Nr. 361
Sklaven des 3. Planeten Der Kundschafter von Ruoryc auf Atlans Spuren von H. G. Francis
Pthor, der Kontinent ...
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Nr. 361
Sklaven des 3. Planeten Der Kundschafter von Ruoryc auf Atlans Spuren von H. G. Francis
Pthor, der Kontinent des Schreckens, der dank Atlans und Razamons Eingreifen der Erde nichts anhaben konnte, liegt nach jäh unterbrochenem Hyperflug auf Loors, dem Planeten der Brangeln, in der Galaxis Wolcion fest. Pthors Bruchlandung, die natürlich nicht unbemerkt geblieben war, veranlaßte Sperco, den Tyrannen von Wolcion, seine Diener, die Spercoiden, auszuschicken, damit diese den Eindringling vernichten. Daß es ganz anders kam, als Sperco es sich vorstellte, ist allein Atlans Eingreifen zu verdanken. Denn der Arkonide übernahm beim Auftauchen von Spercos Dienern sofort die Initiative und ging systematisch daran, die Macht des Tyrannen zu unter graben. Inzwischen haben dank Atlans Hilfe die von Sperco Unterdrückten ihre Freiheit wiedererlangt. Der Tyrann von Wolcion ist tot. Er starb in dem Augenblick, als sein Raumschiff bei der Landung auf Loors zerschellte. Während Atlan, der als einziger die Schiffskatastrophe überlebte, sich zusammen mit »Feigling«, seinem mysteriösen neuen Gefährten, auf den mühevollen Rückweg zur FESTUNG macht, wenden wir uns Algonkin-Yatta, dem Kundschafter von Ruo ryc, und Anlytha, seiner Gefährtin, zu. Atlans Spuren beharrlich folgend, haben die beiden so ungleichen Wesen die Ga laxis Wolcion erreicht und stoßen auf die SKLAVEN DES 3. PLANETEN …
Sklaven des 3. Planeten
3
Die Hautpersonen des Romans:
Algonkin-Yatta - Der Kundschafter von Ruoryc auf Atlans Spuren.
Anlytha - Algonkin-Yattas Gefährtin.
Garkö und Trössö - Zwei rivalisierende Goonies.
Veltosc - Ein Spercoide, der über Atlan Informationen besitzt.
1. »Da ist etwas«, meldete Loggy, indem er Anlytha diese Gedanken denken ließ. Anlytha richtete sich unwillkürlich auf. Ihre Blicke fielen auf die ovalen Bild- und Ortungsschirme. »Tatsächlich«, entfuhr es ihr. Der Tonfall machte deutlich, daß sie nicht damit gerech net hatte, bereits im sternenarmen Raum am Rand der fremden Galaxis, die das Kund schafterschiff erreicht hatte, auf irgend et was zu stoßen. Algonkin-Yatta betrat die Zentrale. Kein Muskel bewegte sich in seinem schwarzen Gesicht. »Ein Raumschiff«, stellte er fest. Der Kundschafter hatte eine blau-schwarz schimmernde Haut, zu der die stahlblauen Augen in einem lebhaften Kontrast standen. »Vielleicht bekommen wir ein paar Infor mationen.« Algonkin-Yatta war auf der Suche nach Atlan, den er schrankenlos bewunderte. Jah relang schon folgte er dem Arkoniden. Jetzt glaubte er, ihm dicht auf der Spur zu sein. Das fremde Raumschiff war tonnenförmig und sah plump aus. Algonkin-Yatta führte eine Reihe von Fernmessungen durch und kam zu dem Schluß, daß es sich bei dem Raumschiff um eine primitive Ausführung handelte, von der keine Gefahr ausging. Gelassen führte er das Kundschafterschiff an den fremden Raumer heran. Dabei be mühte er sich, über Funk Kontakt mit den Insassen zu bekommen. Vergeblich. »Sie schweigen sich aus«, stellte Anlytha fest. »Und sie driften antriebslos.« »Die Energiemessungen zeigen aber an, daß die Systeme an Bord arbeiten«, bemerk te Algonkin-Yatta. »Es muß jemand an Bord
sein.« Er führte den eigenen Raumer längsseits, nachdem er Kurs und Geschwindigkeit an gepaßt hatte. Dann verließ er die Zentrale und legte einen Raumanzug an. Seine Ge fährtin Anlytha begleitete ihn wie selbstver ständlich. Auch sie streifte sich einen Raum anzug über. Algonkin-Yatta beobachtete sie, als sie mit geschickter Hand die letzten Ver schlüsse betätigte. Zögernd steckte er eine Waffe in eine der Taschen seines Raumanzugs. Der Kund schafter von Ruoryc war ein bärenstarker Mann, der eine Waffe grundsätzlich nur ein setzte, wenn er gar keine andere Möglichkeit mehr sah, sich zu behaupten. Anlytha klemmte einen Teil ihres weißen Federschopfes im Raumhelmverschluß ein, öffnete den Helm noch einmal und ver schloß ihn erneut. Dann wechselte sie zu sammen mit dem Mathoner zu dem tonnen förmigen Raumschiff hinüber. An einer Art Haltestange zogen sie sich am Schiff entlang bis zu einem Schleusenschott, das mit einer primitiven Hebelmechanik versehen war. Mühelos ließ es sich öffnen. Dahinter lag ei ne Schleusenkammer, die groß genug für sie beide war. Algonkin-Yatta schob seine Begleiterin sanft hinein, folgte ihr und schloß das Schott. »Sauerstoffatmosphäre«, stellte er kurz darauf fest, als Atemluft durch die Ventile in die Kammer schoß. Irgend etwas prallte polternd gegen das Innenschott der Schleuse. »Hat da jemand geschrien?« fragte Anly tha. Der Mathoner antwortete mit einer vagen Geste. Er hatte nichts gehört. Als der Außendruck hoch genug war, öff nete der Kundschafter den Raumhelm.
4 »Das werden wir gleich wissen«, sagte er. Quietschend glitt das Innenschott zur Sei te und gab den Blick frei auf eine echsen ähnliche Gestalt, die bewegungslos auf dem Boden lag. Das Wesen hatte einen flachen, langgestreckten Kopf. Aus den leicht geöff neten Lippen lugten scharfe Reißzähne her vor. Blut sickerte aus einer Wunde an der Kehle. Algonkin-Yatta beugte sich über das We sen und legte ihm die Hand an den Hals. »Tot«, erklärte er, als er sich wieder auf richtete. »Wie schrecklich«, entgegnete Anlytha mit schriller Stimme. »Was ist hier nur pas siert?« »Das werden wir bald wissen«, bemerkte er, während er über den Toten hinwegstieg und sich in Richtung Bug bewegte, wo er die Hauptleitzentrale des Schiffes vermutete. »Es stinkt hier«, stellte Anlytha nase rümpfend fest. »Und die Luft ist feucht.« »Wir haben es mit Wesen zu tun, die sich offenbar nur bei hoher Luftfeuchtigkeit wohl fühlen. Ich finde nicht, daß es unangenehm riecht.« »Es stinkt«, wiederholte sie. Demonstrativ schloß sie den Helm ihres Raumanzugs. Er ging nicht auf ihre Worte ein, da er wußte, daß sie nicht so gemeint waren, wie sie sich anhörten. Vor einem verschlossenen Schott blieb er stehen. Er deutete auf einige Blutflecken auf dem Boden. Anlytha stellte sich mit dem Rücken an die Seitenwand des Ganges und nickte ihm zu. Algonkin-Yatta legte seine Hand an einen Hebel neben dem Schott und drückte ihn nach unten. Leise zischend glitt das Schott zur Seite. Es gab den Blick auf ein reptilienartiges Wesen frei, das hochaufgerichtet vor ihnen stand und mit beiden Händen eine Waffe hielt. Die Augen des Fremden waren ge schlossen, und die Mündung der Waffe zeig te auf den Boden. Es war offensichtlich, daß sich der Fremde nur noch mit letzter Kraft auf den Beinen hielt. Auch er hatte eine
H. G. Francis Wunde am Hals, aus der Blut hervorpulsier te. Der Kundschafter trat schnell auf den Fremden zu und entriß ihm die Waffe. Aufschreiend fuhr der Verletzte zurück. Drohend zeigte er die Zähne, während er in instinktiver Abwehr die Arme hob. Algonkin-Yatta warf die Waffe zur Seite, um dem Verletzten zu zeigen, daß er nicht daran dachte, sie einzusetzen. Er streckte ihm die Hand entgegen. »Ich möchte Ihnen helfen«, erklärte er. Er hatte nur wenig Hoffnung, daß der Fremde ihn auch verstand. Sie befanden sich in einer Galaxis, in der er noch niemals zu vor gewesen war und die keinerlei Verbin dung mit der Milchstraße hatte. Daher war es äußerst unwahrscheinlich, daß der po sitronische Translator Informationen über die Sprache der hier lebenden Intelligenzen hatte. Krächzende Laute kamen aus dem Ra chen des Verletzten. Das Reptilienwesen bäumte sich auf, dann brach es zusammen und blieb tot auf dem Boden liegen. »Warum hat er sich nicht hingelegt, um sich behandeln zu lassen?« klagte Anlytha. »Vielleicht hätte ich ihm helfen können.« Sie stutzte und horchte in sich hinein. Ge dankenverloren öffnete sie danach den Raumhelm. Sie schien den strengen Geruch nicht mehr zu bemerken, der überall in der Luft lag. Anlytha wußte, daß sie gewisse chirurgi sche Fähigkeiten hatte. Diese hatte sie be reits bewiesen. Doch sie erinnerte sich nicht daran, woher sie diese hatte. Algonkin-Yatta hatte sie aus ihrem hava rierten Raumschiff irgendwo zwischen den Sternen geborgen. Er hatte sie gerettet, aber sie hatte ihm nicht sagen können, wer sie war. Sie hatte die Erinnerung verloren und bisher auch nicht wiedererlangt. Der Kundschafter gab ihr ein Zeichen, still zu sein. Wortlos ging er weiter. Sie be fanden sich auf einem etwa fünfzehn Meter langen Gang, der an einem offenen Schott endete. Algonkin-Yatta sah allerlei techni
Sklaven des 3. Planeten sches Gerät, wie es gemeinhin zum Instru mentarium einer Leitzentrale gehörte. Daher nahm er an, daß sie die Zentrale des Raum schiffs erreicht hatten. Er wollte sich ruhig verhalten, um eventu ell noch Überlebende nicht in Angst und Schrecken zu versetzen. Er wollte sie nicht zu unkontrollierten Handlungen verleiten, sondern hoffte, sie überraschen und damit gewaltsame Auseinandersetzungen verhin dern zu können. Er nahm den Lähmstrahler in die Hand. Dann betrat er die Zentrale. Er bemerkte auf den ersten Blick, daß al les auf die Zahl Drei abgestimmt war. In der Zentrale standen drei Andrucksessel. Alle technischen Einrichtungen waren dreifach vorhanden. In einem der Sessel saß ein reptilienähnli ches Wesen. Seine linke Hand lag auf der Armlehne des Sessels. Dem Kundschafter fiel auf, daß diese Hand nur drei Finger hat te. Der Sessel schwenkte herum. Das Reptilienwesen war verwundet wie die anderen auch, doch es schien bessere Chancen zu haben. Neben ihm auf dem Bo den lag eine Waffe. Algonkin-Yatta war klar, daß diese Waffe nicht benutzt werden sollte. Er steckte den Lähmstrahler weg und hob die Hand zu einem Zeichen des Friedens. Dabei beobachtete er sein Gegenüber genau. Er sah, daß er eine Stichwunde an der rech ten Seite hatte, die schwach blutete. Die Au gen des Reptilienwesens waren jedoch noch lebhaft und wach, so daß der Kundschafter hoffte, noch rechtzeitig gekommen zu sein. Anlytha entdeckte eine offene Lade mit allerlei Verbandszeug. Sie erriet, daß der Verletzte bereits versucht hatte, sich selbst zu verbinden, es aber nicht geschafft hatte. Sie nahm einige Binden an sich und schob Algonkin-Yatta zur Seite, während dieser damit begann, den Translator für die Kom munikation vorzubereiten. Der Verletzte begriff. Er gab eine Reihe von Lauten von sich und zeigte dem Kundschafter dann ein Gerät
5 am Hauptleitpult des Raumschiffs. Minuten später gelang es Algonkin-Yatta bereits, ei nige Worte verständlich zu machen. »Wir sind Freunde«, erklärte er. »Wir wollen helfen.« Das Reptilienwesen akzeptierte, zumal der Kundschafter und seine Begleiterin durch ihr Verhalten bereits gezeigt hatten, daß sie keine feindlichen Absichten hegten. Etwa eine halbe Stunde verstrich. Dann glaubte der Kundschafter, genügend Infor mationen gewonnen zu haben, so daß er ein Gespräch beginnen konnte. »Was ist geschehen?« fragte er. »Weshalb wurde an Bord gekämpft?« »Du hast die anderen gefunden?« »Ich habe sie gefunden. Sie sind tot.« Die Nachricht schien das Reptilienwesen mit tiefer Befriedigung zu erfüllen. »Es mußte so kommen«, erklärte es. »Wer gegen den Geist der Dämonen verstößt, kann nicht ohne Antwort bleiben.« »Wohin fliegt dieses Schiff?« fragte Al gonkin-Yatta, der begriff, daß es über religi ösen Fragen zum Streit gekommen war. »Das Schiff hat kein Ziel mehr«, erwider te der Verletzte. »Wir wollten die Galaxis Wolcion verlassen, um in einer anderen Sterneninsel ein neues Leben zu beginnen.« Auch zu dieser Äußerung schwieg der Kundschafter. Ihm war klar, daß der Raumer den Abgrund zwischen den Galaxien nie mals überwinden konnte. Dazu reichte die Ausrüstung nicht aus. »Wir befinden uns also in der Galaxis Wolcion, deiner Heimat«, erwiderte der Ma thoner. »Sie ist nicht mehr meine Heimat«, er klärte das Echsenwesen. Seine schwärzliche Haut glänzte feucht. »Der Tyrann Sperco hat das Leben unerträglich gemacht. Er be herrscht fast alle Welten dieser Galaxis. Wir waren entschlossen, lieber den Tod zwi schen den Sterneninseln zu finden, als unter der Herrschaft dieses Tyrannen zu leben. Er hat mit Hilfe der Spercoiden Angst und Schrecken verbreitet.« Ein Schwächeanfall unterbrach den Ver
6 letzten. Er sank im Sessel zurück und schloß die Augen. Anlytha zweifelte nicht daran, daß er ster ben würde. Das gab sie dem Kundschafter durch Zeichen auch zu verstehen. Die Ver letzung war zu schwer, und verschiedene Anzeichen deuteten darauf hin, daß er unter inneren Blutungen litt. Diese konnte sie nicht stillen, wenn sie nicht operierte. Eine Operation war jedoch völlig ausgeschlossen. Sie verfügte weder über das notwendige In strumentarium, noch über das erforderliche Wissen über den biologischen Aufbau des Fremden, um genügend Chancen für eine Rettung zu haben. »Es gibt allerdings ein Gerücht«, fuhr der Verletzte nach einigen Minuten fort, ohne die Augen zu öffnen. »Es besagt, daß die Macht des Tyrannen Sperco von Fremden gebrochen worden ist.« »Wer sind die Fremden?« fragte Algon kin-Yatta. »Wie sehen sie aus? Sind es Ech senwesen, so wie du?« »Ich weiß es nicht«, antwortete der Ster bende. »Es gibt keine Informationen dar über, nur ein Gerücht.« Der Kundschafter wollte weitere Fragen stellen, doch Anlytha legte ihm ihre Hand an den Arm. »Er stirbt«, flüsterte sie. Tatsächlich erschlaffte der Fremde. Sein Kopf sank nach unten, und er starb innerhalb weniger Sekunden. »Was soll man davon halten?« fragte An lytha. »Das werden wir vielleicht bald wissen«, sagte der Kundschafter. »Dann willst du dich hier umsehen?« fragte sie. »Natürlich.« Algonkin-Yatta ließ keinen Zweifel dar an, daß er sich über diese Galaxis informie ren wollte. »Du glaubst, daß die Fremden, die die Macht Spercos gebrochen haben, Atlan und seine Freunde sind«, sagte sie. Der Kundschafter schüttelte den Kopf. »Dafür gibt es nicht den geringsten Be-
H. G. Francis weis. Wir werden uns hier ein wenig umse hen. Danach wissen wir vielleicht schon eher, ob es sich lohnt, für einige Zeit in die ser Galaxis zu bleiben.« Er setzte sich an den Computer der Leit zentrale und nahm die Arbeit auf, während Anlytha die Zentrale nach Dingen durch suchte, die sie mitgehen lassen konnte.
* Sieben Planeten umkreisten die gelbe Sonne. »Seltsam«, sagte der Kundschafter, als er sich dem Sonnensystem so weit genähert hatte, daß Einzelheiten auszumachen waren. »Zwischen dem dritten und dem vierten Pla neten ist irgend etwas.« Sie hatten das tonnenförmige Schiff der Echsenwesen verlassen. Es trieb weiterhin dem Rand der Galaxis zu und würde diese innerhalb der nächsten zwei Jahre verlassen. Dann würde es sich in der Unendlichkeit zwischen den Galaxien verlieren. »Es sieht aus wie Teppiche von schlan genförmigen Gebilden«, sagte Anlytha. Das Kundschafterschiff verzögerte. Auf den ovalen Bildschirmen zeichneten sich seltsame Szenen ab. Zwischen den schlan genförmigen Gebilden waren humanoide Gestalten zu erkennen. »Der dritte und der vierte Planet sind Sau erstoffwelten«, stellte der Kundschafter fest. »Die Humanoiden dürften also Sauerstoffat mer sein.« »Was ist das?« fragte Anlytha. »Was hat das zu bedeuten?« Sie deutete auf die schlangenförmigen Gebilde, die sie auf den Bildschirmen erkennen konnte. »Sieht aus wie eine Weltraumfarm«, ent gegnete er. Vorsichtig führte er das Kundschafter schiff näher an die Gebilde heran, die einen beträchtlichen Teil des Weltraums zwischen den beiden Planeten ausfüllten. Minuten später waren weitere Einzelhei ten auszumachen. Jetzt trennten Algonkin-Yat ta nur noch etwa einhunderttausend Kilome
Sklaven des 3. Planeten ter von den Gebilden. »Es sind Eier in den Schläuchen«, rief Anlytha. »Sie pulsieren.« Auch der Kundschafter erkannte nun, daß die vermeintlichen Schlangen Schläuche wa ren, die aus einem transparenten Material bestanden. In regelmäßigen Abständen be fanden sich eiförmige Gegenstände darin. Diese pulsierten. »Ich kann mir das nicht erklären«, sagte das Mädchen. »Was machen die Humanoi den da?« »Ich weiß es nicht«, erwiderte er. »Irgend etwas wird da erzeugt. Es scheint von erheb licher Bedeutung für die Humanoiden zu sein, denn sonst würde man kaum diesen Aufwand betreiben.« Das Raumschiff erzitterte. Sonnenhelle Blitze zuckten über die Bild schirme, und eine Alarmpfeife heulte auf. Ir gendwo zerplatzte eine Plastikscheibe. Ein Schott öffnete sich, und gleichzeitig ver schwammen die Bilder auf den Schirmen. Flammende Lichter zeigten Algonkin-Yatta an, daß das Raumschiff einen Treffer erhal ten hatte. Anlytha zeigte auf einen der Ortungs schirme. Mehrere pfeilförmige Raumschiffe zeich neten sich darauf ab. Sie näherten sich mit rasender Geschwindigkeit. »Ich war ein wenig zu unvorsichtig«, be merkte der Kundschafter gelassen. Er be schleunigte. Das Raumschiff jagte auf den vierten Planeten zu und entzog sich damit dem Angriff der pfeilförmigen Schiffe, die ihm nicht folgen konnten. »Ich hätte besser aufpassen müssen«, er klärte Algonkin-Yatta. »So etwas darf nicht passieren. Es hätte uns auch schlimmer er wischen können.« Er stellte fest, daß die pfeilförmigen Raumschiffe die Verfolgung bereits aufge geben hatten. Offenbar glaubten die Huma noiden, daß er keine Gefahr mehr für sie darstellte. Der Mathoner überprüfte das Schiff mit Hilfe der positronischen Einrichtungen. Ver
7 ärgert stellte er fest, daß beträchtlicher Scha den entstanden war. Der Triebwerksbereich war gefährdet. Er mußte dringend überholt werden. Das konnte durch die robotischen Einrichtungen geschehen. Darum brauchte er sich nicht zu kümmern. Er kam jedoch nicht umhin, auf dem vier ten Planeten zu landen und das Kundschaf terschiff dort für einige Zeit allein zu lassen, so daß die Roboter die Reparaturen in Ruhe durchführen konnten. Er wollte die Zeit nutzen, sich ein wenig auf dem Planeten umzusehen. Er hoffte, Hinweise auf Atlan zu finden. Die Aussich ten, schon auf dem ersten Planeten der Gala xis Wolcion, den er betrat, auf eine Spur des Arkoniden zu stoßen, war denkbar gering. Dennoch wollte er nichts unversucht lassen. Der vierte Planet war nur dünn besiedelt. Algonkin-Yatta entdeckte einige Städte von beträchtlichen Ausmaßen. Auf dem freien Land aber gab es kaum Siedlungen. Auffal lend waren große und flache Gebäude mit transparenten Dächern, die überall in den gemäßigten Zonen des Planeten errichtet worden waren. »Wir müssen uns mit der Landung beei len«, bemerkte Anlytha, als sie den Planeten halb umkreist hatten. Sie deutete auf ein blinkendes Instrument. »Da unten werden Raumschiffe für den Start vorbereitet. Die Energieausschüttung ist eindeutig.« Der Kundschafter nickte nur. Er hatte bereits ein Gebirge mit zahlrei chen tiefen Schluchten ausgemacht, das sich als Versteck für das Raumschiff hervorra gend eignete. Mehrere Warnzeichen mach ten ihn darauf aufmerksam, daß er vorsichtig landen mußte. Dadurch verlor er kostbare Zeit, die seine Jäger nutzen konnten. Als sich das Raumschiff in eine über drei hundert Meter tiefe Schlucht senkte, ortete der Kundschafter vier aufsteigende Raumer. Er führte das eigene Schiff in eine mächtige Grotte, in der es vor direkter Sicht von oben geschützt war. Dann schaltete er alle Syste me aus. »Wenn sie nicht genau verfolgt haben, wo
8 wir gelandet sind, erwischen sie uns nicht«, erklärte er. »Alles weitere können wir den Robotern überlassen.« »Was hast du vor?« fragte sie. »Ich werde herausfinden, was in den fla chen Gebäuden mit den transparenten Dä chern ist«, antwortete er. »Und ich werde klären, was die eiförmigen Gebilde im Welt raum zu suchen haben.« Der Kundschafter verzichtete auf die Pfadfinderkapsel, die er üblicherweise bei Einsätzen auf einem Planeten benutzte, und verließ das Raumschiff zusammen mit Anly tha mit Fluggeräten, die er und seine Beglei terin sich auf den Rücken schnallten. Lautlos wie Schatten stiegen sie an den senkrechten Felswänden der Schlucht auf und glitten danach über nackte Felsen hin weg bis zu einem Berggipfel. Hier fanden sie hinter allerlei Geröll und Eisfeldern eine ausreichende Deckung. Algonkin-Yatta baute tragfähige Ortungs geräte auf und suchte damit die Umgebung ab. Bald stellte er fest, daß zahlreiche Raum schiffe starteten und landeten. »Lebhafter Verkehr zwischen dem dritten und vierten Planeten«, sagte er. »Uns scheint man vergessen zu haben.« »Vielleicht glauben sie, daß wir erledigt sind«, entgegnete sie. »Auf jeden Fall glaubt man nicht, daß wir eine Gefahr darstellen.« Sie verstauten die Ortungsgeräte am Rand der Schlucht, dann schwebten sie über die Berghänge den weiten Ebenen im Norden zu, auf der zahlreiche jener Gebäude stan den, die ihnen aufgefallen waren. Die Berge fielen steil ab. Flechtenartige Gewächse und verkrüppelte Bäume reichten bis in eine Hö he von über viertausend Metern an den Hän gen hinauf. Zu den Füßen der Berge weite ten sich fruchtbare Ebenen mit ausgedehnten Laubwäldern, die nur selten von kultivierten Abschnitten unterbrochen wurden. »Es scheint in letzter Zeit einige Wald brände gegeben zu haben«, bemerkte Anly tha und zeigte auf ausgedehnte, schwarze Bereiche, in denen der Wald durch Feuer
H. G. Francis zerstört worden war. »Niemand scheint sich darum gekümmert zu haben.« »Das ist kein Wunder«, entgegnete der Kundschafter. »Der Planet ist nur dünn be siedelt.« An einem Strom endeten die Waldflä chen. Auf der anderen Seite des Gewässers begann savannenartiges, teilweise auch ver stepptes Land. Am nördlichen Ufer des Stromes, am Rand der Savanne jagten Flugsaurier. Sie se gelten über dem Wasser und stürzten sich in die Tiefe, sobald sie Beute erspähten. Al gonkin-Yatta und seine Begleiterin beobach teten, daß sie armlange Fische aus den Flu ten holten. Die Flugsaurier sahen so gefährlich aus, daß der Kundschafter und das Mädchen es vorzogen, sie in weitem Bogen zu umflie gen.
