Tobias Feldhoff Schule organisieren
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Tobias Feldhoff Schule organisieren
Educational Governance Band 15 Herausgegeben von Herbert Altrichter Thomas Brüsemeister Ute Clement Martin Heinrich Roman Langer Katharina Maag Merki Matthias Rürup Jochen Wissinger
Tobias Feldhoff
Schule organisieren Der Beitrag von Steuergruppen und Organisationalem Lernen zur Schulentwicklung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Die vorliegende Arbeit wurde 2010 unter dem Titel „Schulentwicklung durch Steuergruppen und Organisationales Lernen – Eine empirische Studie zum Einfluss von schulischen Steuergruppen und der Kapazität des Organisationalen Lernens auf Erfolgsfaktoren des Modellvorhabens ‚Selbstständige Schule‘ in Nordrhein-Westfalen“ an der Fakultät Erziehungswissenschaft und Soziologie der Technischen Universität Dortmund als Dissertation angenommen.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Stefanie Laux VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-18100-4
Danksagung
Nach Beendigung der Diplomarbeit reifte die Idee, das dort bearbeitete Thema „Schulische Steuergruppen“ in der Begleitforschung des Modellvorhabens „Selbstständige Schule“ zu verankern und in Form einer Dissertation zu bearbeiten. Basierend auf den Vorarbeiten von Heinz Günter Holtappels und Nils Berkemeyer im Projekt „Qualitätsentwicklung in Netzwerken“ in Niedersachsen wurden im Modellvorhaben 2005 die wesentlichen Fragen zu Steuergruppen entwickelt und Ende 2006 um zentrale Aspekte für die Dissertation ergänzt. Parallel entstanden in engem Austausch mit Hans-Günter Rolff das Grundkonzept zum Organisationalen Lernen sowie die Ideen für zentrale Analysen. In dieser kurzen Darstellung wird deutlich, dass am erfolgreichen Abschluss der Dissertation mehrere Personen einen Anteil haben, bei denen ich mich bedanken möchte. Allen voran bedanke ich mich bei meinem Mentor Hans-Günter Rolff, der mich seit 12 Jahren begleitet und fördert. Die fachlich kritischen Diskussionen, seine Unterstützung und hohe Wertschätzung sowie seine Beharrlichkeit bei der Klärung theoretischer und empirischer Fragen haben wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Ebenfalls besonderen Dank möchte ich Wilfried Bos aussprechen, der mir als wichtiger Ratgeber in entscheidenden Situationen Freiräume geschaffen hat und mir den Rücken freihielt. Ein weiterer Dank gilt der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz in Zug, die mich mit einem Stipendium im letzten Jahr meiner Arbeit unterstützt hat. In zahlreichen Gesprächen, Diskussionen und Rückmeldungen habe ich darüber hinaus vom Wissen und den Perspektiven zahlreicher Personen profitiert. Ich danke dem Projektteam der Begleitforschung am Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) sowie Esther, Heinz Günter, Falk, Frank, Jens, Kathrin, Luzia, Marcus, Martin B., Martin H., Nils, Stefan, Tom und Uwe. Für die nichtwissenschaftliche – aber mindestens genauso wichtige – Unterstützung danke ich meiner Familie und allen meinen Freunden.
Inhaltsverzeichnis
1 1.1 1.2
1.3
1.4 2 2.1
2.2
3 3.1
Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Modernisierungsphasen des deutschen Schulsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Organisationsdefizit und Kompensationsstrategien der Schule . . . . . . . . . . . . 18 1.2.1 Schule als besondere soziale Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.2.2 Organisationsdefizit der Schulen unter dem Paradigma der Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . 34 1.3.1 Verständnis der Projektträger von Selbstständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1.3.2 Verständnis von Selbstständigkeit im Rahmen der Begleitforschung . . . . . . . . . . 44 Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Organisationales Lernen in der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Konzepte zum organisationalen Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Organisationsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Organisationales Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Change Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisationales Lernen im schulischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Organisationales Lernen in der Schule im deutschsprachigen Kontext . . . . . . . . 2.2.2 Organisationales Lernen in der Schule im internationalen Kontext . . . . . . . . . . 2.2.3 Integratives Modell der Kapazität Organisationalen Lernens in Schulen . . . . . . 2.2.4 Organisationales Lernen im Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ . . . . . . . .
50 51 52 55 75 81 82 102 131 136
Schulische Steuergruppen als Agenten des Wandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzeptionelle und theoretische Beiträge zu schulischen Steuergruppen . . . . 3.1.1 Geschichte und Entstehung von Steuergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Zusammensetzung und Einrichtung von Steuergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Aufgaben und Funktionen von Steuergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Verortung und Verankerung von Steuergruppen in der Schule . . . . . . . . . . . . . . 3.1.5 Qualifizierung schulischer Steuergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.6 Fazit zu den konzeptionellen und theoretischen Beiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . .
138 139 140 141 142 147 155 156
8
3.2
3.3
4 4.1
4.2
4.3
5 5.1
5.2
Inhaltsverzeichnis
Empirische Befunde zu schulischen Steuergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Wirkung und Arbeitsweisen von Steuergruppen im Projekt „Qualitätsentwicklung in Netzwerken“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Qualifizierungen von Steuergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuergruppen als Change Agent schulischer Entwicklungs- und Veränderungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Partizipation des Kollegiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Informations- und Wissensmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Beratung und Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5 Zielbezogenes Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hypothesen zum Zusammenhang von Steuergruppen, Kapazität Organisationalen Lernens und Erfolgsfaktoren des Modellvorhabens . . . . . Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Selbststeuerungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1 Direkte Einflüsse auf die Selbststeuerungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2 Indirekte Einflüsse auf die Selbststeuerungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss der Kapazität Organisationalen Lernens auf den Unterricht . . . . . . . 4.2.1 Direkte Einflüsse auf den Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Indirekte Einflüsse auf den Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf erweiterte Formen von Selbstständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Freiräume im Bereich Unterrichtsorganisation und -gestaltung . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Freiräume im Bereich Personal- und Sachmittelbudgetierung . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3 Freiräume in Form von erweiterter Personalverantwortung der Schulleitung . . . Design und Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Evaluationsdesign der Begleitforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Forschungs- und Stichprobendesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Rückläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschreibung der Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Schulleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Lehrkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4 Steuergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
157 158 164 165 168 170 172 174 176
178 178 179 180 184 185 186 187 188 188 189 190 190 191 194 196 196 198 199 201 205
Inhaltsverzeichnis
6 6.1
6.2
7 7.1
7.2
7.3
9
Instrumente und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erhebungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Operationalisierung der Kapazität Organisationalen Lernens . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Operationalisierung der Erfolgsfaktoren des Modellvorhabens . . . . . . . . . . . . . . 6.1.3 Kritische Betrachtung der Operationalisierung der Dimensionen der Kapazität des Organisationalen Lernens und der Erfolgsfaktoren . . . . . . . . . . . Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1 Explorative Faktorenanalyse zur Prüfung der Dimensionalität . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Abbildung komplexer Bedingungsgefüge mithilfe von Strukturgleichungsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.3 Logistische Regression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
206 206 207 218
Empirische Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überprüfung der Eindimensionalität der Dimensionen der Kapazität des Organisationalen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.1 Dimension „Struktur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.2 Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.3 Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.4 Dimension „Führung und Management“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.5 Dimension „Qualitätssicherung und Zielüberprüfung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.6 Dimension „Austausch mit der schulischen Umwelt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1.7 Dimension „Partizipation der Lehrkräfte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse zur Kapazität des Organisationalen Lernens in den Schulen des Modellvorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Ergebnisse zur Dimension „Struktur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Ergebnisse zur Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.3 Ergebnisse zur Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.4 Ergebnisse zur Dimension „Führung und Management“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.5 Ergebnisse zur Dimension „Qualitätssicherung und Zielüberprüfung“ . . . . . . . 7.2.6 Dimension „Austausch mit der schulischen Umwelt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.7 Ergebnisse zur Dimension „Partizipation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhangsanalyse zur Kapazität des Organisationalen Lernens und Erfolgsfaktoren des Modellvorhabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.1 Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Selbststeuerungsfähigkeit der Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3.2 Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf den Unterricht in den Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
238
221 222 223 225 235
238 238 239 241 241 243 245 245 246 246 248 250 251 254 255 256 257 257 267
10
Inhaltsverzeichnis
7.3.3 Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf erweiterte Formen von Selbstständigkeit in den Schulen des Modellvorhabens . . . . . . . . . . 273 8 8.1
279 280
8.2
Diskussion und Schlussfolgerungen für die Praxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.1 Diskussion der Eindimensionalität der sieben Dimensionen der Kapazität des Organisationalen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.2 Diskussion der deskriptiven Ergebnisse der Kapazität des Organisationalen Lernens in den Schulen des Modellvorhabens . . . . . . . . . . . . . 8.1.3 Diskussion der Zusammenhangsanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.4 Diskussion zum methodischen Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.5 Diskussion im Kontext von Educational Governance. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.6 Beitrag der Arbeit zur Forschung zum Organisationalen Lernen in Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussfolgerungen für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 9.1 9.2 9.3
Verzeichnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
308 308 320 321
280 281 287 294 297 304 305
1 Problemstellung
Als Reaktion auf das relativ schlechte Abschneiden Deutschlands bei internationalen Vergleichsuntersuchungen wie der TIMSS- und vor allem der PISA-Studie im Jahr 2000 wurden zahlreiche „Maßnahmen initiiert, um die Qualität des Bildungssystems und seiner Ergebnisse (…) weiterzuentwickeln und nachhaltig zu sichern“ (Altrichter, Brüsemeister & Wissinger, 2007, S. 9). Nicht einmal eine Woche nach der Bekanntgabe der Ergebnisse der PISA-2000-Studie durch die zuständige Kultusministerkonferenz (2001a) legt diese als Reaktion auf die schlechten Leistungen bundesdeutscher Schülerinnen und Schüler im internationalen Vergleich folgenden Katalog zur Bewältigung der komplexen Herausforderungen des Bildungssystems vor: „1. Maßnahmen zur Verbesserung der Sprachkompetenz bereits im vorschulischen Bereich. 2. Maßnahmen zur besseren Verzahnung von vorschulischem Bereich und Grundschule mit dem Ziel einer frühzeitigen Einschulung. 3. Maßnahmen zur Verbesserung der Grundschulbildung und durchgängige Verbesserung der Lesekompetenz und des grundlegenden Verständnisses mathematischer und naturwissenschaftlicher Zusammenhänge. 4. Maßnahmen zur wirksamen Förderung bildungsbenachteiligter Kinder, insbesondere auch der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. 5. Maßnahmen zur konsequenten Weiterentwicklung und Sicherung der Qualifikation von Unterricht und Schule auf der Grundlage von verbindlichen Standards sowie einer ergebnisorientierten Evaluation. 6. Maßnahmen zur Verbesserung der Professionalität der Lehrertätigkeit, insbesondere im Hinblick auf diagnostische und methodische Kompetenzen als Bestandteil systematischer Schulentwicklung. 7. Maßnahmen zum Ausbau von schulischen und außerschulischen Ganztagsangeboten mit dem Ziel erweiterter Bildungs- und Fördermöglichkeiten, insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit Bildungsdefiziten und besonderen Begabungen“ (KMK, 2001b).
T. Feldhoff, Schule organisieren, DOI 10.1007/978-3-531-93384-9_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
12
1 Problemstellung
Im Anschluss an diese erste Reaktion wurden inzwischen etliche weitere Schritte zur Verbesserung des deutschen Bildungssystems in den einzelnen Bundesländern unternommen. Die folgende Auflistung zeigt exemplarisch einige davon: s Die Einführung von nationalen Bildungsstandards und zentralen Vergleichsarbeiten (KMK, 2003a). s Der Auf- und Ausbau von schulischen Ganztagsangeboten durch die Beteiligung von 14 Bundesländern am Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ des Bundes (vgl. BMBF, 2009). s Darüber hinaus haben alle1 Bundesländer mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz das Zentralabitur eingeführt (vgl. KMK, 2009). s Die Einführung von Formen der Schulinspektion (vgl. Dedering & Müller, 2008). Der Sieben-Punkte-Plan der KMK sowie die weiteren aufgeführten Reformen sollen an dieser Stelle das o. g. Zitat unterstreichen, dass in den letzten Jahren in Deutschland viele Schritte zur Verbesserung des Bildungssystems unternommen wurden und weiterhin werden. Die Einführung dieser Reformprojekte stellt die zuständigen Ministerien und Bildungsbehörden vor große Anforderungen, doch betreffen viele dieser Projekte auch konkret die einzelne Schule. Die Schulen sind aufgefordert, diese staatlichen Innovationen umzusetzen, indem sie z. B.: s ihren Unterricht nach den Bildungsstandards ausrichten, s die Ergebnisse ihrer Schülerinnen und Schüler bei den Vergleichsarbeiten nutzen, um Unterrichtsentwicklung zu betreiben, s ihre Schule als Ganztagsschule ausbauen, s im Anschluss an die Schulinspektion Zielvereinbarungen mit der Schulbehörde treffen müssen bezüglich der Entwicklung der Schule innerhalb der nächsten Jahre. Alle diese Maßnahmen erfordern von den Schulen eine Form der Anpassung bzw. Veränderung ihrer bisherigen Gewohnheiten im Rahmen von Schulentwicklung. Manche zielen dabei nur auf einen speziellen Bereich und können schnell umgesetzt werden, andere dagegen sind tiefergreifenderer Natur und betreffen die Schule als Ganzes. Die Ausgangsthese dieser Arbeit ist, dass seit der Hinwendung zur Einzelschule (vgl. Fend, 1986) die bereits kurz angedeuteten Anforderungen an die Schulen in Bezug auf ihre eigene Entwicklung sukzessive gestiegen sind. Um diesen ge1
In den „ostdeutschen“ Bundesländern sowie Bayern und Baden-Württemberg wurde das Zentralabitur bereits vor der PISA-2000-Studie eingeführt.
1.1 Modernisierungsphasen des deutschen Schulsystems
13
stiegenen Anforderungen gerecht zu werden, benötigen Schulen eine Stärkung der Selbstorganisations- und Veränderungsfähigkeit. Im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen zwei verschiedene Strategien zur Stärkung der Selbstorganisationsund Veränderungsfähigkeit der Schule, die sich beide ergänzen: Zum einen handelt es sich um den Aufbau einer Kapazität Organisationalen Lernens und zum anderen um die Einrichtung schulischer Steuergruppen, die im Rahmen des Organisationalen Lernens als Change Agent schulische Entwicklungsprozesse initiieren, koordinieren und steuern. Anhand von Daten aus dem Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ NRW sollen diese beiden Strategien sowie deren Zusammenhang und Auswirkungen auf schulische Qualitätsmerkmale untersucht werden. Ziel dieses einführenden Kapitels ist es, zunächst die o. g. Ausgangsthese anhand von drei Phasen des Modernisierungssystems des deutschen Schulsystems näher darzustellen (Kapitel 1.1). Im Anschluss daran wird auf Basis der Beschreibung der Schule als Organisation ein Organisationsdefizit unter dem Paradigma der Veränderungsfähigkeit von Schulen abgeleitet (Kapitel 1.2). Auf der Grundlage dieser Organisationsanalyse werden die beiden genannten Strategien und deren möglicher Beitrag zur Stärkung der schulischen Selbstorganisations- und Veränderungsfähigkeit kurz beschrieben. Dem folgt eine Beschreibung des Kontexts des Modellvorhabens „Selbstständige Schule“ Nordrhein-Westfalen, in dem diese Arbeit und vor allem die Daten der empirischen Untersuchung stehen (Kapitel 1.3). Im Anschluss werden die konkreten Forschungsfragen, die in dieser Arbeit bearbeitet wurden, dargestellt (Kapitel 1.4).
1.1 Modernisierungsphasen des deutschen Schulsystems Die folgende Darstellung der Modernisierungsphasen im deutschen Schulsystem seit Mitte der 1980er-Jahre soll verdeutlichen, dass seit der Entdeckung der Einzelschule als „Motor“ (Dalin & Rolff, 1990, S. 34) mehr und mehr Aufgaben auf die Einzelschule, im Sinne der eigenverantwortlichen Entwicklung, übertragen wurden. Dabei orientiert sich die Darstellung der drei Modernisierungsphasen „von der verwaltenden zur gestaltenden Schule“ (Berkemeyer, Feldhoff & Brüsemeister, 2008, S. 161) an der Systematik von Berkemeyer, Feldhoff und Brüsemeister (2008)2.
2
Eine ähnliche Systematisierung für das österreichische Schulsystem findet sich bei Altrichter, Brüsemeister und Heinrich (2005) bzw. Altrichter und Heinrich (2007).
14
1 Problemstellung
1. Phase: Von der zentralistischen Systemsteuerung zur Einzelschule Diese erste Phase lässt sich durch den viel zitierten Perspektiven- bzw. Paradigmenwechsel von zentralistischen Steuerungsstrategien auf der Gesamtsystemebene bis hin zu einer Entdeckung der „Einzelschule als Handlungseinheit“ (vgl. Fend, 1986) im deutschen Schulwesen beschreiben. Rolff (1993) begründet diesen Wechsel einerseits mit dem Scheitern von Planungsstrategien auf der Systemebene. In dieser „Krise der Außensteuerung“ (Rolff, 1998, S. 297) wurden neue Steuerungsmodelle gesucht. Gleichzeitig verloren im Rahmen der gesellschaftlichen Entwicklung Fragen der Schulstruktur in der Öffentlichkeit und Politik an Bedeutung. Andererseits haben Erkenntnisse von Implementationsstudien zu Innovationen im Bildungswesen (vgl. Dalin, 1973) zu einer Einsicht in das Fehlen zentralen Steuerungswissens geführt. Diese Studien kommen zu dem Ergebnis, „dass sich die Umsetzung und damit auch der Erfolg von Plänen nicht auf der staatlichen Ebene, sondern auf der Ebene von Einzelschulen entscheidet“ (Rolff, 1993, S. 106). Rolff (1993) führt in Anlehnung an Miles und Hubermann (1984) drei zentrale Gründe für das Scheitern dieser zentralistischen Strategien auf Gesamtsystemebene an: 1. Sie unterliegen der falschen Annahme, dass eine Innovation auf alle Schulen gleichermaßen übertragen werden kann, 2. sie unterschätzen die Selbstorganisation der Schule, da sie Lehrkräfte eher als Konsumenten denn als Transformatoren externer Ansprüche betrachten, und 3. sie gehen von der mittlerweile oft widerlegten Annahme aus, dass Innovationen zielgetreu implementiert werden (vgl. auch Kussau & Brüsemeister, 2007). Neben den Erkenntnissen der Innovationsforschung gelten zum einen die Befunde von Fend (1986), dass sich Schulen der gleichen Schulform stärker voneinander unterscheiden als die Schulformen untereinander, als Grund dafür, dass fortan die Einzelschule in Verbindung mit der Frage der „Qualität von Schule“ (vgl. Steffens & Bargels, 1987) im Mittelpunkt der Betrachtungen und der Bemühungen von Schulentwicklung stand. Zum anderen die Entdeckung und Rezeption von Konzepten der Organisationsentwicklung (vgl. Kapitel 2.1 u. 2.2) für eine systematische Entwicklung der Einzelschule, die fortan als „Motor der Schulentwicklung“ (Dalin & Rolff, 1990) gilt.
1.1 Modernisierungsphasen des deutschen Schulsystems
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2. Phase: Schulautonomie In der zweiten Phase rückt die Autonomie von Schulen in den Fokus der Betrachtung und Bemühungen (vgl. Pfeiffer, 2004; Rolff, 1993). Mit dem Begriff Autonomie ist gemeint, dass die Einzelschule in einigen zentralen Bereichen3 (z. B. Personal, Finanzen, Organisation Curriculum) mehr Handlungsspielräume für ihre schulische Entwicklung erhält (vgl. Rolff, 1995). Aus diesem Grund wird oft auch von erweiterter Autonomie, Selbstständigkeit oder Eigenverantwortung gesprochen. Die Mitte der 1990er-Jahre verstärkt geführte und bis heute anhaltende Debatte um eine erweiterte Autonomie der Schule kann, wie sie sich zum Beispiel in der Denkschrift der Kommission „Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft“ der Bildungskommission NRW (1995) manifestiert, als eine konsequente Weiterentwicklung der Hinwendung zur Einzelschule nach der Krise der Außensteuerung (vgl. Rolff, 1995) angesehen werden. Heinrich (2006), Füssel (1997) oder Pfeiffer (2004) weisen zu Recht darauf hin, dass die Idee der Schulautonomie nicht neu ist und ihre Wurzeln zum Teil bis zur Aufklärung reichen. Dennoch werden erst seit der Diskussion der 1990er-Jahre in jüngster Zeit verstärkt auch Formen erweiterter Autonomie in der Schulpraxis erprobt. Die Debatten um eine erweiterte Autonomie wurden und werden mit unterschiedlichen Argumentationsmustern geführt, die unterschiedliche Absichten und Ziele verfolgen (vgl. Heinrich, 2006, 2007; Maritzen, 1998; Pfeiffer, 2004; Richter, 1995). Bei der konkreten Ausgestaltung einer erweiterten Schulautonomie im Rahmen gesetzlicher Regelungen4 (z. B. in Nordrhein-Westfalen) oder Modellversuchen (Nordrhein-Westfalen, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern) sowie in der aktuellen Debatte dominieren indes eher Ansätze der effizienten Steuerung in Verbindung mit dem postulierten Paradigmenwechsel zur Outputsteuerung (vgl. KMK, 2003). Mit der Gewährung von Autonomie ist die Erwartung eine Steigerung der Effektivität und Effizienz des Bildungssystems verbunden. Dies bedeutet für die Einzelschule die Chance, die eigene Entwicklung stärker selbst zu bestimmen und die neu gewährten Gestaltungsfreiräume dafür zu nutzen. Damit steigen – neben den Erwartungen – aber auch die Anforderungen an die Einzelschule, sich gezielt selbst zu entwickeln und die Verantwortung für ihr
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Eine detaillierte Darstellung der Inhaltsbereiche und Personengruppen, auf die sich erweiterte Formen von Autonomie beziehen, findet sich u. a. bei Maritzen (1998) oder Rittelmeyer (1997). Eine umfassende Analyse zur Übernahme von Ideen und Gestaltungsautonomie in den einzelnen Bundesländern in den letzten 15 Jahren im Rahmen von Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften wurde von Rürup (2007) durchgeführt. Darüber hinaus beschreibt Saalfrank (2005) ausführlich in seiner Dissertation das Spannungsverhältnis zwischen staatlicher Kontrolle und Autonomie der Einzelschule. Dabei vergleicht er die Bildungsdiskussion in Deutschland und Österreich und stellt die Entwicklungen in einzelnen Bundesländern dar.
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1 Problemstellung
eigenes Handeln in Form von Evaluation und Rechenschaftslegung zu übernehmen. Die Wirkung von erweiterten Formen der Schulautonomie wird auch international diskutiert und erforscht. Viele Länder haben langjährige Erfahrungen mit verschiedensten Formen einer erweiterten Autonomie gesammelt (vgl. Pfeiffer, 2004, 2008a). Internationale Untersuchungen (z. B. Bush, 1996; Maslowski, Scheerens & Luyten, 2007; OECD, 2007; Wößmann, 2006) zeigen jedoch, dass es momentan keine eindeutige Evidenz zum Einfluss von Autonomie auf die Schuleffektivität in Form von Leistungen der Schülerinnen und Schüler gibt. Dennoch deuten die Studien darauf hin, dass Schulautonomie positive Effekte auf andere Qualitätsbereiche der Schule hat, die nicht in einem direkten Zusammenhang mit den Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler stehen und die es weiter zu erforschen gilt (vgl. Maslowski et al., 2007).
Phase 3: Von der Input- zur Outputsteuerung Die dritte Phase wird oft als „Paradigmenwechsel“ (BMBF, 2003) von der Inputzur Outputsteuerung bezeichnet. Wie Oelkers zu Recht kritisiert, ist der Begriff „Paradigmenwechsel“ im Sinne von Kuhn (1976) „etwas sehr hoch gegriffen“ (Oelkers, 2007). Darüber hinaus wirkt die Bezeichnung missverständlich, da es sich eher um eine „Umstellung der Schulgovernance (vgl. Brüsemeister, 2004) auf eine outputorientierte Inputsteuerung, beispielsweise durch Bildungsstandards und deren Überprüfung in Form zentraler Prüfungen“ (Berkemeyer et al., 2008, S. 152) handelt. Die Ergebnisse der großen internationalen Vergleichsuntersuchungen von TIMSS und PISA 2000 ff. haben in Deutschland Zweifel an der Qualität des deutschen Bildungssystems und seiner primären Steuerungsstrategie mittels detaillierter (Input-)Vorgaben, die Qualität des Bildungssystems zu gewährleisten, aufkommen lassen. „Durch PISA ist deutlich geworden, dass die Inputsteuerung allein nicht zu den erwünschten Ergebnissen im Bildungssystem führt“ (KMK, 2003b, S. 5). Diese Skepsis bezieht sich nicht auf die Bildungspolitik und -wissenschaft allein. „Obwohl mit PISA nicht direkt Leistungen von Schulen, sondern Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern gemessen wurden (vgl. Deutsches PISA Konsortium, 2001), macht die Öffentlichkeit Schulen für das schlechte Abschneiden Deutschlands bei diesem internationalen Leistungsvergleich verantwortlich“ (Brüsemeister & Eubel, 2003, S. 15). Somit lässt sich nach einer Phase der einzelschulischen Entwicklung und der erweiterten Autonomie eine Tendenz der Rezentralisierung „in Richtung externer schulübergreifender Steuerungselemente“ (Altrichter & Heinrich, 2007, S. 90; vgl. van Ackern, 2003) feststellen. Diese Steuerung soll nun nicht mehr mittels detaillierter Regelungen und Vorschriften erfolgen, sondern über die Definition von für die Schulen zu erreichender Ziele. Mit dieser Umsteuerung sollen die Schulen durch eine
1.1 Modernisierungsphasen des deutschen Schulsystems
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Reduzierung der Detailsteuerung mehr Autonomie erhalten. Die Erreichung der Zielvorgaben wird anschließend von staatlichen Behörden oder extern beauftragten Instituten überprüft (vgl. BMBF, 2003). Im Sinne von Luhmann bedeutet dies eine Umstellung von einer Steuerung mittels Konditionalprogrammen zu einer Steuerung über Zweckprogramme (vgl. Luhmann, 2002). Bei diesem Bemühen einer Umsteuerung wird auch weiterhin eine Vereinbarkeit mit Konzepten der erweiterten Schulautonomie postuliert. Die Einführung von Bildungsstandards beispielweise stellt eine neue Form der Steuerung dar. Die Bildungsstandards formulieren Zielvorgaben im Rahmen von Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler einer bestimmten Schulstufe erreichen sollen. Die Zielerreichung wird anschließend durch landesweite Tests überprüft. Doch die Messung selbst ist erst einmal nur eine Beobachtung von Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler in den mit Standards formulierten Kompetenzfeldern und Domänen. Die Bildungsstandards werden erst dann zum Steuerungsinstrument, wenn Schulen sich veranlasst fühlen, Maßnahmen der Schul- und Unterrichtsentwicklung auf die Bildungsstandards auszurichten. Doch ist mit diesen Bemühungen nicht automatisch die gewünschte Leistungssteigerung der Schülerinnen und Schüler verknüpft. Die Erreichung dieses Ziels ist nicht zuletzt aufgrund des Fehlens von geeigneten Unterrichtstechnologien „hoch voraussetzungsvoll […] und [liegt] nicht allein im Entscheidungsbereich der Einzelschule“ (Berkemeyer et al., 2008, S. 152). Die Schulinspektion kann als eine weitere Strategie einer genauen Beobachtung der Schule und ihrer Leistungen gesehen werden. Somit kann zusammenfassend festgestellt werden, dass diese dritte Phase durch eine vermehrte Setzung von Zielvorgaben an die Einzelschule in Bezug auf ihre Effektivität im Rahmen von zu erreichenden Standards der Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler geprägt ist. Darüber hinaus wurden und werden vermehrt Instrumente zur Beobachtung der Leistungserbringung von Schulen implementiert. Die Darstellung der drei Modernisierungsphasen ist im Kontext dieser Arbeit vor allem als Analysemodell für die an die Einzelschule gestellten Anforderungen zu sehen. In der ersten Phase lag die Anforderung an die Schulen darin, zu lernen, sich als Organisation zu begreifen, z. B. durch Schulprogramme und mit Hilfe von Ansätzen der Organisationsentwicklung erste Schritte in Richtung einer eigenständigen Entwicklung auszuprobieren. In der zweiten Phase wurde von den Schulen gefordert, gezielt erweiterte Gestaltungsräume zu nutzen und die Nutzung in Form von Schulentwicklung zu reflektieren und mittels interner Evaluation zu überprüfen. In der aktuellen Phase werden die Schulen dadurch gefordert, dass sie additiv Leistungsziele vorgegeben bekommen, deren Erreichung regelmäßig mit Tests und Inspektionen überprüft wird (vgl. ebd.) und auf Basis derer die Schulen Zielvereinbarungen über die weitere Entwicklung mit der Schulaufsicht aushandeln müssen.
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1 Problemstellung
Anhand dieser Darstellung der Modernisierungsphase des Bildungssystems lassen sich exemplarisch die sukzessiv gestiegenen Anforderungen an die Einzelschule als Organisation deutlich machen. Im folgenden Teil soll gezeigt werden, welche Probleme die schwache Organisationsstruktur der Schule unter dieser neuen Anforderung bereitet. Dafür wird zunächst die Schule als Organisation beschrieben. Zum Abschluss werden zwei Strategien zur Kompensation dieses Organisationsdefizits skizziert.
1.2 Organisationsdefizit und Kompensationsstrategien der Schule In der vorherigen Darstellung der Modernisierungsphasen des Schulsystems ist deutlich geworden, dass der Einzelschule als Organisation eine immer höhere Bedeutung bei der Qualitätsverbesserung des Schulsystems beigemessen wird und sie sich einer Vielzahl neuer Herausforderungen und Aufgaben stellen muss. Die These dieser Arbeit ist, dass zwar über diese Phasen die Anforderungen an die Organisation der Einzelschule gestiegen sind, doch ihre formale Organisationsstruktur blieb über die Zeit hinweg unverändert. Im Folgenden soll zunächst die Schule als Organisation mit ihren Besonderheiten beschrieben werden. Anschließend werden die Folgen, die sich aus dieser Struktur für die gegenwärtigen Anforderungen an die Schule ergeben, aufgezeigt und so ein Organisationsdefizit der Schule identifiziert. Danach werden zwei Strategien zur Stärkung der Organisation im Zuge dieser neuen Anforderungen kurz beschrieben: Zum einen handelt es sich um die Einführung schulischer Steuergruppen und zum anderen um eine Erhöhung des Selbststeuerungspotenzials durch Konzepte des Organisationalen Lernens.
1.2.1 Schule als besondere soziale Organisation Die Hinwendung zur Einzelschule in der Mitte der 1980er-Jahre hat auch dazu geführt, dass Schulen mehr und mehr als eigenständige Organisationen aufgefasst werden, auch wenn Rolff (1993) zu Recht darauf hinweist, dass diese Ansicht bisweilen auch kritisch gesehen wird. Sergiovanni (1992) z. B. bezeichnet Schulen eher als Gemeinschaften, oder Böttcher (2002) vergleicht Schulen eher als Parteien innerhalb eines Mietshauses. Trotz dieser kritischen Stimmen hat sich die Ansicht von Schulen als Organisation in der Erziehungswissenschaft durchgesetzt. Doch was kennzeichnet eine Organisation? Mayntz beschreibt eine Organisation folgendermaßen:
1.2 Organisationsdefizit und Kompensationsstrategien der Schule
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„Gemeinsam ist allen Organisationen erstens, dass es sich um soziale Gebilde handelt, um gegliedertes Ganzes mit einem angebbaren Mitgliederkreis und interner Rollendifferenzierung. Gemeinsam ist ihnen zweitens, dass sie bewusst auf spezifische Zwecke und Ziele orientiert sind. Gemeinsam ist ihnen drittens, dass sie im Hinblick auf die Verwirklichung dieser Ziele oder Zwecke zumindest der Intention nach rational gestaltet sind. In dem Maße, wie diese drei Definitionsmerkmale des Gebildecharakters, der spezifischen Zweckorientierung und des Organisiertseins erfüllt sind, kann man von einer Organisation sprechen“ (Mayntz, 1963, S. 36).
Nach dieser Definition lassen sich Schulen ohne Weiteres als Organisationen beschreiben (vgl. Rolff, 1993). Doch erweiterte Definitionen von Organisationen, wie Türk (1989) sie zum Beispiel formuliert, erlauben eine genauere Beschreibung, die gleichzeitig auch die Einbettung in ein komplexes Mehrebenensystem berücksichtigen. Demnach sind Organisationen nicht nur als nur formale Systeme, „sondern als lebensweltlich begründete Handlungszusammenhänge mit eigenen und unverwechselbaren Kulturen und Subkulturen“ (Rolff, 1993, S. 123) zu begreifen. Die jeweilige Kultur ist dabei Ergebnis der Deutung dieser Handlungszusammenhänge und beeinflusst die Performanz der Organisation (vgl. Türk, 1989). So sind Schulen zwar eingebunden in das staatliche Bildungssystem mit seiner Mehrebenenstruktur, dennoch verfügen sie über eigene Deutungsmuster und Handlungszusammenhänge, die sich in einer spezifischen Kultur und auch Struktur manifestieren und sich den individuellen Gegebenheiten der Schule anpassen (vgl. Bormann, 2001). Doch wie lassen sich Schulen nun konkret als Organisationen beschreiben? Als Mittel der Zielerreichung (vgl. Schanz, 1992, S. 1462) dienen Organisationen allgemein zwei gegensätzliche Maßnahmen: s Die Ausdifferenzierung der Ziele und Aufgaben in Form von Arbeitsteilung in Teilziele und Teilaufgaben, um diese effizient zu bewältigen. s Die Koordinierung und anschließende Zusammenführung der einzelnen Teilaufgaben zu einem Ganzen. „Die Struktur einer Organisation ist insofern die Gesamtheit aller Regelungen, die die Arbeitsteilung (gelegentlich auch: Aufgabenteilung) und die Koordination betreffen (Schanz 1982); Picot 184)“ (vgl. Mintzberg, 1992; Schanz, 1992, S. 1462). Die Arbeitsteilung in der Schule ist in großen Teilen klar strukturiert und vorgegeben (vgl. Arbeitsgruppe Bildungsforschung/Bildungsplanung, 2004). Sie erfolgt durch Maßnahmen wie: s die Aufteilung in Jahrgangsstufen,
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s die Gliederung in verschiedene Unterrichtsfächer mit jeweils spezifisch ausgebildeten Fachlehrkräften5, s die Festlegung der Stundenkontingente für die einzelnen Fächer innerhalb einer Stufe und die Einteilung der Unterrichtseinheiten in 45 Minuten, s die Aufteilung und Besetzung der nicht unterrichtsbezogenen Aufgaben im Leitungs- und Verwaltungsbereich. Mintzberg (1992) beschreibt in seinem situativen Ansatz „The structure of five“ fünf organisationale Archetypen6. Danach passt eine Organisation ihre Struktur – je nach Umweltbedingung sowie Ziel und Ausrichtung der Organisation – einem dieser Archetypen, der am besten für diese spezifische Situation geeignet erscheint, an. Mintzbergs Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Vorgang der Regelung von Interdependenzen im Arbeitsprozess mittels Koordinationsmechanismen (vgl. Mintzberg, 1992), also der Maßnahmen zur Zielerreichung. In der Betrachtung der Regelung von Interdependenzen werden deutliche Parallelen zwischen organisationstheoretischer Analyse und Governance-Analyse (vgl. Benz, 2004) erkennbar. Mintzbergs Koordinationsmechanismen können als Formen der Handlungskoordination in einer Organisation interpretiert werden, die durch Ziele, Form und Struktur der Organisation determiniert werden. Im Unterschied zu Organisationstheorien stellt die Governance-Analyse das Handeln von kollektiven Akteuren (Schimank, 2002b) in einem Mehrebenensystem in den Mittelpunkt. Organisationstheorien legen den Fokus ihrer Analyse dagegen primär auf die Binnenstrukturen und Prozesse der Akteure innerhalb einer Organisation (vgl. Kapitel 8.1.5). In dieser Arbeit stehen innerorganisatorische Strukturen und Prozesse im Vordergrund. Somit erfolgt die Analyse aus organisationstheoretischer Perspektive. Mintzberg ordnet in seiner Organisationsanalyse Schulen dem Typus der Profibürokratie zu. Die Profibürokratie ist nach Mintzberg eine Organisationsform, die auf persönliche Dienstleistungen mit der Bearbeitung von komplexen, dauerhaften Aufgaben in einer komplexen, aber stabilen Umwelt spezialisiert ist (vgl. ebd.). Die Profibürokratie berücksichtigt dabei sowohl Organisationsmerkmale der Bürokratie wie auch typische Professionsmerkmale (vgl. Berkemeyer, Brüsemeister & Feldhoff, 2007). „Schulen, Universitäten […] zählen zu dieser Konfiguration, solange sie schwerpunktmäßig nicht auf die innovative Lösung neuer Probleme, sondern auf die Anwendung von Standardprogrammen bei wohldefi5 6
Das Fachlehrerprinzip gilt im Primärbereich nur begrenzt, da die meisten Fächer von der Klassenlehrerin, dem Klassenlehrer unterrichtet werden. Diese sind: Einfachstruktur, Maschinenbürokratie, Profibürokratie, Spartenstruktur und Adhokratie.
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nierter Problemstellung ausgerichtet sind“ (Mintzberg, 1992, S. 274). Die Standards der Profibürokratie werden weitgehend außerhalb der eigenen Struktur entwickelt. Im schulischen Kontext werden diese Standards in den zuständigen Organen der Bildungsadministration entwickelt. Der größte Teil der Organisationsmitglieder arbeitet als professioneller Mitarbeiter in dem bürokratisch organisierten betrieblichen Kern – „das ist zweifellos der Unterricht“ (Rolff, 2001, S. 33). Die Profibürokratie verfügt über eine kleine Mittellinie7. In den meisten Schulen entfällt diese Mittellinie sogar und es existiert nur eine Schulleitung als oberste Verantwortungsinstanz, die Mintzberg als „professionelle Administratoren“ (Mintzberg, 1992, S. 269) bezeichnet. Ein weiteres Kennzeichen ist eine sehr kleine bis kaum vorhandene Technostruktur. Die Technostruktur existiert in Schulen fast ausschließlich an Berufskollegs. Eine Profibürokratie verfügt darüber hinaus über einen großen Hilfsstab, der die professionellen Mitarbeiter von z. B. Verwaltungsaufgaben entlastet, sodass diese sich voll und ganz um ihre „Klienten“ kümmern können. In der Schule ist der Hilfsstab dagegen sehr klein ausgeprägt. Das liegt z. T. daran, dass Verwaltungsaufgaben vonseiten der Bildungsadministration übernommen werden – also außerhalb der Organisation gelagert sind. Der vorherrschende Koordinierungsmechanismus in der Profibürokratie ist die Standardisierung der Qualifikationen, bestehend aus einer anerkannten beruflichen oder universitären Ausbildung in Verbindung mit der Indoktrination im Sinne einer betrieblichen Sozialisation. In Schulen erfolgt dies durch die erste und zweite Phase der Lehrerbildung. „Doch in vielen Fällen ist dies nur der erste, wenn auch wichtigste Schritt. Danach folgt normalerweise eine lange Zeit der Ausbildung am Arbeitsplatz […] In dieser praktischen Ausbildung werden die formalen Kenntnisse angewendet und erste berufliche Erfahrungen gesammelt – unter der strengen Aufsicht von Mitgliedern des jeweiligen Berufstandes“ (Mintzberg, 1992, S. 258).
Mintzberg nennt als Begründung für diesen Koordinationsmechanismus und die aufwendige Ausbildung vor allem die hohe Komplexität der Aufgabenstellung. Die professionellen Mitarbeiter arbeiten in einem engen Kontakt zu ihren Klienten und kontrollieren ihre Arbeit weitgehend selbst in relativer Unabhängigkeit zu ihren Kollegen. Hier zeigt sich ein typisches Professionsmerkmal. Rolff beschreibt sechs Merkmale der Schule als besondere Organisation, die sehr gut Mintzbergs Analyse ergänzen und die die Besonderheiten der Schule präzisieren (vgl. Rolff, 1993). 7
Unter Mittellinie versteht Mintzberg die hierarchische Ausdifferenzierung der Führungspositionen im Sinne des mittleren Managements (z. B. in Form von Bereichs- oder Abteilungsleitern).
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1. Der Bildungsauftrag der Schule prägt ihre Struktur. Die Schule soll nicht nur Wissen, sondern auch Bildung vermitteln. Rolff bezieht sich hier auf Flitner (1974) und den Begriff des Bildungsgehalts. 2. Der pädagogische Bezug drückt sich in einem besonderen Verhältnis zwischen dem Pädagogen und den Schülerinnen und Schülern aus. Rolff verweist hier vor allem auf Nohl (1949). Erziehungsprozesse sind demnach nur teilweise zweckrationalisierbar und begrenzt technologisierbar. Sie beruhen auf persönlichen Begegnungen, die auf die Mitwirkung der Schülerinnen und Schüler als Koproduzenten angewiesen sind. 3. Im Mittelpunkt des Bemühens der Lehrkraft stehen die Schüler. Das professionelle Handeln der Lehrkräfte liegt im Fallverstehen (vgl. Oevermann, 1983), d. h. in der situativen Interaktion (und/oder Intervention) mit den Schülerinnen und Schülern, die sich in jeder spezifischen Situation neu definiert. Die Kerntätigkeit – das Unterrichten – vollzieht sich im Klassenzimmer und ist somit weder vollständig reglementier- noch standardisierbar. Dabei ergibt sich eine doppelte Kontingenz des Fallverstehens in der Beziehung der Lehrkraft zur Klasse und der Beziehung der Lehrkraft zum einzelnen Schüler. 4. Lehrkräfte lassen sich nach Rolff als „unvollendete Professionelle“ (Rolff, 1993, S. 128) beschreiben. Die stellvertretende Deutung und das Fallverstehen sind klassische Merkmale von Professionen. „Professionelles Handeln liegt – mit anderen Worten – dann vor, wenn ein Berufstätiger jenseits einer technisch-rationalen Anwendung von Wissen solche Entscheidungen treffen muss, die für die Lebenspraxis bestimmter Anderer bedeutsam sind“ (ebd., S. 128 f.).
Hier wird der Bezug zu Mintzberg deutlich; die stellvertretende Deutung erfolgt im Verständigungsprozess zwischen dem Klient und dem Professionellen, der sich wegen seiner Eigenarten nicht standardisieren lässt. Dies führt zu einer von Mintzberg bereits angesprochenen strukturellen Autonomie des Lehrerhandelns. Doch im Unterschied zu anderen Professionen ist diese Autonomie durch den staatlichen Bildungsauftrag und dem Beamtenstatus der Lehrkräfte begrenzt. Hier entsteht ein Widerspruch zwischen der Fürsorge des Staates für das Bildungssystem mit einer einhergehenden und wie auch immer gearteten Kontrolle und der professionellen Autonomie der Lehrkräfte. „Dieser Widerspruch führt zu einer immanenten Kontrollunsicherheit, und ist [er] Ausdruck einer unvollendeten Professionalisierung“ (ebd., S. 129).
Erst recht entziehen sich anspruchsvolle Bildungsziele einer solchen Kontrolle. Sie sind oft erst nach Jahren oder Jahrzehnten feststellbar und eine eindeutige Zuschreibung des Erfolgs auf die Schule oder eine andere Instanz erscheint dabei
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unmöglich. Dies führt bei den Lehrkräften zu einer permanenten Unsicherheit bezüglich ihres eigenen Erfolgs und dem Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler. Diese Ungewissheit kann durch Formen kollegialer Kommunikation und Kooperation gemildert werden, doch Kooperation ist ein Problem der besonderen Organisationsstruktur der Schule. Auch Weick (1976, 1982) beschreibt das Technologiedefizit der Schule8. Dabei liegt sein Augenmerk ähnlich wie Mintzbergs und der des Governance Approach (Benz, 2004) auf der Gestaltung der Interdependenzen. Weick geht es um die „Form und Gestaltung der Kopplung von Systemelementen“. Er unterscheidet dabei zwei Formen der Kopplung: „loosely coupling“ und „tightly coupling“. Eng gekoppelte Organisationen lassen sich nach Weick (1982) durch vier Kriterien beschreiben: s In Systemen existieren klare Regeln. s Die vorhandenen Regeln sind den Mitgliedern des Systems bekannt und es herrscht Einigkeit über die Regeln. s Das System verfügt über ein Kontrollsystem zur Überprüfung und Erfassung der Einhaltung der Regeln. s Es gibt ein Feedback- bzw. Sanktionskonzept im Falle der Abweichung von Regeln. Systeme sind – so Weick – nur dann eng gekoppelt, wenn alle vier Kriterien erfüllt sind. Lose Kopplung definiert Weick pragmatisch als Antagonismus der engen Kopplung. “In systems that are more loosely coupled, at least one of these four characteristics is missing” (Weick 1982, S. 674). Organisationen, die lose gekoppelt sind, weisen eher Professionsmerkmale auf, während solche, die eng gekoppelt sind, eher Organisationsmerkmale aufweisen. Bezogen auf die Prozesse Erziehung und Unterrichten nimmt Weick eher Formen loser Kopplung an. Er begründet dies mit dem Fehlen eines Kontrollsystems (s. o.). Für Kontrollsysteme sind mit „certification“ und „inspection“9 zwei Kriterien zu erfüllen. Weick geht von der Annahme aus, dass Erziehung und Unterricht intrinsische, nicht beobachtbare und nicht evaluierbare Prozesse sind, also Technologien wie Outcome von Erziehungs- und Unterrichtsprozessen unscharf sind, keine „inspecinspection“ i. S. einer Qualitätsprüfung erfolgen kann. 5. Die auch von Mintzberg beschriebene Arbeitsteilung der Organisation führt nach Rolff zu einem nur sehr schwach ausgeprägten Organisationsbewusst8 9
Dieser Abschnitt zu Weick wurde in einer ähnlichen Form in Berkemeyer, Brüsemeister und Feldhoff (2007) veröffentlicht. Certification fragt danach: Wer erledigt die Arbeit? Inspection fragt danach: Wie gut wird diese Aufgabe ausgeführt?
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sein der Lehrkräfte. Die Sichtweise „Ich und meine Klasse“ dominiert vor der Sichtweise „Wir und unsere Schule“. Mintzberg führt an, dass Kooperation im Sinne einer wechselseitigen Abstimmung kaum vonnöten ist, da durch die Aufgabenspezialisierung und die Dezentralisierung nur geringe Interdependenzen unter den Lehrkräften entstehen. Rolff verweist hier auf Lortie (1975), der eine zellulare Grundstruktur der Schule ausmacht, ohne dass die Kopplung von Lehrer-Klassen-Zellen hinreichend erklärt werden konnte. Rolff beschreibt eine gefügeartige Kooperation der Lehrkräfte, die durch die Schulorganisation determiniert wird. Er bezieht sich auf Merkmale von Popitz, Bahrdt, Jüres und Kesting (1964). Die Schulorganisation gibt die Arbeitsteilung in der Schule vor und erzeugt dadurch eine gefügeartige Kooperation. Diese erfolgt durch eine klare Systematik der Arbeitsplätze und die Verteilung der Arbeitsaufgaben zwischen den Lehrkräften und eine detaillierte Einteilung der Zeitstruktur durch die Stundentafel. Die Zuordnung einzelner Lehrkräfte zu Klassen verhindert dabei eine unmittelbare Hilfestellung der Lehrkräfte untereinander. Die Analyse bestätigt Mintzbergs Beschreibung, dass durch die Aufgabenspezialisierung und die Dezentralisierung nur geringe Interdependenzen unter den Mitarbeitern entstehen. Vorrangiger Fokus liegt auf der Arbeit mit den Klienten. Rolff stellt fest, dass in der bürokratischen Schule die Gefahr besteht, dass „jeder Lehrer sein Fachgebiet den Schülern vermittelt‚ ,als ob es ein Ziel in sich selbst wäre, obgleich es nur Mittel zum Ziel ist, auf das es immer bezogen bleiben sollte‘ (Durkheim 1972, S. 99), nämlich auf Persönlichkeitsentwicklung und Bildungsentwicklung der Schüler“ (Rolff, 1993, S. 132 f.).
Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, schlägt Rolff eine teamartige Kooperation vor, die, wenn auch begrenzt, im Rahmen der Schulorganisation möglich ist. 6. Die letzte Besonderheit ist die Reflexivität von Bildungs- und Erziehungszielen. „Päd. Ziele sind reflexiv, widersprüchlich und unbegrenzbar“ (Rolff, 1993, S. 133). Dies zeigt sich z. B. am Widerspruch der Förderung und Auslese, die untrennbar miteinander verbunden sind. Es gilt die Balance zwischen der Förderung des Einzelnen ohne Vernachlässigung der Anderen zu erreichen. Rolff verweist in diesem Zusammenhang auf Helmke (1988). Auch Mintzberg merkt Folgendes an: „Da ihre [der Profibürokratie] Arbeitsprodukte nur schwer zu messen sind, lassen sich auch ihre Ziele nicht leicht formulieren“ (Mintzberg, 1992, S. 270). Doch gilt es zu Rolffs Darstellung zu ergänzen, dass es auch in der Schule klare Ziele gibt. Zum Beispiel geben die Bildungsstandards klare Ziele vor, über welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler einer bestimmten Jahrgangsstufe in einem bestimmten Fach verfügen sollten (vgl. KMK, 2003b). Darüber hinaus sollte es bei Schulentwicklungsprojekten und vor allem im Bereich der Evaluation klare Ziele geben.
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Nach dieser detaillierten Beschreibung der Besonderheit der Schule von Rolff und der Ergänzung von Weick zur genaueren Analyse der professionellen Mitarbeiter in eine Profibürokratie nach Mintzberg, soll die Beschreibung von Mintzberg an dieser Stelle fortgesetzt werden. Die professionellen Mitarbeiter sind in einer Profibürokratie nicht nur weitestgehend für ihre Tätigkeiten verantwortlich, sondern streben auch eine kollektive Kontrolle über die ihre Arbeit betreffenden Entscheidungen an (vgl. Lortie, 1975). Ein großer Teil der Macht liegt bei den Mitarbeiten im betrieblichen Kern. Die Profibürokratie verfügt zwar über eine hierarchische Führung in der Person des professionellen Administrators, der überwiegend für den reibungslosen Ablauf im betrieblichen Kern zuständig ist, die Organisation nach außen vertritt, Ressourcen beschafft und sich um die administrativen Angelegenheiten kümmert. Dennoch besitzt die Profibürokratie vergleichsweise demokratische administrative Strukturen in Form von Gremien etc., in denen viele Entscheidungen von den professionellen Mitarbeitern mitgetragen werden. „Aufgrund der Macht der Mitarbeiter im betrieblichen Kern werden Profibürokratien zuweilen auch als ‚kollegiale‘ Organisationen bezeichnet“ (Hrvg. i. Org. Mintzberg, 1992, S. 266). Die Führungskraft ist nach Mintzberg zum Teilen bemüht, die Organisation nach eigenen Vorstellungen zu verändern und effektiver zu gestalten, dennoch kann sie die professionellen Mitarbeiter nicht direkt lenken und kontrollieren. Doch die Struktur der Profibürokratie hat nach Mintzberg auch Schwächen: „Ausgerechnet die beiden Merkmale der Profibürokratie – Demokratie und Autonomie – leisten erheblichen Problemen Vorschub“ (Mintzberg, 1992, S. 277). Er beschreibt drei Kernprobleme: das Koordinationsproblem, das Ermessensproblem und das Innovationsproblem. Koordinationsprobleme Eine effektive Koordination ist nur durch die Standardisierung von Qualifikationen möglich. Doch diese ist ein eher „weicher Koordinationsmechanismus, mit dem viele der in der Profibürokratie anfallenden Erfordernisse nicht zu bewältigen sind“ (Mintzberg, 1992, S. 278). Doch Koordinationsmechanismen, wie die persönliche Weisung als hierarchische Form der Koordinierung oder die gegenseitige Abstimmung als kollegiale Form der Koordinierung, werden als direkte Eingriffe in die Autonomie der einzelnen Mitarbeiter gesehen. Dieses Phänomen hat Lortie (1975) für Schulen als Autonomie-Paritäts-Muster beschrieben. Unter dem Autonomie-Paritäts-Muster werden im Wesentlichen drei informelle handlungsleitende Regeln verstanden, die erstens die Autonomie der einzelnen Lehrkräfte in Bezug auf ihren Unterricht betonen, zweitens die Lehrerinnen und Lehrer als gleichberechtigt betrachten und drittens eine gegenseitige Einmischung in die Angelegenheiten der Anderen untersagen. Somit erweist sich die Koordination der Mitarbeiter als äußerst schwierig. Wie auch Rolff schon mit der gefügear-
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tigen Kooperation angedeutet hat, ergeben sich aus der Schulorganisation potenzielle Interdependenzen, doch diese werden von den Lehrkräften aufgrund ihrer Autonomie nicht immer wahrgenommen oder vermieden. Ermessensprobleme Die Entscheidungen im Arbeitsprozess liegen im Ermessen des einzelnen professionellen Mitarbeiters. Dies setzt ein beträchtliches Urteilsvermögen der Mitarbeiter voraus. Problematisch sind vor allem nachlässige und verantwortungslose Mitarbeiter, die sich nicht entsprechend weiterqualifizieren oder den Klienten nicht in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen. In solchen Fällen sind die Interventionsmöglichkeiten von Seiten der Organisation schwierig. Zum einen ist durch den hohen Grad an Autonomie ein Einblick in die Arbeit der Mitarbeiter schwierig, zum anderen sind die Arbeitsprodukte kaum messbar. Der große Ermessensspielraum kann bei den Mitarbeitern auch dazu führen, dass sie überwiegend ihre persönlichen Interessen vertreten und die Interessen der Organisation vernachlässigen. Profibürokratien neigen dazu, Einzelkämpfer statt Teammitglieder zu sozialisieren. Dies kann zu einem fehlenden Engagement und fehlender Identifikation mit der Organisation und ihren Zielen führen. Rolff hat in diesem Zusammenhang bereits auf das schwach ausgeprägte Organisationsbewusstsein hingewiesen. Innovationsprobleme Die Kooperationsschwierigkeiten der Mitarbeiter untereinander führen auch zu Problemen bei der Entwicklung von Innovationen. Hier sind Organisationen in großem Maße auf Kooperation angewiesen. Neue Verfahren passen zumeist nicht in die bestehenden Muster. Die Entwicklung erfordert zumeist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Die inflexible Struktur von Profibürokratien erschwert, alte Denkmuster abzulegen und neue Strukturen und Strategien in die Organisation zu integrieren. Somit können Profibürokratien auch als konservative Organisationen gelten (vgl. Weisbord, 1984). Zu einer ähnlichen Problemanalyse kommt Krainz-Dürr (1999). Dabei verweist sie bereits direkt auf Defizite der schulischen Organisation. Durch eine zunehmende organisatorische Autonomie (vgl. Phase 2 und 3) können oder auch müssen sich Schulen entwickeln. Krainz-Dürr hat dabei Zweifel, ob Schulen aufgrund ihrer strukturellen Verfasstheit lernen können bzw. dass sie die Strukturen lernen und somit auch Schulentwicklungsprozesse behindern bzw. erschweren. Sie identifiziert vier grundlegende Probleme: 1. Organisationsverständnis Wie Rolff und Mintzberg bescheinigt sie Schulen ein mangelndes Verständnis von sich selbst als Organisation. Mit Bezug auf die sechs Diagnosekategori-
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en10 nach Weisbord (1984) zeigt sich, dass Schulen in allen Bereichen schwach ausgeprägt sind. Sie verweist hier auch auf die Kategorien von Mintzberg und die Beschreibung der Schule als eine professionelle Bürokratie. Doch dieses Verständnis reiche nicht mehr aus, in dem Maße, in dem Schulen sich im Rahmen der Schulautonomie selbst entwickeln müssen. Darüber hinaus ist der Begriff der Organisation bei Lehrkräften negativ konnotiert. Der Begriff „Organisation“ und alles, was mit diesem in Verbindung steht, werde von den Lehrkräften in ihrem Verständnis mit Verwaltung und Bürokratie gleichgesetzt. 2. Leitungsverständnis Schulen haben ein schwieriges Verhältnis zur Leitung, Führung und Steuerung. „In Beratungsprojekten an Schulen kann häufig das Phänomen beobachtet werden, dass Leitungsfunktionen nicht klar als solche bezeichnet, sondern eher umschrieben werden. Lehrer/innen bevorzugen die Bezeichnung ‚Planungs-, Koordinations- oder Konzeptgruppe‘ anstelle von ‚Steuergruppe‘, ‚Projektleiter/innen‘ werden zu ‚Ansprechpartner/innen‘ gemacht und Personen, die Gruppen leiten sollen, ‚Koordinator/innen‘ genannt“ (Krainz-Dürr, 2002, S. 71).
Krainz-Dürr spricht in diesem Zusammenhang auch in Anlehnung an das Autonomie-Paritäts-Muster von einem „antihierarchischen“ Effekt, der es Schulen erschwert, Leitungs- und Steuerungsaufgaben als solche zu benennen. Dies kann bei den Beteiligten zu Verunsicherungen und Unklarheiten in ihrem Rollenverhalten führen (vgl. Krainz-Dürr, 1999, 2002). Doch macht Krainz-Dürr auch klar, dass Schulentwicklungsprozesse eine aktive Leitung und Steuerung benötigen. 3. Schnittstellenmanagement und Herstellung von Verbindlichkeit Mit diesem Punkt spricht Krainz-Dürr die schon von Mintzberg beschriebenen Probleme der Koordinierung und der Regelung von Interdependenzen an. Schulen benötigen demnach eine Abstimmung der einzelnen schulischen Gruppen und Gremien. Doch Lehrkräfte sind in ihrer Professionsorientierung eine eher direkte Kommunikation gewöhnt. In organisationalen Kontexten findet aber Kommunikation oft indirekt und in formalisierter Form statt. Lehrkräfte fühlen sich durch diese Formen der Kommunikation oftmals nicht ausreichend geschätzt und berücksichtigt.
10 Bei den sechs Kategorien handelt es sich um: die Ziele einer Organisation, ihre Aufbauorganisation und Struktur, ihre Beziehungs- und Koordinationsmechanismen, ihre Belohnungs- und Anreizsysteme, ihre Führungsstrukturen und ihre Unterstützungsmechanismen (vgl. Weisbord, 1984).
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1 Problemstellung
4. Vorstellung von Engagement im Gegensatz zur Professionalität Schulentwicklungsarbeit wird immer noch zu sehr mit Engagement und freiwilliger Teilnahme in Verbindung gebracht, dabei stoßen Schulen an strukturelle Grenzen bzw. werden strukturelle Defizite durch Engagement ausgeglichen. Schulentwicklungsarbeit muss Teil des professionellen Handelns von Lehrkräften werden, aber dann müssen hierfür auch entsprechende zeitliche Ressourcen etc. bereitgestellt werden.
1.2.2 Organisationsdefizit der Schulen unter dem Paradigma der Veränderungen Bei dieser Beschreibung der Besonderheiten der schulischen Organisationen sind einige Schwächen und Probleme des Organisationstypus Schule deutlich geworden (vgl. Krainz-Dürr, 1999; Mintzberg, 1992). Setzt man diese Erkenntnisse nun mit den eingangs skizzierten Modernisierungsphasen und den daraus für die Schulen erwachsenden Anforderungen in Zusammenhang, wie sie z. B. mit einer erweiterten Autonomie von Schule einhergehen, so wird deutlich, dass von den Schulen ein Mehr an Organisation und eine flexiblere, innovative Anpassung an neue Entwicklungen und Herausforderungen erwartet wird. Die schulische Umwelt lässt sich nicht mehr, wie Mintzberg es darstellt, als komplex und stabil beschreiben. Es scheint eher, als habe ihre Komplexität bei einer gleichzeitigen Dynamisierung und Beschleunigung zugenommen. Unter solchen Prämissen können aus organisationalen Schwächen Hindernisse und Probleme bei der schulischen Bewältigung dieser Anforderungen erwachsen. Wie durch die Beschreibung von Mintzberg, Rolff, Weick, Lortie und Krainz-Dürr deutlich wurde, verfügen Schulen über eine unflexible Organisationsstruktur, die vorrangig auf die Bewältigung von Standardprogrammen ausgerichtet ist, die die Lehrkräfte sich in ihrer Ausbildung und durch laufende Qualifizierungen angeeignet haben. Mintzbergs Profibürokratie lässt sich gut mit der fragmentierten Schule von Dalin und Rolff (1990) vergleichen. Die Struktur der Schule konzentriert sich dabei voll und ganz auf den Unterricht, sie ist nicht auf Veränderungen ausgerichtet. Daher besitzt sie auch keine ausreichende Struktur zur Gestaltung von Veränderungs- bzw. Schulentwicklungsprozessen. Mintzberg verweist hier auf das Koordinations- und Innovationsproblem von Profibürokratien. Innovationen verlangen eine intensive, zum Teil interdisziplinäre, d. h. fach- und jahrgangsübergreifende Kooperation. Innovationen benötigen somit wechselseitige Abstimmung; starre Regeln und Standardverfahren behindern sie.
1.2 Organisationsdefizit und Kompensationsstrategien der Schule
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Organisationsdefizit im Rahmen organisationaler Veränderung Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Berkemeyer, Feldhoff und Brüsemeister (2008). Sie nutzen eine Beschreibung von Terhart (2001) zur organisationalen Veränderung anhand dreier organisationstheoretischer Konzepte. Das erste Konzept basiert auf einer mechanistischen Vorstellung einer Rationalitätslogik „des homo oeconomicus bzw. bureaucraticus“ (Terhart, 2001, S. 54) und bezieht sich auf die Vorstellung des „planned change“, ausgehend von der Bürokratietheorie Webers (vgl. Kieser, A., 2002; Weber, 1972) und des Scientific Managements. Dieses Modell der Planbarkeit hat vor allem die Zeit der zentralistischen Gesamtsteuerung geprägt. In diesem Modell dominiert das Paradigma einer rationalen Planbarkeit von komplexen Gesamtsystemen mittels Regularien, Vorschriften und Gesetzen, die den zuständigen Mitarbeitern oder Instanzen in Form von „Ausführungen“ übermittelt werden. Diese Form der Planung beschreibt die Vorstellung der Planbarkeit eines gesamten Schulsystems, bei dem nur ein entsprechender Masterplan zur Veränderung entworfen, in einzelnen Vorschriften genügend ausgearbeitet und von den Schulen entsprechend befolgt werden muss. Doch dieses Modell lässt sich auf Veränderungsprozesse innerhalb von Schulen anwenden, in der ein vergleichbarer Planungs- und Umsetzungsprozess in Gang gesetzt wird. Terhart zeigt, dass es bei diesem Modell nicht nur um die mittlerweile hinreichend dokumentierte „Unzulänglichkeit des Konzepts“ (Berkemeyer et al., 2008, S. 154) geht, sondern die Funktion solcher Denkmodelle. „Rationalität, Transparenz, Standardisierung, Kontrolle etc. sind die Elemente eines organisationsintern wie -extern wichtigen Mythos11, der der Legitimation und Sinngebung dient“ (Terhart, 2001, S. 55). Das zweite Konzept beschäftigt sich mit der sozial-konstruktionistischen Organisationsvorstellung. Diese vertritt die Sichtweise, dass Institutionen aus „einer Verdichtung von ursprünglich einfachen, nicht-institutionalisierten Handlungsketten bzw. Verknüpfungen von Handlungsketten“ (Terhart, 2001, S. 55) entstehen. Diese lösen sich von ihrem ursprünglichen Kontext und entwickeln ein Eigenleben in der Institution. „Veränderungen von Organisationen ist in dieser Sicht eine Sache des Verabredens von Neuem, der Umkonstruktion der bisherigen Formation; es handelt sich um eine kulturalistische Modellvorstellung“ (Hrvg. i. Org. Terhart, 2001, S. 56). Für diese soziale Konstruktion der Wirklichkeit ist Kommunikation und Interaktion innerhalb der Organisation bedeutsam. Es geht um die Deutung der Welt und im Rahmen von Wandel um deren Umdeutung. Doch diese Deutung hat auch immer eine historische Dimension. Bei der Umdeutung stellt sich die Frage der „Deutungsmonopole und Definitionsmacht“ (ebd., S. 56) 11 Zur Bedeutung von organisationsintern und -extern gepflegten Metaphern und Mythen in Bildungsorganisationen (vgl. Meyer & Rowan, 1977; Schein, 1996 und Simsek, 1997).
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1 Problemstellung
innerhalb der Organisation. Bestehende Regeln und Vorstellungen behindern angestrebte Veränderungen. Durch einen kulturellen Wandel in der Organisation soll sich die Organisation aus sich selbst heraus verändern und „zu einem ,lernenden‘ Sozialorganismus werden“ (ebd., S. 57). Doch dieser Prozess ist, wie Terhart kritisch anmerkt, auch planbar. Er gelinge am effektivsten, wenn die beteiligten Organisationsmitglieder gar nicht merken, dass sie Gegenstand der Planung sind, und sogar wenn die in der Organisation für die Veränderung Zuständigen selbst glauben, dass sie den Veränderungsprozess nicht steuern oder planen. Das dritte Konzept beschreibt die Vorstellung einer Organisation aus systemtheoretischer Perspektive. Terhart verweist hier auf die Arbeiten von Luhmann. Die vorrangigen analytischen Kategorien der Systemtheorie sind die der Unterscheidung und der Beobachtung, wobei diese immer als Beobachtung der Beobachtung und als Unterscheidung der Unterscheidung „mitzudenken“ (ebd., S. 57) sind. Nach Luhmann sind „… pädagogische Organisationen […] durch eine brisante Kombination von schwacher Binnentechnologie bei hohen und höchsten Erwartungen gekennzeichnet. Hohe Undurchschaubarkeit und auch Unsteuerbarkeit der tatsächlichen Prozesse auf der Mikro- und Makroebene erzeugt kontinuierliche und immer wieder neu ansetzende Versuche zur Lösung des „Technologieproblems in der Erziehung“ (ebd., S. 57 f., Herv. i. O.).
Die Organisation wird in dieser Vorstellung zur Passivität verdammt und entsubjektiviert. Demnach gelten Organisationen als unsteuerbar. Sie entziehen sich gezielten Veränderungsbemühungen. Wandel ist, wenn, nur über neue Deutungen möglich, ähnlich der sozial-konstruktionistischen Perspektive. Berkemeyer, Feldhoff und Brüsemeister (2008) betrachten diese Konzepte als „kritische Analyseinstrumente“ (Berkemeyer et al., 2008, S. 156) mithilfe derer „Schwierigkeiten bei der Veränderung von Organisation“ (ebd.) erklärt und daraus Gestaltungsempfehlungen abgeleitet werden können. In Bezug auf das Konzept des „planned change“ weisen sie darauf hin, welche schulische Instanz aufgrund einer fehlenden Mittellinie für die Planung, Umsetzung und Kontrolle infrage kommt. Zudem verweisen sie auch auf Schwierigkeiten bei der Umsetzung angesichts des Autonomie-Paritäts-Musters nach Lortie (1975). In Bezug auf die sozial-konstruktionistische Organisationsvorstellung zeigen sie am Beispiel der Schulprogrammarbeit, dass Schulen wenige Erfahrungen mit ihrer Selbstbeschreibung und vor allem auch mit den daraus resultierenden Konsequenzen haben. Sie fragen kritisch, welche Mechanismen Schulen entwickelt haben, um auf Basis dieser Selbstbeschreibung und deren Handlungsimplikationen Veränderungen einzuleiten. Damit diese Selbstbeschreibungen nicht auf einer semantischen Ebene stehen bleiben und „den Eindruck vermitteln können, dass sich die Organisation tatsächlich verändert hat“ (ebd., S. 157), müssen die Selbstbeschreibun-
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gen selbst reflektiert und durch Fremdbeschreibungen abgeglichen werden. Aus der systemtheoretischen Perspektive wird nach Berkemeyer, Feldhoff und Brüsemeister (2008) das Organisationsdefizit am deutlichsten sichtbar und auch als nicht auflösbar beschrieben. Daher erfolgen auch keine direkten Handlungsempfehlungen. Der Schule fehlt demnach „eine innerorganisatorische Produktionsbzw. Unterrichtstechnologie und eine das Mehrebenensystem Schule umfassende innerorganisationale ‚Organisationstechnologie‘“ (ebd. Hrvg. i. Org.).
Strategien zur Kompensation des Organisationsdefizits Das Organisationsdefizit der Schule wurde anhand verschiedener Perspektiven beleuchtet; als besondere soziale Organisation (Rolff, 1993), als Profibürokratie (Mintzberg, 1992), unter dem Aspekt der Lernfähigkeit (Krainz-Dürr, 1999) und der Veränderbarkeit (Berkemeyer et al., 2008; Terhart, 2001). Doch welche Strategien stehen Schulen zur Kompensation bzw. Beseitigung dieses Defizits und ihrer Schwächen zur Verfügung, um den o. g. neuen Anforderungen gerecht zu werden? In der vorliegenden Arbeit werden zwei dieser Strategien und ihre Beziehung zueinander theoretisch wie empirisch näher beleuchtet. Zum einen wird die Einführung von schulischen Steuergruppen als eine Strategie zur Stärkung der schulischen Organisations- und Managementfähigkeit angesehen und zum anderen wird mit dem Aufbau einer Kapazität Organisationalen Lernens die Erwartung einer Erhöhung des Selbststeuerungspotenzials der Schule verbunden. Schulische Steuergruppen zur Stärkung der schulischen Organisations- und Managementfähigkeit Schulische Steuergruppen wurden bei Dalin und Rolff (1990) erstmals in ihrem „Institutionellen Schulentwicklungs-Programm“ (Dalin & Rolff, 1990, S. 54), kurz ISP, beschrieben. Berkemeyer, Brüsemeister und Feldhoff (2007) rekonstruieren ihre Entstehungsgeschichte von Steuergruppen als „ein(en) Reflex auf eine durch einen externen Berater vorgefundene und artikulierte Problemlage in der Beratungssituation mit Schulen“ (ebd., S. 72). Im Rahmen von schulischen Organisationsentwicklungsprozessen wurde ein schulischer Ansprechpartner für die externe Schulentwicklungsberatung gesucht. Doch weder die Schulleitung allein kam bei einem auf Beteiligung der Betroffenen ausgelegten Beratungsprozess infrage, noch war hierfür das Kollegium als Ganzes, von seiner Größe her, geeignet. So wurde ein neues organisationales Element in Schulen installiert, die schulischen Steuergruppen. Ihre Konstruktion ergibt sich aus ihrem damaligen Auftrag: Ansprechpartner für die externe Beratung nach außen und Koordinierung und Steuerung der schulischen Organisationsentwicklungsprozesse nach innen. Die Schulleitung ist als Führungsorgan der Schule und hauptverantwortliche Instanz für die Organisation und Administration der Schule gesetztes Mitglied der
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1 Problemstellung
Steuergruppe. Weiterhin sind in ihr Mitglieder des Kollegiums vertreten, die möglichst alle Strömungen des Kollegiums repräsentieren sollen (vgl. Dalin & Rolff, 1990); also ein von der Größe her handlungsfähiges Abbild der Schule darstellen. In dem Modell von Mintzberg lassen sich Steuergruppen als eine Art Kontaktinstrument beschreiben, das durch die Kombination von Schulleitung und Kollegiumsmitgliedern wiederum die Mischform einer „professionellen Organisation“ in Form von Merkmalen der Organisation und der Profession in sich vereint (vgl. Berkemeyer et al., 2007; Berkemeyer et al., 2008). Doch ist mit der Einrichtung dieses Gremiums die Erwartung verbunden, dass sich die Schule von einer Profibürokratie in eine Profi-Adhokratie transformiert (vgl. Mintzberg, 1992). Ein Adhokratie ist bei Mintzberg eine Organisation, deren Zweck vorrangig in der Entwicklung von Innovationen liegt. Daher ist ihre Ausrichtung problemlöseorientiert. Es geht um „eine Diagnose mit völlig ungewissem Ergebnis, bei der es um eine kreative Lösung für ein einmaliges Problem geht“ (Mintzberg, 1992, S. 261). Eine Adhokratie besteht aus einem Kreis unterschiedlicher, im Sinne interdisziplinärer Experten, deren Arbeit projektförmig organisiert ist und deren Strategieentwicklung innerhalb der Organisation durch die Experten entsteht. Als vorrangiger Koordinierungsmechanismus dienen „Kontaktinstrumente zur Förderung der gegenseitigen Abstimmung“ (ebd., S. 337). Kontaktinstrumente ermöglichen eine koordinierte Kommunikation verschiedener organisatorischer Einheiten untereinander, ohne dass diese immer direkt miteinander kommunizieren müssen. Es gibt nach Mintzberg verschiedene Formen der Kontaktinstrumente, z. B. Gremien, Matrixstrukturen oder Projektleiter. An dieser Stelle werden wieder deutliche Parallelen zur Bedeutung von Handlungskoordination im Governance Approach sichtbar. Die Funktion schulischer Steuergruppen bei Schulentwicklungsprozessen lässt sich am besten durch das Kontaktinstrument des Projektleiters beschreiben. Der Projektleiter verfügt über keine formalen Machtbefugnisse. Zur Koordinierung und Steuerung der Projektarbeit „muss der Projektleiter vielmehr seine Entscheidungsautorität und vor allem seine Überzeugungskraft und sein Verhandlungsgeschick unter Beweis stellen“ (ebd., S. 121). Wie in Kapitel 2 und 3 ausführlich dargestellt, kann diese Funktion als Kontaktinstrument im Sinne des Projektleiters nach Mintzberg mit der Rolle eines Change Agents bei Change Management-Prozessen gleichgesetzt werden (vgl. Holtappels, 2007, Kapitel 2 und 3). Eine Profi-Adhokratie, die mit der Problemlöseschule von Rolff vergleichbar ist, versucht somit, eine möglichst enge Kopplung zwischen adokratischem Innovationsmanagement auf der Organisationsebene und dem Unterrichtsgeschehen auf der Professionsebene zu erreichen. Ziel ist es, möglichst hohe Interdependenzen zwischen den beiden Ebenen herzustellen, damit sich die Entwicklungen auf der schulischen Ebene auch tatsächlich auf den Unterricht auswirken. Der Aufbau einer Kapazität Organisationalen Lernens könnte ein Schlüssel zu dieser Verzahnung der beiden Ebenen sein. In
1.2 Organisationsdefizit und Kompensationsstrategien der Schule
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so einer Struktur übernimmt die Steuergruppe die Rolle eines Kontaktinstruments. Sie trägt im Rahmen von Handlungskoordination dafür Sorge, dass die neu entstandenen12 Interdependenzen innerhalb und zwischen den einzelnen Projektgruppen geregelt werden. Dabei agiert sie quasi als Projektleitung für den Schulentwicklungsprozess, indem sie in Form von Aushandlungsprozessen Einfluss auf Lehrkräfte und Projekte zu nehmen versucht, über die sie keine formale Autorität besitzt. Aufbau einer Kapazität Organisationalen Lernens Der Aufbau einer Kapazität Organisationalen Lernens kann als eine konsequente Weiterentwicklung der in den 1980er-Jahren angestoßenen Organisationsentwicklung im Rahmen der Hinwendung zur Einzelschule als „Handlungseinheit“ angesehen werden (vgl. 1.1 Modernisierungsphasen des Schulsystems). Weicks Analyse der Kopplung in Schulen unterstreicht die Forderung einer erweiterten Autonomie und in seiner Konsequenz auch einer erhöhten Selbststeuerungsfähigkeit der Schule. Die o. g. lose Kopplung ist bei Weick nicht negativ konnotiert; denn sie beinhaltet im Gegensatz zu eng gekoppelten Systemen auch Vorteile in Form von mehr Stabilität, höhere Anpassungsfähigkeit an die Umwelt und Freiräume für selbst bestimmtes Arbeiten etc. Entscheidend ist für Weick, dass lose und enge Kopplung unterschiedlicher Formen der Steuerung und Führung bedürfen. Die Steuerung lose gekoppelter Systeme sollte eher kulturorientiert und dezentral mit einer stetigen Veränderung auf lokaler Ebene sein, z. B. mithilfe symbolischer Führung erfolgen (vgl. Bonsen, 2003). Auf Gesamtsystemebene sollte lediglich global bzw. im Sinne einer Kontext- oder Outputsteuerung agiert werden. Währenddessen sind eng gekoppelte Organisationen besser zentral und mithilfe stringenter Führung steuerbar. Die Grundannahme von Konzepten des Organisationalen Lernens ist, dass lernende Organisationen effektiv arbeiten, sich gut an Veränderungen anpassen können, eigene Fehler erkennen und beheben und kontinuierlich sowohl die Effektivität als auch ihr Handeln selbst überprüfen können (vgl. Argyris & Schön, 1974; Marks & Louis, 1999). Ziel ist somit, eine dauerhafte und stetige Veränderung von Organisationen zu erreichen. Durch ihre Lernfähigkeit passt sich die Organisation durch entsprechende Veränderungen an die Anforderungen ihrer Umwelt an. Diese Lernfähigkeit der Organisation wird von der Kultur, die sich in den spezifischen Normen und Werte manifestiert, und von den Strukturen einer Organisation beeinflusst. Beide Faktoren können Organisationales Lernen sowohl begünstigen als auch erschweren bzw. verhindern (vgl. Jones, O., 2006; Klimecki & Thomae, 1997). 12 Die neu entstandenen Interdependenzen beziehen sich in diesem Kontext auf die Interdependenzen, die durch den Wandel von der fragmentierten Schule zur Problemlöse-Schule, also von der Profibürokratie zur Profi-Adhokratie entstehen.
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Die Steuerung und Führung, die eher verteilt und dezentral ist, bezieht sich auch auf die Kultur und die Struktur der Organisation (vgl. Leithwood, Leonard & Sharratt, 2000, Kapitel 2). Somit versuchen Konzepte des Organisationalen Lernens, das Selbststeuerungspotenzial der Einzelschule zu erhöhen. Sie entsprechen somit auch Weicks Forderung nach einer stetigen Veränderung der Organisation auf lokaler Ebene mit Rahmenvorgaben der Gesamtsystemebene. Darüber hinaus wird in Kapitel 2 gezeigt, dass Organisationales Lernen über die Etablierung professioneller Gemeinschaften die o. g. Verzahnung der Organisationsund Unterrichtsebene ermöglicht. Organisationales Lernen bietet somit die Chance, die Organisation und die Profession in der Schule zu stärken. Schulische Steuergruppen lassen sich, wie in Kapitel 2 und 3 noch näher skizziert wird, gut in ein Konzept des Organisationalen Lernens integrieren. Wie bereits beschrieben, wurden Steuergruppen zur Koordinierung von Veränderungsprozessen im Rahmen der Organisationsentwicklung eingerichtet. Konzepte des Organisationalen Lernens gelten wiederum als Weiterentwicklung der Organisationsentwicklung. Steuergruppen übernehmen die Rolle eines Change Agent bei den Schulentwicklungsprozessen und unterstützen dabei das Organisationale Lernen in der Schule (vgl. Kapitel 2 und 3).
1.3 Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ 13 Nordrhein-Westfalen Bei dem Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ NRW handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW und der Bertelsmann Stiftung. Im Projekt haben 278 Schulen aller Schulformen von 2002 bis 2008 ein erhöhtes Maß an Eigenverantwortung in verschiedenen Handlungsfeldern (vgl. Abb. 1) erprobt. Ziel des Projekts war die Weiterentwicklung des Unterrichts und der Aufbau regionaler Bildungslandschaften (vgl. Weisker, 2004, S. 33). Dieses übergreifende Ziel wurde in den nachstehenden vier Arbeitsfeldern verfolgt: eine systematische Unterrichtsentwicklung zur Förderung der Lernkompetenz bei Schülerinnen und Schülern, die Verbesserung des schulinternen Managements, ein eigenverantwortliches und effizientes Arbeiten im Rahmen größerer Gestaltungsfreiräume in den Bereichen Personal- und Ressourcenbewirtschaftung, Unterrichtsorganisation, Mitwirkung und Partizipation und dem Aufbau eines Systems der Qualitätsentwicklung/-sicherung zur Rechenschaftslegung. 13 Dieser Abschnitt lehnt sich an die Darstellung von Berkemeyer, Feldhoff und Brüsemeister (2008) an.
1.3 Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ Nordrhein-Westfalen
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Abbildung 1: Ziele des Modellvorhabens
Um eine gemeinsame Verpflichtung der am Modellvorhaben beteiligten Kooperationspartner (Projektleitung, Modellregionen, Schulträger und Schulen) zu erreichen, handelte die Projektleitung mit den beteiligten Schulträgern und den einzelnen Schulen Kooperationsvereinbarungen aus. Die Schulen verpflichteten sich ferner, ihre schulischen Entwicklungsvorhaben in den o. g. Arbeitsfeldern und im Besonderen im Bereich der Unterrichtsentwicklung und des schulinternen Managements zu benennen und diese im Projektzeitraum durchzuführen. Des Weiteren richteten die Schulen jeweils eine schulische Steuergruppe ein und verpflichteten sich, an den im Rahmen des Projekts angebotenen Fortbildungen teilzunehmen. Im Gegenzug erhielten sie eine Freistellung im Umfang von durchschnittlich einer halben Stelle sowie Mittel aus dem regionalen Entwicklungsfonds, der pro Schule und Projektjahr 5000 À betrug. Die Kosten hierfür übernahm zur Hälfte das Land und zur anderen Hälfte der Schulträger. Die Verwaltung der Mittel übernahm die regionale Steuergruppe14 in den Modellregio14 Im Rahmen des Aufbaus regionaler Bildungslandschaften richtet jede Modellregion eine sogenannte regionale Steuergruppe ein, die aus Mitgliedern der drei Bänke Schulträger, Schulaufsicht und Projektschulen besteht.
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nen. Der überwiegende Teil der Mittel sollte vor allem in umfangreiche Fortbildungen für die regionalen und schulischen Steuergruppen, Schulleitungen und Lehrerräte, Evaluationsberater sowie der Unterrichtsentwicklung fließen.
1.3.1 Verständnis der Projektträger von Selbstständigkeit15 Das Modellvorhaben lässt sich von seiner Idee her und der Beschlussfassung im Landtag noch in die zweite Modernisierungsphase einer erweiterten Schulautonomie einordnen, auch wenn das Projekt selbst erst in der dritten und aktuellen Phase durchgeführt wurde. Das Verständnis von Selbstständigkeit der Projektträger im Modellvorhaben kann anhand von zwei verschiedenen Aspekten dargestellt werden. Zum einen geht es um die Bereitstellung eines juristischen Rahmens zur Ermöglichung der neuen Handlungsfreiräume von erweiterter Selbstständigkeit, also der rechtlichen Regelung von Selbstständigkeit. Dies erfolgt in der Form von Kompetenzverlagerungen bestimmter Entscheidungsfelder, von der administrativen auf die schulische Ebene. Zum anderen geht es aber auch darum, einen organisatorischen und inhaltlichen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen sich die Nutzung aus schulischer Sicht der o. g. Handlungsfreiräume realisieren lässt.
Rechtliche Regelungen zur Selbstständigkeit von Schule im Modellvorhaben Die rechtlichen Regelungen zum Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ sind überwiegend in der Verordnung „Selbstständige Schule“, kurz VOSS, festgeschrieben. Die Verordnung basiert auf der in Artikel 1 des Gesetzes zur Weiterentwicklung von Schulen enthaltenen Öffnungsklausel. Sie beinhaltet einige – für die Laufzeit des Modellvorhabens geltende – Kann-Regelungen in den nachstehenden Bereichen; ausgenommen ist lediglich der Bereich der Bewirtschaftung von Personal- und Sachmitteln. Dieser wird gesondert in Artikel 1 und 2 des Schulentwicklungsgesetzes thematisiert. Unterricht Den Schulen wird ermöglicht, in ihrem Kerngeschäft, dem Unterricht, neue Formen der Unterrichtsorganisation und -gestaltung auszuprobieren. Im Einzelnen stehen den Schulen folgende Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung: 15 Der folgende Abschnitt ist im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung des Modellvorhabens „Selbstständige Schule“ entstanden und wurde von Pfeiffer (2008b) veröffentlicht.
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s Sie können neue Formen von Lerngruppen bilden, s den Unterricht (z. B. durch einen neuen Zuschnitt der Fächer) reorganisieren, s neue Formen der äußeren Differenzierung anwenden, s die Ausgestaltung der Leistungsnachweise, der Leistungsbewertung und deren Bescheinigung (z. B. in Form von Portfolios im Fremdsprachenunterricht) modifizieren, s die Versetzungsregelungen neu gestalten s und neue Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich von Lehrplänen und Stundentafeln nutzen (vgl. VOSS, § 2). Für die Umsetzung von Maßnahmen in einem der genannten Bereiche ist eine zweidrittel Mehrheit der Schulkonferenz vonnöten. Darüber hinaus sind die Änderungen der oberen Schulaufsicht anzuzeigen. Mitwirkung Den Schulen wird ermöglicht, neue Formen der Mitwirkung zu erproben. Die neuen Mitwirkungsmöglichkeiten erlauben Abweichungen von den bisherigen Regelungen zur Zusammensetzung, der Wahl, den Aufgaben und der Geschäftsordnung der Mitwirkungsorgane und -gremien (vgl. VOSS, § 3). Schulleiterinnen und Schulleiter als Dienstvorgesetzte Im Rahmen der herausgestellten Bedeutung der Schulleitung im Projekt erhalten die Schulleiterinnen und Schulleiter erweiterte Befugnisse. Doch im Vergleich zu den anderen Handlungsfreiräumen im Modellvorhaben, deren Ausgestaltung den Schulen freigestellt ist, enthalten die neuen Befugnisse der Schulleiterin bzw. des Schulleiters neben fakultativen, im Sinne optionaler Aufgaben, auch obligatorische Aufgaben, die von den Schulleitungen spätestens zum Schuljahr 2005/ 2006 wahrgenommen werden mussten. Zu diesen obligatorischen Aufgaben gehören: „1. Auswahl für und Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe (Einstellung), 2. Verlängerung und Verkürzung der laufbahnrechtlichen Probezeit, 3. Beendigung der laufbahnrechtlichen Probezeit, 4. Anstellung, 5. Verleihung der Eigenschaft einer Beamtin oder eines Beamten auf Lebenszeit, 6. Entlassung auf eigenen Antrag, 7. Auswahl für und Einstellung in das Angestelltenverhältnis,
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8. Beendigung des Angestelltenverhältnisses durch Kündigung durch die Angestellte oder den Angestellten, Auflösungsvertrag, 9. Anordnung, Genehmigung und Ablehnung von Dienstreisen, 10. Erteilung von einfachen Dienstzeugnissen gemäß § 104 Abs. 2 Satz 1 Landesbeamtengesetz über die Tätigkeit an der Schule“ (VOSS, § 4). Diese obligatorischen Aufgaben werden durch sogenannte fakultative Aufgaben ergänzt. Den Schulleiterinnen und Schulleitern ist die Wahrnehmung dieser nachstehenden Funktionen freigestellt: s die Inanspruchnahme von Disziplinarbefugnissen und Sanktionierungen, s das Erteilen von Abmahnungen bei angestellten Lehrkräften, s das Beenden des Dienstverhältnisses in der Probezeit (bei nicht verbeamteten Lehrkräften auch des Angestelltenverhältnisses), s Verfügung und Genehmigung von Mehrarbeit, s Bewilligung und Ablehnung von Sonderurlaub und Arbeitsbefreiung (vgl. ebd.). Lehrerrat Im Gegenzug übernimmt der Lehrerrat an den betreffenden Schulen, an denen die Schulleiterin bzw. der Schulleiter die Dienstvorgesetzteneigenschaften wahrnimmt, in den beteiligungspflichtigen Fragen nach dem Landespersonalvertretungsgesetz die Aufgaben des Personalrates (vgl. dazu Voss, § 4 und § 5). Personalentwicklung und Budgetierung Die Schulen können darüber hinaus erweiterte Gestaltungsräume in der Personalentwicklung sowie der Budgetierung von Personal- und Sachmitteln nutzen. Personalentwicklung Der Artikel 1 (Ministerium für Schule und Weiterbildung Nordrhein-Westfalen, 2004) schafft die rechtliche Grundlage für eine eigenverantwortlichere Gestaltung von Personalentwicklung in den Schulen des Modellvorhabens. Durch die Änderung des Schulfinanzgesetzes (§§ 1–3) wurden Regelungen geschaffen, um Arbeitszeiten zu flexibilisieren und Sonderaufgaben auf Vorschlag der Schulleiterin bzw. des Schulleiters in der Schule zu verteilen (vgl. ebd.).16
16 Mittlerweile bildet – also während der Projektlaufzeit – § 59, Abs. 3 SchulG NRW die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für Eigenverantwortung der Schulleiterin bzw. des Schulleiters in Angelegenheiten der Personalentwicklung.
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Sachmittel Artikel 1 („Öffnungsklausel“) – und insbesondere Artikel 4 – des Gesetzes zur Weiterentwicklung von Schule stellt die gesetzliche Grundlage für eine erweiterte Sachmittelbudgetierung der Schulen dar (vgl. ebd.). Durch ausdrückliche Zulassung von Ausnahmeregelungen für die §§ 1 bis 3 des Schulfinanzgesetzes ist der Handlungsspielraum für den eigenverantwortlichen Umgang mit Mitteln, die auf Basis der Kooperationsvereinbarungen zwischen Schulträger und Schule (gemäß § 79 SchulG NRW) vereinbart werden müssen, erweitert. Zudem wurden für die stärkere Verlagerung von Kompetenzen im Bereich der Sachmittelbewirtschaftung Passagen in der Gemeindeordnung und der Gemeindekassenverordnung so angepasst, dass Schulen ihre Finanzangelegenheiten, auch in Bezug auf haushaltsrechtliche Belange, selbst gestalten können. Personalkostenbudgetierung Darüber hinaus können die Schulen im Bereich der Personalkostenbudgetierung Personalstellen für einen gewissen Zeitraum innerhalb der Laufzeit des Modellvorhabens nicht besetzen und die entsprechenden Mittel kapitalisieren17. Aus der rechtlichen Perspektive bedeutet eine erweiterte Selbstständigkeit somit administrative Neuregelungen, die die Schulen von bestehenden Rechtsvorschriften befreien. Diese Befreiung ist begrenzt auf die „Erprobung neuer Modelle der Selbstständigkeit und Eigenverantwortung“ (GV. NRW. S. 811, ber. 2002, S. 22). Typisch für diese zweite Modernisierungsphase der erweiterten Schulautonomie werden im Modellvorhaben von Seiten der Administration Maßnahmen der Qualitätssicherung und Rechenschaftslegung installiert. Sie gewährleisten bei den neuen Handlungsfreiräumen den Anspruch der staatlichen Kontrolle (vgl. Rolff, 1993, Kapitel 1.1 Schule als besondere Organisation). „Im Benehmen mit der Schule und unter Berücksichtigung der in Anspruch genommenen Freiräume legt die obere Schulaufsichtsbehörde geeignete Verfahren der Qualitätssicherung und der Rechenschaftslegung fest, um die Durchführung und den Erfolg der schulischen Arbeit zu sichern“ (VOSS § 2, Abs. 3).
Diese Maßnahmen werden durch Beratungsgespräche mit der zuständigen Schulaufsicht flankiert. Darüber hinaus haben die Projektpartner mit den Schulen und Schulträgern Kooperationsverträge vereinbart. In diesen Kooperationsverträgen, die zwar juristisch nicht bindend sind, aber sich dennoch als eine „untergeordnete Rechts17 Bei der Budgetierung sind die Schulen gehalten, ihrer Unterrichtsverpflichtung weiterhin nachzukommen. In der Praxis bedeutet dies, dass die Schulen Personalstellen nur bei einer Unterdeckung von Stellen budgetieren können.
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grundlage“ interpretieren lassen, finden sich ebenfalls Aussagen über Selbstständigkeit. So heißt es bereits in der Präambel: „Mehr Selbstständigkeit ist an die Voraussetzungen geknüpft, dass sich die in der Schule Handelnden auf ihre neuen Aufgaben vorbereiten. Qualifizierungsmaßnahmen werden sich in der ersten Phase hauptsächlich auf die Weiterentwicklung des Unterrichts und das innerschulische Management beziehen“ (Kooperationsvertrag, 2001, S. 2).
Und weiter in Bezug auf die im Modellvorhaben angestrebte Regionalisierung: „Um die erweiterten Freiräume zielorientiert nutzen zu können, müssen sich die Schulen auf neu geschaffene regionale Strukturen verlassen können, die sie beraten und unterstützen“ (ebd.).
Organisatorischer und inhaltlicher Rahmen von Selbstständigkeit im Modellvorhaben Das Modellvorhaben sieht „eine deutlich größere Selbstständigkeit und Eigenverantwortung von Schulen in personeller, finanzieller sowie in pädagogischer und unterrichtsorganisatorischer Hinsicht“ (Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2001, S. 2) vor. Dabei soll im „Rahmen einer verstärkten eigenverantwortlichen Steuerung der Schule die Qualität der schulischen Arbeit und dabei insbesondere des Unterrichts verbessert werden“ (ebd.). Diese eigenverantwortliche Steuerung der Schulen bezieht sich vor allem auf die von den Schulen „weitgehend selbstständig“ (ebd.) zu treffenden Entscheidungen in den fünf Arbeitsfeldern. Aus der skizzierten juristischen Kann-Regelung wird in der Ausschreibung zum Projekt eine Muss-Regelung. Es heißt: „Die teilnehmenden Schulen müssen […]“ (ebd.). Im Ausschreibungstext selbst finden sich keine weiteren Konkretisierungen einer erweiterten Selbstständigkeit. Allerdings werden die Strategie des Projekts und die damit verbundene Bedeutung von Selbstständigkeit hier indirekt deutlich. „Im Mittelpunkt des Projekts steht die Verbesserung der schulischen Arbeit in Unterricht und Erziehung. Dem soll die schrittweise Aufnahme der Bearbeitung der nachfolgenden Arbeitsfelder in den Projektschulen und -regionen dienen: […]“ (ebd.).
In der Broschüre „Bildung gestalten – Selbstständige Schule NRW“ wird das politische Ziel des Modellvorhabens expliziert: „Mit dem Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ wollen wir gemeinsam mit Schulen und Schulträgern sechs Jahre erproben, wie viele Freiheiten Schulen brauchen, wie viel Eigenverantwortung sie übernehmen können und welche Hindernisse es dabei gibt. Vor
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allem interessiert uns aber, wie diese Bemühungen zu einer spürbaren Verbesserung des Unterrichts und der Qualität schulischer Arbeit beitragen“ (Bertelsmann Stiftung & Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2001, S. 4). Stärker auf die schulischen Ziele bezogen heißt es dann weiter, dass „mehr als bisher in eigener Verantwortung gestalte[t]“ und „Entscheidungen öfter dort getroffen werden [soll(en)], wo ihre Konsequenzen spürbar werden – an der einzelnen Schule vor Ort“ (ebd., S. 6). Im Anschluss an die Erwartungs- und Zielformulierung wird ähnlich wie in der Präambel des Kooperationsvertrags darauf verwiesen, dass Selbstständigkeit an Voraussetzungen geknüpft ist, die den Aufbau eines schulinternen Managements und die Schaffung regionaler Unterstützungs- und Beratungsstrukturen betreffen (vgl. ebd.). Somit gehen auch die Projektträger davon aus, dass die organisationale Verfasstheit der Schule zur Bewältigung der komplexen Aufgaben im Modellvorhaben gestärkt werden muss und das Schulen dabei auch entsprechender Unterstützungsstrukturen bedürfen. Stärkung der Organisation durch die Verbesserung des schulinternen Managements im Modellvorhaben Wie bereits bei der Darstellung des Verständnisses der Projektträger deutlich wurde, gehen diese von der Annahme aus, dass erweiterte Formen von Selbstständigkeit in den vier Handlungsfeldern nur dann zu einer nachhaltigen Verbesserung der schulischen Qualität führen, wenn gleichzeitig die Führungs- und Managementkompetenzen auf der Organisationsebene durch eine Erweiterung und Verbesserung des schulinternen Managements gestärkt werden (vgl. Weisker, 2004, Kapitel 1.1). Diese Stärkung der Schule auf Organisationsebene soll im Projekt durch zwei zentrale Maßnahmen erfolgen. Zum einem soll die Schulleitung durch erweiterte Befugnisse als Dienstvorgesetzte und weiteren Spielräumen in den Bereichen Personal- und Ressourcenbewirtschaftung gestärkt werden. Zum anderen soll sie durch die Einführung von schulischen Steuergruppen unterstützt werden. Insofern folgt das Modellvorhaben dem Organisationsmodell von Dalin und Rolff (1990), durch die Einführung eines neuen Akteurs „schulische Steuergruppe“ die Schule auf organisatorischer Ebene zu stärken. Diese Stärkung der Organisation ist zum einen Ziel, zum anderen Voraussetzung für den Erfolg des Projektes in den Handlungsfeldern. Stärkung der Schulleitung durch erweiterte Kompetenzen Der Schulleitung als zentrales Führungs- und Managementorgan der Schule wird im Modellvorhaben eine hohe Bedeutung beigemessen. Sie soll, unterstützt durch die Steuergruppe, die Schule in eine erweiterte Selbstständigkeit führen. Um diese Aufgabe adäquat erfüllen zu können, wird sie von Seiten des Projektträgers mit erweiterten Kompetenzen ausgestattet. Diese umfassen neben den
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1 Problemstellung
o. g. Dienstvorgesetzteneigenschaften erweiterte Möglichkeiten der Personalentwicklung (vgl. rechtliche Regelungen zur Selbstständigkeit von Schule im Modellvorhaben). Sowohl die Schulleiterinnen und Schulleiter als auch Vertreter des Lehrerrats erhalten spezielle Fortbildung zu den rechtlichen Grundlagen der neuen Aufgaben (vgl. Abschlussbericht, Kapitel II). Die Schulleiterinnen und Schulleiter haben darüber hinaus die Möglichkeit, bedarfsorientierte Fortbildungsangebote wahrzunehmen. Die erweiterten Kompetenzen als Dienstvorgesetzte müssen die Schulleitungen der am Modellvorhaben beteiligten Schulen spätestens zu Beginn des Schuljahres 2005/2006 übernehmen. Der Bereich der Personalentwicklung umfasst eine Professionalisierung der Personalqualifizierung und -förderung. Neben den zusätzlichen Finanzmitteln aus dem regionalen Entwicklungsfonds und der Teilnahme an dem umfassenden Fortbildungsprogramm des Projekts hat die Schulleitung darüber hinaus die Möglichkeit, Personalmittel zu kapitalisieren und diese für Belange der Personalentwicklung zu verwenden. Einführung von schulischen Steuergruppen Wie bereits erwähnt, setzt das Modellvorhaben neben einer Stärkung der Schulleitung auf die Einführung schulischer Steuergruppen und damit auf eine Stärkung der Organisation, wie sie in dieser Arbeit bereits skizziert wurde (vgl. Kapitel 1.1). Diese Stärkung der schulischen Infrastruktur greift den Ansatz auf, dass eine „systematische und umfassende Verbesserung der Qualität schulischer Arbeit und insbesondere des Unterrichts […] einen komplexen innerschulischen Entwicklungsprozess [erfordert], den es professionell zu managen gilt“ (Weisker, 2004, S. 55). Im Rahmen dieser Entwicklung innerschulischer Prozesse übernimmt die Steuergruppe – als wesentliches Strukturelement – die Aufgabe der professionellen Steuerung und Koordinierung des Schulentwicklungsprozesses. Im Besonderen hat sie für die gemeinsame Ausrichtung der angestrebten Entwicklungsvorhaben zu einem Gesamtkonzept schulischer Qualitätsentwicklung Sorge zu tragen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es notwendig, durch eine gezielte Forcierung der Kommunikation und Kooperation der einzelnen Gremien, Projekte und Abteilungen untereinander, eine innerschulische Transparenz herzustellen (vgl. Weisker, 2004, S. 55 ff.). Aufgrund dieser Bedeutung als wichtigem innerschulischen Eckpfeiler in der Projektarchitektur des Modellvorhabens haben sich alle Schulen im Projekt, im Rahmen der Kooperationsvereinbarungen, mit den Projektträgern verpflichtet18, schulische Steuergruppen einzurichten. Die Steuer18 Gemäß § 5, Absatz 4 der Kooperationsvereinbarungen „Die Schulen des Modellvorhabens richten nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten eine schulische Steuergruppe ein, die die vereinbarten Entwicklungsvorhaben koordiniert und die innerschulische Transparenz herstellt“ (Lohre et al., 2004, S. 111).
