielgruppen für das Buch sind Energiewirtschaftler, national und international tätige Energie-Consultants, Mitarbeiter von Ingenieurbüros, Energiedienstleistungsunternehmen, Energieversorgungsunternehmen, Industriebetrieben, Verbänden und Behörden, die in ihrer beruflichen Praxis mit energiewirtschaftlichen Aufgaben betraut werden. Energiewirtschaftler können von der Ausbildung her Ingenieure oder Ökonomen, nach der Liberalisierung zunehmend auch Juristen, sein. Sie müssen aber in allen drei Gebieten soweit den Überblick haben, dass sie die technischwirtschaftlichen Zusammenhänge und Wechselwirkungen erkennen, bewerten und optimieren können. Sie müssen bereit und fähig sein, sich auch in das Nachbargebiet einzuarbeiten. Dies geschieht meistens in Form des trainingon-the-job. Gefragt ist vor allem übergreifendes Wissen und der Blick für das Wesentliche. Fachgebietsexperten mit Spezialwissen werden vor allem während der Realisierungsphase eingeschaltet. Der Inhalt des Buches ist, was die Breite der behandelten Themen betrifft, umfangreich; es wird aber versucht, die Darstellung auf das Notwendige zu begrenzen. Es umfasst 10 Kapitel: Das Thema des ersten Kapitels ist der Primärenergiemarkt und befasst sich mit der Gewinnung und Herkunft von Primärenergien sowie der Preisbildung und Entwicklung von Grenzübergangsund Verbraucherpreisen im Wettbewerbsmarkt. Im zweiten Kapitel werden die Beschaffung von leitungsgebundenen Energien im liberalisierten Markt und die Funktionsweise der Energiebörse erläutert. In Kapitel 3 wird ein Abriss der wichtigsten rechtlichen Rahmenbedingungen in verkürzter Form und, soweit möglich, in tabellarischer Darstellung wiedergegeben, sofern diese für
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Vorwort
die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen von Energieprojekten relevant sind. Kapitel 4 und 5 vermitteln das notwendige Grundwissen über Investitionsrechnung sowie physikalisch/technische Vorgänge, insbesondere für Berufseinsteiger in der Energiewirtschaft. Kapitel 6 widmet sich der Technik der Energieumwandlung und ihrer Folgen für die Umwelt sowie den Techniken zur Reduzierung von Emissionen. In Kapitel 7 und 8 werden Kraftwerke und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sowohl aus technischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht behandelt. Kapitel 9 befasst sich mit dem Energietransport und der Energieverteilung sowie deren Kostenstrukturen und Kapitel 10 mit der Abwicklung von Energieprojekten. Die Energiewirtschaft hat die Landesgrenzen schon längst überschritten und ist zu einem globalen Business geworden. Die Geschäftssprache ist dabei Englisch, weswegen die wichtigsten Fachbegriffe im Buch auch in englischer Sprache angegeben werden (kursiv in Klammern). Mein besonderer Dank gilt meinem Arbeitgeber, Fichtner GmbH & Co KG, Stuttgart, für die Unterstützung und für den uneingeschränkten Zugang zu allen technischen und menschlichen Ressourcen des Unternehmens während der Arbeit am Buch. Mein Dank gebührt den fünf Gutachtern, Prof. Rainer F. Elsässer, Dr. Ing. Friedrich-Werner Möllenkamp, Dipl.-Ing. Jürgen Naukamm, Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Tietz und Dipl.-Ing, Dipl.-Wirtsch.-Ing. Arno Wilke, die einen ersten Entwurf des Buches begutachtet und mich ermutigt haben, an dem komplexen Thema der Energiewirtschaft weiterzuarbeiten. Herrn Wilke möchte ich zusätzlich auch für seine Unterstützung und seine zahlreichen Anregungen während der Arbeit am Buch danken. Beim Verfassen des Inhalts wurde für jeden Abschnitt zuerst ein Entwurf vom Autor selbst erstellt, und anschließend wurde dieser von Fachleuten geprüft und ggf. überarbeitet. In diesem Zusammenhang möchte ich stellvertretend folgenden derzeitigen und früheren Fichtner-Kollegen für ihre Beiträge danken: Georg Brakmann, Dr. Sigurdur Dagbjartsson, Bruno Fey, Birgit Jahraus, Norbert Krebs, Johannes Laubach, Tobias Metzger, Wolfgang Schröder, Andreas Siegel, Dr. Achim Stuible, Nino Turek, Andreas Vondung, HansFriedrich Wülbeck. Herzlich bedanke ich mich auch bei meinem früheren Kollegen Volker Döringer für seine kritische Durchsicht und redaktionelle Überarbeitung. Kommentare zum Inhalt bzw. Anregungen für eine Verbesserung der Thematik werden vom Autor dankend entgegengenommen und bei späteren Ausgaben berücksichtigt. Stuttgart, im Sommer 2006
Panos Konstantin
Inhaltsverzeichnis
1.
Der Primärenergiemarkt ................................................................. 1 1.1 Energieformen............................................................................... 1 1.1.1 Klassifizierung der Energieformen ........................................ 1 1.1.2 Maß- und Handelseinheiten für Energie ................................ 2 1.2 Struktur des Energieverbrauchs in Deutschland............................ 5 1.2.1 Primärenergieverbrauch ......................................................... 5 1.2.2 Endenergieverbrauch ............................................................. 7 1.2.3 Energieträgereinsatz zur Stromerzeugung ............................. 8 1.2.4 Beitrag erneuerbarer Energien zur Energiebereitstellung ...... 9 1.3 Herkunft u. Preisentwicklung der Primärenergieträger............... 10 1.3.1 Herkunft und Grenzübergangspreise von Rohöl.................. 10 1.3.2 Herkunft und Grenzübergangspreise von Steinkohle........... 14 1.3.3 Herkunft und Grenzübergangspreise von Erdgas................. 18 1.3.4 Herkunft und Preise von Kernbrennstoff ............................. 23 1.3.5 Preisentwicklung von Importenergien im Vergleich ........... 31 1.4 Entwicklung der Brennstoff-Verbraucherpreise.......................... 33 1.4.1 Preise von Kraftwerkskohle ................................................. 33 1.4.2 Preise von Heizöl ................................................................. 34 1.4.3 Preise von Erdgas................................................................. 36 1.5 Schlussfolgerungen ..................................................................... 37 1.5.1 Lehren aus der Vergangenheit ............................................. 37 1.5.2 Preisrelationen der Hauptenergieträger zum Rohöl ............. 37 1.5.3 Preisansätze bei Wirtschaftlichkeitsrechnungen .................. 39 Literaturverzeichnis .............................................................................. 39
2.
Beschaffung leitungsgebundener Energien .................................. 41 2.1 Merkmale eines liberalisierten Energiemarktes .......................... 41 2.1.1 Mindestanforderungen ......................................................... 41 2.1.2 Marktteilnehmer................................................................... 42 2.1.3 Börsenhandel, Funktionsweise und Produkte ...................... 43 2.2 Die Energiebörse European Energy Exchange „EEX“ ............... 44 2.2.1 Stromhandel an der EEX...................................................... 45 2.2.2 Handel mit Emissionsberechtigungen an der EEX .............. 51
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Inhaltsverzeichnis
2.2.3 Erdgashandel an der EEX .................................................... 51 2.3 Strombeschaffung........................................................................ 53 2.3.1 Vertragliche Ausgestaltung.................................................. 53 2.3.2 Zusammensetzung der Stromverbraucherpreise .................. 55 2.3.3 Strombeschaffung mit Portfoliomanagement ...................... 61 2.3.4 Strombezug mit Vollversorgungsvertrag ............................. 62 2.3.5 Entwicklung der Strompreise............................................... 67 2.4 Gasbeschaffung ........................................................................... 68 2.4.1 Historischer Überblick − Gas-zu-Gas-Wettbewerb ............. 68 2.4.2 Vertragliche Ausgestaltung.................................................. 69 2.4.3 Zusammensetzung der Gasverbraucherpreise...................... 70 2.4.4 Zugang zu Erdgasspeichern ................................................. 73 2.4.5 Gaslieferungsverträge .......................................................... 74 2.5 Beschaffung von Fernwärme ...................................................... 77 Literaturverzeichnis .............................................................................. 79 3.
Energierechtliche Rahmenbedingungen....................................... 81 3.1 Definitionen und Überblick......................................................... 81 3.1.1 EU-Recht.............................................................................. 81 3.1.2 Deutsches Recht................................................................... 82 3.1.3 Internationale Abkommen.................................................... 83 3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen ..................................... 83 3.2.1 Energiewirtschaftsrecht........................................................ 84 3.2.2 Energiesteuergesetze............................................................ 88 3.2.3 Gesetze zur Kraft-Wärme-Kopplung ................................... 95 3.2.4 Gesetze zur Förderung erneuerbarer Energien................... 101 3.2.5 Konzessionsabgabenverordnung........................................ 115 3.3 Klimaschutzrechtliche Rahmenbedingungen ............................ 116 3.3.1 Internationale Klimaschutzabkommen............................... 116 3.3.2 Das EU-Emissionshandelssystem - EU ETS ..................... 121 3.3.3 Umsetzung des Emissionshandels in Deutschland ............ 123 3.3.4 Berechnungsgrundlagen, Rechenbeispiele und Analysen.. 130 3.3.5 Geplante Änderungen für die 3. Handelsperiode............... 141 Literaturverzeichnis ............................................................................ 145
4.
Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft ......................... 147 4.1 Finanzmathematische Grundlagen ............................................ 147 4.1.1 Der Zeitwert des Geldes, Aufzinsen, Abzinsen, Barwert .. 147 4.1.2 Zinssatz und Inflation......................................................... 149 4.1.3 Ertragsteuern − Kalkulatorischer Zinssatz ......................... 152 4.2 Zahlungsreihen .......................................................................... 156
Inhaltsverzeichnis
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4.2.1 Aufbau von Zahlungsreihen............................................... 156 4.2.2 Anwendungsfälle und Beispiele......................................... 160 4.3 Investitionsrechnungsmethoden ................................................ 164 4.3.1 Methodische Vorgehensweise............................................ 164 4.3.2 Dynamische Verfahren ...................................................... 165 4.3.3 Statische Verfahren ............................................................ 176 4.4 Planerfolgsrechnungsmodelle ................................................... 179 4.5 Randbedingungen für Wirtschaftlichkeitsrechnungen .............. 180 4.5.1 Begriffsfestlegungen .......................................................... 180 4.5.2 Kostenarten bei Energieprojekten ...................................... 181 4.5.3 Randbedingungen für Wirtschaftlichkeitsrechnungen ....... 183 Literaturverzeichnis ............................................................................ 185 5.
Physikalisch-technisches Grundwissen....................................... 187 5.1 Das internationale Einheitensystem .......................................... 187 5.1.1 SI-Einheiten ....................................................................... 187 5.1.2 Regeln für die Schreibweise von Größen und Einheiten ... 190 5.1.3 Der richtige Umgang mit Einheiten in Formeln................. 191 5.2 Basiswissen Thermodynamik.................................................... 192 5.2.1 Allgemeine Definitionen.................................................... 192 5.2.2 Thermodynamik der Gase und Gasgemische..................... 200 5.2.3 Wasserdampfthermodynamik ............................................ 206 5.2.4 Brennstoffkennwerte.......................................................... 209 5.2.5 Verbrennungsrechnung ...................................................... 212 5.2.6 Kreisprozesse ..................................................................... 219 5.3 Basiswissen Elektrotechnik....................................................... 222 5.3.1 Stromarten und Stromkreise............................................... 222 5.3.2 Drehstrommaschinen ......................................................... 233 Literaturverzeichnis ............................................................................ 240
6.
Energieumwandlung und Emissionen ........................................ 241 6.1 Energieumwandlungsanlagen.................................................... 241 6.1.1 Typen von Energieumwandlungsanlagen .......................... 241 6.1.2 Kessel ................................................................................. 241 6.1.3 Arten von Feuerungen........................................................ 247 6.2 Luftverunreinigende Schadstoffemissionen .............................. 249 6.2.1 Arten von Emissionen ........................................................ 249 6.2.2 Emissionsgrenzwerte ......................................................... 250 6.3 Emissionsminderungsmaßnahmen ............................................ 251 6.3.1 Primärmaßnahmen zur Emissionsreduzierung................... 251 6.3.2 Sekundärmaßnahmen zur Emissionsminderung ................ 253 6.4 Verfahren zur Reduzierung von CO2-Emissionen .................... 258
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Inhaltsverzeichnis
6.4.1 Hintergrund und Zielsetzung ............................................. 258 6.4.2 Verfahren zur CO2-Abscheidung ....................................... 259 6.4.3 CO2-Transport.................................................................... 265 6.4.4 CO2-Speicherung ............................................................... 266 6.4.5 Vergleich der Verfahren, Energieeffizienz und Kosten ..... 266 Literaturverzeichnis ............................................................................ 269 7.
Kraftwerke, Technik und Kosten................................................ 271 7.1 Begriffsdefinitionen und Kennzahlen ....................................... 271 7.1.1 Kraftwerkstypen................................................................. 271 7.1.2 Definition der verwendeten Kennzahlen und Begriffe ...... 272 7.2 Fossilthermische Kraftwerke..................................................... 274 7.2.1 Dampfkraftwerke ............................................................... 274 7.2.2 Gasturbinenkraftwerke....................................................... 282 7.2.3 Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke ................................ 286 7.2.4 Verbrennungsmotor-Kraftwerke ........................................ 287 7.2.5 Stromgestehungskosten fossilthermischer Kraftwerke ...... 287 7.3 Kernkraftwerke.......................................................................... 295 7.3.1 Typen und Funktionsweise von Kernreaktoren ................. 295 7.3.2 Kernenergieausstieg oder Ausbau...................................... 296 7.3.3 Der neue European Pressurized Reactor EPR.................... 298 7.3.4 Stilllegung von Kernenergieanlagen .................................. 298 7.3.5 Stromgestehungskosten von Kernkraftwerken .................. 300 7.4 Solarthermische Kraftwerke...................................................... 303 7.4.1 Das Energieangebot der Sonne .......................................... 303 7.4.2 Kollektorsysteme für Solarthermische Kraftwerke............ 303 7.4.3 Typen von solarthermischen Kraftwerken ......................... 306 7.4.4 Investitionsausgaben und Stromgestehungskosten ............ 310 7.5 Photovoltaik Anlagen................................................................ 312 7.5.1 Physikalisch-technische Grundlagen ................................. 312 7.5.2 PV-Module − Aufbau, Funktionsweise, Kenngrößen........ 315 7.5.3 Aufbau von Photovoltaik Anlagen..................................... 317 7.5.4 Kenngrößen von PV-Anlagen............................................ 319 7.5.5 Stromgestehungskosten...................................................... 321 7.6 Wasserkraftwerke...................................................................... 323 7.6.1 Physikalische Grundlagen.................................................. 323 7.6.2 Typen von Wasserkraftwerken .......................................... 323 7.6.3 Bauarten von Wasserturbinen ............................................ 325 7.6.4 Anlagenbestand, Stromerzeugung, Ausbauperspektiven ... 326 7.6.5 Investitionsausgaben und Betriebskosten .......................... 327 7.7 Windkraftanlagen ...................................................................... 329
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7.7.1 Physikalische Grundlagen.................................................. 329 7.7.2 Anlagentechnik .................................................................. 330 7.7.3 Kenngrößen von Windkraftanlagen ................................... 331 7.7.4 Ermittlung des Energieertrages .......................................... 333 7.7.5 Investitionsausgaben und Stromgestehungskosten ............ 337 7.7.6 Ausbauperspektiven der Windenenergie............................ 342 Literaturverzeichnis ............................................................................ 345 8.
Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung............... 347 8.1 Thermodynamisch-technische Grundlagen ............................... 347 8.1.1 Das Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung ........................... 347 8.1.2 Bauarten von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen ................ 349 8.1.3 Aufbau und Fahrweise von Heizkraftwerken .................... 350 8.1.4 Anwendungsmöglichkeiten und Betreiber ......................... 351 8.2 Heizkraftwerke .......................................................................... 352 8.2.1 Verbrennungsmotor-Blockheizkraftwerke......................... 352 8.2.2 Gasturbinen-Heizkraftwerke .............................................. 355 8.2.3 Dampfturbinen-Heizkraftwerke ......................................... 356 8.2.4 Gas- und Dampfturbinen-Heizkraftwerke.......................... 359 8.2.5 Wärmeauskopplung aus Großkraftwerken......................... 360 8.3 Kennzahlen der gekoppelten Energieerzeugung ....................... 361 8.3.1 Thermodynamisches Modell KWK- und Kond.-Anlagen . 361 8.3.2 Wirkungsgrad und Energienutzungsgrad ........................... 362 8.3.3 Die Stromkennzahl............................................................. 364 8.3.4 Die Stromverlust-Kennziffer.............................................. 365 8.3.5 Äquivalente Kondensationsleistung................................... 366 8.3.6 Beziehungen zwischen den Kennzahlen ............................ 367 8.3.7 Richtwerte für Kennzahlen von KWK-Anlagen ................ 369 8.3.8 Auflistung verwendeter Symbole bei den Kennzahlen ...... 375 8.4 Kostenaufteilungsverfahren ...................................................... 376 8.4.1 Das Stromäquivalenzverfahren (Arbeitswertverfahren) .... 376 8.4.2 Das Exergie-Verfahren ...................................................... 381 8.4.3 Das kalorische Verfahren................................................... 383 8.4.4 Das Restwertverfahren ....................................................... 385 8.5 Wahl des Kostenaufteilungsverfahrens ..................................... 390 Literaturverzeichnis ............................................................................ 392
9.
Energietransport und -verteilung ............................................... 393 9.1 Stromübertragung und -verteilung ............................................ 393 9.1.1 Technischer Aufbau der Stromnetze.................................. 393 9.1.2 Systemkomponenten von elektrischen Netzen................... 396 9.1.3 Das Deutsche und das Europäische Verbundnetz .............. 402
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9.1.4 Netzzugang und Netznutzung bei Stromnetzen ................. 405 9.1.5 Genehmigung der NNE − Anreizregulierung .................... 417 9.2 Erdgastransport und -verteilung ................................................ 418 9.2.1 Technischer Aufbau von Erdgasnetzen.............................. 418 9.2.2 Das deutsche und europäische Erdgas-Verbundnetz ......... 421 9.2.3 Auslegung und Betrieb von Erdgasnetzen ......................... 423 9.2.4 Netzzugang und Netznutzung bei Gasnetzen..................... 428 9.3 Fernwärmeverteilung ................................................................ 432 9.3.1 Technischer Aufbau von Fernwärmenetzen....................... 432 9.3.2 Grundbegriffe der Fernwärmeversorgung.......................... 434 9.3.3 Ausgewählte Merkmale der Fernwärmeversorgung .......... 435 9.3.4 Auslegung und Betrieb von Fernwärmenetzen .................. 435 9.3.5 Systemkomponenten von Fernwärmenetzen...................... 438 9.3.6 Erschließungskosten der Fernwärmenetze......................... 444 Literaturverzeichnis ............................................................................ 449 10.
Abwicklung von Energieprojekten ......................................... 451 10.1 Phasen der Projektabwicklung............................................... 451 10.1.1 Projektstart ..................................................................... 452 10.1.2 Planung und Vergabe ..................................................... 454 10.1.3 Bau und Inbetriebnahme ................................................ 458 10.2 Betrieb der Anlage................................................................. 458 Literaturverzeichnis ............................................................................ 459
Abkürzungsverzeichnis ......................................................................... 461 Sachverzeichnis ...................................................................................... 467
1. Der Primärenergiemarkt
1.1 Energieformen 1.1.1 Klassifizierung der Energieformen
Energie ist in chemischer Form in Brennstoffen (Kohle, Heizöl) enthalten oder in Energieträgern (Dampf, Heißwasser) gespeichert. Die Einheit für Energie ist 1 J (Joule). Die Energieformen werden „physikalisch“ oder nach der „Energieumwandlung und -anwendung“ klassifiziert. Physikalisch wird nach folgenden Energieformen unterschieden: • • • • •
Mechanische Energie; sie kommt als kinetische (Bewegungsenergie) oder potenzielle (Höhenenergie) Energie vor Thermische Energie Chemische Energie, z.B. die in Brennstoffen enthaltene Energie Strahlungsenergie Kernenergie
Im Rahmen der Energieumwandlung und -anwendung unterscheidet man drei Hauptformen von Energie: • • •
Primärenergien sind Naturvorkommen, die noch keinerlei Umwandlung unterzogen wurden Endenergien werden in einem Energieumwandlungsprozess (Raffinerie, Kraftwerk) aus Primärenergie gewonnen Nutzenergie ist die Energie, die nach der letzten Umwandlung in den Geräten des Endverbrauchers zur Verfügung steht
Diese Hauptformen werden in verschiedene Unterformen unterteilt. Eine Klassifizierung der Energieformen im Rahmen der Energieumwandlung und -anwendung ist in der Abb. 1.1 zu ersehen.
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1 Der Primärenergiemarkt Naturvorkommen Gewinnungsprozess Bergbau, Erdöl-, Erdgasförderprozess
Primärenergie Fossile Energieträger
Kernenergie
Kohle, Erdöl, Erdgas
Kernbrennstoff
Erneuerbare Energien Solar-, Windenergie Biomasse, Geothermie
Energieumwandlungsprozess Kokerei, Raffinerie, Kraftwerk
Endenergie Nicht-leitungsgebundene Energien feste Brennstoffe Brickets, Koks flüssige Brennstoffe Heizöl, Benzin gasförmige Brennstoffe Gichtgas, Konvertergas
Leitungsgebundene Energien elektrischer Strom Erdgas Fernwärme Druckluft
Energieumwandlungsprozess Auto, Werkzeugmaschine, Lampe, Heizkessel
Nutzenergie Fort-, Drehbewegung Licht, Heizwärme
Abb. 1.1: Energieformen, nach Umwandlung und Anwendung 1.1.2 Maß- und Handelseinheiten für Energie
Die offizielle Einheit für Energie nach ISO-Standard1 ist 1 Joule "J" (bzw. die Vielfachen kJ=103 J, MJ=106, GJ=109, TJ=1012). Auf dem Markt werden aber Energien in verschiedenen Natur- oder Handelseinheiten (Tonne, Barrel, Hektoliter) verkauft. Die meisten dieser Einheiten sind historischen 1
Als Einheitensystem für die physikalischen Größen ist in den meisten Ländern das „Standard Internationale Einheitensystem nach [ISO 1000], abgekürzt SIMaßsystem in Gebrauch. Siehe Abschnitt 5.1 "Das internationale Einheitensystem".
1.1 Energieformen
3
Ursprungs. Zu unterscheiden ist unbedingt zwischen Masse-, Volumenund Energieeinheiten. Beim Kauf von Energie wird eigentlich nicht die Masse oder das Volumen sondern der darin enthaltene Energiegehalt gekauft. Steinkohle (hard coal) wird als Masse in Tonnen verkauft. Die verschiedenen Kohlesorten haben aber nicht den gleichen Energiegehalt. Um ein vergleichbares Maß zu haben, wurde ursprünglich als Energieeinheit für Kohle die Stein Kohle Einheit "1 t SKE“ (englisch: „tce“ ton of coal equivalent) eingeführt. Das ist der Energiegehalt von hochwertiger Steinkohle mit 7.000 kcal/kg bzw. 7 Gcal/t. Ein kcal ist eine alte Energieeinheit und entspricht 4,187 kJ. Rohöl (crude oil) wird in „barrel“ gehandelt. Öl wurde ursprünglich in Fässern (englisch: barrel) verkauft. Ein barrel ist eine Volumeneinheit und entspricht ca. 159 Liter, 1 Tonne Öl entspricht ca. 7,3 barrel. Im englischen Sprachgebrauch wird die Tonne Rohöleinheit (TRÖE) „Ton of Oil Equivalent - TOE“ als Energiemaß für Öl benutzt. 1 TOE = 10 Gcal = 41,868 GJ. Obwohl die o.g. Einheiten historisch bedingt sind, werden sie auf dem Energiemarkt weiterhin anstelle der offiziellen Energieeinheiten benutzt. Um Energien energetisch und preislich vergleichen zu können, müssen deren Handelseinheiten in Energieeinheiten umgewandelt werden. Dies geschieht über den Heizwert der entsprechenden Energieart. Der Heizwert ist der nutzbare Energiegehalt in kJ oder kWh pro Handelseinheit (siehe hierzu Tabelle 5.10 Kennwerte ausgewählter Brennstoffe). Somit ist ein Kostenvergleich von Primärenergien über den Wärmepreis möglich. Wärmepreis = Handelspreis dividiert durch den Heizwert Hierzu das folgende einfache Beispiel: Beispiel 1.1: Umrechnung Handelspreis - Wärmepreis Preise in Handelseinheiten *): Importsteinkohle: Handelspreis 70 €/t; Heizwert 26 GJ/t Schweres Heizöl: Handelspreis 200 €/t; Heizwert 41,5 GJ/t Extra leichtes Heizöl Handelspreis 35 €/hl; Heizwert 3,6 GJ/hl Wärmepreise: Steinkohle: 70/26,0 = 2,69 €/GJ Schweres Heizöl: 200/41,5 =4,82 €/GJ Extra leichtes Heizöl: 35/3,6 = 9,72 €/GJ *) 1 GJ = 109 J; 1 Hektoliter (hl) = 100 Liter
4
1 Der Primärenergiemarkt
Auf dem Verbrauchermarkt werden schließlich alle leitungsgebundenen Energien (Strom, Erdgas, Fernwärme) in kWh und in kW verkauft. Beides sind offizielle Einheiten nach ISO-Standard. Die erste ist die Einheit für gekaufte Energie, die zweite ist die Einheit für bereitgestellte Leistung. Die Einheit kWh wird aus der Definition der Leistung abgeleitet.
Leistung ist die Energiemenge pro Zeiteinheit (Sekunde) J/s. Ihre Maßeinheit ist ein Watt (Symbol "W" 1 W=1 J/s) und seine Vielfachen kW, MW, GW, TW. Daraus wird die Energie- bzw. Arbeitseinheit kWh abgeleitet: 1 Ws = 1 J bzw. 1 Wh = 3600 Ws = 3.600 J 1 kWh = 3.600 kJ Die Vielfachen von kWh sind MWh, GWh und TWh In diesem Buch wird die Energiemengeneinheit kWh anstelle von kJ bevorzugt verwendet. Der Grund für die Bevorzugung der Einheit kWh ist, dass alle leitungsgebundenen Energien i.d.R. in kWh gehandelt werden. In der Praxis hat es aber Vorteile, die Einheit kWh durchgehend, d.h. auch für nicht-leitungsgebundene Energien und Brennstoffe, zu verwenden. Dadurch werden Berechnungen bei Energiebilanzen sowie Umrechnungen einfacher und direkte Preisvergleiche erleichtert. Zur Unterscheidung, ob es sich um thermische oder elektrische Energie handelt, werden oft Indizes gesetzt (z.B. MWth bzw. MWhel) Die spezifischen Brennstoffkosten von Strom ergeben sich durch einfache Division des Wärmepreises der Kohle durch den elektrischen Wirkungsgrad, wenn Heizwert und Wärmepreis der Kohle auf MWh anstatt auf kJ bezogen sind. Hierzu das folgende einfache Beispiel: Beispiel 1.2: Spezifische Brennstoffkosten für Strom Preis der Kohle frei Kraftwerk: 70 €/t (wie im vorigen Beispiel) Heizwert: 7,22 MWhth/t (anstelle von 26 GJ/t = 26/3,6 MWhth/t) Elektrischer Wirkungsgrad des Kraftwerkes: 0,4 (40%) Wärmepreis der Kohle: 70/7,22 = 9,70 €/MWhth Spezifische Brennstoffkosten des erzeugten Stromes pro MWhel: cB = 9,70/0,4 = 24,25 €/MWhel
In offiziellen Statistiken werden oft weiterhin die historischen Einheiten anstelle der ISO Standard Einheiten verwendet. Hinzu kommt noch die Verwendung der so genannten Imperial Units aus dem angelsächsischen Maßsystem. Nützliche Umrechnungseinheiten sind aus folgender Tabelle zu entnehmen:
1.2 Struktur des Energieverbrauchs in Deutschland
5
Tabelle 1.1: Umrechnungstabelle für ausgewählte Einheiten Einheit 1 barrel 1 t RÖE 1 t SKE
l 159 -
1 Mill. T SKE
1.2
kg 137 -
Gcal 1,372 10 7
= 8,14 TWh
t SKE 0,196 1,429 1
GJ 5,743 41,868 29,308
= 29,308 PJ
MWh 1,595 11,630 8,141
= 0,7 Mio. t RÖE
Struktur des Energieverbrauchs in Deutschland
1.2.1 Primärenergieverbrauch
Wie aus Abb. 1.2 zu ersehen ist, wird der überwiegende Teil (ca. 83%) des Primärenergieverbrauchs in Deutschland durch die fossilen Primärenergieträger Kohle, Erdöl und Naturgase gedeckt. Primärenergieverbrauch in 2007 13.826 PJ = 417,7 Mio t SKE = 3.840,6 TWh
Kernenergie 11,1%
Wasser/Wind 1,2%
Sonstige 5,0% Mineralöl 33,8%
Naturgase 22,7% Steinkohle 14,1%
Braunkohle 11,7% Quelle: BMWi, (eigene Aufbereitung als Graphik)
Sonstige: Brennholz, Brenntorf, Klärschlamm, Müll, sonstige Gase
Abb. 1.2: Primärenergieverbrauch in Deutschland
Bei der Entwicklung des Primärenergieverbrauchs sind seit 1990 drastische Veränderungen zu beobachten - Abb. 1.3 und Tabelle 1.2. Der Gesamtverbrauch in 2007 ist um 7% niedriger als in 1990. Der Einsatz von Braunkohle hat sich, aufgrund des Ersatzes der alten Kraftwerke in Ostdeutschland durch hocheffiziente neue Braunkohlekraftwerke, halbiert. Auch der Einsatz von Steinkohle und Mineralöl hat beträchtlich abgenommen. Die Gewinner auf dem Primärenergiemarkt sind Erdgas und erneuerbare Energien (Wasserkraft/Windkraft, Sonstige darin Biomasse).
6
1 Der Primärenergiemarkt
16,000
Sonstige (Holz, Torf, Klärschlamm, Müll)
Wasser/Wind
14,000
Naturgase
in Petajoule
12,000 10,000 Mineralöl
8,000 6,000
Steinkohle
4,000
Braunkohle 2,000
Kernenergie
Quelle: BMWi; AGEB
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
0
Abb. 1.3: Entwicklung des Primärenergieverbrauchs Tabelle 1.2: Veränderungen beim Primärenergieverbrauch Energieträger (in PJ) Mineralöl Steinkohle Braunkohle Naturgase 1) Kernenergie Wasser- und Windkraft 2) Sonstige Insgesamt
3)
5.217 2.306 3.201
5.499 2.021 1.550
5.123 1.841 1.595
4.678 1.952 1.618
Prozent 1990 - 2007 -10% -15% -49%
1990
2000
2005
2007
2.328
2.996
3.236
3.136
35%
1.668 58
1.851 127
1.779 170
1.533 218
-8% 277%
128 14.905
357 14.401
495 14.238
691 13.826
441% -7%
1) Erdgas, Erdölgas, Grubengas 2) Windkraft ab 1995, inkl. Fotovoltaik 3) u.a. Brennholz, Brenntorf, Klärschlamm, Müll, sonstige Gase
Quelle: BMWi
Obwohl die Nutzung von Wasser, Windkraft und Sonstige beträchtlich zugenommen hat (Tabelle 1.2), ist deren Anteil am Gesamtprimärenergieverbrauch weiterhin klein. Das Steigerungspotential, insbesondere von Biomasse und Windkraft, ist hingegen, bedingt durch steigende Preise von fossilen Brennstoffen und durch öffentliche Fördermaßnahmen, erheblich.
1.2 Struktur des Energieverbrauchs in Deutschland
7
1.2.2 Endenergieverbrauch
Etwa 50% des Endenergieverbrauchs wird durch die leitungsgebundenen Energien Strom, Erdgas und Fernwärme gedeckt. Feste Brennstoffe − Abb. 1.4 − spielen eine untergeordnete Rolle. Der Anwendungsbereich „Wärme“ verbraucht ca. 60% der Endenergie − Abb. 1.5. Der Fernwärmeanteil ist im Gesamtverbrauch klein, weil deren Einsatz wegen des hohen Aufwandes im Verteilungsbereich nur in Gebieten mit hoher Wärmedichte wirtschaftlich ist. Endenergieverbrauch in 2007 Total: 8.585 PJ = 292 Mio. t SKE = 2.386,6 TWh
Sonstige 3) 6,1% Fernwärme 3,1%
Steinkohle 4,6%
Braunkohle 1,0% Kraftstoffe 1) 29,1%
Strom 22,2%
Heizöl schwer 0,8% Heizöl leicht 7,9%
Gase 2) 27,5% 1) und Mineralölprodukte 2) Naturgase, Produktionsgase 3) Brennholz, Torf, Klärschlamm, Müll
Quelle: BMWi eigene Aufbereitung als Graphik
Abb. 1.4: Endenergieverbrauch in Deutschland
Anwendungsbereiche der Endenergie
Beleuchtung 2% mechanische Energie 39%
sonstige Prozesswärme 22%
Raumwärme 32%
Warmwasser 5%
Quelle: BMWi, AG Energiebilanzen, Bundesverband der Energiewirtschaft und Wasserwirtschaft
Abb. 1.5: Endenergieverbrauch nach Anwendungsbereichen
8
1 Der Primärenergiemarkt
1.2.3 Energieträgereinsatz zur Stromerzeugung
Etwa 38% des Primärenergieverbrauchs in Deutschland wird zur Erzeugung des Endenergieträgers Strom − Abb. 1.6 − eingesetzt. Dabei haben Kernenergie, Braun-, und Steinkohle zusammen einen Anteil von ca. 83%. Bei der Bruttostromerzeugung − Abb. 1.7 − beträgt deren Anteil jedoch, bedingt durch die niedrigeren Wirkungsgrade bei Kernenergie und der älteren noch in Betrieb befindlichen Kohlekraftwerke, nur ca. 70%. Der Beitrag der erneuerbaren Energie insgesamt erreicht bereits ca. 15,7% . Energieträger zur Stromerzeugung 2007 Total: 5.366 PJ = 183,1 Mio t SKE = 1.490,6 TWh
Kernenergie 28,6%
Steinkohle 25,1%
Wasser-/Windkraft 4,2% Gase 10,3%
Heizöl 1,2%
Übrige feste Brennstoffe 2,1%
Braunkohle 28,4%
Quelle: BMWi, AGEB (eigene Aufbereitung als Graphik)
Abb. 1.6: Einsatz von Energieträgern zur Stromerzeugung
Bruttostromerzeugung nach Energieträgern in 2007 Gesamterzeugung 632 TWh
Biomasse 3,1% Wasserkraft 4,3% Windkraft 6,4%
Photovoltaik 0,6% Müll 1,3%
übrige Brennstoffe 2,3% Steinkohle 22,3%
Kernenergie 22,2% Erdgas 11,6%
Mineralöl 1,3%
Braunkohle 24,7%
Quelle: BMWi, Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen Eigene Überarbeitung als Graphik
Abb. 1.7: Bruttostromerzeugung nach Energieträgern
1.2 Struktur des Energieverbrauchs in Deutschland
9
1.2.4 Beitrag erneuerbarer Energien zur Energiebereitstellung
Bedingt durch die ständig steigenden Energiepreise und die Klimaproblematik gewinnen erneuerbare Energien ständig an Bedeutung. Das Bewusstsein über die Endlichkeit der fossilen Energieträger ist sowohl bei der Politik und den Versorgungsunternehmen als auch bei der Bevölkerung gewachsen. Somit ist nun die Notwendigkeit für den forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien unbestritten. Deren Beitrag bei der Energiebereitstellung betrug in 2007 ca.: • • •
am Primärenergieverbrauch am Endenergieverbrauch am Bruttostromverbrauch
6,7% 8,5% 14,2%
Quelle: BMU- AGEE-Stat
Der Beitrag der erneuerbaren Energien in den einzelnen Anwendungsbereichen ist aus folgender Tabelle zu ersehen. Tabelle 1.3: Endenergiebereitstellung aus erneuerbaren Energien (EE) Einheit
Strom
Wärme
Kraftstoff
Wasserkraft
20,7
Windenergie
39,5
-
-
39,5
Biomasse *)
23,8
84,2
44,4
152,4
3,5
-
-
3,5
Solarthermie
-
3,7
-
3,7
Geothermie
-
2,3
-
2,3
87,5
90,2
44,4
Fotovoltaik
TWh
Gesamt EE
TWh
Gesamt Endenergie
TWh
-
-
Gesamt 20,7
222,1 2.617,5
*) feste, flüssige, gasförmige Biomasse, biogener Anteil des Abfalls, Deponie- und Klärgas Quelle: BMU - Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien - Statistik (AGEE-Stat)
Mit dem Erneuerbare-Energien Gesetz von 2004 hat die Bundesregierung das Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch im Jahr 2010 mindestens auf 12,5 % zu erhöhen. Als mittelfristiges Ziel ist vorgesehen, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Strombereitstellung bis 2020 auf mindestens 20 % und am Primärenergieverbrauch auf mindestens 10 % zu steigern. Das erste Ziel ist bereits übertroffen, und der Anstieg erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung − Abb. 1.8 − bleibt unaufhaltsam. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung soll langfristig, d.h. bis Mitte die-
10
1 Der Primärenergiemarkt
ses Jahrhunderts, rund die Hälfte der Energieversorgung mit erneuerbaren Energien bestritten werden. 100 90
Sonstige
Stromerzeugung TWh
80
Anteil am Bruttostromverbrauch 2007: 14,2%
70
Biomasse
Sonstige: Biogenerer Anteil des Abfalls, Photovoltaik, Geothermie 60 50 1
40
Windkraft
30 20
Wasserkraft 10 Quelle: BMWi, BMU - AG-Erneuerbare Energien/Statistik 2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
0
Abb. 1.8: Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien
1.3 Herkunft u. Preisentwicklung der Primärenergieträger 1.3.1 Herkunft und Grenzübergangspreise von Rohöl 1.3.1.1 Rohölaufkommen in Deutschland
Als Erdöl (petroleum) wird das Naturprodukt bezeichnet, das in Lagerstätten in der Erdkruste eingelagert ist und hauptsächlich aus flüssigen Kohlenwasserstoffen besteht. Sobald das Erdöl aus seiner Lagerstätte gefördert und transportfähig aufbereitet worden ist, wird es Rohöl (crude oil) genannt. Als Mineralöl (petrochemicals) werden in der petrochemischen Industrie die bei der Destillation in Raffinerien gewonnenen Produkte wie Benzin, Heizöl, Schmieröle und andere bezeichnet. Erdöl ist sowohl weltweit (zu ca. 38%) als auch in Deutschland (zu ca. 34%) der dominierende Primärenergieträger und auch die führende Größe bei der Preisgestaltung für alle anderen Energieträger. Rohöl wird fast vollständig aus dem Weltmarkt nach Deutschland importiert. Die Inlandsproduktion ist mit 3% vernachlässigbar klein. In der Abb. 1.9 ist Aufkommen und Herkunft von Rohöl in Deutschland dargestellt.
1.3 Herkunft u. Preisentwicklung der Primärenergieträger
11
Rohölaufkommen in 2007 110.046 kt
Sonstige Länder 13,7%
Inlandförderung 3,1% Naher Osten
Großbritannien 12,5%
5,7%
Afrika 17,1% Venezuela 2,0%
Norwegen 15,1%
*) Zahlen gerundet
Russland 30,8%
Quellen: BMWi, Mineralölwirtschaftsverband 2007, eigene Aufbereitung als Graphik
Abb. 1.9: Rohölaufkommen in Deutschland 1.3.1.2 Rohölpreisentwicklung
Als die dominierende fossile Primärenergie weltweit übt Erdöl eine Preisleitfunktion auf dem Energiemarkt aus. Das Marktprinzip von Angebot und Nachfrage spielt bei der Preisbildung von Rohöl eine immer geringere Rolle. Ein Großteil des Rohölgeschäftes wird heute an den Warenbörsen der Welt über Spotmärkte abgewickelt. Rohölpreise sind Börsenpreise und unterliegen fast stündlich starken Schwankungen. Sie reagieren besonders empfindlich auf geopolitische Krisen und Unruhen in den Förderländern, sowie auf Meldungen und Gerüchte auf dem Markt, die Knappheitsängste bei den Verbrauchern verursachen. Oft werden die Preise künstlich durch verstärkte Spekulation (Optionskäufe, hedge fonds) an den Börsen angeheizt. In den 1970er Jahren, bei der 1. Ölkrise, wurde Rohöl für kurze Zeit auch als politisches Druckmittel durch bestimmte Förderländer benutzt. Wegen der Vielzahl von Ölsorten, weltweit werden über 30 angeboten, werden an den Warenbörsen der Welt Referenz-Rohölsorten notiert. An der Londoner IPE wird die Sorte „North Sea Brent“ gehandelt, an der Nymex in New York „West Texas Intermediate (WTI)“ und in Singapur die Referenzsorte „Tapis“. Die OPEC (Organisation of Petroleum Exporting Countries) gibt auch einen Referenzpreis für den sogenannten „OPEC basket“ bekannt, der ein Mix aus sieben Ölsorten ist. Rohöl wird auf dem Weltmarkt in US$ pro Barrel gehandelt. In der englischsprachigen Welt wird als Energiemaß „1 TOE“ (Ton of Oil Equivalent) benutzt. Der deutsche Begriff hierfür ist „1 t RÖE“ (Tonne RohölEinheit). Die Beziehung zwischen den Einheiten ist wie folgt:
12
1 Der Primärenergiemarkt
Tabelle 1.4: Umrechnung von Handelseinheiten für Rohöl Einheit
l
kg
Gcal
t SKE
GJ
MWh
1 barrel
159
137
1,372
0,196
5,743
1,595
1 t RÖE
-
-
10,0
1,429
41,868
11,630
Abb. 1.10 zeigt die Preisentwicklung bei Rohöl in US$/barrel und €/barrel nach dem OPEC basket seit 1970. Die Diskrepanz zwischen den Dollar und Euro Preisen entsteht dadurch, dass Rohöl weltweit in US-Dollar gehandelt wird. Somit hängen die Preise in der EU auch vom Wechselkurs Dollar zu Euro ab. Die Preisentwicklung ist von Preissprüngen sowohl nach oben als auch nach unten gekennzeichnet. Die Ereignisse, die zu diesen Preissprüngen geführt haben, waren im Wesentlichen folgende: 1974 : 1979: 1982 - 1984: 1986 - 1988: 1990 - 1991: 1998: 2000: 2003: 2004:
erste Ölkrise, Rohöl wird politisches Druckmittel Revolution im Iran, Sturz des Schah-Regimes Produktionserhöhung durch Nicht-OPEC-Länder Überangebot, OPEC-Länder uneinig über Mengenquoten Besetzung Kuwaits durch Irak, erster Irakkrieg Überangebot und Wirtschaftskrise in Fernost Nachfrage übersteigt Angebot, verstärkte Spekulation zweiter Irakkrieg Starke Nachfrage in China, USA, Japan andauernde Irakkrise, Spekulation, Yukos Affäre in Russland verstärkte Spekulation, Spannungen wegen Iran´s Urananreicherungsprogramm sowie zwischen USA und Venezuela wie in 2005, Dollar-Schwäche hat negativen Einfluss auf die Rohölpreise
2005: 2006-2007:
Rohölpreisentwicklung OPEC-basket Nominalpreise 80 70
Quelle: OPEC Bulletin eigene Aufbereitung als Graphik
60 50
€ / barrel
40 US$ / barrrel
30 20 10
Abb. 1.10: Rohölpreise seit 1970, Jahresmittelwerte, nominal
2006
2004
2002
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
1978
1976
1974
1972
1970
0
1.3 Herkunft u. Preisentwicklung der Primärenergieträger
13
Die Seefrachtraten scheinen hingegen eine untergeordnete Rolle zu spielen. Für die Route Golf - nordwesteuropäische Häfen betrugen sie auf dem Spotmarkt in 2006 nach [OPEC Bulletin] zwischen 2,5 und 4,0 US$/barrel. In der Abb. 1.11 werden die Rohöl-Einfuhrpreise in Deutschland als Nominal- und als Realpreise dargestellt. Weil sich aber dabei zwei Effekte summieren, nämlich die Inflation und die Euro-Dollar-Parität, wurde auch ein fiktiver Verlauf mit Realpreisen bei einer konstanten Euro-DollarParität gleich 1 eingefügt. Zur Inflationsbereinigung wurden die Verbraucherpreisindizes vom Statistischen Bundesamt (StBA) verwendet. Man erkennt aus der Darstellung, dass trotz des kräftigen Preisanstiegs in den letzten 3 Jahren die realen Rohölpreise den Stand von Anfang der 1980er Jahre noch nicht erreicht haben (2007). In den letzten 10 Jahren ist der Unterschied zwischen Nominal- und Realpreis wegen den niedrigen Inflationsraten gering. Entwicklung der Rohöl-Einfuhrpreise in Deutschland "Nominal - Real" und " Real & Euro-US$-Parität = 1 konstant" 600
Quelle: MWV / Deutsche Bundesbank eigene Aufbereitung als Graphik
500
Preis € / t
400
300
200
100
Nominal
Real
2006
2004
2002
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
1978
1976
1974
1972
1970
0
Real & 1 € = 1 US$
Abb. 1.11: Entwicklung der Rohöl-Einfuhrpreise
Der Aussagewert von gemittelten Jahrespreisen ist allerdings begrenzt. Wie bereits erwähnt, ändert sich der Rohölpreis auf den Handelsplätzen quasi stündlich. In der Abb. 1.12 wird die Preisentwicklung in kurzen Zeitabständen innerhalb des Jahres gezeigt. Daraus erkennt man, dass die Preisentwicklung beim Rohöl sich jeder Prognostizierbarkeit entzieht (siehe z.B. Jahr 2008).
14
1 Der Primärenergiemarkt
Quelle: www.tecson.de Abb. 1.12: Kurzzeitige Entwicklung der Rohölpreise 1.3.2 Herkunft und Grenzübergangspreise von Steinkohle 1.3.2.1 Steinkohleaufkommen in Deutschland
Die gängigen Kohlesorten sind Steinkohle (hard coal) und Braunkohle (lignite). Je nach Verwendungszweck unterscheidet man hauptsächlich in Kessel- oder Kraftwerkskohle (steam coal), die in den Kraftwerken zur Stromerzeugung eingesetzt wird, und Kokskohle (coking coal), die in den Hochöfen der Stahlindustrie zur Stahlerzeugung eingesetzt wird. Kleinere Mengen werden auch zur reinen Wärmeerzeugung verbraucht. Für die Energiewirtschaft ist vor allem die Kesselkohle interessant. Zur Stromerzeugung wird in Deutschland sowohl Braunkohle als auch Steinkohle eingesetzt. Braunkohle wird in Deutschland fast ausschließlich im Tagebau gewonnen und wegen der vergleichsweise niedrigen Energiedichte überwiegend in nahe liegenden Kraftwerken verstromt.
1.3 Herkunft u. Preisentwicklung der Primärenergieträger
15
Über die Hälfte der Kraftwerks-Steinkohle − Abb. 1.13 − wird aus verschiedenen Ländern importiert. Hauptexportländer sind Polen, Südafrika, GUS, Australien und Kolumbien. Kesselkohle plus Kohle für Wärmemarkt Gesamtverbrauch ca. 52.4 Mio t Import 33,2 Mio t (t = t) Sonstige 8,1% Indonesien 2,2% Australien 2,2%
Inland 36,8%
Südafrika 11,8%
Kolumbien 13,2%
GUS 14,7%
USA 2,1%
Polen 8,8% Quelle: Verein der Kohlenimporteure, BAFA eigene Aufbereitung als Graphik
Abb. 1.13: Herkunft der Steinkohle 2007
Die Förderkosten für einheimische Steinkohle sind im Vergleich zu den Preisen von Importkohle um das 3- bis 4fache höher. Aus energie- und beschäftigungspolitischen Gründen hat die einheimische Kohle in Deutschland jedoch eine Sonderstellung. Durch die Kohleverstromungsgesetze bestand von 1966 bis Ende 1995 eine quasi-Verpflichtung, inländische Kohle zur Stromerzeugung einzusetzen. Kraftwerksbetreiber erhielten einen Teilausgleich zum Importkohlepreis, der über den so genannten „Kohlepfennig“ (Ausgleichsabgabe) finanziert wurde. Der Kohlepfennig wurde als Zuschlag auf die Stromrechnung erhoben, und betrug in 1995 ca. 8,5 Pf/kWh. In 1996 wurden die Kohleverstromungsgesetze durch das „Gesetz zur Umstellung der Steinkohleverstromung“ und das „Steinkohlehilfegesetz“ ersetzt. Nach diesem Gesetz sind die quasi-Verpflichtung zum Einsatz von inländischer Kohle sowie der Kohlepfennig entfallen. Die Kohlefördergesellschaften erhalten stattdessen eine Direkthilfe, die jährlich abnimmt. Diese Hilfe soll die Mehrkosten bei der Förderung ausgleichen, so dass die inländische Kohle zu Importkohlepreisen verkauft werden kann. Nur Zechen, bei denen der Ausgleich der Mehrkosten durch die Förderung gelingt, können so weiterbetrieben werden. Insofern ist der Importkohlepreis auch maßgebend für die inländische Kraftwerkskohle.
16
1 Der Primärenergiemarkt
Die subventionierte Förderung von Steinkohle soll nach dem neuen Steinkohlefinanzierungsgesetz 2018 beendet werden. Im Gesetz ist aber die Option vorgesehen, dass der Bundestag im Jahr 2012 überprüfen soll, ob der Steinkohlebergbau auch nach 2018 gefördert wird. 1.3.2.2 Entwicklung der Einfuhrpreise von Importkohle
Die Entwicklung der Importkohlepreise in den letzten 37 Jahren ist in Abb. 1.14 dargestellt.
150 140 130 120 110 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0
Nominal
Real
2006
2004
2002
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
1978
1976
1974
1972
Quelle: BAFA, Verein der Kohlenimporteure, Deutsche Bundesbank eigene Aufbereitung als Graphik
1970
€ / t SKE
Entwicklung der Importkohlepreise frei deutscher Grenze
Real & Euro - US$ Parität = 1
Abb. 1.14: Entwicklung der Grenzübergangspreise von Importkohle
Auch bei Importkohle sind teilweise starke Preisschwankungen zu beobachten. Die Preisentwicklung hängt von Angebot- und Nachfragemengen, Seetransportfrachtraten und dem US$/€ -Wechselkurs ab, wobei der Rohölpreis den primären Einfluss auf die Nachfrage ausübt. Die zweite Ölkrise 1979/80 hat z.B. zur verstärkten Nachfrage nach Kohle und zur vollen Ausschöpfung der Angebotskapazitäten geführt, was einen drastischen Anstieg der FOB Preise (FOB: Free On Board) zur Folge hatte. Das gleichzeitige Auftreten von hohen Seefrachtraten führte schließlich zu den extrem hohen Importkohlepreisen Anfang der 1980er Jahre. 1.3.2.3 Seefrachtraten für Steinkohle, Kohlenkette
Einen großen Einfluss auf die Grenzübergangspreise von Importkohle haben, im Gegensatz zu Erdöl, die Frachtkosten. Bei zunehmender Nachfrage auch bei anderen Massenschüttgütern wie Eisenerz, knappem Fracht-
1.3 Herkunft u. Preisentwicklung der Primärenergieträger
17
raumangebot und hohen Erdölpreisen können die Frachtraten beträchtlich steigen und bis zu 50% des Kohle CIF Preises (CIF: Cost Insurance Freight) erreichen. Während z.B. die Frachtraten Südafrika-Rotterdam (Abb. 1.15) lange Zeit zwischen 6 - 12 US$/t schwankten, stiegen sie in den Wintermonaten 2003 - 2004 auf über 27 US$/t an und sanken im Frühjahr 2005 wieder auf 12 US$/t. Durch verstärkte Nachfrage aus dem pazifischen Raum sind die Seefrachtkosten in 2007/2008 erneut drastisch gestiegen. Nach Einbruch der Wirtschaftkrise im Sommer 2008 sind sie, infolge des abzeichnenden Nachfragerückgangs für Kohle und Erze, innerhalb kurzer Zeit drastisch eingebrochen. 90 80
ARA: Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen
Frachtrate US$ / t
70 60 50 40 30 20 10
Quellen: Fichtner Archniv, VDKI, SSY
Australien
Südafrika
Jul 08
Okt 08
Apr 08
Jan 08
Jul 07
Okt 07
Apr 07
Jan 07
Jul 06
Kolumbien
Okt 06
Apr 06
Jan 06
Jul 05
Okt 05
Apr 05
Jan 05
Jul 04
Okt 04
Apr 04
Jan 04
Jul 03
Okt 03
Apr 03
Jan 03
Jul 02
Okt 02
Apr 02
Jan 02
0
USA Ostküste
Abb. 1.15: Seefrachten für Importkohle nach ARA-Häfen
Eine Übersicht der Kosten der gesamten Kohlenkette von der Grube bis zu den Zielhäfen in Europa ist in der Tabelle 1.5 zu ersehen. Tabelle 1.5: Repräsentative Kosten der Kohlenkette Kosten frei Grube
Transport Inland
Australien ***)
22 - 38
3 - 10
2-3
26
53 - 77
Südafrika
16 - 28
6 - 10
1,5 - 2
16
38 - 56 42 - 49
Land *)
Hafenumschlag
Seefracht **) 2006 - 2007
Gesamt CIF ARA
US$ / t
Kolumbien
22 - 26
2-3
3-5
15
Russland
16 - 20
24 - 26
2 -3
14
56 - 63
Indonesien
16 - 33
2-7
2 - 4,5
17
37 - 61,5
Venezuela
18 - 22
7-9
3-5
19
47 - 53
*) Abbaumethode: Tagebau ***) New South Wales
**) ARA: Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen; Base Panamax Quelle: Weltmarkt für Steinkohle, Dr. Ritschel, Dr.Schiffer
18
1 Der Primärenergiemarkt
Die Preise sind in den letzten Jahren durch den anhaltenden Boom in der Eisenerz- und Kohlenindustrie erheblich gestiegen. Die Preise in USDollar sind außerdem gestiegen, weil in den meisten Förderländern der Wert der lokalen Währung gegenüber dem US$ gestiegen ist. 1.3.2.4 Handelsplattformen für Steinkohle
Am derzeitigen Steinkohlemarkt [Weltmarkt für Steinkohle] sind sowohl langfristige Lieferverträge als auch Spotabschlüsse üblich, wobei letztere an Menge und Bedeutung zunehmen. Daher beinhalten auch längerfristige Lieferverträge Klauseln mit Preisbindung an die jeweiligen Spotmarktpreisen. Durch die Einführung von Standard Kohleindizes hinsichtlich Herkunft, Qualität und Lieferort kann jetzt Kohle auf den internationalen Rohstoffbörsen und Handelsplattformen als Commodity auch auf Swap-, Futures- und Optionsbasis gehandelt werden. Gegenwärtig sind folgende Indizes im Kohlewelthandel etabliert:
Handelstransaktionen werden durch Broker wie z.B TFS oder über die elektronische Handelsplattform globalCoal abgewickelt. Bei physikalischer Beschaffung müssen auf jeden Fall die Vorlaufzeiten von Anmeldefrist bis zur Lieferung ans Kraftwerk berücksichtigt werden. Sie betragen z.B. für Lieferungen aus Südafrika oder Kolumbien ca. 10 Wochen. 1.3.3 Herkunft und Grenzübergangspreise von Erdgas 1.3.3.1 Erdgasaufkommen in Deutschland
Erdgas spielt seit Anfang der 1970er Jahre eine wesentliche Rolle auf dem Energiemarkt in Deutschland. Es wird heute größtenteils importiert. Hauptimportländer sind Russland, Norwegen und die Niederlande, siehe Abb. 1.16 und Abb. 1.17.
1.3 Herkunft u. Preisentwicklung der Primärenergieträger
19
Herkunft von Erdgas und Entwicklung der Erdgaseinfuhren 3.500.000
Niederlande Norwegen ehem. UdSSR/ Russland Vereinigtes Königreich Frankreich Dänemark nicht ermittelte Länder
3.000.000
in TJ
2.500.000
2.000.000
Quelle: BMWi, BAFA
1.500.000
1.000.000
500.000
2006 *
2004 *
2002 *
1998
2000 *
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
1978
1976
1974
1972
1970
1968
1966
0
Abb. 1.16: Entwicklung der Einfuhren von Erdgas Erdgasaufkommen in Deutschland in 2007 4.016,4 PJ = 137,0 Mio t SKE = 1.115,7 TWh
Inland 14,9%
Speichersaldo 1,1% Russland 35,8%
Sonstige 2,7%
Niederlande 18,4% Norwegen 25,9%
Quelle: BMWi, AGEB (eigene Aufbereitung als Graphik)
Abb. 1.17: Erdgasaufkommen in Deutschland 1.3.3.2 Entwicklung der Grenzübergangspreise von Erdgas
Der Preis von Importgas ist in vertraulichen, längerfristigen Verträgen zwischen gasexportierenden und -importierenden Gesellschaften geregelt. Diese sind überwiegend mit festen Abnahme-/Lieferverpflichtungen ausgehandelt. Der Spotmarkt spielt bis jetzt eine untergeordnete Rolle. Nachstehende Abb. 1.18 zeigt die Entwicklung der Grenzübergangspreise in den letzten 37 Jahren. Die Abhängigkeit vom Dollarkurs ist hier nicht di-
20
1 Der Primärenergiemarkt
rekt gegeben, da Erdgas aus Norwegen und den Niederlanden in Euro abgerechnet wird. Das russische Erdgas wird jedoch noch auf US-Dollarbasis abgerechnet. Auch der Erdgaspreis zeigt deutliche Ähnlichkeit zu der Entwicklung der Rohölpreise. Allerdings sind Preisschwankungen weniger ausgeprägt, verglichen zu Rohöl. Ein Grund dafür ist, dass sich der in den Gaslieferverträgen vereinbarte Preis aus einem festen Bestandteil, dem „Leistungspreis“, und aus einem variablen Bestandteil, dem "Arbeitspreis" zusammensetzt. Für Importgas ist der Arbeitspreis über eine Preisgleitformel i.d.R. an den Preis von verschiedenen Rohölsorten gebunden und kann in vereinbarten Zeitabständen angepasst werden. So folgt der Erdgasarbeitspreis weitgehend der Preisentwicklung von Rohöl. Kraftwerksgas kann in Sonderverträgen auch an den Preis von Importkohle als Hauptkonkurrenzbrennstoff gekoppelt sein. Entwicklung der Preise von Importerdgas Grenzübergangspreise 30 Quelle: Statistik Kohlenwirtschaft , BAFA ab 1991, Verbraucherpreisindex StBA eigene Aufbereitung als Graphik
Preis € / MWh in Ho
25
20
15
10
5
Nominalpreis
2006
2004
2002
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
1978
1976
1974
1972
1970
0
Realpreis
Abb. 1.18: Grenzübergangspreise von Erdgas, nominal-real
Der Leistungspreis wird bei Importlieferverträgen ebenfalls periodisch, allerdings in längeren Zeitabständen, angepasst. Die Anpassung erfolgt auch nach dem Prinzip der Anlegbarkeit – siehe Abschnitt 1.3.3.3. Wenn z.B. aufgrund strengerer Umweltauflagen die Kapitalkosten für die Anlagen der Konkurrenzenergie gestiegen sind, kann der Leistungspreis von Erdgas ebenfalls steigen, da Erdgas von diesen Auflagen weniger betroffen ist.
1.3 Herkunft u. Preisentwicklung der Primärenergieträger
21
1.3.3.3 Preisbildung nach dem Anlegbarkeitsprinzip
Das Prinzip der Anlegbarkeit wird am Beispiel von Erdgas gegenüber den Konkurrenzenergien Heizöl im Wärmemarkt bzw. Kohle im Strommarkt in der Abb. 1.19 veranschaulicht. Das Prinzip der Anlegbarkeit ist, wie auch das von Angebot und Nachfrage, ein Merkmal des Wettbewerbsmarktes und wird direkt oder indirekt bei allen Energieformen angewandt. Die Grundidee ist dabei, dass die Kosten des Endproduktes, in diesem Fall der Nutzenergie (Wärme oder Strom), für alle Konkurrenzbrennstoffe gleich sein müssen. Da die Kapitalkosten und die Betriebskosten von Erdgasanlagen i.d.R. niedriger sind als die der Anlagen der Konkurrenzbrennstoffe Heizöl oder Kohle, vor allem wegen der höheren Kosten für Umweltschutzmaßnahmen, ergibt sich ein größerer Spielraum für Erdgaskosten (A) gegenüber den Brennstoffkosten der Konkurrenzenergie (A-B). Durch Division der anlegbaren Brennstoffkosten durch die Erdgasmenge (MWhHo) ergibt sich der anlegbare Erdgaspreis (competitive natural gas price) in €/MWhHo.
Abb. 1.19: Anlegbarer Preis auf dem Endverbrauchermarkt
Die Anlegbarkeitsrechnungen für die Importstufe erfolgen meistens rückwärts nach der „Netback Preisbildung“ beginnend beim Endverbrauchermarkt. Der Endverbrauchermarkt wird dabei in mehrere Segmente unterteilt. Für jedes Segment werden typische Anlagen definiert und für jede Anlage und Segment der anlegbare Preis gegenüber der Konkurrenzenergie ermittelt. Anschließend werden die einzelnen Preise auf den gesamten
22
1 Der Primärenergiemarkt
Markt projiziert. Berücksichtigt werden dabei alle fixen und variablen Kostenkomponenten, wie in der Abb. 1.19 dargestellt. In diesem Zusammenhang ist zu erwarten, dass bei der Preisfindung für Erdgas und für Energien mit niedrigeren CO2-Emissionen künftig auch der CO2-Kosten als Preisbestandteil einbezogen wird. Der anlegbare Wärmepreis für Erdgas ist i.d.R. höher als der Wärmepreis der Konkurrenzenergie. Die Differenz zum Wärmepreis der Konkurrenzenergie wird bei Erdgas oft als Erdgaspremium bezeichnet. Wichtig ist dabei auch folgender Zusammenhang: Wenn z.B. die Brennstoffkosten der Anlage mit der Konkurrenzenergie um den Betrag ∆p ansteigen, dann können die Brennstoffkosten von Erdgas um denselben Betrag ansteigen - siehe Beispiel 1.3 - so dass die Anlegbarkeit bestehen bleibt (Höhe der Balken gleich). Bei der Ermittlung des neuen anlegbaren Preises müssen auch die unterschiedlichen Wirkungsgrade der Anlagen berücksichtigt werden. Die Gleichung für den neuen anlegbaren Erdgaspreis lautet dann:
p A _ EG = p A _ EG 0 + ∆p K Darin bedeuten: pA_EG0: pA_EG: ∆pK: ηEG: ηK:
η EG ηK
Gl. 1.1
Ursprünglicher anlegbarer Erdgaspreis Neuer anlegbarer Erdgaspreis Preisänderung der Konkurrenzenergie Wirkungsgrad der Erdgasanlage Wirkungsgrad der Anlage mit Konkurrenzbrennstoff
In den Verträgen zwischen exportierenden und importierenden Gesellschaften sind Preisgleitklauseln für eine Anpassung des Arbeitspreises in Abhängigkeit vom Rohölpreis in relativ kurzen Abständen vorgesehen, z.B. monatlich oder vierteljährlich. Die Anpassung des Leistungspreises erfolgt dagegen in längeren Zeitabständen, meistens alle drei Jahre, hauptsächlich in Abhängigkeit vom Investitionsgüterindex. Eine gleichprozentuale Steigerung bewirkt eine höhere Steigerung des Erdgaspreises. Die spezifischen Kosten der Nutzenergie würden auch höher sein als die von Heizöl. Man spricht in diesem Fall von einer "Öffnung der Preisschere". Das ist in einem Wettbewerbsmarkt mit Risiken verbunden, weil die Kunden zur Konkurrenzenergie überwechseln könnten. Industriebetriebe haben in den meisten Fällen z.B. Kessel mit Zweistoffbrennern und können leicht auf den Konkurrenzbrennstoff umschalten; Neukunden haben ohnehin die freie Wahl. Eine Preisentwicklung mit Öff-
1.3 Herkunft u. Preisentwicklung der Primärenergieträger
23
nung der Preisschere ist im Wettbewerbsmarkt nur dann vorstellbar, wenn ein Energieträger aus einem Marktsegment aussteigen muss. Ausgehend vom anlegbaren Preis für den Verbrauchermarkt ergibt sich dann der Anlegbare Preis für die Importstufe wie folgt: Anlegbarer Preis auf dem Endverbrauchermarkt ./. Kosten für den Ferntransport ./. Kosten für die Verteilung ./. Steuern und Abgaben ./. Marge für das Import- und Verteilungsunternehmen Anlegbarer Preis für die Importstufe Beispiel 1.3: Anlegbarer Erdgaspreis für Endverbraucher
Bei einem Wärmepreis der Konkurrenzenergie Heizöl von 35 €/MWh wurde ein anlegbarer Preis von Erdgas von 40 €/MWh ermittelt. Der Wärmepreis von Heizöl ist dann um 10 €/MWh bzw. 28,57% gestiegen. Die zugrunde gelegten Anlagen-Wirkungsgrade betragen 88% bei Heizöl und 90% bei Erdgas. Zu ermitteln ist der neue anlegbare Erdgaspreis. Welcher Preis würde sich bei gleichprozentiger Steigerung ergeben? Anlegbarer Erdgaspreis: pA_EG = 40 + 10x90/88 = 50,23 € /MWh Erdgaspreis bei gleichprozentiger Steigerung: pP_EG=40+28,57/100x40=51,43 €/MWh
Wie bereits erwähnt, findet das Anlegbarkeitsprinzip direkt oder indirekt auch bei langfristigen Verträgen für andere Energien Anwendung. 1.3.4 Herkunft und Preise von Kernbrennstoff 1.3.4.1 Gewinnung und Aufbereitung
In Kernkraftwerken wird schwach angereichertes Uran zur Energiegewinnung eingesetzt (Quellen: [WNA] und [Wise]). Aus physikalischer Sicht ist Uran (Uranium) ein Metall mit der Ordnungszahl 92 im Periodensystem der Elemente und hat eine Dichte von ca. 18,7 g/cm3 (zum Vergleich Wasser 1 g/cm3). In der Natur kommt Uran als ein Gemisch aus zwei Isotopen vor, nämlich als U-238 mit einer Konzentration von 99,3% und als U-235 mit einer Konzentration von 0,7% . Die Zahlen neben dem Symbol stehen für die Anzahl der Protonen und Neutronen im Atomkern des Isotops (92+146 = 238 bzw. 92+143 = 235). Das spaltbare (fissile) Uran-235 kann in einer nuklearen Kettenreaktion (fission
24
1 Der Primärenergiemarkt
chain) große Energiemengen in Form von Wärme freigeben. Daher wird es als Spaltstoff in Reaktoren eingesetzt. Bevor Natururan in Kernreaktoren eingesetzt werden kann, muss es angereichert werden. Die meisten Leichtwasser-Kernreaktoren nutzen schwach angereichertes (enriched) Uran, bei dem das Isotop U-235 vor dem Einsatz von 0,7% auf ca. 3% bis 4% angereichert wurde. Die gesamte Kernbrennstoffprozesskette von der Urangewinnung bis hin zum Einsatz in Kernkraftwerken wird in Abb. 1.20 dargestellt und erläutert. Untertagemine
Uranbergwerk Abraum
Uranlösung
Uranerz
Abraum
Uranmühle
Abfall-. lösung
Abfall
Konversion
Uranhexafluorid (UF6) Anreicherung Abgereichertes UF6
Brennelementherstellung
Angereichertes UF6 Abfall
Brennelemente (UO2) Kernkraftwerk
Quelle: /Antenna/Wise/Uranium_project (www.wise-uranium.org) (deutsche Begriffe vom Verfasser hinzugefügt)
Abb. 1.20: Kernbrennstoff-Produktionskette
Uranerz wird entweder im Tagebau (open cut) oder in UntertageMinen (in-situ leach) abgebaut. Die größten Vorkommen befinden sich in Australien und in Kanada. Nach der Trennung von Fremdmaterial (waste rocks) wird das Uranerz in eine nahe liegende Uranmühle transportiert. In der Uranmühle wird es feingemahlen und in einen dünnflüssigen Schlamm umgewandelt. Das Uran wird mit Schwefelsäure gelöst und vom Abraum (tailings) getrennt. Anschließend wird es aus der Lösung ausgefällt und in Form von Uranoxid (U3O8) –Konzentrat zurückgewonnen , das als „yellow cake“ bezeichnet wird. In Untertage-Abbaustätten wird dieser Vorgang in-situ durchgeführt und die Lösung zur Oberfläche gefördert. Uranoxid U3O8 auch "yellow cake" genannt, ist die Form, in welcher Uran in den Handel gebracht wird.
1.3 Herkunft u. Preisentwicklung der Primärenergieträger
25
Das Uranoxid U3O8 wird anschließend in einer Konversionsanlage in Zentraleuropa, Russland oder in den USA zu gasförmigem Uranhexafluorid (UF6) konvertiert, das angereichert werden kann. Nach der Konversionsanlage kommt das Uranhexafluorid in die Anreicherungsanlage, wo es in zwei Stoffströme getrennt wird. Der eine Strom enthält angereichertes Uran (enriched uranium) mit einer Konzentration von ca. 3% bis 4% U-235, welches für energetische Zwecke weiterverarbeitet wird. Der andere Stoffstrom enthält abgereichertes Uran (depleted uranium) mit ca 0,25% U-235. Letzteres ist für energetische Zwecke ungeeignet. Es wird in Metallform wegen des hohen spezifischen Gewichts als Kiel in Yachten, als Gegengewicht im Heck von Flugzeugen, und als Abschirmblech in der kerntechnischen Industrie genutzt. Das angereicherte UF6-Gas wird anschließend in der Brennstofffabrik zu Urandioxidpulver (UO2), dem eigentlichen Uranbrennstoff, konvertiert und zu Brennstoffpellets gepresst. Diese werden dann in dünne Metallröhren, den Brennstäben, gefüllt, die in Brennelemente (fuel assemblies) gebündelt, und als Kernbrennstoff in den Reaktordruckbehälter der Kernkraftwerke kommen. Ein Kernreaktor mit 1200 MW elektrischer Leistung verbraucht ca. 25 Tonnen Urandioxid (UO2) im Jahr. Dieses wird aus ca. 200 Tonnen yellow cake (Uranoxid U3O8) gewonnen. 1.3.4.2 Energiegehalt von Kernbrennstoff
Die thermische Energie, die der Kernbrennstoff (UO2) im Reaktor freigibt, wird als Abbrand (fuel burnup) bezeichnet und in MWd/kg angegeben. Dieser ist vergleichbar mit dem Heizwert von fossilen Brennstoffen. Ein MWd ist gleich 24 MWh und entspricht 2,95 t SKE. Bei der Entfernung der Brennelemente aus dem Reaktor wird der erzielte Abbrand Entladeabbrand genannt. Bei heute in Betrieb befindlichen Reaktoren beträgt er etwa: • •
40 bis 43,4 MWd pro kg Uranbrennstoff bei Druckwasserreaktoren, das entspricht ca. 118 bis 128 Tonnen Kohle (SKE) und 33 bis 40 MWd pro kg Uranbrennstoff bei Siedewasserreaktoren, das entspricht ca. 97 bis 118 Tonnen Kohle (SKE)
Bei Druckwasserreaktoren hat Uranbrennstoff einen äquivalenten Heizwert um die 1.000 MWhth/kg (zum Vergleich hochwertige Kohle 8,14 MWhth/t). Bei einem Wirkungsgrad von ca. 34,5 % beträgt die Stromerzeugung ca. 345 MWhel pro kg Uranbrennstoff, zum Vergleich aus 1 Tonne Kohle werden ca. 3 MWhel Strom erzeugt.
26
1 Der Primärenergiemarkt
1.3.4.3 Kostenstruktur und Preise von Kernbrennstoff
Die Marktpreise von Uranbrennstoff werden, wie bei den anderen Primärenergien, nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage gebildet. Nachfolgend einige einleitende Bemerkungen hinsichtlich Angebot und Nachfrage in den letzten Jahren. Uran wird auf dem Weltmarkt in Form von Uranoxid U3O8 in US$/lb gehandelt. Uranoxid muss jedoch, bevor es als Reaktorbrennstoff eingesetzt werden kann, eine Reihe von Prozessen durchlaufen, wie in Abschnitt 1.3.4.1 dargestellt, bis es als Uranbrennstoff (Urandioxid, UO2) in die Brennelemente kommt. Dadurch entstehen zusätzliche Kosten. Die Kosten für den Kernbrennstoff setzen sich dementsprechend aus folgenden Komponenten zusammen: B B B B
Die Bezugskosten für Uranoxid (U3O8) Die Kosten für die Konversion (U3O8 zu Uranhexafluorid UF6) Die Kosten für die Anreicherung Die Kosten für die Brennstofffabrikation zu Brennelementen
Im Folgenden wird auf die Preisentwicklung der einzelnen Kostenkomponenten eingegangen, und anschließend werden die Gesamtkosten des Kernbrennstoffs berechnet und angezeigt. Die Preisentwicklung von Uranoxid ist aus Abb. 1.21 zu ersehen.
Abb. 1.21: Preisentwicklung von Uranoxid (U3O8)
In den späten 1970er Jahren hatte der Uranoxidpreis ein Rekordhoch von 40 US$/lb erreicht. In den 1980er und Anfang der 1990er Jahren sind
1.3 Herkunft u. Preisentwicklung der Primärenergieträger
27
die Preise bedingt durch das Überangebot von aus Waffenuran konvertiertem Kernbrennstoff stark gefallen und in 2001 auf ein Tief von ca. 7 S$/lb gesunken. In der Zwischenzeit ist der Preis, dem allgemeinen Trend folgend, wieder stark gestiegen. Hinzu kommt, dass bedingt durch die niedrigen Preise in den 1990er Jahren keine Abbaukapazitäten eingeplant wurden und die Bestände aus Waffenuran langsam zurückgehen. Danach sind in den beiden letzten Jahren die Preise für yellow cake drastisch gestiegen. Seit Anfang 2008 ist jedochder Preis für yellow cake wieder am Fallen. Entwicklung der Preise für yellow cake in 2008 in US$ / lbU3O8 Jan
Feb
Mrz
Apr
Mai
Jun
Jul
Aug
Sep
Okt
90
86
75
72
65
58
65
65
65
45
Für die Berechnung der Kosten von Kernbrennstoff werden ca. 8,5 kg Uranoxid (U3O8) pro kg Reaktorbrennstoff UO2 angesetzt. Die Preise für die Konversion von Uranoxid zu Uranhexafluorid werden in US$/kg U (Natururan) bezogen (s. Abb. 1.22). Die Konversionspreise steigen folgend den allgemeinen Trend ebenfalls an, aber wesentlich schwächer als die von Uranoxid.
Abb. 1.22: Konversionspreise für Uranbrennstoff
Ein kg Kernbrennstoff UO2 wird aus ca. 7,2 kg Natururan U gewonnen. Die Preise für die Anreicherung werden in US$/SWU angegeben (s. Abb. 1.23). Sie sind nur moderat gestiegen. Die Einheit SWU steht für
28
1 Der Primärenergiemarkt
„Sparative Work Unit“, und ist äußerst komplex. Für die Berechnung der Kosten ist es ausreichend zu wissen, dass bei der Anreicherung ca. 4,0 SWU pro kg UO2 -Kernbrennstoff anzusetzen sind.
Abb. 1.23: SWU-Preise für Urananreicherung
Die Kosten für die Herstellung der Brennelemente liegen in der Größenordnung von ca. 275 US$ / kg UO2-Kernbrennstoff. Aus der Preisentwicklung für die einzelnen Kostenkomponenten wurden schließlich die spezifischen Kosten vom fertigen Kernbrennstoff ermittelt und in Abb. 1.24 graphisch dargestellt.
Abb. 1.24: Entwicklung der Kosten für fertigen Kernbrennstoff
1.3 Herkunft u. Preisentwicklung der Primärenergieträger
29
Aus der Abbildung wird der Zusammenhang zwischen der Preisentwicklung von Kernbrennstoff zum Rohölpreis in den letzten Jahren deutlich. Auch Kernbrennstoff folgt damit auf dem Primärenergiemarkt dem Preisführer Rohöl. 1.3.4.4 Wärmekosten und Kernstrom-Brennstoffkostenanteil
Auf der Basis der spezifischen Kosten für Kernbrennstoff wurden auch die spezifische Wärmkosten für das Wärmeäquivalent von Kernbrennstoff sowie der Brennstoffanteil beim Kernenergiestrom ermittelt und in der Abb. 1.25 graphisch dargestellt. Trotz des starken Anstiegs bleibt der Brennstoffanteil bei den Stromgestehungskosten von Kernenergiestrom relativ klein, verglichen mit den entsprechenden Kosten bei den Konkurrenzenergien Braun- und Steinkohle.
Abb. 1.25: Wärmepreis und Kernstrom-Brennstoffkostenanteil
Im Beispiel 1.4 ist die komplette Berechnung der Kosten für den Kernbrennstoff für das Jahr 2007 dargestellt. Als Ergebnis werden sowohl der Wärmepreis als auch die spezifischen Stromgestehungskosten − nur Brennstoffanteil − angegeben.
30
1 Der Primärenergiemarkt
Beispiel 1.4: Spezifische Kosten von Kernbrennstoff , 2007 Berechnung
Position Spezifischer Verbrauch Verbrauch yellow cake (Uranoxid U3O8) Urangehalt U im UF6 bei der Konversion SWU-Input pro kg Brennstoff Urandioxid UO2
Im Reaktor Entladeabbrand (burnup) pro kg Kernbrennstoff x Wärmeabgabe im Reaktor 24 h x Stromerzeugung 34,5% Preise Wechselkurs Marktpreis Uranoxid U3O8 110,0
/
Spez. Wärmekosten Strom-Brennstoffkosten *) *) el. Wirkungsgrad 34,5%
8,50 7,20 4,00 1,00
x
2.981 2,86
/
2.981 2,86 8,30
/
x x x
/
/ /
Wert
kgU3O8 / kgUO2 kg U / kgUO2 SWU / kgUO2 kgUO2
8,5 7,2 4,0 1,0
MWd / kgUO2
43,4 1.042 359
1.042
MWh-th / kgUO2 MWh_el / kg UO2
0,454
€ / US$ US$ / lbU3O8 US$ / kgU3O8
43,4
US$ / kg U US$ / SWU US$ / kgUO2
1,371 110,0 242,3 12,0 140,0 275,0
242,3 12,00 140,00 275,00
US$ / kgUO2 US$ / kgUO2 US$ / kgUO2 US$ / kgUO2 US$ / kgUO2
2.059 86 560 275 2.981
(43,4 x 24) 0,345
US$ / MWhth US$ / MWhel
2,86 8,30
1,371 1,371 1,37
€ / kgUO2 € / MWh_th € / MWh_el
2.175 2,09 6,05
Konversionspreis pro kg U Anreicherungskosten pro SWU Fabrikationskosten pro kg Brennstoff Kosten pro kg Urandioxid (UO2) Kosten Uranoxid Konversion Anreicherung Brennstofffabrikation Summe Spez. Kosten in US$ Spez. Wärmekosten Strom-Brennstoffkosten *) Spez. Kosten in € Kosten pro kg Urandioxid (UO2)
Einheit
Im Vergleich dazu betragen die spezifischen Wärmekosten von Steinkohle bei einem Preis von 70 €/t SKE (Heizwert 8,14 MWhth/ t SKE) ca. 8,60 €/MWhth und der Brennstoffkostenanteil bei dem Stromgestehungskosten (ηel = 42,5 %) ca. 20,23 € / MWhel. Die Kosten für die Entsorgung des abgebrannten Brennstoffs sind erheblich. Sie sind unter anderem vom Reaktortyp und dessen Wirkungsgrad abhängig. Sie werden bei der Ermittlung der Stromgestehungskosten im Kapitel 7.3 berücksichtigt. 1.3.4.5 Wiederaufbereitung von verbrauchtem Kernbrennstoff
Eine der am meisten kontrovers diskutierten Aspekte in Bezug auf die Nutzung der Kernenergie ist die Frage der Entsorgung von radioaktiven Abfällen.
1.3 Herkunft u. Preisentwicklung der Primärenergieträger
31
Abgebrannte Brennelemente (spent fuel) werden nach ca. drei Jahren aus dem Reaktor entfernt. Sie enthalten jedoch immer noch ca. 1% U-235 und eine kleine Menge Plutonium, sind stark radioaktiv und entwickeln auch große Mengen von Wärme. Sie werden am Reaktor selbst oder in der Nähe des Reaktors in Abklingwasserbecken zwischengelagert bis ihre Radioaktivität und die Wärmeabgabe abgeklungen ist. Ein Kernreaktor mit 1200 MW elektrischer Leistung produziert jährlich ca. 25 Tonnen abgebrannten Brennstoff. Danach gibt es zwei Optionen: entweder die „Wiederaufarbeitung“ oder die „direkte Endlagerung“. Einige Länder, darunter USA, Kanada und Schweden, haben sich für die direkte Endlagerung entschieden, andere für die Wiederaufbereitung. Im Falle der Wiederaufbereitung werden die verbrauchten Brennelemente nach etwa 5 Jahren Zwischenlagerung für den Transport zur Wiederaufarbeitungsanlage in radioaktiv abgeschirmte Spezialbehälter gefüllt. Die in Deutschland dafür genutzten Castorbehälter enthalten ca. 6 Tonnen abgebrannten Brennstoff, wiegen aber insgesamt ca. 100 Tonnen. Brennelemente aus deutschen Reaktoren wurden bis jetzt zur Wiederaufarbeitungsanlage im französischen La Hague und im englischem Shellafield transportiert. Der Transport von radioaktiven Abfällen findet aber bei der Bevölkerung keine Akzeptanz. Gemäß der Atomgesetznovelle vom April 2002 waren Transporte zur Wiederaufbereitung bis 30. Juni 2005 zulässig. Seit dem 1. Juli 2005 beschränkt sich die Entsorgung von verbrauchten Brennelementen in Deutschland auf die direkte Endlagerung. Hierfür soll voraussichtlich im Salzstock Gorleben eine Endlagerstätte entstehen. Bis jetzt ist man jedoch noch im Erkundungsstadium. 1.3.5 Preisentwicklung von Importenergien im Vergleich
In der Abb. 1.26 sind die Wärmepreise der drei fossilen Hauptprimärenergieträger in €/MWh und in Abb. 1.27 die indizierten Preise zum Vergleich dargestellt. Daraus ist die Abhängigkeit der Preise vom Preisführer Rohöl eindeutig erkennbar. Es ist auch zu sehen, dass die Preisschwankungen bei Erdöl und Erdgas ausgeprägter sind als bei Importkohle. Aus der indizierten Darstellung sind die beträchtlichen Preisschwankungen sowohl nach oben als auch nach unten zu erkennen. Über ein Jahrzehnt lang (1986 bis 1999) waren alle drei Energien relativ preiswert. Während dieser Zeit lag der Index von Rohöl bei etwa 50 Prozent und von
32
1 Der Primärenergiemarkt
Erdgas bei ca. 65 Prozent. Der Index der Importsteinkohle blieb lange Zeit relativ stabil bei 100 Prozent. Entwicklung des Wärmepreises von Importenergien 35 Quelle:BAFA, MWV, Statistik Kohlenwirtschaft eigene Aufbereitung als Graphik
30
€ / MWh in Hu
25 20 15 10 5
Rohöl
Erdgas
2007
2005
2003
2001
1999
1997
1995
1993
1991
1989
1987
1985
1983
1981
1979
1977
1975
-
Importkohle
Abb. 1.26: Grenzübergangs-Wärmepreise von Primärenergien
Indexierte Preise von Importenergien 250
Quelle:BAFA, MWV / eigene Recherchen eigene Aufbereitung als Graphik
Prozent
200
150
100
50
Rohöl
Importerdgas
Importkohle
Abb. 1.27: Indizierte Grenzübergangspreise der Basis-Primärenergien
2006
2004
2002
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
1978
1976
1974
1972
1970
-
1.4 Entwicklung der Brennstoff-Verbraucherpreise
33
1.4 Entwicklung der Brennstoff-Verbraucherpreise 1.4.1 Preise von Kraftwerkskohle
Die installierte Kraftwerksleistung in Deutschland beträgt z.Z. ca.124 GW. Davon sind ca. 29 GW Steinkohle- und ca. 22 GW Braunkohlekraftwerke. Ein Markt für Kraftwerksbraunkohle existiert in Deutschland nicht. Braunkohle wird im Tagebau gefördert und in nahe gelegenen Kraftwerken verstromt. Braunkohle ist der einzige Kraftwerksbrennstoff, dessen Preis sich größtenteils nur an den fixen Kosten für seine Gewinnung orientiert und vom Geschehen auf dem Weltmarkt nicht beeinflusst wird. Kraftwerksbetreiber von Braunkohlekraftwerken (Vattenfall und RWE) geben einen Wärmepreis für Braunkohle in der Größenordnung von 3,60 €/MWh an [bremer energie institut]. In der Studie [RKW-NRW] wird von einem Braunkohlepreis frei Kraftwerk von 11 €/t bei einem Heizwert von 10.500 kJ/kg ausgegangen. Dies entspricht einem Wärmepreis von 3,77 €/MWh. Dieses Preisniveau, bzw. die spezifischen Kosten, werden mittelfristig mit großer Wahrscheinlichkeit real stabil bleiben. Über die Hälfte der in Deutschland verbrauchten Steinkohle wird importiert. Einige Kraftwerke an norddeutschen Hochseehäfen haben eigene Anlegeplätze für Hochseefrachter der Panamax- oder Capesizeklasse. Ansonsten wird Importsteinkohle nach Ankunft in einem der Nordseehäfen i.d.R. per Binnenschiff zu den Kraftwerksstandorten im Binnenland transportiert. Der Preis von Importsteinkohle frei Kraftwerk setzt sich so aus folgenden drei Komponenten zusammen:
Preis frei Grenze (bereits analysiert) Umschlagkosten vom Hochseefrachter zum Binnenschiff Transportkosten bis zum Kraftwerk
Die Transportkosten bis zum Kraftwerk sind je nach Entfernung bedingt durch die hohen Treibstoffpreise stark gestiegen - Tabelle 1.6. Sie spiegeln die Betriebskosten der Binnenschifffahrt wieder, unterliegen außerdem starken Schwankungen abhängig von Angebot und Nachfrage [Prognos] sowie von der Höhe der Treibstoffpreise und von Zuschlägen für Kleinwasser. Der Frachtenspiegel der Zeitschrift [Binnenschifffahrt] veröffentlicht regelmäßig Frachtraten für ausgewählte Zielhäfen im Binnenland. Bahntransport wird nur gelegentlich bei Unterbrechungen der Binnenschifffahrt genutzt und ist erheblich teurer.
34
1 Der Primärenergiemarkt
Tabelle 1.6: Binnenschifffahrt-Frachtraten, Anhaltswerte 2007 Von
Nach
km
Tage
€/t
ARA
Niederrhein 200 2,0 6,50 Ruhrgebiet 300 3,0 7,70 Mannheim 610 4,5 11,50 Karlsruhe 670 5,0 17,00 Heilbronn 717 5,5 14,50 Saarland 700 5,5 13,50 Nürnberg 630 5,0 16,50 Linz 1.350 10,0 26,50 Hamburg Berlin 350 3,0 6,60 Magdeburg 300 2,5 5,60 Salzgitter 205 2,0 4,00 Umschlag Übersee-/Binnenschiff ca. 2 €/t ; Entladung Binnenschiff/Kraftwerk 2 €/t
Quellen: Zeitschrift Binnenschifffahrt, Prognos, Eigene Recherchen (Stand 2007)
Beispiel 1.5: Kohlepreis Standort Heilbronn Preis frei Grenze € / t SKE Umschlag- / Entladekosten Fracht, Binnenschiff Summe Wärmepreis (Hu = 8,14 MWh/t) ca. Strom-Brennstoffkosten (ηel = 38% )
70,00 € / t SKE 4,00 € / t SKE 14,50 € / t SKE 88,50 € / t SKE 10,90 € / MWhth 28,60 € / MWhel
Anmerkung: zur Vereinfachung der Rechnung wurde 1 t = 1 t SKE angesetzt 1.4.2 Preise von Heizöl
In Deutschland wird extra leichtes Heizöl (HEL) überwiegend für Heizzwecke und schweres Heizöl (HS) bei der Industrie und teilweise zur Krafterzeugung eingesetzt. Preise für Heizöl werden monatlich vom Statistischen Bundesamt in der [Fachserie 17, R2] veröffentlicht. Besonders wichtig sind die Angaben für HEL für die Rheinschiene und die für 500 Tonnen Heizöl S mit einem Schwefelgehalt von max. 1%, da sie in vielen Preisgleitklauseln von Energielieferungsverträgen zur Preisanpassung maßgebend sind. In der Abb. 1.28 wird die Preisentwicklung von Heizöl mit und ohne Mineralölsteuer gezeigt. Darin ist zum Vergleich auch der Rohölpreis frei deutsche Grenze zu ersehen.
1.4 Entwicklung der Brennstoff-Verbraucherpreise
50 45
Quellen: Statistik der Kohlenwirtschaft, StBA Umrechnungen und eigene Aufbereitung
Rohöl Heizöl L mit MinÖlSt Heizöl L ohne MinÖlSt Heizöl S mit MinÖlSt Heizöl S ohne MinÖlSt
40 35
€ / MWh
35
30 25 20 15 10 5
2006
2004
2002
2000
1998
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
1978
1976
1974
1972
1970
-
Abb. 1.28: Heizöl-Industrieverbraucherpreise mit und ohne MinölSt
Die Angaben mit Steuern enthalten den Regelsatz der Mineralölsteuer in der jeweiligen Höhe. Seit der Einführung der Ökologischen Steuerreform am 1. April 1999 setzt sich der Mineralölsteuersatz aus der ursprünglichen Mineralölsteuer zuzüglich der Ökosteuer zusammen. Das produzierende Gewerbe bezahlt einen ermäßigten Ökosteuersatz (20% bis 31.12.2002 bzw. 60% seit dem 1.1.2003). Außerdem kann über den so genannten "Spitzenausgleich" der Ökosteueranteil unter bestimmten Voraussetzungen "erlassen, erstattet oder vergütet" werden. Die Energiesteuern werden im Kapitel 3 "Rechtliche Rahmenbedingungen" eingehend behandelt. Der Mineralölsteuerregelsatz auf Heizöl zur Wärmeerzeugung ist aus der folgenden Tabelle 1.7 ersichtlich. Tabelle 1.7: Mineralöl-Steuersätze davon
davon
Regelsatz
Öko-Anteil
Regelsatz
Öko-Anteil
Heizöl S
25,00 € / t
9,66 € / t
2,20
0,85
Heizöl EL
61,35 € / 1000 l
21 € / 1000 l
6,08
2,05
€ / MWh
Die Preisbildungsmechanismen der Ölgesellschaften und die Aufteilung der Kosten zwischen den Raffinerieprodukten kann hier nicht dargestellt werden. Aus der Abb. 1.28 wird aber ersichtlich, dass der Preis für Heizöl S immer etwas unter dem Rohölpreis frei Grenze, und der von Heizöl EL deutlich darüber liegt.
36
1 Der Primärenergiemarkt
1.4.3 Preise von Erdgas
Die statistisch erfassten Durchschnittspreise von Erdgas mit und ohne Mineralölsteuer für die Industrie sowie zum Vergleich der Erdgaspreis frei deutsche Grenze sind in der Abb. 1.29 dargestellt. Es handelt sich hierbei um die Durchschnittserlöse für Abgabe an Endverbraucher nach den Angaben der Erdgasversorgungsunternehmen. KWK-Anlagen mit einem Gesamtwirkungsgrad von mindestens 70% und Stromerzeugungsanlagen sind von der Mineralölsteuer befreit. Zum Erdgaspreis frei deutsche Grenze kommen die Kosten für das Ferngastransportnetz und das Verteilungsnetz hinzu. Kraftwerksgas wird meistens aus dem Ferngastransportnetz bezogen, weswegen die Preise nur unwesentlich höher sind als die Grenzübergangspreise. 40 Quellen: Statistik der Kohlenwirtschaft, StBA eigene Aufbereitung als Graphik
35
€ / MWh in Hu
30
Importgas Industriegas mit MinÖlSt Industriegas ohne MinÖlSt
25 20 15 10 5
Abb. 1.29: Preise von Industriegas Tabelle 1.8: Mineralölsteuersätze für Erdgas davon Anwendung
Regelsatz
Öko-Anteil
Heizzwecke
5.50
3.66
Stromerzeugung
0
0
KWK-Anlagen mit η>70%
0
0
€ / MWh in Ho
2007
2005
2003
2001
1999
1997
1995
1993
1991
1989
1987
1985
1983
1981
1979
1977
1975
1973
-
1.5 Schlussfolgerungen
37
1.5 Schlussfolgerungen 1.5.1 Lehren aus der Vergangenheit
Aus den bisherigen Ausführungen über die Preisentwicklung der Basisenergien in den vergangenen 38 Jahren sind folgende Schlussfolgerungen abzuleiten: • • • • •
Rohöl ist immer der Preisführer gewesen; Erdgas sowie Steinkohle und sogar Kernbrennstoff folgen mit gewisser Zeitverschiebung der Preisentwicklung von Rohöl. Mittel- und längerfristige Preisprognosen bei Rohöl sind praktisch unmöglich, sie grenzen quasi an Prophezeiung. Die Grenzübergangspreise der Basisenergien sind die maßgebende Größe und bestimmen weitgehend auch das Preisniveau beim Endverbraucher. Die einzige fossile Primärenergie, die in Deutschland zu Kostenpreisen für Stromerzeugung zur Verfügung steht und vom Geschehen auf den Handelsplätzen nicht betroffen ist, ist die heimische Braunkohle. Die Preisbildung von Importkohle und Erdgas erfolgt offensichtlich nach dem Prinzip der Anlegbarkeit.
Wegen seiner Bedeutung bei der Preisbildung von Energieträgern wird dieses Prinzip im Folgendem näher erläutert. 1.5.2 Preisrelationen der Hauptenergieträger zum Rohöl
Im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen und Risikoanalysen für Projekte im Energiebereich wäre es hilfreich, einen direkten Zusammenhang zwischen dem Rohölpreis und den Preisen der anderen Energien herzustellen, was aus der Analyse der Preisentwicklungen in den vergangenen 35 Jahren als nicht unrealistisch erscheint. Hierzu werden in der Tabelle 1.10 zuerst die durchschnittlichen Preise der Hauptenergieträger für den Zeitraum 1970 - 2007 sowie für das letzte Jahrzehnt 1998 - 2007 und die für das Jahr 2007 angegeben. Anschließend wird in der Tabelle 1.10 das Verhältnis der Wärmepreise zum Preisführer Rohöl abgeleitet. Aus beiden Abbildungen sind folgende Schlussfolgerungen ableitbar: •
Bedingt durch den schwächeren Dollarwert ist der Rohölgrenzübergangspreis weniger stark gestiegen als der Dollarpreis pro barrel Tabelle 1.1
38
• • •
1 Der Primärenergiemarkt
Der Anstieg der Preise für Kraftwerkskohle ist im Verhältnis zum Anstieg der Rohölpreise deutlich schwächer - Tabelle 1.9 Beim Import-Erdgas und den Heizölen bleibt das Preisverhältnis zum Rohöl relativ stabil - Tabelle 1.10 Im Jahr 2007 ist ein Ungleichgewicht der Preisrelationen offensichtlich, welches nicht dem langfristigen Trend entspricht. Wahrscheinlich waren die Schwankungen beim Rohöl so stark und kurzfristig, dass eine entsprechende Preisanpassung bei den anderen Energieträgern nicht erfolgen konnte – z.B Erdgas Tabelle 1.10
Tabelle 1.9: Durchschnittspreise der Hauptenergieträger für 3 Zeiträume Einheit Wechselkurs 1 US$ / € Grenzübergangspreise
38 Jahre 1970 -2007
-
Jahrzehnt 1998 - 2007
1,07
2007
0,76
0,73
Rohöl: OPEC-basket Grenzübergang CIF Kraftwerkssteinkohle Erdgas
US$ / barrel
21,63
29,15
69,10
€/t
169,18
193,74
389,67
€ / t SKE
49,06
41,51
68,24
€ / MWhHO
9,45
10,89
19,82 251,14
Industrieverbraucherpreise *) Heizöl S (1% S) ab Raffinerie
€/t
126,71
160,16
Heizöl EL 500 t ab Lager
€ / hl
18,49
25,59
40,29
€ / MWhHO
14,32
18,83
25,60
Erdgas
Mineralölsteuersätze 2007 Heizöl S
Heizöl L
Erdgas (Ho)
25 € / t
6,14 € / hl
5,50 € / MWh
Tabelle 1.10: Wärmepreisverhältnis der Energieträger zum Rohöl 38 Jahre 1970 - 2007
Jahrzehnt 1998 - 2007
2007
Grenzübergangspreise Rohöl
1,00
1,00
1,00
Kraftwerkssteinkohle
0,42
0,31
0,26
Erdgas
0,73
0,74
0,67
Heizöl S (1% S)
0,78
0,86
0,67
Heizöl EL
1,30
1,57
1,23
Erdgas
1,00
1,15
0,78
Industrieverbraucherpreise *)
*) ohne Mineralölsteuer
0 Literaturverzeichnis
39
1.5.3 Preisansätze bei Wirtschaftlichkeitsrechnungen
Bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von Energieprojekten wird meistens von den aktuellen Energiepreisen ausgegangen und eine „jährlich konstante Preissteigerungsrate“ während der Laufzeit des Projektes vorausgesetzt. Wie die Preisentwicklung in den vergangenen 38 Jahren gezeigt hat, wird eine solche Vorgehensweise der Realität auf dem Energiemarkt nicht gerecht. Kurzfristige Preisentwicklungen in der Gegenwart oder der Mittelwert von einem Jahr sind für die Laufzeit von Energieprojekten keine solide Ausgangsbasis. Auch gleichmäßig steigende Brennstoffpreise sind für Risikobetrachtungen nicht unbedingt der richtige Ansatz. Für Investitionen in Anlagen der regenerativen Energieerzeugung oder in energiesparende Maßnahmen können beispielsweise auch fallende Brennstoffpreise ein großes Risiko darstellen. Als eine realistischere Vorgehensweise wird vorgeschlagen, bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen den Basisfall mit den Durchschnittspreisen des letzten Jahres zu rechnen. Auf Rechnungen mit jährlichen Preissteigerungsraten sollte man besser verzichten. Stattdessen sollen in Sensitivitätsbzw. Risikobetrachtungen erheblich höhere und niedrigere Rohölpreise angenommen, und die Preise der anderen Primärenergien mit deren Verhältnis zum Rohöl im letzten Jahrzehnt − Tabelle 1.10 − entsprechend angesetzt werden. Auf diese Weise sollen mögliche Risiken analysiert werden. Energiesteuern sollten bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen immer separat ausgewiesen werden. Diese Art der Betrachtung gilt allerdings nicht für Braunkohle. Braunkohle ist nach dem beschlossenen Kernenergieausstieg der einzige verlässliche fossile Primärenergieträger zur Stromerzeugung, der dem Marktgeschehen auf den internationalen Energiemärkten nicht ausgesetzt ist. Braunkohle wird dagegen in Kraftwerksnähe, meistens vom Kraftwerksbetreiber selbst, abgebaut und zu Kostenpreisen verstromt. Bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen sind real konstante Preise das wahrscheinlichste Szenario für Braunkohle.
Literaturverzeichnis [AGEB] Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e.V., http://www.agenergiebilanzen.de/ [AGEE-Stat] Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien - Statistik beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit; http://www.erneuerbare-energien.de/inhalt/5468/
40
1 Der Primärenergiemarkt
[BAFA] Bundesanstalt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, http://www.bafa.de/ [Binnenschifffahrt] Zeitschrift für Binnenschifffahrt [BMU] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit; http://www.erneuerbare-energien.de/inhalt/39830/20049/ [BMWi] Bundesministerium für Wirtschaft; Gesamtdaten zum Energieverbrauch; http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Energie/energiestatistiken.html [bremer energie institut] Investitionen im liberalisierten Energiemarkt, Optionen, Marktmechanismen, Rahmenbedingungen, Januar 2004. [DIN 1301] Einheiten Einheitsnamen, Einheitszeichen [Fachserie 17, R2] Statistisches Bundesamt, Fachserie 17, R2, Preisindizes und Erzeugerpreise ausgewählter Produkte [ISO 1000-1981] SI units and recommendations for the use of their multiples and of certain other units [MWV] Mineralölwirtschaftsverband e.V., www.mwv.de [OPEC bulletin] Organization of the Petroleum Exporting Countries, OPEC Annual Statistical Bulletin 2007, http://www.opec.org [Prognos] Variantenvergleich Küste versus Binnenland, November 2006 [RKW-NRW] Konzeptstudie Referenzkraftwerk Nordrhein-Westfalen, VGB PowerTech e.V., Febr.2004. [RWE-Kohle] Weltmarkt Steinkohle 2005, RWE Power - Dr. Wolfgang Ritschel, Dr. Hans-Wilhelm Schiffer [Statistik der Kohlenwirtschaft] Statistik der Kohlenwirtschaft e.V., Entwicklung ausgewählter Energiepreise, Zeitreihe Jahreswerte ab 1970, http:/www.kohlenstatistik.de/ [SSY] Simpson Spence & Young Shipbrokers, http://www.ssyonline.com/Market_Information/Dry_Cargo/index.html [Tescon] http://home.t-online.de/home/tescon/prohoel.htm [Ux.Consulting] UC The Ux Consulting Company LLC, http://www.uxc.com/ [VDKI] Verein der Kohlenimporteure, Jahresberichte 2005-2008, http://www.Verein-Kohlenimporteure.de/ [Verbraucherpreisindex, SBA] Statistisches Bundesamt, Fachserie 17, R7, S2, Verbraucherpreisindex_lange Reihe 1881 [Wechselkurse BBK] Deutsche Bundesbank, http:/www.bundesbank/statistik/statistik-zeitreihen.php, Zeitreihen wj5009 und wj5636 [Weltmarkt für Steinkohle] Dr. Wolfgang Ritschel, Dr. Hans-Wilhelm Schiffer, 2007, www.rwe.com/.../standorte/konventkraftwerke/steinkohle/property=Data/id=503698/steinkohle-broschuere.pdf [Wise] nuclear fuel production chain, http:/www.wise-uranium.org/index.html [WNA] World Nuclear Association, http://worldnuclear.org/education/education.htm
2. Beschaffung leitungsgebundener Energien
2.1 Merkmale eines liberalisierten Energiemarktes 2.1.1 Mindestanforderungen
Die EU-Binnenmarktrichtlinie Elektrizität 96/92/EG vom 19. Dez. 1996 hat die Liberalisierung der Märkte von leitungsgebundenen Energien in der Europäischen Union eingeleitet. Die Mitgliedsstaaten waren verpflichtet, die Richtlinie innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland ist dies mit dem ersten Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz EnWG) vom 24. April 1998 geschehen; der gesamte Strommarkt ist nach Inkrafttreten des EnWG für den Wettbewerb freigegeben worden. Das erste EnWG wurde zwischenzeitlich durch das zweite Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 7. Juli 2005 ersetzt. Oberstes Ziel der Liberalisierung ist es, die Rahmenbedingungen für Wettbewerb und freien Handel bei leitungsgebundenen Energien zu schaffen. Hierzu sind folgende Mindestvoraussetzungen notwendig: Freie Wahl des Versorgers: Jeder Stromkunde soll die Möglichkeit haben, seinen Versorger frei zu wählen. Entflechtung der Bereiche Erzeugung, Netz, Vertrieb/Handel (Unbundling). Im Monopolmarkt wird die Energieversorgung meistens von vertikal integrierten Versorgungsunternehmen (EVU) von der Erzeugung bis zum Endverbraucher beherrscht. Im liberalisierten Markt sind Energieversorgungsunternehmen verpflichtet, die Unternehmensbereiche Erzeugung, Übertragung, Verteilung und Vertrieb/Handel organisatorisch, buchhalterisch und möglichst auch eigentumsrechtlich von einander zu trennen. Erst dadurch wird der Wettbewerb ermöglicht. Diskriminierungsfreier Netzzugang. Der Netzbereich ist und bleibt auch im liberalisierten Markt ein natürliches Monopol. Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber sind aber verpflichtet, allen Netznutzern freien Zugang zu ihren Netzen unter gleichen Bedingungen wie für eigene Kunden zu gestatten. Die Netznutzungsentgelte (NNE) müssen fair, transparent und für
42 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien
alle Netznutzer gleich sein. Sie müssen außerdem in regelmäßigen Abständen veröffentlicht werden. In Deutschland sind sie nach dem neuen EnWG vom 7. Juli 2005 auch genehmigungspflichtig. Ein unabhängiges Regulierungsorgan (Regulator) soll die Rahmenbedingungen für das Funktionieren des Wettbewerbs festlegen und ist ermächtigt, gegen wettbewerbswidriges Verhalten und Verstöße von Marktteilnehmern, insbesondere im Netzbereich, vorzugehen. Auf dem deutschen Markt wurde zuerst versucht, diese Aufgabe den Marktteilnehmern selbst zu überlassen, indem sie freiwillige Vereinbarungen treffen. Dieser Sonderweg hat sich aber, insbesondere im Gasbereich, als wenig erfolgreich herausgestellt. Im nachhinein wurde auf Druck der Europäischen Kommission mit der Novelle des EnWG vom 1. Juli 2005 eine Regulierungsbehörde, die Bundesnetzagentur (BNetzA), ins Leben gerufen. Ein unabhängiger System-Operator soll einen reibungslosen Netzbetrieb gewährleisten. Er ist insbesondere für Spannungs- und Frequenzregelung und den Ausgleich von Fahrplanabweichungen zuständig. Diese Aufgabe wird auf dem deutschen Markt von den vier Übertragungsnetzbetreibern wahrgenommen. 2.1.2 Marktteilnehmer
Auf einem liberalisierten Strommarkt existiert eine Vielzahl von Akteuren. Sie können in folgende Gruppen unterteilt werden. Kunden: „Leistungsgemessene Kunden“, vergleichbar mit den Sondervertragskunden im Monopolmarkt, sowie Großkunden, oft auch mit Eigenstromerzeugung. „Grundversorgungskunden“ sind nach dem neuen EnWG alle Haushaltskunden und Kunden mit einem Jahresverbrauch von weniger als 10.000 kWh/a. Die Grundversorger sind verpflichtet, die Versorgung von Grundversorgungskunden in ihrem Netzgebiet durchzuführen. Grundversorger ist gemäß § 36 Abs. 2 jeweils das Versorgungsunternehmen, das die meisten Haushaltskunden in einem Netzgebiet beliefert. Netzbetreiber:„Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB)“, welche die Höchstspannungsnetze mit Spannungen von 380 kV und 220 kV betreiben und über Netzkuppelleitungen zum deutschen Verbundnetz zusammengeschlossen sind. Sie sind zuständig für die Spannungs- und die Frequenzhaltung, dem Versorgungswiederaufbau und dem Ausgleich von Fahrplanabweichungen in ihrer Regelzone. „Verteilnetzbetreiber (VNB)“ betreiben die Netze von 110 kV abwärts und versorgen die an ihrem Netz angeschlossenen Endkunden bzw. Weiterverteiler mit Strom. Sie sind jedoch nur für den Netzbetrieb zuständig und dürfen keinerlei Stromlieferanten- oder Händlerfunktionen ausüben.
2.1 Merkmale eines liberalisierten Energiemarktes
43
Erzeuger: Dies sind meistens Verbundunternehmen mit eigenem Kraftwerkspark, unabhängige Stromerzeuger (Independent Power Producers "IPP") und Kleinproduzenten. Sie produzieren und liefern Strom an Händler und Großkunden. Lieferanten: Sie können Kraftwerksbetreiber oder Händler sein, die Strom in eigener Regie kaufen und verkaufen. Lieferanten sind gegenüber den Übertragungsnetzbetreibern bilanzkreisverantwortlich, d.h. sie müssen u.a. Fahrpläne für ihre Entnahme und Einspeisestellen im ¼-Stundentakt an den Bilanzkoordinator der entsprechenden Regelzone liefern. Energiebörse: Im liberalisierten Markt sind Strom und Erdgas zur Handelsware geworden und werden, ähnlich wie Wertpapiere und andere Commodities, auch an Energiebörsen gehandelt. Aufgabe der Energiebörse ist es einen finanziell, rechtlich und technisch sicheren Marktplatz für alle zugelassenen Handelsteilnehmer bereitzustellen. In Deutschland ist die „European Energy Exchange AG (EEX)“ mit Sitz in Leipzig die etablierte Energiebörse. Sonstige Akteure sind z.B. Makler, Broker und Portfoliomanager, die Stromhandelsgeschäfte im Auftrag ihrer Kunden abwickeln. 2.1.3 Börsenhandel, Funktionsweise und Produkte
In einem liberalisierten Markt hat der Kunde nicht nur die freie Wahl seines oder seiner Lieferanten, er kann auch über eine Vielzahl von Produkten mit unterschiedlichen Preiskonditionen und Laufzeiten wählen, die über die Strombörse (Power Exchange) oder in bilateralen (over the counter − OTC) Geschäften gehandelt werden. Nachstehende Abb. 2.1 zeigt eine Übersicht dieser Möglichkeiten. Terminmarkt:
Spotmarkt:
Vertragsabschluss und -erfüllung liegen mindestens eine Woche auseinander Finanzielle Absicherungsgeschäfte
Vertragsabschluss und erfüllung fallen fast zusammen Physisch Ö Stromlieferung
Strombörse Standardprodukte Base-Produkte Peak-Produkte Stunden-Produkte
OTC-Geschäft (alle Geschäfte)
Bedingte Termingeschäfte:
Unbedingte Termingeschäfte:
Käufer hat ein Ausübungsrecht, Verkäufer zur Erfüllung verpflichtet.
Sowohl Käufer als auch Verkäufer sind zur Erfüllung verpflichtet
Optionen Caps Floors
Börsenhandel (Optionen)
OTC-Geschäft (alle Geschäfte)
Abb. 2.1: Arten von Geschäften und Produkten
Forwards Futures Swaps
Börsenhandel (Futures)
OTC-Geschäft (Forwards, Swaps)
44 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien
Wesentliche Aufgabe einer Strombörse ist es, allen Marktteilnehmern einen transparenten, finanziell, rechtlich und technisch sicheren Marktplatz für den Handel mit Energieprodukten fair und gleichberechtigt zur Verfügung zu stellen. Eine unabdingbare Voraussetzung für einen erfolgreichen Börsenhandel ist eine ausreichende Liquidität. Liquidität bedeutet hohe Umsatzvolumina und eine große Anzahl von Marktteilnehmern. Das wird u.a. durch die "Market-Maker" gewährleistet; das sind Marktteilnehmer, die für eine Grundliquidität sorgen, indem sie jederzeit verbindliche Kauf- und Verkaufsgebote stellen. Ein "registered Market Maker" ist verpflichtet, permanent eine bestimmte Menge Aufträge einzubringen.
2.2 Die Energiebörse European Energy Exchange „EEX“ In Deutschland hat sich im Sommer 2000 die Energiebörse „European Energy Exchange − EEX“ mit Sitz in Leipzig etabliert. Die EEX betreibt Spot- und Terminhandel für Energieprodukte und energienahe Produkte. Sie ist mit mehr als 200 Handelsteilnehmern aus 20 Ländern die teilnehmer- und umsatzstärkste Energiebörse Kontinentaleuropas. An der EEX werden Strom, Erdgas und CO2-Emissionsrechte sowohl kurzfristig am „Spotmarkt“ als auch langfristig am „Terminmarkt“ bis zu sechs Jahre in die Zukunft gehandelt. Kohle wird z.Z. lediglich am Terminmarkt notiert. Das Clearing1) börslicher und außerbörslicher Geschäfte (OTC-Clearing) übernimmt die European Commodity Clearing AG [ECC]. Die EEX ist der Vertragspartner für alle Geschäfte und übernimmt deren finanzielle Abwicklung und Absicherung. Die Geschäfte werden anonym ausgeführt. Die EEX betreibt zwei Arten von Börsengeschäften, den „Spotmarkt“ und den „Terminmarkt“. In den nachfolgenden Abschnitten wird der Handel mit Energieprodukten am EEX in gekürzter Form dargestellt. Detaillierte Informationen finden sich in den jeweils aktuellen EEX-Broschüren [EEX]: • •
Einführung in den Börsenhandel an der EEX EEX Produktbroschüren für Strom, Emissionsberechtigungen, Gas und Kohle
Im Folgenden wird insbesondere der Stromhandel beschrieben, der Handel mit den anderen Produkten wird nur kurz erwähnt. 1)
Clearing: Die physische u. finanzielle Erfüllung von Spot- u. Termingeschäften. Detaillierte Informationen finden sich in den o.g. Broschüren.
2.2 Die Energiebörse European Energy Exchange „EEX“
45
2.2.1 Stromhandel an der EEX 2.2.1.1 Stromhandel am EEX-Spotmarkt
Der EEX-Spotmarkt ist ein sogenannter „day-ahead-market“. Der Handel wird einen Tag vor der physischen Erfüllung ausgeführt. Die am Vortag abgeschlossenen Geschäfte sind am Folgetag physisch zu erfüllen. Der Verkäufer zur Lieferung und der Käufer zur Übernahme der vereinbarten Strommenge und Zahlung des vereinbarten Preises verpflichtet. Handelsebene ist das Höchstspannungsnetz 220/380 kV. Lieferort sind die Regelzonen der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber sowie die der „Austrian Power Grid − APG“ und „swissgrid“ Die Lieferung wird über Fahrplanmeldungen bei den Übertragungsnetzbetreibern abgewickelt. Die EEX-Spotmarkt-Kontrakte auf Strom kann man nach der Lieferdauer des Stromes in Stunden- und Blockkontrakte unterscheiden. Bei Stundenkontrakten wird die Lieferung von Strom mit konstanter Leistung über eine vorgegebene Lieferstunde gehandelt. Bei Blockkontrakten wird die Lieferung von Strom mit konstanter Lieferleistung über mehrere Lieferstunden gehandelt. Folgende standardisierte Produkte − Tabelle 2.1 − werden gehandelt, die Quotierung erfolgt in €/MWh: Tabelle 2.1: EEX-Block- und Stundenkontrakte [EEX] Kontrakt 1) Baseload-Kontrakt, Blockkontrakt für jeden Tag, Mo bis So Peakload-Kontrakt, Blockkontrakt für Mo bis Fr, 08:00-20:00 Uhr Weekend-Baseload-Kontrakt, Blockkontrakt Sa 0:00 h bis So 24:00 h Stundenkontrakt für jede Stunde eines Tages Kombination von Stundenkontrakten zu Stundenblöcken EEX-Night, 00:00 bis 06:00 Uhr
1) 2)
Kontraktvolumen 1 MW x 24 h = 24 MWh 1 MW x 12 h = 12 MWh 1 MW x 48 h = 48 MWh 0,1 MW x 1 h = 0,1 MWh 0,1 MW x Anzahl h 0,1 MW x 6 h = 0,6 MWh
EEX-Morning, 06:00 bis 10:00 Uhr
0,1 MW x 4 h = 0,4 MWh
EEX-Business, 08:00 bis 16:00 Uhr
0,1 MW x 8 h = 0,8 MWh
Weitere 7 Kombinationen 2) Für Wechsel von Winter- auf Sommerzeit bzw. Sommer- auf Winterzeit werden spezielle Kontrakte gehandelt. EEX-High-Noon, EEX-Afternoon, EEX-Rush-Hour, EEX-Evening, Baseload, Peakload, Off-Peak-Load
46 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien
Preis €/MWh
Der Handel auf dem Spotmarkt erfolgt je nach Produktart im „kontinuierlichen Handel“ oder im „Auktionshandel“. Im kontinuierlichen Handel werden Blockkontrakte gehandelt. Marktteilnehmer können ihre Kauf- oder Verkaufsangebote nach Menge und Preislimit in der Zeit von 08:00 Uhr bis 12:00 Uhr in das offene elektronische Orderbuch eingeben. Darin werden alle Angebote nach Volumen und Preis gelistet und gegenübergestellt. Sobald eine Kauf- und eine Verkaufsorder sich als ausführbar erweisen (d.h. Verkaufspreis gleich oder kleiner als Kaufpreis), erfolgt unmittelbar der Geschäftsabschluss. Das ist auch der Fall, wenn ein Marktteilnehmer per Mausklick ein Angebot akzeptiert. Jeder Geschäftsabschluss wird im Orderbuch sichtbar gemacht, sodass jeder Teilnehmer auf seinem Monitor das Marktgeschehen verfolgen kann. Im Auktionshandel werden Stundenkontrakte gehandelt. Marktteilnehmer können Verkaufs- und Kaufgebote mit Angabe von Volumen und Preislimit bis 12:00 Uhr des Handelstages per Email abgeben. Die Gebotsabgabe erfolgt anonym über ein geschlossenes Orderbuch. Auf der Basis aller eingegangenen Gebote wird auf dem Auktionsmarkt der Preis für jede einzelne Stunde des Folgetages bestimmt.
Nachfragekurve (Kauf)
MCP *)
Angebotskurve (Verkauf) ausführbare Aufträge Handelsvolumen MW *) MCP: market clearing price (Gleichgew ichtspreis)
Abb. 2.2: Preisermittlung im Auktionshandel
Zur Preisfestlegung wird zu einem bestimmten Zeitpunkt − i.d.R. um 12:30 Uhr − eine Angebots- und Nachfragekurve (Abb. 2.2) für jede einzelne Stunde des Folgetages konstruiert. Der Gleichgewichtspreis (market clearing price MCP) ergibt sich aus dem Schnittpunkt der beiden Kurven und gilt für alle ausführbaren Orders der betreffenden Stunde. Zur Ausfüh-
2.2 Die Energiebörse European Energy Exchange „EEX“
47
rung kommen diejenigen Verkaufsaufträge, deren Preis gleich oder niedriger ist als der MCP und diejenigen Kauforder, deren Preis gleich oder höher ist als der MCP. Falls kein Schnittpunkt zustande kommt, informiert EEX die Marktteilnehmer und stellt ihnen die Gründe hierfür zur Verfügung. EEX kann dann die Marktteilnehmer auffordern, ihre Gebote der Informationslage entsprechend anzupassen und innerhalb einer bestimmten Frist neue Gebote zu übermitteln. Anschließend wird eine neue Kurve konstruiert und der Gleichgewichtspreis ermittelt. 2.2.1.2 Stromhandel am EEX- Terminmarkt 1)
Am EEX-Terminmarkt können unbedingte Futureskontrakte und bedingte Optionskontrakte gehandelt werden. Beide dienen in erster Linie zur Absicherung von Preisrisiken in der Zukunft. Tabelle 2.1 zeigt einen Vergleich der beiden Arten von Termingeschäften. Tabelle 2.2: Gegenüberstellung Futures − Optionen [EEX]
Futures Unbedingte Termingeschäfte Ö Physische Erfüllung Verpflichtung, einen bestimmten Basiswert*) zu einem heute festgelegten Preis zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt zu kaufen bzw. zu verkaufen. • • • • *)
Unbegrenztes Verlustrisiko Unbegrenztes Ertragspotential Neutralisierung von Risiken Keine Prämienzahlung
Optionen Bedingte Termingeschäfte Ö Barzahlungsausgleich Recht, am letzten Handelstag (europäische Option) oder bis zum letzten Handelstag (amerikanische Option) eine bestimmte Menge eines Basiswertes zu einem heute festgelegten Preis (Ausübungspreis) zu kaufen (Kaufoption, call) bzw. zu verkaufen (Verkaufsoption, Put) • Verlustrisiko begrenzt für Käufer, unbegrenztes für Verkäufer • Sehr hohes Ertragspotential • Versicherung gegen Risiken • Prämienzahlung
Basiswert ist die physische Grundlast- oder Spitzenlaststromlieferung bei Futures bzw. der Phelix-Base oder Phelix-Peak aus dem EEX-Spotmarkt für den Barausgleich bei Optionen
Der Verkauf von Futureskontrakten kann zur Absicherung (hedging) gegen fallende Strompreise, der Kauf zur Absicherung gegen steigende Strompreise genutzt werden. Ein Future wird z.B. in Erwartung fallender 1 )
Quelle: EEX-Produktbroschüre Strom, Stand 30. Jan. 2007
48 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien
Marktpreise in der Absicht verkauft, einen Gewinn durch einen nachfolgenden Rückkauf zu einem niedrigeren Preis zu realisieren. Wie alle anderen Börsengeschäfte sind Futures und Optionen standardisierte Produkte hinsichtlich Volumen, Lasttyp, Lieferperiode und finanzieller und physischer Absicherung. Käufer und Verkäufer von Futures vereinbaren, zum aktuellen Datum eine bestimmte Menge Strom zu einem in der Zukunft liegenden Zeitraum und zu den vereinbarten Konditionen abzunehmen oder zu liefern. Lieferort sind die Regelzonen der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber sowie die Regelzone des französichen RTE (French-futures). Am EEX-Terminmarkt können folgende Stromfutures gehandelt werden: Tabelle 2.3: Stromfutures am EEX-Terminmarkt [EEX] Art
Erfüllung
Phelix-Base-Futures
Barausgleich
Phelix-Peak-Futures
Barausgleich
German-Baseload-Futures
Physische Erfüllung
German-Peakload-Futures
Physische Erfüllung
French-Baseload-Futures
Physische Erfüllung
French-Baseload-Futures
Physische Erfüllung
Phelix steht für Physical Electricity Index
Lieferperioden sind Kalendermonate, -Quartale und -Jahre. Ein Baseload-future-Kontrakt sieht eine durchgehende Lieferung von 1 MW in den 24 Stunden eines Liefertages, die Peakload-future eine Lieferung von 1 MW in der Zeit von 08:00 Uhr bis 20:00 Uhr über die gesamte Lieferperiode vor. Futures werden am EEX-Terminmarkt fortlaufend gehandelt. Die Marktteilnehmer geben Kauf- und Verkaufsaufträge in das offene Orderbuch mit Preis und Anzahl der Kontrakte ein. Sie werden im Orderbuch gelistet und zusammengeführt. Geschäftsabschlüsse werden automatisch getätigt, sobald ein Kauf- und Verkaufsauftrag sich als ausführbar erweisen, d.h. sobald ein Kaufauftrag einem Verkaufsauftrag mit gleichem oder einem höheren Preis gegenübersteht. Barausgleich: Sobald ein Phelix-Base-Future mit einer Lieferperiode von z.B. einem Monat fällig wird, muss der Verkäufer die vereinbarte Menge Strom am Spotmarkt mit dem jeweiligen MCP-Preis veräußern. In der Monatsbetrachtung erhält er praktisch den durchschnittlichen Monats-
2.2 Die Energiebörse European Energy Exchange „EEX“
49
preis des Spotmarktes, der i.d.R. nicht mit dem vereinbarten Preis des Futures identisch ist. Wenn dieser Spotmarktpreis niedriger ist als der vereinbarte Preis, erhält er für die Differenz einen Ausgleich und umgekehrt, wenn er höher ist, muss er einen Barausgleich bezahlen. In der Praxis werden Futures jeden Tag der Lieferperiode mit einem unterschiedlichen Preis gehandelt, und so wird jeden Tag eine Gutschrift oder eine Lastschrift fällig (variation margin). Am Monatsende geschieht aber das, was oben beschrieben wurde. Die EEX muss, wie bei jedem anderen Geschäft, das Zustandekommen des Geschäfts auch für den Fall, dass ein Teilnehmer ausfällt, garantieren. Deswegen müssen die Teilnehmer bei der Eröffnung eines Futuregeschäftes eine Basissicherheit, die sogenannte "additional margin" hinterlegen. Sie ist während der gesamten Kontraktlaufzeit gebunden und wird am letzten Tag der Lieferperiode wieder freigegeben. Nachfolgend ein praktisches Beispiel. Beispiel 2.1: Sicherungsgeschäft an der EEX Ein Kraftwerksbetreiber plant, eine Grundlastscheibe von 50 MW im kommenden Monat April auf dem EEX-Spotmarkt über Stundenkontrakte zu verkaufen. Er rechnet damit, dass er einen Preis von 60 €/MWh erreichen kann. Da aber der Spotmarktpreis sehr unsicher ist, entschließt er sich, ein Sicherungsgeschäft mit einem Future zu tätigen. Er verkauft ein Phelix-Base-Future mit einem Volumen von 50 MW zu einem Preis von 60 €/MWh fällig im Monat April. Der erwartete Erlös beträgt: 50 MW x 60 €/MWh x 30 Tage x 24 h/Tag = 2.160.000 € Wie geplant veräußert der Kraftwerksbetreiber im April die geplante Stromlieferung, wie vorgesehen. Der „durchschnittliche Monatspreis“ auf dem Spotmarkt ist aber im April auf 57 €/MWh gefallen. So erlöst der Teilnehmer auf dem Spotmarkt 50 MW x 3 €/MWh x 30 Tage x 24 h/Tag = 108.000 € weniger. Damit tritt der Sicherungsfall ein und der Kraftwerksbetreiber (Verkäufer) erhält diesen Betrag als Ausgleichszahlung vom Käufer des Futures. Die Summe aus Verkaufserlös plus Ausgleichszahlung ist gleich mit dem erwarteten Erlös. Wäre der Monatspreis auf 33 €/MWh gestiegen, würde der Kraftwerksbetreiber 108.000 € an den Käufer des Futures bezahlen müssen. 2.2.1.3 Veröffentlichung der Handelsergebnisse des EEX
Eine der zentralen Aufgaben der Strombörse im liberalisierten Strommarkt ist es, Preissignale für den Stromhandel auch im außerbörslichen Bereich zu geben. Die European Energy Exchange veröffentlicht im DownloadBereich ihrer Website laufend Informationen über das Marktgeschehen.
50 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien
Über den Stromhandel im Spotmarkt werden folgende Indizes veröffentlicht:
®
Phelix Base; das ist der stundengewichtete Durchschnittspreis pro Tag, er wird für alle Kalendertage veröffentlicht. ® Phelix Peak, das ist der stundengewichtete Durchschnittspreis für die Stunden 08:00 bis 20:00 Uhr. Er wird für alle Kalendertage des Jahres ermittelt. ® Phelix Monat; für beide, Phelix Base und Phelix Peak, wird ein Monatsdurchschnittspreis als einfaches arithmetisches Mittel aus den Durchschnittspreisen aller Kalendertage des Monats ermittelt. Gleichgewichtspreis MCP, der im Auktionsmarkt für die Stundenprodukte jeden Tag ermittelt wird.
Darüber hinaus sind auch historische Daten in Tabellen und Graphiken über MCP, Base- und Peak-Preise als Übersichten für Tag, Woche, Monat, 3 Monate und 12 Monate sowie Durchschnittpreise für die letzten 7 Tage, 30 Tage oder 200 Tage auf der Internetseite verfügbar. ® Phelix steht für Physical Electricity Index. „Phelix Base“ und „Phe® lix Peak“ sind eingetragene Warenzeichen der EEX. Preisinformationen über die Produkte des Terminmarktes werden ebenfalls im Downloadbereich der EEX-Internetseite veröffentlicht. Abb. 2.3 zeigt beispielhaft die Entwicklung der Tagespreise für Phe® lix -Base und -Peak an der EEX für ein Jahr. Aus der Darstellung wird die hohe Volatilität der Preise und die damit verbundenen Risiken erkennbar. 90 80 70
€ / MWh
60 50 40 30 20 10 Quelle: VIK
Phelix Day Base
Phelix Day Peak
Abb. 2.3: Base- und Peakload-Preise am EEX Spotmarkt
4.Q. 07
2.Q. 07
4.Q. 06
2.Q. 06
4.Q. 05
2.Q. 05
4.Q. 04
2.Q. 04
4.Q. 03
2.Q. 03
4.Q. 02
2.Q. 02
4.Q. 01
2.Q 01
4.Q. 00
2.Q. 00
0
2.2 Die Energiebörse European Energy Exchange „EEX“
51
2.2.2 Handel mit Emissionsberechtigungen an der EEX
An der EEX werden Emissionsberechtigungen (Kürzel: „EB“ oder „EUA“ für EU-Emission Allowance) von Treibhausgasen auf dem Spot- und Terminmarkt gehandelt. Es handelt sich dabei um die von den EUMitgliedstaaten im Rahmen des EU Emissionshandelsystems (EU-ETS: Eu Emission Trading Scheme) auf Basis deren Nationalen Allokationsplänen den Anlagebetreibern zugeteilte Emissionsberechtigungen. Eine EB oder EUA berechtigt den Anlagebetreiber in einem EU-Mitgliedstaat, eine Tonne CO2 zu emittieren. Die Emissionsberechtigungen gelten für die zweite Handelsperiode 2008 bis 2012 (siehe auch Abschnitt 3.3.2 „Das EU-Emissionshandelsystem“ und Abschnitt 3.3.3 „Umsetzung des Emissionshandels in Deutschland). Spotkontrakte auf Emissionsberechtigungen haben ein Kontraktvolumen von 1 EUA und werden auf zwei Nachkommastellen in €/EUA gehandelt. Die Feststellung des Abrechnungspreises (settlement price) findet am Ende des Handels an jedem Börsentag nach den Regularien der EEX statt. Ab 17:30 Uhr wird der festgelegte Tages-Abrechnungspreis auf der Homepage der EEX unter der Bezeichnung „Carbix“ veröffentlicht www.eex/com/de . Am EEX-Terminmarkt wird der börsliche Handel von Futures für Emissionsberechtigungen abgewickelt. Kontraktgegenstand der EuropeanCarbon-Futures ist die Lieferung bzw. die Abnahme von EUAs für das EU-Emissionshandelsystem der zweiten Handelsperiode von 2008 bis 2012. Das Mindest-Kontraktvolumen beträgt 1.000 EUA. Das heißt, nur Orders mit einem Vielfachen von 1.000 EUA werden in das System eingegeben. Die handelbaren Fälligkeiten der Carbon-Futures sind jeweils die Monate Dezember der Jahre 2008, 2009, 2010, 2011 und 2012. Der letzte Handelstag ist jeweils der vorletzte Handelstag im November. 2.2.3 Erdgashandel an der EEX 2.2.3.1 Erdgashandel am EEX-Spotmarkt1
Die Kontrakte auf dem EEX-Spotmarkt sind Blockkontrakte über die Lieferung bzw. Bezug von Erdgas der Qualität H-Gas mit konstanter Lieferleistung für: •
1
Tages-Grundlastlieferungen (Natural-Gas-Day-Kontrakte). Diese umfassen die Stunden 06:00 Uhr eines Liefertages bis 06:00 Uhr des folQuelle: EEX-Produktbroschüre Gas, Stand 31.05.2007
52 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien
•
genden Kalendertages von Montag bis Sonntag. Die Liefermenge beträgt 24 MWh/d. Wochenend-Grundlastlieferung (Natural-Gas-Weekend-Kontrakte). Diese entsprechen einer Lieferung in der Zeit von Samstag 06:00 Uhr bis Montag 06:00 Uhr. Die Liefermenge beträgt somit 48 MWh.
Die minimale Liefermenge pro Order beträgt 10 MW. Nur Orders mit einem Vielfachen von 10 MW werden in das System eingegeben. Lieferperioden: Natural-Gas-Day-Kontrakte sind handelbar für die nächsten beiden dem Handelstag folgenden Kalendertagen sowie an allen sich unmittelbar an den Handelstag anschließenden Feiertagen und den Feiertagen folgendem Kalendertag. Natural-Gas-Weekend-Kontrakte sind handelbar an zwei der Lieferperiode vorangehenden Börsentage, i.d.R. Donnerstag und Freitag. Lieferort: Lieferorte für Blockkontrakte auf Gas sind die virtuellen Handelspunkte der beiden Marktgebiete der Übertragungsnetzbetreiber: • •
E.ON Gastransport AG & Co. BEB Transport GmbH & Co KG (BEB H-Gas Norddeutschland)
Die Notierungen werden auf der Homepage der EEX www.eex/com/de unter der Bezeichnungen „BEB One Day Ahead“ und „E.ON GT One Day Ahead“ täglich veröffentlicht. 2.2.3.2 Erdgashandel am EEX-Terminmarkt
Kontraktgegenstand am EEX-Terminmarkt ist die Lieferung bzw. der Bezug von Erdgas mit H-Gas Qualität mit konstanter Leistung von 1 MW in der Zeit von 06:00 Uhr an jedem Liefertag des Liefermonats bis 06:00 Uhr des nachfolgenden Kalendertages. Liefermenge ist somit in der Regel 24 MWh. Lieferort ist der virtuelle Handelspunkt in den Marktgebieten der beiden Übertragungsnetzbetreiber, E.ON Gastransport AG & Co KG (EGT-Natural-Gas-Futures) oder der BEB Transport GmbH & Co KG (BEB-Natural-Gas-Futures). Liefertage sind alle Kalendertage im Liefermonat. Handelbare Lieferperioden sind maximal jeweils die nächsten sechs Monate in der Zukunft, der aktuelle Monat, in dem die Lieferung nach dem Futureskontrakt bereits begonnen hat, die nächsten sieben Quartale und die nächsten sechs Jahre. Die Kontraktvolumina ergeben sich entsprechend: • • •
720 MWh bei einem Monatsfuture mit 30 Tagen 2.184 MWh bei einem Quartalsfuture mit 91 Tagen 8760 MWh bei einem Jahresfuture mit 365 Tagen
2.3 Strombeschaffung
53
Die minimale Orderquantität ist auf 10 MW festgesetzt. Die weiteren Lieferkonditionen hinsichtlich Kaskadierung, und Geschäftserfüllung sind sehr komplex und werden hier nicht weiter beschrieben. Sie sind in der „EEX-Produktbroschüre Gas“ detailliert beschrieben.
2.3 Strombeschaffung 2.3.1 Vertragliche Ausgestaltung
Bei der Beschaffung von Strom auf dem freien Markt in Deutschland sind für Erzeugung, Handel und Vertrieb ggf. folgende Verträge abzuschließen: • • • • •
Netzanschlussvertrag Netznutzungsvertrag Rahmenvertrag Netznutzung Bilanzkreisvertrag Stromliefervertrag
Die Vertragsvarianten sind in der Abb. 2.4 dargestellt und nachstehend erläutert: Der Netzanschlussvertrag (NAV) beinhaltet die Details des unmittelbaren Anschlusses des Kunden an das Netz des örtlichen Netzbetreibers. Er regelt speziell die Übergabestelle und Eigentumsgrenzen sowie die Energiebereitstellung im Sinne einer maximalen Anschlussleistung, Lieferspannung und Messspannung. Inhalt der Regelung ist auch die Art der Messeinrichtung. Der Vertrag wird i.d.R. zwischen dem Anschlussnehmer und dem örtlichen Netzbetreiber abgeschlossen: Kleinkunden bevollmächtigen üblicherweise ihren Lieferanten, den NAV mit dem Netzbetreiber abzuschließen. Der NAV gilt für unbestimmte Zeit. Die Aufwendungen für einen Neuanschluss bzw. die Erweiterung eines bestehenden Anschlusses werden durch Einmalzahlung des Kunden an den Netzbetreiber beglichen. Der Netzbetreiber ist zuständig für die Instandhaltung des Netzanschlusses auf seiner Seite der Eigentumsgrenze. Diese Kosten sind in den Netznutzungsentgelten enthalten. Im Netznutzungsvertrag (NNV) werden alle Fragen der Netznutzung, insbesondere Entgeltfragen, geregelt, die über den Netzanschluss hinausgehen. Er beinhaltet u.a. auch Regelungen über das Messverfahren (Leistungsmessung oder Lastprofilverfahren), Netznutzungsentgelte, Entgelt für Messung und Abrechnung, die Konzessionsabgabe, die Umsatzsteuer und sonstige Abgaben wie den KWK-G-Zuschlag. Der Vertrag kann zwischen
54 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien
Großkunde schliesst getrennte Verträge mit Lieferanten und VNB ab
Kunden und dem örtlichen Netzbetreiber direkt abgeschlossen werden. Üblicherweise wird der NNV jedoch zwischen dem Lieferanten und dem Netzbetreiber im Sinne eines Rahmenvertrags abgeschlossen.
ÜNB BK BKV
NAV +NNV
Lieferant
RV
VNB
(Erzeuger, Händler) BKV
SLV
NAV +NNV
AIV: All-inclusive-Vertrag BKV: Bilanzkreisvertrag NAV: Netzanschlussvertrag NNV: Netznutzungsvertrag RV: Rahmenvertrag SLV: Stromliefervertrag
Kunde schliesst einen All-Inclusive-Vertrag mit dem Lieferanten ab
Großkunde
ÜNB BK
*) kann auch im AIV enthalten sein
ÜNB: Übertragungsnetzbetreiber BK: Bilanzkoordinator VNB: Verteilnetzbetreiber BKV
NAV +NNV+BKV VNB BKV
Legende
RV
Lieferant (Erzeuger, Händler)
AIV
(NAV)*
Kunden des Lieferanten
Abb. 2.4: Vertragsvarianten bei der Strombeschaffung
Ein Lieferantenrahmenvertrag (RV) wird zwischen dem Lieferanten und dem Netzbetreiber abgeschlossen und regelt alle Rechte und Pflichten in Zusammenhang mit der Belieferung der Kunden des Lieferanten im Netzgebiet der Netzbetreibers. Darin wird u.a. der Umfang in Form von Fahrplänen sowie Datenaustausch zwischen dem Lieferanten und der Verteilnetzbetreiber geregelt, sowie die Abrechnung von Netznutzungsentgelten und Messentgelt vereinbart. Der Lieferant ist i.d.R. bilanzkreisverantwortlich. Der Bilanzkreisvertrag (BKV) wird zwischen dem bilanzkreisverantwortlichen Lieferanten und dem Bilanzkreiskoordinator (Übertragungsnetzbetreiber) geschlossen. Ein Bilanzkreis umfasst alle Einspeisungs- und Entnahmestellen eines Lieferanten innerhalb eines Übertragungsnetzes.