2. Als Algonkin-Yatta und seine Begleiterin einen weiten Flußbogen umflogen hatten, sahen sie sich einem steil aufsteigenden Ufer gegenüber, auf dem zu Hunderten riesige Flugsaurier nisteten. Die Tiere waren etwa zehnmal so groß wie die anderen, die sie ge sehen hatten. Ihre Flügel erreichten Spann weiten von dreißig Metern und mehr. Die mit mächtigen Zähnen bewehrten Rachen boten ein bedrohliches Bild. Anlytha fuhr unwillkürlich zurück. »Warte«, rief Algonkin-Yatta ihr zu. »Ich glaube, sie sehen schlimmer aus, als sie sind.« »Ich verschwinde lieber, bevor ich mich verspeisen lasse«, antwortete sie. »Sieh doch mal genau hin«, riet er ihr. »Sie scheinen friedfertig zu sein. Sie zanken sich nicht einmal um ihre Beute.« Die beiden landeten auf einer kleinen In sel mitten im Fluß, wo Bäume und Büsche ihnen ein wenig Schutz boten. Von hier aus konnten sie die Flugsaurier gut beobachten. »Es sind Drachen«, sagte Anlytha. »Mich wundert nur, daß sie nicht auch Feuer spei
Sklaven des 3. Planeten en.« Der Mathoner lächelte über ihre Bemer kung. »Mir sind noch keine feuerspeienden Le bewesen begegnet«, erwiderte er. »So etwas gehört wohl in den Bereich der Sagen und Märchen.« »Überhaupt nicht«, ereiferte sie sich. »Ich erinnere mich deutlich an …« Er blickte sie überrascht an, und sie stock te. »Du erinnerst dich?« fragte er. In ihren Augen blitzte es auf, und der wei ße Federkamm richtete sich hoch auf. »Natürlich«, sagte sie. »Ich habe sie nach dem Unfall gesehen.« Er wußte, daß sie schwindelte, und ver zichtete auf weitere Fragen. Er wollte ihr den Spaß nicht verderben, er wollte aber auch nicht noch mehr von den Flugsauriern ablenken. Diese lösten sich plötzlich von der Anhöhe und stiegen, heftig mit den Hautflü geln schlagend, auf. Der Mathoner fürchtete bereits, entdeckt worden zu sein, als das Wasser oberhalb der Insel zu brodeln be gann. »Dort mündet ein unterirdischer Fluß«, stellte Algonkin-Yatta verblüfft fest. Grünliches Wasser schoß donnernd aus der Tiefe hoch. Ein Wasserberg von etwa zehn Metern Höhe entstand, und eine schäu mende Flutwelle breitete sich mit beängsti gender Geschwindigkeit aus. Im Wasser zuckte und zappelte es von vielfältigem Le ben. Der Kundschafter sah Fische und kra kenähnliche Tiere von gewaltigen Dimen sionen. Der Schwarm der Drachen stürzte sich kreischend und brüllend auf das Wasser. Hunderte von Krallen packten zu und bargen die reiche Beute, die der unterirdische Strom herbeigeschwemmt hatte. Algonkin-Yatta und seine Begleiterin stie gen rasch auf. Sie sahen, wie die Flutwelle unter ihnen hinwegrollte und die Insel über schwemmte, auf der sie eben noch gestan den hatten. Im Wasser drängten sich die Lei ber von riesigen Fischen dicht an dicht. Die
9 Tiere erreichten eine Länge von über drei Metern und entwickelten eine gewaltige Kampfkraft gegen die Drachen. »Weg hier«, schrie Algonkin-Yatta. »Es wird zu eng.« Sie stiegen steil in die Höhe, blickten aber ständig nach unten, fasziniert von dem Mas senkampf, der sich unter ihnen entwickelt hatte. Der Strom war bedeckt mit flatternden Riesensauriern. Einige Tiere hatten ihre Beute bereits ans Ufer geschleppt. Hier ließen sie sie achtlos fallen und kehrten zum Strom zurück, um sich noch mehr zu holen. Kein Saurier ver griff sich an der Beute eines anderen. Futter neid schien es nicht zu geben. Algonkin-Yatta wurde von Neugierde ge packt. Er wollte mehr über die Flugdrachen wissen, die sich so ungewöhnlich verhielten. Er flog zu einem Hügel, der etwa zweihun dert Meter von der Steilküste entfernt war. Von hier aus konnte er die Tiere beobachten. »Sie sind ausgesprochen friedfertig«, stellte er fest, nachdem er sie fast eine Stun de lang beobachtet hatte. Einige Drachen flogen über sie hinweg, blickten zu ihnen herunter, griffen jedoch nicht an. »Für uns besteht keine Gefahr.« Anlytha seufzte. »Ich bleibe nicht länger hier«, sagte sie. »In den Städten gibt es wahrscheinlich viel zu sehen. Ich möchte es mir nicht entgehen lassen.« »Ich habe nicht vor, noch länger zu blei ben«, entgegnete er. »Ich glaube, ich weiß jetzt genug über diese Drachen. Also. Wie wär's mit einer gemeinsamen Besichtigung der Gebäude mit den transparenten Dä chern?« »Da bin ich sofort dabei«, erklärte sie. Sie wollten ihr Versteck verlassen, als plötzlich einige der Saurier von der Steilkü ste starteten und in langem Gleitflug bis zu einer sandigen Senke flogen. Dort landeten sie, preßten sich gegen den Boden und leg ten Eier ab. Das alles geschah überraschend schnell und machte den Eindruck einer spontanen Reaktion, so daß die Neugierde
10 Algonkin-Yattas erneut geweckt wurde. »Ich weiß nicht, was daran sei interessant sein soll«, sagte Anlytha unwillig. »Die Flugsaurier legen Eier. Das ist doch nicht ungewöhnlich – oder?« »Durchaus nicht«, erwiderte er. »Ungewöhnlich aber ist, daß dort drüben un ter den Bäumen mehrere Fahrzeuge stehen. Wir sind nicht die einzigen Beobachter.« Anlytha spähte zu der Stelle hinüber, die er ihr bezeichnet hatte. Sie entdeckte die Fahrzeuge sofort, obwohl sie sich kaum vom Grün der Bäume und Büsche abhoben. Ne ben den Fahrzeugen standen humanoide Ge stalten, die plump und ungefüge wirkten, als ob sie mit Raumanzügen bekleidet seien. Anlytha fiel auf, daß mit jedem dieser Fahr zeuge nur einer der Fremden gekommen war. »Die Drachen merken nichts davon, daß wir sie beobachten«, stellte der Mathoner fest. »Das will ich noch akzeptieren. Die da drüben aber müßten sie wittern.« »Vielleicht wissen sie, daß von ihnen kei ne Gefahr droht.« »Das wäre möglich«, gab der Kundschaf ter zu. »Dennoch ist kaum zu verstehen, daß sie überhaupt nicht reagieren.« »Vielleicht haben sie keinen Geruchssinn. Vielleicht merken sie tatsächlich nichts.« »Oder sie sind überaus friedfertig.« Die Drachen verscharrten die abgelegten Eier, hielten sich noch einige Minuten lang unruhig in ihrer Nähe auf, eilten dann jedoch mit eigenartig watschelnden Bewegungen einen Hügel hinauf und erhob sich mit mächtigem Flügelschlag in die Luft. Sie hat ten Startschwierigkeiten, da es ihnen nicht gelang schnell genug Auftrieb zu gewinnen. Einige rannten nach einem vergeblichen Startversuch in die Ebene hinaus, wobei sie immer wieder in die Höhe hüpften, bis es ih nen endlich gelang, sich in die Luft zu schwingen. Einige aber schafften es trotz größter An strengungen nicht. Anlytha lachte silberhell auf, als sie sah, wie die Drachen zu Boden stürzten und dann einige Meter weit auf dem
H. G. Francis Bauch rutschten. »Es ist nicht zu fassen«, sagte sie. »Ich begreife nicht, daß sie vom Wasser aus star ten konnten, wo sie es noch schwerer hat ten.« Algonkin-Yatta lächelte. »Vielleicht liegen einige von ihnen noch immer im Wasser«, erwiderte er. »Willst du nachsehen?« Sie schüttelte den Kopf. Mit verengten Augen blickte sie zu den plump wirkenden Gestalten und den Fahrzeugen hinüber. Mehr und mehr Flugsaurier starteten und verschwanden in der Weite des Landes. Als etwa eine Stunde verstrichen war, hielten sich nur noch vier Drachen an der Steilküste auf. Die plump wirkenden Gestal ten warteten noch bei ihren Fahrzeugen. Im gleichen Moment rauschte es in der Luft. Die Sonne verdunkelte sich, und ein unübersehbarer Schwarm von feuerroten Vögeln senkte sich über dem Gebiet herab, in dem die Saurier ihre Eier abgelegt hatten. Die Vögel waren klein im Vergleich zu den Drachen. Sie hatten nur eine Flügelspann weite von etwa einem Meter. Sie gruben ihre Krallen und Schnäbel in den sandigen Bo den und wühlten die Eier der Saurier hoch. Algonkin-Yatta sah, daß sie sie mit wuch tigen Schnabelhieben zerschmetterten. Anlytha schrie auf. Sie schlug um sich, um die Vögel abzuwehren, die sie bedräng ten. Die Tiere versuchten, ihr mit Schnabel hieben den Schädel zu zertrümmern. Dem Mathoner erging es nicht anders. Auch über ihn fielen die Vögel her. Algonkin-Yatta ruderte mit beiden Armen und hielt die flatternden Tiere auf diese Weise von sich. Er konnte jedoch nicht ver hindern, daß sie ihm mit ihren scharfen Schnäbeln die Handrücken aufrissen. Doch darauf achtete er zunächst nicht. Er beobachtete die plumpen Gestalten, die mit den Fahrzeugen gekommen waren. Jetzt erkannte er, daß sie Schutzanzüge trugen. An den Helmen prallten die Schnäbel wir kungslos ab. Die Gestalten arbeiteten sich durch die
Sklaven des 3. Planeten heftig kämpfenden Vögel vor. Rücksichtslos schossen sie auf die Tiere. Dünne Energie strahlen fuhren in das Gefieder, und der Ge ruch verbrannten Fleisches wehte zu Algon kin-Yatta hinüber. Dieser vergaß in seiner Empörung über das brutale Verhalten der Fremden die Gefahr, in der er sich selbst be fand. Erst als Anlytha sich gegen ihn warf und ihm eine Warnung ins Ohr schrie, fuhr er herum. Ein besonders großer Vogel stürzte sich mit ausgestreckten Krallen auf ihn. Er schlug mit der flachen Hand gegen einen der Flügel und drückte das Tier auf diese Weise zur Seite, ohne es zu verletzen. »Den Lähmstrahler nehmen«, rief das Mädchen ihm zu, während es ihre Waffe einsetzte und sich Luft verschaffte. Inner halb weniger Sekunden stürzten etwa hun dert Vögel um sie herum auf den Boden. Doch das reichte noch nicht. Andere Tiere drängten laut kreischend nach, so daß sie wieder und wieder schießen mußten. Dann endlich schienen die Tiere zu begreifen, daß es besser war, ihnen auszuweichen. Der Mathoner fand wieder Zeit, die plum pen Gestalten zu beobachten. »Sie stehlen die Eier«, sagte Anlytha und fuhr sich er schöpft mit der Hand über den Federkamm auf ihrem Kopf, als wolle sie prüfen, ob auch noch alle Federn da waren. »Bestimmt nicht, weil sie gut schmecken«, erwiderte der. Kundschafter und hielt sich die Nase zu. Ein nahezu uner träglicher Gestank ging von den zerbroche nen Sauriereiern aus. »Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, daß irgend jemand die Eier verzehrt.« »Die Vögel tun es«, antwortete sie. »Vögel haben manchmal einen seltsamen Geschmack«, entgegnete er mit einem an züglichen Blick auf ihren Federkamm. »Eben«, sagte sie, lächelte und blickte ihn nicht weniger anzüglich an. »Wäre es nicht so, wäre ich längst über alle Berge.« Den Unbekannten in den Schutzanzügen war es gelungen, eine Reihe von unversehr ten Sauriereiern zu bergen, nachdem sie ei
11 nige hundert Vögel getötet und die meisten anderen vertrieben hatten. Sie schleppten die Eier zu den Fahrzeugen, wo sie sie augen blicklich in Stahlkästen verstauten, so daß sie nicht mehr beschädigt werden konnten. »Es ist erstaunlich, daß die Drachen sich unter diesen Umständen überhaupt noch ver mehren«, sagte Anlytha. »Normalerweise müßten sie längst ausgerottet sein – jeden falls, wenn so etwas ständig passiert.« »Vielleicht leisten diese Wesen in den Schutzanzügen Hilfe«, entgegnete der Kundschafter. »Vielleicht müssen sie so hart durchgreifen, damit sie wenigstens einige Eier retten. Ohne ihre Hilfe wären die Sauri er möglicherweise längst ausgestorben.« Anlytha war nachdenklich geworden. »Daran habe ich überhaupt noch nicht ge dacht«, gestand sie. »Es hat mich gegen die Fremden aufgebracht, daß sie die Vögel so rücksichtslos töten.« Die paralysierten Vögel erholten sich all mählich wieder. Einige von ihnen flüchteten auf ihren Beinen ins Gebüsch oder auf eine offene Sandfläche hinaus. Dabei verhielten sie sich so ungeschickt, daß sie immer wie der umfielen. »Wir verschwinden«, sagte Algonkin-Yat ta, als er sah, daß die Gestalten in den Schutzanzügen aufmerksam wurden. »Die Vögel verraten uns.« Eilig entfernte er sich mit Anlytha. In der Deckung der Büsche und Bäume schwebte er davon, umkreiste die Sandfläche mit den Eiern und suchte ein anderes Versteck auf, von dem aus er die unförmigen Gestalten ebenfalls beobachten konnte. »Sie haben unsere Spuren gefunden«, stellte Anlytha beunruhigt fest. »Aber sie suchen nicht weiter. Die Eier sind ihnen wichtiger.« Die plump wirkenden Gestalten kehrten auf die Sandfläche zurück und vertrieben die Vögel, die erneut einfielen. Sie durchwühl ten den Sand und entdeckten noch einige Sauriereier. Es gelang ihnen, sie zu bergen und in die Fahrzeuge zu bringen. Danach suchten sie die Gegend, in der
12 sich der Kundschafter und das Mädchen auf gehalten hatten, mit einem kastenförmigen Gerät ab, hielten sich aber nicht lange auf, sondern kehrten zu ihren Fahrzeugen zurück und starteten. »Wir folgen ihnen«, entschied Algonkin-Yat ta. »Wahrscheinlich ist das genau das, was sie erwarten.« »Vermutlich, aber das stört uns nicht. Wir bleiben weit genug hinter ihnen. Außerdem bin ich sicher, daß wir ihnen entkommen, wenn wir wollen. Wir sind ihnen mit unse ren Fluggeräten überlegen.« Er schaltete das Fluggerät ein und startete. Dicht über dem Boden flog er zu der Stelle hinüber, an der die Fahrzeuge gestanden hat ten. Anlytha folgte ihm. Der Mathoner untersuchte die Spuren der Fremden. Er hoffte, ein paar Gegenstände zu finden, die sie weggeworfen hatten, weil er glaubte, daraus Rückschlüsse auf sie ziehen zu können, doch er wurde enttäuscht. Nur die unförmigen Abdrücke ihrer Füße und die Spuren der Reifen waren noch im Sand zu sehen, sonst nichts. Sie flogen in nördliche Richtung. Weit vor ihnen stiegen Staubfahnen auf, die ver rieten, wo die Wagen der Fremden waren. Der Kundschafter und das Mädchen stiegen höher auf, um eine bessere Übersicht zu ge winnen. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie uns völlig vergessen haben«, sagte Anlytha. »Irgendwann werden sie versuchen, uns zu überrumpeln.« Algonkin-Yatta antwortete nicht. Ihm fiel auf, daß eines der Fahrzeuge nach Westen abbog und sich von der Kolonne der anderen entfernte. Das Land unter ihm wurde felsig und unübersichtlicher. An vereinzelten Stel len erhoben sich Bäume, die aussahen, als würden sie von blauem Moos überwuchert. Der Kundschafter wurde unruhig. »Irgend etwas stimmt nicht«, sagte er. »Ich glaube, sie versuchen uns abzulenken.« Er ließ sich tiefer absinken, so daß er sich nur noch etwa zehn Meter über dem Boden
H. G. Francis befand. Anlytha folgte ihm zögernd. Sie fühlte sich in größerer Höhe sicherer, weil sie glaubte, dort nicht so leicht von den Energiestrahlen der Wesen in den Schutzan zügen erreicht zu werden. Er winkte ihr zu, um ihr zu verstehen zu geben, daß sie sich ebenfalls absinken lassen sollte. In dieser Sekunde stieg ein grünlich schimmerndes Energiefeld von einem der Bäume auf und umfing ihn. Im gleichen Moment versagte sein Flug gerät, und Algonkin-Yatta stürzte ab. Anly tha schrie auf, als sie es sah. Der Kundschaf ter von Ruoryc breitete die Arme aus und fing sich geschickt mit den Beinen ab. Sein an hohe Schwerkraft gewöhnter Körper wur de mühelos mit der Belastung fertig. Er blickte sofort zu Anlytha hoch, als er sicher auf den Beinen stand. Auch zu ihr schoß ein grünes Energiefeld hoch, hüllte sie ein und setzte ihr Fluggerät außer Betrieb. Schreiend stürzte sie aus etwa zwanzig Metern Höhe ab. Algonkin-Yatta rannte einige Meter weit zur Seite, streckte die Arme aus und fing sie auf. Hinter dem Baum kamen einige unför mig wirkende Gestalten hervor. Sie hatten ihre Schutzhelme aufgeklappt, so daß der Kundschafter ihre hellen Gesichter sehen konnte. Er bemerkte aber auch die Waffen in ihren Händen. Er ließ Anlytha nicht auf den Boden herab, sondern rannte mit ihr davon. Die Bewaffneten schossen hinter ihm her. Helle Energiestrahlen zuckten an ihm vor bei. Er spürte den Gluthauch, der von ihnen ausging und lief noch etwas schneller. Dabei sprang er mal zur einen, mal zur anderen Seite, um die Schützen zu irritieren, und ent wickelte dabei die Schnelligkeit eines Renn pferdes. Bevor die ungestalten Fremden recht begriffen, was geschah, war er ihnen bereits entkommen. Er verschwand mit Anlytha zwischen den Büschen und Bäumen. Die Schützen rannten etwa dreißig Meter weit hinter ihm her, dann sahen sie ein, daß sie ihn nicht mehr errei chen konnten, und gaben die Jagd auf. Sie kehrten zu dem Baum zurück, hinter
Sklaven des 3. Planeten dem sie vorgekommen waren, stiegen in ein dort abgestelltes Fahrzeug und fuhren da von. Es schien, als hätten sie nun jegliches Interesse an dem Kundschafter und seiner Begleiterin verloren. Algonkin-Yatta setzte Anlytha nach eini ger Zeit ab, als er sicher war, daß er nicht mehr verfolgt wurde. »Ich möchte wissen, wie sie es geschafft haben, die Antigrav-Geräte so einfach außer Betrieb zu setzen«, sagte er. Sein Atem ging nur ein wenig schneller als sonst. Anlytha stemmte die Fäuste in die Seiten. »Das ist alles?« fragte sie. »Ich wäre fast umgekommen, und du interessierst dich nur für die Fluggeräte.« Er sah sie erstaunt an. »Du wärst fast umgekommen?« entgegne te er. »Wann?« Sie gab es auf, noch länger über dieses Thema zu reden. Ärgerlich nahm sie den Rückentornister ab und öffnete die Verschlüsse des Flugge räts, um den Schaden zu untersuchen.
3. »Herr, verzeihe deinem unwürdigen Die ner, daß er dich stört«, sagte der Sklave, während er auf die Knie sank und den Kopf neigte. »Ich habe eine wichtige Botschaft für dich. Das allein ist der Grund für meine Rücksichtslosigkeit.« Garkö, Erster Brotdiener von Doron-Sölp, schob den Teller, von dem er gegessen hatte, zur Seite. Er war ein großer, muskulöser Mann mit einem kantigen Gesicht. Er hatte ein weit vorspringendes Kinn, das ihm ein verwegenes Aussehen verlieh. »Was ist los, Tarpsa?« fragte er. »Nun re de schon.« Der Sklave erhob sich und stellte sich auf recht in gelockerter Haltung hin. Garkö sah es als selbstverständlich an, daß er nunmehr das unterwürfige Gehabe aufgab. Es gab et was zu besprechen, und ihm genügte, daß der Sklave vorher deutlich zu erkennen ge geben hatte, daß er sich der festgelegten
13 Rangordnung beugte. »Die Wüstenexpedition ist zurückgekehrt. Man hat wieder zahlreiche Eier geborgen. Aber nicht das ist es, was so interessant ist. Ein Raumschiff ist über dem Gebiet abge stürzt. Die Expeditionsteilnehmer haben zwei Fremde beobachtet. Das haben sie der Regierung bereits gemeldet.« »Und? Rede schon! Gibt die Regierung sie zum Abschuß frei?« fragte Garkö. Sein Gesicht rötete sich vor Erregung. Die dunkelhaarige Frau, die neben ihm saß, legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. »Garkö«, sagte sie mahnend. »Es gibt viel zu tun in diesen Tagen. Vergiß das nicht. Du hast keine Zeit für die Jagd.« Er fuhr herum. »Glaubst du, so etwas lasse ich mir entge hen?« fragte er heftig. »Das ist eine einmali ge Gelegenheit, wie sie vielleicht nie wieder kommt. Wann waren zuletzt Wesen von an deren Sternen hier bei uns? Es ist vermutlich Jahrtausende her, sieht man einmal von den kegelförmigen Raumschiffen ab, die vor ei nigen Jahren geortet wurden, die aber nicht bei uns landeten. Im Leben eines Mannes gibt es nur eine solche Gelegenheit.« »Das verstehe ich ja«, sagte sie sanft. »Denk aber doch auch mal an diese Frem den. Sie sind mit ihrem Raumschiff abge stürzt. Sie befinden sich in Not.« »Was willst du damit sagen?« Garkö er bleichte. »Stellst du die Worte des Großen Krarha in Frage?« »Natürlich nicht«, antwortete sie eilig. »Das käme mir nicht in den Sinn. Dennoch mußt du zugeben, daß sich die Fremden nicht gerade darüber freuen werden, wenn Jagd auf sie gemacht wird. Vergiß nicht, sie haben Raumschiffe gebaut. Das zeugt doch immerhin von einer gewissen Intelligenz.« »Werde nicht unverschämt«, sagte er dro hend. »Ich möchte ja nur auf ein paar Tatsachen hinweisen, die immer wieder übersehen wer den«, erwiderte sie. »Denke doch einmal darüber nach, daß es uns noch nicht gelun
14 gen ist, Raumschiffe zu bauen, mit denen wir unser Sonnensystem verlassen können, während sie von den Sternen zu uns gekom men sind.« Garkö ohrfeigte sie. Er sprang auf und gab Tarpsa mit einem Handzeichen zu ver stehen, daß er gehen wollte. »Auf so etwas habe ich gewartet«, sagte er zu der Frau. »Du lebst in meinem Haus. Du lebst von meiner Arbeit, und das nicht schlecht. Es geht dir unendlich viel besser als Millionen anderer Frauen auf unserer Welt, und dann wagst du es, so etwas zu sa gen.« »Was hat das eine mit dem anderen zu tun?« fragte sie sanft. »Ein Wort noch«, erklärte er zornig, »und du fliegst auf die Straße. Ein Wort noch, und du wirst dieses Haus nie wieder betreten.« »Verzeih mir«, bat sie. »Ich war unbe herrscht, und ich habe nicht nachgedacht. Ich wollte dich nicht beleidigen.« »Schon gut«, sagte er unwirsch und eilte zusammen mit dem Sklaven aus dem Haus. »Weiber«, rief er ärgerlich, als er den Wa gen bestieg, der vor dem Haus parkte. »Ich möchte wissen, was in ihren Köpfen vor geht.« Tarpsa übernahm das Steuer. Er startete den Motor und lenkte das Fahrzeug über un gepflegte, unebene Straßen zu einem Gebäu de, das hoch am Berghang über der Stadt lag. Als der Wagen dort eintraf, standen be reits mehr als hundert andere vor dem Haus, und ständig trafen weitere ein. »Hoffentlich kommen wir nicht zu spät«, sagte Garkö. »Die Nachricht hat sich offen bar mit Windeseile in der Stadt verbreitet. Ich habe eine Menge Konkurrenz.« »Du wirst es schaffen, Herr«, erklärte der Sklave. Garkö nickte grimmig. »Davon bin ich überzeugt«, antwortete er, »sonst wäre ich nicht hierher gefahren.« Zusammen mit seinem Sklaven betrat er das Regierungsgebäude. Er kannte sich hier aus. Niemand brauchte ihm zu zeigen, wo der Versammlungssaal war.
