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eHR. KAIS
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ERHARDT GOTTGEMANNS STUDIA LINGUISTICA NEOTESTAMENTICA
Beiträge zur evangelischen Theologie Theologische Abhandlungen, herausgegeben von E. Wolf Band 60
ERHARDT GüTTGEMANNS
studia linguistica • neotestamentlca Gesammelte Aufsätze zur linguistischen Grundlage einer Neutestamentlichen Theologie
CHR. KAISER VERLAG MüNCHEN
1971
Meinen Lehrern und Freunden m
Theologie und Linguistik
@ ehr. Kaiser Verlag München. ISBN 345900771 0 Alle Rechte vorbehalten, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der übersetzung. Druck: Karl Senser Nachf., Augsburg Printed in Germany
INHALT
Vorwort Xp~a,6s
in
Kor 15, 3b - Titel oder Eigenname?
Ein Beitrag zu einer linguistischen Kontroverse (1967/68) Artikelloses
n'Wn? 25
Antwort an Ina Plein (1969) Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums? Zur strukturellen Relevanz von Röm 9-11 für die Theologie
34
des Römerbriefs (1970) 1. Der Gedankengang
vo~
Röm 9-11
36
1.1. Formgeschichtlich-makrosyntaktische Beobachtungen
36
1.2. Skizze des Gedankengangs von Röm 9-11
37
2. Heilsgeschichtliche Prärogative Israels oder Präponderanz und Prävenienz der Gnade im Evangelium? 2.1. Die Prärogative des Judentums
51 51
2.2. Tendenzkritische Aspekte des zu behandelnden Problems
54
2.3. Die Christianisierung Abrahams im Zeichen der Glaubensgerechtigkeit als Indiz für die Profanität der jüdischen Prärogative
56
"Gottesgerechtigkeit" und strukturale Semantik Linguistische Analyse zu 0 ~}{cx~oaUVT) 8e:oü (1969/70)
59
1. Die Thesen Ernst Käsemanns und seiner Schüler zum Stichwort "Gottesgerechtigkeit"
63
1 • 1. Käsemanns Programm
63
1.2. Die Dialektik von Macht und Gabe
64
1.3. Die Dialektik von Gegenwärtigkeit und Zukünftigkeit der Gottesgerechtigkeit
66
1.4. Das Verhältnis von Machtcharakter und Wortcharakter der Gottesgerechtigkeit
67
Inhalt
VI
1.5. Die Umdisposition innerhalb der paulinischen Theologie bei Peter Stuhlmacher
69
1.6. Die theologische Differenz zwischen Ernst Käsemann 70
und Rudolf Bultmann 2. Linguistische Grundprinzipien für die semantische Analyse des Syntagmems b L lien oaUVT] 8e;oü
75
3. Grundzüge des struktural-semantischen Befundes des paulinischen Terms * b L liCl.L 03.1. Der, strukturelle Befund
82 82
3.2. Theologische Folgerungen aus dem strukturell-semantischen Befund
93
Die linguistisch-didaktische Methodik der Gleichnisse Jesu (1970/71 ) O. Die Prämissen der linguistisch-didaktischen Analyse der
99
Gleichnisse Jesu 1. Die linguistisch-didaktische Relevanz der Konzeption
99
Adolf Jülichers
104
2. Die linguistisch-didaktischen Aspekte der Formgeschichte der Gleichnisse Jesu
125
3. Die strukturale Betrachtung der Gleichnisse Jesu
147
3.1. Der Beitrag von Dan O. Via zur Strukturanalyse der Gleichnisse Jesu
147
3.2. Aspekte der struktural-linguistischen Analyse der Gleichnisse Jesu
166
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft (1971) O. Prämissen
184 184
1. Die Konstitution der Theologie als Wissenschaft
188
2. Ansatzpunkt und Grundprinzipien der "Generativen Poetik
215
des NT" 2.1. Der
_~satzpunkt
der nauen Methode
2.2. Grundprinzipien der "Generativen Poetik"
215 220
Stellenregister
231
Namens- und Literaturregister
238
VORWORT Dies Buch ist nach den "Offenen Fragen zur Formgeschichte des Evangeliums" ein weiterer Schritt auf dem schwierigen Wege der wissenschaftstheoretischen Integration von Bibelexegese und Lin~istik. Es bündelt sechs zT. stark überarbeitete und zum großen Teil bisher unveröffentlichte Vorträge und Aufsätze aus den Jahren 1967-1971. Diese Aufsätze belegen sowohl in der theoretischen Grundlage als auch in der analytischen Anwendung den bisher kaum gesichteten revolutionären Charakter lin~istisch-literaturwissen schaftlicher Erkenntnisse für eine allgemeine Literaturtheorie, von der die Bibelexegese nur einen bescheidenen Ausschnitt darstellt. Dies Buch gibt Antwort auf die Fragen vieler nach meiner Position innerhalb der Lin~istik und inmitten der theologischen Fronten. Diese Position ist alles andere als doktrinär. Sie versucht vielmehr mit Hilfe einer neuen, "Generative Poetik" genannten, Literaturtheorie,der Neutestamentlichen Theologie.eine lin~istische Grundlage zu geben. Nachdem Rudolf Bultmann gezeigt hat, daß nicht die religionsgeschichtlichen "Vorstellungen", sondern der existentielle Denkakt des Glaubens in der legitimen Objektivation der Existentiale das Darstellungsprinzip für eine Ntl Theologie sein muß, nachdem weiter Ernst Fuchs in den urchristlichen "Sprachbewegungen" die Träger dieser Denkakte erkannte, fragt die "Generative Poetik" nach der Struktur derjenigen Sprachfähigkeit oder "Kompetenz", die die ntl Texte ermöglicht hat und heute noch - etwa in der Predigt - ähnliche "Texte" ermöglicht. Die lin~istische Frage nach der Sprach-und-"Text"-Fähigkeit des Urchristentums gestattet so einen nahtlosen Übergang zur Sprachfähigkeit der Kirche heute und leistet somit einen unmittelbaren Beitrag zur gegenwärtigen Problematik von Lehre und Verkündi~ng. Für die "Generative Poetik" ist ähnlich wie für die moderne "Textlin~istik" der ganze "Text" diejenige semiotische Größe, in der dem homo loquens in der Vermittlung der subjektiven Verbalisation die objektive "Sinn"-Welt der Sprache entgegentritt. Sie muß daher die Existentiale Bultmanns aus der Ebene der Lexeme in die Ebene der Texteme verlegen. In diesem Schritt in die Ebene des "Textes" besteht der über Bultmanns Methodik hinausgehende Ansatz der "Generativen Poetik". Dies Buch ist streckenweise stärker an der theoretischen Grundlage der neuen Methode als an einem Katalog analytischer Ergebnisse interessiert, obwohl solche Ergebnisse ziemlich kompakt vorgeführt werden. Da wir als Exegeten das "Material" nur zu ~t kennen, unsere analytische Arbeit jedoch angesichts der Herausforderung durch die Lin~istik ihre theoretischen Schwächen offenbart, kommt es der "Generativen Poetik" vor allem darauf an, einer neuen exegetischen Methode m. W. zum ersten Male in der Geschichte unserer Wissenschaft eine allseits abgerundete Theorie-Basis zu geben. Dies kann natürlich nur im ständigen Gespräch mit Lin~isten und Literaturwissenschaftlern geschehen; der interdisziplinäre Trend ist darum ein Grundzug des Buches. Sein Kriterium ist nicht der Steinbruch des "MaterialS", sondern die wissenschaftstheoretischen Erfordernisse unserer Tätigkeit in heutiger Zeit. Denn hier gilt das Wort von Claude Lflvi-Strauss: "Der Gelehrte ist kein Mensch, der wahre Antworten liefert, sondern ein Mensch, der die richtigen Fragen stellt" (C. LEVI-STRAUSS, Mythologica I. 1971, 19). Dies Buch demonstriert durch die Theorie-Basis der "Generativen Poetik" die Selbstverständlichkeit, daß Sachfragen an die Lin~istik zu stellen Sind, Sachfragen freilich nicht vom Standpunkt der theologi beati possidentes, sondern im Meinungsstreit der Lin~istik selbst. Das interdisziplinäre Gespräch fordert als erste Tugend freilich die Geduld. Denn "in Disl!jiplinen wie der unseren schreitet die wissenschaftliche Erkenntnis nur stolpernd fort, unter der Peitsche der Anspannung und des ZWeifels. Sie überläßt der Metaphysik die Ungeduld des Alles oder Nichts" (aaO.).
VIII
Vorwort
Dies Buch ist für den Theologen auch in technischer Hinsicht ungewöhnlich, während der "Flattersatz" für den Linguisten oft da.s Alltagsantlitz seiner Fachliteratur ist. Der Autor erstellte damit nicht nur die metasprachliche "Sinn"-Welt linguistischer Theorie und Analyse, sondern auch eigenhändig ihren graphematischen Ausdruck. Die technischen Schwierigkeiten des gewohnten Satzes wären so groß geworden, daß der Preis des Buches ins Unerschwingliche gestiegen wäre. Der Leser mag daher mit dem erschwinglichen Preis die technischen Unvollkommenheiten entschuldigen, die trotz aller Mühen des Autors und seiner Mitarbeiter stehengeblieben sind. Er hat dafür allerdings auch den Vorteil, wegen der Kürze der Druckzeit den Nachweis wichtiger Literatur zu finden, die mir erst Ende August 1971 bekannt geworden ist. Dies Buch ist ein Dankeszeichen für meine Lehrer und Freunde in Theologie und Linguistik, von denen ich hier nur die wichtigsten nennen kann. In der Theologie gilt mein Dank neben Prof. D. Ernst Käsemann vor allem den Proff. D. Philipp Vielhauer und Dr. Dr. Hans-Georg Geyer, die mich zur Habilitation geleiteten, aber auch den literarischen Anregern Prof. D. Rudolf Bultmann und Prof. D. ~rnst Fuchs. In Linguistik und Literaturwissenschaft verdanke ich Entscheidendes dem persönlichen Austausch mit den Proff. Dr. Peter Hartmann und Dr. Harald Weinrich sowie literarisch den großen Theoretikern Leonard Bloomfield, Noam Chomsky, Eugenio Coseriu, Algirdas Julien Greimas, Louis Hjelmslev, Roman Jakobson, John Lyons, Charles Morris, Jan Mukafovsk~, Ivor Armstrong Richards, Lucien Tesnidre, Leo Weisgerber und Ren~ Wellek. Ohne die zahlreichen Arbeiten dieser Gelehrten wäre die Theorie der "Genetativen Poetik" nisht möglich gewesen, die inzwischen bei Jiri Le~, Jurij S~eglov und A. K. Zolkovskij auf einen Parallelversuch gestoßen ist. Mein Dank gilt aber auch den Freunden, die zur Gründung der Zeitschrift "Linguistica Biblica" beigetragen haben, vor allem Hans-Dieter Bastian, Johannes G. Botterweck, HelllIut Gipper und Walter Magaß. Mein Dank gilt auch der Deutschen Forschungsgemeinschaft, ohne deren großzügige Hilfe das Forschungsprojekt "Generative Poetik" nicht in Angriff genommen werden könnte. Ohne meine zeitweiligen oder langfristigen studentischen und wissenschaftlichen Mitarbeiter hätte manche Seite dieses Buches nicht geschrieben werden können. Sabine Buschey und Hans-Manfred Schuh haben vor allem bibliographisch geholfen, Reinhard Breymayer MA hat die mühsame Arbeit des Registers und der Korrekturen Übernommen, aber auch manche wertvolle bibliographische und sachliche Anregung vermittelt. Ihnen allen sei hier nochmals herzlich gedankt. Last, not least danke ich Herrn Prof. D. Enlst Wolf für die Aufnahme des Buches in die Reihe BEvTh sowie dem Chr. Kaiser Verlag München für die technische Beratung und Betreuung. Bonn-Röttgen, Mitte September 1971
Erhardt Güttgemanns
Xp L 01: Oe; IN 1 KOR 15, 3b - TITEL ODER EIGENNAME? Ein Beitrag zu einer linguistischen Kontroverse *
1. 1 Kor 15, 3b-5 gehört zu denjenigen Texten, die in den letzten Jahren
immer wieder analysiert worden sind 1 • Wer die oft recht verschiedenartigen Aspekte der Forschung auf diesem Felde verfolgen will, sieht sich einer geradezu verwirrenden Vielfalt gegenüber. Allgemein anerkannt scheint lediglich zu sein, daß Paulus in diesem Text eine irgendwie geprägte Tradition weitergibt, was sich freilich angesichts der Terminologie jüdischer Traditionsvermittlung in 15, 1_3a 2 auch kaum bestreiten läßt. Aber weist diese zweifellos "jüdische" Terminologie auch auf einen palästinisch-judenchristlichen Ursprung der in 15, 3b-5 enthaltenen Tradition hin? 2. J. Jeremias hat dies kürzlich erneut 3 mit linguistischen Argumenten gegen Ph. Vielhauer 4 und H. Conzelmann 5 zu beweisen versucht 6 • Obwohl Jeremias konzediert, daß semitische Spracheigentümlichkeiten, die sich in außersemitischen Texten finden, "nicht notwendig auf ein Original in semitischer
* 2
3 4 5 6
Entstanden im Okt./Nov. 1967; zuerst erschienen in: EvTh 28. 1968, 533-554. Vgl. die Lit. beiE. GÜTTGEMAHNS, Der leidende Apostel und sein Herr. (FRLANT 90) 1966, 53ff. Vgl. dazu J. JEREMIAS, Die Abendmahlsworte Jesu. 3. Aufl. 1960, 95. Ebda. Anm. 1 weitere Lit. Zur Sache W. BACHER, Die exegetische Terminologie der jüdischen Traditionsliteratur I. 1899, 106-109. 165f; DERS., Tradition und Tradenten in den Schulen Palästinas und Babyloniens. 1914, 1-24; B. GERHARDSSON, Memory and Ma.."luscript. (ASlnJ XII) 1961, 296ff; DERS., Tradition and Transmission in Early Christianity. (CN XX) 1964. Vgl. schon J. JEREMIAS, Die Abendmahlsworte Jesu. 1935, 72-74 = 2. Aufl. 1949, 96f = 3. Aufl. 1960, 96f. Ph. VIELHAUER, Ein Weg zur neutestamentlichen Christologie? in: DERS., Aufsätze zum Neuen Testament. (ThB 31) 1965, 180-182. H. CONZELI.'LAlUr, Zur Analyse der Bekenntnisformel I. Kor. 15, 3-5. EvTh 25. 1965, 5:f. J. JERE~UAS, Artikelloses Xp L o'toe;. Zur Ursprache von 1 Kor. 15, 3b-5. ZllVl 57. 1966, 211-215. Vgl. auch B. KLAPPERT, Zur Frage des semitischen oder griechischen Urtextes von I. Kor. XV, 3-5. NTS 13. 1966/67, 168 bis 173.
2
XPL01:0C;
in 1 Kor 15, 3b
Sprache zurückgehen" müssen 7 , glaubt er, die Einwände Vielhauers und Conzelmanns gegen ein semitisches Original durch rabbinisches Material widerlegen zu können, das sich mit linguistischen Eigentümlichkeiten des umstrittenen Textes berühren soll. Dieses Material soll hier kurz überprüft werden, allerdings mit Beschränkung auf die Frage, ob das Belegmaterial für artikellose Verwendung von n'wn im Semitischen ausreicht 8 • 2.1. Während Conzelmann lediglich eine Parallele für die in 1 Kor 15, 3b vorliegende syntaktische Verwendung von XPL01:0C; im semitischen Sprachbereich in Frage stellt 9 , analysiert Vielhauer das durch G. Dalman 10 und K. H. Rengstorf 11 dargebotene Material im einzelnen. Vielhauer beginnt mit der Feststellung, daß "das artikellose XPL01:0c;am Anfang der Formel" "Schwierigkeiten für die Übersetzungshypothese" biete, da Dalman für pan'wn bestritten habe 12 •
lästinischen Sprachgebrauch artikelloses
2.2. Von den beispielhaft durch RengstorI gegen Dalman angeführten Stellen 13 können nur drei allenfalls als "palästinische" Belege gelten: j Suk 55b, 39; CD 20,1 14 ; Sirre Dt 1,1 § 1 15 • Da Dalman die Wendung n'wn~
7
8
9 10 11 12 13
14 15
AaO •. 213. U. SCHILLE, in: Theologische Versuche, hg. v. P. Wätzel u. G. Schille. 1966, 67 betont mit Recht, die sog. Semit ismen seien "kaum als Kriterien für hohes Alter verwendbar, da die jüdische Diaspora über die ganze Welt verbreitet war, so daß Semitismen allerorts und jederzeit entstehen konnten". Vgl. auch S. SCHULZ, ZNW 53. 1962, 126:"Der sprachliche Aufweis von Aramaismen kann ••• nicht ohne weiteres als Beweis für die Herkunft aus dem aramäisch sprechenden Urgemeindebereich herangezogen werden. Denn zu der Zeit war bekanntlich der gesamte Vordere Orient zweisprachig." Jeremias, Abendmahlsworte 1. Aufl. 73 = 2. Aufl. 96 wertet die "Vermeidung des Jesusnamens" als eines der "Anzeichen ••• , die dafür sprechen, daß das Kerygma tibersetzung eines semitischen Urtextes ist". Diese These fehlt in der 3. Aufl. AaO. 7 Anm. 41. G. DALMAN, Die Worte Jesu. 2. Aufl. 1930, 237-241. K. H. RENGSTORF, Die Auferstehung Jesu. 4. Aufl. 1960, 129-131. AaO. 180. Es handelt sich um: Sifre Dt 1, 1 § 1; j Suk 55b, 39; b Sanh 99a (zweimal); Tanch Brn",n 20 (Midrasch Tanchuma, ed. S. BUBER. 1885, I, 70a; bei Rengstorf,aaO. 130 Anm. 14 wegen falscher Bandzählung und falscher Paginierung als p. 11, 70b, llf geZählt!); b Sanh 97a Bar; b Sanh 39b. 98a (zweimal); CD 20, 1. S. SCHECHTER, Documents of Jewish Sectaries I. Fragments of a Zadokite Work. 1910, 19f; Die Damaskusschrift, hg. v. L. ROST. (KlT 167) 1933, 30. Siphre zu Deuteronomium I, hg. v. H. S. HOROVITZ u. L. FINKELSTEIN. (Corpus Tannaiticum 111). 1935, 3, 7, 4. Zu anderen Editionen vgl. unten Anm. 98.
XPLO,OC; in 1 Kor 15, 3b
3
in der ersten Stelle dem determinierten Gebrauch zuweist 16 , da weiter CD 20, 1 sowohl determiniert als auch indeterminiert verstanden werden kann 17 , bleibt nach Vielhauers Analyse lediglich Sifre Dt 1, 1 § 1 als "palästinischer" Beleg übrig. Das führt ihn zu dem Urteil: "Wenn die von Rengstorf gebotene Auswahl repräsentativ sein sollte, dann reicht sie schwerlich aus, den artikellosen Gebrauch von 'Messias' als 'Sitte des palästinischen Judentums' zu beweisen.,,18 2.3. In seiner Widerlegung dieser Analyse bemängelt Jeremias zunächst, daß Vielhauer den von P. Billerbeck 19 betonten Auswahlcharakter einer Fülle weiterer Belege nicht beachtet habe 20 • Dieser Einwand wird Vielhauers Argumentation jedoch nicht gerecht, da diese durchaus offen läßt, inwiefern die durch den Sachkenner Rengstorf gebotene "Auswahl" für das gesamte Material "repräsentativ" ist. Wenn Vielhauers Analyse sich auf Rengstorfs Auswahl beschränkt, so geschieht das in der selbstverständlichen Annahme, daß nicht gerade die SChlagendsten Belege zurückgehalten werden. trberdies bestreitet Vielhauer gar nicht, daß es überhaupt Belege für artikelloses
n'IDO
in "palästinischen" Texten gibt; vielmehr bezweifelt er angesichts
der Dürftigkeit des Materials, daß man die Artikellosigkeit als Sprach S i t t e
bezeichnen könne. In dieser Skepsis darf Vielhauer die allseits
geschätzten Autorität Dalmans auf seiner Seite wissen. 3. Jeremias will nun offenbar durch weiteres Material aus den Targumim, CD und aus dem liturgischen Bereich die Artikellosigkeit von n'IDO als Sitte erweisen. Ob dieser Beweis gelungen ist, soll die folgende Analyse prüfen. 3.1. Ganz allgemein findet Jeremias angesichts des durch Billerbeck gebotenen ~4aterials aus den Midraschim, das sehr unterschiedliche Alter dieser Belege lasse "die Konstanz des Sprachgebrauchs erkennen,,21. Wenn man den li-
16 17
AaO. 240. Mit C. RABIN, The Zadokite Documents. 2. Aufl. 1958, 36. Vgl. dazu untenS.11f. 18 AaO. 181 gegen Rengstorf, aaO. 129:"Mit dem artikellosen Gebrauch von XPLO'O~ schließt er sich der Sitte des palästinischen Judentums an, dessen Aquivalent n'\!70 als Eigennamen zu behandeln." 19 (H. L. Strack - ) P.BILLERBECK, Kommentar zum Nauen Testament aus Talmud und Midrasch I. 3. Aufl. 1961, 6. Dort werden beispielhaft angeführt: Sifre Dt 1, 1 § 1; Pesiq 149a; Midr Ps 43 § 1 (134a); 29 § 2 (116b); Num R 13, 11 zu 7, 13 (170a); 14, 2 zu 7, 48 (172b) Tancl1 nip 120b; Midr Spr 19 § 21 (44a); Aggad Beresch 63 (44b); Tanch nn>,n 35a; Midr Ps 19 § 5 (69a); Seder Elij R 18 (98). 20 AaO. 211. 21 Ebda.
4
XPLO'tOC;
in 1 Kor 15, 3b
------------------------~------------------------------
terarischen Rahmen der Belege im Auge hat, so ergibt sich in der Tat eine Streuung über Jahrhunderte. Sie reicht vom 2. Jh. n. Chr. 22 bis ins 120 Jh. 23 Entscheidend für das ntl. Zeitalter ist jedoch, aus welcher Zeit die
in diesem literarischen Rahmen verarbeitete Tradition stammt, wie ja Jeremias auch sonst mit einer gewissen Grundsätzlichkeit hinter den literarischen Rahmen zurück nach dem Alter der Tradition fragt 24 • Im einzelnen ist die Beantwortung dieser Frage schwierig, sobald die entsprechenden Traditionen nicht auf datierbare Rabbinen zurückgeführt werden können 25 • Auch allgemeine zeitliche Kriterien versagen vielfach: Vor allem für haggadisches Material hilft die übliche Unterscheidung von Tannaiten und Amoräern nicht recht weiter 26 , und die ganz frühe tannaitische Zeit läßt sich
22
Die Grundlagen von Sifre gehen trotz einer späteren Überarbeitung ins 2. Jh. n. Chr. zurück. Vgl. L. ZUNZ, Die gottesdienstlichen Vorträge der Juden, historisch entwickelt. 2. Aufl. 1892, hg. v. N. Brüll. 46ff. 23 Num R stammt nach Zunz, aaO. 258ff von zwei verschiedenen Verfassern, denen Pesiq, Tanch, Pesiq R und Werke sehr später Rabbinen bereits vorlagen. Die Komposition soll ins 12. Jh. n. Chr. gehören. Vgl. auch H. L. STRACK, Einleitung in Talmud und Midrall. 5. Aufl. 1921, 207f. 24 Vgl. zB. J. JEREMIAS, Die Gleichnisse Jesu. 4. Aufl. 1956, 15ff = 7. Aufl. 1965, 17ff; DERS., Der gegenwärtige Stand der Debatte um das Problem des historischen Jesus; in: Der historische Jesus und der kerygmatische Christus, hg. v. H. Ristow u. K. Matthiae. 1960, 18ff. In bezug auf die Methodik von Jeremias sagt K. G. KUmT, TliLZ 75. 1950, 400: Jeremias "geht vor wie ein Ausgräber, der durch die überlagernden Schichten durchstoßen will auf die allein wichtige Urachicht. Da stehen die oberen Schichten unter dem Gesichtspunkt, entweder jüngere Bildungen zu enthalten, die darum für das Verständnis des Ursprünglichen ~ scheiden, oder das Ursprüngliche erhalten zu haben und damit zu bestätigen". 25 Es ist eine allgemeine Unsitte, undifferenziert von der rabbinischen Anschauung o. ä. zu sprechen. Ein Blick in W. BACHER-cDie Agada der Palästinensischen Amoräer I. 1892; 11. 1896; 111. 1899; Die Agada der Tannaiten I. 2. Aufl. 1903; 11. 1890; Die Agada der babylonischen Amoräer. 2. Aufl. 1913) zeigt, wie vielfältig, ja geradezu kontrovers die Anschauungen der verschiedenen Rabbinen oft sind. Es ist darum unbedingte Pflicht, die angeführten Traditionen nach Möglichkeit mit ihrem Urheber anzuführen, wenn man sich nicht des Dilettantismus beschuldigen lassen will. 26 Vgl. Bacher, Ag. pale Am. I, V:"In Wirklichkeit unterscheidet die Amoräer Palästinas von ihren Vorgängern, den Tannaiten nur die veränderte Stellung zu der religionsgesetzlichen (halachischen) Traditionslehre." "Aber dieses Verhältnis der Abhängigkeit, in welchem die palästinensisehen Amoräer in der Halacha zu den Tannaiten stehen, der Charakter des Epigonentums, welcher ihnen auf diesem Gebiet zukömmt, machte sich keineswegs auch auf dem Gebiete der Agada geltend."
Xp~o't"6c;
in 1 Kor 15, 3b
5
nur selten in namentlichen Traditionen greifen 27 • Kurz: die zeitliche Streuung in den Quellen ist nur sehr bedingt als positives Argument verwertbar. 3.2. Jeremias setzt jedenfalls Billerbecks Material als nach wie vor beweiskräftig voraus. Da Vielhauers Analyse dieses Material nicht untersucht hat, wird hier am geeigneten Ort jeweils seine Tragfähigkeit nachgeprüft. Jeremias ergänzt dieses Material durch weiteres aus den Targumim, die natürlich gewichtiger sein müssen, wenn 1 Kor 15, 3b-5 auf die aramäisch redende älteste Gemeinde zurückgeführt werden sOl128. Offen bleibt so freilich die Frage, ob das Aramäisch der Targumim29 dem uns in den linguistischen Einzelheiten unbekannten Aramäisch der Urgemeinde 30 voll vergleichbar ist 31 , oder ob jetzt das aramäische Material aus Qumran und Wadi Muraba 1 at 32 eine bessere Grundlage für die zeitgenössische Volkssprache bietet 32a •
27
Aboth I, 2-18 nennt e~~ge Namen der ganz frühen Zeit. Ihre genaue Datierung bleibt jedoch sChwierig. Zu den Einzelheiten vgl. Strack, Einleitung 117ff; Bacher, Tradition 47ff. 28 So Jeremias, Abendmahlsworte 3. Aufl. 97. 29 Durch den Fund von 11 Q Targ Hiob ist diese Frage in ein neues Stadium getreten. Vgl. J. van der PLOEG, Le targum de Job de 18 grotte 11 de Qumran (11 Q tg.-Job); in: 1;ededelingen der Koninklijke Nederlandse .Alt:ademie van Wetenschappen, afd. Letterkunde (Nieuwe Reeks, deel 25, no 9). 1962, 545-557; A. S. van der WOUDE, Das Hiobtargum aus Qumran Höhle XI; in: Congress Volume Bonn 1962. (SupplVetTest IX) 1963, 322-331; S. SEGERT, Sprachliche Bemerkungen zu einigen aramäischen Texten aus Qumran. ArOr 33. 1965, 190-206. Vorher war bereits 1 Q GenApokr bekannt geworden. Vgl. A Genesis Apocryphon, ed. N. AVIGAD u. Y. YADIN. 1956; E. Y. KUTSCHER, The Language of the Genesis Apocryphon. Scripta Hierosolymitana IV. 1958, 1-35; J. A. FITZMYER SJ, The Genesis Apocryphon of Qumran Cave I. (Biblica et Orientalia 18) 1966, 26-34. 30 Die Sachlage wird erheblich komplizierter, wenn man die Urgemeinde nicht mehr als uniforme, theologisch und geographisch einheitliche Größe verstehen kann. Dürfte;wan die Sprache Jesu dem galiläischen Westaramäisch zuordnen (vgl. A. DIEZ MACHO, La lengua hablada par Jesucl~isto. Oriens Antiquus 2. 1963, 95-132), so wäre damit für die Lokalisierung eines aller erst zu eruierenden galiläischen Sprachduktus urgemeindlicher Traditionen noch nichts präjudiziert. 31 Es gehört zu den linguistischen Grundproblemen einer Grammatik des ntl. Aramäisch, welche Quellen der Umwelt ihr als Vergleichsmaterial zugrundegelegt" werden können. Vgl. dazu van der Woude, aaO. 328f. 32 Vgl. E. Y. KUTSCHER, The Language of Hebrew and Aramaic Letters of Bar Koseva and his Contemporaries (Original: hebr.). Lesh 25. 1960/61, 119-135; S. SEGERT, Zur Orthographie und Sprache der aramäischen Texte von Wadi ~uraba'at. ArOr 31. 1963, 122-137. 32a Zusatz 197f: r~ach Erscheinen des vorliegenden Aufsatzes erreichte mich der briefliche Hinweis auf H. OTT, Um die Muttersprache Jesu. NovTest 9. 1967, 1-25.
Xp~c;'t6c;
6
in 1 Kor 15, 3b
4. Jeremias führt insgesamt 6 Belege für artikelloses n"'t!7Zl aus den Tar~ an: Tg Cant 4, 5 (zweimal); 7, 4 (zweimal); Tg Sach 12, 10 addit (zweimal). Sehen wir uns diese letztere Stelle einmal genauer an! 4.1. Tg Sach 12, 10 bietet in den meisten Handschriften33 und alten Drucken34 zunächst den masonetischen Text in fast wörtlicher aramäischer tlbersetzung 35 • Lediglich der Codex Reuchlinianus vermerkt als Marginalie eine Variante des Targum JerusChalmi36~ die den Text völlig umgestaltet 37 Ein genauer Vergleich mit dem masoretischen Text und dem Targum Jonathan zeigt, daß diese Umgestaltung den Wortlaut des Targum Jonathan bereits voraussetzt, also später entstanden sein muß38: (UT) (Tg Jon) (Tg Jer)
(MT) (Tg Jon) (Tg Jer)
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The Bible in Aramaic based on Old Manuscripts and Printed Texts, ed. A. SPERBER, vol. 111. 1962, 495 verwertet für seine Edition die Handschriften Ms. p. 116 (Montefiore Library, Jews' College, London); Codex Reuchlinianus (Badische Landesbibliothek, Xarlsruhe; 1105 n. Chr.; Edition: Corpus Codicum Hebraicorum Medii Aevi, rec. R. EDELMA1YN. Pars 11. The Premasoretic Bible I. The Codex Reuchlinianus, ed. A. SPERBER. 1956); Ms. Or. 2211 (British Museum); Ms. Or. 1474 (British Museum). Sperber, aaO. verwertet die 1. Rabbiner-Bibel des Daniel Bomberg (Venedig 1515/17), die 2. Rabbiner-Bibel des Daniel Bomberg (Venedig 1524/25) sowie die Antwerpener Poly~lotte von 1569/73. Lediglich die Form "P' l= sie hab4;n durchbohrt) wird wohl aus Gründen antichristlicher Apologetik in ,;:.~~~~, ( = sie wurden vertrieben) abgeändert. Diese kleine Änderung gibt dem Vers freilich einen ganz anderen Sinn! Im übrigen lieben die Targume Ittaphal-Bildungen. Vgl. G. DALMAN, Grammatik des jüdisch-palästinischen Aramäisch nach den Idiomen des palästinischen Talmud des Onkelostargum und Prophetentargum und der jerusa~emischen Targume. 2. Aufl. 1905, 250. Neben dem "offiziellen" Targum Jonathan enthält der Codex Reuchlinianus häufiger Marginalien (vgl. dazu Sperber, aaO. X), die bereits von P. de LAGARDE (Prophetae Chaldaice. 1872) aufgenommen und von W. BACHER (Kritische Untersuchungen zum Prophetentargum. ZDMG 28. 1874, 59-72) mit dem Targum Jeruschalmi zum Pentateuch verglichen wurden. Sperber, aaO. 495, 2. Apparat. Ich biete den Text in jeweils dreizeiliger Anordnung: 1. Zeile, masoretischer Text; 2. Zeile, Targum Jonathan; 3. Zeile, Ißarginalie aus dem Codex Reuchlinianus. Nach zweimal 3 Zeilen folgt ein überschießendes Stück in dieser Marginalie. Die 11. Zeile von oben beweist die Benutzung von Tg Jon durch Tg Jer.
Xp~a't6c;
(MT) (Tg Jon) (Tg Jer) (NT) (Tg Jon) (Tg Jer) (MT) (Tg Jon) (Tg Jer) (m) (Tg Jon) (Tg Jer)
in 1 Kor 15, 3b
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4.2. Der Text Tg Jer Sach 12, 10 lautet in Ubersetzung:"Und ich will wohnen lassen auf dem Hause Davids und auf den Bewohnern Jerusalems einen Geist der Weissagung und des wahren Gebets; und dann wird herausgehen der Messias bar Ephraim zum kriegerischen Zusammenstoß mit Gog, und Gog wird ihn töten vor dem Stadttor Jerusalems. Dann werden sie (seil. das Haus Davids und die Jerusalemer) einsichtig werden im Hinblick auf ihn, und sie werden nach ihm verlangen deswegen, weil die Heidenvölker den Messias bar Ephraim durchbohrt haben; und sie werden über ihn die Totenklage anstimmen wie Vater und MUtter den (Tod des) einzigen Sohn(es) beklagen, sie werden über ihn betrübt sein,wie man betr'J.bt ist über den (Tod des) Erstgeborenen." 4.3. In diesem rein lin~istischen Zusammenhang können wir vom Inhalt der Marginalie fast völlig absehen, obwohl es reizvoll wäre, seinen Zusammenhang mit dem Motiv des Messias bar EPhraim39 und auch mit dem Ausbau einer
39
Vgl. dazu W. WUNSCHE, Die Leiden des Messias. 1870, 109-121; G. DALMAN, Der leidende und der sterbende Messias der Synagoge. 1888, 1-26; E. SCHtlRER, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi II. 4. Aufl. 1907, 625 !Dm. 38; J. KLAUSNER, Die messianischen Vorstellungen des jüdisChen Volkes im Zeitalter der Tannaiten kritisch untersucht und im Rahmen der ZeitgeschiChte dargestellt. 1904, 86-99; RABINSOHN, Le Messianisme dans le Talmud et les Midraschim. 1907, 66-78; (H. L. Strack-) P. BILLERBECK, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch 11. 1924, 292-299; W. BOUSSET, Die Religion des Judentums im späthellenistischen Zeitalter. 3. Aufl. 1926, bearb. v. H. GRESSMANN. (HNT 21), 230 bis 232; P. VOLZ, Die Eschatologie der jüdischen Gemeinde im neutestamentlichen Zeitalter. 1934, 229; G. FRIEDRICH, Messianische Hohepriestererwartung in den Synoptikern. ZThK 53. 1956, 268-275; K. G. KORN, The Two Messiahs of Aaron and Israel; in: The Scrolls and the New Testament, ed. K. STE1IDAHL, 1957, 54-64; H. BRAUN, Qumran und das Neue Testament 11. 1966, 75ff. Ein besonderer Zusammenhang besteht hier zum GogIriOtiv, vgl. Leqach tob lTum 24, 17 (2, 129b) bei Billerbeck, aaO. 298f.
8_______________________X~p_~_a_,__ 6~s__ in ___ 1_K_o_r__1_5~,__3_b_______________________ antichristlichen Polemik und Apologetik im Rahmen der jüdischen Schriftauslegung 40 zu untersuchen, da Sach 12, 10ff zu den frühesten Stellen gehört, 41 die mit dem (sterbenden) Messias bar Ephraim zusammengebracht werden • Entscheidend ist hier lediglich das linguistische Phänomen der Wortfolge
n'IDD.
Unterstützt die Artikellosigkeit die These Rengstorfs,
werde als Eigenname behandelt? 4.4. In der Linguistik 42 , vor allem in der Linguistik der langue 43 , ordnet man die Eigennamen im allgemeinen nicht den semantemen 44 , sondern den Asemantemen zu45, obwohl es im Einzelfall über die Phoneme 46 eine Brücke zwi-
40 41 42
43 44
45
46
Die umstrittene Frage, ob ein leidender Messias früh im Judentum belegt ist, hat M. RESE, Überprüfung e~~ger Thesen von Joachim Jeremias zum Thema des Gottesknechtes im Judentum. ZThK 60. 1963, 21-41 in sorgfältiger Analyse verneint. Vgl. dazu Billerbeck, aaO. 294; Bousset-Greßmann, aaO. 230f. Vgl. Billerbeck, aaO. 293-299. Grundlegend für die neuere Forschung bleibt F. de SAUS SURE , Cours de linguistique g~n~rale. (1916). 1967 neu hg. v. Ca. Bally, A. Sechehaye u. A. Riedlinger. Zur Forschungsgeschichte vgl. St. ULLlMNIT, Grundzüge der Semantik. 1967, 1-4. 277-295; K. BALDIl'JGER, Die Semasiologie. (Deutsche Akademie der Wisse Vorträge u. Sehr. 61). 19570 Zur Unterscheidung von langue und parole vgl. de Saussure, aaO. 23ff. 30ff; St. ULIMAllN, Words and Their Use. 1951, 16. Die den Sinn eines Wortes tragende Einheit nennt die Linguistik Semantem im Unterschied zum morphem, der die grammatische Struktur des Wortes betreffenden Einheit. Vgl. Ullmann, Grundzüge 5f. Da Eigennamen im Rahmen der langue lceinen "Sinn" haben, bezeichnet man sie als Asemanteme: sie signifizieren nicht, sondern identifizieren. Vgl. St. ULLMJUiH, Semantics. An Introduction to the Science of Meaning. 1962, 74. - Zusatz 1971: Durch den Fortgang meiner linguistischen Studien neige ich heute dazu, den Te= "Semantem" nicht mehr als "Bedeutung"-tragend dem Te= "),Iorphem" entgegenzusetzen; denn auch Morpheme haben Bedeutung, wie auch die grammatischen Phänomene ohne se@antische Implikate nicht zu denken sind. Diese Erkenntnis ergab sich erst aufgrund meiner Beschäftigung mit der Generativen Transformationsgrammatik, die ich 1967 noch zu wenig kannte. Die Eigennamen gehören nicht in den Signifikat ions-Zusammenhang von signifiant (Wort) und signififl (Sinn). Vgl. J. St. MILL, A System of Logic I. (1843) 10. Aufl. 1879, 33f; Ullmann, Semantics 74. Die Sprache (la .langue) besteht so nicht nur aus Semantemen und Morphemen, sondern auch aus Asemantemen und linguistischen Systemen. Vgl. G. GlJILLAUME, L' architectonique du temps dans les langues classiques. 1945, 9. Vgl. dazu N. S. TRUBETZKOY, Grundzüge der Phonologie. 4. Aufl. 1967, 34:"Phonologische Einheiten, die sich vom Standpunkt der betreffenden Sprache nicht in noch kürzere aufeinanderfolgende phonologische Einheiten zerlegen lassen, nennen wir Phoneme."
Xp~a't"6c; in 1 Kor 15, 3b 9 ----------------~--~-------------------------schen beiden geben kann 47 , so daß ein Aaemantem, als Phonemkette genommen 48 , auch als Semantem verstanden werden kann. Würde man mit Jeremias
n'IDD
da
als Asemantem behandeln, dann wäre ein solcher Fall hier gegeben, tlIm bewußt bleiben
n'~ stets als qätil_Form49 des Semantems
kann im Unterschied etwa zu gehört 50 • 4.5. Aber ist
D'i~,
das eindeutig zu den Asemantemen
n'IDr.l innerhalb der ~70rtfolge
u'iEl~
i::l n'IDr.l überhaupt
ein Asemantem? Dafür kann man jedenfalls nicht wie Jeremias die Artikellosigkeit anführen, denn innerhalb der als Status-constructus-Verbindung aufzufassenden Wortfolge 50a darf n'IDr.l überhaupt keinen Artikel bekommen oder determiniert werden, da die Determination in der Status-constructusVerbindung nicht durch den Artikel oder die determinierte Form des Nomen regens, sondern durch die Determination des Nomen rectum vollzogen wird 51 , die in unserem Falle durch die Gentilikon-Verbindung gegeben ist. Auffallend ist also nicht die Undeterminiertheit, sondern gerade die Determiniertheit an den von Jeremias angeführten beiden Stellen Tg Hos 3, 5; Tg Jer I Ex 40, 11 52 • DieArtikellosigkeit des Nomen regens ist in unserem Falle
grammatisch bedingt und besagt über die Determination des Nomen regens genau das Gegenteil zu Jeremias' Auffassung. n'IDr.l in unserer Wortfolge als Asemantem auffassen, 4.6. Nun könnte man weil Nomen regens und Nomen rectum im Hebräisch-Aramäischen als ein Sprechtakt empfunden werden 53 • Vor allem im Rahmen einer strukturell auf-
47 48
Vgl. dazu Ullmann, Semantics 74f. Diese Isolierung ist natürlich für die strukturell aufgefaßte Linguistikproblematisch. Vgl. Ullmann, Words 16:"Sounds are not fully-fledged symbols: the have no meaning of their own." Der Sprechakt setzt sich aus sound, word und syntactic const~~ction zusammen (ebda. 17). 49 Dalman, Grammatik 157. 50 Zur semitische~ Namen-Forschung vgl. M. NOTH, Die israelitischen Personennamen im Rahmen der gemeinsemitischen Namengebung.(BWANT 46; 111, 10) H. SCHULT, Vergleichende Studien zur alttestamentlichen Namenskunde. Theol. Diss. Bonn (Rotaprint druck) 1967. 50s Daß die Wortfolge eine Status constructus-Verbindung ist, beweisen die syntaktischen Verhältnisse in 2 Kön 19, 21; Jes 23, 12; 37, 22; 47, 1; Jer 14, 17; 46, 11; Thren 1, 15; 2, 13. 51 C. BROCKELliIAl'Il~, Hebräische Syntax. 1956, 67. 52 AaO. 211: Tg Hos 3, 5 (exc. )~'iT:J?r.l i n i::l ~n';J7J? 1 Tl7lJru', ; Tg Jer I Ex 40, 11 (exc.): n'Jr.l P'ElJi D'iEl~ i::l ~n'IDr.l'; vollständige Übersetzung Bill. II2L 296. i ' i 1::l n'IDr.l steht ebenfalls Midr Ps 43 § 1 (134a); Tanch n'-l?,n 35a; b Bult 52a Bar, so daß auch diese Stellen aus der Liste der echten Belege gestrichen werden können. 53 Vgl. Brockelmann, aaO. 65. Zur linguistischen Problematik vgl. J. BARR,
10
XPLC1'tOC;
in 1 Kor 15, 3b
gefaßten Linguistik 54 , die die semantische Autonomie des Wortes relativiert 55 und sich der syntaktischen Analyse zuwendet 56 , könnte man zu einer derartigen Auffassung neigen, indem man n~87.) in Verbindung mit dem D~'~ ebenfalls als Asemantem behandelt. Aber diese Behandlung entspräche gar nicht genau der strukturalistischen Linguistik, weil in
Asemante~
dieser die einzelnen Wörter nicht für sich, sondern in ihrem strukturellen Zusammenhang betrachtet werden 57 , der in vielen Fällen zB. durch den Kontext angezeigt ist 58 • Dh. nur im Rahmen unserer Wortfolge wäre n~ID7.) allenfalls ein Asemantem, aber nicht isoliert für sich genommen. Daraus folgt für die linguistische Kontroverse, daß unsere Stelle in keiner Weise als Beleg für einen asemantischen Gebrauch von isoliertem faßt werden kann: Linguistisch ist die These von Jeremias nicht haltbar. 4.7. Zu dem gleichen Ergebnis käme eine Analyse der beiden anderen angeführten Targum.-Belege, da hier ebenfalls die Wortfolge C~'D~ ,::1 n~ID7.) neben der Wortfolge ",,::1 n~ID7.) vorliegt 59 • Mit anderen Worten: Die zusätzlichen Belege aus den Targumim tragen zu der linguistischen Kontroverse überhaupt nichts bei, weil sie kein isoliertes n~ID7.) als Asemantem bieten. 5. Jeremias nennt sodann Belege, "die das artikellose n~ID7.) mit Sicherheit in frühe Zeit zurückführen,,60. Es handelt sich insgesamt um 7 Stellen.
Bibelexegese und moderne Semantik. 1965, 93-100. Vgl. dazu Baldinger, aaO. 8-10. 15-19; Ullmann, Grundzüge 40ff. Vgl. Baldinger, aaO. 21-24; Ullmann, Words 34. Vgl. dazu A. W. de GROOT, Structuureele Syntaxis. (Servire's Encyclopaedie, Afdeling: Taalwetenschap, theoretisch B 9 A/4). 57 Vgl. Baldinger, aaO. 19. 58 Vgl. Ullmann, Words 29:"Only the context can determine the extension of the word in any given situation." 59 Tg Cant 4, 5 bietet eine allegorische Interpretation des masoretischeu Textes im Sinne der Auf teilung der messianischen Figur in einen lf.essias bar David und einen Messias bar Ephraim (Lit. dazu oben Anm. 39): 54 55 56
'~7.)' C~'D~
,y,
,::1
n~ID7.)'
" , ,::1
n~ID7.) ]~P'DD~ l~,~ny, l'P~'D
,',n
(varia lectio Tg Cant 7, 4 l?~n7.)' ) ,5'nmn '::1:1,. 'J::1 liil~' ilID~? ,m, (Tg Cant 7, 4 nur bis hier) ~"::1~ ~7.)"n ,'!:>~n,~ p,n? 60
l~~'Y::1' ~J7.)::1 ~'::1~J '~J~ '~YJ'~
AaO. 212.
,'iln'JTJ
?~iW'
.C~'7.)' ~'~J
n"lJ ~7.)y? "17.)' , "I~'!:lD
11
XpL01:6c; in 1 Kor 15, 3b
5.1. Zu CD 20, 1 tritt Jeremias gegen Vielhauer 61 und C. Rabin 62 für ein determiniertes Verständnis von ?t(-w'7.n lßit(O n'IDO ein 63 , weil das Fehlen des 10 an den drei anderen Beleg-Stellen für diese Wortfolge 64 "nur ein determiniertes Verständnis ('der Messias') zuläßt,,65. Neben der Artikellosigkeit dient also die syntaktische Ordnung als Argument zugunsten der Determination von
n'IDO
im Sinne eines Asemantems.
5.2. Daran ist soviel richtig, daß ausschließlich die Syntax in CD 12, 23 bis 13, 1; 14, 18f; 19, 10f die Artikellosigkeit erzwingt und die Determination bedingt. Aber wird dadurch das isolierte Gegenüber den Targum-Stellen ist hier noch viel eindeutiger, daß die strukturelle valeur 66 des Nomen regens durch die asemantischen Nomina recta bedingt ist: Wieder reicht der linguistische Befund nicht aus, um Jeremias' These zu belegen. 5.3. In CD 20, 1 läßt die Syntax zumindest offen, ob wir eine Analogie zu den anderen Stellen vor uns haben. Genauer: sie spricht gegen die Auffassung von Jeremias, da die Artikellosigkeit nicht durch eine Status-constructus-Verbindung bedingt sein kann; es liegt eine partitive adverbielle
61 62 63
Vielhauer, aaO. 181:"die tibersetzung '~ Gesalbter aus Aaron und Israel' ist zumindest möglich und liegt unter Berücksichtigung des 10 sprachlich näher". Rabin, Documents 36:"until a Messiah shall arise from Aaron and from Israel". CD 19, 35 - 20, 1: 0"0 r:m::l' tt!:> o:m::lJ' 0J7 -r,'JJ 'JIDn' (t()?
.?t(-W'01 lint(O n'IDO -r10J7 DJ7 -r'n'n n'10
64
• ?t(-W',
65 66
~~~n
(Die Abtrünnigen, vgl. 19, 33f) werden nicht zUr Versammlung des Volkes (=Qumrangemeinde als "heiliger Rest") gerechnet und in ihr Verzeichnis werden sie nicht eingetragen von dem Tage der Hinwegnahme des einzigen Lehrers (zu verbesSern in: des Lehrers der Gemeinschaft) bis zum Auftreten eines Gesalbten aus Aaron und aus Israel. Zu dieser Stelle vgl. G. JEREMIAS, Der Lehrer der Gerechtigkeit. (StUNT 2) 1963, 283f. CD 12, 23 - 13, 1: -r'0J7 ""lY mro"n YPJ (n?~J '::l?nn' D'::l?nnOn) • ~"iD ' 1 1,m~ n W7.:I Sie sollen .in ihnen (seil. den Regeln) wandeln in der Zeit der Gottlosigkeit bis zum Auftreten des Gesalbten Aarons und Israels. CD 14, 18f ist stark lückenhaft, läßt sich aber etwa ergänzen: W':1D nT' rn~
n( 'WO -r10J7
""lY
nJ7IDßi ypJ OnJ
':J~nn')
L!7t( D'OmOn
Und dies ist die genaue Bestimmung der Rechtssätze, in (den sie wandeln sollen in der Zeit der Gottlosigkeit bis zum Auftreten des Gesalb) ten Aarons und Israels. CD 19, 10f: .!:>~L!7" 1,m~ n'l!70 ~'JJ :nn? ,,'JO' O"t(IDJm Die übrigen werden dem Schwert ausgeliefert werden, wenn der Gesalbte Aarons und Israels kommt. AaO. 212. Der linguistische terminus technicus "valeur" bezeichnet die strukturelle Furuction eines linguistischen Phänomens innerhSlb des Sprachsystems. Vgl. de Saussure, aaO. 115f. 155ff. Dabei unterscheidet man eine
Xp~o,6c;;
12
in 1 Kor 15, 3b
Apposition vor 67 ,die für das artikellose Nomen regens nur Indeterminiertheit zuläßt. 5.4. Überdies ist der Text der 1896/97 durch S. Schechter in der Geniza der Karäer-Synagoge von Alt-Kairo gefundenen ManUSkripte 68 an den vier Stellen in CD durch die Qumran_Texte 69 als korrumpiert verdächtig 70 : Der Singular n"U1O
könnte in späterer Zeit aus dem Plural
"n"'Wr.l emendiert oder
verschrieben worden sein, als er nicht mehr verstanden wurde 71 • In jedem Falle belegen die Belege nicht das, was Jeremias mit ihnen belegen will. 6. Als besonders wichtigen Beleg führt Jeremias sodann Joh 4, 25 an
72
olba 5,~ MEootac;; ~PXE,a~, 6 AEy6~EvoC;; xp~o,6C;;. 6.1. Gerade wenn man dies als Übersetzung eines semitischen Originals gelten läßt 73 , muß man beachten, daß im semitisierenden Griechisch als SprachStruktur (langue) ganz andere linguistische Gesetze gelten können als in "J.S t der semitischen Sprach-S"truktur selbst ~ • Das Problem der Ü bersetzung
67 68 69 70
71
72 73
74
valeur innerhalb der parole von der· valeur innerhalb der langue. Vgl. Guillaume, aaO. 12f. Zu ihrer Syntax vgl. nrockelmann, aaO. 108-111. S. SCHECHTER, Documents of Jewish Sectaries I. Fragments of a Zadokite Work. 1910. Zu den Karäern vgl. P. KAHLE, The Cairo Geniza. 1959, 17ff = DERS., Die Kairoer Genisa. 1962, 18ff. Vgl. vor allem 1 Q S 9, 11. CD ist durch 4 QD, 5 QD, 6 QD mit zahlreichen Fragmenten in Qumran belegt. Vgl. dazu W. BAUMGARTNER, ThR NF 19. 1951, 472; Chr. BURCHARD, Bibliographie zu den Handschriften vom Toten Meer 11. (BZNW 89) 1965, 337. Vgl. K. G. KOHN, NTS 1. 1954/55, 174; A. S. van der WOUDE, Die messianischen Vorstellungen der Gemeinde von Qumran. (Studia Semitica Neerlandica 3) 1957, 60f. 66. 77f; G. Jeremias, Lehrer 282 Anm. 1. Anders W. H. BROWNT~E, John the Baptist in the New Light of the Ancient Scrolls; Scrolls; in: The Scrolls and the New Testament, ed. K. STENDAHL. 1957, 44f. Zu weiteren linguistischen Fragen dieser Texte vgl. unten S. 20f. AaO. 212. So A. H. McNEILE, A Critical and Exegetical Commentary on the Gospel According to St. John I. 1928, 58 (zu 1, 41); M. BLACK, An Aramaic Approach to the Gospels and Acts. 3. Aufl. 1957, 183 (unter Berufung auf syrische Varianten); C. H. DODD, The Interpretation of the Fourth Gospel. 1963, 88. Überdies bedürfte es einer wirklichen linguistischen Untersuchung, inwiefern die Eigentümlichkeiten des sog. "semitisierenden" Griechisch durch das Sprach-System des Semitischen bedingt sind. Dürfte man hier zu einem positiven Ergebnis gelangen, würde sich immer noch die linguistische Grundlagenfrage nach der (virtuellen?) Verdoppelung der langue stellen, gerade weil hier einer langue eine doppelte parole mit jeweils völlig verschiedenem phonologischen Aufbau zugeordnet wäre, um v.on den mehr oder weniger großen "Resten" der Struktur des originalen Griechisch
XPI,O,OC;
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13
eins der schwierigsten in der Linguistik 75 , weil hier nicht nur die allgemeinen Bedeutungswandlungen der einzelnen signa 76 , sondern auch die immer nur relative Vergleichbarkeit der verschiedenen Sprachstrukturen beachtet werden müssen. M. a. W.: die valeur eines linguistischen Phänomens innerhalb einer bestimmten langue braucht in einer anderen langue durchaus nicht identisch zu sein 77 , zumal man zwischen dem Morphem an sich und seiner valeur unterscheiden muß 78 • 6.2. Für unseren Fall heißt das, daß die Behandlung von
MEOOLUC;
als
artikelloser Eigenname, die durch den interpretierenden Zwischensatz noch hervorgehoben wird 79 , zunächst innerhalb des Systems des Joh-Idioms analysiert werden muß, ehe man Rückschlüsse auf eine hypothetische Vorstufe zieht, die nicht mehr völlig diesem System unterworfen zu sein braucht 80 • 6.3. Leider ist das Material für diese Analyse sehr dürftig, da
MEOOLUC;
innerhalb Joh und innerhalb des NT nur noch Joh 1, 41 vorkommt 81 , allerdings mit Artike1 82 • Dürfte man mit R. Bultmann83 den interpretieren-
75 76 77 78
79
80 81
einmal ganz abzusehen. Wahrscheinlich müßte die strukturelle Linguistik von vornherein betonen, daß die Struktur des "semitisierenden" Griechisch sich nicht aus Anteilen der semitischen und Anteilen der griechischen Struktur zusammensetzt, sondern für sich eine eigene Struktur darstellt, deren Gesetzmäßigkeiten zunächst autonom erforscht werden müssen, ehe man heterogene "Einflüsse" annimmt. Aber auf diesem Sektor der linguistischen Detailforschung ist methodologisch noch manches im argen. Wie dilettantisch manche ntl. Analysen sind, weist zB. F. RUNDGREN, The Synoptic Gospels as Language. BibI 46. 1965, 465-469 nach. Vgl. dazu de Saussure, aaO. 261ff; Barr, op. cit. Vgl. dazu Baldinger, aaO. 26ff; Ullmann, Grundzüge 159ff; ders., Words 65. Innerhalb verschiedener Sprach-Systeme besagt eine gleiche oder ähnliche Signifikation zweier analoger Terme durchaus nicht gleiche oder ähnliche valeur in den beiden Systemen. Vgl. de Saussure, aaO. 160f. Vgl. F. RUNDGREN, Erneuerung des Verbalaspekts im Semitischen. (Acta Societatis Linguisticae Upsaliensis. Nova Series 1:3) 1963, 53:"Wir müssen zwischen der rein objektiv-lexikalischen Bedeutung einer morphologischen Kategorie ••• und dem strukturell bedingten ~ert (valeur) der betreffenden Kategorie im System der Sprache (langue) genau unterscheiden" (im Original Fraktur). Er macht nach R. BULTMANN, Das Evangelium des Johannes. (MeyerK II, 13. AufI.) 1953, 141 Anm. 5 den Eindruck, "eine interpretierende Glosse (des Evglisten oder des Red.) zu sein" wie Joh 1, 38. 41f; 9, 7; 20, 16. (11, 16; 19, 13. 17 können hier auf sich beruhen.) Eine vollkommene Deckung der beiden Sprach-Systeme dürfte wohl niemand postulieren. Joh 1, 41: EUP~J{Uj.J.8V lVlEOOLUV (0 EOHV j.J.E8spj.J.TJVEUOj.J.EVOV
,ov
XPLO,OC;.)
82
F. HAHN, Christologische Hoheitstitel. (FRLANT 83) 1963, 209 Anm. 6 hält diesen Wechsel zwischen grammatischer Determinier.heit und Indeterminiertheit für "aufschlußreich" für unser linguistisches Problem. Leider bleibt es bei dieser Andeutung.
14
XPLcr'tOC;; in 1 Kor 15, 3b
den Zwischensatz als Glosse des Evangelisten oder eines späteren Redaktors auffassen, dann wäre der Befund für die Sprach-Struktur des Joh-Idioms eindeutig: Diese Struktur empfindet keinen Unterschied (mehr) zwischen undeterminiertem und determiniertem lVlEcrcrtac;; , da diese beide Male durch artikelloses XPl.cr'tOC;; übersetzt wird. Abgesehen von der Frage, ob in früher Zeit überhaupt ein absoluter Gebrauch von n"m7.l/tm"m7.l belegt werden kann84 , nicht das Fremdwort charakterisiert fällt auf, "daS als das ÄEYO~EVOV wird ••• , sondern die Ubersetzung,,85 wie auch Joh 11, 1686 • Das könnte benicht wie in 1, 11 als Ubersetzung87 , deuten, daS 6 ÄEYO~EVOC;; XPLcr'tOC;; sondern als Apposition des homoiosemantischen oder äquivalenten. griechischen Analogons zu dem semitischen Eigennamen88 fungiert. M. a. W.: Die Struktur des Joh-Idioms behandelt MEcrcr(ac;; durch die Appositionen als Eigennamen, und zwar unabhängig davon, ob es durch den Artikel determiniert ist oder nicht. Die Determination durch den Artikel spielt in bezug auf die valeur von MEcrcrtcx.C;; für das Joh-Idiom keine Rolle. Ob damit aüch die valeur innerhalb der hypothetiSchen semitischen Vorlagen erfaSt ist, muß reine Vermutung bleiben. Linguistisch ist damit freilich noch nicht gesagt, daß MEcrcrta.C;; im strikten Sinne ein Asemantem ist. Ein Asemantem k a n n ja gar nicht übersetzt werden, weil dann der linguistische Unterschied zwischen Signifikation und Identifikation verkannt würde 89. In Wahrheit ist MEcrcrtcx.C;; hier ähnlich wie XPLcr'tOC;; in gewissen kerygmatischen Formeln90 "eine personale BezeiChnung,,91, dh. es identifiziert kein Individu-
um durch den 'Namen', sondern signifiziert die FUnktion einer erwarteten Person92 , die noch nicht identifiziert werden kann.
83 84 85 86
87 88 89 90 91 92
Vgl. Anm. 80. Vgl. dazu C. C. TORREY, in: Quantulacumque. Studies presented to Kirsopp Lake. 1937, 319f; DOdd, aaO. 87f. EUltmann, aaO. Man kann freilich fragen, ob 6 in dieser grammatischen Struktur nicht stereotyp, also unabhängig vom Genus des Bezugswortes, verwendet wird. JOhJ9l 17 legt das jedenfalls nahe. Zu vergleichen wäre dann die FormelO cr'tLV (Mk 3,17; 12,41; 15, 16; Eph 1,14 :p461) Gpm; 5,5; 6, 17; Barn 15, 8; Ign Eph 17, 2). Vgl. dazu F. BLASS - A. DEBRUNNER, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch. 1954, § 132, 2. EUltmann, aaO. hält den Sinn "bedeuten" für ÄEYEcr8cu für möglich. So scheint mir allerdings das linguistische Problem abgeschwächt. Zur jüdischen Namengebung vgl. noch G. A. HARRER, Saul who also is called Paul. HThR 33. 1940, 19-34. Vgl. oben Anm. 44. Vgl. dazu W. KRJJ~, Christos. KYrios. Gottessohn. (AThANT 44) 1963, 34ft. Vielhauer, aaO. 182. Zur samaritanischen Messianologie vgl. die Lit. bei Schürer, Geschichte II 608f; Bousset-Greßmann~ aaO. 224f; A. MERX, Der Messias oder Ta'eb der Samaritaner. (BZAW 17) 1909.
Xp~O"t6c;
in 1 Kor 15, 3b
15
6.4. Es zeigt sich also insgesamt, daß Joh 4, 25 nur mit sehr starken Vorbehalten als Beleg für asemantischen Gebrauch von n~IDIJ angeführt werden kann. 7. Jeremias nennt sodann das Gebet
~~~1 n?V~ 93, das sm Passaabend in die
dritte Benediktion des Nachtischgebetes eingeschoben wird, und zwar in früher tannaitischer Zeit 94 , das aber auch bei sonstiger Gelegenheit belegt ist 95 • In diesem Gebet 96 wird Gott um das Gedenken der Lage Israels und um gebeten. Diese Stelle belegt jedoch nur die Artikellosigkeit infolge der Status-constructus-Verbindung, nicht ein isoliertes und absolutes n"IDIJ. 8. Endlich führt Jeremias erneut Sifre Dt 1, 37 zu 1, 1 an, die Stelle, die Vielhauer als einzigen palästinischen Beleg gelten läßt 97 • Der Text lautet 98 : O~ l"lI 'n~ "::I 1m'JIJ p:70i'
-1'1n
Y~:l 'n ,:li ~r.l n"nn~ "
tDii
~:n 1> "'IJ~ ~~-W"> ", O';'l'Tl m7.n~? iTll7 n~il7IJ m?~'"'1l7" 'c:l:llll ?::J' O~).,n::Ji'1 rn .,J ~>17 m ,17IJ n~ nr.l? 'i:l il-r.,i':' :l'"1? r;~pOr.li''"T p ,0.,,, ilIJ 1> i7.)~
l'ln
'7.)07'
O,pO OW D"
Pu-ro 'J~ Y'~' D'~ '>li ~J'"T~170 • ., m , J IJ ~IJ-i' 0" PIJ iint( ilO
R. Jehuda99 legte (den SChrifttext) aus:"Orakel, Wort des Herrn über das Land Chadrach und Damaskus ist seine Ruhestätte. Denn dem Herrn gehören das Auge der Menschen 100 und alle Stämme Israels" (Sach 9, 1). ("Chadrach") das ist der Messias, der "scharf" ( In) gegen die Völker der Welt und "milde" Israel ist 101 • Es antwortete ihm R. Jose b. Durmasqith (dem R. Jehuda): Bar rabbi, warum verkrümmst du uns die SChriftworte?102 Ich 93 94
AsO. 212. Vgl. J. ELBOGEN, Der jüdische Gottesdienst in seiner geschichtlichen Entwicklung. 1924. 4. Aufl. 1962, 125. 533; Jeremias, Abendmahlsworte 3. Aufl. 242. 95 Jeremias, ebda. 243. 96 Deutsche Ubersetzung ebda. 97 AaO. 191. 98 Sifr& deb& Rab, der älteste halachische und haggadische Midrasch zu Numeri und Deuterono~ium, hg. v. M. FRIEImUUl. 1894, 65a. Vgl. die Beschreibung bei Bill. I, 64; II, 689. Parallel,en sind Pesiq 143a,; Midr Cant zu 7, 5 (127b). 99 Es handelt sich um R. Jehuda b. El'ai (ca. 150 n. Chr., 3. tanne Generation, weil als Kontrahent R. Jose b. Durmasqith (ca. 130 n. Chr., 2. tann. Generation, 2. Hälfte) auftritt. 100 Der masoretische Text ist hier korrupt und wird heute allgemein verbessert in D'~ • Daß man in alter Zei t O'"T~ gelesen und zu verstehen versucht hat, beweist die Paraphrase des Tg Sach 9, 1: 'IDJ~ 'J::t ~'"T::t'lI 101,'1n wird durch Wortzerlegung (Notarikon-Methode) gedeutet, indem die Silben auf die beiden Glieder des Kausal-Satzes bezogen werden. Vgl. Bacher, Terminologie 125-128. 102 Dieser Vorwurf ist stereotyp für R. Jose b. Durmasqith gegenüber R. Je-
Xp~a .. 6c;
16
in 1 Kor 15, 3b
nehme für mich Himmel und Erde zu Zeugen, daß ich aus Damaskus bin, und dort gibt es einen Ort, der Chadrach heißt. Und er (seil. R. Jose) sagte zu ihm: Wie hältst du (mit deiner Auslegung den Wortlaut) "und Damaskus ist seine Ruhestätte" aufrecht?103 8.2. Bei diesem Beleg handelt es sich also um eine exegetische Debatte über den Sinn von Sach 9, 1. Eine allegorisch-messianische Deutung wird durch den
Literalsinn bestritten. Die Wortfolge
tikelloses, aber absolutes und isoliertes
n'IDn
n'wn nT , die ein ar-
im palästinischen Tra-
ditonsraum belegt, ist also eine interpretatorische Formel, deren bloßes iTl' 104 dazu dient, "die Erklärung an das erklärte ~extwort zu knüpfen,,105. Allerdings steht die Formel nicht für sieh, sondern wird durch eine relativische Apposition erläutert, eine syntaktische Struktur, die in diesem Zusammenhang häufiger belegt ist, so daß sie strukturell zum artikellosen midraschischen Gebrauch von
n'IDn
zu gehören scheint. Dies legt auch
eine andere Stelle nahe. 8.3. Num R 14, 2 zu 7, 48 (172b)106 interpretiert Ps 60, 9 schrittweise unter Benutzung dieses Stils: Dies nun sind die vier Schmiede (von Sach 2, 3). David kommt 107 und macht deutlich (Ps 60, 9):"Mein ist Gilead", das ist Elia, der einer der Einwohner Gileads war 108 • "Und Manasse ist mein", das ist der Messias, der von den Kindern Manasses aufstehen wird 109 , wie gesagt worden ist 110 (Ps 80, 3):"Vor Ephraim, Benjamin und 1'Ianasse laß aufwachen deine Heldenkraft und komm' uns zu Hilfe!" "Und Ephraim ist mein Helm" (Ps 60, 9), das ist der Kriegsgesalbte, der von huda b. El'ai. Vgl. Bacher, aaO. 139. 103 Diese exegetische Frage stammt aus der Tradition R. Ji~ma'els b. Eli~a (t ca. 135 n. Chr., 2. tanne Generation, 2. Hälfte). Vgl. Bacher, aaO. 170. 104 Tannaiten und Amoräer bedienen sich häufig der volleren Formel in~ iTT ~,roiT • Vgl. BaCher, aaO. 49f; DERS., op. cit. 11. Die bibel- und traditionsexegetische Terminologie der Amoräer. 1905, 62f. 105 Bacher, aaO. I, 49 106 Midrasch rabba 'al sefer bamidbar umegillath Ruth, ed. LEWIN-EPSTEIN. 1960, 108b: ,n'?~ in -YY~A "? {l.li'E)n1 ~~ " , D"IDIn " liT ,?~, "~J'.D iTc!7Jn ?r17 1 ':Jn ~'YID n'wn nr iTIDJn '? • -1)1?A ':::IlJ111iJ iT'rpw ~~ID iTnn?iJ n'WIJ m 'ID~i 'I' wn C'i'E)KH' 1A 1 iTIDJn1 l'n'J:J 1 ['i~ 'J'E)? .n1 ?nm ?,~1)n m 'pp,nD n,m'.1? i~ 'i1ID i1:l:J '~JW D'i'E)~n 107 Zur exegetischen Bedeutung dieser Wendung vgl. BaCher, aaO. 7. 108 Vgl. 1 Kön 17, 1. 109 ~~ hat hier wie CD 6, 11; 12, 23; 20, 1 den gleichen Sinn wie ~1:J (vgl. CD 19, 10; 1 Q S 9, 11; 4 Q PB 3). Es meint das Auftreten einer Heilsgestalt in der Endzeit. Vgl. van der Woude, Vorstellungen 58; G. Jeremias, Lehrer 282ff. 110 Zu der stereotypen Zitierformel vgl. Bacher, aaO. 6.