2.3 Strombeschaffung
55
Der Lieferant muss im Voraus Fahrpläne im ¼-Stundenraster an den Bilanzkoordinator abliefern und ist verantwortlich für eine ausgeglichene Bilanz zwischen den Einspeisungen und Entnahmen in seinem Bilanzkreis. In der Praxis kommen jedoch immer Bilanzabweichungen vor, weshalb im Bilanzkreisvertrag eine Regelung über den Ausgleich der Bilanzabweichungen vorgesehen ist. Mehreinspeisungen oder Mehrentnahmen werden im Nachhinein abgerechnet. Der Preis der Ausgleichsenergie kann sich in Abhängigkeit von den augenblicklichen Marktpreisen für Regelenergie laufend ändern. Die Spätestfrist für die Lieferung der Fahrpläne ist 14:30 Uhr des Vortages. Im Vertrag ist außerdem eine Preisregelung für Reserveleistung bei Ausfall einer Einspeisung der Lieferanten vorgesehen. Einen Stromlieferungsvertrag (SLV) schließt der Kunde mit dem Lieferanten seiner Wahl ab. Großkunden schließen Lieferverträge mit mehr als einem Lieferanten ab und beziehen Strom auch von der Börse (PortfolioManagement). Parallel dazu schließen sie einen Netznutzungsvertrag mit dem Verteilnetzbetreiber − Abb. 2.4. Kleinere und die Mehrzahl der mittelständischen Kunden schließen einen sogenannten All-Inclusive-Vertrag (AIV) mit einem Lieferanten ab, der auch die Netznutzung beinhaltet. Wegen des erheblichen Aufwandes für eine genaue Prognose des Bedarfs, der insbesondere zur Fahrplanerstellung für jede ¼ Stunde erforderlich ist, ist ein Vollversorgungsvertrag auch im liberalisierten Markt für die Mehrzahl der Stromkunden der Regelfall. 2.3.2 Zusammensetzung der Stromverbraucherpreise
Der Stromverbraucherpreis setzt sich aus folgenden Hauptbestandteilen zusammen: • • • •
Preis für die Stromlieferung Netznutzungsentgelt Messung und Abrechnung Steuern, Abgaben und Umlagen (KWK- und EEG-Aufschlag)
Nachstehend werden die einzelnen Kostenbestandteile erläutert. 2.3.2.1 Preis für die Stromlieferung
Der Preis für die Stromlieferung ist das Entgelt für den Stromkauf von den Stromproduzenten und soll die Stromgestehungskosten der Kraftwerke abdecken, die diesen der Strom produzieren. Der bezogene Strom ist ein Mix aus verschiedenen Kraftwerken, die je nach Lastfall, auf Basis deren Grenzkosten eingesetzt werden. Die Grenzkosten sind direkt abhängig
56 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien
vom Brennstoffpreis. Die Stromgestehungskosten von verschiedenen Kraftwerkstypen werden im Kapitel 7 dieses Buches berechnet. Im freien Energiemarkt ist aber der Strompreis kein Kostenpreis, sondern wird auf dem Markt durch das Gesetz von Angebot und Nachfrage, vor allem durch den Stromhandel in den Energiebörsen wie EEX, bestimmt und unterliegt somit starken Schwankungen je nach Marktlage. 2.3.2.2 Netznutzungsentgelte
Die Netznutzungsentgelte „NNE“ − (transmission oder wheeling fees) − sind die Entgelte für den Transport und die Verteilung des Stromes durch die Stromnetze. Die Methodik zur Bestimmung der Netznutzungsentgelte ist in der Stromnetzentgeltverordnung „StromNEV“ vom 25. Juli 2005 festgeschrieben (siehe auch Kapitel 9, Abschnitt 9.1.4.6, Bestimmung der Netznutzungsentgelte). Die NNE sind nach § 23a des Energiewirtschaftsgesetzes „EnWG“ vom 7. Juli 2005 genehmigungspflichtig. Ab dem 1. Januar 2009 werden sie nach den Bestimmungen der Anreizregulierungsverordnung − [ARegV] − genehmigt. In Deutschland ist die Bundesnetzagentur die Regulierungsbehörde. Alle Übertragungsnetz- und Verteilnetzbetreiber sind außerdem verpflichtet, ihre Netznutzungsentgelte auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen. Die Netznutzungsentgelte sind abhängig von der Spannungsebene, da die Kosten der höheren Spannungsebenen auf die niedrigeren Spannungsebenen entsprechend der anteiligen Netzlast gewälzt werden. Bei leistungsgemessenen Kunden setzt sich das Entgelt aus einem Leitungspreis und einem Arbeitspreis zusammen. Als Höchstlast gilt die höchste Leistung innerhalb eines Jahres. Eine Mittelung von zwei oder drei Monatshöchstlasten, wie bei Vollversorgungsverträgen im Monopolmarkt, findet nicht statt. Die Netzbetreiber bieten aber auch NNE auf Monatsbasis in €/kW und Monat an. Kunden mit Eigenstromerzeugung können für den Ausfall ihrer Eigenerzeugungsanlage eine Netzreservekapazität bestellen, für welche ein separates Entgelt bezahlt wird. Die Höhe dieses Entgeltes hängt von der Spannungsebene und von der Dauer der Inanspruchnahme ab. Das Entgelt ist fällig, auch wenn die Netzreservekapazität im Abrechnungsjahr nicht in Anspruch genommen wird. Bei nicht-leistungsgemessenen Kunden besteht das Entgelt aus einem Arbeitspreis und ggf. auch einem Grundpreis. Nachstehende Tabellen, Tabelle 2.4 und Tabelle 2.5, zeigen die Netznutzungsentgelte für leistungsgemessene Kunden eines Netzbetreibers. Die Zahlen in den beiden Tabellen wurden aus den Preisblättern auf der Web-
2.3 Strombeschaffung
57
site des Netzbetreibers entnommen. NNE anderer Netzbetreiber sind aus deren Websites im Internet zu entnehmen (Netzebenen, siehe Abb. 9.1 und Beispiel 9.1). Tabelle 2.4: Preise für Netznutzung bei Kunden mit Lastgangzählung Jahresbenutzungstunden Entnahmestelle
weniger als 2.500 h/a
mehr als 2500 h/a
Leistungspreis Arbeitspreis Leistungspreis € / kWa Ct / kWh € / kWa
Arbeitspreis Ct / kWh
Höchstspannungsnetz
2,83
0,989
26,01
0,062
Umspannung zur Hochspannung
6,43
0,917
28,24
0,045
Hochspannungsnetz
4,88
1,460
38,31
0,120
Umspannung zur Mittelspannung
5,10
1,480
38,48
0,140
Mittelspannungsnetz
7,32
1,980
50,31
0,260
Umspannung zur Niederspannung
7,21
2,420
66,08
0,070
12,33
2,270
51,78
0,690
Niederspannungsnetz
Preise zzgl. Konzessionsabgabe, Mehrkosten gemäß KWKG und Umsatzsteuer Quelle: Website EnBW AG, Preisblätter NNE gültig ab 01.01.2008 Anmerkung: Die Zahlenangaben dienen nur als Orientierungshilfe. Verbindlich sind nur die auf der Website des Netzbetreibers jeweils aktuellen Preise
Tabelle 2.5: Entgelte für Netzreservekapazität Jahresbenutzungstunden
0 - 200 h/a
200 -400 h/a Leistungspreis
Entnahmestelle
400 600 h/a
1) 2)
€ / kWa Höchstspannungsnetz Umspannung zur Hochspannung
7,85
9,42
10,99
8,04
9,65
11,26
Hochspannungsnetz
12,20
14,64
17,08
Umspannung zur Mittelspannung
12,76
15,31
17,86
Mittelspannungsnetz
18,31
21,97
25,63
Umspannung zur Niederspannung
18,04
21,64
25,25
Niederspannungsnetz
28,02
33,62
39,22
1)
Preise zzgl. Konzessionsabgabe, Mehrkosten gemäß KWKG und Umsatzsteuer. Die Preise der Netzreservekapazität beinhalten auch die entsprechende Arbeit. Bei Inanspruchnahme von Netzreservekapazität über 600 h/a erfolgt die Abrechnung mit dem normalen NNE. Quelle: Website EnBW AG, Preisblätter NNE gültig ab 01.01.2008 Anmerkung: Die Zahlenangaben dienen nur als Orientierungshilfe. Verbindlich sind nur die auf der Website des Netzbetreibers jeweils aktuellen Preise.
2)
Die Umlage aufgrund des Kraft-Wärme-Kopplung Gesetzes (KWKG) wird als Zuschlag auf das Netznutzungsentgelt erhoben, ebenso die Konzessionsabgabe.
58 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien Beispiel 2.2: Durchschnittsentgelt Jahreshöchstlast: P = 30 MW Stromabnahme: W = 174.000 MWh Spannungsebene: Mittelspannung Benutzungsdauer: t = 174.000 / 30 = 5.800 h / a Leistungspreis aus Preisblatt: LP = 50,31 € / kWa Arbeitspreis: AP = 0,260 ct / kWh DP = 100 ×
DP = 100 ×
LP [ €/kWa] + AP [ct/kWh ] t [h/a]
50,31 + 0, 260 = 1,13 5.800
Gl. 2.1
[ct/kWh]
In der nachstehenden Tabelle 2.6 werden die Durchschnittsentgelte auf Basis der in der Tabelle 2.4 angegebenen Preise für alle Entnahmestellen in Abhängigkeit von den Benutzungsstunden der Netzhöchstlast gezeigt. Tabelle 2.6: Durchschnittsentgelte Jahresbenutzungstunden
1.600 h/a
2.500 h/a
4.000 h/a
6.000 h/a
Höchstspannungsnetz
k.A.
Durchschnittspreis Ct / kWh k.A. 0,71
Umspannung zur Hochspannung
k.A.
1,17
0,75
Hochspannungsnetz
k.A.
1,66
1,08
0,76
Umspannung zur Mittelspannung
1,80
1,68
1,10
0,78
Entnahmestelle
0,50 0,52
Mittelspannungsnetz
2,44
2,27
1,52
1,10
Umspannung zur Niederspannung
2,87
2,71
1,72
1,17
Niederspannungsnetz
3,04
2,76
1,98
1,55
Preise zzgl. Konzessionsabgabe, Mehrkosten gemäß KWKG und Umsatzsteuer Quelle: Website EnBW AG, Preisblätter NNE gültig ab 01.01.2008, Eigene Berechnung der Durchschnittsentgelte Anmerkung: Die Zahlenangaben dienen nur als Orientierungshilfe. Verbindlich sind nur die auf der Website des Netzbetreibers jeweils aktuellen Preise
2.3.2.3 Entgelte für Messung und Abrechnung
Entgelte für Messstellenbetrieb, Messung und Abrechnung werden zuzüglich zu den NNE in Rechnung gestellt. Diese sind abhängig von der Spannungsebene. Bei Hoch- und Mittelspannung enthalten die Messentgelte z.B. auch Lastgangzählung, Messdatenerfassung auf ¼-h Basis, Fernübertragung der Messdaten etc.
2.3 Strombeschaffung
59
Tabelle 2.7: Entgelte für Messstellenbetrieb, Messung und Abrechnung
Entnahmestelle Hochspannungsnetz Umspannung zur Mittelspannung Mittelspannungsnetz Umspannung zur Niederspannung Niederspannungsnetz einschließlich Umspannung MS/NS
MessstellenMessung Abrechnung betrieb Entgelt je Messstelle pro Jahr € / Jahr 2.830,58 607,85
248,44
180,18
286,03
Im Leistungsumfang sind enthalten: Lastgangzählung in der Standardausführung inkl. Messwandlern, Fernübertragung der Messdaten, Datenaufbereitung, werktägliche Datenbereitstellung per Email. Quelle: Website EnBW AG, Preisblätter NNE gültig ab 01.01.2008 Anmerkung: Die Zahlenangaben dienen nur als Orientierungshilfe. Verbindlich sind nur die auf der Website des Netzbetreibers jeweils aktuellen Preise.
2.3.2.4 Steuern, Abgaben und Umlagen
Die Steuern, Abgaben und Umlagen umfassen folgende Bestandteile: • • • • •
Die Stromsteuer, siehe Abschnitt 3.2.2.3 „das Stromsteuergesetz“ Die KWK-Umlage nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG), siehe Abschnitt 3.2.3 Die EEG-Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), siehe Abschnitt 3.2.4 Die Konzessionsabgabe als Entgelt für die Einräumung von Wegerechten durch die Kommunen, siehe Abschnitt 3.2.5 Die Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer
Die entsprechenden Gesetze werden im Kapitel 3 dieses Buches beschrieben und erläutert. Nachstehend werden nur die Sätze für die Steuern, Abgaben und Umlagen kurz angegeben. Der Stromsteuertarif beträgt 20,50 €/MWh. Gewerbekunden zahlen einen ermäßigten Tarif von 12,30 €/MWh, sofern die Steuer im Kalenderjahr 512,50 € übersteigt. Nachweislich mit dem normalen Satz versteuerter Strom wird auf Antrag erlassen oder vergütet. Es gibt noch den so genannten Spitzenausgleich in Zusammenhang mit den Rentenversicherungsbeiträgen des Unternehmens (siehe hierzu Abschnitt 3.2.2.2 und Beispiel 3.1). Die Umlage aufgrund des KWK-Gesetzes wird jährlich bundeseinheitlich festgelegt. Die Verteilnetzbetreiber bzw. die Lieferanten stellen die
60 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien
Umlage den Letztverbrauchern zusammen mit den NNE in Rechnung (siehe hierzu Abschnitt 3.2.3 Gesetze zur Kraft-Wärme-Kopplung). Es wird zwischen 3 Letztverbrauchergruppen − Tabelle 2.8 − unterschieden: Tabelle 2.8: Umlagen gemäß KWK-Gesetz Letztverbraucher Gruppe A
Gruppe B 1)
1) 2)
Gruppe C 2) stromintensiv
Jahresverbrauch je Abnahmestelle kWh bis 100.000 bis 100.000 über 100.000 bis 100.000 über 100.000
Umlage ct / kWh bis 31.12.2007 0,289 0,289 0,050 0,289 0,025
Ab 01.01.2008 0,199 0,199 0,050 0,199 0,025
Wenn sie nicht zur Verbrauchergruppe C gehören Verbraucher, deren Stromkosten im vorangegangenen Jahr 4% des Umsatzes übersteigen
Anmerkung: Die Umlage für das kommende Jahr wird im Voraus auf Basis der prognostizierten KWG-Stromeinspeisung (Fördervolumen) geschätzt. Die Umlage in 2008 wurde reduziert, weil die KWKStromeinspeisung für 2007 zu hoch eingeschätzt wurde. Der Mehrbetrag (Nachholung), mit dem die Kunden belastet wurden, wurde bei der Festlegung der Umlage für 2008 entsprechend berücksichtigt. Durch die EEG-Umlage werden die Kosten, die den Netzbetreibern durch die Abnahme und Vergütung von EEG-Strom entstehen, an die Letztverbraucher weitergegeben. Durch einen Umlage- und Ausgleichmechanismus (Wälzmechanismus), der im EEG-Gesetz geregelt ist, werden die Kosten bundesweit verteilt und schließlich auf die Letztverbraucher gewälzt. Der Wälzmechanismus wird im Kapitel 3, Abschnitt 3.2.4.2 beschrieben. Die EEG-Umlage wird auf Basis der Monatsprognosen des Verbandes der Netzbetreiber [VDN] bzw. des Bundesverbandes der Energie und Wasserwirtschaft [BDEW] für die Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien monatlich neu festgelegt. Die Umlage für nicht-privilegierte Verbraucher beträgt: in 2007: 1,01 ct / kWh − in 2008: 1,1 ct / kWh (Prognosewerte ) Für privilegierte Verbraucher 0,05 ct / kWh Die Konzessionsabgabe ist abhängig von der Bevölkerungszahl der Gemeinde (Sätze, siehe Abschnitt 3.2.5). Sondervertragskunden mit einer Jahreslieferung von mehr als 30.000 kWh/a und zwei Monatshöchstlasten größer als 30 kW zahlen einheitlich 1.1 ct/kWh. Die Umsatz bzw. Mehrwertsteuer beträgt 19%.
2.3 Strombeschaffung
61
2.3.3 Strombeschaffung mit Portfoliomanagement
Im liberalisierten Energiemarkt haben Kunden grundsätzlich die Möglichkeit, ihren Strom auf dem Strommarkt über die Börse oder in bilateralen Geschäften zu kaufen. Das kann Preisvorteile mit sich bringen, ist aber auch mit großen Risiken verbunden. Es sind zwei Arten von Risiken zu beachten: das Mengenrisiko und das Preisrisiko. Mengenrisiko bedeutet, der Käufer muss den Strom auch dann abnehmen, wenn er aufgrund einer nicht eingetroffenen Bedarfsprognose z.B. zu viel gekauft hat. Umgekehrt muss er, wenn er zu wenig gekauft hat, teuren Ausgleichsstrom abnehmen. Da eine Preisprognose auf dem Spotmarkt praktisch unmöglich ist, sind Risikobegrenzungen im Terminmarkt sinnvoll. Strombezug vom Markt setzt sehr gute Bedarfsprognosen und Fahrplanerstellung für jede einzelne Viertelstunde, exzellente Marktkenntnisse sowie ein effektives Beschaffungs- und Risikomanagement voraus. Eine optimierte Strombeschaffung durch Kombination mehrerer Produkte des Strommarktes wird als Portfoliomanagement bezeichnet. Dies ist allerdings enorm zeit- und kostenaufwendig, weshalb sich nur sehr große Stromkunden diesen Aufwand leisten können. Voraussetzung ist ferner ein Netznutzungsvertrag mit dem Verteilnetzbetreiber. Wie Strombezug für einen typischen Tag über Portofolio aussehen kann, ist in der nachstehenden Abb. 2.5 beispielhaft dargestellt. Darüber hinaus kann ein Portfoliomanagement auch Sicherungsgeschäfte aus dem Terminmarkt enthalten. Die beiden langfristigen Verträge für Bandlieferung im Grundlast- und Mittellastbereich werden periodisch ausgeschrieben. „Langfristig“ kann im liberalisierten Markt lediglich ein Jahr bedeuten, mit der Möglichkeit der Verlängerung um ein Jahr. Der Grundlastvertrag deckt den Teil des Bedarfs, der immer, auch über Wochenenden und Feiertage, vorhanden ist. Der langfristige Vertrag für die Mittellast sieht nur Stromlieferung an Werktagen vor. Dieser Bedarf ist ebenfalls gut prognostizierbar. Der Rest des Bedarfs wird durch Stromeinkauf auf dem Spotmarkt der Börse täglich eingekauft. Insbesondere für Baseload- und Peakload Strom von der Börse ist die Absicherung über Futures erforderlich. Netznutzungsentgelte, Messpreis, Stromsteuer sowie Kosten gemäß KWK sind im Netznutzungsvertrag geregelt.
62 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien
Abb. 2.5: Bedarfsdeckung mit Portofoliomanagement
2.3.4 Strombezug mit Vollversorgungsvertrag
Wegen des großen Aufwandes der Strombeschaffung über die Börse werden kleinere und mittelständische Kunden auch im liberalisierten Markt weiterhin einen Vollversorgungsvertrag oder nach neuer Definition AllInclusive-Vertrag vorziehen. Der Vorteil für den Kunden ist, dass er keine genauen Kenntnisse über seinen Strombedarf braucht, es reicht lediglich eine relativ grobe Bedarfsprognose über seine voraussichtliche Höchstlast und seinen Jahresverbrauch. Der Wettbewerb funktioniert trotzdem, weil der Kunde die Möglichkeit hat, seinen Lieferanten zu wechseln, wenn er von einem anderen Lieferanten günstigere Konditionen bekommt. Die Optimierung der Beschaffung sowie die Risiken werden ausschließlich auf den Lieferanten verlagert. Vollversorgungsverträge sind auch im liberalisierten Markt weiterhin der Regelfall. Ein All-Inclusive-Vertrag deckt sowohl die Stromlieferung als auch die Netznutzung ab. Vertragspartner sind Lieferant und Kunde. Darin werden die technischen und kommerziellen Rahmenbedingungen für die Stromlieferung geregelt. Im Wesentlichen enthält der Vertrag folgende Regelungen: • •
Art und Umfang der Lieferung Lieferstelle
2.3 Strombeschaffung
• • • • •
63
Preisregelung einschließlich Preisänderung Entgelt für Messung, Datenbereitstellung und Abrechnung Abgaben und Steuern Abrechnung Vertragslaufzeit und Kündigung
Art und Umfang der Lieferung umfasst Lieferspannung und Messspannung in Volt. Lieferspannung und Messspannung können auch unterschiedlich sein, z.B. Lieferung erfolgt in Mittelspannung und Messung in Niederspannung. Die Lieferstelle ist i.d.R. identisch mit der Übergabestelle im Netzanschlussvertrag. Die einfachste Form bei Kleinkunden ohne Leistungsmessung ist die Arbeitspreisregelung. Bei einer Arbeitspreisregelung wird ein jährlicher Grundpreis in €/a und ein Arbeitspreis für jede kWh in ct/kWh vereinbart. Die Preise enthalten das Entgelt für Lieferung, Netznutzung und Messung sowie Abgaben und Steuern wie Konzessionsabgabe, Stromsteuer und die Belastungen nach dem EEG und dem KWK-Gesetz sowie die Mehrwertsteuer. In der Stromrechnung ist eine getrennte Ausweisung der Stromsteuer und der Mehrwertsteuer vorgeschrieben. Die Angabe der anderen Abgaben ist zwar nicht vorgesehen, aber bei Gewerbe und Industrie üblich. Bei einer Leistungspreisregelung wird ein Leistungspreis in €/(kWxa) bezogen auf die höchste im Abrechnungsjahr in Anspruch genommene Leistung PH in kW und ein Arbeitspreis in ct/kWh bezogen auf abgenommene Wirkarbeit Wel, oft getrennt für Hochtarif- (HT) und Niedertarifzeit (NT) vereinbart. Die in Anspruch genommene Leistung Pel wird laufend für jede Messperiode tM (¼ -Stundentakt) gemessen und registriert. Sie ist definiert als der Quotient der abgenommenen Arbeit und der Dauer der Messperiode. Pel =
Wel (kWh) tM (h)
[ kW ]
Gl. 2.2
Der Vertrag kann u.U. eine Mindestabnahmeklausel (take-or-pay clause) für die Vertragsleistung beinhalten, so dass z.B. 80% der Vertragsleistung auch abgenommen oder bezahlt werden. Früher gab es auch Verträge mit Monatsleistungspreis. Allerdings sind sie heute vor allem deswegen weniger verbreitet, weil für das Netznutzungsentgelt die Höchstlast des Jahres ohne Mittelung maßgebend ist. Die Jahreskosten und die Durchschnittskosten pro Jahr lassen sich dann wie nachstehend gezeigt, berechnen.
64 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien
Der Jahresdurchschnittspreis p ist abhängig von der Benutzungsdauer tH, wie aus Gl.2.6 zu ersehen und in Abb. 2.6 dargestellt ist. Rechengang für den Jahresdurchschnitts-Strompreis:
C = LP × PH + AP × Wel / 100
[€/a]
Gl. 2.3
Eine hilfreiche Größe ist die Benutzungsdauer der Höchstlast „tH“ (bzw. der Verrechnungsleistung); sie ist wie folgt definiert: tH =
Wel (kWh/a) PH (kW)
[h / a]
Gl. 2.4
Der Jahresdurchschnittspreis „p“ kann dann wie folgt berechnet werden:
p = AP + 100 × LP ×
PH Wel
[ct/kWh]
Gl. 2.5
oder unter Benutzung der Formel für die Benutzungsdauer:
p = AP +
100 × LP tH
[ct/ kWh]
Gl. 2.6
Darin bedeuten: C: Jahreskosten in €/a LP: Leistungspreis €/(kWxa) PH: Jahreshöchstlast in kW AP: Arbeitspreis in ct/kWh Wel: Jahresverbrauch in kWh/a tH: Benutzungsdauer der Höchstlast in h/a p: Jahresdurchschnittspreis in ct/kWh
Kunden mit Eigenstromerzeugung beziehen praktisch immer auch Zusatzstrom. Bei Ausfall ihrer Anlage muss der Vertrag auch eine Regelung für Reserveleistung enthalten − siehe Abschnitt 2.3.2.2 und Tabelle 2.5. Ein Entgelt für Blindstrom wird fällig, wenn der Blindstromverbrauch in kVArh eine festgelegte Grenze, bezogen auf die Wirkarbeit im betreffenden Monat, überschreitet. Meistens liegt diese Grenze bei 50% der bezogenen Wirkarbeit in kWh, entsprechend einem Leistungsfaktor von cosφ= 0,9. Der Preis liegt in einer Größenordnung von 1 bis 1,5 ct/kWArh.
2.3 Strombeschaffung
65
16,0
Leistungspreis 95 € / (kW*a) Arbeitspreis 4,5 ct / kWh
14,0
Strompreis ct / kWh
12,0 10,0 8,0 6,0 4,0 2,0 0,0 0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
7000
8000
Benutzungsdauer h / a Durchschnittspreis
Arbeitspreis
Abb. 2.6: Strompreis in Abhängigkeit von der Benutzungsdauer
Die Preisregelung kann auch eine Klausel für Preisänderungen enthalten. Vor der Liberalisierung enthielten die Verträge sogenannte Preisgleitklauseln, getrennt für den Leistungs- und für den Arbeitspreis. Der Leistungspreis war gebunden an den Investitionsgüterindex und die Löhne, der Arbeitspreis an den Kohlepreis. Die Anpassung erfolgte meistens jährlich. Im liberalisierten Markt machen solche Anpassungsklauseln wenig Sinn, weil die Laufzeit der Verträge kurz ist. Anstelle der Preisgleitklausel wird im Vertrag darauf hingewiesen, dass der Lieferant bevorstehende Preisänderungen dem Kunden ankündigen muss und der Kunde dann das Recht hat, den Vertrag zu kündigen. Für beides enthält der Vertrag eine Fristenregelung. In §21 der Stromnetzentgeltverordnung wird eine Frist von 3 Monaten vorgesehen. Da das NN-Entgelt ein wesentlicher Kostenbestandteil ist, wird diese Frist auch für den gesamten Vertrag maßgebend sein. Das Entgelt für die Messung wird getrennt ausgewiesen. Steuern und Abgaben wie Umsatzsteuer, Stromsteuer, Konzessionsabgabe, sowie die Belastungen nach EEG und KWK-G werden bei Gewerbekunden in der Rechnung getrennt ausgewiesen. Die entsprechende Klausel des Vertrages sieht vor, dass diese Belastungen mit dem jeweils gültigen Satz an den Kunden weitergegeben werden. Die Laufzeit von so genannten Formularverträgen wird gemäß § 309 Abs. 9 BGB auf maximal zwei Jahre festgelegt mit automatischer Verlängerung für maximal ein weiteres Jahr, wenn er innerhalb der vorgesehenen Frist nicht gekündigt wird.
66 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien
Beispiel 2.3 zeigt die Jahresabrechnung für die Stromlieferung an ein mittelständisches Unternehmen. Beispiel 2.3: Jahresabrechnung der Stromlieferung Stromverbrauch
Jahreskosten
Verrechnungsleistung kW Arbeit, gesamt kWh Anteil NT-Arbeit
2.250
229.500
8.965.000
Arbeitskosten HT-Arbeit
305.707
38%
Arbeitskosten NT-Arbeit
163.522
Benutzungsdauer
3.984 h/a
Spannungsebene
MS
Preise Leistungspreis
€/a
Leistungkosten
€ / kWa *)
102
Arbeitspreis HT ct / kWh *)
5,50
Arbeitspreis NT ct / KWh *)
4,80
Messung u. Abrechnung €/a
1.224
Messung u. Abrechnung
1.224
EEG-Abgabe
1,01 ct / kWh
KWK-Abgabe
0,05 ct / kWh
4.483
Stromsteuer
1,23 ct / kWh
110.270
Jahreskosten ohne MWSt Spez. Stromkosten ct / kWh
90.547
905.251 10,10
*) inklusive NNE: Leistung 59,56 € / (kW a), Arbeit 0,81 ct / kWh
Spezifische Stromkosten
ct / kWh
%
Stromlieferung ohne NNE
5,49
54,4%
Netznutzungsentgelt
2,30
22,8%
Messung u. Abrechnung
0,01
0,1%
EEG-Abgabe
1,01
10,0%
KWK-Abgabe
0,05
0,5%
Stromsteuer
1,23
12,2%
10,10
100,0%
Gesamt
Aus der Tabelle mit den spezifischen Kosten und deren prozentuale Aufteilung zu den einzelnen Kostenpositionen wird erkennbar, dass mit Ausnahme der Position „Stromlieferung“ alle anderen Positionen fest und nicht verhandelbar sind. Die Zusammenstellung zeigt, dass auch im liberalisierten Markt der Spielraum für Preisverhandlungen begrenzt ist. Wenn z.B. durch Verhandlungen ein um 5% niedriger Stromlieferungspreis erzielt werden kann, würde daraus eine Kostenersparnis von 0,27 ct/kWh bzw. ca. 2,7 % oder ca. 24.000 €/a resultieren. Mit dieser Ersparnis kann sich ein solches Unternehmen keinen Aufwand für Fahrplanerstellung, Beschaffungs- und Risikomanagement leisten, um selbst auf dem Stromhandelsmarkt einzukaufen. In Anbetracht der Risiken kommt deshalb nur ein Vollversorgungsvertrag in Frage. Hieraus resultiert, dass u.U. eine Ausschreibung der Strombelieferung in kürzeren Abständen sinnvoll sein könnte.
2.3 Strombeschaffung
67
2.3.5 Entwicklung der Strompreise
Zu Beginn der Liberalisierung sind die Strompreise zuerst stark gefallen. Für Gewerbe- und Industriekunden zeitweise bis unter 30%, verglichen mit denen vor der Liberalisierung. In den letzten Jahren ist jedoch ein ständiges Ansteigen zu beobachten. Die Entwicklung ist in der Abb. 2.7 nach dem VIK-Strompreisindex zu ersehen. Eine Grundlage für den VIK-Strompreisindex ist der Durchschnittspreis des Vormonats am EEX-Terminmarkt für die kommenden vier Quartalsprodukte. Der Base- und Peakloadanteil wird in Abhängigkeit von typischen Jahresbenutzungsstunden bei Industriekunden (3.000, 4.000, 5.000 und 6.000 h/a) gewichtet. Berücksichtigt werden außerdem die Netznutzungsentgelte ausgewählter Netzbetreiber über alle Regelzonen. Die Summe der durchschnittlichen Energie- und Netzpreise aller Regelzonen bildet die Basis für den VIK-Index. 250 240 230
VIK-Strompreisindex für Mittelspannungskunden in der Industrie Januar 2002 = 100
220
Strompreisindex
210 200 190 180 170 160 150 140 130 120 110
Quelle: VIK
100
Mai 08
Sep 08
Jan 08
Mai 07
Sep 07
Jan 07
Mai 06
Sep 06
Jan 06
Mai 05
Sep 05
Jan 05
Mai 04
Sep 04
Jan 04
Sep 03
Mai 03
Jan 03
Sep 02
Mai 02
Jan 02
90
Abb. 2.7: VIK-Index, Entwicklung der Strompreise und der Industrie
Tabelle 2.9 zeigt außerbörsliche Großhandelspreise für Vollversorgungsverträge aus dem VIK/E&M Strompreismonitor. Im VIK/E&M - Strompreismonitor werden für verschiedene typisierte Lastprofile tagesaktuelle Bewertungen des Strombedarfs der kommenden drei Jahre auf Basis der jeweils geltenden außerbörslichen Großhandelspreise veröffentlicht. Die Auswertungen werden von der Beratungsfirma Energie & More aufbereitet. Weitere Erklärung auf der VIK-Internetseite, Strompreismonitor.
68 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien Tabelle 2.9: Außerbörsliche Großhandelspreise Abnahmefall Benutzungsstunden h /a 1600 2500 4000 5000 6000 7000 1)
Stromliefervertrag (Stand 23.09.2008) 2009
Last 2) night day night day night day night day night day night day
2010
1)
2011
ct / kWh 5,86 10,00 6,02 9,95 7,24 9,43 7,63 9,12 7,92 8,84 8,32 8,61
5,59 9,81 5,73 9,77 6,95 9,22 7,35 8,90 7,65 8,61 8,06 8,37
5,60 9,89 5,74 9,85 6,98 9,29 7,39 8,97 7,69 8,68 8,11 8,43
ohne NNE und Steuern
2)
night, day: Lastschwerpunkt in der Nacht bzw. am Tag Quelle: VIK / E&M-Strompreismonitor, www.vik.de Energy & More, Energiebroker GmbH & Co.KG
Preisvergleiche von verschiedenen Lieferanten sind u.U. im [Handbuch IdEV] zu finden.
2.4
Gasbeschaffung
2.4.1 Historischer Überblick − Gas-zu-Gas-Wettbewerb
Im Gegensatz zum Strom stand Erdgas auch vor der Liberalisierung im Substitutionswettbewerb mit anderen Energieträgern. In den 70er Jahren und bis Mitte der 1980er Jahre waren Heizöl und Kohle die dominierenden Brennstoffe auf dem Heizungsmarkt und bei der Industrie. Nach Inkrafttreten der Großfeuerungsanlagenverordnung und der TA-Luft Mitte der 80er Jahre mussten viele Industriebetriebe hohe Investitionen tätigen, um ihre meistens mit schwerem Heizöl oder mit Kohle befeuerten Anlagen auf den geforderten Umweltstandard zu bringen. Eine weniger kostspielige Alternative hierzu war oft eine Brennstoffumstellung auf den umweltfreundlicheren Energieträger Erdgas. Die Erdgaswirtschaft hat damals diesen Wettbewerbsvorteil erkannt und genutzt, um beträchtliche Marktanteile bei der Industrie zu gewinnen. Um die Erdgasleitungen besser auszulasten, wurden zu Erdgasnetzen naheliegende Wohngebiete erschlossen und so
2.4 Gasbeschaffung
69
hat Erdgas nach und nach auch erhebliche Marktanteile im Heizungssektor erobert. Der Brennstoffmarkt insgesamt war also lange vor Beginn der Liberalisierung ein Wettbewerbsmarkt. Allerdings gab es einen Wettbewerb zwischen Erdgas und seinen Konkurrenzbrennstoffen, aber keinen Gas-to-Gas Wettbewerb. Die Preisbildung für das Erdgas erfolgte und erfolgt in diesem Wettbewerbsmarkt weiterhin nach dem Prinzip der Anlegbarkeit. Innerhalb seines Versorgungs- bzw. Konzessionsgebietes hatte das Versorgungsunternehmen das Monopol für die Erdgasbelieferung. Ziel der Liberalisierung bei Erdgas war deshalb auch, einen Gas-to-Gas Wettbewerb ins Leben zu rufen. Die Mittel hierzu sind die Entflechtung von Produktion, Netzbetrieb und Handel sowie ein diskriminierungsfreier Netzzugang für alle Marktteilnehmer. 2.4.2 Vertragliche Ausgestaltung
Grundlage des Systems für den Netzzugang zu den Erdgasnetzen und für die Entgeltabrechnung ist das „Entry-Exit Netznutzungsmodell“ nach § 20 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes. Die Abwicklung des Netzzugangs erfolgt nach dem „Zweivertragsmodell“. Die Regelungen zur praktischen Ausgestaltung des Netzzugangs sind in der Gasnetzzugangsverordung [GasNZV], in der Gasnetzentgeltverordnung [GasNEV] und in der Kooperationsvereinbarung zwischen den Netzbetreibern [KOV II] festgelegt. Im Kapitel 9, Abschnitt 9.4 „Netzzugang und Netznutzung bei Gasnetzen“, sind die entsprechenden Regelungen und Mechanismen kurzgefasst beschrieben. Zur Ausgestaltung des Netzzugangs zu den Gasversorgungsnetzen nach dem Entry-Exit-Modell haben Gaskunden folgende Verträge mit den Gaslieferanten und Netzbetreibern zu schließen: •
•
•
Einen Lieferantenrahmenvertrag. Dieser kann ein „All-inclusive“ Vertrag sein, in dem der Lieferant sowohl die Lieferung von Energie als auch Netzentgelte sowie Messung und Abrechnung anbietet. Er kann auch nur die Energielieferung beinhalten und der Kunde schließt dann einen separaten Vertrag für die Netznutzung mit dem Netzbetreiber. Einen Einspeise- und einen Ausspeisevertrag durch die Kapazitätsrechte (in m3/h oder kWh/h) des Transportkunden für den einzelnen Transportvorgang an bestimmten Ein- und Ausspeisepunkten des jeweiligen Netzbetreibers begründet werden. Einen Bilanzkreisvertrag über die Einrichtung von Bilanzkreisen zur Abrechnung von Differenzmengen.
70 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien
Betreiber von Gasversorgungsnetzen müssen Einspeise- und Ausspeisekapazitäten anbieten, die den Netzzugang ohne Festlegung eines transaktionsabhängigen Transportpfades ermöglichen und unabhängig voneinander handelbar sind. Transportkunden ist außerdem zu ermöglichen, Einund Auspeisekapazitäten unabhängig voneinander, in unterschiedlicher Höhe und zeitlich voneinander abweichend zu buchen − § 4 Abs. 3 GasNZV. Durch den Einspeisevertrag ist der Netzbetreiber verpflichtet, das vom Transportkunden am Einspeisepunkt bereitgestellte Erdgas in das Netz aufzunehmen und auf dem Bilanzkonto des Kunden zu verbuchen. Durch den Ausspeisevertrag verpflichtet sich der Netzbetreiber, das in das Netz eingespeiste Erdgas dem Transportkunden am Ausspeisepunkt mit der vereinbarten Kapazität bereitzustellen. Der Abgleich und Ausgleich von Abweichungen zwischen den an Ein- und Ausspeisepunkt übertragenen Gasmengen wird im Bilanzkreisvertrag geregelt. 2.4.3 Zusammensetzung der Gasverbraucherpreise
Der Erdgasverbraucherpreis setzt sich aus folgenden Kostenbestandteilen zusammen: • • • •
Preis für die Gaslieferung Kapazitätsentgelte für Ein- und Ausspeisekapazitäten Entgelt für Messung und Abrechnung Steuern und Abgaben
2.4.3.1 Preis für die Gaslieferung
Der Preis für die Gaslieferung an Endkunden orientiert sich weiterhin über Preisgleitklauseln in den Gaslieferungsverträgen an dem Preis vom Heizöl. Das bedeutet, der Gaspreis folgt mit einer vereinbarten Zeitverzögerung der Entwicklung des Preises für Heizöl nach dem Prinzip der Anlegbarkeit (siehe hierzu Abschnitt 1.33 „Herkunft und Grenzübergangspreise von Erdgas). Gaslieferverträge mit fixen Preisen werden auch angeboten, allerdings meist mit einer Vertragslaufzeit von einem Jahr. Händler und große Industrieunternehmen haben im freien Energiemarkt die Möglichkeit ihren Gasbezug über Portfoliemanagement zu optimieren. Sie können Erdgas auch auf Spotmärkte in den so genannten Hubs (TTF, Zeebrügge, Bunde/Emden/Oude) oder in der Energiebörse EEX kaufen. Die Preise in den Hubs als auch in der Energiebörse bilden sich nach dem Marktgesetz von Angebot und Nachfrage und weisen im Gegensatz zu ölpreisgebundenen Gaspreisen eine hohe Volatilität.
2.4 Gasbeschaffung
71
Im Zuge der Liberalisierung der Energiemärkte sind in Deutschland 14 Gasmarktgebiete entstanden. Jedes Marktgebiet hat einen virtuellen Handelspunkt, in dem Händler und Kunden Gas einkaufen können. (siehe hierzu Ausführungen im Kapitel 9, Abschnitt 9.2.4.2 „Marktgebiete − virtueller Handelspunkt“) 2.4.3.2 Kapazitätsentgelte für Ein- und Ausspeisekapazitäten
RLM-Kunden und SLP-Kunden Beim Gastransport wird zwischen Kunden mit registrierender Leistungsmessung − „RLM-Kunden“ und Kunden mit Standardlastprofil − „SLPKunden“ unterschieden. RLM-Kunden müssen am Vortrag der Gaslieferung ihr Verbrauchsprofil in ihrem Bilanzkreis stundenweise beim Bilanzkreiskoordinator nominieren. Die Nominierung des Verbrauchs bei SPLKunden erfolgt über standardisierte Lastprofile je nach Anwendungsfall. Entgelte nach dem Zweivertragsmodell Transportkunden müssen Ein- und Einspeisekapazitäten bei den Netzbetreibern buchen, damit Gas durch das Netz transportiert werden kann. Die Ein- und Ausspeiseentgelte sind Kapazitätsentgelte in €/(mn3/h) oder in kWh/h und beziehen sich in der Regel auf zwölf aufeinanderfolgende Monate. Darüber hinaus sind die Betreiber verpflichtet, auch unterjährige Verträge für Monat, Quartal, sowie Verträge für unterbrechbare Lieferung anzubieten. Ein- und Ausspeisekazazitäten sowie die jeweiligen Kapazitätsentgelte sind auf den Internetseiten der Netzbetreiber abrufbar. Einige Netzbetreiber bieten im Internet einen „Gemeinsamen Kapazitäts- und Entgeltrechner − [KuER]“. Netzbetreiber, die am gemeinsamen KuER noch nicht beteiligt sind, bieten eigene Kapazitäts- und Entgeltrechner auf ihren Internetseiten. In den Kapazitäts- und Entgeltrechnern sind die Netzstammdaten der Netzbetreiber (z.B. Entry- und Exitpunkte, Zuordungsauflagen, Netzkopplungspunkte und Kapazitätsentgelte) hinterlegt. Auf der Basis dieser Netzstammdaten wird zum Zeitpunkt der Benutzeranfrage eine Berechnung von Transportalternativen vorgenommen, um netzbetreiberübergreifend die möglichen Transportalternativen zu ermitteln. Entgelte für örtliche Gasnetze nach dem Punktmodell Die Berechnung der Entgelte für den Netzzugang zu örtlichen Verteilnetzen erfolgt abweichend von dem „Zweivertragsmodell“ nach einem transaktionsunabhängigen Punktmodell. Der Transportkunde braucht nur eine Ausspeisekapazität zu buchen und bezahlt das entsprechenden Entgelt. Nach der in der Kooperationsvereinbarung zwischen den Netzbetreibern werden innerhalb eines Marktgebietes die Entgelte vorgelagerter Netzbetreiber auf die nachgelagerten Netzbetreiber gewälzt. Die Netznut-
72 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien
zungsentgelte der vorgelagerten Netzbetreiber werden auf die Entgelte des örtlichen Netzbetreibers hinzuaddiert. Die Entgelte nach dem Punktmodell für Kunden mit registrierender Leistungsmessung „RLM-Kunden“ werden von den zuständigen Landesbehörden durch die Vorgabe von zwei Formeln für das Arbeits- bzw. für das Leistungsentgelt genehmigt. Die Formeln sind für alle örtlichen Netzbetreiber der Struktur nach gleich, die Ausprägung (d.h. die Konstanten in den Formeln) sind aber unterschiedlich. Die Erklärung der Symbole in den Formeln ist im nachstehendem Beispiel 2.4 zu ersehen. Im Beispiel sind die Entgelte für ein Ortsnetz städtischer Struktur und ein regionales Netz berechnet. Der Unterschied in der Höhe der Entgelte ist auffallend. Formeln zur Entgeltberechnung für RLM-Kunden von Ortsnetzen >1,5 Mio. kWh/a oder > 500 kW: Arbeitsentgelt:
Leistungsentgelt:
AEW =
LEP =
+ AEOT
Gl. 2.7
C
+ LEOT
Gl. 2.8
D
AEOV W 1+ WPA
LEOV P 1+ WPL
Beispiel 2.4: Entgeltberechnung für RLM-Kunden Merkmal
Symbol
Einheit
Jahresarbeit
W
kWh
Max. Jahresleistung
P
kW
Städtisches Netz
Ländliches Netz
Eingaben
Konstanten für Netzentgelt Arbeit
21.375.000 4.500 Ausprägung
21.375.000 4.500 Ausprägung
Wendepunkt Arbeit
WPA
kWh
5.392.540
26.745.164
Briefmarke Arbeit Ortstransportnetz
AEOT
ct / kWh
0,0682
0,0829
Briefmarke Arbeit Ortsverteilnetz
AEOV
ct / kWh
0,2662
0,2424
C
-
Exponent Arbeit Konstanten für Netzentgelt Leistung
1,25 Ausprägung
1,285 Ausprägung
Wendepunkt Leistung
WPL
kW
Briefmarke Leistung Ortstransportnetz
LEOT
€ / kW
3,3935
5,6740
Briefmarke Leistung Ortsverteilnetz
LEOV
€ / kW
11,0257
11,7280
D
-
1,04
0,9711
Netzentgelt Arbeit
AEW
ct / kWh
0,1086
0,2214
Netzentgelt Leistung
LEP
€ / kW
7,3291
14,0034
Jahresentgelt Arbeit
AEW
€/a
23.207
47.331
Jahresentgelt Leistung
LEP
€/a
32.981
63.015
Durchschnittsentgelt
∅E
ct / KkWh
0,2629
0,5162
Exponent Leistung
2.555,14
11.327
Ergebnis Netzentgelte
2.4 Gasbeschaffung
73
Netzentgelte für Kunden mit Standard Lastprofil − SLP-Kunden − werden nach der Arbeit gestufte Tarife, wie nachstehend, vorgegeben: Tabelle 2.10: Tarife für Entgelte für SLP-Kunden von Ortsnetzen Jahresarbeit
Arbeitspreis
von kWh
bis kWh
Grundpreis
ct / kWh
€/a
-
1.000
2,5892
-
1.001
4.000
1,5892
10,00
4.001
50.000
1,0892
30,00
50.001
300.000
0,9492
100,00
300.001
1.000.000
0,8992
250,00
1.000.001
1.500.000
0,8892
350,00
Quelle: FairEnergie, Kunden mit <1,5 Mio. kWh/a oder < 500 kW
2.4.3.3 Entgelte für Messung und Abrechnung
Entgelte für Messbetrieb, Messung und Rechnungsstellung werden separat gestellt und sind auf den Internetseiten der Netzbetreiber abrufbar. Die Entgelte für Messbetrieb und Messung sind abhängig von der Größe des Messgerätes und von der Ausrüstung der Messstelle. 2.4.3.4 Steuern und Abgaben
Der Erdgassteuer Regelsatz für Heizgas beträgt 0,55 ct/kWhHo. Anlagen zur Stromerzeugung mit einer elektrischen Leistung von mehr als 2 MW sowie alle Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sind von der Erdgassteuer befreit. Wenn ein reduzierter Satz entsprechend MinölStG in Betracht kommt, muss der Kunde eine förmliche Einzelerlaubnis beim zuständigen Hauptzollamt beantragen. Die Mineralölsteuer ist unter bestimmten Voraussetzungen teilweise oder ganz erstattungsfähig (siehe hierzu Kapitel 3, Abschnitt 3.2.2.2 „Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen). Die Konzessionsabgabe für Erdgas ist abhängig von der Größe der Gemeinde und den Anwendungszweck von Gas, wie Kochen und Brauchwarmwasser, Sonstige (siehe hierzu Kapitel 3 Abschnitt 3.2.5 „Konzessionsabgabeverordnung). Die Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer beträgt z.Z. 19%. 2.4.4 Zugang zu Erdgasspeichern
Der Erdgasverbrauch in Deutschland ist stark saison- und außentemperaturabhängig, da ein Großteil des Raumheizungsbedarfs durch Erdgas ge-
74 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien
deckt wird. Insofern ist neben dem Netzzugang auch der Zugang zu den Erdgasspeichern von enormer Wichtigkeit für den Gasmarkt. Die Betreiber von Speicheranlagen sind nach §28 des EnWG verpflichtet, anderen Unternehmen diskriminierungsfreien Zugang zu ihren Speicheranlagen zu angemessenen Entgelten zu gewähren. Ähnlich wie beim Erdgasnetz können Kunden Speicherkapazitäten buchen. Maßgeblich für die Buchung sind u.a. Arbeitsvolumen in m3, Einspeicher- und Ausspeicherleistung in m3/h, Gasqualität und Gasdruck, sowie die entsprechenden Zeiträume. Speicherbetreiber, wie BEB, stellen in ihren Internetseiten auch Rechner zur Verfügung, mit deren Hilfe eine vorläufige Berechnung der Entgelte möglich ist. Die verfügbaren Kapazitäten werden nach dem Prinzip „First-Commited-First-Served“ vergeben. Zusätzlich zu den Kapazitätsentgelten für die Speicher kommen allerdings auch die Kosten für den Transport des Gases zu und von den Speichern zu den Ein- und Ausspeisestellen der Netze hinzu. Es können aber auch Systemlösungen verhandelt werden, die beides beinhalten. 2.4.5 Gaslieferungsverträge
Mit Ausnahme von kleinen Kochgaskunden, die nach genehmigten allgemeinen Tarifen beliefert wurden, galten auch vor der Liberalisierung alle anderen Kunden als Sondervertragskunden. Allerdings wurden auch kleinere Heizgaskunden nach standardisierten Musterverträgen mit gleichen Preiskonditionen beliefert. Die Kartellbehörden verlangten Gleichbehandlung aller Kunden dieser Kundengruppe. Ein Grund dafür war, dass diese Kunden praktisch keine Möglichkeit hatten, ihre Erdgaskessel z.B. auf die Konkurrenzenergie Heizöl umzustellen, weil meistens die notwendige Infrastruktur wie ein Heizöllager, oft auch ein geeigneter Kamin nicht vorhanden waren. Industriekessel dagegen sind häufig mit Zweistoffbrennern ausgerüstet oder können leicht umgerüstet werden, sodass Erdgas relativ leicht durch Heizöl substituiert werden kann. Deswegen bleibt im Industriebereich der Wettbewerb auch nach einer Umstellung auf Erdgas vorhanden. Industriekunden werden deshalb mit Individualverträgen beliefert, bei denen vor allem der Preis verhandelbar ist. 2.4.5.1 Der klassische Vollversorgungsvertrag
Auch im liberalisierten Markt wird vorerst für die Mehrheit der Kunden ein Vollversorgungsvertrag der Regelfall bleiben. Die wesentlichen Bestandteile des klassischen Gaslieferungsvertrages sind:
2.4 Gasbeschaffung
• • • • • • • •
75
Art und Umfang der Lieferung Vorhalteleistung und Vertragsliefermenge Durchgehende oder unterbrechbare Lieferung Messung und Gasübergabe Preisgestaltung Abgaben und Steuern Vertragslaufzeit Weitere Vertragsbestandteile
Art und Umfang der Lieferung enthält folgende Regelungen: Qualität des Erdgases mit Angabe des Brennwertes in kWhHo pro Kubikmeter im Normzustand, ggf. auch Wobbezahl mit dem Vermerk innerhalb der zulässigen Schwankungsbreite gemäß [DVGW-Regelwerk]. Vorhalteleistung in kWhHo / h und Vertragsliefermengen in kWhHo im Abrechnungsjahr, beides bezogen auf den Brennwert. Ferner kann eine Klausel über die Mindestabnahmemenge (take-or-pay clause), meistens beträgt sie 80% der Vertragsliefermenge, enthalten sein. Wenn die Mindestmenge im Abrechnungsjahr nicht erreicht wird, muss der Kunde auch die Fehlmenge bezahlen, sofern sie durch den Einsatz einer Wettbewerbsenergie entstanden ist (Vermerk: in vielen Verträgen fehlt der Bezug "Ersatz durch Wettbewerbsenergie". Das bedeutet, die Fehlmenge muss auf jeden Fall bezahlt werden). Durchgehende Lieferung (firm supply) oder unterbrechbare Lieferung (interruptible supply). Bei durchgehender Lieferung ist der Lieferant verpflichtet, die Lieferung bis zur vereinbarten Vorhalteleistung, auch bei Bedarfsspitzen in seinem Netz, zu gewährleisten. Bei unterbrechbarer Lieferung ist der Kunde verpflichtet, bei Auftreten von Bedarfsspitzen im Gasnetz seinen Gasbezug einzustellen und seine Anlage auf einen Ersatzbrennstoff, meistens Heizöl EL, für die Dauer der Unterbrechung umzustellen. Die maximale Dauer der Unterbrechung pro Abrechnungsjahr wird im Vertrag festgelegt. Sie beträgt i.d.R. 30 Tage. Der Beginn der Unterbrechung wird telefonisch meistens eine Stunde vorher angemeldet. Bei milden Wintern kommt es oft nicht zu einer Unterbrechung. Industriekunden haben häufig unterbrechbare Verträge. Messung und Gasübergabe. Die Messung und Ablesung erfolgt meistens elektronisch durch Fernabfrage. Gemessen wird die verbrauchte Menge in m3. Für die Umrechnung auf kWhHo wird der monatliche Durchschnittsbrennwert im Normzustand zugrundegelegt. Preisregelung. Der Preis besteht aus einem Leistungspreis (bei Kleinkunden Grundpreis) und einem Arbeitspreis. Die Preise werden bei Vertragsunterzeichnung festgelegt und werden über Preisgleitklauseln in regelmäßigen Abständen angepasst. Für den Leistungspreis werden je nach
76 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien
Versorger zwei Varianten angeboten, den Stundenleistungspreis und den Tagesleistungspreis. Bei der Abrechnung auf Basis des Stundenleistungspreises in €/(kWhHo/h)a wird der maximale Stundenbezug in kWhHo innerhalb des Abrechnungsjahres als Verrechnungsleistung herangezogen. Bei Abrechnung auf Basis des Tagesleistungspreises wird der maximale Tagesbezug in €/(kWhHo/Tag)/a innerhalb des Abrechnungsjahres als Verrechnungsleistung zugrunde gelegt. Vor der Liberalisierung wurde die Verrechnungsleistung durch Mittelung aus drei Monatshöchstlasten im Jahr ermittelt. Für das Netznutzungsentgelt ist aber die gebuchte Kapazität maßgebend, weswegen eine Mittelung in Zukunft nicht mehr erfolgen wird. Der Arbeitspreis in ct/kWhHo gilt für die in der jeweiligen Preisperiode abgenommenen kWhHo. Beim Erdgas gibt es zwei Arten von Benutzungsdauern, nämlich Vollbenutzungsstunden und Vollbenutzungstage pro Jahr, je nachdem, ob als Verrechnungsleistung der maximale Stundenbezug oder der maximale Tagesbezug zum Ansatz kommt. Benutzungsdauer tH in Vollbenutzungstagen pro Jahr: tH =
E (kWh /a) QHL (kWh /Tag) Ho
[Tage/a ]
Gl. 2.9
Ho
mit "E": Jahresverbrauch und "QHL": Höchste Tagesabnahme. Der Durchschnittspreis „pD“ kann dann wie folgt berechnet werden: pD = AP (ct/kWh Ho ) +
100 × LP (Î/(kWh Ho /Tag) a) t H (Tage/a)
[ct/kWh Ho ]
Gl. 2.10
Preisanpassung: Die Preisanpassung erfolgt über Preisänderungsformeln getrennt für den Leistungs- und für den Arbeitspreis. Sie haben meistens die Form: LP = LPo ×(f1 + f2 × I/Io + f3 × L/Lo) Gl. 2.11
oder HS statt HEL
AP = APo × (HEL – f4)
Gl. 2.12
× (HS – f5)
Gl. 2.13
AP = APo
Darin bedeuten: LP: aktueller Leistungspreis €/((kWhHo/h) a) oder €/((kWhHo/Tag) a) AP: aktueller Arbeitspreis in ct/kWh LPo, APo : Leistungs-, Arbeitspreis zu Vertragsbeginn I/Io : Investitionsgüterindex, aktuell / zu Vertragsbeginn L/Lo: Lohnkostenindex, aktuell / zu Vertragsbeginn
2.5 Beschaffung von Fernwärme
77
HEL, HS : Preis für leichtes, für schweres Heizöl f1 bis f5 : Konstanten (mit f1+f2+f3 = 1 in der LP-Formel)
Die Preisgleitklauseln für die Arbeit spiegeln die Anlegbarkeit zum Konkurrenzbrennstoff Heizöl wider. So kann in der Klausel entweder HEL oder HS vorkommen; je nachdem welcher Brennstoff die eigentliche Konkurrenzenergie darstellt. In der Fachserie 17, R2 des Statistischen Bundesamtes gibt es eine Notierung für HEL-Lieferung von 500 t an den Großhandel und eine für Lieferung von 40 bis 50 hl in Tankwagen an den Endverbraucher. Meistens wird auf die zweite Bezug genommen. Die Preisanpassung erfolgt in den meisten Verträgen vierteljährlich zum 1.1., 1.4, 1.7 und 1.10 des Jahres, wobei die Preise bzw. Indexe des vorletzten Quartals zugrunde liegen (d.h. Anpassung für das 3. Quartal mit den Preisen und Indexen vom 1. Quartal). Abgaben und Steuern: Die Preise verstehen sich zuzüglich Mineralöl/Ökosteuer und Umsatzsteuer. Vertragslaufzeit: Im Vertrag wird der Vertragsbeginn und das Vertragsende festgeschrieben. Der Vertrag verlängert sich um jeweils ein weiteres Jahr, falls er nicht innerhalb der vorgesehenen Frist vor Ablauf schriftlich gekündigt wird. 2.4.5.2 Andere Gasbeschaffungsmöglichkeiten
Größere Industriekunden haben im liberalisierten Energiemarkt die Möglichkeit, ihren Gasbezug mit Portfoliomanagement zu optimieren. Ein Teil des Gasbezuges kann z.B. über Lieferungsverträge erfolgen und ein anderer Teil durch Bezug über die Energiebörse. Voraussetzung hierzu ist aber die getrennte Buchung von Kapazitäten für den Gastransport beim Gasnetzbetreiber.
2.5 Beschaffung von Fernwärme Die Fernwärme unterliegt nicht den Bestimmungen des Energiewirtschaftsgesetzes. Grundlage ist die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme "AVBFernwärmeV" vom 20. Juni 1980 zuletzt geändert am 19. Jan. 1989. Die Verordnung enthält Regelungen u.a. über Baukostenzuschüsse, Hausanschlusskosten, technische Anschlussbedingungen, Preisänderungsklauseln etc. Sie gilt aber nicht für die Versorgung von Industriebetrieben und auch nicht für individuell abgeschlossene Verträge. Die Eigenschaften des Wärmeträgers im Hinblick auf Temperatur, Druck und Fahrweise werden in den "Technischen An-
78 2 Beschaffung leitungsgebundener Energien
schlussbedingungen" des Fernwärmesorgungsunternehmens festgelegt, die als Anlage ein Bestandteil des Vertrages sind. Die Versorgung mit Fernwärme wird über einen Wärmeliefervertrag geregelt, der zwischen dem Fernwärmeversorgungsunternehmen und dem Wärmekunden abgeschlossen wird. Der Wärmepreis setzt sich zusammen aus einem Grundpreis (€/a) oder/und einem Leistungspreis in €/(kWxa) sowie einem Arbeitspreis in € / kWh und ggf. auch aus einem Jahresmesspreis. Der Leistungspreis kann sich auch auf den maximalen Wassermengendurchsatz in l/s beziehen. Die Preisänderungsklauseln sind ähnlich gestaltet wie bei Stromvollversorgungsverträgen. Die Schwankungsbreite der Fernwärmepreise in Deutschland ist sehr stark. Preisvergleiche für Fernwärme sind u.a. im Handbuch des Interessenvereins der Energieverbraucher [IdEV] zu finden.
0 Literaturverzeichnis
79
Literaturverzeichnis [ARegV] Verordnung über die Anreizregulierung von Energieversorgungsnetzen, Anreizregulierungsverordnung vom 20. Oktober 2007 [BDEW] Aktuelle Daten zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft e.V. http://www.bdew.de/bdew.nsf/id/DE_EEG-Monatsprognosen [DVGW-Regelwerk]. [E&M] Energie & Management, Zeitschrift für den Energiemarkt [Handbuch IdEV] Interessenverein der Energieverbraucher e.V.(IdEV), Handbuch, Grundlagen und Rahmenbedingungen, Preise, Preisvergleiche und Lieferverträge, Herausgeber: WEN Consulting GmbH, www.WEN-Berlin.de [KOV II] Vereinbarung über die Kooperation gemäß § 20 Abs. 1 b EnWG zwischen den Betreibern von in Deutschland gelegenen Gasversorgungsnetzen, 19. Juli 2006, Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft e.V. BDEW http://www.bdew.de/bdew.nsf/ID/DE_Home [[VIK Statistik] VIK Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e. V., Statistik der Energiewirtschaft, Ausgabe 2007 und 2008 http://www.vik.de/index.php?id=13 [VDN] Aktuelle Daten zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), Verband der Netzbetreiber VDN e.V. http://www.vdn-berlin.de/eeg.asp [EEX] European Energy Exchange, Leipzig, Produktbroschüren über Strom, Gas, Emissionsberechtigungen, Kohle, download September 2008 http://www.eex.com/de/Downloads/Schulungsunterlagen [Fachreihe 17, R2] Statistisches Bundesamt, Fachserie 17, R2, Erzeugerpreise ausgewählter Produkte /Praxishandbuch Energiebeschaffung/ Wolfgang Zander, Martin Riedel, Michael Kraus, Deutscher Wirtschaftsdienst, ständig aktualisierte Loseblattsammlung [VV II plus] Verbändevereinbarung II plus, Kalkulationsgrundsätze zur Nutzung der Stromnetze, Anlage 3, April 2002 [ZfK] Zeitung für kommunale Wirschaft, Energie, Wasser, Entsorgung, Nahverkehr: Wirtschaft, Recht und Technik
3. Energierechtliche Rahmenbedingungen
3.1 Definitionen und Überblick 3.1.1 EU-Recht
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) sind in Bezug auf ihre Energiepolitik nicht mehr völlig unabhängig. Die wichtigsten energiepolitischen Rahmenbedingungen werden zunehmend durch die Union festgelegt. Das EU-Recht ist ein unabhängiges Rechtssystem, das Vorrang vor den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften hat. Die Mitgliedsstaaten müssen ihre energiepolitische Gesetzgebung in diesem vorgegebenen Rahmen gestalten. Zielrichtung der Energiepolitik innerhalb der Europäischen Union ist im Wesentlichen eine kostengünstige, sichere und umweltschonende Energieversorgung und ein fairer Wettbewerb auf dem Energiemarkt. In den Verträgen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Primärrecht – primary legislation) sind folgende Rechtsakte (Sekundärrecht − secondary legislation) vorgesehen [EU-Recht]: • •
•
•
Verordnungen (Regulations): Sie sind unmittelbar gültig und in allen EU-Mitgliedsstaaten rechtlich verbindlich, ohne dass es nationaler Umsetzungsmaßnahmen bedarf. Richtlinien (Directives): Sie binden die Mitgliedsstaaten im Hinblick auf die innerhalb bestimmter Fristen zu erreichenden Ziele; sie überlassen den nationalen Behörden jedoch die Wahl der Mittel, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen. Richtlinien müssen entsprechend den einzelstaatlichen Verfahren in nationales Recht umgesetzt werden. Entscheidungen und Beschlüsse (decisions): Sie sind für die Empfänger rechtlich verbindlich. Sie bedürfen daher keiner nationalen Umsetzungsmaßnahmen. Entscheidungen können an Mitgliedsstaaten, Unternehmen oder Einzelpersonen gerichtet sein. Empfehlungen und Stellungnahmen (recommendations and opinions): Sie sind nicht verbindlich.
82
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
Die Europäische Kommission (European Commission) hat das alleinige Recht, Vorschläge für Rechtsakte zu entwerfen und den beiden Beschlussorganen Parlament (the European Parlament) und dem Ministerrat (the Council of Ministers) zu unterbreiten. Im Folgenden wird ein zusammenfassender Überblick der wichtigsten EU-Rechtsvorschriften für die Energiewirtschaft aufgelistet: • • • • • •
Zweite EU-Binnenmarktrichtlinie Elektrizität (Richtlinie 2003/54/EG) vom 26. Juni 2003 (ersetzt erste Richtlinie 96/92/EG). Zweite EU-Binnenmarktrichtlinie Erdgas (Richtlinie 2003/55/EG) vom 26. Juni 2003 (ersetzt erste Richtlinie 98/30/EG). EU-Erneuerbare Energien Richtlinie (Richtlinie 2001/77/EG). EU-Kraft-Wärme-Kopplungsrichtlinie − CHP Richtlinie (Richtlinie 2004/8/EG) vom 11. Februar 2004. EU-Emissionszertifikathandel-Richtlinie (Richtlinie 2003/87/EG) vom 13. Oktober 2003. EU-Richtlinie über Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen (Richtlinie 2003/96/EG) vom 27. Oktober 2003.
3.1.2 Deutsches Recht
Die vorgenannten EU-Richtlinien geben den EU-Einzelstaaten und damit auch der Bundesrepublik Deutschland den Rahmen für ihre nationale Energiegesetzgebung vor. Im Hinblick auf die Energiewirtschaft sind bei der deutschen Gesetzgebung folgende drei Ebenen zu unterscheiden: •
•
Ein Gesetz wird i.d.R. in allgemeiner Form verfasst und gibt den Rahmen für möglichst viele Einzelfälle. Deswegen enthält ein Gesetz oft rechtliche Bestimmungen, für deren Umsetzung besondere Ausführungsrichtlinien notwendig sind. Gesetze werden durch den Bundestag beschlossen. Sie bedürfen, falls sie Länderinteressen betreffen, auch der Zustimmung des Bundesrates (Beispiel: Bundesimmissionsschutzgesetz „BImSchG“). In der Regel werden Details im Hinblick auf die Umsetzung eines Gesetzes nicht im Gesetz selbst, sondern in einer oder in mehreren Rechtsverordnungen festgelegt. Verordnungen erlassen das zuständige Ministerium oder die Bundesbehörde mit entsprechender fachlicher Kompetenz. Sie bedürfen zwingend einer gesetzlichen Ermächtigung. Zweck und Umfang der Ermächtigung sind im Gesetz festgelegt (Beispiel: Im BImSchG ist generell von schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt die Rede. Grenzwerte für Schadstoffimmissionen und -
3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen
83
emissionen werden aber in Verordnungen festgelegt, z.B. 13. BImSchV für Großfeuerungsanlagen). In einer Technischen Anleitung (TA) werden ähnlich wie bei einer Verordnung Ausführungsrichtlinien festgelegt. Der rechtliche Status einer technischen Anleitung liegt jedoch unterhalb derjenigen einer Verordnung (Beispiel: TA-Luft und TA-Lärm setzen Grenzwerte für Schadstoff- bzw. Lärmemissionen).
•
3.1.3 Internationale Abkommen
In Zusammenhang mit der Thematik dieses Buches ist vor allem das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz für die Deutsche Energiewirtschaft von Bedeutung.
3.2
Der deutsche energierechtliche Rahmen
In den folgenden Abschnitten wird eine Übersicht der wichtigsten Bestimmungen und gesetzlichen Richtlinien des deutschen Energierechts gegeben, die im Zusammenhang mit der Thematik dieses Buches von Wichtigkeit sind. Sie sind übersichtlich und in gekürzter Form für NichtJuristen, meistens als Tabellen verfasst. Ziel ist es, das unbedingt notwendige Wissen an Mitarbeiter von Unternehmen und Institutionen, die sich mit energiewirtschaftlichen Aufgaben befassen, zu vermitteln. Sowohl aufgrund der vereinfachten Darstellung als auch aufgrund fortlaufender Anpassungen auch nach Redaktionsschluss dieses Buches haben nachfolgende Abschnitte zum gesetzlichen Rahmen keinerlei verbindlichen Charakter. Eine Gewähr zur Richtigkeit und Vollständigkeit wird nicht übernommen. Nur die im Bundesgesetzesblatt veröffentlichte Fassung der Gesetze ist verbindlich, im konkreten Fall muss sich der Leser gründlich mit dem Gesetzestext befassen. Stets aktuelle Informationen und eine Kommentierung der aktuellen Lage der Gesetzgebung sowie relevante Gerichtsurteile sind u.a. im Dow Jones Energy Daily [DowJones], in der Zeitschrift Energie & Management [E&M] und in der Zeitung für kommunale Wirtschaft [ZfK] zu finden. Zu erwähnen in diesem Zusammenhang ist auch die Internetseite von Udo Leuschner [Leuschner], insbesondere die Rubriken „Energie-Chronik“ und „Energiewirtschaft/Technik“.
84
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
3.2.1 Energiewirtschaftsrecht 3.2.1.1 Historischer Hintergrund
Durch das erste Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 24. April 1998 wurde in Artikel 1 das „Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz − EnWG)“ beschlossen. Mit diesem Gesetz wurde die EU-Richtlinie (96/92/EG) in nationales Recht umgesetzt und die Liberalisierung der Energiemärkte eingeleitet. Dadurch wurden wesentliche Fortschritte in Richtung Liberalisierung, insbesondere im Strommarkt, erzielt. Allerdings war die Geschwindigkeit der Umsetzung nicht in allen Bereichen zufriedenstellend und die EU hat aus diesem Grund die sogenannte Beschleunigungsrichtlinie (Richtlinie 2003/54/EG) erlassen. Diese wurde in Deutschland durch das „Zweite Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts“ vom 7. Juli 2005 in nationales Recht umgesetzt. Kernstücke des neuen Gesetzes sind das in Artikel 1 beschlossene „Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz - EnWG)“ und in Artikel 2 das „Gesetz über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas und Telekommunikation, Post und Eisenbahn, Bundesnetzagentur -BNetzA“. 3.2.1.2 Das Energiewirtschaftsgesetz
Das Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz - EnWG) umfasst 10 Teile mit insgesamt 118 Paragraphen. Auf der Basis des EnWG wurden außerdem eine Reihe von Rechtsverordnungen erlassen. In Zusammenhang mit der Thematik dieses Buches sind folgende von besonderer Wichtigkeit: • • • • •
Verordnung über den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzzugangsverordnung − StromNZV), vom 25. Juli 2005 Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu den Elektrizitätsversorgungsnetzen ( StromNEV), vom 25. Juli 2005 Verordnung über den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (Gasnetzzugangsverordnung − GasNZV), vom 25. Juli 2005 Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (Gasnetzentgeltverordnung − GasNEV), vom 25. Juli 2005 Verordnung über die Anreizregulierung von Energieversorgungsnetzen (Anreizregulierungsverordnung − ARegV), vom 29. Okt. 2007
Nachstehend wird eine Übersicht der wichtigsten Neuerungen im neuen EnWG wiedergegeben. Auf die oben genannten Verordnungen wird in den
3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen
85
betreffenden Kapiteln 9 „Energietransport und Verteilung“ und Kapitel 2 „Beschaffung leitungsgebundener Energien“ in Zusammenhang mit der dort behandelten Thematik eingegangen: • •
•
•
•
•
•
Vertikal integrierte Unternehmen mit mehr als 100.000 Kunden müssen die Bereiche Erzeugung, Netzbetrieb und Vertrieb „gesellschaftsrechtlich, buchhalterisch, operationell und informationell“ entflechten. Die kostenorientiert ermittelten Netznutzungsentgelte bedürfen einer Vorab-Genehmigung durch die BNetzA bzw. durch die zuständige Landesbehörde. Bei der Genehmigung gilt ferner das Vergleichsprinzip mit Entgelten von Unternehmen mit ähnlicher Struktur. Die BNetzA soll ein Modell zur Anreizregulierung einführen, welches das derzeit geltende kostenorientierte Modell zur Entgeltermittlung ersetzen soll. Dieses wird Entgelt- bzw. Erlösobergrenzen unter Berücksichtigung von Vorgaben zur Effizienzerhöhung beinhalten. Für den Zugang zu Gastransportnetzen wird das Entry-Exit-Modell eingeführt. Netzbetreiber werden zur Zusammenarbeit verpflichtet, um den Gastransport nach dem „Zwei-Vertrags-Prinzip“ zwischen Kunden und Netzbetreiber(n) zu ermöglichen. Bei der kostenorientierten Netzentgeltermittlung gilt das Prinzip der Abschreibung nach dem Tagesneuwert nur für bereits vor dem 1.1.2006 bestehende Altanlagen (§ 6 StromNEV). Für Neuanlagen erfolgt die Abschreibung nach den tatsächlichen historischen Anschaffungswerten. Bei Großkunden mit einem Jahresverbrauch von mehr als 10 GWh und einer Benutzungsstundenzahl von mindestens 7.500 h/a darf ein individuelles Entgelt verhandelt werden, das nicht niedriger als 50% der veröffentlichten Entgelte sein darf (§ 19 StromNEV). Für Netzbetreiber mit weniger als 100.000 Kunden gelten eine Reihe von Ausnahmen hinsichtlich Entflechtung, Informationspflicht etc.
Im Folgenden werden die in Zusammenhang mit der Thematik dieses Buches wichtigsten Regelungen des EnWG in zusammengefasster Form wiedergegeben und kommentiert. Teil 1 (§ 1 bis § 5) legt den Zweck des Gesetzes fest und enthält Begriffsbestimmungen. Ziel des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltfreundliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Strom und Gas, ferner die Umsetzung und Durchführung der so genannten [EU-Beschleunigungsrichtlinie].
86
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
Teil 2 - Entflechtung (§ 6 bis § 10): Vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen (EVU) sind zur Gewährleistung von Transparenz sowie diskriminierungsfreier Ausgestaltung und Abwicklung des Netzbetriebes verpflichtet. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sie die Tätigkeitsbereiche Erzeugung, Netzbetrieb, und Vertrieb entflechten. Vor allem muss die Unabhängigkeit des Netzbetriebs von den anderen Tätigkeiten sichergestellt werden (§ 6). Vertikal integrierte EVU müssen sicherstellen, dass Netzbetreiber hinsichtlich ihrer Rechtsform unabhängig von anderen Tätigkeitsbereichen der Energieversorgung sind (rechtliche Entflechtung − § 7). Es muss gewährleistet werden, dass die Netzbetreiber tatsächliche Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf die für Betrieb, Wartung und Ausbau des Netzes erforderlichen Vermögenswerte des vertikal integrierten Unternehmens besitzen und diese unabhängig von der Leitung und den anderen betrieblichen Einrichtungen des vertikal integrierten EVU ausüben können (operationelle Entflechtung − § 8). Die Netzbetreiber müssen Informationen, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit erlangen, vertraulich behandeln − § 9 (d.h. sie dürfen z.B. keine Informationen über Anschlussnehmer an den Vertrieb weitergeben). Zur Vermeidung von Diskriminierung und Quersubventionierung sind die Unternehmensbereiche vertikal integrierter EVU zur getrennten Buchführung verpflichtet (§ 10). Vertikal integrierte EVU mit weniger als 100.000 Kunden sind von der Verpflichtung für eine rechtliche und operationelle Entflechtung befreit. Teil 3 − Regelungen zum Netzbetrieb: (§ 11 bis § 35). In diesem Teil werden Aufgaben und Systemverantwortung der Betreiber von Versorgungsnetzen in Bezug auf einen sicheren, zuverlässigen, leistungsfähigen und diskriminierungsfreien Betrieb der Versorgungsnetze festgelegt. Betreiber von Stromnetzen (§ 12 bis § 14) müssen für einen störungsfreien Betrieb der Netze sorgen und Störungen und kurzfristige Netzengpässe durch geeignete Maßnahmen beseitigen. Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) sind für die Frequenz- und Spannungsstabilität in ihrer Regelzone verantwortlich (praktische Durchführung siehe Abschnitt 9.1.4). Unter anderem sind Netzbetreiber verpflichtet, eine Schwachstellenanalyse zu erstellen und der Regulierungsbehörde jährlich über den Netzzustand sowie die Netzausbauplanung und das Ergebnis der Schwachstellenanalyse zu berichten (Ausnahmen für Verteilnetzbetreiber (VNB) mit weniger als 10.000 Kunden). Betreiber von Gas-Fernleitungsnetzen (§ 15 Abs. 1) haben den Gastransport durch ihr Netz unter Berücksichtigung der Verbindungen zu anderen Netzen zu regeln (Zusammenarbeitsgebot) und mit der Bereitstel-
3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen
87
lung und dem Betrieb ihrer Fernleitungsnetze zu einem sicheren und zuverlässigen Betrieb im nationalen und internationalen Verbund beizutragen. Um einen sicheren und effizienten Betrieb zu gewährleisten, müssen sie ferner notwendige Informationen über Speicher- und LNG-Anlagen Betreibern von Netzen, mit denen sie verbunden sind, zur Verfügung stellen. Sie sind dazu verpflichtet (§ 16), die Gefährdung des Netzbetriebes oder Störungen durch netzbezogene und marktbezogene Maßnahmen (z.B. Abschaltungen und Einsatz von Speichern) zu beseitigen. Betreiber von Fernleitungsnetzen haben jährlich eine Schwachstellenanalyse ihrer Netze zu erstellen (Betreiber von Verteilnetzen nur nach Aufforderung), erforderliche Maßnahmen durchzuführen und der Regulierungsbehörde auf Anforderung zu berichten. Netzanschluss: Es besteht generell Anschlusspflicht zu technischen und wirtschaftlichen Bedingungen, die angemessen und diskriminierungsfrei und nicht ungünstiger sind als bei vergleichbaren Fällen bei anderen EVU oder bei verbundenen Unternehmen. Eine Verweigerung ist nur möglich, wenn der Anschluss aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist. Betreiber von Netzen der Allgemeinen Versorgung in Gemeindegebieten haben die Allgemeinen Bedingungen für den Netzanschluss von Letztverbrauchern im Niederspannungs- oder Niederdrucknetz zu veröffentlichen (§17). Zugang zu Energieversorgungsnetzen: Betreiber von Energieversorgungsnetzen haben jedermann nach sachlich gerechtfertigten Kriterien diskriminierungsfreien Netzzugang zu gewähren sowie die Bedingungen, einschließlich Musterverträge, und Entgelte für den Netzzugang im Internet zu veröffentlichen (§ 20 Abs.1). Betreiber von Gasversorgungsnetzen (§ 20 Abs. 1b) müssen Einspeise- und Ausspeisekapazitäten anbieten (Entry-Exit Modell), die den Netzzugang ohne die Festlegung eines transaktionsabhängigen Transportpfades ermöglichen und unabhängig von einander nutzbar sind. Zur Abwicklung des Gastransports ist ein Einspeisevertrag mit dem Netzbetreiber, in dessen Netz die Einspeisung erfolgen soll, und ein Ausspeisevertrag mit dem Netzbetreiber, aus dessen Netz die Entnahme von Gas erfolgen soll, notwendig. Betreiber von Gasversorgungsnetzen sind zur Zusammenarbeit untereinander verpflichtet, um die Abwicklung des Transports des Kunden über mehrere durch Netzkuppelstellen miteinander verbundene Netze mit nur einem Einspeise- und einem Ausspeisevertrag zu ermöglichen. Entgelte für den Netzzugang: Die Entgelte müssen den Kosten (§ 21) eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen. Bis zur Einführung der Anreizregulierung bedürfen kostenorientiert ermittelte Entgelte einer Vorabgenehmigung (§ 23a Abs. 1); sie ist mindestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt, an dem die Entgelte wirksam
88
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
werden sollen, schriftlich zu beantragen (Abs.3). Die Genehmigung obliegt i.d.R. der Landesregulierungsbehörde (§ 54 Abs. 2 Nr. 1). Anreizregulierung: Die Regulierungsbehörde soll ein Modell für eine Anreizregulierung (§ 21a) entwickeln, welche die kostenorientierte Entgeltermittlung ersetzen soll. Diese soll Obergrenzen für die Höhe der Entgelte oder der Gesamterlöse aus Netznutzungsentgelten für eine Regulierungsperiode, unter Berücksichtigung von Effizienzvorgaben, beinhalten. Der Zeitpunkt der Einführung der Entgeltermittlung durch Anreizregulierung soll durch Rechtsverordnung bestimmt werden. Diese soll einerseits kostengünstigen Netzbetreibern die Möglichkeit für höhere Gewinne bieten, andererseits weniger effiziente Netzbetreiber zu höherer Effizienz zwingen. Teil 4 - Energielieferung an Letztverbraucher (§ 36 bis § 42): Haushaltkunden und Kunden mit einem Jahresverbrauch von weniger als 10.000 kWh pro Jahr haben Anspruch auf Grundversorgung (gilt für Strom und Gas). Energieversorgungsunternehmen, welche die Grundversorgung in ihrem Netzgebiet durchführen (§ 36 Abs. 1), müssen Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder in Niederdruck öffentlich bekannt geben und im Internet veröffentlichen. Grundversorger ist jeweils das Energieversorgungsunternehmen, das die meisten Haushaltskunden im Netzgebiet versorgt (§ 36 Abs. 2). Netzbetreiber sind verpflichtet, alle drei Jahre, jeweils zum 1. Juli, den Grundversorger für die nächsten drei Jahre zu bestimmen und der zuständigen Behörde mitzuteilen. Stromkennzeichnung: Elektrizitätsversorgungsunternehmen sind verpflichtet, in ihren Rechnungen und ihrem Werbematerial Informationen zum Energieträgermix (§ 42) ihres Stromes (Kernenergie, fossil, erneuerbare und sonstige Energieträger) sowie Umweltauswirkungen, die aus den Energieträgermix resultieren, anzugeben. 3.2.2 Energiesteuergesetze 3.2.2.1 Historischer Hintergrund
Zum besseren Verständnis der Mineralölbesteuerung kann ein Rückblick auf die Historie des Gesetzes ab dem Jahr 1992 hilfreich sein. Am 29. Dezember 1992 wurde im Bundesgesetzblatt eine Neufassung des Mineralölsteuergesetzes (MinölStG) veröffentlicht. Der Mineralölsteuer unterlagen nach diesem Gesetz Mineralöle sowie Erdgas und Flüssiggase; Kohle wurde nicht besteuert.
3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen
89
Die Steuersätze sind je nach Art und Verwendungszweck (Kraftstoff, Heizenergie, Stromerzeugung) unterschiedlich. Im allgemeinen kann zwischen dem Regelsatz und dem reduzierten Satz unterschieden werden. Der Regelsatz galt für Kraftstoffe (Benzin, Diesel, Erdgas) sowie für die Stromerzeugung außerhalb der Spitzenlast. Für die meisten energetischen Anwendungen wie Heizen, gekoppelte Erzeugung von Strom und Wärme sowie Spitzenlaststromerzeugung galten reduzierte Sätze. Der reduzierte Satz für die gekoppelte Erzeugung von Strom und Wärme war dann anwendbar, wenn der Gesamtwirkungsgrad über 60% lag. Das gilt praktisch für alle KWK-Anwendungen. Der reduzierte Satz für Spitzenstromerzeugung galt für eine Benutzungsdauer von weniger als 1.200 Vollbenutzungsstunden pro Jahr. Für den Fall, dass reduzierte Sätze anwendbar waren, war eine Genehmigung des Hauptzollamtes erforderlich. Die ökologische Steuerreform wurde als eine Ergänzung zum Mineralölsteuergesetz mit gleichzeitiger Einführung des Stromsteuergesetzes (StromStG) und mit Steuerentlastungen für das produzierende Gewerbe sowie die Land- und Forstwirtschaft und für die ökologische Energieerzeugung am 1. April 1999 eingeführt. Sie ist in drei Stufen in Kraft getreten: • • •
Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom 24. März 1999 Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform vom 16. Dezember 1999 Gesetz zur Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform vom 23. Dezember 2002
Die Ökosteuer ist quasi ein Zuschlag zur Mineralölsteuer. Die Einnahmen aus der Ökosteuer fließen, wie alle Steuereinnahmen, dem Staat zur Finanzierung seiner Aufgaben zu. Die Einführung der Ökosteuer wurde damit begründet, dass sie zur Finanzierung einer vom Gesetz beabsichtigten Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge dienen sollte. Mit der Einführung der Ökologischen Steuerreform wurde die Mineralölsteuer für die gekoppelte Strom- und Wärmeerzeugung (KWK) abgeschafft, KWK-Anlagen sind auch von der Ökosteuer befreit. Bedingung ist ein Energienutzungsgrad von mehr als 70%. KWK-Anlagen mit einer elektrischen Leistung bis 2 MW sind auch von der Stromsteuer befreit. GuD-Anlagen mit einem Wirkungsgrad von mehr als 57,5% im Kondensationsbetrieb sind für die ersten 5 Betriebsjahre von der Mineral- und Ökosteuer befreit, wenn sie vor dem 01. März 2006 in Betrieb genommen wurden.
90
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
Für Unternehmen des produzierenden Gewerbes und für Gewächshäuser von landwirtschaftlichen Betrieben gilt seit dem 1. Januar 2003 ein ermäßigter Steuersatz auf den Ökoanteil der Steuer von 60% des Regelsatzes. Bis zu diesem Zeitpunkt betrug der reduzierte Satz für das produzierende Gewerbe lediglich 20%. Die ermäßigten Steuersätze bzw. die Befreiung von der Steuer werden allerdings nicht automatisch gewährt. Vielmehr wird die Steuer auf Antrag erlassen, erstattet oder vergütet. Der Antrag wird beim jeweils zuständigen Hauptzollamt gestellt. 3.2.2.2 Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen
Zur Umsetzung der EU-Energierichtlinie (Richtlinie 2003/96 EG vom 27. Oktober 2003) war eine grundlegende Neugestaltung des Mineralölsteuergesetzes notwendig. Die Schwerpunkte der Umsetzung sind vor allem: • • • •
Erweiterung der Liste der zu besteuernden Energieträger. Damit werden auch Steinkohle, Braunkohle und Koks vom neuen Gesetz erfasst. Steuerbefreiung von Energieerzeugnissen, die zur Stromerzeugung verwendet werden. Änderung der Steuerbegünstigung der Kraft-Wärme-Kopplung. Einstieg in die Besteuerung von Biokraftstoffen.
Die Gesetzesnovelle des Energiesteuergesetzes vom 15. Juli 2006 ist zum 1. August 2006 in Kraft getreten. Das neue Gesetz hat den Titel: Gesetz zur Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen und zur Änderung des Stromsteuergesetzes Artikel 1 des Gesetzes beinhaltet das „Energiesteuergesetz - EnergieStG“, und Artikel 2 die „Änderung des Stromsteuergesetzes“. Die wichtigsten Regelungen werden nachstehend zusammengefasst dargestellt. Der Steuertarif für alle Energieerzeugnisse, die das Gesetz erfasst, ist in § 2 aufgelistet. Die Steuertarife bleiben im neuen Gesetz unverändert, die Liste wurde aber erweitert, wie oben erwähnt. Im Zusammenhang mit dem Inhalt dieses Buches sind in erster Linie die Tarife für das Verheizen von Brennstoffen wichtig − Tabelle 3.1.
3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen
91
Tabelle 3.1: Steuertarife nach § 2 Abs. 3 des EnergieStG Steuertarife für Energieerzeugnisse zum Verheizen oder zum Antrieb von Gasturbinen und Verbrennungsmotoren in begünstigten Anlagen Energieerzeugnis
Einheit
Extra leichtes Heizöl
1000 l
Tarif € 61,35
Schweres Heizöl
1.000 kg
25,00
Schmieröle und andere Öle
1.000 l
61,35
Erdgas u. gasförmige Kohlenwasserstoffe
MWhHo
5,50
Flüssiggase
1.000 kg
60,60
In der Tabelle wird vereinfachend die gängige Bezeichnung der Energieerzeugnisse angegeben. Verheizen im Sinne des Gesetzes ist das Verbrennen von Energieerzeugnissen zur Erzeugung von Wärme. Für Kohle und Petrokoks beträgt der Steuersatz 0,33 € / GJ Als begünstigte Anlagen werden nach § 3 ortsfeste Anlagen definiert, deren mechanische Energie „ausschließlich“ der Stromerzeugung oder der gekoppelten Erzeugung von Kraft und Wärme oder dem leitungsgebundenen Gastransport und der Gasspeicherung dient. Die Steuerentlastung im Sinne des § 45 des Gesetzes umfasst den Erlass, die Erstattung und die Vergütung einer entstandenen Steuer. Von den insgesamt 15 Fällen, für welche eine Steuerentlastung gewährt wird, werden nachstehend die Fälle, die in Bezug auf die Thematik dieses Buches besonders relevant sind, erläutert. Steuerentlastung bei Stromerzeugung und Kraft-Wärme-Kopplung: Gemäß § 53 Abs 1 und Abs. 2 erfolgt eine Steuerbefreiung für Kohle, Petrokoks, Heizöl, Erd- und Flüssiggas, sofern diese Brennstoffe in ortsfesten Anlagen zur Stromerzeugung oder zur gekoppelten Erzeugung von Kraft und Wärme eingesetzt werden. Im ersten Fall der reinen Stromerzeugung gilt die Steuerbefreiung nur für Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als 2 MW. Für reine Stromerzeugungsanlagen mit einer elektrischen Nennleistung von weniger als 2 MW ist der Brennstoff zu versteuern (dafür sind sie jedoch von der Stromsteuer befreit, siehe Abschnitt 3.2.2.3). Dieser Sachverhalt wird in Tabelle 3.2 verdeutlicht: Tabelle 3.2: Steuerentlastung bei Stromerzeugung und KWK Anwendungszweck Reine Stromerzeugung Kraft-Wärme-Kopplung
El. Nennleistung kleiner als 2 MW Nur Brennstoffsteuer Weder Brennstoff- noch Stromsteuer
El. Nennleistung größer als 2 MW Nur Stromsteuer Nur Stromsteuer
92
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
Bei Kraft-Wärme-Kopplung ist ein Jahres- oder Monatswirkungsgrad von mindestens 70% Voraussetzung für die Steuerbefreiung. Das gilt auch für Anlagen mit weniger als 2 MW elektrischer Nennleistung. Die Befreiung wird nur für den Monat oder das Jahr gewährt, in dem dieser Wirkungsgrad erreicht worden ist. Wenn die in der Anlage erzeugte mechanische Energie neben der Stromerzeugung auch anderen Zwecken dient, wird die Steuerentlastung nur für den auf die Stromerzeugung anfallenden Anteil gewährt. (Der Strom aus diesen Anlagen unterliegt jedoch der Stromsteuer, siehe Abschnitt 3.2.2.3). Steuerentlastung für Unternehmen des produzierenden Gewerbes. Gemäß § 54 Abs. 1 und Abs. 2 wird Steuerentlastung für Unternehmen des produzierenden Gewerbes oder für Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft gewährt. Sofern die Steuer den Betrag von 205 €/a übersteigt, beträgt die Steuerbefreiung: • • •
8,18 € für 1.000 l Schweröle gemäß § 2 Abs.3 Nr. 1 oder Nr. 3 (Heizöl L und Schmieröle, die zum Verheizen oder zur Stromerzeugung eingesetzt werden). 1,464 € für 1 MWh Erdgas oder gasförmige Kohlenwasserstoffe. 14,02 € für 1.000 l Flüssiggase.
Anmerkung: Die Steuerentlastung entspricht 40% bezogen auf den ÖkoAnteil des Mineralölsteuertarifs wie beim alten Gesetz. Steuerentlastung für Unternehmen in Sonderfällen § 55 (Spitzenausgleich). Für stromintensive Betriebe wurde im alten Gesetz eine besondere Regelung, der sogenannte Spitzenausgleich, eingeführt. Dies hat folgenden Hintergrund: Die Einführung der Ökosteuer wurde damit begründet, dass sie zur Finanzierung einer vom Gesetz beabsichtigten Absenkung der Rentenversicherungsbeiträge dienen sollte. Der Rentenbeitrag lag vor der Einführung der Reform bei 20,3% und danach, im Jahr 2004, bei 19,5%. Davon wird die Hälfte vom Arbeitgeber bezahlt. Damit beträgt der Vorteil für den Arbeitgeber 0,4%. Wenn nun bei energieintensiven Betrieben, die in der Regel wenige Arbeitnehmer haben, die „Ökosteuer- plus Stromsteuerzahlung“ höher ausfällt als die Reduzierung der Beiträge für die Rentenversicherung, werden 95% der Differenz zwischen Ökosteuerzahlung und den geleisteten Beiträgen für die Rentenversicherung erstattet. Diese Regelung wird in § 55 des neuen Gesetzes Abs. 2 und Abs. 3 quasi unverändert übernommen. Die Ökosteueranteile im Mineralölsteuertarif sind:
3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen
• • •
93
20,45 € für 1.000 l Schweröle (Heizöl L, Schmieröle) 3,66 € für 1 MWh Erdgas oder andere gasförmige Kohlenwasserstoffe 35,04 € für 1.000 l Flüssiggase
Davon können auf Antrag 95% vermindert um 512,50 € und den sich aus § 54 ergebenden Entlastungsbetrag erstattet werden. Nachstehendes Beispiel 3.1 zeigt eine Beispielrechnung hierzu für einen energieintensiven und einen personalintensiven Betrieb aus dem produzierenden Gewerbe. Daraus wird deutlich, dass, während der energieintensive Betrieb den Großteil der Steuerschuld erstattet bekommt, der personalintensive Betrieb die gesamte Steuerschuld tragen muss. Zu beachten dabei ist, dass der Spitzenausgleich nur für den Ökosteueranteil der Steuerschuld gilt; den Anteil der Mineralölsteuer müssen beide Betriebe in voller Höhe begleichen. Beispiel 3.1: Spitzenausgleich Position Eingangsdaten Erdgasverbrauch Stromverbrauch Anzahl Beschäftigte Durchschnittsverdienst Regelsatz, Erdgas (Ökosteuer) Regelsatz, Strom Reduzierter Satz, produzierendes Gewerbe Reduzierter Satz für Rentenbeiträge *) Spitzenausgleichrechnung Ökosteuer für Erdgas Ökosteuer für Strom Ökosteuerschuld ohne Spitzenausgleich Rentenzahlungsvorteil gegenüber 1998 *) Ökosteuerschuld über Rentenzahlungsvorteil Spitzenausgleich 95,0% Ökosteuerschuld nach Spitzenausgleich
Einheit
MWh in Ho MWh €/a € / MWhHo € / MWh % % € € € € € € €
Energie-
Personal-
intensiv
intensiv
200.000 80.000 800 37.500 3,66 20,50 60% 0,4%
20.000 5.000 800 37.500 3,66 20,50 60% 0,4%
439.200 984.000 1.423.200 120.000 1.303.200 1.238.040 185.160
43.920 61.500 105.420 120.000 -14.580 0 105.420
*) = (20,3% - 19,5%) / 2 = 0,4%
3.2.2.3 Das Stromsteuergesetz
Mit der Einführung der ökologischen Steuerreform am 01.04.1999 trat gleichzeitig das Stromsteuergesetz (StromStG) in Kraft. Im Zuge der Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen vom 15. Juli 2006 wurde auch das Stromsteuergesetz novelliert und ist zum 1. August 2006 in Kraft getreten. In Zusammenhang mit der Thematik dieses Buches sind folgende Regelungen besonders relevant; sie beziehen sich auf das neue Gesetz:
94
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
Der Stromsteuertarif bleibt unverändert, gemäß § 3 beträgt die Stromsteuer 20,50 €/MWh Die Stromsteuer ist gemäß § 5 Abs. 1 sowohl für Strom, der aus dem Netz entnommen wird als auch für zum Selbstverbrauch eigenerzeugten Strom fällig. Steuerschuldner ist im ersten Fall der Versorger und im zweiten Fall der Eigenerzeuger. Der Steuerschuldner hat für den Strom, für den die Steuer entstanden ist, eine Steuererklärung abzugeben - § 8 Abs. 1- und darin die Steuer selbst zu berechnen. Steuerbefreiung: Von der Steuer ist gemäß § 9 u.a. befreit: 1. Strom aus erneuerbaren Energieträgern, wenn dieser aus einem Netz oder einer Leitung entnommen wird, die ausschließlich mit solchem Strom gespeist wird. 2. Strom, der zur Stromerzeugung entnommen wird. 3. Strom, der in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu 2 MW erzeugt wird und der: a) vom Eigenerzeuger in räumlichem Zusammenhang zu der Anlage zum Selbstverbrauch entnommen wird oder b) von demjenigen, der die Anlage betreibt oder betreiben lässt, an Letztverbraucher geleitet wird, die den Strom in räumlichem Zusammenhang mit der Anlage entnehmen. 4. Strom von Notstromanlagen. Steuerermäßigung: Strom unterliegt einem ermäßigten Steuersatz − § 9 Abs. 3 − von 12,30 €/MWh (60% des Regelsatzes), wenn er von Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft für betriebliche Zwecke entnommen wird. Nachweislich versteuerter Strom wird erlassen oder vergütet − § 10 Abs. 1 − sofern die Steuer im Kalenderjahr den Betrag von 512,50 € übersteigt. Derjenige, der steuerbefreiten Strom (nach Abs. 2) oder -begünstigten Strom (nach Abs. 3) entnehmen will, bedarf der Erlaubnis. Spitzenausgleich: Erlassen, erstattet oder vergütet werden bis zu bis 95% der Steuer wie im Zusammenhang mit den Rentenversicherungsbeiträgen, siehe Abschnitt 3.2.2.2 − Spitzenausgleich, erläutert wurde.
3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen
95
3.2.3 Gesetze zur Kraft-Wärme-Kopplung 3.2.3.1 Historischer Überblick
Zu Beginn der Liberalisierung des Strommarktes im Jahr 1998 sind die Strompreise drastisch gefallen. Der in abgeschriebenen Großkraftwerken der Stromwirtschaft produzierte Strom wurde praktisch zu Grenzkosten auf dem Markt angeboten. Dadurch wurde die Wirtschaftlichkeit vorhandener, meist kleiner Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen stark beeinträchtigt, sodass einige Betreiber ihre Anlagen abschalten mussten und der Ausbau neuer Anlagen zum Stillstand kam. Als Reaktion auf diese Entwicklung hat die Bundesregierung das erste KWK-Gesetz (Gesetz zum Schutz der Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung – Kraft-Wärme-KopplungsGesetz KWK-G) verabschiedet. Dieses ist am 18.05.2000 mit einer Laufzeit bis maximal Ende 2004 in Kraft getreten und hatte das Ziel, diese energieeffiziente und umweltfreundliche Technologie für eine Übergangsperiode zu schützen. Das Gesetz schrieb eine Abnahmepflicht und eine Mindestvergütung für KWK-Strom durch die Netzbetreiber vor. Die Mindestvergütung war degressiv gestaltet, beginnend mit 9 Pf/kWh in 2000 und einer Reduzierung um 0,5 Pf/kWh in den nachfolgenden Jahren. Das Gesetz war von Anfang an eine provisorische Regelung und wurde in 2002 durch das zweite KWK-Gesetz: „Gesetz zur Erhaltung, Modernisierung und zum Ausbau der KraftWärme-Kopplung − KWKG Mod G“ abgelöst, welches am 1.4.2002 in Kraft trat und eine Laufzeit bis Ende 2010 hat. Am 6. Juni 2008 hat der Bundestag im Rahmen des Integrierten Energie- und Klimaprogramms das novellierte Gesetz zur Förderung der KraftWärme-Kopplung verabschiedet: „Änderung des Gesetzes für die Erhaltung, Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung − KWKG 2009 “ Das novellierte KWK-Gesetz führt die Förderung bestehender Anlagen gemäß dem KWKG 2002 bis zum Jahre 2010 fort und stellt eine deutliche Erweiterung des bestehenden Gesetzes dar. Nachstehend werden beide KWK-Gesetze in zusammengefasster Form beschrieben und kommentiert. Dabei werden als Kurzbezeichnungen „KWKG 2002“ und „KWKG 2009“ verwendet.
96
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
3.2.3.2 Das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz 2002
Zweck des Gesetzes war es, durch verstärkte Nutzung der Kraft-WärmeKopplung eine Minderung der Kohlendioxidemissionen um bis zu 23 Mio. Tonnen bis 2010 im Vergleich zu 1998 zu erzielen (§1). Das Gesetz ist für alle KWK-Anlagen anwendbar − nicht nur für Anlagen von Energieversorgungsunternehmen − mit Ausnahme derer, die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert werden. Förderfähig sind nach § 5 folgende Kategorien von KWK-Anlagen: • •
•
• • •
Alte Bestandsanlagen, die bis zum 31. Dezember 1989 in Dauerbetrieb genommen wurden Neue Bestandsanlagen, die ab dem 1. Januar 1990 bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in Dauerbetrieb genommen wurden, sowie alte Bestandsanlagen, wenn sie innerhalb dieses Zeitraums durch Maßnahmen zur Erhöhung ihrer Energieeffizienz modernisiert wurden und die Kosten hierfür mindestens 50% der Kosten für eine Neuerrichtung der gesamten Anlage betrugen. Modernisierte Anlagen sind alte Bestandsanlagen, die modernisiert oder durch eine neue Anlage ersetzt wurden und nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, jedoch vor dem 31. Dezember 2005, in Dauerbetrieb genommen wurden. Die Kosten für die Modernisierung müssen ebenfalls mindestens 50% einer Neueinrichtung betragen. Der Anspruch auf Förderung gilt ferner, soweit KWK-Strom nicht auf einer Erhöhung des Wärmeanschlusswertes des angeschlossenen Netzes beruht. Kleine KWK-Anlagen mit einer elektrischen Leistung von weniger als 2 MW, die nach Inkrafttreten des Gesetzes in Dauerbetrieb genommen wurden, sofern sie nicht eine bestehende KWK-Anlage verdrängen. Neue Brennstoffzellenanlagen, Inbetriebnahme ab den 01.04.2002 Neue Klein-KWK-Anlagen bis zu einer elektrischen Leistung von 50 kW, Inbetriebnahme zwischen 01.04.2002 und 31.12.2005.
Voraussetzung für den Anspruch auf Förderung ist eine Zulassung als KWK-Anlage − § 6 − nach den Richtlinien des Arbeitsblattes FW 308 der Arbeitsgemeinschaft Fernwärme [Arbeitsblatt FW 308]. Nach § 4, KWK Mod G sind Netzbetreiber verpflichtet, die KWKAnlagen an ihr Netz anzuschließen, den in diesen Anlagen erzeugten KWK-Strom abzunehmen und zu vergüten. Die Vergütung des aufgenommenen Stromes durch den Netzbetreiber setzt sich zusammen aus:
3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen
•
97
dem zwischen Netzbetreiber und Betreiber der KWK-Anlage vereinbarten Preis oder, wenn keine Vereinbarung zustande kommt, dem „üblichen Preis“. einem Zuschlag gemäß § 7 des Gesetzes dem vermiedenen Netznutzungsentgelt
• •
Als üblicher Preis gilt der durchschnittliche Preis für Baseload-Strom an der Strombörse EEX in Leipzig des jeweils vorangegangenen Quartals. Die Preise sind der Internetseite der EEX zu entnehmen und variieren von Quartal zu Quartal stark. 70
Base Load Preis € / MWh
60
50
40
30
20
10
Q1 2008
Q4 2007
Q3 2007
Q2 2007
Q1 2007
Q4 2006
Q3 2006
Q2 2006
Q1 2006
Q4 2005
Q3 2005
Q2 2005
Q1 2005
Q4 2004
Q3 2004
Q2 2004
Q1 2004
Q4 2003
Q3 2003
Q2 2003
Q1 2003
Q4 2002
Q3 2002
Q2 2002
Q1 2002
Q4 2001
Q3 2001
Q2 2001
Q1 2001
Q4 2000
Q3 2000
0
Abb. 3.1: Quartalpreise für Base Load bei EEX Leipzig
Die Zuschläge für KWK-Strom nach § 7 des Gesetzes sind in der folgenden Tabelle 3.3 zusammengestellt. Hervorzuheben ist dabei, dass der Zuschlag nur für den in das Netz der Allgemeinen Versorgung eingespeisten Strom gewährt wird und nicht für selbstgenutzten Strom. Der eingespeiste Strom bedarf nach § 8 KWK Mod G außerdem eines Nachweises der Zertifizierung als KWK-Strom nach den Bestimmungen des bereits erwähnten Arbeitsblattes FW 308. Zuschlag für vermiedene NNE : Darüber hinaus erhalten KWK-Anlagen als dezentrale Erzeugungsanlagen ein Entgelt für die durch die jeweilige Einspeisung vermiedenen Netznutzungsentgelte vom Netzbetreiber. Ausgeschlossen von der Zahlung sind Anlagen, die nach dem ErneuerbareEnergien-Gesetz gefördert werden. Der Netzbetreiber ist außerdem ver-
98
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
pflichtet, KWK-Strom durchzuleiten, wenn der Betreiber der KWKAnlage einen Dritten benennt, der bereit ist, diesen Strom zu kaufen. Tabelle 3.3: Zuschläge für den eingespeisten KWK-Strom Art der Anlage
KWK-Fördersätze in ct/kWh Jahr 2002
Alte Bestandsanlagen Neue Bestandsanlagen Modernisierte Anlagen Klein KWKAnlagen bis 2 MW Brennstoffzellen Klein-HKW bis 50 kW
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
1,53
1,53
1,38
1,38
0,97
-
-
-
-
1,53
1,53
1,38
1,38
1,23
1,23
0,82
0,56
-
1,74
1,74
1,74
1,69
1,69
1,64
1,64
1,59
1,59
2,56
2,56
2,40
2,40
2,25
2,25
2,10
2,10
1,94
5,11 für 10 Jahre nach Inbetriebnahme
Belastungsausgleich: In § 9 des Gesetzes wird der so genannte Belastungsausgleich geregelt. Dies erfolgt in 4 Stufen: 1. Netzbetreiber, die im Kalenderjahr Zuschlagszahlungen an KWKAnlagen geleistet haben, geben die Kosten an den jeweils zuständigen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) weiter. 2. Die ÜNB gleichen die ungleichen Belastungen auf Basis der Letztverbraucherstruktur untereinander aus (horizontaler Ausgleich). 3. Anschließend legen die ÜNB die Kosten auf die nachgelagerten Netzbetreiber als Bestandteil des Netznutzungsentgeltes um (vertikaler Ausgleich). 4. Die Netzbetreiber geben dann die Kosten an die Letztverbraucher nach einem vorgegebenen Umlageschlüssel weiter. Eine detaillierte Verfahrensbeschreibung hierzu ist in [VDN Verfahrensbeschreibung KWK-G] zu finden. Bei der Umlage der Kosten aus den Zuschlagszahlungen durch die Netzbetreiber an die Letztverbraucher werden die folgenden drei Letztverbrauchergruppen unterschieden: •
Zur Letztverbrauchergruppe „A“ gehören alle Letztverbraucher bis zu einer jährlichen Abnahmemenge von 100.000 kWh je Abnahmestelle. Sie bezahlen den jeweils für jedes Jahr bundeseinheitlich festgelegten KWKG-Zuschlag..
3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen
•
•
99
Zur Letztverbrauchergruppe „B“ gehören alle Letztverbraucher, deren Jahresverbrauch an einer Abnahmestelle mehr als 100.000 kWh beträgt und die nicht der Gruppe C gehören. Sie zahlen für den Verbrauch über 100.000 kWh einen festgelegten Aufschlag von 0,05 ct/kWh. Zur Letztverbrauchergruppe „C“ gehören Unternehmen des produzierenden Gewerbes und des schienengebundenen Verkehrs, deren Stromkosten im vorangegangenen Jahr vier Prozent des Umsatzes überstiegen hat. Sie zahlen für den Verbrauch über 100.000 kWh pro Jahr den festgelegten Aufschlag von höchstens 0,025 ct/kWh.
Die jeweiligen Zuschläge nach dem KWK-G werden auf den Internetseiten der Netzbetreiber zusammen mit den Preisen für die Netznutzung angegeben. 3.2.3.3 Das novellierte KWK Gesetz 2009
Zweck des neuen Gesetzes (KWK 2009) ist: • • •
Erhöhung der Stromerzeugung aus KWK auf 25% Unterstützung der Einführung der Brennstoffzelle sowie Förderung des Neu- und Ausbaus von Wärmenetzen, in die KWK-Wärme eingespeist wird.
Die neuen Bestimmungen gelten für alle KWK-Anlagen, die nach dem 31.12.2008 und vor dem 31.12.2016 in Dauerbetrieb gehen. Die wesentlichen Neuerungen sind: • • • • •
KWK-Strom ist vom Netzbetreiber „vorrangig“ abzunehmen und ist damit dem EEG-Strom von der Wertigkeit gleichgesetzt. Die bisherige Förderobergrenze von 2 MW wurde aufgehoben. Der KWK-Zuschlag ist auch für den KWK-Strom zu zahlen, den der Betreiber einer KWK-Anlage selbst verbraucht oder über private Netze an seine Kunden liefert. Einführung einer Obergrenze (Deckelung) für die Zuschlagszahlungen. Der Neu- und Ausbau von Wärmenetzen, in denen KWK-Wärme eingespeist wird, wird gefördert.
Die Förderung bestehender KWK-Anlagen läuft wie im KWKG 2002 festgelegt weiter. Aus diesen Anlagen erhält nur der in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeiste Strom eine Förderung. Die KWK-Zuschläge für Anlagen, die ab 01.01.2009 in Betrieb gehen, sind in der Tabelle 3.4 zu ersehen (§ 7 KWKG 2009).
100
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
Tabelle 3.4: KWK-Zuschläge nach dem KWG 2009 Art und Leistung der Anlage Inbetriebnahme nach 01.01.2009
Maximale Dauer der KWK-Zuschlag Förderung ct / kWh
Betriebsjahre
Maximal geförderte Vollbenutzungsstunden h
Brennstoffzellen-Anlagen
5,11
10
KWK-Anlagen bis 50 kW
5,11
10
Leistungsanteil bis 50 kW
5,11
6
30.000
Leistungsanteil über 50 kW
2,10
6
30.000
KWK-Anlagen bis 2 MW:
KWK-Anlagen ab 2 MW: Leistungsanteil bis 50 kW
5,11
Leistungsanteil 50 kW bis 2 MW
2,10
Leistungsanteil über 2 MW Modernisierte KWK-Anlagen Industrie KWK-Anlagen
1)
1,50 abhängig von der Leistung wie Neuanlagen wie oben
jedoch 4
30.000
1)
KWK-Anlagen, die wärmeseitig direkt mit einem Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes verbunden sind und dieses überwiegend mit Prozesswärme versorgen.
Üblicher Preis bis 2 MW: Der Netzbetreiber hat, wie beim KWKG-2002, für den aufgenommenen Strom den „üblichen Preis“ zu bezahlen. Als solcher gilt der durchschnittliche EEX-Quartalpreis für Base Load Strom des vorangegangenen Quartals für das Folgequartal. Diese Regelung gilt allerdings nach § 4 Abs.3 Satz 3 KWKG 2009 nur für Anlagen mit einer Leistung bis 2 MW. Für die Leistungen über 2 MW muss der Preis vereinbart werden. Förderung für Wärmenetze: Im Rahmen des KWKG 2009 wird gemäß § 5a auch der Neu- und Ausbau von Wärmenetzen unter folgenden Voraussetzungen gefördert: • Beginn von Neu- oder Ausbau des Netzes ab 01.01.2009 und Inbetriebnahme bis spätestens 31.12.2020. • Am Endausbau muss ein KWK-Deckungsanteil von 60% nachgewiesen werden. • Mindestens ein angeschlossener Verbraucher muss nicht gleichzeitig der Eigentümer der in das Wärmenetz einspeisenden KWK-Anlage sein. Der Zuschuss beträgt nach § 7a je Millimeter Nenndurchmesser der neu verlegten Wärmeleitung einen € pro Meter Trassenlänge. Die Zuschlag-
3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen
101
höhe ist auf 20% der ansatzfähigen Investitionskosten bis maximal fünf Millionen Euro pro Projekt begrenzt. Deckelung der Zuschläge für KWK-Strom: Die Zuschlagzahlungen für KWK-Strom − § 7 Abs. 9 − dürfen insgesamt 750 Mio. € pro Kalenderjahr abzüglich des Jahresbetrages der Zuschlagzahlungen für Wärmenetze nicht überschreiten. Falls die Zuschlagzahlungen diese Obergrenze überschreiten, werden die Zuschlagzahlungen für neue oder modernisierte Anlagen mit einer Leistung größer als 10 MW entsprechend gekürzt. Die Modalitäten sind wie folgt: • • • •
Die Übertragungsnetzbetreiber melden der zuständigen Stelle die zur Ermittlung der Kürzung notwendigen Daten bis zum 30. April des Folgejahres. Die zuständige Stelle veröffentlicht die entsprechenden Kürzungen im Bundesanzeiger. Die gekürzten Zuschlagzahlungen werden in den Folgejahren in der Reihenfolge der Zulassung vollständig nachbezahlt. Die Nachzahlungen erfolgen vorrangig vor den Ansprüchen auf KWKZuschlag neuer oder modernisierter Anlagen größer als 10 MW aus dem vorangegangenen Kalenderjahr.
Deckelung der Zuschläge für Wärmenetze: Die Summe der Zuzahlungen für Wärmenetze − § 7a Abs. 3 − darf 150 Mio. € pro Kalenderjahr nicht überschreiten. Die jährlichen Zuschlagzahlungen erfolgen in der Reihenfolge der Zulassung bis zur Obergrenze von 150 Mio. € . Beträge, die über die Obergrenze hinausgehen, werden unter Berücksichtigung der Reihenfolge der Zulassung und der Obergrenzen der Folgejahre in den Folgejahren ausgezahlt. 3.2.4 Gesetze zur Förderung erneuerbarer Energien 3.2.4.1 Historischer Überblick
Die Schonung der knappen Ressourcen aus fossilen Energieträgern und der Umweltschutz ist ein wesentliches Ziel der europäischen und der deutschen Energiepolitik und soll u.a. auch durch einen forcierten Ausbau der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien erreicht werden. Mit der Einführung des Stromeinspeisegesetzes im Jahr 1990 hat die Bundesrepublik Deutschland mit der Förderung der erneuerbaren Energien ohne staatliche Beihilfen begonnen. Das Stromeinspeisegesetz wurde durch das
102
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz − EEG) vom 29.3.2000 und der aktualisierten Fassung vom 21.07.2004 abgelöst. Das EEG regelt die Abnahme und die Vergütung von ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen gewonnenem Strom durch Energieversorgungsunternehmen, die Netze für die allgemeine Stromversorgung betreiben. Im Rahmen des „Integrierten Energie- und Klimaprogramms der Bundesregierung“ wurde das Gesetz nochmals novelliert. Die Novelle wurde am 6. Juni 2008 vom Deutschen Bundestag verabschiedet und tritt am 1. Januar 2009 in Kraft. Die Gesetze für den Vorrang Erneuerbarer Energien werden im folgendem mit ihren Kurztiteln aufgeführt: • Erneuerbare-Energien-Gesetz 2000 − EEG-2000 • Erneuerbare-Energien-Gesetz 2004 − EEG-2004 • Erneuerbare-Energien-Gesetz 2009 − EEG-2009 Für Neuanlagen, die ab dem 1. Januar 2009 in Betrieb genommen werden gilt das EEG-2009. Für Anlagen mit Inbetriebnahme vor diesem Datum gelten unter bestimmten Maßgaben die Vorschriften des EEG-2004. 3.2.4.2
Kostenwälzung und EEG-Umlage
Das EEG-2009, wie auch die vorangegangenen Gesetze, schreibt eine Anschluss-, Abnahme-, Übertragungs- und Verteilungspflicht − §§ 5-8 − sowie eine Mindestvergütungspflicht − §§ 23-33 − für Strom aus erneuerbaren Energien und Grubengas durch die örtlichen Netzbetreiber vor. Für den abgenommenen Strom besteht anschließend eine Abnahmeund Vergütungspflicht, abzüglich vermiedener Netznutzungsentgelte durch die überlagerten Übertragungsnetzbetreiber. Die von den Übertragungsnetzbetreibern aufgenommene Strommenge aus durch das EEG geförderten Anlagen, bezogen auf die gesamten in Deutschland an Letztverbraucher abgegebene Strommengen, wird als EEG-Quote (in Prozent) bezeichnet. Die Übertragungsnetzbetreiber ihrerseits sind dazu verpflichtet, die unterschiedlichen, vergüteten Energiemengen und Vergütungszahlungen zu erfassen und untereinander auszugleichen. Schließlich sind Stromlieferanten, die Endkunden beliefern, dazu verpflichtet, von den Übertragungsnetzbetreibern Strommengen proportional zu ihrem Absatz abzunehmen und mit der beim Belastungsausgleich ermittelten bundesweiten Durchschnittsvergütung zu vergüten. Letztlich werden die Vergütungszahlungen
3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen
103
auf die gesamte Strommenge umgelegt und an die Letztverbraucher als EEG-Umlage weitergegeben. Auf diese Weise funktioniert das System ohne staatliche Beihilfen. Der Verband der Netzbetreiber VDN hat für seine Mitglieder eine Richtlinie zur Umsetzung des Gesetzes − EEG-Verfahrensbeschreibung. Die Vorgehensweise bei der Kostenwälzung ist in der Abb. 3.2 dargestellt [VDN].
Legende: avNB: aufnahme- und vergütungspflichtiger Netzbetreiber rÜNB: regelverantwortlicher Übertragungsnetzbetreiber vNNE: vermiedene Netznutzungsentgelte Quelle: VDN - EEG - Verfahrensbeschreibung
Abb. 3.2: Wälzmechanismus gemäß EEG-Belastungsausgleich
Ermittlung der EEG-Umlage Als EEG-Umlage wird die Weitergabe der „Mehrkosten“, die durch die Vergütung von EEG-Strom gegenüber Strombezug derselben Strommenge nach Marktpreisen entstehen würde, an die Letztverbraucher bezeichnet. Durchschnittsvergütung ist die aus den Mindestvergütungen und den Strommengen für die einzelnen Energiearten laut EEG berechnete bundesweit einheitliche Vergütung. EEG-Quote ist eine Größe, die die von den Übertragungsnetzbetreibern aufgenommene Strommenge aus durch das EEG geförderten Anlagen bezogen auf die gesamte in Deutschland an Endverbraucher abgegebene Strommenge bezeichnet. Es wird dabei zwischen „privilegierten“ und
104
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
„nicht-privilegierten Verbrauchern“ unterschieden. Die besondere Ausgleichsregelung nach § 16 EEG begrenzt nun die Menge des EEG-Stroms, den privilegierte Verbraucher abzunehmen haben, damit deren EEGUmlage 0,05 Cent/kWh beträgt. So kann man unterscheiden zwischen der Durchschnitts-EEG-Quote und der EEG-Quote für nicht privilegierte Verbraucher. Die Berechnungsalgorithmen für die EEG-Umlage sind dann wie folgt: ∅Quote = 100 ×
QuoteNPV =
EEGgesamt LVgesamt
EEGgesamt − EEGPV LVgesamt − LVPV
[%]
Gl. 3.1
[%]
EEG − UmlageNPV = ( PEEG − PMarkt ) × QuoteNPV
Gl. 3.2
[ct / kWh]
Gl. 3.3
EEG − UmlagePV = 0, 05 ct / kWh
Darin bedeuten: Gesamte EEG-Stromeinspeisung kWh EEGgesamt: Letztverbraucher Stromverbrauch kWh LVgesamt: Privilegierte Verbraucher Stromverbrauch kWh LVpV: EEG-Stromabnahme der privilegierten Verbraucher EEGPV: Durchschnittsvergütung ct / kWh PEEG: Strommarktpreis (EEX-Phelix Base) ct / kWh PMarkt:
Die EEG-Umlage wird auf der Basis der Monatsprognosen des Verbandes der Netzbetreiber [VDN] bzw. des Bundesverbandes der Energie und Wasserwirtschaft [BDEW] für die Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien monatlich neu festgelegt. Abweichungen von der Prognose werden durch Aufschläge bzw. Abschläge in der nachfolgenden Periode korrigiert (Nachholung). Der Rechenvorgang für die Ermittlung der EEG-Umlage wird im Beispiel 3.2 für gezeigt. Erwähnenswert sind noch folgende Regelungen des EEG: Die Kosten des Anschlusses an das Netz sowie die Kosten für die Messeinrichtung trägt der Anlagenbetreiber − § 13 Abs 1. Die Kosten für eine eventuell notwendige Verstärkung des Netzes trägt der Netzbetreiber; er kann sie bei der Ermittlung der Netznutzungsentgelte geltend machen. Strom aus mehreren Anlagen kann über eine gemeinsame Messeinrichtung abgerechnet werden (Windenergie).
3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen
105
Letztverbraucher, die ihren Strom nicht von einem EVU, sondern von einem Dritten beziehen, z.B. sich selbst über die Strombörse versorgen, stehen Elektrizitätsversorgungsunternehmen gleich − § 14, Abs 7 EEG-2004. Mit anderen Worten, sie sind verpflichtet, ihre Pflichtquote von Strom aus erneuerbaren Energien vom Übertragungsnetzbetreiber abzunehmen und mit dem geltenden bundesweiten Durchschnittspreis zu vergüten. Dezentrale Stromerzeugungsanlagen sparen Netznutzungsentgelte (NNE) in den vorgelagerten Netzebenen ein. Darauf basierend hat der abnehmende Netzbetreiber die vermiedenen NNE an den Anlagenbetreiber zu vergüten. Von dieser Regelung sind aber Anlagen nach dem EEG ausgenommen. Das bedeutet, der Vorteil der vermiedenen NNE verbleibt beim abnehmenden Netzbetreiber. Dieser Vorteil wird bei der Kostenwälzung berücksichtigt − § 35 Abs. 2 − , indem der Netzbetreiber vom Übertragungsnetzbetreiber eine um die NNE reduzierte Vergütung erhält. Beispiel 3.2: Berechnungsvorgang für die EEG-Umlage Rechenvorgang
Merkmal
Einheit
Energiebilanz − EEG-Quoten
Jahr 2007
Stromabnahme, Letztverbraucher, gesamt
a
GWh
489.988
Stromabnahme, privilegierter Letztverbraucher
b
GWh
67.787
EEG-Strommenge, gesamt
c
GWh
67.053
EEG-Strommenge, privilegierter Letztverbraucher
d
GWh
e=c/a
-
13,68%
f = (c-d) / (a-b)
-
15,77%
g
Mio. €
7.416,6
h=g/c
ct / KWh
11,06
i
ct / KWh
5,00
j = (h-i) x e
ct / KWh
0,83
ct / KWh
0,05
ct / KWh
0,96
EEG-Quote, gesamt EEG-Quote, nicht privilegierter Verbraucher
484
Vergütung Vergütungsvolumen EEG-Strom EEG-Durchschnittsvergütung, gesamt Durchschnittlicher Marktpreis für Strom
1)
EEG-Umlage EEG-Umlage bei Gleichverteilung EEG-Umlage, privilegierter Verbraucher EEG-Umlage, nicht privilegierter Verbraucher
2)
j = (h-i) x f
1)
Arithmetisches Mittel 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2006 EEX Termin Produkt "Future Base Year 2007"
2)
Eventuell plus Nachholung aus der vorangegangenen Periode
Datenbasis, Quelle: Jahresprognose zum EEG 2007 [BDEW]
In der nachstehenden Tabelle 3.5 wird die Entwicklung der EEGStromeinspeisung sowie die EEG-Quote und -Umlage seit 2003 gezeigt.
106
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
Tabelle 3.5: Entwicklung der EEG-Quote und EEG-Umlage Merkmal
2003
2004
2005
2006
2007
Letztverbrauch, gesamt
TWh
478
488
491
495
495
2008 495
EEG-Strommenge
TWh
28,5
38,5
44,0
51,5
67,1
75,0
Durchschnittsquote
-
6,0%
7,9%
9,0%
10,4%
13,6%
15,2%
EEG-Durchschnittsvergütung
ct / kWh
9,2
9,3
10,0
10,9
11,4
11,7
EEG-Umlage
ct / kWh
0,4
0,5
0,6
0,8
1,0
1,1
Quelle: BMWi, Werte für 2007 und 2008 sind geschätzt
3.2.4.3 Vergütungsregeln für EEG-Strom
Vergütet wird gemäß § 23 bis § 33 EEG-2009 Strom aus folgenden Energien: Wasserkraft, Deponie-, Klär- und Grubengas, Biomasse, Geothermie, Windenergie und Solare Strahlungsenergie. Die Vergütungsregelungen des EEG-2009 gelten für Neuanlagen, die ab dem 1. Januar 2009 zum ersten Mal in Betrieb genommen werden. Für Anlagen mit Inbetriebnahme vor diesem Datum gelten unter bestimmten Maßgaben, die in § 66 EEG-2009 spezifiziert sind, die Vergütungsregelungen nach § 5 bis § 11 des EEG-2004. Die Vergütungsregelung ist sehr komplex und an eine Reihe von Bedingungen geknüpft, die Anlagenbetreiber erfüllen müssen. Die Vergütung hängt von der Art der erneuerbaren Energie, der Größe der Anlage und dem Alter bzw. Zustand der Anlage (neu, modernisiert) ab. Nachstehend eine Übersicht wichtiger Begriffe und Regeln. Vergütung: Das Entgelt, das die Netzbetreiber an die Anlagenbetreiber für Strom aus regenerativen Energien zahlen, setzt sich zusammen aus der Vergütung und verschiedenen Zuschlägen (Boni). Vergütungszeitraum: Die Mindestvergütung ist vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Anlage über einen Zeitraum von 20 Jahren zu zahlen (Ausnahme Wasserkraft-Altanlagen 15 bzw. 30 Jahre). Degression: Die Mindestvergütungssätze und Boni für neu in Betrieb genommene Anlagen werden i.d.R. um einen festen Prozentsatz jährlich abgesenkt. Die Absenkung tritt in Kraft zum 1. Januar des Jahres nach der Inbetriebnahme einer Anlage. Bezugsgröße ist der im jeweils vorausgegangenen Jahr geltende Vergütungssatz (siehe Beispiel 3.8 Gl 3.4). Dauer Mindestvergütung: Für die Mindestvergütung sind die im Inbetriebnahmejahr der Anlage geltenden Mindestvergütungssätze, die sich unter Berücksichtigung der Degression ergeben, maßgeblich. Dieser Mindestvergütungssatz bleibt i.d.R. während des gesamten Vergütungszeitraums unverändert.
3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen
107
Äquivalente Leistung: Soweit für die Leistung der Anlage unterschiedliche Vergütungssätze festgelegt sind, bestimmt sich die Höhe der Vergütung jeweils anteilig nach der Leistung der Anlage im Verhältnis zu den jeweiligen Schwellenwerten (§ 12 Abs. 2 EEG 2004 sowie § 18 EEG-2009). In diesem Fall gilt als Leistung der Anlage nicht die elektrische Wirkleistung sondern der Quotient aus der im jeweiligen Kalenderjahr eingespeisten Strommenge und der Summe der vollen Zeitstunden im jeweiligen Kalenderjahr. Im Folgenden wird diese als die äquivalente Leistung bezeichnet. Im novellierten EEG wird die Grundstruktur des Vorläufers beibehalten und weiterentwickelt. Die wesentlichen Änderungen sind: • Anmeldepflicht: Anlagebetreiber müssen ab 01.01.2009 vor dem Netzanschluss der Bundesnetzagentur Standort und Leistung der Anlage melden. • Einrichtung eines Anlageregisters für alle Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien durch die Bundesregierung. • Einspeisemanagement: Anschlussvoraussetzung für Anlagen ab 100 kW sind technische Einrichtungen zur ferngesteuerten Regelung der Anlage durch den Netzbetreiber. Für Altanlagen gilt eine Übergangsfrist bis zum 01.01.2011. • Anpassung der Vergütungssätze: Teilweise Erhöhung der Vergütungssätze für Windenergie bedingt durch die drastische Verteuerung insbesondere der Stahlpreise. • Höhere Degression und Gleitfaktor für PV-Anlagen: Die Vergütungssätze von Solarstrom werden schneller abgesenkt als beim alten EEG, weil die Anlagekosten durch zunehmende Massenfertigung niedriger werden. Niedrigere Vergütung soll außerdem Anreize zur Kostensenkung durch weitere technologische Entwicklung geben. Die Degression wird erhöht bzw. gesenkt abhängig vom Wachstum der Gesamtleistung von Solaranlagen, damit die Höhe der Vergütung nicht uferlos steigt. • Direktvermarktung: Nach § 17 können Anlagenbetreiber ihren Strom kalendermonatlich direkt an Dritte vermarkten. Auch eine geteilte Abgabe an das Netz der allgemeinen Versorgung und Direktvermarktung ist möglich. • Auch selbstgenutzter Strom wird gefördert. • Übertragungsnetzbetreiber werden verpflichtet, den Strom effizient zu vermarkten, z.B. über die Strombörse. • Gemeinsame Anlage: Nach § 19 EEG 2009 gelten zur Vergütungsberechnung mehrere Anlagen unabhängig von den Eigentumsverhältnis-
108
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
sen als eine Anlage, wenn sie sich in unmittelbarer Nähe befinden, ihr Strom in Abhängigkeit von der Leistung vergütet wird und sie innerhalb von zwölf aufeinander folgenden Kalendermonaten in Betrieb gegangen sind. Regelung soll rückwirkend auch für Altanlagen gelten. Die nachstehenden Tabellen Tabelle 3.6 bis Tabelle 3.12 zeigen eine Übersicht der wichtigsten Vergütungsregelungen für Neuanlagen nach dem neuen EEG-2009 und der Vollständigkeit halber auch die noch geltenden Regelungen für Altanlagen nach EEG-2004. Die Angaben sind als Orientierungshilfe gedacht. Im konkreten Fall sind nur die im Bundesgesetzesblatt aktuell veröffentlichten Fassungen der gesetzlichen Regelungen und Verordnungen verbindlich. Tabelle 3.6: Vergütungsregeln für Strom aus Wasserkraft Anlagentyp
Neuanlagen ab 01.01.09
Altanlagen (Inbetriebnahme vor 01.01.09) modernisierte Altanlagen 1) bis 5 MW Modernisierte Altanlagen *) 5 bis 150 MW
Leistung
Vergütung ct / kWh
bis 500 kW
12,67
bis 2 MW
8,65
bis 5 MW
7,65
über 5 MW (neu oder modernisiert)
bis 500 kW
7,29
bis 10 MW
6,32
bis 20 MW
5,80
bis 50 MW
4,34
ab 50 MW
3,50
bis 500 kW
9,67
bis 5 MW
6,65
bis 500 kW
11,67
bis 5 MW
8,65
für den Altteil bis 5 MW Vergütung wie für Altanlagen
Vergütungsregelung
§ 23 Abs. 1
Vergütungsdauer 20 Jahre
§ 23 Abs. 3
Vergütungsdauer 20 Jahre. Vergütungssätze gelten für die Schwellenwerte über 5 MW. Bei modernisierten Anlagen Vergütung nur für den modernisierten Teil.
§ 66 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 EEG 04 § 23 Abs. 1 (2)
bis 500 kW
7,67
bis 10 MW
6,65
bis 20 MW
6,10
bis 50 MW
4,56
ab 50 MW
3,70
§ 66 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 EEG 04
Dauer der Vergütung 30 Jahre § 12 Abs 3. EEG 04 Vergütungsdauer 20 Jahre zzgl. Modernisierungsjahr Vergütungsdauer 15 Jahre für die Leistungserhöhung, die dem modernisierten Teil anzurechnen ist § 12 Abs 3 EEG 04
Degression
Keine
ab 2010 1,0 Prozent jährlich
keine
keine
ab 2005 1,0 Prozent jährlich
Die Vergütungssätze für Neuanlagen bis 5 MW wurden aufgrund der Verkürzung der Vergütungsdauer von 30 Jahren (EEG-2004) auf 20 Jahre angemessen angehoben. Die Vergütungssätze für Anlagen über 5 MW wurden wegen Verlängerung der Vergütungsdauer von 15 auf 20 Jahren entsprechend gesenkt. Der Berechnungsvorgang für die Mindestvergütung wird im Folgenden am Beispiel einer Wasserkraftanlage mit zwei Schwellenwerten gezeigt.
3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen
109
Beispiel 3.3: EEG-Vergütung für eine Wasserkraftanlage mit 3 Schwellenwerten Eine Wasserkraftanlage mit einer eingespeisten Strommenge Wel =37.230.000 kWh im Kalenderjahr erhält folgende Vergütung V: Äquivalente Leistung: V=
Ps =
37.230.000 = 4.250 kW 8.760
1 500 2.000 − 500 4.250 − 2.000 ⋅ ⋅12,67 + ⋅ 8,65 + × 7,65 = 8,59 ct / kWh 100 4.250 4.250 4.250
VJahr = (8,59 / 100) × 37.230.000 / 1.000.000 = 3, 2 Mio.€
Geschätzte Gesamtvergütung über 20 Jahre ca. Vges ≅ 64 Mio. €. Tabelle 3.7: Vergütungsregeln für Strom aus Deponie-, Klär-, Grubengas Anlagentyp
Leistung
Vergütung ct / kWh
Vergütungs regelung
Anmerkung
Degression
§ 24 Abs. 1
Technologie-Bonus 2,0 ct/kWh für Strom aus innovativen Technologien nach Anlage 1 § 24 Abs. 3
ab 01.01.10 jährlich 1,5%
§ 66 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs 1EEG 04
Technologie-Bonus 2 ct/kWh für Strom aus innovativen Technologien § 7 Abs. 2 EEG 2004
ab 01.01.05 jährlich 1,5%
§ 25 Abs. 1
Technologie-Bonus 2,0 ct/kWh für Strom aus innovativen Technologien nach Anlage 1 § 25 Abs. 3
ab 01.01.10 jährlich 1,5%
§ 66 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs 1EEG 04
Technologie-Bonus 2,0 ct/kWh für Strom aus innovativen Technologien § 7 Abs. 2 EEG 2004
ab 01.01.05 jährlich 1,5%
§ 26 Abs. 1
Technologie-Bonus 2 ct/kWh für Strom aus innovativen Technologien nach Anlage 1 § 26 Abs. 3
ab 01.01.10 jährlich 1,5%
§ 66 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs 1EEG 04
Technologie-Bonus 2 ct/kWh für Strom aus innovativen Technologien § 7 Abs. 2 EEG 2004
ab 01.01.05 jährlich 1,5%
Deponiegas (DG) Neuanlagen bis 500 kW ab 01.01.09 bis 5 MW
9,00
bis 500 kW
7,67
bis 5 MW
6,65
6,16
Altanlagen
Klärgas (KG) Neuanlagen bis 500 kW ab 01.01.09 bis 5 MW
7,11
bis 500 kW
7,67
bis 5 MW
6,65
6,16
Altanlagen
Grubengas (GG)
Neuanlagen ab 01.01.09
bis 1 MW
7,16
bis 5 MW
5,16
ab 5 MW
4,16
bis 500 kW
7,67
ab 500 kW
6,65
Altanlagen
Anmerkung: Aus dem Netz entnommenes Deponie- bzw. Klärgas gilt als solches, soweit an anderer Stelle des Netzes über das Kalenderjahr die gleiche Menge als Wärmeäquivalent eingespeist wird §§ 24 25 Abs. 2.
110
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
Beispiel 3.4: Vergütung für Deponiegasanlage mit KWK-Bonus und TechnologieBonus, Inbetriebnahmejahr 2009: Position
Einheit
Betrag
Inbetriebnahmejahr Jahresstunden Abgenommene Arbeit Äquivalente Leistung 150 kW Vergütungssatz bis 500 kW Vergütungssatz bis 2.500 kW Vergütungssatz für Rest bis Durchschnittlicher Grundvergütungssatz KWK-Bonus Technologie-Bonus Gesamtvergütungssatz Vergütung im Kalenderjahr
h kWh kW ct / kWh ct / kWh ct / kWh ct / kWh ct / kWh ct / kWh ct / kWh Mio. € Mio. €
2009 8.760 21.900.000 2.500 11,67 9,18 8,25 8,59 3,00 2,00 13,59 2,98 59,5
Gesamtvergütung nominal *) 20 a *) gleiche jährliche Arbeit pro Jahr vorausgesetzt, ohne Barwertung
Tabelle 3.8: Vergütungsregeln für Strom aus Geothermie Anlagentyp
Leistung
Vergütung Vergütungsct / kWh regelung 16,00
Neuanlagen ab 01.01.09
bis 10 MW + 4.00
ab 10 MW
Altanlagen
1)
§ 28 Abs. 1
1)
10,50 + 4,00 1)
bis 5 MW
15,00
bis 10 MW
14,00
bis 20 MW
8,95
ab 20 MW
7,16
Zuschläge nach Abs. 1a bis 3
Anmerkung
Degression
Mindestvergütung erhöht sich um folgende Zuschläge (Boni) bis 10 MW: Wärmenutzung (Anl. 4): 3,0 ct/kWh Nutzung petrothermaler Techniken (§ 28 Abs 3) : 4,0 ct/kWh
§ 66 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 EEG 04
ab 01.01.10 jährlich 1,0%
keine Zuschläge für Anlagen ab 10 MW ab 01.01.10 jährlich 1,0% § 9 Abs. 2 EEG 04
keine
Für Anlagen mit Inbetriebnahme bis 31.12.2008
Beispiel 3.5: Vergütung für Geothermieanlage mit allen Boni, <10 MW Position
Einheit
Betrag
Inbetriebnahmejahr Jahresstunden Abgenommene Arbeit Äquivalente Leistung Grundvergütungssatz Erhöhung für Inbetriebnahme vor 01.01.2016 Wärmenutzungs-Bonus Nutzung petrothermaler Techniken-Bonus Gesamtvergütungssatz Vergütung im Kalenderjahr
h kWh MW ct / kWh ct / kWh ct / kWh ct / kWh ct / kWh Mio € Mio. €
2009 8.760 74.500.000 8,50 16,00 4,00 3,00 4,00 27,00 20,12 402,3
Gesamtvergütung nominal *) 20 a *) gleiche jährliche Arbeit pro Jahr vorausgesetzt, ohne Barwertung
3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen
111
Tabelle 3.9: Vergütungsregeln für Strom aus Biomasse Anlagentyp
Leistung
Vergütung Vergütungsct / kWh regelung
bis 150 kW
11,67
Neuanlagen bis 500 kW (ab 01.01.09)
9,18
KWKNeuanlagen
Altanlagen
bis 5 MW
8,25
ab 5 MW bis 20 MW
7,79
bis 150 kW
11,67
bis 500 kW
9,90
bis 5 MW
8,90
ab 5 MW
8,40
§ 27 Abs. 1
§ 27 Abs 1 u. 3 Satz 1 bis 3 § 66 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs.1 EEG 04 (bis 150 kW Vegütung wie Neuanlagen)
Anmerkung Jeweilige Mindestvergütung erhöht sich nach § 27 Abs. 4 um folgende Zuschläge (Boni): Technologie (Anl. 1): 2,00 ct / kWh NaWaRo 1) KWK (Anl. 3 EEG 09) 2): 3,00 ct / kWh Jeweilige Mindestvergütung kann sich nach § 8 EEG 04 um folgende Zuschläge (Boni) auch additiv erhöhen: Brennstoff 3): 6,0 ct / kWh bis 500 kW 4,0 ct / kWh bis 5 MW KWK: 2,0 ct / kWh bis 500 kW Technologie 4) 2,0 ct / kWh bis 5 MW
Degression
ab 01.01.10 jährlich 1,5%
ab 01.01.10 jährlich 1,5%
ab 01.01.05 jährlich 1,5%
Anmerkung: Aus dem Netz entnommenes Deponie- bzw. Klärgas gilt als Biomasse, soweit an anderer Stelle des Netzes über das Kalenderjahr die gleiche Menge als Wärmeäquivalent eingespeist wird § 27 Abs. 2. 1)
NaWaRo: Nachwachsende Rohstoffe, mehrere Boni, siehe Details in Anl. 2 EEG20 09, VI Bonushöhe
2)
gilt auch für Altanlagen, wenn diese nach dem 31.12.2009 erstmals als KWK-Anlage betrieben werden
3)
land- oder forstwirtschaftliche Pflanzen und Pflanzenbestandteile oder Gülle § 8 Abs. 2 Satz 1 EEG 2004 4) zusätzlich für KWK-Anlagen mit Biomasse aus thermochemischer Vergasung oder Trockenfermentation oder KWK in Kombination mit innovativen Technologien § 8 Abs. 4 EEG-2004
Tabelle 3.10: Boni für Biomasse Anlagen nach EEG 2009 bis 150 kW
Vergütungssatz
bis 500 kW
bis 5 MW
ct / kWh Grundvergütung NaWaRo-Bonus
Biomassenanlagen Biogasanlagen Gülle-Bonus
11,67
9,18
8,25
6
6
4
7
7
4
4
1
0
2
2
0
3
3
3
1)
2)
3)
Landschaftspflege-Bonus
4)
KWK-Bonus Technologie-Bonus Gaseinspeisung, Klasse A
5)
2
2
2
Gaseinspeisung, Klasse B
6)
1
1
1
2
2
2
0
0
Außer Gaseinspeisung Luftreinhalte-Bonus
7)
1
1)
NaWaRo: Nachwachsende Rohstoffe
2)
3)
NaWaRo-Anlagen mit nachweislichem Gülleanteil von jederzeit 30%
NaWaRo-Gülle-Anlagen
4)
NaWaRo-Anlagen mit einem Anteil von Stoffen aus der Landschaftspflege von mehr als 50% 5) Anlagekapazitäten zur Rohgasaufbereitung bis 350 m3 (i.N.) / h 6)
Anlagekapazitäten zur Rohgasaufbereitung bis 700 m3 (i.N.) / h
7)
Einhaltung des Formaldehydgrenzwertes bei Anlagen, die dem BISchG unterliegen
112
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
Tabelle 3.11: Vergütungsregeln für Strom aus Windenergie Vergütung Vergütungsct / kWh regelung
in den ersten 5 Jahren (Anfangsvergütung)
9,20
§ 29 Abs. 2
WindenergieRepowering (Ersatz best. WKA) 2)
9,70
§ 30
5,02
§ 29 Abs. 1
13,00
§ 31 Abs. 2
15,00
§ 31 Abs. 2
allgemein (Grundvergütung)
3,50
§ 31 Abs. 1
in den ersten 5 Jahren (Anfangsvergütung)
8,70
allgemein (Grundvergütung)
5,50
§ 66 Abs. 1 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 EEG 04
allgemein (Grundvergütung)
Altanlagen
Offshore-Anlagen
in den ersten 12 Jahren (Anfangsvergütung) in ersten 12 Jahren bei Inbetriebnahme bis 31.12.2015
keine Leistungsbegrenzung
Onshore Neuanlagen ab 2009
Anlagentyp
Anmerkung
Degression
Der Zeitraum von 5 Jahren wird nach § 29 Abs. 2 verlängert, wenn der Ertrag der Anlage kleiner ist als 150% des Referenzertrages 1). Anlagen über 50 kW sind vergütungsberechtigt, wenn sie mind. 60% des Referenzertrages erbringen (Abs. 3). ab 01.01.10 Die Anfangsvergütung erhöht sich nach jährlich 1,0% § 29 Abs. 2 um 0,5 ct / kWh für Anlagen, die vor dem 1. Jan. 2014 in Betrieb gehen, wenn sie die Anforde-rungen nach Systemdienstleistungen 3) für das Stromnetz gemäß § 64 erfüllen. Der Zeitraum für die Anfangsvergütung wird nach § 31 Abs. 2 verlängert, abhängig von der Entfernung von der Küste (mind. 12 Seemeilen) und von der Wassertiefe (mind. 20 Meter)
ab 01.01.15 jährlich 5%
(0,5 Monate/Seemeile - 1,7 Monate/ Meter).
Die Anfangsvergütung für die ersten 5 Jahre wird nach § 29 Abs. 2 verlängert, wenn der Ertrag kleiner ist als 150% des Referenzertrages 1).
1)
Referenzertrag ist der Ertrag einer WKA am Referenzstandort gemäß EEG-2004, Anlage zu § 10 abs. 1 und 4 bzw. Anlage 5 zu EEG 2009.
2)
Altanlagen müssen 10 Jahre in Betrieb sein, im selben oder benachbarten Landkreis liegen und die Leistung der Neuanlagen muss mind. das 2fache und max. das 5fache der Altanlagen betragen.