1.3 Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ Nordrhein-Westfalen
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gruppe19 rekrutiert sich aus der Schulleitung und weiteren zwei bis sechs Mitgliedern, die ihren Vorsitz selbst bestimmen. Bei der Auswahl der Mitglieder „kommen die schuleigenen Traditionen und Kulturen zum Tragen“ (Weisker, 2004, S. 56). Ihr Mandat und ihren Auftrag erhält sie von der Lehrer- bzw. Schulkonferenz. Konkrete „Aufgaben schulischer Steuergruppen sind s für eine realistische Zielklärung der schulischen (Unterrichts-)Entwicklung mit Blick auf die Zielsetzungen des Gesamtprojektes zu sorgen und diese Ziele zu konkretisieren; s eine Strategie für die Umsetzung der Ziele zu planen und zu koordinieren, den Prozess zu strukturieren und für Verbindlichkeiten zu sorgen sowie die schulinterne Evaluation sicherzustellen und für die Dokumentation der Entwicklungen zu sorgen; s sich selbst zu einem arbeitsfähigen Team zu entwickeln und den Teambildungsprozess im Kollegium zu unterstützen; s den Entwicklungsprozess insgesamt zu moderieren und mit Konflikten und Widerständen konstruktiv umzugehen“ (Weisker, 2004, S. 56).
Weiterhin geht die Projektleitung davon aus, dass eine Verbesserung der schulischen Qualität nicht allein durch rechtliche und organisatorische Veränderungen bewirkt werden kann. Vielmehr gilt es, die einzelnen Schulen auf ihrem Weg zu mehr Selbstverantwortung sowie der Entwicklung individueller schulspezifischer Qualitätskonzepte zu unterstützen. Aus diesem Grund ist das Modellvorhaben mit einem umfangreichen Fortbildungsprogramm ausgestattet (vgl. Hoppe, 2004). Die Fortbildungen sind in den Bereichen der regionalen und schulischen Steuergruppen, der Schulleitung und Lehrerräte, der Schulaufsicht sowie Unterrichtsentwicklung und Evaluation vorgesehen. Diese Fortbildungsoffensive in der ersten Projekthälfte versucht dem o. g. Dualismus Rechnung zu tragen. Die Stärkung der Organisation ist zeitgleich Projektziel wie auch Bedingung für einen Projekterfolg in den vier Handlungsfeldern. Aus diesem Grund wurden gleich nach Beginn neu gegründete Steuergruppen qualifiziert. Die Qualifizierungsmaßnahme der schulischen Steuergruppen bestand aus acht Qualifizierungsbausteinen, die seitens der Projektleitung auf Basis der Erfahrungen der Qualifizierung der schulischen Steuergruppen im Projekt „Schule & Co“ und deren Evaluation (Herrmann, 2000) entwickelt worden sind.
19 Aufgrund der besonderen Struktur von Berufskollegs empfiehlt die Projektleitung, dass neben einer Steuergruppe für die ganze Schule auf der Ebene der Abteilungen oder Bildungsgänge ebenfalls Steuergruppen eingerichtet werden (vgl. Weisker, 2004, S. 55).
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1 Problemstellung
Die acht Qualifizierungsbausteine s Aufgaben und Rolle der schulischen Steuergruppen im Prozess der Schulentwicklung, s Zielformulierung und Strategieentwicklung, s Planungsgrundlagen und Projektmanagement, s Moderation und Präsentation, s Teamentwicklung, s Information und Kommunikation, s Konfliktmanagement, s Qualitätsarbeit und Evaluation wurden als Rahmenkonzept für die externen Fortbildungsanbieter vorgegeben (vgl. Feldhoff, 2007). Die Ausgestaltung und Schwerpunksetzung der Bausteine oblag den jeweiligen Anbietern. Die Teilnahme an den Qualifizierungsmaßnahmen war für die Mitglieder der schulischen Steuergruppen verpflichtend.
1.3.2 Verständnis von Selbstständigkeit im Rahmen der Begleitforschung Das Verständnis von Selbstständigkeit der wissenschaftlichen Begleitforschung, an dem sich diese Arbeit orientiert, definiert sich pragmatisch als eine Dialektik von Gewährung und Nutzung der im Modellvorhaben gewährten Handlungsfreiräume. Nutzung bedeutet in diesem Zusammenhang eine praktizierte Gestaltungsautonomie (vgl. Rolff, 1993, 1995), die als notwendige Bedingung dem Aufbau einer Kapazität Organisationalen Lernens vorausgeht. Unter Gestaltungsautonomie kann allgemein „die pädagogische Ausgestaltung eines erweiterten Rahmens von Schulentwicklung verstanden werden“ (Rolff, 1995 S. 31). Die wissenschaftliche Begleitforschung begründet die Notwendigkeit einer schulischen Gestaltungsautonomie mit den bereits skizzierten Grenzen zentralistischer Gesamtsystemstrategien und der Entwicklung von Konzepten der Organisationsentwicklung für die Einzelschule (vgl. Holtappels, Klemm & Rolff, 2008). Das Konzept der Gestaltungsautonomie greift diese beiden Erkenntnisse auf. Ausgangsbasis bildet die o. g. These, dass Erziehungsprozesse nur teilweise zweckrational organisierbar und begrenzt technologisierbar sind (vgl. Rolff, 1995, Kapitel 1.1). Mit Bezug auf Weicks Forderung der stetigen Veränderung auf lokaler, ergo schulischer Ebene ist die Einzelschule „die elementare Gestaltungseinheit für Schulreformen“ (Rolff, 1995, S. 36) und benötigt eine entsprechende Autonomie, um sich zu entwickeln. Gestaltungsautonomie bedeutet in diesem Zusammenhang aber auch, dass sich die individuelle Autonomie der einzelnen
1.4 Forschungsfragen
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Lehrkraft durch eine stärkere Einbindung auf der Organisationsebene zugunsten der „korporativen Autonomie“ (ebd.) der Schule als Gestaltungseinheit verringert. Durch die korporative Autonomie kann z. B. in Form von kollegialer Kommunikation und Kooperation durch eine kollektive, statt der individuellen, Bearbeitung von Inhalten und Problemen die Unsicherheit bzgl. des Lernerfolgs der Schüler teilweise reduziert werden (vgl. Rolff, 1993, Kapitel 1.1). Ziel ist es, das Selbststeuerungspotenzial der Einzelschule zu erhöhen, damit die Schulen ihre erweiterte Autonomie sinnvoll zu einer Verbesserung des Unterrichts nutzen können. Wie auch in dieser Arbeit werden Konzepte des Organisationalen Lernens als Strategie zur Steigerung der Selbststeuerung der Organisation verstanden. Sie entsprechen somit auch Weicks Forderung nach einer stetigen Veränderung der Organisation auf lokaler Ebene mit Rahmenvorgaben der Gesamtsystemebene.
1.4 Forschungsfragen Das Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ bietet eine gute Möglichkeit, die o. g. Kompensationsstrategien bzw. Antworten auf das schulische Organisationsdefizit unter den gesteigerten Anforderungen zu untersuchen. Wie in der Beschreibung des Modellvorhabens deutlich wurde, sehen auch die Projektträger bei einem solch komplexen Schulentwicklungsprojekt die Notwendigkeit, die Einzelschule durch die Einrichtung von Steuergruppen zu stärken und den Schulen durch diese Maßnahme und durch zusätzliche Qualifizierung und Unterstützung die Möglichkeit zu geben, ihr Selbststeuerungspotenzial durch eine Kapazität des Organisationalen Lernens aufzubauen. Auch die wissenschaftliche Begleitforschung bezieht sich in ihrem theoretischen Rahmenkonzept zur Selbstständigkeit auf eine praktizierte Gestaltungsautonomie unter der Notwendigkeit des Aufbaus einer Kapazität Organisationalen Lernens. Aus dieser Problemdarstellung lassen sich folgende Forschungsfragen für diese Arbeit ableiten: 1. Wie findet Organisationales Lernen in der Schule statt? In der ersten Forschungsfrage steht das Organisationale Lernen in der Schule im Mittelpunkt. Wie bei den zwei Kompensationsstrategien skizziert, soll durch den Aufbau einer Kapazität Organisationalen Lernens die Selbststeuerungsfähigkeit der Einzelschule gestärkt werden, um der Forderung von Weick einer stetigen Veränderung auf lokaler Ebene gerecht zu werden. Zur Untersuchung des Phänomens Organisationales Lernen gilt es zunächst einmal zu klären, wie Organisationales Lernen stattfindet.
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1 Problemstellung
1.1 Wie sieht ein theoretisches Rahmenmodell zur Beschreibung und Erklärung von Organisationalem Lernen in der Schule aus? Daher ist es zunächst erforderlich, ein theoretisches Rahmenmodell zur Beschreibung und Erklärung von Organisationalem Lernen in der Schule zu finden. Kapitel 2 dieser Arbeit widmet sich den theoretischen und empirischen Erkenntnissen zum Organisationalen Lernen (Kapitel 2.1) und im Besonderen denen zum Organisationalen Lernen in der Schule (Kapitel 2.2). Auf Basis dieser Erkenntnisse wird ein Modell zur Beschreibung und Erklärung von Organisationalem Lernen in der Schule von Mark, Louis und Printy (2000) weiterentwickelt (vgl. Kapitel 2.2.3). 1.2 Lassen sich die einzelnen Dimensionen des Organisationalen Lernens auch empirisch als Dimensionen abbilden? Das theoretische Modell der Kapazität des Organisationalen Lernens, das in Kapitel 2.2.3 entwickelt wird, umfasst verschiedene Dimensionen. In dieser Arbeit soll anhand der Daten des Modellvorhabens „Selbstständige Schule“ NordrheinWestfalen überprüft werden, ob die einzelnen Aspekte der jeweiligen Dimension auch zu einer Dimension gehören. 1.3 Wie stellt sich das Organisationale Lernen in den Schulen des Modellvorhabens anhand des theoretischen Modells dar? Auf Basis des in Kapitel 2.2.3 weiterentwickelten theoretischen Modells sollen anschließend Indikatoren abgeleitet werden (Kapitel 6), anhand derer das Organisationale Lernen empirisch an den am Modellvorhaben beteiligten Schulen untersucht werden kann. 2. Wie sieht ein theoretisches Rahmenmodell zur Beschreibung und Erklärung von Steuergruppen als Change Agents schulischer Entwicklungsprozesse aus? Die zweite Forschungsfrage widmet sich der zweiten Strategie zur Kompensation des Organisationsdefizits der Einzelschule, der Einrichtung schulischer Steuergruppen. In dem Modell von Mintzberg lassen sich Steuergruppen, wie in Kapitel 1.2 dargestellt, als Kontaktinstrument interpretieren. Steuergruppen übernehmen dabei die Rolle eines Projektleiters bei der Gestaltung von schulischen Innovations- bzw. Veränderungsprozessen. Diese Rolle gleicht der eines Change Agents im Rahmen von Konzepten des Change Managements (vgl. Kapitel 2.1.3). In dieser soll ein theoretisches Modell entwickelt werden (vgl. Kapitel 2.1.3 und Kapitel 3.3), wie Steuergruppen als Change Agents agieren, indem sie Instrumente des Change Managements bei der Gestaltung schulischer Entwicklungsprozesse nutzen.
1.4 Forschungsfragen
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3. Welchen Einfluss haben Steuergruppen als Teil des Organisationalen Lernens auf schulische Erfolgsfaktoren im Modellvorhaben? Die dritte Forschungsfrage greift den Titel dieser Arbeit auf, indem eine Verbindung zwischen den beiden Kompensationsstrategien und dem Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ Nordrhein-Westfalen hergestellt wird. Dabei werden Steuergruppen als Teil des Organisationalen Lernens verstanden (vgl. Kapitel 2.2.3, Kapitel 3.3), die ihrerseits durch die Nutzung der Instrumente des Change Managements andere Aspekte des Organisationalen Lernens fördern. Das Ziel des Modellvorhabens ist die Erprobung neuer Formen der Selbstständigkeit und insbesondere die Verbesserung des Unterrichts. Aus diesen Zielen lassen sich folgenden Erfolgsfaktoren ableiten, auf die Organisationales Lernen einen Einfluss hat: 1. In dieser Arbeit wird die Selbststeuerungsfähigkeit der Schule als eine Voraussetzung für die Nutzung erweiterter Freiräume im Sinne einer praktizierten Gestaltungsautonomie verstanden. Die Kapazität des Organisationalen Lernens kann die Selbststeuerungsfähigkeit der Schule erhöhen. Im Kontext von Schulentwicklungsprozessen bedeutet eine Selbststeuerungsfähigkeit eine Anpassung der Organisation an neue Umweltbedingungen, wie sie durch das Modellvorhaben entstehen. Diese Anpassung zeigt sich z. B. durch die Veränderung von Arbeitsroutinen. Des Weiteren bedeutet Selbststeuerungsfähigkeit im Modellvorhaben eine Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen. Die Selbststeuerungsfähigkeit wird in dieser Arbeit als ein Erfolgsfaktor der Kapazität des Organisationalen Lernens definiert. Als Indikatoren für eine Selbststeuerungsfähigkeit dienen die Veränderung von Arbeitsroutinen sowie Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen des Modellvorhabens. 2. Über die Selbststeuerungsfähigkeit hinaus muss der Erfolg des Modellvorhabens auch anhand der Nutzung der gewährten Freiräume durch die Schulen gemessen werden. Neben der Nutzung stellt sich aber auch die Frage, inwieweit die Schulen die Nutzung bewerten. Wenn Organisationales Lernen eine Strategie zur Steigerung der effektiveren Selbststeuerung darstellt und dies eine Voraussetzung für die Nutzung von erweiterten Freiräumen ist, müsste Organisationales Lernen auch einen Einfluss auf die Nutzung der Freiräume haben. Gleiches gilt für die Bewertung der Nutzung innerhalb der Schule. 3. Darüber hinaus verdeutlicht das oberste Ziel des Projekts, die Verbesserung des Unterrichts, dass erweiterte Formen von Selbstständigkeit kein Selbstzweck im Rahmen des Modellvorhabens sind. Demnach
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1 Problemstellung
sollte das Lernen der Organisation Schule auch einen Einfluss auf den Unterricht haben (vgl. Kapitel 2.2.3 und 2.2.4). Um diese komplexen Forschungsfragen zu beantworten, ist diese Arbeit folgendermaßen aufgebaut: Organisationales Lernen wurde in diesem Kapitel als eine Kompensationsstrategie des organisationalen Defizits des Schule beschrieben, die das Potenzial besitzt, die Selbststeuerungsfähigkeit der Schule zu steigern. Damit stellt das Organisationale Lernen eines der beiden zentralen theoretischen Konzepte dieser Arbeit dar und wird in Kapitel 2 näher beleuchtet. Dafür werden zunächst die Grundzüge, Gemeinsamkeiten und Unterschiede von drei allgemeinen Konzepten zum organisationalen Wandel vorgestellt: Organisationsentwicklung, Organisationales Lernen und Change Management. Diese Darstellung bildet die Basis zum Verständnis der Ansätze zum Organisationalen Lernen im schulischen Kontext, die den Schwerpunkt dieses Kapitels bilden. Am Ende des Kapitels wird auf Basis der theoretischen Erkenntnisse und empirischen Befunde ein Modell der Kapazität des Organisationalen Lernens entwickelt. Dieses Modell bildet das zentrale theoretische Rahmenmodell dieser Arbeit (Forschungsfrage 1.1). Teil dieses Rahmenmodells sind schulischen Steuergruppen, die als Change Agents schulischer Veränderungsprozesse die Kapazität des Organisationalen Lernens fördern können. Sie werden als eine weitere Kompensationsstrategie mit dem Potenzial der Steigerung der Selbststeuerungsfähigkeit der Schule verstanden und ihre Funktion Change Agent wird als zweites zentrales theoretisches Konzept in Kapitel 3 dargestellt. Zu Beginn des Kapitels werden die konzeptionellen und theoretischen Grundlagen zu schulischen Steuergruppen beschrieben und anschließend durch empirische Befunde ergänzt. Diese dienen in Verbindung mit den Erkenntnissen zum organisationalem Wandel (Kapitel 2) dazu, ein theoretisches Modell von Steuergruppen als Change Agent schulischer Veränderungsprozesse zu entwickeln (Forschungsfrage 2). In Kapitel 4 wird der Zusammenhang zwischen den beiden Rahmenmodellen und den – in diesem Kapitel definierten – Erfolgsfaktoren des Modellvorhabens „Selbstständige Schule“ hergestellt und hieraus auf Basis der Forschungsfragen Hypothesen für die empirischen Analysen in Kapitel 7 abgeleitet. Dabei wird aufgezeigt, wie Steuergruppen als Change Agents durch die Nutzung verschiedener Instrumente die Kapazität des Organisationalen Lernens fördern und über die Kapazität indirekt die Erfolgsfaktoren des Modellvorhabens beeinflussen können. In Kapitel 5 werden die Rahmenbedingungen für die Ergebnisse der empirischen Untersuchung in Form des Designs und der Stichprobe skizziert. Dem folgt in Kapitel 6 die Beschreibung der verwendeten Instrumente, um die theoretischen Modelle der Kapazität des Organisationalen Lernens und von
1.4 Forschungsfragen
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Steuergruppen als Change Agents sowie die Erfolgsfaktoren des Modellvorhabens empirisch abzubilden. Das Kapitel endet mit der Darstellung der für die Analysen verwendeten Methoden. In Kapitel 7 werden mithilfe der empirischen Daten die Forschungsfragen (1.2, 1.3 und 3) beantwortet und die dazugehörigen Hypothesen geprüft. Dabei wird in Kapitel 7.1 zunächst überprüft, ob sich die sieben Dimensionen der Kapazität des Organisationalen Lernens auch empirisch als Dimensionen abbilden lassen. Dem folgt in Kapitel 7.2 die deskriptive Darstellung der Kapazität des Organisationalen Lernens in den Schulen des Modellvorhabens. In Kapitel 7.3 werden schließlich die Ergebnisse der Prüfung von Hypothesen im Rahmen von Zusammenhangsanalysen zu Steuergruppen, der Kapazität des Organisationalen Lernens und den Erfolgsfaktoren des Modellvorhabens „Selbstständige Schule“ vorgestellt. Im Schlusskapitel 8 werden die empirischen Befunde in Bezug auf die beiden theoretischen Modelle sowie im Kontext von Educational Governance diskutiert. Die Arbeit endet mit Folgerungen für die Schulpraxis, die aus den Erkenntnissen der vorangegangenen Kapitel abgeleitet werden.
2 Organisationales Lernen in der Schule
Organisationales Lernen wird als eine Strategie zum Aufbau einer Selbststeuerungsfähigkeit verstanden, die für eine praktizierte Gestaltungsautonomie im Sinne einer Nutzung der im Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ NRW gewährten Handlungsspielräume notwendig ist (vgl. Kapitel 1). Ziel dieses Kapitels ist es, näher zu klären, was konkret unter Organisationalem Lernen in der Schule zu verstehen ist. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es zunächst erforderlich, allgemeine Konzepte des Organisationalen Lernens im Kontext von Ansätzen des organisationalen Wandels zu beschreiben. Diese dienen im späteren Verlauf als Ausgangsbasis für die Darstellung schulischer Konzepte des Organisationalen Lernens. In diesem Zusammenhang wird auch auf den Ansatz der Organisationsentwicklung als einem „Vorläufer“ des Organisationalen Lernens eingegangen. Hinweise zur Verortung von schulischen Steuergruppen in ein Modell des Organisationalen Lernens, dies soll anhand von Ansätzen des Change Managements gegeben werden. Anhand dieser Ansätze können Steuergruppen als Change Agent schulischer Entwicklungsprozesse im Rahmen einer lernenden Schule verstanden werden. Eine ausführliche Beschreibung und genaue Verortung erfolgt in Kapitel 3. Nach diesem Exkurs zu allgemeinen Theorien des Wandels steht das Organisationale Lernen in der Schule (Kapitel 2.2) im Mittelpunkt der Betrachtung. Dieser Teil gliedert sich in drei Bereiche. Zunächst einmal wird im Rahmen der Darstellung des deutschsprachigen (Kapitel 2.2.1) und internationalen Diskurses (Kapitel 2.2.2) der Forschungsstand zum Organisationalen Lernen in der Schule skizziert. Danach wird auf Basis dieser Erkenntnisse in Anlehnung an ein Modell von Marks, Louis und Printy (2000) ein eigenes Modell zum Organisationalen Lernen in der Schule (Kapitel 2.2.3) beschrieben, das die theoretische Grundlage für diese Arbeit darstellt. Zum Abschluss wird dieses Modell auf das Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ in Nordrhein-Westfalen bezogen (Kapitel 1).
T. Feldhoff, Schule organisieren, DOI 10.1007/978-3-531-93384-9_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2.1 Allgemeine Konzepte zum organisationalen Wandel
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2.1 Allgemeine Konzepte zum organisationalen Wandel Die Frage der Notwendigkeit und Fähigkeit zum Wandel von Organisationen ist keine Frage, die sich die Wissenschaft erst in jüngster Zeit stellt, wo von einem immer rasanteren Wandel sämtlicher Lebensbereiche die Rede ist – angefangen vom momentan populären Klimawandel, dem immer schneller werdenden technologischen Wandel, über einen zunehmenden gesellschaftlichen Wandel hin zu einer Wissensgesellschaft (vgl. Wilke, 1998). Erste Forschungen, z. B. von Kurt Lewin, finden sich schon Ende der Vierzigerjahre des letzten Jahrhunderts. Doch warum ist Wandel für Organisation von Bedeutung? Einen ersten Hinweis auf diese Frage kann der situative Ansatz der Organisationstheorien (vgl. Kapitel 1), wie ihn beispielsweise Mintzberg (1992) vertritt, liefern. Demnach richtet sich die Struktur einer Organisation nach ihren internen und externen Kontextbedingungen bzw. -faktoren (vgl. Bea & Göbel, 2006). Je nach spezifischen Kontextfaktoren ergibt sich eine bzw. mehrere mögliche spezifische für die Organisation geeignete Strukturen. Organisationen agieren demnach nie unabhängig von ihrer internen und externen Umwelt. Dies bedeutet aber auch, dass sich bei einer Änderung einer oder mehrerer dieser Kontextfaktoren auch die Organisation selbst entsprechend wandeln bzw. verändern muss. Zu den internen Bedingungen gehören nach Bea und Göbel (2006) die Ziele einer Organisation, ihre Strategien, ihre Produktions- und Informationstechnologie sowie ihre Kultur. Als externe Faktoren gelten der Markt und die Gesellschaft, in dem sich eine Organisation befindet, sowie die jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen, die die Organisation betreffen. Verschiedene Ansätze (z. B. strategisches Management, Organisationsentwicklung, Organisationales Lernen, Change Management) beschäftigen sich seit Jahrzehnten damit, wie ein Wandel von Organisationen geplant bzw. gemanagt werden kann. In dieser Arbeit soll ein Modell Organisationales Lernen in der Schule entwickelt werden. Ansätze von Organisationalem Lernen in der Schule versuchen zumeist bereits bestehende allgemeine Ansätze der Organisationsforschung zum Organisationalen Lernen auf den Kontext Schule zu übertragen. Für ein genaueres Verständnis und eine bessere Einordnung sollen deshalb die im schulischen Kontext verwendeten und für die Arbeit relevanten Ansätze zum Organisationalen Lernen dargestellt werden. Da nach Schreyögg und Noss (Schreyögg & Noss, 1995) die Organisationsentwicklung als ein Vorläufer von Ansätzen des Organisationalen Lernens gelten kann und auch im schulischen Kontext Konzepte des Organisationalen Lernens sich aus Ansätzen der Organisationsentwicklung entwickelt haben und sich auf diese beziehen, soll zuvor noch kurz der Ansatz der Organisationsentwicklung und die Abgrenzung zum Organisationalen Lernen beschrieben werden. Da schulische Steuergruppen als Change Agent im Kontext von schulischen Entwicklungsprozessen verstanden werden, die sich im Rahmen des
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2 Organisationales Lernen in der Schule
Organisationalen Lernens Methoden des Change Managements bedienen, soll auch dieser Ansatz geplanten Wandels und seine Abgrenzung zur Organisationsentwicklung und zum Organisationalen Lernen dargestellt werden, bevor anschließend Organisationales Lernen im schulischen Kontext diskutiert wird.
2.1.1 Organisationsentwicklung Einer der Ausgangpunkte für eine intensivere Beschäftigung mit der Gestaltung von geplantem organisatorischen Wandel (der späteren Organisationsentwicklung) liegt begründet in der Erkenntnis, dass der Erfolg von organisatorischen Umgestaltungsmaßnahmen maßgeblich von der Einstellung der Organisationsmitglieder gegenüber diesen Veränderungen und der Bereitschaft, diese auch mit zu tragen, abhängt (vgl. Schreyögg & Noss, 1995). Anstoß hierfür gaben Forschungen zu Widerständen gegenüber Veränderungen, wie sie vor allem von Kurt Lewin (1963) durchgeführt wurden, der daran anknüpfend an einer Überwindung dieser Widerstände forschte. Die Organisationsentwicklung steht in einem engen Zusammenhang mit den Arbeiten Lewins, vor allem mit seinen Arbeiten zur Aktionsforschung und der Gruppendynamik, die beide im Wesentlichen auf ihn zurückgehen. Er gilt ferner als einer der „Gründungsväter“ der Organisationsentwicklung (vgl. French & Bell, 1994; Schubert, 2004; Wiegand, 1998). Neben der Aktionsforschung und der Gruppendynamik haben zwei weitere Konzepte den Organisationsentwicklungsansatz maßgeblich mitgeprägt (vgl. Cummings & Huse, 1989; French & Bell, 1994). Dabei handelt es sich zum einen um die Forschung zum „Survey Feedback Research“ von Likert (1972) und zum anderen um die Entwicklung des soziotechnischen Ansatzes von Trist und Bamforth (1951), die im Zusammenhang mit den Arbeiten zur Verbesserung der „Qualität des Arbeitslebens“ am neu gegründeten Tavistock Institute of Human Relations stehen. Allgemein kann Organisationsentwicklung als ein eher „praxisorientierter“ Ansatz verstanden werden, dessen Fokus primär auf eine „gestalterische Veränderung von Organisationen ausgerichtet“ (Wiegand, 1998, S. 143) ist und der zudem über eine eher gering „ausgeprägte organisationstheoretische Fundierung“ (ebd.) verfügt. Doch was lässt sich genau unter Organisationsentwicklung verstehen? Wiegand definiert in Anlehnung an Trebesch Organisationsentwicklung wie folgt, als „methodische Interventionsstrategie, s die durch Beratung eingeleitet wird; s sie dient der Erleichterung und Intensivierung der Entwicklung von Organisationen unter Berücksichtigung sowohl personaler/interpersonaler als auch struktural/technologischer Aspekte;
2.1 Allgemeine Konzepte zum organisationalen Wandel
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s der Mensch wird dabei als wichtigstes Element der Organisation betrachtet; beabsichtigt wird die Förderung der Partizipationsmöglichkeiten, s das Lernen durch Erfahrung, die Persönlichkeitsentwicklung der beteiligten Menschen, s die Erhöhung der Leistungsfähigkeit und der Flexibilität der gesamten Organisation“ (Wiegand, 1998, S. 146).
Organisationsentwicklung basiert auf einer humanistischen und normativen Grundorientierung und wird häufig mit dem organisationstheoretischen Ansatz des „Human Relationship“ sowie der humanistischen Psychologie in Verbindung gebracht (vgl. Kieser, 2002). Die spezifische Grundorientierung wird auch in der doppelten Zielsetzung der Organisationsentwicklung anhand ihrer beiden Kernziele deutlich. Zum einen stehen die Leistungssteigerung der Organisation im Mittelpunkt und zum anderen die Verbesserung der Arbeitssituation und -bedingungen der Organisationsmitglieder. Die Organisationsentwicklung geht davon aus, dass eine entsprechende Verbesserung der Arbeitsbedingungen quasi automatisch auch eine Leistungssteigerung der Organisation zur Folge hat. Hier kritisiert Pieper (1988) zu Recht, dass die Kausalitätsannahme, der Beziehung der beiden obersten Ziele der Organisationsentwicklung, sowohl logisch wie empirisch problematisch ist. Aus diesem Grund schlägt er vor, von Interessen anstatt von Zielen der Organisationsentwicklung zu sprechen. Allerdings ist fraglich, ob diese Umwidmung tatsächlich notwendig ist oder ob es nicht ausreicht, auf die kausale Beziehung der Ziele zueinander zu verzichten. Der Organisationsentwicklungsansatz lässt sich durch drei wesentliche Merkmale charakterisieren (vgl. Schreyögg & Noss, 1995). Erstens: eine frühzeitige und aktive Beteiligung der Organisationsmitglieder an der Planung und Durchführung der anstehenden Veränderungsprozesse. Zweitens: Der Ansatz von Veränderung liegt bei den Gruppen und nicht den einzelnen Organisationsmitgliedern. Gruppen sind dynamischer und passen sich schneller Veränderungen an. Darüber hinaus werden Veränderungen in Gruppen weniger als bedrohlich erlebt. Drittens: Kooperation unterstützt die Veränderungsbereitschaft. Viertens: Veränderungsprozesse vollziehen sich in drei zyklischen Phasen. Lewin (1963) hat diese drei Phasen des Unfreezing-Moving-Refreezing in seinem HomöostaseModell identifiziert (French & Bell, 1994). Das Modell geht davon aus, dass Organisationen für Veränderungen erst einmal aus ihrem Gleichgewichtszustand gebracht werden müssen, damit eine Bereitschaft für Veränderungen entstehen kann. Auslöser hierfür können Ergebnisse von Organisationsdiagnosen oder schlechte Kennzahlen der Organisation sein. Nach dieser Phase des Aufwachens oder Auftauens (Unfreezing) folgt eine Phase der Bewegung (Moving), in der die Veränderungen durchgeführt werden. Zum Schluss muss die Organisation wieder stabilisiert und die Veränderungen in den Organisationsablauf integriert werden, die Phase des Einfrierens (Refreezing). Diese Phasen gelten in
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2 Organisationales Lernen in der Schule
teilweise weiterentwickelter Form noch heute als grundlegende Basis für Maßnahmen der Organisationsentwicklung. Ein darüber hinaus wesentliches Element der Organisationsentwicklung stellt der externe Berater dar. Ihm kommt bei der Gestaltung des Veränderungsprozesses eine entscheidende Rolle zu. Seine Aufgabe liegt in der aktiven Unterstützung und Beratung während des gesamten Prozessverlaufs. Eine spezielle Interventionsform ist die Prozessberatung. Bei diesem Beratungsprozess hilft der Berater seinem „Klienten“ der Organisation, sich selbst, seine Umwelt und Probleme besser „wahrzunehmen, zu verstehen und in Handlungen umzusetzen“ (Schreyögg & Noss, 1995, S. 173). Die Interventionen richten sich bei dieser zumeist längeren Entwicklung dabei ergebnisoffen nur auf den Prozess und nicht die Ergebnisse. Dabei spielt die Kompetenz des Organisationsentwicklungsberaters eine entscheidende Rolle (vgl. French & Bell, 1999). Spätestens seit Ende der 80er- bzw. Anfang der 90er-Jahre ist eine mannigfaltige Ausdifferenzierung der Organisationsentwicklung zu beobachten, die keine allgemein akzeptierte Richtung der Organisationsentwicklung mehr erkennen lässt. Vor allem auf den ursprünglich humanistisch-emanzipatorischen Charakter der Organisationsentwicklung wurde zunehmend verzichtet (vgl. Staehle, 1999). Wiegand beschreibt in Anlehnung an Rieckmann (1991) in diesem Zusammenhang vor allem drei wesentliche Entwicklungsrichtungen: s die praktische oder auch pragmatische Organisationsentwicklung, die eher als eine Sozialtechnologie mit einer vorrangigen Ausrichtung auf Unternehmenszwecke zu verstehen ist, s eine Art Meta-Organisationsentwicklung, die eher versucht, ein allgemeines Problemlösungspotenzial der Organisation zu entwickeln, s und die Tiefen-Organisationsentwicklung, die eher einen sozio-analytischen Fokus hat und sich primär den einzelnen Organisationsmitgliedern und der Gruppe bei Veränderungsprozessen widmet. Neben diesen Entwicklungsrichtungen wurde vermehrt versucht, Organisationsentwicklung stärker theoretisch zu fundieren. Aufgrund stärker werdender Kritik an Konzepten der Organisationsentwicklung wurden Organisationsentwicklungs-Maßnahmen auch zunehmend evaluiert. Darüber hinaus wurde der ursprüngliche Ansatz um Aspekte einer stärkeren Berücksichtigung der organisationalen Umwelt und der interkulturellen Verständigung erweitert. Die Rolle des Experten hat sich immer mehr von einem externen Entwicklungsberater zugunsten des Managers innerhalb der Organisation verschoben. Wiegand stellt im Kontext dieser mannigfaltigen Ausdifferenzierungen und Entwicklungen die berechtigte Frage, ob der Begriff der Organisationsentwicklung für diese „neuen“ Ansätze noch passend bzw. zutreffend ist oder ob diese
2.1 Allgemeine Konzepte zum organisationalen Wandel
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nicht zu einer Verwässerung bzw. Verfälschung des ursprünglichen Konzepts geführt haben. Er schlägt daher vor, nur die eingangs skizzierte traditionelle Organisationsentwicklung, mit den vier Säulen Aktionsforschung, Gruppendynamik, „Survey-Feedback-Ansatz“ und sozio-technischer Ansatz, auch als solche zu bezeichnen. Aus analytischen Gründen, vor allem in Bezug auf eine noch folgende Abgrenzung des Organisationsentwicklungsansatzes von Konzepten des Organisationalen Lernens und des Change Managements, wird in dieser Arbeit der Argumentation von Wiegand gefolgt.
2.1.2 Organisationales Lernen Nach der Darstellung des Organisationsentwicklungsansatzes sollen nun Ansätze des Organisationalen Lernens als eine Weiterentwicklung von Ansätzen der Organisationsentwicklung (vgl. Schreyögg & Noss, 1995) näher beleuchtet werden. Wie schon die Diskussion von Organisationsentwicklung gezeigt hat, ist das Thema organisationaler Wandel schon lange Gegenstand der Forschung unterschiedlichster Disziplinen gewesen. Dies gilt auch für das Thema Organisationales Lernen, das über eine mehr als 30-jährige Theoriedebatte (vgl. Berthoin, Antal & Dierkes, 2004; Klimecki & Thomae, 1997) verfügt. Diese Debatte führte allerdings auch zu einer entsprechenden Heterogenität des Forschungsfeldes, dessen Konturen nur schwer erkennbar sind (ebd.). Ähnliches stellt auch Wiegand (1996) fest, der von einer „schieren Menge der Veröffentlichungen…[die] seit Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre nahezu unüberschaubar geworden [ist]“ (Wiegand, 1998, S. 2) spricht. Er kritisiert darüber hinaus die Zahl an nebeneinander stehenden und nicht integrierbaren Definitionen und Ansätze des Organisationalen Lernens (vgl. ebd.) und verweist dabei auch auf Huber (1991), der ebenfalls eine mangelnde Integration und Bezugnahme auf bereits bestehende Konzepte und empirischen Studien beklagt. Weick und Westley (1996) konstatieren Ähnliches im Bereich der zahlreichen Review-Artikel; „there appear to be more reviews of organizational learning than there is substance to review“ (Weick & Westley, 1996, S. 440). Obgleich die Fülle an Beiträgen groß ist, sind bisher erst wenige empirische Studien zur Erforschung Organisationalen Lernens durchgeführt worden (vgl. Klimecki & Thomae, 1997; Kluge & Schilling, 2000). Erschwerend kommt hinzu, dass die wenigen Studien aufgrund jeweils unterschiedlicher Untersuchungsaspekte und verschiedener theoretischer Ansätze kaum miteinander vergleichbar sind (vgl. Kluge & Schilling, 2000). Wiegand geht in diesem Kontext sogar soweit, der Forschung zum Organisationalen Lernen eine „ernstzunehmende empirische Basis“ (Wiegand, 1998, S. 311) (vgl. ähnlich Müller-Stewens & Pautzke, 1991) abzusprechen.
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Aufgrund dieser Vielzahl von Ansätzen und Konzepten ist es nicht möglich, auch jeden dieser zu beschreiben und zu diskutieren. Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist die Systematisierung und Klassifizierung bestehender Konzepte. Allerdings thematisiert Wiegand zu Recht die Problematik solcher Klassifizierungen (vgl. Wiegand, 1998). Bei der Durchsicht der Literatur fällt auf, dass sich verschiedene Klassifizierungen (vgl. Geißler, 1995; Klimecki & Thomae, 1997; Shrivastava, P., 1983; Stolz, 1999) teilweise erheblich voneinander unterscheiden. Bei der einen Klassifizierung ist Ansatz A mit Ansatz B in der gleichen Kategorie zu finden, während bei einer anderen Zuordnung Ansatz A und C in der gleichen Kategorie zu finden sind. Eine Erklärung für diese unterschiedlichen Systematiken ist mitunter nicht direkt nachvollziehbar und führt auch in dieser Arbeit zu weit. Aus diesem Grund wird für den weiteren Verlauf ein pragmatischer Umgang gewählt, bei dem das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit in den Mittelpunkt gestellt wird und somit nur die Ansätze diskutiert werden, auf die in der Diskussion zum Organisationalen Lernen in der Schule primär Bezug genommen wird.
Ansatz von March und Olsen March gilt als einer der Pioniere des Organisationalen Lernens. Er hat sich im Rahmen der „verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie“, zu deren Gründern er neben Barnard (1938) und Simon (1976) zählt, mit Organisationalem Lernen beschäftigt. Auch wenn die Grundidee von Organisationalem Lernen bei March schon in seiner Entscheidungstheorie angelegt ist (Cyert & March, 1963), hat er diese erst später in Zusammenarbeit mit Olsen (vgl. March & Olsen, 1975, 1976) zu einem umfassenden Konzept des Organisationalen Lernens entwickelt. Dieses Konzept wurde in Zusammenhang mit Levitt (Levitt & March, 1988) erweitert und darüber hinaus an bestehende Theorien des Organisationalen Lernens angenähert (vgl. Wiegand, 1998). Grundsätzlich geht es, wie auch bei Cyert und March (1963), um das Entscheidungsverhalten in und von Organisationen sowie der beschränkten Rationalität und Informationsverarbeitungskapazität menschlichen Handelns (vgl. Berger & Bernhard-Mehlich, 2002). March und Olsens Ansatz gilt als erfahrungsorientierter Ansatz. Im Mittelpunkt steht das Erfahrungslernen des Individuums in der Organisation. March und Olsen (1975, 1976) machen dies anhand ihres vollständigen Lernzyklus deutlich (vgl. Abb. 2) (ebd.). Wie in dem Kreislauf dargestellt, vollzieht sich Erfahrungslernen idealtypisch in vier Schritten (vgl. March & Olsen, 1976): (1) Das Wissen über und das Wollen als nötige Voraussetzung für (2) den Vollzug der Handlung, die (3) anschließend eine Reaktion der Organisation in Form einer organisationalen Handlung auslöst. (4) Diese löst schließlich ihrerseits eine Reaktion der Umwelt aus. Diese wird von dem Individuum nun interpretiert und bildet ihrerseits die Grundlage für (1).
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Abbildung 2: Vollständiger Zyklus des Wahlverhaltens (vgl. March & Olsen, 1975, S. 337 f.; Wiegand, 1998, S. 188)
Damit dieser Lernzyklus erfolgen kann, müssen bestimmte Implikationen erfüllt sein (vgl. Geißler, 1995; Wiegand, 1998): s Das Individuum muss über das nötige Wissen und das eigene Wollen für die anstehende Handlung verfügen. s Das Individuum muss die Möglichkeit haben, an den Entscheidungen der Organisation mitzuwirken. s Die Handlung des Individuums muss eine Handlung oder Entscheidung der Organisation zur Folge haben und diese muss dem Individuum bekannt sein. s Die organisationale Handlung muss eine Reaktion der Umwelt zur Folge haben, die dem Individuum bekannt ist. Wie schon an diesen voraussetzungsvollen Bedingungen abzulesen ist, ist so ein vollständiger Lernzyklus eher die Ausnahme denn der Regelfall. March und Olsen analysieren hierbei nachstehende Grundprobleme (vgl. Geißler, 1995): s Die Kriterien für die anstehende Handlung sind i. d. R. unklar und mehrdeutig. s Die Ziele der Organisation als handlungsleitendes Element sind oft diffus und/oder widersprüchlich. s Den Beteiligten stehen oftmals nicht genügend Informationen über die einzelnen Prozesse des Kreislaufs zur Verfügung.
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s Regeln der Kooperation im Sinne eines Interdependenzmanagements und im Umgang mit Technik sind ebenfalls oft uneindeutig oder nicht klar festgelegt. March und Olsen widmen sich ausführlich diesen Beschränkungen von Organisationalem Lernen in Form von vier idealtypischen Störungen des Zyklus: (a) rollenbeschränktes Erfahrungslernen durch Rollenzwänge innerhalb der Organisation, (b) präorganisationales Erfahrungslernen, wenn individuelle Handlungen sich nicht in Handlungen der Organisation niederschlagen, (c) abergläubisches Erfahrungslernen aufgrund falscher Interpretation von Umweltreaktionen, (d) Erfahrungslernen unter Mehrdeutigkeit, wenn keine eindeutige Interpretation der Umweltreaktion möglich ist. Das Ergebnis von individuellem Erfahrungslernen sind neue Deutungen und Interpretationen der Realität der Organisation. Diese sind den anderen Mitgliedern zugänglich. So entstehen kollektive Deutungen der Organisationsrealität als Produkt und Ausgangspunkt von Organisationalem Lernen (vgl. ebd.).
Der Ansatz von Levitt und March (1988) Das Basiskonzept von March und Olsen (1976) wurde von Levitt und March (1988) erweitert. Dabei wurden Konzepte von anderen Autoren mit in den bestehenden Ansatz integriert (vgl. Wiegand, 1998). Levitt und March (1988) beziehen sich in ihrer Interpretation von Organisationalem Lernen auf drei klassische Beobachtungen, die im Kontext verhaltenswissenschaftlicher Studien in Organisationen gemacht wurden: 1. Verhalten in Organisationen basiert auf Routinen. Handlungen entstehen durch die Zuordnung von Routinen/Prozeduren zu Situationen. Dies setzt i. d. R. keine bewusste Entscheidung voraus. 2. Routinen basieren auf der Interpretation von vorhergehenden Erfahrungen. Organisationales Handeln ist somit immer rückbezüglich „history depend“ (Levitt & March, 1988, S. 320). Erfahrungen stellen die Basis für Veränderung der Routinen dar und werden somit auch in neuen Routinen gespeichert. 3. Organisationen orientieren sich an Zielen. Ihr Verhalten beruht auf einem Abgleich ihrer Erwartungen mit den beobachteten Ergebnissen. Routinen stellen somit sowohl den Ausgangspunkt als auch das Ergebnis von Organisationalem Lernen dar. Sie werden als eine Art „(allerdings undifferenzierter) Sammelbegriff für unterschiedlichste Arten von Wissen“ (Wiegand, 1998, S. 193) verwendet. Erfahrungslernen ist in diesem Kontext nur noch ein, wenn
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auch bedeutsamer Sonderfall des Organisationalen Lernens. Routinen können nun auch durch zahlreiche andere Formen wie Sozialisation, Adaption neuer Mitglieder oder Technologien erworben oder verändert werden. Levitt und March (1988) beschreiben sechs verschiedene Formen des Organisationalen Lernens von Routinen, allerdings ohne die Relevanz der einzelnen Arten von Routinen und die Frage, wie diese konkret erlernt werden können, genau zu thematisieren (vgl. Wiegand, 1998): 1. Das unmittelbare Erfahrungslernen i. S. von Trial und Error-Lernen. Der Nachteil liegt darin, dass zumeist Routinen bevorzugt werden, die eine sofortige, aber oft kurzfristige Effizienzsteigerung zur Folge haben. Gegenüber stehen andere Routinen, die anfänglich keine Effizienzsteigerung bewirken, aber langfristig effizienter sind. Diesen Prozess beschreibt March in späteren Veröffentlichungen als „learning from exploration“ (vgl. March, 1991). 2. Die Interpretation von Erfahrungen beschreibt die Unterscheidung zwischen übergeordneten Routinen „stories, paradigms, culture“ und „opoperational routines“. Die übergeordneten Routinen stellen den Interpretationsrahmen für die „operational routines“ dar. 3. Das Organisationale Gedächtnis differenziert den Prozess der Aneignung, Konservierung und Nutzung von Routinen. 4. Das Erfahrungslernen von Anderen thematisiert die Diffusionsprozesse von Erfahrungen in Form von Technologien, Wissen, Prozeduren etc. von anderen Organisationen. 5. Die Lernumwelt der Organisation beschreibt die Rahmenbedingungen, die das Organisationale Lernen beeinflussen. Hierbei geht es um den Konkurrenzaspekt. Wenn andere Organisationen in der Umwelt auch lernen, verändert dies die Umweltreaktionen. Die Organisation muss sich ihrerseits darauf einstellen, z. B. durch neue Routinen, die das „Lernen zu lernen“ als Gegenstand haben. 6. Das Lernen als eine Form der Intelligenz greift den Aspekt der Effizienz von Organisationalem Lernen auf. Die Effizienz kann dabei durch drei Probleme beeinträchtigt werden: Erstens der begrenzten Anzahl an Erfahrungen, die die Organisation sammeln kann. Zweitens die Menge an redundantem Wissen und drittens der Komplexität der Lernprozesse, kleine schrittweise Veränderungen versus radikaler tiefgreifenden Veränderungen. March (1991) thematisiert dies in einem späteren Aufsatz unter den Begriffen „Exploitation“, der Nutzung vorhandener Routinen, und „Exploration“, der Entdeckung neuer Routinen. Unter dem Aspekt der Effizienz plädiert er für eine Balance zwischen den beiden.
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Der Ansatz von Argyris Argyris hat sein Konzept des Organisationalen Lernens über einen ähnlich langen Zeitraum entwickelt wie March, und ebenso wie dieser hat er im Laufe der Zeit sein Konzept mehrfach modifiziert. Sein Ansatz beruht sowohl auf organisationssoziologischen wie auch auf kognitiv handlungstheoretischen Annahmen (vgl. Argyris & Schön, 1978; Geißler, 1995), wobei die letzteren einen deutlich höheren Stellenwert einnehmen. Argyris’ Ansatz wird auch oft als individuumsorientierter Ansatz bezeichnet, da die einzelnen Organisationsmitglieder einen hohen Stellenwert sowohl in seiner Konzeption von Organisationalem Lernen, wie auch in seinem Interventionsansatz zur Unterstützung von Organisationalem Lernen (vgl. Wiegand, 1998) einnehmen. Generell sind deutliche Parallelen zum Konzept der Organisationsentwicklung erkennbar, vor allem in Bezug auf seine Interventionsstrategien (vgl. Wiegand, 1998). Basis für seinen Ansatz ist das Konzept der Handlungstheorie, bei der jedes Organisationsmitglied über spezifische handlungsleitende „naive“ Theorien „theory-in-use“ verfügt. Diese „theoryin-use“ macht sich das Individuum wie ein „naiver“ Wissenschaftler zu eigen. Sie repräsentiert sein Bild von der Organisation und leitet sein Handeln in der Organisation (vgl. Argyris & Schön, 1978; Geißler, 1995; Wiegand, 1998). Die Summe der einzelnen „theory-in-use“ der Organisationsmitglieder bzw. deren gemeinsame Schnittmenge bildet die „organizational theory-in-use“. Sie wird unterstützt durch sogenannte „public maps“, Artefakte, die durch die Organisationsmitglieder erzeugt werden und die Orientierung erleichtern (z. B. Stellenbeschreibung, Entlohnungsmuster, Arbeitsflussdiagramme) (vgl. Geißler, 1995). Die „organizaorganizational theory-in-use“ kann als eine Form des „organisationalen Gedächtnisses“ bezeichnet werden. Sie verändert sich ständig durch die Interaktion der Organisationsmitglieder und die individuelle Überprüfung und Modifizierung der eigenen „theory-in-use“ sowie der Veränderung der „public maps“ (vgl. ebd.). Sie kann nur durch die Beobachtung der Handlung der Organisationsmitglieder rekursiv konstruiert werden. Diese „theory-in-use“ ist Ausgangspunkt und Ergebnis von Organisationalem Lernen (vgl. ebd.). Sie dient dem Erwerb und der Anwendung von Wissen sowie der Herausbildung von Motivation (vgl. Geißler, 1995). Neben der „theory-in-use“ existiert immer eine „espoused theory“ eine verlautbarte Theorie, die nicht zwingend handlungsleitend ist und im Idealfall kongruent mit der „theory-in-use“ ist; weicht sie von derselben ab, wird Organisationales Lernen erschwert. Die Organisationsmitglieder selbst gehen i. d. R. davon aus, dass ihre verlautbarten Theorien mit ihren handlungsleitenden kongruent sind. „Single-loop learning“ versus „double-loop learning“ Doch wie findet nun Organisationales Lernen statt? Argyris unterscheidet zwei grundlegende Qualitäten des Organisationalen Lernens: das Einschleifen-Lernen
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„single-loop learning“ und das Zweischleifen-Lernen „double-loop learning“. Beim „single-loop learning“ geht es um eine Steigerung der Effizienz im Rahmen der bestehenden organisationalen Handlungstheorie. D. h., ein Organisationsmitglied vollzieht eine Tätigkeit, die nicht eine nach seiner individuellen „theoryin-use“ erwartbare Konsequenz zur Folge hat, es tritt somit ein Fehler auf. Dieser Fehler muss den anderen Organisationsmitgliedern mitgeteilt werden. Danach setzt ein Prozess der kollektiven Problemlösungssuche ein, bei der nach der Methode des wissenschaftlichen Diskurses vorgegangen wird (vgl. ebd.). Anschließend wird die von den Beteiligten für am besten geeignete Lösung ausgewählt und in der „organizational theory-in-use“ verankert, damit diese Strategie auch bei zukünftigen Handlungen zur Verfügung steht. Die handlungsleitenden Werte und Normen werden hier nicht berührt und hinterfragt. Diese Form des Lernens ist mit Marchs „exploitation“ (March, 1991), der Nutzung vorhandener Routinen, vergleichbar (vgl. Ansatz von March). Im Gegensatz dazu wird beim „double-loop learning“ der Lernprozess des „single-loop learning“ um eine weitere Schleife ergänzt, indem nicht nur nach einer passenden Lösung innerhalb der bestehenden Handlungstheorie gesucht wird, sondern auch die übergeordneten Ziele der Handlungstheorie selbst auf ihre Angemessenheit überprüft werden. Somit handelt es sich beim „double-loop learning“ um ein tiefer greifendes Lernen. “In judging whether learning is single- or double-loop it is important to notice where inquiry goes as well as where it begins. Second, it is possible to speak of organizational learning as more or less double-loop. In place of the binary distinction we have a more continuous concept of the depth of learning” (Argyris & Schön, 1978, S. 25 f.). Diese Form des Lernens ist mit Marchs „exploraexploration“ (March, 1991), der Entdeckung neuer Routinen vergleichbar. Doch Vorraussetzung für „double-loop learning“ ist eine gewisse Grundhaltung der Organisationsmitglieder, die Argyris mit zwei grundlegenden Modellen der Handlungstheorien beschreibt (vgl. Abb. 3). Im Modus I sind die Mitglieder im „sinsingle-loop -loop learning“ verhaftet. Ihnen fehlt eine gewisse Offenheit, ihre Handlungstheorien zu hinterfragen und zu modifizieren. Dieser Prozess ist selbstverstärkend. In diesem Modus kommt es zu einer Entkopplung von „theory-in-use“ und „espoused theory“. Im Modus II dagegen herrscht eine Bereitschaft und Offenheit, die Handlungstheorien zu überprüfen und somit Fehler im „singleloop learning“ aufzudecken. Definitionsgemäß decken sich im Modus II „theotheory-in-use“ und „espoused theory“. Auch dieser Prozess ist selbstverstärkend und führt zu einer effektiven Anpassung der Organisation an die Umwelt. Doch wie schaffen es Organisationen, deren Mitglieder überwiegend im Modus I verhaftet sind, diese in den Modus II zu überführen? An diesem Punkt kommen bei Argyris die Interventionisten (externe Berater) ins Spiel, die den Organisationsmitgliedern durch Beobachtung helfen, den Unterschied zwischen ihrer „theoryin-use“ und ihrer „espoused theory“ aufzuzeigen und deren eigene Reflektions-
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fähigkeit zu fördern. Neben diesen beiden grundlegenden Lernqualitäten beschreiben Argyris und Schön (Argyris & Schön, 1978) noch eine weitere Stufe der Lernqualität, die sich auf die ersten beiden bezieht, das „deutero learning“. Das Deutero-Lernen ist vergleichbar mit einer Art Meta-Lernen, also die Fähigkeit, das Lernen zu lernen oder im Bezug auf Argyris und Schön zu lernen, wie singleloop und double-loop learning gezielt gesteuert und beeinflusst werden können (vgl. Wiegand, 1998).
Abbildung 3: Single-loop und double-loop learning
Ansatz von Senge Senges Ansatz (1990) ist im Rahmen seiner Forschung zum systemischen Denken und Organisationalem Lernen am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston entstanden. Sein Ansatz gilt insbesondere im englischsprachigen Raum als sehr beliebt und populär, was teilweise auf seine hohe Praxisorientierung20 zurückgeführt wird. Ziel seines Ansatzes ist die Gestaltung lernfähiger Organisationen. Dabei ist eine lernende Organisation 20 Senge hat neben seinem Hauptwerk „The fifth discipline“ einige sogenannte „Fieldbooks“ veröffentlicht, die eine spezielle Sammlung von Tools und Methoden für die Praxis beinhalten. Neben einem Fieldbook zur praktischen Arbeit in Unternehmen ist speziell ein „Fieldbook“ für den schulischen Bereich entstanden. Was wahrscheinlich auch ein Grund für seine Beliebtheit im schulischen Kontext ist.
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“a place where people are continually discovering how they create their reality. And how they can change it… [A learning organization is] an organization that is continually expanding its capacity to create its future“ (Senge, 1990, 13 f.).
Senge unterscheidet zwei Lernformen, die er allerdings eher als analytische Kategorien einführt; das „adaptive learning“, die Anpassung an die Umwelt, um diese besser zu bewältigen, und das „generative learning“, das Erlernen einer neuen Sichtweise auf die Welt. Vom Konzept her besteht Senges Ansatz aus einer „Fülle recht disparater Konzepte, Theorien, Ideen und Metaphern …, die zusammen Organisationales Lernen ergeben sollen … Organisationen [werden] mehr oder weniger als Summe der (Fähigkeiten der) Organisationsmitglieder betrachtet […] [die] […] fünf Disziplinen im Sinne (organisationaler) Fähigkeiten/Kompetenzen beherrschen müssen.“ (Wiegand, 1998, S. 276).
Die fünf Disziplinen (1) Das systemische Denken ist für Senge die integrative Disziplin, die alle anderen miteinander verknüpft und sie zu einer ganzheitlichen Theorie und Praxis vereint (vgl. Senge, 1990, 1996). Seiner Auffassung nach resultiert eine Vielzahl von Fehlern aus strategischen Entscheidungen, die ohne Kenntnisse komplexer systemischer Prozesse getroffen werden. Anhand verschiedener System-Archetypen erstellt Senge verschiedene Typologien von Fehlern. Diesen Typologien werden anschließend bestimmte Methoden zur Behebung bzw. Vermeidung solcher Fehler gegenübergestellt. (2) Mit Personal Mastery beschreibt Senge die persönliche Entwicklung des Einzelnen, sie ist Voraussetzung für Organisationales Lernen. Die Organisationsmitglieder erweitern ständig ihre Fähigkeiten, um ihre eigenen Visionen und Ziele zu erreichen. Durch einen permanenten Soll-Ist-Abgleich entsteht eine kreative Spannung, die die Motivation zur persönlichen Weiterentwicklung fördert. Sogenannte Visionen stellen dabei höhere bzw. übergeordnete, im Sinne von dauerhaften, Ziele dar, an denen sich das Handeln der einzelnen Personen orientieren soll. Aufgabe der Organisation ist es, die einzelnen Mitglieder bei der Entwicklung ihrer „Personal Mastery“ zu unterstützen und diesen Raum zur Entfaltung zu geben. (3) Eine bedeutsame Rolle beim Handeln und Lernen von Individuen und Organisationen haben bei Senge mentale Modelle. Sie sind tief verwurzelte Annahmen, Bilder und Symbole, die großen Einfluss darauf haben, wie die Mitglieder ihre (Organisations-)Welt wahrnehmen und dementsprechend handeln (vgl. Argyris, 1997). Dabei können mentale Modelle das Lernen (Personal Mastery) behindern. Ziel ist es, die mentalen Modelle der einzelnen Mitglieder, wie auch die der gesamten Organisation, aufzudecken und zu hinterfragen. Die Fähigkeit des systemischen Denkens unterstützt diesen Prozess.
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(4) Gemeinsam geteilte Visionen unterstützen den Prozess des Personal Mastery und geben dem Bestreben der einzelnen Organisationsmitglieder einen übergeordneten gemeinsamen Rahmen bzw. Ziele, auf die die Organisation hinarbeitet. Entscheidend ist, dass die Mitglieder an dem Prozess der Visionsbildung beteiligt sind, da diese nur wirksam sind, wenn sich die gemeinsamen Visionen in den einzelnen Visionen der Mitglieder widerspiegeln. (5) Das Team ist bei Senge die grundlegende Lerneinheit einer Organisation. Um im Team lernen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Die Teammitglieder müssen über gewisse Kommunikations- und Dialogfähigkeiten verfügen. Neben den fünf Disziplinen beschreibt Senge zwei zentrale Instrumente, die einer Organisation helfen, zu einer lernenden Organisation zu werden: a) Lernlabors, in denen Lerngruppen einen vollständigen Erfahrungszyklus durchlaufen, um so mentale Modelle aufzudecken, und b) Mikrowelten, bei denen ein Experimentierraum mithilfe von Computersimulationen geschaffen werden kann, anhand derer im Zeitraffer mentale Modelle und System-Archetypen aufgedeckt werden können.
Ansatz von Hedberg Hedbergs Ansatz (1981) basiert auf der Verbindung prozessualer und interpretativer organisationstheoretischer Ansätze (vgl. Wiegand, 1998). Dabei bezieht er sich direkt auf die Konzepte von March und Olsen (1975) und Argyris und Schön (1978) (vgl. ebd. Geißler, 1995). Aus diesem Grund werden im Folgenden nur die Unterschiede zu den beiden bereits skizzierten Konzepten dargestellt. Bei Hedberg werden organisationale Handlungen durch drei Faktoren beeinflusst: (1) die Organisationsmitglieder mit ihren individuellen kognitiven Prozessen, (2) die Interaktionsmuster der Organisationsmitglieder untereinander und (3) die darüberliegenden kognitiven Organisationssysteme „theories of action“. Diese kognitiven Organisationssysteme können auch als Informationsverarbeitungssysteme verstanden werden. Für Hedberg gleichen sie den kognitiven Strukturen im menschlichen Gehirn, „theories of action“ (Argyris und Schön, 1978) „[…] are for organizations what cognitive structures are for individuals“ (Hedberg, 1981, S. 7). Im Weiteren werden der Zusammenhang dieser drei Aspekte und ihr Einfluss auf Organisationales Lernen beschrieben. Hedberg konzipiert das Verhältnis von individuellem Lernen und Organisationalem Lernen anhand der „theories of action“21 und den „organizational memories“. 21 Die kognitiven Organisationssysteme konstituieren sich durch die kognitiven Strukturen der Organisationsmitglieder und als deren konsensuierter Gesamtheit (vgl. Geißler, 1995).
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“Although organizational learning occurs through individuals, it would be a mistake to conclude that organizational learning is nothing but the cumulative result of their members’ learning. Organizations do not have brains, but they have cognitive systems and memories” (Hedberg, 1981, S. 6).
Für Hedberg ist Organisationales Lernen ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche und langfristige Anpassung der Organisation an ihre Umwelt. Dabei orientiert er sich an dem Lernzirkel von March und Olsen (1975) und erweitert diesen um den genannten Aspekt der kognitiven Organisationssysteme in Anlehnung an Argyris und Schön (1978) sowie Duncan und Weiss (1979c). Lernen findet dabei in Orientierung an behavioristische Lerntheorien in einem ReizReaktions-Paradigma statt, bei dem auf einen „Reiz“ der Umwelt eine Reaktion der Organisationen in Form einer Handlung22 erfolgt. Dabei kommt den kognitiven Organisationssystemen eine entscheidende Rolle zu. Denn auf den Umweltreiz folgt nicht unmittelbar eine organisationale Reaktion. Die kognitiven Organisationssysteme agieren quasi als Filter in Form von „discrimination networks“, “, die die Umweltreize nach entsprechenden Kriterien sortieren, interpretieren und anschließend bestehenden Reaktionen aus übergeordneten Reaktionsrepertoires zuweisen. Dabei entstehen und verändern sich sowohl die Identifizierungs- und Zuordnungsroutinen der „discrimination networks“, wie auch die Reaktionsrepertoires. Hedberg unterscheidet auf Basis des Lernzirkels drei Formen des Lernens, die sich qualitativ voneinander unterscheiden (vgl. Tab. 1). 1. Das „adjustment learning“ erfolgt, wenn die Umwelt sich nur gering verändert und eine Anpassung innerhalb des bestehenden Verhaltensrepertoires erfolgen kann. Es ist vergleichbar mit dem „single-loop learning“ von Argyris und Schön (1978). 2. Das „turnover learning“ erfolgt, wenn Veränderungen im interpretativen System und der Entwicklung neuer Kombinationen von Reaktionen nötig sind. 3. Das „turnaround learning“ erfolgt bei radikalen Veränderungen, wenn der Umweltreiz nicht durch die bisherigen „theories of actions“ oder Teile von ihnen interpretiert werden kann.
22 Wiegand (2000) weist zu Recht daraufhin, dass Hedberg in Anlehnung an March und Olsen (1975) Organisationen kein direktes Handeln zuschreibt. Handeln können nur die Mitglieder der Organisation, das allerdings von der Organisation selbst beeinflusst wird und auch auf deren Ebene sozusagen stellvertretend stattfindet.
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Tabelle 1: Formen Organisationalen Lernens nach Hedberg (Hedberg, 1981, S. 10) Lernmodus
Veränderungen in der Umwelt-Organisationsbeziehung
Organisationale Reaktion
Leichtigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit
adjustment learning
Fluktuation, kleine Veränderungen, die reversibel sind
Anpassung von Parametern und Regeln. Selektion aus dem Reaktions-/ Antwortrepertoire
relativ leicht und schnell; oft routinisiert
turnover learning
VLJQL¿NDQWHSDUWLHOOH Veränderungen, die reversibel sind
Verlernen und Ersetzung durch neue Reaktionsmuster
schwierig und zeitintensiv
turnaround learning
substanzielle Veränderungen, die irreversibel sind
Veränderung der Theorie oder Teile der Theorie von Handlungen
unmöglich bzw. sehr schwierig, aber schnell, wenn VeränGHUXQJHQVWDWW¿QGHQ
In Verbindung mit diesen Lernformen steht bei Hedberg das Verlernen, das bei näherer Betrachtung auch als eine Form des Lernens interpretiert werden kann (vgl. Wiegand, 1998). Verlernen wird seiner Meinung nach dann notwendig, wenn die bestehenden Handlungsmuster aufgrund von Umweltveränderungen nicht mehr zu den Reizen der Umwelt passen. Hedberg benennt drei verschiedene Formen des Verlernens: a) das Verlernen der „theories of action“, b) das Verlernen der Beziehung zwischen Umweltreizen und der Reaktionen in Form von Handlungen der Organisation und c) das Verlernen der Beziehung zwischen verschiedenen Reaktionen.
Ansatz von Duncan und Weiss Duncan und Weiss (1979b) beschäftigen sich in ihrem Ansatz mit der Bedeutung von Wissen für Organisationen. Organisationales Lernen ist dabei sowohl Ausgangpunkt als auch Produkt organisationalem Wissens (vgl. Duncan & Weiss, 1979a; Geißler, 1995; Wiegand, 1998). Ziel es ist, mithilfe des Organisationalen Lernens ein geeignetes Organisationswissen zu erzeugen, das eine optimale Anpassung an die organisationale Umwelt ermöglicht. Organisationswissen beinhaltet dabei zwei Aspekte, die „action-outcome relationships and the effect of the environment on these relationships“ (Duncan & Weiss, 1979a, S. 89): Einerseits das Wissen um die Handlungs-Ergebnis-Beziehung, also mit welcher Handlung, auf welche Art und Weise ein spezifisches Ergebnis erzeugt wird, und andererseits das Wissen um den Einfluss, den die Umwelt auf diese Beziehung hat.
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Organisationales Lernen wird demnach definiert „as the process within the organization by which knowledge about action-outcome relationships and the effect of the environment on these relationships is developed“ (ebd. 1979a, S. 84). Neben dem organisationalem Wissen werden noch drei weitere Wissensformen unterschieden, die mit der Handlungs-Ergebnis-Beziehung in Zusammenhang stehen: das individuelle Wissen, die organisationale Wissensbasis und das Paradigma der Organisation. Zum Lernen sind für Duncan und Weiss nur Individuen fähig. Aus diesem Grund sind für Organisationales Lernen wichtige Entscheidungsträger oder sogenannte „dominant coalition“ von zentraler Bedeutung. Sie lernen stellvertretend für die Organisation und sind somit für eine optimale Gestaltung der Handlungs-Ergebnis-Beziehungen verantwortlich. Dabei unterscheiden Duncan und Weiss drei verschiedene Lernformen: Erstens das Erfahrungslernen, das die Organisationsmitglieder auf Basis ihre praktischen Arbeit erwerben. Zweitens das Lernen auf Basis theoretischer Reflektion und drittens das Lernen von Anderen; entweder mündlich über die direkte Interaktion oder indirekt über schriftliche Dokumente innerhalb der Organisation oder aus Fachbüchern (vgl. Geißler, 1995). Damit aus dem individuellen Wissen der einzelnen Organisationsmitglieder organisationales Wissen wird, müssen allerdings spezifische Bedingungen erfüllt sein. Grundvoraussetzung ist, dass das entsprechende Organisationsmitglied bereit ist, sein Wissen der Organisation zur Verfügung zu stellen und es mit Anderen zu teilen. Als Nächstes muss gewährleistet sein, dass das Wissen auch kommunizierbar ist. Das heißt, dass das Organisationsmitglied sein Wissen so mitteilt, dass es von den anderen Mitgliedern verstanden werden kann (somit wird hier z. B. implizites Wissen und Intuition ausgeschlossen). Des Weiteren muss dieses Wissen von anderen Organisationsmitgliedern als nützlich und verlässlich für ihre Arbeit empfunden werden. Als letztes Kriterium gilt die Integrierbarkeit bzw. Anschlussfähigkeit des Wissens an bestehende Handlungs-Ergebnis-Beziehungen. Dabei müssen (und können auch) die wichtigen Entscheidungsträger nicht über das gesamte Organisationswissen verfügen, sondern dieses Wissen muss ihnen nur nach den genannten Kriterien, oft in Form von Spezialisten, zugänglich sein. Dem organisationalen Wissen ist eine weitere Wissensform, die organisationale Wissensbasis, hierarchisch übergeordnet. Damit das organisationale Wissen zur organisationalen Wissensbasis hinzugefügt wird, muss neben den beschriebenen Kriterien ein weiteres Kriterium erfüllt werden. Das Wissen wird im Rahmen eines sozialen Prozesses „of change, evaluation, and integration of knowledge“ (Duncan & Weiss, 1979a, S. 89) in die organisationale Wissensbasis aufgenommen. Über der organisationalen Wissensbasis steht wiederum hierarchisch das Paradigma der Organisation. Das Paradigma der Organisation bildet den übergeordneten Interpretationsrahmen. Es stellt die Basis für eine Verständigung in der
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Organisation her, in denen die Werte und Normen der Organisation eingebettet sind. Gleichzeitig stellt es einen Orientierungsrahmen für die Mitglieder dar, welches Wissen von der Organisation benötigt wird, sodass es zu dem bestehenden Paradigma kompatibel ist.
Ansatz von Huber Huber (Huber, 1991) lässt sich, wie Duncan und Weiss (1979) auch, den wissensbetonten Ansätzen von Organisationalem Lernen zurechnen. Doch sein Ansatz ist breiter angelegt als der von Duncan und Weiss (1979) und „eher eine Bestandsaufnahme zur Wissensgenerierung in und von Organisationen“ (Wiegand, 1998, S. 241). Huber kritisiert, dass viele Autoren den Fokus von Organisationalem Lernen zu sehr auf die Effizienz- und Effektivitätssteigerung von Organisationen legen. Organisationales Lernen definiert Huber wie folgt: “An enity learns if, through its processing of information, the range of its potential behaviour is changed … When the enity is an organization, […] an organization learns if any of its units acquires knowledge that it recognizes as potentially useful to the organization” (Huber, 1991, S. 89).
In der Definition spiegelt sich die genannte Kritik wider. Demnach findet nach Huber Organisationales Lernen schon statt, wenn sich durch Informationsaneignung nur das Verhaltensrepertoire eines Organisationsmitgliedes erweitert hat und dieses potenziell nützlich für die Organisation sein kann. Für den Prozess des Organisationalen Lernens sind nach Huber vier Faktoren wesentlich: der Wissenserwerb, die Wissensverteilung, die Interpretation von Informationen und die Wissensspeicherung. Huber unterscheidet fünf Formen des Wissenserwerbs (vgl. Huber, 1991): „Congential Learning“ ist das Lernen über die Kultur der Organisation, „ExperiExperiential Learning“ ist das Erfahrungslernen, „Vicarious Learning“ ist das Lernen durch Beobachtung, „Grafting“ ist das Lernen durch die Übernahme von Wissen durch neue Organisationsmitglieder und „Searching and Noticing“ beschreibt schließlich das Lernen durch die gezielte Suche von Informationen innerhalb der Organisation und im Besonderen durch Scannen der organisationalen Umwelt. Nach Wiegand hat Huber im Bezug auf die Wissensverteilung „ein Klassifikationsraster, das […] eine differenzierte Unterscheidung der Qualität und Quantität der Wissensverteilung ermöglicht“ (Wiegand, 1998, S. 243). Das erste Kriterium ist die Existenz von Organisationalem Lernen. Sie ist dann gegeben, wenn ein Organisationsmitglied davon überzeugt ist, für die Organisation potenziell nützliches Wissen erworben zu haben. Das zweite Kriterium ist die Breite, in der dieses Wissen von mehreren Organisationsmitgliedern erworben wurde. Das dritte Kriterium Vielfältigkeit beschreibt, inwieweit divergierende Interpretatio-
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nen der Informationen existieren. Das letzte Kriterium Gründlichkeit beschreibt, inwieweit mehrere Organisationsmitglieder „ein gemeinsames Verständnis der unterschiedlichen Interpretationen“ entwickeln (ebd., S. 244). Dieses letztgenannte Kriterium der Gründlichkeit verbindet Huber mit dem Punkt der Interpretation des Wissens. „… das Ausmaß gemeinsamer Interpretationen [ist] von den vorhandenen „cognitive maps“ der Organisationseinheiten, der Gleichartigkeit des „framing“ (vgl. Fiol, 1994), den eingesetzten und vorhandenen Kommunikationsmedien bzw. der „Medienreichhaltigkeit“ (vgl. zusammenfassend Daft/Lengel, 1986), dem Grad der Informationsüberlastung und dem Grad des Verlernens, der notwendig ist, um eine neue Interpretation zu generieren, abhängig“ (ebd., S. 244).
Alle diese Prozesse des Organisationalen Lernens hängen entscheidend von dem „Organizational Memory“, der Form der Speicherung und vor allem auch des Wiederabrufens der gespeicherten Informationen ab. Huber setzt in diesem Kontext auf die Speicherung von Informationen mittels Computerverarbeitungssysteme und räumt diesen für die Zukunft der Wissensspeicherung einen großen Stellenwert ein.
Lernebenen im Rahmen des Organisationalen Lernens Wie der Begriff des Organisationalen Lernens schon andeutet, gehen alle o. g. Ansätze von der Lernfähigkeit von Organisationen aus. Doch dieses Lernen ist nicht ohne die Individuen innerhalb der Organisation möglich. Des Weiteren wird Organisationales Lernen immer auch so verstanden, dass es mehr ist als die Summe des individuellen Lernens der Organisationsmitglieder (vgl. Geißler, 1995; Hedberg, 1981; Leithwood, 2000). Lernen im Verständnis von Organisationalem Lernen findet auf verschiedenen Ebenen statt. Die Lernergebnisse auf den einzelnen Ebenen werden anschließend auf die nächsthöhere Aggregatebene transformiert. Die meisten Autoren gehen von drei verschiedenen Lernebenen aus, dem individuellen, dem kollektiven und dem Organisationalen Lernen (vgl. Geißler, 1995). Individuelles Lernen Viele Ansätze und Autoren betonen die Bedeutung von individuellem Lernen für Organisationales Lernen. Individuelles Lernen wird hierbei zumeist als eine wichtige und notwendige Voraussetzung für Organisationales Lernen genannt (vgl. Argyris & Schön, 1978; Duncan & Weiss, 1979b; Hedberg, 1981; March & Olsen, 1976; Senge, 1990). Es stellt die Basis dar, auf deren Grundlage Organisationales Lernen stattfinden kann. Das Lernen von Individuen ist in der Lernpsychologie das sowohl theoretisch als auch empirisch am besten erforschte Ler-
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nen auf den drei Ebenen. Lernen kann nach Bower und Hilgard (1983) als Prozess der Veränderung von Fähigkeiten und Fertigkeiten durch die Konfrontation mit Erfahrungen beschrieben werden (Bower & Hilgard, 1983). Geißler (2003) beschreibt individuelles Lernen als eine Form der Verhaltensänderung von Individuen. Bei dieser Verhaltensänderung absorbiert das Individuum in der Interaktion mit seiner Umwelt neue Informationen und fügt diese seinem bestehenden Wissen hinzu. Durch die Aufnahme und Integration neuen Wissens kann eine Steigerung der Problemlösefähigkeit erreicht werden (vgl. Geißler, 2003). Zur Beschreibung von Lernprozessen auf individueller Ebene lassen sich drei grundlegende Theorienstränge unterscheiden23: behavioristische Lerntheorien (z. B. Skinner, 1978), bei denen Lernen in Form eines Reiz-Reaktion-Schemas abläuft. Kognitive Lerntheorien, bei denen Lernen als ein Informationsverarbeitungsprozess im Gehirn des Menschen betrachtet wird, bei dem Lernen als ein zielgerichtetes Problemlösungsverhalten auf der Grundlage von Erwartungen über Umweltzustände verstanden wird (z. B. Piaget, 1974). Soziale Lerntheorien, bei denen Lernprozesse durch die Beobachtung des Verhaltens anderer Personen im Rahmen von Modell-Lernen stattfinden (z. B. Bandura, 1976). Die von den einzelnen Autoren des Organisationalen Lernens zugrunde gelegten Lerntheorien haben zumeist auch Einfluss auf ihr Verständnis von Organisationalem Lernen, ob nun z. B. ein eher behavioristisches oder kognitionstheoretisches Modell Ausgangpunkt zur Erklärung von Lernen darstellt (vgl. Wiegand, 1998). Dieses Lernen ist allerdings nicht unabhängig von der Organisation. Die Organisation stellt einen übergeordneten Rahmen dar, innerhalb dessen das Individuum bzw. das Team lernen kann (vgl. Hedberg, 1981). Dieser organisationale Rahmen kann für das Lernen der einzelnen Organisationsmitglieder förderlich oder aber auch hinderlich sein, je nachdem, wie dieser gestaltet ist. Die Organisationskultur und Organisationsstruktur sind zwei der wesentlichen Bestandteile dieses Rahmens (vgl. Klimecki & Thomae, 1997) auf die im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch näher eingegangen wird. Die Individuen sind als Funktions- und Aufgabenträger auch Träger von organisationsrelevantem Wissen, darüber hinaus trägt ihr Verhalten innerhalb der Organisation zum Bild der Organisation bei (vgl. Argyris & Schön, 1978). Kollektives Lernen Die nächsthöhere Ebene stellt das kollektive Lernen dar. Es kann auch als das Lernen in Gruppen bzw. Teams verstanden werden. So, wie die Organisation den 23 Die Ausführung der einzelnen Lerntheorien und ihre konkrete Auswirkung für die jeweiligen Ansätze des Organisationalen Lernens übersteigt, angesichts der spezifischen Fragestellung, den Rahmen dieser Arbeit. Ein ausführliche Darstellung zu diesem Thema findet sich bei Wiegand (Wiegand, 1998) oder auch bei Geißler (Geißler, 1995).
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übergeordneten Rahmen für jegliches Lernen in der Organisation (individuelles und kollektives Lernen) darstellt, so ist die kollektive Ebene bzw. das Team der direkte, enge Bezugsrahmen des individuellen Lernens. Die beiden Bezugsrahmen sind dabei ineinander geschachtelt. Das kollektive Lernen ist das Bindeglied, der Link zwischen dem Individuum auf der einen und der Organisation auf der anderen Seite. Im schulischen Kontext hat sich u. a. Leithwood (2000) auf Basis des Stellenwerts, der Gruppen in Organisation und im Besonderen in Schulen in der heutigen Zeit eingeräumt wird, ausführlich mit Prozessen des Teamlernens beschäftigt. Seiner Auffassung nach sind Teams besser geeignet, die Interessen der einzelnen Mitglieder zu vertreten. Teams produzieren mehr kreative Lösungen als Individuen und ihre Mitglieder sind eher bereit, Entscheidungen zu unterstützen, die durch Beteiligung getroffen worden sind. Dabei beeinflussen die Normen und Werte des Teams die einzelnen Organisationsmitglieder. Das Handeln der Teammitglieder richtet sich auf einen gemeinsamen Fokus, ein gemeinsames Ziel, das es kollektiv zu verfolgen gilt. Dabei findet ein Prozess der kollektiven Sinnkonstruktion statt. Leithwood bezieht sich hierbei auf die Arbeiten von Weick und Roberts (1993). Diese Sinnkonstruktion verstehen sie als „collective mind“ (Leithwood, 2000). Er entsteht aus den Mustern der gemeinsamen Aktivitäten der Teammitglieder, also aus wechselseitigen, koordinierten Handlungsbeziehungen in einem sozialen System (vgl. Zarcula, 2006). “Collective mind is manifest when individuals construct mutually shared fields. The collective mind that emerges during the interrelating of an activity system is more developed and more capable of intelligent action the more heedfully that interrelating is done” (Weick & Roberts, 1993, S. 365).
Wichtig ist, dass sich diese Handlungen auf die Organisation beziehen, das Team handelt im Auftrag, als Stellvertreter für die Organisation. Das kollektive Lernen produziert als Ergebnis organisationsbezogene Kompetenzen und Wissen. Organisationales Lernen Was unter Organisationalem Lernen im Detail verstanden werden kann und wie dieses vonstatten geht, wurde in den verschiedenen Ansätzen des Organisationalen Lernens, die hier referiert wurden, deutlich. Deshalb soll an dieser Stelle nur eine allgemeine Zusammenfassung erfolgen. Bezug nehmend auf Geißler (1995) wird Organisationales Lernen als Veränderung bzw. (Weiter-)Entwicklung des Steuerungspotenzials einer Organisation verstanden. Wie Bormann es treffend formuliert, ist hierfür individuelles und kollektives Lernen eine „notwendige, nicht aber hinreichende“ (Bormann, 2001, S. 63) Voraussetzung. Individuelles Lernen wird dabei durch Rahmenbedingungen – der Kultur und Struktur – der Organisation und des jeweiligen Teams, in dem es sich befindet, beeinflusst (vgl.
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Argyris & Schön, 1978). Sie können Lernen fördern oder behindern (vgl. March & Olsen, 1976). Doch führt dieses Lernen nicht zwangsläufig zu Organisationalem Lernen. Dabei spielt das Team eine zentrale Rolle (vgl. Senge, 1990). Duncan und Weiss (1979c) zeigen eindrucksvoll, welche Bedingungen erforderlich sind, damit über das vermittelte Wissen einzelner Organisationsmitglieder (als Ergebnis von individuellem Lernen) in einem Prozess der Kommunikation mit anderen Organisationsmitgliedern (der kollektiven Ebene) Organisationales Lernen entsteht. Hierfür bedient sich die Organisation verschiedener Formen der Aneignung von Wissen (vgl. Huber, 1991). Dabei verfügen Organisationen über eine Art von Gedächtnis in Form kognitiver Systeme (vgl. Hedberg, 1981), in denen das organisationale Wissen gespeichert wird (vgl. Hedberg, 1981; Huber, 1991). Diese Lernprozesse weisen unterschiedliche Qualitäten bzw. Lernniveaus auf. Argyris und Schön (1978) haben hierfür die Begriffe des „single-loop learning“, „double-loop learning“ und „deutero learning“ geprägt. Während „single-loop learning“ eher eine Anpassung mit dem Ziel einer Effizienzsteigerung im Rahmen der bestehenden organisationalen Handlungstheorie repräsentiert, beschreibt das „double-loop learning“ ein tiefer greifendes Lernen, bei dem auch die Angemessenheit der dahinterliegenden Handlungstheorie überprüft wird. Diese beiden Lernniveaus sind vergleichbar mit Marchs Konzept des „exploitaexploitations““ und „explorations“ (March, 1991). Beide Lernprozesse sind für Organisationen von Bedeutung. Es gilt von Seiten der Organisation, ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den beiden zu finden. Darüber hinaus existiert oberhalb des „double-loop learning“ ein weiteres Lernniveau, das „Deutero-Lernen“, das auch als Meta-Lernen oder die Fähigkeit, das Lernen zu lernen, beschrieben werden kann (vgl. Argyris & Schön, 1978).
Abgrenzung von Organisationsentwicklung und Organisationalem Lernen In Kapitel 2.1 wurden zwei verschiedene Konzepte des organisationalen Wandels, der Ansatz der Organisationsentwicklung und verschiedene Ansätze zum Organisationalen Lernen, beschrieben. An dieser Stelle soll eine analytische Abgrenzung der beiden verschiedenen Grundkonzepte voneinander erfolgen. Wiegand beschreibt zu Recht die Schwierigkeit einer präzisen Abgrenzung bei mittlerweile fast ausufernden und immer differenzierteren Konzepten der Organisationsentwicklung und des Organisationalen Lernens. Er benennt hierfür zwei zentrale Gründe (vgl. Wiegand, 1998): Als erstes Argument führt er an, dass sich seiner Meinung nach einige Konzepte des Organisationalen Lernens, wie z. B. das von Argyris und Schön (1978) und das von Senge (1996), nur marginal von heutigen Konzepten der Organisationsentwicklung unterscheiden. Senge ließe sich demnach beispielsweise auch als systemischen Ansatz der Organisationsent-
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wicklung reininterpretieren. In seinem zweiten Argument verweist er darauf, dass umgekehrt mittlerweile etwas erweiterte Konzepte der Organisationsentwicklung momentan unter der eher populären Bezeichnung des Organisationalen Lernens gehandelt werden. Allerdings haben Schreyögg und Noss einen sehr elaborierten analytischen Versuch einer Abgrenzung der traditionellen Organisationsentwicklung und des Organisationalen Lernens auf Basis einer Analyse der Schwachstellen der Organisationsentwicklung unternommen. Schreyögg und Noss identifizieren vier zentrale Kritikpunkte der Organisationsentwicklung: 1. Der erste Kritikpunkt bezieht sich auf die Rolle des externen Beraters. Sie kritisieren, dass der Organisationsentwicklungsansatz Organisationen bei Veränderungsprozessen zu Klienten degradiert, die auf einen sehr spezialisierten externen Berater, der über eine besondere Ausbildung verfügt, angewiesen sind. Vor allem unter der heutigen Forderung eines stetigen Wandels würde somit eine dauerhafte Abhängigkeit der Organisationen von externen Beratern bestehen. Zudem würde den Organisationen somit auch die Fähigkeit, eigenständig mit der Herausforderung von Veränderungsprozessen fertig zu werden, abgesprochen. 2. Der zweite Kritikpunkt bemängelt die implizite Grundannahme der Organisationsentwicklung, dass sich der Veränderungsprozess „in kontinuierlicher, überschaubarer, zeitlich streckbarer Weise vollzieht oder zumindest vollziehen lässt“ (Schreyögg & Noss, 1995, S. 174). Organisationsentwicklung gehe von einer Planbarkeit und Kontinuität von initiierten Veränderungen aus. Dabei werden etwaige plötzliche Veränderungsanforderungen und Diskontinuitäten, wie sie in der Realität vorkommen, ausgeblendet. Es werde der Eindruck erweckt, dass Veränderungsprozesse, wenn sie nur richtig geplant und methodisch bearbeitet werden, quasi automatisch auch beherrschbar sind. 3. Als dritte Fehlannahme bzw. Schwachstelle identifizieren sie die postulierte Abgeschlossenheit und Singularität von Veränderungsanforderungen. Die Organisationsentwicklung gehe davon aus, dass Veränderungsprozesse einen klar definierten Anfang und ein ebensolches Ende haben. Doch, wie empirische Studien belegen (vgl. March & Olsen, 1976; Mintzberg, 1992), komme es in der Organisationspraxis oft zu einer Parallelität von verschiedenen Veränderungsprozessen, die zeitgleich oder sich überlagernd von der Organisation bewältigt werden müssen und deren Anfang und Ende oft fließend und schwer erkennbar sei bzw. teilweise zeitlich unterbrochen wird, um zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt zu werden.
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4. Den letzten und wichtigsten Kritikpunkt sehen Schreyögg und Noss jedoch in der Annahme, dass Wandel und Veränderung nur als ein Sonderfall angesehen werden. Als Regelfall gilt die Stabilität der Organisation. Dies wird vor allem in dem Phasenmodell der Homöostase von Lewin deutlich (vgl. Lewin, 1963, Kapitel 2.1.1 zur Organisationsentwicklung). Die Organisation wird für den Zweck der Bewältigung von Veränderung aus ihrem Gleichgewicht gebracht, um über eine Phase der Bewegung nach der Umsetzung der Veränderung wieder in den Zustand der Stabilität zurückzukehren. Diese Auffassung gilt spätestens nach einer immer lauter werdenden Forderung nach einem stetigen Wandel in allen Gesellschaftsbereichen als überholt. Konzeptuelle Gegenmodelle wie Weicks „chronically unfrozen“ (Schreyögg & Noss, 1995, S. 175) oder das Autopoesis-Konzept der Systemtheorie (vgl. Luhmann, 2004) konzeptuieren Wandel und vor allem die Wandlungsfähigkeit als Regelnorm, als Voraussetzung zum Überleben von Organisationen. Schreyögg/Noss kommen auf Basis dieser vier Kritikpunkte zu dem Schluss, dass es einer „konzeptionellen Neuorientierung“ (Schreyögg & Noss, 1995, S. 175) bedürfe, in deren Mittelpunkt eine theoretische Fundierung stehen muss, anhand derer stetige Veränderungsprozesse in Organisationen beschrieben und analysiert werden können. Sie halten hierfür das Konzept des Organisationalen Lernens als geeignet, weil es das dauerhafte bzw. „lebenslange“ Lernen der Organisation in sein Zentrum stellt. Zur Darstellung der Vorzüge des Organisationalen Lernens gegenüber der Organisationsentwicklung stellen sie den vier Kritikpunkten der Organisationsentwicklung entsprechende Stärken des Konzeptes des Organisationalen Lernens gegenüber. 1. Sie beginnen mit der Hauptkritik der Veränderung als Sonderfall. Organisationales Lernen lässt sich demnach im Gegensatz zur Organisationsentwicklung als ein Konzept des dauerhaften Wandels, ausgedrückt in der Lernfähigkeit der Organisation, beschreiben. Dabei ist nicht eine permanente Anpassung gemeint, die zu einer Strukturlosigkeit der Organisation führt, sondern eine Lernfähigkeit der Organisation, auf die für die Organisation relevanten Veränderungen in der Organisationsumwelt einzugehen (vgl. hierzu vor allem die Ansätze von March, Duncan & Weiss, Huber). Dabei werden Organisationen als selbstreferentielle Systeme beschrieben. 2. Wandel ist im Konzept des Organisationalen Lernens nicht isoliert, keine Sonderaufgabe. Lernen und damit einhergehende Veränderungen sind integraler Bestandteil der Aufgaben und Ziele der Organisati-
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on. Das Lernen findet nicht neben, sondern im Prozess der Arbeit statt. Dies impliziert auch den dritten Punkt. 3. Veränderungsprozesse werden nicht mehr geplant, sie vollziehen sich im (idealtypischen) täglichen Lernprozess. Sobald die Organisation einen Veränderungsbedarf, sei es durch interne oder externe Rückmeldungen, erkennt, versucht sie die Organisationsroutinen an diese Veränderungen anzupassen (vgl. Duncan & Weiss 1979c; Huber, 1991; March & Olsen, 1976). Organisationales Lernen geht somit nicht von einer direkten, sondern von einer indirekten (Prozess-)Steuerung von Veränderungen aus. Dabei können auch verschiedene Veränderungsprozesse parallel ablaufen oder auch ein radikaler Wandel vonnöten sein. 4. Die Verantwortung für den Lernprozess obliegt der gesamten Organisation. Im Idealfall sind alle Organisationsmitglieder am Lernprozess beteiligt. Organisationales Lernen vollzieht sich im Prozess der Arbeit der Organisationsmitglieder. Damit wird die Organisation aus der Klientenrolle der Organisationsentwicklung befreit. Doch folgern Schreyögg und Noss hieraus keine gänzliche „Nutzungslosigkeit“ von Organisationsentwicklung. Vielmehr können Methoden der Organisationsentwicklung Organisationen beim Lernen unterstützen, indem sie zur Identifikation und Behebung von Problemen und Kommunikationsbrücken beitragen. Wiegand bringt noch einmal die Abgrenzung von Organisationsentwicklung und Organisationalem Lernen pointiert auf den Punkt: „In dieser Arbeit wird Organisationales Lernen in Abgrenzung zu „dem“ [HRVG, i. Original] Konzept der Organisationsentwicklung als konzeptioneller Bezugsrahmen der Lernprozesse in und von Organisationen verstanden, der organisationstheoretisch angeleitet entwickelt wird. Organisationales Lernen ist damit als ein (allerdings sehr offenes) konzeptionelles Gerüst zur Reinterpretation und Präzisierung der Wirkung etablierter Organisationsentwicklungsmaßnahmen zu verstehen. Organisationales Lernen wird dementsprechend zur Analyse von Veränderungsprozessen verwendet, und Lernepisoden werden als Bausteine von umfassenden Veränderungsprozessen konzipiert“ (Wiegand, 1998, S. 154).
Diese Abgrenzung bildet auch die Grundlage für diese Arbeit.
2.1.3 Change Management Neben der Organisationsentwicklung und dem Organisationalem Lernen soll an dieser Stelle ein drittes Konzept zum Wandel von Organisationen, das Konzept des Change Managements, beschrieben werden. Das Konzept des Change
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Managements ist das jüngste und wahrscheinlich auch momentan populärste der drei Konzepte, zumindest, wenn man nach der Flut an Publikationen geht, die in den letzten Jahren zu diesem Thema, besonders im Bereich der Organisationsberatung, erschienen sind. Wobei sich die berechtigte Frage stellt, ob man beim Change Management von einem einheitlichen Konzept sprechen kann. Schubert kommt sogar zur der Auffassung, dass „die Heterogenität von Organisationen sowie die Unterschiedlichkeit in den Zielsetzungen von Veränderungsvorhaben kein […] in sich geschlossenes, einheitliches Change Management erlauben“ (Schubert, 2003, S. 366). Für diese Arbeit werden zwei Ansätze von Change Management dargestellt. Sie unterscheiden sich sowohl in ihrer Akzentuierung wie auch in ihrer Sichtweise. Dennoch ist beiden gemeinsam, dass sie Change Management als eine Form der Weiterentwicklung der klassischen Organisationsentwicklung verstehen24. Doch während Trebesch und Kulmer Change Management in Form einer Erweiterung vor allem um Elemente der Systemtheorie beschreiben, steht bei Schubert die Verbindung von Organisationsentwicklung und dem strategischen Management im Vordergrund. Darüber hinaus argumentiert Schubert eher aus einer wissenschaftlichen Perspektive, während bei Trebesch und Kulmer die Perspektive als Berater im Fokus steht.
Der „systemische“ Change Management-Ansatz Trebesch und Kulmer beschreiben Change Management als ein Konzept, das seine Wurzeln in der Organisationsentwicklung hat. Sie gehen sogar soweit zu sagen, „ohne die Organisationsentwicklung gäbe es heute kein Change Management“ (Trebesch & Kulmer, 2007). Manche Autoren, wie Schreyögg (1999), sind skeptisch, ob es sich bei Change Management nicht eher um einen Etikettenschwindel für bekannte Konzepte der Organisationsentwicklung handelt, die unter einem moderneren, vermeintlich attraktiveren Titel veröffentlicht werden. Dass dies bei vielen Artikeln und Büchern auch der Fall ist, bestreiten Trebesch und Kulmer auch nicht. Doch Change Management ist ihrer Meinung nach mehr als dies. Zur Bestätigung führen sie drei Thesen an (vgl. Trebesch & Kulmer, 2007). In der ersten These beschreiben sie eine Veränderung der theoretischen Ausgangsbasis. Bezug nehmend auf die Kritik an der Organisationsentwicklung, Veränderung als Sonderfall zu betrachten, gehe Change Management von der Notwendigkeit eines permanenten Veränderungsprozesses aus. Als theoretische 24 In diesem Sinne sind deutliche Parallelen zur Weiterentwicklung der Organisationsentwicklung seit Ende der 80er-Jahre, Anfang der 90er-Jahre gegeben, bzw. Change Management kann als eine direkte, in gewisser Weise auch konsequente Folge der Organisationsentwicklung gesehen werden. Bei der Forderung, diese neuen Formen der Organisationsentwicklung, die sich stark von dem klassischen Ansatz der Organisationsentwicklung unterscheiden, auch nicht mehr als solche zu bezeichnen.
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Fundierung werden hier Grundlagen der Systemtheorie, vor allem das Autopoesis-Konzept und die System-Umweltdifferenz, angeführt (vgl. Luhmann, 2004). Change Management ziele auf die Gestaltung der strukturellen Kopplung hin. Aus dieser Perspektive ist nicht mehr eine Verhaltensänderung in Form von Einstellungen und Haltungen Gegenstand der Arbeit, sondern die Kommunikation und die Handlungen der Organisation. Darüber hinaus bietet der systemtheoretische Zugang die Möglichkeit, auch radikalere, tiefer greifende Veränderungen zu beschreiben. Die zweite These betrifft eine stärkere ökonomische Ausrichtung von Change Management. Damit greift Change Management die Kritik an der Organisationsentwicklung auf, sich zu sehr auf die Bedürfnisse der Organisationsmitglieder zu konzentrieren. Somit entfällt aber auch die normative Ausrichtung der Organisationsentwicklung. Change Management wird vor allem als Instrument zur Steigerung der Effizienz von Unternehmen gesehen, bei der eine Verbesserung der Lebensqualität der Organisationsmitglieder zwar wünschenswert ist, aber nicht im Fokus der Arbeit steht. Die dritte These beschäftigt sich mit dem Verhältnis des Beraters zur Organisation. Der Berater nimmt nach Trebesch und Kulmer eine andere Rolle ein als bei der Organisationsentwicklung. Seine Hauptaufgabe liegt im Coaching der Führungskräfte, die als Change Agents für die Steuerung der Veränderungsprozesse in der Organisation verantwortlich sind. Somit wird auch beim Change Management der partizipative Charakter der Organisationsentwicklung mit einer stärkeren Ausrichtung auf alle Organisationsmitglieder zugunsten einer Orientierung am Management reduziert. Zwar gehen Trebesch und Kulmer explizit auf die Kritik von Schreyögg und Noss an der Organisationsentwicklung ein und nehmen diese als Ausgangpunkt ihrer Argumentation und versuchen anhand dieser Kritik die Vorzüge und Unterschiede des Change Managements gegenüber der klassischen Organisationsentwicklung darzustellen. Doch fällt dabei auf, dass sie sehr aus der Sicht eines Change Management-Beraters argumentieren, die Begründungen ihrer Thesen als Antwort auf Schreyöggs Kritik überzeugen dabei nicht immer. Vor allem bei der Rolle des Beraters wird nicht deutlich, dass dieser neue Typus weniger Spezialist ist als der Berater bei der klassischen Organisationsentwicklung, und ob durch die neue Funktion des Coachings der Führungskräfte die Organisation tatsächlich weniger abhängig vom externen Berater ist, scheint ebenfalls fraglich.
Der „strategische“ Ansatz des Change Managements Auch in dem hier als strategisch bezeichneten Ansatz von Change Management bildet Organisationsentwicklung die zentrale Ausgangsbasis (vgl. Schubert, 2004). Für Schubert ist Change Management eine Integration eines erweiterten Verständnisses der klassischen Organisationsentwicklung und des strategischen Managements. Dieses erweiterte Verständnis von Organisationsentwicklung lässt
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sich nach Schubert vor allem durch drei zentrale Merkmale beschreiben: 1. einer langfristigen Orientierung von kontinuierlichen Veränderungsprozessen, 2. mit dem Fokus auf den Prozess der Veränderung, der die Organisationsmitglieder beteiligt und 3. sich bei den Veränderungsprozessen an verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert. Die Stärke des strategischen Managements liegt dagegen vor allem in einem deutlicheren Bezug zur Organisationsumwelt und dem Bemühen, die Entwicklung der Umwelt durch verschiedenste Prognosemethoden zu antizipieren. Darüber hinaus steht der Erfolg der Organisation, der mithilfe von Kennzahlen regelmäßig überprüft wird, klar im Mittelpunkt. Diese beiden Maßnahmen, der Prognose und der Ist-Analyse mittels Kennzahlen, dienen als Basis für Entscheidungen über zentrale zukünftige Entwicklungen der Organisation. Schubert konstatiert hier allerdings auch eine gegenseitige Annäherung der beiden Konzepte: „Wenn Beckhard und Schein vorschlagen, den Begriff ,Organisationsentwicklung‘ durch ,Management des andauernden Wandels‘ zu ersetzen, dann ist dies sinngemäß nahezu identisch mit der Umschreibung des strategischen Managements durch Kirsch als ,geplante Evolution‘ “ (Schubert, 2004, S. 54).
Change Management lässt sich somit durch folgende Merkmale charakterisieren: s es ist prozessorientiert, s verfolgt die bewusste Planung und Steuerung von Veränderungsprozessen, s bezieht sich auf alle Phasen des Prozesses (Analyse, Planung, Implementierung, Ausweitung, Stabilisierung) und s kann sich sowohl auf langfristige Veränderungen ganzer Organisationen wie auch auf spezifische, zeitlich begrenzte Bereiche beziehen (vgl. Schubert, 2003; Schubert, 2004). Der von Schubert beschriebene Ansatz liefert einige interessante Ansatzpunkte für eine spätere Beschreibung und theoretische Fundierung der Aufgaben schulischer Steuergruppen im Modellvorhaben und beim Aufbau einer Kapazität Organisationalen Lernens. Diese Ansatzpunkte beziehen sich vor allem auf verhaltenswissenschaftliche Aspekte und die Frage, wie Veränderungsprozesse effektiv und effizient in Organisationen zu gestalten sind. Auf diese Aspekte wird im Weiteren näher eingegangen. Motivationspsychologische Erkenntnisse können wichtige Hinweise für die Gestaltung von Veränderungsprozessen liefern, denn Veränderungsprozesse sind immer auf die Bereitschaft der Organisationsmitglieder, bei der Umsetzung der
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Veränderungen mitzuwirken, angewiesen (vgl. Heckhausen & Heckhausen, 2006). Nach Schubert sind bei Veränderungsprozessen vor allem zwei Grundmotive bedeutsam. Zum einen ein Bedürfnis nach Sicherheit, im Sinne einer Sorge um den eigenen Arbeitsplatz, und der Frage, wie man seine Fähigkeiten einschätzt, dass die mit den Veränderungen einhergehenden neuen Anforderungen auch entsprechend bewältigen werden können, vor allem, wenn gleichzeitig gewohnte Routinen an Bedeutung verlieren. Zum anderen das teilweise in eine ähnliche Richtung wirkende Leistungsmotiv, bei dem es eher in einem positiven Sinne darum geht, Neuerung als Chance und Herausforderung zu sehen, bzw. in einem negativen Sinne der mögliche Verlust des eigenen Status und Privilegien in der Organisation. Die frühzeitige Beteiligung der „betroffenen“ Organisationsmitglieder an der Planung und Implementierung von Veränderungen kann diese Motive positiv beeinflussen. Eine frühzeitige Einbindung kann sowohl das Ausmaß an Unsicherheit reduzieren und somit auch möglichen Widerständen vorbeugen, als auch die Mitgestaltung der Veränderung die Leistungsmotivation steigern. Darüber hinaus kann im Sinne der „Erwartungs-Wert-Theorien“ (ebd.) der Motivation „menschliches Verhalten durch eine Vorwegnahme von Zielen geleitet [werden]. Die Ziele des Handelns besitzen für eine Person einen subjektiven Belohnungswert“ (Schubert, 2003, S. 385). Dieser Belohnungswert kann als Anreiz zu einer Handlung gesehen werden, wobei dieser auch indirekt sein kann. Zum Beispiel ein Auszubildender strengt sich bei seiner schulischen und betrieblichen Arbeit an, um einen gute Prüfung zu machen. Bei einer guten Prüfungsleistung erhofft er sich eine Übernahme im Unternehmen nach seiner Ausbildung. Neben diesem Belohnungswert ist die subjektive Erwartung entscheidend. Sie bezieht sich einerseits auf die Möglichkeit, mit seinen individuellen Ressourcen das Ziel zu erreichen, im gewählten Beispiel eine entsprechende Prüfungsleistung zu erbringen. Anderseits bezieht sie sich auf eine Einschätzung, inwieweit die beiden Ziele miteinander in Verbindung stehen; also inwieweit eine gute Prüfungsleistung auch zu einer Übernahme nach der Ausbildung führt. Bezogen auf Veränderungsprozesse sind neben der angesprochenen Partizipation vor allem drei Faktoren aus Sicht der „Erwartungs-Wert-Theorien“ von Bedeutung: 1. Ein angemessenes Informationsmanagement, das entsprechend genaue und umfassende Informationen über die Veränderungsprozesse und ihre Konsequenzen liefert. Die Informationen müssen darüber hinaus nachvollziehbar und glaubhaft sein (vgl. Schubert, 2003). Auf Basis dieser Informationen können die Organisationsmitglieder dann ihre entsprechenden Erwartungseinschätzungen treffen. 2. Entsprechende Anreiz- und Belohnungssysteme können den subjektiven Belohnungswert der Ziele erhöhen.