XpL01:6c;
in
Kor 15, 3b
17
Ephraim kommen wird, wie gesagt worden ist (Dt 33, 17):"Sein erstgeborener Stier ist voller Hoheit. ''''Juda ist j;lein Szepter" (Ps 60, 9), das ist der große Erlöser, der von den Nachkommen der Großkinder Davids (kommen wird). 8.4. Der relativische Anschluß in diesen Fällen macht das undeterminierte mi t
n"tli'~
völ~
deutlich, daß
n'ID~ 111 nicht als Asemantem empfunden wird: Die
bezeichnete Person wird nicht wie Elia durch den Eigennamen,
sondern durch den Relativsatz identifiziert. Die Artikellosigkeit läßt sich nicht bestreiten; doch bedürfte es einer hier nicht möglichen sorgfältigen Untersuchung, inwiefern sie innerhalb der beschriebenen exegetischen Formel auch für andere Zusammenhänge geläufig ist, so daß das artikellose Wort nur eine Spezifikation eines grundsätzlichen linguistischen Phänomens wäre 112 • In jedem Falle ist der Spielraum der Artikellosigkeit bei Beachtung des Strukturzusammenhangs recht umgrenzt. 9. Da es für die strukturelle Linguistik nicht gleichgültig ist, in welchen formgeschichtlichen Zusammenhängen bestimmte linguistische Phänomene aUftreten 113 , müssen wir fragen, ob artikelloses und absolutes auch in anderen Strukturzusammenhängen belegt werden kann 114 •
n'ID~
9.1. Hier sind einige der restlichen von Billerbeck und Jeremias angeführten Stellen zu nennen, von denen einige freilich von vornherein ausscheiden, weil ihre palästinische Herkunft unsicher 115 ist 116 , weil sie kein
111 In Num R 14, 2 darf natürlich nur die 1. Phrase gezählt werden, da in der 2. Phrase wieder die Status-constructus-Verbindung vorliegt. 112 Eine ger.auere Analyse muß hier mangels philologischer Hilfsmittel leider unterbleiben. 113 Zum Zusammenha.."lg von Semasiologie und Stilistil( vgl. Baldinger, aaO. 21. 114 Die von J. Jeremias, aaO. 212 als weitere Belege für die exegetische Deuteformel genannten Stellen b Sanh 99a; !ranch n"1~,n35a; nip 220b; Num R 14, 2 zu 7, 48 (172b) sind also für die strukturelle Linguistik nur Varianten einer Struktur. 115 Midr Spr 19 § 21 (44a) wird auf Rab Huna zurücl.geführt. Bill. I, 67: "vermutlich Pseudonym und deshalb wertlos". Bill. IV, 784 kann sich nicht entSCheiden, ob es sich um Rab Huna, den Babylonier (t 297 n. ehr.) oder um Rab Huna b. Ab in , den Palästiner (ca. 350 n. ehr.) handelt. Jedenfalls ist die Stelle ein Beleg für die Identifikation des Elia mit dem Messias. Erklärt das die Behandlung von n'ID~ als Eigenname? Num R 13, 11 zu 7, 13 (170a = Lewin-Epstein IV, 102a) behandel t n'ID~ innerhalb der Reihe David, Daniel, Hananja, 1!il!a I el und Azarjah (vgl. Dan 1, 6) eindeutig als Asemantem. Aber ist dieser undatierte Beleg eindeutig palästinisch? 116 R. ~emu'el (1. bab. Am; + 254 n. ehr.), b Sanh 98a.
Xp~a't6c;
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in 1 Kor 15, 3b
isoliertes n~ID~ enthalten 117 , oder weil der Belegwert aus grammatischen Gründen unsicher ist 118 • 9.2. Ein weiterer Strukturzusammenhang für artikelloses der Verbindung mit dem Verbum ist die Frage
n'l!7~
~n~
vorzuliegen. Eine typische Formulierung
'n~ n~'~ etwa in b Sanh 98a 119 :
9.2.1. R. Jeho~ua b. Levi 120 traf einst Elia am Eingang der Höhle des R. ~imon b. Jochai 121 stehen. Da sprach er zu ihm: Werde ich in die zukünftige Welt kommen?122 Jener erwiderte: Wenn es diesem Herrn gefällt. - R. Simon b. Jochai erzählte, er habe zwei Personen gesehen und die Stimme eines Dritten gehört 123 • - Darauf fragte er ihn weiter: Wann kommt der Messias? Jener erwiderte: Geh, frage ihn selbst! - Wo befindet er sich? - Am Tor Roms. - Wodurch erkennt man ihn? - Er sitzt zwischen den mit Krankheiten behafteten Armen usw. 124
117 R. Dosa (4. tanne Generation; ca. 180 n. ehr.), b Suk 52a, Bar: ..,..", TJ n~ID~ ; Seder Elij R 18 (97f); In 1::1 n~l!J~ Midr Ps 43 § 1 (134~). Rengstorf, aaO. 130 Anm. 14 nennt fälschlich auch Tanch ml~,n § 20 (70a). Dort steht jetzt n"ID~il l?~ 1m • Zur B falschen Zitierung vgl. oben Anm. 13. Außerdem wird dort nicht 1 ehron 3, 24 interpretiert. 118 Eine Unsicherheit bezüglich der Determination besteht zB. bei der Wendung n~~? bei R. Jochanan (2. pale Am.; + 279 n. ehr.), b S~ 99a, die In? (Rab, 1. bab. Am.; t 247 n. ehr.) und i1i!I~~ (R. Semu'el, 1. bab. Am.; t 254 n. ehr.) entspricht. Jedenfalls hält Dalman, Worte Jesu 240 n~l!J~?ID für determiniert. Zweimal n'tllD? ist Pesiq 149a belegt. 119 Der babylonische Talmud, ed. L. GOLDSCHMlDT, VII. 1933, 427. Vgl. Bill. I, 481. 120 1. pale Am.; um 250 n. ehr. 121 3. tanne Generation, um 150 n. ehr. Er hielt sich 13 Jahre vor den Römern in einer HÖhle verborgen. Vgl. Bacher, Ag. Tann. 11, 73. 122 Elia gilt im Judentum·als der Schreiber des himmlischen Buches (Bill. IV, 766f), der Aufschlüsse über Gottes Tun gibt (ebda. 777f) und Einblicke in die Zukunft und in die himmlische Welt gewährt (ebda. 778f). Insofern kann er auch Auskunft über die gestellte Frage geben. Vgl. dazu Bill. IV/2, 764-798; Volz, aaO. 195-197; Ph. VIELHAUER, Der Vorläufer. Habil.-Schr. Göttingen 1950. 123 R. §imon b. Jochai gilt in der jüdischen Legende als der Autor von Geheimschriften, die die tiefsten Geheimnisse Gottes offenbaren. ZB. wird die Kabbala des Zohar auf ihn zurückgeführt. Vgl. Bacher, Ag. Tann. 11, 77-79. 149. 124 Nach einer bestimmten rabbinischen Anschauung hält sich der Messias vor seinem Auftreten in der Verborgenheit (Bill. 11, 334. 339; IV, 766), und zwar speziell in Rom auf (Bill. I, 481. 960. 1018). Er teilt in der Verborgenheit die Gemeinschaft der Kranken, vor allem der Aussätzigen (Bill. I, 481ff).
Xp~o'C6c;
9.2.2. Die Frage
in 1 Kor 15, 3b
n'tJ:Tr.. 'n~ 'rn'~
19
wird auch in b Sanh 98/99a gestellt 125:
R. Simlai 126 trug (als Exegese) vor 127: Es heißt (Am 5, 18): "Wehe euch, die ihr den Tag des Herrn herbeisehnt: Was soll euch denn der Tag des Herrn? Er ist Finsternis und nicht Licht!" Ein 11a~al 128: Ein Hahn und eine Fledermaus warteten auf das Tageslicht. Da sprach der Hahn zur Fledermaus: Ich warte auf das Tageslicht, denn es ist für mich bestimmt. Was soll dir aber das Tageslicht? - Damit hängt auch folgendes zusammen: Einst fragte ein Ketzer 129 den R. Abahu 130 : Wann kommt der Messias? Der erwiderte ihm: Wenn eure Leute von der Finsternis bedeckt werden. Jener entgegnete: Du fluchst mir also? Dieser erwiderte: Lies den Schriftvers (Jes 60, 2): "Denn Siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker: doch über dir wird der Herr aufstrahlen und seine He=lichkeit über dir erscheinen." 9.2.3. Die Frage nach dem Termin des Erscheinens der eschatologischen Größen ist auch in anderem Zusammenhang belegt. ZB. b Sanh 96b 131 : R. N~ man 132 sprach zu R. Ji§~aq 133: Hast du vielleicht gehört i:1 'n~ rn'~ '?DJ
? 134 Dieser fragte: Wer ist
.n'ID1J ?Ii~? r1'"lP ';'DJ I:J n'Uii:7;
''''DJ 1:1? Jener erwiderte:
Jener erwiderte: Steht nicht geschrie-
ben (Am 9, 11): "An jenem Tage werde ich die verfallene Hütte Davids aufrichten.,,1 3 5 9.2.4. Die Verbindung von artikellosem
n'ID1J
mit dem Verbum
~n~
scheint stehender Natur zu sein. b 'Erub 43b 136 berichtet von einer Debatte zwischen dem Brüderpaar Hananja (Genosse der Gelehrten)1 3 7 und Hoscha'125 126 127 128 129 130 131 132 133 134
135 136 137
Der babylonische Talmud, ed. L. GOLDSOH1ITDT, VII. 1933, 430. 2. pale Am., um 250 n. Ohr. Zu ID'I vgl. Bacher, Terminologie II, 41-43. Zum Ma~al als tüttel der Schriftexegese vgl. das Material bei Bacher, Terminologie I, 121f; II, 121; Bill. I, 653-655. ~J'1J ist eine Sammelbezeichnung für Häretiker, meist judenchristlieh-gnostischer Provenienz. Vgl. die Belege bei J. LEVY, Wörterbuch über die Talmudim und Midraschim III, 2. Aufl. 1924, 104f. 3. pale Am.; um 300 n. Ohr o Goldschmidt VII, 419. 3. bab. Am.; t 320 n. Ohr. 2. pale Am.; UD 300 n. Ohr. Die Deutung dieses Ausdrucks ist unsicher. '?DJ ist entweder griech~sches Lehnwort (naphli: niphli VECjlEAT] ; Vgl. S. KRAUSS, Griech~sche und lateinische Lehnwörter im Talmud, Midrasch und Targum II. 1899, 365b; d~ könnte man an eine Motivans~ielun& auf Dan 7, 13 denken. Oder ' .... DJ ist eine Variante von ;:>'!l..l/~"!lJ (vgl. Gen 6, 4) = Riese. Der Sachzusammenhang bleibt dann allerdings unklar. R. Nahman deutet Am 9, 11 wegen n;'DJ messianisch, weil er in diesem Wort eine geheime Andeutung von Dan 7, 13 findet. Goldschmidt II, 141. Teilzitat bei Bill. III, 208f. 3. pale Am.; um 300 n. Ohr.
<
20
Xp~a,6c;
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ja 11 138 über die Gültigkeit der Sabbatgrenzen 139 • In diesem Zusammenhang erörtert Hoscha1ja die Problematik des Gelübdes:"Ich sei ein Naziräer an dem Tage, an dem der Sohn Davids kommt. 1I140 Hoscha1ja argumentiert dem Sinne nach: An welchen Tagen ist der Gelobende an dieses Gelübde gebunden? Nicht am Sabbat und an Festtagen, weil an diesen Tagen der Messias nicht kommt. Berücksichtigt man Mal 3, 23, dann kann der Gelobende auch in der Woche Wein trinken, weil er aus dem Nichterscheinen Elias am gestrigen Tage schließen kann, daß heute der Messias·nicht kommt. Sodann heißt es weiter:"Es ist bereits Israel zugesichert worden, daß Elia weder an einem Sabbatvorabend noch an einem Festtagvorabend kommen werde, wegen der Mühewaltung {seil. der Sabbatvorbereitungen). Er glaubte anfangs, daß (am Rüsttag) auch der Messias, gleich Elia, nicht kommen werde ( n'97.) ~n~ ~? Demnach sollte es ihm am Rüsttag erlaubt sein (Wein zu trinken)? Elia kommt dann nicht, der Messias aber kommt ( , n~ n'll77.) ). Denn sobald der Messias kommt (
~n'lJj'1) '~i
).
1 1'::Ji ), sind alle (menschen) Sklaven
der Israeliten (so daß die Sabbatvorbereitungen von anderen getroffen werden)." 9.2.5. Auch im hebräischen Sprachduktus hat sich diese Struktur der Verbindung des artikellosen n'll17.) mit dem Verbum ~'J erhalten, etwa Seder El R 18 (97f)141. In einem Rabbinenstreit über die Abstammung Elias meldet sich Elia selbst zu Wort, und zwar zu einer exegetischen Einzelheit von 1 Kön 17, 13. Das Vlort iTJll1~iJ soll dort nicht den Kuchen als priesterliche Teighebe bedeuten, also Elia als Priester bezeichnen. "Jenes Kind (vgl. 1 Kön 17, 13. 17ff) ist
"'']1'
1J
n"1l77.:l • Ich habe (mit dem
strittigen Wort) der Welt einen Wink geben Vlollen 142 , daß ich zu Anfang nach Babel hinab gehen werde n ,t!)1) ~J' l::J in~,. 9.2.6. In diesem Zusammenhang ist noch einmal kurz auf die Stellen aus CD zurückzukommen. Auch in ihnen findet sich das Verbum ~1J im Zusammenhang mit der Artikellosigkeit, freilich nicht mit der Indeterminiertheit 3. pale Am.; um 300 n. Chr. Zur Sache vgl. Bill. 11, 590-594. Zum Nasiräat vgl. Bill. 11, 747-751. 755-761. Seder Eliahu Rabba and Seder Eliahu zuta. Tanna debe Eliahu). PseudoSeder Eliahu Zuta, ed. M. FRI~~N. (1904) 2. Aufl. 1960, 97f; Bill. Ir, 297f. 142 Vgl. dazu Bacher, Terminologie 11, 208-210. 143 Auch hier darf die Artikellosigkeit bei einer strukturalistischen Betrachtung nicht als isoliertes linguistisches Phänomen betrachtet werden, wenn vorher von ..,-)" 1J n '1l17.) die Rede ist. Der Sinn des artikellosen n'll77.) könnte von dieser Wortfolge her mitbestimmt sein. 138 139 140 141
Xp~o,oc;
r,'ID7.l
von
21
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(CD 19, 10f) 144. Es wechselt mit dem Verbum
'17.l1l
(vgl. CD
6, 11; 12, 23; 20,1). Zur linguistischen Struktur seiner "eschatologischen" Verwendung scheint die Neigung zur Artikellosigkeit zu gehören, denn 1 Q S 9, 1 lautet:
~'::IJ
?~-W'~ 1"i1~ 'n"17:1' ~')) K'::l 1.\7. J.Gin ,c:rammatisch kann
nicht determiniert 145, sondern nur indeterminie:coc übersetzt wer-
den 146 , obwohl doch an eine verhältnismäßig umgrenzte Gestalt gedacht ist 147 • Aus der Artikellosigkeit wird jedenfalls niemand schließen V/ollen, sei hier eine Art Asemantem. Daraus folgt, daß
r~n
innerhalb der
strukturellen Linguistik ein linguistisches Einzelphällomen niemals isoliert für sich betrachten darf, sondern immer nur im Rrucoen seiner strukturellen Gesetzmäßigkeit, ein Prinzip, das man sogar zu den Prämissen der modernen Linguistik rechnen kann 148 • 10.1. Wie sehr man auf die genaue linguistische Struktur einer Belegstelle achten muß, zeigt endlich Pesiq 149a 149 • Dort wird der Lichtglanz des Messias beschrieben, den er mit dem ihm von Gott verliehenen Gewand am Ende der Viel t erhalten wird und dessen sich Israel erfreuen wird 150. Illan wird zum Messias sagen: Heil der Stunde, da der Messias erschaffen ward! Heil dem Mutterleibe, aus dem er hervorging! Heil der Generation, deren Augen sehen! Heil dem Auge, das gewürdigt ward, ihn zu sehen! 10.2. Ist
n'IDT.l in der Wortfolgen'U)7)ID i1l1ID '"1Dl( undeterminiert verwen-
det? Auf den ersten Blick möchte man diese Frage ohne weiteres bejahen. Doch muß man zugleich beachten, daß
144 145 146 147 148
149 150 151
.ID ebenso wie der Artikel
• i1
151
Vgl. oben S. l1f sowie A..'lIIl. 109. So 11. BLACK, Servant of the Lord and Son of Man. ScotJTh 6. 1953, 6. So van der '/foude, aaO. 78. Vgl. ebda. 78ff. 186f. Gegen die Identifizierung des "Lehrers" mit dem Propheten G. Jeremias, Lehrer 295ff. Vgl. Baldinger, aaO. 19:"Jedes Element muß in seinem funktionellen Wert im Rahmen des Struktursystems betrachtet werden." GUillaume, aaO. 11: Die Sprache besteht nicht nur aus Semantemen + Uorphemen und Asemantemen, sondern auch aus Systemen, "dont la fonction ••• est d l integrer des s€lries entieres plus oU: moins €ltendues de morphemes". De Groot, Syntaxis 10:"Wil ku=en dus spreken van de structuur van een taalelement, en van de structuur van een taalsysteem of een onderdeel daarvan, en verzamelingen van kategorien van taalelementen." Pesikta de Rav Kahana. According to an Oxford Manuscript, ed. B. lillTDELBAUM. Vol. 11. 1962, 470. Deutsche Übersetzung bei Bill. I, 495f. .,11n 'iWl( 1)7:17:1 ~~'ID lDJi1 ~Irol( KiJJ n'IDn!J7 i1~ 'iWK n'IDw? <'i7.l1l(' 'H,,~-i? i1n:HtD l'lI 'iW~ rm~ii 1'J 'lIID Vgl. etwa O"'i1 = heute; OYEli1 = dieses lilal.
22
XpLO'OC; in 1 Kor 15, 3b
ursprünglich ein Demonstrativum ist 152 und manchmal geradezu mit dem Artikel ausgetauscht werden kann 153 , wenn dieser etwa als Relativ-Morphem fungiert 154. Man muß also durchaus offen lassen, ob n'W7.XD qua valeur wirklich als indeterminiert empfunden worden ist. Wie man auch hier entscheidet: Der Beleg ist so SPät 155 , daß er für eine Sprach - S i t t e im ntl. Zeitalter nichts hergibt. 11. Als Ergebnis der linguistischen Analyse der von Jeremias für seine These genannten Belege halten wir fest: 11.1. Über die Hälfte der Belege bietet kein isoliert für sich stehendes artikelloses n'Wr.l , sondern eine durch die syntaktische Struktur bedingte Artikellosigkeit bzw. scheinbare Indeterminiertheit, die zu der linguistischen Kontroverse nichts beiträgt 156 • Überdies sind einige Belege zumindest als "palästinische" zweifelhaft, da sie in ihrem jetzigen literarischen Zusammenhang dem nicht strittigen "babylonischen" Sprachgebrauch angepaßt worden sein können 157 • Andere Belege scheiden aus zeitlichen Gründen aus 158 • 11.2. NUr in ganz seltenen Fällen ist artikelloses oder indeterminiertes im Sinne eines Asemantems verwendet worden 159 • Doch ist der Term
152 Vgl. W. GESENIUS - E. KAUTZSCH, Hebräische Grammatik. 28. Aufl. 1909, 465 Anm. I; C. BROCKEll~N, Grundriß der vergleichenden Grammatik der semitischen Sprachen 11. 1908, 566; ders., Syntax 145f. Anders P. JOtJON SJ, Grammaire de llh€!breu biblique. 2. Aufl. 1947, 483 Anm. 1: """1!l~ nIest pas d€!termin€!; dE!s lors, ce nIest probablement pas un ancient d€!monstratif." Aber zumindest zeitweilig muß ""1!l~ die valeur eines Demonstrativums gehabt haben, weil es etwa in der Poesie durch nr ersetzt werden kann. Vgl. ebda. 448; Gesenius-Kautsch, aaO. 467. 153 Charakteristisch ist etwa die Unsicherheit der Varianten in Thren 5, 18. Während die "Orientalen" 07.XU11 1"I'!> 1n ,v schreiben, schreiben die "Okzidentalen" 07.Jll7i'J[!). Die Masora parva vermerkt ausdrücklich die Singularität der "orientalen" Schreibung. 154 Joüon, aaO. 448 nennt als Beispiele: 1 Chron 26, 28; 29, 8. 17; 2 Chron 1, 4; 29, 36; Esr 8, 25; 10, 14. 17. 155 Während Zunz, aaO. 185ff den Midrasch erst um 700 n. Chr. ansetzt, treten andere für eine frühere Abfassung ein. 156 Tg Cant 4, 5; 7, 4; Tg Je~ Sach 12, 10; CD 12, 23 - 13, 1; 14, 18f; 19, 10f; 20, 1; Gebet ti::J', n='17' ; b Suk 52 Bar; Midr Ps 43 § 1 (134a); Seder EI R 18 (97f). 157 b Sanh 93b. 96b. 97a. Bar. 98a. 99a; b Suk 52 Bar; b IErub 43b. 158 Pesiq 149a; Aggad Beresch 63 (44b); Seder EI R 18 (97f); Tg Jer Sach 12, 10 (Codex Reu~hlinianus). 159 Num R 13, 11 zu 7, 13 (170a) (Rab Runa?), Midr Spr 19 § 21 (44a); Joh 4, 25.
Xp~a't6c;
in 1 Kor 15, 3b
23
phonologisch stets als auf der Grenze zu den Semantemen stehend enpfunden worden; ein genuines Asemantem ist also nicht. 11.3. Nur in bestimmten, eng umgrenzten sprach-strukturellen Zusammenhängen kann artikelloses oder indeterminiertes
r,~IDr.l
innerhalb des "palä-
stinischen" Traditionsraumes belegt werden, und zwar erst in relativ späten literarischen Zusammenhängen, die eine Vermutung bezüglich des Alters der in ihnen venvendeten Strukturen erschweren. Eine zeitgenössische Parallele zu 1 Kor 15, 3b befindet sich nicht unter diesem Material. 11.4. Bei diesen umgrenzten Strukturen handelt es sich einmal um eine meist einen erläuternden Relativ-Satz enthaltende exegetische Formel 160 und zum anderen um die fast stereotype Verbindung von n~IDr.l mit ~n~ bzw. ~'::l161. Beide Strukturen reichen nicht aus, um eine allgemein übliche der Artikellosigkeit von
n'IDn
S i t t e
- also abgesehen von den linguistischen
Strukturen - zu belegen. 11.5. Für die strukturelle Linguistik ist entscheidend, daß Xp~a't6c; in 1 Kor 15,3b mit a,1tE:8aVEV u=ittelbar verbunden ist 162 • Für diese linguistische Struktur kann es im semitischen Sprachbereich des Judentums gar keine Parallelen geben, denn das Motiv des leidenden und sterbenden Messias ist dort in der frühen Zeit nicht belegbar 153 • 11.6. Der Beweisgang von Jeremias übergeht endlich den Zeugniswert, den die in 1 Kor 15 erkennbare Auffassung des PIs selbst zu der linguistischen Kontroverse hat. Durch die Konstruktion von 1 Kor 15, 12 ist eindeutig erwiesen, daß PIs selbst das Xp~a't6c; von 1 Kor 15, 3b als (griechischen!) Eigennamen verstanden wissen Wi11 164 • PIs gibt der Formel durch den Zusammenhang eine derart pointierte Interpretation 165 , daß ein ursprünglich semantisches Verständnis von
xp~a't6c;
bei ihm nahezu ausgeschlossen
160 Sifre Dt 1, 37 zu 1, 1; Num R 14, 2 zu 7, 48b (172b); b Sanh 99a; Tanch nn';>,n 35a; Tanch nip 220b. 161 b Sanh 96b; b Sanh 98a; b Sanh 98b/99a; b 'Erub 43b; Seder EI R 19 (97f) • 162 Zur Geschichte dieser Verbindung vgl. Kramer, Christos 34ff. 163 Vgl. A=. 39. 164 Zum näheren Hachweis vgl. Güttgemanns, Apostel 66. 74f. 165 Zum Rückbezug von 1 Kor 15, 12. 13. 14. 16. 17. 20 auf die Formel vgl. Kramer, aaO. 18f.
24
Xp~o~6s
in 1 Kor 15, 3b
erSCheint 166 • Daher ist sehr fraglich, ob PIs sich noch bewußt war, daß die Formel 1 Kor 15, 3b-5 eine Übersetzung aus dem semitischen Sprachbereich ist. Wenn man PIs nicht die Kenntnis des Semitischen absprechen will, gerät man so angesichts des Textes des PIs selbst mit der Annahme einer semitischen Grundlage in Schwierigkeiten, denen sich die Exegese unbefangen stellen muß.
166 Es ginge wieder an den Prinzipien der strukturellen Linguistik vorbei, wollte man nur 1 K~r 15, 3b isoliert für sich analysieren. Für die Linguistik des PIs sind alle Verse mit xp~a~üs in 1 Kor. 15 relevant.
ARTIKELLOSES n~il7l:::? Antwort an Ina Plein *
I. Plein könnte durch ihre Kritik 1 an meinem AUfsatz 2 bei dem uninformierten Leser den Eindruck erwecken, die zur Diskussion stehende These von J. Jeremias sei "noch nicht überzeugend mit linguistischen Methoden widerlegt,,3. In der HOffnung, lediglich dieses eine f.'[al noch zu der linguistischen Kontroverse Stellung nehmen zu müssen, antworte ich hier dieser Kritik. 1. Plein stellt angesichts der von mir angewandten strukturell-linguistischen Methode fest, für den nicht näher mit der Materie vertrauten Leser bleibe "die Beweisführung ••• lückenhaft und erweckt kritische Fragen,,4. Damit ist zugestanden, daß der ganze spätestens seit F. de Saussure (1916!) zu einer sprachsoziologischen Wissenschaft gewordene Bereich der modernen Linguistik in der theologischen Exegese bisher nicht verarbeitet worden ist, obwohl die etwa zur gleichen Zeit entstehende formgeschichtliche Methode ebenfalls eine soziologische sein wollte. Für mich bleibt es ein letztlich unerklärliches forschungsgeschichtliches Rätsel, warum die historisch-kritische Exegese mit ihrem Willen zur hermeneutica profana die Methoden der anderen sprachbezogenen Disziplinen nicht zur Kenntnis genommen und sich damit de facto doch zu einer hermeneutica sacra gemacht hat. 2. Mein Aufsatz bedient sich zwar der strukturellen Linguistik, aber ich bin nicht grundsätzlich ein linguistischer Strukturalist. Vielmehr versuche ich in weiteren Arbeiten die Aufarbeitung sämtlicher überhaupt nur bekannter Methoden und Richtungen der Linguistik, aber auch der Literaturwissenschaft, die zu einer Bereicherung der herkömmlichen Exegese führen lrönnen. Mein Aufsatz demonstriert also nur
ein
Beispiel aus einer
universalen Konzeption.
* 2 4
Zuerst veröffentlicht in: Ev~h 29. 1969, 675a-676b. I. PLEIN, Zu E. Güttgemanns, XpI.O'OC; in 1 Kor 15, 3b - Titel oder Eigenname? EvTh 29. 1969, 222f. Vgl. oben S. 1-24 3 AaO. 223b. Ebda. 222a.
26
Artikelloses
Ti"ID7.l ?
3. Plein macht die entscheidende Konzession, daß "das Gros der Belege" kein artikelloses isoliertes
n~~l7.l,
sondern das Syntagmem
D'I~
1:::1 n'l17.l
bietet und somit "die eigentliche Beweislast" trägt 5 • Dies ist ein entscheidender Fortschritt in der Kontroverse, denn nun wird endlich auf den philologischen Wortlaut des Beweismaterial eingegangen, während bisher meist nur dem Nichtrabbinisten schwer überprüfbare Stellenangaben gemacht wurden. Die gemachte Konzession ist in der Kontroverse entscheidend, denn es geht in dieser um Belege für
iso 1 i e r t e s
artikelloses
il"J:)u
im Sinne
eines Eigennamens (besser: eines Asemantems). Syntaktisch bedingte Artikellosigkeit kann für 1 Kor 15, 3b gar nicht die gleiche Beweiskraft haben. 4. Die Kontroverse hat sich damit zur der Frage verschoben, wie die Artikellosigkeit des Syntagmems G'I"M 1::1 iP,jl.) zu e.euten ist. Plein konzediert, daß unter der von mir gemachten Voraussetzung einer Deutung als Status-constructus-Verbindung mein Beweisgang in der Tat durchschlagend ist 6 ; aber sie bemüht sich, mit grammatikalisch - i n h a l t 1 ich e n Gründen diese Konsequenz zu umgehen. [-,,'I,'j!<: -LI il'cJi.J soll "ein grundsätzlich anderer Fall" sein als die von mir genannten atl. Stellen mit ,'?~ii-,...! i'l:::l , die unbestritten eine Constructus-Kette bieten 7 , weil
;'l{-W'
einerseits D'lm~ 1:::1 eine Apposition zu n:::l
(oder nur
n:::l?) eine Apposition zu
n'W7.l, andererseits !l?"ln:::l >~"1.)' ist 8 • Wieso dieser in-
haltliche Grund für die syntaktische Frage überhaupt etwas austrägt, ist nicht zu sehen. Selbstverständlich darf man bei der deskriptiven morphologischen Syntax nicht von
uns e rem
inhaltlichen Verständnis des
Syntagmems ausgehen, da dies durch unser anderes Sprach s y s t e m im Deutschen bedingt sein könnte 9 • Daß jede Sprache trotz gewisser linguistischer Universalien ihr eigenes System besitzt, ist sowohl in der strukturellen als auch in der neohumboldtianischen Linguistik unbestritten. Überdies liegt der Argumentation von Plein die Prämisse zugrunde, der Constructus gestatte inhaltlich nur
ein
syntagmatisches Bedingungsgefälle,
während doch als Ausgangspunkt der Status constructus rein fo=al so zu sehen ist, daß "Regens und Rectum als einheitlicher Begriff" verstanden werden müssen und somit auch ein Lei wort mit einer Apposition "zu einem solchen Sprechtakt zusammengeschlossen" ist 10 • Kurz: Die Status-construc-
5 Ebda. 222b/a. 6 Ebda. 222b. 8 Ebda. 223a. 10 Brockelmann, Syntax 65.
7 Ebda. 9 Zu ebda. 223b.
Artikelloses
n~l!n;j
?
27
tus-Kette ist linguistisch ein Syntagm11, das inhaltlich variabel bleibt, also im Einzelfall Paratax-, Hypotaxsyntagmem usw. werden kann. Endlich scheint Plein sogar zuzugestehen, daß das Bezugswort (also
n~IDn!)
durch
die qua Asemantem determinierte Apposition determiniert Wird 12 • Sie hätte aber gerade beweisen müssen, daß indeterminiert und
k ein
n~J)n
im Syntagmem
D~i!)~
i:J
n~IDn
Status constructus ist. Dieser Beweis ist
nicht gelungen. 5. Nicht einsichtig ist der Beweiswert der von Plein
seltenen Fälle von "in Verbindung mit der Filiation" determinierten Semantemen 13 • ~~geführten
Will sie sagen: Weil es diese Fälle gibt, ist bewiesen, daß innerhalb des Syntagmems
D'-I!l~
i::l n~IDn der Term
n'il7n indeterminiert sein
k a n n ?
Sollte sie so argumentieren wollen, dann hätte sie bloß eine Hypothese, aber keinen Beweis geliefert, der sich auf ein linguistisches Regelphänomen stützen kann. Aber diese Hypothese widerspricht ihrer eigenen inhaltlichen Argumentation: Die Filiation eine Eingrenzung der Klasse
1 'iii~ D~i!)~
usw.
D~Jii:::lii
i::l nicht eo ipso
1 'iii~
~J::l
usw. ist inhaltlich
D ~ J ii:lii • Zwar sind einerseits alle
~ J::l
, aber nicht umgekehrt; andererseits ist ein n'liin, sondern nur
ein
n"wn
auch
i::l. Wenn also die von mir herangezogenen Fälle funktional unvergleichbar sein sOllen 14 , dann sind es die von Plein herangezogenen ebenso. Die linguistische Kontroverse endet bei dieser Argumentationswe~se zumin-
[J' i!)~
dest in einem Patt. 6. Zusatz 1971: Obwohl ich oben wesentliche Einwände Pleins in der Hoffnung auf eine Beendigung der Kontroverse als linguistisch nicht stichhaltig erwiesen habe, hält Jeremias diese Einwände für so gewichtig, daß er die Kontroverse mit Hilfe dieser Einwände und vor allem mit Hilfe von neuem l&1terial zugunsten seiner Position meint entscheiden zu können 15 • Die dabei auftretenden Unklarheiten in der Methode sind der Anlaß, daß ich hier 11 Vgl. dazu G. ~~STRÖM, Linguistische Einheiten im Rahmen der modernen Sprachwissenschaft. (Kommunikation u. Kybernetik in Einzeldarstellungen 5) 1966, 46ff.-Zusatz 1971: Ein Syntagm ist die Realisation einer Syntagmem-Struktur auf der parole-oder Performanz-Ebene; ein Syntagmem ist also eine Klasse von Syntagmen. Diese terminologische Unterscheidung, wonach auf die Seite der parole Phon, Prosod, Syllab, Morph, Lex, Syntagm usw. und auf die Seite der langue Phonem, Prosodem, Syllabem, Morphem, Lexem, Syntagmem usw. gehören, wird in diesem Band nur spärlicl1 verwendet, um nicht unnötig zu verwirren. 12 Plein, aaO. 223a. 13 Ebda. 223a. 14 Ebda. 223a/b. 15 J. JEREMIAS, Nochmals: Artikelloses Xp~a't6c; in I Cor 15, 3. ZlTW 60. 1969, 214-219.
Artikelloses
28
doch noch einmal kurz zu der Kontroverse Stellung nehme. 6.1. Jeremias widmet sich erneut der Frage, "ob das antike palästinische Judentum die Vokabel Messias auch ohne Artikel gebraucht habe,,16. Angesichts der linguistischen Kontroverse ruft er zu den Quellen und versucht, "durch Heranziehen einiger weiterer Texte die Diskussion auf eine etwas breitere Basis zu stellen". Dieses neue Quellenmaterial bestätige sein früheres Ergebnis, "daß •• das' artikellose Xp~o-r6C;
I Cor 15, 3 kein Argument gegen
einen semitischen Urtext des Credo" darstelle 17. liieine linguistische Kritik glaubt er durch den 'überzeugenden' Nachweis Pleins relativieren zu können, "daß •• das Patronymikon als Apposition verstanden werden IlIUß,,18. Sein Ergebnis ist,
n'wlJ
sei "auch im palästinischen Judentum weithin
artikellos wie ein Eigenname gebraucht worden, wobei jedoch die Ableitung von
rron
und die titulare Bedeutung des Wortes voll bewußt blieben. Nur
so, von einem artikellosen semitischen Sprachgebrauch her, bei dem Wortsinn und titulare Bedeutung des Wortes unbeeinträchtigt blieben, ist es verständlich, daß bereits die vOrpaulinische griechisch sprechende Gemeinde o-r6C;
Xp~
artikellos gebrauchte - zum Beispiel I Cor 15, 3b." 19
6.2. Diese Argumentation ist in mehrfacher Hinsicht anfechtbar. 6.2.1. Jeremias läßt sich überhaupt nicht auf die Basis meiner linguistischen Kritik ein. Ihm 'genügen neue Texte und die Einwände Pleins. Nicht einmal die herkömmliche hebräische Grammatik wird befragt; lediglich J. Levy, M. Jastrow und G. Dalman werden autoritativ dafür angeführt, daß
Q'i!)~
i:J
als Apposition zu
n'IDIJ aufzufassen sei 20. lIeue Texte
und philologische Autoritäten genügen hier also als Argument gegen notwendige linguistische Differenzierungen, die damit als überflüssige Spielerei erscheinen IlÜssen. Daß auf diese '/leise der linguistisch völlig unpräzise Ten;t "Vokabel" ,für das artikellose
n"wlJ
eingehandelt wird,
ist die zwangsläufige Folge dieser methodischen 3instellung. 6.2.2. Jeremias Geht - wie andere vor ihm - von der A.'1Ilah.'!le aus, innerhalb des Syntagmems [j~i!)~ i:J n",,;,7.) sei [j'iEl~ i:J "Apposition" zu 11'81J dieses sei folglich indeterminiert verwendet. Aus dieser Annahme schließt
16 Ebda. 214. 18 Ebda. 218. 20 Ebda. 218.
17 Ebda. 2150 19 Ebda. 219.
Artikelloses
29
er:"Handelt es sich aber um eine Apposition, dann bezeugt die breite Streuung der Wendung in Midrasch, Targum, Ta1l1I\ld und Liturgie, wie geläufig der artikellose Gebrauch von isoliertem n'll17.1 in Palästina gewesen ist.,,21 6.2.3. Eine solche Argumentation ist nur unter Uberspie1ung linguistisch notwendiger Differenzierungen m5g1ich. In meiner Analyse habe ich darauf hingewiesen, daß in der strukturalen Linguistik "nicht die einzelnen W5rter für sich, sondern in ihrem strukturellen Zusammenhang betrachtet werden, der in vielen Fällen zB. durch den Kontext angezeigt ist,,22. Ein solcher struktureller Zusammenhang ist zB. die syntaktische Verbindung n'WD O'iE)~ iJ, deren syntaktische Besonderheiten (zB. die Artikellosigkeit von n'ID7.) !) ich unter Verweis auf die herkömmliche hebräische Grammatik erklärt habe 23 : Nomen regens und Nomen rectum werden im HebräischAramäischen als ein Sprechtakt empfunden, so daß in d.er syntaktischen. Verbindung "die strukturelle valeur des Nomen regens durch die asemantischen Nomina recta bedingt ist,,24. Gegenüber P1ein habe ich erneut auf C. Brockelmann verwiesen 25 und die syntaktische Verbindung als Syntagm, also als Performanz-Erscheinung einer Syntagmem-Struktur, interpretiert, "das inhaltlich variabel bleibt, also im Einzelfall Paratax-, Hypotaxsyntagmem n'ülT.! im Syntagmem usw. werden kann". P1ein habe nicht bewiesen, "daß O'iE)~ i:J n'll1D tndeterminiert und k ein Status constructus ist,,26. Damit war klargestellt, daß die Mehrzahl der Belege gerade kein "isoliertes" n'll1p, sondern eine syntaktische Verbindung bietet, deren mikrosyntaktische Struktur offen bleibt. 6.2.4. Ich hatte also betont, es sei syntaktisch gleichgültig, ob iJ nun ein Parataxsyntagmem (herkömmlich: e;i.ne Apposition) oder ein Hypotaxsyntagmem (herkömmlich: ein Status constructus) sei; es sei in jedem Falle ein Syntagmem, mithin nicht "isoliert". Jeremias übergeht diese für jeden modernen Linguisten schlüssige Analyse. Er ist offensichtlich der Meinung, wei1D'iE)~ iJ Apposition zu n'll1D sei, Itönne man ersteres
D'iE)~
auch wieder -".on letzterem trennen, so daß man "isoliertes", artikelloses als "Vokabel" behalte.
n'",7.1
6.2.5. Diese Annahme ist bere~ts im Rahmen der herkömmlichen hebräischen Grammatik un-~a1tbar. Neben Brocke1mann betonen auch andere Grammatiker, 21 23 25 26
22 Oben S. 10. Ebda. 24 Oben S. 11. Oben S. 9. Oben S. 9 Anm. 53; S. 12 Anm. 67. Oben S. 27.
Artikelloses
30
daß sowohl die Status constructus-Verbindung als auch die Apposition als ein
Sprechtakt empfunden werden. In
b e i den
syntagmatischen Ver-
bindungen bilden die beiden Nomina eine enge phonetische Einheit 27 :"In der lebendigen Rede
werden die Worte des Satzgefüges oder der Wort gruppe ver-
schieden stark betont, je nachdem sie den Hauptdruck bekommen oder unter einem Nebendruck stehen bzw. in völliger Drucklosigkeit sich an andere Wörter
a.~lehnen.
Dementsprechend gibt es im Hebr. verschiedene Stellungen
ode Status, in welchen sich ein Wort befinden kann.""Die enge Verbindung zweier im Genetivverhältnis stehender Wörter hat •• im Hebr. zur Folge, daß der Wort druck auf das regierte Wort rückt, während sich das regierende Wort eng an das folgende anlehnt, und dabei seinen Wortdruck einbüßt oder nur noch einen Nebendruck beWahrt.,,28 Aus diesem phonetisch-phonologischen Grunde kann die Wort gruppe nicht durch dazwischentretende Wörter getre=t werden 29 • 6.2.6. Dies gilt sowohl für die Status-constructus-Verbindung als auch für die Apposition. Beide Syntagmeme sind syntaktisch recht ähnlich. Sie unterscheiden sich nach der herkömmlichen Grammatik im Grunde nur durch den verschiedenen Kasus: der Status constructus ist eine Genetiv-Verbindung, die Apposition eine Verbindung im gleichen Kasus. 6.2.6.1. P. Joüon schreibt zum Status constructus:"Les deux noms forment une uni tfl phonfltique, consflcutive il 1 'uni tfl logique. ''''Le premier nom est dit d l'fltat construit parce qU'il s'appuie phonfltiquement sur le second co=e une construction sur sa base.""Au point de vue phonfltique, le premier nOID, s'appuyant sur le second, perd toujours quelque chose de son ton.,,3 0 Phonetisch-syntagmatisch bilden die beiden NoI!lina eine ">inheit: "Les deux noms mis en relation gflnitivale forment un bloc compact, et en principe rien ne doit les sflparer.,,3 1 6.2.6.2. W. Gesenius schreibt zur Apposition: "Vlenn zwei Substantive in demselben Casus neben einander gestellt werden, so dass das eine (und zwar in der Regel das nachstehende) zur näheren Bestimmung des anderen dient, so entsteht (im Gegensatz zu dem Verhältniss der Unterordnung) APPosition.,,3 2 27 Joüon, Grammaire 385f. 28 A. BERTSCH, Kurzgefaßte hebräische Sprachlehre. 1956, 55. Vgl. H. BAUER - P. LEAlmER, Historische Grammatik der hebräischen Sprache des Alten Testaments I. 1922, 520. 29 Bertsch, aaO. 106. 30 AaO. 220. Y.AU'rZSCH, Hebräi32 W. GESENIUS 31 3bda. 386. sehe Grammatik. 22. Aufl. 1878, 255.
Artikelloses
31
rr'lIf)?
Ähnlich Joüon:"L'apposition est la simple juxtaposition d'un nom ii un nom pr~c~dent.
Tandis que le nom au
subordonn~
au nom
pr~c~dent,
nom; il est donc au
m~e
g~nitif
ou d l'accusatif attributif est coordonn~
le nom en apposition est G~n~ralement
cas que lui.
au premier
aussi il concorde avec
lui pour la d~termination ou l' ind~termination.,,33 6.2.7. Zwischen Jeremias und mir kann nach diesem Befund auf grund der herkömmlichen Grammatik also nur strittig sein, ob
;'::~'Dl.{ -i.J YI~Wi.J
eine Status
constructus- oder eine appositionelle Verbindung ist, aber nicht, ob das iY·ür.:lI
SyntagmeIJ. als solches ein "isoliertes", artikelloses
belegt. Jere-
in diesem Syntagmem für einen "~igennamen". Ich fragte genauer nach einem möglichen AseJJ.antem34 ~nd war der Meinung, der Term sei
mias hält
il";;;i)
"qua Phonem stets als auf der Grenze zu den Semantemen stehend empfunden worden,,35, worin Jeremias mir jetzt zustiJJ.mt 36 • Damit ist zugestanden, daß f'I~mn
nie ein reines Asemantem sein kann, wie es etwa bei
D".ö);{
vor-
liegt. 6.2.8. An dieser Stelle läßt sich zeigen, daß Jeremias das SyntagmeIJ. gar nicht für eine Status constructus-Verbindung halten nämlich
n'IDT.)
dar f • Wenn hier
berei ts in sich "Ei. genname" ist, dann darf ihIJ. gar kein
Status constructus folgen:"Un nom propre, en principe, ne peut @tre suivi d'un
g~nitif.
Cependent un nom propre de lieu qui garde sa valeur
premi~re
d'appellatif se met ii l'~tat cstr.,,37 Damit ist klar, daß Jeremias in seiner Argumentation der Gefahr des Zirkelschlusses unterliegt. 6.3. Jeremias sieht als Beweis seiner Auffassung des Patronymikons die 'Tatsache an, daß in den Targumim neben der indeterminierten Form
... ( ,J und
1J die determinierten Formen [,',!)~ ,J ~n'tI17.:l (Tg Jer I
Ex:
",
,J
~n'tI17.:l (Tg Hos 3, 5)
40, 11) aUftauchen 38 • Aber der Be-
weiswert dieses Befundes ist strittig.
33 AaO. 296. 34 Die Asemanteme bilden eine Klasse, die außer den Eigennamen noch andere Einheiten umf'aßt, zB. die Partikeln, die nur als Synsemantika "Bedeutung" haben, oder sinnlose Einleitungen und Refrains in Kinderliedern. Vgl. J. JaTOBLOCH (Hg.), Sprachwissenschaftliches Wörterbuch 3. 1965, 1'71. Jeremias, aaO. 215 beachtet das nicht, wenn er schließt, mein Term Asemantem sei nur ein Fremdwort für "Eigennamen" (vgl. das "also ••• " Zeile 3 von unten) • 35 Oben S. 23. 36 AaO. 219. 37 AaO. 399. 38 AaO. 218.
32 6.3.1. I'ach R. Macuch gehört der ''unterschiedliche Gebrauch des Artikels •• zu den häufigsten Unterschieden der beiden Pentateuchversionen" des samaritanischen Kanons 39 • In diesen findet sich auch eine erstaunliche Fülle von Artikel-Setzung beim Status constructus, was !l[acuch als Barbarismus beurteilt 40 :"Bei den Patronymica ist der Gebrauch des Artikels sehr beliebt und beruht schon auf alten biblischen Vorlagen in den beiden Pentateuchversionen.,,41 Das Samaritanische ist ein verselbständigter Dialekt des Westaramäischen; es ist möglich, daß zwischen den samaritanischen Targwnim und den aramäischen im Falle dieses morphologischen Phänomens ein Zusammenhang besteht, der noch der Erforschung harrt. Das von Jeremias erwähnte Phänomen bedarf jedenfalls einer Behandlung im Rahmen einer universalen linguistischen Deskription. 6.3.2. Überdies wird nach einer neueren vergleichenden Grammatik der semitischen Sprachen auf linguistischer Grundlage fraglich, ob der Status emphaticus oder das Morphem ~- * im Aramäischen apriori Determination anzeigt: "In Akkadian and Aramaic three 'states' of the neun may be distinguished. In addition to the construct state there is that called rectus or lemphatic', in which Akkadian exhibits mimation and Syriac the ending -ä. These endings do not, however, retain any significance in terms of defining the naun".42 Danach scheint zweifelhaft zu sein, ob das Morphem des Status emphaticus mit dem Morphem des Status absolutus determinatus voll vergleichbar ist, ob also morphologisch eine ÄqUivalenz vorliegt. 6.4. Unsere linguistischen Uberlegungen konzentrieren sich damit auf die Frage, in welchem Verhältnis die herkömmliche Grammatik und die linguistische Präzision zueinander stehen43 • In der Linguistik ist es übliCh, gegen die Naivität gewisser Begriffe der herkömmlichen Grammatik zu polemiSieren 44 • L. Hjelmslev stellt einen Widerspruch zwischen der herkömmlichen Grammatik
39 R. ß[ACUCH, Grammatik des samaritanischen Hebräisch. (Studia Samaritana I) 1969, 483. 40 Ebda. 487f. 41 Ebda. 489. 42 S. MOSCATI - A. SPITALER - E. ULLEIIDORF - W. v. SODEN, An Introduction to the Comparative Grammar of the Semitic Languages. Phonology and Morphology, ed. S. MOSCATI. (Porta linguarum orientalium, Neue Serie VI) 1964, 101f. 43 Dazu grundlegend J. LYOIiS, Introduction to Theoretical Linguistics. 1971, 4ff. 133ff. 44 Vgl. H. ARENS, Sprachwissenschaft. (Orbis Academicus 1/6).2. Aufl. 1969, 394ff.
Artikelloses
33
und der Linguistik fest 45 ; er versucht, "grammatische Kategorien als rein sprachliche und also rein formale zu erfassen und neu zu definieren,,46, dh. sie der Normativität der Begriffe der lateinischen Grammatik zu entziehen. In der modernen Linguistik ist die Grammatik darum wesentlich eine ohne Rücksicht auf die Kategorien der herkömmlichen Grammatik vorgenommene morphologische Klassenanalyse:"Die Grammatik einer Sprache sucht zu zeigen, wie alle Sätze, die (unter der einen oder andern voraussetzung) akzeptiert werden würden, als bestimmte Typen von Kombinationen bestimmter Klassen von Elementen (Phoneme, Morpheme, Wörter, Wortfolgen, Sätze) charakterisiert werden können.,,47 Aus diesem Grunde habe ich die strittige Wortfolge morphologisch als Syntagmem klassifiziert und offen gelassen, ob es sich um ein Paratax-oder um ein Hypotaxsyntagmem handelt, weil bereits nach der herkömmlichen Grammatik fraglich ist, ob diese Unterscheidung in unserem Falle morphologisch relevant ist. Diesen Kernpunkt meiner Analyse hat Jeremias nicht widerlegt. Es muß also dabei bleiben, daß eine Mehrzahl von Belegen für die strittige These nichts hergibt. 6.5. Was nun die von Jeremias als zusätzliche Belege angeführten Stellen
n,-V'" 35a; Midr Ps 43 § 1 (134a); Aggad Beresch 63, 3 (44b) nicht neu hinzu 48 , da sie von mir bereits analysiert oder klassifiziert wurden 49 • Die anderen Stellen
anbelangt, so kommen Num R 13, 11 zu 7, 13 (170a); Tanch
belegen zT. die von mir zugestandene Verbindung von bzw.
n~ID7.l
mit
~nK
~,~50, zT. gehören sie dem babylonischen Talmud an, von dem erst
bewiesen werden muß, daß seine jetzige Morphologie die originale palästinische Tradition belegt. Alles in allem scheint mir der Quellenbefund keineswegs so eindeutig zugunsten der Position von Jeremias zu sprechen, wie dies nach dessen erneutem Votum erscheinen muß. So sollte die linguistische Analyse warten können, bis das gesamte Material vorliegt, damit man eine zuverlässige Klassifikations- und Distributionsanalyse vornehmen kann.
45 L. HJELMSLEV, Principes de grammaire g€m~rale. (Det Kgl. Danske Vid. Selskab. Hist.-fil. Meddelelser XVI, 1) 1928, 14ff. 46 Arens, aaO. 582. 47 Ebda. 617, Übersetzung eines Zitats aus Z. S. HARRIS, String Analysis of Sentence Structure. (Papers on Formal Linguistics 1). 1962. 48 Gegen Jeremias, aaO: 217f. 49 Vgl. oben S. 22f Anm. 156-161. Da zumindest der Zusammenhang der Stellen identisch ist, fällt es nicht ins GeWicht, daß das gleiChe morphologische Phänomen innerhalb weniger Zeilen mehrfach vorkommt. 50 R. Ze'ira, b Sanh 97a, Bar; Midr Ps 18 § 5 (69a); 29 § 2 (116b); b Bl\'I 85b; Pesiq 149a; Aggad Beresch 63, 2 (44a).
HEILSGESCHICHTE BEI PAULUS ODER DYNAMIK DES EVANGELIUMS? Zur strukturellen Relevanz von Röm 9-11 für die Theologie des Römerbriefs *
O. U. Luz skizziert in seinem 1968 erschienenen Buch über das Geschichtsverständnis des PIs drei Gruppen von Exegesen, die im Laufe der neuzeitlichen Auslegung zum Röm 9-11 vorgetragen worden sind 1 • Jede dieser Gruppen ist in sich uneinheitlich und vereinigt verschiedenartige Akzentuierungen. Doch geht es in jeder dieser drei Gruppen irgendwie um einen Aspekt der Heilsgeschichte. 0.1. Die erste Gruppe von Exegeten sieht in diesen Kapiteln vor allem die Frage nach dem Schicksal Israels behandelt. Dieses Thema ordnet sich die Themen der Heilsgeschichte (H. Lietzmann 2 ), des Vorzugs der Erwählung Israels als eines bleibenden (0. Miche1 3 ) oder als eines vom historischen Israel auf die christliche Kirche übergehenden (E. peterson4 ), des Zusammenhangs der modernen Judenfrage oder des Staates Israel mit Röm 11, 25ff (K. L. Schmidt, W. Vischer 5 ) unter. 0.2. Die zweite Gruppe von Exegeten sieht das Thema der Heilsgeschichte selbst als das zentrale der Kapitel an. H. J. Schoeps versteht den Abschnitt in Anknüpfung an A. Schweitzer als einen nur in der postmessianischen Zeit möglichen heilsgeschichtlichen Entwurf 6 ; für J. Munck handelt es sich um einen neuen Entwurf der Heilsgeschichte vor der Parusie, der der Heidenapostel in der vorlaufenden Mission als
* 2
3 4 5 6
xa:tEXwV
(2 Thess 2, 6f)
Probevorlesung vom 4. 7. 1970 vor der Ev. Theol. Fakultät Bonn zur Erlangung der venia legendi. U. LUZ, Das Geschichtsverständnis des Paulus. (B~h 49) 1968, 22-25. H. LIETZMANN, An die Römer. (H1~T 8) 4. Aufl. 1933, 89: Thema der Kapitel ist "die Stellung des Volkes Israel in der Heilsgeschichte". O. MICHEL, Der Brief an die Römer. (lileyerK IV, 12. AufI.) 1963, 221. E. PETERSON, Die larche aus Juden und Heiden. 1933, 18. K. L. SCH1~IDT, Die Judenfrage im Lichte der Kapitel 9-11 des Römerbriefes. (ThSt[B]13) 1942; W. VISCHER, Das Geheimnis Israels. Judaica 6. 1950, 81-132. H. J. SCHOEPS, Paulus. 1959, 248ff.
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
35
vorgeordnet ist 7 • Anders akzentuieren W. Beyschlag8 , E. Kühl 9 und (H.) E. Weber lO ; für sie geht es im Rahmen der Heilsgeschichte vor allem um Theodizee und Prädestination. 0.3. Die dritte Gruppe von Exegeten sieht in der Frage nach Gott und nach seiner Treue zu seinem in der Geschichte gegebenen Wort und Recht das Zentrum des Komplexes. Zu dieser Gruppe gehören auf je verschiedene Weise A. Bruce ll , Th. Häring 12 , A. SChlatter 13 , E. Käsemann 14 und seine Schüler Chr. Müller und P. StuhlmaCher 15 , aber auch E. Dinkler 16 , E. Gaugler 17 und J. M. Oesterreicher 18 • 0.4. So sind in dem heute erneut zu betrachtenden Komplex eine Reihe von interessanten Aspekten durch die uns vorgegebene Auslegungsgeschichte mit im Spiel. Um ihre Prüfung am Text selbst geht es mir vor allem, wenn ich frage: Ist neben Lukas auch Pls auf seine Weise ein Theologe der Heilsgeschichte, der uns das "Heil als Geschichte" (0. CUll.maml) verständlich und damit die Anthropologisierung, Individualisierung, Entapokalyptisierung und Enthistorisierung der TheOlogie des Pls bei R. Bultmann als ein Zerrbild erkennbar macht? Oder sind die hier nur stichwortartig angedeuteten verschiedenen heilsgeschichtlichen Konzeptionen ihrerseits Erscheinungsbilder eines dogmatisch zu stark vorbelasteten Denkmodells, das der Komplexität der paulinischen Denkbewegung noch weniger gerecht Wird als das von ihm kritisierte angebliche Zerrbild bei Bultmann? Die damit angerissene Frage theologischer Adäquatheit historischer Deskription der Theologie
7 8 9 10 11 12 13 14 15 15 17 18
J. ~roNCK, Paulus und die Heilsgeschichte. (Acta Jutlandica Teol. Ser.) 1954, 28ff. 295ff.; DERS., Christus und Israel. (Acta Jutlandica Teol. Ser.) 1956, 92ff. W. BEYSCHLAG, Die paulinische Theodizee, Römer IX-XI. 1868. E. KUHL, Zur paulinischen Theodizee; in: Theologische Studien. Festschrift B. Weiß. 1897, 52-94. E. WEBER, Das Problem der Heilsgeschichte nach Röm. 9-11. 1911. A. B. BRUCE, St. Paulls Conception of Christianity. 1896, 310-326. Th. HÄRING, Der Römerbrief des Apostels Paulus. 1926, 88f. A. SCHLATTER, Gottes Gerechtigkeit. 3. Aufl. 1959, 291 •. E. Y~EMAJTN, Gottesgerechtigkeit bei Paulus; in: DERS., Exegetische Versuche und Besinnungen 11. 1964, 181-193. Cor. MÜLLER, Gottes Gerechtigkeit und Gottes Volk. (FRLANT 86) 1964; P. STO:qIJ~CHER, Gerechtigkeit Gottes bei Paulus. (FRLANT 87) 1965, 91ff. E. DI1IKLER, Prädestination bei Paulus. (1957); in: DERS., Signum Crucis. 1967, 241-269. E. GAUGLER, Der Brief an die Römer 11. 1952, VI. J. M. OESTERREI~~, Israelis Misstep and Her Fall, Ro~. 9-11; in: Studiorum Paulinorum Congressus Internationalis Catholicus 1961, Bd. I. (Analecta Biblica 17) 1963, 317-328.
36
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
des Pls versuche ich in zwei Hauptabschnitten mit einigen Unterabschnitten einer Lösung näher zu bringen. 1. Der Gedankengang von Röm 9-11
Luz stellt seiner Darstellung eine Skizze des Gedankengangs der Kapitel voran, der ich mich weitgehend anschließen kann 19 ; doch muß ich im einzelnen manchmal theologisch anders akzentuieren. 1.1. Formgeschichtlich-makrosyntaktische Beobachtungen 1.1.1. Formgeschichtlich-makrosyntaktisch wird zunächst durch die auf Gott bezogene Doxologie (9, 5)20 ein erster, einleitender Abschnitt abgegrenzt
(9, 1-5). Ebenso ist die bereits von E. Norden analysierte Schluß doxologie 11, 33-36 ein makrosyntaktisch eigenständiges Gebilde 21 , das "die drei Kapitel abschließt und als zusammengehörig kennzeichnet,,22. Der so umrahmte Komplex 9, 6 - 11, 32 läßt sich wohl am besten mit Luz in drei Hauptabschnitte einteilen ( 9, 6-29; 9, 30 - 10, 21; 11, 1-32 ) 23 • Makrosyntaktisch markiert jedenfalls die Wendung ~C ODv SPOÜ~gV (9, 30) einen Neuansatz, so daß 9, 30-33 abweichend von der gängigen Einteilung des Komplexes in die drei Kapitel zu 10, 1-21 gehört 24 • Die von Bultmann mit den Stilmitteln der kynisch-stoischen Diatribe in Zusammenhang gebrachte Wendung 25 steht nämlich immer am Beginn eines neuen Abschnittes und bereitet die Widerlegung einer unmöglichen Schlußfolgerung eines meist fiktiven Gesprächspartners vor (vgl. Röm 4, 1; 6, 1; 7, 7; 8, 31; 9, 14)26. Kapitel 9 ist also nach makrosyntaktischen Aspekten in 9, 1-5; 9, 6-13; 9, 14-29 zu unterteilen, wobei beim letzten Unterabschnitt weitere Unterteilungen erwogen werden können 27 • 1.1.2. Der mit 9, 30 beginnende zweite Hauptabschnitt wird mit 11, 1 durch die Wendung AEYW ODV vom dritten Hauptabschnitt abgelöst. Diese Wendung
19 Luz, aaO 25-37. 20 Vgl. dazu ebda. 27. Anders O. CULLMA1~, Die Christologie des Neuen Testaments. 1957, 320f. 21 E. NORDEN, Agnostos Theos. (1912) 4. Aufl. 1956, 240-250. 22 Luz, aaO 26. 23 Ebda. 28. 24 Ebda. 30. 25 R. BULTMANN, Der Stil der paulinischen Predigt und die kynisch-stoische Diatribe. (FRLANT 13) 1920, 71. 26 Luz, aaO. 173f. 27 Vgl. dazu ebda. 29f.
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
37
ähnelt der Wendung 1:t ODv EPOÜ~EV darin, daß ihr die apodiktische Ve=einung !J.~ Y€:VOL1:0 folgt (vgl. Röm 11, 1.11 mit 6, 2; 7, 7; 9, 14), so daß sie makrosyntaktisch in ähnlicher Weise als Einleitung eines alsbald widerlegten absurden Einwandes aufgefaßt werden muß, nur daß in diesem Falle der Dialog mit einem fiktiven Partner zu einem Monolog des Pls selbst wird. In beiden Fällen wird jedoch die theologische Denkbewegung vorgeführt, die den theologischen Urteilen und Assertionen zugrunde liegt. 1.1.3. Wei"tere eindeutige makrosyntaktische Kriterien für die Disposition des zweiten und dritten Hauptabschnittes sind folgende. In 10, 1 markiert die Anrede a6EAcpot 28, in 10, 14 die Frage miic; oDv etc., in 11, 7 die Floskel 1: t oDv, in 11, 11 die Wendung M;yw oDv und in 11, 25 die Phrase plus Anrede o~ ya.p 6tAw u~iiC; ayvod'v,a6EAcpot
29 jeweils den Einsatz
eines neuen Unterabschnittes. Weniger durch auffallende stilistische Einleitungen als vielmehr durch die vom Inhalt her bedingte sprachliche Gestalt können weiter 10, 16-21 und 11, 16-24 als Unterabschnitte erkannt werden. Nach der damit begründeten groben Einteilung des Komplexes in makrosyntaktischer Hinsicht können wir uns nun einer ähnlich groben Skizze des Gedankengangs zuwenden. 1.2. Skizze des Gedankengangs von Röm 9-11 1.2.1. Röm 9, 1-5 beginnt die Ausführungen nach einer dreigeteilten feierlichen Bekräftigung der Wahrheit der folgenden Aussage (9, 1) mit der Eröffnung einer inneren Bewegung des Apostels (9, 2), die sogar zur Bitte um ein stellvertretendes Verdammt sein des Apostels für das Judentum geführt hat (9, 3). Wenn man von dem andersartigen Text 2 Kor 12, 1-10 absieht 30 , hat Pls an keiner anderen Stelle Vergleichbares über seine Intima in seinen Briefen niedergelegt. Das Thema der folgenden Ausführungen Imüpft also an an das Stichwort 'IOpCXTlAt1:Cu(9, 4), das eine geläufige Selbstbezeichnung des Judentums innerhalb religiöser Terminologie darstellt mit dem Nebensinn "Wir, das auserwählte Volk Gottes,,3 1 • Daß der Term auch in 9, 4 zunächst diesen Sinn hat, stellt die quasi hymnische Erweiterung in 9, 4f sicher, die dem Partizipialstil der eigentlichen Doxolo-
28 V gl. etwa Röm 7, 1; 8, 12 ; 10, 1; 12 , 1.
29 Vgl. 1 Kor 10, 1.
30 Dazu Güttgemanns, 154ff. 31 K. G. KUHN, ThW III. 1938, 361, 3ft.
38
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
gie (9, 5b) den ebenfalls schon von Norden beschriebenen Relativstil der Prädikation vorbaut 32 • Inhaltlich enthält nämlich diese Erweiterung von
'IOpa.TjAL-ra.L einige Merkmale der Erwählung, ganz im Anschluß an das jüdische Selbstverständnis 33 : Dem auserwählten Gottesvolk gehört die u ~ o8e:ota., weil Israel nach Ex 4, 22 von Gott als ~iJJ ~JJ bezeichnet worden ist 34 • Ihm gehört auch ~ o6~a.
,was im Judentum zwar nicht in diesem absoluten
Gebrauch, wohl aber in einem durch die Gottesbezeichnung erweiterten Gebrauch von "JJn bzw. ~iP' belegt werden kann 35 • Ebenso sind Israel a.~ 0 La.8~xa.L gegeben, dh. wohl die drei Bündnisse (
n1n'iJn) am Horeb
(Ex 19ff), in den Steppen Moabs (Dt 5ff) und am Garizim und Ebal (Jos 24),
die R. Jilma'el b. Eli~a'
(t
ca. 135 n. ehr.) in der dreimaligen Wiederho-
lung von Ex 23, 19 ("Du sollst ein Böckcken nicht in der Milch seiner Mutter kochen!", vgl. Ex 34, 26; Dt 14, 21) angedeutet findet (lIlekh Ex 23, 19; Weiß 108a)36. Weitere Auszeichnungen des auserwählten Volkes sind ~ \lofJ.o-
8e:ota. n,n~Jnn
n."n 1m), ~ Aa. .. pda. n"Jlm ), a.t enayye:Ata.L ), o~ na... {;pe:<; (n'J~) und der Messias in bezug auf
seine Abstammung 37 • 1.2.2. Inwiefern ist nun mit dem Inhalt des ersten Unterabschnittes das in dem gesamten Komplex behandelte Problem bereits
gen~~t?
Durch sein Verfal-
len in den Stil teils einer persönlichen Eröffnung, teils einer hymnischen Prädikation nähert sich PIs nur indirekt dem zu verhandelnden Problem, das erst mit 9, 6a zu einer klaren Formulierung findet. Freilich ist diese indirekte Benennung des Problems etwas gemildert durch die Voranklänge in 1, 16; 2, 9f; 3, 2 und durch die Verwendung Abrahams in Kapitel 4; auf beides werde ich noch zurückkommen o Aber man kann das bevorstehende Problem aus 9, 1-5 nur entnehmen, wenn man die Fortsetzung und die strukturell-kompositorische Stellung des Unterabschnittes kennt, wenn man also seinen Sinn und seine Funktion strukturell-kontextual erschließt. So verhüllt also gerade die persönliche Eröffnung mehr als sie enthüllt, weil der Grund für die innere Bewegung des PIs nur indirekt erschlossen werden kann.
32 33 35 37
Norden, aaO. 166ff. Schoeps, aaO. 251. 34 Weitere Stellen bei Bill. 111, 15-19. Ebda. 262. 36 Ebda. Zum Verständnis des "0 xa. .. oupxa. vgl. Güttgemanns, aaO. 292f.
a
Heilsgeschichte bei Pau1us oder Dynamik des Evangeliums?