3)
Die Anforderungen für Systemdienstleistungen sind nach § 64 EEG-2009 in einer Rechtsverordnung festgelegt. Für Anlagen mit Inbetriebnahmejahr 2002 bis 2008 bei Nachrüstung bis 01.01.2011befristet für 5 Jahre 0,7 ct/kWh.
ab dem 01.01.05 jährlich 2%
Beispiel 3.6: Windkraftanlage in Küstennähe Eine neue Windkraftanlage, in Küstennähe, Inbetriebnahme 1. Jan. 2009, erreicht 150% des Referenzertrages. Der Referenzertrag für diesen Anlagetyp beträgt 4.431 MWh/a (Abschnitt 7.63, Tabelle 7.33). Die Anlage bekommt die ersten 5 Jahre die Anfangsvergütung von 9,20 ct/kWh und die nächsten 15 Jahre die Grundvergütung von 5,02 ct/kWh. Die Durchschnittsvergütung beträgt:
V=
5 15 × 9, 20 + × 5, 02 = 6, 07 ct / kWh 20 20
Die Gesamtvergütung im Vergütungszeitraum von 20 Jahren beträgt dann:
Vg =
6, 07 × 20 × 1,5 × 4.431.000 = 8.068.851 € 100
3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen
113
Verlängerung der Dauer der Anfangsvergütung für Windkraftanlagen: Nach dem EEG wird für Onshore-Windkraftanlagen die Anfangsvergütung für mindestens die ersten 5 Betriebsjahre gewährt. Die Anfangsvergütung wird jedoch − § 29 Abs.1 EEG-2004 − um jeweils weitere 2 Monate verlängert für jede 0,75% des Referenzertrages, um die der Ertrag unter 150% des Referenzertrages liegt. Nach Ablauf auch der Verlängerung wird die Mindestvergütung gewährt. Für die Ermittlung des Referenzertrages zum Zwecke der Festlegung der Vergütungsdauer wurde im EEG ein fiktiver Referenzstandort festgelegt, dessen Windprofil wie folgt definiert ist : • • •
Mittlere Jahreswindgeschwindigkeit in 30 m Höhe: 5,5 m/s Mittlere Rauhigkeitslänge am Standort: 0,1 m Windverteilung: Rayleigh-Verteilung
Näheres über die Berechnung des Referenzertrages und Dauer der Anfangsvergütung“ siehe „Abschnitt 7.6.3 und Tabelle 7.33. Beispiel 3.7: Verlängerung des Zeitraums der Anfangsvergütung Derselbe Anlagentyp erreicht in einem Binnenlandstandort 90% des Referenzertrages von 4.431 MWh /a. Der Zeitraum für die erhöhte Anfangsvergütung verlängert sich wie folgt:
t = 60 +
150 − 60 × 2 = 220 Monate 0, 75
Die Durchschnittsvergütung im Vergütungszeitraum von insgesamt bzw. 240 Monaten beträgt:
V=
220 20 × 9, 20 + × 6, 07 = 8,94 ct / kWh 240 240
Die Gesamtvergütung im Vergütungszeitraum von 20 Jahren beträgt:
Vg =
8,94 × 20 × 0,9 × 4.431.000 = 7.130.365 € 100
20 Jahren
114
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
Tabelle 3.12: Vergütungssätze für Solare Strahlungsenergie 1
Leistung
Vergütung ct / kWh
Vergütungs regelung
Neue Freiflächenanlagen ab 01.01.09
Keine Begrenzung
31,94
§ 32 Abs. 1
1) Neuanlagen bis 30 kW ab 01.01.09 bis 100 kW an oder auf Gebäuden oder an einer bis 1 MW Lärmschutzwand ab 1 MW
Alte Freiflächenanlagen Altanlagen an oder auf Gebäuden oder Lärmschutzwand
Anmerkung
Degression
Nach § 20 Abs. 2a erhöht bzw. verringert im Jahr 2010: 10% sich die Degression um einen ab Jahr 2011: 9% Prozentpunkt, sobald Gesamtleistung jährlich 2) stärker oder schwächer wächst :
43,01
Jahr
+1%Punkt
- 1%Punkt
2009
>1 500 MW
< 1000 MW
39,58
2010
> 1700 MW
< 1100 MW
33,00
2011
> 1900 MW
< 1200 MW
40,91 § 33 Abs. 1
Keine Begrenzung
45,70
bis 30 kW
57,40
ab 30 kW
54,60
ab 100 kW
54,00
keine § 66 Abs. 1 in Verbindung Nach § 11 EEG 04 erhöht sich die mit Vergütung um 5 ct / kWh, wenn die Anlage § 11 Abs. 1 in die Fassade eines Gebäudes integriert EEG 04 ist und einen wesentlichen Bestandteil des 3) Gebäudes bildet .
1)
Bei Selbstnutzung des Stromes in unmittelbarer Umgebung verringert sich die Vergütung auf 25,01 ct / kWh
2)
Stichtag 30. September des Vorjahres, Anpassung der Degression im Folgejahr Im EEG-2009 ist die Regelung für Neuanlagen entfallen
3)
im Jahr 2010: 8% ab Jahr 2011: 9% jährlich im Jahr 2010: 10% ab Jahr 2011: 9% jährlich ab 01.01.05: 5,0 % ab 01.01.06: 6,5% jährlich ab 01.01.05: 5% jährlich
Beispiel 3.8: Degression Dachflächenanlage Dachflächenanlage, Inbetriebnahmejahr 2016, Vergütung 2009 43,01 ct/kWh, Degression in 2010 8% ab 2011 9%. Die Höhe der Vergütung kann nach folgender Formel berechnet werden:
Vn = VB × (1 − d )( n − B ) Darin bedeuten: Vn: Vergütungssatz im Jahr „n“ VB: Vergütungssatz im Basisjahr d: Degression als Absolutzahl (anstatt 9% 0,09) n: Jahr „n“ B: Basisjahr
V2010 = 43, 01× (1 − 0.08)( 2010− 2009) = 39,57 ct / kWh
V2016 = 39,57 × (1 − 0.09)(
2016 − 2010 )
= 22, 47 ct / kWh
Anmerkung: Obenstehende Formel ist Eigenentwicklung
Gl. 3.4
3.2 Der deutsche energierechtliche Rahmen
115
3.2.5 Konzessionsabgabenverordnung
Die derzeitige Fassung der Konzessionsabgabenverordnung „KAV“ ist seit dem 1. Jan. 1992 in Kraft. Sie wurde am 10. Nov. 2001 lediglich zwecks Umstellung auf Eurobeträge sowie am 1. Nov. 2006 geändert. Konzessionsabgaben sind Entgelte für die Einräumung des Rechts zur Verlegung und zum Betrieb von Leitungen zur Versorgung von bestimmten Letztverbrauchern mit Strom und Gas im Gemeindegebiet. Die Sätze der Konzessionsabgabe hängen von der Einwohnerzahl der Gemeinde ab. Tabelle 3.13: Höchstbeträge für die Konzessionsabgabe Strom GemeindeEinwohnerzahl ct/kWh Tarifkunden bis 25.000 von 25.000 bis 100.000 von 10.000 bis 500.000 über 500. 000 Schwachlaststrom Sondervertragskunden
**)
1,32 1,59 1,99 2,39 0,61 0,11
Gas nur Kochen/WW ct/kWh
sonstige *)
ct/kWh
0,51 0,61 0,77 0,93 -
0,22 0,27 0,33 0,40 0,03
*) WW: Warmwasseraufbereitung **) bei Strom, Jahreslieferung > 30.000 kWh und zwei Monatshöchstlasten >30 kW
Als Sondervertragskunden gelten Stromkunden mit einer Jahresabnahme von über 30.000 kWh und einer gemessenen Leistung, die an mindestens zwei Monaten des Abrechnungsjahres 30 kW übersteigt. Eine Befreiung von der Konzessionsabgabe gilt für folgende Fälle:
Stromsondervertragskunden, deren mittlerer Bezugspreis je kWh im Kalenderjahr unter dem Durchschnittserlös je kWh aus der Lieferung von Strom an alle Sondervertragskunden liegt (Grenzpreis), zahlen keine Konzessionsabgabe. Maßgeblich ist der in der amtlichen Statistik des Bundes jeweils für das vorletzte Kalenderjahr veröffentlichte Wert ohne Umsatzsteuer. Gassondervertragskunden, deren Jahresabnahme 5 Millionen kWhHo übersteigt, zahlen keine Konzessionsabgabe. Gassondervertragskunden, deren Durchschnittspreis unter dem Durchschnittserlös je kWh aus der Lieferung von Gas an alle Letztverbraucher liegt, zahlen keine Konzessionsabgabe; maßgeblich ist dabei der in der amtlichen Statistik des Bundes für das Jahr des Vertragsabschlusses veröffentlichte Wert ohne Umsatzsteuer.
Konzessionsabgaben werden vom Netzbetreiber mit dem Netznutzungsentgelt abgerechnet und an das Finanzamt abgeführt.
116
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
3.3 Klimaschutzrechtliche Rahmenbedingungen 3.3.1 Internationale Klimaschutzabkommen 3.3.1.1 Internationaler Rahmen und Konventionen
Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel 0n Climate Change − IPCC), im Deutschen meistens als Weltklimarat bezeichnet, wurde im November 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) ins Leben gerufen. Der Sitz des IPCC-Sekretariats befindet sich in Genf. Das IPCC betreibt selbst keine Wissenschaft, sondern trägt die Ergebnisse der Forschung in den verschiedenen Disziplinen zusammen, darunter insbesondere die der Klimatologie. Es bildet eine kohärente Darstellung dieses Materials in so genannten Wissenschaftsberichten (IPCC Assessment Reports − AR). Die Berichte werden in Arbeitsgruppen erstellt und vom Plenum akzeptiert. Der 4. Sachstandsbericht (IPCC − AR4) wurde 2007 veröffentlicht und dient als wissenschaftliche Grundlage für politische Entscheidungsträger. Da die Sachstandberichte im Konsensprinzip zwischen Wissenschaft und politischen Vertretern aller teilnehmenden Länder erarbeitet werden, unterliegen sie auch immer erheblichem politischen Einfluss. Hauptaufgabe des der Klimarahmenkonvention beigeordneten Ausschusses des IPCC ist es, Risiken der globalen Erderwärmung zu beurteilen und Vermeidungsstrategien zusammenzutragen. Die Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change UNFCCC) ist die erste internationale Vereinbarung, die den Klimawandel als ernstes Problem bezeichnet und die Staatengemeinschaft zum Handeln verpflichtet. Die Klimarahmenkonvention wurde auf dem Weltgipfel für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro angenommen und trat 1994 in Kraft. Sie wurde seither von fast allen Staaten der Weltgemeinschaft ratifiziert. Nach diesem Übereinkommen sind alle Unterzeichnerstaaten verpflichtet, nationale Programme zur Verringerung der Treibhausgasemissionen auszuarbeiten und regelmäßige Berichte vorzulegen. Die Konvention bildet den Rahmen für die Klimaschutzverhandlungen, die jeweils als Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, COP) der Konvention stattfinden.
3.3 Klimaschutzrechtliche Rahmenbedingungen
117
3.3.1.2 Das Kyoto-Protokoll
Das Kyoto-Protokoll wurde am 11. Dezember 1997 auf der Vertragsstaatenkonferenz in der japanischen Stadt Kyoto beschlossen. Es ist zusammen mit der Klimarahmenkonvention UNFCCC der derzeit einzige internationale Rahmen für die Bekämpfung der globalen Erwärmung und des Klimawandels. Es legt rechtlich verbindliche Grenzen für die Treibhausgasemissionen in Industrieländern fest. Ferner sieht es innovative, marktwirtschaftliche Umsetzungsmechanismen unter Beteiligung nichtstaatlicher Akteure vor, durch die die Kosten der Emissionsreduzierung niedrig gehalten werden sollen. Im Kyoto-Protokoll bekennen sich Industrie- und Transformationsländer (Annex-B Staaten) dazu, während des 5-jährigen „Verpflichtungszeitraumes" von 2008-2012 ihre durchschnittlichen jährlichen Emissionen an klimarelevanten Gasen um mindestens 5,2 % gegenüber 1990 zu senken. Für die Entwicklungs- und Schwellenländer gibt es keine Emissionsreduktionsziele. Man hat sich für einen fünfjährigen Verpflichtungszeitraum entschieden, um jährliche Emissionsschwankungen auszugleichen, die auf unkontrollierbaren Faktoren wie dem Wetter beruhen. Das Kyoto-Protokoll wurde von den EU-Mitgliedsstaaten am 31.05.2002 ratifiziert. Die „alte“ EU 15 hat sich zu einer Reduktion um 8% bereiterklärt. Dabei einigten sich die Mitgliedstaaten auf eine Lastenteilung (Burden Sharing), bei der jedes Land eigene Minderungsverpflichtungen übernimmt und somit zum Gesamtziel der EU beiträgt. Deutschland hat sich zu einer Reduktion um 21 % verpflichtet. Auch 10 der 12 neuen Mitgliedsstaaten, die der EU beigetreten sind (außer Malta und Zypern), haben eigene Reduktionsziele zwischen 6% und 8% festgelegt. Das Kyoto-Protokoll sieht neben CO2 noch weitere 5 Treibhausgase (green house gases) vor. Als Treibhausgase werden Gase bezeichnet, die wesentlich zum Treibhauseffekt beitragen. Sie können einen natürlichen oder auch anthropogenen Ursprung haben. Sie absorbieren in den oberen Atmosphärschichten einen Teil der vom Boden abgegebenen Infrarotstrahlung, die sonst in das Weltall entweichen würde. Entsprechend ihrer Temperatur emittieren sie einen Teil dieser Wärmestrahlung auf die Erde als atmosphärische Gegenstrahlung, die die Erdoberfläche zusätzlich zum Sonnenlicht erwärmt und zur globalen Erwärmung führt [Wikipedia]. Um die Treibhauswirksamkeit (Global Warming Potential - GWP) nur durch eine Zahl angeben zu können, wird das GWP von CO2 gleich 1 gesetzt und das der anderen Gase damit verglichen und als „CO2eq Äquivalent“ bezeichnet − Tabelle 3.14.
118
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
Tabelle 3.14: Treibhausgase - Treibhauswirksamkeit Treibhausgas Kohlendioxid CO2 Methan CH4 Lachgas N2O Fluorkohlenwasserstoffe Halogenierte Kohlenwasserstoffe HFC Schwefelhexafluorid SF6
Vorkommen, Entstehung
1
Anteil am Treibhauseffekt % 64
21
20
310
6
CO2Äquivalent
Verbrennungsprozesse Deponien, Massenviehzucht, Bergbau, Öl- und Gasindustrie Deponien, Stickstoffdünger, Düngemittelfabriken Aluminiumproduktion Kühlmittel, chemische Industrie Hochspannungsschaltanlagen, industrielle Prozesse
11.300 6.500
10
23.900
3.3.1.3 Flexible Mechanismen nach Kyoto-Protokoll
Das Kyoto-Protokoll sieht drei so genannte flexible Mechanismen vor, die es den Industriestaaten in Zusammenarbeit mit den Transformations- und Entwicklungsländern ermöglichen sollen, durch marktwirtschaftliche Instrumente ihre Emissionsreduzierungsverpflichtungen zu erfüllen: • • •
Emissionshandel (ET − Emission Trading) Gemeinsame Umsetzung (JI − Joint Implementation) Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM − Clean Development Mechanism)
Dabei können Industriestaaten mit Emissionsrechten handeln oder einen Teil ihrer Emissionsreduktionsverpflichtungen dadurch erreichen, dass sie in Projekte zur Reduzierung der Emissionen im Ausland investieren und die erzielten Emissionsverringerungen in Hinblick auf ihre eigenen Verpflichtungen anrechnen lassen. Das Instrument des Internationalen Emissionshandels erlaubt es den Vertragsparteien des Protokolls, Emissionsrechte zu kaufen und zu verkaufen. Vertragsparteien, die zusätzliche Anteile benötigen, können diese bzw. einen Teil davon von anderen Parteien dazukaufen, die Emissionsrechte übrig haben und verkaufen wollen. Hinter den Flexiblen Mechanismen CDM und JI steht die Idee, dass der Treibhauseffekt ein globales Problem darstellt, und es von untergeordneter Bedeutung ist, wo die Emissionen gesenkt werden. Vordergründig ist das Ziel, dass eine Reduktion zu den spezifisch geringeren Kosten stattfindet. Bei CDM engagiert sich ein Unternehmen aus einem Industrieland bei einem Projekt in einem Land ohne „Emissions-Cap“. Zu den CDMLändern gehören vorwiegend die Entwicklungsländer. Diese sind auf nati-
3.3 Klimaschutzrechtliche Rahmenbedingungen
119
onaler Ebene keine Verpflichtungen eingegangen, eine Emissionsobergrenze nicht zu überschreiten. JI hingegen umfasst Projekte in Ländern mit einer „Emissions-Obergrenze“. Hierzu gehören die Industriestaaten bzw. Transformationsländer (z.B. osteuropäische Staaten, Russland und die Ukraine). Diese Länder haben zugesagt, ihren Emissionsausstoß zu reduzieren oder eine fixe Obergrenze nicht zu überschreiten. Zertifikate für Emissionsreduzierungen und Baseline Zertifikate von CDM- und JI-Projekten können durch Emissionsreduzierungen gegenüber der so genannten „Baseline“ generiert werden. Als Baseline wird die Menge von Emissionen bezeichnet, die entstehen würde, wenn ein Projekt nicht oder ohnehin nach dem Prinzip business as usual umgesetzt wird. Emissionsreduzierungen werden nur dann anerkannt (zertifiziert), wenn zusätzliche Maßnahmen allein zum Zweck der Emissionsreduzierung realisiert und nachgewiesen werden. Sowohl CDM- als auch JI- Projekte unterliegen der so genannten Zusätzlichkeit (Additionality) als wesentlichem Anerkennungskriterium. Zertifikate aus CDM-Projekten heißen CERs (Certified Emission Reductions) und können ab 2000 generiert werden. Zertifikate aus JIProjekten werden als ERUs (Emission Reduction Units) bezeichnet und können ab 2008 generiert werden. Durch den Verkauf der Emissionszertifikate können Projekte zusätzliche Einkünfte generieren. Geltungsdauer der Zertifikate Wesentliches Merkmal des CDM ist ein maximaler Kreditierungszeitraum (Geltungsdauer) wahlweise von 1x10 Jahren oder 3x7 Jahren, d.h. insgesamt bis zu 21 Jahre maximal. Da es sich bei CO2-Minderungsmaßnahmen im Energiesektor i.d.R. um sehr langlebige Investitionsentscheidungen handelt, bietet CDM hierfür einen angemessenen Zeitrahmen. Es ist aber zu beachten, dass für jeden der Zeiträume, die nach dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Baseline zu Beginn der Periode gilt (so genannte „ex ante“ Baseline). Wenn ein Kreditierungszeitraum von 3x7 Jahren gewählt wird, dann besteht das Risiko, dass z.B. zu Beginn der zweiten oder dritten 7jährigen Periode der Stand der Technik soweit fortgeschritten ist, dass die Baseline keine Emissionsreduzierungen mehr ermöglicht. Der derzeitige Kreditierungszeitraum für JI-Projekte ist der KyotoVerpflichtungszeitraum 2008 bis 2012. Hierdurch werden im JI-Bereich insbesondere kurzfristig umsetzbare und amortisierbare Minderungsmaßnahmen insbesondere bei den Nicht-CO2-Treibhausgasen stimuliert (z.B. Maßnahmen zur Reduzierung von Methanemissionen).
120
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
Projektablauf Damit Emissionsreduktionseinheiten erzeugt werden können, muss ein Projekt im Rahmen des CDM oder JI ein komplexes Registrierungsverfahren durchlaufen und akzeptiert werden. Nachstehend wird eine Übersicht für CDM-Projekte gezeigt: Tabelle 3.15: Schematischer Ablauf von CDM-Projekten
Vorgang
Projektdesign
Validierung und Registrierung Prüfung des PDD Umsetzung/ Monitoring Jährliche Überprüfung / Zertifizierung Überprüfung/ Ausgabe
Arbeitsschritt
Verantwortung
Projektidee Erstellung PDD (Project Design Document) mit Angabe zur Baseline und Kreditperiode
Projektbetreiber
Validierung Registrierung bei CDM-Exekutivrat Überprüfung/Genehmigung oder Rückweisung des Projektes Projektdurchführung Monitoring der Treibhausgasemissionen Verifizierung und Zertifizierung der erzielten Emissionsreduktionen Antrag auf Ausstellung von CERs Verifizierungs- und Zertifizierungsreport Ausgabe der CERs
Projektbetreiber Designated Operational Entity (DOE-A) Designated Operational Entity (DOE-A) CDM-Executivrat Projektbetreiber Projektbetreiber Zertifizierungsunternehmen Designated Operational Entity (DOE-B) CDM-Executivrat
Verwendung von CERs und ERUs beim EU-ETS Nach der so genannten „EU-Linking-Directive“ können CERs (ab 2005) wie auch ERUs (ab 2008) gleichwertig neben EUAs (EU-Allowances oder auf Deutsch „Emissionsberechtigungen - EB“, auch EU-Emissionszertifikate) für die Pflichterfüllung im EU Emissionshandel verwendet werden. Die Maßeinheit für CERs, ERUs und EUAs ist 1 t CO2-Äquivalent (CO2eq). CDM und JI sind derzeit die einzige Möglichkeit, Emissionsberechtigungen auch andere Treibhausgase wie z.B. Methan in das EUEmissionshandelsystem einzubringen.
3.3 Klimaschutzrechtliche Rahmenbedingungen
121
3.3.1.4 Kyoto-Nachfolgeprozess
Auf der 13. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention in Bali im Dezember 2007 einigten sich die Vertragsparteien auf einheitliche Rahmenvorgaben für die Verhandlungen (Bali-Roadmap) eines Nachfolgeprotokolls. Damit soll nach dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls 2012 am 1. Januar 2013 ein neues Abkommen in Kraft treten, sodass hinsichtlich Emissionsregulierung keine Lücke entsteht. Die Verhandlungen sollen bis Ende 2009 abgeschlossen werden, damit den einzelnen Staaten genügend Zeit zur Ratifizierung bleibt. Nach den Verhandlungen in Bali hat die EU ihre Reduktionsziele für das Jahr 2020, bezogen auf das Basisjahr 1990, auf 20%, bzw. sollte ein internationales Kyoto-Nachfolgeabkommen unterzeichnet werden, auf 30% erhöht. Die USA, die als einziger Industriestaat das Kyoto-Protokoll noch nicht ratifiziert haben, haben zugesagt, sich an den Verhandlungen für ein neues Abkommen zu beteiligen und sich für einen erfolgreichen Abschluss einzusetzen. Sie haben sich aber bisher geweigert, konkreten Reduktionszielen zuzustimmen. Nach ihren Vorstellungen sollen Klimaschutzbestrebungen auch wirtschaftlich nachhaltig gestaltet werden. China, Indien und weitere Schwellenländer wollen keine Emissionsbeschränkungen akzeptieren. Diese vertreten die Meinung, dass wirtschaftliches Wachstum zur Überwindung der Armut in ihren Länder notwendig ist, welches nur mit einem höheren Energieverbrauch und auch steigenden Emissionen erreicht werden kann. Anmerkung: Die Inhalte des Abschnittes 3.3.1 wurden teilweise aus [www.emissionshandel-fichtner.de] übernommen. 3.3.2 Das EU-Emissionshandelssystem - EU ETS 3.3.2.1 Grundlage und Handelsperioden
Als Vorbereitung auf den internationalen Emissionshandel hat die EU ab 2005 ein eigenes Emissionshandelssystem (EU ETS − EU Emission Trading Scheme) etabliert. Grundlage hierfür ist die EU-Richtlinie Emissionshandel vom 13.10.2003 [EU-EHS-Richtlinie], die alle Mitgliedsstaaten in nationales Recht umsetzen müssen. Für den Emissionshandel wurden mehrjährige Handelsperioden gewählt. Die erste Handelsperiode des EU-Emissionshandels ist der 3-jährige Zeitraum von 2005-2007. Die zweite Handelsperiode ist identisch mit der Kyoto-Verpflichtungsperiode 2008-2012. Ab 2013 werden 8-jährige Han-
122
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
delsperioden mit einheitlichen Zuteilungs- bzw. Ersteigerungsregeln angestrebt: 2013-2020 und 2021-2028. In den ersten beiden Handelsperioden des EU-Emissionshandels wird lediglich das Treibhausgas CO2 erfasst. Für die geplante dritte Handelsperiode ist vorgesehen, weitere Treibhausgase einzuschließen. 3.3.2.2 Ebenen und Akteure des EU-Emissionshandels
Bei der Implementierung des Emissionshandelssystems werden drei Ebenen unterschieden: • • •
Europäische Union, EU-Mitgliedsstaaten und zur Teilnahme am Emissionshandel verpflichtete Anlagen.
Die Europäische Union gibt den Rahmen für den Emissionshandel vor. Sie erstellt Vorgaben sowie Richtlinien und überprüft und genehmigt deren nationale Umsetzung. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen die Vorgaben der EU national umsetzen. Hierzu gehört u.a. die Umsetzung der EU-Richtlinien in nationales Recht, Erstellung des Nationalen Allokationsplanes (NAP), Aufbau einer für den Emissionshandel zuständigen Behörde, Aufbau eines Emissionsregisters sowie die periodische Berichterstattung an die EU. Der NAP ist das Kernstück des Emissionshandels. Jeder Mitgliedsstaat musste für die 1. und 2. Handelsperiode im Vorfeld einen Nationalen Allokationsplan entwickeln und diesen von der EU genehmigen lassen. Im NAP wird, basierend auf den nationalen Zusagen des EU-Burden Sharings, die Gesamtmenge der zuzuteilenden Emissionsrechte sowie die Zuteilungsmodalitäten für die zur Teilnahme verpflichteten Anlagen festgelegt. Durch die getroffenen Regelungen im NAP erfolgt eine Aufteilung des verfügbaren Emissionsbudgets zwischen den Teilnehmern bzw. eine Zuordnung der zukünftigen CO2-Reduktionspflichten. Die Betreiber der zur Teilnahme am Emissionshandel verpflichteten Anlagen müssen die neuen Anforderungen in ihre Unternehmensplanung integrieren und im Tagesgeschäft praktizieren. Die betroffenen Unternehmen müssen u.a. folgende Aufgaben erfüllen: kontinuierliche Erfassung und Verwaltung von Emissionsdaten, Erstellen und Verfolgen von Emissionsprognosen, Verbuchung der zugeteilten Emissionsrechte und Berücksichtigung in der Bilanz sowie ferner das Übermitteln eines jährlichen Berichtes an die zuständige Behörde über den Ausstoß von Treibhausgasen. Dieser muss durch einen unabhängigen Dritten verifiziert werden. Der Bericht dient als Nachweis der tatsächlichen Emissionen, für die im gleichen
3.3 Klimaschutzrechtliche Rahmenbedingungen
123
Umfang jeweils bis zum 30.4. dann entsprechende Berechtigungen für den Vorjahreszeitraum abgegeben werden müssen. 3.3.2.3 Prinzipielle Funktionsweise des Emissionshandels
Energieintensive Anlagen von Industrie und Energiewirtschaft erhalten in der EU seit 2005 feste Kontingente an Emissionsrechten zugeteilt, mit denen sie in der entsprechenden Handelsperiode haushalten müssen. Benötigt ein Unternehmen nicht die gesamte Menge, kann es die Überschüsse verkaufen oder zur Pflichterfüllung in einem anderen Jahr nutzen (Banking). Eine Übertragung von der ersten (2005-07) in die zweite (2008-12) Handelsperiode und somit von 2007 nach 2008 war nicht möglich. Gegen Ende der ersten Handelsperiode ist es zu einem Verfall der Zertifikatspreise gekommen, da mehr EB als überhaupt nötig zugeteilt worden waren. Reicht das zugeteilte Kontingent nicht aus, muss das Unternehmen entweder die zusätzlich erforderlichen Mengen auf dem Markt erwerben (EUAs, CERs, ERUs, letztere bis zur Obergrenze von 22% in der 2. Handelsperiode) oder in Maßnahmen zur Emissionsreduktion investieren und den eigenen Ausstoß senken. In der EU hat sich bereits ein Markt für Emissionsberechtigungen herausgebildet. Dazu gehören die börslichen Marktplätze, wie die EEXLeipzig in Deutschland, und zahlreiche außerbörsliche Handelsplattformen. Zusätzlich können Emissionsberechtigungen über Broker, Banken oder direkt zwischen Unternehmen gehandelt werden. Durch den Handel über die Staatsgrenzen hinweg werden die Anzahl der Marktteilnehmer in den nationalen Märkten der EU erhöht sowie Überschüsse und Unterdeckungen Staaten-übergreifend ausgeglichen. Hält ein Unternehmen nicht die benötigte Menge an Emissionsberechtigungen, werden Strafzahlungen fällig. Sie betrugen in der ersten Handelsperiode 40 € / t CO2, in der zweiten werden sie auf 100 € / t CO2 hochgesetzt. Dies entbindet die Betroffenen jedoch nicht von der Pflicht, die fehlenden Zertifikate dennoch zu beschaffen. Technische Voraussetzung für den Ablauf des Emissionshandels sind die Existenz eines Buchführungssystems (Registers) sowie eines Überprüfungssystems (Monitoring- und Berichtswesen). 3.3.3 Umsetzung des Emissionshandels in Deutschland 3.3.3.1 Rechtlicher und organisatorischer Rahmen
Das Europäische Emissionshandelssystem wurde in Deutschland zum 1. Januar 2005 eingeführt. Basierend auf der EH-Richtlinie und der „Lin-
124
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
king Directive“ wurde ein umfangreicher Rechtsrahmen für den Emissionshandel geschaffen. Er setzt sich z.Z. aus den folgenden Elementen zusammen: • • • •
Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz „TEHG“ Zuteilungsgesetz „ZuG“ und Nationaler Allokationsplan „NAP“ Projekt-Mechanismen-Gesetz „ProMechG“ verschiedenen Verordnungen.
Das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz [TEHG] schafft die Grundlagen für den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen. Es umfasst Regelungen zum Aufbau der institutionellen Struktur für die Erfüllung der Vollzugsaufgaben, wie Zuteilung und Löschung von Zertifikaten, Aufbau eines Zentralregisters (Buchführungssystem) und eines Überprüfungssystems, Organisation des Handels, Genehmigung, Überwachung und Verifizierung der Emissionsberichte sowie Verhängung von Sanktionen. Ferner enthält es Regelungen zum Aufbau der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt), zur Erarbeitung von Klimaschutzzielen für die einzelnen Sektoren, zur Erarbeitung von Zuteilungsregeln für den Allokationsplan sowie zur Erhebung der CO2-Emissionen für Unternehmen. Voraussetzung für das Zuteilungsgesetz [ZuG] ist die Aufstellung des Nationalen Allokationsplans (NAP). Dieser ist das zentrale Instrument für die Umsetzung der EH-Richtlinie und Voraussetzung für das Zuteilungsgesetz. Im NAP werden die Gesamtzuteilungsmengen sowie die Allokation der Zertifikate an die teilnehmenden Anlagen festgelegt. Die EU hat hierzu die „NAP-Guidance“ vorgelegt, in der die Kriterien für die Prüfung der Allokationspläne erläutert werden. Sobald die Genehmigungen erteilt worden sind, kann das Zuteilungsgesetz verabschiedet werden. Das Projektmechanismengesetz [ProMechG] setzt die EU-Linking Directive für die (teilweise) Nutzung von ERUs und CERs neben EUAs für den Emissionshandel in nationales Gesetz um und regelt die nationale Genehmigung von CDM- und JI-Projekten. Die für den Emissionshandel zuständige Behörde in Deutschland ist die Deutsche Emissionshandelsstelle „DEHSt“. Sie ermittelt die Menge an Emissionsberechtigungen „EB“, die den zur Teilnahme verpflichteten Anlagen je Handelsperiode zur Verfügung steht (Zuteilung). Diese Emissionsberechtigungen werden in Deutschland in jährlich gleichen Tranchen an die Unternehmen ausgegeben und im Emissionsregister verwaltet. Das Emissionsregister ist eine nationale Datenbank mit „Konten“ für die Marktteilnehmer. Darin erfolgt die Verbuchung von Vergabe, Besitz und Übertragung sowie Löschung der Berechtigungen.
3.3 Klimaschutzrechtliche Rahmenbedingungen
125
3.3.3.2 Zuteilung von EB für die Handelsperiode 2008-2012
Das Zuteilungsgesetz 2007 [ZuG 2007] vom 26. August 2004 deckt die erste Zuteilungsperiode von 2005 bis 2007 ab. Basisperiode für die Bemessung der Emissionsrechte der einzelnen Anlagen war der Durchschnitt der Emissionen in den Jahren 2000-2002. Das Zuteilungsgesetz 2012 [ZuG 2012] vom 02. Juni 2007 deckt die zweite Zuteilungsperiode von 2008 bis 2012 ab. Als Basisperiode dient der Zeitraum 2000-2005. Die Ausführung der Gesetze wird in den entsprechenden Zuteilungsverordnungen [ZuV 2007] und [ZuV 2012] festgelegt. Das ZuG 2012 soll sicherstellen, dass Deutschland sein KyotoKlimaschutzziel mit einer Emissionsreduktion von 21% bis 2012 erreicht. Generell werden die Zertifikate kostenlos zugeteilt. Allerdings sieht das ZuG 2012 auch eine Teilveräußerung von Emissionsberechtigungen vor. Die Zusammensetzung des Gesamtbudgets von Emissionsberechtigungen für die zweite Handelsperiode 2008 bis 2012 sieht gemäß ZuG 2012 wie folgt aus (1 EB = 1 t CO2 Äquivalent „CO2eq“): Tabelle 3.16: EB für Handelsperiode 2008 - 2012, gemäß EU-Genehmigung Pos.
Mio. EB/a
1.
379,07
2.
11,00
3.
23,00
4.
40,00
5.
453,07
Kommentar (siehe Anmerkungen/Erläuterungen unten) Zuteilung an Bestandsanlagen B Davon 243.59 Mio. EB/a für Stromanlagen Zuteilung an „zusätzliche Anlagen“ gemäß §26 TEHG Reserve für „Neuanlagen“ , gemäß §5 ZuG 2012 ( nach Kürzung von 2 Mio. EB/a für Veräußerung) Zur Veräußerung vorgesehen gemäß §20 ZuG 2012 B 38 Mio. EB/a aus Veräußerungskürzung für Strom B 2 Mio. EB/aus Kürzung der Reserve Gesamtbudget, in 2008 - 2012 Ø pro Jahr
Anmerkungen/Erläuterungen zur Tabelle 3.16: Zu Pos. 1: Das Budget für energiewirtschaftliche Anlagen (nach Anhang 1 - TEHG für Tätigkeiten: I, II u III, siehe auch Tabelle 3.17) mit Strom als Produkt wird um 38 Mio. EB/a für Veräußerungszwecke gekürzt. Effektiv stehen deshalb von den 243,59 Mio EB/a nur 205,59 Mio. EB/a zur kostenlosen Zuteilung für diese Anlagen zur Verfügung. Daraus ergibt sich der so genannte Veräußerungsfaktor KFVer = 205,59/243,59 = 0,844. Zu Pos.2: „Zusätzliche Anlagen“ nach § 26 TEHG sind Anlagen, die erstmals nach dem 11. Aug. 2007 als emissionshandelpflichtige Anlagen aufgenommen wurden (siehe Tabelle 3.17). Nach [DEHSt Mai08] beste-
126
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
hen für diese Anlagen Ansprüche von 9,79 Mio. EB/a für kostenlose Zuteilung. Das Budget von 11 Mio. EB/a kann deshalb nicht voll ausgeschöpft werden. Das hat zur Folge, dass anstatt von 379,07+11=390,07 EB/a nur 379,07+9,79=388,86 für eine kostenlose Zuteilung an Bestandsanlagen verfügbar sind. Zu Pos 3: Neuanlagen sind solche, deren Inbetriebnahme nach dem 31.12.2007 erfolgte. Von den ursprünglich 25 Mio. EB/a für Reserve wurden 2 Mio. EB/a für Veräußerung zurückgehalten. Zu Pos. 5: Bedingt durch die Nicht-Ausschöpfung des Budgets für zusätzliche Anlagen verbleibt effektiv ein Gesamtbudget von 453,07-1,21 = 451,86 Mio EB/a für die Zuteilung. Damit wird das von der EU genehmigte Budget nicht voll ausgeschöpft. Emissionshandelpflichtige Anlagen Die durch den EU-Emissionshandel erfassten Anlagen sind im Anhang 1 des TEHG definiert. In der Tabelle 3.17 werden die emissionshandelpflichtigen Anlagen und das zugehörige Emissionsbudget pro Anlageart aufgelistet. Die Nummerierung ist identisch mit der im Anhang 1 des TEHG. In der ersten Handelsperiode sind vorerst Betreiber von Feuerungsanlagen mit mehr als 20 MW thermischer Leistung sowie die Keramik-, Zellstoff- und Papierindustrie betroffen. In der zweiten Handelsperiode sind zusätzliche Anlagen - Tabelle 3.17 - hinzugekommen. In der gesamten EU sind rd. 11.400 Anlagen zur Teilnahme am Emissionshandel verpflichtet. Diese vereinen ca. 46 % der CO2-Emissionen in der EU auf sich. In Deutschland erfasst der Emissionshandel (2008-2012) rd. 1.665 Anlagen. Davon erhalten 1.625 eine kostenlose Zuteilung von Emissionsberechtigungen [DEHSt]. Berichterstattung und Monitoring Die Ausgabe der Emissionsberechtigungen an die Anlagebetreiber erfolgt in jedem Kalenderjahr zum 28. Februar. Die Anlagebetreiber müssen am 31. März des Folgejahres den verifizierten Emissionsbericht für das Vorjahr an die DEHSt abliefern. Bis zum 30. April ist der Anlagebetreiber verpflichtet, eine Anzahl an Berechtigungen abzugeben, die der durch seine Tätigkeit im vorangegangenen Jahr verursachten Emissionen entspricht (TEHG § 6). Diese können die zugeteilten Emissionsberechtigungen und bei Überschreitung auch die zugekauften EB vom Markt und ggf. zertifizierte EB aus Projekten der flexiblen Mechanismen CDM und JI bis zu einer Obergrenze von 22% beinhalten. Eine Übertragung von EB von einem Jahr in das nächste innerhalb der Handelsperiode ist zulässig.
3.3 Klimaschutzrechtliche Rahmenbedingungen
127
No
Gruppe
Tabelle 3.17: Emissionshandelpflichtige Anlagen und EB-Budget Anzahl Anlagen gesamt
Tätigkeit nach Anhang 1 TEHG
davon zusätzliche Anlagen
Budget EB/a
Bestandsanlagen
III IV
Energie
I II
V
Energieerzeugung
1.020
252,3
Erdgasverdichter
52
1,5
27
24,3
VI
Raffinerien
VII
Kokereien
VIII
Sintern von Eisenerz
IX
Integrierte Hüttenwerke
X XI XII XIIa
1
Weiterverarbeitung Stahl Industrie
IXb
8
Zement
39
Kalk
68
Glas
85
Mineralfasern
XIII
Keramik
XIV
Zellstoff
XV
Papier
61,0
44
Stahlwerke
IXa
8
8
139 5 125
XVI
Propylen/Ethylen
8
8
XVII
Ruß
5
5
XVIII
Fackeln
-
Summe Bestandsanlagen mit Emissionsberechtigung
1)
1.625
zur Veräußerung vorgesehenes Budget Reserve für Neuanlagen Gesamtbudget EB/a 2)
Anlagen ohne Emissionsberechtigung Anlagen für die kein Antrag gestellt wurde Summe emissionshandelpflichtiger Anlagen
27 13
1.665
1)
davon 792 Kleinemittenten (<25.000 tCO2 /a), Zuteilungsmenge ca. 8.1 Mio. EB/a
2)
Anlagen, die ihren Betrieb vor dem 31.12.2007 eingestellt haben
20,6 9,4 4,1 0,4 2,0 0,5 6,5 5,6 0,8 -
30
388,9
-
40,0 23,0
-
451,9
-
-
Quelle: abgeleitet vom Bericht der [DEHSt] Mai 2008
3.3.3.3 Übersicht der Zuteilungsregeln nach dem ZuG-2012
In der Tabelle 3.18 werden die wichtigsten Allokationsregelungen des ZuG-2012 zusammengefasst wiedergegeben. Anschließend werden die einzelnen Positionen erläutert und kommentiert.
128
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
Tabelle 3.18: Überblick der wichtigsten Zuteilungsregeln nach ZuG 2012 Merkmal Basisperiode Zuteilungsmethode Energiewirtschaft, generell KWK-Anlagen, generell Industrie bis 31 Dez. 2002 Industrie ab 2003 - 2007 Neuanlagen ab 1.1.2008 Alle Kleinemittenten Erfüllungsfaktor (EF) Energiewirtschaft Industrie bis 31.Dez. 2002 Industrie ab 2003 - 2007 Zusätzliche Anlagen Kleinemittenten < 25000 t/a Veräußerungskürzung Energie, Produkt Strom Anteilige Kürzung Bestandsanlagen Energie Kleinemittenten Standardwerte Standardauslastung „S“ Benchmark-Emission „BM“ Anzahl EB/a für Energie Bestand vor 31.12. 2002 Bestand ab 2003-2007 Neuanlagen ab 1.1.2008 Anzahl EB/a für Industrie Bestand vor 31.12. 2002 Bestand 2003-2007 Neuanlagen ab 01.01.2008 Kosten der Zuteilung Emissionsgutschriften aus JI und CDM Projekten Strafzahlungen
Allokationsregel (Siehe auch Erläuterungen) 1.Jan. 2000 - 31.Dez. 2005
ZuG 2012 § 6 Abs. 2
Benchmarking nach BAT Anh. 3 Doppelter Benchmark nach BAT Anh. 3 Grandfathering § 6 Abs. 1 Benchmarking nach BAT Anh. 3 Benchmarking nach BAT Anh. 3 Grandfathering 1 (aber Benchmark) 0,9875 1 (aber Benchmark) 0.9875 1
§ 7 Abs.1 § 6 Abs. 1 § 8 Abs. 1
0,844
§ 20
(bei Budgetüberschreitung) bezogen auf Effizienzstandard Keine Kürzung
§ 4 Abs. 3 u. Anh. 5
Vollbenutzungsstunden h/a gCO2 /Produkteinheit (vor anteiliger Kürzung) PBP x BM x KFVer K x S x BM x KFVer K x S x BM x KFVer EMBP x EF K x S x BM K xS x BM Zugeteilte EB nach §§ 6 - 9 Kostenlos (Ausnahme Energie) CO2eq bis max. 22 % der jährlichen Zuteilungsmenge an EB 100 € / tCO2 bei Nicht -Abgabe der EB an die DEHSt zum 30. 4.
§ 6 u. § 7
Anh. 4 Anh. 3 § 7 Abs. 1 § 8 Abs. 1 § 9 Abs. 1 § 6 Abs. 1 § 8 Abs. 1 § 9 Abs. 1 § 16 § 18 § 6 u. § 18 TEHG
Abkürzungen: BAT: Best Available Technology; EB: Emissionsberechtigung
(1 t CO2); BM: Standard Emissionswert gCO2/Produkteinheit; EF: Erfüllungsfaktor; EMBP: Durchschnittsemissionen Basisperiode; K: Netto Anlagenkapazität (Produkteinheiten/h); KFVer: Veräußerungsfaktor für das Produkt Strom; PBP: Nettoproduktion Basisperiode; S : Standardauslastungsfaktor h/a
3.3 Klimaschutzrechtliche Rahmenbedingungen
129
Erläuterungen zu Tabelle 3.18 : Zuteilungsmethode: Der Begriff Grandfathering hat sich im Emissionshandel durchgesetzt und bedeutet Zuteilung von EB nach den historischen Emissionen der Basisperiode. Erfüllungsfaktor: Für Anlagen, die EB auf Basis Benchmark zugeteilt bekommen, beträgt der Erfüllungsfaktor 1, ebenso für Kleinemittenten. Veräußerungskürzung: Für Anlagen der Energiewirtschaft (Tätigkeiten I, II und III Anhang 1 TEHG) mit Strom als Produkt gilt zwar auch der Erfüllungsfaktor 1, allerdings werden Emissionsberechtigungen um 15,6% zwecks Veräußerung gekürzt. Zuteilung der EB an alle anderen aufgeführten Anlagen erfolgt 100% kostenlos. Anteilige Kürzung: Nach [DEHSt Mai08] beträgt die tatsächliche Summe der EB zur kostenlosen Zuteilung an Bestandsanlagen 402,14 Mio. EB/a und übersteigt das zur Verfügung stehende Budget von 388,86 um 13,28 Mio. EB/a (siehe auch Kommentar zu Pos. 2 Tabelle 3.16). Zur Budgetsicherung erfolgt deshalb eine anteilige Kürzung bei Anlagen der Energiewirtschaft. Der Umfang der anteiligen Kürzung wird in Abhängigkeit vom Effizienzstandard der Anlage berechnet. Die Methodik zur Berechnung des Effizienzstandards und der anteiligen Kürzung wird in Anhang 5 ZuG 2012 beschrieben. Hocheffiziente Anlagen mit Effizienzstandard 1 sowie Kleinemittenten und Anlagen mit Anerkennung für „early action“ sind von der anteiligen Kürzung freigestellt. Standardwerte: Standard Vollbenutzungsstunden „S“ Anhang 4 ZuG 2012. Für Energiewirtschaftliche Anlagen siehe auch Tabelle 3.22. Standardemissionsfaktoren „BM“ Anhang 3 ZuG 2012, für Energiewirtschaft siehe auch Auflistung in Tabelle 3.22. Anzahl EB/a: Formeln für die Berechnung der EB werden ausführlich in Anhang 1 ZuG 2012 aufgeführt. Kosten der Zuteilung: Generell kostenlose Zuteilung mit Ausnahme der Anlagen der Energiewirtschaft, die für Veräußerung und ggf. anteilig bei Budgetüberschreitung gekürzt zugeteilt werden. Strafzahlungen: EB für die verursachten Emissionen des Vorjahres müssen bis zum 30. April das Nachfolgejahres an die DEHSt abgegeben werden (§ 6 TEHG). Bei Nichterfüllung ist eine Strafzahlung von 100 €/tCO2eq fällig (§ 18 TEHG).
In der nachfolgenden Tabelle 3.19 sind weitere Zuteilungsregeln zusammengefasst wiedergegeben.
130
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
Tabelle 3.19: Weitere Zuteilungsregeln nach ZuG-2012 Merkmal Kleinemittenten Emissionen in der Basisperiode < 25.000 t/a Frühzeitige Emissionsminderung (early action) Zwischen 1994-2002 Individuelle Härtefälle
Besondere Härtefallregelung
Kuppelgase Produktionsgase der Eisen- & Stahlindustrie (Kokerei-, Konverter, Gichtgas) Kapazitätserweiterung Stilllegungsregel
Allokationsregel 100% kostenlose Zuteilung Basis: Emissionen der Basisperiode Erfüllungsfaktor 1 Keine anteilige Kürzung Fortbestand der Regelung nach §12 Abs. 1 des ZuG 2007 bez. Zuteilung wegen early action. Erfüllungsfaktor 1 Bei unzumutbarer wirtschaftlicher Belastung nach allg. Regeln, angemessene zusätzliche Zuteilung Wenn Produktion 2005/6 mindestens 10% höher als 2004/5 dann Zuteilung nach Ø Produktion 2005/6. Energie: anteilige Kürzung Industrie: Erfüllungsfaktor Obergrenze: 8 Mio. t CO2 für Gesamtperiode 2008 - 2012, bei Überschreitung anteilige Kürzung Zuteilung der EB an den Emittenten mit der Verpflichtung zur Weitergabe an den Weiterverarbeiter Benchmarking für Erweiterung Grandfathering oder Benchmarking für übrige Anlage Keine Zuteilung bei Unterschreiten von 25% Kapazitätsauslastung in 2005/ 2006
ZuG 2012 § 6 Abs. 6 § 7 Abs. 4 § 6 Abs. 8
§ 6 Abs. 6 § 7 Abs. 5
§ 12
§ 11 Abs.1 § 11 Abs. 3
§ 8 Abs.2 § 14 § 10 Abs.5
3.3.4 Berechnungsgrundlagen, Rechenbeispiele und Analysen 3.3.4.1 Emissionen pro Produkteinheit
Wegen der unterschiedlichen chemischen Zusammensetzung der einzelnen Brennstoffe entstehen bei deren Verbrennung unterschiedliche Mengen an CO2-Emissionen. Emissionsfaktoren „EF“ für verschiedene Brennstoffe pro Einheit Brennstoffenergie sind dem Anhang 1 der ZuV 2012 zu entnehmen. In der nachstehenden Tabelle 3.20 sind EF und Heizwerte für ausgewählte Brennstoffe wiedergegeben. Der tatsächliche Emissionsaus-
3.3 Klimaschutzrechtliche Rahmenbedingungen
131
stoß pro Produkteinheit ist abhängig von der Brennstoffart bzw. dem zugehörigen Emissionsfaktor und vom Nettowirkungsgrad der Anlage. Er berechnet sich für Stromerzeugungsanlagen nach der Formel:
EFel =
EFBr [ t
CO 2
/GWh Br
]
t CO /GWh el
ηel − netto
Gl. 3.5
2
Tabelle 3.20: Emissionsfaktoren und Heizwerte für ausgewählte Brennstoffe CO2-Emissionsfaktor
Heizwert
Brennstoff kg / GJ
t / GWh
MJ / kg
kWh / kg
Steinkohle Südafrika
96
345,6
25,2
7,0
Steinkohle Deutschland
93
334,8
28,3
7,9
Rohbraunkohle Lausitz
113
406,8
8,8
2,4
Rohbraunkohle Mitteldeutschland
104
374,4
10,7
3,0
Rohbraunkohle Rheinland
114
410,4
8,9
2,5
99
356,4
21,6
6,0
Braunkohlestaub Lausitz Heizöl EL
74
266,4
42,6
11,8
Heizöl S
78
280,8
39,8
11,1
Erdgas L
56
201,6
33 MJ / Nm3
Erdgas H Quelle: ZuV-2012 Anhang 1
56
201,6
36 MJ / Nm3 10,0 kWh/Nm3
9,2 kWh/Nm3
Die produktbezogenen Emissionswerte (Benchmarks nach Best Available Technology „BAT“) sind im Anhang 3 des ZuG 2012 angegeben. In Tabelle 3.21 sind diese für die Produkte von Anlagen der Energiewirtschaft zu ersehen. Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen erhalten EB nach dem so genannten „doppelten Benchmark“ sowohl für den erzeugten Strom als auch für die erzeugte Wärme. Tabelle 3.21: Standard CO2-Emissionswerte für Energieanlagen Brennstoff
Stromerzeugung *)
Wellenarbeit
g / kWh el
g / kWhmech
Sonstige Brennstoffe
750
gasförmige Brennstoffe
365
gemäß ZuG-2012, Anhang 3
530
Kraft-Wärme-Kopplung Wärmeerzeugung für Strom *) für Wärme g / kWh t h
g / kWh el
345
750
g / kWh t h 345
225
365
225
*) bezogen auf Nettoerzeugung
In der Abb. 3.3 sind die Emissionen verschiedener Kraftwerkstypen in Abhängigkeit vom elektrischen Wirkungsgrad dargestellt. Daraus wird erkennbar, dass der Emissionsausstoß außer von der Art des Brennstoffes
132
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
stark vom Anlagenwirkungsgrad abhängt. Eine höhere Energieeffizienz bewirkt eine Reduzierung der Emissionen. Die Mehrzahl der mit fossilen Brennstoffen befeuerten Kraftwerke in Deutschland sind in den 70er und 80er Jahren und früher gebaut worden. Der Wirkungsgrad nach dem damaligen Stand der Technik lag zwischen 35% und 38%. Neue Großkraftwerke haben dagegen einen Wirkungsgrad um die 45%. Ein Ersatz der alten Kraftwerke durch neue wird neben einer Primärenergieeinsparung um 15% auch zu einer erheblichen Reduzierung der Emissionen beitragen. Deswegen ist ein baldiger Ersatz der alten Kraftwerke eine vordringliche Aufgabe der Energiepolitik und -wirtschaft. Für erneuerbare Energien sind Null CO2-Emissionen angesetzt. Bei Solar-, Windenergie und Wasserkraft ist es selbstverständlich. Bei Biomasse ist es darin begründet, dass bei der Verbrennung von Biomasse die gleiche Menge CO2 emittiert wird, wie die Pflanzen bei ihrem Wachstum aufnehmen. 1.500 tCO2 / GWhHu Rohbraunkohle 410 Steinkohle 342 Heilzöl L 266 Erdgas (EG) 202 Erneuerbare 0
1.400
CO2-Emissionen t / GWh el
1.300 1.200
Braunkohle-KW
1.100 1.000 900 800
Steinkohle-KW
700 600 500
Gasturbinen-KW-HEL Gasturbinen-KW-EG
400
GuD-KW-EG
300 200 100 0 25%
erneuerbare Energien = 0 30%
35%
40%
45%
50%
55%
60%
Kraftwerkswirkungsgrad netto
Abb. 3.3: CO2-Emissionen verschiedener Kraftwerkstypen pro GWhel
Steinkohlekraftwerke erreichen den Standard-Emissionswert von 750 tCO2/GWhel mit einem Nettowirkungsgrad 45,6%; bei GuDKraftwerken ist ein Nettowirkungsgrad von η = 55,3% erforderlich, um den Standard-Emissionswert von 365 t/GWhel zu erreichen. Das ist in beiden Fällen Stand der Technik. Bei bestehenden Kraftwerken mit Stand der Technik der 70er und 80er Jahre liegt der Nettowirkungsgrad unter 40% und der Emissionsausstoß ist wesentlich höher. Bedingt durch den hohen Brennstoff-Emissionsfaktor (410 tco2/MWhBr) würden Braunkohlekraft-
3.3 Klimaschutzrechtliche Rahmenbedingungen
133
werke erst bei einem Nettowirkungsgrad von 53,3% den Standardemissionswert von 750 t/GWhel erreichen; Stand der Technik ist 46% netto. 3.3.4.2 Jahresemissionen und Emissionsberechtigungen
Von besonderer Wichtigkeit bei der Zuteilung der EB ist neben den Standardemissionswerten (Benchmarks) auch die Vergabe von Standardauslastungsfaktoren „S“ (in Vollbenutzungsstunden pro Jahr). In der Tabelle 3.22 werden diese für die Energieanlagen mit Inbetriebnahme ab 1.1.2003 wiedergegeben. Die Standardauslastungsfaktoren wurden auf der Basis der Art der Anlage und des Brennstoffes sowie des Anwendungsbereiches (z.B. KWK-Anlage Papierindustrie) festgelegt. Für Energieanlagen, deren Inbetriebnahme vor dem 1.1.2003 erfolgte, sind die tatsächlichen Produktionsmengen in der Basisperiode für die Zuteilung von EB maßgebend. Tabelle 3.22: Standardauslastungsfaktoren für Energieanlagen Art der Anlage (Inbetriebnahme nach 1.1.2003)
h/a
Kondensationskraftwerke
7.500
Braunkohle-Kondensationskraftwerke
8.250
Offene Gasturbinenanlagen
1.000
Anlagen zur Erdgasverdichtung: für Transportzwecke
4.200
für Untergrundspeicherung
3.100
Kraft-Wärmekopplungsanlagen: Papier-, Zellstoff-, Mineralöl-, Chemie-, Bioethanol
8.000
Sonstige KWK-Anlagen
7.500
Wärmeerzeugungsanlagen: Prozesswärme für Papier-, Mineralöl-, Chemieindustrie
8.000
Heizwerke der öffentlichen Fernwärme
2.500
Prozesswärme für Nahrungsmittel- und Zuckerindustrie Wärmeanlagen für Gewerbe, Handel u. Dienstleistungen für sonstige Industrie und für Krankenhäuser
7.500
Quelle: ZuG 2012, Anhang 4
Anmerkung: Zur Anerkennung einer Anlage als KWK-Anlage muss nach Anlage 4, Pos. II 5, ZuG 2012 der Quotient aus der maximalen Wärmeerzeugungskapazität in KWK und der maximal möglichen Brennstoffwärme der Anlage im Jahr den Wert 0,1 überschreiten.
Hierzu ist anzumerken, dass die tatsächliche Auslastung, insbesondere von Kraftwerken der öffentlichen Energieversorgung, bisher wesentlich niedriger war als die Standardauslastung nach dem ZuG 2012, wie aus der nachstehenden Tabelle 3.23 zu ersehen ist.
134
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
Tabelle 3.23: Durchschnittsauslastung von Kraftwerken in 2006 Installierte Leistung GW 21,8
Kraftwerksart Braunkohlekraftwerke Steinkohle einschl. Mischfeuerung
BruttostromErzeugung TWh /a 151,1
28,7
137,9
Benutzungsdauer h/a 6.931 4.805
Quelle: BMWi − Energiestatistiken
Es muss jedoch die unterschiedliche Einsatzweise der einzelnen Kraftwerke entsprechend ihren Grenzkosten berücksichtigt werden. Neuere Braunkohlekraftwerke haben die niedrigsten Grenzkosten und werden als Grundlastanlagen eingesetzt. Sie erreichen mit einer 4wöchigen Revisionszeit ca. 8000 Vollbenutzungsstunden pro Jahr. Ältere Kraftwerke werden dagegen weniger, meist nur im Winter, eingesetzt und erreichen dadurch eine wesentlich niedrigere Anzahl von Vollbenutzungsstunden. Der Einsatzbereich der bestehenden Steinkohlekraftwerke und auch der Gas GuD-Kraftwerke war bis jetzt die Mittellast mit einer Benutzungsdauer zwischen 4.500 h/a und 6.000 h/a. Ob neue Steinkohle- und GuD-Kraftwerke künftig als Grundlastanlagen eingesetzt werden, hängt vom künftigen „Energiemix“ und den Brennstoffpreisen ab. Die im ZuG vorgesehenen Standardauslastungsfaktoren sind − mit Ausnahme von GrundlastBraunkohlekraftwerken − eher großzügig bemessen. KWK-Anlagen erhalten EB sowohl für den Strom als auch für die Wärme nach Benchmark Emissionswerten − Tabelle 3.21. Nach dem ZuG 2012 erfolgt die jährliche Zuteilungsmenge für KWK-Anlagen mit Inbetriebnahme nach dem 1.1.2003 auf Basis von branchenbezogenen Standardauslastungsfaktoren − Tabelle 3.22. Im Beispiel 3.9 wird eine Emissionsbilanz für drei ausgewählte KWK-Anlagen erstellt, deren tatsächliche Auslastung der Standardauslastung nach der ZuG 2012 entspricht. Das Ergebnis der Berechnung wird auch in der nachstehenden Tabelle 3.24 gezeigt. Tabelle 3.24: Ergebnisübersicht KWK - Emissionsbilanz Randbedingungen el. Leistung Branche
Einheit MW
1)
Auslastung 2) Zuteilung ./. Tatsächlicher Ausstoß
h/a kt CO2 / a kt CO2 / a
Überschuss in Prozent
%
1)
Auslastung = Standardauslastung nach ZuG 2012
2)
Nach Veräußerungskürzung für Strom15,6%
GroßBHKW
GuD HKW
Gasturbinen HKW
10,9 Fernwärme
64,0 Fernwärme
24,2 Papier
7.500
7.500
8.000
44,6 39,5 12,9
244,1 215,1 13,4
124,1 116,0 7,0
3.3 Klimaschutzrechtliche Rahmenbedingungen
135
Aus dem Ergebnis wird erkennbar, dass KWK-Anlagen tendenziell eine höhere Anzahl von EB erhalten, verglichen mit dem tatsächlichen Emissionsausstoß. Im wirklichen Betrieb werden KWK-Anlagen der Fernwärmeversorgung wegen der Witterungsabhängigkeit des Wärmebedarfs meistens mit einer niedrigeren Vollbenutzungsstundenzahl als die Standardauslastung nach ZuG 2012 betrieben, wodurch der Überschuss an EB weiter ansteigt. Industriekraftwerke werden dagegen durchgehend eingesetzt, weil sie in Kraft-Wärme-Kopplung Prozessdampf für die Produktion erzeugen. Sie erreichen zwischen 7.000 und 8.000 Vollbenutzungsstunden pro Jahr. Die im ZuG 2012 vorgesehene Standardauslastung ist deshalb für Industriekraftwerke angemessen. Beispiel 3.9: Emissionsbilanz für KWK-Anlagen GroßBHKW
GuD HKW
h /a h /a
Erdgas 7 26.068 10.906 11.480 42% 86% 202 365 225 Fernwärme 7.500 7.500
Erdgas 2 GT + 1 DT 142.000 64.000 57.000 45% 85% 202 365 225 Fernwärme 7.500 7.500
Erdgas 2 71.770 24.170 35.875 34% 84% 202 365 225 Papier 8.000 8.000
MWh / a MWh / a MWh / a
195.510 81.795 86.100
1.065.000 480.000 427.500
574.160 193.360 287.000
t CO2 / a Zuteilung EB für Strom 1) t CO2 / a Zuteilung EB für Wärme t CO2 / a ./: Brennstoffemissionen t CO2 / a Überschuss t CO2 / a Überschuss in Prozent 1) Nach Veräußerungskürzung 15,6%
25.198 19.373 39.493 5.077 13%
147.869 96.188 215.130 28.926 13%
59.566 64.575 115.980 8.161 7%
Randbedingungen Randbedingungen Brennstoff Anzahl Module Brennstoffwärmeleistung elektrische Leistung, netto thermische Leistung elektrischer Wirkungsgrad Gesamtwirkungsgrad Brennstoff-Emissionsfaktor Zuteilung EB für Strom Zuteilung EB für Wärme Branche Typische Benutzungsdauer Standardauslastung Energiebilanz Brennstoffverbrauch Stromerzeugung Wärmeerzeugung Emissionsbilanz bei KWK
Einheit kW kW kW % % kg / MWh BR kg / MWh e l kg / MWh t h
Gasturbinen HKW
In der Abb. 3.4 wird für eine ausgewählte KWK-Anlage eine Gegenüberstellung der zugeteilten Emissionsberechtigungen mit dem tatsächlichen Emissionsausstoß in Abhängigkeit von der Auslastung gezeigt. Anla-
136
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
gen der Fernwärme-Versorgung erreichen in reinem KWK-Betrieb (ohne ungekoppelte Stromerzeugung) Vollbenutzungsstunden um die 6.000 h/a. Industrielle KWK-Anlagen werden üblicherweise mit 7.000 bis 8.000 h/a ausgelastet. 80%
50 45
70% 60%
35 50%
30
40%
25 20
30%
Überschuss
CO2-Emissionen kt /a
40
15 20% 10 10%
5 -
0% 5000
5500
6000
6500
7000
7500
8000
Auslastung h / a Zuteilung
IST
Überschuss
Abb. 3.4: Gegenüberstellung, Zuteilung von EB und tatsächlicher Ausstoß Fazit:
Kondensationskraftwerke der öffentlichen Energieversorgung mit deutlich niedrigerer Auslastung als die Standardauslastung werden trotz Veräußerungskürzung mit einer in den meisten Fällen auskömmlichen Anzahl von EB ausgestattet, Ausnahme Braunkohleund Grundlast-Steinkohlekraftwerke. Die kleineren Industriekraftwerke können den Benchmark-Emissionsstandard nicht erreichen, weil sie bedingt durch ihre Größe einen relativ niedrigeren elektrischen Wirkungsgrad aufweisen. Sie sind allerdings fast ausschließlich KWK-Anlagen und profitieren von der doppelten Zuteilung für Strom und für Wärme. Heizkraftwerke der Fernwärmeversorgung erhalten tendenziell eine höhere Anzahl von Emissionsberechtigungen, als sie tatsächlich benötigen, weil sie die Standardauslastung wegen der Witterungsabhängigkeit der Wärme meistens nicht erreichen.
3.3 Klimaschutzrechtliche Rahmenbedingungen
137
3.3.4.3 Kosten für Emissionsberechtigungen pro MWhel
Bei Kraftwerken erfolgt die Emissionszuteilung nach Benchmark. Nach ZuG 2012 werden 84,4% der „zugeteilten“ EB kostenlos zur Verfügung gestellt. Die restlichen 15,6% müssen auf dem Markt zu Marktpreisen erworben werden. In der dritten Handelsperiode soll es nach Neufassung der EU-Richtlinie sogar keine kostenlose Zuteilung mehr geben. Die Kostenbelastung pro MWhel in Abhängigkeit vom Zertifikatpreis für neue hocheffiziente Kraftwerke ist aus der Tabelle 3.25 zu ersehen. Tabelle 3.25: CO2-Kosten pro MWhel für hocheffiziente Kraftwerke Emissionen
Steinkohle Kraftwerk
Gas-GUD Kraftwerk
990
750
365
1)
Zuteilung EB Kostenlos
2)
tco2 / GWh el
Ausstoß
Braunkohle Kraftwerk
vom Markt
750 ZuG 2012
750 ab 2013
ZuG 2012
633
0
357
990
3,57 7,14 10,71 14,28 17,85
9,90 19,80 29,70 39,60 49,50
1) 2)
ZuG 2012
ab 2013
633
0
308
0
117
750
57
365
CO2-Kosten € / MWhel
Zertifikatpreis 0 € / tco2 10 € / tco2 20 € / tco2 30 € / tco2 40 € / tco2 50 € / tco2
365 ab 2013
1,17 2,34 3,51 4,68 5,85
7,50 15,00 22,50 30,00 37,50
0,57 1,14 1,71 2,28 2,85
3,65 7,30 10,95 14,60 18,25
Hocheffiziente Kraftwerke mit Standardauslastung und Effizienzstandard=1 Kostenlos 84,4 % der EB nach Veräußerungskürzung gemäß ZuG 2012, bzw. 0 nach 2013
Die Rechnung Tabelle 3.25 gilt aber „nur“ für hocheffiziente Kraftwerke nach BAT Standard. Braunkohlekraftwerke oder sonstige Kondensationskraftwerke, die den Effizienzstandard nach BAT nicht erreichen, verursachen höhere Emissionen als sie zugeteilt bekommen. Bei BraunkohleKraftwerken ist dies immer der Fall. Das trifft auch zu für die meisten bestehenden Kondensationskraftwerke mit Inbetriebnahme vor dem 1.1.2003, die EB nach Benchmark auf der Basis der Nettoproduktion in der Basisperiode zugeteilt bekommen. In der Abb. 3.5 werden die spezifischen Kosten für EB, die auf dem Markt „zusätzlich“ erworben werden müssen, in Abhängigkeit vom Wirkungsgrad der Anlagen gezeigt. Der dargestellte Wirkungsgradbereich gilt für bestehende Anlagen bis Anlagen nach BAT. Die Auslastung wird dabei nach der derzeitig üblichen Einsatzweise festgelegt. Die Berechnung wird für einen Fall auch in Beispiel 3.10 gezeigt.
138
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen 18,0
Auslastung h / a BK-KW: 7.000 SK-KW: 5.500 GuD-KW: 5.000
Spez. CO2-Kosten € / MWhel
16,0 14,0
Emissionsberechtigungen: Zuteilung nach Benchmark davon: 88,4 % kostenlos Rest vom Markt Ohne anteilige Kürzung! Zertifikatpreis 30 € / tCO2
12,0 10,0 8,0 6,0 4,0 2,0
55,0%
54,0%
53,0%
52,0%
51,0%
50,0%
49,0%
48,0%
47,0%
46,0%
45,0%
44,0%
43,0%
42,0%
41,0%
40,0%
39,0%
38,0%
37,0%
36,0%
35,0%
0,0
elektrischer Nettowirkungsgrad
BK-KW
SK-KW
GuD_kW
Abb. 3.5: Spez. CO2-Kosten pro MWhel in Abhängigkeit von el. Wirkungsgrad Beispiel 3.10: CO2-Emissionen und Kosten für EB für Kraftwerke Merkmal
Einheit
Leistungs- u. Energiebilanz Nettoleistung el. Nettowirkungsgrad Brennstoff 1) Auslastung, typischer Einsatzbereich: Effektive Auslastung, typischer Einsatz Standardauslastung nach ZuG-2012 Nettostromerzeugung nach effektiver Auslastung gemäß Standardauslastung Brennstoffverbrauch effektiv Emissionsbilanz Brennstoff-Emissionsfaktor
MW -
6.000 6.000 13.158
6.000 6.000 10.842
t_CO2 / GWhth
410
342
202
t / GWhel
750
750
365
84,4%
84,4%
84,4%
tatsächliche Emissionen
6,07
4,50
2,19
Zuteilungvon von EB mit Veräußerungsfaktor
Mio t_CO2 / a
4,18
3,80
1,85
Mio t_CO2 / a
1,89
0,70
0,34
€ / t_CO2
30,00
30,00
30,00
Mio € /a € / MWhel Mio € /a € / MWhel
56,68 8,59 182,02 27,58
21,06 3,51 135,00 22,50
10,25 1,71 65,70 10,95
Kosten bei Zuteilung mit Veräußerungsfaktor Kosten bei Null Zuteilung von EB
2)
6.600 6.600 14.798
% Mio t_CO2 / a
Zukauf Kosten für Zukauf von EB Certifikatpreis
1)
800 55,3% Erdgas Mittellast 7.500 7.500
GWh /a GWh /a GWh /a
800 44,6% Braunkohle Grundlast 8.250 8.250
GuD-Kond. Kraftwerk
800 45,6% Steinkohle Mittellast 7.500 7.500
h/a h/a
Standard- Emissionswert ZuG 2) Veräußerungsfaktor KFver nach ZuG
Damf-Kond. Kraftwerk
1)
Vollbenutzungsstunden der Steinkohle- und GuD-Kraftwerks so eingesetzt, dass die EB nicht überschritten werden Veräßerungsbedingte Reduzierung der EB ca. 15,6%
3.3 Klimaschutzrechtliche Rahmenbedingungen
139
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass es sich dabei um die tatsächlichen Kosten der Kraftwerksbetreiber handelt. Bei der Preisbildung werden üblicherweise auch Kosten für die kostenlos zugeteilten EB als so genannte Opportunitätskosten mit der Begründung berücksichtigt, dass diese EB bei Nicht-Nutzung veräußert werden können. 3.3.4.4 Berechnung der anteiligen Kürzung
Bei einer Budgetüberschreitung erfolgt die anteilige Kürzung für Bestandsanlagen der Energiewirtschaft durch die Anwendung eines Kürzungsfaktors auf die Zuteilungsmenge gemäß den Zuteilungsregeln nach Anhang 5 ZuG 2012. Dieser wird auf der Basis des so genannten Effizienzstandards der betreffenden Anlage und eines Anpassungsfaktors ermittelt. Der Effizienzstandard ist wiederum abhängig von den so genannten Produktstandards und den Emissionen der Anlage im Referenzjahr, wie nachstehend angegeben. Tabelle 3.26: Produktstandards zur Berechnung der anteiligen Kürzung Produkt "i " Brennstoff
Strom
1)
g / kWh el Braunkohle
Wärme
Wellenarbeit
g / kWh t h
g / kWhmech
990
400
530
Sonstige Brennstoffe
750
gasförmige Brennstoffe
365
225
bis 31.Dez 2004
bis 31.Dez.2005
nach31.Dez.2005
2005
2006
Folgejahr
Inbetriebnahme Referenzjahr
1)
gemäß ZuG 2012, Anhang 5
bezogen auf Nettoerzeugung
Die Berechnung erfolgt schließlich nach folgenden Formeln: AK = AF × (1 − ES ) × EB
ES =
∑ PS × P i
i
EM RJ
Darin bedeutet: AK: Anteilige Kürzung AF: Anpassungsfaktor = 0,489 [DEHSt Feb08] ES: Effizienzstandard der Anlage EB: Menge Emissionsberechtigungen nach ZuG 2012, vor Kürzung Produktstandards für erzeugte Produkte „i“ PSi: Nettoproduktion im Referenzjahr Pi: Emissionen der Anlage im Referenzjahr EMRF:
Gl. 3.6 Gl. 3.7
140
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
Zu beachten ist, dass der Produktstandard für Braunkohle und für Wärme aus nicht-gasförmigen Brennstoffen höher ist als der Benchmark für die Zuteilung von EB. Im Beispiel 3.11 wird die anteilige Kürzung für ein SteinkohleKraftwerk der öffentlichen Energieversorgung im Süden Deutschlands einmal mit Wärmeauskopplung und zum Vergleich als reines Kondensationskraftwerk ermittelt. Es handelt sich in beiden Fällen um dasselbe Kraftwerk, wobei beide Betriebsfahrweisen technisch möglich sind. Als Stromeinbuße für die Wärmeauskopplung werden dabei 0,15 kWhel/kWhth angesetzt. Das Ergebnis der Berechnung ist auch nachstehend zusammengefasst zu ersehen. Tabelle 3.27: Ergebnisübersicht, Beispiel anteilige Kürzung
Effizienzstandard 1)
Kürzungen, gesamt % Kosten für Zukauf von EB [€ / MWhel] 1)
Mit Wärmeauskopplung
Nur Kond.- Strom
0,91 17 8,36
0,77 27 12,88
Veräußerungskürzung für das Produkt Strom plus anteilige Kürzung
Beispiel 3.11: Berechnung der anteiligen Kürzung Position
Einheit
Technische Parameter Baujahr El. Nettoleistung Wärmeauskopplung Brennstoff Referenzjahr Nettostromerzeugung P A Wärmeauskopplung P Q Brennstoffverbrauch Emissionen EM RJ Effizienzstandard Produktstandards: Strom PS A
342 t CO2/GWhBr
Wärme PS Q Effizienzstandard: ES =( PS A* P A +PS Q *P Q ) / EM RJ Zuteilung von EB Zuteilung EB vor Kürzungen davon für Strom
750
davon für Wärme
345
Kürzungen gesamt (bez. auf Zuteilung EB):
Mit Wärmeauskopplung
Nur Kond.- strom
MW el
1985 640
1985 691
MMth -
340 Steinkohle
Steinkohle
GWh /a
3.040
3.282
GWh /a GWh /a tCO2 / a
1.615 9.378 3.207.227
9.378 3.207.227
tCO2 / GWhth
750
750
tCO2 / GWhth
400
400
0,912
0,768
tCO2 / a
2.837.175
2.461.688
t CO2 / a
2.280.000
2.461.688
t CO2 / a
557.175
-
tCO2 / a
477.333
663.846 384.023
t CO2 / a
355.680
davon anteilige Kürzung AK= 0,489*(1-ES)*EB
t CO2 / a
121.653
279.823
Kostenlose Zuteilung, EB nach Kürzungen Kürzung gesamt, bez. auf Zuteilung vor Kürzungen Kosten Differenz EM RJ - EB netto 30 € / t CO2 Jahreskosten Spezifische Kosten
tCO2 / a %
2.359.842 16,8
1.797.842 27,0
847.385 25,4 8,36
1.409.386 42,3 12,88
davon Veräußerungskürzung, S
15,60%
tCO2 / a Mio € / a € / MWhel
3.3 Klimaschutzrechtliche Rahmenbedingungen
141
Aus dem Ergebnis wird deutlich, dass durch die Wärmeauskopplung der Effizienzstandard der Anlage beträchtlich erhöht und die anteilige Kürzung stark reduziert wird im Vergleich zum Kondensationsbetrieb (siehe Berechnung im Beispiel 3.11). Der Grund ist, dass durch die Auskopplung von 1 MWhth zwar 0,15 MWhel bzw. 112 EB (0,15x750=112) eingebüßt werden, andererseits kommen aber 400 EB/MWhth für die ausgekoppelte Wärme hinzu. KraftWärme-Kopplung wird durch die Regelung begünstigt. 3.3.5 Geplante Änderungen für die 3. Handelsperiode 3.3.5.1 Vorschläge zur Novellierung der Emissionshandelsrichtlinie
Am 23.01.2008 hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Novellierung der Emissionshandelsrichtlinie für die Periode 2013 - 2020 vorgestellt, dessen Hauptmerkmale in Tabelle 3.28 zusammengefasst werden: Tabelle 3.28: Vorschläge zur Novellierung der EU-Emissionshandelrichtlinie Änderungen des EU-ETS für die 3. Handelsperiode 2013 - 2020 o Einbeziehung des Luftverkehrs in das EU- EHS o Einbeziehung weiterer THG (N2O, PFC, CO2Emissionen aus der Herstellung von petrochemischen Ausweitung auf Erzeugnissen sowie Ammoniak und Aluminium neue Sektoren o Anlagen, die THG-Emissionen abscheiden, befördern und speichern (CCS) sollen in das Gemeinschaftssystem einbezogen werden o Zertifikate sollen ab 2013 in einem Gemeinschaftsregister erfasst werden Europäisches Registrierungs- o Abschaffung der NAPs o Harmonisierte gemeinschaftsweite Vorschriften system o Europäische Allokation von Zertifikaten o Feuerungsanlagen mit einer Feuerungswärmeleistung von > 20 MW aber < 25 MW, die in jedem der drei Harmonisierte Jahre vor der Antragsstellung weniger als 10 000 t CO2 Vorschriften emittiert haben, werden vom EHS ausgeschlossen o Stromsektor vollständige Versteigerung ab 2013 o Energieintensive Industrie, ab 2013 zunächst 80% kosVersteigerung tenfreie Zuteilung. Jährlich lineare Reduzierung bis von 2020, danach vollständige Versteigerung Zertifikaten Ausnahmeregelungen möglich bei Risiko der Standortverlagerung aufgrund hohem Wettbewerbsdruck (CO2-Verlagerungsgefahr) o 20% der Versteigerungserlöse müssen für bestimmte, dem Klimaschutz dienende Zwecke verwendet werden
142
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
KWKFernwärme kostenfreie EB EU-weite Versteigerung Nationale Ausgleichsprojekte Erneuerbare Energien
Zertifikate aus CDM/JI Projekten
o Zur Förderung einer effizienten Stromerzeugung könnten für die von Stromgeneratoren erzeugte Fernwärme oder die von ihnen an Industriebetriebe gelieferte Wärme kostenfreie Zertifikate vergeben werden. o Die in der EU ansässigen Unternehmen sollen in sämtlichen Mitgliedstaaten Rechte erwerben können o Finanzsektor kann mitsteigern o Minderungsmaßnahmen, die zum einen nicht unter das System des europäischen Emissionshandels fallen und aufgrund des mangelnden grenzüberschreitenden Aspektes nicht als CDM/JI anerkannt werden o Anteil soll bis 2020 auf 20% des Primärenergieverbrauches steigen o 10% Biokraftstoff-Mindestanteil bis 2020 Generell o CDM-Zertifikate sind ab 2013 für 8-Jahreszeiträume gültig (bisher wahlweise 1x10 oder 3x7 Jahre) o Zertifikate aus Senkenprojekten können auch nach 2012 weiterhin nicht angerechnet werden Kein neues internationales Klimaschutzabkommen o Anlagenbetreiber können ab 2013 CDM/JI-Zertifikate aus der Periode 2008-2012 verwenden, die sie noch nicht aufgebraucht haben o Zertifikate aus neuen Energieeffizienz- und Erneuerbare Energien-Projekten können verwendet werden, wenn Abkommen mit den betreffenden Gastländern geschlossen werden und diese Zertifikate nicht die Gesamtmenge der zur Verfügung stehenden Zertifikate erhöhen o CDM-Zertifikate aus Projekten in Least Developed Countries können verwendet werden, ohne dass zunächst ein Abkommen geschlossen werden muss Neues internationales Klimaschutzabkommen o Die anrechenbare Menge von CDM-Zertifikaten wird automatisch um die Hälfte der zusätzlich nötigen Anstrengung erhöht o Es werden nur Zertifikate von Projekten in Ländern akzeptiert, die das neue Abkommen ratifiziert haben
3.3.5.2 Auswirkungen der Versteigerung auf die Industrie
Der Neufassung der EU Emissionshandelsrichtlinie für die Post-KyotoPeriode kommt nicht nur eine klimapolitische, sondern auch eine industrielle, energiepolitische und außenpolitische Bedeutung zu. Angesichts
3.3 Klimaschutzrechtliche Rahmenbedingungen
143
der sehr ambitionierten Ziele der EU (21% bis 2020 mit Basisjahr 1990, bzw. 30% sollte ein internationales Nachfolgeabkommen unterzeichnet werden) und sogar noch weitergehende Ziele in Deutschland (14% bis 2020 mit Basisjahr 2005) wird die vorgesehene Ausgestaltung des Emissionshandelssystems „EHS“ die wirtschaftliche Entwicklung großer Teile der Industrie in Deutschland und Europa aller Voraussicht nach drastisch verändern. Besonders kritisch sind die Vorschläge hinsichtlich Versteigerung von Zertifikaten und Ausnahmeregelungen für energieintensive Industrien. 3.3.5.3 Ungleiche Belastung der Mitgliedstaaten
Anlagen der Energiewirtschaft sollen ab 2013 keine kostenlose Zuteilung von EB erhalten. Betroffen sind aber nur fossilthermische Kraftwerke, nicht Kernkraftwerke oder Wasserkraftwerke. Der Energiemix bei der Stromproduktion ist aber in der EU sehr unterschiedlich, wie die Länderauswahl in der nachstehenden Tabelle zeigt. Folglich würde die Stromproduktion in Polen extrem, in Frankreich dagegen nur marginal teuerer. Tabelle 3.29: Nettostromerzeugung aus fossilthermischen Kraftwerken
fossilthermisch
Polen 98%
Deutschland 61%
Österreich 36%
Frankreich 10%
Quelle: Statistical Yearbook UCTE 2006 3.3.5.4 Klärungsbedarf hinsichtlich energieintensive Industrie
Kostenlose Zuteilung an energieintensive Industrieanlagen soll beginnend ab 2013 stufenweise bis auf Null in 2120 reduziert werden. Ausnahmen sollen nur bei Gefahr der Standortverlagerung zugelassen werden. Welche Anlagen energieintensiv sind und wann die Gefahr der Standortverlagerung besteht, ist klärungsbedürftig. 3.3.5.5 Folgen der Einbeziehung von CCS im EU-ETS
Im Zuge der vollständigen Versteigerung der EB ab 2013 werden die Kraftwerksbetreiber vor die Wahl gestellt, EB auf dem Markt zu erwerben oder CO2-Abscheidesysteme zu installieren. In den nachfolgenden zwei Abbildungen wird der Break even point der Zertifikatpreise dargestellt, bei dem CO2-Abscheidesysteme rentabel werden. Die Darstellung wird gezeigt für ein modernes Steinkohlekraftwerk nach BAT mit super kritischen Frischdampfparametern (BAT- USC) sowohl für Grundlast- als auch für Mittellast-Fahrweise. Die zugehörigen Berechnungen wurden im „Kapitel
144
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
6.4-„Verfahren zur CO2-Abscheidung“, Beispiel 6.5“ durchgeführt. Es wird von der Annahme ausgegangen, dass auch Kraftwerke mit CCS Zertifikate für die Restemissionen erwerben müssen. Bei den Berechnungen wurde ein Abscheidegrad von 90% zugrunde gelegt. Aus der Darstellung wird ersichtlich, dass ein erheblicher Optimierungsbedarf für die CO2-Abscheideverfahren notwendig ist, damit die CO2-Abscheidung zu erträglichen Kosten anwendbar wird. Potentiale liegen bei den Investitionsausgaben sowie bei einer Erhöhung der Abscheidegrade.
Stromgestehungskosten € / MWh
100 90 80 70 60 Steinkohlekraftwerk USC-BAT Leistung ohne Abscheidung 900 MW Brennstoffpreis 80 € / t SKE Grundlast-Fahrweise 7.500 h / a Abscheidegrad 90%
50 40 30 0
10
20
30
40
50
60
70
Zertifikatspreis € / tco2 ohne Abscheidung
Post Combustion
Oxy-Fuel
Abb. 3.6: Break even CO2-Zertifikatspreis bei Grundlastfahrweise
Stromgestehungskosten € / MWh
100 90 80 70 Steinkohlekraftwerk USC-BAT Leistung ohne Abscheidung 900 MWel Brennstoffpreis 80 € / t SKE Mittellast-Fahrweise 5.500 h / a Abscheidegrad 90%
60 50 40 30 0
10
20
30
40
50
60
Zertifikatspreis € / t co2 ohne Abscheidung
Post Combustion
Oxy-Fuel
Abb. 3.7: Break even CO2-Zertifikatspreis bei Mittellastfahrweise
70
0 Literaturverzeichnis
145
Literaturverzeichnis [13. BImSchV] Verordnung über Großfeuerungs- und Gasturbinenanlagen, Dreizehnte Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2004. [Arbeitsblatt FW 308] Arbeitsblatt 308, Zertifizierung von KWK-Anlagen - Ermittlung des KWK-Stromes, Arbeitsgemeinschaft für Wärme und Heizkraftwirtschaft - AGFW E.V. beim VDEW [ASUE KWK-Gesetz 2002] Arbeitsgemeinschaft für Sparsamen und Umweltfreundlichen Energieverbrauch E.V. [BDEW] Aktuelle Daten zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft e.V. http://www.bdew.de/bdew.nsf/id/DE_EEG-Monatsprognosen [BMU Z/III 1] Mindestvergütungssätze nach dem neuen Erneuerbare-EnergienGesetz (EEG) von 21. Juli 2004. http://www.windenergie.de/fileadmin/dokumente/Gesetze/verguetungssaetze_nach_eeg.pdf [DEHSt Mai08] Die Zuteilung von Emissionsberechtigungen in der Handelsperiode 2008-2012, Umweltbundesamt DEHSt, Mai 2008 [DEHSt Feb08] Erste Ergebnisse des Zuteilungsverfahrens 2012, Umweltbundesamt DEHSt, Feb 2008 [DowJones] Dow Jones Energy Daily, Dow Jones News GmbH, Frankfurt am Main (erscheint Montag bis Freitag als Abonnenten- Service im Internet mit aktuellen Informationen über die gesamte Energiewirtschaft). [EEX]-EEX-Internetseite, Quartalspreis gemäß KWK-Gesetz [EU-EHS-Richtlinie] Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.10.2003 über ein System für den Handel mit Treibhausemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates. [EU-EHS-Vorschlag] Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des EU-Systems für Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten [Fichtner Emissionshandel] www.emissionshandel-Fichtner.de/, [www.klimahandel.info] [IPCC AR4] IPCC Fourth Assessment Report. Climate Change 2007 http://www.ipcc.ch/ipccreports/assessments-reports.htm [Kyoto-Protokoll] Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, 11. Dezember 1997 [NAP II] Nationaler Allokationsplan 2008-2012 für die Bundesrepublik Deutschland vom 28. Juni 2006, Vorlage bei der EU-Kommission zur Genehmigung, BMU. [Praxishandbuch Energiebeschaffung] Wolfgang Zander, Martin Riedel, Michael Kraus, Deutscher Wirtschaftsdienst, ständig aktualisierte Loseblattsammlung
146
3 Energierechtliche Rahmenbedingungen
[ProMechG] Gesetz über projektbezogene Mechanismen nach dem Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (Projekt-Mechanismen -Gesetz) vom 11. Dezember 1997 [TA-Luft] Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz, TA Luft - Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft, vom 24. Juli 2002. [TEHG] Gesetz über den Handel mit Emission von Treibhausgasen (Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz) vom 28.Juli 2004 zuletzt geändert am 21. Dezember 2007. [VDN] Beschreibung der Abwicklung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtes der Erneuerbaren Energien im Strombereich – EEG-Verfahrensbeschreibung, VDN - Verband der Netzbetreiber e.V. beim VDEW - http://www.vdnberlin.de [VDN] Aktualisierung Kapitel 13 (Besondere Ausgleichsregelung − § 16 EEG), Stand 25. April 2008, - http://www.vdn-berlin.de [VDN Verfahrensbeschreibung KWK_G] Verfahrensbeschreibung zur Umsetzung des Gesetzes für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, VDN - Verband der Netzbetreiber e.V. beim VDEW - http://www.vdn-berlin.de [VV II plus] Verbändevereinbarung II plus. Anlage 6, Ermittlung des Entgeltes für vermiedene Netznutzungsentgelte bei dezentraler Einspeisung [Wikipedia] http://de.wikipedia.org/wiki/Treibhausgas [ZuG 2007] Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan für TreibhausgasEmissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 (Zuteilungsgesetz 2005 bis 2007) vom 26.August 2004 [ZuG 2012] Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan für TreibhausgasEmissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2008 - 2012 (Zuteilungsgesetz 2008 bis 2012) vom 7.August 2007 [ZuV 2012] Verordnung über die Zuteilung von TreibhausgasEmissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 (Zuteilungsverordnung 2012)
4. Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
4.1 Finanzmathematische Grundlagen 4.1.1 Der Zeitwert des Geldes, Aufzinsen, Abzinsen, Barwert
In der Finanzmathematik werden Zahlungen und Zahlungsreihen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen, rechnerisch erfasst und vergleichbar gemacht. Unter dem Begriff „Zahlung“ versteht man im Allgemeinen einen Geldbetrag, der eingenommen oder ausgegeben wird. Für den Wert einer Zahlung ist neben ihrer Höhe auch ihr Fälligkeitszeitpunkt maßgebend. Grund hierfür ist, dass angelegtes Geld im Laufe der Zeit Zinsen erwirtschaften kann. Deshalb wird ein heute angelegter Geldbetrag zu einem späteren Zeitpunkt durch die akkumulierten Zinsen einen höheren Wert haben als der ursprünglich angelegte Betrag. Umgekehrt hat ein zu einem späteren Zeitpunkt fälliger Betrag zum heutigen Zeitpunkt weniger Wert als ein heute fälliger Betrag derselben Höhe. Man spricht in diesem Zusammenhang vom Zeitwert einer Zahlung (time value of money). Wenn z.B. ein Betrag "K0" mit einem Zinssatz von "i" für "n" Jahre angelegt wird, dann wächst sein Wert wie folgt: Tabelle 4.1: Zeitwert einer Zahlung Zinsperiode, Jahr Angelegter Betrag Am Ende des 1. Jahres Am Ende des 2. Jahres . . Am Ende des n-ten Jahres
Zeitwert der Zahlung K0 K0 + ixK0 = K0x(1+i) = K0xq 1 K0x(1+i) + K0x(1+i)xi = K0xx(1+i) 2 = K0xq 2 : . K0x(1+i) n =K0xq n
Diese Art der Verzinsung wird exponentielle nachschüssige Verzinsung genannt. Das bedeutet, am Ende jeder Zinsperiode (nachschüssig) werden
148
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
die Zinsen dem Kapital zugeschlagen und generieren Zinseszinsen. Das angelegte Kapital wächst so exponentiell. Die Rechenvorschrift zur Ermittlung des künftigen Wertes einer Zahlung wird als Aufzinsen oder Akkumulieren (compounding) bezeichnet und lautet: K t = K0x(1+ i) n = K0x q n Gl. 4.1 Der Term „q = (1+i)“ wird Aufzinsungsfaktor genannt. Der Zinssatz „i“ (interest rate or rate of return) geht als Dezimalzahl in die Formel ein. Die Rechenvorschrift zur Ermittlung des heutigen Wertes einer zukünftigen Zahlung wird als „Abzinsen oder Diskontieren“ (discounting) bezeichnet. Die Rechenvorschrift wird durch Umformung aus der Formel für das Aufzinsen abgeleitet und lautet: K0 = K t / (1 + i) n = K t / q n
Gl. 4.2
Hierin bedeuten: Heutiger bzw. künftiger Zahlungsbetrag, Nominalwert K0, K t: i: Zinssatz, als Dezimalzahl (z.B. 0,05 anstatt 5%) q = (1+i): Auf- bzw. Abzinsungsfaktor (compound resp. discount factor) n: Zeitdauer in Jahren
Der Wert einer Zahlung, die zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt fällig ist, entspricht ihrem Nominalwert zum Fälligkeitszeitpunkt zu- bzw. abzüglich Zinsen und Zinseszinsen. Der Wert der Zahlung zum heutigen Zeitpunkt wird Barwert (present value) genannt. Nach dem Äquivalenzprinzip der Finanzmathematik sind Zahlungen nur dann vergleichbar und können addiert oder subtrahiert werden, wenn sie vorher auf denselben Bezugszeitpunkt auf- oder abgezinst werden. Anmerkung: Bei den oben genannten Formeln wurde von einer Verzinsung am Ende der Zinsperioden (nachschüssige Verzinsung) ausgegangen. Bei einer vorschüssigen Verzinsung erfolgt die Zinszahlung am Anfang der Zinsperiode. Beispiel 4.1: Aufzinsen, Abzinsen Man zahlt einen einmaligen Betrag von 1.000 € in einen Sparvertrag für die Dauer von 5 Jahren. Der Zinssatz beträgt 6%. Welcher Betrag wird nach 5 Jahren ausbezahlt. K5 = 1.000x1,06 5 = 1.000x1,338 = 1.338 € Ein Betrag von 1.000 € soll in 5 Jahren ausbezahlt werden. Welchen Wert hat er heute (Zinssatz 6% wie oben): K0 = 1.000 / 1,065 = 1.000 / 1,338 = 747 €
4.1 Finanzmathematische Grundlagen
149
4.1.2 Zinssatz und Inflation 4.1.2.1
Nominalzins
Als Zinssatz wird der Preis für geliehenes oder investiertes Kapital bezeichnet. Er wird meistens als Prozentsatz pro Periode angegeben, in Rechnungen jedoch i.d.R. als Dezimalzahl verwendet. Ein Investor, der heute einen Betrag anlegt, erwartet, dass er zum späteren Fälligkeitszeitpunkt mindestens den ursprünglichen Betrag zuzüglich dem Inflationsausgleich und einer zusätzlichen Nettorendite zurückbekommt. Das Kapital kann für eine Finanzinvestition (z.B. staatliche Schuldverschreibung) oder für eine Sachinvestition (z.B. ein Kraftwerk) Verwendung finden. Falls es sich um eine Sachinvestition handelt, kommt je nach Höhe des Risikos auch ein entsprechender Risikozuschlag hinzu. Mit anderen Worten, der Zinssatz muss gleich sein mit der durchschnittlichen jährlichen Inflationsrate zuzüglich der real erwarteten Rendite und dem eventuellen Risikozuschlag, was zusammen als nominaler Zinssatz (nominal rate of return) bezeichnet wird. Die Höhe des nominalen Zinssatzes ist deshalb immer abhängig von der Inflationsrate. Der Risikozuschlag hängt von der Art der Investition und dem Investitionsstandort ab. Ein Anhaltspunkt für die Entwicklung der Nominalzinsen für Finanzinvestitionen kann aus den Renditen (= nominale Zinsen) langfristiger staatlicher Schuldverschreibungen entnommen werden. Sie zeigen in den letzten Jahren eine stark fallende Tendenz, wie aus der Abb. 4.1 zu ersehen ist. 12,0 11,0 10,0 9,0
Prozent / a
8,0 7,0 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0
Eurozone
Deutschland
Österreich
USA
Abb. 4.1: Renditen längerfristiger staatlicher Schuldverschreibungen
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
Quelle: Österreichische Nationalbank [ÖΝΒ] 1990
0,0
1991
1,0
150
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
Finanzinvestitionen dieser Art sind praktisch ohne Risiko und die Renditen enthalten folglich keinen Risikozuschlag. 4.1.2.2
Inflation, Preisindizes
Die Ursache für die abnehmende Tendenz der Zinssätze wird deutlich, wenn man den Verlauf der Inflationsraten im selben Zeitraum − Abb. 4.2 − betrachtet. Sie zeigen ebenfalls eine stark abfallende Tendenz, wobei ihr Verlauf jedoch von relativ stärkeren Schwankungen gekennzeichnet ist. 6,0
5,0
Prozent
4,0
3,0
2,0
1,0
Eurozone
Deutschland
Österreich
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
Quelle: Wirtschaftskammer Österreich [WKÖ] 1990
0,0
USA
Abb. 4.2: Harmonisierter Verbraucherpreisindex, Jahresinflationsraten 4.1.2.3
Realer Zinssatz
In der Regel ist eine Prognose der Inflationsraten für längere Investitionszeiträume, wie für Investitionen im Energiebereich, nicht möglich. Um diese Unsicherheit zu umgehen, werden gewöhnlich Investitionsrechnungen inflationsbereinigt (inflation adjusted) durchgeführt. Dabei wird bei Zahlungsströmen nur die über die Inflationsrate hinausgehende Steigerungsrate in der Kalkulation berücksichtigt. Wenn z.B. die angenommene Steigerungsrate der Personalkosten mit 2,5% und die der Inflationsrate mit 2% angenommen wird, dann beträgt die reale Steigerungsrate der Personalkosten 0,5%. Das Gleiche muss auch mit dem Zinssatz, mit dem die Zahlungsreihen diskontiert werden, geschehen.
4.1 Finanzmathematische Grundlagen
151
Der inflationsbereinigte Zinssatz wird als realer Zinssatz (real rate of return) bezeichnet. Zur Bestimmung des realen Zinssatzes muss der jeweilige Nominalzinssatz um die Inflationsrate bereinigt werden. Zur Inflationsbereinigung wird oft die Inflationsrate vom nominalen Zinssatz subtrahiert. ir = in – r % Gl. 4.3 Eine finanzmathematisch exaktere Methode ist die Inflationsbereinigung durch Division (quasi Diskontierung) des nominalen Zinsfaktors durch den Inflationsfaktor nach der Rechenvorschrift: qr = (1+in)/(1+r) = qn / p
und
qr=1+ir
folgt: Gl. 4.4
ir = q n / p – 1 In den obenstehenden Formeln bedeuten: in, ir : Nominaler, realer Zinssatz, als Dezimalzahl qn, qr: Nominaler, Realer Zinsfaktor (1+i) r: Inflationsrate, als Dezimalzahl Inflationsfaktor p:
Nachstehende Tabelle 4.2 zeigt die mögliche Abweichung des realen Zinssatzes nach der exakten bzw. näherungsweisen Berechnung. Bei relativ niedrigen Inflationsraten ist die Abweichung klein und steigt bei höheren Inflationsraten. Innerhalb der Eurozone und auch bei entwickelten Ökonomien sind die Inflationsraten niedrig. Hohe Inflationsraten kommen hauptsächlich in Entwicklungsländern vor. Tabelle 4.2: Realer Zinssatz, exakt und nach Näherungsformel Wertangabe
Position Inflationsrate r nominaler Zinssatz i n
0% 5%
5% 10%
10% 15%
15% 20%
20% 25%
realer Zinsatz i r , exakt
5,00%
4,76%
4,55%
4,35%
4,17%
realer Zinsatz i r , Näherung
5,00%
5,00%
5,00%
5,00%
5,00%
Da die zukünftige Inflationsrate nicht bekannt ist, wird die erwartete und nicht die tatsächliche Inflationsrate zur Inflationsbereinigung verwendet. Eine mögliche Vorgehensweise wäre dabei, die Durchschnittswerte der nominalen Zinssätze und der Inflationsraten der letzten 10-Jahresperiode als "erwartet" anzusetzen. In der nachstehenden Tabelle 4.3 sind die 10-Jahres-Mittelwerte sowie die Differenz zwischen Nominalzinssatz und Inflationsrate zu ersehen. Sie wurden aus den in den beiden vorigen Abschnitten angegebenen Werten für die nominalen Zinssätze und die Inflationsraten entnommen.
152
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
Tabelle 4.3: 10-Jahres-Mittelwerte Renditen und Inflation, 1995 – 2004 10-Jahresmittel 1998 - 2007 *) Land Eurozone Deutschland Österreich USA
Rendite nominal %
Inflationsrate %
Rendite real %
4,50 4,50 4,50 4,50
2,00 1,49 1,68 2,63
2,50 3,01 2,82 1,87
*) für staatliche Schuldverschreibungen
Bei den angegebenen Werten handelt es sich um die Renditen von Staatsanleihen. Je nach Industriezweig werden aber wesentlich höhere Renditen für das Eigenkapital erwartet, da Risikozuschläge hinzukommen. 4.1.2.4
Effektiver Zinssatz
Der nominale Zinssatz wird i.d.R. auf eine Zinsperiode von einem Jahr bezogen. Sind die Tilgungsperioden für einen Bankkredit kürzer als ein Jahr, dann steigt der Zinssatz und wird als effektiver Zinssatz (effective interest rate) bezeichnet. Dieser kann nach folgender Formel ermittelt werden: m
i ie = 1 + − 1 m
Gl. 4.5
Hierin bedeuten: i, ie: nominaler, effektiver Zinssatz als Absolutzahl m: Anzahl von Tilgungsperioden pro Jahr Beispiel 4.2: Effektiver Zinssatz Zinssatz 8% entspricht 0,08 als Absolutzahl, Tilgungsperiode = Quartal: 4
0,08 i e = 1 + − 1 = 0,0824 ≡ 8,24% 4 4.1.3 Ertragsteuern − Kalkulatorischer Zinssatz
Vor der Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung muss der Zinssatz festgelegt werden, der von dem Investitionsvorhaben mindestens erwartet wird (anticipated rate of return). Bei seiner Festlegung werden die Finanzierungsverhältnisse wie Eigen-, Fremdkapitalanteil (equity, borrowed capital), die Eigenkapitalrendite zzgl. Investitionsrisiko sowie die Ertragsteuern berücksichtigt. Er wird als Kalkulationszinssatz ("WACC"
4.1 Finanzmathematische Grundlagen
153
Weighted Average Cost of Capital) bezeichnet. Bei Investitionsrechnungen werden dann mit diesem Zinssatz die Zahlungsreihen diskontiert. Ertragsteuern sind in Deutschland die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer. Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) sind Körperschaftsteuerpflichtig. Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer (KSt) ist der körperschaftsteuerpflichtige Gewinn einer Kapitalgesellschaft. Das ist der Bruttogewinn (Bruttogewinn = Überschuss aus Einnahmen und Ausgaben abzüglich Abschreibungen). Der Körperschaftsteuersatz auf den Gewinn von Kapitalgesellschaften wurde in der Unternehmensteuerreform von 2008 [EStG] von 25% auf 15% gesenkt, zzgl. Solidaritätszuschlag von 0,83%. Bei Personengesellschaften (OHG, KG) haben die Gesellschafter oder die Unternehmer ein Wahlrecht zwischen der Gewinnbesteuerung mit dem persönlichen Einkommensteuersatz bzw. der Thesaurierungsbesteuerung. Bei der Thesaurierungsbegünstigung sollen Gewinne im eigenen Unternehmen investiert werden. Diese bereits bei Kapitalgesellschaften geltenden Steuervorteile werden nunmehr auf die Personenunternehmen ausgedehnt. Nicht entnommene Gewinne eines Wirtschaftsjahres werden bei Personengesellschaften vorerst nur mit 28,25% zzgl. Solidaritätszuschlag von 0,83% besteuert, bei späterer Entnahme müssen zusätzlich 25% zzgl. Solidaritätszuschlag nach versteuert werden. Die Gewerbesteuer (GewSt) ist eine kommunale Steuer. Bemessungsgrundlage ist der Gewerbeertrag. Das ist in erster Näherung der Bruttogewinn zuzüglich 50% der Zinsen für langfristiges Fremdkapital. Die Gewerbesteuer ist nicht mehr als Betriebsaugabe abzugsfähig. Die Gewerbesteuerzahlung lässt sich wie folgt ermitteln: GewSt = MZ × HSz × GewErtrag
Gl. 4.6
Darin bedeuten: GewStS: Gewerbesteuersatz [%] MZ: Messzahl 3,5%, als Dezimalzahl einzugeben = 0,035 HSz: Hebesatz, als Dezimalzahl einzugeben GewErtrag: Gewerbeertrag
Die Messzahl (MZ) ist für Kapitalgesellschaften einheitlich. Sie wurde in der Unternehmenssteuerreform von 2008 von 5% auf 3,5% gesenkt. Der Hebesatz (HSz) ist von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich und lag
154
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
2008 im Mittel bei ca. 400 %. (Liste der Hebesätze und Berechnungsschema siehe Internetseite von [DIHK]). Bei bisher auf Personenunternehmen angewendete Staffelung fällt weg. Gleichzeitig erhöht sich der Anrechnungsfaktor der Gewerbesteuer bei der Einkommenssteuer vom 1,8-fache auf das 3,8-fache. Beispiel 4.3: Berechung der Gewerbesteuer Gewinn: GewSt-Messzahl: GewSt-Hebesatz: Kst-Satz: SolZ:
100 3,5% als Dezimalzahl 0,035 400%, als Dezimalzahl 4,35 15% 0,83% 3,5 400 GewSt = × × 100 = 14 € 100 100
Steuerschuld, gesamt: 15 + 0,83 + 14 = 29,83 €
Die Berechnung des kalkulatorischen Zinssatzes inklusive Steuern ist relativ kompliziert. Der Grund dafür ist, dass die Berechnung in umgekehrter Reihenfolge als bei einer Gewinn- & Verlustrechnung erfolgt. Nachstehend wird das Rechenschema dargestellt: Tabelle 4.4: Rechenschema, kalkulatorischer Zinssatz Angaben in %
Eigenkapital
Anteile Rendite/Zins, nach Steuern Körperschaftsteuer KSt Gewerbesteuer GewSt Solidaritätszuschlag SolZ Summe Steuern Rendite/Zinsen inkl. Steuern Mischsatz, nom. inkl. Steuern ./. Inflationsrate Realer Mischzinssatz, inkl. Steuern
Darin bedeuten: EKA, FKA: EKR, FKZ: KStS; KSt: GewStS; GewSt: EKRst, FKZst: NMZS; RMZS:
Fremdkapital
EKA FKA EKR FKZ KSt = EKR / (1-KStS) 0 GewSt = EKR / (1-GewStS) GewSt=0,5xFKZ /(1-GewStS) SolZ = EKR / (1-SolZS) SolZ = FKZ / (1-SolZS) EKSt = KSt+GewSt+ SolZ FKSt= GewSt + SolZ EKRSt= EKR + EKSt FKZSt = FKZ + FKSt NMZS = EKA x EKRSt + FKA x FKZSt INF RMZS = NMZS - INF
Eigenkapital-, Fremdkapitalanteil Eigenkapitalrendite, Fremdkapitalzinssatz, nach Steuern Körperschaftsteuersatz; Körperschaftsteuer Gewerbesteuersatz; Gewerbesteuer Eigenkapitalrendite, Fremdkapitalzins, inkl. Steuern Nominal-, Realmischzinssatz
4.1 Finanzmathematische Grundlagen
155
Im nachstehenden Beispiel 4.4 wird die Berechnung des kalkulatorischen Zinssatzes gezeigt. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Höhe des Kalkulationszinssatzes, der von den Unternehmen in den verschiedenen Industriesektoren verlangt wird, sehr unterschiedlich sein kann. Der kalkulatorischer Zinssatz inkl. Steuern wird bei Kostenrechnungen zur Ermittlung des jährlichen Kapitaldienstes (€/a) benutzt (z.B. mit Hilfe der MS-Excel Annuitätsformel RMZ). Beispiel 4.4: Kalkulatorischer Zinssatz Position
St-Satz
Kapitalanteile EK-Rendite/FK-Zinssatz nach Steuern, nominal
Eigen-
Fremd-
kapital
kapital
35,0%
65,0%
12,00%
6,50%
15,00%
2,12%
0,00%
12,28%
1,68%
0,46%
0,83%
0,10%
0,05%
Rendite / Zinssatz inkl. KSt und GewSt, nominal
15,90%
7,01%
Zwischensumme, gewichtet für EK, FK
5,56%
4,56%
Körperschaftsteuer KSt Gewerbesteuer GewSt *)
3,5% MZ
400% HS
Solidaritätszuschlag
Kalkulatorischer Mischzinssatz, inkl. KSt und GewSt, nominal i N ./. Inflation r Kalkulatorischer Zinssatz, real, inkl. Steuern aufgerundet Ohne Körperschaft- und Gewerbesteuer, real, gerundet
10,12% 2,50% 7,43% 7,50% 6,0%
*) Druchschnittlicher GewSt-Hebesatz 2008
Barwertbildung mit nominal oder real Finanzmathematische Berechnungen können entweder mit dem nominalen oder mit dem realen Abzinsungsfaktor (1+Zinssatz/100) durchgeführt werden. Dabei ist folgendes zu beachten: Nicht-inflationsbereinigte Zahlungen werden mit dem nominalen Zinssatz abgezinst. Inflationsbereinigte Zahlungen werden mit dem realen Zinssatz abgezinst. Der Barwert ist in beiden Fällen gleich, sofern der Realzinssatz mit der exakten Formel nach Formel 4.4 bestimmt wurde. Im nachstehenden Beispiel 4.5 wird der Barwert einer künftigen Zahlung nach drei unterschiedlichen Methoden ermittelt. Damit soll bewiesen werden, dass im ersten und im zweiten Fall der Barwert genau gleich ist. Im dritten Fall ergibt sich eine Abweichung.
156
• • •
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
Die Zahlung wird mit dem nominalen Zinssatz abgezinst Die Zahlung wird erst von der Inflation bereinigt und mit dem exakt ermittelten realen Zinssatz abgezinst Wie oben, jedoch mit dem näherungsweise ermittelten realen Zinssatz abgezinst
Beispiel 4.5: Abzinsen einer Zahlung "nominal - real" Merkmal
Formel
Wert
Randbedingungen nominaler Zinssatz jährliche Inflationsrate Zinssatz, real, näherungsweise Inflationsfaktor nominaler Abzinsungsfaktor
in r ir = in - r p=1+r qn = 1 + in
15% 10% 5% 1,100 1,150
realer Abzinsungsfaktor, näherungsweise
qr = qn - r
1,050
realer Abzinsungsfaktor, exakt
qr = qn / p
1,045
Zinssatz, real, exakt
ir = qn / p - 1
4,5%
10.000 /1,1510
10.000 2.472
10.000 / 1,1010 3.855 / 1,04510 3.855 / 1,0510
3.855 2.472 2.367
Rechnung nominal Nominalwert einer Zahlung in zehn Jahren Barwert, abgezinst mit nominalem Abzinsungsfaktor
Rechnung real inflationsbereinigter Wert der Zahlung in 10 Jahren Barwert, abgezinst mit dem exakten Abzinsungsfaktor Barwert, abgezinst mit dem Näherungs- Abzinsungsfaktor
4.2 Zahlungsreihen 4.2.1 Aufbau von Zahlungsreihen
Die jährlichen Zahlungen (Einnahmen, Ausgaben) während der Betriebszeit von Energieprojekten fallen in der Praxis unregelmäßig an. Bei Investitionsrechnungen setzt man jedoch vereinfachend regelmäßige Zahlungsreihen voraus. Diese Zahlungsreihen sind in Wirklichkeit finanzmathematische Mittelwerte und haben die Form einer geometrischen Reihe. Bei einer geometrischen Reihe wird jedes Glied aus dem vorhergehenden durch Multiplikation mit einer Zahl, dem „Quotienten q“, wie nachstehend gebildet: Sn = kxq0+kxq1+kxq2+kxq3+…..+ kxqn-1
Gl. 4.7
Bei dieser Reihe wird am Ende jeden Jahres der konstante Betrag "k" eingezahlt und aufgezinst. Die Summenformel dieser geometrischen Reihe lautet:
4.2 Zahlungsreihen t =n
S n = k × ∑ q t −1 = k × t =1
qn −1 q −1
157
Gl. 4.8
Darin bedeuten: Sn: Summe aller Glieder der Zahlungsreihe k: Jährlicher Zahlungsbetrag, nominal q: Aufzinsungsfaktor t: Das entsprechende Jahr des Zahlungseingangs n: Anzahl der Jahre in der Periode
Falls der Betrag zu Beginn jeder Zinsperiode einbezahlt wird, trägt auch die erste Zahlung Zinsen. Dann müssen alle Glieder der Zahlungsreihe mit "q" multipliziert werden und die Summenformel lautet: t =n
Sn = k × ∑ qt = k × q × t =1
qn −1 q −1
Gl. 4.9
Bei Investitionsrechnungen werden gewöhnlich alle Zahlungen, z.B. Betriebsausgaben oder Einnahmen zum Inbetriebnahmezeitpunkt, gebarwertet und aufsummiert. Dabei geht man vereinfachend davon aus, dass die Zahlungen am Ende jeden Jahres nach Inbetriebnahme anfallen. Die entsprechende Zahlungsreihe bei jährlich gleichbleibenden Zahlungen lautet:
Sn =
k k k k + 2 + 3 + ....... + n 1 q q q q
Gl. 4.10
und die Summe aller Glieder der Reihe wird auch Rentenbarwert bezeichnet und lautet: t =n
S n = BWS = k × ∑ t =1
1 qn −1 = k × qt q n × (q − 1)
Gl. 4.11
Obige Formel findet bei Investitionsrechnungen am häufigsten Anwendung. Der Quotient (ohne den Faktor "k") wird auch Rentenbarwertfaktor oder hier einfach Barwertsummenfaktor "BWSF" genannt. In der Tabelle 4.5 sind die gebräuchlichsten Formeln für Zahlungsreihen zusammengestellt. Für einige der oben angegebenen Formeln sind bei Tabellenkalkulationsprogrammen wie MS-Excel Funktionen vorhanden, die bei Investitionsrechnungen mit diesem Tabellenkalkulationsprogramm eingefügt werden können. Ihre Bezeichnungen sind in der Tabelle vermerkt.
158
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
Tabelle 4.5: Formeln für ausgewählte Zahlungsreihen Barwertsumme, Zahlungen gleicher Höhe (Uniform series present value)
Sn k
k
k
k
t =n
BWS = k × ∑
…….
t =1
1 qn −1 = k × q n × ( q − 1) qt
Barwertsummenfaktor "BWSF": Quotient 1 2 3 ……. n Jahr (ohne "k") Excelfunktion: "BW" (F=0, eingeben) Bildet die Summe "BWS" der Barwerte einer Zahlungsreihe mit „n“ gleichbleibenden am Ende jeden Jahres fälligen Zahlungen "k" und wandelt die Zahlungsreihe in eine Einmalzahlung zum Bezugszeitpunkt zu Beginn des ersten Jahres um. Annuität (annuity)
Sn k
k
k
k
K0 q n × (q − 1) = K × 0 t =n 1 qn −1 ∑ t t =1 q Annuitätsfaktor an: Quotient (ohne „Ko“) AN =
……. 1
2
3
…….
n
Jahr
Excelfunktion: "RMZ" (F=0, eingeben) Verwandelt einen heute fälligen Betrag „K0“ in eine Zahlungsreihe aus „n“ gleichbleibenden Zahlungen „An“ (Annuitäten), fällig am Ende des jeweiligen Jahres. Der Annuitätsfaktor an ist der Kehrwert des Rentenbarwertfaktors. Sn k
k
k
k
Endwertsumme gleicher Zahlungen (uniform series compound amount) t =n
EWS = k × ∑ q
……. n
n-1
n-2 …….
t =1
1
t
(q =k×
n
)
−1 × q q −1
Jahr Endwertfaktor "EWSF": Quotient (ohne „k“) Excelfunktion: "ZW" (F=1, eingeben)
Verwandelt die Zahlungen "k" gleicher Höhe einer Zahlungsreihe, die zu Beginn des jeweiligen Jahres anfallen, in eine Einmalzahlung „EWS“ am Ende der Periode. Die Zahlungen können in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegen.
4.2 Zahlungsreihen
Sn 1 2 3 k*p k*p k*p
k*p
Barwertsumme eskalierender Zahlungen (Present value, series with escalation)
n
t =n
BWSesc= k × ∑
……
t =1
1
2
3
……
n
159
(
)
pt qn − pn × p = k × (q − p) × q n qt
keine Excelformel bekannt
Jahr
Verwandelt die um den Eskalationsfaktor „p“ steigenden Zahlungen einer Zahlungsreihe, die am Ende des jeweiligen Jahres anfallen, in eine Einmalzahlung "BWSesc" zum Bezugszeitpunkt (=Beginn des 1. Jahres). S n k *p
1
k *p
2
k *p
3
k *p
n
Annuität eskalierender Zahlungen (annuity of a series with escalation)
… … 1
2
3
… …
n
Jahr
AN esc
S n k
k
k
k
Excelformel nicht vorhanden
… … . 1
2
3
… … .
(q n − p n ) × p (q − 1) =k × × n (q − p) (q − 1)
n
Jah r
Die Formel für die Annuitäten von Zahlungsreihen, deren Glieder mit einer jährlichen Eskalationsrate wachsen, entsteht durch Multiplikation der Formel für die Barwertsumme eskalierender Zahlungen mit dem Annuitätsfaktor. 0
k*p
k*p
1
2
k*p
k*p
Endwertsumme eskalierender Zahlungen in der Vergangenheit (compound amount, series with escalation)
n-1
t =n
…… n
n-1
n-2 …….
EWSesc= k × ∑ pt −n × qt = k × 1
Jahr
t =1
(q − p )×q n
n
q− p
keine Excelfunktion bekannt
Verwandelt die um den Eskalationsfaktor „p“ steigenden VergangenheitsZahlungen einer Zahlungsreihe, die zu Beginn des jeweiligen Jahres anfallen, in eine Einmalzahlung zum Ende der Periode. Die Symbole in den Formeln bedeuten: K0: Barwertsumme aus allen Gliedern, bzw. Anfangskapital k: Einzelnes Glied der Zahlungsreihe q: Auf- bzw. Abzinsungsfaktor = 1+i/100 i: Zinssatz %/a p: Eskalationsfaktor =1+r/100 r: Eskalation %/a t: Jahr der Zahlungsreihe n: Gesamtperiode der Zahlungsreihe in Jahren
160
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
4.2.2 Anwendungsfälle und Beispiele 4.2.2.1
Bildung finanzmathematischer Mittelwerte
Wie bereits erwähnt, sind die Zahlungsreihen in Investitionsrechnungen meistens aus der Erfahrung bekannte finanzmathematische Mittelwerte. Ein finanzmathematischer Mittelwert wird wie folgt gebildet: • • •
Die Zahlungsreihe mit den tatsächlichen (unregelmäßigen) Zahlungen wird aufgestellt Die Summe der Barwerte aller Glieder der Zahlungsreihe wird ermittelt Durch Multiplikation der Barwertsumme mit dem Annuitätsfaktor wird dann eine annuitätische Reihe gebildet
Beispiel 4.6: Finanzmathematischer Mittelwert, Instandhaltungskosten Bei Investitionsrechnungen werden oft Zahlungsreihen für Betriebsausgaben als ein Prozentsatz, bezogen auf die Investitionsausgaben, gebildet. In Wirklichkeit fallen diese Kosten während der Betriebszeit unregelmäßig an. Der angenommene Satz ist ein aus der Praxis bekannter finanzmathematischer Mittelwert über die gesamte Laufzeit des Projektes. Die nachstehende Rechnung bezieht sich auf die Instandhaltungskosten einer Anlage mit 10 Jahren Nutzungsdauer. Position
Einheit
Investition "I" Kalkulationszinssatz, real Abzinsungsfaktor, real Betriebsjahr tatsächliche Instandhaltungskosten Barwerte Summe der Barwerte "BWS" Annuitätsfaktor "a n "
T€ T€ / a T€ / a T€ -
Betriebsjahr 600 8% 1,08 1 0 0
3 4 5 6 7 8 9 10 35 35 135 30 35 30 35 150 28 26 92 19 20 16 18 69
287,9 0,15
finanzmath. Mittelwert S m = a n x BWS
T€ / a
42,9
Instandhaltungskostensatz s I = S m / I
%
7,2%
4.2.2.2
2 0 0
Ermittlung von Bauzinsen
Die Bauzeit von großen Projekten im Energiebereich erstreckt sich oft über mehrere Jahre. Während der Bauphase fallen die Investitionsausgaben in mehreren Raten an. Bei der Bestimmung der tatsächlichen Investitionsausgaben zum Inbetriebnahmezeitpunkt müssen auch die sogenannten Bauzinsen (interest during construction) berücksichtigt werden. Sie werden mit der Endwertformel wie nachstehend berechnet:
4.2 Zahlungsreihen t =0
(
BZ = Σ Aot × q t − Aot t =m
)
161
Gl. 4.12
Hierin bedeuten: BZ: Bauzinsen bis zum Inbetriebnahmezeitpunkt Aot: Investitionsausgabe (Rate) zum Zeitpunkt t (vor Inbetriebnahme) m: Gesamtdauer der Bauphase, Zeitpunkt "0" Inbetriebnahme q: Aufzinsungsfaktor q = 1+ i, mit i = Zinssatz
Im zum Ansatz kommenden Zinssatz sollen die Kapitalanteile berücksichtigt werden, jedoch ohne Ertragsteuern, da sie erst nach Inbetriebnahme anfallen (siehe Beispiel 4.4). Beispiel 4.7: Bauzinsen für ein Kraftwerksprojekt Nachstehende Tabelle zeigt die Berechnung der Bauzinsen für ein 600 MWKraftwerk mit einer Bauzeit von 4 Jahren. Bauzinsen fallen zu Beginn des jeweiligen Jahres an. Jahr *)
Investitionsausgaben K t
Aufzinsungskoeffizient
t
ohne Bauzinsen
q t = 1,06 **)
BZ=K t x (q t -1)
1,06
Mio €
Mio € -4 -3 -2 -1
0 Prozent
100,0 165,0 160,0 100,0
525,0
t
1,262 1,191 1,124 1,060
-
Bauzinsen
26,25 31,52 19,78 6,00
83,54 15,9%
*) Jahr vor Inbetriebnahme, Jahr" 0" Inbetriebnahmezeitpunkt = Barwertungszeitpunkt **) q =1+ 5/100 =1,05, Jahreszinssatz ohne Ertragsteuern 6%
4.2.2.3
Barwertsumme, Annuität, Endwert von Zahlungsreihen
Die Formeln sind relativ einfache mathematische Gebilde, es kommt nur darauf an, sie richtig anzuwenden. Hierzu noch einige Beispielrechnungen: Beispiel 4.8: Barwert der Personalkosten während der Nutzungsdauer Die Kosten für das Bedienungspersonal für einen Kraftwerksneubau werden mit ca. 5 Mio € pro Jahr (ca. 1% bezogen auf die Investition) als real konstant über die Nutzungsdauer von 20 Jahren angenommen. Die Investitionen betragen 480 Mio. €. Wie hoch ist der Barwert der Personalkosten über die Laufzeit zum Inbetriebnahmezeitpunkt. Der Abzinsungsfaktor beträgt 8 % real.
BWS = 5x(1,0820-1)/(1,0820x(1,08-1)) = 49 Mio. € Eine einfache Aufsummierung der Nominalwerte würde 100 Mio. € ergeben.
162
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
Beispiel 4.9: Annuität für Kapitaldienst Die Baukosten eines GuD-Kraftwerkes mit einer elektrischen Leistung von 400 MW betragen 180 Mio. €. Der kalkulatorische Zinssatz wird mit 8% real angesetzt. Die Annuität des Kapitaldienstes (Abschreibungen, Eigenkapitalrendite und Fremdkapitalzinsen) ist zu ermitteln. Mit der Annuitätsformel aus Tabelle 4.5 ergibt sich der jährliche Kapitaldienst:
an =180 Mio. €x1,0820x(1,08-1)/(1,0820-1)= 18,33 Mio. €/a Anmerkung: Excelfunktion "RMZ" liefert gleiches Ergebnis, Faktor F=0
Beispiel 4.10: Rückstellungen für den Abriss nach Ende der Betriebszeit Für den Abriss einer Anlage nach Ende ihrer Betriebsdauer sollen Kosten in Höhe von 5 Mio. € in 20 Jahren durch jährliche Rückstellungen angesammelt und auf ein Bankkonto deponiert werden. Wie hoch müssen die jährlichen Rückstellungen sein. Der Bankzinssatz beträgt 6%. Die Endwertsummenformel aus Tabelle 4.5 "EWS" einer uniformen Zahlungsreihe wird nach "k" umgeformt. Sie lautet dann:
k = EWS × (q-1) / (q × (qn-1)) jährliche Rückstellung : k =5xMio. €x(1,06-1)/(1,06x(1,0620-1) = 0,128 Mio. €/a (Zum Vergleich ohne Verzinsung = 0,250 Mio. €/a) 4.2.2.4
Inflationsbereinigung, Rechnung nominal - real
Wegen der Unsicherheit bei der Prognose der künftigen Inflationsraten werden Investitionsrechnungen meistens auf realer Basis durchgeführt. Sämtliche Zahlungsströme müssen dabei inflationsbereinigt in die Rechnung eingehen. Wichtig ist dabei, wie schon erwähnt, dass auch der Zinssatz und der Abzinsungsfaktor je nach Rechnung "nominal" bzw. "real" eingegeben werden. Beispiel 4.11: Barwertermittlung einer Zahlungsreihe "nominal - real" In diesem Beispiel wird der Barwert einer Zahlungsreihe erst nominal (d.h. mit Inflation) und anschließend real (inflationsbereinigt) ermittelt. Im ersten Fall wird eine Zahlungsreihe (Anfangsglied 1,74) mit 2,0% pro Jahr eskaliert und mit dem "nominalen Abzinsungsfaktor" diskontiert. Im zweiten Fall wird dieselbe Reihe erst von der Inflation bereinigt und anschließend mit dem "realen Abzinsungsfaktor" diskontiert. Das Ergebnis muss in beiden Fällen (Barwert) gleich sein. Das wurde schon im Beispiel 4.5 für eine einzige Zahlung gezeigt.
4.2 Zahlungsreihen Position
163
Symbol
r;p
Inflationsrate / Inflationsfaktor
2,0% 1,020
Zinssatz / Abzinsungsfaktor, nominal
in
qn
10,2% 1,102
Zinssatz / Abzinsungsfaktor, real *)
ir ; qr
8,0% 1,080
Jahr n Zahlungsreihe
;
1
mit der Inflation wachsende Glieder 1,74 ·p
n
inflationsbereinigte Glieder
q r = q n / p und i r = q r - 1
2
3
4
5
Z n
1,92
2,11
2,33
2,57
2,83
Z
1,74
1,74
1,74
1,74
1,74
r
Barwert mit der Infationsrate wachsende Glieder *)
Z n /q n
1,74
1,74
1,74
1,74
1,74
Z r /q r
1,61
1,49
1,38
1,28
1,18
Inflationsbereinigte Glieder **)
Summe der Barwerte von beiden Reihen
BWS
*) abgezinst mit nominalem Abzinsungsfaktor
4.2.2.5
6,94
**) abgezinst mit realem Abzinsungsfaktor
Zahlungsreihen mit Fördersätzen
Oft kommen Zahlungsreihen mit festen oder sogar abnehmenden vorgegebenen Gliedern, z.B. Fördersätze für KWK-Anlagen oder Anlagen mit erneuerbare Energien, vor. Wenn Investitionsrechnungen auf realer Basis durchgeführt werden, müssen die Zahlungen vorher von der Inflation bereinigt werden und nicht die Nominalwerte eingegeben werden. Beispiel 4.12: Reihen mit abnehmenden Fördersätzen Position
Symbol
Inflationsrate ; Inflationsfaktor
r;p in ; q n
Zinssatz ; Abzinsungsfaktor, nominal Zinssatz ; Abzinsungsfaktor, real
ir ; q r
Annuitätsfaktor, nominal ; real
an ; a r
Jahr "n" KWK-Fördersätze nominal, ct / kWh Barwerte Summe der Barwerte finanzmath. Mittelwert, nominal Fördersätze inflationsbereinigt Barwerte, inflationsbereinigt Summe der Barwerte finanzmathem. Mittelwert, real
2,0% 1,020 10,2% 1,102 8,0% 1,080 q r = q n / p und i r = q r - 1 0,207
0,192
1
2
3
4
5
6
7
Zi
1,74
1,69
1,69
1,64
1,64
1,59
1,59
Zi / qn
1,58
1,39
1,26
1,11
1,01
0,89
0,81
BWS
8,05
a n x BWS
1,66
Zr = Zi / pn
1,71
1,62
1,59
1,52
1,49
1,41
1,38
Zr / qr
1,58
1,39
1,26
1,11
1,01
0,89
0,81
BWS
8,05
a r x BWS
1,55
Die Summe der Barwerte der Zahlungsreihen "nominal" und "real" sind gleich, sofern mit dem "entsprechenden" Abzinsungsfaktor diskontiert wurde. Die finanzmathematischen Mittelwerte "nominal" und "real" sind allerdings unterschiedlich.
164
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
4.3
Investitionsrechnungsmethoden
4.3.1 Methodische Vorgehensweise
Eine Investition ist das Anlegen von Geldmitteln für eine Maßnahme bzw. ein Projekt; sie beginnt mit einer Ausgabe (Investitionsausgabe) und löst über ihre Laufzeit eine Reihe von Zahlungsströmen aus Einnahmen und Ausgaben aus. Aufgabe der Investitionsrechnung ist die Beurteilung der absoluten und der relativen Vorteilhaftigkeit von Investitionsmaßnahmen. Dabei werden die zu erwartenden Ausgaben- und Einnahmenreihen über die gesamte Laufzeit der Investition in die Berechnung einbezogen und vergleichbar gemacht. Bei Energieprojekten aus der öffentlichen Energieversorgung sind die Einnahmen Erlöse aus dem Energieverkauf. Auf der Ausgabenseite stehen die Betriebsausgaben, z.B. für Brennstoffe, Energien, Personal, Instandhaltung, Hilfsstoffe etc. Zur Vorbereitung einer Investition im Energiebereich werden üblicherweise eine Anzahl von technischen Optionen oder Varianten für ein Projekt konzipiert und technisch/wirtschaftlich vergleichend gegenübergestellt (siehe Kapitel 10). Als Basis für den Vergleich definiert man eine Nullvariante, wie z.B. Fortführung des Status Quo oder eine Variante, die ohnehin realisiert werden muss, aber nicht unbedingt die vorteilhafteste ist. Dann genügt es, nur die Ausgabenseite zu betrachten bzw. die Kosten pro Produkteinheit (z.B. Energiegestehungskosten oder Verteilungskosten) zu ermitteln und zu vergleichen. Die Variante mit den niedrigsten Ausgaben bzw. spezifischen Kosten ist dann die vorteilhafteste in Relation zu der „Nullvariante“ und den übrigen Varianten. Dies wird als die relative Vorteilhaftigkeit bezeichnet. So wird in der Praxis im Regelfall der Variantenvergleich nur auf die Kostenseite beschränkt. Man verwendet auch eher den Begriff Wirtschaftlichkeitsrechnung oder -betrachtung anstatt Investitionsrechnung sowie Wirtschaftlichkeit anstatt „Vorteilhaftigkeit“. Sobald eine Vorzugsvariante zur Realisierung ausgewählt wurde, wird sie technisch optimiert, und es werden mit Investitionsrechnungsmodellen detailliertere Planvorschaurechnungen durchgeführt, bei denen auch die Einnahmenseite und eventuell auch Unternehmens- und steuerliche Aspekte vertiefter mituntersucht werden. Im Folgenden wird als Hauptaufgabe der Investitionsrechnung in Zusammenhang mit Energieprojekten die Ermittlung der relativen Wirtschaftlichkeit von Varianten auf der Basis eines Vergleichs der Energiegestehungs- bzw. -verteilungskosten verstanden. Je nach Art der Investition sind für diesen Zweck verschiedene Verfahren anwendbar, die
4.3 Investitionsrechnungsmethoden
165
in den folgenden Abschnitten beschrieben werden. Dabei wird zwischen dynamischen und statischen Verfahren unterschieden. 4.3.2 Dynamische Verfahren 4.3.2.1
Die Kapitalwertmethode
Grundlage aller dynamischen Verfahren für Wirtschaftlichkeitsberechnungen ist die Kapitalwertmethode. Der Kapitalwert ("NPV" Net Present Value) ist die Differenz aus der Summe der Barwerte aller Einnahmen und der Summe der Barwerte aller Ausgaben innerhalb der Nutzungsdauer (service life) einer Investition. t =n
(Et − At )
t =1
qt
K0 = −I 0 + Σ
Gl. 4.13
Falls der Einnahmeüberschuss (Et - At) als konstant (= E - A) angenommen wird, gewinnt man durch Umformung folgende Gleichung:
K 0 = − I 0 + (E − A) ×
qn −1 q n × (q − 1)
K 0 = − I 0 + BWSF × (E − A)
Gl. 4.14 Gl. 4.15
Hierin bedeuten: Kapitalwert zum Bezugszeitpunkt "0" in € Ko: Investitionsausgaben inklusive Bauzinsen in € Io: Einnahmen am Ende des Jahres t in €/a Et: Ausgaben am Ende des Jahres t in €/a At: Einnahmenüberschuss in €/a (Et-At): q: Diskontierungsfaktor, q=1+i/100 i: Kalkulatorischer Zinssatz in %/a t: Jahr der Nutzungsperiode (1, 2, 3,….,n) n: Kalkulatorische Nutzungsdauer in Jahren BWSF: Barwertsummenfaktor (oder Rentenbarwertfaktor)
In der Regel wird der Inbetriebnahmezeitpunkt einer Anlage als Bezugszeitpunkt für das Barwerten gewählt. Alle Zahlungen, die früher anfallen (z.B. die Investitionsausgaben), werden aufgezinst, alle Zahlungen, die später anfallen (Einnahmen − Betriebsausgaben), werden abgezinst. Die Auf- und Abzinsung erfolgt mit dem Kalkulationszinssatz. Das Wirtschaftlichkeitskriterium ist der Kapitalwert. Wenn der Kapitalwert positiv ist, bedeutet dies, dass die Investition wirtschaftlich ist (ab-
166
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
solute Wirtschaftlichkeit). Zwischen Alternativinvestitionen ist die mit dem höchsten Kapitalwert die relativ wirtschaftlichste (Vorzugsvariante). Zur Vereinfachung der Rechnung wird angenommen, dass alle Zahlungen während der Betriebszeit am Ende des betreffenden Jahres erfolgen. Die Investitionsausgaben fallen in mehreren Raten während der Bauphase an, die sich bei großen Projekten über mehrere Jahre erstrecken kann. Die in der Formel angegebene Investitionsausgabe "Io" ist die Barwertsumme aller Investitionsausgaben während der Bauphase, aufgezinst auf den Inbetriebnahmezeitpunkt. In der Praxis werden die Bauzinsen (interest during construction) separat berechnet und zum Nominalwert der Investitionsausgaben hinzuaddiert (siehe hierzu Beispiel 4.7). Anmerkung: Veröffentlichte Angaben über die Investitionsausgaben von Projekten beziehen sich gewöhnlich auf die Nominalwerte der Investitionsausgaben ohne Bauzinsen. Zu vermerken ist ferner, dass bei dieser Methode die Abschreibungen, die Rendite für Eigenkapital und die Zinsen für Fremdkapital nicht explizit als Zahlungsreihe vorkommen. Sie sind implizit im Kalkulationszinssatz (siehe Abschnitt 4.1.3) berücksichtigt, mit dem die Zahlungsreihen abgezinst werden. Beispiel 4.13: Kapitalwert eines Energieeinsparcontracting-Projektes Ein Contractingunternehmen investiert 25.000 € in eine Energiesparmaßnahme und soll in den ersten 5 Jahren die Hälfte der Kosteneinsparungen von insgesamt 19.000 €/a als Einnahmen bekommen. Es hat Betriebskosten von 1.000 €/a. Es wird angenommen, dass Einnahmen und Betriebsausgaben mit der Inflationsrate von 2,5% steigen. Gesucht ist der Kapitalwert der Investition. Die Rechnung soll sowohl mit Inflation als auch real (inflationsbereinigt) durchgeführt werden. Anmerkung: Der reale Zinssatz wird in der Rechnung mit der exakten Formel (d.h. durch Diskontierung, s. Abschnitt 4.1.2.3) ermittelt und beträgt 8%. So ergibt sich in beiden Rechnungen, mit Inflation und mit inflationsbereinigten Zahlungsreihen, derselbe Kapitalwert. Wenn der reale Zinssatz durch einfache Subtraktion der Inflation vom Nominalzinssatz ermittelt wird, beträgt er 8,2% und der Kapitalwert bei der Rechnung mit inflationsbereinigten Zahlungsreihen 8.760 €. Rechnung nominal Inflationsrate "r" Kalk. Zinssatz "i n "
2,50% 10,70%
Jahr Investitionsausgaben "I" Einnahmen "E t " 9.500 € / a Betriebskosten "A t " 1.000 € / a Einnahmenüberschuss "(E t - A t )" Barwert, Einnahmenüberschuss € Kapitalwert €
Inflationsfaktor p Abzinsungsfaktor q 0 -25.000
1 9.738
33.938 8.938
n
2
1,025 1,107 3
4
5
9.981 10.230 10.486 10.748
-1.025
-1.051
-1.077
-1.104
-1.131
8.713 7.870
8.930 7.287
9.154 6.748
9.382 6.248
9.617 5.785
4.3 Investitionsrechnungsmethoden Rechnung real Inflationsrate "r" Kalk. Zinssatz, real i Jahr Investitionsausgaben "I" Einnahmen "E t "
0,00% Inflationsfaktor p r 8,00% Abzinsungsfaktor, real q r *) 0 1 2 -25.000 9.500 € / a 9.500 9.500
Betriebskosten "A t " 1.000 € / a Einnahmenüberschuss "(E t - A t )" Barwert, Einnahmenüberschuss € Kapitalwert €
33.938 8.938
167
1,000 1,080 3
4
5
9.500
9.500
9.500
-1.000
-1.000
-1.000
-1.000
-1.000
8.500 7.870
8.500 7.287
8.500 6.748
8.500 6.248
8.500 5.785
*) Berechung des realen Abzinsungsfaktors qr = qn / p = 1,107/ 1,025 =1,080 und des realen Zinssatzes ir = qr -1 = 1,08 - 1 = 0,08 oder 8%
Im nachstehendem Beispiel wird die Ermittlung des Kapitalwertes eines Kraftwerkprojektes gezeigt. Beispiel 4.14: Kapitalwert eines Kraftwerkprojektes Postition Randbedingungen Leistung, netto Stromerzeugung, netto Strompreis kalkulatorischer Zinssatz, real kalkulatorische Nutzungsdauer "n" Rechnung Investitionsausgaben inkl. Bauzinsen "I 0 " Einnahmen, real, konstant "E" Betriebsausgaben, real, konstant "A" Einnahmenüberschuss "E - A" Barwertsummenfaktor "BWSF" *) Kapitalwert K 0 = - Io + BWSF x (E- A) 25
*) BWSF = (1,08
Einheit MW GWh/a € /MWh % Jahre Mio. € Mio. € / a Mio. € / a Mio. € / a Mio. €
Wert 555 4.163 38 8,00% 25 594 158,2 77,2 81,0 10,7 270,7
25
-1) / (1,08 x (1,08-1))
Beispiel 4.15: Kapitalwert von Heizkraftwerksvarianten Eine Papierfabrik steht vor der Entscheidung, das bestehende DampfHeizkraftwerk zu ertüchtigen und weiterzubetreiben (Nullvariante) oder ein neues Heizkraftwerk zu errichten. Der Strombedarf beträgt ca. 19 MW. Mit dem alten HKW muss Zusatzstrom bezogen werden. Die beiden neuen HKW-Varianten (ein neues Gasturbinen-HKW bzw. ein neues GuD-HKW) werden nach dem Wärmebedarf ausgelegt. Bedingt durch die höhere Leistung und Energieeffizienz erzeugen sie Überschussstrom, der in das Netz exportiert wird. Die Einnahmen aus dem Stromexport werden als Stromgutschrift von den Gesamtkosten abgezogen. Gesucht ist der Kapitalwert der Varianten im Vergleich zur Nullvariante, deren Kapitalwert gleich Null gesetzt wird. Nach dem Vergleich in der nachstehenden Tabelle hat die GuD-Variante den höheren Kapitalwert und ist folglich die relativ vorteilhafteste Variante.
168
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
Position
Ertüchtigung
GT-HKW
Alt-HKW
neu
neu
12 MW
42 MW
51 MW
Einheit
Investitionen "I" Summe Betriebsausgaben Instandhaltung Kapitalsteuern und Versicherungen Personal Brennstoffkosten, Erdgas Zusatzstrombezug Reserveleistung, für 16 MW ./. Stromgutschrift für Überschussstromverkauf *)
Betriebsausgaben nach Stromgutschrift "A" Kapitalwertermittlung Barwertsummenfaktor **) "BWSF" Mehr-Investitionsausgaben "∆ A 0 " Betriebskosteneinsparungen "∆ B A"
GuD-HKW
T€
16.000
40.000
48.000
T€ / a
14.750
20.059
21.826
T€ /a T€ / a T€ / a T€ / a T€ / a T€ / a T€ / a
640 80 500 11.714 1.512 305 0
1.000 200 500 17.833 0 526 -9.406
1.200 240 500 19.462 0 425 -12.552
T€ / a
14.750
10.653
9.274
T€ T€ / a
8,56 0 0
8,56 24.000 4.098
8,56 32.000 5.476
0
11.073
14.875
Kapitalwert K v = - ∆ A 0 + BWSF x ∆ B A *) inkl. Bonus für KWK-Strom und vermiedene Netznutzungsentgelte **) kalk. Zinssatz 8%, Nuttzungsdauer 15 Jahre, Werte gerundet
Ermittlung der spezifischen Stromgestehungskosten Ein Vergleich der Kapitalwerte ist meistens nicht das Ziel von Investitionsrechnungen für Projekte im Energiebereich. Das eigentliche Wirtschaftlichkeitskriterium sind die spezifischen Kosten pro Produkteinheit. Bei Kraftwerksprojekten sind es z.B. die durchschnittlichen Stromgestehungskosten (€/MWh). Sie werden als finanzmathematischer Mittelwert über die Nutzungsdauer ermittelt. Aus den Gleichungen für den Kapitalwert kann die nachstehende Formel abgeleitet werden. Auf ihrer linken Seite steht der Barwert der spez. Durchschnittskosten, multipliziert mit der jährlich produzierten Energiemenge; auf der rechten Seite steht die Summe der Barwerte aller Ausgaben. Die Ausdrücke auf beiden Seiten müssen gleich sein. t =n
Σ cm ×
t =1
t =n A WEt = + Σ tt I 0 t =1 q t q
Hierin bedeuten: cm: Die durchschnittlichen spezifischen Kosten in €/MWh WEt: Die produzierte Strommenge im jeweiligen Jahr in MWh/a Io: Die Investitionsausgaben in € At: Die Betriebsausgaben im jeweiligen Jahr in € / a t: Das jeweilige Betriebsjahr q: Diskontierungsfaktor q=1+i/100 i: kalkulatorischer Zinssatz in %/a n: Die kalkulatorische Nutzungsdauer des Projektes in Jahren
Gl. 4.16
4.3 Investitionsrechnungsmethoden
169
Daraus ergibt sich die Gleichung für den finanzmathematischen Durchschnitt der spezifischen Kosten (Die Ausgaben werden in diesem Fall als positive Werte eingesetzt): t =n
At t =1 q t cm = t =n W Σ Ett t =1 q I0 + Σ
Gl. 4.17
Der Nenner stellt den Barwert einer Energiemenge dar, was oft auf Unverständnis stößt, weil der Barwert eigentlich auf Geldbeträge angewandt wird. Dies kommt jedoch durch die Umformung der ersten Gleichung zustande, deren beide Seiten Geldbeträge darstellen. Durch die Einführung der spezifischen Kosten als Wirtschaftlichkeitskriterium können auch Varianten eines Investitionsvorhabens mit unterschiedlichen Erzeugungsmengen und Nutzungsdauer verglichen werden.
