Atlan - Der Held von
Arkon
Nr. 235
Revolte der Parias Sie sind die Ausgestoßenen von
Asgajol - der Tod des Gnohlen ...
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Atlan - Der Held von
Arkon
Nr. 235
Revolte der Parias Sie sind die Ausgestoßenen von
Asgajol - der Tod des Gnohlen ist
der Schlüssel zur Freiheit
von Clark Darlton
Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums durch überra schende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von ver schworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorge gangen. Selbst empfindliche Rückschläge entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol III. den Diktator und Usur pator, mit aller Energie fortzusetzen. In diesem Kampf hatte Atlan mit dem wiederbe lebten Körper Gonozals, seines Vaters, kurzfristig eine neue wirksame Waffe gegen Orbanaschol. Doch dann, nach dem Abflug von Perpandron, der Welt der Goltein-Hei ler, kommt es auf Atlans Raumschiff zu folgenschweren Ereignissen, von denen alle Besatzungsmitglieder der ISCHTAR betroffen werden. Akon-Akon, der mysteriöse Mann, der auf Perpandron an Bord genommen wurde, entpuppt sich bei seinem Erwachen als Psycho-Tyrann. Mit seinen unheimlichen Fä higkeiten beherrscht er die Männer und Frauen der ISCHTAR und zwingt sie, auf dem Planeten Ketokh zu landen. Diese Wasserwelt ist es auch, auf der sich eine Revolte anbahnt – Die REVOLTE DER PARIAS …
Revolte der Parias
3
Die Hautpersonen des Romans:
Atlan - Der Kristallprinz als Gefangener auf einer schwimmenden Stadt.
Algonia Helgh, Gerlo Malthor und Jörn Asmorth - Atlans Gefährten und Mitgefangene.
Assark und Tapod - Zwei Ausgestoßene von Asgajol.
Tossel - Ein hilfreicher Julka.
1. Die Arkonidin Algonia Helgh streckte sich auf ihrem primitiven Ruhelager aus und warf Atlan einen bedeutsamen Blick zu. Seit ihrer Gefangennahme durch die spitzköpfi gen Wasserbewohner, die sich selbst Julkas nannten, war ihr Verhältnis zueinander mehr als freundschaftlich. Das gemeinsame Schicksal verband sie. »Wenigstens haben sie uns keine Fesseln angelegt«, sagte sie. »Ob wir fliehen kön nen?« Atlan saß ihr gegenüber. Beide trugen sie nur noch die Bordkombination, denn alles, was sie bei sich gehabt hatten, war ihnen von den Julkas abgenommen worden. Seine Antwort klang nicht besonders zuversicht lich: »Fliehen? Wohin denn? Wir sind in einer Stadt, die auf dem Meer schwimmt. Außer dem wissen wir noch immer nicht, was sie überhaupt von uns wollen. Die Verständi gung ist ohne Translator schwierig, aber zum Glück ist ihre Sprache ziemlich ein fach. Ein paar Brocken können wir schon. Ich möchte nur wissen, was inzwischen aus der Siedlung geworden ist. Wenn die Julkas Akon-Akon getötet hätten, wären wir eine Menge Probleme los.« »Der junge Mann ist mir unheimlich, At lan.« »Mir auch, seine hypnotische Macht über uns ist grauenvoll. Ich glaube fast, Fartuloon ist der einzige, der ihm ein wenig geistigen Widerstand bieten kann. Aber das kann uns jetzt auch nicht helfen.« »Was mag aus Malthor und Asmorth ge worden sein?« Atlan streckte die Beine aus und lehnte sich mit dem Rücken gegen die kahle Wand
der Gefängniszelle, die man ihnen als Unter kunft zugewiesen hatte. »Malthor und Asmorth …? Wo immer sie auch sein mögen, sie warten vergeblich auf Verstärkung. Vielleicht haben sie am Strom ein Versteck gefunden, oder auch sie wur den von den Julkas gefangen. Jedenfalls sind sie allein, genauso wie wir allein sind.« »Das klingt nicht sehr zuversichtlich«, warf sie ihm vor. »Wir wollen uns nichts vormachen, Algo nia. Ketokh ist ein völlig unbekannter Planet mit relativ günstigen Lebensbedingungen, wenn die Tage und Nächte auch ein wenig länger dauern als auf Arkon. Eine blaue Rie sensonne gibt genügend Licht und Wärme, und nachts haben wir einen rötlich schim mernden Mond. Bewohnt wird diese Welt von den Julkas, den Spitzköpfen, die teils im Wasser und teils auf dem Land leben. Mehr wissen wir nicht von ihnen. Sie sehen aus wie wandelnde Walzen und scheinen unter einem gewissen Druck zu leben. Wer diesen Druck ausübt …« Er schwieg. »Vielleicht haben sie eine Diktatur«, stell te Algonia eine Vermutung auf. »Das wäre doch möglich.« »Ja, aber wir wissen es nicht.« Eine Weile schwiegen sie. Atlan ließ noch einmal die bisherigen Ereignisse an sich vorüberziehen. Unmittelbar nach der Landung der ISCHT AR hatte es mehr als genug Schwierigkeiten gegeben, denn inzwischen war es dem jun gen Akon-Akon gelungen, die gesamte Be satzung des Raumschiffs unter seinen un heimlichen Willen zu zwingen. Er begann mit dem Bau einer Siedlung, die jedoch von den Eingeborenen überfallen wurde. Dabei gerieten Atlan und Algonia in Gefangen schaft und wurden verschleppt, um schließ lich in der schwimmenden Stadt zu landen. Vor dem Überfall hatten Atlan und Fartu
4 loon zwei zuverlässige Arkoniden, den Na vigator Gerlo Mathor und den Techniker Jörn Asmorth auf die Reise geschickt. Sie sollten so dem Bann Akon-Akons entrinnen und in einiger Entfernung auf Verstärkung warten. Das war eigentlich alles. Was inzwischen geschehen war, konnte Atlan nicht wissen. Es war auch nicht viel. Fartuloon hatte le diglich durch einen Sabotageakt erreicht, daß die ISCHTAR nicht sofort starten konn te, wie Akon-Akon es nach dem Überfall plante. Ohne jede Rücksicht hätte er Atlan auf der fremden Welt zurückgelassen. Dafür saß Fartuloon nun in der Gefängniszelle des Raumschiffs. »Ich wüßte gern«, begann Algonia wieder das Gespräch, »was dieser gelbe Fleck oben auf dem spitzen Kopf der Julkas zu bedeuten hat. Er sieht aus wie ein natürliches Organ, aber ist er das wirklich?« Atlan zuckte die Schultern. »Darüber habe ich auch schon nachge dacht, Algonia. Ein Organ? Etwas Organi sches ist es ohne Zweifel, denn es ist nicht bei allen Julkas gleich. Auch kann sich die Farbe – unmerklich fast – ändern. Aber was soll's? Wir haben jetzt andere Sorgen.« Das stimmte allerdings. Sie wurden zwar von den Julkas ver pflegt, aber ein Mann wie Fartuloon zum Beispiel hätte das Essen als »Saufraß« be zeichnet, und das sicherlich nicht zu unrecht. Lediglich das Wasser, das man ihnen zu trinken gab, war einigermaßen genießbar. Bei ihrem Transport vom Schiff in das Gebäude, in dem sie gefangengehalten wur den, hatten sie einen flüchtigen Eindruck von der schwimmenden Stadt bekommen. Sie war eine Insel ohne Strand. Die Häuser wände fielen senkrecht ins Meer und ver schwanden darin. Ob sie auf festem Grund standen, oder ob die ganze Stadt wirklich auf dem Wasser schwamm, ließ sich nicht feststellen. Aber es war ziemlich sicher, daß es Gebäude über und auch unter der Was seroberfläche gab. Die Häuser besaßen keine einheitliche Ar-
Clark Darlton chitektur. Es sah so aus, als habe jeder gera de so gebaut, wie es ihm einfiel. Dadurch war ein seltsam bizarrer Baustil entstanden, wie ihn weder Atlan noch Algonia jemals zuvor gesehen hatten. Alle Gebäude waren untereinander durch Schwebestraßen ver bunden, die an tollkühne Brücken erinner ten. Manche dieser Straßen verschwanden manchmal einfach unter der Oberfläche. Weiter war Atlan aufgefallen, daß die Stadt übervölkert war. Es gab kaum einen freien Platz zwischen den Gebäuden, jeder Quadratmeter war voll genutzt. Dabei gab es auf dem Festland Platz genug, aber die Jul kas schienen nicht auf dem Land leben zu wollen, obwohl sie keine ausgesprochenen Wasserbewohner waren. Sie existierten da zwischen, ein unglückliches Stadium ihrer Entwicklung, die noch nicht abgeschlossen sein konnte. Ohne jede Vorwarnung wurde die Tür ge öffnet. Zwei Julkas, mit Messern bewaffnet, traten ein. Durch Handzeichen machten sie den Gefangenen verständlich, daß sie mit kommen sollten. Offensichtlich sollten sie wieder zu einem Verhör geführt werden. Atlan nickte Algo nia zu und erhob sich. Ein Verhör war im mer noch besser als untätiges Warten. Viel leicht kam diesmal etwas dabei heraus. Die beiden Julkas sprachen kein Wort. Schweigend brachten sie die Arkoniden durch halbdunkle Gänge, die allmählich ab wärts führten. Wieder erhielt Atlan Gelegen heit, ihr Äußeres aufmerksam zu studieren. Sie waren kleiner als ein Arkonide, hatten vier Gliedmaßen und gingen aufrecht. Hän de und Füße waren flossenartig ausgebildet und an ihren Enden verdickt. Ihre Körper waren mit einem bläulich schimmernden kurzhaarigen und wasserundurchlässigen Fell bedeckt. Der Kopf saß ohne Übergang auf dem zylindrisch geformten Walzenkör per, der hervorragende Stromlinieneigen schaften vermuten ließ. Die spitzen Zahnrei hen sahen nicht gerade vertrauenerweckend aus. Unter Wasser waren die Julkas vermut lich unerbittliche Jäger. Die starr blickenden
Revolte der Parias Fischaugen verrieten ihren Ursprung. Etwa so groß wie eine durchschnittliche Münze war das gelblich schimmernde Etwas auf der Kopfspitze. Vielleicht diente es der Atmung, oder es hatte einen anderen Zweck, den Atlan nicht einmal vermuten konnte. Keljos, der fette Händler vom Hafen an den Gestaden des Festlands, fiel ihm wieder ein. Er hatte sie von den Julkas gekauft, die die Siedlung überfallen hatten. Doch es schi en, daß man sie dem Fettsack wieder abge nommen hatte. Wahrscheinlich war es die geheimnisvolle Regierung der Julkas, die sich für die Fremden interessierte, die mit ei ner Kugel vom Himmel herabgestiegen wa ren. Raumfahrt besaßen die Julkas nicht, deren Zivilisation gerade den Verbrennungsmotor und Elektrizität entwickelt hatte. Sie betraten einen größeren Saal, der hell erleuchtet war. Atlan wurde sofort an einen Operationssaal erinnert, als er die weißen Tische und die blitzenden Instrumente hinter den Glastüren der Wandschränke sah. Min destens ein Dutzend Julkas blickten ihnen neugierig entgegen. Sie sahen nicht wie Re gierungsvertreter aus, eher wie Ärzte oder Wissenschaftler. »Was haben sie mit uns vor?« flüsterte Algonia erschrocken. »Ruhig bleiben!« ermahnte sie Atlan, ob wohl er sich alles andere als beruhigt fühlte. »Sie werden es uns schon sagen.« Einer der mit einem weißen Schurz Be kleideten trat auf sie zu. In einem schreckli chen Kauderwelsch, mit bedeutsamen Ge sten unterstrichen, machte er den Gefange nen klar (soweit Atlan es interpretierte), daß sie sich einer harmlosen Operation unterzie hen müßten, um »gesund« zu werden. Atlan fühlte sich, trotz seiner nicht benei denswerten Lage, durchaus gesund und ver spürte wenig Lust, an sich oder Algonia her umdoktern zu lassen. Er schüttelte energisch den Kopf und nahm seine ganzen Kenntnis se der Julkasprache zusammen. »Wir sind nicht krank und protestieren. Wir wollen einen Vertreter der Regierung
5 sprechen! Wir haben euch nichts getan.« Neben dem Eingang standen die Wachen, mit Messern und Schießprügeln bewaffnet. Ein Fluchtversuch wäre heller Wahnsinn ge wesen. Einige Julkas kamen auf die Gefangenen zu, und ehe Atlan eine Bewegung der Ab wehr machen konnte, hatten sie ihn gepackt und mit Stahlschlingen gefesselt. Algonia erging es nicht anders. Sie schleppten die beiden zu den weißen Tischen und legten sie darauf. Zusätzliche Lederbänder sorgten da für, daß sie sich kaum noch rühren konnten. Wieder kam der Sprecher von vorhin zu ihnen und betrachtete sie aufmerksam. Dann sagte er: »Ihr werdet ein Moglio erhalten, wie jeder von uns. Ihr sollt nicht zu den Ausgestoße nen zählen.« Atlan versuchte sich vergeblich zu erin nern, ob er den Begriff »Moglio« schon ein mal gehört hatte, aber er war sicher, daß das noch nie der Fall gewesen war. Er beschloß zu fragen. »Wir wissen nicht, was ein Moglio ist. Wozu wird es benötigt? Ist dazu eine Opera tion notwendig?« Die Antwort dauerte, bis Atlan sie ver stand, eine gute Viertelstunde: »Dies ist ein Moglio«, sagte der Julka und deutete auf den gelben Fleck auf seiner Kopfspitze. »Die Gnohlen wollten es so.« Atlan hatte zwar verstanden, aber nichts begriffen. Wer waren die Gnohlen? Er frag te, erhielt aber keine Antwort mehr. Dafür näherten sich zwei Julkas mit durchsichtigen Behältern. In einer rötlichen Flüssigkeit schwammen zwei münzengroße Wesen, die Quallen ähnlich sahen. Sie waren gelb. Atlan begann zu ahnen, was die Moglios waren und welchem fürchterlichen Zweck sie dienten, aber er konnte sich nicht weh ren, als ihn der »Arzt« mit geschickten Hän den seine Haare auf dem Kopf zu ordnen be gann und die Haut freilegte. Dann nahm er mit einem Instrument ein Moglio aus dem Behälter und setzte es Atlan auf den Kopf.
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Clark Darlton
Genauso erging es Algonia. Atlan spürte, wie das Ding lebte und da mit begann, sich schmerzlos in seine Kopf haut hineinzufressen. Es schien mit seinem Körper verschmelzen zu wollen. Er hatte früher einmal von Parasiten gehört, die noch kleiner als ein Moglio waren und doch eine intelligente Rasse beherrschten. Waren die Moglios die Beherrscher der Julkas? Er verspürte keine Veränderung in seinem körperlichen und geistigem Zustand, als der Verschmelzungsprozeß beendet war. Doch die Julkas, die ihn ständig beobachteten, schienen nicht zufrieden zu sein. Sie hielten eine Diskussion ab und waren offensichtlich ratlos. Dann kehrte der Operateur zu den Gefangenen zurück. Mit einer einfachen Handbewegung nahm er Atlan das Moglio wieder ab und hielt es ihm vor das Gesicht. Das Moglio war schwarz geworden und etwas geschrumpft. »Es geht die Symbiose nicht ein«, erklärte der Julka wortreich und mit vielen Gesten. »Ihr seid Fremde, Ausgestoßene. Wir wer den später entscheiden, was mit euch zu ge schehen hat …« Das war alles. Sie wurden losgebunden und wieder in ihr Gefängnis zurückgebracht.
* »Was sollte das alles bedeuten?« fragte Algonia, als sie allein waren. Atlan versuchte es ihr zu erklären: »Diese Moglios sind Symbionten, wahr scheinlich sogar Parasiten. Sie scheinen eine Verbindung zu weitaus höher entwickelten Lebewesen herzustellen, von denen die Jul kas beherrscht werden, ohne es vielleicht zu wissen. Soweit habe ich es verstanden, aber mehr auch nicht. Gut ist, daß die Moglios mit uns keine Symbiose eingehen wollten, also können uns auch die Gnohlen – wer im mer das auch sein mag – nicht unter ihre Kontrolle bringen. Das macht die Julkas vorerst einmal ratlos und unsicher. Zu scha-
de, daß wir das nicht ausnützen können.« »Warum unternehmen wir keinen Flucht versuch?« »Wie denn? Wir kämen nicht weit und würden unsere Lage nur verschlimmern. Von ihrem Standpunkt aus gesehen, behan deln sie uns gut. Flucht ist im Augenblick sinnlos. Wir müssen warten. Schlaf dich aus, Algonia. Wir werden unsere Kräfte noch nö tig haben.«. Sie seufzte. »Du hast gut reden, Atlan. Schlafen! Ich habe Hunger, das vertreibt jeden Schlaf.« »Trink einen Schluck Wasser, das hilft.« Wenn sie zornig war, so verbarg sie es gut. Ihre Furcht jedenfalls hatte sich ver flüchtigt. Im Augenblick wirkte sie sogar unternehmungslustiger als der vorsichtig ab wartende Atlan. Sie streckte sich aus und schloß die Augen. Auch Atlan legte sich hin und überlegte. Noch einmal analysierte er die Verhältnisse, soweit sie ihm jetzt bekannt waren. Wenn er wenigstens wüßte, wer die geheimnisvollen Gnohlen waren, die alle Julkas durch ihre Moglios unter Druck setzten und ihnen so ihren Willen aufzwangen! Aber: war es denn wirklich so? Stellte er nicht eine vielleicht völlig falsche These auf? Der Raum, in dem man sie gefangenhielt, war nicht sehr groß. Eine Öffnung führte zu einer Art Toilettenraum, klein und primitiv. Aber dort gab es wenigstens Wasser. Die Schüssel mit dem undefinierbaren Gemisch aus Pflanzen und Fischen stand unberührt neben der Tür. Die Tür …! Sie bestand aus Holz, aber sie hätte ge nausogut aus Metall sein können, denn die Bohlen waren dick und fest gefügt. Ohne Hilfsmittel konnte auch Atlan sie nicht öff nen oder aufbrechen. Ein Fenster war nicht vorhanden. Oben in der sonst kahlen Decke war eine Vertiefung, hinter der eine normale Glühbirne brannte und spärliches Licht ver breitete. Atlan bemerkte, daß Algonia endlich ein
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geschlafen war, aber er fühlte sich für die Astronomin verantwortlich. Es würde gut sein, wenn auch er versuch te zu schlafen. Er mußte ausgeruht und bei Kräften sein, wenn die Stunde der Entschei dung kam. Die Frage war nur: Was für eine Entschei dung würde es sein?
* Der Julka Tossel, für Malthor und As morth durch seinen typischen Watschelgang und seine Fistelstimme leicht erkennbar, nä herte sich den beiden Arkoniden, die an der Reling des Schiffes standen, das sie im Meer aufgenommen hatte. Er konnte sich schon gut mit ihnen verständigen und hatte sich bisher als guter Freund erwiesen. »Das also ist euer Ziel, die schwimmende Stadt, wie ihr sie nennt. Wir nennen sie As gajol. Wir haben euch hierhergebracht, da mit ihr euren Wunsch vortragen könnt. Bald werden wir Abschied voneinander nehmen müssen, und ich weiß nicht, ob wir uns wie dersehen werden.« Malthor klopfte ihm auf die Schulter, eine Geste der Freundschaft und des Vertrauens. »Das Schiff bleibt noch im Hafen? Es könnte sein, daß ihr uns wieder mit hinüber zum Festland nehmen müßt.« »Ich bin nicht der Kapitän, Freund. Aber ihr werdet mich im Notfall in jenem Haus dort finden …« Er deutete auf ein rundes Gebäude, das nicht zu verfehlen war und di rekt am Wasser stand. »Dort werde ich woh nen, auch wenn das Schiff den Hafen ver läßt.« »Danke«, sagte Malthor erfreut. »Du hast viel für uns getan.« »Ich selbst werde euch an Land bringen und denen übergeben, die mit euch zu ver handeln wünschen. Ich habe keinen Einfluß mehr auf das, was danach geschieht. Nehmt eure Ausrüstung mit, auch den Apparat, mit dem man fliegen kann.« Er meinte das einzige noch vorhandene Flugaggregat der Standardausrüstung und
vor allen Dingen die beiden Impulsstrahler, die den Julkas ziemlichen Respekt eingeflö ßt hatten. Hinzu kamen noch einige Kleinig keiten, die Malthor und Asmorth in ihren Taschen verbargen. Dazu gehörten auch Le bensmittelkonzentrate. »Und ob wir die mitnehmen!« ließ sich Asmorth vernehmen, der jüngere und leb haftere der beiden Arkoniden. Er war groß, schlank und wirkte immer ein wenig nervös. »Ohne unsere Waffen würden sie schnell mit uns fertig werden.« Der Kapitän näherte sich ihnen mit brei tem Gang. »Seid ihr bereit?« fragte er, und Tossel übersetzte seine Worte. »Man erwartet euch bereits.« Tossel führte sie über die schwankende Holzplanke an Land. Malthor bemerkte, daß die Wände und Mauern der Häuser bis in eine Tiefe von fast fünfzig Metern noch gut zu erkennen waren, so klar war das Wasser. Darunter schimmer te es blau und unendlich. Die Stadt schien in der Tat zu schwimmen und nicht auf festem Grund zu stehen. Er hätte gern gewußt, wie tief das Meer hier war. Eine Delegation von einem Dutzend Jul kas erwartete sie auf der schmalen Kaimau er. Die Hälfte war mit Gewehren bewaffnet, mit denen die beiden Arkoniden schon Be kanntschaft gemacht hatten. Sie waren nicht ungefährlich, diese primitiven Feuerwaffen, den Energiestrahlern jedoch hoffnungslos unterlegen. Tossel verabschiedete sich endgültig und ging. Malthor wartete, bis einer der Julkas zu sprechen begann. Er und Asmorth hatten in den vergangenen Tagen genügend Gelegen heit gefunden, die wichtigsten Worte der Julkasprache zu verstehen und zu lernen. Die Verständigung war schwierig, aber kein unlösbares Problem. »Ihr braucht eure Waffen nicht«, wurde ihnen klargemacht. Malthor richtete den Lauf seines Strah lers, den er entsichert in der Hand hielt, auf
8 den Anführer der Gruppe. »Wir behalten sie aber trotzdem«, sagte er entschlossen. »Kommt nicht näher! Wir wollen mit euch reden, denn wir brauchen eure Hilfe.« Das wiederum schien den Julkas neu zu sein, denn sie berieten sich im Flüsterton, so daß die Arkoniden nichts verstehen konnten. Dann forderte man sie auf, der Gruppe in die Stadt zu folgen. Sie hielten sich nebeneinander, immer zur sofortigen Verteidigung bereit. Asmorth be hielt die bewaffneten Julkas im Auge und sorgte dafür, daß keiner von ihnen zurückb lieb. Es gab Fahrzeuge auf der Schwebestraße. Sie waren klein und fuhren mit knatternden Motoren die Steigungen hinauf und mit quietschenden Bremsen hinab zum Hafen. Die meisten Julkas jedoch gingen zu Fuß und warfen den beiden Fremden neugierige Blicke zu. Die Straße führte mitten durch ein breites und sehr hohes Gebäude hindurch und am anderen Ende wieder hinaus. Rechts und links gab es Abzweigungen, die sich in ei nem Labyrinth von Gängen und Korridoren verloren. Die Gruppe bewegte sich ein Stück in das Gebäude hinein und landete schließlich in einem mittelgroßen Saal, in dem noch ande re Julkas warteten. Sie erhoben sich von ih ren Plätzen, und Malthor vermutete zu Recht, daß die Begrüßung nicht ihnen galt. Ihre Begleiter mußten also schon höherge stellte Persönlichkeiten sein. Die Bewaffneten tauchten im Hintergrund unter. Es folgte eine kurze Ansprache des Anführers der Delegation, von der die Arko niden nur die Hälfte verstanden. Es ging dar um, die beiden Fremden mit Moglios zu ver sorgen, damit sie nicht zu den Ausgestoße nen gehörten. Auf sein Zeichen hin wurden zwei gläserne Behälter herbeigeschafft, in denen eine rötliche Flüssigkeit schwappte. In ihr schwammen zwei münzgroße Quallen. »Sie haben was mit uns vor. Aufpassen!« Mit vielen Gesten und Worten machte ih-
Clark Darlton nen nun der Redner klar, daß es sich bei den Quallen um die Moglios handelte, die jeder Julka auf dem Kopf trage, um den Gnohlen dienen zu können. Auch die Fremden müß ten Moglios haben, damit mit ihnen verhan delt werden könne. Malthor wehrte ab. »Behaltet eure Moglios, und die Gnohlen kennen wir nicht. Warum redet ihr nicht ein fach mit uns? Ich weiß nicht, wieviel ihr über die Siedlung auf dem Festland wißt, aber sie wird gegen unseren Willen errichtet. Wir wollen, daß ihr uns helft, den weiteren Aufbau zu verhindern. Das kann doch nur in eurem Interesse sein.« Die Antwort kam nach längerer, heftiger Aussprache, an der die gesamte Versamm lung teilnahm. »Ohne Moglio dürfen wir nicht mit euch verhandeln.« »Dürfen? Wer verbietet das?« »Die Gnohlen.« Schon wieder dieser geheimnisvolle Na me, mit dem sich nichts anfangen ließ. »Wer sind die Gnohlen?« »Es gibt sie nicht mehr.« Nun war Malthor völlig ratlos. Wie konn te jemand etwas verbieten, der nicht mehr vorhanden war? Und was hatten diese qual lenartigen Moglios damit zu tun, die man auf ihren Kopf setzen wollte? »Wir verlangen, mit Regierungsvertretern zu sprechen!« rief Asmorth, der allmählich die Geduld verlor. »Eure Moglios und Gnohlen interessieren uns nicht. Und wenn niemand mit uns sprechen will, dann bringt uns zurück zum Schiff.« Die Behälter mit den Moglios wurden weggebracht. »Ihr müßt warten«, wurde ihnen bedeutet. »Es sind viele wichtige Entscheidungen zu treffen. Folgt den Wachen, sie bringen euch in einen Raum, in dem ihr euch wohl fühlen werdet.« »Solange er nicht überflutet ist …«, mur melte Malthor unbehaglich. Das Erlebnis mit den Unterwasserpiraten war noch frisch in seiner Erinnerung. Unwillkürlich fühlte er
Revolte der Parias mit der linken Hand nach den kleinen Sauer stoffpatronen in der Geheimtasche. Sie wa ren noch vorhanden. »Aber wir warten nicht sehr lange.« »Das ist eine Falle!« vermutete Asmorth mißtrauisch. »Wollen wir uns nicht lieber zum Hafen durchschlagen, ehe sie uns über listen?« »Nur nichts übereilen«, riet der besonne nere Malthor. »Es gibt noch eine Menge, das ich gern wüßte, und wenn wir abhauen, er fahren wir überhaupt nichts. Außerdem habe ich eben eine Bemerkung aufgeschnappt, die dir vielleicht entgangen ist …« Er wurde unterbrochen, denn zwei Julkas forderten sie auf, ihnen zu folgen. Sie trugen keine Gewehre, sondern nur Messer. Wieder ging es durch unzählige Gänge und Türen, einmal sogar steil nach unten, bis sie in einem relativ gut eingerichteten Raum ihr vorläufiges Ziel erreichten. Die Julkas deuteten stumm auf die Betten, die Stühle und den Tisch. Eine zweite Tür stand offen. Sie führte in einen Nebenraum. Die Tür schloß sich, ein hölzerner Riegel wurde von außen vorgeschoben. »Hier kommen wir innerhalb von zehn Sekunden hinaus«, beruhigte Asmorth sei nen Gefährten, der die Bohlentür untersuch te. »Holz ist leicht brennbar. Was wolltest du übrigens noch sagen? Was für eine Be merkung hast du oben im Saal gehört?« »Eigentlich handelt es sich mehr um eine vage Andeutung, aber ich glaubte, ihr ent nehmen zu können, daß wir nicht die einzi gen Arkoniden in dieser Stadt sind.« Asmorth starrte ihn verblüfft an. »Außer uns kann doch niemand hier sein, wenigstens niemand von der ISCHTAR. Oder sollte es doch noch jemand gelungen sein, vom Festland aus bis in die Stadt zu gelangen?« »Keine Ahnung, ich hörte nur eine ent sprechende Bemerkung.« »Wir werden fragen.« »Nein, das werden wir nicht, Jörn! Sie brauchen nicht zu wissen, daß wir etwas da von ahnen – wenn es überhaupt stimmt.