39
1.2.3. Röm 9. 6-13 benennt das Problem in ähnlich indirekter und unvermittelter Weise, indem zugleich eine erste Lösung des Problems angeboten wird, die wegen der im folgenden angehängten zwei weiteren Lösungen wohl nur als vorläufige Lösung verstanden werden soll. Der Gedankengang ist nicht ganz einfach zu ermitteln, so daß die Einzelanalyse etwas ausführlicher sein muß. 1.2.3.1. Mit Häring ist 9, 6a als thetische Formulierung des Problems anzusehen: 0 AOYOC; '];OÜ 6EOÜ ist nicht hinfällig geworden 38 • Aber inwiefern kann das überhaupt ein theologisch ernsthaft zu diskutierendes Problem sein, das man in stilistischer Anlehnung an 11, 1 von der These in die Frage mit anschließender Verneinung transformieren könnte: cipa. OÜV ElinE:TI:1;WXEV AOYOC; '];OÜ 6EOÜ; J.i~ YE:VOL'];O
0
? Die Ernsthaftigkeit des mit der These
abgeschlossenen Problems zeigt sich auch hier wieder indirekt durch den Kontext: im unmittelbaren Kontext nämlich durch die Stichworte OliAT}PUVE Lv (9, 18), nwpoÜo6a.L J.iE:pOUC;
(11, 7b), ItVEÜJ.ia. lia.'];a.vuE;EWC;(11, 8), nwpwOLC;
ctno
(11, 25) und durch die Einleitung des zweiten und dritten Haupt-
abschnitts; nämlich in 9, 31 durch die These: ·Iopa.~A OE OLWliWV VOJ.iOV OLlia.L OOUVT}C; d C; VOJ.iov olm Eq>6a.OEV neinte Frage: J.i~
und 11, 1 durch die apodiktisch ver-
ctnwoa.'];o 0 6EOC; '];ov Aa.OV fl.inoü;
Erst mit dieser Frage
und ihren Querverbindungen zu den genannten anderen Aspekten ist das schon in 9, 6 bewegende Problem zu einer Frage formuliert. Erst in Kapitel 11 entfaltet sich also das Problem in seiner vollen Schärfe. 1.2.3.2. Es ist auffallend, daß
~ls
sich in dieser verzögernden Weise sei-
nem Problem nähert und die Frage von 11,
nicht schon hinter 9, 1-5 stellt,
so daß der unvorbereitete Leser von Anfang an gewußt hätte, worum es in den folgenden Erörterungen eigentlich gehen soll. Freilich ist der Leser nicht gänzlich unvorbereitet, denn bereits in 3, 3, also im weiteren Kontext, war die apodiktisch verneinte Frage gestellt: d ~lttO'];T}Oa.v '];LVEC;, J.i~ ~ ctnLo'];ta. a.inwv 't~V nt01:LV '];oü 6Eaü lia.'];a.pyf)OEL; 39 Aber diese Frage kann der Leser über den schwierigen Erörterungen zwischen 3, 1-8 und 9, 1-5 wieder vergessen haben, so daß sich ihre Wiederholung empfohlen hätte. 1.2.3.3. Ich will den Grund für die auffallende Darstellungsweise des P1s in einer These aus drei Sätzen zusammenfassen, die zugleich tendenzkritisches Leitmotiv meiner darzulegenden Konzeption sein soll.
38 Häring, aaO. 88f.
39 Vgl. Luz, aaO. 28.
40
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
1.2.3.3.1. Erstens ist sich die gesamte Exegese darin einig, daß Röm 1, 16f das Thema des ganzen Röm angibt, so daß sich auch Röm 9-11 diesem Thema unterordnen müssen. 1.2.3.3.2. Zweitens ist
0 AOYOC; 'toü 8EOÜ
in
9, 6a zwar irgendwie be-
zogen auf, aber nicht identisch mit 'to. Aoy~a 'toü 8EOÜ (3, 2), sondern identisch mit 'to EuaYYEA~OV
(1, 16a).
1.2.3.3.3. Drittens geht es deshalb in dem ganzen Komplex primär nicht um heilsgeschichtliche Erörterungen, sondern um die Wahrheit der These von Röm 1, 16f angesichts der hartnäckigen Verstocktheit des Judentums gegenüber der Verkündigung der Gottesgerechtigkeit im Christusgeschehen. Soll nämlich die These von 1, 16 wirklich wahr sein, die Heilsbotschaft des Apostels bewirke als OUvafJ.~C; eEOÜ
die ow'tTJpta bei jedem Glaubenden,
und soll weiter wahr sein, daß das EX nto'tEwC;SLC; nto'tLvder o~xa~oouvTJ 8Eoükeine vom Menschen selbst zu leistende Vorbedingung ist, sondern als die Bedingung für den Heilsempfang 40 in der Heilsbotschaft sakramental übereignet wird (anoxaAun'tE'taL 1, 17), kurz: soll das alles wahr sein, dann muß sich das gerade angesichts der Verstocktheit des Judentums in der anLo'tLa als Vlahr erweisen. Diese an~o'tta
(11, 20.23) ist eine Form
der aoeßE~a (11,26b), also jenes Existenzkriteriums, über das sich nach 1, 18 die 6py~ 8EOÜ offenbart. Ähnlich wie die Offenbarung der 6py~ 8EOÜ über die aOEßELa und ~o~xta der von der Offenbarung der o LxaLOOUvTJ 8EOÜ (EX nLo'tEwc;
) im
EuaYYEALOV
her erschlossene und ihr dialektisch
zugeordnete Hintergrund der christologischen Heilsproklamation ist (vgl. 1, 18 - 3, 20 mit 3, 21-31), so ist auch die aoeßELa des Judentums der von der Verkündigung der oLxaLOOUvTJ EX nLo'tEwc;
her zu denkende Hin-
tergrund der christologischen Offenbarung, so daß die Wahrheit von 1, 16f quasi via negationis in Kapitel 9-11 bewiesen wird. 1.2.3.4. Weil mit dem vorgeschlagenen Verständnis von 9, 6a bereits die Entscheidung über ein spezifisch heilsgeschichtliches Verständnis des ganzen Komplexes fällt, nenne ich hier h-urz drei Gründe für uein Verständnis.
40 Vgl. R. BUL'.rI.lAHlT, Theologie des Heuen Testaments. 3. Aufl. 1958, 272.
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums? 1.2.3.4.1. Erstens bezeichnet das Syntagmem Cl A.oyoe;; -roü ee:oü
41 bei Pls
immer die gegenwärtig erklingende apostolische Heilsbotschaft (vgl. 1 Kor 14, 36; 2 Kor 2, 17; 4, 2; Phil 1, 14; 1 Thess 2, 13). Die Glaubenden empfangen in ihr A.oyov &.xofic; als A.oyoe;; ee:oü, 5e;; xa~ l:ve:pye:i:'-ra~ lv v~i:'v -roi:'e;; mo-re:VoueHv
(1 Thess 2, 13). Cl A.oyoe;; -roü ee:oüist also
verbunden mit dem l:ve:pye:i:'oea~ oder derouva~~e;; in den1t~O-re:uov-re:e;;, genau wie Röm 1, 16f -ro e:uayyE:A.~ov. Inhaltlich wird der A.oyoe;; -roü ee:oü von Pls als Cl A.oyoe;; 0 -roü o-raupoü charakterisiert ( vgl. 1 Kor 1, 18 mit 2, 2; Gal 3, 1). An keiner Stelle gehört der Term l:1tayye:A.La zum synsemantischen Umfeld des Syntagmems Cl A.oyoe;; -roü ee:oü 9, 8f absieht. Die geläufige Exegese von
,wenn man von Röm
0 A.oyoe;; -roü ee:oü
9, 6a im Sin-
ne von l:1tayye:A.l.a kommt wohl von einer Identifikation von Cl A.oyoe;; -roü ee:oü mit Cl A.oyoe;; o~-roe;;
9, 9a her. Aber 9, 9b nennt mit der Zitierung von
Gen 18, 10. 14 einen Wortlaut der l1tayye;A.~, deren Wahrheit im Literalsinn angesichts der Erfüllung Gen 21, 1-7 gar nicht in Frage stehen kann, deren Wahrheit im typologischen Sinne ebenfalls nicht in Frage steht, vielmehr gerade als Beweis für 9, 6b herangezogen wird. In beiden Fällen ist es also sinnlos, von der E1tayye:A.l.a ein l:X1tE:1t't wxe: v auch nur zu denken. Es ist allenfalls auf
0
ein
A.oyoe;; o~'toe;;
Aspekt von Cl A.Oyoe;; -roü ee:oü, mittels Typologie hermeneutisch bezogen zu sein; aber der hermeneuti-
sche Bezug ist keinesfalls sein voller Bedeutungsbezug. 1.2.3.4.2. Zweitens ist- vielmehr Cl A.oyoe;; -roü ee:oü als A.oyoe;; -roü o-raupoü niht erst sekundär, sondern apriori mit dem christologischenRechtfertigungsgeschehen verbunden, so daß 9, 30f, also der Beginn des zweiten Hauptabschnitts, mit Recht als Deutung der Typologie von 9, 6b-13 und als Folgerung aus dem Schriftbeweis 9, 24-29 gelten kann. Es geht beim A.oyoe;; -roü ee:oü
an Anfang an um das Röm 1, 16f beschriebene wortbafte Geschehen der
6~xa~oouvT) l:x 1tLo-re:we;; als o~xa~oovvT) x.wp~e;; vo~ou
paulinischen Sinn von 0 ~ xa~ OOuvT)
(9, 30; 10, 6), ihre distinktive Opposition lx vo~ou ywv
,so daß die den
festlegenden Bestimmungen lx 1tL o-re:we;; (10, 5) oder ll; EP-
(9, 32; 11, 6) nicht umsonst noch einmal wiederholt werden (vgl. 1,
17; 3, 21f; 3, 28; 4, 2. 6. 14. 16; 5, 1). 9, 12a ateht eben als theologische Prämisse jeder Rede vom wortbaften Geschehen der o~xa~OOvvT) fest: oux EI; EPYWV &'A.A.' EX -roü xaA.oüv-roe;; •
42
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
1.2.3.4.3. Drittens wird die Richtigkeit meiner Exegese von 9, 6a durch die These von 9, 6b bewiesen, in der mit Dinkler und Schoeps ein empirisches von einem eschatologischen' Icrpa.'fIA differenziert wird 41 :
0 Acyor; 1:0Ü 8EOÜ
ist deshalb 'Icrpa.'fIA gegenüber nicht wirkungslos geblieben, weil nicht alle empirisch l:r; , Icrpa.f)A
Stammende auch tatsächlich zum eschatologischen Got-
tesvolk , Icrpa.'fIA gehören. Sie sind zwar sensu litterali alle crnEp~a 'Aßpa.-
0:1-1
,aber nicht alle 1:EMVa. re vera (9, 7a), dh. 1:0. 1:EMVa. 1:fir; l:na.YYEAtar;
(9, Sb), die in der Gestalt Isaaks (9, 7b. 10b) und Jakobs (9, 13) typologisch verkörpert sind, weil Gen 21, 12 steht:Ev 'Icrao.M XAT]8'fIcrE1:at crOL crnE:p~a.
(Röm 9, 7b). crnEp~a. 'Aßpao:~
qua 1:EMVa
alle, sondern nur 1:0. 1:EMVa 1:fir; e:na.YYEAtar; lichen Sinne 'Icrpa.f)A
sind re vera also nicht
,die dann auch im eigent-
sind. M. a. W.: 'Icrpa'fIA ist nicht mit dem empirischen
Judentum, sondern mit der Gemeinde der Glaubenden identisch. Ich halte es deshalb für unbestreitbar, daß es Röm 9, 6-13 um den Nachweis der Wirkung des Evangeliums an 'Icrpa.'fIA geht. Dieser Nachweis wird mit der Identifizierung von' Icrpa'fIA und 1:0. 1:EMVa. 1:fir; e:na.YYEAl.ar; geführt, unter denen ausschließlich die Glaubenden verstanden werden. 1.2.3.5. Auffallend ist auch in diesem Abschnitt die indirekt andeutende Verfahrensweisedes Pls, so daß man nur dem weiteren Kontext entnehmen kann, wer denn nun eigentlich mit dem eschatologischen 'Icrpa'fIA 9, 6b gemeint ist. Aufschlußreich ist in dieser Hinsicht das Schwanken Dinklers: Während er ursprünglich an alle dachte,"die zum eschatologischen Volk gehören, unabhängig von jeder ethnischen Herkunft", weil nach 9, 7f nicht die natürliche Abstammung, sondern die Verheißung Gottes entscheidet 42 , bezieht er in einer retractatio das zweite' Icrpa'fIA
auf die Judenchristen, "weil nur
bei diesem Verständnis Vers 6a (die unverbrüchliche Gültigkeit des Acyor;
1:0Ü 8EOÜ ) als Vordersatz eine Verbindung zum Nachsatz hat ••• Die eschatologische Interpretation löst die historisch-empirische Bedeutung von Israel nicht ab, sondern vollzieht sich in ihrem Rahmen.,,43 Die EntSCheidung über diese Frage ist schwierig, aber reich an Konsequenzen, so daß auch hier wieder nur Ausführlichkeit als Begründung ausreicht. 1.2.3.6. In Röm 2, 25-29 führt Pls aus 44 , daß die Beschneidung nur Gültigkeit hat als Zeichen der Gesetzestreue; andernfalls wird sie zur Unbeschnit-
41 Vgl. Dinkler, aaO. 249ff. 267; Schoeps, aaO. 251. 42 Dinkler, aaO. 249 Anm. 19. 43 Ebda. 247. 44 Vgl. dazu ebda. 243f. 249.
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
43
tenheit. Umgekehrt kann die Unbeschnittenheit von Gott als Beschneidung angerechnet werden, wenn der Heide das Gesetz hält. So wird der Heide zu einem
EV 't"iji XPU7t.<ji • Iouoai:' oe; ,der Jude dagegen zu einem Ev .<ji cpavEpij) 'Iouoai:oc;. Wie also die Bezeichnung 'Iouoai:' oe; re vera nicht dem empirischen, sondenl dem eschatologischen Juden gebührt, so könnte diesem, also dem Heiden, auch die Bezeichnung 'IopaT)7I. re vera gebühren, so daß Pls in 9, 6b die Heidenchristenheit als von Anfang an gemeinte .Exva 'die; E7tayy&7I.Lae; und als 07tEpfla 'Aßpaa.fl als Beweis für die Wirksamkeit des 7I.byoe; 't"oü 6EOÜ anführt. 9, 30f wäre dann wirklich eine adäquate Auflösung der Typologie, weil hier e:6vT] dem empirischen 'IopaT)7I. in toto gegenübergestellt werden und die Heilsgabe der
o~xa~oOuvT]
empfangen, die das
emp~r~
sehe Judentum wegen des christologischen Anstoßes (9, 32f) in toto nicht erreicht hat. 1.2.3.7. Aber dieser AUffassung widersprechen zwei Dinge: Einmal der Schriftbeweis 9, 24-29 für die g5ttliche Berufung der Christen "nicht nur aus den Juden, sondern auch aus den Heiden". In dem ziemlich freien Zitat von Hos 2, 1. 25; Jes 10, 22f ist nämlich nicht nur von der übertragung des Prädikats 7I.abe; floU auf die Heiden, sondern auch von einem "Rest" innerhalb' 10-
paT)7I. die Rede (9, 27). Zum anderen wird das Motiv des Restes implizit 10, 16a; 11, 25b (ct7tO flEpOUe; ) und explizit 11, 1b-6 wieder verwendet, wobei vor allem die letzte Stelle klar auf das Judenchristentum als Ex7l.0yT) aus dem atl 'IopaT)7I. bezogen ist. Aber die Frage ist nun, ob man dieses Restmotiv schon in 9, 6-13 eintragen darf, weil hier ja "die Kinder der Verheißung" als radikal distinktive Opposition zu den "Kindern des Fleisches" (9, 8) und als im spirituellen Sinne 07tEpfla 'Aßpaa.fl von der massa perditionis des 07tEpfla 'Aßpaa.fl im Li teralsinne differenziert werden. Beide Bezeichnungen gelten bei Pls allgemein eben nicht nur dem Judenchristentum, sondern mindestens ebenso dem Heidenchristentum. 1.2.3.8. Es ist also zumindest unklar, wie sich für Pls das zweite '1opaT)7I. 9, 6b empirisch zusammensetzt. Wahrscheinlich wird an dieser Unklarheit eine Spannung erkennbar, die sich aus dem Nebeneinander von typologischer übertragung der Prädikate des atl Gottesvolkes auf das eschatologische Gottesvolk und den Resten herkömmlicher heilsgeschichtlicher Schemata ergibt, so daß Pls vielleicht
be~ßt
etwas im Zwielicht läßt, wie er die typologi-
sche Differenzierung in 9, 6-13 verstanden wissen will, weil es sich nur um eine vorläufige Antwort auf das verhandelte Problem handelt, die in Kapitel 11 quasi überholt wird. Wie auch imlller oih 0 ~
'IopaT)7I.
soziologisch-
44
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
empirisch zu präzisieren ist, klar ist jedenfalls, daß es sich um das eschatologische Gottesvolk handelt, das durch den AOYOl; 'tou Bgou zustande gekommen ist, weil ihm allein die Verheißung gilt (9, 7f) und an ihm das EX 'tou xaAouv'tol; (9, 12), also die Wahrheit von Röm 1, 16f demonstriert wer-
den soll. Das dritte Argument für mein Verständnis von 9, 6a ist also stichhaltig. Ich habe mich wegen der durch die Auslegungsgeschichte vermehrten Unklarheit an 9, 6-13 festgebissen, zugleich jedoch einige entscheidende Vorgriffe getan, so daß ich mich jetzt kürzer fassen kann. 1.2.4. Röm 9, 14-29 verneint die Frage nach einer Ungerechtigkeit bei Gott (9, 14), die aus der absoluten Geltung des EX 'tou xaAouv'tol; (9, 12) leicht entstehen kann, mit dem Hinweis auf die absolute Souveränität Gottes in seinem Gnadenhandeln , und zwar in vier Gedankens chri tten. 1.2.4.1. Erstens hat die Souveränität.der Gnade die absolute Priorität (9, 14-18): "Also kommt es nicht· auf das Wollen und nicht auf das Laufen an, sondern auf das Erbarmen Gottes" (9, 16). Damit ist 9, 12 noch einmal wiederholt. 1.2.4.2. Zweitens hat der Schöpfer die absolute Souveränität gegenüber seinem Geschöpf (9, 19-21). 1.2.4.3. Drittens hat Gott die OXE:\JT1 oPyTjl; um des Erweises der Ubermacht seiner ool;a an den OXE:\!T] EAEOUl; willen geschaffen (9, 22f), so daß die Verwerfung des Judentums der Errettung des Heidentums dient, womit 11, 19 quasi voranklingt. 1.2.4.4. Viertens besteht das Gottesvolk nach dem im Christusgeschehen ergangenen Ruf gemäß den atl Wortlauten aus einem Rest aus Israel (9, 27) und den ursprünglich ou Aaoc.: iJ.ou (9, 25f) genannten Heiden (9, 24). Damit ist der Gedankengang des ersten Hauptabschnitts abgeSChlossen. Insgesamt bestätigt sich der EindruCk, daß dieser Gedankengang nur eine vorläufige Bewältigung des anstehenden Problems ist. 1.2.5. Röm 9. 30-33 eröffnet den zweiten Hauptabschnitt mit einer Gegenüberstellung von Heiden und Juden in toto: Die Heiden haben die von ihnen nicht erstrebte o~xa~oouvT] EX "TtI.O'tgWl; erlangt; die Juden haben sie dagegen nicht erlangt, weil sie sie im Zusammenhang mit dem Gesetz EI; EPYWV erlangen wollten und dabei am christologischen Stolperstein zu Fall kamen.
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
45
1.2.6. Röm 10. 1-13 begründet das Nichtteilhaben des Judentums am christologisch verankerten Heil kausal: Die Schuld des Judentums ist das formale Verharren beim Gesetz, das identisch ist mit dem Ungehorsam gegen die christologisch gebundene o LxaLoOuvT) 8EOÜ. Diese Begründung vollzieht sich in zwei komplexen Gedankenschritten. 1.2.6.1. Röm 10, 1-4 führt nach einer an 9, 1-3 erinnernden, aber wesentlich zuTÜckhaltenderen, persönlichen Einleitung (10, 1f) aus: Christus ist das Ende des Gesetzes als Heilsweges und gereicht deshalb jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit (10, 4). Die Juden haben das und damit ~ 1:0Ü 8EOÜ OLxaLOOUVT) verkannt, indem sie sich im falschen Eifer Gottes auf ~ ~oLa OLxaLOOUVT) gründeten (10, 2f). 10, 5-13 führt nun mittels eines Schriftbeweises aus, wie das Ereignis der OLxaLOOUVT) ~ tx VOiJ.OU gerade tv .f,i xapo ~q: vor allem auf der Ebene der Sprachereignisse durch ~ tx 11:( 01:E:ws OLxaLOOuvT) so ersetzt werden muß, daß sogar im atl Wortlaut XpLO'OS an die Stelle der tV1:0A~ tritt. Ich paraphrasiere: Die Hl. Schrift schreibt über die Gerechtigkeit aus dem Gesetz für die den Text des lI'iwüofjs Lesenden: 0 11:0L~Oas a.v8pwn:os s~O'E.aL tv alhij (vgl. Lev 18, 5). Aber die Gerechtigkeit aus Glauben spricht in Anlebnung an Dt 30, 12f argumentativ folgendermaßen: Sage nicht tv .fj xapo ~q. OOU : "Wer wird zum Himmel hinauffahren", nämlich um Christus herabzuholen?45 oder: "Wer wird in die Unterwelt hinabsteigen", nämlich um Christus von den Toten heraufzuholen?46 (Beides appelliert an das dem Menschen unmögliche, anstatt an Gottes Tun!47) Sondern Anlebnung an Dt 30, .fj xapo~q: oou.,,48 digen. Denn wenn du (vgl. 1 Kor 12, 3),
was sagt (die Gerechtigkeit aus Glauben)? Sie sagt in 14: "Nahe ist dir das Wort tv 1:iji o1:oiJ.a.~ oou xaL lv Gemeint ist hier das Wort des Glaubens, das wir verküntv .<ji o.OiJ.a.L OOU bekennst: "Herr ist Jesus" und wenn du lv .fj xapo~q: OOU glaubst: "Gott hat
ihn von den Toten auferweckt", dann erhältst du das Heil.
45 .oÜ1:·~O'LV stammt wohl aus der exegetiSChen Terminologie des Judentums. Vgl. Michel, aaO. 257 Anm. 2 und dazu Bacher, Terminologie I l 49f. Dt 30, 12 LXX lautet: T~s avaß~OE1:aL ljiJ.i:'v d s .ov oupavov xaL A~iJ. ~E.aL aU1:~V ljiJ.i:'v; xaC aXOUoav1:Es au.~v ~OL~OOiJ.EV. Durch Verkürzung wird dieser Wortlaut christologisch umgedeutet. Vgl. Michel, aaO. 256f. " , _ • 46 Dt 30, 13 LXX lautet:TLs OLa11:EpaOEL T)iJ.LV ELs 1:0 11:e:pav .fjs 8aAaOO'T)s xaC A~iJ.~E1:aL ~iJ.i:'v au.~v; Auch hier wird der Wortlaut durch Verkürzung christologisch umgedeutet. 47 Vgl. Michel, aaO. 256. 48 Dt 30, 14 LXX lautet: EOHV OOU tpvs .0_pfjiJ.a o~oopa h, 1:~ O"OiJ.a.( OOU xaC tv 1:f,i xapo~q: O'ou xaL lv .aLs XEPOLV OOU au.o 11:0LEi:'V. I
46
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
1.2.6.2. Formal entspricht das Sprachereignis des "Moses" dem Sprachereignis der "Gerechtigkeit aus Glauben". Beide Sprachereignisse lehnen sich an den Wortlaut eines atl Textes an. Dabei wird der Inhalt des Redens der Gerechtigkeit aus Glauben der dauteronomistischen Paränese am Ende des Bundesernauerungsfestes von Sichem (Dt 27, 9ff) entnommen 49 , allerdings unter gleichzeitiger gewaltsamer Umbiegung des exegetischen Bezuges von der Wahrung der lv'toil,f) und ihrer mündlichen Wiederholung lv 'tiji o'to\J.cnt OOU auf die Verkündigung eines christologischen P~\J.~ 50 in Gestalt von Credo (10, 9b) und Homologie (V. 9a)51, so daß hier also sogar exegetisch das eine Sprachereignis durch das andere, der vO\J.Ot; durch den XPLO'tOt; ersetzt wird: Da das lx vO\J.ou durch das l;x 6e:ov christologisch ausgeschlossen ist (vgl. Röm 3, 27:t';e:xiI,do6T) ), darf und muß der atl Wortlaut als Rede der Gerechtigkeit aus Glauben christologisch umgebogen werden. Die christologische Rede ist eine für jeden Glaubenden mögliche Rede (10, 11), für Jude und Heide in gleicher Weise (10, 12), weil Joel 3, 5 für jeden das Heil verheißt, der den Namen des Herrn anruft (10, 13). In dieser Weise darf und muß um des christologischen Sprachereignisses der OLX~LOOUVT) willen dem verstockten Judentum die Schrift entrissen werden. 1.2.7. Röm 10, 14f begründet mittels Stichwortverknüpfung mit lnLxail,e:r06aL und mittels der kettenschlußartigen, rückläufigen Abfolge lnLx~iI,e:r06aL, nLO'te:ve:LV axove:Lv XT)PUOOe:LV, anoo'tgil,iI,e:06aL die Notwendigkeit der apostolischen Verkündigungstätigkeit, die mit Michel im Hinblick auf das Judentum und dessen Unentschuldbarkeit erwähnt wird 52 , weil nur dann die Fortsetzung 10, 16ff logisch anschließt und auch der Bogen zu 10, 1-4 gespannt bleibt. 10, 17 ist entweder eine versprengte Glosse 53 oder das umzustellende letzte Schluß glied des Kettenschlusses, das diesen noch einmal sentenziös resümiert, auch wenn es die fünf Glieder auf die drei wesentlichen reduziert 54 , ~dem es zum p~\J.a XPLO''tOV zurücklenkt (vgl. 10, 8).
49 Vgl. dazu G. v. RAD, in: DERS., Gesammelte Studien zum Alten Testament. (ThB 8) 1958, 33f. Anders F. HORST, RGG 3. Aufl. II. 1958, 101f., der bei Dt 28, 69-30, 20 u.a. an eine selaxndär deuteronomische Schicht denkt. 50 Vgl. MiChel, aaO. 257: "Vlo unser at.liches Wort vom Gesetz sprach, redet PIs grundsätzlich von Christus" (im Original gesperrt). 51 Vgl. dazu H. CONZELMANN, Was glaubte die frühe Christenheit? Schweizer. Theol. Umschau 25. 1955, 61-74; DERS., Grundriss der Theologie des Nauen Testaments. 1968, 81f.; ICramer, Christos. 16f. 61f. 68f. 52 Michel, aaO. 260f. 53 R. BULTMANN, Exegetica. 1967, 280. 54 Michel, aaO. 262.
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
47
1.2.8. Röm 10, 16. 18-21 begründet die Unentschuldbarkeit des Judentums unter Voranklang des finalen Sinns der Verstockung (vgl. 10, 19 mit 11, 11 bis 15): o~ ~av,g~ , dh. in abschwächender Redeweise: niemand aus dem Judentum hat der apostolischen Verkündigung Glauben geschenkt, wie Jes 53, 1;
~
18, 5; Dt 32, 21; Jes 65, lf nach dem Verständnis des Pls über '10-
pa~A
aussagen, obwohl Israel die apostolische Botschaft gehört (10, 18) und die Ankündigung der Eifersucht erweckenden Hinwendung Gottes zu den Heiden gekannt hat (10, 19f). 1.2.9. Röm 11, 1-6 bringt als Einleitung des dritten Hauptabschnitts endlich eine klare Formulierung der thematisch bewegenden Frage (11, 1) und in der Antwort die ausführlichste Verwendung des Rastmotivs innerhalb von Röm 9-11. Dabei wird die Bezeichnung 0 Aao~ atJ'toü
(11, 1) mittels einer
Differenzierung zwischen dem empirischen Judentum und dem judenchristlichen Rest (11, 1b) und mittels einer Hinzufügung des Prädestinationsmotivs zu der Bezeichnung von 11, 1a (vgl. 11, 2a: OV ltPOE;YVW ) auf den "Rest gemäß der Erwählung der Gnade" (11, 5) übertragen, womit 9, 27 weitergeführt und 9, 6b-13 korrigiert wird. Die durch die jüdische Tradition übermittelten Bezeichnungen gelten seit dem eschatologischen Christusgeschehen (vgl. 11,5: EV ,iji vüv xa~piji ) nicht mehr im Literalsinn , sondern im typologisch-allegorischen Sinn, der allerdings jetzt der eigentliche Sinn ist. So steht selbst der judenchristliche Rest im Bruch mit der atl-jüdischen Tradition, denn das Er, EPYWV gilt nicht mehr, sondern das xap~, ~ (11, 6): Der Rest wird als Rest nicht durch seine empirische Zugehörigkeit zu Israel konstituiert, sondern allein durch das christologische Rechtfertigungsgeschehen. 9, 12. 16 werden auch hier noch einmal variiert. Der Gegenbeweis gegen die Verwerfung des Gottesvolkes ist also die Wirkung der Rechtfertigungsverkündigung sm judenchristlichen Rest. Auch in Kapitel 11 geht es wenigstens zunächst nicht um einen einseitig heilsgeschichtlichen Planentwurf, sondern um die Wahrheit der These von 1, 16f. 1.2.10. Röm 11. 7-10 nimmt formal die Thesen von 9, 30-33 wieder auf, inhal tlich allerdings in der Übertragung auf '1opaf,A und auf die judenchristliche lXAoyfl (11, 7). In bezug auf die Wirkung der Rechtfertigungsverkündigung werden nicht mehr wie in 9, 30 - 10, 21 Juden und Heiden einander in toto gegenübergestellt; die in 9, 24. 27; 10, 16 stehenden Andeutungen über einen judenchrist lichen Rest werden konkretisiert. Das Judentum außerhalb der l:.xAOY~ ist nach göttlichem Willen in Verstocktheit und Selbstverstrickung befangen (11, 8-10). Die freien Zitate aus Dt
48
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
29, 3; Jes 6, 9f; 29, 10; (j>
68, 23f belegen die bleibende
Judentums gegenüber dem christologischen A6yo~
&'rrL01:LCt
des
,also das gleiche Phä-
nomen wie das Zitat aus Jes 28, 16 in Röm 9, 33. Gott will (jetzt noch) keine Aufnahme des A6yo~ Tat Gottes (11, 7bf).
im JUdentum, denn dessen Verstockung ist eine
1.2.11. Röm 11, 11-15 enthüllt den geheimen Sinn des 1tWPOÜ06CtL
von 11,
7: Das bereits 9, 32 ausgesagte Anstoßen des Judentums geschah göttlicherseits keinesfalls, um es zu Fall zu bringen, dh. um es endgültig vom christologischen Heilsgeschehen auszuschließen (11, 11a). Vielmehr war sein Straucheln der Grund für die Erlösung der Heiden, deren Zweck wiederum das bereits 10, 19 angedeutete 1tCtPCt(.T]AOÜOeCt~ der Juden war (11, 11b). 11, 12. 15 begründet die Hoffnung auf eine bevorstehende Teilhabe des Judentums am Heil mit dem geläufigen Schluß Qal wachomer 55 : Wenn schon das Versagen des Judentums Reichtum für die heidnische Welt ist, um wieviel mehr wird es dann erst sein 1tA~pW~Ct sein? Wenn schon die Verwerfung des Judentums die universale Versöhnung bewirkte, was kann dann seine Wiederannehme anderes sein als Leben aus den Toten? 11, 13 fügt zwischen beide Schlüsse eine persönliche, an die Heidenchristen adressierte und an 10, 14f erinnernde, Parenthese des Apostels: Pls verfolgt mit seiner apostolischen O~etXOvCCt
auch die Absicht, auf dem Umweg über die Heidenmission auch einige Juden zu gewinnen. 1.2.12. Röm 11. 16-24 wehrt eine mögliche falsche Schlußfolgerung der Hei-
denchristen ab, die sich aus dem Stichwort&.noßoA~ (11, 15) ergeben könnte: Das 9, 14-29 behauptete souveräne Verfahren Gottes gegenüber dem Judentum könnte zur 1:iiiv xAaOwv
XetVXT]O~~
der Heidenchristen und zum XCt1:CtXetUxaOeCt~ , also zur Verachtung des verworfenen Judentums führen (11,
18). Pls begründet die paränetische Warnung davor mit dem schon atl, frühjüdischen und rabbinisch belegten Gleichnis vom ölbaum56 , indem er 1:0 ~upet~Ct
,ol xAaOo~ und &.YP~E·Aet~O~ in Abhängigkeit bringt von ~ peset und ~ ~Aettet (11, 16f), die präziser XetAA~EACtLOC; heißen müßte (vgl. 11, 24)57. Pls konzediert zunächst die formale Richtigkeit des Ar55 Vgl. dazu BaCher, aaO. 172-174. 56 Vgl. Luz, aaO. 274f. 57 Die Botanik unterscheidet innerhalb der Art Olea Europaea L. zwei Hauptarten: den wilden Ölbaum "mit vierkantigen Zweigen, ovalen Blättern,wenigen Früchten" und den edlen Ölbaum "mit zwetschgenartigen zuerst grünen, bitteren, später schwarzen Früchten mit milderem Geschmack" (E. SEGELBERG, in: Biblisch-historisches Handwörterbuch 11. 1964, 1338).
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
49
guments: "Die Zweige sind ausgebrochen worden, damit ich eingepfropft würde." Aber das kann im Zusammenhang mit dem 1:~ Ttt01:E~ Ea1:Cx.va:~
,also mit
dem Durchhalten der Rechtfertigungsverkündigung, nur zur Furcht und zu der tlberlegung führen: "Wenn Gott die natürlichen Zweige nicht verschont hat, dann wird er auch dich nicht verschonen" (11, 19-21). 1.2.13. Das allegorisch auszulegende Gleichnis führt zu drei Schlüssen, die xa:UXTJa~<;
die falsche
der Heidenchristen zerstören.
1.2.13.1. Erstens sind die Heidenchristen durch die Einpfropfung der heidenchristlichen Zweige in den jüdischen Stamm des Gottesvolkes auch der Qualität (Tt ~ 61:TJ<;
) des Stammes teilhaftig geViorden (11, 17b).
1.2.13.2. Zweitens zeigt das Verfahren Gottes mit dem Judentum, daß die XPTJ01:61:TJ<; 6EOÜ
nur der Ttt01:~<;
gilt, die &.Tt01:0~ta: 6EOÜ
nur der &.Tt~-
01: ta: • Daraus entspringt die Hoffnung in bezug auf das Judentum: "Wenn sie
nicht beim Unglauben verharren, werden sie wieder eingepfropft werden" (11, 22f). Es geht also tatsächlich um die Frage, ob die Ttt01:~<; pfang der Rechtfertigungsverkündigung, oder die &.Tt~01:ta:
,dh. der Em,dh. die Ableh-
nung der Rechtfertigungsverkündigung, den Sieg behalten VIerden. 1.2.13.3. Drittens zeigt das Einpfropfungsverfahren im Schluß Qal wachomer, daß die Einpfropfung der artgemäßen Zweige noch leichter sein wird als die Einpfropfung fremder Zweige (11, 24). Damit ist die securitas des Glaubens zerstört: Der Glaube besitzt durch das rechtfertigende Gotteshandeln keine ihm inhärierende Qualität, sondern bleibt stets auf die Güte Gottes angewiesen. 1.2.14. Röm 11, 25-32 bringt zugleich mit der Enthüllung eines ~ua1:~p~OV zur endgültigen Abweisung der lv Ea:U1:0r<; ~p6v~~o~ die Darstellung der certitudo des Glaubens und der abschließenden Auflösung des bedrängenden Problems der Verstocktheit des Judentums gegenüber dem Evangelium: "Eine teilweise Verstockung ist über Israel gekommen, bis die Fülle der Heiden eingegangen ist, und auf diese Weise wird ganz Israel gerettet werden" (11, 25b. 26a). Die Verstocktheit des Judentums dient final und temporal der Errettung des Heidenchristentums, damit auf diese geheimnisvolle Weise das aus Heidenchristen und Judenchristen bestehende eschatologische Ttä<; ·Iapa:~f...
gerettet wird. Dabei dienen objektiv Heiden und Juden einander
gegenseitig chiastisch zum Heil, indem sie sich gegenseitig Dativus causae sind: Wie die Heiden vor der Zeit des Evangeliums Gott ungehorsam waren,
50
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
aber in der Zeit des Evangeliumsinfolge des Ungehorsams des Judentums Gnade erlangten, so waren auch die Juden zu Beginn der Zeit des Evangeliums infolge des heidenchristlichen Heils ungehorsam, damit auch sie jetzt am Ende der Zeit des Evangeliums des Heils teilhaftig werden (11, 30f). So sind alle, Juden und Heiden, göttlicherseits zum Zwecke des Heils unter die anEt6E~~
zusammengeschlossen (1, 32; vgl. 1, 18 - 3, 20), weil eben 9, 12. 16
absolut gilt. Allerdings vollzieht sich die jüdische Teilhabe am Heil nicht infolge des schon durch den Chiasmus zerbrochenen chronologischen Schematismus eines heilsgeschichtlichen Nacheinanders, weil dann die These von 1, 16f an ihrem entscheidenden Punkte widerlegt wäre. In Wahrheit hat sich das in der jüdischen Tradition gängige heilsgeschichtliche Nacheinander von Judentum und Heidentum bereits umgekehrt: Mit M. J. Lagrange, Michel und 1'hlnck ist die Bekehrung der Heiden "nicht nur die zeitliche, sondern auch die sachliche Voraussetzung für die Rettung Israels,,58. Die Wirkung des rechtfertigenden Evangeliums am Heidenchristentum ist sowohl die temporale als auch die sachliche Bedingung der Wirkung des gleichen Evangeliums am Judentum. Denn auch das jüdische Heil bleibt ein christOlogisches, und dh. ein durch das christozentrische EU~YYE:A~OV
vermitteltes Heil, auch wenn
11, 28f die jüdische Erwählung gegen das Evangelium auszuspielen scheint, worauf noch zurückzukommen ist. Die in nächster Zukunft (vgl. 11, 31b:vüv kommende Teilhabe des Judentums am christologisch begründeten Heil ist m7ar ein Wunder, das die teilweise Verstockung beseitigt. Aber diese Beseitigung ist keine metaphysische Verwandlung der Natur und auch keine metaphysisch notwendige FOlge eines character indelebiljsdes jüdischen Volkes, sondern Teilhabe am den Heiden bereits verkündigten Glauben. Der PU6~EVOs
wird
getreu den Ankündigungen von Jes 59, 20. 21a; 27, 9c erscheinen und die Gottlosigkeit, dh. den Unglauben (11, 23) des Judentums entfernen; ich ergänze tendenzkritisch: und zwar durch das Medium des
EU~YYS!üov
,weil die
Beseitigung der &.OE:ßE~~
die nCO'tL s bringt (vgl. Röm 1,18 mit 1, 17). Entweder gilt die rechtfertigende Korrelation promissio und fides in
und seit Christus absolut und universal und also auch für das Judentum, oder es gibt zweierlei Gnadenmittel: Für das Heidentum die rechtfertigende Christusbotschaft als mittelbares Handeln Gottes in Christus und für das
58 lüchel, aaO. 281 Anm. 1; 1i.J. LAGRANGE, Saint Paul Ep5::tre aux Romains. 1950, 284; liiunck, PIs u. Heilsg. 32: "Hicht von Israel hängt es ab, ob die Heiden die Seligkeit des Gottesreiches schmecken dürfen, wie die jüdische Apokalyptik es gelel1rt hatte. Im Gegenteil werden die Juden durch die VeI'l!littlung der Heiden der Errettung teilhaftig werden."
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
51
Judentum die wortlose, apokalyptische Unmittelbarkeit der Parusie Christi. Das ist die bedrängende Frage, der wir uns sofort im zweiten Hauptteil stellen müssen. 1.2.15. Röm 11, 33-36 endlich sichert die damit bekundete certitudo des Glaubens in bezug auf ihre universale Dynamik (vgl. 1, 16: ltaV1:L 1:iii 01:EUOV1:L
ItL-
) vor einem Rückfall in die securitas heilsgeschichtlicher Plan-
ergründung: Wenn es heilsgeschichtliche Pläne (
xp Lfl-a1:a
) gibt, dann
sind sie unerforschlich, wie auch die Ausführung der Pläne ( aL OOOL unerfindlich sind (11, 33b). Den vouC; xupCou hat nach Jes 40, 13 niemand durchschaut, denn kein menschliches Wesen war je die weisheitliche ltapEOpOC;
Gottes (11, 34). Bei Gott gilt nicht das ius talionis, sondern
allein das sola gratia, damit er allein der Gebende bleibe (11, 35). So weist der hymnische Abschluß energisch darauf hin, daß auch Röm 9-11 keine Niederschrift eines weisheitlichen OUfl-ßOUAOC; Planerfüllung ist. Das mitgeteilte Rückfall in das {;v Emniii
für die heilsgeschichtliche
fl-U01:~PLOV
bleibt letztlich vor dem des Apostels bewahrt (vgl. 11, 25a).
2. Heilsgeschichtliche Prärogative Israels oder Präponderanz und Prävenienz der Gnade im Evangelium? 2.1. Die Prärogative des Judentums 2.1.1. Mit Dinkler sind aus der Exegese von Röm 9-11 zwei Dinge festzuhalten. Einmal besteht ein entscheidender Widerspruch zwischen Kapitel 9 (vor allem 9,6-13) und Kapitel 11:WährE!ldPls die EltaYYEALa
zunächst nur auf
das eschatologische Israel bezieht, relativiert er jetzt die Differenzierung zwischen empirischem und eschatologischem Israel; die Verheißung bleibt dem historisch-empirischen Volk erhalten59 • Zum anderen hängt die Beurteilung von Kapitel 11 "allerdings von der Exegese des Abschnitts 11, 25-36 ab,,60. Nach Dinkler l.at der psychologisch nicht zu erklärende theologische Widerspruch seinen Grund "ve=tlich in dem doppelten Interesse des Apostels: einerseits will er den Gedanken des eschatologischen Israel nicht preisgeben, andererseits kann er einer Korrektur der seinem eigenen historischen Volk gegebenen Praerogative nicht zustimmen.,,61
59 Dinkler, aaO. 251f.
60 Ebda. 259.
61 :3bda. 253.
52
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
2.1.2. Bedeutet das das unverbundene Nebeneinander zweier Gnadenmittel, indem die Gerechtigkeit der Väter (vgl. 11, 28:o~a. 'tou<; 1tcx:d;pc<.<;) dem ganzen jüdischen Volk mit O. Pfleiderer "den character indelebilis der Heiligkeit" gibt 62 , so daß es die Gerechtigkeit in Christus gar nicht braucht? Redet in 11, 25-32 mit P. Wernle der endgültig zum Durchbruch gekommene Jude in Pls, "für den Gott und Israel zuletzt untrennbar zusammengehören", so daß er den "Nationalgott, der gegen seine Lieblinge Treue hält", als stärksten verehrt 63 , und so daß in Wahrheit "doch einzig sein patriotisches Gefühl, das er auch als Christ nicht los wurde, das Ausschlaggebende gewesen" ist 64 ? Jedenfalls verwendet 11, 28f mit dem Hinweis auf das Verdienst der Erzväter 65 , auf die Unwiderruflichkeit der Begnadigung Israels 66 und vielleicht 11, 26 mit der Wendung mx<;' I(jpa:~" owe~oe:'ta:L (vgl. Sanh X, 1: ~:li'l O?U'? p?n Oil? ID' ?~"'lII' ?~ )67 eindeutig traditionell jüdische Motive, die reichhaltiger schon in 9, 4f anklangen 68 • Auch die messianische Verwendung von Jes 59, 20f könnte jüdisch sein 69 • Handelt es sich also um einen Rückfall des Christen Pls zum Juden Pls? Seit K. Barths ironischer Polemik im Vorwort zur 2. Auflage des "Römerbriefs" gegen die Behandlung der 'ungemütlichen Punkte' bei Pls durch Wernle 70 wird man bewußt oder unbewußt gewisse Hemmungen schon gegenüber dieser Frage haben. Dennoch wird man sich ihr heute in wissenschaftlicher Redlichkeit und unbefangen stellen müssen. 2.1.3. Nun darf man 11, 25-32 nicht isoliert betrachten, sondern man muß den Zusammenhang mit den anderen Stellen beachten, an denen eine Prärogative Israels angedeutet ist (vgl. 1, 16; 2, 9f; 3, 1-4; 9, 4f). Doch welcher Art ist diese Prärogative? 2.1.3.1. Am einfachsten liegen die Dinge in 2, 9f. Sowohl in bezug auf das Gericht als auch in bezug auf die Gnade hat der Jude innerhalb der Klasse
1täoa: ~UX~ ävepw1tOU
eine Prärogative (
1tPW1:0V
). Sie ist sachli-
62 O. PFLEIDERER, Der Paulinismus. 2. Aufl. 1890, 87; DERS., Das Urchristentum, seine Schriften und Lehren in geschichtlichem Zusammenhang I. 2. Aufl. 1902, 216. 63 P. WERNLE, Die Anfänge unserer Religion. 1901, 195. 64 Ebda. 196. 65 Vgl. dazu E. SJÖBERG, Gott und die Sünder im palästinischen Judentum. ThVANT 79; IV/27) 1938, 42ff. 66 Vgl. ebda. 62ff. 110ff. 67 Vgl. ebda. 117ff. 68 Dazu Güttgemanns, aaO. 292f. 69 R. Jochanan b. Nappacha (2. pale Am.), b Sanh 98a (Bill. IV/2, 981). 70 K. BARTH, Der Römerbrief. (2. Aufl. 1922) Neuaufl. 1967, XVf.
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
53
eher Art, weil der Jude das mosaische Gesetz besitzt (2, 17-24). Aber sie ist zugleich relativiert durch den natürlichen v6~os
des Heiden (2, 14f)
und durch die Abhebung der wahren Beschneidung von der Beschneidung am Fleisch (2, 25-29), so daß wirklich die ganze Menschheit unter dem Zorn Gottes über die &:6~x~cx.
steht (3, 9-20).
10, 12a ("Es gibt nämlich keinen
Unterschied zwischen einem Juden und einem Heidenu) gilt eben auch in bezug auf das Gericht (2, 11), damit gesagt werden kann: "Denn Gott hat alle zusammengeschlossen in den Ungehorsam, damit er an allen seine Barmherzigkeit erweise" (11, 32). Die sachliche Prärogative ist also keine soteriologischheilsgeschichtliche, weil das Rechtfertigungsgeschehen alle menschlichen Differenzen nivelliert. 2.1.3.2. Mit G. Klein bewirkt die Kategorie av8pwnos
in Röm 3, 28;
Gal 2, 16a die theologische Irrelevanz der Differenz von Juden und Heiden71 • Warum wird die Differenz dann aber überhaupt erwähnt? Das npw'L"Ov von Röm 1, 16 für sich genommen klärt diese Frage nicht. Denn wieso hat der glaubende Jude innerhalb der Klasse n;ii s 0 JUa'L"EUWV einen Vorzug, wenn nach 10, 19; 11, 11-15. 25f gerade das Heidenchristentum die chronologische Prärogative in bezug auf das Glauben besitzt? Es könnte sich nur um eine sachliche Prärogative handeln, die in der KorrelationEucx.yyEA~OV n~a'L"EUWV
begründet ist; als solche wäre sie freilich heilsgeschicht-
lieh-empirisch gerade nicht aufweis bar. Man könnte allenfalls via negationis von einer Prärogative des Juden innerhalb der Korrelation EUcx.yyEA~OV n;~a'L"EUWV
reden, die durch die Betonung der Verstocktheit des Juden das
sola gratia und das XWP~s EPYWV v6~ou
des Rechtfertigungsgeschehens
sichert. 2.1.3.3. Eine solche Prärogative kann aber nicht abgesehen vom Rechtfertigungsgeschehen an innerweltlichen Phänomenen demonstriert, sondern nur vom Rechtfertigungsglauben aus denkerisch entworfen werden, so daß mit Klein "der jüdische Vorrang nicht mehr ohne das Ereignis seiner eschatologischen Aufhebung verhandelt werden kann,,72. Diese Aufhebung bewirkt in 9, 6-13 die Reklamation der Auszeichnungen des empirischen Israel (9, 4f) für das eschatologische Israel, also das Christentum, so daß nunmehr die Christen ~ n;Ep~'L"O~f) sind (vgl. Phil 3, 3).
71 G. KLEIN, Rekonstruktion und Interpretation. (BEvTh 50) 1969, 148f. 183. 72 Ebda. 194.
54
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
2.1.3.4. Immer wieder ist also die sachliche Prärogative des Juden als durch das worthafte Rechtfertigungsgeschehen in Christus überholt gedacht. Der Glaube an die Gottesgerechtigkeit erzwingt die Profanisierung des Judentums 73 • Sogar Gal 2, 15, wo es durch die Opposition ~\J.ELC; CPUOE~ 'IouoaLo~
.I.ou){
EI'; e:8viiiv cX.\J.CXP-];WAOl.
bündig heißt, "daß die Juden naturgemäß der Disqualifikation als Sünder nicht unterliegen ll74 , wird nach Kleins überzeugender Exegese durch die Kategorie av8pw~oC; feld von 0 LXCXL oüo'bcu
im synsemantischen Um-
(2, 16a) wieder aufgehoben 75: Das in Christus neu
erschlossene ElosVCXL
der Judenchristen führt zu dem Bekenntnis, "daß, was an sich unüberholbar bleibt, gleichwohl in Christus aufgehoben ist ll76 • 2.1.3.5. Auch der der Problematik von Kapitel 9-11 präludierende Vorgriff Röm 3, 14 mit der Nennung des
~~Cl1;EUEa8C1.~
-rci A6YLa. -rou 8EOÜ
als ,0
TI:EPLOoii\i '(;QG'Iouca.'t.ou und als Nutzen der Beschneidung (3, 1f) dient
denkerisch dem Stichwort der 0 L){CXL OOUVT]
(3, 5) bzw. des 0 ~ ){aL OU08a,L
Gottes (3, 4) oder seiner nt o-r LC; (3, 3). Auch wenn die Ungerechtigkeit irgendwie zur Konstitution der OL){l\Loa:JvTj 8S0Ü beiträgt, kann der Mensch daraus keine Argumentation zu seiner Entschuldigung ableiten (3, 5-8), weil Gottes Souveränität im worthaften OL){CXLOÜo8cxL Priorität seines aAT]8~c;
(dVCXL
zugleich die absolute
) ist (vgl. 3, 4 mit 9, 14-29).
2.1.3.6. Es bleibt also dabei: Die Priorität des Judentums ist nicht chronologisch-heilsgeschichtlicher, sondern sachlicher Art. Als solche wird sie jedoch nur gedacht als Rückentwurf vom Rechtfertigungsglauben aus, der nicht innerweltlich-empirisch demonstrierbar ist, ja sogar vom Rechtfertigungsglauben aus wieder relativiert werden muß, weil Juden und Heiden gemeinsam ucp' &\J.cxp-ri.cxv
sind (3, 9). Ist also die Prärogative des Judentums ein letzt-
lich spielerischer Schnörkel der Rechtfertigungslehre?
2.2. Tendenzkritische Aspekte des zu behandelnden Problems 2.2.1. Seit Bultmanns hermeneutischen Arbeiten zur Theologie des NT dürfte es unbestreitbar sein, daß zur Aufgabe theologischer Interpretation ntl Texte auch die Sachkritik gehört. Diese Sachkritik nenne ich "Tendenzkritik", wenn das auch auf den ersten Blick befremdlich erscheinen mag. Die
73 Ebda. 150. 75 Ebda. 183.
74 Ebda. 181. 76 Ebda. 195.
Heilsgeschichte bei Pau1us oder Dynamik des Evangeliums?
55
Tendenzkritik will diejenigen denkerischen Tendenzen und Konsequenzen radikalisieren und damit zum Zuge bringen, die dem bedachten Sachverhalt innewohnen. Bei widersprüchlichen Tendenzen des Denkvorgangs will sie die Dialektik des auch von uns zu Denkenden aufzeigen. Tendenzkritik findet bei dem von uns zu denkenden Sachverhalt Röm 9-11 auf jeden Fall statt: Entweder radikalisieren wir Röm 11, 25-32 zu einer heilsgeschichtlichen Konzeption und behaupten damit de facto die Dualität zweier Heilswege bzw. Heilsmittel, die zugleich die Radikalität und Universalität des worthaften Rechtfertigungsgeschehens torpediert. Oder wir radikalisieren eben dieses worthafte Rechtfertigungsgeschehen und postulieren in der Tendenzkritik seine Radikalität und Universalität, die die Bekehrung des verstockten Judentums zu denken verpflichtet. In dieser Alternative kann und soll man nicht willkürlich entscheiden, denn der Textkomplex bietet genügend Ansatzpunkte für eine Tendenzkritik. 2.2.2. Es handelt sich im wesentlichen um vier Ansatzpunkte. 2.2.2.1. Erstens könnte 11, 25a, isoliert für sich genommen, wie ein autoritärer, repressiver Anspruch des Apostels wirken, der das lditdenken der Mitchristen unter Berufung auf 'to flUO't~P~ov 'toü'tO mittels des Verbots fl" ~v ECW'toL'e; cPp6VLflOL
abstellt. Wieso ist denn das geheime Wissen des
Apostels kein lv Ecx.U'tiji
,wenn nach 11, 32-36 kein ein-
ziger Mensch Gottes Handeln erforschen kann? Sollen also die Ausführungen des Apostels nicht unter das gleiche Verdikt fallen, dann müssen sie als theologisches Postulat des Rechtfertigungsglaubens verständlich gemacht werden können. Andernfalls sind sie eine für diesen Glauben unverbindliche private Spekulation des Apostels, die vom Rechtfertigungsglauben her der Tendenzkritik unterliegt. 2.2.2.2. Zweitens ist die kausal-finale Verhältnisbestimmung der Bekehrung der Heiden zur Bekehrung der Juden (10, 19; 11, 11-15) ein psychologistischer Mißgriff der Argumentation, der zudem 11, 28a. 31 insofern widerspricht, als dort das Kriterium des e;ucx.yyE;A.~OV lichen ~A.E oe; 8E08cx.L
bzw. des heidenchrist-
als Begründung der jüdischen EX epo L
bzw. ihres an:d-
angegeben wird. Die Stringenz der Logik leidet hier ganz offen-
sichtlich unter inneren Spannungen. 2.2.2.3. Drittens legt die isolierte Ölbaumallegorie (11, 16-24) durch die Bildwahl aus dem Naturbereich, aber auch durch die Terme 17), xcx.'ta. CPUOLV XA.CXOOL (11, 21), xa'ta.
n:~6'tT)e;
und n:o:.pa. cp0o~v
(11, (11,
56
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
24) ein naturhaftes Mißverständnis nahe, wie es auch Gal 2, 15 anzuklingen scheint und durch R6m 11, 28f zusätzlich genährt wird: Besitzt das Judentum in Spannung zur Rechtfertigungslehre nun doch einen mit den "Vätern" und den anderen Gnadengaben gegebenen heilsgeschichtlichencharacterindelebilis, der den Juden in Anlehnung an das Wort von der anima naturaliter christiana (apol 17, 6) für den christlichen Glauben prädestiniert sein läßt? 1 Kor 10, 1-13 würde dann jedenfalls mit seiner Kritik an dem naturhaften M1ßverständnis der atl Heilsgaben hierzu in unüberbrückbarem Gegensatz stehen. 2.2.2.4. Viertens sind die Daten von R6m 11, 25-32 nicht mit Wernle ein Rückfall in die Anbetung des jüdischen Nationalgottes, denn sie bleiben umklammert durch die Näherbestimmung der O~X(l~OOVVTJ ,nämlich EX Jtto'te:wC; (9, 30; 10, 6) in Opposition zu h VOj.LOu (10, 5) bzw. EI; EPYWV (9, 32; 11, 6), die der Jude in dieser Form niemals übernehmen kann, weil er das xwp~C; VOj.LOU (3, 21) bzw. das XWPLC; EPYWV VOj.LOU (3, 28; 4, 6) niemals bejahen kann. Außerdem besteht die christliche Gemeinde "nicht nur aus JUden, sondern auch aus Heiden" (9, 24; vgl. 3, 29). Wie aber sind dann die beobachteten Spannungen tendenzkritisch einzuordnen?
2.3. Die Christianisierung Abrahams im Zeichen der Glaubensgerechtigke1t als Indiz für die Profanität der jüdischen Prärogat·ive 2.3.1. In aller Kürze beantworte ich die genannte Frage durch einen Blick auf das Motiv·der "Väter" (9, 5; 11, 28), vorab der Gestalt Abrahams bei Pls. Klein hat dazu in mehreren Aufsätzen Entscheidendes gesagt 77 , das auch durch die Beiträge von U. Wilckens 78 , ehr. Dietzfelbinger79 , K. Berger80 und Luz 81 nicht überholt oder überboten worden ist. Ausschlaggebend sind die Stellen R6m 4 und Gal 3, 6-18; 4, 21-31. Für unseren Zusammenhang sind folgende Beobachtungen wesentlich. 77 G. KLEIll', R6mer 4 und die Idee der Heilsgeschichte. (1963); in: aaO. 145-169;. DERS., Individualgeschichte und ileltgeschichte bei Paulus. (1964); 1n: aaO. 180-224; DERS., Exegetische Probleme in Römer 3 21-4,25; in: aaO. 170-179. ' 78 U. WILC~lS, Die Rechtfertigung Abr~~s nach Römer 4; in: Studien zur Theologie der alttestamentlichen Überlieferungen, hrsg. v. R. RENDTORFF u. K. KOCH. 1961, 111-127; DERS., Zu Römer 3, 21-4, 24. EvTh 24 1964 • , 586-610. 79 Chr. DIETZFELBINGER, Paulus und das Alte Testament. (ThEx NF 95) 1961; DERS., HeilsgeSChichte bei Paulus? (ThEx NF 126) 1965. 80 K. BERGER, Abraham in den paulinischen Hauptbriefen. MThZ 17. 1966, 47-89. 81 Luz, op. cit.
Heilsgeschichte Bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
57
2.3.2. Durch die Argumentation von Röm 4, 9-12, in der der ~axap~a~6~ von
(jJ
31, 1. 2a (Relm 4, 7f) auf den Abraham EV a.xpoßua1:tq. (4,
10)
und damit generell auf die Unbeschnittenheit bezogen wird (4, 9a), wird die chronologische Prärogative des Christen Abraham vor dem Juden Abraham bewiesen. So bleibt Abraham für den Juden zwar "unser Vorvater der Abstammung nach" (4, 1). Aber sein die Beschneidung chronologisch überholender und sie damit zur
acppay t ~
der "Gerechtigkeit des Glaubens in der Unbe-
schnittenheit" machender Glaube (4, 11) ist das Kriterium für die Konstitution von 1:0 aTJ:E:p~a (4, 13-17a), womit Röm 9, 6-13 anklingt. 2.3.3. Klein hat nachgewiesen, daß diese Christianisierung der Beschneidung mittels des vielleicht der Tauf terminologie entstammenden acppay t ~ Motivs zweierlei
m;p~1:0~f}
differenziert: einmal die
ngp~1:0~f}
als
historisch exklusiv für Abraham reserviertes Phänomen mit soteriologischem Bezug; zum anderen die
ngpL.o~f}
als rein profaner ethnologischer Tat-
bestand. Die polemische Vorordnung der Vaterschaft Abrahams in 4, 11b. 12 beweist, "daß die Verbindung zwischen Abraham und den Glaubenden nicht der Vermittlung des empirischen Juden- oder auch Judenchristentums bedarf,,82. Vielmehr ist die m;p~1:o~f} "ein Ereignis, das sich im glaubenden a1:0LXgLV vOllzieht,,83, so daß die Kontinuität zwischen Abraham und den Glaubenden eine durch den Glauben stets neu entstehende ist 84 • 2.3.4. Durch den unmittelbaren Anschluß der o~ EX nta1:gw~
an Abraham
(Gal 3, 6f), durch die Exklusivität der christologischen Bindung von
.0
anE:p~a a~1:oü
(Gal 3, 16), die vielleicht in Röm 9, 7f mittels der Isaak-Typologie auf die christliche Gemeinde übertragen wird, und endlich durch die antithetische Typologie der zwei Bündnisse der Magd und der Freien, des Berges Sinai und Hagar bzw. des vorfindlichen Jerusalem und des oberen Jerusalem (Gal 4, 21-32) ist gesichert, daß die mit Abraham beginnende Kette der Glaubenden bzw. der Abrahamssohnschaft ante Christum nicht vorhanden ist 85 , weil die Ankunft des Glaubens mit dem Kommen Christi identisch ist (vgl. Gal 3, 23-25 mit 4, 4f). Das Israel Gottes steht mit seinem Wandel als neue Schöpfung unter dem Kreuz unseres Herrn Jesu Christi (Gal 6, 14-16). Hier liegt ein grundsätzlich anderer Geschichtsentwurf vor als etwa Hebr 11, Apg 7, 2-53 oder Eph 2, 11-22.
82 Klein, aaO. 155. 83 Ebda. 156. 85 Vgl. ebda. 176. 203. 216f.
84 Ebda. 157.
58
Heilsgeschichte bei Paulus oder Dynamik des Evangeliums?
2.3.5. Die daraus entstehende Frage, wieso Abraham dann vor Christus 86 glauben kann ,bzw. ob sein Glaube nicht ein ungeschichtliches idealtypologisches Modell ist, da das Glaubenskorrelat der christologischen Offenbarung der Gottesgerechtigkeit nach Röm 3, 21 "einen chronologischen Terminus ante quem non" hat 87 , wird gelöst durch die hermeneutische Funktion des Schriftbeweises. Die yp~~~
ist bestimmt für die heute Glaubenden
(Röm 4, 24; vgl. 1 Kor 10, 6. 11), so daß Abraham nicht unmittelbar, sondern mittelbar durch die yp~~~ mit den Glaubenden verbunden ist. Indem die Schrift das zukünftige Handeln Gottes an den Glaubenden voraussieht, (Gal 3, 8), deutet Pls an, "daß das einzige Abraham mit dem heutigen Heilsgeschehen verbindende Kontinuum Wort, und zwar.schriftgewordenes Wort ist", so daß die Schrift "schon nach ihrem Primärsinn als geschichtssprengendes Phänomen zu begreifen" ist 88 • Die Geschichte ist so sehr gesprengt, daß Abraham als empirischer Jude linear-temporal-chronologisch vor Christus, aber als schriftgewordender Glaubender inder Zeit Christi lebt und so lx n(o-re;wc;; gerechtfertigt wird (Gal 3, 8f). In diesem Sinne ist er nicht exemplum, sondern exemplar der in Christus gerechtfertigten Existenz. 2.3.6. Die geschilderte Behandlung Abrahams durch Pls ist das SChlagendste Indiz für den Zerbruch des linearen Zeitverständnisses heilsgeschichtlicher Konzeptionen und für die Etablierung eines komplexeren Zeitverständnisses aus der I) L x~ L oou vT) heraus. Das I) La.']; OUC;; nme;p~c;; von Röm 11, 28 ist deswegen tendenzkritisch so zu interpretieren, daß die
lXAOY~
des
Judentums auf die an Christus glaubenden und in ihm gerechtfertigten Väter gegründet ist; oder mit Barth: Die Versöhnung ist der innere Grund der Schöpfung und Erwählung. So bleibt die erhoffte Bekehrung des Judentums keine heilsgeschichtliche Spekulation, sondern ein Postulat des Rechtfertigungsglaubens. So schließe ich mit einem Zitat von Klein: "In der paulinischen Auffassung vom Weg Israels wirkt sich nichts anderes aus als die Lehre von der Rechtfertigung des Gottlosen, bezogen auf das Verstehen von Geschichte. ,,89
86 Vgl. ebda. 150f. 152. 88 Ebda. 205.
87 Ebda. 147. 89 Ebda. 223.
"GOTTESGERECHTIGKEIT" UND STRUKTURALE SEMANTIK Linguistische Analyse zu b ~ xO'. LOOll vT] Be: oü
*
0.1. Die Thematik meiner Abhandlung mag manchem kurios oder rätselhaft erscheinen, gilt es doch den Theologen mancherorts als ausgemacht, daß die Beschäftigung mit Linguistik allgemein und Semantik speziell für den Theologen entweder theologiefremdes Allotria 1 oder aber - in Ermangelung respektabler linguistischer Kenntnisse des Theologen oder auch eines common sense der Linguistik selbst - ein Glatteis ist, auf dem man seine wissenschaftliche Reputation möglichst nicht aufs Spiel zu setzen hat. Auch der Linguist, erst recht der strukturale, kann oft seine Ablehnung jeder Verträglichkeit der strukturalen Linguistik mit der Behandlung so "inhaltbezogener" Bereich kaum verbergen, wie sie durch das theologische Stichwort "Gottesgerechtigkeit" angedeutet werden. Vor allem in der anglo-amerikanischen Linguistik galt es seit dem linguistischen Behaviorismus von Leonard B100mfield 2 , Charles Morris 3 und Burrhus Frederic Skinner 4 als Zeichen methodologischer Ignoranz, wenn man die Frage nach "Bedeutung" und "Sinn" noch zu stellen wagte 5 , wenn man eine nicht mehr sm Begriff des "behavior" orientierte "mentalistische" Linguistik für diskutabel und erstrebens-
=
wert hielt. Dabei ist freilich zu beachten, daß etwa Bloomfield nicht nur infolge einer antimentalistischen Bedeutungsfeindlichkeit die Semantik außer-
*
2 3 4 5
Die folgende Abhandlung wurde in verschiedenen Fassungen als Vortrag gehalten, und zwar vor der Theol. Fachschaft Marburg am 27. 1. 1969 und als Öffentliche Antrittsvorlesung zum Abschluß meines Habilitationsverfahrens am 24. 10. 1970. E. GRÄSSER, Die falsch programmierte Theologie. EvKomm 1. 1968, 694 bis 699; DERS., Von der Exegese zur Predigt? WuP (früher: MPTh) 60. 1971, 27-39, bes. 38. Vgl. auch die Selbstinterpretation DERS., In eigener Sache. LingBib14/5. 1971, 5f. L. BLOO~~IELD, Introduction to the Study of Language. 1914; DERS., Language. (1933) 10. Aufl. 1967. Ch. MORRIS, Foundations of the Theory of Signs. International Encyclopedia of Unified Science 1/2. 1938; DERS., Signs, Language, and Behavior. 1946. B. F. SKINNER, The Behavior of Organism. 1938; DERS., Verbal Behavior. 1957. Ich unterscheide meist terminologisch zwischen der "Bedeutung" eines einzelnen Worts, besser: eines Lexems, und dem "Sinn" eines Satzes oder "Textes". So auch H. AMMANN, Die menschliche Rede I+II. (1925/ 28) Nachdruck 1962, 46.