Mittellast 5.500 h / a
Grundlast 7.000 h / a
Mittellast 5.000 h / a Summe
Jahr
Fahrweise
Beispiel 4.16: Finanzmathematischer Mittelwert der Stromgestehungskosten
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25
Strom-
Investition
variable
erzeugung netto
fixe BetriebsKosten
BetriebsKosten
Summe
GWh
Mio €
Mio €
0 2.775 2.775 2.775 2.775 2.775 3.885 3.885 3.885 3.885 3.885 3.885 3.885 3.885 3.885 3.885 3.885 3.885 3.885 3.885 3.885 3.053 3.053 3.053 3.053 3.053 87.413
594,0 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 20,8 1.114
0,0 51,5 51,5 51,5 51,5 51,5 72,1 72,1 72,1 72,1 72,1 72,1 72,1 72,1 72,1 72,1 72,1 72,1 72,1 72,1 72,1 56,6 56,6 56,6 56,6 56,6 1.622
Stromgestehungskosten:
cm =
Barwerte Kosten
Stromerzeugung
Mio €
Mio €
GWh
594 72,3 72,3 72,3 72,3 72,3 92,9 92,9 92,9 92,9 92,9 92,9 92,9 92,9 92,9 92,9 92,9 92,9 92,9 92,9 92,9 77,4 77,4 77,4 77,4 77,4 2.735
594,0 66,9 62,0 57,4 53,1 49,2 58,5 54,2 50,2 46,5 43,0 39,8 36,9 34,1 31,6 29,3 27,1 25,1 23,2 21,5 19,9 15,4 14,2 13,2 12,2 11,3 1.490
2.569,4 2.379,1 2.202,9 2.039,7 1.888,6 2.448,2 2.266,9 2.098,9 1.943,5 1.799,5 1.666,2 1.542,8 1.428,5 1.322,7 1.224,7 1.134,0 1.050,0 972,2 900,2 833,5 606,4 561,5 519,9 481,4 445,7 36.326
1.490 × 10 6 = 41,0 36.326 × 10 3
€ / MWh
170
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
4.3.2.2
Die interne Zinssatzmethode
Die interne Zinssatzmethode ist eine Sonderform der Kapitalwertmethode. Das Wirtschaftlichkeitskriterium ist derjenige Zinssatz, mit dem der Kapitalwert der Investition gleich Null wird. Er wird als interner Zinssatz ("IRR" Internal Rate of Return) bezeichnet. Dieser Zinssatz wird mit den Mindestverzinsungsanforderungen, die der Investor oder das Unternehmen erwartet, verglichen. Sofern der interne Zinssatz gleich oder größer ist als der erwartete Mindest-Zinssatz, gilt die Investition als wirtschaftlich. Die Methode ist auch als DCF-Methode, („DCF“ Discounted Cash Flow) oder als Barwertrentabilitätsmethode bekannt. Man unterscheidet oft zwischen internen Zinssatz auf das Gesamtkapital (IRR on assets) und internen Zinssatz auf das Eigenkapital (IRR on equity). Die finanzmathematische Gleichung für die Methode ist wie folgt und muss nach "q" und anschließend nach "i = q -1" aufgelöst werden: t =n
− I0 + Σ
t =1
(E
t
)
− At =0 qt
Gl. 4.18
Falls der Einnahmeüberschuss (Et - At) als konstant (= E - A) angenommen wird, gewinnt man durch Umformung folgende Gleichung:
qn −1 − I 0 + (E − A ) × n =0 q × (q − 1)
Gl. 4.19
Der Quotient ist der Barwertsummenfaktor (BWSF). Die Lösung dieser Gleichung nach der Unbekannten „q“ ist sehr aufwendig und nur iterativ möglich. In der Praxis rechnet man den Kapitalwert für zwei unterschiedliche Zinssätze und bestimmt graphisch den internen Zinssatz näherungsweise nach folgender Abbildung. Anschließend wird mit dem graphisch ermittelten Zinssatz gerechnet. Die Berechnung wird solange wiederholt, bis der Kapitalwert Null ergibt: K0 IRR
i1
i2 Zinssatz
Abb. 4.3: Näherungsweise Ermittlung des internen Zinssatzes
4.3 Investitionsrechnungsmethoden
171
Mit Tabellenkalkulationsprogrammen wie Excel kann der gesuchte Zinssatz jedoch leicht mit der Zielwertfunktion bestimmt werden. Dabei wird zuerst mit einem beliebigen Zinssatz gerechnet und anschließend der interne Zinssatz mit Hilfe der Zielwertsuchfunktion bestimmt (Extras, Zielwertsuche). Beispiel 4.17: Interner Zinssatz, Kraftwerksprojekt Für das Kraftwerkprojekt aus Beispiel 4.14 wird der interne Zinssatz gesucht. Die Gleichungen werden auf die gleiche Weise aufgestellt und anfänglich mit einem beliebigen Zinssatz gerechnet. Anschließend wird mit der Zielwertfunktion von MS-Excel der interne Zinssatz bestimmt. Positition Randbedingungen
Einheit
Leistung netto Stromerzeugung, netto Strompreis kalkulatorische Nutzungsdauer "n"
Wert
MW GWh/a € /MWh Jahre
555 4.163 38 25
Mio. € Mio. € / a
594 158,2
Mio. € / a Mio. € / a Mio. €
77,2 81,0 7,3 0,0
Rechnung Investitionsausgaben inkl. Bauzinsen "I 0 " Einnahmen, real, konstant "E" Betriebsausgaben, real, konstant "A" Einnahmenüberschuss "E - A" Barwertsummenfaktor "BWSF" *)
Kapitalwert K 0 = - I o + BWSF x (E- A) Interner Zinssatz
%
13,0%
MS-Excel Extras, Zielwertfunktion:
Zielzelle "Kapitalwert" Zielwert = 0 zu verändernde Zelle "interner Zinssatz"
Interne Zinssatzmethode beim Variantenvergleich Beim Variantenvergleich wird auch bei dieser Methode nur die Ausgabenseite betrachtet. Die Ermittlung des internen Zinssatzes erfolgt aus der Differenz der Investitionen und der Betriebskosteneinsparungen gegenüber der „Nullvariante“. Wenn die jährlichen Ausgaben als real konstant betrachtet werden, gilt folgende Gleichung (Ableitung aus Gl. 4.21 für den internen Zinssatz durch Differenzbildung und Umformung):
−
∆I i ,o ∆BAi ,0
qn −1 1 = = BWSF t =1 q t q n (q − 1)
t =n
=Σ
Hierin bedeuten: ∆I i,0: Differenz der Investitionsausgaben der Varianten i und 0 ∆BA i,0: Differenz der Betriebsausgaben der Varianten i und 0 q: Abzinsungsfaktor
Gl. 4.20
172
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
Der Ausdruck auf der rechten Seite ist der Barwertsummenfaktor. Die Ermittlung des internen Zinssatzes erfolgt in folgenden Schritten: • • •
Ermittlung des Wertes des Barwertsummenfaktors BWSF (rechte Seite der Gleichung) aus dem bekannten Ausdruck ∆Ii,0 /∆BAi,0 auf der linken Seite. Ermittlung des Wertes von q, der die Bedingung BWSF =∆Ii,0 /∆BAi,0 erfüllt mit Hilfe der Zielwertfunktion von MS-Excel Ermittlung des internen Zinssatzes IRR = q -1
Die Vorgehensweise wird im nachstehenden Beispiel demonstriert. Beispiel 4.18: Heizkraftwerk-Variantenvergleich mit der IRR Der Vergleich der HKW-Varianten für die Papierfabrik aus Beispiel 4.15 wird hier auch mit der internen Zinssatz-Methode durchgeführt. Symbol Position
Ertüchtigung GT-HKW Einheit
Formel
Alt-HKW (0) 12 MW
GuD-HKW
neu 42 MW
neu 51 MW
Randbedingungen Investitionsausgaben Jährliche Betriebsausgaben *) Nutzungsdauer
I0
T€
16.000
40.000
48.000
BA
T€/a
14.750
10.653
9.274
n
a
15
15
∆ B A i,0
T€/a
-
4.098
5.476
∆I i,0
T€
-
24.000
32.000
- ∆ I i,0 / ∆ B A i,0
-
5,86
5,84
BWSF
-
5,86
5,84
15
Rechnung mit Zielwertsuchfunktion Differenz der Betriebsausgaben Differenzinvestition Quotient Barwertsummenfaktor (Zielzelle) Zu erfüllende Bedingung Diskontierungsfaktor Interner Zinssatz
-
BWSF = -∆ I i,0 / ∆ A i,0
q
-
-
1,150
1,150
IRR= (q - 1) x 100
%
-
14,95%
15,03%
Ermittlung von IRR mit der Excelfunktion "Zielwertsuche" Zuerst einen beliebigen Wert in die Zelle eingeben, die den IRR enthält Zielzelle: auf die Zelle klicken, die den Wert für den BWSF enthält Excel: Extras, Zielwertsuche, ein Fenster erscheint Zielwert: Wert der Zelle - ∆ I i,0 / ∆ B A i,0 = 5,86 als Zahl eintippen! zu verändernde Zelle: auf die Zelle klicken, die für IRR steht mit OK bestätigen, der gesuchte IRR wird angezeigt, nochmals mit OK bestätigen *) nach Stromgutschrift
Kommentar: Beide Varianten für eine Neuanlage sind nach dem Ergebnis hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit quasi gleich. Wenn allerdings auch die Höhe der Investition als weiteres Kriterium herangezogen wird, dann würde die GTVariante die Vorzugsvariante aus der Sicht eines Investors sein.
4.3 Investitionsrechnungsmethoden 4.3.2.3
173
Die Annuitätenmethode
Bei der Annuitätenmethode werden alle mit einem Investitionsvorhaben zusammenhängenden Zahlungen finanzmathematisch in gleich hohe jährliche Raten umgewandelt. Die jährlichen Raten werden als Annuitäten bezeichnet (annual equivalent amounts - annuities). Die Umwandlung erfolgt in der Weise, dass der Summenbarwert der verschiedenen Zahlungsreihen mit dem Annuitätsfaktor multipliziert wird. Der Annuitätsfaktor ist der reziproke Wert des Rentenbarwertfaktors (siehe Tabelle 4.5) und lautet:
q n × ( q − 1) an = t =n = 1 qn −1 Σ t t =1 q 1
Gl. 4.21
Hierin bedeutet: an: Annuitätsfaktor q: Diskontierungsfaktor q=1+i/100 i: kalkulatorischer Zinssatz in %/a t: Jahr der Nutzungsdauer 1,2,3….,n n: kalkulatorische Nutzungsdauer in Jahren
Tabellenkalkulationsprogramme wie MS-Excel verfügen über Funktionen zur Berechnung von Annuitäten und Annuitätsfaktoren (Excelfunktion "RMZ"). Bei Projekten im Energiebereich werden folgende Annuitäten gebildet: • •
•
Einnahmen: Als Einnahmen werden i.d.R. die Einnahmen für ein Durchschnittsjahr zugrunde gelegt und als gleichbleibend über die Nutzungsdauer angenommen. Kapitaldienst: Die Investitionsausgaben werden nicht zum Zeitpunkt ihres Entstehung, wie bei der Kapitalwertmethode, berücksichtigt, sondern sie werden (zuzüglich Bauzinsen) mit dem Annuitätsfaktor multipliziert und ergeben den jährlichen Kapitaldienst. Da die Finanzierungsanteile und die Ertragsteuern im Kalkulationszins (siehe Beispiel 4.4) berücksichtigt werden, enthält der jährliche Kapitaldienst die Abschreibungen, Zinsen für Fremdkapital, Eigenkapitalrendite und Ertragsteuer. Betriebsausgaben: Für die verschiedenen Betriebsausgaben (für Personal, Instandhaltung, Brennstoffe, etc.) werden normalerweise die Ausgaben für ein Durchschnittsjahr zugrunde gelegt, die dann als gleichbleibend über die Nutzungsdauer angenommen werden.
174
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
Als Vorteilhaftigkeitskriterium gilt dann die "Annuität aus den durchschnittlichen jährlichen Einnahmen abzüglich den jährlichen Kosten bestehend aus dem Kapitaldienst und den Betriebsausgaben". Eine Investition ist vorteilhaft, wenn diese Annuität positiv ist (absolute Vorteilhaftigkeit). Beim Vergleich von Varianten für ein Investitionsvorhaben gilt die Variante als Vorzugsvariante, bei der diese Annuität am höchsten ist. Anwendung beim Variantenvergleich Wegen ihrer hohen Anschaulichkeit ist die Annuitätenmethode die in der Praxis am häufigsten verbreitete Methode zum Vergleich von Varianten für Investitionsvorhaben. Aus Gründen, die bereits in den vorigen Abschnitten erläutert wurden, wird beim Variantenvergleich für dasselbe Investitionsvorhaben i.d.R. nur die Kostenseite betrachtet. Kosten sind in diesem Zusammenhang die Annuitäten des Kapitaldienstes und der Betriebsausgaben. Vorteilhaftigkeitskriterium ist entweder die Höhe der durchschnittlichen Jahreskosten oder der spezifischen Kosten pro Produkteinheit. Letztere werden ermittelt durch Division der durchschnittlichen Jahreskosten durch die durchschnittliche jährliche Produktionsmenge. Beispiel 4.19: Heizkraftwerk-Variantenvergleich mit Annuitäten Die Heizkraftwerkvarianten aus Beispiel 4.14 und Beispiel 4.18 werden in diesem Beispiel mit der Annuitätenmethode verglichen. Position
Einheit
Ertüchtigung
GT-HKW
Alt-HKW
neu
GuD-HKW neu
12 MW
42 MW
51 MW
Summe Betriebsausgaben
T€ / a
16.000 14.750
40.000 20.059
48.000 21.826
Instandhaltung Kapitalsteuern und Versicherungen Personal Brennstoffkosten, Erdgas Zusatzstrombezug Reserveleistung, für 16 MW ./. Stromgutschrift für Überschussstromverkauf **)
T€ / a T€ / a T€ / a T€ / a T€ / a T€ / a T€ / a
640 80 500 11.714 1.512 305 0
1.000 200 500 17.833 0 526 -9.406
1.200 240 500 19.462 0 425 -12.552
Betriebsausgaben nach Stromgutschrift + Kapitaldienst, Annuität *) Annuität der Gesamtjahreskosten
T€ / a T€ / a T€ / a
14.750 1.869
10.653 4.673
9.274 5.608
16.619
15.326
14.882
Investitionen
T€
*) kalk. Zinssatz 8%, Nutzungsdauer 15 Jahre, Werte gerundet **) inkl. Bonus für KWK-Strom und vermiedene Netznutzungsentgelte
Kommentar: Das GuD-HKW mit der niedrigsten Annuität der Kosten ist die vorteilhafteste Variante wie bei der Kapitalwertmethode in Beispiel 4.15. Nach der internen Zinssatzmethode in Beispiel 4.18 waren jedoch die Varianten GT-HKW und GuD-HKW näherungsweise gleich (IRR ca. 15%).
4.3 Investitionsrechnungsmethoden
175
Anwendung der Annuitätenmethode mit Kosteneskalation Bei Anwendung der Annuitätenmethode für Wirtschaftlichkeitsvergleiche werden bei den Zahlungsreihen für die Betriebsausgaben gewöhnlich keine Preissteigerungen berücksichtigt. Diese werden als Durchschnittsausgaben über die Nutzungsdauer angesetzt. In der Tabelle 4.5 wurde folgende Formel entwickelt, mit der auch Steigerungsraten berücksichtigt werden können. Die Formel ergibt quasi den finanzmathematischen Mittelwert (=Annuität) einer Zahlungsreihe mit einer jährlichen Steigerungsrate.
AN esc = k 0 ×
(q n − p n ) × p (q − 1) × n (q − p) (q − 1)
Gl. 4.22
Die Symbole in der Formel bedeuten: k0: Einzelnes Glied der Zahlungsreihe, z.B. Instandhaltungskosten im 1. Jahr q: Auf- bzw. Abzinsungsfaktor = 1+i /100 i: Zinssatz %/a p: Eskalationsfaktor =1+r/100 r: Eskalation % /a n: Gesamtperiode der Zahlungsreihe in Jahren Beispiel 4.20: Annuität der Personalkosten eines 600 MW-Kraftwerkes Ein neues Steinkohle-Kraftwerk hat ein Bedienungspersonal von 70 Personen. Die Personalkosten betragen bei Inbetriebnahme 6,3 Mio. €/a. Es wird angenommen, dass diese mit etwa 1%/a über die allgemeine Inflationsrate während der Nutzungsdauer von 35 Jahren steigen werden. Zu ermitteln ist die Annuität der Personalkosten (realer Zinssatz 8%/a).
AN esc = 6,3 ×
(1,08
)
− 1,0135 × 1,01 (1,08 − 1) 7,05 Mio. € = × (1,08 − 1,01) 1,08 35 − 1
35
(
)
Anmerkung: Die Gesamtjahreskosten des Kraftwerkes (s. Beispiel 4.16) liegen in der Größenordnung von 72 Mio. €/a. Durch die Berücksichtigung der Steigerungsrate ergibt sich eine Differenz bei den Personalkosten von 7,05 - 6,3 = 0,75 Mio. €/a bzw. bezogen auf die Gesamtjahreskosten ca. 1,05 %. Unter Berücksichtigung der Unsicherheiten während eines Zeitraums von 35 Jahren ist dies vernachlässigbar. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass sich bei den üblichen Steigerungsraten der fixen Betriebskosten deren Berücksichtigung bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen erübrigt, wenn diese auf realer Basis durchgeführt werden. Bei Brennstoffpreisen sind jährliche Steigerungsraten ohnehin nicht der richtige Ansatz, wie in Kapitel 1 gezeigt wurde.
176
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
4.3.3 Statische Verfahren
Statische Verfahren werden in der Energiewirtschaft und bei der Industrie zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von relativ kleinen Investitionsvorhaben, insbesondere zur Einsparung von Energie- bzw. Betriebskosten, eingesetzt. Wegen ihrer zumeist relativ kleinen Größenordnung erscheint es in diesem Zusammenhang sinnvoller, von Maßnahmen anstatt von Investitionsvorhaben zu sprechen. 4.3.3.1
Amortisationsrechnung
Im Rahmen von Energie-Audits oder Energieeinsparstudien, z.B. für einen Industriebetrieb, werden eine Reihe von Maßnahmen identifiziert, die zur Betriebskosteneinsparung beitragen können. Es ist nicht notwendig und auch aus Kostengründen nicht vertretbar, im Rahmen von Energie-Audits rechenaufwändige Methoden für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit solcher Maßnahmen anzuwenden. Ein geeignetes und übersichtliches Verfahren für diesen Zweck ist die statische Amortisations- oder Payback-Zeit Methode (Der Begriff Payback wird auch im deutschen anstatt Amortisation bevorzugt gebraucht). Bei der Amortisationsrechnung wird die Anzahl der Jahre berechnet, die nötig ist, bis das eingesetzte Kapital für eine Maßnahme durch Kosteneinsparungen wieder erwirtschaftet wird; dabei wird die Verzinsung nicht berücksichtigt (Im Englischen wird deshalb der Begriff „simple payback“ verwendet). In der Praxis werden die jährlichen Einsparungen als konstant angenommen: Payback − Zeit t =
I Kapitaleinsatz = 0 Netto − Einsparung E − A
[a ]
Gl. 4.23
Hierin bedeuten: t: Payback-Zeit in Jahren Kapitaleinsatz in € I0: E-A: Kosteneinsparung gegenüber Nullvariante in €/a
Die Payback-Zeit von Energiesparmaßnahmen wird i.d.R. gegen eine Nullvariante, meistens die Fortführung des IST-Zustandes, gerechnet. Dann sind die Differenzinvestition und die Kosteneinsparung in Bezug auf diese Nullvariante in die Formel einzusetzen. Wegen der Nicht-Berücksichtigung der Verzinsung müssen zwei Kriterien erfüllt sein, damit eine Einsparmaßnahme als wirtschaftlich gelten kann:
4.3 Investitionsrechnungsmethoden
• •
177
Die errechnete Payback-Zeit muss kürzer sein als die geforderte. Die Nutzungsdauer der Maßnahme muss länger sein als die PaybackZeit.
Die geforderte Payback-Zeit für Maßnahmen zur Betriebskosteneinsparung ist bei den verschiedenen Industriebranchen unterschiedlich, aber i.d.R. kurz, und liegt meistens, je nach Industriebranche, bei 3 bis maximal 5 Jahren. Die Nutzungsdauer der Maßnahme muss länger als die Payback-Zeit sein. Wenn sie gleich ist, dann wird das eingesetzte Kapital zwar wieder erwirtschaftet, jedoch ohne Verzinsung. Eine solche Maßnahme wäre eigentlich unwirtschaftlich. Deswegen müssen auch nach dem Ende der Payback-Zeit unbedingt Einsparungen erzielt werden. Die im Rahmen von Energie-Audits identifizierten Maßnahmen werden nach ihrer Bewertung in eine Rangliste aufgelistet. Dabei wird unterschieden zwischen no-cost-, low-cost- und high-cost-Maßnahmen. In der Rangliste haben alle „no-cost“ Maßnahmen erste Priorität. Bei Einordnung insbesondere der high-cost-Maßnahmen müssen neben der Payback-Zeit auch andere Kriterien eine Rolle spielen, z.B. die Höhe der Investition und unbedingt die voraussichtliche Nutzungsdauer der einzelnen Maßnahmen. Anwendung als dynamisches Verfahren Die Amortisationsrechnung kann auch dynamisch angewandt werden. Bei der Ermittlung der dynamischen Payback-Zeit werden die jährlichen Einsparungen diskontiert und von der Investitionsausgabe abgezogen. Die Differenz ist der Kapitalwert. Sobald dieser positiv wird, ist die Amortisationszeit erreicht. Dabei werden meistens wesentlich höhere Zinssätze eingesetzt als bei den üblichen dynamischen Investitionsrechnungen. Mit Tabellenkalkulationsprogrammen ist die dynamische Anwendung des Verfahrens kein Problem, es ist aber in der Praxis davon abzuraten, wenn es nicht ausdrücklich vom Investor verlangt wird. Dynamische Berechnungen führen insbesondere bei hohen Zinssätzen zu wesentlich höheren Payback-Zeiten, wie im nachstehenden Beispiel 4.21 gezeigt wird. Wenn ein Unternehmen die Payback-Zeit als Entscheidungskriterium verlangt, kann man voraussetzen, dass die statische Payback-Zeit gemeint ist. So kann die Realisierung von sinnvollen Maßnahmen, die gerade an der Wirtschaftlichkeitsschwelle liegen, u.U. scheitern, nur weil dynamisch gerechnet wurde.
178
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
Beispiel 4.21: Kapitalwert und Amortisationszeit Im Beispiel wird die Vorgehensweise für eine Maßnahme bei drei unterschiedlichen Zinssätzen gezeigt. Beim Zinssatz 0% ist die Berechnung statisch (PaybackZeit). Die Maßnahme hat eine Anlaufzeit, d.h. die Einsparungen steigen allmählich und bleiben dann konstant. kalkulatorischer Zinssatz
Kapitaleinsatz € Jahr
Einsparung
0%
8%
18%
Kapitalwert
€/a 0
-100.000
-100.000
-100.000
-100.000
1
10.000
-90.000
-90.741
-91.525
2
15.000
-75.000
-77.881
-80.753
3
20.000
-55.000
-62.004
-68.580
4
25.000
-30.000
-43.628
-55.685
5
30.000
0
-23.211
-42.572
6
30.000
30.000
-4.306
-31.459
7
30.000
60.000
13.199
-22.041
8
30.000
90.000
29.407
-14.060
9
30.000
120.000
44.415
-7.297
10
30.000
150.000
58.310
5,0
Payback-Zeit, Jahre*)
6,2
-1.565
10,2
*) siehe auch Abbildung nachstehend
150.000 125.000 100.000
Kapitalwert €
75.000 50.000 25.000 Jahr 0 -25.000
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
0%
8%
18%
10
11
-50.000 -75.000 -100.000 -125.000
Abb. 4.4: Kapitalwert und Payback-Zeit
Memo: Schlussfolgerung: Payback-Zeit immer statisch anwenden
4.4 Planerfolgsrechnungsmodelle 4.3.3.2
179
Rentabilitätsrechnung
Bei der Rentabilitätsrechnung wird der durchschnittliche Einnahmenüberschuss pro Jahr bzw. die Betriebskosteneinsparung auf das durchschnittlich gebundene Kapital bezogen und mit der vom Unternehmen erwarteten Mindestrentabilität verglichen. Eine Investition ist wirtschaftlich, wenn die berechnete Rentabilität („ROI“ Return Of Investment) höher ist als die erwartete Mindestrentabilität (absolute Wirtschaftlichkeit); bei Alternativinvestitionen ist die Variante mit der höchsten Rentabilität die Vorzugsvariante. In der Praxis wird die Rentabilitätsrechnung wie die Payback-Methode zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen zur Energie- und Betriebskosteneinsparung angewandt. Als durchschnittlich gebundenes Kapital wird der Kapitaleinsatz zur Implementierung der Maßnahme und als Einsparung die durchschnittliche Einsparung eingesetzt. Die Gleichung lautet:
Re ntabilität =
Nettoeinsp arung E−A × 100 = Kapitalein satz I0
[%]
Gl. 4.24
Die Rentabilität ist somit der Kehrwert der Payback-Zeit. Beispiel 4.22: Rentabilität einer Einsparmaßnahme Kapitaleinsatz: Bruttoeinsparung: Zusätzliche Betriebskosten: Nettoeinsparung:
100.000 € 22.000 €/a 2.000 €/a 20.000 €/a
Rentabilität = (20.000 / 100.000)·100= 20%
4.4 Planerfolgsrechnungsmodelle Die dargestellten Investitionsrechnungsverfahren kommen bei der Abwicklung von Energieprojekten üblicherweise bei Konzeptstudien und teilweise bei Durchführbarkeitsstudien zur Anwendung (siehe Kapitel 10 „Abwicklung von Energieprojekten“). Wenn das Projekt eine fortgeschrittene Phase erreicht hat und Darlehen verhandelt werden, muss die Investitionsrechnung den Erfordernissen der Banken entsprechen, d.h. sie muss bankable sein. Hierzu werden aufwendige Planerfolgsmodelle angewandt, die aus mehreren Modulen bestehen; die wichtigsten davon sind: der Finanzierungsplan, die Gewinn-& Verlustrechnung, die Liquiditätsrechnung und schließ-
180
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
lich die Bilanz für das betreffende Projekt. Die Berechnungen werden für jedes einzelne Jahr der Nutzungsdauer des Projektes durchgeführt. Weitere wichtige Bestandteile von solchen Modellen sind auch die vertraglichen Randbedingungen u.a. Brennstoffbezugs-, Energielieferungs-, Wartungsund Betriebsführungsverträge mit den entsprechenden Konditionen. Die Modelle sind sehr projektspezifisch und deren ausführliche Behandlung würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Eine vereinfachte Planerfolgsrechnung für einen Windpark ist im Kapitel 7, Tabelle7.34 wiedergegeben.
4.5 Randbedingungen für Wirtschaftlichkeitsrechnungen 4.5.1 Begriffsfestlegungen
Bei der Beschreibung der Investitionsrechnungsverfahren wurden bisher für die Zahlungsströme die Begriffe Einnahmen und Ausgaben verwendet. Im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen in den nachfolgenden Kapiteln ist jedoch immer von Kosten die Rede. Deswegen ist es sinnvoll, zuerst einige der Begriffe zu klären. Einnahmen sind generell Zugänge von Zahlungsmitteln. Bei Energieprojekten bestehen diese Einnahmen meistens aus dem Energieverkauf. Sie ergeben sich aus dem Produkt von Absatzmenge und Verkaufspreis. Tabelle 4.6: Begriffe für Zahlungsströme Investitionsausgaben Betriebsausgaben Abschreibungen Zinsen für Fremdkapital Körperschaftsteuer Gewerbesteuer Eigenkapitalrendite
Ausgaben
Aufwand
Kosten
x x x x x -
x -
x x x x x (x)
Ausgaben sind Abgänge von Zahlungsmitteln. Sie können einzelne Zahlungen sein wie die Investitionsausgaben oder periodische Zahlungen wie die jährlichen Betriebsausgaben. Als Aufwand wird bei Gewinn- & Verlustrechnungen der im Rechnungszeitraum zurechenbare Wert für den Verbrauch an Gütern und die Inanspruchnahme von Dienstleistungen bezeichnet. Bei Energieprojekten sind diese identisch mit den Betriebsausgaben.
4.5 Randbedingungen für Wirtschaftlichkeitsrechnungen
181
Unter dem Begriff Erlöse wird bei Gewinn- & Verlustrechnungen der Wert der in einem Rechnungsabschnitt (i.d.R. ein Jahr) produzierten Güter und erbrachten Dienstleistungen bezeichnet. Darin ist z.B. auch die Auflösung von Baukostenzuschüssen enthalten, die in der betreffenden Periode keine Zahlungseingänge sind. Die Kosten beinhalten neben den Ausgaben auch andere Bestandteile, wie die Abschreibungen, die keine Ausgaben sind, aber buchhalterisch aus steuerlichen Gründen und zur Bestimmung des Wertes der Produkte berücksichtigt werden. Zum Zwecke der Wertermittlung für die Produkte wird auch die Eigenkapitalrendite als kalkulatorischer Kostenbestandteil berücksichtigt. Vollkosten und Teilkosten: Bei Variantenvergleichen im Rahmen von Konzept- und Machbarkeitsstudien wird oft nur der Teil der Kosten, der für den Vergleich relevant ist, berücksichtigt. Wenn z.B. zu einem bestehenden Heizwerk eine KWK-Anlage hinzukommt und das Heizwerk als Spitzenlastanlage weiter genutzt werden soll, dann sind seine fixen Kosten bei allen KWK-Varianten gleich und für den Vergleich nicht relevant. Sie müssen nicht unbedingt berücksichtigt werden. In diesem Fall spricht man von einer Teilkostenrechnung. Wenn alle Kosten berücksichtigt werden, handelt es sich um eine Vollkostenrechnung. Als Grenzkosten werden die Kosten für die nächste zu produzierende Einheit bezeichnet. Bei Kraftwerken ist dies die nächste MWh Strom. Die Kosten hierfür sind größtenteils Brennstoffkosten, da alle anderen Kosten unverändert bleiben. In Zusammenhang mit dem CO2-Emissionshandel sind auch die Kosten für „zusätzliche“ Zertifikate Grenzkosten (siehe hierzu Kapitel 6, Tabelle 6.10). Anlaufkosten: Beim Ausbau von Fernwärme- und Gasnetzen fällt der größte Teil der Investition zu Anfang des Ausbaus an. Die Anschlüsse kommen aber i.d.R. schrittweise, und das Netz erreicht erst nach Jahren eine Vollauslastung. Die Zeit bis zur Vollauslastung wird als Anlaufphase bezeichnet. Während der Anlaufphase wird üblicherweise keine Kostendeckung erreicht, und die Verluste müssen zwischenfinanziert werden, wodurch Zusatzkosten (Anlaufkosten) entstehen. Sie können bei kapitalintensiven Systemen wie Fernwärmenetzen beträchtlich sein. 4.5.2 Kostenarten bei Energieprojekten
Die nachfolgenden Erläuterungen beziehen sich hauptsächlich auf Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zur Ermittlung von Stromgestehungskosten bei Kraftwerksprojekten oder von Kosten für die Verteilung von Energie.
182
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
Dabei wird, wie bei der Beschreibung der Investitionsrechnungsverfahren erläutert, meistens nur die Kostenseite betrachtet. Durch eine Investition werden Zahlungsströme ausgelöst, die bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen als jährliche Kosten berücksichtigt werden. Die Kostenarten, die bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen von Energieprojekten vorkommen, können in folgende Gruppen eingeteilt werden. INVESTITIONSAUSGABEN €
JAHRESKOSTEN VON ENERGIEPROJEKTEN € / a
Fixe Kosten
Variable Kosten
Kapitalgebundene Kosten
Ertragsteuern
Verbrauchsunabhängige Kosten
Verbrauchsabhängige Kosten
Abschreibungen
Körperschaftsteuer
Personalkosten
Kosten für Brennstoffe, Energien & Betriebsmittel
Fremdkapitalzinsen
Gewerbesteuer
Fixe Instandhaltungskosten
Variable Instandhaltungskosten
Sonstige fixe Betriebskosten
Kosten für Entsorgungsprodukte
Eigenkapitalrendite
Kapitaldienst
Betriebskosten
Energiegestehungskosten € / kWh
Abb. 4.5: Kostenarten von Energieprojekten
Von besonderer Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen fixen und variablen Kosten. Die fixen Kosten fallen als Absolutbetrag (€/a), unabhängig vom Verbrauch bzw. der produzierten Energiemenge an. Wenn weniger als geplant produziert wird, steigen die spezifischen Kosten pro produzierter Energieeinheit, weil diese Kosten auf eine kleinere Energiemenge umgelegt werden. Die variablen Kosten sind dagegen als Absolutbetrag proportional zum Verbrauch bzw. zur produzierten Energiemenge berechnet. Bei der Energieerzeugung sind dies größtenteils die Brennstoffkosten. Ihr spezifischer Wert pro produzierter Energieeinheit bleibt praktisch konstant.
4.5 Randbedingungen für Wirtschaftlichkeitsrechnungen
183
Das Ziel von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen in den nachfolgenden Kapiteln ist zumeist, die Energiegestehungskosten zu ermitteln. 4.5.3 Randbedingungen für Wirtschaftlichkeitsrechnungen
Nachstehend werden die Kostenkomponenten aus Abb. 4.5 erläutert. Die Ausführungen beziehen sich hauptsächlich auf die Wirtschaftlichkeitsberechnungen zur Ermittlung von Energiegestehungs- oder Verteilungskosten in den Kapiteln 7, 8 und 9. Investitionsausgaben: Die Investitionsausgaben werden üblicherweise in folgenden Gruppen zusammengefasst: Anlagekosten • Bautechnik • Maschinentechnik • Elektro- und Leittechnik Ingenieurleistungen für Planung und Überwachung Bauherrenleistungen Bauzinsen Unvorhergesehenes Bei Generalunternehmervergabe enthält der Anschaffungspreis die ersten drei Positionen und einen Teil der Ingenieurleistungen (s. Kapitel 10). In den genannten Kapiteln werden Richtwerte für Investitionsausgaben in Form von Graphiken oder Tabellen für die betreffenden Anlagen oder Anlagenkomponenten angegeben. Diese Angaben sind für Konzeptstudien gedacht. Die tatsächlichen Investitionen sind meistens standortabhängig und auch abhängig von der Marktlage und können von den angegebenen Werten abweichen. Die Anlagekosten insbesondere bei Kraftwerksprojekten sind in den letzten Jahren wegen der weltweit großen Nachfrage nach neuen Kraftwerken sowie wegen des Anstiegs der Stahlpreise, Kupferpreise und auch der Transportkosten sehr stark gestiegen. Kapitaldienst: Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen in den genannten Kapiteln werden meistens nach der Annuitätenmethode durchgeführt. Der Kapitaldienst wird dabei durch Multiplikation der Investitionsausgaben mit dem Annuitätsfaktor ermittelt. Dieser enthält den kalkulatorischen Zinssatz mit allen in der entsprechenden Box der Abb. 4.5 angegebenen Kostenbestandteilen. Die Ertragsteuern sind auf die festgelegte Eigenkapitalrendite bezogen und werden deshalb auch als fixe Kosten betrachtet. Der kalkulatorische Zinssatz wurde in Abschnitt 4.1.3 in Beispiel 4.4 berechnet.
184
4 Investitionsrechnung in der Energiewirtschaft
Bei Investitionen im Privatbereich entspricht der kalkulatorische Zinssatz dem Bankzinssatz für Darlehen mit einer Laufzeit von 10 Jahren. Die Berechnungen werden mit den in der Tabelle angegebenen Zinssätzen durchgeführt. Tabelle 4.7: Kalkulatorischer Zinssatz Kapitalgesellschaften Privatbereich
Nominal % 10,0 7,50
Real % 7,50 5,00
Für die Personalkosten wird bei der jeweiligen Rechnung die Anzahl an Bedienungspersonal angegeben. Es wird mit einem durchschnittlichen Personalkostensatz in €/Person und Jahr gerechnet. Es wird dabei nur Bedienungspersonal berücksichtigt. Die Instandhaltung von Anlagen wird gewöhnlich an Fremdfirmen vergeben. Die fixen Instandhaltungskosten werden mit auf die investitionsbezogenen Prozentsätze gerechnet. Bei Gasturbinen und Blockheizkraftwerken enthalten die Instandhaltungskosten in Wartungsverträgen sowohl einen fixen als auch einen variablen Bestandteil; der letztere ist auf die erzeugte MWh Strom bezogen. Die entsprechenden Sätze werden in den Berechnungstabellen angegeben. Die angesetzten Brennstoffpreise entsprechen den durchschnittlichen Preisen für das Jahr 2007 aus den offiziellen Statistiken (siehe Kapitel 1). Zusätzlich zu den Grenzübergangspreisen werden auch Transportkosten bzw. Netznutzungsentgelte für Erdgas berücksichtigt. Kosten für Betriebsmittel wie Kalkstein und Ammoniak für Rauchgasreinigungsanlagen sowie Kosten für die Entsorgungsprodukte wurden in Kapitel 6.2 ermittelt und werden bei den Wirtschaftlichkeitsberechnungen entsprechend berücksichtigt. Sonstige Kosten sind z.B. Pachtgebühren bei Windparks, Kosten für Abriss und Entsorgung nach der Stillegung von Anlagen etc. Die Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden inflationsbereinigt (real) und ohne Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer durchgeführt.
0 Literaturverzeichnis
185
Literaturverzeichnis [Däumler] Klaus-Dieter Däumler, Investitionsrechnung, Leitfaden für Praktiker, Verlag Neue Wirtschafts-Briefe, Herne/Berlin, 1995 [DIHK] Deutscher Industrie u. Handelskammertag, Liste der Gewerbesteuersätze, http://www.dihk-de/inhalt/themen/rechtundfairplay/steuerrecht/gewerbesteuer/ [Invest VDEW] Investitionsrechnung in der Elektrizitätsversorgung, 3. Ausgabe, Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke - VDEW - e.V., 1993 [Moran] Kate Moran, Investment Appraisal for Non-Financial Managers, Prentice Hall, London, 1995 [Kruschwitz] Lutz Kruschwitz, Investitionsrechnung, 5. Auflage, Walter de Gruyter. Berlin New York, 1993 [Cassimatis] Peter Cassimatis, A Concise Introduction to Engineering Economics, UNWIN HYMAN Ltd, London, 1988 [WIFO] Österreichisches Institut für Wirtschaftforschung, www.wifo.ac.at [WKO] Wirtschaftskammer Österreichs, www.wko.at/statistik/eu/eu-Zinsen.pdf
5. Physikalisch-technisches Grundwissen
5.1 Das internationale Einheitensystem 5.1.1 SI-Einheiten
Als Größen (quantities) werden in der Physik Erscheinungen bezeichnet, mit denen Vorgänge beschrieben werden wie Länge, Masse, Zeit, Geschwindigkeit usw. Als Einheitensystem für die physikalischen Größen ist in den meisten Ländern das „Standard Internationale Einheitensystem nach [ISO 1000], abgekürzt SI-Maßsystem1“ in Gebrauch. In Deutschland sind die SI-Einheiten für den amtlichen und geschäftlichen Verkehr gesetzlich vorgeschrieben [R_80/181/EWG]; [EinhG]; [inhV]; [DIN 1301]; [DIN 1304]. Dieses SI-Maßsystem basiert auf 7 Basiseinheiten (base units); alle anderen Einheiten werden aus diesen abgeleitet. Tabelle 5.1: SI-Basisgrößen und Basiseinheiten SI-Basisgröße SI - Quantity Name / name Länge Masse Zeit Stromstärke Thermodynamische Temperatur Stoffmenge Lichtstärke
Formelzeichen l m t I T N L
SI-Basiseinheit SI-Base unit Zeichen Name / name Symbol Meter m Kilogramm kg Sekunde s Ampere A Kelvin K Mol mol Candela Cd
Für die Basiseinheit Meter "m" und Kilogramm "kg" befinden sich Prototypen im Museum für Maße und Gewichte in Sèrves bei Paris.
1
Système International d'Unités
188
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
Die Grundeinheit für die Temperatur und für die Temperaturdifferenz ist Kelvin "K" mit Formelzeichen T. Allerdings ist Grad Celsius "°C" mit Formelzeichen "t" für Temperaturangaben, jedoch nicht für Temperaturdifferenzen, weiterhin zugelassen z.B.: ∆T = 15 K
aber t = 35 °C
0 K = -273,15 °C
Die Temperatur 0 K = -273,15 °C ist die niedrigste Temperatur überhaupt und wird in der Physik als absoluter Nullpunkt bezeichnet. Bei technischen Umrechnungen von wird meistens der Wert 273 verwendet. z.B.: 35 °C = 35 + 273 = 308 K Die SI-Basiseinheit für die Stoffmenge (amount of substance) ist 1 Mol "mol". Die genaue Definition lautet. 1 mol ist die Stoffmenge (bzw. Teilchenmenge) eines Stoffes, der so viele Teilchen enthält, wie es Atome in 12 g des Kohlenstoffisotops 12C gibt. Bei technischen Rechnungen wird meistens das Vielfache kmol benutzt, z.B.: 1 kmol C = 12 kg C; 1 kmol O2 = 32 kg O2; 1 kmol CO2 = 44 kg CO2 Aus den Basiseinheiten und aus der Definition der physikalischen Größen werden durch Division oder Produktbildung alle anderen, so genannten abgeleiteten Einheiten (derived units) gebildet. Die abgeleiteten Einheiten für einige im Rahmen der Energiewirtschaft relevanten Größen werden in der Tabelle 5.2 beschrieben und nachstehend erläutert. Die wichtigsten Vorsatzzeichen für Dezimale und Vielfache von SI-Einheiten sind in der Tabelle 5.3 aufgelistet. Dezimale und Vielfache sind auch Potenzen von Einheiten z.B. • •
Für Fläche: km2, m2, cm2, mm2 Für Volumen: m3, dm3, cm3
Abkürzungen im Deutschen wie qm statt m2, ccm statt cm3 sind keine SI-Einheiten. Als weitere Einheiten werden vom Comité1 anerkannt und gebraucht: • • •
Für die Masse die Einheit Tonne "t". 1 t = 1000 kg Für die Zeit die Einheiten Tag "d", Stunde "h" und Minute "min" Für das Volumen Die Einheit Liter "1 l = 1 dm3 bzw. 1 m3 = 1000 l"
Die SI-Einheit für Druck ist 1 Pa (Pascal), das ist die Kraft, die ein Newton auf die Fläche von 1 m2 ausübt (1 Pa = 1 N/m2). Diese Einheit ist für technische Anwendungen zu klein. Meistens wird die abgeleitete Einheit "bar" anstelle von "Pa" oder die Vielfachen „kPa“ und "MPa" benutzt. 1
Comité International des Poids et Mesures
5.1 Das internationale Einheitensystem
189
1 bar = 100.000 Pa = 100 kPa = 0,1 MPa 1 Pa = 1 N/m2;
1 kPa = 0,01 bar; 1 MPa = 10 bar
Zu vermerken ist, dass der Druck zwar immer als Überdruck zum atmosphärischen Druck gemessen wird, bei Rechnungen aber immer der absolute Druck zu verwenden ist (absoluter Druck = gemessener Überdruck plus atmosphärischer Druck). Oft wird der gemessene Überdruck mit pÜ (englisch po) angegeben. Tabelle 5.2: Ausgewählte, abgeleitete SI-Einheiten Größenbezeichnung (name of Quantity) Formelzeichen Geschwindigkeit (speed - velocity)
Einheit (Unit) 1) Symbol-Name (abgeleitet aus SIBasiseinheiten) m/s
υ
Beschleunigung (acceleration) A
2)
Kraft (force) F
Arbeit und Energie (work, energy) W, E Leistung (power) P
m/s2
N - Newton ( 1N = 1 kg⋅m/s2)
J - Joule J=N⋅m=Wxs (1 J = 1 kgxm2/s2)
W - Watt W = J/s (1 W= 1 kgxm2/s3)
Definition Geschwindigkeit υ ist der zurückgelegte Weg s in m dividiert durch die Zeit t; υ=s / t Beschleunigung a ist die Änderung der Geschwindigkeit m/s pro Zeiteinheit s; a=υ/t Kraft F ist gleich "Masse x Beschleunigung". 1 Newton N ist die Kraft, welche einwirkend auf einen Körper mit der Masse 1 kg ihm eine Beschleunigung von 1 m/s2 erteilt. Arbeit W ist "Kraft x Weg". 1 Joule J ist die Arbeit, die verrichtet wird, wenn eine Kraft von 1 N einem Körper mit der Masse 1 kg um 1 m in die Richtung der Kraft bewegt. Leistung P ist gleich verrichtete Arbeit J dividiert durch die Zeit s. P=W/t Druck p ist Kraft dividiert durch die Fläche deren Einwirkung.
Druck Pa - Pascal (pressure) Pa = N/m2 (1 Pa = kgx/ (m s2) ) P 1) abgeleitet aus den Grundeinheiten oder aus anderen abgeleiteten Einheiten 2) Eine besondere Beschleunigung ist die Erdbeschleunigung g = 9,81 m/s2
190
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
Tabelle 5.3: Vorsätze und Vorsatzzeichen für Dezimale und Vielfache Vorsatz Prefix Mikro Milli Zenti Dezi Hekto Kilo Mega Giga Tera Peta
Zeichen Symbol µ m c d h k M G T P
Faktor 10-6 10-3 10-2 10-1 102 103 106 109 1012 1015
Beispiel Name Zeichen Mikrometer µm Millimeter mm Zentimeter cm Dezimeter dm Hektoliter hl Kilogramm kg Megawatt MW Gigawatt GW Terajoule TJ Petajoule PJ
5.1.2 Regeln für die Schreibweise von Größen und Einheiten
Die Schreibweisen für Größen und Einheiten sind in [DIN 1313] und [DIN 1338] genormt. Eine gute und übersichtliche Zusammenfassung der Regeln ist in [Rohde&Schwarz] zu ersehen. Nachstehend werden die wichtigsten Regeln zusammengefasst: •
• • •
Formelzeichen für physikalische Größen werden kursiv geschrieben und sollen aus nur einem Buchstaben bestehen (z.B. P für Leistung). Die Benutzung von Indizes zur Unterscheidung von Größen gleicher Art ist erlaubt (z.B. PN für Nennleistung, siehe auch Vermerk unten) Einheiten und ihre Vorsätze werden in Steilschrift geschrieben (z.B. m/s, kg, MW) Größen werden als Produkt von Maßzahl und der entsprechenden Einheit mit einer Leerstelle dazwischen dargestellt (z.B. P=500 kW, l = 10 m, H = 500 kJ) Kombinierte Einheiten werden als Produkt oder als Quotient dargestellt (wie: N⋅m , m/s , m⋅s-1)
Anmerkung: Nicht korrekt ist es, SI-Einheiten durch zusätzliche Kennzeichen wie Indizes zu verändern oder in Klammern zu setzen. Diese Regel wird in der Praxis aber oft nicht befolgt, um Einheiten gleicher Art voneinander zu unterscheiden. Es ist auch nicht normgerecht, für elektrische Leistung z.B. kWel oder für thermische Leistung kWth zu schreiben (Im englischen entsprechend kWe und kWt). Zur Klarstellung bei Rechnungen ist es aber oft hilfreich und sinnvoll. Wenn es der Klarstellung dient, wird dies auch in diesem Buch so praktiziert.
5.1 Das internationale Einheitensystem
191
5.1.3 Der richtige Umgang mit Einheiten in Formeln
Für die Richtigkeit von Berechnungen mit Formeln ist der korrekte Umgang mit den Einheiten entscheidend (siehe auch [Rohde&Schwarz]). Die in eine Formel einzusetzenden Größen werden meistens mit Einheiten angegeben, die für die Berechnung nicht geeignet sind. Der beste Weg, Fehler zu vermeiden, ist, die Größen in die aus den Grundeinheiten abgeleitete Form umzuwandeln und in die Formel einzusetzen. Das soll in einem einfachen Fall erläutert werden: Beispiel 5.1: Berechnung der Pumpleistung Für die Pumpleistung in einem geschlossenen Kreis gilt die Formel: P=Q⋅p/η W Eingaben: Q = 110 m3/h; p = 12 bar; η = 85% Umwandlung in Grundeinheiten: Q =110 m3/h = 110/3600 m3/s; P =12 bar = 12x105 Pa (=N/m2); η = 0,85 in die Formel P=
110 × 12 × 105 m3 N Nm = 43.137 = 43.137 W = 43,14 kW 3600 × 0,85 s×m 2 s
Der Anwender muss natürlich wissen, dass 1 Nxm = 1 J und 1 J/s =1 W ist. Deswegen muss man sich die Definitionen der Größen und Einheiten und ihre Ableitung aus den Grundeinheiten aneignen (Tabelle 5.2); für den Umgang mit Formeln ist dies unerlässlich. Formeln werden oft auch als Zahlenformeln angegeben. Dann muss daneben angegeben werden, mit welcher Einheit die Größen in die Formel eingesetzt werden müssen. Beispiel 5.2: Berechnung der Pumpleistung mit Zahlenformel Die Zahlenformel für Pumpleistung lautet z.B: P= 100xQx p/η kW wobei Q in m3/s und p in bar eingegeben werden müssen
P=
100 ×110 × 12 = 43,14 kW 3600 × 0,85
192
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
5.2 Basiswissen Thermodynamik 5.2.1 Allgemeine Definitionen 5.2.1.1 Energie und Arbeit
Als Energie E wird die Fähigkeit, Arbeit W zu verrichten, bezeichnet. Man unterscheidet verschiedene Energieformen: potentielle Energie, kinetische Energie, mechanische Energie, elektrische Energie, thermische Energie. Für die Wärme oder thermische Energie gilt das Formelzeichen Q mit der Einheit J bzw. für die spezifische Wärme q mit der Einheit J/kg. Da die Einheit J bzw. Ws für praktische Anwendungen zu klein ist werden in der Praxis die Vielfachen verwendet: 1 kJ; 1 MJ; 1 GJ 1 kWh; 1 MWh; 1 GWh; 1 TWh wobei gilt 1 kWh = 3.600 kJ In Deutschland werden alle leitungsgebundenen Energien (Strom, Erdgas, Fernwärme) in der Einheit kWh verkauft. Um die Berechnungen z.B. bei Energiebilanzen zu erleichtern, wird i.d.R. für alle Energieformen die Einheit kWh und deren Vielfaches bevorzugt verwendet. In Statistiken wird weiterhin die Einheit 1 t SKE (SteinKohleEnheit) gebraucht. 1 t SKE entspricht 7 Gcal (alte Energieeinheit 1 kcal = 4,187 kJ). Die in den Statistiken verwendeten Einheiten sind meistens: 1 Mio. t SKE = 8,14 TWh = 29,308 PJ = 7 Pcal
5.2.1.2 Thermodynamisches System
Ein thermodynamisches System ist ein gedanklich abgegrenzter Bereich aus Materie oder fester Masse, der in einer energetischen und stofflichen Wechselwirkung mit seiner Umgebung steht. Die Systemgrenzen (system boundaries) werden so festgelegt, dass sinnvolle Aussagen über den Stoffund Energieaustausch mit der Umgebung möglich sind. Die Systemgrenzen können fix oder beweglich sein. Bei einem geschlossenen System (closed system), z.B. Thermosflasche, findet, im Gegensatz zu einem offenem System (z.B. Wärmetauscher), kein stofflicher Austausch mit der Umgebung statt. Bei einem abgeschlossenen System (isolated system) findet weder stofflicher noch energetischer Austausch mit der Umgebung statt.
5.2 Basiswissen Thermodynamik
193
In der Abb. 5.1 ist das im Zylinder eingeschlossene Gas das System. Es handelt sich um ein geschlossenes System. Wenn dem System mit einem Bunsenbrenner Wärme zugeführt wird, dann erhöht sich sein Volumen und die Systemgrenzen verschieben sich. Wenn der Zylinder so gut isoliert ist, dass kein Energieaustausch mit seiner Umgebung stattfindet, dann ist dies ein abgeschlossenes System. Bei Kreisprozessen ist das Arbeitsmittel das thermodynamische System. Gewicht
Gas (System)
Systemgrenzen
Abb. 5.1: Beispiel eines thermodynamischen Systems 5.2.1.3 Zustandsgrößen, Prozessgrößen, Gleichgewichtszustand
Der "augenblickliche Zustand" eines thermodynamischen Systems wird durch die Zustandsgrößen (properties of state) beschrieben. Es wird zwischen "intensiven" und "extensiven" Zustandsgrößen unterschieden. Intensive Zustandsgrößen sind von der Masse unabhängig, der Wert der extensiven Zustandsgrößen ist direkt abhängig von der Masse. Extensive Zustandsgrößen sind Masse m, Volumen V, innere Energie U, Enthalpie H und Entropie S. Intensive Zustandsgrößen sind Druck p und Temperatur T sowie die auf die Masseneinheit kg bezogenen spezifischen Größen: spezifisches Volumen υ, Dichte ρ, innere Energie u, Enthalpie h, Entropie s. Speifische Größen werden im Gegensatz zu den absoluten Größen, die mit Großbuchstaben angegeben werden, durch Kleinbuchstaben angegeben. Prozessgrößen sind Arbeit W bzw. w und Wärmemenge Q bzw. q, beides in der Einheit kJ bzw. kJ/kg. Ein thermodynamisches System befindet sich in Gleichgewichtszustand (thermodynamic equilibrium), wenn seine Zustandsgrößen konstant bleiben. Im Gleichgewichtszustand findet auch keine Entropieänderung statt. Gleichungen, die konkrete Zusammenhänge zwischen den Zustandsgrößen eines Systems beschreiben, werden Zustandsgleichungen (equations of state) genannt (siehe z.B. Zustandsgleichung des idealen Gases).
194
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
5.2.1.4 Prozess und Kreisprozess
In einem thermodynamischen Prozess (thermodynamic process) oder einer Zustandsänderung geht ein System von einem Gleichgewichtszustand zu einem anderen über, dabei ändern sich seine Zustandsgrößen. Bei einem thermodynamischen Kreisprozess (thermodynamic cycle), z.B. in einem Kraftwerksprozess, handelt es sich um eine zyklische Folge von Zustandsänderungen eines Systems (Arbeitsmittel). Als Ergebnis eines Prozesses findet ein Energietransport in Form von Arbeit und Wärme über die Systemgrenzen hinaus statt. 5.2.1.5 Normzustand, Betriebszustand
Der Normzustand (normal conditions) legt Bezugskonditionen für thermodynamische Berechnungen fest; sie sind wie folgt definiert: Nach DIN 1343: Nach ISO 2533:
Temperatur: tN = 0 °C bzw. TN= 273,15 K; Druck: pN = 101 325 Pa bzw. 1,013 bar Relative Feuchtigkeit: 0% Temperatur 15°C bzw. 288,15 K, sonst wie oben
Anmerkung: Für Gasturbinen werden alle Leistungsangaben nach DIN 4341 (Abnahmeregeln für Gasturbinen) für Normbezugsbedingungen (Temperatur 15°C, Druck 1,013 bar und relative Feuchte 60%) angegeben. Der Betriebszustand ist der Zustand, in dem ein Stoff tatsächlich vorkommt, z.B. Erdgas mit einer Temperatur von 25 °C und einem Druck von 12 bar. Umrechnungen vom Betriebszustand zum Normzustand können näherungsweise mit der Gleichung des idealen Gases durchgeführt werden. Das Normvolumen VN wird mit m3 (i.N.) angegeben, ältere Bezeichnungen wie Nm3 oder nm3 werden weiterhin verwendet. 5.2.1.6 Masse, Massenstrom, Kraft und Gewicht
Masse und Gewicht eines Körpers sind unterschiedliche Größen. Die Masse eines Körpers ist überall auf der Erde gleich. Sie wird in einer Gleichgewichtswaage gemessen. Das Gewicht eines Körpers ist dagegen eine Kraft entsprechend dem Produkt seiner Masse "m" in kg multipliziert mit der Erdbeschleunigung "g" in m/s2 und ihre Einheit ist 1 N (Newton): Gewicht: G = mx g [kg m/s2 = N] Als Vielfaches dieser Einheit wird 1 kN = 1.000 N verwendet. Die Erdbeschleunigung g beträgt für rechnerische Zwecke 9,81 m/s2 (9,8065 m/s2 bei Meereshöhe und 45° geographischer Breite). Sie ändert
5.2 Basiswissen Thermodynamik
195
sich abhängig von der geographischen Breite und der geodätischen Höhe. In Meereshöhe beträgt sie am Äquator 9,78 m/s2 und an den Polen 9,932 m/s2 . Die Masse von 1 kg wiegt demnach am Äquator 9,78 N und an anderen geographischen Breiten entsprechend mehr. Massenströme hingegen werden bei Kreisprozessrechnungen in kg/s oder in t/h angegeben (z.B. Dampfmassenstrom). 5.2.1.7 Volumen, spezifisches Volumen, Dichte, Volumenstrom
Das Volumen V in m3 bzw. das spezifische Volumen υ in m3/kg ist eine Zustandsgröße. Der Kehrwert des spezifischen Volumens ist die Dichte (density) ρ in kg/m3. Bei festen und flüssigen Stoffen wird meistens die Dichte, bei gasförmigen das spezifische Volumen verwendet. Am häufigsten wird die Dichte von Luft und Wasser benötigt. Das spezifische Volumen von Dampf ist aus Dampftafeln [Springer Dampftafeln] zu entnehmen oder aus Software-Programmen wie [WADAEXL]. Beide Größen sind temperaturabhängig; bei Gasen und Flüssigkeiten sind diese Größen auch druckabhängig. Bei Flüssigkeiten ist allerdings die Druckabhängigkeit nicht so stark wie bei Gasen. Tabelle 5.4: Dichte von Luft und Wasser Medium Luft bei 1 bar und 0°C Wasser, 20°C
kg/m3 1,275 1.000
Näherung [Recknagel] ρ =1,275x273/(273+t) ρ =1006 - 0,26xt - 0,0022xt2
Der Volumenstrom von Medien bei Kreisprozessrechnungen (z.B. Verbrennungsluft- oder Rauchgasvolumenstrom) wird in m3/s bzw. m3/h, meist im Normzustand (i.N.), angegeben. 5.2.1.8 Der Erste Hauptsatz, innere Energie, Enthalpie
Energien können ganz oder teilweise von einer in eine andere Energieform umgewandelt werden. In einem abgeschlossenen System bleibt die Summe aller Energien bei jeder Energieumwandlung konstant. Die gesamte in einem System enthaltene Energie, unabhängig davon, in welcher Form sie zugeführt wurde, wird innere Energie (internal energy) U in kJ bzw. als spezifische Größe u in kJ/kg genannt. Sie ist eine Zustandsgröße und hängt nur vom Anfangs- und Endzustand des Systems ab. Der erste Hauptsatz der Thermodynamik lautet:
196
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
Erster Hauptsatz: Die in einem thermodynamisch geschlossenen System (ohne Stoffübergang) zugeführte Wärmemenge Q ist gleich mit der Summe der Zunahme der inneren Energie des Systems und der mechanischen Arbeit W, die nach außen abgegeben wird. Die Energiebilanzgleichung für das geschlossene System nach dem 1. Hauptsatz lautet damit. Q=U2 - U1 + Wυ ,12
Gl. 5.1
dQ = dU+dW= dU +p dV
Gl. 5.2
oder als Differential
2
mit
dW = p dV bzw.
wυ ,12 = − ∫ p dυ
die Volumenänderungsarbeit.
1
Wenn die Zustandsänderung bei konstantem Volumen erfolgt, dann ist dV=0. Dann ist die innere Energie nur von der Temperatur abhängig. Daraus folgt die kalorische Bilanzgleichung: dQ = dU = m cυ dT U2-U1= m cυ (T2-T1)
Gl. 5.3
cυ in kJ/(kg K) ist die spezifische Wärmekapazität des Mediums bei konstantem Volumen. Durch Einführung der Enthalpie H in kJ bzw. h in kJ/kg H= U+ p V kJ bzw.als spezifische Größe
h = u +p υ kJ/kg
sowie als Differential dH = dU +p dV + V dp eingesetzt in die Gl. 5.2 entsteht eine neue Form der Energiebilanzgleichung: dQ = dH - V dp bzw. spezifisch dq = dh - v dp 2
∫
Der zweite Summand ist die spezifische technische Arbeit: wt ,12 = v dp 1
Für Zustandsänderungen bei konstantem Druck, wie bei Erwärmungsund Abkühlungsvorgängen eines geschlossenen Systems, ist dp=0. Die Enthalpie ist dann nur noch von der Temperatur abhängig und kann als Produkt aus der spezifischen Wärmekapazität und der Temperatur dargestellt werden. So entsteht die Enthalpiebilanzgleichung:
5.2 Basiswissen Thermodynamik
197
dQ = dH =m cp dT h2- h1 = cp (t2 -t1)
Gl. 5.4
Die spezifische Wärmekapazität cp J/(kgxK) ist eine Stoffgröße und ist bei konstantem Druck nur von der Temperatur abhängig. Bei technischen Berechnungen von Prozessen werden Wärmeströme oder Arbeit meistens als Enthalpiedifferenzen wie nachstehend ermittelt: Die spezifische Wärmekapazität einiger ausgewählter Medien ist nachstehend zu ersehen: Q = h2 - h1= cp2xt2 - cp1xt1
Gl. 5.5
Tabelle 5.5: Spez. Wärmekapazität ausgewählter Stoffe Arbeitsmittel Wasser 1 bar/15 °C 15 bar/125 °C 220 bar/180 °C Dampf 12 bar/250 °C 180 bar/540 °C Luft 1 bar/25 °C 1 bar/200 °C Gasturbinenabgas 1 bar/550 °C 1 bar/120 °C
cp kJ / (kg x K)
Vermerk
4,189 4,252 4,321
Zusatzwasser Speisewasser für Industriekessel Speisewasser für Kraftwerkskessel
2,272 2,894
Entnahmedampf Frischdampf
1,004 1,011 1,027 1,098
Austritt Gasturbine Austritt Kamin
Bei Luft und Gasturbinenabgasen kann man praktisch mit Durchschnittswerten rechnen, ebenfalls bei Wasser bei Drücken unterhalb 20 bar. Beim Dampf sollte man die Werte aus Tafeln oder aus EDVProgrammen entnehmen. Beispiel 5.3: Energiebilanz Abhitzekessel Aus einem Abgaswärmestrom von VN =39 kg/s soll in einem Abhitzekessel Dampf von 12 bar / 220 °C erzeugt werden. Der Prozess ist graphisch darzustellen, eine Wärmebilanz ist zu erstellen und daraus die erzeugte Dampfmenge m zu ermitteln. Anmerkung: Es ist sinnvoll bei solchen Aufgaben ein vereinfachtes Wärmeschaltbild des Prozesses zu entwerfen und die Stoffströme und deren thermodynamische Zustandgrößen in Kreuze eingetragen, wie in der nachstehenden Abbildung zu ersehen ist.
198
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
Legende 39 1
m 12
Wasser Dampf Abgas
164,0 159
441 105
m 12 39 1
kg/s kJ/kg bar °C Abgas: c p = 1,03 (kJ/kg K) Wasser: c p = 4,2 kJ/(kg K) Dampf h = 2861 kJ/kg
2861 220
480 466
Wärmebilanz (eintretende gleich austretende Wärmemenge): m x 441 + 39 x 480 = m x 2861 + 39 x 164 kJ / kg m =
39 x (480 - 164) 2861 - 441
=
5,09
kg / s
5.2.1.9 Der Zweite Hauptsatz, Entropie, Exergie und Anergie
Während nach dem Ersten Hauptsatz der Thermodynamik eine vollständige Umwandlung zwischen Energieformen ohne Einschränkung möglich ist, schränkt der Zweite Hauptsatz die Umwandelbarkeit der Energie ein. Es gibt verschiedene Formulierungen, davon ist für praktische Anwendungen folgende am sinnvollsten: 2. Hauptsatz: Während mechanische Arbeit zu 100 Prozent in Wärme umgewandelt werden kann, kann Wärme nie vollständig in mechanische Arbeit umgewandelt werden. In der Thermodynamik unterscheidet man zwischen reversiblen (umkehrbaren) und irreversiblen (nicht-umkehrbaren) Prozessen. Bei reversiblen Prozessen ist eine Wiederherstellung des Anfangszustandes durch bloße Umkehrung des Weges und ohne Energiezufuhr von außen möglich. Irreversible Prozesse verlaufen dagegen nur in eine Richtung und können nur durch Energiezufuhr rückgängig gemacht werden. Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass es die Zustandsgröße Entropie S gibt, die in einem abgeschlossenen System niemals abnimmt. Alle technischen Prozesse sind irreversibel; sie sind durch eine Entropieänderung gekennzeichnet. Für ein geschlossenes System gilt: DS = dQ/T ≥ 0 kJ/K ds =dq/T ≥ 0 kJ/(kgxK)
Gl. 5.6
5.2 Basiswissen Thermodynamik
199
und daraus für die zu- oder abgeführte Wärme: Q12 = T (S2 - S1)
Gl. 5.7
Die Entropie S in kJ/K bzw. als spezifische Größe s in kJ/(kgxK) ist eine Zustandsgröße und wird insbesondere bei der Berechnung von Dampfkreisprozessen benötigt. Werte hierzu sind aus Dampftafeln, Mollier-(h-s)Diagrammen oder softwareprogrammen zu entnehmen. Aufgrund des zweiten Hauptsatzes und der Einführung der Entropie als Zustandsgröße ergibt sich durch Umformung der Ungleichung: ds ≤ dq / T der Ausdruck T ≥ ds/dq Der Dritte Hauptsatz besagt, dass der absolute Nullpunkt der Temperatur (T=0 K bzw. t=-273,15°C) durch kein technisches Verfahren erreicht werden kann. Es ist möglich, den absoluten Nullpunkt zu nähern, aber unmöglich ihn zu erreichen. Als Exergie wird der Teil der Energie bezeichnet, der theoretisch vollständig in jede andere Energieform umgewandelt werden kann. Elektrische Energie kann z.B. zu 100% in mechanische oder thermische Energie umgewandelt werden. Dagegen kann thermische Energie nur zum Teil in mechanische oder elektrische Energie umgewandelt werden und dieser Teil wird mit abnehmendem Temperaturniveau kleiner. Der Restanteil wird als Anergie bezeichnet und wird bei der Umwandlung an die Umgebung abgeführt. Die Exergie eines Stoffes oder Mediums ist wie folgt definiert: Exergie:
e = h − hu − Tu (s − su ) kJ/kg
Gl. 5.8
Darin bedeuten: e: spezifische Exergie in kJ/kg h, hu: spez. Enthalpie kJ/kg im augenblicklichen bzw. Umgebungszustand thermodynamische Temperatur der Umgebung in K Tu: s, su: Entropie kJ/(kgxK) im augenblicklichen bzw. Umgebungszustand
Auf der Basis Exergie basiert eines der Verfahren zur Kostenaufteilung bei gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung (siehe Beispiel 5.4). Beispiel 5.4: Dampfgestehungskosten nach der Exergiemethode In einem Heizkraftwerk wird aus einer Gegendruckturbine Prozessdampf bei 15 bar und bei 3,5 bar ausgekoppelt. Die spezifischen Dampfgestehungskosten sind nach der Exergiemethode (siehe hierzu Kapitel 8) zu ermitteln. Lösung: Für Strom gilt 1,0 MWh Strom gleich 1,0 MWh Exergie, da Strom zu 100% in jede Energieform umgewandelt werden kann; als Umgebung mit Exergie Null soll
200
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
Kühlwasser mit einer Temperatur von 15 °C angenommen werden. Die Stromgestehungskosten sind mit 50 €/MWh anzusetzen. Position Strom Exergie eel Gestehungskosten c el Kühlwasser (Umgebung) *) Druck Temperatur Temperatur T u Enthalpie h u Entropie s u Dampf Druck Temperatur Enthalpie h D Entropie s D Exergie: e D = h D -h u -T u (s D -s u ) Exergie eD Dampfgestehungskosten: cD = eD x cel
Einheit
Zahlenwert
MWh / MWh € / MWh
1,0 50,0
bar °C K kJ /k g kJ / (kg K)
1 15 288 63 0,224
bar °C kJ /k g kJ / (kg K) kJ / kg MWh / t €/t
15,0 350 3.148 7,10 1.104 0,307 15,33
3,5 180 2.822 7,15 765 0,212 10,62
5.2.2 Thermodynamik der Gase und Gasgemische 5.2.2.1 Die Zustandsgleichung des idealen Gases
Der thermische Zustand von Gasen wird durch die Zustandsgrößen Druck p, Volumen V und Temperatur T definiert. Bei einer Zustandänderung bleibt der Quotient:
pV = kons tan t T
Gl. 5.9
und die allgemeine Gleichung des idealen Gases (equation of the state) oder Idealgasgleichung lautet: pxυ =RxT pxV = mxRxT Darin bedeuten: Druck Pa (N/m2) p:
V, v: Volumen m3, spezifisches Volumen m3/kg T: thermodynamische Temperatur K R: Gaskonstante des betreffenden Gases J/(kgxK) m: Masse in kg
Gl. 5.10 Gl. 5.11
5.2 Basiswissen Thermodynamik
201
Gase, die bei Zustandsänderungen genau diese Gleichung erfüllen, heißen ideale Gase. Reale Gase erfüllen diese Gleichung nur annähernd. Für technische Rechnungen mit Luft, Rauchgasen und anderen technischen Gasen ist die Genauigkeit jedoch ausreichend. 5.2.2.2 Molmasse und Molvolumen von Gasen
Die Molmasse und die Gaskonstanten ausgewählte Stoffe sind in der nachstehenden Tabelle angegeben. Tabelle 5.6: Molmasse und Gaskonstante ausgewählter Stoffe Stoff Wasserstoff H2 Luft Stickstoff N2 Sauerstoff O2 Kohlendioxid CO2 Wasserdampf H2O (überhitzt)
Molmasse M kg/kmol 2,016 28,964 28,013 31,999 44,010 18,015
Gaskonstante R J/(kgxK) 4.124,40 287,06 296,80 259,83 188,92 461,51
Das von 1 kmol eines Gases eingenommene Volumen wird Molvolumen genannt und beträgt bei Normzustand (0°C; 1,013 bar) 22,4 m3. Memo: Molvolumen von Gasen: VM = 22,4 mn3 /kmol Beispiel 5.5: Sauerstoffbehälter Ein Behälter von 1,5 m3 Volumen enthält Sauerstoff bei Umgebungstemperatur von 20 °C mit einem Druck von 25 bar. Zu ermitteln ist die Masse des Sauerstoffs. Es gilt: mit p= 25 bar = 25x105 N/m2; R=259,83 J/(kgxK); T = 273+20 = 293 K
m= (Kontrolle der Einheiten:
p × V 25 × 10 5 × 1,5 = = 49,26 kg R × T 259,83 × 293 N m 3 kg K N m kg J kg = = = kg ) J J m2 J K
Beispiel 5.6: Spezifisches Volumen und Dichte der Luft Das spezifische Volumen der Luft bei Normzustand (M=28,964 kg/kmol):
υN =
VM 22,4 = = 0,773 mn3/kg M 28,964
1
ρ N = = 1,293 υ
kg /mn3
202
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
5.2.2.3 Zustandsänderungsprozesse idealer Gase
In einem thermodynamischen Prozess oder einer Zustandsänderung (process) geht ein System (Arbeitsmedium) vom einem Gleichgewichtszustand zu einem anderen über. Dabei ändern sich seine Zustandsgrößen und es findet auch eine Energieumsetzung in Form von Wärme und Arbeit statt. Aus der Zustandsgleichung des idealen Gases folgt:
p1V1 p2 V2 = T1 T2
Gl. 5.12
Daraus ergeben sich die drei Gleichungen für die Zustandsänderungen des idealen Gases. Isochore: Zustandsänderung bei konstantem Volumen
p1 p2 = T1 T2
Gl. 5.13
und für den Energieumsatz während der Zustandsänderung ergibt sich für die technische Arbeit und die Wärme:
W12 = V1 × ( p1 − p 2 )
Q12 = m × cv × (T2 − T1 )
Gl. 5.14
Isobare: Zustandsänderung bei konstantem Druck V1 V2 = T1 T2
Gl. 5.15
Während der Zustandsänderung ist die technische Arbeit und der Wärmeumsatz:
W12 = 0
Q12 = m × c p × (T2 − T1 )
Gl. 5.16
Isotherme: Zustandsänderung bei konstanter Temperatur
p1V1 = p2 V2
Gl. 5.17
Während der Zustandsänderung ist die technische Arbeit und der Wärmeumsatz:
5.2 Basiswissen Thermodynamik
W12 = m RT1 ln
V1 = − Q12 V2
203
Gl. 5.18
Isentrope: Zustandsänderung bei konstanter Entropie Eine besondere Zustandsänderung ist die Isentrope, bei der kein Wärmeaustausch mit der Umgebung stattfindet und die Entropie konstant bleibt. Die Gleichung für die isentrope Zustandsänderung lautet:
p1 V1κ = p 2 V2κ
Gl. 5.19
sowie näherungsweise:
T2 p 2 = T1 p1
(κ −1) κ
Gl. 5.20
Für den Isentropenexponent κ gilt näherungsweise: Tabelle 5.7: Näherungswerte für den Isentropenexponenten Gasart Einatomige Gase Zweiatomige Gase Dreiatomige Gase
Isentropenexponent κ 1,67 1,40 1,33
Während der Zustandsänderung sind die technische Arbeit und der Wärmeumsatz:
W12 = m c p (T2 − T1 )
Q12 = 0
Gl. 5.21
Eine Adiabate ist eine Zustandänderung bei der, wie bei der Isentropen, kein Wärmeaustausch mit der Umgebung stattfindet, allerdings nimmt die Entropie im Gegensatz zur Isentropen durch Irreversibilitäten wie Reibung zu. Drosselung: Zustandsänderung bei konstanter Enthalpie Die Drosselung ist bei realen Prozessen ein oft vorkommender Vorgang. Dabei wird der Druck eines Arbeitsmediums durch Arbeitsvernichtung in einem Drosselventil reduziert. Das geschieht z.B. bei Erdgasübergabestationen oder gelegentlich auch in Kraftwerken. Die Enthalpie bleibt bei der Drosselung konstant und die Entropie nimmt zu. Beim idealen Gas bleibt wegen h=cp t auch die Temperatur bei der Drosselung konstant. Bei realen Gasen nimmt sie ab; deswegen muss z.B. bei Gasübergabestationen dem Gas Wärme zugeführt werden.
204
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
Beispiel 5.7: Umrechnung Abgasvolumen Der Abgasvolumenstrom eines mit Erdgas befeuerten 20 MW-Kessels beträgt ca. 22.000 mn3/h. Zur Dimensionierung des Schornsteinquerschnittes ist das tatsächliche Abgasvolumen bei der Temperatur von 145 °C zu ermitteln. Die Abgasgeschwindigkeit kann mit w =25 m /s angesetzt werden. Es wird eine isobare Zustandsänderung angenommen, dann gilt: V1 V2 = T1 T2
V2 =
bzw.
V2 22.000 = 273 273 + 145
(273 + 145)× 22.000 = 33.685 273
m3/h bzw. 9,36
m3/s
und der erforderliche Schornsteinquerschnitt A sowie der Durchmesser D betragen: A = V2 /w = 9,36 / 25 = 0,375 m2 D=
4× A
π
=
4 × 0,375 = 0,69 3,14
m
Beispiel 5.8: Isentrope Entspannung von Hochofen-Gichtgas In einem Hochofen expandieren in einer Gasentspannungsturbine 675.000 kg/h Gichtgas von 2,8 bar und 110 °C auf 1,1 bar. Das Gichtgas kann als zweiatomiges Gas (50% N2+25% CO) angenommen werden mit cp=1,04 kJ/kgxK und κ=1,4. Es wird annähernd adiabate Entspannung angenommen. Wirkungsgrad des Turbosatzes: 85%. Zu ermitteln ist die Leistung der Turbine. Zuerst ist die Temperatur am Ende der Entspannung zu ermitteln:
p T2 = T1 2 p1
(κ −1) κ
0, 4
1,1 1, 4 = (110 + 273) = 293 K = 20 °C 2,8 W12 = mxcpx (T2-T1)xη
W12 = 675.000/3.600x1,04x(383-293)*0,85 = 14.917 kW 5.2.2.4 Gasgemische, Luft
Bei der Energieerzeugung hat man gewöhnlich mit Gasgemischen wie Verbrennungsluft oder Rauchgasen zu tun. Nach dem Gesetz von Dalton nimmt in einer Gasmischung jedes Gas das gesamte verfügbare Volumen ein, als ob es die anderen Gase nicht gäbe. Das einzelne Gas steht unter dem Teildruck, dem so genannten Partial-
5.2 Basiswissen Thermodynamik
205
druck pi. Die Summe der Partialdrücke ergibt den Gesamtdruck. Das Gesamtvolumen ist die Summe der einzelnen Volumina der Mischung (gleicher Druck vorausgesetzt). p = Σ pi
V=Σ Vi
Für die einzelnen Gase gilt die allgemeine Zustandsgleichung. Bei Berechnungen ist zu beachten, ob die Anteile der einzelnen Gase als Volumen- oder als Massenanteile angegeben werden, denn diese sind unterschiedlich. Es gilt: Raumanteil:
ri=Vi/V= pi /p=Mi/M und Σ ri =1
Gl. 5.22
ξi=mi/m und Σ ξi=1
Gl. 5.23
Massenanteil:
Ferner gelten folgende Formeln: Rm=Σ ξixRi
Gl. 5.24
Mm = Σ ( rix Mi)
Gl. 5.25
Gaskonstante des Gemisches: Molmasse des Gemisches:
Die Luft ist ein Gemisch aus verschiedenen Gasen in folgender Zusammensetzung: Tabelle 5.8: Zusammensetzung der Luft Gasart
Volumenanteil ri %
Massenanteil ξi %
Stickstoff N2 78,08 75,51 Sauerstoff O2 20,95 23,01 Argon A 0,93 1,29 Kohlendioxid CO2 0,03 0,04 Andere Gase 0,01 0,15 Für technische näherungsweise Berechnungen Stickstoff 79,0 76,6 Sauerstoff 21,0 23,4
Memo: Bei technischen Anwendungen wird näherungsweise mit einem Sauerstoffvolumenanteil von 21% und einem Stickstoffanteil von 79% gerechnet. Beispiel 5.9: Molmasse und Massenanteile der Luft Luft besteht zu 99% aus Stickstoff und Sauerstoff. Wenn die anderen Anteile vernachlässigt werden, dann gilt mit: N2:
M=28 kg/kmol, R = 297 J/(kgxK) und
206
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
O2:
M=32 kg/kmol; R=260 J/(kgxK)
Molmasse der Luft: MLuft≈ Σ rixMi =0,79 x 28 + 0,21 x 32=28,84 kg/kmol (exakter Wert : 28,964) Massenanteile: ξ N2 = 0,79x28/28,84= 0,767 ξ O2 = 0,21x32/28,84 = 0,233 Gaskonstante der Luft: R Luft = ΣξixRi =0,767x297 + 0,233x260 = 288,4
J/(kg K)
5.2.3 Wasserdampfthermodynamik 5.2.3.1 Der Verdampfungsprozess
Wasserdampf ist physikalisch gasförmiges Wasser. Es ist das wichtigste Arbeitsmedium bei der Energieerzeugung. Für die Darstellung von Zustandsänderungen mit Wasserdampf als Arbeitsmedium werden zwei Diagrammarten verwendet: • •
das Temperatur-Entropie-Diagramm (T-s-Diagramm) das Enthalpie-Entropie-Diagramm (h-s-Diagramm)
Für die visuelle Darstellung von Prozessen ist das T-s-Diagramm wegen seiner Anschaulichkeit vorzuziehen, vor allem, weil Wärmemenge oder Arbeit als Fläche erscheinen. Das h-s-Diagramm ist dagegen für Prozessberechnungen besser geeignet, weil die Arbeit als Streckenlänge (Enthalpiedifferenz) auf der Ordinaten-Achse abgegriffen werden kann. In der Abb. 5.2 wird der Verdampfungsprozess (evaporation process) in beiden Diagrammen dargestellt und dabei auch die Zustandsgrößen des Wasserdampfes erklärt. Die Glockenkurve in beiden Diagrammen ist die Sättigungskennlinie, auf der Zustände von gesättigtem Wasser oder Dampf dargestellt werden. Ein ausgeprägter Punkt dieser Kennlinie ist der sogenannte kritische Punkt (KP). Memo: kritischer Punkt von Wasserdampf: 221 bar / 374°C Wenn Wasser vom Zustand "1" bei konstantem Druck aufgeheizt wird steigt seine Temperatur, bis der Siedepunkt "2" (boiling point) auf der Sättigungslinie erreicht ist. Das Wasser ist in diesem Punkt gesättigt (saturated water) und fängt bei weiterer Wärmezufuhr an zu verdampfen (boiling). Druck und Temperatur bleiben beim Verdampfen konstant und es bildet sich ein Wasser-Dampf-Gemisch oder Nassdampf. Sobald das ganze Wasser verdampft ist - Punkt "3"- , ist der Dampf gesättigt, man spricht
5.2 Basiswissen Thermodynamik
207
vom Sattdampf (saturated steam). Bei weiterer Wärmezufuhr bleibt der Druck konstant und die Temperatur steigt und es entsteht überhitzter Dampf - Punkt "4" - oder Heißdampf (superheated steam). h-s h-s--Diagramm Diagramm T konstant
Wasser
1
Nassdampf Flüssigkeits -Dampf-Gemisch
Entropie kJ/(kg K) Flüssigkeitswärme
Verdampfungswärme
Überhitzungswärme
Fläche ≡ Wärmemenge bzw. Arbeit
Enthalpie kJ / kg
nt nsta p ko
3
überhitzter Dampf
p, T konstant
KP 221 bar / 374°C
n pu
nt
x= 0,9 0
2
h´ h1
dT
ta ns ko
200°C
80 0, x=
Temperatur K
4
2 (Siedepunkt)
3
h´´
p
KP : 221 bar / 374°C
ko n
sta
nt
4
ar
h4
0,1 2b
T-s T-s--Diagramm Diagramm
1 x: Dampfgehalt
Entropie kJ/(kg K) 1 - 2 : Flüssigkeitswärme qFl= h´ - h1´ kJ/kg 2 - 3 : Verdampfungswärme: r = h´´- h´ kJ/kg 3 - 4 : Überhitzungswärme q = h4 - h´´ kJ/kg Streckenlänge auf y-Achse ≡ Wärmemenge bzw. Arbeit
Abb. 5.2: Verdampfungsvorgang im T-s- und h-s-Diagramm
Die zugeführten Wärmemengen erscheinen als Flächen im T-sDiagramm bzw. als Streckenlängen auf der y-Achse beim h-s-Diagramm. Alle Punkte auf der Sättigungslinie links vom kritischen Punkt stellen Zustände von gesättigtem Wasser, rechts davon Zustände von gesättigtem Dampf dar. Wenn Druck und Temperatur höher sind als die am kritischen Punkt dann findet kein Verdampfungsvorgang mehr statt und die Verdampfungswärme wird Null. Man spricht vom überkritischen Dampfzustand (supercritical state). Aus der Darstellung im T-s-Diagramm wird erkennbar, dass mit steigendem Druck die Verdampfungswärme (evaporation heat) immer kleiner und nach Erreichen des kritischen Punktes gleich Null wird. Das ist der Grund dafür, dass bei Dampfkraftwerken hohe Drücke angestrebt werden um den Brennstoffverbrauch zu minimieren. Ein weiteres Diagramm ist das Druck-Temperatur-Diagramm − Abb. 5.3 − ,in dem die zu jedem Druck zugehörige Sättigungstemperatur und umgekehrt dargestellt ist. Im Trippelpunkt steht Eis, flüssiges Wasser und Dampf im Gleichgewicht.
208
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
Druck [bar]
KP 220,64 bar / 374°C
Flüssigkeit Eis Dampf
KP: kritischer Punkt TP: Trippel punkt
TP: 0,00612 bar / 273,165 K (0,01°C) Temperatur [K]
Abb. 5.3: Druck-Temperatur Diagramm des Wassers 5.2.3.2 Zustandsgrößen des Wasserdampfes
Für die Zustandsgrößen des Dampfes werden üblicherweise folgende Symbole und Bezeichnungen verwendet. Tabelle 5.9: Bezeichnung der Zustandsgrößen des Wasserdampfes Symbol
Einheit
Zustandsgröße
h' ; h'' h s' ; s'' s ts ps v' ; v'' v r
kJ/kg kJ/kg kJ/(kgxK) kJ/(kgxK) °C bar m3/kg m3/kg kJ/kg
Spez. Sättigungsenthalpie des Wassers; des Wasserdampfes Spez. Enthalpie des Heißdampfes Spez. Sättigungsentropie des Wassers; des Wasserdampfes Spez. Entropie des Heißdampfes Sättigungstemperatur Sättigungsdruck Spez. Volumen des Wassers; des Wasserdampfes Spez. Volumen des Heißdampfes Spez. Verdampfungswärme
Wegen der besonderen Bedeutung des Wasserdampfes wurden seit Jahren die Zustandsgrößen des Wasserdampfes experimentell ermittelt und auf so genannten Dampftafeln aufgelistet. In dem zuvor erwähnten Mollier- h-s Diagrammen werden diese graphisch dargestellt und mit deren Hilfe Kreisprozessrechnungen durchgeführt [Mollier-h-s-Diagramm]. Üblicherweise bestehen die Dampftafeln aus zwei Teilen: im ersten Teil werden die Zustandsgrößen bei Sättigung sowie die Verdampfungswärmen angegeben und im zweiten Teil die Zustandsgrößen des überhitzten Damp-
5.2 Basiswissen Thermodynamik
209
fes. Seit Einführung von PCs wurde auch Software entwickelt, wie z.B. das bereits erwähnte WADAEXL, mit der Möglichkeit, die Zustandsgrößen als Funktionen (add-ins) in Tabellenkalkulationsprogrammen einzufügen, was die Berechnungen wesentlich erleichtert. Als Bezugspunkt für die Enthalpie h = 0 und die Entropie s = 0 wird üblicherweise der Trippelpunkt des Wassers festgelegt. Nachstehend auch Faustformeln für Überschlagsrechnungen für Wasserdampf bei Sättigung [Recknagel]: Sättigungstemperatur: t s ≈ 100 4 p s °C (ps in bar)
1 Sättigungsdruck: p s ≈ t s 100
Gl. 5.26
4
bar (ts in ° C)
Gl. 5.27
5.2.4 Brennstoffkennwerte 5.2.4.1 Kennwerte ausgewählter Brennstoffe
Brennstoffe sind Energieträger, die chemisch gebundene Energie enthalten. Sie werden üblicherweise nach ihrem Aggregatzustand als feste, flüssige und gasförmige Brennstoffe klassifiziert. Den größten Anteil bei der Energieversorgung bilden weiterhin die fossilen Energieträger wie Kohle, Heizöl und Erdgas. Der Anteil der erneuerbaren Energieträger nimmt allerdings ständig zu. Von Bedeutung sind außerdem Ersatzbrennstoffe wie Müll und Reststoffe aus industriellen Prozessen. Richtwerte der wichtigsten Kenngrößen für ausgewählte Brennstoffe zeigt Tabelle 5.10, sie werden in den nachstehenden Abschnitten auch näher erläutert. Die Kennwerte werden in der Tabelle sowohl auf die Einheit kJ als auch auf die Einheit kWh bezogen. Die Kennwerte wurden für die in der Tabelle angegebene Zusammensetzung ermittelt. Jedoch können, je nach Herkunft und Zusammensetzung der Brennstoffe die tatsächlichen Werte von den in der Tabelle angegebenen Richtwerten abweichen. Die Ermittlung der Brennstoffkennwerte wird im Abschnitt 5.2.5 „Verbrennungsrechnung“ gezeigt.
210
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
Tabelle 5.10: Kenndaten ausgewählter Brennstoffe, Richtwerte Handels-
Brennstoff
einheit
Brennwert H o MJ
kWh
3,6
pro Einheit
Feste Brennstoffe Kohlenstoff, rein Anthrazit Kraftwerkskohle Rohbraunkohle, Rhein Holz, lufttrocken Hausmüll
kg kg kg kg kg kg
-
Flüssige Brennstoffe Rohöl Heizöl EL Heizöl EL Heizöl S Rapsöl
kg kg l kg l
45,40 39,04 42,30 -
Gasförmige Brennstoffe Wasserstoff H2
mn
3
12,75
3,54
Methan CH4
mn
3
39,82
11,06
Erdgas L
mn
3
35,20
9,78
Erdgas H Propan, flüssig C3H8
mn
3
41,30
11,47
-
12,61 10,85 11,75 -
Heizwert H u MJ
kWh
pro Einheit
L min
V Af
3
mn pro
mn pro
3
Einheit
kWhHU
Einheit
kWhHU
34,80 32,27 28,10 11,10 14,94 9,50
9,67 8,96 7,81 3,08 4,15 2,64
8,89 8,32 7,29 3,17 3,83 -
0,92 0,93 0,93 1,03 0,92 -
8,89 8,55 7,66 4,03 4,55 -
0,92 0,95 0,98 1,31 1,10 -
41,92 42,18 36,27 40,20 35,10
11,12 9,56 10,58 -
0,95 0,95 0,95 -
11,84 10,18 11,20 -
1,01 1,01 1,00 -
10,78
11,64 11,72 10,08 11,17 9,75 2,99
2,38
0,79
2,88
0,96
35,88
9,97
9,52
0,96
10,50
1,05
31,80
8,83
8,40
0,95
9,40
1,06
37,30
10,36
9,80
0,95
10,90
1,05 1,00
kg 3 mn
50,34
13,98
46,12
12,81
11,78
0,92
12,77
Propan, gasförmig C3H8
101,70
28,25
93,18
25,88
23,80
0,92
25,80
1,00
Butan, flüssig C4H10
kg
49,50
13,75
45,72
12,70
11,45
0,90
12,37
0,97
Butan, gasförmig C4H10
mn
3
133,78
37,16
123,57
34,33
30,94
0,90
33,44
0,97
Hochofen-Gichtgas
mn
3
3,41
0,95
3,34
0,93
0,64
0,69
1,51
1,63
Konvertergas
mn
3
8,28
2,30
8,23
2,29
1,54
0,67
2,21
0,97
Koksofengas
mn
3
20,94
5,82
18,64
5,18
4,58
0,89
5,32
1,03
Grubengas
mn
3
29,87
8,30
26,91
7,48
6,90
0,92
7,90
1,06
Klärgas Deponiegas
mn 3 mn
3
25,88 21,90
7,19 6,08
23,32 19,73
6,48 5,48
6,19 5,24
0,96 0,96
7,19 6,24
1,11 1,14
Quellen: Eigene Aufbereitung und teilweise Berechnungen aus verschiedenen Literaturquellen
5.2.4.2 Brennwert und Heizwert
Die Wärmemenge, die bei vollständiger Verbrennung eines Brennstoffes frei wird, wird als Brennwert Ho bezeichnet (Kürzel „Ho“ entsprechend früherer Bezeichnung „oberer Heizwert“). Dabei gilt nach den Definitionen in [DIN 5499]: Die Temperatur des Brennstoffes vor und nach der Verbrennung sowie seiner Verbrennungsprodukte beträgt 25°C und das im Brennstoff enthaltene Wasser sowie das beim Verbrennen des Wasserstoffes entstehende Wasser liegen in flüssigem Zustand vor. Mit anderen Worten, der Brennwert ist gleich der Reaktionsenthalpie des Brennstoffes plus der Kondensationswärme des in den Abgasen vorkommenden Wassers. Um die Kondensationswärme des Wasserdampfes vollständig zu gewinnen, müssen allerdings die Abgase auf die relativ niedrige Temperatur von unter 25°C abgekühlt werden, was in den meisten technischen Feue-
5.2 Basiswissen Thermodynamik
211
Fortsetzung Tabelle 5.10: Kenndaten ausgewählter Brennstoffe, Richtwerte V Atr
CO 2_max V Atr /
mn3 pro
%
L min
CO2faktoren in Hu
Zusammensetzung Bemerkungen - Ausgewählte Daten
Einheit
kWhHU
in VAtr
-
kg/GJ
8,90 8,16 7,10 3,07 3,81 -
0,92 0,91 0,91 1,00 0,92 -
21,0% 19,5% 19,0% 18,3% 20,6% -
1,00 0,98 0,97 0,97 0,99 -
108 95 95 114 0 45
390 342 342 410 0 162
c=100% c=85%; h=3%; s=1%; o=2%; n=1% ;w=3%; a=5% c=72%; h=4,0%; s=1%; o=6;4%; n=1;1% ;w=8%; a=7,5% c=30%; h=3%; s=1%; o=10%; n=1% ;w=50%; a=5% c=42%; h=5%; s=0%; o=37%; n=0% ;w=15%; a=1% je nach Zusammensetzung 2,5 - 11 MJ
10,38 8,93 9,95 -
0,89 0,89 0,89 -
15,5% 15,5% 16,1% -
0,93 0,93 0,94 -
80 74 74 78 0
288 266 266 281 0
1 barrel = 159 l = 137 kg = 5,743 GJ Dichte 0,86 kg/l, Schwefelgehalt <0,2% Dichte 0,86 kg/l, Schwefelgehalt <0,2% Schwefelgehalt <1% 38,2 MJ/kg, Dichte ,92 kg/l
1,88
0,63
0,0%
0,79
0
0
8,52
0,85
11,7%
0,89
55
198
Hu/Ho=0,903
7,70
0,87
11,8%
0,92
56
202
Hu/Ho=0,904
kg/MWh
8,90
0,86
12,0%
0,91
56
202
11,79
0,92
12,6%
1,00
64
230
23,81
0,92
12,6%
1,00
64
230
11,45
0,90
1,0%
1,00
64
230
30,95
0,90
1,0%
1,00
64
230
1,47
1,59
30,7%
2,30
267
961
0,370 m3/kg H2=4%; CO=23%; CO2=22; N2=51
2,18
0,96
36,2%
1,42
190
684
H2=2,5%; CO=63%; O2=0,5%; N2=18%; CO2=16%
4,22
0,81
11,0%
0,92
49
176
H2=54; CH4=25%; CO=6%; CnHm=2,5%; N2=10%; CO2=
6,40
0,86
14,8%
0,93
70
252
CH4=75%; CO2=20% ; O2=5%
0,495 m3/kg
CH4=65%; CO2=35% 5,89 0,91 17,0% 0,95 0 0 5,14 0,94 19,5% 0,98 0 0 CH4=55%; CO2=45% Vermerk:Daten wurden für die angegebene Zusammensetzung berechnet
rungen nicht der Fall ist. Die üblichen Abgastemperaturen liegen meistens weit über 100°C, und die Abgase enthalten immer Wasser in Form von Wasserdampf. Der Heizwert Hu (Kürzel „Hu“ entsprechend früherer Bezeichnung „untere Heizwert“) ist die Wärmemenge, die bei der Verbrennung eines Brennstoffes gewonnen werden kann, ohne den in den Abgasen enthaltenen Wasserdampf zu kondensieren. Der Heizwert ist somit um die Kondensationswärme des im Abgas enthaltenen Wasserdampfes kleiner als der Brennwert. Der Brennwert und der Heizwert werden in Energieeinheiten wie kJ oder kWh je kg bzw. je m3 i.N. pro Einheit Brennstoffmenge angegeben. In den meisten technischen Feuerungen enthalten die Abgase das Wasser in Form von Wasserdampf, so dass im Allgemeinen bei Energiebilanzen mit dem Heizwert zu rechnen ist. Der Brennwert kann in sogenannten Brennwertgeräten, meistens bei Hausheizungsanlagen, genutzt werden.
212
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
Anmerkung: Als Symbol für den Brennwert wurde neuerdings Hs („s“ für superior) sowie für den Heizwert Hi („i“ für inferior) eingeführt. Diese Symbole haben sich aber bis jetzt weder im Deutschen noch im Englischen durchgesetzt Im britischen Englisch werden vielmehr die Begriffe „GCV“ und „NCV“ für Gross Calorific Value bzw. für Net Calorific Value verwendet, im amerikanischen Englisch „HHV“ und "LHV“ für Higher bzw. für Lower Heating Value.
Für Umrechnungen bei Energiebilanzen sind Richtwerte für das Verhältnis Heizwert zu Brennwert hilfreich. Nachstehend sind solche für die wichtigsten Brennstoffe angegeben: • • • •
Erdgas: Heizöl: Steinkohle SKE Braunkohle
Hu/Ho = 0,903 Hu/Ho = 0,940 Hu/Ho = 0,958 Hu/Ho = 0,930
In diesem Zusammenhang ist zu vermerken, dass Erdgas immer nach dem Brennwert gehandelt wird. Erdgasmengen sind in kWh in Ho angegeben und der Erdgaspreis immer auf den Brennwert bezogen (Cent/kWh in Ho). Bei Wärmebilanzen ist deshalb eine Umrechnung auf den Heizwert notwendig, da bei allen anderen Brennstoffen die betreffenden Angaben i.d.R. auf den Heizwert bezogen sind. 5.2.5 Verbrennungsrechnung 5.2.5.1 Heizwertermittlung
Brennstoffe enthalten brennbare Bestandteile wie Kohlenstoff, Wasserstoff und kleinere Mengen Schwefel in elementarer oder chemisch gebundener Form sowie nicht brennbare Bestandteile wie Sauerstoff, Stickstoff, Wasser und Asche. Beim Verbrennungsprozess entsteht durch Oxidation der brennbaren Bestandteile Kohlendioxid, Wasserdampf und Schwefeldioxid und die chemisch gebundene Wärme wird freigesetzt. Bei einfachen Brennstoffen können die Kennwerte aus den Reaktionsgleichungen für vollkommene Verbrennung ermittelt werden, wie in der Tabelle 5.11 gezeigt wird. Aus der jeweils letzten in der Tabelle angegebenen Gleichung folgt der Mindestsauerstoffbedarf O2_min, die Verbrennungsproduktmenge im Abgas und der Heizwert Hu pro Mengeneinheit Brennstoff. •
Der Heizwert Hu ist die auf die Handelseinheit des Brennstoffes (kg bzw. mn3) bezogene Reaktionsenthalpie HR.
5.2 Basiswissen Thermodynamik
•
Die theoretische Mindestverbrennungsluftmenge Lmin ermittelt sich nach der Gleichung (O2-Anteil der Luft 21%): Gl. 5.28
Lmin = O2_min /0,21 •
213
Die Verbrennungsgasmenge (Abgas- oder Rauchgasmenge ) VAmin lässt sich ermitteln, indem der Stickstoffgehalt der Verbrennungsluft (79%) zu der Verbrennungsproduktmenge hinzuaddiert wird. VAmin = VVB + 0,79 Lmin
Gl. 5.29
Tabelle 5.11: Verbrennungsgleichungen von reinen Brennstoffen Brennstoff C 1 kmol 12 kg 12 kg 1 kg S 1 kmol 32 kg 32 kg 1 kg 2 H2 2 kmol 44,8 m3 i. N. 1 m3 i. N.
+ + + + + + + + + + + + + +
Sauerstoffbedarf O2 1 kmol 32 kg 22,4 m3 i. N. 1,87 m3 i. N. O2 1 kmol 32 kg 22,4 m3 i. N. 0,70 m3 i. N. O2 1 kmol 22,4 m3 i. N. 0,5 m3 i. N.
= = = = = = = = = = = = = =
Verbrennungsproduktmenge CO2 1 kmol 44 kg 22,4 m3 i. N. 1,87 m3 i. N. SO2 1 kmol 64 kg 22,4 m3 i. N. 0,70 m3 i. N. 2 H2O 2 kmol 44,8 m3 i. N. 1,0 m3 i. N.
+ + + + + + + + + + + + + +
Reaktionswärme 393,5 MJ 393,5 MJ 393,5 MJ 393,5 MJ 32,8 MJ/kg MJ 296,6 296,6 MJ 296,6 MJ 296,6 MJ 9,3 MJ/kg MJ 241,8 241,8 MJ 241,8 MJ 5,4 MJ/nm3
Anmerkung: nm3: Normkubikmeter
Die meisten Brennstoffe bestehen jedoch aus mehreren chemischen Elementen und Verbindungen. Der Heizwert lässt sich bei festen und flüssigen Brennstoffen wegen der vielen Bindungsarten der Elemente nur auf kalorimetrische Weise genau ermitteln. Wenn die Zusammensetzung bekannt ist, können ihre Kennwerte durch die Verbrennungsgleichungen ihrer Komponenten oder aus empirischen Gleichungen wie nachstehend ermittelt werden. Näherungsformel für feste und flüssige Brennstoffe nach Boie: Hu=34,8 c+93,9 h+10,5 s+6,3 n - 10,5 o-2,5 w MJ/kg Brennstoff Gl. 5.30 Ho=Hu+2,5x (9h+w) MJ/kg Brennstoff
Gl. 5.31
Darin werden die Gewichtsanteile in kg/kg Brennstoff, mit Kleinbuchstaben angegeben: c Kohlenstoff, h Wasserstoff, s Schwefel, n Stickstoff, o Sauerstoff, w Wasser
214
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
Für gasförmige Brennstoffe kann der Heiz- und der Brennwert aus den Volumenanteilen nach folgender Formel ermittelt werden: Hu=10,78xH2+12,62xCO+Σ (HuxCnHm) MJ/mn3 Brenngas Gl. 5.32 Ho=12,75xH2+12,62xCO+Σ (HoxCnHm) MJ/mn3 Brenngas Gl. 5.33 Die einzelnen Brennstoffbestandteile in den Formeln sind in mn3/ mn3 einzugeben. Die Brenn- und Heizwerte der einzelnen Gase CnHm sind aus der nachstehenden Tabelle zu entnehmen. Tabelle 5.12: Brenn- und Heizwerte von reinen Brenngasen Ho 3 MJ/mn
Brenngas Wasserstoff H2 Kohlenmonoxid CO Methan CH4 Ethylen C2H4 Ethan C2H6 Azethylen C2H2 Propan C3H8 Butan C4H10
12,74 12,63 39,82 63,41 70,29 58,49 101,24 133,78
Hu 3 MJ/mn 10,78 12,63 35,88 59,46 64,35 56,49 93,24 123,57
5.2.5.2 Verbrennungsluft- und Abgasmenge
Zur Dimensionierung der Komponenten von Feuerungsanlagen wie Heizflächen, Gebläse, Luftvorwärmer und Kohlemühlen wird die Verbrennungsluftmenge und die Rauchgasmenge benötigt. Sie werden durch Formeln, die aus den Verbrennungsgleichungen abgeleitet werden, ermittelt. Bei den Verbrennungsgleichungen wird stöchiometrische Verbrennung ohne Luftüberschuss unterstellt. Die hierfür benötigte theoretische Luftmenge (combustion air) ist Lmin. Bei bekannter Brennstoffzusammensetzung ergibt sich die theoretische Luftmenge aus den Anteilen der im Brennstoff enthaltenen brennbaren Bestandteile. Für feste und flüssige Brennstoffe:
Lmin =
o 22,4 c h s − mn3/kg + + 0,21 12 4 32 32
Gl. 5.34
Darin sind die jeweiligen Gewichtsanteile kg/kg Brennstoff anzugeben: c Kohlenstoff, h Wasserstoff, s Schwefel, o Sauerstoff)
5.2 Basiswissen Thermodynamik
215
Für gasförmige Brennstoffe: Lmin =
3 3 1 m 0,5H 2 + 0,5 CO + n + C n H m − O2 mn /mn Gl. 5.35 0,21 4
Die Verbrennungsabgase (exhaust gases) enthalten die Verbrennungsprodukte zuzüglich dem Stickstoff aus der Verbrennungsluft. Es wird unterschieden zwischen der trockenen Abgasmenge Vtr und der feuchten Abgasmenge Vf . Die feuchte Abgasmenge enthält auch das Verbrennungsprodukt Wasser in Form von Dampf. Bei stöchiometrischer Verbrennung mit der theoretischen Luftmenge Lmin kann die theoretische Abgasmenge wie folgt berechnet werden: Bei festen und flüssigen Brennstoffen bezogen auf kg Brennstoff:
s n c V Atr _ min = 22,4 + + + 0,79 Lmin mn3/kg 12 32 28
h w V A f _ min = V Atr _ min + 22,4 + 2 18
mn3/kg
Gl. 5.36
Gl. 5.37
Das Glied "0,79 Lmin = (1-0,21) Lmin " ist der Stickstoffanteil der Verbrennungsluft.
Um eine möglichst vollkommene Verbrennung zu erreichen wird bei technischen Feuerungen, immer mit Luftüberschuss gearbeitet. Das Verhältnis der tatsächlichen zur theoretischen Verbrennungsluftmenge wird als Luftverhältniszahl λ (lambda) bezeichnet. Die tatsächliche Verbrennungsluftmenge ist dann: L = λ xLmin
Gl. 5.38
Die tatsächliche Verbrennungsgasmenge mit Luftüberschuss ist um den Luftüberschuss der Verbrennungsluft größer: VAtr = VAtr_min + (λ-1)xLmin
mn3/kg
Gl. 5.39
h w V Af = V Atr + 22,4 + 2 18
mn3/kg
Gl. 5.40
Die Zeichen c, s, n, h, w sind die Gewichtsanteile von Kohlenstoff, Schwefel, Stickstoff, Wasserstoff und Wasser am Brennstoff.
Bei gasförmigen Brennstoffen bezogen auf mn3 Brenngas (die Brennstoffbestandteile sind in Vol% anzugeben):
216
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
VAtr_min = CO + CO2 +Σ (nxCnHm) + N2 + 0,79 Lmin mn3/mn3 Gl. 5.41 VAf_min = VAtr_min + Σ (m/2xCnHm) + H2
mn3/mn3
Gl. 5.42
CnHm: Kohlenwasserstoffverbindungen
Die wirkliche Abgasmenge bei Luftüberschuss: VAtr = VAtr_min + (λ-1)xLmin VAf = VAtr + Σ (m/2xCnHm) + H2
mn3/ mn3 mn3/mn3
Gl. 5.43 Gl. 5.44
Ein wichtiges Merkmal der Brennstoffe ist das Verhältnis VAtr/Lmin. Für die meisten Brennstoffe ist dieses Verhältnis näherungsweise eins. Allerdings gibt es bei Sonderbrennstoffen wie z.B. Gichtgas (VAtr/Lmin = 2,3), Konvertergas (VAtr/Lmin = 1,42) sowie Wasserstoff (VAtr/Lmin = 0,79) erhebliche Abweichungen. Dieses Verhältnis ist in der Tabelle 5.10 ebenfalls angegeben. Es hat erheblichen Einfluss bei der Auslegung von Verbrennungsanlagen, insbesondere wenn während des Betriebes Brennstoffumstellungen vorgenommen werden müssen. 5.2.5.3 Maximaler CO2-Gehalt, CO2- Emissionsfaktoren
Bei vollständiger Verbrennung erreicht der CO2-Gehalt der Abgase seinen maximalen Wert, weil der gesamte im Brennstoff enthaltene Kohlensstoffanteil in CO2 umwandelt. Insofern ist der CO2-Gehalt auch ein Maß für die Güte der Verbrennung. Der maximale CO2-Prozentanteil im Abgas bei vollkommener Verbrennung errechnet sich nach der Formel: Bei festen und flüssigen Brennstoffen: 22,4 × c × 100 % 12 × V Atr
Gl. 5.45
CO2 + CO + ΣnCnHm × 100 % V Atr
Gl. 5.46
CO 2 _ max =
Bei gasförmigen Brennstoffen: CO2 _ max =
Die maximalen CO2-Anteile sind für alle in Tabelle 5.10 aufgeführten Brennstoffe angegeben. Im Rahmen des Handels mit CO2-Zertifikaten werden die CO2-Faktoren für die einzelnen Brennstoffe in kg/GJ oder t/TJ, oder in kg/MWh Brennstoff angegeben. Sie lassen sich aus dem maximalen CO2-Gehalt des Abgases nach folgender Formel errechnen (ρCO2 = 1,97 kg/mn3):
5.2 Basiswissen Thermodynamik
CO2 _ Faktor = 10 6 ×
CO2 _ max × V Atr _ min × ρ CO 2 100 × Hu
kg/GJ
217
Gl. 5.47
Für die meisten Brennstoffe gibt es eine verbindliche Liste der CO2Emissionsfaktoren vom Bundesministerium für Umwelt (BMU). Für Brennstoffe, deren Zusammensetzung stark variieren kann, wie beispielweise Gichtgas, ist eine Berechnung vorgeschrieben. Bei Biomassenutzung werden die CO2-Emissionsfaktoren mit Null angesetzt, weil das bei der Verbrennung freigesetzte CO2 etwa dem beim Pflanzenwachstum aufgenommenen CO2 entspricht. 5.2.5.4 Bestimmung der Luftverhältniszahl aus dem O2-Gehalt
Die tatsächliche Luftmenge wird bei Verbrennungsrechnungen gewöhnlich durch Multiplikation der Luftverhältniszahl λ mit der theoretischen Mindestluftmenge Lmin bestimmt. In der Praxis aber wird sie durch Messung des Sauerstoff- oder des CO2-Gehaltes der Abgase bestimmt. Auch in der Großfeuerungsanlagenverordnung (GFAnV) und der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA-Luft) wird als Bezugsgröße der Festlegung der Emissionsgrenzwerte der Referenz-Sauerstoffgehalt der Abgase angegeben. Zwischen λ und dem O2-Gehalt der Abgase gibt es einen direkten Zusammenhang. Bei der Verbrennung muss der Sauerstoffgehalt der Abgase mit dem Sauerstoffüberschuss der Verbrennungsluft übereinstimmen. Als Gleichung ausgedrückt muss also gelten: O2xVAtr = 21x(λ-1)xLmin % Es gilt ferner:
V Atr = V Atr _ min + (λ − 1) ⋅ Lmin
Durch Umformung dieser Gleichungen ergibt sich schließlich:
λ = 1+
V A tr _ min O2 × 21 − O2 Lmin
Gl. 5.48
Bei VAtr_min ≅ Lmin, was für die meisten Brennstoffe zutrifft, erhält man die vereinfachte Gleichung:
λ = 1+
O2 21 − O2
Gl. 5.49
218
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
Die Bestimmung von λ nach dem CO2-Gehalt im Abgas kann mit folgender Gleichung erfolgen:
CO2 _ max V A tr _ min − 1 × CO Lmin 2
λ = 1 +
Gl. 5.50
oder wenn VAtr_min ≅ Lmin
λ=
CO2 _ max
Gl. 5.51
CO2
Aus der nachstehenden Tabelle sind der Bezugs-Sauerstoffgehalt der Abgase für die Emissionsgrenzwerte nach GFAnV und TA-Luft sowie die korrespondierende Luftverhältniszahl λ für verschiedene Feuerungsarten zu ersehen. Tabelle 5.13: Referenz-Sauerstoffgehalt nach GFAnV Feuerungsart feste Brennstoffe Steinkohle Braunkohle Holz flüssige Brennstoffe Heizöl EL Heizöl S Gase Erdgas H Gichtgas Konvertergas Koksofengas Grubengas Klärgas Deponiegas Gasturbinen, Erdgas H Verbrennungsmotoren, Erdgas H
O2-Gehalt der Abgase %
λ
V Atr_min /L min
-
-
6 6 6
1,39 1,39 1,40
0,97 0,97 0,99
3 3
1,16 1,16
0,93 0,94
3 3 3 3 3 3 3 15 5
1,15 1,38 1,24 1,15 1,15 1,16 1,16 3,27 1,28
0,91 2,30 1,42 0,92 0,93 0,95 0,98 0,91 0,91
Die tatsächlichen Zahlenwerte des O2-Gehaltes der Abgase können allerdings davon abweichen. Eine Umrechnung der Emissionsgrenzwerte
5.2 Basiswissen Thermodynamik
219
vom gemessenen O2-Wert zum Referenzwert kann nach folgender Formel erfolgen: 21 − OB Gl. 5.52 EB = × EM 21 − Om Darin bedeuten: EM: gemessene Massenkonzentration im Abgas EB: Massenkonzentration bezogen auf den Bezugssauerstoffgehalt OM: gemessener Sauerstoffgehalt im Abgas OB: Bezugssauerstoffgehalt 5.2.5.5 Stoffeigenschaften
In der nachstehenden Tabelle werden die Stoffeigenschaften von brennbaren Bestandteilen von Brennstoffen sowie von Bestandteilen der Verbrennungsluft und Abgasen aufgelistet. Sie können für Verbrennungsund Emissionsrechnungen hilfreich sein. Tabelle 5.14: Eigenschaften von Verbrennungsluft Stoff
Symbol
Feste, brennbare Bestandteile Kohlenstoff Schwefel Calcium Verbrennungsluft Stickstoff Sauerstoff Wasserstoff Luft, trocken (21 % O2; 79% N2) Rauchgasbestandteile Kohlendioxid Kohlenmonoxid Schwefeldioxid Stickstoffdioxid Ammoniak Wasserdampf *) gerundet
Molmasse M *)
Normdichte ρN
spez Wärme c pN **)
Gaskonstante R
kg / kmol
kg / mn3
kJ / (kg K)
J / (kg K)
C S Ca
12,0
-
-
-
32,0
-
-
-
40,0
-
-
-
N2 O2 H2 -
28,0
1,25
1,04
32,0
1,43
0,91
259,8
2,0
0,09
14,05
4.116,0
29,0
1,29
1,00
287,00
CO2 CO SO2 NO2 NH3 H2O
44,0
1,98
0,83
188,9
28,0
1,25
1,04
296,80
64,0
2,92
0,61
129,80
46,0
2,05
17,0
0,77
2,18
488,2
18,0
0,80
1,86
461,4
296,8
180,70
**) bei 0°C
5.2.6 Kreisprozesse 5.2.6.1 Definitionen
Ein Kreisprozess (thermodynamic cycle) ist eine Folge von Zustandsänderungen des Arbeitsmediums unter Wärmezufuhr und Arbeitsabgabe, die
220
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
zum Anfangszustand zurückführen. Zur Veranschaulichung werden Kreisprozesse als Prinzipschaltbilder, in verschiedenen Arten von Diagrammen wie "p-V-Diagramm", "T-s-Diagramm" und "h-s-Diagramm" und als Wärmeschaltbilder dargestellt. Die einfachste Darstellungsform ist ein Prinzipschaltbild wie in Abb. 5.4 beispielhaft für zwei Prozesse dargestellt. Bei einem Wärmekraftprozess wird dem Arbeitsmedium Wärme von einer Wärmequelle zugeführt, ein Teil davon wird in Arbeit umgewandelt und ein Teil wird an eine Wärmesenke niedrigerer Temperatur abgeführt. Die Zustandsänderungen verlaufen rechtslaufend. Bei einem Wärmearbeitsprozess wird dem Arbeitsmedium Arbeit zugeführt und Wärme von einer Wärmequelle niedriger Temperatur zu einer Wärmesenke höherer Temperatur übertragen (wie bei einer Kältemaschine oder Wärmepumpe). Die Zustandänderungen erfolgen linkslaufend. Bei einer Wärmebilanz wird Wärme oder Arbeit, die dem Arbeitsmedium zugeführt wird, als positive Größe, solche, die abgeführt wird bzw. das Arbeitsmedium verlässt, als negative Größe gekennzeichnet. Das heißt, geleistete Arbeit ist negativ, zugeführte Arbeit ist positiv. Wärmesenke T [K]
Wärmequelle T [K] Qzu
Arbeitsmedium
- Qab -W
Arbeitsmedium
- Qab Wärmesenke T0 < T Wärmekraftprozess (Gasturbine)
W
Qzu Wärmequelle T0 < T Wärmearbeitsprozess (Kältemaschine)
Abb. 5.4: Darstellung von Prozessen in Prinzipschaltbildern
Beim rechtslaufenden Wärmekraftprozess wird der Quotient "Arbeit durch zugeführte Wärme" als Wirkungsgrad bezeichnet und hat als Symbol den griechischen Buchstaben η (eta). Er wird als Dezimalzahl oder in Prozent angegeben. Der Wirkungsgrad ist ein Maß für die Energieeffizienz eines Prozesses. Wirkungsgrad:
η= W / Qzu
5.2 Basiswissen Thermodynamik
221
Zur Bewertung der Energieeffizienz eines linkslaufenden Prozesses wurde die sogenannte Leistungskennzahl ε (epsilon) eingeführt. Sie ist wie folgt definiert: Bei Kältemaschinen:
εK = Qzu / W
Bei Wärmepumpen:
εW = Qab / W
Vermerk: Vereinfachend werden üblicherweise alle Werte als positive Größen eingesetzt. 5.2.6.2 Der Carnot-Prozess
2
Energiebilanz W = Qzu - Qab Qzu = T ∆S Qab= T0 ∆S
Qzu 3
1
W
Temperatur T
Druck p
Der Carnot-Prozess ist ein idealisierter Prozess - Abb. 5.5 - und findet in vier reversiblen Zustandsänderungen, zwei Isothermen und zwei Isentropen, statt. Er zeigt welcher Energieumsetzungsgrad zwischen zwei Temperaturniveaus , z.B. der der Wärmequelle und der der Wärmesenke, maximal erreichbar ist (siehe Wirkungsgradformel im Diagramm). Somit beschreibt der Carnot-Wirkungsgrad den maximalen theoretisch erreichbaren Wirkungsgrad von thermodynamischen Prozessen.
4
Qzu= W+Qab 3
W T0
4
1
Qab= T0× ∆S
Qab
Entropie S
Volumen V Zustandänderungen 1-2: Isentrope Verdichtung 2-3: Isotherme Wärmezufuhr 3-4: Isentrope Entspannung 4-1: Isotherme Wärmeabgabe
T 2
Wirkungsgrad
ηC =
W T ∆S − T0 ∆S T = = 1− 0 Qzu T ∆S T
Abb. 5.5: Der Carnot-Prozess
Der Carnot-Prozess dient hauptsächlich dazu, die Energieeffizienz von realen Prozessen zu beurteilen. Daraus kann man auch Schlüsse ziehen, welches Potenzial zur Wirkungsgraderhöhung durch Prozessoptimierung theoretisch möglich wäre. Das Optimierungspotenzial wird auch aus der Darstellung des Rankine-Prozesses und des Carnot-Prozesses im T-sDiagramm - Abb. 5.6 - deutlich.
1'
3 ant
540 °C
p=k onst
[ K]
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
Temperatur
222
2 '
1 5
15 °C
4
Entropie Technische Arbeit
Rankine-Prozess
[kJ/(kg K)]
Carnot-Prozess
Abb. 5.6: Carnot-Prozess und Rankine-Prozess in T-s-Diagramm
Die technischen Umwandlungsprozesse werden in den entsprechenden Kapiteln 6, 7 und 8 beschrieben und erläutert. Beispiel 5.10: Wirkungsgradvergleich Carnot-Prozess - realer Prozess Bei einem Kraftwerksprozess beträgt die Temperatur des Frischdampfes 540 °C und die des Kühlwassers 15 °C und es wird ein Wirkungsgrad von 38% erreicht. Welcher Energiewirkungsgrad ist zwischen diesen beiden Temperaturen maximal erreichbar? 273 + 15 Wirkungsgrad des Carnot-Prozesses: η C = 1 − = 0,646 273 + 540 Der maximal erreichbare Wirkungsgrad nach Carnot wäre also 64,6%. Folglich gibt es beträchtliche Optimierungspotenziale.
5.3 Basiswissen Elektrotechnik 5.3.1 Stromarten und Stromkreise 5.3.1.1 Der Gleichstrom
Unter elektrischem Strom versteht man die Bewegung von elektrisch geladenen Teilchen, den Elektronen, in den Leitern eines Stromkreises. Wenn die Elektronen sich nur in eine Richtung bewegen, handelt es sich um Gleichstrom (direct current "DC"). Beim Wechselstrom (alternating cur-
5.3 Basiswissen Elektrotechnik
223
rent "AC") bewegen sich die Elektronen mit einer vorbestimmten Taktfrequenz einmal in die eine und dann in die entgegengesetzte Richtung. Ein einfacher Gleichstromkreis besteht aus einer Stromquelle, z.B. einer Batterie, den Leitern, einem Verbraucher (Widerstand), z.B. eine Glühlampe oder ein Elektroherd und einem Schalter. Die wichtigsten Kenngrößen eines Gleichstromkreises sind: • • • •
elektrische Spannung U elektrische Stromstärke I elektrische Arbeit W und elektrische Leistung P Widerstand R
Zum Verständnis von abstrakten physikalischen Vorgängen bedient man sich oft des mechanischen Analogons. Das mechanische Analogon zum Stromkreislauf ist ein geschlossener Wasserkreislauf. Die elektrische Spannung (voltage) entspricht dem Pumpendruck, die elektrische Stromstärke (electric current) der Fliessgeschwindigkeit der Wasserteilchen und der elektrische Widerstand der Reibung an den Wänden der Wasserleitung und der Heizkörper. Schalter
Absperrventil
Wasserpumpe
Druck
Heizkörper
Stromquelle
+ _
elektrischer Widerstand (z. B. Herd)
Abb. 5.7: Analogie Wasser- und Stromkreislauf
Bei der Darstellung von Stromkreisen wird die technische Fließrichtung des Stromes vom Pluspol zum Minuspol der Stromquelle angezeigt. Bei Gleichstrom fließen die Elektronen immer in die gleiche Richtung, die Polarität ändert sich nicht. Die Einheit für elektrische Spannung ist ein Volt "V" oder das Vielfache "kV", für die Stromstärke ein Ampère "A" und für den Widerstand ein Ohm "Ω". Beim Durchfluss von elektrischem Strom durch einen Ohmschen Widerstand entsteht Wärme (z.B. Herd, Bügeleisen). Auch die Stromleiter haben einen Widerstand. Kupfer oder Aluminium sind gute Leiter und werden als Stromleitungen verwendet, Keramik und Glas sind schlechte Leiter und werden als Isolatoren verwendet. Beide Arten von Materialien werden bei der Stromversorgung benötigt. Der Ohmsche Widerstand in
224
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
den Stromleitungen hängt vom Material, dem Querschnitt und der Länge des Leiters ab. Die Grundgrößen elektrische Spannung, Stromstärke und Widerstand stehen nach dem Ohmschen Gesetz in einer festen Beziehung zueinander. Wenn in einem Stromkreis mit dem Widerstand R die angelegte Spannung U erhöht wird, erhöht sich auch die Stromstärke I proportional oder mathematisch ausgedrückt: Ohmsches Gesetz:
U = RxI [V]
Gl. 5.53
Für die elektrische Leistung P in Watt (W) und Arbeit W in Joule (J), die beim Durchfließen eines Gleichstromes durch den Widerstand erzeugt bzw. verrichtet werden, gilt: El. Leistung:
P= UxI = RxI 2 [W]
Gl. 5.54
Elektrische Leistung multipliziert mit der Zeit t ergibt die elektrische Arbeit: El. Arbeit:
W= Pxt = UxI t = Rx I 2 :t [J]
Gl. 5.55
Es gibt zwei Schaltungsmöglichkeiten von Widerständen (Verbrauchern) in einem Stromkreis - Abb. 5.8.-, die Reihenschaltung und die Parallelschaltung. Bei einer Reihenschaltung werden die einzelnen Widerstände Ri von demselben Strom I durchflossen. Bei einer Parallelschaltung liegen alle Widerstände Ri an derselben Spannung U. Als Ersatzwiderstand Re wird ein einzelner Widerstand bezeichnet, der die gleiche Wirkung im Stromkreis hat wie die Summe der einzelnen Widerstände. Dieser ist: bei Reihenschaltung: Re = R1 + R2 + ...+Rn = Σ Ri bei Parallelschaltung:
Gl. 5.56
1/Re = 1/R1 + 1/R2 +....+ 1/ Rn Re = 1 / Σ (1/Ri)
Gl. 5.57
Für die Berechnung der einzelnen Spannungen und Ströme in einem Stromkreis gelten neben dem Ohmschen Gesetz die beiden Kirchhoffschen Gesetze, die Maschenregel und die Knotenregel, mit deren Hilfe auch komplizierte Schaltungen berechnet werden können. Maschenregel: Die Summe aller Spannungen in einem beliebigen geschlossenen Stromkreis ist gleich Null. Σ Ui = 0 Knotenregel: An jedem Knotenpunkt eines Stromkreises ist die Summe der zufließenden und der abfließenden Ströme gleich Null. Σ Ii = 0
5.3 Basiswissen Elektrotechnik
225
Bei der Anwendung der Regel erfolgt die Aufsummierung im Uhrzeigersinn. Alle im Uhrzeigersinn verlaufenden Spannungen werden als negativ, die entgegengesetzt verlaufenden als positiv betrachtet. R1
I
Stromquelle
I2
I
I1
U1
+ _ U
U2
R2
Stromquelle
+ _ U
R1
U
U
R2
U3
R3 U - U1 - U2 - U3 = 0 Re = Σ R i
I - I1 - I2 = 0 1 / Re = Σ ( 1 / R i ) ,
Re = 1 / Σ( 1/ R i )
U - I1 R1 - I2 R2 - I3 R3 = 0
I - U / R1 - U / R2 = 0
U - I Σ Ri = 0
I - U Σ( 1 / R i ) = 0
Abb. 5.8: Reihen- und Parallelschaltung von Widerständen
In der Abbildung handelt es sich um reine Reihen- bzw. Parallelschaltungen. Meistens bestehen Stromkreise jedoch aus einer Kombination der beiden Varianten, wobei überwiegend die Parallelschaltung Anwendung findet. Beispiel 5.11: Reihen- und Parallelschaltung von Widerständen
Zwei Verbraucher mit einem Widerstand von je 150 Ω können entweder in Reihe oder parallel an eine Stromquelle mit der Spannung von 230 V angeschlossen werden. Man berechne die Ersatzwiderstände Re, die Stromstärken I und die Leistungen P. Reihenschaltung: Re = R + R= 300 Ω I = U/R = 230/300=0,77 A P = UxI = 230 x 0,77 = 177 W Parallelschaltung: Re = 1 / Σ(1/Ri) = 1/(2 / 150)= 75 Ω P = UxI = 230x3,07 = 706 W
I = U/R = 230/75 = 3,07 A
In Parallelschaltung kann die vierfache Leistung installiert werden.
226
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
Beispiel 5.12: Ersatz von Glühlampen durch Energiesparlampen In einem Großraumbüro sind 25 Glühlampen installiert. Sie werden durch Sparlampen ersetzt. Man berechne die Kosten für einen Zeitraum von vier Jahren (Lebensdauer der Energiesparlampen). Lösung in der Tabelle:
Position Gegeben Betrachtungszeitraum Anzahl Lampen elektrische Leistung, Lampe Preis je Lampe Lebensdauer Benutzungsdauer Ersatzbedarf in 4 Jahren Strommischpreis Strombedarf Gesamtleistung Stromverbrauch Kosten in 4 Jahren Anschaffungskosten für Lampen Stromkosten Gesamtkosten
Einheit
Glühlampen
Energiesparlampen
Jahre W € h h /a Lampen ct / kWh
4 25 60 1,50 1.000 3.000 300 25
4 25 12 12,00 12.000 3.000 25 25
kW kWh / a
1,5 4.500
0,3 900
€ € €
450 4.500 4.950
300 900 1.200
5.3.1.2 Der Wechselstrom
Wechselstrom ist elektrischer Strom, bei dem sich Polarität, Stromstärke und Spannung periodisch ändern. Die in der Technik am meisten verwendete Form des Wechselstroms ist der sinusförmige Wechselstrom, bei dem die Augenblickswerte von Spannung und Stromstärke dem Verlauf einer Sinuskurve folgen. Die Erzeugung von Wechselstrom basiert auf dem Prinzip der Induktion. Wenn sich ein elektrischer Leiter in ein Magnetfeld bewegt, entsteht an den Enden des Leiters eine Spannung. Dieses Phänomen nennt man Induktion; es wird in Generatoren zur Umwandlung von mechanischer in elektrische Energie genutzt. Ein einfacher Wechselstromgenerator besteht aus einem Magneten und einer sich darin drehenden Spule (siehe Abb. 5.9). Durch die Drehung der Spule ändert das Magnetfeld seine Richtung und Stärke gegenüber zur Spule, und damit ändert auch die induzierte Spannung ihre Polarität und ihren Wert von Null bis auf den maximalen positiven und negativen Wert. Die maximale Spannung entsteht, wenn die Feldlinien des Magneten senkrecht zur Spule stehen; sie wird gleich Null, wenn sie parallel zur Spule
5.3 Basiswissen Elektrotechnik
227
stehen. Auf diese Weise entsteht durch Induktion sinusförmiger Wechselstrom. N
N
N
N
N
S
S
S
S
S
+
Spannung U
Us Is
Zeit
0 0°
45 °
90 °
135 °
180 °
225 °
270 °
315 °
360 °
Periode T
Abb. 5.9: Sinusförmiger Wechselstrom
Da sich die Werte von Spannung und Stromstärke beim Wechselstrom zeitabhängig ändern, wurden zur Vereinfachung von Berechnungen die sogenannten Effektivwerte eingeführt. Die Effektivwerte entsprechen den Werten von Gleichstrom, die den gleichen Effekt bewirken. Zwischen den Effektivwerten und den Spitzenwerten Us bzw. IS gilt folgende Beziehung.
U eff = U = U S / 2 ....... I eff = I = I S / 2
Gl. 5.58
Größen von Wechselstrom werden mit Effektivwerten angegeben. Messinstrumente messen ebenfalls Effektivwerte. Periodendauer und Frequenz Die Zeit, die der Strom für eine volle Sinusschwingung benötigt, wird Periodendauer "T" genannt. Ihre Einheit ist die Sekunde. Die Frequenz f gibt die Zahl der Perioden pro Sekunde an, ihre Einheit ist Hertz "Hz". Frequenz:
f = 1 /T
[Hz]
Periodendauer:T=1 / f [s]
In Europa und in den meisten Ländern hat der Strom der öffentlichen Versorgung eine Frequenz von 50 Hz, in den USA und in manchen anderen Ländern, z.B. Saudi Arabien, 60 Hz. Die Dauer der Periode bei einer Frequenz von 50 Hz beträgt 0,02 s.
228
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
Induktiver und kapazitiver Widerstand Neben den Ohmschen Widerständen (ohmic resistance) gibt es bei Wechselstromkreisen auch kapazitive und induktive Widerstände. Kapazitive Widerstände (capacitance) werden durch Kondensatoren, induktive Widerstände (inductance) durch Spulen (coils), z.B. von Motoren, verursacht. Wenn bei einem Stromkreis nur Ohmsche Widerstände vorhanden sind, verlaufen Spannung und Strom in Phase. Bei reiner induktiver Belastung eilt die Spannung dem Strom mit einer Phasenverschiebung von 90° voraus, bei reiner kapazitiver Belastung eilt der Strom der Spannung um 90° voraus (siehe Abb. 5.10). Vorauseilend bedeutet in diesem Zusammenhang, das positive Maximum wird im Kurvenverlauf zuerst erreicht. Die englischen Ausdrücke hierfür sind leading und lagging. (e.g. current leads by 90°, current lags by 90°). In der Regel gibt es aber eine Mischung aus verschiedenen Widerständen und die Phasenverschiebung (phase difference) ist kleiner als 90°. Ohmsche Last
Induktive Last
Kapazitive Last
1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5
0°
90°
180°
270°
360° 0°
90°
180°
270°
360°
0°
90°
180°
270°
360°
-1,0 -1,5
Spannung
Strom
Abb. 5.10: Spannungs- und Stromverlauf bei Wechselstrom
Beim Durchfluss des Stromes durch einen Ohmschen Widerstand entsteht Wärme. Die damit verbundene Leistung wird Wirkleistung P (active power) genannt. Bei induktiven und kapazitiven Widerständen wird elektrische Leistung zum Aufbau von elektrischen und magnetischen Felder genutzt. Sie wird als Blindleistung S (reactive power) bezeichnet. Die geometrische (vektorielle) Summe der beiden ist die Scheinleistung S (apparent power). Der Quotient aus Wirk- und Scheinleistung wird Leistungsfaktor (power factor) genannt. S Q φ
P
Leistungsfaktor:
cos ϕ =
P S
Gl. 5.59
5.3 Basiswissen Elektrotechnik
229
Für die aus Wirk- und Blindleistung zusammengesetzte Scheinleistung gilt: Scheinleistung:
S = U I = P2 + Q2
[VA]
Gl. 5.60
Wirkleistung:
P = S cosϕ = U Ixcosϕ
[W]
Gl. 5.61
Blindleistung:
Q = S sinϕ = U I sinϕ
[Var]
Gl. 5.62
Zur Unterscheidung von der Wirkleistung (1 W) ist die Einheit der Scheinleistung 1 Voltampère (VA) oder die Vielfachen 1 kVA und 1 MVA. Auch die Leistung von elektrischen Maschinen, wie Generatoren und Transformatoren, wird in kVA angegeben, zusammen mit dem cosϕ , der bei ihrer konstruktiven Auslegung zugrundegelegt wurde. Die Einheit für die Blindleistung ist 1 Var (Voltampère réactif). Zahlenmäßig ist 1 W = 1 VA = 1 Var, die unterschiedliche Schreibweise dient nur zur Unterscheidung. Wenn nur Ohmsche Widerstände im Stromkreis vorhanden sind, dann ist ϕ = 0 und cosϕ = 1. Die gesamte Leistung kann als Wirkleistung genutzt werden. Bei 90° Phasenverschiebung, d.h. rein induktiver oder rein kapazitiver Belastung, ist cosϕ = 0 und damit auch die Wirkleistung Null, es steht damit nur Blindleistung zur Verfügung. Das Verhältnis zwischen Blind- und Wirkleistung in Abhängigkeit vom Leistungsfaktor wird durch folgende Gleichung angegeben: Q=P
1 −1 cos 2 ϕ
Gl. 5.63
Blindstromkompensation Blindleistung entsteht überall dort in der Stromversorgung, wo Induktivitäten wie bei Motoren und Generatoren oder kapazitive Widerstände wie bei längeren Stromleitungen vorkommen. Das hat zur Folge, dass für die Verbraucher eine geringere Wirkleistung zur Verfügung steht bzw. die Übertragungskapazität der Leitungen vermindert wird. In der Praxis liegt der Leistungsfaktor in den meisten Fällen zwischen 0,8 und 1. Ein Leistungsfaktor von 0,8 entspricht einem Verhältnis von Blind- zur Wirkleistung von 75%. Wenn die Blindleistung zu hoch ist, muss sie kompensiert werden. Das geschieht bei induktiven
230
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
Stromkreisen durch Parallelschaltung von angepassten kapazitiven Widerständen (Kondensatoren) zu den Induktivitäten. Wirk- und Blindarbeit Wie bei der Leistung gibt es auch bei der Arbeit eine Wirk- und eine Blindkomponente. Die Wirkarbeit wird in kWh, die Blindarbeit in kVarh (r für reaktiv) angegeben. Bei industriellen Verbrauchern wird sowohl die Wirk- als auch die Blindarbeit gemessen. Die Blindarbeit ist bis zu einer gewissen Grenze kostenlos. Wenn diese Grenze überschritten wird, muss sie bezahlt werden. In neueren Verträgen beträgt diese Grenze 50% der Wirkarbeit, das entspricht einem Leistungsfaktor von ca. cosϕ = 0,9 (genau 0,894). 5.3.1.3 Der Drehstrom
Im vorigen Abschnitt wurde gezeigt, wie durch die Drehung einer Spule in einem homogenen Magnetfeld durch Induktion ein sinusförmiger Wechselstrom erzeugt werden kann. Nach dem gleichen Prinzip wird auch Drehstrom erzeugt. Wenn drei gleiche Spulen, die um 120° von einander versetzt auf einer gemeinsamen Achse angeordnet sind, sich in einem homogenen Magnetfeld drehen, dann werden drei Wechselspannungen erzeugt, die ebenfalls um 120° versetzt sind. Die beiden Enden der drei Spulen werden gemäß DIN IEL 60034-8 mit U1, V1, W1 und U2, V2, W2 bezeichnet. Wenn die Feldlinien des Magnetfeldes senkrecht zu einer der Spulen stehen, dann erreicht die zugehörige Spannung ihren Maximalwert -Abb. 5.11. Als Drehstrom oder Dreiphasen-Wechselstrom versteht man ein System von drei sinusförmigen Wechselspannungen mit gleicher Frequenz und gleichem Effektivwert, die zeitlich gegeneinander jeweils um eine Drittelperiode bzw. um 120° phasenverschoben sind [Linse]. Beim Drehstrom ist die Summe der drei Phasen - Abb. 5.11 - in jedem Augenblick gleich Null. Aus diesem Grund kann der Stromtransport, wenn die Belastung der drei Phasen gleichmäßig ist, mit nur drei Leitern erfolgen. Bei drei getrennten Wechselströmen wären dagegen 6 Leiter notwendig. Das ist einer der großen Vorteile von Drehstrom. Drehstromgeneratoren arbeiten nach dem gleichen Prinzip. Anstatt einfacher Spulen haben sie Wicklungen aus Kupfer, die als Stränge bezeichnet werden. Die beiden Enden der Stränge werden mit denselben Buchstaben bezeichnet, wie bei den Spulen bereits erwähnt. Für den Anschluss des Generators und den Anschluss von Verbrauchern an das Drehstromnetz gibt es zwei Schaltungsmöglichkeiten: die Stern- und die Dreieckschaltung,
5.3 Basiswissen Elektrotechnik
231
1,25 1,00 W2
0,75
V1
120°
0,50
U2
U1
V1
U1 120°
120° W1
V2
W2 120°
120°
0,25 W1
V2
V2
120°
120°
U2 120°
Spannung
W1
120°
W2
U2
U1
V1
0,00 0°
30°
60°
90°
120°
150°
180°
210°
240°
270°
300°
330°
360°
-0,25 -0,50 -0,75 -1,00 120°
120°
120°
-1,25 Uu
Uv
Uw
Abb. 5.11: Spannungsverlauf bei Drehstrom
Wenn die Enden der drei Stränge U2, V2 und W2 des Generators überbrückt und die anderen Enden mit den Außenleitern L1, L2 und L3 verbunden werden, entsteht die sogenannte Sternschaltung (star connection), siehe Abb. 5.12. Man erhält so ein Drehstrom-Dreileiternetz. Am Sternpunkt ist die Summe der Ströme gleich Null. Bei gleichmäßiger Belastung der drei Außenleiter sind deshalb nur drei Leiter (anstatt 6 bei drei getrennten Wechselströmen) notwendig. Wenn die Außenleiter ungleichmäßig belastet sind, was meistens der Fall ist, schließt man an den Sternpunkt einen Nullleiter, der einen Ausgleichsstrom führt. Bei der Sternschaltung sind zwei Spannungen abgreifbar. Als Sternspannung bezeichnet man die Spannung zwischen den Außenleitern und dem Sternpunkt bzw. zwischen den Außenleitern und dem Nullleiter. Sie ist gleich mit den Strangspannungen (phase voltage) UY = USt. Die Spannung zwischen den Leitern UL (phase to phase voltage) ist gleich mit der Nennspannung UN und diese wiederum gleich mit der Quadratwurzel aus 3 multipliziert mit der Stern- UY bzw. Strangspannung USt. Bei gleichmäßiger Belastung ist der Leiterstrom IL gleich mit dem Strangstrom ISt. Es gelten die Beziehungen:
U N = U L = 3 U Y = 3 U S t und IN = IL= IS t
Gl. 5.64
Beim Niederspannungsnetz beträgt bei Nennspannung die Leiterspannung 400 V und die Sternspannung 230 V.
232
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
L1
IL
U1
U 12 Uu UV
U 31 L2
V1
UW
U Υ1
U 23
U Υ2 L3
IL
U Υ3
W1 N
Enden der Stränge: Außenleiter: Nullleiter: Strangspannungen: Leiterspannungen: Sternspannungen:
U1, V1, W1, und U2, V2, W2 L1, L2, L3 N U U , U V , U W = Ust U 12 , U 23 , U 31 = U L = U N U Y1 , U Y2 , U Y3 = U Y
UN =UL = 3 UΥ = 3 Ust
IN = IL = ISt
Abb. 5.12: Sternschaltung
Bei einer Dreieckschaltung (delta connection) werden beide Enden der drei Stränge des Drehstromgenerators miteinander verbunden und an den Außenleitern angeschlossen. Die Dreieckspannungen sind mit den Strangspannungen und den Leiterspannungen gleich, es gibt keine Sternspannungen. Der Leiterstrom teilt sich an den Knoten des Dreiecks auf jeweils zwei Stränge. Zwischen den Spannungen und den Strömen gelten die in der Abb. 5.13 angegebenen Beziehungen. Anschlussmöglichkeiten von Verbrauchern an das Niederspannungsnetz werden in Abb. 5.14 gezeigt. L1
U1 UW
U 12 Uu
L2 U 31
V1
U 23 W1
UV
U N = U L = U St
Abb. 5.13: Dreieckschaltung
L3
I N = I L = 3 I St
5.3 Basiswissen Elektrotechnik
233
L1 L2 L3 N
230 V Verbraucher Motor
400 V Verbraucher
Elektroofen
Abb. 5.14: Anschluss von Verbrauchern an das 0,4 kV Netz 5.3.2 Drehstrommaschinen 5.3.2.1 Drehstromgeneratoren
Bei der öffentlichen Stromversorgung wird Dreiphasenwechselstrom verwendet. Die Generatoren in den Kraftwerken sind Drehstromgeneratoren. Am Drehstromgenerator - Abb. 5.15 - hat man anstatt einzelner Spulen Spulenpakete, die gleichmäßig um 120° versetzt am Stator angeordnet sind. Sie werden Stränge genannt.