9 Warten wir erst einmal ab, wie sie sich ent scheiden. Machen wir es uns bequem. Die Schiffskabine war enger.« Sie verzehrten einige Konzentrate, fanden nebenan Wasser, um ihren Durst zu löschen, dann legten sie sich auf die Betten.
* Malthor erwachte von einem unbestimm ten Geräusch. Er blieb ganz ruhig liegen und lauschte. Auf der anderen Seite des Zimmers schnarchte Asmorth vor sich hin. Da war es wieder! Jemand machte sich draußen auf dem Gang an der Tür zu schaffen und versuchte, den schweren Riegel zu entfernen. War die Entscheidung bereits gefallen? Langsam richtete Malthor sich auf und griff zur Waffe. Asmorth zu wecken, erschi en ihm vorläufig noch nicht erforderlich. Er sah, wie sich die Tür langsam öffnete, dann trat ein Julka ein, sah ihn – und erstarrte förmlich zur Salzsäule. Der Eindringling war dick und kleiner als seine Artgenossen. Das Moglio auf seinem Spitzkopf schimmerte fast golden und schi en intensiver zu leuchten als die anderen, die der Arkonide gesehen hatte. Aber das konn te auch Einbildung sein. Die Fischaugen blickten wie gebannt auf die Strahlwaffe, deren Mündung genau auf seinen beachtlichen Bauch gerichtet war. Er versuchte, eine abwehrende Handbewegung zu machen, aber es gelang ihm nicht. Malthor stand auf, ging zu ihm und drück te die Tür zu. »Was willst du und wer bist du?« fragte er in dem üblichen Kauderwelsch, das er sich angeeignet hatte. Asmorth erwachte und richtete sich auf. »Was ist denn das?« fragte er schlaftrun ken. »Mann, ist der aber fett! Sicher einer von der Regierung …« Malthor nahm den Arm des Dicken und zog ihn weiter ins Zimmer. Die Tür beob achtete er weiter, denn er nahm an, daß der
10 Julka nicht allein gekommen war. »Los, rede!« forderte er ihn ungeduldig auf. »Ich wollte nicht zu euch! Es ist ein Irr tum!« sagte der Julka, und zur Verblüffung Malthors benutzte er einige arkonidische Worte. »Hier sollten sich zwei Fremde auf halten, hörte ich, aber ich suchte zwei ande re.« Asmorth wurde schnell wach. »Zwei andere?« fragte er;. »Welche zwei anderen?« Der Dicke setzte sich auf eins der Betten. Er machte einen total überforderten Ein druck. »Die beiden, die ich gekauft habe«, sagte er schließlich. Malthor schüttelte verständnislos den Kopf und warf Asmorth einen bezeichnenden Blick zu. Er mußte an die Bemerkung denken, die er oben im Versammlungssaal gehört hatte. »Gekauft? Du hast zwei Fremde gekauft? Sahen sie so aus wie wir?« Die Verständigung war umständlich und langwierig, aber nach und nach erfuhren die beiden Arkoniden die ganze Geschichte. Keljos war ein gerissener Händler und witterte Geld und Reichtum über riesige Entfernungen. Als er von dem Überfall auf die Siedlung der Fremden erfuhr und die In formation erhielt, daß zwei von ihnen in Ge fangenschaft geraten waren, eilte er zum Ha fen und kaufte sie den Söldnern ab. Es war seine Absicht, seine beiden »Sklaven«, nach Asgajol zu bringen, um sie hier wiederzu verkaufen. Er war sicher, nicht nur einen ho hen Erlös zu erzielen, sondern auch noch das Lob der Regierung einzuheimsen. Aber es kam alles ganz anders, als er sich das gedacht hatte. Man nahm ihm die beiden Fremden ab, ohne den verlangten Preis zu zahlen. Sie würden die Staatssicherheit ge fährden, hieß es in einer offiziellen Erklä rung dazu. Keljos geriet in echte Wut, während er be richtete. Malthor beschloß, die günstige Ge legenheit und die Redseligkeit des Erzürnten
Clark Darlton auszunützen und stellte seine Fragen. Es war ihm klar, daß es in der schwimmenden Stadt nun vier gefangene Arkoniden gab, wenn gleich er sich nicht als richtigen Gefangenen betrachtete. Solange er seine Waffe hatte, konnten ihm die Julkas nichts anhaben. Er ließ sich das Aussehen der beiden an deren Gefangenen schildern, konnte aber nicht viel damit anfangen. Nur daß einer der beiden eine Frau war, das fand er mühsam heraus. Keljos fragte, ob er nun verschwinden dürfe, ehe man ihn hier entdeckte. »Beschreibe uns noch den Weg zum Ge fängnis, wo man die beiden Fremden fest hält!« Nun kam heraus, daß Keljos das auch nicht so genau wußte, sonst wäre er ja nicht hierhergekommen. Er hatte nur von der Ver handlung gehört und angenommen, es han delte sich dabei um »seine« Gefangenen. Immerhin meinte er: »Das eigentliche Gefängnis ist im oberen Teil eines Gebäudes, das mit diesem durch Gänge verbunden ist. Es ist das Gebäude ne benan. Nur eine Straße ist dazwischen. Sie führt zum Hafen.« »Du wirst uns führen!« Der Julka wehrte entsetzt ab. »Nein, nur das nicht! Man würde mich bestrafen und den Raubfischen vorwerfen. Ich habe euch alles gesagt, was ich weiß, ich habe euch geholfen, warum wollt ihr mich dafür töten?« Asmorth winkte Malthor zu. »Laß ihn, wir brauchen ihn nicht mehr. Wir finden den Weg schon allein.« Malthor zögerte, dann willigte er ein. Er deutete zur Tür. »Du kannst gehen, Händler. Aber sage niemandem, daß du bei uns warst.« »Alles, nur das nicht!« lautete etwa seine Antwort, als er sich durch den Türspalt zwängte und davoneilte, ohne den Riegel wieder vorzulegen. Das hatte er in der Hast vergessen. Malthor sah Asmorth an. »Sollen wir? Oder ist es nicht vernünfti
Revolte der Parias ger, erst einmal die Entscheidung der Julkas abzuwarten?« »Nein, das glaube ich nicht. Die kommen doch nur wieder mit ihren Quallen, die sie uns auf den Kopf setzen wollen. Ich habe Quallen noch nie gemocht!« »Na schön, versuchen wir es eben«, er klärte Malthor sich einverstanden, als sie Schritte näher kommen hörten. Die Schritte stockten plötzlich. Man hatte die offene Tür entdeckt. Malthor grinste Asmorth zu und entsi cherte seine Waffe. Zwei Julkas spähten vorsichtig in den Raum und schienen überrascht zu sein, daß die Gefangenen noch vorhanden waren. Ehe er eine entsprechende Frage stellen konnte, sagte Malthor: »Verschwindet, aber schnell!« Er unter strich seine Aufforderung mit einem Schwenk seines Strahlers. »Wir haben zu tun.« Die beiden Julkas wichen entsetzt zurück, verschwanden auf dem Gang und rannten davon, so schnell es ihnen ihre Schwimmfü ße erlaubten. »Nichts wie los!« forderte Asmorth sei nen Freund auf. »Ehe sie Alarm schlagen können, müssen wir unterwegs sein.« Es war ungemein schwer, sich in dem Ge wirr der Gänge zurechtzufinden. Endlich erreichten sie das Ende der Korri dorstraße. Sie führte auf die Schwebestraße unter freiem Himmel, die wiederum unten beim Hafen endete. Bisher war ihnen niemand begegnet, aber nun ließ sich eine Entdeckung ihrer Flucht nicht mehr verheimlichen. Die Straße wim melte von Julkas, von denen einige die Fremden sofort sahen und die anderen auf sie aufmerksam machten. Malthor und Asmorth hielten ihre Waffen schußbereit in den Händen und hofften, al lein ihr Anblick würde genügen, die Julkas von unüberlegten Handlungen abzuhalten. Ruhig gingen sie weiter und stellten be friedigt fest, daß die Stadtbewohner ihnen auswichen und jeden Kontakt vermieden. Ih
11 re Ankunft in Asgajol mußte sich bereits herumgesprochen haben, ebenso wie die Ge fährlichkeit ihrer Waffen. Jedenfalls unter nahm niemand den Versuch, sie aufzuhalten. Sie überquerten die Straße und ver schwanden in dem breiten Gang, der ins Nachbarhaus führte. In diesem Gebäude mußte sich der Beschreibung Keljos nach das Gefängnis der anderen beiden Arkoni den befinden. Im oberen Teil, hatte der Händler behaup tet. Es gab primitive Kabinenlifte, aber die Arkoniden zogen es vor, schräg nach oben verlaufende Gänge zu benutzen. Mehrmals öffneten sie Türen und sahen in die darun terliegenden Räume, aber sie fanden nicht, was sie suchten. Einmal scheuchten sie zwei Julkas auf, die ohne jeden Zweifel unter schiedlichen Geschlechtes waren. Asmorth grinste und schloß schnell die Tür. Als sie ein Stockwerk höher in einen brei ten Verteilerkorridor einbiegen wollten, wurden sie von einem Kugelhagel empfan gen. Die Geschosse explodierten beim Auf prall und schickten winzige Splitter in alle Richtungen. Malthor fiel auf den Boden und rollte sich in Deckung. Asmorth warf sich ebenfalls hin und kroch ein Stück zurück in den Gang, aus dem sie gekommen waren. »Sie haben uns erwartet«, keuchte er überrascht. »Warum ausgerechnet hier?« Malthor schob sich ein wenig vor, bis er in den Korridor sehen konnte. »Wahrscheinlich sind wir ganz in der Nä he des Gefängnisses, und die Julkas wollen verhindern, daß wir Kontakt mit den ande ren Arkoniden aufnehmen. Vielleicht be fürchten sie eine Befreiung, denn schließlich haben wir die Strahler.« »Zeigen wir ihnen doch mal, was sich da mit anfangen läßt«, schlug Asmorth hitzig vor. Malthor nickte zögernd und duckte sich, als eine neue Salve durch den Korridor peitschte. »Wir wollen Blutvergießen vermeiden, Jörn. Das würde sie nur noch mehr aufbrin
12 gen, aber wir sollten ihnen demonstrieren, welche Zerstörungen wir anrichten können. Daraus werden sie schon die richtigen Schlüsse ziehen, hoffe ich.« »Schmelzen wir den Boden zu ihren Fü ßen …« Als eine kurze Feuerpause eintrat, schos sen sie aus liegender Position in Richtung der schlecht versteckten Schützen. Sie waren absolut nicht sicher, ob sie nicht doch je manden zufällig trafen, aber das Risiko mußten sie eingehen. Jedenfalls begann es im Korridor an Decken und Wänden zu bro deln. Die Verkleidung verschmorte, und ver flüssigtes Gestein tropfte herab. Eine neue Salve war die Antwort. Dies mal lagen die Einschläge schon näher. Die Splitter flogen den beiden Arkoniden förm lich um die Ohren. »Freches Pack!« schimpfte Asmorth und zog sich zurück. »Wollen die denn nichts lernen?« »Sie kämpfen wie Roboter«, sagte Malt hor und machte aus seiner Überraschung keinen Hehl. »Vielleicht werden sie dazu gezwungen.« »Dann müssen wir sie betäuben, Gerlo …« »Bleibt uns wohl kaum etwas anderes üb rig, wenn wir weiterkommen wollen.« Sie stellten ihre Strahler entsprechend ein, schoben sich wieder bis zum Korridor vor und nahmen Ziel. Die Julkas waren in dem Schein der übriggebliebenen Lampen deut lich zu erkennen. Auf Deckung schienen sie keinen Wert zu legen. »Jetzt!« befahl Malthor und begann zu feuern. Die Energiebündel bestrichen die ganze Länge des Korridors und erfaßten die Julkas, die sofort paralysiert zusammensackten und bewegungslos liegenblieben. Einer, der ein wenig abseits stand, ließ sein Gewehr fallen und floh in die entgegengesetzte Richtung. Als Asmorth ihn ebenfalls lähmen wollte, sagte Malthor: »Laß ihn, Jörn! Es ist gut, wenn er den anderen berichtet, was hier passiert ist. Dann
Clark Darlton werden sie vorsichtiger sein.« »Ist das nicht gefährlich für uns?« »Ich glaube nicht. Vielleicht kommen sie endlich auf die Idee, mit uns zu verhan deln.« Asmorth erhob sich, als er sich davon überzeugt hatte, daß keine Gefahr mehr drohte. »Du kannst recht haben, Gerlo. Suchen wir weiter nach dem Gefängnis.« »Ja, ehe sie sich von ihrer Überraschung erholen können.« Es war nur logisch, daß sie in der Rich tung suchten, aus der die Angreifer gekom men waren. Wenn es in diesem Gebäude überhaupt ein Gefängnis gab, wie Keljos be hauptet hatte, – dann hier. Flüchtig nur untersuchten sie die bewußt losen Julkas, von denen kein einziger ernst haften Schaden davongetragen hatte. In zwei oder drei Stunden würden sie wieder zu sich kommen. Rechts und links führten in regelmäßigen Abständen Nebengänge nach beiden Rich tungen. Da es keinerlei Hinweise gab, wo sich das Gefängnis befand, konnten Malthor und Asmorth nur auf gut Glück weitersu chen. Dabei verloren sie wertvolle Zeit. Zeit, in der die Julkas Gelegenheit finden konnten, einen besser organisierten Überfall zu planen. Am Ende des dritten Ganges, den sie durchsuchten und in jeden Raum sahen, standen sie in einem größeren Raum, der keinen weiteren Ausgang mehr besaß. Un schlüssig wollten sie schon wieder umkeh ren, als sie Schritte auf dem Gang hörten. Sofort machten sie sich zur Verteidigung be reit, obwohl sie praktisch in einer perfekten Falle saßen. Sie konnten den Raum nur wie der durch den Gang verlassen. »Warte noch«, sagte Malthor, als er die Julkas auftauchen sah. »Sie sind unbewaff net – wenigstens kann ich nichts dergleichen entdecken. Vielleicht wollen sie verhan deln.« »Dann sollen sie es rechtzeitig sagen«, knurrte Asmorth und entsicherte seine Waf
Revolte der Parias fe. Die Julkas kamen zögernd näher. »Der dicke Händler ist bei ihnen!« stellte Malthor erstaunt fest. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß er den Verräter spielt, dazu hat er eine zu große Wut auf die offiziellen Vertreter.« »Sie werden ihn zwingen«, vermutete As morth mißtrauisch. Schon von weitem rief Keljos: »Sie wollen mit euch reden! Es dürfte in teressant für euch werden …« Malthor trat einen Schritt auf den Gang hinaus, die Waffe auf die Näherkommenden gerichtet, die sofort haltmachten. »Na schön, reden wir. Kommt noch etwas näher, aber nicht zu nahe.« Zehn Meter vor dem Gangende blieben sie stehen. Einer der Julkas, der eine Art Mappe unter dem Arm trug, gab Keljos einen Stoß und ging mit ihm weiter, bis er fünf Meter vor den Arkoniden stand. Er nickte dem Händler zu, und Keljos sagte: »Sie haben mich zum Dolmetscher er nannt, weil ich ein paar Brocken eurer Spra che kenne. Ihr sucht das Gefängnis, in dem die beiden anderen Fremden festgehalten werden?« »Sicher, was sonst?« Malthor überzeugte sich, daß Asmorth hinter ihm die Gruppe der Julkas nicht aus dem Auge ließ. »Führt uns zu ihnen, dann gibt es keinen Ärger mehr zwischen uns. Ihr werdet verstehen, daß wir wissen wollen, wer die beiden Gefangenen sind.« »Das verstehen wir«, gab der Anführer der Julkas über Keljos zurück. »Darum ha ben wir beschlossen, euch zu den Gefange nen zu lassen, die angeblich von diesem Händler gekauft wurden, was natürlich un zulässig ist.« »Und warum stehen wir noch hier her um?« erkundigte sich Malthor. »Ihr müßt eure Waffen abgeben!« »Nie und nimmer!« sagte Malthor. »Die geben wir keine Sekunde aus der Hand. Sie sind die Garantie unserer Freiheit, und ihr
13 wißt, was sie vermögen. Es wäre auch zu ge fährlich für euch selbst, wenn ihr die Waffen bekämt. Ihr könnt nicht damit umgehen.« Der Julka öffnete seine Mappe und zog etwas daraus hervor. »Ihr werdet uns eure Waffen geben müs sen, wenn ihr die Gefangenen sprechen wollt. Hier sind Fotos von ihnen. Kennt ihr sie?« Malthor nahm die beiden großformatigen Bilder. Er warf nur einen Blick darauf und fuhr erschrocken zurück. Auch Asmorth, der die Fotos sah, verbarg seine Überraschung und Enttäuschung nicht. »Atlan, der Chef!« »Und die Astronomin Helgh, wenn ich mich recht erinnere«, fügte Malthor hinzu. »Wie können die beiden denn in die Gefan genschaft der Julkas geraten sein? Wahr scheinlich bei dem Überfall auf die Sied lung.« »Richtig«, bestätigte der Händler, dem die ganze Angelegenheit sichtlich unangenehm war. Der Julka-Anführer sagte: »Aha, ihr kennt die Gefangenen also, und der Mann scheint besonders wichtig zu sein. Gebt eure Waffen ab, dann könnt ihr zu ih nen.« »Sie kennen unsere Entscheidung!« wehr te Malthor plötzlich sehr förmlich, weil er sich davon mehr Überzeugungskraft ver sprach. »Wir werden die Waffen in jedem Fall behalten.« Der Julka schob die Fotos wieder in die Tasche und trat den Rückzug an. Keljos folgte ihm bis zu der Gruppe, wo man heftig auf ihn einredete. Dann drehte er sich um und rief: »Sie wollen ihre beiden Gefangenen tö ten, wenn ihr die Waffen nicht abgebt!« Malthor biß sich auf die Lippe, bis sie zu bluten begann. Er wußte nun, daß Asmorth und er einen Fehler begangen hatten. Die Julkas begannen zu ahnen, daß sie mit ihren beiden Gefangenen einen unschlagbaren Trumpf in den Händen hielten. »Das ist Erpressung!« rief er wütend zu
14 rück. »Ja, das ist es!« bestätigte der Julka kühl. Malthor sah Asmorth an, der seine Waffe unschlüssig auf die Julkas gerichtet hatte. Man konnte seine Gedanken leicht erraten. Er spielte mit der Möglichkeit, die ganze Delegation schlafen zu legen. Aber dann mochte er wohl einsehen, wie sinnlos das war. Mit Sicherheit gab es heimliche Beob achter, die nach einem solchen Vorfall die Drohung wahrmachen und die beiden Ge fangenen töten würden. Malthor hatte sich in seinem ganzen Le ben noch nie so hilflos gefühlt. Er wußte, daß er selbst ein Gefangener war, wenn er sich von seinem Strahler trennte. Dann wür de man ihnen auch die übrige Ausrüstung abnehmen. Hilflos waren sie den Julkas dann auf Gnade und Ungnade ausgeliefert. Auf der anderen Seite war es unendlich wichtig, mit Atlan direkten Kontakt herzu stellen. Die Frage blieb nur, ob die Julkas ihr Wort hielten oder nicht. »Wenn wir euch die Waffen geben, dür fen wir mit den Gefangenen sprechen?« ver gewisserte er sich. »Gibt es Garantien?« »Unser Wort«, sagte der Anführer. Asmorth ließ den Strahler sinken. »Ich fürchte, wir haben keine andere Möglichkeit, Gerlo. Sollen sie uns doch ein sperren, wenn sie wollen. Zusammen mit Atlan wird uns schon etwas einfallen.« Er hatte so leise gesprochen, daß ihn au ßer Malthor niemand verstehen konnte. Malthor stimmte schließlich zu. Sie legten ihre beiden Strahler vor sich auf den Boden, behielten aber das leichte Flugaggregat und den Rest der Ausrüstung. Die Julkas mach ten ihnen durch Zeichen klar, daß sie näher kommen sollten. Zwei gingen an ihnen vor bei und bezogen vor dem Raum Posten. Die Waffen ließen sie liegen. Kaum hatten die beiden Arkoniden die Gruppe erreicht, als sie von den Julkas um ringt wurden. Aber man rührte sie nicht an. »Das da muß auch hier bleiben!« befahl der Anführer und deutete auf den Tragesack mit der Ausrüstung. »Ihr werdet später alles
Clark Darlton zurückerhalten.« »Es sind keine Waffen«, versuchte Malt hor die Ausrüstung zu retten. »Legt es auf den Boden!« Der Anführer ließ sich nicht beeindrucken. »Es muß hier bleiben!« Seufzend taten sie dem Julka den Gefal len. »Gehen wir!« Einige Julkas übernahmen die Spitze der Prozession, andere übernahmen die Rücken deckung. Es ging den Gang bis zum Haupt korridor zurück, dann in einen Lift. Er brachte sie einige Stockwerke höher, und hier sah es schon eher nach einem Gefängnis aus. Alle Türen waren aus dicken Holzboh len und mit schweren Riegeln versehen. Überall standen Wachtposten mit Gewehren. »Das hätten wir auch gleich finden kön nen«, murrte Asmorth und verbarg seinen Ärger nicht. »Mit Waffen!« »Zu spät jetzt, Jörn. Warten wir ab, ob sie ihr Wort halten.« Vor einer Tür, die aussah wie alle ande ren, machte die Gruppe halt. Jemand schob den Riegel aus der Halterung. »Die Gefangenen sind in dem Raum da hinter«, sagte der Anführer. »Geht hinein und sprecht mit ihnen. Ihr habt viel Zeit.« Die Tür wurde aufgestoßen. Bevor Malt hor weiterging, sah er in den Raum dahinter und erkannte sofort Atlan, der auf einem Bett saß und ihm entgegensah. »Komm, Jörn«, sagte er nur und betrat den Raum. Hinter ihm schloß sich die Tür mit einem dumpfen Laut. Der Riegel wurde wieder vorgeschoben. Dann entfernten sich die Schritte der Julkas. »Da wären wir also wieder beisammen«, sagte Atlan, aber es klang nicht sonderlich erfreut. Algonia nickte nur schweigend von ihrem Lager aus den beiden Arkoniden zu. »Und ohne Waffe und Ausrüstung, wie ich sehe.« Malthor erklärte es ihm und schloß: »Wir wollten nicht riskieren, daß sie ihre Drohung wahrmachten, Atlan. Aber ich
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würde an Ihrer Stelle nicht so pessimistisch sein. Einige Kleinigkeiten haben sie uns doch nicht abgenommen.« Endlich sagte auch Algonia etwas: »Ich habe Hunger!« »Dagegen gibt es ein gutes Mittel – hier!« Malthor zog einen Konzentratwürfel aus der Tasche. Algonia fiel über den Konzentratwürfel her. Kauend meinte sie: »Ich fühle mich schon besser. Nun kön nen wir Pläne machen.« Atlan deutet auf den freien Platz neben sich. »Und nun berichten Sie ausführlich, bit te.«
2. Der Julka Assark kehrte nach einem ge fährlichen Ausflug in die belebten Viertel von Asgajol in das geheime Hauptquartier der Ausgestoßenen zurück. Dabei mußte er lange Strecken überfluteter Korridore und Unterwasserstraßen durchschwimmen. Das Risiko, das er auf sich nahm, war aber das Ergebnis wert. Er hatte manches über die vier gefange nen Fremden erfahren, und besonders wich tig erschien ihm die Tatsache, daß man zwei von ihnen das Moglio aufpflanzen wollte, ihre Körper aber die erwünschte Symbiose nicht annahmen. So wie es auch bei ihm, Assark, gesche hen war. Er mußte tief hinab ins Meer tauchen, um das letzte Hindernis zu bewältigen. Hier gab es Raubfische, aber sie waren seltener ge worden. Das ins Wasser geleitete Gift blieb nicht ohne Wirkung. Für die Julkas war es unschädlich. Bei einer der hoch hinaufragenden Klip pen, dem Gipfel eines Unterwassergebirges, machte er eine Pause. Über ihm waren mehr als zweihundert Meter klares Wasser. Gegen das allerdings nur noch schwach schim mernde Licht der Sonne konnte er den dunklen Schatten der schwimmenden Stadt
erkennen, die mit mächtigen Trossen an den Klippen verankert war. Seit Jahren lebte Assark nun mit seinen anderen Freunden, den Ausgestoßenen, in einem abgelegenen Teil der Stadt, tief unter der Oberfläche und in Räumen, die nur durch überflutete Gänge erreichbar waren. Für die Julkas zwar kein Hindernis, aber im merhin doch ein Schutz gegen Überra schungsangriffe. * Der Befehl der Regierung lautete zwar, daß sie zum Festland sollten, um sich dort getrennt vom übrigen Volk der Julkas anzusiedeln, aber die meisten der Pa rias zogen es vor, in der Stadt zu bleiben. Wenn man sie antraf, mußten sie mit Depor tation zum Festland oder manchmal auch mit der Todesstrafe rechnen. Assark schwamm weiter und tauchte in einem trockenen Korridor auf. Er ging ein Stück, verschwand in einem Wassertunnel und erreichte endlich sein Ziel, wo er von den anderen bereits mit Ungeduld erwartet wurde. Tapod, sein bester Freund, eilte auf ihn zu. »Über das Radio war kaum etwas zu er fahren, Assark. Wir hoffen, du bringst mehr Einzelheiten über die Fremden.« »Man hat sie gefangen, auch die beiden, die zuletzt kamen. Und man hat ihnen die Waffen abgenommen – aber ich weiß, wo sie sind.« »Die Gefangenen oder die Waffen?« »Beides, Tapod. Wenn wir mit ihnen re den wollen, müssen wir sie befreien. Sie sind Ausgestoßene wie wir, denn ihr Körper geht keine Symbiose mit dem Moglio ein. Also könnten sie wertvolle Bundesgenossen für uns werden.« »Kampf den Gnohlen!« rief Tapod den Schlachtruf der Parias aus. Die anderen, die neugierig herbeigekommen waren, antworte ten ihm mit dem gleichen Fanatismus: »Kampf den Gnohlen …!« »Wie sollen wir vorgehen?« fragte einer von ihnen. Assark versuchte es zu erklären: »Es ist sinnlos, wenn wir zu viele sind.