60
"Gottesgerechtigkeit"
halb des Bereichs der Lin~istik ansiedelte 6 • Charles C. Fries hat vielmehr gezeigt, daß Bloomfield bei Anerkennung der Wichtigkeit der Inhaltsebene für die Sprachbetrachtung keinen Weg für eine strenge linguistische Analyse-Methode in der Semantik Sah7 • 0.2. Allerdings haben sich die Zeiten auch in der Linguistik inzwischen gewandelt, seitdem Noam Chomsky im Rahmen seiner Generativen Transformationsgrammatik eine Generative Semantik in Betracht zog8, seitdem Jerrold J. Katz 9 , Jerry A. Fodor und Paul M. Postal in Anlehnung an die Generative Transformationsgrammatik eine semantische Theorie entwickelten 10 , seitdem Uriel Weinreich in Kritik und Abwandlung dieser Theorien Erkundungen zur Theorie der Semantik vorlegte 11 , seitdem Eugenio Coseriu eine sehr eigenständige und sachgerechte Methodik der lexematischen Analyse begründete 12 , und seitdem endlich die in Deutschland durch Pet er Hartmann, Harald Weinrich, Roland Harweg u. a. vorangetriebene "Textlinguistik" auch eine Textsemantik impliziert 13 , deren Anwendung auf die Literaturwissenschaft in
6
A. REICHLING, Meaning and Introspection. Lingua 11. 1962, 333-339, bes. 333; H. GECKELER, Strukturelle Semantik und Wortfeldtheorie. 1971, 27. 7 C. C. FRIES, Meaning and Lin~istic Analysis. Language 30. 1954, 57 bis 68, bes. 59f. 8 N. CHOMSKY, Semantic Considerations in Grammar. Georgetown Monograph Series 8. 1955, 141-158; DERS., Syntactic Structures. (Janua Linguarum, series minor 4) (1957) 8. Aufl. 1969 1 92-105; DERS., Aspekte der Syntax-Theorie. (Theorie 2) (amerik. 1965) 1969, 188-240. 9 J. J. KATZ, Mentalism in Linguistics. Language 40. 1964, 124-137; DERS., The Philosophy of Language. 1966; DERS., Recent Issues in Semantic Theory. Foundations of Lan~age 3. 1967, 124-194. 10 J. J. KATZ - J. A. FODOR, The Structure of a Semantic Theory. Language 39. 1963, 170-210; J. J. KATZ - P. M. POSTAL, An Integrated Theory of Linguistic Descriptions. (1964) 2. Aufl. 1965 11 U. VffiINREICH, Erkundungen zur Theorie aer Semantik. (Konzepte der Sprachu. Literaturwiss. 4). (amerik. 1966) 1970. 12 E. COSERIU, Sprache - Strukturen und Funktionen. (TBL 2), hg. v. U. Petersen. 1970, 159-179. 181-192. 213-224; DERS., Einführung in die strukturelle Betrachtung des Wortschatzes. (TBL 14), hg. v. G. Narr. 1970 13 P. HARTMANN, Probleme der semantischen Textanalyse; in: text, bedeutung, ästhetik, hg. v. S. J. Schmidt. 1970, 15-42; S. J. SCHMIDT, Text und Bedeutung. Ebda. 43-79; A. HOPPE, Linguistische Methoden semantiaher Textanalyse. Ebda. 80-105; T. A. van DIJK, Neuere EntWiCklungen in der literarischen Semantik. Ebda. 106-135; H. lVEINRICH, Syntax als Dialektik. Poetica 1. 1967, 109-126.
"Gottesgerechtigkeit"
61
letzter Konsequenz nach meinem Urteil eine "Generative Poetik" sein muß 14 , wie sie sich dem mit Hermann Gunkels literaturgeschichtlicher Theorie verbundenen Formgeschichtler als wissenschaftsgeschichtliche Aufgabe für seine Disziplin stellt, w~nn diese Disziplin den Kontakt zur modernen Wissenschaft vom "Text,,15 behalten soll. 0.3. Seit Stephen Ullmann, der mit seinem ersten, inzwischen von ihm revidierten, Semantik-Buch eine Semantik-Renaissance einleitete 16 , ist also auch innerhalb der strukturalen Linguistik die Semantik ein wesentlicher Bestandteil linguistischer Theorie und Analyse, aber auch sprachphilosophischer Reflexionen 17 • Algirdas Julien Greimas hat mit seiner Strukturalen Semantik ein Modell semantischer Methodik und Deskription vorgelegt 18 , das vor allem mit seinem Aufweis der Organisation des semantischen Univeraums 19 , des Kriteriums der Isotopie der Rede 20 und mit der Anwendung der von Lucien Tesni~re stammenden Aktanten-Theorie 21 auf die Makrosyntax von Gattungen 22 den französischen Strukturalismus 23 entscheidend beeinflußt hat. Alles in allem ist die Semantik heute aus dem linguistischen Lehrbetrieb und aus der Lehrbuchproduktion 24 nicht wegzudenken.
14
15 16 17 18 19 21 22 23 24
Eine "Generative Ästhetik" in einem etwas anderem Sinn findet sich bei M. BENSE, Einführung in die informationstheoretische Ästhetik. (rde 320) 1969, 62-64. Von "Generative Poetics" spricht auch J. LEvf, Generative Poetics; in: Sign, Language, Culture, hg. v. A. J. Greimas. 1970, 548-557. Doch habe ich den Term ohne Kenntnis oder unabhängig von diesen Veröffentlichungen etwa Mitte 1970 zum ersten Mal verwendet und mit einem eigenen Forschungsprogramm konkretisiert. Meine "Generative Poetik" ist ein eigenständiges linguistisch-literaturwissenschaftliches Projekt, über das in der seit 15. 11. 1970 erscheinenden und von mir herausgegebenen Zeitschrift "Linguistica Biblica" laufend berichtet wird. E. LEIBFRIED, Kritische Wissenschaft vom Text. 1970. St. ULLMAHH, Grundzüge der Semantik. (engl. 1951, 2. Aufl. 1957) 1967. Vgl. dazu M. LEROY, Le renouveau de la s~mantique. Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, Sonderheft 15. 1962, 95-106. A. SCHAFF, Einführung in die Semantik, hg. v. G. Klaus. (poln. 1960) 1969; S. J. SCH1~DT, Bedeutung und Begriff. (Wissenschaftstheorie. Wissenschaft u. Philos. 3). 1969. A. J. GREI1~S, Du sens. Essais s~miotiques. 1970; DERS., Strukturale Semantik. (Wissenschaftstheorie. Wissenschaft u. Philos. 4) (franz. 1966) 1971. Ebda. 93ff. 20 Ebda. 60ff. L. TESNIERE, Esquisse d'une syntaxe structurale. 1953; DERS., El~ments de syntaxe structurale. 1959, 105-125. Greimas, Semantik 157ff. G. SCHIWY, Der französische Strukturalismus. (rde 310/311) }.Aufl. 1970; DERS., Neue Aspekte des Strukturalismus. 1971. ZB. F. HUNDSNURSCHER, Neuere Methoden der Semantik. (Germanist. Arbeitshefte 2) 1970.
62
"Gottesgerechtigkeit"
0.4. Betrachtet man auf dem Hintergrund des universalen Fragehorizonts der Linguistik und ihrer sehr differenzierten Methodik die heutige Ntl Wissenschaft in Deutschland, so kann man eigentlich nur erschrecken über den tiefen Dornröschenschlaf, in dem diese sich in bezug auf die andernorts in Angriff genommenen Aufgaben zu befinden scheint. Wo die Exegeten nicht in zT. emotionaler Reaktion jede Einflußnahme der Linguistik auf die Exegese ablehnen 25 , da machen ihre de facto semantischen Analysen von Lexemen und Syntagmemen des NT die wissenschaftsgeschichtlich schon beinahe skandalöse Hilflosigkeit ihrer Methodik deutlich26 • Um den Erweis der methodologisch-linguistischen Hilflosigkeit an einem konkreten Beispiel semantischer Analyse geht es bei meinem rätselhaft erscheinenden Thema. Ebenso freilich um die Demonstration, daß sich die strukturale Linguistik durchaus mit inhaltlich-theologischen Erörterungen verträgt, ja daß sie geradezu als neutrale Methode der Entscheidung im theologischen Meinungsstreit unserer Tage in Anspruch genommen werden kann. Die strenge linguistischsemantische Analyse und Methodik zwingt die theologischen Positionen zu einem aDl "Text" und an seinem linguistischen Befund orientierten neutraleren Urteil. 0.5. Meine Abhandlung prozediert so, daß sie zunächst die mit dem Stichwort "Gottesgerechtigkeit" bezeichnete theologische Position skizziert und immanent theologisch kritisiert, danach einige linguistische Grundprinzipien der struktural-semantischen
A.~alyse
erörtert und am Schluß eine
Skizze einer Strukturanalyse vorlegt, die auch die theologische Inhaltlichkeit berücksichtigt. Auf diese Weise trage ich an einem konkreten und für eine Ntl Theologie konstitutiven Beispiel zu einer Integration von Linguistik und exegetischer Theologie bei. Dabei leitet mich auch die Hoffnung, daß meine Analyse die herkömmliche Exegese veranIaßt, ihre Methodik, ihre Position und ihre Einstellung gegenüber der Linguistik noch einmal nüchtern zu überdenken.
25 Vgl. E. GÜTTGEMAlmS, LB 8. 1970, 18-20. 26 Vgl. 3. GtlTTG3MAl11IS, VF 15/2. 1970, 68-74: Neutestamentliche Theologie und Linguistik.
"Gottesgerechtigkeit"
63
1. Die Thesen Ernst Käsemanns und seiner Schüler zum Stichwort "Gottesgerechtigkeit" Ernst Käsemann, Christian Müller und Peter Stuhlmacher haben zum Stichwort "Gottesgerechtigkeit" theologische Thesen vertreten, die nur semantisch zu verifizieren sind 27 • Stimmen die semantische Methodik und der semantische Befund nicht, dann ist auch die theologische Position ohne Fundament. 1.1. Käsemanns Programm 1.1.1. Käsemann beginnt seine Ausführungen zur Gottesgerechtigkeit bei Pls mit der These, der Röm stelle "die gesamte Verkünil.igung und Theologie des Paulus unter das eine Thema der sich offenbarenden Gottesgerechtigkeit,,28. Das erinnert nicht nur an Adolf Schlatters Titel "Gottes Gerechtigkeit" für seinen Römerbriefkommentar 29 , sondern auch an Karl Barths These in seinem zweiten "Römerbrief", die SaChe, um die es im Röm gehe, sei die Enthüllung der Gerechtigkeit Gottes dort, wo "die Treue Gottes dem Glauben des Menschen begegnet" und der Gerechte leben werde 30 • Daß diese beiden Namen aus der Fülle der Vertreter für die thematische Funktion von Röm 1, 16f für das Ganze des Röm31 besonders hervorgehoben werden, hat zugleich sachliche Bedeutung für das von Käsemann und seinen Schülern vorgetragene Verständnis
27
28 29 30 31
E. KÄs~~, Gottesgerechtigkeit bei Paulus. (1961); in: DERS., Exegetische Versuche und Besinnungen 11. 1964, 181-193; Chr. MÜLLER, Gottes Gerechtigkeit und Gottes Volk. (FRLANT 86)1965; P. STUHLMACHER, Gerechtigkeit Gottes bei Paulus. (FRLANT 87) 1965. Zu Referat und Kritik vgl. H. CONZELMANN, EvTh 22. 1962, 233; DERS., Grundriss der Theologie des Neuen Testaments. (Einführung in die ev. Theol. 2) 1967, 237ff; w. DANTINE, Rechtfertigung und Gottesgerechtigkeit. VF 11/2. 1966, 84-93; G. KLEIN, Gottes Gerechtigkeit als Thema der neuesten Paulus-Forschung. VF 12/2. 1967, 1-11. Käsemann, aaO. 181f. A. SCHLATTER, Gottes Gerechtigkeit. 1935, 4. Aufl. 1965. Vgl. dazu Stuhlmacher, aaO. 51f. K. BARTH, Der Römerbrief. 2. Aufl. 1922, Neuaufl. 1967, 17. Vgl. etwa F. GODET, Kommentar zu dem Brief an die Römer (dt. bearb~ v. E. R. u. K. \Vunderlich) I. 2. Aufl. 1892, 106. 111f; A. JtlLICHER, 1n: SNT 11, 2. Aufl. 1908, 225; M. J. LAGRANGE, St. Paul Epttre aux Romains. (1916) 2. Aufl. 1922, 16; H. LIETZMANN, An die Römer. (HNT 8) (1906) 4. Aufi. 1933, 30; A. NY GREN , Der Römerbrief. ~schwed. 1944) 1951, 53; o. MICHEL, Der Brief an die Römer. (MeyerK IV, 10. Aufl.) 1955, 14. 16. 48; O. KUSS, Der Römerbrief I. 1957, 20; W. MARXSEN, Einleitung in das Neue Testament. 1963, 97; (P. Feine - J. Behm 12. Aufl. -) W. G. KUMMEL, Einleitung in das Neue Testament. 1963, 218; J. BECKER, Das Heil Gottes. (StUNT 3) 1964, 257. Anders G. FRIEDRICH, RGG 3. Aufl. V. 1961, 1139.
64
"Gottesgerechtigkeit"
der Gottesgerechtigkeit, weil Schlatter und Barth hier als Quellen für eine exegetisch-theologische Alternative zu Bultmann ausgewertet werden. 1.1.2. Käsemann entwickelt in seinem Vortrag nicht weniger als ein Programm einer gegen Bultmanns "Theologie des NT" gerichteten Darstellung der paulinischen Theologie 32 • Die polemische Hauptthese des Programms lautet: Jede Interpretation der paulinischen Rechtferti~ngslehre, die 'wie die Bultmanns statt von der Verbindung o~}(a.~oaUvT) 8e:oü von dem Allgemeinbegriff o~xa.~-
oauvT)
"und seiner speziell juridischen Verwendung ausgeht", wird sich "zwangsläufig am Charakter der Gerechtigkeit als Gabe und faktisch an der Anthropologie orientieren n33 • Die Gottesgerechtigke1t ist von Pls "nicht primär auf das Individuum bezogen und nicht ausschließlich aus dem Zusammenhang der Anthropologie her zu verstehen, wie man es tun muß, wenn man zuerst und allein ihren Charakter als Gabe beachtet,,34. M. a. W.: Die auch andernorts kritisierte Anthropologisierung und Individualisierung der Theologie des Pls in der Darstellung Bultmanns 35 ist die zwangsläufige Folge des fast ausschließlichen Verständnisses der Gottesgerechtigkeit als Gabe 36 • Diese These enthält bereits die exegetische Begründung, daß Pls die Gottesgerechtigkeit nicht nur als Gabe, sondern in der grundsätzlichen Dialektik von Macht und Gabe versteht. Diese Begründung ist nunmehr zu prüfen. 1.2. Die Dialektik von Macht und Gabe 1.2.1. Käsemann leugnet angesichts der Alternative, "ob die Genetivkonstruktion o~}(a.~oaUVT) 8e:oii subjektiv oder objektiv aufzulösen ist", keineswegs, "daß das Gefälle der paulinischen Aussagen wie die uns bestimmende reformatorische Tradition für den genetivus objectivus spricht,,37. Nach Phil 3, 9 ist das eupe8Tiva.~ EV Xp~a1:iji verbunden mit dem Haben der Gerechtigkeit o~d. nta'rewc; Xp~cr.oii ,dh. der EX 8e:oii O~}(a.~ocruvT) {;n~
32 Zu Bultmanns exegetischer Sicht vgl. Bultmann, Theol. 271-287. 33 Käsemann, aaO. 185. 34 Ebda. 192. 35 Vgl. dazu Güttgemanns, Apostel 199ff. 36 Vgl. Käsemann, aaO. 188: "Doch ist es mir völlig unmöglich zuzugeben, daß die Theologie und das Geschichtsbild des Paulus am Individuum orientiert sei. Es rächt sich eben, wenn Gottesgerechtigkeit ausschließlich als Gabe verstanden wird, weil dann notwendig die paulinische Anthropologie in den Sog individualisierender Betrachtungsweise gerät." Anders R. BOLTMANN, Geschichte und Eschatologie. (engl. 1957) 1958, 47ff; Conzelmann, Grundriss 193. 37 Käsemann, aaO. 182.
"Gottesgerechtigkeit" 1:ij 7t1.0'1:EL
38 , die der E~~
OLWXLOO'UV7]
65
~ b( v6~ou gegenübersteht. So ge-
wiß die Gerechtigkeit also ausschließlich
EX 8EOU
den Glaubenden gegeben
wird, so gewiß empfangen die Glaubenden im christologischen Heilsereignis die Gabe der Gerechtigkeit (Röm 5, 7), also eine EX 8EOU kommende Gabe, die sie in Christus haben. Dem Gerechtfertigtwerden entspricht ein gerecht (Sein) bei Gott (vgl. Röm 2, 13), ein durch die Gabe Gottes geschaffenes neues Sein der Glaubenden. Die behauptete Dialektik von Macht und Gabe soll also durch eine einseitige Betonung des Machtcharakters der OLxaLOO'UVn 8EOU nicht zuungunsten der Gabe aUfgelöst werden 39 • Es wird bei der von Käsemann und seinen Schülern vorgelegten Einzelinterpretation immer kritisch zu fragen sein, ob die Wahrung der Dialektik gelungen ist. 1.2.2. Käsemann will nun innerhalb der Dialektik die sachliche Priorität der Macht und damit des Genetivus sujectivus gewahrt sehen. Diese Priorität werde daran erkennbar, "daß Paulus emphatisch von der Gottesgerechtigkeit statt von der göttlichen, uns geschenkten, zugesprochenen, rechtfertigenden Gerechtigkeit spricht", und daran, "daß die 0 L xaL OO'UV7] 8EOU in Röm 1, 17; 10, 3ff personifiziert als Macht erscheint, in dem hymnischen Zitat 1. Kor. 1, 30 darum mit Christus identifiziert werden kann, in 2. Kor. 5,21 die Realität der erlösten Gemeinde beschreibt und in unbestreitbarem genetivus subjectivus mindestens in Röm. 3, 5. 25f. Gottes eigenes Handeln und Wesen charakterisiert,,40. Es geht Käsemann also um die interpretatorische SChlüsselstellung der zuletzt genannten Stellen gegenüber der traditionellen Wertung etwa von Phil 3, 9; Röm 10, 3 als hermeneutisches Vorzeichen der paulinischen Rechtfertigungslehre 41 , die Bultmann in Replik auf Käsemann erneuert hat 42 • Es geht m. a. W. um die Benennung des Ansatzpunktes für den dialektischen Zirkel von Macht und Gabe, und das ist nicht nur ein Problem der adäquaten Akzentuierung, sondern das Problem der einheitlichen
38
Man wird V. 9d wohl als Erläuterung zu V. 9c verstehen dürfen. Vgl. Stuhlmacher, aaO. 100. Anders E. LOH!~YER, Die Briefe an die Philipper, an die Kolosser und an Philemon. (liTeyerK IX l 10. Aufl.) 1954, 137 Anm. 2: Zwischen OLo' 7tLO'1:EWC; XPLO'1:0U und E7tL 1:ij 7tLO'1:EL besteht "ein feiner Unterschied. Jene Wendung sieht den Glauben als ein Tun Gottes an dem Einzelnen, diese als das Beschenktwerden des Einzelnen mit diesem Wunder; jene sieht ihn rein sub specie dei et Christi, diese auch sub specie animae." 39 Anders Dantine, aaO. 86f. Dagegen Klein, aaO. 2 Anm. 3. 40 Käsemann, aaO. 182. 41 Zur Interpretationsgeschichte vgl. Müller, aaO. 5-27; Stuhlmacher, aaO. 11-73. • 42 R. BULTMANN, 6LxaLoO'uV7] 8EOU • (1964); in: DERS., Exegetica, hg. v. E. Dinkler. 1967, 470-475.
66
"Gottesgerechtigkeit"
Mitte der grundsätzlich dialektisch verfahrenden paulinischen Theologie. Da Käsemann das Schillernde an der Dialektik von Macht und Gabe zusammen mit dem zwischen Genetivus subjectivus und Genetivus objectivus schwankenden linguistischen Befund gerade herausstellt, geht der Vorwurf Bultmanns an Käsemann vorbei, es sei eine petitio principii, "daß
O~x.
BEau
überall
bei Paulus die gleiche Bedeutung haben müsse ll43 • Vielmehr geht es darum, ob einerseits EUltmann nicht trotz aller Konzession des Machtcharakters der Gabe die Dialektik faktisch einseitig zugunsten der Gabe auflöst, und ob andererseits Käsemann nicht trotz aller Konzession des Gabeaspektes der Macht die Dialektik faktisch einseitig zugunsten der Macht auflöst, weil eben beide ~~le das die Dialektik allererst konstituierende Wortgeschehen der Rechtfertigung einem einseitigen Denkmodell vom sprachlichen Vorgang unterworfen wird, das vor allem linguistisch kritisiert werden muß. Man wird Käsemanns programmatischen Entwurf samt den Erweiterungen seiner Schüler deshalb nicht nur wesentlich gründlicher philologisch-linguistisch überprüfen müssen, sondern sich vor allem auch der in historisch-exegetischen Begründungen verschlüsselten theologisch-interpretatorischen Absicht stellen müssen. 1.3. Die Dialektik von Gegenwärtigkeit und Zukünftigkeit der Gottesgerechtigkeit Diese Absicht ist sofort mit dem Hinweis Käsemanns auf dem Plan, daß sich die philologische Dialektik von Gen. obj. und Gen. subj. in der theologischzeitlichen Dialektik der paulinischen Eschatologie fortsetze und damit den Gabe-Aspekt der Gottesgerechtigkeit vor erhebliche Auslegungsschwierigkeiten stelle: Ist die Gabe derO~xcx.~aOUvT) BEau
nun eine bereits gegenwär-
tig von den Glaubenden empfangene (vgl. Röm 5, 17: i\.cx.IJ.ßavav'E<;
) und in
ihnen und durch sie wirksame, deren Frucht 2 Kor 9, 9fj Phil 1, 11 genannt wird, oder ist diese Gabe mit Gal 5, 5 ein HOffnungsgut, dessen endgültige Verwirklichung noch aussteht 44 , ein Gut, das PIs als ihm EX BEau gegebenes erst zum Zeitpunkt des zukünftig-eschatologischen EupEB~va~ SV
XP~O,~
43 44 45
erhofft- (Phil 3, 9)45, weil zum jetzigen Zeitpunkt das pneuma-
So Bultmann, aaO. 470. Dagegen Käsemann, aaO. 181f Anm. *. Vgl. ebda. 183. Zu diesem Verständuis vgl. Stuhlmacher, aaO. 99. Zu der dort ohne jeden Beweis gegen F. NEUGEBAUER, In Christus. 1961 behaupteten Deutung von SV cx.U,~ auf die Zugehörigkeit zum pneumatischen Christusleib vgl. die Widerlegung bei Güttgemanns, Apostel 252ff.
"Gottesgerechtigkeit"
67
tisch-schwärmerische ~o~ noch nicht ausgesagt werden kann (Phil ~, 12; vgl. 1 Kor 4, 8)?46 Da sowohl Gegenwärtigkeit als auch Zuküni'tigkeit dero~ X~Loavv~ 8eoü
ausgesagt werden, meint Käsemann: "die Dialektik von Haben und nicht völlig Haben wird hier in die Gegenwart des Christenstandes hineinprojiziert." Die Gerechtigkeit "wird uns so gegeben, daß sie zugleich immer vor uns liegt und neu ergriffen werden I!Dlß". Auch die technische Formel i\oytz;,ea8~~ dc; tlLx~~oauv~v (vgl. Röm 4, ~. 5. 9. 11. 22; Gal ~, 6) besagt, "daß man die Gerechtigkeit irdisch DUr als zugesprochene, stets angefochtene und zu bewährende Gabe, also im Zeichen der Verheißung und Anwartschaft hat.,,47 1.4. Das Verhältnis von Machtcharakter und Wort charakter der Gottesgerechtigkeit An dieser Stelle muß ich das Referat kurz unterbrechen und Käsemann bei dem zuletzt zitierten Satz behaften. Das Hauptproblem der referierten und noch weiter zu entfaltenden Konzeption scheint mir nämlich die Relevanz der W 0 r t haftigkeit des Heilshandelns Gottes zu seinl Rührt die hier lineartemporal interpretierte Dialektik von Haben und noch nicht völlig Haben vom Machtcharakter der Gottesgerechtigkeit her 48 , die .uns im Anschluß an Röm 5, 6-10 hat, "ehe wir sie ergreifen", und die wir DUr so lang behalten, "wie sie uns hält", so daß man folgern kann: "Die Gabe hat demnach Machtcharakter,,?49 Oder hängt die Dialektik von Haben und doch nicht Besitzen mit der worthaften Präsenz der flLX(UOaUv~ 8eoü zusammen 50 , so daß der
46 47 48 49 50
Vgl. dazu ebda. 67 !Dm. 7~; 70f. Käsemann, aaO. 18~. Zur Kritik vgl. Klein, aaO. ~f. Käs emann , aaO. 18~. Vgl. Stuhlmacher, aaO. 227: "Weil und sofern Gott nach der Meinung des Paulus im niederbrechenden alten Äon erst und nur in der Weise des Wortes an-w·esend ist, ist auch das von Gott SChöpferisch begründete Sein nur und erst in der Weise des Wortes an-wes end (1. Thess. 2, 1~)." "Von diesem Rechtfertigungs- und Seinsverständnis her wird für Paulus die Hoffnung auf das endgültige Zu-seinem-Recht-Kommen Gottes, weil nur so Gott das Sein, das er den Seinen bisher nur als worthaftes Sein gewährt hat, in voller Erfüllung gewähren wird (1. Kor. 15, 19. 28f)." Ebda. 2~6: Rechtfertigung meint eine seinsgründende, worthafte Rechtsmanifestation. "Dieses Wortgeschehen hat Verheißungscharakter.und weist auf die Zeit der endgültigen Rechtsnahme Gottes voraus." - Die Frage ist jedoch, ob solche Aussagen in Stuhlmachers Konzeption eine dominante Rolle spielen.
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"Gottesgerechtigkeit"
behauptete Mac h t charakter der Gottesgerechtigkeit eine Ableitung ihres W 0 r t charakters ist und somit das Ereignis der Gottesgerechtigkeit "im Wort" und als dynamisch sich ausbreitendes und insofern auf seine Fülle angewiesenes Wortgeschehen die theologisch primäre Aussage bleibt? Oder anders: Ist das "im Wort" von Röm 1, 17 eine "sekundäre Bestimmung" einer im Grunde &n'oup~voü (vgl. Röm 1, 18) geschehenden Offenbarung der Gerechtigkeit, so daß das Wort "zur formalen Proklamation von MaCht,,51 und die buv~j.I.L<; 6eoü fälschlich nicht wie in Röm 1, 16 auf das eU~YYE:A~OV sondern implizit auf die b~x~~oauv~ 6eoü bezogen wird? Kurz: Haben Käsemann und seine Schüler noch eine den paulinischen Aussagen adäquate "Lehre von den Gnadenmitteln" oder wurde diese im Verlauf der Polemik zusammen mit der Anthropologie hinweggefegt? Wenn Käsemanns These stimmt, man habe Gerechtigkeit irdisch nur als zugesprochene und des h alb angefochtene, dann hätte jedenfalls der W 0 r t charakter der Gottesgerechtigkeit begründende FUnktion für die gezeichnete Dialektik und man könnte diese Dialektik nicht am Wort vorbei aus dem Mac h t charakter der Gerechtigkeit ableiten, der gegenüber dem Gab e charakter als sachlich primär behauptet und letztlich auf die ontologische Dialektik von Macht und Gabe zurüCkgeführt wird. Ist die hier verhandelte Fassung der Rechtferti~gslehre noch eine theologische Interpretation des christozentrischen Wortgeschehens der x~~aAAay~ (vgl. 2 Kor 5, 18ff)52 oder ist sie vielmehr eine theologische Verschlüsselung einer im Grunde als Denkprämisse sich auswirkenden ontologischen Spekulation, so daß Hans Conzelmanns Warnung vor einer "Verwandlung der Theologie des Wortes in Heilsontologie" berechtigt Wäre 53 ? Ist der Wortcharakter der Gottesgerechtigkeit lediglich ein Interpretament ihres Machtcharakters oder ist umgekehrt deren 11achtcharakter ein Interpretament ihres Wort charakters? Zwar konzediert Käsemann angesichts von 1 Kor 12, 2, daß Gottes nveÜj.l.a / buv~j.l.~<; in Antithese zu den d'bwAa ~d a.cpwv~ "nicht stumm, sondern an das Wort gebunden" ist, und daß die göttliche
=
promissio nach Röm 10, 6ff durch die Bewirkung der nova oboedientia Realität. setzt 54 • Aber gerade diese Konzession läßt nun noch schärfer nach dem Verhältnis vom Wortcharakter und Machtcharakter einerseits, von Wortcharakter und Machtcharakter andererseits fragen. Umschließt am Ende gar der Wort-
51 Conzelmann, Grundriss 242. 52 Vgl. dazu Güttgemanns, Apostel 304ff. 53 Vgl. H. CONZELMANN, EvTh 22. 1962, 233. Aufgenommen bei Klein, aaO. 1. 54 Käsemann, aaO. 189.
IIGottesgerechtigkeit ll
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charakter der Gottesgerechtigkeit sowohl deren Macht- als auch deren Gabecharakter, so daß eine einfache Alternative von Macht und Gabe von da aus begründet abgelehnt werden kann, weil Macht und Gabe sozusagen die beiden Seiten des einen Wortgeschehens sind, das als göttlicher Sprechakt Konkretion göttlicher Macht ist, aber auf der anthropologischen Seite auch Gabe real vermittelt? Es sollte hier zunächst nur das Problem aufgewiesen werden, das aus der Uberakzentuierung des Machtcharakters entsteht. 1.5. Die Umdisposition innerhalb der paulinischen Theologie bei Peter Stuhlmacher Es handelt sich bei diesem Problem wesentlich um eine Änderung der Darstellungsdisposition der paulinischen Theologie, die vor allem Peter Stuhlmacher durchgeführt hat. Wenn nämlich der Wortcharakter der Rechtfertigung der durch alle anderen Aussagen interpretierte primäre Aspekt ist, dann darf man ihn nicht wie Stuhlmacher trotz aller Beachtung der Vermittlung der Gerechtigkeit durch das Wort dem eschatologisch-apokalyptischen Zeitcharakter unterordnen 55 , der zur Wiederherstellung eines im Grunde das Wort verziehtbar machenden Rechts- und Eigentumsverhältnisses eingeengt wird 56 • Dieser Einengung entspricht eine Subordination der Christologie unter die einzig die Theokratie aussagende Eschatologie 57 , so daß der Christus an die eschatologische Zeit, statt die eschatologische Zeit an den Christus gebunden wird. Die Christokratie wird vom Raum zur Soteriologie zum bloßen Medium der Theokratie 58 , so daß 1 Kor 15, 28b zu dem hermeneutischen Schlüsselsatz für die ganze paulinische Theologie erhoben wird. Daß damit die Anthropologie ihren für die
Dar s t e l 1 u n g
der paulinischen
Theologie hermeneutischen Wert verliert, ist klar: Sie wird zur IITiefendimension und Konsequenz" der Eschatologie 59 , in der sich das Recht des 55 56
57
58 59
Vgl. Stuhlmacher, aaO. 203: Die Eschatologie ist der Gesamthorizont der paulinischen Theologie, von dem methodologisch auszugehen ist. Vgl. ebda. 206: "Paulus geht es ••• in seiner Eschatologie nur noch darum, daß Gott zu seiner Zeit zu seinem Recht komme. 11 Ebda. 207 Anm. 2: Hermeneutisch besagt das, IIdaß in die ESChatologie nur noch (!) das gehört, was tatsächlich dem Zu-seinem-Recht-Kommen Gottes dient und als solches verifizieren hilftlI. Ebd. 209: lIV1eil •• auch die Christologie nur im Dienste der Gottesgerechtigkeit steht, muß sie in der Apotheose des Vaters enden: 1. Kor. 15, 28b. 1I Ebda. 210: IIWenn es in der paulinischen Eschatologie tatsächlich (nur noch) darum geht, daß Gott zu seiner Zeit zu seinem Recht kommt, dann ist die paulinische Christologie der Realvollzug dieser Eschatologie, man kann auch sagen: deren Spezifikation." Ebda. 204f: DDie Herrschaft des Christus hat das Ziel, Gottes Gerechtigkeit = das Recht des Schöpfers an der Welt in dieser Welt auch durchzusetzen. 1I Ebda. 206.
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"Gottesgerschtigkeit"
Schöpfers als endlich unwidersprochenes Recht zeigt 60. Aber auch die Ekklesiologie ist nur eine Funktion der wiederum der Theokratie untergeordneten Christokratie 61 : Ekklesiologisches Sein gV XpLa.iji ist militia Christi 62; das Recht bringt den A,oyoe; .oi! a.cxupoi! und die 0 LCXXOVtCX .fje; natürlich nicht beabsichtigt, aber de facto zum Schwei-
xcx.CXA,A,CXyfjc;
gen. "Die Gerechtigkeit ist •••• die vom Geist verliehene, in den Gotteskampf eingliedernde Macht der präsenten ßcxaLA,Etcx ", wofür Röm 14, 17 Beweis sein SOl163. Damit ist klar, daß der Machtcharakter den Wort charakter de~ Gottesgerechtigkeit so radikal in seinen Sog gezogen hat, daß er hinter der Theokratie verschwindet. Damit ist ebenfalls klar, wie stark sich diese NeugrUppierung der paulinischen Theologie von der Anordnung Bultmanns unterscheidet. Eine zunächst nebensächlich erscheinende Differenz in der semantischen Position zieht hier eine radikale Umdisposition nach sich. Darauf kann ich heute nur kurz eingehen. 1.6. Die theologische Differenz zwischen Ernst Käsemann und Rudolf Bultmann 1.6.1. Die von Käsemann bei der durch Bultmann vertretenen Betonung des Gabecharakters gewitterte und durch die Dialektik von Macht und Gabe abgewehrte ~ ist die der Ablösbarkeit der Gabe vom Geber 64 , die die Gabe in den Beschenkten habitualisiert und diese somit nicht mehr unbedingt zum Dienst verpflichtet und ihren Dienst ermöglicht 65 • Es geht m. a. W. um die weder sachlich noch chronologisch zu trennende Einheit von Rechtfertigung und Heiligung und innerhalb dieser Einheit um die an der grundsätzlichen Dialektik des Pls orientierte historische Frage, "aus welcher einheitlichen
60
Ebda. Anm.2: "Die Anthropologie soll •• die SChöpfergewalt der OLXCXLoauvTj BEOÜ eindeutig darlegen." 61 Ebda. 214. 62 Ebda.: "die Kirche ist das Aufgebot Christi und damit in gewissem Sinne die Antezipation der von Gottes bLXCXLOaUvTj gemeinten, kommenden, neuen, gehorsamen Welt." 63 Ebda. 224. 64 Vgl. Käsemann, aaO. 182 Anm. *: Absicht des Aufsatzes ist der Beweis, "daß von der Tradition her der Sinn 'heilsetzende Macht' weiterwirkt, direkt bei Paulus nur selten begegnet, aber durchweg die Anschauung von der göttlichen Gabe qualifiziert, so daß Gabe und Geber untrennbar bleiben." Ebda. 186: "Die hier mi tgeteil te Gabe ist nicht und nie von ihrem Geber ablösbar. Sie partiZipiert sm Charakter der Macht, sofern in ihr Gott selber auf den Plan tritt, und mit ihr auf dem Plane bleibt. So ist mit ihr unablösbar auch Anspruch, Verpflichtl.:.ng und Dienst verbunden." 65 Ebda. 183: "Paulus kennt keine Gabe Gottes, die uns nicht zum Dienst verpflichtete und unseren Dienst ermöglichte."
"Gottesgerechtigkeit"
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Mitte heraus er präsentische und futurische Eschatologie, 'gerecht erklären' und 'gerecht machen', Gabe und Dienst, Freiheit und Gehorsam, forensische, sakramentale und ethische Betrachtungsweise miteinander verbinden konnte", die sich in die existentiell-hermeneutische Frage verwandelt, "ob wir diese Dialektik noch voll~iehen können und müssen,,66. 1.6.2. In der Tat ist damit ein entscheidendes Stadium in der Auseinandersetzung zwischen Käsemann und Eultmann erreicht. Denn nun kommt alles darauf an, wie Käsemann die Frage nach der einheitlichen Mitte der paulinischen Dialektik beantwortet, ob am Ende die ontologische These von der Gabe als Macht gegenüber der Funktion des Wort geschehens das Feld behält und damit die Abwehr einer befürchteten Fehlakzentuierung innerhalb der Theologie des 1'ls selbst zu einer Verzeichnung der Textaussagen zur 0 L xaL OOUVT] 6E:oÜ wird. Ich bereite die Begründung dieses kritischen Einwandes mit der Frage vor, ob man Bultmann denn mit guten Gründen die Ablösung der Gabe vom Geber und deren Habitualisierung vorwerfen kann, so daß Bultmann von der durch Käsemann abgewehrten Gefahr überhaupt betroffen ist. 1.6.3. Käsemann faßt diese Abwehr in der richtigen These zusammen, die in Analogie zur hellenistischen Mystik formulierte Aussage vom otXE:rV Geistes (Gottes)
SV Ufl.i:'v
(~fl.rV
ja vom Leben des Christus EV Efl.0(
des
) (Röm 8,9. 11; 1 Kor 3, 16)67,
(Gal 2, 20)68 sei gerade eine Radika-
lisierung des Christus extra nos, weil der Geist als ein die Liebe in unseren Herzen ausgießender Geist (Röm 5, 5) als Macht unser Herz als Ansatzpunkt ergreift (vgl. Röm 2, 29; 2 Kor 1, 22; Gal 4, 6)69 1 "Herrschaft über uns verwirklicht sich ganz, wenn sie Gewalt auch über unser Herz gewinnt und uns in ihren Dienst nimmt. Umgekehrt ist alle Gabe, welche nicht mehr als Präsenz ihres Gebers gedeutet wird und darum den Charakter des Anspruchs behält, mißbrauchte und zu unserem Unheil wirkende Gnade.,,70
66 67 68
69 70
Ebda. 184. Vgl. dazu Güttgemanns, Apostel 271ff. Seit T. SCHMIDT, Der Leib Christi. 1919, 72ff. 84ff sieht die 'm1stisehe' Interpretation der paulinischen Theologie in XPLO'C0 s SV E:fl.0L die Umkehrung des 'mystischen' EV XPLO'tQ • Vgl. dazu Güttgemanns, aaO. 21f. Vgl. ebda. 282f Anm. 3. Käsemann, aaO. 187.
"Gottesgerechtigkeit"
72
1.6.4. Aber deutet denn Eultmann wirklich in dem hier abgewehrten Sinne die Gabe der Gottesgerechtigkeit nicht mehr als "Präsenz des Gebers"? Ist denn der Käsemanns Abwehr vergröbernde Vorwurf Wilhelm Dantines wirklich angebracht, nach Eultmann sei die Gottesgerechtigkeit "im Sinne der antiken iustitia distributiva zu verstehen" und sie werde "als 'Gabe', die sich verselbständigen kann, den 'Begabten' als Ausweis, Ruhm und Sicherung zur Verfügung gestellt,,71? Kann man in einer weiteren Vergröberung Eultmann in eine frühere, durch Käsemann abgelöste Periode abschieben, in der eine "Einbettung und Einschließung der Rechtfertigung in einen individual-psychologischen Prozeß,,72 stattgefunden habe, kann man weiter davon sprechen, daß bei Käsemann die "Rechtfertigungslehre nicht im früheren Ausmaß auf den religiösen Reifeprozeß des einzelnen Christen bezogen U sei 73 ? Kurz: Ist Eultmann durch eine derartige, sich immer mehr verschärfende und vergröbernde Kritik überhaupt betroffen? 1.6.5. Ich habe an anderer Stelle zu zeigen versucht, daß Bultmanns ganzes Denken in Verfolgung der lutherischen Tradition die promissio evangelii radikal als verbum efficax und sacramentum audibile versteht, also den für manche wohl 'mythologischen Rest' der sakramental-worthaften sen z
R e alp r ä -
behauptet, und wie aus dieser Behauptung und ihrer Spannung zu
dem herkömmlich-'historischen' Denken auch zahlreiche immanente Aporien der Theologie Eultmanns entstehen 74 • Diesen Nachweis setze ich hier der Kürze halber voraus. Sollte an ihm etwas Richtiges sein, dann hätte man allen Grund, Käsemanns Kritik als unberechtigt abzuweisen, sofern Bultmann selbst in seiner eigenen Theologie von ihr betroffen sein soll. Wo das Wortgeschehen in dieser Weise als das wirksame Sakrament verstanden wird, da kann man ja nicht mehr die Gefahr der Ablösung der Gabe vom Geber und die Gefahr ihrer Habitualisierung am Menschen beschwören; da impliziert die Gabe wegen der Worthaftigkeit ihrer Vermittlung gerade die Realpräsenz ihres Gebers. Die Gefahr der Habitualisierung wäre nur dann gegeben, wenn das verbum efficax sich sozusagen selbst Überflüssig machte, nachdem es am Menschen zur Wirksamkeit gelangt ist. Aber das ist ein für Bultmann unvollziehbarer Gedanke, weil hier das ständige Angewiesensein des Menschen auf das Wort der Rechtfertigung betont wird.
71 72 73 74
Dantine, aaO. 87. Ebda. 91. Ebda. 94. E. GtlTTGEMANNS, Rez. W. Schmithals, Die Theologie Rudolf Eultmanhs. 1966; in: TheolPract 3. 1968, 87-100.
"Gottesgerechtigkeit"
73
1.6.6. Dieses Angewiesensein und -b1eiben des Menschen auf die promissio iustificationis wird gerade gewahrt durch die von Käsemann als Ersetzung des Momentes "des handelnden und schaffenden Gottes, der sich im Evangelium durchsetzt, durch das andere einer anthropologischen Vorgegebenheit,,75 kritisierte Paraphrase von Röm 1, 16 durch Bu.ltmann: "Die Möglichkeit zum Heil ist das Evangelium. ,,76 Denn diese Paraphrase soll nach Bu.ltmanns Selbstverständnis nicht den Synergismus des 'Entscheidungs-Aktionismus' und so eine anthropologische Vorgegebenheit und Habitualisierung der göttlichen Gabe bezeichnen. Nach Bu.ltmanns Darstellung des paulinischen Befundes ist die
O~X(UOOUVT]
als "die Bedingung für den Empfang des Heils,,77 gegenüber dem jüdischen Weg der Werke des Gesetzes als 0 ~ X(U OOUVT] 6e:oü ,dh. als "von Gott geschenkte, zugesprochene Gerechtigkeit,,78 "die neue Möglichkeit der 0 ~ xa.~ OOUVT]
". Die 'Möglichkeit' wird also an Gottes stets in Zukünf-
tigkeit 'eschatOlogisches' Wortgeschehen gebunden, so daß sogar die Bedingung für den Heilsempfang von Gott selbst geschenkt wird 79 • Dieses forensisch-eschatologische Vlortgeschehen bewirkt die Gegenwärtigkei t der 0 ~ xa.~ 0OUVT] 80. Diese Gegenwärtigkeit ist trotz der Paradoxie der Präsenz-Behauptung kein Sein im "als_ob,,81 etwa im Sinne eines Kunstgriffes Gottes und auch kein im Rahmen einer "Theologie der Hoffnung" als prozessuale Prolepse verstandenes Geschehen, das erst
am
Ende der die Universa1geschichte
zu einer vergangenheit lichen und damit erst in ihrem Sinn erkennbar machenden hegelschen Seinsverwirklichung a1s "wirkliches" Geschehen anzusprechen ist. Aus der von Bu.ltmann konzedierten Dialektik von Macht und Gabe und aus der Spannung von Gegenwart und Zukunft ist nicht zu folgern, "daß die o~x. 6e:oü nicht ein Geschenk sei, das der Glaubende als Glaubender doch schon empfangen hat,,82. Das (btOXa.AUlt'te:06a.~
der 0 ~xa.~OOUvT] 6e:oü in
der Predigt (Röm 1, 17) meint eben. "daß durch die Predigt die Gerechtigkeit zur (im Glauben realisierten) Möglichkeit für den Hörer der Predigt wird,,83. Da die ltL o'n C; als Realisierung der 'Möglichkeit' ebenso wie die den EPYa. v6~ou und der xa.UXT]O~C;
xap ~ C;
gegenübersteht, kann die ltLO't~S
nie-
mals eine anthropologische Vorgegebanheit sein. Wie die Gnade worthaft geschenkt wird, so bleibt auch die Gerechtigkeit "reines Geschenk ll84 : "Die o ~ xa.~ 06sv'tc:C;
75
haben nicht eine inhärierende Q1ali tät.,,85 Vie1mehr macht
Käsemann, aaO. 186 Anm. 4. In zumindest terminologischer Spannung steht dazu ebda. 189: Die uns geschenkte Gerechtigkeit "ist die Möglichkei t des Zuganges zu Gott". 76 Bu.ltmann, Exeget. 473 Anm. 6. 77 Ders., Theol. 272. 78 Ebda. 285. 79 Ebda. 272. 80 Ebda. 275-280. 81 Vgl. ebda. 276f. 82 Ders., Exeget. 473. 83 Ders., Theol. 275. 84 Ebda. 281. 85 Ders., Exeget. 473.
"Gottesgerechtigkeit"
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die Versöhnung ( 2 Kor 5, 18ff) deutlich, "daß eine völlige Umkehrung des 86 Verhältnisses zwischen Gott und den Menschen stattgefunden hat" 1.Q.2i1 ist und bleibt der Gebende, weil er der im Evangelium Sprechende bleibt; der Mensch ist und bleibt der Empfangende, weil er der im Glauben Hörende ~.
Diese Relation ist unumkehrbar und Bultmanns Darstellungsweise hat
sie gewahrt. Nur Verzeichnung und Verkennung der im Zwang zur existentialen Objektivation der wissenschaftlichen Darstellung begründeten Funktion der Anthropologie, die mit der Theologie als existentiellem Vollzug nicht zu verwechseln ist, könnte hier die Vorwürfe Dantines gerechtfertigt finden. 1.6.7. So kehrt sich die kritische Infragestellung als eine an Käsemann gerichtete um: Inwiefern geht es bei der Dialektik von Haben und noch nicht völlig Haben der Gottesgerechtigkeit um das Angewiesenbleiben des Glauben.
~
auf das göttliche
Angewiesen~
der
!2!1 der Rechtfertigung und nicht um das ontologische
!!1!
auf die der Geschichte aufprojizierte dialektische
Selbstverwirklichung der Gabe Gottes als Macht dessen, der erst am Ende der Universalgeschichte das wird, was der Gabe für den dialektischen Geschichtsprozeß der Macht nur ontologisch beigegeben ist? Oder anders: Geht es beim Wortgeschehen der Rechtfertigung primär um die an der Geschichte sich objektivierende Selbstverwirklichung
~
als universal umgreifende
Macht,
die die Welt in Gestalt der Gabe für diesen göttlich-geschichtlichen Prozeß beschlagnahmt, oder geht es in dem Wortgeschehen der Rechtfertigung der Gottlosen primär um die im Christusereignis als Sprachereignis dem Menschen extra se worthaft beigelegte Verwirklichung des Menschen, in der auch Gott "zu seinem Recht ko=t", weil nun Schöpfer und Geschöpf in
rechter Rela-
tion zueinander stehen, ja weil Gott in Jesus Christus den Menschen als eine Möglichkeit seiner selbst gemeint hat, in der er gerade er Mensch
~?
~
bleibt, obwohl
Man muß die Alternative ja wohl einmal so radikal aufstel-
len, um zu verdeutlichen, daß auch Käsemanns Position nicht über jeden Einspruch erhaben ist, wie es nach Dantine erscheinen könnte 87 • 1.6.8. Nun könnte man einwenden, bisher hätte ich viel zu dogmatisch argumentiert; entscheidend sei ja der exegetisch-linguistische Befund. Ich werde mich diesem Einwand sofort stellen und diesen Befund im Gespräch mit Käsemann klären. In diesem Abschnitt mußte Jedoch darauf verwiesen werden, daß es im Streit zwischen Käsemann und Bultmann eben nicht nur positivistisch um den Befund geht, sondern auch um die Darstellungskategorien hermeneutischer Art,
86 Ders., Theol. 286. 87 Dantine, aaO. 84ff.
"Gottesgerechtigkeit"
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die uns den "Befund" überhaupt als solchen darzustellen und einer Gesamtkonzeption der paulinischen Theologie einzuordnen gestatten. Der Streit um den linguistisch-semantischen Befund ist als solcher bereits ein theologischer Streit; Semantik und theologische Deskription bilden eine Einheit. Man darf wohl mit Grund sagen, daß die von Käsemann immer wieder in Anspruch genommene Position des Historikers keineswegs so inhaltlich-dogmatisch unbelastet ist, wie es oft erscheint88 •
2. Linguistische Grundprinzipien für die semantische Analyse des Syntagmems OLxaLOOUV~ 8EOÜ Die theologische Bewertung des semantischen Befundes in der herkömmlichen Exegese bedient sich de facto durchaus einiger linguistischer Prinzipien. Dies gilt sowohl für Käsemanns traditionsgeschichtliche Deduktion als auch für Kleins primär innerpaulinische Interpretation von
OLxaLOOUV~
6e:oü.
Die Schwäche dieser impliziten Linguistik ist freilich, daß sie selten zu einer methodologisch-begrifflichen Klarheit gelangt. 2.1. Käsemann beginnt seine religionsgeschichtliche Deduktion mit der These, daß das Syntagmem
OLxaLOOUv~ 6e:oü "keine paulinische Schöpfung" sei, son-
dern sich unabhängig von PIs in Mt 6, 33; Jak 1, 20 finde und traditionsgeschichtlich über das Spät judentum (Test Dan 6, 10; 1 Q S XI, 12) bis zu Dt 33, 21 zurückzuverfolgen sei. Methodisch folge aus der Übernahme einer festen Formel durch PIs zweierlei: Einmal, "daß seine Wendung von der Gottesgerechtigkei t nicht von vornherein dem allgemeinen Begriff 0 L xaL oou v~ subsumiert und damit ihrer Eigenart beraubt werden" dürfe. Zum anderen präjudiziere die traditionsgeschichtliche Herkunft der Formel den Horizont ihrer paulinischen Bedeutung dadurch, "daß im alttestamentlich-jüdischen Bereich Gerechtigkeit primär nicht eine persönlich-ethische Qualität, sondern eine Relation" meine 89 , die mit K. Hj. Fahlgren und Klaus Koch als "GemeinsChaftstreue";lO und damit als "Heilshandeln" zu bezeichnen sei, "das sich in der Gabe niederschlägt, ohne darin völlig aUfZUgehen,,91. Beides erweise
88 89 90
91
Zur Begründung vgl. Güttgema~-lls, Offene Fragen 10-13. Käsemann, aaO. 185. K. Hj. FAHLGREN, ~ed~a, nahestehende und entgegengesetzte Begriffe im Alten Testament. Diss. Uppsala 1932; K. KOCH, sdq im Alten Testament. Diss. Heidelberg (Typookript) 1953; DERS., Wes~n und Ursprung der "Gemeinschaftstreue" im Israel der Königszeit. ZBE 5. 1961, 72-90. Weitere Lit. und kritische Einwände bei E. GÜTTGEMANNS, VF 12/2. 1967, 83f. Käsemann, aaO.
"Gottesgerechtigkeit"
76
das der griechischen Theologie entstammende Verständnis der Gottesgerechtigkei t als göttlicher Eigenschaft als falsch: "ll. LxaL oauv1l ee:oii ist für Paulus wie für das Alte Testament und Judentum nomen actionis, handelt also nicht von dem an sich seienden, sondern von dem sich offenbarenden Gott.,,92 2.2. Mit beiden methodischen Folgerungen aus der traditionsgeschichtlichen Deduktion des paulinischen Terms sind wesentliche Prinzipien jeder philologisch-historischen Exegese von Sprachwerken auf dem Plan, deren Berechtigung vor allem linguistisch zu fundamentieren oder zu bestreiten ist. Unter Linguistik verstehe ich in diesem Zusammenhang die Methodologie der exakten deskriptiven Analyse aller sprachbezogenen geisteswissenschaftlichen Disziplinen, vor allem jedoch der im engeren Sinne 'philologischen' Wissenschaften9~. Im Rahmen der Linguistik sind beide methodische Folgerungen Käsemanns zumindest strittig, wenn nicht sogar sehr anfechtbar. Diese Anfechtbarkeit will ich zunächst von der herkömmlichen theologischen Terminologie in die exakt linguistische Terminologie überführen. Dabei.kann ich an die Kritik Kleins anknüpfen, der betont, "daß kein begriffs geschichtliches Gefälle sich mit Naturgewalt Bahn bricht, sondern 1m jeweiligen Akt von Sprachaneignung als Ganzes auf dem Spiele steht. Methodisch bedeutet das die Priorität der Interpretation vor der religionsund traditionsgeschichtlichen Deduktion.,,94 So kann die Analyse des vor2.~.
und aUßerpaulinischen Sprachgebrauchs "die :Klärung des paulinischen nicht präjudizieren, sondern nur anbahnen", so daß wir gezwungen sind, "die Entscheidung über die paulinische Rechtfertigungslehre einzig auf der Basis derjenigen Texte zu suchen, in denen sie sich ausspricht.,,95 2.4. Der traditionsgeschichtlichen Deduktion des terminus technicus 0 LxaLoaU\A1l ee:oii durch Käsemann einerseits steht also eine primär innerpaulinische Begriffsfüllung bei Klein auf der anderen Seite gegenüber. Auf beiden Seiten wird ein an sich berechtigtes linßBistisches Prinzip vertreten. Beide Positionen sind darum in bezug auf ihre faktischen linguistischen Prämissen sorgfältig gegeneinander abzuwägen.
92 9~
94 95
Ebda. 187. Das Folgende ist näher dargelegt und begründet bei Güttgemanns, Offene Fragen 22ff. Klein, aaO. ~. Ebda. 6. Ähnlich Conzellnann, Grundriss 241: "tlber den Befund bei Paulus ist aus seinem eigenen Gebrauch zu entscheiden."
"Gottesgerechtigkeit"
77
2.4.1. Käsemann betont mit Recht, daß die Verbindung 6~){cnoouvT) 6e:oü als terminus technicus nicht wie ein Begrii'fsaggregat aus zwei zunächst für sich bestehenden und hinterher durch die syntaktische Struktur des Genetivs addierten Termen (ElL){cx.~OOUvTJ + 6e:oü ) behandelt werden darf, sondern bei Pls eine stereotype synsemantische Verbindung, ein technisches Syntagmem sei, eine begrifflich-gestalthafte Einheit sozusagen, die nicht zunächst analytisch in ihre Bestandteile zerlegt werden dürfe, um dann wieder begriffsgeschichtlich synthetisiert zu werden. Damit beachtet Käsemann ein wichtiges Prinzip der textlingQistischen Semantik oder der Textsemantik96 , Die syntagmatischen Strukturen, also zB. die Genetiv-Verbindung, sind keine Additionen zunächst für sich bestehender Einheiten; sie sind vielmehr die auf den Satz oder auf den "Text" projizierte 'Bedeutungsmatrix, die den Satz oder den "Text" in semantische Sub phänomene innerhalb der mit dem Satz oder mit dem "Text" gegebenen semantischen Isotopie gliedert. Oder einfacher: 6~){cx.~oouvTJ 6e:oü sind nicht zwei durch eine Genetiv-Verbindung verknüpfte Lexeme, sondern ein nicht zu zergliederndes Syntagmem. 2.4.2. Es kommt nun alles darauf an, ob Käsemann und seine Schüler dieses Prinzip angesichts des Textbefundeswirklich durchhalten und durchhalten können. Denn die Voraussetzung der semantisch-strukturellen Einheit des Syntagmems ist allerdings seine FUnktion als terminus technicus, also seine stereotype synsemantische Verwendung an einem stereotypen "Sitz im Leben". Damit müßten eigentlich alle Stellen aus der Begriffsgeschichte ausscheiden, an denen dieses stererotyp-synsemantische Syntagmem nicht vorliegt, sondern etwa bloßes 6~){cx.LOOUVTJ bzw. (il)piS 97. tlbrig blieben dann aus dem atl-jüdischen Bereich nur Dt 33, 21 98 , Test Dan 6, 1099 ; 1 Q S X, 23. 25 100 ; 1 Q S XI, 12 101 ; 1 Q M IV, 6 102 und mit Einschränkungen äth Hen 71, 14 103 , wenn man die dort angeführte Verheißung während der Inthronisation Henochs zum Menschensohn ("die Gerechtigkeit des betagten Hauptes verläßt dich nicht") als Umschreibung des stereotypen Syntagmems gelten läßt. Alle anderen Stellen des von Stuhlmacher angeführten Minimalkatalogs (zusätzlich noch äth Hen 99, 10; 101, 3; 4 Esr 8, 36)104 entfallen, weil
Vgl. oben Anm. 13. Damit unterliegt die Bogriffsanalyse lingQistischen Einwand. 98 Vgl. dazu Stuhlmacher, aaO. 142-145. 99 Vgl. dazu ebda. 170f. 100 101 Vgl. dazu ebda. 154f. 102 103 Vgl. dazu ebda. 168. 104 96 97
von Stuhlmacher einem erheblichen Vgl. dazu ebda. 155f. 159. Vgl. dazu ebda. 163f. Vgl. ebda. 175.
78
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dort gar kein stereotypes synsemantisches Syntagmem, sondern eine Auflösung desselben steht, die wie die Fülle der anderen Belege aus dem AT 105 , in der Apokalyptik 106 und in den nicht in diesem pauschalen Sinne zur Apokalyptik zu rechnenden Qumrftn-Texten (1 Q H; 1 Q M; 1 Q P Hab; CD)107 beweist, daß man eben keineswegs von einem unauflösbaren stereotypen synsemantischen Syntagmem sprechen kann. Dabei sehe ich noch von dem völligen Fehlen der Analyse des strukturellen Kontextes, des synsemantischen Umfeldes des angeblich stereotypen Terms und seiner linguistischen Makrostruktur bei Stuhlmacher ab 108. Kurz: Angesichts des linguistischen Befundes verliert Käsemanns an sich richtiges linguistisches Prinzip erheblich an Stringenz, weil das Prinzip ständig durchbrochen wird und durchbrochen werden muß, um aus den 6 bzw. 7 jüdischen Stellen überhaupt einen traditionsgeschichtlich auswertbaren Befund herauszudestillieren. Es spricht also sehr viel für Conzelmanns Urteil: "An keiner einzigen jüdischen Stelle ist der Ausdruck terminus technicus.,,10 9 2.4.3. Kleins linguistische Prinzipien könnte man in einer spezifisch linguistischen, von Ferdinand de Saussure geprägten, Terminologie folgendermaßen umformulieren: Dem Menschen als l;;ijiov "A.oyov EXOV 110 ist die langue als kollektiv-soziologisches Sprachsystem zwar vorgegeben und insofern auch als sprachsoziologische Tradition verbindlich für das eigene Denken und Sprechen. Aber der "jeweilige Akt von Sprachaneignung", die parole, aktualisiert und modifiziert die ontologisch vorgegebene langue im Zirkel. Deshalb muß ein konkreter Sprachgebrauch eines IndiViduums, die individuelle langue, zunächst als Sprachstruktur eben dieses Individuums, oder richtiger: dieses "Textes" analysiert werden, bevor sie zur langue als diachronisches Gebilde in Beziehung gesetzt wird 111 • Mit der Generativen Transformationsgrammatik kann man auch sagen:Die "Text"-Erzeugung ist eine Performanz-Erscheinung einer ihr zugrunde liegenden Kompetenz, wobei jeder "Text" oder jede "Text"-Art aus einer spezifischen Struktur dieser Kompetenz generiert wird.
105 Vgl. dazu ebda. 113-145. 106 Vgl. dazu 107 Vgl. dazu ebda. 159-165. 108 Ähnliche schwerwiegende linguistische Einwände Das paulinische Evangelium I. (FRLANT 95) 1968 GE1~S, VF 15/2. 1970, 71-74. 109 Conzelmann, Grundriss 241. 110 Aristot., pol. I, 1, 1253a, 10; pol. VIII, 13, 111 Vgl. dazu Güttgemanns,Offene Fragen 50ff.
ebda. 146-148. 166-174. sind bei P. STUHLMACHER, zu erheben. Vgl. E. GtlTT1332b, 4.
"Gottesgerechtigkeit"
79
2.4.4. Auch damit ist ein wesentliches Prinzip der strukturalen Linguistik auf dem Planl Die synchronische (oder statische) LinßHistik hat die sachlich-methodische Priorität vor der diachronischen (oder evolutiven) Linguistik 112 • De Saus sure hat der strukturalen Linguistik eingeprägt, daß man die synchronische Linguistik der Sprachstruktur nicht mit der diachronischen Linguistik der Sprachentwicklung vermengen darf, "denn die Sprache ist ein System von bloßen Werten, das von nichts anderem als dem augenblicklichen Zustand seiner Glieder bestimmt wird,,11 3 • Für die Fakten der langue gilt in bezug auf das B e w u ß t s e i n des die langue in der parole aktualisierenden Sprechers: "Als erstes fällt einem beim Studium der Sprachtatsachen auf, daß für den Sprechenden das Sichforterben derselben in der Zeit nicht vorhanden ist: für ihn besteht nur ein Zustand." Man kann die Sprache "weder beschreiben noch Normen für ihren Gebrauch geben, ohne sich auf den Standpunkt eines gewissen Zustandes zu stellen.,,114 Vor allem für eine soziologisch begründete Formgeschichte ist dieses synchronische Prinzip der strukturalen Sprachsoziologie überaus wesentlich, denn die von der Formgeschichte analysierten Formen begegnen uns zunächst einmal in Gestalt von (jetzt schriftlichen) "Texten", also in Gestalt von (die parole in der Schriftlichkeit als einem eigenständigen sprachlichen Struktursystem und Medium objektivierenden ) Sprach wer k e n, die zunächst einmal als in sich eigenständiges Strukturgebilde linguistisch analysiert werden müssen, ehe sie zu anderen Strukturgebilden in eine diachronische oder strukturellsynchronische Beziehung gesetzt werden dürfen. Solche Erkenntnisse haben sich für mich seit einiger Zeit zu der Methodik der sog. "Textlinguistik" verdichtet 115 , die auch den Hinweis Coserius aufnimmt, daß die Unterschei-
112 F. de SAUSSURE, Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft, hg. v. Ch. Bally u. A. Sechehaye, u. M. v. A. Riedlinger übers. v. H. Lommel. (franz. 1916) 2. Aufl. 1967, 93ff. 113 Ebda. 95. 114 Ebda. 96f. 115 V. SKALI~KA, Text, Kontext, Subtext. Slavica Pragensia 3. 1961, 73-78; M. BENSE, Theorie der Texte. 1962; DERS., Einführung in die informationstheoretische Ästhetik. (rde 320) 1969; K. E. HElDOLPH, Grundprobleme einer Texttheorie. 1964; K. HAUSENBLAS, Uber die Bedeutung sprachlicher Einheiten und Texte. TLP 2. 1966, 59-69; P. HARTMAJUi, Text, Texte, Klassen von Texten. Bogawus 2. 1964, 15-25; DEBS., Textlinguistik als neue linguistische Teildisziplin. Replik 1/2. 1968, 2-7; DERS., Zum Begriff des sprachlichen Zeichens. Zeitschr. für Phonetik 21. 1968, 205-222; R. HARWEG, Pronomina und Textkonstitution. (Eh Poetica 2) 1968; W. A. KOCH, Vom Morphem zum Textem. (Olms Paperbacks 35) 1969; E. LEIBFRIED, Kritische Vliflsenschaft vom Text. 1970; E. GUTTGEMANNS, Thesen zu einer "Generativen Poetik des NT". LingBibl 1. 1970, 2-5; DERS., Zeichnerische Darstellung der "Generativen Poetik". Ebda. 6; DERS., Anleitung zur Entzifferung der Zeichnung. Ebda. 7f; DERS., Struktural-generative Analyse der Parabel "Vom bittenden Freund" (Lk 11, 5-8). LingBibl 2.
80
"Gottesgerechtigkeit"
dung von Synchronie und Diachronie lediglich methodischer Art und nicht einfach mit der Unterscheidung zwischen 'historischer' und 'strukturaler' Betrachtung identisch ist 116 • 2.5. Für die psulinische Textanalyse ergibt das synchronische Prinzip praktisch, daß PIs nur an 7 Stellen (Röm 1, 17; 3, 5. 21. 22; 10, 3 (zweimal); 2 Kor 5, 21) von insgesamt 50 Stellen für das Nomen 0 ~xcnoauv,., ~ , 6 e;ou- verwendet 117 • Daß dieses Syntagsynsemantische Syntagmem 0 ~ xa.~ oauv,., mem jedoch kein im strengen Sinne stereotypes und technisches Syntagmem ist, geht aus seiner Zertrennung durch yo:p (Röm 1, 17) und 0 E; (Röm 3, 22), sus seiner Umstellung zu 6e;oü o~xa.~oauv,., (Röm 3, 5; 10, 3 einmal), der Hinzufügung des Artikels zu 6e;oü (Röm 10, 3 zweimal) und aus der Auflösung ~ lx 6e;oü o~xa.~oauv,., als distinktive Opposition zu ~ EX v6~ou o~xa.~oauv,.,
(Phil 3, 9) hervor. Ein terminus technicus hat zwar ein syn·· semantisches Umfeld, duldet jedoch keine syntaktische Veränderung, die oft
auch die gesamte syntaktische Struktur des Satzgebildes, etwa die Wortfolgeordnung, tangiert 118 • Ein terminus technicus ist ja seiner strengen linguistischen. Definition nach eine stereotype Einheit oder Mikrostruktur, deren funktionaler Wert (valeur) für die sie umgebende Makrostruktur stereotyp bleiben muß 119 • Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn die syntaktischen valeurs der Terme sich infolge von Zerbruch, Erweiterung oder Umstellung des Syntagmems verändern, weil die Syntax ein grundlegender Aspekt der langue auch in semantischer Hinsicht ist 120 • Nach strengen linguistischen Maßstäben blieben so allenfalls zwei Stellen für das stereotype Syntagmem o~xa.~oauv,., 6e;oü übrig (Röm 3, 21; 2 Kor 5, 21), die aber dem Gesamtbe!und nach niemals einen terminus technicus belegen können. Außerdem sind beide Stellen als mögliche vorpaulinische Tradition unter Umständen für das Verständnis des PIs nicht charakteristisch.
116 117 118 119 120
1970, 7-11; DERS., Einige wesentliche Denkmodelle der Semiotik. LingBibl 3. 1971, 2-18, bes. 16-18. - In den USA ist der Textlinguistik die "Dis course Analysis" zu vergleiChen. Vgl. Z. S. HARRIS, Discourse Analysis. Language 28. 1952, 1-30; DERS., Discourse Analysis Reprints. Papers on Formal Linguistics 2) 1963. E. COSERIU, Synchronie, Diachronie und Typologie. (1968); in: ders., Sprache 71-88; DERS., Sincron1a, Diacron1a e Historia. 1958, Nachdr. 1969. Auf diese Stellen beschränkt sich such Stuhlmacher, aaO. 74-101. Chomsky, Aspekte 162f. Vgl. Alonso-Schökel, Sprache Gottes 107: "Worte und Formeln erlaIl.gen bei gleichbleibender Funktion besonders in einem bestimmten Zusammenhang eine gewisse Verfestigung, sie werden zu Fachausdrücken." P. HARTMANN, Syntax und Bedeutung I. 1964.
