REINHOLD MERKELBACH
ROMAN UND MYSTERIUM IN DER ANTIKE
RE I N H O LD M E R K E LB A C H
ROMAN UND MYSTERIUM IN DER ANTIKE
C. H. BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG MÜNCHEN UND BERLIN
1962
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft Einband und Schutzumschlag von Arthur Schram!, München
© C.H.Bcck'sche Verlagshuchhandlung (Oscar Beck) München 1962 Druck der C. H. Beck'.schen Buchdruckerei Nördlingen Printed in Germany
KA R L MEULI in Verehrung und Dankbarkeit gewidmet
VORWORT Epos, Lyrik und Drama haben ihren Ursprung i n der Religion. Die Entstehung des antiken Romans glaubten die Gelehrten - mit Ausnahme von Karl Kerenyi - anders erklären zu können. Aber schon aus allge meinen Gründen ist wahrscheinlich, daß es mit dem Roman nicht anders steht als mit den übrigen literarischen Gattungen der Antike. Daß der Roman tatsächlich aus religiösen Wurzeln erwachsen ist, wollen wir in diesem Buch nachweisen. Die antiken Liebesromane hängen eng mit den Mysterien des sinken den Altertums zusammen, mit den Kulten der lsis, des Mithras, des Dionysos und des Sonnengottes. Die Romane werden zu Haupt quellen für diese Religionen, über die wir sonst nur wenige Zeugnisse haben. Freilich sind die Schwierigkeiten nicht gering, die sich uns bei der Erforschung dieser Kulte entgegenstellen. Es sieht zunächst so aus, als sollte der Boden des wissenschaftlich Beweisbaren verlassen werden, als gälten die Gesetze der Logik nicht mehr. Aber der erste Eindruck trügt. Das Denken der Mysterientheologen lief in festen, von der Tradition vorgegebenen Bahnen ; die mystischen Bedeutungen der Symbole und Episoden lagen im wesentlichen fest. Sicher wird mancher Leser über die einförmige Wiederkehr immer gleicher Episoden und Deutungen klagen. - Dies Buch will nur nachweisen, daß die Romane wirklich My sterientexte sind ; die Untersuchung der einzelnen Kulte muß danach neu aufgenommen werden. Viele wichtige Bemerkungen verdanke ich Walter Burkert, Ernst Köberlein und Ludwig Koenen, der auch die Korrekturen mitgelesen hat. Ihnen gilt mein herzlicher Dank. Gewidmet sei dies Buch dem Forscher, der in unserer Zeit am meisten zum Verständnis der alten Religion beigetragen hat und ein rechter Nachfahr des großen Bachofen ist. R. M.
I N HALT SVE R Z E I C H N I S XI
Abkürzungen Apuleius
1
Psyche
1
Isisdeutung des Psychemythos .
8
Imitatio Isidis . . . . . . . . .
53
Doppelsiun, Allegorie und Symbolik
55
Die Verschlüsselung des Isismythos
65
Lüge und Wahrheit
70
Charite . . . .
72
Der kluge Arzt
79
Die beiden Brüder
80
Giftmischerinnenmimus .
88
Xenophon von Ephesos . Achilleus Tatios .
.
. .
91 114
Die Historia Apollonii regis Tyri
161
Der Clemens-Roman
172
Iamblichos
178
Longus . .
192
Antonius Diogenes
225
Heliodor
234
.
.
.
·
.
Beilage I Der Seelenhymnus der Thomasakten und die Weihe Julians
299
Beilage II Die Europa des Moschos
326
Beilage III Über die Geschichte des Romans im Altertum .
333
Register
. . . . . . . . . . . . .
341
Nachweis der Tafeln und Abbildungen
346
ABKÜRZUNGEN Altheim, Literatur und Gesellschaft im ausgehenden Altertum. Halle Bruhl, Liber Pater. Paris
1948
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Dittenbergcr, 0.
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Fcstugiere, Revelation
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La· Revelation d'Hermes Trismegiste. Paris
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Hopfner, Offenbarungszauber
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Lieferung:
1926
A bkürz u n g e n
XII
Müller, lsisaretalogien Dieter Müller, Ägypten und die griechischen lsisaretalogien. Abhandl. der sächs. Akademie, phil.-hist. Klasse 53, 1 (1961) =
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The Dionysiac Mysteries of the Hellenistic and Roman
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Papyri Graecae Magicae, herausgegeben von K. Preisendanz. Leipzig
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Die hellenistischen Mysterienreligionen3. Leipzig 1927
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Hellenistische Wundererzählungen. Leipzig 1 906 Mythen und Legenden um ägyptische Gottheiten
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Rohde, Roman Der griechische Roman und seine Vorläufer3. Leipzig 1914 (zitiert nach den am Rand angegebenen Seitenzahlen der l. Auflage, 1 876). =
Rohde, Georg, Longus und die Bukolik. Rheinisches Museum 86, 1937, 23 ff. Schneider-Menzel bei Altheim s. oben unter Altheim Schott, Altägyptische Liebeslieder. Zürich 1 950 Vermaseren, Corpus Inscriptionum et Monumentorum Religionis Mithriacae I-11. Den Haag 1 956-1960 Literatur über die Isismysterien s. S. 7; über die Mysterien des Dionysos s. S. 1 93, 3; über den Seelenhymnue s. S. 299.
APU LE I U S PSYCHE
I
Psy c h e u n d Lu c i u s
Die Geschichte der Psyche steht genau i n der Mitte der Metamorpho· ;.;en des Apuleius. Die Haupthandlung des Romans erzählt das Schicksal des jungen Römers Lucius, der durch seine vorwitzige Neugier (curio s itas) 2 in einen Esel verwandelt wird. Er muß den verschiedensten Herren dienen und durchirrt die Welt. Schließlich wird er durch die Gnade der lsis von seiner Eselsgestalt befreit. Viele Mühen hat er überstanden ; schließlich haben ihn aber die Stürme des Schicksals zum Hafen des Friedens und zum Altar der Barmherzigkeit geführt.3 Er wird in die Mysterien der lsis eingeweiht. Die Befreiung von der Eselsgestalt und der Eintritt in den Dienst der lsis fallen zusammen. Der Esel ist nämlich die Verkörperung alles dessen, was der lsis feindlich ist. Er ist das Tier des Seth, des Mörders des Osiris. Die Irrfahrt des in den Esel verwandelten Lucius bei Apuleius ist eine spannende und unterhaltende Geschichte ; aber neben dieser ersten, an der Oberfläche liegenden Bedeutung liegt eine zweite, die dem Apuleius vor allem am Herzen lag. Die Eselsgestalt symbolisiert das Leben ohne lsis. Jeder, der in den Dienst der Göttin tritt, wird wie Lucius aus einem Esel in einen Menschen verwandelt. "Zieh das Fell dieses Tieres aus, das mir schon immer verhaßt war", sagt lsis.4 Die Geschichten des Lucius und der Psyche sind einander in den Grund· zügen sehr ähnlich. Lucius ist ein Diener der lsis, Psyche eine Dienerin der Venus (= Isis) . Durch Neugier (curiositas) wird Lucius zum Esel, dem der lsis verhaßten Tier. Psyche läßt sich dazu verleiten, den Ge· l iebten nachts zu betrachten. Ihre curiositas wird mit der Trennung von 1 Eine kurze Zusammenfassung der Hauptthesen dieses Kapitels habe ich im Philo logus 102, 1 958 gegeben. z Apul. XI 1 5 , 1 curiositatis improsperae sinistrum praemium reportasti. 3 Multis et variis exanclatis laboribus magnisque Fortunae tempestatibus et maximis "':tus procellis ad portum Quietis et aram Misericordiae tandem Luci venisti, sagt der lsispriester (XI 1 5 , 1 ). ·I XI 6, 2 pessimae mihique iam dudum detestabilis beluae istius corio te protinus exue. I
Merkelbach
2
Apu l e iu&
Eros bestraft. Den Irrfahrten des Lucius entsprechen die der Psyche: Lucius sucht seine wahre Gestalt, Psyche sucht Eros. In Wahrheit ist das ganze Leben des Menschen eine solche Irrfahrt. Dem Dienst des Lucius bei verschiedenen Herrn entsprechen die Prü fungen der Psyche im Dienst der Venus. Wie Psyche hat auch Lucius Schweigen gelobt.1 Die Weihe des Lucius enthält eine Reise ins Land des Todes ; Psyche steigt zu Persephone hinab. Beide sterben und werden gerettet, Lucius durch die Gnade der lsis, Psyche durch die Liebe des Eros. Am Ende der Weihe wird Lucius zum Ebenbild des Sonnengottes,2 er ist zum Gott geworden ; Psyche wird in die Gemeinschaft der Götter aufgenommen. So spiegelt sich das Schicksal des Lucius im Schicksal der Psyche, und umgekehrt. Daß die Geschichte der Psyche eine allgemeinere Be deutung haben und irgendwie das Geschick der Menschenseele darstellen müsse, ist schon oft gesagt worden. Psyche ist nun einmal nicht irgend ein beliebiger Name. Psy c h e u n d Ch a r i t e
Die Beziehungen der Psychegeschichte zu der Rahmenerzählung sind damit noch nicht erschöpft. Die Geschichte wird in einer besonderen Situation erzählt : Die Räuber, welche den Esel Lucius geraubt haben, entführen später ein junges Mädchen, Charite. Das Mädchen war gerade dabei gewesen, sich zum Hochzeitsfest zu schmücken. Sie ist untröstlich. Da erzählt ihr eine Alte, die bei den Räubern lebt, die Geschichte von Eros und Psyche. Der Esel hört zu. Nach einigen Wechselfällen gelingt es dem Bräutigam der Charite, die Räuber zu überwältigen und sein Mädchen zu befreien. Mit Charite wird auch Lucius aus der Gewalt der Räuber befreit. Charite ist also von ihrem Bräutigam getrennt worden wie Psyche von Eros. Beide bestehen Prüfungen und werden schließlich wieder mit dem Geliebten vereinigt.3 Aber auch zwischen den Schicksalen der Charite und des Lucius gibt es Beziehungen : Beide sind in die Hand der Räuber gefallen. Charite wird von den Räubern befreit, Lucius von der Eselsgestalt. Charite vereinigt sich mit dem Bräutigam, Lucius in der Mysterienweihe mit der Gottheit. 1 XI 1 1 , 3 magno silentio tegendae religionis ; 1 5 , 5 sacramento rogaberis; 2 1 , 7 magna religionis . . . silentia. 24, 5. 2 XI 24, 4 sie ad instaT Solis exornato me. Der ägyptische Name des Sol ist Horos. 3 Vgl. Reitzenstein, Das Märchen . . 18. .
3
Psych e
Diese Parallelismen gehen so ins einzelne, daß an Zufall kaum zu denken ist. Die Geschichten des Lucius, der Charite und der Psyche illustrieren sich gegenseitig. Den irdischen Erlebnissen des Lucius und der Charite entsprechen die mythischen der Psyche. Es ist ein einziges Grundthema, das uns in verschiedenen Variationen entgegentritt. Was das bedeutet, wird uns klar werden, wenn wir eine weitere Reihe von Ähnlichkeiten verfolgen : die der Psychegeschichte mit dem lomythos. Psy c h e u n d Io
Man hat längst gesehen, daß die Geschichten der Psyche und lo sich in vielen Punkten sehr ähnlich sind.l a) lo war eine Priesterin der Hera, Psyche eine ancilla der Venus.2 b) Beide werden von den Menschen verehrt, als ob sie die Göttin selber wären. c) Dies erweckt die Eifersucht der Göttinnen. d} Die Väter der lo und Psyche fragen das Apollonorakel von Deiphi (Aesch. Prom. 658) bzw. Milet um Rat. e) Träume der lo und das delphische Orakel verlangen, daß lo zur Hochzeit mit Zeus zur Wiese von Lerna komme (Aesch. Prom. 652). Das Orakel des milesischen Apoll befiehlt dem Vater der Psyche, sein Kind zur Hochzeit mit einem Drachen auf einem Fels auszu· setzen. f) Durch das Orakel gezwungen und ungern (&xwv) verstößt los Vater die Tochter. Dasselbe gilt von Psyches Vater. g) Zeus vereinigt sich in Liebe mit lo, Eros mit Psyche. Hera und Venus wissen nichts davon. h) Ein Vogel verrät der Hera die Liebschaft des Zeus, der Venus die des Eros.3 Die Liebenden werden getrennt. i} Nun verfolgt Hera die Io, Venus die Psyche . k) Io und Psyche durchwandern in langen Irrfahrten die Welt. Beide sind schwanger. I) Der lo weist Prometheus den Weg, der Psyche Pan. 1 Vgl. Helm, Neue Jahrbücher für das klassische Altertum 33, 1914, 194 und 200. Kerenyi, Roman 189. 192. 218ff. 2 Siehe die Stellen unten S. 6 5 ,2. 3 Ps. Apollodar .Bibi. li 7 fL"fJ\IUCltx\ITO' tiprxxo,. Apul. V 28. ·
I•
4
Apuleius
m) Schließlich befreit Zeus die lo von der Kuhgestalt ; Eros rettet die wie tot hingesunkene Psyche. n) Beide Heldinnen gebären ein göttliches Kind. Man sagt nicht zuviel, wenn man feststellt, daß die ganze Geschichte der lo auf Psyche übertragen worden ist. Psyche ist mit lo identisch. Nun haben die Griechen die argivische Heroine lo mit der ägyptischen Göttin lsis identifiziert.! Wenn aber Psyche mit lo identisch ist, und lo mit lsis, dann ist Psyche auch mit lsis gleichzusetzen. Hier öffnet sich eine überraschende Perspektive. Ist das Mittelstück des apuleianischen Romans ein ver schleierter lsismythos ? Die Ähnlichkeit der Geschichten des lsisdieners Lucius und der Psyche würden sich so leicht erklären :2 Irrfahrten und Rettung des Lucius ent sprechen denen seiner Göttin lsis (-Psyche) . Überhaupt sind die irdischen Irrwege des Menschen nur eine Wiederholung der Irrfahrten der lsis, und aus dem glücklichen Ende jener mythischen Irrfahrt schöpften die Mysten die Hoffnung, auch ihr Lebensweg werde glücklich enden. Psy c h e , Ve n u s u n d I s i s
Wenn Psyche eine Verkörperung der lsis ist, dann müssen auch die anderen Personen der Psyche- Geschichte ägyptische Götter sein. Wer ist Eros, der Gatte der Psyche ? Sein ägyptischer Name ist Harpokrates. Dies ist der Name des jugend lichen Horos.3 Horos ist der ägyptische Sonnengott und der Gatte der 1 Die sehr oft bezeugte Identifikation beruhte auf folgenden Entsprechungen der losage mit dem Mythos der Isis : Nach dem Tode des Osiris irrt die schwangere lsis durch die Welt, um den Leichnam des Gatten zu suchen. Sie geht dabei in Kuhgestalt (Plutarch, De Iside 39 und 52). Sie findet den toten Gatten und erweckt ihn zu neuem Leben als König der Toten. lsis gebiert den Horos, der auf der Erde die Stelle des Osiris einnimmt : Er wird König der Götter und Gatte der Isis. Er gründet Memphis (Ps. Apollod., Bibi. 1110). lo war eine Geliebte des Zens und empfing von ihm einen Sohn. Um die Gattin Hera zu täuschen, verwandelte Zens die lo in eine Kuh. Aber Hera verfolgte lo mit ihrer Eifersucht. Sie jagte die Schwangere in die Fremde. Erst nach langer Irrfahrt fand diese eine Zuflucht in Ägypten. Dort befreite Zeus sie von ihrer Kuhgestalt. Sie gebar den ägyptischen König Epaphos, den König von Memphis. 2 Auf Charite kommen wir unten S. 75ff. zurück. a Bei der Gleichsetzung von D p o� und " E p (J)� mag die Identität der Consonanten eine Rolle gespielt haben. Wie unmittelbar Horos dem Eros entsprach, sehe man aus Plut. De lside 57. T
Psych e
5
lsis, ganz wie Eros der Gatte der Psyche ist.1 Eros-Harpokrates ist auf vielen Statuetten dargestellt. Meist legt er den Finger an den Mund, die Eingeweihten an die Schweigepflicht des Mysten mahnend. 2 Dreimal mahnt Eros bei Apuleius die Psyche zum Schweigen. Aber wer ist Venus ? Ihre ägyptische Entsprechung ist doch wieder Isis ; aber wie kann lsis gleichzeitig Psy dw und Venus sein ? Hier liegt in der Tat eine Schwierigkeit. Aber bevor wir all die merkwürdigen Congruenzen als puren Zufall er klären, welche uns zu dem Schluß geführt haben, Psyche :;ei Isis, wollen wir doch etwas genauer zusehen. Wenn man nämlich erwägt, daß im ägyptischen Mythos Harpo krates der Sohn der Isis, bei Apuleius Eros (-Cupido) der Sohn der Venus ist, dann findet man erneut, daß die Rückübersetzung ins Ägyptische richtig ist. Aber wie soll man sich erklären, daß lsis bei Apuleius in zwei Gestalten erscheint ? - Daran möge man sich nicht Ahb. 1 zu sehr stoßen. Auf dem bekannten Fresco im lsistempel zu Pompei ist dargestellt, wie Isis die Io in Ägypten aufnimmt.3 Auch auf dem Bild kommt Isis doppelt vor. Ü berhaupt erscheint die Göttin j a in vielerlei Gestalt, als Demeter, Hera, Aphrodite, Persephone, Artemis, Nemesis, Tyche usw.4 Um ihre verschiedenen Aspekte zur Darstel lung zu bringen, darf der Mythos sie in zwei Personen aufspalten. Psyche, das ist die leidende Isis, mit der sich die Mysten identi fizieren, aus deren Rettung sie Hoffnung schöpfen. Venus, das ist die regina Isis, welche dem Mysten als Herrin gegenübertritt. Sie ist es, die den Lauf der Welt bestimmt. Er scheint dem Menschen manch mal wunderlich, j a feindlich ; die blinde Fortuna regiert, so sieht es aus, Tyche - auch sie eine Erscheinungsform der Isis. 5 Aber wenn der 1 Plutarch, Amat. 19 p. 764 B AtyuTC-riOI . . . vo(-tt�ouow "Epw-ra -rov �).1ov (Hin weis von L. Koenen). 2 Dies ist die einhellige Auffassung des griechisch-römischen Altertums : Catull 74, 4. Varro, de lingua Latina V 57. Ovid Metam. IX 692. Plut., De Iside 68. Damas kios, vita Isidori 107. Ausonius XVIII 29, Epigr. 25 (p. 286, 27 Peiper). Plin. nat. hist. XXXIII 3, 4 1 . 3 Pfuhl, Malerei und Zeichnung 666. Schefold, D i e pompeianische Malerei Tafel 43. 4 Isis myrionyma: Dessau 4376 a. Sammelhuch griech. Urk. aus Ägypten I 4650. Vgl. Dessau 436 1 ; 4362 una quae es omnia dea lsis. Apul. XI 5. Isidoros, Suppl. Epigr. Graec. VIII 548, 23 8n (-tOUV7J d O"U &TC(XO"(XI al {mo 'rW\1 e.&vwv O\IO(-ta�6(-tE:VCl:l .&e:at C}_).).al. Suppl. Epigr. Graec. VIII 657 Sammelhuch griech. Urk. aus Ägypten 7791. 5 Isi(s)tyche : Dittenherger-Hiller, Sylloge 1 133. Dessau 3687. Isidoros, Suppl. Epigr. Graec. 8, 548-550. Pap. Oxy. 1 380, 51. Apuleius XI 15 spielt mit der geheimen =
6
Apu lei u s
Myste seine Bahn durchlaufen hat, wird er am Ende sehen, daß Tyche nicht böse gewesen ist. Sie hat ihn geprüft, wie Venus die Psyche ; wie Lucius, hat der Mensch viel erleiden müssen. Aber am Ende hat Venus die Psyche zum Olymp emporgeführt, hat Isis den Lucius von der Esels gestalt befreit. Der Mensch erkennt, daß lsistyche ihn zum Heil geführt hat. Der lsispriester spricht im XI. Buch zu Lucius : "Die blinde Fortuna hat das Ende nicht voraussehen können ; sie hat dich zu frommem Glück geführt, indem sie dich mit den schlimmsten Mühen quälte . . . Was haben die Räuber, die wilden Tiere, das Hin- und Herirren auf rauhen Wegen, die tägliche Todesangst jener schlechten Fortuna genützt ? Jetzt bist du wirklich in den Schutz einer Fortuna aufgenommen, aber einer sehenden."1 Der wahre Name dieser "sehenden Fortuna" ist Providentia Pronoia. 2 Die Venus in der Psychegeschichte ist also jene Herrin lsis, deren Handlungen dem Menschen zunächst als Manifestationen der blinden, feindlichen, ja grausamen Tyche erscheinen, und die sich am Ende doch als gnädige Herrin und gütige Vorsehung zu erkennen gibt, welche den Menschen durch alle scheinbaren Fährnisse zum Heil führt.3 Wenn dies richtig ist, dann muß die Geschichte der Psyche bei Apu leius nähere Beziehungen zu den Mysterien der lsis haben, als man hisher gedacht hat. Dies ist auch wirklich der Fall ; wir werden es durch eine Interpretation des Psychemythos beweisen, wobei wir versuchen werden, uns auf den Standpunkt des Isismysten zu stellen. Die folgende Interpretation des Psychemythos ist nicht ohne Vorgänger. Auf S. XXXII-XXXVIII seiner Ausgabe (Leipzig 1842) hat Hildebrand den engen Zusam menhang der Psychefabel mit dem XI. Buch und den lsismysterien vertreten. Auch einige andere ältere Studien haben wichtige Erkenntnisse vorweggenommen. Ich nenne : Johann Adam Hartung, Auslegung des Mährchens von der Seele und des Identität der Fortuna mit Isis. Das Fortunaheiligtum zu Praeneste war in der Kaiser zeit praktisch ein Isisheiligtum, wie die Inschriften und das Nilmosaik zeigen. Daß in V enus zwei verschiedene göttliche Funktionen vereinigt sind, hat auch Erbse gesehen (Eranos 48, 1950, 125). Hildebrand sprach vom fatum (Ausg. S. XXXII und XXXV). 1 XI 1 5 , 2- 3 Fortunae c aecitas dum te pessimis periculis discruciat, ad religiosam istam beatitudinem improv ida produxit mali tia Quid latrone11 , quid ferae, qui d servi tium, quid asperrimorum itinerum ambages reciproc ae, quid metus mortis c oti dianae nefariae Fortunae profuit? In tutelam iam rec eptus es Fortunae sed videnti s 2 Vgl. XI 5, 4 iam tibi prov identia mea inlucescit dies salutaris. 10, 4 deae summatis auxiliaris providen tia. 1 2 , 1 deae maximae prov identia . . . Fortun am superarem. 18, 1 deae providentis adorabile beneficium. Ilp6vot<X als Name der lsis : Pap. Oxy. 1 380, 43. 3 Plotin VI 9 [ 9] 9, 2 5 ff. setzt Psyche ohne weiteres mit Aphrodite gleich, worüber man sich mit Recht gewundert hat. Wenn unsere Hypothese sich bewährt, ist die Erklärung einfach. .
•
•
.
•
•
P s yc h e
7
Mährchens von der schönen Lilie (Progr. Erfurt 1866). Adolf Zinzow, Psyche und Eros (Halle 1881), besonders S. 128-133. Heinrici, Preußische Jahrb. 90, 1897, 390ft'. La vagnini, Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa 29, 1923 = Studi sul romanzo greco (Messina-Fircnzc 1950) 109 ff.; Erich Neumann, Apuleius, Amor und Psyche, ein Beitrag zur seelischen Entwicklung des Weiblichen (Zürich 1952). Über das wich tige Werk von Kerenyi s. unten S. 89. Vor allem sind aber die Abhandlungen von Hichard Reitzenstein zu nennen. In seinem Buch "Das Märchen von Amor und Psyche bei Apuleius" (1912) hat er gesagt (S. 21), der Mythos sei noch nicht gefunden, der den Schlüssel zur Geschichte von Eros und Psyche gebe. Er hat diesen Mythos gesucht und noch viermal über Psyche geschrieben: Eros und Psyche in der griechisch-ägyp· tischen Kleinkunst (1914); Die Göttin Psyche in der hellenistischen und frühchrist lichen Literatur (Sitz.-Ber. Heidelb. Akad. 1917, Abh. 10); Noch einmal Eros und Psyche (1930); Eros als Osiris (Nachr. Gesellsch. der Wiss. Göttingen 1930, 396 ff.). In der letzten Abhandlung sprach er von der Totenweihe des Osiris. - Die konsequenteste Mysteriendeutung des Psychemythos hat Jeanmaire in einem kleinen Vortrag "Le conte d'Amour et de Psyche" gegeben, in dem er die Geschichte des Apuleius mit den Fresken der villa dei misteri verglich. Er hat die Hauptpunkte richtig gesehen, aber noch nicht von den Iaismysterien gesprochen. -Ich habe mich bemüht, auf diejenigen Stellen älterer Abhandlungen zu verweisen, an denen schon gleiche Ansichten ver· treten worden sind. Aber ich fürchte, hier manches übersehen zu haben. Die Literatur über die Isismysterien ist groß; eine zusammenfassende Darstellung fehlt. Besonders hilfreich waren mir folgende Abhandlungen: Alföldi, A festival of lsis (Dissertationes Pannonicae II 7, Budapest-Leipzig 1937). Berreth, Studien zum laisbuch in Apuleius' Metamorphosen (Diss. Tübingen 1931). Cumont, Les Religions Orientales dans le paganisme romain. Dölger, Nilwasser und Taufwasser (Antike ·und Christentum 5, 1936, 153 ff.). Drexler, Roseher s. v. Isis. Egger, Zwei oberitalische Mystensarkophage. Mitteilungen des Deutschen Archäolog. Instituts 4,, 1951, 35-64. v. Gonzenbach, Untersuchungen zu den Knabenweihen im Iaiskult der römischen Kaiserzeit (Antiquitas Reihe 1 Band 4, Bonn 1957). Gressmann, Tod und Auferstehung des Osiris (Der alte Orient 23, 3, Leipzig 1923). Harder, Karpakrates von Chalkis und die memphitische lsispropaganda (Abhandlung der Preuß. Akad. der Wiss. 1943, philosoph.-hist. Klasse Nr. 14). Hopfner, Komm. zu Plutarch, De lside; Fantes Historiae religionis Aegyptiacae; Griechisch-ägyptischer Offenbarungszauber; Artikelserie im Archiv Orientalni (3, 1931; 7, 1935): Orientalisch-religionsgeschichtliches aus den griech. Zauberpapyri Ägyptens. Lafaye, Daremberg-Saglio s. v. Isis. Morenz, Die Zauberflöte (Münsterische Forschungen 5, Münster 1952). Nilsson, Geschichte· der griechischen Religion II. Peek, Der lsishymnus von Andros und verwandte Texte (Berlin 1930). Roeder, Roseher s. v. Usi-Re; REs. v. Horos, Isis, Sarapis. Rusch, De Serapide et Iside in Graecia cultis, Diss. Berlin 1906. Besonders viel Material zur Erklärung des Psychemythos und der Romane habe ich den Sammlungen von Hopfner entnommen. - Fraser, Two Studies on the Cult of Sarapis (Opuscula Atheniensia 3, Lund 1960) kam zu spät in meine Hand.
8
Ap u l e i u s
I s i s de u t u ng d e s Psy c h e my t h os
Wir wollen nun darlegen, in welcher Weise sich die Geschichte der Psyche auf die lsismysterien bezieht, und sprechen zu diesem Zweck die Geschichte der Psyche durch. Ein König und eine Königin hatten drei Töchter. Die jüngste war so schön, daß die Armut der menschlichen Sprache ihre Schönheit nicht genügend preisen konnte. - Die Schönheit Psyches ist göttlich ; es ist ein erster Hinweis darauf, daß die Heidin eigentlich eine Göttin ist. Die Menschen verehrten Psyche, als sei sie die Göttin Venus selbst, oder als habe die Erde eine neue Venus hervorgebracht. - Hier ist die geheime Identität der Psyche mit Vefus-Isis angedeutet. Wichtig ist auch der Gedanke, Psyche sei eine neue Venus ; er führt auf die in der ägyptischen Religion so charakteristische Lehre von der Reinkarnation der Götter in König und Priester .1 Man opfert dem Mädchen ; wenn sie morgens hervortritt,2 wird Venus angerufen. Darüber entrüstet· sich die wahre Venus und sagt (IV 30) : En rerum naturae prisca parens, en eiementarum origo initialis, en orbis totius <domina)3 alma Venus, quae cum mortali puella partiario maiestatis honore tractor . . . Wer diese Venus ist, ergibt der Vergleich mit XI 5, wo lsis von sich sagt : rerum naturae parens, elementorum omnium domina, saeculorum progenies initialis . . . Daß die beiden Göttinnen, deren Macht in fast identischenWorten beschrieben wird, zusammenfallen, ist offensichtlich. 4 Es verbirgt sich hier hinter Venus nicht nur lsistyche, sondern auch Isis-Nemesis. Nemesis ist auch eine der Erscheinungsformen der lsis ;5 als solche straft sie die Ü berheblichkeiten der Menschen. Die auf Ahb. 2 wiedergegebene Gemme zeigt die Göttin mit der in der Weise 1 Die Griechen haben diese Reinkarnationslehre offenbar mit der pythagoreischen Seelenwanderungslehre gleichgesetzt, und die hermetische Lehre von den Ketten ( cre:�pod) ist von hier zu verstehen. 2 IV 29, 4 in matutino progressu. Man denkt an die Matutinae des Isisdienstes (XI 20, 3. 22, 7. 27, 6). 3 ( domina) add.van der Vliet, vgl. X I 7, 4 orbis totius dominam (von Isis). 4 In IV 30, 2 ist vielleicht zu schreiben: Nimirum communi nominis piame nto ( con tenta) vicariae venerationis incestum sustinebo ... ? 5 Der letzte der vielen Namen, welche Isis in ihrer Selbstoffenbarung bei Ap ul. XI 5, 3 aufzählt, ist Rhamnusia, also Nemesis; dann folgt das verum nomen: Isis. Vgl. ferner P.G.M.VII 503 xup[()(,Tim�, Ne{Le:m�, 'Aap&cr-re:�()(; den Hymnus des Mesomedes an Nemesis-Tyche-Nike; die delischen Inschriften des Sosion, Priesters der Isis-Nemesis und des Sarapis (Roussel-Launey, Inscriptions de Delos 2038, 2062-63 ; Dittenhergcr, 0. G. I. 342). •
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der Nemesis erhobenen Hand ; diese Hand lüpft aber nicht das Ober gewand, wie es Nemesis sonst tut, sondern hat einen Schmetterling (Psyche) gefaßt.l Venus ruft Eros und trägt ihm auf, Psyche mit seinem Pfeil zu treffen und in Liehe zu einem nichtswürdigen Menschen zu stürzen, dem For tuna2 alle Glücksgüter genommen hat. Danach geht sie zum Meer, dessen Wellen sich sofort glätten. Die Nereiden singen und tanzen im Reigen um sie, die Tritonen begleiten sie.3 So fährt Venus zum Okea nos. - Mehr noch ahs Venus ist lsis Herrin des Meeres und der Schiffahrt. Eines ihrer großen Feste ist das im XI. Buch beschriebene navigium Isidis, die 7tAOL<X cpifcrL<X. In der lsisaretalogie von Kyme sagt sie (15) eyw Abb. 2 (\-"\ I > \ > I >f >' (\-"\ I ( 39 ) E"(W 'lTUV\IXO"O"LIX Ep"(<X eupov. IXVEfLWV XIXL\ 'lTUV\IXO"O"'YJ<; sLfLl xup[,x. (4 3 ) E"(W 7tp<Xuvw4 X<Xl XUfL<X[vw &&J..,xacr,xv. (49 ) E"(W V<XU't"LA(<X<:; •
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Im Isishymnus von Andros heißt es (152-57) :
7tpcX't"IX. a· E7tl O"EAfL<X"t"L aoupwv XOA7tW"t"tXV o&6v<XLO"L &o!Xv "t"pomv t&uve:crxov o!afL<X x,x&m7te:UOLO"<X, a<XfL<X�OfLEV<X<:; aE: &,xJ..&crcr,xc; bJXU7topoL<; EAcX"t"<XL<; eALXtXV gO""t"<XO"e: xopd,xv ßwp[aoc;6 e:uJ..o z[,x, 7tEpL7ttXAAE"t"O a· EV cppe:al .S.&fLßoc; dpe:a[,xv &Ml)TOV E7t' o&fL!XO"L 7t<X7t"t"IXLVO[cr<XL<;. Hier haben wir den Tanz der Nereiden wie bei Apuleius. Eros fliegt zur Erde hinab. Als er die Schönheit der Psyche sieht, staunt er sie an ; in Gedanken verloren, sticht er sich selbst mit dem 1 Vgl. auch Tafel IV und Abb. 5
und 7 links (S. 29 und 34).
2 Also in Wahrheit Isistyche selbst. - Hier, wie oft in den Götterszenen, finden sich
ausgesprochen komische Züge, die an Lukian und die Apocolocyntosis denken lassen. Dies widerspricht der Isisdeutung des Ganzen nicht im geringsten, denn die lächerlich �cmachten Götter sind die griechisch-römischen, die nur ein schwacher Abglanz der wahren ägyptischen Götter sind. Ferner gehört das Burleske zum Stil der aretalogi �chen Erzählung, s. unten S. 8611". 3 Einer hält ihr einen Spiegel vor: alius sub oc ulis dominae spec ulum progerit. Auch in der Isisprozession des XI. Buches werden Spiegel mitgeführt: 9, 2 mulieres . . aliae, quae nitentibus spec ulis pone tergum reversis venienti deae obvium c ommonstrarent ob srquium. 'Apul. IV 3 1 , 4 ecc e iam profundum maris sudo resedit vertic e. 5 Mehr bei Müller, Isisaretalogien 6111". 6 Mutter der Nereiden.
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Ap u l e i u s
Pfeil, den er aus dem Köcher genommen hatte, um Psyche zu tre:ff e n.1 So verlieht er sich selbst in Psyche und führt den Auftrag der Venus nicht aus.2 Da sich kein Freier um Psyche bewirbt, 3 vermutet ihr Vater den Zorn einer Gottheit und befragt das Orakel des milesischen Apoll. Der Gott antwortet : Montis in excelsi scopulo rex siste puellam ornatam mundo funerei thalami. Nec speres generum mortali stirpe creatum, sed saevum atque ferum vipereumque malum, quod pinnis volitans super aethera cuncta Jatigat jlammaque et ferro singula debilitat, quod tremit ipse Iovis quo numina terrificantur,4 fluminaque horrescunt et Stygiae tenebrae. Das Orakel ruft Psyche zur Hochzeit mit Eros. Es ist in vieler Hinsicht merkwürdig. � a· &:pLcr-re:p&: x dp 1 Vgl. P. G. M. XII 18 7tObJcrO\I �EpWTO( ... AO((J.1t(J(al)<jl6pov Xp(J(-rd-rw -r6�ov )(O(L [3€/..o <;. )(O(L 'Yux'iJv -re/..e:cro\1 TO(\JT0\1 w<; "EpWTO(. Dieser Eros will Psyche treffen (Reitzenstein, Das Märchen 80). 2 Apuleius hat diese Szene übergangen, wohl um dadurch eine spannende Wirkung hervorzubringen. Das Allgemeine ergibt sich aus V 24, 3-4; die Einzelheiten darf man aus der analogen Szene V 23, 1-3 ergänzen. Fulgentius hat die hier ergänzte Szene nicht ausgelassen (Mythol. III 6). - Die ganze Szene ließ sich allegorisch deuten, als Sturz des Göttlichen in die Materie; vgl. Corp. Herrn. I 14 und unten S. 162 (Historia Apollonii); oder man konnte auf das Erbarmen des Gottes deuten, der die Seele des Menschen retten will. - Die gnostische Lehre des Valentin (Sophia, Achamoth) hängt von dem heidnischen Mythos ah. Vgl. schon Heinrici, Preuß. Jahrb. 90, 1897, 4 11/6. 3 Eros trifft natürlich keinen Menschen mit einem Pfeil, der Liebe zu Psyche er wecken würde. 4 Die Bedeutung dieses Verses ist umstritten. Der Zens, vor dem die Götter er schrecken, ist wohl Hades; auch zujlumin a ist ja Stygia zu ergänzen. Im Griechischen mag der Vers gelautet haben: Ze:u<; -re: XO(TO(X&6vw<;,
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a) Das Orakel des Apollon giht einen Spruch, welcher genau den Wünschen des Eros entspricht. Haben die beiden Götter sich verab redet ? Davon steht nichts im Text. Man kann antworten, der Orakelgott sei eben allwissend. Die richtige Antwort dürfte anders lauten. Wie lautet der ägyptische Name des Apollon? Horos. Der ägyptische Name des Eros ist Harpokrates, der junge Horos. Die beiden Götter sind identisch.! Kein Wunder, daß das Orakel des Apollon im Dienste des Eros steht. b) Warum heißt Eros ein "giftiges Übel, das mit Flügeln durch den Äther fliegt" ? Man pflegt zu antworten : Weil Eros Flügel hat und weil seine Pfeile mit Liebesschmerz vergiftet sind. Aber später erfahren wir, daß Eros die Gestalt eines Drachen hat.2 Nun ist zwar Eros kein Drache ; aber der Ä gypter Harpokrates ist es.3 Vor allem in den Zauberpapyri wird er oft Drache genannt.4 c) Psyche wird für einen Drachen ausgesetzt wie Andromeda. Andro meda wird von dem geflügelten Helden Persens befreit ; ihr Mythos wurde als Sinnbild der unverhofften Rettung des Menschen aus größter Gefahr und als Verheißung einer Rettung der Seele durch Gott ge1 Weihinschrift aus Delos, Dittenberger-Hiller, Sylloge 1 1 3 2 �Im3L crCJl't"dpc:tL 'Acr..&p't"EL ' Acppo 3lTI)L xoct "EpCJl't"L 'Apcpoxp&TEL ' A7toMCJlVL X't"A. Inschrift von Neapel I. G. XIV 7 1 9 "Im3L ' A7toAACJlvc:t TQpov 'Ap7toxp&TI)v. Magische Gemme in Wien
(Heliotrop; C. I. G. 7045) M€yocc; T!1poc; ' A7toMCJlv 'Ap7toxp&T(1Jc;) Eul:AocToc; TWL <popouvn (Bonner, Magical Amulets 1 68). 2 V 1 7, 3 immanem colubrum multinodis voluminibus serpentem, veneno noxio colla sanguinantem hiantemque ingluvie profunda. 18, 3 venenati serpentis. 20, 3 sulcatum trahens gressum. 20, 5 serpentis. 26, 3 ingluvie voraci. 3 Phiion von Byblos, Fragm. Hist. Graec. 111 572 Drache mit Falkenkopf (Horos ist Falke). In Kanopos war Harpokrates halb als Mann dargestellt, halb als Krokodil : Catalogue of the Greek Coins in the British Museum, Alexandria and the Nomes, by R. S. Poole, 1892, S. LXVI und Tafel XVII 462. Bonner, Magical Amulets 290 (D 220). Milne, Catalogue of the Alexandrian Coins in the Ashmolean Museum (1933) nr. 657 (Tafel II). Horos als Krokodil s. Hopfner, Komm. I 102. 4 P. G. M. IV 1 637 (Anrufung des Agatho s Daimon-Helios, des Königs von Ä gypten und der ganzen Welt) m'l d 6 {Leyocc; 5cpLc;. I n IV 2427 heißt ein Drache Agathos Daimon - Harponknuphi. In XII >tOff. wird eine Ero sstatuette angerufen ; da h eißt es (89) : ev ae: 't"OLc; 7tpoc; VO't"OV fLEPEOW 3p&xCJlV d 7t't"Ep0EL37jc; . &c; y<Xp �cpuc; TijL &::A1J&docL. Ähnlich in der Anrufung des Apollon-Horos-Harpokrates II 1 1 1 ev 31: 't"OL<; 7tpoc; :Alßoc fLEpEO"L fLOpcp-J)v �XEL<; xpoxo 3dJ.ou, oup<Xv 5cpECJl<; . . . ev 31: 't"OLc; 7tpoc; &:1t1JALWTI)V fLEpEcrL 3p&xov't"oc �XELc; 7t't"Epocpu'ij. I n IV 994 hält Horos al s Attribut 3p&xonoc &:yc:t&ov !Epov 3ocl{Lovoc ; in IV 2 7 7 1 hält Orion(-Horos) als Attribut 3p& xov't"oc {Leyocv. - Man darf auch an die Uräusschlange an der Krone des ä gyptischen Königs (Inkarnation des Horos) und an die aspis erinnern, welche als Symbol der Isis im XI. Buch erwähnt wird (4, 3. 1 1 , 4), ferner an Juvenal 6, 5 3 8 argentea serpens; die Stelle bezieht sich auf den O siriskult.
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deutet.1 Noch mehr gilt dies für Psyche ; der geflügelte Gott Eros Moros wird ihr nicht den Tod, <;ondern die Unsterblichkeit bringen. d) Nach dem Orakel scheint es, als sei Psyche zu einer Totenhochzeit bestimmt, zu einem funereus thalamus.2 In Wahrheit geht sie zur Hoch zeit mit Eros. Ihr entspricht im Mysterienritual die Weine, in der der alte Mcnseh stirbt und der neue geboren Wird. Jede Weihe (n:Ae-r�) ist gleichzeitig ein Tod,3 das Brautgemach (&ci:AotfLoc;) der Mysterien ein Grab (-r&q>oc;).4 Aber wie aus diesem rituellen Tod neues Leben hervorgeht, so darf der Myste hoff� n, daß einst auch dem körperlichen Tod neues Leben folgen wird. 5 e) Psyche wird zu der Weihe durch ein Orakel gerufen. Kein Mensch darf es von sich aus wagen, zur Mysterienfeier ZU' gehen ; er muß den Ruf des Gottes abwarten. Dies schärft der lsispriester dem Lucius im XI. Buch ein (21, 6). Lucius macht drei Weihen durch ; jedesmal wird er durch ein Traumgesicht gerufen. Ob die Berufung durch ein Orakel, durch ein Traumgesicht oder wie immer erfolgt, ist dagegen gleichgültig. 6 In den kleinsten Ereignissen des täglichen Lebens kann der Myste den Fingerzeig der Göttin erkennen.7 Der Vater der Psyche gehorcht dem Orakel, wenn auch ungern. Die Brautfackeln werden entzündet, das Mädchen wird mit dem Schleier (jlammeus) geschmückt. - Auch zur Mysterienweihe wird der Initiand mit Fackeln geleitet. Die Verhüllung des Initianden durch den Schleier sieht man auf vielen Monumenten. 8 1 Vgl. unten S. 125 (Ach. Tat.). In der Basilica bei der Porta Maggiore ist die ent sprechende Sage von der Rettung der Hesione durch Herakles dargestellt. Carcopino, La basilique pythagoricienne 327 ff. 2 V gl. IV 33, 4 feralium nuptiarum. 34, 1 feralis thalami. non nuptias sed exequias. 3 Plutarch bei Stob. eclog. IV 52, 49 p. 1 089, 9 Hense 8to xcxt -ro p'ijflo<X -rwt pi)[locx-n
xcxt -ro �pyov -rwt �pywt -rou -re::Aeu-riiv xcxt -re::Ae:!cr,&o:t 1t"pocreotxe:.
4 Vgl. Kerenyi, Roman 1 74. Das Bild kommt in den meisten Romanen vor, die wir unten besprechen werden. 6 Über Tod und Wiedergeburt ist die grundlegende Darstellung von Dieterich zu vergleichen, Mithrasliturgie 1 57 ff. Das Wort renatus kommt im XI. Buch mehrfach vor (14, 2. 16, 4. 2 1 , 7) und deutet immer auf die Wiedergeburt im Mysterium. Nach der Weihe des Lucius wird dessen "geistlicher Geburtstag" gefeiert (XI 24, 4 natalem sacrum). 6 Bei Apuleius XI 5-6 erscheint lsis dem Lucius im Traum und gibt ihm ihre Weisung. Lneins faßt den Traum als oraculum auf (X 7, 1 , vgl. 13, I nocturni oraculi). 7 And1 zur Wallfahrt wird die Isisdienerin durch einen Traum gerufen : luvenal l1, 5:111 f. crcdit enim ipsius dominae se voce moneri: en animam et mentem cum qua di nurlt• loqwmlur. " EJ.,usis: Lovatellische Urne, Nilsson, Rel. II Tafel 43 , 2 = Leipoldt, Bilderatlas Ahh. 11!1 Harrison, Prolegomena 547 ; Sarkophag von Torre Nova, Leipoldt Abb.
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Die Totenhochzeit wird vorbereitet ; im ganzen Land wird ein iustitium angesagt. - Man übersetzt dies mit "Landestrauer". An sich ist das Wort doppeldeutig ; die Gerichte sind auch an Feiertagen geschlossen. Der Landestrauer der Erzählung entspricht im Kult der Feiertag, an welchem eine Weihe stattfindet. Alle profanen Geschäfte ruhen an die sem Tag. Der Kalender des Philocalus1 würde zu einem solchen Tag bemerken : dies Aegyptiacus. Die Eltern zögern, Psyche hinauszuführen ; aber Psyche geht freiwillig voran. 2 - Freiwillig3 muß der Myste zur Weihe gehen, die eine Art von Tod ist ; ad instar voluntariae mortis wird die lsisweihe gefeiert (XI 21, 7). In feierlicher Prozession (pompa) und mit Fackelgeleit führt man Psyche auf den Fels und verläßt sie. - Prozession und Fackeln he ziehen sich auf die Kulthandlung. Es erhebt sich ein leichter Wind und trägt das Mädchen ins Tal hinah.4 - Man hat längst den Sprung der Sappho vom Ieukadisehen Fels verglichen, wie er in der pythagoreischen Basilica bei der Porta Maggiore in Rom dargestellt ist.5 Von himmlischer Liehe zu Apollon ergriffen, springt die Dichterin in den Abgrund. Aber Nereiden halten einen Schleier und fangen sie auf. Es ist eine Entrückung in ein seliges Jenseits. Aber diesen Bildern haben kultische Realitäten entsprochen. Im itali schen Bacchuskult wurden die Novizen durch Versenkungsmaschinen in die Tiefe gerissen und galten als von den Göttern geraubt. 6 In der so genannten Mithrasliturgie erhält der SchülS(r des Zauberpriesters fol gende weisung (Pap. Graec. Mag. IV 5 39 ): o�e:� O'E:IXU't'OV cXVIXXOU(jl��6fLE:VOV XIX� U1te:pß1X[VOV't'IX e:L; Ü�o�, iilcr't'e: cre: aoxdv fLEO'OV 't'OU cXEpo� e:lv!X�. Ent sprechende Szenen bei Achilleus Tatios und Heliodor werden wir unten 186 ; Terracotta aus Eleusis, Leipoldt Abb. 187. Dionysoskult : Campanarelief, Cumont Rel. Or. Tafel XVI 2 = Leipoldt Abb. 1 7 1 Harrison 519 Nilsson, Dion. Myst. 89 ; Farnesina stucco Cumont Tafel XVI 1 Leipoldt Abb. 168 Harrison 520 = Nilsson, Dion. Myst. 7 9 ; Gemme des Tryphon, Leipoldt Abb. 185 Harrison 532 (Eros und Psyche) ; Glasamphora bei Cumont, Rel. Or. 202 = Lux Perpetua 2 1 1 = Nilsson, Dion. Myst. 82 ; und vor allem die "Braut" in der villa dei misteri. 1 C. I. L. I I p. 2 56 = Hopfner, Fontes 522. 2 IV 34, 6 festi no feli ces i stas nupti as obi re, festino generosum illum mari tum meum " ide re. 3 Schon von Kerenyi 175 hervorgehoben. 4 IV 35, 4 mitis aura . . vehens ; vgl. XI 23, 7 (von Lucius) per omnia vectus elementa. 5 Kerenyi, Archiv für Religionswissenschaft 24, 1 926, 70. Jeanmaire, Psyche 47 f. 6 Livius XXXIX 1 3, 1 3 raptos a dis homi nes dici, quos machina e i llig atos ex conspectu in abditos specus abripiant. Vgl. Reitzenstein, Das Märchen 26. =
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S. l51 und 256 kennenlernen ; vgl. auch den Sturz derjenigen, welche die Katahasis zu Trophonios in Lehadeia wagten (Pausan. IX 39, 11). Psyche findet sich in einem schönen Tal und entschlummert.1 Als sie erwacht, sieht sie einen Hain und eine reine Quelle.2 Neben der Quelle steht ein herrliches Haus. Man konnte gleich sehen, daß es das Haus eines Gottes war : die Decken waren aus Elfenhein und Cedernholz, die Säulen golden, die Wände des Eingangs mit silbernen Platten bedeckt, innen aus massivem Gold. Auf dem Fußhoden waren Mosaiken aus Edcbtcinen. Dreimal glücklich sind jene, die sie betreten dürfen. Psyche betritt das Haus. Dies Haus des Eros ist das Mysterienhaus ; in ihm nimmt Psyche Wohnung, wie Lucius im XI. Buch vor der Weihe eine Zelle im Tempel bezirk mietet, um sich auf die Weihe vorzubereiten (19, 1).3 Daß die Tempelwände zum Teil wirklich aus Gold und Silber waren, sehen wir aus dem Bericht des Rufin über das Serapeum zu Alexandria ( eccles. hist. XI 23) . Herr des Hauses ist Eros-Horos ; er wird in einem Zauberpapyrus angerufen : emx�XAOÜfL�XL ae -rov ev Tijt XIXA�t XOLTIJL, -rov ev -rwt 7to &etv wt otx.wt.4 Dies Mysterienhaus ist ein Abbild des glücklichen Jenseits, des Ely siums, in das der Myste zu kommen hofft. Im eleusinischen Kult zeigte man den Eingeweihten reine Orte, Wiesen, Stimmen, Reigen, heilige 1 Verkündungen und Erscheinungen.5 Wer dies sehen durfte, war glück selig; singt der homerische Demeterhymnus (480),
ilAßto� öa-rt� tSwv x.e�v' da' {mo x&6 v ' · o'LSe fLEV ß(ou -re).eu-rocv, o'LSev SE: St6aSo-rov &pxocv, 1
Vielleicht bezieht sich dies auch auf den Kult, vgl. XI 3, 1 . Die Quelle gehört zum Tempel. 3 Man darf auch an die x&:·roxm im Serapeum von Memphis erinnern. Im Serapeum zu Alexandria waren domus . . . in excelsum porrectae, in quibus hi, quos appellabant ocyve:uoVTa:� commanere soliti erant (Rufin, eccles. hist. XI 23). 4 P. G. M. XII 40; Reitzenstein, Das Märchen . . 81. Bei Apuleius (V I, 7) heißt es : . . . ut cquidem illud recte videatur ad conversationem humanam magno Iovi fabricatum caele.•tc palatium. Vielleicht sollte man den magnus Iupiter auf Sarapis-Horos deuten. 5 Plutarch bei Stob. eclog. IV 52, 49 tx 31: -rou·rou . . . -r67tot xa:-&a:pot xa:t :Ae:tf.Lwve:� f:3€1;a:VTO, cpwv.X� xa:t xopda:� xa:t O"EfLVOTI)'t'CX� &xoucr[L&:-rwv [e:p wv XCXL cpa:cr[L&:-rwv ocy(wv i: x o v -r E � · f:v a:I� 6 1ta:v-re::A-Ij� -�31J xa:t fLE:fLU1JfLEvo� f::Ae:u-&Epo� ye:yovw� xa:t Gicpe:-ro� 7te:pttwv 2
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Psyche
:-;agt Pindar (fr. 137) ; noch höher preist Sophokles die Epopten (fr. 753 Nauck) : W� -rpl.� iSA ß Lo L xei:voL ßpo-rwv, ot -rocihoc 8epx·lh:v-re� 't"EA'YJ fLOAc.ucr' e� "Ati3ou. -roi:cri3e y!Xp fl.O\/Ot� exd �ljv EO"'t"L, 't"OL � 8' &AAOLO"L mxv-r' ExEL xocxoc. Hierauf spielt Apuleius an, wenn er den Lucius felix . . . et ter beatus nennt (XI 16, 4), wenn der Priester ihn anredet 0 Luci te felicem te beatum (XI 22, 5).1 In der Psychegeschichte ist er vorsichtiger : vehe menter, iterum ac saepius beatos illos qui super gemmas et monilia calcant, sagt er. Das Wort ter beatus, dessen Mysteriensinn zu offenkundig ist. wird vermieden ; nur wer aufmerkt, erkennt es in dem saepius. Und glücklich gepriesen wird nicht der Myste, sondern derjenige, welcher den mit Edelsteinen belegten Fußhoden betritt. Das wird nur dem he schieden sein, den lsis zur Weihe gerufen hat ; aber der<11icht eingeweihte Leser wird über die Worte hinweglesen, sich vielleicht über den etwas exaltierten Ausdruck wundern und denken, er habe nichts weiter zu bedeuten. Diese absichtliche Verschleierung der Beziehungen auf den Mysterienkult wird uns noch öfters begegnen. Psyche betritt das Haus und bewundert seine Pracht. Sie kann sich frei bewegen ; nichts ist versperrt, kein Wächter hält sie ab.2 Sie genießt einen Vorgeschmack der seligen Freiheit, die den Mysten im Elysium erwartet.3 Eine Stimme mahnt sie, sich auszuruhen und dann zu baden. Psyche gehorcht. - Das Bad ist das rituelle Bad vor der Mysterien weihe ; Lucius nimmt es noch als Esel.' Dann setzt sich Psyche zu Tisch ; unsichtbare Diener bringen ein Mahl. Danach folgt ein Sologesang, Zitherspiel und ein Chorlied ; die Musikanten i:cr-re:(f>ct\/Wfl.E\10� öpytoc�e:t XTA. V gl. Kehes, Pinax 17 und 20 (pyt hagoreische Myste rien). Dion Chrysosto mo s 1 2, 3 3 e:t TL� &v8pct . . . fLUdcr11ctt 7t"ctpct8o(1J d� !J.UO"Ttx6v 'tWGt !J.UX0\1 um:p(f>ulj XOCMe:t. 1 In XI 29, 4, wo Lucius zur dritten Weihe gerufen wird, muß dieser Gedanke wohl auch hergestellt werden : exulta ter futurus, quod alii vel semel vix conceditur, teque de isto numero merito praesume ter (semper F, c o rr Leo) beatum. Durch die dritte Weihe wird Lucius -rptcr6Aßto�. 2 V 2, 2 nullo vinculo nullo claustro nullo custode totius orbis thensaurus ille munie batur. Vgl. Plutarch (oben S. 14 Anm. 5). 3 V 3 Sensit Psyche divinae providentiae beatitudinem. ' XI 1, 4 meque protinus purificandi studio marino lavacro trado septiesque summerso .fluctibus capite deam . . . adprecabar. Das siehenmalige Tauchen zeigt, daß auf ein Hitual angespielt wird. Badehäuser im Iseum zu Eretria : Papadakis, Arch. Delt. 1 , 1 9 1 5 , 1 2 9 : Nock, Conversion (Oxford 1 933 ) 294. .
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Von Stimmen und xope�IX� spricht der oben S. 14,5 zitierte Plutarchtext, welcher die eleusinische Weihe beschreibt. Daß m a n Vnrriehtungen kannte, um das Essen von unsichtbaren Die nern b ri n ge n zu lassen, ergibt sich aus dem Bericht der clementinischen Homilien iiber die Zaubereien des Sirnon Magus und aus Philostrats Ap oll o n i o l' r o m an . l Der Abend bricht herein, 2 und Psyche geht zu Bett. Mitten in der Nacht3 hört sie ein Geräusch. Psyche erschrickt und fürchtet für ihre Jungfernschaft, und schon ist der unsichtbare Gatte gekommen und macht sie zu seiner Frau. Vor dem Aufgang der Sonne enteilt er rasch. Wir wissen, der Gatte ist Eros-Horos, der ägyptische Sonnengott. Er muß die Geliebte vor Tagesanbruch verlassen, um seine Reise über den Himmel anzutreten. Diese Episode entspricht der heiligen Hochzeit (tepoc; y&.f.Loc;) der lsis mysterien.4 Unzweifelhafte Zeugnisse beweisen, daß zur Einweihung einer Novizin in den Kult der Isis die Liebesvereinigung mit dem Gott gehörte, dessen Rolle ein Priester spielte. bleiben U n l'i d l t h a r .
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a) Rufin (Eccles. hist. XI 25) erzählt von Tyrannus, einem alexandrini schen Priester des Saturn (= Kronos =Aion= Sarapis), der quasi ex responso numinis diesem oder jenem Anbeter des Gottes verkündete, seine Frau solle im Tempel übernachten. Die Männer waren froh über die gnädige Herablassung des Gottes. 5 Man schmückte die Frau - wie Psyche - und sandte sie mit Geschenken zum Tempel.6 Der Priester 1 Ho mil. li 3 2 , 2 E\1 ad1t\IOL� e:t3w:Act TCct\ITOactTCW\1 ta<:wv TCctplcrT'I)O"W, TtX E\1 o b
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Psyche
schloß sie allein ein, ging durch einen unterirdischen Gang, stellte sich hinter eine hohle Statue, die an der Wand stand, und sprach die Frau an.l Diese erzitterte vor Schreck und Freude - wie Psyche -,2 daß sie des Umgangs mit dem Gotte gewürdigt werde.3 Dann löschte der Prie ster plötzlich alle Lichter durch eine dafür konstruierte Vorrichtung und umarmte die "verdutzte"4 Frau. b) In die Regierungszeit des Tiberius fiel der Skandal um den römi schen Ritter Decius Mundus. Dieser hatte sich in die junge und schöne Paulina, die Frau eines vornehmen Mannes, verliebt. Aher alle seine Anträge wurden abgewiesen. Da bekannt war, daß Paulina eine eifrige lsisdienerin war, bestach Mundus durch eine Sklavin einen lsispriester ; dieser sagte der Paulina, Anubis befehle ihr, zu ihm zu kommen.5 Der Frau war dies hocherfreulich und sie rühmte sich vor ihren Freundinnen der Gnade des Anubis. 6 Auch ihr Mann war einverstanden. Paulina ging in den Tempel und speiste (wie Psyche) ; als es Schlafenszeit war,7 wurden die Türen des Tempels geschlossen und die Lichter gelöscht. s Mundus war im Tempel versteckt gewesen, und Paulina gab sich ihm hin, im Glauben, er sei der Gott. - Die Sache ging sehr übel aus, Mundus wurde verbannt, der ägyptische Kult in Rom verboten. Die ganze Begebenheit erklärt sich nur unter der Voraussetzung, daß auch in Rom dasselbe Ritual galt wie in Alexandria. c) Bei Plutarch haben wir sogar Reste einer theologischen Recht fertigung dieses Mysterienbrauchs. Wir werden die Stellen unten S. 144 besprechen. Die Einweihung in den Geschlechtsverkehr ist also ein Bestandteil der lsisweihe gewesen ; die Weihe war gleichzeitig eine Hochzeit.9 Wir 1 V gl. oben die unsichtbaren Stimmen, welche mit Psyche sprechen. 2 ut pavore et gaudio infelix mulier trepidaret. V gl. Apul. V 4, 2 tune (Psyche) vir·
ginitati suae pro tanta solitudine metuens et pavet et horrescit. Vgl. S. 226, 5. 3 quod dignam se tanti numinis putaret adloquio. Im Griechischen wird das doppel deutige O[J.L:Ae:rv .&e:wL gestanden haben ( Reitzenstein, Myst. Rel. 246, 3). 4 obstupefactae et constematae mulierculae. Vgl. Anm. 2. 6 Josephus, Antiq. lud. XVIII 4 (73) KE:AE:UOV't"O� w� CXU't"OV &:A.&dv, wieder die Berufung. 6 TijL 3' e:ux-ro� o A6yo� 1jv xcxt -rcxr� . . . cp(:AcxL� €ve:xcxA:Aw7tl�e:-ro TijL €1tt -rou-roL� &�LWO'E:L (dignatione) -roü 'AvoußL3o�. Auch nach der Nacht im Tempel rühmt sich Paulina der "Epiphanie" des Gottes. 7 Vgl. Apul. V 4, 1 vespera suadente concedit Psyche cubitum. 8 Josephus, Ant. XVIII 4 (74) xwpd ouv d� 't"O 't"t[J.E:VO� xcxt 3e:L1tV�O'CXO'CX w� Ö7tVOU xct�po� 1jv x:Ae:Lcr.&e:Lcrwv -rwv .&upwv . . . xcxt -r� Mxvcx tx7to3wv 1jv x-r:A. 9 Natürlich muß die heilige Hochzeit eine Individualweihe gewesen sein. Aber auch die von Lucius im XI. Buch beschriebene Weihe galt ihm allein. - Ich merke hier an, •
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werden demseihen B rauch auch i n den Dionysosmysterien begegnen. Daß viele Weihen bei primitiven Völkern ähnliche, oft viele rauhere Zeremonien enthalten, ist bekannt. Die Entrüstung des Christen Rufin ist verständlich. Nur zu leicht konnte ein solcher Brauch in wüste Orgien ausarten.1 Die Alten haben das offensichtlich mit anderen Augen angesehen. Der Mythos der Psyche ist ja sozusagen die theoretische Erklärung des Mysterienbrauchs. Wie in ihm die heilige Hochzeit dargestellt wird, so sollte das Ritual von dem Mysten verstanden werden. Wenn der moderne Betrachter gerecht urteilen will, muß er sich auf den Standpunkt stellen, welcher im Mythos vorgeschrieben wird. In ihm aber steht nichts, das man als anstößig empfindet. Voraussetzung dafür, daß diese Liebesverbindung als heilige Handlung empfunden wurde, ist, daß die lnitiandin ihren Partner als Gott, nicht als Menschen betrachtete. Deshalb ist das Geheimnis so wichtig, mit welchem die Zeremonie umgeben wird. Der Priester, welcher die Rolle des Gottes spielt, muß unsichtbar bleiben ; Psyche darf ihren Gatten nicht sehen. Der Mythos ist vorbildlich für alle Frauen, die in die My sterien der lsis aufgenommen werden ; sie lernen aus ihm, daß man das große Glück und die Hoffnungen auf ein besseres Jenseits verliert, wenn man in vorwitziger Neugier den unsichtbaren Gatten zu sehen versucht.2 daß die Legende von der Empfängnis des Augustus überraschende Ähnlichkeit mit dem Psychemythos zeigt (Sueton, Aug. 94, 4 aus den Theologumena des Ä gypters Asklepiades von Mendes ; Dio Cassius 45, 1 ) : Atia, die Mutter des Augustus, war zu einem Nachtfest in den Tempel Apollons ( des Horos) gegangen. Sie sei dort einge schlafen ; da sei eine Schlange (draco ; wie bei Apuleius) plötzlich zu ihr gekrochen und habe sie kurz darauf verlassen. Sie sei erwacht und habe sich gereinigt, wie wenn sie bei ihrem Gatten gelegen habe. Im zehnten Monat danach sei Augustus geboren und daher für einen Sohn Apollons gehalten worden. - Die ägyptische Herkunft der Le gende wird niemand in Zweifel ziehen ; und doch hat es schon in den Jahren nach Caesars Tod in Rom eine ähnliche Legende gegeben, die sich an den Mythos von Rhea Silvia und Romulus anlehnte. Dies hat Erika Sirnon in ihrer Deutung der Port landvase nachgewiesen. In den letzten Jahren Caesars und in den Jahren nach seinem Tod (etwa 44-39) wirkten in Rom die Vorstellungen von dem urrömischen Königtum des Romulus und ;.on dem orientalischen Heilskönig ( O"CilTIJP ) der die goldene Zeit heraufführt, mächtig zusammen ; s. die IV. Ecloge und Alföldi, Mus. Helv. 7/8, 1950/5 1 . Mit der Entfremdung zwischen Octavian und Antonius setzt die national-römische Reaktion ein. 1 Der Kult der Isis genoß an manchen Orten nicht den besten Ruf; die Damen der römischen Halbwelt waren der Isis ergeben, und die etwas schwüle Atmosphäre bei Achillcus Tatios ist für manche Kreise unter den Isisverehrern charakteristisch. Um so stärker hebt sich der reine Psychemythos bei Apuleius ab. 2 Es ist wohl klar geworden, daß wir es mit einem Kultbrauch zu tun haben, nicht mit dem Märchenmotiv vom unsichtbaren Gatten oder vom Tierbräutigam. Ludwig =
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Eros eröffnet der Geliebten, daß die "wilde Fortuna" ihr mit einer tödlichen Gefahr droht :1 Die Schwestern werden sie suchen. Um gar nicht erst in Gefahr zu kommen, soll Psyche sich vor ihnen verbergen. Aher Psyche bittet inständig : Da es ihr verwehrt sei, sein heiliges Ant litz zu sehen, 2 möge er ihr wenigstens den Anblick der Schwestern er lauben. Eros kann dies nicht verweigern. Aher Psyche soll nicht mit ihnen über den Gatten sprechen und nicht in frevelhafter Neugier3 ver suchen, ihn zu sehen. Wenn sie das Geheimnis bewahren kann,4 wird das Kind, welches sie trägt, unsterblich werden. Psyche gelobt zu schweigen. Mit der Nacht entschwindet der Gatte. r. Der Geweihte darf mit nie mand über die Geheimnisse der Mysterien sprechen. Daran mahnen die vielen erhaltenen Statuetten des Harpokrates, der den Finger an den Mund legt.6 Der Myste mußte völlige Verschwiegenheit geloben ; selbst den nächsten Verwandten durfte er nichts erzählen. Er war nun in eine neue Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern eingetreten ; die leih liehe Verwandtschaft mußte dagegen zurücktreten. 7 In dem auf Papy-
Friedländers Abhandlung "Das Märchen von Amor und Psyche" (Darstellungen aus der Siit:engeschichte Roms10, 1921, IV 89 ff. ; zuerst erschienen 1857) war seinerz.eit sehr verdienstlich, und die Märchenparallelen zum Psychemythos sind ganz offen kundig. Die Erklärung wird aber anders sein, als Friedländer dachte : Nicht der Psyche mythos hängt von antiken Märchen ab, sondern die ähnlichen Märchen sind als Über reste von Mythen und Riten zu deuten, die sich ursprünglich auf Initiationszeremonien bezogen haben. J acob Grimm war ganz im Recht, als er meinte, manche der von ihm und seinem Bruder gesammelten Märchen seien Zeugnisse der deutschen Mythologie. Die späteren Märchenforscher haben das für eine romantische Verirrung Grimms ge halten. Aber er hat tiefer gesehen als seine Epigonen. 1 V 5, 2 exitiabile tibi periculum minatur Fortuna saevior; V 1 1 , 3 velitatur Fortuna perfolae lupulae . . . nefarias insidias tibi comparant. Vgl. XI 15, 3 über die Verfolgung des Lucius durch die nefaria Fortuna. - Ich fasse im folgenden der Kürze halber die vier Gespräche des Eros mit Psyche in eines zusammen. 2 V 1 3 , 2 sacrosanctae imaginis tuae. Danach spricht sie Eros (d. h. den Sonnengott Horos) an als meum lumen (V 13, 5). - Daß mea lux u. dgl. auch Topoi der Liebespoesie sind, ist klar. Im Zusammenhang des Apuleius aber hat meum Iumen zusätzlich die angegebene mystische Bedeutung. 3 V 6, 6 sacrilega curiositate; V 19, 3 ; V 23, 1 ; VI 20, 5 temerariae curiositatis; VI 2 1 , 4 ; XI 1 5 , 1 curiositatis improsperae; 23, 5 temerariae curiositatis. 4 V 1 1 , 6 si texeris nostra secreta silentio. Dies Schweigen wird als religiosa continentia bezeichnet (V 1 2 , 5). 5 V 5, 4 eo simul cum nocte dilapso. 6, 10 luce proxumante de manibus uxoris evanuit. 13, 6 praevertit statim lumen nascentis diei. 19, 2 lucifugam; vgl. oben S. 16. - Ich no tiere hier noch zwei Stellen, an denen eine griechische Vorlage des Apuleius durch scheint : V 6, 9 mi marite, tuae Psychae dulcis anima = 'Yux'ij� IJiux-fJ ; 1 3 , 4 Psychae animam ('Yux'ij� IJiux-fJv) gaudio recrea. 6 Siehe oben S. 1 und 5 und Abb. 1, S. 5. 7 Psyche darf ihre Schwestern nicht mehr "Schwestern" nennen : V 1 2 , 6 quas tibi sorores appellare non licet. Vgl. V 14, 3 sorores nomine mentientes. - Die Schwestern, •
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rus erhaltenen Mysterieneid1 heißt es : e7tO!J.VU!J.CXL 8 E: xcxl. otJt; 7t[pocrxuvw .&]e:out; CJUV't"1Jp�aELV KCXL cpuJ..&. ( �e:LV 't"cX !J.E't"ot8]e:8o(Jkvcx !J.OL !J.Ucr�pLot - [ \t'\ ] > [ I 'I \ > - [ I > � e:uopxouv 't"L !J.EV e:u EL1J, e:cpw ] pxouv 't"L oe: 't" cx e:vcxv 't"Lot, e:cxv 't"L -rou-rwv e:KACX· J..] �crw. Die Schwestern der Psyche vertreten hier ganz allgemein die Nichtinitiicrten. 2 Als die Schwestern auf dem Berg die tote Schwester beweinen, hat Psyche Mitleid mit ihnen. Der Wind trägt sie zu ihr ins Tal.3 Zuerst freuenI sie sich, daß Psyche lebt ; aber bald werden sie auf ihr Glück neidisch. Sie fragen Psyche neugierig (V 8, 3) aus. Einmal sagt Psyche, ihr Gatte sei ein junger Mann, ein andermal, er habe schon graue Haare.4 Die Schwestern merken bald, daß ein Gott ihr Gemahl ist, den sie noch nie gesehen hat. Sie fürchten, daß j ener Psyche unsterblich machen werde. 5 Sie reden nun der armen Psyche ein, ihr Gatte sei ein Drache, und raten ihr, mit einem Messer sein Haupt abzuschneiden. •
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welche Psyche verlocken wollen, die Geheimnisse auszuplaudern, werden mit Sirenen verglichen (V 1 2 , 6). Psyche soll sie nicht beachten. Hier ist an Odysseus als Prototyp des wahren Mysten gedacht, der den Lockungen der Sirenen widersteht. Ü ber Odysseus s. unten S. 249 ; auch Lucius vergleicht sich ihm (IX 13, 4). Über die Symbolik des Odysseus und der Sirenen s. H. Rahner, Griechische Mythen 414 ff. ; Courcelle, Rev. Et. Anc. 46, 1 944, 65-93 ; Carcopino, De Pythagore aux apötres 192 ff. 1 Pap. Soc. It. 1 1 62 u . 1 290 ; ich werde an anderer Stelle zeigen, daß es der Eid der Isismysterien ist. Vgl. vorläufig : Annales Universitatis Saraviensis (Philosophie Lettres) 8, Saarbrücken 1959, 51 f. 2 Vgl. Jeanmairc, Psyche 48 : Ce symbolisme ii caractere religieux place volontiers ii cöte des themes qui evoquaient l'idee du salut d'autres themes, d'autres allegories qui signifiaient l'ignorance, les malheurs reserves a l'incredule (z. B. Kirche-Synagoge, kluge-törichte Jungfrauen). Vgl. auch Reitzenstein, Das Märchen 26. - Hildebrand, Ausg. S. XXXII schlug eine andere allegorische Interpretation vor : Sorores quae Psychae fuisse dicuntur, cupiditates sunt turpes et inhonestae corporisque voluptates, quae externa sua tamquam specie gratae ac formosae et dulcedine sua allicientes de· scribuntur, quaeque cum animae arctissime coniunctae sint et eandem cum ea sedem habere videantur, eius sorores apte appellantur. - Da alle symbolischen Erzählungen vieldeutig sind, schließt die eine Deutung die andere nicht aus. 8 Vom Wind heißt es in V 14, 2 nec immemor Zephyrus regalis edicti. Warum regalis ? Weil Horos König ist. 4 Man weiß bei diesem Text manchmal nicht, wie weit man in der Unterlegung eines doppelten Sinns gehen darf. Vielleicht verplaudert sich Psyche nur, damit die Ge schichte weitergeht. Vielleicht hat dieses Verplaudern aber auch einen mystischen Sinn. Horos ist nämlich jung und alt zugleich ; denn er ist mit Kronos identisch : a) Da Horos jedes Jahr neu geboren wird (am 6. Januar), erneuert er sich immer wieder und ist daher die Ewigkeit, Aion. Aion aber ist Chronos/Kronos. b) Barpakrates führt nach seinem Namen die Sichel (&p7t7j\l xp!X't"e:'i:), wie Kronos. c) Als Sonnengott ist Horos je den Morgen jung, j eden Abend alt. Vgl. P. G. M. IV 1695, Mettemichstele 38 (Roeder, Urkunden 87) und Morenz, Äg. Rel. 152 und 176, auch Martianus Capella I 76. 1 V 9, 6 deam illam deus maritus efficiet iam deam spirat mulier . Der Myste hat Anteil am Göttlichen erlangt. - Psyches Sohn wird ein infans aurens werden, •
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Nach schwerem Seelenkampf entschließt sich Psyche, dem Rat der Schwestern zu folgen. Sie bereitet alles vor. Als Eros nachts entschlafen ist, greift sie zum Messer und entzündet die Lampe. Voll Erstaunen �ieht sie die Schönheit ihres Gatten. Die blonden Haare seines goldenen Hauptes (capitis aurei) glänzen in so übermäßig blitzendem Glanz (splendore nimio fulgurante),1 daß das Licht der Lampe fast verlischt ;2 die Federn der Flügel glänzen hell (�andicant), sein Körper ist glatt und leuchtend (luculentum) . - Hier wird der Sonnengott Horos he schrieben. Von Liehe überwältigt, 3 küßt Psyche den Schlafenden. Ein Tropfen des heißen Öls fällt auf den Gott. Er erwacht und entfliegt. 4 - Psyche hat das Gebot übertreten. Die Strafe ist die Trennung von dem Gelieb ten. Aber warum erzählt der Mythos von einer Heidin, die das Ver hotene tut ? Warum führt er uns nicht eine Psyche vor, die in j eder Hinsicht dem Mysten ein Vorbild sein kann ? Hierauf gibt es mehrere Antworten, die alle richtig sind und einander nicht ausschließen. Zunächst fällt jeder Mensch in Sünde. Die Gnade des Gottes wird sie wieder vergehen ; daher muß die vorbildliche Geschichte Sünde und Vergebung vorführen . Ferner wird in solchen vorbildlichen, man könnte fast sagen p äda gogischen Geschichten ein Verbot dadurch eingeschärft, daß die Strafe für die Übertretun g dem Hörer vor Augen geführt wird . Rotkäppchen --- ----------- ---- -------
prorsus Cupido (V 14, 5). - Zu iam . . . deam spirat mulier, quae . . . ventis ipsis imperat vgl. die Selbstoffenbarung der Isis : l:yw . . &vi!J-(,)V . . :d!J-L xuplo: (Inschrift von Kyme Zeile 39 ; Peek S . 1 24). Pap. Oxy. 1 380, 237 f. cru &vi[J.wv 'TO xpcho� E:xet�. Vgl. Müller, lsisarctalogien 61-67. 1 Vgl. P. G. M. IV 635 -&eov vew'Tepov . . . ttuptv6-rp tza ; die Haare des Eros auf der Gemme Abb. 4 (S. 29) ; den Strahlenkranz des als Sol aufgeputzten Lucius, Apul. Met. XI 24, 4 palmae candidae foliis in modum radiorum prosistentibus (Sol = Horos = Eros ; Lucius trägt in der Rechten eine Fackel.) 2 Vorher hatte es geheißen, daß das Licht der Lampe beim Anblick des Gottes auf leuchtete (lumen hilaratum increbruit) und daß die frevlerische (sacrilega) Klinge hell glänzte. Von dem Sonnengott stammt alles Licht, daher erglänzt die Lampe. Das Wort sacrilegus hat nur in religiösem Zusammenhang Sinn. - Vor dem Bett liegen Pfeil und Bogen, magni dei propitia tela. " Gnädig" sind die Pfeile des Gottes, wenn sie den Menschen mit himmlischer Liebe erfüllen. 3 V 23, 3 Psyche in Amoris incidit amorem. Um des Wortspiels willen, das ver mutlich aus dem Griechischen stammt ( d� "Ep
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wird vom Wolf gefressen, denn die Kinder sollen Angst davor bekommen, allein in den Wald zu gehen. Als Demeter das eleusinische Königskind, dessen Wartung sie übernommen hat, übers Feuer hält und von allem Sterblichen reinigen will, da kommt die Mutter hinzu, sieht es und schreit auf. Das Kind fällt ins Feuer und stirbt. Diese Geschichte soll die Eltern der eleusinischen Initianden davon abhalten, bei der Weihe zusehen zu wollen ; das eleusinische Feuerritual macht unsterblich, aber wenn Unberufene zusehen, bringt es dem Initianden den Tod.1 So soll die Geschichte der Psyche den Isismysten davor warnen, das Aller· heiligste zu sehen. Schließlich scheint es, als habe die Szene mit der Lampe noch eine weitere Funktion. Sie warnt vor der Neugier. Andererseits aber ist das Anschauen des Gottes im lsismysterium ein Bestandteil der Weihe ge· wesen.2 Nocte media vidi Solern candido coruscantem lumine, sagt Lucius von sich (XI 23, 7) ; es gilt auch von Psyche : Sie hat den leuchtenden Eros-Horos nachts gesehen. Bei der heiligen Hochzeit war es verboten, den Gott zu sehen. Es folgte aber - vermutlich einige Zeit später, wie auch in der Geschichte der Psyche - eine andere Zeremonie, die den Mysten allein, [J.OVo� ·7t po� [.t6vov,3 dem Gott gegenüberstellte. Es ist denkbar, daß eine Statue gezeigt wurde ;4 manchmal dürfte ein Priester in der Rolle des Gottes aufgetreten sein. Es ist in diesem Zusammen· hang vielleicht wichtig, daß der Priester, welcher den Lucius weiht, den Namen Mithras führt (XI 22, 3) . Da Mithras Sonnengott ist, ist dies nur ein anderer Name für Sol-Horos. Vermutlich steht Mithras nur als D eckname im Apuleiustext. In dem Priester, dem irdischen Stell vertreter - oder wenn man will, einer Hypostase - des Horos, erschien 1 Es gibt mehr solche Verbotsmythen. Hätte Peleus nicht zugesehen, wie Thetis den Sohn Achills ins Feuer hielt, wäre dieser unsterblich geworden. Der Tod der Kinder der Medea muß ursprünglich einen ähnlichen Sinn gehabt haben. Die Sage von Or pheus und Eurydike verbietet, sich beim Rückweg aus dem Jenseits umzublicken ; die von Pandrosos, Aglauros und Herse verbietet, die cista mystica zu öffnen (Eur., Ion 273. Ps. Apollodor, Bibi. III 189). 2 In Eleusis war die höchste Weihe die Epoptie. Daß die eleusinischen Mysterien die Isismysterien beeinllußt haben, ist zweifellos. 8 Vgl. Cumont, Le culte egyptien et le mysticisme de Plotin, Memoires et Monu ments de Ia Fondation Eugene Piot 25, 1921/22, 77ff. ; Reitzenstein, Myst. Rel. 128. 4 Vgl. Apul. XI 1 7 , 5, wo Lueius in ekstatischer Versenkung eine Isisstatue betrach tet. Die in mehreren Repliken vorhandene Statue des schlafenden Eros könnte ur sprünglich für einen solchen Kultbrauch bestimmt gewesen sein. V gl. Mansuelli, Galleria degli Uffizi, Le Sculture I (Rom 1 958) fig. 1 07-1 1 0 und S. 141 (andere Exem plare).
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der Gott selber. Auch dem Thessalos von Tralles1 und dem Mysten der Mithrasliturgie erscheinen lebendige Götter. Psyche sieht Eros beim Schein der Lampe (lucerna). Auch dies weist darauf hin, daß sich ein Ritual in der Erzählung spiegelt : Die Lampe ist ein heiliger Gegenstand, ein Symbol der lsismysterien. Sie kommt in der lsisprozession des XI. Buches vor (10, 3) und ist auch sonst hezeugt.2 Bei der nächtlichen Weihe ist sie unentbehrlich. Indem der Myste Gott anschaut und sich in ihn versenkt, tritt er aus der Zeit heraus und erhält einen Vorgeschmack der Ewigkeit.3 Aber die Weihe dauert nur eine kurze Weile. Der Myste wird wieder vom Gott getrennt, er muß zurück ins Leben, wie Psyche. 4 Sein weiteres Leben wird eine Irrfahrt im Dienst seines Gottes sein. Erst nach der letzten Weihe, dem Tod, wird er endgültig mit Gott vereinigt werden. Für Psyche gilt dasselbe. Erst nachdem sie zu Proserpina gegangen ist, wird sie auf immer mit Eros vereinigt. Als Eros die Geliebte verlassen hat, stürzt sie sich in die Flut des nächsten Flusses. Sie will sterben ; aber der Fluß trägt sie sanft ans Ufer. - Es handelt sich um ein Tauchbad, einen Sühne- und Reini gungsritus, wie er für die lsismysterien bezeugt ist. Lucius wird vor der Weihe in ein Bad geführt, das offensichtlich im Tempelbezirk liegt. Dort wäscht er sich ab. Danach spricht der Priester die Verzeihung der Götter aus und begießt ihn mit reinem Lebenswasser.5 Das Begießen mit Lehenswasser ist auf vielen altägyptischen Denkmälern dargestellt. Das Untertauchen des Täuflings ist ein ritueller Tod ; die lsisweihe wird gefeiert ad instar voluntariae mortis et precariae salutis (x.ocpL�O!LEV'Y)� <J(i)TI) pLot�}.6 Dementsprechend will Psyche wirklich sterben ; die Ret1 Catal. Cod. astrol. gral)c. VIII 3, 134 ; 4; 253. Vgl. zuletzt Festugiere, La Reve lation d'Hermes Trismegiste I 56. 2 Berreth, Studien zum Isisbuch in Apuleius' Metamorphosen 57 ff. 3 Hildebrand S. XXXIV interpretierte : lampadem . . . symbolum esse duco, quo animaln indicatur percepisse, quo statu prius fuerit, antequam lapsa erat. 4 Als Eros entfliegt, hängt Psyche sich an sein Bein und versucht, ihn auf seinem Flug in die Höhe zu begleiten. Aber bald sinkt sie ermattet zur Erde nieder. Man darf allegorisch deuten : Solange der Mensch im Körper ist, kann er dem Höhenflug des Gottes ins Reich des reinen Geistigen nicht folgen. Aber der Gott verläßt seinen Diener nicht ganz ; nec deus amator humi iacentem deserens, heißt es (V 24, 2). 6 XI 23, l sacerdos . . . me deducit ad proximas balneas et prius sueto lavacro traditum praefatus deum veniam purissime circumrorans abluit. Dies ist ein ßcbt-rtcr[LOI: d<; &ljle:crtv a[LOI:p't"LWV. Vgl. das ägyptische Totenbuch Kap. 17, 1 1 f. (Roeder, Urkunden 241) und Peek, Griechische Versinschriften 1 1 63 = I. G. V 2, 472, Vers 10 (Hinweis von L. Koe nen). Der Ritus ist universell. Vgl. auch S. 1 5 ,4. 6 XI 2 1 , 7. Daß diese Worte mit der Taufe zusammengehören, hat Reitzenstein ge-
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tung wird i h r gctiehenkt. Von Tauchbädern i m lsiskult weiß auch Tcrtulli an (de haptismo 5, 1) : nam et sacris quibusdam per lavacrum initiantur, lsidis alicuius aut Mithrae.1 Vom Kult der Magna Mater be hauptet .J uvenal (6, 520 ff. ) , daß ihre Verehrer mitten im Winter den Tiher aufhaekten und zur Buße dreimal untertauchten. Den Sprung der Sa pp h o vom leukadischeu Fels haben wir oben herangezogen, von dionyHiHchen Taufen werden wir heim Roman des Longus sprechen. Am Ufer des Flusses, aus dem Psyche gerettet wird, sitzt Pan und lehrt gerade die Nymphe Echo ihm zu antworten. - Pan ist eine Ge stalt der dionysischen Mysterien, ein Diener des Dionysos. Bei Apuleius heißt er deus pastor (V 26) ; er ist ein ßoux6Aoc;, ein dionysischer Myste. Wir sehen ihn auf einem Fresco in der villa dei misteri, und die Ge schichte der Echo kommt auch bei Longus (III 2 3) vor. Die Verwandt schaft der Osiris- und Dionysosmysterien - der griechische Name des Dionysos ist ja Osiris - hat bewirkt, daß eine gewisse Angleichung der beiden Mysterienkulte stattgefunden hat.2 Pan vertritt hier einen My steriendiener. Er sagt zu Psyche : "Ich hin zwar ein bäurischer Schafhirt ;3 aber wenn ich richtig rate - die Weisen nennen das Walusagen -, . so bist du Iieheskrank. Versuche nicht wieder, dich selbst zu töten,4 und traure nicht mehr ;5 bete den Eros an, der der oberste der Götter ist, und ver diene ihn dir durch treuen Dienst." - Wenn der Initiand eine schwere Prüfung bestanden hat und noch voller Schrecken ist, trifft er einen Mystagogen, der ihm Mut zuspricht. Hier ist der Mystagoge sogar im Besitz der Weissagekunst (divinatio fLIXV-n:(IX) . Man darf an das merksehen (Myst. Re!. 221). precaria salus x.ccpL�OfLE'I"I) O"WTI)plcc : Reitzenstein, Myst. Rcl. 39. - Durch den rituellen Tod beim Untertauchen wird der Myste zum "Ertrunkenen" Esies-Osiris. Vgl. Hdt. II 90 und Antinoos, auch Suppl. Epigr. Graec. VIII 473/74 Peek, Griechische Versinschriften 1 897 Sammelbuch griechischer Urkunden aus Aegypten V 7540. 1 Vgl. auch de praescriptione haereticorum 40 : (diabolus) ipsas quoque res sacra mentorum divinorum idolorum mysteriis aemulatur. tingit et ipse quosdam utique cre dentes et fideles suos ; expiationem (v. I. expositionem) delietarum de lavacro repromittit. 2 Von Panen und Satyrn spricht Plutarch, De Iside 14. - Auf dem herculanensischen Bild mit der Anbetung des heiligen Wasserkrugs sieht man vorn rechts einen Rohr flötenbläser, eine Art Pan (Leipoldt Abb. 53 = Cumont, Re!. Or. Tafel VII 2 = Döl gcr, Antike und Christentum 5, 1936, Tafel 1 2). Echo wird auf der Karpokratesinschrift von Chalkis genannt, welche Harder ediert hat (s. oben S. 7). Der ägyptische Name dt's Pan ist Min. 3 upilio, cci7t6Ao�, auch ein Wort der Dionysosmysterien. ' D.-r Selbstmord ist den Mysten verboten, vgl Platon, Phaidon 62 C und unten s. 276, 1 . 6 Dies klingt an das -3-&pp�L an, welches uns später oft begegnen wird. =
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würdige Bild in der villa dei misteri erinnern, auf dem ein Satyr in eine Wasserschale blickt. Man hat es schon öfters auf eine Weissagung aus einer Schüssel gedeutet (A.exoc.VO !J.OC.V't'doc.) .1 Jedenfalls hat die Mantik in den Mysterien eine Rolle gespielt.2 Eros heißt hier deorum maximus ; es ist gleichzeitig Horos gemeint, der König der Götter. Ihn soll Psyche, ihn soll der Myste anbeten ; durch treuen Dienst soll er ihn verdienen : blandis obsequiis promerere. Die Wendung kommt noch oft vor : VI 10, 2 sagt Venus zu Psyche sedulo ministerio amores tuos promereri ; bei Lucius wird gar vierfach vom treuen Dienst an Isis gesprochen : XI 6, 7 quodsi sedulis obsequiis et religiosis ministeriis et tenacibus castimoniis numen nostrum promerueris ; 15, 5 teque iam nunc obsequio religionis nostrae dedica et ministerii iugum subi voluntarium ; 2 1 , 1 sedulum colendi frequentabam ministerium ; 22, 1 sedulum . . . obibam culturae sacrorum ministerium. Psyche dankt Pan schweigend und erweist ihm als rettendem Gott Verehrung.3 Dann beginnt' ihre Wanderschaft. Sie kommt durch die Städte ihrer Schwestern. Als diese hören, daß der unsichtbare Gatte Eros gewesen war, eilen sie zu dem Fels, von dem aus sie durch den Wind in das Tal hinabgetragen worden waren ; denn sie wollen nun selbst Ge· mahlinnen des Gottes werden. Aber diesmal ist kein Wind da, der sie trägt. Sie springen vom Fels herab in den Tod. - Im XI. Buch be· lehrt der Isispriester den Lucius darüber, daß ein Novize nur eingeweiht werden dürfe, wenn einerseits an ihn, andererseits auch an den Weihe· priester ein Zeichen der Göttin ergehe. Daher solle Lucius nicht drängen ; auch werde kein Priester ohne Geheiß der GöttinI die Weihe vollziehen, denn dies bedeutet den sicheren Tod. 4 Pausanias berichtet über ein Isisheiligtum in Griechenland (Tithorea) :5 Als einst ein Ungeweihter 1 Mudie Cook, Journ. Rom. Stud. 3, 1913, 167 ; Macchioro, Zagreus (Bari 1 920) 96 ; Jcanmaire, Psyche 37 ; Rostovtzcff, Mystic ltaly 51 ; Delatte, La catoptromancic grecque (Liege 1932) 188-202 ; Herbig, Neue Beobachtungen am Fries der Mysterien villa in Pompei (1958) 28. Diese Deutung hat j edoch Widerspruch gefunden, s. Hopf ner, Offenbarungszauber II § 272. 2 Siehe besonders Eitrem, Orakel und Mysterien am Ausgang der Antike (Albae Vi giliae Neue Folge Heft 5, Zürich 1'947). 3 V 26, 1 nulloque sermone reddito sed adorato tantum numine salutari. Das Schweigen ist im Ritual vorgeschrieben. 4 XI 2 1 , 5/6 aviditati contumaciaeque summe cavere et utramque culpam vitare ac neque vocatus morari nec non iussus festina.re deberem; nec tamen esse quemquam de suo numero tam perditae mentis vel immo destinatae mortis qui, non sibi quoque seorsum iubente domina, temerarium atque sacrilegum audeat ministerium subire noxamque letalem contrahere. 5 Paus. X 32, 1 3 o\he: f!ao8oc; l:c; -.;o &8u-.;o\l &I.AoLc; ye: � l:xd\loLc; l:a-.;l\1 o�c; li\1 cxÖ-.;� 7tpOntJ.�acxacx (dignata) Tj 'laLc; xcx/..E !llJ L a�iic; 81' t\IU7tV(W\I.
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Apul e i u s
den Tempel betrat, sah er alles voller Göttererscheinungen. Er kam zwar in die Stadt zurück und erzählte, was er gesehen hatte, starb dann aber sogleich.1 Ebenso erging es einem römischen Beamten, der es wagte, an der heiligen Kulthandlung in Koptos in Ägypten teilzuneh· men.2 Ähnliches über andere Mysterienkulte berichten Pausanias X 32, 13 (über Städte am Maeander) und Damaskios (vita Isidori 131) über Hierapolis in Phrygien. Aber selbst in Eleusis galt dies Gesetz. Aus dem Jahre 200 v. Chr. berichtet Livius XXXI 14 : Acarnanes duo iuvenes per initiorum dies non initiati templum Cereris imprudentes religionis cum cetera turba ingressi sunt. facile eos sermo prodidit absurde quaedam percunctantes, deductique ad antistites templi, cum palam esset per errorem ingressos, tamquam ob infandum scelus interfecti sunt. Inzwischen meldet eine Möve der Venus, daß ihr Sohn sich in Psyche verlieht habe. Wütend eilt die Göttin nach Hause und findet dort ihren Sohn krank im Bett liegen ; denn das Öl der Lampe hatte ihn versengt. Sie hält ihm eine lange lächerliche3 Strafrede, droht, statt seiner einen ihrer Sklaven zu adoptieren, und ruft ihre Feindin Sobrietas,4 um ihn zu züchtigen : sie soll ihm Köcher und Pfeile wegnehmen, den Bogen ent· spannen, die Fackeln löschen, ja sie soll ihn züchtigen, die Locken ab schneiden und die Flügel stutzen. - Diese Szene erinnert an die Werke der antiken Kleinkunst, welche J ahn einst besprochen hat :5 Man sieht, wie Psychen den Eros binden, ihn mit Fackeln brennen, die Pfeile zer brechen, den Bogen entspannen. Man hat versucht, diese kleinen Kunst· 1 ihid. 32, 17 xtd <:poccr[ 1t"OTe: &v{}pw7tov ou Twv xocTocßoc�v6vTwv �� TO &Bu -rov ßeß1J:I-ov Be, �vlxoc l)p xe:To � 1tup� xocle:cr{}oc�, T'!JV�xocÜToc icre:f-{}e�v ig TO &Bu t"ov l'mo 1t"OAU7tpocy· fLOcrUV'IJ� Te: xoct TOAfL'IJ�, xoc( o t mxvToc &:v&:1t:l-e:oc e:EBC::. :t-wv <:pocl vitcr{}oc�, xoct &:voccrTpe<jloc� fL� OCUTOV €� T-ljv T�{}opeocv, B�1JY1JcrcXfLe:vOV BE: & i{}e&:crocTO &:<:pe:ivoc� T-ljv <Jiux�v. 2 ibid. 32, 18 TOT& ouv TOV ' PwfLOC�OV 8� e1t"&Ti:Tp oc1t"TO Aryu1t"TOV &vBpoc !:<:p'IJ XP�fLOCcrtv &:voc1t"dcrocvToc ic; TO &BuTOV XOCTOC1t"ewjloc� 't"'ij� "Icr�Bo� TO iv K61t"TM . xoct 0 ecr7te:fL<:p{}dr; &:vecrTpe:<jle: fL� ix TOÜ &:BUTOU, a�'IJY1JcrcXfLE:VOV BE: 01t"6croc i{}e&:crocTO xoct TOÜTOV OCUTLXOC i=v{}ocv6fL1JV Te::f-e:u't"'ijcroc�. - Im Trophoniosheiligtum zu Lebadeia ist ein Mann um gekommen, der eingedrungen war, um Gold zu stehlen (Pausan. IX 39, 1 2). 8 Über das Burleske in den Götterszenen s. oben S. 9,2 und unten S. 86 ff. An unserer Stelle ist besonders deutlich, daß es alles gar nicht so ernst ist - Venus ist ja im Grunde mit Psyche identisch. 4 Griechisch �w<:ppocrUV'I), wieder ein Beleg dafür, daß ein griechischer Text zugrunde liegt. - Die allegorischen Personen (Sobrietas, Consuetudo, Sollieitudo, Tristities) hat man schon inlmer für eine allegorische Deutung der ganzen Psychegeschichte ange
fii hrt.. 6 Berichte über die Verhandlungen der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissen Hehuftmt 3, 1851, 156; vgl. auch die Vignetten in seiner Separatausgabe der apuleiani Hdum l'Hydtegeschichte, deren spätere Auflagen von Michaelis besorgt wurden. Eine
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Psyche
werke zur Rekonstruktion einer älteren Psychegeschichte zu verwerten. Das hat freilich seine Schwierigkeiten, da es den Psychemythos zwar gewiß schon in hellenistischer Zeit gegeben hat, er aber in den Details
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sehr geschwankt haben dürfte. Das Entscheidende war eben immer die Beziehung auf das MysterienrituaL In dem Ritual sind immer Züchti· gungen des Initianden vorgekommen. Wenn ein Mädchen geweiht wurde, so erzählte der zugehörige Mythos von einer Züchtigung der Psyche ;1 wenn ein junger Mann geweiht wurde, so wußte der Mythos sorgfältige Bearbeitung des archäologischen Materials ist ein dringendes Bedürfnis. Ich habe einiges zusammengestellt, vor allem nach Jahn und Waser (Roschers My thol. Lexikon 111 3237-56), ohne jede Absicht auf Vollständigkeit. Bekanntlich gibt es ein Repertorium von Collignon, Essai sur les monuments grecs et romains relatifs au mythe de Psyche. Bibliotheque des ecoles fran�aises d'Athenes et de Rome fase. II, Paris 1877. Zu Abb. 3 s. S. 28 Anm. 1 . 1 Tafel I 2 Psyche in Fußangel gefangen, mit Eros ; 3 Eros fesselt Psyche ; 4 gefan gene Psyche mit Eros ; Psyche trägt einen Karst, muß also graben, vgl. unten S. 141 (Achilleus Tatios) ; alles Gemmen (vgl. Furtwängler, Antike Gemmen 34, 28 ; 57, 12). Statue der gepeinigten Psyche im Kapitolinischen Museum (Tafel 111) und den Uffizien. Iaspis aus Florenz, Eros tritt Psyche zu Boden, reißt sie an den Haaren und sengt sie mit der Fackel : Abb. 4. Gefesselte Psyche vor Erosstatuette : Tafel II 3. Sardonyx aus Petersburg, Eros fesselt Psyche, Furtwängler 57, 14 Jahn-Michaelis 8 1 . Hierher gehören auch die Darstellungen, auf denen Eros einen Schmetterling (Psyche) versengt, z. B. Tafel II 1 und 2. Vgl. Pap. Graec. Mag. IV 1723 ff. yM<j;ov "EpcuTIX AIXfL· mi/)01: Xp1XTOUVTIX XIXOfLEV'IJV (jlAEYOVTIX T�V 'f"ux-fJv. Bei Bonner, Magical Amulets Nr. 157 fesselt Eros die Psyche wie eine Mumie ; in Nr. 161 versengt Psyche den gefesselten Eros, dahinter der Greif der Nemesis. Vgl. Bonner S. 43 Anm. 99 und S. 1 1 8-1 22, mit weiteren Nachweisen. Auf dem neuattischen Marmorkrater Chigi (Abb. 5) hält Eros, auf einem Sockel =
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A p u l e i us von
Fel-isd u n � mul Geißelung des Eros-Harpokrates durch Psyche
Isis.1 Die!'e Da nrt.ellungen sind daher für uns mehr wegen ihrer Bezie hung auf den My!'terienkult wichtig als wegen ihrer Beziehung auf eine verlorene Fal-iHung des Psychemythos ; und wenn der apuleianische Bericht in der Züchtigung des Eros mit Darstellungen der antiken Kleiukum;t übereinstimmt, so folgt daraus, daß es bei der Initiation j unger Männcr Züchtigungen (xoAcXO"ELi;) gegeben hat, wie wir entsprechende für die Mädchen noch aus der Geschichte der Psyche erschließen werden. Daß Sobrietas vor der Weihe die Herrin des Mysten war, ersieht man aus XI 3 0 ; dort nimmt Lucius vor der dritten Weihe freiwillig die Nüchternheit auf sich (spontali sobrietate) . Das Abschneiden der Locken des Eros darf man wohl als ein Ab schneiden der Horoslocke deuten, ein lnitiationszeremoniell, auf das wir unten (S. 92) zurückkommen werden.2 Die Drohung der Venus, an Stelle des Eros einen ihrer Sklaven zu adoptieren, spielt darauf an, daß j eder Myste durch die Initiation Adoptivsohn der lsis wurde. Venus eilt aus dem Haus und trifft Ceres und luno. Sie bittet die beiden, mit ihr nach Psyche zu suchen. Die Göttinnen legen ein gutes Wort für das Mädchen ein. Venus eilt weiter. - Die Szene ist sehr heiter ;3 der Kenner des Doppelsinns der ganzen Geschichte sieht ohne stehend, weinend einen Schmetterling über die Fackel. Links Nemesis, rechts Elpis ( ? ) mit Blume. Ein ganzes Compendium des Psychemythos bietet die Onyxvase zu Leningrad Abb. 6. In der Mitte ApoDon (-Horos) mit Leier, sitzend, und Artemis (-Isis) stehend, mit Hirsch. Links oben versengt Eros den Schmetterling, links unten wird Eros von einem Schmetterlingspaar gezogen. Rechts verfolgt Eros die wasserholende Psyche ; er hält in der linken die Fackel, in der Rechten den Kranz. Weiter rechts zeigt die sit zende Aphrodite auf Eros mit dem Schmetterling ; Eros hat gerade davon abgelassen ihn zu versengen. Rechts unten hat Eros Psyche an einen Baum gebunden und schießt einen Pfeil auf sie. 1 Abb. 3 Sarkophagrelief aus Rom : Eine Psyche fesselt Eros, eine andere verbrennt Köcher und Bogen. Tafel I 5-6 Gemmen, auf denen Eros in der Fußangel gefangen ist ; 7 Statuette und 8-10 Gemmen mit Fesselung des Eros ; 1 1 Gemme : Gefesselter Eros mit Karst (als fossor), daneben Psyche mit Fackel. Schmetterling fesselt Eros : Tafel II 4. Psyche bemitleidet den gefesselten Eros, Marmorgruppe aus Aphrodisias, s. W aser bei Roseher 111 3246. 2 Vgl. auch die Tonsur der Isisdiener (XI 10, 1 von den Priestern, 30, 5 von Lucius). 3 Ganz köstlich ist V 3 1 , 4 die besänftigende Rede der Göttinnen : Bedenke doch, wie a l t. dein Sohn schon ist ! Meinst du, er sei noch ein Knabe, nur weil man dir dein Alter u idrt anmerkt ? an quod aetatem portas bellule, puer tibi semper videtur ? (portas ist eine mrumd atio palmaris von Van der Vliet ; F hat unsinnig portat). Dus literarische Vorbild dieser Szene ist natürlich Apoll. Rhod. 111 Anfang. Aber im Zusammenhang des Apuleius erhält das alte Motiv einen Hintersinn, der b ei Apol
lnnin• fdrlt.
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weiteres, daß lsis hier seihdritt auftritt - Ceres und luno sind j a auch Namen der lsis - und daß die Verfolgung der Psyche durch Venus Fortuna in Wahrheit von einer Göttin ausgeht, die es gut mit Psyche
Abb. 4 Abb. 5
Abb. 6
meint und sie in den Hafen des Heils führen wird, wenn Psyche die Prüfungen besteht, welche Fortuna ihr bereitet. Inzwischen irrt Psyche auf der Erde hin und her und sucht Tag und Nacht ihren Gatten.1 - Dem entspricht im Mythos das Suchen der lsis 1 VI 1 Interea Psyche variis iactabatur discursibus, dies noctesque mariti vestigationibus (intenta suppl. V an der Vliet).
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nach ihrem G-atten Osiris, bzw. nach dem Sohn Horos.1 Diese Irrfahrt der lsis ist das mythische Vorbild der Irrfahrt des lsismysten durchs Leben. Im Mysterienkult werden die Mühen des Lebens symbolisiert durch ein Hin- und Herirren in unübersichtlichen G-ängen des Weihe hauses. Die verschiedensten Prüfungen erwarteten den Mysten, auch plötzliche Schrecken und scheinbare Lebensgefahr, aus denen er durch das Eingreifen des G-ottes oder hilfreicher G-eister gerettet wurde. Quid latrones, quid ferae, quid servitium, quid asperrimorum itinerum ambages reciprocae, quid metus mortis cotidianae nefariae Fortunae profuit ? In tutelam iam receptus es Fortunae, sed videntis. So sagt der lsispriester zu dem geretteten Lucius im XI. Buch (15, 3), und diese Worte beziehen sich nicht nur auf die G-eschichte des Lucius, sondern auf jeden Mysten. Die G-efangennahme durch Räuber, die Bedrohung durch wilde Tiere, knechtischer Dienst und Hin- und Herirren auf rauhen Wegen gehörten, wie wir noch deutlicher erkennen werden, zum WeiberituaL Bekannt ist die auf die Prüfungen der eleusinischen Mysterien bezügliche Stelle des Plutarch :2 7tAOCVIX� 't'OC 7tpW't'IX XIXt m:pLapOfl.IXt xom:i> ae:L� XIXt aLoc crx6-rou� -rw&� i57to7t-rot 7tope:'i:IXL x!Xt &-reJ..e:cr-roL, e:hiX 7tpo -roü -reJ..o u� !Xu-roü -roc ae:Lvoc 7tocv-riX, cpp(x'YJ x!Xl. -rp6fl.o� x!Xl. tapw� xiXl. &ocfl.ßo�. Vgl. schon Platon, Phai don 81 A. Auf einem steilen Berg erblickt Psyche einen Tempel der Ceres. Sie eilt hinaus und findet Sicheln und Erntegerät achtlos durcheinander geworfen. Die Schnitter hatten einfach alles liegen gelassen, als man die Arbeit wegen der großen Hitze einstellte. Psyche ordnet alles sorg fältig.3 Da tritt Ceres zu ihr. Sie ist gerührt darüber, daß die von Venus verfolgte Psyche Zeit findet, sich um etwas anderes zu kümmern als um ihre Rettung.4 In feierlichem G-ebet bittet Psyche die G-öttin um Hilfe. Aber so gern Ceres das auch tun wollte, sie darf nicht gegen den Willen der Venus handeln. - Dies ist die erste Prüfung der Psyche. Sie hat sie bestanden, und Ceres-Demeter-lsis ist ihr gnädig. Aber noch ist sie nicht gerettet,Venus-Isis-Tyche wird noch weitere Prüfungen über sie ver hängen. Das G-ebet der Psyche an Ceres ist bemerkenswert : Per ego te frugi feram tuam dexteram istam deprecor, per laetificas messium caerimonias, 1 Die Stellen hierfür s. unten S. 67. 2 Bei Stob. ecl. 52, 49 (V 1089 Hense).
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VI 2 sedulo vgl. oben S. 25 ; VI 1, 5 rite. ' de tua salute. In Wahrheit wird die trWTY)p(oc der Psyche natürlich gerade dadurch l�erht,igcführt, daß sie die ihr gestellten Aufgaben erfüllt.
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per tacita secreta cistarum et per . . . luminosarum filiae inventionum remeacula et cetera quae silentio tegit Eleusinis Atticae sacrarium . . . Die geheime Identität der Ceres-Demeter mit lsis ist deutlich. Beide sind Herrinnen der Feldfrucht und Ernte ; im Kult beider spielt die cista mystica eine große Rolle ; der luminosa inventio filiae im Kult der De meter entspricht die e:Üpe:
Psyche wandert weiter. Sie sieht im Tal ein Heiligtum der luno und glaubt, sie dürfe keinen Weg unterlassen, der ihr die Hoffnung auf eine Wendung rum Besseren (spei melioris viam) bringen könne. - Spes melior ist wieder ein Mysterienwort. Es kommt auch im XI. Buch vor, wo der lsispriester den Lucius tröstet spei melioris solaciis (21, 3). Es ist die &yoc.&� �A7tLc; der eleusinischen Mysterien,1 und sie bezieht sich nicht nur auf das Lehen auf Erden, sondern auch im Jenseits. Psyche betet zu luno : Magni Iovis germana et coniuga, . . . sive celsae Carthaginis quae te virginem . . . percolit, beatas sedes frequentas, seu prope ripas Inachi, qui te iam nuptam Tonantis et reginam deorum me morat, inclitis A rgivorum praesides moenibus, quam cunctus oriens Zygiam veneratur . . . , sis meis extremis casibus Iuno Sospita meque in tantis exanclatis laboribus2 defessam imminentis periculi metu libera. quod sciam, soles praegnatibus periclitantibus ultro subvenire. - Wieder ist das ganze Gebet so ah gefaßt, daß man es ebensogut auf luno-Hera wie auf lsis beziehen kann. Hera ist Schwester und Gemahlin des Zeus, Isis des Osiris- Sarapis.3 Wie Hera ist lsis Jungfrau (IIocp.&evoc;, K6p'Y)) 1 Dafür hat Cumont viele Belege beigebracht (Lux perpetua 401 ff.) ; vgl. unten S . 9 3 , 1. 2 Vgl. XI 1 5 , 1 multis et variis exanclatis laboribus (von Lucius). 3 Für die Gleichung Sarapis-Zeus genügt der Hinweis auf die Inschrift e:!<; Ze:u<; I:&pocm<; "HALO<; (Cumont, Rel. Or. 79), oder der Blick auf eine der Darstellungen des Sarapis im Typ des Zeus (z. B. Leipoldt Abb. 1 3 u. 1 5). - Das germana et coniuga des Apuleius nimmt Homers xocmyv1rr"fl ... (}.).ox6<; Te: auf; eines der zahlreichen Beispiele dafür, daß einer bereitstehenden literarischen Form der Griechen ein neuer Sinn unter gelegt wird, die Beziehung auf einen orientalischen Kult. - Für das ägyptische Vorbild vgl. Müller, Isisaretalogien 29 ; die Seihstoffenbarung der lsis (6) sagt yuv� xoct •
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und Mutter in einem.1 Wenn luno hier als regina deorum angerufen wird, so betet Lucius in XI 2 lsis als regina caeli an. Der luno zygia entspricht die Ehegöttin lsis, die in der Inschrift von K yme von sich sagt : (17) S:yw yuv��x� x�l. &vop� cruv�y�yov. (30) S:yw cruyyp�
&.oe yevE:.&:t.. �c; &.px!Xv &.v opl. yuv��x� cruv&.y�yov ei') -re crs:Mv�c; ,, ,, "'-� , • . r.- <:> ' <:> , L o�, 't"S:'IT<M\O-roc; �pnov epyou oex�-r�v �'t' ec;
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sucht.1 - Im lsisdienst ist Hermes-Annhis der Herold und Diener der Götter. Ein Priester mit seiner Hundskopfmaske geht in der lsis prozession des XI. Buches mit (1 1, 1) : horrendus ille superum commeator et inferum . . . Anubis, laeva caduceum gerens, dextera palmam virentem quatiens. Psyche kommt zum Palast der Venus, um sich zu stellen. Sofort eilt ihr Consuetudo entgegen, eine Dienerin, packt sie an den Haaren und schleift sie hinter sich her. Psyche wehrt sich nicht. - Der Initiand muß die Züchtigungen, die er in der Weihe überstehen muß, über sich ergehen lassen. Er darf sich nicht wehren. Daß Psyche an den Haaren gerissen wird, bezieht sich auf den Kult. Eine Gemme, auf der Eros die Psyche an den Haaren reißt und mit der Fackel sengt, haben wir oben S. 29 abgebildet. In einem Liebeszauber wurde eine Statuette verwendet, auf der Aphrodite rittlings auf Psyche sitzt und sie mit der linken Hand an den Haaren packt.2 Diese Statuette ist gemacht in Erinnerung an eine Züchtigungsart, die im Mysterien kult üblich war. Die nahe Verwandtsch aft der Zaubertexte mit den ägyp tischen Priesterbüchern braucht nicht mehr bewiesen zu werden. Psyche wird vor Venus geführt und den Dienerinnen Sollicitudo und Tristities zur Züchtigung übergeben.3 Sie geißeln das arme Mädchen und quälen es mit allen möglichen Foltern. - Hinter Venus steht hier Isis-Nemesis (vgl. oben S. 8,5) . Ihr unterstanden im Mysterienritual die Züchtigungen, welche der Initiand zur Buße für seine Sünden und Verfehlungen über sich ergehen lassen mußte.4 Ein pompeianischesWand gemälde (Tafel IV) zeigt, wie Nemesis (kenntlich an der das Gewand lüpfenden, erhobenen Hand) einen weinenden Erosknaben, der eine Hacke in der Hand trägt, wieder vor Venus führt. Er hat die Garten1 Literarisches Vorbild ist bekanntlich Moschos, "Epw<; apotrtih<J<;. 2 P. G. M. IV 1723 yM\jlov ' AcppoalTIJV 1rtmcr·d xot-&"l)fi.EV"IJV ertt 'F'uxJi<; Tij� &p �o--r c: pih xe:�pt xpot-roucr:xv 't"OU<; ßocr-rpuzou<; (das folgende Wort &votaEO"fi.EUOfi.EV"I)V hat Kerenyi, Uoman 1 94, mit Recht als verkehrte Erklärung gestrichen). - Das An-den-Haaren Reißen kam auch in den Mithrasmysterien vor. Nach Gregor von Nazianz (or. IV 89) wurde der Märtyrer Marcus, Bischof von Arethusa, von Heiden gequält, welche die ansgesuchtesten Foltern aus den Mithrasmysterien kannten : EtAxC:TO a�a. rt),ot-rc:�wv, ,;>�e:'ho xot-&' {mov6f1.wv, Twv -rp �xwv e:\::1-xe:-ro . . . fl.�"(VUfl.EV"IJ<; Tij� ottx[ou Tij<; üßpe:w<; rt:xp<X -rt0v &�lw<; iv Ml-&pou -ro�otu-rot xo),ot�Ofl.EVWV (Cumont, Textes et Mon. II 1 5 ; Kerenyi, Homan 1 28). 3 Im Pinax des Kebes 10 werden die Sünder häßlichen Frauen übergeben, die sie p;eißeln und quälen. Die Frauen heißen T�fi.wplot, Aurt"l) , ' O Mv"IJ , ' O aupf1.6<;, ' A-&uf1.[ot. 4 Hildebrand S. XXXV erklärte allegorisch : Sollicitudini et Tristitiae torquenda I raditur (sc. Psyche) i. e. summis conscientiae doloribus et contemptione, qua Venus in eam invehit, principio punitur. :;
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arheit mit der Hacke vollbracht, die eine seiner Prüfungen gewesen ist ; Venus wird nun entscheiden, was weiter mit ihm geschehen soll. Geißelung und F�h er, w{e Psyche sie ertragen muß, gehören zum RituaJ.l Sie werden uns in den anderen lsisromanen wieder begegnen.
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Ein schönes Fresco der villa dei misteri (Ahh. 9, S. 49) stellt die Geißelung einer jungen Frau dar, die in die Mysterien des Dionysos eingeweiht wird. In den Mithrasmysterien sollen die Initianden sogar zwei Tage lang gegeißelt worden sein.2 Auf einem pompeianischen Wandgemälde sieht man, wie Eroten eine gefesselte Psyche peinigen ; eine andere Psyche stemmt der Gefesselten eine Fackel gegen den Leih (Ahh. 7) . Links steht Nemesis, rechts Elpis ( ? ) mit Palmhlatt. 1 Vgl. Kerenyi, Roman 25 u. 123 ; Jeanmaire, Psyche 46.
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Mythograph Nonnos (Migne, P. G. 36, 989) im Kommentar zu Gregor von Nazianz (or. IV 89) Kap. 6 Cumont, Textes et Monuments II 27. - Peinigungen gdtörtcn zum Weiberitual vieler Initiationen. Ich nenne nur die Geißelung der spar1 a u i s e hcn Epheben beim Fest der Artemis Orthia. Auf pythagoreische Mystericn scheint �i,·h Kcbes, Pinax 10 zu beziehen. Vgl. ferner Horazens Gebet an Isis (Carm. 111 26) r<'JI,irm sniJlimi jlagello tange Chloen. - Plut., De lside 26 (nach Xenokrates, fr. 25 Heinze) �pri .. ht von Schlägen an Festtagen in einem Zusammenhang, in dem nur die Myste ril'lt d l'r Ikmctcr gemeint sein können. =
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Nach der Folterung wird Psyche wieder vor Venus geführt. Diese fährt auf sie los, reißt ihr das Kleid in Stücke, reißt sie an den Haaren und schlägt ihren Kopf. - Daß der lsisdienerin das Kleid zerrissen wird und daß sie Ohrfeigen bekommt, werden wir in den anderen Ro manen wiederfinden. Es ist wieder ein Zug des Rituals : Der Weihe gehen Buße und Züchtigung voran. V enus sagt : "Du scheinst mir ein so häßliches Mädchen, daß du dir nur durch fleißigen Dienst deinen Geliebten verdienen kannst. Jetzt werde ich erproben, ob du tüchtig bist." Es folgen die vier Aufgaben der Psy che. sedulo ministerio amores1 tuos promereri heißt es ; auf die wört lichen Parallelen im XI. Buch haben wir oben S. 25 hin gewiesen. Den Aufgaben der Psyche ,!:Jntsprechen im Kult Prüfungen, die der Initiand bestehen muß. Die Aufgaben werden teils durch Helfer vollbracht wer den, teils durch die Befolgung guten Rates. Im Kult gibt den guten Rat der Mystagoge ;2 daß die Rolle des Mysten im wesentlichen passiv ist, ist bekannt. "Nicht lernen müssen die Initianden, sondern erleiden", sagt Aristoteles. 3 V enus schüttet Weizen, Gerste, Hirse, Mohnkörner, Erbsen, Linsen und Bohnen aufeinander und vermischt alles. Psyche muß die einzelnen Fruchtarten wieder voneinander sondern.. Die Aufgabe scheint unlös bar ; da kommen Ameisen gelaufen und sondern die Kerne in verschie dene Haufen. - Es ist die Aufgabe Aschenputtels. Wie sie im Kult zur Darstellung gebracht wurde, weiß ich nicht. Vielleicht hängt diese Auf gabe mit der Panspermie zusammen, jener Mischung aller Frucht arten, die in Eleusis in einem rituellen Heiltrunk getrunken wurde. 4 Ein Mädchen (manchmal eingeschlafen) vor einem K orb, Ameise und Adler mit Kranz finden sich auf mehreren Gemmen (s. Tafel II 5). Die früher allgemein geltende, von Furtwängler (Antike Gemmen 111 293) -
1 VI 1 0,2 : Überliefert ist amatores, aber der Plural würde aus Psyche eine gewöhn liche Dirne machen und widerspricht gänzlich dem Sinn der Erzählung. Ich nehme daher an, daß Apuleius geschrieben hat amores und daß ein Abschreiber das "ver deutlichen" wollte und amatores einsetzte. 2 Bei Kebes (Pinax 4 und 30-32 ; vgl. 16) spricht ein Daimon(ion) den ins Leben Tretenden Mut zu (!hxppdv, s. unten S. 100, 4) und gibt ihnen guten Rat. Im Kult ent spricht ihm der Mystagoge. 3 Synesios Dio 8 p. 48 A Aristot. fr. 15 Rose (p. 79 Walzer, p. 84 Ross) ' ApLcrTOT�A"I)c; ci:�wi: Touc; Te:AOUfJ.evouc; ou fL<X&dv n lldv ci:AJ.ci: 1t<X&dv r.od llLocTe:&7jvc:u. Vgl. Ach. Tat. V 23, 6 (unten S. 143). 4 Erstes Zeugnis ist Hymn. Dem. 207-1 1 (Kykeon) ; vgl. etwa Mannhardt, Antike Wald- und Feldkulte 167. 216. 226ff. 248 ff. Mit unserer Stelle wurde der Brauch ver glichen von Kerenyi (Roman 193) und Jeanmaire (Psyche 46). =
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bestrittene Deutung auf Psyche halte ich für sicher, da Ameise und Adler nu� · in der Psychegeschichte eine Rolle spielen.1 Der Kranz ist das Ehrenzeichen des Mysten (Apul. XI 24, 4) . Die Ameisen heißen bei ..... Apuleius terrae omniparentis agiles alumnae. Wer die Allgebärende ist, ersehe man aus XI ll, 2 bos, omniparentis deae fecundum simulacrum. Voll Erstaunen sieht Venus bei der Heimkehr, daß Psyche die Auf gabe gelöst hat. Sie wirft ihr als Speise ein Stück gewöhnliches Brot vor. Dann geht sie schlafen. Eros wird in strengem Gewahrsam gehalten. damit er nicht zur Geliebten kommen kann. So verbringen die Liehen· den die Nacht unter einem Dach und sind doch getrennt. - Das Brot essen bezieht sich vermutlich auf ein rituelles Mahl, s. unten S. 4 7. Die Trennung der Liebenden, die im seihen Haus in verschiedenen Räu men eingesperrt sind, wird uns noch oft begegnen. Sie wird auch zum Ritual gehört haben. 2 Als zweite Aufgabe soll Psyche die goldene Wolle der frei weidenden, wilden und giftigen Sonnenschafe3 holen. Dies scheint so schwer, daß Psyche sich in den Fluß stürzen will, um zu sterben. Da beginnt das Schilf, von Gott inspiriert (divinitus inspirata), zu sprechen. Psyche soll das heilige Wasser des Flusses nicht durch den Tod beflecken. Gegen Abend, wenn die Schafe ermüdet sind, kann sie die Wollflocken vom Laub des angrenzenden Haines ohne Gefahr abstreifen. Psyche befolgt den Rat und bringt abends der Herrin die goldene Wolle. - Die Aufgabe bedeutet schon einen virtuellen Tod : Psyche will sich in den Fluß stürzen. Aber da kommt guter Rat von der Binse, dem heiligen Gewächs des Nils. Nach Plutarch (De Iside 36) symbolisiert die Binse den König von Ä gypten.4 Die Binse ist also ein Vertreter des Horos ; 1 Es ist freilich bei manchen Gemmen zweifelhaft, ob Psyche oder Rhea Silvia oder Atia (s. oben S. 1 8 , 0) gemeint ist, da die drei Legenden ineinander übergehen. Wie Psyche von Eros im Schlaf zu seiner Frau gemacht wird, so Rhea Silvia (die Mutter des Romulus) von Mars, so Atia (die Mutter des Augustus) von Apollon. Für einige Gemmen hat Alföldi die Deutung auf Rhea Silvia sicherstellen können, da die Frau eine phrygische Mütze trägt (Die trojanischen Urahnen der Römer, Basel 1957, 1 3 u n d Tafel V I I 4 u n d 5 ; vgl. schon Mus. Helv. 7, 1950, 2 ff.). 2 Ü ber Keuschheitszeiten im Isiskult vgl. Tibull I 3, 26 ; Properz II 28, 62. 33, 1 ; IV 5 , 34 ; Ovid, Am. I 8, 74 ; 111 9, 33f. ; Tertullian, de ieiunio 2 (Vergleich mit den Xero phagien der Christen) ; unten S. 104 und 1 3 2 f. 3 Apuleius sagt nicht ausdrücklich, daß es Sonnenschafe sind ; es ist aber nach dem Zu sammenhang nicht anders möglich. Vgl. Fulgentius Mythol. III 6 p. 68, 18 Helm (Solis armenta). 4 Gcnaucr gesprochen ist die Binse das Symbol von Oberägypten, die Biene von Untcriigypten. Hopfner, Komm. II 167. - In Dendera wird der heilige Korb für den Kopf des Osiris aus Binsen gemacht (Brugsch, Zeitschr. für ägypt. Sprache 19, 1881 , 91).
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jedenfalls ist sie von diesem Gott inspiriert. Danach wird man die sanctae aquae des Flusses auf den Nil deuten dürfen ; im griechisch römischen Ku�t konnte jedes andere Gewässer den Nil vertreten. Die aus dem Schilf kommende Stimme ließ sich im Mysterienhaus leicht darstellen.! Sie lehrt die Psyche ihr Heil (salutem) . Im übrigen ist es eine häufige lnitiationsprobe, daß der Held einen goldenen, all'o wunder baren Gegenstand erringen muß : Man denke an das goldene Vließ und an den ramus aureus, den Aeneas brechen muß und dem Frazer sein berühmtes Werk gewidmet hat.2 Noch schwerer ist die dritte Aufgabe : Psyche muß in emer Urne (urnula) das eiskalte Wasser der Styx holen, das auf der Höhe eines steilen Berges entspringt. Es wird von Drachen bewacht ; es ist hoch heilig und tödlich zugleich (sanctissimi nec minus truculenti fontis) . Das Wasser selbst ist sprachbegabt ; " Geh weg" und "Vorsicht" und "Flieh" und "Du mußt sterben" ruft es dem armen Mädchen zu. Aber die gute Vorsehung hilft.3 Der Adler, der Vogel des Zeus, der einst den Gany med in den Himmel getragen hatte, nimmt Psyche die Urne ab, fliegt an den Drachen vorbei, holt das Wasser und bringt es dem Mädchen. Froh eilt sie damit zu Venus. Die Stimmen, welche das mutige Mädchen verscheuchen wollen, müssen im Mysterium dargestellt worden sein. Das hat schon Thor . lacius4 gesehen : Cum ad terrendam Psychen, quae aquam ex Cocyti fonte petitum iverat, nunc saxum immani magnitudine, nunc vigiles dracones, nunc vocales aquas conspirasse; cum hos inprimis clamores ipsi ohlatos fuisse lego (Met. VI 14, 5) : discede, quid facis ? vide, quid agis ? cave, fuge, peribis, videre mihi videor et audire hominem initian dum, per mysticos maeandros ductitatum variaque terriculamenta, quo rum dramatica repraesentatio graves in eius animo aculeos relinquere deberet. 1 Das Schilf heißt harundo humana. 2 Daß beide Mythen mit einem Initiationsritual zusammenhängen, ist wohl klar.
Vgl. Jeanmaire, Psyche 47 ; auch Mus. Helv. 18, 1961, 86-90. 3 Hier schimmert wieder die griechische Vorlage durch : Nec providentiae bonae graves oculos innocentis animae ('YYX H �) latuit aerumna. Ebensogut hätte Apuleius über setzen können innocentis Psychae. Der Doppelsinn war im Lateinischen nur annähernd wiederzugeben. - Ferner ist in VI 15, 6 aquila mit der maskulinen Form commenlus konstruiert. Im Griechischen hieß es &E-r6c; ; Apuleius hat den Genus-Wechsel nicht beachtet (Helm, Neue Jahrbücher 33, 1914, 179). 4 Proinsiones et opuscula Academica I, Havniae 1 806, 371 ; zitiert von Hildebrandt, Ausg. S. XXXVII. Von Stimmen bei der Mysterienweihe spricht Dion Chrysost. 12, 33 .
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Die Szene ist i n einem Fresco i n der Aula lsiaca des Caligula auf dem Kapitol dargestellt worden (Tafel V) . Im Zentrum des Bildes gießt ein schwebender Adler Wasser aus einem Krug, den er in den Klauen hält.1 Dieses W asscr wird von einem Mädchen in einem anderen Krug auf gefangen. Das Mädchen hat keine Flügel ; aber es ist offensichtlich Psyche gemeint. Links ist ein Tempel, vor dem ein Gott sitzt ; da zwei Pfeile danebenliegen, ist Eros dargestellt. Neben ihm steht eine Göttin (Venus-lsis), die aufgeregt auf das Wunder weist.2 Rechts sieht man einen j ungen Gott, der Psyche wohl irgendwie geholfen hat, vielleicht Her mes. - Die Darstellung stimmt nicht vollständig mit der des Apuleius überein. Aber wir haben gelernt, daß der Kult hier das Primäre ist. Er war veränderlich, und folglich konnte der zugehörige Mythos in De tails abweichen, wenn nur der entscheidende Punkt richtig zur Dar stellung gehracht wurde. Das ist hier das Wasserholen und die Lösung der scheinbar unerfüllbaren Aufgabe durch wunderbare göttliche Hilfe. Wer das Wasser der Styx holen will, muß in die Unterwelt .hinab steigen ;3 die Aufgabe ist tödlich (letalis) ; das Wasser zu berühren bringt den Tod. Aber dieses Wasser ist gleichzeitig das Wasser des Lebens.4 Im lsiskult ist es das heilige Nilwasser. Es spielte dort eine sehr große Rolle.5 Wir sehen z. B. auf einem bekannten Fresco aus Herculaneum, wie ein weißgekleideter lsispriester aus dem Tempel tritt und den an dächtigen Gläubigen die Urne mit dem heiligen Wasser präsentiert.6 Der Priester faßt das heilig-gefährliche Gefäß nur mit verhüllten Hän den an. Dasselbe gilt von dem Priester, der die Urne auf_ dem vaticani schen Isisrelief7 trägt. Im XI. ßuch wird der Priester mit der Urne so beschrieben (11, 3) : Gerebat alius felici suo grernio surnrni nurninis vene randarn effigiern, non pecoris non avis non ferae ac ne horninis quidern ipsius consirnilern, sed sollerti repertu8 etiarn ipsa novitate reverendarn, altioris utcurnque et rnagno silentio tegendae religionis argurnenturn inef1 Vgl . auch die Gemmen Tafel II 5 und I 1 .
Ähnlich ist die Haltung der auf Abb. 6 ( S . 29) rechts sitzenden Göttin (Aphrodite-Isis). Auch der Kokytos wird genannt (VI 13, 4). t Rohde, Psyche II 390 Anm. Friedländer, Sittengeschichte10 IV 1 14. 5 Vgl. Dölger, Antike u. Christentum 5, 1936, 153 ff. • V gl. oben s. 24, 2. - Porphyrio s, De abstinentia IV 9 ö8wp 8& XIXL 7rup ae ßov · T<XL !L
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Lcipoldt Abb. 56 = Cumont, Rel. Or. Tafel VIII I = Nilsson Rel. II Tafel lO, 1. Vgl. auch Anubis mit der Wasserfiasche, Cumont Rel. or. Tafel VI. 8 e:u p e ae: L.
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fabile, sed ad istum plane modum fulgente auro .figuratum : urnula faber rime cavata etc. Man ist sich darüber einig, daß der unaussprechbare Inhalt der Urne das :Nilwassen, war, das mit Osiris identisch war.1 Das Wiederfinden des Osiris geschah am Tag der Nilschwelle, dem ägyptischen Neuj ahrstag.2 Man stellte die e:Öpe:crLc; mimisch dar, indem man feier lich das Nilwasser schöpfte (Plut., De Iside 12 u. 39) . Dieses heilige Wasser wurde zu gewissen Gelegenheiten im Tempel gespendet.3 So holt im XI. Buch der Priester aus dem Allerheiligsten des Tempels das " Quellwasser" und spendet es : de penetrali fontem petitum spondeo4 libat (20, 4) . Ein ganz ähnliches Ritual muß der Erzählung vom Wasser holen der Psyche entsprechen. Daß Psyches Wasserholen in der Weihe zur Darstellung gehracht wurde, zeigen auch Terracottastatuetten. Einmal trägt Psyche die Flasche,5 ein anderes Mal Eros.6 Das Wechseln ist, ebenso wie bei der Geißelung, aus dem Kult zu erklären : Wenn ein Mädchen geweiht wurde, mußte Psyche das Wasser holen, wenn ein Mann, wurde die Auf gabe dem Eros gestellt. Auf anderen Terracotten ist dargestellt, wie Eros und Psyche sich umarmen ; in der linken Hand trägt Psyche die Flasche. 7 "Dadurch, daß sie das Gefäß bringt, hat Psyche sich die Wie dervereinigung mit Eros erworben" (Reitzenstein, Kleinkunst 7) . Auch Lucius muß bei seiner Weihe das Styxwasser geholt haben, das von Drachen bewacht wurde.. Er ,trä� nämlich ein Gewand, das mit
1 V gl. z. B. Plutarch, de I side 32 Ne:Thov e:!viXL -rov "Ocrtptv. 33 xoU.o\icrt . . . "OcrtpLv (LEV c!ml..w t; &n:IXO'IXV -ri]v uypon:otov:apxi]v XIXl 8UVIX!J.LV. 36 oö (LOVOV 8E 'I"OV Ne:Thov, cXAAcX n;ä.v uypov cX71:AWt; ' Ocrlpt8ot; an;oppoi]v XIXAOUO'L. Pap. Graec. Mag. XII 233 eyoo e:l!J.L "OcrtpLt; b xoU.oÖ(Le:vot; ß8oop. Hippolyto s refutatio V 23 "OaLpLv 8E Myoucrtv ß8oop. Origenes in Celsum V 38 (Le:TIXAIX(Lßocvoucrtv -rov "Ocrtptv e:lt; ß8oop. Heliodor IX 9. Porphyrios bei Euseb, praep. ev. 111 1 1 , 5 1 . Ps. Clemens, Recognitiones X 27. Verehrung des Wassers : Firmic. Matern. err. 2, 5. 2 Die Zeremonie ist von da auf andere Feste übertragen worden. Näheres in einer Ax beit über Festdaten der Isisreligion. 3 Serv. Aen. II 1 1 6 in templo lsidis aqua sparsa de Nilo esse dicebatur (wenn man im Iaistempel Wasser spendete, sagte man, dies sei Nilwasser). 4 Man schöpfte das Wasser mit dem crn;ov8e:iov, welches man auf dem oben S. 38, 7 angeführten vaticanischen Relief sehen kann. Es wird dort von einer Priesterin getragen. Vgl. auch Clemens Alex., Strom. VI 4, 37 (II 449 Stählin) ; Plut. , De lside 36. Statue der athenischen Iaispriesterin Amaryllis mit dem u8pe:iov : Erman, Die Religion der Ägypter3 (1934) 432. 5 Reitzenstein, Kleinkunst, Abb. 8 = "Noch einmal Eros und Psyche" Abb. 1 1 . " Abb. 1 2 und die von 6 Reitzenstein, Kleinkunst Abb. 9 = "Noch einmal Reitzenstein, Kleinkunst 10, besprochenen Stücke aus Karlsruhe und Berlin. 7 Reitzenstein, Kleinkunst Abb. 3 = "Noch einmal Abb. 3 ; Kleinkunst Abb. 4 a = "Noch einmal Abb. 5. - Vgl. auch Perdrizet, Les terres cuites grecques d' E: gypte de Ia Collection Fouquet (Paris 1921) Nr. 240 (Tafel 36). .
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lauter wilden Tieren bestickt war (XI 24, 3) : quaqua tamen viseres, colore vario circumnotatis insignibar animalibus ; hinc dracones Indici, inde grypes Hyperborei, quos in speciem pinnatae alitis generat mundus alter (d. h. die Unterwelt) . Hanc Osiriacam1 stolam sacrati nuncupant. Hier ist Lucius rings von Drachen der Unterwelt umgebe� . Es ist kaum zu kühn, wenn man annimmt, der Weg der Psyche an den Drachen vor bei sei bei der Weihe des Lucius dadurch dargestellt worden, daß der My:stc ein Kleid anzog, das mit Drachen bestickt war. So war er mitten zwÜ;chen den Tieren und in größter Todesgefahr. Der Kult hat sich immer solcher andeutenden Darstellungen bedienen müssen.2 Es kam aber nicht nur im Kult vor, daß man Wasser vom Quell holte, sondern auch in Wirklichkeit. Juvenal spottet über eine römische Dame, die eine Wallfahrt macht, um das heilige Wasser zu holen (6, 526 ff.) : si candida iusserit Io ibit ad Aegypti finem calidaque petitas a Meroe portabit aquas , ut spargat in aede Isidis. Die Dame ist nach Syene gereist, an die Grenze von Ägypten, wo der Nil aus den Felsen des l. Kataraktes hervorsprudelt.3 Hier war die " Quelle" des Nils.4 Wir verstehen jetzt, warum die Styxquelle des Apuleius einem Fels entspringt. Seneca berichtet, jenseits von Syene, dem letzten Ort Ä gyptens, sei ein Ort Philae, an dem die Ä gypter Isis verehrt hätten. Als lsis den Gatten Osiris bestatten wollte, wählte sie eine kleine, felsige Insel bei Philae, welche Ahatos genannt wurde. Man konnte von Philae aus nur schwer zu ihr gelangen, da der Nil an dieser Stelle sumpfähnlich, 1 Osiriacam ist eine Konjektur von Kaibel ; überliefert ist Olimpiacam. Aber wenn die Drachen dem mundus alter angehören, dann kann dies Kleid nicht olympisch heißen. 2 Aus dem Tempel von Edfu führte ein Gang unter der Außenmauer hindurch zu einer unterirdischen heiligen Quelle. Von dort wurde das heilige Wasser geholt. Dies entspricht dem Gang der Psyche zur Nilquelle. Vgl. Fairman, Bulletin of the John Rylands Library 37, 1954, 172 (mit Tafel gegenüber S. 168). 3 Vgl. auch die Wallfahrt des Epistrategen Kallimachos, der im Jahr 62 v. Chr. Befehlshaber im Roten Meer war, zur "Herrin lsis" nach Philae (Dittenberger, 0. G. I. 1116).
4 Hcrodot II 28. Dittenberger, 0. G. I. 168, 9. Spiegelberg, Die Glaubwürdigkeit von J l crndnts Bericht über .Ä gypten 18 (mit Anm. 14) und Abb. 2. Strabon XVII 1, 52 p. 11 1 1). Sog. Hungersnotstele, bei Kees, Lesebuch 2 1 : "Es gibt eine Stadt inmitten der Wasser, dort wo der Nil entspringt : Elephantine ist ihr Name." (Roeder, Urkunden
1 7'J). Hcitzcnstein, Myst. Rel. 144, 1 u. 220, 1.