16 Zwei genügen, und ich schlage Tapod und mich vor. Ich kenne das Gefängnis, denn ich war lange genug dort. Wir müssen zwei Wärter finden, denen wir die Uniformen und Gewehre wegnehmen. Dann befreien wir die Fremden und bringen sie hierher. Alles wei tere ergibt sich aus dem Gespräch, das wir mit ihnen führen werden.« »Und du glaubst, wir können ihnen ver trauen?« fragte einer der Parias, ein schon älterer Julka ohne Moglio. »Sie müssen uns vertrauen, das ist unsere Sicherheitsgarantie! Ohne uns könnten sie noch jahrelang im Gefängnis sitzen, ohne je wieder herauszukommen. Sie sind Fremde, nicht von dieser Welt. Die Gnohlen werden versuchen, Kontakt mit ihnen aufzunehmen, denn sie werden wissen wollen, warum ihre Körper das Moglio nicht akzeptieren.« »Vergeßt die Waffen nicht!« mahnte ein anderer. »Zuerst die Fremden!« gab Assark ent schlossen zurück. »Die Waffen holen wir später.« Eine längere Diskussion folgte, in deren Verlauf der Plan der Parias und ihre Motive klar wurden. Sie wollten die Herrschaft der Gnohlen brechen, obwohl sie selbst nicht wußten, was ein Gnohle war und wo er sich aufhielt. Die Überlieferung behauptete, jede Stadt würde nur von einem einzigen Gnoh len beherrscht. Ihn mußte man finden und unschädlich machen, um dem Volk der Jul kas die Freiheit zurückzugeben. Die Moglios waren nichts anderes als Symbionten, die alle Befehle eines Gnohlen weitergaben und ihre Durchführung erzwan gen. Wer kein Moglio auf dem Kopf hatte, ge horchte diesen Befehlen nicht. »Früher oder später«, sagte Tapod, als er mit Assark allein war und sich mit ihm zu sammen auf die Befreiungsaktion vorberei tete, »werden sie dieses Versteck finden, dann müssen wir abermals fliehen, wie schon so oft. Wenn sie wissen, daß wir es waren, die die Fremden aus dem Gefängnis holten, werden die Raubfische wieder satt.«
Clark Darlton »Die Revolte ist geplant und wird durch geführt, Tapod. Es spielt keine Rolle mehr, ob sie dieses Versteck finden oder nicht. Schlimm ist nur, daß wir keine Ahnung ha ben, wo wir ansetzen müssen, um einen Gnohlen zu finden. Er ist irgendwo in dieser Stadt. Aber wo?« »Wir haben Hinweise!« »Richtig, aber keine Beweise!« Schweigend machten sie sich fertig. Um nicht sofort aufzufallen, wenn sie anderen Julkas begegneten, setzten sie dunkle Pelz kappen auf. Darunter konnten sehr gut ihre Moglios verborgen sein. Wasserdicht verpackt nahmen sie Revol ver und Munition mit, um sich notfalls einer Festnahme widersetzen zu können, wenn die Übermacht nicht zu groß war. Von den guten Wünschen ihrer Freunde begleitet, verschwanden sie schließlich in ei nem der Gänge und tauchten in das dunkle Wasser hinab, das in diesem Fall die einzige Verbindung zu jenem Teil der Stadt herstell te, zu dem sie wollten. Einmal begegneten sie einer schwimmenden Patrouille. Es waren vier mit Harpunen bewaffnete Julkas, die das Abzeichen der Polizei trugen. Im ersten Augenblick hatte es den Anschein, als wollten sie die beiden Männer kontrollieren, wahrscheinlich des halb, weil sie von weitem kein Moglio auf ihren Köpfen schimmern sahen. Dann aber, als sie nahe genug herangekommen waren und die Pelzkappen bemerkten, ignorierten sie Assark und Tapod, die mit ihrem un durchsichtigen Beutel so aussahen, als hät ten sie Einkäufe für die wartende Familie getätigt. Als sie in einem Nebenhafen wieder auf tauchten, meinte Tapod: »Das war knapp. Was wäre gewesen, wenn sie verlangt hätten, wir sollten die Kappen abnehmen?« »Wir hätten sie getötet«, erwiderte Assark kalt. Sie stiegen aus dem Wasser und benutzten die trockene Straße, die vom Hafen weg führte. Assark kannte sich hier bestens aus,
Revolte der Parias und für jeden unbefangenen Beobachter mußten sie zwei völlig normale Julkas sein, die nach Hause gingen. »Es ist das Gebäude links, das nächste am Wasser.« Tapod studierte es, während sie sich dem bezeichneten Haus immer mehr näherten. Eine Seitenstraße führte direkt in das hohe Gebäude hinein, auf dessen Kuppeldach eine lange, dünne Funkantenne befestigt war. Eine Funkstation der Regierung! Funk war auf Ketokh erst kürzlich erfun den worden und stand am Anfang seiner Entwicklung. Nur privilegierte Julkas besa ßen die entsprechenden Apparate. Endlich erreichten sie das Gebäude und atmeten erleichtert auf, als sie in dem Korri dor standen. »Es ist im oberen Teil«, teilte Assark sei nem Gefährten noch einmal mit. »Das einzi ge Problem ist, jetzt zwei Wärter ohne Auf sehen zu überwältigen …« »Warum müssen wir das eigentlich?« »Weil wir ohne die Uniformen hundert mal angehalten werden, sobald wir den ver botenen Gebäudeteil erreichen. Und später, wenn wir die Gefangenen dabei haben, kämen wir ohne Uniform und Gewehre nicht sehr weit.« Tapod stellte keine Fragen mehr. Er wuß te, daß Assark den Plan gut ausgearbeitet und dabei nichts vergessen hatte. Man konn te sich auf ihn und seine Intelligenz verlas sen, außerdem kannte er alle Tricks, die ein Paria benötigte, um überleben zu können. Sie fuhren mit dem Lift in die Höhe. As sark wählte das Stockwerk, in dem er eine offizielle Regierungsstelle wußte, die auch für normale Julkas zugänglich war. Dort fie len sie am wenigsten auf. Und manchmal verirrten sich die Gefäng niswärter hierher. Sie kamen dann allein oder höchstens zu zweien. Allerdings nicht immer mit ihren Waffen. Vor den Türen der Amtsstuben drängten sich die Julkas, um Zutritt zu erhalten. Dabei ging es nicht immer gerade fair zu. Die weiblichen Julkas wurden meist zurückge
17 stoßen und mußten warten. »Da hinten ist einer«, flüsterte Tapod. »Ich habe ihn schon gesehen, mein Freund. Warte hier auf mich. Wenn ich zu rückkomme, habe ich mich ein wenig verän dert.« Er nahm den Revolver aus dem Beutel und verbarg ihn unter dem Pelzkäppi, das entsprechend gefertigt worden war. »Der Bursche hat sein Gewehr nicht dabei – um so besser.« Tapod sah Assark mit gemischten Gefüh len nach. Hinter dem Wärter verschwand er auf der Toilette.
* Bereits am zweiten Tag war Algonia zu schwach, um freiwillig aufzustehen. Sie blieb einfach im Bett liegen. Atlan wußte, daß es weniger Schwäche aus Hunger als aus Verzweiflung war. Die Ungewißheit zehrte an Nerven und Kräften. Nur die Jul kas, die das nahezu ungenießbare Essen brachten, hatten sich sehen lassen und auf keine Frage eine Antwort gegeben. »Sie lassen sich verdammt viel Zeit«, stellte Malthor wütend fest. Und Asmorth meinte unbeherrscht: »Wir hätten sie umbringen sollen, statt nur zu betäuben. Dann wären sie vorsichti ger gewesen.« Atlan schüttelte den Kopf. »Nicht so hastig mit Ihren Entschlüssen und Urteilen, Asmorth. Wir wissen jetzt, daß die Julkas nichts als bedauernswerte Sklaven sind, die nicht nach eigenem Ermessen han deln, sondern zu ihren Entscheidungen und Taten gezwungen werden. Wir müssen die Quelle des geistigen Terrors finden und un schädlich machen.« »Einen Gnohlen?« wunderte sich As morth. »Einen oder alle!« erwiderte Atlan kurz angebunden. Die Zeit verging unendlich langsam und in quälender Untätigkeit. Atlan machte sich Sorgen um Fartuloon und die anderen, die in der Siedlung zurückgeblieben waren. Was
18 für Unsinn würde Akon-Akon noch anstel len, bis er einsah, daß er so nicht weiterkam? Und wenn er auf die Idee kam, mit der ISCHTAR zu starten … Die Folgen waren nicht auszudenken. »Sie lassen uns verhungern«, befürchtete Malthor, dessen Vorräte an Konzentraten zu Ende ging. »Wahrscheinlich werden wir uns doch noch an den Brei gewöhnen müssen.« Er deutete auf die Schüssel, die man ihnen gebracht hatte. »Vielleicht schmeckt das Zeug unter Wasser besser.« »Du scheinst eine schwache Abart von Galgenhumor entwickeln zu wollen«, stellte Asmorth fest und schüttelte sich, als er an den faden Geschmack des Julka-Essens dachte. »Immerhin ernähren sich die Julkas aus dem Meer, denn der Brei besteht aus Fi schen und Algen. Sehr nahrhaft, ohne Zwei fel, aber eben nicht unsere Geschmacksrich tung. Die Julkas wissen das natürlich nicht, also dürfen wir ihnen keine böse Absicht un terschieben.« Atlan schwieg dazu. Er hatte andere Sor gen, und die drehten sich in erster Linie um die ISCHTAR, Fartuloon und seine anderen Freunde, die in der Siedlung zurückgeblie ben waren, und um Akon-Akon, der sie alle in eine schlimme Lage gebracht hatte. Algonia war wieder eingeschlafen, ob wohl Malthor und Asmorth sich nicht gerade leise unterhielten. Nach Ortszeit mußte es jetzt Nacht sein, aber Atlan verspürte keine Müdigkeit. Unentwegt dachte er darüber nach, ob es sinnvoll war oder nicht, beim nächsten Mal die Julkas, die das Essen brachten, zu überwältigen und einen Flucht versuch zu unternehmen. Endlich hielten Malthor und Asmorth den Mund. Der Gesprächsstoff schien ihnen aus gegangen zu sein. In die Stille hinein glaubte Atlan plötzlich ein Geräusch gehört zu ha ben. Um diese Zeit war das ungewöhnlich, denn nachts kam sonst niemand zu ihnen. Aber draußen auf dem Gang war jemand. Vielleicht ein Wärter, der seine Runde machte …? Dann fiel etwas hin, dumpf und plat-
Clark Darlton schend. Es klang wie der Aufschlag eines Körpers. Wenig später knarrte der Riegel. Atlan gab den beiden Arkoniden ein Zei chen, ruhig zu sein. Er stand leise auf und stellte sich neben die Tür. Malthor und As morth blieben sitzen. Endlich war der Riegel entfernt. Die Tür öffnete sich vorsichtig, dann huschten zwei Gestalten in den Raum und verschlossen die Tür wieder. Das war der einzige Grund, warum Atlan nicht zuschlug, denn bisher hatten die Wär ter die Tür immer geöffnet gelassen, wenn sie das Essen brachten. Außerdem vermißte er bei den beiden Julkas, die Uniform tru gen, die üblichen Schüsseln. Aber sie waren mit zwei Revolvern bewaffnet, die im Gürtel steckten. Durch Zeichen gaben sie zu verstehen, daß niemand sprechen sollte und sie eine Er klärung abgeben wollten. Atlan, der sofort eine positive Entwicklung der Dinge ahnte, setzte sich wieder. Er wartete. Einer der Julkas in der Uniform der Wär ter nahm seine Mütze ab, dann ein Fellkäp pi. Er deutete auf die Spitze seines Kopfes, und Atlan sah, daß bei ihm das übliche Mo glio fehlte. Auch bei dem zweiten Julka fehlte das Symbol der Sklaverei. Langsam begriff Atlan. Er hatte es mit zwei Julkas zu tun, die nicht unter dem Ein fluß der geheimnisvollen Gnohlen standen. Die Verständigung war, wie immer, recht schwierig, aber nach und nach stellte sich heraus, daß die beiden falschen Wärter – sie hießen Assark und Tapod – gekommen wa ren, um die Fremden zu befreien. Sie baten um Vertrauen – und gleichzeitig um Hilfe. Atlan machte ihnen klar, daß sie keine Waffen besäßen, aber Assark gab zurück, das sei im Augenblick nicht so wichtig, man solle ihm und Tapod folgen. Sie wüßten einen Weg in die Freiheit. Die Arkoniden berieten sich, und Algo nia, die erwacht war, stimmte ohne Beden ken dafür, den beiden Julkas zu vertrauen. Auch Atlan sah ein, daß sie keine andere Wahl hatten, wenn sie nicht von sich aus
Revolte der Parias einen Fluchtversuch unternehmen wollten. Da schien es noch immer besser zu sein, von zwei Julkas begleitet zu werden, die sich in der schwimmenden Stadt auskannten. Malthor und Asmorth allerdings wollten den Fall zuerst durchdiskutieren, wurden je doch von Atlan unterbrochen: »Ihr könnt hier bleiben, wenn ihr wollt. Algonia und ich werden Assark und Tapod begleiten.« Das beendete die Diskussion der beiden. Assark öffnete vorsichtig die Tür und sah auf den Gang hinaus. Atlan sah einen Wärter bewußtlos am Boden liegen – das war der Fall, den er gehört hatte. Der Gang war leer. Hastig verließen sie ihre Gefängniszelle. Assark ging voran, dann die vier Arkoniden. Tapod machte den Schluß, den Revolver schußbereit in der Hand. Ein Lift brachte sie schnell nach unten, und wenn Atlan sich nicht verschätzte, muß ten sie sich bereits tiefer als die Oberfläche des Meeres befinden. Die Luft wurde feucht und kühl, aber sie blieb frisch. Sie traten auf einen nur schwach beleuch teten Gang. Assark winkte ihnen beruhigend zu und ging weiter. Er nahm Tapods Waffe und seine eigene, um sie in einem Beutel zu verstauen. Das bedeutete, daß keine unmit telbare Gefahr mehr drohte – und daß man sich dem überfluteten Teil der Stadt näherte. »Die Sauerstoffpatronen«, erinnerte Atlan die Arkoniden. Algonia war von der Aussicht, schwim men und tauchen zu müssen, nicht sonder lich begeistert, aber Atlan versicherte ihr, daß sie keine Angst zu haben brauchte. Die Julkas wußten, daß sie Landbewohner wa ren, und würden entsprechend vorsichtig sein. Eine diesbezügliche Frage wurde von Assark positiv beantwortet. Ein runder Schacht führte senkrecht in die Tiefe. Seitlich waren Steigeisen zu sehen, die zehn Meter unter dem Gangniveau in dunklem Wasser verschwanden. Assark zog eine kleine Lampe aus der Ta sche und ließ sie aufleuchten, gleichzeitig
19 kletterte er in den Schacht hinab. Atlan folg te ihm, dann kamen Algonia, Malthor, As morth und Tapod. Das Wasser war kühler als draußen im Meer. Die Julkas warteten, bis die Arkoni den ihre Sauerstoffpatronen bereithielten, dann nahmen sie die Befreiten an den Hän den und tauchten mit ihnen hinab. Es ging fast eine Minute waagrecht durch den überfluteten Korridor und einige größe re Räume, die ebenfalls mit Wasser gefüllt waren. Nach drei Minuten erreichten sie wieder die Oberfläche und konnten ein Stück trockenen Fußes weitergehen. Assark erklärte leise, daß sie den gefährlichsten Teil der Flucht noch vor sich hätten, daß es aber hier kaum noch Verfolger geben würde. »Wir müssen unter der Stadt hindurchtau chen. Es kann Patrouillen geben, aber auch Raubfische. Sie suchen hier oft nach Beute.« Wenig verlockende Aussichten, dachte Atlan, bemühte sich jedoch, seine Bedenken nicht zu zeigen, um Algonia nicht noch mehr zu entmutigen. Malthor und Asmorth verhielten sich ruhig und besonnen. Als sie abermals tauchen mußten, wurde das Wasser schon ein wenig heller. Seitlich drang ein rötlicher Schein von der Oberflä che herab – der Mond. Dann glitten sie, von den beiden Julkas gezogen, unter den dunklen Schatten der schwimmenden Stadt. Assark hatte die Lampe gelöscht. Er und Ta pod schienen genau zu wissen, wo sie waren und welchen Weg sie zu nehmen hatten. Sie, die Ausgestoßenen, lebten ständig im Unter grund und vor der Öffentlichkeit verborgen. Ihr Leben hing davon ab, daß man sie nicht entdeckte.-Das war zugleich eine Sicher heitsgarantie für die vier Arkoniden. Fast fünf Minuten lang blieben sie unter Wasser, und Atlan spürte, wie seine Glieder steif zu werden drohten. Er schaffte es kaum noch, die Sauerstoffpatrone alle halbe Minu te zum Mund zu führen, um einen beleben den und zugleich befreienden Atemzug zu tun. Den anderen erging es nicht viel besser. Endlich tauchten sie wieder auf. »Nur noch einmal«, gab Assark ihnen zu
20 verstehen. »Wir haben es bald geschafft.« Das letzte Hindernis war wieder ein über fluteter Tunnel, der jedoch nicht frei zu durchtauchen war. Zweimal gab es Metall gitter, die von Tapod mit einem Schlüssel geöffnet wurden. Ein gewöhnlicher Julka konnte hier nicht weiter, aber wahrschein lich würden Patrouillen ebenfalls die passen den Schlüssel besitzen. Sie tauchten auf, als das Licht durch das Wasser schimmerte. Einige Julkas erwarteten Assark und die befreiten Fremden. Sie schwenkten ihre Lampen zum Zeichen des Willkommens. Atlan, der genauer hinsah, konnte bemerken, daß keiner von ihnen ein Moglio auf dem Kopf sitzen hatte. Sie alle gehörten zu den Parias, den Aus gestoßenen der Gesellschaft. »Wir sind am Ziel«, sagte Assark und half Atlan, Algonia zu stützen, die noch schwä cher geworden war. »Ihr werdet Hunger ha ben.« »Bestimmt nicht!« ließ Asmorth sich vor laut vernehmen, sagte aber nichts mehr, als er Atlans warnenden Blick auffing. Die Luft in dem Gang, durch den sie nun geführt wurden, war nicht besonders gut, aber warm und trocken. Die Klimatisierung schien hier nicht zu funktionieren. Wahr scheinlich handelte es sich um einen Teil der Stadt, der offiziell nicht mehr benutzt wurde. Es ging leicht nach oben, dann wieder waagrecht weiter. Niemand sprach, viel leicht aus Furcht, daß die leeren Gänge den Schall zu weit trugen. Erst als sie eine schwere hölzerne Tür hinter sich ließen, ka men wieder Gespräche auf. Es war gelun gen, die vier Fremden zu befreien. Das war ein großer Erfolg für die Untergrundorgani sation. Nun endlich mußte es gelingen, die Herrschaft der Gnohlen zu brechen. Atlan verstand nicht viel von dem, was gesprochen wurde, aber er konnte sich einen Reim auf die Absichten der Parias machen. Sie, die Arkoniden, sollten die Ausgestoße nen bei ihrem Kampf um die Freiheit unter stützen. Dann würden sie zu ihrem Kugel-
Clark Darlton schiff auf dem Festland zurückkehren dür fen. Eine Hand wäscht also auch hier die an dere, dachte Atlan und fand den Handel ge recht. Die Frage war nur: Wer waren die Gnohlen? Waren sie überhaupt zu besiegen? Ihre Wanderung endete in einem verlasse nen Wohnblock, der nur einen Zugang be saß. Dieser wurde ständig bewacht. In einem größeren Raum hielten Assark und Tapod an. Sie deuteten auf Sitz- und Liegegelegen heiten und gaben zu verstehen, daß man sich von den Anstrengungen erholen solle. Zwanzig oder dreißig Julkas kamen her bei und betrachteten ihre neuen Verbündeten mit Skepsis und Neugier. Die Skepsis ent sprang wohl mehr der Frage, wie diese vier unbewaffneten Fremden ihnen helfen konn ten. Ihr Benehmen selbst war freundlich und hilfsbereit. »Wird Zeit, daß sie uns einiges erklären«, meinte Asmorth und setzte sich. »Das kommt noch früh genug«, beruhigte ihn Malthor. Das Essen, das sie brachten, war schmackhafter als die Gefängniskost. Jeden falls sättigte es, und selbst Algonia fühlte sich danach besser und gekräftigt. Assark kam und setzte sich zu ihnen. Mühsam kam eine Unterhaltung zustande. »Ihr gehört jetzt zu uns«, gab er ihnen zu verstehen. »Kampf und Tod den Gnohlen!« Atlan nutzte die Gelegenheit. »Wer sind die Gnohlen – und wo sind sie?« Sie erfuhren noch einmal, daß die Gnoh len die heimlichen Beherrscher der Julkas waren, die sie mit Hilfe der Moglios zum Gehorsam zwangen. Das aber wußten die meisten Julkas nicht. Nur jene, deren Körper die Annahme eines Moglios verweigerten, waren wissend und damit für die Gnohlen gefährlich. Ein Moglio wurde den Julkas bereits im Säuglingsalter aufgepropft. Manchmal kam es auch vor, daß der Säugling das Moglio akzeptierte, bis er älter wurde. Dann begann sich der Symbiont plötzlich dunkel zu färben
Revolte der Parias und fiel ab. Dann wurde es Zeit, daß der be treffende Julka im Untergrund verschwand, wenn er nicht ein ungewisses Schicksal er leiden wollte. »Und wer sind die Gnohlen?« wiederholte Atlan seine Frage. »Da wissen wir nicht, denn wir haben noch keinen gesehen. Aber wir wissen, daß es im verbotenen Teil der Stadt einen geben muß. Dort ist ein streng bewachter Raum, den niemand betreten darf, nicht einmal die Mitglieder der Regierung. Wenn es uns ge länge, bis dorthin vorzustoßen, könnten wir den Gnohlen vernichten.« Atlan dachte lange darüber nach. Der Ge danke, sich in die inneren Angelegenheiten eines fremden Volkes zu mischen, um die Gesellschaftsordnung zu verändern, war ihm zuwider. Auf der anderen Seite war ihm die se Gesellschaftsordnung, die auf Sklaverei basierte, noch weniger genehm. Die Ent scheidung konnte ihm daher nicht schwer fallen. »Wir werden euch helfen«, versprach er. »Aber wir benötigen unsere Waffen dazu, und unsere Ausrüstung, die man uns abge nommen hat.« »Ihr bekommt alles zurück«, sagte Assark mit einer Selbstsicherheit, die Atlan in Er staunen versetzte. »Ruht euch jetzt aus. Ihr seid frei – genauso frei wie wir im Unter grund. Unser Schicksal wird auch das eure sein. Ihr seid unter Freunden.« »Und wir sind hier sicher vor Verfol gern?« »Bis heute fanden sie dieses Versteck nicht«, versicherte Assark. »Und wenn sie es finden, werden wir ein neues suchen.« Als er und die anderen Julkas gegangen waren, streckten sie sich auf den Lagern aus. Die Müdigkeit wurde stärker als die Neu gier. Selbst Asmorth verzichtete auf seine üblichen Erklärungsversuche. Sie befanden sich in relativer Sicherheit, und auch das mochte dazu beitragen, daß sie in wenigen Minuten fest eingeschlafen wa ren.