"Gottesgerechtigkeit"
81
2.6. Zu diesem GesamtbefUnd gehört auch die von Stuhlmacher unterlassene Analyse des Verbums (lLXCUOÜV/o~){(uoüaea.~ (25 Stellen in Röm, 1 Kor, Gal) Gal) 121 sowie eine systematische Wortfeldanalyse von 0 t xa.~ oe; (10 Stellen in Röm, Gal, Phil) , O~){a.~oxp~ata. (Röm 2, 5), o~xa.tWIJ.a. (Röm 1, 32; 2, 26; 5, 16. 18; 8, 4), b~xa.twe; (1 Kor 15, 34; 1 Thess 2, 10) und (Röm 4, 25; 5, 18), also eine semantische Strukturanalyse der Lexeme des Semantems * o~xa.~o-, das früher als Variante des Semantems * OE~XV- angesehen wurde 122 • Für den Linguisten steht also die strukturale Wortfeldanalyse erst am Anfang; ihre methodischen Gesichtspunkte und Fragestellungen warten noch auf ihre Anwendung.
o~xa.twa~e;
2.6.1. ZU einer solchen Wortfeldanalyse würde unabdingbar einmal die synchronisch-linguistische Analyse der mit dem Semantem * o~xa.~osynsemantischen Termen gehören. Dabei müßte das analytische Prinzip der sog. distinktiven OPPositionen 123 und auch die Beachtung der unterschiedlichen valeurs aller am Wortfeld beteiligten Terme die Analyse bestimmen. 2.6.2. Zum anderen müßte eine solche Analyse als diachronische auch die Frage nach den Veränderungen der valeurs und damit der gesamten sprachlichen Struktur implizieren und so allererst eine historisch nach den synchronischen und diachronischen Aspekten der am synsemantischen Umfeld beteiligten valeurs geschichtete Darstellung begründen, die den Namen "Traditionsgeschichte" wirklich verdient. 2.6.3. Endlich würde sich bei einer solchen Analyse auch ergeben, ob der geistige Horizont des paulinischen Terms mittels des ·an sich in der Linguistik überholten Prinzips der VorstellUngsassoziation 124 überhaupt noch als im weiteren S:i.nne "atl-jüdisch" anzusprechen ist, oder ob die hier als Methode vorausgesetzte Traditionsgeschichte von einzelnen Termen gerade sprachsoziologisch eine ziemlich merkwürdige Abstraktion des tatsächlichen sprachlichen Vorgangs ist 125 • KUrz: Käsemanns Thesen erscheinen durch Stuhlmachers linguistisch überaus fragwürdige Methodik im Gegensatz zu Dantines Urteil
121 Vgl. Stuhlmacher, aaO. 6 (Vorwort). 271 Anm. 2. Vgl. dagegen Klein, aaO. 5 Anm. 10. 122 J. B. HOFMAllN, Etymologisches Wörterbuch des Griechischen. (1949) 11achdruck 1966, 53. 60. 123 Vgl. dazu unten S.87f. 124 Vgl. E. GtlTTGEMANNS, LB 8. 1970, 27f. 125 Güttgemanns, Offene Fragen 163ff.
82
"Gottesgerechtigkeit"
alles andere als "historisch beglaubigt,,126. So IIDlß ich die kritische Destruktion mit der Frage schließen, ob Käsemanns Konzeption überhaupt ein historisches, und dh. ein am linguistischen Sachverhalt im "Text U festzustellendes Fundament hat.
3. Grundzüge des struktural-semantischen Befunaes des paulinischen Terms *0 L}((UOIn der folgenden struktural-semantischen Skizze kann ich keine umfassende Darstellung der paulinischen Rechtfertigungslehre geben. Eine solche Darstellung liegt in theologisch kaum noch zu überbietender Form bei Eberhard Jüngel vor 127 • Es kann hier vielmehr nur darum gehen, in Auseinandersetzung mit der erst nach Jüngel ins Gespräch gekommenen Konzeption Käsemanns die Grundzüge einer strukturalen Semantik des umstrittenen Terms zu skizzieren, um so die Diskussion weiterzuführen. Ich kann die Methodik der strukturalen Semantik hier nicht als solche darstellen, obwohl ich unter 2.6. angedeutet habe, was eine semantische Analyse zu berücksichtigen hat. Ich führe statt dessen das Ergebnis der semantischen Analyse vor, so daß die Methodik der strukturalen Semantik am Ergebnis beurteilt werden kann. Dabei reduziere ich die linguistische Fachterminologie bewußt auf das unbedingt Notwendige, damit die theologische Relevanz des linguistischen Befundes nicht durch einen Streit über die Angemessenheit und den Wert der linguistischen Fachterminologie verdeckt wird. 3.1. Der strukturelle Befund 3.1.1. Ich beginne die Analyse mit Röm 1, 17, nicht nur, weil es sich hier quasi um die Themaangabe des Röm handelt, sondern auch, weil hier der Machtcharakter der o LltaLOO'UVTj 8EOÜ am ehesten belegt werden könnte. die Rede 3.1.1.1. Freilich nicht, weil hier formal von ouva~LG 8EOÜ 128 , und zwar in ist (V. 16). Diese präzisiert semantisch ,0 EuaYYEALoV doppelter Hinsicht: einmal in bezug auf die soteriologische efficacia (ouva~J.LG 8EOÜ EtG O'ortTjp~av), zum anderen in bezug auf den anthropologischen
126 Dantine, aaO. 92. 127 E. JttNGEL, Paulus und Jesus. (HUTh 2) 1962, 17-70. Vgl. dazu E. GUTTGEMAHNS, VF 12/2. 1967, 52-57. 128 Auch von Stuhlmacher, aaO. 78f konzediert.
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Ort dieser efficacia ( dc; aW'T]pf.a.v rta.v'C ,iji n:~aH;Uov'~). Beides bezieht sich auf die sprachliche Leistung von ,0 EUa.yyEA~OV
Die Heils-
botschaft des Apostels leistet, mittels der an sie gebundenen Offenbarung der6~}(a.~oaUvT]
6EOÜ
bei jedem Glaubenden Heil zu bewirken, und
ist sie 6uva.\l~<; 6EOÜ
f ern
ins
0-
• Letztere präzisiert also den anthropo-
logischen Pol der sprachlich-soteriologischen Korrelation zwischen Gott (bZW. seinem apostolischen Stellvertreter; vgl. 2 Kor 5, 20; 6, 1) und dem Glaubenden. Genauer: Sie präzisiert den auf den Glaubenden gerichteten sprachlichen Leistungsvorgang der Heilsverkündigung in bezug auf seine anthropologische efficacia und wahrt gerade dadurch die der Heilsverkündigung in der Homologie antwortende }(a.~oaUvT]
n:f. 0, ~ C;
(vgl. Röm 10, 9) als die mit der 6 ~
6EOÜidentische sprachliche Leistung Gottes selbst. als sprachlicher KQrrelationsvorgang zwischen 6~}(a.~
Gott und dem Glaubenden leistet also zweierlei: Die Offenbarung der oauvT] 8EOÜ ist seine inhaltlich-semantische Leistung, die seine pragmatische Leistung 12 9. Insofern ,0
cher Leistungsvorgang zwischen 6~}(a.~oaUvT] 6EOÜ spannt ist, insofern ist es tig auf den
ein e n
6uva.\l~C;
6EOÜ
Ttta,~c;
ist
EUa.yyEA~ o v a l s sprachliund -rtr.a,~c;
einge-
,die deswegen nicht einsei-
Aspekt des korrelativen Leistungsvorgangs eingeengt
werden darf. 3.1.2. Der linguistische Befund in Röm 1. 16f ist in dreifacher Hinsicht aufschlußreich für das theologisch umstrittene Problem der "Gottesgerechtigkeit". ist kein unmittelbares Synonym zu 6~}(a.~oauvT] 8EOÜ
,das letzterestextsemantisch explizierte; ersteres ist kein Allo-
129 Wie ];lorris, Signs 217-220 unterscheide ich die semantische, die syntaktische und die pragmatische Funktion eines Zeichens voneinander. Die Pragmatik ist die Analyse des Bezuges der Zeichen auf die Interpretanten, die Semantik ist die Analyse der Bezüge der Zeichen zu den Objekten, denen die Zeichen zugeordnet sind, die Syntaktik ist die Analyse der Bezüge der Zeichen untereinander. Ebda. 219: "pragmatics is that vortion of semiotic which deals with the origin, uses, and effects of signs within the behavior in which they oceur; semantics deals with the signification of signs in all modes of signifying; syntactics deals with combinations of signs without regard for their specific significations or their relation to the behavior in which they oceur."
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morph, das für letzteres substituiert werden könnte 130 • NUr bei einer solchen Substituierbarkeit könnte man als Lin~ist Stuhlmachers Konzeption ist vielmehr textsemantisch eine lediskutabel finden. buva~~~ 8EOÜ diglich durch die textsyntaktische Gliederung der Satzgrenze abgetrennte Explikation von ~d EuaYY€Ä~ov • Ersteres ist textsemantisch ein Hypo131 für letzteres, das nur mittelbar, dh. über den in der Begründung lexem von V. 16 durch V. 17 ( y&p )1 32 implizierten strukturellen Bezug (textsemantische valeur) von ~O EuaYY€Ä~ov auf b~xa~ocruVT) 8EOÜ mit letzteremzum gleichen synsemantischen Umfeld des "Textes" gehört. Dieser durch die Text syntax erreichte textsemantische Bezug ist vom wort- oder lexemsemantischen Bezug der im "Text" vorkommenden Lexeme innerhalb des sie umschließenden lexematischen Paradigmas methodisch streng zu unterschei·· den 133 • Der textsemantische Bezug gehört in den "Text", die "Rede", die parole oder die Performanz, der lexemsemantische Bezug gehört in das Sprachsystem, die "Sprache", die langue oder die Kompetenz 134 • Die Textsemsntik der Performanz und die Lexemsemantik der Kompetenz sind methodisch zwei ver-
130 Unter Allomorph oder Alternante versteht man eine andere Erscheinungsform des vorliegenden Phänomens aus der gleichen lin~istischen Klasse. Synonyme sind zB. zwei allomorphe Lexeme. Die lexematische Allomorphie ist jedoch nicht auf die im übrigen umstrittenen Synonyme beschränkt. Z. S. HARRIS, From Morpheme to utterance. Lan~age 22. 1946, 161-183 führt in der Morphemik, d.h. in der formal-morphologischen Deskription, eine Einteilung in Morphemklassen ein, die auf dem Prinzip der Substituierbarkeit (dazu Harris, Lin~istics 29ff) beruht. Dazu Plötz, Operationen 5: "Die Morphemklassen wurden dadurch gebildet, daß Morpheme, die innerhalb von Sätzen füreinander substituierbar waren, zusammengefaßt wurden." Substituierbare oder allomorphe Lexeme sind also solche Lexeme, die füreinander eingesetzt werden können. Auch L. HJELMSLEV, Die SpraChe, übers. v. O. Wemer. (dän. 1963) 1968, 120 bestimmt mittels der Austauschprobe die Anzahl der Glieder einer sprachlichen Kategorie. Dabei faßt eine Elementkategorie die Austauschmöglichkeiten einer Klasse von Elementen zusammen, so daß die Sprache zu definieren ist "als eine Struktur, deren Glieder in den Kategorien gegenseitig austauschbar sind" (im Original kursiv). 131 Hypolexeme sind Lexeme, die innerhalb eines Paradigmas oder Wortfeldes semantische Unteraspekte des Lexems bzw. Archilexems bilden. Vgl. Geckeler, Semantik 195: "Sowohl in der Phonematik als auch in der Lexematik kann man in bezug auf die Einheiten drei Ebenen unterscheiden: die Ebene der Archieinheiten, die Ebene der Einheiten (=die Hauptebene) und die Ebene der HYpoeinheiten." 132 Vgl. Jüngel, aaO. 44. 133 Unter einem lexematischen Paradigma versteht man eine semantisch isotope Klasse von Lexemen. Geckeler, Semantik 201: "Eine Klasse ist die Gesamtheit der Lexeme, die unabhängig von der Wortfeldstruktur durch einen gemeinsamen inhaltsunterscheidenden Zug zusammenhängen." Coseriu, Einführung 111 unterscheide.t zwei primäre paradigmatische Strukturen: das Wortfeld und die Wortklasse. 134 Vgl. Geckeler, aaO. 188f.
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schiedene Analyseebenen. Daraus folgt: Das textsemantische Verhältnis von OUva.iJ.~C; 6goü , o~xa.~ocruVT] 6goüund ';0 gua.yyE:Ä~OV ist nicht mit dem lexemsemantischen Verhältnis der drei Lexeme bzw. Syntagmeme innerhalb des lexematischen Paradigmas identisch. In unserem Falle läßt sich jedoch aus dem textsemantischen Verhältnis das lexemsemantische Verhältnis ableiten, wie ja auch grundsätzlich die "Text"-Ebene als performative Erscheinungsform der Ausgangspunkt für die Erschließung der "System"-Ebene der Kompetenz ist: ';0 g'Öa.yyEÄ~OV ist innerhalb der lexematischen Paradigmatik das übergeordnete Lexem sowohl zu ouva.iJ.~C; 6goü als auch zu o~xa.~ocrUVT] 6goü , die damit beide Hypolexeme, dh. semantische Explikationen ist der oder Spezifikationen des leitenden Lexems sind. ';0 e;ua.yyE:Ä~ov Leitbegriff des lexematischen Paradigmas; es wird zwar durch die beiden Syntagmeme epexegetisch erläutert, aber es gibt wesentlich den Oberbegriff zu beiden Syntagmemen an 135 • Dieses linguistische Strukturverhältnis oder dieses semantische Hierarchieverhältnis läßt sich nicht umkehren, indem man wie Stuhlmacher die Heilsbotschaft der Macht des eschatologisch epiphanen Schöpfers unterordnet, "der man sich, wie Röm. 1, 16f. sagt, nur bekennend unterwerfen kann" 13 6• Es geht nicht um die Unterweri'ung unter eine lediglich formal an das Wort gebundene ~Achtdemonstration des Schöpfers 137 , so daß das soteriologische Wortgeschehen als Interpretament des Schöpfers behandelt werden dürfte, als ein Interpretament des Schöpfers, der auch abgesehen von seinem worthaften Handeln in Christus in sich selbst Schöpfer wäre. Es geht vielmehr um den sprachliChen Vorgang der Ent-sprechung, der t.v Xp~cr,;iji stattfindet: Mit der 1t(cr,;~c; entspricht Gott Glaubenden sich selbst als dem im e;va.yyEÄ~ ov seine 0 ~ xa.~ ocrUVT] offenbarenden, so daß weder Gott als der das Evangelium Sprechende noch der Glaubende als der im Glauben Hörende, die Gabe der Gerechtigkeit Empfangende und auf sie mit der Homologie Respondierende jemals aus der christologischen Orts- und Zeitangabe des Wortgeschehens der Rechtfertigung entlassen werden können.
im
135 Anders Stuhlmacher, aaO. 84, für den o~xa.~ocruvT] 6e;oü "der Oberbegriff auch der paulinischen EschatOlogie" ist. Dies zeigt, wie unbekannt hier die paradigmatische Methodik der Semantik ist. 136Ebda. 79 Anm. 1. Vgl. auch G. SCHRENK, ThW II. 1936, 209, Z. 26: Die o~ xa.~ ocruvT] ist "die Vlaltende Gottesmacht , der man sich zu unterwerfen hat." 137 Vgl. Conzelmann, Grundriss 242: '''Im Wort' gilt •• nur alseekundäre BeetilllllIl.mg, dae Wort wird zur formalen Proklamation von Macht."
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3.1.2.2. Der linguistische Befund von V. 16 lehrt, daß der sprachliche Vorgang der in
0 ~xa.~ OaUVT]8EOÜ niemals von seiner soteriologischen efficacia
dern:La~~s getrennt werden darf 138 • Es ist also eine den sprachlichen
Vorgang vereinseitigende und ihm den Korrelationscharakter nehmende Entstellung, die. efficacia der "Gottesgerechtigkeit" zunächst einmal in bezug auf Gott
selb~t
zu explizieren, indem zugleich das sprachliche Recht des
Schöpfers am Geschöpf zu einem lediglich formal noch an die wesenhaft sprachliche Korrelation gebundenen Eigentumsverhältnis entstellt wird, das im G:runde
vor
dem eschatologischen Sprachereignis der 0 ~ xa.~ oaUVT] 8EOÜ
als ontologische Beziehungsst:ruktur von Gott und Mensch immer schon besteht und in der Offenba:rung des Evangeliums nur noch einmal, und zwar ein-fürallemal, eingefordert wird. Indem der Gabeeffekt des Wortgeschehens zugunsten des Machtcharakters abgeschwächt wird, wird das immer nur korrelativ existierende Wortgeschehen vereinseitigt zu einer reinen Macht- und Rechtseinforde:rung, die die oft bei Rudolf Bultmann lcritisierte Beziehung Kerygma - Gehorsam erheblich radikalisiert. 3.1.2.3. Der linguistische Befund von V. 16 lehrt, daß die worthafte Übereignung der O~xa.~OOUVT] 8EOÜ sie an das EV Xp~o~iji
und also von OUva.Il~C? 8EOÜ wendig von der n:LO'HC;
an den Ort der n:LO~~e;
gebunden ist, ~
gebunden ist. Von der efficacia der Heilsbotschaft ist nur dort zu reden,
'110
zugleich und not-
geredet werden kann, genauer: wo vom
n:~O~EUWV
geredet wird, wie nach dem Verständnis des Pls in Hab 2, 4: 6 OE OL xa.~ oe; EX 1tl:o~Ewe; - l;~OE~a.~
(V. 17b). Zwar erfaßt die soteriologische effica-
cia jeden Glaubenden; aber glauben kann nicht das Man iJa KollektiV, nicht die corporate personality einer dem Individuum antithetisierten Gemeinde, sonde= nur der "in Christus" lebende Einzelne, von dem allein auch das EX schriftlich belegt werden kann. In diesem Sinne ist mit Hans Conzelmann zu sagen: "Der Glaube führt in die Vereinzelung; diese ist die Bedingung für die Universalität des Heils.,,1 3 9 "Die Offenbarung wird am Einzelnen verifiziert", wie Röm 7, 7ff beweist 140 •
138 Vgl. auch Schrenk, aaO. 219, 28ff in bezug auf das Verbum: "Dies 0 ~ xa.~ OÜV ist das in der Heilsgegenwart erfolgende richterliche Frei·· sprechen, das weder abgelöst 'objektiv' im Kreuze, noch abgelöst 'sUbjektiv' im Heilserleben sich ereignet, sondern das Beziehungsobjektivität ist, erfolgend im Kreuze und erfaßt im Glauben." Ebda. 220, 29f: "Ist von O~xa.Loüo8a.~ die Rede, so wird immer die n;t:o~~e; einbegriffen." 139 Conzelmann, G:rundriss 243. Vgl. DERS., EvTh 28. 1968, 401: "Urteilen kann nur der Einzelne. Der Glaube löst ihn aus seinem bisherigen Kollektiv ••• und konfrontiert ihn mit dem Evangelium." 140 Ebda. 402.
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3.1.3. Stuhlmacher will nun den Machtcharakter von 6LxaLocruVTj 8EOU mittels der schon früher beobachteten parallelen Struktur von V. 17 und V. 18 141 beweisen: Wie 6py~ 8EOU "die richtende Gottesmacht" ist, so ist 6 L xaL OOUVT) 8EOÜ
die rettende Gottesmacht. "6py~ 8EOU
meint das Ver-
halten des ergrimmten, verurteilenden GotteR; 6 LxaL ocrUVT) 8E OU
das recht-
schaffende, heilbringende Verhalten desselben Gottes, das der Angeklagte im eschatologischen :Prozeß erfahren darf.,,142 In der Tat wird sowohl von
der Gerechtigkeit Gottes als auch vom Zorn Gottes ein &~oxaAu~~E~aL
aus-
gesagt, so daß beide Offenbarungsvorgänge VÖllig parallel zu verlaufen scheinen. Conzelmann hat das freilich bestritten: Die scheinbare Parallelität ist "am entscheidenden Punkt durchbrochen": "Die Gerechtigkeit wird offenbart im Wort, der Zorn wird offenbart 'vom Himmel'. Diese Offenbarung ist nicht worthaft.,,143 Aber diese These stimmt nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick zeigt sich jedoch mit Eberhard Jüngel Röm 1, 18 bis 3, 20 als die Darstellung der Wirklichkeit des Sünders sub lege 144 : Hinter der
6py~ 8EOU
steht "der formal erst in Rm 2, 12 fallende, aber von
Rm 1, 18 an fällige Begriff des VOf.LOC;
••• ,
der die 6py~
wirkt (Rm 4,
15),,145. Sowohl die Gerechtigkeit Gottes als auch der Zorn Gottes bezeichnen also die anthropologische Wirkung eines Wortgeschehens. So wenig jedoch die formale Parallelität des &~oxaAu~~Ecr8aL
geleugnet werden kann, so
wenig geht die Parallelität über das rein Formale hinaus. 3.1.4. An dieser Stelle läßt sich leicht das linguistische :Prinzip der sog. distinktiven Oppositionen erläutern. Das herkömmliche Sprachverständnis geht meist davon aus, die sog. "Bedeuwng" der Wörter hafte sozusagen an ihnen und wandere mit ihnen durch die Traditionsgeschichte und damit durch die Veränderungen des Wortsinnes hindurch. Die Wörter sind hier quasi als "Etiketten" für ein Objelrt oder einen Sachverhalt verstanden, so daß die Welt der Gegenstände und Sachverhalte durch die Wörter "benannt" wird 146 • Hans-Martin Gauger faßt diesen common sense in einer Kritik an der Generativen Semantik in der These zusammen, die Intentionalität der Sprache sei vorab in ihren Wörtern verankert. "Durch das Wort ist in der Sprache die Sache da. Sprache ist Sprache, insofern sie Wörter hat. Ihnen gegenüber
141 142 143 144 146
Vgl. G. BORNKAMM, Das 2:nde des Gesetzes. (BEvTh 16) 1952, 9f. Stuhlmacher, aaO. 80. Conzelmar~, Grundriss 239. Vgl. ders., EvTh 28. 1968, 399. Vgl. Jüngel, aaO. 26f. 145 Ebda. 26. Vgl. P. HARTr/[AlIN, Das Wort als Hame. (WAFLlffiW 6) 1958.
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"Gott esgerechtigkeit "
ist die syntaktische Kombinatorik etwas Hinzuko~endes.,,147 Diese Behauptungen sind die sich auf die Phänomenologie Edmund Husserls berufende Antithese zur Generativen Transformationsgrammatik und erst recht zur Textlinguistik, für die die Syntax die Bedeutungsmatrix ist und den Primat in der Textsemantik besitzt 148 • Letztere ist bei der theologischen Exegese insofern intendiert, als der Exeget Wert auf eine kontextgemäße Interpretation legt. Die strukturelle Relevanz der kontextuellen Einbettung eines Terms wird von der Linguistik als relative semantische Auton~ie bezeichnet 149 • Sie besagt, daß jeder Term neben seiner in gewissem Umfang autonom in ihm enthaltenen "Bedeutung" sog. "Beziehungsbedeutungen" enthält 150 , die sich durch seine strukturellen Beziehungen zu den anderen Termen des gleichen Kontextes oder des sich in ihm abbildenden Wortfeldes ergeben. Die auf die Textlinguistik aufbauende Textsemantik geht in Konsequenz ihrer These von der Primärfu:llction des "Textes" als sprachliches Zeichen sogar soweit, die relative semantische
Autono~ie
eines isolierten Terms für einen sekundären
linguistischen Grenzfall zu halten, der nur über die automatische 3rgänzung eines Kontextes eine semantisch präzise Explikation erhalten kann, so daß die Einträge in den herkömmlichen Wörterbüchern ein wissenschaftliches Konstrukt sind, das in der funktionierenden Sprache gar nicht existiert. Harald Weinrich definiert daher: Jeder Text "ist ein komplexes Geflecht von Determinationen, durch die sich die Bedeutungen wechselseitig modifizieren,,15 1 • Diese strukturellen Beziehungen im "Text" kann man mit Ferdinand de Saussure die "f/erte" (valeurs) eines Terms nennen: Die Sprache ist ein "System ••• , dessen Glieder sich alle gegenseitig bedingen und in dem Geltung und Wert des einen nur aus dem gleichzeitigen Vorhandensein des andern sich ergeben,,152. Die für die Analyse wichtigsten valeurs sind die distinl:tiven Oppositionen, durch die ein Term zu
e i n e m Term oder zu allen an-
deren Termen in Bedeutungsgegensatz tritt.
147 H. - M. GAU GER , Die Sema'ltik in der Sprachtheorie der transformationeI.· len Grammatik. LB 1. 1969, 1-18; das Zitat ebda. 10. Vgl. DERS., V/ort und Sprache. (Konzepte der Sprach- u. Lit.wiss. 3) 1970. 148 Vgl. oben Anm. 120. 149 Vgl. K. BALDINGER, Die Semasiologie. (nt. Ak. der "iss. Berlin, Vortr. u. Sehr. 61) 1957, 21-24; H. VIEINRICH, Linguistik der Lüge. 1966, 15ff. 150 De Saussure, Grundfragen 150-152 behandelt die "assoziativen" Beziehungen einzelner Glieder der Sprache untereinander. Ebda. 150: "Gruppen, die durch Assoziation im Geist gebildet sind, stellen Verbindungen her nicht nur zwischen Gliedern, die irgend etwas Gemeinsames an sich haben, sondern der Geist faßt auch Beziehungen auf, die sich in jedem einzelnen Fall zwischen ihnen bilden, und schafft auf diese Weise ebenso viele Assoziationsreihen, als es verschiedene Beziehungen gibt." 151 H. WEI1TRICH, Jahrb. Int. Germ. 1. 1969, 66. 152 De Saussure, Grundfragen 136f.
89
"Gottesgerechtigkeit" 3.1.5. Bei der Anwendung des Oppositionsprinzips auf Röm 1 ist klar, daß b ~ xcx.~ OOUVl) BEOÜ
in eine radikale, distinktive Opposition zu opy" BEOÜ
tritt, weil Evangelium und Gesetz in einer distinktiven Opposition zueinO~xcx.~-
ander stehen. Eben aus diesem strukturellen Grunde steht auch das mit OUVT] 8EOl)
synsemantische a.1tOxcx.AU1t'tEOBcx.~
der Funktion zu dem mit opy" BEOÜ
in bedeutungsunterscheiden-
synsemantischen
cbOXcx.AU1t1:EOBcx.L.
Vom Standpunkt des Evangeliums aus kann das Offenbarwerden der Gerechtigkeit Gottes niemals mit dem Offenbarwerden des Zornes Gottes gleichbedeutend sein. Es kann sich vielmehr textsemantisch nur um eine BezeichDungsgleichheit (Homolexie), nicht um eine Bedeutungsgleichheit (Äquivalenz) handeln. 3.1.6. Das zeigt sich auch an den jeweiligen Syntagmemen zu &.1tOXcx.AU1t'tEOBcx.~ , die bei einer strukturalen Textsemantik ebenso wie die Oppositionen berücksichtigt werden müssen, weil sie zur semantischen Explikation des "Kerns" gehören. Im Falle der Gerechtigkeit Gottes wird als Ort und Medium der Offenbarung das Evangelium angegeben, als Ursprung und Ziel der Glaube und als Beweis des Ursprungs ein schriftlicher Wortlaut im AT. Im Falle des Zornes Gottes wird als Herkunft der Himmel, als bewirkendes lIedium das Gesetz (Röm 4, 5) und als Grund alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen angegeben. Bezieht sich das Offenbarwerden des Zornes Gottes auf die sprachliche Leistung des von der sündigen Menschheit usurpierten und darum aus einem Leben wollenden zu einem Tod wirkenden, pervertierten ~os
,
vb-
so bezieht sich das Offenbarwerden der Gerechtigkeit Gottes auf die
sprachliche Leistung des im Glauben sich selbst eine Antwort schaffenden Wortes des
EÜcx.yy€;A~OV.
3.1.7. Beide sprachliche Leistungen sind als radikal entgegengesetzte, distinktive Oppositionen nicht mitein~~der zu vergleichen. Im Falle des ~os
Leistung und damit dem Tod Überantwortet; sie antworten damit als ~ov
vo-
haben sich die Sünder durch ihre Usurpation des Gesetzes der eigenen
lx
v6~ov
das Heil Leistende sich selbst, bleiben also incurbatus in se trotz
aller sprachlichen Vorgänge. Im Falle des
E~cx.yy€;A~OV
überantwortet
Gott den Sünder dem Glauben als einer ihm von und mit Christus zukommenden Antwort auf das ganz in der sprachlichen Leistung Gottes verbliebene Wort. Daß dieser Gott der Schöpfer ist, wird nur an der opy" BEOU
, freilich
von deren Opposition zur b~xcx.~oOUVl) BEOU her, thematisch (Röm 1, 18ff). Aber opy" BEOU
ist nicht die Schöpfermacht selbst, sondern deren an-
thropologischer Effekt, weil die Schöpfermacht umklammert ist von dem Gott und die Glaubenden zusammenfügenden christologischen Wortgeschehen des Evan-
"Gottesgerechtigkeit"
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geliums. Was im Offenbarwerden der Gerechtigkeit Gottes geschieht, kann niemals aus dem Offenbarwerden des Zornes Gottes erschlossen werden. Vielmehr kann nur umgekehrt vom Standpunkt des Glaubens aus auch über Ereignisse sub lege gesprochen werden, wie wiederum Röm 7, 7ff beweist. 3.1.8. Es ist darum linguistisch, hermeneutisch und theologisch unzulässig, wie Stuhlmacher von V. 18 auf V. 17 zu schließen, zumal sich in der atl Tradition der Term .~ e:UCX:YYEALOV
nicht innerhalb des synsemantischen belegen läßt, womit auch und ./. oPy~ gerade traditionsgeschichtlich die ganze Konstruktion ohne Fundament ist. Denn das, was man traditum nennen könnte, besteht nun einmal aus einer strukturell nicht zu transformierenden Sinn-"Gestalt", die zwar neue Terme integriert, aber nicht aus zunächst isolierten Termen zu synthetisieren ist. Wer letzteres behauptet, hat einfach die Forschungsergebnisse der letzten 60 Jahre in der für sprachliche Vorgänge zuständigen Linguistik nicht zur Kenntnis genommen. Umfeldes von 6 Lxcx:~ ocruvT)
3.1.9. Ich habe die Exegese von Röm 1, 17 bevmßt in extenso vorgeführt, um den Wert einer linguistisch orientierten Interpretation an einem konkreten Beispiel zu verdeutlichen, damit die linguistische Analyse als eine eminent theologische Exegese erkannt werde. Bei den folgenden Stellen kann ich mich nun kürzer fassen, indem ich allgemein zu beobachtende linguistische Strukturen erhebe. 3.1.10. Das synsemantische Umfeld des paulinischen Terms *0 LXCX:LO-
wird
durch eine Reihe von distinktiven Oppositionen umscr.rieben, die Ursprung und Medium der 0 LXCX:L ocrUVT)
betreffen.
3.1.10.1. Bereits Röm 1, 17 begegnete EX nLcr.e:wc;
gleich zweimal, davon
einmal als in Hab 2, 4 schriftlich belegtes, ähnlich wie Gal 3, 11; Hebr 10, 38. Allerdings steht hier EX ntcr.e:wc; ohne jede Erläuterung durch eine distinktive Opposition; es entfaltet hier also nicht seinen vollen Bedeutungsbezug, sondern setzt diesen nach der Meinung des Pls voraus. Diese fehlende Opposition zu EX ntcr.e:wc;
ist m. Z. nicht ohne sachlichen Zusam-
menhang mit dem scln'iftlichen Beleg im hl. ~ext, der eben nur
cr.e:wC;
EX nL-
153, und zwar nur dieses eine Mal, belegt, nicht aber dessen Oppo-
153 Hebr.: jj"n" 1nJ 17.)~:J P'"l51 ; LXX:O OE OLXCX:LO;:; EX nLcr.e:wc; ~ou l;;~cre:'CX:L ~ Targ Jo!" .11rl'pn' l1iit'l11P ::>17 ~"P""l5' ; Syr.: üzad!qa I b hajmanü" J. I nil/.e I . Vielleicht hat die LXX das Suffix 1 als .. gelesen. r Jr Text des Pls ist vielleicht im Syr. erhalten.
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91
si tion lx VOflOU. 3.1.10.2. lx VOflOU nLO';EOOC;
steht als explizite distinktive Opposition zu gX
in Röm 10, 5f; Gal 3, 24 (vgl. 3, 21); zu o~o. nton:ooc; XP~O'tOÜ
in Phil 3, 9, zu gX nton:ooc; 'IT]OOÜ XP~O'tOÜ Variante lv VOfl
zu lx nto';EOOC;
in Gal 3, 21f und in der
in Gal 5, 4f.
3.1.10.3. Erst durch diese radikal distinktive Opposition, durch die ~ gX VOP.OU als ein durch das gX nto';EOOC; absolut ausgeschlossenes und abgetanes Gegenteil der christologischen Offenbarung der Gerechtigkeit erscheint, wird nach der Meinung des Pls die volle Beziehungsbedeutung des im hl. Text belegten
lx ntO'tEOOC;
erreicht, eine Beziehungsbedeutung, die
im hl. Text selbst niemals belegt werden kann, weil sowohl die atl als auch
die jüdisch-apokalyptische und erst recht die rabbinische Theologie diese distinktive Opposition radikal ausschließt. Belegt ist im im hl. Text also lediglich die Bezeichnung gX ltLO'tEooC; , nicht aber die ihr erst ihre , dh. die paulinische Beziehungsbedeutung gebende Opposition gX VOflOU semantische valeur des Signifikats. 3.1.10.4. Natürlich belegt die Tradition auch das lx VOflOU als solches 154 , aber nicht in einer seine paulinische Beziehungsbedeutung allererst konstituierenden Opposition zu gX nLO'tEOOC; ,sondern in einer ganz andersartigen valeur, die das gX lttO';EooC; sachlich durch das lx VOP.OU umschließt. In dem zT. in klassischen Rhythmen verfaßten, vom griechischen Ubersetzer des ursprünglich in Hebräisch geschriebenen Sirach stammenden Prolog schreibt der En]{el des hebräischen Verfassers Jesus ben-Eleasar benSirach, sein Großvater habe das folgende Buch in Analogie zu ähnlichen Werken der Schrift gelehrsamkeit geschrieben, 5nooc;
°t
'In AOfla6d" C;
xat 't o(rtoov
~VOXO~ YEVOflEVO~ nOAAiji flCiAAOV ln~ltpoo6iiio~v o~o. 'tfjc; lx VOflOU ß~w
OEooC; (Sir, prol 13f). So jedenfalls lautet der Text nach der ursprünglichen Lesart des Codex Sinaiticus, die erst durch Verbesserung der gängigen Lesart lVVOflOU
angeglichen wurde. Das Buch bezweckt nach dieser Angabe
noch viel größere Fortschritte in der lx vop.ou ßr.ooo~C; • lx VOflOU
b e-
zeichnet hier also den Quell, aus dem sich das Leben des Frommen nährt, der im weiteren Zusammenhang des Buches als or.xa~oc; bezeiChnet 155 , und von 154 Mit den SyntagmememlxxAtve:~V und 6EOÜ Hiob 34, 27; Bar 4, 12; mit den Sytagmemem b~b6.()"XE~V und OOU tl> 93 , 12; mit den Sytagmemen xa,;avoEL"v ,,;0. 6aufl6.o~6. O~u _ ,oou ~118, 18, und mit den Syntagmeme:ra napaflu6EL"o6aL und xa~ 'toov ltpoCPT]';oov 2 Makk 15, 9. 155 Vgl. Sir 9, 16; 33, 3 B; 35, 5f. 18; 44, 17.
92
"Gottesgerechtigkeit" ausgesagt wird 156 • Zwar lassen sich die Termen EX
dem auch die 1tLO'; ~e; , otxa.~oe;
VOj.LOU
und 1tLO'ne;
nicht als unmittelbare Elemente eines
"Textes" belegen, aber der an der weisheitlichen Frömmigkeit orientierte Gesamtinhalt des Sir, also der Makro-"Text", beweist ihre sachliche Untrennbarkeit, so daß man sagen könnte, im Sir umschließe das l;x VOj.LOU l;x 1tLon:We; ihm l;x VOj.LOU
das
• Eine solche Aussage wäre P1s völlig unmöglich, weil bei und
l;x 1tLO,;e:WC;
distinktive Oppositionen sind,
was wiederum den at1-jüdischen Texten unmöglich ist. In beiden Sprachfe1dem sind also die valeurs der Terme fast
absolut entgegengesetzt, so daß man
von Antonymen sprechen könnte.
3.1.11. Auch die übrigen Syntagmeme zu
* b ~ )ta.~ 0-
bestätigen diesen Gegen-
satz des P1s zu seiner at1-jüdischen Tradition. P1s präzisiert nämlich die distinktive Opposition auf beiden Seiten der strukturellen Korrelation, und zwar sowohl negativ als auch positiv. 3.1.11.1. Auf der Seite der Jtto,;~e; negativ: Die o~d Jtto,;e:WC; Xp~o,;oü
['IT)<1Oü]
eschatologisch geschehende Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes
an allen Glaubenden wird erläutert durch die äquivalenten Allomorphe xwp~e; VOj.LOU
(Röm 3, 21f) bzw. durch das mit·JtLO'te:~
VOj.LOU
(Röm 3, 28), so daß EX lttO,;e:WC;
sein Äquivalent xwptc; VOj.LOU VOj.LOU
äqUivalente xwpte; epywv
eben durch seinen Bezug auf
zu einer distinktiven Opposition zu
EX
und damit der Gegensatz zur at1-jüdischen Tradition unüberbrück-
bar Wird 157 • 3.1.11.2. Auf der Seite der Jtto't~C; weiterhin positiv durch die bereits erwähnten christologischen Syntagmeme EX Itto'te:we; 'IT)oOÜ Xp~o,;oü (Ga1 3, 22) bzw.o~d 1tLO,;e:WC; ['lT)OoüJXp~mcV(Gal 2, 16; Röm 3, 22). Durch seinen Bezug auf das christologische Heilsereignis wird das l;x JtLO'tEWC; zum Syntagmem von o~d 'tOÜ xuptou ~j.Li.öv 'IT)OOü XP~O'tOÜ
'(Röm 5, 1),
was wiederum ÄqUivalent des traditionellen EV 'tiji a.r:j.La.,;~ a.u,;oü (Röm 5, 9), was von P1s durch ,;oü u~oü a.u'toü
ist
O~' a.u'toü (Röm 5, 9) bzw. o~d. ,;oü 6a.v&.,;ou
(Röm 5, 10) eubstituiert wird.
156 Vg1. Sir 1, 27; 15, 15; 45, 4; 46, 15; vg1. 40, 12. 157 Vg1. JUnge1, aaO. 18: "Der Begriff OLXa.LOOUVT) 6EOÜ ist •• in die fOl'I!la1 kontradiktorische Anti these 0 Ld. VOj.LOU - xwp te; VOj.LOU eingespannt."
"Gottesgerechtigkeit"
93
3.1.11.3. Durch diese christologische Bindung der nLO'tLt; Seite des 6X vo~ou
XWP~C; v6~ou
äquivalente
O'tEWt;
E,t v6~ou
tritt auf der
eine negative Präzisierung ein, weil das mit EX ltL.-
christologisch begründet wird. Das
ist die radikale Opposition zu *b ~a. XP~O'tOÜ
,so daß Gal
2, 21 argumentieren kann: Wenn die Gerechtigkeit durch das Gesetz (konstituiert wird), dann wäre Christus umsonst gestorben. Weil jedoch das christologische Heilsereignis das versöhnende Handeln Gottes selbst ist (vgl. 2 Kor 5, 18ff), wird das ~x v6~ou negativ präzisiert: Die
8EOÜ
E~"; OLX(X.LOO{,VTj ouvTj
identische ist durch ihre Opposition Ti
bzw. OLa. nto'tEwc; XPLO'tOÜ
daß die lbtCl 6~Xa.LOOUVTj GEOÜ
als mit der
tx
Ge;oü OLXClLO-
negativ präzisiert (Phil 3, 9), so
durch ihre Opposition
~ OLXClLOOUVTj 'toü
präzisiert werden kann (Röm 10, 3), die zur Opposition EH v6~ou
EX ntO'IEWC;
parallel steht (Röm 10, 5f). Positiv wird das
präzisiert durch
E;
durch seine distinktive Opposition EX b~x(x'~oouvTj EX v6~ou
spywv
t:;
~PYwv v6~ou
EH VOIJ.OU
(Rö!!l 3, 20; Gal 2, 16) bzw. durch
(Röm 9, 32). Aber diese Präzisierung schlägt sofort in
eine negative um, weil die Opposition EX nto'tEwc;
die EPYCl
ab-
qualifiziert.
3.2. Theologische Folgerungen aus dem strukturell-semantischen Befund Aus der damit nur in groben Zügen skizzierten linguistischen Struktur des synsemantischen Umfeldes ergibt sich eine Reihe von Folgerungen, die der Exegese Stuhlmachers und damit auch
Y~semanns
den linguistischen Boden des
"Textes" entziehen. Ich umschließe mit diesen Folgerungen nun auch diejenigen Argumente, die oben nicht in extenso dargelegt wurden. 3.2.1. Die sich hinter dem. Stichwort "Gottesgerechtigkeit" verbergende Konzeption ist mit den methoden der strukturalen Semantik widerlegt. Sie ist dem
synsema~tischen
Umfeld des Pls überhaupt nicht einzuordnen, weil
dieses Umfeld weitgehend nach dem Prinzip der distinktiven Oppositionen angelegt ist, die als solche in der atl-jüdischen Tradition nicht nachzuweisen sind. Daraus folgt für die strulcturale Semantik, daß es sich im Falle der atl-jüdischen Tradition nicht um die gleiche Struktur, und dh. nach linguistischen
I~1terien,
nicht um die gleiche langue handelt. Pls
hat seine eigene langue und muß darum zunä.chst synchronisch analYSiert werden.
./.
94
"Gottesgerechtigkeit"
3.2.2. Damit bestätigt die struktural-semantische Analyse das linguistische Prinzip Günter Kleins, nämlich das Prinzip einer zunächst innerpaulinischen Begriffsanalyse. Dieses Prinzip wird sogar noch radikalisiert: Eine traditionsgeschichtliche Ableitung des Terms
* o~xa~o-
nach der Art Käsemanns
und Stuhlmachers ist linguistisch eine petitio principii, weil das auch in der ntl Exegese bekannte strukturelle Prinzip der semantischen Analyse ständig mißachtet und faktisch durch das überholte Assoziationsprinzip ersetzt wird: Durch Assoziation eines kontextuell-strukturell bei PIs selbst gar nicht belegbaren Vorstellungshorizontes wird dem Term o~xa~oouv~
eine
"Bedeutung" beigelegt, die - wie etwa im Falle der These Christian L!üllers vom Rechtsstreitcharakter der o~xa~oouv~ durch ihre ganze Traditionsgeschichte hindurch 158 - dem synsemantischen Umfeld des Pls überhaupt nicht einzuordnen ist. 3.2.3. Natürlich kommen gewisse in der langue des Pls verwendete Lexeme rein als solche auch in der atl-jüdischen Tradition vor, etwa an den verbliebenen 6 bzw. 7 Stellen (Dt 33, 21; Test Dan 6, 10; 1 Q S X, 23. 25; XI, 12; 1 Q M IV, 6). Aber die langue, in der sie vorkommen, ist eine ganz andere. ·Der "Text" des Pls ist synsemantisch in Opposition zu seinen Vor-"Texten" konstituiert. Betroffen ist durch den sog. traditionsgeschichtlichen Vergleich der beiden langues allenfalls der Bezeichnungsaspekt des sprachlichen Zeichens, also der Signifikant, aber nicht dessen Bedeutungsaspekt, also das Signifikat. I,Ian kann auch nicht von einer Traditionsgeschichte der "Bedeutung", des Signifikats, sprechen, bloß weil die "Bezeichnung", der Signifikant, identisch ist. Wenn das Prinzip der relativen semantischen Autonomie und das Prinzip der Kontextualität gelten, dann ist die "Bedeutung" eine Funktion des "Textes". Da die Textstruktur sich zwischen den atl-jüdischen "Texten" und dem "Text" des PIs völlig geändert hat, kann man noch nicht einmal nebenbei Signifikate der paulinischen Terme
traditions ge-
schichtlich "ableiten". Wer das tut, steht unter der methodologischen Kritik der modernen Linguistik. 3.2.4. PIs ist sich dieses Sprachgegensatzes seiner theologischen :explikationen zu denen des Judentums be\vußt. In Phil 3, 7-11
bcscp~eibt
er den
existentiell-teI"lllinologischen Umbruch, der bei seiner sog. "Bekehrung" stattgefunden hat. Alle Vorzüge seiner jüdischen Tradition, deren wichtigster die Untadeligkeit gemäß der im Gesetz (geltenden) Gerechtigkeit war
158 Vgl. Müller, Gottesgerechtigkeit 57ff.
"Gottesgerechtigkeit" (V. 6), und die früher von ihm als xtp6T) um. Christi willen als ~T)f1 ta.
bezeichnet wurden, müssen nun
,ja als axußaAa
7f), so daß die lf1~ 6~xa~oouvT) ~ EX v6f1oU Opposition zu
n EX
95
bezeichnet werden (V. um Christi willen in
8e;oü 6 ~ xa~ OOUVT) treten muß (V. 9). 1fian muß erst ein-
mal begreifen, in welchen Ausmaß die atl-jüdische Tradition durch die ,rahl des vulgären Terms oxußaAa ,der "die 3nergie und Totalität dieser Abkehr" unterstreicht 159 , gerade terminologisch-semantisch für das Bewußtsein des PIs umgekrempelt worden ist, um das traditionsgeschichtliche Verfahren als theologisch seltsam schizophren zu erkennen. Wer mit four-letter-words das Heiligste einer Religion bedenkt, der stellt sich gerade sprachlich außerhalb der Kommunikation innerhalb dieser Religion. 3.2.5. Daß es sich bei diesem Traditionsbruch durchaus um sprachliche Vorgänge handelt, sagt PIs explizit in Röm 10, 4ff, indem er den sprachlichen Inhalt der Sprachereignisse zitiert und dabei zugleich den Wortlaut der Hl. Schrift bewußt christologisch umbiegt, indem er den V0f10C; durch den Xp Lo.6C; ersetzt 160 • Die beobachtete linguistische Strukturveränderung des Wortfeldes von 0 Lxa.~ OouvT)
ist ein bewußter, in der Christologie be-
~~t,
der an der exegetischen Gewaltsamkeit der Än-
gründet er sprachlicher
derung des atl Zitats nachgewiesen werden kann und darum eine Flucht in eine unbevrußte, sprachsoziologische Tradition des PIs ausschließt. Die Bedeutung seiner Lexeme entlehnt PIs noch nicht einmal heimlich tx V0f10U , so daß auch die sprachsoziologische Struktur seiner theologischen 3xplikationen nicht traditionsgeschichtlich, sondern ganz christologisch begründet ist. 3.2.6. Nebenbei läßt sich hier auch beobachten, wie aJ.e 6 L xaL OOUVT) einer der Personifizierung des V0f10C; F~postasierung
zwar auch den
rakter EV .~ xap6t~
zu
r~chtcharakter,
lV1WÜOi'jC;
in
161 entsprechenden
aber vor allem den Sprachcha-
präzisiert, was von Käsemanns und Stuhlmachers
Exegese überspielt wird. Was diese um des Christologischen Sprechens willen vollzogene Hypostasierung der 6LxaLOOUVT)
mit einer im AT an das Ge-
setz gebundenen "Gemeinschaftstreue" Gottes zu tun hat, wenn der atl V0f10C; so mißhandelt wird, bleibt ein Geheimnis.
159 F. LANG, ThVI VII. 1964, 447, 35. 160 Vgl. oben S. 45f. 161 Vgl. 2 Kor 3, 7ff und dazu Güttgemanns, VF 12/2. 1967, 77f.
"Gottesgerechtigkeit"
96
3.2.7. Die linguistische Strukturanalyse hat die Christologie als Zentrum der Umwertung aller jüdischen Werte erwiesen. Vleil in Christus Gott und Mensch in bezug auf das CH xa.~ oüo8a.~ als cXAT)8r;e; und
27)
162
zeigt: Wo ist die xa.UXT)O~e; ? Sie ist ausgeschlossen! (Röm 3, , • Auch das AT kennt formal ein Verbot des xa.uxao6a.L : flT) HexU-
Xiio8e: Xa.L flr] Aa.Ae:i:''te: U
• Für Pls ist trotz des damit
ausgescillossen (vgl. Röm 2, 17. 23
mit 3, 27), weil es wegen der Pervertierung desvOflOe; in Vlahrheit ein lte:ltoL8EVexL tv oexpxt und damit die radikal distinktive Opposition zum xexuXiio8exL tv XPLO'tiji 'IT)oOÜ formales xexUX:Y.08exL tv 8e:iji
ist (vgl. Phil 3, 3f) 165. Ein
ohne den Bezug auf den Gekreuzigten ist
und bleibt für Pls der von Christus abgetane jüdische Heilsweg (vgl. Röm 10, 4), weil das Sprachereignis des xexuXiio8exL sich in Christus nur auf die cX08EVe: Lex , und dh. auf die sich an der apostolischen Existenz dokumentierende Verkündigung des Gekreuzigten beziehen kann (vgl. 2 Kor 11, 30; 12, 9), so daß das sprachliche Phänomen des "oyoe; 'tOÜ o'texupoü im xa.uXiio8a.L die Verkündigungse::::istenz als j,Iedium benutzt 166. Weil 162 Zur Xa.UXTlOL e; bei Pls vgl. Bultmann, Theol. 241-243; DERS., ThW III. 1938, 646, 31 - 647, 23. 163 Zum Bezug von xexuxao8exL auf Gott vgl. 1 Chr 16, 35;
"Gottesgerechtigkeit"
97
diese Bindung des Rühmens an das Wort vom Kreuz für Pls unaufgebbar ist, darum kann Pls in Röm 5, 11 folgern, die geschehene Versöhnung "durch den Tod seines Sohnes" und das aus ihr folgende Gerettetwerden mache uns auch zu xcxUXWf,Le:VOL ev 1:iji ee:iji
durch unseren Her= Jesus, durch den wir
jetzt die Versöhnung empfangen haben. l~r über das Wort vom Kreuz, über 1:0 e:UCXyyE:1I.LOV in distinktiver Opposition zu Ö vOflOe; führt für Pls ein Weg zum xcxUXCioeCXL 167.
3.2.8. Die Christologie ist also auch sprachlich konstitutiv für das Wortgeschehen der ClLXCXLOOUVT)
,das als OLCXXOV(CX "die; OLXCXLOOUVT)C;
im Gegensatz zur um Christi willen apriori nichtigen XOVLCX 1:0U ecxva.1:0U
oder
XCX1:CXXpLOe:We;
oof,cx
der atl 0 LCX-
die Fülle der 001',0.
auf Erden
offenbart (2 Kor 3, 7ff). man darf die Christologie deshalb nicht zu einem bloßen Hilfsmittel für die theokratisch orientierte Eschatologie degradieren, =1
das nicht weit entfernt ist von dem angesichts des lIT häretischen
Satz Arnold A. van Rulers, Christus sei eine bloße lIotmaßnahme Gottes zur Reparierung seiner SChöpfung 168 • Mag in der atl-jüdischen Tradition des Pls noch so oft von OLXo.LOOUVT)
die Rede sein, mag in der jüdiSChen Tra-
di tion die Gerechtigkeit noch so oft mit dem lIessias verbunden sein 169, so fehlt in dieser Tradition der für Pls konstitutive sprachliche Zusammenhang des 11.' oyoe; "tou 01:CXUPOU
170. Da für die strukturale BetraChtungsweise
der linguistische Kontext entSCheidet, ist damit die paulinische OUVT)
OLXCXLO-
ein ganz anderes Lexem als das seiner Tradition.
3.2.9. Aus der linguistischen Strukturanalyse ist zu sChließen, daß das sprachliche Ereignis der 0 L XCXL OOUVT) ee: ou
nicht aus seinem linguist i-
sehen Eingespanntsein zwischen dem abgelehnten ex VOf,LOU kündigten l;x nt01:e:we;
und dem ver-
zu lösen ist, um es zunächst einmal auf Gott
selbst zu beziehen. Die Gerechtigkeit Gottes ist ganz eine spraChliche Leistung Gottes in einem doppelten Sinne: Sie ist ganz sprachlicher Vorgang zwischen dem im Zvangelium und dessen zeitlicher Bindung an das ev XPL01:iji
Redenden und dem im Glauben Hörenden. Sie ist ganz sprachli-
ches Drgebnis des damit bezeichneten sprachlichen Vorgangs. OLXCXLOOUVT) ee:ou
ist die Gott selbst zukommende Gerechtigkeit (Gen. subj.) gerade
darin, daß sie die den Glaubenden zukommende Gerechtigkeit (Gen. obj.) ist, 167 Vgl. Bultmann, aaO. 649, 14ff. 19ff. 168 Vgl. A. A. van RULER, Die christliche Kirche und das Alte Testament. (BEvTh 23) 1955, 64!. 169 Vgl. dazu SChrenk, aaO. 188, 21 - 189, 2. 170 Vgl. den Nachweis bei M. RESE, Überprüfung e~n~ger Thesen von Joachim Jeremias zum Thema des Gottesknechtes im Judentum. ZThK 60. 1963, 21-41.
"Gottesgerechtigkeit"
98 weil das !!:X 8EOÜ
die absolute Prärogative Gottes im EX nL01:EWe;
si-
chert. Hier darf man nicht mit Müller um Röm 9-11 willen das atl Motiv der göttlichen "Bundestreue" einführen 171. Auch Röm 9-11 stehen unter dem Thema von Röm 1, 16f 172 • Wenn nämlich der Ungehorsam des Judentums gegenüber dem Evangelium (vgl. Röm 10, 16) der soteriologischen OUVO:IJ.~e; 8EOÜ eine Grenze setzt, dann bleibt Röm 1, 17 eine reine Behauptung. Darum muß sich gerade an der teilweisen Verstockung des Judentums (Röm 11, 25) das Recht des solafide, des sola gratia und des solus CrJistus erv/eisen. Die bevorstehende Erlösung des verstockten Judentums (Röm 11, 25-32) ist kein heilsgeschichtliches Postulat aus dem "um der Väter willen" (Röm 11, 28) und aus der Beschreibung der Heilsverheißungen (Röm 9, 4f)173. Sie ist vielmehr ein Postulat aus der absoluten Geltung des
!!:x nLO'tEWe;
(vgl. Röm
9, 30-32; 10, 6ff; 11, 6), das mit dem absolut geltenden!!:x 1:0Ü XO:AOÜV'toe; äqUivalent ist (Röm 9, 12). Weil der XO:AWV EX nL01:EWe;
um der absoluten Geltung des
willen mit dem Evangelium zunächst am geistlichen"Samen Abra-
hams"die Heilsverheißungen erfüllte (Röm 9, 6-13; 11, 1-6) und damit den fleischlichen "Samen Abrahams" zum Heid auf das sola gratia bewegte (Röm 10, 16-21; 11, 11-15), darum ist im christozentrischen Sprachereignis zwar der usurpierte
VCIJ.Oe;
,aber nicht
6
Acyoe; 1:0Ü 8EOÜ
entfallen
(Röm 9, 6), der mit dem Yfort vom Kreuz identisch ist: So ko=t der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber geschieht durch das Wort von Christus (Röm 10, 17). So bleibt auch in Röm 9-11 die o~xo:~oauvT) ganz eingefangen in das in allen Aspekten sprachliche Verhältnis zwischen Gott und seinem Volk. Im sprachlichen Vorgang dero~xo:~oaUvT)
hält Gott
"Bundestreue", Treue zum ~ Bund EX I1t01:EWC; , den die o~6:.xovo~ kündigen ( 2 Kor 3, 6) und der als o~o:xovr.o: 'tJ'ie; oLxo:~oa0vT)e;
ver-
a po-
steriori den alten Bund als apriori nichtigen erkeIll1en läßt (2 Kor 3, 10f).
171 Vgl. Müller, aaO. 108ff. 172 Vgl~ oben S. 52ff. 173 Vgl. dazu H. - J. SCHOEPS, Paulus. 1959, 248ff.
DIE LINGUISTISCH-DIDAKTISCHE METHODIK DER GLEICHNISSE JESU*
O. Die Prämissen der linguistisch-didaktischen Analyse der Gleichnisse Jesu 0.1. Die religionspädagogische Prämisse der Analyse der didaktischen Methodik der Gleichnisse Jesu ist die durch Ingo Baldermann 1 vollzogene konsequente Generalisierung eines partiell schon bei Theodor Hecke1 2 , Karl Hauschildt 3 und entschiedener bei Karl Witt 4 und Martin Rang 5 vorhandenen didaktischen Postulats, die sprachliche Form der biblischen Texte selbst als didaktisches Phänomen zu verstehen 6 und dieses als Leitfaden der unterrichtlichen Texterschließung zugrundezulegen 7 : "We= die Didaktik nach den didaktischen Möglichkeiten fragt, die in dem Gegenstand selbst ruhen, so gilt demnach für die Interpretation von Texten: Das didaktische Moment am Gegenstand selbst ist hier grundsätzlich die sprachliche Form. Man kann also sagen: Die sprachliche Struktur ist selbst ein didaktisches Phänomen" 8 , we= dabei die Struktur der biblischen Texte im Sinne von Ernst Fuchs als "Sprachbewegungen,,9 und im Si=e der Textlinguistik 10 als primäres sprachliches Zeichen verstanden wird, das dem sprachlichen Detail den funktional-kontextualen Si=Horizont verleiht. 0.2. Die wissenschaftsgeschichtliche Prämisse der Analyse der damit bereits angedeuteten linguistischen Methodik der Gleichnisse Jesu ist die Erke=tnis, daß sich seit einiger Zeit auch in der Theologie eine interdisziplinä-
*
Stark überarbeitete Fassung eines Vortrages vor dem Sprachenkonvikt in Berlin-O. am 4. und 5. 5. 1970 und vor der Pädagogischen Hochschule Rheinland, Abt. Köln vom 16. 8. 1970. Der Vortrag war auch Bestandteil einer gleichnamigen Vorlesung an der Ev. Theol. Fakultät Bo= im YJS 1970/71, die die Probleme auch analytisch ausführlicher behandelte, als dies in einer Veröffentlichung möglich ist. I. BALDERl'IANfT, Biblische Didaktik. 1963; DERS., Der biblische Unterricht. 1969, 28ff. 129ff. 2 Th. HECiillL, Zur 1~ethodik des evangelischen Religionsunterrichts. 1928, 53. 70. 3 K. HAUSCIULDT, Der Yieg von der Exegese zum Unterrichtsentwurf. EU 10. 1955, 7. 4 K. WITT, Konfirmandenunterricht. 2. Aufl. 1959, 76ff. 5 11. RANG, Handbuch für den biblischen Unterricht II. 3. Aufl. 1948, 233ff. 6 BalderiIlann, Didaktik 21ff. 7 3bda. 46ff. 8 Ebda. 27. 9 E. FUCHS, Hermeneutik. 2. Aufl. 1958, 211ff; bei Balderm=, aaO. 36f. 41f. 10 Vgl. dazu die Lit. oben S. 79 Anm. 115.
100
i.lethodik der Gleichnisse Jesu
re Kommunikation anbahnt, deren wesentliche Partner die Hermeneutik und die formgeschichtliche Exegese einerseits und die Linguistik und die linguistisch orientierte Literaturwissenschaft andererseits sind 11 • Damit tritt vor allem die formgeschichtliche Exegese und so auch die Gleichnisforschung aus dem vorlinguistischen in ein linguistisches Stadium 12 • 0.2.1. Die linguistische Analyse des NT ist nach ihrem Selbstverständnis keine künstlich von außen an das
l~
herangetragene und unter Bruch mit der
Forschungsgeschichte in die Forschung eingeführte heteronome Methodik. Sie versteht sich vielmehr als die logisch konsequente Weiterentwicklung solcher Ansätze der ntl Forschung, die de facto einen linguistischen Kern besaßen, aber nicht mit einer dezidiert linguistischen Methodik und Terminologie durchgeführt wurden. Die linguistische Analyse setzt die quasi linguistischen Ansätze der vorlinguistischen Forschung in eine dezidiert linguistische Begrifflichkeit um und macht so deutlich, was schon längere Zeit als linguistisches Phänomen hätte erkannt werden können, wenn die Fragestellung methodologisch genügend abgeklärt gewesen wäre. 0.2.2. Es geht m. a. 1'1. bei der linguistischen Analyse des NT um die methodologische Abklärung einer die linguistischen Fakten universal verwertenden Interpretation und um die praktische Erprobung der für die speziellen Belange der ntl Wissenschaft konzipierten linguistischen Theoriebildung 13 , wobei Theoriebildung und praktische Erprobung geläufige Erkenntnisse der ntl Forschung kritisch in eine spezifisch linguistische Begrifflicllireit und Fragestellung umsetzen. Es handelt sich also um eine Reflexion gängiger Thesen und tradierter I,Ieinungen unter dem Gesichtspunkt einer linguistischen Ideo11
12 13
Vor allem in der kath. ~egese sind solche interdisziplinären Ansätze nicht mehr zu übersehen. Hervorzuheben sind hier vor allem W. RICHTER, Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zum Richterbuch. (BEB 18) 1963, 344-399; DERS., Recht und Ethos. (StAHT 15) 1966; DERS., Die sogenannten vorprophetischen Berufungsberichte. (FRLAHT 101) 1970; DERS., Formgeschichte und Sprachwissenschaft. ZAW 82. 1970, 216-225; DERS., Exegese als Literaturwissenschaft. 1971.Für die Gegner der Einführung der Linguistik in die Exegese ist bezeichnend, daß sie i~lier wieder den Einwand WiederhOlen, es gebe bisher keine analytischen Beweise für die Fruchtbarkeit der neuen Methode, obwohl diese Veröffentlichungen zT. schon seit Jahren vorliegen. Den wesentlichen Anstoß für die neue Phase verdankt die Forschung Dan O. Via. Vgl. dazu unten S. 147ff. Eine solche Theoriebildung versuche ich zusammen mit einem von der DFG besoldeten Forschungsteam. im Rahmen des Schwerpunktprojekts "Theoriebildung und Methodenentwicklung für die Linguistik" mit meinem mehrjährigen Forschungsprojekt "Generative Poetik des lTT", über das in der am. 15. 11. 1970 in Bonn gegründeten Zeitschrift "Linguistica Biblica" laufend berichtet wird.
Methodik der Gleichnisse Jesu
101
logiekritik, so daß die apriorischen Prämissen der angeblich "rein exegetischen" Aufstellungen bewußt und damit wieder diskutabel, dh. fragwürdig werden 14 •
0.2.3. Dan:it tritt die ntl 1"orschung in ein Stadium, das sich von dem vorlinguistischen deutlich abhebt, zugleich aber entscheidende Keime aus dem vorlinguistischen Stadium übernimmt, sofern sie der methodologischen Grundlagendiskussion integriert werden können.
0.3. Die Öffnung der ntl Exegese in Richtung auf die Linguistik bedingt auch ein neues Interesse der Exegese an der Didaktik, von dem ich unter 0.1 ausging. Die Verbindung von Linguistik und Didaktik ist zwangsläufig gegeben 15 , wenn man als Aufgabe der Linguistik definiert, die Linguistik solle auf der
~bene
der bewußten wissenschaftlichen Reflexion und Methodik
diejenigen strukturellen Regeln einer bestimmten Sprache lernend erforschen, die sich ein kleines Kind bei der Erlernung der gleichen Sprache auf der Ebene unbewußten Lernens oder sich-Anpassens an ein bestimmtes Sprachverhalten unreflektiert aneigne 16 • Zweifellos besitzt die Spracherlernung eines kleinen Kindes ihren unbewußten Mechanismus, den man als die "natürliche" Didaktik der betreffenden Granrrlatik bezeichnen kann. Ähnlich wie ein kleines Kind unbewußt und unreflektiert von ihm nie gehörte und gesprochene gra=atisch richtige Sätze und "Texte" sprechen und verstehen lernt, so erlernt die linguistische Forschung in bewußter, reflektierter I1ethodik die strukturellen Regeln der Erzeugung ähnlicher grammatisch richtiger und semanti:Jch sinnvoller Sätze und "Texte". Man kann also in bezug auf die Verbindung von Linguistik und Didaktik sagen: :Jie Linguistik ist die Bewußtmachung und @ethodologische
~rgründung
der unbe\vußten Didaktik der Spracherlernung.
0.3.1. Eit dieser Definition des Ansatzes der Linguistik ist freilich im :-(ahmen der linguistischen Schulen und Richtungen 14
17
eine Option für eine be-
Zum Problem, ob die ~heologie an die Linguistik keine Sachfragen zu stellen habe, vgl. das VO~70rt. 15 Diese@ Zusm~enhang wid@et sich die im Bayerischen Schulbuchverlag erscheinende Zeitschrift "Linguistik und Didaktik". 16 Hier ist auf den Zusammenhang zwischen Generativer Transformationsgrammatik und Spracherlerntheorie hinzuweisen. Zur letzteren vgl. The Learning of Language, ed. C. ~. 3ESD. 1971; A. BAR-ADOlT - VI. F. LEOPOLD, Child Language. 1971. 17 Oft hört nan als sinvTand gegen eine ernsthafte Beschäftigung des Exegeten Bit Linguisti1c, es gebe hier so viele SChulen, die sich nicht einig werden könnten. Zwar ist nicht zu bestreiten, daß die schulischen und terminologischen Differenzen den Anfe~ger verwirren können. Doch können diese Differenzen niemals ausreichender Grund sein, der Linguist~k den Status einer Wissenschaft abzusprechen, zu@al auch die Exegese kelne schulische ~inheitsfront darstellt. Der ~inw~~d ist wohl nur ein Indiz der großen Verlegenheit der Theologie gegenüber der Linguistik.
102
Methodik der Gleichnisse Jesu
stimmte Auffassung von Linguistik vollzogen, die seit etwa Mitte der 50er Jahre einen grandiosen Siegeszug in fast allen linguistischen Unterdisziplinen angetreten hat 18 • Es handelt sich um die sog. "Generative Transformationsgrammatik" von Noam (Avram) chomsky19, die die sog. "taxonomische" Analyse seines Lehrers Zellig Sabettai Harris und die sog. "Tagmemik" von Kenneth L. Pike 20 ablöst. "Den Kern der Theorie bildet eine einfache wie entscheidende Feststellung: Wer eine natürliche Sprache beherrscht, hat im Kopf nicht einfach eine lange Liste von Wörtern oder Sätzen aufgespeichert, sondern ist in der Lage, beliebige neue Sätze zu bilden und nie zuvor gehörte Äußerungen zu verstehen. Sprachbeherrschung ist also eine aktive produktive Fähigkeit, nicht bloß die Kenntnis einer Nomenklatur ••• Die zentrale Frage muß also heißen: Welche Grundlage hat die Fähigkeit
=
Bilden
und Verstehen von Sätzen?,,21 Chomsky nennt diese Grundlage "GrSJ'!llJlatik". Diese hängt zwar irgendwie mit dem herkömmlicherweise Grammatik genannten Phänomen zusammen; aber die von Choms}:y gemeinte Grundlage der Satzerzeugung umi'aßt neben der Gra=atiktheorie im engeren Sinne auch eine Theorie der Sprachvervlendung, der Gpracher1ernung und der spraChveränderung 22 • Als linguistisches Zentralproblem wird so die Zrk1ä.ru.ng der Fä..lJ.igkeit zum Erzeugen von grammatikalisch richtigen ("Gra.J!llllatika1ität") und von kompetenten SpreChern/Hörern akzeptierten ("Akzeptabi1ität") Sätzen herausgestellt. Weil es Chomsky um die strulcturellen Regeln der Erzeugung von Sätzen geht, darum heißt diese Theorie "Generative" Grammatik. 18
19
20
21 22
Auch vor und neben N. Chomsky gibt es generative übe~legungen in der Linguistik. Bereits Chomskys Lehrer Z. S. Harris hat eine Transformationelle Theorie. Vg1. Z. S. I~~IS, The 31ementary Transformations. (Transformation aud Discourse Analysis Papers 54) 1964; DERS., Transformations in Linguistic Structure. Proceedings of the American Phi10sophica1 Society 108. 1964, 418-422; DERS., Transformationa1 Theory. Language 41. 1965, 363-401. In übrigen beruft sich Chomsky auf W. v. Humbo1dts ~nergeia-Lehre. Doch ist diese Berufung umstritten. Vg1. E. COSERIU, Semantik, innere Sprachform und Tiefenstrul~tur; in: ders., Sprache 213-224. Zum Vergleich zwischen Harris und Chomsky vgl. S. PLÖTZ, Operationen in der Ling,listik (1. Zwischenbericht zum Forschungsvertrag "Linguistische ~tenvera.rbeitung: Grundlagenforschung und Aufbau eines Progra.rllzliersystems"). 1970, 19-36. U. CHOl:liSKY, Syntactic Structureo. (Janua Linguarum, series minor 4). (1957) 8. Auf!. 1969; DErrS., Aspel::te der Syntax-Theorie. (Theorie 2) (amerikan. 1965) 1969. Zur Darstellung vgl. J. :BECHERT - D. Cr.E'!.IEIJ~ W. THÜllD.iEL - K. H. WAGNER, Einführu:,g in die generative Tra.'1.sformationsgrammatik. (Linguistische Reihe 2) 1970. K. L. PIl~, La'1.~age in Relation to a Uuified T~eory of the Structure of Human Behavior 1-111. 1954/60; DERS., A Guide to Publications Re1ated to Tagmemic Theory; in: Current Trends in Linguistics: Theoretical Foundations 111. hg. v. Th. Sebeok. 1966, 365-394. 1\1. BIERWISCH, Y..ursbuch 5. 1966, 104. An dieser Erweiterune der Grammatil:-Theorie wird die Beschränktheit der herkömmlichen Gr=atilc-Theorie de1.1tlich. Vg1. dazu J. LYOnS, Introduction to Theoretica1 Linguistics. 1971, 4ff. 133ff.