Quelle: /Leuschner/- /IZE/
Abb. 5.15: Drehstromgenerator
Jeder Strang besteht aus zwei Seiten, die Pole, die sich an gegenüberliegenden Seiten des Stators befinden, sie bilden ein Polpaar. Der Rotor ist ein rotierender Elektromagnet. Er ist aus Elektroblechen zusammengesetzt,
234
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
an deren Peripherie Nuten eingestanzt sind. In den Nuten sind Wicklungen angebracht. Wenn die Wicklungen des Rotors mit Strom versorgt werden, entsteht ein magnetisches Feld; sobald der Rotor mechanisch in Drehbewegung versetzt wird, induziert er an den drei Strängen des Stators bei einer vollen Umdrehung um 360° drei Wechselspannungen, die um 120° gegen einander versetzt sind. Sie werden als Strangspannungen bezeichnet. Der vorgestellte Generator ist eine einpolige Drehstrommaschine, sie hat für jede der drei Phasen jeweils ein Poolpaar. Wenn statt drei sechs Poolpaare am Stator angebracht werden, entsteht eine zweipolige Maschine. Es besteht folgender Zusammenhang zwischen der Anzahl der Polpaare p, der Frequenz f und der Drehzahl n (s. Tabelle 5.15) n = 60 f / p [U/Minute] Wenn der Rotor mit Gleichstrom versorgt wird, folgt der erzeugte Wechselstrom genau der Drehbewegung des Rotors. Es handelt sich um einen Synchrongenerator. Wenn der Elektromagnet statt mit Gleichstrom mit Wechselstrom versorgt wird, folgt der erzeugte Wechselstrom den Drehbewegungen des Rotors mit einer gewissen Phasenverschiebung. Ein solcher Generator wird Asynchrongenerator genannt [Leuschner]. Die Generatoren in den großen Kraftwerken der öffentlichen Stromversorgung sind überwiegend als Synchron-Generatoren, in kleineren, wie Windkraftoder Wasserkraftanlagen, auch als Asynchron-Generatoren ausgeführt. Beim Synchrongenerator empfängt der Rotor den Gleichstrom für den Aufbau des Magnetfelds aus einem zusätzlichen Gleichstrom-Generator, der auf derselben Welle wie der Rotor sitzt und als "Erregermaschine" bezeichnet wird. Die Stromzufuhr erfolgt über Schleifringe an der Welle. Heute wird die statische Erregung mittels Stromrichter verwendet. Tabelle 5.15: Abhängigkeit der Drehzahl von der Anzahl Polpaare Frequenz Anzahl Polpaare 1 2 3 4
50 Hz U / min 3.000 1.500 1.000 750
60 Hz U / min 3.600 1.800 1.200 900
Bei einer anderen Ausführung wird eine Drehstrom-AußenpolErregermaschine mit anschließender Gleichrichtung des Stroms verwendet. Die Erregermaschine sitzt auf derselben Welle Dadurch entfallen die Schleifkontakte. Die notwendige Umwandlung des Wechselstroms in Gleichstrom besorgen Dioden, die auf der Welle mitrotieren. Ein wichtiger
5.3 Basiswissen Elektrotechnik
235
Vorteil des Synchrongenerators ist, dass er Blindstrom an das Netz liefern kann, wenn dieser von den Verbrauchern benötigt wird. Bevor ein Synchrongenerator an das Netz zugeschaltet werden kann, muss er mit dem Netz synchronisiert werden. Synchronisation bedeutet, dass der Generator die gleiche Frequenz, die gleiche Phasenfolge und Phasenlage und die gleiche Spannung wie das Netz haben muss. Die Synchronisation erfolgt automatisch durch parallelgeschaltete elektronische Synchronisationseinrichtungen. Der Stator des Asynchrongenerators hat denselben Aufbau wie der des Synchrongenerators. Der Rotor ist mit einer Drehstromwicklung ausgerüstet. Es gibt zwei Ausführungen, den Schleifringläufer und den Käfig- oder Kurzschlussläufer. Kurzschluss- oder Käfigläufer sind eine sehr einfache, robuste und kostengünstige Bauart. Am Rotor sind anstatt von Wicklungen Aluminiumstäbe angebracht, die miteinander an den beiden Stirnseiten, an den sogenannten Kurzschlussringen, befestigt und so kurzgeschlossen sind. So können sich die Rotoren von Käfigläufern völlig kontaktfrei drehen und Bürsten oder Schleifringe sind nicht notwendig. Die Aluminiumstäbe haben verschiedene Formen. Nachstehend wird die einfachste Bauart des Käfigs von Kurzschlussläufern gezeigt [Windpower].
Abb. 5.16: Drehstromwicklung eines Käfigläufers
Bei Schleifringläufern liegt in den Nuten des Rotors eine Drehstromwicklung. Die Enden der drei Wicklungen sind in Sternschaltung mit einander verbunden; ihre Anfänge werden an drei an der Welle angebrachte Schleifringe, wie in Abb. 5.15 dargestellt, geführt. Damit kann die Synchronmaschine beim Anfahren gesteuert werden. Nach dem Anfahren werden die Wicklungsanfänge über Widerstände kurzgeschlossen. Bei Asynchrongeneratoren dreht sich der Läufer nicht synchron, sondern etwas schneller als das magnetische Ständerdrehfeld. Der Asynchrongenerator kann keinen Blindstrom an Verbraucher liefern. Im Gegenteil, er benötigt zum Betrieb induktiven Blindstrom, der meistens vom Netz zur Verfügung gestellt wird. Beim Einsatz im Inselbetrieb kann Blindstrom über geeignete Schaltungen von Kondensatoren bereitgestellt werden. Der große Vorteil des Asynchrongenerators ist seine einfache und
236
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
robuste Bauweise. Asynchrongeneratoren werden überwiegend bei Windkraftanlagen eingesetzt. 5.3.2.2 Drehstrom-Asynchronmotoren
Drehstrommotoren haben einen ähnlichen Aufbau wie Drehstromgeneratoren. Wenn an der Ständerwicklung eine Drehspannung angelegt wird, dann entsteht ein magnetisches Drehfeld, das den Rotor des Motors in eine Drehbewegung versetzt. Drehstrommotoren werden als Asynchronmaschinen gebaut. Es gibt auch bei Motoren die schon bei den Generatoren erwähnten zwei Ausführungen, den Kurzschluss- oder Käfigläufer und den Schleifringläufer. Wegen der Einfachheit der Bauweise werden Käfigläufermotoren bevorzugt eingesetzt. Der Schleifringläufermotor hat aber Vorteile beim Anfahren (siehe unten Anfahren von Motoren). Beim Asynchronmotor rotiert der Läufer mit einer etwas niedrigeren Drehzahl als das Drehfeld des Ständers. Den Unterschied zwischen der Synchrondrehzahl ns und der Motordrehzahl n nennt man Schlupf s:
s = 1-n/ns Bei großen Maschinen beträgt der Schlupf etwa 2%, d.h. bei einpoligen Maschinen beträgt die Läuferdrehzahl bei Nennlast 2.940 U/min. Mit zunehmender Last wird der Schlupf größer und kann bei kleinen Motoren einen Wert bis zu 15% erreichen. Drehzahlregelung Für die Synchrondrehzahl gilt wie bei Generatoren die Formel: n = 60 f / p [U/Minute] Bei elektrischen Antrieben ist oft eine Drehzahlregelung, vor allem zur Stromeinsparung, sinnvoll. Dies kann, wie aus der Formel ersichtlich, entweder durch die Änderung der Anzahl der Pole oder durch Änderung der Frequenz erfolgen. Die erste Möglichkeit wird bei polumschaltbaren Motoren praktiziert. Das heißt, die Motoren haben z.B zwei Polpaare. Beim Betrieb mit einem Polpaar dreht sich der Motor mit ca. 3.000 U/min; beim Umschalten auf die zwei Polpaare mit 1.500 U/min. Das ist z.B. bei Waschmaschinen der Fall, beim Waschen dreht sich der Motor langsam, beim Trocknen schnell. Eine bessere, aber wesentliche teurere Möglichkeit sind Frequenzumformer, womit die Drehzahl stufenlos je nach Last gesteuert werden kann.
5.3 Basiswissen Elektrotechnik
237
Stern-Dreieck-Umschaltung Drehstrommotoren nehmen beim Anfahren für kurze Zeit, bis der induktive Widerstand aufgebaut ist, sehr hohe Ströme auf, die bis zum 8fachen des Nennstroms betragen können. Das ist für die Netze unerwünscht und bereitet betriebliche Probleme. Das wird durch die sogenannte Stern-Dreieck-Schaltungen vermieden. Bei der Sternschaltung ist die Strangspannung um die Quadratwurzel von 3 niedriger und damit auch die Stromstärke niedriger als bei der Dreieckschaltung. Der Motor wird mit der Sternschaltung angefahren und, sobald der Nennstrom erreicht ist, wird automatisch auf Dreieckschaltung umgeschaltet. Allerdings ist auch das Drehmoment bei der Sternschaltung niedriger, deswegen kommt beim Normalbetrieb die Dreieckschaltung zur Anwendung. Anfahren von Schleifringläufermotoren Bei bereits am Anfang hohen Lastmomenten (schwer Anlauf) ist ein Anfahren in Dreieck nicht möglich. Hier ist ein Schleifringläufermotor besser geeignet. Bei Schleifringläufermotoren kann durch Einschalten von Anlasswiderständen in den Läuferkreis der Anfahrstrom herabgesetzt und gleichzeitig das Anfahrmoment, verglichen mit dem Moment bei direkter Einschaltung, erhöht werden [H. Linse]. 5.3.2.3 Transformatoren
Beim Stromtransport fällt infolge des Ohmschen Widerstands die Spannung entlang der Stromleitung ab, sodass ein Teil der eingespeisten elektrischen Arbeit in Wärme umgewandelt wird und an die Umgebung verloren geht. Auch für den Stromtransport gelten die Formeln: UV = RxI
PV = UVxI
∆WV = UVxIxt = RxI 2xt
Die Verlustarbeit ist proportional zur Leitungslänge und zum Quadrat der Stromstärke, wie aus der Formel für die elektrische Arbeit ersichtlich ist. Wird die Spannung erhöht, fällt nach dem Ohmschen Gesetz bei gleicher Leistung und gleichem Leitungswiderstand die Stromstärke und damit auch die Verlustarbeit proportional zum Quadrat der Stromstärke ab. Ein verlustarmer Transport über große Entfernungen geschieht deshalb bei sehr hohen Spannungen. Die Umspannung erfolgt in Transformatoren. Ein Transformator ist eine ruhende elektrische Maschine, die wie ein Generator auch nach dem Induktionsprinzip funktioniert. In der einfachsten Ausführung besteht ein Transformator aus zwei oder mehr Wicklungen, die gegeneinander isoliert sind und einen gemeinsamen Eisenkern haben. Wenn an der Primärseite eine Wechselspannung angelegt wird, erzeugt sie ein ständig wechselndes
238
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
Magnetfeld, das über den Eisenkern auf die Sekundärwicklung eine Wechselspannung mit der gleichen Frequenz induziert. Nach der Richtung der Stromflüsse bezeichnet man die Wicklungen als Primär- und Sekundärwicklung, nach der Höhe der Spannung als Ober- und Unterspannung. Die Höhe der Spannung an der Sekundärseite hängt von der Höhe der Primärspannung und vom Verhältnis der Windungszahlen (N) der Wicklungen ab. Es gelten folgende Beziehungen. U2 /U1 = N2/N1; I2 /I1 = N1 / N2 ;
U2 /U1 = I1 /I2
Die Nennleistung des Transformators wird als Scheinleistung SN in kVA angegeben. Die Nennspannung auf der Lastseite wird um ca. 5% höher ausgelegt als die Netzspannung, um die unter Last auftretenden Spannungsverluste auszugleichen. Es gilt: SN = U1N x I1N = U2N x I2N
Wechselstrom: Drehstrom:
SN =
3 x U1N x I1N =
[kVA]
3 x U2N x I2N
[kVA]
Gl. 5.65 Gl. 5.66
Nachstehendes Schema - Abb. 5.17 - zeigt einen DrehstromMaschinentransformator, der den im Generator erzeugten Strom mit einer Spannung zwischen 10 und 30 kV auf Höchstspannung von 380 kV transformiert. Die Wicklungen sind auf einem Eisengerüst angebracht. Das Eisengerüst besteht zur Minimierung der sogenannten Eisenverluste aus dünnen Blechen, die von einander isoliert sind. Die drei Wicklungen auf beiden Seiten sind in Sternschaltung miteinander verbunden. Auf der Netzseite zweigt vom Sternpunkt ein Nullleiter ab.
Quelle: /Leuschner/ /IZE/
Abb. 5.17: Schema Drehstromtransformator
0 Literaturverzeichnis
239
Bei Transformatoren treten zwei Arten von Verlusten auf, die Eisenverluste oder Leerlaufverluste und die Kupferverluste (Kurzschlussverluste). Die Eisenverluste sind bei jedem Lastfall absolut konstant. Die Kupferverluste steigen mit zunehmender Last an. Der Wirkungsgrad ist somit abhängig von der Last. Große Transformatoren erreichen Wirkungsgrade bis zu 99% bei Volllast. Obwohl die Verluste der Transformatoren gering sind, entwickeln sie so viel Wärme, dass sie in ein Kühlmedium, das ist meistens ein Ölbad, eingetaucht sind. Bei großen Transformatoren wird das Kühlmedium durch Pumpen zirkuliert. Beispiel 5.13: Wechselstromtransformator Ein Mittel-/Niederspannungs- Drehstromtransformator (20 kV/0,4 kV) hat eine Nennleistung von 250 kVA. Man ermittle die Nennströme I1N = SN /( 3 xU1N ) = 250 kVA /
3 x 20 kV) = 7,2 [A]
I2N = SN / ( 3 xU2N ) = 250 kVA / ( 3 x 0,42 kV) = 343,7 [A]
Beispiel 5.14: Leistungsdaten Maschinentrafo Der Drehstromgenerator eines 500 MW-Kraftwerkes hat eine Leistung von 625 MVA, die Generatorspannung beträgt 27 kV und soll im Maschinentrafo auf 405 kV hochgespannt werden. Zu berechnen sind das Verhältnis der Windungszahlen und die Stromstärken auf beiden Seiten des Trafos. I1N = SN / ( 3 x U1N ) = 625.000 kVA/( 3 27 kV) = 13.365 [A] Verhältnis der Windungszahlen: N2 / N1 = 405 / 27 = 15 I2N= xI1Nx N1 / N 2= 13.365 / 15 = 891 [A]
240
5 Physikalisch-technisches Grundwissen
Literaturverzeichnis [80/181/EWG] Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Einheiten im Messwesen, 20.dez.1979 [DIN 1301] DIN 1301 Teil 1, Einheiten; Einheitsnamen, Einheitszeichen, 10.02 [DIN 1304] DIN 1304 Teil 1, Formelzeichen; Allgemeine Formelzeichen; 03.94 [DIN 1343] Referenzzustand, Normzustand, Normvolumen [DIN 5499] Brennwert und Heizwert, 1972 [EinhG] Gesetz über Einheiten im Messwesen, 22. Feb. 1985 [EinhV] Ausführungsverordnung zum Gesetz über Einheiten im Messwesen, 13. Dez. 1985 [ISO 1000] SI-units and recommendations for the use of their multiples and of certain other units, 11.92. [kaeser] Kaeser Kompressoren http://www.kaeser.de/Online_Services/Toolbox/default.asp#0 [Leuschner] Udo Leuschner, Energie Energiewissen, http://www.udo-leuschner.de/index.htm [Linse] Hermann Linse, Rolf Fischer(2005) Elektrotechnik für Maschinenbauer, Grundlagen und Anwendungen, 12. Auflage, Teubner Verlag, Wiesbaden [Mollier h,s-Diagram] Properties of Water and Steam, Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York [Recknagel] Recknagel Sprenger Schramek, Taschenbuch für Heizung+Klimatechnik, 70. Auflage 01/02. Oldenbourg Industrieverlag, München [Rohde&Schwarz] Der korrekte Umgang mit Größen, Einheiten und Gleichungen, http://www.fh-muenster.de/FB$/aktuell/gr_einh_glei.pdf, entnommen 16.08.05 [Dampftafeln] Properties of Water and Steam, Springer Verlag, Berlin Heidelberg, New York [WADAEXL] Wasserdampfstoffdaten -Software für EXCEL. Prof. Dr. Ing.habil. J.-J. Kretschmar, Dr. -Ing. I. Stöcker, Hochschule Zittau/Görlitz (FH) [Wikipedia] http://de.Wikipedia.org/Wiki/Fallbeschleunigung, entnommen Aug. 2005 [Windpower] Danish Wind Industry Association, http://www.windpower.org/en/core.htm
6. Energieumwandlung und Emissionen
6.1 Energieumwandlungsanlagen 6.1.1 Typen von Energieumwandlungsanlagen
Die Energienutzung erfolgt in einer Kette von technischen Prozessen; großtechnisch wird Primärenergie in Energieumwandlungsanlagen erst in Endenergie (Strom, Dampf, Warmwasser) umgewandelt, über Transportund Verteilungsnetze zu den Verbrauchern transportiert und schließlich am Ort der Nutzung in Nutzenergie (Licht, mechanische Energie, Raumwärme, Prozesswärme) überführt. Bei der öffentlichen und industriellen Energieversorgung unterscheidet man im Allgemeinen folgende drei Gruppen von Energieumwandlungsanlagen: Ein Heizwerk "HW" (heat only boiler house − HOB) ist eine Energieumwandlungsanlage, in der die eingesetzte Primärenergie ausschließlich in Wärme umgewandelt wird. Der Wärmeträger ist bei industriellen Anwendungen meist Dampf in verschiedenen Druckstufen, und für Beheizungszwecke Heiß- oder Warmwasser. Ein Kraftwerk "KW"(power station) ist eine Energieumwandlungsanlage, in der die eingesetzte Primärenergie ausschließlich in Strom umgewandelt wird. Ein Heizkraftwerk "HKW" (Combined Heat and Power Plant, "CHPPlant") ist eine Energieumwandlungsanlage, in der die eingesetzte Primärenergie in einem kombinierten Prozess in Kraft (mechanische oder elektrische Energie) und Wärme umgewandelt wird (cogeneration of heat and power). 6.1.2 Kessel
Die Umwandlung der in den Brennstoffen enthaltenen chemischen Energie in Wärmeenergie erfolgt in den meisten Fällen in Kesseln.
242
6 Energieumwandlung und Emissionen
In den Heizwerken bei der Industrie und bei größeren Objekten werden Flammrohr-Rauchrohrkessel mit Dampf als Wärmeträger eingesetzt − Abb. 6.1. Bei dieser Kesselbauart befindet sich das Wasser im Kesselraum. Die Verbrennung findet im Flammrohr statt, die Verbrennungsgase strömen durch die mit Wasser bedeckten Rauchrohre zum Kamin und geben dabei ihre Wärme an das zu verdampfende Wasser ab. Aus Festigkeitsgründen werden diese Kessel mit Drücken bis zu 28 bar und Dampferzeugungskapazitäten bis zu 40 t/h gebaut. Wegen der relativ niedrigen Drücke ist diese Kesselbauart für Stromerzeugung nicht geeignet. 3. Zug
Zum Kamin
Dampf
Leistung bis :
30t/h
Dampfdruck bis: 28bar Dampfraum
Rauchrohre Flammrohr
Wasserraum
Brenner AscheKollektor Inspektionsklappe Inspektionsklappe
1. Zug
2. Zug
VerbrennungsluftGebläse
Quelle: Babcock
Umlenkkammer
Abschlämmen
Abb. 6.1: Flammrohr-, Rauchrohr-, Dreizugkessel
Wasserrohrkessel, wie in der nachstehenden Abb. 6.2 dargestellt, werden i.d.R. bei größeren Industrieheizwerken eingesetzt. Mit diesen können höhere Drücke oder Leistungen erreicht werden. Die Verbrennung findet im Verbrennungsraum des Kessels statt. Das Arbeitsmedium strömt in Rohrbündeln durch den Kessel und wird durch die Verbrennungsgase erhitzt. Dampf
Wasser
Wasserrohrkessel Wasserrohrkessel
Trommel Rauchgas
Wasser
Kohle
Fallrohre
Economiser
Rohrwände Steigrohre
Anordnung Anordnungder derRohre Rohreund undTrommeln Trommeln Ansicht Ansicht
wasser
Wanderrost
Verbrennungsluft
Schema Schema Wasserrohrkessel Wasserrohrkessel mit mit Wanderrostfeuerung Wanderrostfeuerung
Asche
Abb. 6.2: Wasserrohrkessel
Quelle:Fichtner, Präsentationsunterlagen
6.1 Energieumwandlungsanlagen
243
Bei industriellen Anlagen ist der Brennstoff meistens Heizöl, Erdgas, Steinkohle oder Braunkohle-Fertigstaub. Oft werden auch Reststoffe aus Produktionsprozessen als Brennstoff genutzt. Biomasse als Brennstoff (Holzreste, Baumrinde) wird bevorzugt in Papierfabriken eingesetzt. Meist sind Industriekessel mit Zweistoffbrennern Erdgas/Heizöl ausgerüstet. Bei festen Brennstoffen werden meistens Wanderrostkessel eingesetzt, bei Braunkohle-Fertigstaub auch Staubfeuerungen. Industrieheizwerke sind meistens Mehrkesselanlagen. Eine übliche Ausführung besteht aus 3 Kesseln mit je 50% der Höchstlast, wobei ein Kessel als Reserve dient. Bei industriellen Prozessen wird Dampf meistens in zwei bis drei Druckstufen zwischen 4 bar und 17 bar benötigt. Im Heizwerk wird der Dampf in den Kesseln mit einem Druck erzeugt, der in den meisten Fällen höher ist als der benötigte Betriebsdampfdruck. Der Dampfdruck wird deshalb mit Druckreduzierventilen auf das erforderliche Druckniveau der Verbrauchergruppen reduziert. Die Temperatur wird durch Wassereinspritzung geregelt. Nachstehende Abb. 6.3 zeigt das vereinfachte Wärmeschaltbild eines Heizkraftwerkes inklusive Dampfverteilungsnetz. 16 bar / 250 °C
Kessel 3x25 t/h
Brennstoff
105 °C
Wasseraufbereitung 15°C
Druckreduzierventile mit Wassereinspritzung
W
12 bar / 235°C
W
Kesselspeisewasserpumpe
Entgaser
W
4 bar /180 °C
Kondensatpumpe
Wärmeverbraucher
Wärmeverbraucher 70°C
Dampfleitung
Wasser/Kondensatleitung
Abb. 6.3: Vereinfachtes Wärmeschaltbild eines Dampfheizwerks
Eine vollständige Kondensatrückführung findet nur in seltenen Fällen statt. Bei vielen Prozessen wird der Dampf verbraucht oder das Kondensat ist verunreinigt und kann nicht wiederverwendet werden, es wird dann durch Zusatzwasser ersetzt. Die Kondensattemperatur liegt meistens zwischen 70 °C und 90 °C.
244
6 Energieumwandlung und Emissionen
Oft werden Überschlagsrechnungen des Dampfverbrauchs in Wärmeverbrauch benötigt. Nachstehende Abb. 6.4 zeigt die Wärmeabgabe von 1 Tonne Dampf in Abhängigkeit von den Dampfparametern und den Anteil der Kondensatrückführung. 0,80
Wärmeabgabe von Dampf MWh/t
0,79 0,78 0,77 0,76 0,75
0,742 0,74 Dampfüberhitzung ca. 50 K Kondensattemperatur 70 °C Zusatzwassertemperatur 15 ´°C
0,73 0,72 0,71 0,70 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Kondensatrückführung 16bar / 250°C
12 bar / 235°C
4 bar / 180 °C
Abb. 6.4: Wärmeabgabe von 1 Tonne Betriebsdampf Beispiel 6.1:
Umrechnung von Dampfmassenstrom in Wärme
Eine Anlage verbraucht pro Jahr 100.000 Tonnen 12bar-Dampf. Die Kondensatrückführung beträgt 70% mit einer Temperatur von 70°C. Der Dampfpreis beträgt 30 €/MWh. Zu ermitteln ist der Wärmeverbrauch und die Jahreskosten. Lösung: Aus Diagramm ≅ 0,742 MWh / t. EQ = 100.000 x 0,742= 74.200 MWh/a Jahreskosten: K = 30 x 74.200 = 2.226.000 €/a
Die Dampferzeuger von Großkraftwerken sind Wasserrohrkessel; sie sind größere Bauwerke. Bei einem 600 MW-Steinkohlekraftwerk beträgt ihre Höhe bis ca. 130 m, beim 800 MW-Braunkohlekraftwerk bis ca. 160 m. Sie werden je nach Platzverhältnissen in zwei Ausführungen, als Turmkessel oder als Zwei-Pass-Kessel − Abb. 6.5 hergestellt. Die Wände der Dampferzeuger sind durch Rohrreihen begrenzt. Die Wasserzirkulation im Kessel erfolgt abhängig vom Druck nach drei verschiedenen Prinzipien, wie in Abb. 6.6 dargestellt. Das Bauvolumen des Dampferzeugers hängt von der Leistung und vom Brennstoff ab. Bei gleicher Leistung ist das Verhältnis der Bauvolumina etwa wie folgt. Die Baukosten verhalten sich entsprechend.
6.1 Energieumwandlungsanlagen Brennstoff Volumenverhältnis
Öl/Erdgas
Steinkohle
Braunkohle
100%
165%
410%
Abb. 6.5: Kraftwerkkesselbauarten − Turmkessel, Zwei-Zug-Kessel
ECO
ECO
Naturumlauf (bis zu 180 bar, Umlauf erfolgt auf grund der Dichteunterschiede des Wassers)
Zwangsumlauf
Zwangsdurchlauf
(Umlauf durch Pumpe, da Dichteunterschiede des Wassers bei großen Drücken klein)
(bei überkritischen Dampfparametern, keine Verdampfung)
Abb. 6.6: Wasserzirkulation in Dampferzeugern
245
246
6 Energieumwandlung und Emissionen
Beispiel 6.2: Ermittlung der Brennstoffkosten Für das in Abb. 6.3 dargestellte Heizwerk sind Brennstoffverbrauch und Brennstoffkosten zu ermitteln. Position Eingaben Kesselleistung Jährliche Dampferzeugung Jahresenergienutzungsgrad Heizwert Heizöl EL Preis Heizöl inkl. MinölSt Zwischenrechnungen-Enthalpien Kesselspeisewasser 105 °C Dampfenthalpie 16 bar Enthalpiedifferenz Brennstoffverbrauch Jährliche Wärmeerzeugung
250 °C
Brennstoffverbrauch Brennstoffkosten spez. Brennstoffkosten
Einheit
Zahlenwert
t/h t/a % kWh / l €/l
75 243.750 91% 10 0,40
MJ / t MJ / t MJ / t
440 2.920 2.480
GJ / a MWh / a MWh / a 1000 l / a T€ / a €/t € / MWh
604.500 167.917 184.524 18.452 7.381 30,28 43,96
Abhitzekessel − AHK sind Wärmerückgewinnungsanlagen (heat recovery steam generators - HRSG), in denen die Abwärme der heißen Abgase von Gasturbinen (rund 500 °C) zur Dampferzeugung genutzt werden − Abb. 6.7. In den meisten Fällen sind AHK unbefeuert. Je nach Platzverhältnissen gibt es liegende oder stehende Ausführungen.
Abb. 6.7: Abhitzekessel, liegend, stehend
Gasturbinenfeuerungen werden mit hohem Luftüberschuss (Luftverhältniszahl rd. 3) betrieben und ihre Abgase enthalten noch ca. 15% Sauerstoff. Abhitzekessel können deshalb mit einer Zusatzfeuerung ausgerüstet
6.1 Energieumwandlungsanlagen
247
werden, die den Sauerstoff der Abgase als Verbrennungsluft nutzt. Die Temperatur der Abgase wird durch die Zusatzfeuerung weiter erhöht und so mehr Dampf erzeugt. Grenzen für die Temperaturerhöhung werden durch das Material der Rohre gesetzt. Bei einer Temperaturerhöhung der Abgase auf bis zu 800 °C spricht man von Zusatzfeuerung, wobei ein Teil des Sauerstoffs genutzt wird. Wenn der gesamte Sauerstoff genutzt wird, werden Temperaturen von ca. 1200 °C erreicht; dann spricht man von einer Leistungsfeuerung. Hierbei kommen teurere Hochtemperatur-Materialien für die Rohrleitungen zum Einsatz. 6.1.3 Arten von Feuerungen
Die Feuerung bildet eine konstruktive Einheit mit dem Dampferzeuger. Sie unterscheidet sich nach dem Brennstoff und der Art der Verbrennung. Bei Kraftwerkskesseln dominiert die Kohlenstaubfeuerung. Die Kohle wird in Kohlemühlen zu Kohlenstaub fein gemahlen und durch die Brenner zusammen mit heißer Verbrennungsluft in mehreren Ebenen in den Feuerraum des Dampferzeugers geführt. Dort wird er verbrannt und gibt seine gebundene chemische Energie an das Speisewasser ab, welches verdampft und anschließend überhitzt wird. Ein Teil der anfallenden Asche sinkt zum Kesselboden und wird unterhalb des Kessels hydraulisch abgeführt; der überwiegende Teil der Asche wird jedoch über die Rauchgase ausgetragen und im Elektrofilter ausgeschieden. In den meisten Fällen wird die Asche in trockener Form vom Kessel abgeführt. Eine besondere Bauform ist die Schmelzkammerfeuerung, bei der die Feuerungstemperatur so hoch gewählt wird, dass die Asche schmilzt und in flüssiger Form als Schlacke abgezogen wird. Bei festen Brennstoffen werden verschiedene Rostfeuerungen eingesetzt − Abb. 6.8. Zur Kohleverbrennung kommen Wanderrostfeuerungen, zur Müllverbrennung Walzenroste, bei der Verbrennung von holzartigen Biomassen meistens Wanderroste oder Schubfeuerungen zum Einsatz. Brennkammer Kohle
1
Walzenrostfeuerung
7
Flamme
6
5 Asche Luft
Wanderrostfeuerung
Abb. 6.8: Rostfeuerungen
Quelle:Fichtner, Präsentationsunterlagen
248
6 Energieumwandlung und Emissionen
In der Wirbelschichtfeuerung ist die gleichzeitige Verbrennung von unterschiedlichen festen Brennstoffen möglich. Sie ist insbesondere geeignet zur Verbrennung von Ballastkohlen mit hohem Schwefelgehalt. Man unterscheidet zwischen stationärer und zirkulierender Wirbelschicht. Im Feuerraum wird ein Gemisch aus Kohle und Kalk zugeführt, welches durch eingeblasene Luft zum Verwirbeln gebracht wird. Das bei der Verbrennung entstehende Schwefeldioxid wird durch die basischen Bestandteile der Asche und den Kalk gebunden und zu Gips umgesetzt. Bei der zirkulierenden Wirbelschicht können Schwefelabscheidegrade von bis zu 95% erzielt werden und so kann auf eine teuere nachgeschaltete Rauchgasreinigungsanlage verzichtet werden. Ein weiterer Vorteil sind die niedrigen Temperaturen der Feuerung. Während bei Rostfeuerungen Temperaturen um 1.500 °C und bei Staubfeuerungen um die 1.200 °C herrschen, liegt die Temperatur in der Wirbelschicht zwischen 750 und 900 °C. Dadurch wird auch die Bildung von thermischem Stickoxid (NOx) weitgehend verhindert. Eine Weiterentwicklung stellt die druckaufgeladene Wirbelschichtfeuerung dar. Brennraum Leer Asche nichts Kalk Kohle
Kamin Gewebefilter Rauchgaskühler
Zyklon
FlüssigBrennstoff
Wasser Rückführung
Gebläse Kühlwasser
Gebläse
Aschetransport
Abb. 6.9: Zirkulierende Wirbelschichtfeuerung
Rostfeuerungen werden auf Grund der Emissionsgrenzen bis zu einer Feuerungswärmeleistung von 100 MWth, Wirbelschichtfeuerungen vorzugsweise bis zu einer Feuerungswärmeleistung von 300 MWth bzw. Blockgröße ca. 100 MWel eingesetzt. Staubfeuerungen sind bereits bis zu einer Feuerungswärmeleistung von 2.500 MWth im Betrieb.
6.2 Luftverunreinigende Schadstoffemissionen
6.2
249
Luftverunreinigende Schadstoffemissionen
6.2.1 Arten von Emissionen
Bei der Verbrennung von Brennstoffen entstehen Schadstoffemissionen vor allem in Form von Staub, Schwefeldioxid, Stickoxiden und Kohlenmonoxid. Außerdem bildet sich bei der Verbrennung des in den Brennstoffen enthaltenen Kohlenstoffs, Kohlendioxid (CO2). Dies ist zwar kein Schadstoff, es hat aber negative Auswirkungen auf das Klima. In diesem Abschnitt wird erst auf die Schadstoffemissionen eingegangen. Staub entsteht bei der Verbrennung aus der in den Brennstoffen enthaltenen Asche. Die Asche verlässt den Kessel nach der Verbrennung zu ca. 15% in Form von Schlacke und zu ca. 85% in Form von Flugstaub. Das Rohrauchgas von Kohlestaubfeuerungen kann je nach Aschegehalt 2.000 bis 35.000 mg/m3 Staub enthalten. Primärmaßnahmen zur Staubreduzierung gibt es, mit Ausnahme der Brennstoffumstellung, nicht. Schwefeldioxid entsteht durch Verbindung des in den Brennstoffen enthaltenen Schwefels mit dem Sauerstoff der Verbrennungsluft. Die Reaktionsgleichung lautet: S + O2 Æ SO2 aus 1 kg S entstehen 2 kg SO2 Ein Teil des Schwefels wird allerdings bei der Verbrennung in der Asche eingebunden (bei Steinkohle ca. 5 % und bei Braunkohle bis ca. 30 % ), der Rest reagiert zu Schwefeldioxid. Richtwerte für die SO2Konzentration im Rohrauchgas sind ca.: Tabelle 6.1: SO2 -Konzentration im Rohrauchgas bei 1% S-Gehalt Position
Einheit
Heizwert
kWh / kg
Konzentration im Rohrauchgas bezogen auf Heizwert
Steinkohle
Braunkohle
Heizöl S
7,8
3,1
11,5
mg / m i.N.
1.900
3.300
1.700
g / MWh
2.500
5.250
1.750
3
Vermerk: Einbindung des Schwefels in der Asche bei Steinkohle mit 5% und bei Braunkohle mit 30% berücksichtigt
Stickoxide entstehen bei der Verbrennung in der Flamme und der umgebenden Hochtemperaturzone durch teilweise Oxidation des molekularen Stickstoffes in der Verbrennungsluft als sogenanntes thermisches NOX sowie durch Oxidation des im Brennstoff chemisch gebundenen Stickstoffes als sogenanntes Brennstoff-NOx. Das thermische NOX entsteht bei hohen Temperaturen oberhalb 1.300°C, das Brennstoff NOX auch bei niedrigen Temperaturen, wenn ein ausreichender Sauerstoffgehalt in der Verbren-
250
6 Energieumwandlung und Emissionen
nungsluft vorhanden ist. Die Stickoxide aus der Verbrennung bestehen zu ca. 95% aus Stickstoffmonoxid (NO) und der Rest aus Stickstoffdioxid (NO2). Nach dem Verlassen des Schornsteins verbindet sich jedoch NO mit O2 zu NO2. Stickoxide werden deshalb rechnerisch als NO2 angegeben. 6.2.2 Emissionsgrenzwerte
Grenzwerte für diese Emissionen werden in der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft [TA-Luft] für Anlagen bis zu einer Feuerungswärmeleistung von 50 MW (bei Erdgas bis 100 MW) und in der 13. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz [13. BImSchV], auch Großfeuerungsanlagenverordnung GFAnV genannt, für Leistungen darüber vorgeschrieben. Die Grenzwerte sind von der Art des Brennstoffes, der Art der Feuerung und der Feuerungswärmeleistung abhängig. Sie werden bei vorgegebenem Sauerstoffgehalt im Abgas in mg/m3 i.N. angegeben. Tabelle 6.2: Emissionsgrenzwerte für Feuerungen nach der GFAnV Feuerung und Brennstoffart
O2
Konzentration im trockenen Abgas Staub
CO
flüssig
naturbelassenes Holz leichtes Heizöl oder vergleichbar
RZ 1
andere flüssige Brennstoffe
20
Hochofengas oder Koksofengas
10
Flüssiggas sonstige gasförmige Brennstoffe
3
fest flüssig
100 MW - 300 MW
Gase flüssig
350
und SAG 75%
400
850
keine Festlegung bez. SAG
150
400
-
SAG 92%
250
350
200
keine Festlegung bez. SAG
250
850
oder SAG 92%
180 / 200 / 250 *)
850
NOx abhängig vom Einstellwert der Sicherheitsorgane *)
80
350 100
850 200 / 350
200
80
Hochofen 200 / Koksofen 350, niedriger Heizwert
5 35
Gas der öffentlichen Gasversorgung
50
100 / 110 / 150 *)
35
Wirbelschicht
200
200
200
NOx abhängig vom Einstellwert der Sicherheitsorgane *) und SAG 85%
200
200
200
und SAG 85%
200
200
300
und SAG 92%
Biobrennstoffe ohne Naturholz
250
300
200
keine Festlegung bez. SAG
naturbelassenes Holz
200
250
200
und SAG 85% oder 300 mg/m und SAG >92%
hoher Schwefelgehalt
leichtes Heizöl oder vergleichbar
6
3
20
RZ 1
andere flüssige Brennstoffe
20
Hochofengas oder Koksofengas
10
Flüssiggas sonstige gasförmige Brennstoffe
3
80
5
200
400 - 200
3
lineare Abnahme, keine Festlegung bez.SAG lineare Abnahme und SAG >= 85%
100 80
200 / 350 200
80
3
3
Hochofen 200 mg/m / Koksofen 350 mg/m , niedriger Hu
5 35
Gas der öffentlichen Gasversorgung
50
100 / 110 / 150 *)
35
NOx abhängig vom Einstellwert der Sicherheitsorgane *)
Wirbelschicht
200
200
200
und SAG 85%
sonst. feste Biobrennstoffe
200
200
200
hoher Schwefelgehalt
6
20
naturbelassenes Holz
Gase
300
150
80 5
Biobrennstoffe ohne Naturholz über 300 MW
(SAG : SchwefelAbscheideGrad)
150
150 3
sonst. feste Biobrennstoffe
fest
Feuerungswärmeleistung
20
Biobrennstoffe ohne Naturholz
Gase
50 MW - 100 MW
fest
sonst. feste Biobrennstoffe 6
Bemerkungen
SO2
mg/m3 i.N.
Vol. % Wirbelschicht hoher Schwefelgehalt
NO2
leichtes Heizöl oder vergleichbar
3
RZ 1
andere flüssige Brennstoffe
20
Hochofengas oder Koksofengas
10
Flüssiggas sonstige gasförmige Brennstoffe Gas der öffentlichen Gasversorgung
3
200
400
und SAG 95%
200
200
keine Festlegung bez. SAG
200
200
200
und SAG 85% oder 400 mg/m und SAG >95%
150
200
keine Festlegung bez. SAG
80
150 100 80
5
und SAG 85%
200 250
80 50
100
3
200
und SAG 85%
200 / 350
Hochofen 200 mg/m / Koksofen 350 mg/m , niedriger Hu
3
3
5 35 35
* ) T< 383,15 K oder pü < 0,05 MPa / T von 383,75 bis 783,15 K oder pü von 0,05 bis 1,8 MPa / T < 483,75 oder pü > 1,8 MPa
-
6.3 Emissionsminderungsmaßnahmen
251
Tabelle 6.3: Emissionsgrenzwerte für Gasturbinen nach GFAnV Konzentration im trockenen Abgas O2
Staub
NO2
CO
KWK mit η > 75 % 75
Neuanlagen
-
Antrieb von Arbeitsmaschinen Erdgas, Sonstige
50
Sonstige gasförmige Brennstoffe
120
leichtes Heizöl oder Diesel
15
RZ 2 *)
100
120 50 - 75 **) 150
Einzeltubine < 50 MW in Gesamtanlage ***) Altanlagen ab 1.10.12
Feuerungswärmeleistung > 50 MW
Kombibetrieb η > 55 %
Stromerzeugung in Solobetrieb ( η > 35 %) mit Erdgas
-
Erdgas
75 150
sonstige Gase leichtes Heizöl oder Diesel
SO2
3
mg / m i.N.
Vol. %
RZ 2 *)
150
wie bei Feuerungsanlagen mit gasförmigen Brennstoffen, jedoch umgerechnet auf 15% O2-Gehalt
Brennstoffart und Betriebsmodus
Vermerk: Wirkungsgrade im Jahresdurchschnitt
*) Rußzahl RZ 2 für Dauerbetrieb für alle flüssigen Brennstoffe, beim Anfahren RZ 4 3
3
**) Grenzwert von 50 mg/m ist entspr. der prozentualen Wirkungsgraderhöhung bis max. 75 mg / m heraufzusetzen ***) Gesamtanlage KWK mit η > 75 % , Anlage mit Kombibetrieb mit > 75 % oder Antrieb von Arbeitsmaschinen bei Einsatz von sonstigen gasförmigen oder flüssigen Brennstoffen
Die wichtigsten Emissionsgrenzwerte nach der GFAnV sind in Tabelle 6.2 für Feuerungsanlagen und in Tabelle 6.3 für Gasturbinen angegeben. Die TA-Luft enthält viele Ausnahmen und eine Angabe der Emissionsgrenzwerte in Tabellenform ist praktisch nicht darstellbar.
6.3
Emissionsminderungsmaßnahmen
Maßnahmen zur Emissionsminderung werden in zwei Gruppen unterteilt: • •
Maßnahmen am Brennstoff vor der Verbrennung oder am Verbrennungsprozess werden als Primärmaßnahmen bezeichnet Maßnahmen zur Rauchgasreinigung werden als Sekundärmaßnahmen bezeichnet.
Sie werden nachstehend getrennt für Staub, Schwefeldioxid und Stickoxide behandelt. 6.3.1 Primärmaßnahmen zur Emissionsreduzierung 6.3.1.1
Primärmaßnahmen für Staubemissionen
Bei festen und flüssigen Brennstoffen werden Primärmaßnahmen zur Reduzierung der Staubemissionen nicht praktiziert. Bei einigen Gasen, wie z.B. Hüttengasen, wird eine Entstaubung vor der Verbrennung vorgeschaltet.
252
6 Energieumwandlung und Emissionen
6.3.1.2
Primärmaßnahmen für SO2-Emissionen
Primärmaßnahmen sind die Brennstoffentschwefelung und die Schwefeleinbindung bei der Verbrennung durch die Zugabe von Additiven. Eine Brennstoffentschwefelung erfolgt bei der Raffination von Heizölen. Der Höchstgehalt an Schwefel für Heizöl EL und S wird in den §§ 3 und 4 der 3.BImSchV vorgegeben. Die Schwefeleinbindung bei der Verbrennung erfolgt durch Zugabe von basischen Sorbentien, vor allem Kalkstein (CaCO3) oder Kalkhydrat (Ca(OH)2), zum Brennstoff oder in die Feuerung. Das Verfahren ist als Trockenadditivverfahren (TAV) bekannt und wird vor allem in Wirbelschichtfeuerungen praktiziert. Abscheidegrade bis zu 95% werden bei zirkulierenden Wirbelschichtfeuerungen erreicht. Der Abscheidegrad hängt allerdings stark vom Molverhältnis ab. Die Reaktionsgleichung lautet: S + 3CaCO3 + 3/2O2 Æ CaSO4 + 2CaO +3CO2 Als Reaktionsprodukt entsteht ein Sulfit-/Sulfatgemisch mit einem hohen Anteil von CaO. Die Reaktionsprodukte werden in einem nachgeschalteten Filter abgeschieden. Das Endprodukt muss meistens in einer Sonderdeponie entsorgt werden. Bei stöchiometrischer Reaktion mit einem Molverhältnis Ca/S=1 finden folgende Umsätze statt: Aus 1 kg S + 3,125 kg Kalkstein entstehen 4,25 kg Gips + 3,5 kg CaO
Die Tabelle 6.4 enthält Richtwerte für Massenumsätze beim TAV in der Wirbelschicht. Tabelle 6.4: Massenumsätze beim TAV in der Wirbelschicht Einheit Brennstoff-Schwefelgehalt S SO2 - Abscheidegrad Molverhältnis Ca/S Kalksteinverbrauch CaCO3 Entsorgungsprodukt CaSO4 Entsorgungsprodukt CaO
% % % kg/kg S kg/kg S kg/kg S
Stationäre Wirbelschicht 1,0 80 1,1 3,44 4,68 3,85
Zirkulierende Wirbelschicht 1,0 80 2,0 6,25 8,50 7,00
Bei Wirbelschichtfeuerungen können die SO2-Grenzwerte durch Primärmaßnahmen ohne eine nachgeschaltete Rauchgasentschwefelung i.d.R. erreicht werden. Primärmaßnahmen zur Reduzierung der Schwefeldioxidemissionen durch Additivzugabe werden auch bei Braunkohlefeuerungen praktiziert, allerdings ist bei Großfeuerungen eine nachgeschaltete Rauchgasentschwefelung zur Erreichung der vorgeschriebenen Emissionsgrenzen immer notwendig.
6.3 Emissionsminderungsmaßnahmen 6.3.1.3
253
Primärmaßnahmen für NOX-Emissionen
Folgende primärseitigen Maßnahmen zur NOX -Reduzierung werden aufgrund der Erkenntnisse über die Bildung von thermischem NOX und Brennstoff-NOX in der Praxis bei allen Feuerungsarten und Brennstoffen vorrangig angewandt: • • • •
Stufenverbrennung im Feuerraum Einsatz von NOX-armen Brennern (low-NOX -burner) Geringerer Luftüberschuss Rauchgasrückführung
Im Allgemeinen zielen diese Maßnahmen darauf ab, zum einen die Verbrennungstemperaturen möglichst niedrig zu halten, um die Bildung von thermischem NOX zu unterbinden, andererseits soll die Verbrennung bei niedrigem Luftüberschuss ablaufen, damit der im Brennstoff enthaltene Stickstoff nicht zu NOX oxidieren kann. Beide Maßnahmen werden meistens kombiniert angewandt. So ist es z.B. bei den neuen Braunkohlekraftwerken gelungen, die geforderten NOX-Grenzwerte allein durch Primärmaßnahmen ohne nachgeschaltete Rauchgasentstickung einzuhalten. Bei Wirbelschichtfeuerungen werden die NOX-Grenzwerte, bedingt durch die niedrigen Verbrennungstemperaturen (um die 850 °C), ebenfalls eingehalten. Bei Gasturbinen werden bei Verbrennung von Erdgas NOX-arme Brenner (low-NOX-burner-) eingesetzt, womit die geforderten Grenzwerte ebenfalls eingehalten werden. Bei Betrieb mit Heizöl sind jedoch sekundärseitige Maßnahmen notwendig (z.B. Dampf- oder Wassereinspritzung in den Feuerraum). 6.3.2 Sekundärmaßnahmen zur Emissionsminderung 6.3.2.1
Entstaubung und Entaschung
Die in der Kohle enthaltene Asche verlässt den Kessel nach der Verbrennung größtenteils (zu ca. 85%) als Flugstaub. Die Entstaubung erfolgt durch den Einsatz von Elektrofiltern (electrostatic precipitator) oder Gewebefiltern (fabric filter). Im Elektrofilter werden mittels eines durch Hochspannung erzeugten elektrischen Feldes die festen Partikel abgeschieden. Gewebefilter bestehen aus mehreren Lagen von feinmaschigem Gewebe, welche die Staubpartikel bei deren Durchgang durch die Filteranlage zurückhalten
254
6 Energieumwandlung und Emissionen
Asche oder Schlacke aus dem Kessel und Flugstaub aus dem Filter werden über automatische Entaschungseinrichtungen in separaten Bunkern gespeichert und abtransportiert. Sie werden zum Teil in Baumaterialien verarbeitet und zum Teil entsorgt. Der Abscheidegrad von Elektrofiltern (E-Filtern) ist stark abhängig von der Rauchgaszusammensetzung. Niedrige Wasser- und Staubgehalte wirken negativ auf das Abscheidevermögen. Deshalb sind E-Filter für Feuerungen mit bereits entschwefelten Rauchgasen, z.B. Wirbelschichtfeuerungen, nicht optimal. Dort sind Gewebefilter besser geeignet. Zusammen mit dem Staub werden auch im Brennstoff enthaltene Schwermetalle abgeschieden. 6.3.2.2
Die Rauchgasentschwefelung
Zur Rauchgasentschwefelung - REA (Flue Gas Desulfurization FGD) − kommt am häufigsten das sogenannte Nassverfahren mit Endprodukt Gips (CaSO4) zur Anwendung. Das Rauchgas kommt nach der Entstaubung in den Absorberturm und wird im Gegenstrom zum Sorptionsmittel, einer Suspension aus Wasser (H2O) und Kalkstein (CaCO3), geführt. Die Reaktion findet bei einer Temperatur von ca. 50°C statt, deswegen müssen die heißen Rauchgase vor Eintritt in den Sprühabsorber durch Wärmeaustausch mit der Verbrennungsluft (GAVO) abgekühlt werden.
Abb. 6.10: Rauchgasentschwefelungsanlage
Folgende chemische Reaktionen finden statt: S + O2 → SO2 SO2 + CaCO3 → CaSO3 + CO2 2 CaSO3 + 4H2O + O2 → 2(CaSO4 2H2O) Der Schwefel des Brennstoffes verbindet sich während der Verbrennung mit dem Sauerstoff der Verbrennungsluft zu Schwefeldioxid. Im
6.3 Emissionsminderungsmaßnahmen
255
Sprühabsorber reagieren zuerst Schwefeldioxid und Kalkstein zu Calciumsulfit (CaSO3) und Kohlendioxid. Die Suspension aus Kalziumsulfit und Wasser sammelt sich im Sumpf des Sprühturms. Hier wird Luft eingeblasen und das Calciumsulfit reagiert mit dem Sauerstoff der Luft zu einem Gips-Wassergemisch. Dieses Gemisch wird in Bandfiltern oder Zentrifugen bis auf eine Restfeuchte von ca. 10% entwässert und das Endprodukt Gips kann in der Baustoffindustrie weiterverwendet werden. Das Abwasser ist mit Calciumchlorid und Schwermetallen beladen und muss separat von anderen Abwässern aufbereitet werden. Aus den Reaktionsgleichungen können folgende spezifischen Werte abgeleitet werden: Tabelle 6.5: Spezifische Zahlen für REA Schwefeldioxid pro kg Schwefel im Brennstoff Kalksteinverbrauch pro kg abgeschiedenes SO2 Gipsproduktion pro kg abgeschiedenes SO2
2,0 kg SO2/kg S 1,563 kg CaCO3 / kg SO2 2,12 kg CaSO4 /kg SO2
Anmerkung: Es wird dabei ein stöchiometrisches Mol-Verhältnis vorausgesetzt. In der Praxis wird mit einem Mol-Verhältnis zwischen 1,1 und 1,25 gearbeitet (CaCO3 und CaSO4 x Mol-Verhältnis).
Nachstehende Tabelle zeigt einen Vergleich zwischen den Brennstoffen Steinkohle und Braunkohle hinsichtlich Einsatzstoffen und Entsorgungsprodukten für REA sowie für die Ascheentsorgung. In beiden Fällen wurde von einem Schwefelanteil beim Brennstoff von 1% ausgegangen. In Wirklichkeit ist dieser Anteil bei Steinkohle niedriger (im Durchschnitt 0,8% S), bei Braunkohle je nach Revier höher (z.B. Cottbus 1,25% S). Der Aufwand für die Rauchgasreinigung und auch für die Entsorgung der Abfallprodukte ist nicht unbeträchtlich. Das macht sich insbesondere bei dem Brennstoff Braunkohle bemerkbar, weil der Schwefelgehalt und der Ascheanteil bezogen auf den niedrigen Heizwert der Braunkohle im Vergleich zu Steinkohle hoch ist. Dementsprechend sind der Verbrauch von Einsatzmitteln sowie die Mengen der entstehenden Entsorgungsprodukte wesentlich höher. Dazu kommt ein höherer Stromverbrauch der REA, was zu einem etwas niedrigeren Wirkungsgrad bei Braunkohlekraftwerken führt.
256
6 Energieumwandlung und Emissionen
Tabelle 6.6: Vergleich REA/Asche Steinkohle - Braunkohle bei 1% S Steinkohle
Braunkohle
Position
Einheit
Brennstoffparameter Brennstoffmenge Schwefelgehalt im Brennstoff Aschegehalt Heizwert el. Wirkungsgrad
t % % MWh / t %
1,0 1,0% 7,5% 7,80 44,0%
1,0 1,0% 5,0% 3,08 42,0%
mn / t
3
9.931
4.290
kg / t kg / t kg / t
26,6 36,1 75,0
20,5 27,9 50,0
MWh / t kg / MWh kg / MWh kg / MWh
3,43 7,7 10,5 21,8
1,29 15,9 21,5 38,6
€/t € / MWh
1,87 0,55
1,37 1,06
trockenes Rauchgas bei 6% O2-Gehalt Einsatzstoffe und Entsorgungsprodukte *) bezogen auf 1 Tonne Brennstoff Kalksteinverbrauch 30 € / t Gipserzeugung 9€/t Asche 10 € / t bezogen auf 1 MWh Strom Stromerzeugung Kalksteinverbrauch Gipserzeugung Asche Spezifische Kosten REA + Asche bezogen auf Brennstoff bezogen auf Strom
*) Molverhältnis 1,25, Einbindung in der Asche bei Steinkohle 5% bei Braunkohle 30% angesetzt
6.3.2.3
Die Rauchgasentstickung
Zur Rauchgasentstickung werden im Wesentlichem zwei Verfahren angewandt: • die Selektive Katalytische Reduktion (SCR) • die Nicht-Selektive Katalytische Reduktion (NSCR) Selektive katalytische Reduktion (SCR) Die Entstickung der bei der Verbrennung entstehenden Stickoxide (NOx) findet, wie bereits erwähnt, bis zu bestimmten Grenzen durch Primärmaßnahmen im Kessel statt. Durch solche Maßnahmen können aber die geforderten Emissionsgrenzwerte meistens nicht erreicht werden. Die Entstickung der Rauchgase findet in der DeNOX-Anlage durch selektive katalytische Reduktion (Selective Calalytic Redaction − SCR) mit Ammoniak (NH3) statt. Das Verfahren heißt selektiv, weil nur Stickoxide abgeschieden werden. Im Feuerraum bildet sich zuerst Stickoxid NO, welches sich aber zu Stickstoffdioxd (NO2) verbindet, sobald genügend Sauerstoff vorhanden ist. Im Reaktor finden folgende Reaktionen statt: 4 NO + 4 NH3 + O2 Æ 4 N2 + 6 H2O 2 NO2 + 4 NH3 + O2 Æ 3 N2 + 6 H2O
6.3 Emissionsminderungsmaßnahmen
257
Die Reaktionen finden nahezu bei stöchiometrischem Verhältnis statt, da nur sehr geringe Mengen NH3 ins Freie entweichen dürfen (NH3Schlupf). Aus den Reaktionsgleichungen können folgende spezifischen Verbräuche abgeleitet werden (Molmasse: N2 = 28, O2 = 32, H2 = 2): Tabelle 6.7: Spezifischer NH3-Verbrauch, SCR -Verfahren 68 kg NH3 pro 120 kg NO bzw. 0,57 kg NH3 pro kg NO 68 kg NH3 für 92 kg NO2 bzw. 0,74 kg NH3 pro kg NO2
Die Stickoxidkonzentrationen im Rohrauchgas hängen von der Feuerungsart und von der Art der Primärmaßnahmen zur Stickoxidreduzierung ab. Anhaltswerte für Steinkohle-Staubfeuerungen angegeben als NO2 sind: Tabelle 6.8: NH3 Verbrauch und Kosten für Entstickung Position
Einheit
Trockenabzug von - bis
Schmelzkammer von - bis
Technische Parameter Rauchgasmenge pro t Brennstoff Konzentration NO2 im Rohabgas Konzentration NO2 im Reinabgas Stromerzeugung pro t Brennstoff spez. NH3-Verbrauch pro kg NO2 Ammoniakwasserverbrauch (25% NH3) Preis Amoniakwasser Spezifischer Verbrauch abgeschiedenes NO2 pro t Brennstoff NH3-Verbrauch pro t Brennstoff NH3-Verbrauch pro MWh Stromerzeugung Amoniakwasserverbrauch ( 25%- NH3 ): pro t Brennstoff pro MWel Spezifische Kosten pro t Brennstoff pro MWh Stromerzeugung
3
m i. N. / t 3 mg / m i.N.
10.000 650
3
mg / m i.N.
10.000
1.000
1.300
200
1.500 200
MWh / t kg / kg
3,43 0,74
kg / kg €/t
2,96 62,00
kg / t
4,5
8,0
11,0
13,0
kg / t
3,3
5,9
8,1
9,6
kg / MWh
1,0
1,7
2,4
2,8
kg / t kg / MWh
13,3 3,9
23,7 6,9
32,6 9,5
38,5 11,2
€ / tBr € / MWh
0,83 0,24
1,47 0,43
2,02 0,59
2,39 0,69
Nicht-selective katalytische Reduktion - NSCR Verfahren Dieses Verfahren findet hauptsächlich bei Viertakt-Gas-Ottomotoren Anwendung, bei denen ein Betrieb mit stöchiometrischem Gas-Luft-Gemisch (Lambda=1) möglich ist. Der Reaktor, auch Drei-Wege-Katalysator genannt, ist in der Lage, gleichzeitig die drei Schadstoffe NOX, CO und HC auszuscheiden (deswegen die Bezeichnung „nicht-selektiv“). Die Abscheidegrade für diese Schadstoffe liegen bei ca. 98%. Die Reaktion findet zwischen 400°C und 650°C statt. Im Abgas dürfen keine wesentlichen O2-Anteile vorkommen. Hierfür ist eine automatische Regelung des Brennstoff-Luft-Gemisches mit Hilfe einer Lamba-Sonde auf einen Lambda-Wert von 1 notwendig. Bekannt ist dieses Verfahren in der Öffentlichkeit auch als KAT in Automobilen.
258
6 Energieumwandlung und Emissionen
6.4 Verfahren zur Reduzierung von CO2-Emissionen 6.4.1 Hintergrund und Zielsetzung
Kohlendioxid (siehe auch „Abschnitt 3.3 Klimaschutzrechtliche Rahmenbedingungen“) ist ein natürlicher Bestandteil der Luft mit einer Konzentration von ca. 0,03 Volumenprozent. Kohlendioxid ist zwar kein Schadstoff, es wird aber mitverantwortlich gemacht für die globale Erwärmung und den Klimawandel durch den Treibhauseffekt. In der Natur werden durch die Zersetzung von Biomasse große Mengen an Kohlendioxid freigesetzt. Dem steht aber ein nahezu gleich großer Verbrauch von Kohlendioxid für den Aufbau der pflanzlichen Biomasse gegenüber, so dass in der Natur die Kohlendioxidbilanz praktisch ausgeglichen ist. Die Bilanz gilt auch bei der Verbrennung von Biomasse zur Energieerzeugung, sofern Wachstum und Verbrennung zeitnah erfolgen. Die fossilen Brennstoffe sind zwar auch durch die Zersetzung von Biomasse entstanden, allerdings vor Millionen von Jahren. Das damals aufgenommene CO2 wird aber bei deren Verbrennung erst jetzt freigesetzt. Dadurch entsteht zusätzliches Kohlendioxid, die so genannten anthropogenen oder energiebedingten CO2-Emissionen. Eine Reduzierung der Kohlendioxidemissionen ist vorrangig durch Energieeinsparung, Erhöhung der Energieeffizienz von Energieerzeugungsanlagen, Brennstoffumstellung zu kohlenstoffärmeren Brennstoffen sowie durch die Nutzung von erneuerbaren Energien erzielbar. Eine andere mögliche technische Option zur Emissionsreduzierung sind Verfahren zur CO2-Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage − CCS), die im Zusammenhang mit der Klimaproblematik für Kraftwerke entwickelt werden. Die Prozesskette setzt sich aus folgenden drei Teilprozessen zusammen [IPCC][UBA-Fraunhofer]: • • •
CO2-Abscheidung (carbon capture): Der Verbrennungsprozess fossiler Brennstoffe wird so modifiziert, dass sich CO2 in reiner oder hoch angereicherter Form aus dem Prozess abtrennen lässt. Transport: Nach der Abscheidung wird CO2 verdichtet und getrocknet und via Pipeline oder per Schiff zu einem Speicherort transportiert. Speicherung oder Sequestrierung (storage): CO2 wird in geologischen Formationen eingebracht, in denen es über lange Zeiträume von der Atmosphäre ferngehalten wird.
6.4 Verfahren zur Reduzierung von CO2-Emissionen
259
6.4.2 Verfahren zur CO2-Abscheidung
Für Kraftwerke werden drei Hauptverfahren zur CO2 Abscheidung entwickelt. Sie werden in den Blockdiagrammen der Abb. 6.11 vorgestellt und in den nachfolgenden Abschnitten beschrieben.
Brennstoff
Brennstoff
Brennstoff
Abb. 6.11: Blockdiagramme der Hauptverfahren zur CO2-Abscheidung
Ein beträchtlicher Teil – in Deutschland ca. 41% − der CO2-Emissionen wird bei der Stromerzeugung in mit fossilen Brennstoffen befeuerten
260
6 Energieumwandlung und Emissionen
Kraftwerken verursacht. Einen wesentlichen Impuls zur Entwicklung der CCS-Technologie gab der EU-Emissionshandel (EU-ETS). Durch seine Einführung haben Treibhausgasemissionen einen wirtschaftlichen Wert erhalten. Dies hat dazu geführt, dass Kraftwerksbetreiber vor die Wahl gestellt werden, erforderliche Emissionsberechtigungen auf dem Markt zu erwerben oder Emissionen zu vermeiden. Durch den Emissionshandel in der EU hat der technologische Wandel in der Kraftwerkstechnologie ein Ausmaß erreicht, das sonst nicht möglich gewesen wäre. Nachstehende Tabelle zeigt, welche CO2-Mengen pro Jahr Kraftwerke typischer Größe mit hohem Effizienzstandard emittieren: Tabelle 6.9: Jährliche CO2-Emissionen von ausgewählten Kraftwerken Merkmal
Einheit
el. Nettoleistung Benutzungsdauer nach ZuG 2012 *) Netto-Stromerzeugung
Braunkohle
Steinkohle
Erdgas GuD
MW
800
600
400
h /a
8.250
7.500
7.500
GWh / a
6.600
4.500
3.000
CO2-Emissionen EF=1 **)
tCO2 / GWhel
990
750
365
Jahresemissionen
Mio. tCO2 / a
6,53
3,38
1,10
*) ZuG 2012: Zuteilungsgesetz 2012
6.4.2.1
**) EF=1: Kraftwerke mit Energieeffienzstandard 1 nach ZuG 2012
Rauchgas Dekarbonisierung − Post-combustion capture
Bei diesem Verfahren (Post-Combustion Capture) erfolgt die CO2-Abscheidung durch eine chemische Rauchgaswäsche, die der eigentlichen Rauchgasreinigung durch Entstaubung (ESP), Entstickung (DeNOx) und Entschwefelung „REA“ (FGD) nachgeschaltet ist. Die Wäsche findet in Absorberkolonnen meistens mit einer aminhaltigen Waschlösung (MEA, 30% Monoethanolamin-Lösung) statt. Die Waschlösung wird im Kreislauf geführt − Abb. 6.12 − und in einer Desorberkolonne mit Dampf regeneriert [Siemens]. Das von der REA (FGD - Flue Gas Desulphurization) ankommende Rauchgas wird gekühlt und durch ein Gebläse zum Wäscher (Scrubber) geführt, wo der Absorbent das CO2 bindet. Dieser wird zum Desorber (Stripper) gepumpt, wo er durch Dampf regeneriert wird. Der Primärdampf kommt aus einer Anzapfung (Extraction) der Dampfturbine zu einem Dampfumformer (Reboiler), wo der Sekundärdampf erzeugt wird. Das CO2-angereicherte Gasgemisch wird auf hohen Druck verdichtet und verlässt die Anlage via Pipeline zum Speicher. Ein wesentlicher Aspekt ist der CO2-Abscheidegrad , er liegt z.Z. bei den beschriebenen Verfahren zwischen 85% und 95%. Somit ist selbst das gereinigte Rauchgas nicht 100% CO2-frei.
6.4 Verfahren zur Reduzierung von CO2-Emissionen
261
Quelle: Siemens
Abb. 6.12: Verfahrensschaltbild Post Combustion CO2-Capture
Für das Verfahren gibt es großtechnisch ausreichende Anwendungserfahrung. Es findet breite Anwendung in der chemischen Industrie, z.B. bei der Ammoniaksynthese. Umfangreiche Erfahrungen gibt es auch bei der Förderung von Öl und Erdgas. Das aus den Lagerstätten geförderte Erdgas enthält einen relativ hohen Anteil von CO2, das durch chemische Wäsche abgeschieden wird, um den Brennwert des Erdgases zu erhöhen und es marktfähig zu machen. Das abgeschiedene CO2 wird dann verdichtet und in benachbarte Erdölfelder zur Ausbeutesteigerung (EOR - enhanced oil recovery) mit hohem Druck injiziert. Der Vorteil des Verfahrens liegt darin, dass auch bestehende Kraftwerke nachgerüstet werden können. Allerdings sind die Anlagendimensionen beträchtlich. Für ein Steinkohlekraftwerk mit 1000 MW thermischer Leistung, entsprechend 400 MW elektrischer Leistung, wären 6 Absorber mit einer Höhe von 35 m und einem Durchmesser von 3 m, eine entsprechende Anzahl von Desorberkolonnen und die zugehörigen Hilfseinrichtungen wie Pumpstationen, Gebläse, Kühler etc. notwendig [UBA - Fraunhofer]. Der Dampfverbrauch für die Regenerierung des Absorber Mediums ist auch beträchtlich. Die Dampfentnahme erfolgt zudem bei relativ hohem Druck und verursacht eine hohe Stromeinbuße. Der Wirkungsgradverlust bei diesem Verfahren CO2-Abscheidung liegt bei Kohle-Kraftwerken in der Größenordnung von ca. 12 Prozentpunkten. 6.4.2.2
Brenngasdekarbonisierung − Pre-combustion capture
Bei der CO2-Abscheidung vor der Verbrennung (Pre-combustion capture) wird der Brennstoff, meistens Kohle, in einem Vergasungsprozess mit Sauerstoff aus einer Luftzerlegungsanlage in ein Synthesegas aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff umgewandelt − Abb. 6.13. In einem weiteren
262
6 Energieumwandlung und Emissionen
Dampf
Schritt wird das Kohlenmonoxid durch die Zuführung von Wasserdampf zu CO2 überführt (CO-Shift). Bei Shifting-Prozess wird auch Wasserstoff erzeugt, der in einer Gas- und Dampfturbinen-Anlage (GuD) zur Stromerzeugung genutzt wird. Im nächsten Prozessschritt wird das CO2 in einem Absorber abgeschieden und durch Verdichtung transportfähig gemacht. Der bei der Luftzerlegung entstehende Stickstoff wird in die Gasturbine injiziert, um Verbrennungstemperatur und NOx-Bildung zu kontrollieren. Das Verfahren ist seit langem als „Kombiprozess mit Integrierter Vergasung“ (IGCC - Integrated Gasification Combined Cycle) bekannt. Als zusätzlicher Schritt ist die CO2-Abscheidung und -Kompression hinzugekommen.
Abb. 6.13: Kombikraftwerk mit integrierter Kohlevergasung- IGCC
Der IGCC-Prozess ist im Vergleich zu dem Post-Combustion-Prozess wesentlich effizienter. Der Energieaufwand für das Regenerieren des Absorbenten ist geringer und das Volumen von Synthesegas im Absorber ist erheblich kleiner, verglichen mit dem Rauchgasvolumen beim PostCombustion-Prozess. Der Wirkungsgradverlust beim IGCC-Prozess mit CO2-Abscheidung liegt in der Größenordung von 6 Prozentpunkten (40% zu 34%). Das Verfahren ist für Braunkohle von großem Interesse. 6.4.2.3
Verbrennung mit Sauerstoff − Oxy-Fuel
Bei diesem Verfahren werden fossile Energieträger anstatt mit Luft mit einem Gemisch aus reinem Sauerstoff und rezirkuliertem Rauchgas verbrannt. Durch anschließende Reinigung und Auskondensieren des Rauchgasstromes kann das CO2 in einer Konzentration von etwa 98% abgeschieden und mittels hohem Druck verflüssigt und zur Lagerstätte transportiert werden. Der im Dampferzeuger entstehende Hochdruckdampf
6.4 Verfahren zur Reduzierung von CO2-Emissionen
263
wird in einer Dampfturbine zur Stromerzeugung genutzt. Der Sauerstoff wird in einer Luftzerlegungsanlage durch Trennung vom Hauptbestandteil Stickstoff mit einer Konzentration von bis zu 99,5 Vol% bereitgestellt. Die Rauchgasrezirkulation dient zur Kontrolle der Verbrennungstemperatur. Bei der Verbrennung mit reinem Sauerstoff würde die Flammentemperatur Werte um die 2.400°C erreichen. Durch die Rauchgasrezirkulation wird sie auf unter 1.700 °C eingeregelt. Die Sauerstofferzeugung für die Oxy-fuel Verbrennung erfordert einen erheblichen technischen Aufwand und Energieverbrauch. Das z.Z. angewandte Verfahren der kryogenen Trennung von Luftsauerstoff ist sehr stromintensiv. Allein der Stromverbrauch der Luftzerlegungsanlage bewirkt einen Wirkungsgradverlust beim Kraftwerksprozess zwischen 7 und 10 Prozentpunkten - siehe nachstehende Tabelle 6.10 sowie Berechnung im Beispiel 6.3. Die Kosten für den Stromverbrauch der Luftzerlegungsanlage betragen bei einem Strompreis von 60 €/MWhel ca. 18 € / 1000 nm3 bzw. 13 € / t Sauerstoff (Stromverbrauch 200 kWh/t O2 bei 95% Reinheitsgrad).
Abb. 6.14: Konventioneller Oxy-Fuel Prozess Tabelle 6.10: Stromverbrauch für Sauerstoffbereitstellung Stromverbrauch für Sauerstoff
Einheit 3
Braunkohle Steinkohle
Erdgas
Luftzerlegung *)
kWhel / nm O2
0,30
0,30
0,30
bezogen auf 1 kWh Stromerzeugung
kWhel / kWhel
0,21
0,19
0,13
Wirkungsgradverlust
Prozentpunkte
9,0
8,1
6,9
3
*) ca. 200 kWh/t Sauerstoff entsprechend 0,286 kWh/nm ; Quelle [Praxair]
Das Verfahren der kryogenen Trennung von Sauerstoff aus der Luft ist großtechnisch erprobt und ausgereift. Es findet breite Anwendung z.B. bei
264
6 Energieumwandlung und Emissionen
der Glas-, Aluminium- und Stahlindustrie. Nur marginale Verbesserungen sind möglich. Um den Prozess kosteneffizienter zu machen, werden andere Lösungen gesucht. Viel versprechend sind Verfahren auf Grundlage von Membranen, die durchlässig für Sauerstoff jedoch nicht für Stickstoff sind (OTM: Oxygen Transport Membranes). Diese befinden sich noch in der Entwicklungsphase [Praxair]. Eine besondere Herausforderung stellt außerdem die Kontrolle der Flammentemperatur in der Verbrennungskammer dar. Technologien zur Kontrolle der Flammentemperatur in gas- und ölbefeuerte Öfen sind Stand der Technik, mehr als 30% der Glasschmelzöfen sind bereits auf Oxy-Fuel Feuerung umgerüstet worden. Erfahrungen in kohlebefeuerten Dampferzeugern sind z.Z. allerdings begrenzt. Beispiel 6.3: Stromverbrauch für Sauerstoffbereitstellung Merkmal
Einheit
Braunkohle Steinkohle
EG-GuD
Prozessparameter kg
kg
kWh / Einheit
3,08
7,81
nm3 11,47
nm3 / kWhBr
1,03
0,93
0,95
-
1,39
1,39
1,15
nm3 / kWhBr
1,43
1,29
1,09
Handelseinheit für Brennstoff Heizwert pro Handelseinheit Mindestluftmenge Luftüberschuss λ gemäß GFAnV Verbrennungsluft
nm3 / kWhBr
Sauerstoffanteil el. Wirkungsgrad, Standardkraftwerk Brennstoffverbrauch
1)
-
0,30 42%
0,27 44%
0,23 55%
kWhBr / kWhel
2,38
2,27
1,82
bei der Luftzerlegung 2) pro kWh Brennstoff
kWhel / nm3 O2 kWhel / MWhBr
0,30
0,30
0,30
0,09
0,08
0,07
pro kWh Strom
kWhel / kWhel
0,21
0,19
0,13
Prozentpunkte
9,0
8,1
6,9
Stromverbrauch für Sauerstoff
Wirkungsgradverlust 1)
ohne CO2-Abscheidung
6.4.2.4
2)
Quelle [Praxair] ca. 200 kWh/t entspricht 0,286 kWh/nm
3
Vergleich abgeschiedenes gegenüber vermiedenes CO2
Bei Kraftwerken mit CO2-Abscheidung wird, bedingt durch den Wirkungsgradverlust, für die gleiche Nettostromerzeugung mehr Brennstoff verbraucht und dadurch entstehen auch höhere Emissionen im Vergleich zu Kraftwerken ohne CO2-Abscheidung. Andererseits bleibt bei allen beschriebenen Verfahren je nach Technologie ein Rest-CO2 in den Rauchgasen, das nicht abgeschieden werden kann. Durch die zusätzlichen CO2Emissionen entspricht das abgeschiedene CO2 nicht dem vermiedenen CO2. Die Menge des abgeschiedenen CO2 ist immer höher als die des vermiedenen CO2. Der Zusammenhang wird im folgenden Beispiel gezeigt.
6.4 Verfahren zur Reduzierung von CO2-Emissionen
265
Beispiel 6.4: Vergleich abgeschiedenes gegenüber vermiedenes CO2 Merkmal
Einheit
Steinkohle - Kraftwerk nach BAT Standard ohne CCS
Brennstoff-Emissionsfaktor Nettowirkungsgrad CO2 im Roh-Rauchgas Abscheidegrad
tCO2 / MWhBr
mit CCS 342
%
45,6
33,6
tCO2 / MWhel
750
1018
%
0
90
Abgeschiedenes CO2
tCO2 / MWhel
0
916
Emittiertes CO2
tCO2 / MWhel
750
102
Vemiedenes CO2 in Prozent bez. auf
750 tco2 / MWhel
tCO2 / MWhel
0
648
750 tco2 / MWhel
%
0
86
Auch nach Einführung der z.Z. bekannten CCS-Technologien ist ein Zero-Emission-Kraftwerk technisch keine realistische Option. Auch mit CCS sind lediglich emissionsarme Kraftwerke möglich. 6.4.3 CO2-Transport
Nach der Abscheidung im Kraftwerk muss CO2 zur Speicherung in geeignete geologische Formationen transportiert werden, die in den meisten Fällen weit entfernt liegen [IPCC] [UBA-Fraunhofer]. Der Transport von abgeschiedenem CO2 kann aus Kostengründen nur in überkritischem Zustand bei hoher Dichte erfolgen, da in gasförmigem Zustand das Volumen zu groß wäre. Der kritische Punkt von CO2 liegt bei 73,9 bar / 31,1 °C. Da aber auch Verunreinigungen mit einem höheren kritischen Punkt enthalten sind, und zur Vermeidung der Bildung von gasförmigem CO2 durch den Druckverlust beim Transport, wird das Gemisch auf 110 bis 114 bar komprimiert. Die bei der CO2-Abscheidung von Kraftwerken anfallenden Mengen von CO2 − siehe Tabelle 6.9 lassen sich sinnvoll nur per Pipeline transportieren. Es gibt z.Z. ca 3.100 km CO2-pipelines weltweit vor allem in den USA [IPCC]. Erfahrungen in großtechnischem Maßstab sind ausreichend vorhanden und das Unfallrisiko ist vernachlässigbar. In Europa besteht z.Z. allerdings keine Transport-Infrastruktur für CO2, und deren Aufbau erfordert einen beträchtlichen Kapitalaufwand mit üblicherweise für solche Vorhaben langer Kapitalbindung. Bei der Ozeanspeicherung (siehe nächsten Abschnitt) kommt auch Transport per Schiff, mit Tankern wie bei LNG-Transport, in Betracht.
266
6 Energieumwandlung und Emissionen
6.4.4 CO2-Speicherung
Grundsätzlich kommen in Europa Aquifere oder entleerte Erdöl- bzw. Erdgaslagerstätten als Speichermöglichkeiten für CO2 in Betracht. Aquifere sind unterirdische, poröse Gesteinsformationen, die die Eigenschaft besitzen, Flüssigkeiten und Gase zu speichern und zu transportieren. Zur Speicherunge von CO2 sind saline Aquifere in einer Tiefe von über 800 m geeignet, damit das CO2 durch den Druck in überkritischem Zustand bleibt. Sie müssen darüber hinaus durch impermeable Gesteinsschichten nach oben abgedichtet sein. Die über Millionen von Jahren gespeicherten Erdgasvorkommen zeigen, dass Gase in ausgeförderten (depleted) Erdöl- und Erdgaslagerstätten sicher eingeschlossen werden können. Das Ausmaß der in geologischen Formationen speicherbaren Mengen an CO2 ist zwar nicht abschließend geklärt, es wird aber davon ausgegangen, dass in Deutschland ausreichende Speichermöglichkeiten für 50 bis 100 Jahre vorhanden sein dürften [UBA-Fraunhofer]. Zur Zeit werden vor allem in den USA und Japan Verfahren zur Speicherung von CO2 in den Ozeanen untersucht. Darunter wird das Injizieren von überkritischem CO2 in den Ozeanboden verstanden, wo sich durch den Druck der Wassersäule so genannte „CO2-Seen“ in überkritischem Zustand bilden können. 6.4.5 Vergleich der Verfahren, Energieeffizienz und Kosten
Da alle CCS-Verfahren noch im Entwicklungsstadium sind und noch kein Verfahren in großtechnischem Maßstab eingesetzt wurde, werden in der Literatur Angaben über Leistungsbedarf, Energieverbrauch und Kosten für die einzelnen Verfahren verständlicherweise in einer sehr großen Bandbreite angegeben [IPCC], [UBA-Fraunhofer], [Linssen]. Nachstehend wird ein Auszug aus dem IPCC-Special Report, Table TS.9 wiedergegeben. Tabelle 6.11: Kostenbandbreite für CO2-Abscheidung & Speicherung Systemkomponente CO2-Abscheidung CO2-Transport Speicherung Monitoring
US$ / tCO2 15-75 1-8 0,5-8 0,1-0,3
Anmerkung bez. auf abgeschiedenes CO2 250 km Pipeline 5-40 Mio tCO2/a Geologische Speicherung Geologische Speicherung
Quelle: [IPCC]
Die Angaben in [IPCC] stammen aus verschiedenen Studien, die Prämissen für die Berechnung wie Kostenstand, Brennstoffpreise etc. sind je nach
6.4 Verfahren zur Reduzierung von CO2-Emissionen
267
Quelle unterschiedlich und nicht nachprüfbar. Der IPCC-Bericht ist 2005 erschienen und in der Zwischenzeit haben sich die Preise für Kraftwerke sowie für Stahl praktisch verdoppelt. In den nachfolgenden Tabellen wird versucht, die Berechnungen soweit wie möglich zu konkretisieren und mit festgelegten Prämissen nachvollziehbar darzustellen. In der Tabelle 6.12 wird die Leistungsbilanz für ein SteinkohleKraftwerk und eine IGCC-Anlage mit und ohne CO2-Abscheidung erstellt. Die Angaben wurden aus [Kohberg] und aus der Fichtner Datenbank abgeleitet und soweit erforderlich vom Verfasser angepasst. Beim Steinkohle-Kraftwerk handelt es sich um eine moderne Anlage nach BAT mit USC-Frischdampfparametern (Best Available Technology − Ultra Super Critical). Tabelle 6.12: Leistungsbilanz der CO2-Abscheidungsverfahren Steinkohle-Dampfkraftwerk Merkmal
2)
2) ohne CO2Post Abscheidung Combustion
1)
Oxy Fuel
IGCC ohne CO2Abscheidung
mit CO2Abscheidung
Feuerungswärmeleistung
MW th
El. Leistung, brutto
MW el
912
769
912
770
745
Kraftwerk-Eigenverbrauch
MW el
60
58
60
130
148
1.811
1.614
1.649
Luftzerlegungsanlage
MW el
-
-
103
-
-
CO2-Abscheidung/Verdichtung
MW el
-
84
77
-
41
El. Leistung, netto
MW el
852
627
672
640
556
%
47,0
34,6
37,1
39,7
33,7
el. Nettowirkungsgrad BAT
1)
Einheit
Wirkungsgradverlust
% Punkte
-
-9,9
-
Spez. Brennstoffverbrauch
MJ / kWhel
7,7
-12,4 10,4
9,7
9,1
-5,9 10,7
Bez. Brennstoffverbrauch
%
100
136
127
100
118
Quellen: abgeleitet aus [Kohberg] Kraftwerk USC-BAT:Ultra Super Critical, Best Available Technology bei Post Combustion, Leistungminderung durch Dampfauskopplung für Absorbent-Regenerierung
Im nachfolgenden Beispiel 6.5 werden die Stromerzeugungskosten für dasselbe Steinkohle-Kraftwerk mit und ohne CO2-Abscheidung berechnet. Die wichtigsten Prämissen für die Berechnung (Zinssatz, Lebensdauer, Kohlepreis, Benutzungsdauer) sind in der Tabelle vermerkt. Die Investitionsausgaben für das Kraftwerk selbst entsprechen dem heutigen Kostenstand (2008) für Anlagen in Deutschland. Die zusätzlichen Investitionsausgaben für die CO2-Abscheidung sowie für den Transport und Speicherung wurden basierend auf Angaben im IPCC Special Report [IPCC] und anderen Quellen unter Berücksichtigung der Preissteigerungen insbesondere beim Stahl geschätzt und angepasst. Die ermittelten spezifischen Stromgestehungskosten in Beispiel 6.5 gelten für die festgelegte Grundlast-Auslastung. In der nachfolgenden Tabelle wird das Ergebnis für Grundlast- und Mittellasteinsatzweise angegeben. Wegen des hohen Kapitalbedarfs steigen die Stromgestehungskosten bei
268
6 Energieumwandlung und Emissionen
abnehmender Auslastung stark. CO2-Abscheidung wird vermutlich nur bei großen Grundlast-Kraftwerken Anwendung finden, wenn die freie Wahl besteht, CO2-Zertifiakte auf dem Markt zu erwerben oder CO2-Abscheidungsanlagen zu installieren. Tabelle 6.13: Ergebnisübersicht, Stromgestehungskosten Steinkohle-Dampfkraftwerk Auslastung
Einheit
ohne CO2Abscheidung
Post Combustion
Oxy Fuel
7500 h / a
€ / MWhel
42,08
75,74
68,41
5000 h / a
€ / MWhel
51,87
93,89
84,22
Beispiel 6.5: Stromerzeugungskosten mit und ohne CO2-Abscheidung Steinkohle-Dampfkraftwerk 1) Merkmal
Einheit
ohne CO2Abscheidung
Post 2) Combustion
Oxy Fuel
Leistungs- und Energiebilanz Feuerungswärmeleistung
MW th
El. Leistung, brutto
MW el
912
769
El. Leistung, netto
MW el
852
627
672
%
47,0
34,6
37,1
el. Nettowirkungsgrad BAT
1.811 912
Stromerzeugung, netto
7500 h / a
GWh / a
6.390
4.703
5.040
Brennstoffverbrauch
7500 h / a
GWh / a
13.583
13.583
13.583
0%
90%
Abgeschiedene Emissionen
342 tco2 / MWh
Mio. t / a
CO2-Emissionsausstoß
342 tco2 / MWh
Mio. t / a
4.645
465
465
Mio. €
1.100
1.500
1.400
für Kraftwerk ohne CO2-Abscheidung
Mio. €
1.100
1.100
1.100
Zusatzkosten für CO2-Abscheidung/Kompression
Mio. €
-
400
CO2-Emissionsbilanz Abscheidegrad
-
Investitionsausgaben-Schätzung (± 25%)
Stromerzeugungskosten Kapitaldienst
Mio. € / a
-
4.181
90% 4.181
300
268,86
356,19
344,81
8%
35 a
Mio. € / a
94,38
128,70
120,12
80 €/t SKE
9,83 € / MWh_th
Mio. € / a
133,49
133,49
133,49
2,8% Invest
Mio. € / a
30,80
42,00
39,20
0,75 € / MWh_th
Mio. € / a
10,19
10,19
10,19
CO2-Transport 3)
6 € / tco2
Mio. € / a
0,00
25,08
25,08
CO2-Lagerung/Monitoring 3)
4 € / tco2
Brennstoff Fixe O&M Kosten Variable O&M Kosten
Stromerzeugungskosten, gesamt
Mio. € / a
0,00
16,72
16,72
€ / MWhel
42,08
75,74
68,41
1)
Kraftwerk USC-BAT:Ultra Super Critical, Best Available Technology bei Post Combustion, Leistungsminderung durch Dampfauskopplung für Absorbent-Regenerierung 3) In Anlehnung an IPCC Special Report: Leitungslänge 250 km, Tranpsportkapazität 5 Mio. tco2 / a 2)
Anmerkung: Siehe auch EU-Emissionshandel in Kapitel 3
0 Literaturverzeichnis
269
Literaturverzeichnis [13. BISchV] Verordnung über Großfeuerungs- und Gasturbinenanlagen, Dreizehnte Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2004. [IPCC] IPCC - Special Report, Carbon Dioxide Capture and Storage, 2005 http://www.ipcc.ch/ipccreports/srccs.htm [Kohberg] State of the Art of Carbon Capture and Storage Technology at Fossil Fuel Power Plants and its Impacts on Climate Policy, Diplomarbeit, Fachhochschule Stralsund mit Unterstützung von Fichtner, Stuttgart 2007. [Kyoto-Protokoll] Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, 11. Dezember 1997. [Linssen] J. Linsen, Systemanalytische Bewertung von CCS, Forschungszentrum Jülich, STE/gste-Tagung 2005, http://www.fz-juelich.de/ief/iefste/datapool/pdf/Linssen.pdf [NAP II] Nationaler Allokationsplan 2008-2012 für die Bundesrepublik Deutschland, vom 28. Juni 2008, Vorlage bei der EU-Kommission zur Genehmigung, BMU. [Praxair] B.A. van Hasserl, J.Li,. L.Switzer, G.M. Christie, J Sirman; Advanced Oxy-Fuel-Boilers for Cost-Effective CO2 Capture; 4th Annual Conference on Carbon Capture & Sequestration; May 2005. [Praxair] Minish M. Shah and Maxwell Christie; Oxy-Fuel Combustion Using OTM for CO2 Capture from Coal Power Plants, IEAGHG International Oxy Combustion Network, 2nd Workshop, Windsor, CT, USA, Jan. 2007. [Strauß] Karl Strauß, Kraftwerkstechnik zur Nutzung fossiler, regenerativer und nuklearer Energiequellen, 3. Auflage 1997, Springer Verlag. [TA-Luft] Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz, TA Luft - Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft, vom 24. Juli 2002. [UBA-Fraunhofer] Verfahren zur CO2-Abscheidung und -Speicherung, Umweltbundesamt, Fraunhofer ISI - BGR, August 2006 http://www.umweltbundesamt.de/klimaschutz/.
7. Kraftwerke, Technik und Kosten
7.1 Begriffsdefinitionen und Kennzahlen 7.1.1 Kraftwerkstypen
Kraftwerke sind Anlagen zur ausschließlichen Erzeugung von elektrischer Energie. Sie werden unterschieden nach der Art des Prozesses, der Art der eingesetzten Primärenergie und der Art ihres Einsatzes im Verbundnetz. In diesem Kapitel wird folgende Einteilung vorgenommen: Kraftwerke
Thermische Kraftwerke
Nicht-thermische Kraftwerke
Fossilthermische Kraftwerke Dampfkraftwerke Gasturbinenkraftwerke Gas- und Dampfturbinenkraftwerke (GuD)
Wasserkraftwerke Laufwasserkraftwerke Speicherkraftwerke Pumpspeicherkraftwerke
Kernkraftwerke Dampfkraftwerke (Kernbrennstoff)
Windkraftanlagen Photovoltaikanlagen
Solarthermische Kraftwerke Dampfkraftwerke Integrierte Solarthermische-GuD-Kraftwerke (ISCC)
Brennstoffzellenkraftwerke
Abb. 7.1: Einteilung der Kraftwerke nach der Art des Prozesses
Nach dem Einsatz im Verbundnetz wird zwischen folgenden Kraftwerkstypen unterschieden: • • • •
Grundlastkraftwerke, >7.000 Vollbenutzungsstunden pro Jahr Mittellastkraftwerke, 4.500 bis 5.500 Vollbenutzungsstunden pro Jahr Spitzenlastkraftwerke, < 1.250 Vollbenutzungsstunden pro Jahr Reservekraftwerke
272 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
Thermische Grundlastkraftwerke (base load power stations) haben lange Anfahrzeiten bis sie ihre volle Leistung erreicht haben und sind praktisch ständig mit etwa derselben Leistung in Betrieb. Sie werden nur zu Revisionszwecken abgeschaltet. Mittellastkraftwerke (medium load power stations) sind während der hohen Netzbelastung an Werktagen in Betrieb und werden gewöhnlich während der Nacht und an arbeitsfreien Tagen abgeschaltet. Spitzenlastkraftwerke (peak load power stations) haben eine kurze Anfahrzeit von wenigen Minuten und decken Lastspitzen ab. Die kürzeste Anfahrzeit haben Pumpspeicher-Kraftwerke. Reservekraftwerke sind meistens ältere Anlagen, die in Betrieb genommen werden, wenn andere Kraftwerke in Revision sind oder ausfallen. Die Sofortreserve wird beim plötzlichen Ausfall eines Kraftwerkes oder bei einer plötzlichen Lasterhöhung von in Betrieb befindlichen Kraftwerken bereitgestellt. Zu diesem Zweck wird im Normalbetrieb nicht ihre volle Leistung ausgefahren. Die Sofortreserve muss ausreichen, um den Ausfall des größten Kraftwerkes in einem Verbundnetz auszugleichen. 7.1.2 Definition der verwendeten Kennzahlen und Begriffe
In diesem Kapitel werden im Wesentlichen folgende Kennzahlen und Begriffe benutzt: • • • • • • •
Feuerungswärmeleistung in kW oder MW Brutto- und Nettoleistung in kW oder MW Dampferzeugungskapazität in t/h Elektrischer Wirkungsgrad, brutto bzw. netto in Prozent Spezifischer Brennstoffverbrauch Brennstoffwärmepreis Benutzungsdauer in Vollbenutzungsstunden pro Jahr
Die Feuerungswärmeleistung ist die in den Dampferzeugern eingebrachte thermische Brennstoffenergie pro Zeiteinheit. Die ISO-Einheit dafür ist kJ/s, was gleichbedeutend mit kW ist. Die Handelseinheiten der Brennstoffe (Tonnen, Hektoliter, kWh in Ho) sind dabei in kWh in Hu mit Hilfe des Heizwertes umzurechnen. Die elektrische Nettoleistung ist gleich Bruttoleistung abzüglich Eigenbedarf. Spezifische Zahlen wie Investitionsausgaben oder Brennstoffverbrauch werden üblicherweise auf die Bruttoleistung bezogen (z.B. Steinkohlekraftwerk 1.200 €/kW), wenn nicht explizit anders angegeben. Üblicherweise wird die Dampferzeugungskapazität eines Dampferzeugers in t/h angegeben. Bei Kreisprozessrechnungen wird jedoch die Einheit kg/s benutzt. Der elektrische
7.1 Begriffsdefinitionen und Kennzahlen
273
Wirkungsgrad ist der Quotient aus der elektrischen Leistung dividiert durch die Feuerungswärmeleistung entweder brutto oder netto. Im englischen Sprachraum wird meistens anstatt des Wirkungsgrades der spezifische Brennstoffverbrauch (fuel rate) in kJ/kWh (oder bei Gasturbinen in BTU/kWh) verwendet. Bei Kohlekraftwerken wird auch oft der Begriff ce/kWh verwendet (1 ce = 1 SKE =7.000 kcal/kg, 1 kcal= 4,187 kJ = 1,163 kWh). Die Benutzungsdauer der Kraftwerksleistung ist definiert als der Quotient der Stromerzeugung in der Berichtszeit (i.d.R. ein Jahr = 8.760 h) in kWh dividiert durch Leistung in kW (Brutto- oder Nettoleistung) in Vollbenutzungsstunden (im Englischen wird der Begriff "EOH" Equivalent Operating Hours benutzt). Benutzungsdauer der Kraftwerksleistung: tB = Wel / Pel [h /a]
Gl. 7.1
Mit anderen Worten wird damit angegeben, in wie vielen Stunden pro Jahr (Vollbenutzungsstunden) das Kraftwerk mit seiner vollen Leistung diese Strommenge erzeugen würde. Die typische Benutzungsdauer wurde am Anfang dieses Abschnittes für die verschiedenen Kraftwerkstypen angegeben. Mit Hilfe der Benutzungsdauer werden die jährliche Stromerzeugung oder der Brennstoffverbrauch ermittelt. Bei Netzen wird der Begriff Benutzungsdauer der Höchstlast verwendet. Dieser ist der Quotient aus der jährlichen Netzeinspeisung (durch mehrere Kraftwerke) dividiert durch die Höchstlast. Benutzungsdauer der Höchstlast: tB = Wel / Pmax [h/a]
Gl. 7.2
Im englischen Sprachraum wird gewöhnlich anstatt der Benutzungsdauer der Kapazitätsfaktor (capacity factor) bzw. der Lastfaktor (load factor) benutzt. Wenn die Berichtszeit ein Jahr ist, dann gilt: Kapazitätsfaktor:
Lf = Wel /(Pelx 8.760) [-]
Gl. 7.3
Er gibt die mittlere Leistung an, mit der das Kraftwerk in der Berichtszeit diese Strommenge erzeugen würde. Bei einem Netz wird entsprechend der Lastfaktor (load factor) benutzt: Lastfaktor:
Lf = Wel / (Pmaxx 8.760)
Gl. 7.4
Zwischen den beiden Kennzahlen Benutzungsdauer und Kapazitäts- oder Lastfaktor gilt die Beziehung: tB = Lf x8760
Gl. 7.5
274 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
7.2 Fossilthermische Kraftwerke 7.2.1 Dampfkraftwerke 7.2.1.1 Aufbau und Funktionsweise
Dampfkraftwerke der öffentlichen Stromversorgung in Deutschland werden meistens mit Stein- oder Braunkohle befeuert. Flüssige oder gasförmige Brennstoffe werden bei Industriekraftwerken eingesetzt. Andere Brennstoffe sind Müll, verschiedene Ersatzbrennstoffe, und in den letzten Jahren, bedingt durch die öffentliche Förderung, zunehmend Biomasse. Abb. 7.2 zeigt den Aufbau eines Dampf-Kohlekraftwerkes. Die Hauptkomponenten werden nachstehend erläutert.
Quelle: [Strauß] Abb. 7.2: Schema eines Dampf-Kohlekraftwerkes
Die Brennstoffversorgung (fuel supply): Bei Steinkohlekraftwerken erfolgt die Kohleanlieferung per Binnenschiff oder per Bahn, bei küstennahen Kraftwerken auch per Überseefrachter. Die Entladung der Schiffe erfolgt mit speziell zur Entladung von Massengut entwickelten Schiffsentladern. Die Kohle gelangt zu der Kohlemischhalde und von dort über Förderbänder zum Tagesbunker des Dampferzeugers. Vom Tagesbunker wird sie zu den Kohlemühlen geführt, wo sie fein gemahlen und mit heißer Verbrennungsluft in den Feuerraum des Dampferzeugers eingeblasen wird. Bei Anlieferung durch die Bahn werden die Waggons schrittweise über einem Gitter angehalten, und die Kohle fällt jeweils
7.2 Fossilthermische Kraftwerke
275
durch die geöffneten Klappen der Waggons in einen darunter liegenden Schacht. Von dort transportieren Förderbänder die Kohle auf die Halde. Die Kohlehalde hat eine Lagerkapazität von 30 bis 50 Tagen. Ein 700 MW-Kraftwerk verbraucht bei Volllast täglich ca. 5.250 Tonnen Steinkohle. Ein Kohlelager für 30 Tage muss dann eine Kapazität von ca. 160.000 Tonnen haben. Dampferzeuger (steam generator): Die Dampferzeuger von Großkraftwerken sind Wasserrohrkessel; sie sind größere Bauwerke. Bei einem 700 MW-Steinkohlekraftwerk beträgt ihre Höhe ca. 130 m, beim 800 MW Braunkohlekraftwerk ca. 160 m. Der Wasser-Dampf-Kreislauf (water-steam-circuit) besteht aus Rohrleitungen, Pumpen, dem Entgaser (deaerator) und den Speisewasservorwärmern (feed water preheater). Das Kesselspeisewasser wird vom Speisewasserbehälter zum Kessel hochgepumpt und vor Kesseleintritt in den Vorwärmern durch Anzapfdampf aus der Turbine aufgeheizt. Nach der Verdampfung und Überhitzung im Kessel wird der Hochdruckdampf über den Dampfkreislauf zu der Dampfturbine und nach Verlassen der Turbine zum Kondensator geführt. Dampfturbosatz (turbine-generator-set): In der Dampfturbine wird die Druck- und thermische Energie des Dampfes in mechanische Energie umgewandelt. Bei Großkraftwerken besteht die Turbine aus einem Hochdruck-, einem Mitteldruck- und einem Niederdruckteil und hat mehrere Dampfanzapfungen und -entnahmen. Die Dampfturbine ist mit dem Generator gekoppelt, der die mechanische Energie in elektrische Energie umwandelt und über den Transformator in das Höchstspannungsnetz einspeist. Die Turbine befindet sich im Maschinenhaus. Der Kondensator: Der Dampf verlässt den Niederdruckteil der Turbine mit einem Druck, der unter dem atmosphärischen Druck liegt und wird zum Kondensator (condenser) geführt. Der Kondensator besteht aus Kühlrohren, durch die das Kühlwasser gepumpt wird. Der Dampf kondensiert an der Außenwand der Kühlrohre und wird als Kondensat zum Speisewasserbehälter gepumpt. Bei Großkraftwerken sind die Temperaturverhältnisse etwa wie folgt: Tabelle 7.1: Temperaturverhältnisse am Kondensator Wassereintrittstemperatur im Kondensator Aufwärmspanne des Wassers Wasseraustrittstemperatur aus Kondensator Grädigkeit (kleinste Temperaturdifferenz Wasser- Dampf) Kondensationstemperatur/Druck
15 °C 12 K 27 °C 4K 31°C/0,045 bar
276 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
Bei kleineren Kraftwerken werden oft luftgekühlte Kondensatoren verwendet. Der Kühlwasserkreislauf (cooling water circuit): Im Kondensator wird die latente Wärme des Dampfes an das Kühlwasser übertragen und muss an die Umgebung abgeführt werden. Wo es möglich ist, wird Meereswasser oder Flusswasser als Kühlwasser nach dem Durchlaufprinzip verwendet. In der Regel wird jedoch das Kühlwasser im Kühlturm (cooling tower) auf seine Ausgangstemperatur heruntergekühlt und anschließend wieder zum Kondensator geführt. Bei Großkraftwerken sind Naturzug-Nasskühltürme am häufigsten gebräuchlich. Bei einem 700 MW-Kraftwerk beträgt die Kühlturmhöhe ca. 140 Meter. Im Inneren des Kühlturms bildet sich ein natürlicher Luftzug. Das erwärmte Kühlwasser wird auf eine Höhe von ca. 10 Metern gepumpt und rieselt in feinen Tropfen zum Auffangbecken hinunter, wobei es sich wieder abkühlt. Das verdampfte Wasser muss durch Zusatzwasser ersetzt werden. Rauchgasreinigung (Flue gas cleaning plant): Die bei der Verbrennung entstehenden Rauchgase enthalten Schadstoffe wie Flugstaub, Schwefeldioxid, Stickoxide und Kohlenwasserstoffverbindungen. Sie werden in der nachgeschalteten Rauchgasreinigungsanlage gereinigt bevor sie zum Kamin geführt werden − Abb. 7.3 − (siehe auch Abschnitt 6.3, Emissionsminderungsmaßnahmen bei Feuerungsanlagen). Sie besteht aus dem Elektrofilter "E-Filter"(electrostatic precipitator "ESP") , der Entschwefelungsanlage "REA" (flue gas desulphurisation plant "FGD") und der Entstickungsanlage (DeNOX). Die in der Kohle enthaltene Asche verlässt die Anlage zu ca. 15% als Schlacke und zu 85% als Flugstaub. Der Flugstaub findet in der Zementindustrie Verwendung.
Quelle: Steinmüller, Firmenzeitschrift, überarbeitet
Abb. 7.3: Rauchgasreinigungsanlage
7.2 Fossilthermische Kraftwerke
277
Zur Rauchgasentschwefelung wird in Deutschland meistens das Nassverfahren auf Kalksteinbasis angewandt; dabei entsteht eine Wasser-GipsSuspension. Der Gips wird getrocknet, in Platten gepresst und findet anschließend in der Baustoffindustrie Verwendung. Zur Reduzierung der Stickoxide wird das Verfahren der selektiven katalytischen Reduktion (SCR) angewandt, welches mit Ammoniakeinspritzung arbeitet. Die Rauchgasreinigung muss mindestens die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte gewährleisten. Der Schornstein (stack): Die Rauchgase verlassen die Anlage über den Kamin, der bei Großkraftwerken eine Höhe von ca. 250 m hat. Wasseraufbereitungsanlage (water-treatment plant): In der Wasseraufbereitungsanlage wird Zusatzwasser (make-up water) meist mittels Ionenaustauscher aufbereitet und ersetzt kontinuierlich einen Teil des Kesselspeisewassers, um die erforderliche Wasserqualität zu gewährleisten. Ähnliche Systeme sind auch für die Aufbereitung des Kondensats und des Kühlwassers vorhanden. Zentrale Warte (control room): Moderne Kraftwerke werden von einer zentralen Warte überwacht und gesteuert. Darin sind alle zur Steuerung und Überwachung der Anlage notwendigen Systeme (I & C equipment) untergebracht. 7.2.1.2 Der Dampfkraftprozess
Der traditionelle Kraftwerksprozess wird als Clausius-RankineDampfkraftprozess bezeichnet. Abb. 7.4 zeigt einen einfachen Dampfkraftprozess in Diagrammform. Das h-s-Diagramm ist für Kreisprozessrechnungen geeignet, weil die Enthalpie direkt abgegriffen werden kann. Für das Verständnis des Prozesses selbst ist jedoch das T-s-Diagramm anschaulicher, da die Zustandsänderungen des Mediums gut verfolgt und Arbeit und zugeführte Wärme als Flächen dargestellt werden können. Im Nassbereich, das ist der Bereich unterhalb der Glockenkurve (Sättigungslinie), verlaufen die Drucklinien (Isobaren) und die Temperaturlinien (Isothermen) in beiden Diagrammen parallel zueinander. Außerhalb des Nassbereichs ist dies nicht mehr der Fall. Der Prozess verläuft wie folgt: • •
Von Punkt 1 zu 1´ wird das Speisewasser im Economiser des Dampferzeugers vorgewärmt und erreicht am Punkt 1´den Sättigungszustand. Zwischen Punkt 1´ und 2´ wird das gesättigte Speisewasser im Verdampfer verdampft, wobei Druck und Temperatur dabei konstant bleiben. Im Punkt 2´ erreicht der Dampf den Sättigungszustand (100%
278 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
90 bar
r
2‘ KP 221 bar / 374°C
T-s T-sDiagramm Diagramm
3
200°C 49°C
4
KP 221 bar / 374°C
2 90 bar
1'
2'
1‘
p, T constant
2,5 bar
1 5
1
onst ant
2,5
ba
h-s h-sDiagramm Diagramm Enthalpie [ kJ/kg]
500°C
2
0.05 bar
p=c
•
Temperatur [ K]
•
ba r
•
0,0 5
•
Dampf). Dazwischen ist der Dampf nass, d.h. das Medium ist ein Gemisch aus Wasser und Dampf. Von Punkt 2´ bis 2 wird der Dampf im Überhitzer überhitzt, die Temperatur steigt bei konstantem Druck. Von Punkt 2 bis 4 wird der Dampf in der Turbine entspannt und seine Druck- und thermische Energie wird in mechanische Energie umgewandelt. Nach der Entspannung (Punkt 4) hat das Gemisch bei diesem Prozess einen Dampfanteil um 90%. (Der Teil des Dampfes, welcher von der Turbine am Punkt 3 angezapft wird, geht zum Entgaser). Von Punkt 4 bis 5 kondensiert der Dampf und gibt seine latente Wärme an das Kühlwasser im Kondensator ab. Temperatur und Druck bleiben konstant. Von Punkt 5 bis 1 wird das Kondensat auf den höheren Druck, zuerst bis auf Entgaserdruck und anschließend bis auf Verdampfungsdruck, hochgepumpt.
3 4
5
Entropie [kJ/(kg K)]
Entropie [kJ/(kg K)] 5-1
Speisewasserpumpen
1-1’ Speisewasservorwärmung
Wärmezufuhr
1´-2´ Verdampfung 2’-2
Dampfüberhitzung
2-3,4 Dampfentspannung 4-5
Mechanische Arbeit Kondensationswärme
Kondensation
Abb. 7.4: Dampfkraftprozess im h-s- und im T-s-Diagramm
In Abb. 7.5 wird derselbe Prozess als vereinfachtes Wärmeschaltbild einschließlich aller thermodynamischen Größen gezeigt. Neben dem Wärmeschaltbild werden auch die Schritte einer vereinfachten Kreisprozessrechnung gezeigt. Kreisprozessrechnungen für große Kraftwerke mit mehreren Speisewasservorwärmern sind äußerst komplex, insbesondere wenn auch Teillastfälle berechnet werden müssen, und werden heute mit SpezialComputersoftware durchgeführt [KPRO].
7.2 Fossilthermische Kraftwerke
279
Abb. 7.5: Vereinfachtes Wärmeschaltbild mit Kreisprozessrechnung 7.2.1.3 Maßnahmen zur Prozessverbesserung
Aus dem T-s-Diagramm − Abb. 7.4 − erkennt man, durch welche Maßnahmen der Prozess verbessert werden kann. Erhöhung der Dampfparameter: Wenn z.B. der Verdampfungsdruck bzw. der Druck (Isobaren und Isothermen verlaufen im Nassgebiet parallel) erhöht wird, wird auch die Fläche für die mechanische Arbeit größer. Es muss zwar zusätzliche Wärme zugeführt werden, sie wird aber fast vollständig in mechanische Arbeit umgewandelt. Gleichzeitig wird bei steigendem Druck immer weniger Verdampfungswärme benötigt. Wenn der Druck sogar über den kritischen Punkt (221 bar/374 °C) hinaus erhöht wird, findet überhaupt keine Verdampfung mehr statt. Dies wird in Kraftwerken mit überkritischen Dampfparametern genutzt. Durch Dampfüberhitzung wird ebenfalls die Arbeitsfläche vergrößert. Außerdem wird die Entspannungslinie nach rechts verschoben, so dass der Dampf nach der Entspannung trockener ist. Aus den erklärten Zusammenhängen werden bei Kraftwerken hohe Dampfparameter, d.h. hohe Drücke und Temperaturen des Frischdampfes angestrebt. Hohe Dampfparameter sind aber auch mit höheren Kosten verbunden, weil hochwertigere Materialien und dickere Wandstärken erforderlich sind. Das ist für große Kraftwerke mit einer hohen Ausnutzungsdauer durchaus sinnvoll. Grundlastkraftwerke werden meistens auf überkritische Dampfparameter ausgelegt.
280 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
Zwischenüberhitzung: Bei einer Zwischenüberhitzung wird der Dampf erst im Hochdruckteil der Turbine bis zu einem Druck zwischen 40 und 60 bar entspannt und anschließend dem Kessel wieder zugeführt, wo er nochmals überhitzt wird. Anschließend wird er im Mittel- und Niederdruckteil der Turbine bis zum Kondensatordruck entspannt. Durch Zwischenüberhitzung wird die Arbeitsausbeute erhöht, weil dem Arbeitsmittel nur Wärme zur Temperaturerhöhung aber keine Wärme zur Verdampfung zugeführt werden muss. Wenn die Dampfparameter hoch sind, dann ist eine Zwischenüberhitzung des Dampfes ohnehin notwendig. Andernfalls würde die Entspannung zu weit im Nassbereich enden, und die Nässe des Dampfes die Turbinenschaufeln durch Kavitation beschädigen. Das in Abb. 7.5 beispielhaft dargestellte Kraftwerk mit 90 bar/500°C ist ein kleines Kraftwerk mit niedrigen Dampfparametern. Nachstehende Tabelle 7.2 zeigt die Dampfparameter ausgewählter Kraftwerke der deutschen Stromwirtschaft. Es ist ersichtlich, dass die Höhe der Dampfparameter von der Größe des Kraftwerkes abhängt. Tabelle 7.2: Technische Parameter ausgewählter Kraftwerke Kraftwerk
Baujahr
Königswusterhausen Herbrechtingen Flingern 1 erneuert Werk Marl 2 Wedel 1 Neu Rostock 1 Heilbronn 7 Boxberg R Niederaussem K Phillippsburg 2
2003 2003 2000 1964 1991 1994 1985 2000 2003 1985
HauptBruttobrennstoff Leistung MW Holz 20 Holz 25 SK 55 SK 125 SK 153 SK 550 SK 760 BK 907 BK 1.012 Nuklear 1.458
Frischdampfparameter bar / ° C 87 / 480 90 / 520 106 / 500 178 / 525 177/ 535 262 / 545 180 / 535 266 / 535 290 / 580 65 / 307
Zwischenüberhitzung bar / °C 525 535 562 40 / 535 58 / 581 600 -
Überkritisch ÜK ÜK ÜK ÜK ÜK -
Nettowirkungsgrad % 30 30 38 38 42 42 39 42 43 29
Absenkung des Kondensationsdruckes: Eine Erhöhung der Arbeitsausbeute kann auch erreicht werden, wenn die Kondensationstemperatur und damit der Kondensationsdruck abgesenkt werden. Deswegen ist z.B. Meerwasserkühlung besser als Rückkühlung im Kühlturm. Der Kondensationsdruck ist von der Art der Kühlung und damit hauptsächlich vom Standort abhängig. Tabelle 7.3: Art der Kühlung und Wirkungsgrad von Großkraftwerken Art der Kühlung Meerwasserkühlung Flußwasser, Durchlaufkühlung Nasskühlturm, Naturzug Luftkühlung, Winter Luftkühlung, Sommer
Kondensation bar °C 0,025 21,1 0,035 26,7 0,045 31,0 0,070 39,0 0,140 52,5
Wirkungsgrad % 43,20 42,52 42,00 41,00 39,30
7.2 Fossilthermische Kraftwerke
281
Beispiel 7.1: Brennstoffkosteneinsparung durch bessere Kühlung Ein EVU betreibt ein Steinkohlekraftwerk an der Nordseeküste mit Meerwasserkühlung und ein zweites im Landesinneren mit Nasskühlturm. Die Nettoleistung beträgt bei beiden Kraftwerken 600 MW. Zu ermitteln sind die Brennstoffkosten und die Brennstoffkostendifferenz Position Eingaben Nettoleistung Benutzungsdauer Kohlepreis: in Handelseinheiten Wärmepreis (Hu = 8,14 MWh/t) Wirkungsgrad η Rechnung Nettostromerzeugung E el Brennstoffwärmeverbrauch E el / η jährliche Brennstoffkosten Differenz der Brennstoffkosten
Einheit
Kühlung MeerNasswasser kühlturm
MW h/a
600 8.000
€ / t SKE € / MWh %
70,00 8,60
GWh / a GWh / a Mio. € / a Mio. € / a
43,2%
42,0% 4.800
11.111 95,55 -
11.429 98,28 2,73
7.2.1.4 Brennstoffe
Die Hauptbrennstoffe für Dampfkraftwerke in Deutschland sind Braunkohle und Steinkohle. Braunkohlekraftwerke werden als Grundlast-, Steinkohlekraftwerke als Mittellastanlagen betrieben. Im Zuge der Erneuerung des Kraftwerksparks in Deutschland wird erwartet, dass künftig hocheffiziente Steinkohlekraftwerke verstärkt auch im Grundlastbereich eingesetzt werden. Etwa 2/3 der Kraftwerkssteinkohle wird importiert. Braunkohle wird im Tagebau abgebaut und in naheliegenden Kraftwerken verstromt. Die Kohle wird vom naheliegenden Tagebau oft über Förderbänder direkt zum Kraftwerk gefördert. Dort wird sie in den Kohlemühlen zu feinem Braunkohlestaub gemahlen und dann im Feuerraum des Dampferzeugers verfeuert. In anderen Fällen wird sie mit betriebseigenen Eisenbahnwaggons transportiert und in Grabenbunkern zwischengelagert. Ein 900 MW-Braunkohlekraftwerk verbraucht bei Volllast täglich ca. 21.000 Tonnen Braunkohle (Heizwert 8.350 kJ/kg). Nachstehende Tabelle 7.4 stellt die Stromerzeugung der Kohlekraftwerke der bundesdeutschen Gesamterzeugung gegenüber. In den letzten Jahren wurden bedingt durch die Förderung nach dem EEG auch eine Reihe von Biomassekraftwerken meistens mit Holz als Brennstoff gebaut.
282 7 Kraftwerke, Technik und Kosten Tabelle 7.4: Stromerzeugung der Kohlekraftwerke Inst. Leistung GW 112,8 21,8 28,7
Gesamt Braunkohle Steinkohle
Stromerzeugung 2007 TWh 619 156 145
Benutzungsdauer h/a 5.488 7.156 5.o52
Quelle: Statistik der Steinkohlenwirtschaft
7.2.2 Gasturbinenkraftwerke 7.2.2.1 Aufbau und Funktionsweise von Gasturbinenkraftwerken
Nachstehende Abb. 7.6 zeigt den Aufbau eines Gasturbinenkraftwerkes und einen Schnitt durch eine Gasturbine. 4
7
1
2
3
5
6
Gasturbine ABB GT26
1 Gasturbine 2 Generator 3 Luftansaugung 4 Schornstein
5 Hilfstrafo 6 Haupttrafo 7 Rotor Luftkühler
Quelle: ABB Firmenbroschüre
Abb. 7.6: Gasturbinenkraftwerk und Gasturbine, Schnittbilder
Der Leistungsbereich von Gasturbinen erstreckt sich z.Z. von ca. 50 kW bis 270 MW. Gasturbinen arbeiten mit hohem Luftüberschuss, der Lambda-Wert liegt bei ca. 3 (Gaskessel λ ≅ 1,1, Steinkohlekessel λ ≅ 1,3 bis 1,6). In der Abb. 7.6 wird dies durch die Größe des Luftansaugungskanals und des Schornsteins erkennbar. Ansonsten ist der Aufbau von Gasturbinenkraftwerken wesentlich einfacher verglichen mit demjenigen von Steinkohle-Dampfkraftwerken. Der eingesetzte Brennstoff ist meistens Erdgas oder Heizöl. Andere gelegentlich einsetzbare Brennstoffe sind Gichtgas, Generatorgas oder Biogase. Die Leistungsdaten von Gasturbinen werden nach ISO-Bedingungen bzw. in Deutschland nach DIN 4341 bei Normbezugsbedingungen angegeben:
7.2 Fossilthermische Kraftwerke
• • •
283
Umgebungstemperatur: 15°C Umgebungsdruck: 1,013 bar Relative Feuchtigkeit: 60%
Einen sehr hohen Einfluss auf die Leistung der Gasturbine hat der Ansaugdruck bzw. die Dichte der Luft. Diese hängt von der Umgebungstemperatur und von der geodätischen Höhe des Aufstellungsortes ab. Als Richtwerte gelten folgende Korrekturfaktoren (Formeln abgeleitet aus [GTW-Handbook]): Tabelle 7.5: Korrekturfaktoren für Gasturbinenleistung Parameter Temperatur t [°C] geodätische Höhe H [m]
Korrekturfaktoren für Leistung und Abgasmassenstrom f t = - 0,006xt + 1,09 fH = - 1,11x10-4 xH + 1
Vermerk: Abgastemperatur und spez. Brennstoffverbrauch bleiben etwa gleich
Beispiel 7.2: Gasturbinenleistung und Lufttemperatur Leistung nach ISO-Bedingungen (15 °C): Leistung bei 0 °C, 1,013 bar: Leistung bei 30 °C, 1,013 bar Leistung bei 300 m Höhe und 15 °C:
100 109 91 96,7
MW MW MW MW
Teillastbetrieb hat einen stark negativen Einfluss auf den Wirkungsgrad von Gasturbinen. Deswegen wird angestrebt, Gasturbinen möglichst in Vollastbetrieb zu betreiben. Das gelingt, wenn z.B. die Anlagenleistung auf mehrere Module aufgeteilt wird. Unter 60%-Last werden Gasturbinen üblicherweise nicht mehr betrieben. Ein Vorteil von Gasturbinen ist das schnelle Anfahren. Sie erreichen vom Kaltstart innerhalb von wenigen Minuten ihre volle Leistung. In Deutschland werden sie deshalb meistens als Spitzenlastanlagen bei der Allgemeinen Stromversorgung eingesetzt. Die Spitzenlastanlagen werden mit weniger als 1.250 Vollbenutzungsstunden pro Jahr betrieben. Ein anderes Anwendungsgebiet ist der Einsatz zur gekoppelten Erzeugung von Strom und Betriebsdampf bei der Industrie. Bekannt sind in Deutschland ca. 110 Anlagen mit einer installierten Leistung von ca. 4.000 MW. Im Ausland, insbesondere in Ländern mit eigenen Öl- und Gasvorkommen und preiswertem Gas, wie z.B. die Arabische Peninsula, werden zur Stromversorgung überwiegend Gasturbinenkraftwerke, auch als Grundlastanlagen, eingesetzt.
284 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
Ein weiteres Merkmal von Gasturbinenanlagen ist die bivalente Feuerung mit Erdgas und Heizöl. Gründe hierfür sind die Einsparung von Leistungskosten für Erdgas und eine Erhöhung der Versorgungssicherheit. 7.2.2.2 Der Gasturbinenprozess
Das Arbeitsmedium in einem Gasturbinen-Prozess (Joule Prozess) ist Luft. Bei der Stromerzeugung findet der offene Gasturbinenprozess Anwendung − Abb. 7.7. Der Verdichter saugt die Luft an, verdichtet und befördert sie in die Brennkammer. Dort findet die Verbrennung der verdichteten Luft statt; anschließend strömt die verdichtete und erhitzte Luft in die eigentliche Turbine mit einer Temperatur zwischen 1.000°C und 1.200 °C. Dort wird ihre Druck- und thermische Energie in mechanische Energie und anschließend im Generator in elektrische Energie umgewandelt. Das Abgas verlässt die Turbine mit Temperaturen zwischen 450°C und 550°C und entweicht durch den Schornstein in die Umgebung. Höchste zulässige Temperatur 3
(15 bis 45 bar)
Abgas
2
Brennkammer
4
Turbine
Verdichter
1
bis 1200°C ca. 500°C 3
GasturbinenGenerator Satz
Temperatur T (K)
Gas
Luft
Technische Arbeit
2. Prozessstufe
2
G Generator 1
4
1 - 2 :adiabate Verdichtung 2 - 3 : isobare Verbrennung 3 - 4 : adiabate Entspannung 4 - 1 : Abgasabführung
Entropie s (kJ/kg K)
Abb. 7.7: Gasturbinenprozess, Prinzipschaltbild und T-s Diagramm
Die Hauptkomponenten der Anlage sind der Verdichter, die Brennkammer, die Turbine und der Generator. Verdichter, Turbine und Generator sind auf einer gemeinsamen Welle montiert. Wie aus dem T-s-Diagramm in Abb. 7.7 erkennbar, steigt bei der isobaren Verbrennung die Temperatur des Arbeitsmediums. Bei modernen Turbinen wird die Luft auf Drücke zwischen 15 bar und 45 bar verdichtet und erreicht Temperaturen vor Eintritt in die Turbine bis ca. 1200 °C. Das ist z.Z. auch die Materialgrenze (Nickel- oder Kobalt-Legierungen). Zum Vergleich, die höchste Temperatur in Dampfturbinen beträgt maximal 600°C.
7.2 Fossilthermische Kraftwerke
285
Moderne Gasturbinen mit Erdgas als Brennstoff erreichen Wirkungsgrade zwischen 35% und 42%. Die technische Arbeit (Abb. 7.7, eingeschlossene Fläche im T-s Diagramm) bzw. der Wirkungsgrad kann durch Steigerung des Eintrittsdruckes in die Turbine erhöht werden, was aber zu noch höheren Temperaturen führen würde. Die höchsten Wirkungsgrade werden durch zweistufige Verbrennung und Entspannung, wie aus der gestrichelten Linie im T-s Diagramm zu erkennen ist, erreicht. Der Verdichter verbraucht ca. 2/3 der von der Turbine erzeugten mechanischen Arbeit, was auch an seiner Größe erkennbar wird − Abb. 7.6. Eine weitere Möglichkeit, den Wirkungsgrad des Prozesses zu erhöhen, wird deshalb durch Erhöhung der Effizienz des Verdichters erreicht. Zu beachten ist, dass der Brennstoff nach der Verdichtung in die Brennkammer zugeführt wird. Er muss deshalb auch den höheren Druck haben. Die erforderlichen Erdgasdrücke können praktisch nur von den Höchstdruck-Transportnetzen der Gasversorgung bereitgestellt werden. Andernfalls muss ein Erdgasverdichter den erforderlichen Druck erzeugen, was zu einer Reduzierung des Wirkungsgrades um 1 bis 2 Prozentpunkte führen kann. 7.2.2.3 Emissionsminderungsmaßnahmen
Die Schadstoffemissionen von Gasturbinen sind hauptsächlich Stickoxide und Kohlenmonoxid. Neue Gasturbinen sind mit NOX-armen Brennern (low-NOX-burner) ausgerüstet, die eine Einhaltung der Emissionsgrenzwerte bei Erdgasbetrieb gewährleisten. Nach der 13. BImSchV betragen die Emissionsgrenzwerte: Tabelle 7.6: Emissionsgrenzwerte nach 13. BImSchV für Gasturbinen Brennstoff (Feuerungswärmeleistung >50 MW, trock. Abgas) Erdgas Erdgas bei Kombibetrieb ηel >55%, KWK ηg >75% Leichtes Heizöl oder Diesel
Grenzwert in mg/m3 bei 15% O2 CO NO2 100 50 100 75 100 120
Bei Steinkohlekraftwerken beträgt der NO2-Grenzwert 200 mg/m3. Allerdings ist dabei der hohe Luftüberschuss von 15% O2 im Abgas von Gasturbinen im Vergleich zu 6% bei Kohlefeuerungen zu beachten. Trotz des hohen Luftüberschusses sind jedoch die auf die Brennstoff- bzw. Strommenge bezogenen Stickoxidemissionen bei Gasturbinen niedriger als beim Steinkohle-Dampfkraftwerk, wie in der Tabelle 7.7 nachstehend zu ersehen ist.
286 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
Gasturbinenkraftwerke haben oft Heizöl EL als Ersatzbrennstoff. Im Heizölbetrieb können meistens die Emissionsgrenzwerte durch die Brenner allein nicht gewährleistet werden. Zur Einhaltung der Emissionsgrenzwerte wird dann Dampf oder Wasser in die Brennkammer eingespritzt. Dadurch sinkt die Temperatur in der Brennkammer, und es wird weniger thermisches NOX gebildet. Durch die Volumenerhöhung der Verbrennungsgase infolge der Einspritzung steigt gleichzeitig die Leistung der Gasturbine. Tabelle 7.7: NO2-Emissionsvergleich Steinkohle – Gasturbinen KW Merkmal
Einheit
Brennstoff Trockenes Rauchgas, ca. el. Wirkungsgrad Brennstoffverbrauch pro MWhel
Dampfkraftwerk
GasturbinenKraftwerk
Steinkohle
Erdgas
m n / MWhBr
1300
3000
% MWhBr / MWhel
42%
35%
2,38
2,86
3
3
Emissionsgrenzwert für NO2
mg / m n
200
50
NO2-Emission bez. auf Brennstoff
g / MWhBr
260
150
NO2 -Emission bez. auf Strom
g / MWhel
619
429
7.2.3 Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke 7.2.3.1 Aufbau und Funktionsweise
Beim Gas- und Dampfturbinen-(GuD-)-Kraftwerk (Combined Cycle Gas Turbine „CCGT“) wird die Wärme aus den heißen Abgasen der Gasturbine in einem sogenannten Abhitzekessel (Heat Recovery Steam Generator „HRSG“) zur Erzeugung von Hochdruckdampf genutzt, der in einer nachgeschalteten Dampfturbine zusätzlichen Strom erzeugt. So werden zwei der zuvor behandelten Prozesse miteinander kombiniert, nämlich der Joule-Prozess (Gasturbine) und der Clausius-Rankine-Prozess (Dampfprozess). Bei der in Abb. 7.8 dargestellten Anlage handelt es sich um ein GuDKraftwerk mit zwei Dampfdruckstufen. Die Dampfparameter werden durch die Temperatur der Abgase der Gasturbine bestimmt und sind relativ niedrig. Oft werden auch Anlagen mit zusatzbefeuertem Abhitzekessel gebaut, um höhere Dampfparameter und eine höhere Flexibilität beim Betrieb zu erreichen. Die höchsten Wirkungsgrade werden aber ohne Zusatzfeuerung erreicht, weil der Dampfprozess ein reiner Abwärmeprozess ist.
7.2 Fossilthermische Kraftwerke
287
65 bar / 500 °C 5 bar / 250 °C
Zusatzfeuerung
Erdgas
Abhitzekessel
Abgas ca. 120 °C Dampfturbine
Gasturbine-Generator-Satz 105 °C Dampf Wasser Luft Abgas ZusatzWasser
Abb. 7.8: Vereinfachtes Wärmeschaltbild GuD - Kraftwerk
Eine übliche Kraftwerkskonfiguration besteht aus zwei Gasturbinen/Abhitzekesseln und einer einzigen Dampfturbine. Die Leistungen verteilen sich ungefähr zu 2/3 auf die Gasturbine und zu 1/3 auf die Dampfturbine. Neue hocheffiziente GuD-Kraftwerke ohne Zusatzfeuerung erreichen Nettowirkungsgrade um 58% (Steinkohlekraftwerke ca. 46%). Sie haben höhere Dampfparameter und eine oder zwei Zwischenüberhitzungen. Anlagen mit Zusatzfeuerung erzielen einen Wirkungsgrad zwischen den beiden oben angegebenen Werten. 7.2.4 Verbrennungsmotor-Kraftwerke
Bei Verbrennungsmotorkraftwerken treibt ein Verbrennungsmotor den Generator an. In Deutschland sind solche Kraftwerke selten und haben bei der Allgemeinen Stromversorgung kaum Bedeutung. Es sind dagegen eine große Anzahl von KWK-Anlagen, sogenannte Blockheizkraftwerke, zur Versorgung kleinerer und mittlerer Fernwärmenetze in Betrieb. Sie werden im Kapitel 8, Kraft-Wärme-Kopplung, behandelt. 7.2.5 Stromgestehungskosten fossilthermischer Kraftwerke 7.2.5.1 Anschaffungskosten
Die Preise für neue Kraftwerke sind in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Die Gründe dafür sind eine weltweit enorm hohe Nachfrage nach
288 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
neuen Kraftwerken, der Anstieg der Stahl- und Kupferpreise sowie die Mehrkosten für Maßnahmen zur Effizienzsteigerung. Allein in Westeuropa (EU 15 sowie Norwegen und Schweiz) sind Kraftwerkskapazitäten von ca. 230 GW geplant. Davon sind ca. 58 GW bereits in der Konstruktionsphase [Dow Jones]. Zum Vergleich, die Höchstlast im gesamten UCTE-Verbundnetz beträgt ca. 500 GW. In Deutschland sollen in den nächsten Jahren ca. 13 GW neuer Kraftwerkskapazitäten entstehen. Davon sollen ca. 10,7 GW mit Kohle und 3,3 GW mit Erdgas befeuert werden. Die Stahlpreise sind von ca. 300 €/t in 2002 auf ca. 800 €/t gegen Ende 2007 gestiegen [MEPS], ähnlich war die Preisentwicklung bei Kupfer. Die hohen Primärenergiepreise und die Kosten für CO2-Zertifikate zwingen zu einer ständigen Erhöhung der Energieeffizienz der Kraftwerke. Alle neuen Kraftwerke in Europa werden deshalb für überkritische und super-überkritische Dampfparameter gebaut, was den Einsatz von hochtemperaturfesten Materialien erforderlich macht. Anhaltswerte für spezifische Anschaffungskosten für Kraftwerke in Abhängigkeit von der el. Bruttoleistung sind aus der Abb. 7.9 zu ersehen. Die tatsächlichen Kosten können jedoch je nach Standort und Marktlage stark davon abweichen.
Spez. Investitionsausgaben € / kW
Investitionsausgaben für Kraftwerke 2.000 1.900 1.800 1.700 1.600 1.500 1.400 1.300 1.200 1.100 1.000 900 800 700 600 500 400 300 200 100
Anhaltswerte für Einblockanlagen mit Standort Mitteleuropa
Braunkohle-Dampfkraftwerk
Steinkohle-Dampfkraftwerk
Naturzugkühlturm
Kostenstand 2007 Wechselkurs € / US$ 1,37 EPC-Preise ± 25% zuzügl.: Bauherrenleistungen Bauzinsen, Unvorhergesehenes
Erdgas-Dampfkraftwerk Erdgas-GuD-Kraftwerk
Erdgas-Gasturbinenkraftwerk 200
300
400
500
Quelle: eigene Schätzungen aus verschiedenen Projekten 600
700
800
900
1000
1100
1200
Installierte Leistung MW
Abb. 7.9: Investitionsausgaben für Kraftwerke, Richtwerte
Richtpreise für weltweit verkaufte Gasturbinen- und GuD-Kraftwerke werden jährlich im Handbook der Zeitschrift „Gas Turbine World“ [GTW Handbook] veröffentlicht. Die Schwankungsbreite der angegebenen Preise ist relativ groß - Abb. 7.10 und Abb. 7.11.
7.2 Fossilthermische Kraftwerke
289
Spezifischer Preis US$ / kW (ISO)
1.200
Lieferumfang: Gasturbine, Generator Brennstoff Erdgas Lufteinlass mit Filter und Lärmschutz Abgasschornstein Starter und Steuerung, Grundausstattung konventionelles Brennersystem fertigmontiert auf Gestell, FOB US$ 2007, 1 US$ = 0,73 €
1.000
800
600
Richtwerte für Zuschläge auf FOB - Preis: 5% Transport 10% Montage 10% Bauteil+Sonstiges 10% Zweistoffbrenner
400
200 Quelle: Gas Turbine World − 2007-08 GTW Handbook 0
50
100
150
200
250
300
350
Leistung MW (ISO-Standard)
Abb. 7.10: Richtpreise für Gasturbinenkraftwerke 1.200
Lieferumfang: Basis GuD-Ausstattung inkl. erdgasbefeuerte Gas Turbinen, unbefeuerte Abhitzekessel, Dampfturbine, Generatoren, Standard Anlagenzubehör FOB, ab Fabrik US$ 2007, 1 US$ = 0,73 €
Spezifischer Preis US$/KW (ISO)
1.100 1.000 900 800
Richtwerte für Zuschläge auf FOB - Preis: 5% Transport 10% Montage 10% Bauteil 30% Sonstiges
700 600 500 400 300
Quelle: Gas Turbine World − 2007-08 GTW Handbook
200 0
100
200
300
400
500
600
700
800
900
1.000
Anlagenleistung MW (ISO-Standard)
Abb. 7.11: Richtpreise für komplette GuD-Kraftwerke
Durch den so genannten Skaleneffekt (economy of scale) nehmen die spezifischen Investitionen mit zunehmender Anlagengröße ab. Dieser Effekt wird allerdings bei höheren Leistungen zunehmend kleiner. Bei steigender Nachfrage können die Investitionen beträchtlich ansteigen. 7.2.5.2 Stromeigenbedarf von Kraftwerken
Die Stromgestehungskosten werden auf die Nettoleistung und Nettoarbeit bezogen, die für den Verkauf zur Verfügung stehen. Sie ergeben sich nach
290 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
Abzug des Eigenbedarfs des Kraftwerkes. Der Eigenbedarf hängt vom Kraftwerkstyp, der Art des Brennstoffes und der Größe des Kraftwerkes ab. Richtwerte für den Eigenbedarf sind in der Tabelle 7.8 angegeben. Tabelle 7.8: Richtwerte für Stromeigenbedarf von Kraftwerken Installierte elektrische Leistung MW 150 250 400 700 1.100 Braunkohle, Staubfeuerung 5,5 4,5 Steinkohle, Staubfeuerung 8,0 7,5 Steinkohle, Wirbelschicht 14,0 12,0 Erdgas, Dampfkraftwerk 4,0 3,5 3,0 Erdgas, GuD-Kraftwerk 2,5 2,0 1,5 Erdgas, Gasturbinenkraftwerk 1,0 1,0 Prozentsätze bezogen auf die elektrische Bruttoleistung Kraftwerkstyp
7.2.5.3 Technisch/wirtschaftliche Eckdaten
Im Folgenden werden die Stromgestehungskosten für vier ausgewählte typische fossilthermische Kraftwerke mit im Jahr 2007 Best Available Technologie (BAT) ermittelt: • • • •
1100 MW-Braunkohlekraftwerk als typische Grundlastanlage 700 MW-Steinkohle-Dampfkraftwerk als typische Mittellastanlage 400 MW-GuD-Kraftwerk als typische Anlage, obere Mittellast 150 MW-Gasturbinen-Kraftwerk als typische Spitzenlastanlage
Die Ansätze für die Brennstoffpreise sind in der Tabelle 7.9 zu ersehen: Tabelle 7.9: Ansätze für Brennstoffpreise, Basisjahr 2007 Braunkohle t
Handelseinheit Heizwert MWh pro Handelseinheit Benutzungsdauer h/a
1)
Steinkohle t SKE
ErdgasGuD MWh in Ho
Erdgas GT MWh in Ho
2,9
8,14
11,5
11,5
8.250
7.500
7.500
1.000
-
68,24
19,82
19,82
-
6,00
65 € / (m3 a)
65 € / (m3 a)
12,50
74,24
20,57
25,47
-
3,41
0,99
0,99
4,31
9,54
23,88
29,31
€ / Handelseinheit: Grenzübergang 2007 Inlandtransport frei Kraftwerk
2)
3)
Handelsmarge
5%
€ / MWh in Hu frei Kraftwerk 1)
Standardauslastung gemäß Zuteilungsgesetz (ZuG 2012, Anhang 4), siehe Tabelle 3.22
2)
Steinkohle: 4 € / t Umschlag- und Entladegebühr + 6 € / t Fracht Binnenschiff
2)
Kapazitätsentgelt für Transportnetz
3)
Braunkohle: nach Angaben von Kraftwerksbetreibern, Studie [RK-NRW]
7.2 Fossilthermische Kraftwerke
291
Kostenansätze für CO2-Emissionsberechtigungen Die Kosten für CO2-Emissionsberechtigungen (EB) werden nach den Regelungen im Zuteilungsgesetz 2012 (ZuG 2012) berechnet. Danach werden für Kohlekraftwerke EB von 750 t CO2 / MWhel und für Gaskraftwerke 365 t CO2 / MWhel erteilt. Davon werden 84,4% kostenlos erteilt, die übrigen 15,6 % müssen auf dem Markt beschafft werden. Die elektrischen Wirkungsgrade der Kraftwerke werden entsprechend der Best Available Technologie (BAT) in 2007 angesetzt. Die Berechnung der Kostenbelastung pro MWhel wird in der nachstehenden Tabelle gezeigt. Tabelle 7.10: Kosten für CO2-Emissionsberechtigungen Merkmal El. Nettowirkungsgrad, BAT 2007 Benutzungsdauer h/a gemäß ZuG 2012
Einheit
Braunkohle
Steinkohle
ErdgasGuD
Erdgas GT
%
45,0%
46,0%
56,0%
34,0%
h/a
8.250
7.500
7.500
1.000
Brennstoff-Emissionsfaktor
t CO2 / GWhHu
410
342
202
202
Produktemissionen pro MWhel
t CO2 / GWhel
911
743
361
594
Zuteilung Emissionsberechtigungen "EB"
t CO2 / GWhel
750
750
365
365
53
286
1,58
8,58
davon kostenlos gemäß ZuG 2012
%
84,4%
t CO2 / GWhel
Beschafung vom Markt
278
110
€ / t CO2
Kostenansatz für EB
CO2-Kosten pro MWhel
€ / MWhel
30
8,34
3,31
Kostenansätze für Hilfsstoffe und Entsorgungsprodukte Im Kapitel 6, Tabellen 6.6 und 6.8, wurden spezifische Verbräuche und Kosten für Rauchgasentschwefelung und Entstickung sowie für die Entsorgungsprodukte berechnet. Die Ansätze für die Berechnung sind in der nachstehenden Tabelle 7.11 angegeben. Tabelle 7.11: Spezifische Kosten für Hilfsstoffe/Entsorgungsprodukte BK-KW
SK-KW
GuD-KW
GT-KW
REA+ Asche
1,06
0,55
-
-
Entstickung
-
0,25
-
-
€ / MWh
Sonstiges, geschätzt
0,60
0,50
0,50
0,50
Summe
1,66
1,30
0,50
0,50
Alle sonstigen technisch/wirtschaftlichen Eckdaten sind in der detaillierten Berechnung der Kosten in der Tabelle 7.14 enthalten.
292 7 Kraftwerke, Technik und Kosten 7.2.5.4 Stromgestehungskosten − Ergebnisdiskussion
Die Ermittlung der Stromgestehungskosten erfolgt nach der Annuitätenmethode auf realer Basis, d.h. alle Kostenreihen werden inflationsbereinigt dargestellt. In der Tabelle 7.14 werden zuerst die jährlichen Kosten für die einzelnen Kraftwerke ermittelt. In Tabelle 7.12 und Tabelle 7.13 werden dann die daraus ermittelten spezifischen Stromgestehungskosten für die einzelnen Kostenkomponenten gezeigt. Tabelle 7.12: Spez. Stromgestehungskosten, fixe und variable Anteile Position
Einheit
Kraftwerkstyp BK-KW
SK-KW
GuD-KW
GT-KW
el. Leistung, brutto
MW
1.100
700
400
150
typische Benutzungsdauer
h/a
8.250
7.500
7.500
1.000 147,69
spezifische Durchschnittskosten davon:
Leistungskosten Arbeitskosten
€ / MWh
46,45
49,12
57,35
€ / (kW*a)
196,35
158,98
68,78
47,46
€ / MWh
22,65
27,92
48,18
100,23
Aus den beiden Tabellen wird folgendes erkennbar: Die Stromgestehungskosten und speziell die spezifischen Brennstoffkosten des GuDKraftwerkes sind für Grundlasteinsatz nach der so genannten „merit order“ zu hoch (merit order bedeutet, dass der Kraftwerkeinsatz entsprechend der Höhe Grenzkosten der einzelnen Kraftwerke erfolgt). Diese Anlage ist weiterhin für den Mittellasteinsatz besser geeignet. Beim Braunkohlekraftwerk sind die Kosten für Emissionsberechtigungen fast gleich so hoch wie die Brennstoffkosten. Dabei wurde vorausgesetzt, dass der Großteil der Emissionsberechtigungen (84,4 %) kostenlos erteilt wird. Wenn künftig die gesamten Emissionsberechtigungen auf dem Markt beschafft werden müssen, werden die Grenzkosten auch dieses Kraftwerkes zu hoch. Tabelle 7.13: Kostenbestandteile an den spez. Stromgestehungskosten Position El. Leistung, Brutto Spez. Stromgestehungskosten fixe Kosten, Summe Kapitalkosten Instandhaltung Personal Versicherungen/Overheads variable Kosten, Summe Brennstoff Instandhaltung Hilfs- und Betriebstoffe/Reststoffe CO2-Zertifikatskosten
Kraftwerkstyp
Einheit BK-KW
SK-KW
GuD-KW
GT-KW
MW
1.100
700
400
150
€ / MWh
46,45
49,12
57,35
147,69
23,80 18,48 3,42 0,93 0,96 22,65 9,58 3,08 1,65 8,34
21,20 16,01 2,88 1,44 0,86 27,92 20,73 2,59 1,30 3,30
9,17 7,27 0,55 1,00 0,36 48,18 42,61 3,50 0,50 1,57
47,46 39,96 2,19 3,29 2,01 100,23 86,15 5,01 0,50 8,57
€ / MWh
€ / MWh
7.2 Fossilthermische Kraftwerke
293
Tabelle 7.14: Stromgestehungskosten fossilthermischer Kraftwerke Position
Einheit
Kraftwerkstyp BK-KW
SK-KW
GuD-KW
GT-KW
Technische Parameter el. Leistung, brutto davon Gasturbine Stromeigenbedarf
MW
1.100
700
400
MW
0
0
260
150
5,5%
7,4%
1,5%
1,0%
%
150
el. Leistung, netto
MW
1.040
648
394
149
Feuerungswärmeleistung
MW
2.311
1.408
703
438
el. Wirkungsgrad, netto
%
45,0%
46,0%
56,0%
34,0%
Brennstoff, Handelseinheit
-
BK / t
Heizwert pro Handelseinheit
SK / t EG / MWh EG / MWh
MJ / kg
10,5
29,3
-
-
Emissionen pro MWh Brennstoff
kg / MWhBr
410
342
202
202
Emissionen pro MWh elektrisch
kg / MWhel
911
743
360
594
Technisch-wirtschaftliche Eckdaten Bauzeit
Monate
48
36
24
12
a
35
35
25
25
%
7,5%
7,5%
7,5%
7,5%
€ / MWh
4,31
9,54
23,88
29,31
kalkulatorische Lebensdauer kalkulatorischer Zinssatz, inkl. Ertragsteuern, real Brennstoffpreis in Hu Bedienungspersonal Personalkosten Instandhaltung fix (bez. auf EPC-Preis)
Personen
80
70
30
5
T€ / (Pers. a)
90
90
90
90
%/a
1,6%
1,5%
0,7%
0,5%
Instandhaltung variabel
€ / MWhel
0,00
0,00
3,00
3,00
Hilfs- u. Betriebsstoffe / Reststoffentsorgung
€ / MWhel
1,65
1,30
0,50
0,50
%/a
0,5%
0,5%
0,5%
0,5%
t / MWhel
633
633
308
308
€/t
30
30
30
30
Versicherungen / Overheads Kostenlose Zuteilung von CO2-EB *)
84,4%
Ansatz Zertifikatskosten pro t CO2 Investitionsausgaben
Mio €
1.946,1
954,8
239,4
66,4
spezifische Investition
€ / kW
1.500,0
1.200,0
530,0
400,0
Mio €
1.650,0
840,0
212,0
60,0
Anschaffungspreis, (EPC-Preis) Bauherren-, Ingenieurleistungen, Sonstiges
7,5%
Mio €
123,8
63,0
15,9
4,5
Stillegungskosten
0,5%
Mio €
8,3
4,2
1,1
0,3
Bauzinsen auf EPC-Preis
1,05
Mio €
164,1
47,6
10,5
1,6
Energie- und Emissionsbilanz für typische Benutzungsdauer h/a
8.250
7.500
7.500
1.000
Stromerzeugung, netto
Volllaststunden *)
GWh / a
8.580
4.860
2.955
149
Brennstoffverbrauch
GWh / a
19.066
10.560
5.273
438
CO2-Emissionen, gesamt
kt /a
7.817
3.612
1.065
88
Beschaffung CO2-EB vom Markt
kt /a
2.386
535
155
43
Mio € / a
204,2
103,0
27,1
7,1
Mio € / a
158,6
77,8
21,5
6,0 0,3
Stromgestehungskosten fixe Kosten Kapitalkosten Instandhaltung
1,0%
Mio € / a
29,4
14,0
1,6
Personal (1% / a Steigerungsrate, real)
1,0%
Mio € / a
8,0
7,0
2,9
0,5
Mio € / a
8,3
4,2
1,1
0,3
Versicherungen/Overheads variable Kosten
Mio € / a
194,3
135,7
142,4
14,9
Brennstoff
Mio € / a
82,2
100,7
125,9
12,8 0,7
Instandhaltungsvertrag
Mio € / a
26,4
12,6
10,3
Hilfs- und Betriebstoffe/Reststoffentsorgung
Mio € / a
14,2
6,3
1,5
0,1
CO2-Zertifikatkosten
Mio € / a
71,6
16,1
4,6
1,3
Summe Jahreskosten
Mio € / a
398,5
238,7
169,5
22,0
spez. Kosten
€ / MWh
46,45
49,12
57,35
147,69
Leistungskosten
€ / (kW*a)
196,35
158,98
68,78
47,46
€ / MWh
22,65
27,92
48,18
100,23
Arbeitskosten *) gemäß Zuteilungsgesetz 2012
294 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
In der Abb. 7.12 sind die „durchschnittlichen spezifischen Stromgestehungskosten in €/MWh“ als Funktion der Benutzungsdauer dargestellt.