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3. Wieder waren es Assark und Tapod, die sich auf den gefährlichen Weg zum Gefäng nis- und Regierungsgebäude machten, um die Forderung ihrer neuen Freunde zu erfül len. Sie nahmen zwei weitere erfahrene Jul kas mit, die ihnen helfen sollten. Sie führten einen großen, wasserdichten Beutel mit sich, der zur Aufnahme der Ausrüstung der Frem den dienen sollte. Assark rechnete damit, daß die gesuchten Gegenstände noch dort lagen, wo man sie den Fremden abgenommen hatte. Der Gnoh le würde es seinen Sklaven befohlen haben und erst später darüber entscheiden, was da mit geschehen sollte. Kein Moglioträger aber würde es wagen, den Befehl des Gnoh len zu ignorieren. Tief unter der schwimmenden Stadt, fast bei einer der Verankerungen, wurden die vier Julkas von zwei Raubfischen angegrif fen. Der Überfall erfolgte so überraschend, daß sie erst im letzten Augenblick das Ver teidigungsviereck bilden konnten. Die Raubfische, durch Erfahrung vorsich tig geworden, zögerten, als sie die blitzen den Messer sahen. Lauernd umkreisten sie die Gegner und suchten nach einer schwa chen Stelle. Einer glaubte endlich, sie gefunden zu ha ben und stieß blitzschnell zu. Die Bewegung war wenigstens für einen Fisch äußerst schnell, aber nicht für einen Julka. Tapod hielt sein Messer einfach nach vorn, und der Raubfisch spießte sich selbst auf. Er zog ei ne Wolke roten Blutes hinter sich her, als er davontorkelte und langsam nach unten sank, den unterseeischen Berggipfel entgegen, wo er zwischen den Felsklippen verschwand. Der andere Fisch zog sich etwas zurück, gab aber noch nicht auf. Assark löste das Verteidigungsviereck auf und schwamm direkt auf den Räuber zu, das Messer zum Stoß bereit. Aber er mußte nicht töten, denn der Raubfisch zog es vor, die ge fährlichen Gegner in Ruhe zu lassen. Mit
22 trägen Bewegungen schwamm er davon und tauchte irgendwo zwischen denen tief ins Wasser ragenden Gebäuden der Stadt unter. Die vier Julkas eilten weiter, von Assark angeführt. Der zweite Zwischenfall ereignete sich, kurz bevor sie den Einstieg nach Asgajol er reichten. Eine Patrouille kam ihnen entge gen. Es waren zwei uniformierte Julkas, mit schweren Harpunen bewaffnet und offen sichtlich auf der Suche nach Parias. Assark gab seinen Begleitern ein Zeichen, sich unbefangen zu verhalten. Alle trugen das Fellkäppi, um das fehlende Moglio zu vertuschen. Im ersten Augenblick konnten sie so auch keinen Verdacht erregen. Aber anscheinend hatte die Patrouille den Befehl, jeden Artgenossen zu kontrollieren, der außerhalb der Stadt angetroffen wurde. Die Flucht der Gefangenen mußte inzwi schen entdeckt worden sein. Mit Sicherheit vermutete man, daß die Ausgestoßenen da hintersteckten. Einer der Polizisten kam auf die Gruppe zu und gab zu verstehen, daß sie die Kappe abnehmen sollten. Das Moglio war der beste Ausweis. Und die Gruppe besaß kein Mo glio. Assark gab Tapod und den anderen das verabredete Zeichen, sich um den verblei benden Polizisten zu kümmern. Er selbst hielt sein Messer stoßbereit und achtete da bei auf die Harpune seines Gegenübers, der nur noch wenige Meter von ihm entfernt war. Er wußte, daß die anderen Parias war ten würden, bis er handelte. Mit der linken Hand zog er seine Mütze vom Kopf, und noch während der Polizist wie erstarrt den Schädel mit dem fehlenden Moglio betrachtete, glitt Assark mit einer schnellen Schwimmbewegung auf ihn zu und rammte ihm das Messer bis zum Heft in den Körper. Noch ehe der Polizist in die Tiefe sinken konnte, nahm er ihm die Har pune ab. Am liebsten hätte er ihm auch noch die Uniform ausgezogen, aber dabei wäre zuviel wertvolle Zeit verlorengegangen. Dem zweiten Julka der Patrouille erging
Clark Darlton es nicht besser. Von zwei Messerstichen ge troffen, versank auch er in der blauen Tiefe, allerdings mit seiner Harpune, die er krampfhaft festhielt. Die vier Parias schwammen weiter und erreichten ohne weiteren Zwischenfall den Einstieg zur Stadt. Mehrmals noch mußten sie überflutete Gänge und Viertel durchque ren, dann waren sie endlich am Ziel. Das bedeutete jedoch erhöhte Gefahr, denn mit Sicherheit war Alarm gegeben worden. Außerdem würde man sehr bald die beiden verschwundenen Polizisten vermis sen, wenn sie nicht pünktlich von der Pa trouille zurückkehrten. Auf dem Weg in die oberen Etagen be gegneten sie anderen Julkas, die jedoch kei ne Notiz von ihnen nahmen. Assark und sei ne Gefährten registrierten mit Erleichterung, daß im Gebäude selbst keine Kontrollen er folgten. Unbehindert gelangten sie zu dem Stockwerk, in dem man die beiden Fremden überrumpelt hatte. Vorsichtig erkundeten sie den Korridor, der in dem kleinen Saal endete, in dem die Ausrüstung noch liegen mußte. Die vier Po sten vor der nun geschlossenen Tür bestätig ten ihre Vermutung. Sie zogen sich in einen Nebengang zu rück, um ihre Angriffstaktik zu beraten. Ta pod war für den direkten Überfall, während Assark vorschlug, wenigstens zwei der Po sten von der Tür wegzulocken und separat unschädlich zu machen. Um so leichter, meinte er, würde man mit den beiden restli chen fertig. Der Plan fand die Zustimmung aller. Assark und einer der Julkas warteten, bis auf dem Korridor außer den vier Posten nie mand mehr zu sehen war, dann sprangen sie auf ein Zeichen hin plötzlich aus ihrem Ver steck und begannen zu rufen. Sie behaupte ten, einen der entflohenen Fremden in die sem Gebäudeteil gesehen zu haben. Wie erwartet, kamen zwei der Posten so fort herbeigelaufen. Sie hatten ihre Hand waffen gezogen und rannten, als sie um die Korridorbiegung liefen, in die gut vorberei
Revolte der Parias tete Falle. Tapod und sein Gefährte gingen nicht gerade sehr rücksichtsvoll mit ihnen um, denn alles hing davon ab, daß die zu rückgebliebenen Wärter nicht gewarnt wur den. »Zieht ihre Uniformen an«, riet Assark. Er selbst und der andere Julka gingen vor zum Ende des Korridors. Die beiden Posten sahen ihnen neugierig entgegen. »Ihr seid naß, also kommt ihr aus dem Wasser. Wo wollt ihr die Fremden gesehen haben?« »Nicht weit von hier, eure Freunde sind hinter ihnen her. Wahrscheinlich wollten sie sich ihre Waffen holen.« Die Entfernung betrug nur noch einige Meter. Einer der Posten zog seinen Revol ver. Assark wußte, daß er mit Sprengge schossen geladen war. In dem geschlossenen Korridor würde ein Schuß verheernde Fol gen haben. »Bleibt stehen!« Assark setzte alles auf eine Karte. »Na gut, wenn ihr uns mißtraut, können wir ja wieder gehen.« »Die Waffen?« sagte der andere Posten interessiert. »Niemand darf sie berühren …« »Und schon gar nicht die Fremden«, meinte Assark und sprang plötzlich den Jul ka mit dem Revolver an, während sein Ge fährte den anderen Posten einfach über den Haufen rannte und zum Schweigen brachte. Das ging alles so schnell, daß die Bewa cher der Ausrüstung keinen Laut von sich geben konnten. Assark überließ es dem an deren Paria, die Bewußtlosen in einen Ne benraum zu schleppen, während er selbst die Tür zum kleinen Saal aufbrach, in dem die Ausrüstung lag. Fast ehrfürchtig betrachtete er die beiden Strahlwaffen, von denen auch er schon Wunderdinge gehört hatte. Aber dann verlor er keine Zeit mehr. Hastig sammelte er alles ein und wartete, bis Tapod mit dem wasser dichten Beutel kam. Sie verstauten die Aus rüstung der Arkoniden darin und zogen sich dann um. Wenig später verließen vier uniformierte
23 Julkas das Gebäude und tauchten unbehin dert in den überfluteten Teil der Stadt hinab.
* Atlan nahm Asmorths Impulsstrahler und streichelte ihn fast zärtlich. Asmorth hinge gen machte ein bedenkliches Gesicht, denn er schien zu ahnen, daß er seine Waffe – für den Augenblick wenigstens – los war. »Was jetzt? Unternehmen wir auf eigene Faust einen erneuten Fluchtversuch?« fragte er. »Nein!« Atlan schüttelte langsam den Kopf. »Die Julkas haben ihr Wort gehalten und die Ausrüstung herbeigeschafft. Nun liegt es an uns, ebenfalls unser Versprechen zu halten und ihnen zu helfen.« »Aber die wissen doch selbst nicht, wo dieser Gnohle steckt!« »Sie wissen nicht einmal, wie er aussieht, Asmorth. Aber spielt das eine Rolle? Im merhin haben sie einen Verdacht, wo er sich aufhalten könnte. Wir haben die Energie waffen und sind damit den Moglioträgern überlegen. Warten wir ab, was Assark uns zu sagen hat – da kommt er gerade.« Sie hielten sich noch immer in dem Raum auf, in dem sie auch geschlafen hatten. Assark trug noch immer die erbeutete Uniform und den Revolver. Er setzte sich auf eine der hölzernen Pritschen. »Wir werden es noch heute nacht versu chen«, sagte er. Er deutete auf die Strahl waffen. »Werdet ihr uns begleiten?« »Wir versprachen es«, erwiderte Atlan. »Aber es werden nur zwei von uns mitkom men. Algonia wird hierbleiben, und Asmoth wird sie beschützen.« »Aber die Waffen nehmt ihr mit?« verge wisserte sich Assark. »Natürlich nehmen wir die mit. Wieviel seid ihr?« »Nur zwanzig von uns werden beteiligt sein. Wir hoffen, daß die Wachen nachts nicht verstärkt werden. Einer von uns kennt den Weg zu den verbotenen Räumen.« »Wann brechen wir auf?«
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Assark machte ihnen klar, daß es noch un gefähr drei Stunden dauern würde. Dann war Mitternacht. Hier im Innern der Stadt spielte das keine besondere Rolle, denn es gab künstliche Beleuchtung. Aber die Be wohner hielten sich noch immer an die alte und überlieferte Einteilung der Natur. Asmorth sah sehr unzufrieden aus, als er etwas später seinen Brei herunterwürgte. Malthor fragte ihn: »Warum so mißmutig, alter Freund? Sei doch froh, daß du hierbleiben und Algonia beschützen kannst? Wir können sie doch nicht allein zurücklassen, und mitgehen kann sie auch nicht. Außerdem finde ich, daß Algonia sehr hübsch ist …« Asmorth warf ihm einen wütenden Blick zu. Kauend meinte er: »Das verstehst du nicht, Gerlo! Du siehst doch selbst, daß sie einen Narren an Atlan gefressen hat, welche Chancen hätte ich da. Außerdem habe ich andere Sorgen. Ihr erle digt den Gnohlen, und ich hocke untätig hier herum. Das ist ungerecht!« »Erkläre das Atlan, der die Entscheidun gen trifft«, riet ihm Malthor und fügte hinzu: »Ich kann dich verstehen. Mir erginge es an deiner Stelle genauso. Hier kommt man sich vor wie in einer Falle. Ich begreife nie, wie die Parias auf die Dauer so leben können.« »Sie haben keine andere Wahl, Gerlo. Darum auch der Feldzug heute nacht. Und ich bin nicht dabei …!« »Paß gut auf Algonia auf!« bat Malthor. »Und jetzt werde ich noch ein Weilchen schlafen, damit ich nachher munter bin.« Er legte sich auf sein Lager, ohne eine Antwort abzuwarten. Asmorth blieb sitzen und starrte trübe vor sich hin. Es war, als ahnte er, was noch alles ge schehen würde …
* Assark und Tapod führten die Gruppe der Rebellen an. Es waren zwanzig Julkas, mit Revolvern
und Harpunen bewaffnet, die auch über Wasser lautlos ihre Geschosse versandten. In ihren Gürteln steckten Messer, und alle trugen als Tarnung ein Fellkäppi. »Bleiben genügend zur Bewachung hier zurück?« vergewisserte sich Atlan mit ei nem Blick auf Algonia. »Ich möchte nicht, daß ihr etwas geschieht.« »Sie ist sicher hier«, versicherte Assark. »Meine Freunde werden das Versteck mit ihrem Leben verteidigen, sollte es inzwi schen entdeckt werden. Aber wir dürfen nun keine Zeit mehr verlieren, denn der Weg ist weit. Die verbotenen Räume befinden sich im obersten Stockwerk des höchsten Gebäu des.« »Wenigstens kein Wasser diesmal«, meinte Malthor erleichtert. »Am Anfang schon«, dämpfte Tapod sei ne Freude. Der Abschied von Algonia und Asmorth war nur kurz. Beide wünschten Atlan und Malthor viel Glück bei dem gewagten Un ternehmen und ließen durchblicken, daß sie lieber dabei wären, statt hier zurückzublei ben. Dann setzte sich der Trupp in Bewegung. Sie passierten die Sicherheitssperren der Parias und mußten dann eine längere Strecke unter Wasser zurücklegen, was den Arkoni den dank der Sauerstoffpatronen nicht schwerfiel. Niemand begegnete ihnen, auch keine Polizeistreife. Der tiefliegende Teil der Stadt Asgajol schien wie ausgestorben. Atlan schätzte, daß sie mitten unter dem schwimmenden Komplex waren, als sie auf tauchten. Zu seiner maßlosen Verblüffung befanden sie sich im Teich eines wild wu chernden Parks, der von hohen Gebäuden umgeben war. Der rote Mond spendete nur spärliches Licht, aber es genügte, um die Silhouetten erkennen zu lassen. Leise schwammen sie ans Ufer und stie gen an Land. Das weiche Gras war unge wohnt, überhaupt schien der ganze Park ein Anachronismus in dieser sonst so sterilen Umgebung zu sein. Atlan sah und fühlte zum ersten Mal, seit er das Festland verlas
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sen hatte, wieder richtige Erde und Vegetati on. »Dort muß es sein«, flüsterte Assark, der stets in seiner Nähe geblieben war. »Der ho he, runde Turm. Es gibt nur einen Eingang.« »Woher wißt ihr das?« »Wir haben unsere Spione«, lautete die kurze Antwort. Sie sammelten sich am Rand des Teiches, dessen Uferdickicht Schutz bot. Malthor kam herbeigekrochen. Atlan unterrichtete ihn. »Der Turm?« wunderte sich der Naviga tor. »Das höchste Gebäude, das stimmt. Aber ich fürchte, es wird streng bewacht sein, wenn die Vermutungen der Rebellen stimmen.« »Wir schalten die Strahler auf Narkose, dann haben wir eine bessere Breitenwirkung – und töten niemand.« »Hoffentlich sind die anderen auch so rücksichtsvoll …« Assark gönnte seinen Leuten eine kurze Ruhepause, dann befahl er den Aufbruch. Die letzte Phase des Unternehmens begann, und keiner konnte ahnen, was ihnen bevor stand.
* Der Gnohle schlief niemals. Träge schwebte er in seinem mächtigen Behälter, der mit Meerwasser gefüllt war. Er und seine längst verschwundenen Ahnen ka men aus dem Ozean, und das Aquarium war nur ein schwacher Ersatz. Aber wenn er wei terhin diese Stadt beherrschen wollte, und das war seine Bestimmung, mußte er aushar ren. Dutzende von Leitungen, die von dem Behälter wegführten, verbanden ihn mit der Welt der Julkas, die ihm seit Urzeiten dienten. Über die Moglios strahlte er seine Befehle aus, die befolgt werden mußten. Da bei wäre es einfach gewesen, die Leitungen zu unterbrechen. Das aber konnte niemand wagen. Der Gnohle spürte, daß sich eine Gefahr
näherte, aber er war nicht in der Lage, sie zu spezifizieren. Er strahlte Warnimpulse ab, die von seinen Wächtern zwar empfangen, aber nicht klar verstanden wurden. Manchmal erinnerte sich der Gnohle, aber die Bilder waren vage und unklar. Einst war das weite Meer und seine phantastische Landschaft auf dem Grund seine Heimat ge wesen – oder nur die Heimat seiner Vorfah ren? Er wußte es nicht mehr so genau. So weit er klar zurückdenken konnte, lebte er in diesem Behälter, ein Herrscher und Diktator zwar, und trotzdem ein ewiger Gefangener. Die undefinierbare Gefahr kam näher. Vergeblich versuchte der Gnohle, Verbin dung mit ihr aufzunehmen, aber das gelang ihm kaum mit seinen Wächtern, die Befehle zwar befolgten, sie aber nur selten verstan den. Zwei von ihnen betraten nun alarmiert den runden Saal, den eine Kuppeldecke überspannte. Sie überprüften die Leitungen und machten sich an den Kontrollgeräten zu schaffen, die ringsum die Wand zierten. Doch sie schienen nichts finden zu können. Mit einem scheuen Blick auf den schwim menden Gnohlen verließen sie den Saal wie der. Die Wächter gehörten zu den wenigen Eingeweihten, die den Gnohlen sehen durf ten. Sie lebten in dem Turm und verließen ihn niemals. Nur so blieb das Geheimnis be wahrt, das wie eine Sage durch das Volk der Julkas geisterte. Von Kindheit an waren sie auf ihre Auf gabe vorbereitet worden, und sie wußten, daß sie im Turm auch eines Tages sterben würden. »Der Gnohle warnt«, sagte der eine Wächter zu seinem Kollegen. »Ich weiß es. Aber was sollen wir tun? Die Instrumente zeigen keinen Fehler im Versorgungssystem an. Alles ist in Ord nung.« »Wir sollten den anderen Bescheid sa gen.« »Warum? Sie empfangen die Befehle ge nausogut wie wir.« »Aber es ist Nacht. Die meisten schla
26 fen.« »Wir wecken den Kommandanten.« Der Kommandant, ein älterer Julka, nahm ihren Bericht entgegen und entsann sich ähnlicher Vorkommnisse vor langer Zeit. Damals hatte der Gnohle auch Warnimpulse ausgestrahlt, und dann wurde in den tiefen, überfluteten Räumen ein Stoßtrupp der Re bellen entdeckt. »Die Wachen müssen verdoppelt wer den«, ordnete er an. »Schickt Patrouillen aus! Eine soll die Wachen am Eingang ver stärken.« Als er wieder allein war, legte er sich er neut schlafen. Der letzte Versuch der Ausge stoßenen, bis zum Saal des Gnohlen vorzu dringen, lag schon viel zu lange zurück, um heute noch ernst genommen zu werden. Er selbst war damals noch jung gewesen, und ein einfacher Wächter. Seitdem war nichts mehr geschehen. Auch heute würde es ein blinder Alarm sein, davon war er überzeugt. Vielleicht wollte der Gnohle nur ihre Wachsamkeit te sten. Mit dieser beruhigenden Gewißheit sch lief er ein. Inzwischen wurden die Wachen verdop pelt, wie er es angeordnet hatte. Drei Pa trouillen machten sich auf den Weg, um das Innere des Turmes und seine unmittelbare Umgebung bis zur Mauer zu kontrollieren. Diese Mauer stellte zugleich die Grenze dar. Am Eingang hielten nun vier Julkas Wa che. Assark, der auf dem Rücken eines Julkas stand und über den Rand der Mauer blickte, bemerkte es mit leichter Besorgnis. Er sah auch die Patrouille über den Hof gehen und hinter dem Turm verschwinden. Er kletterte wieder herab. »Die Berichte, die wir erhielten, sprachen von nur zwei Wächtern. Eine Patrouille wur de nicht erwähnt. Ich fürchte, der Gnohle wurde gewarnt. Aber von wem?« »Ein Verräter?« vermutete Malthor. »Es kann keinen Verräter geben, weil kei ne Zusammenarbeit zwischen uns und den
Clark Darlton Moglios besteht. Wir sind Todfeinde. Jeder Kompromiß ist unmöglich.« »Ob zwei oder vier Wächter, welche Rol le sollte das schon spielen?« erkundigte sich Atlan. »Und was die Patrouille angeht, so bedeutet sie ebenfalls keine Gefahr, da wir von ihr wissen.« »Das ist es auch nicht«, gab Assark zu verstehen. »Aber die Tatsache, daß die Wachsamkeit verstärkt wurde, beunruhigt mich. Was sollen wir tun?« Atlan sagte zu Malthor: »Ich steige auf Ihren Rücken und sehe mir das an.« Vorsichtig blickte er über die Mauer. Der Hof war rund, in der Mitte erhob sich der Turm. Der Boden bestand aus einer glatten Masse, ähnlich Beton. Neben dem Ein gangsportal standen vier schwerbewaffnete Julkas. Links vom Turm kam wieder die Patrouil le zum Vorschein. Atlan flüsterte nach unten: »Bleiben Sie fest stehen, Malthor. Ich werde Wachen und Patrouille paralysieren, dann klettern wir über die Mauer. Assark, seid ihr bereit?« Der Julka nickte, Seil und Haltehaken wurfbereit. Atlan wartete, bis die Patrouille nur noch wenige Meter entfernt war, dann bestrich er sie mit dem lähmenden Energiebündel. Die Julkas sackten lautlos in sich zusammen und rührten sich nicht mehr. Noch ehe ihre Ka meraden beim Eingang Verdacht schöpfen konnten, erfaßte auch sie der Strahl und be täubte sie für mehrere Stunden. Sie hatten keine Gelegenheit mehr, Alarm zu schlagen. Keine zwei Minuten später standen sie al le im Innenhof und näherten sich dem Tur meingang. Sie hielten die Waffen schußbe reit, denn jeden Augenblick konnten andere Wächter auftauchen und das Feuer eröffnen. Die Parias nahmen den Bewußtlosen die Waffen ab. Dann drangen sie in den Turm ein. Sie ignorierten den Schacht, der nach un ten führte und wahrscheinlich im Meer en
Revolte der Parias dete. Dazwischen würde es Gittersperren ge ben. Da die Ausgestoßenen entsprechende Schlüssel besaßen, kam der Schacht im äu ßersten Notfall als Fluchtweg in Frage. Ein schräg nach oben verlaufender Rund korridor wies ihnen den Weg. Hier war noch keiner der Parias jemals zuvor gewesen, und auch Assark wußte nicht, wer ihnen die Be richte über dem Turm geliefert hatte. Es mußte schon lange her sein, aber erst die Fremden mit ihren Wunderwaffen hatte in ihm den Entschluß reifen lassen, die verbo tenen Räume mit dem Gnohlen aufzusuchen. Etwa auf halber Höhe des Turmes hielt Assark an. Er hob warnend seine freie Hand und lauschte. Auch Atlan hörte das Gemur mel von Stimmen. Es kam von oben. »Der Aufenthaltsraum der Wachen«, ver mutete Tapod. »Ja, das fürchte ich auch«, gab Atlan ihm recht. »Wir werden sie ausschalten müssen, sonst kommen wir nicht weiter. Ich gehe vor und erledige das. Malthor, kommen Sie mit.« Assark ließ sie nur ungern allein gehen, aber dann fügte er sich. Er sah ein, daß die Waffen der Fremden keinen Lärm machten, und Lärm würde endgültig den Alarm auslö sen. Unsicher sah er den beiden Arkoniden nach, die mit vorgehaltenen Strahlern wei termarschierten. Atlans Vermutung war richtig gewesen. Der nach oben führende Gang endete in ei ner Vorhalle, in deren Wand mehrere Türen eingelassen waren. Eine stand weit offen. Aus dem Raum dahinter kam das Gemurmel der Stimmen. Er nickte Malthor zu und ging weiter. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Art Bereitschaftsdienst, denn die Julkas wa ren arglos. Sie verließen sich voll und ganz auf ihre Kollegen, die jetzt im Dienst waren. Keiner schien mit einer wirklichen Gefahr zu rechnen. Ohne jede Verabredung handelten Atlan und Malthor gemeinsam und zugleich. Leise betraten sie den Raum und erblickten etwa ein Dutzend uniformierte Julkas, die an zwei
27 Tischen saßen und aßen. Um ihre Schultern hingen nasse Decken. Waffen und andere Ausrüstungsgegenstände lagen auf einem dritten Tisch griffbereit. Einer sah auf und entdeckte die Eindring linge. Er war so verblüfft und wahrscheinlich auch erschrocken, daß er keiner Bewegung und keines Lautes fähig war. Mit seinen großen Fischaugen starrte er die beiden Ar koniden nur an. Atlan eröffnete noch vor Malthor den Pa ralysebeschuß. Die Energiebündel füllten den Raum völlig aus. Nicht einer der Über raschten gab auch nur einen Laut von sich. Alle waren auf der Stelle für Stunden ge lähmt. Assark, der nun zum zweiten Mal die für ihn unfaßbare Wirkung der fremden Waffen erlebte, hielt mit seiner Begeisterung nicht zurück, ohne dabei jedoch unvorsichtig zu werden. Vielleicht waren es weniger die noch vorhandenen Wächter als der Gnohle selbst, was ihn zu dieser Vorsicht veranlaß te. »Es wäre vorteilhaft, wenn wir jemand befragen könnten«, meinte Malthor, als sie im Wachraum berieten, wie sie weiter vor gehen sollten. »Wir müssen einen der Mo glioträger überfallen, aber nicht betäuben. Dann kann er uns sagen, wo wir den Gnoh len finden ohne erst lange suchen zu müs sen.« »Der Gnohle muß weiter oben sein«, warf Tapod ein. »So wurde es immer behauptet.« »Dann weiter!« riet Atlan, der so wenig Zeit wie möglich verlieren wollte. Er ver spürte eine immer größer werdende Unruhe in sich. »Je länger wir warten, desto gefähr licher ist es für uns.« Sie wollten den Raum gerade verlassen, als ein Summsignal ertönte. Es kam aus ei nem Gerät, das an der Wand auf einem schmalen Tisch stand. Die Leitungen verrie ten, daß es sich um eine Art Telephon han delte. Atlan nickte Assark zu. »Wir müssen antworten, sonst schöpft
28 man Verdacht.« Assark zögerte, aber dann ging er ent schlossen zu dem Kasten mit den Knöpfen und Skalen. Ähnliche Sprechgeräte gab es auch in der Stadt, und er wußte, wie man da mit umging. Er nahm den Hörer ab und mel dete sich. Die Stimme des Julkas am anderen Ende des Drahtes sagte: »Ihr schlaft wohl? Zeit zur Ablösung! Sollen wir ewig warten?« »Sind schon unterwegs«, erwiderte As sark geistesgegenwärtig und hängte ein. Atlan meinte: »Nicht mehr lange, und sie schöpfen Ver dacht. Dann ist hier einiges los. Gehen wir!« Sie traten wieder hinaus auf den Korridor und beeilten sich, den Rundgang zu errei chen, der weiter nach oben führte. Unten im Turm war Lärm zu hören. Wahrscheinlich protestierten einige noch nicht abgelöste Wächter, oder man hatte vielleicht schon die paralysierte Patrouille gefunden. Drei Etagen höher standen die Arkoniden und die Parias unvermittelt zwei Julkas ge genüber, die über das Erscheinen der Ein dringlinge so verblüfft waren, daß sie nicht schnell genug reagierten. Atlan verzichtete auf den Einsatz des Strahlers und überließ Assark und seinen Freunden die Arbeit. Einer der Wächter war sofort tot, als ihn die Harpune eines Parias in die Brust traf. Jemand fing ihn auf, als er stürzte, um unnö tigen Lärm zu vermeiden. Der andere wehrte sich kaum, als er entwaffnet wurde und ihm Tapod den Mund zuhielt. Weiter oben waren Geräusche. Jemand rief etwas. »Schnell, hier hinein!« rief Assark, der ei ne der Gangtüren geöffnet hatte. »Wir müs sen ihn ausfragen, ehe die anderen kom men.« Der Raum war leer und fast ohne Einrich tung. Der Wächter, vor Schreck fast ge lähmt, gab auch dann noch keinen Ton von sich, als Tapod die Hand wegnahm und ihn aufforderte, ihre Fragen zu beantworten. Er starrte auf die beiden Fremden und ihre Waffen.