103
Methodik der Gleichnisse Jesu
0.3.2. An dieser Stelle muß sofort eine gewisse Grenze der bisherigen Generativen Transformationsgrammatik erwähnt werden. Die Theorie Chomskys beschränkt sich nämlich bisher auf die strukturellen Regeln von Sätzen 23 , obwohl bereits sein Lehrer Harris die Analyse größerer, über die Satzgrenze 24 lin~isti~cher Einheiten in Angriff genommen hatte •
hinausgehender
Als ntl Forrnkritiker und erst recht als Linguist, der wesentliche Axiome der "Textlinguistik" teilt 25 , gehe ich jedoch davon aus, daß die primäre Einheit der Sprache, das primäre Datum für die Analyse und damit auch für die Theoriebildung weder das einzelne Wort noch der einzelne Satz, sondern die Gattung, die "Form" ist, weil sie erst dem
lin~istischen
Detail den
Kontext gibt und nicht nur die relative semantische Autonomie des einzelnen Worts, sondern auch den relativen semantischen Sinn-Horizont des einzelnen Satzes aufhebt. Man beherrscht also erst dann eine SpraChe, wenn man aus einem endlichen Inventar, dh. aus Wörterbuch und Grammatik, eine unendliche Heihe von grammatisch richtigen und semantisch sinnvollen "Texten" erzeugen kann. Die Spracherlernung besteht danach aus der
E~1erbung
einer inneren
Fähigkeit, aus einem endlichen Inventar oder Repertoire durch Kombinatorik unendlich viele "Texte" erzeugen zu können, wobei der einzelne Satz, manchmal auch ein einzelnes Wort die kleinste mögliche Erscheinungsform eines "Textes" is"t. Der "Text" besteht normalerweise aus einer Kombination von Sätzen, die auf einem von der
Textlin~istik
noch zu erforschenden Textkom-
binationsprinzip oder Textkonstitutionsprinzip beruht. Die textkonstituierenden Faktoren kann mari. mit W. A. Koch "Texteme" nennen 26 • Wenn man die Texteme einer bestimmten atl oder ntl Gattung erforscht hat, dann kann man mit ihrer Hilfe durch die Kombinatorik und durch die Transformation unendlich viele ähnliche "Texte" erzeugen, dh. "Texte", die die Sprache der gleichen Gattung sprechen.
0.3.3. Diese Fähigkeit zur
Erzeu~~g
nie gehörter, gesprochener oder nieder-
geschriebener "Texte" der gleichen Gattung ist auch didaktisch der Kernpunkt: Wenn man auf grund der Strukturerkenntnis ähnlich strukturierte "Texte" er-
23
24
25 26
Die I
Methodik der Gleichnisse Jesu
104
zeugen kann, also etwa im Falle der Gleichnisse neue Gleichnisse mit ähnlicher Struktur, dann hat man die Sprache der Gleichnisse" gelernt" ',md "verstanden" und kann sie deshalb auch andere lehren. Jede didaktische Darbietung biblischer oder anderer "Texte" ist im Grunde eine zumindest teilweise lTeugeneration, weil die Darbietung (der "Kompetenz-Text") den biblischen (Performanz-) "Text" irgendwie transformiert. Es kOIßI:lt aber darauf an, daß die didalctische Transformation im Clailllen des Textem-li'etzes des Performanz-Textes bleibt. \'fann wird durch die Transformation ein anderer "Text" als der didaktisch darzubietende erzeugt bzw. welcher "neu" erzeugte "Text" ist eine linguistisch noch legitime Transforma"Gion? Dies ist die Kernfrage einer von mir im interdisziplinären
Gesp~äch
mit Linguisten und Literatur-
wissenschaftlern entwickelten neuen linguistischen 'I'heorie, die ich rative Poetik" genannt habe. Auf ihre Prinzipien ist in
~
eine~ a~deren
Zusam-
"' , zuk ommen 27 • men h ang zuruc",
0.3.4. Ich führe nun im folgenden die für die tlethodik wichtigsten der Gleichnisforschung vor, um an diese, die
~ethodologischen
~tappen
Aspekte
akzentuierende, Darstellung eine Skizze der spezifisch struktural-linguistischen Fragestellungen der "Generativen Poetiic" anzuschließen. 1. Die linguistisch-didalctische Helevanz der Konzeption Adolf Jülichers 1.1. Adolf Jülicners Gleichnisanalyse aus den Jahren 1886 und 1899 28 wird von der ntl Forschung allge~ein als die Grundlegung der modernen Gleichnisforschung anerl:annt 29 • Seine Eonographie von fast 1000 Seiten löst die bis dahin
führenden
Werke
von A. F. Unger 30 und von C. E. van
Koets-
veld 31 durch eine Reihe von Thesen ab, die mit der Mischung aus Rationalismus und Supranaturalismus aufräumen und mit einer bewundernswert ausführlichen Lletl1odologischen Klärung die Grundlage für die spätere formgeschichtliche Gleichnisforschung legen. Jülicher hält nichts von dem begrenzten Horizont einer "rein exegeticchen" Fragestellung, sondern stellt sich der Aufgabe einer methodologisch durchdachten Theoriebildunt, für die Gleichnisauslegung, die allein aus dem '.'11.'-2"" der Auslegungen im Verlauf der christlichen Geschichte herauszuführen vermag. So hat denn sein Werk heute
27
28 29
Vgl.. unten S. "Theologie als sprachbezogene Wissenschaft" unter Punkt 2. A. JL~ICH3R, Die Gleic~~isreden Jesu I. 1886, 2. Lufl. 1899; 11. 1899. Vgl. W. G. Kthi];,1];L, Das Heue Testament. (Orbis Academicus III/3) 1958, 232.
30 31
A. F. UnGER, De parabolarum Jesu natura, interpretatione, usu sC[lOlae exegeticae rhetoricae. 1828. C. E. van KOETSVELD, De Gelijkenissen va~ den Zaligmaker 1+.11. 1869.
Methodik der Gleichnisse Jesu
105
seine Nachwirkungen auch weniger im exegetischen Detail, das viel zu sehr mit den moralinsauren Allgemeinplätzen einer kapitalistischen Ideologie durchsetzt war 32 • Sein Werk trägt seine Früchte bis heute vor allem in bezug auf die methodologische Grundlagenforschung. Geht es heute um eine linguistische Analyse der Gleichnisse, dann müssen Jülichers methodologische Überlegungen in eine spezifisch linguistische Fragestellung und Terminologie umgesetzt werden. Dabei ergeben sich im wesentlichen fünf methodologische Komplexe, deren didaktische Konoequenzen ich soweit wie möglich und notwendig ausziehe. 1.2. Jülicher prüft zunächst die Frage der Echtheit der Gleichnisreden Jesu 33 , dh. er analysiert die Quellenlage seines Themas. An anderer Stelle seines
er diesen Komplex noch einmal anhand der Frage nach de~ historischen und theologiscnen Wert der Gleichnisreden Jesu 34 • ~ches be{~delt
1.2.1.Für die 2chtheit der Gleichnisse Jesu fällt am stärksten eine Tatsache der literaturgeschichtlichen Komparatistik ins Gewicht: "Die parabolische Lehrweise steht in der christlichen Literatur einzig da,,35. Zwar gibt es
ia
.AT, Judentum und in der apostolischen und nachapostolischen
Literatur Gleichnisse; aber die Gleichnisse Jesu unterscheiden sich von diesen durch die linguistische Höhenlage in Form und Inhalt. 1.2.2. Auch die
a~geblichen
Parallelen im RabbinisDUs und im Buddhismus
halten einer kritischen Überprüfung nicht stand 36 • "Wo immer rabbinische Varianten zu evangelischen Parabeln uns aufgedrängt werden, fällt der Vergleich zu ihren Ungunsten aus, fast durchweg haben sie etwas Gemachtes.,,31 "Der Schriftgelehrte ist durch seinen namen scilon gebunden, jeder Originalität zu entsagen und nur ein en"!;strömende Weisheit. ,,38
I~al
zu werden für die jedem SChriftwerk
1.2.3. Das trifft entgegen Jülichers l,einung auc..'l für die Haggada zu, denn diese ist nie!,"!; einfaci: erzählerische Fiktionalität, sondern, wie Wilhelm Bacher na~1gewiesen hat 39 , ebenfalls Schriftauslegung, freilich freie, unautoritative Schriftauslegung.
~amit
ist freilich klar, daß trotz aller
Verwandtschaften zwischen Hagsada und G-Ieichnissen letztere nicht aus erste-
32 33 34 36 38
Vgl. dazu G. H. DODD, The Parables of the Kingdom. (1935) 1961, 12. Jülicher, Gleichnisreden I, 1-24. Sbda. 148-182. 35 Zbda. 23. :Coda. 164ff. 3'7 3bda. 170. Ebda. 112. 39 W. BACHER, Die Agada der Tannaiten I. 2. A-.ri'l. 1903, 451-475. Dazu E. GÜTTG31WmS, Recht und Gnade als göttliche "Hypostasen" in rabbinischer Haggada. Typoskriptumdruck 1969, 12ff.
106
Methodik der Gleichnisse Jesu
rer abzuleiten sind, denn sie bieten keine Schriftauslegung, sind sprachfunktional nicht dem hl. Kodex zugeordnet. 1.2.4. Aber auch die Apokalyptik ist nach Jülicher "überhaupt kein Boden, auf dem die ruhige Klarheit der echten lta.pa.ßoil.~ heute auf grund der soziolinguistischen
l~rforschung
gedeiht. ,,40 Wir müssen der Apolcalyptik hinzu-
fügen, daß die jüdische ApOkalyptik linguistisch schon deswegen nicht der Mutterboden der Gleichnisse Jesu gewesen sein lcann, weil sie soziolingui stisch-medial an die Schriftlichkeit des Offenbarungsbuchs gebunden ist 41 , während die Gleichnisse Jesu zunächst Phänomene der Mündlichkeit waren. Von buddistischen Parallen redet heute niemand mehr ernsthaft; es handelt sich wohl um eine Zeiterscheinung der Forschungsgesclüchte 42. Diese Urteile Jülichers zur Quellenlage gelten im wesentlichen bis heute, auch wel.n man in bezug auf die Echtheit skeptischer urteilt als er. 43 1.3. Jülicher analysiert sodann das Wesen der Gleichnisreden Jesu
,dh.
die die Gleichnisse konstituierenden formgeschichtlich-linguistischen Besonderheiten. 1.3.1. Was ein Gleichnis ist, kann nicht nach der expliziten Verwendung des Terms lta.pa.ßoil.D für insgesamt 20 Stücke bei den Synoptikern bestimmt werden 44 , sondern allein nach den formgeschichtlich-linguistischen Indizien dieser Stücke, die auf insgesamt 53 auszuweiten sind 45 • Aber auch eine semantische Analyse des Terms lta.pa.ß.oil.D
hilft nur bedingt weiter 46 : Die
Evangelisten "verwenden den terminus aufs unbefangenste, ohne alles Zögern, in dem Gefühl, daß derselbe etwas durchaus Bekannt es ist ".4 7 J esus hat keine neuen
Lehrforr~en
erfunden, sondern sich mit den Gleichnissen in dem
großen Rahmen der atl mellalim bewegt 48 , einer Redeform, "die durch Nebeneinanderstellung von Gleichem, durch Vergleichung zu Stande kommt oder darauf beruht,,49. Diese Redeform ist verwandt mit der atl l:,tIda, dem Rätsel, aber von der I.1etapher zu unterSCheiden, weil sie linguistisch eine Rede, kein Redeteil, ein vollständiger Satz oder Gedanke, kein bloßer Begriff ist 50 •
40 42 43 45 46 48 50
Jülicher, aaO. 155. 41 Vgl. E. GÜTTG3tWHiS, VF 15/2. 1970, 54f1'. Vgl. A. SCHWEITZER, Gescilichte der Leben-Jesu-Forschung. (1906) 6. Aufl. 1951, 320ff. AaO. 25-118. 44 ;."bda. 25f. Vgl. die Zählung aaO. 11, VIIi. AaO. I, 29ff. 47 3bda. 31. Ebda. 32:f. 49 Sbda. 36. Ebda. 37i.
Methodik der Gleichnisse Jesu
107
1.3.2. Damit bahnt sich eine linguistisch-literaturvfissenschaftlich grundlegende
~rkenntnis
an, die erst jüngst bei Dan Otto Via explizit wird:
Die Gleichnisse Jesu sind keine ausgeführten Bilder, allch kein summatives Aggregat von solchen; sie sind vielmehr eine übersu=ative "Gestalt". "Wie die Evangelisten die Parabel auffassen, ist sie ein Redeganzes ll51 , und dh. eben ein sprachliches "Gestalt"-Phänomen. 1.3.3. Jiilicher benutzt diese Erkenntnis vor allem zur literaturgeschichtlichen Abgrenzung der Gleichnisse Jesu von den hellenistisch-jüdischen Parabeln 52 • Diese Abgrenzung ist identisch mit einer Differenzierung zwischen den Gleichnissen in Jesu Selbstverständnis und den Gleichnissen im Verständnis der Evangelisten, deren Parabelbegriff der jüdisch-hellenistische ist: "Drei ,,!omente konstituieren •• ihre n:a.pa.ßoA:l , ein vollständiger Gedenke muß es sein, eine Rede von vergleichendem Charakter, und endlich eine, die tieferen Sinn verhüllt.,,53 Diese drei Uomente verfälschen den linguistischen Charakter der Gleichnisse Jesu: "Nach der Theorie der ~rangelisten
sind die na.pa.ßo\a.t Allegorien, also uneigentliche, gewisser-
maßen der Übersetzung bediirftige Rede, in Wirklichkeit sind sie - resp. waren sie, ehe die Hand eifriger Überarbeiter an sie kam - recht Verschiedenes zwar, Gleichnisse, Fabeln, Beispielerzählungen, aber immer eigentliche Rede.,,54 1.3.4. Die religionsgeschichtliche Differenz zwischen atl ma.§al und jüdisch-hellenistischer Parabel ist zugleich eine linguistisch-literaturwissenschaftliche Differenz zwischen eigentlicher und uneigentlicher Rede. Vlollen wir die Gleichnisse J esu adäquat erlcennen und deskribieren, dann müssen wir sie tendenzy.zoi tisch von der seit den :Wangelisten üblichen allegorisierenden Av.slegung reinigen 55 • 1.3.4.1. Der erste Schritt einer solchen Reinigung ist die :J)rkenntnis, daß !,Jl: 4, 10-12 angegebene Zweclc der Gleichnisse Jesu 56 eine tendenzkriti-
der
sche Entstellung dUl'ch. rtm.rlms ist: "Die Parabeln erschienen dem Mc als JJildrede voll tieferen, geheimnisvollen Sinnes, als Ilätselworte; daraus folgte sofort, daß Jesus sie nicht seinen Vertrauten gegenüber gebraucht habe; und Vlenn in ihrer GeGenwart, daß er
~
die Deutung, die Lösung
nie vorenthielt".57
51 52 54 55 57
Ebda. 47. Ebda. 39ff.
53 Ebda. 42, im Original zT. gespe=t.
Ebda. 49, im Original gesperrt. Ebda. 50ff. Ebda. 147.
56 8bda. 118-148.
Methodik der Gleichnisse Jesu
108
1.3.4.2. Seitdem William Wrede die verhüllend-allegorische Gleichnisrede Jesu als Bestandteil der Messiasgeheimnis-Theorie er::annt hat 58 , ist dies Urteil Jülichers allgemein gängig geworden: "Entweder-Oder: entweder einzig der Verstockungszweclt gegenüber den WJassen und die Glaubwürdigkeit der Synoptiker auch in dieser Frage, oder eine irrtümliche Folgerung bei ihnen wegen eines Irrtums in den Prämissen und derselbe Zweck, dem sonst die Parabeln, wie jeder fühlt, auch die des Herrn dienen. Dieses Entweder-Oder geht tief: entweder die Evangelisten oder Jesus.,,59 Wir ergäm.en: entweder Glei~~isse
oder Allegorien.
1.3.5. Auch didaktisch ergibt sich eine in Folgenden noch nilller zu begründende Alternative: En-!;weder sind Jesu Gleichnisse echte Gleichnisse, dann können und müssen sie als didaktische
Phäno~ene verst~~den
und ausgenutzt
werden. Oder sie sind Allegorien, dann entfallen sie als Gegenstand einer religions pädagogischen Didaktik, deren primäres Axiom die Didaktik der Texte selbst ist. 1.4. Damit ist Jülicher zum Zentrum seiner methodologischen Reflexion gelangt, das sich in der Folgezeit als bahnbrechend erwiesen hat. Grundlage dieses Zentrums ist eine linguistische Präzisierung des Unterschiedes zwischen einem Gleichnis und einer Allegorie. 1.4.1. Funktional basieren diese beiden Sprac;,formen auf zwei verschiedenen Arten der Rede, obwohl beide auf dem ö~o~ov, dh. der Verwendung der 60 Analogie beruhen, wie schon Aristoteles er~~te • 1.4.1.1. Aristoteles unterscheidet in seiner Behandlung der vier Gründe für den rhetorisch-stilistischen Fehler des tjJVXpov ten Grundes die l~etapher (~E:.a<pop&. schreibt: "In der
E:
61 innerhalb des vier-
vom Bild (E: Cxwv
). Jülicher um-
i. J1WV wird neben die Sache oder die Person, von denen
die Hede ist, etwas ähnliches gerücl:t(1tapaß&.AAE.a~), um die Anschauung des Hörers zu beleben oder richtig zu leiten, in der im Ausdruclt die Sache oder die Persol"
~E:'(X(jlOP&.
verschwindet
von denen die Hede ist, hinter etwas
ähnlichem, das direkt an ihrer Stelle auftritt: durch einen, wenn aucll meist höchst ein:fachen llenkprozeß muß der Hörer erst den Begriff, der gemeint ist, für den, der genannt wird, einsetzen".62 Ili t dieser Unterschei58 59 61
62
W. YIR.-Sm'!;, Das l.lessiasgeheimnis in den _'Yallgelien. 1901. 3. Aufl. 1963, 54ff. Jülicher, aaO. 148. 60 Ebda. 52f;Aristot., rhetor. III, IV, 1f (14-06b). Ebda. IrI, III, 1ff (1405b). Es ha'1.delt sich um den Fehler, "daß die verba höher hinaus wollen, als es der ausgedrückten res oder der literarischen Gattung ent~pricht" (H. ~~USBERG, Handbuch der literarischen Rhetorik I. 1960, 518). JÜlicher, aaO. 52.
109
Methodik der Gleichnisse Jesu dung begründet Aristoteles einen Topos der klassischen Rhetorik eines Cicero oder eines Quintilian 63 • 1.4.1.2. An Aristoteles knüpft Jülicher an, indem er die Metapher als
"die Grundform der in vollem Sinn 'bildlichen' Redeweise" und als "Vorstufe" der Allegorie, das ~ dagegen als "Vergleichung" definiert 64. Beide Redeforrlen sind grundlegend verschieden: "Die Eetapher läßt eine Deutung zu,
nebe~
das ausgesprochene Wort
F~
man in jeder:! Falle das in
Wahrheit dabei zu denlrende stellen; bei der Vergleichung wird jedes Deuten zum unsinn.,,65
"Die Vergleichung ist unte=ichtend, die I,letapher ist
interessant." "Die Metapher gibt statt eins ein halb, sie will eben nicht Hellig:keit schaffen, sondern das Auge stutzig machen." "Die
r.~etapher
lehrt
ihn (scil. den Leser) Ähnlichkeiten war~ehmen, apperzipieren, Vorstellungen verbinden, auch dünne Verbindungsfäden bemerken. Sie steigt nicht wie die Vergleichung zum Hörer herab, sondern zieht ihn zu sich hinauf." "Die Vergleichung bietet das
5fJ.OL OV
zu helfen, die ~.!ctapher bietet ein
zu einem
OfJ.OLOV
ov , um dem lrichtverstehenden
statt eines
OV •
Doch nur dem Ver-
stehenden. ,,66 Die Vergleichung ist also ein didaktisches illi ttel, die Metapher neigt zur Geheimsprache für Kenner. 1.4.2. Nach dieser linguistischen Unterscheidung der beiden Redeformen von Vergleichung und Metapher stellt Jülicher eine These auf, die für sein literaturgeschichtliches Verständnis zentral ist, zugleich aber zeigt, daß Jülicher linguistische Ansätze besitzt: "Was aber von Vergleichung und Metapher gilt, dasselbe gilt von ihren höheren Formen, die ich als Gleichnis und Allegorie bezeichne.
DeIL~
wie das GleiclUlis die auf ein Satzganzes
erweiterte Vergleichung, so ist die Allegorie die auf ein Satzganzes erweiterte Metapher.,,67 nenn man mit der Linguistik den Satz als ein linguistisches "Gestalt"-Phänomen bezeichnet 68 , drum kann man sagen, Jülicher definiere die Gattungen des Gleichnisses und der Allegorie als linguistische "Gestalten", indem er sie als zu einem Satzganzen erweiterte linguistische "Vorstufen" von Vergleichung und Metapher definiere. Daß Jülicher spezifisch gestalttheoretischen überlegungen nahe steht, zeigt sein weiter unten folgender Satz: "Die Allegorie ist nicht eine Su=e von Hetaphern der beliebigsten Art, sondern eine Rede, deren konstitutiven Elemente zwar lauter
63 64 66 68
r,~etaphern
sind, aber untereinander zusawmenhängende, demselben Gebiet
Vgl. Lausberg, aaO. 285f.
65 Ebda. 56f, im Original zT. gesperrt. 67 Ebda. 58. ZB. H. BRINKI!lAllN, Der deutsche Satz als sprachliche Gestalt. WW SR 1952, 12-26.
AaO.
l!:bda. 57.
110
Methodik der Gleichnisse Jesu
entnornmene.,,69 Dies darf man doch wohl nach dem von Christian von Ehrenfels 1890 beschriebenen ersten "Gestalt"-Ariterium der "Übersurnmativität" des "Gestalt "-Sinns 70 eine de facto-Anwendung des ersten Ehrenfels -Y.ri teriums p~f
die Definition der Allegorie nennen. Die heutige linguistische Analyse
wird zu prüfen haben, ob Jülichers Definition die Grundlage einer modernen linguistischen Deskription der Gleic:'lnisse Jesu bilden kann. Dabei wird da.'1n auch geprüft werden müssen, ob die Metaphern in der Allegorie "untereinander zusammenhängende, demselben Gebiet entnommene" :3lemente sind, ob m.a.W. die Metaphern in der Allegorie in ähnlicher V/eis" ein "Feld" bilden,wie die Bilder in den Gleichnissen ein "Bildfeld,,71 darstellen; die Forschung hätte also nach dem Metaphern-Feld zu fragen. 1.4.3. Aus dem sprachfUnktionalen Unterschied zwischen Vergleichung und lletapher folgt didaktisch, daß nur die Spracbform der Vergleichung als didaktisches Phänomen ausgenutzt werden kann, während die
Sprach~orm
der
Metapher keine neue Information für den zu Belehrenden schafft, sondern lediglich dem Wissenden das auch spielerische Vergnügen der sprachlichen Verfremdung des bereits Gewußten und darum nicht mehr zur Information Geeigneten durch den Geheim-Code bereitet. 1.5. Jülicher untersucht sodann die Frage, ob die Gleichnisse Jesu in dem beschriebenen Sinne Allegorien sind, wie dies die christliche Tradition seit den Evangelisten meist unterstellt hat. Er urteilt gleich zu Beginn: "Trotz der Autorität so vieler Jahrhunderte, trotz der größeren Autorität der Evangelisten kann ich die Parabeln Jesu für Allegorien nicht halten. Es spricht nämlich nicht weniger als alles dagegen". 1.5.1. An erster Stelle ist anzuführen, daß wir die Gleichnisse Jesu "in der Hauptsache ohne
{;1tO"UO~t;
verstehen"; dem tragen selbst die alle-
gorisierenden Evangelisten Rechnung, da sie nur zwei "Auflösungen" von Gleiclmissen tradieren (rlJk 4, 13-20; 1!t 13, 36-43). Hält der heutige Interpret sich nicht für klüger als die Jünger und Evangelisten, da.'1n bleibt ihm nur die Wahl: "entweder die Parabeln bedürfen als Allegorien einer E1tO"UCHt;
,da wir dieselbe aber nicht überliefert beko=en haben, blei-
ben sie uns verschlossen, oder wir verstehen die Parabeln auch ohne über-
69 71
AaO. 58. 70 Chr. v. EHRENFELS, Über "Gestaltqualitäten". Vierteljahrsschrift für wiss. Philos. 14. 1890, 249-292. Dazu Güttge~ns. Offene Fragen 184f. Der linguistische Term "Bildfeld" ist dem Term "Wortfeld" analog gebildet und stammt von H. VmnmICn, iilÜl1ze und \70rt. Untersuchungen an einem Bildfeld. Romanica. Festschrift Rohlfs. 1958, 508-521; DERS., SE!lIIantik der 1!etapher. Folia Linguistica 1. 1967, 3-17, bes. 12f.
Methodik der Gleichnisse Jesu
111
lieferte Deutung, dann war aber eine Deutung niemals unbedingt notwendig, und Allegorien sind sie nicht.,,72 1.5.2. Es ist klar, daß Jülicher für die letztere Position plädiert. In einer indirekten BekämpfUng der üblichen Auffassung der Gleichnisse Jesu als Allegorien argumentiert er mit der mangelnden perspicuitas, die die Gleichnisse andernfalls beSäßen 73 ; in einer direkten Bekämpfung urteilt er: "Unwahrscheinlich darf ich es nennen, daß Jesus die Allegorie so überaus gern angewendet haben sollte. Denn die Allegorie ist eine der künstlichsten Redefornen." Die Begründung für diese These gibt er mit einem de facto psycholinguistischen Argument: Die Redeform der Allegorie ist "zu schwer, um seinen heiligen Eifer, um überhaupt ein hohes Pathos zu vertragen. Die Leidenschaft, reine wie unreine, schafft sich ihren Ausdruck unwillkürlich; das BedaChte, überlegte einer Allegorie ist ihrem Ansturm nicht gewachsen.,,74 1.5.3. Es besteht also eine linguistische Spannung zwischen der Sinnlichkeit, Leidenschaft und Unmittelbarkeit des Orientalen und der reflektierten Intentionalität der Allegorie; oder anders: eine Spannung zwischen der orientalischen Neigung zur unmittelbaren "Ausdrucks"-Funktion der Sprache und der künstlichen, also mittelbaren symbolistischen "Da:::-stellungs"-Funktion einer Allegorie 75 • Genotypisch scheint dies folgende Sequenz der SprachfUnktionen nahezulegen: Ausdruck, Appell, Darstellung. Schon Johann Gottfried Herder, neben Robert Lowth der Hauptentdecker der hebräischen "Poesie" und damit ein Wegbereiter der FOrmgesChichte 76 , hatte ja 1772 die menschliche Sprache im Stadium des Naturlauts als "Ausdruck" der El!lpfindsamlmit beurteilt und
seine berühmte Abhandlung mit der These begonnen:
"Schon als Tier hat der i:lensch Sprache ll77 , und zwar als Ausdruck der empfindsamen Seele, die mit ihrer natürlichen Lebendigkeit eine Spielart des göttliChen actus purus ist - eine sprachphilosophische Identitätsphilosophie! 1.5.4. Vielleicht knüpft Jülicher unbewußt an eine solche sprach- und geschichtsphilosophische Konzeption an 78 • Er erläutert seine These von der 72 74 75 76 77 78
AaO. 61. 73 ~bda. 62. Ebda. 63. Gedacht ist an die prophetische Rede von Jes 5. K. BÜHLER, Sprachtheorie. (1935) 2. Aufl. 1965, 28f unterscheidet drei Grundfunktionen des sprachlichen Zeichens: Es ist Symbol in der "Darstellung", Symptom im "Ausdruck" und Signal im "Appell". Vgl. dazu D. GUTZEN, Poesie der Bibel. Phil. Diss. Bonn. Typoskript 1968. J. G. REEDER, Sprachphilosoplusche Schriften, hg. v. E. Heintel. (PhB 248). (1960 ) 2. Aufl. 1964, 3, im Original kursiv. Dazu Güttgemanns , Offene Fragen 120ff. Das zeigt sein Satz aaO. 156: "Aber Dichten und Denken sind Nachahmungen der göttlichen Grundthätigkeit, und als Parabolist übt Jesus beides". Hier schlägt ganz klar das notiv des actus purus durch. Vgl. dazu Güttgema!1nS, aaO. 120. 131.
Methodik der Gleichnisse Jesu
112
genotypischen Sequenz jedenfalls durch eine literaturgeschichtliche Begründung: "Vorliebe für Allegorie hat sich immer nur in Perioden kundgethan, wo die Literatur wegen Ilangels an großen Stoffen, an neuen und bedeutenden Gedanken, sich durch außergewöhnliche Dichtungsformen entschädigte, sich die Langeweile zu vertreiben suchte durch Ausführung schwieriger Kunststüc]:e. Die AllEgorie fordert nicht bloß beim Leser geistige Gewandtheit, sondern noc..ll viel mehr Gewandtheit und Fleiß bei ihrem Verfertiger: Kunst und 21eiß werden also einer Redeforra geschenkt, die den Inhalt wenig lTutzen bringt." Daraus ergibt sich: "Daß Jesus sich eine besondere Redeweise einstudiert habe, wird niemand für wahrscheinlich erachten." "Es wäre bei ihm höchst übe=aschend, wenn er in seiner Lehre eine Kunstform nit dominierenden Einfluß ausgestattet hätte, die wohl ästhetiscrl, aber nicht wirksam ist.,,79
dida~tisch
1.5.5. 1Toch einmal rekurriert Jülicher auf den pragmatischen Aspekt der Forra. 80 Die
Gleic~Jllsse sind didaktische liittel der Verl~digung, nicht
ästhetische Kunstformen, obwohl Jülicher es wagt, "Jesu Parabeln nicht bloß gut, sondern schön zu nennen, denn sie sind freie Schöpfungen einer vornehnen Einbildungskraft, so gelungen, daß man beim Hören und Lesen gar nicht an ihren poetischen, fiktiven Charakter erinnert wird. ,,81 l'Jan beachte, daß diese These streng auf den nündlichen Vortrag Jesu bezogen ist, während sie für die Schriftlichkeit der Evangelien weitgehend die Allegorie unterstellt! Hach Jülicher zeigt schon die Einleitung vieler Gleichnisse ("Das Reich Gottes ist gleich bzw. ähnlich ••• "), daß der Hörer zum Vergleichen und nicht zum Ersetzen wie im Falle der Allegorie angeleitet vrerden soll.82 SprachfUnktional ka..'l!l man auch sagen: Das Gleichnis will den Hörer bei seinen Worten festhalten und zum Vergleichen bewegen; es ist funktional eigentliche Rede. Die Allegorie will dagegen über ihre \'Iorte hinausweisen auf einen Gegenstand oder Sachverhalt, so daß die 'i/orte erst in die Eigentlichkeit umgesetzt werden müssen; die Allegorie ist funktional uneigentliche Rede. Das Gleichnis wirkt pragmatisch-funktional unmittelbar, die Allegorie mittelbar, weil sie eine VerweisfUnktion besitzt. 1.5.6. Aus dieser sprachfUnktional-linguistischen Differenz zwischen Gleichnis und Allegorie folgt automatisch eine didaktische Konsequenz. rlenn die religionspädagogische Didaktik mit
BaldermaIh~
wirklich die fornale Aufgabe
hat, die didaktische Kraft der linguistischen Form der biblischen Texte selbst zum Zuge zu bringen bzw. auszunutzen, dru1n darf die Didaktik der unterrichtlichen Darbietung der Gleichnisse den Schüler in keiner Weise von 79 81
Jülicher, aaO. 64. AaO. 156.
80 Zur Pragmatik vgl. unten S. 121f. 82 3bda. 64f.
113
Methodik der Gleichnisse Jesu den V/orten des Gleichnisses weg auf eine extratextuale Welt verweisen.
Die Didaktik muß den Schüler vielmehr bei der intratextualen \'Iort-Welt der Gleichnisse behaften und darf diese Wort-Welt nicht durch etwas anderes ersetzen, weil sonst die sprachfunktionale ':Jirkung des Gleichnisses zerstört würde. Didaktisch anders liegt der Fall bei den Allegorien. Hier darf der Schüler gar nicht bei der intratextualen Wort-Welt behaftet werden; er muß vielmehr auf die extratextuale Sphäre verwiesen werden, weil Bonst die sprachfunktionale Wirkung der Allegorie zerstört würde. Jülicher ist freilich der Meinung, daß der Fall der Allegorie bei Jesu Gleichnissen überhaupt nicht vorliegt. 1.6. Ist damit der grundsätzlich nicht-allegorische Charakter der Gleichnisse Jesu geklärt, so wendet Jülicher sich in seineEl letzten methodologisehen Schritt einer formgeschichtlichen Differenzierung verschiedener Gattungen innerhalb der Gleichnisse zu. Er unterscheidet drei Gattungen. 1.6.1. Einen Teil der ncx.pcx.ßoAcx.L hält er einfach für "Gleichnisse" in dem von Aristoteles definierten Sinne der ncx.pcx.ßoA~ : "Das 'Gleichnis' ist die Vergleichung auf höherer Stufe, die Veranschaulichung eines Satzes durch Uebenstellung eines andern ähnlichen Satzes.,,83 Vergleichung, Veranschaulichung und l'Tebenstellung sind also die Lierkmale der Gattung "Gleichnis" im engeren Sinne.
1.6.1.1. Diese 1\erlrunale komprimiert Jülicher zu dem für seine Konzeption entscheidenden Satz: "Das Gleichnis will, wie die Vergleichung
~
Wort,
so einen Gedanken durch ein ö~O~OV beleuchten, daher ma~ auch bei ihm nur
von einem tertium comparationis redet, nicht von mehreren tertia. Hiernach ist das Gleic11nis zunächst notwendig zweigliedrig, besteht aus einem Satze, den der Schriftsteller noch einer besonderen Beleuchtung bedürftig findet und aus einen Satze, den er behufs solc11er Erleuchtung bildet." "Ich schlage
vor, diese beiden unentbehrlichen Bestandteile des Gleichnisses als "Sache" und "Bild" zu bezeichnen;" seitdem redet die Forschung von "Bildhälfte" und "Sachhälfte". "Sache und Bild (resp. Bilder) sind durch die Vergleichungspartikel verbunden, was den Leser auffordert, den Punkt zu suchen, in dem die beiden Sätze koinzidieren, oder das Dritte zu bemerken, das in beiden gleich resp. ähnlich ist.,,84 "Aristoteles rechnet die Parabel unter die
83
84
Ebda. 69. Aristot., rhetor. 11, XX, 1f (1393a) unterscheidet innerhalb der beiden rhetorischen Grundarten das Paradeigma von dem Enthymema, innerhalb des Paradeigma die auf historische Ereignisse und die auf fiktionale Gegenstände bezog.ene Erzählung. Letztere ist in Vergleich (ncx.pcx.ßoAf) ) und Fabel (AOYOC; ) unterteilt. AaO. 70.
114
Methodik der Gleichnisse Jesu
Beweismittel
(}!O~Va.~
TC(01:e;~c;)
neben Fabel und geschichtlichem Beispiel."
Das Gleichnis unterstützt also mit seiner Satz-"Gestalt" das in jedem Satze enthaltene Urteil "und macht es einleuchtend.,,85 Als Beweismittel gehört das Gleichnis in die Gattung volkstümlicher argumentatio reit ihrer demonstratio ad oculos: "In konkreter Form ist die Wal-J.rhei t nä.chtiger als abstrakt:
daher die Macht des GleiChnisses.,,86 "S= lex der paraboli-
schen Rede auf allen Stufen ist Anschaulichj[eit, conditio sine qua non der Anschaulichkeit ist Eini'al t, die schwerste Gefahr für die Einfalt ist EintönigkeH.,,8 7 1.6.1.2. Zum dritten Iifale reflektiert Jülicher über die linguistischdidaktische rlethodik der Gleichnisse, indem er ihre volkstümliche Wirkung auf Kopf und Gemüt betont, die das Gleichnis von der Allegorie weit entfernt 88 , die aber auch eine Vernischung beider Redeformen ausschließt 89 • Jülicher sagt daher: "Ich definiere das Gleichnis als diejenige Redefigur, in
welcher die Wirkung eines Satzes (Gedankens) gesichert werden soll durch
ITebenstellung eines ähnlichen, einem anderen Gebiet angehörigen, seiner Wirkung gewissen Satzes. Ausgeschlossen ist damit jede Verwechslung und Vermengung mit der Allegorie als derjenigen Redefigur, in welcher eine zusammenhängende Reihe von Begriffen (ein Satz oder Satzkomplex) dargestellt wird vermittels einer zusammenhängenden einem anderen Gebiete.,,90 1.6.1.3. Aus dieser in
ir~er
~eihe
von ähnlichen Begriffen aus
Prä.gnanz und methodologischen Absicherung ein-
maligen Definition folgen für Jülicher weitere lin(,'1Üstische I1erkmale des Gleichnisses: "Die Allegorie ist mehr ein SChllIucc[, das Gleichnis ein tIachtmittel." "Von Deutung kann bei einel::t Gleicl,nis nie die Rede sein.,,91 ~ine Deutung würde ja von den l;"lorten vleg auf eine Sache verweisen, die dann eigentlich auf den Hörer wirkt; das Gleichnis wirkt dagegen direkt durch seine Worte. Daraus folgt: "Nicht gedeutet will das Parabelbild werden, sondern angewendet; dadurch reicht es etwas zum Lernen hin, weil es den Hörer veranlasst, aus irgend einem ihn wohlbelmnnten Satz den Gedankenkern, das regierende Gesetz zu erheben und dies vorurteilslos auch auf das Verhältnis, das Gebiet anzuwenden, welches ihm bisher noch unklar vlar.,,92
85 86 88 90 91
Ebda. Ebda. Ebda. Ebda. Ebda.
71. 72. 87 Ebda. 157. 72f. 89 3bda. 74. 80, im Original zT. gespe=t. 81. 92 Sbda. 87.
115
Methodik der Gleichnisse Jesu
1.6.1.4. Didructisch wird damit noch einmal die spracllI1xnktionale Differenz zwischen eigentlicher und uneigentlicher Rede eingeprägt: Das
Gleic~~is
bezweckt als eigentliche Rede pragmatisch ein Ler11en des Hörenden; freilich so, daß der Hörende zu:lächst bei den Worten festgehalten wird, um dann aus diesen ohne "Deutung" direkt die "Anwendung" zu finden, die den Hörenden informationstheoretisch verändert. Die Allegorie bezweckt dagegen als uneigentliche Rede pragmatisch eine "Deutung" des Hörenden, so daß die Worte bloß indirekt auf etwas verweisen, das beim Hörenden informationstheoretisch kaum eine Veränderung bewirkt, weil bereits Gewußt es lediglich in verfremdetem Gewand und meist auch in Redundanz auftritt. Spezifisch informationstheoretisch könnte man im Sinne der kybernetisch orientierten Pädagogik 93 sagen: Durch das Gleichnis wird beim Hörenden ein Lernprozeß ausgelöst und Information vermittelt; durch die Allegorie wird beim Hörenden weder ein Lernprozeß ausgelöst noch Information vermittelt, sondern allenfalls die Frffilde des Eingeweihten an der eigenen Information in einem Raum einer allgemeinen Desinformation der Uneingeweihten geweckt. 1.6.1.5. Zu der Gattung der Gleichnisse im engeren Sinne rechnet Jülicher insgesamt 28 Stücke von unterschiedlicher Länge. Darunter befinden sich unter andere::::t so bekannte Stücke wie: "Von dem zur Arbeit jederzeit verpflichteten Sklaven" (Lk 17, 7-10); "Von den spielenden Kindern" (Mt 11, 16-19/Lk 7, 31-35); "Vom bit'tenden Sohne" (r!It 7, 9-11// Lk 11, 11-13); "Vom Blinden als Blindenführer" (l:it 15, 14// Lk 6,39); "Vom Baum und seinen Früchten" (lIt 7, 15-20; 12, 33-37; Lle 6, 43-46); "Vom Dieb" (Mt 24, 43f// Lk 12, 39f); "Vom spät heimkehrenden Hausherrn" (!.lk 13, 33-37; Lk 12, 35-38); "VOLl ~urLlbau und vom Kriegführen" (Lle 14, 25-33); "Die Rangordnung beim Gastmahl und die rechten Gäste" (Lk 14, 7-14). Alle diese Stücke dürfen didaktiElch nur in der soeben skizzierten Weise dargeboten werden, wenn ihre linguistische StrL\ktur nicht zerstört werden soll. 1.6.2. Von diesen "Gleichnissen" im engeren Sinne unterscheidet Jülicher die "Parabeln" im engeren Sinne. Obwohl die Grenzen zwischen beiden Gattungen fließende sind, handelt es sich bei insgesamt 21 Stücken um eine besondere Klasse, die durch die erzählende Form gekennzeichnet ist 94 • Im Unterschied zum 'Gleichnis' im engeren Sinne, das sich didructisch lediglich der 'Vergleichung' bedient, nimmt die Parabel im engeren Sinne also
93 94
Vgl. H. G. ?RANK, Kybernetische Grundlagen der Pädagogik 1+11.(1962) 2. Auf!. 1969. AaO. 92.
116
Methodik der Gleichnisse Jesu
zusätzlich die sprachlichen lli ttel der Erzär..lung 95 didaldisch in Anspruch. 1.6.2.1. Zu die ser Gattung gehören unter anderem: "Hausbau auf Felsen oder
Sand" (Mt 7, 24-27; Lk 6, 47-49); "Der bittende Freund" (Lk 11, 5-8); "Der unbarmherzige Knecht" (Mt 18, 21-35); "Der verlorene Sohn" (Lk 15, 11-32); "Die bösen Weingärtner" (l.ik 12, 1-12 parr.); "Die zehn Jungfrauen" (mt 25, 1-17); "Die anvertrauten Gelder"(Mt 25, 14-3011 Ll: 19, 11-27); "Vom viererlei Acker" (1lli: 4, 3-9 parr.); "Vom Schatz und von der Perle (liIt 13, 44-46). 1.6.2.2. Von diesen Stücken gilt: "Die volle Gleichartigkeit zwischen 'Bild' und 'Sache' ist hier verschwunden. Das Bild liegt iIi1Ii1er in der Vergangenheit, die Sache nicht." Bei den Gleichnissen im engeren Sinn sind die Zeitfaktoren von 'Bildhälfte' und 'Sacllhälfte' identisch; bei den Parabeln differieren sie dagegen, weil es sich um von Jesus frei erfundene Geschichten handelt 96 , m.a.VI.um fiktionale Erzählungen. Die linguistische Besonderheit der Parabeln im engeren Sinne ist also die Fil:tionalität des sprachlich Dargestellten,so daß hier die besonderen linguistischen Wirkungen der Fiktionalität 97 berücksichtigt werden müssen. 95
96
Diese sind vor allem für Evangelien-Forschung von Bedeutung. Vgl. dazu Güttgemanns, Offene Fragen 232ff. Vor allem die franz. Strukturalisten haben wesentliche linguistisch-literaturwissenschaftliche Aspekte der Erzählung herausgearbeitet. Vgl. C. BREIvIOHD, Le message narratif. Communications 4. 1964, 4-32; DERS., La logique des possibles narratifs. Communications 8. 1966, 60-76; R. BARTHES, Introduction a l'analyse structurale des r€lcits. Ebda. 1-27; A. J. GREIIiAS, Elflments pour une thflorie de l'interpr~tation du r€lcit mythique.Ebda. 28-59; DERS., Elflments d'une grammaire narrative; in: DERS., Du sens. 1970, 157-183; DERS., Pour une th€lorie de l'interpretation du r€lcit mythique. Ebda. 185-230; DERS., La structure des actants du r€lcit. Ebda. 249-270; T. TODOROV, Les cat€lgories du r~cit litt€lraire. Communications 8. 1966, 125-151; DERS., Po€ltique de la prose. 1971, 66-77.78-91. 118-128. 129-150. 151-185. 225-240; G. GEllETTE, Fronti~res du r~cit. Communications 8. 1966, 152-163; C. CHABROL, Probl~mes de la s~miotique narrative des r~cits bibliques. Langages 22. 1971, 3-12; DERS., Analyse du 'texte' de la Passion; ebda. 75-96; DERS., - li. de CERTEAU, Bibliographie; ebda. 128-130; E. R. LEACH, La Gen~se comme mythe; ebda. 13-23; G. VUILLOD, Exercises sur de courts r€lcits; ebda. 24-38; L. IrlARDT, Les fe=es au tombeau; ebda. 39-50; DERB., J€lsus devant Pilate; ebda. 51-7~DERS., En guise de conclusion; ebda. 119-127; R. p. E. I{AULOTTE (SJ), Lisibilit€l des '€lcritures'; ebda. 97-118. Eine Aufarbeitung dieser Lit. durch die Bibelexegese fehlt bisher vollständig. Jüli ch er , aaO. 93. 97 Vgl. P. IDBBOCK, The Craft of Fiction. (1921) Reprint 1957; C. BROOKS - R. P. HARRElI, Understanding fiction. 1943; G. STORZ, Über die \7irklichll:eit von Dichtung. \7'11 SH 1. 1952/53, 94-103; H. LEVIN, Symbolism and Fiction. 1956; R. BRIlITllfLAN1T, Wirklichkeit und Illusion. 1957; VI. C. BOOTH, The Rhetoric of Fiction. (1961) 3. Aufl. 1963; Ph. IVHEELVlRIGHT, lletaphor & Reality. (1962) 2. Aufl.1964.
Methodik der Gleichnisse Jesu
117
1.6.2.3. Wieder lmüpft Jülicher bei Aristo.teles an, we= er die Parabel
für "dieselbe Redeform
nur in einer höheren Potenz" wie das Gleichnis
im engeren Sinn hält. Neben den Vergleich stellt Aristoteles nämlich als zweite Untergattung des auf fiktionale Gegenstände bezogenen Paradeig= die AOYO~, "sonst al.cch fIü80Lund cdvo~, bei den Lateinern apologi, fabulae, fabellae", also die ~98. Sie ist sprachfunktional-medial ein Mittel des Rhetors. "Kein Zweifel: er will seine Hörer bestimmen, dasselbe Urteil in der ihnen vorliegenden Angelegenheit zu fällen, das sie fällen müssen über die von ihm vorgelegte Angelegenheit. Er darf auf Erfolg rechnen, weil der eine
~
dem a."lderen ähnlich ist." Es geht
Ll.a. 'H. nicht um eine Entsprechung oder Analogie des Details, sondern um eine Analogie der Struktur, der "Gestalt,,99. 1.6.2.4. Darum urteilt Jülicher: "Hur als Ganzes kann und soll die
~'abel
Wirken, nur der gedankliche Kern aus illr soll Anwendung finden auf gegenwärtige Fragen; eine ~ bertragung darf nicht stattfil'l.den." Ähnlich wie das Gleichnis im engeren Sinne wirkt die :Parabel nicht durch das Detail wie die Allegorie, sondern durch die linguistische Gestalt. "Die Fabel leistet hiernach ganz dasselbe wie ein Gleichnis. Sie ist ein 3eglaubigungsmittel ••• , sie will bei dem Hörer etwas erreichen, was der Hedende ohne diese Hülfe nicht erreichen zu können fürchtet." "Daß ein einzelner Fall
~
den wird, der dem vorliegenden ähnlich ist, steigert nur die Kraft dieser
~fO=."
100
1.6.2.5. Die Parabel ist also sprachfunl,tional eine Potenzierung des Gle; chnisses im engeren Sinne, aller:iings auch eine raffiniertere Variante: "Das Gleichnis beugt jeder Opposition vor, indem es nur von Unzweifelhaftem redet, die Fabel hofft jeder Opposition auszuweichen, indem sie so hinreissend, so warm und frisch erzählt, daß der Hörer gar nicht an Einwürfe denkt. Sie macht ihn die Sache so wahrscheinlich, daß er nach der ~iahrhei'c
nicht fragt. Durch ihre
A..1'lS
chaulicht-ei t ersetzt die Fabel, was
das Gleichnis durch die Autorität des allgemein Bekannten und Anerkan..'1.ten voraus hat. Die Fabel steht sogar höher, weil sie feiner ist, die Tendenz weniger IIlerl~en lässt. 1I101 Die Fabel ist n..a. Yr. noch weniger ein Verweis
von den Vlorten weg als das Gleichnis im engeren Sinne; sie verweist übernaupt nicht, sondern will den Hörer bei den florten fangen, damit er sich so gefangennehlIlen lasse. Jülicher definiert die Fabel als "die Redefigur, in welcher die rlirlmng eines Satzes (Gedankens) gesichert werden soll durch 98 100
~)ebenstelluns
Jülicher, aaü. 94. Ebda. 96.
einer auf anderm Gebiet ablaufenden, ihrer Wirkung 99 Vgl. ebda. 95. 101 Ebda. 97.
118
Methodik der Gleichnisse Jesu
gewissen erdichteten Geschichte, deren Gedankengerippe dem jenes Satzes ähnlich ist.,,102 1.6.2.6. An dieser Stelle sei es erlaubt, auf eine
~Frage
in Jülichers
methodologischer Analyse hinzuweisen. Wir erinnern uns, daß Jülicher Jesus deshalb keine Allegorien zutraut, weil es sich bei diesen literaturgeschichtlich um eine künstlich-künstlerische Gattung handelt, die der volkstümlichen Naivität nicht angemessen ist. Wie kann man Jesus dann die Parabeln zubilligen, die dem Textumfang nach mindestens genauso viel linguistisches Material wie die Gleichnisse im engeren Sinne bieten, aber auf einer weitaus raffinierteren Zbene, der Ebene der reinen Filctionali tät, in der Geschichten irgendwie planmäßig - künstlich-künstlerisch erfunden werden, zumal Jülicher die Gleichnisse an anderer Stelle für dichterischfiktionale Gebilde hält? Jülicher wehrt diesen Einwand indirekt durch die These ab, "daß die Fabel nicht dem Dichter ihren Ursprung verdankt, sondern dem Redner. Nicht gesungen oder geschrieben worden sind die ältesten Fabeln, sondern gesprochen, erfunden im Augenblick und für den Augenblick und nicht um eine Weisheitsregel oder einen ethischen Lehrsatz anschaulich vorzutragen, sondern um eine schwierige Situation, in der sich der Redner befand, zu klären, um ihr Auffassung und Beurteilung, die er wünschte, zu sichern.,,103S011te diese These auf die Parabeln Jesu zutreffen, so müßte man Jesus für einen beinahe unheimlich aus dem Augenblick heraus lebenden Rhetor halten, der sich ohne rhetorische Schulung sozusagen als rhetorisches Naturtalent eines rhetorischen Mittels in einer \'leise bedient, die sonst nur didaktisch geplant und be\7Ußt möglich ist. Hier ist eine Pseudomorphose der belcannten Betonung der Einzigartigkeit Jesu zu ver=tell. Die linguistische Analyse wird zu prüfen haben, ob sich diese Auffassung halten läßt; eine gewisse Spannu:lg in Jülichers Deskription läßt sich freilich nicht leugnen. 1.6.2.7. Jülicher wertet jedenfalls die Parabeln Jesu als "künstlerisch, rhetorisch durchschnittlicl, höher als die des Nathan, der wir die in Jes 5 an die Seite stellen könnten.,,104 Die Parabeln können keinesfalls wie die Allegorien "gedeutet" werden: "Je detaillierter eine Bildrede
102 Ebda. 98, im Original gesperrt. 104 Bbda. 103.
103 Ebda. 98f.
Methodik der Gleichnisse Jesu
119
wird, umsoweniger ist möglich, daß sie eigentlich und uneigentlich gleich wahr und befriedigend sei." "Die Allegorie baut Bilder auf, sie kommt über die Pluralität nicht hinaus: Parabel baut ein Bild auf,
~
continu~ translation~,
die Fabel-
Gedanke ist es, den der Verfasser in ihr
verkörpert, um ihn so in die Seele seiner Hörer einzuschmieden. Das Ö~OLOV
ist ihr Ziel, nicht Ö~OLa
• Beides zusammen aber zu leisten
übersteigt Menschenkräfte.,,105 Damit ist sprachfunktional verwehrt, daß die Parabeln Jesu Allegorien sind. 1.6.2.8. Didaktisch folgt aus der linguistischen Struktur der Parabeln, daß hier die Aufmerksamkeit des Schülers noch viel weniger als bei den Gleichnissen im engeren Si=e aus der intratextualen Wort-Welt entlassen werden darf. Vielmehr ist die linguistische Tendenz der Fiktionalität des in den Parabeln Dargestellten so auszunutzen, daß die Aufmerksamkeit
pr~mar
durch die Vlort-\7elt des Erzählens gefesselt wird,daß m.a.W.
die 'Erzählzeit' 106 auch didakti sch die ganze Zeit in Anspruch nimmt und der Schüler keine Zeit mehr findet, seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes als das SpraChliche ablenken zu lassen. Der durch die Gleichnisrede allgemein geförderte Analogieschluß ist kein didaktisch auf die Ebene der methodischen Reflexion zu erhebender Vorgang; ohne Zerbruch der sprac~~nktionalen
Struktur der Parabel kann er sich vielmehr nur spontan
und weitgehend unreflektiert aus der pragmatischen Wirkung der Fiktionalität des Dargestellten selbst ergeben. Der Analogieschluß ist m.a.Vi. im Falle der Parabeln didaktisch kein primäres Ziel. 1.6.3. Am Schluß seiner formgeschichtlichen Differenzierung kommt Jülicher auf die dritte Gattung der Gleichnisse Jesu zu sprechen: "Einige Erzählungen, die wir dahin reclmen müssen, sind weder Gleichnisse, noch Parabeln (Fabeln) in unserem Si=." Es handelt sich um die vier Perikopen "Vom Pharisäer und Zöllner" (Lk 18, 9-14); "Vom reichen lJann und armen Lazarus" (Lk 16, 19-31); "Vom törichten Reichen" (Lk 12, 16-21); "Vom ba=herzigen Samariter" (Lk 10, 30-37). Diese Stücke gehören sämtlich zum Lukas-Sondergut.
105 EMa. 105. 106 Diese Zusammenhänge verdankt die Wissenschaft vor allem G. MÜLLER, Die Bedeutung der Zeit in der Erzählkunst. (1946); in: DERS., Morphologische Poetik, hg. v. E. Müller. 1968, 247-268; DERS., Erzählzeit und erzählte Zeit. (1948); in: aaO. 269-286; DERS., Zeiterlebnis und Zeitgerüst in der Dichtung (1955); in: aaO. 299-311.
Methodik der Gleichnisse Jesu
120
1.6.3.1. Auch hier handelt es sich wie bei den Parabeln um Stücke der Fiktionalität. "Was sie unterscheidet, ist allein, daß sie sich bereits auf dem höheren Gebiete bewegen,
welc~es
ausschließlich Jesu Interesse
beherrscht." Die Stücke stellen "uns Ereigilisse vor, die ohne weiteres der religiös-sittlichen Sphäre acgehören und nicht erst durch Vergleichung mit Höherem für dies Gebiet nutzbar werden. Die Geschichte läuft nicht, wie unsere 'Parabel'-Definition es forderte, aLlf anderm Gebiete ab, sondern auf demselben, auf der,l der zu sichernde Satz liegt, mit anderen Worten: Die Geschichte ist ein Beispiel des zu behauptenden Satzes"; es handelt sich also um Beispielerzählungen 107. 1.6.3.2. "Der Boden des Of.LO~Ovist beinahe verlassen." "Eine vergleichende Thätigkeit hat nicht der Erzähler geübt,als er solch eine
JtapaßoA.~
konZipierte, der Hörer soll sie üben, indem er sein bisheriges Verhalten, seine Grundsätze
~~
dem Verhalten und der Gesinnung der in dieser
~~
spruchslosen Geschichte ihm entgegentretenden Personen misst, und von ihrem Vorbild entweder tief angezogen oder abgeschreckt sich vornimDt, in Zukunft sein Leben so einzurichten, daß er diesen llenscnen ganz ähnlich sieh-t oder gar nichts mehr mit ihnen gemein hat." 1.6.3.3. Bine solche Rede kann gar nicht. uneigentlich im Sinne der Allegorie sein, denn ihre 'ilorte ko=en erst gar nicht dazu, nach außen auf ein angebrachtes Verhalten zu vervIeisen; die Yior-Ge stellen vielmehr dieses Verhalten so dar, daß sie es dem Hörer in eins mit den Worten kOllllllUnizieren: "Die Beispielerzählung verzichtet darauf, erst neutrales Gebiet mit dem Gegner zu betreten, sie stellt
ir~
sogleich die
~ache
selber vor." 108 Der Hörer wird nicht erst indirekt wie bei der Parabel zum Urteil angeleitet; das Urteil wird ihm vielmehr direkt überliefert; er muß es nur noch verallgeneinern. "Und die Verallgemeinerung dieses Urteils, die Anwendung auf uns, die, vielleicht bloß gefülüsmäßige, Herausbildung des allgemeinen Gesetzes aus dem einzelnen Fall, in dem wir es wirkend anschauen, bleibt nicht aus." Jülicher definiert: "Diese dritte Kategorie von napaßOAat Jesu sind also Beispielerzählungen, die einen allgemeinen Satz religiös-sittlichen Charakters in dem Kleide eines besonders eindrucksvoll gestalteten Einzelfalles vorführen, 'durch die Evidenz der That die allgemeine \!ahrheit bestätigen. ,,,109
108 Ebda. 113. 107 Jülicher, aaO. 112. 109 Ebda. 114, letztes Zitat iD. Original z'l'. gesperrt.
Methodik der Gleichnisse Jesu
121
1.6.3.4. Didaktisch folg"t aus dieser noch konsequenteren Abschiebung des Analogieschlusses aus der methodischen Reflexion in die Ebene der unmi ttelbarsten Wirksamkeit des sprachlich Dargestellten, daß dem Schüler bei den genannten vier Stücken noch viel weniger Gelegenheit als bei allen anderen Gleichnisreden gegeben werden darf, seine Aufmerksamkeit von der sprachlichen Unmittelbarkeit ablenken zu lassen. 1.7. Dacit ist Jülichers methodologische Grundlagenanalyse der Gleichnisse Jesu abgeschlossen. Für die Beobachtung der linguistisch-didclctischen I,;ethodik der Gleichnisse ist aus ihr wesentlich die Entdeclrung der verschiedenen linguistischen Strukturen der drei GleichnisgattunEen in pragcatisch-fUnktionaler Hinsicht. 1.7.1. Der behavioristische Semiotiker Charles Morris unterscheidet bekanntlich drei Aspekte des sprachlichen Zeichens: 110 Der semantische Aspekt betrifft das Zeichen in bezug auf den in ihm dargestellten oder benannten Gegenstand; das Zeichen fungiert hier, wie die sC!lolastische Sprachtheorie sagt, als ein aliquid stat pro aliqUo 111 • ::Jas Zeichen bezieht sich vermittels der sprachlichen ZViischenwelt auf die von den Semotikern C.K. Ogden und I.A. Richards so genannte "Referenz,,112. Die diesen semiotischen Aspekt behandelnde Unterdisziplin nennt man Semantik (semantics). Von ihr unterscheidet Eorris die Syntaktik (syntactics), die das Zeichen vor allem in seinem Syntaktischen Bezug auf andere Zeichen analysiert. Semantik und Syntaktik gehören eng Zllsammen, denn meist verliert das einzelne Zeichen erst innerhalb des syntaktisc"le:l Strukturzusammenhangs seine relati ve senantische Autonomie und wird absolut determiniert 113. Als dritten
ser.lio"~ischen
Aspekt unterscheidet IIorris den pragmatischen, der
in der Pragmatill: behandelt wird; hier geht es um den Bezug des Zeichens auf den Interpreten des Zeichens, dh. also um die Wirkung, die ein Zeichen bein Interpre"cen hervorruft. Mit diesen "irku..."lgen befaßt sich vor allem die Sprac;'psychologi 0 oder Psycholinguistik 114. Die Pragmatik behandelt dic oeabsic;üigten oder ta"osächlichen ';iirkungen sprachlicher Phänomene bei :C:örern und Lesern, unter anderem also auch die linguistisch-didal::tische i~et:'lodik
bes-tirw-:Lter Spr::::.chwerlr:e.
110 Ch. MORRIS, Signs, Language, and Behavior. 1946, 217f. 111 Vgl. dazu E. GÜTTGE1uunjS, Offene Fragen zur Formgeschichte des Evangeliums. (BEvTh 54) 1970, 2. Aufl. 1971, 41f. 112 Vgl. C. K. OGDEN - I. A. RICHARDS, The Meaning of Meaning. (1923) 10. Aufl. 1949, 11. Vgl. dazu E. GtlTTGEMANNS, in: D. O. VIA, Die Gleichnisse Jesu. (BEvTh 57) 1970, 2071'. 113 Vgl. daZll oben S. 10. 77. 88. 114 K. BÜHLER, Sprachtheorie. (1934) 2. Aufl. 1965; F. KAINZ, Psychologie der Sprache I. (1940) 4. Aufl. 1967, 172-266; H. HÖR1~" Psychologie der Sprache. 1967.
Methodik der Gleichnisse Jesu
122
1.7.2. Daraus erhellt, daß Jülichers methodologische Grundlagenanalyse der Gleichnisse mit ihrer Beobachtung der verschiedenen
lin~istischen
Strukturen der drei Gleichnisgattungen de facto ein Bestandteil der Pragmatik ist. Jülicher charakterisiert den pragmatischen Aspekt der Gleichnisgattungen wie folgt.
1.7.2.1. Das Gleichnis im engeren Sinne ist eine aus Bildhälfte und Sachhälfte bestehende rhetorische Redeform, die als volkstümliche argumentatio auf der Ebene der Anschaulichkeit den pragmatischen Aspekt eines satzhaften Gedankens durch den
iil'U
analogen pragmatischen Aspekt
seiner anschaulichen Darstellung sichert. Die im noch relativ bewußten Analogieschluß verwendete Vergleichung ist ein didaktisches
~littel,
das dem Lernenden durch logische Schlüsse neue Information vermittelt. Dem wird nur diejenige didaktische Erschließung gerecht, die das didaktische l\'li ttel des Textes selbst ausnutzt und nicht durch andere Uittel erset2't.
1.7.2.2. Die Parabel im engeren Sinne ist eine Potenzierung der Redeform des Gleichnisses, die ihre pragmatische Absicht wegen ihrer Fesselung der Aufmerksamkeit durch eine rein fiktionale Erzählung raffiniert verkleidet, dh. den Analogieschluß zwischen Bildhälfte und Sachhälfte psycholin~istisch
wesentlich tiefer auf die :Sbene der unbewußten Auto-
Iila.tismen abschiebt. Pragmatisch-werbepsychologisch ist die Parabel darum geschickter als das Gleichnis und didaktisch eine wesentlich wirlrungsvollere Sprachform. Ihre Pragmatik würde zerstört, wenn ihre didruetische Ers~~ließung
den Analogieschluß wieder auf eine höhere Ebene des Bewußt-
seins heben würde. Darum ist das primäre Ziel der religionspädagogischen Didaktik der Parabeln, die Pragmatik des Textes selbst möglichst unverfälscht und unersetzt zur Geltung zu bringen.
1.7.2.3. Die Beispielerzäll1ung ist insofern die höchste Verfeinerung dieser
psycholin~istischen
Tendenz, als sie den Analogieschluß des
Gleichnisses völlig in der fiktionalen Erzählung aufhebt, indem sie den Hörer durch die Bildhälfte direkt mit der Sachhälfte konfrontiert und ihm das erforderliche und durch die Pragmatik geförderte Verhalten mittels Fiktionalität direkt sprachlich darstellt und ihn so zur unmittelbaren Anerkennung des Selbstverständlichen zwingt. Hier wird der Hörer nicht mehr mittelbar über Denken und logisches SChließen, sondern unmittelbar durch die sprachliche Darstellung und Pragmatik zum Handeln bewogen.