Stromgestehungskosten € / MWh
120 110 100 90 80 70 60 50 40 30 0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
7000
8000
9000
Vollbenutzungsstunden pro Jahr BK-KW
SK-KW
GuD-KW
Abb. 7.12: Stromgestehungskosten als Funktion der Benutzungsdauer
Daraus wird erkennbar, in welchem Lastbereich (Benutzungsstunden) die Stromgestehungskosten der einzelnen Kraftwerke günstiger sind. Hier sind allerdings die Durchschnittskosten, zusammengesetzt aus fixen und variablen Kosten, angegeben. Anzumerken ist, dass die kostenoptimale Einsatzreihenfolge (merit order) der Kraftwerke bei steigender Last nach der Höhe ihrer Grenzkosten (marginal cost) erfolgt. Diese sind praktisch identisch mit den variablen Kosten, siehe Tabelle 7.12. Die Stromgestehungskosten wurden unter der Voraussetzung ermittelt, dass gemäß den Zuteilungsregelen des Zuteilungsgesetztes 2012 (ZuG 2012) 84,4 % der zugeteilten Emissionsberechtigungen (EB) kostenlos erteilt werden. Die nachstehende Tabelle zeigt, wie sich die Stromgestehungskosten ändern würden, wenn die gesamten EB vom Markt beschafft werden müssten. Aus dem Ergebnis wird ersichtlich, dass die Stromgestehungskosten der drei Kraftwerke praktisch gleich hoch werden. Die variablen Kosten des GuD-Kraftwerkes sind jedoch weiterhin höher. Tabelle 7.15: Stromgestehungskosten abhängig von CO2-Kosten Merkmal Kostenlose Zuteilung 84,4% EB: Stromgestehungskosten davon variabler Kostenanteil Keine kostenlose Zuteilung: Stromgestehungskosten davon variabler Kostenanteil
Einheit
Braunkohle KW
SteinErdgaskohle KW GuD KW
€ / MWh € / MWh
46,45 22,65
49,12 27,92
57,35 48,18
€ / MWh € / MWh
65,44 41,64
68,11 46,91
66,60 57,43
7.3 Kernkraftwerke
295
7.3 Kernkraftwerke 7.3.1 Typen und Funktionsweise von Kernreaktoren
Kernkraftwerke „KKW“ (nuclear power stations) sind wie Kohlekraftwerke thermische Kraftwerke mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Wärme nicht durch Verbrennung von fossilen Brennstoffen sondern durch die freiwerdende Energie der Kernspaltung im Kernreaktor erzeugt wird (weiterführende Literatur, siehe auch [Karl Strauß] [atw]). Als Brennstoff (siehe auch Kapitel 1.3.4, Herkunft und Preise von Kernbrennstoff) wird schwach mit dem Isotop U-235 angereichertes (ca. 3% bis 4%) Urandioxid (U2O) verwendet, das in gasdicht verschlossenen Metallrohren eingeschlossen ist und zusammen mit diesen die so genannten Brennstäbe bildet. Diese werden zu einem Brennelement gebündelt (fuel assembly) und in das Reaktordruckgefäß (pressure vessel) eingebracht. In den Brennelementen wird durch Kernspaltung Wärme freigesetzt. Das Reaktordruckgefäß ist durch Betonwände − biologisches Schild − vom übrigen Teil des Kraftwerkes isoliert. Die Brennstäbe sind im Reaktorkern (Core) von einem „Moderator“ umgeben. Dieser hat die Aufgabe, die Neutronen, die durch Kernspaltung frei werden, zu bremsen, damit die Kern-Kettenreaktion (chain fission) ermöglicht wird. Als Moderatoren werden Wasser (H2O-Leichtwasser), schweres Wasser (H2O2) und Graphit verwendet. Wasser und schweres Wasser dienen gleichzeitig als Kühlmittel für den Wärmetransport vom Reaktorkern zum Dampferzeugungsprozess. Bei Reaktoren mit Graphit als Moderator wird meistens CO2 als Kühlmittel verwendet. Der Reaktor selbst ist durch eine meterdicke Betonabschirmung (concrete containment) geschützt. Von den 439 Reaktoren, die z.Z. weltweit zur kommerziellen Stromerzeugung in Betrieb sind, sind 355 Leichtwasser-Reaktoren. Davon gibt es zwei Typen: • •
den Druckwasserreaktor (pressurized water reactor), Anzahl: 263 und den Siedewasserreaktor (boiling water reactor), Anzahl: 92
In Deutschland waren 2007 insgesamt 17 Reaktoren zur kommerziellen Stromerzeugung in Betrieb, davon sind 11 Druckwasser- und 6 Siedewasserreaktoren. Der Druckwasserreaktor umfasst drei getrennte Kreisläufe. Im geschlossenen Primärkreislauf wird Wasser von ca. 155 bar im Kernreaktor auf eine Temperatur von ca. 320 °C aufgeheizt. Der hohe Druck des Wassers verhindert, dass Dampf im Primärkreislauf erzeugt wird. Das aufgeheizte Primär-Wasser gibt seine thermische Energie im Dampferzeuger an den Sekundärkreislauf ab, an den die Dampfturbine angeschlossen ist. Der
296 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
im Sekundärkreislauf erzeugte Dampf hat einen Druck von ca. 65 bar und treibt, wie bei jedem konventionellen thermischen Kraftwerk, die Dampfturbine an. Am Kondensator schließt sich der dritte Kreislauf an, der die Abwärme des Dampfprozesses über den Kühlturm oder durch direkte Fluss- oder Meerwasserkühlung ins Freie abführt. Druckwasserreaktor 65 bar /280°C
Siedewasserreaktor 70 bar / 270°C
Dampferzeuger Sekundärkreislauf
Reaktor
Primärkreislauf 155 bar /320°C
Turbine
Turbine Reaktor
Dampfleitung Wasserleitung Betonabschirmung
Abb. 7.13: Schemata, Kernkraftwerk
Beim Siedewasserreaktor wird der Dampf zum Antrieb der Dampfturbine direkt im Reaktordruckgefäß erzeugt. Im oberen Drittel des Druckgefäßes befindet sich Dampf, der durch die Wärme aus der Kernspaltung in den Brennelementen entsteht. Der Dampf wird zu der Dampfturbine geleitet, wo seine thermische Energie in mechanische Arbeit umgewandelt wird. Die Kondensationswärme wird über den Kühlturm oder direkt durch Fluss- oder Meerwasserkühlung ins Freie abgeführt. Bedingt durch die niedrigen Dampfparameter liegt der Wirkungsgrad der in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke bei ca. 35%. Die 17 in Deutschland kommerziell betriebenen Kernkraftwerke mit einer Bruttoleistung von insgesamt 21,5 GW werden als Grundlastanlagen mit ca. 7.250 Vollbenutzungsstunden pro Jahr betrieben und decken ca. 29% des Strombedarfs in Deutschland. Sie wurden in den 70er und 80er Jahren gebaut. Die Leistung der neueren Anlagen beträgt ca.1300 MW (z.B. Neckarwestheim II mit 1.316 MW). 7.3.2 Kernenergieausstieg oder Ausbau
Kernenergie ist die am kontroversesten diskutierte Form der Energieerzeugung. Das Gefahrenpotential der Kernkraftnutzung bei schwerwiegenden Unfällen ist beträchtlich, und die Frage der Endlagerung radioaktiver Ab-
7.3 Kernkraftwerke
297
fälle an vorgesehenen oder geplanten Endlagerstätten wird weiterhin untersucht. Nach einer anfänglichen Euphorie in den 50er und 60er Jahren hat sich die Akzeptanz bei der Bevölkerung durch die stattgefundenen Nuklearunfälle (vor allem „Three Mile Island, USA 1979“, „Tschernobyl, Ukraine 1986“) drastisch verschlechtert. Einige Regierungen sahen sich durch Proteste von Kernkraftgegnern veranlasst, Atomausstiegsbeschlüsse zu fassen. So wurde auch in Deutschland durch die Novelle des Atomgesetzes (AtG) vom April 2002 der Kernenergieausstieg (phase out) beschlossen. Außer in Deutschland gibt es Ausstiegsbeschlüsse in Schweden und in Belgien. In Österreich und Italien ist der Ausstieg praktisch bereits vollzogen. Die schwedische Regierung hat jedoch 1995 beschlossen, den Atomausstieg nochmals zu überdenken und die Pläne zum Ausstieg vorerst gestoppt. Viele Länder halten allerdings an einem Ausbau der Kernenergie fest (siehe Tabelle 7.16). Im Bau sind nach der World Nuclear Association bereits 36 KKW in 12 Ländern , weitere 99 KKW sind in Planung [WNA]. Tabelle 7.16: Kernkraftwerke weltweit, Bestand und in Planung, 2008 Land Gesamt davon: USA Frankreich Japan Russland Deutschland China Indien Finnland
Anzahl 439
in Betrieb GWel 373,3
El. % 15,0
103 59 53 31 18 11 17 4
97,5 63,5 45,3 21,7 21,3 8,6 3,8 2,7
19,9 78,0 25,0 17,0 29,0 2,0 2,5 21,8
im Bau Anzahl GWel 36 29,8 1 1 2 7 7 6 1
1,2 1,6 2,3 4,9 6,7 3,0 1,6
in Planung Anzahl GWel 99 108,7 13 1 26 10 -
14,7 1,0 27,6 9,8 -
Quelle: World Nuclear Association, as per Oct. 2008
Insbesondere Russland, China und Indien planen einen starken Ausbau ihrer Kernenergiekapazitäten. In Europa hat Finnland mit dem Bau eines Reaktors der neuen Generation vom Typ EPR (European Pressurized Water Reactor) begonnen, und Frankreich hat sich für den Bau einer Anlage desselben Typs entschieden. In Frankreich sollen außerdem die bestehenden Reaktoren ab 2018 nach und nach durch den neuen EPR ersetzt werden.
298 7 Kraftwerke, Technik und Kosten 7.3.3 Der neue European Pressurized Reactor EPR
Das Deutsch-Französische Gemeinschaftsunternehmen Areva und Siemens „Framatome ANP“ hat mit dem Reaktortyp EPR die Kerntechnik für den Kraftwerksbereich weiterentwickelt. Der EPR hat eine elektrische Leistung von 1.600 MW, die thermische Reaktorleistung beträgt 4.300 MW. Beim EPR ist der Sicherheitsstandard gegenüber den Vorgängertypen beträchtlich erhöht. Im Vergleich zum Vorgängertyp wurde auch die Energieeffizienz wesentlich verbessert. Durch Erhöhung des Frischdampfdruckes von 65 bar auf 78 bar wird ein Wirkungsgrad von 37% (35,4%) erreicht. Der Abbrand wurde ebenfalls von ca. 43 MWd/kg auf über 60 MWd/kg U2O erhöht. Damit verbessert sich auch die Brennstoffausnutzung pro MWh Strom um ca. 15%. Eine Anlage dieses Typs wird z.Z. in Finnland − Olkiluoto 3 − gebaut. Der kommerzielle Betrieb soll 2009 aufgenommen werden. 7.3.4 Stilllegung von Kernenergieanlagen
Die Stilllegung (decommissioning) kerntechnischer Anlagen nach Ende ihrer Betriebszeit ist ein langandauernder und kostspieliger Prozess. Er wird unter strenger behördlicher Aufsicht durchgeführt. Priorität hat dabei ein nachhaltiger Schutz der Bevölkerung und der Umwelt vor Radioaktivität. Die Stilllegung beinhaltet u.a.: • • • • •
Das endgültige Abschalten. Ein sicheres und sorgfältiges Behandeln der gesamten innerhalb der Anlage befindlichen radioaktiven Materialien. Gründliche Dekontamination, Konditionieren und sicheres Verpacken aller radioaktiven Abfälle. Demontage und Abriss der Anlage Sanierung des Standortes, bis sämtliche Radioaktivität entfernt ist und Rückführung des Geländes in den Zustand einer „grünen Wiese“.
Weltweit haben sich zwei Optionen zur Stilllegung herausgebildet: • •
Der unmittelbare Abbau der Anlage (green field oder DECON). Der sichere Einschluss (Safestore), d.h. Abbau in einem längeren Zeitraum.
Bei Kernkraftwerken ist ca. 99% der Radioaktivität in den abgebrannten Brennelementen enthalten, die nach dem Abschalten in Wasserbecken zum Abklingen zwischengelagert und dann entfernt werden können, bevor
7.3 Kernkraftwerke
299
der eigentliche Stilllegungsprozess gestartet werden kann. Die verbleibende Radioaktivität ist hauptsächlich in Stahl und Betonteilen enthalten, die durch langen Kontakt mit radioaktiven Stoffen selbst radioaktiv geworden sind. Sie können zum Teil zwar hochradioaktiv sein, die Halbwertszeit mit bis ca. zu 50 Jahren ist allerdings relativ kurz. Sie werden nach und nach durch Dekontamination bzw. Abbau von Komponenten entfernt, als radioaktive Abfälle konditioniert und verpackt und sind für die Endlagerung bestimmt. Strahlungsfreies Metall oder Beton kann in den normalen Schrottkreislauf kommen. Der unmittelbare Abbau hat den Vorteil, dass ein Teil des Bedienungspersonals weiterbeschäftigt wird und deren Erfahrung beim Stilllegungsprozess genutzt werden kann. Unmittelbar ist aber auch relativ, da der gesamte Prozess je nach Komplexität der Anlage zwischen 10 und 20 Jahren dauert, weil vor dem endgültigen Abriss und der Freigabe des Geländes ein Abbau der Radioaktivität und die Dekontamination des gesamten radioaktiven Inventars notwendig ist. Beim sicheren Einschluss werden die Brennelemente und die radioaktiven Betriebsabfälle entfernt und das verbleibende radioaktive Inventar im Gebäude sicher eingeschlossen. Die gesamte Anlage muss dann in einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten überwacht werden, bevor mit dem Abriss begonnen werden kann, was auch mehrere Jahre in Anspruch nimmt. Diese Variante ist sinnvoll, wenn sich während der Stilllegungsphase ein anderer Reaktor im Gelände in Betrieb befindet und Bedienungspersonal auch für die Beaufsichtigung des stillgelegten Reaktors abgestellt werden kann. Die Entscheidung, welche Variante zur Stilllegung gewählt wird, liegt beim Betreiber, in den meisten Fällen ist jedoch der unmittelbare Abbau die Vorzugsvariante. In Deutschland wurden bis jetzt zwei Prototyp-Kernreaktoren (KKN und HDR) vollständig rückgebaut, weitere 17 Kernkraftwerke und Prototypanlagen befinden sich in verschiedenen Stadien der Stilllegung. Das größte Vorhaben ist dabei die Stilllegung der 5 Reaktoren mit einer elektrischen Leistung von je 400 MW in Greifswald. Im Stilllegungsprozess befinden sich außerdem die Kernkraftwerke Mülheim-Kärlich (1987) mit 1.200 MW, Würgassen (1971) mit 670 MW, Stade (1972) mit 672 MW und Obrigheim (1969) mit 300 MW. Das Kraftwerk Mülheim-Kärlich, Inbetriebnahme 1987, musste aufgrund von formalen Mängeln bei der Genehmigung stillgelegt werden. Die Reststrommenge wurde aber im Einvernehmen zwischen Betreiber und Bundesregierung auf andere Kernkraftwerke übertragen und hiermit deren Restlaufzeit verlängert.
300 7 Kraftwerke, Technik und Kosten 7.3.5 Stromgestehungskosten von Kernkraftwerken 7.3.5.1 Investitionsausgaben und Betriebskosten
Bedingt durch die hohen Anforderungen für Sicherheitsmaßnahmen sind die spezifischen Investitionsausgaben von Kernkraftwerken mehr als doppelt so hoch wie die von großen Braunkohlekraftwerken. Da das letzte Kernkraftwerk in Deutschland 1989 in Betrieb gegangen ist, sind keine aktuellen Kostenangaben für neue Anlagen in Deutschland vorhanden. Die Baukosten des Finnischen EPR wurden mit 3,2 Milliarden € bzw. (rund 2.000 €/kW) geschätzt. Diese Kostenschätzung scheint aus heutiger Sicht nicht mehr realistisch. Wenn man die Kostenentwicklung bei Kohlekraftwerken zugrunde legt, müssten die Baukosten in der Größenordung von 4,2 Milliarden € liegen. Der Reaktor ist für eine technische Lebensdauer von 60 Jahren konzipiert. Die Bauzeit wird mit 48 Monaten angegeben und liegt in derselben Größenordnung wie die von Braunkohlekraftwerken. Kosten für die Stilllegung und Außerdienststellung (Decommissioning) müssen zusätzlich berücksichtigt werden. Die Kosten hierfür sind je nach Quelle sehr unterschiedlich. Nach [WNA] 1 betragen sie zwischen 9% und 15% der Baukosten der Anlage nach dem Geldwert zum Inbetriebnahmezeitpunkt. Die Betreiber von Kernkraftwerken in Deutschland haben die Kosten [BMU] für die Stilllegung eines 1.200 MW-Druckwasserreaktors mit 300 Mio. € und die eines 800 MW-Siedewasserreaktors mit 350 Mio. € nach Kostenstand 1999 angegeben. Im Vergleich zu den anderen Kosten sind die Brennstoffkosten relativ niedrig (siehe Tabelle 7.18). Zu den Brennstoffkosten müssen aber auch noch die Kosten für die Entsorgung und Endlagerung von radioaktiven Brennstoffabfällen hinzugerechnet werden. Hierzu gibt es nur ganz grobe Anhaltswerte. Nach [WNA] wird in den USA ein Zuschlag von 0,1 cent/kWh auf den Strompreis erhoben, um diese Kosten abzudecken. Bis jetzt (Anfang 2005) wurde hierfür eine Summe von 18 Milliarden US$ akkumuliert. In Schweden wird für denselben Zweck ein Zuschlag von 0,3 cent/kWh erhoben. In Deutschland dürfen die Kraftwerksbetreiber in den ersten 20 Betriebsjahren Rücklagen zu diesem Zweck bilden, die steuerfrei sind. Es sind bereits beträchtliche Summen angesammelt worden.
1 )
www.world-nuclear.org/info/printable_information_papers/inf02print.htm
7.3 Kernkraftwerke
301
7.3.5.2 Stromgestehungskosten
In der Tabelle 7.18 werden die Stromgestehungskosten für ein bestehendes abgeschriebenes und für ein neues Kernkraftwerk detailliert ermittelt. Die Kostenermittlung basiert allerdings auf Annahmen für bestimmte Kostenkomponenten, da keine zuverlässigen Informationen von Betreibern oder Verbänden erhältlich sind. Die Größenordnung der ermittelten Stromgestehungskosten kann trotzdem als realistisch angesehen werden, da für die wesentlichen Kostenbestandteile Informationsmaterial beschafft werden konnte. Nachstehende Tabelle 7.17 zeigt zuerst die spezifischen Kosten nach Hauptkostenkomponenten. Tabelle 7.17: Spez. Stromgestehungskosten von Kernkraftwerken Position
Einheit
Spez. Stromgestehungskosten davon:
Kapitaldienst Brennstoffkosten
Kernkraftwerk bestehend *)
Kernkraftwerk neu
21,84
50,19
-
31,71
5,95
4,06
1,82
1,13
O&M-Kosten
7,90
6,17
Kernbrennstoffentsorgung
3,00
3,00
Versicherungen/Overheads
3,16
4,11
Personalkosten
€ / MWh
*) abgeschrieben
Die ermittelten Stromgestehungskosten für das neue KKW entsprechen etwa denen von Steinkohlekraftwerken mit Brennstoffpreisen von 2007 (siehe Tabelle 7.13). Die Kapitalkosten haben bei neuen Anlagen den größten Anteil, obwohl die kalkulatorische Lebensdauer mit 50 Jahren angesetzt wurde. Der Brennstoffkostenanteil ist dagegen klein. Bei steigenden Brennstoffpreisen für fossile Brennstoffe oder/und steigender CO2 -Belastung bleiben allerdings die Stromgestehungskosten von Kernkraftwerken praktisch unverändert, während die der fossilen Kraftwerke steigen. Die angesetzten Kosten für die Stillegung und Rückbau sind als Rücklage zu verstehen, die bei Inbetriebnahme angelegt werden. Bei einem realen Zinssatz von 4% erreichen sie am Ende der technischen Lebensdauer den 7-fachen Wert bezogen auf den derzeitigen Geldwert.
302 7 Kraftwerke, Technik und Kosten Tabelle 7.18: Stromgestehungskosten der Kernenergie, Basis 2007 Position
Einheit
Kernkraftwerk bestehend
Kernkraftwerk neu
Technische Parameter Installierte Leistung, brutto Eigenbedarf
MW
1.316
1.600
%
4,50%
4,50% 1.528
Netto-Leistung
MW
1.257
Thermische Reaktor-Leistung
MW
3.718
4.300
Benutzungsdauer
h/a
7.500
7.500
%
35,4%
37,2%
43
60
el. Wirkungsgrad, brutto Abbrand pro kg U2O 1)
MWd / kg
Energiebilanz Stromerzeugung, bruto
GWh / a
9.870
12.000
Stromerzeugung, netto
GWh / a
9.426
11.460
Wärmeverbrauch
GWh / a
27.881
32.250
Entladeabbrand (Wärmeverbrauch / 24 h/d)
GWd / a
1.162
1.344
t/a
27,0
22,4
Inbetriebnahmejahr
-
1980
2004
kalkulatorische Lebensdauer
a
-
50
kalkulatorischer Zinssatz, real
%/a
7,5%
7,5%
Verbrauch Kernbrennstoff (U2O) 2)
Technisch/wirtschaftliche Eckdaten
Personal
200
150
€ / (Pers. a)
Personen
90.000
90.000
Preis Kernbrennstoff pro kg U2O, in 2007 3)
€ / kg
2.175
2.175
O & M Kosten bez. auf Anschaffungswert
%/a
2,5%
1,5%
€ / MWh
3,00
3,00
%/a
1,0%
1,0%
Personalkosten
Entsorgungskosten für Kernbrennstoff Versicherungen/Overheads
Investitionsausgaben
Mio. €
3.119
4.938
Mio. €
2.600
4.200
Rücklagen für Stilllegung bei Inbetriebnahme
Mio. €
260
320
Bauzinsen **)
Mio. €
259
418
215.526
602.234
Anschaffungspreis 9,95%
Jahreskosten
1000 € /a
Kapitaldienst 4) Brennstoffkosten
1000 € /a
0
380.576
1000 € /a
58.762
48.711
Personalkosten
1000 € /a
18.000
13.500
O&M-Kosten
1000 € /a
77.968
74.069
Kernbrennstoffentsorgung
1000 € /a
29.610
36.000
Versicherungen/Overheads
1000 € /a
31.187
49.379
€ / MWh
21,84
50,19
Spez. Stromgestehungskosten 1)
vergleichbar mit Heizwert fossiler Brennstoffe, siehe Kapitel 1.3.4 "Herkunft und Preise von Kernbrennstoff 2) Verbrauch Kernbrennstoff = Entladeabrand / Abrand pro kg U2O 3) 4)
siehe Beispiel 1.4 im Abschnitt 1.3.4.4, "spezifische Kosten von Kernbrennstoff" Bestehendes KKW als abgeschrieben angenommen
7.4 Solarthermische Kraftwerke
303
7.4 Solarthermische Kraftwerke 7.4.1 Das Energieangebot der Sonne
Die Sonne strahlt mit einer mittleren Intensität von 1.367 W/m2 (Solarkonstante) auf den äußeren Rand der Erdatmosphäre ein. Ein Teil dieser Energie geht durch Reflektion und Absorption an den oberen Atmosphärenschichten für die Nutzung auf der Erde verloren, ein Teil erreicht die Erde direkt und ein anderer Teil wird an Wolken, Staub und Wassertröpfchen gestreut und erreicht die Erde als diffuse Strahlung. Die auf die Erde eintreffende Sonneneinstrahlung besteht damit, je etwa zur Hälfte, aus zwei Komponenten: • •
der direkten Strahlung (direct irradiation or beam irradiation) der diffusen Strahlung (diffuse irradiation)
Beide Komponenten zusammen heißen Globalstrahlung (global radiation). Die maximale Sonnenstrahlung an der Erdoberfläche beträgt ca. 1.000 W/m2. Sie ist abhängig vom Breitengrad, der Tageszeit und den Wetterverhältnissen; in der Regel besteht weiterhin eine saisonale Abhängigkeit. Im Jahresmittel beträgt z.B. die globale Sonneneinstrahlung im Süden Deutschlands ca. 1000 kWh/(m2a) und in der Sahara zum Vergleich ca. 2.500 kWh/(m2a). Die gesamte von der Sonne eingestrahlte Energiemenge entspricht etwa dem 10.000 fachen jährlichen Primärenergiebedarf der Welt. Die Sonnenenergie wird vor allem auf folgende Weise genutzt werden: • • •
zur Wärmebereitstellung für Heizzwecke und Brauchwarmwasser zur Umwandlung in elektrische Energie in solarthermischen Kraftwerken zur Umwandlung in elektrische Energie durch Photovoltaikanlagen
Im Folgenden werden die beiden zuletzt genannten Nutzungsmöglichkeiten behandelt. 7.4.2 Kollektorsysteme für Solarthermische Kraftwerke
Solarthermische Kraftwerke arbeiten wie konventionelle Anlagen mit dem Unterschied, dass die Wärme nicht von fossilen Brennstoffen bereitgestellt, sondern von der Sonne gewonnen wird. Zur Stromerzeugung kann nur die direkte Sonneneinstrahlung (Direct Normal Irradiation "DNI") genutzt werden. Geeignete Standorte müssen ein jährliches Angebot an direkter Strahlung von mindestens 1.800 kWh/m2 erreichen, während beste
304 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
Standorte über 2.800 kWh/m2 aufweisen. Vielversprechende Regionen für Standorte liegen im sonnenreichen Erdgürtel zwischen dem 40. Breitengrad Nord und Süd und beinhalten meistens Steppen, Buschlandschaften, Savannen und Wüstenregionen [Concentrated Solar Power]. Bei solarthermischen Kraftwerken werden im Wesentlichen drei Typen von Kollektoren verwendet: • • •
Parabolrinnenkollektoren (parabolic trough collectors) Solarturmkollektoren (solar tower or central receiver) Parabolschüsselkollektoren (parabolic dish collector)
Parabolrinnenkollektoren sind das am weitesten entwickelte System. Sie konzentrieren die Sonnenstrahlung, die von den Parabolspiegeln aufgefangen wird, in Absorberrohren in der Brennlinie des Kollektors, − Abb. 7.14 − in denen ein Wärmeträgerfluid, zumeist synthetisches Thermoöl, fließt. Die Absorberrohre sind mit dem Solarfeldrohrleitungssystem verbunden, welches die Wärme zum Kraftwerk transportiert. Das Thermoöl erreicht Temperaturen von ca. 400°C. Moderne Parabolrinnenkollektoren haben eine Länge von 150 m und sind mit einem technisch aufwändigen Sonnennachführungssystem (sun tracking system) ausgerüstet. Bei besten Standorten liegt der thermische Wirkungsgrad des Solarfeldes im Jahresmittel bei ca. 50% und der elektrische Wirkungsgrad von Parabolrinnenkraftwerken bei ca. 15%, beides bezogen auf die normale direkte Sonneneinstrahlung. Absorberrohr
Parabolspiegel
Sonnenstandnachführungssystem Quelle: Concentrated Solar Power
SolarfeldRohrleitungssystem
Quelle: Fichtner Solar
Abb. 7.14: Parabolrinnenkollektor
Beim Solarturmsystem − Abb. 7.15 − wird ein im Kreis oder auf der Schattenseite des Solarturms installiertes Feld von sogenannten Heliostaten (zwei-achsig nachgeführten Spiegeln) verwendet. Diese reflektieren die Sonnenstrahlen auf einen Zentralreceiver, der auf einem Solarturm installiert ist. Ein Wärmeträgerfluid absorbiert die hochkonzentrierte Strahlung und wandelt sie in thermische Energie um. Die bisher verwendeten
7.4 Solarthermische Kraftwerke
305
Wärmeträger sind Wasser/Dampf, verflüssigte Salze und Luft. So können wesentlich höhere Mediumtemperaturen erreicht werden. Wenn Druckluft als Wärmeträger benutzt wird, kann sie auf Temperaturen über 1.000°C erhitzt werden und so direkt in Gasturbinen verwendet werden. So können in GuD-Anlagen Wirkungsgrade bis zu 60% erreicht werden. Zentralreceiver
Heliostaten
Abb. 7.15: Solarturm-Kollektor
Ein Parbolschüsselkollektor − Abb. 7.16 − wird zwei-achsig der Sonne nachgeführt um die Sonnenstrahlen auf einen Receiver zu konzentrieren, der im Brennpunkt der Schüssel installiert ist. Die konzentrierte Sonnenstrahlung wird von einem Absorberfluid oder -gas aufgenommen, welches auf ca. 750 °C erhitzt wird. Dieses Fluid wird dann zur Stromerzeugung in einem kleinen Stirlingmotor oder einer Mikro-Gasturbine verwendet. Aufgrund der Einzelleistungen von 10-30 kWel ist dieses System vor allem für dezentrale Anlagen besonders geeignet.
Receiver
Quelle: Concentrated Solar Power
Abb. 7.16: Parabolschüsselkollektor
Reflektor
306 7 Kraftwerke, Technik und Kosten 7.4.3 Typen von solarthermischen Kraftwerken
Nach der Anordnung der Komponenten unterteilt man die Anlagen in Turm- und in Parabolrinnenkraftwerke. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen durch den Aufbau der Kollektor-Absorbersysteme. Solarthermische Kraftwerke werden außerdem als Hybridanlagen in Kombination mit einer GuD-Anlage als sogenannte Integrated Solar Combined Cycle "ISCC" Anlagen konzipiert. 7.4.3.1 Parabolrinnenkraftwerke
Solarthermische Parabolrinnenkraftwerke (Solar Parabolic Trough Power Plants) werden als Solarfarmen gebaut. Sie werden oft mit einem Wärmespeicher ausgerüstet − Abb. 7.17 −, um eine bessere Anpassung der Stromerzeugung an den Bedarf zu erreichen. Zur Speicherung wird meistens eine Salzschmelze (molten salt) verwendet.
395°C MW
Dampferzeuger
Dampfturbine
Wärme Spei cher
295°C Parabolspiegelfeld
Solar Wärmetauscher
Quelle: Fichtner Solar
Kondensator-Kühlturm
Abb. 7.17: Solarthermisches Parabolrinnenkraftwerk
Es handelt sich um die am besten entwickelte Solartechnologie im Kraftwerkssektor. Zwischen 1984 und 1991 wurden in der Mojave-Wüste in Kalifornien neun solche Anlagen (genannt: Solar Electricity Generating Systems "SEGS") − Abb. 7.18 − mit einer installierten Leistung von insgesamt 354 MW [Concentrated Solar Power] gebaut. Sie wurden mit Privatkapital von insgesamt 1,2 Mrd. US$ finanziert. Die elektrische Leistung der einzelnen Anlagen liegt zwischen 14 MW bei der ersten und 80 MW bei der zuletzt errichteten Anlage. Die gesamte Kollektorfläche beträgt 2 Mio. m2 (5,65 m2/kWel). Der Landbedarf ist um den Faktor 3 bis 5 höher. Diese Anlagen sind an das kalifornische Netz angeschlossen und sind weiterhin im kommerziellen Betrieb.
7.4 Solarthermische Kraftwerke
307
Quelle: photo courtesy of DOE/NREL, Warren Gretz
Abb. 7.18: Solarthermisches Kraftwerk, Kramer Junction, Kalifornien
Die jährliche Sonneneinstrahlung beträgt in der Mojave-Wüste bis zu 2.700 kWh/m2. Alle neun Anlagen nutzen einen Dampf-Rankine-Prozess zur Stromerzeugung und erreichen in den Sommermonaten einen elektrischen Wirkungsgrad von bis zu 21,5% − bezogen auf die direkte Einstrahlung. Wegen der gesetzlichen Rahmenbedingungen in Kalifornien sind sie auch mit einer Erdgas-Zusatzfeuerung für Zeiten niedriger Sonneneinstrahlung und hohen Strombedarfs, meistens verursacht durch Klimaanlagen, ausgerüstet. Im Jahr 2007 ging das erste von zahlreichen neuen Parabolrinnenkraftwerken in den USA ans Netz. Nevada Solar One hat eine NettoLeistung von 64 MWel und speist jährlich ca. 130.000 MWh ins öffentliche Stromnetz ein. Die Anlage besitzt keinen thermischen Speicher. Die spezifischen Investitionen beliefen sich auf ca. 4.200 US$/kW. Ein Meilenstein für die Weiterentwicklung der Solarenergie in Europa ist das AndaSol Projekt in der Provinz Granada in Spanien. Es handelt sich hierbei vorerst um zwei solarthermische Kraftwerksprojekte mit einer elektrischen Leistung von je 50 MW. Am gleichen Standort sind weitere Solarkraftwerke geplant. Die wesentlichen technischen Daten des Projektes sind in der Tabelle 7.19 zusammengefasst. Die hohe Benutzungsdauer wird durch den Speicherbetrieb erreicht. Das Kraftwerk kann durch Speicherentladung bis in die Nacht hinein betrieben werden. Die spezifischen Investitionen für die Anlage betragen ca. 6.000 €/kW installierter Leistung. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass für eine Anlage mit Speicher das Solarfeld erheblich größer ist, damit der Speicher
308 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
aufgeladen werden kann. Der Vorteil von Anlagen mit Speicher ist neben der höheren Benutzungsdauer auch, dass deren Einsatz planbar ist (dispatchable). So kann eine Anlage mit Speicher in der Einsatzplanung eines Kraftwerksparks berücksichtigt werden. Ohne Speicher kann Strom nur nach "Können und Vermögen" geliefert werden und wird entsprechend niedriger vergütet. Die SEGS-Anlagen in Kalifornien haben eine Zusatzfeuerung von bis zu 25% anstatt eines Speichers. Im Hinblick auf die Investitionen ist diese Lösung die preiswertere Alternative. Tabelle 7.19: AndaSol-Projekt I & II, Technisch/wirtschaftliche Daten Projektname Standort Bauträger Sonneneinstrahlung DNI Installierte el. Leistung Solartechnologie Kollektorfläche Fläche des gesamten Areals Wärmespeicher Speicherkapazität Solarenergie-Nutzungsgrad Stromerzeugung, netto Benutzungsdauer, solar Zusatzfeuerung Projektstart Geplante Inbetriebnahme Geschätzte Investitionssumme
AndaSol I & II Spanien, Provinz Granada Cobra, Madrid & Solar Millennium, Erlangen 2.136 kWh/m2/a 2 x 49,9 MW Solar only, Parabolrinnen Typ SKAL-ET 2 x 510.120 m2 (ca. 10,2 m2/kW) je Anlage 1500m x 1300m, 1,95 Mio m2 je 2 Tanks mit 25.000 t Salzschmelze 7,7 Vollaststunden, solar 16% im Jahresmittel 2 x 179,1 GWh/a 3.589 Vollaststunden pro Jahr 15% maximal 2004 2008 bzw. 2009 2 x 300 Mio. €
Quellen: [Concentrated Solar Power] und [Solar Millennium AG]
7.4.3.2 Turmkraftwerke
Solarthermische Turmkraftwerke (solar tower thermal power plants) − Abb. 7.19 − können wegen der großen Strahlungskonzentration mit hohen Prozesstemperaturen arbeiten. Die Konzentrationsdichte der Sonnenstrahlung im Zentralreceiver beträgt ca. das 500 fache. Für Rankine-Prozesse können Dampftemperaturen von 540°C erreicht werden. Bei Luft als Wärmeträger können bei 1000 facher Konzentration der Sonnenstrahlung über 1000°C erreicht werden. Wird die Luft zuvor komprimiert, kann sie in Gasturbinen von GuD-Anlagen direkt als Arbeitsmedium genutzt werden.
7.4 Solarthermische Kraftwerke
309
Die technische Durchführbarkeit der Turmtechnologie wurde seit 1980 in mehreren Demonstrationsanlagen mit einer elektrischen Leistung zwischen 1 bis 10 MW in Europa und Kalifornien bestätigt. Die Gesamtleistung dieser Anlagen beträgt 21,5 MW und die Kollektorfläche 160.000 m2. (7,4 m2/kWel). Bei Verwendung von Luft als Arbeitsmedium für GuDAnlagen kann diese Fläche um 30% reduziert werden. 65bar/460°C 680°C
Turbine Generator
Heliostaten
Verdampfer
Receiver
Sonnenstrahlen Luft Wasserkreislauf Dampfkreislauf
Kondensator-Kühlturm Quelle:Fichtner Solar
Quelle: Dr. Manuel Romero/CIEMAT
Abb. 7.19: Solarthermisches Turmkraftwerk mit Rankine-Prozess
Im Jahr 2007 ging in Spanien das erste kommerzielle Solarturmkraftwerk in Betrieb und zwei weitere Anlagen sind ebenfalls in Spanien im Bau. Das erste Solarturmkraftwerk, PS 10, hat eine Leistung von 11 MW und verwendet einen Sattdampfreceiver. Entwickler der Solarturmtechnologie sind zuversichtlich, dass in naher Zukunft Anlagen mit elektrischen Leistungen von mehr als 200 MW errichtet werden können. 7.4.3.3 Integriertes Solarthermisches-GuD-Kraftwerk (ISCC)
Der Anstieg der Brennstoffpreise und die Stromknappheit während der Tages-Lastspitzen in der Sommerzeit in den USA, aber auch im südlichen Europa, hatten einen drastischen Anstieg der Preise von Spitzenlaststrom zur Folge. Dadurch wird die Wettbewerbsfähigkeit für Solarstrom in diesen Regionen zunehmend besser. Ein vielversprechendes System ist die Integration von Solarsystemen in konventionellen GuD-Kraftwerken − Abb. 7.20 −, sogenannten ISCCKraftwerken (Integrated Solar Combined Cycle). Solche Kraftwerke nutzen die Solarkomponente zur Erzeugung von zusätzlichem Dampf im Abhitzekessel während der Sommerspitzen. Dadurch wird ein flexibler Einsatz solcher Anlagen sowohl in Mittellast als auch zur preiswerteren Deckung der Sommerspitzen ermöglicht. Obwohl sich die ersten ISCC Anlagen momentan erst im Bau befinden, haben mehrere Durchführbarkeitsstudien gezeigt, dass mit diesem Konzept die Kosten für die solare Stromerzeugung (Solarteil plus anteilige Kosten
310 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
des konventionellen Teils) um ca. 22% niedriger sind verglichen mit den Kosten für reine Solaranlagen gleicher Größenordnung [Concentrated Solar Power] und Fichtner Solar.
395°C
100 bar/ 550°C 55 MW
Solar Wärmetauscher Dampfturbine
WärmeSpeicher
Dampferzeuger
295°C 220.000 m² Parabolspiegelfeld
EG
Abgas 550°C Kondensator-Kühlturm 60 MW Quelle: Fichtner Solar G
Gasturbine-Generator-Satz Luft
Abb. 7.20: Integriertes Solar-GuD-Kraftwerk 7.4.4 Investitionsausgaben und Stromgestehungskosten
Die Entwicklung der Solartechnologie im Kraftwerkssektor befindet sich noch in einem frühen Stadium. Die bisher realisierten Anlagen waren entweder Prototypen oder kommerzielle Anlagen in einem Entwicklungsstadium. Die Preise für Strom aus den ersten solarthermischen Kraftwerken liegen heute zwischen 14 und 27 ct/kWh, abhängig von Standort, Größe und Technologie. Industrie und Forschung glauben jedoch, die Stromgestehungskosten in den kommenden 10 bis 15 Jahren durch den Bau neuer Anlagen mit einer Gesamtkapazität von über 10 GW um ca. die Hälfte senken zu können. Dies würde bedeuten, dass solarthermische Kraftwerke an günstigen Standorten sowie in Nischenmärkten wettbewerbsfähig wären. Bei der Kostenreduzierung spielen folgende Punkte eine wichtige Rolle: • Weiterentwicklung von Komponenten und Prozesse (z.B. Direktverdampfung in Parabolrinnenkraftwerken) • Massenproduktion von Schlüsselkomponenten • Markteintritt neuer Hersteller
7.4 Solarthermische Kraftwerke
311
• Skalierung der Anlagengrößen • Lerneffekt bei Entwicklung, Bau und Betrieb der Anlagen Da sich im Moment bereits solarthermische Kraftwerke mit einer Gesamt-kapazität von über 500 MW im Bau und weitere ca. 10 GW in der Planung befinden, scheint eine Kostenhalbierung in den kommenden 10 Jahren als durchaus realistisch. Die derzeitigen Kosten sind jedoch, aufgrund der erhöhten Nachfrage und der geringen Anzahl an Herstellern, noch sehr hoch. In Europa werden vor allem in Spanien, aufgrund der Einspeisevergütung in Höhe von 27 ct/kWh, solarthermische Kraftwerke gebaut. Tabelle 7.20 gibt einen Überblick über die momentanen Investitions- und Stromgestehungskosten von Parbolrinnenkraftwerken an einem typischen Standort mit und ohne thermischen Speicher. Tabelle 7.20: Stromgestehungskosten von Parabolrinnenkraftwerken Position
Einheit
Solar Parabolrinnenkraftwerk ohne Speicher
Solar Parabolrinnenkraftwerk mit Speicher
Technische Parameter Installierte Leistung, brutto
MW
50
50
5,0%
6,0%
Eigenbedarf
%
Nettoleistung
MW
47,5
47,0
h
2.200
3.750
Volllaststunden *) Nutzungsgrad (solar zu elektrisch) Stromerzeugung, gesamt *)
%
15,5%
GWh / a
105
16% 176
Technisch/wirtschaftliche Eckdaten Basisjahr
-
kalkulatorische Lebensdauer
a
25
25
kalkulatorischer Zinsatz, real
%
7,5%
7,5%
Betriebskosten Versicherungen/Overheads/Stilllegung Investitionsausgaben
€ / MWh % Mio. €
2008
2008
25,00 1,5%
25,00 1,5%
200
310 27.810
Jahreskosten Kapitaldienst
1000 € /a
17.942
O&M Kosten
1000 € /a
2.613
4.406
Versicherungen/Overheads
1000 € /a
3.000
4.650
Summe
1000 € /a
23.555
36.867
Spez. Stromgestehungskosten *) typischer Standort
€ / MWh
225 Quelle: Fichtner Solar
209
Die Anlage mit Speicher hat ein wesentlich größeres Solarfeld, wodurch die spezifischen Investitionsausgaben (ca. 6.000 €/kW) deutlich über denen der Anlage ohne Speicher (ca. 3.900 €/kW) liegen. Die Stromgeste-
312 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
hungskosten der Anlage mit Speicher liegen jedoch etwas unter den Stromgestehungskosten der Anlage ohne Speicher, da diese mehr Strom erzeugt. Durch den thermischen Speicher ist der Einsatz dieser Anlage wesentlich besser planbar, wodurch sich höhere Einnahmen aus dem Stromverkauf erzielen lassen. Im Vergleich zu Parabolrinnenkraftwerken, sind die Stromgestehungskosten für Solarturmkraftwerke momentan höher. So konnte das PS10 Solarturmkraftwerk trotz spanischer Einspeisevergütung nur mit Hilfe zusätzlicher Mittel finanziert werden. Langfristig wird jedoch damit gerechnet, dass die Stromgestehungskosten für Solarturmkraftwerke, aufgrund des größeren Entwicklungspotentials und höherer Prozesstemperaturen, unter denen von Parabolrinnenkraftwerken liegen werden. Die Stromgestehungskosten für Parabolschüsselanlagen sind derzeit noch sehr hoch, da bisher nur Prototypen in kleinen Stückzahlen produziert wurden. Es gibt jedoch Pläne, große Anlagen, bestehend aus mehreren tausend Parabolschüsseln, zu bauen, und durch die Massenfertigung die Stromgestehungskosten deutlich zu reduzieren.
7.5 Photovoltaik Anlagen 7.5.1 Physikalisch-technische Grundlagen
Entsprechend der Zielsetzung dieses Buches werden in den folgenden Abschnitten nach einer Einführung in die physikalisch-technischen Grundlagen im Wesentlichen größere Freiland Photovoltaik-Anlagen behandelt. Weiterführende Fachliteratur auch über gebäudeintegrierte Anlagen ist im Solarserver aufgelistet [Solarserver]. Besonders empfehlenswert sind unter anderem [Häberlin], [Quaschning], [PV-Leitfaden] und [Wagner]. 7.5.1.1 Der Photoeffekt
Als Photovoltaik (Abkürzung „PV“) wird die direkte Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische Energie mittels Solarzellen bezeichnet. Der Ausdruck Photovoltaik ist eine Zusammensetzung aus dem Genetiv des griechischen Wortes für Licht „φως, Genetiv φωτος“ und dem Namen des Physikers Alessandro Volta. Der Umwandlungsprozess basiert auf dem Photoeffekt, der vereinfacht erklärt wie folgt zustande kommt: Das Sonnenlicht besteht aus Photonen, diese sind Energiebündel mit unterschiedlicher Energieintensität entsprechend den verschiedenen Wellenlängen des Sonnenlichts. Wenn ein Photon auf eine Solarzelle trifft und von dieser absorbiert wird, überträgt es seinen Energieinhalt auf das Elektron eines
7.5 Photovoltaik Anlagen
313
Atoms der Zelle. Das Elektron kann sich mit seiner neu gewonnenen Energie von seinem Verbund im Atom lösen und wird Teil eines elektrischen Stromes in einem Stromkreis. Die Sonneneinstrahlung setzt sich aus der direkten und der indirekten Strahlung zusammen. Die Summe aus beiden ist die Globalstrahlung. Im Gegensatz zu solarthermischen Anlagen können Photovoltaikanlagen sowohl die direkte als auch die indirekte Sonnenstrahlung nutzen. Der relevante Parameter für Photovoltaik ist somit die Globalstrahlung. 7.5.1.2 Aufbau und Funktionsweise von Solarzellen
Konventionelle PV-Zellen haben meist als aktive Schicht das Halbleitermaterial Silizium (silicon). Halbleiter sind Stoffe, die unter Lichteinwirkung elektrisch leitfähig werden, während sie bei tiefen Temperaturen isolierende Eigenschaften haben. Bei der Herstellung der Solarzelle wird das Halbleitermaterial „dotiert“ [Solarserver]. Damit wird das definierte Einbringen von chemischen Elementen gemeint, mit denen man entweder einen positiven Ladungsträgerüberschuss (p-leitende Halbleiterschicht) oder einen negativen Ladungsträgerüberschuss (n-leitende Halbleiterschicht) im Halbleitermaterial erzielen kann. Werden zwei unterschiedlich dotierte Halbleiterschichten gebildet, entsteht an der Grenzschicht ein so genannter p-n Übergang. An diesem Übergang baut sich ein inneres elektrisches Feld auf, das zu einer Ladungstrennung der bei Lichteinfall freigesetzten Ladungsträger führt. Über Metallkontakte kann eine elektrische Spannung abgegriffen werden. Wird ein elektrischer Verbraucher an die Kontakte angeschlossen, fließt ein Gleichstrom [Solarserver]. Silizium Solarzellen sind 10x10 cm, 12,5x12,5 cm oder 15x15 cm groß. Die Dicke der Solarzelle ist ca. 0,3 mm, die Dicke der n-Halbleiterschicht ca. 0,002 mm. Eine durchsichtige Antireflexschicht dient zum Schutz der Zelle und zur Verminderung von Reflexionsverlusten an der Zellenoberfläche. Die abgreifbare Klemmenspannung beträgt bei Siliziumzellen etwa 0,5 V. Die Spannung bleibt bei zunehmender Lichteinstrahlung quasi konstant, währen die Stromstärke und damit auch die Leistung linear ansteigen. Bei einer 100 cm2 großen Siliziumzelle erreicht die maximale Stromstärke bei einer Bestrahlung von 1000 W/m2 etwa einen Wert von 2 A bzw. eine Leistung von 1 W. 7.5.1.3 Typen von Solarzellen
Es gibt verschiedene Typen von Solarzellen, die sich nach Verwendungszweck, Herstellungsverfahren und Art der Beschichtung unterscheiden:
314 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
• • • •
Monokristalline Silizium Zellen Polykristalline Silizium Zellen Amorphe Silizium Zellen Dünnschichtzellen.
Monokristalline Zellen charakterisiert eine periodische Anordnung ihrer Kristalle in nur eine Richtung. Aus der Siliziumschmelze werden einkristalline Stäbe gezogen und anschließend in dünne Scheiben gesägt. Sie benötigen hochreines Halbleitermaterial zur Herstellung und erfordern den höchsten Energie- und Kostenaufwand verglichen mit allen anderen Zelltypen. Sie erreichen aber auch die höchsten Wirkungsgrade. Polykristalline Zellen sind die am meisten angewandte Zellentechnologie. Bei ihrer Herstellung wird flüssiges Silizium in Blöcke gegossen. Bei der Erstarrung des Materials bilden sich Kristallstrukturen unterschiedlicher Größe und Orientierung, deren Grenzen auch Defekte aufweisen können. Sie werden anschließend in dünne Scheiben gesägt. Energieaufwand sowie Produktionskosten bei ihrer Herstellung sind wesentlich niedriger, verglichen mit monokristallinen Zellen. Allerdings ist auch ihr Wirkungsgrad entsprechend niedriger. Amorphe Siliziumzellen finden Anwendung für Taschenrechner und Uhren. Ihre Produktionskosten aber auch ihr Wirkungsgrad sind verglichen mit den anderen Zellentypen die niedrigsten, sie werden bei Photovoltaikanlagen nicht verwendet. Dünnschichtzellen sind eine neue Technologie. Die hohen spezifischen Kosten und der auftretende Mangel an kristallinem Silizium haben Anlass zur Entwicklung von größeren Solarzellen mit niedrigerem Materialaufwand gegeben. Die Dünnschichttechnologie (thin film) ermöglicht die Herstellung von Solarzellen, deren Aktivschicht nur wenige Mikron (µm) dick ist. Sie besteht meist aus einer unterschiedlich dotierten KupferIndium-Selen Anordnung. Sie werden als CIS-Zellen (CuInSe2) bezeichnet. Sie werden großflächig direkt auf das Trägermaterial aufgebracht wie Glas, Metall oder Plastikfolien. Im Gegensatz zu Kristallzellen haben Dünnschichtzellen keine metallischen Kontakte zur Spannungsabnahme. Die Spannung wird stattdessen direkt an zwei Anschlüssen aus einer dünnen Schicht von leitendem Oxid abgegriffen. CIS-Zellen haben erheblich weniger Materialaufwand, einen hohen Wirkungsgrad und günstige Herstellungskosten. Als Wirkungsgrad einer Solarzelle wird das Verhältnis zwischen abgegebener elektrischer Leistung und der Sonneneinstrahlung bezeichnet. Der Wirkungsgrad hat einen Einfluss auf den Flächenbedarf einer PV-Anlage. Niedrigerer Wirkungsgrad hat einen größeren Flächenbedarf zur Folge. In
7.5 Photovoltaik Anlagen
315
der Tabelle 7.21 sind Richtwerte für Wirkungsgrade für verschiedene Zellmaterialien aufgelistet. Tabelle 7.21: Wirkungsgrad von Solarzellen und -modulen Zellenwirkungsgrad %
Modulwirkungsgrad %
Material Labor
Produktion
heute
in ca. 10 Jahren
Monokristallines Silizium
24,7
21,5
17
20
Polykristallines Silizium
20,3
16,5
14,5
18
11 - 12
10,5
8-9
9 - 12
19,5
14
11
15
Amorphes Silizium CIS, CuInSe2
Quellen: Fraunhofer ISE, Uni Stuttgart, DLR für Luft- und Raumfahrt e.V.
7.5.2 PV-Module − Aufbau, Funktionsweise, Kenngrößen
Die Spannung nur einer Solarzelle ist für technische Anwendungen zu klein, deshalb werden mehrere Solarzellen zu Solarmodulen miteinander verbunden. Sie werden meist in Reihe geschaltet. Bei einer Reihenschaltung addieren sich Spannungen der einzelnen Zellen zu einer höheren Gesamtspannung, während in allen Zellen der gleiche Strom fließt. Bei einer Parallelschaltung bleibt die Spannung konstant, und die Stromstärken addieren sich. Die miteinander verschalteten Zellen werden meist in transparentem Ethylen-Vinyl-Acetat (EVA) eingebettet, auf Verbundfolie oder Glas befestigt, mit einem Rahmen aus Aluminium oder Edelstahl versehen und frontseitig mit Glas abgedeckt. Die Nennleistung PN eines Solarmoduls wird in Watt Peak (Wp) bzw. in Kilowatt Peak (kWp) angegeben. Das ist die Leistung von Solarmodulen unter genormten Testbedingungen (STC − Standard Test Conditions) von 1000 W/m2 Einstrahlung, 25 °C Modultemperatur und einer Luftmasse von 1,5 AM. Der Maximum Power Point „MPP“ ist der Punkt des StromSpannungsdiagrams eines Moduls, an dem bei der jeweiligen Einstrahlung die höchste Leistung PMPP entnommen werden kann. Mit anderen Worten ist das der Punkt, an dem das Produkt aus Spannung und Stromstärke sein Maximum erreicht. Der MPP ist nicht konstant, er verschiebt sich mit sich ändernder Einstrahlung. Bei PV-Anlagen werden Mikroprozessoren eingesetzt − die so genannten MPP-Tracker, die abhängig von der Einstrahlung
316 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
die Spannung optimalen einregeln, damit das Modul am MPP operiert und somit seine höchste Leistung abgibt. Mit zunehmender Einstrahlung steigt im Wesentlichen der Modulstrom, während die Spannung sich nur geringfügig ändert bis sie nach Erreichen des MPP zusammenbricht. Der MPP verschiebt sich leicht in Richtung höhere Spannung.
Abb. 7.21: Modulkennlinien
Eine steigende Modultemperatur bewirkt ein Absinken der Modulspannung. Das hat zur Folge, dass Leistung und Wirkungsgrad des Moduls niedriger werden. Der Temperatureinfluss wird durch den Temperaturkoeffizienten ausgedrückt. Dieser gibt die Abnahme der Leistung eines Moduls bei steigender Modultemperatur, bezogen auf die Nominalleistung in %/K, an. Bei der Normtemperatur von 25 °C beträgt die Leistungsabgabe 100%, bei kristallinen Modulen hat der Temperaturkoeffizient einen Wert von ca. − 0,4%/K. Ein Modul, das bei 60°C arbeitet, hat dann eine um 14% (-0,4%/K x (60-25) K = -14%) niedrigere Leistung bezogen auf die Nennleistung. Die Betriebstemperatur der Module ist meist höher als 25°C. Alterung (Degradation): PV-Module haben eine technische Lebensdauer von über 20 Jahren. Zu einem gewissen Grad nimmt die Leistung der Module durch Alterung ab. Allerdings liegen noch keine gesicherten Erfahrungen darüber für Module nach dem derzeitigen Stand der Technik vor. Hersteller von Modulen geben üblicherweise in ihren Angeboten eine Leistungsgarantie von 90% der Nennleistung über 10 Jahre sowie von 80% über 25 Jahre. Die Internationale Norm [IEC 61215] definiert Anforderungen für die Bauarteignung und Bauartzulassung terrestrischer photovoltaischer Module, die für den Langzeitbetrieb in gemäßigten Freiluftklimaten
7.5 Photovoltaik Anlagen
317
geeignet sind. In PV-Anlagen eingesetzte Module sind üblicherweise nach dieser Norm zertifiziert. Abschattung und hot Spot: Bei Photovoltaikanlagen werden mehrere Module vom selben Typ und gleicher Leistung in Strängen (Strings) in Reihe geschaltet. So liefern sie Gleichstrom mit einer höheren Spannung, die im nachgeschalteten Wechselrichter in Wechselspannung umgeformt wird. Besonders wichtig ist, dass alle Module desselben Typs sind und ihre Leistung gleich ist, denn das schwächste Glied bestimmt die Leistungsabgabe des gesamten Strings. Dies ist besonders ausgeprägt bei Abschattung von einzelnen Modulen. Solarzellen sind Halbleiter. Sie leiten Strom bei Lichteinstrahlung, sonst verhalten sie sich wie Widerstände. Wenn bei einem String eines der in Reihe geschalteten Module ganz oder teilweise sich im Schatten befindet, sinkt seine Leitfähigkeit, und er wird in der Reihenschaltung zum Verbraucher. Außerdem sinkt der Strom und damit die Leistung des gesamten Strings. Das beschattete Modul wird zum Hot Spot, es kann überhitzt und zerstört werden. Das wird durch parallel geschaltete Bypassdioden verhindert − Abb. 7.22.
Abb. 7.22: Abschattung, Hot Spot und Bypassdioden [Staedler] 7.5.3 Aufbau von Photovoltaik Anlagen
Photovoltaikanlagen kann man nach ihrem Installationsort als Gebäude integrierte Anlagen, Dachflächenanlagen, Fassadenanlagen und Freiflächenanlagen unterscheiden. Bei den ersten beiden handelt es sich meist um Kleinanlagen mit Leistungen zwischen 2 und 20 kWp. Freiflächenanlagen
318 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
sind bis zu 20 MWp und sind bereits seit einigen Jahren im Betrieb, in Deutschland ist eine Anlage mit einer Leistung von 40 MWp im Bau. In Südeuropa sind Anlagen mit bis zu 100 MW in Planung. Photovoltaikanlagen sind relativ einfach aufgebaut. Mehrere Photovoltaikmodule werden zu einem PV-Generator oder Solarfeld (Array) zusammengeschaltet. Der Solargenerator erzeugt Gleichstrom, der im nachgeschalteten Wechselrichter (Inverter) in Wechselstrom umgeformt wird. Die Netzeinspeiseeinrichtung stellt die Verbindung zwischen der Photovoltaikanlage und dem öffentlichen Netz her. Die PV-Generatoren (arrays) bestehen aus mehreren miteinander verschalteten Modulen, die auf ein Gestell montiert sind. Die Module können entweder fest zur Sonne, entsprechend der geographischen Breite, ausgerichtet sein oder mit einer ein- oder zweiachsigen Nachfahr-Einrichtung (Tracker) ausgerüstet sein. PV-Kraftwerke bestehen je nach Leistung aus einer großen Anzahl von PV-Generatoren. Durch das Nachfahren kann eine beträchtliche Steigerung des Energieertrages (Solar gain) erreicht werden. Allerdings steigen damit der ohnehin extrem hohe Landflächenbedarf sowie die Investitionsausgaben. In der nachstehenden Tabelle 7.22 wird eine vergleichende Gegenüberstellung gezeigt. Tabelle 7.22: Gegenüberstellung von Tracking Systemen AufstellungsSystem Fix optimal orientiert
*)
Ertrags gewinn %
InvestKosten € / Wp *)
0
4,5 − 5
1-achsig horizontal Tracking
11 − 17
5 − 5,3
1-achsig vertical Tracking
22 − 29
5 − 5,6
2-achsiges Tracking
34 − 40
5,2 − 6,2
Investitionen für die Gesamtanlage
Vor- und Nachteile Flächenbedarf 2,5 − 3,5 ha/MW Einfache Montage, Kürzere Bauzeit Niedriger Wartungsbedarf Relativ niedriger Ertrag Mäßiger Ertragsgewinn Flächenbedarf 4,5 − 6,5 ha/MW Zusätzliche Investitionen und Wartungsbedarf für das Tracking System Relativ hoher Ertraggewinn Flächenbedarf 4,5 − 6,5 ha/MW Mögliche Abschattungseffekte Zusätzliche Investitionen und Wartungsbedarf für das Tracking System Höchster Ertragsgewinn Hoher Flächenbedarf 6,5 − 8,5 ha/MW Hohe Investitionen und erhöhter Wartungsaufwand für das Tracking System Mögliche Abschattungseffekte Quelle: Fichtner
7.5 Photovoltaik Anlagen
319
Primäraufgabe des Wechselrichters ist es, den Gleichstrom in Wechselstrom umzuwandeln. Er übernimmt aber auch das MPP-Tracking (Maximum-Power-Point Steuerung) und die Netzüberwachung. Es gibt Modulwechselrichter und Strangwechselrichter. Strangwechselrichter können für jeden Strang einen eigenen MPP ansteuern. So können auch unterschiedlich große Stränge optimal betrieben werden. Der Wirkungsgrad der Wechselrichter liegt bei etwa 95%. Die Netzeinrichtung umfasst sämtliche Kabel, Wechselrichter, Schaltanlagen, Transformatoren, Messeinrichtungen und Anschlüsse. Bei netzgekoppelten größeren PV-Anlagen wird der erzeugte Strom meist in das Mittelspannungsnetz eingespeist. Die PV-Generatoren − Abb. 7.23 − werden auch als Komplettsystem angeboten. Sie enthalten alle technischen Komponenten, um Gleichstrom aus Sonnenlicht zu erzeugen, in Wechselstrom umzuwandeln und dann in das Versorgungsnetz einzuspeisen.
Typ Nennleistung (STC) Anzahl Module Modulfläche Wechselrichter Systemgewicht Fundament Nachführung Flächenbedarf
SOLON Mover L DC Ø 7.500 Wp 12 Großmodule mit 5 mm Glas, verklebt mit Stahlrahmen 2
52,7 m 3 Wechselrichter, Ertragsoptimierung durch parallele Verschaltung 3.780 Tonnen (ohne Fundament) 3 m Durchmesser, 85 cm Höhe, 13 t zweiachsig, astronomisch, 2 Drehstrom Asynchron-Antriebsmotoren ca. 5 ha für 1 MW, abhängig von Topographie, Standort und Bewuchs
Abb. 7.23: Komplett PV-System mit zweiachsiger Nachführung 7.5.4 Kenngrößen von PV-Anlagen
Die Kenngrößen zur Beurteilung von PV-Anlagen sind Leistung, Ertrag, Wirkungsgrad und Performance Ratio [IEA-PVPS]. Diese Parameter werden in der EU-Guideline für die Beurteilung von Photovoltaik Anlagen[EC-PV] und in IEC Standard 61724 [IEC] definiert. Die Nennleistung wird angegeben als die Summe der Leistungen aller Module in kWp unter den Standard Test Conditions Einstrahlung 1000 W/m2 , Modultemperatur 25°C und 1.5 AM.
320 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
Der spezifische Energieertrag Yf (final yield) ist definiert als die gesamte Energieausbeute innerhalb eines Zeitraums bezogen auf die Nennleistung in kWh/kWp. Zahlenmäßig ist es gleich mit dem üblichen Maß für Energieanlagen Vollbenutzungsstunden h/a. Das Performance Ratio „PR“ ist der Quotient aus dem realen Energieertrag Yf und dem theoretischen Ertrag. PR =
Yf Yf + Lc + Ls
[−]
Gl. 7.6
Die spezifischen Anlageverluste werden durch Lc „capture losses“erfasst, das ist die Abweichung der Leistung des PV-Generators von Modulleistung und Ls Systemverluste durch Ohmsche Verluste der DCKomponenten und Wechselrrichterverluste. Das PR ist damit unabhängig vom Standort und wird als Kriterium für die energetische Qualität von PVAnlagen verwendet. Übliche PR-Werte bei fest aufgestellten PVGeneratoren liegen zwischen 70% und 80%. Bei modernen Großanlagen mit Nachführungssystemen können auch PR-Werte über 85% erreicht werden. Für die wirtschaftliche Beurteilung von PV-Anlagen ist der jährliche Energieertrag die maßgebliche Größe. Er ist abhängig von der Einstrahlung am Standort und vom Aufstellungs- und Nachführungssystem der PV-Generatoren. Außerdem spielen der Flächenbedarf und die spezifischen Investitionen eine Rolle. In der nachstehenden Tabelle ist die Globalstrahlung für ausgewählte europäische Städte und Richtwerte für den Energieertrag zu ersehen.
Abb. 7.24: PV-Anlage Günching, 1-achsiges Nachführungssystem
7.5 Photovoltaik Anlagen
321
Tabelle 7.23: Globalstrahlung in ausgewählten Orten in Europa Mittelwert der Globalstrahlung Ø 2001−2007 Neigung 30° Südausrichtung
Ort
2
2
Wh / (m d) kWh / (m a) Deutschland Bremen 3.000 1.095 3.060 1.117 Leipzig München 3.550 1.296 3.350 1.223 Freiburg Konstanz 3.320 1.212 Spanien Alicante 5.200 1.898 Granada 5.350 1.953 Italien Rom 4.600 1.679 Palermo 5.140 1.876 Griechenland Athen 4.890 1.785 Heraklion, Kreta 4.870 1.778 Quelle: PVGIS, European Communities [PVGIS]
mittlerer Jahresertrag bei PR= 0,75 kWh / kW p 821 838 972 917 909 1.424 1.465 1.259 1.407 1.339 1.333
In der nachstehenden Tabelle 7.24 werden die für Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen wichtigen Parameter für ausgewählte große PV-Anlagen in Deutschland gezeigt. Der Ertrag der ersten beiden Anlagen ist durch das Nachführungssystem wesentlich höher, das gleiche gilt allerdings auch für die spezifischen Investitionsausgaben und den Flächenverbrauch. Tabelle 7.24: Datenprofile von PV-Anlagen in Deutschland Solarpark Gut Erlasee Arnstein bei Würzburg
Leistung Spez. Ertrag Fläche MWp kWh / kWp Hektar *)
System Nachführung
€ / kWp Baujahr
Quelle
12,00
1.167
77
2-achsig 1.408 Solon Mover
5.833
2005
Der Solarserver
10,10
1.074
25
1-achsig 57.618 Module PowerLichtCo
4.901
2005
Der Solarserver
Waldpolenz/Rote Jahne bei Leipzig **)
30,10
950
200 **)
fix 30° Neigung 550.000 Module *)
3.551
2007 2008
Umweltfinanz
Miegersbach Bayern
5,30
984
-
fix 30° Neigung 32.000 Module
3.962
2005
Phoenix Solar
Göttelborn bei Saarbrücken
4,35
958
-
25.000 Module
3.882
2007
Umweltfinanz
Bavaria Mühlhausen 6,3 MWp Günchig 1,9 MWp Minihof 1,9 MWp
*) 1 Fußballfeld ca. 0,66 Hektar
**) Rote Jahne 6 MW, Waldpolenz 24,1 MW, bei Endausbau 40 MWp geplant
7.5.5 Stromgestehungskosten
Die Investitionsausgaben für PV-Großanlagen sind verglichen mit denen von anderen Konkurrenzsystemen, wie Windkraft, noch sehr hoch. Zum Vergleich, die Investitionen für großen Onshore Windkraftanlagen mit ei-
322 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
ner elektrischen Leistung von ca. 2,5 MW liegen bei 1.000 €/kW. Darüber hinaus ist der spezifische Energieertrag von Windkraftanlagen in guten Binnenland Standorten etwa doppelt so hoch. Auch der Landflächenverbrauch von Freiluftanlagen ist enorm hoch. Das ist wiederum der große Vorteil von gebäudeintegrierten PV-Anlagen, sie benötigen keine zusätzliche Flächen für ihrer Aufstellung. Im Gegenteil, es können sogar Kosteneinsparungen erzielt werden z.B. bei Dachanlagen. Bei Standorten in Gebieten, die für die Landwirtschaft nicht nutzbar sind, wie z.B. Wüstenstandorte in Afrika, USA oder Australien, ist der hohe Flächenbedarf kein gravierender Nachteil. In der nachstehenden Tabelle 7.25 wird eine überschlägige Berechnung der Stromgestehungskosten von PV-Kraftwerken gezeigt. Tabelle 7.25: Stromgestehungskosten von großen PV-Anlagen Merkmal
Einheit
Süddeutschland
Südeuropa
Technische Daten Nennleistung
MWp
Energieertrag
kWh / kWp
1.000
1.500
MWh / a
10.000
15.000
Jahres-Energieertrag Aufstellung der Generatoren
-
10
Fix optimal orientiert
Wirtschaftliche Eckdaten kalkulatorische Lebensdauer kalkulatorischer Zinssatz, real *) O&M Kosten Pacht
a
25
%/a
6,0%
%/a ct / kWh
Versicherungen
%/a
Investitionsausgaben
Mio. €
0,50% 0,35
0,20
0,75% 35
35
Jahreskosten Kapitaldienst
1000 € / a
2.738
2.738
O&M Kosten
1000 € / a
175
175
Pacht
1000 € / a
35
30
Versicherungen
1000 € / a
263
263
Summe
1000 € / a
3.210
3.205
ct / kWh
32,10
21,37
Spez. Stromgestehungskosten
*) Max. damit Stromgestehungskosten etwa gleich Vergütungssatz nach EEG 2009
Die Vergütung für Strom aus solarer Strahlungsenergie nach EEG 2009 beträgt für Freilandanlagen, die 2009 in Betrieb gehen, 31,94 ct/kWh. Bei Inbetriebnahme 2010 wird sie um 10% reduziert und für jedes weitere Jahr der Inbetriebnahme um 9%. Die Vergütungssätze in Südeuropa sind zur Zeit auskömmlich (z.B. Spanien: königliches Dekret 661/2007).
7.6 Wasserkraftwerke
323
7.6 Wasserkraftwerke 7.6.1 Physikalische Grundlagen
Bei Wasserkraftwerken (hydro power stations) wird die kinetische und potentielle Energie einer bestimmten Wassermenge in mechanische und anschließend in elektrische Energie umgewandelt. Die Leistung des Wasserkraftwerkes errechnet sich aus dem Massenstrom des Wassers und der nutzbaren Fallhöhe nach folgender Gleichung: P = ηtot × ρ × g × Q × h [W] ηtot: ρ: g: Q: h:
Gl. 7.7
Gesamtwirkungsgrad Dichte des Wassers (kg/m3) Erdbeschleunigung (9,81 m/s2) Wasserdurchfluss (m3/s) Fallhöhe (m)
Der Gesamtwirkungsgrad ηtot setzt sich aus dem Wirkungsgrad der Wasserzuleitung, dem Turbinen- und dem Generatorwirkungsgrad zusammen. Unter Annahme mittlerer Verhältnisse für den Wirkungsgrad und multipliziert mit der Dichte des Wassers und der Erdbeschleunigung ergibt sich die vereinfachte Formel: P = 8 × Q × h [kW]
Gl. 7.8
Die Jahresarbeit von Wasserkraftwerken ist stark abhängig vom Wasseraufkommen im betreffenden Jahr. Vor dem Bau eines Wasserkraftwerkes müssen umfangreiche hydrologische Untersuchungen für mehrere Jahre, mindestens für einen Zeitraum von zehn, oft von zwanzig Jahren, durchgeführt werden, um das Abflussverhalten am betreffenden Standort zu analysieren. Ein Regeljahr ist ein fiktives Jahr, dessen wasserwirtschaftliche Größen das arithmetische Mittel in der langjährigen Messperiode darstellen. Das Regelarbeitsvermögen ist die elektrische Arbeit, die im Regeljahr erzeugt werden kann. Dies ist ein wichtiger Parameter für die Auslegung und die Ermittlung der Wirtschaftlichkeit von Wasserkraftwerken. 7.6.2 Typen von Wasserkraftwerken
Im Allgemeinen kann zwischen folgenden Typen von Wasserkraftwerken unterschieden werden (Fachliteratur [Giesecke], [vonKönig, Jehle], [Sandor]:
324 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
• • • • • •
Niederdruckkraftwerke Laufwasserkraftwerke Stau- oder Schwellenkraftwerke Hochdruckkraftwerke Speicherkraftwerke Pumpspeicherkraftwerke
Bei Laufwasserkraftwerken (run-of-river power stations) - Abb. 7.25.wird die Energie des strömenden Wassers eines Flusses zur Stromerzeugung genutzt. Dabei wird der jeweils anfallende nutzbare Wasserzufluss unverzögert genutzt. Laufwasserkraftwerke werden entweder direkt am Fluss oder an einem Ausleitungskanal gebaut. Charakteristisch ist eine niedrige Fallhöhe zwischen Ober- und Unterlauf und ein relativ großer jahreszeitlich schwankender Wasserdurchfluss. Bei schiffbaren Flüssen werden Wasserkraftwerke oft in Verbindung mit Schiffsschleusen gebaut. Laufwasserkraftwerke werden als Grundlastanlagen mit einer durchschnittlichen Benutzungsdauer von 4.000 bis 6.000 Vollbenutzungsstunden pro Jahr eingesetzt.
Quelle: /Landesgewerbeamt Baden-Württemberg, Informationszentrum
Abb. 7.25: Laufwasserkraftwerk
Bei schwellbetriebsfähigen Laufwasserkraftwerken (pondage power stations) wird die Leistung durch Aufstauen und Abstauen des Wasserzuflusses dem Bedarf angepasst. Zu Schwachlastzeiten wird für wenige Stunden der gesamte Zufluss im Stauraum zurückgehalten (Aufstau). Zu Starklastzeiten kann dann durch Abstau eine entsprechend höhere Leistung bereitgestellt werden. Solche Kraftwerke erzeugen überwiegend Mittellaststrom. Im freien Energiemarkt werden sie zur Bandlieferung während des Tages eingesetzt. Speicherkraftwerke (storage power stations) - Abb. 7.26 - nutzen die Fallhöhen des Wassers aus Talsperren oder Bergspeichern, die durch einen natürlichen Zufluss gespeist werden. Das Wasser wird bei niedrigem Strombedarf gespeichert und bei steigendem Bedarf mit hohem Druck dem
7.6 Wasserkraftwerke
325
tiefer liegenden Kraftwerk zugeführt. Je nach Größe und geodätischen Gegebenheiten erzeugen sie Mittellast- oder Spitzenlaststrom.
Quelle: /Landesgewerbeamt Baden-Württemberg, Informationszentrum
Abb. 7.26: Speicherkraftwerk
Pumpspeicherkraftwerke (pump storage power stations) bestehen aus einem hochgelegenen Oberbecken, in welches bei Stromüberangebot Wasser von einem niedriger gelegenen Unterbecken hochgepumpt wird. Bei Stromspitzen wird das Wasser dem tiefer liegenden Kraftwerk zugeführt und Spitzenlaststrom erzeugt. Der Pumpstrom wird als Überschussstrom meistens in thermischen Kraftwerken erzeugt, die aus verschiedenen Gründen bei Schwachlast in Betrieb bleiben müssen. Die Leistung aller Laufwasser- und Speicherkraftwerke in Deutschland beträgt derzeit ca 3.700 MW, das Regelarbeitsvermögen ca. 19 TWh/a [Wagner, Energiefakten 2003]. Die größten Anlagen sind: • • •
Jochenstein/Donau, Grenzkraftwerk mit Österreich 132 MW Ryburg-Schwörstadt, Grenzkraftwerk mit der Schweiz 120 MW Iltezheim, Grenzkraftwerk mit Frankreich 108 MW
Die Leistung der 33 Pumpspeicher-Kraftwerke beträgt 6.610 MW. Die größten sind: • • • •
Goldisthal Waldeck Wehr Markersbach
4 × 265 MW (Inbetriebnahme 2003) 2 × 240 MW 4 × 225 MW 6 × 175 MW
7.6.3 Bauarten von Wasserturbinen
Von einer Vielzahl von Turbinentypen, die im Laufe der Jahre entwickelt wurden, haben sich vier Typen durchgesetzt - Abb. 7.27.
326 7 Kraftwerke, Technik und Kosten Durchström turbine
Kleinwasserkraftwerke Fallhöhe: 1 bis 200 m 1 kW bis 2 MW
Francisturbine
Universell einsetzbar 20 bis 850 m 100 kW bis 1000 MW
Kaplanturbine
Peltonturbine
Laufwasserkraftwerke Speicherkraftwerke 2 bis 70 m 100 bis 2000 m 100 kW bis 50 MW 100 kW bis 400 MW
Abb. 7.27: Eigenschaften und Einsatzbereiche von Wasserturbinen
Die Wahl des Turbinentyps hängt im Wesentlichen von der Wassermenge und der Fallhöhe ab. Ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Auswahl der Turbine ist das Teillastverhalten, da Wasserkraftwerke im Laufe des Jahres mit unterschiedlichen Wassermengen betrieben werden. Wasserturbinen sind einfache, robuste Konstruktionen, sie sind beständig gegen mechanische Beanspruchungen durch Verunreinigungen, Hochwasser und Frost, ihre technische Nutzungsdauer beträgt mehr als 50 Jahre. 7.6.4 Anlagenbestand, Stromerzeugung, Ausbauperspektiven
Das Regelarbeitsvermögen der in Deutschland betriebenen Laufwasserund Speicherkraftwerke ohne Pumpspeicher beträgt z.Z. ca. 19 TWh/a, das entspricht einem Deckungsbeitrag bei der Stromerzeugung von ca. 4,5%. Die bisher beobachtete Schwankungsbreite des Regelarbeitsvermögens liegt zwischen 82% (tiefster Wert 1976) und 124% (höchster Wert 2002) [Wagner, Energiefakten, 2003]. Der Betrieb von bestehenden Wasserkraftwerken ist praktisch emissionsfrei und hat kaum negative Auswirkungen auf die Umwelt, sofern eine Stauhaltung für die Schifffahrt ohnehin erforderlich ist. Probleme entstehen jedoch beim Bau von neuen Anlagen. Das empfindliche ökologische Gleichgewicht von Flusslandschaften wird durch Überschwemmungen großer Gebiete erheblich beeinträchtigt, und die Lebensräume von Tieren und Pflanzen sowie oft auch von Menschen in der Umgebung können vernichtet werden. Deswegen wird der Bau von neuen Anlagen durch eine Reihe von Gesetzen sehr restriktiv behandelt.
7.6 Wasserkraftwerke
327
Andererseits soll die Wasserkraft einen besonderen Beitrag bei der Erreichung der angestrebten Klimaschutzziele leisten. Eine Möglichkeit hierzu wäre die Ertüchtigung und Erweiterung bestehender Laufwasserkraftwerke. Im Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit in 2003 wurden in diesem Zusammenhang [BMWA - Fichtner, 2003] die Ausbaumöglichkeiten der Wasserkraft durch folgende Maßnahmen untersucht: • • •
Modernisierung: Technische Komponenten des Kraftwerkes werden ersetzt oder erneuert, wobei der Ausbaudurchfluss und die Fallhöhe sich nicht verändern. Erweiterung: Erhöhung des Ausbaudurchflusses durch Nutzung zusätzlich verfügbarer Wassermengen, die bisher nicht genutzt werden. Neubau: Es wird die gesamte Anlage − Wehr und Maschinentechnik − neu errichtet, wobei dies sowohl an einem bereits bestehenden Standort als auch an einem vollständig neuen Standort möglich ist.
Gegenstand des Forschungsvorhabens waren Laufwasserkraftwerke mit Leistungen über 5 MW. Das Ergebnis der Untersuchung ist in der Tabelle 7.26 wiedergegeben. Tabelle 7.26: Wirtschaftliche Ausbaupotentiale der Wasserkraft >5 MW Engpassleistung Potenzialkategorie
Bestand 2003 Ausbaupotentiale Neubau, neuer Standort Neubau, vorhandene Stauhaltung Erweiterungspotenziale Modernisierungspotenziale Summe, gesamt Quelle: /BMWA-Fichtner, 2003/
genehmigungsfähig MW 2.548 660 121 85 141 313 3.209
Regelarbeitsvermögen
wirtschaftlich aktuell
mittelfristig
MW 2.548 16 16 2.564
MW 2.548 179 47 69 63 2.727
wirtschaftlich
genehmigungsfähig
aktuell
mittelfristig
TWh/a 14,3 3,1 0,7 0,4 0,5 1,5 17,4
TWh/a 14,3 0,1 0,1 14,4
TWh/a 14,3 0,7 0,2 0,2 0,3 15
aktuell: Strommarktpreise 2003; mittelfristig: künftige Strompreise
7.6.5 Investitionsausgaben und Betriebskosten
Die Investitionsausgaben für Wasserkraftwerke sind stark abhängig von topographischen und geologischen Gegebenheiten, vom Wasserangebot und der Fallhöhe am Standort sowie in geringerem Umfang auch von der gewählten Turbinenart. Die Schwankungsbreite der Investitionsausgaben ist deshalb beträchtlich und muss für jeden Einzelfall gesondert ermittelt werden. Tatsache ist, dass der Neubau von Wasserkraftwerken i.d.R. we-
328 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
sentlich höhere spezifische Investitionen als Kohlekraftwerke und auch als Kernkraftwerke erfordert. In der Tabelle 7.27 sind die Investitionsausgaben, die bei der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für Laufwasserkraftwerke in dem BMWAForschungsvorhaben angesetzt wurden, zu ersehen. Bei schwellfähigen Kraftwerken ist mit etwas niedrigeren als spezifischen Investitionen zu rechnen, da dieser Anlagentyp im Prinzip "Überausbau" eines Fließgewässers zu beurteilen ist. Der Anteil des maschinenund elektrotechnischen Teils liegt in der Größenordnung von 25% bis 30% der Gesamtinvestition. Wasserkraftwerke sind langlebig, die technische Nutzungsdauer des maschinentechnischen und elektrischen Teils der Anlage kann bei Wirtschaftlichkeitsrechnungen mit 40 Jahren, die Stauhaltung mit 80 Jahren angesetzt werden. Meistens wird von einer mittleren Lebensdauer von 50 Jahren für die Gesamtanlage ausgegangen. Tabelle 7.27: Investitionen für große Laufwasserkraftwerke in €/kW Fallhöhe >> Massnahme
Turbinentyp >> Leistung >>
Neubau, neuer Standort Neubau, vorhandene Stauhaltung Erweiterung Modernisierung
günstig erschwert günstig erschwert günstig erschwert günstig erschwert
30 m
8m
Francis
Kaplan
20 - 80 MW 3.530 4.970 2.200 2.970 2.230 3.040 1.030 1.300
<15 MW 4.600 6.200 3.100 4.200 3.160 4.400 1.500 2.000
15 - 50 MW 3.750 4.950 2.500 3.300 2.560 3.440 1.250 1.650
> 50 MW 2.690 3.720 1.890 2.520 1.780 2.400 890 1.120
Quelle: /BMWA-Fichtner, 2003/
Die fixen Betriebskosten für Wartung und Reparatur, bezogen auf den betreffenden Teil der Investition, wurden in der Studie wie folgt angesetzt: • •
Für die Turbine zwischen 0,15 %/a und 0,30 %/a Für den übrigen Teil zwischen 0,8 %/a und 1 %/a
Ein nicht unbeträchtlicher Bestandteil der Betriebskosten sind auch die Wassernutzungsgebühren, die sich allerdings je nach Bundesland und sogar Regierungsbezirk unterscheiden. Sie wurden in der o.g. Studie mit 8 €/MWh angesetzt. Die Ermittlung der Stromgestehungskosten ist wegen der großen Bandbreite bei den Investitionen und der Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten nur für den konkreten Fall möglich. Das Erneuerbare -Energien-Gesetz (EEG) schreibt eine Abnahme und Vergütungspflicht für Strom aus Wasserkraft durch die Netzbetreiber vor. Die Vergütungssätze, sind in Abschnitt 3.2.4.3 „Vergütungssätze für EEGStrom, Tabelle 3.6 zu ersehen.
7.7 Windkraftanlagen
7.7
329
Windkraftanlagen
7.7.1 Physikalische Grundlagen
Windkraftanlagen (WKA) nutzen die kinetische Energie des Windes zur Erzeugung von mechanischer Energie bzw. zur Stromerzeugung. Die Leistung des Windes ist direkt proportional zur dritten Potenz der Windgeschwindigkeit und zum Quadrat des Durchmessers der senkrechten Anströmfläche nach der Formel: P = π xρ xd2 xw3 / 8000 [kW] ρ: d: w:
Gl. 7.9
Dichte der Luft [kg/m3] Durchmesser der senkrechten Anströmfläche (Rotordurchmesser) [m] Windgeschwindigkeit [m/s]
Allerdings kann nach Betz auch bei verlustloser Umwandlung nur bis maximal 59,3% (Betz’scher Leistungsbeiwert "cp,Betz") der Luftenergie in mechanische Energie umgewandelt werden. Das hängt damit zusammen, dass hinter dem Energiewandler derselbe Luftmassenstrom mit einer langsameren Geschwindigkeit weiterströmen muss. Die Windgeschwindigkeit hinter dem Energiewandler verringert sich bei maximaler Energienutzung auf 1/3 der Windgeschwindigkeit vor dem Energiewandler. Durch die Einführung des Leistungsbeiwertes cp lautet die obige Formel: P = cpxπxρx d2x w3 / 8000 [kW]
Gl. 7.10
Eine Windkraftanlage mit einem Rotordurchmesser von 60 m kann z.B. bei einer Windgeschwindigkeit von 10 m/s "maximal" ca. 1.000 kW erzeugen (cp= cp,Betz, ρLuft=1,2 kg/m3). P=0,593xπx1,2x602x103/(8000) = 1.006 kW Moderne WKA erreichen bei Nennlast Leistungsbeiwerte zwischen 0,45 bis 0,5. Durch die starke Abhängigkeit der Leistung von der Windgeschwindigkeit ist diese die bestimmende Kenngröße für die Windenergienutzung. Für die wirtschaftliche Nutzung der Windenergie sollte die jahresmittlere Windgeschwindigkeit am Standort 4,5 m/s nicht unterschreiten. Dies ist vor allem in Küstennähe (6 bis 6,5 m/s) und in exponierten Lagen im Binnenland (4 bis 5 m/s) gewährleistet. Wesentlich günstigere Windverhältnisse herrschen auf dem offenen Meer, für sogenannte off-shoreAnlagen. Die mittlere Windgeschwindigkeit wird in Windatlanten für eine festgelegte Höhe über Grund in freien Lagen angegeben z.B. [windatlas]. Die Windgeschwindigkeit steigt aber mit der Höhe nach einem logarithmi-
330 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
schen Gesetz. Neben dem Durchmesser des Rotors ist deswegen auch die Nabenhöhe eine maßgebende Größe für die Leistung einer WKA. 7.7.2 Anlagentechnik
Das wichtigste Unterscheidungskriterium von Windkraftanlagen ist die Lage der Rotorachse. Die heute am weitesten verbreitete Bauart sind Anlagen mit horizontaler Rotorachse und Rotorblätter in Propellerbauart, wie in der Abb. 7.28 gezeigt. Die wichtigsten Systemkomponenten sind Rotor, Gondel mit Generator und ggf. Getriebe, der Turm, das Fundament und die Netzeinbindung (weiterführende Literatur [BV-Windenergie], [Gasch, Twele], [Hau]) .
Quelle: [Hau, Windkraftanlagen]
Abb. 7.28: Windkraftanlage mit horizontaler Achse
Der Rotor (rotor) ist die Systemkomponente, welche die kinetische Energie des Windes in eine Drehbewegung umsetzt. Er besteht aus den Rotorblättern und der Rotornabe. Die Rotorblätter sind wie Flugzeugflügel ausgebildet und entziehen dem Wind die Energie nach dem Prinzip des aerodynamischen Auftriebs. Die meisten modernen Windkraftanlagen haben
7.7 Windkraftanlagen
331
Rotoren mit drei Rotorblättern. Es gibt aber auch Ausführungen mit zwei Rotorblättern und auch mit einem Rotorblatt. Als Werkstoff werden meistens mit Glas- oder Kohlefaser verstärkte Verbundwerkstoffe verwendet. Da die Leistung proportional zum Quadrat des Rotordurchmessers ist, werden mit zunehmender Leistung Anlagen mit immer größeren Rotoren gebaut. In der Gondel (condola) befindet sich das elektrische System zur Wandlung der Drehbewegung des Rotors in elektrischen Strom. Bei einer Netzfrequenz von 50 Hz haben handelsübliche Generatoren eine Drehzahl von 1.000 oder 1.500 U/min. Bei Anlagen bis ca. 500 kW wird meistens ein Getriebe zwischengeschaltet, und der Generator ist dann mit dem Netz direkt gekoppelt. Bei höheren Leistungen werden auch getriebelose Generatoren eingesetzt. Ausgangsspannung und -frequenz variieren dann mit der Drehzahl des Rotors; sie werden über einen Gleichstromzwischenkreis mit nachgeschalteten Umrichtern für die Abgabe an das Netz umgerichtet. Fundament: Der Flächenbedarf einer einzelnen Windkraftanlage ergibt sich im Wesentlichen durch die Abmessungen des Fundaments. Als Faustformel gilt ca. 200 m2 pro 1 MW. Für eine WKA mit 2 MW elektrischer Leistung hat das Fundament die Abmessungen 20x20 m. Bei Windparks sind allerdings zur Vermeidung vom gegenseitigen Windabschatten Mindestabstände einzuhalten. Als Faustformel für den Mindestabstand gilt der fünffache Rotordurchmesser. Die Windgeschwindigkeit in Bodennähe ist relativ niedrig und steigt mit zunehmender Höhe logarithmisch an. Eine Hauptaufgabe des Turmes ist deshalb, eine optimale Windnutzung in ausreichender Höhe zu ermöglichen sowie die mechanischen Belastungen durch Rotor und Maschinenhaus sicher aufzunehmen und über das Fundament ins Erdreich abzugeben. Das Turmmaterial ist aus Stahl oder Spannbeton-Fertigteilen. 7.7.3 Kenngrößen von Windkraftanlagen
Die Leistung von Windkraftanlagen ist abhängig von der jeweiligen Windgeschwindigkeit. Diese Abhängigkeit wird durch die Leistungskennlinie, wie in der Abb. 7.29 für eine WKA gezeigt wiedergegeben. Vor Erreichen der Einschaltwindgeschwindigkeit (cut-in wind speed), hier ca. 3 m/s, läuft die Anlage nicht an. Bis zu dieser Geschwindigkeit reicht die nutzbare Windenergie noch nicht aus, um die Trägheits- und Leistungsverluste zu überwinden. Bei zunehmender Windgeschwindigkeit fängt die Anlage an, elektrische Energie zu liefern. Die Leistung steigt dabei mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit an, bis die Anlage bei Nennwindgeschwindigkeit (rated wind speed), hier ca. 16 m/s, die Nenn-
332 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
leistung des Generators erreicht hat. Anschließend setzt die Regelung ein und die Leistung bleibt konstant. Sobald die Abschaltwindgeschwindigkeit (cut-out wind speed), hier ca. 26 m/s, erreicht ist, muss die Anlage abgeschaltet werden, um eine Zerstörung durch Überschreitung der zulässigen Festigkeitsgrenze zu vermeiden. 2200
0,60
2000
Leistung kW
1600 0,40
1400 1200
0,30
1000 800
0,20
Leistungsbeiwert
0,50
1800
600 400
0,10
200 0
0,00 1
3
5
7
9
11
13
15
17
19
21
23
25
Windgeschwindigkeit m/s Leistung
Leistungsbeiwert
Abb. 7.29: Leistungskennlinie einer WKA
Die Leistungsregelung (power control) hat die Aufgabe, die Energieaufnahme durch den Rotor bei höherer Windgeschwindigkeit als der Nennwindgeschwindigkeit zu begrenzen, um die Festigkeitsgrenzen der Anlagenteile nicht zu überschreiten. Dies erfolgt bei den meisten modernen Anlagen durch eine Verstellung des Einstellwinkels der Rotorblätter (Pitch-control). Bei Erreichen der Abschaltwindgeschwindigkeit werden die Rotorblätter in die so genannte Fahnenposition gestellt. Sie sind dann wie eine Fahne am Wind ausgerichtet und erzeugen keine Drehbewegung mehr. Eine andere Regelungsart mit nicht verstellbaren Rotorblättern ist die so genannte Stallregelung (stall control). Dabei wird der aerodynamische Effekt der Strömungsablösung (stall) an den Rotorblättern bei höheren Geschwindigkeiten genutzt. Diese Regelungsart findet jedoch bei größeren Anlagen immer weniger Anwendung. Wenn ein günstiger Standort gefunden ist, wird dort nicht nur eine Windkraftanlage gebaut, sondern ein ganzer Windpark (wind farm) aus mehreren WKA errichtet. In der Tabelle 7.28 sind die technischen Daten von Windkraftanlagen eines namhaften Herstellers zu ersehen. Technische Daten anderer Hersteller sind in deren Internetseiten oder im Magazin [Wind Energy Market] des Bundesverbandes WindEnergie e.V. zu finden.
7.7 Windkraftanlagen
333
Tabelle 7.28: Technische Daten von Windkraftanlagen Merkmal Typ
Einheit
Technische Daten
-
E - 33
E - 44
E - 48
E - 53
E - 70
E - 82
kW
330
900
800
800
2.300
2.000
Rotordurchmesser
m
33,4
44/33
48
52,9
71
82
Nabenhöhe
m
44/50
45/55
50/56/65/76
73
Nennleistung
64/85/98/113 78/85/98/108
Anlagenkonzept
-
Erste Installation
-
2004
2007
getriebelos, variable Drehzahl, Pitchregelung 2004
2006
2003
2005
Anzahl installierte Turbinen
-
54
36
1.248
261
1.756
194
876
1.521
1.810
2.198
3.959
5.281
Rotor: Blattanzahl: Überstrichene Fläche
m
3 2
Blattmaterial Drehzahl variabel
GFK (Epoxidharz); integrierter Blitzschutz U / min
18 - 45
Dez 34
Blattverstellung
16 - 32
Dez 29
6 - 21,5
Generator
-
Netzeinspeisung
-
Wechselrichter
Bremssysteme
-
3 autarke Blattverstellsysteme mit Notversorgung
-
aktiv über Stellgetriebe, lastabhängige Dämpfung
Windnachführung: Abschaltwindgeschwindigkeit Referenzeertrag für System mit Nabenhöhe Vollbenutzungsstunden
6 - 19,5
Einzelblattverstellsystem direktgetriebener Synchron-Ringgenerator
m/s
28 - 34
kWh /a
759.685
k.A.
1.949.417
2.193.868
4.867.629
m
50
k.A.
76
73
113
6.261.919 108
h/a
2.302
k.A.
2.437
2.742
2.116
3.131
Quelle: [Enercon] [Wind Energy Market]
7.7.4 Ermittlung des Energieertrages
Die jährliche Energieerzeugung einer Energieumwandlungsanlage wird gewöhnlich aus dem Produkt der Leistung und der Benutzungsdauer in Vollbenutzungsstunden pro Jahr ermittelt. Mit Ausnahme von Gasturbinen ist die Leistung i.d.R. relativ wenig von den Wetterbedingungen abhängig, und die Benutzungsdauer kann aus dem prognostizierten Energiebedarf und der Einsatzweise der Anlage ermittelt werden. Die Leistung einer WKA ist dagegen stark abhängig von der Windgeschwindigkeit, wie aus der Leistungskennlinie erkennbar ist, und diese wiederum variiert sehr stark während der Betriebszeit der Anlage. Zur Ermittlung des Energieertrages einer WKA muss deshalb bekannt sein, welche Windgeschwindigkeit wie lange am betreffenden Standort vorherrscht. Für die jährliche Energieerzeugung einer WKA hat sich der Begriff Energieertrag eingebürgert. Der Energieertrag muss für jeden Standort und für jede Anlage individuell ermittelt werden. Zur Berechnung des Energieertrages werden folgende Parameter benötigt:
334 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
• • •
die Leistungskennlinie der WKA in digitaler Form oder als Tabelle die jahresmittlere Windgeschwindigkeit am Standort in Nabenhöhe die Windgeschwindigkeitsverteilung
Die Leistungskennlinie ist in der technischen Beschreibung des Anlagentyps des Herstellers meistens enthalten oder kann angefragt werden. In den meisten Fällen ist zunächst nur die mittlere Windgeschwindigkeit für eine festgelegte Höhe über Grund am potenziellen Standort einer WKA angegeben. Anhaltswerte hierfür können im Rahmen einer ersten Standortsuche aus Windatlanten (in den meisten Fällen für 10 m Höhe über Grund) entnommen werden. Für konkrete Planungen sind aber Windgutachten für den potenziellen Standort, basierend auf Windgeschwindigkeitsmessungen, erforderlich. Neben Messungen bieten verschiedene Firmen auch Windpotentialermittlungen an [GEO-NET]. Für die Ertragsberechnung ist die mittlere Windgeschwindigkeit in Nabenhöhe erforderlich. Die Umrechnung auf Nabenhöhe der jeweiligen Anlage kann bei ebenem Gelände nach der im Diagramm - Abb. 7.30 - angegebenen Formel erfolgen. Bei der Ertragsberechnung geht man von einer statistischen Windgeschwindigkeitsverteilung, der sogenannten "Rayleigh-Verteilung"1, aus. In der Verteilungsfunktion - Abb. 7.31 - ist nur die jahresmittlere Windgeschwindigkeit als Eingabe notwendig. 7,5
Windgeschwindigkeit m / s
7,0
6,5
HN z0 wN = wB × HB ln z0 ln
6,0
5,5
[m / s]
W N : jahresmittlere Windgeschwindigkeit an der Nabe m/s w B: Jahresmittlere Windgeschwindigkeit an der Bezugshöhe m/s H B: Bezugshöhe m HN: Nabenhöhe m z 0: mittlere Rauhigkeitslänge am Standort
5,0
4,5
4,0 0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
150
Höhe über Grund m
Abb. 7.30: Windgeschwindigkeit - Höhenprofil
1
Die Rayleigh-Verteilung ist ein Spezialfall der Weibull-Verteilung mit k=2
7.7 Windkraftanlagen
335
Die statistische Rayleigh-Windgeschwindigkeitsverteilung errechnet sich nach der in der Abb. 7.31 angegebenen Formel. Die Originalformel wurde dabei vom Verfasser mit dem Faktor Stundenzahl eines Jahres (8.760) ergänzt; damit ergibt sich die Stundenzahl pro Jahr für die jeweilige Windgeschwindigkeit, wie für die Ertragsberechnung erforderlich. Rayleigh-Windgeschwindigkeitsverteilung 1100
Höhe über Grund 30 m jahresmittlere Windgeschwindigkeit 5,5 m / s
1000 900
Stunden pro Jahr
800
tv R =8.760 ×
700 600 500
π 2
×
w × e (−(π / 4 )× ( w / wN )) wN2
w : Windgeschwindigkeit im Zeitintervall wN : jahresmittlere Windgeschwindigkeit an der Nabe
400 300 200 100 0 0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10 11 12
13 14 15 16 17
18 19 20 21 22
23 24 25
Windgeschwindigkeit m / s
Abb. 7.31: Statistische Windgeschwindigkeitsverteilung
Die Ertragsberechnung erfolgt dann durch Multiplikation der zugehörigen Werte der Leistung (kW) aus der Leistungskennlinie - Abb. 7.29 - und der zugehörigen Dauer der Windgeschwindigkeit (h/a) aus der Geschwindigkeitsverteilung -Abb. 7.31-. So ergeben sich Teilerträge (kWh/a) bei der einzelnen Windgeschwindigkeit, wie aus der Tabelle 7.29 und aus Abb. 7.32 zu ersehen. Durch Aufsummierung der einzelnen Teilerträge ergibt sich der Jahresertrag. Tabelle 7.29: Ertragsberechnung mittlere Windgeschwindigkeit in 30 m Höhe: Verfügbarkeit Nabenhöhe: mittlere Windgeschwindigkeit in Nabenhöhe: wN m/s 0 1 2 3 4 kW P el 0 0 2 18 56 h/a 0 325 614 838 979 t W el MWh 0 0 1 15 53
5,5 m/s 0,97 80 m 6,45 m/s 5 6 127 240 1032 1006 127 234
7 400 918 356
8 626 790 480
9 10 11 12 Zwischen892 1223 1590 1830 summe 645 500 370 261,5 3.453 558 594 571 464
Fortsetzung wN P el t W el
m/s kW h/a MWh
13 14 15 16 17 1950 2050 2050 2050 2050 177 114 71 42 24 334 227 141 84 48
18 19 20 21 22 23 24 2050 2050 2050 2050 2050 2050 2050 13 7 3 2 1 0 0 26 14 7 3 2 1 0
Summe, Jahresertrag MWh Vollbenutzungsstunden h/a
25 Zwischen2050 summe 0 886 0
4.339 2.116
336 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
In Abb. 7.32 wird für den Referenzstandort nach dem ErneuerbarenEnergien-Gesetz [EEG] die Ertragsberechnung in graphischer Form gezeigt. 2.200
700
2.000 600
1.800
500
1.400
Referenzstandort nach EEG mittlere Windgeschwindigkeit, 30 m üG 5,5 m/s Nabenhöhe 80 m mittlere Windgeschwindigkeit, Nabenhöhe 6,45 m/s Verfügbarkeit 0,97 Rayleigh-Verteilung
1.200 1.000 800
400
300
Energieertrag MWh
Leistung in kW
1.600
200
600
Jahresenergieertrag 4.339 MWh/a Benutzungsdauer der Nennlast 2.116 h/a Lastfaktor 0,24
400 200 0
100
0 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25
Windgeschwindigkeit in Nabenhöhe m/s Leistung
Energieertrag
Abb. 7.32: Leistung und Energieertrag einer WKA
Zum Zwecke der Festlegung der Vergütungsdauer wurde im EEG ein fiktiver Referenzstandort festgelegt, dessen Windprofil wie folgt definiert ist: • • •
Mittlere Jahreswindgeschwindigkeit in 30 m Höhe: 5,5 m/s Mittlere Rauhigkeitslänge z0 am Standort: 0,1 m Windverteilung: Rayleigh-Verteilung
Zu bemerken ist an dieser Stelle allerdings, dass es sich bei dem ermittelten Ertrag nicht um den "amtlichen Referenzertrag nach EEG" handelt. Dieser darf nach dem EEG nur von dazu akkreditierten Institutionen ermittelt werden Der Jahresertrag ist stark abhängig von der mittleren Jahreswindgeschwindigkeit. Eine höhere Windgeschwindigkeit kann durch die Auswahl eines günstigen Standortes erreicht werden, aber auch durch die Höhe des Turmes, da die Windgeschwindigkeit mit der Höhe zunimmt. In der nachstehenden Abb. 7.33 ist der Zusammenhang zwischen Nabenhöhe und Benutzungsdauer sowie jahresmittlerer Windgeschwindigkeit in Nabenhöhe für den EEG-Referenzstandort dargestellt.
7.7 Windkraftanlagen
7,0
EEG-Referenzstandort Nennleistung WKA 2050 kW Verfügbarkeit 0,97 Rayleigh-Verteilung der Windgeschwindigkeit
Vollbenutzungsstunden h/a
2.400 2.300
6,8 6,6
2.200
6,4
2.100
6,2
2.000
6,0
1.900
5,8
1.800
5,6
1.700 50
55
60
65
70
75
80
85
90
95
100
105
110
115
mittlere Windgeschwindigkeit m/s
2.500
337
5,4 120
Nabenhöhe m Vollbenutzungsstunden h / a Jahresmittlere Windgeschwindigkeit m /s
Abb. 7.33: Benutzungsdauer in Abhängigkeit von der Nabenhöhe
Aus der Abbildung kann man erkennen, dass eine Jahresertragsberechnung über Vollbenutzungsstunden nicht sinnvoll ist. Der Jahresertrag muss für jeden Standort und jede Anlage individuell ermittelt werden. Im Magazin des Bundesverbandes Windenergie [Wind Energy Market] werden die Referenzerträge der Windenergieturbinen aller namhaften Hersteller angegeben. 7.7.5 Investitionsausgaben und Stromgestehungskosten
Spezifische Investitionsaufwendungen für Kraftwerke werden gewöhnlich in €/kW Leistung an der Generatorklemme angegeben. Bei Windkraftanlagen kann dieser Bezug jedoch nicht immer zutreffend sein. Die Generatorleistung kann nämlich für dieselbe Anlage unterschiedlich ausgelegt sein, je nachdem, ob es sich um einen Stark- oder Schwachwindstandort handelt. Deswegen werden in der Windenergiebranche spezifische Investitionen oft pro m2 Rotorfläche oder sogar pro kWh Jahresertrag angegeben. Für den Vergleich von WKA ist ein solcher Bezug zwar sinnvoll, erschwert aber den Vergleich mit anderen Kraftwerkstypen. Deswegen wird im weiteren der Bezug auf kW Generatorleistung bevorzugt. Die Investitionen werden generell getrennt für die WKA und für Nebenanlagen angegeben. Aus der Auswertung von Hersteller-Preisangaben - Tabelle 7.30. - ist kaum eine Kostendegression mit steigender Leistung festzustellen. Die
338 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
Preisangaben, auch bei derselben Leistungsklasse, steigen allerdings mit der Nabenhöhe und dem Rotordurchmesser. Tabelle 7.30: Richtpreise für Windkraftanlagen (2005)
Leistungsklasse kW 600 1000 1300 2000 2500
Nabenhöhe m 40 -60 50 -70 70 - 90 60 - 90 80 - 90
Preis WKA ab Werk € / kW € / m2 800 - 850 300 - 340 830 - 900 360 - 390 900 - 1050 390 - 450 830 - 950 370 - 400 800 - 900 360 - 380
Zur Kostensituation von Windkraftanlagen in Deutschland wurden von [DEWI] in 1999 und 2002 zwei Gutachten erstellt. Dabei wurden drei Zielgruppen über folgende Kostenarten befragt. • • •
Betreiber von Anlagen; Investitionen und bisherige Betriebskosten Technische Sachverständige; Prognose der Reparaturkosten während der Betriebsdauer von 20 Jahren Versicherungen und Hersteller; Kosten für Schäden, Ersatzteile und Montage
Die durchschnittlichen Investitionen für eine WKA nach dem Preisstand von 2001 betrugen 895 €/kW. Zu vermerken ist dabei, dass im betrachteten Zeitraum Anlagen mit Leistungen von 2.000 kW und höher, wie sie heute angeboten werden, nicht in Betrieb waren. Investitionen für Windkraftanlagen werden in der Literatur meistens in zwei Hauptgruppen unterteilt: • •
Kosten der Windkraftanlage (100%) und Nebenkosten als prozentualer Aufschlag auf die WKA-Kosten ab Werk.
Eine gründliche und detaillierte Darstellung der Kostenstrukturen und Investitionsausgaben von Windkraftanlagen sind im Buch von Erich Hau „Windkraftanlagen − Grundlagen, Technik, Einsatz, Wirtschaftlichkeit“ 4. Auflage 2008 zu finden [Hau]. In der nachstehenden Tabelle 7.31 wird die Zusammensetzung der Investitionsausgaben für zwei BinnenlandWindparks gezeigt:
7.7 Windkraftanlagen
339
Tabelle 7.31: Investitionsausgaben für zwei Binnenland-Windparks Position
Einheit
Anlage
Technische Parameter Windpark Anzahl WKA el. Leistung je WKA Rotordurchmesser Anschluss an Spannungsebene Trafo, im WKA-Preis enthalten Transport, Errichtung und Inbetriebnahme Investitionsausgaben Preis Windkraftanlagen Aufstellungsbezogene Kosten *) Gesamtinvestitionsausgaben spezifisch In Prozent Preis Windkraftanlagen Aufstellungsbezogene Kosten Gesamtinvestitionsausgaben Quelle: Erich Hau, Windkraftanlagen, 2008
MW MW m kV -
13,0 13 1,0 60 20 ja ja
48,0 32 1,5 64 110 nein ja
Mio. € Mio. € Mio. € € / kW
12,10 3,63 15,73 1.210
41,60 16,93 58,53 1.219
% 100% 100% % 30% 41% % 130% 141% *) Als Gesamtsumme wiedergegeben
Die interne Verkabelung verursacht zusätzliche Kosten bei Windparks; andere Kosten steigen aber nicht proportional mit der Anzahl der WKA, so dass die spezifischen Investitionen etwa auf dem gleichen Niveau bleiben wie bei Einzelanlagen. Ein entscheidender Kostenpunkt, neben dem Preis der WKA, sind die Netzanschlusskosten. Sie können, abhängig vom Aufstellungsort und der Spannungsebene, etwa 20% des Ab-Werk-Preises der WKA betragen. In der Tabelle 7.32 ist die Investitionsschätzung für einen Binnenland (onshore) Windpark aus 45 WKA mit jeweils 2 MW zu ersehen. Durch den drastischen Anstieg der Stahl- und Kupferpreise werden dabei um 15% höhere Investitionsausgaben gegenüber 2005 angesetzt. Tabelle 7.32: Investitionsschätzung, Onshore-Windpark 45x2 MW Windpark-Komponente WKA ab Werk, 45 à 2 MW Fundamente Netzanbindung, 110 kV
Investitionsaufwendungen €/kW Mio. € Prozent 978
88,0
64
5,7
100,0% 6,5%
117
10,6
12,0%
Erschließung, Transport, Montage
29
2,6
3,0%
Planung, Genehmigung
49
4,4
5,0%
Finanzierung, Sonstiges
88
7,9
9,0%
1.325
119,2
135,5%
Summe Quelle: Fichtner-interne Quellen
340 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
Die Umfrageergebnisse der DEWI-Kostenstudie von 2002 bei den Sachverständigen hinsichtlich des Erhaltungsaufwands für den Ersatz oder größere Reparaturen von Anlagenkomponenten für eine Betriebsdauer von 20 Jahren wiesen eine große Bandbreite zwischen 14% und 94%, bezogen auf die Erstinvestition auf. Als realistisch wird ein Wert von 490 €/kW bzw. 54 %, auf Basis einer Erstinvestition von 895 €/kW genannt. Im Gutachten wird angenommen, dass davon 18% in der ersten und 36% in der zweiten Dekade der Betriebsdauer anfallen. Dies kann aber von Anlage zu Anlage stark schwanken. In der Literatur wird folgende Bandbreite - Tabelle 7.33 für die Betriebskosten angegeben: Tabelle 7.33: Betriebskostenansätze für WKA Position Routinewartung (Wartungsverträge) Reparaturrücklagen Versicherungen Landpacht Technische Überwachung, Verwaltung Summe
Bandbreite % *) 0,5 - 0,8 1,0 - 2,0 0,5 - 0,8 0,5 - 1,0 0,5 - 1,0 3,0 - 5,6
*) bezogen auf den Ab-Werk-Preis der WKA Quelle: Erich Hau, 2002
In der Tabelle 7.34 werden die Stromgestehungskosten eines 90 MWOnshore-Windparks ermittelt. Tabelle 7.34: Stromgestehungskosten 90 MW Onshore-Windpark Position Technische Randbedingungen Elektrische Leistung der WKA Anzahl der WKA Energieertrag pro WKA Gesamtleistung des Windparks Parkwirkungsgrad Stromerzeugung Stromeigenbedarf Stromeinspeisung ins Netz Vollaststunden Wirtschaftliche Randbedingungen Kalkulatorische Lebensdauer Bauzeit Kalkulat. Mischzinssatz (real) *) Wartung und Instandhaltung: Wartungsvertrag, fix variabel Reparatur und Erhaltungsaufwand **) Versicherungen Rücklagen Entsorgung ***) Personalbedarf (0,25 Pers / WKA) Personalkosten Pachtkosten
Einheit
Zahlenwert
kW Stck. MWh/a MW % MWh/a % MWh/a h/a
2.050 45 4.431 92,25 96% 191.419 0,15% 191.132 2.075
a a %
20 1,0 7,5%
% Invest / a Cent / kWh % Invest / a % Invest / a % Invest / a Pers/a T€/(Pers. a) Cent / kWh
0,5% 0,35 1,3% 0,7% 0,8% 12 70 0,35
Position
Einheit
Investitionsausgaben WKA ab Werk Fundament Netzanbindung Erschließung, Transport, Montage Sonstiges, Unvorhergesehenes 3,5% Planung, Genehmigung 3,0%
Mio. € Mio. € Mio. € Mio. € Mio. € Mio. € Mio. €
Zahlenwert 119,2 88,0 5,7 10,6 2,6 4,4 7,9
€ / kW
1.292
1.000 € 1.000 € 1.000 € 1.000 € 1.000 € 1.000 € 1.000 € 1.000 €
6.114 596 670 1.550 834 954 840 670
Kapitaldienst
1.000 €
11.693
Gesamtjahreskosten
1.000 €
17.807
€ / MWh
93,17
spezifische Investition Betriebskosten Wartung und Instandhaltung, fix Wartung und Instandhaltung, variabel Reparatur und Erhaltungsaufwand **) Versicherungen Rücklagen Entsorgung Personalkosten Pachtkosten
Spez. Stromgestehungkosten *) inkl. Körperschaft- und Gewerbesteuer, Kapitalgesellschaft, Eigenkapital 35%, **) entpricht 40% der Erstinvestition verteilt über die letzen 10Jahre ***) über 20 Jahre, oder 1,4 % die ersten 10 Jahre
7.7 Windkraftanlagen
341
In der Tabelle 7.36 wird eine Erfolgsvorschaurechnung für denselben Windpark durchgeführt. Bei der Erfolgsvorschaurechnung werden die Prämissen für eine Kapitalgesellschaft angenommen und sowohl Gewerbeals auch Körperschaftsteuer berücksichtigt. Nach dem EEG 2009 wird für Onshore-Anlage, die in 2009 in Betrieb gehen, eine Anfangsvergütung von 9,2 ct/kWh für mindestens die ersten 5 Betriebsjahre gewährt. Für jede 0,75% des Referenzertrages, um die der Ertrag unter 150% des Referenzertrages liegt, wird die Anfangsvergütung um weitere 2 Monate verlängert. Nach Ablauf auch der Verlängerung wird die Mindestvergütung gewährt. Sie beträgt für Anlagen, die 2004 in Betrieb genommen werden, 5,02 ct/kWh. Die Länge der Vergütungsdauer für obige Anlage wird in Tabelle 7.35 ermittelt. Der Ertrag der einzelnen WKA entspricht etwa dem Referenzertrag. Sowohl die Anfangs- als auch die Mindestvergütung nimmt aber ab 1.1.2010 und für jedes nachfolgende Inbetriebnahmejahr um 1% pro Jahr ab. Die jährliche Abnahme der Vergütung wird mit der erwarteten Kostendegression beim weiteren verstärkten Ausbau der Windenergie begründet. Das Ergebnis nach Steuer ist in den ersten 17 Jahren der Nutzungsdauer nach der Erfolgsvorausschau positiv − Tabelle 7.36. In den letzten 3 Jahren wird nur die Mindestvergütung gewährt, die nicht auskömmlich ist, was zu einer Unterdeckung führt und das Betriebsergebnis wird negativ. Tabelle 7.35: Dauer der Anfangsvergütung Position
Einheit
Wert
Anzahl WKA Referenzertrag, pro Anlage Referenzertrag Windpark 0,75 % Referenzertrag 150% Referenzertrag tatsächlicher Ertrag Differenz (150%- Ertrag - tatsächlicher Ertrag) Differenzertrag / 0,75% x Referenzertrag Anzahl Monate der Verlängerung Anzahl Jahre der Verlängerung Gesamtdauer der Anfangsvergütung
MWh / a MWh / a MWh / a MWh / a MWh / a MWh / a Monate Jahre Jahre
45 4.431 199.395 1.495 299.093 191.132 107.960 72 144 12 17
342 7 Kraftwerke, Technik und Kosten Tabelle 7.36. Erfolgsvorschaurechnung Jahr
3
4
Stromverkauf Stromvergütung nach EEG (Inbetriebnahme 2004)
MWh €/MWh
0
191.132 87,00
191.132 87,00
191.132 87,00
191.132 87,00
191.132 87,00
191.132 87,00
191.132 87,00
Erlöse aus Stromverkauf
T€/a
16.628
16.628
16.628
16.628
16.628
16.628
16.628
Betriebsausgaben Wartung und Instandhaltung, fix 0,5% Wartung und Instandhaltung, variabe 0,35 C/kWh Reparatur und Erhaltungsaufwand *) 41,5 Mio € Versicherungen 0,7% Rücklagen Entsorgung 1,4% Personalkosten 840 Pachtkosten 0,35 C/kWh
T€/a T€/a T€/a T€/a T€/a T€/a T€/a T€/a
4.254 519 670 0 726 830 840 670
4.254 519 670 0 726 830 840 670
4.254 519 670 0 726 830 840 670
4.254 519 670 0 726 830 840 670
4.254 519 670 0 726 830 840 670
4.254 519 670 0 726 830 840 670
4.254 519 670 0 726 830 840 670
Operatives Ergebnis (EBIDA)
T€/a
12.375
12.375
12.375
12.375
12.375
12.375
12.375
./. Abschreibungen ./. Fremdkapitalzinsen Ergebnis vor Steuern ./: Gewerbesteuer ./. Körperschaftsteuer Ergebnis nach Steuern
T€/a T€/a T€/a T€/a T€/a T€/a
5.185 4.044 3.145 840 576 1.729
5.185 3.934 3.255 849 602 1.805
5.185 3.818 3.372 858 628 1.885
5.185 3.694 3.495 868 657 1.970
5.185 3.563 3.626 879 687 2.061
5.185 3.425 3.765 890 719 2.156
5.185 3.277 3.912 902 753 2.258
103,7 Mio € Investition 67,4 Mio € Investition 388 % Hebesatz 25% KSt-Satz
1
2
5
6
7
7.7.6 Ausbauperspektiven der Windenenergie
Bislang wurden Windparks auf dem Festland errichtet. Günstige Standorte zur Realisierung neuer Projekte sind auf dem Festland kaum mehr vorhanden. Für die zukünftige Windenergienutzung auf dem Festland kommt vor allem der Ersatz älterer Anlagen durch moderne leistungsstarke Anlagen (Repowering) in Betracht. Zum weiteren Ausbau der Windenergie ist die Erschließung geeigneter Standorte auf See in so genannten OffshoreWindparks notwendig und geplant. Wegen der hohen Investitionen für die Infrastruktur von Offshore-Windparks, insbesondere für die Netzeinbindung und Fundamentierung, werden sie überwiegend mit Windkraftanlagen der 5 MW-Leistungsklasse geplant. Anlagen in dieser Leistungsklasse sind bereits in Deutschland entwickelt worden, erste Pilotanlagen der Hersteller Enercon, Repower Systems und Multibrid sind bereits seit 2005 in Betrieb. Gemäß den Zielsetzungen der Bundesregierung soll der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch in Deutschland auf mindestens 20% bis 2020 ansteigen. Da die Ausbaumöglichkeiten anderer erneuerbarer Energieträger nur eingeschränkt möglich sind, soll die Windenergienutzung in Offshore-Windparks den größten Anteil des Zuwachses einnehmen. Die Umsetzung dieser Strategie würde eine starke räumliche Konzentration von Einspeisung aus Windkraft in Norddeutschland zur Folge haben. Vor diesem Hintergrund wurden in der [dena Netzstudie] die Erfordernisse an das Gesamtsystem zur Erzeugung und Übertragung elektrischer Energie und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Auswirkungen untersucht.
7.7 Windkraftanlagen
343
Fortsetzung Tabelle 7.36 8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
191.132 87,00
191.132 87,00
191.132 87,00
191.132 87,00
191.132 87,00
191.132 87,00
191.132 87,00
191.132 87,00
191.132 87,00
191.132 87,00
191.132 55,00
191.132 55,00
191.132 55,00
16.628
16.628
16.628
16.628
16.628
16.628
16.628
16.628
16.628
16.628
10.512
10.512
10.512
4.254 519 670 0 726 830 840 670
4.254 519 670 0 726 830 840 670
4.254 519 670 0 726 830 840 670
7.572 519 670 4.148 726 0 840 670
7.572 519 670 4.148 726 0 840 670
7.572 519 670 4.148 726 0 840 670
7.572 519 670 4.148 726 0 840 670
7.572 519 670 4.148 726 0 840 670
7.572 519 670 4.148 726 0 840 670
7.572 519 670 4.148 726 0 840 670
7.572 519 670 4.148 726 0 840 670
7.572 519 670 4.148 726 0 840 670
7.572 519 670 4.148 726 0 840 670
12.375
12.375
12.375
9.056
9.056
9.056
9.056
9.056
9.056
9.056
2.940
2.940
2.940
5.185 3.121 4.068 915 788 2.365
5.185 2.956 4.233 928 826 2.479
5.185 2.781 4.409 942 867 2.600
5.185 2.595 1.276 418 214 643
5.185 2.398 1.473 434 260 779
5.185 2.190 1.682 451 308 923
5.185 1.968 1.903 469 358 1.075
5.185 1.734 2.137 488 412 1.237
5.185 1.485 2.386 508 469 1.408
5.185 1.222 2.649 530 530 1.590
5.185 943 -3.188 0 0 -3.188
5.185 646 -2.892 0 0 -2.892
5.185 333 -2.578 0 0 -2.578
Die Studie basiert auf folgender Prognose des Windenergieausbaus (Stand 2004, 16.543 WKA, 16.628 MW): Tabelle 7.37: Prognose des Windenergieausbaus, dena-Studie 2005 Onshore Jahr MW
Repowering (Zuwachs) MW
Offshore
Summe
MW
MW
-
-
2004
16.628
2007
21.264
504
651
16.628 22.419
2010
23.264
1.083
5.439
29.786
2015
24.386
1.799
9.793
35.978
2020
24.386
3.468
20.358
48.212
Quelle:/dena-Studie 2005/ gemäß Szenario "Beschluss dena-Fachbeirat"
Die Ergebnisse der Studie können in verkürzter Form wie folgt zusammengefasst werden. • •
Die Integration der Windkraft in der vorgesehenen Größenordung in das Stromerzeugungs- und Übertragungssystem ist technisch möglich. Für die Übertragung der Leistung aus WKA in die Verbrauchszentren ist bis 2015 ein 380-kV-Trassenneubaubedarf von ca. 850 km erforderlich. Außerdem sind Netzverstärkungen an einer Trasse von ca. 400 km sowie eine Blindleistungsbereitstellung von ca 7,35 GVar notwendig. Ein Teil dieser Maßnahmen ist aber auch aus anderen Gründen, zum Beispiel in Zusammenhang mit dem Stromhandel, notwendig.
Die Investitionen hierfür betragen ca. 1,1 Mrd. € bis 2015 bzw. ca. 57 €/kW WKA-Leistung.
344 7 Kraftwerke, Technik und Kosten
•
• • •
•
•
Bedenken bestehen, ob der Bau dieser Trassen mit der derzeitigen Genehmigungspraxis realisierbar ist. Entsprechende Gesetzesänderungen zur Vereinfachung der Genehmigungspraxis sind jedoch im Gange bzw. bereits beschlossen. Für den sicheren Betrieb des Übertragungsnetzes nach den Regeln der UCTE sind noch verschiedene technische Probleme zu lösen. Der Zugewinn an gesicherter Leistung aus WKA beträgt, je nach Jahreszeit, zwischen 5 und 6% bei einer installierten Leistung von ca. 36 GW in 2015. Bis 2015 müssen zusätzlich maximal ca. 7 GW an positiver und 5,5 GW an negativer Regel- und Reserveleistung vorgehalten werden. Davon ist jeweils ca. die Hälfte als "day ahead" zu kontrahieren. Durch eine bessere Prognosesicherheit der Einspeisung aus Windkraft ist eine Reduzierung dieser Reserven möglich. Die erhöhte Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien vermeidet variable Brennstoffkosten in konventionellen Kraftwerken. Zusätzlich führt sie zu einer Veränderung des Kraftwerksparks und verändert dadurch die fixen Instandhaltungskosten und die Kapitalkosten. Die wirtschaftlichen Auswirkungen wurden umfangreich in verschiedenen Szenarien untersucht, können aber hier nicht wiedergegeben werden.
0 Literaturverzeichnis
345
Literaturverzeichnis [AtG] Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, 22.04.2002 [atw] Internationale Zeitschrift für Kernenergie, http://www.kernenergie.de/r2/de/Fachzeitschrift_atw/ [Begriffe der Versorgungswirtschaft] Teil B Elektrizität und Fernwärme, VDEW, VGB 1999 [BMU] Bundesministerium für Umwelt Naturschutz und Reaktorsicherheit, http://www.bmu.de/ [BMWi-Fichtner] Die Wettbewerbsfähigkeit von großen Laufwasserkraftwerken im liberalisierten deutschen Strommarkt, 2003, Projekt Nr. 45/02 [BV-Windenergie] Bundesverband Windenergie, Marktübersicht Windenergie 2007/2008, 18. Auflage, 2007 [Concentrated Solar Power] Concentrated Solar Thermal Power − Now! Georg Brakmann, Rainer Aringhoff, Dr. Michael Geyer, Sven Teske, September 2005 [dena-Netzstudie] Energiewirtschaftliche Planung für die Netzintegration von Windenergie in Deutschland an Land und Offshore bis zum Jahr 2020, Deutsche Energie Agentur GmbH (dena), Feb. 2005 [DEWI Kostenstudie 2002] Studie zur aktuellen Kostensituation der Windenergienutzung in Deutschland von 2002, DEWI – Deutsches WindenergieInstitut GmbH [Dow Jones] Dow Jones Energy Daily, 6. Oktober 2008, Neue Kraftwerke mit 230 GW in Westeuropa, Quelle Prospex Research Ltd [EC-PV] Commission of the European Communities: Analysis and Presentation of Monitoring Data. Guidelines fort he Assessment of Photovoltaic Plants, Document B, Version 4.3, March 1997 [EEG] Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien − Erneuerbare-EnergienGesetz [Energie & Management] Zeitung für den Energiemarkt [Gasch, Twele] Robert Gaasch, Jochen Twele, Windkraftanlagen, Grundlagen, Planung und Betrieb, 5. Auflage, B.G. Teubner Verlag Stuttgart, 2007 [GEO-NET] Umweltconsulting GmbH, /www.geo-net.de/ [GTW-Handbook] Gas Turbine World, 2004-05 GTW Handbook, Pequot Publishing, Inc. Southport, CT 06890, USA [Hau] Erich Hau, Windkraftanlagen, Grundlagen, Technik, Einsatz, Wirtschaftlichkeit, Springer Verlag Berlin, 2008 [Häbberlin] Heinrich Häberlin, Photovoltaik, VDE Verlag Berlin, 2007 [Giesecke] Jürgen Giesecke, Emil Mosonyi, Wasserkraftanlagen, Planung, Bau und Betrieb, Springer Verlag 2005 [IEA] International Electrochemical Commission: Photovoltaic System Performance monitoring − Guidelines for measurement, data exchange and analysis International Standard IEC 61724, Geneva, Switzerland, first edition 1998
346 7 Kraftwerke, Technik und Kosten [IEC 61215] DIN EN 61215 (VDE 0126-31): Terrestrische Photovoltaik-(PV) Module mit Silizium-Solarzellen – Bauarteignung und Bauartzulassung (IEC 61215:2005), International Electrotechnical Commission − IEC [KPRO]Kreisprozesssimulationsprogramm, Fichtner GmbH &Co KG, Stuttgart [LGA-BW] Landesgewerbeamt Baden-Württemberg, Informationszentrum für Energiefragen, Stuttgart [MEPS] MEPS International Ltd, www.meps.co.uk [Nava, Flagsol] Paul Nava, Präsentation AndaSol-Projekt [PV-Leitfaden] Ralf Haselhuhn, Claudia Hemmerle u.a., Leitfaden Photovoltaische Anlagen, 3. Auflage 2005 [PVGIS] European Communities, Photovoltaic Geographical Information System, http://re.jrc.ec.europa.eu/pvgis/apps3/pvest.php [Quaschning] Volker Quaschning, Regenerative Energiesysteme, 5. aktualisierte Auflage 2007 [RK-NRW] Konzeptstudie Referenzkraftwerk Nordrhein-Westfalen, VGBPowerTech, Februar 2004 [Sandor] Sandor O. Pálffy, Wasserkraftanlagen, Expert Verlag, RenningenMalmsheim, 2006 [Solar Millenium] Solar Millennium AG, Erlangen, Germany, www.solarmillenium.de [Solarserver] Das Internetportal zur Sonnenenergie, http://www.solarserver.de/ [Strauß] Karl Strauß Kraftwerkstechnik zur Nutzung fossiler, regenerativer und nuklearer Energiequellen, Springer 2002 [Staedler] Martin Steadler, Regenerative Energiesysteme, FHTW − Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Fachbereich 2, http://www.fhtwberlin.de/documents/Fachbereiche/Fachbereich_2/bui/Staedler/PV_Effekt.pdf [STEAG] virtuelles Kraftwerk/ www.steag.de/steagde/kraftwerk/ [von König, Jehle] Felix von König, Christoph Jehle, Bau von Wasserkraftanlagen, C.F. Müller-Verlag, Heidelberg, 2005 [WADAEXL] Wasserdampfstoffdaten-Software für EXCEL. Prof. Dr.-Ing.habil. J.-J. Kretschmar, Dr. -Ing. I. Stöcker, Hochschule Zittau/Görlitz (FH) [Wagner] Andreas Wagner, Photovoltaik Engineering, 2. bearbeitete Auflage 2006, Springer − VDI [Wagner, Energiefakten 2003]
[email protected] [Windatlas] Windatlas, www.etec-owl.de/wind/windatlas.htm, /www.geo-net.de/ [Wind Energy Market] 18. Auflage 2007/2008, Bundesverband Windenergie e.V. [Windpower] Danish Wind Industry Association, www.windpower.org [WNA] World Nuclear Association, www.world-nuclear.org
8. Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
8.1 Thermodynamisch-technische Grundlagen 8.1.1 Das Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung
Bei den thermischen Energieumwandlungsanlagen werden grundsätzlich drei Arten von Prozessen unterschieden: • • •
Der Wärmeprozess Der Wärmekraftprozess Der gekoppelte Kraft- und Wärmeprozess (KWK)
Sie werden in Abb. 8.1 als vereinfachtes Wärmeschaltbild und in Abb. 8.2 in Form von Energieflussdiagrammen gezeigt
Abb. 8.1: Energieumwandlungsprozesse, Prinzipschaltbilder
348
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
Beim reinen Wärmeprozess (heat-only-process „HOP“) wird in einem Kessel aus Primärenergie Prozessdampf oder Heißwasser erzeugt. Der Energienutzungsgrad ist relativ hoch und liegt im Jahresmittel bei ca. 88%; den Rest stellen überwiegend Rauchgasverluste dar, die über den Kamin in die Umgebung entweichen. Die erzeugte Nutzenergie ist Wärme in Form von Heißwasser oder Niederdruckdampf und kann lediglich zum Heizen von Räumen oder als Prozesswärme bei Industrieprozessen Verwendung finden. Aus thermodynamischer Sicht hat sie eine niedrige Wertigkeit, oder anders ausgedrückt, ihr Exergiegehalt ist gering. Beim reinen Kraftprozess (power-only-process) wird im Kessel aus der Primärenergie Hochdruckdampf erzeugt, in der Turbine entspannt und zuerst in mechanische Energie und anschließend im Generator in elektrische Energie umgewandelt. Der Dampf tritt mit einem Druck unterhalb des atmosphärischen Drucks und mit Umgebungstemperatur aus der Turbine aus. Er wird anschließend im Kondensator kondensiert und gibt seine latente Wärme an das Kühlwasser ab. Der Energienutzungsgrad ist, verglichen mit dem des reinen Wärmeprozesses niedriger, bei Großkraftwerken liegt er um die 40%. Die erzeugte Nutzenergie hat aber eine hohe Wertigkeit. Sie besteht aus 100% Exergie und kann in jede andere Energieform umgewandelt werden. Zusätzlich zu den Kaminverlusten gehen mit dem Kondensatorkühlwasser allerdings große Mengen Energie an die Umgebung verloren. Getrennte Erzeugung Gas 1,14 MWh
Kohle 1,50 MWh Kondensationskraftwerk
Kessel
η = 88 %
η = 40 %
Verluste 12 % 0,14 MWh
Verluste 60% 0,90 MWh Wärme
Strom
1,00 MWh
0,60 MWh
Energienutzungsgrad 60,6 % Gekoppelte Erzeugung - KWK Brennstoff 1,82 MWh
Energieeinsparung 31% 0,82 MWh
KWK - Anlage
Verluste 12 % 0,22 MWh Wärme
Strom
1,00 MWh
0,60 MWh
Energienutzungsgrad 88,0%
Abb. 8.2: Energieflussdiagramm, getrennte − gekoppelte Erzeugung.
8.1 Thermodynamisch-technische Grundlagen
349
Bei der gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme oder Kraft-WärmeKopplung "KWK-Prozess“ (combined heat and power process “CHP” or co-generation) wird der Hochdruckdampf aus der Turbine nicht bis zum Kondensatordruck entspannt, sondern bei einem etwas höheren Druck aus der Turbine ausgekoppelt. Seine fühlbare und latente Wärme wird als Nutzwärme in Form von Prozessdampf oder Heißwasser genutzt und geht nicht an die Umgebung verloren. Durch den höheren Druck der Auskopplung im Vergleich zum Kondensationsdruck wird allerdings eine entsprechende Stromeinbuße verursacht. Die Brennstoffenergie wird sowohl in Energie mit höherer (Strom) als auch mit niedriger (Wärme) Wertigkeit umgewandelt. Der Energienutzungsgrad liegt wie beim Wärmeprozess bei 88 % bzw. ist geringfügig niedriger.
8.1.2 Bauarten von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen
Neben dem traditionellen Dampfturbinen-Heizkraftwerk wurden in den letzten drei Jahrzehnten weitere Bauarten von KWK-Anlagen entwickelt. Ihre Prinzipschaltbilder werden in der Abb. 8.3 dargestellt und anschließend kurz beschrieben. Verbrennungsmotor-BHKW Brennstoff
Dampfturbinen-HKW
KWK-Strom
M
Hochdruckdampf
G
Brennstoff HochdruckKessel
KWK-Strom
Turbine
G
450°C AGW
KWW
Wärme 95 °C
WV WV
Abgas
M: G: KWW : AGW : WV : ND : AHK :
70°C
Gasturbinen-HKW Brennstoff
Motor Generator Kühlwasserwärmetauscher Abgaswärmetauscher Wärmeverbraucher Niederdruckdampf Abhitzekessel
Gas- und Dampfturbinen-HKW Hochdruckdampf
KWK-Strom 500°C Brennstoff
AbhitzeKessel
Abgas KWK-Strom
Verdichter
Gasturbosatz Luft
KWK-Strom
G
Turbine
500°C
AHK
ND-Dampf
Turbine Verdichter
Turbine
G
Gasturbosatz Abgas
WV
Luft WV
Abb. 8.3: Bauarten von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen
G
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
350
8.1.3 Aufbau und Fahrweise von Heizkraftwerken
Anlagen zur gekoppelten Strom- und Wärmeerzeugung werden als Heizkraftwerke „HKW“ (combined Heat and Power Station „CHP“) bezeichnet. Kleinere Motor-Heizkraftwerke werden als Blockheizkraftwerke „BHKW“ (Packaged CHP) bezeichnet. Die KWK-Anlage ist zwar der Hauptbestandteil eines Heizkraftwerkes, allerdings kann diese auch andere Anlagenteile beinhalten wie Spitzenlastkessel, Wärmespeicher und Hilfskondensatoren. Die Gründe hierfür hängen mit der Wirtschaftlichkeit und der Versorgungssicherheit zusammen. Die KWK-Anlage ist in der Anschaffung zwar teuerer als übliche reine Kesselanlagen, durch die gekoppelte Erzeugung von Strom und Wärme sind aber die variablen Energieerzeugungskosten wesentlich günstiger. Sie muss jedoch eine hohe Benutzungsdauer erreichen, um die vergleichsweise hohen Kapitalkosten auf eine große Energiemenge zu verteilen und so günstige Gesamtkosten zu erreichen. Um ein Kostenoptimum zu erzielen, wird deshalb bei Heizkraftwerken die KWK-Anlage zur Grundlastdeckung konzipiert und eingesetzt, und die billigeren Kessel übernehmen die Spitzenlastdeckung in den Wintermonaten. Dies wird beispielhaft in der nachstehenden Abb. 8.4 für ein Blockheizkraftwerk mit drei BHKW-Modulen und Spitzenlastkesseln gezeigt.
Normierte Wärmelast Q / Qmax
1.0
0.8
Spitzenlastkessel
0.6
0.4 BHKW-Modul 3
0.2
BHKW- Modul 2 BHKW-Modul 1
0 1000
2000
3000
4000
5000
6000
7000
8000 8760
h/a
Abb. 8.4: Jahresdauerlinie der Wärmelast mit Einsatz der Module
Bei einer reinen KWK–Anlage sind Strom- und Wärmeerzeugung starr aneinander gekoppelt. In der Regel werden KWK-Anlagen wärmeorientiert betrieben und erzeugen dabei eine entsprechende Menge an gekoppel-
8.1 Thermodynamisch-technische Grundlagen
351
tem Strom. Ein Heizkraftwerk kann aber auch Anlagenteile umfassen, in denen ungekoppelter Strom (z.B. in einer Kondensationsturbine oder im Bypassbetrieb zum Abhitzekessel beim Gasturbinen-HKW) bereitgestellt werden kann. Die Erzeugung von ungekoppeltem Strom ist aus Kostengründen dann sinnvoll, um kurzzeitige Stromspitzen bei niedrigem Wärmebedarf abzufahren und dadurch Leistungskosten für Strombezug aus dem öffentlichen Netz einzusparen. Hoher Wärmebedarf und Wärmespitzen in den Wintermonaten werden in der Regel durch die Spitzenlastkessel des Heizkraftwerkes abgedeckt. Eine energetisch bessere technische Möglichkeit, Stromspitzen bei niedrigem Wärmebedarf abzufahren, ist der Einsatz eines Wärmespeichers. Wenn ein solcher Lastfall auftritt, wird der Speicher mit der überschüssigen Wärme aufgeladen und, sobald der Wärmebedarf steigt, wird wieder entladen. Der Vorteil ist dabei, dass auch bei Stromspitzen KWK-Strom erzeugt wird.
8.1.4 Anwendungsmöglichkeiten und Betreiber
Die Voraussetzung für den wirtschaftlichen Einsatz der Kraft-WärmeKopplung ist ein möglichst gleichzeitiger Strom- und Wärmebedarf, damit die Anlage eine möglichst lange Benutzungsdauer erreichen kann. Betreiber von KWK-Anlagen sind meist kommunale Versorgungsunternehmen oder Industriebetriebe, aber auch die Öffentliche Hand. Günstige Anwendungsobjekte sind: • • • • •
Fern- und Nahwärmenetze Öffentliche Einrichtungen wie große Schwimmhallen, Krankenhäuser Kläranlagen mit Nutzung von Klärgas als Brennstoff Industriebetriebe, insbesondere Papierfabriken und Chemiekomplexe Stahlwerke mit Nutzung von Hüttengasen als Brennstoff
In der Vergangenheit ist eine sinnvolle Investition in die Kraft-WärmeKopplung oft aus Gründen der Finanzierung gescheitert. Insbesondere Industriebetriebe betrachten die Energieversorgung nicht als ihr Kerngeschäft und investieren vorzugsweise in Produktionsanlagen. In den letzten Jahren werden jedoch zunehmend Anlagen von Contracting-Unternehmen gebaut und betrieben, wodurch das Finanzierungshemmnis bei den Nutzern gemindert wird. Auch große Energieversorgungsunternehmen betreiben eigene Contracting-Unternehmen, die solche Anlagen bauen und betreiben.