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schlammig und voller Papyrusgestrüpp war. Der Sumpf hieß " Styx". Bei der Insel Ahatos merke man es zuerst, wenn der Nil wieder ansteige.1 Wer also zu diesem Ort gelangen wollte, mußte Ägypten, das Land der Lebenden, hinter sich lassen, die Felsenge des ersten Kataraktes durch schreiten, auf der heiligen Insel Philae landen und von dort die schwierige Überfahrt über den Styxsumpf2 zu der Felsinsel Ahatos m achen , an der man die Nilflut zuerst wahrnahm . Dort war Osiris bestattet, der Gott der Toten. Wer diese Reise unternahm, fuhr ins Jenseits.3 Das Spenden des Wassers war eine wichtige Zeremonie im Toten ritual. Indem lsis dem Osiris das kühle Lehenswasser spendete, erweckte sie ihn zu neuem Leben. Man sieht das Spenden des Lebenswassers oft an den Tempelwänden Ä gyptens dargestellt.4 Wie Osiris wünschte der Ägypter nach dem Tod durch das Lebenswasser neu belebt zu werden. oder
�ol. ae ' ÜcrtpLao� ocyvov öa(J)p "'lcrL� xocptmXL'rO
1 Die Stellen sind : Serv. Aen. VI 1 54 Seneca scripsit de situ et de sacris Aegyptiorum. hic dicit citra (circa codd., correxi) Syenen, extremam Aegypti partem, esse locum, quem Philas, hoc est amicas, vocant ideo, quod illic est placata Isis ab Aegyptiis, quibus irasce batur, quod membra mariti Osiridis non inveniebat, quem frater Typhon occiderat. quae inventa postea cum sepelire vellet, elegit vicinae paludis tutissimum locum, quem t ransitu constat esse difficilem; limosa enim est et papyris referta et alta. ultra hanc est brevis insula, inaccessa hominibus, unde Abatos appellata est . . . haec palus Styx vocatur, quod tristitiam transeuntibus gignit. sane ad illam insulam ab his, qui sacris imbuti sunt, certis transitur diebus. Sen. N at. quaest. IV a, 2, 7 primum incrementum Nili circa insulan. Philas visitur. exiguo ab hac spatio petra dividitur. "AßtX-rov Graeci vocant, nec illam ulli nisi antistites calcant. illa primum saxa aueturn jluminis sentiunt. post magnum deinde spatium duo eminent scopuli; Nili venas vocant incolae. ex quibus magna vis funditur, non tarnen quanta operire possit Aegyptum. Es sind die Felsen des l. Kataraktes ; sie sind eine Art Jenseitstor. Vgl. etwa Horn. fl. 73 ot ilE: Mw crx61tE:AOL (über Skylla und Charybdis). paludes. V gl. auch Frankfort, Kingship and the Gods 2 Apul. VI 13, 4 Stygias (Chicago 1948) 190 und 374 Anm. 13. 3 Eine Reise zum Osirisgrab von Abydos kann dieselbe Bedeutung gehabt haben wie die Reise nach Syene. 4 Vgl. die von Reitzenstein, Nachr. Gött. Ges. Wiss. 1 930, 405 abgebildete Dar stellung eines ägyptischen Sarkophags (heute in Besan'ion), auf der Osiris der "lebenden Seele" eines Toten das Lebenswasser spendet. Siehe auch Reitzenstein, Myst. Rel. 220 (Totentaufe im Pap. Rhind. ; s. "Die beiden Totenpap. Rhind des Museums zu Edin lmrg", bearbeitet von Georg Möller = Demotische Studien, herausgeg. von Wilh. Spiegelberg, Heft 6, Leipzig 1913, S. 27 und 31 ; Roeder, Zauberei und Jenseitsglauben im alten Aegypten, Zürich 1961, 344) ; Roeder, Urkunden 41 (aus den Stundenwachen der Osirismysterien). 5 Dies "kühle Wasser" kommt schon auf dem orphischen Goldplättchen von Petelia vor, Orph. fr. 32 a = Vorsokratiker 1 B 17 = (Harrison-)Murray, Prolegomena 659 = I l livieri, Lamellae aureae Orphicae 1 2 . •
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s o heißt es, selbst auf römischen Sarkophagen.1 Das rp&p(J.cxxov Tijc; &.&cxvcx a-Lcxc;, welches Isis nach Diodor I 25, 6 gefunden hat, war eben das Le benswasser. Wenn der Priester den Lucius vor der Weihe mit reinem Wasser übergießt (XI 23, 1 purissime circumrorans abluit), so ist das eine Vor wegnahme der Totentaufe in der Weihe. Wie er in der Weihe nach dem potentiellen Tod durch Untertauchen neu belebt wurde durch das Be sprengen mit reinemWasser, so wird der Myste auch im Jenseits durch das Lebenswasser aus dem Tod erweckt werden. DiesWasser war kühl. Darum betont Apuleius, daß das Styxwasser kalt war (VI 13, 5 rorem rigentem) . Während bei Apuleius Psyche das Wasser holt, vielleicht für den ver wundeten Eros,2 zeigt eine Kanne aus Kairo umgekehrt, wie Eros vom Himmel herabschwebt und der aus der Erde auferstehenden Psyche das Wasser des Lebens spendet.3 Die Umkehrbarkeit der Beziehungen zwischen Eros und Psyche ist uns bereits vertraut. Wer ist schließlich die Providentia bona, welche in äußerster Not der Psyche den Adler zu Hilfe schickt ? Es ist dieselbe Isis, welche der Psyche als Venus-Fortuna die Aufgabe gestellt hat. Alles, was geschieht, geschieht für den Isisdiener durch seine Göttin. Derselbe Adler, der den Ganymed zum Himmel trug, holt Psyche das Wasser des Lebens. Vermutlich ist die Erwähnung Ganymeds nicht zu fällig. Seine Entrückung hat immer als Symbol und Verheißung der Unsterblichkeit gegolten. 4 Die letzte Aufgabe führt Psyche geradezu in den Hades.5 Sie soll in einer Dose (pyxis) Schönheitssalbe6 von Proserpina holen. Psyche ver steht, daß man sie zwingt, freiwillig (ultro) zum Tartaros hinabzugehen. 1 Peek, Griech. Versinschr. 1556 ; vgl. 1 544, 1842, 141 0 ; Kaibel, Epigrammata Graeca 7 1 9 ; S. E. G. VIII 591 ; Dessau 8171 ; I. G. XIV 1488. Vgl. Cumont, Rel. Or. 246 Anm. l l 2/13. 2 Siehe unten S. 66-69. " Ahh. 6 u. 7 Nachr. 3 Reitzenstein, Kleinkunst Ahh. 5 = "Noch einmal Gött. Ges. Wiss. 1930, 398. 4 Vgl. unten S. 108, 3. 5 Als Psyche hört, daß sie znm Hades hinabsteigen muß, heißt es : tune Psyche vel maxime sensit ultimas fortunas suas et velamento reiecto ad promptum exitium sese com pclli manifeste comperit. Hier bedeutet velamento reiecto nach dem Wortsinn, daß V enus ihre mörderische Absicht nicht mehr verbirgt. Nach der allegorischen Auslegung wird vermutlich darauf angespielt, daß die Seele (Psyche) heim Gang znm Hades das Kleid des Körpers, der die Seele verhüllt, ablegen muß. So Doerrie, Porphyrios' Symmikta z(,l mnata (München 1959) 200 und 210. • formonsitas. Dies ist wieder aus dem Griechischen übersetzt, denn formonsitas heißt �
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Sie steigt auf einen hohen Turm, um sich herabzustürzen ; aber der Turm fängt an zu sprechen und ihr die Zukunft anzusagen.1 Psyche muß zwei Kuchen in den Händen tragen und zwei Geldstücke im Mund. Wenn sie der Anweisung des Turms folgt, wird sie die Aufgabe lösen können. Die Dose (pyxis) ist die cista mystica, ein heiliges Symbol der Göttin. Im XI. Buch ( 1 1 , 2) wird sie in feierlicher Prozession einhergetragen. Man sieht sie auch auf den Monumenten. 2 Das Wort cista vermeidet Apu• leius absichtlich ; die Mysterienbedeutung wäre zu offenkundig gewesen. Der Gang zum Hades in der Weihe ist ein Tod. Wie ernst es mit diesem symbolischen Tod war, ersieht man deutlich aus den Kuchen, die Psyche in der Hand trägt, und den Geldstücken, die sie im Munde mitnimmt. Man weiß, daß man den Toten wirklich einen Kuchen zur Besänftigung des Cerberus mitgab und daß sie einen Obolos, das Fährgeld für Charon, im Munde hatten.S Die Bedeutung dieses rituellen Todes ist klar : Wer in der Weihe den Tod überwunden hatte, würde ihn auch am Lehensende überwinden ; wer in der Weihe gelernt hatte, welchen Weg er im Jenseits zu gehen habe, würde auch nach dem Tod den rechten Weg :finden.4 Daß die Weihe eine voluntaria mors sein muß, haben wir schon oben (S. 13) besprochen. Die Anweisung des Turms ließ sich im Kult leicht darstellen. Daß das Jenseits im I piskult gezeigt wurde, ist durch eine Notiz Suetons (Caligula 57) sicher ; es heißt da : parabatur et in noctem spectaculum, quo argumenta inferorum per Aegyptios et Aethiopas ex· plicarentur. Natürlich ist auch an die berühmten, rätselhaften Worte des Lucius zu erinnern ( X I 23, 7) : accessi confinium mortis et calcato Proser· pinae limine per omnia vectus elementa remeavi, nocte media vidi solem candido coruscantem lumine, 5 deos inferos et deos superos6 accessi coram et adoravi de proxumo. 1 VI 20 sie turris illa prospicua vaticinationis munus explicuit. Ü ber Divination im Kult s. oben S. 24f. 2 Cumont Rel. Or. Tafel VI Mitte Leipoldt Abb. 57 ; Leipoldt Abb. 58. 3 S chol. Aristoph. Lysistr. 6 0 1 1] tJ.e::An-roü-roc E:atao-ro -roi<; ve:xpoi<; w.; e:t.; -rov K
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Es ist n u n z u zeig en, daß die einzelnen Stationen des Weges der Jlsyclw i h r Gege nbild im Kult hatten.1 Durch
d 1 1 Tor,
dessen Schwelle (limen) Psyche überschreitet, gelangt
l'i c durch t�i nen langen Gang2 in die Unterwelt. Zuerst trifft sie aufeinen Rscltrt�ihe•· mit einem lahmen Esel. Immer wieder fällt ihm das Reisig h cruu ter, d a s der Esel tragen soll, und so kommt er nicht vom Fleck. Er bittt�t Psyche, ihm heim Aufladen des Holzes zu helfen ; aber von clem Turm helehrt geht Psyche schweigend an ihm vorbei. - Warum d arf Psyche dem armen Alten nicht helfen ? Nun, sein Name ist Oknos,
der Zauderer. Er hat im Lehen immer gezaudert, zur Mysterienweihe zu gehen. So ist er im Jenseits zu ewiger fruchtloser Mühe verdammt.3 Auch auf bildliehen Darstellungen, die Beziehung zu den Mysterien haben, ist er zu sehen.4 Sein Name wird absichtlich verschwiegen ; der profane Leser soll nicht erkennen, daß der Greis eine Person ist, die mit dem Mysterienkult zusammenhängt. Das Schweigen der Psyche ist das silentium mysticum, das auch Lucius beobachten muß.5 Dann setzt Psyche im Nachen des Charon über den schlammigen Unterweltsfluß. Der Fährmann nimmt ihr das Geld aus dem Mund. Diodor I 96, 8 sagt : "Was die Griechen über den Hades erzählen, stimmt 1 Die Beziehung dieser Aufgabe auf die Mysterienweihe ist so naheliegend, daß sie schon von mehreren Forschern erwogen worden ist. Vgl. etwa Heinrici, Preuß. Jahrb . 90, 1897, 406 ; Neumann, "Apuleius, Amor und Psyche" (Zürich 1952) 193. Nach Hcrodot II 122 ist König Rhampsinit in den Hades herabgestiegen, hat dort mit Demeter(-Isis) gewürfelt und ein goldenes Tuch zurückgebracht. Zum Andenken daran wurde zu Herodots Zeit ein Fest gefeiert, bei dem einem Priester im Heiligtum der Demeter die Augen verbunden wurden ; man ließ ihn allein, und zwei Hunde brachten ihn zu einem 20 Stadien von der Stadt entfernten Heiligtum der Göttin und wieder zurück. Dies ist ein Katabasis-Ritual. 2 Vgl. den oben S. 40,2 erwähnten unterirdischen Gang beim Horastempel zu Edfu. 3 Vgl. Aesop fab. 60 Hausrath ; Wilamowitz, Griechische Tragödien 111 82, 1 ; Boll, Archiv für Religionswissenschaft 19, 1919, 1 5 1 ; Meautis, Recherehes sur le pythago risme (Neuchatel 1922) 7 7 ff. Ein wenig anders gewendet ist der Gedanke bei Oknos dem Seilßechter ; im wesentlichen laufen beide Bilder auf dassellie hinaus. V gl. die Nachricht Diodors (I 97, 3) über die rituelle Darstellung des Seilßechtens des Oknos bei Memphis und den demotischen Setomroman (Roeder, Altägyptische Erzählungen und Märchen, Jena 1927, 162 f.). S. auch Plut. mor. 473 C (De tranqu. anim. 14). 4 Grab bei Ostia mit dionysischen Darstellungen s. Calza, Notizie degli Scavi 1928, 1 5 1-169 u. Wilamowitz, Kl. Sehr. V 1 , 528. Lekythos von Palermo bei Harrison, Prole �nmena 617 (Oknos zwischen den Danaiden). - In der korinthischen lsisprozession bei A Jmleius XI 8, 4 sieht man asinum adambulantem cuidam seni debili, was Apuleius u n f Pt�gusus und Bellerophontes deutet. Die Gruppe stellt wahrscheinlich gleichzeitig O k nnK und seinen Esel dar, was Apuleius verschweigen mußte. 1' X I 2 2 , 1 probabili taciturnitale sedulum obibam ministerium. Vgl. Case l, D e p h i lnKnp h n ru m Graecorum silentio mystico (Diss. Bonn, Gießen 1919). •
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zu dem, was in A gypten noch heute Wirklichkeit ist. Ein Nachen, der ßiipLc; heißt, setzt die Toten über ; dem Fährmann, der in der Landes sprache Charon heißt, gibt man als Fährgeld einen oßoA6c;."l Nach Apuleius fährt Charon mit einer sutilis curnba. Nach Strabon (XVII I, 50 p . 818) waren bei Philae aus Ruten geflochtene Kähne in Gebrauch ( &)(3"':' EOLXEWXL aL�'ltAOX�VWL). Bei Memphis gab es nach Diodor I 96, 7 einen acherusischen Teich. Die Fahrt der Psyche zur Unterwelt konnte im Kult überall durch eine Kahnfahrt über den heiligen Teich beim Tempel zur Nekropole dargestellt werden. Ein Greis, der in dem "trägen Fluß" steckt, schwimmt heran, streckt die Hände nach ihr aus und bittet sie, ihn in den Nachen zu ziehen. Aber der Turm hatte es ihr verboten : nec tu tarnen inlicita adjlectare pie tate. Psyche fährt an ihm vorbei. - Wieder fragt man, warum sie dem Alten nicht helfen darf. War er ein schlimmer Sünder, ein Vater mörder ? Nein, er ist auch nur ein Nicht-Eingeweihter. Wer die Reini gungen des Mysterienkultes verschmähte, der mußte im Jenseits ewig im Schlamm stecken. In Eleusis zeigte man nach Plutarch2 dem Mysten da s j enseitige Los dieser Unglücklichen : Tov &:fLtrYJTOV en�u&� Twv �
VT(J)V &:xcX.-\J.�pTOV E(jlOpwv 15x:t..o v ev ßopß6pwL 1t0AAWL x�t OfLLXA"YJL 1t�T01) fLEVOV uq/ t�UTOU x�t O'UVEA�UVOfLEVOV, tpoßwL ae 3-�vciToU TO�c; X�Xo�c; &:mcrT��L Twv he:� &:y�&wv EfLfLEVOVT�. Allgemeiner sp richt Platon, Phaidon 69 C : XLvauve:UOUO'L . . . ot Tocc; TZAE:Tocc; �fL�V . . . X�'t'otcr't"fJcrotvTe:c; . . . ottv�ne:cr-9-otL Ö-rL i:lc; ?J.v &:fLU"I)Toc; xotl. hE:A::: crToc; e:tc; ''AL aou &:
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B e i Stobaios, Eclog. 5 2 , 4 9 .
3
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V gl.
auch Kebes, Pinax 24.
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Apuleius
immer als Vertreterinnen der Nicht- Geweihten aufgefaßt worden. Sie haben die Ehe versäumt und müssen daher ewig vergehlich Wasser in ein Faß ohne Boden schöpfen, zum Brauthad, das nie stattfinden wird. Nun war die Ehe ein 't"EAoc;; , die Mysterien -Weihe eine 't"t:.At:.'t"ij, und in der Vorzeit fiel beides wohl überhaupt zusammen.I So ist der Mythos der Danaiden immer auf die &[Ltl'Y)'t"O� bezogen worden.2 Entsprechend muß das Bild von den anus textrices gedeutet werden : Sie sind alte Jungfern, die die Ehe versäumt haben. Zur Strafe wehen sie im Hades ein Brautgewand, das sich immer wieder von selbst auflöst. 3 Die Ehe, welche diese Mädchen versäumt haben, ist der tepoc;; ycf[Loc;; der Isismyste rien ; sie sind also auch Ungeweihte. Man wird vermutlich folgern dürfen, daß es im Isiskult keine Jungfrauen gegeben hat. Daß Weherinnen auf treten, nicht Wasserschöpferinnen, dient wohl wieder der Verschleie rung. Bei den Wasserschöpferinnen hätte die Deutung auf die Danaiden, d. h. die Ungeweihten, allzu nahe gelegen. Vor der Schwelle (limen) der Proserpina wacht der Höllenhund Ker heros. Psyche wirft ihm den einen Kuchen vor, den sie mitgehracht hat, und besänftigt so seine Wut. - Aus Mythos und Poesie ist dies öfters bezeugt, z. B. bei Vergil (Aen. VI 420) . Im Kult ist mir Ähnliches nur aus dem Bericht des Pausanias über das Trophoniosheiligtum zu Leha deia bekannt ; wer hinabsteigt, hält [LcX�occ;; [LEfLOCY [LEVIXc;; [LEAm (IX 39, 11). Vgl. ferner unten S. 107 f. über Xenophon von Ephesos. Psyche betritt den Palast der Proserpina. Diese nimmt sie freundlich auf, bietet ihr einen Sessel und ein reiches Mahl an. Aber durch den Turm gewarnt, setzt Psyche sich demütig zu Füßen der Herrin4 und 1 Der Zusammenhang von TtAo<; u. n::Ac:'t"-ij ist bekannt : Plut. , De Iside 77 ; Pol lux 111 38 ; Schol. Pind. Nem. X 3 1 . Vgl. etwa Gernet, Revue des Etudes Grecques 41, 1928, 345 ff. ; Wilamowitz, Kl. Sehr. V 1 , 528. 2 Lesche des Polygnot s. Pausanias X 3 1 , 9 und 11. Platon, Gorgias 493B. Ps. Platon, Axiochos 371E. Carcopino, La Basilique Pythagoricienne 1 3 1 u. 284. Rohde, Psyche I 3 2 6 ff. Harrison, Prolegomena 6 1 3 ff. - Daß die Wasserschöpferinnen erst im Axiochos den Namen "Danaiden" führen, halte ich für puren Zufall der Überlieferung, nicht für Zeichen "geschichtlicher Entwicklung". Das Schicksal der &n�Ac:crToL muß den Gläubigen immer in einem Mythos vor Augen geführt worden sein ; die alte Zeit dachte doch nicht in der abstrakten Kategorie. 3 Bei Heranziehung folkloristischen Materials ließe sich diese Deutung zu einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit erheben. Aber das führt hier viel zu weit. Vgl. einHtweilen Waser, Schweizerisches Archiv für Volkskunde 2, 1898, 55-58. 4 Eine ganz ähnliche Szene muß im eleusinischen Kult vorgekommen sein. Der houwrische Hymnus erzählt : Als Demeter das Haus der Königin von Eleusis, Metaneira, '"'' ra r, da bot ihr diese den Thron an ; aber Demeter wollte nicht auf ihm sitzen. Sie b l i d > s t u m m stehen ; schließlich setzte sie sich auf einen einfachen Stuhl (191 ff.). Ht· n w l t•r isr hier Prototyp der Mysten.
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bittet um ein gewöhnliches Stück Brot. Sie ißt es und richtet die Bot schaft der Venus aus. Proserpina füllt die Dose und gibt sie Psyche. Diese eilt zurück ans Licht, vorbei an Cerberus, und wird von Charon über den Fluß gesetzt. - Die Proserpina, der sich Psyche demütig naht, ist keine andere als die Herrin lsis selbst. Kore ist der gemeinsame Name beider Göttinnen, und die Identität wird von Plutarch (De lside 27) ausdrücklich bezeugt.l Im XI. Buch sagt lsis zu Lucius (6, 6) : cum spatium saeculi tui permensus ad inferos demearis, ibi quoque in ipso sub terraneo semirotundo me, quam vides, Acherontis tenebris interlucentem Stygiisque penetralibus regnantem . . . adorabis. Psyche soll ein einfaches Stück Brot erbitten und essen ; panem sordi dum petitum esto, sagte der Turm. Wirklich begnügt sie sich nachher mit Brot (cibario pane contenta) . Man kann dies als eine Art Fasten deuten ; auch Lucius muß j a vor den Weihen fasten und sich aller Fleischnahrung enthalten.2 Man kann ferner sagen, Psyche dürfe nicht von der Speise der Unterirdischen essen, wenn sie das Licht wieder sehen wolle. Dies ist alles richtig, aber die Bedeutung des Brotessens ist damit nicht erschöpft. Das ganze Kapitel ist voller Anspielungen auf den Kult, wie wir gesehen haben. Jetzt, am Höhepunkt der Jenseitsreise, reicht Proserpina-lsis der Psyche ein Stück Brot : Das muß ein sakramentales Mahl sein. Osiris ist der Gott des Getreides, ist das Getreide selbst. Psyche ißt den Leib ihres Gottes. Daß solches sakramentale Brotessen in heidnischen Mysterien vorkam, ist sicher.3 Von den Mithrasmystcrien ist es bezeugt, s. unten S. 183, 4. Auch in den anderen Romanen werden uns Beispiele eines sakramentalen Mahles begegnen. Indem Proserpina lsis der Psyche das heilige Brot reicht, verleiht sie ihr Unsterblichkeit. An der Oberwelt angekommen, läßt Psyche sich aus Neugier verleiten, die D ose zu öffnen, obwohl der sprechende Turm sie gewarnt hatte. Aber in der Dose war keine Schönheitssalbe, sondern tödlicher Schlaf. Wie tot sinkt Psyche nieder. Aber Eros rettet die Geliebte. Er war in zwischen gesundet ; die Bewachung täuschend, war er aus dem Fenster 1 Porphyrio s 1t. ocy1XA!J.oc-rcuv (Bidez p. 19*), bei Euseb, praep. ev. III l l, 50 -ro 3' IXÖ-ro l>uviX-rcXL K6p'l) 7t1Xp "EAA'I)c:n . . . xiXt •J en� 7t1Xp' Atyu7t-r(o��. V gl. auch Ps. Kallisth. I 3 3 , Julian epist. 1 1 1 Bidez- Cumont, Pap. Oxy. 1 3 80, 72 und 1 0 5 . 2 XI 6, 7 tenacibus castimoniis. 2 1 , 9 cibis profanis . . . temperarem. 23, 2 cibariam voluptatem coercerem neque ullum animal essem et invinius essem. 28, 5 inanimis contentus cibis. 30, I inanimae . . . castimoniae iugum subeo. Fasten in Eleusis : Clemens Al., Protr. II 2 1 &v-l]a-re:uaiX. Der erste Tag der attischen Thesmophorien hieß V'l)a-rdiX. Die fastenden Frauen saßen auf der Erde. Plutarch bezeugt ein entsprechendes Fest der Isisreligion (De Iside 69). 3 Vgl. Dieterich, Mithrasliturgie 102. •
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herausgeflogen. S o wischt e r den Schlaf von Psyche, erweckt s1e und spricht : Ecce rursum perieras, misella, simili curiositate. Apuleius weist also selbst auf die Szene mit der Lampe hin, als Psyche schon einmal durch Neugier sündigte. Warum übertritt sie zum zweiten Mal das Gebot ? Die Antwort ist wieder dieselbe wie damals. Es ist dem Mystcn streng verboten, die cista mystica zu üfl'nen. Die Strafe, welche folgen wür de, i:;t der Tod, wie man aus der Ge schichte der Psyche lernen kann.1 Andererseits ist offensichtlich der An blick des Allerheiligsten, des Inhalts der cista mystica, gleichzeitig das höchste Sakrament. 2 Das Heiligste ist gleichzei tig das Gefährlichste, wie wir aus dem lateinischenWort sacrum wissen. Es über steigt die menschliche N atur so sehr, daß es tötet. Aber gleichzeitig kann es Un Abb. 8 sterblichkeit verleihen ; und hängen nicht Tod und Unsterblichkeit in geheimer Weise zusammen ? Wir müssen also annehmen, daß in den lsismysterien zur Epoptie, zur hejligen Schau, der Anblick der hochheiligen Gegenstände in der cista mys h ca gehörte. 3 Die beiden verbotenen Handlungen der Psyche führen gleichzeitig den Anblick und die Kommunion mit dem Göttlichen herbei und stehen daher in Beziehung zu der geheimsten Mysterienweihe. -
Diese Deutung läßt sich bekräftigen durch zwei Szenen auf dem dionysischen Fries der villa dei misteri (s. Ahb. 8 und 9). In der einen Gruppe sieht man die als Braut mit dem Schleier gekleidete Initiandirr auf einem Schemel sitzen, dem Betrachter den Rücken kehrend. Links von ihr bringt eine Dienerin einen verdeckten Korb (x&veov oder xa),oc�'l�). Die Braut hebt die Decke hoch. Sie hat also getan, was verboten war : sie hat in den Korb geblickt und die heiligen 1 Vgl. oben S. 2 l f. 2 Es fa1lt unserem modernen Denken schwer, eine solche doppelte Interpretation
einer Szene anzunehmen. Wir denken in den Kategorien des Entweder-Oder. Die Alten haben nicht so logisch gedacht. Die ganze Geschichte war ihnen ein Symbol, und Symbole sind vieldeutig. Es ist der große Vorteil der Symbolsprache, daß sie nicht eindeutig fixiert ist. Ihre Tiefe ist mit Worten nicht auszuschöpfen, Das logische Wor t bleibt im Irdischen ; das Symbol reicht ins Unendliche, ins Transzendente. " Au ch in Eleusis gehörte das Ö ffnen der cista mystica zum W eiheritual . D a s .,..',v lhJILOC bei Clemens Al. , Protr. l i 2 1 lautet : E:v·�cr-:-eucrx, smov 70\1 XUY.EWV:Y, EAaßov Cx x[rr-r·IJ � . E:pyacrtX[J.SVQ� om:dtE[J."Y)\1 d� Y.tXAOd�ov w:d EY. Y.:YAa&ou d� Y.LO'TIJV. Wie die c· i s l a m y s t i e a sich ö ffnet, zeigt da s Relief bei Cumont, R e ! . Or. Tafel VI Lei =
p c d c h , A t . I!. !i i .
Psyche
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Gegenstände gesehen. Sie dreht sich nun nach rechts und hält ihre Hand über ein Becken. Eine Dienerin tritt an sie heran und übergießt die Hand, welche gesündigt hat, mit reinigendem Wasser. Dies ist eine Sühnezercmonie. Die andere Gruppe stellt dar, wie die Initiandin vor der Getreideschwinge (t.txvov) kniet, in welcher der Phallos aufgerichtet steht. Er ist unter einem dunklen Tuch ver borgen. Das Mädchen zieht das Tuch weg und sieht das schrecklich-heilige Symbol des Gottes. Mit ihm in Berührung zu kommen ist Sünde, selbst wenn man davor
Abb. 9 kniet. So zeigt die nächste Szene, wie ein geflügelter weiblicher Dämon die S ünde straft : Der Engel schwingt die Peitsche über die Braut, die reuig-demütig ihren Rücken entblößt hat und ihn der Geißelung darbietet.l Dabei kniet sie und hat ihren Kopf in den Schoß einer gütigen älteren Frau gelegt, die ihr über die Haare streicht und sie über die Schmerzen tröstet. Als aber die Züchtigung überstanden ist, hat die Initiandin, die das Allerheiligste gesehen hat, auch das höchste Glück erreicht :2 Die nächste Szene stellt sie in leichtbeschwingtem, seligen Tanze dar. Nun beachte man, daß der peit schenschwingende Engel nicht nur zu der Strafszene rechts gehört, sondern auch zu der Enthüllung des Phallos links. Während die rechte Hand die Peitsche schwingt, ist die linke abwehrend gegen das Tun des Mädchens erhoben, welches den Phallos auf deckt. Diese Geste der Hand ist aus einer anderen Darstellung genommen, die sich auf den Monumenten sehr oft findet. Auf ihr deckt ein Mädchen den Phallos auf; rechts davon flieht ein Flügelwesen voller Entsetzen, die Hand abwehrend erhoben.3 In dem Engel des Mysterienfrieses sind also abkürzend zwei Handlungen zur Darstellung ge1 Die beiden Figuren gehören zusammen, wenn auch ein Knick der Wand zwischen ihnen liegt. In dem zugrunde Iiegenden Entwurf müssen die beiden Figuren noch näher beieinander gestanden haben. Man beachte, daß der Raum rechts unten neben dem peitschenschwingenden Engel frei ist : in ihn gehörte bereits ein Teil der Figur der "Braut". Ebenso ist der ganze Raum links über der Braut frei ; sie wurde ursprünglich von dem Flügel des Engels überschattet. - Vgl. auch S. 208,2. 2 Jeanmaire (Psyche 45) sagt, que des interdits s'opposent a Ia revelation, a Ia con tcmplation de l'objet sacre, et que la levee de ces interdits, qui est la condition prea lable du sacrement, comporte des epreuves, des souffrances, une passion, un equiva lcnt de la mort rituelle. 3 S. Nilsson, Dion. Myst. S. 128 f. Abb. 3 5 f. und S. 96 Abb. 23 ; auch unten S. 2 1 3 f. und 220, 3. 4
Merkelbach
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bracht worden, ganz wie in der oben besprochenen auf dem Schemel sitzenden Braut. Damit wird angedeutet, daß jeweils die beiden aufeinander folgenden Szenen (Auf decken und Sühne) dem Sinn nach eng verbunden sind. Die beiden besprochenen Grup pen lehren uns also : I. Das Aufdecken und Anschauen der heiligen Gegenstände ist ein heiliger Mysterien brauch und doch gleichzeitig Sünde, die gesühnt werden muß. 2. Wie die Handlung der Psyche einen doppelten Sinn hat, so haben die beiden Mittel figuren der besprochenen Gruppen eine doppelte Funktion, sie beziehen sich auf Ent hüllung links und Reinigung rechts.
Eros hat also die Geliebte gerettet, wie immer die Gnade des Gottes den Mysten zum Heil führt. Eine Illustration unserer Szene ist die oben S. 42 besprochene Kanne, auf der Eros, vom Himmel herabsteigend, der aus der Erde (dem Tod) aufsteigenden Psyche das Lehenswasser spendet. Wie genau die Entsprechung zwischen der letzten Aufgabe der Psyche und der Weihe des Lucius ist, braucht kaum hervorgehoben zu werden. Accessi confinium mortis et calcato Proserpinae limine . . . remeavi, es gilt für heide, und wenn Lucius fortfährt : deos inferos et deos superos accessi coram et adoravi de proxumo, so stimmt auch dies genau zum Mythos der Psyche : Von Persephone kommend steigt sie zum Olymp empor. Ein paar Worte über die vollständige Übereinstimmung der ersten Weihe der Psyche im Palast des Eros mit der zweiten Weihe, dem Gang ins Totenreich, sind vielleicht am Platze. Beide enthalten Hochzeit und Tod, in beidem ist das Verbotene gleichzeitig das höchste Sakrament. Beide entsprechen genau der Weihe des Lucius. Die Initiationsriten sind ein Sinnbild des ganzen Lehens. Der Verhindung der Psyche mit Eros entspricht die erste Weihe des Mysten, ihren Prüfungen des Menschen weiteres Erdenwallen, ihrem Gang zu Persephone der Tod. Aber das Initiationsritual ist ein vorweggenommener T.od, eine vorweggenommene Verhindung mit Gott, eine vorweggenommene Wiedergeburt. So ent spricht der Gang der Psyche in die Unterwelt nicht nur dem Tod des Menschen, sondern auch der ersten Weihe, die Prüfungen sind Sinnbilder der Fährnisse des Menschen in der Welt und doch auch wieder einfach nur Voraussetzungen für die Weihe. Derselbe Gedanke wiederholt sich immer wieder, und sein Ende mündet in seinen Anfang. Ob man die Betäubung der Psyche auch im Kult dargestellt hat ? Die Möglichkeit ist nicht von der Hand zu weisen, denn die Verwendung von Schlaftränken kann mit ziemlicher Sicherheit für das Mysterienritual t:rHehlossen werden (s. u. S. 83) . Hier ist freilich nicht von einem Trank d it: Hede, sondern von einem infernus somnus ac vere Stygius, der Psyche m i t ei n er dichten Schlafwolke (crassa soporis nebula) umfängt, sobald
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Psy c h e
sie den Deckel der Dose geöffnet hat. Das kann ein wohlriechendes ätherisches Öl gewesen sein, das vielleicht mit Alkohol vermischt war und eine narkotische Wirkung ausübte. Da solche Öle auch zur Schön heitspflege verwendet werden, wäre die Bezeichnung " Schönheitssalhe" für ein solches Narcoticum gar nicht abwegig. Priester Zauberer und Alchimist waren im hellenistisch-römischen Ä gypten häufig in einer Per son vereint ; auf Zauberkunststücke der im Mysterium fungierenden Priester werden wir noch mehrfach zu sprechen kommen . Dem Gang der Psyche in die Unterwelt und der todesähnlichen Ohn macht nach dem Ö ffnen der Dose liegt der gleiche Gedanke zugrunde wenn man ihn theoretisch formuliert. Man könnte fast von einer Dublette sprechen. Aber auch die zweite und dritte Aufgabe der Psyche bringen den gleichen Gedanken zur Darstellung. Sowohl der Kult wie die sym bolische Erzählung liehen solche Pleonasmen. In beiden Fällen wird bildlich, nicht theoretisch gedacht, und das Bild wird verstanden, ohne daß es in abstrakte Ausdrücke umgesetzt wird. Daher fiel es den Alten gar nicht auf, daß hier - vom logischen Gesichtspunkt aus betrachtet Dubletten vorliegen. Sie wurden nicht müde, den großen Grundgedan ken, der sie beherrschte, in immer neuen Bildern auszudrücken. Psyche bringt der Herrin Venus die gewünschte Dose, Eros1 aber fliegt zum Olymp und bittet den Göttervater Jupiter, der Geliebten die Unsterblichkeit zu verleihen. Jupiter beruft eine Götterversammlung ein und verkündet, daß er dem Eros, den er mit seinen eigenen Händen aufgezogen habe, nun eine Frau gehen wolle, Psyche. - Die ganze Szene ist wieder burlesk, wie die meisten Götterszenen des Apuleius. Für den Profanen wird damit der heilige Sinn der ganzen Geschichte vertuscht. Für den lsismysten ist die Szene in anderer Weise spaßhaft . Diese ganzen griechischen Götter, von denen Apuleius erzählt, sind doch nur etwas Vordergründiges. Sie sind nur niedere Emanationen der großen ägyptischen Götter. Wer ist denn der Zeus der Ä gypter ? Sarapis. Wenn man ihn mit Osiris gleichsetzt, so ist Eros-Harpokrates sein
1 Hier ist wieder eine Spur des griechischen Originals. VI 22 heißt es : Cupido matris suae repentinam sobrietatem pertimescens etc. Es ist aber nirgends davon die Rede, daß Venus sich plötzlich zur sobrietas bekehrt habe. Dagegen heißt es in V 30, 6 von der Feindin der Venus Sobrietas ( = :EwcppocrU\11)), daß sie zur Aufseherin über Eros gesetzt ist, um ihn zu züchtigen. Diese Züchtigung ist es, die Eros fürchtet. In dem griechischen Original war also vermutlich von der personifizierten :EwcppocrÜv1J die Rede ; Apuleius hat das Wort aber nicht als Eigennamen, sondern als gewöhnliches Substantiv übersetzt. - crwcppocrU\11) heißt fast "Keuschheit" •
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Sohn.! Deshalb nennt ihn Jupiter- Sarapis fili und betont, daß e r ihn selbst aufgezogen hat. Wenn man aber Sarapis mit Horos gleichsetzt, was gleichfalls richtig ist, so steht hier Eros-Horos bittflehend vor Jupiter- Sarapis-Horos. Wir haben ähnliche Situationen schon mehr fach kennengelernt. Die Isispriester haben ein solches Spielen mit hinter griiiHligen Bedeutungen geliebt. Hinter diesem Scherzen verbarg sich fiir �ic j edoch heiliger Ernst, der Glaube an den einen unerkennbaren m ui unnennbaren Gott, der hinter allen vorläufigen Namen verborgen ist. Mcrcur2 entrafft Psyche zum Himmel,3 und Jupiter reicht ihr den Becher mit dem Unsterblichkeitstrank Ambrosia : Sume, inquit, Psyche et immortalis esto. Eben aus der Unterwelt kommend, wird Psyche zum Himmel entführt. Wie Lucius, kann sie von sich sagen, daß sie durch alle Elemente gefahren ist und die unteren und oberen Götter aus der Nähe verehrt hat. Es ist also wahrscheinlich, daß auch dieser Szene der Erzählung eine Handlung im Kult entsprach.4 Der Trank, welcher Unsterblichkeit verlieh, wird im Ritual ein Trank des geweihten Nilwassers gewesen sein. Das Nilwasser war ja Osiris, sein Trinken ein Sakrament. Wir werden dem Wassertrinken auch in den anderen Ro manen begegnen. Psyche ist zur Göttin geworden. Was wir von Lucius im XI. Buch hören, entspricht genau. Er ist als ein Ebenbild des Horos aufgeputzt (24, 4 sie ad instar Solis exornato me), ist mit dem Gott eins geworden. Nun wird das Hochzeitsmahl gefeiert.6 Accumbebat summum torum maritus Psychen gremio suo complexus. - Hier denkt man sofort wieder -
1 Karpokratesinschrift von Chalkis : Kapr.oxpch'l]<;; d{Lt &yw, I:o:p<Xm8o.;; xo:t "Icn8o.;; M.;;. • D. h. Anubis, horrendus ille superum commeator et inferum (XI 1 1 , 1). 3 Eine entsprechende Szene stellt das von Reitzenstein, "Noch einmal . . . " Abb. 1 5 abgebildete Relief aus dem Mithraeum von Capua dar ; hier führt Eros die Psyche (Vermaseren, mon. 186 fig. 56). - Bei Apuleius wird also eine &vo8o.;; \jlux'ij.;; dar gestellt. Porphyrios wird später ein Buch de regressu animae schreiben. 4 Vgl. die oben S. 42 besprochene Kanne, auf der Eros, vom Himmel herabßiegend, Psyche den Unsterblichkeitstrank einschenkt. Auch diese Darstellung bezieht sich auf das Mystcricnritual. Hier ist auch der Filocyriussarkophag zu nennen, auf dem die Überfahrt von Eroten und Psychen zum Hafen von Alexandria dargestellt ist (Tafel VI). Die linke Psyche hält einen Becher in der Hand. Der rechts oben im Clipeus abgebildete verstorbene Knabe war ein Isismyste, denn er trägt die Horoslocke. Über die Boot fuhrt nach Alexandria s. unten S. 1 36. 5 Die Umarmung der beiden wieder vereinigten Liebenden zeigt die bekannte Gruppe vnm Kapitol und eine Reihe von Terrakotten (Reitzenstein, Noch einmal . . . Abb. 2-5 , 1 0). B i o Hochzeit des Eros und der Psyche ist dargestellt auf Sarkophagen (Cumont, S y mhnl i•mc funeraire 297 fig. 66 ; Britisches Museum : Apulei Psyche et Cupido, rec . .l uhn-M id•aclis p. 68) und Gemmen (Gemme des Tryphon, oft abgebildet, z. B. Har=
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lmitatio Isidis
an die villa dei misteri, deren Zentralbild Dionysos im Schoß der Ariadne zeigt. Aber auch die Weihe des Lucius, sein "geistlicher Geburtstag", schloß mit einem FestmahJ.l Die Musen sangen, Apollon spielte zur Zither, Venus tanzte, ein Satyr blies die Flöte, ein Pan die Hirtenschalmci. - Hier sind wir also wirk lich bei einem facetum convivium. Den Pan mit der Schalmei sieht man, wie bemerkt, auch in der villa dei mistcri. Vor allem aber schließt auch dort ein Tanz die Serie der Bilder ab : es ist eben der Schluß der Weihe. 2
I M I TAT I O I S I D I S
Wir haben eingangs gesagt, lsis trete im Psychemythos doppelt auf, als Venus-Fortuna (lsistyche) und als Dienerin der lsis, welche die mythischen Schicksale der lsis nacherlebe und so einerseits mit der Göttin, andererseits mit der menschlichen Dienerin, der Mystin der lsis, identisch sei. Wir haben uns das Verhältnis von Venus zu Psyche klar zumachen gesucht, indem wir sagten, lsis sei in zwei Personen auf gespalten. Ein antiker Erklärer würde vermutlich ein anderes Bild gebraucht und gesagt haben, Venus und Psyche seien Emanationen (&.7tö ppo1Xl) der Isis. Ohne daß das Wesen der obersten Göttin dadurch verändert würde, gehen aus ihr göttliche, halbgöttliche und menschliche Wesenheiten hervor, die in immer geringerem Grad Anteil am Wesen der Göttin haben. 3 Eine fortlaufende Kette ( cre:Lp&) verbindet all diese Wesen mit ihrem Ursprung, der Göttin. Psyche ist ein halbgöttliches Wesen, zwi schen Gott und Mensch ; sie wiederholt den Mythus der lsis, steigt am Ende zu ihrem Ursprun g empor und vereinigt sich mit der Göttin. Der rison, Prolegomena 532 Abb. 152, Jalm-Michaelis 69, Furtwängler, Antike Gemmen Tafel 57, 1 1 ; s. auch Tafel I 12 ; Furtwängler 50, 34 Jahn-Michaelis 76). Vgl. ferner P. G. M. IV 1738 (yA>J<jlov) 'l"ux·�v K()(L "E pcu't"()( 7te:pmm:Ae:yfLzvou� E()(U't"G��1 XI 24, 4 exhinc festissimum celebravi natalem sacrum (sacrorum F, corr. Rohde), ct suaves et faceta convivia. - Vgl. auch Youtie, Harv. Theol. Rev. 41, 1 948, 9-29 (The cline of Sar apis ). 2 Einen burlesken Tanz im Isisheiligtum zeigt ein Relief aus Aricia (Leipoldt Abb. 1 7 ) ; vgl. den Solotanz auf dem herculanensischen Wandgemälde, Leipoldt Abb. 54 (bessere Abb. : "Ayye:"Ao� 1, 1 925). - Rätselhaft ist mir der Schluß der Ge schichte : Psyche gebiert eine Tochter Voluptas. Ich weiß dafür kein griechisch-ägyp tisches Ä quivalent anzugeben. - Den Mysteriensinn des Festmahls hat schon Heinrici t rkannt (Preuß. Jahrb. 90, 1 897, 407). Gesang und Reigentanz im Elysium, nach der Darstellung der Eleusinischen Mysterien, s. oben S. 14, 5 (Plutarch). 3 Über ähnliche theologische Gedanken der alten Ä gypter s. Morenz, Ä g. Rel. 145 ff. =
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Apuleius
Mensch kann den Mythos der Psyche wiederholen. Nach dem Tode wird sich seine Seele (Psyche) vom Körper lösen und ins Zwischenreich der Psychai aufsteigen. Von dort aus wird sie - wie Psyche - nach weiteren Prüfungen in Verhindung zur Göttin treten können.1 Diese Nachahmung des heiligen Mythos hat im Kult der Isis und im Leben der Isismysten eine große Rolle gespielt. Plutarch sagt, Isis habe nach der Auffindung des Osiris und der Rache an Seth nicht gewollt, daß die Prüfungen, Kämpfe und Irrfahrten ver gessen würden, welche sie bestanden hatte. Sie habe daher die heiligsten Weihen gegründet und ihnen Bilder, Andeutungen und Nachahmungen ihrer damaligen Schicksale beigemischt, welche Männer und Frauen fromm machen und diejenigen trösten sollt� n, welche gleiches Schicksal erlitten.2 Wir haben gesehen, daß der lsismyste in der Weihe wirklich die Schicksale der Psyche-Isis nacherlebte und ihnen die Gewißheit endlicher Rettung entnahm. Er wurde im heiligen Drama mit Psyche lsis identisch. a Das Weiberitual seinerseits stand wieder in genauer Beziehung zum Lehen des Isismysten. Die Wechselfälle des Lehens entsprachen der mythischen Irrfahrt der lsis, die im Mysterium nachvollzogen wurde, die Unglücksfälle im Lehen entsprachen den Peripetien im heiligen Drama (Schiffbruch, Gefangennahme durch Räuber usw. , s. unten). Epiphanios berichtet, die Verehrer der Isis hätten ihre Töchter und Frauen ermahnt, sie sollten die Handlungen der Götter nachahmen.4 1 Plutarch (De facie, gegen Ende) lehrt bekanntlich, die �ux� stehe zwischen crw(L� und voÜ<; ebenso, wie der Mond zwischen Erde und Sonne stehe. Psyche und Selene sind Mittelwesen (Bachofen, Werke VII 33). Der erste Tod auf der Erde führt zur Befreiung der Psyche aus dem Körper, der zweite auf dem Mond zur Befreiung des Nous aus der Psyche. Man könnte den mehrfachen rituellen Tod der Psyche bei Apuleius von dieser Lehre her allegorisch deuten. 2 Plutarch, De I side 27 � ae: 't'L(LWpO<; 'OcrlpLI3o<; &:13c:Atp1j XIXt yuv-1] -r-l]v Tucpwvo<; crßecr�cr� xiXt x�-r�1t�ucr�cr� (L�vl�v x�t ).ucrcr�v oü 7t<:p Ldl3c: -rou<; &-&Aou<; XIXl -rou<; &:ywv�<;. oli<; &:vhA1J, x�t 7tAaV�<; �Ö't"'ij<; x�t 7toAM (Lev �py� crocpl�<;. 7tOMtX 13' &:vl3pd�<; &:(LV1Jcr-r[�v 07tOA�ßoücr�v x�t !!LW7t�V, &:MtX 't'�t<; d:yLW't'(h�L<; &:v�(LL��cr� 't'C:AC:'t'IX'i:<; dxoviX<; XIXt 07tO· vol�<; x�t (LL(L�(L�'t'IX -rwv -r6-rc: 7t�-&1J(LtX't'(l)V c:Ücrc:ßd�<; O(LOÜ 13l l3�y(L� x�t 7to:po:(Lll-&Lov &:vl3p&:crL xo:l yuvo:L�tv 07t0 I!U(LtpOpwv exo(LeVOL<; O(LOL(l)V xo:-&wcrlwcrc:v. Die in den " Stu dien zur Textgeschichte und Textkritik" (Festschrift Jachmann , Köln 1 959) 1 79 zu dieser Stelle vorgeschlagene Konj ektur ziehe ich zurück. 3 Jede Isispriesterin trug die Attribute der Göttin und vertrat die Göttin selber, jeder Jüngling mit der Moroslocke wurde dem Gott angeglichen usw. ' Aneoratus 104 -roc<; �o:u-rffiv -3-uyo:-repo:<; -rc: xo:t yuvo:i:xo:<; xo:t &:13c:Atpoc<; -rwv -&c:wv o:Ü-rwv 7tp&:�c:L<; (LL(Ldcr-&o:L 7to:po:woüv-rc:<;. - Wie es ko mmt, daß der heilige Mytho s sich imnwr wieder in der materiellen Welt wiederholt, erörtert Synesio s, Aegypt. li 7 p. 1 2 7/:! ß.
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Dies bezieht sich auf Leben und Mysterium. Erniedrigende Arbeiten, ja Sklavendienste gab es in beiden. lsis selbst hatte einmal ihr Lehen als Bettlerin fristen müssen (unten S. 174) . Die Versuchungen des Lehens spiegelten Versuchungen im Mysteriendrama, die wir noch näher kennenlernen werden. Auch der Tod war in der Weihe vorweggenommen worden. So trat der Isismyste nicht nur in der Weihe, sondern im ganzen Leben in die Fußtapfen seiner Göttin ; alles war ihm nur eine Wieder holung der mythischen Schicksale der lsis, alles rief dem Menschen zu : Sei getrost und guter Hoffnung.
D O P P E L S I N N , A LL E G O R I E U N D S YM B O L I K
Es ist eine mystische Welt, in die ich den Leser geführt habe. Dem modernen Menschen ist eine Denkweise, wie sie hier vorliegt, verdächtig. Wir möchten, daß alles klar und rational sei. Aber der Altertumsforscher darf sich von solchen Gefühlen nicht leiten lassen. Die Alten haben an ders gedacht, und wenn er sie verstehen will, muß er schon versuchen, ihre Gedankengänge nachzuvollziehen. Ich möchte daher eine Reihe von Zeugnissen zusammenstellen, aus denen hervorgeht, daß die allegorische Deutungsweise und das Denken in Symbolen, welches uns im Psyche mythos in so überraschender Weise entgegengetreten ist, dem ganzen späten Altertum natürlich, ja selbstverständlich gewesen ist. Wir beginnen mit einigen christlichen Zeugnissen. Die heiligen Bücher und die Lehren der christlichen Religion sind nicht geheim, im Gegen· satz zu den heidnischen Mysterien. Aber den Nimbus des Geheimnis vollen, auf verborgene Tiefen Hindeutenden mochte die alte Kirche doch nicht missen.1 1 Gute Darstellungen der Allegorese findet man bei Hatch, The Inftuence of Greek Ideas on Christianity (London 1890 ; Nachdruck New York 1957) 5 8-78 und bei Lei poldt-Morenz, Heilige Schriften (Leipzig 1953) 1 2 3 ff. Die im folgenden besprochenen Stellen aus Kyrill und Augustin hat Leipoldt beigebracht, Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Leipzig 3, 1953/54, 73. Interessante neue Werke sind Buffiere, Les mythes d'Homere et Ia pensee grecque, Paris 1956 ; Pepin, Mythe et Allegorie (Paris 1958) ; R. P. C. Hanson, Allegory and Event (London 1959). - Ein Verständnis der Schönheit der christlichen Alle gorese vermittelt Rahner, Griechische Mythen in christlicher Deu tung. - Die folgenden Seiten haben nicht die Absicht, den Leser in die christliche Alle gorese einzulühren ; nur ein paar leicht faßliche Beispiele sollen auf die heidnischen Texte vorbereiten.
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Kyrill von Jermmlem lehrte die Katechumenen : "Zu denen, die nicht hören konnten, hat der Herr in Gleichnissen gesprochen ; seinen Jüngern aber erklärte er die Gleichnisse, als sie für sich allein waren.1 Diese Mysterien , die die Kirche dir jetzt beim Übertritt aus dem Katechumenat erklärt, durf man den Heiden nicht erklären. Denn wir sagen einem Heiden nieht die Mysterien über Vater, Sohn und Heiligen Geist, und sprcehcn auch vor Katechumenen nicht offen über die Mysterien, sond<�rn von vielem reden wir oft verhüllt, damit die eingeweihten Gläubigen es erkennen und die nicht Eingeweihten keinen Anstoß nehmen."2 Augustin sagt, man solle gelehrte Katechumenen den Hintersinn der Heiligen Schrift lehren, damit sie nicht etwa meinen, man müsse die Erzählungen der Bibel nach ihrem Wortsinn verstehen. Der Wortsinn sei gleichsam nur der Körper der Heiligen Schrift, der allegorische Sinn aber ihr Geist, und wie der Geist wichtiger sei als der Körper, so sei der allegorische Sinn wichtiger als der Buchstabensinn. Daher müsse man den verborgenen Sinn enthüllen und dem Verständnis eröffnen. Auch habe das Geheimnis einen großen Wert. Die Dunkelheit der Rätsel schärfe die Liebe zur Wahrheit und helfe, die geistige Starre des Hoch muts abzuschütteln, und dies müßten gerade gelehrte Katechumenen durch das Beispiel erfahren, indem eine Erzählung, welche nach dem Wortsinn nichts Besonderes zu bedeuten schien, ihre Tiefe eröffnet, wenn sie allegorisch enträtselt wird.3 Augustin entschloß sich erst zur Taufe, als er von Ambrosius lernte, daß gewisse anstößige Episoden des Alten Testam ents nicht nach dem •
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Vgl. Marcus 4, 1-20 ; Matth. 13, 1-23 ; Lucas 8, 4 -1 5 .
2 Kyrill von Jerusal em catech. VI 29 p. 1 0 6 B Toutte (P. G. 3 3 , 589) : E:�tv
ouv 0 Kuptoc; Toi:c; (J. �V cixoü crttL !L-IJ 8uvafLEVOLt; EV n;apaßoÄai:c; . Toi:c; 8� (J.!X.th)Tai:c; en;eÄue KaT' [/l(av TeXt; n;ocpaßoMc; • • • • • T�XÜTa TOC (J.U crTi) p ta , &. vüv 1) ' E xx);1Jcr(a 8t1)yeha( crot TWL EX X!XTl))(OU(J.EVc.JV (J.ETaßaÄÄO(J.EVc.JL, oöx ecrTLV &.!I-oe; E-&vtxoi:c; 8 t1)ye:i:cr&at. oö ydcp e-3-vLXW L TeX n;e:pl IIaTpoc; xocl Ytoü xocl ciy(ou IIve:U(J.!XTOt; 8L1)YOU(J.e:&a (J.UcrTi)pta, oö8E: TOC n;e:pl TWV fLUcrT1)plc.Jv en;l X!XT1))(0U(J.EV6lV Äe:uxwc; Ä!XÄOÜfLEV, &lloc TI:OAAOC n;c.ÄÄiXKLt; Äeyo(J.EV tmxeKaÄUfLfLEVc.Jc;, �voc ot d86Tec; mcrTol voi)crc.Jm, Kat a t fl.iJ d 8 6 Te c; fL-IJ ß Äoc ß w cr L . 3 De catechizandis rudibus 9 (13) über den Unterricht an gelehrte Katechumenen :
Maxime autem isti docendi sunt scripturas audire divinas, ne . . . arbitrentur carnalibus integumentis involuta atque operta dicta vel facta hominum, quae in illis libris leguntur, mm et•olvenda atque aperienda ut intelligantur, sed sie accipienda ut litterae sonant; deque ip�" utilitale secreti, unde etiam mysteria vocantur, quid valeant aenigmatum latebrae ad mll t�TI•m veritatis acuendum decutiendumque fastidii torpor�:m, ipsa experientia proban drmr t•.•t tnlibus, cum aliquid eis, quod in promptu positum non ita movebat, enodatione ""''1/."rim• t�lirrli�ts eruitur. his enim maxime utile est nosse, ita esse praeponendas verbis _. ,."".,. ,;.,�, ul fiTtreponitur animus corpori.
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Wortsinn zu verstehen; sondern allegorisch zu deuten seien (Confess. V 14, 24) . Die systematische Allegorese hat Origenes in die christliche Theologie eingeführt. Er legte allen Schriftstellen einen dreifachen Sinn unter, den somatischen, psychischen und pneumatischen.1 Der allegorische Sinn war wichtiger als der (somatische) Schriftsinn ; manche Stellen der Bibel enthielten pneumatische Wahrheit in somatischer Lüge. Gewisse An stöße hat Gott selbst in den Text der Heiligen Schrift gebracht, um auf den verborgenen Sinn binzuweisen.2 Diese allegorische Methode hat Origenes von den heidnischen Theo logen übernommen. Das bezeugt Porphyrios ausdrücklich : "Origenes benützte die Bücher des Chairemon und des Stoikers Cornutus, aus denen er die allegorische Deutungsweise der hellenischen Mysterien lemte und sie auf die jüdischen Schriften anwandte. "3 In unserem Zusammenhang ist der Hinweis auf Chairemon besonders wichtig, denn dieser war ein ägyptischer Priester der Zeit Neros. Die symbolisch-allegorische Deutungsweise war also in der ägyptischen Reli gion gebräuchlich. Dasselbe ergibt sich aus den Schriften des Juden Philon, der ein Zeit genosse des Chairemon war. Er allegorisierte das Alt e Testament, und es ist offenkundig, daß er die Methode nicht erfunden hat.4 Er war wie Origenes Alexandriner5 und hat sie der ägyptischen Mysterientheologie entnommen. Die ägyptische Religion ist aber in hellenistisch-römischer Zeit die Isis-Osiris-Religion. Für die Symbolik der Ä gypter haben wir noch mehr Zeugnisse. Ori genes sagt, daß dort die "Weisen" (die Priester) nach den überkommenen 1 Diese Dreiteilung entspricht der in der spätantiken Philo sophie g ebräuchlichen Dreiteilung des Menschen in Körper, Seele und Geist (crw[Ltx, <)Iux�. vou� ; z. B. Plutarch, D e fa cie 2 8 p . 943 A). 2 D e principiis IV 2, 9 ( 1 6 ) p. 3 2 1 . Diese Technik wird uns bei H eliodor begeg nen. 3 Euseb hist. eccles. VI 1 9, 8 Porphyrio s XIXTeX X ptcrna;vwv fr. 39 Harna ck Chairemon t est. 9 Schwyzer �xp'ij-ro 131: (sc. o ' OptyevlJ�) xa;t X<Xtpl)[Lovo� -rou :L:-rw·c xou Kopv01hou -re: -riX1:� ßlß:Ao t�, 7ttxp' wv -rov [Le:-ra;).lJ7tnxov -rwv 7t1Xp' "E:A:AlJm [LUO"T'l)p lwv yvou� -rp67tov -riX1:� ' l oul3a;·cxa;1:� 7tpocr'ij<jle:v ypa;cptxi:� (6 1 8 T 8 Jacoby). - Natürlich ist Ori �enes nicht allein von den "hellenischen Mysterien" abhängig, wie es Porphyrios will, 'ondern auch von Philon ; und daß schon Jesus selber doppelsinnig sprach, lehren die oben S. 56 Anm. 1 zitierten Bibelstellen. 4 Ü ber die Abhängigkeit des Phiion von der Theologie der I sismysterien s. das hervorragende Werk von J. Pascher, ' H ßa;m:f.tx� 6 136�. D er Königsweg zur Wieder geburt und Vergottung b ei Phiion von Alexandreia (Paderborn 1 9 3 1 ). 5 D erj enige Kirch envater, der die christliche Lehre am meisten als My sterium g cfaßt hat, war der Al exandriner Clemens. =
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Schriften vieles über ihre Götter "philosophieren", während die Laien nur Mythen hören, deren Sinn sie nicht verstehen. Wer nun durch Ägypten reisen würde und sich nur von den Laien helehren ließe, ohne mit den Priestern zu sprechen und von ihnen die geheimen Lehren zu lernen, und meinte, er habe alles über die Religion der Ägypter gelernt, der würde sich sehr irren.l Plutarch spricht darüber, daß die ägyptischen Priester keine Fische essen. Dafür gibt es zweierlei Gründe ; der eine ist offen und gleich zur Hand ; der andere ist "heilig und gekünstelt" und hängt mit den "from men philosophischen Lehren" über Isis und Osiris zusammen. Auch hier wird auf zwei Ebenen erklärt .2 An einer anderen Stelle sagt Plutarch, der Mythos von Isis und Osiris sei die Andeutung eines tieferen Sinnes, der die Gedanken auf anderes hinlenke. 3 Dieser hintergründige, allego rische Sinn ist der entscheidende. Wer in die ägyptische Priesterkaste aufgenommen wurde, dem teilte man die philosophischen Lehren mit, die meist unter Mythen und Geschichten verborgen waren, welche die Wahrheit nur schwach andeuteten und durchscheinen ließen. Die Sphin gen vor den ägyptischen Tempeln deuteten an, daß die Theologie der Ägypter eine geheimnisvolle Weisheit sei. 4 Wir wollen uns nun an einigen Beispielen die Theorie der spätantiken allegorisch-symbolischen Mythendeutun g vor Augen führen.5 Dabei dür1 Origenes in Cels. I 1 2 llo x.e:r lle: fLO � (sc. 0 KE:Acro�) 't"O�OU't"OV 't"t 1t"E:1t"0�1JX.e:v()(�. w� d ·n� Tij� A!ytm't"@ emll1JfL�cr()(�, ltv.&()( ol fL �v A !yu1t"'t"[wv crocpol X.()(TtX TtX mhp�()( yp&!J.{L()(T()( 1tOMtX CflLAOcro<poi:Jcr� 7te: p l -rwv 7t()(p' 0(\hor� VE:VOfL�O"fLeV 'T:()( �� ()(U'T:WV fLCX.&1j't"E:UO"CX� )(()(L {L1jlle:vl 'T:WV ! e:p ewv O"Ufl.fl.L�()(� fL1Jil' &1t6 -r�vo� ()(U't"wv -rd: A!yu7tTlwv &7t6pp1J't"()( {L()(.&6>v. & ll' d1tov 7te:pl Alyu7t't"L1: ywwcrx6fLE:V()(� Ü1t"O 'T:WV AOY �XWV ). 2 De Iside 7 o! ! e: p d� . I>Uo ).6you� ltxovTe:�. &v Tov fL1:v le:pov xo.:t 7te:p�no v 0(0-lh� ( cap. 32) &vo.:A�<Ji o fL O: � , 0 I)' efL
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fen wir uns nicht auf ägyptische Texte beschränken. Die geheimen Bücher der heidnischen Mysterien sind von dem siegreichen Christentum vernichtet worden. Wir müssen die Belege nehmen, wo wir sie finden ; wir können darauf vertrauen, daß die Methoden der heidnischen Theo logen einander sehr ähnlich waren. Zunächst wollen wir hören, was A.rnobius einen gebildeten Heiden zur Verteidigung der scheinbar anstößigen heidnischen Mythen sagen läßt : "All diese Geschichten . . . enthalten heilige Geheimnisse und wunderbar tiefe Gründe, die auch ein lebhafter Geist nicht so leicht ergründen kann. Denn nicht das wird angedeutet und gemeint, was da ge:;; chrieben steht und was der oberflächliche Sinn der Worte zu sein scheint ; vielmehr muß alles in allegorischem und hintergründigem geheimen Sinn ver standen werden . . . Man sagt das eine und meint ein anderes, und unter der auch dem Volk verständlichen Einfachheit der Sprache ist verborgen der geheime Sinn und die verhüllte Tiefe des Mysteriums."1 Sehr interessante Ausführungen macht Julians Freund Sallustios in seinem kleinen Kompendium der heidnischen Theologie.2 Ein großer Nutzen der Mythen, sagt er, besteht darin, daß man ihre Deutung suchen muß, so daß der Geist nicht in Trägheit verharrt. Denn wie die Götter gleichzeitig sagbar und unsagbar, offenkundig und unsichtbar, deutlich und verborgen sind, so die Mythen. Und wie die sichtbaren Güter allen der Humanitas", Bern 1 960) 1 7-36. Auf die Stellen aus Olympiodor, Proklos und Ma crobius bin ich erst durch seine Abhandlung aufmerksam geworden. 1 V 32 istae omnes historiae mysteria in se continent sancta, rationes miras atque altas nec quas facile quivis possit ingenii vivacitate pernoscere. neque enim quod scripturn est atque in prima est positum verborum fronte, id significatur et dicitur, sed allegoricis sensibus et subditivis intelleguntur omnia illa secretis. . Aliud quidem dicitur, sed intellegitur aliud, et sub vulgari simplicitate sermonis latet ratio secreta et altitudo involuta mysterii. Ä hnlich Pausanias VIII 8, 3 'EU.1jvwv TOÜ<; VO[.tt�OfLevou<; ao<poÜ<; 8L' cxtvLy[L(hwv 1ttXACXL xcxt OUXeT' EX TOÜ �eo<; Myew TOO<; A6yow;; . a IIept %ewv xcxt XOO"fLOU 3 : &�tov TOÜTO 1tf: WTOV EX TWV [LU%wv wcpeAe'La%cxL TO ye �'1)Tdv xcxt fL� &pyov T�v 8Ltivotcxv �Xt>tv cxuToo.; fLEv oöv Too.; %eoo.; xcxTtX To P'1JT6v Te xcxt &pp'Y)TOV, &cpcxve<; Te xcxl cpcxvep6v, crcxcpe<; Te: xcxl xpurcT6[Le:vov ol [LÜ%ot fLLfLoÜvTcxL xcxt �v Twv %e:wv &ycx3-6T1JTCX, lln &crrce:p Exe:�vot TtX fLEv Ex Twv cxtcr%'1)TWV &ycx%tX xoLvtX rciicrtv ETCOL'IJO"CXV, TtX ae: EX TWV VO'IJTWV [LOVOL<; TO�<; EfLCjlflOO"LV, o(hw<; ol [LÜ3-0L TO [LeV dvcxL -ll e:oo.; rcpo<; &rccxvTcx<; :Aeyoumv, Tlve:<; 81: o?iToL xcxt 6rco�oL To�<; 8uvcx�-t€voL<; e!8€vcxt TO fLI:v rctivTcx<; T�v m:pl %e:wv &:A1j%etcxv 8LMcrxe:tv E3-€Ae:Lv To�.; [LE:v &vo1jToL<; 8Loc TO !L� ouvcxa%cxL [Lcx\13-&ve:LV XCXTCXCflflOV'IJO'LV, TO�<; ae: O"TCOUOCXLOL<; pcxL3-U[LLcxV EfLTCOLEL, TO OE OLtX (J.U3-wv TtXA'1j3-E:.; emxpurcn:tv TOO<; [LEV XcxTcxcppove:Lv oux EiiL, TOO<; 81: CjlLAOO'OCjlELV &vcxy x&�e:L. &U.tX 8LtX TL [Lotxdcx.; xcxt x:Aorcoc<; xcxl rccxTepwv 8e:cr[LoO<; xcxt T�\1 &U.'Yjv horclcxv €v TOL<; [LU3-ot<; dp1jxcxmv ; ij xcxt TOÜTO &�tov %cxufLcxTo<; tvcx 8ttX Tij<;
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Menschen gemeinsam sind, die des Geistes aber nur den Denkenden, ::;o lehren die Mythen alle Menschen, daß es Götter gibt ; aber nur den jenigen, die imstande sind zu begreifen, geben sie Aufschluß über das Wesen d er Götter. Es wäre Torheit, alle Menschen die Wahrheit über d i e Glitter lehren zu wollen ; dies würde bei den Dümmeren Verachtung dessen erzeugen, was sie nur nicht richtig verstehen können, bei den K l u gen aber Nachlässigkeit und Leichtsinn fördern. Wenn man aber d i e Wahrheit in Mythen verhüllt, so können die Dümmeren sie nicht verachten, und die Klugen werden gezwungen nachzudenken. Daher haben auch die scheinbar wunderlichen Mythen ihren Wert ; man ver steht sofort, daß hier die Worte nur etwas Vorläufiges sind und daß die Wahrheit verborgen ist. Dieselbe Theorie vertritt Julian. Die Alten haben die Gründe aller Dinge mit Hilfe der Götter gesucht und gefunden, sie aber dann mit paradoxen Mythen bekleidet. An dem Paradoxen und Unsinnigen er kennt man, daß dies nicht der wahre Sinn ist, und wird so dazu ermahnt, die Wahrheit zu suchen. Für einfache Leute genügt der Nutzen, welchen schon die unerklärten Mythen bringen, denn ihre Symbolik hängt in geheimer Weise mit dem Göttlichen zusammen. Den Klügeren aber wird die Wahrheit über die Götter erst dann richtig nützlich, wenn man die Mythen mit Hilfe der Götter prüft und den tieferen Sinn ergründet und findet. Dabei helfen gerade die Rätsel, welche daran erinnern, daß man hier etwas suchen muß. So kommt man zum Ziel, indem man prüfend und findend voranschreitet.1 Auch unverstandene Mythen haben ' Wert. Das geheime Wesen der Götter kann man nicht ungeweihten Ohren mit nackten Worten mit teilen. Oft nützt schon die geheime Kraft der magischen Buchstaben, auch wenn man sie nicht versteht, und heilt Seele und Leib. So geht es 1 Or. V p. 170 A: o! 7tiXAIXLOL 'rW'I O'l'rW'I &d -ra<; IXh(IX<; �"lJ'rOU'i'r!:<; ucp' -l)y<:{lOO'� TOL<; -3-co'L<;, �7tl':�'riX cup6v-rE<; ecrx€7tiXO'IX'I IXUTa<; {lU-3-m<; 7t1Xp1XIl6�o�<;. L'IIX aLa -rou 7t1Xp1XIl6�ou XIXL &7t<:f.Lcp1X(vono<; -ro 7tAcicr{liX cpwpiX-3-ev e1tt -r�v ��T"IJO"Lv -l){loc<; Tij.; iXA"l)-ll-d iX<; 7t p o -rpe <)i"l)L , TOL<; {lE'I taLTIXL<; &pxoUO""l)<; -r'ij<; &A6you XIXL aLa 'rW'I 0"\Jf.LßoAW'I {lO'IW'I W
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auch mit den Mythen. Da die Ohren der vielen das Göttliche nicht rein aufzufassen vermögen, gießt man es in sie hinein in Rätseln und in der iiußerlich-theatralischen Aufmachung der Mythen.! Zum Schlußmythos des Gorgias bemerkt Olympiodor in seinem Kom mentar : Wie man aus dem Sichtbaren und Körperlichen auf das Du körperliche und Unsichtbare schließt, so auch bei den Mythen ; wir schreiten vom Sichtbaren ins Unsichtbare. Wenn wir von Liebschaften der Götter hören, von Fesselung und Zerreißung und Entmannung des Uranos und dergleichen, so folgen wir bei derartigen Mythen nicht dem, was sie an der Oberfläche zu sein scheinen, sondern dringen in die Tiefe und suchen die Wahrheit.2 Der Mythos ist eine erfundene Erzählung, welche die Wahrheit im Abbild erkennen läßt.3 In immer neuen Wen dungen schärft Olympiodor ein, daß der Mythos uns nach der verbor genen Wahrheit suchen läßt ; denn schlecht wäre ein menschliches Lehen, welches nur die trügerische Oberfläche achtet und nicht nach dem in ' der Tiefe des Mythos Verborgenen sucht.4 Wie in den Tempeln die heiligen Geräte und die Mysterien hinter Vorhängen verborgen sind, damit nicht jeder beliebige Unwürdige sie sehen kann, so verdecken bei Platon die Mythen die Lehren, damit sie nicht nackt sind und jedem zugänglich, der da will. 5 Die Theorie des Porphyrios über die Mythen liegt, wie Theiler6 gezeigt hat, in doppelter Brechung vor, bei Proklos (im Kommentar zum 1 Or. VII p . 2 1 6 C : 't"O &rroxEXpU!J.!J.Evov Tij<; 't"iJw .&e:wv oöcrliXc; oöx &vexe:'t"IX� yu!J.votc; dc; &xiX.&&p't"OU<; &x o <X c; p(rr't" e: O".&IX � P�!J.IXmV. iSrre:p a� 't"W\1 XIXPIXX�pwv � &rr6pp"IJ't"O<; cpomc; wcpe:'Ae:i:v rrecpuxe: XIX! &yvoOU!J.E'I"IJ - .&e:p 1Xm:oe: � yo uv oö <Jiux<Xc; !J-0'10'1, &.'A'A<X XIXL O"W!J.IX't"IX, XIXL .&e:wv rro�e:r 7t1Xpoucr(IXc; - 't"OU't"' OL!J.IX� rro'AA& x�<; y(yve:cr.&IX� XIXL a�,x 't"W" (.LOlt wv, iS't"IX'I d<; 't"
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Schlußmythos des platonischen " Staates") und bei Macrohins (im Kom mentar zum Somnium Scipionis) . Die erzählerische Einkleidung, sagt Proklos, entspricht dem Wesen der Natur, die sich nach dem Wort Heraklits (fr. 123) zu verbergen lieht. Die Götter, die Herren der Natur, spenden uns durch solche scheinbar trügerische Darstellungen ihre Gaben im Schlafen und Wachen, Dunkles sprechend, das eine durch etwas anderes bezeichnend - geformte Ab bilder des ungestalteten Unsagharen -, durch die Darstellungen das ent sprechende andere andeutend ; von dieser Art sind die Tempel voll und die Riten in den Mysterienhäusern, welche eben durch das Geheime und Unerkennhare auf die Initianden wirken.1 Bei den Weihen benützt man die Mythen, um die unsagbare Wahrheit über die Götter zu ver schließen. So wird bei den Weihen ein Mitempfinden der Seelen mit den heiligen Handlungen auf unerforschliche und göttliche Art verur sacht. Die einen der Initianden werden erschreckt, da sie von göttlichen Schreckbildern erfüllt werden ; die anderen werden durch die heiligen Symbole in einen dem Göttlichen ähnlichen Zustand versetzt, treten in der Ekstase aus sich heraus, fassen feste Wurzeln im Göttlichen und werden des Gottes voll. Offenbar erwecken die den Göttern nachstehen den, uns aber übergeordneten Wesen uns durch die Sehnsucht nach dieser heiligen Gemeinsamkeit zur Sympathie mit den Göttern.2 Ganz ähnlich Macrohins : Die Kenntnis der heiligen Dinge wird unter dem frommen Schleier der Mythen, in schöne Worte gekleidet, mitgeteilt. Die :N"�tur will nicht, daß man sie offen und nackt darstellt ; sie hat dem gemeinen Sinn der Menschen ihr Verständnis durch die verschieden artigsten Hüllen entzogen und will, daß ihre Geheimnisse von den Wei1 Proklos in remp. II p. 107, 5-1 4 Kroll 'l'O 7tAIXG!J.<X'l'w8e:<; 'l'OÜ't'o XIX'l'oc cpumv 7tW <; XIX! 1j cpua t<; XpU7t'l'E:G3-IX L Cj)LAE:L XIX3- ' ' H p ocXAE: L'l'OV • • • o! 81XL!J.OVE:<; ot 7tpoa't'OC'l'IXL
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D opp e l s i n n , A l l eg o r i e u n d S y m b o l i k
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sen m Mythen behandelt werden. Auch die Mysterien selbst werden 1lurch die Hüllen der (symbolischen) bildliehen Darstellungen bedeckt, damit auch für die Geweihten die Natur sich nicht nackt und bloß dar stelle ; nur die obersten Mystengrade kennen durch Vermittlung der Philosophie die geheime Wahrheit, während die anderen sich mit den symbolischen bildliehen Darstellungen begnügen, welche das Mysterium vor der Entweihung schützen.1 Daß also die spätantiken Autoren - und speziell die ägyptischen Priester - allegorisiert haben, steht außer Zweifel. Damit ist die Berech tigung der oben gegebenen allegorisch-symbolischen Deutung des Psy che-Mythos erwiesen. Eine andere Frage ist, wie wir über solche allegori sierende Literatur urteilen sollen. Im allgemeinen geht das Urteil der modernen Philologen von der stoischen Homerallegorese aus. Die Dichter der Ilias und Odyssee haben mit ihren Versen nun einmal keinen allegorischen Sinn verbunden ; er ist erst später gewaltsam hineingedeutet worden. Vielfach wollten die allegorisierenden Erklärer nur in apo� ogetischem Bemühen den geliebten Homer gegen die Angriffe der Philosophen (Xenophanes, Platon) ver teidigen. Allmählich erwuchs daraus ein ganzes Gebäude der Homer allegorese. Wer die spätantike Philosophie studiert, muß diese Gedanken gänge kennen.2 Aber nicht überall sind die allegorischen Deutungen dem Gegenstand erst nachträglich aufgepfropft ; viele Dichtungen enthalten allegorisch symbolische Bezüge, die von vorneherein beabsichtigt waren. Wer hier von der Symbolik absehen wollte, würde das zu behandelnde Objekt in der Mitte entzweischneiden. Zu guten Resultaten könnte das kaum führen. Wer Goethes "Heidenröslein" erklären will, kommt nicht darum
1
In somn. Scip. I 2, 1 1 saerarum .rerum notio sub pio figmentorum velamine honestis teeta rebus et vestita nominibus enuntiatur. (17/18) inimicam esse naturae apertarn nu tlamque expositionem sui, quae sieut vulgaribus hominum sensibus intelleeturn sui vario rcrum Iegmine operimentoque subtraxit, ita a prudentibus areana sua voluit per fabulosa traetarl. sie ipsa mysteria figurarum tuniculis operiuntur, ne vel haee adeptis nudam rcrum talium se natura praebeat, sed summatibus tantum viris sapientia interprete veri tlreani eonseiis eontenti sint reliqui ad venerationem figuris defendentibus a vilitate seere tum. � tunieulis ist Konjektur von Theiler für euniculis, worunter man allenfalls "labyrinthische Irrgänge" verstehen könnte. - Im folgenden Absatz wird berichtet, daß der Pythagoreer Nnmenios die eleusinischen Mysterien philosophisch interpretiert et
hat.
2 V gl. Gaios und Albinos bei Proklos in Tim. III 234, 17 (zu Tim. 29 BC) und Doerrie
in dem Sammelband Sources de Plotin (Entretiens de Ia Fondation Hardt V, Genf
1 960) 200f. und Hermes 83, 1955, 454, 7 : 85, 1957, 430, 3.
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Apuleius
herum z u sagen : Das Röslein bedeutet das Mädchen ; wer " Gefunden" erklären will, muß sagen : Das Veilchen ist Christiane. Der Reiz dieser Gedichte beruht gerade auf dem Hin und Her, auf dem Ineinander zweier verschiedener Sphären. Diese doppelsinnigen Formen dichterischer Rede sind sehr alt - wie alles Komplex-Vielfältige alt ist, alles Logisch-Einfache jung. Die grie chische Lyrik ist voll von diesem Denken auf zwei Ebenen. Bei Sappho und Pindar bezieht sich der Mythos auf das Jetzt und Hier, und das Jetzt und Hier spiegelt sich im Mythos. Alkaios und Anakreon haben ausgeführte Allegorien gegeben. Die Lyrik ist hierin - morphologisch betrachtet - älter als Homer, wie j a überhaupt Homer sich in viel facher Hinsicht als "jünger" erwiesen hat, als es Pindar und Aeschylus sind. In Ägypten ist dieses anscheinend unlogische Ineinander von Mythos und Realität niemals von einem philosophisch-logischen Denken abge löst worden. Hier wurde der Mythos immer auf mehreren Ebenen ver standen, hatte immer einen doppelten Boden. Nun ist der Psychemythos, wie wir gesehen haben und bald noch deutlicher erkennen werden, in Wirklichkeit ein Isismythos. Daraus ergibt sich, daß hier die allegorisch-symbolische Deutung nichts sekun där Hinzugetretenes ist. Nein, die doppelte und dreifache Bedeutung hat immer dazu gehört, sie ist ein wesentlicher und charakteristischer Bestandteil dieses Mythos. Wer sie nicht kennt, hat nur die Hälfte von dem verstanden, was der Mythos bedeuten sollte. Von der stoischen Homerallegorese mag man sich abwenden ; hier sollte man sich davor hüten. Wer nur ein wenig über den Doppelsinn des Psychemythos nach denkt, wird finden, daß diese Art sich auszudrücken sehr große Vorteile bietet. Hier wird das eine gesagt und gleichzeitig das andere ; ein Ent weder-Oder hat hier keinen Platz. Was ein logischer Gegensatz schien, _wird in einer höheren Einheit aufgehoben. Der Mythos ist nicht ein deutig wie unser logisch scheidender Verstand, sondern vieldeutig wie die Welt um uns. Ein Gedanke reiht sich an den anderen, und während man meint, immer weiterzuschreiten, ist man unversehens wieder am Ausgangspunkt der Gedanken angelangt. Was eine Reihe von Gedan ken schien, erweist sieh als Zyklus ; und ehendarum kann der Gedanke immer weiter gehen, anscheinend bis ins Unendliche.
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D i e Ve rs c h l ü s s e l u ng d e s I s i s m y t h o s
D I E V E R S C H LÜ S S E L U N G D E S I S I S M Y T H O S
Wir haben uns davon überzeugt, daß die Geschichte der Psyche ein l.spo� Myo� der Isismysterien gewesen ist. Für viele Szenen ließ sich zeigen, daß sie ähnlichen Partien des Io-Mythos entsprachen. Aber manche Episoden haben keine solchen Parallelen in der Geschichte der Io, so die nächtliche Szene mit der Lampe und die Prüfungen der Psyche. Das sind aber gerade diejenigen Stellen, welche die meisten Beziehungen zum Mysterienritual haben. Woher stammen diese Par tien ? Sind sie der Geschichte der Io-Psyche sekundär einverleibt, um sie auf die Mysterien deuten zu können ? Sehr wahrscheinlich ist dies nicht. Man würde eher erwarten, daß die Mysterien von Anfang an in Beziehung standen zu einem Isismythos, und daß dieser ägyptische Mythos sekundär durch einige Episoden aus den Mythen der "griechischen lsis" Io erweitert wurde. In der Tat läßt sich zeigen, daß der Hergang so gewesen ist. In der Psychegeschichte sind nämlich zwei vollständige Erzählungen mitein ander verquickt.l Eine Analyse der Motive, welche bei Apuleius vor kommen, kann dies leicht zeigen. Der Anfang der Geschichte ist aus dem Io-Mythos (A) genommen :. Psyche, eine Sklavin der Venus, 2 wird als Göttin verehrt, und Venus ist eifersüchtig. Ein Orakel lädt Psyche zur Hochzeit, Eros macht Psyche zu seiner Frau. Aber alles, was im Mysterienhaus folgt, fehlt im Io-Mythos ; erst mit dem Vogel als Angeber wird wieder ein Motiv aus diesem aufgenommen. Was dazwischen steht, ist der Anfang einer vollständigen Geschichte 1 Dies hat Bieler klar erkannt (Archiv für Religionswissenschaft 30, 1933 ; vgl. Erbse, Eranos 48, 1950). Zu den in diesem Kapitel auseinandergesetzten Ergebnissen bin ich auf dem Umweg über die Motivanalyse gekommen. Dabei ergaben sich als Vor lagen der Psyche-Erzählung zwei "Märchen", deren eines mit dem Io-Mythos identisch war. Daraus folgte alles Weitere. Mein Vertrauen in die Möglichkeit, durch solche Analysen brauchbare Resultate zu erzielen, ist durch diese Erfahrung gestärkt worden. 2 Dies steht erst in V 3 1 , 2 Psychen illam fugitivam volaticam. VI 4, 5 servos profugos. 5, 3 dominae tuae. 7 , 3 delitescentem ancillam. 8, 2 fugitivam Veneris ancil lam. 8, 6 tandem ancilla nequissima dominam habere te scire coepisti. Es stammt aus der Geschichte der Io, die Dienerin der Hera ist. Zum Isismythos paßt der Zug nicht gut, daher hat Apuleius ihn eingangs übergangen. Ancilla Veneris bedeutet entweder, daß Psyche �ine Priesterin der Venus-Isis war (wie Io), oder daß sie dem Dienst der Göttin von Jugend auf geweiht war. - Vgl. XI 1 5 , 5 cum coeperis deae servire (über Lucius). -
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Apuleius
(B) : Psyche vereinigt sich mit Eros, verpflichtet sich zum Schweigen, wird von den Schwestern überlistet, entzündet die Lampe, um Eros zu töten ; der Gott entflieht, und Psyche sucht ihn in langer Irrfahrt. Hier ist zu vermerken, daß nach V 23 Psyche den Eros nicht verwundet ; nur ein Tropfen heißen Öls fällt auf den Gott, dieser erwacht und fliegt davon. Später zeigt sich aber, daß Eros ernstlich krank ist ;1 Psyche muß sogar das Wasser des Lehens holen - doch wohl um ihn zu heilen. Man h at sogar geschlossen, daß ursprünglich Psyche den Geliebten mit dem Schwert getroffen hahe.2 Die Erzählung springt zu Venus über (A) : Ein Vogel meldet ihr, daß Eros sich in Psyche verlieht habe, und Venus verfolgt sie "über den ganzen Erdkreis'? wie Hera die lo. Die folgende Erzählung ist doppelt motiviert : Psyche irrt umher, weil sie sich gegen Venus vergangen (göttliche Ehren, A) und weil sie gegen Eros gefrevelt hat (Neugier, B) ; weil Venus sie verfolgt (A) , und weil sie Eros sucht4 (B) . Die Kombination zweier Erzählungen ist offensichtlich. Psyche besteht alle Prüfungen und wird mit Eros vereinigt (B) . Im lo-Mythos (A) fehlen die Aufgaben, das Ende ist identisch. Es sind also zwei ursprünglich selbständige Mythen ineinander gearbeitet, der von lo (A) und ein anderer, in welchem die Heidin Gemahlin des Gottes wurde, sein Gebot übertrat, ihn in langer Irrfahrt suchte, viele Prüfungen bestand und mit ihm vereinigt wurde (B) . Die 1 V 28, 1 ille vulnere lucernae dolens in ipso thalamo matris iacens ingemescebat; 28, 3 adustum filium eius gravi vulneris dolore mareentern dubium salutis iacere; 29, 1 aegroto puero; VI 16, 5 filium curat aegrotum. - Man kann erwägen, ob die "Verbrennung" auf eine Feuertaufe zu beziehen ist. 2 Reitzenstein, Das Märchen . . 22 f. ; Bieler, Archiv für Religionswissenschaft 30, 1 933, 2 5 4 ; Erbse, Eranos 48, 1 9 50, 1 1 7. D er Schluß ist verlo ckend, hat es doch sogar einen " f.lpou �I<Xfl. EAicrfLo<; gegeben (Plut . , De Iside 20), und eine Terra cotta Lamp e scheint darzustellen, wie Psyche den Ero s am Hal s verwundet (s. Pagen stecher, Ero s und Psyche, Sitz. Ber. H eidelb erg 1 9 1 1 , Abh. 9 Tafel 111 b ; Reitzen stein, Das Märchen . . 89 ; Kleinkunst, Tafel I 1 ; Noch einmal Eros und Psych e 86). Umgekehrt hat auch Horo s der lsis den Kopf abgeschlagen (Mit Plut. De Iside 20 vgl. P. Beattie I = Lefebvre, Romans 1 9 4 ; P. Sallier 4 = Kees, Lesebuch 35). Ferner hat l sis dem Horos die Hände abgeschlagen, Tot enbuch Kap. 113 ( Ro eder, Urkunden 2 7 2 ; Kees, Lesebuch 35) und P. Beattie I (Lefebvre, Ro mans 1 96). Osiris wird gar &x€
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eigentlichen Mysterienelemente enthält dieser zweite Mythos : die heilige Hochzeit, das Schweigegebot, das Suchen und den Gang ins Jenseits. Dieser Mythos kann kein anderer gewesen sein als ein Isismythos. Nun ist uns freilich kein genau entsprechender Isismythos über liefert. Aber man darf nicht vergessen, daß der Mythos früher Völker nicht so festliegt wie die heilige Geschichte des Christentums. Diese ist historisch ; der Mythos der frühen Kulturen aber deutet den Sinn aller wichtigen Dinge im Leben, indem er sie auf eine höhere, mythische Realität zurückführt.1 Der Menschen Auffassungen vom Sinn ihrer Handlungen aber wandeln sich, und mit ihnen wandelt sich der Mythos. Daher liegt er nicht fest ; er wird immer dem angepaßt, was die Menschen für das Eigentliche und Wahre halten. Daraus ergibt sich das eigen tümlich Schillernde der mythischen Erzählungen, die bald so bald so lauten. Wir können gar nicht erwarten, daß die eine uns bekannte aus führliche Darstellung des Isismythos, die bei Plutarch, die einzige ge wesen ist. In der Tat werden wir noch verschiedene abweichende Isis mythen kennenlernen. Wir postulieren also, daß es einen Isismythos gegeben habe, welcher . die oben als B bezeichnete Komponente des Psychemythos gewesen ist. Zwei wichtige Züge dieses Isismythos sind auch bezeugt : a) Psyche sucht den Eros. Von Isis heißt es meist, daß sie Osiris suchte ; aber es gibt auch Traditionen, nach denen sie Horos gesucht hat : Minucius Felix 22 Isis perditum filium cum Cynocephalo suo2 inquirit . . . ; mox invento parvulo gaudet Isis . . . Cynocephalus inventor gloriatur etc. ; Arnobius I 36 Isis furva maerens perditum filium ; Hygin fab. 277 velificia primum invenit Isis ; nam dum quaerit Harpocratem filium suum, ratem veli.ficavit. Cassiodor Var. V 17 Isis . . . cum per maria Harpocran filium suum audaci femina pietate perquireret. Lac tanz div. inst. I 21, ll Isidis Aegyptiae sacra sunt, quatenus filium par vulum vel perdiderit vel invenerit. Ps. Apollodor, Bibi. II 9 Io(-Isis) sucht Epaphos(-Horos) . •
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1 Weil der Mytho s auf alle wichtigen Fragen Antwort geben muß, ko mmen auch abstoßende Dinge darin vor, die Plutarch übergeht ( De I side 20 -rwv 8ucrrpl)[LO-roc-rrov i�cnpe:&ev-rrov). Eine altägyptische Geschichte berichtet, daß Seth den Horo s pä dera stisch mißbraucht habe (Pap. Beatty I ; Lefehvre, Romans 1 96 ; Hopfner, Komm. I 140 f.). Das fügt sich schwer zu dem übrigen Mytho s ; aber da die Knabenliehe auf Erden vorko mmt, muß sie auch ein Vorbil d im Mytho s gehabt haben, und "der" Knabe der Götterwelt ist Horos, "der" Böse Set h . 2 Dies ist Anubis.
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Apuleius
h) Psyche bringt d a s Lebenswasser, um Eros z u heilen. Oft bezeugt ist, daß lsis den Osiris mit dem "kühlen Wasser" wieder zum L ehen erweckt ; es gibt aber auch einige Zeugnisse dafür, daß Isis den Horos lebendig gemacht oder aus Krankheiten geheilt hat. Diodor I 25, 6 e:upe:!:v /')' CXU't"�V xcxt 't"O Tijc;; oc.&cxvcxcr(cxc;; qJ
D i e Ve r s c h l ü s s e l u ng d e s Is i s myl h o s
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bei Apuleius das Lehenswasser holt, das (nach dem ganzen Zusammen hang) dazu dient, um Horos vor tödlicher Krankheit zu retten, so wie derholt sie den Mythos der lsis. Merkwürdig ist ferner ein Satz bei Apul. V 28, 5 . Dort meldet die Möve der V enus, daß Eros, in Psyche verlieht, sich aus der Welt der Menschen entfernt habe ; ac per hoc non voluptas ulla non gratia non lepos, sed incompta et agrestia et horrida cuncta sint, non nuptiae coniu gales non amicitiae sociales non liberum caritates, sed enormis colluvies et squalentium foederum insuave fastidium. Unfruchtbarkeit und Chaos sind über die Menschen durch die Abwesenheit des Eros herein gebrochen. Ich will nicht sagen, dieser Zug sei bei Apuleius ungenügend motiviert ; aber daß es sich um ein uraltes, hieratisches Motiv handelt, das ursprüng lich zu dem Tod eines Gottes gehört hat, wird niemand bestreiten. Es findet sich schon im babylonischen Ischtar-Epos, im Baal-Epos von Ugarit und im hethitischen Telipinu-Mythos ; in Griechenland ist es aus dem Mythos vom Raub der Persephone bekannt. Es ist auch für Ägypten bezeugt ; nach dem Tod des Königs trauert und fastet man, pflegt sich nicht, genießt nicht der Liebe (Diodor I 72 aus Hekataios 264 F 25) . Viel leicht wurde auch in der Psychegeschichte das Chaos ursprünglich durch den Tod des Gottes ausgelöst.l Es sind also im Psychemythos zwei ältere Mythen von lsis und von lo zusammengeflossen. Wenn die Griechin lo in Wahrheit lsis gewesen war, so folgte mit Notwendigkeit, daß ihre Erlebnisse die der lsis waren ; der lsismythos mußte also um die Erlebnisse der lo "synkretistisch" erweitert werden, wie bei Plutarch der Isismythos Episoden aus dem Mythos der Demeter und der syrischen Göttin in sich aufgenommen hat. Eine ganz ähnliche Verquickung des Io- und lsismythos findet sich in der Bibliothek des Ps. Apollodor II 9. Durch die Aufnahme der logeschichte in den Mythos der Isis (-Psyche) ergab sich die oben be handelte merkwürdige Verdoppelung der Isis, welche in Gestalt der Psyche (Io) und der Venus (Hera) auftritt ; den theologischen Sinn dieser Zweiheit der Isis haben wir oben besprochen. Hier wird der heilige Mythos in eigenartiger, verschlüsselter Weise erzählt. Allein der Name der lsis scheint ein Geheimname gewesen zu 1 Man kann auch noch auf andere Weise wahrscheinlich machen, daß Eros in einer früheren Form des Mythos gestorben ist. Psyche sucht Eros und holt das heilige Wasser, wie im Mythos Isis den toten Osiris gesucht und mit dem heiligen Wasser belebt hat. Da Psyche der Isis, Eros dem Osiris entspricht, wird auch er ursprünglich gestorben sein.
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Apuleius
sein ; man lese bei Apuleius X I 1-5 nach, mit wie vielen Namen Lucius die Mondgöttin anbetet, bis sie ihm am Ende einer langen Offenbarungs rede ihr verum nomen enthüllt. Die Heiligkeit des Namens ist uns durch das Studium früher Kulturen vertraut geworden. Der Mythos war nicht weniger heilig. Er war Ausdruck einer höheren überirdischen Wirklich keit, und darum von unvorstellbarer Wirksamkeit. Das Rezitieren des Mythos war immer gleichzeitig auch ein Zauberspruch - "Wie das Wort so wichtig dort war, weil es ein gesprochen Wort war." Der Mythos ist also geheim gewesen ;1 im Totenritual, in Zaubertexten wird auf ihn angespielt, aber eine vollständige Erzählung des Mythos von Isis und Osiris aus pharaonischer Zeit fehlt. 2 Es blieb den Griechen vorbehalten, den lsismythos schriftlich niederzulegen (Hekataios-Diodor, Plutarch) . Wenn der Mythos in pharaonischer Zeit aufgeschrieben wurde, dann in derselben verschlüsselten Form, welche wir bei Apuleius kennengelernt haben und die uns noch oft begegnen wird. L üg e u n d Wa h r h e i t
D a e s für unsere weitere Untersuchung wichtig ist, hierüber volle Klarheit zu erhalten, referiere ich den Inhalt des altägyptischen "Mär chens" von Wahrheit und Lüge.3 Es ist völlig identisch mit dem heiligen Mythos, nur sind die Namen der Götter durch Decknamen ersetzt, welche dem Unkundigen die wahre Bedeutung des Schriftstücks ver hüllen. Lüge ( Seth) hatte seinem älteren Bruder Wahrheit (Osiris)4 ein Messer geliehen, und es ist irgendwie abhanden gekommen, vermutlich durch einen unredlichen Trick von Lüge. Nun klagt Lüge vor dem Götter gericht gegen Wahrheit und verlangt, er solle ihm das geliehene Messer zurückg�ben, "dessen Klinge der Berg von J al ist, dessen Schaft die Bäume · von Koptos sind, dessen Scheide das Gottesgrab ist, dessen 1 Der Isishymnus von Andro s spricht über den cpp,xoc:Aeov . . . tepov A6yov (Vers 1 2 ) . Herodot verschw eigt d e n Lepo<; A6yo<; d e r ägyptischen Religion. 2 Am ehesten ist die Erzählung vom Streit des Horos und Seth im Pap. Beatty I zu nennen (Spiegel, Die Erzählung vom Streite des Horns und Seth, Glückstadt 1937 ; Lefebvre, Romans 178 ff. ; Roeder, Mythen und Legenden 33 ff. ; Clark, Myth and Symbol in Ancient Egypt CLondon 1 959) 195-208 ; (Pritchard-)Wilson, Ancient Near Eu�tl'rn Texts relating to the Old Testament 14 ff.). 3 Pup. lleatty II; Lefebvre, Romans 159 ff. ; Schott, Liebeslieder 205 ff. ; Roeder, l\l y t lwn uml Legenden 74 ff. 4 V v; l . P. G. M. V 1 48 (vo n Osiris O nnophris) �yw dflo' � &.J.�.&e,oc.
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D i e Vers c h l ü s s e l u ng d e s ls i s m y t h o s
Schlinge die Herden von Kai sind", d. h. ein unvorstellbar riesiges Messer. Wahrheit (Osiris) kann dieses Messer nicht gehen, und so wird er, auf Antrag von Lüge (Seth), nach dem Richterspruch der Götter verurteilt und gehlendet.1 Dann befiehlt Lüge zwei Dienern, sie sollten Wahrheit in die Wüste führen, damit die Löwen ihn zerrissen. Die Diener aber haben Er barmen mit Wahrheit, legen ihn bei einem Hügel nieder und gehen ihm etwas Brot. Nach einiger Zeit ging Güte (Isis) hinaus und fand Wahr heit (Osiris) .2 Er war sehr s�hön, und Güte liebte ihn. Sie holte ihn als Pförtner in ihr Haus, umarmte ihn3 und gebar einen Knaben (Horos) . Er war "wie" ein Götterkind. Aber die Knaben, die mit ihm spielten, verspotteten ihn, daß er keinen Vater habe. 4 Er fragte die Mutter, wer sein Vater sei. 5 Sie zeigte ihm den Blinden. Da läßt der Sohn ein Krokodil rufen und holt seinen Vater.6 Er setzt den Vater auf einen Stuhl und gibt ihm zu essen und zu trinken. Dann beschließt er, den Vater zu rächen.7 Er nimmt ein wunderbar schönes Rind8 und übergibt es einem Hirten von Lüge (Seth), der es gegen Bezahlung hütet. Aber Lüge will ein Rind essen und wählt das schönste Tier, das des " Sohnes". 9 1 Dies erinnert daran, daß Horos im Kampf mit Seth sein Auge verloren hat ; von Osiris ist es nicht bezeugt. 2 Das Finden des O siris ist das Hauptfest der l sisreligion (e:Öpe:m�). Eine ähnliche Episo de findet sich im Pap. Beatty I, wo Hathor (lsis) den geblendeten Horos (Osiris) in der Wüste findet und heilt (Lefebvre, Romans 1 95 ; Roeder, Mythen und Legenden 56 f.). a Dies ist der le:po� y&.fLo�. 4 lsis hat Horos in der Umarmung des toten Osiris empfangen, den sie zum Leben erweckt hatte. Daher warf Seth dem Horos uneheliche Geburt vor und erhob den An spruch, selbst König und Nachfolger des Osiris zu werden. Aber in einer Verhandlung vor dem Göttergericht wurde die Echtbürtigkeit des Horos festgestellt (Plut., De lside 54). r. Vgl. den demotischen magischen Papyrus XVIII 16 "I am Horns, son of Osiris , born of lsis, the noble boy whom lsis loves, who inquires for his father Osiris Onnophris" ; Griffith-Thompson (s. S. 68,6) I 1 2 1 . 6 Vielleicht Anspielung darauf, daß Horos- Sobek i n Gestalt eines Krokodils die Leiche des Osiris aus dem Wasser an Land gebracht hatte ; s. die Abb. bei Hopfner, Komm. I 102. Lefebvre (Romans 1 66) erklärt freilich ganz anders. 7 Horos ist immer der Rächer seines Vaters. s Es ist vermutlich ein Apisstier, eine Inkarnation des Osiris. 9 Er schlachtet also den Apisstier. Im "Märchen" von den beiden Brüdern (s. unten S. 81) kommt eine ähnliche Episode vor. Man fragt sich, ob es im alten Ägypten nicht ein "kosmogonisches" Stieropfer gegeben hat, das dem Stieropfer des Mithras ent sprach, aber später abkam. Aus dem Mithrasstier entstand die Welt, wie aus Gayo· mard, Purusa, Ymir, ursprünglich wo hl auch aus Osiris-Apis. -
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Apuleius
Der Sohn (Homs) bringt deshalb Lüge ( Seth) vor das Göttergericht und fordert ein Rind, "das so groß ist wie das meine . . . Sein eines Horn stand iiber dem Westgebirge, sein anderes Horn über dem Ost gebirge, der große Fluß war seine Ruhestätte. Täglich wurden ihm 60 Kälber geboren". Da sagen die Götter, es gebe kein solches Rind. Da fragt der Sohn zurück : " Gibt es ein Messer, dessen Klinge der Berg von .Tal ist, dessen Schaft die Bäume von Koptos sind, dessen Scheide das Gottesgrab ist, dessen Schlinge die Herden von Nuhien sind ?" Und er verlangt von den Göttern : "Richtet zwischen Wahrheit und Lüge. Ich hin der Sohn, der gekommen ist, ihn zu rächen. " 1 Lüge glaubt, die Diener hätten Wahrheit getötet, und schwört : "Wenn man Wahrheit :findet, und er lebt, soll man mich auf beiden Augen blenden". Der Sohn nimmt diese Bedingung an. Wahrheit wird gebracht. Die Götter entscheiden den Streit zugunsten des Sohnes, und Lüge wird gehlendet.2 So rächte der Sohn den Vater, und so wurde der Streit zwischen Wahrheit und Lüge entschieden. Dies ist nichts anderes als der heilige Mythos von Isis und Osiris, Horos und Seth. Die Abweichungen von der bekannten Version sind geringfügig ; wir werden stärkere Variationen kennenlernen. Die wah ren Namen der Götter werden nicht genannt - ganz wie bei Apuleius.
C HAR I T E
Die Geschichte der Psyche ist nicht die einzige Einlage des Apuleius in den Eselsroman, welche sich auf die Isismysterien bezieht. Im Psyche mythos war nur von Isis und ihrem Sohn Eros-Horos die Rede, nicht von dem Tod und der Wiederauferstehung des Osiris. Auch sie kommen bei Apuleius vor, in den Geschichten der Charite und des klugen Arztes. Bevor wir aber zu der Geschichte der Charite übergehen, müssen wir kurz über die Gleichsetzung des Osiris mit Adonis sprechen. Eine der wichtigsten Lehren der hellenistischen Theologie ist, daß Osiris, Adonis, Attis in Wahrheit nur verschiedene Erscheinungsformen desselben Gottes seien. 3 Alle drei sind Geliebte einer großen Göttin, 1
Dies ist das oben erwähnte Göttergericht zwischen Seth und Horos. Der Sohn,
dr.r den Vater rächt, ist Horos. 2 nit�s fehlt im Pap. wegen einer Lücke. :• Hii'Ht� Lehre ist richtig. Das hat schon Mannhardt gesehen (Wald- und Feldkulte I 5 7 1 IT. J l 273 ff.), Frazer eindrucksvoll dargelegt (Adonis Attis Osiris II 1 2 6 f. , auch
211 1 ).
Ch a r i t e
73
sterben und werden zu neuem Lehen erweckt. Über das Allgemeine hin aus sind in zahlreichen Einzelheiten bemerkenswerte Übereinstimmun gen vorhanden, von denen ich einige zusammenstelle, ohne Absicht auf Vollständigkeit.
l . Adonis wird von einem Eher getötet. Das gleiche gilt von Atys bei Herodot I 34 ff. ; dieser Atys ist nur ein Doppelgän ger des Attis.1 Von Osiris-Horos hat es ähnliche Traditionen gegeben : Im l l2. Kapitel des Totenbuches2 tritt dem Horos Seth in Gestalt eines schwarzen Schwei nes entgegen und stößt ihm ein Auge aus. Horos fällt ohnmächtig zu Boden. Auch nach einem Pyramidentext wurde Horos von einem Eher geblendet.3 Nach Plutarch (De lside 8, vgl. 18) fand Seth den Leichnam des Osiris, als er einen Eher verfolgte, und zerriß ihn in viele Teile. Ur sprünglich scheint Seth der Eber gewesen zu sein. 4 2 . Attis entmannt sich. Auch dem Osiris wird das männliche Glied abgeschnitten ; nach manchen Traditionen tut dies Seth, nach anderen Osiris selber (s. unten S. 80 über Bata) . 3 . Im Kult des Attis wurde eine Pinie gefällt, im Kult des Osiris ein Baum ; Plut. De Iside 2 1 (-ro [J.�\1 �ut.ou) und Firmicus Maternus, err. 27. 4. Osiris wurde in einem Holzsarg bestattet, ursprünglich in einem ausgehöhlten Baum, 5 und wieder zum Leben erweckt. In Byblos ist die Mumie des Osiris in einem Erikabaum eingewachsen. Adonis wurde aus dem Myrrhenbaum geboren. Attis ist der Pinienbaum. Das Fällen der Pinie entspricht der Entmannung des Attis ; eine entsprechende Osiris tradition wird uns unten S. 81 begegnen. Nach Ps. Apollodor (Bibi. 111 184) ist Adonis schon als Kind in einen Holzkasten gelegt worden, wie Osiris. 5 . Aus dem Grab des Attis sproßten Veilchen, aus dem des Adonis Rosen und Anemonen. 1 Ed. Meyer, Forschungen zur Alten Geschichte II 237 ff. 2 Kees 33. Roeder, Urkunden 271.
3 Pyr. 1268 b ; Frankfort, Kingship and the Gods 293 ; Mercer, The Pyramid Texts
in Translation and Commentary (New York 1952) 111 634 "blinded by a pig".
4 Seth als Eber, Abbildung aus dem Totenbuch bei Hopfner, Komm. II 122. Auch Herodot II 47 scheint den Tod des Osiris durch den Eber Seth zu kennen. Vgl. noch Horapolion II 37 ; Frazer, The Golden Bough (Abridged edition, 1922) 475 Spirits of the Corn and of the Wild II 30. 5 Auf einem Relief von Denderah ist der Sarg des Osiris von einem Baum umwachsen, s. Hopfner, Plut.-Komm. I 51 Abb. 3. Über Osiris im Baum s. noch Frazer, Adonis Attis Osiris II l lO. =
Apuleius
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6. Isis sucht den Osiris, Aphrodite den Adonis. Man feiert d a s Wieder finden nicht nur des Osiris, sondern auch des Adonis.1 Die Identität von Osiris und Adonis bezeugen zahlreiche antike Autoren : 1 . Die Naassenerpredigt bei Hippolytos, Elenchos V, 7 l l ff. 22 f. 2 . Ps. Lukian, De dea Syria 7. dal aE evLO� Buß/...( trOC 't"OV ''0 O'�p�v 't"0\1 A'�YU1t't"LOV, XOC� 't"OC 1tE:\I:trE:OC XOC�' 't"OC opy�oc {d . h Cl (jl 'lTOC� (\ . ' , .., .., , ' ' '0 · d.1e F eiern In Bybl os ) oux ' e<; ' 't"OV ' ''A o�
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1 Cyrill von Alexandria, Comm. in Ies. 18, 1 (P. G. 70, 441). - Nach Plutarch, Kleo menes 33 hat Ptolemaios IV. Philopator in Kanopos Dionysosfeste und Mysterien der phrygischen Göttin gefeiert (Hinweis von L. Koenen). 2 "in wahrhaft mystischer Versenkung in Gott" ; man erinnere sich, daß &e:oxptX· altX dies b edeutet, Dama skio s, vita Isidori § 5 )((X� -ro\h·' av eLlJ &e:oxpt;to-(tX, [LOCAAOV lll: !!vwo-L� 7t'tXVTe:A.-f]�. in&vo3o� ,c;,v lJfLe:Tl:pwv �uxwv 7tpo� TO &e:rov XTA. V gl. Reitzenstein, Das iranische Erlösungsmysterium 1 9 7 f. 3 Ari stides Apolog. 1 2, 2 ; Stephanos von Byzanz s. v. Bü�A.o� ; Ps. Iohannes D a m a 11e. vita Barlaam et Ioasaph 2 7 (249), P. G. 96, 1 1 1 7. Verehrung des Adonu N i riH z u Amathus : Steph. Byz. s. v. 'A[LtX&ou�. ' lle dea S y ria 7. In den Adoniazusen des Theokrit wird der Leichnam des ,
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Ch a r i t e
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Der Fäden sind also viele, die Adonis und Osiris verbinden. Wie Astarte dem Ägypter nur ein Name der lsis ist,1 so Adonis nur ein Name des Osiris. Dies wird uns helfen, die Geschichte der Charite bei Apuleius zu verstehen. Charite ist jenes Mädchen, das die Räuber am Hochzeitstag entführt hahen.2 Sie brachten sie in die Räuberhöhle, trösteten sie aber gleich : "Sei unbesorgt um dein Lehen und deine Ehre" (IV 23, 4), und über gaben sie einer alten Frau. Diese versucht sie zu beruhigen, aber Charite ist untröstlich ; sie hat nur schwache Hoffnung auf Rettung3 und träumt, ein Räuber habe ihren Bräutigam getötet.4 " Sei guten Mutes, Herrin'',5 sagt darauf die Alte und erzählt die Geschichte der Psyche, die auch von dem Geliebten getrennt wurde, aber am Ende ihn wieder erlangte. Als die Geschichte zu Ende ist, kommt der Bräutigam und befreit das Mädchen. Man feiert froh die Hochzeit. - Auf die Ähnlichkeit des Grundthemas in den Geschichten der Psyche und der Charite haben wir schon oben hingeweisen (S. 2 f.) ; Charite ist eine Doppelgängerin der Psyche. Daß sie auch eine Doppelgängerin der lsis ist, wird sich gleich zeigen.& Bald nach der Hochzeit kommt der junge Mann, Tlepolemos, auf schreckliche Weise ums Lehen. Ein Altersgenosse namens Thrasyllos ("der Frechling"), 7 ein berüchtigter Wüstling, hatte vor ihm um Charite Adonis ins Meer geworfen, als ob er Osiris wäre, dessen Leichnam nach Byblos s chwimmt. 1 I sislitanei P. Oxy. 1 3 80, 1 1 6 &v � L ilwvL 'AcrTci: pTIJ V. Isishymnus S. E. G. VIII 548, 18 'Acr't"ci:p't"1JV . . . crE: �ÜpoL x):ljL�oucrw. V gl. oben S. 1 1 , 1 (Sylloge 1 1 32). 2 Die Gefangennahme durch die Räuber kommt in allen anderen Romanen vor und ist wahrscheinlich bei der Mysterienweihe gespielt worden. Die Räuber wurden von Mysteriendienern dargestellt. 3 IV 24, 5 sub incerta salutis spe. 4 Der Traum weist voraus auf den Tod des Tlepolemos in Buch VIII. 5 IV 27, 5 bono animo esto ( .&u [L ov IExo: &:ycdMv) ; dies sind Mysterienworte, s. unten S. 255, 2. Vgl. auch Apul. VII 1 2 , 2. 6 IV 26, 3-4 spricht Charite von ihrem Bräutigam fast wie lsis von Osiris sprechen könnte : speciosus adolescens meus alioquin consobrinus, tantulo triennio maior in aetate (O siris ist 3 Tage älter als his, Plutarch De Iside 1 2), qui mecum primis ab annis nutritus et adultus individuo contubernio domusculae immo vero cubiculi torique (Isis und Osiris haben sich schon im Mutterleib verbunden, Plutarch I. c.) . . . mihi pigneratus. Dies steht sogar im Widerspruch zu VIII 2 und ist um so bezeichnender. - In IV 26, 8 wird Attis verglichen (Hinweise von L. Koenen). 7 VIII 8, 1 Thrasyllus ipso nomine temerarius, vgl. VIII 1, 3. Er ist Vertreter des Seth. Ganz ähnlich wie Apuleius den Thrasyllos schildert Synesios den Typhos (Aigyp· tioi I 2-4) ; und wie Tlepolemos bei Apuleius bonus ist (VIII 2, 2), so Osiris bei Synesios (Hinweis von L. Koenen). =
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angehalten, war aber abgewiesen worden. Sie heiratete den guten Tle polemos. Nun stellte sich Thrasyllos, als sei er der beste Freund des jungen Gatten, um eine Gelegenheit zu finden, ihn zu töten. Eines Tages jagten die beiden auf Rehe ; denn Charite ließ nicht zu, daß ihr jun ger Mann Jagd auf gefährlichere, mit Hauern bewehrte Tiere machte.1 Die Treiber legen Netze um ein Gebüsch, in dem sie Rehe vermuten ; die Hunde erheben ihr Gebell, und heraus kommt ein riesiger Eber, wie man noch keinen gesehen hatte, zerreißt die Netze und entflieht. Thra syllos fordert Tlepolemos auf, mit ihm den Eber zu erjagen. Sie reiten dem Tier nach, das sich stellt. Tlepolemos trifft es mit dem Speer, Thrasyllos aber sticht das Pferd des Tlepolemos mit dem Speer in die Sehnen der Hinterbeine. Dieses stürzt und wirft den Reiter zu Boden. Der wütende Eber greift den Liegenden an und verwundet ihn mit seinen Hauern an den Beinen. Thrasyllos aber gibt ihm den Todesstoß in den rechten Oberschenkel und tötet dann den Eber. - Dies ist der Tod des Adonis, mit dem einzigen Unterschied, daß hier der Tod durch den Eber und einen bösen Freund herbeigeführt wird. Tlepolemos ist näm lich Adonis und Osiris in einem ; als Adonis stirbt er durch den Eber, als Osiris durch die Hand des Thrasyllos, der hier die Rolle des Seth spielt.2 Der Tod wird durch eine Wunde am Oberschenkel herbeige führt, wie bei Adonis. Vbrigens ist der Tod des Atys bei Herodot der Szene des Apuleius noch ähnlicher als irgendeine überlieferte Version der Adonissage. Inzwischen waren die Treiber und Diener nachgekommen und finden den toten Herrn. Thrasyllos stellt sich untröstlich. Die Kunde vom Tod des Tlepolemos kommt rasch zum Haus der Charite. "Wahnsinnig und rasend vor Leid eilt sie wie eine lrregewordene in wildem Lauf über die bevölkerten Plätze und über die Fluren, mit unsinnigem Geschrei den Tod des Gatten beklagend. "3 Die Leiche des Gatten wird gebracht. 1 VIII 4, 1 nec enim Charite mariturn suum quaerere patiebatur bestias armatas dente vel comu. Adonis war auf die Hasenjagd gegangen und war auf wilde Tiere gestoßen, Theokrit I l l O xo:t 1t-r6ixo:c; ß&.:Ue:L xo:t ·lhJpLIX 1tciv-r1X 8Lroxe:L ; vgl. Bions Klage der Aphrodite um Adonis 60f. -rL ydtp -roAfL'IJPE xuv&.ye:Lc; ; xo:).oc; EWv -rocrcroihov EfL�vo:o .&1Jpl 7ttXAO:LELV ; 2 Man kann auch sagen, Seth habe sich sowohl in Thrasyllos als auch in dem Eber verkörpert. 3 VIII 6, 5 amens et vecordia percita cursuque bacchata furibundo per plateas popu lmltl.� ct arva rurestria fertur insana voce casum mariti quiritans, wie Aphrodite nach AduuiH Tod (Bion 19-24) &: 8' 'Acppo8t-ro: ).ucro:fLEVot 7tAOXO:fL'i: 8o:c; &vdt 8pufLwc; &M.A1J 'rO:L m:vlltXAEot b�u 8e xroxooucro: 81' &yxe:o: fLo:xpdt cpope:i-ro:L 'AcrcropLov ßo6wcro: 1t6cr1v xo:l 1tiX'i: �rt XIXAE:Ürro:. •
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Ch a r i t e
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"Da sank sie ohnmächtig ganz auf die Leiche herab und hätte ihm fast an Ort und Stelle ihren Geist zurückgegeben, den sie ihm gelobt hatte".1 - Das erinnert an die letzte Umarmung des Adonis durch Aphrodite, aber auch an die des Osiris durch lsis. Doch lsis hat mit ihrer Um armung dem toten Gatten den Lebensatem zurückgegeben, und eben daran will Apuleius erinnern. Tlepolemos wird bestattet ; Thrasyllos geht im Trauerzug mit und beklagt seinen "Bruder"2 - denn Seth war der Bruder des Osiris. Charite versucht zu sterben ; sie nimmt keine Speise mehr zu sich, wäscht und pflegt sich nicht mehr, verbirgt sich in dunklen Gewän dern. - Es ist das von Meuli3 geschilderte Betragen der Melancholikerin, die ihrer Trauer freien Lauf läßt. Die Welt soll stillstehen, alles soll zu grunde gehen. Charite wiederholt die Trauer der G1ittinnen : Demeter aß nichts und wusch sich nicht, als sie Persephone suchte,4 und zu Aphrodite sagen die Dienerinnen (Bion 76 :11". ) wc; Tfjvoc; "t's&wxxe x<Xt &v&e0t mxv"t'<X fL<Xpifv&'tJ . p<X�ve �s v�v �up(mcr�v
1 VIII 6, 6 labantique spiritu totam se super corpus effudit ac paenissime ibidem quam devoverat ei reddidit animam. Bion 42-45 mixe:occ; tXiJ.7te:Tcl:croccroc x�vupe:To · Mdvov "A3oov�. /lUcr1t"OTiJ.E iJ.z'rVOV "A8oov�, 1t"OCVUcrTOCTOV ehe; cre: XLXdOO, ehe; cre: 7te:pmTu!;oo xoct xd:Ae:oc Xd:Ae:cr� 11-e:L!;oo. ltype:o TUT-3-ov "Ailoov�. TO 3' cdi 1t"UiJ.ocT6v iJ.<: cpl:A7Jcrov XTA. Plut. De Iside 1 7 Tl7n 7tpocr
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A p u. l e i u s
Charite schaudert ; da sie nun den wahren Sachverhalt ahnt, erbittet sie Bedenkzeit. In der Nacht erhebt der Schatten des toten Tlepolemos sein blutüherströmtes, leichenblasses Antlitz und enthüllt der Gattin, wie er ums Leben gekommen ist.1 Als Thrasyllos seinen Antrag erneuert, bittet Charite ihn, das Trauerjahr abzuwarten.2 Auf sein Drängen hin erlaubt sie ihm aber, sie nachts heimlich zu besuchen. Kein Licht darf dabei leuchten.3 Der Verblendete geht auf diese "Hochzeit" ein, die ihm tödlich werden sollte.4 Als die Nacht hereinbricht,5 ist er zur Stelle. Eine alte Dienerin der Charite führt ihn ins Schlafgemach und reicht ihm einen Schlaftrunk. Thrasyllos trinkt ihn und schläft ein. Nun be tritt Charite das Zimmer. Nicht töten will sie ihn - sie will ihn schlimmer bestrafen. Er soll das Licht der Augen verlieren und wünschen, lieber tot zu sein, als leben zu müssen. "Erwache zum strafenden Dunkel . . . So haben Hochzeitsfackeln dein Brautgemach beleuchtet". Mit einer Haarnadel sticht sie ihm die Augen aus, eilt zum Grab des Gatten und erdolcht sich. Neben ihm wird sie bestattet und ist nun auf ewig mit ihm vereint. 6 Dies ist die Rache, welche lsis an Seth nimmt. Sie tötet ihn nicht ;7 Seth kann nicht sterben, solange das Böse in der Welt ist. Aber er wird geblendet. 8 Isis aber vereinigt sich als Herrin des Totenreiches9 für immer mit dem toten Osiris. -
1 Dies erinnert an den ägyptischen Brauch der Totenaussagen im Dienste des Rechts, welchen Morenz behandelt hat (Würzburger Jahrbücher 3, 1948, 290 ff.). - Nach Plut arch, De Iside 19 ist der tote Osiris dem Horos erschienen, als dieser sich zur Rache an Seth bereitete. 2 VIII 9, 7, vielleicht eine Anspielung auf das jährliche Fest ? 3 VIII 10, 6 nu.llo lu.mine conscio. 4 VIII 1 1 , 1 placu.it Thrasyllo scaena feraliu.m nuptiaru.m, vgl. IV 34, 1 (von Psyche) feralis thalami; non nu.ptias sed exequ.ias su.as. 5 VIII 1 1 , 2 u.bi sol tandem nocti decessit, vgl. V 4, 1 (von Psyche) provecta nocte und XI 23, 3 (von Lucius) sol cu.rvatus intrahebat vesperam. 8 Die Geschichte der Erigone bei Nonnos (Dion. 47, 34ff.) zeigt zwei beachtenswerte Ü bereinstimmungen mit der Geschichte der Charite : a) Der getötete lkarios erscheint Erigone im Traum und nennt ihr die Mörder. b) Erigone tötet sich am Grab des Ika rios. - Erigone wird nach dem Tod verstirnt ; ihr Sternbild (Jungfrau) ist das der Isis . Die Ähnlichkeiten sind also nicht etwa zufällig. Über die zahlreichen Beziehungen der Erigone des Erathosthenes zum lsismythos werde ich bald ausführlich handeln. 7 Plut., De Iside 19. s Pap. Beatty II, s. oben S. 72. 9 Über lsis-Proserpina vgl. oben S. 47. - Mit einem Wort sei hier auch an die häu figen Darstellungen einer Eherj agd auf den antiken Sarkophagen erinnert. Ob dar .I iigcr Adonis, Meleager oder Hippolytos heißt, tut wenig zur Sache ; ursprünglich wer Allunis gemeint, der so plötzlich in seiner Jugendblüte dahingerafft wurde. Meleager und Hippolytos sind nur andere Namen. Auch der in dem Sarkophag Bestattete, "" d i i r r.,n wir schließen, war so plötzlich gestorben. Das Schicksal des Adonis ließ hoffen, •
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D e r k l ug e A rz t
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Der ganze Schluß der Erzählung bezieht sich aber nicht nur auf den Mythos, sondern auch auf den Mysterienkult. Die Übereinstimmungen mit den Erzählungen von Psyche und Lucius sind in den Anmerkungen angegeben. Der Unterschied ist, daß Psyche und Lucius von Eros und Isis zur Weihe gerufen werden. Der Tod, den sie sterben, ist nur ein Scheintod. Dem Thrasyllos aber bringt der Schlaftrunk ewiges Ver· derben. Er hat keine rechtmäßige Ehe erstrebt, die von Hochzeitsfak keln beleuchtet wird, darum ist ewige Finsternis sein Lohn. Das sollen sich alle gesagt sein lassen, die solchen Liebesabenteuern nachgehen. Aber mehr noch, er hat frevlerisch die Umarmung der Charite-lsis begehrt, ohne von ihr gerufen zu sein ; er hat sich zu der nächtlichen Mysterienweihe von sich aus1 gedrängt. Darum ist er ebenso verloren wie die Schwestern der Psyche, die ungerufen Gemahlinnen des Eros hatten werden wollen. Alle Frauen sollen sich ihr Schicksal, alle Männer das des Thrasyllos zu Herzen nehmen.
D E R K LU G E AR Z T
Wir haben gesehen, in welcher Weise Apuleius in seinem Roman auf den Mythos vom Tod des Osiris angespielt hat. An die Wiedererweckung des Osiris aus dem Tod hat er in einer anderen Geschichte, der vom klugen Arzt, erinnert. Es wird uns aber das Verständnis dieser Episode erleichtern, wenn wir uns vorher wieder eine mythische Geschichte aus altägyptischer Zeit vergegenwärtigen, das "Märchen" von den beiden Brüdern.2 Es ist wieder eine Darstellung der Osirissage ; der Held wird nicht Osiris genannt, sondern Bata, d. h. " Seele des Landes", "Verkör· daß auch aus seinem Tod neues Leben im Kreislauf der Dinge entstehen werde. Die Darlegungen von Cumont (Symbolisme funeraire 436 ff.) sind hiernach zu ergänzen. 1 VIII 10, 4 opertas exoptat ultro tencbras. Auch von hier aus zeigt sich, daß das Ent zünden der Lampe durch Psyche das höchste Sakrament bedeutet. - Hier sei noch auf eine nahe Parallele zur Geschichte der Charite in dem demotischen Petubastis roman verwiesen. Ein gewisser Bes verliebt sich in Tentsi, die Geliebte seines Freundes llaryothes. Da Tentsi ihn abweist, ermordet er Haryothes heimtückisch und will Tentsi verführen. Diese willigt zum Schein ein, verlangt aber, daß man zuvor Hary othes begraben solle, und tötet dann sich selbst am Grab des Gatten. Vgl. Barns und Volten in den Akten des VIII. Internationalen Kongresses für Papyrologie (Wien 1956) 32 bzw. 1 50. 2 Pap. d'Orbiney ; Erman, Die Literatur der Ä gypter 1 97 ff. ; Roeder, Altägyptische Erzählungen und Märchen 8 9 1f. ; Lefebvre, Romans 1 37 1f. ; Schott, Liebeslieder 193 1f; (Pritchard-)Wilson, Ancient Near Eastern Texts relating to the Old Testament 23.
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Ap u l e i u s
perung des Landes"1 - ein durchsichtiger Name des Urkönigs Osiris. Die ganze Geschichte weicht nicht unwesentlich von den anderen uns bekannten Formen des Osirismythos ab ; es ist an das oben S. 67 über die Wandelbarkeit des Mythos Gesagte zu erinnern. Die Übereinstim mungen sind andererseits doch so groß, daß an der Gesamtdeutung nicht gezweifelt werden kann. D i e b e i d e n B r ü de r
Bata hütete das Vieh seines älteren Bruders Anuhis, und es gedieh wunderbar. Er war stark und schön, und die Frau seines Bruders ver liebte sich in ihn. Sie versuchte ihn zu verführen, doch Bata wies sie ab. Da tat die Frau, als sei sie von Bata geschlagen worden, verleumdete ihn bei Anubis und forderte diesen auf sie zu rächen. Anubis wollte Bata töten ; dieser floh auf die andere Seite des Nils. Als die Sonne auf leuchtete, rief er sie zum Richter an und enthüllte Anubis den wahren Hergang. Dann nahm er ein Schilfmesser, schnitt sich sein Glied ab2 und warf es ins Wasser. Ein Fisch verschluckte es.3 Bata sagt Anubis noch, er werde nun zum Tal der Zeder gehen und dort leben. Er werde sein Herz auf den Wipfel der Zeder legen. Wenn ihm etwas zustoße, werde dem Anubis das Bier im Becher aufschäumen. Dann möge Anu bis aufbrechen und das Herz des Bruders suchen. Anubis ging traurig nach Hause und tötete die böse Frau. 4 Bata ging nun aus Ägypten weg und kam zum Tal der Zeder. Sein Herz legte er auf den Wipfel des Baumes. Die Götter schufen ein wunder bar schönes Mädchen und gaben es ihm zur Frau. 5 Aber eines Tages 1 J acobsohn, Die dogmatische Stellung des Königs in der Theologie der alten Ägypter (Glückstadt 1939) 1 3 . "Der Name des Bata wird ebenso wie der des Anubis mit dem Zeichen für Gott determiniert." - Die Arbeit von J acobsohn enthält viele wert volle und weiterführende Beobachtungen ; ihr manchmal unfertiger, skizzenartiger Charakter erklärt sich wohl aus den besonders widrigen Umständen, unter welchen sie geschrieben worden ist. 2 Sonst schneidet Seth dem Osiris das Glied ab, als er ihn zerstückelt, und wirft es in den Nil (Plutarch, De Iside 18 und 36). Vgl. den Attismythos. Vielleicht ist in einem verlorenen Roman auf diese Episode angespielt worden ; Petron 108, 11 sieht ganz wie eine Parodie aus. 3 Dasselbe erzählt Plutarch ; vgl. auch Diodor IV 6 und P. G. M. V 278. 4 Wer die Frau des Anubis ist, weiß ich nicht zu sagen. Von einem Ehebruch des O�iris mit Nephthys, der Frau des Seth, berichtet Plutarch, De Iside 14 ; das Kind d i••s<'r Verbindung war Anubis. Vgl. auch P. G. M. IV 102 (koptisch). '' Di•�scs Mädchen ist wahrscheinlich Isis selbst, denn sie wird nachher Gemahlin d •·s l ' haran und Mutter des Horos. Vielleicht haben schon die alten Ägypter die Ge-
D e r kluge A rzt
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fiel eine Locke ihres Haars ins Meer und wurde nach Ägypten ge :-;chwemmt. Man brachte sie dem Pharao, weil sie so schön duftete. Der König schickte Boten aus um die Frau zu holen, der diese wunderbare Locke gehörte. Bata tötete die Boten. Da schickte der Pharao eine Frau mit schönem Schmuck als Geschenk für das wunderbare Mädchen. Der Schmuck verführte das Mädchen, sie kam mit der Botin nach Ägypten und wurde Gemahlin des Königs. Sie riet dem Pharao, die Zeder fällen zu lassen, auf der Batas Herz lag. Als die Zeder stürzte, fiel auch Bata tot zu Boden.1 Da schäumte das Bier im Becher des Anubis, und er machte sich auf, das Herz des Bruders zu suchen. Er fand Bata tot auf seinem Bett liegen. 2 Lange suchte er das Herz des Bruders ; schließlich fand er es. 3 Er warf es in einen Krug frischen Wassers. Es löste sich darin auf. Er gab es Bata zu trinken. Da wurde dieser wieder lebendig.4 Nun verwandelt sich Bata in einen herrlichen Stier5 und geht nach Ägypten. Seine Epiphanie wird im ganzen Land jubelnd begrüßt, als ein großes Wunder. Er gibt sich der Frau zu erkennen, und diese verlangt von Pharao, er solle den Stier schlachten. Man feiert ein großes Opferfest.6 Der Stier wird geschlachtet. Zwei Blutstropfen fallen neben das Tor des Palastes ; aus ihnen wachsen zwei große Perseahäume.7 schichte allegorisch gedeutet, etwa wie wir die Venus bei Apuleius als Isis tyche deuten, die bei aller scheinbaren Feindschaft die Heidin doch schließlich zum Heil führt. Im Grunde ist ja der Pharao der Batageschichte mit Bata-Osiris identisch, bzw. Osiris Horos ist in zwei Personen aufgespalten, den Pharao und Bata. In solchen Fällen kann man schwer eine eindeutige Erklärung geben. Man vergleiche auch, daß Isis dem Horos die Hände abschneidet, oben S. 66, 2 . 1 Über das Fällen eines Baumes i m Osiriskult s. oben S. 73. Es i s t als mythisches Bild dem Abschneiden des Gliedes äquivalent, hier wie im Attiskult. Die umgekehrte Bedeutung hat dann das Aufrichten des Djedpfeilers im Osirisdienst. 2 Bata= Osirismumie. 3 Nach Plut. 14 war Anubis Begleiter der lsis, nach Minucius Felix 22 (oben S. 67) half er ihr beim Suchen und fand schließlich den Osiris. 4 Bata wird also durch das Lebenswasser wieder lebendig. Wir erinnern uns an den Krug mit Lebenswasser, welchen Psyche holt ; überhaupt wird Osiris im Jenseits durch einen Trank kühlen Wassers wieder belebt, s. oben S. 41, nur daß meist Isis dieses Wasser spendet. - Bei der Wiederbelebung des Toten (Osiris) brachte man das Herz eines geschlachteten Tieres, welches hier das Herz des Toten vertrat, an den Mund des Toten. So wurde der Tote (Osiris) ins Leben zurückgerufen. Vgl. Moret, Du caractere religieux de la royaute pharaonique (1902) 159-162. 6 Gemeint ist der heilige Stier Apis. V gl. Plut. De lside 43 't"OV 3' TAmv dx6voc f.I.EV ' 0 cr(pL3o<; �f.i.ljiuxov e:!vo:L. 6
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Kosmogonisches Opfer ? Vgl. oben S. 71. Der Perseabaum war der Isis heilig, Pint. De Iside 68. Nach Aelian, nat. anim. XI 11 Merkelbach
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Wieder gibt Bata sich der Frau zu erkennen. Sie verlangt, daß man die Bäume fällt und aus ihnen Möbel macht. Beim Fällen sieht sie zu.I Da fliegt ein Splitter in ihren Mund. Sie wird von ihm schwanger und gebiert einen Sohn. Er ist der wiedergeborene Bata.2 Im ganzen Lande feiert man die Geburt des Erbprinzen. Als der König stirbt, besteigt der Sohn den Thron. Er läßt die Köni gin hinrichten, zur Strafe für das, was sie Bata angetan hatte. 3 Wie man nun im einzelnen über diese Geschichte urteilen mag - das letzte Wort haben natürlich die Ägyptologen -, das eine steht wohl fest : Wir haben hier eine Mythenerzählung aus dem Osiriskreis vor uns, in welcher das Motiv vom keuschen Joseph und der Frau des Potiphar vorkommt, und zwar nicht als interessantes aber unverbindliches No vellenmotiv, sondern in einer religiös-moralischen Erzählung mit lehr hafter Absicht. Man wird kaum bezweifeln, daß es hier seinen echten ursprünglichen Sinn hat. Wir werden ihm in den antiken Romanen oft wieder begegnen. Niemals ist es ein bloßer Erzählungsstoff; immer lehrt es, wie der Mensch sich in den Versuchungen verhalten soll, die im Leben an ihn herantreten. Wir kommen zu der Geschichte vom klugen Arzt (X 2-12) . Apuleius tut hier alles, um den Leser auf eine falsche Fährte zu locken : iam ergo Ieetor optime scito te tragoediam non fabulam legere et a socco ad cotur num ascendere . . . heu medicorum ignarae mentes. . . . Man erwartet, daß eine grausige Geschichte folgt, in der ein Arzt eine unglückliche Figur macht. Es läßt sich auch alles so an ; aber am Schluß folgt ein ausgesprochenes happy end, mit Lohn für die Guten und Strafe für die Bösen, und es wird durch einen klugen Arzt herbeigeführt. - Die Tragödie hat sich in eine Komödie verwandelt, und wer wird einen tie feren Sinn hinter all dem suchen ? Vielleicht ist es am Platz, den Leser dar an zu erinnern, wie Apuleius den Psychemythos einleitet : Sed ego te narrationibus lepidis anilibusque fabulis protinus avocabo, sagt die Alte. Am Ende des Mythos heißt es gar : Sie captivae puellae delira et temulenta illa narrabat anicula, und das Ganze ist nichts weiter gewesen als eine bella fabella man überhöre in diesen Worten nicht das -
wurde einem heiligen Mnevisstier durch einen solchen Baum das Leben gerettet. Nach dem demotischen Zauberpap. wurde Horos in Abydos unter dem Perseabaum geboren (VI 22 ; Hopfner, Komm. I 86). In Abydos war das "echte" Grab des Osiris. 1 Mythologische Dublette zum Fällen der Zeder, vgl. oben S. 51 (Pleonasmen). 2 Der Prinz ist Horos, der wiedergeborene Bata-Osiris. 3 I> er Sohn Bata ist also der Rächer des Vaters Bata, wie der Sohn Horos den Vater u�iri� rikht. Wir erinnern uns daran, daß Horos die Isis köpfte, oben S. 66, 2.