Methodik der Gleichnisse Jesu
123
In bezug auf die Pragmatik ist darum die Beispielerzählung die höchste und wirkungsvollste Sprachform der Gleichnisgattungen. Didaktisch folgt daraus, daß die linguistische Struktur der Beispielerzählung am allerwenigsten durch andere didaktische Mittel ersetzt oder ergänzt werden darf. 1.8. Infolge meiner stärker am faktischen linguistischen Befund ausgerichteten Fragestellung komme ich nicht nur sprachtheoretisch, sondern auch didaktisch zu einer etwas anderen und - wie ich meine - gerechteren Beurteilung der Konzeption Jülichers als Baldermann 115 • 1.8.1. Baldermanns Grundfehler ist, daß er Jülicners Konzeption einseitig der an der Rationalität ortentierten Definition des Gleichnisses im engeren Sinne unterordnet und die oben herausgearbeitete sprachfunktionallinguistische Differenzierung der drei Gleichnisgattungen nicht genügend beachtet. lIac..':t Jülicher führt der didaktische Weg der Gleichnisse insgesamt keineswegs "über die Induktion zum Kerngedanken und dann auf dem ~ege
der Deduktion zur Anwendung, also über die Abstraktion zur nachfol-
genden Konkretisierung,,116. Dies trifft allenfalls für die Gleichnisse im engeren Sinne zu, explizit aber schon
nicht mehr ganz für die Para-
beln, fast gar nicht nehr für die Beispielerzählungen. Gerade didaktisch er\veist Jülicher den linguistischen Eigenarten der beiden letzten Gattungen ihr eigentümliches Recht, so daß die Warnung vor einem didaktisch unangemessenen Zerreißen von Bildhälfte und Sachhälfte 117 Jülicher am allerwenigsten trifft, wenn man der Kritik seine methodologischen Erörterungen, nicht seine faktische Auslegung zugrundelegt. 1.8.2. Im Unterschied zu Baldermann sind die GleiclLnisreden aller drei Gattungen nicht nur "eum grano salis als eine didaktische Form zu nehmen" sondern - wenn man Jülichers nethodologischer Analyse folgt -
~
didaktisches Mittel schlechthin. Da Jülicher den psycholinguistisch-pragmatischen Aspekt der Fiktionalität der Parabeln und Beispielerzählungen herausstellt, wird er der ganz unmtttelbaren Wirkung der sprachlichen Struktur der Erzählung, die den Hörer einfach in die spraChliche Bewegung des Textes nit hineinnimmt, durchaus gerecht. Auch Jülicher könnte wie
115 Vgl. dazu Baldermann, Didaktik 114ff. 116 Ebda. 115f. 117 Dazu ebda. 121. 134. 118 Ebda. 114.
118
,
124
Methodik der Gleichnisse Jesu
BalderDlann sagen: Die Stärke der Erzählung "liegt in ihrer Eindringlichkeit. Sie vermag eine Intensität des Hörens zu erwecken, die dem Gespräch nur an seltenen Höhepunlc',:m beschieden ist." 119 So folgere ich aus Jülichers Analyse
didak"~isch
genau das, was Balde=an..'1 unabhängig von Jülicher sagt:
"Die erzählerische Entfaltung muß sich bemühen, so sorgfältig wie nur möglich dem Formgesetz des Textes zu fOlgen.,,120 Auch eine andere These Baldermanns stimmt mit Jülicher volllcommen überein: Das Gleichnis "bietet besondere didaktische Möglichkeiten dadurch, daß es im Bilde, im lIedium der anschaulichen Handlung, von der Sache des Glaubens spricht, denn darin können die Kinder ihm folgen und so in erstaunlicher Tiefe die 'Sache' erfassen." 121 1.8.3. Vlahrscheinlich hängt Balder!18DI'..8 Vergröberung der Leistung Jülichers mit der damit schon anklingenden sprachfunktionalen Wirkung der Anschaulichkeit der Gleichnisse zusammen. Baldercann meint, die von Jülicher für die Gleichnisse im engeren Sinne unterstellte didaktische Sequenz: Indulction zum Kerngedanken, von dort Deduktion zur Anwendung, erwachse aus der Voraussetzung, "daß es sich •• in aller Anschauung der Erzählungen um 'Verrulschaulichung eines wichtigen GedarJ[ens, eines umfassenden Gesetzes' handle", und das bedeute, "daß man der Sacl1.e nach hier ebensogut abstrakt-begrifflich sprechen lcönnte" 122. Aber hier ist wieder nicht genügend zwischen der sprachfUnktionalen Struktur der Gleichnisse im engeren Sinne und der der anderen beiden Gleiclnisgattungen differenziert und ebensowenig zwischen Jülichers methodologischen Erörterungen und seiner faktischen Auslegung dieser beiden Gattungen. Gewiß finden sich auch bei Jülicher Züge der weit verbreiteten Hermeneutik der 'Anschaulichkeit, 12 3. Aber Jülichers Sprachtheorie rechnet bei den Gleictmissen durchaus nicht nur uit "Einkleidungen", sondern sie berücksichtigt ebenso die sprachfUnktionale Ursprünglichkeit der }lil;:-tionalität, die bei den Parabeln und Beispielerzählungen auch nach Jülicher nicht einfach in feststellende Sätze zu trrulsformieren
i~t.
Daß Jülichers Gleichnistheorie an dieser
Stelle gewisse Unl:larheiten zeigt, ist nicht verwunderlich; diese sind jedoch durch eine }:onsequente linguistische Analyse ohne Vlei teres zu beseitigen.
119 3bda. 57. 120 ~bda. 58. 121 3bda. 134. 122 Ebda. 116. 123 Dazu Güttgemanns, Offene Fragen 232ff.
Methodik der Gleichnisse Jesu
125
1.9. Ich habe Jülichers Beitrag zur Gleichnisforschung ausführlicher referiert, nicht nur weil er bis heute grundlegend ist; er enthält vielmehr auch besonders viele Ansatzpunkte für ein spezifisch linguistisches Bewußtwenn man seine vorlinguistischen Aspekte in eine dezidiert linguistische Begrifflichkeit umformt, wie das soeben geschehen ist. Die auf
~,
Jülicher folgende Forschung besitzt bei weitem nicht so viele linguistische Ansatzpunkte; ich werde deshalb von ihr nur solche Aspekte referieren, die sich irgendViie i;:1 ein linguistisches BeVlUßtsein umsetzen lassen.
2. Die linguistisch-didaktischen Aspekte der Formgeschichte der Gleichnisse Jesu Vor allem die Ergeb;:1isse Rudolf Bultmanns führen die Erforschung der Gleichnisse Jesu weiter. Es handelt sich im wesentlichen
ur.!
zwei Komplexe.
2.1. Die Formgesci"ichte übernimmt Jülichers vier Gleichnisgattungen (Gleichnisse, Parabeln, Beispielerzählungen, Allegorien) und präzisiert vor allem deren stilistisches Detail. Ein Untersci"ied zu Jülicher besteht bei Bultmann freilich insofern, als er die Metapher nici"t VÖllig vom Gleichnis trennt, sondern neben dem Bildwort als Grundlage des Gleichnisses gelten läßt 124 • Linguistisch setzt das eine li!eimmgsdifferenz in der Frage voraus, ob die j,1etapher eine sprachliche Sekundärerscheinung (Jülicher) oder ein ursprüngliches linguistisches Phänomen ist (Bultmann), ob also die metaphorische Funktion eines Lexems oder eines Syntagmas125 eine
zusätzli~~e
Funktion der semantischen
~bene
ist, die diese Ebene
in "eigentliche" und "uz:eigentliche" Sprache differenziert, oder ob die metaphorische Funktion ein inhärenter Bestandteil der semantischen Funktion ist, so daß es nur auf den Standpunkt anko=t, ob eine Rede als "eigentlich" oder "uneigentlich" empfu;:1den Vlird 126. Bultmann scheint der letzteren Position zuzuneigen. 2.1.1. Dadurch ergeben sich zwei Untergattungen des Gleichnisses in Jülichers engeren Sinne; Eul tmann bezeiclmet als Glei chnisse "solche Bildungen, die sich von einem Vergleich oder Bildwort nur durch die Aus-
124 R. BULTI,lANl~, Die Geschichte der synoptischen Tradition. (FRLAlTT 29; HF 12) 3. Auf!. 1957, 181. 183. 125 Das Lexem ist eine sinnvolle gesprochene Form (Wort oder stamm), die Bestandteil des Vokabulars ist und vom Satz abstrahiert wird. Das Syntagma ist eine AnordnunG von EUL~eiten in einer syntru.tischen Konstruktion. 126 Dazu H. '.7EIllRICll u.a., Die l.!etapher. Poetica 2. 1968, 100-130.
126
Methodik der Gleichnisse Jesu
führlichkeit, mit der das Bild gestaltet ist, unterscheiden, und zwar kann ein Gleichnis bald aus einem Bildwort, bald aus wickelt sein". 127
eine~
Vergleich ent-
2.1.1.1. Als Bildwort bezeichnet Bultmann eine aus den atl. me!alim geläufige Sprachform, die manchmal Bild und Sache ohne Vergleichspartikel nebeneinanderstellt, etwa in der zweigliedrigen Sentenz: "Wo kein Augapfel ist, fehlt das Licht, // Und wo kein Verstand ist, fehJ;l;Weisheit" (Sir 3, 25). "Oft wird es auch vorgeko=en sein, daß die Bildhälfte allein überliefert wurde und als volkstümliches Sprichwort umlief. Der Sinn ging dann entweder aus deo. Bilde selbst deutlich hervor, oder das Wort erhielt durch die Anwendung in einer bestimnten Situation seine konkrete Bedeutung." Bultmann ne=t als Beispiele u.a. die Bildworte von der Bergstadt (Mt 5, 14); der unfruchtbare BaUl!l kommt ins Feuer (11t 3, 10); der alte Wein (Lk 5, 39); "Arzt, heile dich selbst" (Lle 4, 23)128. 2.1.1.2. Wenn Bultmann den Sinn dieser sprichwortartigen Bildworte mit Recht für kontextbedingt hält, dann nimmt er damit die linguistische Definit;on der Metapher durch Harald Weinrich als eines Wortes "in einem lconterdeterminierenden Kontext,, 12 9 vorweg und auch die Definition von Ulrich Suerbaum: "Die Metapher ist ••• ein sprachlicher Ausdruck, der erst durch besondere Kontextindizien aus eiaeu se2'antischen Gebilde zu einem metasemantischen wird." 130 Heinz Heckhausen sagt in einem ähnlichen Zusammenhang: "Die durch die luatapher bewirkte Kontextverfrendung führt zur Steigerung der Ungewißheit und damit zu größerem relativem 1nfo=tionsgehalt bzw. geringerer Redundanz des Textes." 131 Diese linguistischen Aspekte werden allerdings von BultmmID kaum bedacht, da er nicht wie Jülicher methodologisch-systeDatische Fragen vora.b klärt. Als l1etapher bezeichnet Bultmann den mit dem Bildwort verv/andten abgekürzten Vergleich, "·oei deo. die Vergleichungspartikel fehlt", zB. in den Logien VO!ll
schmalen Weg und der engen Pforte (Nt 7, 13f), von den Arbeiter:.'l
und der Ernte (llt 9, 37), von der Hand an Pfluge (I,};: 9, 62). l1a.n kan.tl fragen, ob die Unterscl"leidung zwischen Bildwort und
~Ietapher
und deshalb
auch die Unterscheidung zwischen den aus Bildworten und den aus I:ietaphern
127 Bultmann, aaO. 184. 129 Poetica 2. 1968, 100. 131 Ebda. 103.
128 Ebda. 181. 130 Ebda. 101.
Methodik der Gleichnisse Jesu
127
gebildeten Gleichnissen Wirklich so zwingend ist, ob also die Verfeinerung über Jülicher hinaus
lin~istisch
ausreichend durchdacht ist.
2.1.1.3. Seltener als Bildwort und Metapher ist der mit "wie ••• so
"
ausgeführte ko=ekte Vergleich. Er liegt nach Eultmann zB. vor in dem Logion: "Siehe, ich sende euch ~ Schafe unter die vrölfe. Seid nun klug.Y!i; die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben" (Mt 10, 16)13 2 • Ahnlich steht es mit dem Logion: "Wie nämlich der Blitz von Osten kommt und bis zum 'Ilesten scheint, so Wird euc11 die Ankunft des lIenschensohnes sein" (ilt 24, 27). 2.1.2. Ähnlich Wie Jülicher, aber ohne so großes
methodologisch-lin~isti
sches Bewußtsein, meint Eultmann, die Gleichnisse im engeren Sinne seien entweder aus einem Bildwort oder aus einem Vergleich entvdckelt. Linguistisch sind also Bildwort oder Vergleich der funktional-strukturelle Kern der Gleich.."1isse. 2.1.2.1. Freilich wird diese These von der
Formgesc~chte
spezifisch
geschichtlica-genealogisch gefaßt, wobei man eine gewisse Nähe zur neodarvdnistischen Evolutionstheorie Herbert Spencers oder zur literaturgeschiclltlichen Evolutionstheorie von Ferdinaud BrunetiE!re bemerken kann 133 • \7as für Jülicher im wese-ntlichen eine sprachfunktional-strukturelle These war, wird in der Formgeschichte zu einer spezifischen Genealogie verschiedener Sprachformen. Han kann mit der methodologischen Unterscheidung von
Ferdi~nd
de Saussure, dem Begründer der modernen strukturellen Lin-
guistik, auch sagen 134 : Während Jülichers methodologische Reflexion im wesentlichen die strukturelle Synchronie der Gattungen in ihrer Funktionalität erfaßt, richtet sic:: die Formgeschichte auf die evolutionistische Diachronie der Gattungen, in die sie die strukturellen Momente als geschichtliche Faktoren einbaut.
Auf die uethodologische Problematik dieser Kon-
zeption Wird noch zurückzuko=en sej.n ('\nter Punkt 2.8. ).Eultmanns ,"hese lautet jedellfalls, ein Gleicr..nis sei "bald aus einem Bildwort , bald aus einem Vergleich entwickelt". 135
132 BuHr2ann, aaO. 183. 133 H. SPEliCER, First Pril1ciples. (1862, 7. Aufl. 1904) Reprint 1966, 222ff; 256ff. 279ff; F. BRUllETIERE, L'€tvolution des genres dans l'histoire de la litt€trature. 1849. Dazu Güttgemanns, Offene Fragen 179-181. 198-201. 134 De Saussure, Grundfragen 93ff. 135 Bultmann, aaO. 184.
128
Methodik der Gleichnisse Jesu
2.1.2.2. Unter die aus einem Bildwort entwickelten Gleichnisse rechnet Bultmann u.a. die Stücke: "Sklave und Herr" (Lk 17, 7-10); "Vom Turmbau und Kriegführen" (Lk 14, 28-33); "Vom Dieb" (Lk 12, 39f 11 Mt 24, 43f); "Die Zeichen der Zeit" (Lk 12, 54-56) 13 6. Unter die aus einem Vergleich entwickelten Gleichnisse rechnet Bultmann u.a. die Stücke: "Die launischen Kinder"(Mt 11, 16-19
11
Lk 7, 31-35); "Vom Senfkorn" (me 4,
30-32 bzw. Mt 13, 31f; Lk 13, 18f); "Vom Sauerteig" (Mt 13, 33 11 Lk 13, 20t); "Schatz im Acker" (Mt 13, 44); "Vom spät heimkehrenden Hausherrn" (Mk 13, 34-37) 13 7. Jülicher rechnet diese Stücke zT. unter die Parabeln. Es sind also in der Forschung bestimmte Gattungsunsicher~
zu beobachten, die meist mit dem fließenden übergang der Gleichnisgattungen bagatellisiert werden 138 • :Cs könnte sich eher auch darum handeln, daß die analytischen Kategorien der Formgeschichte linguistisch nicht genügend präzisiert sind. 2.1.2.3. Als linguistisches Detail der Gleichnisse im engeren Sinne er-
wähnt Bultmann, daß die Einleitung "Das Reich Gottes gleicht einem ••• " oft den Relativsatz (zB.
T.l}r
4,31; Mt 7,24; 11, 16 par.; 13,33 par.
44; 18, 23; 22, 1;, 25, 1) oder ein Partizip (z.B. 1ae 13, 34; Mt 13, 24.25; Lk 6,48) zur Folge hat; sie kann aber auch durch einen Bedingungssatz beein:flußt sein (z3. I11k 3, 24; I,lli; 9,
5011
Lk 14, 34; Mk 13, 28;
4, 31). Das Tempus der einleitenden rhetorischen Frage ist das gnomische Futur (zB. Lk 11, 5; 14, 31; 17, 7f) oder das Präsens (zB. Lk 14, 28; 15, 4.8). Im Gleichniskorpus (zB. l.Jt 11, 16f
11
ist das Präsens "das gegebene Tempuo"
J.Jc 7, 32; I.<1k 4, 26f.31f; 13, 28; Herm,sim V, 2) 139.
Weder dieses letztere Urteil noch die anderen Details werden bei Bultmann linguistisch begründet oder erörtert. Wahrscheinlich werden sie als nicht weiter zu begründende rein stilistische Phänomene betrachtet. Es fehlt also das linguistische Bewußtsein, daß zB. das Tempus-Systen strukturell bedingt und gattungsbildend sein könnte 140 • daß also nicht nit der absoluten
gra~~tischen,
dh. ohne Rücksicht auf den strukturel-
len Kontext statisch "gegebenen", valeur eines Tempus zu begründen ist, warum es für eine bestimmte Gattung "das gegebene Tempus" ist.
136 Ebda. 184-186. 137 Ebda. 186-188. 138 Vgl. ebda. 189: "Also: dia begriffliche Scheidung ist notwendig zum Verständnis der formgebenden Tliotive; daß aber der ;3inzelfall eine Form rein zum Ausdruck bringen müßte, kann kein Verständiger fordern, deshalb soll man um den Einzelfall nicht streiten". 139 Ebda. 196. 140 Vgl. dazu Güttgemanns, Offene Fragen 235f.
Methodik der Gleichnisse Jesu
129
2.2. Wie Jülicher unterscheidet Bultmann vom Gleichnis in engeren Sinne die Parabel, "die nicht zwei Sachverhalte nebeneinander stellt, sondern den als Gleichnis dienenden Sachverhalt in Erzählung umsetzt bzw. als Bild nicht einen typischen Zustand oder typischen bzw. regelmäßigen Vorgang, sonder~ einen interessierenden Einzelfall bringt,,141. Auch Bultmann betrachtet also die über das rein J;!etaphorische hinausgehende "Erzählung" als den entscheidenden Faktor der Parabeln. Dabei verdeckt allerdings die Prämisse, die 3rzählung stelle einen ZViar typischen, aber realen Vorgang dar, die Erkenntnis, daß die Fiktionalität bereits hier etwas nur im Augenblick der parole "Gegebenes" darstellt, daß n.a.W. die fiktionale "Darstellung" etwas a."lderes ist als lediglich eine erzählerische Abbildung einer extratextualen Realität. Die Realität des fiktional Dargestellten ist vielmehr ein intratextuales Phänomen 142 , so daß die Parabel also tatsächlich keine "EinkleidunG" einer an sich auch nonfilüional darzustellenden Gegebenheit ist.
"Wirlclich!~ci t"
und "Bedeutung"
sind relationale Begriffe, so"daß sich Wirklichkeit aller erst in der sprachlich-kommunikativen Konstitution von Menschen ergibt,,"I43. Siegfried J. Schmidt sagt deshalb mit Recht: "Das literarische Sprachwerk als ein ästhetisches Gebilde hebt sozusagen nit seinem ersten Wort die empirische Lebenswelt auf und erstellt mit bloß sprachlichen Nitteln in einem von direkten
pragmatis~~en
Verbindlichl.eiten freigewordenen
Raum eine 'eigensinnige' Sprach-Welt, in die Momente der Lebenswelt zwar als Versatzstücke integriert werden können, damit aber prinzipiell eine a..,dere 'Seinsverfassung' erhalten, nämlich die eines sierten und Integrierten,,1 4 4.
Funl~tionali
2.2.1. Zu dieser Gattung rechnet Bultmann ähnlich wie Jülicher solche Stücke wie: "Der gottlose Richter" (Lk 18, 1-8); "Der Säemann" (Mk 4, 3-9 parr.); "Das Gastmahl" (Lk 14, 16-24//Mt 22, 2-14); "Der verlorene Sohn" (Lk 15, 11-32); "Die anvertrauten Gelder" (Mt 25, 14-30//Lk 19, 12-27); "Die zehn Jungfrauen" (Mt 25, 1-13); "Die bösen Winzer" (Mk 12, 1-9 parr.) 145. 141 Bultmarul, aaO. 188. 142 Die Textlinguistik ullterscheidet zwischen Faktoren, die intratextual sind, d.h. al::> Faktoren des IITextes" vorl:omm.en, und Fa1ctoren, die
extratextual sind. dh. außerhalb des "':'extes" vorha..1'lden sind ader nur erschlossen werden können. Für die Analyse des "Textes" kö:men nur il1trate:i~tuale
Pal;:toren ausgewertet werden. Strittig ist, inwiefern die
"Situation" als Kontext ZUJ:l "Text" gehört, ob man also zwischen dem situationellen 'Kontext' und dem linguistischen 'Ko-text' unterscheiden !llUß. ~iese Unterfrage wird in der "Generativen Poetik" behandelt. 143 S. J. SCm.;ID'E, in: text, bedeutung, ästhetik, hg. v. S. J. Schmidt, 1970, 71. 144 Ebda. 145 Ebda. 188-192.
130
Methodik der Gleichnisse Jesu
2.2.2. Als stilistisches Detail der Parabeln erwähnt Bultmann, das Tempus der Parabel sei "ihrem erzählenden Charakter entsprechend das Präteritum" (zB. Lk 7, 41f; 13, 6-9; 14, 16-24 par.; 15, 11-32). Allerdings sei bezeichnend, "daß diese Erzählungsform auch in einige Gleichnisse eingedrungen ist, wodurch sie der Parabel ähnlich werden" (zB. Mt 13, 31//Lk 13, 19; Mt 13, 44. 45. 47; 7, 24-27 par.; Mk 4, 3_9)146. Weil diese Phänomene nicht im einzelnen strukturell-linguistisch untersucht werden, handelt es sich im Grunde nur um einen Katalog von stilistischem Detail, das in seiner strukturellen valeur für die Konstitution der Gattung kaum erfaßt wird. 2.3. Auch Jülichers dritte Gattung, die Beispielerzählung, kehrt bei Bultmann wieder. Ihr fehlt bei starker formaler Verwandtschaft mit den Parabeln "jedes Element des Bildlichen,,147. Bultmann rechnet genau Jülichers vier Perikopen zu dieser Gattung, hält aber "Die Rangordnung beim Gastmahl" (Lk 14, 7-11) und "Die rechten Gäste" (Lk 14, 12-14) für ähnliche Vorstufen wie die Gleichnisse im engeren Sinne für die Parabeln 148. :'~s ist nicht recht deutlich, ob die damit vliederkehrende Sequenz Gleichnisse, Parabeln, Beispielerzählungen stn:kturell-funktional-synchronisch oder evolutionistisch-diachronisch zu verstehen ist; doch ist diese Unklarheit eine für die Methodik der Formgeschichte typische. Auf sie wird noch einmal zurückzukommen sein (unter Punkt 2.8). Insgesamt handelt es sich jedenfalls bei der formgeschichtlichen Gattungsanalyse nur uc eine diachronische Verfeinerung der Ansätze Adolf Jülichers; der strukturell-synchronische Aspekt wird unterbetont. 2.4. Die Formgeschichte hat ein ausgeprügtes Verhältnis zur älteren Folkloristik. Die damit gegebene Problematik ist hier nicht näher darzustellen 149 • Bultmann beruft sich jedenfalls für die Strukturanalyse des ~rzählgerüsts der Gleichnisse auf einen für die äl~ere Folkloristik grundlegenden Aufsatz von Axel Olrik über die epischen Gesetze der Volksdichtung 150 • 2.4.1. Olrik geht 1909 von einem Phänomen der vergleiehenden Sagenforschung aus. Die Komparatistik der Volksdichtung kennt das Gefühl des Wiedererkennens, wenn man diverse Tradi~ionen der europäischen GeistesVlelt durchliest. Zwar wirken die Stoffe oft unvertraut; dennoch hat
146 147 149 150
mal~
das
Ebda. 196. :I1bda. 192. 148 Ebda. 192f. Dazu Güttgemanns, Offene Fragen 126ff. A. OLRIK, Epische Gesetze der Volksdichtung. Zeitschr. für dt. Altertum u. dt. Lit. 51. 1909, 1-12. Bei Bultmann, aaO. 203 ArJn. 2.
Methodik der Gleichnisse Jesu
131
Gefühl, etwas Ä.':tnliches bereits einmal gehört zu haben. So stellt sich Olrik die Aufgabe einer "biologie der sage" 1 5 1, dll. einer 3tru.kturanalyse der gemeinsamen Regeln für die Komposition der Vollmdich',unGen, die man "epische Gesetze" nennen kann, "weil sie die frei):ei t der composi tion in ganz andrer und strengerer v{eise beschrfu'l.ken als in unocrer lrunstdichtung,,1 5 2. Obwohl 1909 der linguistische und literaturwissenschaftliche Strul~turalisr.!U.s
noch lcaurJ. ausgebildet ist, handelt es sich bei der
benstellun;,,; Olriks de facto un ein spezifisch
strul~turelles
Au~go.
Projekt.
DelID es geht um nicilt weniger als um die Aufgabe einer tll1iversalhistorischen Struktura.0.alyse: "Jedes epische Gesetz in seinem vollen umfange über die ganze
meDscr~1eit
zu verfolgen und dadurch die bedeutung dieser construc-
ti ven formeln für die entwicklung der menschl:ei t darzulegen" 153. OlrE:
skizziert tnogesamt 13
8trukturgeset~~e
des Erzählgerüsts der
Voll~sdich-
tungen. 2.4.1.1. Das Gesetz des Binganges und des Abschlusses: Die Volksdichtungen fangen nicht mit bewegter Handlung an und brechen nicht jäh ab; sie steigen vielmehr von Ruhigen
Zll.m
Bewegten enpor und besänftigen
32:l
Schluß
wieder irgendwie die auf Geregte Stir.lIl1.ll1g 154 2.4.1.2. Das Gesetz der :Üederholunr;: Die Volksdichtung kennt nicht die lebendige Fülle der Ausmalung des Details, sondern wiederholt wesentliche Züge: "dret tage hintereinander eeht der jüngling in das felä. eines riesen, und jeden tag erschlägt er etnen solchen; drei=l sucht der held auf den glasberg hinaufzureiten, drei ü: der nacht sich einstellende liebhaber werden vom Llädcl:en festgezaubert" 1 55 • Ean kann eine sich steigernde und eine schlichte Ylied.erholung voneinander unterscheiden 156 • 2.4.1.3. Da..'J.it ist das
Gcse·~z
der Dreizahl beretts angedeutet: "drei ist ::l2.l'l vorzuführen vermag" 1 5 7.
die höch,rGe zahl von nenschen und dingen dj.e
Im lit:erarische;:J. 3tad.ium gibt es dal:eben die Zwei- und Vierzah1 158 •
2.4.1.4. J)'lraus ergibt sich das Gese".z der szenische;: Zweiheit: "zwei ist die höchs'öe zahl der auf einmal auftretenden personen" 1 59 •
2.4.l.5. "JJer szeniDchen zv'ieineit cnt:Jpricht das große gesetz des gegel1~.1I
"dieser
g8":;'Z
ei!1fache Gegensatz ist eine hauptregel der epi-
sehen COTIlposition: jung und alt, groß und klein, mensch und unhold, guter
151 Olrik. aaO. 1 • 153 ~ibda. 1 ') 155 Ebda. 3. 157 Rbda. 159 Ebda. 5. ~.
152 154 156 158
Ebda. Ebda. Bbda. Ebda.
2. 2f. 4. 4f.
132
Methodik der Gleichnisse Jesu
und böser." "Das gesetz des gegensatzes wirkt von der hauptperson der sage aus auf die nebenpersonen; deren cllarakter und handlungen werden durch jene anti thetisch besti=t." 160 Struktural-linguistisch kann Llan hier also von einem für die TextseLlantik der Gattung konstitutiven Prinzip der Opposition der 2iguren sprecilen 161 2.4.1.6. Das Gesetz der ZWillinge entzieht zwei Personen dem Gesetz des Gegensatzes und läßt sie in enger Verbindung in derselben Rolle auftreten, e+.wa bei Hänsel und Grete1 162 • 2.4.1.7. Das Gesetz des Achtergewichts als Gegenpol
ffillä
Toppgericht:
"wenn eine reihe von personen oder dingen vorkOIIDnt, dann wird der vornehmste auf den ersten platz gesetzt; auf den letzten platz aber der, der den besonderen epischen anteil e=egt." "der epische schwerpunct ligt imtler im achtergewichte". "achtergewicht r.lit dreizahl verbunden ist das vornehmste merkmal der volksdiclltung - es ist ein episches gesetz." 163 2.4.1.8. Das Gesetz der EinsträngigkeH: "In ihrer einsträngigkeit kennt die volksdichtung gar nicht die perspective der ~lerei, sie kennt nur die fortschreitende reihe des basreliefs. ir~e composition ist plastil~ und architektur; daher die strenge unterordnung unter zahlen- und andere symmetrieverhä,l tnisse." "ist eine vorgeschichte no'GwenJig, dann wird sie im gespräche gegeben". Daher rührt die direkte Rede. Die Umsetzun~ der Vorgeschichte in eine direkte Rede innerhalb der Hauptgescnichte entspricht einem allgemeinen Gesetz: "jede eigenscha:f't der personen und der dinge muß sich in handlung aussprechen, sonst ist sie nichts." 164 2.4.1.9. Alle diese Züge führen zum Gesetz der Schenatisierung: "Diese strenge stilisierung des lebens ist von eigentümlichem ästhetischem werte; alles zufällige wird unterdrü.ckt, und nur das kennzeichnende ragt straff und wirkungsvoll hervor". 2.4.1.10. Das Gesetz der Plastik: "Immer gipfelt die sage in einer oder mehreren hauptsituationen plastiscller art." "Diese plastisChen si tuationen fussen mehr in der phan"tasie als in der wirklichkeit", wobei die plastischen Situationen "von gewisser dauer sind". 2.4.1.11. "Die sage hat ihre logik. die mO"Give die hervorgezogen werden, müssen einfluss auf die handlunr; üben, und zwar einen einfluss im ver160 Ebda. 6, Unterstreichungen von mir. 161 Diese Opposition der Figuren ist erst von D. O. Via herausgearbeitet worden. Vgl. unten 3. 147ff. 162 Olrik, aaO. 6f. 163 3bda. 7. 164 Ebda. 8.
Methodik der Gleichnisse Jesu
133
hältnie zu ihrem. umfa.'lg und zu ihrer wucht in der erzählung. diese logik der sage ist nicht i=er mit der natürlichen welt co=ensurabel." 2.4.1.12. "Die einheit der handlung ist für die sage normal.,,165 "Sie tritt bald als eine wirkliche epische einheit auf: jeder zug wirkt darauf hin, eine gegebenheit hervorzubringen, deren nöglichkeit der hörer glei eh am anfang gesehen hat und niemals aus den auge verliert". "Andererseits gibt es auch eine ideale einheit der handlung: mehrere epische einheiten werden zusa=engestellt, damit sie das verhältnis der charaktere in volleres licht setzen". 2.4.1.13. "Das höchste gesetz der volksüberlieferung ist concentration um eine hauptperson. wo geschichtliche ereignisse in die sage eintreten,
ist concentration die erste forderung". 166 2.4.1.14. Alle diese Gesetze kaPJl man mit Thorleif Bomann kurz in
~
Regeln zusammenfassen: 1. "Die Darstellungsweise der Volksdichtung ist, v/ie die der Kinder und der primitiven
kurz, einfach, geradezu,
r~enschen,
natürlich. 2. Sie arbeitet ökonomisch wie die Fatur, indem sie unbewußt versucht, I~i t möglichst einfac;len Eitteln die größten Wirlrungen zu erzielen". 167 2.4.2. Diese Strukturgesetze der epischen Volksdichtung findet Bultmann in der Formgeschichte der Gleichnisse wieder. 168 llan kann fragen, ob denn wirklich die Strukturen der episc:::ten Sage der Germanen und der Gleichnisse des Semiten Jesus bzw. der hellenistischen Evangelisten gleich sein können. Denn für eine spezifisch struk"rnrelle Fragest ellung ist charakteristisch, daß
liL9.D.
zunächst einmal mit einer je verschiede-
nen Stru}:tur der verschiedenen Sprachformen rechnet 169 •
Die struktural-
linguistische Analyse müßte also noch genauer eruieren, ob die strukturelle valeur der Gesetze Olriks für die germanische Sage und für das semitische Gleichnis völlig identi::::cll ist, oder ob sich nicht gattungsspezifische Untersc:l.iede feststellen lassen. Vor allem erhebt sich jedOCh die Erace, 0:0 3ul tma.'ln und andere }'ormgeschichtler Olriks Gesetze nic:1t
all~u
cchxlell als
'2.lraditio~sgesetze
obwohl es sich in Olriks ,selbstverständnis nur der Volksdich-Gung, also
UI:l
mißverst8.!lden haben,
U;;I
ästhetische Stilregeln
Xonposi tionsgesetze, handelt 170, dh. um eine
165 Zbda. 9. 166 Lbda. 10. 167 Th. BOMAH, Die Jesus-Überlieferung im Lichte der neueren Volkskunde. 1967, 19. 168 Bultmann, aaO. 203ff. 169 von Boman, aaO. 17ff wird der Unterschied zwischen Märchen und geschichtlichen Sagen betont. 170 3bda. 17f.
Methodik der Gleichnisse Jesu
134
synchroni.:;che ;Jtrukturanalyse, nich"c um eine diacc:::-onisccle Traditions~~alyse.
Da sich
Stücl~e
der epischen VolJ>:sdichtung sy:..1.chronisch stets
nach den genslmten Strukturgesetzen aufbauen, sungen der Gleichnisse unter
Umst~nde!:
s~ehen
die verschiedenen Fas-
gar nicht in einem diachronisch-
traditionsgeschichtlic""ln Verhältnis zueinander. Sie realisieren vielmehr in der Ebene der Performanz des "Textes" nur die syncnronisch in der j,bene der Kompetenz der Gattungsstruktur gültige;, Aufbauregeln, so daß man oit ilücl:schlüosen auI den
~raditions~
sehr vorsichtig sein BUß. Die
Folkloristik keimt jedenfalls drei DenirIJodel 1 e zur Verbrei tun," der VO"I kspoesie: Die I.lärchen gelten zB. entweder e.ls gemeinsaraes geistiges h'rbe
des urstammes (Erbt~leorie), oder als Wandergut (l.1~dertheorie) oder alu
eine aus den übereinstiumenden Grundlagen und Eieenschaften des menschlichen Lebens herauswo.cilsende Gemeins8ilkej_t (Polygenese ) 171. Auf diesem Hintergrund könn""e man fast den Verdacht haben, die sich zu
einsei~ig
Vlenig in
~rwägung
gezogen.
l~ann
Bultm~IL~
freilich nur an Rande auftauchen,
bei
FO:t'1~:geschichte
habe
der ersteren Theorie verschrieben und die letztere zu ~in
SOlC~1~8
diachI'oni~;cr':'8s
llißverständnis
de~~ grunds~tzlich
subsu!1iert 31.11 tn....9..:.'1TI Olri}:s Stilgesetze der '1eer...ni};: der Gleiel'lr:iserzel1.11..1ng 172, also der 3chvianl::en der
Byne!~ronisch8n
A.113.1~rse
Z\'/i8che~1
Strul:tur des Erziihlcel.'üsts. Dieses
uic..ehronie u::''ld
ge1nde methodologisehe TIeflexion der
;3Y~lci:.ronie
:D'or~geschicld;e
einzelnen f:;"nde·;:; Bul t!:.1a..1.n in den Gleicl1.:'lissen folgende
2.4.2.1.
"Chara!<:~erintisch
als drei
Haup~personen tre'~en
ist die Kr..appheit der
ist für die nan-
oezeichr..end.. Ir:J. Stilgeset~e
i~rzählungll.
wieder.
"~,~ehr
nie auf; !neist sind es dere:} :lur zweilI.
Statt Personen können auel: :t?ar-~eier:. oder Gruppen D.u:ftre-~e!l, die als eine Person
behar~clelt
bei "Sklave und Herr"
Y/erden. Zwei Perso:.:..en gestalten das
(r.:.,
17, 7ff); "Die '.1Lwe
Ul'lQ
~~rzählgerüst
der c:ic:.ter"
(u.
18,
1ff); "Der bittende und der Gebetene ~Teund" (u: 11, 5fi:); "Der Vater und der verlorene SOC-L'1." (l:I:-: 15, 11-24); "~cr IJ~l2.risäer U:lCi der Zöllner ll (L;.: 18, 91'1'). Zwei Parteien gestalten das ~~r:3L:.hlc;crüst oei IIJ)ie büsen i'Iinzer und der Herr" (Et 25, 14ff). Drei i:'Cl'sonen oder :P:lr~eien treten a.uf in liDer Gläubiger und die 'oeiden ,Sc~lulö.Xlerll (h: 7, 41f); liDer Könic; und seine beiden Schuldner" (I.lt 18, 23ff); "lJer 'ra.ter und die beiden ungleichen Söhne" (Ii:"~ 21, 28ff) 173
171 Vgl. H. BAUSUlGER, Formen der "Volkspoesie" • (Grundlagen der Germanistilr 6) 1968, 27-37. 172 Bultmann, aaO. 203. 173 Ebda.
135
Methodik der Gleichnisse Jesu 2.4.2.2. "Es herrscht das Gesetz der szenischen Zweiheit, dh. nur zwei Personen treten gleichzeitig redend oder handelnd auf. Sind andere anwe-
s end, so bleiben sie unberücksichtigt. i.;üssen mehrere reden oder hande Jn, so geschieht es in einzelnen Szenen nacheinander." So ist es zB. mit den Verllandlungen des ungerechten Haushalters mit den Schuldnern
(Lk 16,
5-7) oder mit der Abrechnung bei den "A."lvertrauten Geldern" (Et 25, 19ff) • 2.4.2.3. "Ebenso herrscht Gradlinigkeit bzw. ;i;insträngigkeit der Erzählung, d.h. der Blick ruht nie auf zwei sich gleichzeitig nebeneinander abspielenden Vorgä."le;en".
ZB. werden im "Verlorenen Sohn" zu 3eginn nur die
Hmldlungen des Sohnes gegenüber dem Vater, nicht dessen Empfindungen gegenüber dem Sohn erzählt. 2.4.2.4. "Die Charaktere werden nur selten durch ein Attribut geschildert", zB. bei den "Zehn Jungfrauen" (I::t 25, 2). "Meist sind die Personen durch ihr
Ver~alten,
ihre Wo:r-te oder ihr Handeln, charakterisiert."
"Oder aber in der Erzählung selbst fällt eine der auftretenden Personen ein charakterisierendes Urteil", zB. bei der Schelte des unbarmherzigen Knechts als "du böser Knecht" (Ut 18,32)174. 2.4.2.5. "Affel:te und I.Iotive werden nur genannt, wo sie für die Ha...'1dlung und die Pointe wesentlich sind." "Meist wird der Affekt aber nur indirekt zur Darstellung gebracht oder es dem Hörer überlassen, ihn mit eigener Phantasie zu empfinden". Beim "Verlorenen Sohn" wird zB. nicht so auf das Gefühl eingewirl:t, daß die Geschichte in die Rührseligl:ei tabsinkt. 2.4.2.6. "nebenpersonen werden nur, sovlei t es notwendig ist, charakterisiert." Beim
"Ilarr.:herzigen Sa:raari ter" werdell zB. der überfallene
','[8:[1-
derer und. der.!irt :üch-c charakterisiert (H: 10, 30-35). "In der Differenzierung von l:ebenpersonen ',laltet die vleise Ö!:onome der volkstümlichen 2:rzä...lllweise". S'13. werde!! bei den "1U'bei tern im V/einberg" nur die erste und die i'ünfte Gruppe der Arbeiter besonder:3 hervorgehobell. 2.4.2.7.
"1.~otivierungen
fehlen vor all= in der Exposition, weil sie
für die Pointe gleichgültig sind". 175 "So erfährt man nicht, warum der "iarm Et 20, 1ff. :30 viele Arbeiter für seinen Weinberg nötig hat, daß er alle drei Stunden ausgeht, neue zu mieten". 176
174 :Sbda. 204. 176 :Sbda. 205f.
175 EMa. 205.
136
Methodik der Gleichnisse Jesu
2.4.2.8. "So fehlt auch einigen Stücken, äußerlich betrachtet, der Schluß, wenn nämlich dieser gleichgültig oder selbstverständlich ist. Daß der reiche Bauer wirklich in der gleichen Nacht starb, wird nicht erzählt; ebensowenig, welchen Erfolg der Betrug des Haushalters hatte". 2.4.2.9. "Eine ähnliche Ökonomie waltet auch in der Schilderung der Vorgänge und Handlungen. Verziclltet wird auf das Unnötige, zB. wird nicht erzählt, wie der HaUEl'lalter das Gut seines Herrn durchgebracht hat". 2.4.2.10. Der volkstümlichen Erzählweise "entspricht auch die reiche
~
wendung der direkten Rede und de;s Selbstgesprächs.,,177 2.4.2.11. "Auch andere typische Stilfo=en volkstümlicher Erzählungsweise kann man beobachten wie das Gesetz der Wiederholung". So lwmmt etwa das Selbstbekenntnis des verlorenen Sohnes zweimal vor; "drei Typen von Gästen entsc{;uldigen sich". 2.4.2.12. "Es herrscht ferner das Gesetz des "Achtergewichts", dh. das Wichtigste wird zuletzt geschildert. So am deutlichsten Mk: 4, 3ff: die fruchtbare Saat wird zuletzt genannt". 2.4.2.13. "Wichtig ist endlich zu beobachten, wofür und wie ein
~
des Hörers provoziert wird. So darf me.n über die moralische Qualität des Schatzfinders und des Perlenhändlers nicht urteilen".178 "Daß der Haushal ter ein Betrüger und der Richter ein gevlissenloser Kerl ist, soll man wissen, aber nicht, um über sie zu urteilen, sondern um stark zu empfinden: selbEt von diesen Halunken l::ann man etwas lernen." 179 Ein Urteil überhaupt wird natürlich durch
~
Gleichnisse herausgefordert,
und der argumentative Charakter lwmmt in der Fo= ja ••• oft zum Ausdrucl::. :2s dient diesem Zweck auch die häufige Gcge:!:1.Überstellung von zwei Typen:
die zwei Schuldner (Lk 7, 41f.) , die beiden ungleichen Söhne, die klugen und die törichten Jungfrauen, der treue und der untreue Knecht (Lk 12, 42ff.), der Reiche und der Arme, der Pharisäer und der Zöllner, der Priester und Levit und der Samariter. Öfter werden die beiden gegensätzlichen Typen in zwei selbständig verlaufenden Schilderungen nebeneinandergestellt, so daß eine Art von Doppelgleichnis ••• entsteht; so ist das
177 Ebda. 206. 178 :8bda. 207.
179 Ebda. 207f.
Methodik der Gleichnisse Jesu
137
Gleichnis vom Hausbau (Mt 7, 24-27 Par.), vom treuen und untreuen Kr_echt (Lk 12, 42-46) und die formal verwandten Stücke der GastDahlrede (Lk 14, 7-11. 12-14), die in einer positiven und einer negativen Hälfte Beispiel und Gegenbeispiel bringen." 180 Bultmann meint, in einigen Fällen sei ein solches Doppelgleichnis sekundär aus zwei ursprünglich isolierten Einzelgleichnissen zusammengewachsen, die formal oder thematisch verv/andt sind. 181 2.5. Damit ist Bultmanns formgescltichtlicher Beitrag zur Gleichnisforschung im wesentlichen referiert, so daß ich mit einer kritischen Wiir~
beginnen kann.
2.5.1. Viele Details finden sich
L~
si~~
verstreut schon bei Jülicher, so daß es
Grunde um eine systematisierende Konzentration handelt. Ihr ent-
spricht freilich ebenso unverkennbar eine methodologisch-linguistische Verarmung, indem die linguistischen Ansätze Jülichers abgeblendet werden. Das stilistische Detail der Gleichnisse als solches tritt in den Vordergrund. Obwohl so etwas wie eine
Strul~turanalyse
im ,tnsatz vorschwebt,
wird nicht mehr wie bei Jülicher nach der Funktionali tät des strukturellen Details gefragt. Lediglich die Pragmatik der Provokation des Urteils wird erwähnt, aber ni eilt mehr die unterschiedliche Sprachfunktionalität der drei Gleichnisgattungen und vor allem nicht die Beachtung der Fiktionalität in ihrer linguistischen Pragmatik. So ha.~delt sich die Formgeschichte für ihre stilistische Detailanalyse ein~~ Verlust an methodologisch-linguistischem Bevmßtsein und damit an wesentlichen Aspekten der Gleichnisse~,
die bei Jül.icher im Prinzip schon erkannt waren.
2.5.2. Das 3rstaunliche an diesem Faktum ist, daß Bultmanns Freude an der Entdeckung des stilistischen Details seiner Analyse den historischpositivistischen Zug eines lUitalogs aUfdrückt, so daß die hermeneutischen Implikationen des Sprachlichen fast gar nicht zu Gesicht kommen. Kurioserl7eise ist also der rationalisierende Jülicher an der Hermeneutik-Linguistik-Ilidaktil~ interessierter als der Hermeneutiker Bultmann. Dieser überraschende Befund lca...~n unserer linguistischen Analyse nur die metho-
dologischen Grenzpfähle des Irrweges vor lLUgen führen. Eine dezidiert linguistische 3rforschung der
Gleich.~isse k~~
nur verSUChen, keinen
wesentlichen Aspekt der vor1ineuistischen Forschung zu untersmllagen, sondern alle Aspekte zu einer universalen Konzeption zu vereinigen.
180 Ebda. 208.
181 Ebda. 210f.
Methodik der Gleichnisse Jesu 2.6. Ähnlich und überraschend negativ ist der Befund in bezug auf die ~ digung der didaktischen Methodik der Gleichnisse durch die Formgeschichte. Diese teilt mit der historistischen Exegese das "Desinteresse an der sprachlichen Form", deren Veränderungen und Strukturgesetze fast nur historisch interessieren, weil man durch das Sprachliche hindurch priuär die Geschichte des Urchristentums zu erfassen versucht. Deshalb bleibt der Ertrag für das Didaktische in der Tat enttäuschend. Baldermann urteilt: "über die innere Struktur der Texte, deren didaktisch entscheidende Bedeutung wir erkannt haben, erfahren wir hier kaum etwas." 182 "Offensichtlich hat es in der formgeschichtlichen Arbeit letzten Endes doch noch an Verständnis dafür gefehlt, was sprachliche Form, ja, was Sprache eigentlich ist. Die sprachliche Form ist auch hier weithin als etwas nur Äußeres verstanden, als ein 'literarisches Gewand·.,,183 So kann nan mit Balde=ann zu de.rn Urteil gelangen, die beherrschende historische Fragestellung der Formgeschichte absorbiere die Frage nach der eigentlichen spraclllichen Leistung der Texte. 184 "Unter der Hand wird der historische Wert des Erzählten zum Kriterium, an dem sich Formen scheiden." 185 Auf' die methodologisch-linguistische Relevanz dieses Mißverständnisses von Diachronie und Synchronie werde ich unten zurückkommen (unter Punkt 2.8). 2.7. Zuvor sei darauf verwiesen, daß gerade die Beachtung der Strukturgesetze des
~rzählgerüstes
der Gleichnisse didaktisch besonders frucht-
bar zu JIl8.chen ist. 2.7.1. Georg Eichholz macht in einem diese Strukturgesetze aufnehmenden Aufsatz das Gleichnis als Spiel dsutlicl1 186 • Er will die formgeschichtlichen Beobachtungen auf einen einheitlichen Nenner bringen. "Dieser Nenner besteht darin, daß sich vom Gleic!mis als Spiel reden läßt." 187 Die Deskription der Struktur gesetze verwendet de facto das technische Vokabular eines "Spiels" bzw. einer Spielskizze. "V/ir sprechen von Szenen und Figuren, von führenden Rollen und Nebenrollen, von straffem Handlungsablauf ." \"lei ter sind die Begriffe "Exposition des Spiels" und "Szenenfolge" anzuwenden. "Ilas Gefälle des Spiels wird im Nacheinander der Szenen bzw. in ihrem Gegeneinander faßbar.,,188 Auch die indirel.tc Charakteristik
182 183 185 186
Daldermann, Didaktik 32. }::bda. 33. 194 Dbda. 34f. Ebda. 35. G. ~ImTI10LZ, Das Gleichnis als Spiel. (1961); in: D3HS., Tradition und Interpretation. (TbB 29) 1965, 57-77. 187 Ebda. 61f, im Original zT. kursiv. 188 RhtlR. <;Q.
139
Methodik der Gleichnisse Jesu der llollen erklärt sich aus dem Spielcharakter: "Charakteristik geschieht an Hand charakteristischer Worte und Taten der handelnden Figuren selbst, weruger durch charakterisierende Beschreibung. Alles wird sozusagen in Spiel aufgelöst bzw. in die Ebene des Spiels verlegt." 189 Eichholz ist weit davon
entfern~,
alle Gleichnisse für Spielskizzen zu halten, obwohl
auch Gleichnisse ohne Spielcharakter, wie zB. "Die selbst wachsende Saat" (B'!lt 4, 26-29), "Der unfruchtbare Feigenbaum" (Lk 13, 6-9), "Der Säemann" (r.lk 4, 3-9), eine dramatische Spannung be si tzen. "Manchmal möchte man den Begriff der Pantomime gebrauchen, so beim Gleichnis vom Sauerte.ig.,,190
2.7.2. Balderhlann hat
u-~ter
Hinweis auf Sichholz vorgeschlagen, einen
didaktischen Bri.ickenschlar, von den Gleichnissen zu den Kindern durch "die mi."'lJ.ische Sntfal tung der Gleichnishandlung in einem szenischen Spiel" zu versuchen. 191 Gewiß ist das dramatische Laientheater einer Kinderbühne gattungsoäßig-linguistisch etwas anderes als die Fiktionali tät der Gleichniserzählung. Trotzdem ist diese Übersetzung in eine andere Gattung didaktisch insofern legitim, als sie nic..11t nur die im Spielcharakter bestimmter Gleichnisse liegende
did~:tische
Hilfe ausnutzt, sondern auch didaktisch
zumindest den jüngeren Altersstufen o1t ihrem Spieldrang und ihrer Rollenidentifikation 192 entgegenkommt. Die iJitspieler müssen überlegen: "Wie ist diese oder jene Rolle, diese oder jene Szene im einzelnen darzustellen? Die eingehende Bemii.':lung Intensität
~~m
Ulll
diese ]1ragen fUhrt unmittelbar und in großer
Hineinversetzen in die Personen des Gleichnisses, und
gerade das vdll ja die
Gleichniserzä-~lung.
Der Hörer soll begreifen, daß
er selbst 'im Gleichnis vorkommt', und dies oft nicht nur
~~
einer Stelle,
sondern in einem eigenartigen Wechsel der Bollen." "Diese seltsam vielfältige Weise der Identifikation kaIm nirgendwo so eindringlich geschehen wie in eineo darstellenden Spiel, in de~ die Rollen getauscht werden kÖImen, so daß jeder sich in jede Rolle hineindeIL1{en muß." 193 Da.':lit entspricht die Gattungstransfor=tioll vom Gleichnis ins Spiel dem vor allem durch die Arbeitocc::ulbeViegung (ca. 1908-1925) Georg Kerschensteiners und !lugo Gaudigs propagierten selbsttätir,kei tsprinzip, das auch fUr die Umsetzung ,,].'1"u. 194 =--. L> der An ~c"''''''l
189 190 191 192
....
...L..
___ ..
_...
Bbda. 61, letzter Satz im Original kursiv. =·;bda. 62. Balder'".o-'BIUl, naO. 140ff. Vgl. dazu A. 3.ÜSSJJ:L, das Kinderspiel. 1953, 56ff; H. RELIPLEnr, Die seelische Entwicklung des l:enschen im Kindes- und Jugendalter. 10. Autl. 1962, 1961'f. 238. 271. 193 Baldercann, aaO. 141. 194 -'". BOCHniGEn~ Anscr..aulicher Religionsunterricht. (Arbeiten zur Pädagogik 3) (1964) 2. Aufl. 1967, 78.
Methodik der Gleichnisse Jesu
140
2.7.3. Die Anschaulichkeit ist ein zentrales didaktisches Prinzip sowohl der allgemeinen Didaktik als auch der ReligionspädagogDc 195. Brich Bochinger definiert: "Der Religionsunterricht hat die Aufgabe, dem Schüler durch Vermittlung eines anschaulichen Verständnisses der biblischen Verkündigung den Ruf
=
Glauben in der Vielfalt menschlicher Situationen
zu vergegenwärtigen und dadurch eine Begegnung mit dem ':lort
Go'~tes
vorzu-
bereiten." 196 Auch wenn man die Aufgabe des Religionsun'l;errichts als Schulfach von der VerkiindigungsfurJction der gottesdienstlichen Predigt stärker abrückt und eher aus
de~,
allgemeL,en
Bil~ungsauftrag
der Schule
begründet 197, bleibt das Anschaulichlcei tsprinzip erhalten. Zu ihm sind im :i!'alle der Gleichnisse drei Aspelcte besondere zu bedenken. 2.7.3.1. nI=tin Stallmann v/eist auf die religionspiidagogische These hin, die Hotwendigkeitdes Brzählens werde sowohl pädagogisch durch die konstitutive Bedeutung des Historischen für den Glauben begründet, weil eben das Handeln Gottes in der Geschichte "erzählt" werden müsse 198. Unabhängig von den theologIsch-hermeneutischen und den linguistischen Einwänden, die gegen diese theologische Begründung des 3rzählens vorgebracht werden müssen 199, muß man im j'alle der Gleichnisse sageü, daß hier nicht die "Historie", sondern eine fiktionale Welt erzälüt wird, die nur solange wirklich ist, wie der Erzähler der Fiktionali'tät die Hort-Welt des Gleichnisses erzeugt 200 • Linguistiscil gesehen muß hier also erzählt werden, . weil die Welt der Filet; onali tät nur in der "eise des ',·;rzühlens Gegenwart besi tzt • Damit bestä-tigt sich die bereits anklingende linguistische Erkenntnis, daß die Gleichnisse didalctisch nur durch die Struktur des 3rzä.l'llens "übersetzt" werden können. Im Zl.lsaJ1.J!lenhang ni t der
Ansc~laulichkei't
des
Erzählens ergeben si ci'. hier zwei Probleme. 2.7.3.2. Die d:'daktisch übersetzende Wiedergabe der Fiktionalität der Gleichnisse muß sich einerseits vor der Selbsttäuschung hüten, "biblisclle Geschichte ohne Neugestaltung durch möglichst engen Anschluß an den überlieferten Wortla~lt
195 196 197
I nur
nacherziil1.lel,1 zu l:önnen" 201. ,;ine Heugestal-
Belege ebda. 158. 31ff. Ebda. 69, im Original lcursiv. Vgl. dazu H. FillLBFAS, Religionsunterricht als 'ordentliches Lehx:i:'ach I; in: Religiol1S'.mterricht - wohin? hg. v. K. ';r:;G::;HA5T. 1971, 173-181; U. uum, Belel1rung, nicht Bekehrung; ebda. 218-222; O. TI-IIr.IT.IE, Vom Religionsunterrich'; zur ReligiOl1slehre; ebda. 241-250. 198 i,I. STALLl.IAlnT, Die biblische Geschichte im Unterricht I. 2. Aufl. 1969, 210. 199 Vgl. Güttge~~ns, Offene ~ragen 232ff. 200 Vgl. oben S. 116f. 201 Stallmann, aaO. 139.
Methodik der Gleichnisse Jesu
141
"~ung
ist, linßUistisch-strukturell gesehen, nämlich berei"ts die überaetzung eines Gleichnisses aus dem Griechischen ins Deutsche, weil jede Sprache trotz aller linguistischen Universalien ihre eigenen Struleturgesetze besitzt, also den "Text" einer fre~den Sprache bei einer ubersetzung notwendig strukturell verändern muß 202. Aber man darf didaktisch die oben aufgeführten Strukturgesetze der Gleichnisse nicht beliebig verändern, wenn sicn nicht eine VÖllig andere Sprachgestalt cit entsprechend veränderten pragmatischen Wirkllneen ergeben soll. Linguistisch-didaletisch steht man also vor einer doppelten notwendigkeit: Man muß einerseits den "Text" ins Deutoche und zuden in eine alters- und bildungsmäBig angemessene Sprache übersetzen; man muß sich andererseito vor der Zersetzung der Text-Struktur hitter:.
2.7.3.3. Eine solche Zersetzung lrann auch eintreten, wenn can das Anschaulichkei tsprinzip bei der erzä.'11enden Yliedergabe eines Gleichnisses über-
zieht. Die Meinung ist in der Tat eine Illusion, "der Unterricht werde schon dadurch dem Anschauungsprinzip gerecht, daß er den Schülern möglichst viele anschauliche Eindrücke vermittelt. Es gibt nicht nur leere Begriffe, sondern auch blinde Anschauungen." 203 Deshalb ist fraglich, ob eine anschauliche Erzählung ins Detail gehen und ausmalen muß, "was im Text nur skizzenhai't aneedeutet ist". "Die AnSChauung wird ••• nicht desto deutlicher, je mehr Teile des Gegeno"~a.'"l.ö.es erfaßt werden. Die Konzentration auf die Teilinhalte ~"n sogar das Zustandekommen einer reifen Ansehauung verhindern, wenn die Teile nicht in ihrem Zusammenhang, in ihrer Beziehung Wesen des Ganzen gesehen werden." 204 Karl Vlitte weist in diese:u Zusam:':l.enhang auf die Gefahr hin, "durch zu breites Ausschmücken der J:Iebendinge das Wesentliche zu überdecken und die biblische Geschichte unkenntlich zu machen". 205 3s ist also bei der didaktischen Wiedergabe der Gleich-
=
nisse leeinesfalls erlaubt, die von Bultma-'"l.n herausgestellten Strukturgesetze zu umgehen, also etwa die Knappheit der Erzählung, der Gradlinigl:eit und
~ins"trängigkei".;,
die psychologische Schweigsamkeit und die Spar-
samkei t der Nebenpersonen durcil zu starlee Ans chaulichkei t wieder zu zeretören. Das ::':rgebnis wäre jedenfalls ein anderer "Text" als die en'G~prechenden Glei~lnisse. Ich halte desr~~b das nicht weiter begründete
Vgl. unten S. 2181'. Bochinger, aaO. 34. 205 K. WITTE - W. HARWERTH, Die bib204 Ebda. 361'. lische Geschichte, den Kindern erzählt. 1956, 8. 202
203
142
Methodik der Gleichnisse Jesu
Urteil Bochingers für fatal, er sei überzeugt, "daß Jesus selbst seine Gleichnisse nicht in dieser knapp skizzierten Form erzählt hat, wie sie uns in den Evangelien überliefert werden,,206. 2.8. Die schwierigste Frage. an die Methodik der Formgeschichte ist die bereits mehrfach angeklungene Frage, in welchem Verhältnis für sie "Form" und "Geschichte" zu einander stehen. Es handelt sich bei dieser Frage
=
eine
Spielart der von Siegfried J. Schmidt behandeHen linglüstischen Frage nach dem Verhältnis von
"~ext"und
"Geschichte" als Fundierungskategorien 207 •
Der wissenschaftstheoretisch empfindlichste llangel der Formßeschichte ist die unzureichende und Gegenüber einem historistischen hlißverständnis nicht geSChützte Reflexion dieser entscheidenden einer
~exttheorie.
ling~istiscllen~
Dieser im folgenden aufzuweisende Eangel läßt mch
sogar fragen, ob die Formgeschichte im Jahre 1971 noch eine wisGenschaftliche 1!ethode sein kann 208. Denn für eine wissenschaftliche l'1etbode ist heute nun einmal eine ausreichende wiGsenschaftstheoretische Reflexion, also eine 1Iethodologie, unabdingbare Voraussetzung. Zusammenfassend kann m2L~
sagen, daß die Formgeschichte eine stilkritisch-sprachsoziologische
r.iethode zu sein behauptet, obwohl sie bis heute keinerlei dezidierten Bezug zur iletilodologie der Stilkri til: und 30ziolingllistik besitzt 209. Deshalb muß die Formgeschichte das l!'ehlende und den L:angel an Be'i'IIl.ßtsej.n vom rein Sprachlichen als solcil.eT.l durcr.. historische Ilypothesen ui1.d Beweisführungen ersetzen, über die der auf L:ethodik ul,d auf die Sprache ~
Sprache ausgeriC:,tete Linguist sich oft genug nur wundern l::afu"l. :Jas
1'Ier:aru.rdigste am
Forschungsst~"'1(i
is . .;
nämlic~!,
daß häUfig li11gu.istische
Al1slitze in der Form.geschic..'lte vorbandell sind, die lediGlic':l :nethodolobisch konoequent durchreflektiert werde],
müßten,
UD
eine f,c.nz respe;.table
li::lgllistisc..'l-forr.,,:;eschichtliche I:.'rlpirie zu ergebe!l. :0ie in dieser IIins:Lc!r:: an die Fo=geschichte zu richtenden Fragen lauten wie folr;·if2 09a •
Bochinger, aaO. 91. S. J. SCEI.;:mT, 'Text' und 'Geschichte' als Fundierungskategorien; in: DeHräge zur Textlinguistik, hg. v. W. - D. STEMPEL. (Internationale Bibliothek für allgemeine Linguistik 1) 1971, 31-52. 208 Es geht hier wohlgemerkt um den Wissencchaftsstatus einer Ir.ethode, die 1971 noch immer den methodischen Ansatz von etwa 1920 für angemessen hält. 209 Zu berticlcsichtigen wären etwa die bei Güttge==s, Offene Fragen 57 Anm. 115; ebda. 53 Anm. 70 angegebene Lit. sowie Style in Langua5 e , ed. Th. A. SEBEOK. (1960) 2. Aufl. 1964; St. ULLI:lUTH, Langltage and Style. 1966; I. A. RICHARDS, The Philosophy of Rhetoric.• (The Hary Flexner Lectures on the Humanities 111) (1936) 1965; P. GUIRAUD, ~ssais de stylistique. 1969; DERS., - P. KlJ31TTZ, La stylistique. 1970. 209a Das Folgende wurde zuerst veröffentlicht in LingBibl 4/5. 1971, 23ff.
206 207
Methodik der Gleichnisse Jesu 2.8.1. Geht es bei der Formgeschichte
u;n
143
die evolutio:1istische Diachronie
der Gattungen, in die sie die strukturellen rJomente als geschichtliche Faktoren einbaut? In diesem Falle wäre zu betonen: Formgeschichte. Oder geht es bei dieser j,iethode mehr um die strukturell-funktionalen synchronisc..'1en Elemente, aus denen sich die In diesem Falle wäre zu betonen:
e:;~empla
einer Gattung konstituieren?
~geschichte;
dieser Term wäre dann
allerdings besser durch den engl. "Form-Critics" zu ersetzen. 2.8.2. Um die gleiche Frage anders zu formulierffil, kann man auch sagen:
Ist die formgeschichtliche l.lethode ein Aspekt der historisch-kritischen rlethode, so daß die sprachliche Fonn nur ein Index der "Geschichte" ist, oder ist die formlcri tische Methode eine wesentlich auf die Sprache selbst bzw. auf die sprachlichen Gattungen selbst gerichtete Methode, so daß sie eher in die Typologie gehört als in die "Geschichte"?
2.8.3. Oder noch einmal anders: Ist die Formgeschichte lediGlich ein raffinierter Ersatz für die aufgegebene Suche nacll ipsissima verba Jesu,
an dessen Stelle die historische Urgemeinde als Sprach- und Gattungsproduzent getreten ist, oder ist die Fornkri tik eine auf die KO:1sti tu enten der Gattungen ausgerichtete Stilistik, also eine Unterdisziplin der strukturalen LingLlistik 210 2.8.4. Und endlich noch einmal anders: Ist die "Form" für die Formge-
scaichte nur die äußere Einkleidung eines "Inhalts", der den Namen "Geschichte" trägt, oder ist die "Forn" die den "Inh.al t" allererst konstituierende 3rscheinungsweise der Sprachkompetenz des Urcnristentums oder auc:l Jesu?
2.8.5. Die ::!'oI"illgeschichte hat diese ::!'rage bi.s heute nicht beantwortet, obwohl sie ihr im GI".mde seit Eermann Gunkel mit auf den Heg gegeben war 211. Gerechterweise muß man sagen, daß die Formgeschicllte bei inrercl durch die Linguistik kaurl
t&lgier~Gen
Wisseno- und Reflexionsstand diese
Frage auch gar nicht beantworten kann, weil ihr das spezifioche linguistische ::3ewuBtsein fehlt, aus dem die obigen Fragen erwachsen. 1':in solches B evr..1ßtsein ist vielmehr nur dort nöglich, wo man Kenntnis von der struk-
turalen Art des Fragens hat. So stellen wir heute vor dem seltsam..en wis-
210 Vgl. R. KJ,OZPFER - U. OQl;IEN, Sprachliche Konstituenten moderner Dich-
tung. 1970. 211 Vgl. dazu H. KLATT, Hernann Gunkel. (FRLANT 100) 1969; Güttgemanns, Offene Fragen 154-166.
144
Methodik der Gleichnisse Jesu
senschaftsgeschichtlichen Phänomen, daß alle stilistischen Detailbeobachtungen nicht vermocht haben, ein methodisches Bewußtsein vom eigenen Tun zu wecken, daß also die Kleinkrämerei des Historikers diesen hermeneutisch nicht weiser gemacht hat. Damit s-ceht der biblische Formgeschicntler und Historiker alten Schlages ziemlich außerhalb der inzwischen weiterentwickelten Literaturwissenschaft, obvlOhl er eine biblische Literaturgeschichte intendiert 212. Denn in die Literaturwissenschaft ist der strukturale Gesichtspunlet längst ganz massiv eingedrungen. 2.8.6. Roland Barthes hat diesen strukturalen Gesichtspunl,t auf die Schlagwortalternative gebracht: "Literatur oder Geschichte". Diese Alternative bezeichnet "das alte ProbleLl der Beziehungen zwischen Geschichte und Kunstwerk" 21 3. Die üblichen Literaturgeschichten handeln weder von Geschichte noch von Literatur; "von der Geschichte hat sie nur den Hamen, sie besteht aus einer Folge von 1Ionographien, von denen nahezu jede einen Autor einschließt und ihn für sich selbst untersucht; die Geschichte ist hier nichts anderes als die Aufeinanderfolge einzelner I.iänner; mit einem eine Chronik,,214. Wort: es handelt sich nicht um eine Geschichte, sondern
=
Alle Literaturgeschichten zeigen eine eigenartige Paradoxie: "jedermann spürt deutlich, daß das Ylerk dem Zugriff entflieht, daß es etwas anderes ist als seine eigene Geschichte, als die Summe seiner Quellen, der Einflüsse und seiner Vorbilder" 215."Die Geschichte wird uns niemals sagen, was in einer:! Autor im Augenblick des Schreibens vor sich geht" 216. Der entscheidende Fehler der üblichen Li teraturgescllichte scheint überhaupt "das 'zentralisierende' Privileg zu sein, das dem Autor eip..geräumt wird,,217. "Iian könnte sageI:,
d~J3
in unserer
Ili~;erD.turGeschichtc
der I..!:ellGch, der
Autor, den Pletz innehat, den in der Geschicb:tzbe8cl'1..reiiJI...lng das EreiGnis einnirr.int ll 218. !labei kornnen dann allerlei .Akzidelltien der Li teratll.r ins
8piel, aber nicht nehr deren \7esen 219 • Eier wird L:Lteratur nich-i; mehr ~
212 Der common sense stellt freilich die Beschäftigung mit Linguistik als Außenseitertum dar. ~in solches (Vor-) Urteil kann sich jedoch nur dort halten, wo man den Forschungsstand ignoriert. In übrigen ist die Exegese längst mit den sich in diesem Zusammenhang stellenden Problemen konfrontiert; als erster stellt sich W. RICHTER, Exegese als Literaturwissenschaft.1971 der wichtigen Aufgabe. 213 R. BARTHE8, Literatur oder Geschichte (es 303) 1969, 11. 214 Ebda. 12. 215 ~bda. 13. 216 Ebda. 14. 217 Ebda. 18. 218 Ebda. 19. 219 Ebda. 21f.
145
Methodik der Gleichnisse Jesu Literatur, dh. als Sprache, gesehen, sondern als S=e von Akzidentien, die mit dem Autor zusammenhängen. Die Sprache wird nicllt einmal als Sprache entdeckt; sie ist oloßes Signal für Außer- und
Vorspra~~liches.