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3. Eine Unterstützung und Beratung der Organisationsmitglieder bei den anstehenden Veränderungsprozessen kann einerseits die Bewertung der eigenen Ressourcen zur Zielerreichung erhöhen und anderseits auch aktiv die Bewältigung der neuen Anforderungen erleichtern. Aus lerntheoretischer Perspektive im Sinne des Modelllernens nach Bandura (1976) können die Verantwortlichen für die Veränderungsprozesse durch ihr eigenes Verhalten als Vorbild dienen. Über diese Faktoren hinaus weist Schubert auf weitere Aspekte hin, die sich im Zusammenhang mit Organisationsveränderungen als positiv erwiesen haben. Die Erfolgschancen von Veränderungsprozessen können dadurch erhöht werden, dass zunächst Teilbereiche der Veränderungen mit Mitgliedern durchgeführt werden, die diesen positiv gegenüberstehen und darüber hinaus motiviert sind. Eine klare Zielorientierung mit eindeutigen und messbaren Zielen, sowie ein System zur regelmäßigen Überprüfung der Zielerreichung, können den Prozess fördern. Dabei sollten sich die Veränderungsmaßnahmen auf für den Organisationserfolg relevante Faktoren beziehen. Porras und Robertson identifizieren ergänzend hierzu anhand einer umfassenden Literaturanalyse drei zentrale Erfolgsfaktoren zum Gelingen von Veränderungsprozessen: 1. die Partizipation der Organisationsmitglieder in die Planung und Umsetzung. 2. eine Einsicht der Mehrheit der Mitglieder in die Notwendigkeit der Veränderung. 3. eine entsprechende Innovationsbereitschaft, neue Dinge auszuprobieren (vgl. Porras & Robertson, 1987).
Abgrenzung Change Management und Organisationales Lernen Wie die beiden Ansätze gezeigt haben, kann Change Management als eine Weiterentwicklung von Organisationsentwicklung verstanden werden. Auch wenn die Akzentuierung dieser Entwicklung bei beiden Ansätzen eine etwas andere ist, so ist ihnen beiden der instrumentelle Charakter doch gleich. Im Vordergrund steht die Frage, wie Veränderungsprozesse in Organisationen optimal gestaltet (im Sinne von gesteuert) werden können. Gerade in dieser Ausrichtung liegt der Unterschied zu Ansätzen des Organisationalen Lernens, deren Fokus eher auf einer organisationstheoretisch angeleiteten, theoretischen Fundierung zur Beschreibung von Lernprozessen in Organisationen liegt. Demnach können die Methoden des Change Managements ähnlich wie die der Organisationsentwicklung als Instrumente zur Gestaltung von Lernprozessen in lernenden Organisationen reinterpretiert werden. Vielleicht ist Change Management gerade deshalb
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so beliebt, weil es im Vergleich zum Organisationalen Lernen weniger versucht, Wandel und Lernprozesse zu beschreiben, als konkrete Instrumente zu liefern, wie Veränderungsprozesse zu steuern sind, während die Theorien des Organisationalen Lernens meistens genau an diesem Punkt aufhören. Eine Verzahnung der theoretischen Erkenntnisse und empirischen Gestaltungsempfehlungen des Organisationalen Lernens findet dagegen kaum statt (vgl. Klimecki, Laßleben & Thomae, 1999). Die gerade von Schubert beschriebenen Hinweise zur Gestaltung von Veränderungsprozessen werden im weiteren Verlauf dieser Arbeit aufgegriffen, wenn es um die Frage geht, wie Steuergruppen als Gestalter schulischer Veränderungsprozesse (Change Agents) einen Beitrag zum Aufbau einer Kapazität des Organisationalen Lernens und somit auch zum Erfolg des Modellvorhabens beitragen können. Doch bevor dies erfolgen kann, wird zunächst beschrieben, wie die Konzepte des Organisationalen Lernens bislang im schulischen Kontext rezipiert und adaptiert worden sind.
2.2 Organisationales Lernen im schulischen Kontext Ziel dieser Arbeit ist es, ein theoretisches Modell von Organisationalem Lernen in der Schule zu entwickeln, in dem sich Steuergruppen als Change Agents schulischer Entwicklungsprozesse verorten lassen und das eine empirische Analyse von Organisationalem Lernen ermöglicht. Organisationaler Wandel wird im schulischen Kontext seit längerem thematisiert. Eine konkrete Auseinandersetzung mit dem Thema Organisationales Lernen erfolgte, sowohl international als auch im deutschsprachigen Raum, seit Anfang der 1990er-Jahre. Zunächst wird der deutschsprachige Diskurs von Organisationalem Lernen beschrieben (Kapitel 2.2.1). Die meisten Konzepte verweisen hierbei auch auf schulische Steuergruppen als zentrale Akteure von Schulentwicklungsprozessen und Organisationalem Lernen. Aufgrund der überschaubaren Anzahl werden die Konzepte einzeln dargestellt. Anschließend werden kurz Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufgezeigt. Danach folgt eine Darstellung des internationalen Diskurses (Kapitel 2.2.2). Im Mittelpunkt der Darstellung steht ein Konzept von Marks und Louis (1999), das als Ausgangsbasis für ein eigenes erweitertes Modell zum Organisationalen Lernen in der Schule dient. Ferner wird das Modell ebenfalls als Ausgangbasis genutzt, um weitere Studien und Befunde im internationalen Diskurs ergänzend darzustellen. Anschließend wird auf dieser Basis ein modifiziertes eigenes Modell skizziert, das als Grundlage für diese Arbeit dient (Kapitel 2.2.3). Zum Schluss werden die Erkenntnisse vom Organisationalen Lernen in der Schule und das integrative Modell in den Kontext des Modellvorhabens
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„Selbstständige Schule“ eingeordnet, im Rahmen dessen die Studie im empirischen Teil der Arbeit durchgeführt worden ist (Kapitel 2.2.4).
2.2.1 Organisationales Lernen in der Schule im deutschsprachigen Kontext Seit Anfang der 1990er-Jahre wurden Konzepte des Organisationalen Lernens auch im schulischen Kontext diskutiert und entsprechend auf die schulischen Besonderheiten übertragen. Im deutschsprachigen Raum liegen die Ursprünge in der Auseinandersetzung mit der Organisationsentwicklung, die als ein gewinnbringender Ansatz zur systematischen Schulentwicklung gesehen wird. Diese Auseinandersetzung erfolgte im Rahmen des Paradigmenwechsels von einer zentralistischen Systemsteuerung im Sinne einer Detailsteuerung hin zur Entdeckung der Einzelschule als „Gestaltungseinheit“ (Fend, 1986). Neben einer von Rolff konstatierten „Krise der Außensteuerung“ haben vor allem die Befunde von Fend, dass sich mitunter Schulen derselben Schulform deutlicher unterscheiden als die Schulformen untereinander, dazu geführt, die Einzelschule als „Motor der Schulentwicklung“ (Dalin & Rolff, 1990) in den Mittelpunkt von Forschung, Schuladministration und -praxis zu stellen (vgl. Kapitel 1). Diese Phase in den 1980ern beschreibt Bormann (2001) in ihrer Dissertation, als Phase der Adaption von Ansätzen der Organisationsentwicklung im deutschsprachigen Diskurs der Schulentwicklung. In dieser Phase stand vor allem die Frage im Mittelpunkt, inwieweit Organisationsentwicklungsansätze für den schulischen Kontext nutzbar gemacht werden können und welche Modifikationen nötig sind, um den Besonderheiten der sozialen Organisation Schule gerecht zu werden. Neben den Arbeiten von Bulla (1982) und Steuer (1983) sind vor allem die Arbeiten von Rolff (1986) und Dalin (1986) in dieser Phase zentral. Organisationsentwicklung wird dabei als Mittel zur Erhöhung der Problemlösefähigkeit von Schulen angesehen, deren Ziel es ist, sich selbst zu entwickeln und zu erneuern. Nach dieser Phase der Adaptierung von Organisationsentwicklungsansätzen in den 1980er-Jahren erfolgte in den 1990er-Jahren eine Weiterentwicklung zu Ansätzen, die unter dem Titel „Lernende Schule“ diskutiert wurden. Diese Ansätze haben ein erweitertes Verständnis von organisatorischem Wandel, bei der traditionelle Elemente der Organisationsentwicklung mit neueren Elementen des Organisationalen Lernens kombiniert werden. Diese deutschsprachige Debatte wird vor allem durch die Arbeiten von Dalin und Rolff (1990) bzw. später Dalin, Rolff und Buchen (1998), Schratz und Steiner-Löffler (1998), Krainz-Dürr (1999), Schley (1998) und Holtappels (2007) geprägt.
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Die Pioniere des Organisationalen Lernens in der Schule – der institutionelle Schulentwicklungs-Prozess Der institutionelle Schulentwicklungs-Prozess25 (im Folgenden ISP genannt), von Dalin, Rolff und später auch Buchen basiert maßgeblich auf den Vorarbeiten von Rolff (1986) und Dalin (1986) zur Organisationsentwicklung in der Schule. Der ISP stellt dabei eine Weiterentwicklung in zwei Richtungen dar. Zum einen eine Weiterentwicklung in Bezug auf eine noch stärkere Adaption bzw. Integration von Organisationsentwicklung in Schulentwicklungs-Konzepte und zum anderen eine Erweiterung von Organisationsentwicklung um einen Orientierungsrahmen des Organisationalen Lernens in der Schule. Dalin und Rolff (1990) beschreiben die Organisationsentwicklung als Grundlage für ihren ISP bei der Suche nach einem Ansatz zur professionellen Leitung und zur pädagogischen Weiterentwicklung der Schule. Organisationsentwicklung ist für sie „ein offenes, planmäßiges, zielorientiertes und langfristiges Vorgehen im Umgang mit Veränderungsforderungen und Veränderungsabsichten in sozialen Systemen“ (Dalin et al., 1998, S. 8). Der Aspekt der Langfristigkeit von Veränderungsprozessen zeigt, dass es sich hierbei um ein bereits erweitertes Verständnis von Organisationsentwicklung handelt (vgl. Kapitel 2.1.1). Ausgangspunkt für Veränderungsprozesse ist die Einzelschule, die, eingebettet in ein komplexes Mehrebenensystem, Motor der Schulentwicklung ist. Herausforderung der Schule ist es, sich dem Wandel in den verschiedenen gesellschaftlichen Subsystemen und den daraus für sie resultierenden veränderten Anforderungen zu stellen und sich ihrerseits diesen anzupassen bzw. sich soweit zu verändern, dass sie diesen gerecht wird. Dies vollzieht sich in einem Spannungsfeld von verschiedenen Forderungen an die Schule nach Produktivität, Demokratisierung und Dezentralisierung (vgl. Dalin et al., 1998). Im Zentrum der Veränderungsbemühungen und -strategien des ISPs steht die Schule als Organisation. Dabei liegen dem Konzept des ISPs zehn Annahmen zugrunde, in denen sowohl Bezug auf die schulspezifischen Besonderheiten wie auch die klassischen Elemente der Organisationsentwicklung genommen wird (vgl. Dalin & Rolff, 1990; Dalin et al., 1998): Die ersten beiden Annahmen beziehen sich auf die bereits erwähnte Betonung der Einzelschule und ihrer Funktion als Ort und Motor der Veränderung. Die dritte Annahme greift klassischen Elemente der Aktionsforschung und des Survey-Feedback-Verfahrens auf (vgl. French & Bell, 1994). Die Lehrkräfte mit ihren eigenen subjektiven Interpretationen der Wirklichkeit werden mit einer
25 In ihrer ersten Fassung sprechen Dalin und Rolff noch vom institutionellen Schulentwicklungs-Programm. Doch um nicht den Eindruck eines statischen Konzeptes zu erwecken, haben sie es in ihrer 2. Auflage in institutioneller Schulentwicklungs-Prozess umbenannt (vgl. Dalin & Rolff, 1990).
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objektiven Wirklichkeit auf Basis von Daten konfrontiert. Durch eine solche Konfrontation der unterschiedlichen Sichtweisen soll ein Problembewusstsein erzeugt werden, mit dessen Hilfe Veränderungs- und Lernprozesse initiiert werden können. Die vierte Annahme beschreibt die Kooperation und somit die Gruppen als wichtiges Element und Ausgangspunkt von organisationalen Veränderungen. Dabei spielt die Kultur einer Schule eine wesentliche Rolle. Sie kann Organisationsentwicklung und auch Kooperation fördern, aber auch behindern. Aus diesem Grund beziehen sich viele Maßnahmen des ISPs auf eine Veränderung der Schulkultur, ein Element hierfür stellt die Teamentwicklung dar. Auch hier sind Parallelen zum klassischen Organisationsentwicklungsansatz erkennbar. Die fünfte Annahme beschreibt die Bedeutung von Konflikten als Teil von Veränderungsprozessen mit dem Ziel, diese produktiv als Chance und Ausgangspunkt von Veränderungen und Entwicklung zu nutzen. Die sechste Annahme bezieht sich auf den Prozesscharakter des ISPs. Dalin und Rolff betonen, dass das Konzept des ISPs nicht wertfrei ist und von einer normativen Grundorientierung, im Sinne eines Verständnisses davon, was eine gute Schule ausmacht, ausgehe. Im Vordergrund steht jedoch die ergebnisoffene Prozessberatung der Organisationsentwicklung. Die siebte Annahme bezieht sich auf die Begrenztheit einer Übertragbarkeit von Musterlösungen. Es gilt, bei der Suche nach Lösungen immer die spezifischen Bedingungen und auch das spezifische Entwicklungstempo der Schule zu berücksichtigen. Die achte Annahme bezieht sich auf die Rahmenbedingungen der Schule. Die Einzelschule ist zwar Teil einer hierarchischen Bürokratie, doch bieten sich der Einzelschule etliche Freiräume, die nur von vielen aufgrund mentaler Barrieren nicht wahrgenommen werden. Die neunte Annahme greift das Element der Partizipation im Kontext von Organisationsentwicklung auf. Die Lehrkräfte müssen frühzeitig in allen Phasen des Veränderungsprozesses von der Planung bis zur Durchführung beteiligt werden. Die letzte Annahme thematisiert schließlich die Lernfähigkeit der Schule als Organisation: „Es ist die Summe des individuellen und kollektiven Lernens, das die Organisation formt“ (Dalin et al., 1998, S. 44). Demnach können auch Organisationen lernen. Die Organisationsmitglieder lernen durch Handeln, das von Institutionen unterstützt wird. „Durch einen institutionalisierten Entwicklungsprozess „zu lernen, wie man lernt“ entsteht eine Art „Meta-Lernen“ (Hv.i.O.), das der Schule hilft, eine effektive Organisation für das Lernen zu werden“ (ebd., S. 44).
Hier verweisen Rolff und Dalin auf das Deutero-Lernen nach Argyris und Schön (vgl. 1978). Diese Sichtweise von Lernfähigkeit von Schulen als Organisationen verdeutlicht, dass sich der ISP als Ausgangbasis zwar klassischer Elemente der Organisa-
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tionsentwicklung bedient, diese dann aber um Organisationales Lernen als einen Rahmen erweitert, in dem die Organisationsentwicklungs-Maßnahmen eingebettet sind. Dies geschieht allerdings, ohne näher auf die Konzepte des Organisationalen Lernens einzugehen26. Die Erweiterung um Organisationales Lernen als Rahmen für Organisationsentwicklungs-Prozesse wird auch in dem „Stufenmodell“ des Organisationalen Lernens von Dalin und Rolff deutlich. Die Schule bewegt sich demnach idealtypisch in einem Spiralprozess, bei dem sie den Organisationsentwicklungs-Kreislauf mehrfach (vgl. Abb. 4) durchläuft und sich von Durchlauf zu Durchlauf von der fragmentierten über die Projektschule hin zur Problemlöseschule bzw. lernenden Schule entwickelt. Dabei ist eine lernende Schule „… eine Schule, die eine innovative Organisationskultur, ein qualifiziertes Management und hohe Lehrerqualifikationen besitzt“ (Dalin et al., 1998, S. 330). Der ISP stellt darüber hinaus im Vergleich zu den anderen Ansätzen eine Besonderheit dar, da hier erstmals Steuergruppen in der Literatur erwähnt werden. Berkemeyer, Brüsemeister und Feldhoff (2007) sehen im ISP sogar den „institutionellen Gründungsakt von Steuergruppen“ (Berkemeyer et al., 2007, S. 72).
Abbildung 4: Kreislauf des ISPs (Dalin et al., 1998, S. 267) 26 Dalin und Rolff verweisen zwar mehrfach auf Argyris und in ihrer späteren Fassung auch auf Senge. Allerdings beziehen sie sich nicht eindeutig auf deren Aspekte des Organisationalen Lernens.
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In späteren Arbeiten bezieht Rolff sich enger auf die Aspekte Organisationalen Lernens von Argyris (Rolff, 1993) und vor allem auf Senge (Rolff, 1994, 1998, 2002). Von Argyris greift er das Konzept der Handlungstheorie auf, um Organisationales Lernen darzustellen. Dabei setzt er individuelles Lernen mit Sozialisation gleich (vgl. Rolff, 1993). Organisationales Lernen beschreibt er mit Rückgriff auf Lernsysteme als „komplexe Bündel von Annahmen, Normen und Handlungsstrategien …, die das Lernpotenzial kollektiver Interaktionen repräsentieren, die einerseits also Lernen ermöglichen, andererseits aber auch selber Gegenstand von Lernprozessen – im Sinne von organisationalen Entwicklungsprozessen – sind“ ( Rolff, 1993, S. 138 f.).
Eine lernende Organisation lässt sich mit Bezug auf Türk (1989) vom Organisationsbegriff her als eine Organisation beschreiben, in der Realität als Konstruktion kognitiver Prozesse angesehen wird, mit einer heterarchischen Struktur, die die Komplexität annimmt und versucht, sie zu bearbeiten und die Organisation dabei als ein ganzheitliche System begreift, in dem eine wechselseitige Beeinflussung stattfindet und die Organisation sich dabei in einem permanenten Wandlungsprozess befindet. Des Weiteren beschreibt Rolff die drei Lernniveaus von Argyris und Schön und setzt diese implizit mit den bereits skizzierten Niveaus des Organisationalen Lernens in Beziehung. Zum Abschluss beschreibt er die Problemlöseschule als höchstes Niveau von Organisationalem Lernen, eingebettet in ein Gesamtsteuerungssystem, bei dem die Einzelschule in ihrem Lernen von einem Unterstützungssystem, bestehend aus Schulträger und der Schulaufsicht, und anderen Einrichtungen, wie Landesinstituten, umgeben ist. Dabei übernimmt die Schulaufsicht die Funktion eines „mehr beratend-steuernden Unterstützungssystems[s]“ (Rolff, 1993, S. 144). Die Unterstützungsleistungen beziehen sich dabei auf die drei Bereiche der Management- und Personalentwicklung und der Qualitätssicherung, wobei die letztgenannte vor allem von Seiten der Schulaufsicht zu erfolgen hat. Doch wie Organisationales Lernen genau zu erfolgen hat und welche Faktoren hier bedeutsam sind, lässt Rolff offen. „Was Organisations-Lernen in diesem Zusammenhang genauer und konkreter heißt, kann und soll im Rahmen eines Aufsatzes nicht weiter geklärt werden. Dazu bedarf es eines Organisationsentwicklungsprojektes, das die Schulen wie die Schulaufsicht selbst durchführen müssen: Selbstorganisation ist Ziel, aber auch Weg“ (Rolff, 1993, S. 145).
Von Senge et. al. (1996) übernimmt Rolff (1998) das Modell der Lernarchitektur, bestehend aus den Bereichen: Leitgedanke, Innovationen der Infrastruktur, seine Methoden und Werkzeuge (vgl. Abb. 5).
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Der Leitgedanke der Organisation wird in der Schule durch das Schulprogramm, ein Leitbild und die gemeinsamen schulischen Visionen repräsentiert. Die Innovationen der Infrastruktur bestehen aus der Arbeitsorganisation vor allem in Form der Organisation des Unterrichts (z. B. Fach-, Klassen-, und Jahrgangsteams) und der Prozesssteuerung des Innovationsprozesses durch die Steuergruppe. Die Methoden und Werkzeuge beziehen sich auf den Bereich der Selbstreflexion (z. B. Evaluation) und den Bereich Selbstorganisation (z. B.: Diagnose und Projektmanagement). Das Dreieck von Senge wurde von Rolff um den Aspekt der Lernkultur ergänzt. Sie unterstützt das Organisationale Lernen im Sinne einer lernförderlichen Umgebung mit den dazugehörigen positiven Normen und Werten.
Abbildung 5: Senge-Dreieck – Architektur der lernenden Organisation (Rolff, 1998, S. 318)
In diesem Kontext verweist Rolff mit Bezug auf Geißler (1995) auf ein gemeinsames Wissen der Schule, das im Rahmen von Schulentwicklungsarbeit entstehen kann und in Form eines Organisationsgedächtnisses gespeichert wird. Die Frage, wie genau diese Aneignung im Rahmen von Schulentwicklungsprozessen vonstattengeht und wie das Wissen gespeichert wird, lässt Rolff unbeantwortet. Insgesamt zeigt sich, dass Rolff sein ursprüngliches Konzept der Organisationsentwicklung in Schulen kontinuierlich über verschiedene Phasen hin zu einem komplexeren Verständnis von Organisationalem Lernen in der Schule ausgearbeitet hat. Allerdings geht die Entwicklung nicht so weit, dass man von einem in sich geschlossenen Konzept von Organisationalem Lernen in der Schule sprechen kann.
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Die Lernende Schule Die „Lernende Schule“ wird von den beiden Autoren Schratz und Steiner-Löffler (1998) als ein umfassendes Konzept verstanden, bei dem Organisationales Lernen nur einen von mehreren Bezugspunkten darstellt. Die „Annäherung an die Lernende Schule geht über die kritische Würdigung des Konzepts der Lernenden Organisation im Hinblick auf seine Anwendbarkeit auf schulische Kontexte hinaus: Die Lernende Schule, wie wir sie verstehen, hat noch eine Reihe anderer wichtiger geistiger Wurzeln“ (Schratz & Steiner-Löffler, 1998, S. 33).
Sie beziehen sich in diesem Zusammenhang auf eine Vielzahl unterschiedlichster Ansätze und Autoren, wie z. B. auf Klafki, Dewey, Glasl, Luhmann, Rolff, Schley, Senge und von Hentig. Zur Beschreibung ihres Konzepts nutzen Schratz und Steiner-Löffler sieben zentrale Axiome. Diese werden im Weiteren kurz skizziert: In ihrem ersten Axiom betonen sie die Bedeutung der Verzahnung von Schulentwicklungsprojekten und Unterricht. Ihrer Meinung nach haben Schulentwicklungsprojekte in einer Lernenden Schule auch immer Auswirkungen auf den Unterricht. Dabei handelt es sich um ein reziprokes Verhältnis, bei dem sich im Idealfall das Unterrichtsgeschehen und die Schulentwicklungsprozesse wechselseitig bedingen. Das zweite Axiom beschreibt Kausalitäten des Schulalltages, die diesen maßgeblich beeinflussen. Doch diese sind den Organisationsmitgliedern meistens nicht bewusst. Lernende Schulen hinterfragen diese Kausalitäten bzw. ersetzen diese durch für die Schule förderliche Kausalitäten. Das nächste Axiom postuliert ein Wechselverhältnis eines schulischen Ethos im Sinne gemeinsamer Normen und Werte über die pädagogische Arbeit in der Schule und dem pädagogischen Eros der einzelnen Lehrkräfte. Das vierte Axiom betont einen Perspektivenwechsel von einer Problemorientierung hin zu einer Lösungsorientierung, um so das Entwicklungspotenzial der Schule besser zu nutzen. Die Schulleitung muss die entsprechenden Voraussetzungen schaffen, damit die Lehrkräfte die schulischen Ressourcen für innovative Lösungen nutzen. Das fünfte Axiom beschreibt fraktale Strukturen, die in Organisationen bestehen. Diese Strukturen bilden sich auch in den verschiedenen Subsystemen ab. Lernende Schulen machen sich diese fraktalen Strukturen zunutze, indem sie die Strukturen in einem Subsystem verändern und somit auch Veränderungen in anderen Subsystemen auslösen. Im sechsten Axiom verweisen Schratz und Steiner-Löffler auf die Bedeutung von Kooperation. Kooperation ist von der Qualität der Kommunikation, von Formen der Institutionalisierung und von entsprechenden Zeitgefäßen abhängig. Bei dem siebten und letzten Axiom bedienen sich Schratz und SteinerLöffler noch einmal explizit der Systemtheorie. Sie verweisen auf die Bedeutung der System-Umwelt-Differenz und der operationalen Geschlossenheit von Syste-
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men, um mit der Umwelt in Kontakt zu treten. Lernende Schulen sind sich ihrer operativen Geschlossenheit bewusst und gestalten dementsprechend zielgerichtet ihre Schnittstellen zur Umwelt. Mit der „Lernenden Schule“ entwickeln Schratz und Steiner-Löffler (1998) ein Konzept, das von Bormann (2001) zu Recht als ein eher normatives beschrieben wird. Neben der Auseinandersetzung mit dem Organisationalen Lernen besteht es aus einer Kombination verschiedener teils programmatischer, teils theoretischer Ansätze.
Change Management: Schule als lernende Organisation Schley stellt die Frage nach dem Umgang und der Bewältigung von Komplexität und Widersprüchen im Rahmen von Veränderungsprozessen in den Mittelpunkt seiner Betrachtung. Dabei bezieht er sich auf Begriffe und Konzepte der Organisationsentwicklung, des Organisationalen Lernens und des Change Managements, allerdings ohne diese eindeutig voneinander abzugrenzen oder in ein integriertes Konzept zu überführen. Im Gegensatz zu Dalin und Rolff (1990), die sich eher auf die strukturelle Entwicklung von Schule fokussieren, betont Schley das Individuum und die Bedeutung der Situationslogik für Veränderungsprozesse. Lernen in Organisationen ist für Schley „als dynamischer Prozess des Umgangs mit Komplexität, Intransparenz, Eigendynamik und Antinomie zu kennzeichnen“ (Schley, 1998, S. 22). Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Arbeiten von Senge (1996) und Argyris (1997), auf die er im Weiteren aber – zumindest explizit – nicht mehr eingeht. Lernen vollzieht sich seiner Meinung nach in einem eigenen Muster, das er mit einer Partitur vergleicht: Planung, Aktion, Reflexion, Erkenntnisgewinn, Transfer. Das Scheitern vieler Veränderungsprozesse liegt oft nicht nur an einer schlechten Planung und fehlender Systematik, sondern auch daran, dass nur die Sachlogik in den Blick genommen wird. Er vergleicht Organisationen mit einem Eisberg. Wie bei einem Eisberg befindet sich nach Schley meist nur ein Drittel an der Wasseroberfläche, im Falle von Organisationen die Sachlogik. Doch unter der Oberfläche befinden sich noch anderen Logiken, die Einfluss auf Veränderungsprozesse ausüben: die Situationslogik (z. B. Offenheit, Motivation), die Psychologik (Ängste, Identifikation) und die Biologik (Risikobereitschaft, Druck von außen). Im Rahmen von Organisationsentwicklung müssen auch diese Logiken berücksichtigt werden. Darüber hinaus durchlaufen Organisationen bei Veränderungsprozessen ähnliche Phasen wie Teams bei der Teamentwicklung (Forming, Storming, Norming, Performing). In diesen Phasen gilt es, diese Logiken aufzugreifen und den Bedürfnissen der unterschiedlichen Typen von Organisationsmitgliedern (Machtsponsor, Champions, Skeptiker, Überforderer) gerecht zu werden. Dabei erfolgt der eigentliche Prozess der Organisationsentwicklung in fünf Phasen, ähnlich denen von Dalin
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und Rolff. Diesen Phasen ordnet Schley den drei Phasen von Lewins Homöestasemodell zu: 1. 2. 3. 4. 5.
Wahrnehmen (in dieser Phase findet das „unfreezing“ statt). Die Analysephase im Sinne einer Bestandsaufnahme, die Konzeptionsphase, die Implementierungsphase, in der das „moving“ stattfindet, und die Phase der Evaluation und Stabilisierung, das „refreezing“.
Über den gesamten Verlauf dieser Phasen ist es wichtig, alle Organisationsmitglieder an den Entscheidungen der jeweiligen Phase zu beteiligen und über einen ständigen Informationsfluss für eine nötige Transparenz zu sorgen. Schley nimmt in seinem Konzept vor allem die Widerstände und Bedürfnisse der einzelnen Organisationsmitglieder bei Veränderungsprozessen in den Mittelpunkt seiner Analyse. Diese teilt er in verschiedene Typen ein. Dabei bedient er sich eines Teamentwicklungsmodells, das er auf Organisationen überträgt, sowie der unterschiedlichen Logiken, die das Handeln in Organisationen beeinflussen. Neben dieser eher individuellen Perspektive kommt für die eigentliche Gestaltung von Veränderungen ein „klassisches“ Phasenmodell der Organisationsentwicklung zum Einsatz. Auf das Organisationale Lernen geht Schley nur am Rande ein, überwiegend nutzt er Methoden der Organisationsentwicklung und des Change Managements.
Wie kommt Lernen in die Schule? Auch Krainz-Dürr beschäftigt sich in ihrem Buch „Wie kommt Lernen in die Schule?“ (Krainz-Dürr, 1999) mit der Lernfähigkeit von Schulen als Organisationen. Organisationales Lernen bedeutet für sie eine Erhöhung der Problemlösekapazität der Organisation und damit eine Verbesserung ihrer Handlungsstrategien. In Organisationen lernen zwar Individuen, aber ihr Lernen wird durch Rahmenbedingungen im Sinne der Struktur und Kultur einer Organisation determiniert. Aus diesem Grund ist Organisationales Lernen auch mehr als die „Summe seiner Teile“. In ihrem Verständnis von Organisationalem Lernen bezieht sie sich vor allem auf Holly und Southworth (1989), nach denen lernende Schulen als Schulen charakterisiert werden können, s deren Fokus auf den Schülern und deren Lernen liegt, s in denen das Lernen von Lehrkräften sich meist in Kooperation vollzieht und sich jede Lehrkraft selbst als Lerner begreift, s die als System lernen und s bei denen die Schulleitung auch beim Lernen als Vorbild fungiert.
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Dieses Verständnis vergleicht Krainz-Dürr mit den fünf Disziplinen von Senge (1996). Dabei kann Lernen auf verschiedenen Ebenen ablaufen. In Anlehnung an die Systemtheorie sind Organisationen prinzipiell zum Lernen erster und zweiter Ordnung fähig. Krainz-Dürr setzt diese Lernebenen dem single-loop und double-loop learning bei Argyris gleich. Lernen findet in Schulen, wie auch in anderen Organisationen, eher selten im Modus des double-loop learning statt. Hierbei bezieht sie sich auch auf Rolff. Double-loop learning setze eine gewisse Form der Kooperation voraus, die auf einer reflexiven Haltung beruht. Diese sei in Schulen eher selten anzutreffen. Schulen lassen sich nach Krainz-Dürr darüber hinaus nach ihrer Problemlösefähigkeit in Entwicklungsstufen einteilen. Neben dem Modell von Rolff (vgl. in diesem Kapitel) verweist sie auf zwei weitere Stufenmodelle, von Posch (1996) und von Marx und van Ojen (1992). Diese beiden Modelle von Posch und Marx und van Ojen nutzen eine ähnliche Einteilung und Beschreibung der Stufen, nur dass Marx und van Ojen im Gegensatz zu Rolff und Posch nicht davon ausgehen, dass die Schule sich als Ganzes auf einer einheitlichen Stufe befinden muss, sondern dass einzelne Teilbereiche sich in unterschiedlichen Stufen befinden können. Über die Ansätze des Organisationalen Lernens hinaus erweitert Krainz-Dürr ihre Perspektive um Elemente des Wissensmanagements nach Willke (1995). Ihrer Meinung nach legen Theorien des Organisationalen Lernens ihr Hauptaugenmerk auf das Lernen von Individuen, Teams und Führungskräften. Dagegen werde die Perspektive der Organisation und der in ihr befindlichen Strukturen und damit die Frage, wie aus Informationen kollektives Wissen wird, vernachlässigt. Diese Kritik ist zwar für die Ansätze von Senge und Argyris berechtigt, allerdings stellen andere Ansätze des Organisationalen Lernens, wie z. B. Duncan und Weiß (1979c) oder Huber (1987) Wissen in den Mittelpunkt von Organisationalem Lernen. Nach Willke (1995) funktioniert die Wissensbasis einer Organisation ähnlich den Regeln und Strukturen der Kommunikation. Sie ist zwar von den Organisationsmitgliedern getrennt, aber nicht unabhängig von ihnen. Das organisationale Wissen befindet sich in Organisationsstruktur und -kultur. Schulen gehen ihrer Meinung nach zu sorglos mit ihrem Wissen um und verfügen kaum über Systeme zur Wissensspeicherung. Auf Basis dieses theoretischen Hintergrunds und der Analyse von drei Fallstudienschulen beschreibt Krainz-Dürr Faktoren, „die es den beschriebenen Schulen ermöglichten, Veränderungen einzuleiten und Entwicklungsschritte zu setzen“ (KrainzDürr, 1999, S. 324). Zunächst führt sie drei Rahmenbedingen an, die Veränderungsprozesse unterstützen. Das Kollegium sollte über ein gewisses Maß an Homogenität in Bezug auf seine pädagogische Grundhaltung verfügen. Dieser Grundkonsens erleichtert die Arbeit und ermöglicht es, die Energie in die Veränderungsprozesse zu investieren, anstatt in Auseinandersetzungen über pädagogische Ziele.
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In den untersuchten Schulen hatte die Schulaufsicht einen fördernden Einfluss auf die Schule. Sie sollte die Schulen im Sinne von Beratung und Betreuung unterstützen, ohne die Schulen dabei bevormunden zu wollen. Auch externe Unterstützung durch Beratung hat sich bei der Entwicklung der Schulen als förderlich erwiesen. Neben diesen Rahmenbedingungen haben persönliche Kontakte und Netzwerke sich positiv auf die Veränderungsprozesse der Schulen ausgewirkt. Sie erhöhen die Bereitschaft und Möglichkeiten der Übernahme von Informationen und Konzepten sowie die Bereitschaft, Hilfe von außen anzunehmen. Dabei geht es allerdings nicht darum, komplette Konzepte als Lösungen für die eigenen Probleme zu übernehmen, sondern diese als Anregung zu nutzen, um daraufhin eigene Lösungen zu entwickeln, bzw. andere auf die eigenen Gegebenheiten anzupassen. Im Lernprozess müssen Schulen darauf achten, dass, je nach Phase der Veränderungen, Prozesse be- oder entschleunigt werden müssen. Während Schulen bei der Diagnose und Konzeptentwicklung eher zu ungeduldig sind, könnten Konferenzen etc. beschleunigt werden. Die Kooperation in Form von Kommunikation und Reflexion muss von den Schulen aktiv gestaltet werden. Es müssen sowohl Anlässe als auch entsprechende Zeitfenster hierfür zur Verfügung gestellt werden. Der Schulleitung kommt eine wichtige Bedeutung zu, sie kann zum einen ein lernförderliches Klima schaffen und zum anderen für förderliche Strukturen sorgen. Die „Leitungsfunktionen können durchaus auf eine Gruppe oder ein Team aufgeteilt werden. Es ist nicht so wesentlich, wer diese Funktionen erfüllt, sondern vielmehr, dass sie erfüllt werden“ (Krainz-Dürr, 1999, S. 340). Krainz-Dürrs Beschreibung der lernenden Schule ist eine der wenigen deutschsprachigen Rezeptionen, die sich explizit nur auf Organisationales Lernen und nicht auch auf Organisationsentwicklungsansätze beziehen. Dabei bezieht sie sich direkt auf die Ansätze von Senge und Argyris, die sie um Aspekte des Wissensmanagements ergänzt. Krainz-Dürr versucht bei ihrer Beschreibung der lernenden Schule, kein geschlossenes Konzept von Organisationalem Lernen in der Schule zu entwerfen, sondern auf Basis der Analyse von Fallstudien an drei Schulen für Veränderungsprozesse förderliche Bedingungen zu identifizieren.
Organisationsentwicklung und Organisationales Lernen am Beispiel des Umweltmanagements Bormann entwickelt in ihrer Dissertation theoriegeleitet ein eigenständiges Konzept des Organisationalen Lernens in der Schule anhand von zwölf Dimensionen. Sie verfolgt dabei eine systemische Perspektive und orientiert sich u. a. an den Ansätzen von Shrivastava (1983), Nonaka (1994) und Geißler (1995).
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„Aus dem Blickwinkel systemisch orientierter Ansätze kann Organisationales Lernen als Auslöser und Resultat eines konstruktiven Spannungsverhältnisses von wissens- und verhaltensbezogenen Aspekten verstanden werden“ (Bormann, 2001, S. 49).
Organisationales Lernen wird in diesem Kontext im Gegensatz zum Verständnis von Schreyögg und Noss (1995) als ein mögliches Element der Organisationsentwicklung verstanden. Doch Bormann betont auch, dass sie von einem eher breiten Verständnis von Organisationsentwicklung ausgeht. Klar definiert wird dieses Verständnis von ihr allerdings nicht. Darüber hinaus unterscheidet sie in Anlehnung an Geisler und Wiegand drei Lernebenen: individuelles, kollektives und Organisationales Lernen (vgl. Kapitel 2.1). Bei der „Qualität“ des Lernens wird, unter Bezugnahme auf Argyris (1978) und Fiol und Lyles (1985), die sich ihrerseits maßgeblich an Bateson (1972) orientieren, zwischen dem single-loop, double-loop und Deutero-Lernen unterschieden. Auf Basis von Überlegungen zur Schule als besonderer Organisation und den hier nur grob skizzierten theoretischen Annahmen ermittelt Bormann folgende zwölf Dimensionen Organisationalen Lernens in der Schule: 1. Mit Bezug auf Probst und Naujoks (1993) wird Autonomie als ein Grundprinzip von Organisationalem Lernen verstanden. Die nicht direkte Beeinflussbarkeit sozialer Systeme im Sinne der Systemtheorie unterstützt die Forderung nach innerorganisationalen Freiräumen für Lernprozesse. 2. Kooperation und Kommunikation begünstigen Organisationales Lernen. Sie fördern zum einen die Bildung gemeinsamer Überzeugungen (vgl. Duncan & Weiss, 1979c) und zum anderen ermöglichen sie die Transformation vom individuellen zum Organisationalen Lernen. 3. Gezielte Förderung „des potenziell verhaltenswirksamen Wissens innerhalb der Organisation (z. B. durch organisationsweite bekannte Leitbilder oder Programme) begünstigt Organisationales Lernen“ (Bormann, 2001, S. 80). 4. Eine Vielzahl von Meinungen, die gegenseitig toleriert werden, können zu einem produktiven Austausch führen, der aus systemisch-konstruktivistischer Sicht einen Anknüpfungspunkt für Lernprozesse auf kollektiver und organisationaler Ebene darstellt. 5. In Anlehnung an Schratz und Steiner-Löffler (1998) fördert eine gezielte Gestaltung des Schnittstellenmanagements Organisationales Lernen und kann gleichsam als dessen Ergebnis angesehen werden. Darüber hinaus fördert es die Systemidentität und die Abgrenzung zu anderen Systemen.
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6. „Ein gut entwickeltes Steuerungspotenzial begünstigt Organisationales Lernen und ist gleichsam Resultat dieser Prozesse“ (Bormann, 2001, S. 81). Kommunikations- und Reflexionsprozesse können das Selbststeuerungspotenzial erhöhen. Dieses drückt sich zum Beispiel darin aus, gesetzte Ziele auch zu erreichen. 7. Ein proaktives Verhalten, das sich durch ein Scannen der Organisationsumwelt nach für die Organisation relevanten Informationen äußert, fördert Organisationales Lernen. 8. Der Aspekt der Prosozialität betont die Einbindung der relevanten Akteure bei Veränderungsprozessen. Die Dimensionen neun bis zwölf (9. Problemorientierung, 10. Lösungsorientierung, 11. Defizitorientierung und 12. Ressourcenorientierung) übernimmt Bormann von Schratz und Steiner-Löffler (1998) (siehe Kapitel 2.2). Ausgehend von diesem Modell hat Bormann 1999 und 2000 eine quantitative Erhebung an 62 Schulen, die sich mit Umweltmanagement beschäftigen, durchgeführt. Hierbei bedient sie sich des Delphi-Verfahrens27. Dabei wurden jeweils die Lehrkräfte befragt, die das Umweltmanagement an ihrer Schule koordinieren. Der Rücklauf betrug bei der ersten Erhebung N = 59 und bei der zweiten N = 40. Ziel der Befragung war es u. a., Faktoren zu ermitteln, die als lernförderliche Bedingungen für Organisationales Lernen angesehen werden können, und des Weiteren wurde der Zusammenhang von Organisationalem Lernen und Umweltmanagement untersucht28. Hierfür wurden zu den theoretischen Dimensionen Skalen gebildet. Leider wird in der Arbeit nicht deutlich, aus welchen und wie vielen Items die einzelnen Faktoren bestehen, auch die Güte der Skalen bleibt unklar. Diese Skalen wurden mittels Korrelationen zueinander in Beziehung gesetzt. Dabei erweisen sich die meisten Zusammenhänge als nicht signifikant. Die meisten Zusammenhänge zeigten sich in Verbindung mit der Dimension Steuerungspotenzial. Bormann interpretiert dies als Indiz dafür, dass das Steuerungspotenzial eine zentrale Dimension des Organisationalen Lernens ist, der „Kumulationspunkt der Korrelationen zwischen den einzelnen Dimensionen“ (Bormann, 2001, S. 206 f.). Auf Basis dieser Skalen wurde mithilfe einer explorativen Faktorenanalyse „Organisationales Lernen“ als ein Faktor zweiter Ordnung gebildet. Weder das niedrige Cronbachs-Alpha (vgl. Bortz, 2004) noch das Ergebnis der Faktorenanalyse, das eine Fünf-Faktoren-Struktur aufzeigt, deu27 Da es sich bei Bormanns Untersuchung um eine quantitative Erhebung handelt und somit als Orientierung für diese Arbeit dienen kann, soll im Folgenden kurz das methodische Vorgehen beschrieben werden, bevor die Ergebnisse kurz und knapp referiert werden. 28 Da das Umweltmanagement nicht Gegenstand dieser Arbeit ist, werden im Weiteren nur Ergebnisse im Bezug auf Organisationales Lernen berichtet.
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tet auf eine empirische Bestätigung des entworfenen Konstrukts Organisationales Lernen hin. Dennoch wird das Modell in den weiteren Analysen verwendet. Als positive Einflussfaktoren von Organisationalem Lernen wird die Zufriedenheit mit den Umweltmanagementaktivitäten, „die Unterstützung durch regelmäßige pädagogische Konferenzen sowie ein großes Koordinationsteam“ identifiziert (Bormann, 2001, S. 232). Darüber hinaus begünstigt ein bewusster Umgang mit außerschulischen Partnern höherwertiges Organisationales Lernen. Im Zusammenhang mit dem Umweltmanagement kommt Bormann zu dem Fazit, dass die untersuchten Schulen sich zwar zusammen mit der Einführung des Umweltmanagements entwickeln, aber nicht in jedem Fall Lernen stattfindet. Bormann entwickelt in ihrer Arbeit ein sehr differenziertes Gesamtkonzept von Organisationalem Lernen. Dabei rezipiert sie sowohl die gängigen Ansätze des Organisationalen Lernens, wie auch die schulischen Ansätze der Organisationsentwicklung und des Organisationalen Lernens. Bei den letzteren beschränkt sie sich jedoch auf die deutschsprachigen Autoren (ausgenommen Fullan (1999)). In ihrem empirischen Teil befragt Bormann nur die im Umweltmanagement aktiven Lehrkräfte. Dies kann zu einer deutlichen Verzerrung der Ergebnisse führen. Wie auch Bormann selbst betont, bezieht sich Organisationales Lernen auf das Lernen in der gesamten Organisation und nicht innerhalb einer Teilgruppe. Bei dieser positiv selegierten Gruppe ist zu erwarten, dass die Einschätzungen deutlich positiver ausfallen als die Einschätzungen von Lehrkräften, die nicht im Umweltmanagement involviert sind. Des Weiteren werden die Ergebnisse auf der Individualebene ausgewertet; wenn Organisationales Lernen wirklich auf organisationaler Ebene stattfindet, so sollte dies auch die Analyseeinheit darstellen. Über diese Kritikpunkte hinaus ist das empirische Vorgehen Bormanns wenig transparent, von daher ist die Aussagekraft der empirischen Ergebnisse schwer zu beurteilen.
Schulentwicklungsprozesse und Change Management Holtappels (2007) thematisiert Organisationales Lernen und Change Management im Rahmen einer theoretischen Verortung schulischer Steuergruppen. Aus diesem Grund ist der Aufsatz für diese Arbeit von besonderer Relevanz, weil er als einziger, abgesehen von der Pionierarbeit von Dalin und Rolff (1990; 1998), bei der Darstellung von Organisationalem Lernen und Change Management explizit auf die Arbeit von Steuergruppen eingeht. Für eine bessere Lesbarkeit dieser Arbeit werden im Folgenden erst einmal nur die für Organisationales Lernen und Change Management relevanten Inhalte dargestellt. Die konkrete Einbindung von Steuergruppen und die weiteren Aussagen zu Steuergruppen in Holtappels’ Beitrag werden im Kapitel 3 aufgegriffen und mit den hier skizzierten Annahmen und Erkenntnissen in Verbindung gebracht.
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Holtappels führt den Paradigmenwechsel von der Systemebene zur Einzelschule als zentraler pädagogischer Handlungseinheit (vgl. Fend, 1986, Kapitel 1.1) als Begründungslinien für die Notwendigkeit von Organisationalem Lernen in Schulen an. Er bezieht sich dabei eng auf Rolffs (1993) Konzept der Gestaltungsautonomie. Organisationales Lernen ist dabei notwendige Voraussetzung zur Nutzung einer Gestaltungsautonomie im Sinne der Selbststeuerungsfähigkeit der Schule als Organisation (vgl. Kapitel 1.3). Lernende Schulen lassen sich in diesem Kontext charakterisieren als Schulen, „die sich bewusst entwickeln, Ziele und Normen klären, schuleigene Schwerpunkte im Curriculum herausarbeiten, gemeinsame Analysen und Diagnosen der Schulsituation durchführen, Projekte entwickeln, Teamarbeit aufbauen und Wirkungen der eigenen Arbeit überprüfen. Lernende Schulen kennzeichnet insbesondere, dass sie Strukturen für eigenes Lernen, Reflexion und Selbstentwicklung schaffen, z. B. Prioritäten für Entwicklungsvorhaben abstimmen, Steuergruppen und Qualitätszirkel einrichten, Fortbildungsbedarfe klären, Lerngelegenheiten für Einzelne ermöglichen“ (Holtappels, 2007, S. 15).
Zur näheren theoretischen Beschreibung von Organisationalem Lernen bedient Holtappels sich verschiedener Ansätze des Organisationalen Lernens, wie sie bereits im Verlauf dieser Arbeit beschrieben wurden (vgl. Kapitel 2.1). Mit Verweis auf Argyris und Schön (1978) beschreibt er Organisationales Lernen als reflexiven und auf sich selbst bezogenen Prozess. Im Rahmen dieses Prozesses eignen sich die Organisationsmitglieder kognitive Landkarten an und modifizieren diese ihrerseits. Somit entsteht aus den kognitiven Bildern der einzelnen Organisationsmitglieder und der gemeinsamen Konstruktion das Bild der Organisation. Zur Beschreibung der Bedeutung und des Zustandekommens von organisationalem Wissen im Kontext von Organisationalem Lernen nutzt Holtappels den Ansatz von Duncan und Weiss (1979c, vgl. Kapitel 2.1). Organisationales Wissen ist demnach Ausgangspunkt und Ergebnis von Organisationalem Lernen. Der Prozess vom individuellen zum organisationalem Wissen ist gewissen Bedingungen unterworfen, nur wenn diese erfüllt sind, entsteht auch „neues“ organisationales Wissen bzw. wird das bestehende Wissen weiterentwickelt (Näheres hierzu Kapitel 2.1). March und Olsen (1976) weisen nach Holtappels auf die Bedeutung der Organisationsstruktur für Organisationales Lernen hin. Die Struktur einer Organisation kann so beschaffen sein, dass sie in einem Fall Organisationales Lernen fördert und unterstützt und in einem anderen dieses erschwert bzw. unterbindet. Hedberg hingegen beleuchtet den Informationsverarbeitungsprozess und den Aspekt der Wissensspeicherung im Sinne eines organisationalen Gedächtnisses. Neben diesen Ansätzen legt Holtappels sein Hauptaugenmerk auf die fünf Disziplinen von Senge (1990). Hier stellt er vor allem die Lernarchitektur, bestehend aus dem Leitgedanken, der Infrastruktur und den Methoden, in den Mittelpunkt
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(vgl. Senge et al., 1996). Im Folgenden orientiert er sich stark an der Rezeption der Lernarchitektur im schulischen Kontext von Rolff (1998). Demnach zeichnet sich diese Lernarchitektur in der lernenden Schule durch die nachstehenden Aspekte aus (vgl. Holtappels, 2007): 1. Visionen und Motivation. Die schulischen Visionen manifestieren sich im Idealfall im Schulprogramm und in einem schulischen Leitbild. Sie repräsentieren die gemeinsamen schulischen Ziele und die vor allem pädagogische Grundorientierung des Kollegiums. 2. Infrastruktur der Innovation. Die Infrastruktur lässt sich in die zwei Bereiche Arbeitsorganisation und Prozesssteuerung unterteilen. Während sich die Arbeitsorganisation durch Formen der Zeitorganisation und Kooperation beschreiben lässt, bezieht sich die Prozesssteuerung zum Beispiel auf die Koordination und Planung von Innovationsprozessen und das Projektmanagement durch schulische Steuergruppen (Näheres hierzu Kapitel 3.7). 3. Innovationsstrategien und -verfahren. Diese Methoden und Werkzeuge beziehen sich vor allem auf bewährte Verfahren der Organisationsentwicklung im schulischen Kontext (vgl. Dalin & Rolff, 1990). Diese werden ergänzt um Elemente der Evaluation, Unterrichtsentwicklung und Personalentwicklung (vgl. Rolff, 1998). Des Weiteren betont Holtappels, mit Bezug auf Senge, die Bedeutung kollektiver Lernprozesse für Organisationales Lernen im Kontext gemeinsamen Wissenserwerbs bei Innovationsprozessen in Form von Teamarbeit und Kooperation. Institutionalisierte Kooperation findet in Schulen vor allem in Klassen-, Jahrgangsund Fachteams statt. Im Zusammenhang mit der systematischen und unterrichtsbezogenen Kooperation im schulischen Kontext wird seit einigen Jahren international das Konzept der „professional communities“ diskutiert (vgl. Bonsen & Rolff, 2006). Das Konzept wurde von verschiedenen Autoren mit jeweils anderen Akzenten entwickelt (Rosenholtz, Newman, Hord, Kruse etc.). Im deutschsprachigen Raum wurde das Konzept von Bonsen und Rolff aufgegriffen, weiterentwickelt und empirisch überprüft. Nach Newman (1994) lassen sich „professional communities29“ anhand von fünf Kriterien beschreiben:
29 Der Aspekt der Kooperation unter Bezugnahme der professionellen Lerngemeinschaften wird zu einem späteren Zeitpunkt im Kontext angloamerikanischer Befunde zum Organisationalen Lernen noch einmal tiefer gehend beschrieben.
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s einem reflektierenden Dialog, s einer De-Privatisierung des Unterrichts, s einem gemeinsamen Fokus auf dem Lernen der Schülerinnen und Schüler, s einer Zusammenarbeit der Lehrkräfte, s von den Mitgliedern gemeinsam geteilter Normen und Werte. Neben dem Organisationalem Lernen und Erkenntnissen der Innovationsforschung stellt das Change Management für Holtappels den dritten Bezugspunkt zur Veränderung von Organisationen dar. Change Management „kann als bewusster Steuerungsprozess verstanden werden, der die Veränderungen in einer Organisation auf formaler Ebene, vor allem durch Änderungen der Aufbauorganisation und auf der Prozessebene für Organisation und Personal, initiiert und steuert“ (Holtappels, 2007, S. 23).
Change Management verlangt für Holtappels zielgerichtete, planvolle und umfassende Organisations-, Koordinierungs- und Steuerungsaktivitäten. Dabei geht es nicht nur um eine technisch-organisatorische Anpassung, sondern auch um die Veränderung menschlicher Einstellungen und Verhaltens. An dieser Stelle werden offensichtliche Parallelen zwischen dem Verständnis von Schubert und Holtappels deutlich. Diese zeigen sich auch in den „vier goldenen Regeln“ von Schreyögg für erfolgreichen organisatorischen Wandel, auf die sich Holtappels bezieht: 1. 2. 3. 4.
Information, Aktivierung und Partizipation, Gruppen als Wandelmedium, Kooperation zur Förderung der Veränderungsbereitschaft, Einsicht in den zyklischen Vollzug von Wandel (Erzeugung von Bereitschaft und Stabilisierung von Wandel).
Auch hier zieht Holtappels Parallelen zu den von ihm referierten innovationstheoretischen Erkenntnissen über Prozessphasen sowie der Architektur lernender Organisationen in Schulen (vgl. Rolff, 1998). Die „goldenen Regeln“ ergänzt er um Prinzipen des Change Managements von Doppler und Lauterburg (2005): Zielorientierung, Diagnose als Grundlage, Ganzheitlichkeit im Denken und Handeln, Partizipation der Betroffenen, Unterstützung und Absicherung durch die Leitung, Hilfe zur Selbsthilfe, prozessorientierte Steuerung, Auswahl von Schlüsselpersonen. Auch hier werden die Parallelen zur Organisationsentwicklung deutlich. Auf Basis dieser Erkenntnisse kommt Holtappels zu dem Schluss, dass sich drei wesentliche Formen von Change Management im Bereich der Schulentwicklung ausmachen lassen (vgl. Abb. 6):
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99
Abbildung 6: Dimensionen von Change Management (Holtappels, 2007, S. 23)
1. Change Management als Wissensmanagement Diese Dimension beschreibt die Bedeutung von Wissen für das Lernen von Organisationen. Demnach wird in Schulen über die Erfahrung der Lehrkräfte eine Fülle von unterschiedlichem und vielfältigem Wissen genutzt und auch produziert. Doch bei diesem Wissen handelt es sich um individuelles Wissen der einzelnen Lehrkräfte. Dieses Wissen muss kontinuierlich hinterfragt und reflektiert werden, damit nicht pragmatische Alltagstheorien und Mentale Modelle entstehen, die weiteres Lernen behindern können. Hier bezieht sich Holtappels indirekt auf Argyris und Schön und das double-loop learning. Wenn das Wissen der Organisationsmitglieder auch für die Organisation nutzbar gemacht werden soll, ist es notwendig, dass das individuelle Wissen über Prozesse der Kommunikation und Kooperation mit anderen Lehrkräften zu organisationalem Wissen wird. Hier spielt Holtappels auf das Konzept von Duncan und Weiss (1979c) an. Aufgabe von Change Management ist es für Holtappels in diesem Kontext, Wissensmanagement zu betreiben, in dem einerseits die Lehrkräfte über die Entwicklung eine Feedbackkultur oder der Evaluation ihr individuelles Wissen reflektieren und hinterfragen. Darüber hinaus gilt es die Kooperation zwischen den Lehrkräften zu fördern, um aus individuellem Wissen organisationales Wissen zu erzeugen. 2. Change Management als steuerndes Prozessmanagement Für Holtappels erfordern Innovationsprozesse und eine systematische Schulentwicklung (z. B. bei der Unterrichtsentwicklung, Schulprogrammarbeit etc.) Formen der Prozesssteuerung. Die Prozesssteuerung beinhaltet für Holtappels vor
100
2 Organisationales Lernen in der Schule
allem „Tätigkeiten des Organisierens von Abläufen, der Moderation von Prozessen und der Analyse für Organisationsdiagnose und Qualitätsevaluation“ (Holtappels, 2007, S. 23). Als weitere Aspekte benennt er zielführendes Handeln in Verbindung mit einer Meta-Steuerung im Sinne eine „Reflexion über Prozessverläufe“ (ebd.) sowie der Partizipation und Aktivierung der Kolleginnen und Kollegen. 3. Change Management als koordinierende Vernetzung Sollen Schulentwicklungsprozesse die Schule als Ganzes in den Blick nehmen, gilt es, die lose Kopplung und Fragmentierung der Schule zumindest temporär aufzubrechen und die am Prozess beteiligten einzelnen Personen, Projektgruppen und Teams im Rahmen der Schulentwicklung zu koordinieren. Ansonsten besteht die Gefahr der Verselbstständigung und Konkurrenz zwischen einzelnen Maßnahmen und Gruppen. Nach Holtappels sind Steuergruppen als Change Agent für diese drei Formen des Managements geeignet. Wie Steuergruppen diese Aufgaben übernehmen können, wird in Kapitel 3 thematisiert. Holtappels setzt sich in seinem elaborierten Ansatz mit verschiedenen Ansätzen des Organisationalen Lernens von Duncan und Weiss über Argyris und Schön bis March und Hedberg auseinander. Dabei bildet sein Hauptbezugspunkt das Konzept der Lernarchitektur nach Senge. Er versucht Senges Konzept mit Erkenntnissen der Innovationsforschung, zu professionellen Lerngemeinschaften und zum Change Management zu verbinden. Im Zentrum der Betrachtung steht, neben der Schulleitung, die Steuergruppe als zentraler Akteur des Change Managements in der Schule. Holtappels stellt dabei ein breites Spektrum an unterschiedlichen Ansätzen, empirischen Ergebnissen und Konzepten des organisationalen Wandels und der Schulentwicklungsforschung dar. Doch in gewisser Weise fehlt eine Einordnung und Abgrenzung bzw. Verbindung der Konzepte. Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten und die Anschlussfähigkei von Organisationalem Lernen, Organisationsentwicklung, Change Management, Innovationstheorien und Schulentwicklung werden nicht immer deutlich. Dennoch liefert sein Beitrag sehr wertvolle Hinweise für die Entwicklung eines eigenen Modells von Organisationalem Lernen und der Integration von Steuergruppen als Change Agent in diesem Modell.
Fazit zu den deutschsprachigen Ansätzen zum Organisationalen Lernen in der Schule Der deutschsprachige Diskurs hat seine Wurzeln in der Organisationsentwicklung und kann als eine Weiterentwicklung dieses Diskurses gesehen werden. Die überschaubare Zahl von Konzepten deutschsprachiger Autoren ist überwiegend
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normativer bzw. theoretischer Natur. Die Auseinandersetzung mit allgemeinen Ansätzen zum Organisationalen Lernen findet dabei teilweise auf einer oberflächlichen Ebene statt und wird durch andere theoretischen Bezüge ergänzt, die mal mehr oder weniger in Zusammenhang mit Organisationalem Lernen stehen. Vor allem Schratz und Steiner-Löffler (1998) erweitern ihr Verständnis einer Lernenden Schule um Ansätze von Klafki, Dewey, Rolff, von Hentig u. v. m. Die Konzepte stehen insgesamt dabei mehr oder weniger lose nebeneinander. Es existieren zwar einige Bezüge und Querverweise, doch die meisten Autoren haben überwiegend ihren eigenen Ansatz verfolgt, sodass es im deutschsprachigen Diskurs kein geschlossenes Konzept von Organisationalem Lernen in der Schule gibt (vgl. Bormann, 2001). Während Rolff zusammen mit Dalin (1990; 1998), als Pioniere des Organisationalen Lernens in der Schule, Organisationales Lernen eher als übergeordneten Rahmen von Organisationsentwicklung verstehen, vertreten Schratz und Steiner-Löffler (1998) eher eine systemische Perspektive, die über das Organisationale Lernen hinaus auch schulpädagogische Elemente integriert. Krainz-Dürr (1999) fügt der systemischen Perspektive den Aspekt des Wissensmanagements hinzu und versucht auf Basis ihrer drei Fallstudienschulen vor allem für Veränderungsprozesse förderliche Bedingungen zu identifizieren. Bormann (2001) dagegen entwickelt auf der Basis systemtheoretischer Erkenntnisse ein integratives Modell von Organisationalem Lernen, das sie mit dem schulischen Umweltmanagement in Verbindung bringt. Schley (1998) interessiert sich hingegen für die besondere Rolle der Individuen bei Veränderungsprozessen und Holtappels (2007) spannt einen theoretischen Bezugsrahmen aus Organisationalem Lernen und Change Management zur Verortung schulischer Steuergruppen. Trotz dieser unterschiedlichen Perspektiven und Fragestellungen lassen sich deutliche Gemeinsamkeiten der Ansätze feststellen: Alle Ansätze gehen explizit oder implizit von der Einzelschule als Gestaltungseinheit für Schulentwicklungs- und Veränderungsprozesse aus und somit auch von der Notwendigkeit einer ausreichenden Handlungsautonomie. Des Weiteren betonen alle Ansätze die Bedeutung von Kooperation, Teamarbeit und eine hiermit einhergehende Partizipation der Lehrkräfte für Organisationales Lernen in der Schule. Doch diese Kooperation bedarf immer gemeinsamer Ziele, Normen und Werte sowie einer entsprechenden lernförderlichen Organisationskultur. Darüber hinaus gehen einige Autoren konkret auf das Handeln von Steuergruppen und Schulleitung ein, vor allem Rolff und Holtappels30. Auch der Aspekt der Beziehung zur schulischen Umwelt wird teilweise thematisiert (Bormann, 2001; Krainz-Dürr, 1999; Schratz & Steiner-Löffler, 1998). Rolff (1993) beschreibt in diesem Zusammenhang die Rolle der schu30 Auf die Rolle der Steuergruppe im Rahmen des Organisationalen Lernens wird in Kapitel 3 dezidiert eingegangen.
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2 Organisationales Lernen in der Schule
lischen Umwelt in Form von Unterstützungssystemen, bestehend aus Schulaufsicht, Schulträger und anderen Einrichtungen, wie Landesinstitute oder Hochschulen. Holtappels und Schley versuchen, Change Management und Organisationales Lernen miteinander zu verbinden. Trotz dieser Gemeinsamkeiten gibt es bis heute im deutschsprachigen Raum kein etabliertes31 Gesamtmodell von Organisationalem Lernen in der Schule. Darüber hinaus fehlen vor allem empirische Studien zum Organisationalen Lernen, die ein entsprechendes Gesamtmodell oder zumindest einzelne Elemente des Organisationalen Lernens und deren Zusammenhang überprüfen. Neben der qualitativen Arbeit von Krainz-Dürr, die sich allerdings nur auf drei Schulen bezieht, und der methodischen Schwächen der quantitativen Befragung von Bormann gibt es im deutschsprachigen Raum keine empirischen Studien zum Organisationalen Lernen in der Schule. Hier besteht im internationalen Vergleich noch ein deutlicher Entwicklungsbedarf.
2.2.2 Organisationales Lernen in der Schule im internationalen Kontext Im Gegensatz zur deutschsprachigen Entwicklung wird Organisationales Lernen in der Schule im internationalen Kontext breiter diskutiert und auch in mehr empirischen Studien erforscht. Leithwood und Louis (2000) beschreiben treffend den Status quo der internationalen Forschung zum Organisationalen Lernen, die derzeit vor drei grundlegenden Problemen steht. In ihrem Buch „Organizational Learning in Schools“ (vgl. Leithwood & Louis, 2000) stellen sie hierzu theoretische und empirische Forschungsergebnisse verschiedener Autoren und Studien vor: 1. Das Kontextproblem Die Bezugstheorien zum Organisationalen Lernen sind außerhalb des schulischen Kontextes entstanden (vgl. Kapitel 2.1). Was prinzipiell kein Problem darstellt, da diese Ansätze sich auf grundsätzliche Fragen des Lernens von und in Organisationen beziehen und somit auch auf den schulischen Bereich angewendet werden können. “[But] we cannot rely on the existing literature to acknowledge the unique conditions and requirements shaping the learning ‘styles’ (DiBella et. al, 196) of schools” (Leithwood & Louis, 2000, S. 7.). Sobald spezifische Faktoren zur Förderung von Organisationalem Lernen in der Schule 31 Aufgrund der mangelnden Kongruenz zwischen dem theoretischen Modell und den empirischen Ergebnissen wird Bormanns Modell nicht als ein „etabliertes“ Gesamtmodell von Organisationalem Lernen in der Schule verstanden.
2.2 Organisationales Lernen im schulischen Kontext
103
im Fokus des Interesses stehen, müssen auch die Besonderheiten der Schule als sozialer Organisation (vgl. Kapitel 1.2) und deren Einfluss auf Organisationales Lernen sowohl theoretisch als auch empirisch in die Analysen einbezogen werden. 2. Das Evidenzproblem Das Evidenzproblem betrifft sowohl den allgemeinen als auch im Besonderen den schulischen Kontext von Organisationalem Lernen. Es gibt mittlerweile einige theoretische Erkenntnisse zum Organisationalen Lernen und auch speziell zu Wirkfaktoren von Organisationalem Lernen in der Schule, aber die empirische Basis zur Überprüfung dieser Faktoren ist dünn. Weick und Westley kritisieren dies wie folgt: “there appear to be more reviews of organizational learning then there is a substance to review” (Weick & Westley, 1996, S. 440). Im schulischen Kontext sieht diese Bilanz ähnlich düster aus: “A review of empirical research on organizational learning in schools alone would make a very quick indeed” (Leithwood & Louis, 2000, S. 7). Auch wenn sich die Situation in den letzten zehn Jahren verbessert hat, gibt es immer noch zu wenig empirische Studien zum Organisationalen Lernen in der Schule. Es gilt weiterhin, die bisherigen, aus theoretischen Überlegungen abgeleiteten Einflussfaktoren empirisch zu validieren. 3. Das Strategieproblem Das Strategieproblem betrifft die Weiterentwicklung von Schulen. Wie bereits gezeigt (vgl. Kapitel 1), stehen Schulen in der heutigen Zeit vielfältigen Herausforderungen gegenüber, die es zu bewältigen gilt. Die Schulpraxis kann nicht darauf warten, bis zweifelsfrei alle Zusammenhänge und Effekte zum Organisationalen Lernen in der Schule erforscht sind. Aus diesem Grund fordern Leithwood und Louis (2000), mehr für Organisationales Lernen förderliche Bedingungen zu erforschen. Es gilt Strategien zu identifizieren, in welche Richtung Schulen sich bewegen können, um sich zu lernenden Schulen zu entwickeln. Trotz oder vielleicht gerade aufgrund der von Louis und Leithwood aufgezeigten Defizite der Forschung zum Organisationalen Lernen sind im internationalen Kontext in den letzen zehn Jahren ca. 40 Publikationen rund um das Organisationale Lernen in der Schule erschienen. Etliche dieser Artikel beinhalten auch Forschungsergebnisse zum Organisationalen Lernen in der Schule. Bei der Mehrzahl der Studien handelt es sich um qualitative, zumeist Einzelfallstudien, dagegen ist die Anzahl quantitativer Studien gering. 40 Publikationen sind zwar für eine Forschungsrichtung sehr wenig, jedoch übersteigt es den Rahmen dieser Arbeit, auf alle Studien einzugehen. Aus diesem Grund wird die bisherige Systematik zugunsten einer themenbezogenen Systematik aufgegeben. Für die Anlage dieser Arbeit wurde nach einem umfassenden Rahmenmodell von Orga-
104
2 Organisationales Lernen in der Schule
nisationalem Lernen in der Schule gesucht, das alle wichtigen Aspekte beinhaltet und das möglichst bereits in empirischen Studien bestätigt wurde. Im Rahmen eines solchen Modells sollen Steuergruppen als Change Agent schulischer Entwicklungsprozesse verortet werden (vgl. Kapitel 3.3) und anschließend deren Einfluss auf die Aspekte des Organisationalen Lernens empirisch überprüft werden (vgl. Kapitel 4, 7). Mit diesem Vorgehen sollen die drei o. g. Problemfelder von Organisationalem Lernen in der Schule bearbeitet werden. Durch die Darstellungen des Rahmenmodells und der Verortung von Steuergruppen in dieses Modell wird das Kontextproblem bearbeitet. Dadurch, dass nach einem Modell gesucht wird, das auch in empirischen Studien eingesetzt wurde und auch in dieser Arbeit eingesetzt wird, wird dem Evidenzproblem Rechnung getragen. Die danach anschließende eigene Analyse zum Einfluss von Steuergruppen auf Faktoren des Organisationalen Lernens sowie die komplexere Zusammenhangsanalyse dieser Faktoren mit anderen wichtigen schulischen Merkmalen, wie z. B. der Selbststeuerungsfähigkeit der Schule, befassen sich mit dem Strategieproblem. Nach einer Durchsicht der 40 Artikel konnte bei Marks und Louis (1999) bzw. Marks, Louis und Printy (2000) ein Modell gefunden werden, das den gewählten Anforderungen entspricht. Das Modell wurde anhand von zwei Untersuchungen zum Organisationalen Lernen in einer großen Studie zur Wirksamkeit von schulischen Umstrukturierungen entwickelt. Aufgrund der Bedeutung des Theoriemodells der Studie für die Entwicklung eines eigenen Modells sowie der Tatsache, dass es sich um eine der wenigen quantitativen Studien handelt, die dazu noch den Zusammenhang von Organisationalem Lernen und Unterricht und Schülerleistung untersucht (vgl. Forschungsfrage 3), werden die Studie und deren Ergebnisse detaillierter vorgestellt. Anschließend werden die einzelnen Dimensionen des Organisationalen Lernens unter Rückgriff auf die internationalen Forschungsbefunde zu dem jeweiligen Bereich ausführlich beschrieben.
Studie zur Wirksamkeit von schulischen Umstrukturierungen Im Rahmen der Studie Wirksamkeit von schulischen Umstrukturierungen wurden zwei Analysen zum Organisationalen Lernen veröffentlicht: eine Analyse zum Zusammenhang von Partizipation und Organisationalem Lernen (Marks & Louis, 1999) und eine zum Einfluss der Kapazität Organisationalen Lernens auf die pädagogische Qualität und die Schülerleistungen (Marks et al., 2000). Nach eine kurzen Beschreibung der Studie werden der theoretische Hintergrund und die Ergebnisse der Analysen nacheinander beschrieben. Im Rahmen der Studie Wirksamkeit von schulischen Umstrukturierungen, die das „Center on Organization and Restructuring of Schools“ in den USA durchgeführt hat, wurden zwei Analysen zum Organisationalen Lernen veröffentlicht:
2.2 Organisationales Lernen im schulischen Kontext
105
Dabei wurden landesweit öffentliche Schulen untersucht, die intensive Bemühungen im Bereich der Neuorganisation von Unterricht, der Schulorganisation, des Schulmanagements und der Kooperation zwischen Schulen und Gemeinden unternommen haben. 24 solcher Schulen (jeweils acht Primary-, Middle- und Highschools), bei denen die Umstrukturierungen am weitesten fortgeschritten waren, wurden untersucht. Zur Untersuchung dieser Schulen wurden sowohl verschiedene quantitative als auch qualitative Daten erhoben. Dabei wurden 1110 Lehrkräfte zu ihrer Unterrichtspraxis, ihren professionellen Aktivitäten, zur Schulkultur und ihrem persönlichen und beruflichen Hintergrund befragt. Die Rücklaufquote betrug 82 Prozent. Darüber hinaus wurden an jeder dieser Schulen umfangreiche Fallstudien32 durchgeführt und Schulporträts erstellt. Ergänzt wurde die Studie durch Schülerleistungstests, basierend auf Tests des „National Assessment of Educational Progress“ (NAEP) für die Fächer Mathematik und Sozialwissenschaften. Im Rahmen dieser Studie wurden zwei Analysen zum Organisationalen Lernen in der Schule durchgeführt: eine Analyse zum Zusammenhang von „Teacher Empowerment and the Capacity for Organizational Learning“ (Marks & Louis, 1999) und eine zweite Analyse zu den Auswirkungen der Kapazität Organisationalen Lernens auf die pädagogische Qualität und die Schülerleistungen (Marks et al., 2000). Zusammenhang von Lehrerpartizipation und der Kapazität Organisationalen Lernens Marks und Louis (1999) versuchen in ihrem Artikel eine Verbindung zwischen der Lehrerpartizipation und -verantwortung sowie Theorien des Organisationalen Lernens aufzuzeigen. Dies versuchen sie anhand der Partizipation von Lehrkräften an schulischen Entscheidungen. Darüber hinaus verfolgen sie das Ziel, die Dimensionen, die das Organisationale Lernen in der Schule beschreiben und mit schulischen Restrukturierungen in Verbindung stehen, näher zu untersuchen. Lehrerpartizipation Marks und Louis (1999) beziehen sich auf Forschungsergebnisse, nach denen in hoch entwickelten Schulen demokratische Prozesse Basis für schulische Entscheidungen sind und die Lehrkräfte ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten und ihre Verantwortung auf das Unterrichten und das Lernen fokussieren. Marks und Louis verweisen auf Newmann (1993): “empowerment must focus on instructional vision and professional collaboration if it useful as a school reform strategy” 32 Im Rahmen der Fallstudien wurden Interviews mit Lehrkräften durchgeführt, Sitzungen und Unterrichtstunden beobachtet sowie Dokumente der Schulen und Arbeiten von Schülerinnen und Schülern analysiert.
106
2 Organisationales Lernen in der Schule
(Marks & Louis, 1999, S. 711). Lehrerpartizipation wird von Marks und Louis für die anstehenden Analysen in vier verschiedene Domänen unterteilt, auf die Lehrkräfte in Schulen Einfluss nehmen können: 1. die schulpolitische Domäne (z. B. Stundenplan, Budget), 2. die Domäne Schülererfahrungen (z. B. Regeln des Schülerverhaltens, Zusammensetzung der Klassen). 3. die Domäne Arbeit der Lehrkräfte (z. B. Entscheidungen, die die Arbeit der Lehrkräfte betreffen), 4. die Domäne Klassenkontrolle (z. B. Auswahl Schulbücher, Curriculum, Didaktik). Organisationales Lernen Marks und Louis orientieren sich bei ihrem Verständnis an Argyris und Schön (1974). Eine lernende Organisation arbeitet demnach effizient, passt sich an Veränderung an, erkennt und korrigiert Fehler und überprüft kontinuierlich die Effektivität des eigenen Handelns (vgl. Marks & Louis, 1999). Organisationales Lernen ist in gewisser Weise dem individuellem Lernen sehr ähnlich. Es kann als ein Prozess verstanden werden, dessen Produkt aus „new knowledge, skills, or tools for increasing learning“ (Marks & Louis, 1999, S. 711) besteht. Jedoch ist Organisationales Lernen weit mehr als die bloße Summe der Lernergebnisse der einzelnen Organisationsmitglieder. Organisationales Lernen ist ein kollektiver Prozess zwischen den Organisationsmitgliedern, bei dem die Organisationskultur als übergeordnetem Handlungsrahmen eine große Bedeutung zukommt. Insofern kann Marks’ und Louis’ Perspektive als soziokulturelle Perspektive interpretiert werden. Organisationales Lernen ist demnach „the social processing of knowledge, or sharing of individually held knowledge or information in way that construct a clear, commonly held set of ideas“ (ebd.). Die Kultur einer Organisation ermöglicht den Organisationsmitgliedern einen gemeinsamen Interpretationsrahmen, der sich auf die Kerntechnologie der Organisation, also in der Schule auf das Lernen und den Unterricht bezieht. Dieser kulturelle Rahmen stellt den Ausgangpunkt für die gemeinsame Bearbeitung von Problemen und Initiierung kollektiver Lernprozesse dar. Diese kollektiven Lernprozesse finden vor allem in Gruppen und Teams statt und sind somit von der Interaktion der Organisationsmitglieder abhängig. Auf Basis dieses Grundverständnisses von Organisationalem Lernen haben Marks und Louis ein Konzept der Kapazität Organisationalen Lernens in Schulen entwickelt, das aus fünf Dimensionen (Struktur, Gemeinsame Wertvorstellungen und Kooperation, Wissen und Fertigkeiten, Führung und Feedback und Rechenschaftslegung) besteht. Das Modell bezieht sich u. a. auf die Theorien von Argyris und Schön (1978), Daft und Huber (1987), Hedberg (1981) und Senge (1990).
2.2 Organisationales Lernen im schulischen Kontext
107
Die fünf Dimensionen bilden die Grundlage für das integrative Modell, das in dieser Arbeit entwickelt wird. Eine ausführliche Darstellung der Dimensionen, die durch weitere Forschungsergebnisse im internationalen Diskurs ergänzt werden, erfolgt im Anschluss an die Ergebnisdarstellung der beiden Untersuchungen. Ergebnisse der Analyse Im Mittelpunkt der Untersuchung steht eine Mehrebenenanalyse (vgl. Bryck & Raudenbush, 1992), bei der der Einfluss von Lehrerpartizipation auf die Kapazität Organisationalen Lernens auf der Schulebene unter Kontrolle der individuellen Wahrnehmung der Lehrkräfte innerhalb der Schulen untersucht werden soll (vgl. Tab. 2). Bei dem Modell entfallen 75 % Varianz der Kapazität Organisationalen Lernens auf die Ebene zwischen den Schulen und 25 % auf die Varianz innerhalb der Schule. Auf der Ebene innerhalb der Schule werden neben der Schulstufe das Geschlecht, die Anzahl der Jahre, die eine Lehrkraft unterrichtet, der akademische Fachstatus sowie die Zufriedenheit mit dem Unterrichten an der eigenen Schule kontrolliert (vgl. Tab. 2). Zunächst wird in vier Modellen der Einfluss der einzelnen Domänen getrennt überprüft, bevor im fünften Modell der Einfluss aller Domänen, gebildet über einen Index, überprüft wird. Einen signifikanten Einfluss auf der Schulebene haben die beiden Domänen der Lehrerarbeit (.44)33 und der Schülererfahrungen (.69) sowie der Gesamtindex (.44). Auf der Ebene der individuellen Wahrnehmung der Lehrkräfte innerhalb der Schulen wirken sich jeweils die einzelnen Subdomänen (.05-.38)34, die Mitgliedschaft in einer akademischen Vereinigung (.10-.15), sowie die Zufriedenheit mit dem Unterrichten an der eigenen Schule (.20 -36) aus. Die aufgeklärte Varianz der Between-Ebene35 liegt zwischen 32 % bei Modell 4 und 55 % bei Modell 5 (vgl. Tab. 2). 33 Die angegebenen Effektgrößen werden in Einheiten der Standardabweichung angegeben. Diese berechnet sich aus der Differenz des Gammakoeffizienten durch die entsprechende Standardabweichung. 34 Der angegebene Bereich, in dem sich die Effekte bewegen, resultiert aus den Differenzen in den jeweiligen Modellen. 35 Bei Mehrebenenmodellen auf zwei Ebenen unterscheidet man die Within-Ebene, in diesem Fall die Wahrnehmungen der einzelnen Lehrkräfte, und die Between-Ebene, in diesem Fall die Schulebene, also die kollektive Wahrnehmung der Lehrkräfte (vgl. Bryck & Raudenbush, 1992). Ein wesentliches Kriterium für die Aussagekraft von Mehrebenenanalysen stellt die Varianz auf der Between-Ebene dar. Die sogenannte Intra-Class-Correlation gibt an, wie viel Prozent der Gesamtvarianz sich auf der Between-Ebene befinden. Als Richtwert gilt, dass mindestens 10 % der Varianz auf die Between-Ebene zurückzuführen sein sollten, damit eine Mehrebenenanalyse sinnvoll ist. Der Anteil der aufgeklärten Varianz in einem spezifischen Modell sagt dagegen aus, wie viel der Varianz auf der jeweiligen Ebene durch das gewählte Modell erklärt wird.
108
2 Organisationales Lernen in der Schule
Tabelle 2: Kapazität Organisationalen Lernens: Zusammenhang von Domänen der Lehrerpartizipation innerhalb und zwischen Schulen. Eine Zwei-EbenenAnalyse mit HLMa (Marks & Louis, 1999, S. 725) Abhängige Variablen Kapazität Organisationalen Lernens Domänen der Lehrerpartizipation Intercept
Schulpolitik
Arbeit der Lehrkräfte
-.21b
-.10
SchülerKlassenerfahrungen kontrolle .13
-.17
Gesamtindex -.04~
Lehrerpartizipation Schulpolitik
.37~
Arbeit der Lehrkräfte
.44*
Schülererfahrungen
.69***
Klassenkontrolle
.37~
Gesamtindex Elementary School
.59** .66~
.34
-.27
.58
.14
Lehrerpartizipation Schulpolitik
.22***
Arbeit der Lehrkräfte
.38***
Schülererfahrungen
.28***
Klassenkontrolle
.05*
Gesamtindex Weiblich
.41*** .04
.06
.01
.04
.01
Mitglied einer akademischen Vereinigung
.15**
.10**
.13**
.14**
.15**
Jahre an Lehrpraxis
.07*
.03
.05*
.06*
.02
Quadrierte Term
0.01
0.01
0.01
0.01
0.01
Zufriedenheit mit den Unterrichten an der aktuellen Schule
.35***
.20***
.29***
.36***
.22***
39.3
41.6
54.9
32.0
54.6
Lehrerjahre:
Prozentuale aufgeklärte Varianz auf der BetweenEbene „Zwischen den Schulen“
a. Kontinuierliche Variablen sind standardisiert, M = 0, SD = 1 und um den grand mean zentriert. 'LH(IIHNWHVLQG¿[LHUWWKDWLVUDQGRPYDULDWLRQRIDOOLQGHSHQGHQWYDULDEOHVLVFRQVWUDLQHG E $OOH:HUWHVLQGLQGHU(IIHNWVWlUNHQ0HWULN(6 aS S
S
S
2.2 Organisationales Lernen im schulischen Kontext
109
Insgesamt lassen sich durch die Mehrebenenanalyse substanzielle Zusammenhänge zwischen der Kapazität Organisationalen Lernens und der Lehrerpartizipation, vor allem in den Bereichen rund um die Kerntechnologie der Schule – Lehrerarbeit und Schülererfahrungen – feststellen. Dabei gehen Marks und Louis von indirekten Effekten der Partizipation auf die Leistungsfähigkeit einer Schule, vermittelt über die Bildung professioneller Lerngemeinschaften, aus. Eine bloße Gewährung von Schulautonomie allein führt nicht zum Erfolg. Einfluss der Kapazität Organisationalen Lernens auf die pädagogische Qualität und die Schülerleistungen Auf Basis der Erkenntnisse der ersten Untersuchung widmen sich Marks und Louis zusammen mit Printy (2000) der Frage, inwieweit die Kapazität des Organisationalen Lernens einer Schule auch zu einer besseren Qualität des Unterrichtens und zu guten Schülerleistungen führt. Ergänzend zu den o. g. Ausführungen zum Organisationalen Lernen kann Organisationales Lernen für die drei Autorinnen auch als schulische Fähigkeit zur Selbstorganisation verstanden werden (vgl. Kapitel 1.4). Der Aufbau einer Kapazität Organisationalen Lernens setzt längerfristige tiefergreifende Veränderungen in Gang, aus denen ein dauerhafter Prozess der Schulentwicklung entstehen kann. Darüber hinaus verweisen sie darauf, dass Organisationales Lernen in den meisten Organisationen in der Regel mit dem Ziel einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und der Leistung einer Organisation verfolgt wird. Das bereits bekannte Modell von Organisationalem Lernen, bestehend aus den fünf Dimensionen, wird aufgrund des hohen Zusammenhangs der fünf Dimensionen mit der Lehrerpartizipation in der ersten Studie um die Dimension der Lehrerpartizipation ergänzt. Die gemessenen Schülerleistungen werden anhand von zwei verschiedenen Tests erhoben. Der eine Test bezieht sich auf die Fächer Mathematik und Sozialwissenschaften. Der zweite Test basiert auf Items des NAEP zu den Basiskompetenzen in Mathematik und Lesen und Schreiben. Die Qualität des Unterrichts wurde anhand von Unterrichtsbeobachtungen zur Klassenführung gemessen. Ergebnisse der Analyse Im Mittelpunkt der Studie stehen drei verschiedene Mehrebenenmodelle, zum Einfluss der Kapazität Organisationalen Lernens auf die Unterrichtsqualität (vgl. Tab. 3), die Schülerleistungen im Test 1 und im NAEP-Test (vgl. Tab. 4) unter Kontrolle des Geschlechts, des Migrationshintergrunds, des sozioökonomischen Status der Schüler und des höchsten Bildungsabschlusses der Eltern auf der Klassenebene. Im ersten Modell zur Unterrichtsqualität sind 26 % der Varianz auf Unterschiede zwischen den Schulen zurückzuführen, beim Modell zum Test 1 21 % und beim Modell 3 zum NAEP-Test 17,5 %. Die Unterrichtsqualität wird
110
2 Organisationales Lernen in der Schule
dabei in Modell 1 nur signifikant von dem durchschnittlich höchsten Bildungsabschluss der Eltern einer Klasse mit (.49***) und der Kapazität des Organisationalen Lernens (.58*) beeinflusst (vgl. Tab. 3). Beide Zusammenhänge sind als starke Zusammenhänge zu interpretieren. Das Modell erklärt 26 % der Varianz zwischen den Schulen. Tabelle 3: Kapazität Organisationalen Lernens und Pädagogische Qualität Fixierte Effekte
Abhängige Variable Pädagogische Qualität
Intercepta
-.23
% weiblich
.01
% Afroamerikaner
.23 .19
% Hispanoamerikaner Soziökonomischer
Statusb
.06
GPAb
.49***
Schulische Kapazität Organisationalen Lernensb
.58**
% aufgeklärte Varianz zwischen den Schulen
25.7
D .RHI¿]LHQWHQZHUGHQLQGHU(IIHNWVWlUNHQ0HWULN(6 GDUJHVWHOOW E 9DULDEOHQVLQGVWDQGDUGLVLHUW0 6' XQGXPGHQJUDQGPHDQ]HQWULHUW S
S
S
Tabelle 4: Kapazität Organisationalen Lernens und Pädagogische Qualität Abhängige Variable Fixierte Effekte Intercepta
Authentic Leistung
NAEP Leistung
-.14
.06
% weiblich
.36***
.25*
% Afroamerikaner
-.52***
-1.05***
.31*
-.61**
% Hispanoamerikaner
.19**
.44***
.48***
.60***
Schulische Kapazität Organisationalen Lernensb
.46*
.46*
% aufgeklärte Varianz zwischen den Schulen
29.2
51.2
Soziökonomischer
Statusb
GPAb
D .RHI¿]LHQWHQZHUGHQLQGHU(IIHNWVWlUNHQ0HWULN(6 GDUJHVWHOOW E 9DULDEOHQVLQGVWDQGDUGLVLHUW0 6' XQGXPGHQJUDQGPHDQ]HQWULHUW S
S
S
2.2 Organisationales Lernen im schulischen Kontext
111
Bei den beiden anderen Modellen zum Einfluss der Kapazität Organisationalen Lernens auf die Schülerleistungen in den beiden Tests haben alle berücksichtigten Variablen einen signifikanten Einfluss (vgl. Tab. 4). Die Kapazität Organisationalen Lernens hat in beiden Modellen einen starken Einfluss auf die Schülerleistung. Die Varianz zwischen den Schulen kann im Modell 2 zu 29 % und im Modell 3 sogar zu 51 % aufgeklärt werden. Die Untersuchung von Mark, Louis und Printy (2000) zeigt, dass eine Kapazität Organisationalen Lernens in der Stichprobe die Qualität des Unterrichts und das Lernen der Schüler unterstützt. Darüber hinaus hat der Vergleich von zwei Schulen gezeigt, dass alle sechs Dimensionen zum Aufbau einer Kapazität Organisationalen Lernens erforderlich sind. Inwieweit diese Ergebnisse sich in anderen Studien bestätigen lassen, gilt abzuwarten. Aufgrund der eher geringen Fallzahlen auf Schulebene geben diese interessanten und wertvollen Ergebnisse Hinweise zu einer weiteren Überprüfung des Zusammenhangs der Kapazität Organisationalen Lernens und der Unterrichtsqualität sowie den Leistungen der Schülerinnen und Schüler.
Sechs Dimensionen einer Kapazität des Organisationalen Lernens36 An dieser Stelle werden die sechs Dimensionen (vgl. Abb. 7) zur Kapazität des Organisationalen Lernens von Marks und Louis (1999), bzw. Marks, Louis und Printy (2000) noch einmal aufgegriffen und um weitere Erkenntnisse aus internationalen Studien ergänzt. Damit werden zwei Ziele verfolgt: 1. Die Dimensionen und deren inhaltliche Aspekte durch weitere Studien zu validieren. 2. Um die einzelnen Dimensionen durch neue inhaltliche Aspekte zu bereichern. Im Anschluss daran wird auf Basis dieser „angereicherten“ Dimensionen und der Erkenntnisse des deutschsprachigen Diskurses und der Rolle der Steuergruppen ein eigenes Modell zur Kapazität des Organisationalen Lernens vorgestellt.
36 Das bereits bekannte Modell von Organisationalem Lernen aus der ersten Studie von Marks und Louis (1999) bestehend aus den fünf Dimensionen (Struktur einer Organisation, Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium, Wissen und Fertigkeiten, Führung und Feedback und Rechenschaftslegung) wurde im Rahmen der zweiten Studie (Marks et al., 2000) auf Basis der Ergebnisse der ersten Studie zum „Teacher Empowerment and the Capacity for Organizational Learning“ (Marks & Louis, 1999) um die Dimension der Lehrerpartizipation ergänzt.
112
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Abbildung 7: Sechs Dimensionen einer Kapazität des Organisationalen Lernens (vgl. Marks et al., 2000)
1. Dimension „Struktur“ Die Struktur einer Organisation beeinflusst nach Marks und Louis (1999) ihre Lernfähigkeit. Mit Verweis auf die Untersuchungen von Hall und Hord (1987) und Sarason (1996) kann sogar vermutet werden, dass eine gezielte Umgestaltung einer Organisation mehr zu ihrer Effektivität und Effizienz beitragen kann als eine Erhöhung der Ressourcen. Die traditionelle Schulstruktur fördert Organisationales Lernen nicht, sie behindert sie eher (vgl. Kruse, Louis & Bryk, 1995). Dabei lassen sich vier verschiedene Elemente der schulischen Struktur identifizieren, die für Organisationales Lernen hinderlich sind. Erstens lässt die zeitliche Strukturierung des Schulalltags nur sehr wenige Freiräume für einen Austausch der Lehrkräfte und die Teamarbeit in der Schule. Zweitens weisen Schulen oft eine begrenzte und fragmentierte Struktur auf (vgl. Kapitel 1.2), die sich negativ auf eine Kooperation der Lehrkräfte untereinander auswirkt. Zugleich erschwert diese Fragmentierung auch eine Kooperation mit außerschulischen Partnern sowie mit anderen Schulen und mit Einrichtungen der Schuladministration. Darüber hinaus sind die Aufgaben einer Lehrkraft meist so strukturiert, dass sich wenig Schnittstellen und Interdependenzen zu anderen Lehrkräften ergeben. Der dritte hemmende Faktor betrifft die bürokratische Struktur der Schule, die durch ihren formalen Dienstweg Innovationen und Organisationales Lernen behindern kann. Durch Regelung auf dem formalen Dienstweg haben Organisationen weniger die Möglichkeit, Entscheidungen sozial auszuhandeln. Diese Aushandlung ist aufgrund der traditionell hohen Autonomie der Lehrkräfte und deren Professionsorientierung von besonderer Bedeutung (vgl. Kapitel 1.2). Viertens kann die Größe und Komplexität einer Organisation für Organisationale Lern-
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prozesse hinderlich sein. Vor allem Kooperationsmöglichkeiten innerhalb der Schule können durch die Größe und Komplexität einer Organisation erschwert werden. Weitere internationale Befunde zur Bedeutung der Organisationsstruktur für Organisationales Lernen Louis unterstreicht in einer weiteren Untersuchung zusammen mit Kruse den Einfluss der Schulstruktur auf die Lernfähigkeit der Schule (vgl. Kruse & Louis, 2000). Dabei kontrastieren sie zwei unterschiedliche Schulen: eine Elementary und eine Middle School. Beide Schulen können auf ihre unterschiedliche Weise als erfolgreiche lernende Organisationen gelten und bei beiden Schulen finden sich lernförderliche Strukturelemente. Dabei handelt sich zum einen um eine Veränderung der Zeitstruktur, sodass Zeitfenster für institutionalisierte Kooperationsstrukturen geschaffen werden, und zum anderen um den Aufbau neuer Strukturen, die den Lehrkräften mehr Partizipation an schulischen Entscheidungen ermöglichen. Darüber hinaus wurden Strukturen geschaffen, die Interdependenzen zwischen den Lehrkräften erzeugen; z. B. durch gemeinsame Klassenleitungen oder einen gemeinsamen Pool von Unterrichtsmaterialien etc. “The presence of structures and routines that support learning are important to self-appraisal endeavours, and provide a framework for acquiring information about what new ideas may be important to consider” (Kruse & Louis, 2000, S. 37).
In diesem Zitat wird deutlich, dass nicht nur durch die Kultur ein übergeordneter Rahmen für Organisationales Lernen entsteht, sondern die Strukturen und Routinen einer Organisation ebenfalls Einfluss auf das Organisationale Lernen haben. In einer Meta-Studie betonen auch Leithwood, Leonard und Sharratt (2000) die Bedeutung von förderlichen Strukturen für Organisationales Lernen. In dieser Studie haben sie in drei Untersuchungen (Leithwood, Jantzi & Steinbach, 1995; Leonard, 1996; Sharratt, 1996) die Bedeutung von Führungshandeln und anderen Faktoren für Organisationales Lernen erforscht. Alle Studien verwendeten das gleiche theoretische Rahmenmodell und basierten auf einer vergleichbaren Auswertung qualitativer Daten. Eines der Ziele der Meta-Analyse bezieht sich auf die Frage, welche stabilen Einflussfaktoren sich über die drei Studien hinweg zeigen. Bei den Studien handelt es sich um eine Studie zu Veränderungen von Unterrichts- und Lernprozessen in British Columbia, einer Studie zur Schulautonomie in Neufundland und einer Studie zur Nutzung von Computertechnologien für die Curriculumentwicklung in Ontario. In einem Modell haben die drei Autoren die Einflussfaktoren auf Organisationales Lernen aus den drei Studien aufgeführt (vgl. Abb. 8).
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$EELOGXQJ6XPPHGHU(LQÀVVHDXIGHQ2UJDQLVDWLRQDOHQ/HUQSUR]HVV (vgl. Leithwood, Leonard et al., 2000, S. 106)
Die Zahlen zeigen die relative Stärke des Einflusses der jeweiligen Faktoren, gemessen anhand der Häufigkeit, mit der die Lehrkräfte die Faktoren mit Organisationalem Lernen assoziieren, an. Die Organisationsstruktur wird zwar nicht so oft genannt, dennoch symbolisiert das Sternchen, dass es sich hier um einen bedeutsamen Einfluss handelt (vgl. Leithwood, Leonard et al., 2000). Strukturen sind nach der Meta-Studie besonders förderlich für Organisationales Lernen, wenn sie den Lehrkräften ein größeres Maß an Partizipation an Entscheidungen ermöglichen. Auch Strukturen, die das Teamlernen und die Kooperation unterstützen, sind zum Aufbau einer Kapazität Organisationalen Lernens wichtig. Ferner weisen auch Leithwood et al. darauf hin, dass die Größe einer Schule das Teamlernen beeinflussen kann. In einer der drei Studien, zu Veränderungen von Unterrichts- und Lernprozessen in British Columbia, geben Leithwood, Jantzi
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und Steinbach (2000) einen Überblick über konkrete strukturelle Maßnahmen, die sie als förderlich für Organisationales Lernen identifiziert haben (vgl. Tab. 5). Tabelle 5: Schulstrukturelle Elemente, die Organisationales Lernen fördern37 (Leithwood, Jantzi & Steinbach, 2000, S. 77) School structure
open a inclusive decision-making processes distribution of decision-making authority to school committees decisions by consensus small size schools team teaching arrangements brief weekly planning meetings frequent problem-solving, sessions among sub-groups of staff regularly scheduled pro-d time in school arrangements of physical space to facilitate team teaching freedom to test new strategies within teacher’s own classroom common preparation periods for teachers needing time to work together cross-department appointment of teachers
Die Befunde zur Dimension Struktur lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Strukturen eine Schule beeinflussen ihr Organisationales Lernen vor allem in Bezug auf den schulweiten Austausch von Informationen, der Möglichkeit und Notwendigkeit von Kooperation und den Beteiligungsmöglichkeiten von Lehrkräften. 2. Dimension „Gemeinsame Wertvorstellungen und Kooperation“ Die zweite Dimension beschreibt den Prozess und die Bedeutung von gemeinsamen Wertvorstellungen des Kollegiums und einer darauf aufbauenden schulweiten Kooperation. Gemeinsame Wertvorstellungen sind nach Marks und Louis wichtig für Organisationales Lernen, da Team- und Organisationslernen ein sozialer Prozess ist. Bei diesem sozialen Prozess wird Wissen innerhalb von Teams, aber auch innerhalb der ganzen Schule zwischen den Lehrkräften geteilt. Im Idealfall kommt es zu einer Übernahme des Wissens in der Schulgemeinschaft, 37 Teilweise ergeben sich bei den Maßnahmen von Leithwood, Jantzi und Steinbach (2000), aber auch bei der Analyse von Marks und Louis (1999) erhebliche Schnittmengen zu anderen Dimensionen, die sich allerdings aufgrund der von Marks und Louis (1999) gewählten Struktur kaum vermeiden lassen.
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und dieses Wissen wird somit zu organisationalem Wissen (vgl. Louis & Dentler, 1988). Dieses „social processing“ ist ein Prozess der sozialen Verarbeitung von Informationen mit dem Ziel, organisationales Wissen zu erzeugen. Doch dieser Prozess benötigt zwei Voraussetzungen: Zum einen muss ein gewisses Maß an gemeinsamem Verständnis über die Ziele und Handlungen der Organisation vorliegen. Zum anderen benötigt so ein Prozess entsprechende Kooperationsund Teamstrukturen innerhalb der Schule. Marks und Louis betonen, wie entscheidend eine funktionierende schulweite Wissensverarbeitung für den Aufbau einer Kapazität des Organisationalen Lernens ist: “Because a strong professional community is a vehicle for school wide knowledge processing, creating a professional community enhances a school’s capacity for organizational Learning” (Marks & Louis, 1999, S. 713). Lehrkräfte in solchen „professionellen Gemeinschaften“ arbeiten in einer professionellen Kultur zusammen. „Professionelle Lerngemeinschaften“ lassen sich durch folgende Merkmale charakterisieren: s einen reflektierten Dialog der Kolleginnen und Kollegen untereinander, s ein offener Austausch der Unterrichtspraxis, s Schaffung einer gemeinsamen Wissensbasis zur Verbesserung des Unterrichts, s Eine Zusammenarbeit bei der Entwicklung neuer Materialien und Curricula, s Eine professionelle Kultur, bestehend aus gemeinsamen Normen der pädagogischen Praxis und den Erwartungen und Leistungen von Schülerinnen und Schülern (vgl. Marks & Louis, 1998).
Weitere internationale Befunde zur Bedeutung von gemeinsamen Wertvorstellungen und der Kooperation für Organisationales Lernen Louis und Dentler (1988) bzw. Louis38 (2006) beschreiben die Nutzung von Wissen im organisationalen Kontext näher. Zentrale Bedeutung hat dabei das Konstrukt des „social processing“ (Louis, 2006, S. 13). Nach March und Olsen (1976) spielt die Bewertung und Entscheidung über die Relevanz der Informationen und wie diese in der Organisation genutzt werden soll, eine wichtige Rolle. Solche Entscheidungen sind meist Produkt sozialer Prozesse in der Interaktion von Organisationsmitgliedern. Somit haben soziale Prozesse einen großen Einfluss auf die organisationale Nutzung von Wissen, sie helfen den Lehrkräften, die Anschlussfähigkeit und Angemessenheit neuen Wissens in der Organisation zu testen und ggf. auch herzustellen. 38 Der Aufsatz von Louis und Dentler (1988) wurde 2006 in dem Buch „Organization for School change“ noch einmal veröffentlicht (Louis, 2006).