H. G. Francis Als Garkö dort eintrat, sah er, daß sich schon mehr als tausend Männer eingefunden hatten. Er drängte sich durch die Menge nach vorn bis in die unmittelbare Nähe eines Podests. Auf diesem stand ein weißhaariger Mann, der teilnahmslos in die Runde blickte. Nachdem Garkö etwa eine halbe Stunde gewartet hatte, schlossen sich die Türen des Saales. Der Alte schlug zwei Blechteller ge geneinander. Augenblicklich wurde es still im Saal. »Wir bieten die Erst- bis Zehntrechte an«, rief der Weißhaarige. »Zum Abschuß freige geben werden zwei fremde Raumfahrer. Sie stammen eindeutig nicht von Doron-Sölp, aber auch nicht von Pörs-Odon, sondern aus einem anderen Sonnensystem. Sie unterlie gen daher nicht den Gesetzen des Großen Krarha, und es ist geboten, sie zu töten. Der Staat bietet seinen Ersten Dienern daher den Abschuß gegen Höchstgebot an. Wer die Er strechte erwirbt und die Fremden tötet, darf deren gesamte Ausrüstung als Trophäen be halten. Die Kadaver sind dem medizinischen Institut zu Forschungszwecken zu übereig nen.« Garkö lächelte Tarpsa zu, als die ersten Angebote ausgerufen wurden. Er wartete ab. Er hatte Zeit. Andere sollten bieten, bis mehr und mehr aufgaben, weil der Preis zu hoch wurde. Doch es dauerte nicht lange, da sah Garkö weniger heiter aus. Die Angebote stiegen in schwindelnde Höhen. Selbst für ihn, einen der reichsten Männer des Planeten, wurde es allmählich teuer. Der stärkste Konkurrent war der Erste Elektrodiener, dessen finanzielle Mittel un erschöpflich zu sein schienen. »Was ist mit ihm los?« fragte Garkö ner vös. »Er ist kein Jäger. Die Jagd hat ihn nie interessiert. Im Gegenteil. Er hat sich stets über sie lustig gemacht.« »Er will dich herausfordern, Herr«, be hauptete der Sklave Tarpsa. »Er will das An gebot in die Höhe treiben, um es so teuer wie möglich für dich zu machen.« »Tausend Foran«, rief Garkö dem Auktio
Sklaven des 3. Planeten nator zu. Ein Raunen ging durch den Saal. Tarpsa erschrak. »Das ist zuviel«, sagte er leise. »Das ko stet ein ganzes Haus mit allen Sklaven da bei.« Garkö blickte nur zu Trössö, dem Ersten Elektrodiener, hinüber. Befriedigt stellte er fest, daß dieser unsicher geworden war. Er wartete. Trössö zögerte, während der Auk tionator das Angebot immer wieder ausrief. »Zweitausend«, sagte Trössö mit hallender Stimme. »Nicht«, mahnte der Sklave und legte Garkö die Hand auf den Arm. »Du kannst nicht mehr als die Hälfte deines Vermögens weggeben. Das würde dich die andere auch noch kosten.« »Ich habe es in einigen Wochen wieder herein«, antwortete der Erste Brotdiener. »Die Leute werden mir das Geld ins Haus tragen, um die Trophäen zu sehen.« »Dreitausend Foran!« Trössö schrie wütend auf. Sein Gesicht verzerrte sich. Er schleuderte seinen Hut nach Garkö, drehte sich um und stürmte in den Saal. Welchen Plan er auch immer ver folgt haben mochte, er war gescheitert. »Zuschlag für den Ersten Brotdiener«, rief der Auktionator. Beifall brandete durch den Saal. Die Män ner um Garkö herum schlugen ihm die Hän de auf die Schultern und gratulierten ihm. Garkö lachte, obwohl ihm nicht danach zu mute war. Er wußte, daß er das höchste Risi ko eingegangen war, auf das er sich je ein gelassen hatte. Seine Erfolgsaussichten wa ren nicht bestimmbar, da er so gut wie keine Informationen über die Fremden hatte. Dabei mußte er das Jagdrecht in den nächsten zwölf Tagen wahrgenommen und die Fremden abgeschossen haben. Danach trat der Mann an seine Stelle, der das Zweit recht erworben hatte. Das war in diesem Fal le Trössö, der das höchste Gebot nicht ge wagt hatte. Trössö hatte danach ebenfalls zwölf Tage Zeit, sein Recht wahrzunehmen. Gelang es
15 ihm jedoch nicht, die Fremden in dieser Zeit zu töten, kam zum Schuß, wer das Drittrecht erwarb. Während die nachfolgenden Rechte ver steigert wurden, verließ Garkö zusammen mit seinem Sklaven das Regierungsgebäude. Er hatte ein flaues Gefühl in der Magenge gend, mochte das jedoch nicht zugeben. Er wunderte sich über sich selbst, weil er sich von seiner Jagdleidenschaft hatte hin reißen lassen. Er verstand sich selbst nicht mehr. Wenn es ihm nicht gelang, die Frem den zu töten, war er ruiniert. Den Geldver lust konnte er nur wettmachen, wenn er Er folg hatte.
* »Eine Feder ist gebrochen«, sagte Anly tha, nachdem sie das Fluggerät eingehend untersucht hatte. »Der Schaden ist leicht zu beheben. Ich frage mich jedoch, wie sie so etwas gemacht haben.« Sie zeigte Algonkin-Yatta die gebrochene Feder, und er stellte fest, daß sein Gerät auf gleiche Weise außer Funktion gesetzt wor den war. »Keine Ahnung«, antwortete er. »Normalerweise hätte mehr zerbrechen müs sen. Die Feder läßt sich jedenfalls schnell er setzen. Das dauert nur ein paar Minuten.« Er behielt recht. Schon wenige Minuten später waren die Fluggeräte wieder einsatz bereit. Der Kundschafter und das Mädchen nahmen die Verfolgung der Fahrzeuge wie der auf. Sie stiegen mit Hilfe ihrer Antigravgeräte auf und flogen in etwa drei Metern Höhe um einige Bäume und Büsche herum, bis sie die Spur der Fahrzeuge fanden, ihr folgten und schließlich auf eine Straße stießen, die schnurgerade nach Norden führte. »Niemand ist zu sehen«, sagte Anlytha. »Ich hätte gedacht, daß sie versuchen wür den, uns zu erwischen. Sie scheinen uns ver gessen zu haben.« »Wir fliegen neben der Straße her«, ent gegnete der Mathoner. »Es könnte immerhin
16 sein, daß sie uns doch nicht vergessen ha ben.« Sie stiegen nun bis auf eine Höhe von et wa zwanzig Metern auf und beschleunigten. Aus dieser Höhe konnten sie das Land unter ihnen gut übersehen. Als sie ein am Fahr bahnrand abgestelltes Fahrzeug entdeckten, schlugen sie einen weiten Bogen und wichen ihm auf diese Weise aus. Etwa eine Stunde nach ihrem Aufbruch von der Stelle, an der auf sie geschossen worden war, entdeckte Anlytha eine Stadt, die an den Hängen schroff aufsteigender Bergen errichtet worden war. Deutlich hoben sich die weißen Häuser vom Grün der Gräser und Bäume ab, die bis in eine Höhe von etwa dreitausend Metern den Berg bewuchsen. Die Stadt lag noch un terhalb der Baumgrenze. Deutlich war zu er kennen, daß die Straße zu ihr aufstieg. Sie verzweigte sich etwa tausend Meter vor den ersten Häusern. Eine Fahrzeugkolonne be wegte sich auf ein langgestrecktes Gebäude zu, das in einem Seitental lag. »Sie fahren zu einem dieser Häuser mit den transparenten Dächern«, rief Anlytha dem Kundschafter zu. »Das sollten wir uns ansehen.« »Das werden wir auch tun«, erwiderte er. Sie entfernten sich nun von der Straße und ließen sich gleichzeitig weiter abfallen, um nicht so leicht gesehen werden zu können. Das Land in der näheren Umgebung der Stadt war kultiviert und in zahllose Felder aufgeteilt worden. Auf diesen arbeiteten überall Männer und Frauen mit einfachsten Geräten, die in schroffem Gegensatz zu der Technik standen, die auf dieser Welt sonst entwickelt worden war. Algonkin-Yatta, den durchaus interessiert hätte, den Widerspruch zu lösen, konzen trierte sich ganz auf die Fahrzeuge, in denen er die von den Sauriern abgelegten Eiern wußte. Er wollte wissen, wohin sie gebracht wurden und was aus ihnen wurde. Daher schlich er sich zusammen mit Anlytha im Schutz von Hecken und kleinen Wäldern an das Gebäude heran, zu dem die Fahrzeuge
H. G. Francis fuhren. Als er sich ihnen bis auf etwa zweihun dert Meter genähert hatte, stellte er verblüfft fest, daß sie an dem Gebäude vorbeigefah ren und weiter ins Tal eingedrungen waren. »Wir folgen ihnen«, beschloß der Matho ner. »Oder willst du hier bleiben und dir das Gebäude ansehen?« Anlytha winkte ab. »Dazu ist später noch Zeit«, erwiderte sie. Sie ließen sich weiter abfallen und flogen in einer Senke ins Tal, wo sie vom Gebäude aus nicht gesehen werden konnten. Als sie über eine kleine Anhöhe kamen, ließ Algon kin-Yatta sich überrascht auf den Boden sin ken. Er griff nach Anlytha und zog sie zu sich herab, bevor sie entsprechende Schal tungen an ihrem Fluggerät vornehmen konn te. Sie schaltete ihr Gerät aus, als sie neben ihm stand. »Ein Raumschiff«, sagte sie. Die Fahrzeugkolonne hatte ein pfeilförmi ges Raumschiff erreicht, das sich auf einer Betonpiste mitten im Tal erhob. Zahlreiche Gestalten arbeiteten am Raumer. Einige von ihnen schleppten die geborgenen Drachenei er ins Raumschiff. »Jetzt ist mir alles klar«, sagte der Matho ner. »Die befruchteten Eier werden in den Weltraum gebracht. Dort oben kommen sie in diese schlauchartigen Gebilde, die wir ge sehen haben.« »Aber wozu?« fragte sie. »Das hat doch keinen Sinn.« »Ich habe nur eine Erklärung«, antwortete er. »Die Eier werden der kosmischen Strah lung ausgesetzt. Offenbar will man einen be stimmten Mutationseffekt damit erreichen, so daß dann in ihrer Genstruktur veränderte Junge aus den Eiern ausschlüpfen. Vielleicht will man die Drachen damit widerstandsfä higer machen oder auch auf andere Art be wirken, daß sie nicht aussterben.« »Das wäre phantastisch«, sagte Anlytha bewundernd. »Ich habe noch nie von einem Volk gehört, das für die Tierwelt ihres Pla neten einen solchen Aufwand betreibt. Das würde selbst ein Atlan nicht tun. Oder
Sklaven des 3. Planeten glaubst du, daß er soviel Geld ausgeben würde, nur um eine Tierart vor dem Ausster ben zu bewahren?« Algonkin-Yatta schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß es so ist«, wider sprach er. »Irgend etwas anderes steckt da hinter. Die Drachen haben vielleicht eine ganz besondere Bedeutung für die Bewoh ner dieser Welt. Es wäre zum Beispiel durchaus möglich, daß sie als heilig verehrt werden und daß man sich deshalb so inten siv bemüht, ihre Art zu erhalten.« Die Fahrzeuge zogen sich vom Raum schiff zurück. Einige verschwanden in Öff nungen, die in den Fels geschlagen waren, andere fuhren in Richtung Stadt davon. Eini ge Minuten später startete das Raumschiff. Sonnenhelle Energiestrahlen schossen aus den Heckdüsen und trieben das Raumschiff voran. Es stieg erst so langsam auf, daß An lytha schon glaubte, es werde wieder herun terfallen, dann aber beschleunigte es immer mehr und jagte schließlich donnernd davon. Der Kundschafter und das Mädchen sahen ihm nach, bis es sich im Blau des Himmels verlor. »Und jetzt?« fragte Anlytha. »Sehen wir uns in dem Gebäude dort um?« »Sicher«, antwortete er. »Ich will wissen, was hier geschieht. Bevor ich nicht alles weiß, verlasse ich diesen Planeten nicht.« Der Kundschafter hatte einen ausgepräg ten Forscherdrang. Was ihn interessierte, mußte er ergründen. Außerdem suchte er den Kontakt mit den humanoiden Wesen dieser Welt, obwohl sie ihn angegriffen und versucht hatten, ihn zu töten. Ohne sich groß darüber auszulassen, glaubte er daran, daß nur Mißverständnisse zu diesen Angriffen geführt hatten. Anlytha kannte ihn. Sie ahnte, was in ihm vorging, und sie bewunderte ihn wegen sei ner Haltung. Ihr wäre es schwergefallen, sich ähnlich zu verhalten, wenn sie allein ge wesen wäre. Algonkin-Yatta war keineswegs so naiv zu glauben, daß ihm nichts passieren konnte, als er sich dem geheimnisvollen Gebäude
17 näherte. Er war sich der Gefahr bewußt, in der sie beide schwebten. Dennoch war er nicht bereit, von sich aus anzugreifen. Die Sonne senkte sich über dem Horizont herab, und dunkle Wolken zogen auf. Es dunkelte rasch, so daß der Kundschafter und Anlytha hoffen konnten, ungesehen bis an das Gebäude heranzukommen. Als sie nur noch etwa fünfzig Meter von ihrem Ziel entfernt waren, näherten sich fünf Fahrzeuge mit eingeschalteten Scheinwer fern. Sie fuhren bis an eine Rampe heran. Eine Tür öffnete sich. Gelbes Licht flutete heraus, und in dem hellen Quadrat zeichne ten sich zwei humanoide Gestalten ab. Sie hatten auffallend dicke Beine, die Köpfe wa ren dick und wirkten unförmig. »Schönheiten sind sie nicht gerade«, be merkte Anlytha. Mehrere Männer stiegen aus den Fahrzeu gen. Sie bewegten sich schwerfällig, so als beherrschten sie ihre Körper nicht richtig. Sie öffneten die Ladeklappen ihrer Fahrzeu ge und hoben Sauriereier heraus. Diese leg ten sie auf kleinere Wagen, mit denen sie in das Innere des Gebäudes transportiert wur den. »Sie werden aufbewahrt, bis das nächste Raumschiff startet«, stellte Algonkin-Yatta fest. Wenig später entfernten sich die Fahrzeu gen wieder. Nunmehr war es völlig dunkel geworden, so daß der Kundschafter und An lytha kaum noch etwas sehen konnten. Der Mathoner wollte gerade das Zeichen geben, in das Gebäude einzudringen, als fer nes Rumoren die Landung eines Raum schiffs ankündigte. »Warte noch«, sagte er, als seine Beglei terin ihr Fluggerät einschalten wollte. »Laß uns erst sehen, ob das Raumschiff Eier aus dem All zurückbringt.« Einige Minuten verstrichen, dann senkte sich das Raumschiff auf flammenden Ener giestrahlen herab. Es landete an der gleichen Stelle, an der vorher das andere Raumschiff gestartet war. Mehrere Fahrzeuge verließen das Gebäude und fuhren zu dem Raumer
18 hinüber. Im Licht einiger Scheinwerfer be obachteten der Kundschafter und Anlytha, daß in Behälter verpackte Sauriereier aus dem Schiff ausgeladen und in den Fahrzeu gen verstaut wurden. »Es sind mindestens hundert Eier«, stellte der Mathoner fest. »Und sie sehen anders aus als vorher. Sie sind dunkler geworden, als wären sie ver brannt.« »Das kann der Einfluß der kosmischen Strahlung sein.« »Vermutlich ist es so.« Die Wagen kehrten zum Gebäude zurück und fuhren auf der dem Kundschafter abge wandten Seite hinein. Algonkin-Yatta zeigte nach oben. »Es ist dunkel genug«, sagte er. »Wir können es riskieren.« Anlytha nickte nur. Gemeinsam schwebten sie an der Außen wand des Gebäudes hoch bis zur Dachkante. Dann schoben sie sich vorsichtig darüber hinweg und versuchten, durch das Dach ins Innere des Gebäudes zu sehen. »Ich dachte, die Dächer seien transpa rent«, sagte Anlytha enttäuscht. »Sie sind nur milchig. Man kann nichts erkennen.« Das Innere des Gebäudes war erhellt, so daß der Kundschafter und das Mädchen wohl sehen konnten, daß sich zahlreiche Ge stalten unter ihnen bewegten. Einzelheiten waren jedoch nicht auszumachen. »Es hilft nichts. Wenn wir mehr wissen wollen, müssen wir hineingehen«, stellte der Mathoner fest. Er ließ sich wieder nach unten sinken, Anlytha folgte ihm zögernd. Sie hätte lieber ein Loch in die Deckenverkleidung gebohrt und auf diese Weise erste Informationen ein geholt. Sie sah sich in der Hoffnung um, ir gendwo eine Entlüftungsklappe oder etwas Ähnliches zu entdecken, wurde jedoch ent täuscht. Vor einer Tür blieb er stehen und wartete auf sie. Er beugte sich nach vorn und horch te. »Es scheint niemand in der Nähe zu sein«,
H. G. Francis bemerkte er. Sie griff nach ihrer Waffe. »Warum warten wir nicht, bis die Wachen und die anderen, die hier arbeiten, abgezo gen sind?« fragte sie. »Warum gehen wir ein Risiko ein?« »Ich glaube nicht, daß es ein Risiko ist«, antwortete er gelassen. »Die Leute draußen in der Wildnis hatten Waffen dabei, weil sie die Raubvögel von den Eiern vertreiben mußten. Hier aber geht alles friedlich zu. Warum sollte irgend jemand da drinnen be waffnet sein? Man rechnet schließlich nicht damit, daß wir hier auftauchen, und ich kann mir nicht vorstellen, daß die Brut durch sonst jemanden bedroht ist.« »Laß mich zuerst gehen«, forderte sie. »Ich kann sie täuschen.« »Dagegen ist nichts einzuwenden«, ent gegnete er und trat zur Seite. Im gleichen Moment flog die Tür kra chend auf, und ein monströses Wesen stürz te kreischend nach draußen. Algonkin-Yatta erhielt einen Stoß vor die Brust, der ihn zur Seite schleuderte. Er sah, daß Anlytha ver geblich versuchte, dem Wesen auszuwei chen und ebenfalls von einer mit scharfen Krallen bewehrten Pranke getroffen wurde. Sie wirbelte durch die Luft davon, da sie wesentlich leichter war als er. »Das Fluggerät«, schrie er, während er zu Boden stürzte. »Schalte das Fluggerät ein.«
4. »Herr, verzeihe deinem unwürdigen Die ner, daß er dich stört«, sagte der Sklave Tarpsa, während er auf die Knie sank und den Kopf neigte. »Ich habe eine wichtige Botschaft für dich. Das allein ist der Grund für meine Rücksichtslosigkeit.« Garkö, Erster Brotdiener von Doron-Sölp, stieg prustend aus einer Steinwanne hervor, in der er gebadet hatte. »Was ist los?« rief er erregt. »Hat man das Wild ausgemacht?« »Die Fremden sind gesehen worden«, be stätigte der Sklave. »Sie befinden sich in der
Sklaven des 3. Planeten Nähe des Söpplon-Raumhafens. Eben ist ein Anruf gekommen, der das bestätigt.« Garkö sprang aus der Badewanne und griff nach einem Badetuch, um sich abzu trocknen. Zwei Sklavinnen eilten aus einem Nebenraum herbei, um ihm zu helfen. »Hast du alles vorbereitet?« fragte der Er ste Brotdiener. »Liegen die Gewehre be reit?« »Es ist alles in Ordnung, Herr«, antworte te der Sklave ruhig. »Du brauchst dich nur noch anzukleiden und in den Wagen zu stei gen. Die Beute wartet auf dich.« »Es ist dunkel«, stellte Garkö beunruhigt fest. »Hast du Scheinwerfer eingeladen?« »Wir haben zwei Scheinwerfer dabei.« »Das ist nicht genug. Nimm noch zwei. Ich möchte nicht, daß mir die Beute entgeht, weil uns ein Scheinwerfer fehlt.« »Ich werde deinen Befehl sofort ausfüh ren.« Tarpsa verneigte sich und eilte aus dem Badezimmer. Er hörte, wie die Sklavin nen hinter ihm auflachten, als Garkö einen Scherz machte. Das Blut schoß ihm ins Gesicht. Er blieb stehen und lehnte sich an die Wand. Seine Hände begannen zu zittern, und vor Erre gung brach ihm der Schweiß aus. Er haßte Garkö wie niemanden sonst auf Doron-Sölp, doch er hütete sich, Garkö das fühlen zu lassen. Er wußte, daß jede Aufleh nung seinen Tod bedeuten würde. Garkö war ein Mann, der sich meist leut selig gab, der aber mit eiserner Hand regier te und der keinen Widerspruch duldete – schon gar nicht von seiten eines Sklaven. Garkö war sich dessen vermutlich gar nicht bewußt, daß er seinen wichtigsten Sklaven tagtäglich beleidigte und demütigte. Doch das allein war es nicht, was Tarpsa erzürnte. Durch einen Zufall hatte er erst vor wenigen Wochen herausgefunden, daß er aus einer Familie stammte, die von Garkö wirtschaftlich vernichtet worden war. Sein Vater war ebenfalls Brotdiener gewesen. Das Geschäft war jedoch eines Tages zu sammengebrochen. Die Einzelheiten der Vorfälle kannte Tarpsa nicht. Er wußte nur,
19 daß Garkö mit fragwürdigen Methoden da für gesorgt hatte, daß sein Vater aus dem Geschäft verdrängt worden war. Das hatte zur Folge gehabt, daß die Fami lie des Vaters jegliche Existenzgrundlage verloren hatte. Nur der Vater war ein freier Mann geblieben, hatte jedoch nicht lange überlebt. Die Mutter, Tarpsa und seine vier Geschwister waren Unfreie geworden. Tarpsa hatte erfahren, daß er selbst als vierjähriges Kind von Garkö übernommen worden war. Als Sklave selbstverständlich. Garkö hatte die Übernahme als eine Art Gnadenakt angesehen, und Tarpsa hatte den Eindruck, daß er heute noch stolz auf seine vermeintlich großmütige Haltung war. Tarpsa stiegen Tränen in die Augen. Ihm wurde bewußt, daß er ein freier Mann wäre, wenn Garkö seine Familie nicht vernichtet hätte. Er löste sich von der Wand und eilte wei ter, als er Stimmen hörte, die sich ihm nä herten. Jetzt hatte er eine Möglichkeit, sich an Garkö zu rächen. Garkö hatte in seiner Jagd leidenschaft mehr als die Hälfte seines Ver mögens auf Spiel gesetzt – und damit den Sturz ins Nichts riskiert. Der Erste Brotdie ner fühlte sich so stark, daß er glaubte, un verletzlich zu sein. Doch das war er nicht. Tarpsa hatte den Jagdwagen längst mit al lem ausgerüstet, was benötigt wurde. Vier Scheinwerfer lagen darin. Es war nicht not wendig, noch zwei weitere zu holen, weil die Arbeit bereits erledigt war. Das gab dem Sklaven einen Vorsprung vor seinem Herrn von ein paar Minuten. Er nutzte sie. Lautlos betrat er das Arbeitszimmer Gar kös, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß niemand in der Nähe war. Er ging zum Visiphon und drückte einige Knöpfe. Der quadratische Bildschirm erhellte sich. Das vernarbte Gesicht eines Sklaven erschien. Es war auf der Stirn und Wangen mit einem eingebrannten T gekennzeichnet als Beweis dafür, daß dieser Sklave Trössö gehörte.
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H. G. Francis
»Es ist soweit«, sagte Tarpsa flüsternd. »Die beiden Fremden befinden sich in der Nähe des Söpplon-Raumhafens. Wir fahren gleich los, um sie abzuschießen. Trössö muß sich also beeilen.« »Das wird er tun«, erwiderte der Sklave Trössös.
* Gömon nickte Trössö zu. »Das ist die Chance, auf die wir gewartet haben«, sagte er und zog sich die aufgekleb ten T-Zeichen von Stirn und Wangen. »Jetzt hast du eine Möglichkeit, Garkö zu vernich ten.« »Und ich werde sie mir nicht entgehen lassen«, erwiderte Trössö lächelnd. »Bestimmt nicht. Komm.« Er eilte zusammen mit seinem Sklaven aus dem Haus, stieg in einen Wagen und jagte davon. Trössö hatte nur dem Namen nach Skla ven. Tatsächlich waren die Männer, Frauen und Kinder, die in seinem Haus lebten, gut bezahlte Arbeitskräfte, die nur dem Schein nach wie Sklaven lebten. Das war notwen dig, weil sonst staatliche Institutionen einge griffen hätten. Trössö bereitete jedoch für al le Unfreien, die bei ihm lebten, den Weg in die Freiheit vor. Dazu gab er ihnen Gelegen heit, durch gute Arbeit viel Geld zu verdie nen, so daß sie später, wenn er sie als frei er klären ließ, in eine gesicherte Existenz über wechseln konnten. Das war der einzig mögliche Weg, Skla ven zu einem würdigen Leben zu verhelfen. Trössö hatte viele Jahre lang gegen die Sklaverei gekämpft, hatte schließlich aber einsehen müssen, daß unter den gegebenen Umständen eine Abschaffung der Sklaverei nicht möglich war. Alle Menschen auf Do ron-Sölp lebten im Grunde genommen am Rand eines Abgrunds. Unter diesen Bedin gungen konnten derart grundlegende Verän derungen wie die Abschaffung der Sklaverei nicht mit konventionellen Mitteln herbeige führt werden.