352
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
8.2 Heizkraftwerke 8.2.1 Verbrennungsmotor-Blockheizkraftwerke 8.2.1.1 Aufbau und Funktionsweise
Bei Verbrennungsmotor-Blockheizkraftwerken „BHKW“ (combustion engine CHP- unit, oft auch packaged CHP-unit) treibt ein Verbrennungsmotor den Generator an und aus den heißen Motorabgasen und dem Kühlwasser wird gleichzeitig Nutzwärme erzeugt. Sie werden überwiegend zur Versorgung kleiner und mittlerer Fernwärmenetze, in öffentlichen Einrichtungen und in Kläranlagen eingesetzt. Das Wärmemedium ist i.d.R. Wasser mit einer Vorlauftemperatur von 85 bis 90°C. BHKW's haben im Durchschnitt eine elektrische Leistung um die 500 kW, größere Anlagen erreichen eine Leistung von bis zu 10 MW. Brennstoffe sind in erster Linie Erdgas, Biogase, Klärgas oder Diesel. Die BHKWs werden in der Fabrik als komplette Einheiten − Module − mit Motor, Generator, Wärmetauscher und Schaltschrank schlüsselfertig hergestellt − Abb. 8.5. Ebenfalls werden schlüsselfertige Komplettanlagen in Containerbauweise angeboten. Prinzipschaltbild Prinzipschaltbild VerbrennungsmotorVerbrennungsmotorBlockheizkraftwerk Blockheizkraftwerk Brennstoff Motor Generator
Luft
AbgasWärmetauscher 120 °C Katalysator 470-580 °C
70 °C
90 °C
85 °C
78 °C
KühlwasserWärmetauscher
Jenbacher Vorgefertigtes Vorgefertigtes BHKW-Modul BHKW-Modul
Nahwärmenetz 65 °C
Quelle: IZE
Abb. 8.5: BHKW-Prinzipschaltbild und vorgefertigtes Modul
Die Motoren sind meistens Otto-Motoren oder für den Gasbetrieb weiterentwickelte Dieselmotoren. Gas-Diesel-Motoren werden mit Erdgas betrieben, benötigen aber ca. 5 bis 10% Diesel als Zündstrahl. Zur Einhaltung der Emissionsgrenzwerte nach TA-Luft sind Gasmotoren mit einer mechanischen Leistung von bis ca. 1000 kW mit so genannten Drei-WegeKatalysatoren mit Lambda-Sonde, wie Fahrzeugmotoren, ausgerüstet. Größere Motoren arbeiten stattdessen mit einem Brennstoff-Luft-
8.2 Heizkraftwerke
353
Magergemisch, d.h. mit hohem Verbrennungsluftanteil. Dadurch sinkt die Verbrennungstemperatur und die Bildung von thermischem NOX wird verhindert. Bei Dieselmotoren oder Zweitaktmotoren sind meistens nachgeschaltete DeNOX-Anlagen nach dem SCR-Verfahren notwendig. Zur besseren Anpassung an die Last bestehen Blockheizkraftwerke i.d.R. aus mehreren Modulen. Sie werden mit Spitzenlastkesseln und oft auch mit Wärmespeichern oder Hilfskondensatoren ausgerüstet. 8.2.1.2 Investitionen und Betriebskosten
Die Arbeitsgemeinschaft für Sparsamen und Umweltfreundlichen Energieverbrauch e.V. "ASUE" hat eine Richtpreisanfrage auf Basis einer detaillierten Spezifikation für Erdgas-, Biogas-, Heizöl- und Rapsölanlagen an Hersteller und Anbieter von Wartungsverträgen zuerst für 2001 durchgeführt und für 2005 aktualisiert. Die Ergebnisse der aktuellen Erhebung werden in der Broschüre [BHKW-Kenndaten 2005] veröffentlicht. In den beiden nachstehenden Abbildungen − Abb. 8.6 − und − Abb. 8.7 − sind die Daten für Erdgas-BHKW zu ersehen. Ähnliche Abbildungen sind in der Broschüre auch für die anderen Brennstoffe enthalten. Die Vertragslaufzeit beträgt 10 Jahre und schließt auch eine Generalüberholung ein. Der Schmierölverbrauch während des Betriebes ist ein wesentlicher Kostenfaktor und ist in den Vollwartungsverträgen ebenfalls enthalten. Er ist bei den technischen Unterlagen der Motoren angegeben. Als typischer Schmierölverbrauch kann angesetzt werden: • •
ca. 0,2 kg / MWhel für Erdgasmotoren ca. 1,0 kg/ MWhel für Dieselmotoren
Der Preis für synthetisches Schmieröl liegt bei ca. 2,0 bis 2,4 €/kg. Die angegebenen spezifischen Preise und Betriebskosten gelten nur für die BHKW-Module. Die Kosten für die anderen Komponenten wie Spitzenlastkessel, Speicher etc. sind darin nicht enthalten. Instandhaltungskosten für diese Anlageteile werden wie üblich mit Prozentsätzen, bezogen auf den Anschaffungswert, zusätzlich in der Berechnung berücksichtigt. Blockheizkraftwerke werden i.d.R. ohne ständiges Bedienungspersonal betrieben, sofern ein Instandhaltungsvertrag abgeschlossen wurde. Bei größeren Anlagen ist allerdings mindestens ein Mitarbeiter für die laufenden kleineren Instandhaltungsarbeiten notwendig.
354
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
Lieferumfang Lieferumfang (genaue (genaue Spezifikation, Spezifikation, siehe siehe Quelle): Quelle): BHKW-Modul, BHKW-Modul, Schalldämpfung, Schalldämpfung, Katalysator, Katalysator, Schmierölversorgung, Schmierölversorgung, Schaltschrank, Schaltschrank, Be-und Be-und Entlüftung, Entlüftung, Transport Transport und und Montage, Montage, Inbetriebnahme Inbetriebnahme Quelle: BHKW-Kenndaten 2005
Abb. 8.6: Spezifische Preise für Erdgas-BHKW-Anlagen
Entsprechend Entsprechend BHKW-Servicevertrag BHKW-Servicevertrag und und Leistungsverzeichnis, Leistungsverzeichnis, VDMA VDMA 1998; 1998; VDI-Richtlinie VDI-Richtlinie 4680 4680 Quelle: BHKW-Kenndaten 2005
Abb. 8.7: Preise für Instandhaltungsvertrag für Erdgas-BHKW
8.2 Heizkraftwerke
355
8.2.2 Gasturbinen-Heizkraftwerke 8.2.2.1 Aufbau und Funktionsweise
Gasturbinen-Heizkraftwerke „GT-HKW“ (gas-turbine-CHP) werden überwiegend zur Versorgung von Industriebetrieben mit Grundlaststrom und Dampf eingesetzt. Bei Anwendungen in der Industrie haben sie meistens eine Leistung von 1 bis 10 MW elektrisch. Der Brennstoff ist in der Regel Erdgas. Bei speziellen Anwendungsfällen, wie z.B. bei Kläranlagen werden, auch Biogase eingesetzt. Aus den heißen Abgasen wird im Abhitzekessel Nutzwärme, meistens in Form von Niederdruckdampf, erzeugt. Erdgas ErdgasKompressor
Luft
Bypass
140°C
Dampf 15 bar / 280°C
MW Turbine
Verdichter
Fabrik-Netz Kessel
2 Gasturbinensätze
HEL
G
75 °C
AHK Erdgas
ca. 500 °C
Zusatzfeuerung Frischlüfter
AHK : Abhitzekessel Luft
Abb. 8.8: Vereinfachtes Wärmeschaltbild, Gasturbinen-Heizkraftwerk
Um Stromspitzen bei niedrigem Wärmebedarf abfahren zu können, sind die Anlagen oft mit einem Bypasskanal ausgerüstet, damit die heißen Turbinenabgase während der Stromspitze direkt zum Kamin geleitet werden können, um ungekoppelten Strom zu erzeugen. Durch einen zusatzbefeuerten Abhitzekessel können auch in der Übergangszeit kleinere Wärmespitzen abgefahren werden, ohne den Spitzenlastkessel ständig betreiben zu müssen. 8.2.2.2 Investitionen und Betriebskosten
Richtpreise von Gasturbinen-Generator-Modulen werden jährlich in [GTW handbook] veröffentlicht. Sie sind die Hauptkomponente von GasturbinenHeizkraftwerken. Hinzu kommt noch der Abhitzekessel mit Zubehör als weitere Hauptkomponente. In der Abb. 8.9 sind Preise für Module für den
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
356
Leistungsbereich 0,5 bis 50 MW für Geschäfte, die weltweit in der Periode 2004/2005 abgewickelt wurden, zu ersehen. Die Schwankungsbreite ist, insbesondere für Industrie-Gasturbinen im Bereich um die 10 MW beträchtlich. 1.200
Lieferumfang: Gasturbine, Generator Brennstoff Erdgas Lufteinlass mit Filter und Lärmschutz Abgasschornstein Starter und Steuerung, Grundausstattung konventionelles Brennersystem fertigmontiert auf Gestell, FOB US$ 2007, 1 US$ = 0,73 € (ØJan.-Oct)
Spezifischer Preis US$ / kW (ISO)
1.100 1.000 900 800 700 600 500
Richtwerte für Zuschläge auf FOB - Preis: 5% Transport 10% Montage 10% Bauteil+Sonstiges 10% Zweistoffbrenner
400 300 200
-
5,0
10,0
15,0
20,0
25,0
30,0
35,0
40,0
45,0
50,0
55,0
60,0
Leistung MW (ISO)
Abb. 8.9: Spezifische Investitionen von Gasturbinen
Die Kosten für Wartungsverträge für Gasturbinen in diesem Leistungsbereich liegen zwischen 1 und 3 US$ / MWh. Für die übrigen Anlagenkomponenten sind Preise und Instandhaltungsaufwand getrennt zu berücksichtigen.
8.2.3 Dampfturbinen-Heizkraftwerke 8.2.3.1 Aufbau und Funktionsweise
Dampfturbinen-Heizkraftwerke (steam turbine CHPs) werden für größere Leistungen zur Versorgung von Fernwärmenetzen in Kommunen und großen Industriebetrieben eingesetzt. Als Brennstoff werden Steinkohle, schweres Heizöl oder Erdgas eingesetzt. Oft werden auch Reststoffe aus Produktionsprozessen in industriellen Anlagen mitverfeuert. Es gibt zwei Ausführungen von Dampfturbinen-Heizkraftwerken: • •
Gegendruckanlagen Entnahme-Kondensationsanlagen
8.2 Heizkraftwerke Gegendruckanlage
Entnahme-Kondensationsanlage
Hochdruckdampf
Hochdruckdampf
HDKessel
Kond.Turbine
Brennstoff
HD-
G
MW Turbine
GD-
Turbine
MW
HDKessel
357
G
Geregelte Entnahme Wärmeverbraucher
Wärmeverbraucher KondensatorKühlturm
Abb. 8.10: Wärmeschaltbilder von Dampfturbinen-HKW
Bei einer Gegendruckanlage (back pressure turbine plant) sind die Strom- und Wärmeerzeugung starr aneinander gekoppelt. Um Stromspitzen bei niedrigem Wärmebedarf abfahren zu können, ist deshalb entweder ein Wärmespeicher oder ein Hilfskondensator notwendig. Bei einer Entnahme-Kondensationsanlage (extraction-condensing turbine plant) wird ein Teil des Dampfes aus der geregelten Entnahme der Turbine ausgekoppelt und zum Wärmeverbraucher geführt. Der Rest wird zum Kondensationsteil der Turbine oder zu einer eigenständigen Kondensationsturbine geleitet. Bei einer solcher Anlage kann gleichzeitig gekoppelter und ungekoppelter Strom erzeugt werden, wobei je nach Lastzustand die Mengen variiert werden können. Meistens ist dabei sowohl ein reiner Kondensationsbetrieb als auch ein reiner Gegendruckbetrieb möglich. Damit ist eine solche Anlage im Einsatz sehr flexibel. In der Industrie wird die mechanische Energie der Turbinen statt zur Stromerzeugung vielfach auch zum Antrieb von Druckluft- und Kältekompressoren verwendet. 8.2.3.2 Heizkraftwerke für Biomasse und Ersatzbrennstoffe
Dampfkraftwerke mit Biomasse als Brennstoff wurden in Deutschland nur in Ausnahmefällen gebaut. In den letzten Jahren hat diese Technologie jedoch durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) an Bedeutung gewonnen. Anlagen mit Biomasse als Brennstoff bis zu einer elektrischen Leistung von 20 MW erhalten nach dem EEG eine auskömmliche Vergütung für den erzeugten Strom (siehe Abschnitt 3.2.4 "Gesetze zur Förderung erneuerbarer Energien" Tabelle 3.4). Dadurch wurden mehrere Biomasseanlagen, meistens mit Holz als Brennstoff, gebaut. Hauptproblem von Biomassekraftwerken im Leistungsbereich bis 20 MW ist die langfristige Versorgung mit Holz (ausführliche Behandlung der Thematik siehe [Leitfaden Bioenergie]).
358
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
8.2.3.3 Investitionen und Betriebskosten
Die Investitionen für Biomassekraftwerke mit einer elektrischen Leistung von 20 MW liegen zwischen 2.500 und 3.000 €/kW installierter Leistung. Eine Entsorgung der Asche auf Sonderdeponien kann notwendig werden, wenn sie mit Schwermetallen belastet ist (z.B. bei Altholz der Altholzkategorie AIV). Beispiel 8.1: Biomasse-Heizkraftwerk für eine Papierfabrik Für eine Papierfabrik soll von einem Contractor ein Biomasse-HKW gebaut werden. Die Biomasse besteht aus Fremdholz und teilweise aus Baumrinde von der Fabrik. Die Baumrinde wird kostenlos zur Verfügung gestellt. Der Strom wird in das Netz der allgemeinen Versorgung, der Dampf an die Fabrik geliefert. Zu ermitteln sind die spezifischen Dampfkosten. Position Technische Parameter Elektr. Leistung, Entnahme-Kond., brutto Stromeigenbedarf Betriebsdampf Brennstoffwärmeleistung Gesamtwirkungsgrad Benutzungsdauer Energiebilanz Stromerzeugung, netto Dampferzeugung Brennstoffverbrauch davon Fremdholz Reststoffmenge Investition Jahresbetriebskosten Kapitaldienst 7,5% Personal 20 Personen Wartung & Instandhaltung Versicherung, Verwaltung, Pacht Biomassekosten 3,8 € / MWh Kosten für Reststoffentsorgung Summe . / . Stromvergütung 84,0 € / MWh Restkosten, Dampf spezifische Kosten von Dampf
Einheit MW % MW MW % h/a
20 Jahre 70 T€ / a 2,0% / a 1,2% / a 30 € / t 150 € / t
Wert 20,0 8% 46,0 95,9 69% 7.500
MWh / a MWh / a MWh / a % t/a Mio €
138.000 345.000 701.975 85% 12.000 55,0
T€/a T€/a T€/a T€/a T€/a T€/a T€/a T€/a T€/a € / MWh
5.395 1.400 1.100 660 4.711 1.800 15.066 11.592 3.474 10,07
Gemäß den gesetzlichen Vorgaben wie der "Abfallablagerungsverordnung − AbfAblV", der Deponieverordnung und der TA Siedlungsabfall ist in Deutschland seit dem 01.06.2005 die Deponierung von unbehandelten Abfällen aus Haushalten und Gewerbe unzulässig. Abfall muss entweder thermisch (Abfallverbrennung) oder mechanisch-biologisch behandelt werden. Die Einhaltung der Ablagerungskriterien bei mechanischbiologischer Abfallbehandlung (MBA) ist nur möglich, wenn erhöht kohlenstoffhaltiges Material abgeschieden wird. Dieses ist dann als Ersatzbrennstoff zu verwerten. Anlagen zur Verbrennung von Ersatzbrennstoffen
8.2 Heizkraftwerke
359
erhalten einerseits eine Vergütung für deren Entsorgung, andererseits erwirtschaften sie zusätzliche Einnahmen durch die Erzeugung von Strom und Wärme. Aus diesem Grunde werden derzeit Ersatzbrennstoffanlagen (EBA) gebaut oder sind geplant.
8.2.4 Gas- und Dampfturbinen-Heizkraftwerke 8.2.4.1 Aufbau und Funktionsweise
Ein Gas-und Dampfturbinen Heizkraftwerk (GuD-HKW) ist ähnlich aufgebaut wie ein GuD-Kraftwerk, mit dem einzigen Unterschied, dass aus der Dampfturbine Dampf für Heizzwecke oder für Industrieprozesse ausgekoppelt wird. Es handelt sich meistens um größere Anlagen für ausgedehnte Fernwärmenetze in Kommunen oder in großen Industriebetrieben wie Papierfabriken oder Chemiekomplexe. Ein sinnvoller Anwendungsfall sind auch Stahlwerke, in denen als Brennstoff Hüttengase eingesetzt werden. Die verbreitete Ausführung sind Anlagen mit 2 Gasturbinensätzen, zwei Abhitzekesseln und einer Dampfturbine. Die Dampfturbine kann eine Entnahme-Kondensationsturbine oder auch eine Gegendruckturbine sein. Erdgas Luft 15°C
95 °C
ErdgasKompressor HD-Dampf
MW
MW
G AHK AHK
2 Gasturbinen
500°C
Fernwärmenetz
Abb. 8.11: Vereinfachtes Wärmeschaltbild, GuD-Heizkraftwerk
Kond.Turbine
HD Turbine Turbine
Turbine
Verdichter
64 bar/490°C
G
360
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
8.2.4.2 Investitionen und Betriebskosten
Richtpreise für schlüsselfertige GuD-Anlagen aus weltweit getätigten Geschäften sind in der Abb. 8.12 zu ersehen. Die Preise gelten ab Werk für eine Grundausstattung. Als Leistung ist dabei, wie vielfach bei KWKAnlagen, die thermodynamische äquivalente Kondensations-Leistung anzusetzen. Die Bandbreite der Preise ist groß und je nach Ausstattung und Standort können die tatsächlichen Preise davon erheblich abweichen. 1.000
Spezifischer Preis US$ / kW (ISO)
950
Schlüsselfertige GuD-Anlage Grundsaustattung mit Gasturbine-Generator-Satz Brennstoff Erdgas, Dry-NOx-Brenner Unbefeuerter Mehrdruck-Abhitzekessel, ohne Bypass Mehrdruck-Kondensationsturbine, Generator Transformator, Standard-Kontrolleinrichtungen Startsystem und Hilfseinrichtungen
900 850 800 750 700
Richtwerte für Zuschläge auf FOB - Preis: 5% Transport 10% Montage 10% Bauteil 30% Sonstiges
650 600 550
US$ 2007: 1 US$ = 0,73 €
500 450
Quelle. Gasturbine World, 2007/2008
400 0
50
100
150
200
250
300
350
400
Leistung MW (ISO)
Abb. 8.12: Richtpreise von GuD-Anlagen
8.2.5 Wärmeauskopplung aus Großkraftwerken
Eine kostengünstige Möglichkeit zur Versorgung von großen Fernwärmenetzen oder Industriegebieten mit hohem Prozessdampfbedarf ist die Wärmeauskopplung aus naheliegenden Großkraftwerken der öffentlichen Stromversorgung, wie es auch in mehreren Fällen in Deutschland praktiziert wird (z.B. Mannheim, Lippendorf-Leipzig, Heilbronn u.a.). Die Wärmeauskopplung führt zu einer geringen Einbuße bei der Stromerzeugung. Wenn z.B. aus einem Kraftwerk mit 700 MW elektrischer Leistung 100 MW Wärme ausgekoppelt wird, beträgt die Stromeinbuße lediglich ca. 15 bis 20 MW. Diese Wärmemenge ist ausreichend, um ca. 30.000 Wohnungen mit Grundlastwärme zu versorgen. Die Spitzenlasten bei tiefen Außentemperaturen werden auch in diesem Fall aus Spitzenlastheizwerken vor Ort gedeckt (6 kW pro Wohnung angenommen, davon 3 kW Grundlastwärme).
8.3 Kennzahlen der gekoppelten Energieerzeugung
361
Tabelle 8.1 zeigt die Wärmegestehungskosten bei verschiedenen Dampfdrücken. Die Ermittlung erfolgt durch Multiplikation der Stromgestehungskosten mit der Stromverlust-Kennziffer. Tabelle 8.1: Spezifische Kosten der ausgekoppelten Wärme Wärmeauskopplung aus Steinkohle-Großkraftwerk Strom-Leistungskosten c L,el Strom-Arbeitskosten c A,el Dampfauskopplung Dampfdruck p bar 16,0 3,0 2,0 1,4 0,5
8.3
Sättigungstemperatur ts °C 201 134 120 109 81
€ / (kW a)
113,00
€ / MWh
21,00
Spezifische Wärmegestehungskosten
Stromverlustkennziffer β
Leistungskosten β x c L,el
Arbeitskosten β x c A,el
Mischkosten 6.000 h /a
kW el/kW th 0,376 0,218 0,195 0,176 0,123
€ / (kW a) 42,50 24,63 22,04 19,89 13,93
€ / MWh 7,90 4,58 4,10 3,70 2,59
€ / MWh 14,98 8,68 7,77 7,01 4,91
Kennzahlen der gekoppelten Energieerzeugung
8.3.1 Thermodynamisches Modell KWK- und Kond.-Anlagen
In diesem Abschnitt werden Kennzahlen von KWK-Anlagen definiert und erläutert, sofern sie für die Kostenaufteilung zwischen den KWKProdukten relevant sind. In der Regel ist die Mehrzahl der KWK-Anlagen in Heizkraftwerken so konzipiert, dass sie bei Bedarf, bei größeren Anlagen sogar dauernd, auch ungekoppelten Strom produzieren können. Diese Betriebsweise wird im folgenden als Mischbetrieb bezeichnet. Zur thermodynamischen Bewertung solcher Anlagen ist es sinnvoll, den Mischprozess rechnerisch in zwei Teilprozesse aufzuteilen, einen Teilprozess für die gekoppelte und einen für die ungekoppelte Erzeugung − Abb. 8.13. Dadurch kann man die Produktmengen aus beiden Teilprozessen eindeutig ermitteln. Dies ist auch für die Vergütung von Strom nach dem KWK-ModG vorgeschrieben. Ein weiterer Grund für diese Trennung ist aus thermodynamischer Sicht auch, dass beim Mischprozess je nachdem wie viel Kondensationsstrom erzeugt wird, der Gesamtwirkungsgrad Werte zwischen 35% und 85% annehmen kann. Er hat damit keine Aussagekraft über die thermodynamische
362
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
Güte des Prozesses und ist für eine Bewertung sowohl aus thermodynamischer als auch aus kommerzieller Sicht ungeeignet. Wegen der Komplexität der Prozesse und Begriffe ist die Verwendung von vielen Symbolen und vor allem Indizes notwendig. Die Indizes werden in den meisten Fällen auch in Kombination miteinander verwendet. Nach der Festlegung und Erklärung der Begriffe werden am Schluss dieses Abschnittes, in der Tabelle 8.5, die verwendeten Symbole nochmals aufgelistet und erklärt. Aus Gründen der Klarstellung muss ferner von den ISOStandards für die Symbole und Einheiten teilweise abgewichen werden. So werden z.B. Einheiten in Klammern gesetzt und auch mit Indizes versehen. KWK-Anlage - Mischbetrieb Gekoppelte u. ungekoppelte Erzeugung von Strom und Wärme Leistungskennzahlen in Mischbetrieb El. Leistung im Mischbetrieb Wärmeauskopplung Brennstoffwärmeleistung Gesamtwirkungsgrad
Pel, M QKWK QBr
ηTotal
KWK-Anlagenteil nur gekoppelte Erzeugung Strom und Wärme
Kondensations-Anlagenteil nur ungekoppelte Erzeugung von Strom
Kennzahlen in KWK-Modus
Kennzahlen in Kond.- Modus
El. Leistung gekoppelter Strom Wärmeauskopplung Brennstoffwärmeleistung, KWK KWK-Gesamtwirkungsgrad Stromkennzahl Stromverlust-Kennziffer
Pel,KWK QKWK QBr, KWK
ηg, KWK σ P,KWK β P,KWK
El. Kondensationsleistung Brennstoffwärmeleistung Kondensationswirkungsgrad
Pel, Kond. QBr, Kond.
ηKond.
Abb. 8.13: Rechnerische Trennung von KWK-Anlagen
8.3.2 Wirkungsgrad und Energienutzungsgrad
Auf Basis dieser Trennung des Prozesses in zwei Teilprozesse werden die Kennzahlen nachstehend definiert und erläutert.
8.3 Kennzahlen der gekoppelten Energieerzeugung
363
Der Wirkungsgrad „η“ (efficiency) eines beliebigen Energieumwandlungsprozesses ist der Quotient aus der Summe der nutzbar abgegebenen Energiemengen und dem Brennstoffenergieeinsatz bei stationärem Volllastbetrieb unter Auslegungsbedingungen in einer festgelegten Messzeit (z.B. 1 Stunde). Dieser stimmt in den meisten Fällen mit den Herstellerangaben überein. Der Wirkungsgrad ist immer leistungsbezogen. Der Energienutzungsgrad „ς“ eines Prozesses ist der Quotient aus der Summe der nutzbar abgegebenen Energien und dem Energieeinsatz in einer Berichtszeit (z.B. Tag, Monat, Jahr). Der Energienutzungsgrad ist immer arbeitsbezogen. Bei gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung sehen die entsprechenden Formeln wie folgt aus:
Pel , KWK + Qth, KWK
KWK-Gesamtwirkungsgrad:η g , KWK =
QBr , KWK
KWK- Energienutzungsgrad: ς g , KWK =
Wel , KWK + Wth , KWK WBr , KWK
[-]
Gl. 8.1
[ -]
Gl. 8.2
Für den Teil des Stromes, der ungekoppelt produziert wird, z.B. im Kondensationsmodus in einer Entnahme-Kondensatiosanlage oder in Bypassbetrieb bei Gasturbinen-Heizkraftwerken, ist die Wärmeerzeugung gleich Null und die Formeln lauten entsprechend: Kondensationswirkungsgrad: η Kond =
Kond.-Energienutzungsgrad:
ς Kond =
Pel , Kond QBr , Kond Wel , Kond WBr , Kond
[-]
Gl. 8.3
[-]
Gl. 8.4
Durch Umformung ergibt sich die Formel für den gesamten Brennstoffverbrauch für die gekoppelte und die ungekoppelte Stromerzeugung:
QBr , ges = QBr , KWK + QBr , Kond =
Pel , KWK + Qth , KWK
η g , KWK
+
Pel , Kond
η Kond
[kW]
Gl. 8.5
bzw. über den Energienutzungsgrad für die Berichtszeit eines Jahres:
WBr , ges = WBr , KWK + WBr , Kond =
Wel , KWK + Wth , KWK
ς g , KWK
+
Wel , Kond
ς Kond
[kWh/a]Gl. 8.6
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
364
Übliche Werte für den KWK-Gesamtwirkungsgrad liegen zwischen 0,8 und 0,9. Falls sich bei Berechnungen ein niedrigerer Wert ergibt, ist dies ein Indiz dafür, dass auch ungekoppelter Strom produziert wird. Anmerkung: Nach dem Mineralölsteuergesetz [MinölStG] müssen KWKAnlagen in Deutschland einen Energienutzungsgrad (im Mischbetrieb) von mindestens 70% erreichen, damit sie von der Mineralölsteuer befreit werden. Bis zu dieser Grenze kann je nach Anlagentyp eine unterschiedliche Menge ungekoppelten Stromes erzeugt werden, siehe Abb. 8.14. 1,00 0,90
Gesamtwirkungsgrad
0,80 0,70 0,60 0,50 0,40 0,30 0,20
GT-HKW
GuD-HKW
Dampf-HKW
BHKW
0,10 0,00 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Anteil ungekoppelter Strom
Abb. 8.14: Gesamtwirkungsgrad und Anteil ungekoppelten Stromes
8.3.3 Die Stromkennzahl
Die Stromkennzahl σ (electricity-to-heat-ratio) ist das Verhältnis des durch die ausgekoppelte Wärme erzeugten KWK-Stroms bezogen auf die ausgekoppelte Wärmemenge.
σ P , KWK =
Pel , KWK Qth , KWK
Wel , KWK kWhel kWel bzw. σ W , KWK = Wth , KWK kWhthh kWth
Gl. 8.7
Die Kennzahl σ ist quasi eine Anlagenkennzahl und auch ein Maß für die thermodynamische Güte des Prozesses. Sie kann sich auch auf die Tonne ausgekoppelten Dampfes beziehen (kWhel/t). Der u.U. auch in rei-
8.3 Kennzahlen der gekoppelten Energieerzeugung
365
nem Strombetrieb erzeugte ungekoppelte Strom darf nicht in die Berechnung der Stromkennzahl einbezogen werden. Die Größe der Stromkennzahl ist bei Dampfturbinen-HKW abhängig vom Druckniveau der Auskopplung und nimmt mit steigendem Auskopplungsdruck stark ab. Bei Gasturbinen oder Verbrennungsmotor-KWK-Anlagen kann die Stromkennzahl aus den Herstellerangaben abgeleitet werden. Bei Dampfturbinen- bzw. GuD-Anlagen muss die Stromkennzahl für jede Druckstufe des ausgekoppelten Dampfs in Kreisprozessrechnungen bestimmt werden. Anmerkung: Die in KWK erzeugte Wärmemenge wird üblicherweise gemessen. In Deutschland ist nach dem KWK-ModG eine Zertifizierung von KWKAnlagen erforderlich. Dabei wird u.a. die Stromkennzahl nach den in [Arbeitsblatt FW 308] beschriebenen Regeln bestimmt. Das vorgenannte Gesetz schreibt vor, dass die in KWK erzeugte Wärme separat gemessen werden muss. Daraus kann dann der KWK-Strom mit Hilfe der Stromkennzahl berechnet werden. Beispiel 8.2: Gekoppelte und ungekoppelte Stromerzeugung Ein Gasturbinen-HKW mit 9 MWel und 15 MWth wird teilweise auch in Bypass betrieben und erzeugt jährlich 90.000 MWh Wärme und 65.700 MWh Strom. Der Brennstoffverbrauch beträgt 219.000 MWh in Hu. Der KWKEnergienutzungsgrad beträgt 0,8. Wie viel KWK-Strom bzw. ungekoppelten Strom hat die Anlage erzeugt und welche Brennstoffmengen wurden für die gekoppelte und für die ungekoppelte Erzeugung verbraucht? Lösung: Stromkennzahl: σ = 9/15 = 0,6 MWel/MWth KWK-Strom: Wel,KWK = 0,6 x 90.000 = 54.000 MWh/a Ungekoppelter Strom: Wel, Kond = 65.700 – 54.000 = 11.700 MWh/a Brennstoffverbrauch: WBr,KWK = (90.000+ 54.000)/0,8= 180.000 MWh/a in Hu WBr,Kond = 219.000 – 180.000 = 39.000 MWh/a in Hu
8.3.4 Die Stromverlust-Kennziffer
Die Stromverlust-Kennziffer β (electricity-loss-ratio), auch als Arbeitswert bekannt, ist der Quotient aus der durch die Wärmeauskopplung verursachten Stromeinbuße gegenüber Kondensationsbetrieb bezogen auf die ausgekoppelte KWK-Wärmemenge.
366
βP =
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
∆Pel , Kond kWel Wel , Kond kWhel bzw. β W = Qth , KWK kWth Wth , KWK kWhth
Gl. 8.8
Die Stromverlust-Kennziffer ist nur für Dampfturbinen- und GuDAnlagen mit Entnahme-Kondensationsturbine relevant und ist stark vom Auskopplungsdruck abhängig. Mit steigendem Auskopplungsdruck und sinkendem Kondensationsdruck nimmt die Stromverlust-Kennziffer zu. Die Stromverlust-Kennziffer kann auch auf die Tonne ausgekoppelten Dampfes bezogen sein (kWhel/t). Bei GT-HKW und Motoren-BHKW ist die Stromverlust-Kennziffer Null.
Aus dem Arbeitswert und dem Kondensationswirkungsgrad einer Entnahme-Kondensationsanlage kann eine sinnvolle Zuordnung des Brennstoffverbrauchs zu den beiden Koppelprodukten ermittelt werden. Spezifischer Brennstoffverbrauch der ausgekoppelten Wärme:
q Br =
βP η Kond
kWBr βW bzw. wBr = ς Kond kWth
kWhBr kWhth
Gl. 8.9
Beispiel 8.3: Spezifischer Brennstoffverbrauch In einem Industriekraftwerk mit Entnahme-Kondensationsturbine wird Dampf bei 18 bar und bei 6 bar ausgekoppelt. Der elektrische Kondensationswirkungsgrad (im Kondensations-Modus) beträgt 30%, die Stromverlust-Kennziffern 0,237 bzw. 0,205 kWhel/kWhth für den 18 bar- bzw. für den 6 bar Dampf. Zu ermitteln ist der jeweilige spezifische Brennstoffverbrauch. Lösung: Für Kondensationsstrom. Für den 18 bar-Dampf: Für den 6 bar-Dampf:
qBr = 1/0,30 = .3,33 kWhBr/kWhel qBr = 0,237/0,30 = 0,79 kWhBr/kWhth qBr = 0,205/0,30 = 0,68 kWhBr/kWhth
8.3.5 Äquivalente Kondensationsleistung
Eine wichtige Größe für die Kostenaufteilung bei Kraft-Wärme-Kopplung ist die äquivalente Kondensationsleistung insbesondere bei einer Entnahme-Kondensationsanlage. Sie ist gleich der elektrischen Leistung beim Mischbetrieb Pel,M plus der Summe der Produkte aus Stromverlust-
8.3 Kennzahlen der gekoppelten Energieerzeugung
Kennziffern βi und ausgekoppelter Wärmemengen Qth, auskopplungen bei den einzelnen Druckstufen.
Päqu . el ,Kond = Pel , M + Σ( β P ,i × Qth , KWK ,i )
367
KWK, i
der Wärme-
[kW]
Gl. 8.10
Anmerkung: Grundsätzlich lässt sich die äquivalente Kondensationsleistung auch bei reinen Gegendruckanlagen bestimmen, z.B. um spezifische Daten von unterschiedlichen Heizkraftwerken miteinander zu vergleichen. Dabei muss ein fiktiver Kondensationsteil angenommen werden. Beispiel 8.4: Äquivalente Kondensationsleistung und -wirkungsgrad Bei einer Auskopplung von 19,8 MW 18-bar-Dampf und 61,7 MW 6 bar Dampf erzeugt das Kraftwerk in Entnahme-Kondensations-Mischbetrieb 35,1 MW Strom. Die Brennstoffwärmeleistung beträgt dabei 172,7 MW. Die StromverlustKennziffern betragen 0,237 bzw. 0,205 kWel/kWth. Zu ermitteln ist die äquivalente elektrische Kondensationsleistung des Kraftwerkes und der äquivalente Kondensationswirkungsgrad. Lösung:
Päqu, el.,.Kond. = 35,1 + 19,8 x 0,237 + 61,7 x 0,205 = 52,4 MW
ηäqu., Kond .=
52,4 / 172,7 = 0,30
8.3.6 Beziehungen zwischen den Kennzahlen
In der Abb. 8.15 werden einige hilfreiche Beziehungen zwischen den Kennzahlen von Entnahme-Kondensationsprozessen abgeleitet. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Anlage sowohl in 100% Kondensationsmodus als auch in 100% KWK-Modus betrieben werden kann (siehe Wärmeschaltbilder). Die Kennzahlen sind auf 1 MWh Wärmeauskopplung normiert. Der Brennstoffeinsatz ist in beiden Fällen gleich. Im Kondensationsmodus ist die Nutzenergie nur Strom. Die Stromerzeugung pkond ist gleich mit der Summe Stromkennzahl σ plus Stromverlust-Kennziffer β, da keine Wärme ausgekoppelt wird, entsteht auch kein Stromverlust. Im KWKModus ist die Nutzenergie 1 MWh Wärme plus der KWK Strom pKWK . Er ist gleich mit der Stromkennzahl σ. Die Stromverlust-Kennziffer β ist als Energie in der ausgekoppelten Wärme enthalten (siehe Flussdiagramme). Aus der Abbildung können folgende Beziehungen zwischen den Kennzahlen abgeleitet werden:
368
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
Der Brennstoffverbrauch ist in beiden Betriebsmodi gleich und beträgt:
q Br =
σ P + βP 1+ σ P = η Kond η g , KWK
[kW]
Gl. 8.11
Obige Gleichung stellt eine notwendige Bedingung zwischen den Kennzahlen dar. Wenn die Gleichung nicht erfüllt wird, sind die Kennzahlen nicht korrekt ermittelt worden. q Br =
σ +β η Kond
Entnahme-Kond.- HKW 100% Kond.- Modus Hochdruckdampf
Kondensat- Rauchgasabwärme Verluste
qBr Kondensations-Modus
Brennstoff Hochdruckq Br = Kessel ( σ + β ) / η kond
HDTurbine
p kond = σ + β Kond-Strom
Kondturbine
pkond=
σ+β
q Br =
q th = 0
1+σ η g , KWK
Entnahme-Kond.- HKW 100% KWK - Modus
p KWK = σ KWK-Strom
Hochdruckdampf
qBr RauchgasVerluste
G
Brennstoff q Br = Hochdruck(1 + σ ) / η g, KWK Kessel
KWK- Modus
HDTurbine
Kondturbine
G
StromverlustKennziffer β
β
pKWK =σ
qth= 1MWh
q th = 1
Abb. 8.15: Beziehungen zwischen KWK-Kennzahlen
Durch Auflösung der Gleichung für den Brennstoffverbrauch ergeben sich die Formeln für die Stromkennzahl und die Stromverlust-Kennziffer.
σP =
η Kond − β P × η g , KWK η g , KWK − η Kond
βP =
[kWel / kWth]
η Kond (1 + σ ) − σ P ...[kWel / kWth] η g , KWK
Gl. 8.12
Gl. 8.13
8.3 Kennzahlen der gekoppelten Energieerzeugung
369
Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass sich die Kennzahlen mit dem Index Kond auf reinen Kondensationsbetrieb (bzw. Bypass-Betrieb), die mit KWK auf reinen KWK-Betrieb beziehen. Bei GT-HKW und Verbrennungsmotor-BHKW ist die StromverlustKennziffer praktisch gleich Null. Damit vereinfachen sich die notwendigen Beziehungen entsprechend. Bei solchen Anlagen muss immer gelten:
σ η Kond
=
1+σ
η g , KWK
Gl. 8.14
Das Symbol ηKond steht hier für ungekoppelte Stromerzeugung, z.B. in Bypass-Betrieb oder über Hilfskondensator.
8.3.7 Richtwerte für Kennzahlen von KWK-Anlagen 8.3.7.1 Kennzahlen von Dampf-Entnahme-Kond.-Anlagen
In der Abb. 8.16 sind für 8 verschiedene Entnahme-Kondensationsanlagen mit unterschiedlichen Dampfparametern und elektrischen Leistungen die Kennzahlen σ, β, ηKWK und ηKond durch Kreisprozessrechnungen ermittelt worden und werden in graphischer Form dargestellt. Hierzu noch folgende Erläuterungen: Die Stromkennzahl σP ist in erster Linie vom Druck der Dampfauskopplung sowie von den thermodynamischen Prozessparametern bis zu der Wärmeauskopplung abhängig. Diese Parameter sind der Druck und die Temperatur des Frischdampfes und der Zwischenüberhitzung, die Anzahl der Vorwärmstufen und der innere Wirkungsgrad der Dampfturbine. Für den Gesamtwirkungsgrad ηg, KWK gilt das gleiche, er bleibt jedoch gleich, wenn sich der Auskopplungsdruck nicht ändert. Beide Kennzahlen sind unabhängig vom Kondensationsdruck. Die Stromverlust-Kennziffer βP dagegen ist im Wesentlichen vom Druck des ausgekoppelten Dampfes sowie vom Kondensationsdruck, aber nur unwesentlich von den Dampfparametern vor der Auskopplung abhängig. Die in der Abbildung angegebenen Stromverlust-Kennziffern gelten deshalb für den angegebenen Kondensationsdruck von 0,035 bar. Der Kondensationswirkungsgrad ηäqu,Kond ist von allen Prozessparametern einschließlich Kondensationsdruck abhängig. Richtwerte für beide Wirkungsgrade ηg, kWK und ηäqu.-Kond sind für die untersuchten Anlagen in der Tabelle unterhalb der Abbildungen angegeben.
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
370
1,00
Kondensationsdruck 0,035 bar Betriebskondensat 70°C, 100% Rückführung
Stromkennzahl kW el / kW
th
0,90
HKW 150 / 140 / 540
0,80
äquiv. Kond.-Leistung Frischdampfdruck
0,70
HKW 180 / 160 / 540/ ZÜ HKW 150 / 140 / 540 / ZÜ
0,60
Frischdampftemperatur HKW 130 / 110 / 530 HKW / 110 / 88 / 520 HKW 75 / 70 / 520 HKW 50 / 70 / 495
0,50 0,40
Zwischenüberhitzung
0,30 0,20
HKW 30 / 56 / 520 HKW 20 / 56 / 495
0,10
Vermerk: Reihenfolge der Anlagen wie in der Legendenblase und Pfeilrichtung
0,00 0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Auskopplungsdruck bar
Stromverlust-Kennziffer kWel / kW th
0,35 HKW 180 / 160 / 540/ ZÜ HKW 150 / 140 / 540 / ZÜ
HKW 130 / 110 / 530 HKW / 110 / 88 / 520 HKW 75 / 70 / 520 HKW 50 / 70 / 495
0,30
0,25
HKW 30 / 56 / 520 HKW 20 / 56 / 495
0,20
0,15
HKW 150 / 140 / 540
0,10
äquiv. Kond.-Leistung Frischdampfdruck bar
gelten für Kondensationsdruck 0,035 bar Betriebskondensat 70°C, 100%Rückführung
Frischdampftemperatur °C
0,05 Vermerk: Reihenfolge der Anlagen wie in der Legendenblase und Pfeilrichtung
0,00 0
1
2
3
4
5
6
7
Zwischenüberhitzung
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Auskopplungsdruck bar
KondensationsFrischdampfparameter bar / °C druck 56 / 495 56 / 520 70 / 495 70 / 520 88 / 520 110 / 530 140 / 540 160 / 540 ZÜ ZÜ bar äqu. Kondensationswirkungsgrad %
η
0,035 0,055 0,075 0,095 0,115 0,135 g, KWK
32,4 31,4 30,8 30,3 29,8 29,4 89,6
32,7 31,7 31,1 30,6 30,1 29,7 89,6
34,8 33,8 33,1 32,5 32,1 31,6 89,6
35,1 34,1 33,4 32,8 32,4 31,9 89,6
35,9 34,8 34,1 33,6 33,1 32,6 89,7
36,7 36,3 36,0 35,6 35,5 35,3 89,7
43,0 42,5 42,1 41,7 41,6 41,3 92,3
43,4 42,9 42,5 42,1 42,0 41,7 92,3
Quelle: Abgeleitet aus Kreisprozessrechnungen mit KPRO- Simulationssoftware Abb. 8.16: Kennzahlen von Dampfturbinen-Entnahme-Kond.-HKW
8.3 Kennzahlen der gekoppelten Energieerzeugung
371
Mit Hilfe der angegebenen Kennzahlen können für die meisten in der Praxis vorkommenden Anwendungen Energiebilanzen mit vergleichsweise wenig Aufwand durchgeführt werden. Das wird in folgendem Beispiel für ein industrielles Heizkraftwerk demonstriert. Die Alternative hierzu wäre die Durchführung umfangreicher Kreisprozessrechnungen für mehrere Lastfälle und Bilanzierungen über mehrere Betriebsintervalle, um praktisch das gleiche Ergebnis zu erzielen. Anmerkung: Wegen der gegenseitigen Abhängigkeit der Kennzahlen wird empfohlen, eine der beiden Kennzahlen σ oder β aus der Abbildung zu entnehmen und die zweite mit Hilfe der Formeln 9.12 und − 9.13 zu berechnen. Für Auskopplungsdrücke bis ca. 3 bar kann die Stromverlustkennziffer mit ausreichender Genauigkeit nach folgender Formel ermittelt werden (siehe Beispiel 8.5):
βP =
hE − hKond η mTGG ´ hE − hKond
[kWel / kWth]
Gl. 8.15
Hierin bedeuten: hE: Enthalpie des ausgekoppelten Dampfes (kJ/kg) hKond: Enthalpie des Kondensationsdampfes (kJ/kg) h´Kond: Sättigungsenthalpie des Kondensats (kJ/kg) ηmTGG: mechanischer Wirkungsgrad Turbine x Generator Beispiel 8.5: Überschlägige Berechnung der Kennzahlen Für den aus einer Entnahme bei 3 bar ausgekoppelten Dampf aus einer EntnahmeKondensationsanlage ist erst die Stromverlust-Kennziffer nach der Näherungsformel und anschließend die Stromkennzahl mit der genauen Formel zu ermitteln Parameter Gegeben Frischdampf Entnahme- Enthalpie h E Kond.-Enthalpie h Kond Sättigungsenthalpie h´ Kond.
3 bar 0,035 bar
164 °C 88%
Annahmen mech. Wirkungsgrad, Turbine-Generatorsat η m Kondenationswirkungsgrad η äqu,- Kond *) KWK-Gesamtwirkungsgrad η g, KWK *) Rechnung Stromverlustkennziffer, siehe Formel **) Stromkennzahl, siehe Formel **)
Einheit
Wert
bar / °C kJ / kg kJ / kg kJ / kg
70 / 520 2.791 2.257 112
% % %
95,0% 35,1% 89,6%
kWhel / kWhth kWhel / kWhth
*) In Anlehnung an Tabelle in Abb. 8.16
**) Formeln: β P = hE − hKond η m,TGG hE − h´Kond
σP =
η Kond − β P × η g , KWK η g , KWK − η Kond
0,189 0,333
372
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
Beispiel 8.6: Leistungs- und Energiebilanz mit Hilfe von Kennzahlen Ein industrielles Heizkraftwerk wird stromgeführt mit konstanter elektrischer Leistung gefahren. Es wird Dampf in zwei Druckstufen ausgekoppelt. Die Benutzungsdauer für Strom und die beiden Dampfauskopplungen ist unterschiedlich. Zu erstellen ist die Energiebilanz mit Hilfe von Kennzahlen aus Abb. 8.16 Position Entnahme-Kond.-Mischbetrieb el. Leistung, Mischbetrieb, brutto el. Leistung, netto Auskopplung 12 bar, Höchstlast Auskopplung 6 bar, Höchstlast Brennstoffwärmeleistung Kennzahlen Stromverlustkennziffer, 12 bar Stromverlustkennziffer, 6 bar KWK-Gesamtwirkungsgrad el. Verlustleistung durch Auskopplung äqu.- el.-Kondensationsleistung, netto äqu.- el.- Kond.-Wirkungsgrad Stromkennzahl, 12 bar Stromkennzahl, 6 bar Energiebilanz Wärmeerzeugung 12 bar Dampf Wärmeerzeugung 6 bar Dampf Stromerzeugung Mischbetrieb, brutto Stromerzeugung Mischbetrieb, netto davon KWK-Strom davon ungekoppelter Strom el. Verlustarbeit der Auskopplung äqu.-el. Kond.-Arbeit, netto Brennstoffverbrauch, gesamt davon für ungekoppelten Strom davon für gekoppelte Erzeugung Energienutzungsgrad im Mischbetrieb
Formel 7.000 h/a 8,0% 6.000 h/a 3.500 h/a
Einheit P el, M, brutto P el, M, netto Q 12 bar Q 6 bar Q Br
MWel MWel MWth MWth MWth
β 12 bar β 6 bar aus Abbildung 9.18 η g, KWK ∆P el = ß 12bar x Q 12bar + ß 6bar x Q 6bar P el.-äqu.-Kond = P el, M, netto + ∆P el η el, -äqu- Kond. = P el, äqu.-Kond / Q Br σ 12bar = (η Kond - ß 12bar x η g, KWK ) / (η g, KWK - η Kond ) σ 6bar = (η Kond - ß 6bar x η g, KWK ) / (η g, KWK - η Kond )
kWhel / kWhth kWhel / kWhth % MWel MWel % kWhel / kWhth kWhel / kWhth
W th , 12bar = Q 12bar x 6.000 W th , 6bar = Q 6bar x 3.500 W el, M, brutto = P el, M, brutto x 7.000 W el, M, netto = P el, M, netto x 7.000 W el, KWK = σ 12bar x W th, 12bar + σ 6bar x W th, 6bar W el.-Kond.-netto = W el, M, netto -W el, KWK ∆ W el = ß 12bar x W th, 12bar + ß 6bar x W th, 6bar W el, äqu.-Kond, netto = W el, M, netto + ∆ W el W Br = W Br, Kond + W Br, KWK W Br, Kond. = W el,-Kond.-netto / η el.-äqu.-Kond . W Br, KWK = ( W th, 12bar + W th, 6bar + W el, KWK ) / η g, KWK η Total =( W el.-M. netto + W th, 12bar + W th, 6bar) / W Br
MWhth / a MWhth / a MWhel / a MWhel / a MWhel / a MWhel / a MWhel / a MWhel / a MWhth / a MWhth / a MWhth / a %
aus Abbildung 9.16 aus Abbildung 9.17
Wert 100,0 92,0 104,2 103,1 430,1 0,274 0,239 89,7% 53,2 145,2 33,8% 0,164 0,220 625.467 360.680 700.000 644.000 182.104 461.896 257.580 901.580 2.670.587 1.368.189 1.302.398 61,0%
8.3.7.2 Kennzahlen von GuD-HKW
Sowohl bei Gasturbinen als auch bei GuD-Anlagen ist die Energieeffizienz stark von der Leistungsgröße, der Art der Technologie und des Brennstoffes sowie von den klimatischen Bedingungen am Standort (reference site conditions “RSC”) abhängig. Es ist deshalb empfehlenswert, die Kennzahlen für jeden Einzelfall durch Kreisprozessrechnungen zu bestimmen. Die Stromkennzahlen von GuD-Heizkraftwerken sind generell erheblich höher als die von Dampfturbinenanlagen, da die elektrische Leistung der dem Dampfprozess vorgeschalteten Gasturbinen hinzukommt. In der Abb. 8.17 werden für zwei Anwendungsfälle, einer größeren und einer kleineren GuD-Anlage, die in Kreisprozessen ermittelten Kennzahlen als Trendbetrachtung gezeigt, um ein Gefühl über die Größenordnung zu vermitteln.
8.3 Kennzahlen der gekoppelten Energieerzeugung
große GuD: 2 GT x 46,5 MW + 1 DT 37 MW Frischdampf: 64 bar / 520 °C, unbefeuerter Zweidruck-Abhitzekessel kleine GuD: 2 GT x 7,25 MW + 1 DT 7 MW Frischdampf: 60 bar / 460 °C unbefeuerter Zweidruck - AHK
Stromkennzahl kWel / kW th
1,30
0,300 0,280 0,260
Stromverlust-Kennziffer
1,20
bei p kond = 0,35 bar
0,240 0,220 0,200
1,10
GuD 130 MWel
0,180
GuD 21,5 MWel 1,00
0,160
Stromkennzahl 0,90
0,140
ca. 10% bzw. 15% der Wärme wird bei der großen bzw. bei der kleinen GuD immer von der zweiten Druckstufe bei 4,5 bar ausgekoppelt
Stromverlust-Kennziffer kWel / kW th
1,40
373
0,120
0,80
0,100 1
2
3
5
7
10
12
16
Auskopplungsdruck bar
Abb. 8.17: Kennzahlen von GuD-HKW, brutto
Aus der Abbildung ist zu ersehen, dass die Stromkennzahlen der größeren Anlage, bedingt durch den höheren elektrischen Wirkungsgrad der großen Gasturbine, erheblich höher sind. Die Stromverlust-Kennziffer ist in beiden Anlagen nahezu gleich, was auch plausibel ist, da nur die Dampfturbine am kalten Ende (Kondensationsteil) eine Rolle spielt. Aus demselben Grund ist der Kondensationswirkungsgrad weniger abhängig vom Kondensationsdruck im Vergleich mit Dampfturbinen-Heizkraftwerken. Der Gesamtwirkungsgrad ist, bedingt durch die höheren Abgasverluste von Gasturbinen, etwas niedriger als bei Dampfturbinen-Anlagen. Tabelle 8.2: Wirkungsgrad von GuD-Anlagen, brutto Kondensationsdruck bar
Kondensationswirkungsgrad
η äqu,
Kond
0,035 0,055 0,075 0,095 0,115 0,135
große GuD 53,3% 52,7% 52,2% 51,9% 51,6% 51,3%
kleine GuD 48,2% 47,5% 47,0% 46,7% 46,4% 46,1%
η g,- KWK
84,9%
80,2%
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
374
8.3.7.3 Kennzahlen von Motor- und Gasturbinen HKW
Die Kennzahlen von Verbrennungsmotor- und Gasturbinen HKW können in den meisten Fällen direkt den technischen Angaben der Hersteller oder der Packager entnommen bzw. leicht abgeleitet werden. Eine gute Zusammenstellung ist in den ASUE-Veröffentlichungen [GasturbinenKenndaten] und [BHKW-Kenndaten] zu finden. Die nachstehenden Tabellen Tabelle 8.3 und Tabelle 8.4 zeigen die Kennzahlen ausgewählter Verbrennungsmotor-BHKW und Gasturbinen-Module als Orientierung. Tabelle 8.3: Kennzahlen ausgewählter EG-BHKW Motor-Fabrikat
Elektrische
Wärme-
Brennstoff-
elektrischer
Gesamt-
Strom-
Leistung
leistung
einsatz
Wirkungsgrad
wirkungsgrad
kennzahl kW el/kWth
Pel
QN
QBr
ηel
ηges
kW
kW
kW
%
%
Ford VSG 413
8
16
30
27%
80%
MAN GE 0824
33
58
100
33%
91%
0,500 0,569
MAN E 2866 E
52
87
157
33%
89%
0,598
MAN E 0825 E302
110
190
341
32%
88%
0,579
Caterpillar 14,6/6R
195
303
576
34%
86%
0,644
MTU G12V183
300
395
813
37%
85%
0,759
Deutz TBG 616 V12
404
572
1.137
36%
86%
0,706
Deutz TBG 616 V12K
525
636
1.346
39%
86%
0,825
MTU 12V 4000
960
1.127
2.475
39%
84%
0,852
Jenbacher J 616 GS-E02
1.944
2.100
4.817
40%
84%
0,926
Wärtsilä W18 V28SG B+V 18 PC 2-5 V DFs
4.563 8.380
4.950 7.905
10.470 19.900
44% 42%
91% 82%
0,922 1,060
Quelle: ASUE-Veröffentlichung BHKW-Kenndaten 2001
Brennstoff:Erdgas
Die Angaben für Gasturbinen gelten für Normbezugsbedingungen nach DIN 4341 (Totaltemperatur 15°C, Totaldruck 1.013 mbar, relative Feuchte 60%). Einen sehr starken Einfluss auf die Gasturbinenleistung hat die Ansauglufttemperatur. Als Richtwert gilt 0,6 % Leistungsabfall pro Kelvin Temperaturerhöhung der Ansaugtemperatur. Tabelle 8.4: Kennzahlen ausgewählter EG-Gasturbinen-HKW Fabrikat
Elektrische
Wärme-
Brennstoff-
elektrischer
Gesamt-
Strom-
Leistung Pel 10/25
leistung QN (140 °C)
einsatz QBr 10/25
Wirkungsgrad ηel 10/25
wirkungsgrad ηges 10/25
kennzahl kWel/kWth
kW
kW
kW
%
%
Solar Saturn 20
1.166
2.660
4.902
23,8%
78,0%
0,44
Solar Centaur 40
3.380
6.060
12.400
27,3%
76,1%
0,56
Solar Mercury 50
4.025
3.700
10.228
39,4%
75,5%
1,09
Solar Taunus 60
5.030
8.360
17.020
29,6%
78,7%
0,60
Solar Taurus 70
6.990
10.260
21.800
32,1%
79,1%
0,68
Solar Mars 90
8.980
13.950
29.060
30,9%
78,9%
0,64
Solar Mars 100
10.340
16.150
32.720
31,6%
81,0%
0,64
Solar Titan 130
12.393
18.216
38.500
32,2%
79,5%
0,68
ABB GT 35
16.300
23.421
52.382
31,1%
75,8%
0,70
GE PG 5371 PA
25.890
47.339
92.280
28,1%
79,4%
0,55
Siemens 251 B11
44.990
71.038
142.968
31,5%
81,2%
0,63
GE PG 6561 B
39.250
62.933
124.350
31,6%
82,2%
0,62
Siemens V64.3 A
68.405
91.781
188.460
36,3%
85,0%
0,75
Index 10/25: Leistungsangaben für Einlassdruckverlust beim Filter und Auslassdruckverlust im Abhitzekessel in mbar
QN
(140°) : Wärmeleistung bei Abgasabkühlung auf 140 °C
Quelle: ASUE-Veröffentlichung Gasturbinen-Kenndaten
8.3 Kennzahlen der gekoppelten Energieerzeugung
375
8.3.8 Auflistung verwendeter Symbole bei den Kennzahlen
In der nachstehenden Tabelle werden die Symbole, die für die Kennzahlen verwendet wurden, aufgelistet: Tabelle 8.5: Verwendete Symbole und Indizes
Symbol
Bedeutung
Lateinische Großbuchstaben Elektrische Leistung in kW P Wärmeleistung in kW Q Energie oder Arbeit allgemein in kWh W Lateinische Kleinbuchstaben spezifische elektrische Leistung p spezifische thermische oder Brennstoffenergie q spezifische Energie oder Arbeit w Indizes äqu. Br el g Kond. KWK M P th Total
Äquivalent (z.B. äqu. el. Kond.-leistung) Brennstoff (z.B. Brennstoffwärmeleistung) elektrisch (z.B. elektrische Leistung) Gesamt (z.B. Gesamtwirkungsgrad KWK) Aus ungekoppelter Erzeugung Aus gekoppelter Erzeugung Mischprozess, aus Mischbetrieb Leistungsbezogen Thermisch (z.B. Thermische Leistung) Gesamt beim Mischbetrieb (z.B. Wirkungsgrad) Arbeitsbezogen
Beispiel Pel, KWK Qth ; QBr Wel ; Wth ; WBr pel, KWK qth ; qBr wel ; wth Päqu., el, Kond. QBr ; WBr Pel ; Wel
ηg, KWK
Pel, Kond. Pel, KWK Pel, M σP ; βP Qth
ηTotal
σW ; βW Griechische Symbole Stromverlust-Kennziffer in kWel / kWth; kWhel / kWhth Β W
ζ η Σ
∆ Σ
Energienutzungsgrad Wirkungsgrad Stromkennzahl in kWel / kWth;. kWhel / kWhth Differenzzeichen Summenzeichen
376
8.4
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
Kostenaufteilungsverfahren
Eine wesentliche Aufgabe bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung von KWK-Anlagen ist die Zuordnung der Kosten sowie des Brennstoffaufwandes und der Emissionen auf die Koppelprodukte Strom und Wärme. Im wirtschaftswissenschaftlichem Sinne ist die Aufteilung der Kosten auf die Koppelprodukte nicht streng verursachungsgemäß möglich. Erst auf Basis zusätzlicher Aspekte, wie die Fokussierung auf dem Zweck der betrachteten KWK-Anlage, wird eine Kostenaufteilung sinnvoll. In diesem Sinne werden zur Kostenaufteilung zwischen den Koppelprodukten Strom und Wärme je nach Zweck der KWK-Anlage folgende Verfahren angewandt: • • • •
das Stromäquivalenzverfahren (auch Arbeitswertverfahren) das exergetische Verfahren das kalorische Verfahren das Restwertverfahren
Die ersten drei Verfahren bauen auf thermodynamischen Grundsätzen auf, das vierte Verfahren hat eine reine kommerzielle Basis. Das zu wählende Verfahren hängt in erster Linie von der Art und Größe sowie dem Versorgungszweck der Anlage ab. Im Wesentlichen muss zwischen Anlagen, die vorrangig zur Stromerzeugung (Ohnehin-Kraftwerke) und solchen die vorrangig zur Wärmeerzeugung (Heizkraftwerke) errichtet werden, unterschieden werden. Im Folgenden werden die Verfahren beschrieben und ihre Anwendungsfälle diskutiert. Bei deren Anwendung ist die Kenntnis der im Abschnitt 8.3 beschriebenen Kennzahlen und deren Beziehungen untereinander erforderlich.
8.4.1 Das Stromäquivalenzverfahren (Arbeitswertverfahren)
Das Stromäquivalenzverfahren (auch Arbeitswertverfahren genannt) findet bei großen Heizkraftwerken, die vorrangig zur Stromerzeugung eingesetzt werden, sowie bei Wärmeauskopplung aus Großkraftwerken der öffentlichen Stromversorgung und bei GuD-Heizkraftwerken mit EntnahmeKondensationsturbinen Anwendung. Dieses Verfahren basiert auf der Vorstellung, dass diese Art von Kraftwerken vorrangig Stromerzeugungsanlagen sind. Wenn Wärme aus dem Prozess ausgekoppelt wird, dann wird entsprechend weniger Strom produziert. Die ausgekoppelte Wärme muss die Opportunitätskosten, d.h. die
8.4 Kostenaufteilungsverfahren
377
entfallenen Einnahmen aus der Minderproduktion von Strom, ausgleichen und wird dementsprechend bewertet. 8.4.1.1 Wärmeauskopplung aus Großkraftwerken
Am einfachsten ist die Anwendung des Verfahrens bei Wärmeauskopplung aus Großkraftwerken der öffentlichen Stromversorgung. Dabei wird im Wesentlichen die Stromverlust-Kennziffer β der ausgekoppelten Wärme mit den spezifischen Stromgestehungskosten cel des Kraftwerkes für reinen Kondensationsstrom multipliziert, um die spezifischen Wärmegestehungskosten zu ermitteln.
cw = β cel
Gl. 8.16
Dabei werden Leistungs- und Arbeitskosten getrennt berechnet, weil die Stromverlust-Kennziffern und auch die Benutzungsdauer von Strom und Wärme unterschiedlich sein können. Der Rechengang wird in den beiden folgenden Beispielen gezeigt. Beispiel 8.7: Dampfauskopplung aus einem Großkraftwerk Aus einem Steinkohle-Großkraftwerk wird Dampf mit 6 bar/250 °C für einen Industriebetrieb ausgekoppelt. Zu berechnen sind die Gestehungskosten des ausgekoppelten Dampfes. Position
Formel
Einheit
Angaben Leistungskosten, Kond.-Strom
c L,el
€ / (kW*a)
117,00
Arbeitskosten, Kond.-Strom
c A,el
€ / MWh
21,00
Dampflieferung, Höchstlast
Q max
MW
Dampflieferung, Jahresarbeit
W th β
MWh / a kWhel / kWht h
Dampfkosten *) Spez. Leistungskosten, Dampf
c L,D = β x c L,el
€ / (kW*a)
Spez. Arbeitskosten, Dampf
c A,D = β x c A,el
€ / MWh
C L,D = c L,D x Q max
T€ / a T€ / a
3.300,0 1.462,5
C A,D = c L,D x W th cD
T€ / a
1.837,5
€ / MWh
Stromverlustkennziffer, Dampf
Jahreskosten, Dampf davon Leistungskosten davon Arbeitskosten Durchschnittskosten, Dampf
Zahlenwert
50 350.000
*) ohne Kosten für Auskopplungseinrichtungen und Antransportleitung zum Fernwärmenetz
0,250
29,25 5,25
9,43
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
378
Beispiel 8.8: Zweistufige Fernwärmeauskopplung aus Großkraftwerk Aus dem gleichen Großkraftwerk wird ein Heißwasser-Fernwärmenetz mit Grundlastwärme versorgt. Das Fernwärmenetz wird mit gleitender Vorlauftemperatur zwischen 130°C und 70°C und einer quasi konstanten Rücklauftemperatur von 50°C betrieben. Das Heißwasser wird in zwei in Reihe geschalteten Heizkondensatoren mit ausgekoppeltem Dampf von 3 bar bzw. 1 bar aufgeheizt. Bei Höchstlast im Winter sind beide Heizkondensatoren in Betrieb und liefern je 50% der Wärme. Außerhalb der Spitzen wird der obere mit 3 bar-Dampf beaufschlagte Heizkondensator ausgeschaltet. Dadurch wird etwa 70% der Jahreswärme aus dem unteren 1 bar- und 30% aus dem oberen 3 bar-Heizkondensator geliefert. 130°C - 70°C
Fernwärmenetz
50 °C
Gesucht: Die Gestehungskosten der ausgekoppelten Wärme. Position
Formel
Einheit
Zahlenwert
Leistungskosten, Strom
c L,el
€ / (kW*a)
117,00
Arbeitskosten, Kond.-Strom
c A,el
€ / MWh
21,00
Wärmelieferung, Höchstlast
Q max
MW
Angaben
davon aus unterem 1 bar- Heizkondensator
%
75 50%
W FW
MWh / a
Stromverlustkennziffer, 3 bar- Dampf
β 3bar
% kWhel / kWht h
0,235
Stromverlustkennziffer, 1 bar-Dampf
β 1bar
kWhel / kWht h
0,125
Leistung 50% 1 bar / 50% 3 bar
β L =0,5xβ 1bar + 0,5xβ 3bar
kWhel / kWht h
0,180
Arbeit 70% 1 bar / 30% 3 bar
β A =0,7xβ 1bar + 0,3xβ 3bar
kWhel / kWht h
0,158
c L,FW = β L x c L,el
€ / (kW*a)
21,06
c A,FW = β A x c A,el
€ / MWh
3,32
C FW =C L,FW +C A,FW C L,FW =c L,FW x Q max
T€ / a
3.321
T€ / a
1.580
T€ / a
1.742
Wärmelieferung, Jahresarbeit davon aus unterem 1bar- Heizkondensator
525.000 70%
Fernwärmekosten *) Stromverlustkennziffer, gemittelt:
Spez. Leistungskosten Fernwärme Spez. Arbeitskosten Fernwärme Jahreskosten, Fernwärme frei Kraftwerk davon Leistungskosten davon Arbeistkosten Durchschnittskosten, Fernwärme
C A,FW =c A,FW x W FW c FW
*) ohne Kosten für Auskopplungseinrichtungen und Antransportleitung zum Fernwärmenetz
€ / MWh
6,33
8.4 Kostenaufteilungsverfahren
379
8.4.1.2 Wärmeauskopplung aus Entnahme-Kond.-HKW
Bei Entnahme-Kondensations-Heizkraftwerken, die für gleichzeitige Erzeugung im Mischbetrieb − sowohl für gekoppelte Erzeugung als auch für ungekoppelte Stromerzeugung − konzipiert sind, erfolgt die Kostenaufteilung im Wesentlichen in folgenden Schritten: • • • • •
Die Kennzahlen des Prozesses (el. Leistung im Mischbetrieb, Stromverlustkennziffer) werden ermittelt. Der Entnahme-Kondensationsprozess wird zu einem "äquivalenten Kondensationsprozess“, wie in Abschnitt 8.3.5 beschrieben, umgewandelt. Die spezifischen Stromgestehungskosten des äquivalenten Kondensationsprozesses werden ermittelt. Anschließend erfolgt die Kostenaufteilung zwischen den Koppelprodukten nach dem Stromäquivalenzverfahren wie beschrieben. Eine Kontrollrechnung der Jahreskosten wird durchgeführt
In den meisten Fällen kann der Kondensationsteil der Turbine nicht den gesamten Frischdampf aus dem Kessel in reinem Kondensationsbetrieb aufnehmen, weil dieser nicht für die gesamte Menge dimensioniert ist. Wenn dies der Fall wäre, würde die Turbine im normalen Mischbetrieb ständig in Teillast betrieben werden. Insofern geschieht die Umwandlung zur äquivalenten Kondensationsanlage rein rechnerisch zum Zwecke der Kostenaufteilung, auch wenn im wirklichen Betrieb diese Fahrweise nicht möglich ist. In dem Beispiel 8.9 sind die einzelnen Rechenschritte in der Tabelle angegeben. Die Ermittlung der Jahreskosten erfolgte in separater Rechnung, sie werden hier der Einfachheit halber übernommen.
380
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
Beispiel 8.9: Wärmeauskopplung aus einem Industrie-Heizkraftwerk Aus einem Industriekraftwerk wird Dampf bei einem Druck von 12 bar und 6 bar ausgekoppelt und gleichzeitig Kondensationsstrom erzeugt. Zu ermitteln sind die spezifischen Energiegestehungskosten von Strom und Dampf. Umwandlung des Mischprozesses in einem äquivalenten Kondensationsprozess Position Entnahme-Kond.-Mischbetrieb (aus Kreisprozessrechnung) elektr. Leistung, brutto
Formel
Einheit
Wert
PB
MW
67,4
PN
MW
59,3
Auskopplung 12 bar
Q 12bar
MW
73,4
Auskopplung 6 bar
Q 6bar
MW
103,0
elektr. Leistung, netto
Energieerzeugung im Mischbetrieb (Berechnung mit Vollaststunden) WM Stromerzeugung Ent.-Kond, brutto 6.000 h/a
MWh / a
404.400
Wärmeerzeugung 12 bar-Dampf
5.500 h/a
W th, 12 bar
MWh / a
403.700
Wärmeerzeugung 6 bar-Dampf
7.000 h/a
W th,6 bar
MWh / a
721.000
Kennzahlen KWK, brutto Stromverlust-Kennziffer, 12 bar
β 12 bar
kWhel / kWhth
0,252
Stromverlust-Kennziffer, 6 bar
β 6 bar
kWhel / kWhth
0,218
P äqu.,Kond PN
MW MW
100,3 59,3
Äquiv. Kond.-leistung, 12 bar-Dampf
P äqu., 12 bar = β 12bar x Q 12bar
MW
18,5
Äquiv. Kond.-leistung, 6 bar-Dampf
P äqu, .6 bar = β 6bar x Q 6bar
MW
äquivalente Stromerzeugung Stromerzeugung, Entnahme-Kond., netto
W äqu.,Kond W MN
MWh / a MWh / a
614.710 355.800
W äqu, .12 bar = P äqu., 12bar x 5.500
MWh / a
101.732
W äqu, .6 bar = P äqu., 6bar x 7.000
MWh / a %
157.178 31,8%
T€ /a T€ / a
41.860 24.750
CV
T€ / a
17.110
Äquivalente Stromerzeugung, netto Äquiv. Kond.-leistung, netto Leistung in Mischbetrieb, netto
äquiv. Kond.-Arbeit, 12 bar-Dampf äquiv. Kond.-Arbeit, 6 bar-Dampf äquivalenter el. Kond.-Wirkungsgrad, netto
Kostenaufteilung und Ermittlung der spezifischen Kosten Jahreskosten im Mischbetrieb (aus separater Rechnung) CF Jährliche Fixkosten Jährliche variable Kosten Stromgestehungskosten äquivalenter Kond.-Betrieb Leistungskosten Arbeitskosten Mischkosten, Strom
c L,el = C F / P äqu.,Kond
€ / (kW*a)
246,88
c A,el = C V / W äqu.,Kond
€ / MWh € / MWh
27,83 68,98
6.000 h/a
Wärmegestehungskosten Leistungskosten, 12 bar-Dampf
22,5
c L, D = β 12bar x c L,el
€ / (kW*a)
62,21
c A, D = β 12bar x c A,el
€ / MWh € / MWh
7,01 18,33
Leistungskosten, 6 bar-Dampf
c L, D = β 6bar x c L,el
€ / (kW*a)
53,82
Arbeitskosten, 6 bar-Dampf Mischkosten, 6 bar-Dampf
c A, D = β 6bar x c A,el
€ / MWh € / MWh
6,07 13,76
Arbeitskosten, 12 bar-Dampf Mischkosten 12 bar-Dampf
5.500 h/a
7.000 h/a
8.4 Kostenaufteilungsverfahren
381
8.4.2 Das Exergie-Verfahren
Das Exergieverfahren zur Kostenaufteilung ist praktisch für jeden Anwendungsfall geeignet. Es wird allerdings bei Energiesystemen, bei denen Energieströme aus mehreren Prozessen in das System einfließen, wie bei Sammelschienen-Kraftwerken sowie bei Gegendruck-Heizkraftwerken, bevorzugt angewandt. Als Exergie (siehe hierzu auch Abschnitt 5.2.1.9 "Basiswissen Thermodynamik") wird die Fähigkeit einer Energieform, mechanische Energie zu erzeugen, bezeichnet. Exergie kann in jede andere Energieform umgewandelt werden. Die Einheit der Exergie ist die gleiche wie die der Energie, d.h. kJ bzw. kWh. Elektrische Energie z.B. kann quasi in die gleiche Menge mechanische Energie oder Wärmeenergie umgewandelt werden. Eine kWh elektrische Energie ist gleich mit einer kWh Exergie. Das Kondensat eines Kraftwerkes dagegen mit einer Temperatur von etwa 30°C enthält zwar eine große Menge Energie, bei einem 500 MW-Kraftwerk sind dies ca. 560 MWh/h, diese Energie hat aber so gut wie keine Arbeitsfähigkeit mehr, weil sie mit Umgebungstemperatur anfällt. Ihre Exergie ist deshalb praktisch gleich Null. Bei der Umwandlung von Energieformen spielt die Umgebung die entscheidende Rolle. Bei Umgebungsbedingungen ist die Exergie aller Stoffströme gleich Null. In Zusammenhang mit der Kostenaufteilung ist die Exergie von Dampf, Wasser und Luft relevant. Die Formel zur Berechnung der Exergie dieser Energieträger lautet: Exergie:
e = h − hu − Tu ( s − su )
[kJ/kg]
Gl. 8.17
Hierin bedeuten: h: Enthalpie des Energieträgers im aktuellen Zustand (kJ/kg) hu: Enthalpie des Energieträgers bei Umgebungsbedingungen bzw. beim Bezugszustand für die Exergie (kJ/kg) Tu: Temperatur der Umgebung bzw. des Bezugszustandes für die Exergie (K) s: Entropie des Energieträgers im aktuellen Zustand (kJ/kg K) su: Entropie des Energieträgers bei Umgebungsbedingungen bzw. beim Bezugszustandes für die Exergie (kJ/kg K)
Die Werte für die Enthalpie und die Entropie können aus Dampftafeln oder aus spezieller Software entnommen werden. Als Bezugspunkt zur Berechnung der Exergien wird der Arbeitsmittelzustand mit dem niedrigsten Energieniveau im Prozess gewählt. Das ist meistens der Zustand mit der niedrigsten Temperatur, wie z.B. die Temperatur des Kondensats. Die Exergie im Bezugspunkt ist Null, alle anderen Zustände im Prozess besitzen eine positive Exergie.
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
382
Bei der Kostenaufteilung nach dem Exergieverfahren wird die Exergie der einzelnen Koppelprodukte ermittelt, aufsummiert und die Kosten des Systems werden dann entsprechend den Exergieanteilen der einzelnen Koppelprodukte an der Gesamtexergie aufgeteilt. Im Einzelnen geschieht die Kostenaufteilung in folgenden Schritten: • • • • •
Ermittlung der Jahreskosten der Anlage Ermittlung der spezifischen Exergie der Koppelprodukte Aufstellung der Exergie-Leistungsbilanz für alle Koppelprodukte und Ermittlung ihres Anteils an der Gesamtexergie Aufstellung der Exergie-Energiebilanz für alle Koppelprodukte und Ermittlung ihres Anteils auf die Gesamtexergie Aufteilung der Jahreskosten auf die einzelnen Koppelprodukte entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtexergie
Im folgenden Beispiel wird für das nachstehend dargestellte GuDHeizkraftwerk eine Kostenaufteilung nach dem Exergieverfahren gezeigt. 65
bar / 500 °C
35,10 3417 65 500
EG
12,2 MW
243,8 MW 279
321 305
279
# 595 542 °C
4,5
bar / 180 °C 6,59 2811 4,5 178
G
AbhitzeKessel 2 GT
28,15 12 6,94 3.150 279
G
358
25,0 t / h 20,4 MW 23 bar / 358 °C
70
MW
15°C
23
131 127
41,69 293
74,0 # 105
101,3 t/h 79,0 MW 12 bar / 284 °C
0,00 2811 kg/s kJ/kg bar
3012 284
°C
41,69 293 70
19,8 t/h 14,4 MW 5 bar / 178 °C
Abb. 8.18: Vereinfachtes Wärmeschaltbild GuD-HKW Beispiel 8.10: Exergetische Kostenaufteilung für GuD-HKW Leistungsdaten und thermodynamische Parameter werden Abb. 8.18 entnommen. Die Jahreskosten wurden separat berechnet und werden zum Zwecke der Aufteilung übernommen. Die Aufteilung wird nachstehend in Tabellenform gezeigt.
8.4 Kostenaufteilungsverfahren
383
Ermittlung der spezifischen Exergie des Dampfes Druck bar
Position
Temp. °C
Enthalpie kJ/kg
Entropie kJ/kg*K
Exergie kJ/kg
Dampfauskopplung 23 bar Dampf 23,0 12 bar Dampf 12,0 4,5 bar Dampf 4,5 Exergienullpunkt, Kondensat *) 1,0 *) Kondensatrückführung 70%/70°C, Zusatzwasser 15°C
358 284 178 54
3.150 3.012 2.811 224
6,92 6,97 7,01 0,75
912 756 542 -
Exergie-Leistungsbilanz Position Strom,brutto Strom, netto *) 23 bar Dampf 12 bar Dampf 4,5 bar Dampf
Dampfwärme MWh/t 0,818 0,780 0,724
-
Summe *) Stromeigenverbrauch
Höchstlast t/h 25,0 101,3 19,8
Höchstlast MW 86,2 83,7 20,4 79,0 14,4
Exergie MW 83,7 6,3 21,3 3,0
Exergieanteil 73,2% 5,5% 18,6% 2,6%
146,2
197,5
114,3
100,0%
Energie MWh/a 689.907 669.209 153.370 553.043 64.657
Exergie MWh / a 669.209 47.519 148.920 13.456
Exergieanteil **) 76,1% 5,4% 16,9% 1,5%
1.440.279
879.104
100,0%
Arbeitskosten **) Gesamt spezifisch T€ / a € / MWh 22.179 33,14 1.575 10,27 4.935 8,92 446 6,90
Mischkosten € / MWh 43,81 13,79 12,21 10,84
3,0%
Exergie-Energiebilanz Position Strom,brutto Strom, netto *) 23 bar Dampf 12 bar Dampf 4,5 bar Dampf
Vollaststunden h/a 8.000 8.000 7.500 7.000 4.500
-
Summe *) Stromeigenverbrauch
Dampfmenge t/a 187.500 709.424 89.323
986.247
3,0%
Aufteilung der Energiegestehungskosten Position Strom 23 bar Dampf 12 bar Dampf 4,5 bar Dampf
Summe ***)
Leistungskosten *) Gesamt spezifisch T€ / a € / (kW*a) 7.139 85,34 541 26,44 1.816 22,98 255 17,76
9.750
-
29.135
-
-
*) Verteilt auf Basis der Exergieanteile aus Exergie-Leistungsbilanz **) Verteilt auf Basis der Exergieanteile aus Exergie- Energiebilanz ***) Jahreskosten in separater Rechnung ermittelt
8.4.3 Das kalorische Verfahren
Beim kalorischen Verfahren wird die thermodynamische Wertigkeit der Energie außer Acht gelassen. Unabhängig davon, ob es sich um elektrische oder thermische Energie handelt, wird sie monetär gleich bewertet. Das führt dazu, dass Strom bei der Kostenaufteilung wesentlich niedriger und Wärme wesentlich höher bewertet wird. Auch die Druckstufe des ausgekoppelten Dampfes spielt bei der Bewertung keine Rolle. Bei der Aufteilung der Brennstoffkosten wird Wärme so behandelt, als ob sie in einem Kessel ohne KWK erzeugt würde. Sie bekommt keinerlei KWK-Vorteil. Wenn auch die fixen Kosten nach demselben Verfahren
384
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
aufgeteilt werden, wird sie dann mit unverhältnismäßig hohen Kosten belastet. Der gesamte KWK-Vorteil kommt dem Strom zugute. Das Verfahren findet oft bei Industriebetrieben Anwendung, die eine KWK-Anlage betreiben und die Energiekosten bei der internen Verrechnung den Produkten zuordnen. Der Grundgedanke ist dabei, dass die Wärme ohnehin vor Ort erzeugt werden muss, i.d.R. in normalen Kesselanlagen; der Strom dagegen muss von außen beschafft werden. Kraft-Wärme-Kopplung ist nur dann sinnvoll, wenn der Strom kostengünstiger, verglichen zum Fremdbezug, erzeugt werden kann. Die Vorgehensweise bei der Kostenaufteilung ist ähnlich dem Exergieverfahren mit dem Unterschied, dass der Schlüssel zur Kostenaufteilung nicht die Exergie-, sondern die Energieanteile sind. Im Einzelnen geschieht das in folgenden Schritten: • • • •
Kreisprozessrechnung zur Ermittlung der Prozessparameter Ermittlung der jährlichen Kosten Erstellung einer Leistungs- und Energiebilanz und Ermittlung der Energieanteile der Koppelprodukte bei der Leistung und Arbeit Kostenaufteilung auf Basis der Anteile der einzelnen Koppelprodukte bei der Leistung und Arbeit.
Wie aus Beispiel 8.11 zu ersehen ist, sind sowohl die spezifischen Leistungs- als auch die Arbeitskosten für alle Koppelprodukte gleich. Die Abweichungen bei den Mischkosten kommen durch die unterschiedlichen Vollbenutzungsstunden zustande. Beispiel 8.11: kalorische Kostenaufteilung für ein GuD-HKW Für das in Abb. 8.18 dargestellte GuD-HKW soll die Kostenaufteilung nach der kalorischen Methode vorgenommen werden. Die erforderlichen Ergebnisse aus der Kreisprozessrechnung sind in der Abbildung angegeben. Die Jahreskosten wurden in einer separaten Rechnung ermittelt und werden zum Zwecke der Kostenaufteilung übernommen. Leistungs- und Energiebilanz HöchstPosition last MW Strom,brutto 86,2 Strom, netto *) 83,7 23bar Dampf 20,4 12bar Dampf 79,0 4,5bar Dampf 14,4 Summe 197,5 *) Stromeigenverbrauch
Leistungsanteil % 42,4% 10,4% 40,0% 7,3% 100,0% 3,0%
Vollast stunden h/a 8.000 8.000 7.500 7.000 4.500 -
Energieerzeugung MWh/a 689.907 669.209 153.370 553.043 64.657 1.440.279
Arbeitsanteil % 46,5% 10,6% 38,4% 4,5% 100,0%
8.4 Kostenaufteilungsverfahren
385
Aufteilung der Energiegestehungskosten Position Strom 23bar Dampf 12bar Dampf 4,5bar Dampf Summe ****)
Leistungskosten *) Gesamt spezifisch € / (kW*a) T€ / a 4.130 49,37 1.010 49,37 3.901 49,37 709 49,37 9.750 -
Arbeitkosten **) Gesamt spezifisch T€ / a € / MWh 13.537 20,23 3.102 20,23 11.187 20,23 1.308 20,23 29.135
Mischkosten ***) € / MWh 26,40 26,81 27,28 31,20 -
*) Verteilt auf Basis der Leistungsanteile aus der Leistungsbilanz **) Verteilt auf der Basis der Energieanteile aus der Energiebilanz ***) bezogen auf die Energieerzeugung aus Leistungs- und Energiebilanz ****) Jahreskosten in separater Rechnung ermittelt
8.4.4 Das Restwertverfahren 8.4.4.1 Beschreibung des Verfahrens
Bei den ersten drei beschriebenen Verfahren werden die Kosten zwischen den Koppelprodukten aus thermodynamischer Sicht aufgeteilt. Wenn z.B. von einem Kraftwerk Wärme ausgekoppelt wird, wird durch die Auskopplung eine Stromeinbuße verursacht. Der Verursacher Wärme muss mit den entsprechenden Kosten belastet werden bzw. muss die entfallenen Stromerlöse ausgleichen. Dabei wird allerdings außer Acht gelassen, ob die den Produkten zugewiesenen Kosten ihrem Marktwert entsprechen bzw. ob sie auf dem Markt kostendeckende Einnahmen erzielen können. Ob die der Wärme zugewiesenen Kosten auch marktfähig sind, wird nicht analysiert. Wenn die Kostenaufteilung betriebsinternen Zwecken dient, gilt dies analog, d.h. es wird nicht untersucht, ob die zugewiesenen Kosten den Opportunitätskosten entsprechen, wenn die Produkte auf andere Weise, z.B. auf dem Energiemarkt, beschafft würden. Das Restwertverfahren hat dagegen eine reine kommerzielle Basis. Aus den Gesamtkosten der gekoppelten Erzeugung werden die Opportunitätskosten des einen der beiden Produkte abgezogen und der Restbetrag wird dem zweiten Produkt zugewiesen. In den meisten Fällen sind dies die durch die Koppelproduktion vermiedenen Strombezugskosten, sie werden als Stromgutschrift eingesetzt und der Restkostenträger ist die Wärme. Kostenaufteilung nach dem Restwertverfahren Gesamtkosten der gekoppelten Erzeugung ./. Stromgutschrift = Restkosten gleich Wärmekosten
386
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
Die Grundüberlegung ist dabei, dass der Nutzer seinen Strom alternativ auf dem Energiemarkt beschaffen kann. Für die Wärme kommt i.d.R. nur Eigenerzeugung in Frage. Wenn die der Wärme zugewiesenen Restkosten niedriger sind als die Eigenerzeugungskosten, dann ist die gekoppelte Erzeugung insgesamt vorteilhafter verglichen mit Stromfremdbezug und Wärmeeigenproduktion. Das Verfahren gibt somit auch Aufschluss über die absolute Wirtschaftlichkeit der gekoppelten Erzeugung. Das Restwertverfahren wird zur Kostenaufteilung bei Heizkraftwerken angewendet, die vorrangig der Wärmeerzeugung dienen und Wärme als Hauptprodukt produzieren. Ein vermeintlicher KWK-Kostenvorteil soll der Wärme zugute kommen. Solche Anlagen werden hauptsächlich bei Nahwärmenetzen oder kleineren bis mittleren Fernwärmenetzen eingesetzt. Die Fernwärmegestehungskosten müssen kostengünstig sein, damit sie die hohen Kosten der Fernwärmeverteilung ausgleichen können, so dass die Fernwärme zur dezentralen Wärmeversorgung wettbewerbsfähig ist. Anzumerken ist, dass das Restwertverfahren oft sehr niedrige oder sogar negative Werte für den Restkostenträger ergeben kann. Dies kann bei niedrigen Brennstoffpreisen und gleichzeitig hoher Stromgutschrift der Fall sein. Beispielsweise werden die Restkosten für die Wärme bei einem Klärgas-BHKW negativ, wenn der Preis des im Klärwerk ohnehin anfallenden Gases auf Null gesetzt wird. Auch bei einem GuD-HKW kann es leicht vorkommen, dass die Restkosten bei niedrigen Erdgaspreisen negativ werden. Wenn sich die Verhältnisse umkehren − d.h. hohe Brennstoffkosten bei niedriger Stromgutschrift − kann dies sehr hohe Restkosten für die Wärme zur Folge haben. Wenn die Kostenaufteilung getrennt nach Leistungs- und Arbeitskosten erfolgt, kann auch vorkommen, dass sich für eine der beiden Kostenarten negative Werte ergeben. In solchen Fällen sollte besser das Exergieverfahren Anwendung finden. Die Höhe der Stromgutschrift ist von ausschlaggebender Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit von Heizkraftwerken. Sie setzt sich zusammen aus: Stromgutschrift Leistungsgutschrift = vermiedene Leistungskosten in kW x Leistungspreis in €/(kW*a) Arbeitsgutschrift = vermiedene Arbeitskosten in kWh x Arbeitspreis in €/kWh Die Festlegung der Arbeitsgutschrift bereitet in der Regel keine Schwierigkeiten. Es müssen gegebenenfalls unterschiedliche Arbeitspreise für Hoch- und Niedertarifzeiten beachtet werden.
8.4 Kostenaufteilungsverfahren
387
Eine Festlegung der Leistungsgutschrift im Voraus ist jedoch oft kompliziert. Als Verrechnungsleistung gilt die höchste Leistungsinanspruchnahme während der Messperiode von ¼ Stunde im Jahr (bei manchen Verträgen auch im Monat). Damit für ein Heizkraftwerk die volle Leistungsgutschrift zum Ansatz kommen kann, muss seine volle Leistung zu jeder Zeit, in der Strombezugsspitzen auftreten können, zur Verfügung stehen. Bei Heizkraftwerken, die wärmegeführt betrieben werden, wird dies nicht ohne weiteres der Fall sein. Da Wärme- und Stromspitzen nicht unbedingt gleichzeitig auftreten, kann eine verminderte Leistungsgutschrift die Folge sein. Wenn der Strom als Block vom Strommarkt eingekauft wird, müssen Leistungskosten für die Netznutzungsentgelte bezahlt werden. In der nachstehenden Tabelle 8.6 wird gezeigt, dass für das BHKW bestehend aus 3 Modulen mit jeweils 500 kW elektrischer Leistung eine Stromgutschrift für elektrische Leistung von max. 1.055 kW anstatt 1.500 kW zum Ansatz kommen kann. In den Monaten Mai bis August wird wegen des niedrigen Wärmebedarfs nur ein Modul betrieben. Der höchste Leistungsbezug aus dem Netz tritt im Mai auf, obwohl die Last in diesem Monat niedriger ist als in den Wintermonaten. Tabelle 8.6: Monatlicher Lastgang und Stromgutschrift für BHKW Höchstlast
BHKW Leistung kWel kWel Jan. 1.500 4.555 Feb. 4.450 1.500 Mrz 4.400 1.000 Apr 4.350 1.000 Mai 4.000 500 Jun 3.980 500 Jul 3.950 500 Aug 3.850 500 Sep 4.125 1.000 Okt 4.330 1.500 Nov 4.470 1.500 Dez 4.530 1.500 Max. Leistungsbezug ohne BHKW in kW el Monat
Leistungbezug vom Netz kWel 3.055 2.950 3.400 3.350 3.500 3.480 3.450 3.350 3.125 2.830 2.970 3.030 4.555
Max. Leistungsbezug mit BHKW in kW el
3.500
Leistungsgutschrift in kW el
1.055
Heizkraftwerke mit zwei Freiheitsgraden, wie Entnahme-Kondensationsanlagen oder Anlagen, bei denen Bypass-Betrieb möglich ist, können i.d.R. eine volle Leistungsgutschrift erzielen, sofern sie während der Zeit in der Stromspitzen auftreten können, stromorientiert betrieben wer-
388
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
den. Allerdings sind die Gestehungskosten für den ungekoppelten Strom bei solchen Anlagen relativ hoch, sodass bei längerer ungekoppelter Fahrweise der Vorteil der Leistungskosteneinsparung aufgezehrt werden kann. Eine energieeffizientere Möglichkeit, um kurze Leistungsspitzen abzufangen, ist auch der Einsatz von Wärmespeichern. Die Wärmespeicher werden beim Auftreten von Stromspitzen und gleichzeitig niedriger Wärmelast aufgeladen und in der Strom-Schwachlastzeit wieder entladen. Zu beachten ist allerdings, dass auch Erdgas bisher mit einem Leistungs- und einem Arbeitspreis verkauft wird (bzw. statt Leistungspreis Netznutzungsentgelt). Wenn Strom- und Gasbezugsspitzen gleichzeitig auftreten und das HKW ungekoppelten Strom erzeugt, um die Stromspitze abzufahren, kann es vorkommen, dass auf der Gasseite zusätzliche Leistungsbezugskosten anfallen und der Vorteil der Stromleistungskosteneinsparung dadurch vermindert wird. Erdgaslieferverträge, bei denen der "maximale Tagesbezug" im Abrechnungsjahr als Verrechungsleistung gilt, sind günstiger als solche, bei denen die "Stundenhöchstlast" als Verrechnungsleistung gilt. Gaslieferanten bieten gewöhnlich nur eine der beiden Vertragsvarianten an. Fraglich ist jedoch, ob im Zuge der weiteren Liberalisierung des Marktes beide Vertragsvarianten weiter angeboten werden können oder nur die für KWK-Anlagen ungünstigere mit dem Stundenarbeitspreis bzw. NNE bleibt. Bei kommunalen KWK-Anlagen wird üblicherweise immer die Wärme als Restkostenträger gewählt. Bei Industriebetrieben dagegen wird meistens der Strom als Restkostenträger zur internen Kostenaufteilung zugrundegelegt. Die Überlegung ist dabei, dass die Wärme ohnehin erzeugt werden muss und zwar in konventionellen Dampfkesseln. Wenn KraftWärme-Kopplung eingeführt wird, dann sollte der Vorteil konsequenterweise dem Strom zugute kommen. Beispiel 8.12: Wärmegestehungskosten eines kommunalen BHKW Ein kommunales Versorgungsunternehmen bezieht Strom vom Markt auf der Basis von Jahres-, Wochen- und Tagesfahrplänen und betreibt ein BHKW, welches ins Mittelspannungsnetz einspeist. Das BHKW wird bei Stromspitzen und niedriger Wärmelast im Bypass betrieben, so dass seine gesamte elektrische Leistung als gesichert angesehen werden kann. Zu ermitteln sind die Stromgutschrift und die Wärmegestehungskosten nach dem Restwertverfahren.
8.4 Kostenaufteilungsverfahren Position Leistungsdaten Elektrische Leistung, netto (2 Module) Thermische Leistung Brennstoffwärmeleistung Energiebilanz Stromerzeugung *) 6.000 h/a W ärmeerzeugung 5.500 h/a Brennstoffverbrauch, in Hu 6.000 h/a Wirtschaftliche Eckdaten Erdgaspreis in Hu Strombezugspreis **) Netznutzungsentgelte (NNE): Leistung Arbeit Jahreskosten Fixe Kosten (in separater Rechnung ermittelt) Brennstoffkosten Z wischensumme Stromgutschrift Vermiedener Strombezug Vermiedene NNE, Leistung Vermiedene NNE, Arbeit Z wischensumme Spezifische Stromgutschrift Restkosten, Wärme Leistungskosten ***) Arbeitskosten ***) spezifische W ärmekosten
Einheit kW kW kW
389
Wert 997 1.502 2.836
MW h / a MW h / a MW h / a
5.982 8.261 17.016
€ / MW h € / MW h
19,50 39,00
€ / (kW *a) € / MW h
63,00 4,00
T€ / a T€ / a T€ / a
176,0 331,8 507,8
T€ / a T€ / a T€ / a T€ / a € / M Wh T€ / a € / (kW *a) € / MW h € / MW h
233,3 62,8 23,9 320,0 53,50 187,8 43,33 14,85 22,73
*) 500 h/a in Bypassbetrieb **) Beschaffung aufgrund von Fahrplänen, ohne Leistungspreis ***) Zuordnung nach dem Verhältnis fixe Kosten bzw. Brennstoffkosten zu Gesam tkosten
8.4.4.2 Berücksichtigung der Druckstufe der Auskopplung
Beim Restwertverfahren wird die thermodynamische Wertigkeit der Koppelprodukte nicht berücksichtigt. Wird der Dampf aus unterschiedlichen Druckstufen ausgekoppelt, spielt dies zunächst für die Kostentrennung keine Rolle. Wie bei den thermodynamischen Verfahren gezeigt wurde, ist der Auskopplungsdruck kostenrelevant, weil bei höherem Auskopplungsdruck weniger KWK-Strom produziert wird. Bei Entnahme-Kondensations-Heizkraftwerken mit Wärmeauskopplung in mehreren Druckstufen wird folgendes Verfahren zur Kostenaufteilung angewandt, welches auch die Höhe der Druckstufe bei der Kostenaufteilung berücksichtigt. Hierbei wird generell in zwei Schritten vorgegangen: •
Im ersten Schritt wird die Kostenaufteilung zwischen Strom und Wärme ohne Berücksichtigung der Druckstufe der Auskopplung vorgenommen.
390
•
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
Im zweiten Schritt werden die der Wärme zugewiesenen Restkosten unter Berücksichtung der Druckstufe der Auskopplung entsprechend angepasst. Dabei werden die Stromverlust-Kennziffern zu Hilfe genommen.
Folgende Rechenschritte sind erforderlich. Da der Rechengang relativ komplex ist, empfiehlt es sich zum besseren Verständnis auch Beispiel 8.13 nachzuvollziehen: 1. Ermittlung der Jahresstromerzeugung in Mischbetrieb Wel und der − Wärmeerzeugung Wth.-i in MWh/a detailliert nach jeder Druckstufe. 2. Ermittlung der Stromverlustarbeit in ∆Wel.-i in MWh/a für jede Auskopplung mit Hilfe von Stromverlust-Kennziffern βi (zu entnehmen z.B. aus Abb. 8.16 nach der Formel: ∆W el.-i = βixWth.-i) 3. Ermittlung der gesamten Restkosten der Wärme nach Stromgutschrift CW, gesamt in €/a zuerst ohne Berücksichtigung der Druckstufe. 4. Ermittlung der spezifischen Kosten der Wärme der einzelnen Auskopplungen unter Berücksichtigung der Druckstufe nach der Formel:
cw,i =
CW , gesamt ∆Wel .−i × Wth.−i Σ (∆Wel .−i )
[€ / MWh]
Gl. 8.18
Darin bedeuten: cW,i : spezifische Kosten der Wärme aus der Auskopplung i Gesamtkosten der Wärme nach Stromgutschrift CW, gesamt : ∆Wel.-i:: Stromverlust-Arbeit durch die Auskopplung i Σ (∆Wel.-i): Gesamtstromverlustarbeit Wth.-i: thermische Arbeit aus der Auskopplung i
8.5 Wahl des Kostenaufteilungsverfahrens Aus der Beschreibung der Verfahren und an den gezeigten Beispielen ist zu erkennen, dass das Verfahren zur Kostenaufteilung nicht frei wählbar ist. Bei der Wahl des Kostenaufteilungsverfahrens gelten grundsätzlich folgende Kriterien: • •
Bei Großanlagen, die primär zur Stromerzeugung gebaut und betrieben werden, ist das Stromäquivalenzverfahren am besten geeignet. Das Exergie-Verfahren wird bei größeren Anlagen ohne Kondensationsturbinen (Gegendruckanlagen) und bei Sammelschienen-Heizkraftwerken als Ersatz zum Stromäquivalenzverfahren angewandt.
8.5 Wahl des Kostenaufteilungsverfahrens
• •
391
Die Anwendung des kalorischen Verfahrens kann nur in Ausnahmefällen erfolgen; und dann auch nur in abgewandelter Form. Das Restwertverfahren findet bei Anlagen Verwendung, die primär der Wärmeversorgung dienen und deren Stromgestehungskosten hoch sind im Vergleich zu den gleichwertigen Fremdstrombezugkosten.
Die nachstehende Tabelle gibt eine Übersicht über die Wahl des am besten geeigneten Kostenaufteilungsverfahrens. Tabelle 8.7: Wahl der Kostenaufteilungsverfahren nach Anlagentyp Anlagentyp Großkraftwerk, Stromwirtschaft Großes DampfturbinenEntnahme- Kondensations-HKW Sammelschienen HKW Grosses DampfturbinenGegendruck- HKW Kleines DampfturbinenGegendruck- HKW GuD-Entnahme-KondensationsHKW Grosses GuD-Gegendruck- HKW Kleines GuD-Gegendruck- HKW Gasturbinen-HKW Verbrennungsmotor-BHKW
Stromäquivalenz
Exergie
Kalorisch
Restwert
9 9 9 9
9 9
9 9 9 (9)
9 9 9
Hervorzuheben ist, dass die Kostenaufteilung nicht mit der Preisgestaltung zu verwechseln ist. Zweck der Kostenaufteilung ist es, in erster Linie die Gestehungskosten für die KWK-Produkte entsprechend dem Zweck der KWK-Anlage sinnvoll zuzuordnen. Bei der Preisgestaltung spielen außer den Kosten auch andere Aspekte eine bedeutende Rolle. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Preisanlegbarkeit gegenüber den Eigenopportunitätskosten des Nutzers. Wenn die Gestehungskosten niedriger sind als der anlegbare Preis des Produktes, wird man u.U. den Spielraum auszuschöpfen versuchen. Beispiel 8.13: Berücksichtigung des Auskopplungsdruckes Für ein Entnahme-Kondensations-HKW mit zwei Auskopplungsdruckstufen ist die Kostenaufteilung zwischen den Koppelprodukten nach dem Restwertverfahren, unter Berücksichtigung des Auskopplungsdruckes; vorzunehmen. Die Energieerzeugung wurde in Beispiel 8.6 ermittelt, die Stromverlust-Kennziffer wurde aus Abb. 8.16 entnommen.
392
8 Kraft-Wärme-Kopplung, Technik, Kostenaufteilung
Position
Einheit
Wert
Energieerzeugung
MW el
Strom, Leistung, netto Strom, Arbeit, netto
7000 h/a
12 bar - Dampf
β
6 bar - Dampf
β
12 bar
= 0,274
W
6 bar
= 0,239
W
t h.- 12 ba r t h.- 6 bar
Brennstoffverbrauch
92,0
MWhel / a
644.000
MWhth / a
625.467
MWhth / a
360.680
MWhth / a
2.670.587
MWhel / a
171.378
Stromverlustarbeit durch die Auskopplung 12 bar - Dampf
∆ W el.- 12 bar = β 12 bar x W
6 bar - Dampf
∆ W el.-6 bar = β
6 bar
xW
t h.- 12 bar t h.- 6 bar
∆ W gesamt = ∆ W el.-12 bar + ∆ W el.-6 bar
Gesamt
Stromgutschrift Leistung Arbeit Jahreskosten (aus separater Rechnung übernommen) Jahresfixkosten, Anschaffungswert 167 Mio € Brennstoffkosten, HS 156 € / t Stromjahresgutschrift davon Stromleistungsgutschrift davon Stromarbeitsgutschrift Restkosten der Wärme insgesamt C W spez. Wärmekosten c W (ohne Berücksichtigung der Druckstufe) Spez. Wärmekosten unter Berücksichtigung der Druckstufe 12 bar - Dampf 6 bar - Dampf
c w-12 bar = ( ∆ W el.-12 bar / ∆W gesamt ) x C W / W th, 12 bar c w-6 bar = ( ∆W el.-6 bar / ∆W gesamt ) x C W / W th, 6 bar
Plausibilitätsprüfung Wärmekosten ohne Berücksichtigung des Druckes Wärmekosten mit Berücksichtigung des Druckes 12 bar-Dampf 6 bar-Dampf
MWhel / a
86.203
MWhel / a
257.580
€ / (kW*a) € / MWh T€ / a T€ / a T€ / a T€ / a T€ / a T€ / a T€ / a € / MWh
96,00 45,00 62.343
€ / MWh
26,09
€ / MWh
22,76
T€ / a T€ / a T€ / a T€ / a
24.531 24.531 16.321 8.210
25.046 37.297 37.812 8.832 28.980 24.531 24,88
Literaturverzeichnis [BHKW-Kenndaten] BHKW-Kenndaten 2005, ASUE-Arbeitsgemeinschaft für Umweltfreundlichen Energieverbrauch e.V. [GTW-Handbook] Gas Turbine World, 2007/2008 GTW Handbook [IZE] Informationszentrale der Elektrizitätswirtschaft [Leitfaden Bioenergie] Leitfaden, Betrieb und Wirtschaftlichkeit von Bioenergieanlagen, Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V., akt. Fassung 2005 [MinölStG] Mineralölsteuergesetz [Arbeitsblatt FW-308] Zertifizierung von KWK-Anlagen, Ermittlung des KWKStromes, AGFW e.V. beim VDEW [Gasturbinen-Kenndaten] ASUE-Arbeitsgemeinschaft Für Umweltfreundlichen Energieverbrauch e.V. [WADAEXL] Software zur Ermittlung der Wasserdampf-Zustandgrößen, Hochschule Zittau-Görlitz (FH), Fachgebiet Technische Thermodynamik
9. Energietransport und -verteilung
9.1 Stromübertragung und -verteilung 9.1.1 Technischer Aufbau der Stromnetze 9.1.1.1 Drehstromübertragung und Verteilung
Als zu Beginn der Industrialisierung die ersten Kraftwerke gebaut wurden, lieferten sie den Strom in ein einziges Netz. Bei Kraftwerksausfall war die Versorgung unterbrochen. Solche Netze gibt es in abgelegenen Regionen im Ausland immer noch. Sie werden Inselnetze (isolated networks) genannt. In einem Verbundnetz (interconnected network) dagegen sind mehrere Kraftwerke miteinander verbunden. Bei Ausfall eines Kraftwerkes oder bei Verbrauchsanstieg wird zuerst durch Erhöhung der Leistung der in Betrieb befindlichen Kraftwerke und anschließend durch den Einsatz von Spitzenoder Reservekraftwerken die Stromlieferung jederzeit sichergestellt. Durch einen sinnvollen Einsatz verschiedener Kraftwerkstypen mit unterschiedlichen Stromgestehungskosten können außerdem die Stromkosten optimiert werden. Beim Stromtransport fällt die Spannung durch den Ohmschen Widerstand entlang der Stromleitung ab, ein Teil der eingespeisten elektrischen Arbeit wird in Wärme umgewandelt und geht an die Umgebung verloren. Diese Verlustarbeit ist proportional zur Leitungslänge und dem Quadrat der Stromstärke. Wird die Spannung erhöht, fällt nach dem OhmschenGesetz bei gleicher Leistung und gleichem Leitungswiderstand die Stromstärke und damit auch die Verlustarbeit proportional zum Quadrat der Stromstärke ab (siehe hierzu Abschnitte 5.3 "Basiswissen Elektrotechnik"). Ein verlustarmer Transport über große Entfernungen geschieht deshalb bei sehr hohen Spannungen, in Europa bis zu 380 kV, in Russland sogar bis zu 1.000 kV. Der Strom aus der Steckdose hat zum Vergleich eine Spannung von 0,23 kV. Bei den Verbraucherzentren wird der Strom wie-
394
9 Energietransport und -verteilung
der auf niedrigere Spannungen transformiert und an die Verbraucher übergeben. Das Verbundnetz besteht deshalb aus mehreren Netzebenen mit unterschiedlichen Betriebsspannungen. Im Allgemeinen wird zwischen Übertragungs- und Verteilungsnetz und folgenden Netzebenen − Abb. 9.1 − unterschieden: • Höchstspannung (HöS) mit Betriebsspannungen von 220 kV und 380 kV • Hochspannung (HS) mit Betriebsspannungen > 60 bis < 220 kV • Mittelspannung (MS) mit Betriebsspannungen zwischen 6 und ≤ 60 kV • Niederspannung (NS) mit einer Betriebsspannung von 0,4 kV
Abb. 9.1: Prinzipschaltbild, Verbundnetz
9.1 Stromübertragung und -verteilung
395
Das Bindeglied zwischen den unterschiedlichen Netzebenen sind die Transformatoren in den Umspannwerken und in den Ortsnetzstationen. Stromerzeugung: Der Strom wird in den Generatoren der Kraftwerke mit Spannungen zwischen 6 kV und 30 kV erzeugt. Im Maschinentrafo des Kraftwerkes wird dann auf die Spannung der Netzebene hochtransformiert, in die der Strom eingespeist wird. Die Spannungsebene der Einspeisung aus den Kraftwerken hängt von deren Leistung ab. Stromübertragung: Das Höchstspannungsnetz transportiert die elektrische Energie von den Großkraftwerken zu Umspannstationen in der Nähe der Verbrauchsschwerpunkte. Es wird in Europa mit Spannungen von 380 kV oder 220 kV betrieben. Das Höchstspannungsnetz kann große Entfernungen überbrücken und erfüllt überregionale Übertragungsaufgaben. Stromverteilung:In den Umspannanlagen wird die Höchstspannung im Regelfall auf die sogenannte Hochspannung 110 kV transformiert. Von hier aus verteilt dann das 110 kV-Netz die elektrische Energie zu den regionalen Verbrauchsschwerpunkten mit einem Leistungsbedarf von 20 bis 300 Megawatt (MW), z. B. der Großindustrie und den Umspannstationen in den Städten oder ländlichen Gebieten. In den mit 110 kV gespeisten Umspannstationen wird die Spannung auf Mittelspannung, d.h. in der Regel 10 oder 30 kV, transformiert. Diese Netzebenen werden als Mittelspannungsnetz bezeichnet. Diese verteilen die elektrische Energie innerhalb der einzelnen Stadt- oder Landbezirke. Das Mittelspannungsnetz in den Stadtgebieten wird zumeist mit 10 kV betrieben. Betriebsspannungen von 20 kV und 30 kV findet man vorwiegend im ländlichen Bereich, da hier größere Entfernungen als im Stadtgebiet zu überbrücken sind. In manchen Regionen sind auch andere Spannungen in der Mittelspannungsebene zu finden. Kleinere Industriebetriebe mit einem Leistungsbedarf zwischen einigen hundert kW und mehreren MW werden direkt aus dieser Spannungsebene versorgt. In Ortsnetzstationen wird die Mittelspannung für einen Leistungsbedarf bis 1.000 kW auf die Niederspannung von 400/230 V transformiert. Mit dieser Spannung versorgt das Niederspannungsnetz die umliegenden Häuser oder Gewerbebetriebe mit elektrischer Energie. In allen Drehstrom- und Wechselstromnetzen sind darüber hinaus Effekte aus dem Blindstrombedarf der Verbraucher zu berücksichtigen. Ein erster Anhaltswert für die Betriebspannung eines Netzes in Abhängigkeit von der übertragenen Leistung gibt folgende empirische Formel
U = 15 P (mit U in kV, P in MW, ggf. mehrere Stromkreise) Verbraucher und Kraftwerke können je nach Leistung auch an verschiedenen Netzebenen und auch direkt an Umspannwerken angeschlossen
396
9 Energietransport und -verteilung
sein. Der Netzanschluss kann direkt am übergeordneten Netz oder an der Unterspannungsseite eines Transformators erfolgen. Die Anschlussstelle ist von großer Bedeutung für die Berechnung der Netznutzungsentgelte. 9.1.1.2 Gleichstromübertragungssysteme
Bei Stromtransport und -verteilung dominieren die Drehstromsysteme; die Stromverteilung geschieht weltweit zu 100% mit Wechsel- und Drehstromsystemen. Die Hochspannungs-Gleichstromübertragung "HGÜ" (oder High Voltage Direct Current "HVDC" - Systeme) hat jedoch bei speziellen Anwendungsfällen technisch-wirtschaftliche Vorteile. Ein Vorteil ist, dass bei Gleichstrom nur Ohmsche Verluste auftreten, da nur Wirkarbeit durch den Leiter fließt; Kompensationseinrichtungen für Blindstrom sind deshalb nicht notwendig. Die Hauptanwendungsgebiete von HGÜ sind folgende: • Stromübertragung für Entfernungen über 600 km, z.B. zur Anbindung von entfernten Wasserkraftwerken an das Drehstromübertragungsnetz wie Itabu und Cabora Bassa. • Für See-Kabel mit mehr als 30 km Länge, wie z.B. zwischen Deutschland und Schweden. • Anbindung von Offshore-Windparks an das Drehstromnetz des Festlandes. • Koppelung von nicht-synchronisierten Verbundsystemen wie z.B. das UCTE-Verbundnetz mit dem skandinavischen NORDEL-Netz. Da Kraftwerksgeneratoren in der Regel Drehstrom erzeugen, muss dieser zuerst in einer Gleichrichteranlage (rectifier) in Gleichstrom und nach der Übertragung vor der Koppelung an das Drehstromsystem in einer Wechselrichteranlage (inverter) wieder in Wechselstrom umgewandelt werden. Untersee-Kabel können mit nur einem Leiter auskommen, als Rückleiter dient das Seewasser. 9.1.2 Systemkomponenten von elektrischen Netzen
Die Haupt-Systemkomponenten [Elsässer]von elektrischen Netzen sind: • • • •
Transformatoren Schaltanlagen Freileitungen Kabel
9.1 Stromübertragung und -verteilung
397
Für den sicheren und zuverlässigen Betrieb dieser Systemkomponenten sind außerdem eine Reihe von Hilfs- und Schutzeinrichtungen erforderlich wie: • Netzschutz- und Erdungseinrichtungen • Systeme zur Sammlung, Übertragung und Verarbeitung von Betriebsdaten und Schaltbefehlen • Einrichtungen für die Überwachung der Systemkomponenten • ggf. Blindleistungskompensation 9.1.2.1 Transformatoren
Transformatoren − Abb. 9.2 − haben die Aufgabe, die Spannung auf die erforderliche Spannungsebene zu transformieren. Die Leistung von Transformatoren wird zur Berücksichtigung auch der Belastbarkeit mit Blindstrom in kVA anstatt in kW angegeben. Wegen der hohen Leistungen, die umgespannt werden, entstehen trotz der prozentual geringen Verluste beträchtliche Wärmeverluste, die durch Kühlung an die Umgebung abgeführt werden müssen. Die meisten Transformatoren sind zu diesem Zweck in ein Ölbad eingetaucht. Das Öl wird durch natürliche oder erzwungene Zirkulation mit Umgebungsluft gekühlt. Für die Art der Kühlung haben sich Abkürzungen von englischen Begriffen eingebürgert: "ONAN (Oil Natural Air Natural) und ONAF - (Oil Natural Air Forced). Trockentransformatoren sind mit Kühlrippen ausgestattet und werden direkt mit Luft gekühlt.
Trafo, 380/ 110 kV, 40 MVA
Abb. 9.2: Transformator
Die Lebensdauer von Transformatoren ist stark abhängig von der Menge der Laständerungen und von der Außentemperatur. Nach einer Faustre-
398
9 Energietransport und -verteilung
gel verringert sich die Lebensdauer des Transformators bei 6 K höherer Umgebungstemperatur um die Hälfte. 9.1.2.2 Schaltanlagen
Das Schalten von kleineren Leistungen wird i.d.R. durch menschliche Kraft vorgenommen. Bei Schaltungsvorgängen für Ströme, wie sie bei der öffentlichen Stromversorgung vorkommen, werden Kraftantriebe benötigt. Außerdem entsteht beim Schalten von größeren Leistungen zwischen den geöffneten Kontaktstücken ein starker Lichtbogen, der schnell gelöscht werden muss. Je größer der Abschaltstrom ist, um so schwieriger ist das Löschen des Lichtbogens. Das Schalten erfolgt durch Luft-, Öl-, Wasser-, Druckgas- oder Vakuum-Schalter. Die Aufgabe von Schaltanlagen (switch gears) ist im Allgemeinen das Schalten und das Schützen von elektrischen Einrichtungen. Schaltanlagen sind größere Gewerke − Abb. 9.3 − und umfassen außerdem eine Reihe von anderen Einrichtungen wie Transformatoren, Sammelschienen, verschiedene Arten von Zuleitungen und Messeinrichtungen. Es wird zwischen folgenden Typen unterschieden: • Konventionelle Freiluftschaltanlagen • Konventionelle Innenschaltanlagen • Gasisolierte (GIS) Schaltanlagen bestehend aus metallgekapselten Einheiten isoliert mit Schwefel-Hexafluorid SF6 oder Luft
245 kV Trennschalter
Quelle: Siemens
145-kV Innenschaltanlage
Abb. 9.3: Freiluftschaltanlage und Innenschaltanlage
Innenschaltanlagen und GIS werden insbesondere bei beengtem Platzangebot und bei ungünstigen Umweltbedingungen wie Meeresnähe, Wüstenklima, Industriegebieten etc. verwendet. Die wichtigsten Komponenten von Schaltanlagen sind:
9.1 Stromübertragung und -verteilung
• • • • • •
399
Sammelschienen (busbars) Leistungsschalter (circuit breakers) Lasttrennschalter (load-break switches) Trennschalter (Isolators) Erdungsschalter (earthing switches) Überspannungsableiter (over voltage conductor)
Sammelschienen verbinden die einspeisenden und abgehenden Felder und Schalteinrichtungen. Es gibt verschiedene Formen, nachstehend werden zwei Typen von Sammelschienen gezeigt. Einfachsammelschiene
Doppelsammelschiene E1
E1
E2
SammelschienenTrennschalter Querkupplung
Leistungsschalter Abgangstrennschalter
Abgänge Abgänge
Abb. 9.4: Sammelschienen
Eine Doppelsammelschiene bietet eine erhöhte Versorgungssicherheit; bei Ausfall einer Sammelschiene wird die Versorgung über die zweite gewährleistet. Reparatur- und Überholungsarbeiten sind ohne Betriebsunterbrechung möglich. Bei großen, wichtigen Anlagen können bis zu vier Sammelschienen vorhanden sein. Leistungsschalter können bei jedem Lastfall alle vorkommenden Ströme, auch unter Kurzschlussbedingungen, schalten. Der Schaltvorgang muss in Millisekunden erfolgen. Dafür sorgt ein Antrieb mit der erforderlichen Leistung. Als Lösch- und Isoliermedien für den Lichtbogen werden Öl, Luft oder SF6-Gas verwendet. Beim Vakuumschalter erfolgt die Unterbrechung des Kontakts unter Vakuum. Lasttrennschalter können einen Stromkreis unter Nennlast schalten, aber nicht unter Kurzschlussbedingungen. Trennschalter können einen Stromkreis nur stromlos schalten. Erdungsschalter sind Trennschalter, die einen Teil der elektrischen Installation während Wartungsarbeiten auf Erdpotential stellen. Nur so ist ein gefahrloses Arbeiten möglich.
400
9 Energietransport und -verteilung
Überspannungsableiter schützen elektrische Einrichtungen vor Überspannungen wie z.B. Blitzschlägen. Sie sind bei Ein- und Ausgängen von Freileitungen in Schaltanlagen eingebaut. Freileitungen übertragen auch Telefongespräche oder Messwertsignale. Wellensperren verhindern, dass solche Hochfrequenzwellen auf die Sammelschiene oder andere Einrichtungen übertragen werden. 9.1.2.3 Freileitungen
Freileitungen (overhead lines) − Abb. 9.5 − sind kostengünstige Transportsysteme für elektrische Energie. Sie sind für alle Spannungsebenen von 0,4 kV bis 1.000 kV und für alle Arten von Terrain geeignet. Die Nachteile sind Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes und Anfälligkeit für aggressive Umweltbedingungen wie Blitzschlaggefahr und Eislast. Die Verlegung von neuen Trassen stößt deshalb auf geringe Akzeptanz bei der Bevölkerung.
230 kV
380 kV
4 x 380 kV
Abb. 9.5: Freileitungsmasten
Die Komponenten der Freileitungen sind die Strommasten (towers), deren Fundamente die Stromleitungen (conductors), die Erdleitungen (earthwires) und die Isolatoren. Die Leiter sind an den Traversen angebracht. Freileitungen können aus ein, zwei oder mehreren Stromkreisen mit jeweils drei Leitungen pro Stromkreis bestehen. Als Schutz gegen Blitzschlag werden eine oder zwei Erdungsleitungen an der Spitze der Strommasten geführt. Die Stromleitungen bestehen meistens aus Aluminium oder Aluminium mit Stahlkern und werden über Isolatoren an den geerdeten Masten befestigt.
9.1 Stromübertragung und -verteilung
401
9.1.2.4 Stromkabel
Stromkabel werden für alle Spannungen geliefert, aber wegen ihrer hohen Kosten meistens nur innerhalb von bewohnten Gebieten für Spannungen von 0,4 V bis 500 kV verwendet. Die Vorteile sind: keine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, höhere Akzeptanz bei der Verlegung von neuen Trassen, keine Anfälligkeit gegenüber atmosphärischen Einflüssen. Die Transportentfernung für Drehstrom beträgt maximal 30 bis 40 km, darüber hinaus sind Gleichstromkabel notwendig. Die Komponenten von Stromkabeln sind die Leiter, Isolierung, Abschirmung und Schutzmantel.
1,2 kV Kabel
Quelle: Siemens
290/500 kV Kabel
Abb. 9.6: Stromkabel 9.1.2.5 Gegenüberstellung Freileitung − Kabel
Die Verwendung von Kabeln für Übertragungsnetze steht wegen der hohen Kosten nicht zur Debatte. Ausnahmen bilden die Anbindung zwischen Übertragungsnetzen innerhalb von Städten, See-Kabel und Unterquerung von Flüssen. Weitere Merkmale sind: • Die Übertragungsleistung von Freileitungen ist bei gleichem Leitungsquerschnitt wegen der besseren Wärmeableitung um den Faktor 2 bis 2,5 höher als diejenige von Kabeln. • Die Kurzschlussfestigkeit und Belastungsfähigkeit von Freileitungen ist wegen der besseren thermischen Eigenschaften wesentlich besser. • Kabel benötigen eine um den Faktor 10 bis 100 höhere Blindleistung als Freileitungen. Das erfordert aufwändige Kompensationseinrichtungen. Hinsichtlich der Kosten von Kabeln im Vergleich zu Freileitungen können folgende Bandbreiten als Richtwerte angegeben werden: • für Niederspannung • für Mittelspannung
gleich 1 bis 2 Mal höher
402
9 Energietransport und -verteilung
• Für Hochspannung • Für Höchstspannung
3 bis 8 Mal höher 20 bis 30 Mal höher
9.1.3 Das Deutsche und das Europäische Verbundnetz 9.1.3.1 Strukturmerkmale des deutschen Stromnetzes
Das deutsche Verbundnetz ist in das europäische Verbundnetz − Abb. 9.7 − eingebunden. Für die Koordination des Betriebes des europäischen Netzverbundes ist die UCTE, die Union for the Co-ordination of the Transmission of Electricity, zuständig. Mitglieder der UCTE sind fast alle kontinental-europäischen Länder. Neben dem UCTE-Verbund gibt es in Europa den Nordel-Verbund, dem die skandinavischen Staaten angehören, und die Netze der Inselstaaten Island, Irland, Großbritannien, Malta und Zypern. Es existieren auch einige HGÜ-Verbindungen zwischen benachbarten Verbundnetzen.
Nordel
N L
B
P L C Z
F
D A
UCTE
E P
Quelle: RWE
UCTE
C H I
SL O
H R
Quelle: /Verstege/
Abb. 9.7: UCTE-Verbundnetz und Regelzonen (RWE)
Das UCTE-Verbundnetz besteht aus mehreren Regelzonen (control areas). Eine Regelzone ist ein Versorgungsgebiet, für dessen Primär-, Sekundär- und Minutenreserve ein Übertragungsnetzbetreiber "ÜNB" (transmission system operator "TSO") verantwortlich ist. Das deutsche Verbundnetz (transmission system) besteht aus vier 380kV- und 220-kV-Regelzonen, die über Kuppelleitungen und NetzkuppelTransformatoren zusammengeschaltet sind, und den Verteilungsnetzen von 110 kV bis 0,4 kV, die in Deutschland von ca. 900 Versorgungsunternehmen betrieben werden.
9.1 Stromübertragung und -verteilung
403
Tabelle 9.1: Strukturmerkmale der Übertragungsnetze 2006 Strukturmerkmal Fläche des Netzgebietes Stromkreislänge, Freileitungen Stromkreislänge, Kabel inst. Leistung der Umspannstellen
Einheit 1000 km2 km km MVA
EnBW
EON
RWE
Vattenfall
34,6
138,8
128,6
109,0
3.607
10.640
11.306
9.450
3
10
13
70
5.720
35.170
56.400
28.450
Maximum der Netzlast
MW
13.453
24.926
30.300
15.111
entnommene Jahresarbeit
GWh
52.531
100.446
152.962
64.410
1,3
1,9
1,5
2,8
Netzverluste, einschl. Umspannung
%
Eine Übersicht hinsichtlich der Größenordnung des UCTE und des deutschen Verbundnetzes sowie die Basisdaten der Stromnetze in Deutschland sind in der Tabelle 9.2 zu ersehen: Tabelle 9.2: Basisdaten zum Stromnetz in Deutschland 2006 UCTE 350 2.200
Netzhöchstlast GW (ca.) Stromerzeugung TWh/a (ca.) Deutsches Stromnetz Stromkreislänge 1.000 km Anzahl Transformatoren Nennleistung GVA
NS 1.067 -
MS 493 557.700 268
Deutschland 77 632 HS 75 7.500 260
HöS 36 1.100 311
Gesamt 1.671 566.300 839
Quelle: /VDN/
9.1.3.2 Leistungs- und Strombilanz
Die Leistungsbilanz soll eine Gesamtübersicht über den Leistungsbedarf und die Komponenten seiner Deckung in Deutschland geben. Der Verband der Netzbetreiber − VDN − erfasst regelmäßig die Leistungsbilanz der allgemeinen Stromversorgung in Deutschland. Im Frühjahr jeden Jahres wird eine Leistungsbilanz-Vorschau für die folgenden Jahre für die jeweils für Winter und Sommer typischen Monate Januar und Juli erstellt. Als Referenzzeitpunkt für die Bilanzierung gilt der Viertelstundenwert von 11:00 bis 11:15 Uhr MEZ am 3. Mittwoch des Monats, siehe Tabelle 9.3.
404
9 Energietransport und -verteilung
Tabelle 9.3: Leistungsbilanz der allgemeinen Stromversorgung Leistungsdaten Nettowerte in GW Wasserkraftwerke Kernkraftwerke konventionelle Wärmekraftwerke Regenerative Energiequellen ohne Wasser Inländische Kraftwerksleistung ./. Nicht einsetzbare Leistung ./. Revisionen (Wärmekraftwerke) ./. Ausfälle (Wärmekraftwerke) ./. Reserve für Systemdienstleistungen der ÜNB Gesicherte Nettoleistung zur Bedarfsdeckung Last Marge zur Monats-Höchstlast
2005 3 Mittwoch, 11 Uhr Januar Juli 8,7 8,7 20,7 20,4 68,5 68,6 17,0 17,5 114,9 115,2 20,2 22,4 1,5 12,4 3,0 2,4 7,5 7,4 82,7 70,6 74,5 67,2 8,2 3,4
2010 3 Mittwoch, 11 Uhr Januar Juli 8,7 8,7 17,8 17,8 69,8 70,7 26,8 27,7 123,1 124,9 28,3 30,9 1,7 11,8 3,2 2,5 7,6 7,3 82,3 72,4 76,8 68,9 5,5 3,5
Quelle: VDN
Tabelle 9.4: Strombilanz 2007 Merkmal Netzhöchstlast
Einheit
Wert
GW
77,8
TWh
680,9
öffentliche Kraftwerke
TWh
527,0
industrielle Anlagen
TWh
51,7
private Einspeiser
TWh
57,9
Einfuhr
TWh
44,3
Stromverbrauch
TWh
680,8
Inlandsverbrauch
TWh
541,0
Ausfuhr
TWh
63,3
Netzverluste, Pumpstrom, Eigenverbrauch
TWh
76,5
Stromaufkommen, insgesamt, brutto
Quelle: BMWi,
Der Stromaustausch mit den Nachbarländern − Abb. 9.8 − führt praktisch zu einem Null-Saldo, bringt aber gegenseitige Vorteile. Aus Frankreich wird überwiegend preiswerter Kernenergiestrom eingeführt. Die Schweiz importiert hauptsächlich in den Wintermonaten, wenn das dortige Stromangebot aus Wasserkraft zurückgeht, Strom aus fossilthermischen Kraftwerken aus Deutschland. Die Niederlande importieren Grundlaststrom aus deutschen Braun- und Steinkohlekraftwerken.
9.1 Stromübertragung und -verteilung
405
Frankreich Tschechien Dänemark Österreich Schweiz Schweden Belgien Niederlande Polen -
Quelle: VDN
2,5
5,0
7,5
10,0
Import 46,1 TWh
12,5
15,0
17,5
Export 66,0 TWh
20,0
22,5 TWh
Abb. 9.8: Stromaustausch mit den Nachbarländern 2006 9.1.4 Netzzugang und Netznutzung bei Stromnetzen 9.1.4.1 Pflichten der Netzbetreiber
Im liberalisierten Energiemarkt sind Netzbetreiber verpflichtet, allen Netznutzern einen diskriminierungsfreien Netzzugang zu gewähren. Dies wird auch in § 20 des neuen Energiewirtschaftsgesetzes vom 7. Juli 2005 [EnWG] festgeschrieben. Die entsprechenden Regelungen sind in der Stromnetzzugangsverordnung "StromNZV" enthalten. Nach dem EnWG sind Netzbetreiber zu einem Betrieb ihrer Versorgungsnetze verpflichtet, der eine sichere, preisgünstige und umweltfreundliche Versorgung mit Elektrizität im Interesse der Allgemeinheit gewährleistet. Zusätzlich zur Übertragung und Verteilung elektrischer Energie sind Netzbetreiber dazu verpflichtet, folgende Systemdienstleistungen zur Sicherung der Qualität der Stromversorgung zu erbringen:
• • • •
Frequenzhaltung Spannungshaltung Betriebsführung Versorgungswiederaufbau nach Störungen
406
9 Energietransport und -verteilung
Die den Netzbetreibern entstehenden Kosten zur Erbringung der Systemdienstleistungen werden im Rahmen der Netznutzungsentgelte den Kunden in Rechnung gestellt. Die Systemdienstleistung "Frequenzhaltung" ist Aufgabe der vier Übertragungsnetzbetreiber im Rahmen ihrer Verantwortung für einen zuverlässigen Betrieb in ihren „Regelzonen“ (siehe Abschnitt 9.1.4.4 "Regel- und Ausgleichsenergie"). Die übrigen Systemdienstleistungen sind Aufgaben sowohl der Betreiber von Übertragungs-. als auch von Verteilnetzen. Die technischen Mindestanforderungen für einen zuverlässigen, sicheren und technisch korrekten Betrieb der Verbundnetze sind in folgenden Regelwerken festgelegt: • UCTE-Regeln zur primären und sekundären Frequenz- und Wirkleistungsregelung • Der Transmission Code Kooperationsregeln für die deutschen Übertragungsnetzbetreiber, Deutsche Verbundgesellschaft − DVG 2003. • Distribution Code, Regeln für den Zugang zu den Verteilungsnetzen • Metering Code 2004 9.1.4.2 Grundlagen der Netznutzung − Bilanzkreise
Die Netznutzung durch Letztverbraucher und Lieferanten von Letztverbrauchern setzt die Bildung von Bilanzkreisen voraus. Innerhalb einer Regelzone sind nach § 4 StromNZV von einem oder mehreren Netznutzern Bilanzkreise zu bilden. Ein Bilanzkreis umfasst alle Einspeisungsund Entnahmestellen der bilanzkreisbildenden Netznutzern oder jeweiligen Lieferanten innerhalb eines Übertragungsnetzes. Für jeden Bilanzkreis ist von den bilanzkreisbildenden Netznutzern gegenüber den jeweiligen ÜNB ein Bilanzkreisverantwortlicher (BKV) zu benennen. Der BKV muss im Voraus Fahrpläne im ¼-Stundenraster an den Bilanzkoordinator abliefern und ist verantwortlich für eine ausgeglichene Bilanz zwischen den Einspeisungen und Entnahmen in seinem Bilanzkreis. Der jeweilige Übertragungsnetzbetreiber ist der Bilanzkoordinator. Der BKV übernimmt als Schnittstelle zwischen den Netznutzern und Übertragungsnetzbetreibern die wirtschaftliche Verantwortung für Abweichungen zwischen Einspeisungen und Entnahmen eines Bilanzkreises (siehe auch 9.1.4.3 und 9.1.4.4). 9.1.4.3 Fahrpläne und Standardlastprofile
Im liberalisierten Energiemarkt erfolgt der Einsatz der Kraftwerke und der Betrieb der Netze auf der Basis von Fahrplänen, die von den Bilanzkreis-
9.1 Stromübertragung und -verteilung
407
verantwortlichen (BKV) für jede Viertelstunde des nachfolgenden Tages erstellt werden. Die Aufstellung der Fahrpläne erfolgt auf der Basis von historischen Daten für typische Tage, Wetterprognosen und sonstigen Ereignissen, die den Lastverlauf beeinflussen können. Generell gibt es zwei Kategorien von Kunden. Bei leistungsgemessenen Kunden sind Zähler mit registrierender Lastgangmessung installiert. Für Niederspannungskunden mit einem geringen Jahresverbrauch ist jedoch diese Art der Messung zu teuer. Für „nicht leistungsgemessene Kunden“ mit weniger als 100.000 kWh pro Jahr schreibt das EnWG die Verwendung von Standardlastprofilen vor. Aufgrund der ähnlichen Verbrauchsstrukturen und der Vielzahl der Kunden mit statisch ausgleichendem Verhalten kann deren Verbrauch zutreffend durch normierte Standardlastprofile für verschiedene Kundengruppen abgebildet werden. Sie werden Lastprofilkunden genannt. Zwei grundsätzliche Verfahren haben sich eingebürgert [Nick]:
• •
Das synthetische Lastprofilverfahren Das analytische Lastprofilverfahren
Beim synthetischen Verfahren orientieren sich die Standardlastprofile an typischen Verbrauchscharakteristiken von Verbrauchern wie z.B. Gewerbe, Haushalte, Landwirtschaft, Bandlastkunden, unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen und Heizwärmekunden. Standardisierte Profile sind für Typentage wie Werktag, Samstag, Sonntag bzw. Feiertag für Winter, Sommer und Übergangszeit verfügbar. Sie sind auf einen Jahresverbrauch von 1.000 kWh normiert. Die Standardlastprofile werden mit den jeweiligen prognostizierten Jahresverbräuchen skaliert − Abb. 9.9 − und aufsummiert. Damit ergibt sich für jeden Lieferanten ein fiktives Summenprofil für seinen Lastprofilkunden. Der Netzbetreiber ermittelt auf der Basis der Standardlastprofile den Jahresverbrauch für die entsprechende Verbrauchergruppe sowie das Summenlastprofil über alle Lastprofilkunden. Dieses wird den Lieferanten und den Übertragungsnetzbetreibern zur Verfügung gestellt.
9 Energietransport und -verteilung
408
Netzlast kW
tatsächlicher Verbrauch 2.850 kWh Verbrauch nach Standardprofil 1.000 kWh Skalierungsfaktor 2,85
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23
Tageszeit
Abb. 9.9: Synthetisches Lastprofilverfahren
Beim analytischen Verfahren werden von der Gesamtlastkurve zuerst die Netzverluste und anschließend der Lastgang der leistungsgemessenen Kunden abgezogen, so dass als Restkurve das Summenprofil für die Lastprofilkunden entsteht, Abb. 9.10 . Dieses wird anschließend den Lastprofilkunden entsprechend den prognostizierten Lastprofilanteilen zugeordnet. Der Verbrauch der Lastprofilkunden wird in der Regel am Jahresende gemessen. Die Jahresverbrauchsprognose erfolgt bei beiden Verfahren durch den Netzbetreiber in Abstimmung mit den einzelnen Lieferanten. Nach Vorliegen der Messung müssen Abweichungen vom prognostizierten Jahresverbrauch ausgeglichen und abgerechnet werden. Der Ausgleich von Mehr- und Mindermengen ist abhängig vom jeweiligen Verfahren. Beim analytischen Verfahren ist für den Verteilnetzbetreiber durch die Restlastkurve die gelieferte Energie bereits ausgeglichen. Abweichungen werden zwischen den Lieferanten aufgeteilt. Für den Netzbetreiber entstehen keine Energiebeschaffungskosten, und er trägt kein Prognoserisiko. Beim synthetischen Verfahren werden Mehr- und Mindermengen von den Verteilnetzbetreibern im Laufe des Jahres ausgeglichen. Prognoseungenauigkeiten verursachen damit Energiebeschaffungskosten beim Verteilnetzbetreiber. Die Abrechnung erfolgt zwischen Lieferanten und Verteilnetzbetreibern auf Basis von monatlich zu ermittelnden DurchschnittsMarktpreisen. Die Verteilnetzbetreiber sind verpflichtet, diese Preise zu veröffentlichen.
9.1 Stromübertragung und -verteilung
409
Netzverluste gemessene GesamtTagesganglinie
Netzlast MW
gemessene Ganglinie der leistungsgemessenen Kunden
berechnete Gesamtganglinie der Lastprofilkunden
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
Tageszeit
Abb. 9.10: Analytisches Lastprofilverfahren 9.1.4.4 Regel- und Ausgleichsenergie
Fahrpläne sind Bedarfsprognosen, die von der tatsächlichen Netzlast im Regelfall abweichen. Im wirklichen Betrieb ändert sich die Netzlast nicht, wie in den Fahrplänen vorgesehen, zu jeder Viertelstunde, sondern in jeder Sekunde- Abb. 9.11. Da Strom in Netzen nicht gespeichert werden kann, müssen bei einer funktionierenden Stromversorgung Einspeisung und Entnahme in jedem Augenblick im Gleichgewicht stehen. Ungleichgewichte zwischen Einspeisung und Entnahme im Netz können auftreten durch: • den Ausfall von Erzeugungseinheiten • den Ausfall oder die Zuschaltung größerer Lasten • Abweichungen zwischen prognostizierter und tatsächlicher Last Es ist Aufgabe der Übertragungsnetzbetreiber, das Gleichgewicht zwischen Einspeisung und Entnahme in ihrer Regelzone durch geeignete Maßnahmen in jedem Augenblick zu gewährleisten. In Rahmen dieses Vergleichmäßigungsprozesses kooperieren alle ÜNB innerhalb der UCTE in einem einheitlichen Regelmechanismus, der sogenannten "FrequenzLeistungs-Regelung". Diese basiert auf der Tatsache, dass bei einer plötzlichen Laständerung die Netzfrequenz von ihrem Sollwert (50 ± 0,05 Hz) abzuweichen beginnt.
410
9 Energietransport und -verteilung
Quelle: /Verstege/
Abb. 9.11: Prognostizierte und tatsächliche Last
Frequenz f
Die Regelung ist so gestaffelt, dass nach Auftreten von Ungleichgewichten in drei Stufen die Primär- und Sekundärregelung sowie die Minutenreserve eingesetzt werden − Abb. 9.12.
ÜNB: Übertragungsnetzbetreiber; BKV: Bilanzkreisverantwortlicher Quelle: Vortrag Dipl.- Ing. Claus Hodurek, DVG/VND-Fachtagung
Abb. 9.12: Zusammenspiel der einzelnen Regelungsarten
Die ÜNB sind zu einer zu jederzeit ausreichenden Vorhaltung von Primärregel-, Sekundärregel- und Minutenreserve verpflichtet und kontrahieren zu diesem Zweck Regelleistung in dafür geeigneten Kraftwerken. Die Primärregelung (primary control) wird durch die sogenannte rotierende Reserve (spinning reserve) bereitgestellt. Das sind Kraftwerke im gesamten UCTE-Bereich, die im Normalbetrieb einen kleinen Teil, zwi-
9.1 Stromübertragung und -verteilung
411
schen 3% und 5%, ihrer Leistung freihalten. Sobald eine Gleichgewichtsstörung auftritt, wird die Primärregelreserve sofort und vollautomatisch im gesamten UCTE-Verbundnetz bis zur Volllast freigegeben. Die Primärregelung muss bei Auftreten einer Störung in 15 bis 30 Sekunden aktivierbar sein und mindestens 15 Minuten vorgehalten werden können. Die gesamte vorzuhaltende Primärregelreserve wird von UCTE z.Z. auf 3.000 MW bemessen. Die in den einzelnen Regelzonen vorzuhaltende Primäregelleistung wird jährlich entsprechend ihrer Nettostromerzeugung anhand des sogenannten Beteiligungskoeffizienten festgelegt. Die in Deutschland vorzuhaltende Primärregelreserve beträgt ca.:
∆PD = 530/2.200 x 3.000 = 723 MW Der Quotient entspricht in etwa der jeweiligen Nettostromeinspeisung im deutschen sowie im gesamten UCTE-Verbundnetz jeweils in TWh/a. Damit die Primärregelreserve nach einem Eingriff schnell wieder in voller Höhe zur Verfügung steht, wird sie innerhalb von 30 Sekunden automatisch von der Sekundärregelung (secondary control) abgelöst. Innerhalb von 15 Minuten nach dem Auftreten der Störung müssen Frequenz und Übergabeleistung auf ihren Sollwert gebracht werden − Abb. 9.12. Die Sekundärregelreserve (secondary control reserve) wird von den zu der betreffenden Regelzone gehörenden Kraftwerken, die in Teillast betrieben werden, bereitgestellt. Sie dient der Einhaltung des gewollten Energieaustausches der Regelzone mit dem übrigen Verbund bei gleichzeitiger integraler Stützung der Frequenz. Sie muss mindestens für 1 Stunde nach einem Aufruf vorgehalten werden können. Die Tertiärregelung oder Minutenreserve (minutes reserve) soll nach Eintreten einer Leistungsänderung spätestens nach 15 Minuten die Sekundärreserve abgelöst haben. Sie wird manuell aktiviert und durch den Einsatz von Speicher-, Pumpspeicher- und Gasturbinenkraftwerken bereitgestellt. Sie kann auch von schnellstartenden in Warmreserve stehenden thermischen Kraftwerken zur Verfügung gestellt werden. Sekundär- und Minutenreserve müssen zusammen mindestens so groß sein wie die größte Erzeugungseinheit in der Regelzone. Der Einsatz der Primär-, Sekundärund Minutenreserve liegt in der Verantwortung des Übertragungsnetzbetreibers. Nach Ablauf einer Stunde nach Eintreten einer Störung wird der Einsatz der Stundenreserve vom Bilanzkreisverantwortlichen veranlasst, wenn von ihm kontrahierte Kraftwerke ausfallen oder höhere Lasten als geplant in seinem Bilanzkreis auftreten. Sie wird von thermischen Kraftwerken, die als Kaltreserve oder stehende Reserve zur Verfügung stehen, geliefert. Die Netzfrequenz kann je nach Gleichgewichtsstörung zwischen Erzeugung und Abnahme bezogen auf den Sollwert sinken oder zunehmen.