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Auch Louis und Leithwood (2000) beschreiben den Zusammenhang zwischen Organisationalem Lernen und professionellen Gemeinschaften. Durch Organisationales Lernen, vor allem bei tiefergreifenden und radikaleren Veränderungen wie dem double-loop learning (vgl. Argyris & Schön, 1978), entsteht in Organisationen ein Ungleichgewicht in Form von Diskontinuitäten und Unvorhersagbarkeiten. “Disequilibrium is a necessary part of any transformative process” (Louis & Leithwood, 2000, S. 277). Doch Organisationen und vor allem deren Mitglieder brauchen auch eine Form der Stabilität. Diese Form der Stabilität können professionellen Gemeinschaften liefern, „the notions of stable patterns of trust, mutual interdependence, and permanent personal investment to the group a core“ (ebd., S. 279). Doch handelt es sich in diesem Fall um eine Stabilität, die nicht durch ihr Beharrungsvermögen kontraproduktiv für Organisationales Lernen ist. Professionelle Lerngemeinschaften liefern durch ihre Merkmale (gemeinsame Normen und Werte, Fokus auf Schülerlernen, Deprivatisierung der Unterrichtspraxis, Kooperation und einen reflektierten Dialog) Stabilität in Form dauerhafter Beziehungen der Mitglieder untereinander sowie beständiger Normen, Werte und Routinen. Doch diese Routinen und Normen sind auf Veränderungen und die professionelle Entwicklung der einzelnen Lehrkräfte und der Schule als Ganzes ausgerichtet. Somit erzeugen sie eine Stabilität der Veränderung. Scribner, Cockrell, Cockrell und Valentine (1999) beschreiben ebenso den Zusammenhang von Organisationalem Lernen und professionellen Lerngemeinschaften. Schulen können ihrer Meinung nach auf einem Kontinuum verortet werden. Dieses Kontinuum kann durch die beiden Pole der Gemeinschaften auf der einen Seite und der bürokratischen Organisation auf der anderen beschrieben werden. Schulen müssen die Balance finden zwischen der Sorge um Schülerinnen und Schüler, kritischer Reflektion sowie Kooperation auf der einen Seite und Hierarchie, Rationalität, Rechenschaft und Kontrolle auf der anderen Seite (vgl. Scribner et al., 1999). In ihrer qualitativen Untersuchung von drei Middle Schools haben sie vier Faktoren identifiziert, die einen Einfluss auf die Etablierung von professionellen Lerngemeinschaften haben: 1. der Führungsstil der Schulleitung mit dem Fokus auf Veränderungen, 2. die Weitergabe zentraler Elemente der organisationalen Geschichte an die neuen Lehrkräfte, 3. die Priorität auf die Beschaffung von Ressourcen, 4. eine verlässliche bürokratische Organisation der Schule, die mit der Kultur von professionellen Lerngemeinschaften in Einklang steht. Darüber hinaus weisen die Ergebnisse darauf hin, dass professionelle Lerngemeinschaften eine wichtige Voraussetzung für double-loop learning sind (vgl. Scribner et al., 1999).
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Der Aspekt der gemeinsamen Wertvorstellungen und der Kooperation verbunden mit dem Konzept der professionellen Lerngemeinschaften kann auch als kulturelle Dimension von Organisationalem Lernen interpretiert werden. Larson-Knight (2000) greift Studien zur Schulkultur von Little (1982), Rosenholtz, (1989), Deal und Peterson (1990), Fullan und Hargreaves (1991), Hopkins (1991), Scheerens (1993) auf, nach denen die Kooperationskultur einen Beitrag zur Schuleffektivität leistet. Little (1982) hat darüber hinaus als erste den Zusammenhang zwischen Schulkultur und Führung identifiziert. Organisationskultur lässt sich nach Cook und Yanow definieren als “a set of values, beliefs, and feelings, together with the artefacts of their expression and transmission (such as myths, symbols, metaphors, rituals), that are created, inherited, shared, and transmitted within one group of people and that, in part, distinguish that group from others” (Cook & Yanow, 1996, S. 440).
Marks und Louis beschreiben somit anhand der professionellen Lerngemeinschaften positive schulkulturelle Merkmale, die sich in den von Cook und Yanow beschriebenen Überzeugungen, Symbolen, Ritualen manifestieren, die Organisationales Lernen fördern. Für Louis und Kruse ist die Schulkultur auch für die Aneignung neuen Wissens relevant. In Anlehnung an Huber (1991) wird neues Wissen nur zu organisationalem Wissen, wenn es auch anschlussfähig an den bestehenden übergeordneten Organisationsrahmen ist, der u. a. die Überzeugungen und Werte einer Organisation beinhaltet (vgl. Kruse & Louis, 2000). Marks und Louis zeigen in ihrer Studie (ebd.), dass die beiden beschriebenen Schulen (vgl. 1. Organisationsstruktur) bewusst Zeit darauf verwenden, sich ihrer gemeinsamen Überzeugungen über wichtige schulische Belange zu vergewissern. So schaffen die Schulen eine gute Ausgangsbasis für eine höhere Anschlussfähigkeit. Ferner kommen auch Leithwood, Leonard und Sharratt (2000) (vgl. 1. Organisationsstruktur, Tab. 5) zu dem Ergebnis, dass die Schulkultur einen Einfluss auf das Organisationale Lernen hat. Vor allem wenn sie durch Kollegialität und Kooperation geprägt ist. Darüber hinaus sind Normen, die gegenseitige Unterstützung der Lehrkräfte und der Respekt vor den Ideen der Lehrkräfte sowie Mut, neue Unterrichtsansätze auszuprobieren, Bestandteil einer förderlichen Schulkultur. Über die Ergebnisse hinaus haben Leithwood, Jantzi und Steinbach (2000) in ihrer Untersuchung Elemente einer positiven Schulkultur aufgelistet (vgl. Tab. 6). Hanson (2001) beschreibt die Bedeutung der Organisationskultur für das Organisationale Lernen in Verbindung mit dem organisationalen Gedächtnis. Bei dem organisationalen Gedächtnis bezieht er sich u. a. auf Huber (1991) (vgl. auch Kapitel 2.1). Organisationales Lernen folgt für Hanson einem bestimmten Schema: Zunächst begegnet die Organisation einem Problem, das sie lösen muss. Sie sucht dabei in ihrem organisationalen Gedächtnis nach einer Lösung.
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Tabelle 6: Schulkulturelle Elemente, die Organisationales Lernen fördern39 (Leithwood, Jantzi & Steinbach, 2000, S. 77) School structure
collaborative shared belief in the importance of continuous professional growth norms of mutual support belief in providing honest, candid feedback to one’s colleagues informal sharing of ideas and materials respect for colleagues’ ideas support of risk tasking HQFRXUDJHPHQWIRURSHQGLVFXVVLRQRIGLI¿FXOWLHV shared celebration of successes all students valued regardless of their needs commitment to helping students
Findet die Organisation keine passende Lösung, eignet sie sich neues Wissen als Produkt einer gemeinsamen Interaktion der Organisationsmitglieder an. Trägt dieses neue Wissen zu einer positiven Lösung des Problems bei, wird es Teil des schulweiten Wissens. Die Übertragung des schulweiten bzw. organisationalen Wissens erfolgt durch Sozialisation, Nachahmung, Professionalisierung in „soft and hard knowledge“ und der Schulkultur. Dieses Wissen wird nun Teil des organisationalen Gedächtnisses. Durch die Speicherung im organisationalen Gedächtnis bildet das Wissen die Grundlage für spätere Entscheidungen (vgl. Hanson, 2001). Die Kultur einer Organisation ist somit auch ein Speicher organisationalen Wissens. Auch die Kooperation spielt bei Hanson eine wichtige Rolle, denn „organization knowledge is found in the collective interaction of the group and not in the isolated knowledge of people who happen to be members of a group“ (Hanson, 2001, S. 641). Ähnliches findet sich auch bei Scott (2000). Er bezieht sich auf das Teamlernen und die Kultur als Träger organisationalen Wissens. Mit Bezug auf Hedberg (1981) wird organisationales Wissen im organisationalen Gedächtnis, bestehend aus Verhaltensregeln, mentalen Karten, Normen und Werten, gespeichert (vgl. Scott, 2000).
39 Teilweise ergeben sich bei den Maßnahmen von Leithwood, Jantzi und Steinbach (2000), aber auch bei der Analyse von Marks und Louis (1999) erhebliche Schnittmengen zu anderen Dimensionen, die sich allerdings aufgrund der von Marks und Louis (1999) gewählten Struktur kaum vermeiden lassen.
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Die Befunde zur Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ lassen sich wie folgt zusammenfassen: Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen ermöglichen einen Austausch von Wissen innerhalb der Schule durch die Herstellung von Anschlussfähigkeit und der Bewertung der Angemessenheit neuen Wissens für die Organisation. Diese Basis wird genutzt, um in professionellen Lerngemeinschaften bestehendes Wissen weiterzuentwickeln und neues Wissen zu erzeugen. Dabei übernehmen Werte und Normen sowie die Teamarbeit eine wichtige Funktion bei der Speicherung organisationalen Wissens. 3. Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ In der Dimension „gemeinsame Wertvorstellungen und Kooperation“ wurde die Bedeutung von Wissen für Organisationales Lernen schon angedeutet, doch ging es hier mehr um den sozialen Prozess zur Herstellung einer gemeinsamen Wissensbasis. Mit der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ beschreiben Marks und Louis die verschiedenen Quellen des Wissens als Ausgangsbasis für die erwähnten sozialen Prozesse und somit der organisationalen Wissensbasis. Kruse (1995) unterscheidet drei grundlegende Quellen: das individuelle Wissen, das jedes Organisationsmitglied aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen mit sich bringt. Die zweite Wissensquelle, die Schulen potenziell zur Verfügung steht, ist Wissen aus der schulischen Umwelt; sei es von Experten oder anderen Schulen. Die dritte Quelle steht eng in Verbindung mit der zweiten Dimension. Es handelt sich um Wissen, das sich Schulen aneignen, indem sie spezifische Probleme ihres Schulalltags bearbeiten und lösen. Besonders wichtig ist das gemeinschaftliche Wissen, mit dem möglichst viele Lehrkräfte vernetzt sein sollen. Wie bereits in der ersten Dimension der Organisationsstruktur beschrieben, gibt es schulische Strukturen der Fragmentierung, wie z. B. die Einteilung in Fächer, die zwar eine Vernetzung innerhalb der Fächer fördern, aber gleichzeitig eine schulweite Vernetzung behindern können. Wissensintensive Organisationen sorgen für eine entsprechende Durchlässigkeit nach innen und nach außen und einen regen Kontakt mit der Organisationsumwelt. Weitere internationale Befunde zur Bedeutung von Wissen und Fertigkeiten für Organisationales Lernen Louis und Kruse gehen im Rahmen ihrer Fallstudienanalyse an einer Elementary und einer Middle School (vgl. Dimension 1 und 2) auf die beiden Hauptaspekte der dritten Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ ein. Der erste Aspekt bezieht sich auf die Durchlässigkeit des Wissens in zweierlei Weise: 1. die Durchlässigkeit des Wissens im Sinne einer Offenheit für neues Wissen.
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Louis und Kruse bezeichnen hier das Verlernen in Anlehnung an Hedberg (1981) als einen Schlüsselprozess. “What the point too is the fact that they are on the cutting edge: they create new models through constantly re-examining their own behaviour for pernicious evidence of ‘traditional thinking’ rather than looking to previous experience as a guide” (Kruse & Louis, 2000, S. 35).
2. Die Durchlässigkeit des Wissens innerhalb einer Schule. Die Middle School als die größere der beiden Schulen entwickelte ein Konzept zur Bewältigung der Schulgröße. Sie bildete Jahrgangsteams, die sie als Familien bezeichnet. Die Teams stellen eine Kooperationseinheit für den schulischen Alltag der Lehrkräfte und der Schülerinnen und Schüler dar, doch die insgesamt neun „Familien“ agierten mit der Zeit relativ autonom. Die Schule war sozusagen in neun kleinere Schulen fragmentiert. Nur die Sprecher der Familien trafen sich regelmäßig in einem Komitee, das über die Belange der ganzen Schule entschied. Doch dies reichte als einzige Interaktionsform zwischen den Familien nicht aus. Einerseits wurde die Mehrzahl der Lehrkräfte nicht mehr direkt an schulischen Entscheidungen beteiligt und anderseits fand kein Informationsfluss zwischen den „Familien“ statt. Es fehlte sozusagen eine horizontale Vernetzung über die bestehenden Teams hinweg. Der zweite Aspekt von Louis und Kruse betrifft die Nutzung interner und externer Quellen des Wissens. Organisationales Lernen und individuelles Lernen hängen klar miteinander zusammen. Eine gemeinsame Wissensbasis schöpft sich aus den drei o. g. Quellen (individuelles Wissen, Wissen durch eine schulweite Selbstbewertung und Wissen von außerhalb der Schule). Ein Problem in Verbindung mit dem individuellen Wissen ist, dass Lehrkräfte zu Beginn oft mit einem unterschiedlich fundierten und teilweise auch disparaten Wissen über ihre Fächer, Erziehung und die Schule im Allgemeinen an ihre Schule kommen. Dieses Wissen ist nicht ohne Weiteres für andere Lehrkräfte zugänglich und nutzbar. Die in Dimension 2 angesprochene Anschlussfähigkeit muss erst hergestellt werden. Darüber hinaus existiert in der Schule auch nicht das Wissen über die Kompetenzen und das Wissen der Kolleginnen und Kollegen und somit auch nicht darüber, ob dieses Wissen für die Organisationsmitglieder und die Organisation relevant sein könnte. In Bezug auf externes Wissen verweisen Louis und Kruse darauf, dass in traditionellen Schulen die Lehrkräfte oftmals keinen – vor allem direkten – Zugang zu externen Wissensquellen haben. Die schulische Personalentwicklung (vgl. Meetz, 2007) beschränkt sich in den Schulen meist auf die einzelnen Lehrkräfte. Lehrkräfte sehen nicht, dass auch andere Kolleginnen und Kollegen von ihrem Wissen profitieren könnten. Darüber hinaus werden die eigenen Kollegen oftmals nicht als Experten anerkannt. Die beiden Fallstudienschulen
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unterstützen explizit die Bedeutung der individuellen Wissensgewinnung. Darüber hinaus haben die Lehrkräfte sich gegenseitig als Experten anerkannt. Wenn Lehrkräfte an spezifischen Fortbildungen teilgenommen haben, war es obligatorisch, die entsprechenden Kolleginnen und Kollegen ihrerseits fortzubilden. “InIndividual development is central to their processes of organizational learning, rather than a by product or an ancillary activity” (Kruse & Louis, 2000, S. 36 f.). Hanson (2001) widmet sich der Frage der Wissensaneignung in Organisationen. Hierbei bezieht er sich auf die theoretischen Arbeiten von Huber (1991) (vgl. auch Kapitel 2.1). Nach Huber stehen Organisationen fünf Möglichkeiten der Wissensaneignung zur Verfügung: 1. die Übernahme von Wissen und Konzepten von ähnliche Organisationen, z. B. anderen Schulen in der Region, 2. Lernen durch eigene Erfahrungen, z. B. durch Evaluation und Reflektion schulischer Projekte, 3. Lernen durch Beobachtung der schulischen Umwelt, 4. das Lernen durch die Einstellung neuer Lehrkräfte, die über spezifische Fähigkeiten verfügen, die für die Schule relevant sind, und 5. das Lernen durch die gezielte Suche von Informationen in der schulischen Umwelt. Diese Formen der Wissensaneignung lassen sich den drei Quellen des Wissens zuordnen: Das Lernen durch die Einstellung von Lehrkräften mit einem spezifischen, für die Schule interessanten Profil lässt sich der ersten Wissensquelle, dem individuellen Wissen der Organisationsmitglieder, zuordnen. Das Lernen durch Erfahrung sowie auch die gezielte Suche nach Informationen kann der Wissensquelle durch die Bearbeitung schulspezifischer Probleme zugeordnet werden. Während die Übernahme von Wissen und Konzepten durch ähnliche Organisationen dem Expertenwissen zuzuordnen ist. Das Lernen durch Beobachtung kann sowohl der spezifischen Problemlösung als auch dem Expertenwissen zugeordnet werden. Neben der Aneignung des Wissens beschreibt Hanson (2001) im Kontext des organisationalen Gedächtnisses (vgl. Dimension 2) die Evidenz des individuellen Wissens der Organisationsmitglieder für Organisationales Lernen. Die Qualität des organisationalen Gedächtnisses hängt seiner Meinung nach entscheidend von der Qualität des intellektuellen Kapitals, bestehend aus dem kumulierten Wissen der Organisationsmitglieder, ab. “The quality of an organization’s accumulated body of intellectual capital is by and large dependent on its human capital, that is, the experience, skills, education, and motivation of its employees” (Hanson, 2001, S. 657).
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Silins, Mulford, Zarins und Bishop stellen die Verbindung der beiden Dimensionen 2 und 3 anschaulich dar. “The challenges these groups faces require significant development of their collective, as well as their individual, capacities” (Silins, Mulford, Zarins & Bishop, 2000, S. 268). Sie verweisen auf eine Fallstudie von Sheppard und Brown (1999) an zwei kanadischen Highschools, die Schlüsselfaktoren für erfolgreiche Veränderungsprozesse identifiziert haben. Ein Schlüsselfaktor ist demnach die Einsicht jeder einzelnen Lehrkraft, sich selbst als kontinuierliche Lerner zu sehen und entsprechende Maßnahmen zu einer professionellen Entwicklung des Kollegiums einzuleiten. Auch Larson-Knight kommt bei ihrer qualitativen Studie an drei Grundschulen in Ontario zu dem Ergebnis, dass die professionelle Entwicklung der Lehrkräfte ein wichtiger Faktor zum Aufbau einer Kapazität Organisationalen Lernens ist (vgl. Larson-Knight, 2000). Die Befunde zur Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ lassen sich wie folgt zusammenfassen: Wissen ist die Basis für Organisationales Lernen. Im Rahmen von Organisationalem Lernen gilt es, das vorhandene Wissen aus den verschiedenen Quellen optimal zu nutzen und weiterzuentwickeln. Des Weiteren ist die Durchlässigkeit des Wissens für Organisationales Lernen von zentraler Bedeutung. 4. Dimension „Führung“ Der Führung der Schule kommt beim Aufbau einer Kapazität Organisationalen Lernens eine zentrale Rolle zu. Marks und Louis machen deutlich, dass die Führung in Schulen zum Aufbau einer Kapazität von Organisationalem Lernen sich von der Führung herkömmlicher Schulen40 unterscheidet. Die Führung in einer Lernenden Organisation hat vor allem auch das Lernen selbst im Blick. Dies äußert sich durch eine eher dezentrale Form der Führung, die die Lehrkräfte bei anstehenden Reformprojekten unterstützt und motiviert (vgl. Leithwood, Jantzi & Fernandez, 1994). Dennoch bedeutet dies nicht, dass die Schulleitung keine starke Führungsrolle übernimmt. In Bezug auf die schulische Entwicklung führt sie klar zielbezogen und weist die Lehrkräfte regelmäßig auf die Bedeutung dieser Ziele für die eigene schulische Entwicklung hin. Darüber hinaus verweisen Marks und Louis auf Untersuchungen von Huberman und Miles (1984), die im Zuge von Neustrukturierungen festgestellt haben, dass erfolgreichen Schulen einen gewissen „Zug und Druck“ durch die Administration erfahren.
40 Sie beschreiben im Weiteren zwar die Führung in Schulen, die sich dem Organisationalen Lernen verpflichtet haben, aber eine genauere Differenz zur Führung in herkömmlichen Schulen beschreiben sie nicht.
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Weitere internationale Befunde zur Bedeutung von Führung für Organisationales Lernen Marks und Louis lehnen sich bei ihrem Verständnis von Führung an das Konzept der „transformationalen“ Führung von Leithwood an (vgl. Leithwood et al., 1994). Dieses Konzept ist gleichsam theoretisches Rahmenkonzept einiger Untersuchungen zum Thema Führung und Organisationales Lernen. Aus diesem Grund wird zunächst das Konzept des „transformational leadership“ von Leithwood im Rahmen der bereits in Dimension 1 beschriebenen Studie zur Veränderung von Unterrichts- und Lernprozessen in British Columbia von Leithwood, Jantzi und Steinbach (2000) dargestellt. Das Konzept der „transformationalen“ Führung kann nach Leithwood sowohl das individuelle als auch das kollektive Lernen in der Schule beeinflussen. Positive Effekte von transformationaler Führung haben sich bei einer Studie mit sechs Schulen, die große schulische Umstrukturierungen zu bewältigen hatten, gezeigt (vgl. Leithwood et al., 1994). Das Konzept besteht aus acht verschiedenen Dimensionen (vgl. Leithwood, Jantzi et al., 2000): 1. Die Schulleitung entwickelt für die Schule passende Ziele und Visionen und kommuniziert diese in der Schule. Die Ziele und Visionen geben eine Orientierung und Richtung. 2. Die Schulleitung unterstützt die Kooperation der Lehrkräfte, indem sie ihnen beim Prozess der Findung einer gemeinsamen Arbeitsbasis durch klare Werte und Ziele behilflich ist. 3. Die Schulleitung stellt hohe Erwartungen an die Professionalität der Lehrkräfte (z. B. in Bezug auf Einsatz neuer Methoden im Unterricht, die Rezeption Fachzeitschriften). Die Erwartungen sollen für die Lehrkräfte eine Motivation und Herausforderung darstellen. 4. Die Schulleitung kann als Vorbild in wichtigen zentralen Aspekten, die in Einklang mit den schulischen Zielen stehen, das Lernen der Schule stimulieren. 5. Die Schulleitung unterstützt die professionelle Entwicklung der Lehrkräfte durch Ressourcen und persönliche Beratung. 6. Die Schulleitung regt die Lehrkräfte an, ihre eigene Arbeit und vor allem die Annahmen über diese Arbeit zu überprüfen. Als weiterführendes Ziel sollen die Lehrkräfte überlegen, wie sie ihre Arbeit verbessern können. 7. Die Schulleitung legt ihr Augenmerk auf die Entwicklung einer positiven und förderlichen Schulkultur (vgl. Dimension 2). Durch die Artikulation der schulischen Ziele und Visionen sowie der eigenen Erwartungen und der Vorbildfunktion hat die Schulleitung auch einen Einfluss auf die Kultur der Schule.
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8. Die Schulleitung installiert Formen der Beteiligung und Mitwirkung der Lehrkräfte an wichtigen schulischen Entscheidungen in der Schule und räumt einzelnen Gruppen eigene Entscheidungsbefugnisse ein. In allen sechs Schulen der Studie von Leithwood, Jantzi und Steinbach (2000) hatten alle diese Dimensionen einen indirekten oder direkten Einfluss auf das Organisationale Lernen in der Schule. Auch in der bereits zitierten Meta-Studie von Leithwood, Leonard und Sharratt (2000) (vgl. Dimension 1) konnte ein Zusammenhang zwischen den acht o. g. Dimensionen und dem Organisationalen Lernen in der Schule festgestellt werden. Wobei die Lehrkräfte in den Interviews die Führungsdimensionen häufiger mit innerschulischen Faktoren assoziierten. Dies deutet darauf hin, dass Führung eher vermittelt auf Organisationales Lernen wirkt. Darüber hinaus beziehen sich Leithwood, Leonard und Sharratt (2000) auf Forschungsergebnisse, nach denen eine ideale Form der Führung aus einer Kombination einer unterrichtsbezogenen Führung, die „highly control oriented and narrowly focused on the core technology of curriculum and instruction“ (Leithwood, Leonard et al., 2000, S. 122) ist und aus Elementen der transformationalen Führung besteht. Es lassen sich dabei auch hohe Zusammenhänge zwischen Elementen der unterrichtbezogenen und der transformationalen Führung feststellen. Larson-Knight (2000) hat in ihrer Studie an drei Grundschulen den Zusammenhang von Führung, Schulkultur und Organisationalem Lernen untersucht. Auch sie orientiert sich bei ihrem Führungsverständnis und Leithwoods Konzept der „transformationalen“ Führung. In allen Schulen lassen sich Zusammenhänge zwischen Schulkultur, Führung und Organisationalem Lernen finden. Die wichtigsten Faktoren beim Zusammenhang von Schulkultur und Führung beziehen sich auf eine Unterstützung von Kooperationsstrukturen durch die Schulleitung, eine Unterstützung der Lehrkräfte beim Lernen, die Betonung der Bedeutung von Kooperation und der schulischen Visionen sowie die Vorbildfunktion der Schulleitung. Silins, Mulford, Zarins und Bishop (2000) haben neben Marks und Louis eine der wenigen quantitativen Untersuchungen zum Organisationalen Lernen in der Schule durchgeführt. Im Rahmen des LOLSO-Projekts haben sie an 96 Sekundarschulen den Einfluss von Führung auf Organisationales Lernen untersucht. Dabei haben sie ein Modell der „transformationalen“ Führung mit sechs Dimensionen (Visionen und Ziele, Kultur, Struktur, intellektuelle Stimulation, individuelle Unterstützung und hohe Leistungserwartungen) verwendet. Organisationales Lernen wird durch vier Dimensionen: kooperatives Klima, Eingehen von Initiativen und Risiko, Partizipation und die Personalentwicklung operationalisiert. In einem Pfadmodell auf Schulebene wurde der Einfluss interner und externer Faktoren, die Organisationales Lernen beeinflussen, berechnet. In dem ge-
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wählten Pfadmodell41 hat die „transformationale“ Führung einen starken positiven Einfluss. Durch die verschiedenen Dimensionen der Führung können 25 % der Varianz des Organisationalen Lernens aufgeklärt werden. Die Befunde zur Dimension „Führung“ lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Schulleitung kann durch Aspekte der transformationalen Führung (z. B. zielbezogene Führung, Partizipation der Lehrkräfte) und durch eine unterrichtsbezogenen Führung Organisationales Lernen fördern. 5. Dimension „Feedback und Rechenschaftslegung“ Marks und Louis (1999) betonen bei ihrer Studie den Zusammenhang zwischen Schulautonomie und Organisationalem Lernen. Man könnte auch sagen, die Schule braucht einen gewissen Entfaltungs- bzw. Gestaltungsraum, um sich selbst im Sinne einer lernenden Organisation zu entwickeln. Doch gewährte Gestaltungsräume verlangen auch nach einer Verantwortungsübernahme für diesen Raum. Diese Verantwortung betrifft sowohl die Schule als Ganzes als auch die einzelne Lehrkraft, die die Verantwortung für das Lernen ihrer Schülerinnen und Schüler übernimmt. Marks und Louis (1999) halten in diesem Zusammenhang zum Aufbau einer Kapazität Organisationalen Lernens eindeutige schulische Leistungsindikatoren und Leistungsanreize für unerlässlich. Entscheidend ist dabei, dass sowohl die Leistungsindikatoren als auch die Anreize vom gesamten Kollegium mitgetragen werden. Dies bedeutet aber auch, “if schools are to accept their collective responsibility for the outcomes of their work, they need the autonomy to determine locally meaningful standards” (Marks & Louis, 1999, S. 715). Newman King und Ridgon (1997) haben im Rahmen der gleichen Studie den Zusammenhang von Verantwortung und Organisationalem Lernen untersucht. Dabei haben sie festgestellt, dass Schulen, die über eine hohe Fähigkeit Organisationalen Lernens verfügen, eher eigene Standards entwickeln, während Schulen mit starken externen Standards eher über eine geringe Kapazität des Organisationalen Lernens verfügen. Weitere internationale Befunde zur Bedeutung von Feedback und Rechenschaftslegung für Organisationales Lernen Stringfield (2000) kommt in seiner Meta-Analyse zum Organisationalen Lernen im Kontext aktueller Reformerfordernisse zu dem Ergebnis, dass für verlässliche 41 Vor der Pfadanalyse wurden die Dimensionen der transformationalen Führung und des Organisationalen Lernens mithilfe einer konfirmatorischen Faktorenanalyse als latente Dimension abgebildet (vgl. Kapitel 6.2). Aus den vier Dimensionen des Organisationalen Lernens und den sechs Dimensionen der transformationalen Führung wurde anschließend jeweils ein Faktor zweiter Ordnung gebildet. Diese sind anschließend als manifeste Variablen im Pfadmodell verwendet worden.
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und dauerhafte Reformen Schulen gewisse Grundvoraussetzungen benötigen, die im Zusammenhang mit Organisationalem Lernen stehen. Zwei dieser Grundvoraussetzungen beziehen sich auf den Bereich Feedback und Rechenschaftslegung. “Highly reliable organizations must constantly rely on the professional judgements of all their team members” (Stringfield, 2000, S. 269). Die Lehrkräfte an solchen Schulen überprüfen regelmäßig die Lernfortschritte der Schülerinnen und Schüler. Diese Überprüfung ist gleichzeitig mit einem Feedbacksystem an die Schülerinnen und Schüler verbunden. Sie bekommen im Unterricht Zeit eingeräumt, auf Basis des Feedbacks an ihren Lernfortschritten zu arbeiten. Der zweite Aspekt bezieht sich auf das Schulmonitoring; “In HROs, monitoring is mutual without counterproductive loss of overall autonomy and confidence” (Stringfield, 2000, S. 270). Eine professionelle Arbeit mit dem Ziel, diese auch gut und korrekt zu machen, fordert ein regelmäßiges Feedback zur Erreichung der gesetzten Ziele. Teamlernen kann durch eine Fokussierung auf das Schülerlernen unterstützt werden. Eine zielgerichtete Evaluation wird in einer Kultur des gemeinsamen Lernens und der Verbesserung, nicht als Eingriff in die eigene Autonomie verstanden. Auch Louis und Kruse (2000) betonen die Bedeutung von Feedback und Rechenschaft. Vor allem die untersuchte Middle School verfügte über eine Reihe von Aktivitäten zur Evaluation der eigenen Arbeit. “For example, there is an Evaluation Committee, whose responsibility is to collect longitudinal data about the school’s performance” (Kruse & Louis, 2000, S. 29). Da der Schule die Informationen des Distrikts über ihre eigene Leistung nicht ausreichten, beschloss sie, ihre eigenen Instrumente und Leistungsstandards zu entwickeln. “The teacher developed these standards for assessing performance in interdisciplinary groups – it was considered an important development for teachers to understand and contribute to what constituted a high or low level of performance in mathematics, even if the teacher was not a math teacher” (Kruse & Louis, 2000, S. 30). Diese Standards wurden von verschiedenen Teams mithilfe von Tests immer wieder überprüft und weiterentwickelt, sodass letztendlich die ganze Schule an der Entwicklung beteiligt wurde. Die Lehrkräfte an beiden Schulen verstehen einander und arbeiten gemeinsam an der Entwicklung ihrer Schule. Darüber hinaus sorgen sie auch für ein gemeinsames Verständnis der Bewertung einzelner Sachverhalte, etwa dazu, welche Bedeutung welcher Standard für die ganze Schule hat. Insgesamt wird deutlich, dass das Feedback und die Rechenschaftslegung vor allem mit drei der anderen Dimensionen eng zusammenhängen: Standards und Kriterien beziehen sich immer auf die schulischen Ziele und sind somit komplementär zur den gemeinsamen Erwartungen und Zielen der zweiten Dimension. Darüber hinaus wird durch Evaluation gezielt neues Wissen über die Leistungsfähigkeit der Organisation geschaffen. Somit gibt es eine enge Verbindung zur dritten Dimension „Wissen und Fertigkeiten“. Die letzte Verbindung wird durch
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die Verantwortung hergestellt. Verantwortungsübernahme ist Teil professioneller Gemeinschaften. Ebenso ist Verantwortung ein Teil von Partizipation und Mitbestimmung. Die Befunde zur Dimension „Feedback und Rechenschaftslegung“ lassen sich wie folgt zusammenfassen: Schulen übernehmen im Rahmen von Organisationalem Lernen Verantwortung für ihre eigene Entwicklung. Doch für die Übernahme von Verantwortung benötigen Schule Indikatoren, anhand derer sie ihre Leistung überprüfen und gezielt weiterentwickeln können. Dafür entwickeln sie Standards, die sie intern evaluieren. Ergänzt werden die Daten der internen Evaluation durch externe Information über den Entwicklungsstand der Schule. 6. Dimension „Lehrerpartizipation“ Lehrerpartizipation bezieht sich auf die Mitwirkung der Lehrkräfte bei schulweiten Entscheidungen; Mitwirkung an Entscheidungen einerseits, die die Lehrkräfte selbst unmittelbar betreffen, und anderseits Mitwirkung an Entscheidungen in Bezug auf Unterricht und Schülerlernen. Doch Marks und Louis verstehen darunter mehr als Partizipation: auch ein Maß an Freiräumen und Verantwortung. Allerdings bezieht diese Verantwortung sich nicht auf den Einzelnen, sondern auf eine Gruppe, also auf eine kollektive Form von Entscheidungsfreiräumen. Durch Partizipation kann die kollektive Energie des Kollegiums für die Schule genutzt werden. Die Lehrkräfte fühlen sich ernst genommen und beteiligen sich demzufolge eher an der schulischen Entwicklung. In anderen Studien hat sich ein mittlerer Grad an Autonomie als besonders wirksam herausgestellt (vgl. Louis & Marks, 1998). “Student achievement is enhanced when teachers help to set mid-level school policies related to the improvement of teaching and learning – policies with a range broader than a single classroom yet narrower than the management of school operations” (Marks et al., 2000, S. 243).
Darüber hinaus verweisen Marks und Louis auf die Studie von Leithwood, Leonard und Sharratt (2000), die vermuten, dass eine Partizipation der Lehrkräfte auf Distrikt und Schulebene zu einer höheren Problemlösefähigkeit des Kollegiums führt und die Lehrkräfte stärker an den Bedürfnissen der Schule interessiert sind. Marks, Louis und Printy (2000) folgern mit Bezug auf Rait (1995), dass Lehrkräfte, die auf Schulebene sich in der Weiterentwicklung und Reflexion der Schule engagieren, dies auch auf ihre eigene Arbeit und ihren Unterricht übertragen.
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Weitere internationale Befunde zur Bedeutung von Lehrerpartizipation für Organisationales Lernen Die Dimensionen des Organisationalen Lernens sind interdependent. Bei der Partizipation bedeutet dies, dass eine gelebte schulische Partizipation sich auch in entsprechenden Strukturen (vgl. Leithwood, Jantzi et al., 2000, Dimension 1) widerspiegelt. Schulische Mitwirkung von Lehrkräften funktioniert nicht ohne eine Schulleitung, die wie nach dem Konzept der transformationalen Führung die Beteiligung der Lehrkräfte fördert (vgl. Larson-Knight, 2000; Leithwood, Jantzi et al., 2000, Dimension 4; Leithwood, Leonard et al., 2000; Silins et al., 2000). Da schulische Partizipation und Mitbestimmung als kollektiver Prozess zu verstehen ist, funktioniert diese auch nicht ohne ein gemeinsames Verständnis von Schule und ohne Kooperation (vgl. Hanson, 2001; Kruse & Louis, 2000; Larson-Knight, 2000; Leithwood, Leonard et al., 2000; Louis & Leithwood, 2000). Auch bei Louis und Kruse (2000) zeigt sich ein positiver Zusammenhang von Partizipation und Organisationalem Lernen. In der Elementary School ist die Rolle der Schulleitung bei der Partizipation deutlich sichtbar und bestätigt die These von Marks und Louis, dass ein mittlerer Grad an Autonomie Organisationales Lernen fördert. Die Lehrkräfte haben ihre klar definierten Freiräume in Bezug auf das Lehren und Lernen. Sie können außerdem neue Sachen ausprobieren. Doch bei einigen schulpolitischen Belangen bezieht die Schulleitung die Lehrkräfte zwar insofern mit ein, dass sie nach deren Meinung fragt, doch sie selbst behält sich das Recht vor, alleine die endgültige Entscheidung zu treffen. Dies wird von den Lehrkräften akzeptiert, sie fühlen sich ernst genommen, und die Entscheidungen der Schulleitung werden als transparent und fair erlebt. Die Freiheiten auf der Unterrichtsebene werden darüber hinaus als Unterstützung der eigenen Arbeit gesehen. In der Middle School zeigt sich ein Beispiel für kollektive Freiräume, vergleichbar mit dem Konzept der Gestaltungsautonomie (vgl. Rolff, 1993). Die Schule ist – wie bereits in der zweiten Dimension geschildert – in Jahrgangsteams der sogenannten Familien organisiert. “One of the key features of the Okanagon Way is that families are responsible for making decisions about their own organization und functioning” (Kruse & Louis, 2000, S. 31). “Even within school-wide projects each family is given the decision-making power to model the project to fit their students’ learning styles” (Kruse & Louis, 2000, S. 30). Hier wird deutlich, dass sich die Freiräume auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler beziehen. Doch zeigt das Beispiel dieser Schule auch, dass neben der kollektiven Partizipation und Mitwirkung in Teams und Gruppen eine schulweite Partizipation notwendig ist. Wie in der dritten Dimension schon beschrieben wurde, führte diese Struktur der Fachteams auch zu einer Fragmentierung. Die Lehrkräfte selbst betonen ein Nebeneinander von der Partizipation in den Fachteams und deren Entscheidungsfreiräumen sowie einer schulweiten Be-
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teiligung, damit sich die Teams nicht zu sehr verselbstständigen und die Schule als Ganzes auch im Blick der einzelnen Lehrerinnen und Lehrer steht. Silins, Mulford, Zarins und Bishop (Silins et al., 2000) beziehen sich in ihrer Studie auf eine Untersuchung von Brown (1999) mit 21 Sekundarschulen im Nordwesten von England und Wales. Die Schulen wurden in Typen eingeteilt. Der Typ, in dem die Lehrkräfte von einer hohen Arbeitszufriedenheit und Motivation sprechen, lässt sich neben anderen Faktoren des Organisationalen Lernens auch durch eine breite Partizipation der Lehrkräfte kennzeichnen. Auch in ihrer eigenen Studie kommen sie zu dem Ergebnis, dass eine Partizipation der Lehrkräfte, gemessen am Grad der Mitwirkung und Entscheidung, einen wenn auch indirekten Einfluss, vermittelt über das aktive Engagement der Lehrkräfte und der Schulautonomie sowie der Wertschätzung der Lehrkräfte, auf Organisationales Lernen hat (vgl. Silins et al., 2000). Dies bestätigt auch die These von Marks und Louis (1999), dass ein Mehr an Mitbestimmungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten der Lehrkräfte auch zu einem höheren Engagement der Lehrkräfte für schulweite Belange führt. Ebenso bestätigt sich, dass die Lehrkräfte durch eine entsprechende Partizipation und Teilhabe sich in der Schule mehr wertgeschätzt fühlen und auch der Autonomie der Schule positiver gegenüberstehen. Die Befunde zur Dimension „Lehrerpartizipation“ lassen sich wie folgt zusammenfassen: Organisationales Lernen wird durch ein hohes Engagement der Lehrkräfte gefördert. Partizipationsmöglichkeiten der Lehrkräfte an zentralen Entscheidungen sowie an der Entwicklung der Schule beeinflussen deren Engagement. Darüber hinaus fördert ein gewisses Maß einer kooperativen Autonomie die Arbeit in professionellen Lerngemeinschaften. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die sechs Dimensionen von Marks und Louis (1999) bzw. Marks, Louis und Printy (2000) und deren inhaltliche Aspekte auch in anderen Studien zum Organisationalen Lernen genannt werden und somit zu einer Validierung der jeweiligen Aspekte beitragen. Dennoch können die wenigen vorliegen Studien, bei denen es sich zumeist um qualitative Studien mit geringen Fallzahlen handelt, nur Hinweise geben, welche Aspekte als Elemente Organisationalen Lernens in der Schule gelten. Nach der Systematik von Leithwood und Louis (2000) wurden zwei der eingangs erwähnten Probleme zum Organisationalen Lernen in der Schule bearbeitet. Einerseits wurde das Kontextproblem bearbeitet, indem sich die dargestellten Befunde auf die konkrete Erforschung von Organisationalem Lernen in Schulen beziehen, und anderseits das Evidenzproblem, in dem überwiegend empirische Befunde zum Organisationalen Lernen in der Schule referiert wurden. Darüber hinaus wurde in Teilen auch das Strategieproblem bearbeitet, indem Zusammenhänge und konkrete förderliche Bedingungen zum Aufbau einer schulischen Ka-
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pazität Organisationalen Lernens aufgezeigt wurden (z. B. bei Organisationalen Lernens förderlichen Strukturen und Führungsverhalten oder der Kooperation im Rahmen professioneller Gemeinschaften). Dennoch kann diese Problembearbeitung nur Mosaiksteine zu einer großen Landkarte der „terra incognita“ des Organisationalen Lernens in der Schulen liefern, bei der bisher nicht viel mehr als grobe Konturen zu erkennen sind. Aus diesem Grunde wird versucht, im Laufe dieser Arbeit und vor allem im Rahmen des empirischen Teils, anhand der drei skizzierten Problemfelder weitere weiße Flecken diese Karte aufzudecken.
2.2.3 Integratives Modell der Kapazität Organisationalen Lernens 42 in Schulen Nachdem nun sowohl der deutschsprachige als auch der internationale Forschungsstand zum Organisationalen Lernen in der Schule dargestellt wurde, wird nun zur Beantwortung von Forschungsfrage 1.1 ein integratives Modell vom Organisationalen Lernen in der Schule vorgestellt, das als Grundlage für diese Arbeit dient. Bei einem Vergleich der Gemeinsamkeiten des deutschsprachigen Forschungsstandes mit den hier beschriebenen Dimensionen des internationalen Forschungsstandes zeigen sich deutliche Übereinstimmungen: Alle Ansätze gehen als Bezugsrahmen für Organisationales Lernen explizit oder implizit von der Einzelschule als Gestaltungseinheit und von Schulentwicklungsprozessen aus und setzen damit verbunden ein Maß an Handlungsautonomie der Schule voraus. Darüber hinaus wird als gemeinsames Element von Organisationalem Lernen die Kooperation bzw. Teamarbeit und eine damit einhergehende Partizipation der Lehrkräfte angesehen. Voraussetzung für eine solche Kooperation sind gemeinsame Ziele, Normen und Werte sowie eine entsprechend lernförderliche Organisationskultur und -struktur. Das integrative Modell (vgl. Abb. 9) stellt eine Weiterentwicklung des Modells von Marks, Louis und Printy (2000) dar, das um die bereits dargestellten Erkenntnisse aus nationalen und internationalen Studien ergänzt wird. Darüber hinaus wird eine Dimension „Austausch mit der schulischen Umwelt“ hinzugefügt. 1. Dimension „Organisationsstruktur“ Die Struktur einer Organisation hat einen großen Einfluss auf ihre Lernfähigkeit. Organisationales Lernen benötigt Strukturen, die einen Austausch über neue Informationen und Wissen innerhalb der Schule ermöglichen und erfordern.
42 Dieser Abschnitt wurde in einer ähnlichen Form von Feldhoff, Kanders und Rolff (2008) veröffentlicht.
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Abbildung 9: Sieben Dimensionen der Kapazität Organisationalen Lernens
Lernförderliche Organisationsstrukturen bieten Lehrkräften genügend Zeit und Raum für eine Kooperation und Abstimmung untereinander. Sie erzeugen Interdependenzen zwischen den Lehrkräften durch die Einrichtung institutioneller Kooperationsstrukturen wie Klassen-, Fach- oder Jahrgangsteams und Konzepten gemeinsamer Klassenführung bzw. des Teamteachings. Organisationsstrukturen schaffen Rahmenbedingungen, die die Arbeit der Lehrkraft und der Schule als Ganzes unterstützen. Dazu gehören auch Strukturen, die dem Kollegium Mitwirkungsmöglichkeiten bei wichtigen Entscheidungen einräumen. Neben der Kooperation in einzelnen Teams ist besonders in großen Schulen eine schulweite Vernetzung für Organisationales Lernen von großer Bedeutung. Sie sorgt dafür, dass eine Kooperation und ein Austausch von Wissen zwischen den Teams erfolgt. Steuergruppen können als institutionalisierte Teams diese Aufgaben übernehmen. 2. Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ Die zweite Dimension spricht vor allem kulturelle Aspekte des Organisationalen Lernens an. Für Organisationales Lernen ist die Bewertung und Entscheidung über die Relevanz von Informationen und wie diese in der Organisation genutzt werden von großer Bedeutung. Solche Entscheidungen sind Produkte sozialer Prozesse in der Interaktion von Organisationsmitgliedern, die einen großen Einfluss auf die organisationale Nutzung von Wissen haben. Sie helfen den Lehrkräften, die Anschlussfähigkeit und Angemessenheit neuen Wissens in der Organisation zu testen und ggf. auch herzustellen. Organisationales Lernen wird als
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ein sozialer Prozess der Verarbeitung von Informationen verstanden mit dem Ziel, organisationales Wissen zu erzeugen. Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen innerhalb der Schule begünstigen die Übernahme von Wissen. Durch einen Austausch und die Einigung über gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen wird eine Anschlussfähigkeit der Wissensbestände hergestellt und eine Orientierung gegeben, welches Wissen relevant ist. In Verbindung mit Kooperation fördern gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen die Gewinnung, Verbreitung und Weiterentwicklung schulrelevanten Wissens. Durch ihre spezifischen Eigenschaften sind professionelle Lerngemeinschaften besonders geeignet, bestehendes Wissen weiterzuentwickeln und neues Wissen zu integrieren. Sie verleihen Schulen darüber hinaus eine Stabilität im Veränderungsprozess. Diese Stabilität erfolgt durch dauerhafte Beziehungen der Mitglieder untereinander sowie Normen, Werte und Routinen. Diese Routinen und Normen sind auf Veränderungen und die professionelle Entwicklung der einzelnen Lehrkräfte und der Schule als Ganzes ausgerichtet. Somit erzeugen sie eine Stabilität der Veränderung. Neues Wissen als Produkt einer gemeinsamen Interaktion der Organisationsmitglieder wird im organisationalen Gedächtnis der Organisation gespeichert und bildet die Grundlage für spätere Entscheidungen. Das organisationale Gedächtnis besteht u. a. aus Verhaltensregeln, mentalen Karten, Normen und Werten. 3. Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ Die Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ schließt unmittelbar an die Wissensverarbeitung der zweiten Dimension an bzw. geht ihr voraus. Zwei Aspekte sind in dieser Dimension zentral: die Nutzung und Weiterentwicklung von Quellen des Wissens und die Durchlässigkeit des Wissens. Schulen stehen drei verschiedene Quellen des Wissens zur Verfügung: 1. das individuelle Wissen der einzelnen Schulmitglieder, 2. Wissen, das durch die Lösung von Problemen innerhalb der Schule selbst erzeugt wird, 3. externes Wissen, das außerhalb der Schule generiert wird (z. B. durch Wissenschaft, Best Practice anderer Schulen, Administration). Im Rahmen von Organisationalem Lernen gilt es durch eine systematische Personalentwicklung diese drei Quellen so gut wie möglich zu nutzen. Dabei sollte eine Balance zwischen der Nutzung und Erweiterung bereits bestehender Wissensbestände und der Generierung und Integration neuen Wissens erfolgen. Durch Personalentwicklungsmaßnahmen kann vor allem das individuelle Wissen weiterentwickelt werden. Die Qualität des organisationalen Gedächtnisses hängt maßgeblich von der Qualität der Summe des individuellen Wissens einer Organisation ab. Aber auch externes Expertenwissen wird über Fort- und Weiter-
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bildungsmaßnahmen in die Schule transferiert. Darüber hinaus können pädagogische Tage gezielt schulischen Problemen und der gemeinsamen Erzeugung von Problemlösungswissen gewidmet werden. Der zweite Aspekt, die Durchlässigkeit des Wissens, sorgt für eine Wissensverbreitung innerhalb der Schule. Voraussetzung ist eine Offenheit des Kollegiums gegenüber neuem Wissen. Hier spielt das Verlernen von bisherigem überholtem Wissen und Handlungsroutinen einen Schlüsselprozess. Dieses Verlernen wird durch eine kritische Überprüfung des bestehenden Wissens gefördert. Die Innovationsbereitschaft bildet einen Indikator für die Durchlässigkeit des Wissens, der die Offenheit gegenüber Neuem mit der kritischen Prüfung des Bestehenden vereint. 4. Dimension „Führung und Management“ Das Organisationale Lernen in den einzelnen Dimensionen kann durch zwei zentrale Akteure in der Schule gefördert werden: der Schulleitung und der schulischen Steuergruppe. Die Schulleitung beteiligt die Lehrkräfte bei wichtigen Entscheidungen und unterstützt sie bei Initiativen und Projekten. Sie agiert als Stimulator des Kollegiums und kümmert sich um die Belange von Reformen und Entwicklungen. Aber auch die Artikulation von Visionen und Zielen sowie deren Verfolgung ist eine wichtige Aufgabe der Schulleitung im Rahmen von Organisationalem Lernen. Des Weiteren ist die Schulleitung für das Management der Schule verantwortlich. Sie sorgt für einen reibungslosen Ablauf des Schulbetriebs und beschafft zusätzlich die nötigen Ressourcen, damit die Schule optimal arbeiten kann. Neben diesen Aspekten einer transformationalen Führung konzentriert sich die Schulleitung auch auf das Kerngeschäft der Schule: den Unterricht. Im Rahmen einer unterrichtsbezogenen Führung spricht sie mit Lehrkräften über die Qualität von Unterricht, unterstützt diese bei Problemen und besucht regelmäßig deren Unterricht. Neben der Schulleitung kann die Steuergruppe das Organisationale Lernen als Change Agent schulischer Entwicklungsprozesse fördern. Dabei nutzt sie vor allem folgende fünf Instrumente (vgl. Kapitel 3.3): 1. Die Schulentwicklungsprozesse sind nur durch das Engagement des Kollegiums möglich. Steuergruppen beteiligen das Kollegium möglichst stark und frühzeitig an den Entwicklungsprozessen. 2. Die Steuergruppe sorgt über ein aktives Informations- und Wissensmanagement für eine schulweite Kommunikation und Transparenz als Basis für den Wissensaustausch und den Aufbau organisationalen Wissens. 3. Steuergruppen beraten und unterstützen mit ihrem Know-how im Bereich Schulentwicklung die Lehrkräfte und Arbeitsgruppen.
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4. Steuergruppen sind im Rahmen ihres Mandats für den gesamten Schulentwicklungsprozess verantwortlich. Ihre Aufgabe besteht darin, als „Boundary Spanner“ die einzelnen Projekte und Maßnahmen zu koordinieren und zu einem Ganzen zusammenzufügen. 5. Begrenzt auf ihre Zuständigkeit stellt die Steuergruppe klare Anforderungen an die Arbeitsgruppen und weist diese auf die in der Lehrerkonferenz und den Arbeitsgruppen gemeinsam vereinbarten Ziele hin. 5. Dimension „Qualitätssicherung, Zielüberprüfung und Feedback“ Schulen übernehmen im Rahmen von Organisationalem Lernen Verantwortung für ihre eigene Entwicklung und Arbeit. Doch um Verantwortung und Rechenschaft zu übernehmen, brauchen Schulen ein klares Feedback und Indikatoren, anhand derer sie ihren Entwicklungsstand und ihre Zielerreichung überprüfen können. Organisationen benötigen Feedback, um lernen zu können. Je eindeutiger und vollständiger die Informationen sind, desto förderlicher ist das Feedback für Organisationales Lernen. Der Aufbau einer schulinternen Evaluation im Rahmen eines Qualitätssicherungssystems ermöglicht es, ein entsprechendes Feedback in der Schule selbst zu erzeugen. Die Schulen entwickeln auf Basis ihrer Ziel- und Wertvorstellungen (Dimension 2) ihre eigenen Standards, die sie dann selbst überprüfen. In einer Kultur der Offenheit dient eine interne Evaluation nicht als Kontrolle, sondern als professionelle Unterstützung des schulischen Lernprozesses und der Entwicklung. Schulen benötigen darüber hinaus Feedback von ihrer Umwelt (z. B. externe Evaluation) über Aspekte, die sie selbst nicht sehen (blinde Flecken) oder die sie selbst nur schwer erfassen können. Allerdings müssen Schulen lernen, wie sie dieses externe Feedback sinnvoll interpretieren und Konsequenzen aus diesem für die eigene Entwicklung und das Lernen ziehen. 6. Dimension „Austausch mit der schulischen Umwelt“ Organisationen sind für ihren Erfolg darauf angewiesen, eine möglichst gute Passung zu ihrer Umwelt herzustellen. Das externe Feedback, das in der Dimension „Qualitätssicherung und Zielüberprüfung“ angesprochen wurde, kann wichtige Informationen liefern. Doch der Austausch mit der schulischen Umwelt geht über ein solches Feedback hinaus. Schulen können sich verschiedener Strategien bedienen, um eine möglichst gute Passung zur Umwelt herzustellen: Über einen gezielten Austausch mit anderen Schulen oder Einrichtungen kann die Schule Informationen über die eigene Schule erhalten, neues Wissen generieren, aber auch die schulische Umwelt mitgestalten. An diesem letzten Punkt schließt ein proaktives Verhalten der Organisation an. Die Schule versucht nicht nur, sich selbst zu ändern, sondern auch die Umwelt durch verschiedene Maßnahmen im Sinne der Schule zu beeinflussen. Eine weitere Strategie ist das aktive Scannen der Umwelt nach relevanten Informationen.
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7. Dimension „Partizipation der Lehrkräfte“ Organisationales Lernen ist ein Prozess auf der Ebene der Schule, an dem möglichst alle Organisationsmitglieder beteiligt sein sollten. Eine Partizipation der Lehrkräfte auf der Schulebene führt zu einer höheren Problemlösefähigkeit des Kollegiums und steigert das Interesse und die Bereitschaft der Lehrkräfte, an der Entwicklung der Schule mitzuwirken. Beteiligung wird in zweierlei Hinsicht verstanden: 1. Eine Mitgestaltung der Schule durch das Kollegium im Sinne der Gestaltungsautonomie, bei dem sich das Kollegium aktiv an der Gestaltung der Schule und an wichtigen Entscheidungen beteiligt. 2. Eine Gewährung von Spielräumen und Freiheiten, z. B. um neue Konzepte im Unterricht zu erproben. Diese Freiräume beziehen sich aber nicht auf die individuelle Autonomie der Lehrkräfte, sondern auf die korporative Autonomie im Sinne professioneller Lerngemeinschaften.
2.2.4 Organisationales Lernen im Modellvorhaben 43 „Selbstständige Schule“ Nach der Beantwortung der Forschungsfrage 1.1 mit der Entwicklung eines Modells der Kapazität des Organisationalen Lernens wird an dieser Stelle der Zusammenhang zwischen dem Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ Nordrhein-Westfalen, dem Verständnis der Begleitforschung (Kapitel 1.2) und dem Modell einer Kapazität des Organisationalen Lernens hergestellt. Die Abbildung 10 zeigt noch einmal den Bezugsrahmen der Begleitforschung zur Selbstständigkeit. Sie soll das komplexe Zusammenspiel der verschiedenen Akteure, Strukturen und Rahmenbedingungen verdeutlichen. Im Mittelpunkt des Modells steht die Einzelschule. Sie entwickelt, orientiert an ihren beiden Leitkonzepten der Profession und der Organisation (vgl. Kapitel 1.2 und Kapitel 3.3), eine entsprechende Organisationsstruktur und -kultur, die sich – unterstützt durch Schulleitungs- und Steuergruppenhandeln (vgl. Kapitel 2.2.3, Kapitel 3.3) – im Idealfall in einer Kapazität Organisationalen Lernens ausdrückt (vgl. Marks & Louis, 1999; Marks et al., 2000). Dabei befindet sich die Schule immer in einem wechselseitigen Verhältnis zum einen gegenüber politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, zum anderen gegenüber dem direkten schulischen Umfeld. Bei einer entsprechenden Kapazität Organisationalen Lernens wird davon ausgegangen, dass die Schule in einem intensiven Austausch mit ihrem Umfeld steht 43 Dieser Abschnitt wurde in einer ähnlichen Form von Feldhoff, Kanders und Rolff (2008) veröffentlicht.
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Abbildung 10: Gewährung und Nutzung schulischer Freiräume
und sich entsprechend den Bedingungen anpasst bzw., wenn möglich, auch versucht, auf die Rahmenbedingungen des Umfeldes Einfluss zu nehmen. Die Kapazität des Organisationalen Lernens müsste sich in einer Selbststeuerungsfähigkeit der Schule und in entsprechenden Maßnahmen der Schulentwicklung in den Bereichen Personal-, Organisations- und Unterrichtsentwicklung zeigen (vgl. Rolff, 1998). Des Weiteren müsste die Kapazität des Organisationalen Lernens über die professionelle Entwicklung der Lehrkräfte den Unterricht positiv beeinflussen. Das Modellvorhaben stellt im Rahmen der Verordnung „Selbstständige Schule“ (VOSS) den Schulen entsprechende Freiräume zur erweiterten Selbstständigkeit zur Verfügung (vgl. Kapitel 1.3.) und unterstützt die Schulen durch zusätzliche Finanzmittel, umfangreiche Fortbildungen, Beratungsangebote und neue Unterstützungsstrukturen auf regionaler Ebene. Die Kapazität Organisationalen Lernens und die entsprechenden Unterstützungsangebote müssten auch einen positiven Einfluss auf die schulische Nutzung der Handlungsspielräume haben.
3 Schulische Steuergruppen als Agenten des Wandels
In diesem Kapitel wird der zweite theoretische Schwerpunkt dieser Arbeit, schulische Steuergruppen, näher beleuchtet. Haben Weick und Westley (1996) bzw. Leithwood und Louis (2000) im Kontext des Organisationalen Lernens die „überschaubare“ Zahl an Forschungsbefunden kritisch angemerkt und mehr fundierte theoretische und vor allem empirische Beiträge gefordert (vgl. Kapitel 2.2), so gilt dies für den Gegenstandsbereich der schulischer Steuergruppen umso mehr. Mit den strengen Kriterien von Leithwood und Louis (2000) kann man sogar zu dem Schluss kommen, dass es eigentlich so gut wie keine Forschung zu schulischen Steuergruppen gibt. Positiv gewendet, stellen die wenigen vorliegenden Arbeiten einen ersten Schritt auf dem Weg zur Erforschung des Phänomens schulischer Steuergruppen dar, den es weiter fortzusetzen gilt (vgl. Holtappels, 2007). Ein Grund für die geringe Aufmerksamkeit, die schulische Steuergruppen seitens der Forschung bisher erfahren haben, könnte darin liegen, dass „Steuergruppen […] in der Schulentwicklung ein spezielles Phänomen im deutschsprachigen Raum zu sein“ (Holtappels, 2007, S. 11) scheinen. Somit ist die Forschung auch primär in diesem Raum zu suchen. Darüber hinaus handelt es sich bei schulischen Steuergruppen um noch recht junge Akteure. Steuergruppen wurden erstmals im Rahmen des Institutionellen Schulentwicklungs-Programms von Dalin und Rolff (1990) zu Beginn der 1990er-Jahre erwähnt. Seitdem spielen Steuergruppen bei Schulentwicklungs- und Organisationsentwicklungsprozessen zunehmend eine bedeutsame Rolle (vgl. Rolff, 2007). Dies belegen zumindest für Deutschland mittlerweile auch Studien: Daten der nationalen Ergänzung der IGLU-Studie 2006 (Bos et al., 2007) zeigen, dass 41 % der Grundschulen in Deutschland eine Steuergruppe besitzen (vgl. Berkemeyer & Feldhoff, 2009). Für den Sekundarschulbereich zeigt eine Umfrage des Dortmunder „Instituts für Schulentwicklungsforschung“ aus dem Jahr 2006, dass in den vorangegangenen zwei Jahren 40 % aller Sekundarschullehrkräfte in Deutschland in Steuergruppen (oder Äquivalenten) mitgearbeitet haben (vgl. Kanders & Rösner, 2006). Doch hat sich die Forschung, trotz dieser Beliebtheit und Bedeutung in der Schulpraxis, bis auf die verdienstvollen konzeptionellen und programmatischen T. Feldhoff, Schule organisieren, DOI 10.1007/978-3-531-93384-9_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
3.1 Konzeptionelle und theoretische Beiträge zu schulischen Steuergruppen
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Beiträge von Rolff u. a. (vgl. Dalin & Rolff, 1990; Messner & Altrichter, 1998; Rolff, 2001, 2007) kaum diesem Gegenstand zugewandt. Steuergruppen wurden zumeist nur als eine Maßnahme von vielen im Rahmen von Schulentwicklungsvorhaben und -prozessen gesehen und auch thematisiert (vgl. Horster, 1998; Krainz-Dürr, 1999; Schley, 1998; Schratz & Steiner-Löffler, 1998). Darüber hinaus waren diese Beiträge eher darauf ausgerichtet, neue Konzepte für die Schulpraxis und Schulverwaltung zu entwickeln, denn (grundlagen)theoretische Erkenntnisse zu generieren. Das Kapitel verfolgt das primäre Ziel, ein Modell zu entwickeln, mit dem sich Steuergruppen als Change Agent schulischer Entwicklungs- und Veränderungsprozesse beschreiben lassen (vgl. Forschungsfrage 2). Mit Fokus auf dieses Ziel hin werden zunächst die programmatisch-konzeptionellen und theoretischen Beiträge zu Steuergruppen vorgestellt (Kapitel 3.1). Im Anschluss daran werden die wenigen empirischen Befunde referiert, sofern sie einen Beitrag zu Beschreibung und/oder Erklärung der Rolle von Steuergruppen bei Entwicklungs- und Veränderungsprozessen leisten (Kapitel 3.2). Zum Abschluss wird auf Basis der referierten Erkenntnisse und Befunde zu schulischen Steuergruppen sowie zum organisationalen Wandel (Kapitel 2) und der Organisationsanalyse von Schulen (Kapitel 1) ein Modell von Steuergruppen als Change Agent schulischer Entwicklungs- und Veränderungsprozesse vorgestellt (Kapitel 3.3).
3.1 Konzeptionelle und theoretische Beiträge zu schulischen Steuergruppen Die konzeptionellen Grundlagen von Steuergruppen beziehen sich vor allem auf die Pionierarbeiten von Dalin und Rolff (1990) im Rahmen des Institutionellen Schulentwicklungs-Programms44 bzw. Schulentwicklungs-Prozesses45 (ISP). Beim ISP handelt es sich um ein programmatisches und konzeptionelles Werk, das sich auf langjährige Erfahrungen mit und Beratung von Schulen stützt. Diese Arbeiten zu Steuergruppen wurden später von Rolff (2001, 2007) weiterentwickelt. Daher bezieht sich die Darstellung primär auf die Ausführungen zu Steuergruppen im ISP bzw. von Rolff (2001, 2007). Sie wird ergänzt durch Praxiserfahrungen und kritische Einschätzungen von Messner und Altrichter (1998), Fischer (1998), 44 Eine Darstellung des Institutionellen Schulentwicklungs-Programms (ISP) findet sich in Kapitel 2.2.1. 45 Nach der ersten Veröffentlichung wurde das Institutionelle Schulentwicklungs-Programm in den weiteren Auflagen in „Institutioneller Schulentwicklungs-Prozess“ (Dalin et al., 1998, S. 7) umbenannt, um „das Nicht-Lineare, Prozessuale, die Flexibilität und die Lernoffenheit des ISP zu betonen“ (ebd., S. 7).
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3 Schulische Steuergruppen als Agenten des Wandels
Kleingeist-Poensgen (1998), Becker und Tomas (2001) sowie durch theoretische Beiträge von Holtappels (2007) und von Berkemeyer, Brüsemeister und Feldhoff (2007; 2008). Um die besondere Konstruktion von Steuergruppen zu verstehen, wird zu Beginn die Geschichte und Entstehung von schulischen Steuergruppen im Rahmen des ISPs dargestellt (Kapitel 3.1.1). Im Anschluss steht die Frage im Mittelpunkt, wie schulische Steuergruppen sich beschreiben lassen: hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und Einrichtung (Kapitel 3.1.2) und hinsichtlich ihrer Aufgaben und Funktionen bei Veränderungsprozessen (Kapitel 3.1.3). Ferner hat die Verortung und Verankerung von Steuergruppen in der Schule Auswirkungen auf ihr Handeln in Schulentwicklungs-Prozessen (Kapitel 3.1.4). Um ihre Aufgaben zu erfüllen, benötigen Steuergruppen Qualifizierungen (Kapitel 3.1.5). Den Abschluss bildet ein Fazit zu den konzeptionellen und theoretischen Beiträgen (Kapitel 3.1.6).
3.1.1 Geschichte und Entstehung von Steuergruppen Das Institutionelle Schulentwicklungs-Programm (ISP) kann mit Bezug auf die Governance-Analyse von Berkemeyer, Brüsemeister und Feldhoff (2007) als der „institutionelle[n] Gründungsakt von Steuergruppen“ (Berkemeyer et al., 2007, S. 72) interpretiert werden. Steuergruppen nehmen bei Dalin und Rolff eine zentrale Rolle innerhalb ihres Organisationsentwicklungskonzeptes ein; „Die Steuergruppe ist der Angelpunkt und vielleicht auch das Herz des ISP“ (Dalin et al., 1998, S. 68), denn sie „steuert den Prozess, sie erhält als Erste die Hilfe des Beraters“ (ebd.). In diesem Zitat wird deutlich, dass das ISP ein Konzept im Sinne der klassischen Organisationsentwicklung (vgl. French & Bell, 1999, Kapitel 2.1) ist, bei dem Schulentwicklungs-Prozesse mithilfe eines externen Beraters initiiert und begleitet werden. Dies ist für die Entstehung von Steuergruppen ein entscheidendes Element. Denn nach Berkemeyer, Brüsemeister und Feldhoff (2007) kann die Einrichtung von Steuergruppen im Rahmen des ISPs als eine Reaktion auf ein vorgefundenes Problem bei der Initiierung eines schulischen Organisationsentwicklungsprozesses interpretiert werden. Für den von Dalin und Rolff angestrebten Organisationsentwicklungsprozess ist ein schulischer Ansprechpartner für den externen Berater vonnöten. Dieser Ansprechpartner soll zum einen die Organisation nach außen im Kontakt zu dem Berater vertreten und zum anderen innerhalb der Organisation den Beratungsprozess initiieren und koordinieren. Doch hierfür kommt weder die Schulleitung als alleiniger Vertreter noch das Kollegium einer Schule als Ganzes in Frage. Die Begründung dafür liefern Dalin und Rolff selbst:
3.1 Konzeptionelle und theoretische Beiträge zu schulischen Steuergruppen
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„Das ISP benötigt eine Steuergruppe, weil s mehr Kompetenz gefordert ist, als ein, zwei Personen aufweisen s er nur bei demokratischer Arbeitsweise gelingen kann s sich Eigentumsvorstellungen über die Schulleitung hinaus verbreitern müssen und vor allem, weil s das Lernen in und mit einer Gruppe eine außerordentlich wichtige Kompetenz für die Arbeit in Organisationen ist und die Steuergruppe damit Beispiel-Funktion übernimmt s viele unterschiedliche Aktivitäten zu koordinieren sind“ (Dalin et al., 1998, S. 174).
Diese Aufzählung enthält klassische Elemente organisationalen Wandels, wie sie sich in Konzepten der Organisationsentwicklung, des Organisationalen Lernens und des Change Managements finden lassen (vgl. Kapitel 2). Veränderungsprozesse sind auf Mitwirkung und Partizipation der Beteiligten bzw. Betroffenen angewiesen. Aus diesem Grund kommt die Schulleitung46 als alleiniger Ansprechpartner und Verantwortlicher für den Organisationsentwicklungsprozess nicht in Frage. Des Weiteren ist mit der Einrichtung von Steuergruppen auch eine breit angelegte Kollegiums- und Teamentwicklung verbunden. Das Kollegium als Ganzes kommt aufgrund seiner Größe für Dalin und Rolff nicht in Frage. Mit Verweis auf Snyder und Anderson (1986) sowie Staehle (1989) sprechen sie von einer idealen Gruppengröße von fünf bis acht Mitgliedern. Doch wie sollte eine Steuergruppe im Rahmen von Schulentwicklungsprozessen, wie dem ISP, zusammengesetzt sein, und welche Aufgaben und Funktionen erfüllt sie dabei?
3.1.2 Zusammensetzung und Einrichtung von Steuergruppen Für Dalin und Rolff (1990) ist mit der Einrichtung einer Steuergruppe auch eine Verankerung des Schulentwicklungsprozesses im Kollegium verbunden. Für eine solche Verankerung ist es bedeutsam, dass die Steuergruppe „durch Wahl oder durch Delegation der Lehrerkonferenz“ (Dalin et al., 1998, S. 58) legitimiert wird. Darüber hinaus sollten „alle Strömungen des Kollegiums darin vertreten sein und die Schulleitung ebenfalls“ (ebd.). Die „repräsentative“ Zusammensetzung verfolgt das Ziel, die Schule als Gesamtheit innerhalb der Steuergruppe abzubilden, um so eine möglichst breite Basis und Zustimmung für den geplan46 Formal gesehen ist die Schulleitung nach außen und nach innen für die Leitung der Schule und somit auch für den Bereich der Schulentwicklung verantwortlich. „Auch wenn die STG über Prozesskompetenz und ein Mandat des Kollegiums verfügt, liegt doch die Gesamtverantwortung weiterhin beim Schulleiter bzw. der Schulleiterin“ (Rolff, 2001, S. 20).
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3 Schulische Steuergruppen als Agenten des Wandels
ten Entwicklungsprozess im Kollegium zu erreichen. Durch die Mitgliedschaft der Schulleitung in der Steuergruppe sollen die Planung und Implementation von Maßnahmen vereinfacht werden und Informationsverluste zwischen den für den Entwicklungsprozess verantwortlichen Akteuren minimiert werden. Darüber hinaus erhoffen sich Dalin und Rolff durch die Anwesenheit der Schulleiterin bzw. des Schulleiters eine „unmittelbare Mitwirkungs- und Reaktionsmöglichkeit, die Realisierbarkeit von Plänen der Steuergruppe kalkulierbar und damit erfolgreicher macht“ (Dalin et al., 1998, S. 73).
Doch sehen sie auch das Konfliktpotenzial, das durch so eine besondere Konstruktion der Steuergruppe mit einer Doppelmitgliedschaft der Schulleitung entstehen kann. Dieses Konfliktpotenzial wird zu einem späteren Zeitpunkt im Kontext der Verankerung und Verortung von Steuergruppen (Kapitel 3.1.4) eingehender beschrieben. Einer wohl möglichen „optischen“ Dominanz der Schulleitung innerhalb der Steuergruppe treten sie dadurch entgegen, dass die Rolle der Sprecherin bzw. des Sprechers der Steuergruppe von einem Kollegiumsmitglied übernommen wird (ebd.).
3.1.3 Aufgaben und Funktionen von Steuergruppen Die Beschreibung der Aufgaben und Funktionen erfolgt zum einen anhand der Darstellung von Dalin und Rolff (1990) im Rahmen des ISPs und zum anderen anhand der Darstellung von Holtappels (2007) im Rahmen seines Beitrages zu Schulentwicklungsprozessen und Change Management.
Aufgaben und Funktion von Steuergruppen im Rahmen des ISPs Der Auftraggeber des ISPs ist das Lehrerkollegium. Das Kollegium delegiert die weitere Ausführung an die Steuergruppe. Die Steuergruppe hat nun die Aufgabe, den von der „Lehrerkonferenz verabschiedeten Rahmen [zu] konkretisieren“ (Dalin et al., 1998, S. 67). Die Hauptaufgabe der Steuergruppe liegt in der Steuerung des ISPs, also der Schulentwicklung. Hier unterscheiden sich Steuergruppen von anderen schulischen Arbeits- und Projektgruppen. Dabei hat die Steuergruppe über den gesamten Prozess hinweg verschiedene Aufgaben und Funktionen inne, bei deren Erfüllung sie auf Techniken des Projektmanagements zurückgreift. „Zu den Funktionen der Steuergruppe gehören: s Arbeit als zentrales schulweites Gremium s Kooperative Planung
3.1 Konzeptionelle und theoretische Beiträge zu schulischen Steuergruppen
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s Erfahrungsaustausch s Koordination aller Einzelaktivitäten s Unterstützung einzelner Arbeitsgruppen s Inhaltliche Diskussion s Entscheidung über Prozessfragen s Abklärung s Information aller Mitglieder der Schule und Dokumentation des Projektes“ (Dalin et al., 1998, S. 59).
Diese Liste wurde in einer späteren Veröffentlichung von Rolff (2001) noch um folgende Punkte ergänzt: s Unterstützung und Koordination von Konzepten der Unterrichtsentwicklung s Initiierung und Begleitung von interner Evaluation in der Schulen s Koordinierung des Qualifizierungsbedarfs der Schule, der sich aus den anstehenden Schulentwicklungsaufgaben ergibt Dabei ist die Steuergruppe besonders in den ersten Phasen des ISPs gefordert. In der Phase der gemeinsamen Diagnose ist sie u. a. an der Problemformulierung beteiligt. Darüber hinaus entscheidet sie mit, welche Daten gesammelt werden. Die gesammelten Daten werden dann anschließend von ihr ausgewertet und aufbereitet, bevor sie sie auf einer Feedbackkonferenz, die sie ebenfalls vorbereitet, dem Kollegium präsentiert. In der zweiten und dritten Phase der Zielklärung und -vereinbarung sowie der Maßnahmenplanung moderiert und steuert die Steuergruppe den Prozess und koordiniert die Arbeitsgruppen, die die Aktionspläne entwickeln. Die Koordinationsfunktion der Arbeitsgruppen ist wichtig für den Schulentwicklungsprozess. Die Steuergruppe kann hier den Prozess „aus einer gewissen Vogelperspektive“ (Becker & Tomas, 2001, S. 14) betrachten, da „die Fäden der Schulentwicklung mit den Informationen aus den thematischen Arbeitsgruppen bei ihr zusammenlaufen“ (ebd., S. 14). Mit Verlauf des Entwicklungsprozesses steigt für Dalin und Rolff die Bedeutung der Steuergruppe. „Zugespitzt könnte man sagen, dass mehr noch als die Schule die Steuergruppe der Motor der Entwicklung ist: Denn es ist die Steuergruppe, in der sich ein Wandel der Schulkultur anbahnt, d. h. des Selbstverständnisses aller in der Schule Arbeitenden und die Qualität der persönlichen Beziehungen wie der Arbeitsbeziehungen. In der Steuergruppe fallen Denken und Handeln zusammen“ (Dalin et al., 1998, S. 174).
Hier wird deutlich, dass mit dem ISP auch ein kultureller Wandel der Schule erfolgen soll. In diesem Kontext hat die Steuergruppe zwei Aufgaben, die Kollegi-
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ums- und Teamentwicklung. Die Kollegiumsentwicklung verfolgt das Ziel einer Professionalisierung des Kollegiums in Methoden und Techniken der Schulentwicklung. Dalin und Rolff beziehen sich u. a. auf eine Untersuchung von Goodlad (1984), nachdem Lehrkräfte für Innovationen kaum geeignet qualifiziert sind. Doch diese Professionalisierung geht über die Vermittlung von Methoden und Techniken hinaus. Durch die neuen Aufgaben soll sich auch die Kultur der Schule von einer fragmentierten hin zu einer „Problemlöseschule“ verändern. Die Schule als Organisation und Orientierungspunkt gerät mehr in den Blickpunkt der Lehrkräfte. Dalin und Rolff verweisen in diesen Zusammenhang auf die Aufdeckung und Veränderung mentaler Modelle (vgl. Senge, 1996, Kapitel 2.1) als eine Möglichkeit des kulturellen Wandels in der Schule. Die Steuergruppe kann in der Diagnosephase, aber auch in den Arbeitsgruppen helfen, die mentalen Modelle in der Schule zu hinterfragen und dabei den Prozess zum Aufbau gemeinsamer mentaler Modelle unterstützen (vgl. Dalin et al., 1998). Auch Fischer betont die Funktion der Steuergruppe bei der „systembezogenen Selbstreflexion“ (Fischer, 1998, S. 27). Mit diesem Wandel der Schulkultur ist auch eine andere Form der Kooperation verbunden. Diese betont die Teamentwicklung. Die schulische Kooperation soll von einer gefügeartigen Kooperation hin zu einer teamartigen Kooperation transformiert werden (vgl. Dalin & Rolff, 1990; Rolff, 1993, Kapitel 1.2). Die Steuergruppe hat für beide dieser Aspekte eine gewisse Vorreiter- und Vorbildfunktion für das Kollegium, indem sie sich selbst durch ihre Arbeit in der Steuergruppe professionalisiert und zum anderen sich selbst mit Unterstützung des Beraters47 als Team entwickelt. Darüber hinaus soll sie ihre neu erworbenen Kenntnisse und Fähigkeit an Kolleginnen und Kollegen in den Arbeitsgruppen weitergeben und diese bei ihrem Teamentwicklungsprozess unterstützen. Somit betreibt die Steuergruppe selbst eine aktive Personalentwicklung durch Fortbildung und Beratung. In der Implementierungsphase ändert sich die Rolle der Steuergruppe. War sie bei der Diagnose, Zielvereinbarung und Planung durch ihr integratives Moment unentbehrlich, so empfehlen Dalin und Rolff die Übernahme der führenden Rolle bei der Implementation durch die Schulleitung. Denn sie trägt qua Amt die Verantwortung für die Schule. Die Steuergruppe könne nicht die Verantwortung für die Implementierung übernehmen. Doch liege die Entscheidung hierfür bei der jeweiligen Schule48. Je nach Kultur und den spezifischen Gegebenheiten ei47 In späteren Veröffentlichungen spielt der externe Berater für die Steuergruppe kaum eine Rolle. Seine Aufgaben werden durch Qualifizierungsmaßnahmen übernommen. Allerdings werden Steuergruppen teilweise im Anschluss an die Qualifizierung weiterhin von einem Coach begleitet (vgl. Rolff, 2001; Rolff & Schley, 2004). 48 Auch wenn die Gesamtverantwortung bei der Schulleitung liegt, übernimmt die Steuergruppe in späteren Veröffentlichungen von Rolff (2001, 2007) auch eine aktive Rolle bei der Implementation.
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ner Schule sind auch andere Optionen denkbar; die Steuergruppe bleibt in ihrer Funktion und leitet auch die Implementation der Schulentwicklungs-Programme. Der Vorteil dieser Variante liegt darin, dass die Planung und Ausführung in einer Hand bleiben und die von der Steuergruppe im Laufe des Prozesses erworbenen Fähigkeiten auch wertvoll für die Implementationsphase sind. Als Nachteil könnte sich der hohe zeitliche Aufwand der komplexen Projekte erweisen, der zu einer hohen Belastung der Lehrkräfte führen kann. Zumal die wenigsten Steuergruppenmitglieder Entlastungsstunden erhalten. Ferner sind mit der Implementierung viele Entscheidungen verbunden, die die dauerhafte Struktur und auch Kultur der Schule betreffen. Insofern berühren diese Entscheidungen den Aufgabenbereich der Schulleitung, sodass bei dieser Variante ein gutes Verhältnis von Schulleitung und Steuergruppe eine wichtige Voraussetzung ist. Die Schulleitung muss für einen erfolgreichen Verlauf des ISPs die Steuergruppe deutlich unterstützen. Dies betont auch Kleingeist-Poensgen in ihren Erfahrungen als Begleiterin einer Steuergruppe bei einem Schulentwicklungsprozess, bei dem genau diese eindeutige Unterstützung fehlte (vgl. Kleingeist-Poensgen, 1998). Eine weitere Option besteht darin, die Verantwortung für die Implementation an ein Leitungsteam oder eine erweiterte Schulleitung zu übergeben. Doch in so einem Fall könnte sich die Steuergruppe „fallen gelassen fühlen“ (ebd., S. 251). In der letzten Phase wird die Evaluation zunächst von den Schulentwicklungsmoderatoren durchgeführt. Doch die Steuergruppe soll langfristig auch diese Funktion übernehmen.
Rolle, Funktionen und Aufgaben der Steuergruppen in Schulentwicklungsprozessen Auch Holtappels (2007) beschreibt die Rolle, Funktionen und Aufgaben der Steuergruppen in Schulentwicklungsprozessen in seinem Beitrag „Schulentwicklungsprozesse und Change Management“. Dabei nutzt er sein Modell49 des Change Managements (vgl. Kapitel 2.1) als übergeordneten Rahmen, um die Rolle, Funktionen und Aufgaben von Steuergruppen darin zu verorten. Nach Hall (1989) erzielen Schulleitungen durch die Zusammenarbeit mit Unterstützungskräften, wie z. B. sogenannte „change facilitating teams“, die nach Holtappels mit Steuergruppen vergleichbar sind, Erfolge bei Veränderungsprozessen. Holtappels verweist auf die Bedeutung von Steuergruppen für die „Infrastruktur der Arbeitsorganisation und den Innovationsprozess in Schulen“ (Holtappels, 2007, S. 28) bei Dalin und Rolff (1990) und Fullan (1993). Die Hauptaufgabe von Steuergruppen sieht Holtappels in Anlehnung an das ISP in der „Information und Dokumentation über/von Schulentwicklungsprozessen, dem Auf49 Das Modell von Holtappels wurde ausführlich in Kapitel 2.1 beschrieben.
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3 Schulische Steuergruppen als Agenten des Wandels
bau von Teamstrukturen, der strukturierenden Vorarbeit und Unterstützung von Arbeitsgruppen sowie der Koordination, Moderation und Lenkung von Innovationsprozessen“ (Holtappels, 2007, S. 28). Dabei übernehmen Steuergruppen Steuerungsaufgaben im Rahmen der Architektur lernender Organisationen im Bereich der Arbeitsorganisation und Prozesssteuerung (vgl. Rolff, 1998, Kapitel 2.2.1). Somit übernehmen Steuergruppen neben der Schulleitung auch Steuerungs- und Managementaufgaben, doch diese beschränken sich auf einen begrenzten Raum, der der Steuergruppe von der Lehrerkonferenz per Mandat zugebilligt wird. Ein weiterer Unterschied zur Schulleitung liegt darin, dass sich die Aufgaben der Steuergruppe nur auf Schulentwicklungsprozesse beziehen. Für diese Aufgaben benötigt die Steuergruppe selbst entsprechendes Fach- und Prozesswissen. Wie schon im ISP beschrieben, betreibt die Steuergruppe selbst Teamentwicklung und versteht sich als eine Art professionelle Lerngemeinschaft. Neben der Steuerung und Koordinierung kann die Steuergruppe die Schulleitung bei ihrer Arbeit entlasten. Dabei kann sie drei verschiedene Entlastungsfunktionen erfüllen (vgl. Holtappels, 2007): 1. Entlastung als Vorbereitungs- und Beratungsgremium, 2. Entlastung durch die Übernahme von Aufgaben, 3. Entlastung durch „Vermittlung zwischen Schulleitung und Kollegium durch Nähe zur Lehrerschaft und geleistete Übersetzungsarbeit“ (ebd., S. 29). Zusammenfassend beschreibt Holtappels vier grundlegende Funktionen von Steuergruppen (vgl. Abb. 11): „Prozesssteuerung und Koordination s Koordination der Arbeit von Arbeitszirkeln, Fachteams oder Jahrgangsteams s Organisation der Prozessablaufs in Schulprogrammarbeit oder Unterrichtsentwicklung s Moderation in Planungs- und Entscheidungsprozessen und Vermittlung bei Konflikten s Controlling bezüglich der Zieleinhaltung oder Programmumsetzung Wissensmanagement, Information und Dokumentation s Dokumentation des Entwicklungsprozesses s Analyse von Organisationsproblemen, Prozessverläufen etc. s Besorgen von Materialien oder Praxisbeispielen s Transfer von praxisrelevanten Forschungserkenntnissen Beratung und Unterstützung s Aufbau von Teamstrukturen s Begleitung von Projekten, Hilfe für Arbeitszirkel (z. B. bei Evaluation, Unterrichtsentwicklung) s Unterstützung der Schulleitung (z. B. bei Personalentwicklung, Konzeptentwicklung) Expertenfunktion in Schulorganisation und Change Management
3.1 Konzeptionelle und theoretische Beiträge zu schulischen Steuergruppen
s s s s
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Vorbereitungsarbeit durch Pläne und Entwicklung von Konzepten Organisation von Fortbildung Durchführung und Auswertung von Evaluation Analyse von Datenrückmeldungen und Lernstanderhebungen“ (ebd., S. 29 f.).
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Die jeweiligen Aufgaben hängen allerdings immer von den in der Schule anstehenden Projekten und dem Mandat ab, das die Steuergruppe von der Lehreroder Gesamtkonferenz erhält. Auch Holtappels sieht mit der Rolle und den Aufgaben der Steuergruppe potenzielle Konflikte verbunden, wenn Lehrkräfte aus einer kollegialen und egalitären Rolle durch ihre Mitgliedschaft in der Steuergruppe und den damit verbundenen Aufgaben und Anforderungen in eine tendenziell eher hierarchische Steuerungsrolle wechseln. Dies sei vor allem dann zu erwarten, wenn die Schulkultur noch sehr durch ein Egalitätsparadigma geprägt ist, wie es in dem Autonomie-Paritäts-Muster (vgl. Lortie, 1975) und dem antihierarchischen Effekt (vgl., Krainz-Dürr, 2002) deutlich wird.
3.1.4 Verortung und Verankerung von Steuergruppen in der Schule Die Verortung und Verankerung von Steuergruppen in der Schule hat wesentlichen Einfluss auf ihre Arbeitsweise im Rahmen von Entwicklungsprozessen. Zunächst werden die Verankerung der Steuergruppe in der Schule und das Verhältnis von Steuergruppen zu anderen schulischen Gremien im Rahmen des ISPs
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und deren Weiterentwicklung von Rolff (2001, 2007) beschrieben. Danach erfolgt eine Verortung von Steuergruppen als intermediäre Akteure zwischen Organisation und Profession (Berkemeyer et al., 2007).
Verankerung der Steuergruppe in der Schulorganisation und Verhältnis der Steuergruppe zu den schulischen Gremien Dalin und Rolff betonen, dass die Steuergruppe „keine schulverfassungsmäßig verankerte Instanz“ (Dalin et al., 1998, S. 59) ist, sondern als temporäre Gruppe konzipiert wurde. Diesen temporären Charakter modifiziert Rolff allerdings in späteren Veröffentlichungen, indem er lediglich für einen kontinuierlichen Wechsel der Mitglieder plädiert (vgl. Rolff, 2001). Aufgrund der fehlenden Verankerung in der formalen Schulorganisation ist dieses Mandat von besonderer Bedeutung. Es umreißt die klaren Aufgaben und Befugnisse von Steuergruppen und verhindert Parallelstrukturen und eine Konkurrenz zu anderen schulischen Akteure oder Gremien. Dieses „Mandat sollte im Kern umfassen: s den klar definierten Auftrag, s die klar bezeichnete Entscheidungskompetenz, s den Zeithorizont und die Befristung des Auftrages und s die Berichtspflicht mit Aussagen über die Berichtsform“ (Rolff, 2001, S. 18).
Für Rolff (2001, 2007) besteht die formale Struktur der Schule in Form der Schulleitung, Fach-, Gesamt- und Schulkonferenz sowie Abteilungsleitungen an Berufskollegs weiterhin. Sie wird im Prinzip nur durch eine Infrastruktur der Schulentwicklung ergänzt (vgl. Abb. 12). Die Abbildung zeigt deutlich, dass Steuergruppen für den Schulentwicklungsprozess als Ganzes in der Schule im Rahmen ihres Mandats verantwortlich sind. Sie koordinieren die Arbeit von Arbeitsgruppen, die für spezifische Schulentwicklungsprojekte und -maßnahmen zuständig sind. Allerdings wird aus der Abbildung auch deutlich, dass die Arbeit der Steuergruppe sich auf den Schulentwicklungsprozess begrenzt. Für Projektgruppen und die Arbeit der Fachkonferenz ist weiterhin allein die Schulleitung zuständig und verantwortlich (vgl. Rolff, 2001). Die besondere Konstruktion der Steuergruppe mit der Schulleitung als Mitglied beinhaltet ein gewisses Konfliktpotenzial. „Die vom Kollegium in die Steuergruppe delegierten Lehrer stehen potenziell unter dem Verdacht, sich Leitungsbefugnisse aneignen zu wollen; die positionalen Leiter müssen fürchten, entmachtet zu werden“ (ebd., S. 183).
3.1 Konzeptionelle und theoretische Beiträge zu schulischen Steuergruppen
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Abbildung 12: Steuergruppe in der Aufbauorganisation der Schule („Innenarchitektur“) (nach Rolff 2007, S. 189)
An dieser Stelle wird die mikropolitische Dimension der Schule deutlich (vgl. Altrichter & Posch, 1996; Bolman & Deal, 1984). Sie beschreibt „Macht und Einfluss, Autorität und Kontrolle, Verteilung der knappen Ressourcen und Konflikte um Herrschaft und Teilhabe“ (Dalin et al., 1998, S. 79). Wie bereits in Kapitel 1 angedeutet, neigen Schulen zu einem Egalitätsprinzip. Sie stehen Hierarchien skeptisch gegenüber (vgl. Krainz-Dürr, 2002) und streben nach einem hohen Grad an individueller Autonomie. Lortie beschreibt dies in seinem Autonomie-Paritäts-Muster anschaulich (vgl. Lortie, 1975, vgl. Kapitel 1.2). Doch „[M]mit der Steuergruppe entsteht zwischenzeitlich eine neue – quasi hierarchische – Zwischenebene, aus der Machtperspektive gesehen“ (Dalin et al., 1998, S. 69). Auch Messner und Altrichter betonen, dass die Einführung von Steuergruppen das in Schulen bestehende „Autonomie-Paritäts-Gebot“ (Messner & Altrichter, 1998, S. 52) bedroht. Durch die Einrichtung von Steuergruppen werden Lehrkräfte über andere Lehrkräfte gestellt und somit das Gebot der Gleichheit aller Lehrkräfte aufgehoben. „Leitung darf in Schulen offenbar nur sein, wenn sie entweder gesetzlich legitimiert, von außen zugewiesen (d. h. auf Verwaltung beschränkt) ausgeübt wird oder wenn sie auf einer informellen Ebene heimlich-unheimlich stattfindet“ (ebd.).
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Messner und Altrichter zeigen verschiedene Konstellationen des Beziehungsdreiecks Schulleitung, Steuergruppe und Kollegium auf. Dabei darf sich die Steuergruppe einerseits nicht zu weit vom Kollegium entfernen, damit sie nicht als erweiterte Schulleitung wahrgenommen wird. Andererseits darf sie sich nicht zu einer Parallel- bzw. Konkurrenzstruktur zur Schulleitung entwickeln. Um diese Probleme zu überwinden und eine Balance im Beziehungsdreieck zu erreichen, sollte die Steuergruppe sich nach innen über die jeweiligen Kompetenzen der Steuergruppe und der Schulleitung austauschen und diese klären und sich nach außen um eine gute Kommunikation und ein möglichst hohes Maß Transparenz bemühen (vgl. Dalin et al., 1998; Messner & Altrichter, 1998). Sie sollte das Kollegium regelmäßig und ausführlich über anstehende Aufgaben informieren und aufkommende Konflikte aufgreifen und offen thematisieren. Darüber hinaus gilt es schon zu Beginn des ISPs, mithilfe klarer Kontrakte und Vereinbarungen die Rollen und Aufgaben der einzelnen Akteure Schulleitung, Steuergruppe und Kollegium zu klären. Denn nicht nur die Steuergruppe muss ihre Rolle als neues schulisches Gremium definieren, auch die Schulleitung muss für sich ihr Verhältnis zur und innerhalb der Steuergruppe klären. Denn die Steuergruppe wird von Seiten des Kollegiums intensiv beobachtet, inwiefern sie sich von der Schulleitung vereinnehmen lässt oder ob sie eher die Interessen des Kollegiums vertritt. Die Problematik wird auch in dem temporären Charakter der Steuergruppe deutlich. Hier scheint es, dass Dalin und Rolff sich in dem ISP zu diesem Aspekt noch nicht eindeutig positioniert haben. Denn an einer anderen Stelle betonen sie, dass es für ein Verstetigen von Veränderungen und deren Überführung in den Schulalltag von Vorteil ist, „ein Unterstützungssystem für Neuerungen aufzubauen, das fester Bestandteil der Schulorganisation wird. Dazu gehört z. B. die Einrichtung einer Steuergruppe“ (ebd., S. 263). Auf dem Weg zu einer Problemlöseschule erfolgt eine „Institutionalisierung der Institutionalisierung“ (ebd.) mit neuen dauerhaften Strukturen innerhalb der Schulorganisation (vgl. Kapitel 2.2.2). Dieser Widerspruch deutet darauf hin, dass Dalin und Rolff einerseits mit der Einrichtung von Steuergruppen die Schwäche der Organisation Schule bei Veränderungen und Entwicklungen erkannt haben und darüber hinaus die Notwendigkeit sehen, die Organisationsstruktur der Schule in diesem Bereich dauerhaft zu stärken. Andererseits sehen sie bei einer permanent bestehenden Steuergruppe die Gefahr von Parallelstrukturen in der Führungs- und Managementfunktion der Schule. Um dieser Gefahr vorzubeugen, schlagen sie vor, dass die Steuergruppe bei einem neuen Durchlauf des ISPs auch neu zusammengesetzt wird. Ein weiterer Vorteil dieser Neu-Zusammensetzung liegt darin, dass über mehrere Durchläufe des ISPs im Idealfall das gesamte Kollegium zu mindestens einem Zeitpunkt Mitglied der Steuergruppe war und somit durch die im Arbeitsprozess erworbenen Kompetenzen auch das gesamte Kollegium entwickelt wird.
3.1 Konzeptionelle und theoretische Beiträge zu schulischen Steuergruppen
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Somit wird die Steuergruppe im Sinne der Jobrotation auch als ein Instrument der Personalentwicklung50 verstanden.
Verortung von Steuergruppen als intermediäre Akteure zwischen Organisation und Profession Berkemeyer, Brüsemeister und Feldhoff (2007) beschreiben Steuergruppen als einen „intermediären“ Akteur, der ihrer Meinung zwischen den beiden Dimensionen Organisation und Profession steht und so die Fähigkeit besitzt, die „Aufgaben und Perspektiven der Organisation und Profession in der Schule wechselseitig füreinander ‚aufzuschließen‘“ (Hrvg. i. Org., Berkemeyer et al., 2007, S. 62). Um sich dieser Sichtweise zu nähern, beschreiben sie Steuergruppen zunächst anhand verschiedener Organisationstheorien51 und anhand zweier Mischansätze52; Organisationstheorien, die auch Professionsmerkmale berücksichtigen. Berkemeyer, Brüsemeister und Feldhoff (2007) kommen zu dem Schluss, dass sich Steuergruppen organisationstheoretisch verorten lassen. Die Mischansätze greifen ihrerseits zwar „ein Nebeneinander von Professions- und Organisationsmerkmalen“ (ebd.) auf, allerdings bleibt bei ihnen die Verbindung der beiden Ebenen relativ unklar. Weder beschreibt Weick (1976) das Verhältnis und Zusammenwirken loser und enger Kopplung genau, noch klärt Mintzberg (1992) eindeutig die Verbindung der Unterrichtsebene mit der Organisations- bzw. Verwaltungsebene mittels Interdependenzmanagement. Anschließend beschreiben die drei Autoren Steuergruppen aus professionstheoretischer Perspektive53. Aus professionstheoretischer Sicht besteht die Aufgabe von Steuergruppen nicht nur in der konkreten Lösung aktueller schulischer Probleme, sondern zuvorderst darin, das Problem selbst „aus verschiedenen Richtungen heraus argumentativ auszuleuchten“ (Berkemeyer et al., 2007, S. 70). So wird ein entsprechender Möglichkeitshorizont geschaffen, auf dessen Basis organisationale Entscheidungen getroffen 50 Dieser positive Entwicklungsgedanke von Dalin und Rolff, dass alle Kolleginnen und Kollegen im Laufe der Zeit einmal in einer Steuergruppe mitarbeiten, widerspricht einem Grundsatz der Personalentwicklung. Mitarbeitende sollen solche Aufgaben und Funktionen wahrnehmen, die ihren Fähigkeiten und Kompetenzen entsprechen (vgl. Meetz, 2007). Dabei ist nicht davon auszugehen, dass sich jede Lehrkraft gleichermaßen für die Arbeit in der Steuergruppe eignet. 51 Zum Beispiel der Entscheidungstheorie mit Bezug auf Berger und Bernhard-Mehlich (2002), Simon (1976), March und Simon (1958) und Luhmann (1995, 2000), der Agenturtheorie mit Bezug auf Ebers und Gotsch (2001), Langer (2005) und Schimank (2002a), der Managementtheorie mit Bezug auf Baecker (1999) und Luhmann und Schorr (1988). 52 Hierzu gehört der evolutionstheoretische Ansatz von Weick (1976, vgl. Kapitel 1.1; 1982) und der situationsbezogene Ansatz von Mintzberg (1992, vgl. Kapitel 1.1). 53 Für diese Beschreibung werden vor allem soziologische Ansätze mit Bezug auf Schimank (2002b), Schimank und Volkmann (1999), Heidenreich (1999), Lazega (2005), Brüsemeister (2004) und Kieserling (1999) genutzt.
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3 Schulische Steuergruppen als Agenten des Wandels
werden können. Die Sinnausleuchtung findet dabei in einer „closed community“ (vgl. Brüsemeister, 2004; Lazega, 2005), d. h. in einem quasi hierarchiefreien Raum statt, in dem Kommunikation nur über Argumente erfolgt. Nach dieser Betrachtung reiner Professionsansätze folgt eine Analyse der Schule auf der Basis von Mischansätzen54 der Professionsforschung, die auch organisationales Handeln berücksichtigen. Mit dieser Perspektive ist vor allem eine Kritik der Lehrkräfte an der organisationalen und vor allem auch bürokratischen Struktur der Schule verbunden. Wie in Kapitel 1.2 im Rahmen des Organisationsdefizits beschrieben, ist der Begriff Organisation bei vielen Lehrkräften negativ besetzt. Er wird oft mit Verwaltung, Bürokratie und zusätzlicher Belastung in Verbindung gebracht (vgl. Krainz-Dürr, 1999). Dagegen werden zumeist aus Unkenntnis die Vorteile von Organisationen nicht gesehen. Im Folgenden versuchen Berkemeyer, Brüsemeister und Feldhoff (2007), Steuergruppen als einen intermediären kollektiven Akteur (vgl. Schimank, 2002a) zu beschreiben, der genau zwischen den beiden Polen der Organisation und Profession liegt und dessen spezielle Konstruktion es ihm auch ermöglicht, beide Ebenen zu adressieren. Anhand der Entstehungsgeschichte von Steuergruppen im Rahmen des ISPs (vgl. Kapitel 3.1.1) zeigen sie auf, dass Steuergruppen von ihrer Grundkonzeption bereits Elemente der Profession und der Organisation enthalten. Die Einrichtung von Steuergruppen als neues schulisches Gremium ist demnach eine Reaktion der Organisation auf ein organisationales Defizit (vgl. Kapitel 1.2). Die Aufgabe der Steuergruppe besteht erst einmal in der Organisation von Außenkontakten zum externen Berater (vgl. Kapitel 3.1). Dadurch entsteht ein neues Gefüge, das sich aus Sicht der Steuergruppe in einem doppelten bzw. dreifachen Innen-Außen-Verhältnis beschreiben lässt (vgl. Abb. 13). Das erste Innen-Außen-Verhältnis wird aus dem Kontakt der Steuergruppe als Vertreter der Schule mit dem externen Berater definiert. Das zweite Verhältnis entsteht innerhalb der Schule zwischen der Steuergruppe und dem Kollegium, während das dritte Verhältnis innerhalb der Steuergruppe, zwischen der Schulleitung als Vertreter der Organisation und den restlichen Steuergruppenmitgliedern aus dem Kollegium als Vertreter der Profession, entsteht. Durch diese verschiedenen Innen-Außen-Verhältnisse entstehen aus steuerungstheoretischer Sicht (vgl. Lange & Braun, 2000) Differenzen55, z. B. zwischen Steuergruppe und Kollegium oder zwischen Berater und Steuergruppe. Die „Betonung von Differenz macht gleichzeitig deutlich, warum macht- und mikropolitische Beschreibungen für Steuergruppen Relevanz haben“ (Berkemeyer et al., 54 Zum Beispiel Klatetzki und Tacke (2005), Rumpf (1996), Scott (1971) oder Vogel (1977). 55 Durch die Bildung einer Gruppe aus dem Kollegium, in diesem Fall der Steuergruppe, grenzen sich Mitglieder aus einer größeren Gruppe, dem Lehrerkollegium, ab. Aus systemtheoretischer Perspektive entsteht so eine System-Umwelt-Differenz, die die Existenz dieser Systeme erst ermöglicht (vgl. Lange & Braun, 2000).
3.1 Konzeptionelle und theoretische Beiträge zu schulischen Steuergruppen
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2007, S. 73). Diese Beschreibungen haben ihrerseits einen deutlichen Zusammenhang zu den Kommunikationswegen schulischer Steuergruppen.