Trössö hatte erkennen müssen, daß der große Umschwung nicht zu schaffen war. So hatte er sich für eine unauffällige Methode entschlossen. Er wollte zumindest einigen wenigen Sklaven mit kleinen Schritten den Weg in ein menschenwürdiges Dasein er möglichen. Das bedeutete jedoch nicht, daß er darauf verzichtete, auch andere für seine Pläne zu gewinnen. Er hatte auch versucht, Garkö umzustimmen, war bei ihm jedoch auf Ablehnung gestoßen. Garkö hatte ihn verhöhnt und öffentlich lächerlich gemacht. Das war etwas, was der Erste Elektrodie ner Garkö niemals verziehen hatte. Jetzt war er entschlossen, den Ersten Brotdiener zu vernichten. Aus diesem Grun de hatte er einen Plan entwickelt, den er konsequent verfolgte.
* »Fluggerät einschalten«, wiederholte Al gonkin-Yatta. Doch Anlytha reagierte nicht so, wie er es erwartete. Ein weiterer Hieb traf sie und schleuderte sie davon. Im Licht, das aus der offenen Tür fiel, er kannte der Kundschafter ein Drachenwesen. Es war schwarz und war nur wenig größer als er selbst. Dabei war es ungeheuer wild. Es raste wie besessen hin und her, grub die Krallen in den Boden und riß Grassoden heraus. Wenig später, als eine humanoide Gestalt in der Tür erschien, zerfetzte es mit einem einzigen Prankenhieb das Türschott. Der Mathoner jagte mit Hilfe seines Flug geräts steil in die Höhe. Er flog über das to bende Monstrum hinweg und ließ sich neben Anlytha wieder auf den Boden herabfallen. Mit federnden Knien fing er sich ab. Bevor er Anlytha aufheben konnte, griff das drachenähnliche Wesen ihn an. Algon kin-Yatta konnte sich gerade noch ab ducken. Die Krallen fuhren über ihn hinweg, und um Millimeter nur verfehlten ihn die na delspitzen Zähne. Der Mathoner warf sich nach vorn, da er erkannte, daß er Anlytha nicht retten konnte,
Sklaven des 3. Planeten ohne das Tier zuvor zu vertreiben. Sie selbst konnte sich nicht helfen. Bewegungslos lag sie auf dem Boden und hielt die Augen ge schlossen. Algonkin-Yatta schlug mit voller Wucht zu. Er traf das monströse Wesen seitlich am Kopf. Der Saurier stürzte zu Boden, schnell te sich aber augenblicklich wieder hoch und griff nun seinerseits an. Der Mathoner be griff. Er hatte das Tier lediglich durch die Wucht des Schlages aus dem Gleichgewicht gebracht, nicht aber entscheidend getroffen. Das Gehirn des Sauriers war im Vergleich zu seiner Körpermasse winzig, so daß es au ßerordentlich schwierig war, die Stelle an seinem Kopf zu treffen, an der ein Schlag betäubend wirkte. Algonkin-Yatta riß den Lähmstrahler aus dem Gürtel und löste ihn aus. Betäubt brach das Drachenwesen vor ihm zusammen. Schreie ertönten. Der Kundschafter fuhr herum. Er sah mehrere humanoide Gestalten in der offenen Tür der Halle. Einige hielten Waffen in den Händen. Algonkin-Yatta hörte Anlytha stöhnen. Er erinnerte sie daran, daß er sie hatte bergen wollen. Jetzt sah er, daß sie sich bereits halb aufgerichtet hatte. Verwirrt sah sie sich um. Sie wußte offensichtlich nicht, was gesche hen war. »Was ist los?« fragte sie stammelnd. Er packte sie mit der rechten Hand, zog sie hoch und startete mit der linken Hand sein Fluggerät. Weil er kein unnötiges Risi ko eingehen wollte, flog er in nur etwa ei nem Meter Höhe in die Dunkelheit hinaus. Als er sich der Straße näherte, stieß Anly tha ihn an. »Laß mich los«, forderte sie. »Ich bin in Ordnung.« Plötzlich flammte ein Scheinwerfer vor ihnen auf. Das weiße Licht erfaßte sie und hüllte sie ein. Algonkin-Yatta warf sie in in stinktiver Abwehr herum. Ein Schuß peitschte. Der Mathoner spürte einen Schlag im Rücken und stürzte zu Bo den. Anlytha, die im gleichen Moment ihr Fluggerät betätigt hatte, schoß fast senkrecht
21 in die Höhe. Jaulend raste ein Geschoß an ihr vorbei. Der Mathoner zerrte am Lenkhebel seines Fluggeräts, ohne die geringste Wirkung zu erzielen. Er erkannte, daß das Gerät ausge fallen war. Die Kugel hatte es getroffen. Er warf sich zur Seite und wollte flüchten, als sich ein Netz über ihn herabsenkte und sich zusammenzog. Er stolperte über seine eigenen Beine und fiel erneut zu Boden. Jemand warf sich über ihn und schlang blitzschnell Stahlschnüre um ihn. Dann zerr te man ihn einige Meter weiter, mehrere Hände packten ihn, hoben ihn hoch und war fen ihn in eine dunkle Kammer. Schotte schlossen sich dröhnend. Ein Motor heulte auf. Algonkin-Yatta spürte die Beschleuni gung. Er rollte durch sein enges Gefängnis, ohne sich halten zu können. Er beschloß, erst einmal abzuwarten. Man hatte ihn über fallen und gefangengenommen, aber nie mand hatte versucht, ihn zu töten, nachdem das Fluggerät zerstört worden war. Daraus folgerte der Mathoner, daß man auch jetzt nicht beabsichtigte, ihn zu töten. Das wie derum bedeutete für ihn, daß er noch Gele genheit zur Flucht haben würde. Er streckte die Beine aus und entspannte sich. Seine Gedanken wanderten zu Anlytha. Er hoffte, daß sie unverletzt entkommen war.
* Anlytha stieg senkrecht in die Höhe, bis sie etwa fünfhundert Meter über der Halle war. Von hier aus blickte sie nach unten zu rück. Sie beobachtete, daß ein Fahrzeug sich in schneller Fahrt von der Halle entfernte, ohne die Scheinwerfer einzuschalten. Von der Stadt her näherte sich ein anderer Wa gen, der mit aufgeblendeten Lichtern fuhr. Als die beiden Fahrzeuge aneinander vor bei waren, schaltete auch das erste die Scheinwerfer ein. Anlytha maß der Sache nicht viel Bedeu tung bei. Sie glaubte, daß der Fahrer des einen Wagens vergessen hatte, die Schein
22 werfer zu benutzen, und daß ihm das erst später bewußt geworden war. Sie war viel zu sehr mit Algonkin-Yatta beschäftigt. Sie hat te ihn aus den Augen verloren und suchte ihn nun verzweifelt. Sie kam gar nicht auf den Gedanken, daß er in dem Fahrzeug ent führt worden sein könnte, das sich davonge schlichen hatte. Zahlreiche Gestalten kamen aus der Halle vor. Sie trugen Lampen in den Händen. Da mit strahlten sie den paralysierten Flugsauri er an, der auf dem Boden lag. Sie packten ihn und schleiften ihn in die Halle zurück. Mittlerweile hielt das Fahrzeug, das zu letzt gekommen war. Zwei Männer stiegen aus. Einer von ihnen hielt ein langläufiges Gewehr in den Händen. Er sprach mit den Männern aus der Halle. Neugierig ließ Anlytha sich absinken. Sie wähnte sich sicher, obwohl sie wußte, daß sie sich gegen den Himmel abhob. Sie glaubte jedoch nicht, daß man sie hier oben suchen würde. Wie sehr sie sich getäuscht hatte, merkte sie schon wenig später. Die Männer blickten nach oben, entdeckten sie und schrien wild durcheinander. In schneller Folge fielen sechs Schüsse. Anlytha hörte die Kugeln an sich vorbeifliegen. Sie schrie gellend auf und ließ sich wie ein Stein abfallen. Die Männer unter ihr brüllten vor Begeisterung. Sie glaubten, daß sie getroffen worden sei. Anlytha beobachtete den Schützen, so gut es in der Dunkelheit ging. Er hielt sein Ge wehr schußbereit in den Händen. Das Mädchen ließ sich bis auf etwa fünf zig Meter Höhe abfallen. Dann schaltete sie den Antigrav auf ihrem Rücken ein und warf sich gleichzeitig zur Seite. Sie fiel noch wei tere zehn bis fünfzehn Meter durch und raste dann seitlich weg. Der Schütze schrie enttäuscht auf, als er die Wahrheit erkannte. Er feuerte sein Ge wehr mehrmals ab, obwohl er sie in der Dunkelheit nicht deutlich genug ausmachen konnte. Anlytha fühlte, wie ihr eine Kugel durch den Federkamm auf dem Kopf fuhr.
H. G. Francis Dann erreichte sie die Halle und brachte sich hinter einer Ecke in Sicherheit. Sie hörte, daß die Fremden hinter ihr her liefen und flüchtete weiter bis zu einigen Hügeln. Dahinter ließ sie sich auf den Boden absinken. Unförmige Gestalten rannten um die Ecke der Halle herum. Erneut fielen Schüsse, aber die Kugeln schlugen weit von ihr entfernt im Sand ein. Es war offensichtlich, daß die Ver folger nicht wußten, wo sie war. Anlytha glitt flach über dem Boden da von. Als sie sich etwa einen Kilometer weit von der Halle entfernt hatte, schlug sie einen weiten Bogen und kehrte zurück. Einige humanoide Gestalten standen vor der Halle neben den geparkten Fahrzeugen und diskutierten lebhaft miteinander. Dann stiegen einige von ihnen in die Wagen und entfernten sich. Die anderen kehrten in die Halle zurück. Es wurde ruhig. Nur das Zirpen und Pfei fen einiger Insekten klang noch durch die Nacht. Anlytha dachte nicht daran, diese Gegend zu verlassen. Zum einen war sie nach wie vor neugierig und wollte wissen, was in der Halle vor sich ging. Zum anderen hatte sie hier den Kontakt mit Algonkin-Yatta verlo ren und hoffte, ihn an dieser Stelle auch wie derzufinden. Lautlos schwebte sie an die Halle heran. Sie war nur noch etwa zehn Meter von ihr entfernt, als sich eine Tür öff nete, und eines der plump wirkenden, huma noiden Wesen ins Freie trat. Überrascht stellte sie fest, daß dieses We sen keine Augen hatte, sondern nur über Bündel von fühlerartigen Gebilden verfügte, die offenbar die Augen ersetzten. Das augenlose Wesen warf etwas weg, gab einige bellende Geräusche von sich und kehrte in die Halle zurück. Anlytha wartete einige Sekunden, dann öffnete sie die Tür und trat ebenfalls ein. In ihrer Nähe befanden sich einige Männer. Sie arbeiteten an großen Behältern, in denen ei ne dunkle Flüssigkeit brodelte.
Sklaven des 3. Planeten Anlytha vermittelte ihnen mühelos den Eindruck, daß sie so aussah wie sie selbst. Das Interesse der Fremden verlor sich au genblicklich. Sie wandten sich ihrer Arbeit zu. Das Mädchen lächelte zufrieden. Die Fähigkeit, anderen etwas vorzugau keln, hatte sie Algonkin-Yatta voraus. Daher konnte sie sich ungefährdet in der Halle be wegen und sich alles ansehen, was sie inter essierte. Wie erwartet, befanden sich nicht nur die humanoiden Wesen in der Halle, sondern auch Hunderte von jungen Drachen. Sie wurden in Gitterkäfigen gefangengehalten. Die meisten von ihnen kauerten auf dem Bo den. Ihre angriffsbereite Haltung verriet, daß sie unter großem psychischen Druck stan den. Einige Saurier tobten in den Käfigen herum in dem vergeblichen Bemühen, die Gitterstäbe zu zerschlagen. Die augenlosen Humanoiden reagierten nicht auf dieses aggressive Verhalten. Sie gingen unbeeindruckt ihren Beschäftigungen nach. Sie versorgten die Drachen. Anlytha wich ihnen aus, soweit es mög lich war, um nicht von ihnen angesprochen zu werden. Sie kannte die Sprache nicht und wußte, daß sie sich verraten hätte, wenn auch nur ein Laut über ihre Lippen gekom men wäre. Sie schaltete den Translator ein, um zu überprüfen, ob irgend etwas über die Sprache dieser Humanoiden im Erinne rungssektor eingespeichert war, erhielt je doch eine negative Antwort. Sie hatte nichts anderes erwartet. Sie beobachtete, daß einige Drachenwe sen von einem Abschnitt der Halle in einen anderen gebracht wurden, der durch eine Wand abgetrennt wurde. Sie zwitscherte lei se vor sich hin, während sie sich einem Durchgang näherte. Plötzlich trat von der Seite her ein be waffneter Humanoide auf sie zu. Seine Sichtsensoren waren violett verfärbt. Sie hatten sich aufgerichtet und bewegten sich wie suchend hin und her. Der Mann trug einen lederartigen Rock, der ihm bis zu den
23 Knien reichte. Darüber spannte sich ein brei ter Gürtel um seine Hüften, in dem allerlei Waffen steckten. Mit beiden Händen hielt er eine langläufige Schußwaffe, mit der er auf ihren Bauch zielte. Er rief etwas, was sie nicht verstand, und was der Translator auch nicht übersetzte. Das winzige Vermittlungsgerät in ihrem Ge hörgang gab nur einige undefinierbare Ge räusch von sich. Anlytha zwitscherte empört. Sie sah, daß einige der anderen Drachenwächter auf merksam geworden waren. Sie konzentrierte sich mühelos und ver breitete eine psionische Impulswellenfront um sich, die ihr Erscheinungsbild festigte. Der Mann, der mit der Schußwaffe auf sie zielte, sah sie nicht so, wie sie wirklich aus sah, sondern so, als ob sie sein Spiegelbild sei. Verblüfft ließ er die Waffe sinken. Er zielte nun auf ihre Füße. Sie trat zur Seite. Die Mündung der Waffe schwenkte eben falls zur Seite. Anlytha bemerkte, daß einige der anderen Humanoiden sich ihr neugierig näherten. Sie entschloß sich zu einem Schritt, der höchste Anstrengung erforderte. Da sie ein sah, daß die anderen sich mit dem Täu schungsbild nicht zufriedengaben, polte sie die Impulswellenfront um. Im gleichen Mo ment nahmen die anderen sie überhaupt nicht mehr wahr, obwohl sie noch an glei cher Stelle stand wie zuvor. Da sie nicht wußte, wie die Humanoiden reagieren würden, trat sie eilig einige Schrit te zur Seite. Der Mann mit der Waffe ließ die Optik sensoren sinken. Er schüttelte den Kopf und hantierte ratlos an seiner Waffe. Einige an dere Männer näherten sich ihm und sprachen auf ihn ein. Anlytha ging zu ihnen hin und ließ ihren Translator dabei eingeschaltet. Sie wollte ein paar Sprachinformationen auffan gen. Knirschend glitt das Tor hinter ihr zur Seite. Sie vernahm ein infernalisches Brül len und fuhr entsetzt herum. Ein Drachen, der etwa zwei Meter groß
24 war, raste aus dem anderen Teil der Halle hervor. Sein Kopf war blutüberströmt. Die Augen quollen ihm weit aus den Höhlen hervor. Mit den krallenbewehrten Pranken schlug er um sich und zerschmetterte eine gläserne Laboreinrichtung. Die Humanoiden rannten auf ihn zu. Sie schossen mit langläufigen Waffen auf ihn. Anlytha wurde übel. Sie wandte sich ab und flüchtete bis in den äußersten Winkel der Halle. Hier blieb sie stehen und blickte zu rück. Der Drachen war mittlerweile tot zusam mengebrochen. Schwatzend standen die Wächter bei dem Kadaver und diskutierten den Zwischenfall. Sie schienen einem von ihnen die Schuld an dem Vorfall zu geben, wie aus ihren Gesten recht deutlich erkenn bar war. Anlytha schüttelte sich. Blutige Ereignis se dieser Art waren ihr zuwider und empör ten sie. Ihre Abneigung gegen die Humanoi den wurde immer stärker. Sie ging einige Schritte auf sie zu, konnte aber kaum etwas erkennen, weil sie zu klein war. Die Humanoiden hatten eine durch schnittliche Größe von etwa 1,80 Metern. Entsprechend hoch waren die meisten Ma schinen und Einrichtungen der Halle. Anly tha dagegen erreichte nur eine Höhe von 1,33 Metern, und es half ihr gar nichts, wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte. Sie mußte sich also wohl oder übel näher an den niedergestreckten Drachen heranwa gen. Auf ihrem Weg dorthin bemerkte sie ei nige glitzernde Laborinstrumente, die ihre Aufmerksamkeit erregten, und die einen ge radezu unwiderstehlichen Reiz auf sie aus übten. Sie steckte einige von ihnen ein. Sie zwitscherte traurig, als sie den toten Drachen aus nächster Nähe sah. Die Kugeln hatten seinen Schädel vollkommen zertrüm mert. Die Humanoiden legten Ketten an den Kadaver und machten sich nun dran, diesen aus der Halle zu entfernen. Das Schott zum anderen Teil der Halle hatte sich bis auf einen schmalen Spalt ge schlossen. Dieser war breit genug für Anly-
H. G. Francis tha, so daß sie sich hindurchschieben konn te. Als sie den anderen Teil der Halle betre ten hatte, ließ sie sich auf den Boden sinken. Sie spürte, daß ihre Parakräfte rasch nachlie ßen, und daß sie dringend eine Pause benö tigte. Sie sagte sich, daß sie sich früher oder später in einen versteckten Winkel zurück ziehen mußte, wo sie einige Stunden lang schlafen konnte. Um Algonkin-Yatta machte sie sich we nig Sorgen. Sie wußte, daß er sich allein hel fen konnte. Dennoch war sie entschlossen, ihn zu suchen, sobald sie geklärt hatte, was in dieser Halle mit den Drachen geschah. Sie beschloß, die Umpolung der Impuls wellenfront aufzuheben, um mit einem ge ringeren Kräfteaufwand vorzugehen. Er leichtert fühlte sie, daß sie sich entspannte. Sie wußte nun, daß man sie als Humanoide sehen würde. Lautlos erhob sie sich. Dieser Teil der Halle war so etwas wie ein chirurgisches Laboratorium mit einem reich haltig ausgestatteten Operationszentrum. Anlytha sah mehrere Drachenwesen, die auf einem Transportband lagen. Dieses Band führte mitten durch das Operationszentrum. In diesem agierten mehr als zwanzig huma noide Wesen. Anlytha näherte sich ihnen neugierig. Sie beobachtete, daß die Chirurgen den narkoti sierten Drachen die Schädel öffneten und metallische Kapseln einsetzten. Danach ver klebten sie die Schnittstellen wieder, und das Laufband ruckte an, um die Drachen weiterzubefördern. Am Ende des Laufbands befand sich ein Schott, das sich hin und wieder öffnete, um einen der abgefertigten Drachen durchzulas sen.
* Algonkin-Yatta hätte seine Stahlfesseln mühelos sprengen können. Er tat es nicht, weil er wissen wollte, wohin man ihn brach te und was man mit ihm vorhatte. Die Ereig nisse bei der Halle waren ihm unerklärlich. Warum hatte man einerseits auf ihn geschos
Sklaven des 3. Planeten sen, aber dann doch nicht versucht, ihn zu töten? Er war damit einverstanden, daß An lytha ihre psionischen Kräfte nicht einge setzt hatte. Nur so hatten sie etwas über die Humanoiden und ihre Absichten erfahren können. Enttäuschend war, daß das Ergebnis außerordentlich mager geblieben war. Der Mathoner hatte gehofft, daß sich das Risiko, das sie eingegangen waren, besser auszahlen würde. Um Anlytha machte er sich keine Sorgen. Er wußte, daß sie sich mit ihren psionischen Kräften gut helfen konnte. Daher wartete er einfach ab. Die Fahrt ging über eine gut ausgebaute Straße bis in die Stadt. Der Kundschafter sah einige Lichter an den Milchglasscheiben des Fahrzeugs vorbeihuschen und zog daraus seine Schlüsse. Als der Wagen stehenblieb, richtete Al gonkin-Yatta sich auf und rückte an die hin tere Tür heran. Gelassen blickte er die We sen an, die die Tür öffneten und ihn mit ih ren Schußwaffen bedrohten. Er hob die Ar me und zeigte ihnen die Stahlfesseln. Diese Geste beruhigte sie. Sie traten zur Seite und bedeuteten ihm, den Wagen zu verlassen. Er gehorchte. Er befand sich in einer Garage, in der noch fünf weitere Fahrzeuge parkten. Die humanoiden Wesen bedeuteten ihm durch Handzeichen, eine Treppe hinaufzugehen. Er folgte ihrem Befehl, und sie geleiteten ihn in einen luxuriös eingerichteten Raum mit üppig gepolsterten Möbeln, Bücherrega len, verschiedenen Musikinstrumenten, far benprächtig blühenden Zierpflanzen und kunstvollen Goldarbeiten, die an Wänden und Decken angebracht waren. Als der Kundschafter den Raum betrat, bemerkte er, daß sich zwischen den Doppel türen ein Stahlschott befand. Er konnte sich denken, wozu es gedacht war. Als die Türen sich hinter ihm schlossen, hörte er es drei mal knacken. Er wußte, daß sich auch die Stahltür geschlossen hatte, doch das beein druckte ihn nicht. Er ließ sich in einen Ses sel sinken.
25 Nur einer der Humanoiden war ihm ge folgt. Er trug grüne Kleider, die Oberkörper, Arme, Unterleib und die Beine bis hin zu den Knien bedeckte. Er setzte sich Algon kin-Yatta gegenüber, schaltete eines der Ge räte ein, zeigte auf sich und sagte: »Samuander.« Ein Dialog begann, bei dem eine Reihe von Begriffen erläutert wurden. Dabei er wies sich, daß der Mathoner weitaus erfah rener dabei war, Translatoren mit den not wendigen Informationen zu versorgen. Er riß die Gesprächsführung an sich, um Zeit zu sparen. Und schon bald gelang es ihm, sich mit seinem Gegenüber zu verständigen. »Ihr nennt euch also Goonies«, sagte er. »Du bist Samuander, ein ehemaliger Sklave. Dein Herr ist Trössö. Ist das richtig?« »Das ist richtig«, bestätigte Samuander. »Du hast alles verstanden. Du scheinst nicht dumm zu sein.« »Besten Dank. Das schmeichelt mir unge heuer.« Samuander begriff nicht, daß diese Worte ironisch gemeint waren. Er verneigte sich leicht vor dem Mathoner, um damit zu un terstreichen, wie wohlgesinnt er ihm war. »Ich will wissen, wer du bist, woher du kommst und was du auf Doron-Sölp willst«, erklärte Samuander. Algonkin-Yatta hob seine Hände und zeigte seine Fesseln. »Du solltest mir diese Stahlbänder abneh men, bevor wir weiterreden«, erwiderte er. »Das darf ich nicht«, erklärte Samuander. »Trössö hat es verboten.« »Also schön«, entgegnete der Mathoner einlenkend. »Wenn er nicht will, dann eben nicht. Du könntest mir jedoch beantworten, warum ich hier bin.« »Weil Trössö dich töten will.« »Das hätte er längst tun können.« »Eben nicht. Erst ist Garkö dran. Er hat das Recht gekauft, dich zu töten.« »Das verstehe ich nicht. Du mußt es mir erklären.« Samuander zögerte nicht, diesen Wunsch zu erfüllen. Geduldig setzte er dem Kund
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schafter auseinander, was geschehen war. »Trössö will also nichts anderes als Garkö und mich gleichzeitig erledigen«, stellte der Mathoner danach fest. »Er will mich hier so lange gefangenhalten, bis die Rechte Garkös verfallen sind. Danach läßt er mich aus die sem Haus entkommen, um Jagd auf mich zu machen.« »Du hast alles verstanden.« »Seltsame Methoden. Wäre es nicht nahe liegend, daß ihr versucht, mich als Freund zu gewinnen? Ihr könntet euch mein überle genes Wissen zunutze machen.« »Das dürfen wir nicht«, antwortete Samu ander. »Der Inspektor hat es verboten.« Doron-Sölp und seine Bewohner, die Goonies, erschienen dem Kundschafter im mer rätselhafter. Er hatte sich alles viel ein facher vorgestellt und geglaubt, durch einige Fragen das Wichtigste erfahren zu können. »Über Verbote kann man sich hinwegset zen«, sagte er. »Du hast mir erklärt, daß dein Herr der Erste Elektrodiener von DoronSölp ist. Nun gut, dann geh hin zu Trössö und berichte ihm, daß ich ihm gerade auf dem Gebiet der Elektrotechnik Wissen ver mitteln kann, das weit über alles hinausgeht, was bisher auf dieser Welt bekannt ist. Da mit kann er der reichste und mächtigste Mann von Doron-Sölp werden.« »Der Inspektor wüßte das zu verhindern«, entgegnete der Goonie. »Wie denn?« fragte Algonkin-Yatta. »Er würde das Schloß nicht öffnen.« Der Mathoner lehnte sich seufzend im Sessel zurück. Diese Antwort erschien ihm noch rätselhafter als alles, was er zuvor ge hört hatte.