Clark Darlton »Los schon!« sagte Assork. »Wir schonen dein Leben, wenn du uns verrätst, wo wir den Gnohlen finden. Beeile dich, wir haben nicht mehr viel Zeit.« Immer noch stumm deutete der Wächter nur gegen die Decke. »Also weiter oben? Wie weit oben?« Endlich öffnete der Gefangene den Mund. »In der obersten Kuppel. Aber es ist ver boten …« »Das laß unsere Sorge sein! Wieviel Wächter?« Der Julka streckte alle acht Finger von sich. »Acht?« »Ja.« Assark versetzte ihm einen Hieb auf den Kopf und legte ihn dann auf den Boden. At lan war in diesem Fall mit der rauhen Be handlung nicht ganz einverstanden, aber er konnte sie nicht mehr verhindern. Um si cherzugehen, daß der Wächter nicht frühzei tig erwachte, gab er ihm noch eine Dosis Pa ralysestrahlen, dann sagte er: »Also erwarten uns noch acht Julkas. Sie hätten inzwischen abgelöst werden sollen und werden ungeduldig sein. Vielleicht kommen uns sogar welche entgegen. Es ist demnach doppelte Vorsicht geboten.« Vier Etagen höher endete der nach oben führende Gang in einer halbrunden Halle. Ein breiter Korridor führte genau auf die Turmmitte zu. Ein großes, geschlossenes Metalltor schloß ihn ab. »Na, kommt ihr endlich?« rief eine Stim me, dann öffnete sich eine der Türen vollends. Ein Wächter erschien. »Wurde auch Zeit, und außerdem …« Die Stimme verstummte jäh. Eine Harpu ne hatte den Vorwitzigen getroffen. Atlan und Malthor sprangen vor und fin gen ihn auf, dann betraten sie den Raum hin ter der Tür. Sie fanden das, was sie erwarte ten. Vier Julkas sahen ihnen entgegen, aber sie reagierten schnell und überraschend gut. Noch während sie versuchten, hinter einigen Möbelstücken Deckung zu finden, eröffne
Revolte der Parias ten sie bereits das Feuer. Eins der Geschosse streifte fast Malthors Kopf, der sich duckte und seinerseits den Strahler aktivierte. Die Energiebündel erwi schten die Wächter auch in der Deckung und paralysierten sie auf der Stelle. Die abgefeuerten Geschosse detonierten draußen im Gang. Durch die Splitter wurden zwei der Parias verletzt. Noch während sie verbunden wurden, erschienen die drei rest lichen Wächter des Gnohlen und gaben über eine in der Wand eingebauten Signaleinrich tung Alarm. Weiter unten begannen die Sirenen zu heulen. Malthor paralysierte die Wächter. Atlan und Assark rannten vor bis zum Tor, hinter dem sich der Gnohle aufhalten mußte. »Wir haben keine Schlüssel«, sagte As sark und warf einen Blick auf Atlans Waffe. »Wie sollen wir es öffnen?« Atlan nahm eine Schaltung vor und ging einige Schritte zurück. »Es wird heiß werden, komm!« Der scharf gebündelte Energiestrahl war nicht dicker als ein Arm. Die Stelle, an der er das Metall traf, begann sofort zu glühen und dann zu schmelzen. Nach Sekunden be reits war ein Loch entstanden, das schnell größer wurde. Assark drehte sich um und rief seinen Leuten zu: »Ihr kümmert euch um die hochkommen den Wächter. Laßt keinen bis hierher vor dringen!« »Hilf ihnen!« befahl Atlan Malthor. Der Arkonide gehorchte nur widerwillig. Das Loch war groß genug geworden. At lan stellte das Feuer ein und trat mit dem Fuß gegen einen der Metallflügel. Das Schloß gab nach, und die Tür öffnete sich. Trotz der Hitze folgte Assark dem Arko niden in den riesigen Kuppelsaal und blieb, von einer unwiderstehlichen Scheu gepackt, stehen, als er das transparente Aquarium mit dem Gnohlen erblickte. Aus dem Gang kamen Schüsse und das Detonieren der Geschosse.
29 Atlan trat nahe an das Gefäß heran und betrachtete das undefinierbare Etwas, das in der durchsichtigen und klaren Flüssigkeit schwamm, durch Leitungen mit der Außen welt verbunden. Das also war der sagenhafte Diktator, der Beherrscher der Julkas? Eine unförmige Masse, die hilflos in einem Be hälter mit Wasser schwamm? War es überhaupt nur Wasser? Assark überwand seine Scheu. Entschlos sen hob er das Gewehr, daß er einem der Wächter abgenommen hatte, und zielte auf den Gnohlen. Atlan drückte den Lauf nach unten. »Nicht!« sagte er ruhig. »Wir wissen nicht, was dann passiert.« »Wir sind hier, um den Gnohlen zu tö ten«, erinnerte ihn Assark. »Nie mehr wie der wird sich uns eine solche Gelegenheit bieten. Wir haben unser Leben dafür einge setzt.« »Es genügt vielleicht, wenn wir die Lei tungen unterbrechen, Assark.« Er sah zurück zur Tür. »Es ist still geworden. Was hat das zu bedeuten?« Er bekam die Antwort von Malthor, der im Kuppelraum erschien: »Nun weiß jeder, daß wir hier sind. Wir haben die nachdringenden Julkas erledigen können, aber es kann nicht mehr lange dau ern, bis Verstärkung eintrifft. Wir müssen hier weg, ehe es zu spät ist.« Wieder hob Assark seine Waffe. Die anderen Parias drangen in den Kup pelraum vor. Staunend betrachteten sie das, was in dem Aquarium schwamm und sie seit undenkbaren Zeiten zu beherrschen versuch te. Atlan konnte ihre Enttäuschung begrei fen, obwohl er sich nicht vorzustellen ver mochte, was sie erwartet hatten. Unten im Turm heulten wieder Sirenen. Schreie drangen bis nach oben, dann Rufe im Kommandoturm. Die Wächter des Gnoh len begannen, sich von ihrem Schreck zu er holen und organisierten sich zum Gegenan griff. »Wir müssen hier weg!« wiederholte Malthor.
30 Atlan nickte und studierte die Leitungen, die in den massiven Anlagen an den Wän den endeten. Vielleicht genügte es wirklich, wenn man sie unterbrach, aber wie lange würde es dann dauern, bis sie wieder ge flickt waren? Assark und die anderen Parias nahmen ihm das Problem ab. Ohne Befehl eröffneten sie gemeinsam das Feuer auf den transparenten Behälter. Die detonierenden Geschosse schickten Splitter in alle Richtungen, aber sie zerstör ten auch die Wandung des Aquariums. Eine Wasserflut ergoß sich in den Saal, während der unförmige Gnohle hilflos zwischen den Scherben lag und sich in seinen Leitungen verwickelte. Er versuchte voranzukriechen, aber dann trafen ihn die Kugeln der Parias und explodierten in seinem Körper. Atlan trat den Rückzug an. Er wußte, daß es hier jetzt nichts mehr für ihn zu tun gab. Die Ausgestoßenen hatten ihr Ziel erreicht und den Gnohlen unschädlich gemacht. Nie mand vermochte zu wissen, was das für Fol gen für Asgojal und die Julkas haben würde. Seine Sorge um Algonia und Asmorth war unerträglich geworden. Assark feuerte seine letzten Patronen ab, dann folgte er mit seinen Freunden den bei den Arkoniden, die bereits auf dem Gang waren. Von unter herauf drang das Geräusch laufender Füße. Es kam näher. Mit paralysierenden Energiebündeln schossen Atlan und Malthor sich und ihren Verbündeten den Weg frei und gelangten bis zum Hof. Ein Blick hinaus genügte jedoch, sie das Sinnlose einer weiteren Flucht in die ser Richtung einsehen zu lassen. Der Hof war voller bewaffneter Julkas. Auch einige Fahrzeuge mit kleinen Kanonen waren dabei. Ihre Läufe richteten sich auf das Eingangstor. Assark zupfte Atlan am Ärmel. »Kommt mit! Wir nehmen den Weg durchs Wasser!« Hastig rannten sie weiter nach unten, und zu Atlans Überraschung begegneten ihn kei ne Wächter mehr. Wahrscheinlich nahm
Clark Darlton man an, sie wären noch weiter oben. Die Parias nahmen die Arkoniden bei den Händen, als sie tief im Fundament des Tur mes ins Wasser glitten. Wie erwartet, gab es Gitter, die das überflutete Gebiet hermetisch absperrten, aber es gab auch Schlüssel. Zwar entstanden dadurch unliebsame Zwangspau sen, aber man kam wenigstens voran und entfernte sich immer mehr vom Turm. Allein hätten Atlan und Malthor sich nun nicht mehr zurechtgefunden. Es war dunkel. Nur die schwachen Lampen der Parias ga ben ein wenig Licht, das ihnen zur Orientie rung genügte. Sie ignorierten verschiedene Abzweigungen und schwammen zielbewußt weiter, passierten die letzte Sperre und er reichten das Meer unter der Stadt. Nichts deutete darauf hin, daß sie verfolgt wurden. In einer verlassenen Halle tauchten sie endlich auf. Die verwundeten Parias waren am Ende ihrer Kräfte. Atlan und Malthor fühlten sich nicht besser. »Es ist nicht mehr weit«, wurden sie von Assark getröstet. Es kam Atlan vor, als sei er schon einmal hier gewesen, aber er konnte sich auch täu schen. Gänge und Korridore sahen alle gleich aus. Außerdem gab es zu wenig Licht, Einzelheiten wiederzuerkennen. Ein mal hörten sie weit entfernte Schüsse und Detonationen, aber hier unten trug die feuchte Luft den Schall sehr weit. Assark drängte zur Eile. Eine seltsame Unruhe hatte ihn erfaßt, die auch die ande ren zu teilen schienen. Sie alle hatten ihre Waffen nachgeladen, so als befürchteten sie einen Überfall. Atlan erhielt auf seine Fra gen keine Antwort. Er wagte es auch nicht, eine Vermutung zu äußern, als Malthor eine Bemerkung machte. Je näher sie dem Versteck der Parias ka men, desto vorsichtiger drangen die Parias vor. Einer ging immer voraus, um die ande ren im Notfall rechtzeitig warnen zu können. Sie erreichten das letzte Hindernis, das große Metallgitter vor dem verlassenen und unbewohnten Stadtteil. Die beiden Julkas,
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die hier stets Wache hielten, lagen in ver krampfter Stellung neben dem zerschosse nen Gitter. »Sie haben uns gefunden«, sagte Assark fassungslos. »Wehe ihnen, wenn den Frem den etwas geschehen ist …!« Malthor war nicht mehr zu halten. Er rannte so schnell, daß die anderen ihm kaum folgen konnten. Auch Atlan begann zu lau fen, obwohl jederzeit ein Überfall erfolgen konnte. Aber sie begegneten niemand. Nur einmal stolperten sie fast über einen toten Julka. Er trug die Uniform der Polizeipa trouillen. Und dann lagen die Toten plötzlich in Gruppen herum. Es handelte sich meist um Parias, die ihre Waffen noch in den erstarr ten Händen hielten. Es war offensichtlich, daß sie ihr Versteck bis zum letzten Bluts tropfen verteidigt hatten. Atlan und Malthor liefen weiter, von As sark begleitet, der Mühe hatte, mit ihnen Schritt zu halten. In den Vorhallen sah es nicht anders aus als im Zugang. Überall la gen die toten Parias, dazwischen gefallene Polizisten. Es mußte ein erbarmungsloser Kampf gewesen sein. Vor der Tür zu dem Wohnraum der Arko niden lag ein ganzer Wall von Toten. Atlan kletterten über ihn hinweg, und dann sah er das, was er die ganze Zeit über befürchtet hatte. Algonia und Asmorth lagen mitten im Raum. Sie waren tot, von mehreren Explosivge schossen der Julkas getroffen.
4. Es dauerte lange, bis sie ihre Erschütte rung überwunden hatten. Es konnte sie auch nicht trösten, daß Assark, von seinem Stand punkt aus betrachtet, einen viel größeren Verlust erlitten hatte. Das Versteck war ver loren und mit ihm fast die ganze Gruppe der Untergrundkämpfer. Er hatte nur noch zwanzig Parias behalten. »Unsere Ausrüstung!« erinnerte sich
Malthor, als er neben Atlan auf der Pritsche saß. »Sie muß dort unter dem Bett liegen, wenn die Julkas sie nicht gefunden haben …« Es war nur ein schwacher Trost, daß sie noch vorhanden war. »Was nun?« Malthor sah hinüber zu den mit Pelzen zugedeckten Leichen. »Wie sol len wir je aus dieser Stadt herauskommen und bis zum Festland gelangen?« Atlan deutete auf den Packen mit der Ausrüstung. »Ein Flugaggregat trägt zwei Männer, das haben Sie selbst erproben können. Wir wer den damit das Meer überqueren müssen, wenn wir kein Schiff finden. Im Augenblick jedoch sitzen wir noch in einer Falle. Wir müssen ein neues Versteck finden, doch das weiß Assark genausogut wie wir auch. Er kümmert sich darum.« »Er hat Leute fortgeschickt, die Lage zu erkunden.« »Wir können nichts tun als warten …« Als der Rebell sie wenig später aufsuchte, sah er nicht sehr zuversichtlich aus. »Sie müssen einen von uns gefaßt und ge foltert haben, anders ist kein Verrat möglich. Nur so fanden sie dieses Versteck. Meine Kundschafter berichten, daß auch ein Aus weichversteck besetzt wurde. Wir müssen ein neues finden. Bis dahin müssen wir hier bleiben.« »Aber die Polizei kann jederzeit zurück kommen«, gab Malthor zu bedenken. »Damit müssen wir rechnen«, gab Assark zu. »Ich habe einige Leute am Hauptgitter postiert. Sie werden uns rechtzeitig warnen. Ihr habt eure Waffen. Damit können wir sie gen.« »Wir müssen ein paar Stunden schlafen, denn wir sind erschöpft, Assark. Weckt uns, wenn ihr uns braucht.« »Wir werden wachen«, versprach er und verließ den Raum. »Ich werde kaum schlafen können«, meinte Malthor, als Atlan sich ausstreckte. »Immer wieder mache ich mir Vorwürfe we gen Algonia und Asmorth. Wir hätten ihnen
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Clark Darlton
einen der Impulsstrahler zurücklassen sol len.« Atlan gab keine Antwort. Er wußte, daß Malthor nicht so unrecht hatte, auf der ande ren Seite wäre vielleicht das Unternehmen im Turm gescheitert, wenn sie nicht beide Strahler mit sich geführt hätten. Der Gnohle war tot. Die Frage blieb, wel che Konsequenzen das nach sich ziehen würde. Vielleicht blieben die erwarteten po sitiven Folgen überhaupt aus, dann war alles umsonst gewesen. Noch gab es die Moglios, und möglicherweise dauerte es eine ganze Generation, bis man auf die Verpflanzung verzichtete. Und noch etwas überlegte Atlan: der Gnohle war nur in Asgajol vernichtet wor den. In den anderen Städten existierten sie noch. War der Untergrund stark genug, auch dort zu handeln? Vor Assark lag noch eine große Aufgabe.
* Es war reiner Zufall, daß Tossel von dem Überfall auf das Versteck der Ausgestoße nen erfuhr und vom dem Gerücht, daß dabei zwei der entflohenen Fremden getötet wor den waren. Längst hatte das Schiff den Ha fen wieder verlassen, um zum Festland zu rückzufahren, denn Asgajol benötigte immer Nachschub an Gütern. Die schwimmende Stadt konnte ohne das Land nicht mehr le ben. Er wohnte bei Freunden direkt am Hafen und war unschlüssig, was er nun unterneh men sollte. Aus eigener Erfahrung wußte er, daß die Fremden keine bösen Absichten ge gen das Volk der Julkas hegten, daß sie ganz im Gegenteil sogar Hilfe brauchten. Und nun waren zwei von ihnen getötet worden! Warum hatten sie sich aber auch den Re bellen angeschlossen? Die Nachrichten, die das offizielle Regie rungsprogramm verbreitete, waren spärlich. Tossel war überzeugt, daß er durch sie nur die halbe Wahrheit erfahren konnte, und er wollte wissen, wer die beiden toten Fremden
waren und wo sich die beiden Überlebenden versteckt hielten. Tossel verließ das Haus der Freunde, bei denen er wohnte, und ging hinab zum Ha fen. Den ganzen Vormittag lungerte er dort herum und sprach mit den Julkas, die dort arbeiteten. Die wenigsten interessierten sich für die Vorgänge in der Stadt, aber Tossel glaubte, bei ihnen eine leichte Veränderung zu bemerken. Sie arbeiteten langsamer, nicht mehr so eifrig wie sonst. Sie schienen phleg matischer geworden zu sein. Dann lief ihm Keljos über den Weg. Tossel kannte Keljos vom Festland her, wo er mit ihm öfters Geschäfte gemacht hat te. Im Verlauf des Gesprächs kam Keljos auf das geplatzte Geschäft mit seinen beiden ge kauften Fremden zu sprechen, die ihm dann wieder abgenommen worden waren. Er re dete sich in solche Wut hinein, daß er alle Vorsicht vergaß und Tossel alles mitteilte, was dieser wissen wollte. »Ein Mann und eine Frau, sagst du? Und sie entflohen zusammen mit den beiden Männern, die ich im Auftrag der Regierung vom Festland hierherbrachte?« »So ist es gewesen, Tossel. Zwei sind nun tot, aber ich weiß auch nicht, wer. Jedenfalls liefen sie zu den Rebellen über.« »An wen hätten sie sich sonst wenden sol len? An dich vielleicht, der sie verkaufen wollte?« Keljos ging darüber hinweg, als hätte er den Vorwurf nicht gehört. »Sie sollen beim verbotenen Turm gese hen worden sein, wird behauptet. Jedenfalls haben sie dort ihre Waffen eingesetzt. Es sind Waffen, die nicht immer töten.« »Das genügt doch als Beweis, daß sie nur in Notwehr gehandelt haben. Oder nicht?« Keljos sah ihn merkwürdig an. »Mir scheint, Tossel, du stehst auf ihrer Seite …« Tossel sah ein, daß er vorsichtiger sein mußte, wenn er keinen Verdacht erregen wollte. »Ich versuche nur, objektiv zu urteilen,
Revolte der Parias Keljos. Wenn man sich in ihre Lage ver setzt, kann man ihre künftigen Absichten besser voraussehen. Wo mögen sie sich ver steckt halten?« »Warum willst du das wissen?« Tossel sagte gleichmütig: »Ich könnte mir denken, daß die Regie rung einen hohen Preis für sie aussetzen wird. Der Gnohle wird sie sprechen wollen.« Keljos winkte ab. »Der Gnohle …! Es gibt gar keinen Gnohlen!« »Und wer regiert uns?« Darauf wußte auch Keljos keine Antwort. Sie unterhielten sich noch eine Weile, dann meinte Keljos: »Wir treffen uns heute abend wieder hier im Hafen, Tossel. Vielleicht kann ich bis da hin etwas erfahren. Ich habe einige gute Verbindungen. Wenn wir zusammenhalten, kommen wir der Polizei vielleicht zuvor und schnappen uns die Fremden. Wir verstecken sie und fordern unseren Preis. Bist du ein verstanden?« Tossel willigte ein, weil er im Augenblick keinen anderen Weg sah, mehr zu erfahren. Er sah hinter dem dicken Händler her, als dieser im Gewühl verschwand und irgendwo untertauchte. Er traute ihm keinen Schritt weit. Er würde vorsichtig sein müssen, denn mit Sicherheit sollte er übers Ohr gehauen werden, aber Tossel ging es weniger um die zu erwartende Belohnung, als vielmehr dar um, Kontakt mit den überlebenden Fremden aufzunehmen. Und das schien nur über Kel jos möglich zu sein. Natürlich dachte er auch dabei an seinen eigenen Vorteil. Er hatte die Waffen der bei den Fremden gesehen und wußte, daß sie ein Gerät besaßen, mit dem sie sich in die Luft erheben konnten. Wenn er ihnen half, wür den sie sich dankbar erweisen müssen. Den ganzen Tag streifte er durch die Stadt, unterhielt sich mit Passanten – und er fuhr nichts. Kaum einer schien sich für die Fremden oder die Vorgänge beim verbote nen Turm zu interessieren. Die allgemeine Lethargie griff um sich.