Abbildung 13: Strukturell angelegte Kommunikationswege schulischer Steuergruppen im Institutionellen Schulentwicklungs-Programm (ISP) (nach Berkemeyer et al., 2007, S. 74)
Mithilfe dieser Kommunikationswege beschreiben die Autoren die von Dalin und Rolff (1990) formulierten Konflikte und deuten sie als Probleme zwischen Organisation und Profession. Die skeptische Beobachtung der Steuergruppe durch das Kollegium, die Dalin und Rolff ja quasi als „Generalverdacht“ interpretieren, deuten sie als Reaktion der Profession „auf eine neu entstandene, die Profession ‚bedrohende‘ Organisation“ (Hrvg. i. Org., Berkemeyer et al., 2007, S. 73). Entscheidend aber ist, dass die Steuergruppe, bestehend aus der Schulleitung als Vertreter der Organisation, und den „übrigen“ Steuergruppenmitgliedern (den Lehrkräften) als Vertreter der Profession, den eben skizzierten Konflikt auf die nächste Ebene transformieren und innerhalb der Steuergruppe selbst bearbeiten. Die Bearbeitung dieses Interaktionskonfliktes zwischen einem Innen und Außen ist ein Merkmal der Organisation, während die problemorientierte Bearbeitung innerhalb der Steuergruppe in einer quasi „closed community“ als Professionsmerkmal gedeutet werden kann. Doch neben dieser eher konflikthaften Sichtweise auf die Konstruktion von Steuergruppen sehen die Autoren auch positive Aspekte: Steuergruppen fungieren als Transformationsagenturen, die die
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3 Schulische Steuergruppen als Agenten des Wandels
jeweiligen Perspektiven der Organisation und der Profession füreinander aufschließen. Ein zentrales Merkmal hierfür liegt in dem Nichteingebundensein in die formale schulische Hierarchie. Steuergruppen übernehmen problem- und projektbezogene Aufgaben. D. h. sie können bei ihrer Aufgabenbearbeitung einen engen Bezug zur Arbeit der Lehrkräfte haben, z. B. im Rahmen der Unterrichtsentwicklung. Doch durch ihre problemorientierte Bearbeitung mit einem engen inhaltlichen Fokus werden sie „nicht vorschnell mit Organisation identifiziert“ (ebd.) und somit mit einer Abwehrhaltung im Sinne des antihierarchischen Effekts konfrontiert. Das produktive Verhältnis zwischen Profession und Organisation kann sich auch in der Arbeit der Steuergruppe selbst ausdrücken. Die Steuergruppe kann, wie oben skizziert, Probleme zunächst in Form der Sinnausleuchtung explorieren und im Sinne der „closed community“ hierarchiefrei mittels der Strategie der besseren Argumente diskutieren. Sie nimmt sich dabei quasi „eine Auszeit vom Handlungsdruck in der Schule, um Orientierungswissen zu erarbeiten“ (ebd., S. 76). Diese professionsförmige Vorgehensweise dient allerdings der Generierung von Entscheidungswissen und -alternativen und somit der Vorbereitung von Entscheidungen als Merkmal von Organisationen. „Mit der Entwicklung von Orientierungs- und dann Entscheidungsalternativen sind Steuergruppen ein dynamisches, ‚intermediäres‘ Professions- und gleichzeitig Organisationsgefüge, das Kommunikation in einem oszillierenden Prozess teils entschleunigt, teils beschleunigt (vgl. Brüsemeister, 2004b)“ (ebd., S. 76 f.).
Diese Oszillationsfunktion kann ein wechselseitiges Verständnis bzw. eine Annäherung zwischen Profession und Organisation erzeugen. Durch ihr professionsförmiges Auftreten kann die Steuergruppe die Lehrkräfte von Vorteilen der Organisation überzeugen. Andererseits kann auch die Organisation im Sinne der Schulleitung von einer professionsförmigen Partizipation und Problemausleuchtung profitieren. Diese positive Deutung der Konstruktion von Steuergruppen soll jedoch nicht verdecken, dass die Konstitution auch die o. g. Konflikte beinhalten kann. Wie z. B. die Rolle der Schulleitung in der Steuergruppe, bei einem Versagen des professionsförmigen Austausches, immer noch als Drohpotenzial der Organisation, mittels Hierarchie die gesetzten Ziele zu erreichen, wirken kann. Dennoch könnte gerade in dieser Konstruktion auch ein großer Vorteil liegen. Mit Bezug auf das Principal-Agent-Schema der Agenturtheorie (vgl. Ebers & Gotsch, 2001) kann die Steuergruppe eine Vermittlerrolle zwischen der Schulleitung und dem Kollegium übernehmen. Durch die direkte Zusammenarbeit und Beobachtung der Schulleitung mit den in die Steuergruppe gewählten Vertretern des Kollegiums kann es zu einer gegenseitige Annäherung im Teamentwicklungsprozess kommen, in dem die beiden „Seiten“ der Profession und der Organisation im idealtypischen Fall produktiv voneinander lernen. Die Schullei-
3.1 Konzeptionelle und theoretische Beiträge zu schulischen Steuergruppen
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tung bekommt durch die Interaktion ein besseres Verständnis für Belange des Kollegiums, während die Lehrkräfte in der Steuergruppe eigene Erfahrungen mit Organisation sammeln, z. B. durch das Treffen von Entscheidungen. So hat jede „Seite“ in einem geschützten Raum der „closed community“ einen temporären Perspektivwechsel vorzunehmen. Berkemeyer, Brüsemeister und Feldhoff (2007) sehen die Leitungen der Steuergruppe vor allem in der Vermittlung. „In komprimierter Fassung lässt sich behaupten, dass die Stärke der Organisation in ihrer hierarchischen Ordnung sowie ihrer ‚nur‘ mittelbaren Themenbezogenheit liegt. Gegenläufig hierzu liegen ihre Schwächen und damit die Stärken der Profession: unmittelbarer Themenbezug und keine Hierarchie“ (Hrvg. i. Org. ebd., S. 79 f.).
Abbildung 14: Konstitutionsmerkmal schulischer Steuergruppen (Berkemeyer et al., 2007, S. 79)
Steuergruppen stehen ihrer Meinung nach intermediär also zwischen den beiden Elementen und können somit auch von beiden Stärken, allerdings auch Schwächen profitieren und sie situationsspezifisch produktiv nutzen (vgl. Abb. 14).
3.1.5 Qualifizierung schulischer Steuergruppen Steuergruppen übernehmen verschiedenste Aufgaben, die sich über ein breites Spektrum im Prozess der systematischen Entwicklung der Einzelschule erstrecken (vgl. Dalin & Rolff, 1990; Holtappels, 2007). Die Bewältigung dieser Auf-
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3 Schulische Steuergruppen als Agenten des Wandels
gaben stellt die Steuergruppenmitglieder vor komplexe Anforderungen. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die Steuergruppenmitglieder nicht von Beginn an die nötigen Kompetenzen zur Bewältigung dieser Anforderungen besitzen (vgl. Rolff, 2001; Rolff & Schley, 2004). Zwar gehört die Mitwirkung bei Prozessen der Schulentwicklung mittlerweile zum Anforderungsprofil von Lehrkräften, doch wurde vor allem diesem Aspekt in der Lehrerausbildung der 1. und 2. Phase bisher keine allzu große Bedeutung geschenkt (vgl. Berkemeyer & Schneider, 2006). Zudem sind die Anforderungen an die Steuerung und Koordinierung von Entwicklungsprojekten weitaus höher als jene der Mitwirkung bei diesen Prozessen. Daher lässt sich folgern, dass die „Steuergruppenmitglieder Management- und Koordinierungsaufgaben [übernehmen], die nicht genuin zum Tätigkeitsprofil und vor allem zum Ausbildungsprofil einer ‚normalen‘ Lehrkraft gehören“ (Feldhoff & Gebauer, 2008 S. 93).
Schon Dalin und Rolff (1990) wiesen in der Tradition der Organisationsentwicklung (vgl. Kapitel 2.1) darauf hin, dass Organisationsentwicklungsprozesse einer besonderen Qualifikation bedürfen. Mittlerweile sehen Schulentwicklungsprojekte in Deutschland, die auf Steuergruppen als zentrale innerschulische Akteure setzen (z. B. „Schule & Co“, Qualitätsentwicklung in Netzwerken, Modellvorhaben ‚Selbstständige Schule‘), die Notwendigkeit einer Qualifizierung schulischer Steuergruppen. Die Inhalte von Qualifizierungen basieren größtenteils auf Elementen des Projektmanagements, die um spezifische Aspekte, wie z. B. Aufgaben und Rollen von Steuergruppen oder Qualitätsarbeit und Evaluation, ergänzt werden (Feldhoff, 2007; Herrmann, 2000b). Die Qualifizierungsmaßnahmen werden meistens prozessbegleitend durchgeführt. Rolff und Schley (Rolff & Schley, 2004) halten eine Kopplung von zentraler Qualifizierung in Gruppen in Verbindung mit anschließender schulindividueller Beratung als wirkungsvollste Form der Qualifizierung.
3.1.6 Fazit zu den konzeptionellen und theoretischen Beiträgen Dalin und Rolff (1990) bzw. Rolff (2001, 2007) liefern mit ihrem programmatischen und erfahrungsbasierten Konzept eine recht präzise Beschreibung schulischer Steuergruppen. Dabei beschreiben sie nicht nur die Grundkonzeption in Form der Zusammensetzung sowie den Aufgaben und Funktionen, sondern sie antizipieren bereits auch potenzielle Probleme und Konflikte, die sich aus der besonderen Konstellation, bestehend aus dem Dreiecksverhältnis Schulleitung, Steuergruppe und Kollegium, ergeben. Ebenso werden Schnittstellen und Anknüpfungspunkte zwischen Steuergruppen und Organisationalem Lernen deut-
3.2 Empirische Befunde zu schulischen Steuergruppen
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lich, die sich aus der besonderen Mischkonzeption des ISP aus einem klassischen Organisationsentwicklungsansatz, der um Elemente des Organisationalen Lernens und teilweise auch um Ideen des Change Managements erweitert wurde, ergeben. Eine tiefer gehende theoretische Fundierung der Aufgaben und von Steuergruppen in Entwicklungs- und Veränderungsprozessen fehlt jedoch. Holtappels versucht ebenfalls, Organisationales Lernen, Change Management und Steuergruppen zusammenzubringen. Dabei zeigt er viele interessante Parallelen, Verbindungslinien und Anknüpfungspunkte zwischen den drei Bereichen auf und beschreibt diese ausführlich. Die theoretische Herleitung der Aufgaben der Steuergruppe vor allem im Bereich des Change Managements ist dagegen leider recht kurz geraten. Hier soll in Kapitel 3.3 mit einem theoretischen Modell von Steuergruppen als Change Agent angeknüpft werden. Der Beitrag von Berkemeyer, Brüsemeister und Feldhoff (2007) eröffnet ebenfalls interessante Perspektiven für eine weitere theoretische Fundierung und Erforschung von Steuergruppen. Steuergruppen bieten die Chance, die von Mintzberg nicht genau beschriebene Kopplung der Organisations- und Professionsebene herzustellen. Allen konzeptionellen und theoretischen Beiträgen ist gemeinsam, dass sie mit unterschiedlicher Akzentuierung wertvolle Hinweise zu Arbeit von Steuergruppen als Change Agent von Veränderungsprozessen liefern. Die Hinweise bilden eine fundierte Basis für das theoretische Modell zur Beschreibung von Steuergruppen als Change Agent in Kapitel 3.3.
3.2 Empirische Befunde zu schulischen Steuergruppen Erste empirische Befunde, die Hinweise auf die Arbeit von Steuergruppen geben, finden sich in Forschungsprojekten zu Innovationen im schulischen Kontext und zur Schulprogrammarbeit (vgl. Holtappels, 2007). Innerhalb dieser Projekte waren Steuergruppen vor allem an der Konzept- und Schulprogrammentwicklung maßgeblich beteiligt (vgl. Höhmann, Holtappels & Schnetzer, 2004; Holtappels, 1997; Holtappels & Müller, 2002; Kanders, 2002). Die erste Studie, die explizit Steuergruppen in den Fokus des Forschungsinteresses stellte, war die qualitative Studie von Herrmann (2000, 2000b), der die Qualifizierung der Steuergruppen im Projekt „Schule & Co“56 evaluierte. Doch bis auf Praxisempfehlungen für die zukünftige Gestaltung von Qualifizierungsmaßnahmen für Steuergruppen konnte diese Studie keine direkten Impulse zu einer weiteren Erforschung schulischer Steuergruppen setzen. Die erste groß angelegte quantitative 56 Das Projekt Schule und Co gilt als Vorläuferprojekt des Modellvorhabens „Selbstständige Schule“ NRW (vgl. Kapitel 1.2).
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3 Schulische Steuergruppen als Agenten des Wandels
Studie wurde 2004 von Berkemeyer und Holtappels (2006) in dem Projekt „Qualitätsentwicklung in Netzwerken“ in Niedersachsen durchgeführt. Diese Studie gab den Impuls, die hier begonnene Forschungsarbeit im Rahmen des Modellvorhabens „Selbstständige Schule“57 fortzuführen. Die folgenden Ergebnisse beziehen sich, bis auf die Ergebnisse zur Qualifizierung (Kapitel 3.2.2), ausschließlich auf die Befunde des Projekts „Qualitätsentwicklung in Netzwerken“ (vgl. Berkemeyer & Holtappels, 2006; 2007).
3.2.1 Wirkung und Arbeitsweisen von Steuergruppen im Projekt „Qualitätsentwicklung in Netzwerken“ In dem Projekt „Qualitätsentwicklung in Netzwerken“ in Niedersachsen haben 64 Schulen aller Schulformen die Arbeit in regionalen Schulnetzwerken zu den Themen Schulprogrammarbeit, neue Unterrichtsverfahren und Evaluation, mit dem Ziel einer Qualitätsverbesserung der Schule, erprobt (vgl. Berkemeyer & Holtappels, 2007). Die Studie zur „Wirkung und Arbeitsweisen von Steuergruppen“ wurde am Ende des Projektes im Jahr 2004 von Berkemeyer und Holtappels durchgeführt. Die beiden übergreifenden Forschungsfragen beziehen sich auf die Beschreibung, Analyse und Evaluation der Arbeitsweisen und Wirkungen von Steuergruppen und auf die Generierung von Transferwissen zu Gelingensbedingungen und dem Wirken der Steuergruppenarbeit für die Schulpraxis. Bei der Studie handelt es sich um eine quantitative Befragung58 aller Steuergruppenmitglieder, die um qualitative Intensivinterviews an vier Schulen ergänzt wurde. Der Rücklauf der Steuergruppenbefragung betrug auf Individualebene N = 331 und auf Schulebene N = 57 (vgl. Berkemeyer & Holtappels, 2007). Die Darstellung der Befunde beschränkt sich auf die für diese Arbeit relevanten Aspekte der Funktionen von Steuergruppen sowie deren Einfluss auf die Qualitätsverbesserung der Schule.
Funktionen und Aufgaben von Steuergruppen Berkemeyer und Holtappels (2007) untersuchen Funktionen und Aufgaben von Steuergruppen im Schulentwicklungsprozess. Diese Befunde können Hinweise für das theoretische Modell geben, wie Steuergruppen als Change Agent Schul57 Die für diese Arbeit relevanten Befunde aus dem „Modellvorhaben Selbstständige Schule“ finden sich im Ergebnissteil, weitere Befunde sind bei Feldhoff, Kanders und Rolff (2008) nachzulesen. 58 Diese Informationen wurden durch Daten aus dem Lehrerfragebogen zur pädagogischen Entwicklungsbilanz (PEB) des Deutschen Instituts für internationale Pädagogische Forschung (DIPF), das für die Gesamtevaluation verantwortlich war, ergänzt.
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3.2 Empirische Befunde zu schulischen Steuergruppen
entwicklungsprozess steuern (vgl. Kapitel 3.3). In Tabelle 7 sind die abgeleiteten Funktionen von Steuergruppen aufgeführt. Tabelle 7: Funktionen von schulischen Steuergruppen aus Lehrer- und Steuergruppensicht (Berkemeyer & Holtappels, 2007, S. 128) Funktionen der Steuergruppe
Steuergruppen (Angaben in %)
Lehrkräfte (Angaben in %)
d
Aufgaben delegierende Funktion
63
32
.30
Beratende Funktion
75
34
.75
Moderierende Funktion
81
18
1.14
Orientierende Funktion
90
17
1.41
Koordinierende Funktion
90
29
1.27
Organisierende Funktion
91
30
1.25
Informierende Funktion
92
22
1.61
N = 360, trifft zu und trifft eher zu zusammengefasst
Anhand der Effektstärken59 ist ersichtlich, dass sich die Selbsteinschätzungen der Steuergruppenmitglieder bezüglich ihrer Funktionen im Projekt deutlich von den Fremdeinschätzungen der Lehrkräfte unterscheiden. Dabei unterscheidet sich sowohl die Häufigkeit der Nennungen als auch die Rangfolge. Üben die Steuergruppen nach ihre Selbsteinschätzung vor allem informierende, organisierende, koordinierende, orientierende und moderierende Funktionen aus, so nehmen die Lehrkräfte vor allem beratende, Aufgaben delegierende, organisierende und koordinierende Funktionen wahr. Berkemeyer und Holtappels (2007) vermuten, dass es manchen Lehrkräften schwerfällt, konkrete Funktionen der Steuergruppe einzuschätzen, da sie diese nicht direkt oder nur selten beobachten. Die Befunde zur informierenden Funktion stehen im Gegensatz zu dieser Hypothese. Diese Funktion müssten Lehrkräfte gut einschätzen können, da sie als Hauptadressaten der Informationen gelten. So ist der Mittelwertunterschied in diesem Bereich „kaum nachvollziehbar, da Information in Schulentwicklungsprozessen auf Öffentlichkeit basiert“ (ebd., S. 120). Zusätzlich wurden die Steuergruppen nach der Intensität gefragt, in der sie bestimmte Funktionen wahrnehmen. Diese einzelnen Fragen wurden von Berkemeyer und Holtappels mittels explorativer Faktorenanalysen vier Tätigkeitsfel59 Die Effektstärke (d) ist ein Maß zur Quantifizierung der Bedeutsamkeit von Mittelswertsunterschieden. Dabei kann ein Wert zwischen d = 0,3 bis d = 0,5 als geringe Effektstärke, ein Wert zwischen d = 0,5 bis d = 0,8 als mittlere Effektstärke und ein Wert d > 0,8 als große Effektstärke interpretiert werden (vgl. Bortz, 1999).
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3 Schulische Steuergruppen als Agenten des Wandels
dern (moderierend60, informierend61, steuernd und kontrollierend62 sowie gestaltend-entwickelnd63) zugeordnet64. Die moderierenden Tätigkeiten werden von den Steuergruppen eher selten und die informierenden am häufigsten wahrgenommen. Somit räumt die Steuergruppe ihrer Informationsfunktion auch einen relativ hohen Stellenwert ein. Umso erstaunlicher ist die o. g. Diskrepanz zwischen Lehrkräften und Steuergruppen in diesem Bereich (vgl. Tab. 7). Es könnte jedoch sein, dass für die Bewertung der Lehrkräfte nicht die Quantität, sondern die Qualität und Relevanz der Informationen entscheidend sind. Die steuernden und kontrollierenden sowie die gestaltend-entwickelnden Tätigkeiten üben die Steuergruppen eher manchmal aus. Allerdings zeigen sich innerhalb der Tätigkeitsfelder deutliche Unterschiede (z. B. bei der Schulprogrammarbeit). Die Steuergruppen wurden ebenso nach ihrer Funktion der gezielten Steuerung befragt. Dabei stellen 70 % der Steuergruppen klare Anforderungen an die Entwicklungsarbeit, 67 % haben den Anspruch, Projekte durchzusetzen, und 64 % versuchen Einfluss auf die Unterrichtsarbeit zu nehmen. Dagegen nutzt nur etwa die Hälfte der Steuergruppenmitglieder Formen kooperativer Steuerung, wie die Steuerung über Aushandlungsprozesse. Die Steuergruppen fühlen sich insgesamt tendenziell für den gesamten Qualitätsprozess verantwortlich.
Einfluss von Steuergruppen auf die Qualitätsentwicklung Berkemeyer und Holtappels (2007) haben in ihrer Studie versucht, sich der Frage der Wirksamkeit der Steuergruppen zu nähern. Hierfür haben sie u. a. untersucht, welche Bedeutung der Steuergruppe für die Veränderung der Schulqualität in bestimmten Handlungs- und Entwicklungsfeldern65 beigemessen wird. Diese Befunde können Hinweise für den Einfluss von Steuergruppen auf die Dimensionen der Kapazität des Organisationalen Lernens und die Erfolgsfaktoren des Modellvorhabens (Forschungsfrage 3) geben. 60 Moderation von Fortbildungen, Konferenzen, Vermittlung bei Konflikten. 61 Sorge für den Informationsfluss zwischen den Gremien, Informierung von Schülern, Eltern und Lehrkräften über den Schulentwicklungsprozess. 62 Kümmern um die Umsetzung des Schulprogramms, Überwachung der Realisierung von Arbeitsschritten etc,. organisatorische Unterstützung und inhaltliche Beratung von Arbeitsgruppen, Koordination der Arbeitsgruppen, Durchführung interner Evaluationsmaßnahmen. 63 Erstellung von Personalentwicklungsplänen, Vorbereitung von Evaluationsinstrumenten, Aufbau eines Qualitätsmanagements, Erstellung von Teilen des Schulprogramms, redaktionelle Arbeit am Schulprogramm, Erstellung von Konzepten, die Öffentlichkeitsarbeit. 64 Leider bleibt unklar, warum aus den Tätigkeitsfeldern keine Skalen gebildet wurden, wenn schon explorative Faktorenanalysen berechnet wurden. 65 Es werden hier nur Befunde zu Handlungs- und Entwicklungsfeldern berichtet, die einen inhaltlichen Zusammenhang zu den Dimensionen der Kapazität des Organisationalen Lernens oder zu den Erfolgsfaktoren im Modellvorhaben aufweisen.
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3.2 Empirische Befunde zu schulischen Steuergruppen
44 Prozent der Lehrkräfte sehen die Steuergruppe wirksamer für einen gezielteren Informationsfluss, 39 % für eine Verbesserung der Kooperation, 54 % für eine bessere Zielerreichung, 42 % für eine höhere Verbindlichkeit von Vereinbarungen, 46 % für die Verbesserung der Qualität des Unterrichts und 59 % für eine stärkere Verwendung von Unterrichtsmethoden. Die Befunde werden in Teilen durch Korrelationen der Akzeptanz und Wirksamkeit der Steuergruppe mit Einschätzungen des Kollegiums zur Schulqualität im Bereich des Organisationsklimas66 und der Wirkung der Organisationsentwicklung auf den Unterricht67 gestützt (vgl. Tab. 8). Tabelle 8: Zusammenhänge zwischen Einschätzungen des Kollegiums zur Schulqualität und der schulischen Steuergruppe zum Messzeitpunkt 2004 (Berkemeyer & Holtappels, 2007, S. 131) Bewertungen zur schulischen Steuergruppe
Akzeptanz im Kollegium
Wirksamkeit der Steuergruppe
Zielkonsens im Kollegium
.74**
.47**
Kohäsion im Kollegium
.68**
.28*
Kommunikation im Kollegium
.71**
.29*
Unterrichtskooperation
.64**
.33*
Praxis offener Lernformen
.32*
.32*
6LJQL¿NDQ]QLYHDXS
S
Die Zusammenhänge der Akzeptanz der Steuergruppe mit den Einschätzungen zur Schulqualität sind, bis auf den Zusammenhang mit der Skala „Praxis offener Lernformen“, stärker als die Zusammenhänge der Wirksamkeit der Steuergruppe mit den Einschätzungen zur Schulqualität. Zum Abschluss haben Berkemeyer und Holtappels eine Regression zum Einfluss von Merkmalen der Organisationskultur und der schulinternen Steuerung auf die unterrichtbezogene Lehrerkooperation gerechnet (vgl. Abb. 15).
66 Dabei handelt es sich um die Skalen „Zielkonsens im Kollegium“, „Kohäsion im Kollegium“, „Kommunikation im Kollegium“ und „Unterrichtskooperation“. 67 Dabei handelt es sich um die Skala „Praxis offener Lernformen“.
162
3 Schulische Steuergruppen als Agenten des Wandels
$EELOGXQJ(LQÀXVVYRQ0HUNPDOHQGHU2UJDQLVDWLRQVNXOWXUXQGGHUVFKXOLQWHUQHQ Steuerung auf die unterrichtsbezogene Lehrerkooperation (Berkemeyer & Holtappels, 2007, S. 135).
Signifikanten Einfluss haben in dem gewählten Modell der Zielkonsens im Kollegium, die Praxis der offenen Lernformen, die Akzeptanz der Steuergruppe im Kollegium und das effektive Schulleitungshandeln. Berkemeyer und Holtappels interpretieren die Ergebnisse wie folgt: „Es deutet sich demnach an, dass sich schulinterne Steuerung vermutlich keineswegs allein als wirksam für Qualitätsverbesserungen erweist, sondern dass die etablierte Organisationskultur entscheidenden Einfluss auf Schulentwicklungseffekte hat (ebd.)“.
Berkemeyer und Holtappels ziehen ein positives Fazit ihrer Studie; insgesamt haben sich Steuergruppen ihrer Meinung nach im Projekt „als bedeutsame Form des Change Managements erwiesen“ (ebd., S. 136). Die Studie von Berkemeyer und Holtappels liefert wichtige Hinweise für diese Arbeit. Die Aufgaben und Funktion von Steuergruppen wurden nach Angabe der Autoren aus der Literatur abgeleitet. Für weitere Erklärungen der Befunde, die über eine reine Deskription hinausgehen, fehlt jedoch ein theoretisches Rahmenmodell, wie Steuergruppen Schulentwicklungsprozesse steuern.
3.2 Empirische Befunde zu schulischen Steuergruppen
163
Die Einschätzung der Wirksamkeit der Steuergruppe für bestimmte Handlungs- und Entwicklungsfelder liefert wertvolle Hinweise zum Einfluss der Steuergruppe auf die Dimensionen der Kapazität des Organisationalen Lernens (vgl. 2.2.3) und die Erfolgsfaktoren im Modellvorhaben (vgl. Kapitel 1.4): In Bezug auf das theoretische Modell der Kapazität des Organisationalen Lernens kann ein gezielter Informationsfluss als ein Indikator für die Durchlässigkeit des Wissens der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ interpretiert werden. Die Kooperation ist ein Teilaspekt der Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellung“. Eine bessere Zielerreichung und Verbindlichkeit von Vereinbarungen sind Aspekte einer höheren Selbststeuerungsfähigkeit der Schule. Die Verbesserung der Qualität des Unterrichts und die stärkere Verwendung von Unterrichtsmethoden geben Hinweise auf den Einfluss von Steuergruppen auf den Erfolgsfaktor „Unterricht“.
Steuergruppen als kollektive Akteure In einem weiteren Beitrag, basierend auf Daten der Studie „Arbeitsweisen und Wirkungen schulischer Steuergruppen“, beschreiben Berkemeyer und Holtappels (2006) Steuergruppen als kollektive Akteure. Sie weisen mit Bezug auf Schimank (2002a) darauf hin, dass Steuergruppen zur Betrachtung aus einer governanceanalytischen Perspektive theoretisch wie auch empirisch als sogenannte „kollektive Akteure“ beschrieben werden müssen. Governance (vgl. Altrichter et al., 2007; Benz, 2004; Brüsemeister, 2004b; Lange & Schimank, 2004) bietet hierbei als analytisches Konzept die Möglichkeit, Steuerungsprozesse in Schulen sowie auch innerhalb des Schulsystems zu beschreiben. Im Zentrum der Beobachtung stehen dabei zumeist verschiedene Akteurkonstellationen und deren Interaktion sowie Steuerungsbemühungen. Bei den agierenden Akteuren handelt es sich zumeist um „kollektive Akteure“. Kollektive Akteure bestehen aus mehreren Personen, denen ein gemeinsames Handeln zugeschrieben wird; d. h. eine Gruppe, die aus mehreren Personen besteht, aber in Bezug auf ihr Handeln als ein Akteur wahrgenommen wird. „Kollektive Akteure können als Aggregateffekt individuellen Handelns verstanden werden, wobei die Zurechnung verschiedener Handlungen nicht mehr auf Individualebene, sondern auf kollektiver Akteurebene erfolgt“ (ebd., S. 180).
Doch damit dem Akteur ein gemeinsames Handeln zugeschrieben werden kann, müssen nach Schimank gewisse Bedingungen erfüllt sein. „D[d]ie Handlungen der einzelnen Konstellationsbeteiligten [müssen] ein konstruktiv geordnetes Ganzes ergeben“ (Schimank, 2002a, S. 308) und sie müssen einer „übergreifenden Zielsetzung“ (Hrv. I. O., ebd.) folgen. Darüber hinaus gilt,
164
3 Schulische Steuergruppen als Agenten des Wandels
„dass der Steuergruppe als organisationsinternem Akteur bestimmte Fähigkeiten, Einstellungen, Wahrnehmungen, Präferenzen und Wirkungen zugeschrieben werden können (vgl. Scharpf, 2000), sodass sie als zielorientierte Handlungseinheit zur Qualitätsentwicklung aufgefasst werden kann“ (Berkemeyer & Holtappels, 2006, S. 181).
Berkemeyer und Holtappels (2006) nennen drei solcher Faktoren: die „Qualität der Teamarbeit“ als Merkmal für die Konsistenz und teamartige Arbeitsweise, die „kollektive Selbstwirksamkeit“ als Merkmal der Erwartung an die Wirksamkeit des gemeinsamen Handelns und die „Zielorientierung“ als Merkmal der gemeinsamen Handlungsabsichten. Die drei Faktoren werden als Subdomänen eines übergeordneten Konstrukts „kollektiver Akteur“ verstanden, die als latente Dimensionen der übergeordneten Dimension „kollektiver Akteur“ in einer konfirmatorischen Faktorenanalyse überprüft wurden. Die Anpassungsgüte des Modells und die hohen Faktorladungen (l > .753) können nach Ansicht der Autoren als Bestätigung des Modells gelten. Der Befund ist für diese Arbeit insofern von Bedeutung, dass Steuergruppen sowohl bei der Entwicklung eines Modells von Steuergruppen als Change Agent als auch bei den empirischen Analysen als ein kollektiver Akteur betrachtet werden können. Somit kann bei Steuergruppen von einem kollektiven Handeln ausgegangen werden.
3.2.2 Qualifizierungen von Steuergruppen Die Qualifizierung von schulischen Steuergruppen wurde in den Projekten „Schule & Co“, „Qualitätsentwicklung in Netzwerken“ in Niedersachsen sowie im Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ untersucht. Bei der Qualifizierung im Projekt „Schule & Co“ stand die Eignung der aus dem Projektmanagement übernommenen Qualifizierungsbausteine für Steuergruppen und eine mögliche Reduzierung dieser Bausteine im Mittelpunkt der Studie (Herrmann, 2000b). Die Ergebnisse aus dem Projekt wurden im Konzept der Qualifizierung der Steuergruppen im Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ berücksichtigt (vgl. Feldhoff, 2007). Die Qualifizierungsmaßnahmen wurden im Projekt „Qualitätsentwicklung in Netzwerken“ und im Modellvorhaben bezüglich ihrer Inhalte und Praxisrelevanz von den Steuergruppenmitgliedern positiv bewertet (vgl. Berkemeyer & Holtappels, 2007; Feldhoff, 2007; Feldhoff & Gebauer, 2008). Berkemeyer und Holtappels (2007) sehen in der Qualifizierung eine „Professionalisierung von Lehrkräften im Hinblick auf die Übernahme neuer Organisationsrollen“ (ebd., S. 116). Des Weiteren konnte im Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ im Rahmen eines Strukturgleichungsmodells gezeigt werden, dass die Qualität der Qua-
3.3 Steuergruppen als Change Agent schulischer Entwicklungs- und Veränderungsprozesse
165
lifizierungsmaßnahme einen direkten Einfluss auf die von den Steuergruppen selbst wahrgenommene Professionalisierung in Methoden und Techniken der Schulentwicklung hat (vgl. Feldhoff, 2008). Diese wiederum hat einen indirekten Einfluss auf die Wirksamkeit der Steuergruppe über die Rollenklarheit der Steuergruppe innerhalb der Organisation Schule. Beide Konstrukte wurden von den Lehrkräften eingeschätzt. Darüber hinaus hat die Qualität der Qualifizierungsmaßnahme auch einen indirekten Einfluss auf die Wirksamkeit, vermittelt über die Professionalisierung und die Rollenklarheit. Diese Befunde deuten darauf hin, dass die Qualifizierung einen wichtigen Beitrag zu einer gelingenden Steuergruppenarbeit leisten kann.
3.3 Steuergruppen als Change Agent schulischer Entwicklungs- und Veränderungsprozesse In diesem Kapitel wurde der aktuelle Stand der Theorie und empirischen Forschung zu den unterschiedlichsten Aspekten von Steuergruppen und deren Arbeit dargestellt. An dieser Stelle wird das in Forschungsfrage 2 angekündigte theoretische Modell von Steuergruppen als Change Agent schulischer Entwicklungsprozesse entwickelt. Die Erkenntnisse und Befunde aus diesem Kapitel werden für das Modell zugrunde gelegt. Sie werden ergänzt durch die Erkenntnisse zum organisationalen Wandel (Kapitel 2). Hier stehen vor allem die Befunde von Schubert zum Change Management (Kapitel 2.1.3) und das entwickelte Modell einer Kapazität Organisationalen Lernens in der Schule (Kapitel 2.2.3) im Vordergrund. Als dritte Bezugsquelle zur Entwicklung des theoretischen Modells dient die Analyse der Schule als besondere Organisation unter Zuhilfenahme des Modells von Mintzberg (vgl. Kapitel 1.2). Ziel ist es, Steuergruppen als Change Agent in der Schule zu beschreiben und die Instrumente des Change Managements, derer sich Steuergruppen als Change Agent im Rahmen von schulischen Entwicklungs- und Veränderungsprozessen bedienen, zu identifizieren und theoretisch stärker herauszuarbeiten. Steuergruppen als Change Agent in der Schule Bevor Steuergruppen als Change Agent in einem Modell der Profi-Adhokratie beschrieben werden, soll an dieser Stelle noch einmal das Verständnis von Change Management und Organisationalem Lernen (Kapitel 2) kurz zusammengefasst werden. Im Vordergrund von Change Management steht die Frage, wie Veränderungsprozesse in Organisationen optimal gestaltet und gesteuert werden können (vgl.
166
3 Schulische Steuergruppen als Agenten des Wandels
Holtappels, 2007; Schubert, 2004). Change Management verfolgt somit eine bewusste Planung und Steuerung von Veränderungsprozessen. Die Betonung liegt dabei auf dem Prozess. Die Aufgabe von Change Agents ist es, diesen Prozess mittels entsprechender Maßnahmen (s. u.) gezielt zu beeinflussen. Im Unterschied zu den Führungskräften in der Organisation, die für die Zielerreichung und Führung der Organisation als Ganzes – vor allem auch für das Tagesgeschäft – verantwortlich sind, beschränken sich die Aufgaben und Kompetenzen der Change Agents auf die Gestaltung der Veränderungsprozesse. Dabei können die Begriffe Veränderungs- und Entwicklungsprozesse synonym verwendet werden, da aus jeder Entwicklung auch immer Veränderungen resultieren. Im Gegensatz zu der instrumentellen Ausrichtung von Change Management liegt der Fokus von Organisationalem Lernen auf einer organisationstheoretisch angeleiteten, theoretischen Fundierung zur Beschreibung von Lernprozessen in und durch die ganze Organisation (vgl. Wiegand, 1998). Somit stellt Organisationales Lernen einen Rahmen von Lernen in Organisation dar, in dem Change Agents als ein Teil von Organisationalem Lernen mithilfe von Instrumenten des Change Managements die Veränderungsprozesse in der Organisation steuern. Diese Beziehung von Change Management, Change Agents und Organisationalem Lernen lässt sich wie folgt auf den schulischen Kontext übertragen. Mit der skizzierten Notwendigkeit von Schulen, sich aufgrund interner und externer Anforderungen dauerhaft an diese anzupassen bzw. sich zu verändern, müssen Schulen sich von einer fragmentierten Schule hin zu einer lernenden bzw. Problemlöse-Schule entwickeln (vgl. Kapitel 1.1). Dies hat eine Umstellung der Schulorganisation von einer Profi-Bürokratie hin zu einer Profi-Adhokratie (Mintzberg, 1992) zur Folge. Die bisherige Struktur bestand aus einer überwiegenden Trennung der Unterrichtsebene mit einem vorherrschenden Professionsverständnis und der Schulebene mit einem vorherrschenden Verwaltungs- und vor allem Organisationsverständnis. Pointiert ausgedrückt, hat die Schulebene in diesem klassischen Modell lediglich die organisatorischen Rahmenbedingungen für den Unterricht der einzelnen Lehrerinnen und Lehrer bereitgestellt. Dieses Modell ist erfolgreich, solange sich die Schule in einer stabilen Umwelt mit stabilen Anforderungen bewegt bzw. solange die Lehrkräfte selbst für eine entsprechende Weiterentwicklung sorgen können und diese nicht an strukturelle und organisationale Grenzen stößt. Sobald die Schule einem Reform- und Modernisierungsprozess ausgesetzt ist, stößt dieses Modell an seine strukturellen und organisationalen Grenzen (Kapitel 1.2). Es fehlt ein Element für eine schulweite, koordinierte und systematische Entwicklung. Schulische Steuergruppen können genau diese Aufgabe des Interdependenzmanagements übernehmen. Sie agieren im Rahmen einer Umstellung der schulischen Governance zu einer Profi-Adhokratie als ein sogenanntes Kontaktinstrument (ebd.). Mintzberg (1992) versteht unter einer Adhokratie eine Organisation, deren Aufgabe in der primären Ent-
3.3 Steuergruppen als Change Agent schulischer Entwicklungs- und Veränderungsprozesse
167
wicklung innovativer Lösungen besteht. Innerhalb der Adhokratie sind zumeist interdisziplinäre Experten tätig, deren Arbeit projektförmig organisiert ist. D. h. der vorrangige Koordinationsmechanismus zur Bearbeitung der Interdependenzen ist die wechselseitige Abstimmung. Im Sinne von Governance als Form der Handlungskoordination der wechselseitigen Beeinflussung zu interpretieren. Auch in der Schule arbeiten Experten für Lehren und Lernen. Diese Experten sind zumeist durch ihre spezifische Fachausbildung innerhalb der Schule interdisziplinär zusammengesetzt. Als vorrangiger Steuerungs- und Koordinierungsmechanismus werden in Adhokratien die bereits erwähnten „Kontaktinstrumente zur Förderung der gegenseitigen Abstimmung“ (ebd., S. 337) eingesetzt. Die Aufgaben von Steuergruppen sind vergleichbar mit denen eines Projektleiters bei Mintzberg. Wie die Steuergruppe verfügt der Projektleiter über keine formalen Machtbefugnisse in der Hierarchie der Organisation. Für die Koordination und Steuerung der Projektarbeit nutzt er vor allem die Überzeugung mit fachlichen Argumenten und die Verhandlung. Ähnlich agieren Steuergruppen als Change Agent schulischer Entwicklungsprozesse. Vorteil der Steuergruppe hierbei ist, dass sie durch ihre spezifische Zusammensetzung aus einer Kombination von Schulleitung und Kollegiummitgliedern die Dualität der schulischen Organisationsform als eine Mischung aus einer professionellen Organisation auf der Unterrichtsebene und einer Adhokratie auf Schulebene in sich selbst reproduziert. Damit ist sie in der Lage, sowohl im Modus der Organisation als auch der Profession zu agieren und somit beide Zielgruppen zu adressieren (vgl. Berkemeyer et al., 2007; Berkemeyer et al., 2008). Doch die Einführung einer Steuergruppe allein reicht nicht aus, um eine Profi-Bürokratie zu einer Profi-Adhokratie zu entwickeln. Innerhalb der Organisation muss sich ein struktureller und kultureller Wandel vollziehen, der die Veränderungs- und Lernfähigkeit der gesamten Organisation erhöht (vgl. Dalin & Rolff, 1990; Holtappels, 2007). Eine Adhokratie benötigt eine Entwicklungs- und Lernbereitschaft sowie -fähigkeit aller Organisationsmitglieder. Diese Veränderungs- und Lernfähigkeit kann mithilfe des Modells der Kapazität des Organisationalen Lernens erreicht werden (vgl. Kapitel 2.2.3). Steuergruppen sind ein Teil dieses Modells. Nur durch das Zusammenspiel von Organisationalem Lernen und Steuergruppen kann eine enge Kopplung zwischen der Unterrichts- und der Schulebene entstehen, bei der Entwicklungen auf der einen Ebene auch Auswirkungen auf die Entwicklung und Qualität der anderen Ebene haben. Steuergruppen setzen hierfür wichtige Impulse, indem sie die Arbeitsgruppen im Rahmen des schulischen Entwicklungs- und Veränderungsprozesses steuern und koordinieren. Dabei nutzen sie als Change Agents vor allem folgende Instrumente:
168
3 Schulische Steuergruppen als Agenten des Wandels
3.3.1 Partizipation des Kollegiums Erste Hinweise zu der Frage, wie Steuergruppen Veränderungsprozesse steuern, zeigen sich in der Darstellung von Dalin und Rolff (1990) im ISP (vgl. Kapitel 3.1). Schon der Anlass für die Gründung von Steuergruppen verdeutlicht einen wichtigen Aspekt der Steuerung von Veränderungsprozessen. Dalin und Rolff benennen hier in Anlehnung an Ansätze der Organisationsentwicklung die Notwendigkeit einer breiten Partizipation der Organisationsmitglieder bei Veränderungsprozessen. Aus diesem Grund kam für die Gestaltung der Veränderungsprozesse die Schulleitung oder auch eine mögliche erweiterte Schulleitung nicht in Frage. Da es allerdings um Entwicklungs- und Koordinierungsaufgaben geht, war ebenfalls klar, dass das Kollegium als Ganzes strukturell nicht in Frage kam, sondern eine handlungsfähige Gruppe vonnöten war. Im Rahmen einer „Infrastruktur der Innovation“ (Holtappels, 2007, S. 18) beschreibt auch Holtappels Partizipation als eine Aufgabe von Steuergruppen, die in der Aktivierung und Partizipation des Kollegiums liegt. Damit wird die doppelte Bedeutung von Partizipation deutlich. Die Steuergruppe an sich stellt schon von ihrer Zusammensetzung, Verankerung und ihren Befugnissen her ein partizipatives Gremium dar. Doch darüber hinaus ist es wichtig, dass die Steuergruppe bei ihrer Arbeit das Kollegium selbst mit in die Entwicklung einbezieht. Bereits im Rahmen der Organisationsentwicklung beobachtete Lewin (1963), dass nach Veränderungen von Arbeitsabläufen eine Vielzahl unterschiedlicher Widerstände bei den Organisationsmitgliedern auftrat. Er folgerte daraus, dass eine frühzeitige und aktive Beteiligung der Organisationsmitglieder an der Planung und Durchführung der anstehenden Veränderungsprozesse mögliche Widerstände reduziert und ein Absinken der Produktivität verhindert (vgl. Schubert, 2004). Dieser Sachverhalt bestätigte sich auch in Lewins Organisationsentwicklungsstudien im Rahmen seiner Aktionsforschung (vgl. Lewin, 1963). Auch Schubert geht im Rahmen des Change Managements davon aus, dass Veränderungsprozesse immer auf die Bereitschaft der Organisationsmitglieder, bei der Umsetzung der Veränderungen mitzuwirken, angewiesen sind (vgl. Kapitel 2.1.3). Er begründet dies mit Erkenntnissen aus der Motivationspsychologie (vgl. Heckhausen & Heckhausen, 2006). Demnach spielen bei Veränderungsprozessen vor allem zwei Grundmotive eine zentrale Rolle: 1. Das Motiv nach Sicherheit. Die Ankündigung von Veränderungsprozessen kann dazu führen, dass Organisationsmitglieder dieses Bedürfnis bedroht sehen. Die Organisationsmitglieder können zum einen Aspekte wie den eigenen Status in der Organisation, die Anerkennung durch andere Organisationsmitglieder oder sogar den eigenen Arbeitsplatz bedroht sehen. Zum anderen bezieht sich die Bedrohung auf die
3.3 Steuergruppen als Change Agent schulischer Entwicklungs- und Veränderungsprozesse
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Bewältigung der neuen Aufgaben im Rahmen der Veränderungsprozesse. Also um die Frage, wie die Organisationsmitglieder ihre eigenen Fähigkeiten einschätzen, neue Anforderungen bewältigen zu können, bei einem gleichzeitigen Verlust gewohnter Routinen. 2. Das Leistungsmotiv, welches an den letztgenannten Aspekt im positiven Sinne anknüpft: Neuerung als Chance und Herausforderung zu sehen. Schubert geht davon aus, dass eine frühzeitige Beteiligung der Organisationsmitglieder an der Planung und Implementierung von Veränderungen diese Motive positiv beeinflussen kann. Durch eine frühzeitige Einbindung kann das Ausmaß an Unsicherheit reduziert werden. Einerseits erhalten die Organisationsmitglieder frühzeitig Einblick in die geplante Entwicklung, und andererseits haben sie die Möglichkeit, diese in ihrem Sinne mit zu gestalten. Auch möglichen Widerständen kann so vorgebeugt werden. Darüber hinaus kann die Partizipation die Leistungsmotivation bei der Mitgestaltung der Veränderung steigern. In dem Modell zur Kapazität des Organisationalen Lernens spielt die Partizipation der Lehrkräfte ebenfalls, als siebte Dimension des Modells, eine zentrale Rolle (vgl. Kapitel 2.2.3). Die Dimension betont vor allem die Bedeutung der Partizipation für die Kultur und das Engagement der Lehrkräfte. Durch Partizipation kann die kollektive Energie des Kollegiums genutzt werden und die Problemlösefähigkeit der Schule erhöht werden (vgl. Kapitel 2.2.3). Eine weitere Begründung für eine breite Partizipation liegt in der Besonderheit der schulischen Organisation. Das Streben nach Autonomie und Egalität von Lehrkräften als Teil ihres Professionsverständnisses, wie es sich im Autonomie-Paritäts-Muster (Lortie, 1975) und im antihierarchischen Effekt (KrainzDürr, 2002) ausdrückt, erfordert eine starke Einbeziehung dieser in die schulischen Entwicklungsprozesse. Ferner kann Partizipation auch mit der schlichten Notwendigkeit begründet werden, dass schulische Entwicklungsarbeit und somit auch Steuergruppen auf die Mitarbeit des Kollegiums in den Arbeitsgruppen angewiesen ist. Weder die Schulleitung noch eine Steuergruppe kann die Entwicklungsarbeit von ihren Ressourcen allein bewältigen. Somit lässt sich aus den skizzierten Erkenntnissen ableiten, dass Partizipation ein wesentliches Element schulischer Entwicklungs- und Veränderungsprozesse ist. Steuergruppen selbst stellen ein Gremium dar, das von seiner Konstitution bereits auf Partizipation angelegt ist. Für die Gestaltung von Entwicklungs- und Veränderungsprozessen ist es daher erforderlich, dass die Steuergruppe im laufenden Entwicklungsprozess das Kollegium als Ganzes in der Lehrerkonferenz, aber auch im Besonderen in den einzelnen Arbeitsgruppe mit einbezieht. Im Sinne
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von Mintzberg agiert sie dabei als Kontaktinstrument in Form eines Projektleiters (vgl. Kapitel 1.2). Der aufgrund des Fehlens formaler Befugnisse „seine Entscheidungsautorität und vor allem seine Überzeugungskraft und sein Verhandlungsgeschick unter Beweis stellen“ muss (Mintzberg, 1992, S. 121). Die Partizipation des Kollegiums stellt ein zentrales Instrument des Change Managements für Steuergruppen dar. Die Steuergruppe versucht im Rahmen des Veränderungsprozesses das Kollegium und die Arbeitsgruppen mit Sachargumenten zu überzeugen. Darüber hinaus versucht sie deren Interessen und Ideen so gut als möglich zu berücksichtigen, indem sie die Ziele und Aufgaben mit ihnen aushandelt.
3.3.2 Informations- und Wissensmanagement Neben der Beteiligung der Kolleginnen und Kollegen ist die Betreibung eines Informations- und Wissensmanagements eine wichtige Aufgabe bei schulischen Veränderungsprozessen. Dalin und Rolff (1990) sehen die Informierung aller Beteiligten über den laufenden Entwicklungsprozess vor allem in Bezug auf zwei Aspekte als eine wichtige Aufgabe von Steuergruppen. Erstens ist ein gutes Informationsmanagement wichtig, um Akzeptanz im Kollegium zu erzeugen und aufrechtzuerhalten. Die Steuergruppe erhält ihr Mandat von der Lehrerkonferenz. Somit ist sie dieser gegenüber auch verpflichtet, regelmäßig über den Entwicklungsprozess zu informieren. Des Weiteren kann durch eine regelmäßige Information die Transparenz der Arbeit der Steuergruppe erhöht werden und dem Eindruck einer „Elite-Gruppe“ der Schulleitung entgegengewirkt werden. Zweitens laufen bei der Steuergruppe durch ihre noch im Weiteren zu spezifizierenden Koordinierungsfunktionen die Informationen der einzelnen Arbeitsgruppen zusammen. Die Steuergruppe hat für eine schulweite Verbreitung und einen schulweiten Austausch an Information zur sorgen, damit alle wichtigen Akteure über die für sie notwendigen Informationen verfügen. Holtappels (2007) widmet sich in seiner dritten Change Management-Dimension dem Wissensmanagement. Hierbei bezieht er sich indirekt auf Theorien des Organisationalen Lernens, die sich mit Wissen beschäftigen (vgl. Kapitel 2.1.2; Duncan & Weiss, 1979b). Nach Holtappels haben Lehrkräfte mit drei unterschiedlichen Formen des Wissens zu tun: lokales Organisationswissen, innovationsbezogenes Prozesswissen und professionsbezogenes Wissen. In ihrer täglichen Arbeit eignen sich Lehrkräfte dieses individuelle (Erfahrungs-)Wissen an. Durch einen Austausch mit anderen Lehrkräften kann dieses Wissen zu organisationalem Wissen transformiert werden. Neben dem Wissenstransfer spricht Holtappels die Bedeutung der Reflexion des eigenen Wissens und Handelns an.
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Hierdurch sollen resistente Erklärungs- und Handlungsmuster im Rahmen von Alltagstheorien vermieden werden. Hier bezieht er sich indirekt auf das single-loop und double-loop learning von Argyris und Schön (1978). Change Management soll im Rahmen des Wissensmanagements sowohl die Lehrkräfte zur kritischen Reflektion ihres Alltagswissens auffordern und sie dabei unterstützen, als auch dafür sorgen, dass aus dem individuellen Wissen organisationales Wissen wird. Steuergruppen sollen in diesem Kontext die Entwicklungsprozesse dokumentieren, Probleme analysieren, den Lehrkräften Informationen und Materialien zur Verfügung stellen und Forschungserkenntnisse in die Schule transferieren (Holtappels, 2007). Auch aus empirischer Sicht zeigen die Befunde zu den Funktionen von Steuergruppen im Projekt „Qualitätsentwicklungen in Netzwerken“ von Berkemeyer und Holtappels (2007, Kapitel 3.2.1), dass Steuergruppen eine informierende Funktion einnehmen. 92 % der Steuergruppen geben dies an. In dem Modell zur Kapazität Organisationalen Lernens in der Schule finden sich weitere theoretische Erkenntnisse zur Durchlässigkeit, Nutzung und Weiterentwicklung von Wissen (vgl. Kapitel 2.2.3). Hier werden drei verschieden Quellen des Wissens in Anlehnung an Huber (1991) und Kruse und Louis (2000) beschrieben: das individuelle Wissen der Organisationsmitglieder, das Wissen, das erzeugt wird, um spezifische Probleme zu lösen, und das Wissen externer Experten. Ziel von Organisationalem Lernen ist es, alle drei Quellen optimal zu nutzen. Doch für eine Nutzung von Wissen aus unterschiedlichen Quellen und von verschiedenen Lehrkräften ist es notwendig, eine gemeinsame Wissensbasis und Anschlussfähigkeit herzustellen. D. h. es muss einerseits dafür gesorgt werden, dass das individuelle Wissen innerhalb der Organisation auch zwischen den Teams weiter kommuniziert wird, und andererseits müssen gemeinsame Wertvorstellungen entwickelt werden, die eine Anschlussfähigkeit an die bisherigen Wissensbestände der Organisationsmitglieder ermöglichen. Die Durchlässigkeit von Wissen kann sowohl durch eine Kultur der Offenheit für neues Wissens als auch durch die Bereitschaft der Mitglieder, das eigene Wissen zu überprüfen und weiterzuentwickeln, erhöht werden. Wie in der Beschreibung von Holtappels kann hier auf das single-loop (instrumentales Lernen) und double-loop learning (tiefer greifendes Lernen) von Argyris und Schön (1978) verwiesen werden. Schubert liefert mit dem Bezug auf „Erwartungs-Wert-Theorien“ aus der Motivationspsychologie (vgl. Heckhausen & Heckhausen, 2006) weitere Befunde für die Bedeutung von Informationen und Wissen für Veränderungsprozesse. Demnach können Menschen durch die Ankündigung von Zielen geleitet werden. Dafür müssen die Ziele einen Anreiz zum Handeln für die Organisationsmitglieder implizieren, der mit dem Ziel erreicht werden kann im Sinne eines „subjektiven Belohnungswerts“ (Schubert, 2003, S. 385). Doch neben diesem Belohnungswert ist es bedeutsam, inwieweit die Person ihre Chancen einschätzt, das Ziel auch zu
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erreichen. Die Einschätzung beruht zum einen auf der Bewertung der eigenen Fähigkeiten und Ressourcen und zum anderen auf der Bewertung des Zusammenhangs von Zielerreichung und Erreichung der Belohnung68. Nach Schubert sind neben der o. g. Partizipation weitere Faktoren für Veränderungsprozesse nach den „Erwartungs-Wert-Theorien“ bedeutsam. Der erste Faktor bezieht sich auf das Informationsmanagement. Demnach ist bei Veränderungsprozessen wichtig, die Organisationsmitglieder rechtzeitig, genau und umfassend über die anstehenden Veränderungen zu informieren. Die Informationen müssen nachvollziehbar und glaubhaft sein. Sie dienen den Organisationsmitgliedern als Grundlage, um ihren Erwartungswert einzuschätzen. Die anderen beiden Faktoren beziehen sich auf weitere zentrale Aufgaben im Rahmen des Change Managements und werden an der entsprechenden Stelle dargestellt. Zusammenfassend stellt ein Informations- und Wissensmanagement ein zentrales Instrument zur gezielten Steuerung von Veränderungsprozessen dar. Regelmäßige und angemessene Informationen fördern die Transparenz der Steuergruppenarbeit und unterstützen die Beteiligung der Mitglieder an den Veränderungsprozessen im Rahmen der „Wert-Erwartungs-Theorien“. Darüber hinaus stellt das Wissen der Mitglieder und deren Überführung in organisationales Wissen eine wichtige Ressource für Organisationales Lernen dar. Die Aufgabe von Steuergruppen ist es, für eine schulweite Kommunikation zu sorgen, indem sie einerseits über die geplanten Entwicklungs- und Veränderungsmaßnahmen umfassend informieren und zum anderen internes Wissen aufbereiten und für einen Wissensaustausch zwischen den einzelnen Arbeitsgruppen und Lehrkräften sorgen. Darüber hinaus können sie auch externes Wissen in die Schule transferieren.
3.3.3 Beratung und Unterstützung Ein weiteres Instrument zur Steuerung von Entwicklungs- und Veränderungsprozessen ist die Unterstützung und Beratung durch die Steuergruppe. Durch ihre spezielle Qualifizierung verfügen Steuergruppen zumeist über differenzierte Kenntnisse und Kompetenzen des Projektmanagements und der Schulentwicklung (vgl. Kapitel 3.1.5; Kapitel 3.2.2). Diese Kenntnisse und Kompetenzen fehlen den Lehrkräften in den Arbeitsgruppen zumeist. Aus diesem Grund ist es wichtig, die einzelnen Arbeitsgruppen in ihrer Arbeit zu unterstützen und sie bei der Entwicklung von Arbeitsplänen zu beraten. Dalin und Rolff (1990) betonen die Unterstützung und Beratung als eine zentrale Aufgabe von Steuergruppen. Dabei kann die Steuergruppe den Arbeitsgruppen zu Beginn des Prozesses helfen ihre mentalen Modelle zu hinterfragen. Darüber hinaus unterstützt sie diese 68 Eine nähere Erläuterung sowie ein anschauliches Beispiel befindet sich in Kapitel 2.1.3.
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bei der Teamentwicklung. Nach Dalin und Rolff kann die Steuergruppe somit aktive Personalentwicklung betreiben. Doch ist diese Unterstützung und Beratung auch als eine Begleitung im laufenden Prozess zu verstehen. „Dies bedeutet für die Steuergruppe s an die Stärken und Kompetenzen des Kollegiums anknüpfen, die Initiativen der Kolleginnen und Kollegen wertschätzen und unterstützen; s alle Ideen, Vorschläge und Anregungen aufgreifen und für ihre Beachtung im Kollegium sorgen; s in der Schule ein Klima der Wahrnehmung und Betonung des Positiven, des Erreichten, der Fortschritte schaffen und auch bei fehlenden oder zögernd eintretenden Erfolgen die Anstrengung und die Einsatzbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen anerkennen; s den einzelnen und nur auf ihr Thema konzentrierten Arbeitsgruppen Rückmeldungen über deren Erfolgen geben und dafür sorgen, dass diese in der Schulöffentlichkeit bekannt werden.“ (Rolff, 2001, S. 20)
Das Zitat von Rolff zeigt, dass mit Unterstützung auch eine weitere Facette gemeint ist, die auf eine Veränderung der Kultur der Schule abzielt, bei der Werte, wie Anerkennung und Ermutigung, eine wichtige Rolle spielen. Auch Holtappels (2007) beschreibt die Beratung und Unterstützung als eine wichtige Aufgabe von Steuergruppen im Rahmen des Change Managements. Dabei soll die Steuergruppe die Projekt- und Arbeitsgruppen begleiten und ihnen durch Informationen und ihre Fachkenntnisse zur Seite stehen. Zusätzlich sieht Holtappels die Aufgabe der Steuergruppe darin, die Schulleitung zu unterstützen, z. B. bei der Personal- oder Kompetenzentwicklung. Die empirischen Befunde von Berkemeyer und Holtappels (2007) zu den Funktionen von Steuergruppen bei der „Qualitätsentwicklungen in Netzwerken“ zeigen, dass die beratende Funktion der Steuergruppe von 74,5 % der Steuergruppenmitglieder und 33,9 % der Lehrkräfte wahrgenommen wird. Der von Rolff (2001) angesprochene Aspekt der Veränderung der Kultur einer Schule findet sich im Modell der Kapazität Organisationalen Lernens in der zweiten Dimension wieder. Ein wichtiger Aspekt für das Organisationale Lernen ist, dass die Routinen, Normen und Werte, die in der Schulkultur verankert sind, auf Veränderungen und die professionelle Entwicklung der einzelnen Lehrkräfte und der Schule als Ganzes ausgerichtet werden (vgl. Kapitel 2.2.3). Nach Schubert kann eine Unterstützung und Beratung bei Veränderungsprozessen einen positiven Einfluss auf Aspekte der „Wert-Erwartungs-Theorien“ haben. Zum einen kann durch die Unterstützung die Bewertung der individuellen und vor allem der organisationalen Ressourcen, die zur Zielerreichung zur Verfügung stehen, positiv beeinflusst werden. Zum anderen kann die Unterstützung
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direkt die Bewältigung der neuen Aufgaben erleichtern. Ferner kann auch schon das Wissen um Unterstützung ein Gefühl der Sicherheit erzeugen. Zusammenfassend ist die Beratung und Unterstützung der Arbeitsgruppen und Lehrkräfte ein weiteres Instrument von Steuergruppen zur Steuerung von Entwicklungs- und Veränderungsprozessen. Dabei lassen sich, wie eben skizziert, verschiedene Formen der Unterstützung unterscheiden: Erstens Maßnahmen, die eher im Sinne von Dienstleitungen zu verstehen sind: sie wirken eher indirekt, z. B. indem die Steuergruppe den Arbeitsgruppen und Projekten relevante Informationen besorgt, Materialien zur Verfügung stellt und bei Bedarf Experten vermittelt. Zweitens Maßnahmen der Beratung: z. B. indem die Steuergruppe die Arbeitsgruppen bei der Planungen berät, in Konfliktfällen vermittelt und generell bei Problemen zur Verfügung steht. Drittens Maßnahmen, die eher auf einer kulturellen und motivationalen Ebene liegen: z. B. Anerkennung der Leistung, Lob, Motivation bei Schwierigkeiten etc.
3.3.4 Koordination Eines der wichtigsten Instrumente von Steuergruppen zur Steuerung von Veränderungsprozessen ist die Koordination. Rolff (2001) greift bei seiner Beschreibung der Koordinationsfunktion von Steuergruppen auf eine Metapher von Becker und Lutz (2001) zurück. Demnach kann die Steuergruppe eine Art „Vogelperspektive“ bei der Betrachtung der schulischen Entwicklungsprozesse und der Schule als Ganzes einnehmen. Die Steuergruppe ist das schulische Gremium, in dem die einzelnen Fäden der unterschiedlichen Aktivitäten der Schulentwicklungsarbeit zusammenlaufen. Sie koordiniert die einzelnen Teilaktivitäten und sorgt dafür, dass sie wieder zu einem Ganzen zusammengefasst werden können. Damit leistet sie einen zentralen Beitrag zur Zielerreichung in der Schule im Kontext von Schulentwicklung. Denn als Mittel der Zielerreichung dienen Organisationen zwei gegensätzliche Maßnahmen (vgl. Schanz, 1992): Einerseits die Ausdifferenzierung der Ziele und Aufgaben in Form von Arbeitsteilung in Teilziele und Teilaufgaben, um diese effizient zu bewältigen, andererseits die Koordinierung und anschließende Zusammenführung der einzelnen Teilaufgaben zu einem Ganzen. Die Steuergruppe übernimmt diese Aufgabe in der Schule zusammen mit der Schulleitung für den Bereich der Schulentwicklung. Auch Mintzbergs (1992) Beschreibung einer Profi-Adhokratie mit der Steuergruppe in der Rolle des Projektleiters verweist auf die Bedeutung der Koordination bei eher adhokratischen projektförmigen Strukturen. Dabei koordinieren Steuergruppen nicht nur die Arbeit der Projekt- und Arbeitsgruppen, sondern auch den Qualifizierungsbedarf, der im Rahmen der Schulentwicklung entsteht (vgl. Rolff, 2001), oder sie koordinieren die schulweite Einführung von Unter-
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richtsentwicklung, wie im Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ in Nordrhein-Westfalen. Holtappels (2007) beschreibt ebenfalls die koordinierende Vernetzung als eine zentrale Dimension des Change Managements und der Aufgaben von Steuergruppen. Dabei verweist er auf die fragmentierte Struktur vieler Schulen und die lose Kopplung (vgl. Weick, 1976) der einzelnen Subsysteme (vgl. Kapitel 1.2). Im Rahmen von Change Management müssen die Entwicklungsaktivitäten „koordiniert, zusammengeführt und in Austausch gebracht werden, damit Synergieeffekte genutzt und kompatible Gesamtkonzeptionen möglich werden“ (ebd., S. 24). Auch zur koordinierenden Funktion der Steuergruppe liefern Berkemeyer und Holtappels (2007) Befunde. Demnach geben 90,4 % der Steuergruppenmitglieder und 28,8 % der Lehrkräfte an, dass die Steuergruppe diese Funktion übernimmt. Im Rahmen des Modells zur Kapazität des Organisationalen Lernens wird in der ersten Dimension die Bedeutung einer Koordinierungsfunktion im Sinne einer schulweiten Vernetzung verschiedener Kooperationsteams beschrieben (vgl. Kruse & Louis, 2000). Dies gilt besonders für große Schulen. Mit zunehmender Größe und Komplexität steigt die Bedeutung und Notwendigkeit einer übergreifenden Vernetzung und Koordination (vgl. Lee & Smith, 1996), damit nicht die Gefahr besteht, dass in einigen Teams und Gruppierungen Entwicklungsdynamiken entstehen, die ein Wegdriften von den schulischen Zielen und der schulischen Entwicklung zur Folge haben. Jones (2006) beschreibt darüber hinaus im Rahmen von Veränderungsprozessen die Vernetzungs- und Koordinationsfunktion von Change Agents. Er bezeichnet Change Agents in diesem Kontext treffend als „Gatekeeper“ und „Boundary Spanner“ (ebd.). Die Koordination der unterschiedlichen Schulentwicklungstätigkeiten innerhalb der Schule stellt ein weiteres zentrales Instrument zur Steuerung der schulischen Veränderungsprozesse dar. Dabei behält die Steuergruppe die Gesamtziele der Schule im Auge und bindet die einzelnen Teilprojekte und Arbeitsgruppen immer wieder zurück an diese Ziele. Um dieses Ziel zu erreichen, nutzt sie u. a. auch die bisher angesprochenen Instrumente: die Partizipation und Aushandlung, das Informations- und Wissensmanagement sowie die Beratung und Unterstützung der Arbeitsgruppen. Doch darüber hinaus nutzt sie noch ein weiteres Instrument, das im Folgenden beschrieben wird: das zielbezogene Handeln und Steuern. Da die Steuergruppe, wie gerade skizziert, zur Koordination der schulischen Entwicklungsarbeit sich aller anderen Instrumente des Change Managements als Change Agent in der Schule bedient, kann diese auch als übergeordnetes Instrument der Steuerung von Veränderungsprozessen in Schulen angesehen werden.
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3.3.5 Zielbezogenes Handeln Wie in der Koordinierungsfunktion beschrieben, laufen in der Steuergruppe die Fäden der Schulentwicklungsarbeit zusammen. Die Steuergruppe soll die einzelnen Teilaufgaben zusammenführen. Dabei benötigt sie ein zentrales Instrument zur bewussten Steuerung der Veränderungsprozesse, das zielbezogene Handeln. Bereits Dalin und Rolff (1990) beschreiben in ihrem ISP die Rolle von Steuergruppen in der Phase der Zielklärung und -vereinbarung sowie der Maßnahmenplanung. Wichtig ist hierbei jedoch, dass die Steuergruppe die Ziele der schulischen Entwicklung nicht selbst vorgibt. Im Sinne der Partizipation und Beteiligung des Kollegiums ist es wichtig, dass die Steuergruppe nur den Prozess der Zielformulierung moderiert und steuert. Die Ziele selbst werden vom Kollegium vorgegeben und die Sorge für deren Einhaltung über das Mandat an die Steuergruppe übertragen. So ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich die einzelnen Lehrkräfte und Arbeitsgruppen auch mit diesen Zielen identifizieren und sich diese zu eigen machen. D. h. die Steuerungsfunktion von Steuergruppen befindet sich unterhalb der Ebene der Formulierung und Vorgabe der Gesamtziele. Sie soll im Rahmen ihres Auftrages für die Erreichung der vom Kollegium formulierten Ziele sorgen. Auch Holtappels beschreibt in seiner Change Management Dimension „steuerndes Prozessmanagement“ die Bedeutung von zielbezogenem Handeln, das er mit einer Form der Meta-Steuerung „im Sinne einer Reflexion über Prozessverläufe und Etappenziele und Strategien und Verfahren“ (Holtappels, 2007, S. 23) kombiniert. Schubert weist ebenso auf die Bedeutung von Zielen und zielbezogenem Handeln im Rahmen von Change Management hin. Er nennt zentrale Merkmale, die Ziele erfüllen müssen, damit sie den handelnden Akteuren als klare Orientierung und auch als Motivation für ihre Arbeit dienen. Neben den schon erwähnten „Wert-Erwartungs-Theorien“ existieren in der Motivationspsychologie noch weitere Theorien zur gezielten Beeinflussung von Motivation, z. B. die Zieltheorie von Locke (1968) bzw. Locke und Latham (1990, 2002). Locke geht in seiner Theorie davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen Zielen, Motivation, Leistung und Feedback existiert. Auf Basis dieser Annahme untersuchte er in empirischen Studien den Einfluss von Zielen auf die Motivation und Arbeitsleistung (vgl. Kleinbeck, 2006). Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass, unter Berücksichtigung bestimmter Einflussfaktoren, Ziele die Motivation und Arbeitsleistung fördern. Der erste Faktor ist der Schwierigkeitsgrad des zu erreichenden Ziels. Dieser sollte auf der einen Seite so schwierig sein, dass er eine Motivation bzw. einen Anreiz zur Zielerreichung darstellt. Auf der anderen Seite darf er auch nicht zu hoch sein, sodass die Zielerreichung auch realistisch ist. Der zweite Faktor bezieht sich auf die Genauigkeit, mit der das Ziel formuliert ist. Je präziser und genauer dieses formuliert ist, desto höher ist der Grad der Zielerreichung.
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Der dritte Faktor beschreibt den Grad der Akzeptanz, den das Ziel bei der zu motivierenden Person erfährt. Der vierte Faktor betrifft das Zielcommitment, also die Frage, wie sehr der Akteur sich mit dem Ziel identifiziert und somit an der Zielerreichung interessiert ist. Im Lauf der Zeit hat Locke sein Modell um zwei weitere Faktoren erweitert: die Fähigkeit der Person, das Ziel zu erreichen, und inwieweit diese ein Feedback über ihre Zielerreichung erhält. Die Zielsetzung wirkt dabei generell durch vier Mechanismen (vgl. Keller, 2008): Erstens wird durch die Setzung von Zielen die Aufmerksamkeit auf das spezifische Ziel gesteuert bzw. fokussiert. Zweitens wird dadurch Energie mobilisiert werden. Drittens wird die Ausdauer zur Verfolgung des Ziels erhöht und viertens wird die Entwicklung von Strategien gefördert. Auch in der vierten Dimension „Führung und Management“ im Modell der Kapazität des Organisationalen Lernens wird betont, dass zielbezogenes Handeln und Führen für Organisationales Lernen zentral ist. Zusammenfassend ist das zielbezogene Handeln ein zentrales Instrument von Steuergruppen zur Steuerung von Veränderungsprozessen. Im Sinne der Zielsetzungstheorie besteht die Aufgabe der Steuergruppe darin, klare Anforderungen an die Lehrkräfte und Arbeitsgruppen im Kontext der schulischen Entwicklungsarbeit zu formulieren. D. h. die Ziele für die Arbeitsgruppen müssen klar und eindeutig sein. Im Zusammenspiel der einzelnen Teilprojekte ist es darüber hinaus wichtig, dass die Steuergruppe die Arbeitsgruppen anhält, die Ziele auch im Rahmen der vereinbarten Zeit zu erreichen. Ferner ist es notwendig, dass die Arbeitsgruppen nicht das Gefühl haben, dass die Ziele ihnen aufoktroyiert werden. Dementsprechend bietet es sich an, die Ziele mit den Arbeitsgruppen in einem partizipativen Prozess zu vereinbaren. Diese fünf beschriebenen Instrumente dienen Steuergruppen als Change Agent zur Steuerung der schulische Entwicklungs- und Veränderungsprozesse. Wie Steuergruppen mittels dieser Instrumente die Kapazität des Organisationalen Lernens in der Schule fördern können und über diese Einfluss auf die Erfolgsfaktoren nehmen, wird in Kapitel 4 beschrieben und in Kapitel 7 anhand der Daten im Modellvorhaben untersucht. Doch ist es wichtig zu betonen, dass, wie Dalin und Rolff (1990) bzw. Rolff (2001), Holtappels (2007) und Berkemeyer und Holtappels (2007) feststellen, die Steuergruppen selbstverständlich noch weitere Aufgaben übernehmen und Funktionen innehaben können, wie z. B. die Erstellung von Diagnosen, die Evaluation von Projekten, die Organisation von pädagogischen Tagen etc. Dies sind alles wichtige Aufgaben von Steuergruppen, doch sind sie nicht primär notwendig zur Steuerung von schulischen Veränderungsprozessen.
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Hypothesen zum Zusammenhang von Steuergruppen, Kapazität Organisationalen Lernens und Erfolgsfaktoren des Modellvorhabens
Von den drei Forschungsfragen wurden bereits die Fragen 1.1 und 2 – mit den theoretischen Modellen zur Kapazität Organisationalen Lernens (vgl. Kapitel 2.2.3) und zur Nutzung von Instrumenten des Change Management durch Steuergruppen (vgl. Kapitel 3.3) – beantwortet. Um die dritte Forschungsfrage zu beantworten, werden im Folgenden die Hypothesen zu den drei Erfolgsfaktoren (Selbststeuerungsfähigkeit, Unterricht, Nutzung und Bewertung erweiterter Formen von Selbstständigkeit) ausformuliert. Zur Formulierung der Hypothesen ist es notwendig, den Zusammenhang zwischen dem Handeln der Steuergruppe als Change Agent im Rahmen der Kapazität des Organisationalen Lernens und den Erfolgsfaktoren im Modellvorhaben herzustellen.
4.1 Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Selbststeuerungsfähigkeit Das Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ Nordrhein-Westfalen hat sich die Gewährung und Nutzung erweiterter Formen der Selbstständigkeit zum Ziel gesetzt (vgl. Brabeck & Lohre, 2004). Für die Umsetzung dieses Zieles wurde das schulinterne Management durch erweiterte Kompetenzen der Schulleitung und durch die Einrichtung und Qualifizierung von schulischen Steuergruppen gestärkt (vgl. Kapitel 1.3). Nach dem Verständnis der wissenschaftlichen Begleitforschung, dem sich diese Arbeit anschließt (vgl. Feldhoff, Kanders & Rolff, 2008), bedarf die Nutzung erweiterter Formen der Selbstständigkeit im Sinne der o. g. Handlungsspielräume einer entsprechenden Selbststeuerungsfähigkeit der Schule (vgl. ebd.). Der Aufbau einer Kapazität Organisationalen Lernens wird als eine Strategie zur Erhöhung des Selbststeuerungspotenzials der Schule angesehen. T. Feldhoff, Schule organisieren, DOI 10.1007/978-3-531-93384-9_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
4.1 Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Selbststeuerungsfähigkeit
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Auf der Ebene der Schulentwicklung müsste sich eine entsprechende Selbststeuerungsfähigkeit durch eine Anpassung der Organisation an die neuen Bedingungen des Modellvorhabens – also letztlich in der Veränderung von Routinen – zeigen. Im Sinne einer systematischen Entwicklung sollte die Arbeit im Modellvorhaben zu einer Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen führen. Die Veränderung von Routinen sowie die Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen des Modellvorhabens bilden die beiden Indikatoren der Selbststeuerungsfähigkeit. Die Kapazität des Organisationalen Lernens (vgl. Kapitel 2.2.3) müsste durch vier Dimensionen die Selbststeuerungsfähigkeit der Schulen in Form einer Veränderung von Routinen sowie der Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen des Modellvorhabens positiv beeinflussen. Diese vier Dimensionen sind: a) „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen“, b) „Wissen und Fertigkeiten“, c) „Partizipation“ und d) „Führung und Management“. Im Folgenden werden zuerst die direkten und anschließend die indirekten Einflüsse auf die Selbststeuerungsfähigkeit der Schulen eingeführt.
4.1.1 Direkte Einflüsse auf die Selbststeuerungsfähigkeit Die folgenden drei Dimensionen sollten einen direkten Einfluss auf die Selbststeuerungsfähigkeiten der Schulen haben: a) „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“, b) „Wissen und Fertigkeiten“ und c) „Partizipation“. Der Zusammenhang dieser drei Dimensionen mit der Selbststeuerungsfähigkeit wird im Folgenden dargestellt: a) Durch eine projektbezogene Kooperation im Entwicklungsprozess der Arbeitsgruppen wird neues Wissen erzeugt, das sich auch in neuen Ziel- und Wertvorstellungen niederschlägt (vgl. Kruse & Louis, 2000). Dieses Wissen bezieht sich auf die konkreten Inhalte der Projekte genauso wie auf ein Meta-Wissen zur Gestaltung von Schulentwicklungsprozessen. Dieses Wissen kann sich in veränderten Arbeitsroutinen niederschlagen (vgl. Hanson, 2001). Über diesen Prozess kann die Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation“ die Veränderung von Routinen beeinflussen. b) Unterstützt wird dieser Prozess durch die kritische Reflektion bestehenden Wissens und der Offenheit gegenüber neuem Wissen im Sinne der Innovationsbereitschaft (vgl. Kapitel 2.2.3; Marks & Louis, 1999). Die Schulen prüfen im Laufe ihres Entwicklungsprozesses kri-
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4 Hypothesen zum Zusammenhang von Steuergruppen
tisch ihre Entwicklung und ihre Ziele. Bei Bedarf werden diese angepasst, womit sich die Routinen in der Organisation verändern (vgl. Hanson, 2001). Die Lehrkräfte öffnen sich gegenüber neuen Ideen und Lösungswegen. Über diese kritische Reflektion und Offenheit gegenüber Neuem kann die Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ die Veränderung von Routinen beeinflussen. Durch die kritische Reflektion der Entwicklungsarbeit (z. B. ineffiziente Strategien, Fehler, Sackgassen) können auch Lernprozesse und neues Wissen entstehen. Holtappels (2007) bezeichnet dies als „MetaSteuerung im Sinne einer Reflexion über Prozessverläufe und Etappenziele und Strategien und Verfahren“ (S. 23). Die kritische Reflexion kann so zu einer höheren Nachhaltigkeit der Projekte führen. Über die kritische Reflektion kann die Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ die Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen beeinflussen. c) Zusätzlich kann durch eine breite Beteiligung des Kollegiums an der schulischen Entwicklungsarbeit (Dimension „Partizipation“) die Verankerung von Projekten in den Schulen unterstützt werden. Je mehr Kolleginnen und Kollegen in den Arbeitsgruppen involviert sind, desto höher ist die Verankerung des Modellvorhabens in der Schule und desto nachhaltiger sind auch die Maßnahmen der Schulentwicklung. Diese Form der Beteiligung erhöht die Problemlösefähigkeit des Kollegiums (Leithwood, Leonard et al., 2000). Über die Beteiligung des Kollegiums an der schulischen Entwicklungsarbeit kann die Dimension „Partizipation“ die Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen beeinflussen.
4.1.2 Indirekte Einflüsse auf die Selbststeuerungsfähigkeit Die Steuergruppe und die Schulleitung als Teil der Dimension „Führung und Management“ fördern die Kapazität des Organisationalen Lernens in den drei Dimensionen „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen“, „Wissen und Fertigkeiten“ und „Partizipation“. Über diese drei Dimensionen können sie auch einen indirekten Einfluss auf die Selbststeuerungsfähigkeit der Schule haben. 1. Einfluss der Dimension „Führung und Management“ auf die Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ Im Rahmen der Dimension „Führung und Management“ kann die Steuergruppe mithilfe ihrer Koordinationsfunktion und ihrem zielbezogenen Handeln sowie die Schulleitung mithilfe der zielbezogenen Führung die Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ beeinflussen.
4.1 Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Selbststeuerungsfähigkeit
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Koordinationsfunktion der Steuergruppe Mit der Koordinationsfunktion sorgt die Steuergruppe für eine Verzahnung der einzelnen Aktivitäten im Rahmen der Schulentwicklung (vgl. Kapitel 3.3.4). Ihre Aufgabe ist es, die einzelnen Projekte und Maßnahmen so zu koordinieren, dass ein Gesamtkonzept entsteht (vgl. Kapitel 3.7, Dalin & Rolff, 1990; Holtappels, 2007). Dabei koordiniert sie die einzelnen Arbeitsgruppen und fördert die Kooperation im Kollegium. Zielbezogenes Handeln der Steuergruppe und zielbezogene Führung der Schulleitung Das zielbezogene Handeln der Steuergruppe unterstützt die Gesamtkoordination der schulischen Entwicklungsprozesse (vgl. Kapitel 3.3.5). Die Kooperation in der Projektarbeit wird durch die Vorgabe klarer Ziele von Steuergruppe und Schulleitung unterstützt. Die Teams erhalten eine klare Orientierung, welche Ziele und wann diese erreicht werden sollen. Zudem erhalten sie regelmäßige von Steuergruppen und Schulleitung Rückmeldungen zum Stand der Zielerreichung. Im Sinne der Zieltheorien (vgl. Locke & Latham, 1990) kann die Vorgabe von Zielen einen Einfluss auf die Motivation und Arbeitsleistung der Projektteams haben. 2. Einfluss der Dimension „Führung und Management“ auf die Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ Im Rahmen der Dimension „Führung und Management“ kann die Steuergruppe mithilfe ihres Informations- und Wissensmanagements, ihrer Beratungs- und Unterstützungsfunktion, ihres zielbezogenen Handelns und ihrer Partizipationsfunktion die Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ beeinflussen. Ferner kann die Schulleitung mithilfe der zielbezogenen Führung die Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ beeinflussen. Informations- und Wissensmanagement der Steuergruppe Durch ihre schulweite Vernetzung sorgt die Steuergruppe für eine Verbreitung der individuellen Wissensbestände der Lehrkräfte bzw. der Arbeitsgruppen (vgl. Kapitel 3.3.2, Holtappels, 2007). Sie stellt allen Schulmitgliedern die für den Prozess wichtigen Informationen zur Verfügung. Somit fördert sie als Boundary Spanner (vgl. Jones, M. L., 2001; Jones, O., 2006, Kapitel 3.3.2) den zweiten Aspekt der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“: die Durchlässigkeit des Wissens innerhalb der Schule im Sinne der Innovationsbereitschaft (vgl. Marks & Louis, 1999). Beratungs- und Unterstützungsfunktion der Steuergruppe Zusätzlich kann die Steuergruppe durch ihre Beratungs- und Unterstützungsfunktion (vgl. Kapitel 3.3.3) die Erzeugung neuen Wissens fördern (vgl. Kruse & Louis, 2000). Über die Bereitstellung von Informationen und Vermittlung von
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4 Hypothesen zum Zusammenhang von Steuergruppen
Experten fördert sie die Nutzung von externen Wissensquellen. Neben einer Förderung der Nutzung von Wissensquellen kann durch die Unterstützung und Beratung aber auch die Durchlässigkeit des Wissens gefördert werden. Durch eine konkrete Unterstützung innerhalb der Projekte werden die Lehrkräfte ermutigt, neue Ideen auszuprobieren und ihr bestehendes Wissen kritisch zu hinterfragen. Auch das zielbezogene Handeln und die Beteiligung der Lehrkräfte können die Durchlässigkeit des Wissens im Sinne der Innovationsbereitschaft fördern. Zielbezogenes Handeln der Steuergruppe und zielbezogene Führung der Schulleitung Die Steuergruppe und die Schulleitung können durch den Verweis auf die schulischen Ziele und deren Bedeutung die Arbeitsgruppen auffordern, ihre eigene Arbeit in Bezug auf die vorgegebenen Ziele kritisch zu hinterfragen (vgl. Kapitel 3.3.5). Somit leisten auch das zielbezogene Handeln der Steuergruppe und die zielbezogenen Führung der Schulleitung einen Beitrag zu Förderung der Innovationsbereitschaft. Die Steuergruppe und Schulleitung stimmen sich hierbei ab und beeinflussen sich somit gegenseitig. Partizipationsfunktion der Steuergruppe Die Steuergruppe kann über Verhandlung und Überzeugung im Rahmen ihrer Partizipationsfunktion die Lehrkräfte bestärken, neue Wege auszuprobieren, denen sie sonst vielleicht eher kritisch gegenüberstehen würden (vgl. Kapitel 3.3.1; Mintzberg, 1992). 3. Einfluss der Dimension „Führung und Management“ auf die Dimension „Partizipation“ Im Rahmen der Dimension „Führung und Management“ kann die Steuergruppe mithilfe ihrer Partizipationsfunktion, ihres Informations- und Wissensmanagements und ihrer Beratungs- und Unterstützungsfunktion die Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ beeinflussen. Partizipationsfunktion der Steuergruppe Wie schon der Name des Instruments der Partizipation des Kollegiums ausdrückt, wird mit diesem Instrument explizit versucht, die Lehrerinnen und Lehrer an den schulischen Entwicklungsprozessen zu beteiligen (vgl. Kapitel 2.2.3). Das Schlüsselelement ist die Begegnung der Steuergruppen mit den Lehrkräften auf Augenhöhe, sie verhindert einen antihierarchischen Effekt (Krainz-Dürr, 2002). Die Steuergruppe agiert im Sinne von Mintzberg (1992) als Kontaktinstrument in Form eines Projektleiters, indem sie die Aufgaben der Arbeitsgruppen im Entwicklungsprozess mit den Lehrerinnen und Lehrern aushandelt (vgl. Kapitel 3.3.1). Die Steuergruppe versucht die Lehrkräfte argumentativ zu über-
4.1 Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Selbststeuerungsfähigkeit
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zeugen und so ihr Professionsverständnis zu adressieren (vgl. Kapitel 3.3.1; Berkemeyer et al., 2007). Des Weiteren gibt sie Anreize, damit sich mehr Kolleginnen und Kollegen beteiligen. Zudem unterstützt sie die Eigeninitiative von Ideen und Projekten des Kollegiums. Informations- und Wissensmanagement der Steuergruppe Aber auch ein gutes Informationsmanagement kann die Beteiligung der Lehrkräfte an den schulischen Entwicklungsprozessen erhöhen (vgl. Kapitel 3.3.2). Wenn die Lehrerinnen und Lehrer rechtzeitig und umfassend über die anstehenden Maßnahmen und Projekte informiert werden, können sie im Sinne der „Wert-Erwartungs-Theorien“ besser beurteilen, was auf sie zukommt (vgl. Schubert, 2004). Damit kann die Unsicherheit im Vorfeld einer Neuerung reduziert werden und als Anreiz aufgezeigt werden, welche positiven Wirkungen mit den Neuerungen verbunden seien können. Beratungs- und Unterstützungsfunktion der Steuergruppe Die Beratungs- und Unterstützungsfunktion kann auch im Sinne der „Wert-Erwartungs-Theorien“ positiv wirken (vgl. Kapitel 3.3.3). Entsprechende Beratungsund Unterstützungsangebote der Steuergruppe kann die Bewertung der organisationalen Ressourcen, die den Arbeitsgruppen zur Zielerreichung der Entwicklungsmaßnahmen zur Verfügung stehen, durch die Lehrkräfte positiv beeinflussen. Lehrkräfte, die der Realisierung von Entwicklungsmaßnahmen aufgrund mangelnder Ressourcen kritisch gegenüberstehen und sich aus diesem Grund nicht an Maßnahmen beteiligen, können durch die Beratungs- und Unterstützungsangebote zu einer positiveren Bewertung der Ressourcen gelangen. Die Bewertung kann die Lehrkräfte ermutigen, sich an Entwicklungsmaßnahmen stärker zu beteiligen. Zusätzlich können auch Lehrkräfte, die ihre individuellen Ressourcen zur Arbeit an den Entwicklungsmaßnahmen niedrig bewerten, durch die Erwartung von Unterstützung und Beratung ermutigt werden, sich an den Maßnahmen stärker zu beteiligen. Neben der Bewertung der potenziellen organisationalen und individuellen Ressourcen kann die konkrete Hilfestellung der Steuergruppe die Partizipation von Lehrerinnen und Lehrern an Entwicklungsprozessen erhöhen. Hypothesen zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Selbststeuerungsfähigkeit Es lassen sich folgenden drei Hypothesen zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Veränderung von Routinen in den Schulen des Modellvorhabens ableiten: 1. Das zielbezogene Handeln der Steuergruppe hat einen indirekten positiven Einfluss über zwei Dimensionen – „Wissen und Fertigkeiten“
184
4 Hypothesen zum Zusammenhang von Steuergruppen
und „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ – auf die Veränderung von Arbeitsroutinen in den Schulen des Modellvorhabens. 2. Die zielbezogene Führung der Schulleitung hat einen indirekten positiven Einfluss über zwei Dimensionen – „Wissen und Fertigkeiten“ und „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ – auf die Veränderung von Arbeitsroutinen in den Schulen des Modellvorhabens. 3. Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem zielbezogenen Handeln der Steuergruppe und der zielbezogenen Führung der Schulleitung. Es lassen sich folgende drei Hypothesen zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen ableiten: 1. Die Beteiligung der Lehrkräfte durch die Steuergruppe hat einen indirekten positiven Einfluss über zwei Dimensionen – „Wissen und Fertigkeiten“ und „Partizipation“ – auf die Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen des Modellvorhabens. 2. Das Informations- und Wissensmanagement der Steuergruppe hat einen indirekten positiven Einfluss über zwei Dimensionen – „Wissen und Fertigkeiten“ und „Partizipation“ – auf die Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen des Modellvorhabens. 3. Die Beratung und Unterstützung der Steuergruppe hat einen indirekten positiven Einfluss über zwei Dimensionen – „Wissen und Fertigkeiten“ und „Partizipation“ – auf die Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen des Modellvorhabens.
4.2 Einfluss der Kapazität Organisationalen Lernens auf den Unterricht Die Projektträger verdeutlichen in der Beschreibung des Modellvorhabens (vgl. Brabeck & Lohre, 2004), dass die Erprobung erweiterter Formen von Selbstständigkeit kein Selbstzweck ist, sondern damit auch die Erwartung einer Verbesserung des Unterrichts verbunden ist (vgl. Kapitel 1.3). Dementsprechend gilt es zu überprüfen, inwiefern die Kapazität des Organisationalen Lernens einen Einfluss
4.2 Einfluss der Kapazität Organisationalen Lernens auf den Unterricht
185
auf den Unterricht hat. Im Folgenden werden die Hypothesen zu den direkten und indirekten Einflüssen dargestellt69.
4.2.1 Direkte Einflüsse auf den Unterricht Die Dimensionen a) „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ und b) „Wissen und Fertigkeiten“ können einen direkten Einfluss auf den Unterricht in den Schulen des Modellvorhabens haben. Der Zusammenhang der beiden Dimensionen mit dem Unterricht wird im Folgenden dargestellt: a) Die Dimension der „Gemeinsamen Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ beschreibt den kulturellen Aspekt des Organisationalen Lernens (vgl. Kruse & Louis, 2000). Organisationales Lernen setzt den Austausch von Wissen und die Adaption der Wissensbestände durch die einzelnen Organisationsmitglieder voraus. Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen tragen zu einem schulweiten Austausch von Wissen bei und begünstigen durch eine höhere Anschlussfähigkeit die Übernahme von Wissensbeständen durch andere Organisationsmitglieder (vgl. Kapitel 2.2.2; Kapitel 2.2.3; Louis & Dentler, 1988). Neben der Verbreitung hat die Gewinnung und Interpretation von Wissen einen großen Stellenwert. Bedeutsam sind gemeinsame Zielund Wertvorstellungen, wenn sie in Verbindung mit einer engen Kooperation stehen, die sich auf das Kerngeschäft Unterricht konzentriert. Dazu schlagen Marks und Louis (1999) den Aufbau von professionellen Lerngemeinschaften als Träger von Unterrichtsentwicklung vor (vgl. Bonsen & Rolff, 2006; Newmann, 1994). In den Unterrichtsteams wird die Verbesserung des Unterrichts ins Zentrum der Teamarbeit gestellt. Dabei werden bestehende Unterrichtskonzepte optimiert und neue Konzepte im Unterricht ausprobiert. Dies müsste ebenso den Unterricht der einzelnen Lehrkraft verändern. b) In Verbindung mit einer unterrichtsbezogenen Kooperation müsste durch die Bereitschaft, die eigenen Ansätze im Unterricht zu überprüfen und neuen Konzepten gegenüber aufgeschlossen zu sein – im Sinne der Durchlässigkeit des Wissens – sich auch der Unterricht der einzelnen Lehrkraft verändern.
69 Dieser Abschnitt wurde in einer ähnlichen Form von Feldhoff und Rolff (2008).veröffentlicht.
186
4 Hypothesen zum Zusammenhang von Steuergruppen
4.2.2 Indirekte Einflüsse auf den Unterricht Im Rahmen der Dimension „Führung und Management“ kann die Steuergruppe mithilfe ihrer Koordinationsfunktion bei der Unterrichtsentwicklung gemeinsam mit der Schulleitung die Dimensionen „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ und „Wissen und Fertigkeiten“ beeinflussen. Über diesen Einfluss auf die beiden Dimensionen kann sie indirekt den Unterricht beeinflussen. Einfluss von Schulleitungs- und Steuergruppenhandeln auf die Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ im Kontext von Unterrichtsentwicklung Die Schulleitung kann mithilfe zielbezogener und unterrichtsbezogener Führung durch die Thematisierung von Unterrichtszielen und -qualität einen Einfluss auf die gemeinsamen Ziele und Werte nehmen (vgl. Leithwood et al., 1994). Des Weiteren kann sie den Teams entsprechende Partizipationsmöglichkeiten in schulweiten Belangen des Unterrichts einräumen (vgl. ebd.). Dies gilt insbesondere für die unterrichtsbezogene Kooperation. Auf diese Kooperation kann auch die Steuergruppe einwirken, indem sie dafür sorgt, dass die Fachteams die Lernentwicklung der Schülerinnen und Schüler thematisieren oder indem sie im Zuge der Implementierung der Unterrichtsentwicklung die Teams bei der Planung von Unterrichtsentwicklung unterstützt. Einfluss von Schulleitungs- und Steuergruppenhandeln auf die Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ im Kontext von Unterrichtsentwicklung Die beiden Akteure Schulleitung und Steuergruppe haben einen Einfluss auf die Dimension „Wissen und Fertigkeiten“, indem sie die Nutzung und Weiterentwicklung des Wissens sowie die Durchlässigkeit von Wissen sicherstellen (vgl. Kapitel 2.2.3; Marks & Louis, 1999). Zur Nutzung und Weiterentwicklung von Wissen stehen der Schule mehrere Quellen des Wissens zur Verfügung (vgl. Huber, 1991). Im spezifischen Kontext des Modellvorhabens und der Unterrichtsentwicklung haben vor allem zwei Wissensquellen eine große Bedeutung: 1. Das Wissen der Lehrkräfte, das beispielsweise in den Fach-, Klassenund Jahrgangsteams erzeugt wird, um spezifische Fragen oder Probleme des Unterrichts zu lösen. 2. Externes Wissen, wie es z. B. durch die Fortbildungen der Unterrichtsentwicklung in die Schulen getragen wird (vgl. Kruse & Louis, 2000). Die Schulleitung kann durch die Anregung von Diskursen über den Unterricht und seine Qualität vor allem auf die erste der beiden genannten Wissensquellen
4.3 Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf Formen von Selbstständigkeit
187
einwirken. Sie kann die Lehrkräfte anregen, ihren eigenen Unterricht kritisch zu reflektieren, und sie kann sie dazu ermutigen, neue Konzepte aus der Schul- und Unterrichtsforschung sowie der Schulpraxis auszuprobieren. Die Steuergruppe kann durch ihre besondere Funktion bei der Implementierung der Unterrichtsentwicklung im Projekt vor allem auf die zweite Wissensquelle eingehen und die Lehrkräfte und die Teams dabei unterstützen, sich für neue Ansätze und Konzepte der Unterrichtsentwicklung zu öffnen. Die Schulleitung und die Steuergruppen müssten durch die Förderung der beiden Dimensionen „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ und „Wissen und Fertigkeiten“ einen indirekten Einfluss auf das Unterrichtsgeschehen haben. Dabei stimmen sie sich bei ihrem Vorgehen ab und beeinflussen sich somit gegenseitig. Hypothesen zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf den Unterricht Es lassen sich folgende drei Hypothesen ableiten: 1. Die Koordinationsfunktion der Steuergruppe hat einen indirekten positiven Einfluss über zwei Dimensionen – „Wissen und Fertigkeiten“ und „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ – auf den Unterricht in den Schulen des Modellvorhabens. 2. Das Schulleitungshandeln hat einen indirekten positiven Einfluss über zwei Dimensionen – „Wissen und Fertigkeiten“ und „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ – auf den Unterricht in den Schulen des Modellvorhabens. 3. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Koordinationsfunktion der Steuergruppe und dem Schulleitungshandeln im Modellvorhaben.
4.3 Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf erweiterte Formen von Selbstständigkeit Die Veränderung von Routinen und die Etablierung von Projektstrukturen sind wichtige Prozesse hin zu einer höheren Selbststeuerungsfähigkeit der Schule. Doch das Modellvorhaben hat sich auch die Erprobung von Formen erweiterter Selbstständigkeit zum Ziel gesetzt. Dementsprechend können die Nutzung und die Bewertung der Nutzung dieser Formen erweiterter Selbstständigkeit ebenfalls als Erfolgsfaktoren des Modellvorhabens gelten (vgl. Kapitel 1.4). Wie in der
188
4 Hypothesen zum Zusammenhang von Steuergruppen
Darstellung des Modellvorhabens bereits erwähnt (vgl. Kapitel 1.3), beziehen sich die im Rahmen des Modellvorhabens gewährten Freiräume vor allem auf die Bereiche Unterrichtsorganisation und -gestaltung, Personal- und Sachmittelbudgetierung und erweiterte Kompetenzen der Schulleitung. Im Folgenden werden die Hypothesen zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Nutzung und Bewertung der Nutzung dieser drei Formen von Selbstständigkeit in den Schulen des Modellvorhabens vorgestellt.
4.3.1 Freiräume im Bereich Unterrichtsorganisation und -gestaltung Bei den Hypothesen zum Zusammenhang von Steuergruppen und Schulleitung, der Kapazität des Organisationalen Lernens und dem Unterricht in den Schulen wurde beschrieben, welchen direkten Einfluss die zwei Dimensionen „Wissen und Fertigkeiten“ und „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ auf den Unterricht haben können (vgl. Kapitel 4.2.2). Die Bereitschaft, die eigenen Unterrichtsansätze zu überprüfen, und die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Konzepten kann den Unterricht positiv beeinflussen. Diese Wirkung wird unterstützt durch eine gemeinsame Kooperation zur Entwicklung neuer Unterrichtskonzepte und zur Verbesserung des Unterrichts. Diese beiden Faktoren müssten auch die Nutzung erweiterter Formen der Unterrichtsorganisation und -gestaltung fördern. Hypothesen zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Nutzung von Formen der Unterrichtsorganisation und -gestaltung Daher lässt sich folgende Hypothese ableiten: Die Kapazität des Organisationalen Lernens hat in den zwei Dimensionen – „Wissen und Fertigkeiten“ und „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ – einen positiven Einfluss auf die Nutzung von Formen der Unterrichtsorganisation und -gestaltung in den Schulen des Modellvorhabens.
4.3.2 Freiräume im Bereich Personal- und Sachmittelbudgetierung Die Schulleitung sorgt in ihrer Managementfunktion im Rahmen des Organisationalen Lernens für die nötigen personellen und finanziellen Ressourcen und setzt diese so effizient ein, dass die Schulen optimale Bedingungen für ihre Arbeits- und Entwicklungsprozesse haben (vgl. Larson-Knight, 2000). Dementsprechend müsste die Managementkompetenz der Schulleitung einen Einfluss darauf haben, wie die Lehrkräfte die Nutzung der neuen Möglichkeiten der Personal- und Sachmittelbudgetierung in den Schulen bewerten.
4.3 Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf Formen von Selbstständigkeit
189
Hypothesen zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Bewertung der Nutzung von Formen der Personal- und Sachmittelbudgetierung Daher lässt sich folgende Hypothese ableiten: Das Schulleitungshandeln im Rahmen der Dimension „Führung und Management“ der Kapazität des Organisationalen Lernens beeinflusst die Bewertung der Nutzung der Personal- und Sachmittelbudgetierung in den Schulen positiv.
4.3.3 Freiräume in Form von erweiterter Personalverantwortung der Schulleitung Die Schulleitungen mussten im Verlauf des Modellvorhabens (spätestens zum Schuljahr 2005/2006) erweiterte Aufgaben als Dienstvorgesetzte übernehmen. In der Dimension „Führung und Management“ wird die Bedeutung der Personalführung und -entwicklung betont (vgl. Kruse & Louis, 2000; Leithwood, Jantzi et al., 2000). Die Schulleitung kann hier vor allem über die zielbezogene Führung den Lehrkräften Entwicklungsperspektiven aufzeigen und ihnen eine Orientierung für ihre Laufbahnplanung geben. Hypothesen zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Bewertung von der Nutzung von Formen von erweiterter Personalverantwortung der Schulleitung Daher lässt sich folgende Hypothese ableiten: Das Schulleitungshandeln im Rahmen der Dimension „Führung und Management“ der Kapazität des Organisationalen Lernens beeinflusst die Bewertung der Schulleitung als erweiterter Dienstvorgesetzter positiv. Die aufgestellten Hypothesen werden im Ergebniskapitel anhand der Daten zum Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ Nordrhein-Westfalen getestet (vgl. Kapitel 7).
5 Design und Stichprobe
In den vorangegangenen Kapiteln wurde die Problemstellung der Arbeit, die beiden theoretischen Konzepte und die hierzu entwickelten Modelle und deren Zusammenhang zu den Erfolgsfaktoren des Modellvorhabens dargestellt. Das folgende Kapitel beschreibt die Rahmenbedingungen für die im siebten Kapitel dargestellten Ergebnisse der empirischen Untersuchung. Hierfür wird zunächst das Evaluationsdesign der wissenschaftlichen Begleitforschung des Modellvorhabens „Selbstständige Schule“ vorgestellt (Kapitel 5.1). Das Forschungs- und Erhebungsdesign bildet den Hintergrund für die empirischen Analysen in Kapitel 7. Nach dem Design wird die verwendete Stichprobe beschrieben (Kapitel 5.2).