5. Anlytha zuckte zusammen, als sie sah, daß einer der Drachen sich in der Narkose aufbäumte und heftig um sich schlug. Die Chirurgen versuchten, ihm die bereits einge pflanzte Metallkapsel wieder aus dem Ge hirn zu entfernen, doch sie schafften es nicht. Der Saurier kämpfte zu wild. Schließ-
lich senkte einer der Operateure eine vierar mige Stahlklammer auf ihn herab, die eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Greifer eines Baggers hatte. Damit preßte er das Tier auf den Operationstisch herab, so daß es sich nicht mehr bewegen konnte. Wiederum bemühten sich die Chirurgen, die Kapsel aus dem Gehirn zu entfernen, doch jetzt schoß ein Blutstrahl daraus her vor, und der Körper des Drachen erschlaffte. Die Humanoiden schrien wild durchein ander. Dann legte einer von ihnen einen He bel um. Sie traten zur Seite. Das Tier rutsch te vom Operationstisch und stürzte durch ei ne Luke im Boden, die Anlytha nicht sehen konnte. Sie hörte, wie der Drache tief unter ihr irgendwo aufschlug. Die Luke schloß sich. Die Chirurgen ließen das Laufband vor rücken und befaßten sich mit dem nächsten Drachen. Anlytha war empört über soviel Dilettan tismus und Rücksichtslosigkeit. Jetzt wußte sie, daß die Humanoiden nicht für die Erhal tung einer gefährdeten Tierart arbeiteten, sondern bedenkenlos eigene Interessen ver folgten. Sie sprang auf und eilte auf die Chirurgen zu. Dabei schrie sie so laut sie konnte und gaukelte den Humanoiden vor, daß sie ein riesiger Drache war, der vom Boden bis zur Decke reichte. Gleichzeitig vermittelte sie ihnen den Eindruck, ihr wütendes Zwit schern wäre das infernalische Gebrüll des Giganten. Die Chirurgen standen sekundenlang ent setzt da. Sie waren wie gelähmt, zumal sie sich nicht erklären konnten, woher das mon ströse Wesen kam. Dann flüchteten sie in panischer Angst bis zum Ende der Halle. Sie drängten sich durch eine Tür hinaus. Anly tha, die nicht die Absicht hatte, sie zu töten oder zu verletzten, raste hinter ihnen her. Dicht vor der Tür blieb sie stehen. Sie hörte, wie sich neben ihr das Schott am Ende des Laufbands öffnete. Interessiert blickte sie herüber. Sie dachte an keine Ge fahr, weil sie sich den Operateuren gegen
Sklaven des 3. Planeten über grenzenlos überlegen fühlte. Doch dann schnellten sich nacheinander zehn Drachen durch die Öffnung in die Hal le hinein und griffen sie sofort an. Erschrocken vergaß Anlytha, ihr Tarnbild aufrechtzuerhalten. Sie schaltete ihr Flugge rät ein und stieg bis zur Decke der Halle auf. Heftig flatternd versuchten die jungen Tiere, ihr zu folgen. Sie waren jedoch flugunerfah ren und schafften es nicht, sich in der Luft zu halten. Sie stürzten auf den Boden zu rück, wo sie andere behinderten, die eben falls angreifen wollten. Zwei Chirurgen standen in einer offenen Tür. Sie hielten einen kleinen Kasten in den Händen. Sie bemühten sich, die Drachen mit Funksignalen zu dirigieren. Anlytha konzentrierte sich auf sie und gaukelte ihnen vor, daß sie ein kleiner Vogel war, der durch eine Öffnung in der Decke aus der Halle flatterte. Augenblicklich ließen die Angriffe der Saurier nach. Die Tiere sanken auf dem Bo den zusammen und blieben apathisch liegen. Ihnen fehlte in diesen Sekunden alles, was ein Lebewesen auszeichnete. Sie erschienen Anlytha als seelenlose Geschöpfe, die eine erschreckende Ähnlichkeit mit Robotern hatten. Von allen Seiten strömten jetzt unifor mierte Humanoide in die Halle. Anlytha ver stärkte die psionische Impulswellenfront, die sie als kleinen Vogel erscheinen ließ. Sie eil te in den Raum, aus dem die Drachen her vorgekommen waren. Ein nahezu unerträglicher Gestank schlug ihr entgegen. In einer Mulde, die etwa zehn Meter tief war und einen Durchmesser von fünfzig Metern hatte, drängten sich Hunder te von jungen Drachen zusammen. Sie hat ten alle etwas gemeinsam: eine gewisse Stumpfsinnigkeit und jenen seelenlosen Blick, der Anlytha auch bei den anderen Sauriern aufgefallen war, die sie angegriffen hatten. Darüber hinaus hatten alle eine ver klebte Operationswunde am Kopf. Anlytha war klar, daß alle Tiere mit einer Metallkapsel versehen worden waren. Das
27 bedeutete, daß sie alle mit Hilfe von Funk befehlen wie Roboter gelenkt werden konn ten und keinen eigenen Willen mehr hatten. Ratlos stand sie zunächst an einer Wand und blickte in die Mulde hinab. Sie konnte sich nicht erklären, was die Humanoiden mit ihrem Eingriff bezwecken wollten. Sie stehlen die Eier und bringen sie in den Weltraum, erinnerte sie sich. Das hat zur Folge, daß die Eier der kosmischen Strah lung ausgesetzt werden. Dadurch werden die ausgeschlüpften Tiere zu aggressiven und bösartigen Bestien. Diese werden mit Steuergeräten versehen. Sie zwitscherte leise. Man benutzt sie als Kampftiere! durch fuhr es sie. Nur so konnte es sein. Irgendwo auf die sem Planeten mußten Kampfstätten sein. Dort wurden die präparierten Drachen bei Wettkämpfen vor einem amüsierten Publi kum eingesetzt. Nur so konnte es sein. Empört stampfte sie mit dem Fuß auf. Jetzt schalt sie sich eine Närrin. Wie hatte sie nur glauben können, daß die Humanoi den die Nachkommenschaft der Drachen vor der totalen Vernichtung retteten? Es gab allerdings noch eine andere Mög lichkeit. Anlytha erschauerte, als sie daran dachte, daß die Humanoiden die Drachen mit Raum schiffen zu anderen Welten brachten, um sie dort gegen die Planetenbewohner einzuset zen. Sie konnte sich vorstellen, welches Grauen die Tiere unter der überfallenen Be völkerung verbreiteten. Sie hatte diesen Gedanken kaum zu Ende geführt, als sich bisher verborgene Schotte dicht über der Sohle der Mulde öffneten. Kreischend und brüllend richteten sich die Drachen auf und trotteten in die Öffnungen. Anlytha schaltete ihr Fluggerät ein. Sie sah, daß einige der Chirurgen in die Halle kamen. Die humanoiden Wesen schöpften keinen Verdacht. Sie warfen ihr nur einen flüchtigen Blick zu. Nach wie vor glaubten sie, einen kleinen Vogel vor sich zu haben, von dem keine Gefahr ausging.
28 Anlytha folgte den Sauriern durch eines der Schotte in einen unbeleuchteten Tunnel hinein. Sie ließ sich auf dem Rücken eines der Tiere nieder. Schon nach wenigen Minuten drängten sich die Drachen in eine andere Halle hinein, die beleuchtet war. Anlytha stieg bis zur Decke hoch und wartete. Sie sah, daß sich ein Schott öffnete. Dahinter lag die Schleuse eines Raumschiffs. Die Drachen schoben sich hindurch in das Schiff hinein. Anlytha wartete ab. Als nahezu alle Tiere die Halle verlassen hatten, glitt in ihrer Nähe eine Tür auf. Zwei Humanoide traten ein. Da auch sie unter der psionischen Impuls wellenfront standen, reagierten sie nicht auf sie. Diskutierend traten sie an den Rand der Mulde heran. Anlytha schwebte hinter ihnen durch die Tür hinaus auf einen Gang hinaus bis zu ei ner anderen Tür, die sich mühelos öffnen ließ. Danach kam sie ins Freie. Sie befand sich nur wenige Meter vor einem steil aufra genden Raumschiff entfernt. Es war ein pfeilförmiges Raumschiff, und es bestätigte ihre Vermutung, daß die Dra chen zu einer anderen Welt gebracht wur den. Anlytha zweifelte nun nicht mehr daran, daß sie dort als biologische Kampfmaschi nen gegen die Bevölkerung eingesetzt wur den. Damit versiegten auch ihre letzten Sym pathien für die humanoiden Intelligenzwe sen. Ich werde euch die Suppe versalzen, ver kündete sie zwitschernd. Sie beschloß, Algonkin-Yatta zu suchen und ihn zu befreien. Mit ihm zusammen wollte sie gegen die Humanoiden vorgehen und ihre technischen Anlagen vernichten. Sie erwog sogar, sich die Steuergeräte zu besorgen, um damit eine Horde von Drachen gegen die Bewohner der Stadt zu hetzen. Doch sie wurde sich noch rechtzeitig dessen bewußt, daß sie sich durch nichts von den humanoiden Wesen unterscheiden würde, wenn sie so etwas tat.
H. G. Francis Sie schaltete das Fluggerät ein und flog in Richtung Stadt. Sie wußte, daß sie Algon kin-Yatta dort finden würde. Mit ihm wollte sie das Problem diskutieren und dann eine Entscheidung fällen.
* Algonkin-Yatta blickte ärgerlich auf die Tür, die sich hinter Samuander geschlossen hatte. Er war allein, und seine Neugier war größer als zuvor. Er hatte gehofft, mehr zu erfahren, und sah sich jetzt noch viel mehr Fragen gegenüber als zuvor. Samuander hatte das Gespräch mitten im Satz unterbrochen. Er war einfach aufge standen und schweigend hinausgegangen, so daß der Kundschafter zunächst befürchtete, ihn beleidigt zu haben. Nachdem er jedoch den letzten Teil der Unterhaltung mit dem Goonie rekonstruiert hatte, war er zu dem Schluß gekommen, daß Samuander ihn ab sichtlich verwirrte, um ihn zu verunsichern. Algonkin-Yatta erkannte, daß seine frei willige Gefangenschaft nicht nur sinnlos, sondern auch gefährlich geworden war. Zu dem hatte er keine Lust, zwölf Tage lang in diesem Raum zu verweilen, um dann einem jagdwütigen Goonie als Wild zu dienen. Er spannte die Muskeln und sprengte die Stahlfesseln. Sie zerplatzen, als ob sie aus mürber Wolle bestünden. Achtlos ließ er sie auf den Boden fallen. Er war sich darüber klar, daß der Sklaven halter Garkö Jagd auf ihn machen würde, so bald er sich in der Öffentlichkeit sehen ließ, doch das störte ihn nicht. Er wollte nicht in der Gefangenschaft abwarten, daß irgend et was passierte, sondern das Geschehen von sich aus gestalten. Er drückte den Türgriff nach unten und versuchte, die Tür zu öffnen. Sie war verrie gelt. Als er am Türgriff riß, zerbrach dieser. Der Kundschafter ließ sich jedoch nicht ent mutigen. Er trat gegen die Tür und zer schmetterte sie. Die Bruchstücke polterten zu Boden. Dahinter wurde die Stahltür sicht bar.
Sklaven des 3. Planeten Algonkin-Yatta untersuchte sie einige Se kunden lang. Danach hatte er ihre schwäch ste Stelle, das Schloß, ermittelt. Er trat eini ge Schritte zurück, rannte dann auf die Tür zu und schnellte sich mit den Füßen voran dagegen. Seine Hacken trommelten gegen das Stahlschloß und zermalmten es. Klirrend und krachend flog die Tür auf, wobei sie die Holztür, die dahinter lag, zerstörte. Der Mathoner klopfte sich den Staub aus den Kleidern und ging durch die nun offe nen Türen hinaus. Auf dem Gang davor stand Samuander, dessen fühlerartige Sichtsensoren sich ihm entsetzt entgegenstreckten. Er gab ihm mit einem Handzeichen zu verstehen, daß er zur Seite treten sollte, doch der Goonie war wie gelähmt. Er konnte sich nicht rühren. »Geh mir aus dem Weg«, befahl Algon kin-Yatta. »Ich habe nicht vor, dich zu ver letzen. Wenn du jedoch nicht gehorchst, könnte es dir so gehen wie der Stahltür.« »Wie hast du das gemacht?« fragte Samu ander stammelnd. Der Mathoner klopfte sich mit der Hand an die rechte Hacke, nachdem er das Bein angewinkelt hatte. »Damit«, erklärte er. »Und jetzt ver schwinde. Ich meine es gut mit dir.« Samuander fuhr herum und rannte schrei end davon. Der Kundschafter hatte sich den Weg zur Garage genau gemerkt. Er hatte das erste Fahrzeug bereits erreicht, bevor die Schreie des ehemaligen Sklaven noch verklungen waren. Ruhig betrachtete er die Bedienungs elemente. Alles war klar und übersichtlich angeordnet, so daß er glaubte, den Wagen fahren zu können. Er setzte sich hinter das Steuer und betä tigte einen kleinen Hebel. Der Motor sprang an. Ruckend setzte sich das Fahrzeug in Be wegung. In diesem Moment kam Trössö in die Ga rage. Er trug eine langläufige Waffe in den Händen und schoß sofort. Etwa fünfzig Ge schosse schlugen links und rechts von Al
29 gonkin-Yatta in den Wagen ein. Glas- und Metallsplitter wirbelten ihm um den Kopf. Er warf sich zur Seite, prallte gegen die Tür und riß sie aus den Angeln. Eine Ge schoßgarbe raste heulend und jaulend über ihn hinweg. Die Stahlmantelprojektile schlu gen einige Meter von ihm entfernt in die Wand. Algonkin-Yatta lag auf dem Boden. Unter dem Wagen hindurch konnte er Trössö se hen, der sich von Samuander ein anderes Gewehr reichen ließ. Der Kundschafter schnellte sich hoch und rannte auf den Ausgang der Garage zu. Er hörte die Schreie des Ersten Elektrodieners, blickte über die Schulter zurück und stellte fest, daß die Waffe bereits im Anschlag lag. Wiederum warf er sich zur Seite, rollte über den Boden und richtete sich hinter ei ner Betonsäule auf. Die Geschosse schlugen nur etwa zwanzig Zentimeter von ihm ent fernt ein. Er duckte sich und schnellte sich hinter ein Fahrzeug, das etwa drei Meter von ihm entfernt stand. Bevor Trössö reagieren konnte, hatte er die Deckung erreicht. Die Waffe schwieg, doch der Goonie ließ sich von Samuander bereits die Dritte rei chen. »Soll das so weitergehen, Trössö?« fragte der Kundschafter mit hallender Stimme. »Ich töte dich«, antwortete der Goonie. Der Mathoner lachte leise. »Das dürfte ziemlich schwer für dich wer den«, sagte er. »Bevor du weißt, wohin du zielen mußt, bin ich schon wieder woanders. Wollen wir es probieren?« Er verließ seine Deckung. Trössö riß die Waffe hoch und feuerte, doch der Mathoner war bereits hinter einem anderen Wagen verschwunden, der etwa fünf Meter entfernt war. Nun trennten ihn nur noch etwa zehn Meter von dem Schützen. »Ich rate dir, die Waffe wegzuwerfen und mir vernünftige Gespräche anzubieten«, rief der Mathoner. »Tust du es nicht, bin ich bei dir und drehe die Waffe um.« »Das schaffst du nie«, brüllte Trössö und schoß das gesamte Magazin leer. Die Ku
30 geln durchlöcherten das Fahrzeug, das dem Mathoner längst nicht mehr als Deckung diente. Algonkin-Yatta bewegte sich schnell. Dabei gelang es ihm, Trössö so abzulenken, daß dieser ihn nicht mehr sah. Er erreichte es mit einem einfachen Trick, indem er ein paar Metallsplitter aufnahm und in eine an dere Ecke der Garage warf. Er tauchte im Rücken des Ersten Elektro dieners auf und tippte ihm auf die Schulter. »Hier bin ich, Trössö«, sagte er freund lich. Der Goonie fuhr herum. Er wollte auf den Kundschafter schießen, doch dieser packte den Lauf des Schnellfeuergewehrs und drückte ihn zur Seite, so daß die Geschosse ins Leere fuhren. »Es könnte sein, daß ich irgendwann die Geduld verliere«, sagte Algonkin-Yatta. »Es könnte aber auch sein, daß Garkö auf den Lärm aufmerksam wird, hier auftaucht und sein Jagdrecht geltend macht. Sollte es nicht vernünftiger sein, wenn wir uns unterhal ten?« Trössö ließ die Waffe fallen. Er wich zu sammen mit seinem Diener Samuander vor dem dunkelhäutigen Mathoner zurück. »Wer bist du?« fragte er stammelnd. »Wie ist es möglich, daß du noch lebst? Ich bin ein guter Schütze. Noch nie habe ich mein Ziel verfehlt.« »Nun, bei mir hat es nicht geklappt«, ent gegnete der Kundschafter gelassen. Er blick te den Goonie an, konnte jedoch aus den Be wegungen der Fühler nicht erkennen, was dieser empfand. Immerhin erfaßte er, daß Trössö in höchstem Maß beunruhigt war. Algonkin-Yatta wartete ab. Einige andere Goonies erschienen in der Garage. Sie waren nicht bewaffnet. Sie alle trugen eine ähnliche Kleidung wie Samuan der. Daraus schloß der Mathoner, daß sie ebenfalls Diener von Trössö waren. »Vielleicht sollte ich mir deinen Vor schlag wirklich überlegen«, sagte Trössö endlich. »Von welchem Vorschlag sprichst du?« fragte der Mathoner. »Meinst du eine Zu-
H. G. Francis sammenarbeit?« »Das meine ich«, erwiderte der Goonie. »Du bist stark. Du bist ein großer Kämpfer. Du bist uns allen weit überlegen. Vielleicht kannst du das Problem lösen, unter dem wir alle leiden.« »Das läßt sich hören«, sagte der Kund schafter. »Müssen wir darüber in der Garage reden, oder hast du mir dafür einen besseren Rahmen anzubieten?« »Komm mit«, bat der Goonie. »Du bist mein Gast. Von jetzt an wird niemand aus meinem Hause auf dich schießen. Du stehst unter meinem Schutz.« »Das läßt sich hören«, wiederholte Algon kin-Yatta. Er folgte dem Ersten Elektrodiener ins In nere des Hauses. Samuander trabte ehrfürch tig hinter ihnen her. Er behauptete zwar, kein Sklave mehr zu sein, verriet aber durch sein Verhalten, daß er sich noch immer als Abhängiger fühlte. Trössö führte den Kundschafter in einen einfach eingerichteten Raum. In einem offe nen Kamin brannte Feuer. »Unser Problem ist, daß wir von dem In spektor abhängig sind«, erklärte der Erste Elektrodiener, nachdem er sich zusammen mit seinem Gast an einen Tisch gesetzt hat te. »Dann beseitige den Inspektor«, schlug der Mathoner vor. »Das geht nicht«, erwiderte Trössö. »Wir müssen die Tarakfanter, das sind die Dra chen, so behandeln, daß aus friedfertigen und gutmütigen Wesen kampflüsterne Mon stren werden. Die Tarakfanter werden da nach in Raumschiffe verladen und nach Pörs-Odon gebracht. Das ist der dritte Planet dieses Sonnensystems.« »Wer zwingt euch dazu?« fragte Algon kin-Yatta. »Der Inspektor.« Trössö senkte nachdenk lich den Kopf, so daß ihm das dunkle Haar ins Gesicht fiel. Als er den Kopf wieder hob, hatten sich die Sichtfühler heftig gerötet. Der Mathoner sah darin einen Ausdruck des Zorns, und er irrte sich nicht. Die Stimme
Sklaven des 3. Planeten Trössös verriet ihm, daß er recht hatte. Sie bebte. »Niemand auf Doron-Sölp weiß, wann es war. Es war irgendwann in der Vergangen heit unseres Planeten. Da hat es einen Krieg gegeben. Bei diesem wurden Waffen einge setzt, die schwere Umweltschäden anrichte ten. Bestimmte Bakterienarten, Pflanzen und Tiere wurden ausgerottet. Das hat dazu ge führt, daß wir nicht mehr ohne fremde Hilfe leben können.« »Wie ist das zu verstehen?« fragte der Mathoner. »Was ist passiert?« »Ich kenne die wissenschaftlichen Zusam menhänge nicht«, erwiderte Trössö. »Ich weiß jedoch, daß der Inspektor zweimal im Jahr nach Doron-Sölp kommt. Einmal be sucht er die nördliche Halbkugel, einmal die südliche. Er allein hat den Schlüssel, mit dem ein weltumspannendes Energiefeld auf gebaut werden kann. Wenn er das Feld ein geschaltet hat, erwachen die Pflanzen aus ih rem Winterschlaf. Der Frühling beginnt. Kommt der Inspektor nicht und schaltet er das Energiefeld nicht ein, wird Doron-Sölp zur Wüste. Wir sind in seiner Hand. Also tun wir, was er von uns verlangt.« »Wer ist der Inspektor?« fragte AlgonkinYatta. »Ein Goonie?« Trössö schüttelte den Kopf. »Ein Roboter«, antwortete er. »Er kommt mit einem Raumschiff. Von Pörs-Odon, wie wir glauben. Es hat Rebellionen gegen ihn gegeben. Man hat schon versucht, ihn zu zerstören oder die Energiefelder selbst ein zuschalten. Alle, die es versucht haben, sind getötet worden. Und der Inspektor hat uns gezeigt, was es bedeutet, sich gegen ihn zu erheben. Er hat einen Teil von Doron-Sölp für ein Jahr zur Wüste werden lassen. Seine Macht ist grenzenlos.«
6. Anlytha verließ die Halle mit ihren Anla gen, ohne aufgehalten zu werden. Sie glaub te, genug gesehen zu haben. Nun galt es, Verbindung mit Algonkin-Yatta aufzuneh
31 men und die nächsten Schritte zu bespre chen. Im Schutz der Dunkelheit flog sie in Richtung Stadt. Dabei hielt sie sich stets an die Straße, weil sie hoffte, hier oder da et was zu finden, was von Wert war. Sie wurde jedoch enttäuscht. Sie entdeckte nichts, was ihr interessant genug erschien. Dieser Mißerfolg enttäuschte sie und stei gerte ihr Verlangen nach einem Erinne rungsstück an diese Welt. Sie wollte DoronSölp auf gar keinen Fall verlassen, ohne ir gend etwas Schönes mitzunehmen. Da sie außerhalb der Häuser nichts gefun den hatte, wurde der Reiz, sich eines der Häuser von innen anzusehen, übermächtig in ihr. Sie vergaß nicht gerade, daß sie Algon kin-Yatta befreien wollte, glaubte aber, daß der Mathoner noch ein wenig warten konnte. An den ersten Häusern kam Anlytha noch vorbei, indem sie sich einredete, daß am Au ßenrand einer Stadt nicht viel zu sehen war. Doch dann konnte sie nicht länger widerste hen. Sie entdeckte einige offene Fenster bei einem Haus und landete auf einer Dachter rasse. Der betäubende Duft von Kräutern schlug ihr entgegen. Sie sah, daß auf einem Tisch allerlei Pflanzen zum Trocknen ausgebreitet worden waren. Sie rümpfte die Nase. An ein solches Erinnerungsstück hatte sie eigentlich nicht gedacht. Es sollte mehr etwas sein, was glitzerte, schimmerte oder leuchtete. Sie schritt durch eine offene Tür ins Haus an einem großen Bett vorbei, in dem drei Humanoide lagen und schliefen. Anlytha sah, daß einer von ihnen eine zierliche Figur aus einem ihr unbekannten Material mit den Händen umklammerte. Die Figur hatte hu manoide Formen und trug einen Stein am Kopf, der selbst in der Dunkelheit glitzerte und leuchtete, als sei er von geheimnisvol lem Leben erfüllt. Die Figur übte einen gera dezu magischen Reiz auf Anlytha aus. Unwillkürlich zwitscherte sie bewun dernd, verstummte aber sogleich, als sich die Schlafenden zu regen begannen. Einer von ihnen richtete sich gar auf.