33 Lange bevor es zu dämmern begann, kehrte er zum Hafen zurück. Unterwegs begegneten ihm starke Polizei trupps, die jedoch keine Kontrollen vornah men, sondern zielbewußt in eine ganz be stimmte Richtung marschierten und dann in einem der Korridore verschwanden, die un ter die Stadt führten. Als er Keljos traf, wußte er bereits, was er zu tun hatte, aber er wollte erst hören, was der Händler herausgefunden hatte. »Sie unternehmen eine Aktion«, berichte te dieser auf seine Frage. »Wahrscheinlich wissen sie, wo die Fremden sich versteckt halten. Natürlich verraten sie es nicht. Wir müßten ihnen folgen, um mehr zu erfahren.« »Der Polizei folgen?« Tossel schien von dem Gedanken nicht begeistert zu sein. »Ist das nicht zu gefährlich?« »Gefährlich oder nicht, wir müssen es wa gen. Wie sollen wir sonst erfahren, wo die Fremden stecken? Das Geschäft, mein Lie ber, lasse ich mir nicht entgehen.« Tossel sah ein, daß er Keljos nun nicht mehr los wurde. Wohl oder übel mußte er seine Begleitung ertragen, obwohl er kaum Informationen von ihm erhalten hatte. Er weihte ihn in seinen Plan ein. Es dämmerte bereits, als sie den Korridor erreichten, der schräg in die Tiefe unter die Stadt führte. Polizisten waren keine mehr zu sehen, und offiziell war es nicht verboten, diesen Teil Asgajols zu betreten. Ein Stück mußten sie tauchen, und als sie wieder trockenen Boden unter den Füßen hatten, hielt sie ein Posten der Polizei auf. »In diesem Teil findet eine Aktion statt, das Betreten ist nicht erlaubt.« Keljos reagierte schnell. »Ich bin geschäftlich unterwegs«, sagte er. »Ein anderer Weg würde mich wertvolle Zeit kosten.« »Darauf kann keine Rücksicht genommen werden.« »Aber mein Geschäft wird zum Wohle der Stadt getätigt«, bedrängte der Händler den Posten, der nicht besonders intelligent zu sein schien. »Um welche Aktion handelt
34 es sich denn?« »Ich bin nicht befugt, Auskünfte zu ertei len.« »Es geht wohl um die beiden überleben den Fremden«, klopfte Keljos auf den Busch. »Wir wissen davon. Es hat auch mit unserem Geschäft zu tun.« »Hat es das?« »Ehrenwort!« Nach einigem Überlegen meinte der Po sten: »Wenn das so ist, könnt ihr weitergehen. Aber meldet euch beim Polizeikommandan ten.« »Sicherlich. Wo ist er?« »Sektion Sieben ist Zentrum der Aktion.« »Aha, danke!« Tossel bewunderte die Raffiniertheit des Händlers. Nun war er froh, ihn bei sich zu haben, denn wahrscheinlich hätte er, wäre er allein gewesen, entmutigt den Rückzug an getreten. Sektion Sieben also, ein verlassener und unbewohnter Bezirk, der vor der Renovie rung stand. Immer mehr Julkas suchten Wohnräume in der Stadt. Da half es auch nichts, wenn man mit Hunderten von Schleppschiffen Asgajol an eine andere Stel le des Meeres zog. Davon wurde der Wohn raum nicht größer. Und zum Anbau neuer Gebäude fehlte im Augenblick Material. Al so wurden früher verlassene Teile der Stadt wieder bewohnbar gemacht. Dort also hielten sich die Fremden ver steckt. »Ich kenne den Bezirk«, sagte Keljos, als sie weit genug von dem Posten entfernt wa ren. »Schlimme Gegend. Es sollen sich eine Menge von Rebellen dort herumtreiben, die jeden Moglioträger umbringen, der zu ihnen kommt. Wir werden vorsichtig sein müs sen.« Tossel fürchtete sich nicht vor den Rebel len. Wenn sie mit den Fremden zusammen arbeiteten, brauchte er nur zu erwähnen, daß er mit ihnen befreundet war. Um Keljos würde er sich dann nicht mehr zu kümmern brauchen.
Clark Darlton Die beiden Julkas blieben wie auf Kom mando stehen, als sie die Schüsse und dumpfen Detonationen hörten, die von vorn kamen. Dann gab es eine gewaltige Explosion.
5. Assark weckte Atlan. »Man ist sehr aktiv geworden. Wir haben ein Radio, aber die offiziellen Informationen sind spärlich. Die Aktionen der Polizei fin den keine Erwähnung. Aber einer von uns wagte sich in die Stadt, um Erkundigungen einzuziehen. Es sieht böse für uns aus.« »Was ist geschehen?« fragte Atlan und gab dem schnarchenden Malthor einen Rip penstoß, damit er wach wurde. »Was habt ihr herausgefunden?« »Alle verlassenen Bezirke der Stadt wer den durchsucht. Jeder Julka ohne Moglio soll getötet werden. Niemand scheint zu wissen, daß der Gnohle tot ist. Sie gehor chen noch immer seinen Befehlen.« »Die Moglios sind noch vorhanden«, erin nerte ihn Atlan. »Es kann lange dauern, bis der Einfluß des Gnohlen erlischt. Solange müßt ihr durchhalten.« »Wie sollen wir das, wenn wir vorher ge tötet werden?« »Gibt es keine anderen Verstecke als die verlassenen Viertel?« »Wir kennen keine, es sei denn, wir zie hen uns ins Meer zurück.« »Und warum tut ihr es nicht?« »Wegen euch! Es gibt hier keine trockenen Höhlen und keine Inseln. Das Festland ist zu weit weg. Im Hafen liegen nur wenige Schiffe, und sie werden von der Polizei vor dem Auslaufen kontrolliert.« Atlan dachte einen Augenblick an das Flugaggregat, aber damit konnte er den überlebenden Parias auch nicht helfen. Was sie brauchten, war in der Tat ein Schiff. Malthor hatte weniger Bedenken. »Wir haben die Strahler, sollen sie doch kommen!« Assark dämpfte seinen Optimismus:
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»Wir sind in einem neuen und provisori schen Versteck. Es hat viele Ein- und Aus gänge, die alle verteidigt werden müssen. Es ist schwer auch für euch, überall zugleich zu sein.« Tapod kam in den Raum. »Sie kommen!« rief er ihnen zu. »Die Vorposten haben starke Verbände der Poli zei gemeldet. Sie rücken aus verschiedenen Richtungen vor und kesseln uns ein. Wahr scheinlich ein Zufall. Sie werden alle verlas senen Bezirke durchsuchen.« Atlan nickte Malthor zu. »Wir lassen die Ausrüstung nicht hier lie gen. Wir nehmen sie mit, denn wenn wir fliehen müssen, haben wir keine Gelegenheit mehr, sie zu holen.« Malthor nahm wortlos den Packen und schnallte ihn auf die Schultern. Irgendwo detonierten dumpf die ersten Sprenggeschosse.
* Der Anführer des Polizeikommandos nahm die Information, daß man endlich auf Widerstand gestoßen sei, mit großer Befrie digung auf. Er wußte nur zu genau, daß der Vorstoß auch ins Leere hätte gehen können. Niemand kannte das neue Versteck der Aus gestoßenen, denen sich die entflohenden Fremden angeschlossen hatten. Aber die Vermutungen schienen richtig gewesen zu sein. Er ordnete das Ausschwärmen der einzel nen Trupps an, um das Gebiet systematisch einzukesseln. Diesmal durfte niemand ent kommen, schon gar nicht die beiden Frem den. Der Befehl, den er erhalten hatte, laute te: Parias waren ohne Ausnahme zu töten, die Fremden sollten eingefangen werden. Sie durften nur im äußersten Notfall verletzt oder gar getötet werden. Als seiner Ansicht nach alle Ausgänge be setzt waren, gab der Kommandant das Zei chen zum Angriff. Nun konnte die Aktion nicht mehr mißlingen, dessen war er sicher. Nicht ganz so sicher war er im Hinblick
auf seine Leute. Sie zeigten für seinen Ge schmack zu wenig Begeisterung, befolgten nur langsam, fast widerwillig seine Anord nungen und benahmen sich überhaupt nicht so wie sonst. Von vorn kam Gewehrfeuer. In den kah len Korridoren hallten die Explosionen dop pelt laut. Die Wirkung der Sprenggeschosse war wesentlich größer als im Freien. Der Kommandant erwischte einen Splitter im Arm, achtete aber nicht weiter darauf. Der Vernichtungskampf begann.
* Tossel und Keljos gerieten zwischen zwei Feuer, nachdem sie, ohne zu wissen, durch einen Nebengang die Polizei überholt hatten. Sie wußten nun, daß ihre Vermutungen ge stimmt hatten, aber im Augenblick half ih nen das nur wenig. Jede der beiden Seiten mußte sie für den Gegner halten. In einer halb überfluteten Kammer mach ten sie Pause. Sie standen bis zum Hals im erfrischenden Wasser. Um sie herum war das Echo der in weiter Entfernung detonie renden Geschosse. »Was nun?« fragte Keljos, nicht mehr ganz so unternehmungslustig wie kurz zu vor. »Warte hier«, schlug Tossel vor, der eine günstige Gelegenheit sah, den Händler los zuwerden. »Ich erkunde das Gelände vor uns.« »Ich soll allein zurückbleiben?« Keljos war offensichtlich schockiert. »Bestimmt nicht!« »Dann komm mit!« Tossel war wütend. Am liebsten hätte er dem Dicken eins über den Schädel gegeben. »Aber glaube nicht, daß ich jetzt noch Rücksicht auf deine Un beweglichkeit nehme. Die Polizei kommt uns noch zuvor.« Ohne eine Antwort abzuwarten, stieg er aus dem Wasser und ging schnell weiter. Hinter sich hörte er das Keuchen des Händ lers, der nicht mehr Schritt mit ihm halten konnte.
36 Das war ihm jetzt egal. Er mußte Verbin dung mit den Ausgestoßenen aufnehmen, bevor die Polizei sie erledigte. Dieser Gang schien beiden Parteien unbekannt zu sein, sonst wäre er schon jemandem begegnet. Er würde sich bestens zur Flucht eignen. In einem dunklen, überfluteten Teil verlor er Keljos. Er beeilte sich noch mehr, um nicht wie der von ihm eingeholt zu werden. Der Gang mündete in einen breiteren Korridor. Er bog links ab und merkte sich die Stelle. Hinter ihm waren Schüsse, darum nahm er den nächsten Gang, der rechts in das Labyrinth hineinführte, und war nun sicher, den Händ ler für immer losgeworden zu sein. Zum Glück gab es hier wieder schwaches Licht. Er glaubte, Stimmen zu hören. Waren das schon die verfolgten Parias? Dann wür de auch bald die Polizei diesen Korridor ent decken und von hier aus angreifen. Es wurde Zeit, das Versteck zu erreichen. Er trug keine Uniform, und diesem Um stand verdankte er sein Leben, denn bevor die in Nischen verborgenen Parias das Feuer auf ihn eröffneten, riefen sie ihm eine War nung zu. Tossel blieb sofort stehen und hob die Hände. »Ich bin euer Freund!« rief er, so laut er konnte. »Fragt die Fremden. Sagt ihnen, Tossel sei gekommen, um ihnen zu helfen.« Tapod kam aus seinem Versteck. Miß trauisch hielt er das Gewehr auf Tossel ge richtet und kam näher. Drei andere Julkas erschienen hinter ihm und deckten ihn mit ihren Waffen. Tossel hätte keine Chance ge habt, wäre er ein Verräter gewesen. »Du kennst die Fremden?« »Ich brachte zwei von ihnen mit dem Schiff nach Asgajol. Fragt sie doch!« »Das werden wir auch. Wie kamst du an der Polizei vorbei?« »Ich kenne einen Gang, der ihnen unbe kannt ist.« »Sehr gut, du kannst uns später davon be richten. Komm mit, ich bringe dich zu den Fremden.«
Clark Darlton Tossel ließ die Hände sinken. Er wurde nach Waffen durchsucht und folgte dann Ta pod, der voranging. Sie passierten mehrere Hinterhalte, die für die Polizei gedacht wa ren, bis sie endlich einen größeren Raum er reichten. Malthor erkannte Tossel schon von wei tem an seinem typischen Watschelgang und eilte ihm entgegen, was für Tapod genug Beweis war. Er verschwand wieder und war tete nicht einmal die Begrüßung ab. »Wo kommst du denn her, Tossel?« frag te Malthor erstaunt. »Ich habe euch gesucht, aber ich wußte nicht, wer von euch getötet worden war.« »Asmorth ist tot, und eine Frau von uns. Atlan, mein anderer Freund, lebt und hilft den Ausgestoßenen. Wie sieht es aus? Hast du eine Ahnung?« »Schlecht, mein Freund. Ihr müßt fliehen, oder sie werden euch umbringen. Die Poli zei greift von allen Seiten an, aber ich habe einen Fluchtweg entdeckt, den sie nicht kennt. Bis jetzt wenigstens nicht.« »Wir können die Ausgestoßenen nicht im Stich lassen.« »Sie bringen sich schon selbst in Sicher heit, denn sie kennen die verlassenen Viertel besser als jeder andere. Wo ist dieser At lan?« Assark erschien wieder auf der Bildflä che. Er hatte Tapod getroffen und war infor miert worden. »Die Übermacht ist zu groß. Zwar konnte Atlan Dutzende der Polizisten ausschalten, aber sie sind zu viele und kommen von über all. Nicht mehr lange, und sie dringen bis hierher vor. Wir müssen fliehen.« »Tossel kennt einen Weg.« Malthor sah ein, daß sie keine andere Wahl hatten. Zwar waren die Impulsstrahler ausgezeichnete Waffen, aber auch ihre Ener giereserven konnten sich erschöpfen. Der Packen mit der Flugausrüstung war noch auf seinem Rücken. Einmal außerhalb der Stadt, konnten Atlan und er sich damit in Sicher heit bringen. »Gut, dann gebe ich das Zeichen zum
Revolte der Parias Rückzug. Wartet hier, bis wir zurück sind.« Tossel sah ihm nach. »Ich habe geglaubt, sie würden mich tö ten, aber sie stellen nicht einmal Fragen.« »Sie sind keine Verbrecher«, erinnerte ihn Malthor. »Man versucht nur, sie dazu zu machen. Sobald Atlan eintrifft, fliehen wir.« Die Schüsse kamen näher, dann erschie nen die ersten Parias. Atlan sagte zu Malt hor: »Die Übermacht ist zu groß. Wenn ich nur wüßte, wie wir hier wegkommen könn ten.« »Tossel kennt einen Weg«, erwiderte Malthor und erklärte dem Arkoniden die Si tuation. Dann geschah das Wunder, das im ersten Augenblick niemand begriff … Ein Stoßtrupp der Polizei, mit dem Kom mandanten an der Spitze, erreichte unange fochten das Versteck der Parias. Sie hatten ihre Waffen weggeworfen und wären blind lings in ihr sicheres Verderben gerannt, wenn Tapod nicht im letzten Augenblick das Einstellen des Feuers befohlen hätte. Die Polizisten sahen die Ausgestoßenen zwar, achteten aber kaum auf sie. Wahllos liefen sie durcheinander, so als wüßten sie nicht mehr, wo sie sich befänden. Wenn man ihnen nicht aus dem Weg ging, rannten sie einen um. »Sie müssen verrückt geworden sein!« vermutete Tapod fassungslos und sorgte da für, daß die Polizisten eingefangen und ge fesselt wurden. »Einer muß es Assark und den Fremden sagen.« Die vorgeschobenen Posten der Rebellen kehrten ins Versteck zurück. Sie hatten die selbe Beobachtung machen können. Entwe der traten die Polizeitrupps den Rückzug an und ließen ihre Waffen einfach liegen, oder sie spazierten sorglos in die vorbereiteten Fallen, ohne auf die Parias zu achten, die schon längst nicht mehr auf die Wehrlosen schossen. Als Assark und Atlan davon hörten, sahen sie sich bedeutungsvoll an. Sie ahnten, was geschehen war, und es gab ihnen neue Hoff
37 nung. Sie wußten ja, daß der Gnohle tot war. Endlich zeigte sich ein erstes Ergebnis. Tossel begriff nicht, daß die beiden Frem den es plötzlich nicht mehr so eilig mit der Flucht hatten. Malthor versuchte es ihm zu erklären. »Warte ab, bis die Gefangenen eintreffen. Dann wissen wir mehr.« Tapod führte den Polizeikommandanten und einige seiner Unterführer in den Raum. Assark hatte inzwischen erfahren, daß mehr als die Hälfte seiner Leute gefallen war. Trotz seiner Wut und seiner Trauer nahm er sich zusammen, als er bemerkte, was mit den Gefangenen los war. Sie konnten nicht mehr zurechnungsfähig genannt werden, denn völlig teilnahmslos standen sie herum und sprachen kein Wort – selbst dann nicht, wenn sie gefragt wurden. »Sieh nur, die Moglios!« rief Atlan As sark zu, der ratlos erschien. »Sie haben sich verfärbt – ähnlich wie bei uns, als man sie uns einpflanzen wollte. Sie sind dunkel ge worden, fast schwarz.« Unwillkürlich griff sich Tossel an den Kopf. Malthor legte ihm die Hand auf die Schulter. »Das deine auch, Freund. Der Gnohle ist tot und hat keine Macht mehr über dich – über niemanden mehr. Die Moglios sterben ab. Ihr seid frei.« »Ich war es schon immer – ein wenig«, sagte Tossel, der keinen großen Unterschied verspürte. »Das haben wir geahnt.« Assark ließ sämtliche Gefangenen in ei nem Nebenraum einsperren. Im Augenblick wußte er nichts mit ihnen anzufangen. Meh rere Boten wurden ausgeschickt, um die La ge in der Stadt zu erkunden. Atlan versuchte, sie ihm schon jetzt klarzumachen: »Die Moglios waren die Befehlsübermitt ler des Gnohlen. Sie beherrschten das Volk der Julkas seit vielen Generationen und be fahlen den Eltern der Neugeborenen das Aufpfropfen eines neuen Moglios, um ihren Einfluß nicht zu verlieren. Aber die Moglios
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funktionierten nur, solange sie Kontakt mit dem lebendigen Gnohlen hatten. Jetzt ist das vorbei, wenigstens in Asgajol. Doch auch die anderen Städte werden eurem Beispiel folgen. Man wird auch dort die Gnohlen tö ten, um frei zu werden. Ihr müßt nur das Si gnal dazu geben.« Assark war sofort von der Idee begeistert. »Wir werden Boten in die anderen Städte senden. Asgajol wird zum Symbol der neuen Freiheit werden. Eine neue Ära beginnt. Wir, die Ausgestoßenen und Verfolgten, wa ren schon immer frei, doch nun ist es bald das ganze Volk der Julkas.« Er legte Atlan und Malthor beide Hände auf die Schultern. »Und ihr habt uns dabei geholfen. Das wer den wir euch niemals vergessen.« In der Ferne hallten Schüsse auf. Atlan sagte: »Es mag Moglios geben, die widerstands fähiger sind und länger ohne den Gnohlen leben können. Sie halten sich noch immer an die gespeicherten Befehle und befolgen sie. Der Kampf ist noch nicht zu Ende, aber ihr werdet ihn ohne uns durchstehen können. Vor uns liegt noch eine Aufgabe. Wir müs sen fliehen. Tossel zeigt uns den Weg zum Festland.« »Ihr wollt uns jetzt verlassen?« fragte As sark entgeistert. Atlan nickte. »Wir müssen, mein Freund. Meine Freun de in der Siedlung brauchen uns. Wenn ihr völlig frei seid, treffen wir uns vielleicht wieder.« Assark ließ sie nur ungern scheiden, aber er wußte inzwischen, daß auch die Fremden ihre Probleme hatten. Noch während er sei ne Leute wieder in den Kampf schickte, nahm er Abschied von Atlan und Malthor. Dann ging er, ohne sich noch einmal um zusehen. »Los, Tossel!« sagte Malthor dann. »Gehen wir! Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren …«
*
Kurz nachdem sie den geheimen Gang passiert hatten, fanden sie Leichen von Poli zisten und Parias. Auch Keljos war tot. Er lag mitten unter ihnen. Atlans Vermutung bewahrheitete sich ein wenig später, als sie eine der trockenen Stra ßen erreichten. Die Julkas benahmen sich zwar nicht mehr so wie früher, aber einige drehten durch, weil sie das Gefühl absoluter Freiheit nicht kannten und auch nichts damit anzufangen wußten. Es war aber auch mög lich, daß der Einfluß des in der nächstgele genen Stadt existierenden Gnohlen bis As gajol reichte und so verhinderte, daß die her renlosen Moglios sofort abstarben. Jedenfalls griffen einige die beiden Arko niden an. »Vielleicht werden sie vernünftiger, wenn sie wieder aufwachen«, hoffte Malthor, als sie das Feuer einstellten. Die paralysierten Julkas lagen bündelwei se auf den Bürgersteigen, während die ande ren in alle Richtungen davonstoben oder in Seitengängen und Gebäuden verschwanden. Tossel, sichtlich beeindruckt, schlug den Weg zum Hafen ein. Er wollte nicht in der Stadt bleiben, womit er ein gewisses Pro blem schuf, denn das Flugaggregat trug im Notfall höchstens zwei Personen, niemals aber drei. Atlan wollte den hilfreichen Tos sel aber nicht einem ungewissen Schicksal überlassen. »Wir werden mit euren Waffen leicht ein Schiff bekommen«, versprach Tossel. »Vielleicht finden wir auch einen Kapitän, den ich kenne. Notfalls kapern wir einen Kahn.« Atlan war mit dem Verlauf des Abenteu ers alles andere als zufrieden. Das gesteckte Ziel war nicht erreicht worden, wenn sein Eingreifen auch vielleicht das Fanal zur Freiheit eines fremden Volkes geworden war. Aber auf dem Festland wartete noch immer Akon-Akon auf ihn und Malthor. Und zwei gute Freunde hatten in Asgajol den Tod gefunden. Im Hafen herrschte ein unglaublicher Betrieb, bis Atlan begriff, daß sie nicht die einzigen waren, die zum Fest
Revolte der Parias land flüchten wollten. Solange die Julkas von ihren Moglios und dem Gnohlen geführt wurden, hatte es keine Unzufriedenheit und keinen Aufruhr gegeben. Das eintönige Le ben in der Stadt war alles, was sie kannten. Doch nun hatte sich die Lage schlagartig verändert. Es gab heftige Meinungsverschiedenhei ten, denn mindestens die Hälfte der Moglios war noch funktionsfähig. Einige der Schiffe hatten die Anker gelichtet und warteten vor dem Hafen darauf, daß sich die Lage beru higte. Viel half ihnen das nicht, denn die fluchtbereiten Julkas sprangen einfach ins Wasser und folgten ihnen. Mit Stöcken und Harpunen wurden sie jedoch von den Mann schaften daran gehindert, an Bord zu klet tern. Tossel zog sich mit seinen Begleitern in ein kleines Haus zurück. »Hier wohnen Freunde von mir. Wir kön nen uns verstecken und warten, was weiter geschieht.« Die Moglios der Freunde waren noch gelb gefärbt. Sie protestierten, als Tossel mit den Fremden erschien und um Unterkunft bat. Atlan und Malthor setzten sich und schwiegen, während Tossel versuchte, sei nen Bekannten klarzumachen, was gesche hen war. Er deutete auf sein verfärbtes Mo glio und berichtete vom Tod des geheimnis vollen Gnohlen. Einer der Bekannten Tossels schlich sich aus dem Zimmer. Atlan sah ihm nach und wußte, daß der Verräter nun unterwegs war. Aber es störte ihn nicht mehr sonderlich. Das Haus war im Notfall gut zu verteidigen, außerdem war noch lange nicht sicher, ob es überhaupt einen Angriff geben würde. Die Polizei hatte jetzt andere Sorgen. Endlich willigten die Hausbewohner ein, daß Tossel mit den Fremden blieb, bis sie ein Schiff gefunden hatten. Atlan und Malt hor erhielten einen kleinen Raum zugewie sen, in dem sie sich aufhalten sollten, wäh rend Tossel in den Hafen gehen und Erkun digungen einziehen wollte.