5.1 Evaluationsdesign der Begleitforschung Wie in Kapitel 1 bereits dargestellt, ist diese Arbeit im Rahmen der vom Ministerium für Schule und Weiterbildung (MSW) des Landes Nordrhein-Westfalens beauftragten wissenschaftlichen Begleitforschung entstanden. Die wissenschaftliche Begleitforschung wurde von einem Forschungsverbund durchgeführt. Dieser Verbund bestand aus dem Institut für Schulentwicklungsforschung der Technischen Universität Dortmund (IFS), vertreten durch Prof. Dr. Heinz Günter Holtappels und Prof. Dr. Hans-Günter Rolff, sowie aus der Arbeitsgruppe für Bildungsforschung und Bildungsplanung (AG BFP) der Universität DuisburgEssen, vertreten durch Prof. Dr. Klaus Klemm (vgl. Holtappels, Klemm & Rolff, 2008).70
70 Eine ausführliche Beschreibung des Evaluationsdesigns und der Fragestellung der Begleitforschung finden sich im Abschlussbericht „Schulentwicklung durch Gestaltungsautonomie“ (Kanders & Voss, 2008; Pfeiffer, 2008b).
T. Feldhoff, Schule organisieren, DOI 10.1007/978-3-531-93384-9_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
5.1 Evaluationsdesign der Begleitforschung
191
5.1.1 Forschungs- und Stichprobendesign Die Begleitforschung hat das Ziel verfolgt, die Wirkung von Selbstständigkeit und der hiermit verbundenen Maßnahmen des Modellvorhabens auf Schulentwicklungsprozesse und auf die Schul- und Unterrichtsqualität der beteiligten Schulen zu untersuchen (vgl. Kanders & Voss, 2008; Pfeiffer, 2008b). Um die Ergebnisse der Tests und Befragungen auf die spezifischen Maßnahmen im Rahmen des Modellvorhabens zurückführen zu können, wurde ein Design aus einer Kombination von Längsschnitt- und Querschnittdaten gewählt. Quantitative Daten aus Fragebögen und Schülerleistungstests wurden zu drei Messzeitpunkten (2003, 2005, 200771) erhoben. Befragt wurden Schülerinnen und Schüler, Eltern72, Lehrkräfte, Schulleitungen, schulische und regionale Steuergruppen. Die Befragung und Testung von Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe bildet zwei Längsschnitte (vgl. Abb. 16). Diese werden durch Querschnitterhebungen der anderen Akteursgruppen ergänzt. Zusätzlich wurden qualitative Daten zu den Entwicklungsverläufen der Schulen 2004 und 2006 in Form von Interviews erhoben (vgl. Röhrich, 2008).
Abbildung 16: Design der Begleitforschung für die Sekundarstufenschulen
71 Die Daten wurden jeweils vor den Sommerferien, also am Ende des Schuljahres, erhoben. 72 Es wurden nur Eltern von 48 Schulen der Stichprobe 1 einmalig zum zweiten Messzeitpunkt zum familiären und sozioökonomischen Status der Familien sowie zur Unterstützung der Kinder im Elternhaus befragt.
192
5 Design und Stichprobe
Aus forschungsökonomischen Gründen konnte die Begleitforschung nicht alle Akteure an allen Schulen des Modellvorhabens befragen und testen. Daher wurde aus der Gesamtanzahl der Schulen eine nach Schulformen geclusterte Zufallsstichprobe gezogen (vgl. Kanders & Voss, 2008). An allen Schulen wurden die Schulleitungen und schulischen Steuergruppen befragt (vgl. Tab. 9). An 84 Schulen wurden zusätzlich die Lehrkräfte befragt. An allen Schulen außer den acht Förderschulen wurden zudem Schülerinnen und Schüler einzelner Jahrgangsstufen befragt. Bei 48 der 84 Schulen haben die Schülerinnen und Schüler, die einen Fragebogen ausgefüllt haben, auch an Fachleistungstests73 teilgenommen. Tabelle 9: Befragung und Testung der unterschiedlichen Akteursgruppen im Verlauf des Modellvorhabens Erhebungsinstrument
Messzeitpunkte
Schulen
Schulleitungsfragebogen
2003,2005,2007
Schulkontextfragebogen
2003
Steuergruppenfragebogen
2005,2007
Lehrerfragebogen
2003,2005,2007
Schülerfragebogen
2003,2005,2007
Elternfragebogen
2005
Leistungstests
2003,2005,2007
Erhebung an 46 der 84 Schulen
Fragebogen regionale Steuergruppen74
2005, 2007
alle 19 Regionen
Fallstudien
2004 und 2006 an ausgewählten Schulen
Erhebung an allen 278 Schulen Erhebung an 84 der 278 Schulen
Die Schulleitungen, schulischen Steuergruppen75 und Lehrkräfte wurden zu folgenden Aspekten befragt:
73 Nähere Informationen zum Design der Fachleistungstests der Begleitforschung finden sich bei Kanders und Voss (2008). 74 Die regionalen Steuergruppen wurden in allen 19 Regionen des Modellvorhabens befragt. Dabei ist jede der 278 Schulen einer Modellregion zugeordnet. 75 Die schulischen Steuergruppen wurden zum ersten Zeitpunkt noch nicht befragt. Die Begleitforschung entschied sich aufgrund der hohen Bedeutung der Steuergruppen im Modellvorhaben, diese nachträglich in das Forschungsdesign mit aufzunehmen. Im Gegenzug wurde der Schulkontextfragebogen nach dem ersten Messzeitpunkt nicht mehr eingesetzt. Die für das Modellvorhaben relevanten Fragen wurden in den Schulleitungsfragebogen überführt.
5.1 Evaluationsdesign der Begleitforschung
193
s schulische Vorerfahrungen und jeweiliger Entwicklungsstand im Bereich Schulentwicklung, Schul- und Unterrichtsqualität s ihre Einstellungen zum Modellvorhaben s schulische Vorerfahrungen und jeweiliger Entwicklungstand in den Arbeitsfeldern des Modellvorhabens s spezifische schulische Rahmenbedingungen und Umfeld der Schulen. Die Schülerinnen und Schüler wurden u. a. zu Aspekten der Unterrichtsorganisation und -gestaltung, ihrem sozialen und familiären Hintergrund, ihren Lernstrategien, ihrer Motivation und Anstrengungsbereitschaft befragt. In den Grundschulen wurden zu allen drei Messzeitpunkten Querschnittsbefragungen der Schülerinnern und Schüler der vierten Jahrgangsstufe und in den Berufsschulen der elften Jahrgangsstufe durchgeführt. Die Befragung und Testung der Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe 1 war als Längsschnittdesign (ein Längsschnitt über drei und ein weiterer Längsschnitt über zwei Messzeitpunkte) angelegt76. Die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufenschulen, die an der Abschlusserhebung teilgenommen haben, waren in der siebten und neunten Jahrgangsstufe. Die regionalen Steuergruppen der 19 Modellregionen wurden zum zweiten und dritten Messzeitpunkt zu ihrer Arbeit und dem Stand der Regionalisierung befragt (vgl. Lehmpfuhl & Pfeiffer, 2008). Mithilfe der zwei Längsschnitte sollten Aussagen über individuelle Lern- und Entwicklungsverläufe sowie über den Kompetenzzuwachs77 der Schülerinnen und Schüler getroffen werden. Hierfür wurden für die Schülerinnen und Schüler mit den gleichen Fragebögen, zu den verschiedenen Messzeitpunkten, identische Fragebögen eingesetzt. Bei der Erfassung der Kompetenz wurden zur Veranschaulichung von Entwicklungsverläufen Ankeritems eingesetzt78. Bei der Befragung der Schulleitungen, Lehrkräfte und Steuergruppen sollte die Entwicklung der Schulen im Verlauf des Modellvorhabens anhand der Einstellungen, Haltungen und Aussagen der schulischen Akteure über ihre Arbeit auf der Schulebene untersucht werden. Zu diesem Zweck wurden die Akteure zu den einzelnen Messzeitpunkten weitestgehend mit den gleichen Erhebungsinstrumenten wiederholt befragt. Um die Entwicklung der Schulen über den gesamten Zeitraum zu erfassen, wurden einige wenige Sachverhalte im Verlauf er-
76 Nähere Informationen zum Design der Längsschnittdaten finden sich bei Kanders und Voss (2008). 77 Der Kompetenzzuwachs bezieht sich auf die getesteten Fachleistungen in Mathematik und Deutsch. 78 Nähere Informationen zum Design der Fachleistungstests der Begleitforschung finden sich bei Kanders und Voss (2008).
194
5 Design und Stichprobe
gänzt oder (wenn eine Betrachtung über mehrere Zeitpunkte nicht als notwendig erachtet wurde) entfernt. Die Begleitforschung musste auf die Einbeziehung von Kontrollgruppen verzichten (vgl. Kanders & Voss, 2008). Somit stehen nur Daten aus dem Modellvorhaben selbst zur Verfügung. Anhand der Beschreibung des Modellvorhabens in Kapitel 1.3 wird deutlich, dass es sich bei den Schulen des Modellvorhabens nicht um eine zufällig ausgewählte Anzahl von Schulen in Nordrhein-Westfalen handelt. Die Schulen mussten sich für die Teilnahme am Projekt bewerben. Die Schulen waren bereit, im Rahmen des Modellvorhabens Schulentwicklung im Sinne der Projektziele und einer erweiterten Autonomie aktiv zu betreiben. Es ist also davon auszugehen, dass es sich bei den beteiligten Schulen um eine im Sinne des zu betrachtenden Gegenstandes um eine positiv selektierte Auswahl von Schulen handelt. Dies muss bei der Interpretation der Ergebnisse und der Verallgemeinerung auf andere Bereiche berücksichtigt werden. In der Arbeit verwendete Daten Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden Daten der Abschlusserhebung der Begleitforschung genutzt. Es werden Daten der Befragung der Lehrkräfte, der Schulleitungen und schulischen Steuergruppen der 84 Grund- und Sekundarstufenschulen, Förderschulen und Berufskollegs sowie die Daten der Schülerinnen und Schüler der 48 Grund- und Sekundarstufenschulen genutzt (vgl. Tab. 9). Die Schulleitungs-, Steuergruppen- und Lehrerfragebögen wurden im April 2006 an die Schulkoordinatorin/den Schulkoordinator der Schulen des Modellvorhabens mit anonymisierten Rückumschlägen postalisch zugesandt. Das Gleiche gilt für die Fragebögen für die Schülerinnen und Schüler, deren Schulen nicht an den Leistungstests teilgenommen haben. Die Schülerinnen und Schüler, die an den Leistungstests teilgenommen haben, haben die Schülerfragebögen im Rahmen der Testung ausgefüllt. Die Testung wurde von Mai bis Juni durchgeführt.
5.1.2 Rückläufe Tabelle 10 zeigt einen Überblick über die jeweiligen Rückläufe und Rücklaufquoten der für diese Arbeit verwendeten Daten. Da als Analysenebene zur Beantwortung der Forschungsfragen die Schulebene genutzt wird (vgl. 6.2), werden auch hierfür die Rückläufe und Rücklaufquoten ausgewiesen. Erwartungsgemäß ist der Rücklauf bei den Schulleitungen (neben dem der Schülerinnen und Schüler) mit einer Quote von 90 % am höchsten. Gefolgt von den Steuergruppen mit einer Quote von 76 % auf Individualebene und 89 % auf Schulebene. Um Aussagen auf Schulebene für die Steuergruppe als Ganzes treffen zu können, wurde eine Mindestrücklaufquote von 50 % bzw. bei kleinen
195
5.1 Evaluationsdesign der Begleitforschung
Steuergruppen von mindestens zwei Fragebögen pro Steuergruppe festgelegt. Durch diese Vorgaben verringert sich die Nettostichprobe auf N = 223 Schulen mit Daten für die schulischen Steuergruppen (vgl. Tab. 10, Spalte 8). Die Rücklaufquoten bewegen sich in einem Bereich zwischen 50 und 100 %. In Bezug auf die Bruttostichprobe stehen somit Daten von 81 % der schulischen Steuergruppen im Modellvorhaben zur Verfügung. In Bezug auf die Größe der Steuergruppen haben nach Berücksichtigung der Mindestrücklaufquoten im Durchschnitt 85 % der Steuergruppenmitglieder geantwortet. Tabelle 10: Überblick über die Rückläufe der in der Arbeit verwendeten Daten
1
Rücklaufquote in %
Rücklauf absolut
Rücklaufquote in %1
Rücklauf absolut unter Berücksichtigung Mindestrücklaufquoten
Lehrerfragebogen
Rücklauf absolut
Steuergruppenfragebogen
Brutto Anz. Fragebögen
Schulleitungsfragebogen
Schulebene
Anzahl der befragten Schulen
Schulen/Instrument
Individualebene
27779
277
249
90
249
90
277
277
1564
1195
76
248
89
223
84
4000
1824
46
79
94
70
Die Rücklaufquoten in % beziehen sich auf alle Schulen, von denen die Begleitforschung Fragebögen erhalten hat. Die Schülerbefragungen sind als Vollerhebungen durchgeführt worden.
Der Rücklauf der Lehrkräfte ist mit einer Quote von 46 % auf der Individualebene am geringsten. Diese niedrige Rücklaufquote ist für die Befragung von Lehrkräften allerdings nicht ungewöhnlich. Die Quote ist mit 94 % auf Schulebene deutlich höher. Der große Unterschied zwischen der Rücklaufquote auf der Individualebene und der Schulebene ist dadurch zu erklären, dass zwar Lehrerinnen und Lehrer von fast allen Schulen an der Befragung teilgenommen haben, aber die Beteiligung innerhalb der Schulen im Durchschnitt deutlich niedriger ist. Bei den Lehrkräften wurde eine Mindestquote von 20 % je Schule fest79 Zwischen der zweiten und dritten Erhebung wurden zwei Schulen des Modellvorhabens miteinander fusioniert, sodass sich nur noch eine Gesamtzahl von 277 Schulen für die dritte Erhebung ergibt.
196
5 Design und Stichprobe
gelegt. Somit reduziert sich die Nettostichprobe auf Aussagen von Lehrerinnen und Lehrern an n = 70 Schulen, was einer Quote von 83 % entspricht. An diesen 70 Schulen haben im Durchschnitt 46 % der Lehrkräfte an der Befragung teilgenommen. Die Rücklaufquoten bewegen sich im Bereich zwischen 23 und 100 %. Um mögliche Verzerrungen durch die Variabilität auszuschließen, wurde überprüft, inwieweit es einen Zusammenhang zwischen der Rücklaufquote und Merkmalen der Schulen (z. B. Schulform, Größe) und Merkmalen und Einschätzungen der Lehrkräfte (z. B. Berufserfahrung, Alter, Arbeitszufriedenheit, Arbeitsklima etc.) gibt. Dabei lässt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Rücklaufquote und der Kollegiumsgröße feststellen (r = -.414). Je größer das Kollegium ist, desto weniger Lehrkräfte haben an der Befragung teilgenommen. Weitere signifikante Zusammenhänge lassen sich bei Kontrolle der Kollegiumsgröße nicht feststellen. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass aufgrund der Variabilität der Rücklaufquoten mit keinen bedeutsamen Verzerrungen zu rechnen ist. Die Befragung der Schülerinnen und Schüler wurde in den Jahrgangsstufen 4, 7 und 9 als Vollerhebung durchgeführt. Äußerst geringe Stichprobenausfälle sind lediglich auf das Fehlen einzelner Schülerinnen und Schüler am Befragungstag (kleiner 3 %) zurückzuführen.
5.2 Beschreibung der Stichprobe Nach der Beschreibung des Stichprobendesigns sowie der für diese Arbeit relevanten Rückläufe folgt nun die Beschreibung der in der Arbeit verwendeten Stichprobe anhand der erhobenen Daten. Zunächst wird ein allgemeiner Überblick über die Verteilung der Schulen auf Schulformen, Bildungsregionen und Regierungsbezirke gegeben. Danach werden Strukturdaten zu den Schulen vorgestellt, bevor anschließend jeweils demographische und Strukturmerkmale zu den drei Hauptakteuren Schulleiterinnen und Schulleiter, Lehrerinnen und Lehrer sowie der Steuergruppen und ihrer Mitglieder skizziert werden.
5.2.1 Schulen Zunächst wird die Verteilung der Grundgesamtheit der Schulen nach Schulform mit den Schulen der Stichprobe und denen aller Schulen in Nordrhein-Westfalen verglichen (vgl. Kanders, 2008). Tabelle 11 zeigt, dass die Schulen ungleichmäßig auf die einzelnen Schulformen verteilt sind. Die größte Gruppe stellen die Grundschulen mit n = 84 dar, gefolgt von den Berufskollegs (n = 52), den Gym-
197
5.2 Beschreibung der Stichprobe
nasien (n = 43), Förderschulen (n = 36), Gesamtschulen (n = 17) und Realschulen (n = 15). Wie aus Tabelle 11 ebenfalls ersichtlich wird, entspricht diese Verteilung nicht der Gesamtverteilung der Schulen in Nordrhein-Westfalen. Die Verteilung der 70 Schulen der Stichprobe, deren Daten in dieser Arbeit verwendet werden, stellt sich wie folgt dar: Gymnasien (n = 18), gefolgt von Grundschulen (n = 14), Hauptschulen (n = 10), Berufskollegs (n = 10), Gesamtschulen (n = 7), Förderschulen (n = 6) und Realschulen (n = 5). Die Verteilung der Schulformen in der Stichprobe entspricht weder der Grundgesamtheit der Schulen des Modellvorhabens noch der Grundgesamtheit der Schulen Nordrhein-Westfalens. Auf Basis der Stichprobengröße von N = 70 Schulen und der noch kleineren Fallzahlen in den einzelnen Schulformen (vgl. Tab. 11), sind keine getrennten Analysen nach Schulformen möglich. Tabelle 11: Verteilung der selbstständigen Schulen nach Schulform (vgl. Kanders, 2008) Schulformen
GS
HS
RS
GY
IGS
FS
BK
Summe
Summe Schulen des Modellvorhabens Gesamt (abs.)
84
31
15
43
17
36
52
278
Anteil Schulen des Modellvorhabens Gesamt (%)
30 %
11 %
5%
15 %
6%
13 %
19 %
100 %
Summe Stichprobe (abs.)
14
10
5
18
7
6
10
70
Anteil Stichprobe (%)
20 %
14 %
7%
25 %
10 %
9%
14 %
100 %
NRW Gesamt (%)
51 %
11 %
8%
10 %
3%
11 %
6%
100 %
Strukturelle Merkmale der Schulen Marks und Louis (1999) weisen darauf hin, dass die Größe einer Schule einen Einfluss auf ihre Struktur als eine Dimension des Organisationalen Lernens hat (vgl. Kapitel 2.2.1). Auch wenn die Schulen in Nordrhein-Westfalen kaum einen Einfluss auf deren Größe haben (vgl. ebd.), stellt sie für Organisationales Lernen eine Rahmenbedingung dar, mit der die Schulen umgehen müssen. Die Größe der Schulen wird anhand der Merkmale Kollegiumsgröße, Anzahl an Schülerin-
198
5 Design und Stichprobe
nen und Schülern sowie Anzahl der Klassen beschrieben (vgl. Tab. 12). Die Daten basieren auf der amtlichen Schulstatistik des Landes Nordrhein-Westfalen (vgl. IT. NRW, 2009). Tabelle 12: Kollegiumsgröße, Anzahl an Schülerinnen und Schülern sowie Anzahl der Klassen Kennzahl
Min
Max
MW
SD
n
Kollegiumsgröße
4
179
51,39
34,673
70
Anzahl der Schülerinnen und Schüler pro Schule
79
2824
797,89
631,477
70
Anzahl der Klassen pro Schule
4
137
29,44
28,776
70
Die Schulen haben im Durchschnitt eine Kollegiumsgröße von MW = 51,39 Lehrerinnen und Lehrern. Die Spannweite ist sehr groß. In der kleinsten Schule sind vier Lehrkräfte beschäftigt, in der größten Schule sind es 179 Lehrkräfte. Auch die Anzahl der Schülerinnen und Schüler sowie der Klassen stellt sich in den einzelnen Schulen sehr unterschiedlich dar. Die kleinste Schule besuchen 79 Schülerinnen und Schüler, an der größten Schule sind es über 2824. Die mittlere Anzahl an Schülerinnen und Schülern beträgt MW = 797,89. Die kleinste Schule hat 4 Klassen, die größte 137. Die durchschnittliche Anzahl der Klassen im Modellvorhaben beträgt MW = 29,44. Die Größe der Schule ist also in den 70 Schulen der Stichprobe sehr heterogen. Neben der Größe ist ein weiteres strukturelles Merkmal, inwieweit die Schule eine Struktur- und Funktionsdifferenzierung durch die Installation einer erweiterten Schulleitung besitzt. 38 Schulen (54 %) geben an, dass ihre Schule eine erweiterte Schulleitung hat. Diesbezüglich besteht ein Zusammenhang zur Größe des Kollegiums. Große Kollegien haben signifikant häufiger eine erweiterte Schulleitung als kleinere. Nachfolgend werden nun die drei Hauptakteure des Organisationales Lernens anhand von demographischen und strukturellen Merkmalen beschrieben.
5.2.2 Schulleitung Die Schulleitungen im Modellvorhaben sind zu zwei Dritteln (66 %) männlich und zu rund einem Drittel (33 %) weiblich. Der überwiegende Teil von ihnen (68 %) ist in einem Alter zwischen 51 und 60 Jahren. Nur 14 % der Schulleiterinnen und Schulleiter sind 50 Jahre oder jünger (vgl. Tab. 13).
199
5.2 Beschreibung der Stichprobe
Tabelle 13: Alter der Schulleiterinnen und Schulleiter (in Prozent) Alter der Schulleiterinnen und Schulleiter 30 Jahre oder jünger
31–40 Jahre
41–50 Jahre
51–60 Jahre
60 Jahre und älter
n
–
2
12
68
18
66
Die Schulleitungen der Schulen verfügen über unterschiedlich lange Erfahrung im Amt an ihrer jetzigen Schule. Etwas weniger als ein Drittel ist seit maximal fünf Jahren an der jetzigen Schule tätig. Ungefähr ein weiteres Drittel übt seit sechs bis zehn Jahren die Funktion als Schulleiterin bzw. als Schulleiter an der jetzigen Schule aus. 42 % nehmen diese Funktion an ihrer Schule seit mehr als elf Jahren wahr (vgl. Tab. 14). Tabelle 14: Jahre als Schulleiterin oder als Schulleiter an der Schule tätig (in Prozent) Jahre als Schulleiterin oder als Schulleiter an der Schule tätig bis 2 Jahre
5 Jahre
6–10 Jahre
11–15 Jahre
16–20 Jahre
21–25 Jahre
25 Jahre und länger
n
12
14
30
24
12
3
3
249
5.2.3 Lehrkräfte Das Lehrpersonal ist zu 55 % weiblich. Im Vergleich zu den Schulleiterinnen und Schulleitern sind die Kollegien im Mittel jünger. 35 % der Lehrkräfte sind jünger als 41 Jahre und 59 % nicht älter als 50 Jahre (vgl. Tab. 15). 41 % sind älter als 50 Jahre. Bei den Schulleitungen sind es im Vergleich 85 %. Tabelle 15: Alter der Lehrerinnen und Lehrer (in Prozent) Alter der Lehrerinnen und Lehrer 30 Jahre oder jünger
31–40 Jahre
41–50 Jahre
51–60 Jahre
60 Jahre und älter
n
8
27
24
35
6
1759
Die Kollegien im Modellvorhaben verfügen über eine hohe Berufserfahrung (vgl. Tab. 16). Fast ein Drittel ist seit über 25 Jahren als Lehrkraft tätig. Doch ein Viertel der Lehrkräfte verfügt mit nicht mehr als fünf Jahren noch über wenig Berufserfahrung. Es besteht ein hoher Zusammenhang zwischen dem Alter und der Ausübung des Lehramts im Schuldienst (r = .818).
200
5 Design und Stichprobe
Tabelle 16: Ausübung des Lehramts im Schuldienst (ohne Referendariat) in Jahren Ausübung des Lehramts im Schuldienst (ohne Referendariat) in Jahren
Lehrerinnen und Lehrer
bis zu 5 Jahre
6–10 Jahre
11–15 Jahre
16–20 Jahre
21–25 Jahre
über 25 Jahre
n
25
19
11
7
8
31
1711
Von den 39 % der Lehrkräfte, die seit mehr als 20 Jahren im Schuldienst tätig sind, ist der überwiegende Teil auch schon seit mehr als 20 Jahren an der gleichen Schule. Diesen 39 % stehen 34 % gegenüber, die seit maximal fünf Jahren an der Schule sind, von denen 9 % mehr als fünf Jahre Berufserfahrung haben (vgl. Tab. 17). Es besteht ein hoher Zusammenhang zwischen Anzahl der Dienstjahre an der Schule und dem Alter (r = .710) und zwischen Anzahl der Dienstjahre an der Schule und der Ausübung des Lehramts im Schuldienst (r = .804). Tabelle 17: Anzahl der Dienstjahre an der Schule der Lehrerinnen und Lehrer Dienstjahre an der Schule bis zu 5 Jahre
6–10 Jahre
11–15 Jahre
16–20 Jahre
über 20 Jahre
n
34
19
13
8
26
1763
71 % der Lehrerinnen und Lehrer sind an ihrer Schule vollzeitbeschäftigt. Ein Viertel von ihnen ist teilzeitbeschäftigt. 22 % aller Lehrerinnen und Lehrer sind mit mehr als 50 % der Wochenstundenzahl beschäftigt. 4 % der Lehrkräfte absolvieren zurzeit an den Schulen des Modellvorhabens ihr Referendariat. Neben diesen demographischen Merkmalen ist von Interesse, welche zusätzlichen Funktionen die Lehrkräfte neben ihrer Kerntätigkeit, dem Unterrichten, ausüben. Tabelle 18 zeigt, dass 68 % auch als Klassenlehrerin bzw. als Klassenlehrer tätig sind. 28 % üben eine Fachgruppenleitung aus. 15 % der Lehrkräfte sind zusätzlich Mitglied einer Abteilungs-, Fachgebiets- oder Stufenleitung. 16 % der Lehrerinnen und Lehrer sind Mitglied der Steuergruppe und ein Viertel von ihnen ist in der Schulkonferenz vertreten. Die Mitwirkungsfunktion im Lehrerrat nehmen 12 % wahr. Ungefähr ein Fünftel der Lehrkräfte beteiligt sich in einer der Arbeitsund Projektgruppen im Modellvorhaben. Die Kollegien im Modellvorhaben übernehmen somit vielfältige Funktionen, die zu einem Gelingen der Schule als Ganzes beitragen können.
201
5.2 Beschreibung der Stichprobe
Tabelle 18: Funktion, die die Lehrkräfte in der Schule ausüben (in Prozent) Welche Funktion üben Sie in Ihrer Schule aus? (Mehrfachnennung möglich)
ja
n
Klassenlehrerin/Klassenlehrer
68
1495
Fachgruppenleiterin/Fachgruppenleiter
28
1495
Mitglied der Abteilungsleitung/Fachgebietsleitung/Stufenleitung
15
1495
Mitglied der Schulleitung
6
1495
Mitglied der Steuergruppe
16
1495
Mitglied der Schulkonferenz
25
1495
Mitglied des Lehrerrates
12
1494
Mitglied einer der Arbeits- oder Projektgruppen im Modellvorhaben
19
1494
5.2.4 Steuergruppen Die Steuergruppenmitglieder sind, wie die Lehrkräfte im Modellvorhaben im Allgemeinen, überwiegend weiblich (51 %). Die Altersstruktur der Steuergruppenmitglieder unterscheidet sich von der der Lehrkräfte. Die Steuergruppen verfügen insgesamt über deutlich weniger Mitglieder, die jünger als 31 Jahre sind, und etwas weniger Mitglieder, die unter 41 Jahren sind. Dagegen sind 15 % mehr Steuergruppenmitglieder in der Altersgruppe von 51 bis 60 Jahre. Insgesamt sind 79 % der Steuergruppenmitglieder älter als 41 Jahre (vgl. Tab. 19). Tabelle 19: Alter der Steuergruppenmitglieder Alter der Steuergruppenmitglieder 30 Jahre oder jünger
31–40 Jahre
41–50 Jahre
51–60 Jahre
60 Jahre und älter
n
2
19
25
50
4
385
Auch die Berufserfahrung als Lehrkraft unterscheidet sich für Steuergruppenmitglieder von der Gruppe der Lehrkräfte. Die Gruppe der Steuergruppenmitglieder, die maximal fünf Jahre Berufserfahrung haben, beträgt nur ein Drittel. Fast die Hälfte der Mitglieder ist schon seit über 25 Jahren im Schuldienst (vgl. Tab. 20).
202
5 Design und Stichprobe
Tabelle 20: Ausübung des Lehramts im Schuldienst (ohne Referendariat) in Jahren Ausübung des Lehramts im Schuldienst (ohne Referendariat) in Jahren bis zu 5 Jahre
6–10 Jahre
11–15 Jahre
16–20 Jahre
21–25 Jahre
über 25 Jahre
n
7
19
14
6
10
44
385
Steuergruppenmitglieder
88 % der Mitglieder sind vollzeitbeschäftigt, nur 11 % der Mitglieder sind teilzeitbeschäftigt und nur 1 % mit weniger als 50 % der Wochenstundenzahl. Die meisten der Steuergruppenmitglieder sind seit Beginn des Modellvorhabens im Jahr 2002 Mitglieder der Steuergruppe (vgl. Tab. 21). 26 % sind in den ersten drei Jahren des Modellvorhabens neue Mitglieder der Steuergruppe geworden. Ungefähr ein Sechstel der Mitglieder ist der Steuergruppe erst innerhalb der zweiten Hälfte des Modellvorhabens beigetreten. Die Dauer der Mitgliedschaft der Steuergruppenmitglieder lässt sich über das Modellvorhaben hinweg entsprechend als eine Mischung aus Dynamik und Kontinuität beschreiben. Tabelle 21: Mitgliedschaft in der Steuergruppe seit … Jahre / % vor Beginn des MV 2
2002 59
2003 10
2004 6
2005 10
2006 12
2007 2
n 293
Nach diesen demographischen Angaben zu den Mitgliedern der Steuergruppe werden strukturelle Merkmale der Steuergruppen im Modellvorhaben dargestellt. Items, die Aussagen über die Steuergruppe als Organisationsgremium enthalten, werden auf der Schulebene ausgewertet (z. B. Größe der Steuergruppe). Items, die Aussagen zu den einzelnen Mitgliedern (z. B. persönlicher Aufwand der Steuergruppenarbeit) enthalten, werden auf der Individualebene ausgewertet. Zunächst folgen Daten auf der Schulebene. Die durchschnittliche Größe der Steuergruppen im Modellvorhaben beträgt bei großer Spannweite 6,39 Mitglieder (vgl. Tab. 22). Die kleinste Steuergruppe hat lediglich drei Mitglieder, die größte 16 Mitglieder. Zieht man die Standardabweichung als Streuungsmaß hinzu, so bewegt sich die Größe bei 68 % der Steuergruppen zwischen vier und neun Mitgliedern. Auch der durchschnittliche Aufwand der Steuergruppensitzungen pro Monat differiert teilweise stark zwischen den Schulen. Der Range bewegt sich von 0,67 bis 10 Stunden pro Monat. Im Mittel wenden die Steuergruppen 3,93 Stunden für Sitzungen auf.
203
5.2 Beschreibung der Stichprobe
Tabelle 22: Größe der Steuergruppe, Aufwand der Steuergruppensitzungen Item
Min
Max
MW
SD
n
Größe der Steuergruppe
3,00
16,00
6,39
2,376
60
Aufwand der Steuergruppensitzungen pro Monat
0,67
10,00
3,93
2,350
60
Auch die Tagungshäufigkeit unterscheidet sich zwischen den Steuergruppen (vgl. Tab. 23). Ein Drittel tagt wöchentlich, 13 % alle 14 Tage, etwas mehr als ein weiteres Drittel nur einmal im Monat und 18 % seltener als einmal im Monat. 7DEHOOH 7DJXQJVKlX¿JNHLWGHU6WHXHUJUXSSHQLP'XUFKVFKQLWWLQ3UR]HQW Item 7DJXQJVKlX¿JNHLWGHU Steuergruppen im Durchschnitt
1x die Woche
14-tägig
1x im Monat
seltener als 1x im Monat
n
33
13
35
18
60
In Bezug auf den Zeitpunkt der Sitzungen geben 82 % der Steuergruppen an, vor allem direkt nach dem Unterricht zu tagen. Etwas mehr als ein Viertel trifft sich während der Unterrichtszeit in Blockstunden. Nur wenige Steuergruppen tagen auch abends (5 %). Die meisten Steuergruppen (68 %) haben einen festen Termin, an dem sie sich regelmäßig zu den Sitzungen treffen. Auf individueller Ebene der Mitglieder ist, was den Aufwand für die Steuergruppenarbeit zusätzlich zu den Steuergruppensitzungen betrifft, eine große Spannbreite festzustellen (vgl. Tab. 24). Die Spanne reicht von 0 bis 25 Stunden. Im Durchschnitt geben die einzelnen Mitglieder 4,38 Stunden an zusätzlichem Aufwand für die Steuergruppenarbeit an. Addiert man den durchschnittlichen Aufwand für die Sitzungen und den zusätzlichen individuellen Aufwand der einzelnen Mitglieder pro Monat, so wendet ein Steuergruppenmitglied an einer Modellschule im Mittel 8,31 Stunden für die Steuergruppenarbeit auf. Dies entspricht einem Aufwand von ungefähr 2 Stunden pro Woche. Demgegenüber erhält ein Steuergruppenmitglied im Mittel 1,04 Entlastungsstunden80 pro Woche (vgl. Tab. 24). Die Anzahl der Entlastungsstunden schwankt deutlich von 0 bis 4 Stunden. Die Entlastungsstunden von 68 % der Steuergruppenmitglieder bewegen sich in einem Bereich von 0,23 und 1,84 Stunden. Im Mittel erhält ein 80 Die für Schulen ungewöhnlich hohe Zahl an Entlastungsstunden resultiert daraus, dass die Schulen eine zusätzliche halbe Lehrpersonenstelle für die Teilnahme und den Zeitraum des Modellvorhabens erhalten haben.
204
5 Design und Stichprobe
Steuergruppenmitglied die Hälfte der für die Steuergruppenarbeit aufgewendeten Zeit durch eine Reduzierung der Unterrichtsstunden vergütet. Tabelle 24: Persönlicher Aufwand der Steuergruppenarbeit sowie Entlastungsstunden Item
Min
Max
MW
SD
n
Individueller Aufwand der Steuergruppenarbeit pro Monat (zusätzlich zu den Sitzungen)
0
25
4,38
3,37
333
Anzahl der Entlastungsstunden pro Woche für die Steuergruppenarbeit
0
4
1,04
,807
350
Wie bereits bei den Lehrkräften skizziert, ist es ebenfalls von Interesse, welche weiteren Funktionen die Steuergruppenmitglieder innerhalb der Schule wahrnehmen (vgl. Tab. 25). Tabelle 25: Funktionen, die die Steuergruppenmitglieder in der Schule ausüben (in Prozent) Welche Funktion üben Sie in Ihrer Schule aus? (Mehrfachnennung möglich)
ja
n
Klassenlehrerin/Klassenlehrer
63
385
Schulleiterin/Schulleiter
50
385
Stellvertretende Schulleiterin/Stellvertretender Schulleiter
11
385
Mitglied der erweiterten Schulleitung
19
385
Sprecherin/Sprecher der Steuergruppe
18
385
Mitglied in der regionalen Steuergruppe
8
385
Vorsitzende/Vorsitzender einer Fachkonferenz
32
385
Leiterin/Leiter eines Bildungsgangs
10
385
Evaluationsbeauftragter
10
385
Mitglied des Personalrats/Lehrerrats
15
385
Mitglied einer Arbeitsgruppe
41
385
Sprecherin/Sprecher einer Arbeitsgruppe
9
385
Fast zwei Drittel der Steuergruppenmitglieder haben zusätzlich die Funktion einer Klassenleitung inne. Mehr als jedes dritte Steuergruppenmitglied (41 %) ist auch noch Mitglied in einer Arbeitsgruppe. Bei den Lehrkräften sind es nur 19 %. Die Leitung von Fachgruppen bzw. Fachkonferenzen nehmen ebenfalls fast ein
5.2 Beschreibung der Stichprobe
205
Drittel der Steuergruppenmitglieder/Lehrkräfte wahr. Die Hälfte der Steuergruppenmitglieder sind gleichzeitig Schulleiterin bzw. Schulleiter, 11 % deren Stellvertretung und 19 % in der erweiterten Schulleitung. Fast ein Fünftel ist darüber hinaus Sprecherin bzw. Sprecher der Steuergruppe. 10 % haben zusätzlich eine Funktion in der Bildungsgangsleitung, als Evaluationsbeauftragte bzw. Evaluationsbeauftragter, etwas weniger als Sprecherin bzw. Sprecher einer Arbeitsgruppe oder Mitglied der regionalen Steuergruppe inne.
5.2.5 Zusammenfassung Die Daten, die für diese Arbeit genutzt werden, sind Bestandteil der wissenschaftlichen Begleitforschung des Modellvorhabens „Selbstständige Schule“ NRW. Es werden Daten der Abschlusserhebung 2007 der Befragung der Schulleiterinnen und Schulleiter, der Lehrkräfte, der Steuergruppenmitglieder sowie der Schülerinnen und Schüler der 4, 7 und 9 Jahrgangstufen von 70 Schulen des Modellvorhabens verwendet. Die Schulen lassen sich aufgrund einiger struktureller Merkmale als heterogen beschreiben. Es sind Schulen aller in NordrheinWestfalen zugelassenen Schulformen vertreten. Grundschulen, jegliche Formen von Sekundarstufenschulen, Berufskollegs und auch Förderschulen. Doch ihre Verteilung entspricht – wie durch die Selektivität durch die Teilnahme am Modellprogramm erwartbar – nicht der Verteilung aller Schulen in Nordrhein-Westfalen. Auch in Bezug auf die Anzahl von Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern sowie auch der Klassen unterscheiden sich die Schulen deutlich. Was die Hauptakteure im Rahmen des Organisationalen Lernens betrifft, so ist das Verhältnis der Geschlechter bei den Lehrkräften und Steuergruppen etwa gleich. Nur bei der Schulleitung sind es mehr Männer als Frauen. Der Altersdurchschnitt der Schulleitungen ist relativ hoch, der der Kollegien liegt etwas niedriger. Dementsprechend verfügen alle drei Akteursgruppen über eine hohe Erfahrung im Schuldienst und sind zumeist schon relativ lange an ihrer Schule. Im Bereich des Modellvorhabens ist ungefähr jede fünfte Lehrkraft und mehr als jedes dritte Steuergruppenmitglied in einer der Projekt- oder Arbeitsgruppen beteiligt. In der Steuergruppe herrscht eine Mischung aus Kontinuität und Wandel, was die Mitgliedschaft in der Steuergruppe betrifft. Sie tagen regelmäßig und wenden im Durchschnitt mehr Zeit auf, als sie durch Entlastungsstunden vergütet bekommen. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede bezüglich der aufgewendeten Zeit für die Steuergruppenarbeit zwischen den Steuergruppenmitgliedern.
6 Instrumente und Methoden
Nach der Beschreibung des Designs der Begleitforschung und der verwendeten Stichprobe wird in diesem Kapitel die methodische Umsetzung der Untersuchung beschrieben. In Kapitel 6.1 wird dargelegt, wie die in Kapitel 2 und 3 entwickelten theoretischen Modelle und die in Kapitel 1.4 skizzierten schulischen Erfolgsfaktoren im Modellvorhaben operationalisiert werden. Das Kapitel schließt mit der Beschreibung der für die Analysen verwendeten Methoden (6.2).
6.1 Erhebungsinstrumente Es war nur begrenzt möglich, im Rahmen der Begleitforschung gezielt zusätzliche Skalen und Variablen zur Operationalisierung theoretischer Konstrukte in die Abschlusserhebung zu integrieren, die primär der Beantwortung der hier aufgeworfenen Forschungsfragen dienen. Es musste also im überwiegenden Teil auf Skalen und Variablen der Begleitforschung zurückgegriffen werden. Die zusätzlichen Skalen und Variablen beziehen sich vor allem auf die Einschätzung der Nutzung der Instrumente des Change Managements durch die Steuergruppe aus Sicht der Lehrkräfte. Die Begleitforschung verfolgte beim Einsatz der Erhebungsinstrumente das Ziel, vorwiegend Instrumente einzusetzen, die bereits in anderen Studien erfolgreich eingesetzt wurden. Für einige theoretische Konstrukte, die auch hier Verwendung finden, war es erforderlich, neue Skalen und Variablen zu entwickeln. Diese wurden anhand einer ausgewählten Stichprobe (je nach Instrument von Schulleiterinnen und Schulleitern, Lehrkräften, Steuergruppen-Mitgliedern oder Schülerinnen und Schülern) in einem Pretest oder im Rahmen von Expertenratings auf ihre Qualität hin überprüft. Die Güte der verwendeten Skalen wird auch im Rahmen der Hauptstudie anhand von drei zentralen Kennwerten beurteilt:
T. Feldhoff, Schule organisieren, DOI 10.1007/978-3-531-93384-9_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
6.1 Erhebungsinstrumente
207
s Mithilfe des Cronbachs Alpha (_) wird die Reliabilität (interne Konsistenz) der Skala bestimmt (vgl. Bortz, 2004). s Anhand der Faktorladungen (l), die die Korrelation einer Variablen mit dem Faktor angibt, wird geprüft, wie gut eine Variable den Faktor (die Skala) repräsentiert (vgl. Bortz & Döring, 2006). s Durch die Item-Skalen-Korrelation (rit) wird die Trennschärfe ermittelt. Die Item-Skalen-Korrelation ist die Korrelation einer Variablen mit der Summe der übrigen Variablen, aus denen eine Skala gebildet wird (vgl. Rost, 2007). Etwa vier Fünftel der Skalen verfügen über eine Reliabilität von _ .700. In wenigen Ausnahmefällen wurden auch Skalen mit einem _ ) .700 zugelassen. Mit diesen Skalen werden heterogenere Konstrukte erfasst oder Konstrukte, bei denen große intersubjektive Verständnisunterschiede zu erwarten waren. Des Weiteren wurde festgelegt, dass die Faktorladungen der Variablen jeweils über dem Wert l = .50 liegen sollen. Für die Item-Skalen-Korrelation wurde ein Mindestwert von rit * .40 für die Akzeptanz der Variablen festgelegt. Bei Variablen mit besonders geringer oder besonders hoher empirischer Schwierigkeit wurde auch eine Korrelation von rit = .30 zugelassen. Die Skalenwerte berechnen sich aus der Summe der Werte aller Variablen einer Skala, dividiert durch deren Anzahl. Voraussetzung ist, dass mindestens 70 % der Variablen einen gültigen Wert aufweisen.
6.1.1 Operationalisierung der Kapazität Organisationalen Lernens Da die Begleitforschung zu Beginn des Modellvorhabens einen anderen theoretischen Bezugsrahmen als diese Arbeit hatte und der Fragebogen zeitlich und räumlich limitiert war, konnten keine Skalen und Variablen speziell für die Messung der Kapazität Organisationalen Lernens eingesetzt werden. Stattdessen wurde entweder auf etablierte Skalen und Variablen zurückgegriffen, die auf globalere Aspekte der Schulentwicklung oder Schuleffektivität abzielen, oder diese vom Projektteam neu entwickelt. Aus diesem Pool konnten Skalen und Variablen identifiziert werden, mit deren Hilfe die Kapazität des Organisationalen Lernens, wie sie im Modell in Kapitel 2.2.3 beschrieben wurde, abgebildet werden kann. Die Darstellung der Skalen und Variablen in den Tabellen 26 bis 29 sieht für die einzelnen Dimensionen wie folgt aus: In der erste Spalte stehen jeweils die einzelnen Aspekte der zugehörigen Dimension, wie sie aus dem theoretischen Modell in Kapitel 2.2.3 abgeleitet wurden. In der zweiten Spalte stehen die jeweiligen Skalen und Variablen, mit deren Hilfe die Aspekte gemessen werden. In der
208
6 Instrumente und Methoden
dritten Spalte folgt bei Skalen eine Beispielvariable, bei Variablen die exakte Formulierung. Die vierte Spalte gibt Auskunft darüber, welche Akteursgruppe jeweils zu dem Aspekt befragt wurde. Die fünfte Spalte informiert, mit wie viel Variablen das Konstrukt abgebildet wurde (ist lediglich eine 1 angegeben, so handelt es sich um eine einzelne Variable). Die sechste Spalte gibt das Cronbachs Alpha als Maß der Reliabilität bzw. internen Konsistenz an. Die siebte und letzte Spalte gibt die Herkunft der Skala an. Dimension 1 „Struktur“ In dieser Arbeit werden der Aspekt der Förderung der schulinternen Kooperation sowie der Aspekt der Bedeutung der schulischen Koordination für die schulische Arbeit gemessen (vgl. Tab. 26). Es handelt sich bei diesem Aspekt um den zentralen Aspekt der Dimension „Struktur“ (vgl. Kapitel 2.2.3). Die Förderung der schulinternen Kooperation wird durch zwei Aspekte abgebildet. Der erste Aspekt betrifft die Einrichtung von Formen der Institutionalisierung von Teamarbeit. Hierzu wurde die Schulleitung gefragt, inwieweit es in der Schule institutionalisierte Teamstrukturen einer kontinuierlichen Doppelbesetzung (Teilungsstunden als Teamteaching) in einzelnen, wöchentlich festgelegten Unterrichtsstunden gibt. Weiterhin wurden die Lehrkräfte gefragt, inwieweit diese Klassen-, Jahrgangs- bzw. Jahrgangstufen- oder Bildungsgangteams als Formen einer festen Teambildung mit regelmäßigen Teambesprechungen eingebunden sind. Der zweite Aspekt bezieht sich auf die Bedeutung, die die Lehrkräfte der Koordination für die Arbeit in der Schule beimessen. Hierzu wurde die Skala „Bedeutung der schulischen Koordination für die Arbeit in der Schule und den eigenen Unterricht“ entwickelt und eingesetzt. Die Skala erfasst, inwieweit die vorhandenen Strukturen der schulischen Koordination die Arbeit der Lehrkräfte durch eine Abstimmung von Unterrichtstoff, schulischer Ziele oder schulischer Regelungen, die die Lehrkräfte bei ihrem Unterricht unterstützen erleichtern. Die Einführung von Steuergruppen wird im theoretischen Modell als ein struktureller Aspekt dieser Dimension beschrieben. Da alle Schulen zu Beginn des Modellvorhabens verpflichtet waren, Steuergruppen einzurichten und somit in Bezug auf diesen Indikator keine Varianz zwischen den Schulen besteht, kann die Einführung von Steuergruppen nicht zur Operationalisierung der Dimension verwendet werden. Dimension 2 „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ In der Dimension 2 werden zwei Hauptaspekte abgebildet: Gemeinsame Zielund Wertvorstellungen und Kooperation (vgl. Tab. 26). Die Kooperation wird differenziert als unterrichtsbezogene und auf Schulentwicklungsarbeit bezogene Kooperation.
6.1 Erhebungsinstrumente
209
Der Aspekt der „gemeinsamen Ziel- und Wertvorstellung“ wird durch die Skala „Ziel- und Konsensorientierung des Kollegiums“ gemessen. Mit dieser Skala wird erfasst, inwieweit das Kollegium gemeinsame Zielvorstellungen bezüglich der pädagogischen Arbeit hat und bemüht ist, einen Konsens in pädagogischen Fragen zu finden. Die unterrichtsbezogene Kooperation wird in Anlehnung an das theoretische Konstrukt der professionellen Lerngemeinschaften abgebildet (vgl. Feldhoff, Rolff et al., 2008). Abweichend vom theoretischen Konstrukt wird Kooperation allerdings nicht als Merkmal, sondern als Voraussetzung professioneller Lerngemeinschaften angesehen. Die entsprechenden Skalen wurden also nur Lehrkräften vorgelegt, die auch in unterrichtsbezogene Teamarbeit eingebunden sind. Das Merkmal „reflektierter Dialog der Lehrkräfte über die eigene Arbeits- und Unterrichtspraxis“ wird durch ein Item zur Reflektion der eigenen Arbeit mit Kolleginnen und Kollegen und durch die Skala „Analyse und Diagnose in Fachteams“ gemessen. Die Skala beinhaltet Aspekte wie gegenseitige Unterrichtsbesuche, Auswertung von Daten der externen Evaluation zu Lern- und Leistungsergebnissen der Schülerinnen und Schüler, Absprachen in den Fächern. Das Merkmal „gemeinsamer Fokus auf eine Verbesserung des Unterrichts und des Lernens der Schülerinnen und Schüler“ wird durch die Skalen „Teamarbeit mit Fokus auf eine Verbesserung des Unterrichts in Klassen- oder Jahrgangsteams“ und „Teamarbeit mit Fokus auf fachdidaktische Unterrichtsentwicklung“ abgebildet. Die Skala „Teamarbeit mit Fokus auf eine Verbesserung des Unterrichts in Klassen- oder Jahrgangsteams“ beinhaltet Strategien, um gemeinsam den Unterricht zu verbessern, wie z. B. gegenseitige Hilfe bei didaktischen Fragen oder die Entwicklung fächerübergreifender Unterrichtseinheiten. Die Skala „Teamarbeit mit Fokus auf fachdidaktische Unterrichtsentwicklung“ erfasst, inwieweit fachbezogene Unterrichtseinheiten und differenzierte Lernmaterialien gemeinsam entwickelt werden. Das Merkmal „gemeinsame handlungsleitende Ziele“ wird durch die Skala „Zielorientierung in der Teamarbeit“ repräsentiert. Die Skala misst, inwieweit die Teams gemeinsame Ziele bezüglich des Unterrichts, des Lernens und der zu erreichenden Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler verfolgen. Das Merkmal der „Deprivatisierung der Unterrichtspraxis“ des Konstrukts „professionelle Lerngemeinschaften“ wurde nicht erfasst. Die Kooperation in Schulentwicklungsprojekten wurde anhand der Skala „Kooperation in Bezug auf Projektarbeit“ gemessen. Sie erfasst, wie häufig die Lehrkräfte in Projekt- und Arbeitsgruppen an der Schule zusammenarbeiten. Alle in dieser Dimension verwendeten Skalen wurden mithilfe des Lehrerfragebogens erhoben.
210
6 Instrumente und Methoden
Dimension 3 „Wissen und Fertigkeiten“ Im Zentrum stehen hier die beiden Hauptaspekte „Weiterentwicklung“ und „Durchlässigkeit des Wissens“ (vgl. Tab. 26). Die Weiterentwicklung wird mithilfe von zwei Skalen zur Personalentwicklung gemessen (vgl. Meetz, 2007). Die Skala „Personalentwicklungsziele“ misst den Grad der Systematisierung und Institutionalisierung der Personalentwicklungsziele, z. B. inwiefern entsprechende Ziele schriftlich fixiert werden und Bestandteil des Schulprogramms sind sowie mit den Lehrkräften gemeinsam vereinbart wurden. Die Skala „Stellenwert von Personalentwicklungsmaßnahmen bei den Lehrkräften“ misst die Bedeutung, die die Lehrkräfte der Personalentwicklung für ihre Arbeit beimessen. Sie enthält Aspekte, wie die Bedeutung von Personalentwicklung zur Erreichung beruflicher Ziele und zur Verbesserung der Schule und inwieweit die Lehrkräfte bereit sind, Zeit und Geld für die eigene Personalentwicklung aufzuwenden. Tabelle 26: Übersicht der eingesetzten Variablen und Skalen zur Abbildung der Dimensionen 1–3 Kapazität des Organisationalen Lernens
Eingesetzte Variablen und Skalen
Beispielvariable
Institutionalisierte Teamstrukturen in der Schule
„Bestehen an Ihrer Schule fest institutionalisierte Formen der Teambildung? kontinuierliche Doppelbesetzung (Teilungsstunden als Teamteaching) in einzelnen, wöchentlich festgelegten Unterrichtsstunden.“
Anzahl der Lehrkräfte, die in Klassen oder Jahrgangsteams eingebunden sind
„Sind Sie in Ihrer Schule persönlich in die folgenden Formen von festen Teambildungen mit regelmäßigen Teambesprechungen eingebunden?“
Bedeutung der schulischen Koordination für die Arbeit in der Schule und den eigenen Unterricht
„Die schulinterne Koordination macht für mich das Arbeiten leichter.“
Fragebogen
Cronbachs
Quelle
Anzahl Variablen
Į
SLFB
1
–
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
LFB
2
–
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
LFB
3
,795
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
1. Struktur Strukturelle Verankerung von Kooperationsmöglichkeiten in der Schule
Bedeutung der Koordination für die Arbeit in der Schule
Klassenteams (Lehrerteam auf Klassenebene oder gemeinsame Klassenführung) Jahrgangsteam/Jahrgangsstufenteams/Bildungsgangteams“
211
6.1 Erhebungsinstrumente
Kapazität des Organisationalen Lernens
Eingesetzte Variablen und Skalen
Beispielvariable
Fragebogen
Anzahl Variablen
Cronbachs
Quelle
Į
2. Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium Professionelle (Lern-) Gemeinschaften
5HÀHNWLRQGHU eigenen Arbeit
Ä,FKUHÀHNWLHUHPHLQH$UEHLW regelmäßig mit Kollegen.“
LFB
1
–
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
Teamarbeit mit Fokus auf fachdidaktische Unterrichtsentwicklung
„Fachdidaktische und methodiLFB sche Konzeption von Unterrichtseinheiten“
3
.795
IFS, Holtappels
Analyse und Diagnose in Fachteams
„Präzise Erörterung und Analyse der Lernprobleme einzelner Schülerinnen oder Schüler“
LFB
4
.679
IFS, Holtappels
Teamarbeit mit „Gegenseitige Hilfe in didaktiFokus auf eine schen und methodischen FraVerbesserung gen“ des Unterrichts in Klassenoder Jahrgangsteams
LFB
3
.591
IFS, Holtappels
Zielorientierung in der Fachteamarbeit
„Die vereinbarten Ziele und Absprachen werden von manchen Teammitgliedern nicht immer eingehalten.“
LFB
5
.746
IFS, Holtappels
Kooperation in Bezug auf Schulentwicklung
Kooperation in Bezug auf Projektarbeit
„Zusammenarbeit in den Projekt- oder Arbeitsgruppen im Rahmen des Modellvorhabens.“
LFB
3
.802
IFS, Feldhoff, Berkemeyer
Gemeinsam geteilte Ziele
Ziel- und Konsensorientierung des Kollegiums
„In unserem Kollegium ist man intensiv darum bemüht, in zentralen pädagogischen =LHOHQHLQHQ.RQVHQV]X¿QGHQ³
LFB
3
.728
Holtappels, Bessoth
Personalentwicklungsziele
„Auf die allgemeinen schulischen Ziele abgestimmt.“
LFB
5
.924
AG BFP, Meetz
Stellenwert von Personalentwicklungsmaßnahmen
„Personalentwicklung ist ein wichtiges Instrument, um meine EHUXÀLFKHQ=LHOH]XHUUHLFKHQ³
LFB
4
.723
AG BFP, Meetz
Innovationsbereitschaft des Kollegiums
„In unserer Schule gibt es meistens große Vorbehalte gegenüber Veränderungen.“
LFB
4
.831
Holtappels, Bessoth
Pädagogische Innovation
„Die Planung von Innovation an unserer Schule ist ziemlich unsystematisch.“
LFB
3
.710
Diedrich, Abs, Klieme
3. Wissen und Fertigkeiten Personalentwicklung
Innovationsbereitschaft
212
6 Instrumente und Methoden
Die Durchlässigkeit des Wissens wird durch zwei verschiedene Skalen zur Innovationsbereitschaft operationalisiert: die Skala „Innovationsbereitschaft des Kollegiums“ und die Skala „pädagogische Innovation“. Die Skala „Innovationsbereitschaft“ erfasst neben der Bereitschaft des Kollegiums, die eigene Arbeit kritisch zu überprüfen, auch die Offenheit des Kollegiums gegenüber Neuerung. Die Skala „pädagogische Innovation“ misst Aspekte wie das Bemühen der Schule um Neuerungen in Schule und Unterricht oder auch die systematische Planung von Neuerungen. Alle vier in dieser Dimension verwendeten Skalen wurden mithilfe des Lehrerfragebogens erfasst. Dimension 4 „Führung und Management“ Die vierte Dimension beschreibt, wie das Schulleitungs- und Steuergruppenhandeln das Organisationale Lernen in der Schule fördern kann (vgl. Kapitel 2.3.3). Ein für Organisationales Lernen förderliches Führungshandeln besteht aus einer Beteiligung der Lehrkräfte an Entscheidungen, der Vermittlung von Visionen und Zielen, dem Management der Schule und der unterrichtsbezogenen Führung. Die Beteiligung von Lehrkräften an der Führung der Schule wird durch die Skala „Partizipationskompetenz81“ der Schulleitung abgebildet. Sie misst, inwieweit die Schulleitung bereit ist, bei Entscheidungen Vorschläge des Kollegiums zu berücksichtigen und ob sie Beteiligung durch die Bildung von Teams herstellt. Die Managementfunktion von Schulleitung wird durch die Skalen „Managementkompetenz der Schulleitung“ und „Kompetenz der Schulleitung in der Organisation des Schulbetriebs“ operationalisiert. Die Skala „Managementkompetenz der Schulleitung“ umfasst Aspekte der Ressourcenbeschaffung und des Engagements der Schulleitung für die Weiterentwicklung der Schule. Die Skala „Kompetenz der Schulleitung in der Organisation des Schulbetriebs“ beschreibt dagegen die effiziente Organisation des Schulalltags durch die Schulleitung, z. B. in Form eines genauen Überblicks und der Antizipierung von Problemen. Die Skala „zielbezogene Führung“ repräsentiert den Aspekt der Vermittlung von Zielen und Visionen durch die Schulleitung. Sie beinhaltet Aspekte wie die Arbeit an langfristigen Zielen, die Betonung schulischer Ziele und Visionen innerhalb und außerhalb der Schule bei wichtigen Anlässen. Die Sorge um Belange des Unterrichts wird durch die Skala „unterrichtsbezogene Führung“ gemessen. Sie erfasst, inwieweit die Schulleitung mit Lehrkräften die Qualität des Unterrichts thematisiert, die Lehrkräfte im Unterricht besucht und Lehrkräfte bei Problemen 81 Der Begriff Kompetenz ist nicht im Sinne von Weinert (2001) zu verstehen, sondern bezeichnet die Wahrnehmung der Performanz aus Sicht der Lehrkräfte. Diese Bezeichnung wurde von der Begleitforschung übernommen (vgl. Holtappels et al., 2008) und wird daher auch in dieser Arbeit beibehalten.
6.1 Erhebungsinstrumente
213
mit der eigenen Klasse unterstützt. Alle Skalen zum Schulleitungshandeln wurden mithilfe des Lehrerfragebogens erhoben (vgl. Tab. 27). Neben der Schulleitung agiert die Steuergruppe als Change Agent der schulischen Entwicklungsprozesse. Dabei bedient sie sich aus Sicht der Theorie vor allem der fünf Instrumente des Change Managements (vgl. Kapitel 3.3), um das Organisationale Lernen in den verschiedenen Dimensionen zu fördern: Partizipation des Kollegiums, Informations- und Wissensmanagement, Unterstützung und Beratung, Koordination schulischer Entwicklungsprozesse und zielbezogenes Handeln (vgl. ebd.). Die Partizipation der Lehrkräfte in Schulentwicklungsprozessen als Instrument des Steuergruppenhandelns wird durch die Skala „Steuerung durch Aushandlung“ abgebildet. Die Skala erfasst, inwieweit die Steuergruppe Aufgaben mit Kolleginnen und Kollegen aushandelt, Initiativen des Kollegiums unterstützt und möglichst viele Lehrkräfte in die Entwicklungsarbeit mit einbezieht. Die Skala „Information durch die Steuergruppe“ repräsentiert das Informations- und Wissensmanagement der Steuergruppe. Sie erfasst verschiedene Aspekte der Angemessenheit der Informationen durch die Steuergruppe, z. B. kamen diese rechtzeitig, waren sie nützlich, haben sie die Fragen der Kolleginnen und Kollegen zum Entwicklungsprozess beantwortet. Die Unterstützungs- und Beratungsfunktion wird durch zwei Skalen operationalisiert: die „indirekte Unterstützung durch die Steuergruppe in Form von Serviceleistung“ und die „direkte Unterstützung durch die Steuergruppe“. Die Skala „indirekte Unterstützung durch die Steuergruppe in Form von Serviceleistung“ beinhaltet Serviceleistungen der Steuergruppe in Form der Bereitstellung von Fachinformationen, Vermittlung von Experten und das Zur-Verfügung-Stellen von Arbeitsmaterialien. Die Skala „direkte Unterstützung durch die Steuergruppe“, misst eine Unterstützung durch die Steuergruppe mittels Hilfestellung bei der Planung von Projekten oder der Lösung von Problemen sowie der Vermittlung bei Konflikten. Die Skalen „Koordination von Projekt- und Arbeitsgruppen bzw. Gremien“ und „Einfluss der Steuergruppe auf die Teamarbeit in Bezug auf Unterrichtsentwicklung“ messen die Koordination schulischer Entwicklungsprozesse. Die Skala „Koordination von Projekt- und Arbeitsgruppen bzw. Gremien“ beinhaltet, von welchen unterschiedliche Teams und Arbeitsgruppen die Steuergruppen die Arbeit aufeinander abstimmt, z. B. Unterrichtsentwicklungsteams, Arbeitsgruppen des Modellvorhabens, institutionalisierte Gremien. Die Skala „Einfluss der Steuergruppe auf die Teamarbeit in Bezug auf Unterrichtsentwicklung“ erfasst, inwieweit die Steuergruppe es als ihre Aufgabe betrachtet, die Unterrichtsentwicklung in der Schule voranzubringen oder inwieweit sie dafür sorgt, dass in Teams gemeinsame Unterrichtskonzepte geplant werden oder die Lernentwicklung der Schülerinnen und Schüler thematisiert wird.
214
6 Instrumente und Methoden
Tabelle 27: Übersicht der eingesetzten Variablen und Skalen zur Abbildung der Dimensionen 4 Kapazität Eingesetzte des Organi- Variablen und sationalen Skalen Lernens
Beispielvariable
Fragebogen
Anzahl Variablen
Cronbachs
Quelle
Į
4. Führung und Management Führungsverhalten der Schulleitung
Steuergruppe als Change Agent
Partizipationskompetenz
„Der Schulleiter/die Schulleiterin hat die Kompetenz, Teams zu bilden und für intensive Kooperation im Kollegium zu sorgen.“
LFB
3
.805
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
Unterrichtsbezogene Führung
„Der Schulleiter/die Schulleiterin VSULFKWPLW/HKUNUlIWHQKlX¿J über die Qualität des Unterrichts.“
LFB
3
.694
Fend
Zielbezogene Führung
„Der Schulleiter/die Schulleiterin spricht in Konferenzen mit den Lehrerinnen und Lehrern über die pädagogischen Ziele der Schule.“
LFB
6
.855
IFS, Bonsen, Pfeiffer, von der Gathen
Managementkompetenz der Schulleitung
„Der Schulleiter/die Schulleiterin engagiert sich für effektive Organisation und Weiterentwicklung der Schule.“
LFB
3
.753
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
Kompetenz der Schulleitung in der Organisation des Schulbetriebs
„Der Schulleiter/die Schulleiterin versteht es, kritische Situationen und Probleme zu antizipieren und durch sachgerechte Entscheidungen zu entschärfen.“
LFB
6
.869
Fend
Steuerung durch Aushandlung
„Die Steuergruppe handelt oft Aufgaben des Entwicklungsprozesses mit dem Kollegium aus.“
LFB
5
.900
IFS, Berkemeyer, Holtappels
Zielbezogenes Handeln
„Die Steuergruppe formuliert klare Anforderungen an das Kollegium bezüglich der notwendigen Entwicklungsarbeit.“
LFB
4
.868
IFS, Berkemeyer, Feldhoff
Indirekte Unterstützung durch die Steuergruppe in Form von Serviceleistungen
„Die Steuergruppe besorgt Fachinformationen für Projekte.“
LFB
3
.858
IFS, Berkemeyer, Feldhoff
Direkte Unterstützung durch die Steuergruppe
„Die Steuergruppe gibt Hilfestellung bei der Planung von Projekten.“
LFB
3
.891
IFS, Berkemeyer, Feldhoff
Information durch die Steuergruppe
„Die Informationen, die ich von der Steuergruppe erhalten habe, haben mir den Nutzen des Entwicklungsprozesses nicht verdeutlicht.“
LFB
4
.851
IFS, Feldhoff
Koordination von Projekt- und Arbeitsgruppen bzw. Gremien
„Als Steuergruppe stimmen wir die Arbeitsgruppen, die im Rahmen des Modellvorhabens gegründet wurden, aufeinander ab.“
STG
5
.824
IFS, Berkemeyer, Feldhoff
(LQÀXVVGHU6WHXHUgruppe auf die Teamarbeit in Bezug auf Unterrichtsentwicklung
„Als Steuergruppe haben wir an unserer Schule dafür gesorgt, dass in den Fachteams die Lernentwicklung von einzelnen Schülerinnen und Schülern thematisiert wird.“
STG
3
.705
IFS, Feldhoff
6.1 Erhebungsinstrumente
215
Das letzte Instrument des zielbezogenen Handelns wird durch die gleichnamige Skala abgebildet (vgl. Tab. 27); sie umfasst Aspekte, wie Formulierung von klaren Anforderungen an die Entwicklungsarbeit, Vorgabe klarer Ergebnisziele an die Arbeitsgruppen und die Sorge um die Einhaltung von Zeitplänen. Bei allen Skalen, außer den beiden Skalen zur Koordination schulischer Entwicklungsprozesse, zu denen die Steuergruppenmitglieder selbst befragt wurden, handelt es sich um Fremdeinschätzungen aus Sicht der Lehrkräfte (vgl. Tab. 27). Dimension 5 „Qualitätssicherung und Zielüberprüfung“ Die Dimension „Qualitätssicherung und Zielüberprüfung“ wird durch verschiedene Skalen zu einzelnen Aspekten der Evaluation und Qualitätssicherung abgebildet (vgl. Tab. 28). Die Skala „Offenheit gegenüber Evaluation“ beinhaltet Aspekte, wie die Offenheit des Kollegiums gegenüber Evaluationen und ob Evaluationen in den Kollegien mit Ängsten besetzt sind. Die Skala „Kultur der schulischen Evaluation“ erfasst, ob die Schule regelmäßig Schülerfeedbacks einholt, Methoden der Selbstevaluation von Schülerinnen und Schülern nutzt oder die schulische Arbeit kontinuierlich mittels Selbstevaluation überprüft wird. Die Skala „Wahrnehmung und Bedeutung des Evaluationsberaters82 in der Schule“ misst den Stellenwert und Nutzen des Evaluationsberaters für den Evaluationsprozess in der Schule. Sie enthält Aspekte, inwieweit der Evaluationsberater in der Schule bekannt ist, ob er maßgeblich den Evaluationsprozess organisiert oder ob die Lehrkräfte selbst schon von dessen Hilfe profitiert haben. Die Skala „Implementierung von Standards und Kriterien für die Evaluation der Schule“ erfasst, inwieweit die Schulen sich über Kriterien für die Evaluation verständigt haben, diese festgelegt haben und ob sich diese auf die Ziele der Schule beziehen. Die Skala „Umgang mit den Rückmeldungen der Begleitforschung an der Schule“ bezieht sich auf den schulischen Verarbeitungsprozess von Daten der Begleitforschung. Sie bildet ab, ob die Lehrerinnen und Lehrer sich gut über die Rückmeldungen informiert fühlen, ob diese in den schulischen Gremien intensiv diskutiert wurden und welche Auswirkungen die Rückmeldungen auf die Arbeit der Lehrkräfte haben. Die Nutzung der erhaltenen Daten für die schulische Entwicklung wird durch die Skala „Konsequenzen aus der Rückmeldung der Begleitforschung für die Unterrichtsentwicklung“ repräsentiert. Sie erfasst, ob Konsequenzen aus den Rückmeldungen für die Unterrichtsentwicklung gezogen wurden, ob daraus auch Maß82 Die Schulen des Modellvorhabens waren verpflichtet, einen sogenannten „Evaluationsberater“ zu benennen, der als innerschulischer Ansprechpartner für diesen Bereich fungieren sollte. Die Evaluationsberater haben auch an Qualifizierungen zum Thema „Qualitätsmanagement und Evaluation“ teilgenommen.
216
6 Instrumente und Methoden
nahmen abgleitet wurden und diese aus Sicht der Kollegien zu einer Qualitätsverbesserung geführt haben. Bis auf die Skala „Implementierung von Standards und Kriterien für die Evaluation der Schule“ und die Skala „Offenheit gegenüber Evaluation“, die mithilfe des Steuergruppenfragebogens gemessen wurden, wurden alle anderen Skalen der Dimension mittels des Lehrerfragebogens erfasst. Dimension 6 „Austausch mit der schulischen Umwelt“ Der Fokus der Operationalisierung der Dimension „Austausch mit der schulischen Umwelt“ liegt auf den verschiedenen Aspekten des Austauschs der Schulen mit anderen Schulen und deren Aktivitäten in der Region (vgl. Tab. 28). Die Skala „Austausch mit anderen Akteuren innerhalb der Schullandschaft“ erfasst, wie intensiv sich die Schulen mit verschiedenen anderen Schulen oder pädagogischen Einrichtungen, wie Kindergärten, weiterführende Schulen, schulische Steuergruppen der Region, austauschen. Die Skala „Kooperation mit anderen Schulen im Bereich Arbeitsgruppen/Schulentwicklung“ misst, auf welche Aspekte sich der Austausch mit anderen Schulen bezieht, z. B. Evaluation, Unterrichtsentwicklung, Fortbildung, gemeinsame Schulprojekte. Die Skala „Skepsis gegenüber regionaler Zusammenarbeit“ bildet ab, inwiefern die Schulen bereit sind, sich gegenüber ihrer Umwelt zu öffnen. Die Skala „Aktive Schule in der Region“ erfasst, inwieweit die Schule in der Region vernetzt ist, diese Vernetzung vorantreibt und inwieweit diese als gewinnbringend für die Schule erlebt wird. Die Skala „Austausch mit anderen Akteuren innerhalb der Schullandschaft“ wurde im Steuergruppenfragebogen und die anderen Skalen im Schulleitungsfragebogen eingesetzt. Die Strategien des „proaktiven Verhaltens“ und des Scannens der Umwelt wurden nicht erfasst. Dimension 7 „Partizipation der Lehrkräfte“ Die Dimension „Partizipation der Lehrkräfte“ beschreibt die Beteiligung und Beteiligungsmöglichkeiten von Lehrkräften in der Schule für die Kultur und das Engagement der Lehrkräfte (vgl. Kapitel 2.3.3). Sie wird durch drei Variablen und eine Skala gemessen (vgl. Tab. 28). Die drei Variablen messen die Beteiligungsmöglichkeiten der Lehrkräfte an schulweiten Belangen in den Bereichen „Fächerangebot“, „Kursangebot“ und „Budget“. Hierfür wurde die Frage „Über welche Bereiche die Schule am ehesten entscheidet“ so rekodiert, dass eine Beteiligungsmöglichkeit der Lehrkräfte vorliegt, wenn die Schul-, Lehrer- oder Fachkonferenz als Entscheidungsgremium genannt wurden. Die Variablen wurden im Schulleitungsfragebogen abgefragt. Die Skala „Partizipation der Lehrkräfte an den schulischen Projekten im Rahmen des Modellvorhabens“ erfasst, inwieweit die Lehrkräfte sich an der Auswahl, Planung und Durchführung von Projekten im Rahmen des Modellvorhabens beteiligten und inwieweit sie hierzu auch genügend Gelegenheiten hatten. Die Skala wurde über den Lehrerfragebogen erfasst.
217
6.1 Erhebungsinstrumente
Tabelle 28: Übersicht der eingesetzten Variablen und Skalen zur Abbildung der Dimensionen 5–7 Kapazität des Organisationalen Lernens
Eingesetzte Variablen und Skalen
Beispielvariable
Fragebogen
Anzahl Variablen
Cronbachs
Quelle
Į
5. Qualitätssicherung und Zielüberprüfung Qualitätssicherung
Kultur der schulischen Selbstevaluation Offenheit gegenüber Evaluation
„Die Ergebnisse der schulischen LFB Arbeit werden im Rahmen einer Selbstevaluation kontinuierlich von der Schulleitung und dem gesamten Kollegium überprüft.“ „Evaluation ist an unserer Schule mit Ängsten besetzt.“
4
.685
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
STGFB
2
.712
IFS; Feldhoff
Wahrnehmung und Bedeutung des Evaluationsberaters in der Schule
„Unsere ausgebildeten Evaluationsberater/innen organisieren maßgeblich den Evaluationsprozess.“
LFB
3
.589
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
Implementierung von Standards und Kriterien für die Evaluation der Schule
„An unserer Schule gibt es klare Kriterien für die Evaluation von Unterricht.“
STGFB
5
.888
IFS; Feldhoff
Umgang mit den Rückmeldungen der Begleitforschung an der Schule
„Die Rückmeldungen wurden in den Gremien (z. B. Steuergruppe, Fachgruppen, Schulkonferenz) intensiv diskutiert.“
LFB
3
.644
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
Konsequenzen aus der Rückmeldung der Begleitforschung für die Unterrichtsentwicklung
„Die gezogenen Konsequenzen wurden in Maßnahmen umgesetzt.“
LFB
3
.923
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
6. Austausch mit der schulischen Umwelt Austausch und Kooperation mit der schulischen Umwelt
Austausch mit anderen Akteuren innerhalb der Schullandschaft
„Im Rahmen einer Schullandschaft besteht ein Austausch der schulischen Steuergruppe mit den weiterführenden Schulen/Institutionen.“
STGFB
4
.771
IFS, Berkemeyer, Feldhoff
Kooperation mit anderen Schulen im Bereich Arbeitsgruppen/ SE
„In unserer Bildungsregion besteht ein Austausch mit anderen Schulen bezogen auf gemeinsame Arbeitsgruppen.“
SLFB
5
.656
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
218
Kapazität des Organisationalen Lernens
6 Instrumente und Methoden
Eingesetzte Variablen und Skalen
Beispielvariable
Fragebogen
Anzahl Variablen
Cronbachs
Quelle
Į
6. Austausch mit der schulischen Umwelt Austausch und Kooperation mit der schulischen Umwelt
Skepsis gegenüber regionaler Zusammenarbeit
„Bisher hatten wir genug mit den Vorhaben unserer Schule zu tun, sodass für uns Absprachen oder Kontakte in der Region nicht im Vordergrund standen.“
SLFB
3
.728
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
Aktive Schule in der Region
„Die Zusammenarbeit der Schule mit außerschulischen Partnern hat sich durch das Modellprojekt merklich intensiviert.“
SLFB
5
.754
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
SLFB
1
–
7. Partizipation der Lehrkräfte Beteiligung der Lehrkräfte bei Fragen der Schulpolitik
Partizipation der Lehrkräfte bei Schulentwicklungsmaßnahmen
„Wer entscheidet in Ihrer Schule am ehesten über folgende Bereiche?“83 Fächerangebot
„Fächerangebot“
Kursangebot
„Kursangebot“
SLFB
1
–
Budget
„Festlegung des Schulbudgets“
SLFB
1
–
Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten
„Ich hatte ausreichend Gelegenheit, mich an den Projekten im Modellvorhaben zu beteiligen.“
LFB
4
.813
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
IFS; Feldhoff
6.1.2 Operationalisierung der Erfolgsfaktoren des Modellvorhabens Im Folgenden wird beschrieben, wie die drei Erfolgsfaktoren, die in Kapitel 1.4 beschrieben werden, operationalisiert und gemessen wurden (vgl. Tab. 29). Erfolgsfaktor „Selbststeuerungsfähigkeit“ Der Erfolgsfaktor „Selbststeuerungsfähigkeit“ durch die zwei Indikatoren „Veränderung von Arbeitsroutinen“ und „Veränderung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen“.
83 Die Antworten zu den Kategorien Schulkonferenz, Lehrerkonferenz und Fachkonferenz wurden zusammengefasst. Wurde eine dieser Gruppen genannt, wurde eine 1 vergeben, wurde keine Gruppe genannt, eine 0.
6.1 Erhebungsinstrumente
219
Der Indikator „Veränderung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen“ wird mithilfe der Skala „Verankerung und Nachhaltigkeit von Projekten“ operationalisiert. Die Skala erfasst z. B., inwieweit die Projekte so angelegt sind, dass sie nach dem Modellvorhaben weiterbestehen können, eine gute Dokumentation und Nutzbarkeit der Projektergebnisse existiert und die Projektziele aus den Entwicklungszielen der Schule abgeleitet sind. Der Indikator „Veränderung von Arbeitsroutinen“ wird durch die Skala „Veränderung von Routinen“ gemessen. Die Skala enthält Aspekte, ob die Schule ihr Schulprogramm an die Ziele des Modellvorhabens angepasst hat oder ob sich Arbeitsroutinen oder Entwicklungsschwerpunkte verändert haben. Erfolgsfaktor „Unterricht“ Der unterrichtsbezogene Erfolgsfaktor wird durch die Skalen zur „Strukturiertheit und Verständlichkeit im Mathematikunterricht“ und „Strukturiertheit und Verständlichkeit im Deutschunterricht“ operationalisiert. Die Skalen bilden ab, inwieweit von Lehrerinnen und Lehrern im Unterricht strukturierte und für Schüler verständliche Lernsituationen erzeugt werden (vgl. Gruehn, 2000; Klieme, 2006; Klieme, Lipowsky, Rakoczy & Ratzka, 2006). Die Skala enthält Aspekte, wie z. B. die Zusammenfassung der behandelten Unterrichtsinhalte am Ende der Stunde als Strukturierungshilfe oder das Bemühen der Lehrkräfte, schwierige Inhalte einfach zu erklären. Erfolgsfaktor „Nutzung und Bewertung der Nutzung von im Modellvorhaben gewährten Formen erweiterter Selbstständigkeit“ Der Erfolgsfaktor enthält zwei Aspekte, die wahrgenommene Nutzung von gewährten erweiterten Formen der Selbstständigkeit und die Bewertung der Nutzung für die Schule. Der Aspekt der wahrgenommenen Nutzung von gewährten Formen der Autonomie wird durch die Nutzung erweiterter Handlungsspielräume im Unterricht anhand von zwei Variablen aus dem Schulleitungsfragebogen operationalisiert. Die Variablen beschreiben die schulische Nutzung einer „stundenplanmäßigen Verankerung des Teamunterrichts“ und einer „veränderten Zusammensetzung von Lerngruppen“. Die weiteren Nutzungsmöglichkeiten von Gestaltungsfreiräumen im Unterricht im Rahmen des Modellvorhabens konnten aufgrund des hohen Datenausfalls und einer hieraus resultierenden, nicht ausreichenden Zellenbesetzung von mindestens 25 Nennungen auf die beiden Kategorien (Nicht-Nutzung und Nutzung) nicht berücksichtigt werden (vgl. Rese, 2000). Die Dimension der Bewertung, wie die Autonomie in den Schulen genutzt wird, wird durch die Skala „Bewertung der Schulleitung als Dienstvorgesetzter“ für den Bereich Personalmanagement und die Skala „Bedeutung der neuen Sachmittelbudgetierung für die schulische Arbeit“ für den Bereich Sachmittelbewirtschaftung abgebildet.
220
6 Instrumente und Methoden
Tabelle 29: Übersicht der eingesetzten Variablen und Skalen zur Abbildung der Erfolgsfaktoren im Modellvorhaben Erfolgsfaktoren des Modellvorhabens
Eingesetzte Variablen und Skalen
Veränderung Verankerung und und Etablie- Nachhaltigkeit rung von der Projekte Projektstrukturen
Verbesserung des Unterrichts
Beispielvariable
Fragebogen
Anzahl Variablen
Cronbachs
Quelle
Į
„Die Projekte an unserer Schule sind so angelegt, dass sie auch nach dem Ende des Modellvorhabens weiterbestehen werden.“
LFB
5
.824
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
Veränderungen von Routinen
„Durch die Teilnahme am Modellvorhaben haben sich unsere Arbeitsroutinen verändert.“
LFB
5
.706
Gehrmann
Strukturiertheit und Verständlichkeit im Mathematikunterricht
„Unsere Mathematiklehrerin/ unser Mathematiklehrer weist uns darauf hin, wenn etwas besonders wichtig ist.“
SFB
6
.830
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
Strukturiertheit und Verständlichkeit im Deutschunterricht
„Unsere Deutschlehrerin/unser Deutschlehrer weist uns darauf hin, wenn etwas besonders wichtig ist.“
SFB
6
.844
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
Nutzung und Bewertung von im Modellvorhaben gewährten Formen der Autonomie Unterricht
Nutzung von Freiräumen im Bereich Unterricht
„Haben Sie im Rahmen des Modellvorhabens Änderungen in der Organisation des Schulbetriebs vorgenommen?“
SLFB
1
–
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
„Stundenplanmäßige Verankerung des Teamunterrichts“
SLFB
1
–
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
„Veränderte Zusammensetzung von Lerngruppen“
SLFB
1
–
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
Personal
Bewertung der Schulleitung als Dienstvorgesetzter
„Die Schulleitung ist für mich als Lehrkraft in Personalangelegenheiten (z. B. Förderung, Laufbahnplanung) ein kompetenter Ansprechpartner.“
LFB
4
.857
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
Sachmittelbudgetierung
Bedeutung der neuen Sachmittelbudgetierung für die schulische Arbeit
„Durch mehr schulische Freiräume im Bereich der Sachmittelbewirtschaftung ist die tägliche pädagogische Arbeit besser geworden.“
LFB
4
.880
IFS, Begleitforschung Selbstständige Schule
Die Skala „Bewertung der Schulleitung als Dienstvorgesetzter“ erfasst die Nachvollziehbarkeit der dienstlichen Beurteilungen, inwieweit diese den Lehrkräften berufliche Perspektiven aufzeigen oder die Schulleitung als kompetenter Ansprechpartner in Personalangelegenheiten erlebt wird und deren größere Personalverantwortung als vorteilhaft empfunden wird.
6.1 Erhebungsinstrumente
221
Die Skala „Bedeutung der neuen Sachmittelbudgetierung für die schulische Arbeit“ misst, welche Auswirkungen die Freiräume der Sachmittelbewirtschaftung auf die Ausstattung der Schule, die Zweckmäßigkeit von Anschaffungen, die Erfolgschancen, Anschaffungsvorschläge genehmigt zu bekommen, und auf die pädagogische Arbeit haben. Beide Skalen wurden im Lehrerfragebogen erhoben.
6.1.3 Kritische Betrachtung der Operationalisierung der Dimensionen der Kapazität des Organisationalen Lernens und der Erfolgsfaktoren Insgesamt können die theoretischen Dimensionen der Kapazität des Organisationalen Lernens mithilfe der von der Begleitforschung eingesetzten Instrumente gut abgebildet werden. Dies gilt im gleichen Maße für die Erfolgsfaktoren. Für zukünftige Erhebungen gibt es dennoch Optimierungsmöglichkeiten, die im Folgenden kurz beschrieben werden sollen. Die Skalen „Koordination von Projekt- und Arbeitsgruppen bzw. Gremien“ und „Einfluss der Steuergruppe auf die Teamarbeit in Bezug auf Unterrichtsentwicklung“ konnten aufgrund der limitierten Fragebogenlänge und Bearbeitungszeit nicht mithilfe des Lehrerfragebogens erfasst werden. Stattdessen wurde auf die Selbsteinschätzungen der Steuergruppen zurückgegriffen. Es wird davon ausgegangen, dass die externe Sicht durch die Lehrkräfte zu diesen Aspekten validere Aussagen zulassen, da entsprechende Koordinationsbemühungen von den Lehrkräften, die in den Teams sind, auch bemerkt werden müssen. Die Wahrnehmung durch die Lehrkräfte würde hier entsprechend sinnvoller und aussagekräftiger sein. Ähnliches gilt für die Nutzung der Autonomie im Bereich Unterricht, hier wäre die Aussage der einzelnen Lehrerinnen und Lehrer, ob und welche der gebotenen Freiräume sie tatsächlich in ihrem Unterricht nutzen, valider als die globale Gesamteinschätzung der Schulleitung. Zudem können hier einige Nutzungsformen nicht ausgewertet werden, da ein Teil der 70 Schulleiterinnen und Schulleiter der verwendeten Stichproben hierzu keine Angaben gemacht haben. In der Dimension 7 „Partizipation der Lehrkräfte“ sollten die Beteiligungsmöglichkeiten an schulischen Entscheidungen ebenfalls direkt bei den Lehrkräften erfragt werden. Zudem wäre es wünschenswert, auch die tatsächliche Beteiligung in diesen Bereichen zu erfassen. In der Dimension 5 „Austausch mit der schulischen Umwelt“ sollten zukünftig die beiden Strategien des aktiven Scannens der schulischen Umwelt und des proaktiven Verhaltens mit erfasst werden.
222
6 Instrumente und Methoden
6.2 Methodisches Vorgehen Nach der Beschreibung der verwendeten Erhebungsinstrumente soll im Folgenden das methodische Vorgehen zur Beantwortung der Forschungsfragen beschrieben werden. Die angewendeten Verfahren (explorative Faktorenanalyse (Kapitel 6.2.1), Modellierung von Strukturgleichungsmodellen (Kapitel 6.2.2) und logistische Regressionsanalysen (Kapitel 6.2.3)) sind in der empirischen Schul- und Bildungsforschung anerkannte und etablierte Verfahren, die sich für die Überprüfung der formulierten Hypothesen eignen. Analyseebene und Untersuchungseinheit Wie schon der Begriff verdeutlicht, handelt es sich beim Organisationalen Lernen um ein Phänomen auf der Organisationsebene. In Kapitel 2.1 wurden die unterschiedlichen Lernebenen und ihr Beitrag für Organisationales Lernen dargestellt. Individuelles und kollektives Lernen sind notwendige, aber nicht hinreichende Bestandteile. Organisationales Lernen geht darüber hinaus. Organisationales Lernen entsteht in einem Prozess, bei dem über die Struktur und Kultur einer Organisation aus dem Wissen einzelner Organisationsmitglieder (als Ergebnis von individuellem Lernen) in einem Prozess der Kommunikation mit anderen Organisationsmitgliedern (der kollektiven Ebene) Organisationales Wissen erzeugt wird, das in kognitiven Systemen und Handlungsroutinen, dem Organisationalen Gedächtnis, gespeichert wird. Dabei löst sich das organisationale Wissen von den Mitgliedern. Organisationales Lernen kann als Konstrukt somit nur auf der Organisationsebene beobachtet und erfasst werden (vgl. auch die Untersuchungen von Mark & Louis 1999 sowie Silins, Mulford, Zarins & Bishop, 2006). Auch Steinert et. al. (2006) weisen bei der Untersuchung von schulischer Kooperation von Lehrkräften – einem Aspekt der Dimension 2 des Modells der Kapazität des Organisationalen Lernens – darauf hin, dass diese als „pädagogische[s] Prozessmerkmal der Organisationseinheit der Bildungseinrichtung erfasst und theoretisch konzipiert wird“ (Steinert et al., 2006). In der Forschung (zu Organisationalem Lernen) finden sich zwei Wege, um mit Daten, die auf einer anderen Ebene erhoben wurden, umzugehen. Marks und Louis nutzen für ihre Arbeiten mehrebenenanalytische Verfahren, um sowohl die individuellen als auch organisationalen Aspekte der Dimension „teacher empowerment“ zu erfassen. Silins, Mulford, Zarins und Bishop hingegen nutzen Strukturgleichungsmodelle mit aggregierten Daten auf der Schulebene für ihre Analysen. Der Vorteil des Vorgehens von Marks und Louis liegt darin, dass der Anteil der individuellen Einschätzung (Varianz) der erhobenen Konstrukte durch die einzelnen beteiligten Akteure (Schulleitungen, Lehrkräfte und Steuergruppen) miterfasst werden kann. Somit kann zusätzlich untersucht werden, inwieweit sich die Einschätzungen der Akteure innerhalb der Schulen unterscheiden.
6.2 Methodisches Vorgehen
223
Der Nachteil der Modellierung mit rein regressiven mehrebenenanalytischen Verfahren ist, dass keine komplexeren Zusammenhänge und verknüpfte Zusammenhangshypothesen mit vermittelnden Effekten modelliert werden können. Dies ist jedoch eines der zentralen Erkenntnisinteressen der vorliegenden Arbeit. Es sollte gleichzeitig in einem statistischen Modell überprüft werden, inwieweit Steuergruppen durch die Nutzung von Instrumenten des Change Managements einen Einfluss auf Aspekte des Organisationalen Lernens haben (vgl. Kapitel 4) und inwieweit sie vermittelt über diese Aspekte des Organisationalen Lernens auch einen Einfluss auf Erfolgsfaktoren im Modellvorhaben ausüben. Solche komplexen Zusammenhänge mit vermittelnden Variablen lassen sich mit Pfadanalysen oder Strukturgleichungsmodellen untersuchen, wie bei Silins, Mulford, Zarins und Bishop (2000). Sie verzichten auf die Aufklärung der Unterschiede der Einschätzungen innerhalb der Schule. Schulen sind komplexe Systeme mit verschiedensten Akteuren – Schulleiterinnen und Schulleiter, Steuergruppen, Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler. Entsprechend entsteht bei der Nutzung individueller Angaben eine hoch vernetzte, vielschichtige und verschieden verschachtelte Datenstruktur, die eine gemeinsame Analyse vieler Daten unmöglich machen würde. Doch diese verschachtelte Struktur ist für die Untersuchung des Organisationalen Lernens nicht von näherer Bedeutung. Zwar können nicht Organisationen, sondern nur Individuen befragt werden, doch von Interesse sind nicht die einzelnen Ansichten der Organisationsmitglieder, sondern deren gemeinsames Bild von und über die Organisation. Dieses Bild kann am besten mit aggregierten Daten auf der Organisationsebene erhoben werden. Die Nutzung aggregierter Daten hat zur Folge, dass die Anzahl der zur Verfügung stehenden Fälle für die Analysen auf maximal 70 Fälle reduziert wird. Kleine Fallzahlen stellen zwar kein generelles Problem für die verwendeten statistischen Analysen dar, wirken sich aber je nach verwendeter Methode unterschiedlich auf die Interpretation, Robustheit der Ergebnisse und notwendige Analyse-Restriktionen aus (vgl. Gross & Kriwy, 2009). Dies wird sowohl bei der Durchführung der Analysen als auch bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt.
6.2.1 Explorative Faktorenanalyse zur Prüfung der Dimensionalität Das Ziel von Forschungsfrage 1.2 ist es zu überprüfen, inwieweit die in Kapitel 2.2.3 theoretisch abgeleiteten Dimensionen der Kapazität des Organisationalen Lernens sich in den empirischen Daten abbilden lassen. Diese Dimensionalitätsüberprüfung soll mithilfe der Methode der explorativen Faktorenanalysen
224
6 Instrumente und Methoden
(Hauptkomponentenanalyse mit orthogonaler Faktorenrotation, vgl. Backhaus, Erichson, Plinke & Weiber, 2000) durchgeführt werden. Die explorative Faktorenanalyse ist ein strukturfindendes Verfahren und wird vor allem als heuristisches, Hypothesen generierendes Verfahren verwendet (vgl. Backhaus, Erichson, Plinke & Weiber, 2000; Bortz, 1999). „Die Faktorenanalyse ist [aber auch] ein Verfahren zur Überprüfung der Dimensionalität komplexer Merkmale“ (Bortz, 1999, S. 514). Sie eignet sich also auch zur Prüfung von Hypothesen, wie sie in Forschungsfrage 1.2 formuliert ist. Die Faktoranalyse prüft, ob innerhalb gemessener Konstrukte verschiedene Variablen oder Variablengruppen unterschiedliche Dimensionen des Konstrukts abbilden. Diese Dimensionen werden als Faktoren bezeichnet. Die Faktorladung gibt Aufschluss darüber, wie gut eine Variable zu dem jeweiligen Faktor passt. Sie entspricht der Korrelation zwischen der Variablen und dem Faktor. Die Faktorladungen können also als Korrelationskoeffizienten interpretiert werden. Ziel der Hauptkomponentenanalyse ist es, mit möglichst wenigen Faktoren die korrelative Struktur der Variablen möglichst gut abzubilden. Wobei die Faktoren untereinander unabhängig sein sollen. Zwei Faktoren sind dann voneinander unabhängig, wenn sie orthogonal zueinander stehen, d. h. der Winkel der Faktoren zueinander beträgt 90 Grad. Dies entspricht einem Korrelationskoeffizienten von 0. Rost gibt als Richtwert für eine „befriedigende“ Faktorladung, also eine ausreichend hohe Korrelation der Variablen mit dem Faktor, den Wert = .45 an (vgl. Rost, 2007). Zur Festlegung der Anzahl von Faktoren gibt es zwar keine eindeutigen Vorschriften, dennoch können bestimmte Kriterien zur Bestimmung herangezogen werden (vgl. Backhaus et al., 2000). Das „Kaiser-Guttman-Kriterium“ besagt, dass jeder Faktor, dessen Eigenwert h über 1 liegt, extrahiert wird. Der Eigenwert berechnet sich aus der Summe der quadrierten Faktorladungen aller Variablen eines Faktors. Er gibt Auskunft über die Summe der aufgeklärten Varianz der Variablen durch den Faktor. Ist der Eigenwert kleiner als 1, so erklärt er weniger Varianz eine einzelne Variable (Bortz, 1999, S. 520). Bortz weist darauf hin, dass bei einer Extraktion der Faktoren nach dem „Kaiser-Guttman-Kriterium“ die Anzahl bedeutsamer Faktoren oftmals überschätzt wird. Um solche nicht bedeutsamen Faktoren zu identifizieren, kann als ein weiteres Kriterium der Scree-Test nach Cattell (1966) hinzugezogen werden. Beim Scree-Test werden alle Eigenwerte in eine Rangfolge gebracht und in einem Eigenwertdiagramm dargestellt. Werden die Eigenwerte mit einer Linie verbunden, so nähert sich diese asymptotisch der X-Achse an. Oft fällt ein Eigenwert aus der kontinuierlichen Linie heraus. Es entsteht ein optischer Knick. Nach Cattell sind nur die Eigenwerte bedeutsam, die links vor dem Knick liegen. Auf theoretischer Ebene ist ein Faktor ein mithilfe mehrere Variablen gemessenes Konstrukt. Dabei bilden die Variablen verschiedene Aspekte dieses Ge-
6.2 Methodisches Vorgehen
225
samtkonstrukts ab. Bei der angewendeten Dimensionalitätsprüfung der Dimensionen des Organisationalen Lernens (vgl. Kapitel 7.1) handelt es sich um einen Spezialfall der Faktorenanalyse. Da die meisten theoretischen Aspekte der einzelnen Dimensionen mithilfe von Skalen gemessen werden (vgl. Kapitel 6.1), die ihrerseits bereits mithilfe von explorativen Faktoranalysen ermittelt und auf ihre Dimensionalität hin überprüft wurden, wird in dieser Arbeit nach Faktoren zweiter Ordnung gesucht (vgl. ebd.). Faktoren zweiter Ordnung werden in der Literatur auch als Meta-Faktoren bezeichnet. Meta-Faktoren lassen sich mit der Hauptkomponentenanalyse auf die gleiche Weise bestimmen wie Faktoren erster Ordnung. In diesem Fall werden die manifesten (direkt beobachtbaren) Skalen erster Ordnung als Variablen für die Faktorenanalyse zweiter Ordnung verwendet. Aufgrund der unterschiedlichen Antwortskalierungen der Items und Skalen innerhalb der Dimensionen (vgl. Kapitel 6.1), wurden alle Skalen und Items vor der Faktorenanalyse z-standardisiert. Darüber hinaus wurden Skalen mit negativer Ausprägung (z. B. Skepsis gegenüber Regionalisierung) rekodiert.
6.2.2 Abbildung komplexer Bedingungsgefüge mithilfe von Strukturgleichungsmodellen Zur Überprüfung komplexer Zusammenhänge und verknüpfter Zusammenhangshypothesen hat sich in der sozialwissenschaftlichen Forschung die Verwendung von Strukturgleichungsmodellen etabliert. Die folgende Darstellung basiert auf den Ausführungen von Reinecke (2005). Strukturgleichungsmodelle kombinieren Verfahren der konfirmatorischen Faktorenanalyse mit regressionsanalytischen Verfahren. Für die Prüfung komplexer Zusammenhangsmuster werden parallel mehrere Regressionsanalysen durchgeführt. Die Konstrukte werden dabei nicht als manifeste (direkt beobachtbare) Werte in den Rechnungen berücksichtigt, sondern durch sogenannte „Messmodelle“ latent abgebildet. Latente Variablen lassen sich im Gegensatz zu manifesten Variablen nicht direkt beobachten bzw. messen. Die Spezifizierung der Messmodelle basiert auf dem Verfahren der konfirmatorischen Faktorenanalyse (vgl. Messmodelle). Wenngleich Strukturgleichungsmodelle die Möglichkeit offerieren, gerichtete Beziehungen zwischen den (latenten) Konstrukten zu formulieren, kann bei der Verwendung von Querschnittsdaten streng genommen nicht von Kausalmodellen gesprochen werden. Die wesentliche Unterscheidung liegt darin, dass die Kausalität durch den Forscher vorgegeben wird. Eine Prüfung der – theoretisch begründeten – Kausalannahme kann bei Verwendung von Querschnittsdaten durch eine statistische Modellprüfung zwischen den beiden Variablen nicht nachgewiesen werden. „Die Verfahren prüfen lediglich, ob aufgrund der inhaltlich postulierten Hypothesen
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6 Instrumente und Methoden
und der zugrundeliegenden Annahmen eine kausale Beziehung statistisch nicht zurückzuweisen ist“ (ebd., S. 12). Kausale Beziehungen und ihre Überprüfung sind an vier zentrale Bedingungen geknüpft: 1. theoretisch abgeleitete belastbare Hypothesen über die Beziehungen, 2. Vorhandensein von entsprechenden Zusammenhängen in den Daten, 3. zeitliche Differenz zwischen der Messung der unabhängigen und der abhängigen Variablen, 4. Ausschluss oder Kontrolle des Einflusses möglicher Drittvariablen auf die kausale Beziehung (vgl. Zimmermann, 1972). In dieser Arbeit werden Querschnittsdaten verwendet. Zusätzlich ist es aufgrund geringer Fallzahlen in Teilen nicht möglich, Drittvariablen zur Kontrolle des Einflusses mit in die Analysen einzubeziehen. Dies bedeutet, dass die Ergebnisse der Analysen (Kapitel 7 und 8) in Hinsicht auf ihre Aussagen zur Kausalität vorsichtig interpretiert werden müssen. Messmodelle Mit einem Messmodell wird die Repräsentation eines theoretischen Konstrukts in Form einer latenten Variablen durch eine Anzahl von manifesten Variablen überprüft (vgl. Abb. 17). Durch einen Abgleich der empirischen mit der modellimplizierten Kovarianzmatrix wird überprüft, inwieweit die durch das Messmodell spezifizierte Struktur zu den empirischen Daten passt – inwiefern sich diese Struktur durch die Daten also abbilden lässt. Die Varianzen der manifesten Variablen werden dabei zerlegt. Es wird der Varianzanteil, der allen manifesten Variablen gemeinsam ist (Kovarianz), von den restlichen Varianzanteilen jeder einzelnen Variable (Residualvarianz) unterschieden. Mittels eines iterativen Schätzverfahrens (vgl. Schätzung der Modelle) wird versucht, den gemeinsamen Varianzanteil zu maximieren und den Varianzanteil der Residualvarianzen zu minimieren. Der gemeinsame Varianzanteil der manifesten Variablen stellt den Varianzanteil dar, der auf das durch die Variablen gemessene, nicht direkt beobachtbare (latente) theoretische Konstrukt zurückgeführt werden kann. Die Residualvarianzen stellen in diesem Sinne Messfehler der einzelnen Variablen dar; sie leisten keinen Beitrag zur Erklärung des latenten Konstrukts, das mithilfe der manifesten Variablen gemessen werden sollte. Die graphische Darstellung des Messmodells besteht aus folgenden Elementen: eine Ellipse j1 stellt die latente Variable (des theoretischen Konstrukts) dar. Rechtecke X1 und X2 symbolisieren die manifesten Variablen, die den Variablen im Fragebogen entsprechen. h11 und h21 sind die Regressionskoeffizienten, die die Beziehung zwischen der latenten Variable j1 und den beiden manifesten Va-
6.2 Methodisches Vorgehen
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riablen X1 und X2 anzeigen. Quadriert man die Koeffizienten (oder auch Kommunalität), so repräsentieren sie den Varianzanteil, den jede manifeste Variable zur Bildung der latenten Variablen beiträgt. e1 und e2 stellen die Messfehler (Residualvarianz) der jeweiligen manifesten Variablen X1 und X2 dar. Die Messfehler e1 und e2 sollen dabei unabhängig voneinander sein. Da die Messmodelle als „Spezialfälle“ der konfirmatorischen Faktoranalysen verstanden werden können, werden in der Literatur die latente Variable j1 oft auch als latenter Faktor und die Regressionskoeffizienten h11 und h21 als Faktorladungen im Sinne der faktoranalytischen Terminologie bezeichnet. Durch diese Art der Modellierung wird die latente Variable j1 um die Messfehler e1 und e2 bereinigt, die bei einer manifesten Bildung (etwa über den Mittelwert der verwendeten Variablen) mit einfließen würden. Für jedes theoretische Konstrukt im Modell wird nun je ein eigenes Messmodell konstruiert.