32 Anlytha sah sich zu ihrer schwierigsten Übung veranlaßt und zwang ihn mit psioni schen Impulsen, sie zu übersehen. Er legte sich wieder hin und schlief weiter. Lächelnd beugte sie sich über einen ande ren der Schlafenden und bog ihm vorsichtig die Finger auf. Dann zog sie ihm die Figur aus den Händen und drückte sie glücklich an sich. Sie beobachtete den Schlafenden und stellte befriedigt fest, daß er nichts gemerkt hatte. Dieser Erfolg hätte unter normalen Um ständen ausgereicht, Anlytha zu befriedigen. Doch solange sie auf Doron-Sölp war, hatte sie noch keine Gelegenheit gehabt, Unent behrliches an sich zu bringen. Da sie die Vorliebe des Mathoners für Kunstwerke kannte, sah sie sich förmlich gezwungen, ihm etwas aus dem künstlerischen Schaffen der Bewohner dieses Planeten mitzubringen. Sie war zudem davon überzeugt, daß er we der Zeit noch Gelegenheit hatte, sich selbst darum zu kümmern. Sie steckte die Figur ein und sah sich um. Die Tür zum Nebenraum war ebenfalls of fen. Sie trat hindurch und kam in einen luxu riös eingerichteten Raum, in dem sich die Kunstschätze – wie ihr schien – nur so häuf ten. Lautlos schloß sie die Tür hinter sich. Ihre Hände glitten tastend über die Wand, bis sie einen Lichtschalter entdeckte. Er war ein fach, fast primitiv konstruiert. Ein Knopf auf dem Schalter mußte gedreht werden. Gelbes Licht flammte auf. Anlytha seufzte entzückt. Ihre fliederfar bene Haut begann zu glänzen, und der weiße Federkamm auf ihrem Kopf richtete sich auf. Anlytha hüpfte vor Freude auf den Fuß ballen. Ihr schien, als habe sie den Haupt treffer in einer Lotterie gezogen. An den Wänden hingen zahlreiche farbenprächtige Bilder, und auf Tischen und Schränken stan den dichtgedrängt allerlei Gegenstände mit ausgeprägt zierlichen Formen. Diese standen in lebhaftem Gegensatz zur Körperform der Humanoiden, denen Anlytha bisher begeg net war. Die Bewohner dieser Welt hatten
H. G. Francis säulenartige Beine und tonnenförmige Kör per. Die Proportionen schienen nicht zu stimmen. Und auch die Gesichter sahen nicht anziehend aus. Dagegen erschienen Anlytha alle Gegen stände, die diese Wesen geschaffen hatten, ausgesprochen schön. Es fiel ihr schwer, sich für irgend etwas zu entscheiden. Ent zückt eilte sie von einem Gegenstand zum anderen und versuchte, das herauszufinden, was am meisten Gefallen bei Algonkin-Yat ta finden würde. Sie merkte nicht, wie die Zeit verstrich. Hin und wieder gähnte sie herzhaft. Sie wurde müde. Schließlich drückte sie eine Tür auf, die in einen Eßraum führte. Sie sah eine breite Lie ge, die unter einem offenen Fenster stand. Sie übte einen unwiderstehlichen Reiz auf sie aus. Anlytha blickte zum Fenster hinaus. Es war noch immer dunkel draußen, und auch am Horizont zeigte sich noch kein Licht schimmer. Sie glaubte, einige Stunden schlafen zu können, ohne vom neuen Tag überrascht zu werden. Sie gähnte erneut und ließ sich auf die Liege sinken. Sie rollte sich zusammen und schloß die Augen. »Nur für einen ganz kleinen Moment«, murmelte sie und schlief ein.
* Algonkin-Yatta erhob sich. Er ging einige Schritte im Raum auf und ab. »Ihr könnt nur frei werden, wenn ihr den Inspektor aus schaltet«, führte er dann aus. »Und wenn ihr lernt, die Energiefelder selbst zu steuern.« »Alle, die es versucht haben, sind getötet worden«, erwiderte Trössö. »Es hat keinen Sinn, sich gegen den Inspektor aufzuleh nen.« »Von wo aus schaltet er die Energiefelder ein?« »Mal von hier, mal von dort, das weiß niemand vorher.« Algonkin-Yatta stutzte. »Moment mal«, sagte er. »Es muß doch
Sklaven des 3. Planeten so etwas wie einen Schalter geben. Oder bringt der Inspektor ein Schaltgerät mit?« »Der Inspektor geht in eine der großen Hallen, in denen die Drachen präpariert wer den. Danach bauen sich die Energiefelder auf«, antwortete Trössö. »Das muß ich sehen«, rief der Mathoner spontan. »Kannst du mir eine Halle zeigen, ohne daß die Jagd auf mich wieder los geht?« »Selbstverständlich«, erwiderte der Goo nie. »Komm mit.« Die beiden Männer verließen das Haus wenig später in einem Fahrzeug Trössös, das bei der Schießerei in der Garage nicht be schädigt worden war. Es war noch immer dunkel, so daß der Elektrodiener die Schein werfer einschalten mußte. Er fuhr in nordwestlicher Richtung über eine schmale und schlecht ausgebaute Stra ße, die jedoch bald an eine wesentlich besse re anschloß, so daß sie schnell vorankamen. Noch vor Anbruch des neuen Tages erreich ten sie eine Halle, die in einem dicht bewal deten Tal stand. »Die Eierausbeute ist in diesem Jahr schlecht«, erläuterte Trössö. »Daher sind nur wenige Hallen ausgelastet. In manchen Jah ren erbeuten wir so viele Sauriereier, daß wir gar nicht alle bearbeiten können.« Er deutete auf die Halle, die vor ihnen lag. »Diese Halle ist in diesem Jahr stillgelegt. Sie wird von nur drei Männern bewacht. Die sind kein Problem. Ich werde ihnen etwas Geld geben, und sie werden schweigen.« Der Wagen hielt vor einem mit roten Punkten gekennzeichneten Eingang. Trössö betätigte einen Schalter, und das Schott glitt zur Seite, so daß er in die Halle fahren konn te. Unter einem Fließband stiegen die beiden Männer aus. Licht flammte auf. Ein Goonie trat durch die Tür. Er hielt eine langläufige Waffe in den Händen. Trössö ging auf ihn zu und sprach auf ihn ein. Er beruhigte den Wächter, der ihm gut bekannt zu sein schien, und überreichte ihm einen Lederbeutel mit Münzen. »Du brauchst keine Angst zu haben«, er
33 klärte er. »Dieser Fremde ist hier, weil er uns helfen will.« »Helfen?« fragte der Wächter. »Wieso be nötigen wir Hilfe? Es geht uns gut. Wir ha ben keine Sorgen.« »Wir werden bald Sorgen haben«, erwi derte der Erste Elektrodiener. Er griff zu ei ner Notlüge. »Im Westen ist es zu einer Ka tastrophe gekommen, die jedoch von der Re gierung verschwiegen wird: Es heißt, daß der Inspektor die übliche Antwort darauf ge ben wird.« Der Wächter zuckte zusammen. Das Ge wehr entfiel seinen Händen. »So schlimm ist es?« fragte er mit schril ler Stimme. »Doron-Sölp wird wieder zur Wüste werden?« »Vielleicht können wir das verhindern«, sagte Trössö. »Wir werden es auf jeden Fall versuchen.« Er reichte dem Wächter einen zweiten Beutel mit Geld. »Die Angelegenheit wird von der Regie rung verschwiegen. Sie ist geheim. Sie muß auch geheim bleiben, wenn sie nicht zu einer Katastrophe ausweiten soll, die die ganze Welt erfaßt.« »Ich werde nichts verraten«, versprach der Wächter mit bebender Stimme. Er hob sein Gewehr auf. Dann trat er näher an Al gonkin-Yatta heran. Die Sichtfühler spreiz ten sich weit ab. Der Mathoner fühlte sich unbehaglich, ließ sich jedoch nichts anmer ken. Er war froh, als der Wächter sich end lich abwandte und davoneilte. »Komm«, sagte Trössö. »Hier entlang.« Er führte den Kundschafter durch die Hal len und erläuterte ihm die verschiedenen Einrichtungen. Auf diese Weise erfuhr der Mathoner, was Anlytha unter wesentlich schwierigeren Umständen herausgefunden hatte. Daß er keineswegs mit der Behand lung und Manipulierung der Drachen einver standen war, zeigte er Trössö nicht. »Wohin werden die Drachen gebracht?« fragte er, als sie einen Maschinenraum be traten. »Wir wissen es nicht genau«, erwiderte
34 Trössö. »Wir vermuten jedoch, daß sie nach Pörs-Odon kommen.« »Was geschieht dort mit ihnen?« forschte Algonkin-Yatta weiter. »Welche Aufgabe haben sie?« »Das können wir ebenfalls nur ahnen«, antwortete der Goonie. »Die Tiere werden zu lenkbaren Kampfmaschinen umgeformt. In guten Jahren liefern wir zehntausend und mehr Drachen ab. Niemals kommt einer von ihnen zurück. Auf Pörs-Odon, oder wohin sie auch immer geflogen werden, muß es mittlerweile Millionen von ihnen geben. Niemand von uns kann sich vorstellen, was sie dort treiben. Vielleicht werden sie von Pörs-Odon aus zu den Sternen gebracht und treiben auf fernen Planeten ihr Unwesen. Das kann niemand wissen, der nicht auf Pörs-Odon war.« »Ihr Goonies dürft nicht nach Pörs-Odon. Ist das richtig?« »Das ist richtig. Wir fliegen mit unseren Raumschiffen zu den Weltraumfarmen, in denen die Eier der kosmischen Strahlung ausgesetzt werden. Weiter aber auch nicht. Es geht das Gerücht, daß auch auf PörsOdon einige Goonies leben, aber auch das weiß niemand genau.« »Weiß man denn, woher der Inspektor kommt?« »Wir glauben, daß er von Pörs-Odon, dem dritten Planeten, kommt«, erklärte Trössö. »Aber auch hier gibt es keine Bestätigung. Ich gestehe, daß wir uns eigentlich gar nicht für diese Fragen interessieren. Wir tun, was wir tun müssen, wenn wir überleben wol len.« Er wandte sich den Maschinen zu und be gann nun damit, diese dem Mathoner zu er klären. Algonkin-Yatta stellte nur wenige Fragen. Die Anlage war einfach. Sie diente der Energiegewinnung und arbeitete mit thermonuklearer Technik. Das war nichts, was den Mathoner in Erregung versetzen konnte. Seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf einen Schaltblock, der mit einigen po sitronischen Elementen versehen war. Er bat
H. G. Francis Trössö, ihm diese Einrichtung zu erklären. »Wir wissen nicht, was das ist«, antworte te der Goonie. »Wahrscheinlich ist das das Gerät, mit dem der Inspektor das Energie feld einschaltet. Wir dürfen es nicht berüh ren.« Der Kundschafter untersuchte die Schalt einheit und stellte fest, daß die Technik sich nicht wesentlich von der der Goonies unter schied. Das bewies ihm, daß sie von keiner überlegenen Macht gebaut worden war. Schon bald entdeckte er verschiedene Si cherheitseinrichtungen, die einem technisch wenig Begabten gefährlich werden mußten. Er stellte jedoch fest, daß er sie mühelos umgehen konnte. »Du hast recht«, sagte er, nachdem er et wa eine Stunde an dem Gerät gearbeitet hat te. »Dies ist eine Schalteinheit und zugleich ein Energiefeldprojektor. Das Gerät sammelt die aus dem Atomreaktor fließende Energie und strahlt sie unter bestimmten Umständen ab. Das reicht jedoch nicht, den ganzen Pla neten mit einem Energiefeld zu umspannen. Ich vermute daher, daß in allen Hallen dieser Art eine Schalteinheit wie diese vorhanden ist, so daß ein Netz von Energiefeldern auf gebaut wird, das von jeder Halle aus einge schaltet werden kann.« »Könntest du das auch machen?« fragte Trössö. »Ich bin sicher, daß ich es kann«, antwor tete der Mathoner. »Ich werde dafür sorgen, daß ihr vom Inspektor unabhängig werdet. Allerdings …« »Du hast Bedenken?« forschte der Goo nie. »Welche?« »Wenn ich nicht mehr auf Doron-Sölp bin, wird einer von euch sich für diese Auf gabe zur Verfügung stellen müssen. Einer oder mehrere.« »Ich werde das Opfer bringen«, erklärte der Goonie eilfertig. »Ich werde tun, was man von mir verlangt.« »Und damit der mächtigste Mann von Do ron-Sölp werden«, entgegnete der Mathoner besorgt. »Du könntest alle Goonies erpres sen, indem du ihnen die Energiefeldschal
Sklaven des 3. Planeten tung verweigerst, wenn sie nicht tun, was du verlangst.« »So etwas würde ich nie machen«, erwi derte Trössö und hob beschwörend die Ar me. »Rufe die Wächter hierher«, befahl der Mathoner. »Ich werde euch allen sagen, wie es gemacht wird.« »Warum nicht mir allein?« fragte Trössö bestürzt. Er klammerte sich an den Kund schafter. »Ich verspreche dir, daß ich meine Macht niemals mißbrauchen werde.« »Das glaube ich dir. Doch du könntest sterben, bevor du deinem Erben und Nach folger das Geheimnis mitgeteilt hast. Und was ist dann? Was passiert, wenn der In spektor nicht kommt, und du nicht mehr le bst? Dann wird Doron-Sölp unweigerlich zur Wüste. Du mußt einsehen, daß ihr dieses Risiko nicht eingehen könnt.« Trössö setzte sich auf den Boden und dachte nach. Einige Minuten verstrichen. Dann sprang er auf und versprach, die Wächter zu holen. Algonkin-Yatta blickte ihm nach. Er hatte kein gutes Gefühl bei die sem Unternehmen, doch er wollte die Macht des Inspektors auf jeden Fall brechen, um der Manipulation der Drachen und der Goo nies ein Ende zu machen. Er wollte DoronSölp nicht mit dem Gefühl verlassen, ver sagt zu haben. Er fühlte sich verpflichtet, den Goonies und den Drachen zu helfen. Er wandte sich der Schalteinheit zu und entfernte die tödlichen Fallen, die der unbe kannte Konstrukteur daran angebracht hatte. Darüber verstrich fast eine halbe Stunde. Das bemerkte der Mathoner jedoch erst, als er fertig war. Beunruhigt ging er auf die Tür zu, durch die Trössö verschwunden war. Er war noch etwa fünf Meter davon entfernt, als sie sich öffnete. Trössö stürzte herein. Er blutete aus einer Stirnwunde. »Diese Verräter«, rief er keuchend, wäh rend er auf die Knie sank und die Hände auf die Wunde preßte. »Sie haben von Garkö noch mehr Geld erhalten als von mir. Sie ha ben ihn verständigt. Er ist draußen. Er will dich töten.«
35 Zwei Schüsse ertönten. Jaulend flogen die Geschosse an Algonkin-Yatta vorbei. Trössö ließ sich nach vorn fallen und wälzte sich zur Seite, bis er in der Deckung einer Ma schine lag, wo die Kugeln ihn nicht errei chen konnten. »Ich habe versucht, es ihnen zu erklären«, rief er dem Kundschafter zu. »Sie haben mich nicht verstanden.« Algonkin-Yatta stand hinter einem Schalt kasten. Er war entschlossen, Garkö zur Vernunft zu bringen. Allzuviel stand auf dem Spiel. Das Schicksal der gesamten Bevölkerung von Doron-Sölp hing davon ab, daß die Macht des Inspektors gebrochen wurde. Al gonkin-Yatta zweifelte nicht daran, daß der Inspektor hart und kompromißlos zuschla gen würde, wenn er bemerkte, daß an die sem Schaltkasten etwas verändert worden war. »Komm heraus«, brüllte Garkö. »Warum versteckst du dich?« »Ein Narr ist er«, sagte Trössö zornig. »Ich würde ihn töten, wenn ich könnte.«
* Anlytha schlug die Augen auf, als sie je mand an der Schulter berührte. Vor ihr stand ein Kind, das noch kleiner war als sie und offenbar keinerlei Scheu vor ihr kannte. Die Sichtfühler wirbelten aufgeregt durcheinan der. Anlytha richtete sich erschrocken auf. Durch die Fenster flutete helles Tageslicht herein. Die Tür öffnete sich, und die unför mige Gestalt eines Goonies schob sich her ein. Er begann augenblicklich zu brüllen, als er Anlytha entdeckte. Das Kind fuhr schreiend zurück und lief aus dem Raum, während der Mann nach ei ner metallenen Statue griff und sich Anlytha drohend näherte. Diese sandte ihm eine psionische Impuls wellenfront entgegen, die in seinem Gehirn den Eindruck entstehen ließ, daß sich auf dem Lager ein Rieseninsekt erhob, das mit
36 einem gefährlichen Stachel versehen war. Entsetzt wich er bis zur Tür zurück. Anlytha zwitscherte vergnügt. Sie hatte ihren ersten Schrecken überwunden und die letzte Schläfrigkeit abgeschüttelt. Sie hüpfte von der Liege und sprang auf den Mann zu. Dieser wirbelte herum und flüchtete aus dem Raum. Dabei stieß er mit zwei anderen Män nern zusammen, die ihm zu Hilfe kommen wollten. Alle drei stürzten zu Boden. Anlytha kletterte über sie hinweg. Krei schend vor Angst krochen sie über den Bo den. Das Mädchen stopfte sich rasch einige Miniaturen in die Gürteltaschen und eilte auf die Dachterrasse hinaus, wo die Frauen an einem Tisch saßen und frühstückten. Da sie noch immer die gleichen Paraeindrücke aus strahlte, glaubten auch die Frauen ein le bensbedrohendes Rieseninsekt zu sehen. Sie rannten furchterfüllt über das Dach davon. Anlytha konnte der Versuchung nicht wi derstehen, etwas von dem zu sich zu neh men, was auf dem Tisch stand. Sie naschte von den Früchten, die verführerisch süß schmeckten, und trank etwas Wasser. Da nach fühlte sie sich für die nächsten Stunden gestärkt. Einer der Männer kam mit einem Gewehr bewaffnet auf die Dachterrasse heraus. Anlytha stürzte sich auf ihn, bevor er die Schußwaffe gegen sie erheben konnte. Vor Schreck ließ er sie fallen. Sie nahm sie auf und feuerte sie in die Luft. Dann schaltete sie ihr Fluggerät ein und schwebte über das Dach des Hauses hinweg. Wenig später erkannte sie, daß es ein Feh ler gewesen war, das Gewehr abzuschießen. Damit hatte sie nur die Aufmerksamkeit der Nachbarn erregt. Männer und Frauen liefen aus den Häusern. Eine Alarmsirene heulte auf, und Rufe erklangen, die von Gruppe zu Gruppe weitergegeben wurden. Anlytha glaubte, das Wort Garkö zu hö ren. Sie überprüfte, ob dafür eine Einspei cherung in ihrem Translator vorhanden war, erhielt jedoch einen negativen Bescheid. Sie sah, daß viele Männer Gewehre hatten, doch
H. G. Francis machte keiner von ihnen Anstalten, auf sie zu schießen. Das überraschte sie. Nach den Ereignissen der Nacht hatte sie mit einer aggressiveren Reaktion gerechnet. Sie glitt langsam über die Dächer der Häuser hinweg und beobach tete das Geschehen unter sich. Dabei fühlte sie sich immer sicherer, da niemand auf sie schoß oder sie auf andere Weise angriff. Im mer mehr Männer, Frauen und Kinder liefen zusammen und folgten ihr. Dabei ertönte ständig der Schrei nach Garkö. Schließlich war Anlytha sich dessen si cher, daß Garkö ein Name war und daß die Menge nach diesem Garkö rief, weil dieser sie töten sollte. Während sie noch über diese Frage nach dachte, ertönte ein Rufzeichen von ihrem Handgelenk. Algonkin-Yatta meldete sich! Sie schaltete das Funkgerät ein und hielt es sich an den Kopf. Sie selbst hatte bewußt darauf verzichtet, den Mathoner zu rufen, um ihn nicht unnötig durch das Rufzeichen in Gefahr zu bringen. »Ich höre dich«, sagte sie. »Was gibt es?« »Bist du in Ordnung?« fragte er. »Völlig. Ich schwebe gerade über der Stadt. Unter mir laufen Männer, Frauen und Kinder zusammen und schreien nach Garkö. Hast du jemals von Garkö gehört?« »Und ob«, erwiderte er mit grimmigem Unterton. »Dieser Mann hat sich das Recht gekauft, dich und mich zu töten. Er ist gera de in meiner Nähe und versucht, sein Recht wahrzunehmen.« Anlytha vernahm einige Schüsse. »Wo bist du?« erkundigte sie sich. »Weit entfernt von der Stadt in einer still gelegten Halle. Ich würde es begrüßen, wenn du hierher kommst.« »Gern«, erwiderte sie. »Gib mir ein Peil zeichen.« »Bin schon dabei.« Das Funkgerät gab in regelmäßigen Ab ständen Pieptöne von sich. Anlytha flog ei nige Male in verschiedenen Richtungen hin und her, bis sie ermittelt hatte, in welche
Sklaven des 3. Planeten Richtung sie fliegen mußte. Dann stieg sie steil auf und beschleunigte. Die Bewohner der Stadt begannen aufgeregt zu schreien, als sie begriffen, daß sie ihnen entkommen würde. Weit von der Stadt entfernt landete ein Raumschiff. Das Donnergrollen der ver drängten Luft klang bis zu Anlytha herüber. Sie kümmerte sich nicht darum, da sie sich dadurch nicht bedroht fühlte. Als sie etwa zehn Kilometer weit geflo gen war, näherte sich ihr ein gleichmäßiges Dröhnen. Sie blickte zur Stadt zurück und entdeckte, daß ihr zwei primitive Flugzeuge folgten. Sie flogen noch niedriger als sie und hatten offensichtlich Mühe, zu ihr aufzu schließen. Sie waren noch etwa fünfhundert Meter hinter ihr. Da sie keine Lust verspür te, sich mit den Piloten auseinanderzusetzen, beschleunigte sie noch stärker, gleichzeitig vermittelte sie ihren Verfolgern den Ein druck, daß sie ins Nichts verschwand. Wenig später drehten die Flugzeuge ab und flogen nach Süden. Die Piloten hatten sie aus den Augen verloren. Nahezu zur gleichen Zeit bemerkte Anly tha eine Reihe von Fahrzeugen, die auf einer gut ausgebauten Straße in der gleichen Rich tung fuhren wie sie. Die Straße kam in wei tem Bogen von Südwesten her und zeigte schließlich in nordwestlicher Richtung. In der Ferne erkannte Anlytha eine der großen Hallen mit den halbtransparenten Dächern. Die Peilsignale zeigten ihr an, daß diese Halle ihr Ziel war. »Wie sieht es aus bei dir?« fragte sie. Algonkin-Yatta meldete sich augenblick lich. Er schien nur auf ihre Worte gewartet zu haben. »Schlecht«, erwiderte er. »Ich sitze in der Falle. Die Wände bestehen aus Stahlbeton, den auch ich nicht zerschlagen kann. Es gibt nur einen Ausgang, und den bewacht Garkö. Er kann mich abknallen wie einen tollen Hund.« »Ich sehe ziemlich viele Fahrzeuge, die alle in Richtung Halle fahren.« »Die Meute will sich die Jagd nicht entge
37 hen lassen. Sie soll sich nur nicht täuschen.« Zorn klang in den Worten des Mathoners mit. Der Tonfall verriet Anlytha, daß er noch mehrere Möglichkeiten hatte, aus der Falle zu entkommen, sie bisher aber nicht genutzt hatte, weil sie tödlich für Garkö wa ren. Algonkin-Yatta scheute vor der brutalen Gewalt zurück, weil er in Garkö nicht den wirklich Schuldigen sah. Anlytha zählte mehr als zwanzig Fahrzeu ge, die vor der Halle parkten. Von den Neu gierigen war jedoch nichts zu sehen. Sie hielten sich in der Nähe der eigentlichen Kampfstätte auf. »Wie fühlst du dich?« fragte der Matho ner. »Bist du stark genug, die Goonies zu bluffen?« »Ich werde es schaffen«, erwiderte sie. Wiederum ertönten einige Schüsse. »Ich bereite mich darauf vor«, erklärte Algonkin-Yatta. Anlytha schaltete das Funkgerät nicht aus, sondern ließ die Verbindung bestehen. Sie ließ sich bis fast auf den Boden herabsinken, so daß sie durch Büsche und niedrige Ge wächse geschützt wurde. Die Goonies, die mit ihren Fahrzeugen bei der Halle anka men, konnten sie nicht sehen. Anlytha schlich sich in weitem Bogen an die Halle heran und näherte sich ihr von hin ten, wo sich niemand aufhielt. Vor einer Tür landete sie. Sie lehnte sich an die Wand und horchte. Es war still hinter der Tür. Sie öff nete sie und betrat einen mit Maschinen ge füllten Vorraum der Halle. »Ich bin in der Halle«, meldete sie. In die sem Moment ertönten mehrere Schüsse. Un mittelbar darauf vernahm Anlytha ein eigen artiges Dröhnen. Einige Sekunden lang wuß te sie nicht, was es war, dann begriff sie, daß sich der Halle ein Raumschiff näherte. Bestürzt rannte sie durch die Tür wieder hinaus. Sie fürchtete, daß die Goonies einen Angriff auf die Halle fliegen würden. Doch als sie draußen war, erkannte sie, daß sie sich geirrt hatte. Nicht ein Raumschiff nä herte sich ihr, sondern sieben. Sechs pfeilförmige Raumschiffe der Goo
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H. G. Francis
nies verfolgten ein wesentlich größeres, ke gelförmiges Raumschiff, wie Anlytha es noch niemals zuvor gesehen hatte. Zwischen den Raumschiffen schossen sonnenhelle Energiestrahlen hin und her. Dabei zeigte sich, daß die Goonies nicht nur von der Anzahl der Raumschiffe her überle gen waren, sondern daß sie auch besser tra fen.