39 Als sie allein waren, meinte Malthor: »Natürlich wäre es einfacher, jetzt mit dem Aggregat loszufliegen, aber ich verdan ke Tossel sehr viel. Ich will ihn nicht schmählich im Stich lassen. Vielleicht käme er ohne uns niemals bis zum Festland, und hier schnappte man ihn wegen Verrats.« »Wir gehen nicht ohne ihn«, erwiderte Atlan kurz. Damit war der Fall erledigt. Es begann bereits zu dämmern, als sich ein wütender Mob dem Hafengebiet näherte. Die Julkas waren mit Messern, Harpunen, Revolvern und Gewehren bewaffnet. Tossel war noch nicht zurückgekehrt, da für erschien einer der Hausbewohner bei den Arkoniden und erklärte ihnen, daß sie nun das Haus verlassen müßten. Atlan drängte ihn aus dem Zimmer und gab ihm zu verstehen, daß man nicht ohne Tossel ginge. Mit Möbelstücken verbarrika dierten sie dann die Tür und bezogen hinter den beiden Fenstern Stellung, um zu beob achten, was weiter geschah. Die Julkas waren sich nicht einig, was sie unternehmen sollten. Unschlüssig hantierten sie mit ihren verschiedenartigen Waffen her um und sprachen aufeinander ein. Immer wieder deutete einer auf das Haus, dann hin aus aufs Meer. Wahrscheinlich wollte sie verhindern, daß die Fremden mit den Wun derwaffen mit einem Schiff die schwimmende Stadt verließen. Ob das ihr eigener Ent schluß war, oder der Befehl der Moglios, blieb unklar. Langsam schob Atlan den Lauf seines Strahlers über die Fensterbrüstung. »Wir werden den Wortführer stumm ma chen«, sagte er entschlossen. »Vielleicht nehmen die anderen dann Vernunft an.« Sorgfältig zielte er. Dann schoß das Ener giebündel auf die Gruppe vor dem Haus zu und erwischte nicht nur den Anführer des Mobs, sondern gleich ein ganzes Dutzend der Aufrührer und Übereifrigen. Entsetzt wichen die anderen zurück. Es klopfte an der Tür. Atlan und Malthor achteten nicht darauf. Sie ließen die Julkas
40 auf der Straße keine Sekunde aus den Au gen. Drüben an den Kais lagen die Schiffe. Ir gendwo dort mußte auch Tossel sein. Viel leicht versprach er dem Kapitän goldene Berge. Bis jetzt hatte er anscheinend damit noch keinen Erfolg verbuchen können. Die Julkas untersuchten ihre Gefallenen und stellten wohl fest, daß sie nur betäubt, aber nicht tot waren. Das gab ihnen neuen Mut. Sie stürmten das Haus. Explosivgeschosse detonierten in den Holzwänden und drohten, sie in Brand zu setzen. Atlan und Malthor nahmen nun kei ne Rücksicht mehr. Mit breitgefächerten Bündeln legten sie die ganze Gesellschaft schlafen und entvöl kerten regelrecht das Hafengelände. Nur ein einzelner Julka war in der Däm merung noch zu sehen. Er kam von einem Kai und hatte einen fürchterlichen Watschel gang. »Da ist Tossel«, sagte Malthor, der ihn sofort erkannte. Sie räumten die Barrikaden vor der Tür weg. Die Hausbewohner ließen sich nicht blicken. Sie hatten vielleicht beobachtet, was draußen geschehen war, und zogen es vor, im Hintergrund zu bleiben. Tossel stürmte atemlos ins Zimmer und warf sich auf das Bett. »Was ist passiert?« fragte er. Atlan erklärte es ihm und sah ihn dann er wartungsvoll an. Tossel sagte: »Keiner will uns aufnehmen. Sie alle war ten ab, was weiter geschieht. Vergeßt nicht, daß die meisten Kapitäne einem anderen Gnohlen gehorchen, nicht dem von Asgajol. Ihre Moglios leuchten unverändert – und be fehlen! Niemand wird uns zum Festland mit nehmen.« Malthor meinte: »Für uns wäre das kein Problem. Tossel. Der Apparat, mit dem man fliegen kann, trägt Atlan und mich, aber nicht auch noch dich. Wir wollen dich nicht hier zurücklas-
Clark Darlton sen, denn du könntest Schwierigkeiten be kommen, weil du uns geholfen hast. Nie mand weiß, wie lange die Moglios noch wirksam sind. Darum brauchen wir ein Schiff.« »Das habe ich schon begriffen«, gab Tos sel zurück. »Und ich bin euch dankbar. Wir werden auch ein Schiff kriegen. Morgen.« »Warum erst morgen?« »Morgen trifft ein Schiff ein, dessen Ka pitän mein Freund ist. Ich werde mit ihm sprechen.« Atlan sah sich um. »Na schön, eine Nacht werden wir es wohl hier aushalten, wenn du etwas zum Es sen und Trinken besorgen kannst. Deine Freunde in diesem Haus sind nicht gerade freundlich zu uns.« »Sie haben Angst«, entschuldigte Tossel sie. »Ich werde jetzt gehen, aber ich bin bald zurück. Kann ich die Nacht hier verbrin gen?« »Wir haben Platz genug«, sagte Atlan. Durch das Fenster sahen sie ihn in der schlecht erleuchteten Stadt verschwinden. Er trug einen Korb. Eine Gruppe von Julkas war damit beschäftigt, die Bewußtlosen un ten auf der Straße einzusammeln. Man legte sie auf Karren und fuhr sie davon. »Ich übernehme die erste Wache«, sagte Atlan. Malthor legte sich hin und schloß die Au gen. Bevor er endgültig einschlief, murmelte er noch: »Das hier ist wirklich eine verrückte Welt, Akon-Akon hätte sich keine passende re aussuchen können …«
6. Am anderen Tag regierte in Asgajol die Anarchie. Die bislang von staatlichen Organen ver walteten Vorratslager wurden von Julkas, die nichts mit ihrer plötzlichen Freiheit an zufangen wußten, gestürmt und geplündert. Die Parias, die inzwischen aus ihren Ver
Revolte der Parias stecken gekommen waren, mußten hilflos zusehen, wie das allgemeine Chaos um sich griff. Sie kannten die persönliche Freiheit und hatten diesen Tag herbeigesehnt, doch hatten sie ihn sich anders vorgestellt. Angehörige der Polizei beteiligten sich an den Plünderungen. Sie schienen jeden Kon takt mit ihren Vorgesetzten verloren zu ha ben. Einige hatten auch ihre Uniformen weggeworfen. Irgendwo in einem Regierungsgebäude versammelten sich die bisher Herrschenden der Stadt. Ihre Moglios waren schwarz ge worden und fielen ab. Jegliche Befehlsim pulse fehlten, sie mußten nun allein regieren, und das gelang ihnen nicht sofort. Früher war es einfach gewesen, die emp fangenen Anordnungen weiterzugeben oder selbst auszuführen, doch nun hatte plötzlich jeder von ihnen seine eigene Meinung, die nur selten mit der eines anderen überein stimmte. Und natürlich hielt jeder seine ei gene Ansicht für die einzig richtige. Es gab heftige Diskussionen, aber nie mand kam auf den erlösenden Gedanken, ei ne Abstimmung vorzunehmen und so die Mehrheit entscheiden zu lassen. Die Regie rung von Asgajol war nicht handlungsfähig. Noch nicht. Eine der plündernden Banden zog durch die Straßen und näherte sich dem Hafen. Der Anführer hatte erfahren, daß sich dort die beiden Fremden versteckt hielten. Ihm ging es in erster Linie um die wunderbaren Waf fen. Wenn er sie besaß, konnte er zum un umschränkten Beherrscher aller Julkas wer den. Als sie den Hafen erreichten, verjagten sie jeden, der herumstand und auf ein Schiff hoffte, das ihn zum Festland bringen würde. Sie, die Banditen, schienen die einzigen Jul kas zu sein, die etwas mit ihrer unerwarteten Freiheit anzufangen wußten, wenn auch in negativem Sinn. Tossel, der aus dem Fenster sah, um fest zustellen, ob der ihm bekannte Kapitän in zwischen eingetroffen war, wandte sich um. »Freunde, ich fürchte, die dort kommen
41 euretwegen …« Atlan eilte zum Fenster. Mit einem Blick erkannte er, daß sie es diesmal nicht mit ei nem unorganisierten Mob zu tun hatten wie gestern, sondern mit Leuten, die sich relativ diszipliniert verhielten. Sie hatten das Haus umzingelt und näherten sich ihm gut ge deckt. Alle waren bewaffnet. Malthor meinte: »Jemand muß ihnen gesagt haben, daß wir hier wohnen, denn es ist doch klar, daß sie unsere Strahler wollen. Sollen wir ihnen Zunder geben?« Atlan zögerte. »Ich werde mit ihnen reden«, erbot sich Tossel. »Du bleibst hier!« fuhr Atlan ihn an. »Sie nehmen dich gefangen und erpressen uns dann. Selbst wenn es ihnen gelingt, ins Haus einzudringen, haben sie uns noch lange nicht. Außerdem wissen sie nicht, daß wir sie längst bemerkt haben. Die Überraschung hilft uns.« »Meine Bekannten, denen das Haus ge hört, kann nichts passieren. Sie haben es schon in der Nacht verlassen.« Malthor blieb am Fenster und beobachte te. Selten nur konnte er einen der Banditen entdecken, die sich vorsichtig von allen Sei ten heranschlichen. Am Horizont war die Silhouette eines Frachters zu erkennen, der tief im Wasser lag. Vielleicht war es das Schiff, das Tossel erwartete. Es konnte in zwei oder drei Stunden im Hafen einlaufen. Unten im Haus waren Geräusche zu hö ren. »Sie kommen«, flüsterte Tossel erregt und hantierte an seinem Gewehr herum. »Immer mit der Ruhe«, ermahnte ihn At lan und entsicherte den Strahler, den er auf Paralysewirkung geschaltet hatte. Die Banditen schienen es darauf angelegt zu haben, die Fremden zu überraschen, was angesichts, der überlegenen Strahlwaffen kaum verwunderlich sein konnte. Wahr scheinlich nahmen sie an, ihre Opfer schlie fen noch. »Ich kann mir schon denken, wer sie
42 schickt«, sagte Malthor. »Ich auch – leider«, meinte Tossel. »Es tut mir leid. Es war ihnen von Anfang an nicht recht, daß wir uns in ihrem Haus auf hielten. Aber ich hätte nicht geglaubt, daß sie sich mit Verbrechern verbünden.« Schritte kamen näher. Sie machten vor der Tür halt. Sie kannten also auch das Zimmer, so ge nau war die Beschreibung der Hausbewoh ner gewesen. Tossel zog sich in die äußerste Ecke zu rück, das Gewehr im Anschlag. Atlan schüt telte den Kopf und winkte ab. Tossel ließ das Gewehr sinken. Langsam öffnete sich die Tür. Ein Julka spähte vorsichtig ins Zimmer, in der linken Hand einen Revolver, in der rechten ein lan ges Messer. Als er Malthor am Fenster er blickte, der ihm gelassen entgegensah, er schrak er sichtlich. Atlan gab ihm von der Seite her einen Stoß und warf die Tür zu. Ein Poltern ver riet, daß draußen noch einer der Banditen gestanden und die Tür vor den Kopf bekom men hatte. Er fiel die Treppe hinunter. »Die Hände ganz ruhig halten!« befahl Atlan und nahm dem Julka die Waffen ab. »Was wollt ihr?« Der Anführer der Banditen erholte sich allmählich von seiner Überraschung. Es war sein Ehrgeiz gewesen, die Fremden allein zu überwältigen, damit keiner seiner Genossen die Wunderwaffen in die Hand bekam. Er hatte sie für sich haben wollen. »Es wäre ratsam, wenn ihr euch ergebt«, übersetzte Tossel die Aufforderung des Ban diten. Atlan lachte, und auch Malthor schien be lustigt zu sein. »Wir fürchten uns nicht vor deinen Leu ten«, ließ Atlan ihm durch Tossel mitteilen. »Sage ihnen, daß sie verschwinden sollen. Dich behalten wir, bis wir auf dem Schiff sind. Es wird dir nichts geschehen. Wir las sen dich wieder frei, wenn wir ablegen.« Abermals näherten sich Schritte. Malthor ging vor bis zur Tür und richtete seinen
Clark Darlton Strahler gegen die Holzbohlen. Das Energie bündel wurde nur zu einem Bruchteil reflek tiert und drang durch das Material hindurch. Draußen waren Rufe zu hören; dann wie der das typische Gepolter. Mehrere Körper rollten und rutschten in das Erdgeschoß zu rück und blieben dort reglos liegen. Malthor öffnete die Tür und sah hinab. Da lagen die Julkas auf einem Haufen mitten zwischen ihren Waffen, für einige Stunden kampfun fähig und paralysiert. »Du siehst«, sagte Atlan zu dem Bandi ten, »es hat wenig Sinn, uns einfangen zu wollen. Du wirst auf die Wunderwaffen ver zichten müssen, außerdem brauchst du bald keine Waffen mehr. In Asgajol wird wieder Ruhe und Ordnung herrschen. Du wirst dann wieder zu den guten Bürgern der Stadt gehö ren – oder im Gefängnis landen.« Inzwischen war der Frachter näher ge kommen. Tossel sagte vom Fenster her: »Es ist Karos, mein Bekannter. Ich kenne sein Schiff.« »Hoffentlich ist er zuverlässiger als deine Bekannten hier«, meinte Malthor. »Karos dürft ihr vertrauen«, versicherte Tossel. »Er wird uns zum Festland bringen.« »Ohne das Schiff zu entladen?« »Dazu fehlen Zeit wie auch Arbeiter. Ka ros hat keine Ahnung, was inzwischen hier geschehen ist. Er wird ziemlich überrascht sein.« Atlan hatte den Banditen die Hände auf den Rücken gefesselt. »Sag deinen Leuten, daß sie verschwin den sollen. Sie stehen unten vor dem Haus und warten auf neue Anweisungen.« Er schob den Unschlüssigen bis zum Fenster und öffnete es. »Na, wird's bald?« Der Anführer der Banditen spürte den Lauf der Wunderwaffe im Rücken. Errief: »Verschwindet jetzt! Wartet auf mich im Versteck!« Wie die Ratten kamen sie aus Nischen und Nachbarhäusern und sahen ihren Anfüh rer am Fenster stehen. Dahinter war das Ge sicht eines Fremden zu erkennen. Sie zöger ten, dann schlichen sie sich davon. Zwar ge
Revolte der Parias horchten sie, aber es war offensichtlich, daß sie ihre ursprüngliche Absicht noch nicht aufgegeben hatten. Tossel sagte: »Jetzt hat Karos die draußen verankerten Schiffe erreicht und hält an. Er wird nun er fahren, was passiert ist. Vielleicht verzichtet er darauf, in den Hafen einzulaufen. Was tun wir dann?« »Kann man ihn nicht verständigen?« »Wie denn?« »Funk vielleicht?« »Kein Frachter hat ein solches Gerät an Bord.« Malthor hatte einen Vorschlag: »Ich könnte mit dem Aggregat hinüber fliegen.« »Damit du abgeschossen wirst?« Atlan winkte ab. »Das Risiko geh lieber nicht ein.« »Vielleicht erkennt er mich, wenn ich vorn auf der Mole stehe«, hoffte Tossel. »Und wenn nicht, dann schwimme ich zu ihm.« »Und die Raubfische?« »Hier im Hafen tauchen sie nur selten auf.« »Gut, aber dann gehen wir alle zusam men.« Sie verließen das Zimmer und stiegen dann über die paralysierten Räuber hinweg, bis sie endlich auf der Straße standen. Atlan schob den zögernden Banditen vor sich her, um sicher zu sein, daß nicht aus dem Hinter halt auf sie geschossen wurde. Aber seine Sorge war unbegründet. Es ließ sich kein einziger Julkas sehen. Der Hafen war wie ausgestorben. Die Mole reichte weit hinaus ins Meer. Es war eine schwimmende Mole, die mit kräfti gen Seilen am Grund verankert worden war. Malthor ging am Schluß und sicherte die kleine Gruppe gegen einen Überfall von hin ten. Tossel ging vor bis zum Ende der Mole und begann mit beiden Armen zu dem Schiff hinüberzuwinken, das gerade den An ker herabließ.
43 Die Antwort waren mehrere schlecht ge zielte Schüsse von den anderen Schiffen. Nun wurde auch klar, warum sich niemand mehr in den Hafen wagte. »Ich muß hinüberschwimmen«, meinte Tossel schließlich. »Tauche lieber, das ist sicherer«, empfahl Atlan, der sich hinter einen niedrigen Mo lenpfeiler duckte, um nicht von den herum schwirrenden Splittern getroffen zu werden. »Und sei vorsichtig, wenn du das Schiff er reichst Karos könnte dich für einen Piraten halten.« Lautlos glitt Tossel in das klare Wasser und tauchte weg. Sie konnten den dunklen Schatten noch lange sehen, dann war er ver schwunden. Die Julkas auf den Schiffen stellten das Feuer ein, als sie erkennen mußten, daß die Entfernung zu groß war. Der Bandit verlangte, freigelassen zu wer den. »Du wartest, bis wir wissen, ob wir an Bord gehen können«, lehnte Atlan ab. »Bei Gelegenheit kannst du übrigens dein abge storbenes Moglio abpflücken – du brauchst es nun nicht mehr.« Malthor saß auf dem Packen mit der Aus rüstung und ließ Karos' Schiff nicht aus den Augen. Er glaubte Bewegung an der Reling erkennen zu können. Julkas liefen aufgeregt hin und her, dann drang Gewehrfeuer bis zur Mole. Sie beschossen wahrscheinlich Tossel, den sie noch nicht erkannt hatten. »Unsere Strahler reichen nicht so weit«, murmelte Malthor bitter. »Hoffentlich erwi schen sie Tossel nicht …« Plötzlich hörte das Gewehrfeuer auf. Die Julkas drängten sich an der Reling des Schiffes zusammen. Jemand warf etwas ins Wasser. »Tossel klettert an Bord«, sagte Atlan, der die besseren Augen hatte. »Er hat es ge schafft.« Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, denn lange Zeit geschah nichts. Der Gefangene begann zu murren und dann laut
44 stark zu meutern. Malthor klopfte ihm mit der flachen Hand kräftig auf den Mund und wäre beinahe gebissen worden. Wütend meinte er: »Wir werden dich gleich gefesselt ins Wasser werfen. Mal sehen, wie du mit den Raubfischen fertig wirst.« Der Bandit war wieder längere Zeit ruhig. Erneut entstand drüben an Bord des Schif fes Bewegung, als der Anker eingeholt wur de. Der Motor begann zu knattern, der Kahn wendete und fuhr langsam los. Der Bug zeigte genau auf das Molenende. »Na also!« knurrte Malthor befriedigt und gab dem Banditen einen Rippenstoß. »Nicht mehr lange, und du bist frei. Die Fesseln al lerdings mußt du dir von deinen Genossen abnehmen lassen.« Das Schiff kam näher. Tossel war deut lich zu erkennen. Neben ihm stand ein unge wöhnlich langer und dürrer Julka, wahr scheinlich Kapitän Karos. Er brüllte Kom mandos, der Motor tuckerte etwas langsa mer, und der Bug schwenkte herum. »Laßt den Banditen laufen!« rief Tossel den Arkoniden zu. »Es ist alles in Ordnung! Wir fahren zurück zum Festland.« Malthor gab dem Gefangenen einen Stoß. »Zieh ab! Und komm nur nicht mit deinen Freunden zurück, sonst kannst du was erle ben!« Der Julka machte, daß er davonkam. Er schien es sehr eilig zu haben. Vielleicht hat te er die Hoffnung doch noch nicht ganz auf gegeben, Diktator von Asgajol zu werden. Das Schiff legte an der Mole an. Ein Brett wurde hinübergeschoben und stellte die Verbindung her. Tossel hielt At lan die Hand entgegen. »Karos sieht ein, daß es wenig Sinn hat, hier tagelang auf das Entladen zu warten. Er wird uns zum Land bringen und dann eine andere Stadt anlaufen. So ist der Verlust nicht sehr groß …« Karos begrüßte die unverhofften Passa giere mit dem üblichen Rückenklopfen. Er hatte schon vor Tossels Bericht von ihnen gehört und wußte auch von dem Überfall auf
Clark Darlton die Siedlung. An Land sprachen sich derarti ge Ereignisse recht schnell herum. Als das Schiff ablegte und Fahrt aufnahm, unterhielt sich Atlan mit Tossels Hilfe aus führlich mit ihm. Er war begierig zu erfah ren, was inzwischen mit der Siedlung ge schehen war, aber zu seinem Leidwesen wußte Karos nichts davon. »Wir, die wir in den Festlandstützpunkten leben, haben nichts mit den Bewohnern der Städte zu tun, außer daß wir ihnen Waren und Güter bringen und dafür bezahlt wer den. Sie bezeichnen uns etwas verächtlich als Landbewohner. Es waren Expeditionen der Städte, die eure Siedlung überfielen. Na türlich waren auch Julkas dabei, die auf dem Land leben, aber sie mußten gehorchen.« »Den Eindruck hatte ich zwar nicht«, gab Atlan zu bedenken, der andere Erfahrungen als Malthor und Asmorth gemacht hatte, »aber im Prinzip mag es stimmen. Glaubst du, daß man unsere Siedlung noch einmal überfallen hat?« »Das weiß ich nicht. Es kann vielleicht so sein.« Die Mole und der Hafen blieben zurück. Atlan sah, daß ein Trupp Julkas auf die Mo le eilte und wütend ihre Waffen schwenkte. Der freigelassene Gefangene hatte sich be eilt, war aber nicht schnell genug gewesen. Ein paar Schüsse wurden abgefeuert, aber das Schiff war bereits außer Reichweite der Waffen. »Kommt, ich zeige euch die Kabine«, erbot sich Tossel schließlich. »In zwei Tagen erreichen wir das Festland …«
* Im Flachwassergebiet der Piraten gab es einen kurzen Aufenthalt. Die erste Nacht war ruhig vergangen, und als am nächsten Tag die Sonne am höchsten stand und man bis zum Meeresgrund hinab sehen konnte, tauchten die Piraten auf. Doch diesmal trafen sie auf einen Gegner, der sie erwartete. Atlan und Malthor fächerten mit ihren
Revolte der Parias Strahlern das Wasser ab. Die meisten be wußtlosen Piraten versanken, einige trieben aber an die Oberfläche. Karos gab seine Kommandos, um die geplante Aktion einzu leiten. Boote wurden zu Wasser gelassen, dann sammelte man die auf der Oberfläche treibenden Julkas ein. Insgesamt waren es sieben Piraten, die bewußtlos an Bord ge bracht wurden. »Der da ist Messa«, sagte Malthor. »Ich erkenne ihn an der Narbe wieder. Das nenne ich Glück.« Es war sein Vorschlag gewesen, Karos durch einen Dienst die Passage zu bezahlen. Er sollte künftig ohne Furcht vor Überfällen das Gebiet der Piraten durchfahren können. »Von Messa hörte ich schon«, meinte Tossel erfreut. »Er gehört zu der Bande von Jolter, den noch nie jemand erblickte.« »Den kenne ich auch«, erwiderte Malthor. »Mit ihm zu verhandeln wäre sinnlos gewe sen.« »Nicht, wenn wir ihm gedroht hätten, ihm Ketten anzulegen und ihn an der tiefsten Stelle des Meeres zu versenken – so wie wir es mit Messa tun werden, wenn er nicht den Schwur ablegt, Karos künftig ungehindert passieren zu lassen.« Das Schiff fuhr langsam weiter. Messa er wachte zwei Stunden später und erkannte zu seiner Überraschung die Fremden wieder, die er auf ihrer Fahrt nach Asgajol gefan gengenommen hatte und die ihm wieder ent wischt waren. Natürlich hielt er Atlan für Asmorth. »Ihr schon wieder?« sagte er. Tossel erklärte ihm das Abkommen. Mes sa zögerte lange, aber als er die schweren Eisenketten sah, die von der Mannschaft herbeigeschleppt wurden, besann er sich ei nes Besseren. Ein Julka brach nie seinen Schwur. Die eigene Sippe hätte Messa ver stoßen, wenn er den Schwur ignorierte. »Also gut, ich schwöre, dieses Schiff nie mehr anzuhalten und auszurauben. Aber ihr müßt ein Kennzeichen anbringen, vorn am Bug, damit es keine Mißverständnisse geben kann.«
45 Karos überlegte nicht lange. »Ich werde die Gestalt eines Julkas aus Holz schnitzen lassen und an der Bugspitze so befestigen, daß sie vom Wasser aus gut zu sehen ist. Genügt das?« »Es genügt«, versprach Messa und streifte die Waffen der Arkoniden mit einem scheu en Blick. »Ich schwöre es.« Karos nickte seiner Mannschaft zu. »Ihr könnt die Ketten wieder wegbringen. Die Piraten sind frei.« Sie erwachten, einer nach dem anderen. Messa setzte sie von dem Abkommen in Kenntnis, und es gab keine Proteste. Nach einem kurzen Abschied sprangen sie über die Reling und verschwanden im Wasser, um zu den Riffen zurückzuschwimmen. Karos bedankte sich bei Atlan und Malt hor. Die Überfahrt war bezahlt.