D e r k l u g e A rz t
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Diminutivum und den volkstümlichen, unliterarischen Charakter des Wortes bellus. Hier soll der nicht eingeweihte Leser irregeführt und der mystische Charakter der Erzählung verschleiert werden. In der Arzt Geschichte ist es nicht anders. Sie liest sich wie eine bunte Burleske ; erst der aufmerksame Leser bemerkt, daß hinter der Komödie ein tieferer Sinn verborgen ist. Ein Familienvater hatte nach dem Tode :seiner Frau, die ihm einen trefflichen Sohn geboren hatte, eine zweite Frau geheiratet. Auch diese gebar einen Sohn. Als ihr Stiefsohn herangewaclu;cn Ü;t, verlieht sie sich in ihn und trägt ihm ihre Liehe an. Als er Ausflüchte macht, schlägt die Liehe in Haß um. Sie läßt durch einen Sklaven Gift holen und mischt dem Stiefsohn den Todestrank.1 Aber unglücklicherweise kommt ihr eigener Sohn durstig nach Hause, findet den Becher, trinkt ihn in einem Zug aus2 und sinkt wie tot zu Boden. - Man sieht ohne weiteres, daß der Stiefsohn hier die Rolle des Bata-Osiris spielt. Aber wie im Psychemythos Isis in zwei Personen zerspalten ist, Psyche und Venus, so tritt hier Osiris in doppelter Gestalt auf, als Stiefsohn und als dessen jüngerer Halbbruder. Daß der jüngere Bruder hier stellvertretend für den älteren "stirbt", daß die beiden Figuren von einem gewissen Aspekt her betrachtet zusammenfallen, ist hinreichend deutlich. Der Gift trunk ist aber, wie sich später zeigt, nur ein Schlaftrunk, aus dem der Scheintote zu neuem Lehen erwacht, wie Osiris aus dem Tod zum Lehen aufgeweckt wird. Dieser Gift- oder Schlaftrunk wird uns noch öfters begegnen. In einer bestimmten Weihe wurde dem Mysten ein solcher Schlaftrunk gereicht, den er in einem Zug leeren mußte, um dann wie tot niederzusinken. Auf diesen rituellen Tod folgte eine Wiederaufer stehung, und der Myste nahm die sichere Hoffnung mit, daß auch auf den wirklichen Tod ein ähnliches Erwachen im Jenseits folgen werde.3 Der Knabe wird in einem Sarg begraben. - Es hat in der Osiris weihe ein richtiges Sargritual gegeben. Der Initiand wurde in den Sarg gelegt und wieder herausgeholt. Dies müssen wir aus den entsprechen1 Der Trank ist angeblich bestimmt für einen Kranken, der morbi inextricabilis vetemo vehementer implicitus (X 9, 1) sterben will . Im allegorischen Sinn ist dies wahr ; der im Schlaf befangene alte Mensch stirbt in der Weihe. 2 X 5, 1 repertum ( !) vini poculum continuo perduxit haustu. Das Austrinken des Schlaftranks in einem Zug war vermutlich vom Ritual vorgeschrieben. 3 Vgl. auch den Vergessenstrunk, den die Menschen nach Kebes (Pinax 5) beinl Eintritt ins Leben trinken müssen. Die mythische Vorstellung vom Lethetrank scheint auf ein uraltes Ritual zurückzugehen, in welchem der Initiand lernte, welchen Weg er nach seinem Tod zu gehen habe, um in ein glückliches Jenseits zu gelangen. Lethe in1 Kult dargestellt : Pausan. IX 39, 8. 6•
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den Partien d e s Xenophon von Ephesos, Achilleus Tatios und der Historia Apollonii erschließen ; wir kommen unten darauf zurück. Um alle Nachforschungen auf eine falsche Fährte zu locken und sich wenigsten:; so an dem Stiefsohn zu rächen, beschuldigt die böse Frau den Stiefsohn, er habe seinen Bruder durch Gift ums Leben gebracht, 1 weil dieser sich einer frevlerischen Liebesleidenschaft des Älteren nicht hingegehen habe. 2 Auch sie selbst sei von ihm mit dem Schwert bedroht worden. Der Knabe wird bestattet, der Jüngling vor Gericht gestellt. Die nun folgende Gerichtsverhandlung hat im Mythos ein doppeltes Vorbild : a) An vielen Stellen ist in den altägyptischen Texten von dem Rechts streit zwischen Horos und Seth die Rede, der vor dem Göttergericht zugunsten des Horos entschieden wurde.3 Auch Plutarch erwähnt diese Gerichtsverhandlung. Das Zeugnis des Hermes (Thot) hat den Prozeß zugunsten des Horos entschieden.4 b) Osiris wurde nach seinem Tode von einem Gericht, dem Re präsidierte, gerechtfertigt.5 In derselben Weise wird jeder Tote vor ein Gericht der Götter gestellt werden, das seine guten und bösen Taten gegeneinander ahwägt.6 Eine solche Gerichtsverhandlung soll sogar schon vor der Beisetzung des Leichnams ganz real stattgefunden haben, worüber man das Nähere bei Diodor I 92 nachlesen kann. - Man wird schließen müssen, daß auch vor der Mysterienweihe eine Art Gerichts verhandlung durchgeführt wurde, vielleicht nur in sehr summarischer Weise eine Prüfung des bisherigen Lebenswandels des Kandidaten. Wie Horos erst König werden konnte, als seine Echtbürtigkeit erwiesen war, so konnte der Myste erst geweiht und mit Horos identifiziert7 werden, wenn seine Würdigkeit nachgewiesen war. Diese " Gerichtsverhandlung" vor der Initiation ist eine Vorwegnahme der Gerichtsverhandlung vor 1 X 5, 3 insimulat privigni veneno filium suum interceptum. et hoc quidem non adeo mentiebatur, quod iam destinatam iuveni mortem praevenisset puer. Die Identität der beiden Brüder ist deutlich. 2 Die Verleumdung der Potiphar ist hier etwas anders gewendet. 3 Ein Beispiel oben S. 72 in der Geschichte von Lüge und Wahrheit (Pap. Beatty II). Vgl. ferner etwa P. G. M. VIII 23 ff. ; Pap. Beatty I (Lefebvre, Romans 178 ff. Schott, Liebeslieder 209 ff. ; Roeder, Mythen und Legenden 25 ff. ) ; Hopfner, Komm. I 1 1 0 ff. und 140 ff. ; Pyramidentexte 956-960 und 575-580 bei Kees, Lesebuch 3 1 . ' Totenbuch Kap. 1 (Roeder, Urkunden 226). Plut., De Iside 54. � Totenbuch Kap. 18 (Roeder, Urkunden 249-251). • Totenbuch Kap. 125 (Roeder, Urkunden 274 ff.). Das Abwägen des Herzens gegen daH "Hecht" wird immer wieder dargestellt. 7 Apul. XI 24, 4 ad instar Solis exornato me.
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der Bestattung bzw. des Totengerichtes, wie die ganze Weihehandlung ein vorweggenommener Tod ist. Die beiden mythischen Vorbilder des Gerichts fallen im Grunde ineinander. Als Hauptzeuge tritt vor Gericht der Sklave auf, welcher das Gift für die Stiefmutter besorgt hatte. Er behauptet, der ältere Bruder habe das Gift gemischt und es eigenhändig dem Jüngeren gegeben. - Der Sklave spielt die Rolle des Seth, dessen Decknamen "Lüge" wir oben kennen gelernt haben. Apuleius nennt ihn cruciarius, verbero, furcifer, latro. Als die Richter1 zur Abstimmung schreiten wollen, erhebt sich ein Arzt im Zuhörerraum und erklärt, der Sklave selber habe das Gift bei ihm geholt. Zum Beweis präsentiert er den Siegelabdruck, mit welchem er den Goldbeutel (in Voraussicht des Kommenden) von dem Sklaven hatte versiegeln lassen. Die Rede des Arztes rettet den Jüngling. Dieser kluge Arzt ist natürlich Thoth-Hermes des ägyptischen Mythos. Daß Hermes Trismegistos ein großerArzt ist, braucht nicht belegt zu werden.2 Er wird von den Griechen auch mit dem "Aoyoc, gleichgesetzt (Plut., De lside 54) . Als der Sklave seine Schuld noch immer leugnet, eröffnet der Arzt dem Gericht, daß er dem Sklaven kein Gift gegeben habe, sondern einen Schlaftrank, den er mit Mandragora3 gemischt habe. "Wenn wirklich der Knabe den von mir gemischten Trank genommen hat, dann lebt er ; er schläft nur und wird die Starre des Schlummers abschütteln und ans Licht des Tages zurückkehren".4 Man eilt zum Grab des Knaben. Der Vater selbst öffnet den Sarg. D a schüttelt der Knabe den tödlichen Schlaf ab und steht auf aus dem Reich des Todes. Der Vater umarmt ihn, sprachlos vor Freude, und zeigt ihn der Menge. Der noch in Leichen binden gehüllte Knabe wird vor das Gericht gebracht.5 - Wir sind hier 1 Sie heißen decuriones (X 6, 2.4 ; 8, 1 ). Die decuriones sind eine hohe Klasse der lsispriester (Apul. XI 30, 4; Dessau 6367 ; v. Gonzenbach, Knabenweihen l l 6 f.). z Auf der Mettemichstele belebt Thoth den Horos (Roeder, Urkunden 95). Vgl. ferner Clemens Al., Strom. VI 4, 37, 3. 3 Ü ber die Mandragora-Symbolik hat Rahner lehrreich gehandelt ( Griechische Mythen 284 ff. ). Es gibt mehrere Möglichkeiten all egorischer Deutung : Die "kopf lose" Mandragorawurzel ist ein Abbild des kopflosen (&xetpcx:Aoc;) Gottes, des Osiris. Wie O siris, wacht der Mandragora -Betäubte wieder auf. Der Mandragora-Betäubte ist aus der himmlischen Heimat in den "Schlaf" des Irdischen gesunken, bis ihn der "Vater" wieder erweckt und an die wahre H eimat erinnert. B eweisbar ist dies all es nicht. 4 X l l , 3 vivit et quiescit et dormit et protinus marcido sopore discusso remeabit ad diem lucidam. 5 X 12, 2 ecce pater, suis ipse manibus coperculo capuli remoto, commodum discusso
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Zeugen einer Totenerweckung im MysterienrituaL Der Initiand ist "gestorben", mit Leichenbinden umwickelt, d. h. zur Mumie (Osiris) gemacht und in den Sarg gelegt worden. Nun wird der Sarg von dem amtierenden Priester, der der geistige Vater (pater) des neuen Mysten ist, geöffnet. Der Priester umarmt den Scheintoten und erweckt ihn zu neuem Lehen, wie Horos (der Lebende) im ägyptischen Mythos Osiris (den· Toten) umarmt und wiederbelebt hatte. Dann wird der Auferstandene dem Volk vorgestellt. Ähnlich wird Lucius, der in der Weihe das Reich des Todes betreten hatte, am Ende der heiligen Hand lung als Sol (Horos, neuer Osiris) aufgeputzt und der Menge gezeigt (XI 23-24) . So war das Verbrechen des Sklaven und der Stiefmutter bewiesen. "Die nackte Wahrheit" tritt mitten unter die Richter,1 die Stiefmutter wird verbannt, der Sklave gekreuzigt, der Arzt darf das Geld behalten, welches er für das Gift bekommen hatte, als Lohn für den zweckdien lichen Schlaf (opportuni somni pretium), und so endet das Schicksal (fortuna) des alten Vaters so, wie es der göttlichen Vorsehung (provi dentia) würdig ist. - "Wahrheit" als Namen des Osiris haben wir oben kennen gelernt ; auch Isis ist die Schützerin der Wahrheit.2 Wie "oppor tun" der Schlaftrunkt ist, den der "Arzt" gegeben hat, ermißt man erst, wenn man daran denkt, daß der Scheintod in der Mysterienweihe dem Initianden das ewige Heil sichert. Wie das Geschick (fortuna) des Vaters nur scheinbar von dem launischen Glück (Fortuna, T6zYj), in Wahrheit von der Vorsehung ( Providentia, Ilp6voLa) geleitet wurde, so hat Isis-Tyche-Pronoia ihren Mysten durch scheinbar widrige Zufällig keilen hindurch zum vorbedachten Glück geführt. Unsere Interpretation hat den ernsten Hintersinn hervorgehoben. Für den naiven Leser wirkt der Schluß des Stückes eher possenhaft. Uns scheint ein solches Ineinander von Scherz und Ernst unpassend. Die alten Völker dachten hierüber anders : Auf die Tragödie folgte das Satyrs p iel. Der Übergang vom Scherz zum Ernst und wieder zum Scherz war den Alten leichter als uns. "In den Gesetzen (VII p . 816 D) erklärt Plato, daß der Ernst ohne den entsprechenden Scherz unvollmortifero sopore surgentem postliminio mortis deprehendit filium eumque complexus artis
,, imc, verbis impar praesenti gaudio (rituelles Schweigen), producit ad populum. atque
nt l'rtlt adhuc feralibus amiculis instrictus atque obditus deportatur ad iudicium puer. 1 X 1 2 , 4 procedit in medium nuda veritas. 2 l sisn lfcnbarung von Kyme (Peek 1 24, I. G. XII Su ppl . p. 98) 29 eyw o:o �l:rJ&&,; YJ1.A•'>v t'JIJ[l.O&ET"I)O'OC VO[l.L�e:cr&oc�. V gl. auch 34 eyw 'l;Q'J &IHxw<;; em[3ou"Ae:uovo:oc &llo�<;; ,·m r, zdp �••v
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kommen und unverständlich sei. Eben darum waren Mysterienparodien wie in den aristophanischen Vögeln und ihrer Kosmogonie (693 ff.) den Alten nicht so anstößig, als sie uns scheinen könnten."1 Man darf �;ie einer kindlicheren Stufe der Menschheit vergleichen - wobei ich betonen möchte, daß der Vergleich nicht gepreßt werden darf und cum grano salis zu verstehen ist. Das Kind kennt nicht den strengen Unterschied von Scherz und Ernst, beides schlägt unversehens ins Gegenteil über ; eine gleichartige Seelenstimmung durch Stunden durch zuhalten ist es unfähig. Mutatis mutandis müssen wir für frühere Zeiten ähnliches voraussetzen. 2 Eine solche Mischung von Scherz und Ernst ist allen sakralen Dar stellungen eigen. In den mittelalterlichen Mysterienspielen hielten sich die Zuschauer den Bauch vor Lachen. Noch Shakespeare konnte nicht auf die komischen Szenen in der Tragödie verzichten. Dieses komische Element eignet allen mimetischen Darstellungen. Der Schauspieler ist hinter einer Maske verborgen. Er spielt einen Gott oder einen Heros und ist doch nur ein gewöhnlicher Mensch. Wenn der Zuschauer sich täuschen läßt und willig folgt, ist der Eindruck erhaben. Wenn er aber daran denkt, daß sein Freund Fritz hinter der Maske steckt, so kann die Diskrepanz zwischen Schein und Wirklichkeit leicht lächerlich wirken. Dasselbe gilt für den Schauspieler selbst. Der eine versetzt sich ganz in seine Rolle, der andere empfindet die Vermummung selbst irgendwie als peinlich oder komisch. Es liegt sehr nahe, den Harlekin zu spielen. Nun haben wir gesehen, daß Szenen wie der Scheintod durch einen " Gift"trank und die Wiedererweckung im Mysterienkult gespielt worden sind. Ähnliche Beispiele werden uns später begegnen. Man hat offenbar richtige kleine Mimen aufgeführt, und es kann dabei - trotz dem heiligen Inhalt des Dargestellten - nicht ohne Lachen abgegangen sein. Die Diskrepanz, welche sich bei Apuleius geltend macht, liegt in der Natur der Sache. In den sakralen Mimen wurden die Mysterienwahrheiten in stets wech selnden Handlungen vorgeführt. Auf diese Weise lernten die Zus chauer, den Alltag aus dem Mythos heraus zu verstehen : An jedem Tag wieder holte sich in immer wechselnder Form der Mythos. Gerade weil er dem Herzen der Eingeweihten nahestand, konnte man auch über ihn lachen. B a chofen, Werke IV 3 4 5 , 4. 2 Diese Erkenntnis verdanke ich einem G espräch mit Karl Meuli. V gl . auch Ra derma cher, Weinen und Lachen (Wien 1 947). 1
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Die Gifttrank- Szene speziell erinnert nur z u sehr an den Giftmischerin nenmimus, den man auf Papyrus gefunden hat.1 Eine Frau will einen Sklaven und seine Gefährtin hinrichten lassen, weil der Sklave ihren Liebeswünschen nicht nachgekommen ist. Aher als die beiden zur Exe kution geführt werden, erscheinen die Götter und retten sie. 2 Die böse Frau bringt die beiden aber wieder in ihre Gewalt ; sie befiehlt wieder, die beiden hinzurichten. Aher die Mitsklaven führen die Exekution nur zum Schein durch. Die Leichen werden zugedeckt auf die Bühne gestellt. Dann "tötet" die Frau den eigenen Mann mit Gift ; ihr Parasit lacht verstohlen, denn er weiß, daß es nur ein S chlaftrunk ist. Der Vergiftete wird tot auf die Bühne gebracht, man beginnt die Totenklage - da steht der Totgeglaubte auf. Er fragt, auf die zugedeckten "Leichen" deutend, was das bedeuten solle. Man deckt die Tücher ab, die beiden sind wieder lebendig. Ist dies noch ein Mysterientext ? Ich will das nicht behaupten. Aher jedenfalls zeigt er, wie leicht ein Mysterienspiel in den profanen Mimus übergehen konnte. Der Inhalt ist fast identisch. Die Christen haben ge wußt, warum sie Theater und Mimus als Teufelswerk verboten : Beide hingen nur allzu eng mit dem heidnischen Kult zusammen. Die hier besprochene Mischung von Scherz und Ernst findet sich jedoch nicht nur im Mimus, sondern auch in der reinen Erzählung. Die antiken Geschichtenerzähler hießen bekanntlich Aretalogen. 3 Das Wort erklärt sich aus "t'!Xc; cipE"t'iX.c; MyE�v, die Wundertaten des Gottes erzäh len.4 Oft hielten diese Erzähler sich sogar in Tempeln auf.5 Aber viel fach sind diese Aretalogen einfach Possenreißer. Das widerspricht sich nicht ; es konnte sogar wünschenswert scheinen, das Publicum durch lustige Erzählungen anzulocken. Manchmal scheint es geradezu un anständig hergegangen zu sein ; eine Erklärung des Wortes lautet (Schol. zu luvenal 15, 16) : mihi autem videtur aretalogos illos dici, qui 1 Pap. Oxy. 413. Sudhaus, Hermes 41, 1906, 247 ff. ; Crusius, Herondae mimiambi 1 1 0 ff. ; Page, Greek Literary Papyri no. 77. Die Ähnlichkeit des Stücks mit Roman episoden hat schon Sudhaus bemerkt. Vgl. das Risusfest bei Apulcius 11 30-111 1 3 . 2 Die unverhoffte Rettung durch die Götter ist ein Mysterienmotiv, s. unten S. 98. 3 Die Stellen, an denen aretalogus vorkommt, hat Kiefer zusammengestellt (Areta logische Studien, Diss. Freiburg, Leipzig 1929). • Schol. zu luvenal lS, 16 aretalogi sunt qui deorum virtutes loquuntur. Reitzen �t c•in, Wundererzählungen B. b Lihcr Hermetis (ed. Gundel) p. 90, 7 sacris locis detinentur et fabulas (f.l.u&ou�) ruitant vel exponunt. Firmic. Matern., Math. 11 p. 307, 23 divinas quasdam artes studiosis intrrl"''llltionibus explicantes. •
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t•a, quae dicta non sunt (&pp1J-rtx), in vulgus proferunt. Die Etymologie ist falsch, zeigt aber, was man von den Aretalogen hielt : &pp1JTOC ist gleich cx1crxpcf. Eine Mischung von Scherzen, ja Schlüpfrigem mit Ernstem und Heili gem, das waren also die Geschichten der Aretalogen, die im Dienst der Tempel standen und den Hörer zum wahren Glauben führten. Wundern wir uns, wenn bei der Transposition der mündlichen Erzählung ins Schriftliche ein so zwischen Ernst und Scherz schillerndes Werk ent stand, wie der Roman des Apuleius ?1 Wir nehmen hiermit von Apuleius Abschied. Wir }Iahen dargelegt, daß viele seiner Erzählungen einen mystischen Hintersinn haben. Diese unsere Auffassung der apuleianischen Erzählungen weicht von der her kömmlichen beträchtlich ab. Aber wir können uns auf einen berühmten Erforscher der antiken Religion berufen, auf Karl Kerenyi, der in seinem vor über 30 Jahren erschienenen Buch über die griechisch-orientalische Romanliteratur bereits sehr ähnliche Ansichten vorgetragen hat. Die Kritik hat wenig mit dem Buch anfangen können.2 Unsere Unter suchungen aber haben Kerenyis Darlegungen in unerwartetem Ausmaß bestätigt. Es ist nämlich nicht allein das Werk des Apuleius ein Buch mit doppeltem Boden ; vielmehr gilt dies für alle antiken Romane, mit alleiniger Ausnahme des Chariton. Es sind alles Mysterientexte ;3 überall ]iegt hinter dem buchstäblichen Sinn ein Mysteriensinn verborgen, alles 1 Schon die altägyptische Erzählung vom Streit des Horos und Seth (P. Beattie I) wirkt auf den heutigen Leser manchmal skurril. "Par leur conduite generalemcnt vulgaire ou ridicule, les dieux ne sont dignes d'aucun respect" ; "le vocabulaire est pauvre et commun, le style est plat" (Lefebvre, Romans S. XXIII und 1 82). Über das Zusammengehen von Religion und Ergötzung s. auch Reitzenstein, Das Märchen . . . 45. 2 Siehe etwa Nock, Gnomon 4, 1928, 485. Nur Franz Altheim hat mehrfach seine Zustimmung zu der These Kerenyis ausgesprochen. 3 Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß gerade Erwin Rohde, der große Erforscher der griechischen Religion, sich Apuleius und den griechischen Roman zum Gegenstand seiner ersten Bücher gewählt hat, religiöse Texte also - und daß von der religiösen Bedeutung der Romane bei ihm nicht ein einziges Wort zu finden ist. Es muß sich ein Etwas in Rohde zu diesen Texten hingezogen gefühlt haben ; aber der Verstand konnte nicht verifizieren, was das Gefühl empfunden hatte. Die Erklärung des merk würdigen Phänomens ist Sache der Psychologen ; ich will aber ein paar Worte von Eliade zitieren : Un conte ne s'adresse pas a Ia conscience eveillee, secularisee : il exerce son empire sur les zones profondes de Ia psyche, il nourrit et stimule l'imagination (Les) images . . . , reveillees par les contes, agissent directement sur Ia psyche de l'audi t.oire, meme lorsque, consciemment, celui-ci ne se rend plus compte de Ia signification premiere de tel ou tel symbole (Forgerons et alchimistes, Paris 1956, 1 1 2). Ähnliches wie von Rohde gilt von Richard Reitzenstein, dem Verfasser des Buches über die -
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Ebenen erklärt werden.1 Wir werden dies nachweisen, in Hu mane der Reihe nach durchsprechen und jeweils den M y H I.I�ric,mo � i n n angeben. Es muß betont werden, daß dieser den Ober fl ildum l'l i n n · wenn man will, den literarischen Sinn - nicht etwa aufhebt ; c l i tlHer h t lhill t nach wie vor seine Gültigkeit. Es ist nur der Zusammenhang u n scrtlr Untersuchung, der uns auf den Mysteriensinn besonderen Wert l t�gen läßt. Wir beginnen mit den anderen Isisromanen. m u ll n u f z w t�i
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bcllcnistischen Mysterienreligionen. Er hat sich unablässig um das Verständnis des Psychemythos bemüht und fünfmal darüber geschrieben. Die religiöse Bedeutung des Mythos hat er deutlich empfunden, ohne davon genaue Rechenschaft geben zu können. 1 "Denn daß ein Wort nicht einfach gelte, das müßte sich wohl von selbst verstehn." Go ethe, \Vestöstlicher D ivan.
X E N O PH O N VON E P H E SO S Das Werk des Xenophon ist uns nicht in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten. Es ist, vermutlich im 3. J ahrh., von einem Mann umgearbeitet worden, der dem Sol invictus in dem Werke den Platz zuweisen wollte, welcher ihm nach der damals herrschenden Sonnentheologie gebührte. Bei der Umarbeitung wurden einige Episoden zugesetzt, vor allem über die Helios-lnsel Rhodos ; an manchen Stellen sind durch diese U marbei tung Verwirrungen entstanden. Im allgemeinen läßt sich aber der ur sprüngliche Zusammenhang ziemlich sicher erkennen ; ich habe in der folgenden Besprechung der Ephesiaka die Zusätze der Helios-Bearbei tung gekennzeichnet. Der Verfasser der Helios-Redaktion hat die Myste rienbedeutung des Romans verstanden und sie auf den Kult des Helios bezogen. Seine Zusätze sind für uns also nicht wertlos. Xenophons Werk scheint 10 Bücher umfaßt zu haben. Uns liegt nur eine Epitome in 5 Büchern vor.1 Zweifellos sind der Kürzung manche Ausdrücke zum Opfer gefallen, die uns als Verweise auf das Mysterien ritual wichtig wären. Aber die Hauptpunkte sind auch in der Epitome noch deutlich. 2 I . Buch. In Ephesos wuchs ein Jüngling von wunderbarer Schönheit auf, Habrokomes. Alle Ephesier und die Bewohner des übrigen Asien verehrten ihn, ja sie beteten ihn wie einen Gott an. Habrokomes wurde so stolz, daß er sich für schöner als Eros selbst hielt und den Gott für nichts achtete. Darüber zürnte Eros. Ein Fest der Artemis gab ihm Gelegenheit zur Rache. Habrokomes war 16 Jahre alt und gehörte schon zu den Epheben. Er zog in der Prozession des Festes mit, bei welchem Jünglinge und Mädchen sich trafen und Ehen geschlossen wurden. 1 Vgl. Su(i)da(s) s. v. Xenophon ; die Epitomierung wurde nachgewiesen in dem aus gezeichneten Aufsatz von Bürger, Hermes 27, 1 892, 36 ff. Ein neuer Editor des Xeno phon sollte im kritischen Apparat die Stellen bezeichnen, an denen der Epitomator gekürzt hat. Der Epitomator ist nicht identisch mit dem Verfasser der Helios-Bearbei tung, denn auch Partien, welche zur letzteren gehören, sind epitomiert, wie V 5-6 (Bürger 53 und 58) und V 10 (Bürger 54, 1 und 59). 2 Daß die Ephesiaka ein Isisroman sind, hat schon J, Burckhardt erkannt (Die Zeit Konstantins des Großen2 195). Im übrigen s. Kerenyi 58 ff. Der Äg yptologe A. Rusch urteilte : ,. Totus liber Isidis cultu refertus" (De Serapidc et Iside in Graecia cultis 64).
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d es Mädchenzuges ging Antheia. Sie war 14 Jahre alt1
der Jungfrauen. Sie trug ein knielanges gegürtetes und ein Rehfell ; sie hatte Köcher, Pfeile und Speere, u u t l l l m u l t' folgt en ihr. Oft schon hatten die Ephesier sie als Artemis n · rd 1 r 1 . So auch diesmal ; laute Rufe erschollen, die sie bald als Göttin, l w l d a l s Tochter der Göttin bezeichneten ; man betete sie an und pries i l • �'�' .Eltern glücklich. Aber dieselbe Bewunderung brachte man auch t l e m Habrokomes entgegen, man rief: "Habrokomes ist schön, er wie kein anderer ist ein Abbild des schönen Gottes." In dieser Erzählung ist das Eingangsmotiv von Eros und Psyche verdoppelt. Wie Psyche, werden hier Habrokomes und Antheia vom Volk als Götter verehrt. Psyche war eine Doppelgängerin der lsis, wie wir gesehen haben. Hier wird Habrokomes dem Eros, Antheia der Arte mis-Isis gleichgesetzt. Dem Zorn des Eros gegen sein anderes Ich Habro komes entspricht der Zorn der Venus gegen Psyche. Der Name Habrokomes bezeichnet einen Jüngling mit langem Haar. Solches langes Haar war ein Kennzeichen des Horos-Eros bzw. eines dem Horos geweihten Knaben.2 Unsere Tafel VI zeigt eine der Dar stellungen der Horoslocke : Auf dem Sarkophag des Filocy1·ius sieht man rechts oben das Brustbild des Gestorbenen mit der Locke. Die Göttin, welcher Habrokomes und Antheia dienen, heißt Artemis. Erst gegen Ende des Romans enthüllt sich dem Leser, daß es Isis ist, welche die beiden zum Heil geführt hat ; und schließlich kehren sie doch wieder zur Artemis von Ephesos zurück. Aber "Artemis" ist durch den ganzen Roman nur ein Deckname der Isis. Tingeweihte sollen den Text nicht verstehen, falls er in ihre Hände kommt ; und auch dem lnitüerten soll sich der Sinn erst langsam erschließen. Man vergleiche den Anfang des XI. Buches der Metamorphosen : Lucius betet die Mondgöttin unter vielen Namen an, doch der Name lsis fehlt ; lsis selbst nennt sich mit zehn anderen Namen, bevor sie das verum nomen enthüllt. Die Namen "lsis", "Osiris", " Sarapis" haben auch in der Kaiserzeit noch etwas von Geheimnamen an sich. Sie sind so zauberkräftig, daß man sie nicht ohne Not in den Mund nehmen und Fremden nicht nennen soll.3 u ud t l it· ��·lliiusW l ' u q • n •·��· w a • u l
1 Im Alter von 1 5 Jahren hat eine spätere Isispriesterin die Weihen empfangen ("Isis schmückte sie mit ihrem Kleid"), s. Peek, Griech. Versinschriften 1 1 63 I. G. V 2, 472 aus Megalepolis. 2 Die Moroslocke hat vor kurzem Victorine v. Gonzenbach monographisch behandelt (Untersuchungen zu den Knabenweihen im Isiskult, s. oben S. 7). Als literarisches Zt•n��:nis ist nachzutragen Macrob., Sat. I 2 1 , 14. : > H erodot wagt es nicht, den Namen des Osiris zu nennen. - Die Sache ist auch für di«• B«•nrl cilnng der Zauberpapyri wichtig ; ich hoffe, bald darauf zurückzukommen. =
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Im Tempel der Artemis treffen die Züge der Jünglinge und der Mäd· chen zusammen und hier verlieben Antheia und Habrokomes sich in· einander. - Die Göttin wird, so dürfen wir schließen, diesem Liebespaar gnädig sein. Die beiden jungen Leute hatten eine so heftige Liebe eingesogen, daß sie beim Versuch, sie zu überwinden, verschmachteten und den Tod erwarteten ('t'e:.ß.v��e:a.ß.(XL 7tpoa8oxw (le:VoL) . - Die Weihe ist ein Tod. In ihrer Not fragen die Eltern den Apollon von Kolophon um Rat. (Wir kennen Apollon als Orakelgott aus Apuleius ; er ist mit Horos·Eros identisch.) Er prophezeit : "Warum sucht ihr Anfang und Ende der Krankheit ? Die Heilung kommt von ihrem Ursprung. Aber ich sehe, daß diesen schlimmes Leid und ausweglose Qual bevorsteht. Beide wer· den übers Meer fliehen, von Seeräubern verfolgt ; sie werden in Ketten arbeiten bei Männern, die auf dem Meer leben ; Grab und gewaltiges Feuer werden beiden Brautgemach sein. Aber danach wird ihr Los ein besseres sein : An den Fluten des heiligen Flusses werden sie der hehren, heiligen Retterin reiche Geschenke weihen."1 Da beschlossen die Eltern die Ehe der beiden jungen Leute. Ein Nachtfest war der rechte Zeitpunkt. Man opferte der Artemis, und als die Nacht kam, führte man die Braut mit Fackeln und unter Absingen von Hochzeitsliedern ins Brautgemach. Auf der Decke des Brautbettes war dargestellt, wie Eros, die brennende Fackel in der Hand, Ares zu Aphrodite führt. - Die Ähnlichkeiten zum Mythos der Psyche sind deutlich : Dem funereus thalamus von Apul. IV 33 entspricht hier 't'OC<poc; .&ocA(X (lOc; im Orakel, dem Hochzeitszug der Psyche mit Fackeln und •
1 I 6, 2 ·dTCn ;co.&e:!n (Lcx.&_:'Lv vouaou -re"Aoc; 7J 8E: x � l &� x�v ; , , , vouaoc; !:xe:t, A.uatc; &(Lcpo-re:pouc; (Ltcx !:v.&e:v &fL, lia-rcxt. 8e:t\lil: 8' OpW TOLa8e:aat mX.IJ-7] XCXt cX\1�\IU TIX �pycx cX(Lcp6-re:poL cpe:u�oVTcxt imdp &A.cx A'7]ta-ro 8!oox-rot, 8e:a(L&: 8E: fLOX.IJ-�aouat TCcxp' &v8pocat !J.L�o.&cxMaaotc;, xcxt -roccpoc; &fLcpo-repmc; .&OC"Acx(Loc; xcxt 'TCÜp &!87J"Aov. &AA.' ht TCou (Le:-r&: �(Lcx-r' cipdovcx l't"OTfLOII �xouat XIX! 'TCOTIX(LOÜ {e:poÜ TCcxpil: ptU(LCXCSL 8ot!(LOIIL CSE:(LII'ij L aoo-rdp"'JL fLe:TOma.&e: TCcxp(a-rcxa' li"Aßtcx 8wpcx. Für den Wortlaut des Orakels s. meine Bemerkungen in den " Studien zur Text• gescbichte und Textkritik" ( Festschrift für Günther Jachmann) 1 79. Die Worte cipe:(ovcx TCOT(LOV erinnern a n die Verheißungen der Mysterien. Dort machte man den Initianden Hoffnungen auf ein besseres S chicksal auf Erden und nach d em Tode ; wir haben die �A.1t"(8e:c; ciycx.&cx! auf S. 31 bespro chen. Vgl. Cicero , de leg. II 36 über die Mysterien : neque solum cum laetitia vivendi rationem accepimus, sed etiam cum spe meliore moriendi. - Daß das ganze Orakel sich auf die Mysterien und ihr Ritual bezieht, wird im folgenden im einzelnen gezeigt werden. •
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Hymenaeus das Geleit der Antheia, dem Hereinbrechen der Nacht bei Apul. V 4 die Worte Xen. I 8, 1 �xoUO"'YJ� 't"Yj� vux-t6�. Die Hochzeit findet statt bei einer Nachtfeier der Artemis-Isis ; sie ist gleichzeitig eine Initiation. Die Vcrmählten umarmen einander. Sie sind vor Freude ganz ent kräftet (ucp' � �ov'ijc; 7t1X pEL f.LEVm) . "0 ersehnte Nacht", sagt Habrokomes, "o Mädchen mir lieber als das Licht", di cpc..Ho � � �[wv ef.Lo( x6p'Y). Ähnlich hatte Psyche zu Eros gesagt : teneo te, meum Iumen (Apul. V 13) . Antheia ist aufs tiefste gerührt und vergießt Ströme von Tränen, indem sie den Gatten umarmt, sein Gesicht küßt, ihre Lippen auf seine Lippen preßt, so daß der Lebenshauch im Kuß in den Geliebten hinübergeht (x1Xt
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lung in Gang zu bringen. Aber man kann die griechischen Liebesromane nicht verstehen, wenn man die mystische Bedeutung der einzelnen Epi soden nicht kennt. "Nichts ist Selbstzweck, alles Hieroglyphe", könnte man hier mit Bachofen sagen (Werke VII 204) . Das Orakel schickt das Liebespaar auf die Seereise : Gott hat jedem Menschen die Irrfahrt durchs Lehen bestimmt, diesem Schicksal kiinnen wir nicht entrinnen. Keinem Helden der lsisromane bleibt der Schiffbruch erspart : keines Menschen Lehen verläuft ohne Unglücksfälle. Diese Episoden kommen in fast allen Romanen vor. Wer die Romane nur als Literaturwerke betrachtet, wundert sich über den geringen Erfindungsreichtum der Dichter. In Wahrheit ist die stereotype Einheitlichkeit der Schicksale aller Helden griechischer Liebesromane nur ein Beweis mehr für den religiösen Sinn dieser Texte. Dieser war vorgegeben, und mit ihm die stereotypen Episoden. Daß die!>elben außerdem alle auf den Kult he zogen sind, der ein Abbild des Lehens war, wird unten im einzelnen ge zeigt werden. Hahrokomes und Antheia sind Mysten, die von Jugend auf dem Dienst der lsis geweiht waren. Aber Hochzeit und Isisweihe führen den Mysten noch nicht auf immer in den Hafen des Heils und der Ruhe.1 Noch steht ihm die Fahrt über den stürmischen Ozean des Lehens mit all seinen Gefahren bevor. Aber die Göttin wird ihren Dienern in allen Gefahren schützend zur Seite stehen, gute Fahrt (e:\htA.ot<X) gehen und sie am Ende in die wahre Heimat geleiten.2 Ein altägyptisches mythisches Vorbild für die Seereise der lsismysten gibt es natürlich nicht.3 Aber in hellenistisch-römischer Zeit hat sich dies geändert. Isis als Patronin aller Seefahrer leitet in jedem Jahr mit dem Fest der llA.ot<Xcpecrt<X die Periode der Schiffahrt ein. Ein unbe manntes Schiff wurde aufs Meer hinaus gelassen (Apul. XI 16) ; wir dürfen wohl interpretieren, Isis selbst fuhr auf ihm als erste aufs Meer 1 Apul. XI 1 5 , 1 portum Quietis. Corp. Herrn. VII 1-2
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hinaus. Velificia primum invenit lsis ; nam cum quaerit Harpocratem filium suum, ratem veli.ficavit, berichtet Hygin (fab . 277) . Von ihrer See reise nach Byblos auf der Suche nach Osiris berichtet Plutarch. Die Romanhelden wiederholen die Seereise der Isis. Es ist auch an die Reise des Sonnengottes (Horos) zu erinnern, der täglich auf einem Nachen (ßiip��) über den feuchten Äther1 von Ost nach West fährt. Ihre erste Station ist Samos, die heilige Insel der Hera, wo sie der Göttin opfern. - Wir erinnern uns des Gebets der Psyche an die Hera von Samos (Apul. VI 4, 1) ; sie war nur eine Erscheinungsform der Isis. Auf der Weiterfahrt schwören die Gatten einander bei der großen Artemis der Ephesier ewige Treue. - Dies bezieht sich auf den Eid des Mysten. (Es folgt ein Zusatz in maiorem Solis gloriam ; das Schiff legt auf Rhodos an, der Insel des Helios. Auch hier wird das Paar wie Götter verehrt, man opfert und feiert ihre Anwesenheit (E:ma'YJ[LLcx) als Fest. Habrokomes und Antheia weihen im Heliostempel eine goldene Rüstung. ) Auf der Weiterfahrt sind die Schiffer voll Leichtsinn, trinken und berauschen sich. Dem Habrokomes erscheint im Traum eine übergroße Frau in rotem Gewand, furchtbar anzusehen ; es wird Isis selber sein. Sie schien das Schiff zu verbrennen, rettete aber das junge Paar denn sie als einzige, so dürfen wir hinzusetzen, leben nicht in Leichtsinn und Rausch (pcx&U[LLCX xcxt [LE&1J).2 Wirklich folgten schon seit geraumer Zeit Seeräuber unauffällig dem Schiff. Als sie sehen, daß die Mannschaft berauscht ist, greifen sie das Schiff an und erobern es. Die Besatzung springt ins Meer oder wird niedergemetzelt, das junge Paar mit der Beute und einigen Sklaven auf das Piratenschiff gebracht. Dann zünden die Seeräuber das Schiff an und verbrennen den Rest seiner Besatzung. - Die in Leichtsinn und Rausch lebenden Menschen sind verloren, wie die Besatzung des Schiffes. Die Isisdiener aber bestehen alle Gefahren ; sie werden nicht mit den a ndern vom Feuer verzehrt. Der Brand des Schiffes ist das Feuer (1tup &.t a'Y)Aov) des Orakels. Im Mysterienritual entspricht ihm die Feuerprobe.3 1 Z.
B. Clemens Al. , Stro m. V 7, 4 1 , 3 o 'i]:Ato� 3t' &€pa� Porphyrio s bei Euseb, praep. ev. II I 1 1 , 48 ( =
n:c. LOÜf.Le:va�.
Bidez).
.
. • uypoü -r�v n:apdocv n:. &yocAf.Lih(J)v p. 1 9 *
2 Vgl. Corp. H errn. I 27 i:l :Aoco( , &v 3pe:� y"l)ye:ve:!�, o [ f.L€&1J t xoct Gn:vM eocu't"oÜ� ex3e: �c.lx6-re:� xoct Tijt &yv(J)crEoct -raü &e:oü, v-f)\jJoc-re:, n:ocücroccr&e: ae: xpocmoc:Awv-re:�. Chald. Orakel l u · i l'roklos, in remp. I p. 28, 1 Kroll iX -roc:AocE:pyo E , v-f) \jJoc-re: ( Kroll, Or. Chald. 1 5). 3 Di"
wichtigsten Belege über die Feuertaufe sind folgende : Ps. Cyprian, Det re
hupt iHrnute 16 (III 3 p. 89 Harte! ; p. 69 Rauschen [Florileg. patrist. Heft 1 1]) berichtet
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Die Räuher sind ein Sinnbild für alle bösen und feindlichen Mächte, welchen der Myste im Lehen begegnet und denen er oft ausgeliefert scheint. Die Gefangennahme durch die Räuber scheint im Mysterien· ritual, welches ja ein Abbild des Lehens war, als Initiationsprobe zele briert worden zu sein. Dabei mußte die Rolle der Räuber natürlich von bereits Geweihten gespielt werden. So kommt es, daß die Räuher häufig auch sympathische Züge aufweisen. Sie führen den Mysten zum Tod (zur Weihe), sprechen ihm aber gleichzeitig guten Mut zu (&1Xpp<:�v, s. S . I OO), wie dies die Mystagogen bei der Weihe taten. Auch die Räuber unterstehen der Göttin. Alle feindlichen Mächte, denen der Mensch im Lehen begegnet, sind in Wahrheit nur Werkzeuge in der Hand der Göttin, welche ihren Diener sicher zu dem ihm vorherbestimmten Hafen führen wird. lsis scheint nur Tyche (Fortuna) zu sein, sie ist in Wahrheit Pronoia ( Providentia) ,l Die Räuber bringen ihre Beute zu ihrem Versteck bei Tyros. Der Kapitän des Seeräuberschiffes verlieht sich in Hahrokomes. Um ihn für sich zu gewinnen, spricht er ihm guten Mut zu (&1Xppdv 7t1Xp<:x
-
,
7
Merkelbacb
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Das mythische Vorbild war die Versuchung der lsis durch Seth, des Bata-Osiris durch die Frau seines Bruders. Wir kommen gleich darauf zurück. II. Buch. Antheia und Hahrokomes klagen einander ihr Leid und beschließen, eher sterben zu wollen, als den Treue-Eid zu brechen. Un vermutet kommt ihnen Rettung in der Gestalt des Obersten der See räuberßotte, Apsyrtos, der sich die beiden (und zwei Sklaven, Leukon und Rhode )1 aus der Beute auswählt und nach Tyros führt. Die Be wohner der Stadt hatten solche Schönheit noch nicht gesehen und hielten das Paar für Götter. - Die unverhoffte Rettung aus großer Gefahr erlebte der Myste im Kult. Der Beleg dafür steht im Traumbuch des Artemidor II 39 �&pocrw; x.ocl. "Imc; x.ocl. ''AvoußLc; x.ocl. 'Ap7tox.p&TYJc; ocu·t"O( Te x.ocl. TeX cX.y&Af.I.OC't'oc ocuTwv x.ocl. TeX f.I.UaTijpLoc TocpocxcXc; x.ocl. x.Lv8uvouc; x.ocl. &7teLA.ric; x.ocl. 1tepLa't'&aeLc; O"tJf.I.OC(voumv, 11:� C1v x.ocl. 7tocpcX 7tpoa8ox.(ocv aw�ouaw. cX.d yap awTijpec; dvocL veVOf.I.LO"f.l.evoL dal.v ot &e:ol. 't'WV dc; 1tiiv cX.cpLyf.l.evwv. Wenn die lsismysterien im Traum große Gefahr und unverhoffte Rettung he deuten, so muß dies eine den Träumenden geläufige Gedankenverbin dung gewesen sein. Diese Gedankenverbindung muß irgendwie he gründet gewesen sein, und man wird kaum fehlgehen, wenn man sie auf das Erlebnis im Mysterium zurückführt. Nun verlieht sich des Apsyrtos Tochter Manto in Hahrokomes. (Sie bedient sich der Rhode, diese des Leukon als Lieheshoten. Hahrokomes entrüstet sich : "Ich hin zwar Sklave, aber ich kann mein Versprechen halten. Über meinen Leih haben sie Macht, meine Seele ist frei. Mag mir Manto Schwert, Strick und Feuer androhen usw." (Es ist vielleicht nicht zu kühn, diesen Worten einen tieferen Sinn unterzulegen : der Myste kann auf der Lehensreise in viele Gefahren des Leibes und Lehens kommen, aber seine Seele bleibt unangefochten und frei, wenn er die Vorschriften seiner Religion einhält.) Antheia will sich selbst töten, um den Geliebten nicht in Gefahr zu bringen. )2 1 Heliosinterpolation zur Vorbereitung von Buch V, s. unten.
2 Dieser Abschnitt ist, wie alle Partien über Leukon und Rho de, vom Verfasser der H elios-Redaktion zugesetzt. Der Einschub ist kenntlich daran, daß II 3 , 3 ouxtn xocpTe:poÜO'oc (Anfang der I nterpolation) in II 5, 1 ouxht xocpnpoÜO'OC (Ende) aufgeno mmen wird : der Redaktor lenkt in den verlassenen Zusammenhang ein. D e r Schluß des Briefes der Manto (II 5, 2) mag ursprünglich gelautet haben otoc
�e -I] (LE:TOCV[oc� xoct O'U(LßOUAO� ye:VO(LE\11). H i e folgenden Stellen über Leukon und Rhode sind alle deutlich zugesetzt. II 9, 1 h ieß ursprünglich etwa : w� SE: 'Jixov ot n-e:pt TTJV MocvTw d� 'Avn6xe:tocv - �xe:i:.&e:v yap ·�v ;, Mo"Lpt� -, 't"Tjv "Av.&e:tocv otxt't""l) t auvoum
1üv lv 't"OtoUTot� 'Jiv, � 81: "Av.&e:toc KTA.
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Manto schreibt dem Habrokomes einen Liebesbrief und erklärt ihre Liebe ; falls er sie j edoch abweise, werde er es büßen. Habrokomes ist bereit, jede Strafe, Mißhandlung, Folter, ja den Tod auf sich zu nehmen, und antwortet ablehnend. Da verwandelt sich der Manto Liebe in Haß. Wie Potiphars Weib verleumdet sie Habrokomes beim Vater .1 Dieser läßt den Jüngling bestrafen ; man zerreißt sein Kleid, geißelt. und brennt ihn und sperrt ihn in ein dunkles Verließ. - Dies bezieht sich wieder auf das MysterienrituaL Wie der Psyche das Kleid zerrissen, wie sie gegeißelt wird, wie Eros eingesperrt wird, so auch Habrokomes. Auch das Feuer {Tätowierung ; crcppocy!:a<:<;) und die Fesseln sind so zu erklären. Der Myste muß bei der Weihe seine Standhaftigkeit beweisen. Er soll es auch im Leben tun, und nicht nur gegen die Versuchungcn der Liebe : er muß bereit sein, für seine Religion jede Folter, j a den Tod auf sich zu nehmen. Nicht zufällig klingt der Text hier an die christlichen Märtyrer akten an. Das Motiv von Potiphars Weib ist uns schon im Mythos des Bata Osiris und in der Geschichte vom klugen Arzt begegnet. Wie schon oben angedeutet, ist die Episode wahrscheinlich im Mysterium gespielt wor den. In den alten Zeiten hat man nicht durch Worte, sondern durch Handlungen gelehrt, und diese Handlungen wiederholten nur, was die Götter in mythischer Zeit getan hatten und was nun ein für allemal vorbildlich war. Wenn im Leben eine ähnliche Situation an den Geweih ten herantrat, war sie für ihn nichts Neues mehr. Er hatte sie schon im Mysterium erlebt, wenn auch nur im Spiel. Er wußte, wie er sich in dieser Lage verhalten sollte ; es war j a auch von den Göttern vorge schrieben. Natürlich war eine solche Mysterienprobe keine ernstliche Versuchung. Sie wurde vielleicht nur durch eine kurze Andeutung dar gestellt. Wenn dies richtig ist, ergibt sich, daß die Geschichte von der Versuchung Josephs durch Potiphars Weib ursprünglich keineswegs ein frei schwebendes Novellenmotiv gewesen ist, sondern religiösen Sinn hatte und aus dem Kult stammte. Daher auch seine weite Verbreitung. So werden die Gatten getrennt. Manto heiratet einen Mann namens Moiris und zieht mit ihm nach Syrien. Antheia (Leukon und Rhode) werden ihr als Sklaven mitgegeben. Antheia besucht Habrokomes zum Abschied im Gefängnis, schwört ihm nochmals Treue bis in den Tod und küßt seine Fesseln.2 Habrokomes aber sieht im Traum, wie sein 1 Literarische Vorbilder sind Homer Z 163-65 und der erste Hippolytos des Euripides.
2 Vgl. den Besuch der Melite bei dem gefangenen Kleitopbon im V. Buch des Achill eus Tatios (s. S. 143 ff. ) . 7•
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Vater in schwarzem Gewand über die Erde irrt, zum Gefängnis kommt und ihn hefreit.1 Er selbst wird zum Hengst, der über die ganze Erde eine Stute verfolgt, sie endlich findet2 und zum Menschen wird. - Die Beziehung des Traums auf die Romanerzählung ist klar ; man denke auch an die Rückverwandlung des Lucius aus dem Esel in den Menschen heim Isisfcst. Manto kommt mit Antheia (Leukon und Rhode) nach Antiocheia. (Sie ließ Leukon und Rhode in die Ferne verkaufen) und wollte Antheia mit einem verachteten Hirten- Sklaven vermählen. (Dieser Zug erinnert an die Absicht der V enus, Psyche mit einem verachteten Menschen zu vermählen : Apul. IV 31, 3.) Der Hirt aber läßt sich von Antheia er bitten, vollzieht die Ehe nicht3 und spricht ihr Trost zu (-3-otppe:�v 7totpe:xe: Ae:ue:'t'o) . Der "Hirt" ist ein Mysteriendiener. Inzwischen hat Apsyrtos den Liebesbrief seiner Tochter gefunden und erkannt, daß er Hahrokomes ungerecht bestraft hat. Er läßt ihn kommen und spricht ihm Trost zu : -3-&p pe:L, �'PYJ• & fLELp&xwv. - Dies " Seid getrost" wird uns noch oft begegnen ; daß es zum Mysterienritual gehört, wissen wir aus Firmicus Maternus, de errore 22 : -3-otppe:�'t'e: f.l.UO"'t'otL 't'OÜ -3-e:oÜ cre:crc:.ucr [LEVOU ecr't'otL ycX.p � f.l.LV ex 7tOVWV crC:.U 't'YjpLot.4 -
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Hahrokomes wird freigelassen und zum Verwalter des Hauses des Apsyrtos gemacht. (Leukon und Rhode werden nach Xanthos in Lykien verkauft . ) Inzwischen verlieht sich Moiris, der Mann der Manto, in Antheia. Als Manto dies erfährt, beschließt sie, die Rivalin zu beseitigen. Der Hirt soll sie in den Wald führen und dort töten. Antheia ist mit ihrem Los zufrieden, da sie auch Hahrokomes für tot hält. Aber der Hirt hat Erbarmen mit ihrer Schönheit, und Antheia bittet ihre heimische Göttin Artemis, ihm für diese Wohltat gnädig zu sein. Antheia wird an kilikische Kaufleute verkauft, die sogleich ahfahren.5 Ein großer Sturm 1 Dieser Teil des Traumes erfüllt sich in unserem Text nicht. Die Helios-Bearbeitung hat den Schluß verändert ; V 6, 2 über den Tod der Eltern ist ein ungeschickter Zusatz, s. Bürger, Hermes 27, 1892, 58. Vgl. im übrigen unten S. l l O f. - Daß der "Vater" den "Sohn" aus dem " Gefängnis" befreit, darf man auf die Mysterienweihe deuten : der geistliche Vater macht mit den Prüfungen im Mysterienhaus ein Ende. 2 II 8, 2 e:u p e:!v , bald danach e:ile::Am<; 1jv (Mysterienworte). 3 Literarisches Vorbild ist natürlich Euripides ' Elektra. 4 Vgl. z. B. noch Kebes, Pinax 16 und 30 ; Ps. Pythagoras, carmen aureum 63. r. Die folgende Partie ist sehr stark epitomiert ; so sind die Beziehungen zum Myste ri.,nri tual nicht immer festzustellen. Der allgemeine Sinn der Räuber und des Sturmes iKI k lar. Vgl. Apul. XI 15 : Multis et variis exanclatis laboribus magnisque Fortunae 111mp�statibru ct maximis actus procellis etc.
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bringt das Schiff zum Scheitern ; wenige retten sich, unter ihnen Antheia. Aber sie fallen am Strand in die Hand einer Räuberschar unter dem Hauptmann Hippothoos. - Der Schiffbruch bezieht sich im Ritual der Mysterienweihe auf das Reinigungsbad (Taufe), im Lehen auf alles Unglück, das dem Mysten auf seiner Lehensreise begegnet. Fulgentius (Virgiliana continentia p. 91, 6 Helm) sagt iihcr den Schiffbruch bei Yergil : naufragium posuimus in modum pericu�osae nativitatis . . . in qua necessitate universaliter humanum volvitur genus. Manto teilt ihrem Vater Apsyrtos mit, daß Antheia verkauft worden sei ; so erfährt es Hahrokomes. Er geht von Apsyrtos weg, um Antheia zu suchen. - Die ��TI)cnc; spielte in Mythos und Kult der lsis eine große Rolle. lsis sucht Osiris oder Horos, Psyche Eros, Hahrokomm; Antheia. Daß die Rolle von Mann und Frau vertauscht ist, ist unwescntlieh . Hahrokomes findet den Hirten und erfährt, daß Antheia nach Kilikien gekommen ist. Inzwischen feiern die Räuber des Hippothoos ein Ares fest1 in einer Höhle. Antheia soll als Opfer geschlachtet werden. Im letzten Augenblick kommt die Rettung : Der dp1jv&px1Jc; von Kilikien, Perilaos, überfällt die Räuberhöhle und befreit Antheia. - Der Leser bezieht diese Episode natürlich auf den Scheintod des Mysten bei der Initiation. Über die unverhoffte Rettung in höchster Gefahr s. S. 98. Die Räuber werden getötet, nur Hippothoos entkommt. Der Eirenarch Perilaos verlieht sich in Antheia und will sie heiraten. Antheia weiß sich nicht zu helfen und bittet wenigstens um Aufschuh der Ehe. - Den modernen Leser langweilen die ewigen Versuchungen, welchen die Lie hestreue der antiken Romanhelden ausgesetzt wird. Der antike Leser konnte nicht genug davon lesen ; für ihn waren diese Episoden das Abbild aller Versuchungen und Gefahren, denen der Myste im Lauf des Lehens ausgesetzt wird. Immer wieder gerät der Mensch in Situationen, die ihm nahelcgen, die Gebote des Gottes zu übertreten oder die be schworene enge Gemeinschaft mit ihm zu lösen ; all diese Versuchungen gilt es zu bestehen. Hahrokomes wandert nach Kilikien und trifft auf dem Weg den ent kommenen edlen Räuber Hippothoos. Beide sind auf einer Irrfahrt (7tAOCV1J), beschließen, zusammen zu reisen, und schwören einander, sich gegenseitig zu helfen. 111. Buch. Hippothoos und Hahrokomes erzählen sich auf dem Weg ihre Geschichten. Hippothoos stammt aus Perinth. Er hatte einen schö nen Knaben geliebt, und dieser war ihm ergehen. Aber "ein Dämon 1 Ares vielleicht gleich Seth.
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nahm uns das übel" ( aiXLfl(J)V ·n<; �fl�V SVE:flEO"YJO"e:) . Ein anderer Liehhaber nimmt dem Hippothoos den Knaben weg, indem er diesen für teures Geld dem Vater abkauft. Hippothoos dringt nachts ins Haus des Rivalen ein, findet ihn neben dem Knaben liegen und tötet den Nebenbuhler. Um der Vcrfolgung zu entgehen, flieht er mit dem Knaben zu Schiff. Sie geraten in einen Sturm, das Schiff sinkt, der Knabe ertrinkt. Aus Verzweiflung wird Hippothoos Räuber. - Der Dämon, der den beiden Lichenden grollte, war Isis-Nemesis. Sie verbietet und bestraft die homo sexuelle Liehe. Sie war den ägyptischen Priestern untersagt ;1 schon im Totenbuch versichert der Verstorbene den Totenrichtern : "Ich habe keinen Diener in seinem Hause beschlafen. "2 Der Rivale des Hippothoos, der den Knaben gekauft hatte, muß dies mit dem Tode büßen. Hippo thoos, der den Knaben entführt, verursacht dessen Tod. Der Knabe besteht die Reise über das Meer des Lehens nicht ; Isis schenkt keine e:\htAOLIX und geleitet nicht als Retterin ( cr6ne:tp1X) in den Hafen des Heils. Habrokomes und Antheia aber rettet sie schließlich aus allen Gefahren. Im weiteren Gespräch mit Hippothoos erfährt Hahrokomes, daß Antheia bei den Räubern gewesen und befreit worden ist. "Du, Habro komes, wirst deine Geliebte einst wiedererlangen ; aber ich werde meinen Liebling nie wieder sehen können." Inzwischen naht der Hochzeitstag der Antheia und des Perilaos. Die Hochzeit soll in Tarsos gefeiert werden, der Hauptstadt von Kilikien, einem wichtigen Kultort der Isis.3 Zum Glück für Antheia erscheint dort ein Arzt, der aus Ephesos stammt. Sein Schiff war auf der Reise nach Ägypten untergegangen ; so kam er nach Kilikien. - Der Arzt aus Ephesos ist ein Diener der Isis. Die Göttin selbst hat als Pronoia den Wcg seines Lehensschiffes so gelenkt, daß er zur rechten Zeit da ist, um Antheia vor der Ehe mit Perilaos zu retten. Im Mysterium vertritt ein Priester seine Stelle. In ihrer Not bittet Antheia den Arzt unter Berufung auf die heimische Göttin Artemis ( Isis) um Hilfe. Der Arzt tröstet sie (.&1Xppe:�v 7totpe:x&Ae:t} und schwört, ihr zu helfen. Da verlangt Antheia von ihm Gift, "irgend 7to.&e:v, ein Mittel, das mich Unglückliche vom Übel befreit" (cp&pfl!XXOV 8 XIXXWV flE: cX7tiXAA&�e:L Tl)v XIXxo 8otLflOVot) ; denn ihr Gatte sei tot, und sie wolle den Treueid nicht übertreten. Sie gibt dem Arzt 20 Minen Silber =
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Chairemon bei Porphyrios, De abst. IV 7 (fr. 1 0 Schwyzer, 618 F 6 Jacoby). Kup. 125 ; Roeder, Urkunden 276. 3 Vgl. die von Drexler zusammengestellten Belege, Numismatische Zeitschrift 2 1 , 1 881), 2 1 6-225 (Münzen, Terracotten usw.). Eine Münze auch bei Leipoldt, Abb. 36. S. f•·rnf'r Magie, Am. Journ. Arch. 57 1 953, 1 78. 2
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und ihre wertvollen Halsketten. - Das Mittel, das Antheia von allem Übel befreit, ist die Weihe. Sie ist ein ritueller Tod. Es kam vor, daß der Initiand für die Weihe alles an Geld und Geldeswert hergeben mußte, was er besaß ; so kann Lucius die zweite Wc ih c erst erhalten, als er auch noch seine Kleider verkauft (Apul. XI 28) . An d er Halskette der Anthcia hingen wahrscheinlich geweihte Talismane ('t"e:AErrp.a't"a), welche bei einer früheren Weihe als Erkennungszeichen (crup.ßo/,a) iiLcrgcbcn worden wa ren. Sie muß diese jetzt dem Priester vorz ci gt� n , u m zu der höheren Weihe zugelassen zu werden. Wir werden auf die aup.(1r,J.a u nten S. 2 1 9 zurückkommen. Der Arzt gibt Antheia statt des Giftes ein starkes S d t l a fm i t.tel . Als die Nacht naht, wird das Brautgemach bereitet und der J l y m e n aios angestimmt. Antheia nimmt das Schlafmittel und stürzt sofo r t. wie tot zur Erde. - Wir haben hier den funereus thalamus aus Ap u l . I V :n ; die Verbindung 't"&cpoc;-.lM'Aa p.oc;, welche uns schon im Orakel des Apullun (Xen. I 6) begegnete, werden wir noch oft antreffen.1 Die n ächtlidw Mysterienweihe ist Hochzeit und Tod des alten Menschen zugleich. Na türlich handelte es sich im Ritual immer um einen Scheintod. Er wurde durch ein starkes Schlafmittel herbeigeführt, vgl. oben S. 83 über die Geschichte vom klugen Arzt. Perilaos findet die Braut scheintot im Brautgemach. Man beklagt sie, und Perilaos ruft : "Mein liebes Mädchen, in was für ein Brautgemach werden wir dich führen - ins Grab !"2 Man schmückt das Mädchen u nd begräbt sie vor der Stadt. - Dies ist das Sargritual der Osiriswcihe, welches wir unten S. 126 f. besprechen werden. Die begrabene Antheia kommt wieder zu sich. Sie beschließt d u rch Hunger zu sterben. Aber nachts kommen Räuber, erbrechen das friMche Grab, um den Schmuck zu holen, finden Antheia lebendig, richten Mic auf (&.vlcr't"O.l\1 au� v ) und führen sie ZU Schiff nach Alexandria. Sie sprechen ihr Mut zu (&appe:�v E:xel.e:uov) und zwingen sie, Sp e i Mc und Trank zu sich zu nehmen. - Hier wird die Auferstehung eines i n d er Weihe Gestorbenen zelebriert. Das Fasten der Antheia, die von den Räubern ( = Mysteriendienern) gereichte Speise und der Trank haben kultische Bedeutung. Inzwischen hat der Räuber Hippothoos eine neue Bande geRammelt. Durch die Erzählung einer Alten erfährt Habrokomes den Tod und die Bestattung seiner Gattin und den Raub der Leiche. Er klagt leiden•
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1 Vgl. Kerenyi 143. 2
111 7, 2 d.; o!6v a e 3-cX.AIX!J.OV
Tov TcX.q>Ov &!;o(J.ev.
X c n op h o n v o n Ep h c s o s l'ehaftlich ; tli c
Häuber sprechen ihm Trost zu (&<Xppdv . . . 7t<Xpex&.Aouv) . Habrokomes tmtfernt sich von den Räubern und nimmt ein Schiff nach Ägypten. - Man beachte die Duplizität des Trostes, hier wie oben (119-10) . Inzwischen verkaufen die Räuber in Alexandria Antheia an Kaufleute, diese an einen reichen Inder Psammis. Dieser will sie in sein Bett ziehen. An th e i a aber gibt vor, sie sei der lsis geweiht, und entgeht so den Nach stellungen des Barbaren. - Ein Keuschheitsgelübde vor dem lsisfest bezeugt Tibull I 3, 25 f.1 Nach der Erzählung beruht es auf einer Täu schung, daß man Antheia für der Isis geweiht hält (tr:: p oc T/j<; '( lcnoo<; vo fLL�OfL�VYJ) . In Wahrheit ist sie es wirklich. Hier wie oft versteckt der Romandichter den mystischen Sinn seiner Erzählung, indem er als Schein ausgibt, was in Wahrheit der tiefere Sinn der Episode ist. Das Schiff des Habrokomes scheitert an der Nilmündung. - Dem Schiffbruch der Antheia entspricht der Schiffbruch des Habrokomes. Jeder Myste muß durch das Reinigungsbad gehen. Die Geretteten werden von Räubern gefangen, gefesselt nach Pelu sium geführt und dort verkauft. Ein alter Mann kauft Habrokomes. Wie Antheia, so wird nun Habrokomes . verkauft. Die Parallelität der Schicksale der beiden Helden läßt sich durch den ganzen Roman ver folgen. Der Grund für diese Doppelungen ist, daß das Weiberitual für j eden Mysten dasselbe ist. Die Handlung des Romans umspielt nur das Ritual, wie in der Musik Variationen ein gegebenes Thema. Die Frau des Alten verliebt sich in den jungen Sklaven und tötet ihren Mann, um ihn heiraten zu können. Als Habrokomes ihre Anträge aus schlägt, wirft sie ihm den Mord des Alten VOif und übergibt ihn der Polizei. Er wird zum praefectus Aegypti geführt. - Eine neue Variation der mythischen Geschichte des Bata. IV. Buch. Inzwischen zieht die Räuberschar des Hippothoos durch Syrien nach Ägypten, kommt durch das der lsis heilige Memphis und zieht nach Koptos. Habrokomes wird vom praefectus Aegypti zum Kreuzestod verurteilt. Er ist durch all dies Unglück sprachlos2 und tröstet sich über den Tod mit dem Gedanken, daß auch Antheia tot sei. - Die Rolle des Mysten bei der Initiation ist passiv. Er muß das ihm noch unbekannte Todesritual über sich ergehen lassen und auf die Rettung durch die Götter vertrauen. Die Weihe ist eine voluntaria mors.3 1 Vgl. auch Plutarch, De Iside 2; Apuleius XI 19, 3 castimoniorum abstinentiam und uhcn S. 36, 2. 2
Sdtweigen des Mysten. XI 2 1 , 7 ; vgl. Kerenyi 1 42, zum Folg enden ebenda 1 2 4ff.
• Apul.
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Am Ufer des Nils errichtet man das Kreuz und bindet Habrokomes daran fest. Der Gekreuzigte blickt zur Sonne und auf das Nilwasser nieder und betet : " 0 du menschenfreundlichster der Götter, der du Ä gypten beherrschst, durch den Land und Meer allen Menschen er schienen sind ! Wenn ich Unrecht getan habe, dann will ich sterben ;. wenn ich unschuldig bin, dann möge das W as:,;er des Nils nicht befleckt werden durch den Leichnam eines unschuldig Hingerichteten, und du mögest nicht sehen, daß in deinem Land ein Men sch unschuldig getötet wird." - Das Gebet richtet sich an Osiris- Sarapis-HoroH, den Herrscher von Ägypten.1 Er ist nach dem Redner Aristeides der "men Hchenfreund lichste" (qnA<Xv&pw7t6't'<X't'o�) der Götter (Rede auf Sarapis 26) ; er ist als Horos Sonnengott, als Osiris der Nil ; er ist auch der Weltschüpfer, denn im Eid der lsismysten2 heißt es :
O[LVUW X<X't'OC 't'OU aLxoccr<XV't'O� x<Xl xpLV<XV't'O� TYjv yYjv cX7t' oup<XVOU X<Xl crx6't'o� &7to
o -rTjv ci:pxT)v Tij<;;
Atyu7t't'OU exwv xcd -rT,v 't'EAEU't'YJV -r'ij<;; 81.7)<;; otxoUfl.EV7J<;; . 2
Pap. Soc. It. 1 1 6 2 und 1 290, vgl. oben S. 20, 1 . Ro eder, Urkunden 87 (Metternichstele 40) ; Kerenyi 1 3 3. Vgl. auch die Mu mienetiketten mit dem Wort Ö7toßp6xto<;; , welche Hopfner, Komm. I 41, bespricht, und 7tO't'CXfl.Otp6p7)'t'O<;; in P. G. M. IV 876 ; ferner S. 24, 0 ; l34 f. ; 139, l . 3
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An der Nilmündung wird der Scheiterhaufen errichtet und entzündet. Aher als das Feuer den Hahrokomes umzüngelt, betet er wieder. Der Nil tritt über die Ufer und löscht das Feuer. Die Anwesenden staunen über das Wunder. - Dies ist die Feuerprobe der Mysterien.1 Das Staunen der Zeugen ist ein aretalogisches Motiv. Es ist nämlich wesentlich, daß das Wunder, welches der Gott bewirkt hat (d. h. seine &pe't"f)), durch zahlreiche Zeugen bestätigt wird. Vgl. unten S. 151. Das plötzliche Anschwellen des Nils bezieht sich auf die Nilflut, die auch bei Achilleus Tatios und Heliodor eine große Rolle spielt und die Schicksale der Helden entscheidet oder heeinflußt. Sie war eines der höchsten Feste der Isis religion, s. unten S. 135 f. Indem das Nilwasser das vertrocknete Land überflutet, überwindet der Gott des Wassers, Osiris, den Dämon der Dürre und des Feuers (Scheiterhaufen), Seth. Wenn Hahrokomes am Tag des Anschwellens des Nils hingerichtet werden soll und durch das Nilwasser gerettet wird, so bedeutet dies, daß der Initiand an diesem Festtag in der Weihe einen rituellen Tod durchmachen mußte und durch das Dazwischentreten des Nils ( Osiris) gerettet oder wieder zum Lehen erweckt wurde. Diese Rettung war ein Bild der Rettung seiner Seele und präfigurierte die Wiederbelebung nach dem Tode. Man bringt Hahrokomes zum drittenmal vor den praefectus Aegypti und berichtet, daß der Nil ihm wieder geholfen habe. Der Präfekt staunt und befiehlt, Hahrokomes im Gefängnis zu halten, bis man erfahre, warum er den Göttern so am Herzen liegt. - Das " Gefängnis" ist ein Raum im Mysterienhaus. Inzwischen will Psammis nach Äthiopien reisen und nimmt Antheia mit. Sie kommen durch Memphis. Antheia bittet dort im lsistempel die Göttin um Hilfe : "Du größte der Göttinnen, hisher hin ich noch keusch geblieben, da ich als die Deine gelte . . . rette mich und vereine mich mit Hahrokomes oder - wenn dieser gestorben ist - hilf mir dem Toten die 'Treue halten." - Summa numinum nennt Isis sich selbst bei Apuleius (XI 5, 1 ) . Wie Antheia dem totgeglaubten Hahrokomes, hat sie ihrem toten Gatten Osiris die Treue gehalten.2 An der äthiopischen Grenze hinter Koptos überfallen die Räuber des Hippothoos den Zug, töten Psammis und führen Antheia mit den Schät=
1 Kerenyi 140 hat gesagt, daß Habrokomes Feuer, Wasser, Luft und Erde durch quert habe wie Lucius (Apul. XI 23 per omnia vectus elementa). Dies ist richtig, denn mun kann den vom Wind verursachten Sturz des Kreuzes als rituelle Andeutung eines Fluges auffassen. • Dadurch konnte kein Zweifel an der Echtbürtigkeit des Horos aufkommen (Kerenyi ' 220).
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zen in die Räuberhöhle. - lsis hat das Gebet der Antheia erhört.! Die Räuber-Mysteriendiener retten die junge Frau vor Psammis. Daß An theia bis zur äthiopischen Grenze kommt, hat wieder eine mystische Bedeutung. Dort ist der erste Katarakt, wo der Nil die Berge durch bricht und nach Ägypten strömt. Hier, bei Syene (Assuan) , sind die "Quellen des Nils", zu denen die römische lsisdienerin wallfahrtet (Ju venal 6, 526 ff.), an denen Psyche das Lebenswasser geholt hat (oben S. 37-42) . Antheia hat dieselbe Wallfahrt gemacht . Hippothoos erkennt Antheia nicht, denn diese nennt sich "Memphi tis". - Dies ist ein Weihename der Mystin. Memphis war das Zentrum der lsisreligion. Ähnlich wird eine ravennatische lsisdienerin mit dem Beinamen Memphius genannt.2 Hinter der Höhle verbirgt sich ein Kult platz. (Der praefectus Aegypti läßt Habrokomes frei ; er fährt nach Italien. - Hier hat die Helios-Umarbeitung eingegriffen ; in dem alten Isis roman mußte das Paar sich in Ägypten finden, wie das Orakel I 6 ver heißen hatte. ) Einer der Räuber verliebt sich in Antheia. Aber weder Fesseln noch Drohungen machen auf sie Eindruck. Als der Räuber ihr Gewalt in der Höhle antun will, ergreift sie ein Schwert und tötet ihn. Da sie keinen Weg zur Flucht weiß, beschließt sie, in der Höhle zu bleiben und zu ertragen, was der Gott bestimmt. - Auch diese Szene spielt auf eine Probe bei der Initiation an, 3 die wir im einzelnen nicht rekonstruieren können. Die Ergebenheit, mit welcher der Myste abwartet, was Gott gibt, haben wir schon kennengelernt. Am anderen Morgen kommen die Räuber und wollen Antheia bestra fen. Sie graben eine tiefe Grube, werfen Antheia und zwei große scharfe Hunde hinein und decken die Grube mit Reisig zu. Als Wächter lassen sie einen anderen Räuber, Amphinomos, zurück. Dieser hatte sich auch in Antheia verliebt und erbarmt sich ihrer. Er wirft dem Mädchen und den Hunden Brote hinunter, reicht ihnen Wasser und spricht Antheia Mut zu (&ocppet:v 7tocpex&Aet) . Da die Hunde Speise haben, tun sie Antheia nichts und werden sogar zahm. Antheia aber klagt : " Grube 1 Wie Horos soeben das Gebet des Habrokornes erhört hat. 2 Dessau 9442. Vgl. Egger, Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts 4, 1951, 35 ff. ; Benoit, Latomus 12, 1953, 77 ff. ; Carcopino, Le mystere d'un symbole chretien 59-68 und De Pythagore aux Apötres 368 ff. - Vgl. ferner C. I. L. VI l l 2 7 l Dessau 44l l Agrippinae vere Memphianae. 3 S. unten S. 187 über eine entsprechende Szene in den Mithrasmysterien. =
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und Gefän gnis - aber ich erleide nur dasselbe Schicksal wie du, Habro komes ; auch dich ließ ich in Tyros im Gefängnis zurück." - Die ganze Szene ist voller Anspielungen auf die Weihe. Grube und Gefängnis ent sprechen einem Prüfungsort im Mysterienhaus. Für die Bedrohung durch wilde Tiere vergleichen wir die dritte Aufgabe der Psyche (Apul. VI 14, 4-5) und das Gewand des Lucius (XI 24, 3) . Man reicht den Hunden Brot, um sie zu besänftigen, wie Psyche dem Cerberus (VI 19, 4) . Der Wächter spricht dem Prüfling Mut zu (-9·1Xppe�v) und reicht ihm Brot und Wasser. Damit wird auf ein sakramentales Mahl angespielt, das in der "Unterwelt" stattfindet, vgl. Apul. VI 19, 5 ; Brot wie Wasser sind Osiris. V. Buch. (Habrokomes landet in Sizilien bei einem Fischer, der ihn gut aufnimmt und wie einen Sohn pflegt. Der Fischer erzählt seine Ge schichte. Er war Spartaner und hatte seine Frau entführt ; sie hatte die Haare geschoren und Jünglingstracht angelegt. Sie lebten lange glück lich. Vor kurzem war die Frau gestorben. Er hat sie einbalsamiert und lebt mit der Mumie : er spricht, speist und schläft mit ihr, wenn er müde ist, tröstet sie ihn. Er denkt an ihr früheres Glück, an die Nachtfeste zu Sparta und ihre Treueide. ) - Eine merkwürdige Szene. Haaropfer und Verkleidung des Mädchens, Nachtfeste und Treueide spielen auf ein Ritual an.1 Vor allem aber ist an die Geschichte der Charite zu erinnern. Schließlich scheint auch die Gestalt des "Fischers" einen mystischen Sinn zu haben : Wie der Fischer den Fisch aus dem Meer zieht, so der geistliche Vater bei der Weihe seinen " Sohn" aus dem Taufwasser ; man vergleiche Apul. XI 23, I und die heidnischen Gemmen mit der Dar stellung des Fischers, welche von den Christen übernommen wurden.2 Auf dem Filocyriussarkophag (Tafel VI) sieht man rechts einen Fischer, der an der Angel einen Fisch aus dem Wasser zieht. Die Beziehung dieser Darstellung auf den Isisdienst ist sicher.3 Die ganze Episode vom 1 Vgl. Achilleus Tatios V 17, 3. 2 Vgl. Klauser in seinem Nachruf "F. J. Dölger, Leben und Werk", Münster 1956,
23.
3 Nicht ohne Grund zieht in der Isisprozession zu Korinth die Maske eines Fischers mit (Apul. XI 8, 3). Neben ihm gehen ein Leimrutenfänger, Ganymed mit dem Nektar pokal und Bellerophon anf dem Pegasus. Ganymed wurde von Zeus zum Himmel entführt und reicht ihm dort den Trank der Unsterblichkeit ; Bellerophon ist auf dem Pegasus zum Himmel emporgestiegen ; die Bedeutung des Leimrutenfängers werden wir noch kennen lernen (unten S. 2 1 2). Der Raub des Ganymed ist dargestellt z. B . auf der Igeler Säule und auf einem Stuckrelief in der unterirdischen Basilica bei der l'nrtn Maggiore, s. Carcopino, La basilique pythagoricienne 1 1 1 f. und Tafel IX. Vgl. ührip;mtH schon Theokrit Adoniazusen 1 24 : Das für Adonis und Aphrodite bereitete
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Fischer kann in dieser Form nicht in dem ursprünglichen lsisroman gestanden haben, in dem Sizilien nicht vorkam. Aber ihr Kern stammt vermutlich aus dem Urroman. Inzwischen zieht die Räuberschar des Hippothoos nilabwärts. Amphi nomos, der Wächter des Mädchens, verbirgt sich in einer Höhle ; als seine Gesellen fort sind, führt er Antheia aus der Grube, spricht ihr guten Mut zu (&ocppe'i:v 7tocpex&'Ae�) und führt sie nach Koptos. Die Räuber werden von einer Truppe unter Polyidos geschlagen, welche der prae fectus Aegypti ausgesandt hatte.1 (Hippothoos entkommt nach Sizilien. ) Polyidos zieht nun auf der Suche nach den Resten der Räuberschar durch ganz Ägypten ; in Koptos wird Amphinomos festgenommen, und Antheia kommt in die Gewalt des Polyidos. Sie verschweigt ihren Namen und gibt sich als Ägypterin aus. - Dies bedeutet entweder, daß sie ihren Mystennamen statt des Geburtsnamens nennt, oder, daß der Myste seinen wahren Namen verschweigt. Auf der Rückreise verliebt sich Polyidos in Antheia. Sie rettet sich vor seinen Nachstellungen in den lsistempel zu Memphis und bittet die Göttin wieder um Rettung. Polyidos verspricht nun im Tempel sie zu schonen. Nach einigen Tagen geht Antheia auch noch in das Heiligtum des Apis. Die Knaben, welche vor dem Heiligtum spielten, standen im Ruf der Weissagung. Als Antheia im Tempel um eine Prophezeiung üher Habrokomes gebeten hatte und aus dem Heiligtum herauskommt, rufen die Kinder : "Bald wird Antheia ihren Gatten Habrokomes be kommen". - Dies Orakel2 muß in dem alten Isisroman in Erfüllung gegangen sein (Kerenyi 62) . Polyidos kommt mit Antheia nach Alexandria und geht zum prae fectus Aegypti. Die Frau des Polyidos aber ist auf Antheia eifersüchtig1 Bett ist mit Schnitzwerk verziert ; ein Adler trägt den Ganymed als Mundschenk zu Zens empor. Ganymed stirbt und wird unsterblich wie Adonis. Vgl. auch oben S. 37 und 42 und unten S. 2 1 0, 3 und 2 1 2. Daß Ganymed in der korinthischen Isisprozession in skurriler Weise durch einen Affen dargestellt wird, besagt nichts dagegen, daß man mit dieser Darstellung eine Unsterblichkeitshoffnung zum Ausdruck brachte. Wir ·sagen : "Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist nur ein Schritt" ; im Isiskult ist das Erhabene manchmal mit voller Absicht lächerlich dargestellt worden. Die korinthische Prozession konnte von allen Profanen gesehen werden ; was die Masken bedeuteten, ging diese nichts an und sollte verschleiert werden. 1 Der Sieg der Truppen des praefectus Aegypti über die Räuber wiederholt den mythi schen Sieg des Horos über Seth. 2 Das Kinderorakel zu Memphis wird öfters erwähnt, s. Aelian, nat. anim. XI 1 0 ; Plin., nat. hist. VIII 4 6 (185) ; Dio Chrysost. 32, 13 ; vgl. auch Plutarch, D e Iside 1 4 und Pausan. VII 22, 3.
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zerreißt ihr das Kleid, geißelt sie, schneidet ihr die Haare ab und fesselt sie. - Die Beziehung dieser Szene auf das Mysterienritual ist offen siehtlich,l vgl. Kerenyi 60. Ihr entspricht die Geißelung und Fesselung des Habrokomes in II 6 . Hier bricht der alte Isisroman ab. Vermutlich ist Antheia in ihm ebenso ins Bordell gebracht worden wie in der Helios-Fortsetzung. Aber die Rettung aus aller Not war nahe, denn im Isisroman war Habrokomes noch im Gewahrsam beim praefectus Aegypti, der ja aufklären wollte, warum Habrokomes den Göttern so am Herzen liegt (IV 2, 10) . Jetzt dürfte sich ursprünglich alles zum Guten gewendet haben ; der Vater des Habrokomes scheint nach Aegypten gekommen zu sein, um den Sohn aus dem Gefängnis zu befreien (vgl. oben zu li 8, 2). Vermutlich hat eine Gerichtsverhandlung stattgefunden, nach dem mythischen Vorbild des Prozesses zwischen Horos und Seth bzw. der Rechtferti gung des toten Osiris vor den Totenrichtern. Der praefectus Aegypti als Stellvertreter des Osiris-Horos auf Erden führte die Liebenden zu sammen.2 Das Sich-Wiederfinden (e:\5pe:mc;) des Paares fand im Tempel der Isis statt, s. unten. Die Orakel des Apoll von Kolophon (I 6) und der Kinder vor dem Apisheiligtum zu Memphis haben sich also im alten Roman erfüllt. Der Rest des erhaltenen Romans entstammt bis auf wenige Ab schnitte der Heliosredaktion. Antheia wird nach Italien verschifft und in Tarent in ein Bordell verkauft. Sie stellt sich dort, als sei sie an der "heiligen Krankheit" (Epilepsie) erkrankt, und rettet so ihre Keusch heit.3 Der Bordellwirt will die unnütze Sklavin verkaufen. 1 Vgl. oben S. 33. Auch das Abschneiden der Haare gehört zum Ritual. 2 In hellenistischer Zeit muß die Isisreligion noch eng mit dem Herrscherkult ver bunden gewesen sein. Der König war ein incarnierter Horos-Sarapis (auch Dionysos), die Königin eine Vertreterin der Isis. Ein merkwürdiger Beleg für den Zusammenhang von Mysterien und Herrscherkult ist die Ehreninschrift für Augustus aus Halikarnass, in der die Mysterienworte t),7tlawv XP 1J O"Twv und e:u3-U!J.L<X vorkommen (Ancient Greek Inscriptions in the British Museum IV l, 894 Ehrenberg-Jones, Documents illustra ting the Reigns of Augustus and Tiberius 98 a). In der Kaiserzeit löste sich diese Ver bindung. Isis und Osiris wurden übernationale Götter. Der Untergang des selbständigen ägyptischen Staates war Voraussetzung für die Ausbreitung der Isisreligion über die ganze Mittelmeerwelt. - Den praefectus Aegypti als Erben der Ptolemäer und Pharao nen zeigen etwa Strabon XVII l, 12 und l, 51 (p. 797 und 81 8), die Inschrift des Bal llillus (Dittenberger, 0. G. I. 666), eine Bittschrift an denselben (Sammelbuch griechi Ndwr Urkunden aus Ä gypten 7462) und Plin. nat. hist. V 9, § 57. 3 Die Szene könnte schon im Isisroman vorgekommen sein, vgl. Kerenyi 2 1 0 ff., J ..,�. 222 mit dem Zitat aus Strabon XVII l, 46 p. 8 1 6 (sacrale Prostitution in Theben). Eirw A ndeu tung dieser Episode kann auch im Mysterium vorgekommen sein. Aber die =
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Der edle Räuber Hippothoos ist in Tarent gelandet und heiratet dort eine reiche alte Frau, die bald stirbt und ihm ihren Reichtum hin terläßt.1 Er reist nach Tarent, trifft Antheia auf dem Sklavenmarkt, erkennt sie als das in Ägypten gefangene Mädchen und wundert sich über ihre unerwartete Rettung (mxpr:X.J... o yo�
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juhdt uml ruft "Eine große Göttin ist Isis" (fLe:y&kfJV .&e:ov &votx�oÜv't'e:� 't'�V '"Icrw) . 1 Hier sind wir mitten in einer Isisaretalogie ; vom Jubelruf mul Zeugnis des Volkes hören wir auch bei der Verwandlung des LueiuH (Apul. XI 13, 6) : populi rnirantur, religiosi venerantur tarn tmidentwt maxirni nurninis potentiarn2 et facilitatern reforrnationis, claraqw! et consona voce, caelo rnanus attendentes, testantur tarn inlustre deae beneficiurn.3 Daß die e:Üpe:cr�� das große Fest der Isismysterien ist, hraucht nur eben gesagt zu werden. Antheia und Hahrokomes danken der Isis für ihre Rettung (crG't'YJp�ot) . In der nächsten Nacht erzählen sie sich ihre Erlebnisse wie Penelope und Odysseus, die Ahnherrn aller Irrfahrer der Romane. Antheia hat alle Gefahren überstanden und fragt ihren Mann : "Bist du mir treu gehliehen ?" Er schwört ihr bei dem ersehnten Tag des Wiederfindens, daß sie ihren Mann ebenso rein antrifft, wie sie ihn in Tyros im Ge fängnis verlassen hatte. Am andern Tag fahren sie nach Ephesos. Die Kunde von ihrer Rettung (crw't'Y)p�ot) war schon vorher dort angekom men,4 und ihr erster Weg war zum Tempel der Artemis. - "Artemis" ist hier nur ein Deckname der Isis ; "Ephesos" ist jeder Ort, an dem der Isis ein Kult erwiesen wird.5 Wie das Paar nach Ephesos zurückkehrt, wird der Myste am Ende seiner Reise über den Ozean des Lehens zur wahren Heimat, der Gemeinschaft mit den Seinen6 und der Göttin, zurückkehren. ·
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anderes die Wiederholung der Worte 't'�V 'Av-ll-d <Xc; e:Üpe:ow in V 1 3, 1 - 2 . I m folgen den scheiden sich die Zusätze der Heliosbearbeitung leicht aus. 1 V gl. P. G. M. XXIV I ME")'IiA'I] Time; � xupl<X. Viele Parallelen bei E. Petersen, E!c; .ß.e:6c; ( Göttingen 1 926) 208. 2 potentiam &pe:'t'�\1. 3 Vgl. die Sarapisaretalogie des Maiistas, I. G. XI 4, 1 2 99 = Powell, Collect. Alex. 71 Vers 6 l f. : &rr<Xc; 8' &p<X A<Xoc; exdvw� ciTjv &pe:TI)v -ll-&!J.�'IJcre:v ev �IJ.<Xn, ferner K erenyi 61 . 4 Auch die wunderbare Schnelligkeit des Gerüchtes ist ein aretalogisches Motiv, vgl. Apuleius XI 18, 1 nec tarnen Fama volucris pigra pinnarum tarditate cessaverat, sed protinus in patria deae providentis adorabile beneficium meamque ipsius fortunam memorabilem narraverat passim. 5 Der Verfasser braucht keineswegs Ephesier gewesen zu sein ; die einzige genaue Angabe, die auf Lokalkenntnis schließen lassen könnte, sind die 7 Stadien von der Stadt bis zum Heiligtum der Artemis in I 2, 2, und diese Angabe stammt aus Herodot I 26, 2 (Lavagnini, Studi sul romanzo greco 145 ff.). Vgl. auch Kerenyi 64. Immerhin bestand in Ephesos ein bedeutender Kult des Sarapis und der Isis, s. die von Drexler zusammengestellten Zeugnisse (Numismatische Zeitschrift 2 1 , 1889, 78-94 ; Münzen und Inschriften) ; Keil, Anzeiger der österr. Akademie, Wien 1 954, 2 1 7-228 ; Miltner, lo:p lwsos (Wien 1958) 69 ff. • l fabrokomes und Antheia erwarten im Jenseits vereint zu sein : II 1 , 6 und 111 6, :. . Vgl. Dalmeyda, Vorrede zu seiner Ausgabe S. XX, 4. =
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Sie gehen der Göttin reiche Gahen und deponieren i m Tempel "eine Beschreibung all dessen, was sie erlitten und getan hatten".1 - Dies ist ein rein aretalogischer Schluß. Die inschriftlich erhaltenen Areta logien sind solche Weihgahen an Tempel. Ausführlichere Darstellungen hat man als Bücher deponiert.2 Solche Aretalogicn, die dann auch ver lesen werden konnten, sind einer der Ansatzpunkte gewesen, aus denen die literarische Form des Romans erwachsen ist. Die Ähnlichkeiten der Ephesiaka zum Mythos von Eros und Psyche sind oben angemerkt worden. An der Priorität des Psyche-Mythos wird niemand zweifeln. Die Verdoppelung des Eingangsmotivs würde genügen, dies zu beweisen ; Psyche war allgemein Vertreterin des ein zelnen Mysten gewesen, hier wird für den männlichen oder weihliehen Isisgläuhigen je ein besonderer Vertreter eingeführt.3 Man fragt sich, ob dem Xenophon eine schriftliche Fassung des Psychemythos vor gelegen hat. Diese Annahme ist vielleicht nicht nötig ; es ließe sich auch denken, daß der Psyche-Mythos von Erzählern (Aretalogen) bei lsis festen vorgetragen wurde und dem Xenophon nur in mündlicher Form bekannt geworden ist.4 1 V 1 5, 2 8aa. -re: /tn;a..&ov xa.t ÖO"Ix lt8pa.aa.v = Odyssee .& 490 8aa' ltp�a.v -r' /tn;a..&6v -re: xa.t öaa' l:f1.6ytjaa.v 'Axa.Lol. 2 Pap. Oxy. 1 3 8 2 enthielt ein Buch des Titels : ÄLoc; ' H).(ou {le:yoc).ou �a.p&m8oc; &:pe:TI) ij m:pt �up(wva. -rov xuße:pv-I)TI)v. Das Buch schloß mit den Worten : xa.t xa.-ra. xwp(�e:-ra.L ij &:pe:T1) l:v -ra.ic; Me:pxouplou (Thoth) ßLßALo.&-ljxa.Lc;. o! Tta.povn:c; e:tTta.-re: · e:Ic; Ze:Uc; �&pa.mc;. Man hört noch die Stimme des Aretalogen. - Aretalogien als Inhalt ganzer Bücher bezeugt Aristeides im Sarapishymnus 29 (II 3 60 Keil) : oü-roc; l:anv 6 TWL 8v-rL Ttl.{lLa.c; &:ve{lWV . . . . . . oü-roc; {)8wp &:v'ijxe: TtOTLflOV ev (ltfG'I)L .&a.AOCTTIJL. oü-roc; Ke:L{levouc; &:veGTI)C1E:V. oo-roc; m:pLC11tO U8a.a-rov ij).(ou tpwc; -roic; .&e:a.-ra.ic; /t8e:L�e:v, WV !e:pa.t .&'ijxa.L ßlß).wv !e:pwv &:n;dpouc; &:pL.&floÜc; ltxouaw. {le:a-ra.t 8' &:yopa.l, rpa.alv, xa.t AL{leve:c; xa.l -roc e:Upuxwpa. -rwv n;o).e:wv -rwv xa..&' E:xa.aTa. l:�'YJYOUflevwv (der Aretalogen). V gl. Weinreich, Neue Urkunden zur Sarapisreligion (Tübingen 1 9 1 9) 1 4 f. Bücher über Wunder des Sarapis : Artemidor II 44. 3 Auch ist der Psyche-Mythos den alten Mythen der Isis und lo näher als der Roman des Xenophon ; das einleitende Motiv, der Zorn der Gottheit, ist in der lo-Sage und im Psychemythos besser begründet als in den Ephesiaka. 4 Dalmeyda S. XXVII stellt bei Xenophon un air de conteur populaire fest. Die von Rohde 407, 2 besprochenen "stereotypen Formeln" erklären sich am einfachsten als Reste mündlicher Diktion.
A C H I L L E U S TA T l O S Ein von Vogliano veröffentlichter Papyrus des Achilleus Tatios ist im 2. Jahrh. n. Chr. geschrieben.1 Altheim hat beobachtet, daß der Roman vor dem Jahr 194 geschrieben worden sein muß. In diesem Jahre wurde Byzanz durch Septimius Severus erobert und zerstört. Da die Stadt bei Achilleus Tatios eine wichtige Rolle spielt, ist 194 ein terminus ante quem.2 Der sehr charakteristische Stil des Autors mit seinen Antithesen, Isokola, kurzen nebeneinandergestellten Satz gliedern greift in gewollter Einfachheit der S atzfügung auf die frühe, vorklassische Prosa des 5. J ahrh. zurück. Diese archaisierende Tendenz scheint am besten in die Mitte des 2. Jahrh. zu passen. Eine genauere Datierung wird sich unten S. 132 ergehen. Das Werk des Achilleus Tatios ist - wie das des Xenophon - ein Isisroman.3 I. Buch. Aus schwerem Seesturm gerettet, bringt ein Mann der phö nizischen Göttin Astarte ein Dankopfer dar. Danach betrachtet er ein Gemälde, auf dem die Entführung der Europa dargestellt ist. Als Stier entführt Zeus die Geliebte, von Eros getrieben. "Wie herrscht das Eroskind doch über Himmel, Land und Meer", ruft der gerettete �_ee fahrer. Neben ihm steht ein junger Mann, Kleitophon, und stimmt lebhaft zu. Der andere fragt ihn nach seiner Geschichte : "Was war dein Schicksal ? Du siehst aus, als oh du der Weihe (-rEAETIJ) des Gottes nicht fern bist." Der ganze folgende Roman ist die Antwort des Kleito phon, der sein Schicksal erzählt. Der Himmel, Erde und Meer beherrschende Gott ist Eros-Horos. Astarte ist einer der vielen Decknamen der Isis.4 Der aus schwerem 1 Studi Italiani N. S. 1 5 , 1938, 1 2 1 ff. Vgl. auch Colonna, Bollettino del comitato per Ia preparazione dell' edizione nazionale dei classici Greci e Latini 1, 1 940, 73. 2 Altheim, Literatur und Gesellschaft I 124. - Altheim glaubte auch einen terminus post quem gefunden zu haben : Er verglich das Scheinopfer der Leukippe durch die Bukoien im 111. Buch mit dem Opfer eines römischen Cimturio durch die Bukoien'im Jahr 1 7 2 n. Chr. (Cassius Dio 7 1 , 4, I) und meinte, der Romandichter sei durch das wirkliche Ereignis angeregt worden. Aber das Scheinopfer der Leukippe hat sein Vor hild vielmehr in einem Sargritual der Osirisweihe (s. S. 126f.), und die räuberischen Bukoien nennt schon Strabon. 3 Man hat vermutet, der Beiname Tatios solle an Hermes-Tat, den Gott der Priester u n d Schreiber, erinnern. ' J>ittenberger-Hiller, Sylloge 1 132 (s. oben S. 1 1 , 1 ) ; Pap. Oxy. 1380, 1 1 6 (s. oben s. 7r., 1 ).
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Seesturm Gerettete ist von lsis in den Hafen des Heils geführt worden ; er wird die Weihe empfangen. Bei diesem Anlaß wird ihm von einem Geweihten (oder einem Aretalogen) eine Geschichte erzählt, die auf Mythos und Lehren der lsisreligion in verschlüsselter, nur dem Mysten verständlicher Form anspielt. Auch das Gemälde hat eine tiefere Bedeutung. Zeus als Stier ent führt Europa. Dies präfiguriert die gesamte Geschichte : Ein Liebes paar flieht auf das Meer, übersteht seine Gefahren und landet schließ lich am rettenden Ufer.1 Man kann auch interpretieren : Wer sich dem Gott anvertraut, den führt er sicher über das Meer des Lebens. Auch Einzelheiten des Gemäldes sind wichtig. N eheneinanderstehende Bäume "umarmen" sich mit ihren Blättern : Die Liebe regiert die ganze Natur ; auf die geheime Sympathie zwischen den Reichen der Natur. werden wir noch zurückkommen. Seitwärts steht ein Gärtner mit einem Karst in der Hand ; dies spielt auf eine der Prüfungen im lsismysterium an, s. unten 5. 141 . Europa "fährt" auf dem Stier "wie auf einem Schiff". Ihre Beine hängen nach rechts, die linke Hand faßt das Horn des Stiers, die rechte seinen Schwanz (man könnte sagen, das Steuerruder) . Ihr Gewand bläht sich hinter ihr "wie ein Segel". Dies: erinnert an die Darstellungen der lsis Euploia, welche auf einem Schiff mit sich blähenden Segeln das Steuerruder regiert. Europa ist also irgendwie mit der Seefahrerirr lsis identisch, und der Zensstier mit dem göttlichen Stier Osiris-Apis (Sarapis) ;2 bei der Entführung der. Europa "ahmte Zeus einen ägyptischen Stier nach", sagt Achilleus Tatios II 15, 4. Ps. Lukian, de dea Syria 4 berichtet, die sidonische Astarte sei nach der Erzählung eines Priesters der Europa gleich ; der Berichterstatter selbst hält Astarte für Selene. - Die der Entführung ZU• sehenden Gespielinnen der Europa sind dargestellt in der Haltung von, "Freude und Furcht" (zcxpii�; xcxt rp6ßou) . Dies sind Mysterienworte;' s. unten S. 226, 5.
·.
1 Noch ·genauer als die Geschichte des Kleitopbon und . der Leukippe entspricht die des Kaliistheiles lind der Kalli gone (s. unten S. 156 :ff. ) dem Mythos der Europa. 2 Vgl. schon Drexler, Roseher Il 454f. (s; v. Isis). Übrigens besteht eine nahe Ver wandtschaft zwischen den Mythen von Europa und Io. Hier liebt Zeus als Stier ein Mädchen, dort wird ein Mädchen, welches zur Kuh verwandelt wird, von Zeus geliebt. Beide überqueren das Meer und vereinigen .sich endlich mit dem Geliebten. Bei Mo echos ist auf dem Korb der Europa die Io-Sage dargestellt. - lo überquerte den Bo s porus (der davon seinen Namen empfing) bei Byzanz. Aus Byzanz stammt Leukippe; die Heidin unseres Romans. - Europa stammt in direkter Linie von lo ab. Man kann auch sagen, sie sei eine Emanation der lo-Isis. - Ü ber des Moschos Europa s. die Bei-: Iage II.
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Wir kommen zur Geschichte des Kleitophon. Er stammt aus Tyros1 und sollte im Alter von 19 Jahren mit seiner Halbschwester Kalligone vermählt werden. Er träumt, er umarme das Mädchen. Aher da er scheint ihm im Traum eine furchtbare große Frau mit zornigem Ge sicht, Schlangen im Haar, einer Sichel in der Rechten, einer Fackel in der Linken, und trennt die heiden. - Die Frau ist Isis.2 Die Fackel als Attribut deutet auf die Mysterien, die Sichel (&p7nJV E:x.p&:re�) auf Har pokrates.3 Der Traum ist mehrdeutig und erfüllt sich zweimal. Zuerst wird die Halbschwester von Kleitopbon getrennt, später auch seine Geliebte Leukippe. Eine Cousine Leukippe mit ihrer Mutter kommt aus Byzanz zu Be such nach Sidon. Kleitopbon lieht Leukippe auf den ersten Blick ; das Mädchen sieht aus, wie ein Bild der Selene auf dem Stier. - Die Be ziehung zu dem eingangs beschriebenen Bild der Europa ist klar, Leu kippe ist mit Europa identisch. 4 Beim Begrüßungsmahl für die Gäste singt ein Knabe von der Liehe des Apoll zu Daphne, und Kleitopbon sagt sich : " Sieh, auch Apollon lieht und schämt sich dessen nicht und verfolgt die Jungfrau ; und du zögerst ? Willst du stärker als der Gott sein ?"5 Diese neue Liehe versetzt Kleitopbon in große Verlegenheit. Er ver abscheut nun die geplante Ehe mit der Halbschwester Kalligone, weil sie ihn von Leukippe trennen wird. Aher wie soll er sich dem Willen des Vaters widersetzen ? In seiner Not bittet er einen Vetter Kleinias um Rat, der schon dem Eros geweiht ist (''Epw'n 't'E't'EAEO'(J.EVoc;) ; "denn du bist schon länger Myste als ich und mit der Weihe des Gottes6 mehr ver1 Tyros ist eine Chiffre für Kronosinsel-Insel der Seligen, s. unten zur Historia Apollonii und zu Antonius Diogenes. Infolge ihres Sündenfalls müssen Kleitopbon und Leu kippe ihre wahre Heimat verlassen und kommen erst nach langen Irrfahrten dorthin zurück. Der Sündenfall symbolisiert den Sturz in die Materie, die Irrfahrt das Leben. 2 Vgl. Xenophon Ephes. III 2, 4. 3 Vgl. P. G. M. III 707 yp&:ljJIXc; eTCt y7jc; 'ApTCoxp&:TIJv &xov•IX tTCt a•6fl.IX'oc; [•o 3e:�LOV 81XXTil)ALOV, 'ÖjL 8e dJ(l)VUfJ.(l)L 8e:8p1Xyf.!.evov otp7t7JV. (81Xx,uÄLOV muß hier heißen " Fingerlein", nicht " Ring" ) . 4 Europa war Isis, und Selene ist es nicht minder, s. Apuleius XI 1-4. Die Heidin wird also in versteckter Weise mit Isis identifiziert. Sie stammt aus einer Stadt, in der ein bedeutender Isiskult bestand. Siehe die von Deubner, Athen. Mitt. 37, 1912, 180 ff. behandelte Inschrift über die Feier der IIAm!Xq>eaLIX im Jahre 2 n. Chr. (auch bei Ehrenberg-Jones, Documents 167 ; Robect, Hellenica 10, 24). 5 Der Vergleich des Helden mit Apollon-Horos spielt auf die geheime Identität des MyHten mit dem Gott an. 8 Was Kleitopbon hier unter der "Weihe" des Eros versteht, ist nur der geschlecht l iche Umgang, für den er die Metaphern der Mysterien verwendet. Von dieser Art der ., Jo:roM wl'ihe" ist die wahre Weihe des Gottes sehr verschieden, die er erst nach langer •
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traut" ( I 9 , 7 ) . Auf der einen Seite steht der Vater, auf der anderen Eros mit der Fackel in der Hand ; er droht, Kleitophon im Fall des Un gehorsams zu verbrennen (I l l , 3) . Klcinias gibt dem Kleitophon Rat schläge ; dabei vergleicht er die Licbc!;bcziehung einem Mysterium ; " Schweige wie im Mysterium" (I 10, 5). - Leider ist Kleinias kein guter Ratgeber. Er selbst liebt einen schiinen Knaben, was der lsis ein Greuel ist, und gibt dem Kleitophon Anweisu n ge n , wi e er die Geliebte verführen könne. Aber Isis ist eine Göttin d !�r Ehe, nicht der freien Liebe.1 Daß Kleitophon dem Rat des Kleinias fol gt, w i rd ihn in großes Unglück stürzen, durch den Zorn der Isis. Natürlich nimmt die Liebe des Kleinias zu dem Jüngl i n g kein gutes Ende. Zwar erwidert dieser die Liebe ; aber sein Vater will d!m Sohn verheiraten, zum großen Kummer der beiden Liebenden. Der .J ü n gl i n g äußert seinen Abscheu vor der Ehe, vor dem Flötenspiel und Faekd geleit, und reitet fort auf einem Pferd, das ihm Kleinias geschenkt hatte. Kurz darauf meldet ein Bote, der Jüngling sei vom Pferd ge stürzt und wie Hippolytos zu Tode geschleift worden. Der Vater be klagt die Entstellung des Leichnams : "Du bist einen doppelten Tod gestorben, der Seele und des Leibes . . . Wann wirst du heiraten, du ungeweihter Bräutigam ? Dein Brautgemach ist das Grab, deine Hoch· zeit der Tod, dein Hochzeitslied die Totenklage ; ein anderes Feuer hoffte ich dir zu entzünden . . . . Ach was für ein schlimmes Fackelgeleit" (I 13). - Das Pferd, welches der verliebte Kleinias dem Knaben ge· schenkt hatte, hat ihm den Tod gebracht. Kleinias hat durch seine nn· erlaubte Leidenschaft selbst den Tod des Geliebten verschuldet, den leiblichen wie den seelischen. Gleichzeitig ist die "Weihe" der Ehe hier ein Bild für die lsisweihe. Der Jüngling hatte sie meiden wollen ; dies bedeutete leiblichen wie seelischen Tod. Kleitophon kehrt nach Hause zurück und findet die Geliebte im Gar ten. Dort wachsen schattige Bäume, eine kühle Quelle sprudelt und Enthaltsamkeit erreichen wird. - Viele der unten besprochenen Bilder sind als Topoi der Liebespoesie bekannt. Das Zusammentreffen ist kaum zufällig. Man erinnere sich z. B. daran, daß viele der römischen Hetären Dienerinnen der Isis und des Amor Harpokrates waren. Die Namen Delia, Nemesis, Cynthia kann man fast als signa von Isismystinnen auffassen (Delos mit dem heiligen Berg Kynthos war ein wichtiger Kult ort der Isis mit engen Beziehungen nach Italien) . Diese Mädchen waren im Mysterium in die Liebe eing eweiht worden, und ihre über die körperlichen Beziehungen weit hinausgehende Anziehungskraft mag damit zusammengehangen haben, daß sie ihren Beruf als Dienst an ihrem Gott auffaßten. So ist die Mysteriensprache ins Profane übertragen worden. - All dies nach Hinweisen von L. Koenen. 1 s. s. 32.
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Blumen blühen. Alles erinnert an die Liebe : die Blätter umarmen sich, Epheu und Winde umschlingen Platane und Fichte, Reben blühen. Zikaden und Nachtigallen singen die Liebesmythen der Eos und Pro kris, ein Pfau spreizt die Flügel um sich dem Weibchen zu zeigen. Klei topbon spricht zu seinem Diener Satyros über die Liebe der Tiere im Beisein der Leukippe. - Der Diener Satyros, der Kleitopbon durch den ganzen Roman begleitet, führt seinen Namen nicht umsonst. Jeder Satyr ist ein Diener des Dionysos-Osiris ; dieser " Satyr" vertritt einen Mysteriendiener. Alle erwähnten Pflanzen und Tiere haben eine gute Vorbedeutung für die Liebe des Kleitophon. Epheu und Fichte sind immergrün und daher Symbole der Unsterhlichkeit.1 Der radschlagende Pfau und die Palme erinnern an die Sonne und deuten ehenfalls auf Unsterblichkeit2 und ewige Wiedergeburt. Natürlich sind sie gleich zeitig Symbole des Mysteriums ; die Beziehung der Liehe des Kleito pbon und der Leukippe auf das Mysterium wird sich noch oft erweisen. Vor allem aber weist alles in dem wunderbaren Garten3 auf die Liehe. Nun waltet zwischen den Reichen der Natur - den Steinen, Pflanzen, Tieren, Menschen - auf geheimnisvolle Weise Sympathie und Anti pathie. Wer von Liehe in der Natur ringsum umgehen ist, muß nach dem Sympathiegesetz selbst von Liehe erfüllt werden. So wird es auch Kleitopbon und Leukippe ergehen. Die okkulten Lehren von den wunderbaren Kräften (
0 1:cc6>v, oihe: cr€7tn:1:CC� (cr-lj7te:1:cc�) OÜ1:e: il�e:� 3ucrw 3e:� &"AM [.L€ve:� w� EO"fl.Up�cr[.L€voc;. Palme und Sonne : Apul. XI 24, 4. Palme = qJOi:v�� = Vogel Phönix (Vogel der U nsterb lichkeit). 3 Der Garten ist wahrscheinlich geradezu ein Symbol für die Isisreligion, in der der Myste geborgen ist wie der Christ im Garten der Kirche. Ferner ist daran zu erinnern, daß der ganze Ort Kanopos (ein heiliger Ort der Isis und des Sarapis) eine Art elysischer Liebesgarten war, in dem den Gast alle Arten der Schwelgerei erwarteten (Amm. Mar cdl. XXII 16, 1 4 ; Strabon XVII 1, 16 f. p. 800 f. ; Hinweise von L. Koenen). 4 Die grundlegenden Untersuchungen sind von Wellmann : "Die Georgika des Demo k ritos" und "Die «ll u cr�x&. des Bolos-Demokritos", Abhandlungen der preuß. Akad. d. W iss. 1921 und 1928 ; "Der Physiologus" und "Marcellus von Side und die Koiraniden tl11s J rc,rnws Trismegistos", Philologus Supplement Band 22, 1 und 27, 2 (1930 und
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Die Koiraniden helehren über die okkulten Eigenschaften der Steine, Pflanzen und Tiere und die geheimen Verbindungen zwischen den Rei chen der Natur in der Form alphabetischer Listen. Der angehliehe Ver fasser ist Hermes Trismegistos, der Schreiher unter den ägyptischen Göttern. Die geheimen Lehren der Isispricster gehen meist unter dem Namen des Hermes Trismegistos. Der Physiologus ist ein christliches Lehrbuch der N atursymholik.1 Aber die Christianisierung ist oberflächlich, wie Wellmann gesehen hat. Der Kern der Lehren geht auf ein heidnisches Buch zurück. Es werden die merkwürdigen Eigenschaften der Tiere angegeben. Sie sind alle Zeichen der geheimen Sympathie aller Dinge in der Natur und deuten auf die verborgenen Gesetze der Welt, auf das VerhältniR von Mensch und Gott, auf Tod und Unsterblichkeit. Was die Menschen hierüber gedacht haben, haben sie in die Natur um sich projiziert und dann aus ihr herausgelesen. Nun spielte der Tierdienst gerade in Ä gypten eine sehr große Rolle. Was den aufgeklärten Hellenen Albernheit schien, verteidigten die ägyptischen Priester durch eine abstrus-tiefsinnige Symbolik. Die Herkunft dieser Tiersymbolik aus der ägyptischen Reli gion - und das heißt, aus der lsisreligion - erkennt man deutlich, wenn man Plutarch, De lside 72-76, Clemens Al., Strom. V 7, 41-2 und Da maskios, vita Isidori 97-102 nachliest. Das große Nilmosaik aus dem Tempel der Fortuna-lsis-Tyche zu Praeneste zeigt alle Wundertiere des Nils. Vermutlich haben die Isispriester an diese Tiere ihre symbo lischen Erläuterungen geknüpft, und es ist kaum Zufall, daß der Priester Aelian aus Praeneste uns die ausführlichste Darstellung der Merkwürdig keiten des Tierreichs hinterlassen hat. Horapolion endlich gibt eine symbolische Deutung der Hieroglyphen. Seine Beziehung zur ägyptischen Religion ist offenkundig. 2 Er über schneidet sich inhaltlich oft mit den Koiraniden und dem Physiologus, und die Herkunft aus demselben Milieu ist unverkennbar. Die Lehre von der Sympathie beherrscht auch die Alchemie ; die Alchemisten waren fast immer gleichzeitig Priester. Wie nahe sich Prie ster und Zauberer standen, sieht man aus Gestalten wie Alexandros von 1 934). Eine hervorragende Übersicht über das ganze Gebiet bietet Festugiere, Reve lation I. 1 Vgl. nun die ÜbersetZling und Erklärung von 0. Seel (Der Physiologus, Zürich 1960) ; dort im Nachwort (S. 68) : "Hier gerinnt alles zur Sigle, wird zum Ideogramm oder zur Scharade". 2 Über die "Mysterien der Hieroglyphen" s. Sauneron, Les Pretres de I' ancienne Egypte (Paris 1 957) 1 23-1 32.
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Abonuteichos und Apollonios von Tyana. Auch die Romane werden uns Belege dafür liefern . Später haben die neuplatonischen Philosophen sich die Sympathie lehre zu eigen gemacht.1 Sie haben dies getan, weil sie empfanden, diese Lehre sei tief religiös und enthalte echte Wahrheit. Der Spott der Moder nen hierüber ist berechtigt, soweit er die naturwissenschaftliche Seite dieser Lehren trifft. Die religiöse Komponente sollten wir heute ge rechter beurteilen. Man kann doch kaum bestreiten, daß das Große im Neuplatonismus - gerade auch in Plotin - aus j enem religiösen An trieb herkommt, den die orientalischen Mysterienreligionen gegeben ha ben. Wir werden Belege dafür kennenlernen. Wir kehren zu Achilleus Tatios zurück und werden nun besser ver stehen, was folgt. Kleitophon und Leukippe sind rings von Symbolen der Liebe umgehen. Um die Geliebte geneigt zu machen, spricht Klei tophon von der Macht des Eros üher Tiere, Pflanzen und Steine. Der Magnetstein lieht das Eisen. (Dem Physiologus [38] ist dies ein Symbol der Liebe Gottes zum Menschen. Nach Manetho bei Plutarch, De lside 62 ist der Magnet der Knochen des Horos) . Sehr plagt die Liehe den Palmbaum (Phönix) ; wenn ein Reis des weiblichen Baumes in den männlichen gepflanzt wird, ist dies eine Ehe der Pflanzen. Der Fluß Alpheios durchquert das Meer, um die sizilische Nymphe Arethusa zu freien.2 Auch bei den Schlangen gibt es ein "Mysterium der Liehe", die Liebe der Landnatter und des Meeraals. Die Landnatter geht zum Strand und pfeift ein Zeichen (aüfLßoA.ov) ; der Meeraal versteht das Kenn wort (aüv&l)[LIX) und kommt aus dem Meer. (crufLßoA.ov und aüv&Yj[LIX sind Mysterienworte. - Auch Horapolion [II lll] erwähnt diese wunderbare Liehe. Bei ihr legen die gefährlichsten Tiere ihr Gift ab.) Leukippe hört diesen Reden gern zu. - Dem Achilleus Tatios waren die symbolischen Deutungen all dieser Naturerscheinungen wohlbekannt und er spielt auf sie an. Offensichtlich setzt er voraus, daß ein kundiger Erklärer dem Leser den hintergründigen Sinn seines Romans erläutert. Wir werden noch mehr Beispiele hierfür finden. Buch II. Es war gerade das Dionysosfest der Weinlese ; nach der tyri schen Sage hatte Dionysos einst dort einem Hirten die Bereitung des Weines gewiesen.3 - Dionysos ist hier ein anderer Name für Osiris, der 1
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Ü ber die Sympathielehre bei Plotin vgl. Merlan, Plotinus and Magie (Isis 44, 1953,
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mystischen Mythos hat auch Moschos behandelt, Stob. Flor. 64, 19. Anordnung dieser Kapitel in den Handschriften ist die richtige ; die abweichende
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nach ägyptischer Tradition den Weinhau gelehrt hat.1 Die tyrische Sage ist, wie Achilleus Tatios selbst andeutet, eine Dublette der Sage von Ikarios und Erigone, welche Eratosthenes behandelt hatte. 2 Der "Hirt" (ßoux6:Aoc;) ist ein Myste des Dionysos-Osiris. Die Liehenden trinken aus dem heiligen Mischkrug des Gottes, und Eros und Dionysos, zwei gewaltige Götter, entfachen das Liehesfeuer. Als Kleitopbon fürchtet, ein feiger Kämpfer3 des Eros zu sein, ermutigt O"'t"pOC't"L<.O ihn sein Sklave Satyros, Eros sei kriegerisch ( 't"O ax'fifLOC ·nx6v II 4, 5). - Ü ber die sancta militia (Apul. XI 15, 5) des Mysten s . . Reitzenstein, Myst. Rel. l92 ff. Es folgt ein längerer Flirt. Inzwischen will Kleitopbons Vater ihn mit seiner Halbschwester Kalligone vermählen. Aber Träume mahnen ab. Der Vater bleibt bei seinem Vorsatz ; da wird Kalligone von einem vornehmen jungen Mann aus Byzanz mit Hilfe von Seeräubern ent führt. So wird Kleitopbon von Kalligone getrennt, wie es der Traum angezeigt hatte. Kleitopbon ist glücklich, denn nun scheint der Ver hindung mit Leukippe nichts mehr im Wege zu stehen. Kleitopbon will sich nicht an den Küssen der Leukippe genügen lassen, sondern die Geliebte nachts besuchen : "wenn Aphrodite unsere My stagogin ist, ist keiner stärker als die Göttin". Kleitopbons Sklave Satyros verführt Leukippes Sklavin und erreicht, daß diese verspricht keinen Lärm zu schlagen. Aber außerdem ist noch ein Sklave namens Konops da, der Leukippe hewacht.4 Konops merkt, was Kleitopbon und Satyros planen, und warnt sie, indem er eine Fabel von Löwe und Hahn, Elefant und Stechfliege (xci>vwtjJ) erzählt : So stark der Löwe auch ist, hat er doch Angst vor dem Hahn ; und so gewaltig der Elefant ist, fürchtet er doch die Stechfliege, denn wenn sie in seinen Gehörgang eindringt, muß der Elefant sterben. So ist die Stechfliege nicht zu ver achten, so klein sie ist ; und ehensowenig ist der Sklave Konops zu ver achten, der den Namen der Stechfliege trägt. Kleitopbons Diener •
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des Pap. Oxy. 1250 geht auf eine Epitome zurück. Siehe Russo, Rendieanti dell' Accademia nazianale dei Lincei (Classe di scienze morali) VIII 10, 1955, 397 ft'. und Doerrie, De Longi Achiiiis Tatü Heliodori memoria (Diss. Göttingen 1935) 86 ff. 1 Diodor I 1 5 , 8 u. IV 1 , 7. Martianus Capella II 158. Tibuii I 7, 3 3 f. 2 Auf die Iaisdeutung der Erigone des Eratosthenes werde ich zurückkommen. 3 II 4, 4 &&:A7)'t"�� ; 5, 1 und 10, 3 a't"pomw't"7)� ; vgl. Apul. XI 8, 2 (miles) . Die christlichen "Athleten" sind Mönche. - In 11 1 0 , 3 steht &Q(ppe:!v, in 7, 6 &Q(pp-f)aQ(�. 4 Vielleicht schimmert hier der Wächter Argos des Io-Mythos durch. Der Name Konops (Stechßiege) könnte an die Stechßiege erinnern, welche lo über Land und Meer jagt.
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Satyros antwortet mit einer anderen Fabel : Die Stechfliege tat sich groß und griff den Löwen an ; als sie übermütig um ihn herumflog, um den Löwen zu stechen, geriet sie in ein Spinnennetz und war verloren. Die Faheln beziehen sich wieder auf die Lehren über die geheimen Zu sammenhänge der Natur. Löwe und Hahn sind beides Sonnentiere und haben in verschiedenem Ausmaß Anteil an den Kräften der Sonne. Da nun ein Vogel dem jenseitigen Ursprung der Dinge näher steht als ein Säugetier, steht der Hahn in der Sonnenreihe über dem Löwen, ist gleichsam sein direkter Vorgesetzter ; und darum fürchtet der Löwe den Hahn.1 Ein ähnliches Verhältnis muß zwischen Stechfliege und Elefant bestehen. Aber solche Abhängigkeiten eines Tieres vom anderen gelten nur innerhalb der jeweiligen Reihe ; außerhalb der Reihe gelten andere Beziehungen, und so ist die Stechfliege weniger mächtig als sie denken möchte. Es gelingt dem Satyros den Wächter Konops mit einem Schlaf trunk einzuschläfern, und die willige Zofe läßt Kleitopbon nachts ins Zimmer der Leukippe. Aber als er am Ziel seiner Wünsche zu sein glaubt, stürzt die Mutter des Mädchens ins Zimmer. Sie hatte einen schrecklichen Traum gehabt. Kleitopbon entspringt unerkannt. So erfüllt sich der Traum des Kleitophon, in dem er von der Geliebten ge trennt wurde. - Isis-Nemesis bestraft schon den Versuch ungesetz licher Liebesverbindung durch lange Irrfahrt. Dabei ist es noch ein Glück, daß Leukippe Jungfrau gehliehen ist ; sie wird am Ende des Romans die Jungfernprobe hestehen2 und so mit Kleitopbon verbunden werden und die höchste Isisweihe erhalten. Aus dem jetzigen Fehltritt erwächst alles Unglück ; er zwingt Kleitopbon und Leukippe dazu, aus der Heimat und von den Eltern zu fliehen. Am Tag nach der Flucht wird ein Brief des Vaters der Leukippe eintreffen, in dem das Mädchen dem Kleitopbon als Braut versprochen wird. Die lange Irrfahrt, die vielen Prüfungen des Paares wären nicht nötig gewesen, wenn sie nicht so vor witzig gewesen wären. Die Episode hat darüber hinaus allgemeine, ja kosmische Bedeutung. Sie symbolisiert den Sturz der Menschenseele aus der himmlischen Hei mat in die Welt der Materie.3 Den Sturz in die Materie, der durch Liebes leidenschaft herbeigeführt wird, beschreibt auch der hermetische 1 Proklos 1te:pl -r'ij� te:pcxnx'ij� 'TEXII'IJ�• Catalogue des manuscrits alchimiques grecs
VI 1 50, 7. " Schon hier wird darauf vorausgedeutet (II 28, 2). " Baß "Tyros" die himmlische Heimat vertritt, ist schon oben angedeutet worden. V l( l . n n lfm über die Historia Apollonü und Antonius Diogenes.
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Traktat Poimandres ; "die Liebe ist die Ursache des Todes".1 Erst nach langer Irrfahrt durchs Leben kann die Seele in ihre wahre Heimat zurückkehren. In dem schrecklichen, offensichtlich gottgesandten Traum der Mutter der Leukippe hatte ein Räuber ihre Tochter geraubt, sie auf den Rücken gelegt und ihr mit einem Messer den Bauch von unten her aufgeschlitzt. Es sieht so aus, als ob Kleitophon der Räuber wäre und der Traum sich sogleich erfüllt habe. Aber auch dieser Traum ist doppeldeutig, wie der Traum des Kleitopbon im I. Buch. Seine wörtliche Erfüllung wird er erst später finden, wo wirklich ein Räuber der Leukippe den Bauch auf schneiden wird. Die Mutter der Leukippe packt die Zofe wütend bei den Haaren und gibt ihr eine Ohrfeige. - Wir erinnern uns, daß bei Apuleius (VI 10, 1) Venus Psyche an den Haaren packt und ohrfeigt.2 Hier vertritt die Dienerin die Herrin. Während sonst die Züchtigungen oft mehr Prü fungen des Initianden sind, ist hier klar, daß es sich um eine Strafe handelt. Im Mysterium bedeuten die Züchtigungen sowohl Prüfung, als auch Strafe für die früheren Sünden. Die Mutter schilt die Tochter ; sie fürchtet, der Fremde sei ein Sklave gewesen. Da faßt Leukippe wieder Mut (e&&pp·IJcre:v) und versichert der Mutter, daß sie Jungfrau geblieben ist. Die Zofe entläuft, aus Furcht vor der Folter bei der Vernehmung, zu Kleitophon, und heide gehen zu dem Freund Kleinias. Dieser rät, Leukippe zu entführen und mit ihr zu fliehen. - Wieder ist der Rat des Kleinias verhängnisvoll. Die "Flucht" ist ein immer wiederkehrendes Motiv der Mysterienromane. Es ist entweder die sündige Flucht aus der himmlischen Heimat3 oder die Flucht aus der Welt zu ihr (Heliodor) . Leukippe ist willig, und so gelingt die Entführung. Die Mutte1· des Mädchens wird mit einem Schlaftrank eingeschläfert. Die Liehenden fliehen nach Berytos und besteigen dort ein Schiff nach Alexandria. Das Einschläfern der Eltern bei der Flucht in die Welt finden wir auch im Roman des Antonius Diogenes. Hier wird man interpretieren : Dem verliebten Paar gelingt die Flucht in die sündige Welt nur dadurch, daß 1 Corp. H errn. I 1 4ff. ; 1 8 Tov <Xtnov ToÜ -lt<Xvchou �pWT<X. V gl. auch die leiden schaftliche Anklage der fl eischlichen Gefühle durch den Neuplatoniker I sidoro s bei Damaskios, vita Isidori 3 1 2 x<XT<Xi3owv lle .. ;;w dcr.&�cre:wv mxcrwv, fLOCMov lle Twv rxMW'I T'ij� Ö;7tnX'ij� X<Xni361X. dv<X� y!Xp IXO"r'i)'l "rhl� 6vn x.&ov(<X'I X<Xt &vT(W7t0'1 X<Xt XIX"riX•
cr7tiJlO"IX'I T'i)v �ux'i)v d� "rO'I Tij� ye:vecre:ro� &ev<XO'I OXE:T6v. 2 Vgl. auch S. 109 f. (Xenophon V 5, 2). 3 Nach V 1 1 , 3 ist die Flucht des Kleitopbon schmählich (<Xtcrxpw� cpuy&lv).
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es die wahren, himmlischen Eltern einschläfert, was natürlich eine weitere Sünde ist. Die Fahrt nach Alexandria, der Stadt der Isis und des SarapiH, wird ihre Schwierigkeiten haben. Auf dem Schiff treffen sie einen jungen Ägypter, Menelaos. Er lädt sie ein mit ihm zu speisen. Man deckt den Tisch mit dem, was jeder bei sich hat, und speist zusammen (-ro &pLcr-rov EXOLvwvolifLe:v). - Dies Mahl hat kultischen Sinn, wie sich unten S. 129 deutlicher ergehen wird. Nun erzählt Menelaos eine Variante der herodoteischen Atys-No velle : Er hatte einen Knaben geliebt und war mit ihm auf die Jagd gegangen. Als ein wilder Eher diesen angriff, warf Menelaos den Speer auf den Eher und traf versehentlich den Knaben zu Tode. - Die Ge schichte soll wieder vor der Knabenliehe warnen ; wer einen Knaben verführt, tötet ohne es zu wollen die Seele des Geliebten. Die ganze Er zählung ist der von Charite und Tlepolemus nah verwandt, hat aber einen ganz anderen Sinn ; sie ist ein Musterbeispiel dafür, daß demselben Mythos ganz verschiedene Deutungen untergelegt werden können. Um den Leser auf den tieferen Sinn dieser Episode hinzuweisen, läßt Achilleus Tatios nun eine längere Debatte über den Unterschied der Knaben- und Mädchenliebe folgen. Für die letztere wird wieder das Bild der Weihe gehraucht (II 37, 5). III. Buch. Am dritten Tag der Überfahrt erhebt sich ein furchtbarer Sturm. Die Besatzung irrt auf dem Schiff hin und her (III I, 6 7t'Aiiv"')) und erwartet den Tod. Die Matrosen besteigen ein Rettungsboot ; viele Passagiere springen ins Wasser und ertrinken. Menelaos und Satyros retten sich auf dem Mastbaum, treiben ans Ufer und werden von Räu bern gefangengenommen ; Kleinias wird nicht mehr gesehen, den Kleito pbon und Leukippe rettet ein guter Daemon1 auf einem Teil des Hecks, und sie landen bei Pelusium. - Über den Sinn des Sturmes, des Schiff bruches (Taufe-Tod) und der Rettung braucht nicht mehr gesprochen zu werden. Bei Pelusium gehen sie in das Heiligtum des Zeus Kasios. Das Kult bild ist die Statue eines Jünglings, der dem Apollon gleicht und einen Granatapfel in der Rechten trägt. Der Sinn des Granatapfels ist geheim {[LUO"'t"Lx6c;) . Der dem Apollon-Horos gleiche Zeus Kasios ist Harpo krates-Eros. Das Aussehen des Kultbildes ist durch Nachbildungen auf Münzen und magischen Gemmen bekannt. 2 -
1 I I 5, 1 a<XE!J.wv ciy<X-Il-6� ; es ist Agathos Daimon-Horos-Eros. Vgl. auch 111 20, 2.
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S. Campbell Bonner, Studies in Magical Amulets 289 und Hesperia 1 5, 1 946,
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Das Paar erbittet ein Zeichen (
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wortet, ihre Stimme sei gestorben. - Dies ist das Schweigen des My sten. Alles übrige ist uns schon so bekannt, daß wir nicht dabei verweilen. Am andern Morgen wird Leukippe abgeholt, da sie als Sühneopfer für die Räuberbande getötet werden soll. Kleitopbon wird geschlagen (vgl. Apuleius VI 9, 3) und gefesselt abgeführt ; doch wird er sofort be freit, da die ihn geleitenden Räuber von einer Abteilung Soldaten über fallen und geschlagen werden. Man gibt Kleitopbon Waffen und ein Pferd und reiht ihn unter die Soldaten ein. - Daß er ein " Soldat des Liebesgottes" ist, haben wir schon oben gehört. So ist Kleitopbon nun von Leukippe getrennt. Der Traum, der ihm Trennung von der Braut verhieß, hat sich zum zweitenmal erfüllt. Am andern Tag sehen die Soldaten auf dem von den Räubern besetz• ten anderen Ufer ein grausiges Schauspiel. Die Räuber hatten einen Lehmaltar erbaut und daneben einen Sarg aufgestellt. Zwei Männer führen die gefesselte Leukippe herbei. Man weiht sie durch eine Spende zum Opfer, legt sie rücklings auf die Erde und bindet sie an Pflöcken fest, so wie die Bildhauer den an den Baum gefesselten Marsyas dar stellen.1 Einer der Männer nimmt sein Schwert, schneidet Leukippe den Leib auf, nimmt die Eingeweide heraus und legt sie auf den Altar. Die Räuber kosten davon. Dann legen sie die Leiche in den Sarg, legen den Deckel auf und fliehen. So erfüllt sich der Traum, welchen Leu kippes Mutter gehabt hatte. - Wir haben hier den Tod des Mysten bei der Initiation ; glücklicherweise ist es nur ein Scheintod, wie wir gleich hören werden. Leukippes Tod ist ein Sühnopfer ; der Tod des Mysten sühnt die Sünden, welche er früher begangen hat. Für das Her ausnehmen der Eingeweide ist an das Ritual der Mumifizierung zu er innern, welches den Toten zu Osiris macht und ihm so die Unsterblich keit im Jenseits sichert. 2 Wie die Mumie, wird Leukippe in den Sarg gelegt. Auch das Kosten der Eingeweide muß ein Ritual sein. 3 Wie die Räuber von Leukippe fliehen, so floh bei der Mumifizierung der 7ttxpcx crx(crTIJ�, nachdem er dem Toten den Leib aufgeschnitten hatte (Diodor 1 91, 4 ) . 1 Dargestellt in der unterirdischen Basilica bei der Porta Maggiore, s. Carcopino, La basilique Pythagoricienne 133 und Tafel XIV. • Dem Osiris hat der Schakalgott Anubis die Eingeweide entnommen und sie in einen besonderen Kmg gelegt. Im Ritual vertrat ein Priester (hier Menelaos) den Anubis. DaR "Werden zu Osiris" ist auf einer Reihe von Leichentüchern dargestellt, s. Morenz, " S i a atliche Museen zu Berlin, Forschungen u. Berichte" 1, 1957, 5 2 ff. • B i i!S ergibt sich aus der Klage des Kl eitophon, III 1 6, 3-4 l.l·n aou 'Öjt; yotO"'t'pot; -r� (LUIT-r-ljp Lot l:(Lo!:p Laotv i'fl -rpocpwv xotLVcX {LU�pLot. Die Räub er wollten die Leber ··�HI"Il ( I I I 1 9, 3). .
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Am Abend setzen die Soldaten üher den Fluß. Kleitophon geht zu dem Sarg, klagt pathetisch und will sich ins Schwert stürzen. Zwei herzueilende Gestalten hindern ihn daran ; es sind Menelaos und der Diener Satyros. "Deine Leukippe wird jetzt wieder zum Lehen zurück kehren ( &v!Xßtwcre:'t"!Xt)" sagt Menelaos und klopft an den Sarg. Von innen hört man eine helle Stimme. Kleitophon fürchtet, Menelaos sei ein Zauberer (fl.rl.yoc;) ; dieser öffnet den Sarg, Leukippe steigt heraus, mit aufgeschnittenem Leih und ohne Eingeweide, und umarmt den Geliehten.1 - Hier wird die Auferstehung des Osiris zelebriert. Es handelt sich um ein wirkliches Ritual der Isismysterien. Dies zeigt eine polychrome Marmorstatuette aus Kyrene, welche Cumont abgebildet und besprochen hat (Rel. Or. Tafel V 3 ; vgl. S. 245) . Der Unterleih einer jungen Frau ist eingewickelt wie eine Mumie ; sie ist also Osiris. Ihr Oberleih ist frei, von einem Purpurmantel umhüllt ; auf dem Kopf trägt sie ein rotes Diadem und einen Lorbeerkranz, die Sonnenscheibe über einem Halbmond, und die Uraeusschlange, das Attribut der lsis. Mit vollem Recht hat Cumont gesagt : on simulait dans l'initiation la mort du myste . . . et sa resurrection . . . apres l'avoir emmaillottee, comme une momie [ = Üsiris] , on l'avait revetue d'un hahit rappelaut son identification avec Isis, gage de son salut eternel. Die beiden Liehenden sind ohnmächtig zu Boden gesunken. Als . Kleitophon schließlich wieder zu sich kommt, verheißt ihm Menelaos : "Leukippe wird auch die Eingeweide wieder erhalten ; der Leih wird zusammenwachsen und du wirst sie unversehrt sehen. Bedecke dein Gesicht, denn ich rufe Hekate2 zu Hilfe." Kleitophon glaubt ihm und bedeckt das Gesicht. Menelaos macht Hokuspokus und spricht eine Beschwörung ; indem nimmt er den falschen Bauch weg, welchen er dem Mädchen vorgebunden hatte, so daß sie ihre alte Gestalt erhält, und sagt : "Blick wieder auf." Kleitophon weiß sich vor Staunen und Furcht kaum zu fassen, und Leukippe bittet Menelaos : "Nun er schreck ihn nicht weiter, sondern erzähle, wie du die Räuber betrogen hast." - Menelaos spielt hier völlig die Rolle eines Zauberpriesters. Er beruft sich auch darauf, daß er von Gehurt Ägypter ist ; zweifellos waren sehr viele Isispriester echte Ägypter. Wir kennen solchen Hokus pokus vor allem aus der Theurgie der Neuplatoniker. Es ist interessant, hier den priesterlichen Ursprung der neuplatonischen Mysterien zu fassen. Besonders bemerkenswert ist aber, daß ganz offen üher diese 1 Ü b er die Umarmung s. oben S. 86. 2 Hekate ist ein Name der Isis, s. Apul. met. XI 5.
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Gaukeleien gescherzt wird, und daß Menelaos keineswegs unsympathisch erscheinen soll. Hier gehen Scherz und Ernst, heilige Handlung und Spiel, Mystik und Farce ineinander üher. Im Kalasiris des Heliodor werden wir einen anderen heiligen Betrüger kennenlernen.1 Menelaos erzählt nun dem Kleitopbon seine Erlebnisse. Er und Saty· ros waren nach dem Schiffbruch ehenfalls an Land getrieben und von Räubern gefangen worden. Einige der Räuber erkannten ihn aber, nahmen ihm die Fesseln ab und sprachen ihm guten Mut zu (&ocp pdv htJ.wov) . Er soll in die Bande aufgenommen werden und gleich seinen Mut dadurch beweisen, daß er Leukippe opfert. Als Satyros dies er fährt, bittet er Menelaos, das Mädchen auf irgendeine Weise zu retten. Ein guter Dämon ( aoct[LW\1 &yoc&6c;;) hilft. Die Räuber erobern näm lich ein Schiff, auf dem sich ein wandernder Schauspieler befand, der homerische Szenen vorführte. Der Schauspieler wird getötet, seine Requisiten treiben in einer Kiste an Land. Menelaos findet sie, öffnet die Kiste und findet darin ein Theaterschwert, dessen Klinge in den Griff versenkbar ist. - Solche Theaterdolche wurden also auch in den lsismysterien verwendet und mit anderen Requisiten in einer heiligen x[a'n) aufbewahrt ; nur der Geweihte (Menelaos) durfte sie öffnen, der Nichtgeweihte wurde durch Drohungen vom Anblick der Dinge in der Kiste zurückgeschreckt.2 Man könnte sagen, man habe gewöhnliche Tricks angewendet, um die Nichtgeweihten zu täuschen. Aber natür lich ist die Sache nicht so einfach. Es sollen religiöse Einsichten und Empfindungen durch das Ritual übermittelt werden. Diese haben ihre Wahrheit, auch wenn uns die äußeren Mittel weniger gefallen. Überdies wurde dem Mysten nach der Weihe gezeigt, mit welchen Hilfsmitteln man gearbeitet hatte. Ein eigentlicher Betrug war also gar nicht be absichtigt ; auf die tiefe Erschütterung bei der Weihe durfte das herz liche Lachen beim Anblick der Re quisiten folgen wie auf die Tragödie das Satyrspiel. Den Fremden war der Anblick der Re quisiten natürlich verwehrt, ganz wie bei den Initiationen der Primitiven keine Frau den hullroarer oder Schwirrkreisel sehen darf. Der Zusammenhang der lsis priester mit den Zauberern tritt hier wieder deutlich hervor. Die Zauber bücher hießen öfters llcx(yv Lcx ; z. B. hat der Zauberer Anaxilaos von •
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1 Was uns Priestertrug scheint, war den Alten oft bildliehe Darstellung religiöser Wahrheit. Vgl. Morenz, Äg. Rel. 1 13. - Üb er die Identität von Zauberer und Priester H. uueh Roeder, Zauberei und Jenseitsglaube (s. S. 41,4) 186. 2 ßei Petron 94, 1 2-15 ist ein Messer mit stumpfer Klinge das Instrument einer mimica nwrs. Petron parodiert einen Liebesroman.