412
9 Energietransport und -verteilung
Im ersten Fall wird positive Regelleistung benötigt, um das Leistungsdefizit zu kompensieren. Diese kann auch durch Zurückfahren großer Verbraucher erfolgen. Im zweiten Fall spricht man von negativer Regelleistung, d.h. Kraftwerke, die Regelleistung liefern, müssen zurückgefahren werden. Das kann z.B. der Fall sein, wenn viel mehr Windstrom als vorgesehen eingespeist wird. Bei der Primärregelung gibt es nur eine positive Regelleistung, bei der Sekundärregel- und Minutenreserve beides. Die Summe aus positiver und negativer Regelleistung wird Regelband genannt. Regelenergie (control energy) und Ausgleichsenergie (imbalance energy) unterscheiden sich wie folgt: Regelenergie dient ausschließlich der Frequenzhaltung; sie ist eine Systemdienstleistung und ein Kostenbestandteil der Netznutzungsentgelte für die Höchstspannung. Die Ausgleichsenergie dagegen dient dem Ausgleich von Abweichungen zwischen dem Fahrplan und der tatsächlichen Kundenabnahme eines Bilanzkreises und wird mit den betreffenden Bilanzkreisen abgerechnet. 9.1.4.5 Ausschreibung und Abrechnung von Regelenergie
Seit 2001 beschaffen die deutschen Übertragungsnetzbetreiber ihren Bedarf an Primär- und Sekundärregel- sowie Minutenreserve auf dem freien Markt für Regelleistung. Entsprechende Regelungen sind in der neuen Stromnetzzugangsverordnung § 6 vom Juli 2005 (StromNZV) sowie in Vorgaben des Bundeskartellamtes vorgesehen. Die Beschaffung von Primär-und Sekundärregelleistung erfolgt im halbjährlichen Zyklus; Minutenreserve wird in einer täglichen Ausschreibung beschafft. Für die Abwicklung der täglichen Ausschreibung haben die deutschen Übertragungsnetzbetreiber IT-Plattformen eingerichtet. Die Beschaffung erfolgt als Ausschreibungswettbewerb am deutschen Regelleistungsmarkt unter Beteiligung zahlreicher Anbieter sowohl von Kraftwerksbetreibern als auch von Stromkunden (Lastabwurf) – insbesondere für die Minutenreserve. Über Poolbildung können auch Kleinlieferanten an den Ausschreibungen teilnehmen. Solche Zusammenschlüsse werden auch als "virtuelles Kraftwerk" bezeichnet. Die Primärregelreserve wird nur mit dem Leistungspreis abgerechnet, da die Arbeit nicht ermittelbar ist. Die Leistung für die Sekundärregel- und die Minutenreserve wird auf Basis der vereinbarten Leistungsvorhaltung für positive und negative Regelleistung gegenüber dem geplanten Einsatz abgerechnet. Die erbrachte Arbeit ist die Differenz zwischen dem IstEinsatz (Pist) und dem geplanten Einsatz (Psoll), multipliziert mit der Zeitdauer der Inanspruchnahme. Wenn diese Differenz größer Null ist, handelt
9.1 Stromübertragung und -verteilung
413
es sich um positive Regelarbeit, ist sie kleiner Null, spricht man von negativer Regelarbeit. Die Kosten für Regelenergie sind mit ca. 40 % ein wesentlicher Bestandteil der Netznutzungsentgelte für das Höchstspannungsnetz. Insbesondere die Preise für Minutenreserve, die täglich für den nächsten Tag ausgeschrieben werden, schwanken sehr stark und haben in der Vergangenheit Werte bis 700 €/MWh erreicht (s. auch [R-A-N Gutachten]). 9.1.4.6 Bestimmung der Netznutzungsentgelte
In § 21 des EnWG werden die Anforderungen zur Bestimmung der Entgelte für den Zugang zu den Elektrizitätsversorgungsnetzen, kurz Netznutzungsentgelte "NNE", umrissen. In § 21a werden anschließend die Grundregeln für eine später einzuführende Anreizregulierung beschrieben. Die Methodik zur kostenorientierten Bestimmung der NNE wird in der Stromnetzentgeltverordnung − [StromNEV] − vorgegeben. Nachstehend wird ein Überblick über die Grundsätze der Entgeltbestimmung gegeben. Die Bestimmung der NNE erfolgt nach dem Netzpunkttarif in folgenden Schritten: • Ermittlung der direkten Kosten der einzelnen Netz- und Umspannebenen nach dem in Tabelle 9.5 gezeigten Schema • Zuordnung der Kosten zu den Kostenstellen und Kostenträgern entsprechend Abb. 9.13 • Wälzung der Kosten auf nachgelagerte Netzebenen, soweit sie nicht Verbrauchern oder Weiterverteilern derselben Ebene zuzuordnen sind (siehe Beispiel 9.1) • Entgeltermittlung für jede Netz- und Umspannebene • Entwicklung von Gleichzeitigkeitsfunktionen für jede Netz- und Umspannebene und Ableitung eines Leistungs-/Arbeitspreissystems für die Entgelte Abschreibungen werden linear gebildet, betriebsgewöhnliche Lebensdauern sind in Anlage 1 der StromNEV angegeben. Für Neuanlagen sowie für den fremdfinanzierten Anteil der Investition von Altanlagen erfolgt die Abschreibung auf Basis der historischen Anschaffungswerte. Die Abschreibung für den eigenfinanzierten Anteil der Investition für Altanlagen erfolgt dagegen auf Basis von Tagesneuwerten. Die gleiche Vorgehensweise gilt auch für die Bestimmung der kalkulatorischen Zinsen.
414
9 Energietransport und -verteilung
Tabelle 9.5: Jahreskosten der Netzebenen Kosten der Netzebene
Datenbasis
Aufwandsgleiche Kosten Personalkosten Materialkosten (einschl. Kosten für Netzverluste) Fremdkapitalzinsen Sonstige Kosten (z.B. Entgelte für dezentrale Einspeisung) Ertragsteuern (nur Gewerbesteuer) ./. Kostenmindernde Erlöse (z.B. BKZ * ) Kalkulatorische Abschreibungen für Neuanlagen (ab dem 1.1.2006) für Altanlagen (vor dem 1.1.2006), FKQ **) für Altanlagen (vor dem 1.1.2006), EKQ **) Kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung vor Steuern***) für Neuanlagen für Altanlagen
letzte abgeschlossene GuV letzte abgeschlossene GuV letzte abgeschlossene GuV letzte abgeschlossene GuV letzte abgeschlossene GuV letzte abgeschlossene GuV historischer Anschaffungswert historischer Anschaffungswert Tagesneuwert 7,91% 6,50% GuV: Gewinn- und Verlustrechnung
Kosten der Netznutzung
*) Baukostenzuschüsse (BKZ), aktivierte Eigenleistungen, Netzanschlusskosten, Zinsen u. Beteiligungserträge etc. **) FKQ:Fremdkapitalquote; EKQ: Eigenkapitalquote ***) bis zur Einführung der Anreizregulierung
Abrechnung
Messung
Hausanschlussleitungen und Hausanschlüsse
NS-Netz
Umspannung MS/NS
MS-Netz
Umspannung HS/MS
HS-Netz (110 kV)
UmspannungHöS/HS
HöS-Netz (380 und 220 kV)
Kostenträger
Systemdienstleistungen
Hauptkostenstellen
Höchstspannungsebene HöS Umspannungsebene HöS/HS Hochspannungsebene HS Umspannungsebene HS/MS Mittelspannungsebene Umspannungsebene MS/NS Niederspannungsebene
Abb. 9.13: Kostenzuordnung auf die Hauptkostenstellen
Die eigentliche Entgeltermittlung für die einzelnen Netzebenen erfolgt nach folgendem Schema: gewälzte Kosten aus übergeordneten Netzebenen €/a direkte Kosten der betrachteten Netzebene €/a = Summe der Entgeltkosten für Netzebene €/a / gleichzeitige Höchstlast der Netzebene kW = Netzentgelt ENE der Netzebene € / (kW a)
9.1 Stromübertragung und -verteilung
415
Die Wälzung der Kosten erfolgt auf der Basis der gleichzeitigen über alle Übergabepunkte gemessenen Höchstlast. Bei der Ermittlung der gleichzeitigen Höchstlast der Netzebene werden Umspannungen und Weiterverteiler wie Kunden behandelt. Als Ergebnis der Kalkulation wird das Netzentgelt der jeweiligen Spannungsebene ENE als Leistungspreis in € / (kW a) bestimmt. Dieser multipliziert mit dem Gleichzeitigkeitsgrad des jeweiligen Kunden ergibt das individuelle Netznutzungsentgelt NNEi. Als Gleichzeitigkeitsgrad gi wird der Anteil des betreffenden Kunden an der Netzhöchstlast der Netzebene bezeichnet. NNEi = gi ENE [€ /( kW a)]
Gl. 9.1
Für jede Netz- und Umspannebene muss zu diesem Zweck ein Gleichzeitigkeitsdiagramm entwickelt werden. Sein prinzipieller Verlauf wird in Anlage 4 der StromNEV wie folgt vorgegeben: Die Gleichzeitigkeitsfunktion besteht aus zwei Geradenabschnitten, einen für die niedrigeren und einen für die höheren Benutzungsdauern, siehe Abb. 9.14. Der Gleichzeitigkeitsgrad bei einer Jahresnutzungsdauer null Stunden darf maximal bei 0,2 beginnen, der bei 8.760 Stunden hat den Wert 1. Die beiden Geraden schneiden sich in einem Punkt, der durch eine Jahresnutzungsdauer von 2 500 h/a definiert ist. Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein und durch Verprobung nachgewiesen werden: Σ (Pi x gi) = Pges Summe der Netzentgelte = Summe der Kosten 1,00
g2
0,80 0,70
Geradengleichungen
0,60
g 1 = 0,1 +
0,50 0,40
2500 h / a
Gleichzeitigkeitsgrad g
0,90
g1
0,30
0, 6 T 2.500
g 2 = 0,58 +
0,42 T 8.760
0,20
Vollbenutzungsstunden h / a
Abb. 9.14: Gleichzeitigkeitsfunktion
8760
8000
7000
6000
5000
4000
3000
2000
0,00
1000
0,10
416
9 Energietransport und -verteilung
Beispiel 9.1: Kostenwälzung und Entgeltermittlung
K HöS + HöS/HS = 34 Mio € / a
Kosten HS 26 Mio € / a + 34 Mio € / a von HöS + HöS / HS = 60 Mio € / a ΣP
U, HS / MS
= 800 MW E
HS
P H,HS = 966 MW ; g HS = 0,92 = 1000 x 60 / 966 = 62,11 € / kW a)
Σ P HS, SK = 250 MW K HS in SK = 14,29 Mio € / a
K HS in HS/M S = 45,71 Mio € / a ( 0,92 x 800 x 62,11 / 1000)
LEGENDE Großbuchstaben P H : Höchstlast der Ebene K HS/MS = 45,71 + 9,5 = 55,21 Mio € / a ΣP : Summe der Einzellasten E U, HS/MS = 1000 X 55,21 / 800 = 69,01 € / ( kW a) K : Kosten E: Entgelt Indizes: P H, U, HS / MS = 800 MW, g U , HS / MS = 0,8 U : Umspannung SK : Stromkunden ΣP MS = 750 MW HöS : Höchstspannung ΣP HS / MS, SK = 250 MW K U, HS/ MS in MS = 0,80 x 750 x 69,1 / 1000 HS : Hochspannung K U, HS / MS in SK = 27,54 Mio € /a MS: Mittelspannung = 41,46 Mio € / a K U , HS/MS = 9,5 Mio € / a
Kosten MS 40,5 Mio € / a + 41,46 Mio € / a von U, HS / MS = 81,96 Mio € / a P H , MS = 0,82 x 914,6 = 750 MW ; g MS = 0,82 E MS = 1000 x 81,96 / 750 = 109,28 € / ( kW a)
Mit Hilfe der Geradengleichungen für den Gleichzeitigkeitsgrad gi aus Abb. 9.14 kann ein Leistungs-Arbeitspreissystem abgeleitet werden. Für die Hochspannungsebene von Beispiel 9.1 mit der Höchstlast PH in kW und das ermittelte Entgelt EHS=63,80 €/(kW a) gilt für die Nutzungsdauer kleiner 2.500 h/a: NNE = E HS × PH , HS [€ /a]
0,6 NNE i = 63,8 ⋅ PH , i ⋅ 0,1 + T = 6,38 ⋅ PH , i + 0,0153 PH , i T 2.500 Mit PH,i xT = Wi in kWh /a, ergibt sich das Leistungs-Arbeitspreissystem: Leistungspreis: 6,38 € / (kW a),
Arbeitspreis: 1,53 ct / kWh
Auf die gleiche Weise kann für die hohen Nutzungsdauern abgeleitet werden: Leistungspreis: 37 € /(kW a); Arbeitspreis: 0,31 ct /kWh
9.1 Stromübertragung und -verteilung
417
Für Messung und Abrechnung sind für jede Netzebene getrennte Entgelte zu bestimmen. Netzbetreiber sind verpflichtet, ihre Netzentgelte auf ihren Internetseiten zu veröffentlichen. 9.1.5 Genehmigung der NNE − Anreizregulierung
Nach § 23a des EnWG bedürfen Entgelte für den Netzzugang der Genehmigung. Zuständige Netzregulierungsbehörde ist die Bundesnetzagentur − BNetzA sowie Landesbehörden für EVUs, an deren Stromnetz weniger als 100.000 Kunden angeschlossen sind. Die Genehmigung muss mindestens 6 Monate vor Inkrafttreten der NNE beantragt werden. Die Genehmigung wird auf der Grundlage der Kosten einer Betriebsführung, die denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen, erteilt (Vergleichsverfahren). Sie wird befristet erteilt und ggf. mit dem Vorbehalt des Widerrufes. Sie kann auch an Bedingungen und Auflagen verbunden werden. Die BNetzA ist berechtigt in regelmäßigen Abständen Vergleiche der Kosten der Entgeltbildung hinsichtlich einer effizienten Betriebsführung vorzunehmen. Die BNetzA wurde in § 21a EnWG 2005 aufgefordert, ein Konzept zur Durchführung einer Anreizregulierung auszuarbeiten, auf dessen Grundlage eine Rechtsverordnung erlassen wird. Nach Vorlage dieses Konzeptes wurde die Anreizregulierungsverordnung − ARegV − von der Bundesregierung und dem Bundesrat verabschiedet und ist am 6. November 2008 in Kraft getreten [ARegV]. Sie gilt sowohl für Strom- als auch für Gasnetze. Die erste Regulierungsperiode beginnt am 1. Januar 2009, eine Regulierungsperiode dauert fünf Jahre. Grundgedanke der Anreizregulierung ist, die bestehenden Effizienzunterschiede bei den Netzbetreibern abzubauen, indem sich die zulässige Höhe der NNE für eine Gruppe vergleichbarer Netzbetreiber an dem jeweils effizientesten Netzbetreiber dieser Gruppe orientiert. Demnach müssen die Netzbetreiber der Gruppe durch schrittweise Effizienzsteigerung ihre Erlöse aus den NNE dem Niveau des effizientesten Anbieter angleichen. Der Effizienzvergleich wird nach den Vorgaben in den §§ 12 bis 14 und den in Anlage 3 der ARegV aufgeführten Methoden durchgeführt. Die ARegV beinhaltet in § 4 die Vorgabe von Obergrenzen für die Höhe der Gesamterlöse aus NNE unter Berücksichtigung von Effizienzsteigerungen. Das Ausgangsniveau der Erlösobergrenze wird von der BNetzA durch Kostenprüfung ermittelt. Die Kostenprüfung erfolgt auf der Grundlage der Daten des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres vor Beginn der ersten Regulierungsperiode. Die Bestimmung der Erlösobergrenze für den
418
9 Energietransport und -verteilung
jeweiligen Netzbetreiber erfolgt unter Anwendung der Regulierungsformel gemäß § 7 Anlage 1. Maßgebend sind dabei die beeinflussbaren Erlöse. Die Differenz zwischen den zulässigen Erlösen und den tatsächlichen Erlösen eines Netzbetreibers unter Berücksichtigung der Mengenentwicklung wird von der BNetzA jährlich in einem Regulierungskonto verbucht. Übersteigen die Erlöse die Erlösvorgabe des letzten abgeschlossenen Kalenderjahres um 5% bei Strom und 10% bei Gas, müssen Anpassungen der NNE unverzüglich vorgenommen werden − § 5 Abs. 3. Umgekehrt darf der Netzbetreiber bei Unterschreitung der Obergrenze zusätzliche Erlöse erwirtschaften. Netzbetreiber, an deren Elektrizitätsverteilungsnetz weniger als 30.000 Kunden bzw. an deren Gasnetz weniger als 15.000 Kunden angeschlossen sind, können an den vereinfachten Verfahren nach § 24 Abs.2 teilnehmen.
9.2 Erdgastransport und -verteilung 9.2.1 Technischer Aufbau von Erdgasnetzen
Der prinzipielle technische Aufbau des Erdgasnetzes mit seinen Hauptkomponenten ist in Abb. 9.15 dargestellt. Der Erdgastransport vom Erdgasfeld bis zum Endverbraucher erfolgt in mehreren Druckstufen. Nach der Förderung aus der Lagerstätte wird Erdgas (natural gas) in der Aufbereitungsanlage von unerwünschten Begleitkomponenten wie Kohlendioxid, Stickstoff, Schwefelwasserstoff (H2S) sowie Wasserdampf gereinigt und für den Transport aufbereitet. Während der Aufbereitung wird das Erdgas entschwefelt und getrocknet. Bei der Förderung gelangt das Gas mit einem Druck um die 35 bar zur Kopfstation. Zur weiteren Druckerhöhung werden, falls erforderlich, Feldkompressoren eingesetzt. Der Ferntransport von Erdgas geschieht zumeist über unterirdisch verlegte oder über Offshore-Pipelines von den Lagerstätten zu den Grenzübergabestationen. Erdverlegte Fernleitungen werden mit Durchmessern von bis zu 1,4 m gebaut und mit einem Druck von bis zu 100 bar betrieben. Sie überbrücken Entfernungen von bis zu 6.000 km, wie z.B. von Westsibirien nach Zentraleuropa (JAMAL-Pipeline). Im Meeresboden verlegte Offshore-Pipelines werden mit Durchmessern von bis zu ca. 1 m gebaut und mit einem Druck von bis zu 200 bar betrieben. Entfernungen bis von zu 1.000 km sind heute Stand der Technik.
9.2 Erdgastransport und -verteilung
Überland-Ferntransport; bis 6.000 km Entfernung PN bis 100 bar, bis DN 1400 Erdgasförderung
Offshore- Ferntransport PN bis 200 bar, bis DN 1000
Überregionaler Transport ca. 60.000 km Leitungslänge PN bis 80 bar, DN 350 bis 1400
GDRM
Untertagespeicher
Kraftwerke Großindustrie
G Gasentspannungsturbine
Regionale Verteilung und Ortsverteilung, PN 4 bis 16 bar
Röhren-, Kugelspeicher
LPG-LuftMischanlage
Grenzübergabestation
Aufbereitung
LNGTerminal
419
GDRM Industrie, Gewerbe kl. Heizkraftwerke, Heizwerke Ortsverteilung, PN: HD 1 bis 4 bar; MD 0,1 bis 1 bar; ND 25 mbar bis 100 mbar
LNG: Liquified Natural Gas LPG: Liquified Petroleum Gas GDRM: Gasdruckregel- und messanlage
Haushalte
Gewerbe, Handel, öffentliche Einrichtungen
Abb. 9.15: Prinzipschaltbild Erdgasnetzaufbau
Der beim Transport durch die Fernleitungen entstehende Druckverlust muss durch Verdichteranlagen ausgeglichen werden. Fernleitungen werden gewöhnlich für einen Druckverlust von ca. 0,1 bar pro km ausgelegt, sodass nach einer Entfernung von 100 km ein Druckverlust von 10 bar entsteht. Alle 100 bis 200 km sind deshalb Druckerhöhungsstationen erforderlich. Es werden meistens Turboverdichter eingesetzt. Erdgas kann auch als Flüssigerdgas (LNG Liquified Natural Gas ) bezogen werden. Flüssigerdgas wird in Verflüssigungsanlagen in unmittelbarer Nähe der Lagerstätten durch Kühlung auf eine Temperatur von -162 °C kondensiert. Sein Volumen beträgt in flüssigem Zustand ca. ein Sechshundertstel dessen im gasförmigen Normzustand. Es wird in spezielle Tankerschiffe verladen und zum Zielhafen transportiert. Im LNG-Terminal wird es in Regasifizierungsanlagen wieder verdampft und in gasförmigem Zustand in das überregionale Transportnetz eingespeist. Die Ferntransportleitungen werden i.d.R. in Volllast betrieben. Zum Mengenausgleich zwischen Einspeisung und Verbrauch werden Unterta-
420
9 Energietransport und -verteilung
gespeicher (underground storage facilities) eingesetzt. Sie werden im Sommer mit Erdgas gefüllt, das im Winter zur Deckung von Bedarfsspitzen wieder entnommen wird. Es gibt drei Arten von Erdgasuntertagespeicher: Porenspeicher, Kavernenspeicher und Speicher in Gruppenräumen. Die Speicher liegen Hunderte von Metern unter der Erdoberfläche, in Deutschland bis zu 2.500 m. Bei Porenspeichern (storage reservoirs) wird Erdgas in den Poren eines Speichergesteins gelagert, das sich innerhalb einer geschlossenen geologischen Struktur aufwölbt. Als Speicher werden ausgeförderte Erdgasfelder oder andere geeignete, ursprünglich nicht gasgefüllte Speicherschichten verwendet, aus denen Wasser durch eingepresstes Erdgas verdrängt wurde (Aquiferspeicher). Kavernerspeicher (storage caverns) sind unterirdische Hohlräume in Salzlagern, die entweder bergmännisch oder durch Aussolen hergestellt wurden. Beim Aussolen wird Süßwasser in den Salzstock eingeleitet, das sich mit Salz sättigt, als Sole entnommen und meistens ins Meer abgeleitet wird. Die Kavernen sind zylinderförmig und können Durchmesser bis zu 80 m und Höhen zwischen 50 und 400 m erreichen. Die Verbindungsglieder zwischen den Netzebenen sind Gasdruckregelund Messstationen (GDRM). Sie umfassen Druckreduzierstation, Messund Regeleinrichtungen und Sicherheitsorgane. Anstatt der Druckreduzierstationen, wobei die Druckenergie des Gases einfach vernichtet wird, werden oft Gasexpansionsturbinen oder -motoren eingesetzt. Damit wird der hohe Druck aus dem Transportnetz zur Stromerzeugung genutzt. Erdgas ist von Natur aus geruchlos. Damit mögliche Leckagen sofort bemerkt werden können, wird in den Übernahmestationen gleich nach der Übernahme vom Transportnetz dem Erdgas ein Duftstoff (Odorant) mit einem durchdringenden Geruch beigemischt. Dieser Prozess wird Odorierung genannt. Die in − Abb. 9.15 − dargestellte Netzstruktur ist vor der Liberalisierung entstanden. Im Zuge der Liberalisierung gehen Teile der Regionalschiene (gestrichelte Linie) zu der Transportschiene und Teile zu der örtlichen Verteilung. Bei den örtlichen Verteilnetzen wird zwischen folgenden Druckstufen unterschieden.
• • •
Hochdrucknetz, 1 bis 4 bar (Durchmesser bis 1.200 mm) Mitteldrucknetz, 0,1 bis 1 bar (Durchmesser 50 bis 150 mm) Niederdrucknetz, 25 mbar bis 100 mbar (Durchmesser 80 bis 300 mm)
Zwischen den Netzebenen sind Gasdruckregler (GDR) eingebaut. Bei Ortsnetzen werden auch verschiedene Arten von Gasspeichern [siehe Cerbe] wie Scheibenbehälter (Gasometer), Kugelspeicher, Röhrenspeicher oder Flüssiggas-Luftmischanlagen eingesetzt. Auch das örtliche
9.2 Erdgastransport und -verteilung
421
Hochdrucknetz selbst kann als Speicher genutzt werden. Die Hauptaufgabe von Ortsnetzspeichern besteht darin, Bedarfsspitzen abzudecken und damit Leistungskosten bzw. Netznutzungsentgelte beim Erdgasbezug einzusparen. Scheiben- und Kugelspeicher oder das Ortsnetz werden während der täglichen Schwachlastzeit mit Gas aus dem HD-Ortsnetz geladen und bei Auftreten von Spitzen wieder in das Niederdrucknetz entladen. Röhrenspeicher sind erdverlegte Rohre größeren Durchmessers, die mit Hochdruckgas aus dem Transportnetz oder durch den Einsatz von Verdichtern aufgeladen werden. Bei Flüssiggas-Luft-Mischanlagen wird Flüssiggas (Liquified Petroleum Gas − LPG), meistens ein Gemisch aus Propan- und Butangas, in Hochdruckbehältern gelagert und vor dem Einsatz im Erdgasnetz mit Luft vermischt, um gleiche Brenneigenschaften wie Erdgas zu erreichen. Druckbehälter werden zum Ausgleich von relativ kurzen Spitzen während des Tages eingesetzt und sind bei Erdgasbezugsverträgen mit Stundenleistungspreis (€/(kWh/h)) wirtschaftlich sinnvoll. Durch den Einsatz von Flüssiggas-Luft-Mischanlagen können Tagesbezugsspitzen (kWh/d) reduziert werden, diese sind deshalb vor allem bei Erdgasbezugsverträgen mit Tagesleistungspreis (€/(kWh/d) sinnvoll. Nach dem Hausanschluss wird der Gasdruck in Wohngebäuden durch den Druckregler auf 20 mbar reduziert. 9.2.2 Das deutsche und europäische Erdgas-Verbundnetz
Das deutsche Erdgasnetz ist ein Teil des europäischen Erdgasverbundnetzes − siehe Abb. 9.16 und Abb. 9.17. Die Versorgung des europäischen Verbundnetzes mit Erdgas geschieht hauptsächlich aus Erdgasfeldern in Russland, in der Nordsee (Norwegen, Großbritannien), in den Niederlanden und in Algerien. Im europäischen Verbundnetz sind außerdem LNGTerminals in Spanien, Italien, Frankreich, Kroatien und Griechenland in Betrieb. In Deutschland sind solche Anlagen z.Z. in Vorbereitung (Wilhelmshaven). Das Leitungsnetz in Deutschland ist ca. 380.000 km lang, davon sind ca. 30.000 km Ferngasleitungen. Das überregionale Transportsystem wird mit Drücken von bis zu 80 bar betrieben. Mehrere Verdichterstationen mit einer elektrischen Leistung von über 900 MW insgesamt gewährleisten den sicheren Transport zu den Verbraucherzentren. In Deutschland gibt es z.Z. 43 Untertagespeicher mit einem Fassungsvermögen von rund 19 Mrd m3 nutzbarem Arbeitsgas; das entspricht etwa 17% des Erdgas-
422
9 Energietransport und -verteilung Statfjord Gullfaks Troll Frigg Kollsnes Heimdal Oseberg Oslo
Erdgasleitung vorhanden Geplant oder in Bau
Helsinki
Kårsto
Sleipner
Erdgasfelder
Stavanger
Ekofisk
LNG-Terminal
Dublin
Tyra W' haven
In Betrieb
Isle of Grain Emden London
Geplant oder in Bau
Montoir
St. Petersburg Stockholm
Copenhagen Minsk Berlin Warsaw
Essen Zeebrugge Brussels Paris Bern
Prague Bratislava Vienna Budapest
Lyon
El Ferrol
Ljubljana Bucharest Rovigo La Spezia Belgrade Fos-sur-Mer Krk Sofia Madrid Barcelona Rome Bilbao
Lisbon Sines
Valencia
Brindisi
Huelva Cordoba
Marmara Ereglisi Athens
Cartagena Algiers
Izmir
Tunis
Quelle: E.on - Ruhrgas
Abb. 9.16: Europäisches Erdgasverbundnetz
Quelle: Verbundnetz Gas AG
Abb. 9.17: Überregionale Erdgasleitungen und Speicher
verbrauchs in Deutschland (ca. 1.100 TWh/a rund 110 Mrd. m3). Über 20 Untertagespeicher befinden sich im Auf- oder Ausbau oder in der Planung.
9.2 Erdgastransport und -verteilung
423
Der Gashandel in Deutschland erfolgt über mehrere Stufen. Ferngasunternehmen der Importstufe produzieren und importieren Erdgas und verkaufen es an überregionale (supraregional) sowie regionale Ferngasgesellschaften und an Ortsgasversorger, insbesondere Stadtwerke (municipal utilities). Aktuell gibt es in Deutschland rund fünf importierende und 20 regionale Ferngasgesellschaften sowie mehr als 700 Ortsgasversorger, die eigene Netze betreiben. Einige New Comer sind im Importgeschäft ebenfalls eingestiegen. In Deutschland werden 5 verschiedene Gasqualitäten vertrieben. Wegen der unterschiedlichen Gasbeschaffenheiten, wie H- , L-, LL-Gas, haben die Netzbetreiber Teilnetze gleicher Gasbeschaffenheit gebildet. 9.2.3 Auslegung und Betrieb von Erdgasnetzen 9.2.3.1 Rohrleitungen
Örtliche Erdgasnetze werden aus Stahl- oder Kunststoffrohren hergestellt und sind aus Gründen der Versorgungssicherheit und Reservehaltung meistens stark vermascht. Die Rohre werden nach ihrem Nenndurchmesser DN und Nenndruck PN (Pressure Nominal) sowie nach ihrem Rohrmaterial gekennzeichnet. Für Hochdruckleitungen werden Stahlrohre verwendet, die mit einer Kunststoffaußenbeschichtung oder einem geeigneten Anstrich als Korrosionsschutz versehen sind. Meistens werden Stahlrohrnetze zusätzlich mit einem kathodischen Korrosionsschutz ausgerüstet. Dabei wird Gleichstrom zugeführt, der einer elektrolytischen Korrosion aus dem Erdreich entgegen wirkt. Bei Ortsnetzen kommen für Nenndrücke bis maximal 10 bar meistens Kunststoffrohre aus Polyethylen (PE-Rohre) zum Einsatz. Ausgangspunkt für die Rohrauslegung ist der zulässige Druckverlust entlang einer bestimmten Rohrstrecke. Bei nicht-kompressiblen Fluiden bleibt das Volumen bei der Strömung durch Rohrleitungen konstant. Die Formel für die Druckverlustberechung lautet: ∆p = λ
ρl 2 w 2D
Gl. 9.2
Gasförmige Fluide sind jedoch kompressibel. Durch den Druckverlust in den Rohrleitungen nimmt das Gasvolumen und damit auch die Geschwindigkeit entlang der Rohrstrecke zu und die Temperatur sinkt. Unter Berücksichtigung der Volumenänderung entsteht durch Umformung der obigen Formel folgende Druckverlustgleichung für kompressible Fluide:
424
9 Energietransport und -verteilung l w12 Tm ∆p = p1 1 − 1 − λ D R T1 T1
Gl. 9.3
[bar ]
Diese Formel ist für die Anwendungen in der Praxis zu kompliziert. Mit 1− x ≈ 1−
x für x«1 [Kalide] gewinnt man die Näherungsformel: 2
∆p = p1
λ l w12 Tm 2 D R T1 T1
[bar ]
(wobei Tm/T1 ≅1)
Gl. 9.4
Mit Hilfe der Zustandsgleichung für das ideale Gas kann die Strömungsgeschwindigkeit durch das Normvolumen des strömenden Fluids ersetzt werden. Durch Umformung und Auflösung nach D gewinnt man folgende Formel zur Ermittlung des vorläufigen Rohrdurchmessers: 8λ l D = 2 π R p1 ⋅ T1 ⋅ ∆p
0, 2
p n ⋅ Vn ⋅ T1 Tn
0, 4
[m]
Gl. 9.5
Darin bedeuten: Anfangsdruck, absolut in bar p1: ∆p: Druckverlust in Pa (= N/m2) λ: Reibungszahl l: Rohrlänge in m D: Rohrdurchmesser in m Anfangsströmungsgeschwindigkeit m/s w1: R: Gaskonstante H-Gas: 475,3 J/(kg K); L-Gas:448,7 J / (kg K) Eintrittstemperatur in K T1: mittlere Temperatur in K T m: Temperatur im Normzustand (1,013 bar) Tn: Volumenstrom in Normzustand mn3 /s Vn:
Durch Einsetzen der Umrechnungskoeffizienten für die Einheiten und bei Annahme eines mittleren Wertes von λ= 0,02 gewinnt man schließlich folgende Zahlenwertgleichung für die Ermittlung des vorläufigen Durchmessers: l D = 1,77 ⋅ p1 ⋅ ∆p ⋅ T1 ⋅ R
0, 2
⋅ (Vn ⋅ T1 )
Darin sind die Variablen wie folgt einzusetzen: p1: Anfangsdruck in bar (absolut) ∆p:Druckverlust in bar T1: Anfangstemperatur in K R: Gaskonstante J/(kg K) Vn: Norm-Volumenstrom in mn3/h
0, 4
mm
Gl. 9.6
9.2 Erdgastransport und -verteilung
425
Die Reibungszahl kann für turbulente Strömung, was bei Volllastbetrieb quasi immer der Fall ist, nach folgender Formel berechnet werden.
λ= (1,14 - 0,87 LN(k/D))-2.
Gl. 9.7
Für die Rohrrauhigkeit k kann für Stahlrohre in Gasnetzen k = 0,5 mm, für PE-Rohre k = 0,007 mm eingesetzt werden. Einzelwiderstände werden meistens als Zuschlag pauschal berücksichtigt. Beispiel 9.2: Bestimmung des Rohrdurchmessers In einer Papierfabrik soll eine Gasturbine mit einer elektrischen Leistung von 25 MW installiert werden. Die Feuerungswärmeleistung beträgt 72 MW, am Brennereintritt ist ein Erdgasdruck von 24 bar erforderlich. Erdgas H soll aus einer Transportleitung mit einem garantierten Mindestdruck von 26 bar absolut geliefert werden. Die Länge der Anschlussleitung beträgt 2,5 km. Zu ermitteln ist der Rohrdurchmesser, der Druckverlust und die Strömungsgeschwindigkeit am Leitungsanfang. (Erdgas H, Brennwert Ho=9,97 kWh / nm3. R=475 J/(kg K), Gastemperatur 12°C). Lösung: Der vorläufige Durchmesser wird mit der Zahlenwertformel berechnet. Zuerst muss der Normvolumenstrom ermittelt werden
Vn = Q / Ho= 72.000/9,97 =7.222 mn3/h 2.500 D = 1,77 ⋅ 26 2 285 475 ⋅ ⋅ ⋅
0, 2
(7.222 ⋅ 285)0, 4 = 121,2
mm
Es wird der nächstgrößere Nenndurchmesser DN 125 nach DIN 2440 mit der lichten Weite 130 mm gewählt. Unter Zuhilfenahme der Zustandsgleichung des idealen Gases kann das Anfangsvolumen bei Betriebsdruck von 26 bar mit folgender Formel ermittelt werden: p ⋅ V T 1,013 ⋅ 7.222 (273 + 12) V 1= n n 1 = ⋅ = 293,75 m 3 / h ≡ 0,082 m 3 / s p1 Tn 26 273 Anfangs-Strömungsgeschwindigkeit: w1 =
4 ⋅V 1 4 ⋅ 0,082 = = 6,18 m / s 2 3,14 ⋅ 0,13 2 π ⋅D
Rohrreibungszahl: λ = (1,14 − 0,87 LN (0,5 / 130)) −2 = 0,028 2 2 Druckverlust: ∆p = p1 λ ⋅ l w1 = 26 ⋅ 0,028 ⋅ 2500 ⋅ 6,18 = 1,97 bar 2 ⋅ D R ⋅ T1 2 ⋅ 0,13 ⋅ 475 ⋅ (273 + 12)
Ferntransportleitungen werden üblicherweise für einen spezifischen Druckverlust von 0,1 bar/km ausgelegt. Im Inland kann wegen der kürze-
426
9 Energietransport und -verteilung
ren Entfernungen auch ein etwas höherer spezifischer Druckverlust in Kauf genommen werden. In der Tabelle 9.6 wird die Transportkapazität von Leitungen für den Ferntransport für einen Druckverlust von 0,1 bar/km sowie für 0,2 bar/km angegeben. Die Ermittlung erfolgte mit den oben angegebenen Formeln. Tabelle 9.6: Transportkapazität von Erdgas-Fernleitungen Einheit spez. Druckverlust *) Transportkapazität in Ho**) Norm-Volumenstrom
bar / km MW 3
537
Rohrdurchmesser mm 600 900 1000 0,10 3.036 8.771 11.557
1400 20.683
1000 m n / h
47
265
765
1.008
1.805
m/s bar / km MW
2,3
3,4
4,7
5,3
Strömungsgeschwindigkeit ***) spez. Druckverlust *) Transportkapazität in Ho**) Norm-Volumenstrom
300
733
4.148
4,4 0,20 11.982
15.808
28.255
1000 m n / h
64
362
1.046
1.379
2.466
m/s
3,1
4,6
6,0
6,4
7,3
Strömungsgeschwindigkeit ***) *) Rohrrauhigkeit 0,5 mm, Temperatur 12 °C
3
**) Ho = 10,5 kWh / mn3
***) Anfangsgeschwindigkeit
Bei Ortsnetzen mit ND-Leitungen ist der Druckverlust wesentlich kleiner. Sie werden mit komplizierten EDV-Programmen gerechnet (s. hierzu Cerbe), die auch die Netzatmung berücksichtigen können. 9.2.3.2 Gas-Druckregel- und Messanlagen
Gasdruckregelanlagen (GDR-Anlagen) haben eine ähnliche Funktion wie die Transformatoren bei Stromnetzen. Sie sind das Bindeglied zwischen den Netzebenen und haben die Aufgabe, den Gasdruck auf das Niveau des nachgeschalteten Netzes zu reduzieren und zu regeln. Die Druckreduzierung erfolgt durch Drosselung. Da Erdgas ein reales Gas ist, sinkt bei der Drosselung durch den sogenannten Joule-Thomson-Effekt die Temperatur. Um Schäden in den Netzen zu vermeiden, muss das Erdgas deshalb vor der Drosselung vorgewärmt werden. Die Vorwärmung erfolgt in Vorwärmern, die mit Warmwasser aus Erdgaskesseln versorgt werden. Gasdruckregler bei Übergabestationen sind auch mit Mess- und Odorierungseinrichtungen ausgerüstet. Für Details der technischen Ausführung und Funktionsweise wird auf [Cerbe] verwiesen. Wie bereits erwähnt, werden bei größeren Stationen und größeren Druckdifferenzen auch Erdgas-Entspannungsturbinen oder -motoren eingesetzt. 9.2.3.3 Kosten für Verlegung und Installation
Die Verlegekosten von PE-Rohrleitungen in innenstädtischen Rohrnetzen, PN 4 und DN 50 bis DN 200 liegen in der Größenordung von ca. 200 € bis
9.2 Erdgastransport und -verteilung
427
300 € pro m Leitung. Material und Durchmesser spielen dabei eine untergeordnete Rolle, da der Anteil der Tiefbauarbeiten und Oberflächenwiederherstellung etwa 90% bis 95% der Gesamtkosten betragen kann. In der Tabelle 9.7 sind Richtwerte für Investitionen für Gasdruckregelanlagen angegeben. Tabelle 9.7: Anhaltswerte für Investitionen für GDR-Anlagen PN
m3 / h
T€
16 16 25 25 25 25
400 1.000 400 1.000 2.000 4.000
80 100 110 150 200 230
9.2.3.4 Netzbetrieb
Im Rahmen der Energieanwendung und des Einsatzes unterscheidet man zwischen Grundgas und Heizgas. Grundgas wird als Prozessgas bei der Industrie, zur Brauchwarmwassererwärmung oder zum Kochen eingesetzt. Der Verbrauch an Grundgas ist unabhängig von der Außentemperatur. Dagegen steigt der Heizgasbedarf bei sinkender Außentemperatur. Da ein wesentlicher Teil der Gasbezugskosten Leistungskosten sind, z.B. für Netznutzungsentgelte, muss für eine wirtschaftlich optimale Gasbeschaffung die Verbrauchscharakteristik, insbesondere der Spitzenlast, in Abhängigkeit von der Außentemperatur in einem Abrechnungsjahr mit ausreichender Genauigkeit im Voraus bekannt sein. Hierzu bedienen sich Gasversorgungsunternehmen der sogenannten Regressionsgeraden, auf deren Basis der Gasbezug, der eventuelle Einsatz von Speichern sowie die Abschaltung von Kunden mit unterbrechbaren Verträgen beim Netzbetrieb erfolgt, wie es qualitativ in Abb. 9.18 gezeigt wird. Die Regressionsgeraden werden auf der Basis der Verbrauchscharakteristiken der vorangegangenen Abrechnungsperioden entwickelt und ständig aktualisiert. Der Netzbetrieb erfolgt bei den Versorgern mit technisch ausgefeilten EDV-Programmen, die auf der Basis von Wetterdaten Bedarfsprognosen für die nachfolgenden Tage erstellen und die Gasbeschaffung und den Netzeinsatz optimieren. Grundgas wird i.d.R. nicht abgeschaltet. So kann z.B. eine Automobilfabrik das Gas für die Lackiererei mit einem durchgehenden Liefervertrag und das Heizgas mit einem unterbrechbaren Liefervertrag beziehen. Hierzu sind zwei getrennte Messungen notwendig. Unterbrechbare Kunden müssen natürlich die Möglichkeit haben, auf einen
9 Energietransport und -verteilung
428
Ersatzbrennstoff umzuschalten, wenn die Erdgaslieferung unterbrochen wird.
Speichereinsatz
Stundenbezug kWh / h
geplanter maximaler Bezug
alle Kunden am Netz unterbrechbare Kunden abgeschaltet Heizgas
Grundgas
-15
-10
-5
0
5
10
15
20
25
30
Tagesdurchschnittstemperatur °C
Abb. 9.18: Regressionsgerade mit Speichereinsatz und Abschaltung 9.2.4
Netzzugang und Netznutzung bei Gasnetzen
9.2.4.1 Grundlagen des Netzzugangs
Grundlage des Systems für den Netzzugang zu den Erdgasnetzen und für die Entgeltbildung ist das „Entry-Exit Netznutzungsmodell“ nach § 20 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes. Betreiber von Gasversorgungsnetzen müssen Einspeise- und Ausspeisekapazitäten (in Nm3/h oder in kWh/h) anbieten, die den Netzzugang ohne Festlegung eines transaktionsabhängigen Transportpfades möglich machen. Transportkunden ist außerdem zu ermöglichen, Ein- und Auspeisekapazitäten unabhängig voneinander in unterschiedlicher Höhe und zeitlich voneinander abweichend zu buchen − § 4 Abs. 3 GasNZV. Der Netzzugang zu örtlichen Verteilnetzen erfolgt abweichend von den o.g. Regelungen nach einem transaktionsunabhängigen Punktmodell, d.h. durch die Buchung einer Ausspeisekapazität. Die Abwicklung des Zugangs erfolgt nach der so genannten „ZweiVertrags-Variante“. Für den Netzzugang ist ein Einspeise- und ein Ausspeisevertrag erforderlich, auch wenn der Zugang über mehrere über Kupplungspunkte miteinander verbundene Netze erfolgt.
9.2 Erdgastransport und -verteilung
429
Zur einer konsequenten Umsetzung des Modells fordert das Gesetz außerdem die Bildung von Marktgebieten und eine umfassende Kooperationspflicht zwischen den Netzbetreibern. Die wichtigsten Regelungen zum Netzzugang bei Gasnetzen sind in den beiden Verordnungen sowie in der Kooperationsvereinbarung zwischen den Netzbetreibern enthalten: • • •
Verordnung über den Zugang zu den Gasversorgungsnetzen (Gasnetznutzungsverordnung − „GasNZV“) vom 25. Juli 2005 Verordnung über Entgelte für den Zugang zu den Gasversorgungsnetzen (Gasnetzentgeltverordnung − „GasNEV“) vom 25. Juli 2005 Vereinbarung über die Kooperation zwischen den Betreibern von Gasversorgungsnetzen, Änderungsfassung vom 29. Juli 2008 − „KOV II“
9.2.4.2 Marktgebiete − virtueller Handelspunkt
Im Gegensatz zum Strom existiert für Erdgas kein zusammenhängendes Verteilungsnetz in Deutschland. Historisch haben die Transportnetzbetreiber ihre Netze um Versorgungsschwerpunkte ausgebaut und nach und nach angrenzende Gebiete erschlossen. Darüber hinaus gibt es in Deutschland verschiedene Erdgasarten, wie H-Gas und L-Gas, die nicht vermischt werden dürfen und in separaten Netzen transportiert werden. So entstand im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Erdgasverteilungsnetzen, die dazu auch verschiedenen Eigentümern gehören. Verbindungen zwischen den Netzen auch der gleichen Gasqualität sind oft entweder nicht vorhanden oder bilden einen Engpass für den Gastransport zwischen den Netzen. Als Folge dieser strukturellen Hindernisse und Engpässe hat man das deutsche Erdgasnetz im Zuge der Liberalisierung in Marktgebiete unterteilen müssen. Ein Marktgebiet ist eine Verknüpfung von verschiedenen über Netzkopplungspunkte miteinander verbundenen Teilnetzen, in denen ein Transportkunde gebuchte Kapazitäten nach dem Entry-Exit-System an Ein- und Ausspeisepunkten flexibel nutzen kann. Marktgebiete sind das Analog zu den Regelzonen im Strommarkt. Jedes Marktgebiet verfügt über einen virtuellen Handelspunkt, an dem Gasmengen nach vorher erfolgter Einspeisung und vor der Ausspeisung innerhalb des Marktgebietes gehandelt werden können. Innerhalb des Marktgebietes können Entries den Exits beliebig zugeordnet werden und Gasmengen zwischen den verschiedenen Bilanzkreisen übertragen werden. Der virtuelle Handelspunkt ist keinem physischen Ein- oder Ausspeisepunkt zugeordnet und ermöglicht es Käufern und Verkäufern, ohne Kapazitätsbuchung Gas zu kaufen bzw. zu verkaufen.
430
9 Energietransport und -verteilung
Gastransporte zwischen angrenzenden Marktgebieten werden durch die Buchung von Ein- und Ausspeisekapazitäten an Netzkoppelpunkten des abgebenden und des aufnehmenden Netzes abgewickelt. Entsprechende Abwicklungsregeln sind in §§ 23 bis 25 sowie §§ 35 und 36 der Kooperationsvereinbarung festgelegt. Die Netzbetreiber eines Marktgebietes benennen einen marktgebietaufspannenden Netzbetreiber. Dieser ist in den meisten Fällen ein Ferngasnetzbetreiber. Er bezieht Erdgas von ausländischen bzw. inländischen Gasproduzenten oder von anderen Marktgebieten und verteilt es auf die im Marktgebiet nachgelagerten Teilnetze. Er hat unter anderem die Pflicht zur Führung des jeweiligen Marktgebietes. Er muss Transportkunden die Bildung von Bilanzkreisen ermöglichen sowie Engpässe durch die in der GasNZV vorgesehenen Maßnahmen überbrücken. Er übernimmt auch die Rolle des Bilanzkreisnetzbetreibers (BKN) und hat durch geeignete Maßnahmen für eine ausgeglichene Bilanz zwischen Ein- und Ausspeisungen aus den Netzen zu sorgen. Seine Funktion ist analog zu denen des Übertragungsnetzbetreibers bei Stromnetzen. Von den anfänglich neunzehn Marktgebieten sind durch Zusammenlegung vierzehn entstanden. Ziel ist es, sie mittelfristig auf 10 zu reduzieren. Die Namen der Marktgebiete sowie entsprechende Karten sind auf der Website des BDEW zu finden [BDEW]. 9.2.4.3 Buchung von Kapazitäten
Transportkunden müssen Ein- und Ausspeisekapazitäten buchen, damit das Gas seinen Bestimmungsort erreichen kann. Netzbetreiber sind verpflichtet, ihre Ein- und Ausspeisepunkte mit den entsprechenden Kapazitäten und Entgelten auf ihren Websites im Internet zu veröffentlichen. Damit Kapazitäten gebucht werden können, muss allerdings in den entsprechenden Punkten freie Kapazität vorhanden sein. Die Netzbetreiber bieten im Internet einen gemeinsamen Kapazitäts- und Entgeltrechner (KuER), mit dem entsprechende Informationen für alle Entry und Exit Punkte im Netz abgefragt werden können. Transportkunden können sich dort Informationen beschaffen und ggf. Kapazitäten buchen und Netzentgelte berechnen. Auch wenn keine freien Kapazitäten im Internet als verfügbar angezeigt werden, kann der Transportkunde eine verbindliche Anfrage auf den Erwerb von Kapazitäten an den Netzbetreiber richten, um Möglichkeiten für die Realisierung des Transports auszuloten. Einbindung von Speichern: Für die Einspeicherung in einen Speicher oder für die Ausspeicherung aus einem Speicher hat der Transportkunde mit dem Netzbetreiber, an dem der Speicher physisch eingebunden ist, einen Einspeise- bzw. einen Ausspeisevertrag zu schließen (§ 38 KOV).
9.2 Erdgastransport und -verteilung
431
9.2.4.4 Kapazitätsentgelte − Entgeltgenehmigung
Die Berechnung der Kapazitätsentgelte wird nach der Methode zur Bestimmung der Entgelte für den Zugang zu den Gasnetzen in den §§ 4 bis 18 der Gasnetzentgeltverordnung − GasNEV − geregelt. Darüber hinaus wird auch in § 6 der Kooperationsvereinbarung zwischen den Netzbetreibern eine Umsetzungshilfe gegeben. Bei der Berechnung werden, wie beim Strom (siehe Abschnitt 9.1.4.6), die Kosten bzw. Entgelte vorgelagerter Netze auf die nachgelagerten Netze gewälzt. Betreiber von überregionalen Gasfernleitungsnetzen sind nach § 3 Ab.2 vorerst und bis zur Verabschiedung einer entsprechenden Verordnung von Regelungen zur Entgeltberechnung nach den §§ 4 bis 18 ausgenommen, wenn ihr Fernleitungsnetz einem wirksamen oder potentiellen Wettbewerb ausgesetzt ist. Diese Regelung ist allerdings umstritten. Die Ein- und Ausspeiseentgelte sind Kapazitätsentgelte in €/(m3/h) oder in €/(kWh/h). Sie beziehen sich in der Regel auf zwölf aufeinander folgende Monate. Darüber hinaus bieten die Netzbetreiber auch unterjährige Verträge sowie Verträge für unterbrechbare Lieferung. Die Kapazitätsentgelte sind aus den Internetseiten der Netzbetreiber zu entnehmen. Wie bereits erwähnt, bieten die Netzbetreiber hierzu den gemeinsamen Kapazitäts- und Entgeltrechner − KuER − auf der Website von BDEW. Die Kapazitätsentgelte werden ab dem 1. Januar 2009 nach den Regeln der Anreizregulierung festgelegt und genehmigt. Diese wurde im Abschnitt 9.1.5 beschrieben und gilt sowohl für Strom als auch für Gas. 9.2.4.5 Bilanzkreismanagement
Durch den Einspeisevertrag ist der Netzbetreiber verpflichtet, das vom Transportkunden am Einspeisepunkt bereitgestellte Erdgas in das Netz aufzunehmen. Durch den Ausspeisevertrag verpflichtet sich der Netzbetreiber, das in das Netz eingespeiste Erdgas dem Transportkunden am Ausspeisepunkt mit der vereinbarten Kapazität bereitzustellen. Im liberalisierten Gasmarkt bilden Transportkunden und Lieferanten, wie beim Strommarkt, Bilanzkreise. In einem Bilanzkreis werden die Einund Ausspeisepunkte der betreffenden Transportkunden bzw. Lieferanten zusammengefasst und bilanziert. Für jeden Bilanzkreis ist von den bilanzkreisbildenden Netznutzern gegenüber den jeweiligen Bilanzkreisnetzbetreiber (KKN) ein Bilanzkreisverantwortlicher (BKV) zu benennen. Der Bilanzkreisverantwortliche ist der Vertragspartner des Bilanzkreisnetzbetreibers und ist damit für die operative Abwicklung und den wirtschaftlichen Betrieb des Bilanzkreises verantwortlich.
432
9 Energietransport und -verteilung
Am Tag vor der Belieferungen muss der BKV die Ein- und Ausspeisemengen aller Ein- und Ausspeisepunkte seines Bilanzkreises auf Stundenbasis zusammenfassen und beim zuständigen Netzbetreiber nominieren. Nominierung ist die Anmeldung über die innerhalb bestimmten Zeitspannen zu transportierenden Gasmengen. Der Abgleich und Ausgleich von Abweichungen zwischen den an Ein- und Ausspeisepunkt übertragenen Gasmengen am Tag der Lieferung wird im Bilanzkreisvertrag geregelt. Abweichung von den nominierten Mengen werden mit Hilfe des Bilanzausgleichs verbucht und nach den Regeln des Bilanzkreisvertrags mit den entsprechenden Entgelten verrechnet. 9.2.4.6 Die Kooperationsvereinbarung
Grundlage für die operative Umsetzung des Netzzugangsmodells ist die Vereinbarung über die Kooperation gemäß § 20 Abs. 1 b) EnWG zwischen den Betreibern von in Deutschland gelegenen Gasversorgungsnetzen. Gültig ist die Änderungsfassung vom 29. Juli 2008 − KOV II. In der Kooperationsvereinbarung [KOV II] verpflichten sich die Netzbetreiber, in dem technisch möglichen und wirtschaftlich zumutbaren Ausmaß zusammenzuarbeiten, das erforderlich ist, damit Transportkunden zur Durchführung netzübergreifender Transporte nur einen Einspeise- und einen Ausspeisevertrag abschließen müssen. Neben der ausdrücklichen Festlegung auf die Zweivertragvariante nach dem Entry-Exit-Modell für den Netzzugang, enthält die Vereinbarung Bestimmungen über die Bildung von Marktgebieten, die Durchführung des Transports von Gas zwischen Teilnetzen und Marktgebieten sowie Regelungen zur Ausgestaltung der Ein- und Ausspeiseverträgen und Bilanzkreisverträge.
9.3 Fernwärmeverteilung 9.3.1 Technischer Aufbau von Fernwärmenetzen
Als Fernwärme (district heating) wird die zentrale Wärmeversorgung von Gebäuden verschiedener Eigentümer aus einem Heizkraftwerk oder Heizwerk über ein Fernwärmenetz bezeichnet. Kleinere Netze werden oft auch Nahwärmenetze genannt. Der prinzipielle Aufbau einer Fernwärmeversorgung ist aus Abb. 9.19 zu ersehen. Ein Fernwärmeversorgungssystem setzt sich aus folgenden Hauptkomponenten zusammen:
9.3 Fernwärmeverteilung
• • • • • •
433
Fernwärmeerzeugungsanlage Pumpstation und Druckhaltungsanlage Fernwärmenetz Hausanschluss Hausübergabestation Hausverteilung
Hausübergabestation
G
70°C - 130 °C 50°C - 70 °C
Abb. 9.19: Aufbau einer Fernwärmeversorgung
Der wesentliche Vorteil einer Fernwärmeversorgung ist, dass die Wärme in einer größeren Anlage zentral, meistens durch energieeffiziente Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, erzeugt wird. Dadurch entfällt eine Vielzahl von sonst notwendigen dezentralen Wärmeerzeugungsanlagen; neben der effizienteren Wärmeerzeugung werden auch die Luftemissionen reduziert und die Immissionssituation im Fernwärmegebiet beträchtlich verbessert. Wegen der relativ hohen Kosten der Fernwärmeverteilung ist eine kostengünstige Fernwärmeerzeugung durch Kraft-Wärme-Kopplung eine Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit der Fernwärme gegenüber dezentralen Systemen. Der Wärmeträger in Fernwärmenetzen ist meistens Heizwasser, das in einem Zweileiternetz, bestehend aus einer Vor- und einer Rücklaufleitung, zu den Verbrauchern transportiert wird. Fernwärmenetze mit Dampf als Wärmeträger werden vor allem zur Versorgung von Industriegebieten, wo
434
9 Energietransport und -verteilung
auch Prozesswärme benötigt wird, betrieben, wie z.B. für das Industriegebiet Heilbronn. Städtische Fernwärmenetze mit Dampf als Wärmeträger sind vereinzelt auch in Betrieb (z.B. Würzburg, Stadtnetz Heilbronn). Dampf-Fernwärmenetze bestehen aus einer Dampf- und einer Kondensatleitung. 9.3.2 Grundbegriffe der Fernwärmeversorgung
Im Zusammenhang mit der Fernwärmeversorgung werden folgende Begriffe verwendet: Der Anschlusswert QA in MW eines Fernwärmenetzes ist die Summe der Wärmeleistungen der angeschlossenen Kundenanlagen. Die Netzhöchstlast QH in MW ist der höchste stündliche Leistungsbedarf des gesamten Netzes. Die tatsächlich aufgetretene Netzhöchstlast ist im Wesentlichen von der Witterung im betreffenden Jahr, der strukturellen Durchmischung der Verbraucher im Versorgungsgebiet und vom Verbraucherverhalten abhängig. Der Quotient aus Wärmehöchstlast und Anschlusswert wird Belastungsverhältnis fB genannt. Seine Höhe ist von der Gleichzeitigkeit der Abnahme der angeschlossenen Kunden und der Größe des Versorgungsgebietes abhängig. Bei Mischgebieten liegt es bei ca. 0,7 bis 0,8 − bei reinen Wohngebieten kann es Werte zwischen 0,8 und 0,95 erreichen. Wenn der vertraglich gemeldete Leistungsbedarf der Kundenanlagen überhöht ist, können auch niedrigere Werte vorkommen. Die Netzeinspeisung Wth ist die in einem Jahr in das Netz eingespeiste Wärmemenge. Die Wärmeabgabe Wth, K ist die an den Kunden gelieferte Wärmemenge. Sie ist gleich mit der Netzeinspeisung minus Netzverluste. Beide werden in den Einheiten GJ/a oder MWh/a gemessen. Als Ausnutzungsdauer des Anschlusswertes tA in h/a wird der Quotient aus Wärmeabgabe und Anschlusswert bezeichnet. Davon zu unterscheiden ist die Benutzungsdauer der Netzhöchstlast tH in h/a. Diese ist der Quotient aus der Netzeinspeisung und der im betreffenden Jahr aufgetretenen Netzhöchstlast. Sie kann üblicherweise Werte zwischen 2.000 und 3.000 h/a erreichen. Die Anschlussdichte ist die Anzahl der Anschlüsse pro km2. Die Liniendichte in MW/km ist das Verhältnis des Anschlusswertes zur Trassenlänge. Die Wärmedichte in MW/km2 ist das Verhältnis des Anschlusswertes zur Fläche eines Fernwärmeversorgungsgebietes. Die beiden letztgenannten Kennzahlen sind Indikatoren zur Erstbeurteilung der Wirtschaftlichkeit der Fernwärmeversorgung von potentiellen Versorgungsgebieten oder Verbrauchern.
9.3 Fernwärmeverteilung
435
9.3.3 Ausgewählte Merkmale der Fernwärmeversorgung
Die Arbeitsgemeinschaft für Wärme und Heizkraftwirtschaft AGFW führt fortlaufend Statistiken über die Entwicklung der Fernwärme in Deutschland. Erfasst wird darin der Großteil der Netze, sodass die Angaben als repräsentativ gelten können. Nachstehend sind ausgewählte Daten aus der Erhebung für das Jahr 2004 zu ersehen. Tabelle 9.8: Strukturdaten der Fernwärme im Jahr 2004 Merkmal
Einheit
Zahl der erfassten Netze
Angabe
-
1.400
Anschlusswert
MW
51.254
Gesicherte Engpassleistung, FW-Erzeugung
MW
42.917
davon Anlagen mit KWK
%
Elektrische Nennleistung Netzeinspeisung, Wärme
MW 314.582 TJ / a
GWh / a
davon aus KWK-Anlagen Wärmeabgabe an Kunden
53 10.629 87.384 71%
272.906 TJ / a
Netzverluste bezogen auf Netzeinspeisung, ca. Elektrische Arbeit
GWh / a % GWh / a
75.807 14,0 33.767
Ausnutzungsdauer des Anschlusswertes *)
h/a
1.479
Ausnutzungsdauer der Engpassleistung
h/a
2.036
Anzahl Kundenanlagen (Übergabestationen)
-
Durchschnittlicher Anschlusswert pro Station
kW
307.419 164 17,5
Trassenlänge ca: Heizwassernetze
1.000 km
Dampfnetze
1.000 km
1,1
durchschnittliche Liniendichte
MW / km
2,8
Quelle: AGFW-Hauptbericht der Fernwärmeversorgung 2004 *) berechnet, bezogen auf die Wärmeabgabe
Nach Schätzungen der [AGFW] beträgt die Gesamtleitungslänge von Heizwassernetzen ca. 25.000 km. 9.3.4 Auslegung und Betrieb von Fernwärmenetzen
Die meisten Heizwassernetze werden auf eine maximale Vorlauftemperatur von 130 °C ausgelegt. Dies ist bedingt durch die höchste Temperatur, die der Polyurethan-Wärmeschutz der heute am meisten verwendeten Kunststoffmantelrohre im Dauerbetrieb aushalten kann. Diese Temperatur wird allerdings nur bei hohen Wärmebedarfsspitzen im Winter benötigt. In
436
9 Energietransport und -verteilung
der Regel wird die Vorlauftemperatur in Abhängigkeit von der Außentemperatur gleitend zwischen 70 °C und 130 °C, gefahren. Die niedrigste Vorlauftemperatur von 70 °C ist notwendig, um eine Erwärmung von Brauchwarmwasser in den Hausstationen auf 60 °C zu gewährleisten. Die Rücklauftemperatur wird bei der Auslegung auf 70 °C, bei modernen Netzen auf 50 °C (z.B. Mannheim) festgelegt. Niedrige Wassertemperaturen sowohl im Vor- als auch im Rücklauf sind energetisch vorteilhaft, weil die Fernwärmeauskopplung in Heizkraftwerken bei niedrigeren Drücken erfolgen kann und dadurch eine höhere Stromausbeute erzielt wird. Damit sind auch die Wärmegestehungskosten günstiger. Außerdem sinken durch eine niedrigere Wassertemperatur auch die Wärmeverluste im Netz. Bei modernen Netzen wird aus diesem Grund, neben der gleitenden Temperaturfahrweise im Vorlauf, auch eine konstante Rücklauftemperatur von 50°C angestrebt. Ein weiterer Aspekt, der bei der Netzplanung und beim Netzbetrieb beachtet werden muss, ist der Druck im System. Man unterscheidet zwischen dem Nenndruck, dem geodätischen Druck, dem Pumpendruck und dem Ruhedruck [Hakansson]. Fernwärmenetze in Deutschland werden für Nenndruckstufen ND 16 oder ND 25 ausgelegt. Die Höhe des Nenndruckes wird durch die tiefste Stelle im Netz bestimmt. An dieser Stelle des Netzes darf der Druck in keinem Betriebsfall, auch nicht bei Druckstößen, den zulässigen Druck im System übersteigen. Dieser ist gleich mit dem Nenndruck abzüglich eines Sicherheitsabschlags. Ein Druckstoß kann z.B. durch das schnelle Schließen von Schiebern vorkommen.
Abb. 9.20: Druckverhältnisse im Fernwärmenetz
9.3 Fernwärmeverteilung
437
Man unterscheidet folgende Betriebsfälle: Im Normalbetrieb wird der Pumpendruck über den Differenzdruck des kritischen Verbrauchers ∆pkr gesteuert. Dieser ist meistens der entfernteste Verbraucher im Netz. Wenn der Differenzdruck dieses Verbrauchers steigt, bedeutet dies, dass die Verbraucher zu viel Wasser bekommen und der Pumpendruck entsprechend reduziert werden muss. Bei sinkendem Differenzdruck ist das Gegenteil der Fall. Heutzutage sind praktisch alle Fernwärmenetze mit drehzahlgeregelten Pumpen ausgerüstet, bei denen die Fördermenge durch Änderung der Drehzahl geregelt wird. Bei Ausfall der Pumpen darf an keiner Stelle des Netzes der Druck unter den Verdampfungsdruck des Wassers sinken, damit ein Ausdampfen des Wasser vermieden wird. Es muss auch verhindert werden, dass höherliegende Netzteile leer laufen. Das wird durch die Druckhaltung gewährleistet, die den Ruhedruck einstellt. Die kritische Stelle im Netz ist in diesem Fall die mit der höchsten geodätischen Höhe, siehe Abb. 9.20. Die Druckhaltung wird bei großen Netzen durch Druckhaltepumpen, bei kleinen Netzen durch Luftpolster gewährleistet. Ein wesentlicher Kostenfaktor der Fernwärme ist der Pumpstromverbrauch. Dieser kann nach folgenden Formeln ermittelt werden: Pumpleistung: PP =
10 5 ∆p ∆p [kW] ⋅ QH ⋅ = 35,43 ⋅ QH ⋅ ρ ⋅c ⋅η ∆t ∆t
Spez. Pumparbeit: wP = 35,43 ⋅
tP ∆ p ⋅ [kWhel/MWhth] tH ∆ t
Gl. 9.8
Gl. 9.9
Hierin bedeuten: QH: Netzhöchstlast in MW ρ: Wasserdichte (eingesetzt 960 kg / m3) c: spezifische Wärme des Wassers (eingesetzt 4,2 kJ/(kg K)) η: Pumpenwirkungsgrad (eingesetzt 0,7) Benutzungsdauer der Pumpleistung in h/a tp: Benutzungsdauer der Netzhöchstlast in h/a tH: ∆ p: Druckhöhe der Pumpe in bar ∆ t: Temperaturspreizung in K Vermerk: Die Zahlenformel für die Pumpleistung wurde aus den beiden Formeln für Pumpleistung (P = V ∆ p / η) und Wasservolumenstrom ( V = QH / (ρ c ∆ t ) entwickelt.
Den spezifische Pumpstromverbrauch für ausgewählte Fälle mit unterschiedlichen Netzparametern ist aus Tabelle 9.9 ersehen.
438
9 Energietransport und -verteilung
Bei ungünstiger Netzauslegung und ohne Drehzahlregelung der Pumpen kann der Pumpstromaufwand auch wesentlich höher (> 30 kWhel / MWhth) liegen, siehe hierzu Abb. 9.23. Tabelle 9.9: Spezifischer Pumpstromverbrauch Temperatur Vor- / Rücklauf Temperaturspreizung ∆ t Pumpendruck ∆ p Benutzungsdauer der Pumpleistung Spezifischer Pumpstromaufwand
°C / °C
130/50
130/70
110/70
K
80
60
40
Benutzungsdauer der
bar
14
14
6
Netzhöchstlast
h/a
4.500
4.500
4.500
h/a
kWhel / MWht h
9
12
8
3.000
kWhel / MWht h kWhel / MWht h
11
15
9
2.500
14
18
12
2.000
9.3.5 Systemkomponenten von Fernwärmenetzen 9.3.5.1 Fernwärmeleitungen
Bis vor etwa 40 Jahren wurden Fernwärmeleitungen fast ausschließlich in Betonkanälen verlegt. Diese Verlegungsart findet bei Neuerschließungen wegen der hohen Kosten nur in besonderen Fällen, z.B. bei Dampfnetzen, Anwendung. Heutzutage werden als Fernwärmeleitungen überwiegend erdverlegte Kunststoffmantelrohre − Abb. 9.21 − eingesetzt. Plastikmantel Stahlmediumrohr
Sensor für Leckagekontrol
PolyurethanWärmedämmung
Abb. 9.21: Verlegung von Kunststoffmantelrohrleitungen
Die Leitungen bestehen aus dem Mediumrohr aus Stahl, der PolyurethanWärmedämmung und dem Kunststoffmantel. Meistens sind auch Sensoren
9.3 Fernwärmeverteilung
439
für den Anschluss an ein Leckwarnsystem eingebaut. Die Leitungen werden in Gräben kanalfrei verlegt. Kompensatoren zur Aufnahme der Wärmeausdehnung können durch die sogenannte kompensatorfreie Verlegung entfallen. Dabei wird die Sand- und Erdschüttung über den Leitungen komprimiert, sodass sie sich nicht ausdehnen können und bei Erwärmung unter Druckspannung stehen. Bei hoher Belastung, z.B. beim Unterqueren von Straßen, werden auch Stahlmantelrohre verwendet. Für Nahwärmenetze mit niedrigen Vorlauftemperaturen kommen verstärkt auch flexible Kunststoff-Medium-Rohre zum Einsatz. Fernwärmeleitungen werden für einen etwa konstanten spezifischen Druckverlust pro Meter Trassenlänge ausgelegt. In der Tabelle 9.10 wird die Transportkapazität von Fernwärmeleitungen und die zugehörige Geschwindigkeit für verschiedene Temperaturspreizungen und einen konstanten spezifischen Druckverlust pro m Trassenlänge angegeben. Tabelle 9.10: Transportkapazität von Fernwärmeleitungen Rohrdurchmesser DIN 2448 DN 25 32 40 50 65 80 100 125 150 200 250 300 350 400 450 500 600 700 800 900 1000
LW 28,5 37,2 43,1 54,5 70,3 82,5 107,1 131,7 159,3 210,1 260,5 309,7 339,6 388,8 437,0 486,0 585,0 700,0 800,0 900,0 1000,0
Druckverlust Pa / m Trasse =
200
Temperaturspreizung 130/50 °C MW 0,12 0,23 0,33 0,60 1,13 1,69 3,24 5,43 8,73 17,4 29,9 46,0 57,9 81,3 108,8 142,0 225,7 353,5 493,6 662,6 862,2
130/70 °C MW 0,09 0,17 0,25 0,45 0,85 1,26 2,43 4,07 6,55 13,1 22,4 34,5 43,5 61,0 81,6 106,5 169,3 265,1 370,2 496,9 646,7
WasserGeschwindigkeit
110/70 °C MW 0,06 0,12 0,17 0,30 0,56 0,84 1,62 2,71 4,37 8,7 14,9 23,0 29,0 40,6 54,4 71,0 112,8 176,7 246,8 331,3 431,1
m/s 0,57 0,66 0,71 0,80 0,90 0,98 1,11 1,24 1,36 1,56 1,74 1,90 1,98 2,12 2,25 2,37 2,60 2,85 3,05 3,23 3,41
Hierzu noch einige nützliche Näherungsformeln für Fernwärmeleitungen:
440
9 Energietransport und -verteilung
D LW = 1000
bzw.
1, 4
16 ⋅ λ ⋅ 2 2 π ⋅ ρ ⋅c
0, 2
⋅ ∆p
−0, 2
Q DLW = 1.115 ⋅ ∆p −0, 2 ∆t
Q ⋅ ∆t
0, 4
[mm]
0, 4
[mm]
2,5 Qmax = 2,41 ⋅ 10 −8 ⋅ DLW ⋅ ∆p 0,5 ⋅ ∆t [MW]
w=
Gl. 9.10
Q Q 4 ⋅ 10 5 ⋅ = 3,16 ⋅ 10 5 ⋅ 2 2 π ⋅ ρ ⋅ c ∆ t ⋅ DLW ∆ t ⋅ DLW
[m/s]
Gl. 9.11 Gl. 9.12 Gl. 9.13
Hierin bedeuten: λ: Reibungszahl, eingesetzt 0,018 ρ: Dichte des Wassers, eingesetzt 960 kg/m3 c: DLW: Qmax: w: ∆p: ∆t: Q:
spezifische Wärmekapazität des Wassers, eingesetzt 4,2 kJ/(kg K) Durchmesser, lichte Weite in mm Transportkapazität der Leitung in MW Wärmeleistung Wassergeschwindigkeit in m/s spezifischer Druckverlust in Pa/m Trasse (Doppelrohr) Temperaturspreizung Vor-, Rücklaufleitung in K Wärmeleistung in MW
Anmerkung: Diese Formeln wurden durch Kombination der Originalformeln der Physik für Druckverlust, Wärmemenge, Volumenstrom und Wassergeschwindigkeit entwickelt. In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, dass die oft praktizierte Vorgehensweise zur Ermittlung der Rohrdurchmesser über eine konstante Wassergeschwindigkeit (oft 2 m/s) den Pumpstromaufwand beträchtlich in die Höhe treiben kann. Wie aus Abb. 9.22 zu ersehen ist, steigt der spezifische Druckverlust bei kleinen Durchmessern, die meistens am Netzende liegen, exponentiell an. Wenn dies bei der Auslegung nicht beachtet wird, kann das schwerwiegende Folgen für die Höhe der Pumpleistung haben, wie in Abb. 9.23 gezeigt wird. Das ist insbesondere bei Fernwärmenetzen mit direkter Übergabe besonders kritisch, da der kritische Verbraucher ein Heizkörper in einer der Hausanlagen ist, wo der Netzbetreiber keinen Einfluss hat. Richtwerte für Verlegekosten von Fernwärmeleitungen in Abhängigkeit vom Durchmesser sind in Abb. 9.24 zu ersehen. In den angegebenen Kosten haben die Tiefbaukosten einen Anteil zwischen 40 % und 50%. Sie sind aber stark von der Bodenbeschaffenheit und vom Schwierigkeitsgrad der Verlegung abhängig. Im innerstädtischen Bereich können deshalb die
9.3 Fernwärmeverteilung
441
Verlegekosten auch beträchtlich oberhalb der angegebenen Bandbreite liegen. 5000
4,00
3,50
4000
spez. Druckverlust pro m Trasse bei konstanter Wassergeschwindigkeit 2 m/s
3500
3,00
2,50
3000
Wassergeschwindikeit m/s bei konstantem Druckverlust von 200 Pa pro Meter Trasse
2500 2000
2,00
1,50
1500 1,00 1000
Wassergeschwindigkeit m / s
Druckverlust Pa pro Meter Trasse
4500
0,50
500 0
0,00 25
125
225
325
425
525
625
725
825
925
Rohrdurchmesser mm
Abb. 9.22: Auslegung von Fernwärmeleitungen
abnehmender Durchmesser entlang des Netzes
∆ p Pumpe
∆ p Pumpe
∆ p Pumpe
km
Pumpleistung: P = V x ∆ p / η
∆ p kr
Auslegung konstanter spez. Druckverlust Konstante Wassergeschwindigkeit Abnehmender spezifischer Druckverlust
Abb. 9.23: Auswirkungen der Netzauslegung auf die Pumpleistung
9 Energietransport und -verteilung
442
Spezifische Investition € / m Trasse
2.500
befestigtes Gelände Innenstadtbereich
2.000
Bandbreite
1.500
unbefestigtes Gelände Neubaugebiete
1
1.000
Bandbreite 500
Quelle : Kennziffernkatalog , GfEM-Berlin, 2004 eigene Aufbereitung als Graphik 0 0
100
200
300
400
500
600
700
800
Nenndurchmesser DN
Abb. 9.24: Investitionen von Fernwärmeleitungen, Richtwerte 9.3.5.2 Hausanschlüsse
Der Hausanschluss ist die Verbindung zwischen dem Fernwärmenetz und der Hausanlage. Dieser wird meistens aus Kunststoffmantelrohr oder aus Biegerohr hergestellt. Die Hausanschlüsse sind ein wesentlicher Kostenfaktor bei der Fernwärmeversorgung, da die spezifischen Kosten wegen der kurzen Trassenlängen und der oft Einzelerstellung, insbesondere bei Bestandsobjekten, relativ hoch sind. Je nach Länge und Schwierigkeitsgrad der Verlegung liegen die Investitionen von Hausanschlüssen zwischen ca. 9.000 (6 m) und 13.000 € (15 m) für mittlere bis größere Wohngebäude. Diese Kosten sind i.d.R. vom Anschlussnehmer zu zahlen. Wenn Neubaugebiete erschlossen werden und die Hausanschlüsse im Zuge der Erschließung, zusammen mit dem Verteilungsnetz, erstellt bzw. vorbereitet werden, können die Kosten für Hausanschlüsse beträchtlich reduziert werden. 9.3.5.3 Hausübergabestationen
Die Hausübergabestation − Abb. 9.25 − ist das Bindeglied zwischen dem Fernwärmenetz und dem Heizungsnetz der Hausanlage. Sie umfasst die Anschlüsse zum Fernwärmenetz und dem Hausnetz, Absperrarmaturen, Wärmemengenzähler, Wassermengenbegrenzer und Sicherheitsorgane.
9.3 Fernwärmeverteilung
443
Der Wärmemengenzähler dient zur Messung der Wärmeabgabe an den Kunden in kWh, mit dem Wassermengenbegrenzer wird die maximale Wassermenge und damit der maximale Wärmeleistungsbezug in kW eingestellt. Beide sind für die Abrechnung der gelieferten Wärme notwendig. Man unterscheidet zwischen indirekten und direkten Hausübergabestationen. Bei der indirekten Hausübergabe sind das Fernwärmenetz und die Hausverteilung durch einen Wärmetauscher hydraulisch voneinander getrennt und bilden so zwei separate Wasserkreisläufe. Bei der direkten Hausübergabe werden die beiden Netze nicht voneinander getrennt, das Wasser aus dem Fernwärmenetz wird durch die Hausanlage gepumpt und das gesamte System besteht aus einem einzigen Wasserkreislauf. Üblicherweise ist bei Übergabestationen auch ein Brauchwarmwasserbereiter (BWWB) integriert. Er kann an der Primär- oder an der Sekundärseite angeschlossen sein. Er kann als Wärmetauscher oder als Speicher ausgeführt sein. Anschlüsse zum Fernwärmenetz
Anschlüsse zur Hausanlage
Anschlüsse zum Brauchwarmwassernetz
WärmemengenZähler Umwälzpumpe Hausheizungsanlage
Brauchwarmwasserwärmetauscher
Differenzdruckregler Mengenbegrenzer
Plattenwärmetauscher
Abb. 9.25: Vorgefertigte indirekte Kompakt-Hausübergabestation
444
9 Energietransport und -verteilung
Die meisten Fernwärmeunternehmen bieten vorgefertigte Hausübergabestationen an. Richtpreise für ausgewählte Stationen sind aus Tabelle 9.11 zu ersehen. In der angegebenen Quelle sind weitere Angaben zu finden. Die Eigentumsgrenze kann, je nach Fernwärmeunternehmen und Anschlussbedingungen, vor oder nach der Übergabestation liegen. Das muss auch beim Vergleich von Fernwärmepreisen beachtet werden. Tabelle 9.11. Richtpreise, Kompaktstationen mit BWW-Bereitung Leistung kW
10 20 30 40 50 60 70 80 100 250 500
direkter Anschluss *) 130 / 75°C - 110 / 70 °C Bandbreite €
indirekter Anschluss *) 130 / 75°C - 110 / 70 ° Bandbreite €
4.499 4.550 4.602 4.704 4.806 4.908 5.011 5.113 5.266
5.522 5.573 5.624 5.726 5.829 5.931 6.033 6.136 6.289
6.136 6.187 6.238 6.340 6.442 6.545 6.447 6.749 6.902 10.500 12.000
7.158 7.209 7.260 7.363 7.465 7.567 7.669 7.772 7.925 11.500 13.000
*) Temperaturangaben: Temperaturspreizung der Primär-Sekundärseite Quelle: Kennziffernkatalog, GfEM, Berlin, 2004
9.3.6 Erschließungskosten der Fernwärmenetze
Ein forcierter Ausbau der Fernwärmeversorgung hat in Deutschland nach dem Krieg, überwiegend bis Ende der 70er Jahre, stattgefunden. Seit 1990 stagniert der Anschlusswert, bei den Netzlängen ist dagegen eine Zunahme um ca. 38% im selben Zeitraum zu beobachten [AGFW Hauptbericht 2005]. Aus dieser Entwicklung lässt sich ableiten, dass Neuanschlüsse den Rückgang der Anschlusswerte durch die fortlaufende wärmetechnische Sanierung bestehender Gebäude gerade noch ausgleichen können. Ein weiterer Ausbau der Fernwärmeversorgung findet hauptsächlich durch Verdichtung innerhalb von bestehenden Fernwärmenetzen, durch den Bau von Nahwärmenetzen zur Versorgung von Neubaugebieten oder von größeren Verbrauchern oder durch den Anschluss von an bestehende Fernwärmenetze angrenzenden Neubaugebieten statt. Investitionen für die Hauptkomponenten der Fernwärmeverteilung wurden bereits in den vorangegangenen Abschnitten angegeben. Die Investitionsausgaben für die Erschließung von neuen Versorgungsgebieten
9.3 Fernwärmeverteilung
445
oder Neukunden sind in erster Näherung von der Wärmedichte der betreffenden Gebiete abhängig. Eine Erstabschätzung der Investitionen für Neuanschlüsse oder Netzerweiterungen kann durch die sogenannte Siedlungstypenmethode durchgeführt werden. Die Wärmeanschlussdichten von ausgewählten typisierten Siedlungen sind aus der Tabelle 9.12 [Blesl] zu ersehen. Tabelle 9.12: Wärmeanschlussdichte ausgewählter Siedlungstypen Typ *)
EFH ZFH RDH KMH GMH HH
ST 2 ST 4 ST 5a ST 5b ST 6 ST 7a ST 7b ST 10a ST 11b
x
x
Art der Bebauung
MW / km
EFH- u. ZFH- Siedlung Reihenhaussiedlung x Siedlung kleiner MFH x x Zeilenbebauung x x Zeilenbebauung x x Blockbebauung, niedrieger Dichte x x Blockbebauung, hoher Dichte Große öffentliche Sonderbauten Gewerbliche u. Dienstleistungs-Sonderbauten
2
18 18 27 30 37 44 45 42 52
x
*) EFH: Einfamilienhäuser; ZFH: Zweifamilienhäuser; RDH: Reihen- u. Doppelhäuser KMH: kleine Mehrfamilienhäuser; GMH: grosse Mehrfamilienhäuser; HH: Hochhäuser Quelle: Markus Blesl, Dissertation 2002, Universität Stuttgart, IER
Die auf der Basis der Merkmale der Siedlungstypen näherungsweise ermittelten Investitionen und die Nutzwärmekosten der Fernwärmeverteilung in Abhängigkeit von der Wärmedichte sind aus Abb. 9.26 und Abb. 9.27 zu ersehen. Die zugrundegelegten wirtschaftlichen Eckdaten zur Kostenermittlung sind in der Tabelle 9.13 zusammengestellt. Tabelle 9.13: Wirtschaftliche Eckdaten für Fernwärmenetze Position Kalkulatorische Lebensdauer Fernwärmenetz Hausanschlüsse Übergabestationen Kalkulatorischer Zinssatz, real Fernwärmenetz inkl. KSt und GeSt Hausanschlüsse (Privatinvestition) *) Übergabestationen (Privatinvestition) *) Pumpstromaufwand Netzverluste (bez. auf Netzeinspeisung) Instandhaltung und Personal Verwaltung, Versicherungen
Einheit
Zahlenangabe
a a a
35 35 30
% % % kWhel / MWhth % % / Inv. % / Inv.
7,5 4,5 4,5 20 8 0,5 0,5
*) Hypothekendarlehen: 10 Jahre, 6,5 % nominaler Zinssatz abzügl. 2 % Inflation
446
9 Energietransport und -verteilung
Verlegekosten der Verteilung T€ / MW
1.200 1.100
nur Verteilung ohne Hausanschlüsse Kunststoffmantelrohre PN 16 - 130°C / 70°C
1.000 900 800
obere Bandbreite Innenstadt, befestigtes Gelände günstige Verhältnisse
700 600 500 400 300
untere Bandbreite Neubaugebiete, unbefestigtes Gelände
200 100
Quelle: Eigene Berechnungen 20,0
25,0
30,0
35,0
40,0
45,0
50,0
Wärmedichte MW / km2
Abb. 9.26: Erschließungskosten für neue FW-Gebiete, Richtwerte
spezifische Kosten der Verteilung € / MWh
70
Eckdaten Verteilung ohne Hausanschlüsse Kunststoffmantelrohre ND 16 Temperatur Vor-/Rücklauf 130°C/70°C Neubau oder wärmetechnisch sanierte Gebäude Vollbenutzungsstunden 1.800 h/a Zinssatz 7,5%; kalk. Lebensdauer 35 a Fixe Betriebskosten 1% der Investition spez. Kosten bez. auf Wärmeabgabe
60
50
40
obere Bandbreite Innenstadt, befestigtes Gelände, günstige Verhältnisse
30
20
10
untere Bandbreite Neubaugebiete, unbefestigtes Gelände Quelle: Eigene Berechnungen
20
25
30
35
40
45
50
Wärmedichte MW / km2
Abb. 9.27: Spez. Verteilungskosten zur Neuerschließung
Bei der Berechnung wird angenommen, dass es sich um Neubauten bzw. wärmetechnisch sanierte Gebäude handelt. Solche Gebäude haben einen niedrigen Anschlusswert, die Benutzungsdauer des Anschlusswertes ist aber relativ hoch, weil der Wärmeverbrauch für Brauchwarmwasser einen großen Anteil am Gesamtwärmebedarf einnimmt. Es wird deshalb eine Benutzungsdauer von mindestens 1.800 h/a angenommen. Neubaugebiete an der Peripherie von größeren Fernwärmenetzen werden meistens aus einer Mischung von drei Siedlungstypen, nämlich Reihen- und Doppelhäusern, kleinen und mittleren Mehrfamilienhäusern und einigen großen Mehrfamilienhäusern gebaut. Die Hauptmerkmale einer solchen Siedlung sind in Tabelle 9.14 zusammengestellt und in Beispiel
9.3 Fernwärmeverteilung
447
9.3 werden die Erschließungskosten für den Anschluss an ein bestehendes Fernwärmenetz überschlägig ermittelt. In Beispiel 9.3 werden die anlegbaren Fernwärmeerzeugungskosten in Konkurrenz zur Heizölheizung am Beispiel einer kleinen Neubausiedlung ermittelt. Tabelle 9.14: Hauptmerkmale ausgewählter Siedlungstypen Merkmal Siedlungstyp Gebäudetypen *) Anzahl Gebäude Länge der Straßen Abstand zw. Gebäude und Straße Wärmedichte
Einheit
Siedlungstyp
2 Gb / km 2 km /km m 2 MW / km
ST 2 EFH + ZFH 1.257 21,84 7 18,0
ST 5a KMH 1.524 27,56 7 27,2
ST 5b KMH u. GMH 1.172 17,72 9 30,2
*) RDH: Reihen- und Doppelhäuser; KMH : kleine Mehrfamilienhäuser; GMH: große Mehrfamilienhäuser Quelle: Markus Blesl, DIsertation 2002, Universität Stuttgart, IER
Beispiel 9.3: Erschließungskosten für ein Neubaugebiet Ein Neubaugebiet bestehend aus Ein- und Zweifamilienhäusern sowie kleinen und großen Mehrfamilienhäusern soll an das naheliegende Fernwärmenetz angeschlossen werden. Die Erschließungskosten sind nach der Siedlungstypenmethode zu ermitteln. Neubaugebiet ( je 1/3 Siedlungstypen) Fläche Länge der Straßen Anschlusswert Nutzwärmebedarf Heizung + BWW Fernwärmenetz Anzahl Hausanschlüsse Fernwärmenetz,Verrohrungsgrad Abstand zum best. FW-Versorgungsgebiet Leitungsdurchmesser Anschlussleitung Mittlerer Durchmesser im Versorgungsgebiet Netzeinspeisung Pumpstromaufwand
1.800 h / a
90%
8% Verluste 20 kWh el / MWh th
Wirtschaftliche Eckdaten Hausanschluss Antransportleitung Verteilung im Gebiet kalkulatorische Lebensdauer kalkulatorischer Zinssatz, real Instandhaltung, Personal, Versicherungen Strompreis Erschließungsinvestitionen Hausanschlüsse Antransportleitung Verteilung im Gebiet Spez. Erschließungkosten, nur Verteilung Jahreskosten der Verteilung Betriebskosten, fix Pumpstrom Kapitalkosten Spez. Kosten der Verteilung, bezogen auf Nutzwärme davon Fernwärmeverteilung davon Hausanschlüsse
ST 4 + ST 5a + ST 5b km 1,0 km 22,4 MW 25,1 MWh /a 45.240
km km DN DN MWh /a MWh /a
1.318 20,1 0,5 300 100 49.174 983
€ €/m €/m a % % / Inv. € / MWh T€ T€ T€ T€ T€ / MW T€ / a T€ / a T€ / a T€ / a € / MWh € / MWh € / MWh
8.000 600 500 35 7,5% 1,0% 80,00 20.909 10.541 300 10.068 401 1.992 209 79 1.704 44,02 25,03 18,99
448
9 Energietransport und -verteilung
Beispiel 9.4: Anlegbarer Preis Fernwärme - Heizölheizung Eine kleine Siedlung mit kleinen und großen Mehrfamilienhäusern soll an eine angrenzende Fernwärmeleitung angeschlossen werden. Zu ermitteln sind die Kosten für die Erschließung sowie der anlegbare Preis der Fernwärmeerzeugung gegenüber einer Heizöl-Einzelheizung. Es wird angenommen, dass die Investitionen für die Wärmeübergabestationen etwa gleich hoch sind wie die Investitionen der Heizölkessel; sie werden deshalb nicht berücksichtigt. Die Kosten der Fernwärme werden bis zur Schnittstelle Hausanschluss - Übergabestation ermittelt und mit den Brennstoffkosten der Heizöl-Zentralheizung verglichen. Technische Parameter Neubaugebiet Wärmeanschlussdichte Wärmebedarf je Gebäude Nutzwärmebedarf
ST 5b *) 30 39 70
1.800 h / a
MW / km2 kW MWh / a
45 € / hl
T€ %/a a € / MWh
9 4,5% 30 45,00
€ / MWh € / MWh € / MWh € / MWh
20,00 7,87 1,28 1,60
€ / MWh € / MWh € / MWh
30,75 51,14 20,38
Wirtschaftliche Eckdaten Hausanschlusskosten Zinssatz Hausanschluss, real **) Kalkulatorische Lebensdauer Heizölpreis 2005 ****)
Kosten der FW-Verteilung + Hausanschluss Kosten der FW-Verteilung ***) Kapitaldienst für Hausanschluss Instandhaltung Pumpstrom 20 kWhel / MWhth
Summe Brennstoffkosten HEL ****) Anlegbarer Preis FW-Erzeugung
1% / a 80 € / MWh 88%
*) Zeilenbauweise mit kleinen und großen Mehrfamilienhäusern **) Privates Hypothekendarlehen:Laufzeit 10 Jahre, mit 6,5% Zinsatz abzügl. ***) entnommen aus Diagramm ****) Heizölpreis aus StBA, Fachserie 17 Vermerk: Ohne Umsatz- bzw MWSt
Fernwärmeerzeugungskosten in dieser Höhe können nur in KWK realisiert werden (s. Kapitel Kraft-Wärme-Kopplung).
0 Literaturverzeichnis
449
Literaturverzeichnis [AGFW] Arbeitsgemeinschaft für Wärme und Heizkraftwirtschaft − AGFW − beim Verband der Elektrizitätswirtschaft e.V. [Albers] Dr. Klaus Albers, RWE-Net, Netzbetrieb, Vortrag: "Preisbildungsmechanismen für die Abrechnung von Regelenergie und resultierende Marktreaktionen", DVG/VDN-Fachtagung "Regelenergiemarkt in Deutschland, Nov. 2001 [ARegV] Verordnung über die Anreizregulierung von Energieversorgungsnetzen, Anreizregulierungsverordnung vom 20 Oktober 2007 [Benz] Dr.-Ing. Thomas Benz,Vortrag: " Energieübertragung und -verteilung", Euroforum-Seminar "Energietechnik für Nicht-Techniker", Köln Okt 2003 [Blesl] Markus Blesl, Räumlich hoch aufgelöste Modellierung leitungsgebundener Energieversorgungssysteme zur Deckung des Niedertemperaturwärmebedarfs, Dissertation 2002, Universität Stuttgart, Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung IER, http://elib.unistuttgart.de/opus/volltexte/2002/1193/pdf/FB92.pdf [Cerbe] Günter Gerbe, Grundlagen der Gastechnik, DVGW, Hanser Verlag München Wien, 2004 [Elsässer] Prof. F. Rainer Elsässer, Vorlesungsmanuskript "Power Supply and Distribution", Universität Stuttgart, Centre for Infrastructure Planning [EnWG] Zweites Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts - Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz EnWG), 7. Juli 2005 [Eon-Ruhrgas] Erdgaswirtschaft im Überblick, Januar 2006 [GasNEV] Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (Gasnetzentgeltverordnung) [GasNZV] Verordnung über den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (Gasnetzzugangsverordnung) vom 25. Juli 2005 [GfEM] Kennziffernkatalog, Investitionsvorbereitung in der Energiewirtschaft, 2004, GfEM Gesellschaft für Energiemanagement mbH, Neuerhagen/Berlin, www.ener-cons.de [Grid Code] Der Grid Code, Kooperationsregeln für die deutschen Übertragungsnetzbetreiber, DVG Deutsche Verbundgesellschaft [Hakansson] Ing. (grad) Knut Hakansson, Handbuch der Fernwärmepraxis, Vulkan-Verlag Essen,1982 [Hodurek] Dipl.-Ing. Claus Hodurek, DVG/VND-Fachtagung, November 2001 [Kalide] Wolfgang Kalide, Technische Strömungslehre − Einführung, Carl Hanser Verlag München Wien, 1976 [Kraus] Michael Kraus, Vortrag: "Der Regelenergiemarkt, Wirkungsweise und Wechselbeziehungen mit Spot- und Intra-Day-Märkten“, Regelenergie Symposium, Leipzig September, 2004 [KOV II] Vereinbarung über die Kooperation gemäß § 20 Abs. 1 b EnWG zwischen den Betreibern von in Deutschland gelegenen Gasversorgungsnetzen,
450
9 Energietransport und -verteilung
19. Juli 2006, Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft e.V. BDEW http://www.bdew.de/bdew.nsf/ID/DE_Home [Nick] Dr.-Ing. Wolfgang Nick, E-Bridge, Belieferung von Kunden ohne Leistungsmessung, Vortrag, Euroforum-Konferenz "Das neue EnWG. Netzzugangsverordnung Strom", Köln, 25.Oktober 2004 [Praxishandbuch Energiebeschaffung] Wolfgang Zander, Martin Riedel, Michael Kraus, ständig aktualisierte Loseblattsammlung [R-A-N-Gutachten] "Kosten der Beschaffung und Abrechnung von Regel- bzw. Ausgleichsenergie mit Blick auf die kartellrechtliche Angemessenheit der Netznutzungsentgelte der RWE Net AG“, BET- Büro für Energiewirtschaft und Technische Planung GmbH, Aachen/Hamm/Leipzig, März 2003 [StromNEV] Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzentgeltverordnung − StromNEV) vom 25. Juli 2005 [StromNZV] Verordnung über den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen, vom 25. Juli 2005 [VDN] Verband der Netzbetreiber e.V. beim VDEW, http://www.vdn-berlin.de/ Schriftenreihe. [Verstege] Univ.-Prof. Dr.-Ing Johannes Verstege. Bergische Universität Wuppertal, Vortrag: "Regelenergie" Expertenanhörung, Berlin Nov. 2003
10. Abwicklung von Energieprojekten
10.1 Phasen der Projektabwicklung Investitionsvorhaben im Energiebereich sind meistens Projekte zur Erzeugung oder Verteilung von Energie. Die Abwicklung von großen Projekten erstreckt sich über mehrere Phasen. Im Wesentlichen kann man sie wie in der Tabelle 10.1 zusammenfassen: Tabelle 10.1: Projektphasen
Phase Projektstart Anlass und Projektidee Konzeptstudie Machbarkeitsstudie Planungs- und Vergabephase Vor- und Entwurfsplanung Ausführungsplanung Ausschreibung und Vergabe Bau und Inbetriebnahme Bau und Montage Inbetriebnahme/Probebetrieb Betrieb
Ziel Projektstart, Investoren motivieren Bestimmung der Vorzugsvariante technisch/wirtschaftliche Machbarkeit, Bewerbung für Kredite Genehmigungsunterlagen Ausschreibungsunterlagen Beschaffung der Anlagenkomponenten funktionsfähige Anlage produktionsfähige Anlage Kommerzielle Nutzung
Je nach Größe des Projektes können Phasen zusammengeführt werden oder zusätzliche hinzukommen. Ein Merkmal der meisten Projekte im Energiesektor ist die lange Dauer der Umsetzung von der Projektidee bis zur Inbetriebnahme. In den folgenden Abschnitten werden die einzelnen Abwicklungsphasen am Beispiel von Kraftwerksprojekten im In- und Ausland kurz beschrieben. Eine ausführlichere Beschreibung für Biomasse-Projekte im Inland ist im [Leitfaden Bioenergie] zu lesen.
452
10 Abwicklung von Energieprojekten
10.1.1 Projektstart 10.1.1.1 Anlass und Projektidee
Der Anlass für ein neues Projekt kann aus einer betrieblichen Notwendigkeit entstehen, wenn sich z.B. das bestehende Heizwerk oder Heizkraftwerk einer Papierfabrik dem Ende seiner technischer Lebensdauer nähert, muss die Geschäftsleitung rechtzeitig seinen Ersatz vorbereiten. Kraftwerksprojekte für die Allgemeine Versorgung entstehen entweder, um den steigenden Strombedarf zu decken, was in vielen Ländern der Fall ist, oder wie in Deutschland, weil bestehende Kraftwerke altersbedingt ersetzt werden müssen. Es handelt sich hierbei um „nichtaufschiebbare“ Investitionen. Ein Projekt kann auch aus Gründen der Rationalisierung und Effizienzerhöhung eines Systems entstehen, z.B. die Integration von mehreren Inselnetzen zu einem Verbundnetz; der Zeitpunkt der Realisierung ist quasi frei wählbar, es handelt sich in diesem Fall um eine „aufschiebbare Investition“. Die Projektidee kommt bei Energieprojekten der Allgemeinen Energieversorgung meistens vom Bauherrn selbst. Er kann ein Energieversorgungsunternehmen, ein IPP (Independent Power Producer), ein Contracting Unternehmen oder bei vielen Ländern auch die zuständige Regierungsstelle selbst sein. Oft werden Energieprojekte von Projektentwicklern generiert, meistens Beratungsunternehmen, die das Projekt bis zu einer gewissen Reife entwickeln und dann an Investoren vermarkten. Dies geschieht zunehmend in Zusammenhang mit dem CO2-Emissionshandel in Form von CDM- oder JI-Projekten, wie z.B. Windkraftfarmen, Verstromung von Methan aus Kohleminen etc. Die Projektidee muss in einem ersten Projektentwurf formuliert werden. Das Ziel des Projektentwurfs ist, insbesondere bei aufschiebbaren Investitionen, das Projekt für potenzielle Investoren attraktiv zu machen. Die Inhalte des Projektentwurfs können wie folgt umrissen werden: • • • • •
Technisch-wirtschaftliche Randbedingungen Erstabschätzung des Kapitalbedarfs und der Wirtschaftlichkeit Grobes Finanzierungskonzept Vorläufige Organisationsform Zu erwartende Rendite für die Investoren
Die nächste Aufgabe des Projektentwicklers ist es, Investoren zu identifizieren und eine vorläufige Projektorganisation zu etablieren.
10.1 Phasen der Projektabwicklung
453
10.1.1.2 Konzeptstudie
Der nächste Schritt bei großen Projekten ist die Konzeptstudie (prefeasibility study). Hierzu werden i.d.R. Beraterfirmen beauftragt. Ziel der Konzeptstudie ist es, die technische und wirtschaftliche Machbarkeit des Projektes zu untersuchen und das wirtschaftlichste technische Konzept zu bestimmen. Zu diesem Zweck werden, ausgehend von der Bedarfsprognose, die Größe der Anlage vorläufig festgelegt und eine Anzahl von technischen Varianten nach dem Stand der Technik grob konzipiert. Anschließend werden die Investitionsausgaben für jede Variante geschätzt, eine Wirtschaftlichkeitsrechnung, meistens nach der Annuitätenmethode, durchgeführt und die Varianten vergleichend gegenübergestellt. Als Ergebnis der Konzeptstudie muss die Anzahl der Varianten eingegrenzt, und nach Möglichkeit eine Vorzugsvariante bestimmt werden. Für diese sollte auch die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit geprüft und auf die erforderlichen Genehmigungen hingewiesen werden. Die Untersuchungen und Ergebnisse der Konzeptstudie werden in einem Bericht (report) zusammengefasst. Am Anfang des Berichtes steht eine kurze Ergebniszusammenfassung (executive summary), die für die Entscheidungsträger bestimmt ist. Die Ergebniszusammenfassung zeigt auf, ob das Projekt erfolgsversprechend ist und realisiert werden soll, und beinhaltet einen Vorschlag über das weitere Vorgehen (follow-up action). 10.1.1.3 Machbarkeitsstudie
Nach positiver Entscheidung über die Weiterführung des Projektes kann eine Machbarkeitsstudie (feasibility study) erarbeitet werden. Ziel dieser Studie ist die Detailuntersuchung der Vorzugsvariante mit Schwerpunkt auf deren Wirtschaftlichkeit. Die Studie muss, insbesondere bei Auslandsprojekten, bankable sein, d.h. auf deren Grundlage müssen Kreditinstitute eine Vorentscheidung über die Finanzierung treffen können. In der Studie muss auch eine vorläufige Organisationsform mit Festlegung der wichtigsten Akteure, wie Bauherr, Anlagenbetreiber, Brennstofflieferanten, Abnehmer der produzierten Energie etc. erarbeitet werden. Nach Möglichkeit sollten auch Vorverträge zwischen den Akteuren vorliegen. Die Investitionen müssen mit ausreichender Genauigkeit geschätzt werden. Die Wirtschaftlichkeit wird mit einem Erfolgsvorschau-Modell (financial model) auf jährlicher Basis untersucht. Dieses besteht meistens aus einem Finanzierungsplan mit Eigenmitteln (equity capital) und Fremdmitteln (borrowed capital), einer jährlichen Gewinn- und Verlustvorschau für die kalkulatorische Lebensdauer der Anlage mit Ausweisung des Betriebs-
454
10 Abwicklung von Energieprojekten
ergebnisses vor und nach Steuern und des verfügbaren cashflow für die Kreditrückzahlung. 10.1.2 Planung und Vergabe 10.1.2.1 Vor- und Entwurfsplanung
Die Vor- und Entwurfsplanung (Process design, basic engineering) werden i.d.R. gemeinsam durchgeführt; für die ausgewählte Variante werden die wesentlichen Planungs- und Genehmigungsunterlagen erarbeitet; sie bilden die Grundlage für die Erstellung des Genehmigungsantrags. Die wesentlichen Inhalte sind: Beschreibung der Art der Anlage, technische Auslegung der einzelnen Anlagenkomponenten, die Erstellung von Verfahrensfließbildern, Stoffbilanz mit Ausweisung der Art und Mengendurchsätze der Einsatzstoffe. Die Unterlagen sollen so aufgebaut sein, dass deren Einarbeitung in den Genehmigungsantrag reibungslos erfolgen kann. Für Projekte mit Standort in Deutschland sind je nach Anlagentyp eine immissionsrechtliche Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG-Genehmigung) sowie eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich. Dementsprechend ist ein förmliches Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung notwendig. Neben dem BImSchG und dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) sind für die Genehmigung insbesondere die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TALärm), die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL), das Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) und das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) relevant. Das Genehmigungsverfahren ist zeitaufwändig. Nach Vorlage des Genehmigungsantrages prüft die Behörde zuerst die Unterlagen auf deren Vollständigkeit, was etwa einen Monat dauert. Nach Abschluss der Vollständigkeitsprüfung beginnt die Abwicklung des Genehmigungsverfahrens. Dies dauert beim sogenannten förmlichen Verfahren 7 Monate und beim vereinfachten Verfahren 3 Monate bis zur Erteilung des Genehmigungsbescheids. Bei Auslandsprojekten erfolgt die Genehmigung nach den Landesgesetzen. Der Genehmigungsablauf und die Dauer der Abwicklung sind ähnlich. Bei Projekten, die von internationalen Kreditinstituten finanziert werden (Weltbank, European Bank for Reconstruction and Development − EBRD), gelten für die Genehmigung ähnlich strenge Vorschriften wie in Deutschland.
10.1 Phasen der Projektabwicklung
455
10.1.2.2 Ausführungsplanung und Detailplanung
Die Ausführungsplanung wird meistens dann gestartet, wenn die Genehmigungsunterlagen zur Prüfung bei der Genehmigungsbehörde eingereicht worden sind. Sie kann zeitlich parallel mit der Prüfung der Unterlagen erfolgen und nach Erteilung des Genehmigungsbescheids unter Berücksichtigung möglicher behördlicher Auflagen abgeschlossen werden. Ziel der Ausführungsplanung ist die Vorbereitung der Ausschreibungsunterlagen. Daher muss vor Beginn der Ausführungsplanung entschieden werden, welches Vergabeverfahren zur Anwendung kommt: die „LosVergabe“ oder die „Generalunternehmer-Vergabe“. In der Tabelle 10.2 werden die beiden Verfahren kurz beschrieben. Bei der Los-Vergabe wird die Anlage komponentenweise in sogenannte Lose (lots) aufgeteilt und an mehrere Lieferanten vergeben. Bei der Generalunternehmer- oder EPC-Vergabe wird die schlüsselfertige (turn-key) Anlage an einen einzigen Generalunternehmer (EPC-Contractor, "EPC" Engineering Procurement Construction) vergeben. Während in der Vergangenheit die Los-Vergabe das übliche Verfahren war, hat sich in den letzten Jahren die EPC-Vergabe, insbesondere im Ausland, durchgesetzt. Ein Grund hierfür ist die Abwälzung des Risikos während der Bauzeit auf den EPC-Contractor. Welches Verfahren das Vorteilhafteste ist, muss im Einzelfall untersucht werden. Im Allgemeinen ist für Kohlekraftwerke die Los-Vergabe, für GuD- oder Gasturbinenkraftwerke die EPC-Vergabe die Vorzugsvariante. Bei der Los-Vergabe macht die Ausführungsplanung der Bauherreningenieur, bei EPC-Vergabe der EPC-Contractor. Der EPC-Contractor vergibt auch Lose an Unterlieferanten in Eigenverantwortung. Die Detailplanung wird i.d.R. von den Lieferanten durchgeführt. Die technischen Inhalte der Ausführungsplanung sind im Wesentlichen die Detailauslegung und Beschreibung des Bauteils sowie des maschinen-, elektro- und leittechnischen Teils der Anlage als Basis für die Ausschreibung der Lose. Der nicht-technische Teil der Ausführungsplanung umfasst die Aktualisierung der Schätzung der Baukosten und der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, die endgültige Festlegung der Organisationsstruktur sowie die Vorbereitung der Verträge zwischen den Projektbeteiligten. Ferner muss die Terminplanung während der Bauphase überprüft und aktualisiert werden.
456
10 Abwicklung von Energieprojekten
Tabelle 10.2: Beschreibung der Vergabeverfahren für Kraftwerksprojekte
Anzahl Lose (lots)
Verfahren (Procedure)
Bauherr (Owner)
BauherrenIngenieur (Owner's engineer)
Komponentenweise Los-Vergabe
Generalunternehmer(EPC-) Vergabe
Üblich 10 bis 40
1
- Aufteilung des Gesamtprojektes in Lose - Ausschreibung der einzelnen Lose, Einholen von Angeboten - Angebotsvergleich und Vergabe der einzelnen Lose an unterschiedliche Anbieter
- Vollständige Vergabe des Projektes an einen EPC-Contractor - EPC-Contractor vergibt Teillose in eigener Verantwortung - EPC-Contractor steuert das Gesamtprojekt und trägt das Risiko während der Realisierung des Projektes
- Benennt einen Ingenieurberater - Trägt Risiko während der Realisierung des Projektes
- Benennt einen Ingenieurberater
- Plant das Projekt. - Teilt das Projekt in Einzellose und schreibt Anfragen aus - Macht Angebotsvergleich und Vergabevorschlag - Koordiniert Einzellose hinsichtlich termingerechter Realisierung, Kosten und Qualität
- Schreibt funktionelle Ausschreibung aus - Macht Angebotsvergleich und Vergabevorschlag für die Wahl eines EPCContractors - Übernimmt Aufsicht der Bauausführung und Qualitätssicherung
10.1.2.3 Ausschreibung und Vergabe
Nach Abschluss der Ausführungsplanung kann das Ausschreibungs- und Vergabeverfahren (tendering procedure) beginnen. Ziel der Ausschreibung ist das Einholen von vergleichbaren Angeboten von Lieferanten. Aus diesem Grunde muss der Bauherren-Ingenieur vor Fertigstellung der Anfragen die Methodik des technisch/kommerziellen Vergleichs der Angebote festlegen. Bei Vergabe an einen Generalunternehmer erstellt der BauherrenIngenieur eine sogenannte „funktionelle Ausschreibung“ für die schüsselfertige (Turn-key) Anlage. Der Generalunternehmer schreibt anschließend die Lose aus und vergibt Unteraufträge an die Unterlieferanten in Eigen-
10.1 Phasen der Projektabwicklung
457
verantwortung. Beim Losverfahren ist die Aufstellung und Ausschreibung der Lose Aufgabe des Bauherren-Ingenieurs. Die Ausschreibungs- und Vergabeprozedur setzt sich aus folgenden Schritten zusammen: • • • • • • • • •
Erstellung der Ausschreibungsunterlagen Auswahl der möglichen Bieter Verschicken der Anfragen an pre-qualifizierte Bieter Einholung der Angebote Angebotsvergleich Durchführung technischer Klärungsgespräche mit den Bietern Endvergleich der Angebote Vergabeempfehlung an den Bauherrn Vergabe
Die Ausschreibungsunterlagen enthalten einen kommerziellen Teil und einen technischen Teil. Der kommerzielle Teil beinhaltet u.a. die Preisgestaltung, Zahlungs- und Abrechnungsmodalitäten, Lieferbedingungen, Liefertermine, Haftung für Mängel und verschiedene vertragliche Klauseln. Der technische Teil umfasst u.a. die Beschreibung der zu liefernden Anlagenteile, den vom Bieter angefragten Liefer- und Dienstleistungsumfang, die einzuhaltenden Garantiewerte hinsichtlich Leistung und Wirkungsgrad, die notwendige Dokumentation, Referenzen etc. Die Vorschriften für die Ausschreibung von Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen sind in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A und VOL/A) enthalten [s. auch Wikipedia]. Auftraggeber aus dem Energiesektor sind zu einer öffentlichen Ausschreibung und bei Überschreitung des Schwellenwertes sogar zu einer europaweiten Ausschreibung verpflichtet. Der Schwellenwert beträgt nach Artikel 16 der [EU-Sektorenrichtlinie] bei Bauaufträgen 6.242 Mio. €, bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen 499 T€. Es gibt jedoch eine Reihe von Ausnahmeregelungen. Nach Vorliegen der Angebote aller Lieferanten wird zuerst der vorläufige technische und kommerzielle Vergleich der Angebote durch den Bauherren-Ingenieur durchgeführt. Hierzu sind oft technische Klärungsgespräche mit den Bietern, die zu der engeren Wahl gehören, notwendig. Nach der technischen Klärung und möglicherweise Vorlage modifizierter Angebote erfolgt der endgültige Vergleich und die Vergabeempfehlung an den Bauherrn. Im Anschluss daran folgen dann die Vergabegespräche mit den Bietern. Nach der Vergabeentscheidung des Bauherrn erfolgt die Erstellung der Bestellunterlagen sowie das Arbeitsaufnahmegespräch mit den Lieferanten.
458
10 Abwicklung von Energieprojekten
10.1.3 Bau und Inbetriebnahme 10.1.3.1 Bau und Montage
Nach der Vergabe der Lose für die Anlagenkomponenten beginnt die Bauphase. Es wird ein Bauleiter benannt, dem mehrere Ingenieure und kaufmännische Sachbearbeiter unterstellt sind. Die wesentlichen Aufgaben der Bauleitung sind die Termin- und Kostenverfolgung, die Überwachung der Montagearbeiten, die Qualitätskontrolle sowie die Baustellenverwaltung. Eine wesentliche Voraussetzung für den kommerziellen Betrieb der Anlage ist die Schulung des Bedienungspersonals. Sie erfolgt parallel mit der Inbetriebnahme und dem Probebetrieb der Anlage. 10.1.3.2 Inbetriebnahme und Probebetrieb
Nach Beendigung der Montagearbeiten erfolgt die Inbetriebnahme (commissioning). Sie beginnt mit der Funktionsprüfung der einzelnen Anlagenkomponenten nach deren Montage, im Hinblick auf deren sicherheitstechnisch einwandfreie Betriebsbereitschaft. Sobald die Funktionsprüfung der einzelnen Anlagenkomponenten abgeschlossen ist, kann die Inbetriebnahme der gesamten Anlage erfolgen. Bei der Inbetriebnahme wird das einwandfreie Zusammenspiel der einzelnen Anlagenkomponenten getestet, so dass die Anlage als Gesamtes funktionsfähig ist. Nach Beendigung der Inbetriebnahme erfolgt der Probebetrieb. Beim Probebetrieb wird die Gesamtanlage im Hinblick auf ihre Funktionsfähigkeit für den kommerziellen Betrieb getestet. Diese Phase kann sich bei Großanlagen über Monate hinziehen. Am Ende des Probebetriebes werden die Abnahmeversuche durchgeführt, durch Übernahmeprotokolle dokumentiert und die Anlage ihrem Bestimmungszweck übergeben.
10.2 Betrieb der Anlage Der Betrieb von Energieanlagen erstreckt sich über Jahrzehnte. In der Vergangenheit war es üblich, dass der Bauherr auch der Betreiber der Anlage war und Bedienung, Instandhaltung und Wartung von Eigenpersonal durchgeführt wurden. Durch den zunehmenden Wettbewerb im Zuge der Liberalisierung der Märkte wurde als erstes die Instandhaltung an Fremdfirmen vergeben (outsourcing), so dass das Anlagenpersonal nur für die Bedienung der Anlage und für einfache Instandhaltungsarbeiten zuständig ist. Neuerdings wird zunehmend auch der Anlagenbetrieb an Fremdfirmen mit entsprechender Erfahrung vergeben.
0 Literaturverzeichnis
459
Bei der Industrie ist der Trend zum Outsourcing der nicht zum Kerngeschäft gehörenden Aufgaben, darunter fallen auch die Energie- und Medienversorgung, seit Jahren verstärkt zu beobachten. Die Energieversorgung wird an Contracting-Firmen vergeben, welche die Anlagen bauen und betreiben und das Werk mit Energie beliefern. Das Konzept wird im Ausland bei Kraftwerksprojekten schon länger unter dem Begriff BOO (Build Own Operate) praktiziert.
Literaturverzeichnis [EU-Sektorenrichtlinie] Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 31. März 2004, zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Postdienste. [Leitfaden Bioenergie] Planung, Betrieb und Wirtschaftlichkeit von Bioenergieanlagen, Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Herausgeber Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V., aktualisierte Fassung 2005 [VOB] Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen − Teil A-VOB/A 2002, Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Köln, September 2002 [VOL] Verdingungsordnung für Leistungen, Teil A: Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen, Bundesanzeiger, Verlagsgesellschaft mbH, Köln, November 2002 [Wikipedia] http://de.wikipedia.org/wiki/Vergaberecht
Abkürzungsverzeichnis
a AGEB AGFW AHK AIV AK API AR ARA ASUE
Annum, Jahr Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen Arbeitsgemeinschaft der Wärme und Heizkraftwirtschaft Abhitzekessel All-Inclusive-Vertrag Anteilige Kürzung (Emissionsberechtigungen) Standard Kohle Index, eingeführt vom Broker TFS Assessment Report des IPCC (z.B. IPCC-AR4) Amsterdam-Rotterdam-Antwerpen (Nordseehäfen) Arbeitsgemeinschaft für Sparsamen und Umweltfreundlichen Energieverbrauch AtG Atomgesetz BAFA Bundesanstalt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle BAT Best Available Technology BAT-Benchmark Best Available Technology Benchmark BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BHKW Blockheizkraftwerk BImSchG Bundesimmissionsschutzgesetz BK Bilanzkoordinator Bkk Deutsche Bundesbank BKV Bilanzkreisvertrag BKZ Baukostenzuschüsse BMU Bundesministerium für Umwelt BMWi Bundesministerium für Wirtschaft BnaschG Bundesnaturschutzgesetz BNetzA Bundesnetzagentur BWWB Brauchwarmwasserbereiter CCGT Combined Cycle Gas Turbine (GuD) CCS Carbon Capture and Storage CDM Clean Development Mechanism (CO2-Handel) CER Certified Emission Reduction (aus CDM-Projekten) CHP Combined Heat and Power (KWK) CIF Kosten Versicherung Fracht (Cost Insurance Freight) CIS Gas isolated Switch Gear (Gasisolierte Schaltanlage) CIS-Zellen CuInSe2 - Kupfer-Indium-Selen PV-Zellen CO2 equivalent CO2eq COP Conference of the Parties (Kyoto)
462
Abkürzungsverzeichnis
DEHSt dena DeNOx DEWI DN DOE DVG EB EBA EBRD EEG EEX EF EG EH-Richtlinie EnergieStG EnWG EPC EPR ERU ES ESP ET EU EUA EUA EU-EHS EU-ETS EVU FGD FOB FW GasNEV GasNZV GCV GDR GDRM GewSt GFAnV GT GT-HKW GuD-Kraftwerk HD HEL HGÜ HHV
Deutsch Emissionshandels-Stelle Deutsche Energie Agentur De-nitrification (NOx-Abscheidung) Deutsches Windenergie Institut Nenndurchmesser Designated Operational Entity (CDM-Projekte) Deutsche Verbundgesellschaft Emissionsberechtigung Ersatzbrennstoffanlagen European Bank for Reconstruction and Development Erneuerbare-Energien-Gesetz European Energy Exchange Brennstoff-Emissionsfaktor Erdgas Energie-Handel-Richtlinie Energiesteuergesetz Energiewirtschaftsgesetz Engineering Procurement Construction European Pressurized Reactor Emission Reduction Unit (aus JI-Projekten) Effizienzstandard Electrostatic Precipitator Emission Trading European Union European Union Emission Allowance European Union Allowance (CO2 Berechtigung) EU-Emissionshandelsystem European Union - Emission Trading Scheme Energieversorgungsunternehmen Flue Gas Desulphurization Free on Board Fernwärme Gasnetzentgeltverordnung Gasnetzzugangsverordnung Gross Calorific Value Gasdruckregler Gasdruckregel- und Messstationen Gewerbesteuer Großfeuerungsanlagenverordnung Gasturbine Gasturbinen-Heizkraftwerk Gas- und Dampfturbinen Kraftwerk Hochdruck Heizöl Extra leicht Hochspannungs-Gleichstromübertragung Higher Heating Value
Abkürzungsverzeichnis HKW hl Ho HöS HS HS Hu HVDC IdEV IEC IGCC IPCC IPP IRR ISCC-Kraftwerk JI-project KAV KFver KKW KOV KPRO KSt kt KuER KWK KWK-G kWp lb LHV LNG LowNOx LPG MBA MinölSt MinölStG MPP MS MWV NAP NAV NCV NNE NNV NPV NS NSCR
Heizkraftwerk Hektoliter Oberer Heizwert (Brennwert) Höchstspannung Hochspannung Heizöl schwer Unterer Heizwert High Voltage Direct Current System Interessenverein der Energieverbraucher e.V. International Electrotechnical Commission Integrated Coal Gasification Combined Cycle Intergovernmental Panel on Climate Change Independent Power Producers Internal rate of return (interner Zinssatz) Integrated Solar Combined Cycle Kraftwerk Joint Implementation Projekt (CO2-Handel) Konzessionsabgabeverordnung Veräußerungsfaktor (Emissionszuteilung) Kernkraftwerk Kooperationsvereinbarung der Netzbetreiber (Gas) Kreisprozess-Simulations-Programm (Fichtner) Körperschaftsteuer Kilo-Tonnen Kapazitäts- und Entgeltrechner (Gas) Kraft-Wärme-Kopplung Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz Kilowatt Peak (Photovoltaik) engl. Gewichtseinheit (pound) Lower Heating Value Liquified Natural Gas (Flüssig-Erdgas) Brenner mit niedrigen NOx-Emissionen Liquified Petroleum Gas (Flüssiggas) Mechanisch biologische Abfallbehandlung Mineralölsteuer Mineralölsteuergesetz Maximum Power Point (Photovoltaik) Mittelspannung Mineralölwirtschaftsverband Nationaler Allokationsplan Netzanschlussvertrag Net Calorific Value Netznutzungsentgelte Netznutzungsvertrag Net Present Value (Kapitalwert) Niederspannung Non-Selective-Catalytic-Reduction
463
464
Abkürzungsverzeichnis
ONAF ONAN OPEC OTC PDD Phelix PN ProMechG PV REA RLM-Kunden RÖE ROI RV SCR SKE SLP-Kunden SLV StBA STC StromNEV StromNZV StromStG TA-Luft tce TEHG TOE TRÖE TSO UCTE ÜNB UNEP UNFCC USC UVPG VDKi VDN VIK VNB VOB VOL WADA WHG WIFO WKA WKO
Oil Natural Air Forced (Transformatoren-Kühlsystem) Oil Natural Air Natural (Transformatoren-Kühlsystem) Organization of Petroleum Exporting Countries Over the counter (Art von Stromgeschäften) Project Design Document (CDM-Projekte) Physical Electricity Index (EEX) Pressure Nominal Projekt-Mechanismen-Gesetz Photovoltaik Rauchgasentschwefelungsanlage Kunden mit registrierender Leistungsmessung (Gas) Rohöleinheit Return of Investment Rahmenvertrag Selective Catalytic Reduction (NOx-Reduktion) Stein-Kohle-Einheit (Heizwert = 7.000 kcal/kg) Kunden mit Standardlastprofil Stromliefervertrag Statistisches Bundesamt Standard Test Conditions Stromnetzentgeltverordnung Stromnetzzugangsverordnung Stromsteuergesetz Technische Anleitung Luft Ton of coal equivalent Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz Ton of oil equivalent Tonne Rohöleinheit Transmission system operator Union for the Coordination of Transmission of Electricity Übertragungsnetzbetreiber United Nations Environment Programme UN Framework on Convention on Climate Change Ultra Super Critical (Dampfparameter, Kraftwerke) Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz Verein der Kohlenimporteure Verband der Netzbetreiber Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft Verteilnetzbetreiber Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Verdingungsordnung für Leistungen WasserDampfTafel (Software für Dampfparameter) Wasserhaushaltsgesetz Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung Windkraftanlage Wirtschaftskammer Österreichs
Abkürzungsverzeichnis WMO WNA WTI ZuG ZuV
World Meteorological Organization World Nuclear Association West Texas Intermediate (Rohölsorte) Zuteilungsgesetz (CO2-Handel) Zuteilungsverordnung (CO2-Handel)
465
Sachverzeichnis
Blockheizkraftwerke Aufbau und Funktionsweise 352 Einsatz von Wärmespeichern 388 Instandhaltungsvertrag 353 Richtpreise 353 Vollwartungsverträge 353 Brennstoffkennwerte 209 Brennwert 210 Heizwert 211 Kenndaten-Tabelle 211 Verhältnis Hu/Ho 212 CO2-Abscheidung 258 CO2-Speicherung 266 Oxy-fuel 263 Post-Combustion 260 Pre-combustion 261 Stromerzeugungskosten 267 Transport 265 Verfahren 258 Vergleich der Verfahren 266 CO2-Emissionen 130 CO2-Kosten pro MWhel 137 Emissionsfaktoren „EF“ 130 produktbezogene Emissionswerte 131 Standard CO2-Emissionswerte 131 CO2-Zertifikate 119 CERs 119 ERUs 119 EUAs 120 Dampfturbinen-Heizkraftwerke Biomasse/Ersatzbrennstoffe 357 Entnahme-Kond.-Anlage 357 Gegendruckanlage 357
Wärmeauskopplung aus Großkraftwerken 360 Wärmeschaltbilder 357 Deutsches Recht 82 Gesetz 82 Rechtsverordnung 82 Technische Anleitung (TA) 83 Einheitensystem 187 abgeleitete Einheiten 188 Basiseinheiten 187 Schreibweise 190 SI Einheiten 188 Zahlenformeln 191 Elektrotechnik 223 Asynchrongenerators 235 Blindleistung 228 Blindstromkompensation 230 Drehstrom 230 Drehstromgenerator 233 Drehstrommotoren 236 Dreieckschaltung 232 elektrische Leistung 224 Kirchhoffschen Gesetze 225 Knotenregel 225 Maschenregel 225 Ohmsche Gesetz 224 Scheinleistung 229 Stern-Dreieck-Umschaltung 237 Sternschaltung 231 Stromarten 223 Stromkreis 224 Synchrongenerator 234 Transformatoren 238 Wechselstrom 226 Wirkleistung 228
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Sachverzeichnis
Emissionshandel Siehe EUEmissionshandel Emissionsminderungsmaßnahmen 251 Brennstoffentschwefelung 252 Entstaubung 253 Primärmaßnahmen 251 Primärmaßnahmen für NOX 253 Rauchgasentschwefelung 254 Rauchgasentstickung 256 Sekundärmaßnahmen 253 Energiebörse 44 Auktionshandel 46 Carbix 51 Emissionshandel 51 Entwicklung, Tagespreise 50 Erdgas-Terminmarkt 52 Erdgas-Spotmarkt 51 Futureskontrakte 47 Gleichgewichtspreis MCP 46 kontinuierlicher Handel 46 Phelix® Base 50 Phelix® Peak 50 Spotmarkt-Indizes 50 Spotmarkt-Kontrakte 45 Stromfutures am EEX 48 Strom-Spotmarkt 45 Strom-Terminmarkt 47 Energieertrag von WKA 333 Energieformen 1 Endenergie 1 Maß- und Handelseinheiten 2 Nutzenergie 1 Wärmepreis, Rechenbeispiel 3 Energiesteuergesetze 88 begünstigte Anlagen 91 Historie 88 Mineralölsteuergesetz (MinölStG) 90 ökologische Steuerreform 89 Ökosteuer 89 Spitzenausgleich 92 Steuerentlastung 91 Steuerentlastung, produzierendes Gewerbe 92 Steuertarife 91
Stromssteuerermäßigung 94 Stromsteuergesetz (StromStG) 93 Stromsteuertarif 94 Energiewirtschaftsgesetz - EnWG Siehe Haupteintrag "EnWG" Entwicklung der BrennstoffVerbraucherpreise 34 Entwicklung der Brennstoffverbraucherpreise Preisentwicklung von Erdgas 37 Preisentwicklung von Heizöl 35 EnWG Entflechtung 86 Entgelte für den Netzzugang 87 Grundversorgung 88 Netzbetrieb 86 Netzzugang 87 Rechtsverordnungen 84 Stromkennzeichnung 88 Erdgas 19 Anlegbarkeitsprinzip 21 Erdgas-Herkunft 19 Erdgaspremium 22 Grenzübergangspreise 20 Erdgasnetze Bestimmung, Rohrdurchmesser 425 Ferntransport 418 Ferntransportleitungen 419, 425 Flüssigerdgas 419 Gasdruckregelanlagen 426 Gasspeicher (Ortsnetze) 420 LNG-Terminals 421 Netzzugang Siehe NetzzugangErdgas Regressionsgeraden 427 Rohrauslegung 423 technischer Aufbau 418 Untertagespeicher 420 Verbundnetz 421 Verdichteranlagen 419 Verlegekosten 426 erneuerbare Energien 9 Beitrag 9 Stromerzeugung 9 Erneuerbare-Energien-Gesetz 102
Sachverzeichnis Dauer Mindestvergütung 106 EEG-Quote 103 EEG-Umlage 103 Referenzstandort Windkraft 113 Vergütungsregelung 106 Vergütungsregelungen für Neuanlagen 108 Verlängerung der Dauer der Anfangsvergütung WKA 113 wesentliche Änderungen 107 EU-Emissionshandel 121 anteilige Kürzung 129, 139 Emissionsberechtigunge 125 emissionshandelpflichtigen Anlagen 126 Emissionshandelsstelle 124 Erfüllungsfaktor 129 Geplante Änderungen 141 Handelsperioden 122 Nationaler Allokationsplan 122 Projektmechanismengesetz 124 Standardauslastungsfaktoren 133 Veräußerungskürzung 129 Zuteilungsgesetz 125 Zuteilungsregeln, ZuG 2012 128 EU-Recht 81 Europäische Kommission 82 Richtlinien (Directives) 81 Verordnungen (Regulations) 81 Fernwärmenetze 432 Anschlussdichte 434 Anschlusswert 434 Auslegung 435 Betriebsfälle 437 Erschließungskosten 444 Fernwärmeleitungen 438 Grundbegriffe 434 Hauptkomponenten 432 Hausanschluss 442 Hausübergabestation 442 Hausübergabestationen an. Richtpreise 444 Kunststoffmantelrohre 438 Nenndruckstufen 436 Pumpstromverbrauch 437
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Rohrdurchmesser-Auslegung 440 Siedlungstypen 445 Strukturdaten 435 Transportkapazität 439 Verlegekosten 440 Vorlauftemperatur 435 Wärmeträger 433 Feuerungen 247 Kohlenstaubfeuerung 247 Rostfeuerungen 247 Wanderrostfeuerungen 247 Wirbelschichtfeuerung 248 Finanzmathematik Abzinsen oder Diskontieren 148 Aufzinsen oder Akkumulieren 148 Barwert 148 Bauzinsen 160 Bauzinsenermittlung 161 Kalkulatorischer Zinssatz 155 effektiver Zinssatz 152 Finanzmathematik 147 finanzmathematischer Mittelwert 160 Formeln, Zahlungsreihen 158 Gewerbesteuer (GewSt) 153 Hebesatz GewSt 153 Inflationsbereinigung 151 Inflationsraten 150 Kalkulationszinssatz 152 Kapitalwertmethode 165 Körperschaftsteuer (KSt) 153 nominaler Zinssatz 149 Nominalwert 148 realer Zinssatz 151 Rentenbarwertfaktor 157 Schuldverschreibungen 149 Zahlungsreihen 156 Zeitwert einer Zahlung 147 Zinssatz 149 Fossilthermische Kraftwerke 274 Brennstoffpreise frei Kraftwerk 290 Brennstoffversorgung 274 Dampfkraftprozess 277 Dampfkraftwerke 274
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Sachverzeichnis
Eigenbedarf 290 Gas- und Dampfturbinen-(GuD-)Kraftwerk 286 Gasturbinenkraftwerke 282 Gasturbinen-Prozess 284 Preise für neue Kraftwerke 287 Verbrennungsmotorkraftwerke 287 Wärmeschaltbild 278 Gasbeschaffung 68 Bilanzkreisvertrag 69 Durchgehende Lieferung 75 Einspeise- und Ausspeisekapazitäten 70 Einspeise-, Ausspeisevertrag 69 Gaslieferungsvertrag 74 Lieferantenrahmenvertrag 69 Preisgleitklausel 77 Stundenleistungspreis 76 Tagesleistungspreis 76 take-or-pay clause 75 unterbrechbare Lieferung 75 Vorhalteleistung 75 Zugang zu Erdgasspeichern 73 Gasturbinen-Heizkraftwerke Aufbau und Funktionsweise 355 Richtpreise 355 Wartungsverträge 356 Gasverbraucherpreis Entgelte für örtliche Gasnetze 71 Erdgassteuer 73 Gaslieferungspreis 70 Kapazitätsentgelte 71 Kostenbestandteile 70 RLM-Kunden und SLP-Kunden 71 GuD-Heizkraftwerk Aufbau und Funktionsweise 359 Richtpreise 360 Heizkraftwerke (siehe entspr. Haupteingräge) Blockheizkraftwerke 352 Dampfturbinen-Heizkraftwerke 356
Gasturbinen-Heizkraftwerke 355 Investitionrechnung Teilkosten 181 Investitionsrechnung 164 „ROI“ Return Of Investment 179 Amortisationsrechnung 176 Annuitätenmethode 173 DCF-Methode 170 dynamisches Verfahren 177 interne Zinssatzmethode 170 interner Zinssatz 170 Investition 164 Kapitalwert 165 Methodische Vorgehensweise 164 Nullvariante 164 Payback-Zeit 176 Planerfolgsmodelle 179 Rentabilitätsrechnung 179 Statische Verfahren 176 Investitionsrechnung - Begriffe Anlaufkosten 181 Aufwand 180 Ausgaben 180 Erlöse 181 fixe Kosten 182 Grenzkosten 181 Instandhaltung 184 Investitionsausgaben 183 Kapitaldienst 183 Kosten 181 Kostenarten 181 variable Kosten 182 Vollkosten 181 Kennzahlen von KWK-Anlagen Kennzahlen EG-BHKW 374 Kennzahlen von KWK-Anlagen äquivalente Kond.-Leistung 366 Beziehungen z. Kennzahlen 367 Brennstoffverbrauch DampfHKW 368 Dampf-HKW-DiagrammeKennzahlen 370 Energienutzungsgrad 363
Sachverzeichnis GuD-HKW-Kennzahlen 373 Kennzahlen EG-GasturbinenHKW 374 KWK-Gesamtwirkungsgrad 363 Spez. Brennstoffverbrauch 366 Stromkennzahl 364 Stromverlust-Kennziffer 365 Wirkungsgrad 363 Kernbrennstoff 23, 25 Abbrand 25 Entsorgung 31 Kernbrennstoffprozesskette 24 Kernstrom-Brennstoffkostenanteil 30 Kosten 26 spezifische Wärmekosten 29 thermische Energie 25 yellow cake 25 Kernkraftwerke Baukosten 300 Druckwasserreaktor 295 Siedewasserreaktor 296 Stilllegung 298 Stromgestehungskosten 301 Typen und Funktionsweise 295 Kessel 241 Abhitzekessel 246 Flammrohr-Rauchrohrkessel 242 Kraftwerkkessel 245 Wasserrohrkessel 242 Kohle Siehe Haupteintrag "Steinkohle" Konzensionsabganbeverordung Konzessionsabgabensätze 115 Konzessionsabgabenverordnung 115 Kosten, Hilfsstoffe u. Entsorgung 291 Kostenaufteilungsverfahren, KWK Arbeitswertverfahren 376 Exergieverfahren 381 kalorisches Verfahren 383 Restwertverfahren 385 Stromäquivalenzverfahren 376 Stromgutschrift 386 Stromverlust-Kennziffer 377
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Wahl des Verfahrens 390 Kraft-Wärme-Kopplung Energieflussdiagramm 347 Prinzip 347 Prinzipschaltbilder 349 Wärmeschaltbilder 347 Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz Siehe Haupteinträge "KWK Mod G" und KWKG 2009" Kraftwerke-Definitionen 271 Benutzungsdauer 273 Feuerungswärmeleistung 272 Grundlastkraftwerke 272 Kapazitätsfaktor 273 Lastfaktor 273 Mittellastkraftwerke 272 Spitzenlastkraftwerke 272 Kraftwerkstypen Siehe entspr. Haupteinträge Fossilthermische Kraftwerke 274 Kernkraftwerke 295 Photovoltaik Anlagen 312 Solarthermische Kraftwerke 303 Wasserkraftwerke 323 Windkraftanlagen 329 KWK Mod G 95 Arbeitsblattes FW 308 96 Belastungsausgleich 98 KWK-Fördersätze 98 üblicher Preis 97 Umlage 98 vermiedene NNE 97 Zertifizierung als KWK Strom 97 Zuschläge 97 KWKG 2009 99 Deckelung der Zuschläge 101 Förderung für Wärmenetze 100 KWK-Zuschläge 99 Neuerungen 99 Üblicher Preis bis 2 MW 100 Zweck 99 Kyoto Protokoll Ablauf von CDM-Projekten 120 flexible Mechanismen 118 Geltungsdauer- Zertifikate 119 Kyoto-Nachfolgeprozess 121
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Sachverzeichnis
Kyoto-Protokoll 117 Treibhausgase 117, 118 Leistungsfaktor 229 Liberalisierter Energiemarkt 41 Diskriminierungsfreier Netzzugang 41 Entflechtung 41 Marktteilnehmer 42 Regulierungsorgan 42 Strombörse 44 Mineralsteuergesetz (MinölStG) Siehe Haupteintrag "Energiesteuergesetze" Netznutzungsentgelte-Strom 413 Anreizregulierung 417 Entgeltermittlung 414 Genehmigung 417 Gleichzeitigkeitsfunktion 415 Netzzugang 405 Wälzung der Kosten 415 Netzzugang-Erdgas 428 Bilanzkreis 431 Entgeltrechner (KuER) 430 Entry-Exit-Modell 428 Kapazitätsbuchung 429 Kapazitätsentgelte 431 Kooperationsvereinbarung 432 Marktgebiete 429 Netznutzungsmodell 428 virtueller Handelspunkt 429 Ökosteuer Siehe Haupteintrag "Energiesteuergesetze" Photovoltaik-Anlagen 312 Abschattung 317 Degradation 316 Maximum Power Point 315 Modulkennlinien 316 Performance Ratio 320 PV-Anlagen in Deutschland 321
PV-Module 315 Stromgestehungskosten 322 Typen von Solarzellen 313 Wirkungsgrade 315 Preisentwicklung von Importenergien 32 Entwicklung der Wärmepreise 33 Indexierte Preise von Importenergien 33 Preisrelation der Energieträger zum Rohöl 39 Projektabwicklung 451 Ausführungsplanung 455 Ausschreibung 456 Bauphase 458 Betrieb 458 BImSchG-Genehmigung 454 Entwurfsplanung 454 EPC-Vergabe 455 Genehmigungsverfahren 454 Inbetriebnahme 458 Konzeptstudie 453 Los-Vergabe 455 Machbarkeitsstudie 453 Probebetrieb 458 Projektphasen 451 Vergabeverfahren 455, 456 VOB/A und VOL/A 457 Rohöl 10 Barrel 11 Einfuhrpreise 13 Handelseinheiten 12 OPEC basket 12 Preisentwicklung 12 Rohölaufkommen 11 Seefrachtraten 13 Schadstoffemissionen 249 Emissionsgrenzwerte 250 Schwefeldioxid 249 Staub 249 Stickoxide 249 Solarthermische Kraftwerke 303 AndaSol Projekt 307 diffuse Strahlung 303
Sachverzeichnis direkte Strahlung 303 Globalstrahlung 303, 313 ISCC-Kraftwerke 309 Kollektoren 304 Parabolrinnenkollektoren 304 Parabolrinnenkraftwerke 306 Parbolschüsselkollektor 305 Stromgestehungskosten 311 Turmkraftwerke 308 Steinkohle 14 Braunkohle 14 Frachtraten-Binnenschifffahrt 34 Herkunft 15 Kohleindizes 18 Kohlenkette-Preisübersicht 17 Kohlepfennig 15 Kokskohle 14 Kraftwerksbraunkohle 34 Kraftwerkskohle 14 Preisentwicklung-Importkohle 16 Übersee-Frachtraten..17 Strombeschaffung 53 All-Inclusive-Vertrag 55, 62 Bilanzkreisvertrag 54 Blindstrompreis 64 ertragliche Ausgestaltung 53 Großhandelspreise 67 Lieferantenrahmenvertrag 54 Netzanschlussvertrag 53 Netznutzungsvertrag 53 Portfoliomanagement 61 Preisgleitklauseln 65 Reserveleistung 64 Vetragslaufzeit 65 VIK-Strompreisindex 67 Vollversorgungsvertrag 62 Stromnetze 393 Ausgleichsenergie 412 Bilanzkreise 406 Fahrpläne 407 Freileitungen 400 Gleichstromübertragung 396 Leistungsbilanz 403 Minutenreserve 411 Netzebenen 394 Netznutzung 406
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Netznutzungsentgelte 413 Primärregelung 410 Regelenergie 412 Regelzonen 402 Schaltanlagen 398 Sekundärregelung 411 Stromaustausch 404 Stromkabel 401 Systemdienstleistungen 405 Systemkomponenten 396 Transformatoren 397 UCTE-Verbundnetz 402 Verbundnetz 393, 402 Stromsteuergesetz (StromStG) S Siehe Haupteintrag "Energiesteuergesetze" Stromverbraucherpreis 55 EEG-Umlage 59 Hauptbestandteile 55 Konzessionsabgabe 60 KWK-Umlage 59 Messung und Abrechnung 58 Netznutzungsentgelte 56 Portfoliomanagement 61 Stromlieferungspreis 55 Stromsteuer 59 Thermodynamik 192 Carnot-Prozess 221 Definitionen 192 Drosselung 203 Entropie 199 Erster Hauptsatz 196 Exergie 199 Faustformeln für Sattdampf 209 Gase und Gasgemische 200 Gasgemische 204 Gaskonstanten 201 h-s-Diagramm 207 Idealgasgleichung 200 Isentrope 203 Isobare 202 Isochore 202 Isotherme 202 Kreisprozesse 220 kritischer Punkt 206
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Sachverzeichnis
Masse und Gewicht 194 Molmasse 201 Molvolumen 201 Normzustand 194 Prozessgrößen 193 Rankine-Prozess 222 thermodynamisches System 192 T-s-Diagramm 207 Verdampfungsprozess 206 Wärmekapazität 197 Wasserdampfthermodynamik 206 Zusammensetzung der Luft 205 Zustandsänderungsprozesse 202 Zustandsgleichungen 193 Zustandsgrößen 193 Zustandsgrößen des Dampfes 208 Zweiter Hauptsatz 198 Verbrennungsrechnung 212 CO2-Gehalt 216 feuchte Abgasmenge 215 Heizwertermittlung 212 Luftverhältniszahl 215 Mindestverbrennungsluftmenge 213 Rauchgasmenge 213 Referenz-Sauerstoffgehalt 217
StoffeigenschaftenVerbrennungsluft 219 trockene Abgasmenge 215 Umrechnung-Referenz-O2 219 Verbrennungsluftmenge 215 Wasserkraftwerke Bauarten, Wasserturbinen 325 Investitionsausgaben 327 Laufwasserkraftwerke 324 Pumpspeicherkraftwerke 325 Speicherkraftwerk 324 Windkraftanlagen 329 Ausbauperspektiven 342 Betriebskosten 340 Betz’scher Leistungsbeiwert 329 Dauer der Anfangsvergütung 341 DEWI-Kostenstudie 340 Ertragsberechnung 334 Investitionen 337 Leistungskennlinie 331 Rayleigh-Verteilung 334 Referenzstandort 336 Systemkomponenten 330 Wirtschaftlichkeitsberechnung Investition Siehe Haupteintrag "Investitionsrechnung" Zusammenarbeit von Gasnetzbetreibern 87