Abbildung 17: Einfaktorielles Messmodell mit zwei manifesten Variablen (vgl. Reinecke, 2005)
Schätzung der Modelle und Modell-Güte-Tests Mithilfe der Maximum-Likelihood(ML)-Diskrepanzfunktion wird versucht, eine minimale Differenz zwischen der empirischen und der modellimplizierten Kovarianzmatrix herzustellen. Bei überidentifizierten84 Modellen erfolgt die Schätzung der Modellparameter durch ein iteratives Verfahren. Die einzelnen Parameter werden so geschätzt, dass die mit den Parametern berechnete (modellimplizierte) Kovarianzmatrix möglichst gut der empirischen Kovarianzmatrix entspricht. Dabei werden für jeden Parameter beliebige Startwerte ermittelt, von denen aus solange verschiedene Werte eingesetzt werden, bis ein vorher festgelegtes Konvergenzkriterium erreicht wird. 84 In dieser Arbeit werden nur überidentifizierte Modelle verwendet. Das heißt, dass die Modelle soweit spezifiziert sind, dass weniger unbekannte als bekannte Parameter vorhanden sind. Somit besitzen die Modelle mindestens einen Freiheitsgrad (df). Die Anzahl der Freiheitsgrade berechnet sich aus der Differenz zwischen den zu ermittelnden Parametern und den zur Verfügung stehenden empirischen Informationen (vgl. Bortz & Döring, 2006).
228
6 Instrumente und Methoden
Dieses Schätzverfahren gilt gleichermaßen für die Mess- und Strukturmodelle (vgl. Strukturmodelle). Werden Mess- und Strukturmodelle gleichzeitig geprüft, erfolgt die Schätzung simultan. Die Differenz der empirischen und der modellimplizierten Kovarianzmatrix wird mithilfe von Modell-Güte-Tests bzw. Fit-Indizes überprüft. Ist diese Differenz zu groß, müssen die dem Modell zugrunde liegenden Hypothesen zurückgewiesen werden. Sind die Abweichungen im Rahmen des zulässigen Toleranzbereiches, also lassen sich durch das Modell die empirischen Daten hinreichend gut replizieren, werden die zugrunde liegenden Hypothesen durch das Modell nicht abgelehnt und können somit (mit der Einschränkung durch die Kausalitätsproblematik bei Querschnittsdaten) im Sinne des kritischen Rationalismus (vgl. Popper, 1966) als vorläufig bestätigt gelten. Fit-Indizes lassen sich in zwei Gruppen einteilen: komparative und absolute Fit-Indizes. Die komparativen Tests vergleichen das aus den Hypothesen abgeleitete Modell mit einem „Null“-Modell, welches davon ausgeht, dass keinerlei Beziehungen zwischen den Variablen bestehen. Demgegenüber wird bei den absoluten Fit-Indizes das aus Hypothesen abgeleitete Modell mit einem saturierten Modell verglichen. Beim saturierten Modell werden die Zusammenhänge entsprechend der empirischen Kovarianzmatrix modelliert. Damit wird die Matrix perfekt reproduziert. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl unterschiedlichster komparativer und absoluter Fit-Indizes. Diese Fit-Indizes sind unterschiedlich robust gegenüber verschiedenen Aspekten, wie z. B. Stichprobengröße, Komplexität der Modelle (je mehr Parameter zu schätzen sind, desto komplexer ist das Modell). Darüber hinaus besitzen sie eine unterschiedliche Sensitivität gegenüber Fehlspezifikationen in Mess- und Strukturmodellen. Um die resultierenden Vor- und Nachteile der einzelne Fit-Indizes auszugleichen, schlagen Hu und Bentler (1998, 1999) ein konservatives Vorgehen vor, indem immer mehrere verschiedene Fit-Indizes, die jeweils unterschiedliche Aspekte berücksichtigen, zur Beurteilung der Modellgüte herangezogen werden sollten. Bühner (2006) schlägt hierzu eine Kombination aus r2-Test, Comparative-Fit-Index (CFI), Root-Mean-Square-Error-of-ApproxiApproximation (RMSEA) und Standardized-Root-Mean-Square-Residual (SRMR) vor. Der r2-Test ist ein absoluter Fit-Index, der sich direkt aus der ML-Funktion ableiten lässt. Der r2-Test ist jedoch abhängig von der Stichprobengröße. Bei großen Stichproben tendiert der r2-Test dazu, bei nur kleinen Abweichungen auch Modelle abzulehnen, die eine gute Passung aufweisen, während er bei kleinen Stichproben dazu tendiert, bei relativ großen Abweichungen Modelle, die keine gute Passung haben, nicht abzulehnen. Der r2-Wert wird im Verhältnis zu den Freiheitsgraden (df) angegeben. Als absoluter Fit-Index wird weiterhin der RMSEA verwendet. Er ist vor allem sensitiv gegenüber falsch spezifizierten Messmodellen oder komplexen Modellspezifikationen. Darüber hinaus unterliegt auch der
229
6.2 Methodisches Vorgehen
RMSEA einer großen Stichprobenabhängigkeit. Bei eher kleinen Stichproben (N < 250) ist der RMSEA im Gegensatz zum r2-Wert sehr konservativ – es kommt also eher zur Ablehnung von Modellen mit einer guten Passung. Ein alternativer absoluter Fit-Index, der im Gegensatz zum r2-Test und RMSEA weniger von der Stichprobengröße abhängig ist, ist der (SRMR), der allerdings die Modellkomplexität nicht berücksichtigt. Als komparative Fit-Indizes werden der CFI und der Tucker-Lewis-Index (TLI) angegeben. Beide sind nur wenig sensitiv gegenüber der Stichprobengröße. Zudem sind sie sehr robust gegen die Verletzung von Verteilungsannahmen der Variablen. Der CFI hat die Tendenz, sparsame Modelle gegenüber komplexeren Modellen zu benachteiligen (vgl. Marsh & Balla, 1996). Zur Beurteilung der Modellgüte wurden sogenannte Cut-Off-Werte festgelegt. Die Ergebnisse der absoluten Fit-Indizes, mit Ausnahme des r2-Tests, sollten sich dem Wert 0 annähern. Je besser ein Modell zu den Daten passt, desto kleiner ist der Fit-Wert. Bei den komparativen Fit-Indizes gilt das umgekehrte Prinzip. Je besser ein Modell ist, desto weiter nähert sich der Fit-Wert dem Wert 1 an. Für die hier verwendeten Indizes gelten die folgenden, in der Sozialwissenschaft oft verwendeten Cut-Off-Werte (vgl. Tab. 30; Hu & Bentler, 1999; Reinecke, 2005): Tabelle 30: Cut-Off-Werte für die einzelnen Fit-Werte (vgl. Hu & Bentler, 1999; Reinecke, 2005) Fit-Index
Cut-Off-Wert
r2/df
3
RMSEA
08
SRMR
08
CFI
> 0,90
TLI
> 0,90
Um prüfen zu können, auf welchen Modellteil (Mess- oder Strukturmodell) ein schlechter Modellfit zurückgeht, werden im Vorfeld der Spezifizierung des Gesamtmodells zunächst die Messmodelle einzeln geprüft. Auf diesem Wege wird sichergestellt, dass nur annehmbare Messmodelle berücksichtigt werden und schlechte Modellfits entsprechend auf Probleme in den Strukturmodellen zurückgeführt werden können. Für den Umgang mit Messmodellen ohne hinreichend gute Fit-Indizes gibt es drei verschiedene Möglichkeiten: 1. Die manifesten Variablen, die für den schlechten Fit verantwortlich sind, werden durch (ggf. vorhandene) andere manifeste Variablen, die
230
6 Instrumente und Methoden
sich auf das gleiche Konstrukt und den gleichen Aspekt beziehen und besser zum Modell passen, ersetzt. 2. Die manifesten Variablen, die für den schlechten Fit verantwortlich sind, werden ersatzlos aus dem Modell entfernt. 3. Es werden – theoretisch plausibel – Messfehler miteinander korreliert. Somit wird angenommen, dass die beiden manifesten Variablen über eine Kovarianz verfügen, die nicht durch die latente Variable aufgeklärt wird. Die erste Variante ist nur dann möglich, wenn geeignete Variablen zur Verfügung stehen, die den gleichen Aspekt des theoretisch postulierten Konstrukts messen wie die Variable, die im Modell ersetzt wird. Wenn diese Kriterien erfüllt sind, ist dies die beste Variante, da bei dieser Variante weder Kompromisse bei der Messung des theoretische Konstrukts, noch bei der Passung des Modells gemacht werden müssen. Allerdings besteht die Gefahr, dass Variablen nur aufgrund des besseren Fits und nicht auf Basis von theoretischen und inhaltlichen Überlegungen ersetzt werden und durch eine andere Bedeutungszuschreibung das Konstrukt inhaltlich verändern. Die zweite Variante hat den Vorteil, dass das Modell besser zur Struktur der Daten passt. Jedoch bedeutet diese auch, dass das theoretische Modell nicht mehr in seinem Ursprung erfasst wird. Hier besteht also die Gefahr eines rein empiristischen Vorgehens und es muss kritisch abgewogen werden, ob eine Bedeutungsverschiebung im erfassten Konstrukt durch die zu erreichende Verbesserung der Modellgüte gerechtfertigt ist. Die dritte Variante ermöglicht eine bessere Modellpassung bei einem gleichzeitigen Verbleib aller Variablen im Modell und somit vollständige Messung des Konstrukts. Nachteilig ist, dass durch die zusätzliche Spezifikation die Sparsamkeit der Modellierung reduziert wird. Auch hier besteht die Gefahr eines empiristischen Vorgehens, und es sollte kritisch überprüft werden, ob die Spezifizierung der Kovarianz der Messfehler aus inhaltlichen Überlegungen auch gerechtfertigt ist – ob also die Variablen, deren Fehlerterme korreliert werden, tatsächlich Gemeinsamkeiten aufweisen, die nichts mit dem primär erfassten Konstrukt zu tun haben. Die erste Variante kann in dieser Arbeit nicht angewendet werden, da keine alternativen Variablen zur Messung der theoretischen Konstrukte zur Verfügung stehen. Von der zweiten Vorgehensweise wird Abstand genommen, stattdessen werden in wenigen Ausnahmefällen, sofern dies inhaltlich plausibel ist, Kovarianzen der Messfehler spezifiziert bzw. Korrelationen zwischen den Messfehlern zugelassen. Die ggf. zugelassene Messfehlerkovarianz wird grafisch durch einen gebogenen Doppelpfeil zwischen den jeweiligen Messfehlern dargestellt (vgl. Abb. 18).
6.2 Methodisches Vorgehen
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Abbildung 18: Einfaktorielles Messmodell mit manifesten Variablen und korrelierten Messfehlern
„Wenn die Stichprobe relativ klein ist, so ist es oftmals nötig, die Anzahl der zu schätzenden Parameter zu reduzieren, damit stabile Parameterschätzungen ermöglicht werden und die Modellgüte korrekt geschätzt werden kann“ (Schermelleh-Engel & Werner, 2009, S. 1). Hierfür wird bei Strukturgleichungsmodellen immer häufiger das Verfahren des Item Parceling verwendet (vgl. Bandalos, 2002; Bandalos & Finney, 2001). Dabei werden mehrere Variablen zu einem Päckchen („Parcel“) zusammengefasst, sodass jedes Parcel im Rahmen des Messmodells jeweils eine manifeste Variable darstellt. Somit wird das Messmodell über die Parcels als manifeste Variable modelliert. Die Anzahl zu schätzender Parameter (Messfehler und Faktorladungen) reduziert sich entsprechend von der Anzahl der Variablen auf die Anzahl gebildeter Parcels. Die Bildung der Parcels kann auf drei verschiedene Arten geschehen: 1. Es werden auf Basis von Kennwerten wie Faktorladung, Mittelwert und Varianz Parcels gebildet, die sich möglichst ähnlich sind. 2. Die Variablen werden nach inhaltlichen Kriterien gruppiert, sodass jedes Parcel einem Inhaltsbereich oder theoretischen (Teil-)Konstrukt entspricht. 3. Die Variablen werden nach ihrer Verteilung gruppiert. Dieses Verfahren wird gewählt, wenn eine schiefe Verteilung durch das Parceling ausgeglichen werden soll. Variablen mit entgegengesetzter Schiefe werden miteinander kombiniert. In dieser Arbeit werden die Parcels zur Messung des Schulleitungshandelns über alle fünf Skalen auf Basis von inhaltlichen Kriterien gebildet, die empirisch durch explorative Faktorenanalysen abgesichert werden können. Dabei bildet jedes theoretische Konstrukt ein Parcel (vgl. ebd.).
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6 Instrumente und Methoden
Strukturmodelle Mithilfe der Strukturmodelle werden die Beziehungen zwischen den latenten Variablen/Konstrukten abgebildet. Zur Berechnung der Parameter wird, wie schon bei den Messmodellen, die Kovarianzmatrix genutzt. Dabei werden die einzelnen theoretischen (Zusammenhangs-)Hypothesen in Regressionsgleichungen überführt. Abbildung 19 zeigt ein Strukturgleichungsmodell mit einer latenten abhängigen Variable d1 und einer latenten unabhängigen Variable j1. a11 ist der standardisierte Pfadkoeffizient, der die Stärke des Einflusses der latenten Variable j1 auf die latente Variable d1 angibt. Dieser standardisierte Pfadkoeffizient a11 ist vergleichbar mit dem standardisierten Korrelationskoeffizienten der linearen Regression. Er kann ebenfalls einen Wert von –1 bis +1 annehmen und kann in gleicher Weise interpretiert werden. n1 ist die Residualvarianz der abhängigen Variable d1. Dieses Modell entspricht einer einfachen linearen Regression.
Abbildung 19: Strukturmodell mit zwei latenten Variablen ohne Darstellung der Messmodelle
Neben gerichteten (regressiven) Zusammenhängen lassen sich in Strukturmodellen auch ungerichtete (korrelative) Zusammenhänge modellieren (vgl. Abb. 20).
Abbildung 20: Strukturmodell mit drei latenten Variablen ohne Darstellung der Messmodelle
Der Vorteil von Strukturgleichungsmodellen ist, dass mehrere lineare Regressionen in einem Modell miteinander kombiniert werden können. D. h. es ist nicht nur möglich, wie bei der multiplen Regression durch mehrere unabhängige Vari-
6.2 Methodisches Vorgehen
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ablen eine abhängige Variable zu erklären. Das Strukturgleichungsmodell ermöglicht die Abbildung komplexer Zusammenhangsgefüge. So können etwa unabhängige Variablen mehrere abhängige Variablen erklären und eine abhängige Variable kann gleichzeitig als unabhängige Variable eine (oder mehrere) andere abhängige Variable erklären. Abbildung 21 zeigt als Beispiel ein Strukturmodell mit vier latenten Variablen. Dem Beispielmodell liegen folgende Hypothesen zugrunde: Die direkte Unterstützung des Kollegiums durch die Steuergruppe (latente Variable d1) hat einen Einfluss auf die Innovationsbereitschaft des Kollegiums (Variable d2) und die Beteiligung der Lehrkräfte an den Schulentwicklungsprojekten (Variable d3). Die Innovationsbereitschaft des Kollegiums (Variable d2) und die Beteiligung der Lehrkräfte an den Schulentwicklungsprojekten (Variable d3) haben ihrerseits einen Einfluss auf die Nachhaltigkeit der Projekte im Modellvorhaben (Variable d4). Diese Hypothesen werden nun in Regressionsgleichungen überführt. Mit den Pfadkoeffizienten a1–a4 wird die Stärke des Einflusses der unabhängigen Variablen auf die jeweiligen abhängigen Variablen angegeben. Die Schätzung der Parameter der Regressionsgleichungen erfolgt mithilfe der Kovarianzmatrix, wie bei den Messmodellen, in einem iterativen Verfahren. Dabei werden die Mess- und Strukturmodelle simultan geschätzt.
Abbildung 21: Strukturmodell mit vier latenten Variablen ohne Darstellung der Messmodelle
Bei komplexen Strukturgleichungsmodellen wie in Abbildung 21 unterscheidet man zwischen direkten Effekten, die durch die Pfadkoeffizienten direkt ausgedrückt werden, und indirekten (vermittelten) Effekten. So hat im oberen Beispiel die latente Variable d1 einen indirekten Einfluss auf die latente Variable d4 – vermittelt über die latenten Variablen d2 und d3. Der vermittelte Effekt errechnet
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6 Instrumente und Methoden
sich als Produkt der Pfadkoeffizienten. Im gewählten Beispiel beträgt der indirekte Effekt von d1 vermittelt über die Variable d2 auf die Variable d4 entsprechend als (a1 * a3). Der totale indirekte Effekt von d1 auf d4 berechnet sich aus der Summe der beiden indirekten Effekte: (a1 * a3) + (a2 * a4). Umgang mit fehlenden Werten im Rahmen von Strukturgleichungsmodellen Um die Kovarianzmatrizen berechnen zu können, muss die Datenmatrix vollständig sein. Dies bedeutet, dass Fälle mit fehlenden Werten bei der Analyse nicht berücksichtigt werden. Diese Restriktion kann besonders bei fragebogengestützten Erhebungen von Wahrnehmungen und Einschätzungen mitunter zu einer drastischen Reduktion der Fallzahlen führen. Um den unerwünschten Effekt der Reduktion von Fallzahlen zu vermeiden, gibt es mittlerweile verschiedene Ansätze und Verfahren, um fehlende Werte zu ersetzen bzw. alle verfügbaren Informationen des Datensatzes zu nutzen, um eine Reduktion der Fallzahl entsprechend zu verhindern (vgl. Little, R. J. & Rubin, 2002). Die Verwendung solcher Verfahren ist davon abhängig, welche Beschaffenheit die fehlenden Werte aufweisen. Das zentrale Kriterium hierfür ist, inwieweit die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von fehlenden Werten zufällig ist oder ob sie mit dritten Variablen korreliert. Bei einer zufälligen Verteilung von beobachteten und fehlenden Werten werden diese als „missing completely at random“ (MCAR) bezeichnet. Sind die beobachteten Werte nicht zufällig verteilt, aber die fehlenden Werte, so werden sie als „missing at random“ (MAR) bezeichnet. Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens fehlender Werte ist unabhängig von den zu untersuchenden Zusammenhängen. Ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens fehlender Werte abhängig von der Ausprägung der Variable, so werden die fehlenden Werte als „missing not at random“ (MNAR) bezeichnet. Die meisten Verfahren zum Ersetzen fehlender Werte setzen MCAR oder MAR voraus (vgl. Schafer & Graham, 2002). In dieser Arbeit wird bei zwei Strukturgleichungsmodellen zum Erfolgsfaktor „Unterricht“, bei denen Daten von verschiedenen Fragebögen (Steuergruppenmitglieder, Lehrkräfte und Schüler) zueinander in Beziehung gesetzt und bei denen sich die Fallzahl bei einem fallweisen Ausschluss der fehlenden Werte merklich reduzieren würde, das Verfahren der modellbasierten Behandlung fehlender Werte eingesetzt. Das Auftreten der fehlenden Werte entsteht hier einerseits durch das Design der Studie (nicht an allen Schulen wurden Daten der Schülerinnen und Schüler erhoben). Anderseits haben an einigen Schulen zwar die Lehrkräfte die Fragbögen ausgefüllt, aber nicht die Steuergruppenmitglieder. Beide Varianten des Entstehens fehlender Werte erfüllen das Kriterium des MAR. Hierbei werden alle verfügbaren Informationen aus den Daten genutzt, um die fehlenden Werte zu schätzen. So kann eine Reduzierung der kleinen Stichprobe vermieden werden.
6.2 Methodisches Vorgehen
235
6.2.3 Logistische Regression In Forschungsfrage 3.3 soll der Einfluss von Organisationalem Lernen auf die Nutzung und Bewertung der Handlungsspielräume im Modellvorhaben untersucht werden. Die Nutzung der Handlungsspielräume im Bereich Unterricht (vgl. Kapitel 5.1.2) wird mittels verschiedener dichotomer „ja-nein“-Fragen mit den Ausprägungen 0 und 1 gemessen. Die Kategorie „ja“ bzw. 1 steht für die schulische Nutzung der jeweiligen Handlungsspielräume und die Kategorie „nein“ bzw. 0 für deren Nichtnutzung. Um diesen statistischen Zusammenhang zu untersuchen, wird in dieser Arbeit die Methode der binären logistischen Regression gewählt. Dabei ist die Problemstellung der logistischen Regression äquivalent der linearen Regression. Die folgenden Ausführungen orientieren sich an der Darstellung von Rese (2000). Ziel der binären logistischen Regression ist es, mit einer oder mehreren unabhängigen Variablen eine dichotome abhängige Variable zu erklären. Dabei wird ein statistisches Modell gesucht, mit dessen Hilfe die Ausprägung der abhängigen Variablen durch eine oder mehrere unabhängige Variablen möglichst gut vorhergesagt werden kann. Weiterhin soll die Stärke und Richtung des Einflusses der unabhängigen Variablen ermittelt werden. Der primäre Unterschied zwischen der logistischen und der linearen Regression ist das Datenniveau der abhängigen Variablen. Während die abhängige Variable bei der linearen Regression ein metrisches bzw. mindestens intervallskaliertes Niveau aufweisen muss, können mithilfe der logistischen Regression kategoriale abhängige Variablen untersucht werden. Handelt es sich um eine abhängige Variable mit nur zwei Ausprägungen, so spricht man von einer binären logistischen Regression. Während bei der linearen Regression der Zusammenhang über eine Regressionsgerade mit der Konstanten `0 und den Regressionskoeffizienten `n abgebildet werden kann, so ist dies bei der logistischen Regression nicht möglich. Durch die binäre abhängige Variable kann keine Regressionsgerade erzeugt werden. Um die o. g. Anforderungen zu erfüllen, wird nicht der direkte (lineare) Einfluss der unabhängigen auf die abhängige Variable modelliert, sondern der Einfluss der unabhängigen Variablen auf die Wahrscheinlichkeit, dass die abhängige Variable den Wert 1 annimmt. Diese Wahrscheinlichkeit wird auch Eintrittswahrscheinlichkeit genannt. Entsprechend anders ist der Bedeutungsgehalt der Koeffizienten bei der logistischen Regression. Für die binäre logistische Regression drücken die Koeffizienten die Wahrscheinlichkeit (p) aus, mit der die abhängige Variable den Wert 1 annimmt, wenn die unabhängige Variable sich um den Wert 1 verändert. In einem weiteren Schritt wird die Eintrittswahrscheinlichkeit logarithmiert. Diese logarithmierte Eintrittswahrscheinlichkeit wird als logit bezeichnet. Ihre mathematische Funktion lässt sich – ähnlich der linearen Regression – über die Konstanten `0 und den Logit-Koeffizienten `n (die den Regressi-
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6 Instrumente und Methoden
onskoeffizienten entsprechen) abbilden. Um die Logit-Koeffizienten zu schätzen, wird eine Maximum-Likelihood-Funktion genutzt. Der Regressionskoeffizient `1 gibt dann Auskunft darüber, welchen Einfluss die unabhängige Variable auf die Wahrscheinlichkeit hat, dass die abhängige Variable den Wert 1 annimmt. Also bezogen auf die o. g. Fragestellung, welchen Einfluss eine vermehrte Teamarbeit mit Fokus auf Verbesserung des Unterrichts auf die Wahrscheinlichkeit hat, dass in den Schulen erweiterte Handlungsspielräume in Form einer veränderten Zusammensetzung von Lerngruppen genutzt werden. Ist `1 negativ, hat die unabhängige Variable einen negativen Einfluss auf die Eintrittswahrscheinlichkeit. Übertragen auf das Beispiel, würde bei vermehrter Teamarbeit die Wahrscheinlichkeit sinken, dass die Schulen eine veränderte Zusammensetzung von Lerngruppen nutzen. Der Regressionskoeffizient `1 ist jedoch nicht gut für den Vergleich mit anderen Regressionskoeffizienten `n geeignet. Für den Vergleich der Einflüsse mehrerer unabhängiger Variablen bietet es sich an, die sogenannten odds ratios (Exp(`)) zu verwenden. Die odds ratios stellen das Chancenverhältnis der Eintrittswahrscheinlichkeit dividiert durch die Nichteintrittswahrscheinlichkeit dar. Bezogen auf das verwendete Beispiel des Chancenverhältnisses zwischen der Wahrscheinlichkeit, dass Formen der veränderten Zusammensetzung von Lerngruppen genutzt werden, und der Wahrscheinlichkeit, dass diese nicht genutzt werden. Odds ratio „gibt an, wie sich das Chancenverhältnis ändert, wenn sich die entsprechende Variable um eine empirische Einheit erhöht (bei ansonsten gleichen Bedingungen)“ (Rese, 2000, S. 121). Nimmt die odds ratio einen Wert Exp(`) > 1 an, steigt die Chance, während die Chance bei einem Wert Exp(`) < 1 sinkt. Ist der Wert Exp(`) = 1, bleibt die Chance unverändert; weder steigt noch sinkt sie. In diesem Sinne ist die Stärke des Effekts bei einem Wert von 2 genauso hoch wie die bei dem Wert 0,5. Lediglich die Richtung des Effekts unterscheidet sich. Während ein Exp(`) von 2 einen positiven Einfluss der unabhängigen Variable auf die Wahrscheinlichkeit, dass die abhängige Variable den Wert 1 annimmt, beschreibt, hat ein Exp(`) von 0,5 einen negativen Einfluss. Zur Beurteilung der Güte einer logistischen Regression gibt es verschiedene zentrale Maße. Mithilfe des Hosmer-Lemeshow-Tests wird die Anpassung des empirischen Modells an die Daten überprüft (vgl. Hosmer & Lemeshow, 2000). Hierfür wird getestet, inwieweit die durch das Modell vorhergesagten Werte von den beobachteten Werten abweichen. Ist die Abweichung signifikant, so verfügt das Modell über eine nicht ausreichende Passung. Die weiteren Güte-Maße basieren alle auf der Log-Likelihood-Funktion. Die Devianz berechnet sich aus der Multiplikation des Log-Likelihood-Werts mit -2. Durch die Multiplikation mit -2 wird eine asymptotische r2-Verteilung erreicht. Je kleiner der Devianz-Wert wird – also je näher er sich dem Wert 0 annähert –, desto höher ist die Modellgüte. Die
6.2 Methodisches Vorgehen
237
r2-Verteilung erlaubt es, die Nullhypothese zu testen. Eine gute Modellanpassung ist dann gegeben, wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit zur Ablehnung der Nullhypothese hoch ist. Somit lässt sich mit dem Modell die abhängige Variable über zufällige vorhersagen. Allerdings hat der Devianz-Wert den Nachteil, dass er nicht nur von der Trennfähigkeit der Ausprägung der binären abhängigen Variable beeinflusst wird, sondern auch von der Schiefe der Verteilung der anhängigen Variable. Neben der Devianz gibt es eine Reihe von Tests, die der Gruppe der sogenannten Pseudo-R² Maße angehören, wie z. B. das Nagelkerkes-R², das neben dem Devianzwert in dieser Arbeit verwendet wird. Diese Maße geben ebenfalls Auskunft über die Modellanpassung. Sie weisen Ähnlichkeiten zum R² der linearen Regression auf, entsprechen diesem im Sinne einer „aufgeklärten Varianz“ aber nicht vollständig. So bewegt sich das Nagelkerkes-R² zwischen dem Wert 0 und 1. Je näher der Wert bei 1 ist, desto bedeutsamer ist das gewählte Modell. Der Test basiert auf einem Vergleich des geschätzten Modells mit dem Null-Modell. Als Minimum wird bei der binären logistischen Regression eine Stichprobengröße von mindestens 50 Fällen empfohlen (vgl. Rese, 2000). Dabei sollten pro Ausprägung der abhängigen Variablen mindestens 25 Fälle vorhanden sein (vgl. Rohrlack, 2007). Zudem steigt die Anforderung an die Stichprobengröße mit der Anzahl der unabhängigen Variablen. Für eine Robustheit der Parameterschätzung wird in der Literatur eine Stichprobengröße von N > 100 empfohlen (vgl. Hosmer & Lemeshow, 2000). Aufgrund der kleinen Stichprobe von nur N = 70 Schulen sind nur bei zwei der Variablen zur Nutzung der Autonomie im Bereich Unterricht die Mindestanforderungen an die Stichprobengröße erfüllt. Um entsprechend stabile Schätzungen zu erzielen, werden nur die beiden Variablen verwendet. Die hier beschriebenen Instrumente und statistischen Verfahren werden im folgenden Kapitel genutzt, um die Ergebnisse der empirischen Analyse zu präsentieren.
7 Empirische Ergebnisse
Nach der Beschreibung des Forschungsdesigns und der Stichprobe (vgl. Kapitel 5) sowie der Instrumente und Methoden (vgl. Kapitel 6) werden nun die Ergebnisse der empirischen Analysen vorgestellt. Dafür soll zunächst in Kapitel 7.1 die Frage beantwortet werden, inwieweit die sieben Dimensionen des theoretischen Modells auch empirisch als einzelne Dimensionen abbildbar sind (Forschungsfrage 1.2). Anschließend wird in Kapitel 7.2 die Kapazität des Organisationalen Lernens der Schulen des Modellvorhabens in den sieben Dimensionen beschrieben (Forschungsfrage 1.3). In Kapitel 7.3 schließlich stehen die Analysen zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die beschriebenen schulischen Erfolgsfaktoren im Modellvorhaben im Fokus der Betrachtung (Forschungsfrage 3). Alle Analysen und Ergebnisse basieren auf den aggregierten Daten von N = 70 Schulen (vgl. Kapitel 6.2).
7.1 Überprüfung der Eindimensionalität der Dimensionen der Kapazität des Organisationalen Lernens Die Kapazität des Organisationalen Lernens ist ein theoretisches Konstrukt mit sieben Dimensionen (vgl. Kapitel 2.2.3). Jede Dimension wird durch mehrere Indikatoren (Skalen und Items) operationalisiert. Mithilfe von explorativen Faktorenanalysen (vgl. Kapitel 6.2) wird überprüft, ob die verwendeten Indikatoren für die entsprechenden Dimensionen die postulierten (eindimensionalen) Strukturen aufweisen (Forschungsfrage 1.2).
7.1.1 Dimension „Struktur“ Die explorative Faktorenanalyse für die Items und Skalen der Dimension „Struktur“ weist nur einen Eigenwert über 1 aus (vgl. Tab. 31). Es wird nur ein Faktor extrahiert. Alle Faktorladungen liegen über dem von Rost (2007) geforderten T. Feldhoff, Schule organisieren, DOI 10.1007/978-3-531-93384-9_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
239
7.1 Überprüfung der Eindimensionalität der Dimensionen der Kapazität
Grenzwert für befriedigende Faktorladungen (vgl. Kapitel 6.2.1; Tab. 32). Somit lassen sich die verwendeten Indikatoren auf einer Dimension abbilden und die theoretisch postulierte Eindimensionalität der Dimension „Struktur“ kann als bestätigt angenommen werden. Tabelle 31: Eigenwerte und Gesamtvarianz Anfängliche Eigenwerte Gesamt % der Varianz
2.068
.845
.712
.375
51.690
21.135
17.812
9.364
Tabelle 32: Komponentenmatrix der Hauptkomponentenanalyse, Kriterium Eigenwert (hj Faktorladung (l) „Bestehen an Ihrer Schule fest institutionalisierte Formen der Teambildung? Kontinuierliche Doppelbesetzung (Teilungsstunden als Teamteaching) in einzelnen, wöchentlich festgelegten Unterrichtsstunden.“
,656
Anzahl der Lehrkräfte, die in Klassenteams eingebunden sind.
,728
Anzahl der Lehrkräfte, die in Jahrgangsteams/Jahrgangstufenteams/Bildungsgangteams eingebunden sind.
,873
Bedeutung der schulischen Koordination für die Arbeit in der Schule und den eigenen Unterricht.
,587
7.1.2 Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ Eine zwei-faktorielle Lösung zeigt sich bei der explorativen Faktorenanalyse der Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ (vgl. Tab. 33). Der Eigenwert des ersten Faktors hat eine Größe von h1 = 4,02. Der Eigenwert des zweiten Faktors liegt nur knapp oberhalb des „Kaiser-Guttman-Kriteriums“ von 1 (h2 = 1,01) (vgl. Kapitel 6.2.1: Bortz, 1999). Aus diesem Grund wird der Scree-Test als zusätzliches Kriterium herangezogen. Dieser zeigt, dass der von Cattell (1966) beschriebene Knick direkt nach dem ersten Faktor liegt (vgl. Abb. 22). Folglich ist nach Cattell nur der erste Faktor als bedeutsam zu interpretieren. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Eindimensionalität auch für die Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ angenommen werden kann.
240
7 Empirische Ergebnisse
Tabelle 33: Eigenwerte und Gesamtvarianz Anfängliche Eigenwerte Gesamt % der Varianz
4.023
1.007
.679
.552
.329
.247
.163
57.465
14.392
9.695
7.884
4.701
3.529
2.334
Abbildung 22: Scree-Plot der Eigenwerte der Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“
Tabelle 34: Komponentenmatrix der Hauptkomponentenanalyse, Kriterium Anzahl der Faktoren 1 Faktorladung (l) Ziel/Konsensorientierung
.839
,FKUHÀHNWLHUHPHLQH$UEHLWUHJHOPlLJPLW.ROOHJHQ
.604
Teamarbeit mit Fokus auf fachdidaktische Unterrichtsentwicklung
.847
Analyse und Diagnose in Fachteams
.679
Teamarbeit mit Fokus auf eine Verbesserung des Unterrichts in Klassen- oder Jahrgangsteams
.810
Kooperation in Bezug auf Projektarbeit
.665
Zielorientierung in der Fachteamarbeit
.822
241
7.1 Überprüfung der Eindimensionalität der Dimensionen der Kapazität
Die Komponentenmatrix zeigt, dass alle Faktorladungen größer sind als l = .6 (vgl. Tab. 34). Somit lässt sich auch die Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ auf einer Dimension abbilden.
7.1.3 Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ Die explorative Faktorenanalyse der Items und Skalen der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ weist nur einen Eigenwert größer als 1 aus. Entsprechend wird nur ein Faktor extrahiert (vgl. Tab. 35). Darüber hinaus sind die Faktorladungen mit l > .6 hinreichend groß (vgl. Tab. 36). Die theoretisch postulierte Eindimensionalität der Dimension 3 „Wissen und Fertigkeiten“ lässt sich also ebenfalls bestätigen. Tabelle 35: Eigenwerte und Gesamtvarianz Anfängliche Eigenwerte Gesamt % der Varianz
2.426
.915
.563
.095
60.658
22.881
14.087
2.373
Tabelle 36: Komponentenmatrix der Hauptkomponentenanalyse, Kriterium Eigenwert (hj Faktorladung (l) Personalentwicklungsziele
.630
Stellenwert von Personalentwicklungsmaßnahmen bei den Lehrkräften
.664
Innovationsbereitschaft des Kollegiums
.889
Pädagogische Innovation
.894
7.1.4 Dimension „Führung und Management“ Wie schon bei der Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ zeigt sich bei der explorativen Faktorenanalyse der Dimension „Führung und Management“ eine zwei-faktorielle Struktur (vgl. Tab. 37). In diesem Fall liegt der Eigenwert des zweiten Faktors (h2 = 1,40) leicht oberhalb des Grenzwertes des „Kaiser-Guttman-Kriteriums“. Der Eigenwert des ersten Faktors ist mit h1 = 7,46 wiederum deutlich größer. Der Knick beim Scree-
242
7 Empirische Ergebnisse
Test ist nach dem ersten Faktor deutlich erkennbar (vgl. Abb. 23). Nach Cattell (1996) ist demnach ebenfalls nur der erste Faktor zu akzeptieren. Tabelle 37: Eigenwerte und Gesamtvarianz Anfängliche Eigenwerte Gesamt
% der Varianz
7.459
62.155
1.403
11.688
.909
7.574
.557
4.644
.550
4.582
.309
2.579
.241
2.005
.190
1.579
.125
1.041
.104
.865
.088
.730
.067
.556
Abbildung 23: Scree-Plot der Eigenwerte der Dimension „Führung und Management“
243
7.1 Überprüfung der Eindimensionalität der Dimensionen der Kapazität
Tabelle 38: Komponentenmatrix der Hauptkomponentenanalyse, Kriterium Anzahl der Faktoren 1 Faktorladung (l) Partizipationskompetenz
.671
Unterrichtsbezogene Führung
.696
Zielbezogene Führung
.875
Managementkompetenz der Schulleitung
.846
Kompetenz der Schulleitung in der Organisation des Schulbetriebs
.836
Steuerung durch Aushandlung
.853
Zielbezogenes Handeln
.873
Indirekte Unterstützung durch die STG in Form von Serviceleistungen
.858
Direkte Unterstützung durch die STG
.892
Information durch die STG
.910
Koordination von Projekt- und Arbeitsgruppen bzw. Gremien
.543
(LQÀXVVGHU67*DXIGLH7HDPDUEHLWLQ%H]XJDXI8QWHUULFKWV entwicklung
.447
Alle verwendeten Indikatoren weisen hinreichend gute bis sehr gute Faktorladungen auf (vgl. Tab. 38). Abschließend lässt sich also feststellen, dass sich die Dimension mithilfe der verwendeten Indikatoren eindimensional abbilden lässt.
7.1.5 Dimension „Qualitätssicherung und Zielüberprüfung“ Ebenfalls eine zwei-faktorielle Struktur offenbart sich anhand der Eigenwerte zunächst bei der Analyse der Daten der Dimension „Qualitätssicherung und Zielüberprüfung“ (vgl. Tab. 39). Der Eigenwert des zweiten Faktors (h2 = 1,05) liegt nur knapp oberhalb des „Kaiser-Guttman-Kriteriums“. Der Knick des Scree-Tests liegt wiederum deutlich sichtbar direkt nach dem ersten Faktor (vgl. Abb. 24). Tabelle 39: Eigenwerte und Gesamtvarianz Anfängliche Eigenwerte Gesamt % der Varianz
3.738
1.050
.577
.337
.178
.119
62.306
17.492
9.614
5.624
2.975
1.990
244
7 Empirische Ergebnisse
Abbildung 24: Scree-Plot der Eigenwerte der Dimension „Qualitätssicherung und Zielüberprüfung“ Tabelle 40: Komponentenmatrix der Hauptkomponentenanalyse, Kriterium Anzahl der Faktoren 1 Faktorladung (l) Umgang mit den Rückmeldungen der Begleitforschung an der Schule
.776
Konsequenzen aus der Rückmeldung der Begleitforschung für die Unterrichtsentwicklung
.782
Implementierung von Standards und Kriterien für die Evaluation der Schule
.825
Offenheit gegenüber Evaluation
.774
Kultur der schulischen Selbstevaluation
.854
Wahrnehmung und Bedeutung des Evaluationsberaters in der Schule
.718
Die Faktorladungen aller Indikatoren sind größer als l = .7 (vgl. Tab. 40). Die theoretisch postulierte Eindimensionalität für „Qualitätssicherung und Zielüberprüfung“ kann bestätigt werden.
245
7.1 Überprüfung der Eindimensionalität der Dimensionen der Kapazität
7.1.6 Dimension „Austausch mit der schulischen Umwelt“ Die Faktorenanalyse der Dimension „Austausch mit der schulischen Umwelt“ zeigt eine ein-faktorielle Lösung (vgl. Tab. 41). Nur einer der Eigenwerte weist einen Wert über 1 aus. Darüber hinaus liegen die Faktorladungen oberhalb der beschriebenen Grenzwerte (vgl. Kapitel 6.2.1; Tab. 42). Damit lässt sich die Eindimensionalität auch beim „Austausch mit der schulischen Umwelt“ bestätigen. Tabelle 41: Eigenwerte und Gesamtvarianz Anfängliche Eigenwerte Gesamt % der Varianz
2.011
.932
.671
.386
50.280
23.289
16.775
9.655
Tabelle 42: Komponentenmatrix der Hauptkomponentenanalyse, Kriterium Eigenwert (hj Faktorladung (l) Kooperation mit anderen Schulen im Bereich Arbeitsgruppen/SE
.583
Austausch mit anderen Akteuren innerhalb der Schullandschaft
.551
Aktive Schule in der Region
.847
Skepsis gegenüber regionaler Zusammenarbeit
.808
7.1.7 Dimension „Partizipation der Lehrkräfte“ Bei der Dimension „Partizipation der Lehrkräfte“ weist die explorative Faktorenanalyse eine ein-faktorielle Struktur auf (vgl. Tab. 43). Die Ergebnisse weisen nur einen Eigenwert über 1 aus und die Faktorladungen liegen über dem Grenzwert für befriedigende Faktorladungen (vgl. Kapitel 6.2.1; Tab. 44). Auch in diesem Fall geben die Daten keinen Anlass, die Eindimensionalität der Dimension „Partizipation der Lehrkräfte“ zu bezweifeln. Tabelle 43: Eigenwerte und Gesamtvarianz Anfängliche Eigenwerte Gesamt % der Varianz
1.915
.933
.639
.513
47.885
23.336
15.965
12.814
246
7 Empirische Ergebnisse
Tabelle 44: Komponentenmatrix der Hauptkomponentenanalyse, Kriterium Eigenwert (hj Faktorladung (l) Mitentscheidungsmöglichkeit der Lehrkräfte beim Budget
.738
Mitentscheidungsmöglichkeit der Lehrkräfte beim Fächerangebot
.747
Mitentscheidungsmöglichkeit der Lehrkräfte beim Kursangebot
.677
Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten
.596
Insgesamt lassen sich bei allen sieben Dimensionen die Indikatoren jeweils auf einer Dimension abbilden. Auch wenn die explorative Faktorenanalyse bei drei Dimensionen zunächst eine zwei-faktorielle Struktur aufweist, so zeigt die Analyse des Scree-Plots bei allen drei Dimensionen, dass nur jeweils ein Faktor als bedeutsam zu interpretieren ist. Somit lässt sich die Forschungsfrage 1.2 „Lassen sich die einzelnen Dimensionen des Organisationalen Lernens auch empirisch als Dimensionen abbilden?“ positiv beantworten.
7.2 Ergebnisse zur Kapazität des Organisationalen Lernens in den Schulen des Modellvorhabens Nachdem sich die sieben Dimensionen der Kapazität des Organisationalen Lernens auch empirisch als Dimensionen abbilden lassen, wird nun die Kapazität des Organisationalen Lernens der Schulen anhand der einzelnen Dimensionen dargestellt. Trotz der Eindimensionalität ist die Ausprägung der Kapazität des Organisationalen Lernens innerhalb der einzelnen Dimensionen unterschiedlich. Um diese Unterschiede darzustellen, werden die Ergebnisse auf der Ebene der Indikatoren berichtet.
7.2.1 Ergebnisse zur Dimension „Struktur“ Organisationsstrukturen können Organisationales Lernen fördern, aber auch erschweren – etwa dann, wenn die Schulorganisation zwar ausgebaut ist, aber eine zelluläre und fragmentierte Struktur aufweist (vgl. Kapitel 1.2). Lernförderliche Strukturen können Kooperation ermöglichen und fördern (vgl. Kapitel 2.2.3). Kooperation (vgl. Dimension 2) bildet die Basis für Organisationales Lernen und den Aufbau und die Entwicklung organisationalen Wissens. Institutionalisierte Teams fördern die Kooperation durch Erzeugung von Interdependenzen zwi-
247
7.2 Ergebnisse zur Kapazität des Organisationalen Lernens in den Schulen
schen Lehrkräften. Eine für Organisationales Lernen förderliche Struktur schafft koordiniert die schulischen Abläufe so, dass sie das Lernen und Arbeiten unterstützen. Tabelle 45: Dimension „Struktur“ Item „Bestehen an Ihrer Schule fest institutionalisierte Formen der Teambildung? Kontinuierliche Doppelbesetzung (Teilungsstunden als Teamteaching) in einzelnen, wöchentlich festgelegten Unterrichtsstunden.“1 1
Fragebogen
ja1
nein1
n
SLFB
52
48
66
Gültige Prozent. Im Unterschied zu den anderen drei Indikatoren dieser Dimension wurde dieser Indikator im Schulleitungsfragebogen erhoben, Aus diesem Grund werden die Ergebnisse als gültige Prozent angegeben. Bei den ja/nein-Fragen aus dem Lehrerfragebogen ist dies nicht möglich, da es sich um aggregierte Daten handelt. Folglich werden die Ergebnisse mithilfe von Mittelwert und Standardabweichung dargestellt.
Eine Form von institutionalisierter Kooperation, die direkt den Unterricht betrifft, ist das gemeinsame Unterrichten – auch Teamteaching genannt. Teamteaching bietet die Möglichkeit der professionellen gegenseitigen Unterstützung. Zusätzlich ermöglicht es eine flexiblere Unterrichtsgestaltung und Binnendifferenzierung (vgl. Lortie, 1972; Welch, Brownell & Sheridan, 1999). Solche Teamstrukturen zum gemeinsamen Unterrichten existieren nach Angaben der Schulleitungen in etwa der Hälfte der Schulen (vgl. Tab. 45). Zwei weitere institutionelle Kooperationsformen, die eine gute Basis für das Arbeiten in professionellen Lerngemeinschaften darstellen, sind Klassen- und Jahrgangs- bzw. das Äquivalent in den Berufskollegs die Bildungsgangteams (vgl. Kapitel 5.1.2). Mit einem Mittelwert von (MW = 0,58) geben die Kollegien an, dass über alle Schulen hinweg etwas weniger als 60 % der Lehrkräfte in Klassenteams und in Jahrgangsteams bzw. Bildungsgangteams (MW = 0,57) eingebunden sind (vgl. Tab. 46). Die Standardabweichung zeigt, dass der Anteil an Lehrkräften, die an einer Schule in solchen Teams arbeiten, sich in den Schulen des Modellvorhabens deutlich unterscheidet. In rund 68 % der Schulen liegt die Beteiligungsquote der Lehrkräfte in Klassenteams in einem Bereich zwischen (MW = 0,34) und (MW = 0,82) und in den Jahrgangs- bzw. Bildungsgangteams in einem Bereich zwischen (MW = 0,29) und (MW = 0,85). Inwieweit diese Kooperation sich auch in professionellen Lerngemeinschaften vollzieht, wird in der zweiten Dimension gezeigt. Doch neben institutionalisierten Kooperationsformen, die die Basis für Organisationales Lernen darstellen und mit deren Hilfe organisationales Wissens aufgebaut und weiterentwickelt werden kann, ist es von Bedeutung, inwieweit Strukturen die Fragmentierung der Schule überwinden und eine schulweite Koordina-
248
7 Empirische Ergebnisse
tion ermöglichen (vgl. Kapitel 1.2). Die Bedeutung der schulischen Koordination für die Arbeit in Schule und Unterricht liegt nach Angabe der Lehrerinnen und Lehrer oberhalb des theoretischen Mittelwerts. Tabelle 46: Dimension „Struktur“ Items/Skalen
Fragebogen
MW
SD
n
„Sind Sie in Ihrer Schule persönlich in die folgenden Formen von festen Teambildungen mit regelmäßigen Teambesprechungen eingebunden? Klassenteams (Lehrerteam auf Klassenebene oder gemeinsame Klassenführung)“1
LFB
0,58
0,242
70
„Sind Sie in Ihrer Schule persönlich in die folgenden Formen von festen Teambildungen mit regelmäßigen Teambesprechungen eingebunden? Jahrgangsteams/Jahrgangstufenteams/ Bildungsgangteams“1
LFB
0,57
0,277
69
Bedeutung der schulischen Koordination für die Arbeit in der Schule und den eigenen Unterricht.2
LFB
2,93
0,333
70
1 2
Antwortkategorien der verwendeten Skalen: nein (0), ja (1). Antwortkategorien der verwendeten Skalen: trifft nicht zu (1), trifft eher nicht zu (2), trifft eher zu (3), trifft zu (4).
7.2.2 Ergebnisse zur Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ Organisationales Lernen ist ein sozialer Prozess, bei dem Informationen verarbeitet werden mit dem Ziel, organisationales Wissen zu erzeugen und weiterzuentwickeln (vgl. Kapitel 2.2.3). Dieser soziale Prozess benötigt eine Anschlussfähigkeit der Wissensbestände der Organisationsmitglieder, die an diesem Prozess beteiligt sind. Des Weiteren muss eine Einsicht in die Relevanz der Informationen für die Organisation vorhanden sein, damit diese von den anderen Organisationsmitgliedern übernommen werden. Diese beiden Voraussetzungen für Organisationales Lernen können durch gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen gefördert werden. Durch Kooperation (z. B. innerhalb von professionellen Lerngemeinschaften) kann Organisationales Wissen gewonnen, weiterentwickelt und verbreitet werden. Die Kooperation bildet somit die Ebene des Teamlernens, die als Voraussetzung für Organisationales Lernen gilt (vgl. Kapitel 2.1).
249
7.2 Ergebnisse zur Kapazität des Organisationalen Lernens in den Schulen
Tabelle 47: Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ Items/Skalen
Fragebogen
MW
SD
n
Ziel- und Konsensorientierung1
LFB
2,90
0,381
70
5HÀHNWLRQGHUHLJHQHQ$UEHLW2
LFB
3,43
0,357
70
Analyse und Diagnose in Fachteams3
LFB
2,37
0,462
69
Teamarbeit mit Fokus auf Verbesserung des Unterrichts3
LFB
2,47
0,331
70
Teamarbeit mit Fokus auf fachdidaktische Unterrichtsentwicklung3
LFB
3,00
0,400
69
Zielorientierung in der Teamarbeit1
LFB
3,09
0,275
70
LFB
3,21
0,719
70
Kooperation in Bezug auf
Projektarbeit4
Antwortkategorien der verwendeten Skalen: trifft nicht zu (1), trifft eher nicht zu (2), trifft eher zu (3), trifft zu (4). 2 Antwortkategorien der verwendeten Skalen: stimmt überhaupt nicht (1), stimmt überwiegend nicht (2), teils/teils (3), stimmt überwiegend (4), stimmt ganz genau (5). 3 $QWZRUWNDWHJRULHQGHUYHUZHQGHWHQ6NDOHQJDUQLFKW VHOWHQ PDQFKPDO KlX¿J 4 Antwortkategorien der verwendeten Skala: seltener bis gar nicht (1), jährlich (2), halbjährlich (3), vierteljährlich (4), monatlich (5), wöchentlich (6). 1
Die Ziel- und Konsensorientierung im Kollegium (als Indikator für Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen) liegt in den Schulen des Modellvorhabens nach deren Selbsteinschätzung (MW = 2,90) oberhalb des theoretischen Mittelwerts (vgl. Tab. 47). Das Gleiche gilt für die Reflektion der eigenen Arbeit (MW = 3,43) (einer der beiden Indikatoren für einen reflektierten Dialog der Lehrkräfte über die eigene Unterrichtspraxis als Merkmal professioneller Lerngemeinschaften). Der zweite Indikator zu einem reflektierten Dialog in Form einer Analyse und Diagnose in Fachteams befindet sich unterhalb des theoretischen Mittelwerts. Bezogen auf die Ursprungsmetrik wird die Analyse und Diagnose eher selten (MW = 2,37) in den Fachteams praktiziert. Bei den beiden Skalen, mit deren Hilfe das Merkmal „eines gemeinsamen Fokus auf einer Verbesserung des Unterrichts und auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler“ abgebildet wird, zeigen sich dem Augenschein nach Unterschiede: Der Mittelwert der „Teamarbeit mit Fokus auf Verbesserung des Unterrichts in den Klassen- oder Jahrgangsteams“ liegt knapp unterhalb des theoretischen Mittelwerts (MW = 2,47). Diese Form der Teamarbeit wird „eher selten“ praktiziert. Der Mittelwert der „Fachteamarbeit mit Fokus auf fachdidaktischer Unterrichtsentwicklung“ (MW = 3,00) ist deutlich oberhalb des theoretischen Mittelwerts. Diese Form der Teamarbeit wird „manchmal“ ausgeübt. Bezogen auf die Ursprungsmetrik geben die Kollegien an, dass es „eher zutrifft“
250
7 Empirische Ergebnisse
(MW = 3,09), dass sie „gemeinsame handlungsleitende Ziele“ in der Teamarbeit verfolgen. Dies ist das Merkmal professioneller Lerngemeinschaften, das in enger Verbindung zu den gemeinsamen Ziel- und Wertvorstellungen steht. Neben dieser unterrichtsbezogenen Kooperation in Form professioneller Lerngemeinschaften ist für die Schulen eine weitere Kooperation auf der Ebene von Schulentwicklungsprojekten von Bedeutung. Diese Form der Kooperation befindet sich unterhalb des theoretischen Mittelwerts (MW = 3,21). In Bezug auf die Ursprungsmetrik kooperieren die Kollegien im Mittel vierteljährlich projektbezogen. In circa 68 % der Schulen des Modellvorhabens liegt die projektbezogene Kooperation innerhalb eines Bereichs von MW = 2,49 bis MW = 3,93.
7.2.3 Ergebnisse zur Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ Die dritte Dimension beinhaltet zwei Aspekte: Zum einen die Nutzung und Weiterentwicklung des Wissens und zum anderen die Durchlässigkeit des Wissens (vgl. Kapitel 2.2.3). Die Nutzung und Weiterentwicklung bezieht sich in der dritten Dimension vor allem auf die Quellen des individuellen Wissens der einzelnen Lehrkräfte und der Nutzung von externem Wissen über Maßnahmen der Personalentwicklung. Über Personalentwicklungsmaßnahmen, die die Schule als Ganzes betreffen, wie z. B. pädagogische Tage, kann auch direkt ein Beitrag zum Organisationalen Wissen geleistet werden. Die Durchlässigkeit von Wissen innerhalb der Schule setzt eine Offenheit des Kollegiums gegenüber neuem Wissen und eine kritische Reflexion des bestehenden Wissens voraus, wie sie sich in der Innovationsbereitschaft eines Kollegiums manifestiert. Tabelle 48: Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ Items/Skalen
Fragebogen
MW
SD
n
Personalentwicklungsziele1
LFB
0,63
0,255
69
Stellenwert von Personalentwicklungsmaßnahmen bei den Lehrkräften2
LFB
2,64
0,276
70
Innovationsbereitschaft des Kollegiums2
LFB
2,92
0,362
70
Pädagogische Innovation2
LFB
3,10
0,390
70
1 2
Antwortkategorien der verwendeten Skalen: nein (0), ja (1). Antwortkategorien der verwendeten Skalen: trifft nicht zu (1), trifft eher nicht zu (2), trifft eher zu (3), trifft zu (4).
In den Schulen liegt die Einschätzung der Qualität der Personalentwicklungsziele, in Bezug auf die Systematisierung und die Abstimmung auf die schulischen
7.2 Ergebnisse zur Kapazität des Organisationalen Lernens in den Schulen
251
Ziele sowie die Beteiligung der Lehrkräfte, oberhalb des theoretischen Mittelwerts (MW = 0,63) (vgl. Tab. 47). Mit Blick auf die Standardabweichung befindet sich der Mittelwert von circa 68 % der Schulen in einem Bereich von MW = 0,38 bis MW = 0,89. Der „Stellenwert von Personalentwicklungsmaßnahmen bei den Lehrkräften“ liegt oberhalb des theoretischen Mittelwerts (MW = 2,64). Gleiches gilt für die Innovationsbereitschaft des Kollegiums (MW = 2,92) und für die pädagogische Innovation (MW = 3,10).
7.2.4 Ergebnisse zur Dimension „Führung und Management“ Die Schulleitung und die Steuergruppe können durch ihr Handeln Einfluss auf verschiedene Aspekte der Kapazität des Organisationalen Lernens in den sechs anderen Dimensionen nehmen (vgl. Kapitel 5.3). Die Schulleitung kann Organisationales Lernen fördern, indem sie die Lehrkräfte an wichtigen schulischen Entscheidungen beteiligt und sie bei ihren Aufgaben und dem Lernen in und für die Schule unterstützt. Sie bemüht sich um die Entwicklung der Schule, weist die Lehrkräfte immer wieder auf die Bedeutung der schulischen Ziele und Visionen hin und achtet darauf, dass diese auch verfolgt werden. Sich um Entwicklung bemühen bedeutet aber auch, dass sie sich der wachsenden Aufgaben im Management der Schule annimmt, für entsprechende Ressourcen sorgt und diese so einsetzt, dass die Schule gut arbeiten kann. Weiterhin sorgt sie für einen möglichst reibungslosen Ablauf des Schulbetriebs. Zudem lässt sie das „Kerngeschäft“ der Schule nicht außer Acht und legt Wert auf guten Unterricht und spricht mit den Lehrkräften über diesen. Bei der wachsenden Bedeutung von Schulentwicklung agieren Steuergruppen als Change Agents, um die Entwicklungs- und Veränderungsprozesse zu steuern. Steuergruppen kann dies aus theoretischer Perspektive am besten gelingen, wenn sie hierfür die folgenden fünf Instrumente nutzen (vgl. Kapitel 3.7): 1. Die Steuergruppe versucht, das Kollegium an den Entwicklungs- und Veränderungsprozessen und ihrer eigenen Arbeit möglichst stark zu beteiligen, indem sie dessen Interesse soweit als möglich berücksichtigt, die Ziele und Aufgaben mit den Arbeitsgruppen aushandelt und sie mit sachlichen Argumenten zu überzeugen versucht. 2. Die Steuergruppe betreibt ein aktives Informations- und Wissensmanagement, um die Transparenz und Akzeptanz sowie die Bereitschaft zur Mitarbeit bei den Lehrkräften zu erhöhen. Darüber hinaus sorgt sie im Bereich der Schulentwicklungsmaßnahmen für eine schulweite Kommunikation als Basis für den Wissensaustausch und den Aufbau Organisationalen Wissens.
252
7 Empirische Ergebnisse
3. Steuergruppen sind die zentralen schulischen Anlaufstellen für den Bereich Schulentwicklung. Sie sollen die Lehrkräfte und Arbeitsgruppen mit ihren – durch Fortbildung und die tägliche Arbeit erworbenen – Kenntnissen und Fähigkeiten unterstützen und sie bei Problemen beraten bzw. Informationen vermitteln. 4. Steuergruppen agieren als „Boundary Spanner“, indem sie die einzelnen Schulentwicklungsprojekte und -maßnahmen koordinieren. Sie sorgen mit dafür, dass die Projekte sich abstimmen und nicht in Konkurrenz zueinander geraten. Damit erfüllen sie auch eine Aufgabe im Sinne der Organisationsstruktur, die der Fragmentierung der Schule entgegenwirkt (vgl. Dimension 1). 5. Eng mit der Koordinationsfunktion verbunden ist das zielbezogene Handeln, indem die Steuergruppe, begrenzt auf ihr Mandat der Lehrerkonferenz, klare Anforderungen an die Arbeitsgruppen stellt und sie immer wieder auf die in der Lehrerkonferenz gemeinsam vereinbarten Ziele und die jeweiligen Projektziele hinweist.
Tabelle 49: Dimension „Führung und Management – Schulleitungshandeln“ Skalen
Fragebogen
MW
SD
n
Partizipationskompetenz
LFB
3,11
0,353
70
Unterrichtsbezogene Führung
LFB
2,67
0,333
69
Zielbezogene Führung
LFB
3,32
0,297
69
Managementkompetenz der Schulleitung
LFB
3,50
0,266
70
Kompetenz der Schulleitung in der Organisation des Schulbetriebs
LFB
3,22
0,334
70
Antwortkategorien der verwendeten Skalen: trifft nicht zu (1), trifft eher nicht zu (2), trifft eher zu (3), trifft zu (4).
Die Einschätzungen des Schulleitungshandelns durch die Lehrkräfte liegen in allen fünf Bereichen oberhalb des theoretischen Mittelwerts (vgl. Tab. 49). Die Kollegien in circa 68 % der Schulen schätzen die Skalen zum Schulleitungshandeln wie folgt ein: Die „Partizipationskompetenz“ der Schulleitung bewegt sich in einem Bereich zwischen MW = 2,76 und MW = 3,46, die „unterrichtsbezogene Führung“ befindet sich in einem Bereich zwischen MW = 2,34 und MW = 3,00, die „zielbezogene Führung“ liegt in einem Bereich zwischen MW = 3,02 und MW = 3,62, die „Managementkompetenz der Schulleitung“ verortet sich in einem Bereich zwischen MW = 3,23 und MW = 3,77 und die „Kompetenz der
253
7.2 Ergebnisse zur Kapazität des Organisationalen Lernens in den Schulen
Schulleitung in der Organisation des Schulbetriebs“ liegt in einem Bereich zwischen MW = 2,89 und MW = 3,55. Tabelle 50: Dimension „Führung und Management – Steuergruppenhandeln“ Skalen Steuerung durch Aushandlung1
Fragebogen
MW
SD
n
LFB
2,78
0,323
70
LFB
2,77
0,401
70
Indirekte Unterstützung durch die STG in Form von Serviceleistungen2
LFB
2,72
0,351
70
Direkte Unterstützung durch die STG2
LFB
2,67
0,375
70
LFB
2,83
0,410
70
Koordination von Projekt- und Arbeitsgruppen bzw. Gremien2
STGFB
2,88
0,460
59
(LQÀXVVGHU67*DXIGLH7HDPDUEHLWLQ%H]XJ auf Unterrichtsentwicklung2
STGFB
2,74
0,428
60
Zielbezogenes
Handeln1
Information durch die
1
2
STG2
Antwortkategorien der verwendeten Skalen: stimmt gar nicht (1), stimmt eher nicht (2), stimmt eher (3), stimmt genau (4). Antwortkategorien der verwendeten Skalen: trifft nicht zu (1), trifft eher nicht zu (2), trifft eher zu (3), trifft zu (4).
Die Mittelwerte der Instrumente des Change Managements liegen nach Angabe der Lehrkräfte und bei zwei Instrumenten auch nach Selbsteinschätzung der Steuergruppen knapp oberhalb des theoretischen Mittelwerts (vgl. Tab. 50). Die Mittelwerte in ungefähr 68 % der Schulen des Modellvorhabens befinden bei der „Steuerung durch Aushandlung“ zwischen MW = 2,46 und MW = 3,10, bei dem „zielbezogenen Handeln“ zwischen MW = 2,37 und MW = 3,17, bei der indirekten Unterstützung zwischen MW = 2,37 und MW = 3,07, bei der direkten Unterstützung zwischen MW = 2,30 und MW = 3,05, bei der „Information durch die Steuergruppe“ zwischen MW = 2,42 und MW = 3,24, bei der „Koordination von Projekt- und Arbeitsgruppen“ zwischen MW = 2,42 und MW = 3,34 und beim „Einfluss auf die Teamarbeit in Bezug auf Unterrichtsentwicklung“ zwischen MW = 2,31 und MW = 3,17.
254
7 Empirische Ergebnisse
7.2.5 Ergebnisse zur Dimension „Qualitätssicherung und Zielüberprüfung“ Für Organisationales Lernen sind möglichst genaue und umfassende Informationen über den Lernprozess von großer Bedeutung (vgl. Kapitel 2.2.3). Konzepte der Qualitätssicherung und der Evaluation ermöglichen es, Informationen in einer hohen Güte in Bezug auf Relevanz, Genauigkeit etc. in der Schule selbst zu erzeugen. Für Organisationales Lernen ist es von großer Bedeutung, dass die Schulen die von internen und externen Quellen erhaltenen Informationen interpretieren und für ihre schulische Entwicklung nutzen können. Tabelle 51: Dimension „Qualitätssicherung und Zielüberprüfung“ Skalen
Fragebogen
MW
SD
n
Kultur der schulischen Selbstevaluation1
LFB
0,52
0,207
70
Wahrnehmung und Bedeutung des Evaluationsberaters in der Schule1
LFB
0,49
0,199
70
Offenheit gegenüber Evaluation2
STGFB
2,70
0,610
60
Implementierung von Standards und Kriterien für die Evaluation der Schule2
STGFB
2,69
0,641
60
Umgang mit den Rückmeldungen der Begleitforschung an der Schule2
LFB
2,46
0,365
70
Konsequenzen aus der Rückmeldung der Begleitforschung für die Unterrichtsentwicklung2
LFB
2,40
0,439
70
1 2
Antwortkategorien der verwendeten Skalen: nein (0), ja (1). Antwortkategorien der verwendeten Skalen: trifft nicht zu (1), trifft eher nicht zu (2), trifft eher zu (3), trifft zu (4).
Die „Kultur der schulischen Selbstevaluation“ befindet sich nach Einschätzung der Lehrkräfte knapp oberhalb des theoretischen Mittelwerts (vgl. Tab. 51). Sie bewegt sich in ungefähr 68 % der Schulen zwischen MW = 0,31 und MW = 0,72. Die „Wahrnehmung und Bedeutung des neugeschaffenen Evaluationsberaters in der Schule“ liegt knapp unterhalb des theoretischen Mittelwerts. Die Mittelwerte der „Offenheit gegenüber Evaluation“ und der „Implementierung von Standards und Kriterien für die Evaluation in der Schule“ sind nach Angabe der Steuergruppen oberhalb des theoretischen Mittelwerts. Unterhalb des theoretischen Mittelwerts befinden sich die Einschätzungen der Lehrerinnen und Lehrer zum „Umgang mit den Rückmeldungen der Begleitforschung an den Schulen“ (MW = 2,46) und zu den Konsequenzen, die aus diesen Rückmeldungen für die Unterrichtsentwicklung gezogen werden (MW = 2,40).
255
7.2 Ergebnisse zur Kapazität des Organisationalen Lernens in den Schulen
7.2.6 Dimension „Austausch mit der schulischen Umwelt“ Organisationen sind für ihren Erfolg darauf angewiesen, eine möglichst gute Passung zu ihrer Umwelt herzustellen (vgl. Kapitel 2.2.3). Die Passung kann durch einen gezielten Austausch mit anderen Schulen oder Einrichtungen, durch ein Scannen der Umwelt nach relevanten Informationen oder durch ein proaktives Verhalten erreichet werden. Tabelle 52: Dimension „Austausch mit der schulischen Umwelt“ Skalen
Fragebogen
MW
SD
n
STGFB
2,23
0,593
60
Kooperation mit anderen Schulen im Bereich Arbeitsgruppen/SE2
SLFB
0,44
0,312
63
Skepsis gegenüber regionaler Zusammenarbeit3
SLFB
2,42
0,708
59
Aktive Schule in der Region3
SLFB
2,55
0,595
64
Austausch mit anderen Akteuren innerhalb der Schullandschaft1
1 2 3
$QWZRUWNDWHJRULHQGHUYHUZHQGHWHQ6NDOHQQLH VHOWHQ PDQFKPDO KlX¿J Antwortkategorien der verwendeten Skalen: nein (0), ja (1). Antwortkategorien der verwendeten Skalen: trifft nicht zu (1), trifft eher nicht zu (2), trifft eher zu (3), trifft zu (4).
Der „Austausch der Schulen mit anderen Akteuren innerhalb der Schullandschaft“ liegt nach Angaben der Steuergruppen unterhalb des theoretischen Mittelwerts. Bezogen auf die Ursprungsmetrik tauschen sich die Schulen mit den anderen Akteuren relativ selten aus (MW = 2,23). Auch die Kooperation mit anderen Schulen im Bereich von Arbeitsgruppen und Schulentwicklungsthemen befindet sich nach Angabe der Schulleitungen unterhalb des theoretischen Mittelwerts (MW = 0,44). Die Mittelwerte von ungefähr 68 % der Schulen bewegen sich in einem Bereich von MW = 0,13 bis MW = 0,85. Auch bei der Skala „Skepsis gegenüber einer regionalen Zusammenarbeit“ liegt der Mittelwert (MW = 2,42) unterhalb des theoretischen Mittelwerts. Die Skepsis von 68 % der Schulen reicht von MW = 1,71 bis MW = 3,12. Die Aktivität der Schulen des Modellvorhabens in der Region befindet sich knapp oberhalb des theoretischen Mittelwerts (MW = 2,55).
256
7 Empirische Ergebnisse
7.2.7 Ergebnisse zur Dimension „Partizipation“ Organisationales Lernen ist ein Lernprozess auf organisationaler Ebene, an dem möglichst alle Organisationsmitglieder beteiligt sein sollten (vgl. Kapitel 2.2.3). Beteiligung und Partizipation meint eine Mitgestaltung der Schule durch das Kollegium im Sinne der Gestaltungsautonomie und der Gewährung von Spielräumen und Freiheiten, z. B. um neue Konzepte im Unterricht zu erproben. Diese Freiräume sind im Sinne professioneller Lerngemeinschaften als korporative Autonomie der Teams zu verstehen. Tabelle 53: Dimension „Partizipation“ Skalen/Items
Fragebogen
ja
nein
n
Mitentscheidungsmöglichkeit der Lehrkräfte beim Fächerangebot
SLFB
46
54
63
Mitentscheidungsmöglichkeit der Lehrkräfte beim Kursangebot
SLFB
44
56
59
Mitentscheidungsmöglichkeit der Lehrkräfte beim Budget
SLFB
72
28
63
Antwortkategorien der verwendeten Items: nein (0), ja (1). Die Antworten zu den Kategorien Schulkonferenz, Lehrerkonferenz und Fachkonferenz wurden zusammengefasst. Wurde eine dieser Gruppen genannt, wurde eine 1 vergeben, wurde keine der Gruppen genannt, eine 0. Die Angaben beziehen sich auf die gültigen Prozentwerte.
In 72 % der Schulen haben die Lehrkräfte nach Angabe der Schulleitung Mitentscheidungsmöglichkeiten in Budgetfragen. Im Bereich des Fächer- (46 %) und Kursangebotes (44 %) haben in weniger als der Hälfte der Schulen die Kollegien entsprechende Beteiligungsmöglichkeiten (vgl. Tab. 53). Tabelle 54: Dimension „Partizipation“ Skalen Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten
Fragebogen
MW
SD
n
LFB
0,62
0,170
70
Antwortkategorien der verwendeten Skalen: nein (0), ja (1).
Die Beteiligungsmöglichkeiten der Lehrkräfte an den schulischen Projekten im Modellvorhaben liegen oberhalb des theoretischen Mittelwerts (MW = 0,62) (vgl. Tab. 54). Unter Berücksichtigung der Standardabweichung befinden sich die Mittelwerte von 68 % der Schulen im Bereich zwischen MW = 0,45 und MW = 0,79.
7.3 Zusammenhangsanalyse zur Kapazität des Organisationalen Lernens
257
7.3 Zusammenhangsanalyse zur Kapazität des Organisationalen Lernens und Erfolgsfaktoren des Modellvorhabens Nach der Darstellung der deskriptiven Ergebnisse zur Kapazität des Organisationalen Lernens in den Schulen des Modellvorhabens werden nun die Ergebnisse der multivariaten Analysen zu den Hypothesen der Forschungsfrage 3 präsentiert (vgl. Kapitel 4). Zu Beginn stehen die Analysen zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Selbststeuerungsfähigkeit der Schulen des Modellvorhabens im Fokus (vgl. Kapitel 7.3.1). Im Anschluss wird der Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf den Unterricht in den Schulen des Modellvorhabens analysiert (vgl. Kapitel 7.3.2). Den Abschluss bilden die Ergebnisse zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf den Erfolgsfaktor Nutzung und Bewertung der Nutzung erweiterter Formen von Selbstständigkeit in den Schulen des Modellvorhabens. Für die Mehrzahl der Analysen wurden Strukturgleichungsmodelle verwendet. Diese wurden mit dem Statistikprogramm M-Plus 4.1 (Muthén & Muthén, 2006) berechnet. Auch hier beziehen sich die Analysen auf die aggregierten Daten von N = 70 Schulen (vgl. Kapitel 4; Kapitel 5). Bei den verwendeten Strukturgleichungsmodellen wurde vor der Berechnung der Gesamtmodelle zunächst die Passung der einzelnen Messmodelle überprüft. War die Passung nicht zufriedenstellend, wurden nach theoretischen Überlegungen Fehlerterme von einzelnen Variablen miteinander korreliert (vgl. Kapitel 6.2.2). Die Korrelationen der Fehlerterme werden jeweils in den Abbildungen angegeben. Neben den standardisierten Pfadkoeffizienten (`) werden die dazugehörigen Wahrscheinlichkeitswerte (p-Werte) angegeben. Die `-Werte werden auf eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % geprüft.
7.3.1 Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Selbststeuerungsfähigkeit der Schulen Die Selbststeuerungsfähigkeit im Kontext der Schulentwicklung kann sich in veränderten Arbeitsroutinen sowie einer Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte zeigen. Die Kapazität Organisationalen Lernens kann diese beiden Aspekte fördern (vgl. Kapitel 4.2.1). Die Kapazität des Organisationalen Lernens ist als mehrdimensionales Konstrukt zu verstehen (vgl. Kapitel 2.2.3). Steuergruppen bilden zusammen mit der Schulleitung die Dimension „Führung und Management“. Durch ihr Handeln können sie die Kapazität des Organisationalen Lernens in den anderen Dimensionen fördern. Durch ihren Einfluss auf diese Dimensionen können sie auch indirekt die Selbststeuerungsfähigkeit in den Schu-
258
7 Empirische Ergebnisse
len beeinflussen. Dieses komplexe Bedingungsgefüge wird mithilfe von Strukturgleichungsmodellen (vgl. Kapitel 6.2.2) abgebildet. Einfluss von Steuergruppe und Schulleitung als Teil der Kapazität des Organisationalen Lernens auf veränderte Arbeitsroutinen Zunächst werden die Ergebnisse zum Einfluss von Steuergruppe und Schulleitung als Teil der Kapazität des Organisationalen Lernens auf veränderte Arbeitsroutinen dargestellt. Hierfür werden drei Hypothesen in einem Strukturgleichungsmodell miteinander verknüpft (vgl. Kapitel 4): 1. Das zielbezogene Handeln der Steuergruppe hat einen positiv indirekten Einfluss über zwei Dimensionen – „Wissen und Fertigkeiten“ und „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ – auf die Veränderung von Arbeitsroutinen in den Schulen des Modellvorhabens. 2. Die zielbezogene Führung der Schulleitung hat einen positiv indirekten Einfluss über zwei Dimensionen – „Wissen und Fertigkeiten“ und „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ – auf die Veränderung von Arbeitsroutinen in den Schulen des Modellvorhabens. 3. Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem zielbezogenen Handeln der Steuergruppe und der zielbezogenen Führung der Schulleitung. Für das Modell wurden folgende Konstrukte ausgewählt: Das zielbezogene Handeln der Steuergruppe wird in dem Modell durch die gleichnamige Skala abgebildet (vgl. Kapitel 6.1). Gleiches gilt für die zielbezogene Führung der Schulleitung. In der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ wird der Aspekt der Durchlässigkeit des Wissens mithilfe der „Innovationsbereitschaft des Kollegiums“ gemessen. Der Aspekt einer Kooperation in Schulentwicklungsprojekten (Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“) wird mithilfe der Skala „Kooperation in Bezug auf Projektarbeit“ operationalisiert. Die Veränderung von Arbeitsroutinen wird durch die Skala „Veränderungen von Routinen“ abgebildet. Der Modellfit der einzelnen Fit-Indizes ist – mit Ausnahme des RMSEA – zufriedenstellend (vgl. Abb. 25). Wie in Kapitel 6.2.2 beschrieben, tendiert der RMSEA bei Stichproben N > 250 zur Ablehnung von Modellen mit einer guten Passung. Da alle anderen Fit-Indizes den Vorgaben entsprechen, kann der RMSEA bei der Modellbewertung vernachlässigt werden. Das Modell weist eine ausreichende Passung des theoretischen Modells an die empirischen Daten auf.
259
CFI = 0,938, TLI = 0,928, RSMEA = 0,091, SRMR = 0.071, Chi²/DF = 1,58, N = 70
7.3 Zusammenhangsanalyse zur Kapazität des Organisationalen Lernens
$EELOGXQJ0RGHOO]XP(LQÀXVVYRQ6WHXHUJUXSSHXQG6FKXOOHLWXQJDOV7HLOGHU Kapazität des Organisationalen Lernens auf veränderte Arbeitsroutinen
260
7 Empirische Ergebnisse
Die Ergebnisse des Modells lassen sich wie folgt beschreiben: Es besteht ein recht großer Zusammenhang (` = .699, p = .000) zwischen der zielbezogenen Führung der Schulleitung und dem zielbezogenen Handeln der Steuergruppe (vgl. Abb. 25). Beide beeinflussen sowohl die Innovationsbereitschaft des Kollegiums als auch die Kooperation in Bezug auf die Projektarbeit (` = .339, p = .013/` = .319, p = .033). Die zielbezogene Führung der Schulleitung hat auf die Innovationsbereitschaft des Kollegiums (` = .578, p = .000) einen größeren Einfluss als das zielbezogene Handeln der Steuergruppe (` = .333, p = .001). Die Innovationsbereitschaft und die Kooperation in Bezug auf Projektarbeit beeinflussen beide positiv die Veränderung von Routinen durch das Modellvorhaben. Der Einfluss der Innovationsbereitschaft (` = .512, p = .000) ist höher als der der Kooperation (` = .397, p = .001). Darüber hinaus lässt sich ein indirekter Effekt (` = .431, p = .000) der zielbezogenen Führung auf die Veränderung von Routinen, vermittelt über die Innovationsbereitschaft (` = .296, p = .000) und die Kooperation (` = .135, p = .044), nachweisen. Die Steuergruppe hat ebenfalls einen indirekten Einfluss auf die Veränderung von Routinen. Dieser ist aber nur vermittelt über die Innovationsbereitschaft (` = .171, p = .006) signifikant und fällt dementsprechend niedriger aus (` = .171, p = .006). Der indirekte Effekt vermittelt über die Kooperation liegt mit (` = .127, p = .053) knapp unterhalb der Signifikanzgrenze bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 %. In dem Modell können 63 % der Varianz der Veränderung von Routinen, 71 % der Varianz der Innovationsbereitschaft des Kollegiums und 37 % der Kooperation in Bezug auf Projektarbeit aufgeklärt werden. Durch den nichtsignifikanten indirekten Effekt des zielbezogenen Handelns der Steuergruppe auf die Veränderung von Routinen, vermittelt über die Kooperation in Bezug auf Projektarbeit, lässt sich die erste Hypothese nur teilweise annehmen. Das zielbezogene Handeln der Steuergruppen hat nur einen positiv vermittelnden Einfluss über die Dimensionen „Wissen und Fertigkeiten“ auf die Veränderung von Arbeitsroutinen in den Schulen. Die zweite und dritte Hypothese lassen sich bestätigen. Einfluss von Steuergruppen und der Schulleitung als Teil der Kapazität des Organisationalen Lernens auf Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen Der zweite Indikator einer Selbststeuerungsfähigkeit im Kontext von Schulentwicklungsprozessen (Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen) wird – so die Annahme – von den Dimensionen „Wissen und Fertigkeiten“ und „Partizipation“ der Kapazität des Organisationalen Lernens positiv beeinflusst. Die Kapazität des Organisationalen Lernens in den beiden Dimensionen kann durch die Nutzung verschiedener Instrumente des Change Managements gefördert werden. Die Steuergruppe kann über diese Dimensionen vermittelt ei-
7.3 Zusammenhangsanalyse zur Kapazität des Organisationalen Lernens
261
nen Einfluss auf die Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen nehmen. Zur Analyse dieses Bedingungsgefüges werden wiederum Strukturgleichungsmodelle verwendet. Allerdings werden die Hypothesen getrennt getestet. Je mehr zu schätzende Parameter in den Strukturgleichungsmodellen verwendet werden, desto höher die Anforderungen an die Fallzahlen für stabile und verlässliche Parameterschätzungen (vgl. Boomsma, 1982; Reinecke, 2005; Urban & Mayerl, 2003). Aufgrund der geringen Fallzahl von N = 70 Schulen werden drei einzelne Modelle gerechnet. Modell 1: Die Beteiligung der Lehrkräfte durch die Steuergruppe hat einen indirekten positiven Einfluss über zwei Dimensionen – „Wissen und Fertigkeiten“ und „Partizipation“ – auf die Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen des Modellvorhabens. Für das Modell 1 wurden folgende Konstrukte ausgewählt: Die Beteiligung der Lehrkräfte durch die Steuergruppe als Teil der Dimension „Führung und Management“ wird durch die Skala „Steuerung durch Aushandlung“ abgebildet. In der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ wird der Aspekt der Durchlässigkeit des Wissens – wie schon im vorherigen Modell – mithilfe der „Innovationsbereitschaft des Kollegiums“ gemessen. Die Dimension „Partizipation“ wird durch die Skala „Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten“ operationalisiert. Die Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen wird durch die Skala „Verankerung und Nachhaltigkeit von Projekten“ abgebildet. Der Modellfit der einzelnen Fit-Indizes ist – mit Ausnahme des RMSEA – zufriedenstellend (vgl. Abb. 26). Das Modell 1 weist eine ausreichende Passung des theoretischen Modells an die empirischen Daten auf. Die Ergebnisse des Modells lassen sich wie folgt beschreiben: Die Steuerung durch Aushandlung hat einen relativ großen positiven Einfluss auf die Innovationsbereitschaft (` = .740, p = .000) und auf die Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten (` = .697, p = .000). Die Innovationsbereitschaft und die Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten beeinflussen ihrerseits die Verankerung und Nachhaltigkeit von Projekten positiv (vgl. Abb. 26). Im Vergleich hat die Innovationsbereitschaft (` = .655, p = .000) einen deutlich höheren Einfluss auf die Verankerung und Nachhaltigkeit von Projekten als die Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten (` = .379, p = .000). Darüber hinaus hat die Steuerung durch Aushandlung einen hohen positiven Einfluss auf die Verankerung und Nachhaltigkeit von Projekten vermittelt über die Innovationsbereitschaft (` = .484, p = .000) und vermittelt über die Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten (` = .264, p = .000).
7 Empirische Ergebnisse
CFI = 0,954, TLI = 0,945, RSMEA = 0,087, SRMR = 0.048, Chi²/DF = 1,52, N = 69
262
$EELOGXQJ0RGHOO]XP(LQÀXVVGHU6WHXHUJUXSSHDOV7HLOGHU.DSD]LWlWGHV Organisationalen Lernens auf Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte
7.3 Zusammenhangsanalyse zur Kapazität des Organisationalen Lernens
263
Die Hypothese lässt sich durch das Modell bestätigen. In dem Modell lassen sich 83 % der Varianz der Verankerung und Nachhaltigkeit von Projekten, 55 % der Varianz der Innovationsbereitschaft des Kollegiums und 49 % der Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten aufklären. Modell 2: Das Informations- und Wissensmanagement der Steuergruppe hat einen indirekten positiven Einfluss über zwei Dimensionen – „Wissen und Fertigkeiten“ und „Partizipation“ – auf die Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen des Modellvorhabens. Für das Modell 2 wurden folgende Konstrukte ausgewählt: Das Informations- und Wissensmanagement der Steuergruppe der Dimension „Führung und Management“ wird durch die Skala „Information durch die Steuergruppe“ abgebildet. Die Dimensionen „Wissen und Fertigkeiten“ und „Partizipation“ sowie die Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen werden durch die gleichen Konstrukte wie im Modell 1 gemessen (vgl. Modell 1). Der Modellfit der einzelnen Fit-Indizes ist zufriedenstellend (vgl. Abb. 27). Das Modell 2 weist eine ausreichende Passung des theoretischen Modells an die empirischen Daten auf (vgl. Kapitel 6.2.2). Die Ergebnisse des Modells 2 lassen sich wie folgt beschreiben: Die Steuergruppe beeinflusst die Innovationsbereitschaft (` = .719, p = .000) und die Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten (` = .622, p = .000) mithilfe der Steuerung durch Information positiv (vgl. Abb. 27). Beide Einflüsse sind als mittlere Einflüsse zu interpretieren, allerdings ist der Einfluss auf die Innovationsbereitschaft größer. Beim Einfluss der Innovationsbereitschaft (` = .664, p = .000) und der Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten (` = .390, p = .000) auf die Verankerung und Nachhaltigkeit von Projekten zeigt sich ein sehr ähnliches Bild wie im Modell 1. Auch im zweiten Modell lässt sich aus der Kombination der Pfade ein hoher indirekter Effekt (` = .720, p = .000) der Steuerung durch Information auf die Verankerung und Nachhaltigkeit von Projekten vermittelt über die Innovationsbereitschaft (` = .478, p = .000) und vermittelt über die Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten (` = .242, p = .000) feststellen. Die Hypothese kann entsprechend durch das Modell angenommen werden: Mit dem Modell lässt sich auch ein ähnlich hoher Varianzanteil der latenten Variablen erklären. Ein deutlicher Unterschied zeigt sich lediglich bei der Varianzaufklärung der Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten. Diese ist mit 39 % im Vergleich zum vorherigen Modell (49 %) zehn Prozentpunkte geringer.
7 Empirische Ergebnisse
CFI = CLI = 0,971, TLI = 0,965, RSMEA = 0,072, SRMR = 0.060, Chi²/DF = 1,36, N = 69
264
$EELOGXQJ0RGHOO]XP(LQÀXVVGHU6WHXHUJUXSSHDOV7HLOGHU.DSD]LWlWGHV Organisationalen Lernens auf Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte
7.3 Zusammenhangsanalyse zur Kapazität des Organisationalen Lernens
265
Modell 3: Die Beratung und Unterstützung der Steuergruppe hat einen indirekten positiven Einfluss über zwei Dimensionen – „Wissen und Fertigkeiten“ und „Partizipation“ – auf die Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen des Modellvorhabens. Für das Modell 3 wurden folgende Konstrukte ausgewählt: Die Beratung und Unterstützung der Steuergruppe als Teil der Dimension „Führung und Management“ wird durch die Skala „direkte Unterstützung durch die Steuergruppe“ abgebildet. Die Dimensionen „Wissen und Fertigkeiten“ und „Partizipation“ sowie die Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen werden durch die gleichen Konstrukte wie im Modell 1 und 2 gemessen (vgl. Modell 1 und 2). Der Modellfit der einzelnen Fit-Indizes ist zufriedenstellend (vgl. Abb. 28). Das Modell 3 weist eine gute Passung des theoretischen Modells an die empirischen Daten auf (vgl. Kapitel 6.2.2). Die Ergebnisse des Modells 3 lassen sich wie folgt beschreiben: Die direkte Unterstützung durch die Steuergruppe hat einen positiven Einfluss auf die Innovationsbereitschaft und die Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten (vgl. Abb. 28). Die Stärke der Einflüsse unterscheidet sich deutlicher als in den beiden vorherigen Modellen. Der Einfluss auf die Innovationsbereitschaft (` = .740, p = .000) ist stärker ausgeprägt als der auf die Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten (` = .494, p = .000). Die Innovationsbereitschaft (` = .681, p = .000) und die Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten (` = .394, p = .000) wirken – ähnlich stark wie in den beiden anderen Modellen – auf die Verankerung und Nachhaltigkeit von Projekten. Ebenso hat die Unterstützung durch die Steuergruppe einen hohen indirekten Effekt auf die Verankerung und Nachhaltigkeit von Projekten vermittelt über die Innovationsbereitschaft (` = .504, p = .000) und vermittelt über die Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten (` = .195, p = .001). Die Hypothese lässt sich durch das Modell bestätigen. Ein deutlicher Unterschied in der Varianzaufklärung zu den Modellen 1 und 2 zeigt sich nur bei der „Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten“. Diese ist im dritten Modell (24 %) 15 % geringer als im zweiten Modell (39 %) und um 25 % geringer als im ersten Modell (49 %). Alle drei Hypothesen zum Einfluss der Steuergruppe als Teil der Dimension „Führung und Management“ auf die Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen vermittelt über die Dimensionen „Wissen und Fertigkeiten“ und „Partizipation“ lassen sich bestätigen.
7 Empirische Ergebnisse
CFI = 0,967, TLI = 0,960, RSMEA = 0,078, SRMR = 0.069, Chi²/DF = 1,42, N = 69
266
$EELOGXQJ0RGHOO]XP(LQÀXVVGHU6WHXHUJUXSSHDOV7HLOGHU.DSD]LWlWGHV Organisationalen Lernens auf Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte
7.3 Zusammenhangsanalyse zur Kapazität des Organisationalen Lernens
267
Die Steuergruppe wirkt mit den Instrumenten der Partizipation des Kollegiums, Informations- und Wissensmanagement und Beratung und Unterstützung ähnlich stark auf den Aspekt der Durchlässigkeit des Wissens der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ in Form der Innovationsbereitschaft des Kollegiums. Doch es zeigen sich Unterschiede beim Einfluss auf die Dimension Partizipation in Form einer Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten. Der Einfluss der Instrumente Partizipation des Kollegiums und Informations- und Wissensmanagement ist höher als der durch die Beratung und Unterstützung. Es zeigen sich auch Unterschiede beim Einfluss der Dimensionen „Wissen und Fertigkeiten“ und „Partizipation“ auf die Verankerung und Nachhaltigkeit von Projekten. In allen drei Modellen ist der Einfluss der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ in Form der Innovationsbereitschaft des Kollegiums deutlich höher als der Einfluss der Dimension „Partizipation“ in Form einer Beteiligung der Lehrkräfte bei Projekten.
7.3.2 Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf den Unterricht in den Schulen85 Das Modellvorhaben hat sich neben der Erprobung erweiterter Formen der Selbstständigkeit auch eine Verbesserung des Unterrichts zum Ziel gesetzt (vgl. Kapitel 1.3). Die Kapazität des Organisationalen Lernens kann durch das Zusammenspiel mehrerer Dimensionen („Wissen und Fertigkeiten“ und „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“, die durch die Dimension „Führung und Management“ gefördert werden) Unterricht positiv beeinflussen (vgl. Kapitel 4.2). Die Ergebnisse der Analysen zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens mit ihren verschiedenen Dimensionen auf den Unterricht werden nun vorgestellt. Zu diesem Zweck werden drei Hypothesen miteinander verknüpft (vgl. Kapitel 4): 1. Die Koordinationsfunktion der Steuergruppe hat einen indirekten positiven Einfluss über zwei Dimensionen – „Wissen und Fertigkeiten“ und „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ – auf den Unterricht in den Schulen des Modellvorhabens. 2. Das Schulleitungshandeln hat einen indirekten positiven Einfluss über zwei Dimensionen – „Wissen und Fertigkeiten“ und „Gemeinsame 85 Dieser Abschnitt wurde in einer ähnlichen Form von Feldhoff und Rolff (2008) veröffentlicht.
268
7 Empirische Ergebnisse
Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ – auf den Unterricht in den Schulen des Modellvorhabens. 3. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Koordinationsfunktion der Steuergruppe und dem Schulleitungshandeln im Modellvorhaben. Die Hypothesen werden anhand von zwei Strukturgleichungsmodellen überprüft. Die beiden Modelle unterscheiden sich nur durch die abhängige Variable. Während das erste Modell den Einfluss auf das Unterrichtsgeschehen im Mathematikunterricht untersucht, untersucht das zweite Modell den Einfluss auf das Unterrichtsgeschehen im Deutschunterricht. Dabei kommen folgende Konstrukte zum Einsatz (vgl. Kapitel 6.1): Das Handeln der Schulleitung wird im Modell durch die Gesamtskala „Leitungskompetenz86 in eigenverantwortlichen Schulen“ aus Sicht der Lehrkräfte abgebildet. Hierfür wurden aus den fünf Skalen „unterrichtbezogene Führung“, „zielbezogene Führung“, „Managementkompetenz der Schulleitung“, „Kompetenz der Schulleitung in der Organisation des Schulbetriebs“ und „Partizipationskompetenz der Schulleitung“ Item-Parcels gebildet. Die Parcels fließen jeweils als manifeste Variable in das Messmodell ein (vgl. Kapitel 6.2.2). Die Koordinationsfunktion der Steuergruppen wird durch die Skala „Einfluss der Steuergruppe auf die Teamarbeit in Bezug auf Unterrichtsentwicklung“ nach Selbsteinschätzung der schulischen Steuergruppen operationalisiert. Für den Aspekt der Durchlässigkeit des Wissens der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ wird die „Innovationsbereitschaft des Kollegiums“ nach Selbsteinschätzung der Lehrkräfte als Indikator gewählt. Die Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation“ wird durch eine der Skalen zu den professionellen Lerngemeinschaften, die „Teamarbeit mit Fokus auf eine Verbesserung des Unterrichts in Klassen- oder Jahrgangsteams“ repräsentiert. Das Unterrichtsgeschehen wird für das erste Modell durch die Skala „Strukturiertheit und Verständlichkeit im Mathematikunterricht“ abgebildet. Für das zweite Modell wird die Skala „Strukturiertheit und Verständlichkeit im Deutschunterricht“ verwendet. Aufgrund des spezifischen Stichprobendesigns der Begleitforschung (vgl. Kapitel 5.1) entstehen durch die Kombination der unterschiedlichen Fragebögen fehlende Werte. Um die Daten von den 70 Schulen nicht noch weiter zu reduzieren, wurde für die beiden Modelle das Verfahren der modellbasierten Ersetzung fehlender Werte gewählt (vgl. Kapitel 6.2.2).
86 Der Begriff Kompetenz ist nicht im Sinne von Weinert (2001) zu verstehen, sondern die Wahrnehmung der Performanz aus Sicht der Lehrkräfte.
7.3 Zusammenhangsanalyse zur Kapazität des Organisationalen Lernens
269
Modell zum Einfluss von Steuergruppe und Schulleitung als Teil der Kapazität des Organisationalen Lernens auf den Mathematikunterricht Der Modellfit der einzelnen Fit-Indizes ist – mit Ausnahme des RMSEA – zufriedenstellend (vgl. Abb. 29). Das Modell weist eine gute Passung des theoretischen Modells an die empirischen Daten auf (vgl. Kapitel 6.2.2). Ergebnisse des Modells zum Einfluss von Steuergruppe und Schulleitung als Teil des Organisationalen Lernens auf den Mathematikunterricht: Zwischen der Leitungskompetenz der Schulleitung und dem Steuergruppenhandeln lässt sich ein mittlerer korrelativer Zusammenhang (` = .375, p = .031) feststellen. Die Leitungskompetenz in eigenverantwortlichen Schulen hat einen hohen Einfluss (` = .679, p = .000) auf die Innovationsbereitschaft des Kollegiums als Indikator für die Dimension „Wissen und Fertigkeiten“. Gleichfalls hat sie einen mittleren Einfluss (` = .293, p = .032) auf die Teamarbeit mit Fokus auf eine Verbesserung des Unterrichts in Klassen- oder Jahrgangsteams (Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation“). Die Steuergruppe wirkt in ihrer Koordinierungsfunktion als Change Agent, abgebildet durch den Einfluss der Steuergruppe auf die Teamarbeit, sowohl auf die Innovationsbereitschaft (` = .337, p = .003), als auch auf die Teamarbeit mit Fokus auf Verbesserung des Unterrichts (` = .403, p = .020). Beide Einflussgrößen sind als mittlere Effekte zu interpretieren. Die Innovationsbereitschaft (` = .404, p = .001) und die Teamarbeit (` = .494, p = .001) wirken auf die Unterrichtsgestaltung (Strukturiertheit und Verständlichkeit im Mathematikunterricht aus Sicht der Schüler). Der Einfluss der Teamarbeit fällt etwas höher aus als der Einfluss der Innovationsbereitschaft. Die Leitungskompetenz der Schulleitung hat entsprechend (vermittelt über die Innovationsbereitschaft) einen indirekten Einfluss von (` = .270, p = .002) auf die Strukturiertheit und Verständlichkeit im Mathematikunterricht. Der indirekte Einfluss vermittelt über die Teamarbeit (` = .145, p = .066) ist nicht signifikant. Die Steuergruppe hat mit ihrem Einfluss auf die Teamarbeit in Bezug auf Unterrichtsentwicklung, vermittelt sowohl über die Innovationsbereitschaft (` = .135, p = .023), als auch über die Teamarbeit mit Fokus auf Verbesserung des Unterrichts (` = .199, p = .038) einen mittleren indirekten Einfluss auf die Strukturiertheit und Verständlichkeit im Mathematikunterricht. In dem gewählten Modell lassen sich 33 % der Varianz der Teamarbeit mit Fokus auf Verbesserung des Unterrichts in Klassen- oder Jahrgangsteams, 74 % der Varianz der Innovationsbereitschaft des Kollegiums und 60 % der Varianz der Strukturiertheit und Verständlichkeit im Mathematikunterricht aufklären.
7 Empirische Ergebnisse
(CFI = 0,938, TLI = 0,928, RSMEA = 0,086, SRMR = 0,079, Chi²/DF = 1,51, n = 70)
270
$EELOGXQJ 0RGHOO]XP(LQÀXVVYRQ6WHXHUJUXSSHXQG6FKXOOHLWXQJDOV7HLOGHU Kapazität des Organisationalen Lernens auf den Mathematikunterricht
7.3 Zusammenhangsanalyse zur Kapazität des Organisationalen Lernens
271
Modell zum Einfluss von Steuergruppe und Schulleitung als Teil der Kapazität des Organisationalen Lernens auf den Deutschunterricht Der Modellfit der einzelnen Fit-Indizes ist – mit Ausnahme des SRMR – zufriedenstellend (vgl. Abb. 30). Das Modell 2 weist eine ausreichende Passung des theoretischen Modells an die empirischen Daten auf (vgl. Kapitel 6.2.2). Ergebnisse des Modells zum Einfluss von Steuergruppe und Schulleitung als Teil des Organisationalen Lernens auf den Deutschunterricht: Im zweiten Modell ist ebenfalls ein Korrelation (` = .379, p = .029) zwischen der Leitungskompetenz der Schulleitung und dem Einfluss der Steuergruppe auf die Teamarbeit in Bezug auf Unterrichtsentwicklung festzustellen. Ferner hat die Leitungskompetenz in eigenverantwortlichen Schulen einen hohen Einfluss auf die Innovationsbereitschaft (` = .673, p = .000) und einen mittleren Einfluss auf die Teamarbeit (` = .312, p = .025). Die Steuergruppe wirkt ebenfalls auf die Innovationsbereitschaft (` = .336, p = .004) und auf die Teamarbeit (` = .376, p = .031). Zudem wirkt die Innovationsbereitschaft auf die Strukturiertheit und Verständlichkeit im Deutschunterricht (` = .311, p = .013). Dagegen hat die Teamarbeit mit Fokus auf eine Verbesserung des Unterrichts in Klassen- oder Jahrgangsteams einen etwas höheren Einfluss (` = .554, p = .000) auf die Strukturiertheit und Verständlichkeit im Deutschunterricht. Die Leitungskompetenz der Schulleitung hat (vermittelt über die Innovationsbereitschaft) einen indirekten Einfluss (` = .210, p = .017) auf die Strukturiertheit und Verständlichkeit im Deutschunterricht. Der indirekte Einfluss vermittelt über die Teamarbeit (` = .173, p = .056) wird nicht signifikant. Die Steuergruppe hat (vermittelt über die Teamarbeit) einen niedrigen indirekten Einfluss (` = .209, p = .045) auf die Strukturiertheit und Verständlichkeit im Deutschunterricht. Der indirekte Einfluss vermittelt über die Innovationsbereitschaft (` = .105, p = .054) ist nicht signifikant. In dem gewählten Modell lassen sich 33 % der Varianz der Teamarbeit mit Fokus auf Verbesserung des Unterrichts in Klassen- oder Jahrgangsteams, 74 % der Varianz der Innovationsbereitschaft des Kollegiums und 57 % der Varianz der Strukturiertheit und Verständlichkeit im Deutschunterricht aufklären. Mit den beiden Modellen zum Einfluss von Steuergruppe und Schulleitung als Teil des Organisationalen Lernens auf den Unterricht lässt sich nur die dritte Hypothese ohne Einschränkungen bestätigen. Es zeigt sich in beiden Modellen ein Zusammenhang zwischen dem Schulleitungshandeln und der Koordinationsfunktion der Steuergruppe.
7 Empirische Ergebnisse
(CFI = 0,947, TLI = 0,939, RSMEA = 0,077, SRMR = 0,121, Chi²/DF = 1,41, n = 70)
272
$EELOGXQJ 0RGHOO]XP(LQÀXVVYRQ6WHXHUJUXSSHXQG6FKXOOHLWXQJDOV7HLOGHU Kapazität des Organisationalen Lernens auf den Deutschunterricht
7.3 Zusammenhangsanalyse zur Kapazität des Organisationalen Lernens
273
In Bezug auf die zweite Hypothese lässt sich kein indirekter Einfluss der Schulleitung über die Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen“ in Form der Teamarbeit mit Fokus auf Verbesserung des Unterrichts in Klassen- oder Jahrgangsteams feststellen. Der indirekte Einfluss der Schulleitung auf den Unterricht über die Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ in Form der Innovationsbereitschaft des Kollegiums wurde dagegen bestätigt. In Bezug auf die erste Hypothese zeigen die beiden Modelle beim indirekten Einfluss der Steuergruppe durch die Koordinationsfunktion auf den Unterricht vermittelt über die Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ in Form der Innovationsbereitschaft des Kollegiums, unterschiedliche Ergebnisse. Während der indirekte Effekt im ersten Modell signifikant ist, verfehlt er im zweiten Modell die Signifikanzgrenze (` = .105, p = .054) knapp. Der indirekte Effekt vermittelt über die Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen“ ist in beiden Modellen signifikant.