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Larisa ein solches Buch geschrieben, und in einem unserer Zauberpapyri (P. G. M. VII 167 ff. ) finden sich Ä"flflOXpL-rou 7tCXL"(VLCX, Zaubertricks des Bolos-Demokritos. Was Menelaos hier den Räubern und dem Kleitopbon vorgaukelt, ist ein solches 7tCXL"(VLOV. Satyros bittet Menelaos, die Räuber mit Hilfe dieses Theaterschwertes zu täuschen, und Leukippe einen mit Blut und Eingeweiden gefüllten Schafsdarm vorzubinden. Er beschwört ihn bei ihrem gemeinsamen Tisch und bei ihrem gemeinsamen Schiffbruch - sie haben zusammen gespeist und sind zusammen "getauft". Rückblickend stellen wir fest, daß das gemeinsame Mahl (II 33) auch kultischen Sinn gehabt hat. Tyche (oder lsistyche) half zum Gelingen dieses Plans. Der Räuber hauptmann sagte nämlich : "Die neuen Mysten (7tpW't"OflUO"'t"CXL) müssen nach unserem Gesetz das heilige Opfer (h:poupyLcx) verrichten ; und auch dein Sklave (Satyros) muß mit dir geweiht werden (flU"I).&�vcxL) ." So zogen sie das Mädchen festlich an, sprachen ihr guten Mut zu (.&cxppe'i:v 7tcxpe:xe:!-e:umx[Le:&cx) und führten das Opfer in der schon erzählten Weise aus. Kleitopbon dankt dem Menelaos und verehrt ihn wie einen Gott.1 - Das Festkleid, welches Leukippe trägt, ist wieder ein Hinweis auf das WeiberituaL Die Soldaten erwarten Verstärkung aus Oherägypten. Aber der Marsch dieser Truppe verzögert sich um 5 Tage, da der heilige Vogel Phoenix gesehen worden ist, welcher seinen Vater bestattet. Er ist ein Sonnen vogel. Seine Federn sind mit Gold und Purpur besetzt ; auf seinem Kopf ist ein strahlender Kranz, ein Bild der Sonne ; seine Federn glänzen wie Strahlen, und man nennt dies "Aufgang der Federn". Er hat seinen toten Vater in einem Ei aus Myrrhen einbalsamiert und bringt ihn, aus Äthiopien kommend, zur Bestattung nach Heliopolis. Viele Vögel he gleiten ihn, wie einen König. Die Priester von Heliopolis begraben den toten Vater des Phoenix. Diese Erscheinung des Phoenix hat große Folgen für das weitere Schicksal der Leukippe. Weil sich die Ankunft der Verstärkung ver zögert, werden die Soldaten von den Räubern geschlagen werden. Die Räuber werden einen Damm durchstechen und so die Regierungstruppen 1 Menelaos, der am Ende des II. Buches als Liebhaber eines Knaben in ungünstigem Licht erschienen war, spielt im 111. Buch die Rolle eines Priesters. Achilleus Tatios und Xenophon legen - anders als Heliodor - keinen Wert auf einheitliche Zeichnung von Charakteren. Ihre Personen sind nur Figuranten in dem heiligen Drama, das die Homanhelden durchleben müssen ; sie spielen daher bald diese bald j ene Rolle. Wir werden noch mehr Beispiele dafür kennenlernen. 11
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überschwemmen. Dabei werden zwei Liehhaber der Leukippe sterben, deren Nachstellungen ihr hätten gefährlich werden können. So wird Leukippe durch eine Verhindun g unwahrscheinlicher Zufälle aus ihrer Bedrängnis gerettet werden. So sieht sich die Handlung jedenfalls an, wenn man sie von außen betrachtet. Um richtiger zu urteilen, müssen wir uns ein wenig mit dem Phoenix beschäftigen. Der Phönix ist der ägyptische Vogel bennu.1 Er zeugt aus sich selbst einen Sohn und stirbt. Aber der Sohn ist das andere Selbst seines Vaters, und so ist der Phönix unsterblich, ein Bild der ewigen Wiedergeburt. 2 Derselbe Gedanke ist in der Bestattung des Vaters im Ei ausgedrückt, denn aus dem Ei wird wieder neues Lehen entstehen. Die Beziehungen des Phönix zur Sonne sind sehr eng. Sein Kultort ist Heliopolis. Er lebt im Sonnenland Äthiopien. Er ist ein Diener des Re, ja in gewissem Sinne sogar mit ihm identisch.3 Vor allem aber ver hinden ihn enge Bande mit dem Sonnengott Horos. Er ist König wie dieser ; er ist unsterblich wie der sich immer verjüngende und so ewig lebende Pharao, der eine Inkarnation des Horos ist ; er ist mit seinem Vater identisch wie Horos mit Osiris ; und wie Horos den Osiris bestattet und wiederbelebt, so bestattet der Phönix seinen Vater in dem Ei, welches den Keim des Lehens trägt. Phönix ist also mit Horos identisch.4 Die Lehensdauer des Phönix wird bald auf einen Tag6 angegeben, bald auf ein Jahr,& bald auf ein großes Jahr (500 oder 1461 Jahre) .7 1 Zum folgenden vgl. das schöne Buch von Hubaux-Leroy, Le mythe du Phenix, Liege-Paris 1 939. 2 Vgl. z. B. Tertullian, De resurrectione carnis 1 3 . 3 Auf einem Fußbodenmosaik des Louvre aus dem Palast des Constantius I I . zu Antiochia sieht man vom Haupt des Phönix Sonnenstrahlen ausgehen (Bidez, Julian der Abtrünnige, dt. Ausgabe [München 1 940] gegenüber S. 273 ; Festugiere, Memoires et Monuments de Ia Fondation Eugene Piot 38, 1941, 148 ; Revelation 111 Titelbild ; Physiologus, übs. von Seel, Umschlagbild). 4 Mettemichstele (um 370 v. Chr.) Zeile 77, I sis zu Horos : "Du sollst nicht sterben . . . , denn du bist der große Phönix, der . . . in Heliopolis geboren ist" (Roeder, Ur kunden 90). Phönix-Osiris : Totenbuch 17, 8 (Roeder, Urkunden 240). Erlaß über das Abaton von Philae (Roeder, Urkunden 31). Hopfner, Offenbarungszauber II § 295. Seele des Osiris in Gestalt des Phönix : Roeder bei Roseher VI 129. Erman-Ranke, Ä gypten und ägyptisches Leben im Altertum (1 923) 308 Abb. 1 39. 5 Apokalypse des Ps. Baruch 8 (Hubaux-Leroy XXVIII). 0 Schol. Aristeides II 107, 5 (111 429, 33 Dindorf). - Der Phönix hat 365 Federn, Hllfi;L der Wiener Physiologus (Sbordone, Rivista lndo-greca-italica 19, 1935, 28 ; Hu lumx-Lcroy p. XXXIV). 7 M unilius bei Plin. nat. hist. X 1 (5 ) . Tac. ann. VI 28.
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Auch hierin gleicht er der Sonne, die täglich und jährlich wiedergeboren wird. Besonders merkwürdig ist aber die Angabe, der Phöhi:Jr lebe 1461 Jahre lang. Dies ist nämlich die Dauer der Sothisperiode. Der Aufgang des Sirins (Sothis) fällt mit der Nilschwelle zusammen. Sothis ist "der Stern der Isis", 1 und die Nilschwelle ist das höchste Fest der Isisreligion : Der Fluß ist Osiris selbst, und die Ankunft der Wasse:tmassen wurde als das Finden (d5pe:cnc;) des Osiris gefeiert.2 Als der ägyptische Sonnen kalender eingerichtet wurde, bestimmte man den Tag der Nilschwelle und des Aufgangs des Isissternes zum Neujahrstag (I . Thoth) . Man setzte ein Jahr von 365 Tagen fest, welches aus 12 Monaten zu je 30 Tagen und 5 Schalttagen (btiXy6fLEV1X�) bestand. Die fünf Schalttage waren Festtage. Da aber die wahre Dauer des Sonnenjahres 3651/ Tage be 4 trägt, verschob sich der Neuj ahrstag ( I . Thoth) alle vier Jahre um einen Tag. Erst nach Ablauf des großen Jahres von 1461 Jahren fiel der I . Thoth wieder auf den Tag der Nilschwelle. Wenn also der Phönix nach 1461 Jahren wieder kommt, so beginnt die Sothisperiode von neuem. Die Zeit ist zu ihrem Ausgangspunkt zu rückgekehrt, und das Erscheinen des Phönix bedeutet gleichzeitig die Wiederkehr der goldenen Zeit und den Beginn einer neuen Weltperiode. Der Phönix ist ein Bild der cbtoXIX'l'OCCJ't'IXcrLc;. Gleichzeitig fällt sein Er scheinen mit der Nilschwelle zusammen. So lehrt Horapolion I 35 und li 57.3 Wenn wir nun zur Erzählung des Achilleus Tatios zurückkehren, so erhält all das Sinn und Zusammenhang, was eine Kette äußerlicher Zufälle zu sein schien. Das Erscheinen des Phönix löst fünf Tage Fest ruhe aus ; es sind die fünf Schalttage (E1t1XY6fLEV1X�), welche dem Neu jahrstag vorangehen. Nach diesen Tagen folgt die Nilschwemme am I. Thoth. Sie wird im Roman durch den Dammdurchstich bezeichnet, welchen die Räuber vornehmen. Die Räuber vertreten hier wie so oft Diener im festlichen Ritual, denn am Tag der Nilschwemme wurde ein Damm durchstochen.4 Diese Ereignisse nun - das Erscheinen des Phö nix und die Nilschwelle - sind für Leukippe von der größten Bedeutung . 1 Dekret von Kanopos (Dittenberger, 0 . G . I . 56) ; Plut. D e Iside 2 1 . Über weitere Beziehungen des Phönix zu Venus (-Isis) s. Hubaux-Leroy S ff. 2 Vgl. Aelian nat. anim. X 45, wo Sirius-Sothis, der Hund des Orion (Horos), in Beziehung gesetzt wird zum Finden des Osiris. a Phönix-Ewigkeit, Unendlichkeit : Totenbuch Kap. 17, 8 (Roeder, Urkunden 240). Phönix-Aion auf alexandrinischen Münzen des Jahres 139 n. Chr. s. S. 132, I. ' So war es noch im vorigen Jahrhundert, s. Lane, Manners and Customs of the Modern Egyptians (Everyman-Ausgabe S. 499 ff. ). <J O
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An ihnen wird sie aus dem Bedrängnis befreit durch Ereignisse, die scheinbar äußerliche Zufälle sind, Schickungen der Fortuna, in Wahr heit aber vom Gott herbeigeführt wurden, also Veranstaltungen der Providentia waren. So rettet Horos-Eros seine Mysten. Seine Wege sind manchmal sonderbar und verschlungen, und es kann aussehen, als ob sie ins Unglück führten ; aber am Ende steht immer die Rettung durch die Gnade des Gottes. Man kann auch sagen, daß die Befreiung der Leukippe in der Erzählung an Tagen stattfindet, welche hohe Fest tage der Isis sind ; diese ganze Erzählung ist nur eine Allegorie für die Befreiung des Menschen, welcher an diesen Tagen die Weihen der Isis empfängt und so alle äußerlichen Zufälligkeiten, denen der Mensch auf dieser Welt ausgesetzt scheint, für immer überwindet. Das Erscheinen des Phönix am Tag der Nilschwelle bezeichnete, wie oben dargelegt, daß das ägyptische Wandelj ahr von 365 Tagen wieder mit dem sacralen Jahr zusammenfiel, dessen Neuj ahrstag ( 1 . Thoth) auf dem 19. Juli lag. Nun ist bei Censorinus (de die natali 21, 10) über liefert, daß im Jahr 139 n. Chr., unter Antoninus Pius, ein neues großes Jahr von 1461 Jahren begonnen habe. In diesem Jahr wurden in Ale xandria Münzen mit dem Phönix geprägt.1 Man hat also den Beginn der neuen Sothisperiode gefeiert. Dasselbe Ereignis scheint sich auch bei Achilleus Tatios zu spiegeln. Sein Roman wird um das Jahr 139 n. Chr. geschrieben sein. IV. Buch. Der Anführer der Soldaten weist dem Brautpaar ein geson dertes Häuschen zu. Kleitopbon will Leukippe in Liehe umfangen ; aber sie weist ihn ab. Artemis hatte ihr im Traum befohlen, Jungfrau zu bleiben, bis sie selbst sie zur Ehe mit Kleitopbon führen werde. Der Aufschub habe sie betrübt, doch freue sie sich der Hoffnung auf die Zukunft. Kleitopbon hatte einen ähnlichen Traum gehabt : Er war zu einem Tempel der Aphrodite gekommen und sah das Bild der Göttin. Als er zum Tempel trat, wurde die Tür geschlossen ; eine Frau, welche wie das Standbild der Göttin aussah, trat zu ihm und verbot ihm, den Tempel zu betreten. Wenn er jetzt kurze Zeit warte, werde sie selbst ihm öffnen und ihn sogar zu ihrem Priester machen. - Natürlich sind Artemis und Aphrodite nur Decknamen für Isis. Der Doppeltraum ist "entschieden wunderbar" (Kerenyi 166) . An einen Zufall ist nicht zu denken, in ihm zeigt sich der Wille der Göttin. 2 Das gesonderte Häuschen 1 Hritish Museum Catalogue of Greek Coins vol. 16, Alexandria and the Nomes (vun H. S. Poole), London 1892, Nr. 1004 (Tafel 26).
� l+'iir Doppelträume s. Livius VIII 6, 9 ; Pap . Oxy. 1 381 ; Philostrat, vita Apollonii
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ist ein Raum im Mysterienhaus, und eine Keuschheitsprobe muß zum Ritual der Mysterien gehört haben. Wir werden sie bei Heliodor wieder finden. Der Stratege verliebt sich in Leukippe. Man hatte nämlich ein Nil pferd erlegt ; alle waren herbeigeeilt, es zu betrachten, und bei dieser Gelegenheit hatte der Stratege das Mädchen gesehen und seine Blicke auf sie geworfen. Das Nilpferd wird beschrieben, der Stratege selbst erzählt über seine cpum�. - In der Tiersymbolik der Ä gypter spielte es eine große Rolle. Nach dem Neuplatoniker Heraiskos ist es ein unge rechtes Tier, sagt Damaskios in der vita Isidori 98. Es ist "ungerecht und undankbar", denn es tötet den Vater und begattet die Mutter, lehrt Horapolion I 56 (vgl. Porphyrios de abst. III 23). Dasselbe berichtet Plutarch, De Iside 32 ; ihm ist das Nilpferd ein Symbol der Schamlosig keit (ci'lctti�ELct) . Wieder zeigt sich also der geheime Zusammenhang aller Dinge der Natur. Daß Leukippe das Nilpferd sieht, ist ein böses Vor zeichen ; es muß eine Zudringlichkeit folgen. Man kann auch sagen, die außerhalb der Menschen sichtbaren Dinge sind nur Zeichen dessen, was in den Menschen vorgeht. Nach dem Nilpferd kommt die Rede auf den Elefanten. Er ist ein menschenfreundliches Tier. Wenn der Wärter seinen Kopf in den Rachen des Elefanten legt, beißt dieser nicht. Sein Atem ist aromatisch, ein Heilmittel gegen Kopfschmerzen. - Weiche Bedeutung der Elefant in der ägyptischen Tiersymbolik hat, weiß ich nicht genau ; es muß eine gute, rettende sein. Nach Horapolion II 84 wittert der Elefant, was nützlich sein wird, und siegt über alle Wechselfälle. Nach dem Physio logus 43 bedeutet der Elefant : Adam, das Gesetz, die zwölf Propheten, Christus (o voEpo� e'A&cpct�) . Zwischen dem Elefanten und der Schlange besteht ewige Feindschaft. Vielleicht hat man in heidnischer Zeit den Elefanten mit Dionysos(-Osiris) zusammengebracht. Jedenfalls hat die Erwähnung des Tieres bei Achilleus Tatios eine tröstliche Vorbedeutung ; die Dreistigkeit, das Nilpferd, wird nicht siegen. Den Anträgen des Strategen auszuweichen, scheint schwierig.1 Aber plötzlich wird Leukippe wahnsinnig. Als Kleitopbon sich um sie bemüht, gibt sie ihm eine Ohrfeige. Wie sich später herausstellt, hat ihr ein ver lichter ägyptischer Soldat, der auch Giftmischer war, einen Liebestrank I 23 ; Apostelgeschichte 9, 1 0 ; Herzog, Philol. Suppl. 22, 1931, 16 Nr. 21 (Wunder heilung von Epidauros) ; Aristeides, heilige Rede II (or. 48) 30-36 ; Asklepiades von Mendes bei Sueton. Aug. 94, 4 ; Libanios, Orat. 1 1 , 1 1 4 ; Apul. XI 6, 1 und 13, 1 ; 22,
2-5 ; 27 ' 4-9. 1 IV 8, 3 wieder ein Vergleich der Liebe mit den Mysterien.
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gehen lassen, der z u stark dosiert war. Die Rasende wird gefesselt und bleibt krank liegen ; ein Arzt bemüht sieh um sie und gibt ihr Arznei. Dieser Trank erinnert an den rituellen Schlaftrank in der Geschichte vom klugen Arzt und an den Schlaftrank, den bei Xenophon ein ephesi scher Arzt der Antheia gibt ; der Wahnsinn erinnert an die Epilepsie, welche Antheia bei Xenophon im Bordell fingiert. Jedenfalls bedeutete dieser von einem Ägypter ( Priester) gereichte Trank unerwartete Rettung zur rechten Zeit. Leukippe hätte sich dem verliebten Strategen nicht widersetzen können ; aber Isistyche lenkt ihr Schicksal mit retten der Hand, wenn auch im Augenblick die Krankheit ein Unglück scheint. Auf Befehl des Satrapen von Ägypten ziehen die Soldaten gegen die Bukolen. Diesen gelingt es, durch List die Abteilung Soldaten zu ver nichten : Sie hatten den Nil zurückgestaut und dann den Damm durch stochen, als die Soldaten heim Marsch gegen die Räuber durch eine Niederung zogen. Beide Liehhaber der Leukippe, sowohl der Stratege als der Soldat, ertrinken. - So hilft der Nil der bedrohten Unschuld. Nun ist der Nil Osiris selbst, und in IV 12 steht eine Beschreibung der "Ankunft" des Flusses (smÖ1J[LLot, ein halbreligiöses Wort) : "Der Nil trügt nicht, sondern der Fluß hält die vorher bestimmte Zeit ein und teilt das Wasser zu ; er will sich nicht verspäten. Da sieht man den Wettstreit des Stroms und der Erde. Beide wetteifern miteinander : das Wasser will viel Erde wie ein Meer überschwemmen, die Erde viel süßes Meer fassen ; und heide siegen denselben Sieg, und nirgends ist ein Be siegter." Hier wird auf die Nilschwelle angespielt, welche ursprünglich mit dem Neuj ahrstag der Ägypter (1. Thoth) zusammenfiel und ein hohes Fest war. Auch bei Heliodor werden wir die Nilschwelle wieder finden. Ihm ist der Nil Osiris, die Erde Isis, und die Zeit der Nilschwelle ist die Zeit der heiligen Hochzeit. Auf den inneren Zusammenhang der Nilschwelle und des Dammdurchstichs mit der Episode vom Vogel Phönix am Ende des vorigen Buches haben wir schon oben hingewiesen. Daß die Soldaten auf Befehl des Satrapen von Ägypten den verhängnis vollen Angriff unternehmen, wird ehenfalls einen mystischen Sinn haben. Der Satrap ist ein Stellvertreter des Horos auf Erden ; der Gott selbst veranlaßt also den Wechselfall des Schicksals, durch welchen Leukippe aus der Bedrängnis gerettet wird. Die beiden Liehhaber der Leukippe, Stratege und Soldat, ertrinken im Nil wie Osiris. Sie sterben als stell Vt"rt retcnde Opfer für den Bräutigam Kleitophon. Im Ritual muß dem Tut ! der Leukippe durch die Osirisweihe der Mumifizierung ein Tod des =
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Kleitopbon durch die Osirisweihe des Ertrinkens entsprochen hahen.1 Die Schicksale des Kleitopbon und der Leukippe werden parallel geführt. Daß Scheintod und stellvertretender Tod im Mysterienritual eine große Rolle spielten, liegt in der Natur der Sache. Nach zehn Tagen Krankheit2 wird Leukippe endlich geheilt. Ein Sol dat namens Chaireas, der von Beruf Fischer ist3 und von der Insel Pharos vor Alexandria stammt, hat erfahren , weHhalb Leukippe wahn sinnig geworden ist, und bringt den Diener jenes Soldaten, welcher Leukippe den Liehestrank gegeben hatte. Dieser war den Räubern ent ronnen ; Tyche(-Isis) hatte ihn gerettet. Er bereitet ein en Hciltrank, von dem er selber trinkt. Kleitopbon spricht eine feierliche Form el ( cruv&� flCX.'t"cx.) und gibt Leukippe zu trinken. Sie gesundet ; die I•'esHelu werden ihr abgenommen. Inzwischen war die Räuberbande von einer neuen Abteilung Soldaten vernichtet worden. Die Stadt der Räuber wurde zerstört, der Nil war wieder für die Schiffe frei. - Der Sieg der Regierungstruppen über die Räuber entspricht dem mythischen Sieg des Horos über Seth am Tag der Nilflut.4 Bevor die Flut kam, hatte Trockenheit ( Seth) geherrscht. Sie wird von den Wassermassen (Osiris-Horos) überwunden. Die Dämme, welche die Seitenkanäle sperrten, wurden durchstochen. Das Durch stechen des Damms galt als Sieg des Horos über Seth ; die Fahrt auf dem Fluß war frei.5 Das Paar fährt in drei Tagen zu Schiff nach Alexandria. Der Nil ist voller Schiffe ; alles ist froh, da man nach langer Zeit wieder fahren kann, 1 Vgl. auch Xen., Ephes. IV 2 , 6. Über das Ertrinken des Osiris s. unten S. 139, l. 2 Für die zehn Tage vgl. Apul. Metam. XI 23, 2 ; 28, 5 ; 30, 1 ; vielleicht auch Ach.
Tat. II 3, 3. 3 Vgl. oben S. 108 zu Xen. Ephes. V l. Chaireas nennt sich hier crw-.�p des Kleito pbon und seiner Frau. Freilich raubt er nachher die Leukippe ; aber auch die "Räuber" sind Mysteriendiener. 4 Der wichtigste Beleg für den Sieg des Horos über Seth am Tag der Nilflut ist der Mythos von der geflügelten Sonnenscheibe (Roeder, Urkunden 1 2 0 ff. Fairman, Jour nal of Egyptian Archaeology 2 1 , 1935, 26-36). Er bezieht sich auf die Nilflut. Beim Kampf des Ptolemaios des V. Epiphanes gegen die Aufständischen von Lykopolis im Jahr 196 wurde der Sieg des Horos durch die Nilflut ganz real zelebriert, indem die Stadt überschwemmt wurde (Dittenberger, 0. G. I. 90, 2 2 ff.). Ich werde diese Texte in einer Abhandlung über Festdaten der Isisreligion genauer besprechen. 5. Die Räuber spielen also beim Durchstechen des Damms (IV 14) die Rolle von Mysteriendienern, hier aber (IV 18) die Rolle der bösen Gefolgsleute des Seth. Solches Vertauschen der Rollen wird uns bei Achilleus Tatios noch öfter begegnen. In den ägyptischen Ritualen ist es sehr häufig. Im Roman ist es ein Zeichen dafür, daß die Handlung noch durchaus am Ritual haftet. Heliodor führt die Handlung geschickter und vermeidet den Rollentausch.
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die Schiffer singen und lärmen, die Schiffe tanzen Reigen, überall auf dem Fluß ist ein Fest ; die Fahrt war ein froher Festzug auf dem Fluß. Hier zum erstenmal trinkt Kleitopbon das reine Nilwasser ohne Wein. Er trinkt aus einem Becher ; das Wasser ist heller als das Glas, süß und kühl. Die Ägypter trinken es aus der hohlen Hand. - Immer noch wird auf das Fest der Nilschwelle angespielt. Es wurde noch im vorigen Jahrhundert glanzvoll gefeiert. Auf dem wieder schiffbar gewordenen Fluß drängten sich die Schiffe, und die Feiern dauerten mehrere Tage lang.1 Das Trinken des Nilwassers (des Osiris) ist ein feierliches Ritual an diesem Fest. Es wird hier gleichgesetzt mit dem Heiltrank, den Leukippe trinkt, nachdem eine feierliche Formel (cruv&ljfL<X:r�) gesprochen worden ist. So wie Leukippe durch die Arznei vom Wahnsinn gesundet, so wird der lsismyste durch das Sakrament des Nilwassers zum Heil geführt. Eine Darstellung der hier besprochenen Nilfahrt bietet der schon mehrfach erwähnte Filocyriussarkophag (Tafel VI) . Drei Boote fahren in den Hafen von Alexandria ein, der durch den Leuchtturm Pharos bezeichnet wird. Auf dem Sarkophag bedeutet dies, daß der Verstorbene die Reise über den Ozean des Lehens überstanden hat und in den retten· den Hafen der lsis eingelaufen ist. Alexandria, ein wichtiger Kultort der lsis, ist hier eine Chiffre für den jenseitigen Hafen des Heils. Rechts, unterhalb des Leuchtturms Pharos, zieht ein Fischer den Fisch aus dem Wasser, wie hier der Fischer Chaireas von Pharos die Leukippe geheilt hat. Auf den drei Booten fahren Eroten und Psychen und machen Musik ; die Psyche im linken Boot hält den Becher, um von dem heiligen Nilwasser zu trinken, wie Kleitophon. Die Fahrt des Kleitopbon nilabwärts zusammen mit der Flut wieder holt die Triumphfahrt des Horos den Nil hinab, welche im "Mythos von der geflügelten Sonnenscheibe'' beschrieben wird (aus Edfu ; s. oben s. 135, 4 ). Auf der Fahrt nach Alexandria sieht Kleitopbon nun auch ein Kro kodil ; "es soll soviel Zähne haben, wie das Jahr Tage". - Die symboli sche Bedeutung des Krokodils ist vielfältig. Helios fährt auf einem Krokodil durch den feuchten Äther und erzeugt die Zeit (Clemens Al., Strom. V 7, 4 1, 3 und Porphyrios bei Euseh, Praep. ev. 111 11, 48) . 1
Siehe die Schilderung von Lane, Manncrs and Customs of the Modern Egyptians
499 fT. - In der Abhandlung über Festdaten der Ieisreligion werde ich ausführlic h auf datK N ilfest zurückkommen. Dort auch über die Verwandlung des Nilwassers in Wein ( K ir.it ophon
trinkt das reine Wasser ohne Wein).
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Es ist also ein Symbol der Sonne, der Zeit, des sich immer erneuernden Jahres (Zahl 365). Da Helios auf dem Krokodil wie auf einer Barke fährt, ist es auch ein Symbol des Wassers (Porphyrios : 7t6't'Lfi.OV \J8wp ; Aelian, nat. anim. X 24). Es steht in Beziehung zur Zahl 60 (Plut.� De Iside 75 ; Aelian, nat. anim. X 21), die wiederum dem Sonnengott zugehört (Iamblich, De myst. V 8) . Es steht also in naher Beziehung zu dem j ährlichen Fest der Nilschwelle, das zur Zeit des höchsten Sonnen standes stattfindet und an dem man das heilige W n s s e r trinkt. V. Buch. Das Paar kommt mit Chaireas und dc�m Diener Satyros nach Alexandria und bewundert die Stadt. Es war gc�radc� d as Fest des Sarapis. Abends wurden so viele Fackeln entzündet, daß es Tag zu sein schien. - Lichterfeste sind für die Isis- Sarapis-Religion mehrfach bezeugt.! Daß die Abenteuer des Paares immer zu religiösen Festen in Beziehung gesetzt werden, ist bezeichnend. Neue Prüfungen der Tyche(-Isis) standen ihnen bevor. Ein Habicl1t verfolgt eine Schwalbe und streift Leukippe mit dem Flügel. Als Kleito pbon beunruhigt ein Zeichen erbittet, fällt ihr Blick auf ein Gemälde, welches die grausige Geschichte von Tereus und Philomela (der Schwalbe) darstellt. Chaireas hatte sich in Leukippe verliebt. Er lädt das Paar auf die Insel Pharos ein und läßt das Mädchen am Ufer von Seeräubern ent führen, welche er gemietet hatte. Kleitopbon setzt sich zur Wehr, wird am Oberschenkel verwundet und stürzt nieder. Auf sein Rufen kommt die Polizei, man besteigt ein Boot und verfolgt die Seeräuber. Als das Boot ihnen nahekommt, sehen die Verfolger wieder ein schreckliches Schauspiel : Die Räuber stellen das gefesselte Mädchen aufs Heck, einer ruft : "Hier ist euer Kampfpreis", schlägt ihr den Kopf ab und wirft den Rumpf ins Meer. Das Polizeischiff gibt die Verfolgung auf, um die kopf lose Leiche aufzufischen. Kleitopbon bestattet sie. - Die Entführung von der Insel Pharos, einem Kultplatz der lsis,2 vertritt wieder eine Mysterienprobe. Es handelt sich auch diesmal um einen Scheintod und eine Scheinbestattung, also um eine Anspielung auf das Ritual. Die Räuber hatten, wie man später erfährt (VIII 16), eine Hafendirne auf 1 :AuxvoxtXttX, :Auxvwjl(tX ; H ero dot II 62 usw., Pap. Oxy. 1453 ; Rusch, R. E. Suppl. VII 420 ff. Lychnapsia. :Auxv
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ihr Schiff gelockt und entführt, u m sie a n einem anderen Ort als Sklavin zu verkaufen. Als nun das Polizeischiff sie einzuholen droht, lassen sie Leukippe mit ihr die Kleider tauschen und schlagen ihr an Stelle der Leukippe den Kopf ab, da sie hoffen, für die schöne Leukippe mehr Geld zu erhalten. Es handelt sich also um ein stellvertretendes Opfer ; statt der Jungfrau stirbt ein beflecktes Mädchen.1 Man beachte übrigens, daß nach Plutarch, De lside 20, auch lsis geköpft worden ist. Der Räuber der Leukippe, Chaireas, empfängt bald darauf den ver· dienten Lohn. Er überwirft sich mit den Räubern und wird von ihnen geköpft, der Leichnam ins Wasser geworfen. Die Räuber fahren nach Ephesos und verkaufen Leukippe dort als Sklavin an den Gutsverwalter einer Frau namens Melite. - Melite ist, wie wir gleich sehen werden, eine Vertreterin der lsis. Indem Leukippe den rituellen Scheintod durch· gemacht hat, bei dem scheinbar ihre Leiche wie die des Osiris ins Wasser geworfen wurde, ist sie eine Sklavin der Isis(-Melite) geworden. Die nach dem Oberflächensinn nicht zusammenhängenden Schicksale der Leukippe hängen nach dem Mysteriensinn eng zusammen. Auch der Tod des Liebhabers Chaireas im Wasser ist ein stellvertretendes Opfer. Er stirbt für den Bräutigam Kleitophon. Daß Kleitopbon und Leukippe in der Erzählung leben bleiben, bedeutet nach dem mystischen Sinn ihre Wiederauferstehung. Die oben erwähnte gefährliche Verwundung des Kleitopbon am Schenkel ist auch bedeutungsvoll. Es ist die Wunde, an der Adonis stirbt. Mit ihm wird Kleitopbon identifiziert. Der Verwun· dung des Kleitopbon am Schenkel und dem Tod des Chaireas auf dem Meer entsprach vermutlich im Mysterium eine einzige Zeremonie ;2 hier ist sie auf zwei Personen verteilt. Die Schenkelwunde ist ein Kennzeichen des Mysten ; in einer feierlichen Szene im Artemistempel zu Ephesos zeigt Kleitopbon später die Narbe dem (lsis-)Priester vor.3 Des Kleitopbon Freund Kleinias4 war von einem Schiff an einem Tau aus dem Wasser gezogen worden und nach Sidon zurückgekehrt. Er erfährt dort, daß der Vater des Kleitopbon am Tag nach der Flucht des Paares einen Brief vom Vater der Leukippe erhalten hat, in dem diese 1
Vgl. den Tod der Thisb e statt der Chariklea bei Helio dor (S. 256) . Ob es eine Osirisweihe war, bei der der Initiand im Wasser "ertrank", "vergottet" wurde und wieder auflebte, oder eine Adonisweihe, .bei der er am Schenkel verwundet wurde, oder ob beides angedeutet wurde, das können wir nicht sagen. Da die beiden W cihen dieselbe Bedeutung hatten, ist es auch gleichgültig. " Von einer Schenkelwunde des Orisis spricht ein Sargtext, den Clark behandelt ( M y l h and Symbol in Ancient Egypt 1 60 ; Coffin Text 228). ·I Vj!; l . oben S. 1 24. 2
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1lem Kleitopbon als Braut versprochen wurde. Wenn der Brief eher gekommen wäre, wäre die Flucht des Paares überflüssig gewesen ; aber Tyehe hat es anders gewollt. - Hätte Kleitopbon nicht versucht, die Liebesfreuden vor der Ehe, vor der Weihe der Göttin zu genießen, wäre dem Paar die lange Irrfahrt erspart geblieben . Die Irrfahrt ist eine Strafe der Göttin Isistyche. Kleitopbon lebt inzwischen ein halbes Jahr in Alexandria. Als Klei nias zufällig davon hört, fährt er nach Alexandria, um den Freund mit seiner Braut nach Hause zu holen. Er trifft Kleitophon und erfährt, daß Leukippe von den Seeräubern getötet worden ist. Leidenschaftlich klagt Kleitopbon über "die Ehe nach dem Tod, das Hochzeitslied nach der Totenklage" ; Tyche gibt ihm eine Tote als Braut. - Diese Worte werden sich in anderer Weise erfüllen als er denkt : Isistycho wird ihm die Braut wirklich geben, nachdem sie bei der Mysterienweihe ge storben ist. In Alexandria verliebt sich eine reiche junge Witwe in Kleitophon. Es ist dieselbe Frau, Melite, auf deren ephesischem Landgut Leukippe jetzt als Sklavin ist. Melite ist Ephesierin und so schön wie ein Götter bild. Ihr Mann ist im Meer ertrunken. - Diese Frau ist in merkwürdiger Weise ein "Bild" der Isis : sie ist Ephesierin wie Artemis-Isis, und ihr Gatte ist ertrunken wie Osiris.1 Die Liebesanträge dieser Frau sind in \Vahrheit eine Probe, ob Kleitopbon seiner Braut treu ist. Satyros redet seinem Herrn zu, Melite zu heiraten : Aphrodite (= Isis) habe ihm ein großes Gut gegeben, das er annehmen solle. Aber Kleito1 Über Melite vgl. auch V 1 3 , 2 : "Ihr Blick glänzte in aphrodischem Glanz", Anspie lung auf Aphrodite-Isis. Für die neue Ehe der Melite könnte man auf die Hochzeit der Isis mit Horos verweisen. Natürlich gilt die ldentification der Melite mit lsis nicht ganz, und die Beziehung ihres toten Mannes zu Osiris ist erst recht vage und ungefähr. Man kommt hier mit strenger Logik nicht durch. Immerhin wird Thersan dros später wieder lebendig, wie Osiris ; eine Phrase wie VII 9, 10 "die Meerleiche ist wicderaufgelebt" soll nach Osiris klingen. Über den ertrunkenen Osiris-Esies vgl. z. B. Griffith, Zeitschrift für ägypt. Sprache 46, 1909/10, 1 3 2 f. ; Reitzenstein, Myst. Hel. 2 2 l f. ; Dölger, Antike und Christentum 1, 1929, 174ff. ; Hopfner, Offenbarungs zauber II, Index ; oben S. 24, 0. Der Name der Melite ist wohl nicht zufällig gewählt. Melite war der antike Name der I nsel Malta. Dort verehrte man die phönikische Astarte und Adonis (Wünsch, Das Frühlingsfest der Insel Malta, Leipzig 1902, 1 2 f. und 1 9 ff.). Auf maltesischen Kupfer münzen sind dargestellt Hera-Astarte-Isis und die Osirismumie zwischen lsis und Ncphthys (Albert Mayr, Die Insel Malta im Altertum, München 1 909, 97 f.). Eine Stele, die noch aus der punischen Zeit stammt, nennt einen Gott Malk-Osir (Mayr 1 23 f.). Ein Kult der Isis und des Osiris zu Malta ist also bezeugt, und die Malteserin M dite ist die Göttin von Malta, Astarte-lsis.
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11hon meint, Leukippe werde ihm wieder lebendig werden (&vOtßLwcrecr-3-0tL). Er hat geschworen, an dem Ort, wo er Leukippe verloren hat, keine Frau in Liehe zu umfangen. Doch auch Kleinias redet ihm zu ; Eros strafe die Stolzen. Da gibt Kleitopbon nach : "Führe mich wohin du willst, wenn auch Kleinias dies für richtig hält." Aber er will nur eine Scheinehe eingehen. - Kleitopbon bewährt gleichzeitig seine Treue gegen Leukippe und den Gehorsam des Mysten gegen die Forderungen j ener Göttin, welche die Herrin des Schicksals ist und deren Befehle der Myste aus dem Mund des Mystagogen empfängt. Die Hochzeit findet im Tempel der lsis statt. Dann fahren die Ver mählten und Kleinias zu Schiff nach Ephesos. Der Wind ist XOt-riX 'l"UXYJV (durch eine Gabe des Glücks) günstig. Auf dem Schiff haben Kleitopbon und Melite eine Kabine für sich. Melite umarmt Kleitopbon und spricht über das Liebesfeuer, das in ihr brennt, "das mystische Feuer, das Feuer, dessen Fackeln im Geheimen leuchten . . . Liebster, wir wollen uns einweihen in die Mysterien der Aphrodite . . . Das Meer ist der beste Platz für Eros und die Mysterien der Aphrodite, denn sie ist aus dem Meer geboren . . . Um uns sind lauter Symbole der Ehe : dies Schiffsj och,1 die Taue um die Segelstange, das Doppelsteuer.2 Tyche selbst führt das Steuer und bereitet unsere Hochzeit . . . der Wind bläst das Hochzeitslied. Das Leinensegel ist gebläht wie ein schwangerer Leih usw." . - Das geblähte Segel kennen wir von vielen Münzen, auf denen Isis, die Verleiherin der guten Fahrt (e:iht:AoLOt) dargestellt ist,3 und lsis (hier Tyche) am Steuer finden Wir auf vielen Monumenten. Hier wird sie durch Melite vertreten. Die Kabine spielt wohl auf den Raum im Mysterienhaus an, in dem die Probe statt findet. Die Schiffahrtssymbolik der altchristlichen Texte ist bekannt ( Schiff Kirche, Mastbaum Kreuz). Es scheint, daß die Isisreligion hier in manchem d.ent Christentum vorangegangen ist. Kleitopbon bleibt standhaft ;4 er befindet sich noch auf dem Meer, also an dem Ort, wo er Leukippe verloren hat, und ist an seinen Schwur =
=
1 Die Ruderbank (�uy6v) verbindet die Seitenwände wie ein Joch. - Ich führe diese Partie an um zu zeigen, wie sehr man bei Achilleus Tatios mit doppelsinnigen Reden zu rechnen hat. 2 Das Steuer (70) 8&:1-tov) bestand aus zwei seitlich angebrachten Steuerrudern, die durch eine Querstange regiert wurden. 3 Z. B. Leipoldt Abb. 32-36 ; Alföldi, A festival of Isis in Rome (Diss. Pannonicae II 7, 1 937) Tafel IX 13, 14, 16, 2 1 , 24, 27, 3 1 , 38, 40 und sehr oft auf den anderen Tafeln. 4 V 1 6, 7 sagt Kleitopbon zu Melite : cptÄocrocp�crwfLev. Das heißt etwa : "Wir wollen unH aiH Wds e bewähren, gemäß den heiligen Lehren unserer Religion". cptÄocrocpdv
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gebunden. - Man kann sagen : Kleitopbon sühnt jetzt seinen früheren Vorwitz, in dem er mit Leukippe die Liebesfreuden vor der Zeit genießen wollte. Natürlich ist diesmal die Seefahrt glücklich, auf dem Schiff der Melite-lsis Euploia. Sie kommen in 'Ephesos an und fahren in einem Wagen nach einem Landhaus. Dort fällt ihnen eine Sklavin zu Füßen, in j ämmerlichem Aufzug, mit Fußfesseln gebunden, eine Hacke in der Hand, die Haare abgeschoren : "Habe Erbarmen, Herrin, als Frau mit einer Frau. Ich hin frei geboren, aber j etzt eine Sklavin der Tyche." Es ist Leukippe, aber sie ist so entstellt, daß ihr Geliebter sie nicht er kennt. Der Verwalter des Landgutes, Sosthenes, hat sie von den See räubern gekauft, und so ist sie Sklavin der Melite-Isis-Tyche geworden.1 Die geschorenen Haare2 und die Hacke in der Hand3 kennzeichnen die Isisdienerin. Wir denken zurück an die Arbeit des Hahrokomes im Steinbruch (Xen., Ephes. V 8) und an Psyche, welche Garten geräte aufgeräumt und Aschenputtels Aufgabe gelöst hat (Apul. VI 1 und 10). Melite heißt die Sklavin aufstehen und fragt nach ihrem Namen und Unglück. Leukippe sagt, sie sei Thessalierin und heiße "Lakaina".4 Sie hat sich dem Gutsverwalter Sosthenes verweigert und wurde zur Strafe geschoren, gefesselt, in schlechte Kleider gesteckt, zu schwerer Arbeit gezwungen u�d gegeißelt. Sie zeigt Melite die Striemen auf ihrem Rücken. Melite sagt : " Sei getrost (&&ppe:L)", läßt die Fesseln lösen und verspricht, sie in die Heimat zu senden ; sie wird gebadet und erhält ein reines Kleid. - Ich brauche nicht näher auszuführen, daß sich all dies auf das Ritual der Mysterienweihe bezieht. bedeutet hier und in VIII 5, 7 keusch leben, V 23, 7 Prüfungen schweigend erdulden, V 27, l als Exeget der Mysterienlehre sp1·echen. In der korinthischen lsisprozession bei Apuleius XI 8, 3 zieht die Maske eines Philosophen mit. Für Chairemon sind die ägyp tischen Priester die wahren Philosophen. Auch für die Christen wird ihre Religion <j) LAOO'O
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In die Stadt zurückgekehrt, setzen sich Melite und Kleitopbon zum Mahl. Der Diener Satyros ruft Kleitopbon heraus und übergibt ihm einen Brief der Leukippe. - Während des Mahls mit Melite-lsis erhält Kleitophon die Nachricht von der Rettung der Leukippe. Vermutlieh bezieht !'iich dies auf ein KultmahL Der Brief der Leukippe lautet : "Wegen deiner verließ ich die Mutter und wählte die Irrfahrt, wegen deiner erlitt ich Schiffbruch und war Gefangene der Räuber, wegen deiner war ich Sühnopfer und starb schon zweimal, wegen deiner wurde ich verkauft und in Eisen gefesselt und trug die Hacke und grub die Erde und wurde gegeißelt - soll ich nun, wo du der Mann einer andern Frau geworden bist, auch einen anderen heiraten ? Nein. Ich hin standhaft gehliehen in so großen Zwangslagen, und du, der du nicht verkauft und nicht gegeißelt wurdest, heiratest . . . Ich schreibe dir dies als Jungfrau." Sie bittet Kleitophon, wenigstens dafür zu sorgen, daß sie freigegeben werde. - Die Prüfungen, welche Leukippe überstanden hat, sind lnitiationsprohen. Ihre Aufzählung wird in einem merkwürdigen asyndetischen Stil gegeben, welchen Kerenyi 103 f. mit Recht vergleicht mit den bekannten Symbolen (Bekenntnis sen) der eleusinischen Mysterien und des Attiskultes. Ungläubig blickt Kleitopbon den Diener an : "Bringst du diesen Brief aus dem Hades ? Ist Leukippe zum zweitenmal wiederaufgelebt (1t&ALV &ve:ß(w) ?" Dieser mahnt ihn zu schweigen. - Alles spielt auf die Wei hen an. Kleitopbon schwört bei dem gegenwärtigen Glück (Tyche), daß er noch nicht wirklich geheiratet habe, und schreibt dies seiner Geliebten in einem Brief. Als am Abend die Ehe mit Melite vollzogen werden soll, stellt er sich krank. Melite erkennt, daß alles nur Ausflüchte sind. Sie läßt am anderen Tag die "thessalische Sklavin" Leukippe holen und sagt : "Du weißt, wie menschenfreundlich1 ich dir gesonnen hin." Zum Dank soll Leukippe ihr helfen. Alle thessalischen Frauen stehen im Geruch der Zauberei ; daher soll Leukippe durch einen Zaubertrank dem Kleitopbon Liehe zu seiner Frau Melite einflößen. So bestätigt Melite selbst der Leukippe, daß Kleitopbon ihr treu gehliehen ist. Leukippe sagt zum Schein die Erfüllung dieser Bitte zu und geht aufs Land, um Zauberkräuter zu sammeln. Abends entsteht heim Mahl ein großer Lärm : Thersandros, der tot geglaubte Gatte der Melite, kommt zurück. Wütend läuft er auf den 1
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"Ehebrecher" Kleitopbon zu, gibt ihm einen Schlag auf die Schläfe, zerrt ihn an den Haaren, wirft ihn auf den Boden und prügelt ihn. Kleitopbon verhält sich "wi � bei einem Mysterium" ; da er nicht wußte, wer der Mann war und warum er schlug, glaubte er, jener sei rasend, und wollte sich nicht wehren, obwohl er es g(�konnt hätte. Als jener zu prügeln aufhört, fragt er, warum er denn schl age ; da ergrimmt jener, daß er überhaupt einen Laut von sich gegeben habe, 1 ohrfeigt ihn wieder und ruft nach Fesseln und Fußschellen. M a n bindet ihn und führt ihn in ein Verließ. - Mit Recht hat Kerenyi 127 gesagt, "daß die ganze Lage und darin die vollständige Passivität des Helden gegenüber den Schlägen eigentlich diejenige des Initianden ist". Die Szene entspricht der Geißelung und Fesselung der Leukippe. Kleitopbon hat, als er geschlagen wurde, den Brief der Leukippe ver loren. Melite findet ihn und erkennt, daß ihre Sklavin die totgeglaubte Braut des Kleitopbon ist. Als nun Thersandros abends zu einem Freund geht, läßt sie den Raum öffnen, in dem Kleitopbon eingesperrt ist, und setzt zwei Sklaven als Wache davor. In langer, bewegter Rede bittet sie den Geliebten, ihr wenigstens jetzt, zum ersten- und letztenmal, seine Liehe zu schenken : "Auch du bist Sklave des Eros, fürchtest du nicht seinen Zo�n ? . . . Ehrst du nicht seine Mysterien ? . . . Ich bitte dich nur um ein kleines Heilmittel für meine große (Liehes-) Krankheit . . . . Ich weiß, daß es als unschicklich gilt, aber ich schäme mich nicht, von den Mysterien des Eros zu sprechen. Ich rede mit einem Mann, der in sie eingeweiht ist . . . Erinnere dich der lsis und der Eide, die du dort (im Tempel) geschworen hast . . . Da du Leukippe gefunden hast (e:up6v-rL aoL), kannst du keine andere Frau heiraten . . . Gegen mich werden auch Tote wieder lebendig (ocviXßLOuaL) Wenn ich dich nicht geliebt, wenn ich dich nicht hierher geführt hätte, wäre Leukippe noch für dich tot. Es gibt auch Geschenke der Tyche.2 Wer einen Schatz findet, ehrt den Fundplatz . . . Du fandest bei mir einen Schatz des Eros und ehrst nicht deine Wohltäterin. Eros spricht zu dir durch mich : ,Tu den Gefallen mir, deinem Mystagogen, laß Melite nicht ungeweiht' . . . Du wirst gleich aus den Fesseln gelöst werden . . . , du wirst eine Unterkunft erhalten . . . Morgen wird auch Leukippe zu dir kommen Damit du auch in dieser Hi'dsicht guten Mutes bist (&1Xpp�07JLc;;) , Ther sandros ist nicht zu Hause . . . Schenk dich mir." Sie löst Kleitopbon •
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•
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1 D er Myste muß die Prüfungen schweigend erdul den.
2
Tyche
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Isis.
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die Fesseln,1 küßt und umarmt ihn weinend.2 Da fürchtet er den Zorn des Gottes, und da dies nun keine Ehe mehr war, sondern ein Heilmittel für eine kranke Seele, ertrug er ihre Umarmung und widerstand ihr nicht, und wenn auch kein Bett im Zimmer war, so kann Eros doch jeden Platz zu seinem Mysterienraum machen. - Dies ist eine Beschrei bung der "heiligen Hochzeit" im Initiationsritual der lsismysterien. Die Göttin selbst umarmt den Mysten "im Gefängnis". Seine Rolle ist ganz passiv. Er war gebunden wie der tote Osiris ; lsis löst die Bande ; klagend umarmt sie ihn ; diese Umarmung ist kein Liehesspiel, sondern ein Heil mittel. Es ist die Wiederholung der Totenhochzeit der lsis und des Osiris. Man könnte gegen diese Deutung einwenden, es sei zwar die heilige Hochzeit des Gottes (Horos-Eros) im Mysterienritual bezeugt, aber nicht die Umarmung des Mysten durch lsis. Plutarch berichtet im Lehen des Numa (cap. 4) als Lehre der ägyptischen Priester, es sei nicht unmög lich, daß der Geist eines Gottes einer Frau nahe und aus ihr Lehen erzeuge ; für einen Mann gehe es aber keine Vermischung mit Gott und keinen leihliehen Umgan g.3 Wenn man das Zeugnis des Plutarch für bindend hält und andererseits doch anerkennt - wie das wohl unver meidlich ist -, daß die Szene des Achilleus Tatios kultischen Sinn hat, bleiben zwei Auswege : Entweder ist die Hochzeit des Mysten mit lsis nur symbolisch andeutend vollzogen worden,4 oder Achilleus Tatios hat absichtlich die Rollen von Mann und Frau vertauscht, um die Beziehung auf das Ritual zu verhüllen. Völlige Sicherheit läßt sich hier nicht er· reichen. Die Religion der lsis war nicht vereinheitlicht, hatte keine hindenden heiligen Schriften, keine festen Dogmen ; die Unterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden müssen beträchtlich gewesen sein. Ich sehe daher keine Schwierigkeit in der Annahme, daß der Isiskreis, dem Achilleus Tatios angehörte und in dem die Liebesfreuden eine he deutende Rolle gespielt haben müssen, die Erweckung des Osirismysten 1 &yw -rau� &v �e:cr!J.ar� :t.uw, sagt I sis in der Selbstoffenbarung von Kyme (48).
2 Ihr H erz schlägt vor "Furcht und Hoffnung". Das sind wieder Mysterien worte. Als lsis dem Lucius im Traum erschienen ist und ihn zur Verwandlung (zur Weihe) gerufen hat, erwacht er pavore et gaudio (Apul. Met. XI 7, 1 ). Vgl. oben S. 1 7 und unten S. 226, 5. 3 Vgl. ferner Quaest conviv. VIII 1 , 3 p. 7 1 8 B; Reitzenstein, Hell. Myst. Rel. 245f. ; Norden, Die Geburt des Kindes 7 7 f. Nach Philon, De Cherubim 4 1 (I 180ff. Cohn Wcndland) hat (lsis-)Sophia Liebhaber (.!:ptXcr-rotl). Aber mit ihr zeugen kann nur der Gott (o tXtno�). Vgl. Pascher, ' H ßtXOLA�lC� o�6�, Der Königsweg ZU Wiedergeburt und Vergottung bei Phiion von Alexandria (Paderborn 1931) 90. ' Z. ß. durch Aulegen eines Isiskleides (s. den Beginn von Buch VI).
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aus der Todesstarre in der Umarmung der lsis ganz real zelebriert hat.1 Ich erinnere daran, daß in gewissen Kreisen christlich-ägyptischer Gno Htiker ähnliche Riten im Gebrauch waren, ja, daß man leichtsinnige schöne Frauen dazu verwendete, um junge Männer für die eigene Sekte zu ködern.2 Diese Gnostiker haben vieles aus der heidnischen Religion übernommen ; hier scheint das gleiche zu gelten . VI. Buch. Melite sagt nun zu Kleitopbon : "Zieh nun mein Kleid an und verhülle dein Gesicht mit meinem Mantel." Sie staffiert ihn aus, als wäre er sie selber, küßt ihn und sagt : "Wie viel schöner bist du in diesem Gewand. So sieht Achill in Skyros auf den Gemälden aus. Lieb ster, mögest du heil durchkommen ((j(��ow) und heb dieses Gewand zum Andenken auf. Laß mir das Deine, daß ich es anziehen und so von dir umarmt sein kann." Eine Magd Melantho geleitet ihn hinaus. Der Myste war ein Toter (Osiris) gewesen ; jetzt ist er zum Leben erweckt und wird durch die Kleidung mit der Göttin identifiziert. Die Statuette aus Kyrene, welche diesen Gedanken darstellt, haben wir S . l27 bespro chen. Das Kleid der Göttin ist das Weihekleid, welches der Myste sorg fältig aufhebt ; bei Apuleius XI 9, 5 heißt es cataclista.3 Wie Melite von Kleitopbon umarmt wird, wenn sie sein Kleid anzieht, so der Myste von Isis, wenn er das Kleid der Göttin trägt.4 Die Verhüllung des Ge sichts des Mysten ist aus den Darstellungen der eleusinischen Weihe bekannt. Merkwürdig ist der Hinweis auf die Bilder, welche Achill auf Skyros darstellen ; man sieht, welche Möglichkeiten mystischer Deutung von Gemälden es gegeben hat. 6 Die Dienerin Melantho, welche Kleito pbon geleitet, könnte einen redenden Namen tragen ; vgl. die palla nigerrima bei Apuleius XI 3, 5. 6 1 Auch die Parallele bei Longus III 18 spricht dafür. 2 Epiphanias, haer. 26, 9. Vgl. auch Reitzenstein, Myst. Rel. 251 ; Poimandres 221 ; Wundererzählungen 53. 3 Die Mysten führen es immer in einer Kiste mit sich ; es wird den Toten angezogen (Plutarch, De Iside 3). Vgl. unten über Heliodor ; Reitzenstein, Myst. Rel. 43, 1 ; Das iranische Erlösungsmysterium 168f. ; Wundererzählungen 1 1 6 f. ; Hopfner, R. E. 16, 1329 f. ; Kerenyi 144f. 4 Die heilige Hochzeit konnte also im Kult dargestellt werden, indem man den Mysten ein Isisgewand anzog ; es bedeutete die Umarmung durch die Göttin. Vgl. auch die Osiriaca stola des Lucius bei Apuleius XI 24, 3, auf der wilde Tiere der Unter welt abgebildet waren. Wer dieses Kleid trägt, zelebriert die Reise durch den Hades. 5 Achill auf Skyros : Pfuhl, Malerei und Zeichnung Abb. 649-651. 6 In Delos gab es einen Verein von Isisdienern, die den Namen (LEA!X117jcp6poL trogen : Dittenberger-Hiller, Sylloge 977 a und 1 1 34 ; I. G. XI 4, 1226 ; 1250. Auch in Rom gab
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Melantho führt Kleitopbon aus dem Verließ ; a n einer Gartentür emp fängt ihn ein anderer Diener, den er schon vom Schiff her kennt, und führt ihn hinaus. - Solche Zeremonien müssen in der lsisweihe gespielt worden sein. Natürlich begegneten dem Mysten immer wieder die glei chen Gesichter. Die Zahl der Akteure im heiligen Drama kann nicht allzu groß gewesen sein. Tyche verfolgt Kleitopbon und Leukippe. Es war gerade ein Fest der Artemis, und die Straßen waren voller Menschen. Nun hatte sich Ther sandros entschlossen, doch zu Hause zu übernachten, und begegnet auf dem Weg dem Kleitophon, welcher die Kleider der Melite trägt. Ther· sandros schreit, die das Nachtfest feiernde Menge strömt zusammen, man führt Kleitopbon ins Gefängnis. Dieser empfindet keine Trauer und ist guten Mutes, da er j a mit Melite rechtmäßig verheiratet war. All dies ereignet sich während eines Nachtfestes der Artemis ; der Leser versteht, daß es sich um den Mysterienkult der lsis handelt. Der Gutsverwalter Sosthenes, welchen Melite hatte zur Rechenschaft ziehen wollen, will sich an Melite und der widerspenstigen Leukippe rächen und diese an den zurückgekehrten Herrn, Thersandros, verkup peln. Leukippe war aufs Land gefahren ; Sosthenes überfällt sie in einer Hütte, hält ihr den Mund zu, trägt sie fort und sperrt sie in ein geheimes Gemach. Er sagt, sie solle sich nicht fürchten ; sie solle die Geliebte des Herrn werden. Das erschreckte Mädchen schweigt. - Es ist das Schwei gen des Mysten. Man beachte auch, daß Kleitopbon und Leukippe gleichzeitig eingesperrt werden. Sosthenes holt Thersandros; dieser tritt zu Leukippe. Das Mädchen liegt auf der Erde, blickt nieder und weint. Thersandros bewundert ihre Schönheit und hat Mitleid mit ihr ; er sagt : " Sei guten Mutes, Frau", und geht weg. Melite hatte Kleitopbon versprochen, daß sie ihm morgen Leukippe schicken werde ; sie schickt daher einen Boten, der sie holen soll, und erfährt so, daß Leukippe verschwunden, Kleitopbon im Gefängnis ist. Sie will die Suche (��TIJmc;) nach Leukippe öffentlich durchführen. Als ihr Mann nach Hause kommt, sagt sie zu ihm, er sei ganz grundlos eifersüchtig. Er sei schiffbrüchig gewesen und habe als ertrunken ge golten. Daher habe sie in allen Schiffbrüchigen und Ertrunkenen Ver treter ihres Mannes gesehen, viele Ertrunkene bestattet, viele Schiff brüchige gepflegt. So auch den Kleitophon ; "in ihm habe ich das Abbild deines Unglücks geehrt". Er sei mit ihr gekommen, weil er seine Frau gestwht habe, und habe sie auch richtig hier gefunden. - Dies ist nach
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den Worten des Romans eine Trugrede ; der Leser soll aber verstehen, daß in ihr eine tiefere Wahrheit verborgen liegt. Sowohl Thersandros als auch Kleitopbon sind irgendwie Osiris. Melite-Isis selbst ist dem Paar im ganzen Schlußteil des Romans gnädig gesonnen ; von Eifersucht auf Leukippe ist keine Spur mehr. Sie hat Kleitopbon ihre Hilfe ver· sprochen und will sie leisten (z. B. VI 11 , 2). Der Verwalter Sosthenes redet Leukippe z u , :;ie solle ihrem Herrn zu Willen sein, "den die Götter so liehen, daß :;ic ihn mitten aus den Pforten des Todes emporgeführt haben". Aber Leukippe geht auf nichts ein : "Ich will von meiner Tyche und dem ] ) iimon , der über mich herrscht, zermalmt werden. Ich weiß, ich bin hier in e i n er Piraten· höhle" (m:LpO(TI)pwv, Prüfungsort). Kleinias besucht Kleitopbon im Gefängnis ; dessen S cd c Kl�hwankt zwischen "Furcht und Hoffnung". - Dies ist der typische Zustand des Mysten bei der Weihe, s. S. 226, 5. Der Gutsverwalter Sosthenes sagt Thersandros, Leukippe wolle Hiclr ihm wohl nur deshalb nicht fügen, weil sie fürchte, bald wieder verlassen zu werden. "Darüber soll sie guten Mutes sein", sagt Thersandros, "meine Empfindung für sie ist unsterblich." Sie treten vor die Tür der Leukippe und hören sie im Zimmer klagen ; sie nennt ihren wahren Namen Leu· kippe. Thersandros versucht, Leukippe mit Güte zu gewinnen ; aber als sie ganz widerspenstig ist, wird er wütend, schlägt sie ins Gesicht und beschimpft sie : "Ich glaube, du bist eine Hure gewesen ; du liehst ja auch einen Ehebrecher." Als sie bei Artemis schwört, noch Jungfrau zu sein, lacht er sie aus : Ein Mädchen, das mit so vielen Seeräubern genächtigt hat ! - Die Ohrfeige gehört natürlich zum Ritual. Für das Motiv des Hurenlehens vgl. oben S. llO, Xenophon V 5-7. Sosthenes schlägt vor, das Mädchen zu geißeln und zu foltern. Leu kippe ruft : "Herbei mit den Foltern ! Bringt das Rad ; hier sind meine Hände, spannt sie aus. Bringt die Peitsche ; hier ist mein Hüektm , schlagt ihn. Bringt das Feuer ; hier ist mein Leih, brennt ihn . Bri n g t das Eisen ; hier ist mein Hals, schlagt ihn ab. Ihr seht einen neucn We tt· kampf: Ein Weih kämpft gegen alle Foltern und besiegt alle . . . Ich bin nackt, allein, ein Weih, aber ich habe eine Waffe, die Freiheit, die weder mit Schlägen niedergeschlagen noch mit Eisen abgeschnitten noch m it Feuer ausgehrannt werden kann." - Dies erinnert an die Folterung der Psyche und an die Bereitschaft des Habrokomes, alle Martern auf sich zu nehmen (S. 98 ; Xenophon, Ephes. II 4, 4 ). Was Leukippe sagt, klingt philosophisch, ist aber religiös. Die innere Freiheit kann dem Mysten 1 o•
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keine äußere Gewalt nehmen.1 Mit vollem Recht hat Kerenyi 125 die christlichen Martyrien verglichen. Der lsisdiener ist überzeugt, daß alle äußeren Prüfungen ihn am Ende doch in den Hafen des Heils führen müssen. Seine Göttin ist Schicksal und Vorsehung in einer Person, und auch die Feinde stehen in ihrer Hand. So ist das Ende notwendig gut. VII. Buch. Thersandros bittet den Aufseher des Gefängnisses, Kleito pbon durch Gift aus dem Weg zu räumen. Dieser weigert sich aber. Dies ist eine Art Parallele zu dem überdosierten Liebestrank, den Leu kippe im IV. Buch getrunken hat. Thersandros, der anfangs ein anderer Osiris gewesen war, hat nach und nach seine Funktion gewechselt. Er spielt in den letzten Büchern die Rolle des Seth, entsprechend dem wörtlichen Sinn seines Namens (Thersandros Frechling) . Wie es vor kommt, daß der Erzähler eine einzige Göttin in zwei Personen auf spaltet (Isis ist Venus und Psyche), so kann auch eine Person die Rolle von zwei Göttern übernehmen. Nun schickt Thersandros einen Spitzel zu Kleitopbon ins Gefängnis, der erzählt, Melite habe Leukippe umbringen lassen. Der angebliche Mörder soll Ohrfeigen erhalten haben, gefesselt und gefoltert worden sein (VII 3, 5). So soll Kleitopbon davon abgehalten werden, die Ver mißte zu suchen. - Was hier nur vorgetäuscht wird, ist rituelle Wirk lichkeit. Die Mystin (= Leukippe) starb in der Weihe auf Befehl der lsis ( Melite). Der unglückliche Kleitopbon klagt : "Meine Leukippe, wie oft bist du schon gestorben ? . . . Deine Tode verfolgen einander. Bei den früheren hat Tyche nur gespielt, diesmal aber ist es kein Spiel der Tyche mehr . . . Zweimal bist du den Räubern entkommen, aber die Piratenhöhle der Melite hat dich ermordet." Der Freund Kleinias besucht ihn im Gefäng nis und tröstet ihn : "Wer weiß, ob sie nicht wieder lebt ? Ist sie nicht oft gestorben ? Ist sie nicht oft wieder aufgelebt ?"2 Aber Kleitopbon ist ganz verzagt. Er will sterben und sich gleichzeitig an Melite rächen. So beschließt er, sich bei der Gerichtsverhandlung nicht zu verteidigen, sondern selbst zu denunzieren, damit er zum Tod verurteilt werde. Er will den Ehebruch mit Melite zugehen und darüber hinaus behaupten, er habe Leukippe zusammen mit Melite umbringen lassen. - Dies ist •lcr freiwillige Tod, zu dem der Initiand sich selbst drängt, wie Kerenyi =
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Über die Freiheit des Mysten s. Apuleius XI 15, 5 nam cum coeperis deae servire,
z
V p;l. Kcrenyi 32.
t un.c
magi5 senfies .fructum tuae libertatis.
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142 gesehen hat. "Durch die Vorsehung Gottes hat er sich selbst an geklagt", heißt es in VII 10, I . Dies sagen die Advokaten des Ther sandros und meinen es ernst. Der Leser aber weiß, daß mit " Gott" hier Isis gemeint ist. Der Sinn ist : Pronoia-his hat es gefügt, daß Kleitopbon sich zur Weihe meldet.1 Kleitopbon sagt wirklich vor Gericht so aus , zur großen Überraschung der Richter und Bestürzung der Melite. Da th·än gt sich der Freund Kleinias nach vorn, erbittet das Wort und erhält e�; : "Vcrurteilt nicht einen Mann zum Tode, der selbst sterben will." Mau solle erst klären, was aus Leukippe geworden ist, und dazu die Mägde der Md itc und den Gutsverwalter Sosthenes vernehmen. Natürlich will Tlwrsamlros den Sosthenes nicht zur Vernehmung und Folterung übergeben ; seine An klage gegen Kleitopbon würde zusammenstürzen, wenn die Wahrheit über Leukippe ans Licht käme. Er schickt daher einen Boten an So:sthe nes, er solle fliehen und sich versteckt halten, und behauptet, Sosthenc:s sei seit drei Tagen verschwunden. Die Richter verurteilen nun Kleito· phon zum Tode, da er selbst den Mord gestanden habe.2 - Die Verurtei lung des Kleitopbon zum Tode entspricht dem angeblichen Tod der Leukippe durch einen von Melite gedungenen Mörder. Beide sterben also dreimal. Man darf hieraus und aus Apuleius XI schließen, daß es in vielen Isisgemeinden drei Weibegrade gegeben hat. 3 Vor der Hinrichtung soll Kleitopbon noch gefoltert werden, um die Wahrheit über die Mitschuld der Melite zu erfahren. Schon wird Kleito· phon gefesselt, von Kleidern entblößt und hängt in den Stricken, schon werden Peitschen, Feuer und Rad gebracht, als der Priester der Artemis iin Lorbeerkranz erscheint. Dies ist ein Zeichen, daß eine Festgesandt· schaft zu der Göttin kommt, und auf die Zeit der Festgesandtschaft hin kommen alle Gerichtssachen zum Stillstand. So wird Kleitopbon durch die Intervention der Göttin vom Tode gerettet. - Auch bei der Initia tion wurde der Myste unverhofft durch das Dazwischentreten des Ober· priesters vor der Folter gerettet. Die Folterung hatte auch Leukippe gedroht. 1 Vgl. auch VII 1 1 , 8 und Apuleius XI 1 5 , 5 da nomen sanctae huic militiae ministerii iugum subi voluntarium. 2 Die Gerichtsszenen im VII. und VIII. Buch des Achilleus Tatios haben natürlich nicht nur das mythische ägyptische Vorbild, sondern auch das literarische der grie chischen Redner und Geschichtsschreiber (z. B. Thukydides). 3 Dazti kommt die Gruppe derjenigen, welche einen Vorbereitungsdienst ableisten müssen. Sie gehören schon zu den Gläubigen, haben aber noch keine Weihe empfangen. In diese Klasse gehört Lucius bis zu der in XI 23/4 beschriebenen Weihe. •
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Die Festgesandtschaft kommt aus Byzanz, der Heimat der Leukippe ; der Anführer der Gesandtschaft ist ihr Vater Sostratos. Er war Stratege in einem Krieg der Byzantier gegen die Thraker gewesen und hatte gesiegt, da Artemis selbst während des Kampfes erschienen war (Epi phanie) . Danach trat die Göttin im Traum an sein Lager und bedeutete ihm, er werde seine Tochter und seinen Neffen in Ephesos finden (e:up� ae:�v, Anspielung auf die e:\Spe:cr�c; der lsismysterien) . Als der Bote des Thersandros dem Gutsverwalter Sosthenes meldet, er solle sich verstecken, um nicht gefoltert zu werden, flieht dieser Hals über Kopf und vergißt, Leukippe wieder einzusperren. Als diese merkt, daß der Wächter fort und die Tür offen ist, faßt sie wieder Mut und Hoffnung ; sie erinnert sich, oft wider Erwarten gerettet worden zu sein und nimmt die Gelegenheit wahr, welche Tyche bietet. Sie ent kommt und flieht1 in den Tempel der Artemis, der in der Nähe lag. Dieser Tempel durfte nur von Jungfrauen und Männern betreten wer -d en.2 Wenn ihn Frauen betraten, so waren sie des Todes ; nur Sklavin nen, die vor Mißhandlungen ihres Herrn flohen, waren von diesem Ge setz ausgenommen. Sie blieben als Sklavinnen der Göttin im Heilig tum. - Leukippe wird also gleichzeitig mit Kleitopbon frei. Der Leser weiß längst, daß Tyche und Artemis Decknamen der lsis sind. Als die Gerichtsversammlung auseinandergeht, erkennt Leukippes Vater Sostratos seinen Neffen Kleitopbon und begrüßt ihn ; doch als er erfährt, daß er wegen Mordes an Leukippe zum Tod verurteilt ist, geht er auf Kleitopbon los und kratzt ihm fast die Augen aus. Kleito pbon wehrt sich nicht und hält ihm noch freiwillig das Gesicht hin. Es ist die schon oft besprochene Passivität des Mysten. Kleinias verteidigt den Freund, und als er von Sostratos hört, daß Artemis ihm im Traum gesagt habe, er werde seine Tochter hier finden, sagt er : " Sei guten Mutes, Vater,3 Artemis lügt nicht ; deine Leukippe lebt ; vertraue den Wahrzeichen. Siehst du nicht, wie sie diesen gerettet hat, der schon zur Folter in den Stricken hing ?" In diesem Augenblick eilt ein Tempeldiener herbei und meldet dem Oberpriester, daß ein fremdes Mädchen ins Heiligtum der Artemis geflohen ist. Sie ist schön 1 Vgl. die Metternichstele Zeile 48 : "Ich Isis floh aus dem Gefängnis, in das mein Bruder Seth mich geworfen hatte" (Roeder, Urkunden 87). 2 Daß dies Gesetz in Ephesos bestanden habe, ist natürlich Erfindung des Achilleus Tat ios. Aber vermutlich hat es in den Isisheiligtümern ein Gesetz gegeben, daß von clc·n l i ngeweihten Frauen nur Jungfrauen und Sklavinnen den Tempel betreten durf t c·n. u ; ., Sklavinnen konnten dauerndes Asyl erhalten. " M i t "Vater" wird ein religiöser Grad bezeichnet.
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wie Artemis selbst und heißt Leukippe. - Die Wahrsagung der Göttin ist glänzend erfüllt und zwar im Beisein vieler Zeugen ; der ganze Be richt erinnert an aretalogische Erzählungen.l Der Vergleich der Leukippe mit Artemis (- Selene-Isis) ist uns schon aus I 4, 3 bekannt. Als Kleitopbon von dem Mädchen htirt, wird er beflügelt, öffnet die Augen und beginnt wieder aufzuleben ; als er erfäh rt, daß es seine Leu kippe ist, springt er mitsamt seinen Fesseln i n die Luft und fliegt. wie von einer Maschine geworfen, zum Heiligtum der A rwmis. Die Wächter verfolgen ihn, aber seine Füße haben Flügel. --- Wieder eine sehr merkwürdige Szene. Kleitopbon war so gut wie tot ; j etzt w i rd er wieder lebendig : Der Myste wird in der Weihe wiedergeboren. U nd nun fliegt er mit den Fesseln durch die Luft, wie von einer Maschine geworfen wer denkt da nicht an die Maschinen der hakebischen Mysterien, auf welche die Initianden gebunden und weggerissen wurden, 2 an die vom Zephyr getragene Psyche ? Mit Mühe wird Kleitopbon von den Wächtern eingefangen. Er wehrt sich voll Zuversicht (&app&v) , wird aber schließlich überwältigt. Doch der Freund Kleinias und Leukippes Vater Sostratos eilen zu Hilfe ; sie erklären, daß das angehlieh ermordete Mädchen lebe, daß Kleitopbon zu Unrecht verurteilt worden sei. Die umherstehende Menge erfährt die ganze Wahrheit und preist Artemis wir sind, wie wir schon sahen, mitten in einer Aretalogie. Als die Wächter den zum Tod Verurteilten nicht freilassen wollen, greift der Priester der Artemis selbst ein, ver bürgt sich für Kleitopbon und führt ihn mit sich zum Heiligtum. Aber das Gerücht war ihnen vorangeeilt, und Leukippe eilt dem Vater und Bräutigam entgegen. - Man vergleiche die eupecn� der Antheia und des Hahrokomes bei Xenophon V 13. Auch hier eilt das Gerücht mit Windesschnelle,3 die Liehenden finden sich im Tempel der lsis, und die Menge ruft : Groß ist die Göttin lsis. VIII. Buch. Thersandros kommt wütend mit Bekannten zum Tem pel und spricht laut zum Priester : "Ich erkläre förmlich vor diesen Zeugen, daß du einen Mann, der nach dem Gesetz zum Tod verurteilt ist, aus den Fesseln gelöst und vom Tod gerettet hast. Auch hast du eine mei ner Sklavinnen ; hüte sie wohl !" - Der rituelle Sinn dieserWorte ist klar. -
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1 Vgl. oben S. 1 1 2 über Apul. XI 1 3 , 6 und Xen. Ephes. V 13.
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V gl. Livius XXXIX 13, 1 3 raptos a diis homines dici quos machinae illigatos ex con spectu in abditos specus abripiant. Die Erwähnung der Flügel bei Achilleus Tatios läßt an eine rituelle Himmelfahrt denken. 3 Ähnlich Apuleius XI 18, 1 (oben S. 1 1 2 , 4).
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Als Kleitopbon widerspricht, schlägt ihm Thersandros mehrmals heftig ins Gesicht ; beim dritten Schlag verletzt er sich selbst an den Zähnen des Klcitophon. Dieser ruft die Umstehenden zu Zeugen an, daß er im Tempel der Artemis geschlagen worden ist ; die Göttin selbst hat es gesehen. Voller Zuversicht (-rc:.&otpp'Yjxwc;) rühmt er sich, von Artemis selbst gerettet worden zu sein. Er geht aus dem Heiligtum, um sein blutiges Gesicht abzuwaschen. - Kleitopbon erhält im Arte· mistempel dieselben Ohrfeigen wie der Initiand im lsistempel.l Die Göttin selbst muß es sehen. Auch die Waschung dürfte zum Ritual gehören. Thersandros geht ab, nachdem er der Leukippe angedroht hat, die Syrinx werde an ihr die Strafe für ihre erlogene Jungfernschaft voll ziehen. Der Priester, Sostratos und das Paar speisen im Tempel zu Abend, und "das ganze Mahl war Scham". Kleitopbon erzählt seine Erlebnisse von Anfang an ; als er von der Entführung der Leukippe durch Chaireas und die Seeräuber erzählt, bei der er am Schenkel ver wundet wurde, zeigt er die Narbe ; als er von der Überfahrt nach Ephe sos spricht, schwört er bei Artemis, mit Melite geschlafen zu haben und doch keusch geblieben zu sein. - Wir sind Zeugen einer rituellen Szene im Tempel der lsis. Der Initiand schwört beim Kultmahl, die Keuschheitsprobe bestanden zu haben ; wie wahr sein Schwur ist, weiß Melite-lsis selbst am besten. Er zeigt die Narbe am Oberschenkel vor ; diese Tätowierung (crrppotyCc;) identifiziert den Mysten mit Adonis Osiris und ist Voraussetzung für die höhere Weihe. Noch Schlimmeres hat Leukippe erduldet : " Sie wurde verkauft, sie war Sklavin, sie hat Erde gegraben, der Schmuck ihres Hauptes ist geraubt - du siehst die Tonsur. "2 Die Mystin hat alle Proben be standen, und die Tonsur wird dem Priester im Angesicht der Göttin vorgewiesen als sichtbares Zeugnis, daß sie sich die Weihen in Demut verdient hat. " Jede Schändung des Leibes und jeden Frevel hat sie ertragen außer einem", sagt Kleitophon. "Mitten unter den Räubern ist sie Jungfrau geblieben . . . . Auch wir, Vater, waren auf der Reise keusch . . . wir sind gegeneinander Brüder geworden. Ich bin gegen sie ein jungfräulicher Mann, denn seit langem sehnte sie sich nach dem Tempel der Artemis. -
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V�l. Kerenyi 1 2 7. VIII 5, 4 mbtpcx:-roct, ae:aou:\.e:uxe:, y'ijv �crxoc<jle:, ae:crÜA1)-roct -r'ijc; xe:q:>ocA'ijc; -ro xctAAoc;. T fjV )((Jil[l(Xv opoctc;. Für die asyndetische Reihung im Symbol s. Kerenyi 103-105. •
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Herrin Aphrodite, zürne uns nicht :1 wir sind nicht übermütig gegen dich, wir wollten nur nicht die Ehe ohne den Vater schließen. Nun ist der Vater da, nun komm auch du, sei uns gnädig." - Alle Mysten sind untereinander Brüder,2 und der Priester ist ihr Vater. Ohne die Weihe des Vaters, des Priesters, würde Artemis-lsis dem Paar nicht gewogen sein ; doch wenn die Weihe im Tempel vollzogen ist, kommt sie gnädig als Aphrodite. Nun fragt Kleitopbon den Priester, was 'l'herl'm ulrns gemeint habe. als er der "falschen Jungfrau" Leukippe mit der Syrinx drohte. Der Priester erklärt, daß eine Höhle hinter dem Tempd so h e i ßt , welche nur Jungfrauen betreten dürfen. Kurz hinter dem E i n ga n g i l't eine Rohrflöte (Syrinx) .3 Einst hat Pan ein Mädchen Syrinx v e r fol gt., die sich in Schilf verwandelte, um ihm zu entfliehen . Pan schnitt tl a l' Sc� hilf ab und fertigte aus ihm die Flöte ; indem er ein Liebeslied blict;, kiiUr:e er in den Rohrpfeifen die Geliebte. Diese Syrinx hat Pan in der Grotte der Artemis geweiht. Das Betreten der Syrinxhöhle ist eine Jungfern probe. Man schließt die Tür zu, nachdem das Mädchen sie betreten hat. Ist sie Jungfrau, so ertönt ein helles Lied der Flöte, nach kurzer Zeit öffnet sich die Tür von selbst und das Mädchen tritt heraus, das Haupt mit Fichtengrün bekränzt. Hat sie die Jungfernschaft verloren, so hört man statt der Töne der Syrinx einen Klageruf und das Mädchen kommt nie mehr zum Vorschein. - Man kann kaum bezweifeln, daß hier auf Initiationsprüfungen in unterirdischen Gängen bei einem lsis tempel angespielt wird.4 1 VIII 5, 8 !LT. ve:!J.e:a-lj a-tj Lt;, Anspielung auf Isis- Nemesis ? 2 Besonders merkwürdig ist bekanntlich P. G. M. IV 1 1 3 5 x(l(lpe:Te: o!c; To x(l(l· pe:Lv lv e:ö/.oy(O(L 8!8o't"O(L &8e:l.cpoi:c; XO(t &8e:/.cp(l(i:c; oa!mc; :KO(t oO't(l(Lc;. 3 O'Üp Ly� heißt a) Rohrflöte, b) hohler Gang, Höhle, überdeckte Galerie ; die unter irdischen Grabkammern der ägyptischen Könige bei Theben hießen aup Lyye:c;. Im Isiskult ist Syrinx-Querflöte vielleicht nur ein Bild für "unterirdischer Gang, Grab". Vgl. Apuleius V 25, 3, Longus II 33/4 und die Darstellung des Pan mit der Flöte in der Villa dei misteri. - In Hierapolis in Phrygien war unter dem Apollontempel eine Höhle, deren giftige Luft selbst durchfliegende Vögel tötete. Nur Geweihte konnten sie betreten ohne Schaden zu nehmen. Die Neuplatoniker Damaskios und Doros sind hinabgestiegen tmd unversehrt wieder heraufgekommen (Damaskios, vita lsidori 1 3 1 ). - Einen :flötenspielenden lsispriester mit Moroslocke neben einer Sphinx sieht man auf einer alexandrinischen Terracottagruppe (Rostovtzeff, Gesellschafts- und Wirtschafts geschichte der hellenistischen Welt Tafel 1 1 1 , 2). 4 Heliodors Kalasiris wird in Deiphi über die Irrgänge der Syringen (aup(yyrov n-l.rivljV II 27, 3) befragt. - Eine ähnliche Grotte wie bei Achilleus Tatios beschreibt der Gnostiker Bardesanes bei Stob. ecl. I p. 66 ff. als indische Merkwürdigkeit. Auch zu dem Styxwasser von VIII 12 findet sieh dort eine merkwürdige Parallele. Vgl. Boll, Philol. 66, 1 907, 11 ff.
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Leukippe ist sofort bereit, diese Prüfung zu bestehen ; als ihr Vater Bedenken hat, sagt sie : "Sei guten Mutes, Vater, über mich und glaube meinen Worten. Bei Artemis, wir haben nicht gelogen." - Der "Vater" ist der Prie8ter, der geistliehe Vater. In VIII 8, 14 wird auch darauf hingedeutet. Thersandros wirft dem Sostratos vor, er sei nur ein Schau spiel-Vater (mx-rpoc; u7toxpLTijc;) . Das ist im Zusammenhang des Romans unwahr ; aber das an der Oberfläche Unwahre zeigt die Mysterienbedeu tung an. Nach zwei Tagen wird der Prozeß des Kleitopbon zu Ende geführt. Thersandros entrüstet sich darüber, daß der Angeklagte in weißem Kleid erschienen ist. Er wirft dem Priester vor, daß er einen zum Tod verurteilten Mann, der gefesselt gewesen sei, aus den Fesseln befreit und entgegen dem Urteilsspruch gerettet habe ; statt im Gefängnis habe der Verurteilte im Tempel gewohnt .I Die Beziehungen auf die Mysterienweihe sind klar ; das weiße Kleid ist das Kleid des lsismysten. Der Prozeß zwischen Kleitopbon und Thersandros ist nun ganz der mythische Prozeß zwischen Horos und Seth. Vgl. auch das Gericht über den Toten vor der Bestattung, Diodor I 92 . Für Kleitopbon spricht der Priester der Artemis. Im ersten Teil seiner Rede greift er die ausschweifende Lehensweise des Thersandros heftig an ;2 in seiner Jugend schon sei er ein Lustknabe gewesen usw. Die Knabenliehe ist ein typisches Vergehen des Seth, vgl. oben S. 67, 1 . Im mythischen Prozeß zwischen Horos und Seth vertritt Thoth die Partei des Horos. Ihm entspricht bei Achilleus Tatios der Artemis priester. Der zweite Teil der Rede des Priesters verteidigt Kleitophon. Er ist von Thersandros ins Gefängnis geworfen worden, ohne daß ein Haft befehl ergangen wäre. Ganz aus eigenem Ermessen züchtigt Thersan dros, richtet, befiehlt zu fesseln, und der Zeitpunkt des Gerichts ist der Abend. - Die Züchtigungen und Fesselungen, welche zu den Proben der lsismysterien gehören, sind von keinem Polizeipraefekten ange ordnet und finden nachts statt. -
1 Wenn einem Priester so etwas erlaubt ist, dann - "steh auf von deinem Platz, Gcrichtspräsident, und tritt ihn dem Priester ab", so ruft Thersandros. Dies spricht
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Das Todesurteil gegen Kleitopbon ist ergangen, fährt der Priester fort, weil er Leukippe getötet haben soll. "Aber sie, die du ermordet nanntest, siehst du lebendig vor dir . . . Dies ist kein Scheinbild des Mädchens, die Ermordete ist nicht vom Hades gegen dich herauf gesandt worden . . . . Artemis die große Güttin h at die beiden gerettet." Nach dem Priester spricht ein Advocat dc:-; Thcrsandros. Er wirft dem Priester vor, sie hätten aus dem Tempel der Artemis einen Tempel der Aphrodite gemacht - der Leser weiß, daß heit l(� um eine Göttin sind. Dann fordert Thersandros die Leukippe auf, in d('r Syrinx-Höhle ihre Jungfernschaft zu beweisen oder seine Sklavin zu :-;ei u ; demt },cu kippe hat den Artemistempel betreten, der nur Jungfr a u e i l u JH I Skla vinnen zugänglich ist ; j ede Frau, die in ihn eintritt, muß �;terhen . Leu kippe ist sofort zu der Probe bereit. Ferner fordert Thersandrm; :->(, i t w Frau Melite z u einer Keuschheitsprobe heraus. Sie soll schwören, wiih rend der Abwesenheit ihres Mannes keinen Liebesverkehr mit Kleito pbon gehabt zu haben, und zur Probe in die Styxquelle einer nahen Höhle treten. Deren Wasser wallt auf, wenn eine Meineidige sie betritt.! Wenn Melite diese Probe ablehnt, ist offenbar, daß sie und Kleitopbon Ehebrecher sind. Glücklicherweise ist der Eid, den Melite schwören soll, so formuliert, daß sie ihn ohne Zögern annehmen kann. - Von einer ähnlichen Schwurquelle heim Zeus ''Opxw� berichtet Philostrat, vita Apollonii I 6, von einer Styxquelle zu Bostra in Arabien Damas kios, vita Isidori 199. Es scheint nicht unglaublich, daß es solche Proben wirklich gegeben hat ; man fragt sich nur, ob Meineidige auf solche Weise wirklich entlarvt werden konnten. Der Eidschwur heim Styxwasser stammt natürlich aus Resiods Theogonie (783 ff.). Sowohl mit der Grotte als mit der Styx (vgl. Apuleius VI 13-15) sind Unterwehsassoziationen verbunden. Am andern Tag bestehen Leukippe und Melite ihre Proben. Le uk ippe ist in das "heilige Gewand" des lsismysten gekleidet : "Ein Chiton, der bis zu den Füßen fällt und aus Leinen ist, in der Mitte gegürtet, eine Purpurbinde um den Kopf, die Füße barfuß." Als Leukippe aus der Syrinxhöhle tritt, "jubelt das ganze Volk vor Freude auf". Die An klage des Thersandros ist zusammengebrochen. - Horos hat im Pro zeß mit Seth gesiegt. Einer der Vorwürfe des Seth gegen Horos war ge1 Es wird auch ein Mythos von der Entstehung der Styxquelle erzählt. Er verwendet das Motiv vom Zorn der Aphrodite gegen ihre spröden Verächter, das wir aus dem Psychemythos und Xenophon von Ephesos kennen.
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wesen, er sei erst nach dem Tod des Osiris zur Welt gekommen und nicht von diesem erzeugt. Aber Isis konnte vor dem Göttergericht ihre Keusch heit nachweisen, und damit hatte Horos gesiegt.1 Die Keuschheits probe der Melite-Isis wiederholt diese mythische Episode. Auch Melite ist ihrem auf dem Meer gebliebenen Gatten treu geblieben, wie Isis dem Osiris. Daß Melite später Kleitopbon umarmt hat, steht auf einem anderen Blatt, denn der zurückgekehrte Thersandros spielt die Rolle des Seth, und der gefesselte Kleitopbon ist in der fraglichen Szene ein anderer Osiris. Leukippe verhält sich zu Melite-Isis wie bei Apuleius Psyche zu Venus-Isis. Sie ist ehenfalls irgendwie mit Isis identisch und wiederholt deren mythische Irrfahrt und Keuschheitsprohe. Sie ist aber andererseits auch von ihr verschieden ; sie ist Vertreterin der Eingeweih ten, nicht der Göttin. Das weiße Kleid der Leukippe - wie des Kleito pbon - ist das Gewand des Isismysten. Die Acclamation des Vollkes, als Leukippe aus der Höhle tritt, ist ehenfalls ein ritueller Zug.2 Inzwischen war auch der Gutsverwalter Sosthenes gefunden worden. Als Thersandros dies hört, macht er sich schleunigst aus dem Staub. Sosthenes gesteht, um nicht gefoltert zu werden, und Thersandros wird verbannt. - Ganz ähnlich endet die Arztnovelle des Apuleius, welche die Auferstehung des Osiris und die Rechtfertigung des Horos darstellt. Der Sklave gesteht, die Stiefmutter wird verbannt. Wir dürfen jetzt vielleicht sagen, daß sie in dem Prozeß die Rolle des Seth gespielt hat. Sostratos weiß auch Nachricht über Kalligone, die Halbschwester des Kleitophon, welche von einem vornehmen Byzantier entführt worden war (II 1 1-18) . Ihr Schicksal entspricht fast vollständig dem des Klei topbon ; nur wird es viel kürzer erzählt. Man muß schließen, daß auch Kalligone. eine Isismystin vertritt. Wir holen einige Einzelheiten aus dem II. Buch nach. Als man die Hochzeit der Kalligone und des Kleitopbon vorbereitete, wurde ihr ein purpurnes Brautkleid gefertigt, wie das der Aphrodite (-Astarte-Isis) . Bei dieser Gelegenheit wird ein Exkurs über die Gewin nung der roten Farbe eingeschoben, die "Mysterien der Purpurschnecke". Man muß die Schale zertrümmern, um das Mittel ( tp&.pfL�X0\1) zum Rot· färben zu gewinnen. - Dies muß einen mystischen Sinn haben, den man nur dann sicher bestimmen könnte, wenn man Parallelen fände. Man könnte raten : Nur wer die äußere Schale der Erzählung zerbricht, 1
Vgl. Plut. , De Iside 19 und 54 ; auch Epiphanias, Ancoratus 1 04. 2 ln Ä gypten wird bei der Gerichtsverhandlung vor der Beisetzung des Toten eine l .oh rc·dl' au f 8Cine Tugend gehalten ; -ro 31: 7tA'ij.&o� E7tEUCjl'l)iJ.EI (Diodor I 92, 5).
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wird ihren Mysteriensinn finden und damit das Heilmittel, welches purpurrot färbt zur Isisweihe führt. Kalligone erhielt ein Halshand mit kostbaren Edelsteinen : Hyazinth, Amethyst und einem aus drei Steinen zusammengesetzten Geschmeide, das wie ein Auge aussah. - Es wird ein Horosauge gemeint sein. Die Edelsteine gehören zu den Kennzeichen (yvc.>pLtr(J.<X't"<X) oder Talismanen ("rZAZO'fL<X't"IX) , welche dem Mysten bei der W cihc übergehen wurden. Aber Tyche wollte die Hochzeit der Kalligonc mit K leitopbon nicht. Als der Vater das Voropfer bringt, raubt ein Adler da;; Opfertier. Das Vorzeichen bewahrheitet sich nur zu bald. Ein vornehmer, aber leicht sinniger junger Byzantier, Kallisthenes, hatte sich auf d it� Erzählungen von der Schönheit der Leukippe hin in sie verlieht, ohne Hit� je gesehen zu haben. Aber der Vater der Leukippe, Sostratos, weist se i n e Werlnmg ab. - Der "Vater" ist der Priester, welcher diese Verhindung nieht. erlaubt. Als Kallisthenes seinen Willen doch durchsetzen will, lenkt. Providentia alles ganz anders. Kaliistheues will nun Leukippe rauben. Als er hört, das Mädchen sei nach Tyros gehracht worden, beschließt er, sie von dort zu entführen. Zur gleichen Zeit erhalten die Byzantier ein Orakel, sie sollten dem He rakles von Tyros (Melkart) ein Opfer darbringen, "wo Hephaistos die Athene umarmt". Damit ist ein heiliger Ölbaum (E:f..<X t<X Athene) im Zentralheiligtum von Tyros gemeint,! um den "Feuer gepflanzt" ist.2 Bei dieser Gelegenheit werden auch noch andere "geheime" Wunder der Natur erwähnt, "Mysterien" des Feuers im Wasser (vgl. oben S. 96, 3 über die Feuertaufe der Valentinianer und des Anaxilaos) und andere mehr, die ich nicht im einzelnen erklären kann, die aber zweifellos ebenso einen Mysteriensinn haben. Kallisthenes fährt mit der Festgesandtschaft nach Tyros. Dort bringt man ein großartiges Opfer, u. a. ägyptische "Nilstiere",3 deren Hörner dem aufgehenden Mond gleichen. Er kundschaftet alles aus, verwechselt aber Leukippe mit ihrer Cousine Kalligone. Dann mietet er in der Nachbarschaft "Fischer", die als "Räuber" Leukippe entfüh ren sollen. Dies geschieht an einem Festtag (7t<Xvljyup �c;), an welchem alle =
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Auch von Nonnos 40, 469 ff. erwähnt. Unter dem Baum wurde ein Feuer unterhalten. Vgl. Eisler, Orphisch-dionysische Mysteriengedanken in der christlichen Antike (Vorträge der Bibliothek Warburg 1 922/3, II. Teil) 222. 3 Am 1 . Pachon (Erntefest) opferte der ägyptische König einen weißen Stier, s. Moret, Mysteres Egyptiens (1913) 8. 2
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Jungfrauen der Stadt zum Meer gehen. Auf ein verabredetes Zeichen hin (a"'J[Ldov) wird Kailigone geraubt.! Auf See erfährt Kallisthenes, daß er das verkehrte Mädchen entführt hat ; aber er ist von ihrer Schön heit so entzückt, daß er seinen wilden Übermut ganz ablegt. "Herrin, halte mich nicht für einen Räuber . . . . Die Liebe hat mich zu einem Schauspieler der Räuberei (:A"'Ja-n:(occ; {mox.pvr�v) gemacht. . . . Ich werde deine jungfräuliche Ehre wahren" (VIII 17, 3) . - Diese Entfüh rung bei einem religiösen Fest bezieht sich wieder auf das Mysterium ; Kal listhenes nennt sich selbst einen Schauspieler. Gleichzeitig aber hat sie eine ähnliche symbolische Bedeutung wie die Flucht des Kleitopbon und der Leukippe. Daß Kailistheues Kalligone raubt, ist eine Sünde seiner Jugend, die er nur dadurch sühnen kann, daß er die Jungfräu lichkeit der Geliebten respektiert. Nur durch Enthaltsamkeit kann der Mensch, der einmal aus dem himmlischen Reich in die irdische Materie gestürzt ist, sich die Rückkehr nach oben (nach Tyros) verdienen. Nach der Ankunft in Byzanz bewährt sich Kaliistheues im Krieg der Byzantier gegen die Thraker hervorragend. Den Onkel der Kalligone, Sostratos, nennt er "Vater". - Er bewährt sich im Leben als Soldat des Eros-Horos und ehrt den Priester der Isis. Nach dem Sieg der Byzantier waren Sostratos und Kailistheues als Festgesandte nach Ephesos und Tyros gefahren. Dieser hatte Kalligone mitgenommen, um sie nach dem Gesetz von ihrem Vater als Gattin zu erbitten. - Er führt also die Geliebte in ihre rechte Heimat zurück und empfängt sie aus der Hand des Priesters als Gattin. Sostratos, Kleitopbon und Leukippe fahren nach Byzanz. Dort wird die Hochzeit gefeiert. Von da fahren sie nach Tyros und feiern dort die Hochzeit des Kaliistheues und der Kalligone. Nun ist auch Kleitopbon in die Heimat zurückgekehrt. Im nächsten Jahr fahren dann alle in die lsisstadt Byzanz, die Heimat der Leukippe und des Kallisthenes. Der Roman des Achilleus Tatios enthält wieder eine Reihe starker Beweise dafür, daß die antiken Romane Mysterientexte sind. Ich er innere vor allem an die gespielte Mumifizierung (Osirisweihe) der Leu· kippe, an den Zusammenhang des Vogels Phönix mit der Nilflut und an die heilige Hochzeit der Melite-lsis mit Kleitophon. Manches andere wird dem modernen Leser zweifelhafter scheinen. "Darf man so häufig I
Kallisthenes raubt Kalligone am Strand aus den anderen Jungfrauen wie Zeus die
l•:uropa.
A chi l l e u s Tatios
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von einem stellvertretenden Opfer sprechen, wie das hier geschehen ist ? Kann wirklich eine Person (z. B. Thersandros) ihre Funktion in der Erzählung wechseln und zwei entgegengesetzte Rollen spielen ? Ist es zulässig, zwei verschiedene Episoden der Erzählung auf ein Ritual zu beziehen (z. B. Verwundung des Klcitophon am Schenkel Tod des Chaireas durch die Seeräuber) und anzunehmen, daß der Erzähler eine Kulthandlung in zwei Erzählun gen aufgespalten hat ? Kann man nicht mit solchen Methoden wie ein Taschenspieler alles in alles umdeu ten und entsprechend alles beweisen ?" So wird sich mancher fragen. Ich würde darauf antworten : 1 . Man kann keineswegs alles in alles umdeuten. Die mystischen Bedeutungen der einzelnen Episoden liegen im wesentlichen fest, und das Denken der Mysterientheologen läuft in festen, von der Tradition vorgegebenen Bahnen. Die Schwierigkeit für uns liegt nur darin, daß wir die richtigen Deutungen erst erlernen müs sen wie Vokabeln einer fremden Sprache - nein, nicht erlernen sondern erschließen. Hier kommt man nicht ohne Versuche weiter, und darum habe ich mich in der vorangehenden Darstellung nicht nur auf das ohne weiteres Einleuchtende beschränkt, sondern alles angegeben, was ich ermittelt zu haben glaube. Die folgenden Kapitel werden manche der hier gegebenen Deutungen durch Parallelen stützen. Aber daß man nicht alles in alles verwandeln kann, zeigt der Roman des Chariton. Dieser Autor hatte ein allgemeines Empfinden für den religiösen Wert des Romans, aber der mystische Sinn der einzelnen Episoden war ihm nicht bekannt. Auf Schritt und Tritt widerspricht seine Erzählung dem Sinn, welchen die Episoden nach der Mysteriendeutung haben sollten.1 Ich habe daher in diesem Buch Chariton nicht behandelt. 2. Die neuere Psychologie hat vielfach den Zusammenhang der mythenbildenden Phantasie mit dem Unterbewußtsein, welches die Träume heraufsendet, nachgewiesen. Wer nur ein bißchen in den Traum büchern der Psychologen herumgelesen und eigene Träume analysiert hat, dem sind die oben als besonders fraglich bezeichneten Verschie bungen geläufig. Immer wieder tritt der Träumende in anderer Person auf, vertritt eine Traumfigur zwei Personen des Alltags, ist eine Person der Wirklichkeit in zwei Traumfiguren aufgespalten . Die Sache ist viel weniger wunderlich als es dem logischen Verstand auf den ersten Blick scheint. =
1 Dafür ist Chariton den anderen Romandichtern in literarischer Hinsicht in manchen Punkten überlegen. Er brauchte keine Rücksicht auf einen Hintersinn zu nehmen und konnte einfach erzählen, wie es der Zusammenhang seines Romans forderte.
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3. Die von m1r gegebenen symbolischen Romandeutungen sind den Mythendeutungen der Psychologen verwandt und wären ohne das Vor angehen der Psychologen nicht möglich gewesen. Sie unterscheiden sich aber von ihnen nicht unwesentlich. Der Psychologe deutet einen My thos aus sich allein. Hier aber wird der Roman immer in Beziehung gesetzt zum Mythos, zum Ritual der Mysterienweihe und zum Lauf des menschlichen Lehens. Nur die Deutung ist zulässig, welche a) im Zu sammenhang des Romans sinnvoll ist, welche h) sich als Wiederholung des Mythos verstehen läßt, für die sich c) ein Anhaltspunkt im My sterienritual nachweisen oder doch wahrscheinlich machen läßt, und die d) eine symbolische Bedeutung für das Leben des Mysten hat. Die Deutung muß also vier verschiedenen Gesichtspunkten gerecht werden. Damit ist die Möglichkeit zu phantasieren zum mindesten stark einge schränkt ; in der Regel wird diejenige Deutung, welche von allen vier Blickrichtungen her sich bewährt, die richtige sein.1 1 Auch die Mythendeutung sollte künftig nicht mehr an den Ritualen vorbeigehen. Bei den frühen Menschen waren Gedanke und Handlung viel enger verbunden als bei uns ; j eder Gedanke drückte sich in einer Handlung aus. Das Denken war anschaulich, und zwar so, daß es sich in einer sichtbaren Darstellung präsentierte. Solange man frühe Mythen allein aus den Texten zu deuten versucht, werden die Fehlerquellen immer groß bleiben. Sobald es gelingt, den zugehörigen Kult aufzufinden und in die Ü ber legung mit einzubeziehen, hat man Chancen, das Rechte zu treffen.
D I E H I S T O R IA AP O L LO N i l R E G I S TYRI Auch der Historia Apollonii liegt ursprün glich ein griechischer lsis roman zugrunde. Er ist etwa in der ersten Hälfte des dritten Jahrhun derts ins Lateinische übertragen worden.l Am; d ie se m lateinischen Text hat dann ein christlicher Bearbeiter im 5.j6. Jahrh. d ie stark verkürzte Fassung hergestellt, die wir besitzen. Der Epitomator hat die Stellen umgeändert, an denen Diana-Isis selbst in die Handlung eingriff und das Geschick der Hom an liguren zu m Guten wandte. Aber einige Spuren der ursprünglichen l•'assung s ind stehen geblieben, so daß sich diese ohne Schwierigkeit rekonstruieren läßt. Ferner ist die Eingangspartie des Romans überarbeitet : Die Er zählung von König Antiochus und seiner Tochter ist mit dem übrigen Roman nicht mehr organisch verbunden.2 In Antiochia wohnte ein König Antiochus mit seiner wunderbar schönen Tochter, "an der die Natur in nichts gefehlt hatte, außer daß sie sterblich war". Der Vater lebte mit ihr in einem sündigen Liebes· verhältnis. Um sie nicht zu verlieren, gab er ihren Freiern Rätsel auf. Wer sie löste, sollte die Tochter zur Ehe erhalten ; wer die Lösung nicht fand, mußte sterben. Viele verloren ihr Leben. Endlich kam Apollonius von Tyrus. Er löste das Rätsel, welches sich auf den Liebesbund des Vaters mit der Tochter bezog. Aber er erhielt den versprochenen Lohn nicht, sondern mußte fliehen. - Das Liebesverhältnis des Antiochus und seiner Tochter ähnelt sehr dem des Kinyras und seiner Tochter Myrrha, der Eltern des Adonis. Es fehlt nur der Sohn des Antiochus, welcher dem Adonis entspricht. Dieser Sohn ist ursprünglich Apollonius selbst gewesen. Nach dem Tod des Antiochus nämlich soll ihm Apollonius als König nachfolgen ; Apollonius selbst nennt das Reich des Antiochus "mein väterliches Reich". 3 Er ist also im Geheimen mit Adonis-Osiris identisch, wie so viele Helden griechischer Romane. Man wird sich den ursprünglichen Zusammenhang des Apollonius romans etwa folgendermaßen zurechtlegen können : Apollonius war der 1 Vgl. Klebs, Die Erzählung von Apollonius aus Tyrus (Berlin 1 899) 187 ff. , be sonders 191 ff. (über die Münzangaben). 2 Über die Ungeschicklichkeiten in der Motivation vgl. Rohde 417 ff. und Klebs 308. 3 patrium regnum, Kap. 48 p. 108, 1 Riese (Rezension B). Hier hat der Bearbeiter eine Spur der ursprünglichen Fassung stehen gelassen. II
Mcrkelbach
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Sohn des Königs Antiochus und seiner Tochter. E r wuchs a m Hof des Kii nigs auf, ohne seinen Vater zu kennen. Als er seine Mutter nach dem Vater fragtc,1 antwortete sie ihm mit einem Rätsel : Scelere vehitur, ipsius carnc utitur ; quaere fratris mei patrem, meae matris generum, uxoris suac patn�m, filii sui avum. 2 Apollonius löste das Rätsel und erschrak. Er beschloß, Buße zu tun für die Sünde seiner Eltern und allein in die Welt zu ziehen. - Dies ist wieder eine Allegorie des Sturzes der Seele i n die Materie. Ihre Ursache ist, ähnlich wie im hermetischen Poimandres, eine Leidenschaft des Erzeugers für sein Geschöpf: TOV O!Xnov TOU -3-IX.v& TOU E:pwTIX (Corp. Herrn. I 18) . Die Irrfahrt des Menschen auf Erden ist eine sühnend e Wallfahrt für jenen ersten Sündenfall. Apollonius stammt aus Tyrus, und das muß auch im Urroman so gewesen sein.3 Nun ist die Kronosinsel Tyrus, wie schon oben S. 116 angedeutet wurde und unten S. 227 noch deutlicher werden wird, eine Allegorie der Seligeninsel, des Elysiums. Wir werden also wieder auf dieselbe Deutung zurückgeführt : Wegen des Fehltritts des Vaters muß der Sohn die himmlische Heimat verlassen. Dem Rätsel, welches dem Apollonius aufgegeben wird, entspricht ein anderes Rätsel, welches jeder Myste lösen muß : Er muß hinter das Geheimnis kommen, daß er von Gott abstammt, daß aber seine Erzeu gung einen Sündenfall bedeutete, den er auf der Irrfahrt des Lebens sühnen muß. Wir kehren zu dem überlieferten Roman zurück. Apollonius flieht nach Tyrus, füllt ein Schiff mit Getreide und fährt ab. Er landet in Tarsus, wo gerade Hungersnot herrscht, und verteilt dort das mit gebrachte Getreide. Die Bürger danken ihm mit Akklamationen.4 Apol1 Vgl. die Frage des Horos nach seinem Vater in der altägyptischen Erzählung von Wahrheit und Lüge, oben S. 7 1 . Horos-Apollon ::::; Apollonius. 2 So ungefähr muß das Rätsel gelautet haben. In unserem Text steht : (Cap. 4) scelere vehor, materna carne utor, quaero fratrem meum, matris meae filium, uxoris meae virum : nec invenio. Daß es, auch in der abgeänderten Form, im jetzigen Text nicht paßt, braucht nicht ausgeführt zu werden. 3 Nach dem Tod des Antiochus kommt ein Schiff aus Tyrus nach Kyrene und melde; dem Apollonius, daß ihm die Herrschaft aufbewahrt werde. Damit muß doch wohl die Herrschaft über Tyrus gemeint sein. Auch ist von Antiochia am Ende des Romans keine Rede mehr ; es ist im alten Isisroman gar nicht vorgekommen. � Soll Apollonius als Getreidespender mit Osiris identifiziert werden ? - Auch in dieser Partie ist der ursprüngliche Zusammenhang auf manche Weise gestört. König Antiochus verfolgt Apollonius mit seinem Zorn und will ihn töten lassen. Als das miß linp;t, setzt er einen hohen Preis auf seinen K opf. Dies erfährt Apollonius in Tarsus von einem gewissen Hellenieus (oder Hellanicus), der unbegreiflicherweise später in K y rerw leh l (cap. 5 1 ). Apollonius bittet nun die Bürger von Tarsus, zum Dank für die
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lonius reist weiter. Sein Schiff geht in einem Seesturm unter ;1 er allein rettet sich auf einer Planke bei Kyrene ans Ufer.2 Ein alter Fischer nimmt ihn freundlich auf. Er zerschneidet seinen einfachen Mantel und bekleidet mit der Hälfte den Nackten. - Ähnlich wird bei Apuleius (XI 14) der nach der Rückverwandlung aus dem Esel nackt dastehende Lucius sofort von einem Isisdiener bekleidet, dort mit einem linnenen Gewand, dem Weihekleid des lsismysten . Unsere Szene muß dieselbe Bedeutung gehabt haben. Der "Fischer" ist, wie hei Xenophon und Aehilleus Tatios, eine Person des Mysteriendramas. Man vergleiche, wie Apollonius am Ende des Buches im Beisein seiner Gattin dem Fischer dankt (cap. 51) : "Dieser ist mein Brautgeleiter (paranymphus), der mir half, als ich schiffbrüchig war, und mir den Weg zu dir (zu seiner Frau) zeigte." Der Fischer weist Apollonius den Weg zur Stadt. Im Gymnasium3 spielt gerade der König. Apollonius fängt einen Ball auf, den der Kiinig geworfen hat, und wirft ihn zurück. Der König wirft ihm den Ball immer wieder zu ; er und alle Anwesenden staunen über die Geschicklichkeit des Apollonius heim Spiel. Dann massiert er den König so geschickt, daß der alte Herr wieder zum Jüngling wird. Der König lädt Apollonius zum Mahl ein.4 Seine Tochter Archistratis, die heim Mahl anwesend ist, fragt Apollonius nach Namen und Schicksal. Apollonius erzählt sein Geschick. Danach zieht er ein Prachtgewand an, bekränzt sein Haupt, nimmt eine Leier zur Hand und betritt das Gemach. Nun glauben die Gäste, nicht Apollonius, sondern Apollon vor sich zu sehen.5 - Die Identifikation mit einem Gott ist uns schon oft begegnet. Apollon ist der griechische Name des Horos. Getreidespende "seine Flucht zu verbergen". Daraufhin stellen die Tarsier eine S t atue Apollonius mitten auf dem Fomm auf; er hält in der rechten Hand Früchte und tritt mit dem linken Fuß auf einen GetreidescheffeL Nach einiger Zeit reist Apoll on i u s weiter premente Fortuna (cap. 1 1 ). Vgl. Rohde 422 f. 1 Dem Schiffbmch entspricht im Ritual die Taufe. 2 Hier und im folgenden war die Phaeakenepisode der Odyssee Vorbild des Apollo niusromans. Wir haben schon gesagt, daß Odysseus ein Urbild aller Irrfahrer in den !!;riechischen Romanen ist ; vgl. unten über Heliodor. - In Kyrene bestand ein Kult der Isis. Ein Heiligtum ist ausgegraben worden. 3 Das Gymnasium ist mit einem Bad verbunden. Vermutlich hat Apollonius ur �prünglich das Bad des Mysten genommen (Apul. XI 23). 4 Das Mahl kann rituelle Bedeutung haben. 5 16 ut discumbentes non Apollonium sed Apollinem existimarent. 18 regina credit (sc. Apollonium) genus esse deorum. Für den Kranz vgl. Apuleius XI 24, 4 ; Peek, Grie .:hische Versinschriften 1 55 6 , 7. des
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Apollonius spielt noch komische und tragische Rollen, und alle be zeugen, so etwas noch nie gehört oder gesehen zu haben. Apollonius unterrichtet nun Archistratis in der Musik. Sie verliebt sich in den schönen Fremden und wählt ihn statt anderer Bewerber zur Ehe. Unter freudiger Anteilnahme der Bürger richtet man die Hochzeit aus. Die jungen Gatten lieben sich in wund erbarer Weise.! Bald erwartet die junge Frau ein Kind. Inzwischen ist König Antiochus gestorben. Sein Königreich wird dem Apollonius aufbewahrt.2 Apollonius beschließt, nach Antiochia zu fah ren, um die Erbschaft anzutreten. Archistratis begleitet ihn, obwohl sie im sechsten Monat ist. Widrige Winde hemmen die Fahrt ; Archistratis gebiert nach einem Monat auf hoher See ihr Kind, eine Tochter. Aber die Wehen kehrten wieder, das Blut der Frau gerinnt, ihr Atem bleibt stehen, und sie sieht aus wie eine Tote.3 Apollonius zerreißt seine Klei der, wirft sich über den Leichnam4 und klagt. Da der Steuermann des Schiffes fordert, daß man die Leiche über Bord werfe, läßt Apollonius einen Sarg anfertigen und sorgfältig abdichten. Er gibt der Toten einen letzten Kuß und weint ; dann wird der Sarg ins Meer versenkt.5 - Dies spielt auf das Sargritual der Osirisweihe an, dem wir schon mehrfach begegnet sind. Der Sarg landet bei Ephesus. Ein Arzt findet ihn ; er will die Leiche auf einem Scheiterhaufen verbrennen und bestatten. Aber sein Schüler, der die Tote mit Öl salben soll, bemerkt, daß die junge Frau noch warm ist. Er befühlt die Adern, er merkt, daß die Nase atmet, "er probiert die Lippen mit seinen Lippen, er fühlt einen leisen Hauch und daß das Lehen mit dem Tode kämpft".6 "Meister", sagt er, "dies Mädchen,, das du tot glaubst, lebt." Er trägt ihren Körper ins Haus, legt sie auf sein Bett und belebt sie. "Das geronnene Blut wird durch die Wärme wieder flüssig, und der erstarrte Lehensgeist durchdringt sie wieder von innen. Als die Adern so geöffnet waren, öffnete sie die Augen, erhielt den Atem wieder, den sie schon fast verloren hatte und sprach leise und stockend : 1 23 ingens amor fit inter coniuges, mirus affectus, incomparabilis dilcctio. et regnum eius servantur regi Apollonio. Dies ist nur verständlich, wenn 2 24 opes Apollonius Sohn des Antiochus ist. 3 25 defunctae repraesentavit effigiem (Rez. B). 4 iactavit se super corpus. 6 dedit postremo osculum funeri, effudit super eam lacrimas. • 26 per artifices officiosae manus tactus praecordia sensit, temptat tepidum corpus et obstupuit. palpat indicia venarum, rimatur auras, nares; labria labiis probat, sentit .• piriiiiWIItum gracilem, luctantem vitam cum morte . . (Rez. B). •
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Dies ist ,Bitte berühre mich nicht anders, als es sich geziemt !' "1 eine Wiederholung jener Liehesumarmung, durch welche lsis einst den toten Osiris zum Lehen erweckt hat (Kerenyi 37 ff.) . Es sind uns schon mehrfach ähnliche Szenen begegnet. Besonders verräterisch sind die Worte labia labiis probat, die Szene i m Sehlafzimmer und die Bitte des wieder zu sich gekommenen Mädchen:;. :E" i'ii u d zwei Punkte zu beachten : I . Hier belebt nicht die Frau (lsis) den Ma u u (0!-ii ris), vielmehr spielt hier die Frau die Rolle des Osiris. Sie wird iu d t ' l l S a r � �elcgt und nach der Öffnung des Sarges wiederbelebt. Indem ih r S a r� i u � :Meer herab gelassen und später an Land getrieben wird, ist s i e " « ' r l r u ukcn" und "wiedergefunden" wie Osiris. Vermutlich soll dieser Ht�l l e u l a u i-i d l t's dem Nicht-Eingeweihten erschweren, den wahren Sinn der E rziih l u u � zu erkennen. Wir haben es ja mit einer Art von Geheimliteratu r zu 1 1 1 1 1 . 2. Die mythische Erzählung ist i n zwei Szenen aufgespalten. Zu u iid 1 s l beklagt Apollonius die Tote, wirft sich über ihren Leichnam und kü ß t ihn. Die Handlung wird fortgesetzt von dem jungen Arzt : er beugt sich über den Leichnam wie Apollonius, küßt die Tote und belebt sie. Im Sarg der Archistratis war Geld gewesen ; der junge Arzt erhält es als Lohn. - Dies spielt auf die Gebühr an, welche für die Isisweihe erhoben wurde, vgl. oben S. 16 , 6, 86 und 103. ,Archistratis erhält Speisen und wird gepflegt, und der alte Arzt ad optiert sie als seine Tochter.2 Sie wird Priesterin im Tempel der Diana. Der Arzt vertritt also den Priester, den geistlichen Vater des Mysten. Die Adoption und Weihe als Priesterin werden im Ritual identisch sein. 3 Die Speisen beziehen sich auf das Ritual. Das Schiff des Apollonius landet in Tarsus. Er nennt die neugeborene Tochter Tarsia4 und läßt sie mit ihrer Amme in der Obhut seiner früheren Gastfreunde Stranguillio und Dionysias. Er selbst schwört, Bart, Haare und Nägel nicht vor der Hochzeit seiner Tochter zu scheren und begibt sich auf eine lange Reise in unbekannte Gegenden im fernen Ägypten. Dies ist der einzige Hinweis auf Ägypten, der in unserem mehrfach überarbeiteten und epitomierten Text stehengehliehen ist. 1 sanguis vero ille accepto tepore liquefactus est, coepitque spiritus praeclusus per medullas descendere. venis itaque patefactis aperuit puella oculos et recipiens spiritum, quem iam perdiderat, leni et balbutienti sermone ait : deprecor itaque, medice, ne me con tingas aliter quam oportet contingere 2 27 adoptavit eam sibi filiam (Rez. B). 3 Daß der Geselle den Arzt bei der Wiederbelebung vertritt, könnte seinen Grund im Ritual haben. 4 Tarsus hatte einen wichtigen lsiskult ; vgl. oben S. 102, 3. Vielleicht soll "Tarsia'" die Heidin versteckt mit lsis identifizieren, wie "Memphitis" b ei Xenophon. •
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Tarsia wächst auf und erfährt von der Amme ihre Abkunft. Al s die Amme stirbt, errichtet sie ihr ein Grabmal am Meer. Dort opfert sie regelmäßig Totenopfer und ruft die Seelen ihrer Eltern an. Als ihre Pflegemutter Dionysias an einem Festtag mit ihrer eigenen Tochter und Tarsia ausgeht 1 erscheint Tarsia allen Bürgern wie ein Wunder. Die Tochter der Diony�ias fiel dagegen ab. Darüber erzürnte Dionysias, und da sie glaubte, Apollonius sei längst auf dem Meer umgekommen,1 he· schloß sie, Tarsia töten zu lassen und sich ihren Schmuck und ihr Ver· mögen anzueignen. Ein Sklave wird beauftragt, Tarsia zu ermorden. Er versteckt sich heim Grabmal der Amme. Als Tarsia kommt, um das Totenopfer zu bringen, springt er hervor, packt sie bei den Haaren, wirft sie zu Boden und will sie erstechen. Das Mädchen bittet ihn, vor· her " Gott" anrufen zu dürfen.2 Der Sklave gewährt es. Als Tarsia betet, kommen plötzlich Seeräuber und verjagen den Sklaven : "Dies Mädchen ist unsere Beute, nicht dein Opfer."3 Die Räuber fesseln das Mädchen und fahren mit ihr ab ; so wurde sie aus dem Tod gerauht.4 - Das An-den-Haaren-Packen, das Mädchen als Opfer (victima), die unver· hoffte Rettung,5 die Fesselung, die Räuber-Mysteriendiener als Retter, alles kennen wir aus den Isismysterien. Wer ist der Gott, den Tarsia anruft und dem sie die Rettung verdankt ? Unser Text schweigt darüber, aber es ist kaum zu kühn, an Diana-Isis zu denken. Der Sklave, welcher 'l'arsia ermorden soll, erinnert an die entsprechende Szene bei Xenophon, Ephes. Il 1 1 , s. S. 100. Der Sklave meldet der Dionysias, er habe Tarsia getötet. Man er richtet ihr ein Grabmal neben dem Grab der Amme.6 Die Räuber ver· kaufen Tarsia in Mytilene an einen Bordellwirt. Es gelingt ihr jedoch, ihre Besucher durch Bitten zu erweichen und so ihre Jungfernschaft zu bewahren. 7 Ein vornehmer Mann, Athenagoras, schließt sie in sein Herz 1 31 mortuus est aut in pelago periit, Anspielung auf de11 Wassertod des Osiris. 2 testari dominum, bzw. deum. a
haec enim nostra praeda est, non tua victima. puellam raptarn a morte. 6 Vgl. die oben S. 98 zitierte Stelle aus Artemidor. 6 Nach Plut. De lside 18 hat lsis in Ägypten eine ganze Anzahl Kenotaphien er richtet. Chariton IV 1 hat einen verlorenen Isisroman zum Vorbild, in dem die Roman heidin die feierliche Beisetzung eines Osirisbildes durch Isis nachvollzog. Aber Chariton hat den genauen Mysteriensinn der Szene nicht gekannt und mehrfach Verkehrtes hereingebracht. 7 Hier stehen einige skurrile Szenen. Der erste Besucher der Tarsia, der dem Kuppler c i rwn hohen Preis hatte bezahlen müssen, läßt sich von den Bitten des Mädchens er w•· i c·lwn. Das Geld ist natürlich verloren. Als der zweite ihn fragt, wie es ihm ergangen -.·i, giht cr eine zweideutige Antwort. Er schaut dann durch das Schlüsselloch zu und 4
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und hütet sie, als wäre sie seine einzige Tochter.1 Sie verdient Geld durch Leierspiel, Erzählungen und Rätsel - sozusagen als Aretalogin. Die Episode erinnert an den Aufenthalt der Antheia im Bordell im V. Buch des Xenophon. Auch sie weiß ihre Keuschheit zu wahren. Vermutlich hat e) im Mythos der Isi:-; eine entsprechende Episode ge· gehen. Der Kirchenvater Epiphanio:-; behaup tet in seiner Polemik gegen die ägyptischen Götter, Isis habe zehn .lahrt� i n Tyros rals Hure geleht.2 Das kann nicht ganz aus der Luft gegriffen sei n . Vermutlich verschweigt Epiphanios in heiligem Eifer, daß l!sis auch im Horddl ihre Ehre gewahrt hat . In der Polemik gegen die feindliche Hcligion nahmen es damals weder Christen noch Heiden mit der Wahrheit s eh r gen au, und hier bestand die Verdrehung der Wahrheit nur im WeglasRcn . Inzwischen sind 14 Jahre vergangen. Apollonius kommt nach Tarsus zurück, um seine Tochter abzuholen. Man sagt ihm, daß gie gestorben sei. Er tritt an ihr Grabmal. Aber seine 4ugen bleiben trocken. Er Hagt : "0 ihr grausamen Augen, ihr seht die Grabschrift meiner Tochter und könnt keine Tränen vergießen - ich glaube, meine Tochter lebt." Er fährt wieder ab und will nach Tyrus reisen, aber ein Sturm treibt das Schiff nach Mytilene.3 Dort war gerade ein Neptunfest.4 Er erlaubt der Mannschaft zu feiern ; er selbst bleibt im Inneren des Schiffes und will das Licht nicht sehen. Athenagoras, der "Pflegevater" der Tarsia, er kennt den Namen des Apollonius als den des Vaters des Mädchens. Er versucht, Apollonius zu trösten ; doch dieser schweigt.5 Athenagoras dringt in ihn : " Schreite aus dem Dunkel6 ins Licht und speise mit uns. freut sich, daß auch der zweite sich rühren läßt und sein Geld verliert usw. Der alte Isisroman kann solche komischen Szenen enthalten haben. - Tarsia wird ins Bordell geführt antecedente turba cum symphoniacis. Der erste Besucher tritt zu ihr ein velato capite. Beides könnte sich auf das Mysterienspiel beziehen. 1 36 iam custodiebat ac si unicam suam filiam. Vermutlich vertritt er einen Priester. 2 Ancoratus 1 0 4 &v Tupü>L TCopvEUO:otcrot fi-r"l) oexa. 3 Ein Kult des Sarapis und der Fortuna (d. h. der Isistyche) zu Mytilene wird bezeugt durch eine Münze aus der Zeit des Valerian und Gallienus (British Museum Catalogue of the Greek Coins of Troas, Aeolis and Lesbos, von W. Wroth, London 1 894, S. 203 Nr. 185 mit Tafel 40, 9 ; Quandt, De Baccho 141). S. ferner die Inschriften I. G. XII 2, 98 ; l l 3 ; l l4 ; Suppl. 22. 4 Neptun ist offensichtlich dem Sarapis gleichgesetzt ; vgl. C. I. L. VIII 1 002 Dessau 4390 (Karthago) : Sarapidi Neptuno etc. ; C. I. L. III 3637 (Pannonien) : Iovi Optimo Maximo Neptuno Serapidi (Hinweis von E. Köberlein). Am Fest des Gottes wird Tarsia "gefunden". 5 Anspielung auf das Schweigen des Mysten ? Athenagoras hatte den Apollonius angeredet submissa voce; ebenso bald darauf Tarsia, die ihn mit laetare begrüßt. Da hinter verbirgt sich g&!J-Ü[LEL, -lt&:ppEL oder etwas Ähnliches. a Dunkel Höhle Gefängnis. -
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lc�h hufre, daß (; ott dir nach dieser großen Trauer eine größere
Apollonius aber weist ihn ab. Da schickt Athena ihm hinunter : "Rufe ihn, der Weih und Tochter he t rauert, a n s Licht . . . vielleicht will Gott, daß er durch uns leht."2 Tan;i a geht hinunter und singt ihm ein Lied vor ; aber Apollonius gibt il1r G eld und weist sie ab. Da schickt Athenagoras das Mädchen noch einmal hinunter : "Ruf ihn auf, ans Licht zu kommen ; sag ihm : Ich will nieht dein Geld, ich will dein Heil (salus) ." Nun gibt Tarsia ihm eine Hcihe von Rätseln auf, die er alle löst. Die Lösungen lauten : l) unda und piscis ; 2) canna ; 3) navis ; 4) balneum; 5) ancora ; 6) spongia; 7) sphaera; 8) speculum ; 9) rotae ; 10) scalae. - All diese Wörter haben symbolische ' Bedeutung : l) Wie der Fisch aus der Meereswoge, so wird der Myste bei der Weihe aus der weltlichen Materie gezogen (Meer 15/.'YJ)· 2) Die Binse ist der Isis heilig, s. oben S. 34, 4. 4) und 6) Bad und Schwamm beziehen sich auf die Reinigung des Mysten. 3) Wie das Schiff den Men . sehen sicher durch das Meer fährt, so bringt die wahre Religion den Gläu bigen über das Meer des Lehens in den Hafen des Heils ; lsis Euploia wird guten Fahrtwind gehen. 5) Wie der Anker das Schiff im Meer befestigt, so die Isisreligion die Gläubigen im Meer der Welt. 7) und 8) Ball und Spiegel gehören zu den Talismanen ('n:Mcr[.LIX't'IX, crepundia), welche dem Initianden bei der Weihe übergehen wurden.3 Das hieroglyphische Zeichen für Spiegel (ankh) bedeutet gleichzeitig "Lehen". 9) Das Rad ist das Attribut der Fortuna (lsistyche) . 10) Die Leiter symbolisiert den Aufstieg des Mysten. - Nicht nur Apollonius soll Rätsel raten ; die von ihm gefundenen Lösungen gehen dem Leser des Romans neue Rätsel auf. Daß ��'t"YJO"�� und ei5pem� auch in übertragenem Sinn gehraucht wurden, haben wir schon oben ( S . 5 9 f.) gesehen. Der Apollonius, welcher die Lö sung der Rätsel gefunden hatte, wird sogleich auch die gesuchte Tochter finden. Schließlich umarmt Tarsia den Apollonius und will ihn ans Licht ziehen : "Wenn du die Gattin suchst, Gott wird sie dir wieder gehen ; wenn du die Tochter suchst, du wirst sie gesund und unversehrt finden."4 Frc�ude gehen wird ."1
guras Tarsia
zu
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T
1 40 procede de tenebris ad lucem et epulare nobiscum paulisper.spero autem de deo, quia dabit tibi post hunc tam ingentem luctum ampliorem laetitiam. forsitan per nos deus 2 eum provoces ad lucem exire lugentern coniugem et filiam vult eum vivere. 3 Vgl. Clemens Alex. , Protrept. II 18, 1 ; Arnobius V 19 ; Pap. Gurob 12 Orph. fr. :1 1 Kern Vorsokratiker 1 B 23. 4 41· si coniugem desideras, deus restituet; si filiam, salvam et incolumem invenies .
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( l t .,z, B).
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Aher Apollonius stößt sie mit dem Fuß zurück, das Mädchen fälltl und weint. In ihrem Kummer erzählt sie ihre Geschichte,2 und nun erkennt er sein Kind : "Du bist meine Tochter Tarsia, du bist meine einzige Hoffnung, du bist das Licht meiner Augen (Iumen oculorum meorum) ."3 In der Urfassung hat Diana bei der Wiedererkennung eine Rolle gespielt. Dies ergibt sich aus dem Gebet des A pol i o nins im Dianatempel zu Ephesus : "Als ich in neuer Trauer mich wiil z t.e, und nach dem Tod der Mutter und der Tochter den Tod ersehnte, h ast d u mir das Lehen wiedergegeben. "4 Hier hat der christliche Bearbeiter vergessen, eine Spur der alten heidnischen Fassung zu tilgen.5 Ganz Mytilene feiert, daß Vater und Tochter sich �efu l H i e n haben. Der Kuppler wird vor Gericht gestellt ; Apollonius schert sieh d ie Haare, welche er 14 Jahre lang hatte wachsen lassen, und präsidiert der Ver handlung. Auf Antrag des Athenagoras wird der Kuppler verbrannt, seine Sklavinnen freigelassen. - Dies ist die Gerichtsszene der Isis romane. Die Haarschur bezieht sich vielleicht auf die Tonsur des Isis mysten. Tarsia vermählt sich mit Athenagoras. Apollonius will über Tarsus in die Heimat zurückkehren ; da erscheint ihm im Traum "jemand mit dem Gesicht eines Engels" - es ist Diana6 - und befiehlt ihm, nach Ephesus zu fahren, mit der Tochter und dem Schwiegersohn in den Dianatempel zu gehen und dort all seine Schicksale öffentlich zu erzählen. - Das öffentliche Erzählen der Lehensschicksale ist einer öffentlichen Beichte 1 calce eam percussit, et impulsa virgo cecidit (Rez.B). Vielleicht enthalten die Worte eine Anspielung auf das Mysterienritual. Vgl. unten S. 253 , 2 und KenSnyi 100 und 252. 2 Dies ist eine Art Beichte, s. die nächste Seite. 3 Eine ähnliche Motivreihe kam im "Alkmeon in Psophis" des Euripides vor (Krappe, Class. Quart. 18, 1924, 57 ff. und Trenkner, The Greek Novella in the Classical Period, Cambridge 1958, 40 f.). 4 48 cum redivivo involverer luctu, post matris atque filiae mortem cupienti exitum vitam mihi reddidisti. 6 Ein ähnlicher Prozeß der Christianisierung läßt sich in der Vita Aesopi beobachten. Der stumme Aesop hilft einer Priesterin der Isis (vita G 4-8 ; bzw. Priestern der Isis-Tyche, vita W). Da bittet die Priesterin die tausendnamige Göttin dem Aesop zu helfen. lsis erscheint ihm im Traum und gibt Stimme und Fabeldichtung. In der christianisierten lateinischen Fassung (vita Lolliana) ist nur noch von sacerdotes quidam und deus clemens die Rede (Hinweis von E. Köberlein). 6 Dies ergibt sich aus seinen Worten im Dianatempel : 48 hanc filiam meam, quam coram te, magna Diana, praesenlare iussisti (beobachtet von Klebs 1 89). - Wie ober flächlich der Text von cap. 48 christianisiert ist, sieht man leicht : Apollonius sieht im Traum einen Engel (quendam angelico vultu) , der ihn zu Diana schickt. - Von der Bedeutung der Träume im Isiskult haben wir schon oft gesprochen.
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Hehr verwandt. Daß es eine solche in der Isisreligion gegeben hat, ergibt �;ich aus Ovid, epist. ex Ponto I 1, 50 ff. : Vidi ego linigerae numen violasse Jatentem lsidis Isiacos ante sedere focos, alter ob huic similem privatus lumine culpam clamabat media se meruisse via.1
Apollonius folgt dem Traumgesicht und fährt nach Ephesus. Dort war seine Frau Archistratis Oherpriesterin. " Sie war sehr schön, . . . so daß keine der Artemis so lieb war. "2 Als sie hört, daß ein König kommen wird, "zieht sie ihr königliches Kleid an, schmückt das Haupt mit Edelsteinen und kommt im Purpurkleid, geleitet von den Scharen der Dienerinnen. Sie betritt den Tempel. . . . Ein so großer Glanz ging von ihrer Schönheit aus, daß man sie für die Göttin Diana selbst hielt".3 - Nun wird also auch Archistratis mit der Göttin identifiziert. Apollonius erzählt sein Lehensschicksal, und die Gattin stürzt in seine Arme. "In ganz Ephesus tönt es : Apollonius von Tyrus hat seine Gattin wiedererkannt, die hier Priesterin war ! Und die ganze Stadt wurde froh, die Plätze wurden mit Blumen geschmückt usw." - Dies ist der uns schon vertraute aretalogische Schluß der Isisrom ane.4 Die wieder vereinte Familie fährt nach Tarsus. Apollonius läßt Stran guillio und Dionysias festnehmen. Vor allem Volk wird ihnen der Prozeß gemacht. Auf die Frage, wo die Pflegetochter Tarsia gehliehen sei, ant worten sie, sie sei gestorben, und beschwören es. Da ruft Apollonius die hinter dem Tribunal versteckte Tochter hervor : "
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D i e His t o r i a Ap o l l o n i i R e g i s Ty r i
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hinter dem Tribunal hervor, in königlichem Kleid und mit verhülltem Haupt ;1 sie enthüllt ihr Antlitz und sagt zu dem bösenWeih : 'Dionysias, ich, die aus der Unterwelt Zurückgerufene, grüße dich P Als das verbre cherische Weih sie sah, erzitterte :-ie am ganzen Leih. Da staunen die Bürger und freuen sich."2 Stranguillio u nd Diony:-;ias werden gesteinigt. - Das Staunen und das Zeugnis der B iirger z e i ge n , daß wir auch hier wieder eine aretalogische Episode vor u n s h alu� n . a Alu�r hier ist noch mehr : Diese Rückkehr aus dem Tartarus ist die rei n e Tlwutt�r:-zene ; man fühlt sich an den Hokuspokus erinnert, mit dmn Mmwlaos Jwi Ad1illcus Tatios die Leukippe ins Lehen zurückruft. Ich zweifle nieht, d a U m a n bei den Isisweihen solche Szenen vor den Mysten gespielt hat. Das ( ; ,�ridtt über Stranguillio und Dionysias ist eine Wiederholung d cH m y t.h i )oidten Ge richts über Seth. Nun tritt Apollonius die ererbte Herrschaft in Antiochia, TarHU)ol u n d Kyrene an ; in Tyrus herrscht sein Schwiegersohn AthenagoraH ; d it� Guten werden belohnt, die Bösen bestraft. Apollonius schreibt seine Schicksale in einem Buch auf und deponiert es im Tempel der Diana zu Ephesus.4 - Dies ist wieder ein aretalogisches Motiv, vgl. oben S. ll3. Daß dies ursprünglich ein lsisroman gewesen ist, braucht nicht mehr umständlich bewiesen zu werden. Ich erinnere nur an die beherrschende Rolle der Diana von Ephesus, an die Identifikation des Apollonius mit Adonis, an die Wiederbelebung der Archistratis und an die zahlreichen Ähnlichkeiten zu dem Roman des Xenophon von Ephesos. Wir ver stehen nun vielleicht besser den ungeheuren Erfolg dieses Buches im Mittelalter : Ein ursprünglich religiöser Text verliert niemals ganz die Fähigkeit, jene Schichten der menschlichen Seele anzusprechen, die unterhalb des reinen Verstand es liegen und ein besseres Gefühl für all das behalten haben, was dem Verstand getrennt scheint und doch die Welt im Innersten zusammenhält. 1 Ritual der Mysterienweihe.
2 cap. 50 : domina Tarsia, nata dulcis, si quid animae(?) apud inferos habes, relinque
Tartaream domum et genitoris tui vocem exaudi. puella de post tribunal regio habitu circumdata capite velato processit et revelata facie malae mulieri dixit : Dionysias, saluto te ego ab inferis revocata. mulier scelerata ut vidit eam, toto corpore contremuit. mirantur cives et gaudent (Rez.B). 3 Vgl. Kerenyi 9 und 37. 4 Dies steht nur in der Rezension B.
D E R C L E M E N S - ROMAN Wir gehen nun z u denjenigen Romanen üher, die keine lsistexte sind. Wir werden zuerst den christlichen Clemensroman und den Mithras roman des lamhlichos (Bahyloniaca) besprechen, danach die beiden Mysterienromane, welche für rein griechische Kulte geschrieben sind : den Dionysosroman des Longus und den pythagoreischen des Antonius Diogenes, und werden unsere Betrachtung mit dem Heliosroman des Heliodor schließen. Der Clemensroman schließt sich in seinen romanhaften Partien eng an die heidnischen Formen an. Der Hauptzweck dieses Werkes ist - neben der Bekämpfung der Haeresie Markions - in Konkurrenz zu den Isisromanen zu treten und den Heiden zu zeigen, daß ihre heiligen Geschichten in geringer Veränderung auch im Christentum anzutreffen seien. Die wesentlichen Erkenntnisse üher diesen Roman stehen schon bei Kerenyi.l Wir werden nur in Einzelheiten Neues hinzufügen können. Wir geben eine kurze Nacherzählung des romanhaften Inhalts der Cle mentinen.2 Der Römer Faustus, aus kaiserlichem Geschlecht und mit dem Kaiser zusammen erzogen, heiratete Mattidia, die ebenfalls der kaiserlichen Familie angehörte. Die beiden hatten drei Kinder, ein Zwillingspaar, Faustinus und Faustinianus, und einen jüngeren Sohn Clemens. Das Glück der Ehe wurde gestört durch den Bruder des Faustus, der von Leidenschaft für Mattidia ergriffen wurde. - Dies ist das ägyptische Motiv von Seth, dem Bruder des Osiris, welcher der lsis nachstellt. Da Mattidia die beiden Brüder nicht einander feind werden lassen wollte, 3 glaubte sie dem Drängen des Schwagers nur durch Flucht ent gehen zu können. Sie sagte ihrem Mann, ein Traumgesicht hahe ihr befohlen, mit den beiden älteren Söhnen aus Rom zu fliehen. Clemens 1 Kerenyi 85 f. hat auch auf die wichtige Tatsache hingewiesen, daß man Clemens als eine Art christlichen Doppelgänger des Osiris aufgefaßt hat. Auch er ist nämlich nach der Legende ertrunken. Als das Meer zurückwich, fand man seine Leiche in einem (steinernen) Kasten. 2 Es sei daran erinnert, daß der Clemensroman in zwei stark abweichenden Rezen Himum erhalten ist, den griechischen Homilien und den lateinischen Recognitionen. 3 V gl. bei Heliodor den Versuch des lsispriesters Kalasiris, seine beiden Söhne nicht zu Jo'c�indcn werden zu lassen (s. S. 239).
Der Cleme n s - Roman
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blieb bei dem Vater zurück ; Mattidia, Faustinus und Faustinianus he stiegen ein Schiff, um nach Athen zu fahren. Das Schiff wurde von widrigen Winden abgetrieben und ging unter. Mutter und Kinder wurden getrennt gerettet. - Der Schiffbruch der Isisromane symbolisiert eine Taufe. Diese Bedeutung wird durch den Clemensroman ausdrücklich bezeugt.1 Mattidia wird auf die Insel Arados gerettet, wo es einen Aphrodite tempel gah.2 Die Bewohner der Insel gehen der Nackten ein Kleid. Das Gewand, welches die " Schiffbrüchige" bei dem "Aphi"Odite"tempel erhielt, war ursprünglich das Weibekleid des IsismysWH . Vgl. auch die Bekleidung des Apollonius durch den Fischer bei Kyrenc ( s . S . 163). Mattidia meint, ihre Söhne seien ertrunken, und beklagt sie. Um sie zu trösten, erzählen ihr einheimische Frauen, welche Schicksalsschläge sie selbst erlitten haben. - Mit Recht hat Kerenyi den Mythos der Demeter herangezogen, die von Iamhe oder Bauho über den Verlust ihrer Tochter getröstet wird. Die Schicksale der Demeter sind auf Isis übertragen worden. 3 Eine ähnliche Szene in einem Isisroman ist die Tröstung des Apollonius durch seine Tochter Tarsia in Mytilene. Mattidia wird von einer guten Frau aufgenommen, deren Mann im Meer ertrunken war. Viele Freier hatten um die Hand der jungen Witwe angehalten ; sie hatte aber vorgezogen, als Witwe zu leben. - Wir erinnern uns der Melite-Isis bei Achilleus Tatios, deren Mann ertrunken war. Unter ihre Diener wurde Leukippe aufgenommen, wie hier Mattidia ins Haus der guten Frau. Auch des Aufenthalts des Kleitophon bei dem sizilisehen Fischer (Xen. Eph. V 1), der die gestorbene Gattin als Mumie bei sich behält, wäre zu gedenken. " Sei getrost" (lMppeL), sagt die Frau zu Mattidia. Nach einiger Zeit aber verkrüppeln die Hände der Mattidia, da sie sich so oft im Schmerz gebissen hatte. Als ihre Gastgeberin krank wird und Mattidia sie pflegen muß, ist sie darauf angewiesen, für sich und ihre Wirtin Geld vor dem Aphroditetempel zu erbetteln. - Wenn wir einen heidnischen Roman 1 Horn. XIII 20, 4 o:uT6� cro& b ßu�o� 8&� crwtppocrU'I"fJ'I �'l"tJcrKOU�& ßli7tT&crfLo: E:ylvETO 7tpo� <J;uxlj� crWT"fJplo:v.