7. Algonkin-Yatta beobachtete Trössö, der auf dem Boden lag und sich nicht mehr be wegte. Er war sich klar darüber, daß der Er ste Elektrodiener dringend Hilfe benötigte, weil er sonst verbluten würde. »Garkö«, brüllte er. »Hörst du mich?« Der Goonie antwortete ihm mit zwei Schüssen. Die Projektile schlugen gegen ei ne Maschine, prallten davon ab und wirbel ten als Querschläger durch den Raum. »Garkö«, rief der Mathoner. »Es geht nicht um mich. Trössö ist hier. Er stirbt, wenn man ihm nicht hilft.« »Das ist nicht meine Sache«, antwortete der Erste Brotdiener. »Trössö hat gegen die Gesetze unseres Staates verstoßen. Ich habe das Jagdrecht ersteigert, nicht er. Niemand wir ihm helfen.« Abermals sah der Mathoner sich in der Halle um. Er hatte tatsächlich keine Flucht möglichkeit, ohne dabei Garkö zu gefähr den. Er wußte Anlytha in der Nähe und hoff te, daß sie Garkö ablenken würde, ohne da bei ein Risiko für sich selbst einzugehen. Sobald sie eingriff, wollte er blitzschnell handeln. Genügte es aber, Garkö zu überwältigen? Oder hatte dieser noch Helfer, die ebenfalls ausgeschaltet werden mußten? Als Algonkin-Yatta mit seinen Überle gungen soweit gekommen war, teilte ihm Anlytha mit, daß sie in der Halle war. Un mittelbar darauf schoß Garkö. Glas zersplit terte über dem Kundschafter. Dieser warf sich zur Seite. Die Kugeln flogen hautnah an ihm vorbei. Er bemerkte einen Goonie, der
hoch über ihm auf einem Stahlträger kauerte und durch ein Fenster auf ihn geschossen hatte. Die Kugeln waren abgelenkt worden, als sie das Glas durchschlagen hatten. Blitzschnell wechselte der Mathoner in die Deckung einer anderen Maschine über. Er hätte den Goonie jetzt mühelos mit sei nem Lähmstrahler ausschalten können, er tat es jedoch nicht, weil Garkö dann unweiger lich in die Tiefe gestürzt wäre und sich dabei tödlich verletzt hätte. Garkö schoß noch einmal, doch der Schuß ging in dem Lärm unter, den sich nähernde Raumschiffe verursachten. Algonkin-Yatta blickte unwillkürlich nach oben. Durch das halbtransparente Material des Hallendachs sah er mehrere dunkle Schatten über die Halle hinwegfliegen. »Raumschiffe«, tönte Anlythas Stimme aus dem winzigen Lautsprecher seines Arm bandfunkgeräts. »Sieben Raumschiffe. Sechs gehören den Goonies. Das andere ist kegelförmig und ziemlich groß. Sie verfol gen es.« Durch das Hallendach hindurch sah der Mathoner es aufblitzen. »Sie schießen aufeinander«, rief Anlytha. Dann steigerte sich ihre Stimme und wurde kreischend. »Ich glaube, in dem Kegel, das sind Spercoiden. Die Echsenwesen haben davon gesprochen. Erinnerst du dich?« »Und ob ich mich erinnere«, brüllte er zu rück. »Das Spercoidenschiff stürzt ab«, berich tete Anlytha atemlos vor Erregung. »Es stürzt ab. Es ist getroffen und bricht ausein ander.« Algonkin-Yatta sprang zur Seite und blickte zu Garkö hoch, der in diesen Sekun den nicht auf ihn achtete, sondern seine Sichtfühler zur Decke hin streckte. Der Kundschafter schnellte sich mit ei nem riesigen Satz aus dem Raum in den be nachbarten Raum hinein, wo etwa zweihun dert Goonies hinter und neben den zahlrei chen Maschinen standen. Sie waren gekom men, um das tödliche Ende der Jagd auf ihn zu erleben. Jetzt blickten jedoch alle nach
Sklaven des 3. Planeten oben, gepackt von dem Geschehen über ih nen. Sie bemerkten den Kundschafter erst, als er bereits eine Tür erreicht hatte und durch sie hinaus ins Freie flüchtete. Ihr Gebrüll ging in dem Lärm unter, den die Triebwerke der niedrig fliegenden Raumschiffe und die verdrängten Luftmassen verursachten, die über die Halle hinwegfauchten. Algonkin-Yatta sah Anlytha an, die etwa hundert Meter von ihm entfernt war. Der un geheure Luftsog wirbelte sie bis fast ans Dach der Halle. Vergeblich bemühte sie sich, den Flug zu stabilisieren. Die sechs Raumschiffe flogen in einer Höhe von nur etwa dreihundert Metern. Et wa fünf Kilometer von der Halle entfernt stürzten die beiden Teile, in die das Kegel raumschiff zerbrochen war, ab. Eines der beiden Teile explodierte, und eine grellwei ße Stichflamme schoß in den Himmel von Doron-Sölp hinauf. Algonkin-Yatta rannte los. Er kämpfte gegen die Luftmassen an, die ihm entgegenpeitschten. Mit ausgestreckten Armen stürmte er auf die Stelle zu, an der Anlytha zu Boden stürzen mußte. Er erreich te sie, als die Druckwelle der Explosion kam. Der Kundschafter fürchtete bereits, daß die Druckwelle das Mädchen hinwegschleu dern würde. Doch Anlytha bemerkte ihn und schaltete blitzschnell. Mit Hilfe ihres Flug geräts lenkte sie sich auf ihn zu. Sie streckte die Arme aus. Er sprang hoch und um schlang sie. Zusammen mit ihr landete er auf dem Boden. Er ließ sich auf die Knie fallen und hielt Anlytha fest. Eine zweite Druckwelle kam. Sie deckte die Halle ab und fegte die geparkten Fahr zeuge wie Spielbälle hinweg. Algonkin-Yat ta fühlte sich emporgerissen. Er warf sich nach vorn und stemmte die Füße gegen den Boden. Für einige Sekunden schien es, als könne er sich nicht behaupten, doch dann fand er an der Hallenwand ein wenig Halt. Er blieb stehen und hielt Anlytha fest, bis der Sturm nachließ.
39 »Ein Teil des Raumschiffs ist heil geblie ben«, rief das Mädchen mit schwacher Stim me. »Wir sollten hinfliegen und uns dort umsehen.« »Genau das habe ich vor«, antwortete er, griff nach dem Steuergerät ihres Antigravs und schaltete es. Zusammen mit Anlytha stieg er auf. Rasch entfernten sie sich von der Halle. Der Kundschafter blickte zurück. Er sah, daß das Gebäude vollkommen abgedeckt worden war. Unwillkürlich dachte er an Trössö, der in den Trümmern lag und drin gend Hilfe benötigte. Er dachte daran, um zukehren und dem Goonie zu helfen. Dann erinnerte er sich jedoch daran, daß seine Aufgabe war, Atlan zu finden. Nur deshalb war er in diese Galaxis gekommen. Er konn te hoffen, in den Trümmern des Raumschiffs überlebende Spercoiden zu finden. Er wuß te, daß die Spercoiden die beherrschenden Intelligenzen dieser Galaxis waren. Daher glaubte er, von ihnen wichtige Informatio nen erhalten zu können. Vielleicht gar einen Hinweis auf den gesuchten Arkoniden. Diese Überlegung gab den Ausschlag. Al gonkin-Yatta raste zusammen mit Anlytha auf die Wrackteile zu. Er sah, daß das explo dierte Triebwerk des Kegelraumers einen riesigen Trichter in den Boden gerissen hat te. Das andere Teilstück des Raumschiffs war auf die Felsen gestürzt und in zahllose Einzelteile zerbrochen, von denen viele ex plodiert waren und in Flammen standen. Über eine Strecke von etwa zwanzig Kilo metern waren die Trümmer verteilt. »Es gibt es keine Überlebenden«, sagte Anlytha enttäuscht. »Sie sind alle tot.« Sie entdeckten einige Gestalten, die zwi schen den Trümmern lagen. Ihre Haltung zeigte, daß sie nicht mehr lebten. »Wir sind vor den Goonies hier«, sagte Algonkin-Yatta. »Das ist unsere Chance. Wir suchen solange wie nur eben möglich. Vielleicht haben wir Glück und finden doch noch einen Überlebenden. Auf jeden Fall ist es für die Spercoiden besser, wenn sie uns in die Hände fallen. Die Goonies haben mit
40 Besuchern von den Sternen nichts Gutes im Sinn.« Er blickte in den Himmel hinauf. Die sechs pfeilförmigen Raumschiffe, die das Spercoidenschiff abgeschossen hatten, wa ren schon so weit entfernt, daß sie nur noch als Punkte am Himmel zu erkennen waren. »Sie haben Flugzeuge«, bemerkte Anly tha. »Damit werden sie bald anrücken.« »Bis dahin haben wir vielleicht schon ge funden, was wir suchen«, erwiderte er. Anlytha schrie auf. Sie streckte einen Arm aus. »Sieh doch. Dort«, rief sie und zeigte auf einige hoch aufragende Felsen, an denen ein Teilstück des Raumschiffs zerschellt war. Zwischen den Trümmern kroch eine Gestalt in einem geschlossenen Raumanzug herum. »Er lebt«, stellte der Mathoner fest. »Den holen wir uns.« Er lenkte das Fluggerät zu dem Raumfah rer zwischen den Trümmern hin. »Hoffentlich ist es wirklich ein Spercoi de«, sagte Anlytha. »Das werden wir bald wissen.« Der Kundschafter landete etwa zwanzig Meter von dem Verunglückten entfernt zwischen den Trümmern. Er setzte Anlytha ab. Diese zeigte stumm in die Ferne. Algonkin-Yatta drehte sich um. Er sah, daß sich ihnen ein Schwarm von primitiven Flugzeugen näher te. »Wir haben nicht viel Zeit«, zwitscherte sie. »Hoffentlich macht er uns keine Schwierigkeiten.« Der Spercoide hatte sie noch nicht be merkt. Er kroch auf allen vieren von ihnen weg und versuchte, in die Deckung der Fel sen zu kommen. »Sieh mal«, sagte Anlytha überrascht. »Er ist nicht der einzige, der überlebt hat.« Sie zeigte auf ein größeres Bruchstück des Wracks. Es war etwa zweihundert Meter von ihnen entfernt. Aus ihm krochen Sper coiden in Raumanzügen hervor. Algonkin-Yat ta zählte sie. Er kam auf mehr als zwanzig. »Wir müssen weg hier«, unterbrach ihn Anlytha. »Die Goonies kommen mit Flug-
H. G. Francis zeugen.« Der Kundschafter machte eine wegwer fende Geste, mit der er deutlich machte, daß er von den Flugzeugen der Goonies nicht viel hielt. Doch dann entdeckte er mehrere große Maschinen, die sich ihnen näherten. Sie flogen erheblich schneller als die kleinen Flugzeuge. Der Mathoner erkannte, daß sie auf einem technisch wesentlich höheren Ni veau standen und daß er sie ernst nehmen mußte. »Nimm ihn«, rief er Anlytha zu. Das Mädchen blickte ihn zögernd an. »Und du?« fragte sie. »Du kannst uns nicht beide tragen«, erwi derte er. »Ich laufe. Schnell. Du mußt dich beeilen.« Anlytha riß sich das Fluggerät vom Rücken und schnallte es dem Spercoiden um, der bewußtlos geworden war. Dann klammerte sie sich an ihn und schaltete es ein. Niedrig über dem Boden fliegend, raste sie mit ihm davon. Der Kundschafter lief ne ben ihr her. Mühelos setzte er über meterho he Hindernisse und breite Gräben hinweg. Hin und wieder blieb er stehen und blick te zurück. Die großen Flugzeuge hatten das Absturzgebiet längst erreicht. Hunderte von Goonies regneten an Fallschirmen herab. Die anderen Spercoiden konnten ihnen nicht entkommen. Algonkin-Yatta zweifelte nicht daran, daß die Goonies ähnlich mit ihnen verfahren würden, wie sie es mit ihm ver sucht hatten. Vergeblich überlegte er, wie er die gestrandeten Raumfahrer retten konnte. Zusammen mit Anlytha und dem Raum fahrer hatte er einen Taleinschnitt erreicht. Im Westen und im Osten stiegen Berge bis zu einer Höhe von mehr als viertausend Me tern auf. Die Hänge waren stark bewaldet und zerklüftet, so daß er hoffen konnte, ein gutes Versteck zu finden. Aus einem Seitental kam eines der klei nen Propellerflugzeuge. Es flog nur wenige Meter über dem Boden und folgte jeder Bo denwelle. Daher bemerkte der Kundschafter es erst, als es bis auf zweihundert Meter her an war. Sie konnten sich nicht mehr ver
Sklaven des 3. Planeten stecken. Das Flugzeug flog knatternd und dröhnend über sie hinweg. Der Pilot beugte sich aus der offenen Kanzel und blickte zu ihnen herab. Algonkin-Yatta sah, daß er sich ein Mikrophon vor den Mund hielt und hin einsprach. »Jetzt jagen sie uns«, sagte er, als die Ma schine sich wieder von ihnen entfernte. »Wir müssen uns beeilen.« Anlytha wartete an einem See auf ihn. Sie gab ihm mit einem Handzeichen zu verste hen, daß sie der gleichen Ansicht war wie er. Er rannte zu ihr hin und deutete auf ein Sei tental. »Wir versuchen es dort«, rief er zu ihr hinauf. Sie nickte nur und lenkte sich mit dem be wußtlosen Spercoiden in die angegebene Richtung. Algonkin-Yatta schnellte sich über einen fünf Meter breiten Fluß hinweg und rannte eine Geröllhalde hoch. Er sah, daß eines der großen Flugzeuge näherkam. Es flog niedrig und sehr schnell. Aus seinem Rumpf stürzten unförmige Gestalten hervor. Fallschirme blähten sich über ihnen auf, während das Düsenflugzeug in den Bergen verschwand. Hunderte von Goonies schweb ten über dem Mathoner herab. Algonkin-Yatta lief nun noch schneller. Er überholte Anlytha und jagte in eine Schlucht mit steil abfallenden Felswänden hinein. Auf den Felsvorsprüngen und zwi schen den Bäumen fand er nur wenig Halt. Dennoch verringerte er sein Tempo nicht. Anlytha dagegen lenkte den Spercoiden zu einer Plattform. Sie landete und blickte zurück. Die Goonies setzten überall in der Nähe auf. Sie warfen die Fallschirme ab und stürmten auf die Schlucht zu. Alle waren mit Schnellfeuergewehren bewaffnet. Anlytha erkannte, daß sie von ihnen keine Gnade zu erwarten hatte. Die Soldaten folg ten bedingungslos dem Befehl, den man ih nen erteilt hatte. Anlytha seufzte. Sie schickte den Goonies eine psionische Impulswellenfront entgegen, die ihnen vor täuschte, daß sich vor ihnen eine unüber
41 windliche Felswand erhob. Verblüfft blieben die Soldaten stehen. Sie blickten sich verwirrt an und versuchten, sich das Phänomen zu erklären. Sie konnten es nicht. Der kommandierende Offizier brüllte ih nen Befehle zu, die keiner von ihnen befolg te. Er rannte zwischen den Felsen hin und her und versuchte, eine Lücke zu finden, durch die er weiter vordringen konnte, aber Anlytha ließ ihm keine Chance. Wohin er sich auch wandte, überall sah er steil aufra gende Felsen, so daß er schließlich resi gnierte und seinen Soldaten den Rückzug befahl. Anlytha zwitscherte zufrieden. Sie blieb auf der Plattform und wartete, bis sich Algonkin-Yatta zu ihr gesellte. Der Spercoide regte sich. »Warte«, sagte sie freundlich. »Wir hel fen dir.« Sie versuchte, den Raumhelm des Sper coiden zu öffnen, doch dieser hielt ihre Hän de fest und verhinderte es.
* Trössö schlug die Hände zur Seite, die ihm helfen wollten. Er konnte nichts sehen, da Blut seine Sichtsensoren verschmierte. »Ruhig«, sagte der unbekannte Helfer. »Nur keine Angst.« Er spritzte ihm etwas Wasser ins Gesicht und säuberte vorsichtig die fühlerartigen Sensoren. »Tarpsa«, sagte der Erste Elektrodiener überrascht, als er den Sklaven seines Gegen spielers Garkö erkannte. »Du hilfst mir?« »Ich helfe dir«, erwiderte Tarpsa. »Garkö ist ein Narr.« Geschickt verklebte er die Wunde am Kopf Trössös und beseitigte die letzten Blut spuren. Er reichte dem Elektrodiener eine Stärkung, die rasch wirkte. Dann half er Trössö auf die Beine. »Was ist geschehen?« fragte der Verwun dete. Er blickte nach oben und sah nur noch Reste des Daches. Auch innerhalb der Halle
42 war viel zerstört worden. Tarpsa erklärte es ihm. »Garkö ist vom Gerüst gefallen«, schloß er seinen Bericht, »aber er hat Glück dabei gehabt. Er hat sich nur geringfügig verletzt.« »Wo ist er?« fragte der Elektrodiener. Er bewegte die Arme und Beine, um die Durch blutung zu verbessern. Er erholte sich schnell. »Garkö ist draußen. Er hat sich den Solda ten angeschlossen. Er glaubt, daß man die abgestürzten Fremden zum Abschuß freige ben will, und das möchte er sich nicht entge hen lassen. Er ist einer der wenigen, der eine Waffe hat.« Trössö verzog das Gesicht. Voller Ab scheu schüttelte er den Kopf. »Ich war selbst so ein Narr«, sagte er. »Aber das hat sich geändert. Ich habe mit dem Schwarzhäutigen gesprochen, und ich habe dabei gelernt. Nie wieder werde ich auf ein Wesen von den Sternen schießen.« Zusammen mit dem Sklaven verließ er die Halle. Er sah, daß die mit Fallschirmen ab gesprungenen Soldaten das Gebiet abge sperrt hatten, in dem das Raumschiff der Fremden abgestürzt war. Die Zuschauer drängten sich an der Absperrung. Sie konn ten nicht an die Fremden heran. Trössö beobachtete, daß die Havaristen von den Soldaten abgeführt wurden. »Da ist Garkö«, rief Tarpsa. »Soll ich ihn holen?« »Bitte.« Wenig später kehrte der Sklave mit sei nem Herrn zurück. Im Gesicht Garkös zeichnete sich deutlich ab, was er empfand. Er war voller Haß und Verachtung, und er begann sofort damit, Trössö wegen seines Verhaltens zu beschimpfen. Der Elektrodie ner ließ ihn reden, um ihm Gelegenheit zu geben, sich seinen Zorn von der Seele zu re den. Schließlich schwieg Garkö erschöpft und wartete darauf, daß Trössö ihm ähnlich aggressiv begegnen würde. Doch diesen Ge fallen tat ihm der Verletzte nicht. »Ich habe durch einen Zufall herausge funden, wie wir uns aus der Sklaverei der
H. G. Francis Fremden und des Inspektors befreien kön nen«, erklärte er. »Wir können unabhängig werden, wenn wir wollen, ohne befürchten zu müssen, daß Doron-Sölp eine Wüste wird.« Garkö war so überrascht, daß er zunächst keine Worte fand. Er hatte Trössö seiner An sicht nach tödlich beleidigt, und dieser rea gierte darauf überhaupt nicht. »Was soll das alles bedeuten?« stieß er schließlich stammelnd hervor. »Der schwarzhäutige Fremde, der sich Al gonkin-Yatta nennt, hat die tödlichen Fallen da drinnen beseitigt«, antwortete Trössö und zeigte auf die Halle. »Er weiß, wie man die Energiefelder einschaltet und damit die glei che Wirkung erreicht, die sonst nur der In spektor herbeiführen kann.« »Du willst den Fremden nur selbst ab schießen und mich gleichzeitig vernichten«, warf ihm Garkö vor. »Versteh doch endlich. Wenn wir beide darauf verzichten, Algon kin-Yatta zu jagen, haben wir mehr als zwölf Tage Zeit gewonnen, in denen er uns zeigen kann, was wir tun müssen. Wenn wir die Energiefeldschalter beherrschen, sind wir so mächtig wie der Inspektor. Dann hängt es von uns allein ab, ob Doron-Sölp für ein Jahr oder mehr zur Wüste wird oder nicht. Das bedeutet, daß man überall auf Do ron-Sölp tun muß, was wir wollen. Und nie mand darf es wagen, gegen uns vorzugehen, denn wir haben das Wissen. Unser Wissen wird unsere Macht sein.« Das Gesicht Garkös hellte sich auf. Er boxte Trössö freundschaftlich gegen die Schulter. »Ich habe schon begriffen«, sagte er. »Algonkin-Yatta wird uns das Wissen ver leihen. Sobald wir es beherrschen, können wir ihn immer noch erschießen.« Er lächelte. »Oder glaubst du, daß ich mir das entge hen lassen werde?« Trössö suchte bestürzt nach Worten. Er erkannte, daß ein Mann wie Garkö niemals soviel Macht haben durfte, wie sie der In spektor hatte. Garkö würde bedenkenlos alle
Sklaven des 3. Planeten beseitigen, mit denen er die Macht teilen mußte. Also auch ihn. Garkö hatte bereits erfaßt, daß ihn dafür niemand mehr zur Re chenschaft ziehen konnte, wenn er erst ein mal das nötige Wissen besaß. Er konnte tun und lassen, was er wollte, weil er die Bevöl kerung des ganzen Planeten in der Hand hat te, wenn er die Rolle des Inspektors über nahm. Trössö wußte, daß er in einer ausweglo sen Lage war. Die Macht des Inspektors mußte gebro chen werden. Doron-Sölp mußte aus der Ab hängigkeit befreit werden, da die Bevölke rung des Planeten unweigerlich verloren war, wenn der Inspektor eines Tages einmal ausblieb und niemand die Energiefelder er richten konnte. Zugleich aber mußte verhindert werden, daß sich Männer wie Garkö die Macht über Doron-Sölp aneigneten. Trössö blickte sein Gegenüber forschend an. Er hatte nur zwei Möglichkeiten. Entwe der tötete er Garkö und riß die Macht an sich, oder er verzichtete auf die Macht und verbreitete das Wissen über den ganzen Pla neten, so daß Tausende die Schalter betäti gen konnten. Vor einem Mord schreckte er zurück. Zu dem wollte er seine Macht nicht auf solch einer Tat aufbauen. Also blieb ihm nur der Verzicht. Er war sich darüber klar, daß Garkö ihn auf der Stelle töten würde, wenn er ihm sei nen Entschluß eröffnete. Vorerst mußte er so tun, als sei er mit dem Plan des Ersten Brot dieners einverstanden. »Du hast recht«, sagte er daher. »Wir werden Algonkin-Yatta einspannen. Er muß in vielen Hallen die tödlichen Fallen beseiti gen, so daß wir die Schaltungen von ver schiedenen Stellen aus vornehmen können. Sobald er das getan hat, töten wir ihn.« »Töte ich ihn«, verbesserte ihn Garkö. »Also schön. Ich überlasse es dir.« »Wo ist er jetzt?« fragte Garkö. »Wir müssen mit ihm reden. Je früher, desto bes
43 ser.« »Er ist geflohen«, berichtete der Sklave Tarpsa. Er zeigte auf die Berge. »Ich habe gesehen, daß er in diese Richtung gerannt ist.« »Ich werde ihn finden«, versprach Trössö.
8. Algonkin-Yatta zog Anlytha und das un bekannte Wesen im Raumanzug unter das Laubdach eines Baumes, als er Motorenge räusche vernahm. Wenig später flog ein ein sitziges Flugzeug in nur etwa fünf Metern Entfernung an ihnen vorbei. Der Pilot saß in der offenen Kanzel und blickte angestrengt nach vorn. Er riskierte alles, denn die Flüge lenden der Maschine berührten einige Zwei ge, und er flog so langsam, daß es dem Ma thoner wie ein Wunder erschien, daß die Maschine nicht abstürzte. Anlytha lachte leise. »Der Junge hat uns nicht gesehen«, sagte sie. »Ich habe uns vorsichtshalber unsichtbar gemacht. Das ist zwar ein wenig anstren gend, aber ich konnte dem Piloten schließ lich keine Felsen vorgaukeln. Er wäre vor Schreck abgestürzt.« Sie sah, daß der Kundschafter ernst blieb. »Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte sie und zwitscherte erschrocken. »Der Pilot wollte uns gar nicht sehen«, antwortete er. »Hinter ihm auf dem Rumpf der Maschine waren Kameras befestigt. Eine davon war direkt auf uns gerichtet.« »Positronische Kameras?« fragte sie über rascht. »Dann hat man irgendwo den Flug auf dem Bildschirm verfolgt?« »Vermutlich.« »Dann hat man uns auch gesehen. Wir müssen weg.« Sie richtete sich auf und horchte. »Das Flugzeug kommt zurück. Sie haben uns entdeckt.« Sie wollte sich hinter einigen Felsen zu rückziehen, doch es war schon zu spät. Das Flugzeug flog abermals an ihnen vorbei, und jetzt sah auch Anlytha die Kameras, denen sie kein falsches Bild vorgaukeln konnte.