7.3.3 Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf erweiterte Formen von Selbstständigkeit in den Schulen des Modellvorhabens Die Erprobung erweiterter Formen von Selbstständigkeit war Hauptanlass des Modellvorhabens „Selbstständige Schule“. Die Formen der erweiterten Selbstständigkeit bezogen sich vor allem auf die Bereiche Unterrichtsorganisation und -gestaltung, Personal- und Sachmittelbudgetierung und erweiterte Kompetenzen der Schulleitung (vgl. Kapitel 1.3). An dieser Stelle werden die Analysen zu den Hypothesen in den drei genannten Bereichen der erweiterten Selbstständigkeit präsentiert.
Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Bewertung der Nutzung der Freiräume im Bereich Personal- und Sachmittelbudgetierung Die Schulleitung stellt im Rahmen ihrer Managementfunktion (Dimension „Führung und Management“ des Organisationalen Lernens) die für die Schulen notwendigen Ressourcen zur Verfügung und setzt diese effizient ein, damit die Lehrkräfte optimale Arbeitsbedingungen erhalten. Mithilfe eines Strukturgleichungsmodells wird die folgende Hypothese zur Bewertung der Nutzung der Freiräume im Bereich Personal- und Sachmittelbudgetierung geprüft.
274
7 Empirische Ergebnisse
s Das Schulleitungshandeln im Rahmen der Dimension „Führung und Management“ der Kapazität des Organisationalen Lernens beeinflusst die Bewertung der Nutzung der Personal- und Sachmittelbudgetierung in den Schulen positiv. Für das Modell wurden folgende Variablen ausgewählt: Das Schulleitungshandeln der Dimension „Führung und Management“ wird durch die Skala „Managementkompetenz der Schulleitung“ abgebildet. Die Bewertung der Nutzung der Personal- und Sachmittelbudgetierung wird mittels der Skala „Bedeutung der neuen Sachmittelbudgetierung für die schulische Arbeit“ operationalisiert. Beide Skalen wurden im Fragebogen für die Lehrkräfte erhoben. Der Modellfit der einzelnen Fit-Indizes ist – mit Ausnahme des RMSEA – zufriedenstellend (vgl. Abb. 31). Das Modell weist eine gute Passung des theoretischen Modells an die empirischen Daten auf (vgl. Kapitel 6.2.2). Bei dem Modell zeigen sich folgende Ergebnisse: Die Managementkompetenz der Schulleitung (Dimension „Führung und Management“) hat einen hohen Einfluss (` = .718, p = .000) auf die Bedeutsamkeit, die der neuen Sachmittelbudgetierung für die schulische Arbeit beigemessen wird (vgl. Abb. 31). In dem Modell lassen sich 52 % der Varianz der Bedeutung der neuen Sachmittelbudgetierung für die schulische Arbeit erklären.
CFI = 0,977, TLI = 0,964, RSMEA = 0,104, SRMR = 0,044, Chi²/DF = 1,75, N = 70
$EELOGXQJ(LQÀXVVGHV6FKXOOHLWXQJVKDQGHOQVDOV7HLOGHU.DSD]LWlWGHV Organisationalen Lernens auf die Personal- und Sachmittelbudgetierung
7.3 Zusammenhangsanalyse zur Kapazität des Organisationalen Lernens
275
Mit dem Modell lässt sich die Hypothese bestätigen, dass das Schulleitungshandeln im Rahmen der Dimension „Führung und Management“ der Kapazität des Organisationalen Lernens einen positiven Einfluss auf die Bewertung der Nutzung der Personal- und Sachmittelbudgetierung in den Schulen des Modellvorhabens hat.
Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Bewertung der erweiterten Kompetenzen der Schulleitung Die Schulleitungen waren im Modellvorhaben verpflichtet, spätestens ab dem Schuljahr 2005/2006 erweiterte Aufgaben als Dienstvorgesetzte zu übernehmen. Das Schulleitungshandeln im Rahmen der Dimension „Führung und Management“ der Kapazität des Organisationales Lernens kann für eine professionelle Wahrnehmung dieser Aufgaben sorgen. Mithilfe eines Strukturgleichungsmodells wird die folgende Hypothese zur Bewertung der erweiterten Kompetenzen der Schulleitung geprüft. s Das Schulleitungshandeln im Rahmen der Dimension „Führung und Management“ der Kapazität des Organisationalen Lernens beeinflusst die Bewertung der Schulleitung als erweiterter Dienstvorgesetzter positiv. Für das Modell wurden folgende Variablen ausgewählt: Das Schulleitungshandeln der Dimension „Führung und Management“ der Kapazität des Organisationalen Lernens wird durch die Skala „zielbezogene Führung“ abgebildet. Die Bewertung der Schulleitung als erweiterter Dienstvorgesetzter wird mittels der Skala „Schulleitung als Dienstvorgesetzter“ operationalisiert. Beide Skalen wurden im Fragebogen für die Lehrkräfte erhoben. Der Modellfit der einzelnen Fit-Indizes ist – mit Ausnahme des RMSEA – zufriedenstellend (vgl. Abb. 32). Das Modell weist eine gute Passung des theoretischen Modells an die empirischen Daten auf (vgl. Kapitel 6.2.2). Bei dem Modell zeigen sich folgende Ergebnisse: Die zielbezogene Führung der Schulleitung als Bestandteil der Dimension „Führung und Management“ hat einen hohen Einfluss (` = .666, p = .000) auf die Bewertung der Schulleitung als erweiterter Dienstvorgesetzter durch die Lehrkräfte (vgl. Abb. 32). In dem Modell lassen sich 44 % der Varianz der Schulleitung als Dienstvorgesetzter erklären.
276
7 Empirische Ergebnisse
CFI = 0,975, TLI = 0,964, RSMEA = 0,087, SRMR = 0,051, Chi²/DF = 1,53
$EELOGXQJ(LQÀXVVGHV6FKXOOHLWXQJVKDQGHOQVDOV7HLOGHU.DSD]LWlWGHV2UJDQLVDtionalen Lernens auf die Bewertung der Schulleitung als erweiterter Dienstvorgesetzter
Mit dem Modell kann die Hypothese bestätigt werden, dass das Schulleitungshandeln im Rahmen der Dimension „Führung und Management“ der Kapazität des Organisationalen Lernens einen positiven Einfluss auf die Bewertung der Schulleitung als erweiterter Dienstvorgesetzter hat.
Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Nutzung von Formen der Unterrichtsorganisation und -gestaltung Die Kapazität des Organisationales Lernens kann mit ihren beiden Dimensionen „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ sowie „Wissen und Fertigkeiten“ einen positiven Einfluss auf den Unterricht (vgl. Kapitel 7.3.2) ausüben. Demnach müssten sie auch einen Einfluss auf die Nutzung von erweiterten Formen der Unterrichtsorganisation und -gestaltung haben. Mithilfe einer logistischen Regression wird die folgende Hypothese überprüft: s Die Kapazität des Organisationalen Lernens hat in den zwei Dimensionen – „Wissen und Fertigkeiten“ und „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ – einen positiven Einfluss auf die Nutzung von Formen der Unterrichtsorganisation und -gestaltung in den Schulen des Modellvorhabens.
277
7.3 Zusammenhangsanalyse zur Kapazität des Organisationalen Lernens
Für die Nutzung von Formen der Unterrichtsorganisation und -gestaltung in den Schulen des Modellvorhabens stehen zwei dichotome Variablen aus dem Schulleitungsfragebogen zur Verfügung: „Veränderte Zusammensetzung von Lerngruppen“ und eine „Stundenplanmäßige Verankerung des Teamunterrichts“. Es wurden logistische Regressionen gerechnet, bei denen jeweils eine der beiden o. g. Variablen als abhängige Variable verwendet wurde. Als Prädiktor für die Dimensionen „Wissen und Fertigkeiten“ wurde die Skala „Innovationsbereitschaft des Kollegiums“ verwendet und für die Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ wurde die Skala „Teamarbeit mit Fokus auf Verbesserung des Unterrichts in Klassen- oder Jahrgangsteams“ genutzt. Für eine bessere Interpretation der Odds-Ratio wurden die Variablen vorher Z-standardisiert.
Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Nutzung von neuen Formen der Unterrichtsorganisation und -gestaltung Im ersten Modell zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Nutzung einer „stundenplanmäßigen Verankerung von Teamarbeit“ hat nur die „Teamarbeit mit Fokus auf Verbesserung des Unterrichts in Klassen- oder Jahrgangsteams“ einen signifikanten Einfluss. Wenn sich die Teamarbeit mit Fokus auf Verbesserung in Klassen- oder Jahrgangsteams des Unterrichts um eine Standardabweichung erhöht, steigt die Chance, dass Schulen die Freiräume im Bereich Unterricht in Form einer „stundenplanmäßigen Verankerung des Teamunterrichts“ nutzen, um das 2,2-Fache. Die „Innovationsbereitschaft des Kollegiums“ hat keinen signifikanten Einfluss (vgl. Tab. 55). Tabelle 55: Ergebnisse der binären logistischen Regression zur Modellierung der Nutzung von Autonomie im Bereich „Stundenplanmäßige Verankerung des Teamunterrichts“ Modell Prädiktor
M1 b
p
Exp[b]
Teamarbeit mit Fokus auf Verbesserung des Unterrichts in Klassen- oder Jahrgangsteams
.791
.023
2.205
Innovationsbereitschaft des Kollegiums
-.008
.981
.992
Konstante
-.106
.693
.899
-2 * ln(L) Nagelkerkes R2
79.898 .17
$QPHUNXQJHQ([S>E@(IIHNWNRHI¿]LHQWHQRGGVUDWLR /Q/ /RJDULWKPLHUWHU/LNHOLKRRGGHV0RGHOOV
278
7 Empirische Ergebnisse
Der Chi²-Wert der Devianz ist signifikant (p = .014) und erlaubt eine überzufällig gute Vorhersage des getesteten Modells. Auch der Hosmer-Lemeshow-Test (p = .957) zeigt keine Anpassungsprobleme des Modells an die Daten. Das Nagelkerkes R2 ist mit einem Wert von .17 relativ niedrig. D. h. es wird nur wenig Varianz der Variable „stundenplanmäßige Verankerung des Teamunterrichts“ aufgeklärt. Das geringe Nagelkerkes R2 kann durch die geringe Anzahl an Prädiktoren (2) erklärt werden. Im zweiten Modell zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Nutzung einer veränderten Zusammensetzung von Lerngruppen zeigt der Hosmer-Lemeshow-Test (p = .042) ein Anpassungsproblem des Modells an die Daten an. Es besteht eine signifikante Abweichung zwischen den vorhergesagten und erwartbaren Werten. Aufgrund der unzureichenden Anpassung kann die Hypothese nicht getestet werden. Die Hypothese, dass die Kapazität des Organisationalen Lernens in den Dimensionen „Wissen und Fertigkeiten“ und „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ einen positiven Einfluss auf die Nutzung von Formen der Unterrichtsorganisation und -gestaltung in den Schulen des Modellvorhabens hat, lässt sich im ersten Modell nicht bestätigten. Lediglich die Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ hat einen signifikanten Einfluss auf die Nutzung von Formen der Unterrichtsorganisation und -gestaltung. Aufgrund von Anpassungsproblemen kann im zweiten Modell die Hypothese nicht getestet werden. Eine Interpretation und Diskussion der Ergebnisse, die in diesem Kapitel vorgestellt wurden, erfolgt im nächsten Kapitel 8.
8 Diskussion und Schlussfolgerungen für die Praxis
Zu Beginn dieser Arbeit wurden die steigenden Anforderungen an die Einzelschule und an deren systematische Entwicklung beschrieben (vgl. Kapitel 1.1). Auf Basis dieser Anforderungen wurde die organisationale Verfasstheit der Schule auf ihre Entwicklungsfähigkeit unter dem Paradigma einer ständigen Veränderung und systematischen Weiterentwicklung analysiert. Es konnte ein Organisationsdefizit im Sinne einer mangelnden Selbststeuerungsfähigkeit der Schule identifiziert werden (vgl. Kapitel 1.2). Der Aufbau einer Kapazität des Organisationalen Lernens und die Einführung von schulischen Steuergruppen als Teil dieser Kapazität wurden als zwei miteinander verbundene Strategien zur Behebung dieses Defizits vorgestellt. Aufbauend auf dem Organisationsdefizit der Schule und den zwei potenziellen Strategien zur Behebung des Defizits wurden folgenden Punkte in den Forschungsfragen formuliert (vgl. Kapitel 1.4) und in den einzelnen Kapiteln bearbeitet: Zunächst wurde ein theoretisches Modell entwickelt, wie eine Kapazität des Organisationalen Lernens in Schulen beschrieben werden kann (vgl. Forschungsfrage 1.1; Kapitel 2). Im Anschluss daran wurde ein weiteres Modell entwickelt, wie Steuergruppen innerhalb der Kapazität des Organisationalen Lernens als Change Agent agieren (vgl. Forschungsfrage 2; Kapitel 3). Anhand von Daten der wissenschaftlichen Begleitforschung des Modellvorhabens „Selbstständige Schule“ in Nordrhein-Westfalen wurde überprüft, ob sich die einzelnen Dimensionen des theoretischen Modells einer Kapazität des Organisationalen Lernens auch empirisch als Dimensionen abbilden lassen (vgl. Forschungsfrage 1.2; Kapitel 7.1). Danach wurde die Kapazität des Organisationalen Lernens in den einzelnen Dimensionen in den Schulen des Modellvorhabens beschrieben (vgl. Forschungsfrage 1.2; Kapitel 7.2). Zum Abschluss wurde untersucht, inwieweit die Kapazität des Organisationalen Lernens einen positiven Einfluss auf die drei – vorab definierten – Erfolgsfaktoren des Modellvorhabens „Selbstständige Schule“ (Selbststeuerungsfähigkeit, Unterricht, Nutzung und Bewertung erweiterter Formen von Autonomie) hat (vgl. Forschungsfrage 3, Kapitel 7.3). T. Feldhoff, Schule organisieren, DOI 10.1007/978-3-531-93384-9_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
280
8 Diskussion und Schlussfolgerungen für die Praxis
In diesem Kapitel werden die empirischen Ergebnisse mit Bezug auf die theoretischen Rahmemodelle sowie die Arbeit als Ganzes im Kontext von Educational Governance diskutiert (Kapitel 8.1). Zum Abschluss werden aus den Ergebnissen und der Diskussion Folgerungen und Empfehlungen für die schulische Praxis abgeleitet (Kapitel 8.2).
8.1 Diskussion Zunächst werden die Befunde zur Eindimensionalität der sieben Dimensionen der Kapazität des Organisationalen Lernens diskutiert (Kapitel 8.1). Dem folgt die Interpretation der deskriptiven Befunde (Kapitel 8.1.2) und der Zusammenhangsanalysen (vgl. Kapitel 8.1.3). Nach der kritischen Erörterung des methodischen Ansatzes (Kapitel 8.1.4) wird die Arbeit als Ganzes im Kontext von Educational Governance (Kapitel 8.1.5) diskutiert. Zum Abschluss wird der Beitrag der Arbeit zur Erforschung von Organisationalem Lernen in der Schule aufgezeigt (Kapitel 8.1.6).
8.1.1 Diskussion der Eindimensionalität der sieben Dimensionen der Kapazität des Organisationalen Lernens Insgesamt lassen sich bei allen sieben Dimensionen die Indikatoren jeweils auf einer Dimension abbilden. Die explorative Faktorenanalyse bei drei Dimensionen weist jedoch zunächst eine zwei-faktorielle Struktur auf (vgl. Kapitel 7.1). Die Ergebnisse dieser drei Dimensionen werden im Folgenden kurz diskutiert. In der Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ könnte die zwei-faktorielle Struktur auf einen unterschiedlichen Gegenstand der Kooperation bei den Skalen zurückzuführen sein. Während die meisten Skalen der Dimension sich auf eine unterrichtsbezogene Kooperation beziehen, liegt der Fokus der Skala „Kooperation in Bezug auf Projektarbeit“ auf der Schulentwicklungsarbeit. Somit deutet die zwei-faktorielle Struktur lediglich auf eine unterschiedliche inhaltliche Akzentuierung eines Teilaspekts der Dimension hin. Die Skalen der Dimension „Führung und Management“ basieren – mit Ausnahme der Skalen „Koordination von Projekt- und Arbeitsgruppen bzw. Gremien“ und „Einfluss der Steuergruppe auf die Teamarbeit in Bezug auf Unterrichtsentwicklung“, die von den Steuergruppen selbst eingeschätzt wurden – auf Fremdeinschätzung der Lehrkräfte. Die zwei-faktorielle Struktur könnte in diesem Fall aus der unterschiedlichen Sichtweise von Fremdund Selbsteinschätzungen resultieren.
8.1 Diskussion
281
Bei der Dimension „Qualitätssicherung und Zielüberprüfung“ deutet die explorative Faktoranalyse darauf hin, dass die zwei-faktorielle Struktur mit den zwei Aspekten innerhalb der Dimensionen (schulische Selbstevaluation und Rezeption und Nutzung von Daten einer externen Evaluation) zusammenhängen. Somit ist zu vermuten, dass die zwei-faktorielle Struktur lediglich die Differenz zwischen zwei Teilaspekten der gleichen Dimensionen aufzeigt. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Ergebnisse der Faktorenanalyse dahingehend interpretiert werden können, dass die zwei-faktorielle Struktur in zwei Dimensionen auf eine Differenzierung von Teilaspekten innerhalb der Dimensionen hindeuten und in einer Dimension aufgrund unterschiedlicher Sichtweisen zustande gekommen sein könnte. Beide Interpretationen beeinträchtigen die Bejahung der Forschungsfrage nicht. Darüber hinaus zeigt die Analyse des Scree-Plots bei allen drei Dimensionen, dass jeweils nur ein Faktor als bedeutsam zu interpretieren ist. Folglich kann die Eindimensionalität für alle Dimensionen bestätigt werden.
8.1.2 Diskussion der deskriptiven Ergebnisse der Kapazität des Organisationalen Lernens in den Schulen des Modellvorhabens Über die einzelnen Dimensionen hinweg zeigt sich ein heterogenes Bild der Kapazität des Organisationalen Lernens in den Schulen des Modellvorhabens. Dies bezieht sich sowohl auf deutliche Unterschiede zwischen den Schulen als auch auf die Ausprägung einzelner Aspekte und Dimensionen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass alle Schulen über eine gewisse Grundkapazität der Kapazität des Organisationalen Lernens verfügen und sie auf dieser ihre Entwicklung weiter aufbauen können. Es zeigt sich jedoch auch, dass es bei allen Schulen noch Entwicklungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Dimensionen gibt. Im Folgenden wird die Kapazität des Organisationalen Lernens der Schulen des Modellvorhabens in den einzelnen Dimensionen beschrieben. Dabei wird zunächst jede Dimension mit Bezug auf das theoretische Modell der Kapazität des Organisationalen Lernens (vgl. Kapitel 2.2.3) kurz dargestellt. Dem folgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse, die im Anschluss daran mit Bezug auf das theoretische Modell interpretiert werden. 1. Struktur Die Strukturen einer Organisation können Organisationales Lernen fördern, indem sie vor allem geeignete Rahmenbedingungen für Kooperation schaffen (z. B. in Form von institutionalisierten Teams). Ungefähr die Hälfte der Schulen verfügt über solche institutionalisierte Kooperationsformen und durchschnittlich
282
8 Diskussion und Schlussfolgerungen für die Praxis
sind etwas mehr als die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer in solche Kooperationsformen (z. B. Klassen-, Jahrgangsteams) aktiv eingebunden. Ein Teil der Schulen des Modellvorhabens verfügt über solche Formen von institutionalisierter Kooperation nicht oder die bestehenden Strukturen bleiben von einem nicht unbeträchtlichen Teil der Lehrerinnen und Lehrer ungenutzt. Es lässt sich vermuten, dass diese Schulen eine stärkere Fragmentierung aufweisen, bzw. die Kooperation nicht so intensiv und eher informell stattfindet. Welche Konsequenz hat dies für das Organisationale Lernen in der Schule? Teams sind im Konzept der Kapazität des Organisationalen Lernens die zentrale Einheit, in der das Wissen innerhalb der Organisation ausgetauscht und weiterentwickelt wird. Wenn Kooperation in Schulen nicht unterstützt oder systematisiert wird, kann der Austausch des Wissens erschwert werden. Er beschränkt sich beispielsweise auf einzelne informelle Gruppen oder beruht eher auf Zufällen denn auf einer systematischen Planung. In den Schulen, in denen solche Strukturen prinzipiell bestehen, aber nur ein Teil der Lehrkräfte in diese Teams eingebunden ist, stellt sich die Frage, warum nur so wenige Lehrkräfte in den Teams kooperieren. Diese Frage kann mit den vorliegenden Daten der Begleitforschung nicht beantwortet werden und gilt es in weiteren Studien zu untersuchen. 2. Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium Neben Strukturen, die einen Rahmen für Kooperation zur Verfügung stellen, ist die Anschlussfähigkeit der Wissensbestände der Lehrerinnen und Lehrer eine weitere Voraussetzung für einen gelingenden Austausch von Wissen und für Kooperation. Die Herstellung einer Anschlussfähigkeit des Wissens über eine gemeinsame Ziel- und Konsensorientierung und gemeinsame handlungsleitende Ziele in der Kooperation (vgl. Louis & Dentler, 1988) scheint den Schulen des Modellvorhabens gut zu gelingen. Die Informationen, die Lehrkräfte von ihren Kolleginnen und Kollegen erhalten, sind folglich anschlussfähig an ihr bisheriges Wissen. Durch die Orientierung an gemeinsamen Zielen können die Informationen leichter bezüglich ihrer Relevanz für das eigene Handeln in der Schule interpretiert werden (vgl. March & Olsen, 1976). Somit ist diese Voraussetzung in den Schulen gegeben und begünstigt den Austausch und die Weiterentwicklung von Wissen. Die Nutzung der institutionellen Teamstrukturen wurde – neben einer Kooperation in Schulentwicklungsprojekten – durch Merkmale professioneller Lerngemeinschaften in Klassen- bzw. Fachteams gemessen (vgl. Bonsen & Rolff, 2006; Leithwood, 2000; Newmann, 1994). Im Durchschnitt weist die Kooperation in diesen Teams zwar Züge von professionellen Lerngemeinschaften aus, aber diese sind nicht stark ausgeprägt bzw. stehen nicht häufig im Fokus der Teamarbeit. Für das Organisationale Lernen der Schulen bedeutet dies, dass in den Schulen des Modellvorhabens zwar Ansätze professioneller Lerngemeinschaften beste-
8.1 Diskussion
283
hen, diese allerdings noch weiter ausgebaut werden müssen, um einen intensiven Austausch und eine Weiterentwicklung des Wissens zu erreichen. Überraschend gering ist die Intensität der projektbezogenen Kooperation. Bezogen auf die Ursprungsmetrik kooperieren die Kollegien der Schulen des Modellvorhabens vierteljährlich. Auch wenn die Kooperationshäufigkeit nur begrenzte Aussagen über die Qualität und Produktivität der Kooperation zulässt, wäre bei Schulen, die an einem umfangreichen Schulentwicklungsprojekt teilgenommen haben, eine höhere Kooperationsintensität erwartbar gewesen. Möglich ist, dass nur einige wenige Lehrerinnen und Lehrer sich in den Projekten des Modellvorhabens engagieren und diese häufiger tagen. Die Gründe für eine solch geringe Kooperation gilt es in zukünftigen Studien zu untersuchen. 3. Wissen und Fertigkeiten Das differenzierte Bild der ersten beiden Dimensionen setzt sich auch in der dritten Dimension fort. Die schließt unmittelbar an die Wissensverarbeitung der zweiten Dimension an bzw. stellt eine Voraussetzung für diese dar. Den Schulen stehen drei verschiedene Quellen des Wissens zur Verfügung (individuelles Wissen, Wissen, das durch Lösen von Problemen entsteht, und externes Wissen), die im Sinne von Organisationalem Lernen für die Schule genutzt werden können. Eine systematische Personalentwicklung, die die Ziele der Schule im Blick hat, kann vor allem das individuelle Wissen der Organisationsmitglieder weiterentwickeln und externes Wissen in die Schule transferieren. Bei der Personalentwicklung haben die Schulen noch deutliches Entwicklungspotenzial (vgl. Meetz, 2007). Die Streuung zwischen den Schulen deutet an, dass ein großer Teil der Schulen über keine systematische Personalentwicklung verfügt. Auch der Stellenwert der Personalentwicklung ist bei den Lehrkräften nicht sehr hoch. Für Organisationales Lernen bedeutet dies, dass viele Schulen das Wissenspotenzial ihres Kollegiums nicht ausschöpfen und auch nicht gezielt fördern. Das individuelle Wissen der Organisationsmitglieder stellt jedoch eine zentrale Größe für die Qualität des organisationalen Gedächtnisses dar (vgl. Hanson, 2001). Es ist die Basis für eine Weiterentwicklung Organisationalen Wissens im Rahmen von Kooperation und professionellen Lerngemeinschaften. Fehlt diese Basis oder ist diese gering, können die Teams kaum ohne externes Wissen oder Unterstützung Wissen weiterentwickeln und als professionelle Lerngemeinschaften agieren. Der zweite Aspekt der Dimension, die Durchlässigkeit des Wissens, ist – wie die Innovationsbereitschaft zeigt – in den Schulen des Modellvorhabens durchaus vorhanden. Die Schulen sind demnach offen gegenüber neuen Ansätzen und reflektieren das bestehende Wissen. Demnach sind die Voraussetzungen für den Austausch des Wissens in der Schule gegeben, wie dies auch an der Anschlussfähigkeit (Dimension 2) deutlich wird. Die Daten deuten darauf hin, dass dieses Potenzial aber nicht oder nur in einem Teil der Schulen genutzt wird.
284
8 Diskussion und Schlussfolgerungen für die Praxis
4. Führung und Management Die Schulleitung und die Steuergruppen können das Organisationale Lernen in den anderen Dimensionen fördern. Die Schulleitung fördert das Organisationale Lernen, indem sie die Lehrkräfte in wichtige Entscheidungen mit einbezieht, auf die wichtigen Ziele und Visionen der Schule hinweist, für ausreichende Ressourcen und für eine optimale Organisation des Schulbetriebs sorgt. Weiterhin führt sie unterrichtsbezogen und hat somit auch das Kerngeschäft der Schule im Blick. In den Schulen des Modellvorhabens wird das Schulleitungshandeln von den Lehrkräften positiv eingeschätzt. Dies bedeutet, dass die Schulleitungen – aus Sicht der Lehrkräfte – in der Lage sind, Organisationales Lernen zu fördern. Dies zeigt sich auch bei der zielbezogenen Führung und der Gesamtskala „Leitungskompetenz in eigenverantwortlichen Schulen“, die einen Einfluss auf die Dimensionen „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation“ und „Wissen und Fertigkeiten“ haben (vgl. Kapitel 7.3.1). Den Bereich der unterrichtsbezogenen Führung scheinen die Schulleitungen nicht prioritär zu behandeln, dies wird von den Lehrkräften nur knapp oberhalb des theoretischen Mittelwerts eingeschätzt. Wie Studien zum Einfluss von Schulleitungshandeln auf die Schuleffektivität zeigen können, ist aber besonders eine Kombination von transformationaler Führung, wie sie hier durch die o. g. Skalen abgebildet wird, und einer guten unterrichtsbezogenen Führung erfolgreich (vgl. Robinson, Lloyd & Rowe, 2008). Im Bereich der unterrichtsbezogenen Führung haben die Schulleitungen noch Entwicklungspotenzial. Die Steuergruppe kann das Organisationale Lernen als Change Agent schulischer Entwicklungsprozesse fördern, indem sie die fünf Instrumente (Partizipation des Kollegiums, Informations- und Wissensmanagement, Beratung und Unterstützung des Kollegiums, Koordination der Schulentwicklungsprozesse und zielbezogenes Handeln) nutzt (vgl. Kapitel 3.7). Die Steuergruppen im Modellvorhaben bedienen sich dieser Instrumente. Jedoch ist die Ausprägung nicht sehr hoch. Die Streuung der Mittelwerte weist darauf hin, dass die Instrumente von den Steuergruppen in einigen Schulen in einem zum Teil deutlich höheren Maße genutzt werden als in anderen Schulen. Dies lässt vermuten, dass einige Steuergruppen ihre Rolle als Change Agent „noch“ nicht wahrnehmen. Hier wäre es gewinnbringend, in zukünftigen Studien zu untersuchen, welche Gelingensbedingungen dazu beitragen, dass einige Steuergruppen erfolgreicher als Change Agents agieren als andere und welche Misslingensbedingungen dazu führen, dass Schulen diese Rolle nicht wahrnehmen. Für Organisationales Lernen bedeutet dies, dass Steuergruppen mit der Nutzung der Instrumente die Kapazität des Organisationalen Lernens in den verschiedenen Dimensionen fördern können und darüber hinaus über diese Dimensionen auch indirekt die Selbststeuerungsfähigkeit und den Unterricht beeinflussen, wie die Zusammenhangsanalysen zeigen (vgl. Kapitel 7.3).
8.1 Diskussion
285
5. Qualitätssicherung und Zielüberprüfung Schulen erhalten – wie im Modellvorhaben „Selbstständige Schule“ – mehr Gestaltungsfreiräume und sind im Gegenzug aufgefordert, mehr Verantwortung für die eigene Entwicklung zu übernehmen. Um diese Verantwortung zu übernehmen und sich zielgerichtet zu entwickeln, benötigen Schulen im Rahmen des Organisationalen Lernens entsprechende Informationen über ihre Entwicklung und ihren Leistungsstand. Diese Informationen können durch eine schulinterne Evaluation und ein Qualitätsmanagement durch die Schule selbst gewonnen werden. Ergänzt werden die selbstgewonnenen Daten im Idealfall durch Daten einer externen Evaluation. Der Bereich Evaluation und Qualitätssicherung ist in den meisten Schulen des Modellvorhabens nicht sehr stark ausgeprägt. Die hohe Streuung zwischen den Schulen lässt darüber hinaus vermuten, dass es einigen Schulen gelingt, Evaluation erfolgreich zu betreiben, während andere Schulen hier deutliche Defizite haben. Die Einschätzungen der Lehrkräfte zum Umgang mit den Konsequenzen aus den Rückmeldungen der Begleitforschung liegen knapp unterhalb des theoretischen Mittelwerts. Aus theoretischer Perspektive baut der Umgang mit Daten einer externen Evaluation auf entsprechenden Kompetenzen und Erfahrungen in schulischer Selbstevaluation auf. Aus den Rückmeldungen dann auch die notwendigen Konsequenzen für die Unterrichtsentwicklung zu ziehen, stellt an die Schulen noch höhere Anforderungen. Das Ziehen von Schlüssen und die Ableitung von Entwicklungszielen und -maßnahmen sind komplexe und hoch voraussetzungsvolle Prozesse. Schulen müssen zunächst einmal die Daten verstehen. Danach gilt es, diese mit den eignen Erwartungen und denen von externen Akteuren abzugleichen. Als Nächstes bedarf es einer Analyse, worin die Gründe für ein unterdurchschnittliches Abschneiden liegen. Haben Schulen Gründe identifiziert, gilt es zu überlegen, durch welche Maßnahmen die Defizite zu beheben sind. Diese müssen letztendlich erfolgreich umgesetzt und deren Erfolg überprüft werden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Schulen nur teilweise oder im geringeren Umfang systematische Informationen und Feedback aus schulischer Selbstevaluation beziehen. Somit fehlt ihnen auch die Fähigkeit, die Daten aus externer Evaluation sinnvoll zu nutzen und daraus Rückschlüsse für die schulische Entwicklung zu ziehen. Für das Organisationale Lernen in der Schule bedeutet dies, dass die Schulen nur in beschränktem Maße bzw. nur ein Teil der Schulen ihre Entwicklung und ihren eigenen Lernprozess zielgerichtet überprüfen können. Diesen Schulen fehlt somit das nötige Feedback, um als Organisation zielgerichtet zu lernen und sich zu verbessern (March & Olsen, 1975). Hier gilt es in weiteren Studien zu erforschen, warum es Schulen so wenig gelingt, interne und externe Evaluationsergebnisse in erfolgreiche Schulentwicklung umzusetzen und wie dieser Prozess optimal von außen unterstützt werden kann.
286
8 Diskussion und Schlussfolgerungen für die Praxis
6. Austausch mit der schulischen Umwelt Organisationen benötigen für ihren Erfolg eine möglichst optimale Passung zu ihrer Umwelt (vgl. Krainz-Dürr, 1999; Kruse & Louis, 2000; Rait, 1995). Schulen können beispielsweise über den Austausch mit anderen Schulen oder außerschulischen Akteuren Informationen über ihre Umwelt und die Passung zu dieser erhalten. Darüber hinaus können sie über eine Vernetzung mit diesen Akteuren die Umwelt mitgestalten. Der Austausch der Schulen des Modellvorhabens mit anderen Akteuren in der Schullandschaft findet eher selten statt. Die Aktivität der Schulen in der Region ist ebenfalls nicht stark ausgeprägt. Bei der Dimension „Austausch mit der schulischen Umwelt“ zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Schulen. Für Organisationales Lernen bedeutet dies, dass ein Teil der Schulen durch einen Austausch mit ihrer Umwelt versucht, Informationen über ihre Umwelt zu erlangen und auch versucht, ihre Region aktiv mit zu gestalten. Doch deuten die Ergebnisse darauf hin, dass ein anderer, nicht unbeträchtlicher Teil der Schulen sich wahrscheinlich eher auf die Innenperspektive fokussiert und die eigene Umwelt nur passiv wahrnimmt. Diese Schulen verfügen womöglich nur über eingeschränkte Informationen über ihre Passung zur Umwelt und stehen Veränderungen eher passiv gegenüber, anstatt die Umwelt im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu beeinflussen. In zukünftigen Studien wäre es gewinnbringend zu erforschen, warum manche Schulen sich kaum mit ihrer Umwelt austauschen. 7. Partizipation der Lehrkräfte Organisationales Lernen ist ein Prozess, der die Organisation als Ganzes umfasst und an dem möglichst alle Mitglieder beteiligt sein sollten, um die kollektive Problemlösefähigkeit des Kollegiums zu nutzen. Die Partizipation bezieht sich einerseits auf die Beteiligung an wichtigen Entscheidungen, die die Lehrkräfte betreffen, und zum anderen auf die Freiräume und Mitgestaltungsmöglichkeiten bei der Entwicklung der Schulen im Sinne einer korporativen Autonomie (vgl. Rolff, 1993). In weniger als der Hälfte der Schulen des Modellvorhabens können Lehrkräfte in Fragen des Fächer- und Kursangebotes mitentscheiden; in Fragen des Budgets sind es in etwa dreiviertel der Schulen. Etwa die Hälfte der Lehrkräfte gibt an, ausreichend Möglichkeiten gehabt zu haben, sich an den Projekten im Rahmen des Modellvorhabens zu beteiligen. Für Organisationales Lernen bedeutet dies, dass die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen des Modellvorhabens Gelegenheiten zur Partizipation haben. Diese Partizipationsmöglichkeiten können wahrscheinlich noch vergrößert werden, um die kollektive Problemlösefähigkeit des Kollegiums voll auszuschöpfen (vgl. Leithwood, Leonard et al., 2000). Wenn die Lehrkräfte an den schulischen Projekten Partizipationsmöglichkeiten haben, beeinflussen diese die Selbststeue-
8.1 Diskussion
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rungsfähigkeit der Schulen in Form der Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte. In weiteren Studien wäre es gewinnbringend, intensiver zu erforschen, aus welchen Gründen die Lehrkräfte sich nicht an den Schulentwicklungsprozessen beteiligen und welche schulischen Bedingungen und Anreizfaktoren dies ändern könnten.
8.1.3 Diskussion der Zusammenhangsanalysen Nach der Interpretation der deskriptiven Ergebnisse werden nun die Befunde der Zusammenhangsanalysen der Kapazität des Organisationalen Lernens und den drei Erfolgsfaktoren im Modellvorhaben („Selbststeuerungsfähigkeit“, „Unterricht“, „Nutzung und Bewertung der Nutzung erweiterter Formen von Selbstständigkeit“) auf die theoretischen Modelle der Kapazität des Organisationalen Lernens und Steuergruppen als Change Agents sowie deren Zusammenhang zu den Erfolgsfaktoren bezogen.
Diskussion zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Selbststeuerungsfähigkeit Die Befunde in den vier Strukturgleichungsmodellen zur Selbststeuerungsfähigkeit weisen darauf hin, dass die Kapazität des Organisationalen Lernens in vielfältiger Weise über die Dimensionen „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation“, „Wissen und Fertigkeiten“ sowie „Partizipation“ einen positiven Einfluss auf die Selbststeuerungsfähigkeit der Schulen haben kann (vgl. Kapitel 7.3.1). Zudem wirken Steuergruppen durch die Nutzung verschiedener Instrumente des Change Managements über die genannten Dimensionen indirekt auf die Selbststeuerungsfähigkeit. Aus diesen Befunden lässt sich schlussfolgern, dass die Kapazität des Organisationalen Lernens in Verbindung mit schulischen Steuergruppen als Change Agents scheinbar zwei Strategien darstellen, denen es gelingt, das Organisationsdefizit von Schulen unter dem Paradigma einer ständigen Veränderung und systematischen Weiterentwicklung zu kompensieren. Damit stärken sie die Schule als Organisation und ermöglichen eine zielgerichtete einzelschulische Entwicklung. Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf veränderte Arbeitsroutinen Die Befunde zeigen, dass die Dimensionen „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ und „Wissen und Fertigkeiten“ einen direkten Einfluss auf die Veränderung von Routinen als Indikator der Selbststeu-
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erungsfähigkeit haben (vgl. Kapitel 7.3.1). Die Befunde lassen sich wie folgt auf die theoretischen Rahmenmodelle beziehen (vgl. Kapitel 2.2.3, 3.3 und 4.1): Im Rahmen der Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ wird in den Schulen durch eine Kooperation in den schulischen Projekten des Modellvorhabens neues Wissen erzeugt (vgl. Kruse & Louis, 2000). Ein Teil dieses Wissens bezieht sich auf Erfahrungen zur Gestaltung von Schulentwicklungsprozessen. Dieses neue Wissen führt zu einer Veränderung von Arbeitsroutinen (vgl. Hanson, 2001). Gleichzeitig wird dieser Prozess unterstützt durch eine Durchlässigkeit des Wissens in Form einer kritischen Reflektion des bestehenden Wissens über die Gestaltung von Schulentwicklungsprozessen und der Offenheit gegenüber neuem Wissen (Dimension „Wissen und Fertigkeiten“), die ebenfalls zur Veränderung von Arbeitsroutinen führen (vgl. Holtappels, 2007). Die Schulleitungen und Steuergruppen fördern durch ihre zielbezogene Führung bzw. ihr zielbezogenes Handeln die Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“, indem sie die schulentwicklungsbezogene Kooperation durch die Vorgabe klarer Ziele und durch ein regelmäßiges Feedback zur Erreichung der Ziele forcieren. Dabei scheinen die zielbezogene Führung und das zielbezogene Handeln der Steuergruppe beide gleichermaßen in der Lage zu sein, die Kooperation zu fördern. Beide beeinflussen auch die Durchlässigkeit des Wissens der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ positiv. Sie fordern die Arbeitsgruppen auf, ihre eigene Arbeit mit Verweis auf die Ziele kritisch zu hinterfragen und offen gegenüber Neuem zu sein. Die Analysen können aber zeigen, dass dies der Schulleitung über die zielbezogene Führung besser gelingt als der Steuergruppe mit ihrem zielbezogenen Handeln. Die zielbezogene Führung der Schulleitung hat, vermittelt über die Durchlässigkeit des Wissens der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ und die projektbezogene Kooperation der Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“, auch einen indirekten Einfluss auf die Veränderung von Arbeitsroutinen. Die Steuergruppen haben mit ihrem zielbezogenen Handeln ebenfalls einen indirekten Einfluss. Allerdings ist dieser nur über die Durchlässigkeit des Wissens der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ vermittelt. Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen Die Befunde zeigen, dass die Dimensionen „Wissen und Fertigkeiten“ und „Partizipation“ einen direkten Einfluss auf den zweiten Indikator der Selbststeuerungsfähigkeit, die Nachhaltigkeit und Verankerung der Projekte in den Schulen, haben. Die Steuergruppe fördert mithilfe der Instrumente des Change Managements die Kapazität des Organisationalen Lernens in den beiden Dimensionen
8.1 Diskussion
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und hat über diese einen indirekten Einfluss auf die Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte. Die Ergebnisse lassen sich mit Bezug auf die theoretischen Rahmenmodelle wie folgt interpretieren (vgl. Kapitel 2.2.3, Kapitel 3.3, Kapitel 4.1): Im Rahmen der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ gelingt es über die Durchlässigkeit des Wissens in Form einer kritischen Reflexion der Projektarbeit und einer Offenheit gegenüber neuem Wissen, die Nachhaltigkeit und Verankerung der Projekte im Modellvorhaben zu verbessern. Dieser Prozess wird durch eine breite Beteiligung des Kollegiums an der schulischen Entwicklungsarbeit (Dimension „Partizipation“) unterstützt. Je höher die Beteiligung der Lehrkräfte ist, desto höher ist die Verankerung der Projekte im Rahmen des Modellvorhabens in den Schulen. Der Einfluss der Durchlässigkeit des Wissens und der Beteiligung der Lehrkräfte an den Projekten auf die Verankerung und Nachhaltigkeit ist in allen drei Strukturmodellen sehr ähnlich (vgl. Kapitel 7.3.1). Allerdings unterscheiden sich die Stärken der Einflüsse. Die Befunde lassen vermuten, dass die Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ eine Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte stärker beeinflussen als die Dimension „Partizipation“. Die Steuergruppe kann durch die Nutzung der Instrumente des Change Managements das Organisationale Lernen in den beiden Dimensionen „Wissen und Fertigkeiten“ und „Partizipation“ fördern: Förderung der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ Durch das Instrument der Beteiligung der Lehrkräfte kann die Steuergruppe über Aushandlungsprozesse und Überzeugungsarbeit die Lehrkräfte bekräftigen, neue Wege auszuprobieren, denen sie an sich vielleicht eher kritisch gegenüberstehen. Dadurch lässt sich die Durchlässigkeit des Wissens in Form einer Offenheit gegenüber neuem Wissen anregen. Im Rahmen des Informations- und Wissensmanagements stellt die Steuergruppe allen Schulmitgliedern zentrale Informationen über den anstehenden Entwicklungsprozess zur Verfügung. Somit sorgt sie ebenfalls für eine Durchlässigkeit des Wissens. Durch konkrete Unterstützung und Beratung der Arbeitsgruppen werden die Lehrkräfte ermutigt, neue Ideen auszuprobieren und die bestehenden kritisch zu hinterfragen. Alle drei Instrumente haben jeweils einen ähnlichen Einfluss auf die Dimension „Wissen und Fertigkeiten“. Zusätzlich haben sie über diese Dimension auch vermittelten Einfluss. Alle drei Instrumente scheinen also gleichermaßen geeignet zu sein, die Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ in Form der Durchlässigkeit des Wissens zu fördern; sofern ein Vergleich in drei getrennten Modellen möglich ist. Förderung der Dimension „Partizipation“ Mit dem Instrument der Partizipation des Kollegiums beteiligen Steuergruppen Lehrkräfte durch Aushandlungsprozesse an den Entwicklungsprojekten. Die
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Steuergruppe begegnet den Lehrkräften dabei auf Augenhöhe (vgl. Berkemeyer et al., 2007). Sie handelt Aufgaben im Entwicklungsprozess aus, gibt Anreize und unterstützt Eigeninitiativen des Kollegiums. Durch rechtzeitige und umfassende Informationen über die anstehenden Maßnahmen und Projekte im Rahmen des Informations- und Wissensmanagements fordern Steuergruppen ebenfalls die Lehrkräfte auf, sich zu beteiligen (vgl. Schubert, 2004). Durch die Beratung und Unterstützung der Steuergruppen werden Lehrkräfte ermutigt, sich an den Projekten im Modellvorhaben zu beteiligen. Auch wenn alle drei Instrumente die Dimension „Partizipation“ fördern, so unterscheidet sich die Stärke der Einflüsse, sofern ein Vergleich in drei getrennten Modellen möglich ist. Erwartungsgemäß hat das Instrument der Partizipation des Kollegiums den stärksten Einfluss, gefolgt vom Informations- und Wissensmanagement. Die Beratung und Unterstützung hat den geringsten Einfluss. Dies lässt vermuten, dass die Bereitstellung von Beratung und Unterstützung eine geringere Rolle bei der Entscheidung der Lehrkräfte spielt, ob sie sich an den Projekten beteiligen, als umfassende Informationen über die Projekte oder die Aushandlung von Aufgaben dies tun.
Diskussion zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf das Unterrichtsgeschehen der Schulen des Modellvorhabens Die Befunde in den beiden Strukturgleichungsmodellen zum Unterricht geben Hinweise darauf, dass die Kapazität des Organisationalen Lernens durch die beiden Dimensionen „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ und „Wissen und Fertigkeiten“ den Unterricht positiv beeinflussen kann. Ebenso gibt es Hinweise, dass die Schulleitung und Steuergruppe, vermittelt durch die Förderung der Kapazität des Organisationalen Lernens, den Unterricht beeinflussen können. Allerdings sind die Ergebnisse, über welche Dimensionen der Kapazität des Organisationalen Lernens die Steuergruppe Einfluss nimmt, in den beiden Modellen unterschiedlich. Diese Unterschiede gilt es in zukünftigen Studien näher zu untersuchen. Mit den Befunden, dass die Kapazität des Organisationalen Lernens den Unterricht positiv beeinflusst, werden die Befunde von Marks, Louis und Printy (2000) bestätigt. Folglich deuten die Ergebnisse an, dass eine Kapazität des Organisationalen Lernens nicht nur eine Strategie zur Stärkung der Selbststeuerung der Schule darstellt, sondern auch zur Verbesserung der Qualität des Unterrichts beiträgt. Dabei spielen professionelle Lerngemeinschaften eine zentrale Rolle. Allerdings verfügten weder die Studie von Marks et. al. noch diese Arbeit über Längsschnittdaten, um den Einfluss einer Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Verbesserung von Unterricht empirisch zu testen.
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Die Ergebnisse lassen sich wie folgt auf die theoretischen Rahmenmodelle beziehen (vgl. Kapitel 2.2.3; Kapitel 3.3; Kapitel 4.1): Im Kontext der Unterrichtsentwicklung beeinflusst die Durchlässigkeit des Wissens der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ in Form einer kritischen Überprüfung der eigenen Ansätze im Unterricht und der Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Konzepten den Unterricht der einzelnen Lehrkräfte. Gleichzeitig wird im Rahmen der Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ im Sinne professioneller Lerngemeinschaften in den Teams die Verbesserung des Unterrichts ins Zentrum der Arbeit gestellt (vgl. Bonsen & Rolff, 2006; Newmann, 1994). Dabei werden neue Unterrichtskonzepte entwickelt und im Unterricht ausprobiert und umgesetzt. Diese Teamarbeit beeinflusst den Unterricht der einzelnen Lehrkräfte. Die Befunde deuten darauf hin, dass es über professionelle Lerngemeinschaften (Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“), die die Verbesserung des Unterrichts in den Fokus ihrer Arbeit stellen, in einem stärkeren Maße gelingt, den Unterricht positiv zu beeinflussen, als dies über die Durchlässigkeit des Wissens (Dimension „Wissen und Fertigkeiten“) durch eine kritische Überprüfung der eigenen Ansätze und der Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Konzepten gelingt. Die beiden Akteure Schulleitung und Steuergruppe beeinflussen sich in ihrem Handeln gegenseitig und können so die Kapazität des Organisationalen Lernens in den beiden Dimensionen „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ sowie „Wissen und Fertigkeiten“ fördern: Förderung der Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ Die Schulleitung spricht mit den Lehrkräften über Unterricht und thematisiert die Qualität und die Ziele von Unterricht. Sie beeinflusst damit die Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ indem sie auf die Arbeit und Ziele der Unterrichtsteams einwirkt. Dabei berücksichtigt sie aber auch die Interessen und Schwerpunkte der Unterrichtteams und sorgt für die nötigen Ressourcen (vgl. Leithwood et al., 1994). Die Steuergruppe übt Einfluss auf die Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ aus, indem sie z. B. die Teams anhält, die Verbesserung des Unterrichts und die Lernentwicklung der Schülerinnen und Schüler zu thematisieren. Die Befunde deuten an, dass die Steuergruppe die Teamarbeit etwas stärker beeinflusst als die Schulleitung. Dies bestätigt sich auch in ihrem indirekten Einfluss auf den Unterricht. In den beiden Modellen hat nur die Steuergruppe einen indirekten Einfluss auf die Teamarbeit auf den Mathematik- bzw. Deutschunterricht.
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Förderung der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ Die Schulleitung regt einen Diskurs über Unterricht und dessen Qualität an und fordert die Lehrkräfte auf, ihren Unterricht kritisch zu reflektieren und offen gegenüber neuen Konzepten und Ideen zu sein. Somit fördert sie die Durchlässigkeit des Wissens der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“. Die Steuergruppe kann ebenso durch ihre besondere Funktion im Modellvorhaben der Implementierung von Unterrichtsentwicklung die Durchlässigkeit des Wissens fördern, indem sie die Unterrichtsteams unterstützt, offen gegenüber neuen Ansätzen und Konzepten zu sein und die bestehenden kritisch zu hinterfragen. Die Befunde lassen vermuten, dass die Schulleitung einen deutlich stärkeren Einfluss auf die Durchlässigkeit des Wissens hat als die Steuergruppe. Dies zeigt sich auch bei den indirekten Effekten. Während die Schulleitung in beiden Modelle einen indirekten Einfluss, vermittelt über die Durchlässigkeit des Wissens, auf den Unterricht hat, so ist dieser bei der Steuergruppe nur in Bezug auf den Mathematikunterricht signifikant. Infolgedessen lassen sich die Ergebnisse zum indirekten Einfluss von Steuergruppen auf den Unterricht nicht eindeutig interpretieren.
Diskussion zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Nutzung sowie auf die Bewertung der Nutzung von erweiterten Formen von Selbstständigkeit in den Schulen des Modellvorhabens In den Schulen des Modellvorhabens wurden insbesondere Erfahrungen mit erweiterter Selbstständigkeit in Form von Personal- und Sachmittelbudgetierung, erweiterter Kompetenzen der Schulleitung als Dienstvorgesetzter und der Nutzung von erweiterten Möglichkeiten der Unterrichtsorganisation und -gestaltung gesammelt. Im Folgenden werden die Befunde der Analysen zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Nutzung bzw. die Bewertung der Nutzung zu diesen Formen erweiterter Selbstständigkeit (vgl. Kapitel 7.3.3) diskutiert. Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Bewertung der Nutzung der Personal- und Sachmittelbudgetierung Die Schulleitung war in den Schulen des Modellvorhabens für die Personal- und Sachmittelbudgetierung verantwortlich. Die Befunde deuten an, dass die Schulleitung im Rahmen der Dimension „Führung und Management“ die neuen Freiräume in der Budgetierung der zur Verfügung stehenden Finanzmittel für Personal und Sachmittel so effizient nutzt, dass die Schulen optimal arbeiten können (vgl. Larson-Knight, 2000). Bei einer noch stärkeren Verlagerung der Budgetverantwortung auf die Einzelschule kommt der Schulleitung eine Schlüsselrolle zu. Sie muss die zur Verfügung stehenden Ressourcen entsprechend optimal einsetzen und sich um zusätzliche Ressourcen, z. B. im Rahmen einer Drittmittelein-
8.1 Diskussion
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werbung über Fundraising, bemühen (vgl. Böttcher & Meetz, 2007). Im Rahmen einer Kapazität des Organisationalen Lernens können Schulleitungen die nötigen Fähigkeiten ausbilden, um mithilfe von Informationen und Kennzahlen, die im Rahmen der Dimension „Qualitätssicherung und Feedback“ gewonnen werden, zielgerichtet einzusetzen. Über die Dimension „Austausch mit der schulischen Umwelt“ können die Leitungspersonen möglicherweise Informationen über zusätzliche Sponsoren oder Fördergelder erhalten. Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Bewertung der Nutzung der erweiterten Aufgaben als Dienstvorgesetzte Die Schulleitungen waren verpflichtet, im Verlauf des Modellvorhabens (spätestens zum Schuljahr 2005/2006) erweiterte Aufgaben als Dienstvorgesetzte zu übernehmen. Die Befunde weisen darauf hin, dass die Schulleitung im Rahmen der Dimension „Führung und Management“ den Lehrkräften Entwicklungsperspektiven aufgezeigt hat und ihnen Orientierung für die Laufbahnplanung gegeben hat (vgl. Kruse & Louis, 2000; Leithwood, Jantzi et al., 2000). Die Befunde lassen vermuten, dass das Führungshandeln der Schulleitung im Rahmen der Kapazität des Organisationalen Lernens geeignet ist, um stärker Personalverantwortung zu übernehmen. Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Nutzung erweiterter Formen der Unterrichtsorganisation und -gestaltung Die Befunde zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Nutzung von erweiterten Formen der Unterrichtsorganisation und -gestaltung zeigen kein eindeutiges Muster. Das erste Modell der logistischen Regression zeigt, dass nur die Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ in Form professioneller Lerngemeinschaften die Chance signifikant beeinflusst, dass die Schulen des Modellvorhabens erweiterte Formen der Unterrichtsorganisation in Form einer stundenplanmäßigen Verankerung des Teamunterrichts nutzen. Die Durchlässigkeit des Wissens der Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ hat keinen signifikanten Einfluss. Aufgrund eines Anpassungsproblems des zweiten Modells an die Daten kann die Hypothese mit diesem Modell nicht getestet werden (vgl. Kapitel 7.3.3). Ein Grund für das Anpassungsproblem im zweiten Modell und den geringen Wert des Nagelkerkes R² = .17 im ersten Modell könnte die Art der Messung der Nutzung der beiden Formen erweiterter Selbstständigkeit im Bereich Unterricht sein. Diese wurden als Variablen im Schulleitungsfragebogen erhoben. Da es sich um die Nutzung im Bereich Unterricht handelt, wären Angaben von Lehrkräften zu ihrer Nutzung der Freiräume in ihrem eigenen Unterricht aussagekräftiger und verlässlicher gewesen; doch solche Daten standen im Rahmen der Begleitforschung nicht zur Verfügung. Die Sicht der Schulleitung kann hier zu einer
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Verzerrung geführt haben, die womöglich auch die Analysen beeinflusst. Ein weiterer Aspekt, der die Interpretation erschwert, ist der relativ hohe Zusammenhang der Teamarbeit mit einem Fokus auf eine Verbesserung des Unterrichts und der Innovationsbereitschaft (r = .57). Dieser Zusammenhang deutet auf eine Multikolinearität der beiden Prädiktoren hin. Werden die Prädiktoren getrennt in den Analysen berücksichtigt, haben beide einen signifikanten Einfluss. Zusammenfassend lässt sich anhand der Befunde kein Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Nutzung von erweiterten Formen des Unterrichts bestätigen. Doch gilt es (aufgrund der nicht optimalen Erfassung der erweiterten Formen des Unterrichts) diesen Einfluss in weiteren Studien zu prüfen.
8.1.4 Diskussion zum methodischen Ansatz Im Folgenden werden einige Aspekte des methodischen Ansatzes kritisch diskutiert. Auf Basis dieser Diskussion wird im Anschluss ein idealtypisches Design zur weiteren Erforschung schulischer Steuergruppen und der Kapazität des Organisationalen Lernens vorgestellt. s Die präsentierten Analysen basieren auf Daten der wissenschaftlichen Begleitforschung des Modellvorhabens „Selbstständige Schule“ in Nordrhein-Westfalen (vgl. Holtappels et al., 2008). Das Design der Begleitforschung wurde als eine Kombination aus Längsschnitts- und Querschnittsdaten konzipiert. Da nur im Fragebogen der Lehrkräfte der Abschlusserhebung zentrale Fragen zur Arbeit der Steuergruppe und zur Kapazität des Organisationalen Lernens erhoben wurden, konnten für die Analysen ausschließlich Daten der Abschlusserhebung verwendet werden. Im Rahmen der Abschlusserhebung war es nur im begrenzten Maße möglich, Skalen und Variablen für den spezifischen Kontext dieser Arbeit zu erheben. Insgesamt können die theoretischen Dimensionen der Kapazität des Organisationalen Lernens und die Erfolgsfaktoren mit den verwendeten Skalen und Variablen gut abgebildet werden. Doch bei einigen Aspekten mussten Kompromisse eingegangen werden (vgl. Kapitel 6.1): Zum Beispiel konnten die Skalen zur Koordinationsfunktion der Steuergruppen nur als Selbsteinschätzung der Steuergruppen und die Variablen zu den Mitwirkungsmöglichkeiten der Lehrkräfte und zur Nutzung der Autonomie im Bereich Unterricht nur im Schulleitungsfragebogen erhoben werden. Dies sollte bei zukünftigen Untersuchungen optimiert werden.
8.1 Diskussion
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s Die Hypothesen zum Einfluss von Steuergruppen als Teil der Kapazität des Organisationalen Lernens auf schulische Erfolgsfaktoren im Modellvorhaben sind so formuliert, dass sie Ursache-Wirkungsbeziehung postulieren. Solche Kausalaussagen lassen sich streng genommen nur in Designs mit mehreren Messzeitpunkten empirisch überprüfen (vgl. Zimmermann, 1972). Bei den verwendeten Analysen wurde die Richtung der Ursache-Wirkungsbeziehung aufgrund theoretischer Überlegungen und bisherigen Forschungsbefunden postuliert. Diese Vorgehensweise ist in der Schulentwicklungsforschung üblich, da bisher nur wenige Längsschnittstudien in diesem Bereich existieren. Für die Ergebnisse der Analysen (vgl. Kapitel 7.3) bedeutet dies eine vorsichtige Interpretation der Befunde im Hinblick auf ihre Aussagen zur Kausalität. s Die Schulen mussten sich zusammen mit ihren Schulträgern für die Teilnahme am Projekt bewerben. Demzufolge ist davon auszugehen, dass es sich bei den beteiligten Schulen um eine positiv selegierte Stichprobe handelte, die bereit war, aktiv Schulentwicklung zu betreiben (vgl. Kapitel 5.1). Die Selektivität der Stichprobe und die zusätzliche Unterstützung der Schulen im Verlauf des Projekts gilt es bei der Interpretation und vor allem bei der Übertragbarkeit der Ergebnisse über das Modellvorhaben hinaus zu berücksichtigen. s Organisationales Lernen findet auf der Schulebene statt (vgl. Kapitel 2). Aus diesem Grund wurden die Daten der 70 Schulen auf der Schulebene aggregiert (vgl. Kapitel 6.2). Der Rücklauf bei den Lehrkräften liegt im Durchschnitt bei 46 %. Die ist kein ungewöhnlicher Wert für Befragungen von Lehrpersonen (vgl. Jäger, 2004; Jerusalem & Mittag, 1998). In den Schulen hat jedoch ein Teil der Lehrerinnen und Lehrer nicht teilgenommen, über die sind keine näheren Aussagen möglich. Auch dies gilt es bei der Interpretation zu berücksichtigen. s Für die Zusammenhangsanalysen zur Testung der Hypothesen wurden überwiegend Strukturgleichungsmodelle verwendet. Die Zuverlässigkeit der Schätzung der einzelnen Parameter und die Güte solcher Modelle sind u. a. von der Größe der Stichprobe abhängig (vgl. Reinecke, 2005). Generell gilt: je größer die Stichprobe, desto zuverlässiger ist die Schätzung. Konkrete Angaben zur Größe der benötigten Fallzahlen gibt es in der Schätztheorie jedoch nicht (vgl. Urban & Mayerl, 2003). Stattdessen werden oft Daumenregeln über die Mindestgröße von Stichproben angegeben, die in der Regel auf Simulationsstudien – z. B. von Boomsma (1982) oder Hoogland (1999) – basieren. In diesen Studien werden allerdings nur spezifische Modellspezifikationen simuliert, die teilweise deutlich von den Bedingungen konkreter Studien
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8 Diskussion und Schlussfolgerungen für die Praxis
abweichen. Aus diesem Grund sind solche Daumenregeln in der Literatur höchst umstritten (vgl. Urban & Mayerl, 2003). In dieser Arbeit steht mit N = 70 Schulen nur eine kleine Stichprobe zur Verfügung. Um die Zahl der zu schätzenden Parameter möglichst klein zu halten, wurden beim Einfluss von Steuergruppen als Teil der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte in den Schulen drei getrennte Modelle berechnet. In jedem Modell wurde ein anderes Steuerungshandeln untersucht. Zudem konnten aufgrund der geringen Fallzahlen keine Kontrollvariablen berücksichtigt werden. Mit Blick auf die o. g. Bedeutung der Stichprobengröße für die Zuverlässigkeit der Modellschätzung gilt es, die Ergebnisse der Analysen mit gebotener Vorsicht zu interpretieren. Die empirischen Befunde dieser Arbeit liefern wichtige Erkenntnisse zum Handeln und Einfluss von Steuergruppen und einer Kapazität des Organisationalen Lernens. Dabei lassen sich auch bisherige Befunde aus anderen Studien weitestgehend bestätigen (vgl. Berkemeyer & Holtappels, 2007; Marks & Louis, 1999; Marks et al., 2000). Doch aufgrund besonderer Rahmenbedingungen (wie z. B. der Selektivität der Stichprobe oder der kleinen Fallzahlen) bietet es sich für allgemeine Aussagen über das Modellvorhaben hinaus an, die empirischen Befunde in weiteren Studien zu untersuchen und zu replizieren. Unter Berücksichtigung der Diskussion sollten solche Studien idealtypisch folgende methodischen Aspekte in ihrem Design berücksichtigen: Zukünftig sollten Studien durchgeführt werden, die explizit die Untersuchung von Steuergruppen und der Kapazität des Organisationalen Lernens zum Ziel haben. Dieses Vorgehen ermöglicht es, die Konstrukte ohne Kompromisse optimal abzubilden und das Design für die spezifische Fragestellung zu konzipieren. Solche Studien sollten über eine große Stichprobe von Schulen verfügen, die unabhängig vom Einfluss eines spezifischen Schulentwicklungsprojektes oder einer Region sind und auf einer zufälligen Auswahl der Schulen beruhen. Ferner können durch die Stichprobengröße Kontrollvariablen berücksichtigt werden und das Zusammenspiel verschiedener Aspekte noch besser untersucht werden (z. B. der Einfluss der unterschiedlichen Instrumente des Change Managements). Darüber hinaus sollten solche Studien als Längsschnittstudien angelegt werden, um auch Kausalaussagen zu ermöglichen. So könnte beispielweise geprüft werden, ob die Kapazität des Organisationalen Lernens nicht nur einen (theoretisch postulierten) Einfluss auf den Unterricht hat, sondern auch inwiefern sie eine Verbesserung des Unterrichts bewirkt.
8.1 Diskussion
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8.1.5 Diskussion im Kontext von Educational Governance Das Educational Governance-Konzept ermöglicht es, Formen der Handlungskoordination zwischen und innerhalb verschiedenen Akteurskonstellationen in einem Mehrebenensystem zu untersuchen. Governance wird in diesem Kontext als Analysekonzept verstanden, welches das Problem des „koordinierten kollektiven Handelns“ (Benz, Lütz, Schimank & Simonis 2007, S. 14) zwischen Akteuren in institutionalisierten Handlungskontexten grundsätzlich in den Blick nimmt. Bei einer Governance-Analyse stehen verschiedene Modi der Steuerung und Koordination von Interdependenzen zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren auf verschiedenen Ebenen und Positionen eines Systems im Mittelpunkt. Educational Governance geht grundsätzlich davon aus, dass es zur Bewältigung spezifischer Problemlagen, die sowohl auf der Ebene einzelner Akteure als auch im Gesamtzusammenhang des Mehrebenensystems, d. h. ebenenübergreifend, beobachtbar wären, zwar alternative Lösungsmöglichkeiten prinzipiell zur Verfügung stehen; die relevante empirische Frage ist jedoch diejenige nach der Selektivität der gewählten Optionen und damit nach der Form der entsprechenden Handlungskoordination. Damit unterscheidet sich das Verständnis deutlich von einem Governance-Begriff, wie er in der Wirtschafts- oder Verwaltungswissenschaft als ein normatives Konzept im Sinne von good Governance benutzt wird (Benz 2004; Benz et al. 2007). Die Governance-Perspektive betrachtet Akteurskonstellationen „im Hinblick auf tatsächlich geschehende oder mögliche multiple Bestrebungen intentionaler Gestaltung“ (Schimank 2009, S. 237). Sie ermöglicht somit, Konstellationen quasi „aus der Vogelperspektive als Kräftefeld in den Blick“ (ebd.) zu nehmen. Diese spezifische Perspektive auf Akteurskonstellationen und deren Form der Handlungskoordination löst sich von der Beschreibungsform einer unidirektionalen Konstellation von Steuerungssubjekt und -objekt, sondern geht davon aus, dass Akteurskonstellation (fast) immer eine multidirektionale SubjektObjekt-Struktur aufweist und wechselseitige Abhängigkeit zwischen den beteiligten Akteuren existiert87. Demnach wird „jeder steuernde Akteur noch vor jeder Steuerungshandlung von Abhängigkeiten (Interdependenzen) gegenüber anderen Akteuren beeinflusst, ferner von der Beeinflussung durch Steuerungsaktivitäten anderer Akteure und die festgelegten Pfade durch eigene vorangehende Steuerungsaktivitäten. Zum anderen kann ein Steuerungsakteur in seinen konkreten Zielen nur darauf abstellen, anderen Akteuren Opportunitäten zu eröffnen und Restriktionen einzubauen, mit deren Hilfe diese anderen Akteure zu 87 Dagegen wurden Lehrkräfte in der traditionellen Steuerungsvorstellung zu Steuerungsobjekten degradiert: „Ihnen bleibt die Rolle des befolgungspflichtigen Staatspersonals, das politische Vorgaben umzusetzen hat“ (Kussau & Brüsemeister, 2007, S. 32).
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8 Diskussion und Schlussfolgerungen für die Praxis
spezifischem Handeln veranlasst werden können“ (Kussau & Brüsemeister 2007, S. 25). Diese Akteurskonstellationen strukturieren den möglichen Handlungsspielraum der Akteure, d. h. sie ermöglichen und beschränken diesen gleichzeitig. Folglich sind es nicht die einzelnen Akteure, denen de facto Handlungen zugerechnet werden können, sondern immer den spezifische Konstellationen88 (Kussau & Brüsemeister 2007). Steuerung im Sinne von Governance ist als wechselseitiges Verhältnis des Beobachtens, Beeinflussens und Verhandelns zu verstehen89 (vgl. Schimank, 2007a), das von der Koproduktion von Leistungsbeiträgen verschiedener Akteure auf unterschiedlichen Ebenen des Mehrebenensystems Schule (Ministerium auf der Landesebene, Schulaufsicht auf Bezirksebene bzw. kommunaler Ebene, Schulträger auf kommunaler Ebene, Schulleitung auf Schulebene, Lehrpersonen und Schüler auf Unterrichtsebene), die in vielfältigen, komplexen und wechselseitigen Beziehungen zueinander stehen, abhängig ist. Der Governance-Ansatz widmet sich explizit diesem „Mehrebenencharakter des Bildungssystems und [deren] Übergänge[n] zwischen den Ebenen“ (Altrichter et al. 2007, S. 11). Die Qualität von Educational Governance besteht darin, von bloßen Hierarchiemodellen innerhalb des Mehrebenensystems im Sinn der Bürokratietheorie (vgl. Weber, 1972) Abstand zu nehmen und die Perspektive zu erweitern für die 88 „Würde es nicht unserer intentionalistischen Denkweise widersprechen, so müsste man in der Sicht von Educational Governance die Handlungskapazität nicht einzelnen Akteuren zuschreiben, sondern der Akteurskonstellation als solcher. Da sie es ist, die den einzelnen Akteuren Möglichkeiten eröffnet und Grenzen setzt, ihre Handlungskapazitäten auszuspielen, sollte es heißen: Die Konstellation, nicht der Akteur handelt“ (Kussau & Brüsemeister, 2007, S. 26). 89 Mit Beobachtung, Beeinflussung und Verhandlung werden drei basale Modi der Handlungskoordination unterschieden (vgl. Lange & Schimank 2004; Schimank 2007a, 2010). Sobald zwei oder mehrere Akteure aufeinandertreffen, ist Beobachtung eine zwangsläufige Folge unter den Akteuren. Bei wechselseitiger Beobachtung vollzieht sich Interdependenzbewältigung durch Anpassung des eigenen Handelns an das Handeln anderer nur aufgrund von Beobachtung. Zwischen den Akteuren findet weder eine gezielte Beeinflussung noch eine Verhandlung statt. In Beeinflussungskonstellationen wird auf Basis von Beobachtung versucht, die Handlungsweisen des Gegenübers durch Einflusspotenziale wie Macht, Geld, Wissen usw. in Bezug auf das erwünschte Handeln zu beeinflussen. Beeinflussung setzt Beobachtung voraus und hat die Fügsamkeit des anderen Akteurs zum Ziel. Wechselseitige Beeinflussung ist im Gegensatz zur wechselseitigen Beobachtung keine zwangsläufige Folge des Aufeinandertreffens von Akteuren, sondern sie liegt strategischen Überlegungen zugrunde. Je nach Intention, Handlungsantrieb oder situativen Gegebenheiten übt ein Akteur Einfluss aus oder nicht. Verhandlung als dritte Form der Handlungskoordination setzt Beobachtung und Beeinflussung voraus. Auf Basis dieser beiden Konstellationen können durch Verhandlungen zwischen Akteuren dauerhafte Ergebnisse erzielt werden, die in Form von Beschlüssen oder Verträgen für die beteiligten Akteure bindend sind. Zweck bindender Vereinbarungen ist Erwartungssicherheit für die Akteure. Bedingung für eine Verhandlungskonstellation ist Verhandlungswilligkeit aller beteiligten Akteure und die Bereitschaft jener, die ausgehandelten Vereinbarungen einzuhalten (vgl. Feldhoff, Huber & Durrer, 2011).
8.1 Diskussion
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immanente Komplexität der Akteurskonstellationen im Schulsystem. Erkauft wird diese Erweiterung des Blicks durch einen blinden Fleck: der Frage nach der Form des Akteurs, der als relevanter Akteur im Mehrebenensystem auftritt. Im Schulsystem handeln nur kollektive Akteure, die nahezu ausschließlich formal organisiert sind. Formale Organisiertheit verleiht ihnen erst den Status als kollektiver Akteure in der Handlungskoordination, in der sie in Erscheinung treten. Die Governance-Perspektive wird dagegen selten für eine Analyse der Binnenstruktur von Organisationen und somit kollektiven Akteuren im Mehrebenensystem verwendet90. Ausnahmen bilden hier unter anderem die Überblicksbeiträge von Schimank (2007b) und Schneider (2004). Auch Schimank (2007b) weist darauf hin, dass sich die Organisationsforschung bisher „nur zögernd“ (ebd., S. 201) mitt der „organizational governance“ bzw. der intraorganisatorischen Governance befasst hat. Bei der Betrachtung dieser beiden Ansätze wird deutlich, dass ein möglicher Grund für dieses Zögern in einem nicht hinreichend geklärten Verhältnis von akteurszentrierter Governance-Analyse und Organisationstheorien liegt. Während die Governance-Analyse die Akteure in den Mittelpunkt stellt, bei der die institutionellen Regelstrukturen (Mayntz & Scharpf, 1995) lediglich Rahmenbedingungen für das Handeln der organisierten kollektiven Akteure darstellen, nehmen Organisationstheorien primär die Binnenstrukturen und Prozesse der Akteure in der Organisation in den Blick. Dagegen werden hier die interund transorganisatorischen Dimensionen weniger berücksichtigt91. Eine notwendige Integration von akteurszentrierter Governance-Analyse und Organisationstheorien steht noch aus. Sie ist ein zentrales Forschungsdesiderat der Educational Governance. Eine solche Integration war jedoch nicht Ziel dieser Arbeit und würde neben den Zielen auch den Rahmen sprengen. Das primäre Ziel dieser Arbeit lag in der Beschreibung von Strategien zur Stärkung der Schule als Organisation (Steuergruppen und Organisationales Lernen) und der empirischen Analyse, inwiefern diese Strategien im Modellvorhaben einen Beitrag zu Stärkung der Organisation liefern. Die Analyseebene war folglich die Organisation und ihre Binnenstruktur. Die Organisationsanalyse wurde anhand von Organisationstheorien (vgl. Kapitel 1.2) und den darauf aufbauenden Ansätzen des Organisationalen Lernens (vgl. Kapitel 2) durchgeführt. 90 Der Forschungsgegenstand organisatorischer Governance geht über die Untersuchung von Formen und Mechanismen innerhalb von Organisationen hinaus (intraorganisatorische Governance). Forschungsgegenstand können auch formale Organisationen als Mechanismen gesellschaftlicher Governance sein. Im Analysefokus steht dann, welchen „Beitrag Organisationen zur gesellschaftlichen Interdependenzbewältigung leisten, also vor allem zur Abstimmung zwischen den verschiedenen Teilsystemen der modernen Gesellschaft“ (Schimank, 2007b, S. 205). 91 Eine Ausnahme bildet hier der Neo-Institutionalismus (vgl. Mayer & Rowan, 1977; Di Maggio & Powell, 1983).
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Educational Governance spielt, wie eben skizziert, seine Stärken vor allem in der Betrachtung des Mehrebenensystems aus. In dieser zusätzlichen Perspektive des Mehrebenensystems liegt der Mehrwert von Educational Governance für diese Arbeit92. Das Modell der Kapazität des Organisationalen Lernens weist in der Dimension „Austausch mit der schulischen Umwelt“ explizit auf die Notwendigkeit der Passung und des Austausches der Schule mit ihrer Umwelt hin. Das Mehrebenensystem Schule ist somit zwar in der Umwelt mitgedacht, doch auf den Beitrag, den die unterschiedlichen Akteure auf den einzelnen Ebenen des Systems zum Lernen der Organisation Schule leisten können, wird nicht eingegangen. Berkemeyer (2009) gibt diesbezüglich für den Kontext des Modellvorhabens mit seiner Analyse der Steuerungs- und Unterstützungsarchitektur wichtige Hinweise (vgl. Abb. 33).
Abbildung 33: Aufbauorganisation des Modellvorhabens (in Anlehnung an Berkemeyer, 2009; Projektleitung „Selbstständige Schule“, 2004, S. 47) 92 Innerhalb des Schulsystems agiert die Einzelschule als kollektiver Akteur (vgl. Schimank, 2002b).
8.1 Diskussion
301
Nach Altrichter, Brüsemeister und Wissinger (2007) gilt es im Kontext von Educational Governance zu fragen, inwiefern die einzelnen Akteure im Modellvorhaben (Ministerium, Bertelsmann Stiftung, Projektvorstand, Projektleitung, Schulaufsicht, Schulträger, regionale Steuergruppe, regionale Bildungsbüros) durch ihr Handeln direkt oder indirekt das Organisationale Lernen in den Schulen beeinflusst haben und welche Effekte dieses Handeln hatte; intendierte, nicht intendierte und transintentionale Effekte. Auf der Ebene des Ministeriums beginnt eine solche Analyse bereits bei der Konzeption des Modellvorhabens zusammen mit der Bertelsmann Stiftung. Denn die Konzeption gibt den Rahmen für das Organisationale Lernen der Schulen im Modellvorhaben vor. Neben den rechtlichen Regelungen der erweiterten Handlungsspielräume (vgl. Kapitel 1.3) gilt es, die in der Konzeption festgelegten Funktionen der im Schulsystem bereits bestehenden Akteure (Ministerium, Schulaufsicht, Schulträger) sowie neuer Akteure (Projektvorstand und -leitung, Bildungsbüros, regionale Steuergruppen, schulische Steuergruppen) sowie der Steuerungs- und Unterstützungsinstrumente (Kooperationsvereinbarungen, regionale Entwicklungsfond usw.) in den Blick zu nehmen. Hierzu zählt z. B. die Verpflichtung der Schulen, eine „Steuergruppe“ einzurichten. Die Einrichtung stellt erst einmal eine Veränderung der Organisationsstruktur dar und beeinflusst die Kapazität des Organisationalen Lernens der Dimension „Organisationsstruktur“. In Bezug auf ihre Funktion im Modellvorhaben tangiert sie die Dimension „Führung und Management“ sowie in Bezug auf ihre spezifische Funktion bei der Unterrichtsentwicklung die Dimensionen „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ sowie „Wissen und Fertigkeiten“. Neben der Analyse der Konzeption und rechtlichen Rahmenbedingungen können die einzelnen Akteurskonstellationen und deren Formen der Handlungskoordination in Bezug auf das Organisationale Lernen der einzelnen Schulen in verschiedenen Phasen des Modellvorhabens untersucht werden (Abb. 34). Die Linien der Abbildung 34 deuten auf die Handlungskoordination der einzelnen Akteurskonstellationen und sind im Sinne der Annahme der wechselseitigen Abhängigkeit immer auch als gegenseitige Einflusspotenziale zu verstehen. Folgende exemplarische Fragestellungen sind für die Untersuchung der Akteurskonstellationen mithilfe der basalen Modi der Handlungskoordination in Hinblick auf das Organisationale Lernen in den Schulen des Modellvorhabens von Interesse. Bei jeder dieser Fragen gilt es zusätzlich in den Blick zu nehmen: Welche Akteure/-konstellationen sind in welcher Form, mit welcher Wirkung beteiligt? s Welche Handlungsfreiräume im Sinne von Selbstständigkeit werden für die Schulen im Rahmen von Verhandlung (z. B. mit Projektleitung, Schulaufsicht und Schulträger) geschaffen bzw. eingeschränkt?
302
8 Diskussion und Schlussfolgerungen für die Praxis
MSW
Ministerium für Schule und Weiterbildung
SchA
BST
Bertelsmann Stiftung
RGSTG regionale Steuergruppe
Schulaufsicht
PV
Projektvorstand
BB
Bildungsbüro
PL
Projektleitung
ST
Schulträger
Abbildung 34: Akteurskonstellation im Modellvorhaben „Selbstständige Schule“
Im Sinne von Governance deuten die Handlungsfreiräume auf den Modus der Verhandlung hin. Im Rahmen der Kooperationsvereinbarungen sollten die Schulen zu Beginn des Projekts zusammen mit der Projektleitung ihre Ziele und die Nutzung der gesetzlichen Handlungsfreiräume aushandeln. Dies sollte sich im Laufe des Projekts fortsetzen. Für das Organisationalen Lernen stellt sich die Frage, welche Wirkungen die Verhandlungsprozesse selbst und deren Ergebnisse auf das Lernen in den unterschiedlichen Dimensionen haben (z. B. Freiräume im Bereich Unterricht, vor allem auf die Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“; Freiräume im Bereich Personal, vor allem auf die Dimension „Führung und Management“).
8.1 Diskussion
303
s Welche Wirkungen hat Beobachtung (z. B. Daten der Begleitforschung) im Sinne eines Feedbacks auf die Selbstbeobachtung und Reflexion der Schulen in Bezug auf ihre eigene Entwicklung und ihr Lernen? (Dimension „Qualitätssicherung und Zielüberprüfung“). s In welcher Form findet Beeinflussung durch die umfangreichen Fortbildungen auf das Lernen der Schulen in den unterschiedlichen Dimensionen statt? – Welche Möglichkeiten hatten die Schulen, mitzubestimmen, in welchen Bereichen und in welcher Form sie Fortbildung wünschen? Werden die Schulen von der Projektleitung als eigenständige kollektive Akteure im Sinne von „Selbstständigen Schulen“ wahrgenommen, oder werden sie eher als „Agenten“ im Sinne des PrincipalAgenten-Ansatzes angesehen? – Welchen Einfluss hat der Grad der Mitbestimmung im Bereich Unterrichtsentwicklung im Sinne von Selbstorganisation bzw. -steuerung auf den Aufbau organisationalen Wissens und professioneller Lerngemeinschaften (Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ sowie „Wissen und Fertigkeiten“)? – Welchen Einfluss haben die Fortbildungen im Bereich der Steuergruppen und Schulleitungen auf die Kapazität des Organisationalen Lernens der Dimension „Führung und Management“? Inwieweit ist es der Projektleitung gelungen, ihre Projektphilosophie über die Fortbildungen in die Schulen zu transferieren? Welchen Einfluss hat dies auf das Lernen in den Schulen? Diese exemplarischen Fragen verdeutlichen die steigende Komplexität, wenn das Mehrebenensystem mit seinen Akteuren im Kontext von Organisationalem Lernen zusätzlich in den Blick genommen wird. Der spezifische Analysefokus auf das Modellvorhaben lässt sich ohne Weiteres auch auf andere Mehrebenensysteme der Schule (z. B. Nordrhein-Westfalen nach dem Modellvorhaben oder andere Bundesländer bzw. Länder) übertragen. Governance bietet die Möglichkeit, die jeweils relevante93 schulische Umwelt und den wechselseitigen Einfluss von Schule und Umwelt im Kontext des Organisationalen Lernens im Mehrebenensystem detailliert zu beschreiben und zu analysieren.
93 Die relevante schulische Umwelt muss für die spezifische Fragestellung und Analyse definiert werden. So sind in manchen Fällen Eltern und Schüler die relevante Umwelt, während in anderen Fällen Bürokratie, Jugendhilfe oder Ausbildungsbetriebe die relevante Umwelt darstellen.
304
8 Diskussion und Schlussfolgerungen für die Praxis
8.1.6 Beitrag der Arbeit zur Forschung zum Organisationalen Lernen in Schulen Leithwood und Louis (2000) haben im Kontext der Forschung zum Organisationalen Lernen in der Schule drei zentrale Probleme benannt, die es zukünftig zu bearbeiten gilt. Zum Abschluss dieses Diskussionskapitels soll aufgezeigt werden, inwiefern diese Arbeit zur Bearbeitung dieser Probleme beigetragen hat. 1. Das Kontextproblem Die allgemeinen Ansätze des Organisationalen Lernens lassen sich auf verschiedenste Organisationen in den verschiedensten Kontexten anwenden (vgl. Kapitel 2.1.2). Sie sind hilfreich, um grundsätzliche Fragen des Lernens von und in Organisationen zu beschreiben. Doch für die Beantwortung spezifischer Fragen – zum Beispiel zur Förderung von Organisationalem Lernen in der Schule oder deren Einfluss auf Schulentwicklung – müssen diese allgemeinen Ansätze kontextualisiert werden. Es gilt die spezifischen Besonderheiten der Schule zu berücksichtigen. Das Kontextproblem wurde auf verschiedene Weise bearbeitet: Zunächst wurden mit der Darstellung der drei Modernisierungsphasen (vgl. Kapitel 1.1) die spezifischen Kontextbedingungen und Anforderungen an die Schulen als Organisation beschrieben. Dem folgte eine Analyse der Schule als soziale Organisation (vgl. Rolff, 1993) bzw. Profibürokratie (vgl. Mintzberg, 1992; Kapitel 1.2) und der Identifizierung eines Organisationsdefizits unter dem Primat der Veränderung in der dritten Modernisierungsphase. Ausgehend von dieser Analyse wurde mit Bezug auf allgemeine Ansätze des organisationalen Wandels und des Organisationalen Lernens sowie theoretischen und empirischen Befunden zum Organisationalen Lernen in der Schule ein Modell zur Kapazität des Organisationalen Lernens in der Schule adaptiert und weiterentwickelt (vgl. Kapitel 2.2.3). Folglich wurde dem spezifischen schulischen Kontext sowohl durch die vorherige Analyse der Schulorganisation als auch durch ein hierauf basierendes spezielles Rahmenmodell einer Kapazität des Organisationalen Lernens in der Schule Rechnung getragen. 2. Das Evidenzproblem Das Evidenzproblem beschreibt die mangelnde empirische Erforschung des Organisationalen Lernens im Allgemeinen (vgl. Weick & Westley, 1996) und im speziellen schulischen Kontext (vgl. Leithwood & Louis, 2000) sowie die geringe empirische Validierung bisheriger Befunde.
8.2 Schlussfolgerungen für die Praxis
305
Das Evidenzproblem wurde in zweierlei Hinsicht bearbeitet: Zum einen wurden durch die empirische Analyse in dieser Arbeit bestehende Befunde – zu den Dimensionen der Kapazität des Organisationalen Lernens und zum Einfluss dieser auf den Unterricht – bestätigt. Zum anderen konnten mit den Analysen zum Einfluss der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Selbststeuerungsfähigkeit der Schule sowie auf die Nutzung und Bewertung der Nutzung von Formen erweiterter Selbstständigkeit neue empirische Erkenntnisse generiert werden. Diese wurden durch das spezifische Design um neue Erkenntnisse zur Beziehung der Dimensionen untereinander ergänzt. 3. Das Strategieproblem Das Strategieproblem betrifft die Schulpraxis. Leithwood und Louis (2000) weisen darauf hin, dass die Schulen weiterhin vor ihren täglichen Herausforderungen stehen und nicht warten können, bis zweifelsfrei alle Zusammenhänge und Effekte zum Organisationalen Lernen in der Schule erforscht sind. Demnach gilt es vor allem Bedingungen zu erforschen, wie Organisationales Lernen in der Schule gefördert werden kann, bzw. wie Schulen sich zu lernenden Schulen entwickeln können. Durch den besonderen Fokus auf Steuergruppen als Change Agents wurde auch ein Beitrag zum Strategieproblem geliefert. Steuergruppen fördern mit ihren fünf Instrumenten in Verbindung mit der Schulleitung im Rahmen der Dimension „Führung und Management“ das Organisationale Lernen in den anderen Dimensionen. Im internationalen Kontext stellen schulische Steuergruppen einen neuartigen Akteur dar, der als Change Agent zusammen mit der Schulleitung das Organisationale Lernen innerhalb der Schule gezielt aufbauen und forcieren kann.
8.2 Schlussfolgerungen für die Praxis Aus den theoretischen und empirischen Befunden dieser Arbeit lassen sich einige Konsequenzen für die Schulpraxis ableiten: Eine Steuerung des Schulwesens, die vermehrt auf Outputsteuerung und externe Evaluation setzt (vgl. Altrichter et al., 2007), ist darauf angewiesen, dass Schulen ein hohes Maß an Selbststeuerungsfähigkeit besitzen, damit sie die Vorgaben in eigener Verantwortung erfüllen können (vgl. Kapitel 1). Doch wie in dieser Arbeit beschrieben, ist die organisationale Verfasstheit von Schulen im deutschsprachigen Raum nicht darauf ausgelegt, systematisch und dauerhaft die eigene Entwicklung voranzutreiben. Die Schulen benötigen Strategien, um diese Selbststeuerungsfähigkeit zu erlangen. Die empirischen Befunde dieser Arbeit
306
8 Diskussion und Schlussfolgerungen für die Praxis
weisen darauf hin, dass eine Kapazität des Organisationalen Lernens und schulische Steuergruppen als Teil dieser Kapazität die Selbststeuerungsfähigkeit der Schule fördern können. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass die Kapazität des Organisationalen Lernens durch die Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation“ in Form von professionellen Lerngemeinschaften und auch durch die Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ in Form der Durchlässigkeit des Wissens den Unterricht positiv beeinflusst. Der Argumentation von Rolff (2009) folgend, muss Systemsteuerung und Outputorientierung durch Gestaltung und Entwicklung der Einzelschulen ergänzt werden. Das in dieser Arbeit entwickelte theoretische Modell der Kapazität des Organisationalen Lernens (vgl. Kapitel 2.2.3) mit seinen sieben Dimensionen kann den Schulen Orientierung geben und zur kritischen Reflektion dienen, welche Aspekte sie aktivieren, ändern oder verbessern müssen. Schulische Steuergruppen und die Schulleitung spielen eine Schlüsselrolle in diesem Prozess. Sie fördern das Lernen in diesen Dimensionen. Dabei agieren Steuergruppen als Change Agent, die als Gremium des Kollegiums die Entwicklung mittels fünf Instrumenten (Partizipation des Kollegiums, Informations- und Wissensmanagement, Beratung und Unterstützung des Kollegiums, Koordination der Schulentwicklungsprozesse und zielbezogenes Handeln) steuern, indem sie die Organisations- und Professionsebene miteinander verbinden und wechselseitig füreinander aufschließen. Das Modell von Steuergruppen als Change Agent kann Schulen ebenfalls helfen, ihre Arbeit zu verbessern. Das Konzept der Kapazität des Organisationalen Lernens kann auch von der externen Evaluation und den Unterstützungssystemen genutzt werden. Aus den hier eingesetzten Skalen und Variablen kann ein Diagnoseinstrument entwickelt werden, um im Rahmen der externen Evaluation den Entwicklungsstand der Schulen zu überprüfen. Auf Basis dieser Diagnose können Schulen spezifische Unterstützungsangebote erhalten. Denn die Befunde zeigen auch, dass in einigen Schulen des Modellvorhabens noch ein deutlicher Entwicklungsbedarf bei der Kapazität des Organisationalen Lernens besteht. Stellt man in Rechnung, dass die Schulen bereits vor Beginn des Modellvorhabens über Erfahrungen im Bereich Schulentwicklung verfügten, so ist davon auszugehen, dass eine „Durchschnittsschule“ tendenziell nicht eine höhere Kapazität des Organisationalen Lernens besitzt. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Schulen beim Aufbau einer Kapazität des Organisationalen Lernens und der Einführung von Steuergruppen Unterstützung benötigen. Im Modellvorhaben erhielten die Schulen eine Vielzahl von Unterstützung durch Ressourcen, Qualifizierung, Beratung und Entlastung. Die Befunde der Begleitforschung zeigen beispielsweise, dass die Qualifizierung der Steuergruppen einen positiven Einfluss auf die Einschätzung deren Wirksamkeit aus Sicht der Lehrkräfte haben (vgl. Feldhoff, 2008).
8.2 Schlussfolgerungen für die Praxis
307
Die Ergebnisse zur Kapazität des Organisationalen Lernens deuten darauf hin, dass Schulen vor allem in folgenden Bereichen Unterstützung benötigen (vgl. Kapitel 7.2; Kapitel 8.1.2): s der Gestaltung von Strukturen, die Kooperation in der Schule ermöglichen, fördern und auch erfordern, s der Etablierung von professionellen Lerngemeinschaften und der Unterrichtsentwicklung, s der Gestaltung einer systematischen Personalentwicklung und Fortbildungsplanung, s der unterrichtsbezogenen Führung der Schulleitung, s der Nutzung von Instrumenten des Change Managements durch die Steuergruppe, s dem Aufbau eines internen Qualitätssicherungssystems und dem Umgang mit externen Daten über die Schule, s dem Austausch und der Kooperation mit anderen Schulen und Einrichtungen, s der aktiven Beteiligung von Lehrkräften an der Entwicklung der Schule im Sinne einer kooperativen Autonomie. Es ist zu vermuten, dass es den Schulen zum Teil an Wissen und Kompetenzen in diesen Bereichen fehlt, zum Teil aber auch an der richtigen Strategie, dieses Wissen und diese Kompetenzen in Schulentwicklung umzusetzen. Daher scheint es als zentral, dass Schulen nicht nur Unterstützung durch Qualifizierungsmaßnahmen erhalten, sondern auch durch konkrete Beratung. Dabei kann diese durch verschiedenste Akteure erfolgen (professionelle Schulentwicklungsberater, Experten aus der Schuladministration und Wissenschaft oder durch andere Schulen). Die Nutzung der fünf Instrumente des Change Managements sollte zukünftig Bestandteil der Qualifizierung der Steuergruppen sein. Weiterhin deuten die Befunde zum Organisationalen Lernen auch darauf hin, dass sich das Verständnis von Schulentwicklung in den Schulen ändern muss – weg von einer ungeliebten Zusatzaufgabe hin zu einem zentralen Bestandteil von Schule (vgl. Krainz-Dürr, 1999). Ein Erfolg versprechender Weg könnten hier neue Arbeitszeitmodelle sein, die die Schulentwicklungsarbeit explizit berücksichtigen, und Lehrkräfte, die sich engagieren, im Bereich der Unterrichtsverpflichtung entlasten und Anreize für ein stärkeres Engagement bieten.
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9.2 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21: Abbildung 22: Abbildung 23: Abbildung 24: Abbildung 25: Abbildung 26: Abbildung 27: Abbildung 28: Abbildung 29: Abbildung 30: Abbildung 31: Abbildung 32: Abbildung 33: Abbildung 34:
Ziele des Modellvorhabens Vollständiger Zyklus des Wahlverhaltens (vgl. March & Olsen, 1975, S. 337 f.; Wiegand, 1998, S. 188) Single-loop und double-loop learning Kreislauf des ISPs (Dalin et al., 1998, S. 267) Senge-Dreieck – Architektur der lernenden Organisation (Rolff, 1998, S. 318) Dimensionen von Change Management (Holtappels, 2007, S. 23) Sechs Dimensionen einer Kapazität des Organisationalen Lernens (vgl. Marks et al., 2000) Summe der Einflüsse auf den Organisationalen Lernprozess (vgl. Leithwood, Leonard et al., 2000, S. 106) Sieben Dimensionen der Kapazität Organisationalen Lernens Gewährung und Nutzung schulischer Freiräume Aufgabenprofil von schulinternen Steuergruppen (Holtappels, 2007, S. 30) Steuergruppe in der Aufbauorganisation der Schule („Innenarchitektur“) (nach Rolff 2007, S. 189) Strukturell angelegte Kommunikationswege schulischer Steuergruppen im Institutionellen Schulentwicklungs-Programm (ISP) (nach Berkemeyer et al., 2007, S. 74) Konstitutionsmerkmal schulischer Steuergruppen (Berkemeyer et al., 2007, S. 79) Einfluss von Merkmalen der Organisationskultur und der schulinternen Steuerung auf die unterrichtsbezogene Lehrerkooperation (Berkemeyer & Holtappels, 2007, S. 135) Design der Begleitforschung für die Sekundarstufenschulen Einfaktorielles Messmodell mit zwei manifesten Variablen (vgl. Reinecke, 2005) Einfaktorielles Messmodell mit manifesten Variablen und korrelierten Messfehlern Strukturmodell mit zwei latenten Variablen ohne Darstellung der Messmodelle Strukturmodell mit drei latenten Variablen ohne Darstellung der Messmodelle Strukturmodell mit vier latenten Variablen ohne Darstellung der Messmodelle Scree-Plot der Eigenwerte der Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ Scree-Plot der Eigenwerte der Dimension „Führung und Management“ Scree-Plot der Eigenwerte der Dimension „Qualitätssicherung und Zielüberprüfung“ Modell zum Einfluss von Steuergruppe und Schulleitung als Teil der Kapazität des Organisationalen Lernens auf veränderte Arbeitsroutinen Modell 1 zum Einfluss der Steuergruppe als Teil der Kapazität des Organisationalen Lernens auf Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte Modell 2 zum Einfluss der Steuergruppe als Teil der Kapazität des Organisationalen Lernens auf Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte Modell 3 zum Einfluss der Steuergruppe als Teil der Kapazität des Organisationalen Lernens auf Verankerung und Nachhaltigkeit der Projekte Modell zum Einfluss von Steuergruppe und Schulleitung als Teil der Kapazität des Organisationalen Lernens auf den Mathematikunterricht Modell zum Einfluss von Steuergruppe und Schulleitung als Teil der Kapazität des Organisationalen Lernens auf den Deutschunterricht Einfluss des Schulleitungshandelns als Teil der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Personal- und Sachmittelbudgetierung Einfluss des Schulleitungshandelns als Teil der Kapazität des Organisationalen Lernens auf die Bewertung der Schulleitung als erweiterter Dienstvorgesetzter Aufbauorganisation des Modellvorhabens (in Anlehnung an Berkemeyer, 2009; Projektleitung „Selbstständige Schule“, 2004, S. 47) Akteurskonstellation im Modellvorhaben „Selbstständige Schule“
35 57 62 85 87 99 112 114 132 137 147 149 153 155 162 191 227 231 232 232 233 240 242 244 259 262 264 266 270 272 274 276 300 302
9.3 Tabellenverzeichnis
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9.3 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13: Tabelle 14: Tabelle 15: Tabelle 16: Tabelle 17: Tabelle 18: Tabelle 19: Tabelle 20: Tabelle 21: Tabelle 22: Tabelle 23: Tabelle 24: Tabelle 25: Tabelle 26: Tabelle 27: Tabelle 28: Tabelle 29: Tabelle 30: Tabelle 31: Tabelle 32: Tabelle 33: Tabelle 34: Tabelle 35: Tabelle 36: Tabelle 37: Tabelle 38:
Formen Organisationalen Lernens nach Hedberg (Hedberg, 1981, S. 10) Kapazität Organisationalen Lernens: Zusammenhang von Domänen der Lehrerpartizipation innerhalb und zwischen Schulen. Eine Zwei-Ebenen-Analyse mit HLMa (Marks & Louis, 1999, S. 725) Kapazität Organisationalen Lernens und Pädagogische Qualität Kapazität Organisationalen Lernens und Pädagogische Qualität Schulstrukturelle Elemente, die Organisationales Lernen fördern (Leithwood, Jantzi & Steinbach, 2000, S. 77) Schulkulturelle Elemente, die Organisationales Lernen fördern (Leithwood, Jantzi & Steinbach, 2000, S. 77) Funktionen von schulischen Steuergruppen aus Lehrer- und Steuergruppensicht (Berkemeyer & Holtappels, 2007, S. 128) Zusammenhänge zwischen Einschätzungen des Kollegiums zur Schulqualität und der schulischen Steuergruppe zum Messzeitpunkt 2004 (Berkemeyer & Holtappels, 2007, S. 131) Befragung und Testung der unterschiedlichen Akteursgruppen im Verlauf des Modellvorhabens Überblick über die Rückläufe der in der Arbeit verwendeten Daten Verteilung der selbstständigen Schulen nach Schulform (vgl. Kanders, 2008) Kollegiumsgröße, Anzahl an Schülerinnen und Schülern sowie Anzahl der Klassen Alter der Schulleiterinnen und Schulleiter (in Prozent) Jahre als Schulleiterin oder als Schulleiter an der Schule tätig (in Prozent) Alter der Lehrerinnen und Lehrer (in Prozent) Ausübung des Lehramts im Schuldienst (ohne Referendariat) in Jahren Anzahl der Dienstjahre an der Schule der Lehrerinnen und Lehrer Funktion, die die Lehrkräfte in der Schule ausüben (in Prozent) Alter der Steuergruppenmitglieder Ausübung des Lehramts im Schuldienst (ohne Referendariat) in Jahren Mitgliedschaft in der Steuergruppe seit … Größe der Steuergruppe, Aufwand der Steuergruppensitzungen Tagungshäufigkeit der Steuergruppen im Durchschnitt in Prozent Persönlicher Aufwand der Steuergruppenarbeit sowie Entlastungsstunden Funktionen, die die Steuergruppenmitglieder in der Schule ausüben (in Prozent) Übersicht der eingesetzten Variablen und Skalen zur Abbildung der Dimensionen 1–3 Übersicht der eingesetzten Variablen und Skalen zur Abbildung der Dimensionen 4 Übersicht der eingesetzten Variablen und Skalen zur Abbildung der Dimensionen 5–7 Übersicht der eingesetzten Variablen und Skalen zur Abbildung der Erfolgsfaktoren im Modellvorhaben Cutt-Off-Werte für die einzelnen Fit-Werte (vgl. Hu & Bentler, 1999; Reinecke, 2005) Eigenwerte und Gesamtvarianz Komponentenmatrix der Hauptkomponentenanalyse, Kriterium Eigenwert (hj < 1) Eigenwerte und Gesamtvarianz Komponentenmatrix der Hauptkomponentenanalyse, Kriterium Anzahl der Faktoren 1 Eigenwerte und Gesamtvarianz Komponentenmatrix der Hauptkomponentenanalyse, Kriterium Eigenwert (hj < 1) Eigenwerte und Gesamtvarianz Komponentenmatrix der Hauptkomponentenanalyse, Kriterium Anzahl der Faktoren 1
66 108 110 110 115 119 159 161 192 195 197 198 199 199 199 200 200 201 201 202 202 203 203 204 204 210 214 217 220 229 239 239 240 240 241 241 242 243
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Tabelle 39: Eigenwerte und Gesamtvarianz Tabelle 40: Komponentenmatrix der Hauptkomponentenanalyse, Kriterium Anzahl der Faktoren 1 Tabelle 41: Eigenwerte und Gesamtvarianz Tabelle 42: Komponentenmatrix der Hauptkomponentenanalyse, Kriterium Eigenwert (hj < 1) Tabelle 43: Eigenwerte und Gesamtvarianz Tabelle 44: Komponentenmatrix der Hauptkomponentenanalyse, Kriterium Eigenwert (hj < 1) Tabelle 45: Dimension „Struktur“ Tabelle 46: Dimension „Struktur“ Tabelle 47: Dimension „Gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen und Kooperation im Kollegium“ Tabelle 48: Dimension „Wissen und Fertigkeiten“ Tabelle 49: Dimension „Führung und Management – Schulleitungshandeln“ Tabelle 50: Dimension „Führung und Management – Steuergruppenhandeln“ Tabelle 51: Dimension „Qualitätssicherung und Zielüberprüfung“ Tabelle 52: Dimension „Austausch mit der schulischen Umwelt“ Tabelle 53: Dimension „Partizipation“ Tabelle 54: Dimension „Partizipation“ Tabelle 55: Ergebnisse der binären logistischen Regression zur Modellierung der Nutzung von Autonomie im Bereich „Stundenplanmäßige Verankerung des Teamunterrichts“
243 244 245 245 245 246 247 248 249 250 252 253 254 255 256 256 277