2 Chariton VII/VIII. In Horn. XII 12 ist nur von &[Lmff.. &vo & crTÜAo & die Rede, welche man besichtigt. 3 Was Plutarch über den Aufenthalt der Isis in Byblos erzählt (De Iside 15 f.), ist bekanntlich aus dem Demetermythos übertragen. Die Tröstung selber wird von Plutarch nicht ausdrücklich erwähnt, aber man kann nicht bezweifeln, daß sie dazu gehört hat. Dem christlichen Bearbeiter war nicht wohl bei dieser Tröstung ; er läßt Mattidia sagen : "Ich bin doch nicht so schlecht, daß ich durch das Unglück der anderen getröstet würde" (XII 17, 2).
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Der Clemens- Roman
vor u m; hätten, würden wir interpretieren : Die Heidin dient der i n der Witwe verkürpcrtcn Isis, indem sie im Tempelbezirk der Aphrodite-Isis lebt und dort die tiefsten Demütigungen erträgt. Damit wiederholt sie nur, was ! H i s seihst getan hatte. Sie hatte sich auf der Irrfahrt durch die Welt auf clcr Suche nach dem toten Osiris seihst ihr Brot erbetteln müsse n ; Hermes hatte ihr damals ein "Bettelmännchen" (htoc�'t"YJ't'cXpwv, P. G. M. IV 2378) von wunderbarer Kraft gemacht.l Darum gab es Isisdicner, die bettelnd durch die Lande zogen, vgl. Ovid, Ex Ponto I 1, 37 f. , Val. Max. VII 3, 8 und Appian, Bell. civ. IV 47.2 Man darf auch an den langen Aufenthalt der Archistratis im Dianatempel zu Ephesos erinnern. Faustinus und Faustinianus werden von Seeräubern aufgefischt, die sie als Sklaven verkaufen wollen. Sie müssen Hunger und Schläge er dulden, damit sie sich nicht einfallen ließen, die Seeräuber zu verraten. Ferner werden ihnen andere Namen beigelegt, Niketes und Aquila. Seeräuber, Peinigungen, Namenswechsel sind uns aus den heidnischen Romanen vertraut. Eine jüdische Frau, Justa, kauft die beiden und erzieht sie wie ihre eigenen Kinder. Als Petrus das Evangelium verkündet, bekehren sich Justa und ihre Ziehsöhne. Niketes und Aquila begleiten den Apostel. Faustus erhält keine Nachricht von Frau und Kind.3 Oft geht er zum Hafen und fragt dort die neuankommenden Schiffer. Schließlich zieht er seihst aus, um die Verlorenen zu suchen. - Es ist die ��'t"Yjcr�c; der Isisromane. Er kommt bis nach Syrien. Da er keine Spur findet und ohne seine Liehen in das Lehen in Reichtum und Glanz nicht zurückkehren will, zieht er dort einfache Kleider an und verdingt sich in Laodicea als Lohn arbeiter. - Wir erinnern uns, daß die Helden der Isisromane niedrige und demütigende Arbeiten verrichten müssen. Clemens bleibt allein in Rom zurück. Als er erwachsen ist, erfährt er, daß man in Judaea das Evangelium von Christus predige. Er reist nach Osten und kommt über Alexandria nach Palästina. Er hört die 1
"1 wandered about as a beggar woman", sagt Isis von sich selbst, s. Clark, Myth
and Symbol in Ancient Egypt 189 (Sockel einer Zauberstele in Leiden). z
Cnllccte der lsispriester
zu
Samos : Dittenberger, Sylloge2 666 (2. Jahrh. n. Chr. ;
H n "•·h, Dc Serapide et lside in Graecia cultis 66 f.). " Naeh Horn. XIV 7, 2 verleumdet der böse Bruder die abgereiste Mattidia bei 1 1a u " l u�, " ; " h abe ihm Liebesanträge gemacht. Vgl. die Geschichte des Bata.
D e r C l e m e ns - R o m a n
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Predigten des Petrus, dem des Clemens unerkannte Brüder Niketes und Aquila folgen. Schließlich wird Clemens getauft.1 Als Petrus mit seinen Gefährten in Antarados ist, schickt er Niketes und Aquila voraus nach Laodicea. Er seihst fälut mit Clemens, der die Geschichte seiner Familie erzählt, nach Arad u s . Sie besichtigen die Säu len ; nur Petrus geht nicht mit. Er trifft vor d e m Tempel Mattidia als Bettlerin. Sie klagt über ihr Schicksal und wiinseht. sieh den Tod. Petrus bittet sie, ihm ihr Schicksal zu erzählen, und vt�rspridtt ihr zum Dank ein Heilmittel (�cfp [J.oowv), durch welches sie "sterb e n " kiinnc, ohne die Sünde des Selbstmordes zu begehen. - Er meint d i e Taufe, in welcher der alte Mensch stirbt. Wir erinnern uns der Erzählung d <�s Apollonius im Dianatempel von Ephesos. Aus der Erzählung der Mattidia schließt Petrus, daß sie d i e Mutter des Clemens ist. Er fragt sie, woher sie stamme ; sie sagt : "leh hin Ephesierin." - Die Ephesierin Antheia nennt sich hei Xeuuplwu Memphitis ; hei Heliodor gehen Theagenes und Chariklea vor, sie stamm ten aus Ephesos.2 Von den Beziehungen der ephesischen Artemis zur memphitischen lsis brauchen wir nicht mehr zu reden. Nach kurzem Wortwechsel wird Mattidia als Mutter des Clemens erkannt. Petrus geht mit ihr zu dem Sohn, der noch nichts von der Mut ter weiß. Die Alte fällt dem Clemens um den Hals. Dieser meint, sie sei verrückt und stößt sie zurück. - Die Szene ist fast identisch mit der Szene hei Heliodor VII 7, wo die als Bettlerin verkleidete Chariklea dem Theagenes unversehens um den Hals fällt und von ihm zurück gestoßen wird.a Die gestoßene Mattidia fällt. Petrus sagt zu Clemens : "Warum stößt du deine Mutter ?" Clemens stürzt sich auf die liegende Mutter und küßt sie. Viel Volk strömt zusammen ; man ruft einander zu, der Sohn habe die alte Bettlerin erkannt. - Es ist die bekannte aretalogische Szene. Das Zurückstoßen und der Fall der Mattidia erinnern an die Erkennungs szene zwischen Apollonius und Tarsia ; dort stößt der Vater die Tochter, diese stürzt und wird erkannt. Auch den Kuß kennen wir aus den lsis texten. 1 Horn. XI 35. Die nun folgende Erzählung vom Wiederfinden der Fa milie, in der die Einzelh eiten der Vorgeschichte nachgetragen werden, steht in Buch XII XIV der Ho milien ( Recognitionen VII-IX). Man beachte, daß auf die Taufe des Clemens die dlp�cnc; der Mattidia folgt, nachher auf die Taufe der Mattidia die dl p �cnc; des Faustus. 2 Vgl. Kerenyi 71 f. Auch Faustus verleugnet sich dem Petrus gegenüber, s. u. a Vgl. Kerenyi 73 f. =
Der Clemens - Roman
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Mattidia will von ihrer Wirtin Abschied nehmen. Man bringt sie auf ihrem Krankenbett. Petrus betet um Befreiung der Frau von ihrer Krankheit und sie erhebt sich gesund vom Bett. Auch Muttidias Hände Die Krankenheilung ist mit der Bekehrung iden· werden geheilt .l tisch, sie iHt nur ein Bild des geistlichen Wunders der Bekehrung. So fallen die Bückverwandlung des Lucius aus dem Esel in den Menschen und seine Weihe zusammen. Pctrus reist nun mit Clemens und Mattidia nach Laodicea und wird von Niketes und Aquila empfangen. Sie hören von der Auffindung der Mattidia und gehen sich als ihre Söhne Faustinus und Faustinianus zu erkennen. Nun bittet Mattidia den Petrus, sie zu taufen.2 Am nächsten Tag führt Petrus Mattidia in eine abgelegene Meeres bucht und tauft sie dort.3 Er bemerkt, daß ein alter Mann in Arbeits· kleidung aus der Ferne zusieht. Nach der Taufe schickt Petrus Mattidia und ihre Söhne voraus ; er bleibt zurück und spricht mit dem Alten. Dieser fragt, warum Petrus bei dem Taufbad gebetet habe ; er wisse genau, es gehe keinen Gott ; das Schicksal des Menschen sei unahänder· lieh von den Sternen bestimmt. Zum Beweis erzählt er die Geschichte des Faustus, den er seinen Freund nennt ; Faustus habe dem von den Sternen verhängten unabänderlichen Schicksal nicht entgehen können, habe seine Frau Mattidia und seine Söhne verloren und sei selber ge· storhen. In Wahrheit ist der Alte selber Faustus. Petrus glaubt ihm und bringt der Mattidia und ihren Söhnen die Nachricht vom Tode des Faustus, Mattidia bricht in eine leidenschaft· liehe Klage aus. In diesem Augenblick betritt der Alte selber das Haus. Mattidia und Faustus erkennen sich und fallen einander um den Hals. Sie werden vor Freude fast ohnmächtig und können nicht sprechen ;4 endlich bricht Mattidia in die Worte aus : "Ich habe dich, Fau· -
1 Gewisse inhaltliche Schwierigkeiten der Erzählung (s. Kerenyi 73-76) können wir hier übergehen. 2 In seiner Antwort gebraucht Petrus mehrere Wendungen, die uns geläufig sind : XIII 20, 2 %&:pae:t, yuvcn ; 20, 3 mx-rp( oo: 'P[L"Y)V tAEt7tE� . . . &:f-1)%e:to:v e:i'ipe:� . ; 2 1 , 3 €J,.n-(oo� &yo:.&'ij�. 3 In den Recognitionen VIII-IX wird von hier ab die Handlung anders geführt. Erst nach dreitägiger Diskussion über die Astrologie wird der Vater von den Söhnen erkannt. Dabei ist eine große Volksmenge zugegen (aretalogisches Motiv). Die bei der Disputation uicht anwesende Mutter erfährt irgendwie (nescio unde IX 37) von der Wiedererkennung i h n's Mannes und eilt herbei. Ein lsisroman hätte vom unglaublich raschen Laufen der Fa m a berichtet. ' X I V 9, 5 o[ OE U1t"O xo:piic, o:lcplltOLOU OtEcpWVOUV cX[.!,cp6-re:pot XO:t ).O:AEtV cXAAlJAOLC, �·, ,,,,;._;, llCvr>t, &cpo:a(o:t aua z e:%€v-re:� EX -r'ij� &n-:f-·�a't"OU zcxpii� oöx EOUVO:\I't"O xpo:-rdv.
D e r Cl e m e n s - R o m a n
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stus'',l und zeigt ihm seine Söhne. - Es sind Totenklage und Wieder erkennungsszene der heidnischen R o m a n e . Nach einigen weiteren Ereigni»sen l äßt sich auch Faustus taufen. Es ist offenkundig, daß der Ver fa:-; s er cler Clementinen weitgehend Handlung und einzelne Szenen aus e i u e m Isi :-;roman übernommen hat. Natürlich hat er beträchtliche Änd m u n ge n v orgt� nommen und es ist zweifelhaft, ob ein Versuch, diesen hisro m a u zu rekonstruieren, aus sichtsreich wäre. Der religiöse Sinn dc:-; hcid n i s d w u H o nt a ns muß dem Verfasser der Clementinen ganz klar gewesen :-;ei 1 1 . 1 XIV 9, 6 exw cre:,
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I AM B L I C H O S Vom Homan des Iamblich ist uns nur die ausführliche Inhaltsangabe erhalten , welche in der Bibliothek des Photios steht.1 Das Urteil über diesen Roman ist dadurch natürlich sehr erschwert. Vielfach läßt sich der Mysteriensinn einer Romanepisode durch genaue Beachtung des Wortgehrauchs beweisen. Diese Möglichkeit ist bei Iamhlich nicht mehr gegeben. Dennoch kann man mit Zuversicht sagen, daß auch dieser Roman sich auf Mysterien bezogen hat : Die Bahyloniaka waren ein Mithras roman.2 Die entscheidende Partie ist die Episode in der Höhle, welche unten analysiert werden wird. Hier sollen einige andere Punkte zur Sprache kommen. Iamhlich hat zur Zeit des Mare Aurel in Armenien unter dem König Soaemus gelebt, der sich achaemenidischer Abstammung rühmte. Es ist bekannt, daß die kleinasiatischen Grenz- und Pufferstaaten zwischen den Reichen der Römer und Perser bei der Ausbildung und Verhreitung der Mithrasmysterien eine sehr große Rolle gespielt haben ; ich erinnere nur an die große Inschrift des Antiochos von Kommagene und an jenen Armenierkönig Tiridates, welcher den Nero durch ein Magier mahl weihte.3 Wenn ein armenischer Autor dieser Zeit einen Roman schreibt, so spricht die Wahrscheinlichkeit von vorneherein für eine Beziehung auf die Mithrasmysterien. Im Werk des Iamhlich kommen Scheintod und Wiederbelebung noch öfter vor als in allen anderen Romanen. Man hat darüber vielfach den Kopf geschüttelt. Aber die Mithrasreligion kannte sieben Weihegrade. Es ist also klar, daß in einem Mithrasroman viele angedeutete Tode vorkommen müssen.4 1 Nach Su(i)da(s) hatte der Roman 39 Bücher, nach Photios nur 16 ; vermutlich hat Photios eine Epitome gelesen. - Ich benütze die Iamblichausgabe von Habrich (Leipzig 1960). 2 Für die Mithrasmysterien sind die Werke von Cumont grundlegend. Die voll ständigste Sammlung des Materials j etzt bei Vermaseren, Corpus inscriptionum et monumentorum religionis Mithriacae (Den Haag 1 956/60) ; dort eine umfassende Biblio graphie. cenis initiaverat. 3 Plin. nat. hist. 30, 1 , 6 (§ 17) magicis 4 Vgl. Tcrtullian de praescriptione haereticorum 40 : imaginem resurrectionis inducit (cll'r 'l'l'ufcl bei der Mithrasweihe). • • •
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Der Held des Romans heißt Rhodanes.l Schon Anquetil du Perron2 hat vermutet, Rhodanes sei dieseihe Person wie der persische Heros Thraetaona. Die mittelpersische l•'orm dieses Namens ist Feridun (hei Firdusi) hzw. Fredun. Der Armeuier Mm;es von Chorene nennt ihn Hruden.3 Dieser Heros gehört zum Krei s des Mithras.4 Seine große Tat ist der Sieg über den "Drachen" ( Soli ak, ahpt�rsisch Azi Dahaka), welcher sich die Königsherrschaft angemaßt. h 11 ne, 1 1 1 1 d die Befreiung eines schönen Mädchens aus der Gewalt d es S u h u k . Diese Befreiung des Mädchens aus der Gewalt des Drachens ist. i n d t· r i ra n i s d J Cn Tradi tion identisch mit der Befreiung des Wassers am; d e r H « • w • n w nlke oder aus dem hemmenden Fels.5 Sowohl der Drachensieg als auch die Befreiung des W uss«•rs s i rul i m Mithraskult dargestellt worden. Commodus hat als m it.l r r i s e h e r 4 ; ruß meister Drachen, welche von Menschen dargestellt wurden , m i t d t • r Keule oder mit Pfeilen getötet.6 Den Sieg Jupiters über die !lelr l u n g« • n füßigen Giganten7 und den Pfeilschuß des Mithras gegen Wolke u n d Fd sH 1 E i n Vorfahr d e s Antio cho s v o n Ko mmagene hieß vielleicht ['Po] 8civl) <;, s . Dittenberger, 0. G . I. 3 9 3 . 2 Histoire de l'Academie Royale des Inscriptions e t Belles-Lettres 4 0 , Paris 1780 (vorgetragen am 1 1 . Juni 1773) S. 465, 1 : Peut-etre l'histoire de Feridoun a-t-eile donne lieu au roman de Rodanes . . . Rodanes (Feridoun) et Sinonis (Asnavas) sa femme, persecutes par Garmus (Zohak, appele Kerem, ii cause des deux serpens qui sortoient de ses epaules), roi de Babylone, finissent par regner dans cette ville. Vgl. v. Gutschmid, Kl. Sehr. II 641 und U. Schneider-Menzel bei Altheim, Literatur und Gesellschaft im ausgehenden Altertum (Halle 1 948) I 78, 8. 3 Hübschmann, Armenische Grammatik (1897) I 32 zitiert die Mechitaristenausgabe des Moses von Chorene; Geschichte von Armenien (Venedig 1865) 62. f Albiruni bericht et, daß Feridun sich am Tag des Mithra, i m Monat Mithra, zum erstenmal auf den Stier gesetzt habe ( Cumont, Textes et Monuments I 1 7 1 , 3 und 7 ; 1 2 8, 1 ; vgl. Widengren, Numen I , 1 9 54, 55). Auch Mithras reitet auf dem Stier, s. Vermaseren, Index (Mithras riding o n a bull) ; Cumont, Textes et Mon. I 1 70, 2 und 306 ; Porphyr. , antr. nymph. 24 bto x_e:LT<XL 81: T<XOpCJ.lL 'Acppo8l->1J<; ( Cu mont, Textes et Mon. II 41 ). 6 Lommel, Der arische Kriegsgott (1939) ; Widengren, Numen 1 , 1 954, 5 1 ff. und 2, 1955, 95. 6 Script. Hist. Aug., vita Commodi 9 Clava non solum leones in veste muliebri et pelle leonina, sed etiam homines multos adjlixit. debiles pedibus et eos qui ambulare non possent in giganturn modum formavit, ita ut a genibus de pannis et linteis quasi dracones degereren tur, eosdemque sagittis confecit. sacra Mithriaca homicidio vero polluit, cum illic aliquid ad speciem timoris vel dici vel fingi soleat. Vgl. Loisy, Les Mysteres paiens 181 ff. 7 Cumont, Textes et Mon. I 157 f. ; Vermaseren, Index s. v. Gi(g)ant. Vor dem Mi thraeum von Neueoheim scheint eine Jupiter-Giganten-Säule gestanden zu haben,. s. Cumont, Textes et Mon. I 158, 4 II 508 (Nr. 245 j). s Cumont, Textes et Mon. I 1 64-6 und 306 ; Vermaseren, Index (Mithras' water miracle) ; in Dieburg schlägt Mithras mit dem S chwert Wasser aus dem Fels. 12°
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sieht man auf zahlreichen Monumenten. Feridun hat den Drachen mit der Keule bekämpft. Die Bahyloniaka berichten, daß der tyrannische König Garmos die schöne Sinonis, die Frau des Rhodanes, verfolgt. Rhodanes üh('rwindet aber endlich den Garmos und gewinnt Sinonis zurück. Nun heißt aber auf Persisch kirm "Wurm, Schlange". In den Konsonanten - und darauf kommt es an - entsprechen sich Garmos und kirm. Garmos ist also Vertreter des "Drachen" Sohak, wie Rhodanes des Feridun. Der Homan des lamhlich spiegelt den persischen Mythos wieder, genau wie die lsisromane den ägyptischen. Daß eine Frau ( Sinonis) in dem Mithrasroman des lamhlich eine wichtige Rolle spielt, wird viele überraschen. Man hat den Mithraskult vielfach für eine reine Männerreligion gehalten. Aber der Weihegrad nymphus1 spricht eine deutliche Sprache, und Porphyrios bezeugt, daß auch Frauen geweiht wurden.2 Die Bahyloniaka erzählen als einziger Roman, wie die Helden durch einen persönlichen Widersacher, den Tyrannen Garmos, verfolgt wer den. Sie unterscheiden sich hierin sehr von den lsisromanen, in denen die unberechenbare Tyche anscheinend immer neue Gefahren herbei führt, in Wirklichkeit aber als lsis die Helden am Ende zum guten Ende geleitet. Bei lamhlich wird das Böse in Gestalt des Tyrannen am Ende des Romans überwunden. So zeigt sein Werk das wichtigste Kennzeichen der iranischen Religionen, den scharf ausgeprägten Dualismus. Wir besprechen nun den Inhalt des Romans, soweit er aus der In haltsangabe des Photios und den wörtlichen Fragmenten kenntlich ist. 3 Sinonis und Rhodanes liehen einander und sind vermählt. Aber Garmos, der König von Bahylon, hat sich in Sinonis verlieht. Als Sinonis sich ihm verweigert, wird sie mit einer goldenen Kette gefesselt, Rhodanes von den königlichen Eunuchen Damas und Sakas ans Kreuz gebunden. - Der " Gatte" (nymphus) ist ein Grad der Mithrasmyste rien.4 Die Kreuzigung kennen wir aus Xenophon von Ephesos ; sie ent spricht einer lnitiationsprohe. Gefesselt zu werden ist das Schicksal 1 Vermaseren Nr. 63 ; 268 a; 299, 6 und 480, 6. In 268, 1 ist eine Frau dargestellt, anscheinend als Braut. 2 De abstinentia IV 16 :1-e:Ot:tVOt:�. In Oea (Tripolis) hat man das Grab einer lea gefunden (V.,rmaseren nr. 1 1 5). " Nach Rohde hat über den Roman gehandelt Ursula Schneider-Menzel bei Altheim, l .i t f'nt t.u r und Gesellschaft im ausgehenden Altertum I 48 ff. • I I i l'rnnymus epist. 107, 2 (ad Lactam).
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aller Romanhelden. Daß der Initiand bei der mithrischen Weihe ge fesselt wurde, ist ausdrücklich bezeugt.! Eine Besonderheit ist die gol dene Kette ; sie kommt auch bei Heliod or vor (VII 27, I und IX I, 5) . Aber Sinonis entkommt und befreit den Geliebten, und heide fliehen zu Pferde.2 Garmos läßt dem Damas und SakaH Ohren und Nasen ab schneiden und schickt sie aus, das Paar zu H u d w n . Die beiden trennen sich und verfolgen Sinonis und Rhodanes. Ein Fischer und Hirten weisen dem Paar den Weg. a Sie gelangen zu einer Wiese, wo eine Quelle sprudelt4 und eine " l,iiw e n Hii ule" steht. Ein Epigramm auf der Säule zeigt an, daß Gold vergrahc� n i H t . Hhodanes nimmt es nicht mit.5 Das Gespenst eines Stieres oder Boc�keH verlieht sich in Sinonis ;6 deshalb fliehen die beiden weiter. - EH iHt. Heh r wahr scheinlich, daß diese Einzelheiten eine mystische Bedeutung h alten . Sie anzugehen ist nicht mehr möglich. Der "Löwe" war ein Gn11l d e r Mithrasreligion. Fließendes Wasser gehörte zu jedem Mithraeum . Damas hat die Spur des Paares gefunden. Von dem Fischer und den Hirten erpreßt er durch Foltern Aussagen und findet den Weg zu der Wiese. Aber Sinonis und Rhoclanes waren gerade weiter geflohen ; Damas findet nur noch einen Kranz, den das Mädchen zurückgelassen hatte, und schickt ihn an Garmos. - Der zurückgelassene Kranz er innert an das bekannte Ritual der Mithrasweihe, welches Tertullian (de corona I5) beschreibt. Ein Kranz wurde dem Initianden auf blan kem Schwert entgegengehalten und sollte ihm aufgesetzt werden ; aber dieser mußte ihn mit erhobener Hand zurückweisen und sagen, Mithras sei sein Kranz. 7 1 Ps. Augustin Quaest. vet. et nov. Test. 1 1 4, 1 1 (Corp. Script. eccles. Lat. 50, 308) = Cumont, Textes et Monuments II 8 : alii autem ligatis manibus intestinis pullinis etc. 2 Diese Flucht des Rhodanes und der Sinonis vor Garmo s erinnert an die Flucht des Ardeschir und seiner Geliebten vor dem König Ardewan ; s. den Ardesehir ro man (Karna mak), den Nöl deke übersetzt hat (Bezzenb ergers B eiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen 4, 1 8 78, 22 ff. ; Inhaltsangabe bei Altheim, Die Krise der Alten Welt I 17 f. ) Später kämpft Ardeschir gegen den Haftanboht, den H errn des Wurms (Kirm,_,Garmo s). - In fr. 5 und 6 ko mmt eine Leiter (E:mß
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Eine Alte verbirgt1 das Paar in einer Höhle, welche 30 Stadien lange Gänge hat. Ihr Eingang ist durch Gestrüpp verdeckt. Um aus einer Zisterne W asscr zu ziehen, schneidet Sinonis ihre Haare ab. - Dies ist die MyHtcrienhöhle des Mithraskultes mit den langen Gängen, wie man sie noch heute in Rom unter S. Clemente sehen kann. Bei Heliodor wird uns die Höhle wieder begegnen. Das Abschneiden der Haare er innert a n Achilleus Tatios (V 17, 3, oben S. l41 usw) .2 Damas und seine Leute ergreifen die Alte und bedrohen sie mit dem Schwert, um sie zu einer Aussage zu zwingen. Vor Schreck stirbt die Alte. Man findet die Pferde, welche außerhalb der Höhle geblieben waren. Als einem Soldaten der erzene Schild entfällt, erdröhnt er und verrät das Versteck. Man gräbt nach, Damas schreit, Sinonis und Rho clanes merken es und entfliehen zum anderen Ausgang. Ein Schwarm wilder Bienen, welche sich an verwesenden Tieren genährt hatten und deren Honig giftig war, wird aufgescheucht. Sie wenden sich gegen die grabenden Soldaten, stechen sie und töten einige. Sinonis und Rho clanes, die hungrig waren, genießen den auf sie herabtropfenden Honig der Bienen und fliehen. Nach kurzer Zeit wirkt das Gift ; sie sinken wie tot am Weg nieder. Damas findet in der Höhle nur das Seil, welches Sinonis aus ihren Haaren geflochten hatte, und schickt es an Garmos als Zeichen (cru tJ. ßoAov), daß er den Gesuchten nahe sei. Die Soldaten verfolgen die Fliehenden. Gegen Abend kommen sie zu den am Weges rand Liegenden. Sie halten sie für tot. Nach Vätersitte bedecken sie sie3 und werfen auf sie Fleisch, Brot und Früchte. Diese Totenspende macht einen großen Haufen. Dann ziehen die Soldaten weiter. Das Fleisch lockt Raben an ; sie streiten um die Beute und krächzen. So erwachen die Scheintoten. Sie finden zwei Esel und laden ihnen die Opfergaben auf, welche die Soldaten gespendet hatten. Sie fliehen in die entgegen gesetzte Richtung. - Die Episode in der Mysterienhöhle vertritt eine mithrische Weihe. Die Initianden sterben, werden bedeckt4 und stehen wieder auf ( &.v[cr't'IXV't'IXL) . Sie essen Honig ; wir wissen, daß die Mithras mysten bei der Weihe zum
1 Man denkt an die cryphii der Mithrasmysterien, Vermaseren, Corpus 402 und 405 . 2
Fr. 12 (dem Iamblich durch Konjektur zugewiesen) könnte man mit den unten
S. 230 besprochenen Vorstellungen (Leben = Tod) kombinieren.
" fr. 1 9 : sie decken sie u. a. mit einem Kandys zu, einem persischen Mantel. 4
V �!;l. das merkwürdige Zeugnis des Proklos, welches Dieterich herangezogen
hal ( M ithrasliturgie 1 6 3 ) : x�Xt 8 7t'OCVTWV e
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hahen.1 Der Honig führt an Sinonis und Rhoclanes einen Scheintod herbei, der aber in Wahrheit ihre Rettung vor den Verfolgern bedeutet. 2 Die Sol daten aber werden von den Bienen gestochen, einige sterben. Dies ist ein stellvertretender Tod.3 Gleichzeitig warnt die Erzählung Uneinge weihte, in die unterirdischen Gänge der Mysterienkulte einzudringen ; dies kann für sie den Tod bedeuten. Die Sulc1 aten, welche die Schein toten bedecken und ihnen Brot und Frii e h tt� spenden, vertreten My steriendiener. Der Soldat (miles) ist ja ein (;nu l tler Mithrasmysterien. Das Brot war im Mithraskult eine sakrame n ta l «� S p e i s e 4 Schließlich werden die Scheintoten durch Rahen geweckt. Die " B al u� n " und "heili gen Rahen"5 sind wieder ein mitbriseher Wei h eg nu I ; d i e Holle der Rahen ist von Mysten gespielt worden. Ein Christ sagt t l u riiher : "Die einen schlagen mit den Flügeln wie die Vögel und ahmen die S timme des Rahen nach, die andern brüllen wie Löwen . "6 Sinonis und Rhoclanes kehren in einer Herberge ein, fliehen weiter und kommen zu einer zweiten Herberge. Dort hatte ein Bruder den anderen mit Gift umgebracht. Sinonis und Rhoclanes werden des Mor des angeklagt, aber freigelassen, als der schuldige Bruder sich selbst tötet. Es gelingt dem Rhodanes, von dem Gift mitzunehmen. Dann kommen die beiden in das Haus eines Räubers, ohne es zu wissen. Das Haus wird nachts von den Soldaten des Damas umstellt, die gegen den Räuber ausgesandt waren, der Räuber wird gefangen, das Haus in Brand gesteckt. Sinonis und Rhoclanes sind vom Feuer umgehen. Sie schlachten die Esel, legen sie über das brennende Feuer und entkommen so dem Tod. Als die Soldaten sie fragen, wer sie seien, antworten sie : "Die Geister der von dem Räuber Erm ordeten." Da sie bleich und abgemagert sind und mit schwacher Stimme sprechen, .
1 Porphyrios de antro nymph. 1 5 / 1 6 ; vgl. Usener, Kl. Sehr. IV 403 f. 416 f. 2 Bienen und Honig sind 7te:cp<Xp[L<XX.e:U[LEVIXL ; der Honig ist ein cp&:p[L<Xx.ov, das Tod und Leben bringen kann. 3 So sterben bei Heliodor Thisbe und Kybele für Chariklea, diese in einer Höhle, j ene durch Gift. 4 Justin, apolog. 66, 4 Öm;p X.<XL €v -.o'i:<; -.oü Mt.&p<X [LUGriJploL<; 7t<Xpeawx.<Xv ylve:c;-&<XL [LL[L1JG&:[Le:VOL o! 7t"OV1JpOt a<X[[LOVe:<;. Ön yap rLpTO<; X.<Xt 7t"OT1jpLO'I ÖaiXTO<; T[-!te:TIXL €v 't"IXL<; 't"OÜ [LUOU[LE'IOU Te:Ae:TIXL<; [LET' €mA6ywv nvwv, � l:7tLO"TIXO"-&e: � [L<X-&e:'i:v OUVIXO"-&e:. Tertullian, de praescript. haer. 40, 4 si adhuc memini Mithrae, signat (sc. diabolus) illic in frontibus milites suos , celebrat et panis oblationem etc. Vgl. auch Plin. nat. hist. 30, 1, 6 (s. oben S. 178, 3). 5 Vermaseren, Corpus 403 tradidit hierocoracica; Vermaseren 473/4 !e:po<; x.6p<X�· Für Darstellungen von Raben s. den Index von Vermaseren s. v. raven. 6 Ps. Augustin, Quaest. vet. et novi Test. l l4, l l = Cumont, Textes et Monuments II 8 : alii sicut aves alas percutiunt vocem coracis imitantes; alteri vero leonum morefremunt. . . •
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glauben die Soldaten dies und werden erschreckt. - Dies ist die Feuer probe, welche der Mythograph Nonnos für die Mithrasweihe bezeugt.I Sie ist eine Art Tod ; nicht ganz zu Unrecht geben sich die Helden des Romans als Tote aus. Sie fliehen weiter und kommen an ein offenes Grabmal, in dem ein Mäd chen bestattet werden soll. Ein Chaldäer gebietet, das Mädchen nicht zu bestatten, da es noch lebe, und prophezeit dem Rhodanes, er werde Künig werden. Das Mädchen wird lebendig befunden, und die Trauer gesellschaft geht weg, die Totengewänder, Speisen und Wein hinter lassend, welche am Grab verbrannt werden sollten. Sinonis und Rho danes essen und trinken, ziehen einige der Totenkleider an und schlafen in dem Grabgewölbe. Als die Soldaten, welche sie als Spießgesellen des Räubers verfolgen, an das Grabmal kommen, halten sie sie für tot und ziehen ab. - In der Erzählung spiegelt sich ein neuer Tod, eine neue Weihe. Die Mahlzeit, welche das Paar einnimmt, bevor es sich zum Schlafen ins Grab legt, ist vermutlich ein sakramentales Mahl, welches die Wiedergeburt der Mysten bewirkt. Die Totenkleider sind Weihekleider. Sinonis und Rhodanes ziehen weiter und überschreiten einen Fluß. Dort verkauft Sinonis die Totenkleider, wird als Grabräuberin fest genommen und vor den gerechten Soraichos geführt. Dieser ist über ihre Schönheit erstaunt und will sie dem König Garmos als Geschenk schicken. Um dem zu entgehen, beschließt das Paar zu sterben ; sie wollen das Gift nehmen, welches Rhodanes in der Herberge mitge nommen hat. Aber Soraichos erfährt den Plan durch eine Dienerin ; er tauscht das Gift gegen ein Schlafmittel um. Die beiden trinken es und entschlafen ; Soraichos setzt sie in einen Wagen und fährt ab, um sie zum König zu bringen. Von einem Traum erschreckt, erwacht Rhoda nes und weckt Sinonis. Diese will sich töten und verwundet ihre Brust mit dem Schwert. Nun fragt Soraichos, warum sie den Tod suchten. Als er Verschwiegenheit gelobt hat, geben sie sich ihm zu erkennen. Da läßt Soraichos sie frei und zeigt ihnen eine Insel der Aphrodite, wo sie sich verbergen sollen und wo Sinonis ihre Wunde ausheilen kann. 1 Komm. zu Gregor von Nazianz 6 (Migne P. G. 36, 989) Cumont, Textes et Mon. I I 2 7 : <Xl a1: xo'Aiicre:�� dcrt -r:o a�a 1rupo� 7t<X pe:),&dv, -r:o a�cl xpuou�, a�cl 1tdv"IJ� x.xt l)[tji"IJ�, 8�cl; oaomop(<X� 1tOM'ij� x-r:'A. il Lrigens soll Zarathustra sellist durch Feuer geschritten sein (Dion Chrysostomos :11,, 10). Vgl. auch Hopfner, RE 16, 1344 ; Cumont, Comptes-rendus de l'academie des iu"·riptions 1945, 406 f. (Feuertaufe in Rom ?) ; Widengren, Numen 1, 1954, 63 ; .. , . . . 11 s. 1)6 , 3. =
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Ein Arzt hilft der Verwundeten. - Auch bei Apuleius und Xenophon wird statt des Gifts ein Schlafmittel gegeben. Der Traum, welcher Rhodanes erwachen läßt, ist von Gott gesandt. Im übrigen ist klar, daß diese Episode eine neue Weihe bezeichnet ; Soraichos vertritt einen Priester.1 Hier folgte ein Exkurs über das Heiligtum dt�r Aphrodite. Die Frauen, welche in dem Tempel schlafen, müssen öffentlieh bekennen, was sie dort geträumt haben. Man feiert dort Mysteritm d t�r Aphrodite Tanai tis2 und des Pharsiris. - Aphrodite Tanaitis ist o fl(mhar mit der großen persischen Göttin Anaitis (Anahita) identisch, die auf lnl'duiften des Artaxerxes Mnemon neben Mithras genannt wird.3 Sie il't: die Göttin der Flüsse. Das Heiligtum der Aphrodite Tanaitis befindet l'idt a uf einer Flußinsel. Die Priesterin der Aphrodite hatte eine Tochter Mesopotamia und zwei Söhne Euphrates und Tigris, die einander sehr ähnlich waren. Tigris war gestorben, als er in eine Rose gebissen hatte, in welcher ein giftiger Käfer saß. Die Mutter hatte den Sohn durch Zauberriten zum Heros geweiht (eK(lotye:oacxacx) .4 Nun war Rhodanes den Brüdern Eu phrates und Tigris sehr ähnlich. Als er mit Sinonis auf die Insel kommt, meint die Mutter des Tigris, ihr toter Sohn sei wiederaufgelebt, 5 und Kore, die Herrin der Unterwelt, folge ihm. Rhoclanes spielt nun diese Rolle und "hält die einfältigen Inselbewohner zum besten". - Der Myste ist durch die Weihen ein neuer Mensch geworden, der gestorben und wiederaufgelebt ist. Zum Zeichen dessen bekommt er von der Priesterin einen neuen Namen und spielt nun eine neue Rolle. Nach dem Wortlaut des Textes ist dies freilich alles nur Trug, aber wir haben Ähnliches schon oft kennengelernt ; die Schriftsteller verdecken ab sichtlich die Beziehung ihrer Erzählung auf die Mysterien. Sie gehen den Hintersinn an, tun aber so, als ob er als Trug aufzufassen sei. Der Uneingeweihte sollte irregeführt werden, der Kenner merken, was der wahre Sinn der Episode war. 1 In fr. 6 1 (p. 5 1 , 1 8 ) nennt er sieh "Vater" von Rhodanes und Sinonis. pater war der oberste Weihegrad der Mithrasmysterien. 2 Der Name Tanaitis ist durch Konjektur hergestellt. - Ü ber Aphrodite (T)anaitis vgl. Strabon XI, 14, 1 6 p. 532 und Kramer zur Stelle ; Vollgraff, L'Antiquite Classique 18, 1 949, 70 ff. ; Widengren, Numen 2, 1955, 92 (Anaitis und Mithras). 8 Kent, Old Persian (New Haven 1 953) S. 1 54 f. 4 Hier stand bei lamhlich ein Exkurs über die verschiedenen Arten der Zauberei und ihren Zusammenhang mit den Mysterien, Nekromantie und Bauchredner, sowie über die Person des Autors. Ii '1"0\1 -re:.ß--np( 6 -roc ocurij<;; u{ov avocßLWVOCL.
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Damas erfährt durch den Arzt, welcher Sinonis behandelt hatte, daß Soraichos das Paar auf die Insel gerettet hat. Er nimmt den Soraichos gefangen und schickt ihn zum König Garmos ; den Arzt schickt er auf die Insel mit einem Brief, der Sinonis und Rhodanes festzunehmen be fiehlt. Der Arzt überschreitet den Fluß auf einem heiligen Kamei,l in dessen rechtes Ohr er den Brief gesteckt hat. Er ertrinkt aber im Fluß ; so findet der Angeber seine Strafe. Das Kamel schwimmt zur Insel, Hhodanes findet in seinem Ohr den Brief des Damas, erkennt die Ge fahr und flieht mit Sinonis. Die beiden treffen auf den Trupp, der Soraichos zum König führen soll. Sie übernachten in derselben Herberge, bestechen einige Leute, töten die Soldaten und fliehen mit Soraichos. Damas nimmt den alten Priester des Aphroditeheiligtums gefangen, vernimmt ihn über Sinonis und verurteilt ihn, statt Priester nun Henker zu werden. Der Priester verwechselt seinen Sohn Euphrates mit Rhodanes und nennt ihn mit dessen Namen ; deshalb wird Euphra tes als Rhodanes festgenommen. Seine Schwester Mesopotamia, welche für Sinonis gehalten wird, kann gerade noch entfliehen. Euphrates Rhodanes wird zu Sakas geführt ; er nennt gezwungen in der Folter seine Schwester mit dem Namen der Sinonis. Sakas meldet dem Gar mos brieflich, daß Rhodan es gefangen sei. - Diese Verwechslungen und Namensänderungen haben irgendeinen Hintersinn, der nicht genau zu erkennen ist ; ebenso die Verwandlung des Priesters in einen Henker. Vielleicht fand im Mysterienkult eine symbolische Tötung des alten Menschen durch einen offizierenden Priester statt. Rhodanes, Sinonis und Soraichos kehren bei einem Bauern ein, dessen junge Tochter gerade verwitwet war und sich aus Trauer die Haare abgeschnitten hatte. - Die abgeschnittenen Haare zeigen, daß die junge Witwe ebenso wie Sinonis eine Eingeweihte ist. 2 Rhodanes und Sinonis führen noch die goldene Kette mit sich, mit welcher Sinonis einst gefesselt worden war, und wollen sie verkaufen. Die junge Witwe bringt die Kette zum Goldschmied. Dieser war aber unglücklicherweise derselbe, der einst die Kette gefertigt hatte. Er sieht die Schönheit der Frau und ihre abgeschnittenen Haare und ver mutet, sie sei Sinonis. Er sendet dem Garmos einen Brief, Sinonis sei gefunden. Ferner schickt er zu Damas ; die Frau läßt er inzwischen be obachten. Diese merkt das und flieht in die Wüste. Sie kehrt in einer ·
1 Es durfte vermutlich nicht geritten werden (U. Schneider-Menzel 86). 2 V !!;I . fr. 61 (p. 4 7' 5), wo Sinonis die j unge Witwe nennt x6p'IJV xe:xcxp[LeV'IJV w� tyw .
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Herberge ein, m welcher ein Sklave ein Mädchen Trophime umge bracht und ihren Schmuck vergraben, sich aber dann selbst getötet hatte. Die Frau wird vom Blut des Toten besudelt und flieht weiter ; die Wächter, die ihr folgen,1 erschrecken und weichen vor ihr zurück. Der Goldschmied muß dem Garmos in einem zweiten Brief melden, daß Sinonis wieder entkommen sei. Die Frau ei lt: ins Haus ihres Vaters und warnt Sinonis und Rhodanes. Rhodunes tl ankt ihr und küßt sie. Dabei überträgt sie das Blut des Toten auf Hluulan e s . Dieser flieht mit Sinonis. Sinonis sieht das Blut an seinen Lipp e n u r ul w i s e ht es ab . Die Übertragung des Blutes vom Toten über die j u n ge Frau auf Rho danes und Sinonis hat kultischen Sinn ; es handelt sit�h wohl um ein stellvertretendes Opfer. So bestreicht heim Tauroholium tl es p h rygi schen Kultes2 der in der Grube unter dem geschlachteten Stier hefi l l ll liche Myste sein Gesicht mit dem herabrinnenden Blut des OpfertierH ; er wird mit dem getöteten Tier identifiziert und steigt dann aus der Grube empor, in aeternum renatus. 3 Die "Herberge" ist ein Kult raum. Sinonis hat an dem Blut an den Lippen des Rhodanes erkannt, daß er die junge Witwe geküßt hat. Von wahnsinniger Eifersucht erfaßt, macht sie dem Rhodanes bittere Vorwürfe, 4 kehrt um und will die Frau töten. Soraichos will sie halten. Als das nicht gelingt, spricht er dem Rho danes Mut zu5 und folgt ihr. Sie kehren bei einem reichen Mann, Seta pos, ein. Dieser verliebt sich in Sinonis ; abends berauscht er sich und will sie verführen. Da tötet Sinonis ihn mit dem Schwert und flieht. Wir erinnern uns der Antheia, welche in gleicher Situation einen Räuber mit dem Schwert tötete. Bei Xenophon war dies eine Anspielung auf eine Initiationsprobe (s. S. l07 ) ; hier wird es nicht anders sein.6 Soraichos folgt der Sinonis mit einem Wagen und einigen Sklaven des getöteten Setapos, welche er gedungen hatte. Er erreicht Sinonis, setzt sie in den Wagen und fährt zurück. Sie werden aber von anderen
1
So scheint der Zusammenhang gewesen zu sein. 2 Prudentius, Peristeph. X 1031 ff. Für den Mithraskult ist ein Stieropfer nicht aus drücklich bezeugt, muß aber aus der Mithraslegende und der in keinem Mithraeum fehlenden Darstellung des stiertötenden Gottes erschlossen werden (Loisy, Les mysteres paiens 185 ). Dessau 4152. 3 C. I. L. VI 5 1 0 � fr. 6 1 (p. 47, ll); Sinonis zeigt auf die Narbe der Wunde, die sie sich einst bei gebracht hatte, um sich zu töten und Rhoclanes treu zu bleiben. Man denkt an Kleito phon, der seine Oberschenkelnarbe im Artemistempel zu Ephesos vorzeigt. 6 ,� &pp'l]crov, heißt es in fr. 6 1 (p. 49, 22). 6 Vgl. oben S. 179, 6 über die Nachahmung eines homicidium im Mithraskult. =
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Dienern des Setapos, welche den Tod ihres Herrn gemerkt hatten, er griffen. Sinunis wird als Mörderin gefesselt1 und zur Aburteilung zum König Garmus geschickt. Soraichos streut Staub auf sein Haupt, zer reißt seinen Mantel (xrX.vSu;;) und meldet dem Rhoclanes das Unglück. Dieser versucht sich zu töten, wird aber von Soraichos gehindert.2 Garmus hat die Briefe des Sakas und des Goldschmiedes empfangen, in denen gemeldet wurde, Rhoclanes sei gefangen bzw. Sinonis sei ge funden. Voller Freude bereitet er die Hochzeit vor und befiehlt, aus diesem Anlaß alle Gefangenen freizulassen.3 Die als Mörderirr gefangene Sinonis wird daher freigegeben. - Es ist die wunderbare Rettung, die im Roman so oft vorkommt und im Mysterienritual dargestellt wurde. Garmos übergibt den Damas dem Henker, da er Rhoclanes und Sino nis nicht ergriffen hatte.4 Der Henker ist jener Aphroditepriester, wel cher von Damas vorher degradiert worden war. - So straft der Gott die Bösen ; er bewirkt, daß ihnen ihre eigenen Taten zum Unheil aus schlagen. Die Tochter des Aphroditepriesters, Mesopotamia, welche den Hä schern entgangen war, gelan gt zur Ägypterkönigin Berenike. Diese scheint ihr unnatürliche Liebesanträge gemacht zu haben, die von Mesopotamia abgewiesen werden. Die Häscher des Sakas, welche Meso potamia für Sinonis halten, ergreifen sie5 und führen sie ab. Ihr Bruder Euphrates und sie sollen als Rhoclanes und Sinonis zu Garmos gebracht werden. Als Garmos den zweiten Brief des Goldschmieds erhält, Sinonis sei entkommen, läßt der König voller Zorn den Goldschmied hinrichten . Die Wächter, welche die vermeintliche Sinonis (die junge Witwe) entwischen ließen, werden mit ihren Familien lebendig begraben. Ein hyrkanischer Hund des Rhoclanes findet in der Wüstenherberge die Leichen des Mädchens Trophime und des mörderischen Sklaven und frißt den Sklaven und den größten Teil des Mädchens.6 Der Vater der Sinonis kommt in das Haus, erkennt den Hund des Rhoclanes und sieht die Mädchenleiche. Er meint, die Tote sei Sinonis, tötet den Hund, begräbt den Rest des Mädchens, bringt mit dem Blut des Hundes eine 1
Vgl. oben S. 1 8 1 , 1. 2 Der Selbstmord ist untersagt. Vgl. die Amnestie bei Heliodor IX 26 und X 26. t In Wahrheit war Damas der einzige, der dem Paar wirklich auf der Spur gewesen
3
w a r.
r. Man weiß nicht genau, wie ; vgl. § 20 p. 64, 1 .
• l l i•·r wird auf die persische Sitte angespielt, die Leichen den Hunden ("Leichen zu überlassen und erst die Gebeine zu bestatten. U. Schneider-Menzel 87.
I H·sl a lt ern")
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Aufschrift an "Hier liegt begraben die schöne Sinonis" und hängt sich auf. Nach ihm kommen Soraichos und Rhodan es, sehen die Inschrift und erkennen den Vater der Sinonis. Rhodan es sticht sich mit dem Schwert und setzt die Inschrift mit seinem eigenen Blut fort " . . . und der schöne Rhodan es". Soraichos hängt :sich auf; als Rhodanes sich ins Schwert stürzen will, stürzt die junge Witwe herein : "Rhodanes, die Tote ist nicht Sinonis", schneidet den Striek des Soraichos durch und nimmt Rhodanes das Schwert ab. Sie war g•�kommen, um das von dem Sklaven vergrabene Gold zu holen, und klärt die beiden über das Geschehene auf. Sie verbindet den verwundeten H.hodanes ;1 Soraichos sucht einen Arzt. Die freigelassene Sinonis, noch immer voll rasender Eifmsucht auf die junge Witwe, eilt zum Haus des Bauern, von dort in das Wüsten haus. Sie findet die Frau bei Rhodanes und geht mit gezücktem Schwert auf sie los. Rhodanes rafft sich auf und entwindet ihr das Schwert. Wütend ruft Sinonis : "Ich lade dich für heute ein zu meiner Hochzeit mit Garmos" und stürzt fort. - Die Episode bezieht sich auf eine lni tiationsprobe, in welcher ein blankes Schwert eine Rolle spielte. Ähn lich muß die berühmte Probe gewesen sein, welche Tertullian beschreibt. In ihr mußte der Kandidat einen Kranz erringen, der von einem My steriendiener mit blankem Schwert verteidigt wurde ;2 "rite superbe et qui convient a une initiation de soldat", sagte Loisy.3 Aus einem syri schen Text scheint sich zu ergeben, daß im Mithraskult ein Schwert vorgezeigt wurde, das mit dem Blut eines Ermordeten besudelt war.4 Als Soraichos zurückkommt, beruhigt er Rhodanes und bringt die junge Witwe mit dem vergrabenen Gold zu ihrem Vater. Bald darauf werden jedoch Rhodanes und Soraichos von den Häschern gefangen und zu Garmos geführt. 1 Anscheinend hat Rhoclanes die junge Witwe um einen Trunk Wasser gebeten, was auf das Ritual bezogen werden müßte (fr. 8 0 ; nicht unter lamblichs Namen überliefert). 2 Tertull. de praescr. haer. 40, 4 sub gladio redimit coronam. de corona 15, 3 erubcscite, commilitones eius, iam non ab ipso iudicandi, scd ab aliquo Mithrac milite. qui cum initiatur in spelaeo, in castris vere tenebrarum, coronam interposito gladio sibi oblatam quasi mimum martyrii, dchinc capiti suo accomodatam monetur obvia manu a capite pellerc . . . dicens l\1ithran esse coronam suam. 3 Les mysteres paiens 17 4. 4 Zacharias Scholasticus, Leben des Severus von Antiochien, zitiert von Cumont, Textes et Monuments I 361 : Pourquoi, dans les mysteres relatifs au Solei!, les pretendus dieux ne se manifestent-ils aux inities quc quand le pretre produit une epee souillee du sang d'un homme mort par violence ? - Das Schwert der Sinonis war vermutlich dasselbe, mit dem sie den reichen Setapos getötet hatte.
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l 1 1 z w i s d w n si tul
Mesopotamia und Euphrates vor den König geführt w u rt l e n . Hiest� r· erkennt, daß sie nicht die rechten sind, verurteilt sie alwr dodr z u m Tode, "damit nicht eine andere sich den Namen der Si 11onis amn aße" . Mesopotamia wird einem Eunuchen zur Hinrichtung ijhergdHm . Dieser verliebt sich aber in sie und rettet sie zur Ägypter kiin i gin Berenike. Diese richtet der Mesopotamia die Hochzeit aus. Euplrrates wird dem Henker zur Hinrichtung übergeben, seinem eigenen Vater, und so gerettet. Er verrichtet, was seinem Vater aufgetragen wird, so daß der Priester nicht von Blut befleckt wird.1 Sinonis ist zum König von Syrien geflohen und soll ihn heiraten. Sie läßt die junge Witwe rauben und übergibt sie dem Henker als Frau.2 Dieser vermählt sie mit seinem Sohn Euphrates. Dann tauscht Euphra tes die Kleider mit seiner Frau und entkommt. Die Stelle des Henkers versieht nun die Frau. - Die Episode erinnert sehr an den Kleider tausch des Kleitopbon mit Melite (Ach. Tat. VI 1). Daß der Vater gleichzeitig Priester und Henker ist, hat vermutlich einen mystischen Sinn gehabt. Soraichos und Rhoclanes werden von Garmos zum Tod verurteilt. Soraichos soll an derjenigen Stelle gekreuzigt werden, wo Sinonis und Rhoclanes zum erstenmal auf ihrer Flucht gerastet hatten, auf der Wiese bei der Quelle an der Löwensäule. (Es handelt sich wohl um einen Kult platz. ) Rhoclanes sagt dem Soraichos, der abgeführt wird, daß dort Gold vergraben liegt. Als der Zug zum Richtplatz kommt, fällt er einem Trupp alanischer Söldner in die Hände, welche von Garmos entlassen worden waren. Die Alanen sind darüber erbittert, verj agen die Leute des Garmos und befreien Soraichos. Dieser gaukelt den Barbaren vor, die Götter hätten ihm einen Schatz offenbart, und bringt durch ver schiedene geschickte Tricks das vergrabene Gold zum Vorschein. Die Alanen bewundern ihn als Wundermann, wollen ihn zum König aus rufen und ernennen ihn zu ihrem Anführer. - Dies erinnert an die Gaukeleien des Menelaos bei Achilleus Tatios und des Kalasiris bei Heliodor. Daß auch Soraichos einen Priester vertritt, haben wir schon gesagt. Rhoclanes wird zu demselben Kreuz geführt, an dem er schon einmal gehangen hatte. Garmos geleitet ihn voller Freude ; er ist bekränzt und trunken und tanzt mit Flötenspielerinnen um das Kreuz. (Hinter dieser 1
Offenbar ist Damas vorher noch nicht hingerichtet worden. 2 Wie Sinonis als Braut des Syrerkönigs die Witwe dem Henker des Königs von l l u h ylon übergeben kann, ist unklar.
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Szene scheint eine pantomimische Darstellung zu stehen.) Rhoclanes wird ans Kreuz gebunden. Da kommt ein Brief des Sakas an Garmos mit der Meldung von der bevorstehenden Hochzeit der Sinonis mit dem Syrerkönig. Garmos will sich töten, beschließt aber dann, Rhoclanes vom Kreuz zu lösen und mit einem Heer gegen den Syrerkönig zu schik ken. Rhoclanes wäre eigentlich lieber am K reuz gestorben, wohl aus Verzweiflung über Sinonis (es ist die voluntltrin mors) . Rhodan es wird als Feldherr geschmückt (rituelle Szene ?) . GarmoH freut sich, die beiden Liebhaber der Sinonis gegeneinander zu hetzen. Seinen Unterfeldherrn wird befohlen, den Rhoclanes zu töten, sobald der Sy rerkünig besiegt und Sinonis gefangen sei. Als Rhoclanes auszieht, sieht man ein Vogel zeichen : Eine Schwalbe wird von einem Adler und einem Falken ver folgt, und nicht der Adler, sondern der Falke erj agt sie.1 Rhodanes be siegt den Syrerkönig, befreit Sinonis und wendet sich mit dem Heer gegen Garmos. 2 Auch Soraichos und seine Alanen greifen in den Kampf gegen Garmos ein. Der Tyrann wird besiegt, Rhoclanes zum König aus gerufen. Wer diesen tollen Wirbel von Ereignissen an sich vorüberziehen läßt, dem schwindelt der Kopf. Man kann den neueren Autoren nicht ver denken, daß sie sich über die Art und Weise entsetzt haben, in der die Episoden anscheinend ganz äußerlich aneinander gereiht werden. Aber dies Urteil war vermutlich falsch. Bei einigen Szenen des Iamblich ließ sich eine Beziehung auf das Mysterienritual nachweisen. Andere sind doppelsinnigen Episoden der anderen Romane so ähnlich, daß man ver muten muß, mit den Szenen bei Iamblich stehe es nicht anders ; aber die genaue Bedeutung entgeht uns. Vermutlich war auch der Zusammenhang der einzelnen Episoden des Romans für den antiken Leser, welcher in die Mysterien eingeweiht war, kein zufälliger. Er hatte den Schlüssel, welcher die geheime Bedeutung alles dessen eröffnete, was uns unsinnig und verworren scheint. 1 Die Schwalbe ist auch dem Namen nach Sinonis, s. U. Schneider-Menzel 79 f. 2 Dies ist nicht ausdrücklich überliefert.
LO N G U S Auch der Roman des Longus hat einen mystischen Sinn.l Es ist ein Roman von Hirten (ßoux.6:AoL) ; er ist für eine religiöse Gemeinschaft geschrieben, die den "Hirten" (ßoux.6:Aoc;) als Bezeichnung eines Mysten· grades kannte :2 Daphnis und Chloe beziehen sich auf die Mysterien des Dionysos. 3 Die Zugehörigkeit des Daphnis zu Dionysos bezeugt Vergil, ecl. 5, 29-31 Daphnis et Armenias curru subiungere tigris instituit, Daphnis thiasos inducere Bacchi et foliis lentas intexere mollibus hastas.4 Der Roman spielt auf Lesbos. Dort spielte der Kult des Dionysos eine sehr große Rolle ; schon Sappho und Alkaios erwähnen ihn als einen Hauptgott der Insel. Die Beliebtheit des Dionysos zu Mytilene und Methymna - dies sind die beiden bei Longus erwähnten Städte - zeigen viele Münzen der Kaiserzeit. Man hat sogar versucht, M�.&UEJ.VOC von EJ.e.&u abzuleiten. 5 Dies ist natürlich falsch. Aber "es gilt von dieser Ety· 1 Eine zusammenfassende Übersicht über das Longus-Kapitel steht in der Zeitschrift "Antaios" I (Stuttgart 1959) 4 7-60. Inzwischen ist der Aufsatz von Chalk erschienen, "Eros and the Lesbian Pastorals of Longos", Journ. Hell. Stud. 80, 1960, 32-5 1 , in dem ebenfalls der Zusammenhang des Longus mit dem Dionysoskult dargelegt wird. 2 ßoux6'Ao� schon Eur. fr. 203, ßou·m:� fr. 472, ßouxo'Aew Aristophanes Wesp en 10. Dionysos ist j a -roc\i po�. 3 Eine Beziehung des Longus auf die Mysterien hat schon Georg Rohde in dem wert vollen Aufsatz Rhein. Mus. 86, 1937, 46 ff. erwogen, dann aber wieder fallen gelassen (S. 48). - An Literatur über die Dionysosmysterien nenne ich : Cumont, Rel. Or. 195 ff. und Lux Perpetua 250 ff. ; Quandt, De Baccho ab Alexandri aetate in Asia minore culto, 191 2 ; Wilamowitz, Glaube der Hellenen II 370 ff. ; Kern, R. E. 16, 1 290 ff. ; Nilsson, Rel. II 341 ff. und vor allem The Dionysiac Mysteries ; Jeanmaire, Dionysos (Paris 1 95 1 ) ; Bruhl, Liber Pater (Paris 1953) ; Loisy, Les Mysteres paiens 25 ff. ; Festugiere, Revue Biblique 44, 1935 und Melanges d'Archeologie et d'Histoire 65, 1 954, 94 ff. Fragment eines dionysischen Romans scheint Pap. Soc. It. 1220, wo von der Aus setzung eines Kindes die Rede ist und Dryas und Staphylos Personennamen sind. 4 Ich will übrigens nicht leugnen, daß Daphnis bei Vergil ein Deckname Caesars ist. Die Sache liegt so : (a) Daphnis ist als erster Myste ein neuer Dionysos und hat so Unsterblichkeit erlangt. (h) Caesar ist als Welteroberer ein neuer Dionysos und ist bei seinem Tod unter die ( ;iitter aufgenommen worden. Alsn kann man (c) Daphnis mit Caesar gleichsetzen. '• l ' l n t . Quaest. conviv. III 2 p. 648 E. Athen. VIII 64 p. 363 B. Für die Münzen -
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mologie, was von so unendlich vielen : sie ist aus der Sache hergeleitet, nicht die Sache aus ihr, und darum, je gezwungener sie scheint, um so beweiskräftiger für den Gedanken selbst" .1 Der Verfasser des Romans heißt Longus . Nun besitzen wir eine les bische Inschrift, in welcher ein Priester Aulus Pompeins Dionysodorus geehrt wird. Sie lautet :2 & ß6t..t..<X x[<Xl. o] �iX[J.oc; Ai:it..o v Ilo[[J.IDjr:]ov AfJyyov �wvucr[6 �wp]ov 7t<X'f:�<X Aö[p1Jf.. ( ou ? 'E]p[LoA&ou 't'o[v lperx xrxl.] &:p x.Lperx xrxl. &:ywvo[&hrx]v xrxl. [ 1trx]vrxyup[ Locpx.rxv TiXc;] 0e:p(L[ L]rxx[iXc; 1trxvrxyupwc; x't'/.. . Dieser Pompeins Longus Dionysodorus gehört wah rscheinlich zu derselben Familie wie der Romandichter.3 Freilich hat der Hmnandich ter selbst kaum in Lesbos gelebt. Er scheint keine Lokalke n n tnis der Insel zu besitzen ; sein "Lesbos" ist eine ideale Landschaft . Man hat vermutet, er habe in Rom geschrieben.4 Aber damit wird die Beziehung des Romandichters Longus zu d e r lesbischen Familie der Pompei Longi nicht etwa unwahrscheinlich. Der römische Senat hat im 2. J ahrh. in steigendem Maß die griechische Bourgeoisie in seine Reihen aufgenommen. Diese Griechen haben ihre heimatlichen Kulte nach Rom mitgebracht. Nun kennen wir durch die große Inschrift von Torre Nova5 eine Gemeinschaft von Dionysos mysten, die von Pompeia Agrippinilla gegründet worden war. Pompeia Agrippinilla stammte aus Lesbos ;6 ihre Familie leitete sich her von Theophanes von Mytilene, dem Freund und Geschichtsschreiber des Pompeius. Großvater der Agrippinilla war M. Pompeius Macrinus veoc; Theophanes (Konsul des Jahres 99), ihr Gatte M. Gavius Squilla Galli canus (Konsul des Jahres 150 und Sohn des gleichnamigen Konsuls des s. Quandt 140 f. und 143. Reste einer Kultsatzung aus Methymna I. G. XII 2, 499 Quandt 142 f. Ziehen, Leges sacrae 1 2 1 . Orakel über den Dionysoskult zu Methymna : Euseb, praep. ev. V 36. - Vgl. nun auch Chalk 48 Anm. 107. 1 Bachofen, Werke IV 310. 2 I. G. XII 2, 249 ed. Paton. llo !J. 7t�·cov ergänzt von Hiller v. Gaertringen im I ndex zu I. G. XII Suppl. 3 Vgl. Tümpel, Philol. 48, 1889, 115 Anm. ; Cichorius, Römische Studien 323 ; Hiller v. Gaertringen, Nachr. von der Gesellschaft der Wissensch. zu Göttingen, phil.-hist. Klasse, N. F., Nachr. aus der Altertumswiss. 1, 1936, 1 18. 4 Hiller v. Gaertringen, I. G. XII Suppl. p. 76. 5 ed. Vogliano-Cumont, American Journal of Archaeology 37, 1 933, 232 ff. , vgl. auch Nilsson, Opuscula 524 ff. und Hiller v. Gaertringen, Nachr. . . . Göttingen, phil. hist. Kl. . . . 1936, 1 1 1 ; Kern, R.E. 16, 1307. 6 Weihinschriften der Pompeia Agrippinilla und ihrer Tochter Cethegilla zu Lesbos I. G. XII 2, 236/7. =
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Jahres 127), ihr Sohn M . Cornelius Cethegus (Konsul des Jahres 170) ; in diese Familie gehörte ferner M. Gavius Orfitus (Konsul des Jahres 165) . Vielleicht hat der Romandichter Longus aus der Familie der Pompei Longi zu einem solchen römischen Kreis von Dionysosmysten gehört.1 Dabei braucht man nicht daran zu denken, daß Longus unmittel bar Mitglied des Thiasos war, der uns durch die Inschrift von Torre Nova bekannt geworden ist und der ein Familienkultverein gewesen zu sein scheint. Man wird eher annehmen, daß die Kreise der Dionysos mysten, welche ihren Kult aus dem Osten mitgehracht hatten, unter einander Verhindung gehalten haben und daß Filialkulte gegründet wurden. Aber auch wenn man die Beziehung des Longus zu den Diony sosmysten von Torre Nova als unsicher betrachten will, so bildet doch dieser inschriftlich bezeugte Fall eines römischen Dionysoskultes, der aus Lesbos stammt, eine bemerkenswerte Analogie zu dem auf Lesbos spielenden Dionysosroman des zu einer lesbischen Familie gehörigen, aber die Insel nicht mehr selbst kennenden Longus. Der Verfasser sagt, er habe einst in Lesbos in einem Nymphenhain einen Bilderzyklus von großer Schönheit gesehen.2 Er habe einen kun digen Mann gesucht, der ihm die Bedeutung der Bilder erläutert hahe.3 Der Roman beschreibt die Geschichte, welche auf den Bildern dar gestellt ist. I. Buch. Bei Mytilene gehört ein großer Landstrich einem reichen Mann, dessen Name noch nicht genannt wird. - Mit Absicht hat der Dichter diesen reichen Besitzer im Hintergrund gelassen ; erst am Schluß tritt er in Erscheinung. Wir werden dann hören, daß er der wahre Vater des Daphnis ist und mit redendem Namen Dionysophanes heißt ; man 1 Einzelheiten lassen sich nicht feststellen, denn die Inschrift der Agrippinilla fällt nicht später als 150 n. Chr., und Longus hat wahrscheinlich später geschrieben. (Norden, Die antike Kunstprosa2 437 nahm Mitte oder letzte Hälfte des 2. Jahrh. n. Chr. als ungefähre Zeit des Longus an. Dem Stil nach ist er Zeitgenosse des Achilleus Tatios. Jedenfalls lebte Longus vor der Inflation des Gallienus : Dörrie, Gött. Gelehrte Anzeigen 198, 1936, 348 f.). Hiller v. Gaertringen, I. G. XII Suppl. p. 76 sagte : (Longus) cur Lesbios pastores finxerit, non Siculos neque Arcadas, iam fortasse Romanorum illa nobilitas semilesbia explicat, quam e basi Agrippinillae . . . novimus ; horum gratia, fortasse Orfitorum causa librum lepidissimum conpositum esse putes. 2 Der Bilderzyklus stellte dar "eine Geschichte von Eros" (lcr't"o p locv " E p (J)'l"o� ; betont von Chalk 33). Es ist der kosmische Eros der Orphiker gemeint, s. unten S. 205,4. Auf di<' Zusammenhänge des dionysischen und orphischen Kultes kommen wir gleich zurück. 3 civoc�7J'l"7JO"tXfLE:\IO� t�7JY7JTIJ"• d. h. einen Aretalogen.
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könnte vielleicht übersetzen "der den Dionysos darstellt'? oder sogar "der (in Epiphanie) erscheinende Dionysos". Auf dem Feld des Reichen also findet sein Ziegenhirt Lamon in einem Gestrüpp, über welches Epheu wächst, ein Kind, das von einer Ziege genährt wird. Die Ziege hatte ihr Böcklein verlassen und blieb bei dem Knaben. Neben dem Kind liegen einige wertvolle Gegenstände, die als Erkennungszeichen mit ihm ausgesetzt worden waren . Der Hirt nimmt Kind und Ziege mit nach Hause, nennt den Knaben Daphnis und zieht ihn auf. Zwei Jahre später findet der Schafhirt Dryas, der i n der Nachbar schaft weidete, in einer Nymphengrotte ein Mädchen, wcldws von ei nem Schaf gesäugt wurde. Er nimmt ehenfalls das Kind mit den Er kennungszeichen und das Schaf zu sich, nennt das Mädchen Chloe und zieht es als sein eigenes Kind auf. Hier weist auf Dionysos zunächst der Epheu um das Gebüsch, i n welchem Daphnis gefunden wurde. Um den neugeborenen Dionysos hatte sich sogleich Epheu gerankt. 2 Dionysisch ist ferner der Abstand von zwei Jahren, in dem sich die Aussetzung des Kindes wiederholt. Die Dionysosfeste waren nämlich "trieterisch", fanden also alle zwei Jahre statt. Wenn dasselbe Ereignis nach zwei Jahren wiederkehrt, so darf man an einen Kultbrauch denken, der zu dem Fest gehört. Der Name des Mädchens, Chloe, ist auch ein Beiname der Demeter ; daß die Mysterien der Demeter und des Dionysos zusammenhingen, ist he kannt.3 Auch die Nymphengrotte (&v-rpov) erinnert an den Dionysoskult Eine der Mystenkategorien im Kollegium von Torre Nova hieß "Wäch ter der Grotte" (&.v-rpo
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lonike nennt einen "Vater der Grotte".1 I m Bericht über die italischen Bacchanalien erwähnt Livius 39, 13, 13 Höhlen (abditos specus) .2 Vor allem merkwürdig ist aber die Szene, in der Daphnis von der Ziege gesäugt wird. Man denkt sofort an den berühmten Satz der ophisch pythagoreischen Goldtäfelchen, "Als Böcklein fiel (flog) ich in die Milch", EpLtpoc; f:c; yl;_f... ' E7tE:"t"OV.3 Über die Bedeutung dieser Worte ist viel diskutiert worden,4 und es ist sehr gut möglich, daß schon für die Mysten selbst mehrere Inter pretationen zur Wahl standen. Eine der möglichen Interpretationen ist jedenfalls, daß der Myste als "Böcklein" von einer Ziege genährt wor den ist. Longus betont ausdrücklich, daß die Ziege ihr eigenes Böck lein (epLcpoc;} verlassen hat. An seine Stelle ist Daphnis getreten : "Wenn ihm wirklich eine Ziege Milch gegeben hat, so unterscheidet er sich in nichts von einem Böcklein (epLcpoc;)", sagt später der ßoux6f...o c; Dorkon (I 16, 2). Nun hat schon Herodot5 die orphisch-pythagoreischen mit den hak ebischen Weihen gleichgesetzt ; Dionysos selbst ist oft als Böcklein 1 Bull. Corr. Hell. 37, 1 9 1 3, 97 &pXL(La:ya;pdl<; und 7ta:'t"1jp cr7t7Jlleou, vgl. Nilsson, Rel. II 344, 7 ; Dion. Myst. 53 Anm. 4 7. 2 Man sehe no ch den Paean des Philo damos 1 40 (Powell, Collect. Alex. 169 ) ; Orph. Hymn. 5 1 , 5 ( Nymphengrotten im Dionysoskult) ; Pausan. V 1 9 , 6 (Kypselos lade) ; Athenaeus IV 29 p. 148 B Sokrates von Rhodos 1 9 2 F 2 (Antonius in Athen) ; Plut., de sera numinis vind. 2 7 p. 565 E ( ßa;xxLxot &v't"poL) ; Athenaeus V 3 9 p. 205 F = Kallixeinos 627 F 1 (p. 1 64, 2 8 Jac. ; dionysisches Prunkschiff) ; Athen. V 26 p. 1 96 F Kallixeinos 6 2 7 F 2 (p. 1 67, 5 ; dionysisches Festzeit) ; Athen. V 2 8 p. 1 9 8 D Kallixeino s F 2 (p. 1 69, 20 oxL<X<; ) ; Athen. V 31 p. 200 C Kallixeino s F 2 (p. 1 7 2, 1 9 ; dionysische Nymphengrotte) ; Apollon. Rho d. I I 909 ; Porphyr., antr. nymph. 20 ( Dio nyso shöhle a u f Naxos). Vgl. Cumo nt, Am. Journ. Arch. 37, 1 9 3 3 , 2 59, 2 ; Nilsson Opusc. 5 3 6 und Dion. Myst. 61 ff. - Ü ber Nymphen im Kreis des Dionyso s s. etwa Strabon X, 3, 10 p . 468 ; Eur. Bakchen 951 f. ( Dionysos u m die Heiligtümer der Nymphen und des Pan besorgt) ; Orph. Hymn. 53, 2. Dionysos von Nymphe genährt : Bruhl, Liber Pater Tafel 8 (Fresco aus der Villa Farnesina im Thermenmuseum). I G. XIV 641 Olivieri, Lamellae aureae 3 Diels-Kranz, Vorsokr. 1 B 1 8, 11 Orphicae ( 1 9 1 5 ) 4 Harrison (-Murray), Prolego mena 667 Kern, Orph. fr. 3 2 c. V gl. fpL<po<; e<; y&A.-x E:m:Te<;, Diels-Kranz 1 B 20 = I. G. XIV 642 Olivieri 16 und 27 Harrison (-Murray) 662 = Kern, Orph. fr. 32 f. Die B eziehung der Erzählung des Longus auf dieses Wort hat schon Georg Rohde beobachtet, Rhein. Mus. 86, 1 93 7, 47. ' Z . B. Dieterich, Kl. Sehr. 95 ff. ; Mithrasliturgie 1 7 1 ; Harrison, Prolegomena 5 1) 4 ; Carcopino , La basilique pythagoricienne 3 1 1 ff. 6 1 I ll l O(LOAoyeoucrL ae: 't"eti:i't"a; 't"Oim 'Op
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aufgefaßt worden.1 Die Szene bei Longus paßt also sehr gut zu allem, was wir von der Dionysosreligion wissen. Überdies ist eine ähnliche Szene sicher für die dionysischen Mysterien bezeugt : Auf einem Fresco der Villa dei misteri reicht eine Bakebantin einem Böcklein die Brust. Die Vorstellung ist viel älter ; sie kommt schon in den Bakchen des Euripides (Vers 699 f.) vor.2 Die beiden Bilder, der Knabe an der Ziege und das Böcklein an der Frau saugend, sind selbstverständlich gleich wertig.3 Weieher Gedanke hat sich nun in diesem Bild ausgedrückt ? Der Myste, welcher als Böcklein die Milch der Ziege trinkt, ist gleichsam ein neugeborenes Kind. Der alte Mensch ist gestorben, der neue noch ganz klein ; er wird mit dem Trank genährt, mit dem man kleine Kinder aufzieht.4 In diesem Bild drückt sich also der Gedanke der Wieder gehurt aus. Die Hoffnung auf Unsterblichkeit hat schon die orphische Theologie mit dem Spruch epLcpot; et; y&."A' em:"t'ov verbunden. 5 Zeus seihst ist als Kind von der Ziege Amalthea genährt worden. Schriftengruppe fehlen, erklärt sich durch Ho moioteleuton und hat keine Bedeu tung (Dodds, The Greeks and the Irrational 1 6 9, 80). Man erinnere sich auch des uns erhaltenen Buches der o rphischen Hymnen, das für einen Kreis von Dionysos mysten geschrieben ist. Vgl. ferner Strabon X, 3 , 23 p. 474. In einer Inschrift aus Hiero caesarea in Lydien wird dem Dionyso s Erikepaio s ein Altar geweiht (Quandt 1 8 1). Ü ber den Zusa mmenhang von Dionysos und Orpheus s. auch Dio dor I 1 1 ; 2 3 ; 9 2 ; 111 65. Ü ber orphisch-pythagoreische Einflüsse a uf den durch die Inschrift von Smyrna (s. oben S. 195, 1) bezeugten Kult s. Nilsson, Dion. Myst. 1 3 3 ff. und No ck, Har vard Sturlies 63, 1 9 58, 4 1 5. 1 Z. B. Ps. Apollod. Bibi. 111 2 9 ßt6vucrov 8E: Ze1).; d.; e pt cp ov &).M/;<X<; -rov "Hp<X<; .&ufl.OV ex).c:tjlc:, X<Xt A<Xßwv <XU't"OV ' E p fl.'ij<; 7tpo<; VUfl.
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Wciter ist das ausgesetzte und von einem Tier gesäugte Kind das Bild einer wunderbaren Rettung. Der Mensch ist auf Erden einsam und ver· lassen. Aber Gott erbarmt sich seiner in wunderbarer Weise und rettet ihn, indem er das Tier schickt, welches ihm Nahrung spendet. Dies Trin· ken der Milch war vermutlich ein Ritual der Mysterienweihe ; es bedeutete also wirklich die " Rettung" des Mysten. "Daphnis wurde von einer Ziege ernährt, da die Götter für ihn sorgten", er wurde "durch die Vorsehung der Götter gerettet" heißt es später (III 32, l . IV 24, 2, vgl. 36, 1) . So ist das Trinken der Milch des Tieres auch ein Bild der Mysterienweihe. In diesem Zusammenhang erhält auch die Aussetzung eine besondere Bedeutung.1 Daphnis ist Sohn des Dionysophanes. Wir werden später sehen, daß dieser den Gott selber darstellt. Der Myste ist in Wahrheit Sohn des Gottes, seine menschlichen Eltern sind nur Pflegeeltern.2 Der Gott hat ihn in dieser Welt "ausgesetzt", aber er hat ihn nicht verlassen. Er sorgt für seine wunderbare Rettung, und er hat ihm die Erkennungs· zeichen (yvwptcr[Lomx, croflßoJ...oc) mitgegeben, die einst seine göttliche Abkunft beweisen werden. Beim höchsten Fest der Dionysosmysterien, dem Kelterfest, wird Daphnis erfahren, daß er ein Sohn des Dionyso· phanes ( = Dionysos) ist. Inzwischen müssen die Erkennungszeichen gut verwahrt werden, welche mit dem Knahen ausgesetzt wurden. Ebenso verwahrte der Myste die Erkennungszeichen, welche ihm bei der Weihe (= Ausset· zung) übergeben wurden. Wir werden darauf unten zurückkommen. Daphnis und Cloe wachsen rasch auf und werden sehr schön. Als sie 15 und 13 Jahre alt sind,3 träumt den Pflegevätern Dryas und Lamon 1 In dem uralten Königsmythos (Kyros, Romulus usw.) stellt die Aussetzung in der Wildnis für den Knaben die Situation des ersten Menschen her, der mit dem Urkönig zusammenfällt. Die Beziehungen zu dem bei Longus vorliegenden Vorstellungskreis sind eng, denn auch j ener Königsmythos spiegelt ein Initiationsritual wieder. Der erste König hat es eingesetzt, und es wird von Männerbünden zelebriert. Daß die antiken Mysterien mit solchen Bünden zusammenhängen, ist klar. Das attische Drama hat das Motiv aus alten Kultdramen übernommen. Mit wirklichen Kindesaussetzungen hat all dies gar nichts zu tun. Die Tradition von der Aussetzung des Daphnis ist wahrscheinlich sehr alt. Aelian, var. hist. X 18 berichtet von ihr ; am Ende seiner Erzählung beruft er sich auf Stesi choros als Gewährsmann. Vgl. auch Schol. Theokr. 7, 78. 2 Zieheltern des Dionysos im Kult : I nschrift von Magnesia 1 1 7 (Quandt S. 163) (, obt7t"IX� ÄLO\IUO"OU und 'i] urr6Tpocpo�. Vgl. auch Quandt 264. Die Ammen des Dionysos spielen im Mythos eine bedeutende Rolle. " M a n vergleiche, daß im römischen Bacchanalienkult nur Jugendliche initiiert wu nl<'n. Livius XXXIX 10, 6 iam biennio constare neminem initiatum ibi maiorem
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in einer Nacht derselbe Traum : Die Nymphen übergeben Daphnis und Chloe einem vornehmen und schönen Knaben, der Pfeil und Bogen trägt. Dieser trifft beide mit demselben Pfeil und befiehlt ihnen, die Herden zu hüten.1 - Wir haben hier wieder den wunderbaren, von Gott gesandten Doppeltraum, den wir schon aus den Isisromanen ken· nen.2 Der göttliche Knabe ist natürlich Ero:;. Die Väter lehren die Kinder, wie sie die Tiere hüt e n sollen, und schik· ken sie zusammen auf die Weide. Daphuis und Chloe aber lieben ihre Herde mehr als Hirten das sonst tun, in Eri n nerun� an ihre Rettung durch Ziege und Schaf. "Es war Frühlingsbeginn, und alle Blumen blühten", erzählt Lon· gus. - Er wird uns in dem folgenden Roman zweimaP durc:h clcm Kreis der Jahreszeiten führen und erzählen, wie glücklich Daphui:; u ml Cbloe zu j eder Zeit auf dem Lande gelebt haben, nur ihrem Hirtenberuf und ihrer Liebe lebend. Sie haben das selige Leben leben können, welches die Dionysosmysten nur an den Festtagen führen dürfen, das sie aber im Jenseits für alle Geweihten erhoffen. Darum sind die einfachen Freu· den, welche die Jahreszeiten dem Landmann bringen, so oft auf den dionysischen Sarkophagen dargestellt.' Überdies enthielt der Kreislauf der Jahreszeiten für den Mysten die ernste und tröstende Lehre, daß alles Lebendige sterben muß, daß aber aus dem Tod immer wieder neues Leben entsteht. Die Hoffnung auf die Wiedergeburt nach dem Tod ist eng mit den Darstellringen der Jahreszeiten verbunden.6 Wir werden sehen, daß auch Longus diesen Gedanken ausspricht (III 4, 2) . 1
Daphnis als Hirt der heiligen Rinder des Helios : Aelian, Var. Hist. X 18. Vgl. Kerenyi 166. 3 Dies hängt mit der zweijährigen Periode der Dionysosfeste zusammen (Trieteris). Es wird die Zeit geschildert, während deren sich Daphis und Chloe auf die Initiation vorbereiten ; es ist eine Art Noviziat. Frühling, Sommer und Herbst kehren bei Lon gus zweimal wieder, der Winter nur einmal. Man wird erklären dürfen : Nach dem Hauptfest im Herbst des zweiten Jahres begann die Ausbildung der nächsten Gruppe von Initianden im Frühling des nächsten Jahres. 4 Viele Abbildungen bei Hanfmann, The Season Sarcophagus at Dumbarton Oaks ( Cambr. Mass. 1951) ; Bruhl, Liber Pater ; Matz, Ein römisches Meisterwerk : Der Jahres zeitensarkophag Badminton-New York (Jahrbuch des Deutschen Archäolog. Instituts, 1 9. Ergänzungsheft, Berlin 1958). 5 Vgl. Cumont, Symbolisme funeraire 485 ff., bes. 490. Vgl. etwa Sen., epist. 36, 1 1 postea diligentius docebo omnia, quae videntur perire, mutari. aequo animo debet redi turus exire. observa orbem rerum in se remeantium ; nihil videbis in hoc mundo extingui, sed vicibus descendere ac surgere. aestas abit, sed alter illam annus adducet; hiems cecidit, referent illam sui menses. Die Verbindung der Jahreszeiten (Horai) mit. dem Dionysos kult ist zuin erstenmal für die Pompe des Ptolemaios Philadelphos bezeugt ; Athen. V 27 p. 198 B Kallixeinos 627 F 2 (p. 1 69, 3 Jac.). B
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Daphnis und Chloe weiden ihre Herden. Sie singen mit den Vögeln, springen mit den Lämmern, lesen Blumen mit den Bienen. Sie haben Freude an den Spielen der Hirten ; Chloe macht einen Heuschrecken käfig, Daphnis bläst die Syrinx. Die beiden sind unzertrennlich. Nun hatten die Bauern Wolfsgruben gegraben und sie mit Erde über deckt. Als Daphnis einem übermütigen Bock nachläuft, stürzen der Bock und Daphnis unversehens in eine Grube. Daß der Bock als erster fiel, war die Rettung des Knaben. Chloe hat das Unglück gesehen und ruft einen Hirten aus der Nähe zu Hilfe. Um Daphnis herauszuziehen, ist ein Strick nötig ; Chloe löst eine Binde, und an ihr wird Daphnia heraufgezogen. Sie holen auch den Bock heraus und schenken ihn dem Hirten zum Retterlohn (o-wo-'t'pa), als Opfertier. Die Grube erinnert an jene Grube, in der Antheia von den Räubern mit zwei Hunden begraben wird.1 Natürlich wird auch hier auf eine Prüfung der Mysterienweihe angespielt. Der Retter ist ein "Hirt" (ßoux6:Aoc;) ; dies ist ein Mystengrad. Der Bock ist das häufigste Opfer im Dionysoskult. Daphnis hat sich bei dem Fall mit Erde und Lehm (7t'YJA 6 c;) he schmutzt ; darum wäscht er sich in der Quelle der Nymphengrotte ab. Chloe sieht zu, und Daphnis scheint ihr schön ; "sie glaubte, das Bad sei der Grund der Schönheit". Es ist um Sonnenuntergang und sie treiben die Herden heim. Chloe hat sich in Daphnis verlieht ; sie fühlt sich krank, weiß aber nicht, an welcher Krankheit sie leidet. Hier wird auf das Reinigungsbad der hakehiseben Mysterien ange spielt. Das Bad vor der Initiation ist oft bezeugt. 2 Es findet hier be zeichnenderweise am Abend statt, und in der Nymphengrotte, d. h. in der dionysischen Kultstätte. Das Abwaschen von Lehm (7tYJA6c;) und Kleie gehörte schon im 4. J ahrh. zum Ritual der Sahazios-Diony sos-Weihen, an denen der Redner Aeschines teilgenommen hat. 3 Der 1 Vgl. Kerenyi 140f., der auch die Grube in dem phrygischen Einweihungsritual vergleicht (Hepding, Attis 196f. ; Prudentius, Peristephanon X 1 008 ff.). Im Dyskolos des Menander hat der Sturz in den Brunnen keine rituelle Bedeutung mehr. 2 Servius zu Verg. Aen. VI 741 in sacris Liberi omnibus tres sunt istae purgationes. nam aut taeda purgantur et sulphure aut aqua abluuntur aut aere ventilantur. Livius im Bericht über den Baechanalienskandal (XXXIX 9, 4) decimo die . . . pure lauturn in sacrarium deducturam. 3 V gl. den Angriff des Demo sthenes, de corona 2 5 9 XIX-3-�Xlpwv TOU<; TEAO\l[L�VO\l<; xat
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Ritus war uralt und ahmte den Mythos des Dionysos-Zagreus nach. "Man rieb die Initianden mit Lehm und Kleie ein in Wiederholung der mythischen Erzählung, daß die Titanen , als sie Dionysos mißhandelten (zerrissen), sich mit Gips eingerieben h atten , um unkenntlich zu sein. Dieser Brauch kam ab und später b c Ht ri e h m an !iich, weil dies nun ein mal üblich war, mit Lehm".1 Die Titanen w a ren nach Ausweis ihres Namens " Gipskerle", also maskenartige G cHtalt«, u , Figuren in uralten sakralen Dramen, deren Gesicht geweißt war.2 A l i-i "Titan" zerriß der Initiand den Gott Dionysos-Zagreus und aß ihn . IJ a u n w u !i eh man Gips und Lehm ab, um den Mysten von dem bösen , tita n i !i d w u Wesen zu reinigen. Man beachte auch bei Longus den Effekt des ReinigungHhade!i. EH i st, wie Chloe meint, der Grund der Schönheit des Daphnis. "Die My!iterien des Dionysos bezogen sich auf die Reinigung der Seele", sagt Scrviu!i.a Man darf annehmen, daß Longus mit den Worten über die Schönlwi t des Daphnis etwas Ähnliches gemeint hat. Freilich scheint es, als diene die ganze Szene bei ihm nur dazu, die Liehe der Chloe zu motivieren . Aber das ist wieder eine der absichtlichen Verhüllungen, in welchen sich die Romandichter gefallen. Das Bad des Daphnis ist nicht von Longus erfunden worden ; schon der Epigrammatiker Zonas kennt es (A. P. IX 556) :
NufLcpotL hto x..&t aLocL N1Jp1Jt as�, das-rs ß.&cpvLv x..&L�ov, &7tot X.vLatocv b.l� &7ttJ..o ucrs :x.6vw, ufLE-repocL� J.. L ßocascrcrw il-r' �v.&ops crsLpL6:x.ocu-ro� �ptfLot qJomx..&d� fLCiJ..oc 7totp1JtaLoc. E'l7tot't"t fLOL, :X.otAO� �V ; Auch hier ist der badende Daphnis schön. Der Hirt Dorkon, welcher Daphnis aus der Grube gezogen hatte er ist also ein Mysteriendiener - hat sich in Chloe verlieht. Er schenkt 1 Harpokration s. v. ct1tOfl.cXTTWV ij:Ae:Lcpov y.Xp -rwL 7tl)AWL xott -rwL m-rupwL -rou<; [l.UOUf.tevou<;, eX{l.Lfl.OUfl.E:VOL -r.X f.tu3-o:Aoyou{l.E:VQ( rtotp' lv(oL<;, W<; ocpot o! TL-riive:<; TOV 11L6vucrov eAUfl.lJVotVTO yU<jJWL XotTot1tAotcrtX[LE:VOL &n:t TWL {1.1] yvwpLfl.OL ye:v€cr3-otL. -roü·m [l.EV ouv TO e3-o<; ex:Amdv, 7tl)AWL 3e Ücr-re:pov XotTotrtAcXTTE:cr&otL VO[l.L[l.OU XcXPLV. 2 Man wird einwenden, -rl-rotvo<; " Gips" habe kurze Silben, -rL-r&v "Titan" lange ; aber es liegt natürlich absichtliche Dissimilation vor, und man kann die Laut gesetze in solchen Fällen nicht anwenden. a Zu Georg. I 166 (über die mystica vannus Iacchi) : Liberi patris sacra ad purga tio;lem animae'pertinebant et sie homines eius mysteriis purgabantur, sicut vannis fru menta purgantur. •
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I )ap h n i s t)i llt�
Haphnis wird
Hirtensyrinx, dem Mädchen ein hakchisches RehfelL also zum Hirten (ßoux6J.oc;} geweiht, Chloe zur ß&xx'YJ
ud nr f�occrmx p oc.l Dorko n bringt der Chloe weitere Geschenke, um sie für sich zu ge·
Eines Tages streitet er mit Daphnis, wer der Schönere sei. Da riihmt sich Daphnis, daß ihn eine Ziege aufgezogen habe, wie Zeus, und cl aH er hartlos sei wie Dionysos. Chloe entscheidet, er sei der Schönere, u nd küßt ihn. Der Kuß weckt auch in Daphnis die Liehesleidenschaft. Soll die Identifikation des Daphnis mit Dionysos nicht andeuten, daß er ein ß&xxoc; ist ? Als Dorkon keinen Erfolg bei Chloe hat, beschließt er, das Mädchen zu überfallen, wenn sie allein ist. Er zieht das Fell eines Wolfes an und lauert ihr im Gebüsch auf. Aber als er Chloe angreifen will, packen und heißen ihn die Hunde, welche dem Mädchen folgen. Da schreit Dorkon um Hilfe ; Daphnis und Chloe rufen die Hunde zurück und ver· binden Dorkons Wunden. Sie tragen ihm nichts nach, da sie das An ziehen des Fells für einen Hirtenscherz halten. - Natürlich ist es auch ein Hirtenscherz gewesen, - wie er bei den Mysterien gespielt worden ist . Dorkon ist ein Mysteriendiener, wie wir schon gesehen haben. Solche Schreckszenen gehörten zu den Proben, welche der Myste zu bestehen hatte. Eine entsprechende Szene steht auch in den Bakeben (714-733). Hirten (ßoux6AoL xocl. 7tOL(l.evo:c;} versuchen, die schwärmenden Manäden gefangenzunehmen. Sie lauern ihnen im Gebüsch auf. Als die Bakeben nahe kommen, springt ein Hirt auf Agaue los. Diese aber ruft ihre Ge fährtinnen ("Ihr meine Hunde") zu Hilfe und verj agt die Hirten.2 Das Ritual, welches bei Longus zugrunde liegt, ist uralt. 3 Inzwischen war es Sommer geworden. Um sich zu kühlen, b adet Daphnis im Fluß und fängt Fische ; Chloe kränzt sich mit Fichten· zweigen4 und gürtet das Rehfell um - wie eine Bakchantin. Sie reicht winncn.
1 V gl. die ßocxxa�:� &7to xa�:-.a�:�wcrE
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Daphnis den Melkeimer mit Milch und Wein, und er glaubt, sie sei eine der Nymphen aus der Grotte.1 Daphnis nimmt ihr den Fichtenkranz ab und setzt ihn sich selbst aufs Haupt. Sie spielen miteinander, und er lehrt sie, auf der Syrinx zu blasen. Eine von einer Schwalbe verfolgte Zikade rettet sich in den Busen der Chloc. Als eine Waldtaube gurrt, erzählt Daphnis die Metamorphose einer j ungen Hirtin in die wilde Taube.2 Im Herbst überfallen tyrische Seeräuber die Herden des Dorkon, schlagen den Hirten nieder "wie einen Stier" u n d treiben seine Kühe weg. Den am Ufer allein spazierenden Daphnis nehmen sie gefangen, führen ihn auf ihr Schiff und fahren ab. Sie meinen, dieser schünc junge Mann sei eine bessere Beute als alles andere. Daphnis ruft nach Chloe. Diese eilt um Dorkon zu Hilfe zu holen ; sie findet ihn blutüberströmt und im Sterben liegend. Er übergibt Chloe seine Syrinx und sagt, die Kühe hörten auf die Flöte ; Chloe solle auf ihr blasen. Dann stirbt Dor kon. Chloe bläst die Syrinx, die Kühe erkennen das Lied und springen aus dem Schiff; das aus dem Gleichgewicht geworfene Schiff kentert. Die noch gewappneten Räuber ertrinken, Daphnis faßt zwei Kühe an den Hörnern und wird von ihnen an Land gezogen. So ist er zwei Ge fahren, den Räubern und dem Schiffbruch, wider Erwarten entronnen. Chloe empfängt ihn am Ufer, und sie bestatten den armen Dorkon. Daß hier eine Initiationsprobe in Erzählung umgesetzt ist, braucht nur noch kurz gesagt zu werden. Die Bakeben sind voll von Gefangen n�hme und wunderbarer Befreiung. Dasselbe gilt für die Mänaden, welche Lykurg einkerkert (Ps. Apollodor, Bibi. III 35 ; vermutlich aus Aeschylus) . 3 Vor allem aber ist auf den homerischen Dionysoshymnus auf Euripides, Bakeheu 1 064 ff. verwiesen : Pentheus sitzt auf einer Fichte, bevor er denselben ZerreiBungstod wie Dionysos Zagrens erleidet. Er war ursprünglich ein V er treter des Gottes. - Viele Teilnehmer an der dionysischen Pompe des Ptolemaios Philadelphos sind mit Fichtenzweigen bekränzt. 1 Man darf sagen, sie i s t eine der Nymphen. Die Teilnehmerinnen der Dionysos feste verwandelten sich für die Dauer des Festes in Nymphen, Bakeheu usw. 2 Von einer Hirtin Phassa hat einst ein Knabe durch seinen schönen Gesang acht Kühe weggelockt. Dieser Verlust bekümmerte das Mädchen so sehr, daß sie die Götter bat, in einen Vogel verwandelt zu werden. Sie wurde zur wilden Taube (
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vcrwei�e11 . Dort geht Dionysos am Strande spazieren wie hier Daph· nis. Tyrrheni�che Seeräuber1 halten ihn für einen Königssohn, also für eine Beute, die reiches Lösegeld bringen wird, und nehmen ihn gefangen. Sie wollen ihn fesseln (12-14) :
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xocl. aEcrfLO�� g&EAOV adv ocpyocMo�m. 't"OV a· oöx �crxocvc: azcrfLcX, Myo� a· lX7tO TijAOcr' g7tm't"OV
xz�p&v � ae 7toa&v. Hier ertrinken die Seeräuber nicht, sondern springen ins Meer und werden in Delphine verwandelt. Im Grunde kommt es auf dasselbe heraus. Wieder zeigt sich, wie alt das Ritual ist, welches Longus voraus setzt. Dorkon stirbt als Stellvertreter des Daphnis (Kerenyi 25) .2 Der Sinn der Weihe ist Tod und Rettung ;3 die Erzählung verteilt dies Schicksal auf zwei Personen. Daß die Kühe auf die Syrinx hören und das Schiff untergehen lassen, ist ein echt dionysisches Wunder. Nach der Bestattung des Dorkon wäscht Chloe den Daphnis in der Nymphengrotte und badet selbst zum erstenmal, während Daphni.s zu· sieht. - Auch Chloe unterzieht sich dem Bad des Mysten. li. Buch. Inzwischen war die Zeit der Weinlese und Kelter gekommen, jenes Festes, welches die dionysischen Sarkophage in allen Einzelheiten immer aufs neue darstellen.4 Auch Longus beschreibt es genau, was wir nicht auszuführen brauchen. Daphnis und Chloe helfen. Die Weinpflan· zungen in Lesbos waren eben, die Reben hingen herab wie um sich greifender Epheu ; ein gerade den Windeln entwachsenes Kind konnte die Reben mit der Hand erreichen. - Dies ist also wirklich die Kinder weinlese der Sarkophage, auf denen die Mysten als Eroten und Psychen abgebildet sind. Antiop e lösen sich von selbst (Twv 8ecrfL&v IXU't"OfL
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Es war das Fest der Gehurt des Dionysos und des Weines .I Die Frauen vergleichen den Daphnis an Schönheit dem Dionysos, die Kelterer sprin gen wie toll auf Chloe zu, wie Satyrn auf eine Bakchantin. 2 Als das Fest zu Ende ist, opfern die heiden, wie immer, den Nymphen. Da tritt zu ihnen ein Alter im Ziegenfell mit Bauernschuhen und Ranzen, namens Philetas.3 Er hat in seinem Garten einen schönen, he· flügelten Knaben mit einem Bogen gesehen, der gesagt hat, er sei älter als Kronos und das Weltall,4 aber jetzt weide t'r Daphnis und Chloe. Es war Eros. "Er vermag mehr als Zeus seihs t: . Er herrscht über die Elemente, die Sterne, die Götter . . . Die Bl u me n sind Werke des Eros, er hat die Pflanzen gemacht, durch ihn fließen die Ströme und wehen die Winde, durch ihn liehen die Tiere ;5 ich selbst liebte als junger Mann die Amaryllis. Ich konnte nicht essen und nicht trinken . . . ich schrie, als würde ich geschlagen, ich schwieg, als stürbe ich, ich ging in die Flüsse vor Hitze6 Es gibt kein Heilmittel gegen Eros, als sich zu küssen, zu umarmen und beieinander zu liegen." So "erzieht" Philetas das junge Paar. Die beiden erkennen, daß dies derselbe Gott ist, der ihren Vätern im Traum erschienen war. Sie versuchen die beiden ersten •
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1 Das sind nur zwei Namen für dieselbe S ache. Vgl. Cornutus cap. 30 p. 62 Lang ; Nilsson, Opusc. 158, 38 und Latomus 2, 1949, 2 1 7 ff. Opusc. III 167 ff. 2 D. h. die Kelterer sind für die Dauer des Festes Satyrn, die Mädchen Bakchen. Kelterfeste der Silene und Satyrn auf attischen Vasen s. bei Pfuhl, Malerei und Zeich nung 222 und 287 und bei Langlotz, Griech. Vasen der Univ. Würzburg (München 1932) Tafel 44 Nr. 208. - Man sollte die Satyrn und Mänaden auf den Vasen nicht für reine Phantasiegeschöpfe halten. Diese Darstellungen hatten reale Vorbilder in Maske raden bei Dionysosfesten. Die vielfach vertretene Behauptung, die alte Zeit habe nur Frauenthiasoi im Dionysosdienst gekannt, ist unhaltbar ; s. etwa Euripides Ion 545555. 3 Dies ist wahrscheinlich das Kostüm des ßoux6'Aoc; der Dionysosmysterien. - Der Name Philetas weist vermutlich zurück auf den Begründer jenes dionysischen Dichter kreises auf Kos, dem auch Theokrit angehört hat. Wir können dies hier nicht verfolgen. 4 Dieser kosmische Eros ist der Gott der Orphiker (Chalk 33 f.) ; das Technopaignion "Pteryges" des Orphikers Simias verherrlicht diesen Gott. 6 Hier und im folgenden gekürzt. 6 D a s Geschlagenwerden, das Schweigen wie ein Toter, das Baden im Fluß spielen auf die Mysterienweihe an. Für das Schweigen vgl. die Mystenkategorie der cr�yl)T<Xl von Torre Nova ; ferner Plutarch, de profectibus in virtute 1 0 p. 81 DE &c; yckp o[ TEAOUflEVO� XIXT' apxtkc; �V .&opußM X !XL ß 0 1j � 7tpoc; aM�Aouc; w.&OUflEVO� cruv[o:cr�v. ap(ilfl�V(i)V ae: X !XL 3e:�XVUf.teV(ilV TWV 1e:p&v 7tpocrexoucr�v '� 3l) flETcX
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Ht�ilmittd, KuH und Umarmung. - Die "Erziehung" zur Liebe spielt im Homan des Longus eine große Rolle. In den Mysterien des Dionysos ist eH nicht anders gewesen. Im römischen Bacchanalienkult des Jahres 192 kam es zu den ärgsten Ausschreitungen. Erotische Darstellungen finden sich sogar auf bakebi schen Grabsteinen ; das von den Mysten nach dem Tod erhoffte selige Leben schloß den Genuß der Liebesfreuden mit ein.1 Wir wundern uns heute über eine solche Religion. Aber bei den Initiationen der Primitiven gehört der Geschlechtsverkehr regelmäßig zu dem, was der Initiand lernen muß ; und häufig hat die Sehnsucht nach einem Leben in Freiheit und Schönheit zu dem Wunschtraum geführt, mit allen anderen Fesseln der Konvention sollten auch alle Hindernisse einer freien Liebe fallen. Ob uns die Wirklichkeit der dionysischen Mysterien gefallen würde, ist eine ganz andere Frage. In dieser Zeit fahren reiche junge Leute aus der Nachbarstadt Me thymna, welche sich während der Weinlese vergnügen wollen, zu Schiff an der Küste von Mytilene vorbei. Sie gehen an Land, um zu fischen, Hasen mit Netzen zu jagen und Vögel mit Schlingen zu fangen. So haben sie zu essen genug ; sie brauchen nur Brot und Wein dazu, und das kaufen sie. - Auch diese jungen Leute sind Dionysosdiener, ihre Vergnügungen (Hasenjagd und Vogelfang) sind die Freuden der Eroten und Knaben auf den dionysischen Sarkophagen. 2 Die Methymnäer haben ihr Schiff mit einem Seil festgebunden ; einer der Kelterer stiehlt das Seil, da er es zur Kelter braucht. Weiteres Unglück geschieht zunächst nicht. Daher sagen die Methymnäer nicht viel, fahren weiter und landen dort, wo Daphnis seine Ziegen hütet. Sie binden das Schiff mit einem aus Weidenzweigen geflochtenen Seil fest und gehen wieder auf die Hasenjagd. Ihre Hunde scheuchen die Ziegen auf und j agen sie an die Küste. Dort finden die Ziegen keine Nahrung und fressen die grünen Weidenzweige, an denen das Schiff festgebunden war. Ein Wind erhebt sich und treibt das Schiff weg. Als die jungen Leute merken, daß sie ihr Schiff verloren haben, schr�ien sie, suchen den Schuldigen und finden ihn in Daphnis, dem Ziegenhirten. Sie schlagen ihn, ziehen ihm die Kleider aus und wollen die Hände fesseln. Daphnis ruft die Hirten der Gegend zu Hilfe, und man einigt 1 V gl. z. B. Cumont, L'Antiquite Classique 9, 1 940, Iff. ; Lux Perpetua 256f. ; Rel. O r. :m , 65. � FiKdtfan g : Longus I 23 und auf dem dionysischen Becher in Theokrits Thyrsis.
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sich, der Hirt (ßoux6:Ao<;) Philetas solle Schiedsrichter sein. Als die bei den Parteien geredet haben, spricht Philetas den Daphnis frei. Die Methymhäer wollen sich nicht fügen und versuchen nochmals, Daphnis zu fesseln ; aber die Hirten nehmen ihnen Daphnis ab, der sich nun auch selbst wehrt, und vertreiben sie. Chloe wäscht das blutige Gesicht des Daphnis und gibt ihm Brot und Käse. Die S z en e spielt wieder auf eine Probe im Mysterienritual an. Die Methymnäer sind die Mysterien diener, welche den Initianden Daphnis schlagen, am;zidten und fesseln wollen. Dieser wehrt sich nicht, wie auch Dionysos in den Bakeben sich zunächst nicht wehrt, als er gefesselt wird (437) . Es ist cl i e Passivität des Mysten. Es kommt zu einer Gerichtsverhandlung, w i e wir Hie aus den lsisromanen kennen. Im Dionysos-Kult entsprach ihr vermutlich eine Prüfung des bisherigen Lehenswandels des Initianden ; ein Myr-;te riendiener übernahm die Rolle des advocatus diaholi und kl a g te den Kandidaten an.1 Aher der "Hirt" Philetas - er repräsentiert einen höhe ren Grad - spricht Daphnis frei. Das mythische Vorbild der Szene iHt das Totengericht. Nun bleibt Daphnis nicht mehr p assiv und wehrt sich. Auf die Geiße lung werden wir gleich zurückkommen. Die Ziege und die von ihr ge fressenen Weidenzweige haben vermutlich eine mystische Bedeutung gehabt. 2 Die erwähnten Speisen - Wein, Brot und Käse - könnten sich auf das Ritual beziehen. 3 Die jungen Methymnäer wollen sich für den Verlust des Schiffes rächen. Die Volksversammlung beschließt auf ihren Antrag den Krieg gegen Mytilene. Zehn Schiffe fahren aus und rauben im Gebiet von Myti lene Vieh, Getreide, Wein und Menschen. Daphnis ist gerade im Wald und entkommt ; aber Chloe, die zur Nymphengrotte geflohen war, wird, den Standbildern der Nymphen zum Trotz, gefangen. " Sie führten sie wie eine Ziege oder ein Schaf und schlugen sie mit Weidenruten." Dann schiffen sie sich ein. Chloe erleidet also dasselbe Schicksal wie vorher Daphnis. Auch ihre Rettung wird ähnlich sein. Natürlich müssen beide Mysten dieselben Proben bestehen. Man staunt über die Geschicklichkeit, mit der Longus -
1 In Komödie und Tragödie sind Gerichtsszenen traditionell. 2 Man denkt an den Ziegenbock, der den Weinstock frißt und zur Strafe dem Dio nysos geschlachtet wird. Er ist in gewissem Sinn mit Dionysos identisch. Vielleicht könnte man sagen, daß die ganze Verwicklung, die durch die Ziegen entstand, von Dionysos inszeniert wurde - sie war eben ein Ritual der Weihe. - Über die Symbolik der Weide viel bei Rahner, Griechische Mythen 36l ff. 3 Das Abwaschen des Blutes nach dem Kampf auch in den Bakchen (767 f.).
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seine Erzählung eingerichtet hat. Daß bei Chloe für zwei Prüfungen (Entführung, Geißelung) nur ein Abenteuer, für Daphnis deren zwei nötig waren, ist nur eine erzählungstechnische Variante. Chloe wird in der Nymphengrotte gefangengenommen, also an einem Kultplatz ; die Szene gehört eben zum Ritual.l Für die Geißelung vergleicht man die Geißelung der Initiandin in der Villa dei misteri und die der Frauen im Dionysostcmpel zu Alea. 2 Der Kriegszug gegen die Dionysosmysten ist vielleicht auch ein tra· ditioneller Zug. In den Bakeheu spielt Pentheus mehrfach mit dem Gedanken, die Mänaden zu bekriegen ; vielleicht ist ein solcher Kampf in der Lykurgie und im Pentheus des Aeschylus wirklich vorgekommen.3 Daphnis ist untröstlich und betet zu den Nymphen ; wenn sie nicht helfen, will er vor ihren Standbildern liegenhleihen, um zu sterben.' So schläft er ein. Im Traum erscheinen ihm die Nymphen und trösten ihn. Pan, dessen Standbild in der Nähe unter der Fichte steht, wird Chloe schon morgen befreien. Die Schiffe der Methymnäer ankern in einer benachharten Bucht. Als es Nacht wird, leuchtet das Land wie von Feuer ; auf dem Meer hört man den Ruderschlag einer feindlichen Flotte. Die Methymnäer wappnen sich, mancher glaubt, verwundet zu sein, einer liegt wie tot da. Es ist eine nächtliche Schlacht ohne Feinde. Der folgende Tag ist noch schlimmer. Die Böcke und Ziegen des Daphnis tragen Epheu in den Hörnern, die Schafe der Chloe heulen wie Wölfe, Chloe ist mit einem Fichtenkranz bekränzt. Die Anker hängen im Meeresgrund fest, die Ruder zerbrechen, Delphine schlagen an die Schiffe und beschädigen 1 Von einer Entführung der Geliebten des Daphnis durch Seeräuber weiß auch Servius zu Verg. Ecl. 8, 68 : Alii hunc Daphnin Pipleam amasse dicunt ; quam cum a praedonibus raptam Daphnis per totum orbem quaesisset invenissetque in Phrygia apud Lityersem regem servientem etc. [Loccrnyoüv-rocl yuvoc!:xe:t;. Vgl. auch 2 Pausan. VIII 23, 1 tv i11ovucrou -r'ij1 top-r'ij1 Kerenyi 2 5, 1 2 3, 1 2 8. Diese Geißelung kann als ein Vorgeschmack der Strafen aufgeiaßt worden sein, welche den Sünder im Hades erwarten ; die Aequivalenz der Initiationsriten mit dem S chicksal im Jenseits ist uns ja bekannt. Bei Kebes (Pinax 10) hält eine Frau namens T I[Lc.>p(oc die Geißel ; vielleicht sollte man die beflügelte Person in der villa dei misteri ebenso nennen. Die B eziehung der Schreckgestalten in den dionysischen Mysterien auf die J enseitsstrafen wird von Celsus bei Origenes IV 1 0 ausdrücklich bezeugt . Vgl. Nilsson, Dion. Myst. 1 2 2 f. , der auch Plut., Consol. ad uxorem 10 p. 6 l l D heranzieht. Mehrfach ist die Geiße lung der Initianden (bzw. der Satyrn) auf dionysischen Sarkophagen dargestellt, s . Vcrmaseren, Lato mus 1 960, 745-750. 3 Siehe Dodds zu Vers 52 und die Einleitung S. XXXII. Pentheus : Aesch. Eume .
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·• Er denkt also an Selbstmord ; vgl. Kerenyi 25. Nachher wird er ohnmächtig (II 30).
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sie. Von einem hohen Fels hört man den Ton einer Syrinx, der alle mit panischem Schrecken erfüllt. Man eilt wieder zu den Waffen und ruft "Feinde", obwohl niemand da ist. Um Mitternacht erscheint dem Stra tegen der Methymnäer Pan und befiehlt ihm, Chloe und ihre Herde sofort freizulassen. Man sucht Chloe und findet sie sofort ; der Fichten kranz ist das Kennzeichen (cruf.LßoJ.ov) . Als Chloe aussteigt, hört man wieder die Syrinx ; ihre Tiere springen a n Lantl und tanzen um das Mädchen, so daß alle den Pan preisen.1 Noch bevor man die Anker ein zieht, fahren die Schiffe, und ein Delphin schwimmt vor dem Führer schiff; Chloe und ihre Tiere führt der Ton der Syri n x . All dies sind dionysische Wunder, wie wir sie aus den Bakeheu kennen. Dort glaubt z. B. Pentheus, sein Palast brenne (624) ; er meint DionyHos zu fesseln und fesselt einen Stier (61 5 ff. ; vgl. auch 920 f.) . Auf dem Kitltairon tönt eine Stimme aus der Luft (1078, 1088) . Ein ganzes Heer kann Dionysos ohne Schwertstreich in die Flucht j agen (303 f.) : -
<:r't"poc't"ov yocp E:v ß7tAotc; llnoc x.&7tt "'*�e:crtv cp6ßoc; �te:7t't"67Jcre: 7tptv A6yx7Jc; ·lhye:'i:v. Eine Lichterscheinung wird in Vers 1083 beschrieben.2 Im homeri schen Dionysoshymnus wächst plötzlich Wein und Epheu auf dem Schiff, die Ruderpflöcke sind bekränzt ; Dionysos verwandelt sich in einen Löwen, ein Bär zeigt sich auf dem Schiff, und die Seeräuber, welche den Gott hatten fesseln wollen, stürzen sich in panischem Schreck selbst ins Meer. Dieselbe Szene hat Ovid beschrieben (Metam. 111 582-691) . Bei ihm steht das Schiff plötzlich still (660 f.) : stetit aequore puppis haud aliter quam si siccum navale teneret.
Solche dionysischen Wunder hat man auch im Kult zur Darstellung gebracht. Die römischen Bacchusdienerinnen liefen mit brennenden Fackeln zum Tiber, tauchten die Fackeln in den Fluß und zogen sie brennend wieder heraus ; die Fackeln waren mit Schwefel und unge löschtem Kalk präpariert.3 Auch das' vornehmste dionysische Wunder, die Verwandlung von Wasser in Wein, ist im Kult zelebriert worden.4 1 I I 29, 2 -&cxU!J.CX'n ae: 7ttX'I't"CuV E;(OfJ.EVCilV xcx1 't"OV Iliivcx &vEUCfl1JfJ.OUV't"CilV, eine areta logische Wendung. 2 Weitere Parallelen bei Dodds zur Stelle. 3 Livius 39, 1 3 , 12 matronas Baccharum habitu crinibus sparsis cum ardentibus faci bus decurrere ad Tiberim, demissasque in aquam faces, quia vivum sulpur cum calce insit, integra flamma efferre. 4 Siehe unten S. 2 2 1 , 2. 14
Merkelbach
2 } ()
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l>ie ])dphine, welche die Schiffe der Methymnäer beschädigen, nach lwr i h n e n aber voran schwimmen, sind Tiere des Dionysos. Auf der Sehale des Exekias (Pfuhl, Malerei und Zeichnung 231) schwärmen sie u m den Gott, der übers Meer fährt. In dem (aetiologischen) homerischen Hy m n u s werden die Seeräuber in Delphine verwandelt. Das Lysikrates
monumcnt zu Athen stellt die Szene dar.1 Die räuberischen Methymnäer vertreten Mysteriendiener : Chloe wird freigelassen, da sie das dionysische O'Uflßo:Aov trägt, den Fichtenkranz, und die Methymnäer rühmen den Pan. Die Beziehung des Pan zum Kreis des Dionysos braucht nicht belegt zu werden. Als Daphnis Chloe erblickt, eilt er auf sie zu, umarmt sie und sinkt ohnmächtig zu Boden. Langsam kommt dem von Chloe Umarmten das Lehen zurück. - Der Scheintod und das Erwachen erinnert an die oben besprochenen Stellen der Isisromane. 2 Nun feiern die beiden ein dionysisches Fest. Am ersten Tag bekränzt er eine Ziege mit Epheu und opfert sie den Nymphen. Man kocht das Fleisch, spendet aus einem Mischkrug Süßmost, bereitet das rituelle Lager aus Streu3 und feiert und scherzt zusammen. Am anderen Tag wird dem Pan ein Bock geopfert, der mit Fichtenzweigen bekränzt worden ist. Die Pflegeeltern des Daphnis und der Chloe sind dabei, und der Hirt (ßoux6:Aoc;} Philetas kommt zufällig mit seinem Sohn Tityros und bringt dem Pan ein Opfer von Trauben. Sie feiern ein frohes Fest.4 Philetas rühmt sich, nur dem Pan im Spiel auf der Syrinx nachzustehen. Daphnis bittet ihn seine Kunst zu lehren. Da schickt Philetas den Sohn 1 In Lesbos gab es eine Sage von Enalos auf dem Delphin (Plut. mor. p. 163 B, 984 E) ; in der Kaiserzeit prägte man Münzen mit Arion auf dem Delphin. In beiden Fällen hat Usener dionysische Bezüge nachgewiesen (Sintfiutsagen 160-163). Auf einer von D ölger, Antike und Christentum 3 , 1 9 3 2 , 210 behandelten Grabplatte mit der Inschrift Zw-nxoc; ' Emx-ri)m
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Tityros, seine große Syrinx zu holen. Tityros springt weg "wie ein Reh".l Inzwischen erzählte Lamon, der Pflegevater des Daphnis, den Mythos von Pan und Syrinx. - Dieser Mythos wird auch bei Achilleus Tatio� VIII 6 erzählt, vgl. oben S. 153. Sein Zusammenhang mit dem dionysi schen Kreis ist klar ; man denke an die Dar:stellung des syrinxblasenden Pan in der Villa dei misteri. Tityros ist zurückgekommen und hat die Flöt.(� gebracht. Philetas bläst nun wunderbar schön. Als er zu Ende ist, fiprin�t. Chloes Pflege vater Dryas auf und bittet ihn, er möge ein Diony:-;m;]ied spielen. Dazu tanzt er einen pantomimischen Keltertanz. Zuletzt führeil J >aphnis und Chloe den Mythos des Pan und der Syrinx auf; als Chloe ( Syri ux), vor Daphnis (Pan) fliehend, sich im Schilf versteckt, ergreift DaphniH die Syrinx und bläst ein so schönes Liebeslied, daß der alte Phih�tuH ihm die Syrinx schenkt. Am andern Tag schwören die beiden Liehcnd(�ll sich ewige Treue. - Dieser Schwur entspricht dem Eid der My:;tcn .2 Zu dem vorher geschilderten Dionysosfest ist zu bemerken, daß solche pantomimischen Darstellungen bei hakebischen Festen häufig waren .3 Die athenische lohakcheninschrift erwähnt als Figuren einer solchen Aufführung : Dionysos, Kore, Palaimon, Aphrodite und Proteurhyth mos:' Noch mehr Personen nennt eine ephesische lnschrift.5 Bei dem Dionysosfest in Naxos wurde der Mythos von Dionysos und Ariadne gespielt.6 Den Tanz der Hirten (ßoux6AoL) heim Dionysosfest erwähnt Lukian.7 1
II 3 3, 3 wcrrrep veßp6c; ; vgl. Euripides, Bakeben 866. Der Eid ist für den italischen Bacchanalienkult bezeugt. Livius 39, 18, 3 ex car mine sacro, praeeunte verba sacerdote, precationes feccrant. In 13, 5 fürchtet Hispala Faecenia , vor dem Konsul über die geheimen Handlungen auszusagen : magnum sibi metum deorum, quarum occulta initia enuntiaret, maiorem multo dixit hominum esse, qui se indicem manibus suis discerpturi essent. Der Eidschwur des Daphnis und einer Nymphe, sich treu zu bleiben, kommt auch vor bei Aelian, Var. Hist. 10, 18 und Ser vius zu Eclog. 5, 20. 3 Nilsson, Rel. I1 347. Dion. Myst. 59ff. 4 I. G. IP 1 3 6 8 Dittenberger-Hiller, Sylloge 1 1 09, 1 2 0 Ziehen, Leges sacrae l i 1 , 1 3 2 f.Lepwv ae: ywof.LeVWV ot!phw . . . ßL6vucroc;, K6p7], ITot:Aotlf.LWV, 'A
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I l l . Buch. E s wird Winter, Schnee fällt, die Hirten bleiben z u Hause.
Dapluüs und Chloe sind getrennt und sehnen sich nach einander ; "sie warteten auf den Frühling als auf die Wiedergehurt aus dem Tod".1 Daphnis geht auf Vogelfang ; in Wirklichkeit ist es nur ein Vorwand, um Chloc zu sehen. Vor dem Hof des Dryas, des Ziehvaters der Chloe, wächst nämlich Epheu von einem Myrrhenhaum2 zum andern und hil· dct eine Laube. Viele Vögel, von anderer Nahrung durch den Schnee abgeschnitten, picken an den Fruchtbüsehein des Epheus. Mit Schlinge und Leimrute gelingt es Daphnis, viele Vögel zu fangen. - Der Vogel fang mit der Leimrute ist wieder ein Thema der dionysischen Sarko· phage.3 Es ist ein Wintervergnügen der Eroten. Aber damit ist der Sinn dieser Darstellung wahrscheinlich nicht er· schöpft. In der korinthischen Isisprozession, welche Apuleius beschreibt, ziehen neben anderen Masken ein Vogelfänger und ein Fischer,4 Ganymed und Bellerophon mit Pegasus. Die beiden letzten Figuren symbolisieren Entrückung zum Himmel und Unsterblichkeit ; der Fischer, der den Fisch aus dem Meer5 zieht, ist ein Sinnbild für den geistlichen Vater, der den Mysten aus dem Reinigungs· und Taufbad zieht. Daß er öfters in den Romanen vorkommt, haben wir gesehen. Da liegt es nahe, den Leimrutenfänger ebenso zu deuten : er fängt als Mysterienpriester die als Vogel umherirrende Menschenseele. Daphnis wird ins Haus des Dryas eingelassen und umarmt alle, auch seine Chloe. Sie schenkt ihm zu trinken ein. Da man am andern Tag ein Dionysosfest feiern will, bleibt Daphnis über Nacht. Am andern Tag wird dem Dionysos ein Widder geopfert. Daphnis und Chloe fangen zusammen unter der Epheulauhe Vögel und tauschen Liehesworte. "Ich fürchte, Chloe, noch vor dem Schnee hin ich (aus Sehnsucht) zerschmol zen." - " Sei getrost (l.M.ppeL),6 Daphnis, die Sonne ist warm." - Die Dion. Myst. 59 f. führt weiter an Philo strat, vit. Apoll. IV 2 1 , den Periegeten Dionysios 839 ff. ( Geogr. Graec. min. II 155 f. ) und Suppl. Epigr. Graec. VI 59. 1 III 4, 2 -r�v �p�v�v &prx.v &ve!-f.e:vov Ex. &rx.voc-rou 1trx."A�yye:ve:crlrx.v. 2 Symbolik der Myrrhe : Cumont, La stele du danseur d'Antibes 12, 5. 3 Rodenwaldt, Archaeol. Jahrbuch 45, 1930, 1 68 ff. 4 XI 8, 3 nec ille deerat, qui diversis harundinibus alter aucupem cum visco, alter piscatorem cum hamis induceret. - V gl . auch oben S. 108. 6 Ü ber das Meer als Symbol der Materie, in welche die Seele gestürzt ist, s. unten s. 249, 1. 6 Daß man auch im Dionyskult &ocpcre:� sagte, zeigt der ho merische Dionysos hy mnns. Dort hatte der Steuermann den Seeräubern g eraten, den gefangenen .I ii np;l i np; ( Dionysos) frei zu lassen. Als nun die anderen Seeräuber ins Meer sprin o.: •• n u n d zu Delphinen verwandelt werden, hält Dionysos den Steuermann zu.
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Szene hat ein mythisches Vorbild : Dionysos und .Ariadne haben ebenso unter einer Laube miteinander gesprochen.1 Danach beginnt das Fest. Man spendet dem Dionysos, bekränzt das Haupt mit Epheu, ißt zusammen, j auchzt (tcxxx&.O'cx\l't'Ec;) und ruft s:uo'i:. Dann geht Daphnis nach Hause. - Hier spiegelt sich ein dionysisches Winterfest. Im Frühling sind Daphnis und Chloe die ersten , die ihre Herden auf die Weide treiben, "denn sie dienten einem grüllenm Hirten". Sie opfern den Nymphen und dem Pan, flechten Kränze untl flöten mit den Nachti gallen. In dieser Jahreszeit nun sieht Daphnis die Lich c:-;s p i d e der Tiere und meint, etwas Ähnliches mit Chloe tun zu sollen ; aber er weiß nieht wie. Die junge Frau eines alten Bauern der Nachbarschaft, Lykainion , die ohnedies in Daphnis verlieht war, erkennt seine Not. Zu seiner "H c ttu n g" ( O'WTI)plcx) greift sie zu einer List und lockt Daphnis allein in den Wald zu einer Quelle. Sie sagt, die Nymphen hätten ihr im Traum befohlen, ihn zu "retten" und ihn die Werke der Liebe zu lehren ; er solle ihr Schüler sein. Daphnis verspricht ihr Geschenke für ihre Lehren, und Lykainion vollendet mit ihm die "Erziehun g zur Liehe". Sie sagt ihm aber, wenn er dasselbe mit Chloe tun wolle, so werde er ihr weh tun und ihr Blut werde fließen. Da beschließt Daphnis, sich mit Chloe an den bisherigen unschuldigen Freuden zu begnügen, um der Geliebten keinen Schmerz zu bereiten. Als er zu Chloe zurückkehrt, hat sie gerade einen Blumenkranz geflochten und setzt ihn auf sein Haupt ; dann reicht sie ihm Brot. Die Szene, in welcher Lykainion Daphnis verführt, ist berüchtigt. Überhaupt hat man dem Longus oft Lüsternheit vorgeworfen. Unser Urteil wird nicht mehr ganz so streng ausfallen. Zur Initiation in die hakebischen Mysterien hat auch die Einweihung in das Geheimnis des Geschlechtsverkehrs gehört. Auf einem Fresko der Villa dei misteri2 und auf einem Stuckrelief der Villa Farnesina,3 auf zahlreichen Terracotten4 rück xrx[ fi.L\1 1:-!H)xe: 7ttxv6:AßLov (Mysterienwo rt) dm� Te: fi.Ü.&ov · .&&pcre:L . . . Man sieht, wie alt e Wurzeln das Mysterienwesen hat. - Vgl. auch Euripides, Bakchen 607. 1 Grabaltar der Claudii im Vaticanischen Museum (Bruhl, Liber Pater Tafel l 6). 2 Oben S. 49 Abb. 9. Harrison, Prolegomena 520 fig. 148 Leipoldt 3 Cumont, Rel. or. Tafel XVI 1 Abb . 168 Nilsson, Dion. Myst. 7 9. 4 v. Rohden-Winnefeld, Die antiken Terracotten, Text S. 52-54 ; Leipoldt Abb. 172 Nilsson, Dion. Myst. 128 Abb . 35. Vgl. auch Cumont, Rel. Or. Tafel XVI 2 Lei poldt Abb. 1 7 1 Harrison 519 fig. 147 Nilsson, Dion. Myst. 89 Abb. 18. =
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Mosaik1 wird vor einem Mädchen bzw. vor einem als K i nd gebildeten Neophyten der Phallos enthüllt. Auf dieses Ritual .o.; piclt die Szene des Longus an. Wir erinnern uns der Hochzeit der Psyche und der Szene im Kerker zwischen Melite und Kleitopbon ; der Kult des Dionysos und der Isis waren in diesem Punkte gleich. Lykainion ist also nicht nur leichtsinnige Person, sondern auch Mystagogin.2 Wenn man gerecht urteilen will , muß man wenigstens bedenken, wie Longus die Szene beurteilt wissen wollte ; er hat es deutlich gesagt mit den Worten "lehren" und "erziehen", ja sogar "retten" und "Rettung", also mit Worten religiösen Klanges ; und seine Chloe setzt dem Daphnis einen Blumenkranz auf.3 Man mag über die dionysischen Mysterien urteilen, vielleicht sie verurteilen ; den Schriftsteller Longus, der an das Ritual gebunden war, wird man stark entlastet finden. Eines Tages fährt ein Schiff mit Fischern am Ufer vorbei. Sie singen frohe Lieder, und ein Echo wirft den Schall zurück. Da Chloe sich hier· über wundert, erklärt ihr Daphnis das Wesen des Echos, indem er ihr den Mythos von Pan und der Nymphe Echo erzählt. Die Nymphe konnte gut singen und musizieren und wies alle Männer ab, auch Pan. Der ergrimmte und hetzte die Hirten auf sie ; sie zerrissen sie und warfen die noch singenden Glieder allenthalben zur Erde. Die Erde verbarg die Glieder und beließ ihnen die musikalische Kunst ; sie ahmen alle Töne nach, und wenn Pan auf der Syrinx bläst, hört er die Stimme der Echo, springt auf, sucht sie und durchirrt vergeblich die Berge. - Die Zerreißung der Echo erinnert an die Zerreißung des Dionysos Zagrens und anderer Personen, die mit Dionysos zusammenhängen : Ikarios, Pentheus, Lykurgos, Dirke, Itys ; auch an Orpheus ist zu erinnern. Noch Theokrit 26 (A�VIX�) spielt auf ein solches ZerreiBungsritual an. Auch in den italischen Bacchanalien wurde den Initianden angedroht, wer die Geheimnisse ausplaudere, werde zerrissen werden.4 In der Kaimul a u f einem
Nilsson, 1 Mosaik von Cuicul ; Leschi, Monuments Piot 35, 1936, Tafel VIII Dion. Myst. 96 Abb . 23. Bezeichnend ist der l etzte Satz im Buch des Longus : XA61] . . . &fiocx&EV Ö·n -roc e7tt Tij<;; G/.1]<;; yEV6floEVCX �V 7t0tl-ltvcov 7tcxlyvtcx ; was zwischen Lykainion und Daphnis im Wald geschah, war ein Spiel der Hirten. Diese Hirten sind die bakebischen Mysten. 2 Man beachte, daß sie an dem Schlußbankett teilnimmt ; sie ist also Mystin. - Das dio nysische Ritual parodiert Petron 2 5 f. 3 Die Bekränzung gilt dem neuen Mys ten s. Apuleius, Met. XI 24, 4 und Kebes, l'inax 22 (Anspielung auf pythagoreische Mysterien). 4 Livius 39, 13, 5 (s. oben S. 2 1 1 , 2) qui se indicem manibus discerpturi essent. Der Ver rji t o· r w i rd zum Opfer für Dionysos geweiht. Vgl. Cumont, Rel. Or. 1 98 und Firmic. M u t o·rnus, Dc crrore 6. =
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serzeit sind die Dionysosfeste viel zahmer geworden ;1 bei Longus wird auf das alte blutige Opfer nur noch in einer Erzählung angespielt. Inzwischen ist es Sommer geworden, und das Paar genießt seine Freuden. Aher nun kommen viele Freier z u Chloes Ziehvater und bieten für sie reiche Geschenke. Daphnis ist verzwei fel t und bittet die Nymphen um Hilfe. Sie erscheinen im Traum und kii l u l e n ihm an, er werde am Ufer neben einem gestrandeten Delphin eine lliir:-;c mit 3000 Drachmen finden. Er sucht am Tag und findet den Beutd. - Der Delphin ist ein dionysisches Tier, s. oben S. 2 10 ; der Gott selb:-;t hat D a p h ni s das Geld geschenkt. Froh geht er zu Chloes Zieheltern, die gerade beim D rcsdtcn sind.2 Er bittet um die Hand des Mädchens : "Ich bin ein guter Hirt, und die Zahl meiner Tiere hat sich verdoppelt.3 Eine Ziege hat mich ge n ährt, wie ein Schaf die Chloe." Er gibt Chloes Ziehvater das Geld, und cl ieser verspricht die Hochzeit. Der Ziehvater des Daphnis aber ist Sklave jenes ungenannten reichen Mannes (Dionysophanes). Er will die Hoch zeit erst im Herbst ausrichten, wenn der Herr "ankommen" wird. Die Hochzeit findet am großen Herbstfest des Dionysos statt ; sie ist mit der Mysterienweihe identisch. Voller Freude meldet Daphnis der Chloe die frohe Nachricht von der bevorstehenden Hochzeit. 4 Von einem abgeernteten Apfelbaum bricht er den letzten und schönsten Apfel, den die Pflücker nicht hatten er· reichen können, 5 und schenkt ihn seiner Braut. - Hier wird vermutlich 1 Siehe immerhin die oft behandelte milesische Inschrift (Sokolowski, Lois sacrees de l'Asie Mineure 48 ; Quandt 171 ; Nilsson, Dion. Myst. 6 Anm. 8) mit dem merkwürdi gen (L-l] J:�e:tva:t til(Lo
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wieder auf ein Ritual angespielt : Der Bräutigam mußte seiner Braut
Liebesapfel schenken.1 IV. Buch . Zu Beginn des Herbstes meldet ein Bote aus Mytilene, daß der Herr kurz vor Beginn der Weinlese "ankommen" werde, um die Felder zu inspizieren. - o Öe:cr7tOTIJ<; &({l[i;e:'t'ou ; der Herr heißt Dionyso phancs ; er kommt an zu dem Fest wie Dionysos selbst zum Fest an kommt ; die Weinlese, zu welcher Dionysophanes kommt, ist das Haupt· fest des Dionysos. Dionysophanes ist also nur der Vertreter des in Epiphanie erscheinenden Dionysos. 2 Er ist der wahre Vater des Daphnis, wie der Gott im Mysterium Vater des Mysten wird. Lamon bereitet alles für die Einkehr (x<X't'<X"(Wyf)) des Herrn. - "Kata gogia" war ein häufiger Name für das Hauptfest des Dionysos.3 Vor allem mußte der Lustgarten (7t<XpcX.Öe:Lao<;) für den Besuch des Herrn hergerichtet werden. In ihm waren Obstbäume, zwischen denen Trauben wuchsen, und Blumenbeete ; außen um den Garten standen Cypressen, Lorbeer, Platanen und Fichten. 4 Mitten im Garten war ein Tempel und Altar des Dionysos ; um den Altar wuchs Epheu, um den Tempel Reben. Im Tempel waren Bilder, welche dionysische Mythen darstellten ; überall sah man kelternde Satyrn und tanzende Bakeben ; Pan saß und blies die Syrinx. - Die tanzende Bakche und den syrinx blasenden Pan kennen wir aus der Villa dei misteri. Lamon bekränzt das Standbild des Dionysos und bewässert die Blu men, Daphnis gibt sich mit seiner Herde besondere Mühe. Sie war unter seiner Hut trefflich gediehen ; "man hätte glauben können, die heilige Herde des Pan zu sehen". ��incn
der nun gepflückt wird, die jungfräuliche Braut. Bei Longus will Chloe den Daphnis hindern, den Apfel zu pflücken, und läuft fort (111 34, 1). Aber Daphnis weiß sie zu ver söhnen. 1 V gl. die aetiologische Sage von Akontios und Kydippe (Archiv für Papyrusfor schung 16, 1956, 89, 3) und die von J. Trumpf gesammelten Belege (Hermes 88, 1960, 14-22) . 2 Chalk 43 bemerkt sehr gut, daß Dionyso-phanes auch auf den orphischen Welt schöpfer Phanes anspielen soll. Zu den vielen Namen des Phanes gehören auch "Eros" und "Dionysos", s. z. B. Guthrie, Orpheus and Greek Religion 80 ; Diodor I 13, 3 ; Macrob. Sat. I 18, 1 2 ; Orph. fr. 237 Kern. 3 Inschriften der lobakchen, I. G. 112 1368, 1 14 Dittenberger-Hiller 1 1 09 Ziehen, Leges sacrae 46 ; Inschrift von Priene 174, 21 Quandt 168 ; Inschrift von Milet bei Haussoull ier, Rev. Et. Gr. 32, 1919, 262 Zeile 21 Quandt 171 ; über Ephesos s. Usener, Acta S. Timothei (Bonn 1877) 11 Zeile 45 ff. xci.&o lloL des Dionysos zu Rhodos, Quandt 204 und Rev. Et. Gr. 17, 1 904 205. Euripides, Bakeben 85 AL6vucrov )(()(TtXYOUO"()(L. 4 Symbolik der Cypresse : Cumont, La stele du danseur d'Antibes 37 ff. ; des L or lu,.,r�, cbd. 1 4 ; Platane, Collegium der dionysischen llA()('t"()('ILO"'t""I)V O[ zu Magnesia, " · ()uundt. 1 62 f. ; Fichte, s. oben S. 202, 4. =
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Bald kommt ein zweiter Bote, Eudromos, und bringt den Befehl, die Trauben zu ernten und den Saft zu ungegorenem Wein zu pressen ; danach werde der Herr seTher kommen. - Dieser Herr mit Namen Dionysophanes kommt also in dem Augenblick, wo der ausgepreßte Traubensaft zur Gärung kommt und so Dionysos (Wein) wird.l Der Herr ist eben Dionysos selber. Die beiden Boten uus der Stadt vertreten Herolde des Mysterienkultes.2 Die Hirten ernten also die Trauben, keltern und füllen den Saft in Fässer. Einige schöne Trauben ernten sie, keltern l'ie aber noch nicht, "damit auch die aus der Stadt kommenden ein Abbil d der Weinlese und ihre Freuden haben sollten". - Man wird nicht bezweifeln, daß die Mysten der hakebischen Mysterien sich, genau wie hier die Städter, die Anstrengungen der Weinlese erspart und ein Kelterfest gefeiert ha ben, welches ihre Sklaven vorbereitet hatten. :J Aber noch stand den Hirten ein großer Schrecken bevor. Ein über mütiger Hirt, Lampis, der ehenfalls um Chloe freit, will seinem Rivalen Daphnis und dessen Ziehvater Lamon Schwierigkeiten schaffen und wütet nachts in dem Lustgarten "wie ein Wildschwein". Er hofft, der Herr werde die beiden dafür bestrafen. - Auch dieser Schrecken dürfte eine Probe- und Schreckszene der Mysterienweihe vertreten. Man he achte, daß Lampis ein ßoux6:Ao� ist. Wenn Dorkon ein Wolfsfell an gezogen hatte, so benimmt sich Lampis wie ein Wildschwein. Lamon fürchtet, der Herr werde ihn an einer Fichte aufhängen, wie den Marsyas ; Chloe fürchtet für Daphnis dasselbe und stellt sich vor, wie er gegeißelt wird. Und schon kommt der Bote Eudromos und meldet, der Herr werde in drei Tagen kommen, sein Sohn Astylos aber schon morgen. Am anderen Tag kommt Astylos mit seinem Parasiten Gnathon. Lamon und Daphnis fallen ihm zu Füßen, erbitten und erhalten Gnade. Astylos geht nun auf die Hasenj agd. - Wir haben schon oben S. 206 gesagt, daß die Hasenjagd als Vergnügen der Eroten und Dionysosmysten oft auf den hakebischen Sarkophagen dargestellt ist. Der Parasit Gnathon hat sich in Daphnis verlieht, macht ihm Anträge und versucht schließlich, Gewalt zu gebrauchen. Aber Daphnis wehrt 1 V gl. oben S. 205, 1. 2 Vgl. z. B. den !e:poiJ.'I�iJ.W'I der Inschrift von Torre Nova. 3 Vgl. das Fest der Messalina, Tac. ann. XI 3 1 , 2. Messalina adulto autumno simulacrum vindemiae per domum celebrabat. urgeri prela, fluere lacus ; et feminae pelli bus accinctae adsultabant ut sacrificantes vel insanientes Bacchae etc. •
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nieder und flieht.1 Gnathon will sich nun den jungen
S k l a v e n von Astylos als Geschenk erbitten. E nd lich
kommt Dionysophanes mit seiner Frau und großem Gefolge.
opfert den Göttern des Landes, Demeter, Dionysos, Pan und den Nymphen, und stellt einen großen Mischkrug auf.2 Dann visitiert er das Anwesen des Lamon und die Herden des Daphnis. Er ist mit beiden sehr Er
zufrieden. Als er zu Daphnis kommt, hat dieser ein Ziegenfell umgegürtet und einen neuen Ranzen über die Schulter gehängt ; es ist wohl das Hirten· kostüm der Mysterien. Er bringt frischen Käse und junge Böcklein, die Weihgeschenke des Mysten, und reicht sie dem Herrn.s Als Lamon erzählt, daß die Herde des Daphnis auf seine Syrinx höre, verlangt die Frau des Dionysophanes eine Probe und verspricht dem Daphnis ein neues Gewand und neue Schuhe. Darauf bläst Daphnis die Syrinx. Bei j eder Melodie verhalten sich die Tiere anders : bald weiden sie, bald legen sie sich nieder, bald fliehen sie in den Wald als ob sie der Wolf verfolge, bald kommen sie wieder zurück. Alle staunen über dies wunder· bare Flötenspiel, und Daphnis soll die versprochenen Geschenke er· halten. 4 Das wunderbare Spiel des Daphnis erinnert an Orpheus, und von der Verwandtschaft des orphischen und dionysischen Kultes ist schon die Rede gewesen. Das Spiel des Orpheus ist nicht erst von Longus auf Daphnis übertragen worden ; schon Silius Italicus kennt es (XIV 467 :ff. ) : Daphnin amarunt Sicelides Musae ; dexter donavit avena Phoebus Castalia et iussit, proiectus in herba si quando caneret, laetos per prata per arva ad Daphnin properare greges rivosque silere. -
Gnathons Liehe zu Daphnis war nun erst recht entflammt. Er führt seinen jungen Herrn Astylos in den Dionysostempel, fällt ihm zu Füßen 1 Auf einer attischen Vase (um 475) sieht man, wie Pan einen j ungen Hirten fangen will, der sich mit der Geißel wehrt (Pfuhl, Malerei und Zeichnung Ahb . 476). In Theo· krits drittem Epigramm soll Daphnis vor Pan und Priap fliehen. Offenbar handelt es sich um dieselbe Episode. Sie wird in der Weihe gespielt worden sein. 2 Vgl. den x.p<XTI)p t<XX.O<; der dionysischen Inschrift von Apollonia in Thrakien, C. I. G. 2052 ; Nilsson Opusc. 533 und Dion. Myst. 53 Anm. 46. " Dabei "sprach er nichts, sondern blickte verlegen errötend zu Boden" (IV 14, 2). Dies i�t das Schweigen des Mysten (Chalk 43 Anm. 72). ·• Dumit wird auf das neue Gewand angespielt, welches der Myste bei der Weihe er h i d t.. Vgl. Apuleius XI 14, 5.