* Am anderen Tag gegen Abend kam das Festland in Sicht. Zuerst hätte man den dunklen Streifen für eine Wolke halten können, die Sturm ankün digte, aber Karos konnte seine Passagiere beruhigen. Ein Unwetter war das letzte, was sie jetzt brauchten. »Eigentlich könnten wir schon jetzt das Aggregat benutzen«, meinte Malthor zu At lan. Sie standen an der Reling. »Ich habe es ja mit Asmorth erproben können. Wir fertig ten ein Traggestell, in das er sich setzte. Ich schleppte ihn dann an einem Seil mit.« »Wir wollen warten, bis Tossel an Land ist. Außerdem ist mir der Start über Wasser zu riskant. Vielleicht sind die Energiereser ven auch schon bald aufgebraucht. Jeden falls werden wir später dicht über den Boden fliegen, damit wir nicht zu tief fallen.« »Die Anzeigeinstrumente zeigen genü gend Energie an, Atlan.« »Trotzdem!« Atlan kniff die Augen zu sammen, als er zu dem deutlicher werdenden Landstreifen hinübersah. »Da scheinen ja eine ganze Menge Julkas auf Kapitän Ka
46 ros und sein Schiff zu warten.« »Ich sehe nichts«, gab Malthor zu. »Aber ich! Vielleicht hat man hier schon von den Vorkommnissen in Asgajol gehört, möglich wäre es ja.« Tossel gesellte sich zu ihnen. Er hatte die letzten Sätze der Unterhaltung verstanden. »Sie stehen immer am Ufer, wenn ein Schiff kommt, das hat nichts zu bedeuten. Meine Freunde und die Familie sind auch dabei. Aber ich habe nun kein Moglio mehr, das wird sie verwirren. Zwar sind auf dem Festland die entsprechenden Gesetze nicht so streng, und es gibt keine Parias wie in den schwimmenden Städten, aber schief ansehen wird man mich schon.« »Wirst du Ärger bekommen?« »Nein, sicher nicht. Vielleicht wird man versuchen, mir ein neues Moglio zu geben. Es wird so wenig nützen wie das erste.« »Du hast seinen Einfluß nie verspürt?« »Doch, aber nur geringfügig. Ich nahm Befehle entgegen, führte sie aber nicht im mer aus. Ich bewahrte mir ein Stück persön liche Freiheit, ebenso wie viele meiner Freunde. Darum halfen wir euch.« Die Küste rückte immer näher. Die Ha fengebäude waren gut zu erkennen, auch die Julkas, die auf Kais und Molen standen. Ei nige Schiffe lagen vor Anker, voll beladen und fertig zur Ausfahrt. »Wir sind bald da«, sagte Kapitän Karos, der unbemerkt zu ihnen getreten war. »Sie werden sich wundern, daß wir die Ladung nicht in Asgajol gelöscht haben.« Das Schiff tuckerte langsam in den Hafen. Es war bereits dunkel geworden, aber die Lichter an den Kais brannten und verbreite ten einen schwachen Lichtschimmer. Viele der wartenden Julkas hatten die Geduld ver loren und waren nach Hause gegangen. Mehrere Dutzend aber warteten noch auf die neuesten Berichte von den seltsamen Vor gängen in Asgajol, von denen sie inzwi schen gehört haben mochten. Als das Schiff fest vertäut war, nahmen Atlan und Malthor Abschied von dem Kapi tän. Sie wollten diese Nacht noch im Haus
Clark Darlton von Fitschel, dem Freund Tossels, verbrin gen, um morgen ausgeschlafen zu sein. Als sie an Land gingen, erregten sie kein Aufsehen mehr. Man kannte sie bereits und hegte kein Mißtrauen. Die Land-Julkas wa ren anders als die Stadt-Julkas. Vielleicht lag das daran, daß der Einfluß der Gnohlen hier nicht so stark war wie in den Städten, wo sich die Macht der Moglios konzentrier te. Fitschel kam ihnen entgegen. Er begrüßte Tossel, dann die Arkoniden. Für ihn war es selbstverständlich, daß mal wieder Zeit für ein Festmahl war. Freunde hatte er bereits eingeladen. Es war ganz wie beim ersten Mal, als Malthor und Asmorth Gäste des alten Julkas waren. Die große Tafel bog sich unter Spei sen und Getränken, die ganz anders schmeckten als in der Stadt. Es lag wohl auch daran, daß Landfrüchte mit verarbeitet wurden, nicht nur Fische und Seegemüse. Es war schon spät, als Atlan und Malthor von Tossel in ihr Zimmer gebracht wurden. Im Hafen brannten noch immer die Lichter, und Malthor, der aus dem Fenster sah, glaubte mehrere dunkle Schatten erkennen zu können, die durch die Straßen huschten. Er teilte Atlan seine Beobachtung mit. »Vielleicht Nachtschwärmer«, vermutete dieser. »Sie leben hier anders als in den schwimmenden Städten.« »Ich weiß nicht«, erwiderte Malthor nach denklich. »Wenn ich mich nicht irre, trugen diese Nachtschwärmer Uniformen.« Atlan wollte Tossel verständigen, verzich tete aber dann darauf, um ihn nicht zu beun ruhigen. Wenn irgendein Gnohle wirklich befohlen hatte, sie festzunehmen, war es besser, die befreundeten Julkas nicht mit hineinzuziehen. Das konnte ihnen nur scha den. »Warten wir ab«, riet Atlan daher. »Einer von uns bleibt wach.« »Diesmal übernehme ich die erste Wa che«, entgegnete Malthor und bezog neben dem Fenster Posten. »Ich bin noch frisch und munter. Soll ich sie schlafen legen,
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wenn sie kommen?« »Was sonst?« murmelte Atlan, der sich auf dem Bett ausgestreckt hatte. »Sie haben den Schlaf vielleicht ebenso notwendig wie ich …« Malthor grinste in die Dunkelheit hinein und machte sich auf eine längere Nachtwa che gefaßt. Aber er irrte sich. Es dauerte nicht lange, bis sie kamen.
7. Atlan erfuhr nie, auf welche Art und Wei se sich die Gnohlen untereinander verstän digten, aber daß sie Kontakt hielten, war ei ne unbestreitbare Tatsache. Sie mobilisierten die Landpolizei und befahlen ihr, die beiden Fremden, die in Fitschels Haus nächtigten, unschädlich zu machen. Noch während Malthor das Gelände vor dem Haus beobachtete und sich von einigen dunklen Gestalten ablenken ließ, drang die Hauptmacht bereits ins Haus ein. Unhörbar schlichen sich die Uniformierten die Treppe hoch, so als wüßten sie genau, wo die Ge suchten zu finden seien. Sie stießen die Tür auf, richteten den Schein ihrer Lampen auf den schlafenden Atlan und auf Malthor, der erschrocken herumfuhr. Ehe er reagieren konnte, stürzten sich vier oder fünf der Jul kas auf ihn, warfen ihn zu Boden. Als Atlan erwachte, war es schon zu spät zur Gegenwehr. Einer der Polizisten hatte den Strahler an sich gerissen und rannte da mit fort. Malthors Waffe flog aus dem Fen ster. Trotzdem wehrten sie sich, doch die Übermacht war zu groß. Sie wurden gefes selt und aus dem Haus geschleppt. Weder Fitschel noch Tossel ließen sich sehen. Ent weder hatten sie nach dem Gelage einen be sonders tiefen Schlaf, oder man hatte auch sie ausgeschaltet. Die Straßen waren leer und dunkel. Nur aus vereinzelten Fenstern fiel noch Licht. Atlan sah, daß die beiden Impulsstrahler im Gürtel eines dicken Julkas steckten, der of
fensichtlich der Kommandant des Einsatz trupps war. Er versuchte, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Es ging hinab zum Hafen, wo ein schma les und nicht sehr großes Boot auf sie warte te. Ohne viel Lärm brachte man die Gefan genen an Bord und sperrte sie in einer engen Kabine ein. Wenig später wurde der Motor angewor fen. Die stärker werdende Dünung verriet, daß sie aufs Meer hinausfuhren.
* Tossel hörte zwar einige verdächtige Ge räusche in dieser Nacht, aber er achtete nicht darauf. Er war auch viel zu müde, um sich Gedanken zu machen. Er wälzte sich auf die andere Seite und schlief weiter. Erst am anderen Morgen fand er die Spu ren des kurzen Kampfes im Zimmer der Gä ste – und unter dem Bett den Sack mit ihrer Ausrüstung. Man hatte sie entführt. Er alarmierte seine Freunde und erfuhr, daß noch während der Nacht ein Patrouillen boot der Polizei den Hafen verlassen hatte. Kein Frachtkahn war so schnell wie ein Boot der Polizei. Man würde es nie einholen können. Karos schüttelte den Kopf, als Tossel ihn bat, trotzdem die Verfolgung aufzunehmen. »Es wäre sinnlos. Ich habe noch immer schwer beladen und fahre nur halb so schnell wie sonst.« »Was sollen die Fremden von uns denken, wenn wir sie im Stich lassen? Sie haben uns geholfen, also müssen wir ihnen ebenfalls helfen.« »Aber wie denn?« »Hinterher fahren! Wir finden sie schon.« Karos ließ sich breitschlagen. Tossels Freunde kamen alle an Bord, mit Gewehren und Harpunen bewaffnet und von dem Wil len beseelt, die beiden geraubten Gäste zu befreien, was immer auch geschah. Sie spürten den schwindenden Einfluß ih
48 rer Moglios, obwohl sie eigentlich nichts mit dem Gnohlen von Asgajol zu tun hatten. »Sie bringen ihre Gefangenen nicht nach Asgajol«, vermutete Tossel. »Welche Stadt käme da in Frage?« »Kirajlos vielleicht – oder Panik.« Karos machte eine Bewegung, die Hilflosigkeit und Ratlosigkeit ausdrückte. »Ich weiß es nicht.« »Jemand muß ihnen verraten haben, daß die Fremden bei uns schliefen«, sagte Tossel empört. »Wenn wir ihn herausfinden, geht es ihm schlecht.« Sie tuckerten aus dem Hafen. Im Osten dämmerte bereits der neue Tag, und am Ho rizont wurde ein winziger Punkt sichtbar, der jedoch ständig kleiner wurde. Die Hä scher hatten bereits einen riesigen Vor sprung, und zu Tossels Verwunderung fuh ren sie genau in das Gebiet der Piraten hin ein. Wollten sie also doch zurück nach Asga jol? Vielleicht unterstanden sie einem anderen Gnohlen, der auch hier noch Macht über sie hatte. Es sollte sogar besonders wichtige Jul kas geben, die zwei Moglios besaßen … Gegen Mittag verloren sie das Polizeiboot endgültig aus den Augen. Aber Tossel und Karos gaben nicht auf, obwohl die Verfolgung immer sinnloser wurde und die Aussichten auf einen Erfolg aussichtslos. Tossel war inzwischen davon überzeugt, daß es sich bei den Entführern nicht um Polizisten der Stadt Asgajol han delte, sondern um die Banditen, die sie kurz vor ihrer Flucht überfallen hatten. Sie muß ten sich Uniformen beschafft und ein Pa trouillenboot gekapert haben. Gegen Mittag wurde ein winziger Punkt am Horizont sichtbar. Natürlich konnte es sich auch um einen Frachter handeln, der Asgajol verlassen hatte und zum Festland zurückkehrte. Karos quälte den Motor seines Schiffes bis an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Jemand brachte ihm ein Fernglas. Er ging vor zum Bug und studierte aufmerksam den
Clark Darlton Punkt am Horizont, bis er davon überzeugt war, daß es sich dabei nur um das kleine Pa trouillenboot handeln konnte. Es schien je doch keine Fahrt mehr zu machen. »Das verstehe ich nicht«, murmelte er, als Tossel zu ihm kam. »Es ankert mitten im Pi ratengebiet. Ob sie denen die Fremden ver kaufen wollen?« »Hoffentlich bleiben sie liegen, bis wir dort sind, dann werden wir ihnen den Han del verderben. Wir haben Waffen genug an Bord.« »Wenn sie Verdacht schöpfen, verschwin den sie.« »Ein Frachter sieht aus wie der andere.« »Sicher, aber wir haben die Holzfigur noch nicht am Bug angebracht. Die Piraten können also nicht wissen, wer wir sind.« »Die Entführer aber auch nicht.« Der Punkt wurde allmählich auch mit blo ßem Auge erkennbar. Es war tatsächlich das Patrouillenboot. Reglos lag es auf der kaum bewegten Oberfläche des seichten Meeres, obwohl, wie Karos zu seiner Verblüffung feststellte, der Motor lief und die Schraube unter dem Heck sich wie wild drehte. Trotz dem kam es keinen Meter voran. Erst als sie nur noch wenige hundert Me ter entfernt waren, konnten sie die Trossen sehen, die mit Metallhaken an der Reling be festigt waren und im Wasser verschwanden. Noch während sie näher kamen, bemerkten sie einen Uniformierten an Deck, der sich an die Reling heranschlich und offensichtlich eine der Trossen losmachen wollte. Er kam nicht weit. Als er die Reling erreicht hatte und mit seinem Werk beginnen wollte, erschien dicht neben dem Schiff der Oberkörper eines Julkas. Blitzschnell schoß er seine Harpune ab und verschwand wieder unter Wasser. Der Uniformierte brach, mitten in die Brust getroffen, zusammen und blieb liegen. Sonst war niemand an Deck zu sehen, wenn man von ein paar reglosen Gestalten absah, die verkrümmt herumlagen. Karos wußte sofort, was passiert war, zu mindest ahnte er es.
Revolte der Parias »Die Piraten haben das Boot angehalten und erfahren, daß sich die beiden Fremden als Gefangene an Bord befinden. Die Ent führer weigern sich, sie herauszugeben und drohen, sie zu töten. Das Spiel steht also un entschieden – nehme ich an.« »Sie werden auch uns anhalten«, vermute te Tossel. »Dann geben wir uns zu erkennen, und wenn es nicht Messas Leute sind, berichten wir ihnen von unserem Abkommen mit ihm. Und dann machen wir die Entführer gemein sam fertig. Die Piraten halten ihr Wort, das kannst du mir glauben.« Fünfzig Meter vom Patrouillenboot ent fernt, ließ Karos den Anker werfen, der in dreißig Meter Tiefe Grund faßte. In einem der Bullaugen erschien ein Gesicht. »He, ihr da! Helft uns!« Tossel übernahm die Verhandlungsfüh rung: »Ihr habt die beiden Fremden an Bord?« »Was wißt ihr davon?« »Antwortet, oder ihr müßt euch allein hel fen!« Nach einer kurzen Pause, in der das Ge sicht verschwand und wiederkehrte, sagte der Entführer: »Gut, wir haben sie! Die Piraten wollen sie auch haben, und die Waffen dazu. Wir haben gedroht, die Fremden zu töten und die Waffen zu zerschlagen, wenn auch nur ein Pirat das Deck betritt. Das ist alles.« Vom Ruder her rief ein Julka von Karos' Besatzung: »Die Piraten, sie kommen an Bord!« Tossel rief zum Patrouillenboot hinüber: »Wartet noch! Wir reden mit den Pira ten.« Er eilte hinter Karos her. Vier oder fünf Piraten schwangen sich blitzschnell über die Reling, offenbar erstaunt, daß sie nicht so fort angegriffen wurden. Dann ließ einer von ihnen seine Harpune sinken. »Karos!« sagte er. »Du bist wieder zu rück? Dein Schiff zeigt nicht das vereinbarte Kennzeichen.« »Wir werden es dir erklären«, erwiderte
49 Karos. »Sage deinen Leuten Bescheid, daß ich es bin.« Messa schickte einen Julka zurück ins Wasser und setzte sich auf ein zusammenge rolltes Tau. Er wartete, bis auch Karos und Tossel Platz genommen hatten. »Nun?« Tossel berichtete in allen Einzelheiten, was geschehen war und äußerte auch die Vermutung, daß es sich bei den Uniformier ten nicht um Polizisten, sondern um Bandi ten aus der Stadt handelte. »Wir haben es schon geahnt«, gab Messa zurück, »und wollten die Fremden befreien. Sie gehörten mit zu dem Pakt, den wir ge schlossen haben. Wir hätten sie zum Fest land gebracht. Aber ihr seht ja selbst, daß die Entführer die Trümpfe in der Hand ha ben. Wenn sie Verdacht schöpfen, töten sie ihre Gefangenen. Was sollen wir tun?« »Angreifen!« sagte Karos entschlossen. »Nein!« Tossel gab zu verstehen, daß er einen Vorschlag habe, aber noch darüber nachdenken müsse. Inzwischen kamen im mer mehr Piraten an Bord und unterhielten sich mit Karos' Besatzung, als wären sie alte Freunde. Dann fuhr Tossel fort: »Wir müs sen die Erpressung mit einer Gegenerpres sung beantworten. Auch die Banditen lieben ihr Leben. Wenn wir ihnen klarmachen, daß auch sie sterben müssen, wenn sie die Ge fangenen töten, werden sie nachgeben.« »Wie willst du ihnen das klarmachen?« fragte Karos. »Sie haben Waffen an Bord und damit auch die Hoffnung, unseren An griff abschlagen zu können.« »Ich habe eine Idee«, warf Messa ein. »Wir besitzen Werkzeuge, mit denen sich auch durch Metall ein Leck bohren läßt. Das erste wird so klein sein, daß zwar Wasser in das Patrouillenboot dringt, aber nicht so viel, daß es sinken könnte. Sie haben Pumpen. Doch wenn sie nicht nachgeben, wird das zweite zu groß sein, um das Boot noch zu retten.« Karos begriff sofort. »Gut, wir stellen unsere Bedingungen wenn sie merken, daß ihr Boot zu sinken be
50 ginnt und die Pumpen es so gerade noch ver meiden können. Das wird sie zur Vernunft bringen.« Messa erhob sich. »Ich werde meinen Leuten die Anweisung geben …« Tossel ging wieder vor zum Bug. Der Uniformierte war zu sehen. Er wartete auf Vorschläge. »Nun, was ist?« rief er Tossel zu. »Wie ich sehe, scheint ihr euch mit Piraten gut zu verstehen. Wir werden uns das merken. Das ist doch das Schiff von Karos?« »Eure gestohlenen Uniformen können uns nicht täuschen«, gab Tossel ruhig zurück. »Du bist der Kerl, den wir an der Mole von Asgajol freiließen. Schöne Dankbarkeit!« Der andere zeigte seine Enttäuschung nicht. »Ich mache euch ein Angebot«, schlug er vor. »Wir haben die Waffen. Wenn ihr uns helft, bekommt ihr eine davon.« »Wenn ihr die Waffen habt, warum be nutzt ihr sie dann nicht?« »Die Fremden weigern sich, uns zu erklä ren, wie sie bedient werden.« »Schöner Zug von Ehrlichkeit deiner seits«, lobte Tossel spöttisch. Vom Ruder her gab Messa ihm einen Wink. Das war das verabredete Zeichen, daß bereits das erste Leck im Patrouillenboot war. »Und nun hör gut zu, Bandit: Euer Boot beginnt in weni gen Minuten zu sinken. Wenn ihr nicht auf gebt, werdet ihr bald alle schwimmen, und ihr wißt, was das bedeutet. Die Piraten sind jedem Julka im Wasser überlegen, denn sie wurden darin groß. Gebt die Gefangenen frei und liefert sie samt ihren Waffen aus! Sonst sterbt ihr alle!« Der Bandit verschwand. Als er zurück kam, sah er nicht mehr so zuversichtlich aus. »Unsere Pumpen werden schon mit dem eindringenden Wasser fertig!« »Nicht mehr lange, dann habt ihr ein zweites Leck!« Wieder entstand eine Pause. Diesmal eine längere. Ein Pirat kam an Bord geklettert und
Clark Darlton sprach mit Messa. Dieser fragte: »Nun, wie steht es? Sollen wir das näch ste Leck bohren?« »Wartet noch ein wenig. Die Banditen be nötigen einige Zeit, um sich zu entschei den.« Die Sonne näherte sich nur langsam dem Horizont. In ein paar Stunden wurde es dun kel. Dann würde es einfacher sein, die Ban diten zu überrumpeln. Aber dann rief der Anführer der Banditen: »Wenn wir eure Forderung erfüllen, was geschieht dann mit uns?« »Ihr seid frei und könnt nach Asgajol zu rückkehren.« »Gut. Wir setzen ein Boot aus. Ihr könnt die Gefangenen und ihre Waffen haben.« Tossel atmete auf, aber Karos warnte: »Es könnte eine Falle sein! Sei vorsich tig!« »Keine Sorge, das Leck hat ihnen einen gehörigen Schreck eingejagt. Sie sind ret tungslos verloren, wenn sie falsch spielen – und das wissen sie. Sie haben keine andere Wahl als die Fremden freizulassen – oder zu sterben.« Wenig später erblickten sie Atlan und Malthor an Deck. Ein Julka, der auch ihre Waffen trug, geleitete sie zur Reling, von der eine Strickleiter herabhing. Ein kleines Boot wartete schon auf sie. Einige Piraten erschienen plötzlich an der Oberfläche und hielten das Boot fest, damit es nicht abtrieb. Die Fremden waren noch immer gefesselt, als sie mühsam ins Boot kletterten. Der Ban dit warf die Waffen hinterher. Die Piraten schwammen und zogen das Boot mit sich. Einer kletterte hinein und schnitt die Fesseln durch. Malthor griff nach seinem Strahler, um ihn auf das Patrouillenboot zu richten, aber Atlan drückte seinen Arm herab. »Sie haben ihr Wort gehalten, also tun wir es auch«, sagte er. Tossel und Karos begrüßten die Befreiten mit besonders kräftigen Schulterschlägen. Messa rief inzwischen seine Leute zurück. Das Patrouillenboot lag schon tief im Was
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ser. Die Pumpen würden unablässig arbeiten müssen, damit es nicht sank. Die Trossen, die vorher so straff gewesen waren, wurden plötzlich locker. Das Boot nahm Fahrt auf. Noch immer war niemand an Deck zu sehen. Atlan bedankte sich bei den Julkas und auch bei den Piraten, die nicht viel Aufse hens machten und kurz darauf über die Re ling hechteten und im Meer verschwanden. »Zurück zum Festland!« befahl Karos. Der Anker wurde eingeholt, und das Schiff nahm Fahrt auf. Sie erreichten den Hafen mitten in der Nacht, und zum letzten Mal, wie sie hofften, übernachteten Atlan und Malthor im Hause Fitschels, der es sich nicht nehmen ließ, abermals sämtliche Gerichte des Planeten Ketokhs auffahren zu lassen. In dieser Nacht schliefen vier Julkas vor der Tür zur Kammer ihrer fremden Gäste.
* Tossel und seine Freunde begleiteten At lan und Malthor aus der Hafenstadt hinaus. Malthor trug wieder den Packen mit der Ausrüstung. Irgendwie fand er den Weg wieder, den er mit Asmorth genommen hat te, als sie sich in den Hafen geschlichen hat ten. Am Ufer des Stromes allerdings mußte er eine gewisse Zeit suchen, bis er den Busch entdeckte, in dem er die zusammen gebastelte Sitzvorrichtung wiederfand, deren oberes Ende er am Flugaggregat befestigte. »Werdet ihr wiederkommen?« fragte Tos sel. »Das wissen wir nicht, denn wir haben unsere Probleme«, erwiderte Atlan. »Ihr kennt sie, und wenn sich die Möglichkeit er gibt, daß ihr uns helfen könnt, dann geht stromaufwärts, bis ihr die Siedlung erreicht. Aber wir wollen versuchen, allein mit unse rem Gegner fertig zu werden und den Bau der Siedlung zu verhindern. Wir haben euch viel zu verdanken, aber ich glaube, eines Ta ges werden wir quitt sein, dann nämlich, wenn es keine Gnohlen mehr gibt und alle Moglios sich schwarz gefärbt haben. Tragt
das Fanal der Revolution in alle Städte und bringt allen Julkas die Freiheit der eigenen Entscheidung! Laßt euch nie mehr von den Gnohlen beherrschen. Die Julkas sollen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen!« Dann kletterte Atlan in den provisori schen Sitz und band sich fest. Der Strahler lag auf seinem Schoß, damit er eventuelle Angriffe abwehren konnte. Malthor stand drei Meter daneben, das Flugaggregat auf dem Rücken. Er schaltete es vorsichtig ein und stieg langsam in die Höhe, bis die Seile sich strafften. Die Julkas staunten nur noch, aber sie er schraken nicht mehr. Sie winkten begeistert, als Malthor weiter stieg und Atlan mit sich nahm. Und sie winkten noch immer, als die beiden Frem den mit dem Fluggerät stromaufwärts über der Steppe am Horizont verschwanden. »Unsere Kinder und Kindeskinder werden das alles für ein Märchen halten, wenn sie es erzählt bekommen«, meinte Tossel nach denklich, als sie in die Hafenstadt zurück wanderten. »Sie werden es einfach nicht glauben …«
* »Was zeigt das Meßinstrument an?« frag te Atlan, und er mußte laut rufen, damit Malthor ihn verstehen konnte. »Energie genug, aber sie schwankt. Mit dem Generator ist etwas nicht in Ordnung.« »Nicht zu hoch fliegen!« riet Atlan und sah nach unten. »Wir wollen uns nicht zum guten Schluß noch den Hals brechen.« »Zum guten Schluß?« fragte Malthor bis sig. »Wir sind uns doch darüber im klaren, daß wir uns freiwillig in die hypnotische Ge walt Akon-Akons zurückbegeben. Wir ha ben nichts erreicht, aber auch gar nichts! Na schön, wir haben einem gekneteten Volk ge zeigt, wie es seine Freiheit zurückerlangen kann, das ist aber auch alles. Wir sind so dumm dran wie vorher.« »Abwarten, Malthor! Geh weiter herun
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ter!« »Und wenn wir beschossen werden? Die Streifen sind hier noch unterwegs, und ir gendwo in den Wäldern und Bergen lebt be stimmt ein Gnohle, der sie kontrolliert und befehligt.« »Das müssen wir riskieren.« Bald ließen sie die Steppe hinter sich. Der Strom war breiter geworden, und der Ur wald begann. Fern am Horizont sah Malthor schon den Gischt des gewaltigen Wasser falls schimmern, der ihm und Asmorth bei nahe zum Verhängnis geworden war, als sie im Fluß trieben. Er fürchtete, daß dort die Julkas noch auf sie lauerten. Es hatte aber wenig Sinn, einen Umweg zu fliegen. Sie hatten keine Karten von Ke tokh, und niemand konnte wissen, wie lange der Energievorrat noch reichte. Doch eine andere Sorge war größer: Was würde geschehen, wenn sie wieder in den Bannbereich Akon-Akons gerieten? Was war inzwischen mit Fartuloon und den anderen geschehen? Fragen über Fragen. Gegen Abend überflogen sie den Wasser fall, ohne daß sie beschossen worden wären. Malthor sagte besorgt: »Die Energie läßt nun merklich nach. Hoffentlich erreichen wir die ISCHTAR
noch, sonst müssen wir zu Fuß gehen.« »Wir schaffen es schon«, meinte Atlan zuversichtlich. »Aber die Speicher erholen sich, wenn wir eine Pause machen. Wir könnten am Flußufer übernachten. Ein si cherer Platz wird sich schon finden lassen.« »Die Julkas können schwimmen«, erin nerte ihn Malthor. Sie fanden eine kleine Sandbucht unter den Felsen mit den Höhlen, die Malthor schon kannte. »Wieder einmal werden wir abwechselnd wachen«, schlug Atlan vor. Sie konnten das ferne Donnern des Was serfalls noch hören, als die Nacht herabsank. Es wurde dunkel um sie herum, aber sie fühlten sich sicher. Bald würde alles wieder ganz anders sein. Akon-Akon erwartete sie, und seinen Be fehlen mußten sie dann wieder gehorchen. Die ganze Aktion war umsonst gewesen. Algonia und Asmorth hatten sie mit dem Leben bezahlt. Und vor Atlan und Malthor lag ein unge wisses Schicksal.
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ENDE