44 Sie winkte ihnen zu und zog eine Grimasse. Als das Flugzeug vorbeigeflogen war, sagte der Mathoner: »Wir lassen uns alle drei von dem Fluggerät tragen. Das geht zwar über die Sicherheitsgrenze hinaus, wir werden es jedoch riskieren. Nur so können wir die Schlucht schnell genug überqueren.« »Einverstanden«, erwiderte sie und setzte sich rittlings auf den Spercoiden, der inzwi schen wieder bewußtlos geworden war. Al gonkin-Yatta hockte sich hinter sie, bereit, sofort abzuspringen, falls dies notwendig sein sollte. Sie schaltete das Gerät ein. Es heulte warnend auf, hob sie jedoch vom Bo den ab. »Los«, befahl der Kundschafter. Sie drückte den Richtungshebel entschlos sen vor. Der Antigrav trug sie durch das Blätterdach in die Schlucht hinein. Sie schwebten auf eine fast fünfzig Meter ent fernte, senkrechte Felswand zu. »Sie kommen«, sagte Algonkin-Yatta so ruhig, als bestünde keine Gefahr für sie. »Schneller geht es nicht«, erwiderte sie nervös. »Das Gerät ist bis zur Grenze seiner Kapazität belastet.« »Wir schaffen es schon.« Sie schwebten auf die Felswand zu, er reichten sie und stiegen dann langsam daran hoch, bis sie einen Vorsprung erreichten, der am Eingang einer Felsspalte lag. Anlytha landete. Der Kundschafter sprang von dem Spercoiden herunter, riß ihm den Antigrav ab und warf ihn Anlytha zu. »Verschwinde«, rief er, während er sich den Bewußtlosen über die Schulter legte. »Ich trage ihn. Fliege zum Schiff und hole den Gleiter. Wir müssen ihn haben, sonst schaffen wir es nicht.« Sie zögerte kurz, blickte dann aber in die Schlucht hinein und sah, daß sich ihnen ein großes Düsenflugzeug näherte. Sie warf sich das Fluggerät über, schaltete es ein und flüchtete in den Felsspalt. Algonkin-Yatta folgte ihr zusammen mit dem Spercoiden bis zu einer Stelle, von der aus er das Versteck sehen konnte, das sie soeben verlassen hatte. Das Flugzeug zog über sie hinweg, und die
H. G. Francis Soldaten regneten an Fallschirmen herab. Sie landeten auf der anderen Seite der Schlucht zwischen den Bäumen. Algonkin-Yatta lachte lauthals. Er drehte sich um und eilte in den Felsspalt hinein. Er spürte, daß sich der Verletzte auf seiner Schulter regte, und er hörte ihn stöhnen. Zwischen einigen Felsen ließ er ihn be hutsam zu Boden gleiten. Wiederum streckte er seine Hände nach den Verschlüssen des Raumhelms aus, und abermals stieß der Ver letzte sie zur Seite. »Wie soll ich dir helfen, wenn du den Raumanzug nicht öffnest?« fragte der Kund schafter. »Wenn diese Luft Gift für dich ist, müssen wir warten, bis Anlytha uns abholt. In meinem Raumschiff könnten wir viel leicht eine Atmosphäre schaffen, die für dich besser geeignet ist.« Der Spercoide antwortete. Die Worte ka men mühsam und zögernd. Algonkin-Yatta verstand sie nicht. Er wiederholte nun den Kommunikationsaufbau, den er auch mit Trössö betrieben hatte, so daß sein Transla tor die für die Übersetzung notwendigen In formationen erhielt. Es war ein schwieriges und zeitraubendes Verfahren, da der Ver letzte oft lange Pausen einlegte, bevor er weitersprach. Einige Male verlor er sogar das Bewußtsein. Vergeblich versuchte der Mathoner, durch die spiegelnde Sichtscheibe des Rauman zugs zu erkennen, wer in den Skaphander steckte. Aus der Gestaltung des Raumanzugs schloß er jedoch, daß es sich um ein huma noides Wesen handelte. Er zweifelte zudem kaum noch daran, daß er es mit einem Sper coiden zu tun hatte, einen jener Kämpfer des Tyrannen Sperco, von dem er bei seiner er sten Begegnung mit Wesen aus dieser Gala xis gehört hatte. Nach mehreren Stunden gab der Transla tor Signal und übersetzte erste Bruchstücke ihres Gesprächs. Algonkin-Yatta erfuhr, daß er sich nicht geirrt hatte. Das Wesen im Raumanzug stell te sich als Spercoide mit dem Namen Velto sc vor.
Sklaven des 3. Planeten »Wir werden dir helfen, Veltosc«, ver sprach der Mathoner. »Bald ist meine Ge fährtin wieder hier. Sie kommt mit einem Transportgerät, so daß wir dich in Sicherheit bringen können.« »Danke«, erwiderte der Spercoide. »Woher kommt ihr? Und was habt ihr auf dieser Welt gesucht?« »Wir sind geflohen«, antwortete Veltosc. »Wir waren vierhundert. Wir haben Roppoc mit der GÜTE verlassen, nachdem dort alles zusammengebrochen war.« »Zusammengebrochen? Was ist zusam mengebrochen?« Der Spercoide schwieg. Algonkin-Yatta hörte ihn atmen. Hin und wieder gab Veltosc klagende Laute von sich. Der Mathoner schloß daraus, daß er Schmerzen litt. Die Verletzungen mußten erheblich sein. »Die Macht des Tyrannen Sperco ist ge brochen«, erklärte Veltosc endlich, nachdem der Kundschafter schon fürchtete, er werde überhaupt nichts mehr von ihm hören. »Das Reich Spercos löst sich auf.« Algonkin-Yatta fieberte den nächsten Worten entgegen. Jetzt erhielt er endlich die Bestätigung für das, was er bei seiner ersten Begegnung mit Intelligenzen aus dieser Ga laxis erfahren hatte. Die Echsenwesen, die sich gegenseitig umgebracht hatten, waren vor diesem Tyrannen auf der Flucht gewe sen. Und eines von ihnen hatte ihm noch sa gen können, daß die Macht Spercos wahr scheinlich gebrochen sei. »Sperco ist am Ende«, stellte der Kund schafter fest. »Wodurch? Was ist gesche hen? Was hat seine Macht erschüttert?« »Er ist noch nicht am Ende«, korrigierte Veltosc. »Das Ende zeichnet sich jedoch ab. Es wird nicht mehr lange dauern, bis Sperco wirklich am Ende ist. Noch versucht er, die Macht zurückzugewinnen. Er ist mit dem Raumschiff WAHRHAFTIGKEIT zum Pla neten Loors aufgebrochen, weil er hofft, dort fliegen zu lernen.« Algonkin-Yatta war restlos verwirrt. Er glaubte, sich verhört zu haben. Was Veltosc ihm jetzt berichtet hatte, schien unsinnig und
45 zusammenhangslos zu sein. »Was hat das Fliegen mit der Macht zu tun?« fragte er. »Und wieso glaubt Sperco, es ausgerechnet auf dem Planeten Loors ler nen zu können?« Der Spercoide antwortete nicht. Algonkin-Yatta legte ihm die Hand auf die Brust. Durch den Stoff des Raumanzu ges hindurch fühlte er etwas pulsieren. Diese Bewegungen zeigten ihm an, daß Veltosc noch lebte. Er stellte ihm die Frage wieder und wieder, doch es verstrich fast eine halbe Stunde, bevor der Verletzte reagierte. Er gab eine Reihe von Lauten von sich, die der Translator nicht übersetzte. »Wieso ist er zum Planeten Loors geflo gen?« forschte der Mathoner. »Hat er es wirklich nur getan, weil er dort das Fliegen lernen will?« »Ein Fremder hat es ihm geraten«, flüster te Veltosc. »Sein Name war …« Er verstummte erneut. Algonkin-Yatta lehnte sich zurück. Er war nunmehr über zeugt davon, daß er nicht mehr viel erfahren würde. Daher beschloß er, die Ankunft An lythas abzuwarten, und den Spercoiden ins Raumschiff zu bringen, das mittlerweile von den robotischen Einrichtungen repariert worden sein mußte. Dort wollte er dem Spercoiden helfen. Er hoffte, seine Verlet zungen so behandeln zu können, daß Velto sc überlebte. Danach, so meinte er, war ge nügend Zeit vorhanden, sich alle Informatio nen zu beschaffen, die er benötigte. Das Armbandfunkgerät schlug an. Algon kin-Yatta schaltete es ein und meldete sich. »Ich komme«, verkündete Anlytha. »Es hat etwas länger gedauert, als ich gedacht habe. Alles ist in Ordnung.« »Atlan«, sagte Veltosc. »Das Raumschiff ist startbereit. Die Ro boter haben gute Arbeit geleistet.« Algonkin-Yatta sprang wie von der Feder geschnellt auf. »Was hast du gesagt?« fragte er. »Warum brüllst du so?« erkundigte sich Anlytha. »Ich habe gesagt, daß wir mit dem Raumschiff starten können.«
46 Der Kundschafter kniete neben dem Sper coiden nieder. »Wie war der Name, Veltosc?« fragte er. »Der Name des Mannes, der Sperco gera ten hat, nach Loors zu fliegen? Der Mann nannte sich Atlan«, erwiderte der Verletzte so leise, daß der Mathoner ihn kaum verste hen konnte. »Was ist los?« fragte Anlytha. »Warum höre ich nichts mehr von dir?« »Du bist ganz sicher, daß der Name Atlan war?« »Ganz sicher«, bestätigte Veltosc und wurde erneut bewußtlos. Die Stimme Anlythas wurde schrill. Sie tönte wie der Schrei eines Vogels aus dem kleinen Lautsprecher am Handgelenk des Mathoners. »Beruhige dich«, bat Algonkin-Yatta. »Hier ist alles in Ordnung. Der Spercoide hat mir soeben eröffnet, daß er Atlan kennt. Atlan ist hier in der Galaxis Wolcion. Wahr scheinlich befindet er sich entweder an Bord eines Raumschiffs mit Namen WAHRHAF TIGKEIT, oder er ist auf dem Planeten Loors.« Anlytha kam mit der Pfadfinderkapsel, ei nem offenen Antigravgleiter von fünf Me tern Länge. Die Kapsel verfügte über ver schiedene Ortungssysteme, Vorräte, Waffen und ein mobiles Medosystem. Daran hatte Anlytha wohl hauptsächlich gedacht, als sie sich für sie entschieden hatte. Sie landete ne ben Algonkin-Yatta. Besorgt blickte sie auf die bewegungslose Gestalt neben dem Ma thoner. »Ist er … tot?« fragte sie. »Er lebt, aber er braucht dringend Hilfe. Wir müssen ihn ins Schiff schaffen und eine für ihn geeignete Atmosphäre aufbauen, so daß er den Raumanzug öffnen kann.« Der Kundschafter hob den Spercoiden hoch und trug ihn zum Gleiter. Behutsam legte er ihn hinein. »Die Goonies suchen noch immer dort drüben«, sagte Anlytha. »Ich habe sie gese hen. Hier vermuten sie uns nicht.« Sie setzte sich ans Steuer und startete. In
H. G. Francis schneller Fahrt entfernte sie sich aus der Felsspalte. Sie flog niedrig, um der Ortung der Goonies zu entgehen. Immer wieder ließ sie die Maschine in Senken abgleiten, so daß selbst Gegner mit einer wesentlich höher entwickelten Technik Mühe gehabt hätten, sie aufzuspüren. Nach etwa einer Stunde erreichte sie das Kundschafterschiff, das von den robotischen Einrichtungen wieder vollkommen herge stellt worden war. Vorsichtig nahm Algon kin-Yatta den Spercoiden auf und trug ihn ins Schiff. Veltosc war nicht nur ein intelligentes Wesen, dessen Leben es auf jeden Fall zu retten galt. Er war auch ein äußerst wichtiger Informant, den er nicht verlieren wollte. Er hoffte, durch ihn zu erfahren, wo der Planet Loors war. »Vielleicht kann er uns die Sonne von Loors bezeichnen«, sagte er zu Anlytha, während er den Raum für den Gasaustausch vorbereitete. »Vielleicht kann er uns sogar die Koordinaten dieses Systems benennen. Immerhin ist er ein Raumfahrer, und als sol cher sollte er über diese Dinge Bescheid wissen.« »Loors ist einer der Planeten einer von mehr als 300 000 Sternen, die in Frage kom men«, entgegnete Anlytha. »Immer voraus gesetzt, daß es sich bei Loors um eine Sau erstoffwelt handelt. Ist das nicht der Fall, wächst die Zahl der Sonnen, die in Frage kommen, auf weit über eine Million. Du glaubst doch nicht im Ernst, daß ein Raum fahrer die Koordinaten von so vielen Plane ten im Kopf hat?« Algonkin-Yatta lächelte mild. »Durchaus nicht«, erklärte er. »Loors scheint aber eine besonders wichtige Welt zu sein. Wenn sie aber eine herausragende Bedeutung hat, dann könnten ihre Koordinaten auch allge mein bekannt sein.« »Na schön. Akzeptiert«, entgegnete Anly tha und strich sich über den Federkamm auf ihrem Kopf. »Versuchen wir es.« Sie kniete sich neben Veltosc hin und be rührte seine Schulter mit der Hand.
Sklaven des 3. Planeten »Aufwachen«, sagte sie. »Wir müssen mit dir reden. Wir wollen dir helfen, Spercoide, aber du mußt uns schon erklären, wie wir das tun können.« »Ihr könnt mir nicht helfen«, antwortete er mit schwacher Stimme. »Niemand kann das. Es ist zu spät.« »Du unterschätzt uns«, versetzte Anlytha lächelnd. »Gerade auf medizinischem Ge biet sind wir unschlagbar. Warum versuchst du es nicht mal mit uns?« »Weil …«, begann der Spercoide. Dann richtete er sich steil auf und warf die Arme mit ruckenden Bewegungen hoch. Er hustete heftig, fiel wieder auf den Boden zurück. Er zuckte am ganzen Körper, rollte sich hin und her und krümmte sich schließlich hustend zusammen. Anlytha und Algonkin-Yatta hielten ihn fest. Sie versuchten, ihm zu helfen und den Hustenanfall zu überwinden. Sie schrie auf ihn ein, um ihm Verhaltensmaßnahmen be greiflich zu machen. Der Mathoner wälzte ihn auf den Bauch herum und schlug ihm auf den Rücken, weil er hoffte, so die Luft röhre des Spercoiden von Reizkörpern frei machen zu können. Veltosc richtete sich mit letzter Kraft auf. Er kniete vor Anlytha und streckte ihr die Hände entgegen. Dann hustete er erneut, kippte zur Seite und blieb bewegungslos lie gen. Anlytha redete auf ihn ein. »Er antwortet dir nicht mehr. Er hat das Bewußtsein verloren«, stellte der Mathoner fest. »Jetzt haben wir nur noch eine Mög lichkeit. Wir müssen den Raumhelm öffnen und sofort wieder schließen. Wenn er für ein paar Sekunden Sauerstoff bekommt, wird ihn das schon nicht umbringen, und so er heblich wird der Druckunterschied auch nicht sein, daß wir es nicht riskieren dürfen, den Helm zu öffnen.« »Du hast recht«, stimmte sie zu. »Wir ha ben keine andere Wahl.« Sie legte ihre Hand an den Verschluß der spiegelnden Scheibe. Sie zögerte. Ein unbe
47 stimmtes Gefühl sagte ihr, daß sie den Helm nicht öffnen durfte. »Er stirbt, wenn wir es nicht tun«, sagte der Mathoner. »Wir müssen seine Verlet zungen behandeln, oder er verblutet in sei nem Schutzanzug.« Anlytha öffnete den Raumhelm und fuhr entsetzt zurück, als sie sah, daß der Spercoi de sich augenblicklich auflöste. Erschüttert lehnte sie sich an den Kundschafter. Sie schlug die Hände vor das Gesicht und gab klagende Laute von sich. Tröstend legte er den Arm um ihre Schul ter. Er wußte, wie sehr der Tod des Spercoi den sie aufwühlte. »Er wäre auch gestorben, wenn wir es nicht getan hätten«, versetzte er, obwohl er wußte, daß er Anlytha damit nicht half. Sie löste sich von ihm und zog sich in ei ne Ecke des Raumes zurück, wo sie in De pressionen versank. »Wir haben noch nicht alles verloren«, sagte Algonkin-Yatta nach einiger Zeit. »Veltosc ist gestorben, aber die anderen Spercoiden leben noch. Die Goonies haben mehr als zwanzig Spercoiden gefangenge nommen. Vielleicht gibt man sie zur Jagd frei, so wie man es mit uns gemacht hat, vielleicht ist man jedoch dieses Mal ein we nig vernünftiger. Und selbst wenn man sie zur Jagd aussetzt, haben wir noch eine Chance. Wir könnten einen der Spercoiden aufgreifen und befragen.« Anlytha hob den Kopf. »Ich hätte ihm so gern geholfen«, sagte sie traurig. »Gerade, weil es ihm so schlecht ging. Er hatte die Freiheit gewonnen und sich von dem Tyrannen gelöst. Warum das alles, wenn er schon so früh sterben mußte. All seine Anstrengungen waren sinnlos.« »Das kann niemand mit Sicherheit wis sen«, widersprach der Kundschafter. »Vielleicht hat alles Geschehen im kosmi schen Rahmen seinen Sinn. Vielleicht baut sich alles wie bei einem Mosaik Steinchen für Steinchen auf, so daß sich später ein Bild daraus ergibt, dessen Größe und Schönheit wir anhand der Segmentereignisse nicht er
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kennen können?« Sie lächelte. »Du kannst mich so gut trösten«, sagte sie zwitschernd. »Das mag ich so an dir.« Algonkin-Yatta erhob sich. »Ich fliege jetzt zur Stadt. Ich will mit Trössö reden. Begleitest du mich, oder bleibst du hier?« »Ich komme mit«, erwiderte sie, »aber erst, wenn wir Veltosc beerdigt haben – oder das, was von ihm noch geblieben ist.«
* Als Algonkin-Yatta die Bodenschleuse des Kundschafterschiffs verließ, blieb er wie vom Schlag getroffen stehen. Anlytha stieß einen Schrei aus. Ihre Augen weiteten sich. Vor ihnen stand ein Goonie. »Es ist Trössö«, ließ Loggy Anlytha den ken. »Ich habe ihm den Weg hierher gezeigt. War das schlimm?« »Trössö«, sagte der Kundschafter ver blüfft. »Mit allem habe ich gerechnet, nur nicht damit, daß du hier auftauchen wür dest.« »Da war irgend etwas in mir«, erwiderte der Erste Elektrodiener von Doron-Sölp. »Es hat mir geholfen, euch zu finden.« »Ist dir jemand gefolgt?« »Niemand. Ich bin mir dessen ganz si cher.« »Was führt dich zu uns?« »Mehrere Dinge«, antwortete der Goonie. »Eines ist besonders wichtig. Der Inspektor ist gekommen. Wir müssen ihn vernichten. Er besichtigt zur Zeit die Halle, die beim Absturz des fremden Raumschiffs zerstört wurde. Wenn er herausfindet, daß der Ener giefeldschalter verändert wurde, gibt es eine Katastrophe.« »Ohne Frage«, sagte der Mathoner. »Wir müssen den Roboter beseitigen und dann ei nige weitere Schalter entschärfen.« »Danach muß allgemein bekannt werden, wie so etwas gemacht wird«, erklärte Trössö und berichtete von seinem Gespräch mit Garkö, während Algonkin-Yatta und Anly-
tha ihn zum Antigravgleiter führten und ihn einsteigen ließen. Der Mathoner kehrte noch einmal ins Raumschiff zurück und holte sich einen schweren Kombistrahler. »Wo sind die gefangenen Spercoiden?« fragte der, als Anlytha endlich startete. »Wohin hat man sie gebracht?« »Nach Pörs-Odon«, antwortete der Goo nie. »Das Raumschiff, mit dem der Inspek tor gekommen ist, hat sie aufgenommen und ist sogleich wieder gestartet. Ich zweifle nicht daran, daß sie zum dritten Planeten ge bracht worden sind.« Der Antigravgleiter raste durch die Schluchten des Gebirges und entfernte sich auf diese Weise schnell vom Kundschafter schiff, ohne von den Goonies geortet zu werden. Als die Kapsel aus den Bergen auf stieg, steigerte Anlytha das Tempo noch mehr, so daß sie sich mit fast zweihundert Stundenkilometern der zerstörten Halle nä herten. Bei dieser Geschwindigkeit war es unumgänglich, ein schützendes Energiefeld aufzubauen, an dem die Luftmassen abglit ten. Trössö verhielt sich still. Er bewunderte die für ihn fremdartige und überlegene Technik. Hin und wieder stellte er einmal Fragen, doch wußte er mit den Antworten offensichtlich nicht allzu viel anzufangen. Der Inspektor stand etwa hundert Meter vor der Halle im offenen Gelände. Es war ein Roboter mit humanoiden Formen. Er glänzte silbern im Licht der Sonne, die den Zenit bereits überschritten hatte. In beiden Händen hielt er klobige Waffen, mit denen er auf die Kundschafterkapsel zielte. Er war etwa drei Meter hoch und hatte einen ecki gen Kopf mit aufgesetzten Linsen, die rot leuchteten. »Er zürnt uns«, rief Trössö. »Er hat alles entdeckt.« »Nur keine Angst«, sagte der Mathoner gelassen. »Mit dem werden wir fertig.« Er gab Anlytha ein Zeichen. Sie lenkte den Gleiter nach Osten und schlug einen weiten Bogen. Algonkin-Yatta beobachtete den Inspektor, der um die Halle herum lief.
Sklaven des 3. Planeten Als die Kapsel die Halle einmal umrundet hatte, blieb der Roboter stehen. Er hob die Waffen bis in Schulterhöhe und schoß. Zwei gleißende Lichtstrahlen rasten auf die Kap sel zu, schlugen in den Energieschirm und brachen sich in ihm. Wabernde Glut hüllte den Antigravgleiter für Sekundenbruchteile ein. Dann brach die Maschine aus der lo dernden Wolke hervor und flog völlig unbe schädigt weiter. Trössö klammerte sich an Algonkin-Yat ta. »Tu doch etwas«, bat er stöhnend. »Wer weiß, ob wir das überstehen.« Der Mathoner regulierte den Energie strahler ein. Auf einem der Bildschirme er schien der Inspektor. Zwei rote Kreise um gaben ihn. Sie verengten sich zu einem roten Punkt auf seiner Brust. Algonkin-Yatta drückte eine Taste. Ein sonnenheller Energiestrahl jagte aus dem Bugprojektor. Für einige Sekundenbruchtei le schien sich ein Lichtdom zu bilden, in dem alle Farben erblaßten. Deutlich sah der Mathoner, daß der Energiestrahl sein Ziel erreichte, doch es schien, als bleibe er wir kungslos. Dann aber explodierte der Inspektor. Lichtblitze schossen aus ihm hervor, und Trümmerstücke wirbelten in allen Richtun gen davon. Danach erfolgte noch eine zwei te Explosion, die einen mehrere Meter tiefen Krater riß. »Das war das Ende des Inspektors«, kom mentierte der Mathoner. »Er wird euch kei ne Sorgen mehr machen. Und wo wir gerade dabei sind, deine Sorgen zu bewältigen – was gibt es noch?« Trössö gab eigentümliche Laute von sich, die so ähnlich wie ein Lachen klangen. Er war sichtlich amüsiert. »Garkö ist das andere Problem«, erwider te er. »Wir müssen verhindern, daß er die Nachfolge des Inspektors antritt und zum Tyrannen von Doron-Sölp wird.« »Auch das ist zu machen«, entgegnete der Kundschafter. »Zeige mir, wo die nächste Halle ist. Wir werden hinfliegen, und ich
49 werde dir zeigen, wie der Schalter entschärft wird. Anlytha wird alles mit der Kamera festhalten. Später werden wir dann den Film senden. Er wird das Wissen über den ganzen Planeten verbreiten, so daß jeder die Schal ter bedienen kann.« »Du wirst dich dann allerdings auch nicht zum Tyrannen von Doron-Sölp aufschwin gen können«, bemerkte Anlytha lächelnd. »Das habe ich auch nicht vor.« Trössö zeigte Anlytha den Kurs, den sie verfolgen mußte, und schon bald tauchte ei ne der großen Hallen auf, in denen die Dra chenjungen mit Metallkapseln versehen wurden. Auch diese Halle war zur Zeit still gelegt. Sie wurde von vier Goonies bewacht. Alle vier kamen aus der Halle, als der An tigravgleiter gelandet war. Sie trugen Waf fen in den Händen, die sie drohend auf die beiden Männer und das Mädchen im Gleiter richteten. »Wir sollten uns nicht lange mit ihnen aufhalten«, sagte Algonkin-Yatta. »Eine Pa ralyse wird sie für einige Zeit außer Gefecht setzen, ohne ihnen zu schaden. Mit ihr errei chen wir auf jeden Fall mehr als mit einer ausgedehnten Diskussion.« Er drückte eine Taste herunter. Eine un sichtbare Front paralysierender Energiewel len schoß aus dem Bugprojektor, über schwemmte sie mit narkotisierender Energie und machte so den Weg ins Innere der Halle frei. Trössö lachte erneut. »Dies ist der schönste Tag für mich«, rief er. »Wir versalzen Garkö gründlich die Sup pe. Er träumt bereits davon, der neue Inspek tor und damit der mächtigste Mann von Do ron-Sölp zu werden. Längst hat er den Mordplan bereit, mit dem er mich ausschal ten will, und in diesem Moment hat er doch verloren. Er wird außer sich vor Wut sein, wenn der Film über die Bildschirme geht, und jeder Goonie auf dieser Welt erfährt, was er so gern für sich allein behalten hät te.« Trössö lachte erneut. Dann folgte er Al gonkin-Yatta und Anlytha, die sich mit einer
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Kamera ausgerüstet hatte, ins Innere der Halle. ENDE ENDE