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und erbittet sich den jungen Sklaven als Geschenk. Astylos verspricht, er wolle sich Daphnis von seinem Vater schenken lassen. Zufällig hat das . der Bote Eudromos, der dem Daphnis wohl wollte, gehört und meldet es dem Lamon. DieHer beschließt, seinem Herrn nun das Geheimnis des Daphnis zu enthiillt�n. Vor vielen Anwesenden1 schwört er, er werde die Wahrheit sagen, erziiltlt von der Aussetzung und Rettung des Knaben durch die Ziege2 u n d ven•pricht die Erken· nungszeichen (yv(J}plcr[J.<X't"<X, O"Uf.l.ßol-a) zu holen. (;.n at.hon droht mit Schlä gen, aber Dionysophanes heißt ihn schweigen. Als Lammt die Erken nungszeichen bringt, erkennt Dionysophanes in Daplmis seinen Sohn. Hier tauchen also wieder die Erkennungszeichen auf, wdche mit Daphnis ausgesetzt worden waren. Man meint zunächst, clic�s wärcl ein Motiv aus der neuen Komödie. Aber es ist ein Ritual.3 Bei der Weihe wurden dem Initianden gewisse Gegenstände übergehen, welche ihn als Mysten auswiesen. So wurden mit Daphnis die Zeichen ausgesetzt, wel che ihn nun als Sohn des Dionysophanes ( Dionysos) legitimieren. Die Rolle dieser Erkennungszeichen in den dionysischen Mysterien ist bekannt. Die Hauptstelle ist Apuleius, de magia 55/56. Apuleius war beschuldigt worden, in einem Tuch Zaubergerät aufzubewahren. Er gibt zu, daß er zu Hause geheime Gegenstände in einem Tuche hat. Aber es sind keine Zauhergeräte, sondern Erkennungszeichen, welche ihm bei der Mysterienweihe von den Priestern ausgehändigt worden sind. Die Mysten des Dionysos unter den Anwesenden, sagt er, wissen darüber Bescheid. Kein Profaner darf diese heiligen Gegenstände sehen ; nur einem Mysten, der sich durch ein Erkennungszeichen ausgewiesen hat, wird Apuleius sagen, was in dem Tuch ist.4 Astylos eilt, Daphnis als seinen Bruder zu umarmen. Als dieser ihn kommen sieht, fürchtet er, er solle abgeholt und dem Gnathon geschenkt =
1 Die Wiedererkennung findet also in Anwesenheit vieler Zeugen statt. Dies ist ein aretalogisches Motiv (Kerenyi 9 und 17). 2 Lamon hat die Ziege sogar bestattet, da sie die Stelle einer Mutter vertreten hat. 3 Auch die Erkennungszeichen der Komödie stammen letzten Endes aus uralten sacralen Spielen. 4 Apul. mag. 55 Sacrorum pleraque initia in Graecia participavi. eorum quaedam signa et monumenta t radita mihi a sacerdotibus sedulo conservo. nihil insolitum, nihil in cognitum dico. vel unius Liberi patris mystue qui adestis scitis quid domi conditum celetis et absque omnibus profanis tacite veneremini . . . 56 etiam cuiquam mirum videri potest, cui sit ulla memoria religionis, hominem tot mysteriis deum conscium quaedam sacrorum crepundia domi adservare? . . . si qui forte adest eorundem solemnium mihi particeps, signum dato, et audiat licet quae ego adservem. nam equidem nullo umquam periculo compellar, quae reticenda accepi, haec ad profanos enuntiare. V gl. auch Plutarch, Consol. ad uxorem 10 p. 6 1 1 D ; Hähnle, rvwplcr!J.a:Ta:, Diss. Tübingen 1 929.
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werden. Er läuft fort und will sich lieber vom Fels ins Meer stürzen. Als Astylos stehenbleibt und ihm zuruft, er solle sich nicht fürchten, er sei sein Bruder, kommt Daphnis zurück. Er umarmt Eltern und Bruder und erhält ein neues Gewand. Man opfert dem Retter Zeus und feiert ein Trinkgelage, und "rasch kam das Gerücht zu allen, daß Dionysophanes seinen Sohn gefunden hatte". - Dies ist ein uns schon vertrauter aretalogischer Zug. Daphnis gibt nun dem Dionysos Ranzen und Fell als Weihgabe, dem Pan Syrinx und Querflöte, den Nymphen Hirtenstah1 und Melkeimer. Chloe fürchtet, Daphnis habe sie vergessen und beschließt zu sterben. Der Hirt (ßoux.6:t.. o �) Lampis meint, j etzt sei seine Zeit gekommen, und entführt Chloe. Als Daphnis dies gemeldet wird, ist er untröstlich und weint. Der Parasit Gnathon, der gegen Daphnis ein schlechtes Gewissen hat und den neuen Sohn seines Herrn für sich gewinnen will, läuft zum Hof des Lampis, entreißt ihm Chloe und bringt sie zu Daphnis. Daphnis ist glücklich und verzeiht dem Gnathon. - Alles bezieht sich wieder auf die Weihe. Der räuberische Lampis ist ein ßoux.6:t..o �, also ein Myste riendiener ; er soll Chloe nur in Versuchung führen, und darum werden ihm auch am Ende seine Untaten ohne weiteres verziehen (IV 38, 2). Der Raub der Chloe durch Lampis entspricht der Versuchung des Daphnis durch Gnathon ; auch diese entspricht also einer Probe bei der Initiation. Dem Gnathon wird sofort Gelegenheit gegeben, sich zu re habilitieren ; er ist nicht wirklich schlecht, er hat nur eine Rolle gespielt. Schließlich erklärt sich auch die Untätigkeit des Daphnis, die in der Erzählung sehr sonderbar ist ; die Rolle des Mysten bei der Initiation war passiv. Chloes Ziehvater Dryas beschließt, auch das Geheimnis seiner Tochter zu enthüllen, erzählt von ihrer Aussetzung und wunderbaren Rettung2 und bringt die Erkennungszeichen. Da spricht Dionysophanes der Chloe guten Mut zu (7totpex.e:t.. eue·w &otppe�v) und sagt, er hoffe, ihre Eltern bald zu finden. Den Daphnis fragt er, ob Chloe noch Jungfrau sei, und freut sich, als dieser es beschwört. - Auch die Mysterien des Dionysos legten also Wert auf Jungfräulichkeit der lnitiandinnen. Die Zurück haltung des von Lykainion helehrten Daphnis gegen Chloe hatte also auch einen rituellen Grund.a 1
xo:/.o:upo\)1, das pedum der bakebischen Sarkophage. In Theokrits zweitem Epigramm
w1•iht Daphnis Flöte, Wurfholz (!.o:ywß6/.ov), Speer, Rehfell und Ranzen. 2 Das Schaf, welches Chloe rettete, ist auch bestattet worden. Die Parallelität von l ln ph n i s und Chloe ist genau durchgeführt. " l l i1·r iHt au f eine Szene zu verweisen, die schon oben S. 49 und 2 1 3 f. besprochen
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Man zieht auch Chloe ein neues Gewand an1 und staunt nun erst recht über ihre Schönheit .. Wieder werden Opfer geschlachtet und Mischkrüge aufgestellt. Chloe weiht Syrinx, Ranzen, Fell und Eimer. - Alles ist dem parallel, was von Daphnis erzählt wurde. Gewiß handelt es sich um ein Ritual ; man sieht j a solche Weihungen oft auf den Monumenten dargestellt. Chloe gießt sogar Wein in die Quel le der Nymphengrotte und badet darin. Man denkt an die wumlcrharcn Quellen, welche sich bei Dionysosfesten aus Wasser in Wein verwandelten. 2 Als das Fest beendet ist, kehren Dionysophancs m i t Daphnis, Chloe und seinem Gefolge in die Stadt zurück, u m die Eltern der Chloe zu suchen. Sie treffen nachts ein und bleiben so zunächst verborgen. Am nächsten Tag versammelt sich viel Volk vor dem Hause, um zu gratu lieren. Man staunt über die Schönheit von Daphnis und Chloe und preist das Brautpaar glücklich. Nachts befiehlt Eros dem Dionysophanes im Traum, er solle die vor nehmen Mytilenäer alle zu einem Gelage einladen, beim letzten Misch krug die Erkennungszeichen vorzeigen und dann das Hochzeitslied an stimmen. Dionysophanes befolgt den Befehl. Als mit dem dritten Misch krug3 die Erkennungszeichen der Chloe gebracht werden, erkennt der älteste und letzte Gast, Megakles, Chloe als sein Kind. Ihm hatte über dies geträumt, daß eine Herde ihn zum Vater machen werde. - Es ist der wunderbare Doppeltraum, der uns schon oft begegnet ist. Dionysophanes führt Chloe ihrem Vater zu : "Dieses Kind hast du ausgesetzt, diese Jungfrau hat dir ein Schaf durch die Vorsehung der worden ist : Ein Mädchen hebt den Schleier, welcher über das Li.knon gebreitet war, und enthüllt den Phallos. Ein anderes geflügeltes Mädchen wehrt mit der Hand ab und flieht mit allen Zeichen des Entsetzens. S. Nilsson, Dion. Myst. 96 u. 1 2 8 f. ; Cooke, Journ. Rom. Stud. 3, 1913, 162 f. ; Bieber, Archaeol. Jahrb. 43, 1928, 308 f. - In der Initiation folgte auf die Enthüllung des Phallos die Geißelung durch das geflügelte Mädchen, s. die Villa dei misteri. Flügelwesen im bakebischen Kult schon früh : Pfuhl, Malerei und Zeichnung 427. 1 Das Gewand des Mysten, s. oben S. 218. 2 Vgl. Otto, Dionysos 91 f. ; Dodds zu Euripides Bakchen 704 ; Nilsson, Rel. !2 589 ; Campbell-Bonner, Am. Journ. Arch. 33, 1929, 368 ; Archiv für Papyrusforschung 1 6 , 1 9 5 6 , 8 9 , 2 . Eine Weinquelle wurde i n der dionysischen Prozession des Ptolemaios Philadelphos mitgeführt ; Athen V 31 p. 200 C (444, 17 Kaibel) Kallixeinos 627 F 2 (p. 172, 23 J ac. ). - Zur Feier von Hadrians Thronbesteigung will man sich den fLe-&cw; -rcxi:<; chco xp�v1)<; hingeben, heißt es in einem Papyrus (Mitteis- Wilcken, Grundzüge und Chrestomathie der Pap. Kunde I 2, S. 571 Nr. 491). 3 D er "dritte Mischkrug" hatte eine mystische Bedeutung, s. Apostolios 1 7, 2 8 (Paro emiographi I I 692) : -rph·ou xpcxrijpo<; E:ye:u crw btt -r:wv fLEfLU'lJfLevwv -r: <X -r:e:Ae: w-r:cx-r:cx xd O'WT'lJfl�N3ecrTCXTCX. Dieterich, Mithrasliturgie 2 1 4 . =
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wie mir eine Ziege den Daphnis . . . Beide haben wir u u :-:p;c�sdzt, heidc haben wir gefunden, um beide haben sich gesorgt l 'a u , d i e Nymphen und Eros."1 Dies klingt nun wirklich wie das eup� xcqtev cruyxcx[pof.LEV der Isismysterien.2 Auf die Bitten des Daphnis und der Chloe kehren am nächsten Tag alh� aufs Land zurück. Man feiert eine Hirtenhochzeit. Bei den Nymphen übergibt der Vater die Tochter, und vor der Grotte läßt Dionysophanes eine Streu aus grünen Blättern aufschütten. - Über die Streu (cr-r�ß&c;) haben wir schon oben gesprochen. Für das Schlußbankett erinnern wir uns des Göttermahls am Ende des Psychemythos und des Mahls des Lucius nach der Weihe (Apuleius XI 24).3 Das Festgelage war ländlich ; man sang Schnitterlieder und spottete wie bei der Kelter ; man blies auf Syrinx und Flöte und tanzte. Das Fest war also dem Weinlesefest des Vorjahres (Ende von Buch II) sehr ähnlich. Am Abend sang man dem Brautpaar den Hymenaios. Daphnis und Chloe lebten aber nicht nur damals, sondern für immer auf Hirtenweise.4 Ihren Sohn legten sie an eine Ziege, ihre Tochter ließen sie an einem Schaf saugen. Sie schmückten die Nymphengrotte und stellten Bilder auf; sie weihten Eros dem Hirten5 einen Altar und bauten dem Pan unter der Fichte einen Tempel des Kriegers Pan. An den Kindern wiederholt sich also das Schicksal der Eltern. Man darf sagen : "Das oc'l-nov wird hier gleich in seiner ersten Auswirkung geschildert, eine Reihe ist eröffnet, ein Ritus eingeführt, die Tradition eines mystischen �PWf.LEVOV beginnt."6 Die Aussetzung und wunderbare C ; ; ; 1 1 c • r a u fp;c�:w�<�n ,
1 IV 36, 2 &!J.Cpo-ripou� t�e:.&·�xoq.J.e:v, &fL<JlOTepou� e:üpl)xctf.Le:v, &fL<JlOTeprov tf.Lel.'l) cr e: Ilctvt xctt NUfL<JlGtL� xctt "E pron ; man beachte die oben S. 142 und 152 bespro chene a syndetische Nebeneinanderstellung der Sätze. • Schol. Iuvenal VIII 29. Seneca Apocol. 13. Athenagoras 22. Firmicus Maternus. de errore 2, 9. Vgl. Georg Rohde, Rhein. Mus. 86, 1937, 48. 3 Vorschriften für ein dionysisch-orphisches Kultmahl gibt die oben S. 195, 1 angeführte Inschrift von Smyrna. 4 Man könnte sagen, sie lebten in jenem unendlichen Festgelage in der freien Natur. das sich die Dionysosmysten im Jenseits erhofften. Vgl. z. B. Cumont, Rel. Or. 201 ff. und Lux Perpetua 255 ff. Das Bankett im Jenseits ist auf vielen Grabsteinen dargestellt. 5 "1I'OLf.LlJV und 7\'0Lf.Lctlve:Lv sind Worte, die auch der mystischen Sprache angehören'\ sagte Georg Rohde mit Recht (Rhein. Mus. 86, 1937, 47). Er verweist auf Poimandres und Corp. Herrn. XIII 19. 8 Georg Rohde 4 7 f., der freilich diesen Gedanken nur hypothetisch äußert. Über das Alter der Tradition von der Aussetzung des Daphnis s. oben S. 198, 5. Man wird die Frage aufwerfen müssen, ob Daphnis schon für Theokrit der Exponent eines 1Jionysoskultes unter den sizilischen H'rrten gewesen ist ; der Name des Sängers des 1Japhnislicdes - Thyrsis - und die Epigramme 2 und 3 sprechen entschieden dafür. A l u�r viellc�icht war Theokrit selbst ein ßoux6t.o� des Dionysos ; man denke an die
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Nährung ist ein Bild der Weihe. Auch die Kinder des Paares werden als Böcklein in die dionysischen Mysterien eingeweiht.1 Die Unterschiede dieses Dionysosromans von den Isisromanen, welche wir hisher kennengelernt haben, sind beträchtlich. 1) Longus stellt eigentlich nur die zweij ährige Zeit des Noviziats der Dionysosmysten dar, welche gleichzeitig ciiw Vorwegnahme des seligen Lehens im Jenseits ist. Ernste Gefahren hetlrolwn Daphnis und Chloe nicht, denn die Räuberüberfäll e bleiben Epi,.;ml en . Die Isisromane da gegen stellen im Bild der Seereise, des Sc�h ifl"hru dll', d er Irrfahrt das ganze Lehen dar, das von Tyche regiert wirtl .2 Er,.;t mwh schweren Prüfungen führt lsis-Tyche ihren Mysten in den rettenden Hafen . 2) Die lsisromane beziehen sich durcl•gclumcl auf den l�ei1igen Mythos und lehren, wie der Myste sein ganzes L<�hen als eh1c imitatio deae lsidis auffassen soll. Bei Longus sind dagegen die Anspielungen auf den Mythos seltener, die Identifikation des My10t<m mit Gott wird weniger stark empfunden. 3) Wenn man den Unterschied auf ein e knappe Formel bringen will . könnte man sagen : Bei Longus finden wir Sehnsucht nach einem leichten und schönen Lehen, nach Liehe und Natur, in den lsisromanen die Sehnsucht nach Rettung (crcuTijpLct). Di e dionysischen Fresken der Vill a dei misteri sind schöner als die uns erhaltenen Denkmäler der lsisreligion,. wohl kaum aus Zufall ; aber der lsiskult hat mehr religiösen Ernst und mehr Tiefe. Daß die literarische Form des Mysterienromans in Ägypten entwickelt worden ist, wird kaum jemand bezweifeln ; zu deutlich ist die Trans position des lsismythos in die Romanhandlung, welche fast stereotyp ist, weil die Beziehung auf den Mythos nie aufgegeben werden durfte. Bei Longus und in dem gleich zu behandelnden Roman des Antonius Diogenes wird die im lsisdienst geschaffene neue literarische Form von Thalysia, die Lenai und die Syrinx ; Phili(s)kos und Dosiadas waren Dionysosmysten,. Simias anscheinend Orphiker. Wir können die schon von Reitzenstein (Epigramm und. Skolion, 1 893) behandelte Frage hier nicht verfolgen. 1 Daß es solche Kinderweihen gegeben hat, ist durch dionysische Grabsteine von Kindem bezeugt, z. B. Bücheler, Anthol. 1233, Kaibel, Epigr. 153 ( = 1029 Peek) und 587 (= 974 Peek). Vgl. den lEpo.; 1t�i:.; der lobakcheninschrift (Syll. l l09, 55) ; Cu mont, Symbolisme funeraire 284, 2 und 345, 1 ; Nilsson, Dion. Myst. 106 ff. Auch die Schalen des Perennius aus Arezzo sind hier zu erwähnen, auf denen ein Silen ein kleines Kind zu einer Dionysosfeier trägt, s. Nilsson, Dion. Myst. 93-95. S. auch Egger, Der Grabstein von C ekancevo (Wien 1950) 23. 2 Bezeichnenderweise spielt Tyche bei Longus keine Rolle ; nur einmal wird sie am Rande erwähnt (111 34, 1).
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den griechischen Mysterienkulten übernommen. Man hatte offensichtlich das Bedürfnis, hinter den modernen, orientalischen Kulten nicht zurück zubleiben. Wir haben hier ein sicheres Beispiel dafür, daß die halb orientalischen Religionen der hellenistisch-römischen Zeit die alten grie chischen Mysterien heeinflußt hahen.1 1 Ein anderes Beispiel ist, daß Plutarch seine Schrift De Iside der Führerin der delphischen Thyiaden, Klea, gewidmet hat. - Die Bedeutung des orientalischen Ein flusses auf die griechischen Kulte der Kaiserzeit hat Cumont immer betont. Daß andererseits die Isismysterien ohne das Vorbild der eleusinischen Mysterien nicht denk· bar sind, ist bekannt.
ANT O N I U S
DIO GENES
"Die wunderbaren Abenteuer jenseits von Thule" ('t'oc Ü1tep 0oUA1JV &mcr't'oc) sind ein pythagoreischer Roman. Dies ist besonders von Karl Bürger mit aller Deutlichkeit ausgesprochen worden.1 Leider besitzen wir nur einen sehr knappen und verworrenen Auszug des Photios. 2 So können wir uns nur ein sehr unvollständiges Bild von diesem Roman machen. Wir erkennen die allgemeinen U mri�:>se der Handlung, die Ein zelheiten entgehen uns fast überall. Die Beziehungen der Handlung zu der pythagoreischen Mysterienlehre sind nicht in allen Punkten mit voller Sicherheit zu ermitteln. Ich werde jeweils kurz angeben, in wel cher Richtung die mystische Bedeutung der einzelnen Romanepisoden zu suchen ist. Einleitend ist es nötig, einige mystische Lehren der Pythagoreer kurz darzustellen. In der pythagoreisch beeinflußten Schrift des Plutarch " Über das Gesicht im Mond" (cap . 28 ff. p . 943 A) lehrt der Karthager Sulla,3 der Mensch bestehe aus drei Teilen, dem Körper, der Seele (�)Jux�) und dem Geist (vout;;) .4 Der Geist stammt von der Sonne, die Seele vom Monde, der Körper von der Erde. Der Geist steigt von der Sonne zum Mond hernieder und umgibt sich dort mit der Mondsubstanz, der Seele ; die Seele steigt zur Erde und schafft sich aus der Erdsubstanz den Körper.5 Das Streben der Seele geht danach, zum Mond, das des Geistes, zur S onne zurückzukehren. Aber der Aufstieg ist schwer. Nur mit Mühe 1 Studien zur Geschichte des griechischen Romans II. Teil : Die literaturgeschicht liche Stellung des Antonius Diogenes und der Historia Apollonii, Programm Blanken burg 1903. Wichtige Hinweise stehen schon bei Rohde. 2 Ein Papyrusfragment (Pap. Soc. It. 1177) ergibt für unsere Zwecke nichts. Die allgemeine Art der Erzählung hat Lukian in den "Wahren Erzählungen" parodiert (s. Boll, Philol. 66, I 907, I ff.). Der pythagoreische Kern ist sehr kenntlich in den Aus zügen aus Antonius Diogenes, welche in der Pythagorasbiographie des Porphyrios stehen (I0-14, 32-36, 44) ; vgl. Rohde 253, 2. In der früheren Abhandlung (Kl. Sehr. II 126) hatte Rohde § I 0-1 7 und 32--45 dem Antonius Diogenes zugewiesen, worauf Hans Jäger wieder zurückkam : Die Quellen des Porphyrios in seiner Pythagoras biographie, Diss. Zürich I9I9, 36 ff. und 43 ff. 3 Der Mythos des Sulla bietet die dornigsten Probleme, vgl. Heinze, Xenokrates (Leipzig I892) I23 ff. Norden, Komm. zu Vergils Aeneis VI, S. 24 ff. Reinhardt, Kosmos und Sympathie 3I3 ff. und R. E. XXII 782 ff. Ich kann mich auf die Grundzüge be schränken, über die schon Bachofen (Werke VII 30 ff.) gehandelt hat. 4 Die Dreiteilung nach Platon, Tim. 30 B. 5 Vgl. auch De genio Socratis 21 p. 591 B. 15
1\terkelbach
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gelangt die nach dem Tod vom Körper gelöste Seele zum Mond zurück. Sie muß in der Luftregion, welche von den späteren Pythagoreern dem Hades gleichgesetzt wird,1 für ihre Verfehlungen während des Erden lebens büßen. Manche Seelen stürzen wieder zur Erde nieder. Auf dem Mond findet dann das Totengericht statt. Wer es besteht, dessen Geist kann sich von der Seele trennen und durch die elysische Region, den Luftraum oberhalb des Mondes, zur Sonnenheimat zurückkehren.2 Die hier skizzierte mythisch-astronomische Theorie wiederholt sich auf geographischer Ebene. Wenn man von unserer Erde nordwärts fährt, kommt man nach Sulla zu einem großen Kontinent. Wir dürfen ihn Thule nennen. Dort leben Griechen, welche mit Kronos und später mit Herakles3 dorthin gekommen sind. Von Thule fährt alle 30 Jahre eine Expedition nach Norden, durchquert das Gebiet der ewigen Nacht und kommt nach mancherlei Mühen auf der Kronosinsel an, im Elysium. Dort lebt man ohne jede Mühe, in lindern Klima, in vollem Glück.4 Nur wenige gelüstet es, von dort wieder zurückzukehren. Thule ent spricht dem Mond, die Kronosinsel der Sonne in der astronomischen Theorie. Diese mythischen Lehren sind im Mysterienkult zur Darstellung ge bracht worden. Die Erzählung des Sulla spielt verschiedentlich auf die Mysterien an. Ich führe nur eine Stelle an. Wenn es den Seelen gelingt, den Hades (den Luftraum zwischen Erde und Mond) zu durchqueren und den Mond zu erreichen, "sind sie gleichsam aus der Verbannung in die Heimat zurückgekehrt und empfinden eine Freude, wie sie die In itianden haben, eine Freude, die mit Schrecken und Furcht vermischt ist und süße Hoffnung birgt".5 Schrecken und Freude, Verbannung und Heimkehr und Hoffnung sind Vokabeln der Mysteriensprache. 1 Vgl. Cumont, Lux Perpetua 208 ff. 2 V gl. Ia mblich, vit. Pyth. 82 -rl �cr-rw cd f.tOO(&pwv v'ijcro L ; 1\:Aw� XC(L crs;:A-iJv'IJ.
3 Auf dem Weg zu den Göttern, s. Varro (Serv. zu Verg. Georg. I 34) nach Herakleides P ontikos (fr. 94 Wehrli). 4 Die Vorstellung ist altpythagoreisch-orphisch, s. Pindar, 01. II 6lff. (70 lhtLAC(V Ato,; o aov nC(poc Kp6vou -rupcrtv) und fr. 1 29. Diodor II 47 berichtet von der Insel der Hyperboreer, von der aus man den Mond in geringer Entfernung sehen könne. - Vgl. auch die Insel Atux-1] im S chwarzen Meer, auf der Achill haust (Pind. Nem. IV 49). Leonymos von Kroton soll donhin gereist sein (Pausan. 111 1 9, l l ff. ; Hinweise von W. Burken). 5 Plut., de facie 2 8 p. 943 C o!ov e� &.noa'IJf.tLC(I; &.vC(XOf.ttl:6f.ttvC(t cpuyC(atx'ij,; d,; n11:-rpl8:x ys:uov-rC(t xC(pii,;, otC(V ot -rt:Aouf.ttvot f.t&:AtcrTC( .&opußwt XC(t n-ro'i]crtt cruyxtxpC( f.ll'I'IJv t.tt-r' e:Anlao,; 'i)adC(,; E!xoucrt. - Aufschlußreich sind Parallelen im Pinax des K t·IH'M (pythagoreische Myst erien) zum Mytho s des Sulla ( Rolle des Krono s ; Be·
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Sulla beruft sich für seine Erzählung einerseits auf den Bericht eines Mannes, der von der Kronosinsel des Wissens halber zur Erde gereist ist (cap. 26 p. 942 BC, cap. 31 p. 945 D), andererseits auf ein altes heiliges Buch, das in Karthago ausgegraben worden war, wo m a n den Kronos von altersher ehrte. Der karthagische Baai -Mul u d • , d c � r wie Kronos Kinder fraß, hatte als Himmelsgott auch na!IC' B c · :t. i d u l l l !-(1 � 1 1 zu Helios. Der Roman des Antonius Diogenes zeigt manche Ä h n l i c · h k c- i t z u r n Mythos des Karthagers Sulla. Antonius Diogenes beruft :< i c · h w i e• S u l l n auf ein altes Buch, das zufällig gefunden wurde (s. S. 232) ; c � r fu l u · l 1 i i l w r Thule, den Mond und die Sonne ; seine Helden stammen a u :< T yr u � . c l c • r Mutterstadt Karthagos, einer Stadt mit altem Kult des B u u l - 1\ r u n u � . Die auf einer Insel gelegene Stadt mit dem Kult des Kronos und M c• l k n r t Herakles1 ist bei Antonius Diogenes überhaupt ein Symbol der K rou m• · insel, des Elysiums.2 ·
Wir betrachten nun den Inhalt des Romans. Dabei beschränke ich mich auf ein knappes Referat, das die wichtigsten Punkte hervorhebt ; ausführlichere Darstellungen haben Rohde und Bürger gegeben. Derkyllis und ihr Bruder Mantinias stammen aus vornehmem tyri schen Geschlecht. Ein ägyptischer Zauberer Paapis mußte aus der Heimat fliehen und wohnt im Hause der Geschwister. Er versenkt ihre Eltern in einen todähnlichen Schlaf unter Mithilfe der Kinder, denen er vorgespiegelt hatte, dies sei zum Besten der Eltern. So werden Der kyllis und Mantinias schuldlos in Sünde verstrickt. Sie müssen aus der Heimat fliehen. - Diese Episode symbolisiert den Sturz der Seele aus der himmlischen Heimat in unsere Welt. Ob man die Heimat Insel des Kronos (Elysium) oder Sonne {-r&.y!X&Ov) nennt, ist gleich gültig. Beides entspricht pythagoreischer Lehre. Daß die auf der Erde lebenden Menschen fern von ihrer Heimat sind, ist eine alte Vorstellung. So träumte Sokrates drei Tage vor seinem Tod, daß eine Frau in weißem Gewand zu ihm trat und die Homerverse sprach : "Am dritten Tag kränzung der Mysten ; Region der Seligen und ihr Philo sophieren ; Strafen der Sünder). - Schrecken und dann wieder Lachen bei der Katabasis in die Trophonioshöhle zu Lebadeia : Pausanias IX 39, 13. - S. ferner Aelius Aristides or. 48, 28 p. 401, 4 Keil. 1 Vgl. S. 1 1 6 und 162. Es gibt tyrische Münzen mit der Legende AMBPO:EIE TIAI TPE (&f1ßp6crto:: t 7te't'ptxt), s. British Museum Catalogue of the Greek Coins of Phoenieia, Tyrus Nr. 429 und 430, Tafel 33, 14/5. 2 Pythagoras selbst war nach Neanthes (F. Gr. Hist. 84 F 29 Porphyr. Vit. Pyth. 1 und Clemens, Strom. I 62) ein Syrer aus Tyros ; vielleicht wegen des Vegetarianismus der Syrer (Neanthes 84 F 32 Porph. de abst. IV 1 5). Hinweise von W. Burkert. =
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wirst du in Phthia (der Heimat Achills) ankommen" (Platmi, Kriton 44 B) . Aristoteles erzählte im Eudemos, dem Kyprier Eudemos sei ein Jüngling im Traum erschienen und habe ihm prophezeit, er werde in 5 Jahren in seine Heimat zurückkehren. Eudemos habe das auf die Rückkehr nach Zypern gedeutet ; er sei aber nach Ablauf der 5 Jahre bei den Kämpfen auf Sizilien gefallen.1 Im Protreptikos hieß es gerade zu : "Einst, wenn wir uns wieder dorthin retten können, von wo wir ge kommen sind. "2 Auf ihrer Irrfahrt kommen Derkyllis und Mantinias über Rhodos, Kreta und Etrurien zu den Kimmeriern und steigen dort zum Hades hinab. Dort helehrt ihre verstorbene Dienerin Myrto sie über die Dinge in der Unterwelt. - Diese Episode entspricht einer Weihe. Pythagoras soll selbst zum Hades hinabgestiegen sein.3 Die Geschwister werden nun voneinander getrennt.4 Derkyllis reist weiter in Gesellschaft des Astraios und Keryllos. Astraios war ein Adoptivbruder des Pythagoras und erzählt viel von dem verstorbenen Meister. - Derkyllis ist nun offenbar in den Bund der Pythagoreer aufgenommen. Sie kommen durch lherien5 ins Land der Kelten, Aquitanen, Art abrer und nach Asturien und erleben viele merkwürdige Abenteuer. Keryllos wird schließlich zur Sühne für ein altes Vergehen6 getötet, Derkyllis und Astraios geraten in die größte Gefahr und müssen sich trennen, werden aber wider Erwarten gerettet. - Vermutlich ist Keryllos als stellvertretendes Opfer für Derkyllis gestorben. Die Ret tung wider Erwarten kennen wir als ein Mysterienmotiv.7 1
Cicero, de divinatione I 25, 52 ; Walzer, Aristotelis dialogorum fragmenta p. 8. Walzer p. 60 &v 3e 1ron 3uv1J.&W fL ev crw.&'ijva: � 7rcXAtV ö.&ev eA.lJA.u&a:fLe:v. V gl. J aeger, Aristoteles 1 0 1 , 3. 3 Hieronymos von Rhodos bei Diog. Laert. VIII 2 1 , vgl. 4; 1 4 ; 4 1 (Hermipp) ; Tertullian, de anima 28 ; Schol. Soph. EI. 62. Unter dem Namen des Pythagoreers Kerkops gab es eine Katabasis. 4 Vgl. die Trennung der Chariklea und des Theagenes nach ihrem Aufenthalt in der Mysterienhöhle bei Heliodor (S. 263). 5 Hier fügt Astraios den Feinden der Iberer durch sein Flötenspiel Schaden zu. Seine Zauberflöte gemahnt an Orpheus. Die Verwandtschaft der Orphiker mit den Pythagoreern ist bekannt. 6 § 5 Ti)v 3tx.1Jv . . . , �v &3�x.·�!J.IX-ro� 7riXAIX�oü w<:pAlJKW� huyxiXvev, oux. &1recpuye:v. Man erinnert sich an das 7riXAIX�ov 1rev.&o � bei Pindar (fr. 1 3 3). 7 Bezeichnend ist auch die Lehre, welche man nach Meinung des Photios aus der Lektüre dieses Romans ziehen kann ( § 14) : ecm 3� ev IXU't"OL� KIXL fJ.cXA�O''t"IX . . . Mo 't"LVOC .&1JpricriXL XPlJO'LfLW't"IX't"OC. €v !J.I:v Ön 't"OV &3LKlJO'IXV't"cX 't"L, x.&v !J.Up LcXKL� ew:puydv 36�1)�. dcr
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Derkyllis flieht nach Italien und Sizilien. Beim Berg Eryx wird sie gefangengenommen und vor Aincsidemos geführt, den Tyrannen von Leontinoi. Bei diesem befindet sich unglücklicherweise der böse Paa pis.1 Inzwischen hat auch Mantinias l a u gt� l r r faltrtcn überstanden, viele wunderbare Menschen und Tiere gesehen u JH I i � t. hi:-; zum Mond und der Sonne gekommen. - Die Reise zum Mmul ka m dt�� H falls einer Hades reise gleich, wie wir oben erörtert haben . Hit·��' Pa r i it� spielt auf ein Mysterienritual an, welches die Reise der Seele n n l ' h t l e m Tode vorweg nimmt. Die Reise zum Mond und zur Sonne hat J ,u k i n 1 1 pa n u l i ert (Ver. Hist., besonders I 10-12) . Zurückgekehrt trifft Mantinias die Schwester Derky l l i :-; . � Sit· uduucn dem Paapis seinen Ranzen mit den Zauberbüchern und de11 K n s l t'H m i t seinen Zauberpflanzen weg und fliehen über Rhegion nach Ml'l n puH I , dem Hauptsitz des pythagoreischen Bundes. Dort treffen sie n u d t Astraios wieder und erfahren, daß Paapis sie verfolgt. Sie fliehen mit Astraios zu den Thrakern und Geten. Dort treffen sie Zamolxis, den Freund des Pythagoras, der schon wie ein Gott verehrt wird. Er prophezeit den Geschwistern : Es ist ihnen bestimmt, nach Thule zu kommen und später die Heimat wiederzusehen. Vorher aber müssen sie viel ertragen, zur Sühne für den Frevel gegen ihre Eltern, den sie freilich nicht beabsichtigt hatten. Sie werden nur nachts Iehen, tags aber wie tot daliegen und so das Leid, das sie ihren Eltern zufügten, durch ein ähnliches Leid sühnen. - Die pythagoreischen Heiligen Astraios und Zamolxis weisen den Geschwistern den Weg, auf dem sie ihre Verfehlung büßen können. Die Prophezeiung des Zamolxis erinnert sehr an das Orakel, welches den Roman des Heliodor beherrscht (unten S . 240) . Beidemale gebietet das Orakel, aus unserer Welt in ein besseres Jenseits (Thule, das Sonnenland Äthiopien) zu fliehen. Astraios bleibt bei Zamolxis ; die Geschwister kommen nach weiteren Abenteuern nach Thule. Dort holt ihr Verfolger Paapis sie ein, spuckt ihnen ins Gesicht und versenkt sie so in den totenähnlichen Tages schlummer, der ihnen vorausgesagt worden war. Nur nachts leben sie 1 Vermutlich ist Derkyllis vor dem Tyrannen so furchtlos aufgetreten wie sich das für Pythagoreer geziemte. V gl. Iamhlich, Vit. Pyth. 2 1 5-22 1 (Pythagoras und Abaris
vor Phalaris, aus Apollonios) ; 1 89-194 (Myllias und Timycha, aus Neanthes-Niko machos) ; 234-236 (Damon und Phintias, aus Aristoxenos [fr. 31 Wehrli]-Nikomachos) ; Philostrat, vit. Apoll. I 28 ff. und VII/VIII (Hinweise von W. Burkcrt). 2 Sie haben vermutlich beim Scheiden verabredet, sich im Land der Pythagoreer wieder zu treffen.
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auf. Ein Thulite Thruscanus, der Derkyllis wie tot niedersinken sieht, tötet Paapis und stürzt sich selbst in ein Schwert - ein stellvertretender Tod. Die Geschwister werden als tot bestattet. Als sie nachts erwachen, entweichen sie aus dem Grab. - Wir erinnern uns der entsprechenden Episoden bei Xenophon, Achilleus Tatios, Iamblich und in der Historia Apollonii. Offenbar liegt auch hier ein Ritual zugrunde, bei dem der Initiand begraben wurde und wieder auferstand. Gewiß hatte auch der Totenschlummer der Geschwister bei Tag, ihr Erwachen bei Nacht einen mystischen Sinn. Ohne den Context können wir ihn nicht mit Sicherheit angeben ; ich erinnere aber an Euripides fr. 833 : 't'L� �· o!�e:v d ��V 't'ou&' 8 x.h):t)'t'IX� &ocve:!:v, 'tO ��V �e: &v��O'X.€�V eO''t'L ; Immo vero hi vivunt qui e corporum vinculis tamquam e carcere evolaverunt, vestra vero quae dicitur vita mors est, heißt es im Somnium Scipionis (Cicero, de rep. VI 14) . Wahrscheinlich gehören schon Empedokles fr. 118 und 121 hierher (Rohde, Psyche II 178, 1). Nach Pindar fr. 129 scheint den Seligen das Licht der Sonne, wenn bei uns Nacht ist. Nach fr. 131 schläft das e:��w)..o v, wenn der Körper wacht ; es erwacht, wenn der Körper schläft. Plutarch, de facie 30 p. 944 EF bringt das e:(�wAov mit der Seele, der Mondsub stanz, in Verbindung, und dem Mond ent· spricht, wie wir sahen, die Insel Thule.1 Es wird dann von einem Liebesabenteuer des Mantinias erzählt. Auch Derkyllis knüpft eine Liebesbeziehung an, 2 und zwar zu dem Arkader Deinias, dem dritten Helden der Erzählung. Dieser war mit seinem Sohn Dernochares ausgezogen, um die Welt zu erforschen.3 Sie haben eine Rundreise um die ganze Welt gemacht, auf der Meniskos und Azulis sie begleiteten. Schließlich kommen sie nach Thule. Dort lernen sie Der· 1 V gl. auch § 4 über die Iberer, die nachts sehen, tags blind sind. Ferner I am blich, de myst. 111 20 p. 148, 11 P. -lj y�p &v&pw7tLV1J c)iux1J . . . {mo Toü crwfLcxToc; 7tCXVTcxx6&e:v imcrx.oTdTcx�. Ö7te:p . . . e:he: A-f)-3-'l)c; ü8wp e:he: a�� 7tcx&wv 8e:cr[.LOV . . . E1t'OVO(.LcXCfe:�e:v T�c; 111 3 p. 1 06, 8 EV 8E: TW� xcx&e:u8e:�v a1t'OAU6[.Le:&cx 7tCXVn:/..w c; &cr7te:p a1t6 T�vwv 7tcxpcxxe:�[.Levwv i)[.LLV 8e:cr[.L&v, xcxt T 'ij � x e: x w p � cr [.L t h 'l) � T 'ij c; y e:v e cr e: w c; � w 'ij � XPW[.Le:-3-cx. T6n 81) ouv &r e: voe:pov e:he: 3-dov Tcxthov {m&;pzov e:he: xcxt ltv, !8(cxL tx&Te:pov xcx-3-' i:cxuTo 1\v To T 'ij c; � w 'ij c; e:! 8 o c; & v e: y e:l p e: T cx � &v i)[.LLV xcxt t1:ve:pye:r �L 7teeinias wird durch sein hohes Alter gehindert. In Wahrheit muß Arkadien in einem myHLiHchen Sinn mit Tyros identisch gewesen sein ; vielleicht als Land der 1t'pocreA1)VO�. •
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kyllis kennen. Azulis findet durch Studium der Zauberbücher des Paa pis heraus, wie die Geschwister am; ihrem Tagesschlaf erweckt werden können und wie sie ihre Eltern von dmn großen Unglück, dem toten· ähnlichen Schlummer, befreien könnltm . S i e werden geheilt und kehren mit Azulis nach Tyros zurück, um die E l t e r u z u m Lehen und zum Heil zu erwecken.1 - So sind Derkyllis und Ma u t i u i a s i n ihre wahre Heimat zurückgekehrt, sie sind von Thule nach dt�r K ro r w s i u scl Tyros ( ins Elysium) gelangt. Ihre Eltern erwachen von t l " m I .l'!ht�trank, den sie getrunken hatten. Das ist nur ein anderes Biltl fii r d i"sd he Sache. Deinias reist mit Karmaues und Meniskos wt•i tl'r mwh Nnrden. Er kommt ins Gebiet der ewigen Nacht und schlic13lidr n u f t J , , .. Mond.2 - Für die Reise durch das Gebiet der ewigen Nacht vg l . tl it· t• u t " l "'"" " " ' ulc Stelle bei Plutarch, De facie 26 p. 941 D. Auf dem Mond treffen sie die Sibylle, die dem Karmaues p rup lw:wi t . Jedem wird schließlich ein Wunsch freigestellt. Deinias läßt sidr i m Schlaf nach Tyros versetzen und erwacht dort. Er findet Derk y l l is, Mantinias und ihre Eltern "wohlauf", &vEUpe�v eG 7te7tp<Xy6't'<X� x<Xl. 't'01J� yovd� eu a<XLfLOVOUV't'<X�, und lebt nun mit der Geliebten vereint. Es fällt also das bedeutungsvolle wort e\) 7tpch't'ELV eua<XLfLOVe�v. Die Reise im Schlaf (vom Mond nach Tyros) ist ein pythagoreisches Motiv ; vgl. Aristot. fr. 191 Rose und lamhlich, vit. Pyth. 134 und 136 (Pythagoras am seihen Tag in Tauromenion und Metapont) . Ähnliches wurde von Aristeas berichtet (Herodot IV 14 f.) . =
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Diese Inhaltsübersicht bestätigt also vollauf die Ansicht Bürgers (S. 13), daß der Thule-Roman "die offenkundige Tendenz hat, die reli giösen Gedanken von Sündenfall, Buße und Erlösung zu illustrieren und die in diesen Gedanken wurzelnde, religiös sittliche Wirksamkeit des Pythagoreertums zu verherrlichen". Daß die pythagoreischen Mysterienlehren der eigentliche Inhalt des Romans gewesen sind, ergibt sich schließlich auch aus seiner eigentümyove:'L<; -roü iJ.O(Xpoü 1 § 8 bd 't''ijt -rwv nx6v-rwv &vO(ßtwcre:L XO(L crwnJp[O(L ; 9 -rou<; &;rx:AA&�O(VTe<; Ü1tvou, iJ.&:AAov 31: 6:1.€-&pou. 2 Mantinias war schon vorher auf dem Mond gewesen. Es ist vielleicht Absicht, daß die Frau Derkyllis nicht dorthin kommt ; Frauen mögen von gewissen Weihen ausgeschlossen gewesen sein. - Der Mond ist nach pythagoreischer Lehre die Grenze zwischen dem Hades mit seinen Höllenstrafen und dem Elysium mit den Seligen. Es ist wahrscheinlich, daß in den {ml:p 0oUA1)V &mcr-.;0( eben hiervon die Rede war. Lukian, Ver. Hist. II 5-31 gibt eine parodische Schilderung der Inseln der Seligen und des Straforts der Sünder, welche mehrfach Pythagoreisches verspottet (besonders II 28) und Mysterienworte gebraucht. Vermutlich zielt er damit auf Antonius Diogenes. •
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A n t o n i u s D i ag e n e s
liehen Komposition. Die bisher allein berücksichtigte Haupterzählung ist nämlich nur der Bericht eines Berichtes von einem Bericht. Wenn man der Frage nachgeht, woher letzten Endes der Bericht üher Man tinias, Derkyllis und Deinias stammt, kommt man in den Bereich des Pythagoreerbundes und in seine Blütezeit unmittelbar nach dem Tod des Meisters. Hier liegt der eigentliche Kern des Werkes. I. Antonius Diogenes schickt sein Buch mit einem Widmungsbrief an seine Schwester Isidora und ihren Gatten1 Faustinus. 2. Das Buch wird eingeleitet durch einen Brief des Makedonen Bala kros, eines Teilnehmers am Alexanderzug. Er schickt das Buch an seine Frau Phila, die Tochter des Antipater. 3. Das Buch ist die Abschrift eines in einem Grab bei Tyrus gefunde nen Berichtes, der aus der Zeit um 500 stammte. 2 Dieser Bericht ist von dem Athener Erasinides niedergeschrieben und gibt wieder, was der in Tyrus lebende alte Arkader Deinias seinem Landsmann Kymbas er zählt hat. 4. Große Teile der Erzählung des Deinias beruhen wiederum auf dem, was ihm Derkyllis erzählt hat. 5 . Was Derkyllis von Sonne und Mond erzählt, beruht auf dem Bericht ihres Bruders Mantinias. 6. Was sie von Pythagoras zu erzählen weiß, hat sie von dessen Adop tivbruder Astraios gehört. 7. Einiges von dem, was Astraios üher Pythagoras erzählt, beruht auf Nacl,uichten einer gewissen Philotis. Man sieht, daß Antonius Diogenes eine Perspektivenwirkung erstrebt und vermutlich auch erreicht hat ; Ähnliches werden wir bei Heliodor kennenlernen. Der geheime Mittelpunkt aber sind die Nachrichten üher Pythagoras und seine Lehre. Der Roman des Antonius Diogenes ist ebenso ein religiöses Buch, wie die bisher besprochenen. Freilich war ein pythagoreischer Kreis keine eigentliche Mysteriengemeinde. Doch die Unterschiede waren nur gering. Es hat sich bei den Konventikeln der Pythagoreer doch immer um geheime Vereinigungen gehandelt, um "Brüder" und "Schwestern". Es hat Einweihungszeremonien und Schweigegelübde gegeben ;3 dem 1 Dies vermutet Bürger 6, l. 2 Also aus der "Zeit, wo Pythagoras eben verstorben, die Blüte der pythagoreischen
Genossenschaften in Unteritalien aber noch keineswegs gehrochen war" (Rohde 265, 3). 3 Eid der Pythagoreer : ou (l.
A n t o n i u s D i og e n e s
233
Novizen wurde der geheime Sinn vieler Mythen und Symbole erklärt. Zwischen den orientalischen Mystcrieurcligionen, den griechischen My sterienkulten (dem eleusinischen und dionysischen) und den pythago reischen Kreisen hat ein ständiger Aulit a u :-; e h , ein Nehmen und Gehen stattgefunden. Ein Heiliger wie Apollonio:-; v o n Tyana war Pythagoreer und Heliosmyste in einer Person. Im N e u p l a t o n i smus fließen diese Strömungen schließlich ganz ineinander ; t�s ge 1 1 ii g t , d i e Namen Por phyrios und lamhlichos zu nennen. Bei Antonius Diogenes ist die Entwicklung J u u · h 1 1 i c · h t. !
H E LI O D O R Die letzte Stufe des antiken Heidentums ist der synkretistische He· lioskult. Im dritten Jahrhundert war er während längerer Perioden die offizielle Religion des römischen Reiches ; alle anderen Religionen sollten in die des Helios aufgehen. Die neue Universalreligion brauchte einen Mysterienroman, wie ihn die Kulte der Isis, des Mithras und Dionysos gehabt hatten. Der erste Versuch ein solches Werk zu schaffen war die U marheitung der Ephe siaka des Xenophon zu einem Heliosroman. Aher dies Werk hlieh der Substanz nach doch ein lsistext, der nur im Sinn des Helioskultes ge· deutet wurde. Den rechten Heliosroman hat Heliodor von Emesa ge· schriehen.1 Er ist in vieler Hinsicht das Meisterwerk unter den Myste· rienromanen. Wie die Heliosreligion synkretistisch die anderen heid nischen Religionen in sich aufhebt, so vereinigt Heliodors Roman alles, was die älteren Romane zu Ehren derlsis und desMithras geboten hatten. Das Datum des Heliodor ist umstritten, doch kommt nur das 3. J ahrh. ernstlich in Betracht, am ehesten die Zeit um 240.2 Es ist gut möglich, daß Heliodor, der sich seihst einen Emesener nennt, auch in Emesa gelebt hat. Aher daneben sollte man die Möglichkeit nicht ausschließen, daß er in Rom wirkte, das damals auch geistig noch unbestritten die Hauptstadt des Reiches war. Philostrat nennt einen Rhetor Heliodor, den man versuchsweise mit dem Romandichter identifizieren könnte. 3 Er war Araher und lebte von 212 bis gegen 240 in Rom.4 Aher Sicher· heit ist hier nicht zu erzielen. 5 1 Vgl. besonders Rohde 434 und Altheim, Helios und Heliodoros von Emesa (Albae Vigiliae 12, 1942), wieder abgedruckt in Literatur und Gesellschaft im ausgehenden Altertum (1948) I 93 ff. Ich zitiere Heliodor nach den Kapiteln und Paragraphen der Ausgabe von Rattenbury-Lumb. In dieser Ausgabe ist ein energischer und erfolgreicher Versuch gemacht, den Text wirklich durchzuemendieren. 2 Vgl. besonders Rohde 464 und Altheim 1 1 3 (gegen 250). Über den Versuch, Heliodor ins 4. Jahrh. zu datieren, s. unten S. 282, 1 . 3 Philostrat, vit. Soph. I I 32 p . 1 24 f. K. Münscher, R . E . VIII 23 f. und Altheim, Literatur und Gesellschaft I 1 1 3 . Schon früher wurde dies vorgeschlagen, s. Rattenbury und Maillon im Vorwort, S. XV Anm. 2 und S. LXXXIII. Auch die Beziehungen Heliodors zu Philostrat (s. Rohde 440 f., 465 f. und Maillon im Vorwort zur Ausgabe von Rattenbury-Lumb S. LXXXVI) lassen daran denken. Die Tendenz der beiden Werke ist die nämliche, s. unten S. 243, 2 . 4 Einige bemerkenswerte Ähnlichkeiten Heliodors z u Plotin, besonders zu dessen erster Schrift "Ept 't"OU xa:Aou (Enn. I 6), werden unten zur Sprache kommen. 6 Mo mmsen hat den von Philo strat genannten Rhetor Helio dor mit einem
He l i o d o r
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Jedenfalls hat Heliodor im Dienste des emesenischen Sonnenkultes geschrieben. Die von dort ausgehende Religion ist ein richtiger Mysteri· enkult gewesen. Von solchen Heliosmysterien ist sonst wenig hekannt,1 aber das Zeugnis des Romans ist, wie sich zeigen wird, ganz ein· deutig. Die Interpretation des Romans kann die ßt�z i d m n gen auf den Helios· kult und die Wiederaufnahme der Isis· und Mir.h rmmwtive leicht auf· weisen. Danehen haben vermutlich auch Beziehu n ge n � �� syrischen My· then bestanden. Aber über diese wissen wir so gut wie n i d1t:s. Ich kann nicht einmal die syrischen Namen der Göttertrias des Hd iudur (Helios, Selene, Dionysos) angeben. Einen gewissen Ersatz für das Fehlen der syrischen My t l w n k ii n nten vielleicht die chaldaeischen Orakel bieten, die bei den Neupl u r.u u i k t� rn in so hohem Ansehen standen. Leider sind diese wichtigen Tex t e JWt�h fast unerschlossen ; es gibt nicht einmal eine brauchbare Fragnw n t · sammlung.2 Ein anderes Zeugnis der syrischen Heliosreligion schei n t. der Seelenhymnus der Thomasakten z u sein, den wir i m Anhang be· sprechen werden. Von großer Bedeutung sind diese Schwierigkeiten indes nicht. Heliodor hat einen Roman geschrieben, der nicht für Syrien sondern für das ganze Römerreich gelten sollte. Die Beziehungen auf den Lokal· kult von Emesa waren ihm gewiß nur Nebensache. Das Wesentliche T. Aöp�'Atoc; ' H'At6awpoc; 'Av·n6xou 'Aaptctvoc; IIct'AfLup1Jv6c; identifiziert, der um 2 3 5 inschriftlich bezeugt ist (1. G. X I V 969-9 7 1 , Weihungen an Malachhel hzw. Aglihol). Das schlösse die ldentification mit dem Romandichter aus Emesa aus, dessen Vater Theodosios hieß. Aber der Name Heliodor ist nicht selten. 1 Porphyrio s hat in De regressu animae (fr. 8 p . 3 6, 6* Bidez Augustin civ. dei X 2 3 ) von den Lunae teletis atque Solis gesprochen. Interessant auch Julian or. IV p. 1 30 B C e:!fLt -roü ßao-tMwc; ?mctaoc; ' H'Alou. -rou-rou ae exw fLev otx:ot 7tctp' �fLctU· "'t"W t -ra<; 7t(cr-re:t<; &x:ptß,;cr-repct<;. a ae fLOt -l}€!Lt<; eL7tdv x:ctt
Heliodor
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der Charakter der übernationalen Heliosreligion - ist uns in den Aithio pika mit voller Deutlichkeit kenntlich. Heliodor erzählt seine Geschichte nicht geradlinig. Er springt, nach dem Vorbild der Odyssee, in medias res, und liefert die Vorgeschichte in verschiedenen Erzählungen und Berichten nach.1 Er hat mit diesem Verfahren eine bedeutende künstlerische Wirkung erzielt. Für unsere Zwecke brauchen wir jedoch eine Übersicht über die Handlung der Aethiopica und sind daher gezwungen, das kunstvolle Gewebe der heliodorischen Erzählung aufzulösen und einen quasi-historischen Ab riß der Handlung zu gehen. Chariklea ist Tochter des Äthioperkönigs Hydaspes und seiner G�� mahlin Persina, welche heide von den Göttern Helios und Dionysos ab stammen. Zu ihren menschlichen Vorfahren zählen Perseus, Andro meda und Memnon.2 Charikleas Gehurt war wunderbar. Zehn Jahre lang war die Ehe der Eltern kinderlos geblieben. Eines Mittags ruhten die beiden in ihrem Schlafzimmer ; es war mit einem Bild geschmückt, auf welchem Persens die an den Fels gefesselte Andromeda befreite. Da befahl ein Traum dem Hydaspes, seine Frau in Liehe zu umarmen. Diese fühlte sich sogleich schwanger. Als das Kind, ein Mädchen, ge boren wurde, war es von weißer Hautfarbe ; die Mutter hatte in der Stunde der Empfängnis das Bild der Andromeda betrachtet. Ihr war das Kind in allem ähnlich geworden. Persina fürchtete, man werde die Echtbürtigkeit des Kindes nicht glauben und Mutter und Kind zum Tod verurteilen. Sie gah daher vor, das Kind sei hei der Gehurt gestor· hen, und setzte es aus. Sie gab ihm reiche Schätze mit, als Lohn für den Retter des Kindes, ferner eine wertvolle Kette, einen Ring Pantarbe (" Schrecke alles" Ohnefurcht)3 von wunderbarer Kraft und eine Binde, die mit Hieroglyphen bestickt war, einem Brief der Mutter an ihre Tochter, in welchem sie ihr das Geheimnis ihrer Gehurt enthüllte und sie ermahnte, ihrer vornehmen Abkunft eingedenk zu sein und die Keuschheit zu bewahren. 4 So ist Chariklea, ohne daß man es weiß, =
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1 Ungenauigkeiten, welche sich aus dieser Kompositionsweise ergeben, hat scharf sinnig aufgewiesen Hefti, Zur Erzählungstechnik in Heliodors Aethiopica (Diss. Basel, Wien 1 950). 2 Man könnte auch sagen, von H elios gehe eine ae:tp&: über Zeus und Persens bis zu Hydasp es und Chariklea. 3 Der Pantarbe-Stein stammt aus Philostrats Apolloniosbiographie (III 46). • I V B, 7 fi.e:t.LvfJITIJ t -rij� e:Öy�doc� n[J.wcroc awcppocruv'l)v.
237
He l i o d o r
eine Königstochter ; und welcher Mensch träumt nicht manchmal, er sei ein verhinderter Prinz oder eine geheime Prinzessin ?1 Alle Einzelheiten dieser Vorgeschichte sind bedeutungsvoll. Chariklea stammt von Helios ah, daneben von Dionysos-Osiris. Ihre Erzeugung hat ein gottgesandter Traum befohlen ; sie gesch ieht, als die Sonne im Zenit steht. Chariklea ist von vornherein eine neue Andromeda. 2 Wie Andromeda, an den Fels gefesselt und scheinbar dem Seedrachen aus geliefert, von Perseus befreit wird, der mit Flügelseh u lwn vom Himmel herabschwebt, so wird die in der Welt verhaftete MllnHehcnseele von Gott gerettet. Die Ähnlichkeit zu der auf dem Fels fii r dm1 Drachen ausgesetzten Psyche ist schon oben berührt worden. Wie Hie ist: Chari klea ein Bild für jede Menschenseele,3 welche in die Welt ausgllHetzt ist, ihrer göttlichen Abkunft nicht bewußt. Erst in der Weihc wird Hic ihr enthüllt werden. Über Aussetzunft und Erkennungszeichen (yvc•)plrr (l.IX't'IX) ist oben S. 198 gesprochen worden. Sie gehören zum Mysterilln kult. Ein Mann aus der Priesterkaste der Gymnosophisten, 5 Sisimithres, fand das ausgesetzte Kind. Er durfte eine Seele nicht umkommen lassen, die nun einmal in Menschengestalt eingegangen war. 6 So rettete er das Kind und brachte es aufs Land zu Hirten (7to�(l.svc:c;) , die ihm gehörten. Die Erkennungszeichen bewahrte er selbst auf. Als Chariklea sieben 1 Et ego regis filius, sagt ein Freigelassener bei Petron 57, 4. Schon dem orphischen Mysten wird auf dem Goldtäfelchen von Petelia die Herrschaft im Jenseits versprochen (xoct T6T' �7t'ELT' &[JJ.oLm [Le.&'] �pci>ecrow &.v&.�eL<;, 1 B 17 Diels-Kranz Orph. fr. 32 a Kern Harrison-Murray, Prolegomena 659 Olivieri, Lamellae aureae Orphicae 12 ; Hinweis von L. Koenen). 2 Andromeda ist "das Archetypon" der Chariklea, X 14, 7. 3 So hat schon der Philosoph Philippo s gedeutet, dessen allegorisierende I nter pretation unseres Ro mans nicht ohne Interesse ist (Tij<; XocpLxAdoc<; epfL�VEUfLOC Tij<; crci>cppovo<;, bei Colonna im Anhang der Ausgabe abgedruckt). 4 Die Aussetzung der Chariklea hat vermutlich ein mythisches Vorbild gehabt, das ich nicht genau bestimmen kann. Immerhin sei auf einige Punkte hingewiesen : a) Eine der seltenen Sagen der Aussetzung von Mädchen ist die der Semiramis (Ktesias bei Diadar II 4). Die geographische Nähe zum Sonnenkult von Emesa ist bemerkenswert. b) Von einem Haupthelden des Mithraskreises, Thraetaona-Feridun(-Rhodanes), er zählt Firdusi eine Aussetzungssage, welche der üblichen Königssage (Kyros, Romulus usw.) entspricht. c) Auch Attis ist ausgesetzt worden, Julian or. V p. 165 B und 180 A. 5 Diese äthiopischen (nicht indischen) Gymnosophisten hat Heliodor aus Philo strats Apolloniosbiographie übernommen, s. Rohde 440 f. 6 II 31 4;ux-1Jv &7toc� �7t'ocv.&pw�croccrocv, vgl. Rohde 43 8 : " Die Seele, aus einer gött lichen H eimat in die menschliche Leiblichkeit herniedergesunken, trägt die Fesseln des Leibes, aus denen sie sich gleichwohl nicht willkürlich befreien darf." Zu die sem Verbot vgl. II 29 ; die Neuplatoniker haben es üb erno mmen. =
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2.18
Heliodor
Jahre alt war, war jedoch ihre Schönheit so auffallend, daß Sisimithres fürchtete, das Geheimnis werde sich nicht auf die Dauer verbergen lassen. Zufällig wurde er damals als Gesandter zum ersten Katarakt bei Syene (Assuan) geschickt, an die Grenze von Äthiopien und Ä gypten. Er nahm das Kind mit und übergab es samt einem Kästchen1 mit den Erkennungszeichen einem Griechen Charikles, nachdem dieser geschwo ren hatte, so gut er könne für sie zu sorgen. Charikles war ein Priester des delphischen Apollon, der gerade durch Ägypten reiste.2 Da Sisimi thres an diesem Tag eilig war, hat er den Charikles, am nächsten Tag im Isistempel nochmals mit ihm zusammenzutreffen ; dann werde er ihn in alles, was das Kind betreffe, einweihen. 3 Charikles verschleierte das Kind und führte es in sein Quartier. Kurz darauf wurde Sisimithres von dem persischen Satrapen des Landes verwiesen. So wartete Chari kles am andern Tag vergehlich im lsistempel. Als er in sein Zimmer zu rückkehrte, begrüßte ihn das Kind als ihren Vater. So nahm Charikles das Mädchen nach Deiphi mit, zog sie dort wie seine eigene Tochter auf und nannte sie Chariklea. Sie wuchs heran und wurde eine wunder bare Schönheit ; wo sie erschien, wandten sich alle Blicke ihr zu wie einem Götterbild. Die beiden ersten Pflegeväter der Heidin sind also Priester ; von dem dritten, Kalasiris, gilt dasselbe. Sowohl im Kult der Isis wie des Mithras hießen die Priester "Väter" ;4 im Kult des Sol invictus wird es nicht anders gewesen sein. Wenn ein Priester das siebenjährige Kind in einem Tempel einem anderen Priester übergibt und dieser es in einen Schleier hüllt, so spiegelt sich darin vermutlich eine W eihezeremonie. 1 IV 1 1 , 3 xLcr·d�.
2
Eine eigene Tochter des Charikles war an ihrem Hochzeitstag gestorben. Vermut lich hat dieser Zug einen mystischen Sinn : Die Hochzeit entsprach einer Heliosweihe und am Tag der Weihe verlor der leibliche Vater seine Rechte auf die Tochter, da sie ein Kind des Sonnengottes wurde. Vgl. X 16, 10, wo Hydaspes seine wieder gefundene Tochter Chariklea nicht zur Hochzeit, sondern zum Tod führen will. 3 II 3 1 , 6 fLU'l)��t:n]L (so richtig M ; die anderen Handschriften haben fL O':�� t:n] L , doch vgl. II 2 3, 6). Dies ist ein Hinweis auf den mystischen Charakter der Erzäh lung von Geburt und Aussetzung der Chariklea. 4 Apul. XI 25, 7 ; Pap . Soc. lt. 1 1 6 2, 7 ; Dieterich, Mithrasliturgie 1 4 6 f. ; Hieran. epist. 1 0 7 (ad Laetam, Mystengra d pater). - Philippos der Philosoph sagt über den Pflegevater Kalasiris �r'l S' tiv oÜ't'o<; b 7tp b� Ta� Tij.; �e:o)..o yta:.; 't'�A�a� 't"i)v IJiux'iJv &vliywv aLMmca:)..o � ; w enn man 'l'lj� �e:o)..o yla:.; wegläßt, ist das ganz richtig. I n dem hübschen Abschnitt des Eunapios über die Philosophin Sosipatra erschei rum zwei ehrwürdige Männer, Chaldäer, heim Vater des Kindes und sagen : Üher l n ß u m So sipatra, wir sind ihre Erzieher und wahren Väter ('t'pocpe:ÜcrL xa:t 7tO':'l'plicrw ci:Ar,llcrJdpoL<; ; vit. Soph. VI 6, 1 1 p. 467 Boiss. 29, 9 Giangrande). •
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He l i o d o r
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Chariklea bleibt im Dienst des Apollon-Helios.1 Aber sie ist weit ent fernt von ihrer wahren Heimat, dem Sonnenland Äthiopien. Ihre Auf gabe wird sein, von ihrem jetzigen Aufenth altsort zu fliehen, um nach dem Land des Helios zurückzukehren . Dabei wird ihr die Vorsehung des Gottes helfen. Er bedient sich hierzu eines memphitisdwn I"i"pricsters, des Kala siris. Dieser war in die Fremde gegangen, weil «�r, d t�r ' ' i n keusches Lehen führen mußte, sich in eine Hetäre Rhodopis verlil'llt h aue und fürch tete, dieser Liehe nicht widerstehen zu können ; ühcrd it's war iltm offen hart worden, daß seine beiden Söhne mit dem Schwert: in der Hall(l auf einander losgehen würden. Um dies nicht sehen zu miisst• n , �in� er außer Landes (li 24-25) und kam nach Äthiopien. Dort w u rd e er m i t Persina bekannt. Diese erzählte ihm ihre Geschichte, n ach d m n t•r hei m Helios geloht hatte, das Geheimnis zu verschweigen und ihr zu h d ftm . Die Götter offenharten dem Kalasiris, wo Chariklea war. Da trug d i e Königin ihm auf, die ausgesetzte Tochter zu suchen2 und in die Heimat zurückzuführen (IV 12). Als Chariklea 17 Jahre alt ist, kommt Kalasiris nach Delphi. Er badet in der Kastaliaquelle und geht zum Tempel. Dort begrüßt ihn die Pythia mit freundlichem Spruch (li 26) . Die umherstehende Menge bricht in bewundernde Rufe aus ; seit dem Spartaner Lykurg sei keiner so emp fangen worden.3 Man weist dem Kalasiris eine Wohnung im Tempel bezirk zu. - Durch den Mund der Prophetin hat der Sonnengott selbst gesprochen, dessen Werkzeug Kalasiris ist. In Deiphi unterhält sich Kalasiris mit den Griechen und erzählt von Ä gypten. Natürlich kommt das Gespräch auf die Nilschwelle. Kala siris sagt unter anderem, der Nil mache Ägypten zum Meer ; sein Wasser sei ganz süß zu trinken. - Wir kennen dies aus dem Isisroman des Achilleus Tatios ; der Heliosroman nimmt diese Züge in sich auf, wie die Heliosreligion sich alle national begrenzten Religionen einverleibt. So wird Kalasiris mit dem Apollonpriester Charikles bekannt. Zu dessen Kummer hat sich seine Pflegetochter Chariklea zur Priesterin der Artemis weihen lassen. Sie ist eine Wiedergängerin der Göttin, j agt und schießt mit dem Bogen. Den Vorschlag, einen Neffen des Charikles zu heiraten, weist sie weit von sich und hält die Jungfräulich keit für etwas Göttliches. Nun erzählt Charikles dem Kalasiris, was er ------- ·
· · · ---
1 X 36 'A7t6XAwvoc, -rov oc1hov öv-roc xoct "HI-Lov.
2
im�lJ't"ELV, vgl. die �-f)"rl)crtc; der Isisro mane und V 1 1 , 4 xoc-r!X �-fJ"lJO"LV &1-w(Levov.
3 Vgl. Hero dot I 65. Die H elio dorszene hat aretalogische Färbung.
Heliodor
weiß, und beschwört ihn bei Apoll, den Sinn des Mäd d u , n :; z u r Liehe zu wenden. Es i s t: gerade die Zeit des großen pythischen Festes - welche Rolle die Ft'ste im Roman spielen, haben wir bei Achilleus Tatios heohachtet.1 A n d iesem :Fest schicken die Thessaler eine Festgesandtschaft zu Ehren 1les in Deiphi getöteten Neoptolemos, des Sohnes des Achill. Diesmal ist der Führer der Gesandtschaft ein j unger Mann aus dem Geschlecht des Achill und von achilleischer Schönheit, Theagenes.2 Als er vor dem Tempel opfert, spricht die Pythia ein dunkles Orakel, dessen Sinn sich erst im Lauf der folgenden Handlung enthüllt : Chariklea und Theage nes - ihre Namen werden umschrieben - werden den Tempel des Apoll verlassen, über das Meer fahren, ins Land der Sonne kommen und dort ihre Stirnen mit der Priesterbinde bekränzen (II 35) . Aber nur Kalasiris ahnt, was der Spruch hedeutet.3 - Hier bestimmt also Apollon-Helios selbst, daß das junge Paar nach dem Sonnenland fliehen soll. Das delphische Fest gibt dem Heliodor Anlaß zu einer glänzenden, mit Recht berühmten Schilderung. Als Führer der thessalischen Fest· gesandtschaft reitet Theagenes an der Spitze einer Schar von fünfzig Reitern ein, glänzend in Jugendschönheit und von allen bewundert. "Aber als die rosenfingrige Morgenröte aufging",4 d. h. als Chariklea aus dem Artemistempel trat, da wandten sich alle Blicke zu ihr, so schön war sie. Sie fuhr auf einem von zwei weißen Stieren gezogenen Wagen und trug ein rotes Gewand, das mit goldenen Strahlen bestickt war. Ihr Schlangengürtel war vor der Brust zu einem Knoten geknüpft. Sie trägt Köcher und Bogen und die brennende Fackel, ihr Gesicht strahlt sonnenhaft,5 das Licht ihrer Augen überstrahlt die Fackeln. Chariklea trägt die Attribute der Artemis (Bogen und Köcher) und der lsis (rotes Gewand, Knoten vor der Brust) . Der wahre Name der Göttin, welcher sie dient, ist j edoch Selene. Das zeigt sich am Ende des Werkes, als Chariklea, die neugeweihte Priesterin der Selene, mit ihrer Mutter i i l w r ( : h a riklea
1
Vgl. Kerenyi 55.
2 Die Abkunft des Theagenes von Neoptolemos, Achill, Peleus und Thetis hat ver
mutlich ebenso einen mystischen Sinn wie die Abkunft der Chariklea von der Sonne. Genaues kann ich darüber nicht sagen ; j edenfalls steht in Thetis eine Göttin am Anfang des Stammbaums. In 111 2 wird sie der Paphie-Aphrodite (-Selene ?) gleichgesetzt. Vgl. auch Philostrat, Heroikos 19, 14 p . 208 K. 3 Vgl. 111 5, 7. ' 1 ·� 11.0� 3' -l] p � yeve:�()( cp&:v"IJ poilo Mx-ru).o� ' HciJ�. Memnon, der Sohn der Eos, ist ein Almherr der Chariklea. • I II 4, 5 �).�wcmv ; vgl. auch 111 6, 3, Chariklea üb erstrahlt alle anderen wie der M c 1 1ul die Sterne.
Heliodor
241
Persina auf einem von zwei weißen Stieren gezogenen Wagen in die Stadt einfährt. Wenn dort Theagenes als neuer Heliospriester auf einem Pferdewagen fährt, so entspricht dem sein Erscheinen zu Pferd in Delphi. Schon hier wird also auf seinen künftigen Heliosdienst voraus· gedeutet.1 Chariklea übergibt Theagenes die Fackel, m i t tlcr er das Altarfeuer entzünden soll. Da sah man, "daß das Feuer giittlieh und mit dem über· irdischen verwandt ist" :2 die beiden liehen Hieh auf den ersten Blick. Sie sehen sich tief in die Augen, "als ob �;it� Hich t�rk.llnntcn oder früher schon gesehen hätten und nun in der Erinnerung tlanad1 Huehten".3 Schließlich reißt sich Theagenes los untl entzündet daH l•'tmcr. Das Fest ist für diesen Tag heendet. Chariklea und Theagenes haben die Liebeskrankheit cin gcHogen. Chariklea wälzt sich unruhig auf dem Bett. Dem besorgten Charikles erklärt Kalasiris, jemand habe aus Neid einen bösen Blick auf sie ge· worfen. Charikles bezweifelt, daß es so etwas gebe. Kalasiris antwortet mit einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung über die Ü bertragung des bösen Blicks, der ansteckenden Krankheiten und der Liehe durch die Luft, ohne direkte Berührung. Als Beleg für die geheimnisvollen Wirkungen in der Natur führt er die Lehren der heiligen Bücher der ägyptischen Priester über die Tiere an, d. h. die Vorläufer des Physio· logus : Der Goldregenpfeifer heilt die Gelbsüchtigen, der Blick des Basilisken vernichtet." 1 In Äthiopien opfert man dem Hclios Rosse, dem schnellsten Gott das schnellste Opfertier, der Selene weiße Stiere, der erdnahen Göttin die Tiere, welche bei der Erd· arbeit (dem Ackerbau) helfen (X 6). Diese Beziehungen hat Altheim beobachtet, Literatur und Gesellschaft I 99. Der Stier ist ein Tier, das zum Mond gehört : Por· phyrios, De antro nympharum 18. 2 III 5, 4 . Das Feuer stammt von der Sonne. - Das Entzünden des Feuers kann kultische Bedeutung haben. 3 Toute cette scene semble une illustration de Ia doctrine platonicienne sur l'amour, bemerkt Maillon. - Wie die Liebe die Menschen nach Plotin zum Einen zurückführt, ist bekannt. Ich zitiere zur Illustration zwei Stellen aus den Hymnen des Proklos. Die Eroten treffen die Seelen mit ihren Pfeilen (2, S f.) 1lcpp1X 7to&wv &.v1Xy6>y�IX xev-rp1X AiXßoÜcriX� fl.1JTepoc; tcrx1Xv6wcr�v t8dv 7tUp�cpEyyeiXc; IXuA&c;. Dieser Eros ist keusch, und so kann Proklos zu Athcne beten (7, 34-36) fl.EVoc; 8' efl.7tVE:1.lO"OV epwn TOO"O"cXT�OV XIXL TOLOV, Öcrov x&ovlwv &.7ta XOA7tWV IXi'i &pucr11� 7tpoc; "0Auf1.7tov E:c; '�&EIX 7t1X-rpoc; Hioc;. Auch die chaldaeischen Orakel feiern diesen Eros (Kroll, Or. Chald. 25). 4 Vgl. Wellmann, Der Physiologus 22 und 53 f. ; Physiologus 3 ; Koiranidcn p. 100, 8. 16
Merkelbach
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He l i o d o r
gibt ein Symposion, an dem Charikles und Kalasiris teil n e h m e n . A l s Theagenes dem Kalasiris zutrinkt, dankt dieser, trinkt aber nicht. Theagenes will aufbrausen ; da erklärt ihm Charikles, daß Kalasiris als Isispriester sich des Weins und aller tierischen Nahrung enthalte. Da trinkt ihm Theagenes mit Wasser zu, und diesem Trunk kommt Kalasiris nach. Nachts erscheinen dem Kalasiris ApoBon und Artemis und übergehen ihm Theagenes und Chariklea mit dem Befehl, sie in seine Heimat Ägypten zu führen, sie als seine Kinder anzusehen und aus Ägypten dorthin weiterzusenden, wohin es den Göttern gefalle. Kalasiris ahnt, daß er die gesuchte Königstochter gefunden hat. Er hat zwar Mitleid mit Charikles, muß aber dem Geheiß des Gottes folgen.1 Am andern Morgen kommt Theagenes zu Kalasiris. Als er nicht recht mit der Sprache heraus will , macht ihm Kalasiris "wie auf der Bühne"2 allerlei Hokuspokus vor und erklärt dann, was er herausgefunden hat : Theagenes lieht Chariklea. " Sei guten Mutes" (lMpcre L und eü-9-u!Loc; e!vcxL), sagt Kalasiris, und verspricht, mit seiner Kunst Chariklea zur Gegenliehe zu bewegen. 3 Hier und im folgenden ist Kalasiris als ein Priester geschildert, der es nicht verschmäht, Tricks anzuwenden und den Anschein zu erwecken, er sei ein Zauberkünstler, um so die Menschen um so sicherer führen zu können.4 Auch eigentlichen Betrug scheut er Thcagcncs
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1 In der gleichen Nacht hat auch Charikles einen Traum, der ihn verwirrt (111 1 8). Wieder ein gottgesandter, wunderbarer Doppeltraum (Kerenyi 1 66). 2 Dies ist eine der bei Heliodor sehr zahlreichen Theatermetaphern, über welche Ph. Neimke, Quaestiones Heliodoreae (Diss. Halle 1889) und Waiden, Harvard Studies in Classical Philology 5 (1894) gehandelt haben. Natürlich ist Heliodor von der klassischen Literatur beeinftußt. Aber man vergesse nicht, daß die klassischen Dramen ihrerseits Weiterbildungen alter Kultdramen sind, welche bei Initiationszeremonien aufgeführt wurden. Nun zeigt eine aufmerksame Betrachtung fast aller Stellen, an welchen Heliodor eine Bühnenmetapher gebraucht, daß sie sich auf eine Szene im Mysterienritual beziehen. Bei der theurgischen Zauberei des Kalasiris ist es ganz deutlich. Heliodor benützt die Theatermetaphern geradezu als ein Mittel, den Leser auf den Zusammenhang der erzählten Episode mit einer mimischen Szene der My sterienweihe aufmerksam zu machen ; diese Metaphern sind sozusagen Ausrufungs zeichen : "Leser, gib acht !" - Ich werde nicht auf alle derartigen Ausdrücke eigens hinweisen. 3 Theagenes nennt den Kalasiris im Folgenden "Vater" (IV 2, 2 usw.), ebenso Chari klea (IV 5, 6 usw.). 4 "Die Zeichnung des Kalasiris mischt ganz wunderlich Züge des weisen Gottes mannes und des verschmitzten Ä gypters" (Rohde 449). Vielmehr ist beides ununter Achcidbar eines. Charikles nimmt ohne weiteres an, daß der ägyptische Priester Kaia Riris der Zauberei kundig ist (II 33, 6). - Vor kurzem ist Szepessy in einem interessan l t•n Aufsatz auf diese Frage zurückgekommen (Acta Antiqua Academiae Scientiarum l l unguricae 5, 1957, 253). Er nimmt an, Heliodor habe seine drei Priester mit Absicht
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nicht, wenn er im Auftrag seines Gottes geschieht ; sein Verhalten gegen Charikles muß man doch wohl Betr u g nennen. Das Merkwürdige ist, daß Kalasiris dadurch nicht als scheinheiliger, durchtriebener Pfaffe gekennzeichnet werden soll ; er ist vielmehr dmchaus ein heiliger ver ehrungswürdiger Mann.1 Mit vollem R e e h t h at H ohde 438 f. den Apollo nios von Tyana verglichen.2 Dieser ga l t al:-; gütt li ch cr Wundermann3 und gleichzeitig als großer Zauberer u u cl Magit, r ; u u tl "der Mann, dem solche Künste zugetraut wurden, muß tl ud1 ''tw a :-; Imponierendes und Unheimliches in seiner Person gehabt lml1eu " . 4 S o l d w Fi gu ren zu ver stehen fällt uns schwer. Im heidnisdwn M y :-; t t • r i t· n k u l t m iiRI"cn sie eine große Rolle gespielt haben ; wir erinnern u n s tl t'r t ; ;l llkdeieu tlcs Ä !,ryp ters Menelaos bei Achilleus Tatios, aber a u c h tler Theurgie t l t'r ll(mplato nischen Philosophen. Was einfacher Hokuspukus zu seiu sdwint, ka n n plötzlich zu tiefsinniger Mystik subl i m i ert au ftrcte n . 5 Dalwr unterdifferenziert : Der Grieche Charikles ist fast ein h i l.ldwn dümmlich ; der .Ä gypter Kala siris ist viel klüger, aber doch noch ein Zaubt•rt•r ; tlas Ideal verkörpert erst der reine .Äthiopier Sisimithres. Das ist erwägenswert ; aher ieh h ab e doch Bedenken und glaube nicht, daß eine wirkliche Kritik des KalaMiri� in tm1diert ist. Die heidnische Religion ist nie ganz von der Theurgie losgekommen, an eh n i e h t Porphyrios im Brief an Anebon. 1 Zur Rechtfertigung solchen Priestertmg� ht•m erkt Bachofen (Werke IV 148, 0), "was Gorgias (bei Plut. de audiendis po l't i s p. 1 5 D) von der Tragödie sagte : sie sei ein Betrug, bei dem der Betrüger gerechter m u l tlt·r Betrogene weiser sei als der, welcher nicht betrügt und nicht betrogen wird". 2 Philostrats Apolloniosbiographi" i s t n i d t t lange vor Heliodor geschrieben und die sem in der Tendenz sehr ähnlich. Sie schildert den Apollonios als neuen Pythagoras Apollon und Diener des Helios, zu dem er i m mer betet. Sein Name Proteus (-Aion Horos-Hclios, vita Ap. I 4) besagt d asselbe. Auch Kalasiris wird dem Proteus ver glichen (II 24). Apollonios und Kalasiris enthalten sich beide j eder beseelten Speise. Jedes Tieropfer lehnen sie ab. Das ßuch des Philostrat ist im Auftrag der Iulia Domna geschrieben, deren Geschlecht aus Emesa stammt, der Stadt Heliodors. Kein Wunder, daß die Vorstellungen des Philostrat und Heliodor vom heiligen Mann einander so ähnlich sind. - Über Anleihen des Heliodor bei Philostrat s. oben S. 234, 3 und S. 237, 5. 3 Eunapios, vit. Sophist. I I 1 , 3 , A7tOMW\ILO<; . . . 6 EX TuliV(l)V, ouxen tptA6crotpo<;' &J.A' ijv n .fte:wv -re: xc.d &v.&pw7tou [J.ecrov. lbid. XXIII 1, 8 (vita des Chrysanthio s) : ol 7tpocrxuv�crav-re:t; 'A7toJ...J...w vtov (vgl . auch Marchesi in seiner Einl eitung zu Apuleius, de magia [Bologna 1955] S. XX ff.). Aurelian, der den Sol invictus zum Hauptgott des römischen Reiches machte, verehrte den Apollonios (Script. Hist. Aug., Aurel. 24 ; Rohde 466, 1). 4 Wilamowitz, Der Glaube der Hellenen li 487, der sehr zutreffend Empedokles ver gleicht. Man sehe auch, was Wilamowitz 520f. über Peregrinus Proteus und Alexan dros von Abonuteichos sagt. 5 Man erinnere sich an das erstaunliche Frag ment aus Proklo s, 7te:pt -r'ij<; l e: pan x'ijt; -rexv7J<;, welches Bidez entdeckt und herausgegeben hat, Catalogue des Manu serits Alchlmiques Grecs VI, Bruxelles 1928, 148-151 ; vgl. Bidez, Melanges Cumont, Bruxelles 1936, 85-100 ; Bulletin de l'Academie royale de Belgique, Classe des Lettres V 28, 1942, 217 ff. ; Festugiere, Revelation I 1 33-136. ·
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scheidet Kalasiris zwei Arten von Magie, die niedere, volkstümliche, welche wir schwarze Magie nennen würden, und die wahre Weisheit der Priester und Propheten, "welche nach oben zu den himmlischen Dingen blickt, mit den Göttern umgeht und an den Kräften der Oberen teilhat, die Bewegung der Sterne erforscht und die Zukunft erkennt, sich von den Üheln der Erde entfernt und alles zum Guten und zum Nutzen der Mcmchen tut" (111 16).1 Ein Priester wie Kalasiris darf sich, um Gutes zu stiften, mit dem Nimbus eines Wundertäters und Zauberers umgehen ; er darf im Dienst seines Gottes Dinge tun, die man hei anderen Menschen Betrug nennen würde. Es gehörte für einen Priester einfach dazu, sich in den Ruf hoher Weisheit zu setzen, und es steht uns vielleicht nicht an, uns darüber zu entrüsten. Wer weiß auch, wieweit asketisches Lehen und Versenkung einen sechsten Sinn ausbilden können, der dem Aske ten den Nimbus eines Wundermannes verleiht ? Ein kluger Psychologe erreicht auch heute Wirkungen, die für uns andere Zeitgenossen an Zauberei zu grenzen scheinen, und kann manche Stücklein erzählen, die in der Sprache vergangeuer Generationen Austreibung höser Geister genannt worden wären. Der Schritt vom heiligen Mann zum Zauberer ist nur klein. Oft genug wird ein solcher Mann auch ernstlich geglaubt hahen, daß ihn etwas Göttliches treibe. Ein solcher Glaube mag zum Teil vom Eigennutz genährt worden sein - man glaubt nur zu leicht, was einem nützt ; zum Teil aher werden die Wundermänner ein Emp· finden für Dinge gehabt hahen, die uns rationalen Menschen unzugänglich sind. Priester und Zauberer gingen ununterscheidhar ineinander üher.2 1 Eine ähnliche Unterscheidung bei Apuleius, de magia 26 : auditisne magian artem esse dis immortalibus acceptam, colendi eos ac venerandi pergnaram, piam scilicet et divini scientem, nobilem, caelitum antistitam . . . Sin vero more vulgari eum isti proprie magum existimant, qui communione loquendi cum deis immortalibus ad omnia quae velit incredibili vi cantaminum polleat etc. Apollonios von Tyana, epist. 1 6 : M&you� orEL lle:L\1 0\IO[L
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Zurück zur Handlung Heliodors. Kalasiris hat dem Theagenes ver sprochen, ihm zu helfen. Da auch Chariklea krank ist, Charikles aher den Grund nicht weiß, bittet er Kalasiris, das Mädchen zu heilen, und führt ihn zu ihr. " Sei getrost" (&&paeL), sagt Charikles zu dem Mädchen und verspricht, Kalasiris werde ihr mit Zaubersprüchen helfen. Es folgt der Schlußtag der pythischen Spiele. Der Sieger im Waffen lauf soll von Chariklea geehrt werden, die in priesterlichem Schmuck erscheint, in der Linken eine brennen de I<':u�kd , in der Rechten den Palmzweig. - Die Bedeutung der Palme ( cp (JLVL�) ist vielfach ; sie sym· bolisiert u. a. den Sieg, die Sonne,1 die Unst erhl idakeit und die Ewig· keit.2 Nur ein einziger Waffenläufer meldet sida, dt'r !'dwn viele Wett· kämpfe gewonnen hat. Keiner wagt, gegt'n i h n anzutret:ma . S<�hließlich meldet sich Theagenes, siegt und erhält dt'n Pal mzwt,ig aus der Hand der Chariklea. - Wie Chariklea mit A r t emi s-lsi s- Sclcne zusammen hängt, so Theagenes mit Helios. Er ist ch'r s it,greiche Läufer, und als invictus wird er sich auch am Ende des H u m a n s erweisen. Die liebeskranke Chariklea verbri ng t. .. ine schlimme Nacht. Am Morgen wird Kalasiris gerufen. Er gaukelt dem Mädchen vor, mit Hilfe eines Rauchopfers den Grund ihrt'r Kra nkheit erforschen zu wollen, und sagt schließlich : " Sei getrost, Todater, deine Krankheit ist leicht zu heilen : Theagenes hat dich hehext."3 Chariklea deutet an, daß sie ihn liebt ; als Kalasiris in sie dringt, alles offen zu bekennen, 4 vertröstet sie ihn auf den nächsten Tag. Charikles läßt seine Pflegetochter durch Ärzte untersuchen, welche feststellen, daß sie liebeskrank ist. Charikles meint, die Kunst des Kalasiris habe dies zuwege gebracht. Überglück· lieh dankt er ihm. Kalasiris sagt, er habe sie wirklich verzaubert ; aher ein Gegendämon ( &v'![-9-eoc;) behindere ihn noch ; er brauche die Er· kennungszeichen, die mit dem Mädchen ausgesetzt worden seien, he· sonders die Binde. Charikles bringt die Binde mit dem Brief der Per· sina an ihre Tochter. Kalasiris liest den Text und erkennt, daß Chariklea wirklich das lange gesuchte Königskind ist. Er staunt über das Walten der göttlichen Vorsehung und ist glücklich, daß das Verhorgene ge· 1 Apul. XI 24, 4, ; die Sonne ist sol invictus. 2 Hierin fallen Sonne und Vogel Phönix zusammen. 3 Dies &&pcre:L ist parallel zu dem Trostzuspruch des Kalasiris an Theagenes ( oben S. 242). Wir kennen diese Parallelität aus den anderen Ro manen. 4 IV 5, 7 "Das Verschweigen nährt die Krankheit ; wenn man sich offen ausspricht, ist Trost leichter zur Hand".
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fundcn wurdc.l Gleichzeitig bedenkt er am Beispiel der Chariklea das
mem;chlichc Leben und seine Unsicherheit : welcher Eltern Kind Chari klca war und für wessen Tochter sie gehalten wurde, wie weit weg von
der Heimat sie verschlagen worden war und daß ihr vom Schicksal be stimmt wurde, als Bastardtochter zu gelten, da ihre echtbürtige und königliche Abstammung verloren gegangen war. - Chariklea ist das Abbild jeder menschlichen Seele, welche in die Welt der Materie ge fallen ist und ihre göttliche Abkunft vergessen hat. In der Weihe ent hüllt ihr der Priester ihre Abstammung von Gott und ihre hohe Be stimmung, die Welt zu fliehen und zu Gott zurückzukehren. So wird Kalasiris der Chariklea enthüllen, wer ihre Eltern sind, und sie auf fordern, aus Griechenland zu fliehen und in das Sonnenland, ihre wahre Heimat, zurückzukehren. Kalasiris geht zu Chariklea, spricht einige Trostworte (IV 10, 4 emppwvvuc;) und fordert sie auf, ihm ihr Leiden offen ZU bekennen. Zö gernd gesteht Chariklea, daß sie liebt. Sie ist in höchster Erregung und "fürchtet das, was sie erhofft". Kalasiris sagt ihr, daß auch Theagenes sie liebe. - Der Einweihung geht eine Beichte voraus ; man erinnert sich der Absolution des Lucius vor der Weihe.2 Furcht und Hoffnung als den Zustand des Mysten bei der Weihe haben wir schon öfters kennen gelernt. Nun zeigt Kalasiris der Chariklea das Kästch en (xL(j't'tc;)3 mit der Binde und liest ihr den Brief der Mutter vor. Da erkennt Chariklea ihre königliche Herkunft und erhebt sich im Geiste zu ihrer hohen Ab stammung. Kalasiris fordert sie auf, aus Griechenland zu fliehen, statt des Lebens in der Fremde und in Unehre4 ein Leben in Ehre als Herr seherin zu führen und neben ihrem Liebsten Königin zu sein. Dies habe ja auch das Orakel des Apollon befohlen. Chariklea erstarrt, willigt 1 IV 9 -r-ljv EK .&e:wv otxovO(LLOW e.&a:U(LIX�OV . er weint Freudentränen �po<; -r-ljv -rwv &yvoou(Levwv eüpe:mv ; vgl. III 16 -r-ljv Xa:p Lxi.da:.; e:\lpe:ow ; III 15 e:Up7Jx€va:L n -rwv oö �pocraoxw(L€vwv EA�l�wv. Hier nimmt H elio dor das zentrale Motiv der I sisro mane auf. Vgl. auch IV 1 9, 7 und 9 und V 33, 3 . • Apul. X I 2 3 , 1 m e sueto lavacro traditum, praefatus deum veniam, purissime cir cumrorans abluit. Vgl. auch S. 169 f. 3 IV 1 1 , 3 ; gleichwertige Variante : xoL-rl.;. Auch im Bericht des Eunapios vit. Soph. VI 7, B über So sipatra ko mmt eine xoL-rl<; vor (p. 468 Boiss. 3 1 , 10 Gian1-!: rande). ' IV 13, 2 lies �evou ae: KIXL vo.&e:lou (o.&vdou codd.) yv�O'LOV KIXL &pxov-ra: ßlov
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dann aber ein zu fliehen. - Das Verlesen eines Briefes der wahren El tern muß ehenfalls zum Weiberitual im Heliosdienst gehört haben. Im Seelenhymnus der Thomasakten erfüllt ein Brief dieselbe Funktion wie bei Heliodor und fordert den Helden zur Heimkehr ins Sonnenland auf. Die Beziehung dieses Hymnus zum Mysterienritual werden wir im Anha n g darlegen.1 Jede "Bekehrung" ( conversio) ist eine Umkehr (E:mcr-rporp-�) . "Fliehe aus der Welt zum wahre n Vater" ; dies fordert nicht nur der Weihepriester, sondern auch der Ph i losoph ; wer gedenkt hier nicht der berühmten Worte Plotins ?2 Chariklea fragt, was nun zu tun sei. Ka l a si r i s hdichl t ihr, sich zu stellen, als sei sie bereit, nach dem Willen i h re s Pflegevaters Charikles dessen Neffen zu heiraten. Als Chariklea frag t , wozu dies dienen solle, antwortet Kalasiris, das werde sie später se h e n ; sie solle j e t z t n ur seinen Anordnungen folgen. - Gehorche dem Priester ohne z u fragen, lehrt diese Episode. Kalasiris verläßt Chariklea und trifft den Ziehvater Charikles. Dieser hat geträumt, ein Adler, den Apollon aus seiner Hand habe ausfliegen lassen, sei herabgestoßen, habe Chariklea aus seiner Umarmung geraubt und sie ans Ende der Welt fortgetragen. Kalasiris deutet den Traum SytH,sios und Julian angeführt werden . Enn. I 6 ( 1 ) 8 d>yw(Le:\1 a� "cp();Y]\1 d� mnpl3<X" ,
1 Dort werden auch die Parallelen aus •
AE:UOLTO. Tl� 00\1 '1) cpuyf) ; x<Xl 'IL"W� av<X/;6!J.e:[}<X ; o!ov a'IL"O !J.OCYOU KlpK'I)� - Cf>'1)<1LV <XlVLT T6tJ.e:vo�, 3oxd !J.OL - � K<XA.u�ou� ' 0 3ucra�ü�, [.Le:i:v<XL oux &pe:cr.&e:l�, x<XlToL lixwv ·� 3ov1X� 3L' O!J.!J.OCTWV K<XL KOCAAE:L 'IL"OAAWL <Xlcr!>·I] T<7i L auvwv. 'IL"<XTpl� a� 'YJtJ.i:v, ö.&e:v7t�p l)A..&o!J.e:V, x<Xl 'IL"<XT�P &xe:i:. Enn. II 3 ( 5 2 ) 9 tuo X <XL cpe:Üye:LV EVTe:u.&e:v a�r K<XL xwpl�e:Lv <XUTOU� ar;o TWV 7tpocrye:ye:v'I)!J.EVWV ( dies wäre bei Helio dor der Pflegevater Charikles). Enn. VI 9 (9) 1 1 a'lt<XAA<X� TWV &.llwv TWV T'ijL3e:, ßlo� &v� 3ovo� TWV T'ijLBe:, cpu� (L6\IOU r;poc; !J.6vov. Diese "Flucht" Plotins geht nach innen ; aber scho n Heliodors Flucht nach
" Äthiopien" ist rein sinnbildlich zu verstehen, s. unten S. 293 f. Plotins Vorbild ist Platon, Theaetet 1 7 6 A 8Lo x<Xl r;e:Lpiicr.&<XL X P� &v.&ev8e: &xdcre: cpe:üye:Lv ön TOCXL<1T<X. cpu� BE: ÖtJ.olwcrL� .&e:wL K<XTOC TO 8uv<XT6v. Von der Flucht zur
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T<Xu.&oi: /;EV'I)� K<XT<Xywy'ij�.
Die Heimkehr des Odysseus nach lthaka wurde von den Plato nikern allegorisch interpretiert als Heimkehr in die intelligible Welt, die wahre Heimat der Seelen, s. Eustathio s p. 1 3 89, 47 (zu 0( 51) 'Ep!J.OU !J.E:<1LTE:UOVTO� (ö ecrTL Myou) yeyove: (sc. ' 0 8ucrcre:u�) T'ijc; K<XTtX T�V tpLAOcrocp(<XV 7to.&oU!J.EV'1)<; Ti:<XTp [8oc;, �youv TOU VO'I)TOU •
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auf die bevorstehende Hochzeit und empfiehlt dem Charikles, seine Pflegetochter durch Geschenke günstig zu stimmen. Charikles läßt ihr ein wertvolles Kleid und die äthiopische Kette bringen, welche einst mit ihr als Erkennungszeichen {yv(t)pLO' !J.CX't'ot} ausgesetzt worden war. Der Myste erhält bei der Weihe ein Weibekleid und die Erkennungs zeichen, an denen er seine göttliche Abkunft erkennt.1 Kalasiris geht zum Apollontempel, um das Orakel um Rat zu fragen. Auf dem Weg begegnet er phönizischen Schiffern, die ihn einladen, mit ihm zu opfern. Kalasiris opfert Weihrauch und Wasser2 und nimmt an ihrem Opfergelage teil. Er erkennt, daß der Gott ihm den Weg zeigt, auf dem er fliehen soll, und vereinbart am andern Tag mit den Schiffern, abzufahren. Nun faßt Kalasiris seinen Plan und instruiert Theagenes und Chariklea. In der nächsten Nacht ziehen die thessalischen Begleiter des Thea genes im Kornos durch Deiphi und rauben Chariklea, die sich bereit gehalten hatte. Während die übrigen Thessaler lärmend die Stadt ver lassen und nach Norden ziehen, kommen Theagenes und Chariklea zu Kalasiris und verstecken sich bei ihm. "Rette uns, Vater", sagen sie, "rette uns Fremde, die keine Heimatstadt mehr haben, die allem fremd geworden sind, um einander zu gewinnen ; rette uns, die wir künftig Sklaven der Tyche sind und Gefangene eines zuchtvollen Eros, die wir aus freier Wahl und wohlgemut Flüchtlinge sind, die alle Hoffnung auf Rettung auf dich gesetzt haben" (IV 18) . Kalasiris macht ihnen gute Hoffnungen (XP'YJO'-rllc;; e:A7ttacxc;;) für die Zukunft. Chariklea läßt Theagenes bei Apollon, Artemis, Aphrodite und Eros3 schwören, die Ehe erst dann zu vollziehen, wenn sie in ihre Heimat zurückgekehrt sei.4 - Die Episode spielt auf den Eid des Mysten an. Die Hoch•
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1 Apul. XI 1 4, 5. Ach. Tat. VI I. Longus IV 23, 2 und 32, I . 2 Auf das unblutige Opfer, die :AoyLx-1] .&ucr[!X des corpus Hermeticum, werden wir unten S. 2 87 zurückko mmen. 3 Ü b er die Lesung IV 1 8, 6 "E pcu·mlc;l s. Stu dien zur Ü berlieferungsgeschichte und Textkritik (Festschrift Jachmann) 182. In IV 1 8, 2 ist die Variante e:u.&Of.Louc; vor zuziehen (nicht &ve:u.&ovouc;). ' Im X. Buch (19 / 2 1 und 33) nennen Chariklea und Theagenes sich geradezu "Mann" und "Frau". Vielleicht darf man schließen, es habe im Helioskult keusche Ehen g egeben. Solche Ehen sind für das frühe Christentum mehrfach bezeugt, waren aber auch «:lern gleichzeitigen Heidentum nicht fremd (Geffken, Das grie chisch-römische Heidentum 74 und 1 9 9 zitiert Da maskios, vita l sidori 59 [S. 37, 7 Asmus] über Theosebio s ; Reitzenstein, Wundererzählungen 44 f. zitiert Clemens, St rum. 111 4 , 24 über Pythagoreer). Porphyrio s, Ad Marcellam 33 sagt : €x 7t1Xp-frtvou y .i p <jlll;('�c; xcd ·lj L-frtou voü -rdc nx-rof.Le:'IIX f.L1XX1XpLWTIXTIX. Keuschheit (und Enthaltung
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schätzung von Reinheit und Keuschheit ist für den Helioskult charak teristisch. Die neuplatonische Lehre stimmt überein. Kalasiris eilt zu Charikles und ,.;agt, clic Thessaler hätten Chariklea entführt. Die Delpher ziehen i l n w u h c�w a fl u ct nach. Kalasiris, Thea genes und Chariklea besteigen cl a,.; Sc�h i fl" c l c� r Pltiiniker und fahren mit ihnen bis Zakynthos (V I und 17). Bd S m t i i i ' H a u fgan g landen sie. Die Phöniker überwintern auf der lnsd . K u l a l'l i r i ,.; u u c l c l a s junge Paar neh men bei einem alten Fischer Wolumug. H it��"" r 1 1 1 ' 1 1 1 1 1 c l c,u Kalasiris sei nen Bruder, Theagenes und Ch a ri kl c a sc�i t w K i H c l c· r ( V :! 1 1 , 2) . - Über die mystische Bedeutung des Fischcrs haben w i r ubl ' u S . :! I :! gc·l'lpruehen. Der Besitzer des phönizischen Schiffes vcrlic�LI. l'l i d t i 1 1 ( : t w r i k lc�u und hält bei Kalasiris um ihre Hand an. Ihn runclwc�g uhzu w c · i M · u l'ldu�i ut nicht ratsam ; so vertröstet man ihn auf später. ALcr u u d t T n u � h i u m; , der Kapitän eines Seeräuberschiffes, welches dem phthtizi s d u · u S d t i fl" auflauert, hat sein Auge auf das schöne Mädchen geworfen. Dc� r Fisc� l u · r erfährt es und warnt Kalasiris. Dieser vereinbart mit dem I>h ii u i k c,r, schon in der nächsten Nacht, also noch mitten im Winter, abzufahrc u . Als Kalasiris vorher noch ein wenig schlummert, erscheint ihm Oclys seus im Traum, der Heros, welcher die schlimmste Irrfahrt überstanden hat und als Prototyp aller Mysten aufgefaßt wurde, welche die Irrfahrt durchs Leben machen müssen.1 Er hinkt etwas, wegen der Wunde am "
von Fleischspeise) reinig en die Seele : Porphyrio s, De regressu animae fr. 7 p. 3 5 , 1 3 * Bidez ( Augustin, civ. dei X 28) lehrt, spiritalem animam . . . posse continenliae virlute purgari. Interessant ist die Bemerkung des Psello s (in seinem Urteil über H elio dor und Achilleus Tatio s, in Colonnas Helio dorausgabe S . 365), Charikleas Seele sei zur Liebe der Schönheit (des Theag enes) einmal herabgezogen worden, doch von der niederen Lieb e (Aphro dite 7tcXv8l)(J.O�) sei sie rein g eblieb en. 1 Irrfahrt (7tAcXVl)) des Kalasiris : V 1 6. Das Motiv findet sich bereits zu Anfang des 2. Jahrh. v. Chr. in der mystischen Vision (llpa:at.:;) des syrischen Astrologen Krito demos, s. Vettius Valens 111 12 p. 1 50, 11 und I X prooem. p. 329, 18 Kroll (Bidez, Melanges Capart Annuaire de l'Institut de Philologie et d' Histoire Orientales 3, Bruxelles 1 9 3 5 , 84). Ü ber Odysseus s. Porphyrio s, De antro nym pharum 3 4 -roi� m:pt NoutJ.7Jvmv E86K&L ' 0 8ucrcreu� dx6va: cptpetv -roü 8t!X nj� Ecpel;'ij� y&VEO"EW<; 8tEp )(.O(J.eVOU KIX1 o{hw.:; ci'ltOKIX·Ihcr-ra:(J.eVOU d� TOU<; lfl;w 'lt"IXVTO<; KAU8WVO<; KIX1 .&a:AiicrO"l)� &7tdpou� d� Ö KE 'rOU� cicp(Kl)IXL ot oÜ:K tcriXO"L .& ciAIXO"O"IXV &vepa:� oü8' lf.&' &AEO"O"L (lE(J.Ly(J.eVOV d8a:p lf8oucrtv. 7t6v-ro.:; 8E: xa:l .&&Aa:crcra: xa:l x:AU 8wv xa:l 7ta:p!X ll:A&-rwvt 1j u:Atxlj crucr-ra:at.:;. Das Orakel übe r Plotin (Porphyrios, vita Plotini 22) spielt mit dieser Vorstellung ; s. auch Proklos, in remp. I 1 3 1 , 5 : 'lt"AcXVl) (Bidez, Vie de Porphyre 1 2 3). Vgl. ferner Carcopino, La Basilique Pythagoricienne 3 5 5 f. ; De Pythagore aux Apötres 1 7 7 , 1 92 ff. , 203, 2 1 2 ; Courcelle, Revue d e s Etudes Anciennes 1 944, 65-93 ; Rahner, Griechische Mythen 4 1 4-46 6 ; Cumont, Symbolisme funeraire 22 f. =
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OhersdlCnkcl, welche ihm einst · der Eher zugefügt hatte. - Diese Wunde wird offensichtlich gleichgesetzt mit der Schenkelwunde des Adonis ; a n ihr erkennt man nach der allegorischen Homerinterpreta tion, daß Odysseus ein Myste gewesen ist. Theagenes hat an der gleichen Stelle eine N arhe, welche ein Eher geschlagen hat (V 5, 2) . Die Ver wundung des Kleitophon am Oberschenkel haben wir oben S. 137 be sprochen. Das Nachziehen des einen Beins als Kennzeichen des Mysten findet sich auch hei Apuleius.1 Lächelnd wirft Odysseus dem Kalasiris vor, daß er ihn gar nicht geehrt habe, obwohl lthaka doch nahe bei Kephallenia liege. Zur Strafe werde Kalasiris ein ähnliches Geschick haben wie er selbst. Dem Mädchen aber, das mit ihm sei, solle er einen Gruß von Penelope bestellen, die sich über ihre Tugend freue, und ihr ein gutes Ende verheiße (V 22) . 't'SAoc; cxu't"YjL ae:�LOV e:ucxyye:J.(�e:'t'(XL. Diese frohe Botschaft bezieht sich natürlich nicht nur auf das gute Ende, son dern auch auf die Weihe ('t'sAoc;), welche die ewige Seligkeit verheißt. Das Lächeln des Odysseus ist ein Hinweis, daß diese Erzählung einen mystischen Hintersinn hat. 2 Das Schiff läuft aus, aber die Seeräuber merken es und verfolgen es. Zwischen Kreta und Afrika überfallen sie die Phöniker. Diese wehren sich nicht ; auch Theagenes hält sich still, auf die Bitten des Kalasiris und der Chariklea. Die ganze Besatzung muß im bloßen Hemd in einen Kahn steigen ; zu Chariklea sagt der Räuberhauptmann Trachinos : " Sei getrost (&&pcre:L} und sei unsere und aller dieser Dinge Herrin." Sie erreicht, daß Kalasiris und Theagenes, welche sie als ihren Vater und Bruder ausgibt, bei ihr bleiben dürfen. - Über die Doppelrolle der Räuber, über die Passivität des Mysten Theagenes und über die -
1 XI 27, 5 über die nächtliche Erscheinung des Dionysos-Osiris-Adonis : is ut agni tionem mihi scilicet certo aliquo sui signo subministraret, sinistri pedis talo paululum reflexo cunctabundo clementer incedebat vestigio. Ein Mal am Schenkel war in der Fa milie der Seleukiden erblich, als Zeichen der Abkunft von Apollon (Justin XV 4, 3). Vgl. das Mal am Schenkel Homers und am Arm der Chariklea, unten S. 296 f. Das seleukidische Mal hatte die Gestalt eines Ankers ; daher findet man den Anker als wap penartiges Emblem auf Gewichten (Rostovtzeff, Gesellschafts- und Wirtschafts geschichte der hellenistischen Welt Tafel 54, 3 und 55, 2 mit Text) und auf Münzen. - Auf einem Grabaltar des 2. Jahrh. n. Chr. aus Bierbach, heute im Museum zu Speyer, sieht man, wie Herakles vom nemeischen Löwen am Oberschenkel verletzt wird (Schnei der, Wissensch. Zeitschr. der Univ. Leipzig 7, 1957/8, Gesellsch. u. Sprachwiss. Reihe s. 663). 2 Das Lächeln kommt bei Heliodor öfters vor, nie ohne Bedeutung. - Sehr auffällig i�t dicM "mystische" Lächeln auch in Theokrits Thalysia ; ich werde darauf zurück -
kumnwn.
Heliodor
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· Verwandtschaft der Mysten untereinander braucht nicht mehr gespro chen zu werden. In der Nacht überstehen die Räuber auf dem erbeuteten Schiff noch einen schweren Sturm. Am andern Tag landen sie am herakleotischen Nilarm und bereiten ein großes Gelage vor. Trachinos will Hochzeit mit Chariklea feiern. Diese will eher sterben. Kalasiris rät, sich zunächst so zu stellen, als füge sie sich, und sich bräutlich zu Hdnuücken. Nun zieht Chariklea ein goldbesetztes heiliges Kleid aus Dei p h i an und schmückt sich mit dem Lorbeerkranz. Es ist das Mysterienklcid, claH \Vcihe-, Braut und Sterbekleid in einem ist. Chariklea hat es wiihrmul ihrer ganzen Irrfahrt bei sich.1 - Es ist bezeugt, daß auch manche IHiHmysten ihr Weibekleid ständig bei sich trugen. 2 Kalasiris verleitet einen anderen Räuber dazu, Chariklca für Hieh zu beanspruchen.3 Als dieser Chariklea sieht, die in ihrem Schmut:k am; sieht wie Artemis selbst, ist er ganz entflammt. Abends, beim Gel a ge am Strand, streiten die Räuber. Zwei Parteien bilden sich und es kommt zu wildem Kampf. Die Räuber töten sich gegenseitig ; Theagenes kämpft tapfer und Chariklea, die auf dem Schiff geblieben ist und die Silhouet ten der Kämpfer vor dem Feuer deutlich sehen kann, erschießt viele Räuber mit dem Pfeil. Diese merken nicht, woher das Übel kommt, und meinen, es seien göttliche Geschosse - Chariklea ist eben eine zweite Artemis. Den letzten und tapfersten der Räuber tötet Theagenes im Zweikampf. - Dies ist der Freiermord der Aithiopika.4 Die Taten des Odysseus vollbringen hier Chariklea und Theagenes zusammen, dieser mit dem Schwert, j ene mit dem Bogen. Theagenes blutet aus vielen Wunden. Der alte Kalasiris hatte sich hinter die Küstenhügel versteckt, Chariklea setzt sich zu dem schwer verwundeten Theagenes. Dies ist die berühmte Szene, mit welcher der Roman beginnt. Die Sonne geht auf - Helios wird schon im ersten Satz erwähnt -, als von 1 V 5, VI 1 1 , X 9 vgl. Kerenyi 144. In I 20 heißt es, Chariklea halte es auch im Un glück für umecht, das heilige Kleid und die Binden wegzulassen. 2 Plutarch, De Iside 3 und 77. Vgl. auch die Erzählung des Eunapios über das Weihe kleid der Sosipatra (vitae Sophistarum VI 7) ; Reitzenstein, Myst. Rel. 43, 1 hat fer ner an das Totengewand des Heraiskos erinnert (Damaskios, vita Isidori in der Su da 7j 450, II 579 Adler). 8 "Sei getrost", sagt dieser zu Kalasiris, und Kalasiris gibt den Trost an seine "Kin der" weiter (V 30, 3 e&&:ppuvov . . . EUC(YYEA��6(LEVO<;). 4 Die allgemeine Ähnlichkeit der Szenen (Mord beim Mahl) ko nnte kein antiker Leser übersehen. Eine direkte Anspielung auf die Odyssee (X 74 &v·dcr)(EO"&e: 't'p0(7tt�C(<;) steht in I 1 , 4.
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Heliodor
Land her eine Räuberschar zu den Hügeln der Küste kommt. Sie sehen das verlassene Schiff, die Reste des Mahls, die Leichen der Räuber, Theagenes und Chariklea. Das Mädchen in goldgeschmücktem Gewand, Lorbeer im Haar, mit Köcher und Bogen sieht aus wie eine Göttin. Sie wirft sich über den halbtot daliegenden jungen Mann, weint und küßt ihn. - Kerenyi 26 hat sehr zutreffend von der Pieta- Szene des Helio dor gesprochen. Chariklea ist das Ahbild der Isis, die den toten Osiris mit ihrer Umarmung erweckt, oder der Aphrodite von Byblos, welche um Adonis klagt.1 Der Kult des Helios und der Selene hat die anderen heidnischen Religionen in sich aufgenom men. Als Chariklea sich umdreht, 2 trifft ihr Blick die Räuber wie ein Blitz strahl. Sie verstecken sich und meinen, das Mädchen sei Artemis oder Isis. - Auf die parallele Episode des Isismythos (Plut. De Iside 17) hat schon Kerenyi 43 hingewiesen : Isis umarmt den toten Osiris und klagt ; der kleine Sohn des Königs von Byblos sieht unglücklicherweise zu ; Isis blickt zornig um, und das Kind stirbt vor Schreck. 3 Schließlich wagen sich die Räuber doch vor und beginnen, die Beute aus dem Schiff zu holen. Sie werden aber von einer zweiten, stärkeren Räuberschar gestört· und fliehen. Auch diese Räuber staunen über die Schönheit des jungen Paares. Der Räuberhauptmann Thyamis fordert Chariklea auf, ihm zu folgen ; sie erreicht, daß auch Theagenes mit genommen wird. Kalasiris muß in seinem Versteck untätig zusehen, wie die Räuber seine "Kinder" abführen (V 34) . Er hofft irgendwie noch für ihre Befreiung tätig sein zu können, und irrt ziellos umher. Er be gegnet danach einem griechischen Kaufmann aus Naukratis, Nausikles, der ihn in sein Haus im Dorf Chemmis mitnimmt und dort gastlich be herbergt (II 22, 3). Nach längerem Weg erreichen die Räuber mit ihrer Beute den Lager platz auf einer Insel des Nildeltas. Wegen der reichen Beute und der Schönheit der Chariklea meinen die dort zurückgebliebenen Räuber, ihre Gesellen hätten ein Heiligtum geplündert und die Priesterin gefan gengenommen, oder gar das lebendige Götterbild mit sich fortgeführt wieder eine Anspielung auf die Göttlichkeit der Chariklea. Der Räuber1 Die Schilderung des verwundeten Theagenes erinnert an Adonis : o 1>1: 't'pQ(U(.LQ(m (.LE\1 XQ('l"'jLXLa't'o • • • , 'l)v&eL lll: XQ(L l:v 't'OU'l'OL� &vllpdwL 't'WL x&MeL, XQ(L � 7tQ(pEL� XQ('t'Q(pptovn
't'ÜH Q(t(.LQ('t'L (jlOL\IL'l''l'O(.LC\1 '1) Ae:uX6'l"'J't'L 7tAEO\I OC\I'l'EAQ((.L1tE\I (I 2, 3). � Dabei erklingen die Pfeile von der raschen Bewegung wie die des zornigen A pollon in der llias (A 46/7) ein Hinweis auf die Göttlichkeit der Chariklea. " Oie Räuber fragen (I 2, 7) 1tou 1>' &v vexpov aW(.LQ( qnAOt'IJ /lQ(t(.LW\1 o\hw 1tep mQ(&w� ; W e n n m a n die Frage bea ntworten sollte, müßte man sagen : lsis. -
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hauptmann Thyamis übergibt das Paar zur Bewachung einem jungen Griechen Knemon. In der Hütte angekommen, klagt Chariklea dem Apollon ihr Leid. Knemon verspricht, die Wunde des Thcagenes in drei Tagen mit einem besonderen Heilkraut zu heilen.1 Dann erzählt er den beiden seine Ge schichte. Er stammt aus Athen. Seine Stiefmutter h a t t e ihm Liebesanträge gemacht. Als er sie zurückwies, hatte sie ihn verleu mdet, wie Phaedra den Hippolytos.2 Daraufhin schlug ihn der Vat<�r m i t ·Faust und Peit sche. Danach bringt ihn die Stiefmutter hinterlistig m it: Hilfe einer Sklavin Thisbe in eine Situation, in welcher es so aussieht, als habe Knemon seinen Vater töt�n wollen. Er wird vor das Volksg<�rit�ht ge führt und soll zum Tod verurteilt werden, wird aber nur m i t •�wiger Verbannung bestraft. Er flieht nach Aigina. Bald darauf ertappt: sei n Vater mit Hilfe der Thisbe die Stiefmutter, wie sie im Haus einer Hct.ilre auf einen Buhlen wartet. Die überführte böse Frau tötet sich selbst ; aber ihre Verwandten wollen Knemons Vater des Mordes anklagen. Sie fordern die Sklavin Thisbe als Zeugin zur Aussage auf der Folter. Thisbe erfährt es rechtzeitig und flieht mit ihrem Liebhaber N ausikles, dem reichen Kaufmann aus N aukratis, nach Ägypten. Knemon er fährt alles auf Aigina. Die Unschuld seines Vaters kann nur durch die Aussage der Thisbe bewiesen werden. Daher fährt Knemon nach Ä gyp ten, wird auf der Reise von Seeräubern gefangen, entkommt ihnen, landet am Nil und fällt in die Hand der Räuber (I 9-17 ; II 8-1 1 . Vl 2). - Knemon ist das Beispiel eines Menschen, der zwar gute Absichten hat - er hat die Anträge der Stiefmutter zurückgewiesen - und der aus der irdischen Heimat aufgebrochen ist, um die himmlische zu suchen er ist von Athen nach Ägypten gereist -, der aber nicht fähig ist, die Fährnisse der langen Reise ins Sonnenland zu überstehen. Er ist der Vertreter der Profanen, Nicht-Initiierten. Theagenes und Chariklea hüten sich, ihr Geheimnis mitzuteilen (I 26, 5). Die tiefsinnigen Reden des Kalasiris kann er nicht verstehen ; "ich bin wohl auch einer von den Vielen, die den oberflächlichen Sinn verstehen, aber nicht den in der 1 Vielleicht verbirgt sich hier wieder eine Beziehung auf Adonis. Das von Glotz (Rev. Et. Gr. 33, 1920, 1 69ff.) aus dem Pap. Flinders Petrie 111 142 scharfsinnig rekonstruierte Adonisfest scheint einen Zeitraum von drei Tagen zwischen Tod und Auferstehung gekannt zu haben. 2 Oder wie die Frau des Anubis den Bata. In beiden Fällen behaupten die Verleum· derinnen, von dem unschuldigen Jüngling in den Bauch getreten worden zu sein (Kerenyi 252).
2!J·I·
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Tid'c � verborgenen theologischen Sinn" (111 12, vgl. unten S. 295, I). Je wc�i t.c�r d i e Hamllung fortschreitet, desto mehr zeigt sich, daß Knemon iiug:-;tlich und einfältig ist.1
Thisbe lebt bei N ausikles in N aukratis, wird aber eines Tages auf der Reise von einem Räuber gefangengenommen (II 12) . Er ist der Schild träger desselben Räuberhauptmanns Thyamis, der auch Knemon ge fangen hat. Der Schildträger schließt Thisbe in seiner Hütte ein . Thisbe sieht Knemon, kann ihn aber nicht sprechen. Darum schreibt sie ihm einen Brief und hängt ihn um ihren Hals, um ihn bei nächster Gelegen heit durch eine Botin dem Knemon zu schicken. N ausikles will versuchen, Thisbe den Räubern wieder abzunehmen. Er wendet sich an Mitranes, den Befehlshaber der in Chemmis statio nierten persischen Truppen, und bewegt ihn durch reichen Sold zu einem Streifzug gegen die Räuber (II 24) . Dieser Nausikles hatte, wie oben gesagt, den umherirrenden Kalasiris in seinem Haus in Chemmis aufgenommen. - Auch Nausikles ist, wie Knemon, ein Bild der Vielen, Nichtgeweihten. Er lebt mit der entlaufenen Sklavin Thisbe, einer leichtsinnigen Person. Er plant sie nach Äthiopien zu führen und der Sonnenkönigin als Gesellschafterin zu schenken, wofür er sich reiche Gegengaben erhofft - als ob die reinen Äthiopier ein solches Mädchen annehmen würden. Um Thisbe wiederzugewinnen, setzt er ein ganzes Regiment persischer Truppen in Bewegung. Dem Reinheitsideal des Helioskultes entspricht dies nicht. Nausikles wird nicht mit Theagenes und Chariklea ins Sonnenland gelangen. Der Räuberhauptmann Thyamis schließlich ist der älteste Sohn des Kalasiris. Als sein Vater geflohen war, hatte er die Priesterschaft der Isis angetreten. Die Frau des Satrapen von Ägypten, Arsake, eine Schwester des persischen Großkönigs, verliebte sich in den schönen jungen Mann. Thyamis merkte nichts davon, wohl aber sein jüngerer Bruder Petosiris, der dem Thyamis neidisch war, daß er das Priestertum geerbt hatte. Er zeigte dem Statthalter an, daß zwischen Thyamis und Arsake ein Einverständnis bestünde. Der Statthalter wagte sich nicht an Arsake, die königlichen Blutes war ; er verbannte den Thyamis und setzte Petosiris an seiner Stelle als Isispriester ein. Thyamis wird Haupt mann der Räuber und hofft, mit ihrer Hilfe das ihm zustehende Priester amt wieder gewinnen zu können (I 19. 33. VII 2). Petosiris erfährt, daß Thyamis unter den Räubern mächtig geworden ist, und fürchtet seine I
V ��:l . II 1 1 ; 1 8-20 ; V 2-3 ; VI 1 .
Heliodor
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Rache. Er hetzt daher eine andere Räuberschar auf und verspricht ihnen hohe Belohnung für den Fall, daß sie ihm Thyamis lebendig bringen. Heliodor hat in der Geschichte des Thyamis und Petosiris seinem Roman ein Spiegelbild des ägyptischen Mythos vom Streit des Osiris (und Horos) mit Seth einverleibt. Wi e fii r Heliodor Osiris(-Horos) nicht mehr der höchste Gott ist, so ist Rein Std1ver1 rett�r Thyamis nicht mehr die Hauptfigur seines Heliosroman s. Thyamis verlieht sich in Charikleu. Er l1ri n g t t�i n e unruhige Nacht zu und träumt gegen Morgen,1 er gclw in dm1 lsistmnpd zu Memphis ; alles sei vom Feuer der Lampen erhellt und die Altiirt� st�ie n voller blutiger Opfertiere. Isis selbst komme ihm en tge ge n , iilwrgt�he ihm Chariklea und sage : "Thyamis, ich übergehe dir diese Ju ng fr au . Du wirst sie haben und nicht haben. Du wirst unrecht tun und sie morden, aber sie wird nicht ermordet werden." Er meint, der Spruch deute darauf, daß er Chariklea heiraten und ihre Jungfernschaft ermorden werde. Am andern Morgen wird die Beute unter cl en Räubern verteilt. Knemon, der Theagenes und Chariklea vor Thyumis bringt, sagt vorher zu ihnen : "Seid guten Mutes."2 Thyamis hält um Charikleas Hand an und fragt nach ihrer Herkunft. Sie antwortet in ihrem und in ihres "Bruders" Theagenes Namen. Sie sagt, sie stammten aus Ephesos und seien Priester der Artemis und des Apollon. Sie Heien zu Schiff zu einem Apollonfest auf Delos gefahren, aber vom Sturm nach Ä gypten verschlagen worden. Sie wolle dem Thyamis die Ehe nicht verweigern, bitte aber, vorher die Abzeichen ihres Priestertums in einem Tempel niederlegen zu dürfen, am besten in Memphis. Thyamis ist einverstanden. - Die Geschichte der Chariklea ist zwar im einzelnen unwahr,3 stimmt aber im wesent lichen Punkt : sie kommt von einem Heiligtum des Apollon und der Artemis und ist auf der Fahrt zu einem Heiligtum des Apollon-Helios. 1 Der Traum kommt zu der Zeit, an der die Hähne schreien, " sei e.s, daß sie das Ko mmen der Sonne spüren und den Gott begrüßen wollen, sei es, daß sie wegen der Wärme und des Wunsches zu fressen die Menschen wecken wollen" (I 1 8, 3 ) ; es ist ein llvap .&e:i:ov, ein wahrer Traum, den Helios selbst gesandt hat. Daß der Hahn - das Sonnentier - das Ko mmen der Sonne spürt und den Gott mit Gesang begrüßt, lehrt auch Proklos (7t.'t"'ijt; le:pa't"tX'ijt; 't"exvllt; p . 1 50 Bidez, im Catalogue des Manuscrit s Alchimiques Grecs VI). 2 I 1 9, 2 .&u(Lov �xe:tv &ya.&6v .&apcre:i:v bono animo esto ( Apul. IV 2 7, 5, oben S. 75, 5). Vgl. auch 1 1 1 4, 1 0 . 3 't"WV llnoov �v xat &A1J.&wv �mxiXAU !J.!J. OC't"a, sagt Theagenes (I 25). Dies gilt v o n dem ganzen Roman Helio dors. - Man kann auch sagen, die Lügengeschichte der Cha· riklea sei eine Nachahmung der Lügeng eschichten des Odysseus (v 256 ff. � 1 9 2 ff. : vgl. Keyes, Studies in Philology 1 9, 1 922, 45). Wir werden auf die Ho merimitatio n H elio dors noch öfters zurückko mmen. =
=
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Pliitzlich wird gemeldet, eine feindliche Räuberschar ziehe gegen die I II Hel. Es ist die von Petosiris, dem feindlichen Bruder des Thyamis,
gedungene Schar, welche Thyamis lebend fangen will. Einen Teil dieser Bande hatten Thyamis und die Seinen am Strand vertrieben. Alles wappnet sich, auch Theagenes. Thyamis läßt seinen Schildträger rufen und befiehlt dem Knemon, Chariklea in die unterirdische Höhle zu bringen, in welcher die Schätze liegen. Es ist ein künstliches unterirdi sches Gebäude. Die Türschwelle einer verborgenen Schilfhütte öffnet Hich nach unten und dient als Eingang. Von dort gehen zahlreiche Gänge aus, kunstvoll auf Irrwege führend, dann wieder zusammentreffend und wie Wurzelwerk sich verflechtend. Am Ende führen die Gänge zu einem größeren Raum, der durch ein Loch in der Decke Licht erhält. - Dies ist eine Mysterienhöhle, wie wir sie schon im Roman des lamhlichos kennengelernt haben. Der synkretistische Helioskult hat sie aus dem Mithrasdienst übernommen. Später nennt Chariklea diese Höhle gerade zu &au't'o\1 (V 2, 8) . Die Falltür, welche in die Höhle führt, erinnert an die Versenkungsmaschinen im italischen Bacchuskult (oben S. 13) und den Eingang zur Trophonioshöhle in Lehadeia, natürlich auch an den Sprung der Psyche vom Felsen. Knemon führt Chariklea in den hintersten Raum der Höhle und spricht ihr Mut zu {E:m&a:pauva:c;) . Chariklea sagt kein Wort ; die Tren· nung von Theagenes ist für sie wie der Tod. Knemon verläßt sie, die er beinahe lebendig begraben und der Nacht und dem Dunkel übergehen hat, und kehrt zu Thyamis zurück. Auch der Schildträger des Thyamis will seine Thishe in Sicherheit bringen und verbirgt sie in der Höhle, aber am Eingang. Inzwischen sind die Feinde herangekommen. Sie zünden die Hütten der Räuber an. Das Feuer springt auf trockenes Schilf über und im Nu brennt die ganze Insel. Die Kämpfenden haben es mit Feuer und Wasser zu tun. - Dies bezieht sich auf die Feuerprobe der Mysterien. Thyamis erinnert sich seines Traumes, in welchem der lsistempel von Feuer und Opfertieren erfüllt war. Die Worte der Göttin deutet er nun so, daß er das Mädchen morden werde, aber nicht ihre Jungfernschaft. Von Wahnsinn erfaßt bei dem Gedanken, daß ein anderer die Geliebte besitzen werde, und vom Wunsch erfüllt, wenigstens nach dem Tod mit ihr zusammen zu sein, eilt er in die Höhle, um sie zu töten. Am Eingang hcgegnet ihm ein Mädchen, das Griechisch spricht. Er mordet sie mit dem Schwert, streut Erde über sie und sagt : "Das sind meine Braut gaben für dich." Es war aber nicht Chariklea, sondern Thishe. In der
Heliodor
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Verwirrung läßt Thyamis sein Schwert neben der Toten liegen. Die Weihe in der Mysterienhöhle ist ein fingierter Tod von der Hand des Priesters ; Thyamis ist j a priesterlichen Geschlechts.! Wer aber ungerufen in die Höhle eindringt, wie die leichtsinnige und frevlerische Thisbe, dem ist der Tod gewiß. Sie stirbt wie die Schwe stern der Psyche.2 Gleichzeitig ist sie stellvertretendes Opfer für Cha riklea. In dem Traumorakel der lsis an Thyamis cntHp richt der Mysterien höhle der lsistempel zu Memphis, dem Feuer die bre n n enden Lampen, den Leichen die Opfertiere. Wir dürfen umgekehrt Ht� h l i eßcn, daß die Erzählung des Romans die Weihehandlung in einem Tt�mpd wider spiegelt. Thyamis eilt zum Kampfplatz zurück. Seine Räuber hc:;teigen ihre Nachen und ßiehen. Die Feinde erkennen den Thyamis ; es gelingt, ihn lebendig zu fangen. Der Schildträger springt vom Boot, taucht und entrinnt. Ein Teil der Räuber durchsucht die Insel vergehlich nach Schätzen und fährt gegen Abend ab ; ein Teil ist sofort mit dem gefan genen Thyamis abgefahren. Thyamis wird jedoch von den Einwohnern des Ortes Bessa befreit ;3 diese sind ebenfalls Räuber (Bukolen) und wäh len Thyamis zu ihrem Hauptmann (VI 3, 4) . Theagenes und Knemon sind auf einem anderen Boot entkommen. Noch in der Nacht sieht Theagenes aus der Ferne die Insel brennen ; er meint, Chariklea sei gestorben und klagt, daß der Dämon ihr solche Fackeln statt der Brautfackeln entzündet habe (Weihe Hochzeit) . Aber Knemon tröstet ihn (&&pcre�) und erzählt, daß Chariklea in der Höhle verborgen und sicher sei. Da stellt sich Theagenes die Höhle als Brautgemach vor, unwissend, welcher Jammer ihn dort erwartet. Er und Knemon setzen zur Insel über. Sie zünden Fackeln an, öffnen die Höhle und finden eine weibliche Leiche. Sie meinen, es sei Chariklea. Vor Schreck läßt Knemon die Fackel zur Erde sinken ; sie erlischt. Das Entzünden und Löschen der Fackel durch Kautes und Kautopates zeigen zahlreiche Mithrassteine. Vermutlich hat der Helioskult das Ritual von dort übernommen. =
1 Thyamis hat "das schönste Opfer geschlachtet", heißt es (I 31). Auch als Räuber hauptmann ( Mysteriendiener) ist Thyamis Priester. 2 V gl. II 1 1 iJl 0[crß'IJ, cru !J.ev XQ(Awc; 7towücrQ( -.E:.&v'l)xQ(c;. 3 Dies wird nicht ausdrücklich erzählt, wie schon Walden ( Harvard Studies in Class. Phil. 5, 1 894, 1, 2) und Hefti, Zur Erzählungstechnik in Heliodors Aethiopica 1 5 1 Anm. 726 angemerkt haben. =
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2 [,11
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Th .,agmws wirft Rich über die Tote, umarmt sie, klagt und will sich t ii l l' l l ·
- -
Der Selbstmordversuch ist ein ritueller Tod.l Eine ähnliche
Sze n e lindct sich bei Iamhlich, wo Rhodanes sich an der Leiche einer Sklavin töten will, die er für Sinonis hält (Rohde 458, 4 ; oben S. 1 89) . Die ganze Szene ist aus dem Mithrasdienst übernommen.
Da Wnt aus den hinteren Gängen eine Stimme, die Theagenes ruft. Knemon entzündet die Fackel und erkennt, daß die Tote Thishe ist. Sie trägt um den Hals den Brief, welchen sie an Knemon geschrieben hatte. Theagenes und Knemon eilen ins Innere der Höhle und finden Cha riklea. Die Liehenden umarmen sich und stürzen zu Boden. Sie halten einander ganz fest und wären beinahe vor Freude gestorben ;2 aber Knemon findet eine Wasserlache, schöpft das Wasser mit der hohlen Hand und besprengt ihre Gesichter, so daß sie zum Lehen zurückkehren. - Die in der Weihe Gestorbenen werden mit Lehenswasser besprengt und leben wieder auf. Es ist auch an Iamhlich zu erinnern, wo Sinonis in der Mysterienhöhle Wasser schöpft. Knemon spottet nun über Theagenes, daß er die fremde tote Frau umarmt und beklagt habe ; Theagenes antwortet : "Verleumde mich nicht bei Chariklea, die ich im Leichnam der Fremden beklagt habe . . . Du bist j a selbst wie auf der Bühne fortgelaufen, als du die Tote er kanntest." Über diese Scherze lachen sie kurz und gezwungen. - Hier wird nochmals auf den Mysteriensinn der ganzen Episode hingewiesen ; was Scherz scheint, ist rituell gültig. Die Bühnenmetapher hat dieselbe Bedeutung. Nun liest Knemon den Brief der Thishe. Als im folgenden Gespräch Theagenes und Chariklea ausrufen "0 Pytho und Delphi", wundert er sich über diesen Ruf und versteht nicht, was gemeint ist. Der Schildträger des Thyamis, welcher Thishe in der Höhle versteckt hatte, kommt zurück und findet sie tot vor. Zuerst glaubt er, Theagenes und Knemon hätten sie getötet ; Knemon will vor dem wütend Blicken den Reißaus nehmen. Theagenes aber zieht das Schwert und geht auf den Schildträger los. Knemon, der heide kennt, vermittelt. Der Schild träger erzählt seine Erlebnisse und erkennt an dem blutigen Schwert, daß Thyamis der Mörder der Thishe gewesen ist. - Theagenes besteht 1
Wieder die Parallelität des Schicksals der Hauptpersonen : Chariklea stirbt schein
har, als Thyamis die Thisbe tötet ; des Theagenes Vorsatz, sich selbst zu töten, kommt · t•hcnfalls nicht zur Ausführung.
" Anspielung auf die Totenhochzeit der lsismysterien.
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eine Tapferkeitsprohe, wie der Mithrasmyste. Auch das Vorzeigen des blutigen Schwertes gehörte zum Ritual der Mithrasweihe, s. oben S. l89, 4. Todmüde schlafen alle vier ein.1 Chariklea träumt, ein struppiger Mann mit blutiger Hand stoße ihr ein Auge aus. Sie erschrickt, erwacht schreiend und faßt sich ans Auge. Den aufgeschreckten Theagenes trö stet sie und erzählt den Traum. "Zum Glück hast du deine Sonnen strahlen behalten", sagt Theagenes. Sie fürchtet, der Traum zeige den Verlust des Theagenes an ; Knemon deutet ihn auf den Verlust des Vaters. - Beide Deutungen werden sich als ri ch ti g hcrausstellen.2 In der Traumdeutung des Knemon ist die 13egründuug für die Deu tung des Auges auf den Vater merkwürdig : Wir verdauken den Eltern, daß wir ins Lehen gekommen sind und das Licht erblicken ; darum bezeichnen die Träume die Eltern durch die beiden Augen, welche das Licht wahrnehmen und Diener alles Sichtbaren sind. Nun ist der wahre Vater der Chariklea der Sonnengott ; er verleiht alles Lehen, verleiht auch die Gabe zu sehen. Wäre nicht ein Funke seines Wesens in uns, wir könnten das Licht nicht sehen : ou y<Xp '&.v 7tcimo't'e daev ocp.&ocA!J.Oc; �AWV �A�oe�a�c; !1-� yeyev1J fJ.EVoc;, sagt Plotin I 6 [1], 9. Wieder ist Heliodor dem Plotin auffällig nah.a Man begräbt Thishe und beschließt, daß Knemon mit dem Schild träger fortgehen solle, angehlieh um den Verbleih des Thyamis zu er kunden ; er soll aber versuchen, den Schildträger abzuschütteln und dann nach dem Ort Chemmis kommen, wo er sich mit Theagenes und Chariklea wieder treffen soll. Knemon hat zwar Angst vor dem Schild träger, obwohl er bewaffnet ist und jener nicht, ist aber schließlich ein verstanden. Theagenes und Chariklea wollen sich als Bettler verkleiden, die als heilige bettelnde Wallfahrer ( &yup't'oc�) Brot heischen. 4 Knemon macht über die Verkleidung einen Witz, und alle lachen ein wenig. Dann schwören alle drei, sich nicht freiwillig zu verlassen, und trennen sich bei Sonnenaufgang. - Der Witz und das Lachen sollen den Leser darauf hinweisen, daß die Szene einen mystischen Hintersinn hat. Wie Odysseus5 muß der Myste als wandernder Bettler die Welt durchirren, 1 " D as Geistige der Seele" (li 1 5, 2 -ro voc:p ov Tijc; tjlu;('ijc;, vgl. VI 9) muß der Müdig keit nachgeben. Dies ist ein neuplatonischer Ausdruck ( Geffken, Der Ausgang des griechisch-rö mischen Heidentums BB f.) . 2 M an kann auch an den ägyptischen Mythos erinnern, in dem Horos zeitweilig ein Auge verliert. 3 Daß die Stelle wirklich einen mystischen Sinn hat, bestätigt der Rückverweis II 1 9, 1 . 4 Über umherwandernde Bettler i m Dienst der lsis vgl. oben S. 1 7 4. 5 Siehe unten S. 262.
Il e l i o d o r 11111
in
d i t· l l t,i m a l. zurückzukehren. Not und Prüfungen muß er demütig
u n d I a p ft , r
iilwr�l:ehen. Schon dem Empedokles (fr. 1 15, 13) ist die Seele
Die Nennung der Sonne weist auf das Ziel der Reise hin : zurück in ( l i e Heimat, zum Vater Helios. Deutlich spricht Synesios diesen Ge· 1lankcn im Gebet aus (hymn. I 717-21) 7totyiiL fLe 8f.8ou 8-&ev e�exu&YJv (j) OL't'OC� tXAlj't'L� veücrov 7tpoy6vc.H (jl6l't't fLLyljVotL. •
Es gelingt Knemon, dem Schildträger unbemerkt zu entkommen. Vor dem Ort Chemmis trifft er einen ihm noch unbekannten alten Mann, Kalasiris. Dieser nimmt ihn mit in das gastliche Haus des N ausikles. Dort speisen Knemon und Kalasiris zusammen ; Kalasiris trinkt nur Wasser und ißt nur Pflanzenkost, um nichts Beseeltes zu töten.1 Vor dem Mahl spendet er mit Wasser "dem pythischen Apollon, und dazu dem Theagenes und der Chariklea, den schönen und guten, da ich auch diese zu den Göttern zähle". 2 Knemon kann dem Kalasiris die frohe Botschaft bringen, daß die beiden gerettet sind. 3 Als Knemon einen Lohn fordert, verspricht ihm Kalasiris großen Reichtum, wenn sie zu· sammen in die Heimat gelangten, was die Götter für bald in Aussicht gestellt hätten. - Aber Knemon, der Nichtgeweihte, wird nicht ins Sonnenland kommen. Knemon erbittet sich als Lohn, daß Kalasiris ihm seine Geschichte erzähle. Dieser bedauert, daß sein guter Gastgeber Nausikles nicht an· wesend sei und daher nicht in die Erzählung eingeweiht werden könne (fl.U'Y).&ljVoc.L) :1 Nun berichtet Kalasiris die Vorgeschichte von der Geburt der Chariklea bis zu der ersten Station ihrer Flucht auf Zakynthos (II 24-V 1). - Die ganze Erzählung hat die Apologe des Odysseus vor Alkinoos zum Vorbild. Gleich beim ersten Zusammentreffen vor dem 1 Dieser Gedanke ist auch pythagoreisch, spielt in Philostrats Apollonio sbio· graphie eine große Rolle und ist von den Neuplatonikern theoretisch begründet worden (Porphyrio s 7t".li7to)('ijc;; �fL�U)((I)V). 2 Wieder die versteckte Identifizierung des Mysten mit Gott. :o II 23, 2 aw�ea.&!Xt croL IXtl't"OUI;; EUIXYYEA(�O(J.IXL. 4 ßczeichnend für die Funktion des Romans ist, daß überhaupt das Erzählen einer ( ; .,Kdtichtc "Einweihen" genannt wird. V gl. auch S. 238, 3.
Heliodor
261
Ort Chemmis sagt Kalasiris auf die Frage des Knemon nach seinem Schicksal (II 21, 5) IALo&Ev fLE o:pepEL� und spielt damit auf den ersten Vers der Apologe an (L 39) ' IALo&Ev fLE o:pepwv &vEfLO� KLxovE<mL rt€:).occrcrEv. Kalasiris stellt sich vor wie Odysseus : II 24, 5 Efl.OL TIOAL� ME:[.L<:pL�, TiocTijp ae: xocl i:lVO fL OC KocAa.crLpL� und L 19-21 d[.L' ' O �um::u c; A oc::: p ·n&a'YJ� . . . VOCLE't'tX
-
1 Mit IV 4, 3 und V 1, 4 vgl. auch des Eumaios bewundernde Worte über die Er A 356. zählungen des Odysseus p 514-52 1 ; IV 4, 3 xor.l dc; tvtor.u-r6-v 2 de rnagia 56 : signum dato; vgl. Plautus, rniles gloriosus 1016 cedo signum, si harunc Baccharum es. =
Heliodor
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bezieht sich natürlich auf Apollon-Helios und Der Pantarbering ist ein Gegenstand der Mysterien. Die S ehcnkelwunde, welche ein Eber geschlagen hat, gleicht Theagenes <�i r um;cits an den Gott Adonis an,l andererseits an Odysseus, den Proto typ rlcs Mystcn. Im Kult muß ihm eine Tätowierung entsprochen haben. Die Lampe ist ein Symbol des Mysterienkultes, vgl. die Lampe der l)sydw . Mit Phoinix sind Palme und Vogel Phönix zugleich gemeint ; L cillc sind Bilder der Sonne, des Sieges, der Wiedergeburt, der Ewigkeit u nd Unsterblichkeit. Theagenes und Chariklea nehmen nichts von den reichen Schätzen mit, welche in der Räuberhöhle zusammengetragen sind, außer den Erkennungszeichen, welche mit Chariklea nach der Gehurt ausgesetzt worden waren. - Man kann natürlich aus dem reich geschmückten Mysterienhaus nichts mitnehmen außer den Gegenständen, die als Er kennungszeichen übergehen werden. Chariklea zieht sich um. Ihr delphisches Priesterkleid, die Binde, die mit ihr ausgesetzte Edelsteinkette packt sie in einen Ranzen ; Köcher und Bogen, die Waffe des stärksten Gottes (Helios), übergibt sie Thea genes. Um unkenntlich zu sein, ziehen sie einfache Kleider an (V 5) ; sie wollen sich als Bettler verkleiden (II 19) und so die Welt durchirren. - Daß der Myste sein Weihe� und Sterbekleid mit sich führt, haben wir schon oben gesehen. Indem er dies Kleid bei der Initiation anlegt, geht er in seinen Gott ein. Nach der heiligen Handlung legt er es ab ; die Irrfahrt durch das Lehen beginnt wieder. Die Alltagskleider ver bergen seinen wahren Zustand vor den ungeweihten Menschen ; niemand braucht zu wissen, daß sein Seelenheil für immer gesichert ist. Die Verkleidung als Bettler, die Ausrüstung mit einem Ranzen gleichen Theagenes und Chariklea auch wieder dem Odysseus an, den Athene bei seiner Ankunft in Ithaka in einen unansehnlichen Bettler verwandelt hatte, damit ihn die Freier nicht erkennen sollten. Erst am Ende wirft Odysseus die Lumpen ab. Wieder ist Odysseus das Vorbild des Mysten.2 Inzwischen haben die Truppen des Mitranes, des Kommandanten von Chemmis, welche im Auftrag des Nausikles die Thishe befreien wollen, die Räuberinsel umstellt. Als Theagenes und Chariklea die Höhle verorlr�r c l ie Pyth isehc"
A r t e m i s - Scle rw.
1
Vgl. oben S. 249 f.
2 In II 1 9, 1 wird p 2 2 2 zitiert, um den Leser auf den Mysteriensinn hinzuweisen.
i' I IH·r
l l o·
a
die
allegorische B edeutung des B ettlerkleides in der Odyssee vgl. Porphyrio s,
u t ro ny mpharum 3 4 'f''l)crLV "OfL1)poc; lldv . . . 7tpocr():h·ou crx'ii fL (): m:p L&efLEvov xat ;. (,,� tvrr1. -rO cr<7)(J.CX xcxt 1tfiv ite:p h·Twf.La &rto ßct),6vTcx xcxt TtXc;; cdcr&� creLc; &itocr-rpctrpEv-riX : " •• J I.c.', �"!kJ.L IL:-ra ·r'ij ; ' A&1Jviic; . . . , Ömuc; -ra E7tl ßou:Aa -r'ijc; <J;ux'ijc; cr.u-roü 7t&&1J mb1-rcr.
Heliodor
2 63
lassen, sehen sie die Soldaten übersetzen. Chariklea will in die Höhle zurückfliehen ; doch Theagenes hält sie zurück : "Wie lange wollen wir versuchen, dem uns von allen Seiten verfolgenden Schicksal zu ent rinnen ? Folgen wir der Tyehc, gehen wi r selbst entgegen dem, was uns mit sich wegführt. Wir entge h en iio e i n e r e ndlosen Irrfahrt, einem ziellos irrenden Leben, dem ständigen Spiel , wddws d e r Dämon mit uns treibt." Wenn bei der Gefangennahme dunh d i 1� Piraten Chariklea den Theagenes zurückgehalten hatte, d er iiieh z u r \Vd1r iietzen wollte, so hält hier Theagenes die Chariklea zurück. Her Myste verweigert sich dem Schicksal nicht, sondern geht ihm entgegen , in d e r sieheren Hoff nung, daß sein Gott alles endlich zum Guten lenken w i rd . Man kann auch sagen : Sobald der Myste das Weihehaus verl äß t , w i rd N w ie der Gefangener der Mächte der äußeren Welt ; dagegen soll m a n sid1 n i d1t zur Wehr setzen. Chariklea zieht Theagenes doch mit sich zur Flucht. Aher es i i-!t ver geblich, sie fallen einer anderen Abteilung in die Hände. Die Soldaten erheben ihre Waffen ; aber als die Blicke der beiden Liebenden sie treffen, lassen sie ihre Waffen sinken und nehmen sie gefangen. Die Höhle bleibt ihnen verborgen. Theagenes und Chariklea werden vor den Hauptmann Mitranes ge führt. Nausikles, der mitgezogen ist, stürzt auf Chariklea zu : "Das ist Thisbe", und flüstert ihr zu, sie solle sich so stellen, als sei sie Thisbe, dann könne er sie retten. Chariklea sagt nun selbst, sie heiße Thisbe. Mitranes staunt über ihre Schönheit ; denn durch das einfache Kleid strahlt ihr Glanz wie durch die Wolken der Mond. - Bei der Weihe erhält der Myste einen neuen Namen. Auf den Zusammenhang der Chariklea mit Selene ist schon hingewiesen worden. Mitraues übergibt Chariklea dem Nausikles ; den Theagenes bean sprucht er als seine eigene Beute. Er schickt ihn unter Bewachung an den Satrapen von Ägypten, Oroondatea ; später soll Theagenes als Ge schenk an den Großkönig zu Babyion geschickt werden, um dort als Mundschenk zu dienen.1 - Sofort nach der Weihe müssen sich die Mysten voneinander trennen, um die weitere Irrfahrt durchs Leben zu bestehen. m:pLx6<JriJL (Freiermord des Odysseus Sieg über die Leidenschaften). - Auch an die "Ptocheia" ( 1l 240 ff. ; Kleine Ilias) ist zu erinnern, in der Odysseus im Bettler gewand als Späher nach Troj a ging (Carcopino, La Basilique Pythagoricienne 347 ff.). 1 Die Perser (Mitranes, Oroondates, Arsake, Achaimenes) vertreten bei Heliodor die Partei der Bösen, wie Garmos in den Babyloniaca. Arsake und Ach aimenes erin nern absichtlich an die berühmten Dynastien. =
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Die Soldaten, welche Theagenes nach Memphis führen sollen, werden von den Einwohnern von Bessa unter Thyamis überfallen. So wird Theagenes wieder befreit. Von den Soldaten entkommt nur einer namens Achaimenes. Er ist Sohn der Kybele, der alten vertrauten Die· nerin der Satrapenfrau Arsake (VI 4. 13. VII 16. 24) . Als Mitraues von dem Überfall der Bessaeer hört, unternimmt er mit seinen Truppen eine Strafexpedition gegen den Ort. Aber die Bessaeer unter Thyamis legen sich in einen Hinterhalt und vernichten die Truppen der Perser ; Mitraues selbst fällt. Die Bessaeer fürchten nun die Vergel tung des persischen Statthalters Oroondates. Ihr zuvorkommend, setzen sie alles auf eine Karte und ziehen selbst gegen die Hauptstadt Memphis. Der Satrap war nämlich gerade mit dem Hauptteil seiner Truppen nach Süden gezogen, da ein Krieg mit Äthiopien ausgebrochen war. Die Bessaeer wollen Memphis im Handstreich nehmen und den Thyamis wieder in sein Priestertum einsetzen (VI 13). Nausikles kehrt mit Chariklea nach Chemmis zurück. Er kommt spät in der Nacht an, bringt Chariklea in einem eigenen Zimmer unter und begrüßt den Kalasiris, der noch dabei ist, dem Knemon seine Ge schichte zu erzählen. Auf die Frage, was er ausgerichtet habe, antwortet er, er habe eine bessere Thisbe gefunden, und geht zu Bett. Knemon erschrickt sehr über die Nachricht, daß Thisbe lebe, die er doch selbst begraben hatte : "Wie kommt es, daß in Ä gypten die Toten wieder lebendig werden ?" Kalasiris lächelt unmerklich. - Dies Lächeln ist wieder ein Hinweis auf den Mysteriensinn : Das stellvertretende Opfer bedeutet Tod und Wiederaufleben. Knemon will nachts zur Tür der Thisbe schleichen, verirrt sich, kommt immer wieder an dieselben Orte, bis er schließlich das Zimmer findet, in dem Chariklea-Thisbe ist. Vor der Tür hört Knemon ihren Klagen zu. Sie spricht laut von ihrem Herumirren in der Fremde, von dem noch immer nicht gesättigten Dämon, der sie bei der Geburt er· loste.1 Hier ist sie wie im Gefängnis, in der Höhle war sie wie im Grab. Dort hat ihr Geliebter sie, die Lebendige, als Tote beklagt. Jetzt ist sie von ihm getrennt, und wenn er sie wiedersehen sollte, wird er sie "seine Thisbe" nennen müssen. Als Knemon dies hört, ist er überzeugt, daß Thisbe lebt ; er zittert aus Furcht am ganzen Körper und klappert mit I
V 2 0 (J:I)aE1t
1 V I IJ, 9 ; VI 8, 3 ; 1 2 , 1 . Die Ausdrucksweise findet sich auch bei Hierekles (Phot. B i l o l . 2 5 1 p . 466 b 7 TOÜ TlJ'V �
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den Zähnen. - Thisbe und Chariklea fallen hier zusammen, und es ist nun ganz deutlich, daß Th i Hb c als stellvertretendes Opfer für Chariklea gestorben ist. Die rituell gc!'torhenc Chariklea-Thisbe ist wieder auf gelebt. Wie das geschehen kan n , d a !' hq.� rcift ein Nichteingeweihter wie Knemon nicht. Am andern Morgen berichtet NauHiki«·H d e m K alasiris und Knemon die Ereignisse des vorigen Tages. Er hahe «�i n M ü l l eh e n als angebliche Thisbe errungen, die sich von Thisbe untcr!'d w i « l «� w i e ein Gott von einem Menschen. Kalasiris und Knemon crkcn n«·n. « I a B ''" Hich um Chariklea handeln muß. Nausikles läßt sie holen u n d �' p r i d 1 1 il1r Mut zu (&ocpcre:'Lv) . Chariklea stürzt in die Arme des KalaHi r i l' . N a u Hik1cs staunt über diese Wiedererkennung, wie man sie nur vom T l u • a l «• r h e r gewöhnt ist,1 und erfährt, daß das Mädchen die gesuchtc2 , , 'fud J t «�r" des Kalasiris ist. Kalasiris hört, daß Theagenes von Mitranes als Gefangener abgeführt worden ist. Nausikles meint, man könne Theagenes vielleicht gegen sehr hohes Lösegeld dem Mitranes abkaufen. Chariklea sagt heimlich dem Kalasiris, daß sie ihre Schätze, vor allem die Kette, gerettet habe. Kalasiris will vermeiden, daß Nausikles merkt, wie reich Chariklea ist. Deshalb beschließt er, dem N ausikles etwas vorzugaukeln und sich in den Ruf eines Zauberers und Magiers zu setzen. Er sagt : "Einem Wei sen kann es niemals fehlen, er hat was er nur will, denn er erhält von den Oberen das, um was zu beten ihm schicklich scheint." Er verspricht, jeden Preis für Theagenes bezahlen zu können. Nausikles antwortet, Kalasiris möge ihm ein Lösegeld für Ch ariklea zahlen und so beweisen, daß er plötzlich reich sein könne, wie das der Maschinengott im Theater bewerkstellige.3 Kalasiris verspricht es ; nur müsse er zuvor beten. Man bereitet ein Opfer an Hermes vor - der herbeigezauberte Schatz sol1 ein gp[LOCLOV sein. Kalasiris bringt einen Ring der Chariklea mit. Er beschaut die Eingeweide des Opfers und prophezeit Gutes und Leidiges. Dann greift er mit der Hand ins Opferfeuer und holt den Ring heraus, welchen er mitgenommen hatte. Es ist ein großer äthiopischer Ame thyst, der wie Sonnenstrahlen glänzt und viel schöner ist als die Ame thyststeine aus lberien und Britannien, da die über Äthiopien auf1 Die Szene bezieht sich also auf das MysterienrituaL Motive wie Aussetzung und Wiedererkennung haben ihren Ursprung, ihren "Sitz im Leben", im Kult. Wenn sie im Roman in dieser Funktion auftreten, so haben sie hier ihren alten Sinn ; das histo risch Jüngere ist morphologisch älter als das klassische Drama. Vgl. S. l98, l und 242, 2. 2 V ll XI)';TtX �-IJ-r1JOW ocl.6lfLEVOV, Motiv der I sisro mane. 3 Theatermetapher, vgl. Pap. Hamb. 120, l 2 f.
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He l i o d o r
gehende Sonne ihm viel größere Kraft verliehen hat als e s die i m Westen untergehende Sonne vermag. Auf dem Stein ist eine Darstellung des guten Hirten eingeschnitten, eines Knaben, der seine Herde weidet und ihnen durch die Musik seine Zeichen giht.1 Diesen Ring schenkt Kala· siris dem Nausikles. - Ü ber die Zauberei des Kalasiris und ihren Zu sammenhang mit der neuplatonischen Theurgie ist oben gesprochen worden. Dem Ungeweihten erscheint als Wunder, was dem Mysten ganz natürlich ist. Man setzt sich zum Mahl. N ausikles trinkt dem Kalasiris mit reinem Wasser zu und fordert ihn auf, seine Irrfahrt (7tA&v"') ) zu erzählen. Kne· mon loht den Nausikles, daß er, obwohl Tafelmusik vorbereitet ist, von den Freuden der gemeinen Leute (= der Ungeweihten) nichts wissen will und gerne von Dingen hören will, die wahrhaft mystisch und mit göttlicher Freude vermischt sind.2 - Dies ist einer der zahlreichen Hin· weise des Heliodor auf die tiefsinnig-symbolische Bedeutung seiner Erzählung. Kalasiris erzählt nun seine ganze Geschichte. Natürlich erspart Helio· dor dem Leser, was er bereits aus der ersten Erzählung des Kalasiris weiß, und erzählt ausführlich nur die Fortsetzung, die Ereignisse auf Zakynthos3 und die Fahrt zur Nilmündung, bis zu jenem Punkt also, an dem der Roman beginnt. Kalasiris endet mit der Klage, daß Theagenes nicht bei ihnen sei.4 Nausikles spricht ihm Trost zu (e:\J&u[Loc; dvocL), er werde ihn gewiß morgen wiedersehen. Kalasiris löst das Symposion auf und spendet "dem Gott"6 - im Helioskult ist das Heidentum bereits auf dem Weg zum Monotheismus. Am andern Morgen gehen N ausikles, Kalasiris und Knemon zum Lager des Mitraues und wollen versuchen, Theagenes loszukaufen. Auf dem Weg begegnet ihnen ein Krokodil. Der weise Kalasiris, der die ge· heimen Zusammenhänge aller Dinge der Natur kennt, deutet dies als 1 Vgl. Longus IV 1 5. Es ist ein uraltes religiöses Motiv, vgl. den Mythos von Tam muz. 2 V 16 'rOL� � 1JfLW � e:cr-rep o L� &lqwpe:L�. 7tpctyfLtX'rWV �E: fLUcrnxwv w� &A1J&W� xat � �ov'ijL &zl :n -rW L i5v-rL auyxp&-rwv <jlLA1JX6w� �Xe:L�. 3 In V 1 7 werden die Meerströmungen im Golf von Korinth erörtert. Diese sind "durch die Fürsorge der Höheren" so eingerichtet, daß der Isthmus nicht überschwemmt werden kann. Dadurch werden die Wassermassen des korinthischen Golfs vom agäi sl'hnn Meer ferngehalten. Diese teleologische Naturerklärung gehört zu den Erörterun1!: ' ' " iibcr die geheimen Kräfte der Natur im Stil des Physiologus. ' M i t V 3 3 , 4 (und I 1 8 , l) vgl . Ho mer � 1 84 und 2 1 9 . '' V :1 - � !LV-�IL-,1 -rou �:n[Lov[ou yLvfcrlho .
H e l i o do r
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ein ungünstiges Zeichen. In der Tat deutet ein Krokodil . nach der ägyptischen Tiersymbolik auf ein en Räuher oder auf Seh�echtigkeit aller Art.1 Dann treffen sie einen Beka n nten des Nausikles, der seiner Geliebten Isias von Chemmis d emü t i g ll i e nt: und alle ihre Befehle aus führt : "Für sie bestelle ich den Aeker, i h r vt�rsehaffe ich alles, wegen ihrer wache ich Tag und Nacht und vers age i h r n i drts ; Strafe und Mühe ist mir, wenn Isias mir nichts aufträgt." D i e s m a l h a t: er für sie einen rotgefiederten ( (j)OLVLX67t-repov) Voge.J2 gefa n g e n . N a u sik les sagt im Scherz, es sei nur gut, daß sie sich nicht den V ugl'l l ' h ü n i x selbst ge wünscht habe. - Die Episode muß einen mystisdwn S i n n h ahe n . Der rotgefiederte Vogel vertritt offensichtlich den Phönix, d ie ( ; f'l i d • l t� T s i a s die Isis.3 Der Vogelfang ist oben S. 212 zur Sprache gcku m n w n ; fii r d t � n Isiskult ist er durch Apuleius XI 8, 3 bezeugt. Die Episode k ii n n l e m a n dahin deuten, daß einem eifrigen Diener der Göttin (Isis- Selerw) a u t · h das anscheinend Schwierigste, der Fang des Phönix (der Unsterh l i d r keit) möglich wird.4 Aber auch andere Deutungen sind denkbar. Sie erfahren von diesem Mann, daß die Räuber aus Bessa unter Thyu mis den Leuten des Mitranes den Theagenes abgenommen haben. Mitra nes sei sofort mit seinen Truppen gegen Bessa aufgebrochen. N ausikles mahnt Kalasiris, nicht den Mut zu verlieren ; nicht ohne göttliche Fü gung sei ihnen dieser Mann begegnet und hätte ihnen gesagt, wo sie Theagenes suchen sollten ; sie hätten gute Hoffnung ihn zu finden. Das Suchen (&m��'t'"fJO'L�), die gute Hoffnung (&.y(X.&� eA7tL�), das Fin den (&.veupecrL�), alles sind Mysterienworte.5 1 Horapolion I 69 &pmxycv: ßouA6f.Le:vo � -m 8cv:� dvcv:�) ; Phaidon 63 c 5 ; 64 a 1 ; 1 1 4 c 8 ; Sympos. 193 d 3 ; Apul. XI 2 1 , 3 spei melioris solaciis ; Plut . , de facie 2 8 p. 943 (s. oben S. 226, 5) ; Pap. Oxy. 1070, 10 (Anrufung des Sarap is) ;wv XP1)0''rWV �:>-;d8wv ; Aelius Aristides or. 45, 27 (p. 360, 20 Keil) ; lamblich, de mysteriis V26 (p. 239, 10 P.) ; Clemens Al. , Strom. VII 2, 6 ; •
=
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Auch Kncmon tröstet (.&e
Hel i o d o r
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pien - zu suchen, kehrt er in die irdische Heimat zurück, nach Grie· chenland.1 Er sucht den leiblichen Vater statt des geistigen ; er will sein Geschlecht fortpflanzen, statt a u s c l t• r \Vdt zu fliehen ; statt an die Rück kehr (&mX.vo 8oc;) der Seele ins H c • i d t c l c•s Smmengottes, denkt er, der doch bereits nach " Äthiopien" aufgd t m d u · n war, an die Rückkehr des Leilies in die irdische Verstrickung. Chariklea lehnt Knemons Angebot ah, l'lic• n u c · h Bc•:-;sa zu bringen ; sie hält ihn weder für einen schicklichen ßegl c • i l..r 1 1 1 1 1 ' h fii r unverdächtig. "Mögest du nach Athen gelangen, das dir so um l l c • r:r.c· n l i c ·g l , und dein Geschlecht und Haus retten ; ich und Kalus i r i l'l w c • rc l c • n gc•gc•n alle Widerwärtigkeiten kämpfen, bis wir das Ende der l r r fu h r l l i n c l c • n , und wenn keiner der Menschen uns hilft, so vertrauen w i r u u f c l c • n Bc· i l'l l u n cl der Götter" (VI 7, 9) . Knemon will mit Nausikles nach Griechenland zurückk e h rc • n . N u u sikles gibt ihm seine Tochter zur Frau, und man feiert rasch d i e• l l uc · h zeit. Chariklea geht allein auf ihr Zimmer ; "aufgestört wie ei r w B u k chantin" löst sie die Haare, zerreißt das Gewand und klagt leidensdtn fl lich : "Knemon heiratet, Theagenes irrt umher als Gefangener, vielleicltl gefesselt." Als ob Theagenes tot wäre, bringt sie ihm ein Totenopfer, indem sie ihre Haare ausreißt und Tränen als Grabspende vergießt. "Aber warum klage ich über die von Gott geschickten Prüfungen ? Möge sich doch alles so erfüllen, wie es den Göttern gefällt." Dann schläft sie ein. - Anscheinend hat der schwache Knemon das größte Glück erreicht, während der tapfere und fromme Theagenes im Elend ist ; der eine heiratet, der andere ist gefangen. Aber die improvisierte ( (XU"m· o-xe8wc;) Hochzeit des Knemon, die ohne irgendeine Mithilfe der Götter geschlossen wird, wird ihn nur in die Umstrickung des Irdischen und Materiellen zurückreißen ; er kehrt um und reist nach Athen, zurück in die Welt. Am andern Morgen kommt Kalasiris zu der verstörten Chariklea, spricht von "besseren Hoffnungen" (ße::A:n6vcuv EA7tL8cuv) und tröstet sie (-&apo-e:L) . Die beiden verabschieden sich von Nausikles und Kne· mon und begeben sich auf die Wanderschaft. Um unkenntlich zu sein, verkleiden sie sich wieder als Bettler. Chariklea reiht ihr Gesicht mit Ruß und Lehm ein, um häßlich zu scheinen. Das heilige Kleid aus Dei phi, die Binden, die von der Mutter mit ihr ausgesetzten Edelsteine und Erkennungszeichen trägt sie in einem Ranzen mit sich. Kalasiris wickelt •
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1 In VI 1 1 lügt Knemon der Chariklea gar vor, er werde - wenn möglich - noch nachkommen.
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He l i o d o r
den K iidwr dt�r Chariklea in Felle und trägt ihn über dem Rücken ; i h re n Bogen n i mmt er als Wanderstab und tut so, als ob er mit einem Bt�i n hinke. D a n n spotten die beiden übereinander und sagen, die ange nommene Fi g ur stehe ihnen gut. - Über die Weihekleider, welche der Myste immer mit sich führte, haben wir bereits gesprochen. Er ist außerhalb des Heiligtums immer verkleidet, für die Augen der Unge wcihtcn ein armer, auf der Welt umherirrender Bettler ; niemand kennt seinen wahren Adel und seine göttliche Abkunft. Das Einreihen mit Ituß und Lehm erinnert an die Szene bei Longus (I 12, 6), in der Daphnis sich von Lehm rein wäscht.! Es dürfte auch bei Heliodor auf ein Ritual im Mysterienkult deuten. Merkwürdig ist ferner das Hinken des Kala siris. Bei Apuleius XI 27, 5 ist Hinken geradezu ein Kennzeichen des Mystagogen. Daß Odysseus das Bein nachzieht, als er dem Kalasiris zu Kephallenia im Traum erscheint (V 22), haben wir oben gesehen. Die Bettlerkleidung gleicht Kalasiris und Chariklea dem Odysseus an.2 Wenn schließlich im Spott gesagt wird, die Verkleidung stehe ihnen gut, so enthält der Scherz hier wie so oft die Wahrheit.3 Um Sonnenuntergang kommen sie vor Bessa an und finden dort das mit Leichen bedeckte Schlachtfeld, auf dem Thyamis und seine Räuber die Perser des Mitraues geschlagen hatten. Eine alte Frau umarmt die Leiche ihres gefallenen Sohnes. Von ihr erfahren Kalasiris und Chariklea, daß die Bessaeer gesiegt haben und gegen Memphis gezogen sind. Kala siris und Chariklea entfernen sich etwas vom Schlachtfeld um zu schlafen. Als der Mond aufgeht, werden sie Zeugen eines seltsamen Schauspiels. Die alte Frau trifft Vorbereitungen zu einer Totenbeschwö rung. Mit dem Schwert in der Hand zwingt sie den Toten aufzustehen. Sie fragt ihn, ob sein Bruder, der mit den Bessaeern gegen Memphis gezogen ist, lebendig zurückkehren werde. Der Tote nickt und sinkt wieder zusammen. Die Alte beschwört ihn nochmals, um auch seine Stimme zu vernehmen. Als Chariklea den Kalasiris fragt, ob sie nicht den Toten über Theagenes befragen solle, verweist ihr Kalasiris diesen Gedanken : kein Priester dürfe bei solchen Zauberhandlungen zugegen 1 Vgl. oben S. 200, wo auch Demo sth. de cor. 2 5 9 zitiert ist. Merkwürdige Ruß gestalten im Kult sind die <)ioA.6s:Lc;, Plut. mor. 299 F (Aet. Graec. 3 8) ; vgl. auch K erenyi 1 50. Gegen die 7t7)AWO"ELI; und XOC't"ocßopßopwcrs:Lc; der Mysterien wendet sich l 'lutarch, de superstitione 3 (p. 1 66 A). " VI 1 1 , 3 rr�pocv vgl. v 437 ; &x6A.wv vgl. p 222 ; VI 1 1 , 4 ßocX't""l)plocv vgl. v 437
" M a n könnte die Technik mit H elio dors Worten beschreiben als 't"cX llv't"oc C::, .; ni.rl
Heliodor
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sein ; die Mantik der Priester bediene sich nur erlaubter Opfer und reinen Gebets.1 Auf den stärkeren Zauber der Alten hin erhebt sich der Tote wieder und spricht. Er wirft ihr vor, daß Hie sich gegen die menschliche Natur vergehe und die Satzun gen d er G i\t t er durch ihren Zwang breche ; ihr Sohn werde nicht lebendig z u riiek k d t rcm , Hie selbst bald sterben, weil sie die geheimen Mysterien in Auwe:<«�nlwit vou Zeugen ausgeführt und preisgegeben habe. Der Z eu ge , ein Prie:
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Priestergewand vor ihnen steht, erkennen sie den Vater und stürzen zu seinen Füßen. Vielleicht hat dieser Szene im Mysterienritual ein Zwei kampf entsprochen, eine "Mensur", in welcher ein Secundant (hier Kalasiris) dafür sorgte, daß kein Unglück geschah. Chariklea ist sofort auf Theagenes zugestürzt und umarmt ihn. Dieser, gespannt auf die Zweikampfszene blickend, hält sie erst für eine wirk liche Bcttlerin, stößt sie weg und gibt ihr eine Ohrfeige. Da flüstert sie ihm die in der Mysterienhöhle vereinharten Kennworte zu : "0 Pythi scher, erinnerst du dich nicht der Lampe ?" Jetzt erkennt er die Ge liebte. - Die Ohrfeige und das Aussprechen der O"UfJ.ßoA.oc beziehen sich wieder auf das MysterienrituaJ.l Thyamis entläßt die Bessaeer und verspricht ihnen reiche Geschenke. In feierlichem Zuge gehen alle in die Stadt ; bei Fackelschein betreten Kalasiris und Thyamis den lsistempel. Kalasiris feiert am Abend seine Heimkehr und stirbt aus Freude oder weil die Götter seinen Wunsch, jetzt zu sterben, erfüllt haben. Thyamis wird in sein Amt eingesetzt. Die Identität von Räuberhauptmann und Oberpriester in Thyamis ist offenkundig. Kalasiris stirbt, als er in die Heimat zurückgekehrt ist ; der Abschluß seiner Irrfahrt und der Tod fallen zusammen. Dies gilt für j eden Mysten. Freilich kommt Kalasiris nicht ins Sonnenland Äthio pien, denn er ist nur ein lsispriester. Der Isisdienst kann den Menschen auf den rechten Weg bringen, aber nicht in die wahre Heimat führen. Arsake, welche dem Zweikampf der Brüder zugesehen hat, hat sich in Theagenes verlieht. Sie bittet ihre alte Dienerirr Kyhele,2 ihr zu helfen. Kyhele geht am andern Tag zum Tempel und erfährt, daß Kalasiris gestorben ist. Rasch entschlossen fordert sie Theagenes und Chariklea auf, im Satrapenpalast Wohnung zu nehmen. Die beiden sind vom Tod des Kalasiris ganz benommen und folgen fast willenlos, als "freiwillige Gefangene". " So bringt das wandernde Lehen über die in der Fremde Weilenden eine Art von Blindheit, so daß sie das Rechte nicht erkennen Iasiris mit Odysseus zu erinnern. - Das Abwerfen der Lumpen auch bei Por phyrio s, De antro nympharum 3 5 : Man muß den Zorn der weltlichen Dämo nen besänftigen, wie Odysseus den des Poseidon, rr:r:wxwv rr6vo�� xo:t xo:p't"e:p[o:��. rro't"E {LE'I a�O:fLO:X6(LE:'IO'I 't"Ot� mX.-3-e:crt, l'tO't"E ae: YO"IJ't"E:UO'I't"O: xo:t &rro:'t"W'I't"O: xo:t l'tO:'I't"O[W� rrpo� o:tmx fLE't"o:ßo::AA6 (Le:vc.v, tvo: yu!J.vw%d� 't"WV po:xewv xo:%e"A1J� rrtiv't"o:. 1 V gl. oben S. 35 und 1 5 2 ; Kerenyi 1 2 8 f. ; dort auch die alapa. Auch der Ritter schlag gehört hie:r:her. 2 Vielleicht soll Kybele als Name der Kupplerin andeuten, daß Helio dor den K ult der kleinasiatischen Göttermutter mißbilligt. Auch im Eselsroman kommen di" Diener der Kybele nicht gut weg ( Apul. VIII 2 4-I X 1 0 ; Ps. Lukian, "Ovo�
:l !i 41 ).
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können."1 Kybele führt sie in den Palast und spricht ihnen Mut zu.2 Wieder sind sie Gefangene, untl sie h aben sich freiwillig in die Gefangen schaft begeben. Die Episode hezieht. sieh auf eine Gefangenschaft im Ritual der Mysterienwcihc, wddw d it� Myslt�n freiwillig erdulden.a Es folgt eine Episode, welche der Versud1 11 u � d t�s .l ost�ph durch Potiphars Weih, des Bata durch die Frau des A u uhis t� u 1 s p ri d1L In Syrien hat es eine ähnliche Sage von Kombabos und Stral.o n i kt� ����du� n (Ps. Lukian, De dea Syria 23/5) . Die ganze Episode ist vcrm u tlid1 u nd t�ut:cnd in der Weihe gespielt worden. Aus den Reden der Kybele merkt Theagencs rasd1, w o ra u f Arsake hinaus will . Er erinnert Chariklea, daß sie sich als Ht�i • w s.,Jnv es l c�r a m; geben solle. Chariklea sagt, sie suchten ihre Eltern . A l s K yhc·Jc, furt geht, beklagt Chariklea den Tod des Kalasiris : Sie haL i J.n,u w u h rc•u Vater nicht gekannt, den Ziehvater verlassen, den dritten V u l t• r K u lu siris verloren. Achaimenes, der Sohn der Kybele, blickt durchs St,J.I iisst·l loch, erkennt in Theagenes den Jüngling, welcher von Mitraues ��' fangen worden war, und verliebt sich in Chariklea. Theagenes wird vor Arsake geführt. Die vorgeschriebene Proskynese verweigert er ; dennoch sagt die verliebte Arsake freundlich : " Sei ge trost (&ocprre:�) ." Die versteckten Anträge der Arsake will er nicht ver stehen. Schließlich bringt Kybele ihm eine förmliche Aufforderung, der Herrin zu Willen zu sein ; er brauche auch keine Furcht zu haben, nicht einmal die Sonne werde etwas erfahren. (Weieher Übermut, soll der Leser denken ; dem Helios bleibt nichts verborgen.) Theagenes weist sie schroff ab. Kybele ist ratlos. Ihr Sohn Achaimenes verspricht Hilfe, falls Arsake ihm Chariklea zur Frau gebe. Als sie dies zugesagt hat, erzählt Achai menes, daß Theagenes Gefangener des Mitraues gewesen sei und dem Großkönig als Geschenk geschickt werden sollte. Er sei also Sklave der Arsake. Arsake läßt Theagenes rufen und eröffnet ihm, daß sie ihn fort an als ihren Sklaven behandeln werde ; er soll Mundschenk werden. Achaimenes verspottet ihn, der so übermütig war und sich auf seine Frei heit soviel zugute getan hat. Wenn er jetzt seinen Kopf nicht beugen 1 VII 1 2 , 2 o(hw� &poc o ltAOC\I�TI)� (3[o� o!ov TU
Merkelbach
Heliodor wul 1 c�, werde c!r durch Faustschläge erzogen werden. Arsake läßt ihm c l u reh Kyhelc ausrichten, er werde freigelassen werden, wenn er ihr zu Willen :-;ci ; we nn nicht, werde er in ehrloser Sklaverei dienen und auf al le Arten gezüchtigt werden.1 Theagenes will auf alle Fälle verhindern,
daß Chariklea dem Achaimenes übergehen wird, und bittet mit Arsake reden zu dürfen. Er verspricht ihr in Gegenwart der Kyhele alles, falls sie i hre Zusage widerrufe, Chariklea dem Achaimenes zur Frau zu gehen ; falls sie dies aber verweigere, werde er sich vorher selbst töten. Er he
schwört dies bei Helios, dem schönsten der Götter. Als Arsake dann hört, daß Chariklea nicht die Schwester des Theagenes ist, sondern seine Braut, erklärt sie das dem Achaimenes gegebene Versprechen für un gültig. Zu Chariklea zurückgekehrt, sagt er ihr, da er sich keiner bösen Tat bewußt sei, dürfe er auf die Gnade der Götter hoffen,2 und tröstet sie (.&(Xpm::�v) . Am andern Tag wird er in eine prächtige Livree gesteckt und mit goldenen Ketten und edelsteinbesetzten Halsbändern geschmückt, teils freiwillig teils gezwungen, und muß Arsake als Mundschenk die nen. - Dies bezieht sich auf die erniedrigenden Arbeiten, die der Myste vor der Weihe verrichten muß. Der Sklavendienst ist eine Probe, der er sich freiwillig unterzieht. Wir erinnern uns auch der goldenen Kette, mit der Sinonis bei Iamhlich gefesselt wird.3 Wir haben dort vermutet, daß dieser Zug kultischen Sinn habe. Achaimenes erfährt von seiner Mutter, daß Arsake das ibm gegebene Versprechen widerrufen habe. Daß Chariklea Gattin des Theagenes sei, hält er für eine freche Lüge. Voller Zorn auf Arsake reitet er zum Satra pen Oroondates nach Theben und meldet ihm alles. Oroondates sendet sofort den Eunuchen Bagoas nach Memphis, mit einem Brief an den Obereunuchen Euphrates, und gibt Befehl, Theagenes und Chariklea sofort nach Theben zu bringen. In Memphis versucht Thyamis inzwischen, Theagenes und Chariklea freizuhitten. Sie hätten viele Kränkungen der Tyche erfahren und irrten in der Welt umher, um ihr Geschlecht zu erfahren und in die Heimat zurückzukehren ; sein Vater Kalasiris habe ihm sterbend auf getragen, ihnen dazu zu helfen. Arsake weist ihn schroff ab ; die beiden 1 VII 25 xo'A&cre:(J)<; SE: 1tiXv e:H�o<; {mocr'O) cr6(.Le:vo<;. Man denkt an die zahlreichen xri/..&cre:L<; im Mithraskult, vgl. S. 33, 2 und 1 84, 1 . 2 V I I 26, 9 &pxe:r (.LEV yap rcr(J)<; xod T O (.L1) 8Ev EIXUTWL cruve:L86TIX (jliXÜAOV e:Ö(.Le:ve:!IXL -rijL 7totpa ,..,-;,v xpe:LTT6vwv �7te:A7tL�e:w. 8 p. !1 , 1 Ha brich (oben S. 180f.) ; vgl. unten S. 280 f. zu H elio dor IX 1 .
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seien ihre Sklaven.1 - D er Isispriester kann den Menschen nicht vor den Gefahren retten, wel d w d a s 1 ,dw n mit si eh bringt ; er kann ihm nicht zur Heimkehr ins Smu w n l n • u l V l' r h d ft� n . Theagenes hatte nur z u m Sdwi n v «�rspro d wn . d e r ArHake z u Willen zu sein, und bleibt weitt�r s t.ii r ri �w h . 2 ll m st·i • u • n 'l'ml z zu h re eh e n, scltlägt Kyhele der Arsake vor, i h n geißel n tuul ful l t· r n zu l n :-<:-<«" 1 1 . Er wird dem Euphrates3 übergehen, m i t Eisenf<�ssd n g«•h t� � u l t · n . m n l.l h u n gern , wird mißhandelt und in ein dunkles Verl i eß ge1-1pe r r 1 . N u r K y hd., tl a r f ihn besuchen. Sie bringt ihm Nal1rung und prüft, uh «'r t l u n· J . • I i•· Ful l t· r u n gen nicht weich werde. Aber Theagenes hält all e n P m l l l " n � l m u l 4 m u l ruft immer : "Chariklea, du mein Lehen, du mein Lit,ht, d u nu·i nt· St•t•lt·." Es sind die körperlichen Prüfun gen und Foltern, wel elw t l t· r l n i l i n w l überstehen muß. Als Kybele erkennt, daß sie nichts erreicht, schlägt sie v or , Cl l l l r i l d •·n mit Gift zu beseitigen, und Arsake stimmt zu. Chariklca beHeh l i «·lh zu sterben ; sie hat schon lange nichts mehr gegessen. Die Alte lädt �
1 Literarische Vorbilder von VIII 5 , 2-3 sind Homer A 29 ff. und Platons Gorgias. 2 Dies wird nicht ausdrücklich erzählt. 3 Auch bei Iamblich kommt ein Euphrates vor. Er ist Sohn des zum Henker degra dierten Aphroditepriesters und vertritt seinen Vater. Heliodor hat Iamblich offen sichtlich gekannt. 4 VIII 6, 4 cbrq.r.ocxE-ro 7tpo<; -rdc<; 7tdpoc<;. 18°
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wen n Thcagcncs tot ist, auch sterben ; wenn andere sie töten, braucht Hie keinen Selbstmord zu begehen, was eine sündige Handlung gewesen wärc.1 Wenn Theagenes lebt, sagt sie, hin ich unschuldig ; wenn er tot ist, dann hin ich die Mörderin deiner Amme ; töte mich nur. - Freiwillig drängt sich der Myste zum Tod in der Weihe ; es ist die voluntaria mors des Apuleius {XI 21, 7). Arsake befiehlt, Chariklea zu schlagen, jedes Glied in Fesseln zu legen und sie in dasselbe Gefängnis zu werfen, in dem auch Theagenes liegt. Als Chariklea abgeführt wird, bricht die Dienerin, welche die Becher gereicht hatte, in Tränen aus, "aus Wobiwollen zu Chariklea oder durch den Willen Gottes" ;2 sie gesteht, daß Kyhele ihr das Gift gegeben habe, und daß die Becher verwechselt worden seien. Natürlich will Arsake nichts davon hören. Im Gefängnis ist Chariklea mit Theagenes nachts zusammen. Sie beschließt, "jeden Tod, der ihr entgegentritt, freiwillig auf sich zu neh men, um ein heilloses Lehen in endlosem Umherirren zu verlassen, in dem eine unharmherzige Tyche sie quält. "3 - Wer in der Weihe stirbt, hat das ewige Umherirren und die Launen der Tyche überwunden. Im Traum erscheint Kalasiris der Chariklea und sagt ihr : "Trage den Ring Pantarhe und fürchte das Feuer nicht. Auch das Unerwartete ist den Moiren leicht." Gleichzeitig erscheint Kalasiris auch dem Theagenes und sagt zu ihm : "Du wirst mit dem Mädchen ins Land der Äthiopier kommen und den Fesseln der Arsake morgen entfliehen" (VIII 11). Es ist einer der zahlreichen wunderbaren Doppelträume. Chariklea bindet am anderen Tag die mit ihr ausgesetzte Kette unter den Kleidern um, gleichsam als Schmuck des Sterbekleides ( otov ev-roc qncx), und trägt den Ring Pantarhe. Am Morgen wird sie vor Gericht gestellt und gesteht, das Gift gegeben zu haben, j a sie reizt die Richter absichtlich und wird zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. oux 1 D i e Helio sreligion verbietet also d e n Selbstmord ; vgl. I I 29 ef.!.OCU'l"OV e�&.yw 'l"OU (j[ou, 'l"O!<; &i>OAoyoucnv W<; &:&E:f.!.L'l"OV '1"0 1'l"POCYfl.OC 1'l"EL&6fl.EVO<;. Vgl. oben s. 24 ; Porphyrio s, vita Plotini 1 1 (§ 63 Harder ) und De abstinentia II 47 ; Platon, Phaidon 6 2 B = Philolaos 44 B 15 Orph. fr. 7 Kern ; Athenaeus IV 157 C Klearchos fr. 38 Wehrli ; Cumont, Lux Perpetua 337. 2 Maillon bemerkt : Iei apparait ce souci constant qu' a Heliodore de proposer deux cxplications des evenements ou des actes de ses personnages : une explication "socra tique", si l'on peut dire, et une explication surnaturelle ou religieuse. Diese beiden Erklärungen widersprechen sich nicht. Wenn Gott ins Leben der Menschen eingreift, 1-(eHehicht dies unter Wahrung der Kausalität. " VIII 9, 8 mXv'l"OC &&.voc't"OV e1't"ocy6fl.EVOV ocu&ocLphw<; IIE:xEcr&ocL xoct OC7t"l'JAA&.x&ocL AO L1'l"OV ".<·r�<;
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Es folgt also wieder eine Feuerprobe, wie wir sie in den Isis- und Mi thrasromanen kennen gelernt h aben . Man führt sie vor die Stadt, uml viel Volk sieht zu. Auch Arsake ist zugegen. Chariklea ist bereit., den h n� n 1 w 1 ul en Scheiterhaufen zu he steigen. Sie ruft Helios, die Erde u n d d i t' ( ; ;i l ter an :1 "Ihr seid Zeugen, daß ich von allen Vorwürfen rein h i n ; n d u n l m i d 1 freundlich auf, die ich freiwillig diesen Tod erdulde wegen d t� r 11 1 w r l ri i l-( l i d • c n Behandlung durch die Tyche." Dann tritt sie mitten im' Fc , w · r u n d hleiht ruhig stehen. Rings um sie ist Flamme, aber sei t� r l « " i d l"l k c , i n c • n Schaden ; wohin sie tritt, weicht die Flamme zurück. So fc, i c · r l :- i t · l l o e h zcit in einem Brautgemach von Feuer,2 und obwohl sie sdhH I c l e n Tod i n den Flammen sucht,3 erreicht sie nichts. Vergehlich scll ii n� n c l i c · l l c· n h r daH Feuer. Da staunt die Menge und merkt, daß ein Gott c l c ' r ( :J1 1u·ik lc'n hilft. Man ruft : "Die Frau ist unschuldig" und drängt sicl1 z u tlt·m Sdwi terhaufen, Thyamis voran ; Chariklea springt unversehrt au s d c• n Fla m men und die Menge ruft einstimmig : " Groß sind die Götter." - E H ist der bekannte aretalogische Schluß, den wir schon oft angetro1lt!n hahen.4 Wütend eilt Arsake herbei und packt Chariklea. Jetzt sei erst. recht klar, ruft sie, daß sie eine Zauberin sei. So wird Chariklea wieder dem Euphrates übergehen und noch strenger gefesselt. Am folgenden Tag soll eine neue Gerichtsverhandlung stattfinden.5 Chariklea wird ins Gefängnis zurückgebracht. Arsake läßt heide wie der im seihen Raum einsperren. Um die Liehenden mehr zu quälen, müssen sie mitans�hen, wie der andere gefoltert wird. Aber sie können auch miteinander sprechen und sich ermutigen. Sie reden in der Nacht über die wunderbare Rettung der Chariklea. Das Mädchen meint, die Rettung sehe aus wie eine göttliche Wohltat ; "aber daß wir ständig von solchem Unglück heimgesucht und in der verschiedensten Weise und über alle Erwartungen gepeinigt werden, das sieht eher aus als würden wir von Gott verfolgt und erführen die Mißgunst des Oberen. Aber viel· leicht ist dies ein Trug Gottes, der uns in die äußerste Gefahr wirft und dann aus auswegloser Lage rettet".6 Theagenes mahnt sie, fromm zu 1
Vgl. Xeno phon IV 2, oben S. 1 05.
2 &v 7tUp(vw� &ocAiifL WL vufLcpe:uofLEV1)V ; vgl. Kerenyi 142.
3 E:7ncr7te:oBoucroc Be 7tpo<; Tov &&vocTov. ' Die Wichtigkeit der ganzen Szene hat schon Kerenyi 136 hervorgehoben. 5 Daß die Heidin trotz bewiesener Unschuld und trotz dem Eingreifen Gottes aufs neue vor Gericht geführt werden soll, erinnert an christliche Märtyrerlegenden ; ebenso ihr trotziges Auftreten gegen die Richter. 8 VIII 10 TO Be �v TocroOTo�<; €�e:Tii�e:cr&oc� BucrTUX�fLoccr�v &B�occrTiiTw<;, xoct xo:A&cre:crt\1
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He l i o d o r
schweigen, die Götter zu ehren und nicht zu viel nachzudenken.1 Nun erinnert sich Chariklea des Traumes der vorigen Nacht und erzählt ihn. Da schüttelt es den Theagenes wie einen Besessenen (xoc-rozo�;),2 er springt mit seinen Fesseln in die Luft3 und erzählt, was ihm Kalasiris "oder ein Gott in der Gestalt des Kalasiris" im Traum gesagt hatte : er werde mit dem Mädchen ins Land der .Äthiopier kommen und morgen den Fesseln der Arsake entfliehen. Er deutet den Traum, er werde zu Persephone (dem Mädchen) ins Jenseits (zu den .Äthiopiern) kommen und so von den Fesseln (von seinem Körper) befreit werden. - Diese Deu tung stimmt nicht im Zusammenhang der Geschichte, und ist doch nicht falsch. Der Ankunft des Theagenes und der Chariklea in .Äthiopien im Roman entspricht im Kult die höchste Weihe, im Lehen des Mysten der Tod. Nach dem Tod wird er im Land der Seligen sein, aller Fesseln des Körpers ledig. Chariklea lacht und gibt die richtige Deutung : Das Mädchen ist sie selbst, mit der er nach .Äthiopien, ihrer Heimat, gelangen wird, den Fes seln der Arsake entfliehend. "Das Wie ist uns nicht klar und nicht leicht zu verstehen ; aber den Göttern ist es möglich ; es wird denen am Herzen liegen, die uns die Weissagungen offenhart haben." Aus dem ihr gegebenen Orakelspruch - sie solle den Ring Pantarbe tragen - erkennt sie nun, daß der Ring sie gerettet hat, der mit Hieroglyphen beschrieben und einer göttlichen Weihe voll ist.4 - Natürlich ist Pantarbe ein Gegen stand der Mysterien. Daß die ganze Kerkerszene ein Gegenbild im Ritu al gehabt haben muß, braucht kaum noch betont zu werden. "Aber welche Pantarbe wird uns morgen retten ?" fragt Theagenes. " Sie verheißt uns doch nicht in derselben Weise Unsterblichkeit wie sie gegen das Feuer gewirkt hat." Er wünscht, sie möchten beide zusammen zum Tod verurteilt werden ; "das würde ich nicht als Ende auffassen, cdxl�e:crltcn 1'\'o�x[:Ac:u,:; Te: XIXL \me:pf31XA:A6v't"cu<;, lte:1JAIX't"OUf.l.EVcuv e:lviX� XIXL 8ucrf.l.e:vd1X<; ( 't"ou) xpd't"'t"OVO<; 1'\'EtpC:Uf.l.EVC:UV n::A'i)v d f.l.'iJ lfiXUf.l.IX't"01'\'0tLIX 't"L� icr't"t 81XLf.l.OVO�, d� 't"tX �crXIX't" IX !LSv f3cXMOV't"O<;, ex 8€ 't"WV &.7t6pc:uv 8tiXcrW�OV't"O�. All dies ist charakteristisch für die Myste rien, vgl. die oben S. 98 zitierte Stelle aus Artemidor. - ('t"ou) hat Wifstrand ergänzt, Bull. Soc. des Lettres, Lund 1 944/5, 103. 1 VIII 11, 1 Tou e:ucre:f3dv 1'\'Aeov 1) Tou cppove:iv &.v.. €xe:cr%1Xt. (So hat Bekker die kor rupte Stelle emendiert.) Vgl. die Forderung der Christen, 11-iJ i�E't"IX�e: &:AM n:lcrnucrov ( Celsus bei Origenes I 9). 2 Der Vergleich mit einem xchoxo,:; findet sich auch bei Plotin V 3 (49) 14, in platonischer Tradition. 3 Vgl. Achill eus Tatios VII 15, 1 und Kerenyi 1 3 7 . ' VIII 1 1 , 8, der Ring ist Te:Ae:T'ij� %e�o't"Ep1X<; &.voc!Le:cr't"o�, d . h. e r ist ein 't"EAE:cr!LIX •
(Tul iwtan).
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sondern als Ruhe vor allem Übel". - " Sei getrost (lM.pcre:L}", sagt Chari· klea, "eine andere Pantarbe sind die Weissagungen. Wenn wir auf die Götter vertrauen, ist die Rettung schöner und - wenn es so kommen muß - das Leiden gottgefälliger." Sie schwören, sich bis in den Tod treu zu bleiben. - Ein Weihegegenstand der Mysterien wie der Pantar· bestein verleiht der Seele Unsterblichkeit ; darauf spielen die Worte des Theagenes an. Die Feuerprobe, welche Chariklea bestanden hat, war ein ritueller Tod, aus dem die Pantarbe sie gerettet hat. Ebenso werden dem Mysten nach dem wirklichen Tod die Wcihcgegenstände und das Weibekleid ins Grab mitgegeben ; sie bürgen für sein Wieder· aufleben.1 Die Rettung ist nicht fern. In derselben Nacht kommt Bagoas in Memphis an, den Oroondates geschickt hatte, um Theagenes und Chariklea zu holen. Unbemerkt gelangt er, gerade als der Mond aufgeht, ins Schlafzimmer des Euphrates, der das Paar gefangen hält. Man ent· zündet eine Lampe. 2 Der Obereunuch liest den Brief des Oroondates. Er lobt die Gefangenen : sie haben tausend Qualen und Züchtigungen ertragen und scheinen unschuldig. Dann übergibt er sie. Die beiden Gefangenen erschrecken, als sie mitten in der Nacht aufgestört werden, und meinen, sie würden zur Hinrichtung geführt. Aber sie fassen sich sofort ; ihr freudiger Blick zeigt, daß sie bereit sind zu sterben. Sie meinen, Arsake wolle ihre frevelhaften Taten im Dunkel der Nacht verbergen. "Aber das Auge der Gerechtigkeit ist stark, es spürt das Ver borgene auf und beleuchtet das Gottlose", ruft Theagenes. Er ist bereit, den Tod durch Feuer, Wasser oder Schwert zu erleiden. Bagoas führt die beiden aus dem Satrapenpalast, nimmt die meisten Fesseln ab, setzt sie auf Pferde und reitet mit ihnen und seinen Leuten nach Süden, nach Theben. Sie reiten während der Nacht und am Vor· mittag. Als die Sonnenhitze zu groß wird, rasten sie auf einem Hügel am Nil in einem durch Pfirsichbäume und Sykomoren beschatteten 1 Lateinisch heißen die yvrop(crf.L<X't"IX auch crepundia, Spielzeug. Sie wurden ins Grab mitgegeben. Der Wiedergeborene würde nach der Wiederbelebung zunächst Kind sein und mit diesem Spielzeug spielen. Vgl. Lydus, De mensibus IV 3 1 ; Bachofen, Werke VII 157 und 250 f. Einen Ring hatte ApoBon der Mutter des Seleuko s übergeben, die er im Traum umarmt hatte (Justin XV 4, 4). Das Interesse für zauberkräftige Steine finden wir schon im 3. Jahrh. v. Chr. bei dem syrischen Wahrsager Sudines, s. Bidez, Annuaire de !'Institut de Philol. et d'Histoire Orientales 3, 1 93 5 , 75. Wichtige Bemerkungen über die crUf.LßoA.<X bei Dodds : Proclus, The Elements of Theology, Ko mmentar S. 2 2 3 . 2 Dies kann kultischen Sinn haben. -
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Garten. Bagoas gibt ihnen zu essen, obwohl sie sich zunächst sträuben. - Der paradiesische grüne Garten und das Essen beziehen sich ver mutlich wieder auf den Kult. Als die Sonnenhitze nachläßt und sie aufbrechen wollen, kommt ihnen eilig ein Reiter nachgeritten. Er flüstert dem Bagoas etwas ins Ohr. Bagoas wendet sich an das Paar : "Ihr Fremden seid getrost (&ocpcre�n)." Der Bote hat gemeldet, daß Arsake sich erhängt hat, nachdem Oroon dates die Gefangenen hat abholen lassen. "Darum nochmals, seid ge trost und guten Mutes, da ihr unschuldig seid'',! sagt Bagoas in ge brochenem Griechisch. 2 Dankbar rufen Theagenes und Chariklea die Götter an. - Der Mysteriensinn dieser Episode ist offenkundig. Dann reiten alle weiter nach Süden, die Nacht hindurch. Am nächsten Morgen aber fallen sie einem äthiopischen Spähtrupp in die Hände, der die persischen Truppen umgangen hatte. Die meisten Perser können sich durch die Flucht retten. Bagoas aber stürzt vom Pferd, und Thea genes und Chariklea bleiben bei ihm, denn Theagenes erinnert sich des Traumes, der ihm vorher gesagt hatte, es sei ihnen bestimmt, gefangen ins Land der Äthiopier zu gelangen. Auch Chariklea merkt, daß sie vom Schicksal an der Hand geführt wird, und ist guter Hoffnung auf eine bessere Wendung. 3 - Immer mehr wird deutlich, daß kein blindes Schicksal, sondern eine göttliche Vorsehung die Irrfahrten des Paares leitet. Nicht ohne Bedeutung werden die beiden bei Sonnenaufgan g gefangengenommen.4 Helios selbst ist anwesend ; er läßt die Mysten durch seine Diener, die Äthiopier, abholen ; er lenkt alles zum Guten.5 Inzwischen hatte der Äthiopierkönig Hydaspes, der Vater der Chari klea, Ägypten den Krieg erklärt und die Insel Philae im Handstreich genommen. Oroondates war mit seinen Truppen gerade noch recht zeitig nach Syene gekommen. Nun schickte sich Hydaspes an, die Stadt zu belagern. In diesem Augenblick kehrt der Spähtrupp zurück und bringt Theagenes und Chariklea, die ersten Gefangenen des Krieges. Hydaspes bestimmt, daß sie nach altem Brauch bei der Siegesfeier als Erstlingsbeute dem Helios geopfert werden sollen. Man nimmt ihnen 1 VIII 15 �crr e &ocpcrd-r e 7tAeov, xoct &ufLov exe-re &yoc&6v. 2 ljieAAt1:6(LevO<; -rlj v ' EA).&3oc tpwvljv XOCL 7tocp&cr1J(LOC .. � 7t0AA� emcrupwv. Das könnte sich beziehen auf eine hesondere (syrische ?) Weise, die Mysterienworte auszusprechen. 3 VIII 17 lj Xocp(x:r.etoc cruvlet (Lev :r.omov Ö1to -rwv d[Locp(Levwv X<-tpocywyou(LEV1J, xoct &Ü<.Am<; ljv -rwv ße:r.-rt6vwv. 4 VIII 16, 2 O!p-rt 't"'ijc; i)(Lepocc; Ö7totpocwoUcr1J<;. b Vgl. auch die Deutung der Partie durch Philippos : lj ae: ljiuxl) aoputpopOU(LeV'l) 7tpo� -rljv t3Eocv 1toc-rpl8oc 7to p eucre-roc t.
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die Eisenfesseln ah und bindet sie mit Goldfesseln. - Wir erinnern uns der goldenen Ketten, mit denen Theagenes als Mundschenk ge fesselt worden ist, und der goldenen Kette der Sinonis bei lamhlich. Wieder sind Theagenes und Chariklea Gefangene ; doch vertraut das Mädchen auf die Vorhersagen der Götter und hat gute Hoffnung (XP'YJO"'t"6-repcxL e:A7t( aec;; IX 2, 2). Hydaspes läßt nun rings um die Stadt einen hohen Wall aufwerfen, der nach dem Nil zu offen ist, und haut dann einen Kanal zum Fluß. Nur ein letzter Damm bleibt am Flußufer stehen . Als dieser durch stochen wird, ergießt sich das Wasser mit gewaltigem GcWse in den Kanal und überschwemmt alles Gelände zwischen der Stadtm auer und dem Umschließungswall der Äthiopier. Die Mauer von Syenc winl unter spült und droht zusammenzubrechen. Mit Überflutung der ganzen Stadt bedroht, ergehen sich die Einwohner. Hydaspes läßt nun auf der andern Seite des Einschließungsringes ein Abflußloch brechen. Mit großem Lärm bricht der Damm in der Nacht. Dann wird der Kanal, der vom Nil zur Stadt gegraben worden war, wieder zugeworfen. Das Wasser um die Stadt sinkt rasch, doch bleibt das Gelände zwischen dem Wall der Äthiopier und der Stadtmauer zunächst sumpfig und ungangbar. Daher kann Hydaspes die Stadt zunächst noch nicht he setzen. - Die ganze Erzählung bezieht sich auf die Nilflut, das große Fest der Isisreligion. Auch dort wird der Damm durchstochen und die Flut ergießt sich über das vorher fast ausgetrocknete Gelände, s. oben S. 106 und 131 . Schon in den Romanen des Xenophon und Achilleus Tatios spielte die Nilflut eine wichtige Rolle. Nicht anders bei Heliodor. Wie der Sonnenkönig Hydaspes durch den Dammdurchstich über die Bösen siegt, so hat in Ä gypten der Tag der Nilschwelle (des Dammdurchstichs) als das Datum gegolten, an dem der Sonnengott Horos seinen Feind, den Drachen Seth besiegt hat. Wir treffen hier eine Vorstellung an, die man auch bei anderen Völkern findet : Der Damm, welcher das befruch tende Wasser zurückhält, wird in mythischem Bild als Drache gedacht. Indem der Damm durchstochen wird, wird der Drache hesiegt.1 Die Heliosreligion hat das Fest der Nilflut von der Isisreligion über nommen, wie später das Christentum von der Heliosreligion das Fest des Sol invictus übernehmen sollte. Die Episode läßt sich überdies auch noch von der Mithrasreligion her deuten : Indem Hydaspes den Damm 1
Viele Belege bei Lommel, Der arische Kriegsgott (Frankfurt 1939).
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und dem Wasser freien Lauf verschafft, wiederholt er den nradwnsieg des Fcridun-Rhodanes über Kirm- Garmos und den Schuß c l es Mithras gegen den Fels, der das Wasser zurückhielt.1
d u rd t s tidtt
Damit dem Leser der mystische Sinn der ganzen Episode nicht ent· gehe, erzählt Heliodor, zufällig sei gerade das Fest der Nilschwelle auf diese Tage gefallen, das höchste Fest der Ägypter, welches zur Zeit der Sommersonnenwende stattfinde. (Als Sonnenwendfest ist es natürlich gleichzeitig ein Fest des Helios.) Die Ägypter machen nämlich, so heißt es, den Nil zum höchsten Gott. Er vertritt ihnen die Stelle des Himmels, denn er bewässert das Land, welches keinen Regen empfängt, 2 zu fest· stehenden Zeiten des Jahres. Nun entsteht aber alles Lehen aus der Mischung von Feuchtem und Trockenem, des Nils und der Erde. Den Mysten sagen sie, die Erde sei Isis, der Nil Osiris.3 Die Göttin sehnt sich nach dem Abwesenden und freut sich, wenn er bei ihr ist ;4 wenn er nicht erscheint, beweint sie ihn und haßt den Feind Typhon. Die heili gen Männer und Priester, welche die Naturgesetze kennen, enthüllen der Menge nicht die im Mythos niedergelegte tiefe Bedeutung, sondern bereiten sie nur darauf vor durch die Erzählung ; aber diejenigen, welche zu der höheren Weihe zugelassen werden, weihen sie im Tempel ein mit der brennenden Lampe, welche die Wahrheit zeigt. "Möge uns Gnade 1 Van der Valk (Mnemosyne III 9, 1 941, 97-100) hat die These aufgestellt, ein Überschwemmungsmanöver des Schapur gegen das belagerte Nisibis im Jahr 350 sei Vorbild des von Heliodor geschilderten Ü berschwemmungsmanövers des Hydaspes ; Heliodor habe also nach 350 geschrieben. Dagegen haben sich schon Altheim (Litera tur und Gesellschaft II 272:ff. ) und Weinreich gewendet (im Nachwort zu : Heliodor, Aithiopika, Die Abenteuer der schönen Chariklea, übertragen von Reymer, Zürich 1950, S. 348). Die ganze Episode hat, wie sich nun zeigt, mythische Vorbilder, den Sieg des Feridun über den Drachen und vor allem den Sieg des Horos über Seth in der Nilflut, wobei ebenfalls ein Damm durchstochen wurde. Man kann kaum der Annahme entgehen, Heliodor habe in dieser Episode einen uns verlorenen lsisroman nachge ahmt. Daß Überschwemmungsoperationen gar nicht so selten waren, zeigt die Inschrift von Rosette, welche den Sieg des Horoskönigs Ptolemaios V. Epiphanes über die Auf ständischen (d. h. Sethanhänger) von Lykopolis schildert. Im übrigen sprechen sehr starke Gründe für die Datierung Heliodors ins 3. Jahrh. : Die Beziehungen zu Philo strat (s. o. S. 243 , 2 ) ; die Ablehnung der blutigen Opfer (s. u. S. 287) ; Emesa spielt nur in dieser Zeit eine Rolle ; es finden sich keine Ressentiments gegen die Christen, viel mehr ist die Hellosreligion zur Zeit Heliodors offenbar im Aufblühen und will den Mithras- und Isisdienst verdrängen. 2 Der Gedanke ist altägyptisch, vgl. z. B. Frankfort-Wilson, Frühlicht des Geistes (Stuttgart 1 954) 45. 3 Dies wird oft gesagt, z. B. bei Plut., De lside 32/3 und 38 ; Origenes, in Celsum V 38 ; Porphyrios bei Euseb, praep. ev. 111 1 1 , 51 ; P. G. M. XII 234 ; Philon, de vita Moysis II 195. Vgl. Dölger, Antike und Christentum 5, 1936, 1 56. 4 Hier wird deutlich gesagt, was Achilleus Tatios IV 12, 3 nur andeutet.
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zuteil werden, daß wir soviel gesagt haben ; die tiefere Bedeutung soll nicht ausgeplaudert und durch Schweigen geehrt werden'? so schließt Heliodor diesen Exkurs. - Die tiefere, mystische Bedeutung muß die Beziehung all dieser Dinge auf den Kult des Helios sein. Durch die Gleichsetzung des Osiris-Horos mit Helios, der lsis mit Selene ist diese Beziehung leicht herzustellen. Das Beispiel ist bezeichnend dafür, wie sich hinter einem mystischen Sinn (Nil=Osiris) ein weiter mystischer Hintersinn eröffnet (Osiris= Helios) . Wir fahren im Referat über Heliodor fort. Die Bewohner von Syene feiern das Fest der Nilflut, und Hydaspes hat die Stadt noch nicht besetzt. Dem Oroondates gelingt e s , mit der persischen Besatzung nachts aus der Stadt zu fliehen und sieh nach Elephantine zu retten,2 wo sich inzwischen die Hauptmacht der Perser versammelt hatte. Die Bewohner von Syene, welche den Zorn des Hy daspes fürchten, ziehen am andern Morgen demütig in einer Bitt prozession hinaus, um den König zu besänftigen. Dieser schickt zwei Abteilungen in die Stadt Syene. Die Streitmacht der Perser zieht sofort aus, um die Äthiopier zu überraschen. Aber Hydaspes hat sein Heer rechtzeitig formiert. Die Sorine geht auf und wirft ihre Strahlen den Persern ins Antlitz. So ist der Kampf durch das Eingreifen des Helios von vornherein entschieden. Hydaspes erringt einen glänzenden Sieg. Oroondates wird gefangengenommen,3 Achaimenes getötet - den Bösen ereilt die gerechte Strafe. Nun zieht Hydaspes im Triumph in Syene ein. Er befragt die Priester über den Nil und sein Fest. Man zeigt ihm das berühmte Nilometer, die Zeiger der Sonnenuhren, welche zur Zeit der Sommersonnenwende keinen Schatten werfen, die Brunnen, deren Wasser zur selben Zeit ganz von der Sonne erleuchtet wird.4 Dem Äthiopier Hydaspes sind das ver· 1 IX 9 . . . cpucrLxwv ·nvwv, o![LocL, &vllpwv xetl �eo).6ywv rrp o <; [!ev 't"oÜ<; [3e[31j).ou<; 't"d:<; eyJ
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traute Dinge. Auf das Nilfest kommend preisen die Priester den Nil. Sie nennen ihn Getreidespender und " Opoc;, was auf griechisch " Jahr" bedeutet, auf ägyptisch den ( Sonnen) Gott Horos.I Er ist der Retter von Oherägypten, der Vater und Schöpfer von Unterägypten, denn er führt jährlich den neuen Schlamm herbei und heißt daher "Nil" ;2 er zeigt die Jahreszeiten an, den Sommer durch die Nilschwelle,3 den Herbst durch das Sinken des Wassers, den Frühling durch die Blumenblüte am Ufer und die von den Krokodilen gelegten Eier. Der Nil ist nichts anderes als das Jahr selber, und wenn man den Zahlwert seiner Buch staben zusammenrechnet, 4 ergibt sich die Zahl der Tage des Jahres. Sie setzen noch andere Lehren hinzu über die Besonderheiten von Pflanzen, Blumen und Tieren, die man sich in der Art der Koiraniden und des Physiologus denken darf. Hydaspes hat Einwände gegen diese Lehren der ägyptischen Priester : All diese heiligen Dinge sind nicht ägyptisch, sondern äthiopisch. Der Fluß selbst, der nach ägyptischer Lehre Gott ist, und auch seine Tiere kommen aus dem Land der Äthiopier nach Ägypten. So sollten die Ägyp ter Äthiopien als die Mutter ihrer Götter verehren . - Der Kult des Helios um faßt alle heidnischen Religionen und hebt sie in sich auf; das Sonnenland Äthiopien ist das wahre Götterland, das alle Menschen anbeten sollten. Man feiert ein großes Siegesfest. Dabei werden, neben anderen Gefan genen, auch Theagenes und Chariklea vor den König geführt. Chariklea hat dem Theagenes vorher gesagt, daß sie sich dem Vater erst in Gegen wart ihrer Mutter Persina zu erkennen gehen will. Ohne ihre Hilfe würde man ihnen keinen Glauben schenken, wenn sie als Gefangene sich plötzlich wie auf der Bühne als Kinder des Königs ausgehen wollten.5 Hydaspes hatte in der vorigen Nacht geträumt, ihm werde am Tag eine erwachsene Tochter geboren werden. Als Chariklea vor ihn geführt wird, staunt er über ihre Ähnlichkeit mit der Tochter, die er im Traum gesehen hat. Aber er mißt dem keine besondere Bedeutung zu, zudem 1 Vgl. Horapolion I 17 1JAtO� ()f; 0 T ilpo� &no TOU TWV wpwv xpa-rdv. 2 vi ( a) [).. ( u�) Ne:Th(o�) ; IX 22, 5. 3 Daß Ägypten seine Tage nach dem Nil zählt, sagt auch Achilleus Tatios I V 1 2 , 1-2 . Heliodor ist deutlicher, weil die Lehren der Isispriester für ilm nicht die letzten Geheim nisse sind. 4 NE IAOI: = 50 + 5 + 10 + 30 + 70 + 200 = 365. Vgl. auch Rohde 457, 1 . b Wieder zeigt die Bühnenmetapher die Abhängigkeit von der Tragödie an, und doch lind�> l. Hid1 das Motiv bei Heliodor (IX 24, 6) in dem Sinn, in welchem es im alten K u h drama vorgekommen sein muß. =
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Theagenes sich als Bruder der Chariklea ausgibt und Hydaspes nichts von einem Sohn geträumt hat. Auf die Frage nach ihren Eltern erklärt Chariklea, man werde sie an dem Altar erkennen, an dem eie geopfert werden solle. Hydaspes sagt, diese seine "traumgehorene Tochter" spreche Traumphantasien. - Der Leser aber erinnert sich, daß Chari· klea einst auf Geheiß eines gottgesandten Traumes geboren worden ist. Das Wort des Hydaspes ist wahrer als er d e n k t. Hydaspes läßt nun den Oroondates frei und s1: h l ägt: den Persern einen billigen Frieden vor : Der Katarakt soll die Gre n z e z w i s c h en Äthiopien und Ägypten sein ; Philae gehört zu Äthiopien, S y t m e z u Ägypten. Dann opfert er dem Nil und zieht mit seinem H eer u a d t .I [ausc. Den weisen Gymnosophisten schickt er einen Brief und lädt sie zu m Si,:ges fest und dem dazugehörigen Opfer ein ; auch seiner Frau Pcrs i u a mdtlct er den Sieg. Persina hat, zur seihen Zeit wie Hydaspes, geträumt, sie gebärt: t:i tu: erwachsene Tochter. Sie meint, die Traumtochter habe auf den Sieg tlcr Äthiopier gedeutet. - Es ist wieder ein wunderbarer Doppeltraum (Kerenyi 166) . Die Deutung der Persina ist nicht falsch ; ihr Traum hat eben zwei Bedeutungen. Der Führer der Gymnosophisten Sisimithres prophezeit, daß bei dem Siegesfest eine Überraschung eintreten werde, doch werde alles gut enden. Ein Glied der Königsfamilie, ein Teil des Reiches sei verloren, aber das Schicksal werde das Gesuchte zum Vorschein bringen. Sisi· mithres ist derselbe Mann, der einst die ausgesetzte Chariklea gerettet und die siebenjährige in Syene dem Charikles übergehen hatte. Hydaspes kommt mit seinem Heer an. Das Siegesfest soll vor der Stadt stattfinden. Alle Männer eilen dem Sieger entgegen. Frauen dür· fen bei dem Opfer an Helios und Selene, die reinsten und leuchtendsten Götter, nicht zugegen sein. Nur die Priesterin der Selene nimmt teil, die Königin Persina ; Priester des Helios ist Hydaspes selbst. Alles ist aufs Prächtigste vorbereitet ; unter anderem sind Bilder des Memnon, der Persens und der Andromeda aufgestellt, der Ahnherrn des Königs· hauses.1 Sisimithres und die Gymnosophisten sind zugegen. 1 X 6 yc:vc:&pXIXL, vgl. I V 8 u. X 1 1 . Altheim ( Literatur und Gesellschaft I 100) hat den Ausdruck als syrisch nachgewiesen. - Schon die Seleukiden hatten den Apollon(-Helios) zum Ahnherrn, s. Dittenberger, 0. G. I. 2 1 9, 26 f. (Ilio n ; Apollon &px'IJYO� -rou yevou�) ; 0. G. I . 237, 6 (Iaso s ; &px'IJYE'r'IJ� -rou yevou� -rwv ßiXcnAewv) ; Apollonhymnus von Erythrai (Wilamowitz, Nordionische Steine [ Abhandl. Akad. B erlin 1 909] 47 ; Powell, Collect. Alex. 140) ; Justin XV 4, 3 (oben S. 250, 1). So wie die ägyptische Religion wird auch die syrische Religion in hellenistischer Zeit
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Man w i l l d e m Helios ein Viergespann weißer Rosse, der Selene ein .l odt Sticrc,1 dem Dionysos verschiedene Tiere opfern ; er ist der dritte ( ; utt dt�r Äthiopier, nicht so angesehen wie Helios und Selene. Die
Menge fordert aber das traditionelle Menschenopfer. Als Erstlinge sollen, D ank für den Sieg, die ersten Gefangenen geopfert werden ; und zwar können den reinen Göttern Helios und Selene nur Jungfrauen und jungfräuliche Männer dargehracht werden. Theagenes und Chariklea werden bekränzt herbeigeführt. Sie müssen, als Keuschheitsprobe, eine Feuerstätte betreten, deren Roste golden sind. Zum allgemeinen Er staunen besteht Theagenes die Feuerprobe. Er ist also ein passendes Opfer für Helios. "Die Äthiopier lohnen die Keuschen auf sonderbare Weise ; ihr Siegespreis ist, daß sie geopfert werden", sagt Theagenes leise zu Chariklea. - Die Worte deuten wieder auf den Mysteriensinn : Die Heliosweihe ist ein Lohn für gottgefälliges Lehen. Chariklea zieht ihr goldenes, mit roten Strahlen besticktes delphi sches Priesterinnengewand an, das sie im Ranzen mit sich getragen hatte, und läßt ihr Haar frei herabhängen ; ohne abzuwarten, daß man sie zum Feuer führt, springt sie wie eine Gottbegeisterte (x<X:ro xoc;) auf den glühenden Rost2 und steht lange Zeit darauf, ohne Schaden zu nehmen. Sie sieht aus wie das Standbild einer Göttin, nicht wie eine sterbliche Frau.3 - Wieder eine Feuerprobe. Der Tod, den Theagenes und Chariklea erleiden sollen, bedeutet diesmal die letzte und höchste Weihe ; sie werden Oberpriester des Helios und der Selene werden. Die ses Amt wird nur reinen, jungfräulichen Menschen anvertraut. So er klärt sich die Keuschheitsprobe vor der Opferung. Persina wird heim Anhlick der Chariklea sogleich zu Mitleid gerührt : "Wenn meine einzige unglückliche Tochter lebte, wäre sie etwa gleich alt", sagt sie zu Hydaspes.4 "Ach die Unglückliche, hätte sie nur nicht die Keuschheit bewahrt ! Jetzt ist der Tod ihr Lohn !" Sie bittet, ihr zum
noch mit dem H errscherkult zusammengehangen haben ; nur ist der Nachweis wegen des Mangels an Quellen viel schwerer zu führen. Über die Ilp6yovot der Seleukiden hat Rostovtzeff mehrfach gehandelt, s. Journ. Hell. Stud. 55, 1935, 56 ff. ; Comptes-rendus par l'Academie des lnscriptions et Belles Lettres 1935, 290 ff. ; Melanges Syriaques R. Dussaud (1939) 258 ff. ; Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt Tafel 5 1 , 2 mit Text, auch S. 1 1 8 9 Anm. 2 3 6 über Artemis Archegetis nach Newell, Num. Stud. 1 , 1938, S. 1 2 4 Nr. 329. 1 Vgl. oben S. 241, 1 . 2 E s ist die voluntaria mors. 3 Sie vertritt die Göttin. Vgl. Apul. XI 24, 4 ad instar Solis exornato me; Kerenyi 146. 4 M n t i v uus der Odyssee ( • 358 ff. ).
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das Leben zu schenken. Hydaspes lehnt die Bitte ab : " Sie ist von Geburt an den Göttern bestimmt, durch ihre übergroße Schönheit." Hydaspes fordert den obersten der Gymnosophisten, Sisimithres, auf, mit dem Opfer zu beginnen. Dieser lehnt ab ; das Menschenopfer eei wider göttliches Gesetz. "Wären doch auch die Opfer anderer Lebe wesen verboten ; nach unserem Sinn würden Gebets- und Weihrauch opfer genügen." - Der Helioskult will alle blutigen Opfer abschaffen.1 Solche Tendenzen waren im antiken Heidentum nicht ganz neu. Im Schlußgebet des Poimandres (Corp. Herrn. I 31) heißt es : aE�CXL AO"(LX�4; .&ucrtcx4; &:yvcX4: &1to l.jlux1J4: xcxl. xcxp alcx4; 7tp04: cr€ &vcx-re:'t'CX(lEV'YJ4:·2 Apollonios von Tyana hat sogar das Weihrauchopfer verworfen.3 Sisimithres prophezeit, dies Opfer werde nicht zu Ende kommen ; "das Licht, welches die Fremden umglänzt, zeigt an, daß ein Höherer für sie streitet" . - Der Höhere ist Helios selbst, der von Heliodor nur selten genannt wird, wie die lsisromane den Namen der Göttin meist verdek ken. Daß die Helden mit einer Art Aureole umgeben sind, zeigt ihre geheime Identität mit Helios und Selene. Chariklea, die ohnehin guten Mutes ist ( oi5crcx e:\l.&u(l04;), erkennt den Namen des Sisimithres. Voller Freude stürzt sie ihm zu Füßen und bittet ihn, ihr beizustehen in ihrem Rechtsstreit, 4 den sie gegen das Königspaar habe. Es wird ihr gestattet, ihre Beschwerde vorzutragen. Chariklea ruft nun den Helios, den Stammherrn ihrer Vorfahren, zum Zeugen an und schwört, eine einheimische Äthiopierin zu sein, aus königlichem Geschlecht, Tochter des Königs. Hydaspes will nichts glau ben ;5 das sei j a wie auf der Bühne, ein Trick des Mädchens, um dem Tod zu entgehen. Chariklea antwortet : "Noch heute werden die Götter, 1 Sehr zutreffend bemerkt Hehn, Der antike Roman 42 : . . . regt sich etwas wie ein christlicher Geist bei der Abwehr des Menschenopfers, ja aller blutigen Opfer." 2 Vgl. auch Corp. Herrn. XIII 1 8 ; Asclepius 41. 3 Bei Euseb, praep. ev. IV 1 3 ; vgl. Norden, Agnostos Theos 41 u. 343. Nach Philo strat, vita Apollonii I 1 hat Pythagoras beseelte Opfer verboten, Opferkuchen und Weihrauch und Hymnen erlaubt. - Das Verbot des Opfers ist für die Datierung Helio dors wichtig. Das sinkende Heidentum des 4. Jahrhunderts wollte im Kampf gegen das siegreiche Christentum alle Kräfte zusammenschließen und hat, um keinen Zwist in den eigenen Reihen zu haben, das blutige Opfer für erlaubt erklärt. Der Philosoph lamblich, Sallustios und Julian verteidigen es leidenschaftlich. Heliodor ist davon weit entfernt, wie überhaupt sein Werk keine Apologie der eigenen Religion ist und keine Bitterkeit gegen andere Religionen hat. Der Helioskult schien damals noch bestin1mt, alle anderen Religionen in sich aufzunehmen. 4 Die Episode erinnert an die Gerichtsszenen der Isisromane. 6 Motiv aus der Odyssee, wo Penelope dem fremden Bettler nicht glauben will, daß er Odysseus ist. "
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auch wenn du es leugnest, zeigen, daß du mein Vater bist." - Bei der Mysterienweihe wird der amtierende Priester zum geistlichen Vater des Initianden. Durch schriftliche Dokumente und durch Zeugen will Chariklea ihre Abkunft beweisen. Zunächst zeigt sie die Binde mit dem Brief der Pcrsina an ihre ausgesetzte Tochter. Persina erkennt sofort, daß sie ihr Kind gefunden hat,1 und erklärt dem König alles. Der zweifelt und fragt, wer das ausgesetzte Kind gerettet und erzogen habe. Nun meldet sich Sisimithres. Er verlangt, daß Chariklea auch die anderen Erken· nungszeichen vorweise. Das Mädchen zeigt die Kette und den Ring Pantarbe. Diesen erkennt auch der Vater. Als er an der weißen Haut· farbe des Mädchens Anstoß nimmt, weist Sisimithres auf das Andro· medabild, das zu dem Fest aufgestellt worden war. Als Chariklea schließ· lieh noch ein schwarzes Mal am Oberarm vorzeigen kann, erkennt auch Hydaspes sie als seine Tochter an. - Bei den höheren Weihen muß der Myste die Kennzeichen vorweisen, die ihm bei den früheren Weihen verliehen worden sind. Auf das Mal am Arm werden wir unten S. 297 zurückkommen. Hydaspes fürchtet, es sei unfromm, die bereits der Selene zum Opfer Bestimmte leben zu lassen. Er bietet daher dem Volk an, sie zu töten, obwohl s\e seine Tochter ist. "Ob es den Göttern gefällt, sie mir gleich· zeitig zu geben und zu nehmen - so war es schon bei ihrer Geburt, so ist es jetzt, da sie gefunden ist -, und ob sie diej enigen als Opfer annehmen werden, die sie aus der Heimat bis ans Ende der Welt verschlagen und nun wie durch ein Wunder uns als Kriegsgefangene wiedergegeben haben, das zu prüfen überlasse ich euch." Er ist bereit, die Tochter statt zum Brautgemach zum Opferaltar zu führen. - Die Antithese -r&:cpoc; - &ocAOC[Loc; und das Zusammenfallen der beiden Gegensätze sind uns vertraut geworden.2 Auch daß der Priester, der "Vater" des Mysten, den alten Menschen in seinem "Kind" bei der Weihe tötet, haben wir oft gesagt. In leidenschaftlicher Akklamation3 fordert das Volk, das Mädchen zu retten. Nun fragt Hydaspes die Tochter, warum sie den Theagenes 1
X
13 e:Öp Lcrxe:v, das Kennwort der Isisro mane.
2 Kerenyi 17 4 verglich bereits den funereus thalamus der Psyche. 3 X 1 7 , 1-2. Die einzelnen Sätze sind als Rufe j eweils verschiedener Gruppen a u fzufassen (§ 3 tmxXk�'AoLc; -rcx�c; txßo�cre:m), wie auch in X 7 , 1 ; vgl. die lobakchen· i nschrift (Dittenberger-Hiller, Sylloge 1 1 09) und die Akkl amationen der Alexandri rwr fiir Vespasian (Pap. Fouad 8 ; Archiv für Pap. Forschung 1 6 , 1 1 1 ) , auch Alt· h c· i m , Litc�ratur und Gesellschaft I 1 1 5 , 2 1 .
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"Bruder" genannt habe. Chariklea antwortet, sie habe in der Not ge logen ; wer Theagenes wirklich sei, möge Hydaspes ihn selber fragen ; der Mann sei mutiger als die Frau und werde sich nicht schämen, es frei zu bekennen. Hydaspes versteht den Sinn dieser Worte nicht. Chariklea bittet um das Lehen des Theagenes, mit dem sie leben und sterben wolle, der ihre Seele sei. Hydaspes antwortet, es sei unmöglich, den zum Opfer Bestimmten zu retten. Da bittet Chariklea, wenn er schon sterben müsse, so wolle sie selbst ihn töten. Hydaspes meint, sie sei von Sinnen : " Sie nannte denjenigen Bruder, der es nicht ist ; auf die Frage, wer der Fremde sei, sagte sie, sie wisse es nicht. Dann wieder wollte sie den Unbekannten als ihren Freund retten ; als sie hörte, dies sei unmöglich, wollte sie ihn selbst töten." - Diese Widersprüche deuten wieder auf den Mysterien sinn : Theagenes ist kein leiblicher Bruder der Chariklea, aber als Myste ist er ihr Bruder ; der rituelle Tod des Mysten in der Weihe, bei dem wahrscheinlich eine Priesterin als Offiziantin fungierte, ist seine Rettung. Inzwischen bringen Abgesandte tributpflichtiger und befreundeter Völker Geschenke. Ein Neffe des Hydaspes schenkt einen Meisterringer, einen großen schweren Menschen. Zur Beschämung der Äthiopier wagt es niemand, sich mit ihm zu messen. Plötzlich reißen sich von den zum Opfer für Helios und Selene bestimmten Opfertieren ein Stier und zwei Pferde los. Von Gott angespornt,1 schwingt sich Theagenes auf eines der Pferde und galoppiert dem Stier nach. Als er ihn erreicht hat, schwingt er sich auf ihn, packt ihn bei den Hörnern, würgt ihn und bringt ihn zu Fall. Der Stier liegt hilflos rücklings auf dem Boden, Theagenes hält ihn mit der Linken nieder, die Rechte streckt er zum Himmel empor. Laute Bewunderungsrufe erschallen ; der Stier wird ans Seil gelegt und abgeführt. - Was Theagenes hier vollbringt, scheint zunächst nur eine Stierzähmung, für welche die thessalischen Reiter berühmt waren (-rocu poxoc-о�oc) . Theagenes ist j a Thessaler. Solche Kunststücke sind auch in Rom vorgeführt worden. Aher die Tat des Theagenes ist mehr als das : Sie ist die Wiederholung einer großen Tat des Sonnengottes Mithras, der Zähmung des Stiers. Dies ist in den Mithraeen mehrfach auf einem der kleinen Reliefs um das zentrale Bild des stiertötenden Gottes dar gestellt : Mithras ist wie ein Dompteur rittlings auf das Tier gesprungen, packt es bei den Hörnern und würgt es am Hals, wobei sein Körper I X 28 ltx -rou .&EW\1 op[l.'ijt XP"I)crct[.I.E\10<;, man möchte übersetzen instinctu divinitatis, wie es auf dem Konstantinsbogen steht. Vgl. schon Apuleius XI 26, 2 deae potentis instinctu. 19
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waagerecht hängt.1 Schließlich muß er das Tier zu Fall gehracht haben. Der Mythos weist in die ältesten Zeiten zurück, in welchen die Zähmung des Stiers eine große Kulturtat war. Mit Absicht hat Heliodor nicht die Tötung des Stiers durch Mithras von Theagenes wiederholen lassen, um seinen Helden so mit dem Gott zu vergleichen ;2 das wäre ein hluti· ges Opfer gewesen, wie es der Heliosdienst ablehnt. Der Gestus der erhobenen Rechten assimiliert Theagenes dem Sonnengott.3 Die Bei fallsrufe der Menge sind ein bekanntes aretalogisches Motiv. Die Menge fordert nun, Theagenes solle mit dem schweren Ringer kämpfen ; man hatte es als beschämend empfunden, daß niemand ge· wagt hat, sich mit dem Fleischkloß zu messen. Theagenes bringt ihn zu Fall und wird von Hydaspes als Sieger bekränzt. - Immer deutlicher zeigt sich die Identität des Helden mit Sol invictus. Niemand kann ihm widerstehen. Für die Bekränzung erinnere man sich der Weihe des Lucius (Apuleius XI 24, 4) : caput decore corona cinxerat palmae candidae foliis in modum radiorum prosistentibus. sie ad instar Solis exornato me etc.4 Inzwischen hat Persina ihre Tochter gedrängt, ihr zu beichten, in welchem Verhältnis sie zu dem Manne stehe : " Gestehe es mir als deiner Mutter getrost. "5 So wird Chariklea zu einer nackten und unverhüllten 1 Vgl. Cumont, Textes et Mon. I 170 (Mithras ist auf den Stier gesprungen) : sa monture s'emporte, eile entraine au galop son cavalier allonge sur sa croupe, les bras passes autour de son cou, ou meme tombe ii. cöte d'elle en se raccrochant ii. ses comes. li semble bien que Mithra emploie, pour se rendre maitre de l'animal, le moyen usite dans les "taurocathapsies". Les Iutteurs sautaient sur le dos des taureaux furieux, les fatiguaient en se suspendant ii. leur tete, et, les saisissant par les cornes, les jetaient enfin ii. terre. Cumont zitiert dann auch Heliodor X 28 oii, detail remarquable, c'est un pretre du soleil qui a recours ii. ce moyen. Die wichtigsten Darstellungen des stierzähmen den Mithras sind : Neuenheim (Cumont, mon. 245 e 3, Textes et Mon. II 346 Ver maseren mon. 1283, 1 3 ) , Osterburken (Cumont mon. 246 f 6, TM II 350 Vermuseren 1292, 5 b fig. 340 und 342 ) , Saarburg (Cumont mon. 273 ter d 9, TM II 5 1 5 Vermuseren 966 C I) und Dura-Europos (Vermaseren mon. 42, 9 ). Auch an Jupiter Dolichenus auf dem Stier ist zu erinnern. 2 Man beachte X 29, 1 -rov 0e:ctytV"flV Act(J.7tpw� ex.�e:tci�e:LV. a Vgl. Usener, Das Weihnachtsfest2 3 5 4 ff. ; L' Orange Symb. Osl. 14, 1 9 3 5 , 86 ff. ; Studies o n t h e I conography of Cosmic Kingship i n t h e Ancient World (Oslo 1953 ) 139 ff. ; Wolff-Windegg, Die Gekrönten (Stuttgart 1958 ) 1 9 7 ; Nilsson, Rel. II 496 ; Altheim, Literatur und Gesellschaft I 103. In einer Beschreibung des Sonnen gottes Horos heißt es -rov 8E: �e:ov II.Ji"flt . &.x.nvw-r6v, -r�v 8e:�ttXv &.vocn-rct(J.tVlJV &.a7tct�6(J.e:vov (P. G. M. IV 1 10 9 ) . ' Der Sieg des Theagenes im Ringkampf - wie auch sein Sieg im Wettlauf zu Deiphi huben eine gewisse allgemeine Ähnlichkeit mit dem Sieg des Odysseus bei den Phäaken im Diskuswerfen. & X 29 .:J-ocppoüact 8E: w� 7tpo� 1-'-ll"tpct . . . e�ocy6pe:ue:. • • •
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"Anklage wider sich selbst" gezwungen1 und gesteht alles. Wir haben wieder eine Beichte vor der Weihe der Chariklea zur Priesterin der Selene.2 So drängt alles zum glücklichen Ende. Da kommt noch der delphische Priester Charikles, der Ziehvater der Chariklea. Er ist den Flüchtigen nachgeeilt und findet sie hier. Da auch Sisimithres anwesend ist, der das Mädchen einst dem Charikles übergehen hatte, schließt sich der Kreis vollständig. Alle erkennen, daß eine göttliche Vorsehung das Paar geführt hat. 3 Sisimithres schlägt dem König vor, die Menschenopfer abzuschaffen : "Die Götter nehmen das vorbereitete Opfer nicht an. Sie haben die glückselige Chariklea am Altar selbst als deine Tochter erwiesen, sie haben ihren Ziehvater, wie auf der Bühne, mitten aus Griechenland hierher geleitet, sie haben die Pferde und Stiere vom Altar aufgeschreckt und haben uns zu verstehen gegeben, daß das Opfer, welches man für das heiligste gehalten hatte, unterbrochen werden soll ; und jetzt, als Krone alles Guten und gleichsam als Lichteffekt am Ende des Stückes haben sie gezeigt, daß der fremde Jüngling der Bräutigam des Mädchens ist. Wir wollen die von den Göttern ins Werk gesetzten Wunder he greifen und mithelfen ihren Willen auszuführen ; darum wollen wir uns an frommere Opfer halten und die Menschenopfer für alle Zeiten auf hehen."4 Hydaspes faßt Chariklea und Theagenes bei der Hand : "Da all dies durch den Wink der Götter geschehen ist, wäre es unfromm, sich zu widersetzen" ; er ruft die Götter, die selbst die Schicksalsfäden ge sponnen haben, zu Zeugen an und vermählt das Paar. Er bekränzt Theagenes mit seiner eigenen Priesterhinde, Chariklea mit der Binde 1 7rpo� ytl(.I.V-l)v 8& AOL7r0V xa1 (btap<XKOCAU7r'r0V xc.>pe!v -r1)v S(.I.<XUTij� K<XTI)"(Op(a:v Ka'r• a:va:yxoc�o(.l.aL ; vgl. X 33 und 3 8 . 2 Über die Beichte s. oben S. 169 f. und 246. 3 X 3 8 x&v d� ßoUA7J(.I.OC 'rL� &va:cptp'I)L �EWV, KOCV d� 8Lo(K7JGLV exdVc.>V -.&: 8e8p<X(.I.EVa. &� Ö p(.l.'ij� �da�, � aU(.I.7rav-ra: -ra:ü-ra: eax7Jvoypoccp7Jaev. ' X 39 (.1.1) 7rpocr(ev-r<XL ot �eo� -r1)v eö-rprnL�O(.I.EV'I)V �ua(a:v, vüv (.I.EV -r1)v 7rav6J.ßLov Xa:p(xJ.eLav e� a:ö-rwv aol -rwv ßc.>(.l.wv �uya:-repa: &voc8d�ocvn� xoct -r1)v -rotUTI)� -rpocpeoc, Xot�OC7rtp ex (.I.'I)Xotv'ij�. &x (.I.EG'l)� Pi� 'EJ.M8o� ev-rocü�ot &vot7rE(.I.\jJotV'rE�, otO�L� -r'ijv 7r'r0LOCV xoct 'rOV -rocpocxov -roi:� 7rpocrßc.>(.I.LOL� !7r7rOL� n xocl ßoualv EmßocJ.6v-re� xoct -ro i>LotXO· 1t"/jaea�ocL -r&: nJ.eC:nepoc VO(.I.L�6(.1.evoc -rwv tepdc.>v au(.l.ßliAJ.eLv 7rotpexov-re.;, vüv -r-l)v xopc.>· vl8oc -rwv &.yoc�wv xoct &crm:p Aot(.l.7roc8Lov 8poc(.l.oc-ro� -rov VU(.I.cp(ov -r'ij� x6p7J� -rou-rovt -rov �evov veocv(ocv &voccpi)vocvn.;. &Al.' octa�otVW(.I.E�ot -roü -3-dou �otU(.I.ot-roupyi)(.l.ot-ro�, xa:t auv· spyot ytvw(.l.e�oc -roü &xdvc.>v ßouJ.i)(.l.oc-ro�, xoct EXW(.I.E�ot -rwv eöocysa-rtpc.>v tepdc.>v, -r-l)v i>L' &v�pw7rc.>V �ua(ocv xocl d.; -rov ��'ij� oc!wvoc 7r&pLypocljiocvTe�. (Die Bedeutung von Aot(.l.7roc8Lov 8poc(.l.ot-ro� ist unbekannt.) Diese Worte sind eine theologische I nterpre tation der ganzen Handlung des Romans. 19 °
li e l i o d o r
1 1 1· r Pt�rsi n a . 1 D a Ei
Volk jubelt ihm zu, und Charikles erinnert sich an das C •rakd de:-; delphischen Apollon, welches in dunklen Versen diese Prie :-i ll�rwt�ihc in Äthiopien prophezeit hatte.2 Von brennenden Fackeln ge leitet, fahren Theagenes und Hydaspes auf einem von Rossen, Chariklea und Persina auf einem von weißen Stieren gezogenen Wagen3 unter dem J ubel des Volkes in die Stadt ein, wo die mystischeren Weihen der Hochzeit in Glanz gefeiert werden sollen.4 - Die Fahrt des Stiersiegers Thcagenes mit dem Sonnenpriester Hydaspes auf der Quadriga wieder holt die triumphale Fahrt des Mithras mit Helios auf dessen Vier gespann.5 Es folgt der vielbewunderte Schlußsatz des Werkes, in dem sich der Verfasser zu erkennen gibt als ein Mann aus Emesa, aus dem Geschlecht des Helios, des Theodosios Sohn Heliodoros - das in den Eigennamen liegende Wortspiel kann keine Übersetzung wiedergeben : O'UVE"t'IX�e:v &.v�p o!:vL� 'E[LLO''YJVO�, "t'WV &.ql' ' H).. ( ou yevoc;, 0e:o 3ocrlou TIIX'i:c; ' H).. t6 3<.t.lpoc;. Man erkennt ohne Mühe, daß der Grundriß des ganzen Romans streng symbolisch ist.6 Chariklea stammt von der Sonne ab und Äthio pien ist ihre wahre Heimat. Ebenso ist die menschliche Seele von Natur göttlich und stammt aus dem Land der Sonne. Aber die Seele ist in die Materie gestürzt : Chariklea wird ausgesetzt und von Sisimithres dem Charikles übergeben, der sie nach Deiphi mitnimmt. So ist das Mädchen nun unendlich weit von ihrer wahren Heimat entfernt ; sie ist in der Welt, und ihre Aufgabe ist, aus der Welt zu fliehen und ihre wahre Heimat zu suchen. 1 Die Hochzeit ist identisch mit der Priesterweihe.
2
Vgl. oben S . 240. 3 Vgl. oben S. 240 f. und 286. X 41 -r:wv errt TWL yoc[J.WL [J.UcrTLKW-r:epwv )(1)(-r;(X -r:o &cr-r:u tp(XL3p6-r:e:pov -r:e:Äe:cr-&1JcrO[J.evwv. Es ist bezeichnend, daß das letzte Wort des Textes -r:e:Äe:Lv ist, "weihen", und daß kurz vorher das Wort [J.Ucr-r:Lx6<; steht. - Das Hochzeitslied für Chariklea darf man sich denken wie den Gesang in den Thomasakten 6 f. Die aus der Welt geflohenen Helden des Romans bleiben nun für immer beim Vater. Vgl. Porphyrios, De regressu animae fr. l l , 5 p. 4 1 , 3 1 * Bidez ( Augustin, civ. dei XIII 19) ut corpus omne fugientes (sc. animae) beatae apud patrem sine fine teneantur. 6 Dargestellt z. B. auf den Mithrasmonumenten von Klagenfurt, Heddernheim, Osterburken (Seitenregister rechts oben), Kral-Marko (Vermaseren mon. 2245), Apu lum (Vermaseren 1935), Tovalitschewo (Vermaseren 2244 ; Abbildungen der letzt g enannten Steine auch bei Saxl, Lectures, Tafeln 2 1-24). Die Fahrt des Helios aufdem von vier Rossen gezogenen Wagen und der Selene mit dem Stierzweigespann sieht man auf mehreren Mithrasreliefs (Basrelief Borghese im Louvre ; 0MLcrburken ; Neuenheim ; Heddernheim), ferner auf der Silberschale von Parabiagio ( Alfiildi, Atlantis 1949 Heft 2 S. 69 ; Altheim, Aus Spätantike und Christentum Tafel 2). • Vgl. schon Rohde 437 f. 4
=
He l i o d o r
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Aber wenn auch Gott den Fall der Seele in die Leiblichkeit nicht hin dern konnte, seine Fürsorge wacht doch ständig über einem Menschen, der zu Gott streht.1 Chariklea ist immer unter der Obhut frommer Prie ster, des Sisimithres, des Charikles, des Kalasiris. Die Stationen ihrer Rückkehr nach Äthiopien sind : Deiphi - Kephallenia - Nilmündung Chemmis - Memphis - Syene - Äthiopien.2 Einige Etappen der Reise sind von Chariklea frei gewählt ; andere aber scheinen zufällig. Dennoch führt j ede neue Station stracks weiter nach Süden, in Richtung auf das ersehnte Ziel. Was blinder Zufall schien, enthüllt sich als gütige Vor sehung ; wenn der Myste von sich aus aufbricht, um die Heimat zu suchen, hilft ihm der Gott. Alle sind Abkommen des Helios, wie Cha riklea, ausgesetzt und in diese Welt verstoßen. Das Lehen ist die Irrfahrt, durch die der Mensch zurück zum himmlischen Vater gelangt. Natürlich bezieht sich die ganze Handlung in der uns schon bekannten Weise nicht nur auf die Lehensreise des Mysten, s ondern auch auf die verschiedenen Weihezeremonien, die er zu durchlaufen hat. Da die Ri· tuale der Weihe eben den Weg des Mysten durch das Lehen und die Überwindung des Todes symbolisieren, ist diese Gleichung der Handlung mit dem Lehen einerseits, mit dem Kult andererseits, nicht verwunder lich. Der Ankunft in Äthiopien entspricht, unter anderem, auch der Tod des Mysten ; erst nach dem Tod hat er die Lehensirrfahrt ganz über standen und ist in den Hafen des Heils gekommen. Heliodors Äthiopien hat mit dem wirklichen Äthiopien nichts zu tun. Es ist der Teil der Erde, welcher der Sonne am nächsten ist. Statt in den Süden hätte Heliodor die Heimat der Chariklea auch in den Osten verlegen können, nach Sonnenaufgang, und dies wird durch die persi schen Namen des Königspaares (Hydaspes und Persina) und des Führers der Gymnosophisten ( Sisimithres) angedeutet. "Äthiopien" ist also Chiffre für " Sonncnland" ; die ganze Erzählung von der Rückkehr der Chariklea in ihre wahre Heimat ist sinnbildlich zu verstehen. " Griechen land" bedeutet die irdische, materielleWelt, "Delphi" einenHeliostempel.3 1 V gl. Julian Or. V p. 1 7 2 D und Proklos, hymn. I 34 über H elio s als &vcxywyeuc;, der die Seele zu sich emporzieht. 2 Ob die Siebenzahl zufällig ist ? Der Mithrasdienst, den der Heliosdienst in sich aufhob, kannte sieben Weihen. Celsus bei Origenes VI 22 sagt, daß im Mithraskult die Reise durch die 7 Planetensphären durch 7 Stufen einer Leiter symbolisiert wurde. Vgl. noch Porphyrios bei Stobaios II p. 1 7 1 , 2 Wachsmuth ; Iamblich de myst. VIII 6 ; Macrobius in somn. Scip. I 1 1 f. ; Corp. Herrn. I 25 ; Bousset, Archiv für Religions wissenschaft 18, 1915, 136 ff. "Die Himmelsreise der Seele" ; auch als Sep aratdruck, Darmstadt 1 960. 3 Heliodor hat Deiphi nicht gekannt, s. Hiller v. Gaertringen, R. E. IV 2582.
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Heliodor
Wit�dcr ist Heliodor dem Plotin erstaunlich nah ; man lese dessen Bmo�chrcihung der Flucht aus der Welt, nach innen : (I 6[1]8) : 't'L� oöv o
rn:IJAO� X<Xl. lJ rpuyfj ; ou 1tocrl. 3e:i: 3t<XVUO"<XL. 7t<XV't'<XXOU yocp rpepoUO"L 7t6 3e:� E7tl. y�v r1.XAYJV cX7t' (}_).,).,YJ�· ou3€ O"E 3e:i: t7t7tC.U\I OXYJ!J.<X � 't'L .3-<XAOC't"t'LOV 7t<Xp<X O"XEUOCO"<XL, cXAAOC 't'<XU't'<X 7tOCV't'<X &rpe:'iv<XL 8e:'i x<Xl. !1.� ßA€7te:tv, !X)..)..' o!ov !J.UO"<XV't'<X ( I ) O�LV rxAAYJV cXAAOC�<X0"-3-<XL X<Xl. &ve:ye:'ip<XL (Mysterienwort),1 �V �XEL !J.EV 1tii�, zpwV't'<XL 3& o).. (yot. Heliodors "Flucht nach Äthiopien" meint etwas sehr Ähnliches.2 Der einfache symbolische Grundriß der Handlung ist nun bei Heliodor durch erzählungstechnische Kunstgriffe verdeckt, die aus der Odyssee übernommen sind. Man meint zunächst, dies geschehe einfach um der Spannung willen. Aber das ist gewiß nicht alles. Die ganze Handlung eines religiösen Romans hat j a einen tieferen Sinn und soll dem Leser in verhüllter Weise Auskunft gehen über die Rettung der menschlichen Seele. Es liegt bei dem Leser, ob er an der Oberfläche bleibt oder die mystische Bedeutung der Erzählung erkennt. Je tiefer er in den Sinn eines solchen Romans eindringt, um so mehr wird er Auskunft erhalten über die letzten Fragen des menschlichen Lebens. Diese Wirkung wird durch die von Heliodor gewählte Anordnung des Stoffes außerordentlich gesteigert. Der Leser tappt am Anfang des Romans völlig im Dunkeln ;3 und doch wird er schon bei der Pieta- Szene sofort spüren, daß diese Erzählung einen religiösen Hintergrund hat. Nach und nach enthüllt sich dann die Vorgeschichte. Der Leser gewinnt bald völliges Zutrauen zu der sicheren Führung des Autors und gibt sich ihm willig hin :4 Auch die merkwürdigsten und wunderbarsten Fügungen werden sich gewiß später als ganz natürlich und wohlbegründet herausstellen. Aber sein Erstaunen wächst noch mehr, wenn er merkt, daß diese ganze, anschei nend so verwirrte Handlung in Wirklichkeit auf einer "göttlichen Ökonomie" beruht. Er fängt an, den Einzelheiten nachzudenken, und findet heraus, daß der ganzen, zunächst unübersichtlich scheinenden Geschichte ein symbolischer Sinn zugrunde liegt. So wird der Leser nicht nur in der Handlung aus dem Dunkeln ins Helle geführt ; nein wenn er die Handlung übersieht, merkt er, daß dies alles noch einen 1
Aristophanes Frösche 340. Geffken, Das antike Heidentum 88 nannte das Werk des Heliodor geradezu eine "neuplatonische Tendenzdichtung". 3 Helm, Der antike Ro man 40. • Vgl. das Urteil des Michael Psellos ( bei Colonna p . 364, 1 7 ) : Ö ye -ro� 7tpw-rw� 3
civ'Xy�yvwcrKOOV eK 7tep�TTOÜ T� 7t0AA� Ke!cr�IX� ol6(.Levo�. n:po"(6v-ro� TOÜ Myou, -rYjv o tKo V<JJL(IXv TOÜ cruyyeyp1Xq>6TO� �IXU(.LcX!JETIX�.
Heliodor
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Hintersinn hat, der sich erst dem Nachdenken enthüllt, und nun er scheint der Hintersinn als das Wesentliche, die Handlung als etwas Vor dergründiges. Aber wer verbürgt, ob hinter dem Hintersinn nicht eine noch tiefere Bedeutung liegt, die erst das Eigentliche und Wesentliche ist ? Der Gedanke des Lesers verirrt sich in der Tiefe. So ist die Inversion der Erzählung kein äußerlicher technischer Kunstgriff, sondern etwas sehr Wesentliches. Man kann natürlich meinen, es sei nur ein Trick, eine optische Täuschung, die dem Leser mystischen Tiefsinn vorgaukelt. Aber man sagt wohl richtiger, daß die menschliche Sprache von Natur aus nicht fähig ist, das Unendliche und Jenseitige auszusprechen. Wenn sie den Anschein des Unendlichen erwecken will, wenn sie andeuten will, wie das Transzendente in diese Welt übergreift, dann bleiben ihr nur solche symbolischen Ausdrucksweisen. Heliodor erweckt eine optische Täuschung ; aber dies Verfahren ist für ihn die einzig mögliche, und darum völlig legitime, Art sich mitzuteilen. Gerade in dieser Hinsicht, nicht nur wegen der eleganten und flüssigen Art der Erzählung, scheinen mir die Aithiopika ein Meisterwerk. Wie sehr es Heliodor in seinem ganzen Werk auf den symbolischen Sinn angekommen ist, kann seine merkwürdige Geschichte von Geburt und Herkunft Homers lehren. Sie steht in der Erzählung des ägyptischen Priesters Kalasiris an Knemon, den Vertreter der Törichten und Un geweihten (111 12-14) . Kalasiris hat erzählt, daß ihm die Götter nachts erschienen seien und ihm befohlen hätten, Theagenes und Chariklea in ihre Heimat zurückzuführen. Knemon fragt, woran er denn erkannt habe, daß ihm die Götter erschienen seien. Kalasiris antwortet : "Wie der weise Homer in Rätseln andeutet ( cxtv(nE't'otL) ; aber die Menge geht an dem Rätsel vorüber ; er sagt nämlich : txvLot ylip (l.E't'omO".&E 1to 8wv � 8€: XV1J(l.&wv "pEt " &yvwv "&m6v't'o�". &p(yvw't'o( 't'E .&Eo( 7tEp . "
Knemon gesteht, nichts zu verstehen : "Ich hin wohl auch einer der Vielen, und du hast um dies herauszubekommen diese Verse gesagt, deren oberflächlichen Sinn ich kenne, seit ich lesen lernte, deren gehei mer theologischer Sinn mir aber unbekannt ist. "1 Kalasiris schweigt eine Weile, wendet seinen Sinn auf das Mystische (7tpO� 't'O (l.UO''t'LXW't'Epov) 1 &yw 't"!Jv f-LE\1 emrmA'ij� IM.voLIX\1, O't'E: 7te:p 't"ljv M�L\1, o!8ot tx8L8otx.&d�. 'r�V ae: &yl
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Heliodor
erklärt dann dem Knemon, die Götter erschienen oft in Menschen �eHtalt und täuschten die Profanen, aber die Weisheit (yvwcrt�) des Wissenden erkenne sie am Blick und am Schritt ; denn die Götter blick ten fest, ohne je die Lider zu schließen, und durchschnitten die Luft, ohne die Beine bewegen zu müssen.1 Nach dem Vorbild solcher Götter erscheinungen seien die ägyptischen Statuen gebildet, 2 und Homer - der j a ein Ägypter gewesen sei und in priesterlicher Weisheit erzogen wurde habe dies symbolisch in seinen Versen niedergelegt, so daß die Kundigen es erkennen könnten, in den Versen nämlich vom Funkeln der Augen der Athene3 und in den vorhin erwähnten Versen über den "fließend weggehenden" Poseidon ; denn in diesen Versen müsse man pe�rt. und &.m6no� miteinander verbinden, nicht etwa pet �yvwv. Weieher symbolische Blödsinn, ruft hier der moderne Leser aus. Aber es kommt noch ärger. Knemon erklärt, soweit eingeweiht zu sein, und fragt den Kalasiris, wieso er Homer einen Ägypter genannt habe, was doch noch nie behauptet worden sei. Nun erzählt Kalasiris, der menschliche Vater Homers sei ein ägyptischer Hermespriester gewesen. Als die Mutter Homers einst aus religiösem Grund in einem Tempel geschlafen habe, habe der Gott Hermes sie umarmt und Homer gezeugt. Kennzeichen (crÜ[Lßo'Aov) seiner göttlichen Herkunft sei gewesen, daß auf einem Schen kel sehr viele Haare gewachsen seien. Daran habe der menschliche Vater erkannt, daß das Kind nicht echtbürtig war, und ihn aus der Heimat vertrieben. Homer sei in der Welt als Flüchtling umhergeirrt, seine wahre Abkunft absichtlich verschweigend, und sei nach dem behaarten Schenkel ( o [L'Y)p6�) bei den Griechen Horneros genannt worden. Diese Etymologie des Namens Homer ist einfach albern, und wir schütteln unwillig den Kopf über die auf eine solche Etymologie auf gebaute Erzählung. Aber Heliodor wußte sehr wohl, daß die Etymologie falsch ist. Er wußte auch, daß pe�rt. nicht zu &m6v"t"oc; gehört. Er scherzt, utul
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1 Vgl. Iamblich, de mysteriis II 3 p. 7 1 , 1 8 P o -r� f.LEV -r&v .&e:&v lcr-rl mxv-re:AiJJ <; ci.f.Le:ntßA'YJ't"<X X<X't"
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He l i o d o r
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und deutet gleichzeitig an, daß seine Erzählung mystisch und symbolisch zu verstehen sei.l Betrachten wir die Motive etwas näher. Ein Gott an Stelle des Vaters hat Homer erzeugt. Sehr ähnlich er zählen bekannte altägyptische Sagen von der Gehurt der Könige.2 Sie waren noch in hellenistischer Zeit lehendig.3 Es sind heilige Geschichten, l.e:po� /.. 6yot. Die Erzeugung der Chariklea ist nicht sehr von der des Homer verschieden. Ihr Vater, ein König und Priester aus dem Ge schlecht des Helios, zeugt sie zur Mittagsstunde, als die Sonne im Zenit steht. Ist nicht Helios der wahre Vater der Chariklea ?4 Horner trägt ein Kennzeichen (crÜfLßo:Aov) seiner Herkunft am Schenkel. Wir erinnern uns der Schenkelwunden des Theagenes, des Odysseus (V 22), des Kleitopbon (Ach. Tat. V 7 und VIII 5), des Adonis, aber vor allem des Kennzeichens am Oberarm der Chariklea (X 15).5 Horncrs menschlicher Vater hat den Sohn verbannt ; als Flüchtling durchirrt er die Erde. Aus Furcht vor dem Zorn des Vaters wurde Chariklea ausgesetzt ; wie Homer lebt sie als Fremde in Griechenland. Die Parallele Homer - Chariklea ist eng. Chariklea ist die Vertreterin der menschlichen Seele. Was von Homer erzählt wird, trifft auch auf die Seele zu : sie lebt als Fremde auf dieser Welt und verschweigt ihre göttliche Herkunft. So werden wir auf seltsamen Umwegen durch diese Allegorien zum eigentlichen Kern der Erzählung zurückgeführt. Das Verhältnis zwischen Heliodor und seinem Leser entspricht merkwürdig dem Verhältnis zwi schen dem weisen Kalasiris und dem nicht eingeweihten Knemon. Kala siris weist ihn darauf hin, daß seinen und Homers Worten ein theologi scher Sinn zugrunde liege. Knemon versteht nichts. Darum erklärt ihm Kalasiris den Sinn, und Knemon meint, er habe nun begriffen. Aber 1 Man könnte hier mit Kronio s (bei Porphyrios , De antro nympharum 3) sagen : -rov 7tOt'I)TI]v, 7tOAU7tpocyp.ovdv &:vocyx&:�ov-roc. �X81JAO\I . . . &:ll'l)yopdv n xoct octvl ne:cr.&oct Theoretische Äußerungen über diese Technik haben wir oben S. 60 kennengelernt. 2 Pap. Westcar (Könige der 5. Dynastie). Hatschepsut (Tempel von Deir-el-Bahari). Amenophis IV (Tempel von Luxor). Ramses 111. (Roeder, Urkunden zur Religion des alten Ä gypten 159). 3 Geburt des Kaisarion, Sohnes der Kleopatra und des Caesar : Tempel von Her monthis. Alexander Sohn des Nektanebos (Ps. Kaliistheues I 1-1 2). 4 Auf die Parallelität Ho mer- Chariklea hat Kerenyi 2 5 6 f. hingewiesen. Vgl. auch Julian or. IV p. 1 5 1 D &v%pcu7tov y<Xp �mo &:v.&pC:mou ye:woccr%oc( 'jl'I)O"t\1 'Aptcr-ro -rtA'I)<;; (Physik II 2 p. 1 94 b 13) xoct �A(ou ; p. 1 3 1 C &7t&:v-rcuv &:v%pC:mwv dvoct -roG-rov (sc. -rov �Atov) xow6v 1toc-rtpoc. 5 Die Ungleichheit der Schenkel Ho mers ist "Kennzeichen ungleicher Mischung" (&:vop.olou p.l!;e:w<;; crup.ßoAov) . Für Charikleas Arm darf man dasselbe erschließen (Kerenyi 257). . . •
Heliodor
w a s d ie Geschichte Horncrs bedeutet, davon hat Kncmon keine Ahnung. Man ist hier in einem symbolischen Irrgarten. Hinter dem ersten Sinn
verbirgt sich ein zweiter, hinter dem zweiten ein dritter ; es eröffnet �:�ich eine Perspektive ins Unendliche. Der Wissende glaubt zu verstehen und freut sich über seine Klugheit, und empfindet doch, daß die Gedan ken sich in mystischem Dämmerlicht verlieren und verschwimmen. Aber warum verbirgt Heliodor diese Gedanken, welche doch auf den tiefsten Sinn seiner Erzählung führen, hinter Scherzen, warum baut er sie auf alberne Etymologien und grammatisch falsche Konstruktionen ? Wie kann man auf den Unsinn noch Tiefsinn aufpfropfen ? Nun, zu nächst soll dem Nicht-Eingeweihten der Zugang versperrt werden. Wei ter ist es so, daß diese Gedanken sich nur in mystischem Halbdunkel andeuten lassen ; klar aussprechen kann man sie nicht. Worte sind hier unvermögend und erreichen nicht die Tiefe des Gegenstandes. Wer hier in heiligem Ernst zu sprechen versuchte, könnte den Anschein erwecken, als wolle er den Gegenstand angemessen und erschöpfend behandeln. Darum spricht der Mystiker schcrzend.1 Es ist bekannt, wie die Heliosreligion im 3. Jahrh. alle anderen heid nischen Religionen in sich aufnimmt und sie überwölbt. Die bisherigen Kulte können alle bestehen bleiben ; es gilt nur zu erkennen, daß hinter allen derselbe unbesiegte Gott steht. 2 So können auch alle bisherigen Mysterienkulte fortgeführt werden. In den verschiedenen Kultformen verehrt man doch nur einen und denselben Gott. So kommt es, daß wir von eigentlichen Heliosmysterien wenig hören. Es war gar keine Not wcndigkeit vorhanden, neue Kulte einzurichten. Man mußte nur wissen, daß alle alten Kulte bereits demselben Gott dienten : d� Ze:u� �&poc7tt� "HALO� xocrfLoxp&-rwp &v(x"t)-ro � . 3 1 An die scherzhaft vorgetragenen platonischen Myth en braucht man nur mit einem Wort zu erinnern. 'Apx�rov or(J.�� x�t AL�V IIA�'t"(i)\1�)(0\1 {mo rtpoax� !J.�'t"t
B E I LA G E I DER SEELENHYMNUS DER THOMASAKTEN UND DIE WEIHE JULIANS
Der Seelenhymnus der Thomasakten zeigt eine so starke allgemeine Ähnlichkeit mit dem Roman des Heliodor, daß es zweckmäßig scheint, ihn im Anschluß an Heliodor zu hehandeln.1 . Heliodors Chariklea stammt von dem Sonnenkönig ab, ist kurz nach der Gehurt ausgesetzt und von Sisimithres nach Ägypten, von Charikles nach Griechenland gehracht worden. Sie ist weit von der Heimat ent· fernt ; ihre Aufgabe ist, zu ihr zurückzukehren. - Der Myste, der das Lied in den Thomasakten singt, ist ein Sohn des Großkönigs im Osten, der kein anderer als Helios sein kann. Bald nach der Gehurt schickten 1 Dieser Abschnitt ist sehr gefördert worden durch Gespräche mit meinem Kollegen Jörg Kraemer. - Mir ist folgende Literatur zu dem Text bekannt geworden : Adam, Die Psalmen des Thomas und das Perlenlied als Zeugnisse vorchristlicher Gnosis. Beiheft 24 zur Zeitschrift für neutestamentliche Wissenschaft, Berlin 1959 Birch, Journal of Theol. Studies 19, 1918, 1 45-161 Bornkamm, Mythos und Legende in den apokryphen Apostelakten ( Göttingen 1 933) 1 1 1-1 17 Bousset, Hauptprobleme der Gnosis (1907) 252-255 Zeitschrift für neutestamentliche Wissenschaft 18, 1917, 23-33 Archiv für Religionswissenschaft 4, 1 901 , 232 f. (= Die Himmelreise der Seele, Darmstadt 1960, 41 f.) Conybeare, Journ. Theol. Studies 6, 1905, 609 f. Edsman, Le bapieme de feu (Uppsala 1940) 193 f. Haase, Zur bardesaniseben Gnosis (Texte und Untersuchungen, hsg. von Harnack und Schmidt, III. Reihe 4. Band, 1910) 53-67 Hilgenfeld, Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie 47, 1 904, 229-241 Jonas, Gnosis und spätantiker Geist I (1934) 320-327 Leisegang, Die Gnosis 365-370 Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten I (1883) 292-300 Macke, Theologische Quartalschrift 56, 1874, 28 fi. 52 fi. Nöldeke, Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft 25, 187 1 , 677-679 Reitzenstein, Hellenistische Wundererzählungen 107 fi. Festschrift F. C. Andreas dargebracht (Göttingen 1916) 44-48 Myst. Rel. 60 fi. 179 Archiv für Religionswissenschaft 8, 1 905, 1 67-190 Das iranische Erlösungsmysterium (1921) 70 fi. Widengren, Zeitschr. für Religions- und Geistesgeschichte 4, 1952, 105-1 1 3 Leider ist mir der Kommentar von Jonas (The Gnostic Religion, Boston 1 958, 1 1 61 29) zu spät bekannt geworden. Ich bitte ihn zur Ergänzung heranzuziehen.
:wu
lJ e r S e e l e n h y m n u s d e r Th o m a s a k t e n
Eltern nach Ägypten ; zwei Diener geleiteten ihn und verließen i h n . Der Vater hat ihm aufgetragen, aus Ä gypten in die Heimat zurück :t.ukchrcn. Chariklca weiß nichts von ihrer Abstammung ; Kalasiris, der von der Mutter Pcrsina geschickt worden war, enthüllt dem Mädchen sein Ge sehlccht, indem er ihr den Brief der Persina vorliest und sie mahnt, nach Äthiopien zu fliehen. - Der Myste der Thomasakten hat seine Abstam mung vergessen. Da schicken ihm die Eltern einen Brief, der ihn an seine Abstammung erinnert und ihn mahnt, nach Osten zurückzukehren. Chariklea flieht nach Ägypten ; dort holen Diener ihres Vaters sie ab und geleiten sie nach Äthiopien. Sie wird Erbin des väterlichen König tums. - Der Myste der Thomasakten flieht nach Osten ; Abgesandte des Vaters kommen ihm entgegen und geleiten ihn ; er wird später die Erbschaft des Vaters antreten. Dies sind noch nicht alle Ähnlichkeiten zwischen den beiden Texten ; weitere werden unten im Kommentar besprochen. Die bisher genannten berechtigen bereits zu dem Schluß, der Seelenhymnus der Thomasakten sei ursprünglich das Lied eines Heliosmysten gewesen. Wie unten im einzelnen gezeigt werden wird, läßt sich dies Lied - wie der Roman Heliodors - einerseits auf die Mysterienweihe deuten, andererseits auf das ganze Leben des Menschen, dessen Abbild die Weihe war. Wir legen also eine Mysteriendeutung des Seelenhymnus vor und stützen uns dabei vor allem auf den Roman Heliodors. Aber wir dürfen nicht erwarten, sämtliche Einzelheiten des Liedes aus Heliodor erklären zu können. Für manche Punkte werden wir andere Texte heranziehen zum Beleg dafür, daß es sich um Vorstellungen der Mysterien handelt. Die allgemeine Ähnlichkeit aller heidnischen Mysterien, die sich in der Besprechung der Romane aufs neue bestätigt hat, berechtigt zu diesem Vorgehen. Die Geographie des Seelenhymnus ist ebenso symbolisch wie die Geographie Heliodors. Der Osten im Lied des Heliosmysten ist nur eine Chiffre für das überirdische Sonnenland, 1 ganz wie Heliodors Äthiopien. Wir haben S. 293 darauf hingewiesen, daß die persischen Namen der Äthiopier Hydaspes, Persina und Sisimithres darauf deuten, daß die Reise der Chariklea ebensogut nach Osten hätte gehen können. i h n d ie
1
So deutete schon Lipsius 297 ; Parth.ien
=
das obere Lichtreich, Ägypten
=
die
mul(•rielle Welt. Für die gnostische Sekte der Peraten war Ägypten der Leib (Hippoly l uH, Hcfut. V 16, 5 p. l l l , 28 ; Birch, Journ. Theol. Stud. 19, 1918, 149). So auch
l'hilun,
De
agric. 88.
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Während man bisher den Seelenhymnus aus ägyptischen oder persi schen Vorstellungen zu erklären versucht hat, schlagen wir vor, ihn aus der syrischen Heliosreligion zu erklären. Der Urtext des Liedes ist j a syrisch.! Zu den Ähnlichkeiten mit dem Roman des Heliodor kommen noch zahlreiche Berührungen mit den chaldäischen Orakeln. Die Grund konzeption dieses Textes muß der des Seelenhymnus und des Heliodor ähnlich gewesen sein. Eine gewisse Schwierigkeit für den Interpreten Ii���� hier wie bei Heliodor darin, daß uns der zweifellos zugrunde licgcucle Mythos fehlt. Dazu kommt, daß der Text nur in einer christlichen Ü l w ra rh e itung er halten ist. Es ist denkbar, daß diese manche Entstell u n gen ���bracht hat. Im ganzen läßt sich der Text aber aus den heidniHdwn VurHtcllun gen befriedigend erklären. Die christliche Symbolik des Textes, die im wesentliehen k l a r iHL, werden wir ganz unerörtert lassen.2 Allgemein gesprochen ist d !�r s,�den hymnus ein Beispiel dafür, wie eine Symbolik - die christlid11� sid1 über eine andere - die heidnische - legen und sie in sich aufnehmen kann. Wir lassen nun einen Lesetext des Liedes folgen und schließen daran einen Kommentar an. Der Seelenhymnus ist nur in einer einzigen griechischen Handschrift (U)3 erhalten, ferner in der Paraphrase des Niketas von Thessalonike (N).4 Daneben steht das syrische Lied ( S) .5 Die Zahlen des linken ·
1 Die syrische Fassung ist in gereimten Zweizeilern geschrieben. - Die persischen Lehnworte im syrischen Text haben für die Frage kaum Bedeutung, da das Syrische viele persische Lehnwörter enthält. Der in § 99 genannte Lichtglanz des Vaters ist nicht auf das Chvarna zu deuten, den persischen " Glanz der königlichen Herrschaft", sondern auf den Strahlenkranz des Helios. Beide Vorstellungen sind im Grunde identisch. 2 Ebenso den Zusammenhang der Thomasakten. In ihnen singt der Apostel Thomas das Lied im Gefängnis anderen Mitgefangenen vor. 3 cod. Vallicellanus graec. 1 1 90 (XV Jahrh. ) ; Acta Apo stolorum apo crypha ed. ( Lipsius-)Bonnet II 2, Leipzig 1 903, 2 1 9-2 24 ; wieder abgedruckt bei Adam, Die Psalmen des Thomas und das Perlenlied 84-89. Ich habe eine Photographie der Handschrift collationiert, welche ich H. van Thiel verdanke. Bonnets Text ist, wie zu erwarten war, korrekt ; belanglose Orthographica hat er mit Recht über gangen. Nur ·rou� vor :Acxßup lv&ou<; in 50 ist übersehen, und in 69 steht das richtige :AcxßupLV&ov in der Handschrift. 4 Herausgegeben von Bonnet, Analeeta Bollandiana 20, Brüssel 1901 , 161-4. 5 Herausgegeben von G. Hoffmann, Zeitschrift für neutestamentliche Wissenschaft 4, 1 903, 273ff. und Preuschen, Zwei gnostische Hymnen (1904). Ich benütze Hoffmanns wörtliche Übersetzung ins Deutsche. Wichtige Bemerkungen von Schwartz stehen bei Reitzenstein, Hellenistische Wundererzählungen 107 ff. Eine neue Ü bersetzung ins -
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Handt�H Hind d i e Paragraphenzahlen in Bonnet's griechischem Text, die Zeilenzahlen die des syrischen Liedes. 1 08
OTE �f.l.lJV ßpEcpoc; IJ.f..rrJ..o v kv To'i:c; Tou 7totTp6c; [.I.OU ßotcrtf..d otc; kv 7tAOUTWL xott TpuqrYjL TiJv TpocpE E7tiXVIX7totUETOtL, 15 { TOU EU[LV�O'TOU} xotl. YEVlJL fLETtX TOU &8e:f.. ([I OU O'OU xAlJPOVO[LOc; <ev) 't"YjL 1)[LETEpotL ßatcrtf..d oct. 1
2
4 (ToÜ) 7tAOUTOU Bonnet I I TOUTWV U : lJ[.LWV S : IXUTWV Bonnet II TWV ?J.vw : vom Geierlande S I I XIXl ?i.<TI)[J.Oc; XTA. : Silber vom großen Ga(n)zak S 7 ;(IXAXE86vLoL U, corr. Bonnet 8 TWL TOV Gtll. Tplß. s , Reitz. : i:'JL 7tocc; ?i.AJ.oc; um:lXEL XIXl llLIX7tE(jlEU'(E Gl87JpOc; N 9 e�ellUGIXV s : tvelluGIXV u II < T'ijv) tG&ijTIX Bonnet II Strahlenkleid s 10 (T'ijv) GTOA. Bonnet l l 7toprpupe1Xv, �IXV.&E�GIXV S : �IXv.&�v U 1 1 aU[J.tpWVIX : fort. a\Jv.&l)[J.IX, cf. N auv.&eG.&IXL llL7JGCfiiXAlGIXT6 [.LOL II TljL llLIXvoliXL : cf. 55 T'ijL XIXpllliXL II TOÜ [.L� S : om. U II [.L� tXAIXWG.&IXL TWV llwpEwv XIXl TOÜ rpUGIXVToc; N 1 3 iv Tljt .&IXAOCG<TI)L S (XIXTQ: 7t6VTOV Edsman) : om. U l l 7tEpl : 7t1Xp� Bonnet I! TOV XIXTQ: 7t6VTov Reitz., der schnaubenden Schlange S 1 4 � exdV7JL Schwartz : txdV7JV �v U 1 5 ToÜ EU[.LV�GTOU om. S, Schwartz, post Gou traicere vult Bonnet II ye�<TI)L prop. Bonnet II [.LET� TOÜ &lle:J.rpoü Gou ToÜ 8euTtpou &rp' lJ[.LWV S II XA7Jpov6[.Loc; S : x'ijpu� U I I ev S : o m . U 6 6 rp6pToc; del. Schw.
Deutsche gibt Adam, Die Psalmen des Thomas und das Perlenlied 48-54 (mit Bemer·
kungt'n S. 55-75).
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16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31
�p x.6fL'1)V �E E� &vcxToAljc; ecp' o �ov �uax_eplj TE xcxt cpo�epliv fLE&' �ye!J.6vwv �uo, li7te�poc; �e �(.L'1)V TOÜ TCXUT'1)V o�eüacx�. 1tcxpeA.&wv �e xcxt Tli Twv Me0"1)vwv tJ.e&6p�cx, iMl-cx eaTtv To xcxTcx ywy�ov Twv &vcxToA.�xwv EfL7t6pwv, &cp�x6(.L'1)V etc; Tljv TWV Bcx�uA.wv(wv x_wpcxv. xcxTEA.&6vToc; �& fLOU etc; Atyu7tTov &7t&aT1Jacxv ot auvo �eua cxvT&c; fLO� �yetJ.6vec;. &>pfLWV �e E7tL TOV �pocxovTcx Tljv Tcxx_(O"T1JV xcxt 7tept Tljv TOUTOU cpwA.eov xcxT&A.uov, EmT'1)pwv VUO"Toc�cx� xcxt xo�!Lll&livcx� TOÜTov, IS1twc; fLOU TOV fLCXpycx pLT1JV UCflEAWfLCX�. tJ.6voc; �e &v e�ev�?;6fL1)V TO ax.lj fLCX xcxt Toi:c; EfLOL a(uyxcxTotAUOUO'�V) &Ai1.6Tp�oc; ECj)CXLV6fL1)V. her: �E et�ov EfLOV auyyevlj TOV E� cX.vcxToAljc; TOV eA.eU&epov, 1tCX'i:�cx eux_cxplj XCXL wpcxi:ov, utov fLE"(�O"Tocvwv. ouT6c; fLO� 7tpoaeA.&wv auyy&yovev, xcxt auv6!J.�Aov cxuTov �crx_ov, xcxt cp(A.ov xcxt xowwvov Tljc; E!J.lj c; 7t0petcxc; 1t0�'1)0'0CfLEVOc;. 7tcxpexeA.eucrcxTo �e { cxuTw�} Touc; Atyu7tT(ouc; cpuA.OCaaea.S.cx� xcxt Twv cX.xcx&ocpTwv TouTwv Tljv xowwv(cxv. eve�UO'OCfL'1)V �e cxuTwv Tli cpop�fLCXTcx, tvcx !LlJ �ev(?;wfLCX� C>0'1tep ��w&ev (&A.&wv) E7tL Tljv TOÜ fLCXpycxp(Tou cX.vocA'1)��v, xcxt Tov �pocxovTcx ��u1tV(crwcr�v XCXT' EfLOÜ ot Atyu7tT�m. oux 0t�cx �e E� otcxc; �fLCX&ov 7tpocpoccrewc; wc; oux et!Lt Tljc; x.wpcxc; CXUTWV, ,
-
1 6 ci"ot-rol.'ijt;; xott xot'r'ijl..&o" S 1 7 cbtt:Lpot;; U : "tot; S 18 Mt:Gl)"W" Bonnet : Moaci"w" U : Maishan S : cf. S chwartz apud Kern, In schriften von Magnesia 1 7 1 ft'. 1 9 3Ld: 'r'ijt; Botßul.wvtwv xott l.otßuptv&ou N : ins Land Babel und in die Mauern von Sarbug S 20 xot-rd.fMv-rot;; S : dat:l.&6v-rot;; U 21 n;�::pt : 7totpct Bonnet II tprol.e:ov : Gasthaus S 23 cruyxot-rotl.uouaLv S S chwartz 26 einen Sohn Gesalbter S 27 l:!J.n:opdott;; S 28 n:otpEXe:l.�::uaciw'lv US : auve:ßoui.Eu�::v N II -rou-rwv o m. S 29 �e:vtl;;w aL S (?) II l:J.&wv S : om. U 30 ol A!y. om. S . • •
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D e r S e e l e n h y m n u s d e r Th o m a s a k t e n :12 ilB
34
l lO
35 36 37 38 39 40
41 42 43 44 45 46 47
?VJAC•H ae: crU\IEfl.EL�OC\1 fl.OL { "t"EX\I"fJ\1} , XIXL eyeucrOCfl."fJ\1 njc; IXU"t"W\1 "t"potp�c;. (xott) �'(\IO"fJCJIX Efl.IXU"t"0\1 UL0\1 ilv"t"ot ßotcrLAEW\1, "t"WL ae: IXU"t"W\1 eaou 'Aeucrot ßotm'Ae'L. \ > \ � I ) I ) ) U\1 II.'\ ''i (\_ XIXL\ { E7tL EAIXV0\1 OE OL( 7tot"t"Epec; fl.OU IX7tE:• E(jl } "t"0\1 fLotpyotpL"t""fJ\1, cr"t"oc'AxotcrLv fLE:, "t"WL ae: njc; "t"potp�c; IXU"t"W\1 ßocpe:L e:tc; Ü1t\IO\I XIX"t""fJ \IEX&"fJ\1 ßot&Ov. "t"IXÜ"t"ot ae fl.OU 7tot&ov"t"oc; XIXL ot 1tot"t"Epe:c; fl.OU �Lcr&ov"t"O XIXL �7tot&ov u1tE:p EfLoÜ . ix"l)pux&"IJ ae: x�pU'(fl.IX iv nj L ßotcrLAELIXL �fl.W\1 L\IIX 1tOC\I"t"e:c; E7tt "t"cXc; �fl.e:"t"epotc; &7totv"t"wcrLv &Opotc; " ' } OL• ß IXCJLAE: (\ ' ,.,. XIXL OL ' { XIXL "t"O"t"E: XIXL' OL• E:\1 "t"E:AE:L Lt:; "t"""J- <; TI otpvUotLotc; ('Aomot ot njc;) &vot"t"OA�c; 7tpW"t"e:uov"t"e:c; · (xott) yvwfL"flc; lxpoc"t"""J crotv 7te:pl lfLoü tvot fl.� lot&w €v Atyu7t"t"WL. " ' ) � ' '!> ' I " oe: fl.OL ( E:1tLCJ"t"OA"fJ\I XIXL OL oU\IIXCJ"t"IXL E:CJ"I)fl.IXL\10\1, OU"t"Wt:;. e:ypot\jlot\1 ' " ß otpoc "t"OÜ 7tot"t"poc; ßotcrLAEW\1 ßotcrLAicuc; xott [L"IJ"t"poc; �\1 &vot"t"OA�\1 XIX"t"E:XOUCJ"I)c; xott &ae:'AtpoÜ crou "t"OÜ ae:u"t"epou &tp' �fl.W\1 "t"WL E\1 AtyU7t"t"WL ULWL � fl.Wv e:tp�v"IJ. &voccr"t"""J & L xotl &vocv"I)�Ov €� Ü1t\lou, xotl "t"Wv €mcr"t"oALfLotLcuv P"IJfl.OC"t"Wv &xoucrov, xott U1t0fl.\l�cr&1J"t"L utoc; ßotcrLAECU\1 U7tocpxcuv. aouALXOV U7tE:Lciij 'A&e:c; �uy6v. fl.\l"flfl.O\Ie:ucro\1 "t"OÜ fLotpyotpL"t"OU aL' 8v e:tc; A�yU7t"t"O\I &7te:cr"t"OCA"I)c;, fl.V"I)fl.O\Ie:ucro\1 njc; ecr&�"t"oc; crou njc; xpucro7toccr"t"OU (xotl njc; cr"t"OA�<; croü njc; xot'A�c;, L\IIX ev aucrocfLE:Voc; XOGfl."IJ�Lc;,) x'A·I)&�L ae: "t"O ilVOfLOC crou < EV> ßLßALWL (�pwcuv), '
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32 -rixVYJV del. Schwartz : XO(t -rixvYJL Bonnet II eye:ucr&fLYJV u : E:8wx&v fLOL cX'ltoye:u0"0(0"-&0(L S 33 XO(t S, Bonnet : om. U II f'O(m:/.€wv S : f'O(m:/.€wc; U 34 E::/.0(-&ov s Hilgenfeld : �:t.&ov u I I eltL del. Schwartz 3 8 XO(t -r6-re: om. S II IIO(p&uO([O(c; S : IIO(p&e:v[O(c; U II :l.omot o[ -r'ijc; S Schwartz : om. U 39 addidi II e-x&w s Hilgenfeld : g:�.&w u 40 fLOL s : fLE: u II tmO"'rOAlJV s : o m. u II e0"1JfLO(L\10V s : O"YJfL'XLVOV're:c; u 41 f'O(crt:l.€wc; S : f'O(crt:l.e:oc; U 42 &:8e::i.qlOG crou -roG 8e:u-r€pou S, Bonnet : &:8e::t.cpooc; O(lhwv 8e:u-r€pouc; U 44 sieh, wem du in Knechtschaft gedient hast S 4.6 ante 45 u I I xpucromxcr-rou )(O(L -rljv d8e:z&'ij 'rO(U'rYJV )(O(t ctfLopcpov 'rW\1 Aiyult-rlwv &:7t6pptljiov N : XP· XO(t -r'ijc; cr-ro:l.'ijc; - KOO"fLYJ&'ijLc; S, Schwartz : zpucrolt&cr-rou U 47 XAYJ&'ijt S, S chwartz : ex:I.�&YJ I I ev s, Bonnet : o m . u I I f'tf':l.lwt S, Bonnet : [:ltß:l.lov U l l i)pcilwv S, Schwartz : l;;w 'ijc; U
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D e r S-e e l e r� h y m r� r u d e r Th o m a s a k t e B
48 xoct ( !J.e:"t'oc) 't'ou &.8e:'Acpou aou, unserm Stellvertreter, (x'A"Ijpo
v6!J.oc;) 7tct.poc).1lcp.&��c; E:v � � ßoca�).e:(oc� �11-wv." 111
49 0 8 E: ßoca�'Ae:uc; < TI)v ETCLC"t'OAljv) w c; 7tpe:aße:u 't'lj v XOC"t'e:acppocytaoc-ro 50 8�&. 't'ouc; TCOV"Ijpouc; Bocßu'Awvtwv 7toc�8occ; xoct 8oct!Lovocc; -rupocvv�51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62
xouc; "t'OU 'Aocßup(v.&ou. Er flog wie ein Adler, der König alles Gefieders, flog und ließ sich nieder neben mir und wurde ganz Rede. E:yw 8E: 7tpoc; TI)v 't'OCU"t'""j c; cpwv�v 't'e: x.oct octa.&"lja�v E:� iSmou &.vwp(L"IjC'CX (L"IjV, &.voc).ocßwv 8E: x.cxt x.cx-rcxcp�).�acxc; ('t'ljv acppcxy�8oc �).uov x.cxt) &.vey( vwax.ov. E:y€ypcx7t"t'O 8E: TCe:pt Ex.e(vou 't'Ou E:v �� x.cxp 8tcx� (LOU &.vcxye:ypocw [LEVOU, \ e !\.-. ' 1 \ e ' "\. Q. .'\ rl XCX� UTCe(LV"Ij C'v 'jV 7tCXpCX)(p"lj!-f.OC O"t'� I"' OCC'!J\eWV E:�(L� U�oc;, X.OC� "lj el\eU· .&e:p(oc (LOU "t'o y€voc; (LOU E:m�"lj"t'e�. uTCe(Lv�a�v 8E: x.oct "t'Ou (Lct.pyocp ("t'ou, E:cp' 8v x.oc"t'e7t€[Lcp.&"ljv e:Lc; A�yUTC"t'OV. � p)(O (L"IjV 8E: cpcxp!J.Il.aae�v { E7tt} "t'ov 8pll.x.ov"t'cx 't'ov cpoßepov, x.cxt x.cx"t'e:x.ot!L�acx Toi:i't'ov ETCOVO[Lil.acxc; 't'o "t'ou 7tct.'t'p6c; [LOU Övo(Lcx (x.cxt 't'o ÖVO[LCX "t'Ou 8eu"t'€pou �[LWV x.cxt (L"Ij't'poc; E(L�c; �c; 't'lj v &.vcx "t'OAlJV X.OC't'E:)(OUC'"Ijc;). ocp7tll.aocc; 8E: "t'OV (LCXpyocp("t'""j V rXTCEC''t'pe:cpov 7tpoc; 't'OUc; E[LOUc; rXTCO XO!J.(aocc; TCCX'tipcxc; x.oct riTCo 8uaiX[Levoc; "t'o pu7tocpov �v 8u[Loc E:v �� cx1hwv x.ocTe'Ae�ljJoc x.wpoc�. 1
1
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48 (J.E-ra S, Bonnet : om. U II ur�serm Stellvertreter S: om. U I I XA1)pov6(.Loc; S: om. U I I 7tcxpcxA1jq>.&'ij�c; S, Schwartz : o?i 7tcxpd:Aljcpcxc; U I I 49 -ri) v �maTOA�v S : o m . U l l 7tpe:aße:u-ri)v e. g . scripsi : 7tpe:aße:u-r�c; U I I Brief (Bote ci. Schwartz) jeBer Brief, deR der Kör�ig mit seir�er RechleB versiegelte, S, un de �V 3' wc; 7tpe:aße:u-ri)c; � �l'tLO"'t"OA�, �V o ßcxa�J.e:uc; -r'ij� 3e:��ii� KCX't"e:acppcxy(acx't"O Schwartz 50 Bcxßu:Awv(wv S : -rouc; Bcxßu:Awv(ouc; U II -roii scripsi : -rouc; U (om. Bonnet) I I J.cxßu plv.&ou Bonnet : J.cxßup(v.&ouc; U : voR Sarbug S 5 1 /2 S : om. U : cxßT"I) 1j �mO"'t"oA-lj cpwc; y&yove:v � �(.LOL xcxl 7tii p , xcxl 't"O �v6v (.LO� l;6mu pov &>a7te:p civciljlcxacx e:[c; ßljloc; �pe:v xcxt cie:-roii 3lx"I)V civ'ij��e:v &>a7te:p \m67t't"e:pov N 53 cxta.&ljaw U : Geräusch S I I civwp(.L"I)O"cX(J."I)V (S) Bonnet : cive:p(.L"I)O"cX(.L"I)V U : po ssis cXV"I)YE�p6(.L"I)V : civ&vlj\jlcx xcxl civeaT"I)V Schwartz (S) 54 -ri)v acppcxy!3cx iAuov xcxl S : om. U 58 cpcxp(.LcXaae:�v S, Schwartz : �cp' d!p(.Lcxa�v U I I �7tl om. S, Schwartz 59 xcx-re:xo((.L�O"cx S, Bonnet : xcxTe:7t6ve:acx U: xcx.&umwacx ( ?) Bousset 60 S, om. U 61 cX7tOlCO(J.LO"cx� S, Hilgenfeld 20
Merkelbach
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D e r S e e l e n h y m n u s der Th o m a s a k t e n 6:1 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74
112
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lJÖ&uvov 8 ' &[Locu-roü ..7jv o 8ov 7tpot; -ro cpw t; Tijt; xoc-r�X: &voc-roJ..�v 7toc-rp(8ot;. XOC'lT e:ma't"O/\l)V 't"l)V xoc�' e:upov � ' > o�e:ye:�pocaocv ""' ooov • �' <'t"l)V ' , ' ' [LS: . ... � ocu't"7j 8€, &ane:p cpwv�� XPlJ<10CfLEV1), cXVE<1't"1)<1€V unvw&Ev-roc [L€. xocl. w 8�Y1J
63 8' EfLOCU'rOÜ s, Schwartz : 8e OCU'rO xoct u : 3' ocu-r(xoc Bonnet 64 TI)v tmc:M". TI)v S, Bonnet : om. U II 3tE)'e:lpoucrocv (vel 3tE)'e:lpoccrocv) S, Bonnet : 3toctpoücrocv U 66 &cr-rw yocp &n o m. S, Schwartz : �O"T!J yocp -r6n Hilgenfeld I I -r&v O"l)ptx&v -ro ßocmALXOV S I I cXO"'t"pOC7t't"OV't"L S, S c hwartz : o m. U : possis ckcr-rpoc7t-roucroc, CM"(I..ßoucrot vel sim. 67 't"'ijt cpt:ilv'ijt S, Schwartz : om. U I I xoct 3-ocppe:Lv 1tocp. e . g. scripsi : wiederum meine A ngst ermutigend S : om. U 68 't"'ijt cr-ropyijt S, Bonnet : 't"'ijc; cr-ropyijc; U 69 Aocßupw3-ov U : Sarbug S 70 M.:cri)WJV Bonnet : Mecrov U : Maishan S I I -rov ALfLEVot -r&v EfL7t6pt:ilv add. S 7 2-74 S, o m. U 73 Warkan ist Hyrkanien o der lspahan (Adam) 76 rocrd s, Bonnet : roc; EV u : Ev del. Schwartz 77 xoct o m. S, Schwartz II ÖA'I)V 3t' EfLOCU'rOÜ ocuTI)v s, Schwartz : 8/..ov EfLOCU'rOV E7t' ocuTI)v U I I xoct &yvt:ilv xoct Et3ov : x&.y6> xocn'L3ov Schwartz 7 8 fLopcp'ijc; U : .:tx6voc; S
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D e r S e e l e nh y m n u s d e r Th o m a s a k t e n
79 80 81 82 83 84 85 86
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ou !L�V OCAAOC xocl. ocu-roü� -roü� 'rOC!LELOUXOU� -roü� �V €cr.&:;j-roc XO!LL!JOCV'rOC� ewpO'rtpoL� exeL-ro . 'rO 8E: XP!fi!LOC xocl. 'rOV 7tAOU't'OV EV xepcrl.v e! xov, xocl. OC7te3(8ouv !LOL 'rL!L�V, xocl. �v €cr.&-Yj-roc �v eu7tpE7tecr-rck:rt)V, �-rL� €v cpocL8po'i:� XPW!LMLV 7tE7tOLXLA't'O, XPU!rWL xocl. AL-3-0L� 'rL!LLOL� xocl. !Locpyocpt't'OCL� xpoLiiL 7tpE7tOUcrY)L, und verschiedenfarbigen Sardonen ; auch war es gemäß seiner (himmlischen) Erhabenheit angefertigt, und mit Demantsteinen all seine Gelenke festgesteckt ; f:3pU't'O EV ulj;eL xocl. � dxwv -rou { 't'WV} ßocm"Atcuv ßoccrLAt 'riXU'rYj� I t I OP!LIX�. \ ":. �\ 7tiX!JIXL E7tiXVE7tiXUOV'rO !LOL. IXL OE XLVYj!JEL� IXL ß IX!JL/\LXIXL ecr7teu8ev Ex XELpo� IXU'rWV Öpeyo!LtVYj E7tL 'rOV 8ex6!LEVOV IXU�V. XOC!LE 0 7t6.&o� 3L�YELpev OP!L!fi!JIXL d� U7tOCV'rYj
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81 (das Zeichen des Königs,) der mir durch sie die Ehre, das Pfand meines Reichtums zurückgab S 82/3 7tE7tOLXLATO, xpucrwL s, Bonnet : x pu crwL 7te:7tOLXLATO u 84-5 s : om. u 86 f8pu-ro S, Bonnet : f 8p uvro U I I -rwv del. Bonnet I I ßcxcrLAEWI;; S : ßcxcrLI-e:U�;; U 87 ).(.ß-oL crcxmpdpLVOL S, Bonnet : ).(.ß-oL�;; crcx[J.mpe:LplvoL�;; U 90 den Klang seiner Melodien vernahm ich, die es während seiner Herabkunft lispelte S 9 1 -roü Bonnet : -rwv U II hp
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100 101 102 103 104 105
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97 ßotO'LALx-ljv U7te:pexouaotv U : glänzendfarbig S : ßotO'LALx1jc; tentavit Bonnet 98 xotl S : om. U 1 0 1 -roü uloü -roü ßotO'. scripsi : seiner Prinzen S : -roü ßotO'LALxoü U II -ro�c; S, Bonnet : TOÜ U 103 mit Wasserorgelstimmen S I I otlhov S, Bonnet : om. U 104 ßotO'LAeoov S, Bonnet : om. U I I melius &7toO'TotA1jae:a�otL (Bonnct)
1-3 Der Myste wird als unmündiges Kind von den Eltern aus der Heimat, dem Sonnenland (Vers 3), in die Welt herabgeschickt (12 xoc-re"A &wv, vgL 20 und 16 in S) . - Dies entspricht der Aussetzung der Chari klea. Sie stammt von Helios ab, wie der Myste des Seelenhymnus.1 Auch nach der Lehre der chaldäischen Orakel stammen manche Seelen vom Sonnengott. · Nach Julian stammt jeder Mensch von der Sonne (oben S. 297, 4) . 4-8 Die Eltern geben ihm Gold, Silber, Edelsteine und ein Zauber schwert mit. - Dies sind die crÜ[.Lßo"Aoc der Mysterien. Der ausgesetzten Chariklea werden mitgegeben der Fantarbestein (IV 8, 7), ein äthiopi scher Amethyst (V 13, 3-14) und andere wertvolle Schmuckgegenstände. 1 Daß der Vater im Seelenhymnus der Sonnengott ist, wird nicht ausdrücklich gesagt, ergibt sich aber aus dem allgemeinen Zusammenhang mit Sicherheit. Der Großkönig im "Sonnenaufgang" muß H elio s sein. Vgl. 99 -roü 1t'ot-rpoc; -ro
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9-10 Der Myste muß sein mit Edelsteinen besetztes und goldgestick tes Strahlenkleid und den Purpurmantel ausziehen.1 - Es ist das Kleid des Geweihten, das er nur bei der Weihe anlegen darf. Chariklea nimmt aus Deiphi in ihrem Gepäck ein goldgewehtes Kleid (E:cr-&�c; zpucroürp�c;) mit, das sie in einigen Episoden des Romans anzieht. All diese Episoden beziehen sich auf eine Weihe. Auf der allegorischen Deu tungsebene ist das Lichtkleid eine himmlische Substanz, vielleicht der ,;Astralleib" ; vgl. zu Vers 62. l l Die Eltern sagen dem Kind Kennworte (0"1'.1fLrpwvoc), die es nicht vergessen darf. - Die Kennworte spielten im Mysterium eine große Rolle. Chariklea und Theagenes vereinbaren solche O"UfLßo/\oc in der My sterienhöhle (V 5, l) ; einmal muß Chariklea das Kennwort wirklich sagen (VII 7, 7) . Nach der allegorischen Interpretation ist das O"UfLßo/\ov der Funke des Göttlichen, der in j edem Menschen lebt. Dessen soll der Myste eingedenk sein und nicht in die Knechtschaft des Leibes geraten . So verwenden die chaldaeischen Orakel das Wort yvwpLO"fL<X, welches j a mit O"UfLßo/\ov aequivalent ist, im Sinn von yvwo-Lc;. 2 12-15 In Ägypten soll der Sohn dem Drachen die Perle rauben und wieder in die Heimat zurückkehren. - " Ägypten" ist hier Chiffre für die sündige Welt. Eine von einem Drachen bewachte Perle ist funktio nell identisch mit einem schönen Mädchen, das aus der Gewalt des Drachen befreit werden muß.3 Der Drache ist ein Symbol des Bösen in der Welt. Das Hauptthema der Bahyloniaka des Iamhlich ist die Rettung der Sinonis vor dem "Drachen" Garmos ; am Ende des Ro mans besiegt Rhodan es den Garmos. Wenn man annimmt, das Schick sal des Mysten im Seelenhymnus sei bei Heliodor auf Theagenes und Chariklea verteilt, könnte man sagen, die Perle sei Chariklea, der Drache sei alles, was sie in der Welt zurückhalten will. Theagenes entführt Chariklea aus Delphi, wie der Myste dem Drachen die Perle raubt ; und Theagenes rettet Chariklea vor den Seeräubern heim Freiermord an der Nilmündung. Ü ber die Darstellung des Drachensiegs im Mysterium s. unten zu 61. 1 Nach der Lesart des syrischen Textes. I n § 72 zieht e r das Strahlenkleid wieder an� 2 Nach Synesios, de insomniis 4 p . 1 3 5 A gibt es verschiedene Antriebe zum Auf. stieg ; so gibt Gott es manchen, Kenntnis und Unterpfand des Lichtes durch Lehre zu empfangen, -roi:<; 3E: 3L8ocx-c:ov l3wxe; tpocou<; yvc!lptaf.toc J.ocßecr&ocL ( Kroll, Or. Chald. 59}. Bei lamblich, de mysteriis findet sich dieser Wortgehrauch oft. 3 Wie die Perle, so ist auch Aphrodite aus der Muschel geboren. Plautus, Rudens 704 . te ex concha natam esse autumant; Usener, Vorträge und Aufsätze 223.
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Natürlich ist die Bedeutung des Perlenraubes damit nicht erschöpft. Das Symbol der Perle hat mehrfache Bedeutung.1 Die Perle ist das Göttliche im Menschen, 2 das aus der Umklammerung des Leibes (der Muschel) gelöst werden muß. Nach der Lehre des Syrers Ephrem3 wird die Perle durch den Blitz erzeugt, der ins Meer einschlägt. Das himmlische Feuer dringt zusammen mit dem Wasser (dem Symbol der irdischen Materie) in die Muschel ein ; die Muschel schließt sich, und nun entwickelt sich in ihr die Perle. Nach dem Physiologus (cap. 44) entsteht die Perle so : Die Muschel kommt morgens an die Meerober fläche und öffnet sich, um den Himmelstau und die Strahlen der Sonne zu trinken. So wird sie von dem Himmelslicht mit der Perle schwanger. Der Perlenfischer löst die Perle aus der Muschel und bringt sie ans Licht zurück.' Die von den älteren Interpreten vorgeschlagene Deutung der Perle auf die Seele, die aus der Umstrickung der Materie befreit werden muß, scheint mir ganz unabweisbar.6 Nur darf man nicht vergessen, daß 1 Vgl. Usener, Vorträge und Aufsätze 2 1 9 ff. Casel, Benediktinische Monatsschrift 6, 1924, 32 1-327. Eliade, Images et Symboles 1 64 ff. (Paris 1952) Le symbolisme des coquillages. Ich führe hier nur einige Bedeutungen an, die für unseren Zusammenhang wichtig sind. 2 Die Perle ist der Lichtfunke aus der inlmateriellen Welt, sagte Lipsius 298. 3 In der Homilie "Wider die Häretiker" ed. Assemani (Rom 1743) II 2 59-279 ; Usener 220 ff. Man beachte, daß der Seelenhymnus der Thomasakten im Original syrisch ist. 4 Vgl. Wellmann, Der Physiologus 92 ; Plin. hist. nat. IX 107. - Nach der Lehre der Manichaeer ist ein Lichtstrahl in die Finsternis (die Materie) gefallen und hat die Perle (Margarita ; offenbar die Seele) erzeugt. Die Finsternis will die Perle zurückhalten, aber Gott befreit sie. Ps. Hieronymus, de haeres. 5 (Oehler, Corpus. haeres. I 286 f. ; Usener 229) huius luminis particulam detentam quondam a tenebris velle deum liberare, quam dicunt Margaritam. Weitere Belege bei Edsman, Le bapteme de feu 195 f. Von den Naassenern berichtet Hippolytos, Refut. V 8, 32 p . 95, 4 �wv-r<X i>E: :Aeyou
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damit andere Deutungen nicht ausgeschlossen werden. Wer sagt, die Perle sei die Gotteserkenntnis (yvwcr�c;), der hat auch recht. In der Deutung von Symbolen gibt es kein Entweder-Oder. Vielleicht ist das Bild von der Befreiung der Perle aus der Muschel (öcr-rpeov) sehr alt. Platon spricht im Phaidros (250 C) an einer Stelle, die voller Anspielungen auf die Mysterien ist, von der Muschel : Die Seele ist im Körper eingefaßt in der Weise einer Muschel. Vielleicht stammt das Bild aus altorphisch-pythagoreischer Mysteriensprache. Aber Platons Anspielung ist so kurz, daß man keinen Beweis führen kann. Spekulationen über die geheimnisvolle Kraft der Perlen und Edel steine und ihren Zusammenhang mit den Sternen sind in Babylonien früh bezeugt und können in Syrien nicht gefehlt haben ; Lapidarien, Bücher über Pflanzen, Alchemie und Astrologie - alles gehörte zur chaldäischen Wissenschaft. Vgl. Bidez, Annuaire de !'Institut de Philo logie et d'Histoire Orientales 3, 1935, 75. 1 3 Der "Verschlinger-Drache" ist ein häufiges Wort der gnostischen Texte. Er ist nicht nur Symbol der bösen Welt ; er ist gleichzeitig Ver treter des Totenreichs. Er ist der "Fleischfresser" (crotpxocp&.yoc;), wie die Erde - der Sarkophag. Wer den Drachen überwindet, besiegt den Tod ; wer dem Drachen die Perle raubt, gewinnt die Unsterblichkeit. So haben wir eine weitere Bedeutung des Perlen- Symbols zu verzeichnen, die Unsterblichkeit. Dem Evangelisten Matthaeus (13, 45f.) ist die Perle -ij ßotcr�Adot -rwv oupotvwv. Man kann auch sagen : Wie die Perle dem Drachen geraubt wird, so muß die Seele aus dem Körper befreit werden. Der Drache ist im Meer. Über die Symbolik des Meeres kann hier nicht ausführlich gesprochen werden.1 In Verbindung mit dem Drachen bedeutet das Meer fast immer die Materie, das Ungestaltete, jeder Ge stalt und jedem Leben Feindliche.2 Wie die Seele aus dem materiellen Körper, so muß die Perle aus dem Meer befreit werden (Perle= Seele) . Man kann auch sagen : wer in der Welt der Materie und des Bösen die Gotteserkenntnis gewinnt, der ist dem Taucher zu vergleichen, der aus dem tiefen Meer die funkelnde Perle emporholt (Perle yvwmc;) . Die =
Ausdruck kommt. Man bringt einen Maibaum, als Symbol der erwachenden Natur, und hängt in den Baum eine Puppe, in welcher wieder die erwachende Natur personifi ziert ist. Diese Pleonasmen hat schon Mannhardt beobachtet. 1 Ich verweise auf Eliade, Images et Symboles (Paris 1952) 199 ff. 2 C. G. Jung (Von den Wurzeln des Bewußtseins, Zürich 1954, 23 f. Bewußtes und Unbewußtes, Fischer Bücherei 175, 27) deutet das Wasser als Symbol des Unbe wußten, auch für den Seelenhymnus. Ich will diese Deutung nicht ausschließen. =
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Gotteserkenntnis (rvw
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16-20 Zwei Führer geleiten den Mysten den langen Weg von Osten über Babyion nach Ägypten. Dort verlassen sie ihn. - So bringt Sisi- mithres die Chariklea, ohne ihre Herkunft zu nennen, und verläßt sie dann. Im Mysterienritual geleiteten Mysteriendiener den Initianden und verließen ihn. Die Beziehung auf das Lehen des Menschen ist im allge meinen klar ; vielleicht sollte man unter den zwei Führern die leiblichen Eltern verstehen, die nach der Mysterienlehre nur Pflegeeltern sind und den Menschen verlassen müssen, wenn er erwachsen ist. 21-23 Der Myste kehrt in Ägypten in einem Gasthaus ein. Er ist ein Fremder unter den übrigen Gästen. - So führt Chariklea in Deiphi das Lehen einer Fremden (Heliodor IV 13, 2) . 24-28 Ein verwandter junger Mann, der auch aus dem Osten stammt, warnt den Mysten vor der Gemeinschaft mit den unreinen Ägyptern. Dies ist die Warnung eines Mysteriendieners vor der Sünde. So warnt Eros seine Psyche vor der Gemeinschaft mit den Schwestern ; so warnen die chaldäischen OrakeP
Ähnlich sagt Synesios (Ägypt . I 1 P· 89 C) : E1tL't"OC'r't"E't"IX� ae XIX't"WUO'IX (sc . �)Jux�) a�EUA1Xß1J&�VIX�, 1:1.� 7tEAOC�OUO'IX IX�crxouc; 't"E XIXL &xocri:LLIX<; &viX7tA1Jcr&��. 29-30 Dennoch zieht der Myste die Kleider der Ägypter an, um nicht aufzufallen. - Der Mensch ist schwach, er übertritt das Gebot. Er zieht das Kleid der Welt an. Man kann die ganze bisherige Erzählung allegorisch auf den Niederstieg der Seele in die Materie deuten. Zunächst wird sie ihrer himmlischen Substanz entkleidet (sie zieht das Strahlen kleid aus) . Dann fällt sie nach unten und wird in Sünde verstrickt. Damit ist sie der Materie verfallen und zieht den Körper als Kleid an.2 Die Vorstellung vom Körper als Kleid der Seele ist schon bei Empe dokles3 und Platon4 belegt. 31-35 Die Ägypter reichen ihm eine listig bereitete Speise, die den Mysten seiner Herkunft vergessen läßt. Er vergißt, daß er die Perle rauben soll, dient dem König der Ägypter, und fällt von der Schwere der Speise in tiefen Schlaf. - Im Mysterienkult entsprechen dieser •
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1 Synesios, de inso mniis 7 p. 1 3 8 C ; Kroll, Or. Chald. 62. 2 So schon Lipsius 298. a Fr. 126 a�Xpx&v tilloyv&·n 7te:pLa-.ellouaiX XLTWVL. t Gorgias 5 23-4 ; Phaidon 81 D ; Kratylos 403 B ; Staat X 620 C.
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E piHmle d ie Schlaftränke, die den Initianden in totenähnlichen Schlum mer versenken. Ihre Bedeutung ist wieder mehrfach. Die in die Materie
herabgesunkene, mit dem Körper bekleidete Seele vergißt ihre Herkunft von oben, sie weiß nicht mehr
€� ol1Jc; 't'�fl�c; 't'e XIX� 15o-o-ou fl�xeoc; ÖJ.ßou
(Empedokles fr. 1 19)
sie in die Welt gekommen ist.1 Dies Vergessen ist ein Werk der Dämonen, sagt Proklos, die unsern Seelen immer Unheil bereiten, öcpp' <Xld X<X't'!X: I.<X'i:'t'fl<X ß<Xpucrfl<Xpocyou ß�6Tow O"C.Üfl<X't'oc; O't'Aeucomv u1to �uy6 �<:0"fl<X 7tecroÜo-<X�, O��'t'evoüc; �e J.oc.&o�V't'O 7t<X't'poc; 7tOAUcpeyyeoc; <XUA�c; (hymn. 1 ,30-32) . Die gesunkene Seele liegt in tiefem Schlaf; denn unser Erdenleben ist in Wahrheit ein Schlaf, das jenseitige Leben ist das Wachen (s. oben S. 230) . Das Vergessen des Jenseits ist ein Lethetrank ;2 so trinken die Seelen im Pinax des Kebes (5) den Trank 1tl.ocvoc; x<Xl. &yvo�<X. Die in die Materie gestürzte Seele ist Sklavin geworden, sie dient dem König der Welt, dem Herrscher Ägyptens. So lehren die chaldäischen Orakel (Psellos, Hypotyposis 25 ; Kroll, De Orac. Chald. 75) 't'o �E: voepov 7tÜp d . . O"Ufl7toc.&o� o-C.Üfl<X't'�, .&1J't'eue�v3 &vocyx1J x<Xl. u1to �� flOLp<X� 't'e 't'ocx.&<X�.4 Nach Synesios, de insomniis 8 p. 139 c muß die Seele zwar nach dem Gesetz der Adrasteia zur Erde hinabsteigen und dort dienen ; aber Sklavin wird sie erst, wenn sie sich von den Geschenken verfüh ren läßt, mit welchen die Materie sie zu ködern versucht ; so etwa wie ein freier Mann aus Liebe zu einer schönen Sklavin Diener des Herrn wird, dem die Sklavin gehört.5 Auch in Verse hat Synesios den Gedan ken von der Sklaverei der Seele gefaßt (hymn. 1, 5 72-7) : •
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1 In diesem Zusammenhang citiert die N aassenerpredigt den Vers des Empe· dokles (Hippolytos, Elenchos V 7, 30). Vgl. auch die hermetische K6pl) x6ap.ou 37 : &:
4 V gl. auch Iamblich bei Stob. Il p. 1 7 3 , 10 W. (Kroll, Or. Chald. 48, 1) xcx%' <'laov p.ev 13[/l(o)mV e:[� T&. y�yv6p.e:vcx xcxt {mo TI)v TOÜ n;cxvTo� cpop&.v tcxuTI)v {moTcXTTe:�, xcxToc Toaoü Tov Xctl U7t0 TIJV e:[p.cxpp.Ev'lj'l ctye:T<X� xcxt 13 0 U Ae: 0 e: � T<XL� T'ijc; q>Oae:(o)c; OC'IcXyJ<<X��.
5 In diesem Sinn hat Apuleius die Liehe des Lucius zu Photis allegorisch ge· meint, s. S. 339, 1 . - Ein ähnliches Bild gehrauchte Porphyrio s in den aüp.p.�XT<X �'1)� p.ctT<X (Nemesios von Emesa, n;.
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4 4 "Erinnere dich, daß d u ein Königssohn bist." - "Erinnere dich deiner hohen Abkunft", [LE[LV�O..t)t 't7ic; e:uye:vdocc;, schreibt Persina der Chariklea (IV 8, 7).1 44-4 7 "Du bist Sklave geworden ; erinnere dich der Perle, die zu holen du nach Ägypten gesandt wurdest ; erinnere dich deines gold bestickten Kleides." Dies bedarf keiner Erläuterung mehr. 48 "Werde Erbe unseres Königreiches." - So fordert Kalasiris nach der Verlesung des Briefes Chariklea auf, "für das Lehen in der Fremde und Unehre eines in Ehre und als Herrscher zu tauschen, und mit dem Geliebten das Königtum zu erhalten" (IV 13, 2, s. oben S. 246, 4). Chari klea soll aus Deiphi in die Heimat fliehen ; so soll der Myste des Seelen hymnus aus Ägypten zum Vater zurückkehren. Die chaldäischen Orakel fordern :
XP� O'E 0'7te:u ae:t\l 7tpoc; '!0 cpaoc; xoct 7tpoc; 7t01:'!poc; ocuyocc;, ev&e:v E7tE[Lcp&'tj O'OU �ux� '!Opov2 EO'O'OI:[LE\1'1) \IOU\1. 3 49-50 Der König des Ostens versiegelt den Brief, um ihn vor den Babyioniern geheimzuhalten. - Auch bei Heliodor ist der Brief der or. IV p. 1 3 1 A ; Plotin I 6(1)8/9 ; IV 8(6)1 ty€tp6f1.1tVOc; dc; E:!J.etu-rov E:x -roü O'Wfl.ctToc;. Proklos, Plat. Theol. III p . 163 m. E:v€ßetXX€UO'etf1.€V -rocc; [,.pocc; hpet7touc; -retu-retc; xett 7tpoc; -rTjv f!.Ucr-retywyletv -rTjv &:7t6pp'Y)-rov &-r,.xvwc; xet.&,.u3ov-retc; T)f!.occ; &:v,.y,.tpoucretc; (Zeller, Philos. d. Griechen III 2, 843, 1). Chald. Or. bei Proklos in remp. I p. 28, 2 Kroll v�tjletn (Kroll Or. Chald. p. 1 5). In dem Geheimen Buch des Johannes, das mit dem großen Corpus der koptischen gnostischen Schriften gefunden wurde, spricht eine Lichterscheinung : Que celui qui entend s'eveille du pesant sommeil souviens-toi retourne a ta racine (Doresse, Les livres secrets des gnostiques d' Egypte 227 f.). - In der alchimistischen Lehre der Kleopatra an die Philosophen heißt es : xet'Ad 7) tJiuxT) -ro cr&!J.et -ro m:cpw-rtcrf!.evov · lyEtpett E:� "At3ou xetl &:v&:crTI).&t E:x -roü -r&:cpou xetl t�,;yep.&'Y)n E:x -roü crx6-rouc; x-r'A. (Berthelot, Collection des anciens alchimistes Grecs, 1888, 296 ; Reitzenstein, Gött. Nachr. 1919, 1 8 ; Myst. Rel. 314). - Ich erinnere noch an den Mystennamen Gregori(us) im Vocativ auf einem ravennatischen Sarkophag (Dessau 6665 C. I. L. XI 863), aus dem man auch den Imperativ yp'Y)y6p€L herauslesen kann (Egger, Mitt. des dt. archaeol. Inst. 4, 1951, 35 ff. ; Carcopino, Le mystere d'un symbole chretien 59 ff.). Man könnte sehr viel mehr Belege bringen ; diese reichen für unseren Zweck. 1 Nach Clemens Alex., Excerpta ex Theod. 78 befreit 7) yvwcrtc; -r(vEc; �fi.EV xett -r( yEy6vetf1.1tV · 1toÜ �fi.EV 7tOÜ E:ß'A1).&'Y)(.LEV ' 7tOÜ 0'7tEU30(.LE\I 7t6.&Ev 'Au-rpOU!J.E.&et. 2 -rop6v Merk. (überliefert ist 7to'Auv) ; "indem die Seele den reinen voüc; ( mit Seelensubstanz) umkleidete". Man kann auch 7t6.&wt erwägen, "aus (sündiger) Liebe". 3 Psello s, PG 1 2 2, 1 1 44 D ; Kroll, Or. Chald. 52. V gl. auch Prophyr., De abst. I 2 7 Jl · 104, 2 2 &:v.&pw7t(J)L a � AEAOYLO'fl.eV(J)t -r ( c; 't"E tO''t"L Xetl 7t6&Ev E:'A-fJ'Au&E 7t0L 't"E 0'7t€U3Etv ocpd'AEt. Iamblich, De myst. II 6 p. 82, 1 2 -rouc; 3' t1tt -ro 7tÜp cr7tEu3ov-retc;. p. 8 1 , 1 4 t7tl -rocc; o!xdetc; &:pxocc; &:vetyw�v. Proklo s E:x -r'ijc; Xet'A3et'ix'ijc; cpt'Aocrocpletc; p. 2, 1 6 (bzw. p . 1 93, 1 2) Jahn XCt't"etA(7twf1.EV y'ijv, pc\oucretv oucr(etv • �A&W!J.ItV t7tL 't"OV cXA"IJ.&'ij crxo1t6v, •
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Persina geheim ; zwar nicht durch ein Siegel, sondern durch die Ab fassung in äthiopischen Hieroglyphen. 51-52 Der Brief fliegt "wie ein Adler" zu dem Sohn, wird Rede und spricht. - Dem entspricht die Verlesung des Briefes der Persina durch Kalasiris bei Heliodor. 53 Von der Stimme des Briefes erwacht der Sohn aus dem Schlaf. Dies ist das Erwachen des Initianden, der im Mysterium den Schlaf trank getrunken hat. Wie er nach dem todähnlichem Schlummer zum Lehen erwachte, so hoffte er, auch nach dem Tod wieder zum Lehen zu erwachen ; und vor allem, wie der Leih aus dem Schlummer wieder zu sich kam, so sollte auch der Geist aus dem Schlaf erwachen und sich der Herkunft aus dem Jenseits erinnern. 54�6 Der Sohn öffnet den Brief und liest in ihm das, was auch in seinem Herzen geschrieben steht : daß er ein Königssohn, daß er frei geboren ist, daß er die Perle rauben soll. - Als Kalasiris den Brief der Mutter verlesen hat (Heliodor IV 12, 1 ), erkennt Chariklea sich selbst (&yvw p�cre:v e:ocuTI]v) und erhebt ihren Sinn zu ihrem Geschlecht {ro cpp6V1JfLOC ��ocv�cr"t"icrot . . . "t"W� yeve:�) . Ganz ähnlich fordern die chaldäi schen Orakel, daß der Myste die Lethe abschüttele und sich der Losung erinnere, die der Vater gegeben hat :1 &J..J..' oux. e:Lcr�eze:"t"oc� x.dv'Yjc;; "t"O &eJ..e: w 7t1X"t"p�x.oc;; voüc;; , fLE X. P�c;; &v e�eA&'YJ� J..�&'Yjc;; x.otl. P�fLIX A IXA� G'YJ � fLV�fL'YjV ev&e:fLEV'Yj 7tot"t"p�x.oÜ cruv&�fLot"t"O<; &:yvoÜ. Die Erinnerung an die cruv&�fLIX"t"IX führt zur Rückkehr. - Wenn der Myste des Seelenhymnus durch den Brief an das erinnert wird, was in seiner Seele ruhte, so denkt j eder an die platonische &v&fLV1JcrL<;-Lehre. yvwpEawf_Le:V . 't"OV ae: t7tL .. &�w oci'i�tc; &vocaTI]ae:tc; ie:pwt A6ywt E:pyov il:vwaocc;. { Psello s, P. G. 122, 1 1 2 9 C ; Kroll, Or. Chal l. 5 1 ) . 1 Psellos P. G. 122, 1 148 a ; Kroll, Or. Chald. 50. Proklos besingt die Musen, welche die in der Tiefe des Lebens irrenden Seelen durch ihre heiligen Weihen retten K<XL G7te:6ae:w eataoc�ocv U7tl:p ß<X�uxe:6f.LOVOC A1j�1JV t XVOt; EXE:tV, KOC�ocpoct; ae f.LOAE:�V TrOTt aOVVOfLOV O!a't"pov, EV�e:v &7te:7tAcXYX�1JGOCV, ll't"' ec; ye:ve;�A1j�ov aKT1jv KcX7t7tEGOV ( hymn. 3, 6-9).
3/ H
Der
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V •�r m u tlieh hat es Ansatzpunkte für diese Lehre schon
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orphisch
py thagoreischen Vorstellungen gegeben. 58 -61 Der Sohn schläfert den Drachen ein, raubt die Perle und kehrt u m , sie seinem Vater zu bringen. Die Episode wird andeutend im Mysterium dargestellt worden sein, wie die dritte Aufgabe der Psyche, die das von Drachen bewachte Wasser des Lehens holen muß. Im Kult trug der Initiand ein mit Drachen besticktes Kleid, s. oben S. 40. Die Rückkehr in die wahre Heimat ist das zentrale Motiv der Aithiopika ; es klingt auch schon in den lsisromanen an. 62 Der Myste zieht das schmutzige Kleid aus und läßt es in Ägypten zurück. - Das Ausziehen der Kleider bezeugt Plotin I 6 (1) 7 als Ritual der Mysterien. Das "Eine" kann erreicht werden von den &.7to· auof.L�VOLc; & xoc-rocßoc(vov-r�:: c; �f.LCfiL�
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75-78 Er staunt über den Glanz des Lichtkleides, dessen er sich nur schwach erinnerte,1 und erkennt sich selbst in ihm, "daß wir zerteilt sind, obwohl wir vom seihen stammen, und daß wir doch wieder eins sind". - Dies ist eine gnostische Lehre, die mit der svwatc;-Lehre der neuplatonischen Philosophen zusammenhängt. Wir hängen alle durch eine Reihe (ae:tpoc) von Emanationen mit dem obersten Gott zusammen und können auch wieder in ihn zurückkehren. Auch Chariklea ist eine Tochter des Helios selbst und kehrt am Ende als Heliospriesterin zu ihrem Ursprung zurück. 79-87 Die Schatzmeister, die mit dem Zeichen (®!Lßot..o v) des Königs gezeichnet sind, übergehen das Kleid. Es ist mit wertvollen Steinen, Perlen, Sardonen, Diamanten und Saphiren geschmückt. - Die Edel steine sind die öfters erwähnten -re:/..S O'fLot't'ot. Sie sind göttlicher Weihe voll, wie Heliodors Pantarhe (VIII 1 1 , 8)2 und die anderen xe:LfLlJALot, welche mit Chariklea ausgesetzt worden sind. 88-97 Von dem Kleid gehen Strahlen der Gotteserkenntnis (yvwatc;) aus ; es spricht : "Ich hin der Preis des Tapfersten ; für ihn wurde ich heim Vater aufbewahrt" ; der Myste zieht es an. - Wir erinnern uns nochmals des goldgewehten Kleides der Chariklea . Das Weibekleid des Isismysten war von weißem Leinen ; die bei Apuleius XI 24 be schriebene Osiriaca stola war purpurn ; dazu trägt Lucius einen Kranz von Palmblättern, die wie Sonnenstrahlen angeordnet sind. Theagenes und Chariklea sind bei der höchsten Weihe von einer Aureole umgeben (X 9, 7, s. S. 287). 98-100 Der Myste wird zum Ort des Friedens und der Erhabenheit erhoben ; er hat den Befehl des Vaters befolgt und betet das Licht des Vaters an. - Das Licht zu erblicken ist auch der Wunsch des Proklos (hymn. 6, 9)
Wie die emporgestiegene Seele die Strahlen des Vaters in sich saugt, beschreiben die chaldäischen Orakel : E:.v 8e .&e:wL xe:i:V't'otL 1tUpaouc; ShXOUO'otL OCXfLotEouc; EX 1tot't'p6.3-e:v Xot't'L6V't'ott;, ocq>' (;}v \jJuxlj Xot't'L6V't'WV EfL1tup(wv 8pe7te:-rott xotp7twv tjJuxo-rp6q>ov &v.&oc;.
1 Vergleichbar ist, daß Chariklea nichts von der Kraft des Pantarbesteins weiß.
2 Vgl. auch den geweihten Rost in X 8, 2 (njt; iaxcip1Xt;
!LEVll t; ).
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S y n. e s i o s , A igyp t i o i
Bit� St�dtm, welche den Vater schauen, sind dem Zwang des Schicksals und c lt�r Sterne entronnen : VO�O'CX.O'ot� ..a epycx. 't"OÜ 1tCX.'t"fJO<; (LO(p 1J <; Et(Lotp'Öj <;1 't"O n:-repov c:peuyoua�v ocvcx.�8&<;.2
In der Mysterienweihe entspricht dieser Episode die Epoptie.
101-102 Der Myste lebt nun im Palast seines Bruders, der ihn freund lich aufnimmt. - Es scheint, daß er den Vater (in 99 f.) nur aus der Ferne angebetet hat ; er ist j etzt bei dem Bruder, dem "Mittler" (oben zu 15). Er dürfte dem Helios ocvcx.ywyeu<; des Julian und Proklosa ent sprechen, der den Mysten zu dem Einen emporführt. Der Myste kann, solange er lebt, nur mit dem Mittler in Verhindung treten, in der Mysterienweihe. 103 Die Untertanen des Bruders singen mit schöner Stimme. Anscheinend preisen sie den Neugeweihten glücklich ; es ist das he kannte aretalogische Motiv. 1 05-1 05 Der Bruder verspricht dem Mysten, ihn mit der Perle zum "König" zu bringen. - So verspricht der Mittler dem Mysten, ihn nach dem Tod zum Vater heimzuführen. Der Vater ist der Bcx.ar.Aeu<;, der Herr des Alls, von dem die Neuplatoniker im Anschluß an den für echt gehaltenen zweiten Platonbrief (p. 312 E) so oft sprechen. Der Sänger des Seelenhymnus berichtet von seinem Schicksal, das er teils im Lehen, teils in der Mysterienweihe durchgemacht hat, und von seinen. Hoffnungen für das künftige Lehen. In der Initiation hat er eine große Tat vollbracht : er hat den Drachen besiegt, er ist ein tap ferer Held (§ 9 1 ) , sein Name wird im Buch der Helden verzeichnet werden (§ 47) . Der Phantasie gelten die symbolischen Taten in der Weihe für wahr. Darüber wird mancher lächeln ; andere werden es auch für beneidenswert halten.
Daß der Seelenhymnus ein Mystenlied ist, zeigen schließlich zwei parallele Texte bei Synesios und Iulian. In den beiden Reden A Lyun:-.�o� � n:e p t n:povo (Ot<; erzählt Synesios den Osirismythos so, daß er sich durchgehend auf Unruhen bezieht, die sich kurz vor 400 unter Arkadios in Konstantinopel ereigneten. Die For1 e:!(Letp-r'ijt; Theiler ( Die chaldäischen Orakel und die Hymnen des Synesios 33) ; überliefert ist e:l(Letp(LEVljt;. 2 Die beiden Zitate stehen bei Proklos in Tim. 321 A (111 p. 266, 18); Kroll, Or. Chald. 54. 3 Hymn. 1, 34.
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schung hat sich verständlicherweise vor allem mit den historischen Er eignissen beschäftigt, die zugrunde liegen.1 Aher die Reden sind auch religionsgeschichtlich interessant.2 Synesios kannte die Lehren der My sterien, und seine Angaben sind bei unserem großen Mangel an Zeug nissen wertvoll. Uns interessiert hier die Mahnrede des "Vaters" a n Osiris (I 10-l l p . 99-102), denn wir finden in ihr viele Motive, welehe wir aus Heliodor, dem Seelenhymnus und den chaldäischen Orakclna kennen ; solche Mahnreden müssen die Priester bei der Initiation wirk lich gehalten haben. Der Vater sagt zu Osiris : Erinnere dich, woher du stammst, und versuche zurückzukehren.4 Du bist in der Fremde, einer unter vielen, ein Fremder unter Einheimischen ; wache Tag und Nacht, damit du nicht von ihnen überwältigt wirst. Du hast wie jeder Mensch auch einen unvernünftigen Seelenteil. Auf dem Umweg über ihn versuchen sie Macht über dich zu gewinnen. Wenn es ihnen gelingt, diesen Seelen teil zu stärken, dann verläßt der aus dem Jenseits stammende Geist (vouc;) die Seele ; das Niedrigere bemächtigt , sich ihrer, und sie ver leugnet ihre Herkunft. Aber man kann in diesem Kampf siegen. Die Götter haben in uns Kräfte (&.rpop[J.!Xl) gesät,5 mit deren Hilfe wir auf Erden Ordnung und Harmonie wahren können ; und wenn die Har monie sich löst und schwach wird, kommen die Götter wieder und kräftigen und heleben sie.6 - Die Parallelen zu den bisher besproche nen Texten einzeln aufzuzählen, ist überflüssig. Noch stärker sind die Spuren der Mysterienweihe bei Iulian. "Iulian wurde durch die Begegnung mit Menschen gerettet, die von Platos Lehre erfüllt waren . . . . Von ihnen lernte er das Wesen der Seele, ihre Herkunft und ihre Zukunft erkennen, das Gesetz ihres Sturzes und ihres Aufstiegs, was sie niederzieht und was sie erhöht, was Gefangenschaft und was Befreiung für sie bedeuten, wie man die erstere umgehen und 1 Vgl. Seeck, Philol. 52, 1 893, 442 ff. 2 Man kann der Schrift die neuplatonische Interpretation des Osirismythos ent nehmen. 3 Synesios folgt den chaldäischen Orakel in starkem Maß, s. die oben S. 320, 1 zitierte Schrift von Theiler. - Ich bemerke hier noch, daß fast alle in diesem Kapitel bespro chenen Symbole in der Consolatio philosophiae des Boethius eine große Rolle spielen. Dem religiösen Erbe des Neuplatonismus in dieser Schrift nachzugehen wäre lohnend. 4 [LE:[LVljO'.&ct� [LE:v Ö.&e:v e:! rre:�piicr.&oc� llE: O'OCU't"OV &.v&ye:w. 5 Vgl. Kroll, Or. Chald. p. 50 cru[Lßo:Act yd:p rrct-rp�xoc; voüc; ecrrre:�pe:v xoc-rd: x6cr[Lov. Eine Schrift des Porphyrios heißt &.cpop[LocL rrpoc; -rd: V07J-r&. e So sendet im Seelenhymnus der Vater Boten aus. •
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J4erkelbach
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erwerben kann. Danach tat e r alle Torheiten von sich, an cl i c · c·r hil'lwr geglaubt, um dafür in seiner Seele dem Licht der Wahrheit H a um zu gehen." So berichtet Lihanios.1 Iulian hat uns in der Rede gegen den Kyniker Herakleios eine Be l'c·hreihung seiner Weihe hinterlassen. Als ein Beispiel dafür, wie man My-then von den Göttern verwenden soll, erzählt er eine Geschichte,2 die sich offensichtlich auf ihn selbst bezieht und von der er am Ende sagt (or. VII p. 234 C) : "Ob dies nun ein Mythos oder eine wahre Ge schichte ist, will ich offenlassen. "3 Ein reicher Mann (Konstantin), so erzählt Iulian, hatte Kinder. Nach dem Tod des Vaters wandten diese sich gegeneinander ; alles war voller Mord, und die Tempel der Götter wurden zerstört (durch die Christen) . Da berieten Zeus und Helios, wie sie dem Unheil steuern könnten. Nun gab es noch einen Neffen jenes Reichen, der von allen verachtet wurde (lulian) ; er stammte aber aus dem Geschlecht des Helios ;4 ein kleiner Funke des vom Sonnengott gesäten Feuers war noch in ihm lebcndig.5 Helios sorgte für die Erziehung des Knaben. Als er ein Jüngling geworden war und das Ausmaß des Unglücks erkannte, wollte er sich selbst töten. Da versenkte ihn Helios in tiefen Schlaf6 und brachte ihn so von diesem Gedanken ab. Als der junge Mann er wachte, ging er in die Wüste. Dort fand er einen kleinen Stein - offen sichtlich einen Pantarbestein - und überlegte, wie er dem Unheil ent· rinnen könne. Auf einmal stand Hermes vor ihm, in menschlicher Ge stalt, und bot sich als Führer an.7 Der junge Mann hatte Schwert, c l i c · l c · t z t c·re
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Or. 1 8 , 1 8 . Ich zitiere die Kernsätze : -rl TE ·� ljroz·� xoct 7to{}Ev 1jxEt xocL 7tOL 7tOpEu xcxt TL fl.� cxu-r'ijt I!Ea(J.oc; TL l!z ii EU {}Ep L cx , xoct 1tiilc; Clv yevotTo To I.LEV q>uydv TOÜ llE Tuzdv. Die Ü bersetzung im Text nach Bidez, lulian der Abtrünnige, deutsch von Rinn (München 1 940) 91 f. 2 Or. VII p. 227 C-234 C. 3 Ähnlich sagt Synesios am Anfang der Aigyptioi, die sich auf reale Ereignisse be ziehen : "Vielleicht deutet dieser Mythos in Rätseln auf mehr als nur auf den Mythos." 4 Julians Großvater Constantius Chlorus galt als Nachkomme des Sonnengottes. 5 Vgl. Synesios, hymn. l , 560-564 OETCXt
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OOV 07ttp[LCX q>epw, EUlJYEVEOc; amv{}'ijp cx v6ou,
ic; ßci{}o c; ÜAcxc; XCXTCXXEXAt(J.EV0\1. 1
Man hat also lulian vor der Weihe den Schlaftrunk gereicht. Im 10. Buch der Odyssee erscheint Hermes dem Odysseus und gibt ihm zum Srhutz gegen den Zauber der Kirke das Kraut (J.WAu. Die Episode wurde allegorisch u u f d i e Weihe gedeutet. Hier ist Hermes der Führer in der Weihe. 7
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Schild und Speer bei sich, aber keinen Helm. Sie gingen zusam men. Nachdem sie eine steile Wegstrecke überwunden hatten, kamen sie auf einen ebenen Weg,1 der durch herrliches Fruchtland führte. Dort blüh ten Bäume und Pflanzen, die den Göttern lieh sind : Epheu, Lorbeer und Myrrhe.2 Schließlich gelangen sie auf den Gipfel eine::; hohen Berges, auf dem der Vater der Götter wohnte. Hermes ermahnte den Jüngling, von dem Göttervater das Beste für sich zu erbitten, und verließ ihn. Da hat der Jüngling : "Vater Zeus, zeige mir den Weg, der zu 1lir empor führt. Wie viel schöner dein Land ist, kann ich erahnen ams 1 l e r Schön heit des Wegs, den ich hisher gegangen hin". Nach diesem Gehet über kam ihn Schlaf oder Ekstase, und er erblickte Helios. Er umfaf.lte ::;eine Knie und hat den Gott, ihn zu retten. Helios aber sagte, der J ii n �lin g müsse wieder auf die Erde zurückkehren.3 Der junge Mann flehte. man möge ihn nicht dorthin zurückschicken, sondern hier behalten. Da sa�tc Helios : "Du bist noch jung und nicht geweiht (&[.LU"IJTOc;). Komm cr::;t zu uns, damit du geweiht wirst und dann dort in Sicherheit leben kanmt ; denn du mußt dorthin zurückkehren und alle Frevel sühnen." Da stand der Jüngling schweigend.4 Helios führte ihn auf eine Warte. Nach oben zu war alles Licht, nach unten dichter Nebel, den nur stellenweise die Strahlen des Königs Helios erleuchteten. Nun zeigte ihm Helios den j etzigen Erben des Reiches (Constantius Il.), wie er schlief und in Ver gessenheit der Lust hingegehen war. Der Gott sagte, er wolle den Jüng ling an seiner Stelle zum Oberaufseher macheiL Der junge Mann hat, hier bleiben zu dürfen ; aber der Gott erm ahnte ihn, zu gehorchen, und der Jüngling willigte ein : "Verwendet mich wie ihr wollt." Da erschien auch Hermes wieder und sprach ihm Mut zu.5 Der Jün gling dachte nun an den Rückweg und hoffte, einen Führer für sein Lehen dort gefunden zu haben. Nun sagte Athene ; "Lerne, du Bester, dieses guten Gottes und mein Sproß ! Jenen Erben haben die Schmeichler und die Schlechten zu ihrem Sklaven und Diener gemacht. Wenn du dorthin zurückkehrst, so ziehe den Schmeichler nicht dem Freunde vor. Jener schläft meist und wird betrogen ; du aber sei nüchtern und wache,6 damit nicht der 1 Das Bild Desiods (Erga 287 ff.) ist in ein Ritual umgesetzt ; vgl. Kebes, Pinax 1 5 . Das p. 2 3 0 C überlieferte AELIX� wird man nicht ändern dürfen. 2 Dionysos, Apolien und Adonis sind nur Erscheinungsformen des Sonnengottes. 3 Vgl. Synesios, Aegypt. I 10 p. 99 C AEL't"OUpyliXv -rtv<X 't"IXthr,v -.i:'n XOOfLWL 7tA'Y)poi�. Bei Heliodor werden Theagenes und Chariklea wieder Gefangene, sobald sie die Myste rienhöhle verlassen (oben S. 263). ' Schweigen des Initianden. 5 p. 232 D E7to l 1JaE -&1Xpp1X:Aew-repov ·lhppdv 7tapexe),eue-;o. 6 p. 233 A au iiE: vlj
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Sehnwiehier dich betrüge, während der Freund die Wahrheit sagt."
Aueh Ilclios gab ihm viele gute Lehren. "Die Ehrfurcht vor den Göttern ziehe a l l e m andern Guten vor ; denn wir sind deine Wohltäter (e:Üe:pyhocL), Freunde und Retter (crfu't"tj pe:c;) ." Da freute sich der junge Mann und wollte den Göttern in allem gehorchen. Helios sagte "Nun geh mit guter Hoff uung,1 denn wir Götter werden immer bei dir sein, solange du fromm bist und gut zu den Untertanen. Aher werde nicht zum Sklaven, indem du deinen oder ihren Begierden nachgihst."2 Dann gab er ihm zu seinen Waffen eine Fackel, die ihm auf Erden leuchten sollte, das Gorgonen bild der Athena, ihren Helm und den goldenen Stab des Hermes. "Und niemand, weder Mann noch Frau, weder Verwandter noch Freund möge dich überreden, unsern Auftrag zu vergessen ;3 denn dieses Dienstes halber wurde deine Seele mit Fleisch bekleidet ; aus Liebe zu deinen Ahnen wollen wir dein Haus reinigen. Bedenke also, daß du eine un sterbliche Seele hast, die von uns abstammt ; wenn du uns folgst, wirst du Gott werden und mit uns unseren Vater erblicken. "4 In diesem Mythos sind Dichtung und Wahrheit vermischt, und die Grenze genau zu ziehen ist unmöglich. Aber der Anteil der Wahrheit ist groß : Man wird nicht zweifeln, daß Iulian auf eine der beschriebenen sehr ähnliche Weise in die Mysterien des Helios eingeweiht worden ist.6 Natürlich haben die Theurgen mit der Weihe Iulians besondere Zwecke und Hoffnungen verbunden ; die heiligen Handlungen waren feierlicher als gewöhnlich und dem besonderen Fall angepaßt. Aher in den Grund zügen entsprach das Zeremoniell dem uns bei Heliodor und im Seelen hymnus kenntlichen Ritual der Heliosweihe. Auch beim Tod Iulians sind ähnliche Zeremonien vollzogen worden. Nach Eunapios fr. 26 (Müller, Fragm. Hist. Graec. IV 25) haben die Priester dem zum Tode verwundeten Kaiser ein Orakel rezitiert : 1 p. 233 D 7tOpEtlOU [LE'l"� &.yC(.&lj<; e:ATC[3o<;. 2 p. 234 A [L�'t"e: 't"C(Lc; Q"EC(U't"OÜ [L�'l"E 't"C(Lc; bTEpoc; 7tUp tv6.&pt� (mit Flammenhaaren) , also der Sonnen f!;Ott.
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&.AA.' orr:6-cocv O"X�rt-cpo�m 't"EO�c; Ti c:pcr�'( oV OCL[LOC &xp� I:c:f...w xd1Jc; xf...ov�wv ��rp�c:crcr� 3ocfLcXO"O"'lJ�c;, 3-Yj -r6-rc: O"S rr:poc; 11ÜAU[LTIOV &yc:L rtUpLAOC[LrtSc; ()X'lJ[LOC &.[Lrp1 &uc:f...f... d 'l)LO"L xuxw[LEVOV ev mporpcXALY�L, > I -, -, I < (\ I < 1,,, pEV'EWv TIO/\U"CA'lJ't"OV ocvL'l)V. PL '!' ocv-coc ß po-cc:wv ��E�c; 3' OC�itEptOU (jlcXEOc; TIOC-cpw'( OV OCUA�V, �VitEV ?J..rr:ortf... ocyxitdc; [LEpo�'(ov ec; 3�[LOCc; �f...itc:c;. I
In der Hoffnung auf die Rückkehr der Seele zum Vater ist lulian ruhig gestorben.
B E I LA G E I I D I E E U R O PA D E S M O S C H O S
Des Moschos Gedicht "Europa" zeigt an mehreren Stellen so starke Ähn· lichkeiten mit Achilleus Tatios, daß man annehmen muß, der Roman· dichter habe Moschos gekannt.1 Gleich zu Beginn des Romans wird ein Bild mit der Meerfahrt der Europa beschrieben, und bei Achilleus Tatios ist klar, daß dies Bild allegorischen Sinn hat und auf die Meerfahrt der lo-Isis (als Kuh) zurück, auf die Irrfahrt der Romanhelden durchs Leben vorausdeutet. Die Frage liegt nahe, ob Achilleus Tatios diese allegori sierende Deutung neu hinzugefügt hat oder ob schon Moschos sie inten dierte. Ich glaube zeigen zu können, daß das letztere richtig ist, 2 und lege eine allegorisierende Interpretation der Europa des Moschos vor. Dabei soll von vornherein zugestanden werden, daß nicht alle Einzel· heiten unserer Exegese zwingend sind. Wer nur da Allegorese anerken· nen will, wo sie ganz unumgänglich ist, wird zunächst an manchen Stellen sein Fragezeichen machen. Aber es wird sich zeigen, daß an einer Stelle die all�gorische Deutung schwer zu umgehen ist, und dann ist sie prinzipiell auch für die anderen Stellen erlaubt. Das Gesamtbild wird dann so einheitlich sein, daß sich von da her auch die vorher zwei felhaften Einzelheiten rechtfertigen. Aphrodite schickt der Europa einen Traum : Zwei Frauen, Asien und das gegenüberliegende Festland, kämpfen um das Mädchen. Asien, die sie geboren und erzogen hatte, glaubte den besseren Anspruch zu haben. Aber die andere Frau war stärker. Sie sagte, das Schicksal des Zeus habe ihr das Mädchen bestimmt, und Europa selbst folgte ihr nicht ungern. Die gottgesandten Träume sind uns aus den Romanen wohl bekannt und spielten in den Mysterien eine große Rolle ;3 Lucius wird durch 1 S. W. Bühler, Die Europa des Moschos (Hermes Einzelschriften Heft 13, Wiesbaden 1960) 26. Bühlers wertvoller Kommentar ist im folgenden durchweg mit Dank benützt. - Des Moschos Epigramm auf den pflügenden Eros (·Horos·Triptolemos ; Anth. Plan. IV 200 A. P. XVI 200) und das Gedicht auf Alpheios und Arethusa (Stob. Flor. 64, 19 ; s. oben S. 120) haben ebenfalls eine mystische Bedeutung. 2 So läßt sich zeigen, daß Achille us Tatios mit der Isisdeutung des Erigonemythos n n r dem Eratosthenes folgte. 3 Vgl. auch den Traum der Io (Aesch. Prom. 645-654). =
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Träume zur Weihe gerufen. Es liegt hier nahe, die beiden Frauen auf das frühere und das neue Leben des Mysten, auf leibliche und geistige Eltern (die patres der Weihen) zu interpretieren. Nach dem Erwachen geht Europa mit ihren Gespielinnen zur Wiese am Strand. Sie trägt einen schönen Korb, den Poseidon ihrer Groß mutter Libye geschenkt hatte und auf dem die Schicksale ihrer Ahn frau lo1 dargestellt sind. Natürlich wird auf dem Korb das Geschick der Europa praefiguriert - und, so setzen wir hinzu, das eines j eden My sten ; denn lo ist eine Erscheinungsform der lsis. Die Stufenfolge lsis Psyche - Myste wiederholt sich hier : lo(-lsis) ist Vorbild der Europa, Europa Vorbild des Mysten. Auf dem Korb ist die Kuh lo zu sehen, wie sie das Meer über quert. Die Szene kann als mythische Entsprechung des navigium Isidis ge deutet werden, wie unten die entsprechende Episode der "Europa". Ferner ist Zeus auf dem Korb, wie er am Nil - dem heiligen Strom die lo-Kuh berührt (e7toctp�(J.evoc;) . Durch diese Berührung hat er die Kuh in eine Frau zurückverwandelt, und nun gebar Io einen Sohn, der nach der rettenden Berührung des Zeus Epaphos heißt. Er steht in naher Beziehung zum Apisstier.2 Die Ankunft der Io war im Iais tempel zu Pompei dargestellt.3 Zeus ist ein Name des Sarapis. Am Rand des Korbs sieht man Hermes und den hundertäugigen Wäch ter der Kuh Argos, 4 der von Hermes getötet wurde. Aus dem Blut des Argos entsteht ein Vogel, der Pfau (58-61) :
't'OLO �e: tpo�v�ev-roc; occp' OCL(J.OC't'oc; e�ocv&-re:A.A.ev /Spv�c; ocyoc:A.M(J.evoc; 7tn: puyw v 7t'o:A.uocv.&st )(po�Yj �. -rocc; 8 y'5 cXVOC7t'A�crocc;, wcre( 't'S T�c; wxuoc:A.oc; V1jUc; )(pUcreLOU 't'ocAOCpOLO 7t'ep(crxe7t'e xe(A.eoc 't'OCpcroi:c;. Dieser Pfau soll gleichzeitig an den Vogel Phönix erinnern (58 cpo� v�ev-roc;), der ebenso Rad schlägt wie der Pfau.& Achilleus Tatios be1 Der lo Sohn Epaphos ist Vater der Libye.
2 Herodot II 153 und 111 28. VgL Aeschylus, Hiketideli 44 und 3 1 1 und Kranz, Stasi
mon 103 f. 8 Pfuhl, Malerei und Zeichnung 666. 4 Bei Achill eus Tatios (S. 1 2 1 , 4) haben wir vermutet, der Wächter der Leukippe, Konops, hänge mit Argos und der Stechfliege des lomythos zus ammen. - Die Argosepisode ist mehrfach auf Wandgemälden dargestellt, s. Pfuhl 646 und 708. - Entstehung des Arguspfauen oder Argusfasans aus dem getöteten Argos : Dionysios, De Avibus (Para phrasis Oppiani ' I � e:u·nxwv, ed. Lehrs post Oppianum : Poetae Bucolici et Didactici, Paris 1851) I 28. ' & -rd:�i g y Maas, Bühler : -rcxpaov codd. • S. das Mosaikbild des Phönix aus Antiochia, oben S. 130, 3.
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!:-whrc�i h t den Pfau i n I 16 ; i n I I I 25, wo der Phönix erscheint, wird er dem Pfau verglichen. Beide Vögel sind Symbole der Sonne nnd der ll usterhlichkeit,1 der Phönix ist der heilige Vogel der Isisreligion. Der Korb der Europa im ganzen betrachtet legt also eine Deutung des Gedichtes auf die Isismysterien sehr nahe. Europa und die Gespielinnen pflücken am Strand Blumen : Narzis Ren, Hyazinthen, Veilchen, gpitu:A:Aov, Krokos ; Europa pflückt Rosen. Die Blumen haben symbolische Bedeutung, wenn auch einzelnes un sicher bleiben mag.2 Narzisse, Hyazinthe und Krokos sind Zwiebel pflanzen, deren Knollen im Boden überwintern und in der Erde den Tod besiegen. Auch das Veilchen kommt in jedem Jahr von selbst wieder. Veilchen, Narzisse und Rose werden auch in dem natursymbo lischen Abschnitt bei Achilleus Tatios I 1 5 , 5 genannt, Krokos, Nar zisse und Rose heim Opfer (Ach . Tat . II 15, 2). Die Rose, welche der Europa zukommt, ist die heilige Pflanze der Isis ; ich erinnere an den Rosenkranz, der die Rückverwandlung des Esels Lucius in einen Men schen bewirkt. Europa wird heim Blumenpflücken geraubt, wie Persephone. Man darf daran erinnern, daß Kore ein Name der Isis ist (s. oben S. 47) . Unter den blumenpflückenden Mädchen erscheint Zeus als göttlicher Stier, und zwar unverkennbar als Apis- Stier. Dieses Tier weidet nicht wie andere Tiere, zieht nicht den Pflug oder den Wagen (80-83) :
oux o!ot; CJ't"cx&[Lo'i:t; f:v� cpepße:'t"cx�, ou ae [LEV o!ot; &:Axoc a�CX't"[L�ye:� crüpc.uv EUXCX[LitEt; &po't"pov, oöa' o!ot; itO�[LV't)�t; f:m ß6crxE't"CX�, ouae [LEV o!ot; �e:üy:A't)�a uitoa[L'tJ&e:l.t; &püe:� itoMcpop't"ov &.it�V'tJV. Es ist also ein heiliger Stier, der besonders gehegt wird. Er ist von braun gelher Farbe, ein silberner Kreis funkelte auf der Stirn, die Hörner steigen beiderseits von der Stirn empor wie die Hörner des Mondes (84-88) :
't"OÜ a� 't"O� 't"O [LEV &:A:Ao ae[LCXt; �cxv&6xpoov f:crxe:, XOXAOt; a· &.pyücpe:ot; [LECJ(J(.U� [L!fp[LCX�pe: [LE't"dlm.n, ocrcre: 3' uitoy:Acxücrcre:crxe: xcxl. �[Le:pov &.cr't"pifit't"Ecrxe:v, L(JOC 3' Eit' &.:A:A�AO�(J� xepcx &.vhEAAE xcxp�vou &v't"uyot; �[L�'t"6[LOU xe:pcx1jt; 1he: xüx:Acx cre::A�V't)t;. 1 Hermes Trismegistos, Koiraniden p. 97, 19 R. (oben S. 1 1 8, 2) über den Pfau, Hor apolion II 57 über den Phönix (schon von Bühler angeführt). 2 Weiche Pflanze das !!p7tUMOV ist, ist unbekannt. 3 �Euy:A'Ijt ist eine vortreffliche Emendation von Bühler für das überlieferte lla•ni;,
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Literarisches Vorbild ist bekanntlich Homer ('Y 453 ff.) :
t1t1tov &pmpe7teoc 7tpoüxonoc, oc; 'rO fl.EV &"A"Ao -r6crov Cf>OLVL� �v, EV OE fl.E'rW7t<.UL AEUXOV rrYifl.' e-re-rux-ro 7tEp[-rpoxov �u-re fl.�V1j . Aber der alten Formel ist ein neuer Sinn untergelegt. Das Stirnmal ist ein Zeichen des Apis.1 Hier vertritt es offenbar die Sonne (xux"Aoc;), denn der Apisstier ist der Sonne und dem Mond heilig.2 Die mond ähnlichen Hörner des ßoüc; Atyu7t-rLOc; werden von Achilleus Tatios bei Gelegenheit des O p fers beschrieben (II 15, 3-4) : 'rO xepocc; . . . EX -rwv ,, n .... ' ( , o._ ' OCVOC ß OCLVOV, XOC'rot' fl.LXpOV XUp'rOUfl.EVOV 'rot<; XOpU· XpO-rot
'
'
welches eine Variante zu oio� darstellt und das echte Wort am Versbeginn ver drängt hat. Die Emendation soll also nicht auf p alaeographische Wahrscheinlich keit Rücksicht nehmen, sondern das treffende Wort einsetzen. 1 Herodot III 28 �xe:� 8& o !J.6crxo� oo-ro� b ''Am� xocAe:6!J.€VO<; Cfl)!Li)'ioc -ro�ci8e: €1tt {L€v -rw � !J.e:-r
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D i e Eu rop a d e s Mo s c h o s
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� a· &p' E:cpe:�OfLEV"fJ Z"t)VO� ßoeoL� E7tl. Vbl't'OL� TijL fLEV g_ze:v 't'OCUpou ÖOALXOV xepoc�, EV ze:pl. a· &Af."t) L dpue: 7top<:pupE"t)V 7tE7tAOU3 7t't'uzoc, ilcppoc xe: fL� fLLV Öe:uoL E:cpe:A:K6fLe:Vov 7tOAL�� &:l.o� &cr7tE:'t'OV i5öwp. XOA7tbl.&"t) a· aVEfLOLcrL4 7tE7tAO� ßoc.&U� Eupw7td"t)�, LO''t'[ov o!&. 't'E: V"t)O�, EAOC<:pp [�e:crxe: ae: XOUfl"t)V. Hier ist die Beschreibung der Isis Euploia nicht mehr zu verkennen, welche auf zahlreichen Münzen dargestellt ist : Das Segel bläht sich5 vom Wind. Hier bläht sich das Gewand "wie das Segel eines Schiffes" ; 1 licoris Rohde : litoris cod. 2 profundum Koehler : profundi cod. 3 7t'bt:Aou m:uz!X Bühler, vortrefflich : x6:A7t'ou 7\''t'UXIX codd. Die Korrupte! entstand aus einer Glosse x6:A7t'ov, welche 7t'e7t':Aou 7\''t'UXIX erklären sollte. ' &vefLOLO'� Salmasius, multi : &[.Lmm codd. , Wilamowitz, Bühler. Die Parallele n u s Achilleus Tatios (s. im Text) scheint mir die Konj ektur zu bestätigen. 6 V gl. auch Achilleus Tatios V 1 5 , 3 (Meerfahrt der I sis-Melite) yLVe't'IX� alj X IX 't'' oupav -f)(LWV o &ve:[.L O � ; 16, 6 o pii �� 31: XIX� 't'ljv oMV7JV Xe:XUp't'W[.LeV7JV.
D i e Europa des Moschos
331
der Stier ist also das Schiff. Die Parallele in der Beschreibung der Euro p a b ei Achilleus Tatios ist wieder eng (I 1 , 1 0-12) : lj 7tcx:p&evoc; f.LEcro Lc; E:m:x&&"'J't'O 't'o'i:c; v6.l't'mc; 't'oÜ ßo6c;, ou 7t<:pLß& a"'Jv, &:'AJ.a xcx:'t'a 7tAe:up&v, hl ae:�La Cl"Uf.Lßiicrcx: 't'W 7t6 ae:, 't"'� L ACX:LCXL 't'OU xepwc; E:xof.LeV"'), &mte:p ljv[oxoc; XCX:AWOU cx:t xdpe:c; !X[.LtpW aLe:'t'hotV't'O, lj f.LEV hl xepcx:c;, lj aE: e7t' oup&v . �(l't"''J 't' O aE: cX[.LCf>OLV excx:'t'epw&e:v tmep Tijv xe: cp cx:A�V lj XCX:AU7t't'(JCX: XUXAÜIL 't'WV v6.l't'WV e[l7t€7t€'t'CX:Cl"[leV"'J · 0 aE: XOA7tOc; 't'OÜ 7tErCAOU 7ttXV't'o&e:v e't'hot't'O XU(l't'OU[l€ voc;. xcx:l �V oihoc; !XV€[-LOc; 't'OÜ �wyptfcpo1>. lj ae a[x."')V e7te:xtf&"')'t'O 't'WL 't'CX:U(JM 7tAEOUCl""') c; V"')6c;, &cr7te:p tcr't'[wL 't'WL 7tErCAM XflW[.Lev"'J . An der oben (S. 115) für Achilleus Tatios aufgewiesenen allegorischen Bedeutung dieses Bil des (Euro p a � lo-Isis) wird man kaum zweifeln können. Als der Stier das Mädchen aufs weite Meer hinausgetragen hat, klagt Europa (1 3 5 :ff. ) ; die entscheidenden Worte sind 146-148. Sie hat das Haus der Eltern verlassen und ist dem Stier gefolgt ; sie macht eine Seefahrt in die Fremde und irrt allein umher : •
•
•
{.)f.LOL eyw [.Leycx: a� 'C'L aucrtX[.Lf.LO(JOc;, � ptf 'C'€ a w!J.CX: 7tot't'poc; cX7t07t(JOAL7tOÜcrcx: xcx:l ecrTCO[.LeV"') ßot 't'WL�e: �e:[V"'JV V<J:UnA["')V ecpe1tW xcx:l 7tA& �O flCX: L at"') . Die Seefahrt der Europa ist die Reise des Mysten durchs Lehen. Auch er hat, dem Gott folgend, die leihliehen Eltern verlassen und irrt umher. Aber der Gott wird ihm helfen, wie Zeus der Europa ; der Stier sagt die tröstenden Worte (154) :
und gibt sich als Gott zu erkennen.! Die Parallelen in den Mysterien sind dem Leser bekannt. Eine neue Heimat, Kreta, so sagt der Zens stier, wird Europa aufnehmen, wo ihre Hochzeit sein wird (Hochzeit Weihe) ; und Europ a wird dem Zeus königliche Söhne gebären (wie lo den Epaphos) . Und die Worte des Zeus erfüllten sich, Kreta wurde sicht bar, Zeus nahm seine wahre Gestalt an und machte sie zu seiner Frau (164) : =
" Sollte das Schmücken des Brautbetts hier im gleichen Sinn wie heim te:poc; y&.[.Loc; (11. 14, 347 :ff. ) zu verstehen sein ?" fragt Bühler. Ich denke, wir können diese Frage nun unbedenklich bej ahen. 1 Vgl. Horn. Hymn. Dion. 56 f., Apoll. 462 und 480.
D i e E u r o p a d e s 11f o s c h o s
Di" E u rupa des Moschos ist also ein allegorisches Gedicht und he zit· h t s i c h auf den Kult der Isis. Einzelheiten der allegorischen Deutung m ii�t � n
zweifelhaft sein ; im Ganzen aber ergibt sich ein so einheitliches
B i l lt , tlaß ein Zweifel kaum möglich ist. Wer Bedenken hat, ob man dem :Moschos solches Interesse für einen orientalischen Kult zutrauen könne,
denke an Theokrits Adoniazusen und an die Totenklage für Adonis von Bion, dem Zeitgenossen des Moschos. Im Übrigen haben die Grie chen die Isisreligion sehr bald nicht mehr als fremd empfunden. Diese Religion hat sich eine eigene Literatur geschaffen. Ü ber die Romane haben wir ausführlich gesprochen. Danehen standen epische Gedichte, wie der Isishymnus von Andros und die Europa des Moschos.1 Eine Reihe von Hymnen der Zauberpapyri werden sich bei näherer Be trachtung als Isistexte erweisen. Lyrische Stücke bezeugt das XI. Buch des Apuleius, und die ersten vier erhaltenen Gedichte2 des Mesomedes gehören auch hierher : Nr. I richtet sich an den Sonnengott Helios Apollon (d. h. an Horos oder Sarapis), Nr. II-IV an Nemesis-Nike, Physis, 3 Isis ; hier sind Nemesis, Nike und Physis nur andere Namen der Isis myrionymos. der
1 Vgl. auch Pap. Soc. It. 844, als Iaishymnus erwiesen von Heitsch, Mus. Helv. 17, 1960, 185 ff. 2 Über die richtige Reihenfolge der Mesomedes- Gedichte s. Heitsch, Nachr. der Akademie der Wissensch. in Göttingen 1959, 36 (Anm. 10) und 42 f. a Physis lsis : Athenagoras 22, 6. =
B E I LA GE 1 1 1 Ü B E R D I E G E S C H I C H T E D E S R O M A N S I M A LT E R T U M
Eine Geschichte des antiken Romans zu gehen liegt nicht im Zweck dieses Buches, welches das Verständnis der Texte erschließen will. Aber der Leser wird erwarten, einige Gedanken über Entstehung und Ent wicklung des Romans zu finden. Wie die anderen Gattungen der antiken Literatur, so hat auch der Roman seine Wurzeln in der Religion ; und wie in Epos, Lyrik und Drama müssen mündliche Ursprünge angenommen werden, die sich erst später zur "Literatur" entwickelten. Zentrale Bedeutung für die Entwicklung der neuen Gattung haben die mündlichen Geschichtenerzähler im Dienst der Götter, die Areta logen.1 Solche Geschichtenerzähler muß es in Griechenland,2 Syrien, Ä gypten von jeher gegeben haben. Ihr Repertoire darf man sich ziem lich reichhaltig vorstellen : Geschichten von der Macht (den &.pt::'t'IXL} der Götter, mythische Erzählungen, unerhörte Begebenheiten (Novellen), Fabeln, Schwänke, Rätsel, sybaritische und milesische Geschichten usw. Der äußeren Form nach sind für mündliche Geschichtenerzähler ge wisse stereotype Formeln charakteristisch, die das Improvisieren er leichtern. Die Erscheinung ist von Parry für das homerische Epos ein gehend untersucht worden ; in etwas geringerem Maß gilt sie für alle mündliche Poesie. Wie in den Grimm'schen Märchen, so giltt es in den aesopischen Fabeln gewisse immer wiederkehrende Wendungen, die nebenbei den Vorteil haben, Märchen- oder Fabelatmosphäre zu schaf fen. Reste solcher mündlichen Kunstübung scheinen in der einfachen, oft formelhaften Sprache des Xenophon von Ephesos vorzuliegen. Ein wirksames Mittel zur Belebung des mündlichen Vortrags ist die Einschaltung von Versen in die Prosaerzählung (Prosimetrum),3 wie sie in der Frühzeit der griechischen Literatur aus dem Lehen Homer5 und dem Wettkampf Homers mit Hesiod bekannt ist. Die Verse, welche 1 Über die Aretalogen s. besonders Reitzenstein, Wundererzählungen, und : Noch ein mal Eros und Psyche 72 f. 2 Das Erzählen von Geschichten bei religiösem Anlaß bezeugt für Griechenland Dernon (327 F 6) bei Plutarch, Theseus 23 (über die Oschophorien) . Man erzählte die Geschichten EU�UfLL!Xc; EVEXIX. Vgl. auch den Rahmen im Demeterhymnus des Kallimacho s. 3 S. Immisch, Neue Jahrb. 47, 1921, 409 ff.
(i il c r d i e G e s c h i ch t e d e s R o m a n s i m A l t e r t u m
4 i «·r E rzii h 1 4� r l 4, i l 4 �
auswendig kann, sind d a s Gerüst der Erzählung ; die Prosa
:-;ind nur Verbindungsstücke. Diese Form haben die philosophischen
Wandt�rprcdiger der hellenistischen Zeit aufgenommen ; in der menippei Satire · ist sie literarisch geworden.I Aber auch die Aretalogen sehcinen sie benutzt zu haben. Das Auftreten des Prosimetrums in der Historia Apollinii und bei Petron wird man kaum anders erklären ki.innen.2 Sehr merkwürdig ist die wichtige Rolle der Rätsel in der Historia Apollonii. Sie dienen dort nicht der Unterhaltung, sondern übermitteln religiöse Einsichten, haben also einen " Sitz im Lehen". Diese Funktion des Rätsels weist auf aretalogischen Ursprung.3 Die Mischung von Scherz und Ernst im Roman des Apuleius haben wir ebenfalls auf die Aretalogen zurückgeführt. Daß bei der Einweihung auch Geschichten erzählt wurden, darf als sicher angenommen werden. Der Psychemythos ist geradezu die Er läuterung der heiligen Handlungen, welche in der Weihe gespielt wur den. In geringerem Maße gilt dies auch für die übrigen Romane. Sehr bezeichnend ist, daß Heliodor (li 23 und 31) den Ausdruck gebraucht : "in die Erzählung einweihen". Bei Achilleus Tatios erzählt ein in die Mysterien des Eros Eingeweihter seine Geschichte im Tempel einem Hörer, der sich aus schwerem Seesturm nach Sidon gerettet hat - also einem Initianden, der Stürme des. Lehens überstanden hat, im Hafen angekommen ist und die lsisweihe genommen hat. Der aus dem Esel in den Menschen zurückverwandelte Lucius erzählt im korinthischen lsistempel den "Verwandten" seine früheren beschwer lichen Irrwege, d. h. sein Lehen (Apuleius XI 19) . Der Inhalt der Erzäh lung ist also eben der Roman des Apuleius, und der Erzähler ist ein lsis diener, der bald unter die Priester höheren Grades aufgenommen wird. Diese Erzählung ist eine Art Beichte.1 l'i 4 ' l te n
1 Vgl. Hehn, Lukian und Menipp 343 : . . . daß Menipp . . . diese Eigenart dem volks tümlichen Gaukler und Mimen abgelauscht hat." 2 Bei Martianus Capella und Boethius ist das Prosimetrum geradezu eine gehobene literarische Form, wohl weil es eine Form religiöser Bücher war. 3 Zu vergleichen ist, daß die Frauen sich in Deiphi bei den Agrionien Rätsel aufgaben. Pint. Quaest. conviv. VIII 1 p. 717 A, Nilsson, Griechische Feste 279, 1 (Hinweis von Karl Meuli). Im ägyptischen Totenbuch kommt ein Dialog zwischen den Türhütern und dem Toten vor, in dem dieser zahlreiche Fragen beantworten muß, die man fast kultische Rätselfragen nennen könnte (Kap. 125, Schlußrede 21 ff. ; Roeder, Urkunden :.nll ff.). Plutarch nennt die Weisheit der Ägypter octvty(J.oc-rw37j� (De lside 9). 4 Ä hnlich ist es in der Historia Apo!lonii (oben S. 1 69 f. ) und im Clemensroman (oben "
-
s.
1 7 5 1".).
Über die Geschichte des Romans im A ltertum
335
Der Roman des Xenophon und die Historia Apollonii sind in der Bibliothek der Artemis von Ephesos deponiert worden, ganz wie andere Aretalogien auf Papyrus oder auf Stein in den Tempeln der lsis, des Thoth oder des Sarapis. Die Belege sind oben S. 113, 2 angeführt worden. Noch die erhaltenen Romane sind nicht eigentlich für Lektüre in stiller Kammer geschaffen. Sie fordern den Exegeten, der den Gläubigen den geheimen Sinn der Erzählung erläutert.1 Longus führt einen solchen Erklärer wirklich ein. Er sagt, er habe in einem Nymphenhain zu Lesbos einen Bilderzyklus gesehen, den ihm ein Exeget erklärt habe. Der Roman des Longus ist die Wiedergabe dieser Erzählung. So führen viele Einzelheiten immer wieder auf Areta logen als Schöpfer der Gattung. Griechisches und Orientalisches ist im antiken Roman gemischt. Natürlich ist die äußere Form des Romans im wesentlichen griechisch. Die klassische Literatur stellte die literarischen Schemata, deren sich die Romandichter bedienten : Epos und Drama, Historiographie2 und Rhetorik,3 ja noch die menippeische Satire haben die Romane stark be einflußt.4 Die Fähigkeit der Romandichter, über weite Strecken zu disponieren, sucht man in der älteren orientalischen Literatur ver geblich. Sie ist griechisches Erbe. Aber auch den religiösen Inhalt der Romane darf man teilweise aus griechischer Tradition ableiten. Schon in der klassischen Z eit Griechenlands muß es religiöse Ge schichtenerzähler gegeben haben. Themen wie die Gefangennahme durch Räuber, die Aussetzung von Kindern, Seefahrt und Schiffbruch sind in Griechenland früh bezeugt. Aber in der Hauptsache ist der �eligiöse Inhalt der Romane orien· talisch. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die ersten Ro� ane zu Ehren der 1 Man erinnere sich z. B. der zahlreichen naturphilosophischen Episoden im Stil des Physiologus bei Achilleus Tatios und an das oben S. 295 ff. über Heliodor Bemerkte. 2 Eduard Schwartz hat bekanntlich den Roman aus der Historiographie abgeleitet, und dies ist nicht etwa falsch ; aber allerdings ist die Historiographie weder die einzige noch die wichtigste Wurzel. Komplexe Erscheinungen wie der Roman lassen sich nicht aus einem oder wenigen Elementen historisch herleiten. 3 Die Declamationen über romanhafte Themen scheinen z. T. von Geschichtenerzäh lern abhängig zu sein. 4 Man hüte sich aber vor dem Fehlschluß, ein Motiv deshalb als rein griechisch anzu sehen, weil es sich in der früheren griechischen Literatur findet. Wir haben viele Belege dafür gefunden, daß einem griechischen literarischen Motiv ein neuer orientalischer Sinn untergelegt wurde. Man muß immer mit mehrfacher Kausalität rechnen.
O b l' r d i 1J G c u h i c h t e d e s R o m a n s i m A l t e r t u m
worden sind.1 Vielleicht werden die Ä gyptologen aus d t � m u t i sdwn Texten noch Wichtiges beitragen können, das uns die Ent s td u m g des Romans besser verstehen läßt.2 In mancher Hinsicht ver l rd.c n die kurzen, novellenartigen Erzählungen bei Apuleius (Charite ; d e r kluge Arzt) am ehesten die aretalogische E1zählung, welche man als Keim des Romans ansehen darf. Der Psychemythos scheint geradezu der zentrale Text zu sein, von dem aus die ganze Entwicklung verständ lich wird.3 Er ist noch ein Mythos, kein Roman. Aber für den tiefer Blickenden sind alle I;;isroiqa\le nur Variationen um das zugrunde lie gende Thema, den Mythos der Isis-Psyche. Besonders nah ist ihm der älteste erhaltene Roman, der des Xenophon. Die Zeit der großen Romane scheint erst mit dem Untergang des Ptolemäerreiches zu beginnen. Der lsisdienst verlor seine nationale Beschränkung und wurde zur Weltreligion.4 In allen Hafenstädten faßte sie Fuß ; eine zielbewußte Mission ist am Werk.a Es entsteht eine Literatur im Dienst der Isis,6 Hymnen und Romane. Der früheste erhaltene Mysterienroman ist der des Xenophon, aus dem Anfang des 2. Jahrh. Aber es muß solche Texte scho� etwa hundert Jahre früher gegeben haben, denn Petron parodiert �ereits einen Liebes roman desselben Typs.7 In Rom sind solche Bücher vielleicht erst unter Caligula bekannt geworden. Die Selbstbesinnung auf die national-römischen Traditionen unter Augustus und Tiberius war der Ausbreitung des ägyptischen Kults nicht günstig. 8 Caligula hat dagegen die Isisreligion gefördert. 9 l s i s 1-('�"'�h riehcn
1 Freilich darf man nie vergessen, daß wir über das zweite wichtige Zentrum des Hellenismus, Syrien, viel schlechter unterrichtet sind. Vom Ninos-Semiramisroman sind leider nur Papyrusfragmente erhalten, die nicht viel helfen. 2 Vgl. oben S. 79, 1 . 3 Daß Apuleius eine schriftliche griechische Fassung des Psychemythos benützt hat, ist oben nachgewiesen worden. Für die Geschichten der Charite und des klugen Arztes dürfte dasselbe gelten. 4 Ebenso konnte der Mithraskult nur außerhalb des persischen Machtbereiches zur Universalreligion werden. Die Machtlosigkeit des jüdischen Staates hat die Entstehung universalistischcr Richtungen begünstigt, die Zerstörung von Jerusalem die durch Paulus begonnene Trennung des Christentums vom Judentum weiter gefördert. 5 S. Harder, Harpokrates von Chalkis und die memphitische lsispropaganda (1943). 6 Vgl. oben S. 332. 7 S. Heinze, Hermes 34, 1899, 494 ff. Vom Geist des Römertums2 (1960) 417 ff. 8 Die kurze Periode orientalischen Einflusses in Rom zwischen 48 und 39 v. Chr. , wdchc wir oben S. 18,0 gestreift haben, kommt für dieVerbrcitung des Romans kaum in ßlltracht. • Näheres bei Ernst Köberlein, Caligula und die ägyptischen Kulte. =
Ober die Geschichte des Romans i m A ltertum
337
Die erhaltenen antiken Romane kann m � in vier Typen einteilen : l . Erotisch-mystische Romane. Sie sind der Grundtyp . Auf die Isis romane (Xenophon, Achilleus Tatios, Historia Apollonii) folgen der Mithrasroman des Iamhlich und der Heliosroman Heliodors. Die grie chischen Kulte haben die neue Form übernommen ; wir kennen den Dionysosroman des Longus und den pythagoreischen Roman des Anto nius Diogenes. Man kann in dieser Gruppe auch schriftstellerische Entwicklungen beobachten. Xenophon erzählt noch recht einfach. Dagegen sind Achil leus Tatios und Longus Musterstücke sophistischer Prosa mit kurzen Gliedern und gefeilten Antithesen, die fast schon manieriert wirken. Heliodor haut lange Perioden und behält den Faden immer sicher in der Hand. Seine .Fülle und Eleganz sind bewundernswert ; er ist ein Meister. Ähnliche Beobachtungen gelten für die äußere Anordnung. Xenophon erzählt alles einfach und der Reihe nach. Verschiedene Handlungsstränge werden einfach nebeneinander geführt. Ganz anders Antonius Diogenes und Heliodor ; welche großen Wirkungen der letztere durch die dem Homer nachgeahmte Inversion der Handlung erreicht, ist oben dargelegt. Achilleus Tatios sticht von den älteren Romanen dadurch ab, daß er oft psychologische Beobachtungen mitteilt, welche zeigen, daß der Autor mit offenen Augen um sich geblickt hat. Der Roman entwickelt sich zu einer literarischen Form, in welcher der Autor persönliche Einsichten mitteilen kann. Die Zeichnung von Charakteren liegt dem Mysterienroman zunächst fern. Seine Personen sind ursprünglich nur Figuranten in einem heiligen Drama. Aber auch hier zeigt Heliodor bereits einen beachtlichen Fort schritt ; Nebenfiguren wie Kalasiris und Knemon sind eindrucksvoll gezeichnet. Ursprünglich waren die Romane für Eingeweihte geschrieben und dienten noch nicht der Mission. Das wird später anders. Die Helios redaktion des Xenophon will Isismysten für den Dienst des Sonnen· gottes gewinnen ; der Clemensroman will den Heiden zeigen, daß die ihnen vertrauten Geschichten auch bei den Christen zu finden sind. Heliodor wirbt unverkennbar für die Religion des Helios, wenn auch in vornehm-zurückhaltender Weise. Das XI. Buch des Apuleius missioniert ganz offen. "7ir kommen auf Apuleius unten zurück. 2. Parodische Romane. Durch die Niederschrift der ursprünglich mündlichen Erzählung der Aretalogen war eine neue literarische Gattung 22
Merkelbach
.J:l/1
Ober die Geschichte des Romans i m A ltertum
(, n ts l aiJ(lcn. Welche Möglichkeiten i n ihr lagen, sollte sich erst zeigen, als m a n d em neuen Geschöpf die Nabelschnur löste, welche es mit seiner M nttcr, d e r Religion, verband. Die Aretalogenerzählung hatte Scherz und Ernst durcheinander ent· h alten. Der parodische Roman war also von vornherein in ihr angelegt.
Dennoch muß man Petron und den Eselsroman als etwas ganz Neues betrachten. Indem man nun die neue Gattung, den Liebesroman, paro dierte und die Beziehung zum Kult aufgab, wurde der Roman zur reinen Literatur. Nun erst wurde es möglich, seine Gedanken über den Lauf der Welt im Roman niederzulegen, Fehler und Torheiten der Menschen zu verspotten, Charaktere zu zeichnen usw. In religiösem Sinn war der Roman schon vorher ein Spiegel der ganzen Welt gewesen ; in literari schem Sinn wird er es erst jetzt. Natürlich sind Petron und der griechische Eselsroman - literarisch betrachtet - die unbestrittenen Meisterwerke unter allen antiken Roma nen. Das köstliche Werk Petrons hier zu preisen ist überflüssig. Der Eselsroman ist leider verloren. Aber sein Inhalt ist uns genau bekannt durch die im Corpus des Lukian erhaltene Epitome (Aouxw<; � ''Ova<;) und die lateinische Bearbeitung des Apuleius. Es war ein satirischer Roman, der die pythagoreische Seelenwanderungslehre parodierte. Aber der Ro man hat ein Bild der ganzen Weh gegeben : Der in einen Esel verwan delte Lucius kommt in die Hände der verschiedensten Herren. So lernt er alle Verhältnisse von innen kennen. Am Ende weiß der Leser, wie es um das Treiben der Menschen steht. Die Grundidee des modernen Schel menromans, in dem der Held als Diener der verschiedensten Herren durch die Welt kommt und alle Verhältnisse kennenlernt, geht auf den griechischen Eselsroman zurück.1 3. Eine ganz eigenartige Stellung unter den antiken Romanen nimmt Apuleius ein.2 Er hat den Eselsroman lateinisch bearbeitet und ihm dabei wieder einen ernsten religiösen Sinn unterlegt. Der Eselsroman hatte ältere Mysterienromane parodiert. Apuleius kehrte wieder zu dem -----
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1 Es gibt eine Reihe guter Untersuchungen über den Eselsroman, aber eine Rekon struktion des verlorenen Werkes wurde noch nicht vorgelegt. Sie ist möglich und sollte wegen der Wichtigkeit des Buches für die Weltliteratur unternommen werden. Dabei wird es nötig sein, den größten Teil des Apuleius und die griechische Epitome parallel nebeneinander abzudrucken ; nur so wird es dem Leser möglich werden, sich rasch l'in Urteil zu bilden. Ein Kommentar sollte über die gesicherten Ergebp.isse der bis lwrip;cn Forschung berichten. 2 l d1 muß mich darauf beschränken, meine Auffassung über das Werk des Apuleius zu " k i zziercn.
Ü b e r d i e G e s c h i c h t e d e s R o m a ns i m A l t e r t u m
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ursprünglichen Sinn zurück. Die Mischung von Scherz und Ernst, und vor allem der ernsthafte Sinn hinter dem Scherz, entsprach ganz der aretalogischen Tradition. Die Verwandlung des Helden Lucius in den Esel und die Befreiung von der Eselsgestalt, die Strafe für die vorwitzige Neugier, die Räuberepisod'e erhielten statt des satiris�hen wieder einen mystischen Sinn.1 Ferner hat Apuleius die drei Erzählungen von Psyche, Charite und dem klugen Arzt eingefügt und den Schluß der ganzen Erzählung abgeändert. Dazu kommen kleinere Änderungen2 und Zu· sätze. 3 Aus Eigenem scheint Apuleius nur das XI. Buch verfaßt zu haben. Das ganze Verfahren erinnert etwas an die Art, in der später der Constantinsbogen aus älteren Werkstücken zusammengesetzt wurde. 4. Weiche Möglichkeiten einem vom Kult getrennten Liebesroman offenstanden, zeigt das Werk des Chariton. 4 Dieser Autor hat zwar eine vage Idee von der religiösen Beziehung eines Romans gehabt ; aber die wirkliche Mysterienbedeutung der verschiedenen Episoden, welche im Roman traditionell waren, hat er nicht gekannt. Ständig stehen bei ihm solche Episoden in einem Zusammenhang, welcher dem Mysteriensinn entgegengesetzt ist.5 Darum ist die Lektüre des Chariton irritierend für einen Leser, der den geforderten Hintersinn kennt und erwartet. Aber was dem Kenner der Mysterien ein Fehler scheint, kann sich für eine rein literarische Betrachtung als Vorteil erweisen. Es ist ziemlich schwierig, eine Handlung so zu führen, daß sie dem Ritual der Mysterien parallel läuft. Der individuellen Erfindung des Dichters sind enge Grenzen gesetzt. Überall ist er an die Kulthandlungen 1 Lucius wird zum Esel durch die unerlaubte Liebschaft mit der Ieichtsinnigen Photis. Er wird ihr Sklave (111 19, 5 in servilem modum addictum atque mancipatum; 22, 5 tuumque mancipium) und vergißt der Heimkehr (111 19, 6 nec larem requiro nec domu itionem paro). Er wird von der Eselsgestalt frei, als er den concubitus mit der Ver brecherin meidet (X 34) . Vgl. S. 314, 5 . F ür die Episode vom Esel i n der Mühle vgl. Doresse, Les liyres secrets des Gnosti ques d'Egypte 240 f. : Le sort des hommes est mis en parallt1le avec celui de l'ane qui tourne la meule, marchant pendant des milles mais se retrouvant toujours, miserable ment, malgre sa peine, au meme endroit. L'äme qui n'est point unie a l'Esprit est pareille a l'homme ou a Ia femme isoles, en butte aux entreprises galantes des gens depourvus de sagesse. 2 Z. B. in der Einleitung der Psychegeschichte. 3 Z. B. die Beschreibung der Aktaiondarstellung II 4, welche die Tierverwandlung des Lucius praefiguriert und die Strafe des Lauschers zeigt. 4 Chariton hat gegen Ende des 2. J ahrh. geschrieben, nach Xenophon, Achilleus Tatios und lamblich, deren Werke er benützt. Näheres in einer Arbeit von Remy Petri. 6 Dies ist insofern wichtig, als sich zeigt, daß man riicht j ede beliebige Handlung als Mysterientext interpretieren kann. 22°
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O b a d i e G e s c h i c h t e des R o m a n s i m A l t e r t u m
w�k(� l td . Die stereotype Einheitlichkeit der Romane ist unvermeidlich, 1ml an�e die Handlung den Mythos und das Ritual umspielen muß. lndi v idndlc Charakterzeichnung ist kaum zu erreichen. All diese Hinder nil-iHe für eine rein künstlerische Darstellung fallen für den Autor weg,
der die Verbindung zur Religion löst. Er kann erzählen, wie es der Zu Hammenhang seines Romans fordert. Nun kann man nicht sagen, daß Chariton die neuen Möglichkeiten, die sich ihm eröffneten, entschlossen genützt hätte. Er war kein großer Geist, sondern nur ein kleiner Schreiber zu Aphrodisias in Kleinasien und hat die Mysterienromane, deren Hintersinn er nicht verstand, ziem lich sklavisch nachgeahmt. Und dennoch ist - immer rein literarisch betrachtet --: dabei ein Werk herausgekommen, das in mancher Hinsicht vorteilhaft von den anderen Liebesromanen absticht. Die Charaktere sind besser gezeichnet, die Handlung ist abwechslungsreicher geführt als in den Vorbildern. Man sieht deutlich, welch große Möglichkeiten sich einem vom Kult gelösten Liebesroman eröffnen konnten. Freilich ist uns kein antikes Werk erhalten, das diese Chancen genützt hätte. Erst die neuere Zeit hat den Faden wieder weitergesponnen, den das Altertum hatte sinken lassen.
R E G I S TE R Abstinenz 242 260 Acclamation 1 1 2 151 155 f. 288,3 Achill auf Skyros 145 Adler 35 f. 37 f. Adonis 74,4 109,0 138 1 6 1 252 f. 262 ; s. auch Osiris Adoption 165 Aelian 1 1 9 Alchemie 1 1 9 f. 3 1 1 Alexandria 14 95,1 1 0 3 1 0 9 1 3 5 f. Alexandros von Abonuteichos 1 19 f. 243,4 Ameise 35 f. Amnestie 1 88,2 Andromeda 11 f. 125 236 f. 285 288 Anker 168 250,1 Anubis 32 f. 52,2 67,2 80 f. 1 26,2 Apfel 2 1 5,5 Apis 328 f. Apollonios von Tyana 1 2 0 233 f. 243 f. 287 Apuleius IV 30,2 : 8,4 ; IV 10,2 : 35,1 als Zauberer 244,2 - griechische Vorlage 10,4 1 9,5 2 1 ,3 26,5 27,3 42,6 5 1 , 1 Arados 173,2 Aretalogen 88 f. 1 1 3,2 115 1 67 194,3 277 333-35 Aretalogie 1 06 1 1 2 f. 151 170 f. 1 76,3 209,1 219 f. 239,3 290 320 Argos 1 2 1 ,4 327 Aricia 53,2 Aristoteles 35,3 228 297,4 Arzt 82-86 102 164 f. Aschenputtel 35 Asklepiades von Mendes 18,0 Astralleib 309 3 1 8 Asyndeton i m Symbol 142 152 222,1 Attis 75,6 237,4 ; s. auch Osiris Auge 259 Augustus 1 7 ,9 Aureole s. Nimbus Aussetzung 197 f. 236 f. 292 308 -
B ad 1 5 23 f. 42 168 200-205 ; vgl. Schiff bruch
Ball 168 Beichte 1 69 f. 1 7 5 185 245 f. 290 f. 334 Bellerophontes 44 108,3 2 1 2 Berufung zur Weihe 1 2 1 6 f. 329 Bessa 257-272 Betteln 173 f. 2 59 262 269 f. Binse 36,4 1 68 Blut 187 ; abwaschen 207 Boethius 3 2 1 ,3 334,2 Bordell 1 10 166 f. ; vgl. 14 7 Brief 246 f. 304 f. 3 1 5-17 Brot 36 47 107 183 207 2 1 3 Bruder 1 9 152 f. 2 3 2 249 f. 255 285 289 312 320 Buch im Tempel deponier t 113 1 7 1 335 gefunden 227 232 Bühnenmetapher 6 1 , 1 242,2 258 285,5 287 291 Busse 1 2 3 1 62 Byzanz 1 1 5 ,2 1 16,4 -
cataclista (Weihekleid) 145 251 262 269 286 309 3 1 9 Chaldäische Orakel 235 241 ,3 301-320 - p. 52 K. : 3 1 6,2 Chaldäische Wissenschaft 3 1 1 Chariton 1 5 9 166,6 1 73,2 3 3 9 f. Chemmis 252-267 cista mystica 43 48 128 238,1 246,3 conversio 24 7 crepundia 168 2 19,4 279,1 curiositas 1 1 9 f. 48 Cypresse 216,4
Damm 1 3 1 134 f. 281 Danaiden 45 f. decuriones 85,1 Delos ll7 ,0 145,6 255 Delphin 209 f. 215 dignatio 16 ; vgl. 25,5 Diodor I 96,8 : 45,1 dionysische Wunder 203 208 f. Doppeltraum 1 3 2 ,2 198 f. 2 2 1 242 ,1 276 284 f. Drachen 37-40 281 f. 302 ff. 3 1 1 318
342
R eg i s t e r
Echo 21,2 2 1 1 Eid 2,1 1 9 f. 9 6 2 1 1 2 3 2 248 2 5 9 279 Eiefa u L .1 2 .1 f. 133 Elephan l ine s. Philae Eleu�is 14 f. 22 26 31 35 45-48 224,1 Eltern 1 98 313 327 Empcdokles 230 260 3 1 3 f. Entführung 203 207 f. 220 f. Eos 240,4 Ephesos 91 ff. 102 1 1 2 1 64 1 69-7 1 175 255 Epheu 1 1 8 1 94.-222 323 Epilepsie 1 1 0 ; vgl. 134 Epoptie 22 48 283,1 320 Eratosthenes, Erigone 32,1 78,6 1 2 1 ,2 326,2 Eros, kosmischer 1 94,2 205,4 2 1 6,2 - 7tOL[L-i)V 222 - Darstellungen in der bildenden Kunst 5 2 l f. 26 ff. 39 Ertrinken 24,0 105 134-39 165 172 f. ; vgl. 166,1 Esel I 1 76 339 Esies s. Ertrinken Euripides 95,1 1 92-222 230 Europa 115 1 58,1 326 ff. Fama läuft 1 1 1 f. 1 5 1 ,3 220 ; vgl. 176,3 Fasten 2 8 (Sobrietas) 47 103 275 Feridun s. Thraetaona Fesselung 27 f. 99 l l O 1 25 f. 143 1 46 180 f. 203 f. 275 Feste 91 101 106 111 129 ff. 146 157 167 210 2 1 3 222 240 282 f. Feuerprobe, Feuertaufe 66,1 96,3 105 f. 157 183 f. 256 277 286 Fichte ll8 153 202,4 208-2 10 2 1 6 Filocyriussarkophag 52,4 92 9 5 , 1 1 0 8 136 Finden s. e:Ü pe:c n<; Fisch 168 Fischer 108 1 35 f. , 157 163 181 206 212 249 Flamingo ( tpO L\ILX07tTe:po<;) 267 Flucht 123 161 f. 172 181 226 f. 246 f. 292 294 Flug des Mysten 13 106,1 1 5 1 278 Folter 33 98 f. 147 149 275 277 Freiwilligkeit 1 3 23 32 42 f. 104 147 f. 150 191 274-77 286,2 Furcht und Hoffnung 1 7 115 125 144,2 H7 226,5 246
Fußtritt 169,1 253,2 Ganymed 3 7 42 108,3 2 1 0,3 2 1 2 Garten 1 1 8,3 279 f. Gebühr für die Weihe 16,6 86 1 03 165 Gefängnis 99 106 143 146 f. 264 276-78 Geißeln 3 3 f. 49 99 1 1 0 141 147 207 f. 275 Gift 83 102 184 275 Giftmischerionen-Mimus 88 Grab s. T!itpo<; Graben 27 1 1 1 ,2 1 1 5 141 152 Grube I 07 f. 200 Haare gepackt und ausgerissen 33 123 143 166 ; vgl. Locke Hacke s. Graben Hafen 95,1 1 1 5 Hahn 1 2 1 f. 255,1 Harpokrates Aion 20,4 32,1 Agathos Daimon 1 1 ,4 1 24,1 Apollon 11,1 124 Eros 4 11,1 2 1 , 1 Kronos 20,4 Sol 5,1 1 6 20,4 2 1 , 1 ; 5 als Drache und Krokodil 1 1 ,3 Schweigegebärde 5 Hasenjagd 206 2 1 7 Heliodor X 8 , 2 : 3 1 9,2 Heiltrank 135 f. ; vgl. op cip[Lo;xov Heimkehr 1 1 2 1 5 8 226-28 231 308 3 1 2 3 2 0 325 Herakles 12,1 125 157 226 f. 250,1 Hermes 1 1 9 322,7 Herrscherkult l l 0,2 286,0 Hesiod 315,1 323,1 Hesione 12,1 Hinken 249 f. 270 Hippolytos 87,9 Hirt 266 ; s. o;l7t6:Ao<;, ßouxo:Ao<;, 7tOL[L-i)v Höhle 107 1 53,3 182 f. 1 96 256-63 ; vgl. Grotte Homer Aegypter 296 f. - Demeterhymnus 46,4 77,4 - Dionysoshymnus 203 f. 209 f. 2 1 2,6 331,1 Honig 182 Horapolion 119 Horos s. Harpokrates Hunger 1 74 275 ; vgl. Fasten =
=
=
= = =
lsis
=
Aphrodite 8
R eg i s t e r
Isis
Artemis 92 Astarte 1 1 , 1 75,1 Demeter 30 f. Hekate I 2 7 ,2 Hera 31 f. lo 3 f. Kore 32,1 47 78,9 Nemesis 8 f. 33 Parthenos 32,1 Persephone, s. Kore Physis 323,3 Pronoia 6,2 42 97 ,I Selene 1 1 6,4 Tyche 5,5 Herrin der Winde 2I Herrin der Seefahrt 9 67 95 f. 1 1 5 I 4 0 329-3 1 myrionymos 5 1 69,5 sospitalrix, crwT�>tpoc 1 1 , 1 32 98 lulian 235,1 293,1 297,4 31 2,5 3 I 5 ,2 321-25 lupiter Dolichenus 290,1 =
=
=
=
=
=
=
34 3
Kranz 36 1 63 181 189 2 1 3 f. 2 9 0 f. Kreuzigung 1 04 180 1 90 f. Kriegszug 207 f. Krokodil l l ,3 7 1 I36 f. 266 f. Kronos 225-2 3 3 Kykeon 35,4 Kyrene 163
= =
=
=
=
= =
Kanopos 1 18,3 244,2 Karthago 225-27 Katabasis 37-47 107 f. 228 ; vgl. Leba deia Kebes 15,0 33,3 34,2 35,2 45,2 83,2 1 00,4 226,5 247,2 3I4 f. 323,1 Kenotaph I 66 Kette, goldene I80 186 274 28I Keuschheitsprobe 155 f. 286 Keuschheitszeiten 36,2 1 04,1 I32 f. vgl. crwtppocrOV1J Kinderweihen 223,I 238 Kinyras 74 161 Kleid, neu es 1 63 1 7 3 2 1 8-2 2 1 248 3 1 8 ; vgl . cataclisla Kleid zerrissen 35 99 1 1 0 Kleidertausch 145 190 Kleid Körper 313 318 Knabenliebe verpönt 67,1 101 f. l l l ,l l l 7 124 1 54 2 1 7 f. Knechtsdienst 30 141 152 174 273 fl'. 304 3 1 3-15 321 323 f. Koiraniden des Hermes Trismegistos l l 9 284 Kombabos 273 Komische Züge 9,2 26,4 5 1 82 86 fl'. 1 2 7 f. 1 66,7 334 Koptos 26 1 04 106 109 Krankenheilung 1 7 6 -
=
Lachen 250,2 258 f. 264 270 Lampe 2 1 fl'. 261 f. 272 2 7 9 282 Laube 2 1 2 Lebadeia 14 26,3 43,4 2 2 7 , 0 3 1 5 , 1 Leben Tod I82 2 3 0 314 Lehm 200 f. 269 f. Leiter 1 68 1 8 1 293,2 Lethe 43,4 83,1 230,1 314 f. 317 324 Lichterfest 137 , I Liebe, platonische 241 ,3 249,0 Literarischen Motiven neuer Sinn unterlegt 28,3 3 1 ,3 94 149,2 329 Locke 26 fl'. 52,4 92 1 1 1,3 14I ; vgl. Tonsur Lorbeer 2 16,4 323 Löwe 1 2 I f. 1 8 1 190 Lukian 225,2 229 231,2 =
Mahl, sacrales 1 5 1 7 ,8 36 103 124 152 163 184 222 280 Malta 1 39,1 Mandragora 8 5 Märchen I 8,2 Marsyas I 2 6 Martianus Capella 334,2 Märtyrerakten 99 148 277 Meer ÖA1J 95,1 1 68 212,5 249,1 310 f. Meleager 78,9 Memnon 236 240,4 285 Memphis 4,1 14,3 43,4 44,3 45 106 f. 1 09 255 2 7 1 Menschenopfer Tod i m Mysterium 101 126 204,3 Mesomedes 332 Methymna 192 206 Milch 1 95-98 miles, militia 1 2 1 183 ; vgl. crTpocnWT1J� Mimus 87 f. 242,2 Mithras-Motive bei Heliodor 256-59 274 277 281 f. 289 f. 292 293,2 Mnemosyne 43,4 Mond 225 f. 230 f. Moschos 33,1 1 20,2 326 fl'. Mühle 339 , 1 =
=
R eg i s t e r M u m it• :! 7 , 1 7 7 86 105 108 126 f. M ust·lwl :H 0 f. M y rrlw 7 :1 161 2 1 2 ,2 323 M ysterimthaus 14 30 M y s t er i en sinn 28,3 42,5 238,3 250,2 2 5 5 ,3
270,3 275 286 289 295-98 ; vgl. Ver sehleierung M y th en geheim 67 80 -- wandelbar 67 80 - verschiedene Deutung 1 24 Mytilene 167 192 Namenswechsel 174 f. 185 f. 190 263 f. ; vgl. signum navigium Isidis 9 95 327 329 f. N eoptolemos 240 Nil 36 f. 39-41 105-07 131 f. 1 34-37 239 2 81-83 Nilpferd 133 Nimbus 287 3 1 9 nomcn verum 8,5 70 9 2 Nut 32 Nymphen, Nymphengrotte 1 95-2 2 2 Oberflächensinn 9 0 125,2 Odysseus 20,0 94,3 112 f. 163,2 247,2 249 f. 2 5 5 ,3 259-62 270 f. Ohrfeigen 35 1 2 3 133 143 147 1 5 2 2 7 2 , 1 Oknos 44 Opfer s. J..oyLx-� B-ucr(� Orakel 10 93-95 109 240 292 ; vgl. Traum Origenes in Celsum I 12 : 58,1 Orpheus, Orphik 41,5 194,2 196 f. 203,2 205 2 1 6,2 2 1 8 237 , 1 244,1 Osiris Adonis Attis 7 2 ff. Dionysos (Liber) 77,5 Wahrheit 70,4 als Weltschöpfer 105 vgl. Brot, Ertrinken, Mumie, Nil, Sarapis, Wasser =
=
Peregrinus Proteus 243,4 Perle 309-11 Perser 263 Perseus s. Andromeda Petron 80,2 128,2 214,2 237,1 Pfau 1 1 8 327 Phanes 2 1 6,2 Pharos 136 f. Philae 40 f. 107 238 280-84 Philostrat 233 f. 236 f. 240,2 243,2 260,1 282,1 Phönix 1 1 8,2 120 1 29-32 261 f. 267 327 f. Physiologus 1 1 9 241 266 284 3 1 0 Pieta 252 294 Platane 1 18 2 1 7 ,4 Platon 24,4 30 45 f. 94 227 f. 267,5 276,1 298,1 311 3 1 3,4 317 Pleonasmen 5 1 8 2 310,5 Plotin 234,4 247,2 259 264,1 278,1 294 296,1 3 1 6,0 3 1 8 Plutarch 4 , 3 1 2 ,3 1 4 , 5 30 4 4 f. 54 5 8 205,6 2 2 5-27 230 2 7 0 , 1 Potiphars Weib (Motiv) 80-86 99 104 253 273 praefectus Aegypti 109 f. Praeneste 6,0 1 1 9 Proklos i n remp. I I p. 108,20 : 62,2 Prometheus 1 2 5 Prosimetrum 332 f. Proteus 243,2 Prozeß 70 ff. 84 148-56 169-7 1 207 287,4 Prüfungen 33 ff. und passim Purpurschnecke 156
=
=
Palme 1 1 8 245 262 Pan 24 53 194-2 2 2 Panspermie 35,4 Pantomime 2 1 1 Pap. Soc. It. 1 1 6 2 und 1 290 : 20,1 105,2 Passivität des Mysten 33 35 104 140 1 43 f. 150 207 220 250 272 pater 86 100,1 150,3 1 5 2 -54 157 f. 1 8 5 , 1 1 90 2 3 8 , 5 242,2 247,2 2 4 8 250 288 3 2 1 l'l'�asos s. Bellerophontes l't•lusinm 104 124
Quelle 14 181 190 213 Raben 182 f. Rad 168 Rätsel 59-61 161 f. 1 68 295 334 Räuber 2 30 75 96 f. 125,2 und passim Rechte Hand erhoben 289 f. renatus 1 2 ,5 187,3 Rhodos 96 1 1 1 Ring 2 3 6 2 6 1 265 2 7 6 2 7 8 f. 288 Rollentausch 129,1 135 148 159 Rom 1 1 7 ,0 145,6 1 7 2 1 93 f. 234 289 Sapphos Sprung 1 3 24 233 Sarapis 10,4 14,4 1 6 3 1 f. 38,6 5 1 f. 98 105 1 1 0,2 1 1 3,2 1 1 5 137
345
R e g i s t er
Sargritual 83 103 1 26 f. 1 64 230 ; vgl. 182 184 Sarkophage 78,9 1 99,4 204 206 2 1 2 , 3 220,1 Satyros 118 1 94-222 Schauspieler s. Theater Scheintod 47 f. 83 103 1 2 6' 137 1 64 f. 178 182 f. 184 210 227 230 Schenkelwunde 76 1 3 7 f. 1 5 2 249 f. 261 f. 297 ; vgl. Hinken Schiff 140 168 Schiffbruch 95 101 104 124 163 1 7 3 203 ; vgl. Bad Schlaftrank 50 83 88 103 184 313 f. 322,6 ; vgl. 1 3 3 f. 275 Schläge 126 143 174 205 f. ; vgl. Geißeln Schwamm 1 6 8 Schweigen des Mysten 2,1 5 � 9 44,5 1 1 7 1 4 2 f. 205,6 und oft Schwertprobe 189 258 f. Seereise 94 f. Selbstmord verboten 24 1 7 5 188,2 276,1 320 Seligpreisung des Mysten 14 f. 2 1 3,0 ; vgl. 195,2 Semiramis 237,4 Servius in Aen. VI 154 : 4 1 , 1 signum (l\Iystenname) 107 109 1 1 7 ,0 141,4 165 Simias 205 ,4 Sirenen 2 0 ,0 Sol invictus bei Xenophon 91 96 98 l l 1 Sothis 1 3 1 Sparta 108 ; vgl. 141,4 Spiegel 9,3 168 Sprung 13 Statuen 286 296 Stellvertretender Tod 83 134 137 f. 182 f. 203 f. 230 256 f. 264 f. 275 Stier 1 79,4 203 f. 240 f. 286,1 289 292,3 Stratonike 2 7 3 Sturnn 100,5 124 163 Sturz in die Materie 10,2 l l 6,1 122 f. 1 5 8 162 227 246 292 3 1 3 3 1 7 J 32 lf. Styx 37-41 1 5 5 Suchen s. �-f)TI)cHc; Syene s. Philae Sympathielehre 62,2 1 1 5 1 1 8 :ff. 3 1 1 f. Synesios 58,4 260 309,2 3 1 3-15 320 f. 322f. Syrinx 1 5 3 1 5 5 2 1 1 ·
Tanz 14,5 16 53
Tarsos I (1:! ,:1 I 65,4 Tätowieru n� '1'1 152 262 Taufe s. Bad. �..Joi fl'hrtH·h Theater 61 1 5-t I :ill I � I I 'I I 24-2,2 265,3 ; vgl. Bühncnm•·l a p l u · .Theokrit 74,4 :!W :I :!0/1.� :!14 218,1 220,1 222,6 250.� Theurgie s. Zauber•·i Thoth 84 f. 154 Thraetaona 179 237,4 211 I f. Tiersymbolik 1 1 9 Tischlein-deck-dich 1 5 f. Tithorea 2 6 Tonsur 2 8 , 1 108 1 1 0 1 2 5 I ·I I . :! 1 52,2 169 182 186,2 ; vgl. Locke Totenhochzeit 77 94 143 f. l u•t r. Totenklage 13 103 f. 127 139 I •IB I ü4 177 258 264 269 Traum 1 2 96 99 116 121 f. 132 1 5 11 I lo'l 172 184 208 2 1 3 227 f. 236 242 247 f. 255 326 Orakel 1 2,6 Tröstung 54,2 1 67 1 7 3 Trugrede s. Verschleierung des Mysteriensinns Tyros 1 1 6 122,3 1 5 8 162 227,1 231 ••
=
Umarmung 86 127 144 165 210 252 258 261 Ungeweihte 25 f. 45 f. 79 253 f. 295 f. urnula 37 ff. Valentin 10,2 Vater s. pater Verbotsmythen 18 f. 21 f. 47 f. 183 257 Verbrennen 2 7 f. 34 99 147 Vergessen 246 ; vgl. Lethe Verhüllung des Mysten 12 145 167,0 1 7 1 238 Verschleierung des Mysteriensinns 15 43 f. 46 5 1 5 5-64 69 8 2 f. 92 104 109,0 1 1 5 1 47-49 1 5 1 1 54 165 184 f. 201 298 323,5 Versenkungsmaschine 1 3 256 ; vgl. 151 Versuchung der Treue zum (zur) Ge liebten 97 1 07,3 1 3 9 ff. 187 2 1 7 f. 220 273 ff. ; vgl. "Potiphars Weib" vita Aesopi 169,4 268,0 Vogelfänger 108 212 267 Wahrsagung 24 f. 36 43 109 Wallfahrt 40 107
346
R eg i s t e r
W asdmn� 1 5 2 WUSSI�r :37-42 52 68 81 107 1 1 3,2 136 f. 183 1 89 258 ; vgl. auch Meer w(�ide 207,2 Wcihcklcid s. cataclisla Weinwunder 209 2 2 1 ,2 weißes Gewand 125 1 54-56
Zauber 33 5 1 97,0 119 f. 127-29 185 190 242-44 265 f. 270 f. 283,3 Zerreißung 2 1 4 f. Zeugen 106 1 1 2 1 5 1 1 7 1 2 1 9 Ziege 195 f. 2 0 6 f. 2 1 0 Züchtigung 1 2 3 ; vgl. Geißeln, Schläge Zurückstoßen 1 7 5 272
liyve:uov-re:c; 1 4 , 3 ciyup-rcn 259 ci-&:f..1) TI)c; 1 2 1 , 3 cxivlnof.!.cxt 4 5 58,4 24 7 , 2 295 297,1 cxtrr6:t..o c; 2 4 &:t..1) , ci:t..7) -r1)c;, ci:f..7J -re:uw 260 2 6 5 , 2 2 6 8 276,3 296 civcxßt6w 1 2 7 1 40 1 4 2 f. 1 4 8 151 1 85,5 2 3 1 264 ; vgl. renatus civ&.yw 241,3 3 2 1,4 ; vgl. 320 cXV(O't"1)fU 1 0 3 1 1 3 , 2 182 200,3 304 306 3 1 6,0 3 1 7,0 ci!;Ewmc; 1 7 , 6 &npov 1 9 5 f. cip xe·nmov 2 3 7 , 2 ßoux6:f..o c; 24 100 1 2 1 1 2 5 1 8 1 1 9 2 ff. 2 5 7 yvwp[Ofl.CX't"CX 1 57 1 6 8 1 9 5 1 9 8 2 1 9 2 3 5 , 1 2 3 7 f . 245 248 2 6 1 f. 269 2 7 8 f. 288 3 0 8 f. 3 1 2 yv&mc; 296 3 0 7 309 3 1 1 f. 3 1 6, 1 3 1 9 yp1)y6pe:t 3 1 6,0 3 2 1 323,6 eydpw 6 2 , 2 2 3 0 , 1 294 306 f. 3 1 5 ll;).;r(8e:c; ciycx-&cx( 3 1 9 3 , 1 1 1 0,2 1 7 6 , 2 2 26,5 248 267,5 2 6 8 f. 2 8 1 324,1 11:rr&.vo 8oc; 247,2 268 f. ; vgl. 52,3 74,2 11rre:a-&cxt -&e:oic; 205,6 324,4 ; vgl . 60,1 11:m87Jfl.lcx 96 134 i:ma-rpocp-ij 2 4 7 3 1 2, 1 e:ucxyye:).(�Ofl.CXL 2 1 5,4 2 5 0 f. 260,3 e:\le::t..m c; dvcxt 100,2 267,5 260,3 e:U-ItUf.!.eW, e:\l-&Ufl-0<; dvcxL, e:u-&uf.!.(CX 1 1 0 f. 2 4 2 248,3 266 2 7 3 , 2 2 8 7 3 3 3 , 2 e:Üpe:mc; 3 1 3 8 f. 60 7 1 8 3 , 1 1 3 1 1 6 8 und oft �7J't"7Ja Lc; 2 2 9 f. 5 9 ff. 101 168 -&&.:f..cx fJ.oc; s . Tcicpoc; ·Mppe:L 100 2 1 2,6 und oft -&e:oxpcxa(cx 7 4, 2 -&1)-re:ue:Lv 3 1 4 f. 3 1 7,0 .&uf.!.ov 11xe: ciycx-&Ov 7 5 , 5 2 5 5 , 2 280,1 !e:poc; y&.f.!.oc; 1 6 f. 7 1 , 3 77,1 143 f. 258,2 331 xcx-rcxywy1j 216 247, vgl . 3 1 3 x&.-ro zoc; 14,3 278,2 286
xwvwtjl 1 2 1 ).(xvov 49 2 1 5 , vgl. 2 0 1 (vannus) :t..oytx-1) -&ua(cx 243, 2 248,2 2 82, 1 28 7 290-92 fl.cl.yoc; s. Z auber f.!.e-&1) 96,2 fl.E:ACXV1)tpopoL 145,6 fl.Lfl.V-ijaKOfl.CXL, fl.V1)fl.OVE:UW 236,4 247,2 304-06 316 321 324,4 fl.V7)f1.1) 266,5 3 1 7 f.!.uew 238,3 260 334 VE:fl.E:OciW 102 1 53 , 1 v-ijcpw 9 6 , 2 304 3 1 5 f . 3 2 3 , 6 oixovof.!.(cx 2 4 6 , 1 , vgl. 2 9 1 , 3 oa-rpe:ov 3 1 1 OX7Jfl.CX 309 3 1 8 3 2 5 ;rcx(yvtov s. Zauber rrcx:f.. tyye:ve:a[ cx 2 1 2, 1 7t:f..civ1), 7tACXV7j't"'l)c;, ;r).cl.�Ofl.CXL 5 4 , 2 1 0 1 1 2 4 1 53,4 2 4 9 2 6 6 2 6 8 2 7 3 , 1 3 3 1 7t:f..o tcxcpeatcx s . navigium Isidis 7tOLfl.7jV 202 2 2 2 , 5 2 3 7 7tpo't"tf1.&.w 26, 1 ae:tp&. 8 , 1 5 3 236,2 3 1 9 arre:u 8w 2 7 7 , 3 307 3 1 6-1 8 anß&.c; 2 1 0,3 2 2 2 a-rpcx't"LW't"'l)<; 1 2 1 ,3 1 2 6 OUf.!. ßo:t..o v, auv-&1)fl.CX 60-62 1 0 3 1 20 1 2 5 1 3 5 f. 1 4 2 1 5 2 1 8 2 1 9 8 2 0 9 f. 2 1 9 2 6 1 2 7 2 279 2 9 6 f. 3 0 8 f. 3 1 2 3 1 7 319 321,5 awTijp, OW't"e:LpCX 1 1 , 1 3 2 93, 1 98 135,3 324 crWT"I)plcx 23,6 30,4 100 1 1 1 f. 1 7 3 , 1 204,3 2 1 3 2 3 1 ; vgl. 145 2 2 8 crwcppocruv1) 26,5 5 1 , 1 1 7 3 , 1 236,4 -rcxupoxcx-&&.tjltcx 289 -r&.cpoc; = -&&.:f..cx fJ.oc; 12 93 103 125 288 C7tVoc;, 07tV6w 83,1 (veternus) 96,2 2 3 1 , 1 304-6 cpcl.pf.!.CXK0\1 4 2 6 8 1 0 2 144 1 7 5 1 8 3 205 ; vgl. Heiltrank cp&.cracx 203,2 cpt:f..cl.v-&pw7toc;, cpt:f..cxv-&pw7tlcx 1 0 5 142 cpt:f..o aocpew, cpt:f..o aocp[cx 58 59,2 1 40,4
Na c h w e i s d e r T afe l n u n d A b b i l d u ng e n
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NAC HWE I S D E R TAF E LN UND AB B I LDUN GEN Tafel I
Jahn, Berichte der königl. sächs. Gesellsch. der Wiss. in Leipzig, phil.-hist. Klasse 1851, Tafel VI
Tafel II 1-4 Jahn, Archäologische Beiträge (1 847) Tafel VII unten. II 5 Kopenhagen , Thorvaldensens Museum (Fossing, Cat. Nr. 404) Tafel 111 Photo Anderson 1 7 6 1 Tafel I V Paul Hermann, Denkmäler der Malerei d e s Altertums (München 1904-1 93 1 , Bruckmann) Tafel I Tafel V
Monumenti della pittura antica scoperti in Italia, Sezione terza, Roma , fase. II : Rizzo, Le pitture dell'aula lsiaca di Caligola, Text S. 13 unten (Kupferstich von Mynde nach der Zeichnung von Paderni)
Tafel VI Aufnahme des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom Nr. 7356 Ahb. 1 , S. 5 Terracottastatuette im Besitz des Verf., nach Zeichnung von Isa Müller Ahb. 2, S. 9 Apulei Psyche et Cupido, ed. Jahn-Michaelis S. 1 Ahb. 3, S. 27 Jahn-Michaelis S. 84 Ahb. 4, S. 29 Jahn-Michaelis S. 79 Ahb. 5, S. 29 Roscher, Mythol. Lexikon 111 155 Abb. 5 Ahb. 6, S. 29 Furtwängler, Antike Gemmen 111 34 Abb. 191 Abb. 7, S. 34 Roscher, Mythol. Lexikon 111 162 Ahb. 8 und 9, S. 48-49 Cooke, Journal of Roman Studies 3, 1913, 158 f.
Das U m s c h l a g b i l d zeigt den feierlichen Gottesdienst im Vorhof des Isistempcls von Herculaneum. Im Vordergrund wird ein Opfer dargebracht. Rechts und links stehen die Verehrer der Göttin und singen einen Hymnus ; in der Mitte dirigiert ein Chormei ster, rechts vorne sitzt ein Flötenspieler. Die Tempeltür im Hintergrund ist von Sphin gen und Palmen (rpo!v1�) eingerahmt ; überall sind ägyptische Vögel, Ibis und Fla mingo (tpowlx61t'npo<; Phönix). Aus der Tempeltür tritt in weißem Leinengewand der kahlgeschorene Priester ; er trägt mit verhüllten Händen den Krug mit dem heiligen Wasser. Rechts ein schwarzer Priester mit Iaisklapper, der den Anubis vertritt, links die Priesterin mit den Attributen der Isis, in der einen Hand die Klapper, in der anderen die Situla. Die Ö ffnung des Tempels und das Vorzeigen des heiligen Wassers, des Sinnbildes des Osiris, waren der Höhepunkt des Gottesdienstes : Mit der Hilfe des Anubis hatte Isis im heiligen Wasser den toten Osiris wiedergefunden. Photo Alinari 1 2 035 ; vgl. Cumont, Rel. Or. Tafel VI1 2 und Leipoldt Abb. 53 sowie in der Zeitschrift "AyyiAo<; 1, 1 925, 1 2 6 ff. ; auch oben S. 24, 2 und 38. =