Die wahre und zu erstrebende Literaturgeschichte "kann sich nur auf die Ebene der literariachen Funktionen (Produktion, Kommunikation, Konsumtion) begeben, nicht aber auf die der Individuen, die diese Funktionen ausgeübt haben. Anders gesagt: Literaturgeschichte ist nur möglich, wenn sie soziologisch wird, wenn sie sich für die Tätigkeiten und Institutionen, nicht aber für die Individuen interessiert" 220. Dami·~ bestätigt Barthes einige Grundsütze der Formgeschichte, an die diese sich inkonsequenterweise nicht gehalten hat. Denn wann hätte die Formgeschichte je eine Theorie und einen analytischen nachweis über die literarischen Funktionen von 170duktion, Kommunikation und Konsumtion innerhalb einer Literatursoziologie geliefert, die doch das Ziel der FOr'~geschictlte war? Gemessen an ihrem literatursoziologischen Anspruch ist die Formgeschichte an ihrem methodologisc~len Dilettantis!:lUs gescheitert oder zum bloßen FormalislllIls von "Formelanalysen" degeneriert. Angesicilts dieses an der uodernen Idllguistik und Literaturv/issenschaft klar
erken~baren
Versagens
der bisherigen Formgeschichte in der wissenschuftstheoretischen Bas~s ist es unsere Pflicht als Bibel exegeten , eine neue Literaturtheorie der biblischen Gattungen in Auseinandersetzung mit der Linzuistik zu begrün-
~ 221. Ich nenne diese neue Theorie "Generative Poetik des lfr". Sie richtet sich sm "Text" oder an der verbalen Ikon 222 als H'.reE primären Datum aus und ve;meidet so den 'intentionalen Irrtum' der bisherigen biblischen Literaturtheorie. 2.9. Demit führt uns die kritische Würdigung des Beitrages der Formgeschichte zu einer modernen, linguistisch präzisierten Literaturtheorie des ITT zu der Frage
nac~l
dem Primat der literarische.-. :;;Unktionen des
Ir~~exteo1'. iia.:.-.:.s :lober"t Jauß
el1.twiclt:elt gegen die klassische Literaturge-
s chiclüe, die irl Bem.le des deutschell IdealiSIJUs und der Ronantik steht, gegen den rr~~istischen Soziologismus und gegen die Sonderstellung der
l:~ünstlersprache bei den russischen Formalisten 223 eine Rezeptions- und
220 221 222 223
Ebda. 22. Vgl. dazu jetzt i7. RICHTER, op. cit. Vgl. W. K. VIIl1SA~T Jr., The Verbal Icon. 1954. Vgl. dazu V. BRLIcrI, Russischer Forc~lisllllls. 1964. 189ff.
146
Methodik der Gleichnisse Jesu
Wirlrungsästhetik. "Literatur und Kun::,.-t werden erst zur prozeßhaften Geschichte, wenn das Nacheinander der Werke nicht allein durch das produzierende, sondern auch durch das konsumerende Sub jelct - durch die Interaktion von Autor und Publikum vermittelt wird,,224. "Im. Dreieck von Autor, Werk und Publikum ist das letztere nicht nllr der passive Teil, keine Kette bloßer Reaktionen, sondern selbst wieder eine geschichtsbil,~ dende Energie. Das gescllichtliche Leben des literarischen ".'erl:es ist oru"le den aktiven A.."lteil seines Adressaten nicht denkbar." "Die Geschichtlich1ceit der Literatur wie ihr kommunikativer Charakter setzen ein dialogisches und zugleich prozeßhaftes Verlüiltnis von Werk, Publikum und neuen Werk voraus, das sovlohl in der Beziehung von 13.tteilung und Empfänger wie auch in den Beziehungen von Frage und Antwort, Problem und
Lösung erfaßt werden
1~c.nnIl225. "Das literarisc:'le
Ylerk ist kein für sich
bestehendes Ob j ekt, das j eden Betrachter zu jeder Zeit den gleichen Anblick bietet,,226. "Es ist vielmehr wie eine Partitur auf die i=er erneuererte Resona.."lz der Lektüre angelegt, die den Text aus der I:Iaterie der \'forte erlöst und ihn zu aktuellen :Dasein bringt,,22 7 • Als Ko=entar zu diesen Thesen von Jauß füge ich hinzu: Der "Text" besitzt eine se!2lant!_sche Uultifunktionali tät, die den "sensus" im Laufe der Rezeptions- und Wirl:ungs228 geschichte des "Textes" erweitert und dBillit neue Sprachlcompetenz sohafft • Älmlich sagt Jauß: "Geschichte der Literatur ist ein Prozeß ästhetischer Rezeption und Produktion, der sich in der Aktualisierung literarischer Texte durch den au:i'neh..-nenden Leser, den reflektierenden Kritiker und den selbst wieder produ~ierenden Schriftsteller vOllzieht,,229. "Das literarische Ereignis ••• vel"mag nur weit erzuwirken, wo es bei d'en lTac:b..kornmenden noch oder wieder rezipiert wird - wo sic;1 Leser
f~nden,
die sich das
verga!lgene Werk neu aneigl'len oder Autoren, die es nachahmen, überbieten oder widerlegen VlOllen,,2 3 0. Ss iS'G evident, in welc,,-er Richtung hier das ProbIen der GattungsgesChichte 231 mittels des Relrurses auf das linguistische Phänomen der bestehenden Kommunikation in der Rezeption des "'i'extes"
gelöst wird. AUI eine Form.el Gebracht und in den Xategorien der "Generativen Poetik" ausgedrückt, 1m1'1"-"1
=!1
auch sagen: ::!;in literarisches 3reig-
:nis oder eine Gattung hat so lange eine Rezeptions- und 'ilirkungsgeschichte, wie ihre Kompetenz stets neue Performanz erzeuGt und so auch die
hlöglicl:'_~
224 225 227
H. H. JAUSS, Literaturgeschichte als Provokation. (es 418) 1970, 163f.
229 231
Jauß, aaO. 172. Vgl. dazu Güttgemanns, Offene
Ebda. 169. 3bda. 172.
226 ~bda. 171. 228 E. GÜTTG:Sl:AimC;, LingBibl 1.1970,
3. 8. 230 Ebda. 173. 179 - 181.
~Tagen
Methodik der Gleichnisse Jesu
147
keiten der Kompetenz "erweitert,,2 3 2. Hört dieser Generationsprozeß auf, dann ist auch die Kompetenz abgestorben; zugleich freilich auch das Publikum, an dem die Kompetenz sich ereignet. Ebenso stirbt auch der Spracherlernvorgang ab, also die immanente Didaktik der Gattung. Blickt man noch einmal auf die literatursoziologische Komponente der "Generativen Poetik" zurück, um an ihr den Reflexionsstand der Formgeschichte zu messen, so darf man wohl sagen, daß uns beim heutigen Forschungsstand der allgemeinen Literaturtheorie eine Repristination der alten Formgeschichte oder auch nur eine quasi "scholastische" Weiterführung unmöglich geworden ist. Diese Erkenntnis mag ärgerlich und natürlich auch schmerzhaft sein. Doch wird unsere ntl Wissenschaft nur durch einen entschlossenen Aufbruch nach vorn eine wissenschaftstheoretisch abgerundetere Literaturtheorie des NT gewinnen können.
3. Die strukturale Betrachtung der Gleichnisse Jesu 3.1. Der Beitrag von Dan O. Via zur Strukturanalyse der Gleichnisse Jesu Wie ich bereits betonte, versteht sich die "Generative Poetik des NT" trotz ihrer zT. entschiedenen Ablehnung der methodologischen Unklarheiten der Formgeschichte nicht als einen absoluten Neubeginn, sondern als eine
~
führung de facto linguistischer Ansätze in der vor linguistischen Forschung. Sie erhebt auch nicht den Anspruch, als erste die Aufgabe einer linguistisch-literaturwissenschaftlichen Grundlegung der Ntl Theologie in Angriff genommen zu haben. Dieses Verdienst fällt zumindest für die Gleichnisse Jesu vielmehr Dan O. Via zu2 33 , nachdem Amos Niven Wilder und Robert W. Funk die Bahn für eine andere Betrachtungsweise geebnet hatten 234 • Da ich andernorts den literaturwissenschaftlichen Kontext der Gleichnisauslegung Vias dargelegt habe 235 , will ich mich an dieser Stelle auf die wichtigsten Aspekte seiner methodologischen Erörterungen beschränken. 3.1.1. Via knüpft zwar an Adolf Jülicher, Charles Harold Dodd und Joachim Jeremias an; aber er betrachtet die gesamte Gleichnisforschung vom
~
punkt des amerikanischen Literaturkritikers aus, auf den faktisch der rus232 Vgl. Güttgemanns, LingBibl 1. 1970, 8. 233 D. O. VIA, Die Gleichnisse Jesu. (BEvTh 57) (amerik. 1967) 1970. 234 A. N. WILDER, The Language of the Gospel. Early Christian Rhetoric. 1964; R. w. FUNK, Hermeneutic, and Word of God. 1966, 124ff. 235 E. GUTTGEMANNS, Der literaturwissenschaftliche Kontext der Gleichnisauslegung von Dan O. Via Jr.; in: Via, aaO. 202-212.
148
Methodik der Gleichnisse Jesu
sische Formalismus 236 , die strukturale Poetik des "Prager Kreises,,2 3 7, die behavioristische semiotik 238 , der "New Criticism239 , der "Chicagoer AristotelisJllUs,,2 40 und die mythologische Literaturkritik 241 einwirken. Von diesem Standpunkt aus ergibt sich, daß die vorlinguistische Gleichnisforschung in methodologischen Ungeklärtheiten und methodischen Halbheiten steckengeblieben ist. Ihr Hauptfehler ist, daß sie der semantischen Einheit des "Textes", der sog. IsotoPie 242 , nicht die Primärfunktion für die Interpretation einräumt, sondern statt dessen den extratextualen Faktor des "Sitzes im Leben" bevorzugt. Da für Vias Literaturtheorie ähnlich wie für die "Generative Poetik U243 organologische, gestalttheoretische und funktionale, also intratextuale Gesichtspunkte wichtiger sind als extratextuale, muß er die "Ganzheit" der Text-"Gestalt" oder des Kontextes betonen. Er schließt sich damit der Poetik von Cleanth Brooks 244 und W. K. Wimsatt Jr. 245 an, die zB. ein Gedicht als ein Gebilde von "Spannungen", "Paradoxien" und "Ironien" definieren: "Wesentlich ist beim Gedicht die Einheitlichkeit des Kontextes, die Ganzheit, der formale Zusammenhang und die Geschlossenheit; erst alle Aspekte zusammen machen den 'Sinn' eines Gedichts aus. Diese organologischen Aspekte werden nicht - wie seit der Romantik übliCh246 - durch eine falsche biologische Analogie erläutert. Vielmehr bemüht sich Brooks um diejenige Totalität, 'die als ursprünglich sprachliche und formale Struktur gesehen wird,247. Die ganzheitliche linguistische Struktur, die 'Gestalt', kann funktional durch nichts anderes ersetzt werden. Deshalb ist der Versuch, ein Gedicht auf eine Prosaaussage zu reduzieren, die 'Ketzerei der Paraphra236 Vgl. d~ Lit. Anm. 223. 237 J. MUKAnOVSKY, Kapitel aus der Poetik. (es 230) (tschech. 1948) 1967; DERS., Kapitel aus der Ästhetik. (es 428) (tschech. 1966) 1970. 238 C. K. OGDEN - I. A. RICHARDS, The Meaning of Meaning. (1923) Reprint 1966. 239 Vgl. dazu R. WEIMANN, 'New Criticism' und die EntWicklung bürgerlicher Literaturwissenschaft. 1962; E. KOPPEN, Art. New Criticism; in: Kleines literarisches Lexikon 111, 4. Aufl. hg. v. H. Rüdiger - E. Koppen. (Sammlung Dalp 17) 1966, 282f. 240 Vgl. dazu R. WELLEK, Grundbegriffe der Literaturkritik. (Sprache u. Lit. 24) 1965, 223. 241 Vgl. dazu ebda. 223f. 242 Vgl. dazu A. J. GREIMAS, Strukturale Semantik. (Wissenschaftstheorie. Wissenschaft u. Philos. 4) (franz. 1966) 1971, 60ff. 243 Zusammenhänge zwischen Vias Konzeption und der "Generativen Poetik" ergeben sich vor allem über den faktischen gemeinsamen Rekurs auf Erkenntnisse der Strukturalen Poetik des "Prager Kreises". 244 C. BROOKS, Modern Poetry and the Tradition. 1939; DERS.,- R. P. WARREN, Understanding Poetry. 1939; DIESELBEN, Understanding Fiction. 1943. 245 W. K. WIldSATT Jr., The Verbal Icon. 1954; DERS. - C. BROOKS, Literary Criticism. 1957. 246 Dazu Güttgemanns, Offene Fragen 126ff. 247 Wellek, aaO. 51f.
Methodik der Gleichnisse Jesu
149
se l .,,248 In dieser auf Vertreter des "New Criticism" bezogenen Beschreibung sind die auch für Vias neue Konzeption der Gleichnisausle~ng wesentlichen Aspekte enthalten. Ich arbeite diese im folgenden heraus, indem ich an einigen Stellen die spezifische technische Terminologie der Lin~istik stärker benutze als Via selbst. 3.1.2. Via stellt sich als einer der wenigen Exegeten dem hermeneutischen Problem der analogischen Rede, indem er den Zusammenhang der Gleichnisse mit dem Problem der theologischen Rede überhaupt behandelt 249 • Er tut das als lin~istisch und literaturwissenachaftlich gebildeter Forscher, so daß seine Ausführungen aus dem Bereich einer theologisch-esoterischen Hermeneutik in den allgemeinen und profan diskutierbaren Bereich der generellen Lin~istik überleiten. Dies zeigt sich vor allem an seiner Verknüpfung des hermeneutischen Problems der übersetzung mit dem linguistisch-literaturwissenschaftlichen Problem der Paraphrase oder Transformation. 3.1.2.1. In Auseinandersetzung mit dem vor allem von der "neuen Hermeneutik" Ernst Fuchs' und Gerhard Ebelings verhandelten Problem der Ubersetzung dessen, was ein Text damals ~, in das, was er heute ~250, stellt Via eine dialektische These auf: "a) Weil die Gleichnisse ästhetischer Natur sind, sind sie nicht so zeitbedingt wie andere biblische Texte, und die Notwendigkeit einer tlbersetzung ist deshalb nicht so zwingend. b) Weil die Gleichnisse ästhetischer Natur sind, ist es unmöglich, sie vollkommen in ganz andere Termini zu übersetzen.,,251 Diese These leitet Notwendigkeit und Möglichkeit der übersetzenden Transformation aus dem besonderen ästhetischen "Text"-Charakter der Gleichnise ab, so daß das hermeneutische Problem der Übersetzung als das lin~istische Problem der "Text"-Sorten-Transforma:U.2E. erkannt wird: "Lin~istisch-ästhetische Objekte können bis zu einem geWissen Grade interpretiert - übersetzt - werden, und die Notwendigkeit der Klarheit rechtfertigt die Bemühung darum; aber mit dem Gewinn an Klarheit ist ein Verlust an Wirkung der besonderen ästhetischen Funktion verbunden. Deshalb sollte die interpretierende Übersetzung die unübersetzbare Dimension der Gleichnisse ausdrücklich in Rechnung stellen, damit der Verlust so gering wie möglich bleibt.,,252 Damit werden lin~istische Faktoren wie "Form", "Struktur" oder "Gestalt" der Gleichnisse als Problem der Übersetzbarkeit herausgestellt und eine entscheidende These der "Generativen Poetik des NT" vorbereitet: Der primäre lin~istische Faktor für alle lin~istischen Operationen, also auch für die Operation der Übersetzungstrans248 Güttgemanns, Kontext 210. 249 Via, aaO. 31-11. 251 Ebda. 40.
250 Ebda. 38. 252 Ebda.
150
Methodik der Gleichnisse Jesu
formation, ist die semantische "Text"-Sorten-Isotopie. Übersetzbar sind daher nur solche Elemente, deren linguistische valeur im Performanz-"Text" und im Kompetenz-"Text" der "Zielsprache" struktural isomorph ist. 3.1.2.2. Obwohl also die linguistische Struktur der Gleichnisse ihrer Übersetzbarkeit, dh. ihrer Uminformation in andere Informationsgestalten Hemmnisse bereitet, haben Jesu Gleichnisse nach Via einen übersetzbaren In
~253, weil sie heute sonst überhaupt nicht mehr kommunizierbar wären. Aber dieser übersetzbare Inhalt ist nicht direkt aus Jesu historischer Situation und auch nicht aus der Kategorie seines "Yerhaltens,,254 ableitbar. Natürlich tragen die Gleichnisse "in besonderer Weise den Stempel des Denkens Jesu und beziehen sich auf seine historische Situation. Das heißt, die Gleichnisse erfassen auf ihre besondere Weise etwas von Jesu Wirken und Dachen es verfügbar. Aber wieder müssen wir bemerken, daß es nicht primär die Situation ist, die die Gleichnisse interpretiert, vielmehr interpretieren die Gleichnisse seine Situation als e'in Bestandteil von ihr. ,,255 Die Gleichnisse als "Text" sind nicht vom "Kontext" der Situation zu trennen, indem man den historischen "Kontext" zum Interpretationskriterium macht. Dadurch WÜrde der übersetzbare Inhalt eine Ableitung eines extratextualen Datums. Der übersetzbare Inhalt ist vielmehr ein Existenzverständnis, das von der Struktur der Gleichnisse als ganzer getragen wird; "Auch die Gleichnisse legen dieses Existenzverständnis nahe, denn sie dramatisieren des Menschen existentiale Möglichkeiten durch konkrete geschichtliche Begegnungen, und der sprachliche Faktor ist sowohl in Jesu Erzählen der Gleichnisse als auch in der Bedeutung des Dialogs in ihnen zu erkennen. Handeln und Rede sind ineinander gewoben, so daß der Sinn des ersteren in letzterer zum Ausdruck kommt.,,256 "Ein Gleichnis als ganzes dramatisiert eine ontologische Möglichkeit - eine Möglichkeit, die grundsätzlich für den Menschen als Menschen vorhanden und möglich ist - und die beiden grundlegenden ontologischen (menschlichen) Möglichkeiten, die die Gleichnisse anbieten, sind Gewinn oder Verlust der Existenz, 'eigentlich' oder 'uneigentlich' zu werden.,,2 5 7 Freilich geht es linguistisch nicht an, nur das Existenzverständnis quasi als "Inhalt" zu übersetzen, die linguistisch-ästhetische Struktur der Gleichnisse
quasi als "Form" unberücksichtigt zu lassen. Das Existenzverständnis
253 Ebda. 44ff. 254 fuchs, Ges. Aufs. 11, 154: "Es ist also nicht so, daß erst die Parabel Jesu Verhalten erklärt, obwohl sich Jesus mit ihr verteidigt, sondern umgekehrt, Jesu Verhalten erklärt den Willen Gottes mit einer an Jesu Verhalten ablesbaren Parabel" (bezogen auf Lk 15, 11-32). Ebda. 155: "Das bedeutet aber dOCh, daß Jesu Verhalten selber der eigentliche Rahmen seiner Verkündigung war!" 255 Via, aaO. 44. 256 Ebda. 46. 257 Ebda. 46f.
Methodik der Gleichnisse Jesu
151
der Gleichnisse wohnt ja in deren Struktur, so daß das übersetzende Interpretieren nicht das Existenzverständnis als "Inhalt" von der Struktur als "Form" trennen darf. Linguistisch ist vielmehr zu sagen: "Sinn wohnt in erkennbaren Strukturen von Wortverbindungen (pattern of connections) und Bezügen, und Verstehen heißt, diese Verbindungen zu erfassen, dh. den Sinn zu erfassen. So ist der erste Schritt, die Struktur der Verbindungen in den Gleichnissen selbst zu verstehen.,,2 58 "Die Form oder die 'Gestalt' oder die linguistischen Verbindungen sind nicht etwa der Behälter für den Inhalt; vielmehr haftet der Sinn an Form-und-Inhalt als 'gestalt'-hafter Einheit. Darum können linguistisch-ästhetische Objekte nicht vollkommen übersetzt werden: eine neue Form verändert den Sinn. In dem
~~ße,
wie ein Gleichnis
übersetzt werden kann, hat Fuchs jedoch recht mit der These, daß dem Sinn eine neue Form oder eine neue Struktur von Verbindungen gegeben werden muß. Diese Form wird ausdrücken, was der Textinhalt in unserer Situation tun kann. Der der 'Gestalt'-Einheit von Form-und-Inhalt entnommene Sinn muß eine neue 'Gestalt'-Einheit von Form-und-Inhalt erhalten, eine neue Struktur von Verbindungen, die den ursprünglichen Sinn auf unsere Zeit bezieht. Aber da die Interpretation eines Gleichnisses als vom Gleichnis selbst unterschiedene Sprachform kein ästhetisches Objekt ist, wird der Bezug der Form zum Inhalt in der Interpretation nicht der gleiche sein wie im Gleichnis selbst.,,259. 3.1.2.3. Damit wird das sich bei jeder Interpretation, also auch bei der Didaktik der Unterrichtsstunde!- stellende linguistische Problem der Transformierbarkeit einer bestimmten
strukturellen 'Gestalt' in eine andere
strukturelle 'Gestalt' sichtbar. Ist es linguistisch Überhaupt möglich, eine ästhetische Sprachform ohne Verlust an Information in eine nicht-ästhetische Sprachform zu transformieren, oder gestalttheoretisch: gehören das Gleichnis selbst und seine Interpretation linguistisch zur gleichen 'Gestalt', zur gleichen "Text"-Sorte, sind sie in bezug auf ihre linguistische Funktionalität isomorph oder heteromorph? Via stellt sich diesem Problem mit der These, der Zweck der übersetzung eines Textes in eine neue Begrifflichkeit sei, daß die Sprache des Textes zum 'Ereignis' wird. "Man hofft, den Hörer zu der Erkenntnis zu bringen, daß 'der Schuh paßt' - oder nicht paßt -, daß die Pointe ins Herz trifft, daß der Gegenstand ihn betrifft. Das Wort soll zum lebendigen Wort oder zum 'Sprachereignis ' werden. ,,260 "Jesu Gleichnisse waren ein Sprachereignis in seinen Tagen, und der Zweck ihrer Interpretation ist, daß sich in der Auslegung noch einmal das Sprachereignis einstellt.,,261 Linguistisch gesehen, ist das Phänomen der Transformierbarkeit 258 Ebda. 48f. 260 Ebda. 56.
259 Ebda. 49f. 261 Ebda.
152
Methodik der Gleichnisse Jesu
nur zu behandeln unter Berücksichtigung der Sprachtunktionstheorie, wie sie etwa von Karl Bühler und Friedrich Kainz entwickelt wurde 262 • "Vom Stand punkt der linguistischen Analyse aus hat die Sprache verschiedene legitime Funktionen, und eine von ihnen ist die Leistungs-Funktion (performative function). Wenn die Sprache diese Funktion ausübt, dann bewirkt sie etwas, sie proklamiert oder eröffnet einen Weg. Sprache kann zum Ereignis werden, weil die Leistungs-Funktion eine der möglichen Funktionsunterschiede zwischen dem Gleichnis als ästhetischem Objekt und seiner Interpretation als nicht-ästhetischer Sprachform angibt; aber das heißt nicht, daß nicht beide in die Kategorie 'Sprachereignis' eingeschlossen sein können. Sie realisieren verschiedene Aspekte der Leistungs-Funktion, aber sie haben beide das gleiche Ziel, nämlich den Hörer in den Gegenstand zu verwickeln. So trifft das, was über den Charakter der Gleichnisse als Sprachereignisse gesagt wurde, gI".lndsätzlich auch für ihre adäquate Interpretation zu.,,26 3 • Der entscheidende Aspekt beim Problem der tlbersetzungstransformation ist für Via also die Beachtung der linguistischen Funktionalität der jeweiligen Sprach~.
Dieser Aspekt ist in der "Generativen Poetik des NT" lediglich unter
linguistischen Prinzipien systematisiert worden. 3.1.2.4. Auf diesem linguistischen Hintergrund wendet sich Via dem analogischen Wechselbezug der Gleichnisse und des letzten Gegenstandes der theologischen Rede, 'Gott', zu264. Die Gleichnisse enthalten in ihrer gesamten Struktur ein Existenzverständnis; aber die Existenz, von der sie uns ein Verständnis geben, "ist eine Existenz, auf die Gott einwirkt. Die Gleichnisse nehmen nur indirekt auf Gott Bezug, aber sie behaupten doch, in einer gewissen Weise auf ihn Bezug zu nehmen. Deshalb sind wir bei der Untersuchung der Gleichnisse mit der Frage konfrontiert, wie und ob man von Gott überhaupt sinnvoll sprechen kann.,,265 Diese Frage kann im Rahmen der Linguistik nur in der Auseinandersetzung mit dem logischen Positivismus beantwortet werden. "Nach dem logischen Positivismus, wie er sich in Alfred Jules Ayers "Language, Truth, and Logic" darbeitet 266 , muß eine gewisse sinnliche Erfahrung für die Verifikation relevant sein, wenn eine Feststellung irgendeinen Sinn als eine faktische Feststellung oder A:.'.ssage haben sOll.,,267 Kann eine Aussage wie etwa die über Gott nicht empirisch verifiziert oder falsifiziert werden, dann ist sie eine sinnlose nonsense-Aussage. "In der Kritik an der positivistischen Verwendung des Verifikationsprinzips kann man darauf ver262 263 264 266 267
Vgl. oben S. 111 Anm. 75; S. 121 Anm. 114. Via, aaO. 56f. Ebda. 60ff. 265 Ebda. 61. A. J. AYER, Language, Truth, and Logic. (1935) 2. Aufl. 1946. Via, aaO. 61.
Methodik der Gleichnisse Jesu
153
weisen, daß das Prinzip selbst nicht durch sinnliche Erfahrung verifiziert werden kann, sondern stattdessen auf einer Grundüberzeugung oder Voraussetzung beruht, daß es jenseits dessen, was grundsätzlich durch die Sinne erfaßbar ist, keine Realität gibt.,,268 Gegen die Verifikationsanalyse wendet sich vor allem die FUnktionsanalyse, für die der Sinn einer Aussage von der Verwendung der Sprache abhängt.Solche Verwendungsweisen werden mit Ludwig Wittgenstein, einem Mitbegründer des logischen Positivismus, als "Sprachspiele" verstanden. Nach der Funktionsanalyse gibt es das besondere "Sprachspiel" der theologischen sprache 269 • "Wenn wir nicht mit den Voraussetzungen der Verifikationsanalyse, sondern mit der These beginnen, daß die Funktion einer Aussage ihren Sinn determiniert, dann können wir sagen, daß das Verhalten der theologische Sprache auf eine Art von Gegenstand (subject matter) oder 270 Bezugspunkt (referent) verweist, von dem die theologische Sprache redet." Via verbindet diese These sofort mit seinem Verständnis der Gleichnisse Jesu: "Die Gleichnisse Jesu exemplifizieren auf ihre eigene besondere Weise die Aspekte der theologischen Sprache, die wir diskutiert haben. Wegen ihres ästhetischen Charakters sind sie in gewisser Weise wirksamer, als feststellende Aussagen (propositional statements) sein können, und wegen ihres realistischen und dramatischen Gegenstandes geben sie unserem Verständnis unserer Beziehung zu Gott einen besonderen Inhalt und verknüpfen ihn mit der menschlichen Erfahrung.,,271 Via intendiert also eine Integration seiner literaturtheoretischen Ansicht über die Gleichnisse mit seiner linguistischen These vom besonderen Charakter des analogischen Sprachspiels über Gott. Ob diese Integration völlig gelungen ist, mag in meiner mehr der linguistischen Struktur der Gleichnisse zugewendeten Darstellung dahingestellt bleiben. 3.1.3. Aus dem bisher Gesagten ist Vias Hauptthese ohne weiteres zu entnehmen: Die Gleichnisse Jesu gehören als "reale ästhetische Objekte,,272 zu einer besonderen "Text"-Sorte, deren strukturelle Eigenart genauer erforscht werden soll. Als "ästhetisch" vertextete Sprache sind sie bei der Interpretation nicht durch andere Faktoren, wie etwa historische Daten oder durch den "Sitz im Leben" zu ersetzen. Kurz: Gleichnisse müssen Gleichnisse, dh. "ästhetische" Texte, bleiben und dürfen durch nichts anderes ersetzt werden. Via teilt damit ein Axiom der russischen Formalisten 273 , das entscheidend zur Begründung der modernen Linguistik beigetragen hat: Analyseobjekt jeder legitimen Linguistik kann nur die Sprache
268 269 270 272
~
Sprache sein, die durch nichts anderes er-
Ebda. 62. Vgl. dazu W. A. de PATER, Theologische Sprachlogik. 1971. Via, aaO. 65f. 271 Ebda. 67f. Ebda. 33ff. 88ff. 273 Vgl. Erlich, Formalismus 212ff.
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Methodik der Gleichnisse Jesu
setzt werden darf. "Der Gegenstand der Literaturwissenschaft ist nicht die Literatur in ihrer Ganzheit, sondern die 'Literaturhaftigkeit' (literaturnost'), nämlich das, was ein gegebenes Werk zu einem literarischen Werk macht.,,274 Für das Erfassen der "ästhetischen" Objekte heißt das: "Das Bewußtsein der Form als Form ist unentbehrlich für die ästhetische Wahrnehmung.,,2 75 Der Ort der Literaturhaftigkeit der Literatur kann "nicht in der Seele des Dichters oder des Lesers, sondern nur im Werk selber gesucht werden,,276. Bei Via führt dieses Grundaxiom mit Recht dazu, daß jede historisierende Gleichnisauslegung abgewiesen wird 277 • Dies hat konkrete Konsequenzen für die Beurteilung der Gleichnistheorie seit JÜlicher. 3.1.3.1. Dem Haupttrend der ntl Gleichnisforschung zuwider rückt Via von der primären und fast ausschließlichen Funktion des "Sitzes im Leben" als Interpretationskriterium ab 278 • Als Grund dafür gibt er - ähnlich wie die russischen Formalisten 279 - die Autonomie des sprachlichen Kunstwerks an: Bestimmte Gleichnisse haben "als ihrer Art nach 'literarische' eine bestimmte Autonomie •• ,und weisen eine Sprach-'Gestalt' von Handlung und Bedeutung (actionand-meaning) auf, die eine fundamentalere Sprachform ist als theologische 'Vorstellungen'. Deshalb ist es sachgemäß, solche Gleichnisse zunächst für sich selbst zu betrachten und lediglich danach die Frage ihres Bezuges zu Jesu nicht-gleichnishafter Verkündigung des Reiches Gottes zu stellen, um damit die Methodik von Charles Harold Dodd umzukehren." Die Gleichnisse sollen "nicht geordnet werden nach ihrer Beziehung zu einem gewissen Aspekt des Reiches Gottes oder der Eschatologie, sondern nach ihrer Erzählform, um damit die Methodik von Joachim Jeremias umzukehren,,280. Beide methodischen Abgrenzungen sind Konsequenzen der grundlegenden "Text"-Sorten-Theorie:
~
Sprach- oder Erzählform ist linguistisch das primäre Ordnungsprinzip. Die Isotopie der "Text"-Sorte, ihre intratextuale Einheit und literarische Autonomie, ist nicht durch extratextuale Faktoren wie den "Verweis" auf die Kultur oder auf die historische Herkunft zu ersetzen; sie ist ein intratextuales Regelsystem. 3.1.3.2. Via kritisiert auf dieser Basis vor allem Jülichers Konzentration der Auslegung auf das tertium comparationis. Ausgangspunkt der Kritik ist die linguistisch-literaturwissenschaftliche Definition der Allegorie, der gegenüber Jülicher ja die Konzentration auf das tertium comparationis vor-
274 R. JAKOBSON, Novej~aja russkaja poezija. 1921, 11; zitiert nach der übersetzung bei Erlich, aaO. 190. 275 Erlich, aaO. 214. 276 Ebda. 191. 277 Via, aaO. 30ff. 278 Ebda. 9. 279 Vgl. Erlich, aaO. 219f. 280 Via, aaO. 10.
Methodik der Gleichnisse Jesu
155
genommen hatte. Via setzt voraus, "daß es eine der formalen Haupteigenschaften der Allegorie ist, daß jedes Bild oder Detail seine eigene Bedeutung hat oder etwas Sinnhaftes darstellt, daß es also viele Verbindungen zwischen der allegorischen Geschichte und dem durch sie Dargestellten gibt,,281. Eine zweite grundlegende formale Eigenschaft der Allegorie besteht darin, "daß die Struktur, der Umriß und die gegenseitigen Verbindungen einer Allegorie durch etwas außerhalb ihrer selbst bestimmt sind, nämlich durch ihren Sinn (meaning) oder ihren Sinnbezug (referent). Die Struktur einer Allegorie ist eine Ableitung ihres Sinnes.,,282 Der Sinn, die Referenz einer Allegorie kann zB. eine alte Geschichte sein, die mittels der Allegorie noch einmal erzählt wird 283 • "Das bedeutet, daß ein Bild oder Detail in einer Allegorie nicht primär in sich selbst oder für die Geschichte wichtig ist, sondern als ein Zug oder eine Illustration für etwas in der alten Geschichte, im Sinn oder Bezugs.punkt (referent). Der Allegorist beginnt nicht mit einem Bild, das einen Sinn anregt, sondern er beginnt mit einer Idee oder einem Sinn und sucht nach einem Bild, um sie darzustellen." 284 "Weil eine Allegorie von ihrem Sinn oder Bezugspunkt, ihrer Bezugssituation, abhängig ist, muß der Leser mit letzterer vertraut sein, um die Geschichte zu verstehen. So kann eine Allegorie eine verborgene Information nur dem Eingeweihten vermitteln. Da der Leser mit dem Bezugspunkt oder der formenden Situation vertraut sein muß, um die Allegorie zu verstehen, kann man vermuten, daß es bis zu einem gewissen Grade vom Standpunkt des Lesers abhängt, ob eine bestimmte Geschichte als Allegorie aufgefaßt wird oder nicht.,,285 "Eine Allegorie vermittelt also jemandem etwas bereits von ihm Gewußtes, obwohl sie es in 286 symbolischer und veränderter Weise vermi ttelt. " Gegen. Jülicher und die auf ihn folgende Forschung behauptet Via, "daß zumindest einige von Jesu Gleichnissen allegorische Züge enthalten. Es ist unmöglich, eine Reihe von Elementen in solchen Gleichnissen wie dem 'Verlorenen Sohn', den 'Arbeitern im Weinberg' oder den 'Bösen Weingärtnern' davor zu bewahren, eine bestimmte unabhängige Bedeutung zu haben. ,,287 "Das heißt jedoch nicht, daß solche Gleichnisse
Allegorien~,
denn es ist einem Gleichnis möglich, allegori-
sche Züge in der Weise zu absorbieren, daß das Gleichnis sprachfunktional letztlich als Gleichnis und nicht als Allegorie wirkt.,,288 Via steht damit vor dem Problem, wie er einerseits die Konzentration auf nur
~
Punkt
(tertium comparationis) und andererseits die Allegorisierung der Gleichnisse vermeiden kann. "Wir können Cadoux darin zustimmen, daß der Entschluß, nur 281 283 284 286 288
Ebda. 17. 282 Ebda. E. HONIG, Dark Conceit. 1959, 12. Via, aaO. 18. 285 Ebda. 19. Ebda. 19f. 287 Ebda. 25. Ebda.
Methodik der Gleichnisse Jesu
156
einen Vergleichspunkt zu .finden, das unglückliche Ergebnis einer unangemessenen Vereinfachung des zu fällenden Urteils hat und das Ergebnis einer Reduzierung der Gleichnisse zu 'bildhaft angeordneten Platitüden, die durch unnötige Ornamente verschleiert werden,.,,289 "Aber wenn Cadoux den Gleichnissen eine Vielfalt von Berührungspunkten mit ihren Bezugspunkten (referents) zuschreibt, dann droht er ihre Einheit zu zerbrechen und ihre Distanz zu ihrem Sinn oder Bezugspunkt zu überbrücken.,,290 Vias These gegenüber Jülicher lautet deshalb, daß "der Sinn von Jesu Gleichnissen zwar nicht auf einen einzigen zentralen Vergleichspunkt beschränkt werden kann, daß die Gleichnisse aber deswegen noch keine Allegorien sind. So ist das Vorhandensein von nur
~
zentralen Punkt kein wesentliches
Erkennungsmerkmal
eines
Gleichnisses.,,291 Die Hauptaufgabe der intendierten "ästhetischen" Definition der Gleichnisse ist daher, eine allegorische Interpretation zu vermeiden, ohne in den Fehler einer Reduktion der Gleichnisse auf das tertium comparationis zurückzufallen. 3.1.3.3. Vias Axiom von der Primärfunktion der "ästhetischen Text"-Sorte der Gleichnisse begründet auch seine Einwände gegen die streng "historische" Auslegung bei DOdd, Jeremias und Eta Linnemann, die ich hier ebenfalls in seiner eigenen FOrImllierung vortrage. "1. Der erste Einwand lautet, daß es in Anbetracht der nicht-biographischen Art der Evangelien schwierig, wenn nicht unmöglich ist, die konkrete Sprech-Situation eines Gleichnisses exakt herauszufinden.,,292 "2. Die streng historische Auslegung ignoriert das grundlegend menschliche Element in den Gleichnissen. Sie sagen etwas zu dem und über den Menschen als Mensch und nicht nur zu dem und über den Menschen in einer besonderen historischen Situation.,,293 "3. In der Anwendung einiger ihrer Vertreter droht die historische Auslegung die Gleichnisse in der Vergangenheit zu belassen, ohne Botschaft an die Gegenwart. Das liegt vielleicht nicht so sehr daran, daß diese Exegeten glauben, die Gleichnisse hätten grundsätzlich keine Bedeutung für die Gegenwart; vielmehr haben sie nur dem Problem der Ubersetzung keine Aufmerksamkeit geschenkt.,,294 Der entscheidende Einwand gegen die herrschende Konzeption lautet jedoch: "4. Die streng historische Auslegung ignoriert den ästhetischen Charakter der Gleichnisse und annulliert ihre ästhetische Funktion. Auf allgemeinste Weise ausgedrückt, konzentriert sich die historische Auslegung auf den historischen Kontext als den Schlüssel zum Sinn der Gleichnisse, während die Erkenntnis ihrer ästhe-
289 290 292 294
Ebda. 27, bezogen auf A. T. CADOUX, The Parables of Jesus. 1931, 51f. Via, aaO. 27. 291 Ebda. 28. Ebda. 31. 293 Ebda. Ebda.
Methodik der Gleichnisse Jesu
157
tischen Qualität sich auf die Gleichnisse selbst konzentrieren würde.,,295 Mittels dieses ästhetischen Ansatzes fragt Via noch einmal nach dem
~
schied zwischen Gleichnis und Allegorie, um so Jülicher und Jeremias gleichzeitig abzuweisen: "Was ist nun letztlich der entscheidende Unterschied zwischen Gleichnis und Allegorie? Es ist nicht der Unterschied zwischen ~ Bezugspunkt und ~, vielmehr die unterschiedlichen Weisen, in denen die Elemente der Geschichte aufeinander und auf die Welt der Realität oder Gedanken außerhalb der Geschichte bezogen sind.,,296 Diese unterschiedlichen Weisen werden wie folgt definiert: "Es gibt mehr als ~ bedeutsames Element in einem Gleichnis, und alle diese Züge müssen beachtet werden, aber sie beziehen sich nicht primär und zunächst auf ein Ereignis, Ereignisse oder Ideen außerhalb des Gleichnisses. Sie beziehen sich zunächst einmal innerhalb des Gleichnisses aufeinander, und die Struktur der Verbindungen dieser Elemente wird nicht bestimmt durch Ereignisse oder Ideen außerhalb des Gleichnisses, sondern durch die schöpferische Komposition des Autors. Obwohl ein Gleichnis Bilder mit unbestreitbar symbolischer Bedeutung enthalten kann, die sie von einer anderen Gedankenwelt einbringen, so ist das doch sekundär gegenüber ihrer Verbindung innerhalb des inneren Zusammenhangs der Gleichniserzählung. Weder eins noch viele Elemente verweisen direkt und individuell über die Erzählung hinaus. Das ist der Grund, weshalb die Auslegung vom tertium comparationis aus nur weniger allegorisiert als die alte vorkritische Allegorisierung: sie zerbricht den inneren Zusammenhang der Geschichte. Die vielen Elemente des Gleichnisses innerhalb ihres Verbindungsschemas (pattern of connections) als eines ~ implizieren ein Existenzverständnis, das in gewisser Weise sowohl zu der Ideen-Welt außerhalb des Gleichnisses in Bezug gesetzt werden kann als auch zu der historischen Situation, in der es entstand. ,,297 3.1.4. Via begründet den Charakter der Gleichnisse Jesu als reale "ästhetische Objekte" in einem Zweifrontenkriel 98 : "a) Gegenüber den Haupttendenzen der ntl. Forschung muß nachgewiesen werden, daß ein Gleichnis als ein ästhetisches Objekt nicht als Illustration einer Idee oder Einkleidung einer 'Pointe' behandelt werden darf. b) Gegenüber bestimmten herrschenden Tendenzen in der Literaturkritik muß nachgewiesen werden, daß die Gleichnisse trotz ihrer existential-theologischen Dimension nichtsdestoweniger wirkliche ästhetische Objekte sind.,,299 Vias eigentliche Leistung besteht daher auch in der Verknüpfung der traditionellen existential-theologischen Inter-
295 Ebda. 33. 297 Ebda. 34. 299 Ebda. 72.
296 Ebda. 298 Ebda. 72ff.
158
Methodik der G1eichnisse Jesu
pretation mit der 1ingQistisch-1iteraturwissenschaft1ichen These vom "ästhetischen" Charakter der G1eichnisse Jeeu. Zur Begründung dieser These unterscheidet Via unter Bezugnahme auf den "New Criticism"
eine "referentia1e"
und eine"non-referentia1e''Verwendung der Sprache: "So hat ein Wort auf der untersten Ebene a1s ein 'Zeiger' eine 'Bedeutung durch das Wort' (throughmeaning), und a1s ein eingefrorener oder autonomer Brennpunkt der Aufmerksamkeit hat es eine 'Bedeutung im Wort' (in_meaning).,,300 In dieser Dia1ektik ist auch die Dia1ektik zwischen organischer Einheit und Autonomie des ästhetischen Objekts einerseits und seinem Bezug auf die We1t des Lebens und Denkens andererseits begründet. Zu dieser Dia1ektik führt Via im einze1nen aus: 3.1.4.1. "Ästhetische Erfahrung ist eine besondere und einzigartige Spie1art der Erfahrung einer korre1ativen Art von Objekt. Das heißt, sie ist eine Erfahrung von intransitiver, nicht-zeichenhafter (non-referentia1) oder hingerissener Aufmerksamkeit auf ein Objekt, das eine s01che Art von Erfahrung hervorrufen kann. In nicht-ästhetischen Spie1arten der Erfahrung ist die Aufmerksamkeit transitiv; dh. sie verweist über das betreffende Ob301 jekt hinaus auf andere Objekte und Bedeutungen." "Während der erf01greichen ästhetischen Erfahrung ist das Schauspiel, das Gemälde, die MUsik oder ein beliebiges ästhetisches Objekt die ganze Welt des Betrachters, und seine Aufmerksamkeit ist nicht auf etwas dartiberhinaus bezogen.,,30 2 ZWischen dem "ästhetischen Objekt" und seinem Rezipienten besteht also eine besondere semiotische Bezisbung: "Das ästhetische Objekt muß so geartet sein, daß es unsere Aufmerksamkeit trotz der Tatsache nicht-verweisend (non-referentially) fesseln kann, daß es Gedanken, Werte oder Bilder enthalten kann, die uns abgesehen von der ästhetischen Erfahrung unannehmbar oder uninteressant sind.,,3 0 3 Dies impliziert eine für das "ästhetische Objekt" charakteristische linguistische Struktur: "Es ist nicht so strukturiert, daß es einen Gedankengang hervorruft, der sich über es hinausbewegt. Wenn Sprache ästhetisch verwendet Wird, ist vie1mehr die Form - das, worauf sicha11e Elemente beziehen - zentripetal strukturiert, so daß a11e Teile eng miteinander zusammenhängen. Wörter, Bedeutungen und Handlungen verweisen nicht auf die Welt außerhalb, sondern sie sind miteinander verknüpft. So dient die Form als ein Rahmen, der dem literarischen Werk einen gewissen Abstand zur Welt gibt. Diese organisch und innerlich geeinte Form nimmt des Betrachters Aufmerksamkeit gefangen, s.o daß er sich von einem Teil des Werkes zum anderen bewegt, nicht aber nach aUßen.,,304 In diesem psycholinguistischen Zusammenhang kehrt Via 300 Ebda. 75. 301 Ebda. 75f. 303 Ebda.
302 Ebda. 76. 304 Ebda. 76f.
Methodik der Gleichnisse Jesu
159
noch einmal zu dem Form-Inhalt-Problem zurück. "Die organische Einheit des literarischen Werkes bedeutet, daß Form und Inhalt trotz ihrer Unterscheidbarkeit im Werk selbst nicht voneinander zu trennen sind. In der Erzählung sind die Ereignisse Teil des Inhalts, und die Art, mit der sie zu einem Erzählgerüst (plot) angeordnet sind, ist Teil der Form. Die Form ist die Struktur des Erzählstoffes. Man ändere die Anordnung, und man hat eine andere Form!,,305 Darum ist auch Jülichers Sinnkonzentration auf das eine Element des tertium comparationis linguistisch falsch. "Vom ästhetischen Standpunkt aus zerbricht die Isolierung eines einzelnen Elements in einem literarischen Werk zwecks besonderer Betrachtung die Einheit des Werks; sie verdunkelt die Bedeutung dieses Elements, indem sie es aus dem Kontext entfernt, der seine Bedeutung konstituiert.,,306 3.1.4.2. Via begründet sodann die Autonomie des "ästhetischen Objekts". "Weil das literarische Werk fiktional und eine innerlich geordnete Struktur ist, die die nicht-zeichenhafte (non-referential) Aufmerksamkeit zu erregen vermag, ist es auch autonom. Dies war in der vorhergehenden Überlegung zur organischen Einheit des literarischen Werks impliziert; denn organische Einheit (organicism) und Autonomie sind zwei Seiten der gleichen Realität.,,307 "Als autonomes ist das literarische Werk unabhängig von seinem Autor. Es hat zwar Verknüpfungen zu seinem Leben, aber diese sind nicht von kritischer Relevanz, denn sie sind in eine neue Konfiguration eingemengt, die das Werk ist.,,3 08 "Die einzig wichtige Überlegung gilt dem inneren Sinn des Werkes selbst.,,309 Via teilt damit eine Grundthese der seit den russischen Formalisten bestehenden strukturalen Literaturkritik, nach der zur Deskription des sprachlichen Kunstwerks sowohl biographische, psychologische und gesellschaftliche Aspekte als Leitbegriffeder Kritik unangebracht Sind 310 als auch der "intentionale Irrtum,,3 11, der das Kunstwerk auf die "Absicht" des Autors reduziert: "Der ganze Gedankengang, daß die 'Absicht' des Dichters der eigentliche Gegenstand der Literaturgeschichte sei, scheint mir jedOCh unbedingt ein Irrweg zu sein. Die Bedeutung eines Kunstwerks erschöpft sich nicht in seiner Absicht und entspricht dieser noch nicht einmal. Als ein System von Werten führt ein Kunstwerk ein unabhängiges Leben. Seine Gesamtbedeutung läßt sich nicht nur auf Grund seiner Bedeutung für den Dichter und seine 306 Ebda. 77f. Ebda. 77. 308 Ebda. Ebda. 78. Ebda. 79. Vgl. Erlich, aaO. 220: "Autonomie und nicht Separatismus, das war das Entscheidende. Das bedeutete, daß Kunst eine für sich bestehende Weise menschlicher Tätigkeit ist, die sich durch die Ausdrucksweise anderer Erlebnisbereiche nicht völlig erklären läßt, die jedoch in enger Beziehung zu ihnen steht." 311 Wimsatt, Icon 21. Vgl. dazu Güttgemanns, Kontext 211. 305 307 309 310
160
Methodik der Gleichnisse Jesu
Zeitgenossen definieren. Sie ist vielmehr das Resultat eines Wachstumsprozesses, d.h. der Geschichte der Kritik dieses Kunstwerks, die sich im Laufe der Zeiten durch seine vielen Leser herausgebildet hat. n312 Das Werk selbst ist bei Via wie in der "Textlinguistik" ein rein intratextuales Phänomen, während die üblichen Faktoren der Literaturkritik extratextuale Phänomene
!2..
Via folgert auf dieser Basis: "wenn das künstlerische Werk solch eine
selbstgenügsame Welt von neuen Wortkombinationen ist, dann kann die Meinung, es könne mit Erfolg in andere Wörter gefaßt oder umschrieben werden, nur als Irrlehre bezeichnet werden. Die Konzeptionalisierung eines Kunstwerks oder die Umsetzung in andere Begriffe ist immer etwas anderes als das Werk selbst; dann was das letztere sagt, kann auf keine andere Weise gesagt werden.,,3 13 Darum ist Jülichers Reduktion der Gleichnis-"Gestalt" auf die Satzform des tertium comparationis linguistisch-transformationstheoretisch unhaltbar. 3.1.4.3. Nachdem so die Dialektik die Autonomie des sprachlichen Kunstwerks behauptet hat, betont sie im Gegenzug dazu die Verbundenheit mit Leben und Denken314 • Diese Verbundenheit schlägt sich im Existenzverständnis nieder, das der ganze "Text" enthält: "Ergänzend muß gesagt werden, daß die ästhetisch organisierte Form oder die Struktur der Verbindungen selbst implizit eine Perspektive des Lebens oder ein Existenzverständnis enthält.,,3 15 "In der ästhetischen Erfahrung bewegt sich •• unsere Aufmerksamkeit sowohl innerhalb der Struktur der Verbindungen des ästhetischen Objekts selbst als auch außerhalb.,,3 16 Das Werk verbindet also "in-meaning" und "through-meaning". "Das literarische Werk als ein autonomer Brennpunkt der Aufmerksamlceit 'meint', besitzt Sinn in sich selbst; als ein 'Zeiger' (pointer) meint es durch sich selbst. Die Untrennbarkeit der beiden Arten des Sinns entspricht der untrennbaren Einheit von Leib und Geist im lIenschen.,,3 17 Um die Dialektik noch anschaulicher zu machen, sagt Via unter Aufnahme einer These von Murray Krieger: "Wenn das Werk sachgerecht vorgeht, dann ist es auf die Welt nacheinander als Fenster, Spiegel und Fenster bezogen. Zunächst ist es eine Reihe von Fenstern, durch die wir die vertraute Welt per VerweisungsfUnktion (referentially) sehen. Dann werden die Fenster Spiegel, die innerlich aufeinander reflektieren. In dieser Reihe von reflektierenden Spieglln wird sowohl das Vertraute
als auch das bisher nicht WahrgenolllIIlene durch eine neue
Struktur der Verbindungen organisiert, so daß in dieser Struktur ein implizites oder vorkonzeptionales existentiales Verständnis vorhanden ist. End312 R. WELLEK - A. WARREN, Theorie der Literatur. (Ullstein Buch 420/421) (amerik. 1942) 1966, 35. 313 Via, aaO. 79f. 314 Ebda. 81ff. 315 Ebda. 83. 316 Ebda. 84. 317 Ebda. 84.
Methodik der Gleichnisse Jesu
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lieh werden die Spiegel wieder Fenster, die uns eine neue Sicht der Welt geben. So führt uns das Werk, indem es in einem Wort und Welt ist, sowohl irgendwo
anders hin als auch letztlich zu sich selbst. Aber sogar als Fen-
ster im zweiten Falle bietet das Werk noch ein vorkonzeptionales Verständnis an, das nur in der literarischen Kritik konzeptionalisiert wird.,,3 18 In Anwendung dieser These auf die Sprachformen der Fiktionalität wie Gleichnisse, Märchen, Sagen usw. sagt Via: "Bei den Formen der Fiktionalität ist der Brennpunkt der Aufmerksamkeit die ganze erzählende Konfiguration, während der Verweis nach außen auf einen anderen Bezugsrahmen durch ein einzelnes Element untergeordnet ist und sich an eine viel tiefere Ebene des Bewußtseins richtet. Zwischen diesen beiden Polen liegt das Existenzverständnis des Werks. In bezug auf das Schema der Ereignisse ist dieses Verständnis untergeordnet und implizit, und als implizites ist es vorkonzeptional. Aber es ist eher näher am Brennpunkt als am einzelnen Element, denn es ist im Werk als einem Ganzen enthalten. Als implizit im Schema aus der Ereignisfolge und dem Gewahren der Charaktere enthaltenes ist das existentiale Verständnis ein inhärenter Bestandteil des werkes.,,3 19 Daraus darf man wohl folgern, daß nach Via das Existenzverständnis auf der linguistischen Ebene der "Texte" und Texteme, nicht auf der Ebene der Sätze und Lexeme zu suchen ist. Damit ist Bultmanns Methodik an einem entscheidenden Punkte berührt, weil diese Methodik die Existentialien einseitig mit den Lexemen und satzhaften Extrakten aus "Texten" identifiziert. Aber dies bestätigt nur meine Behauptung, daß Bultmann die Ebene des "Textes" als "Text" trotz aller Formgeschichte noch gar nicht entdeckt 320 • 'lias theoretischer Ansatz ist darum ein ebenso entscheidender methodologischer Schritt über Bultmann hinaus wie die gleichzeitig entstandene "Generative Poetik des NT", die bei den Axiomen der "Textlinguistik" anknüpft. 3.1.5. Via wendet sich in einem weiteren Schritt den literaturwissenschaftlichen Eigenarten der Gleichnisse Jesu zu3 21 • Diese Eigenarten sollen zeigen, "daß Inhalt und Form zu einer organischen Einheit gebracht worden sind, die die Hauptaufmerksamkeit nicht-verweisend (non-referentially) erregen kann.,,3 22 Im einzelnen erwähnt Via folgende Eigenarten. 3.1.5.1. "Die fiktionale Erzählung schildert Handlungen und Personen, die zu der Welt der Phantasie gehören. Ihr Bezug zur Welt der Realität ist im Keime vorhanden, und das hypothetische Element ist grundlegend. Das gilt auch von
318 Ebda. 85. Vgl. M. KRIEGER, A Window to Criticism. 1964, 30f. 33-36. 59-65. 320 Vgl. oben S. 137f. 142ff. 319 Via, aaO. 87f. 322 Ebda. 96. 321 Via, aaO. 94ff.
Methodik der Gleichnisse Jesu
162
den Gleichnissen: sie sind frei erfundene GesChichten.,,323 Via ist nächst Jülicher derjenige, der die Besonderheiten der Fiktionalität 324 als linguistische Vertextungsbasis der Gleichnisse Jesu erkennt und zur Grundlage seiner Theorie macht. 3 ',1. 5. 2. In Konsequenz seines "Text"-theoretischen Ansatzes behauptet Via die Primärfunktion des Erzählgerüsts (plot). "In der Kritik der Fiktionalität ist 'Erzählgerüst' der Term für die Erzählstruktur, die aus kleineren Erzählstrukturen oder Episoden zusammengesetzt ist. In der Geschichte der westlichen Literatur sind die beiden Grundarten des Erzählgerüsts die komische und die tragische. In der Komödie haben wir eine Aufwärtsbewegung zum Wohlbefinden und die Aufnahme der Hauptfigur (protagonist) in eine neue oder erneuerte Gesellschaft, während wir in der Tragödie ein Erzählgerüst haben, das zur Katastrophe hin abfällt und zur Isolierung der Hauptfigur von der Gesellschaft. Die Terme 'Komödie' und 'Tragödie' werden hier im breitest möglichen Sinne einer Erzählgerüst-Bewegung verwendet.,,325 Auch in der Analyse unterteilt Via die Gleichnisse Jesu in diesem allgemeinen Sinne in "tragische,,326 und "komische" Gleichnisse 327 : "In Jesu Gleichnissen können diese beiden Grundstrukturen in einer Reihe von Fällen klar erkannt werden. Bei den 'Zehn Jungfrauen' erhoffen alle Mädchen eine Begegnung mit dem Bräutigam und die Teilnahme an der Hochzeitsfeier; aber es erweist sich, daß schließlich fünf von ihnen von der festlichen Veranstaltung ausgeschlossen werden. So sehen wir ein Erzählgerüst, das zur Enttäuschung und zur Isolierung von einer fröhlichen Gesellschaft hin abfällt. Im 'Verlorenen Sohn' sehen wir andererseits eine Aufwärtsbewegung vom Elend und von der Verzweiflung zu physischem Wohlbefinden und zu persönlicher Versöhnung in einex erneuerten Gesellschaft. ,,3 28 3.1.5.3. "Die dramatische Qualität der Fiktionalität und der Bühnenliteratur ist um die Begegnung, die charakteristischerweise den Konflikt impliziert, und um den Dialog konzentriert.,,3 29 Beide Aspekte finden ihren Höhepunkt in der sog. "Erkenntnisszene,,330. 3.1.5.4. "Fiktionale Formen können entsprechend der Handlungskraft der Hauptfigur unterteilt werden: a) Sie kann der Art nach den menschen und ihrer Umgebung überlegen sein; sie ist also ein Gott, und wir haben die Kategorie des 1'!ythos. b) Sie kann gradweise anderen Menschen und ihrer Umgebung überlegen sein. Die Naturgesetze sind geringfügig aufgehoben, und das Magi323 325 327 329
Ebda. Via, aaO. 96f. Ebda. 138-177. Ebda.
324 326 328 330
Vgl. oben S. 116. Ebda. 106-137. Ebda. 97. Vgl. unten S. 164.
Methodik der Gleichnisse Jesu
163
sche kann anwesend sein. Hier haben wir die romantischen Formen (romance): Legende, Volks erzählung , Märchen. c) Die Hauptfigur kann gradweise anderen Menschen, aber nicht ihrer Umgebung überlegen sein; sie ist der Kritik untenvorfen. Diese Art wird als hoch mimetische bezeichnet; wir finden sie beim Epos und der klassischen Tragödie. d) Sie ist weder den Menschen noch seiner Umgebung überlegen, sondern ist uns gleich. Dies ist die niedrige mimetische Art, zu der der Realismus gehört. e) Sie ist unterlegen, so daß wir das Gefühl haben, auf Gebundenheit, Frustration und Absurdität hinab zusehen. Dies ist die ironische Art.,,33 1 Vias Axiom von der Primärfunktion der "Text"-Sorte führt ihn also zu einer weiteren Unterteilung der fiktionalen "Text"-Sorten in Untersorten, deren semantische Isotopie durch das Aktionsfeld der jeweiligen Hauptfigur gegeben ist. Dies ist ein wesentlicher Ansatzpunkt für die Weiterentwicklung der strukturalen Gleichnistheorie durch die "Generative Poetik des NT,,332. In bezug auf die Gleichnisse Jesu urteilt Via: "Die Charaktere in Jesu Gleichnissen fallen in auffallender und durchgängiger Weise in eine von diesen beiden Klassen - entweder in die niedrige mimetische oder in die realistische. Es sind Leute wie wir, die das tun, was wir tun. Es gibt da nichts Mythisches oder Romantisches, und die einzige Tendenz zum hoch Mimetischen findet sich in den wenigen Fällen, wo ein König als Hauptfigur erscheint (Der 'Unbarmherzige Knecht'; das "Hochzeitskleid'), aber diese Tendenz ist nicht wirklich ausgeführt.,,333 3.1.5.5. Dieser Grundzug der niedrigen mimetischen oder realistischen "Text"Sorte wirkt sich auch auf das Verhältn;s von Bildfeld und Realität aus: "Die Bildhaftigkeit oder der Symbolismus, der gewöhnlich mit der niedrigen mimetischen Art verbunden ist, ist beschreibender Art; dh. er versucht, innerhalb der hypothetischen Struktur der Literatur 'von der äußeren Wirklichkeit einen so klaren und ehrlichen Eindruck wie möglich zu vermitteln. Die Bilder sind von der normalen Erfahrung abgeleitet und die strukturierenden (organizing) Ideen sind in Kraft.,,334 3.1.6. Die Konsequenz des Axioms von der semantischen Primärfunktion der "ästhetischen Text"-Sorte ist die These von der "Text"-konstituierenden Kraft des Erzählgerüsts: "In den Gleichnissen ••• ist das Erzählgerüst im ganzen die formende Kraft, auf die alles andere bezogen ist.,,335 "Der Primat des Erzählgerüsts in den Gleichnissen macht die aristotelische Auffassung literarischer Kxitik besonders sachdienlich; denn der Kern der berühmten Definition der Tragödie durch Aristoteles ist, daß sie eine Nachahmung einer 331 Via, aaO. 98. 333 Ebda. 98. 335 Ebda. 100.
332 Vgl. unten S. 167ff. 334 Ebda. 9/df.
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ernsten Handlung ist. Deshalb ist von den sechs Bestandteilen einer Tragödie - Erzählgerüst, Charaktere, Stil, Gedanken, Schauspiel und Melodie das Erzählgerüst der wichtigste, also die Kombination der Ereignisse.,,336 Darüber darf man freilich nicht vergessen, "daß alle erzählende Literatur sowohl Erzählgerüst als auch Thema oder Gedanken in gewisser Verbindung enthält. In Wahrheit sind die beiden zwei Seiten des gleichen formalen Prinzips, wobei das Erzählgerüst das Thema in Bewegung und das Thema das Erzählgerüst in Ruhe ist.,,337 3.1.7. Innerhalb des Erzählgerüsts gibt es nach Via eine besonders wichtige Stelle, nämlich die sog. "Erkenntnisszene", dh. jene Szene, in der die Hauptfigur zur Erltenntnis ihrer selbst kommt, also erfährt, ob sie "tragisch" oder "komisch" endet. "Unter 'Erkenntnis' wird hier die Erleuchtung der Hauptfigur in bezug auf die wahre Natur ihrer Handlungen im Augenblick der Katastrophe verstanden. Wie Oscar Mandel gezeigt hat, gibt es drei Möglichkeiten bezüglich der Verbindung der Erkenntnis zu der Erzählung als ganzer: a) Die Hauptfigur kann durch und durch erleuchtet sein. Sie weiß, was sie zu erwarten hat und wird durch ihr Unglück nicht überrascht. b) Sie kann die Hoffnung auf Erfolg haben und das Desaster nicht gewahren, das ihr Unternehmen mit sich bringt. Dies ist die wahre Erkenntnis der Tragödie, denn hier erkennt die Hauptfigur die schmerzhafte Wahrheit erst, wenn es zu spät ist. c) Die Hauptfigur prozediert und leidet in Ignoranz. - Jesu Gleichnisse gehören insgesamt zum zweiten Typ. Die Hauptfigur erwartet die Katastrophe nicht und realisiert erst, als es zu spät ist, daß ihr Niedergang nun unausweichlich ist. So ist es ein formales Prinzip von Jesu Gleichnissen, daß die Erkenntnisszene charakteristischerweise zwischen der initiierenden oder tragischen Handlung der Hauptfigur und ihrem Niedergang auftritt. Die Erkenntnis kann jedoch nur implizit oder fast gar nicht anwesend sein (wie bei den "Bösen Weingärtnern"); in diesem Falle tendiert das Gleichnis in Richtung auf die obige dritte Kategorie.,,338 Mit dieser Typologie der Hauptfigur anhand ihrer Funktion in der "Erkenntnisszene" verbindet Via also eine genauere Charakterisierung der "tragischen" Gleichnisse. In seinem Sinne könnte man sagen: In der Erkenntnisszene tritt die textsemantische und "Text"-Sortenkonstituierende Funktion der Hauptfigur zutage. Damit scheint sich eine gewisse Dialektik zu ergeben: Einerseits ist die Struktur der "Text"-Sorte insgesamt, dh. das Erzählgerüst, der "Text"-konstitutive Faktor; andererseits ist das konkrete Erzählgerüst eine Ableitung der textsemantischen Funktion der Hauptfigur. Wie ist diese Dialektik vor der Gefahr des Dualismus einer 336 Ebda. Vgl. Aristot., Poet. VI, 7f (1450a). 337 Via, aaO. 338 Ebda. 114.
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Primärfunktion der "Text"-Sorte einerseits und einer Primärfunktion der Hauptfigur andererseits geschützt? Via gibt darauf zwei Antworten, die ich in Richtung auf die "Generative Poetik" interpretiere. 3.1.8. Via betont zunächst mit Recht die Zusammengehörigkeit von Erzählgerüst und zeitlicher Struktur 339 • Bei letzterer ist nicht so sehr die chronologische Zeitabfolge, als vielmehr die in den Ereignissen wirksame Kausalität wesentlich, so daß der übliche Term "Geschichte" bewußt durch den strukturalen Term "Erzählgerüst" ersetzt ist 340 : "Über eine Geschichte sagen wir: 'Und dann'; aber zu einem Erzählgerüst fragen wir: 'Warum ••• ?' Unter diesem Gesichtspunkt besitzen die erzählenden Gleichnisse ganz klar ein Erzählgerüst. Sie stellen eine Struktur von verschiedenen Episoden dar, in der es ein entscheidendes Interesse an der Kausalität gibt, ein Interesse daran, warum die Dinge so laufen, wie sie laufen.,,341 Innerhalb der Struktur unterscheidet Via drei Episoden, nämlich "einen Anfang, ein Mittelstück. und einen Schluß· -, die eng miteinander zusammenhängen ••• Einige der Gleichnisse beschreiben ein Schema von Krise - Antwort - Auflösung, während andere die Form von Tat - Krise - Auflösung darstellen.,,342 Diese beiden Schemata der Episodenreihung kombiniert Via nun mit den beiden Arten der Bewegung des Erzählgerüsts, dh. mit dem "tragischen" und mit dem "komischen" Erzählgerüst, was theoretisch vier verschiedene Strukturen von Erzählgerüst hervorbringt, "von denen tatsächlich alle unter den erzählenden Gleichnissen vertreten sind,,343: Der "Ungerechte Haushalter" (Lk 16, 1-9) ist die komische Form von Krise - Antwort - Auflösung; der "Unbarmherzige Knecht" (Mt 18, 23-35) hat die tragische Struktur von Krise - Antwort - Auflösung. Der "Verlorene Sohn" (Lk 15, 11-32) bietet das komische Schema von Tat - Krise - Auflösung; die "Anvertrauten Gelder" (Mt 25, 14-30 // Lk 19, 17-27) endlich haben das tragische Schema von Tat - Krise - Auflösung 344 • Diese Kombination ist für ein generativ-linguistisches Denken typisch, das allerdings in der "Generativen Poetik" eine wesentlich zentralere Rolle spielt als bei Via. Die Kombination gibt jedoch eine Antwort auf die oben gestellte Frage. Via rechnet de facto mit zwei binären Textemen, deren Kombinatorik vier verschiedene Sorten von Erzählgerüst generieren: Die textsemantische "tragische" oder "komische" Funktion der Hauptfigur ist das eine, in sich binär-oppesitionell strukturierte, Textem; die zeitliche Episoden-Struktur ist das andere Textem, das ebenfalls binär strukturiert ist, indem innerhalb der Dreierreihe a (=Krise), b (=Antwort// Tat) und c (=Auflösung) die Elemente a und b vertauscht werden. Erst die Kombination dieser beiden Texteme generiert das konkrete Er339 Ebda. 164-167. 341 Ebda. 164f. 343 Ebda. 168.
340 Ebda. 164. 342 Ebda. 167. 344 Ebda.
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zählgerüst, so daß man linguistisch zwischen der "Oberfläche" der "Text"Sorte, dh. dem konkreten Erzählgerüst, und der "Tiefenstruktur", dh. der generativen Basis der Texteme, Unterscheiden muß. Diese Differenzierung ist freilich meine in Richtung auf die "Generative Poetik" vorgenommene Interpretation der Aussagen Vias, der dem Leser an dieser Stelle eine verkürzte Antwort gibt. 3.1.9. Via behandelt sodann die einigende Wirkung der einen HauPtfigur 345 , der formal eine andere Figur zugeordnet ist. Um diese beiden Figuren als Brennpunkte bewegt sich der "Text" quasi als Ellipse: "Die erzählenden Gleichnisse haben typischerweise eine Herr-~dnig-Vater-Figur, die in einem gewissen Sinne die Handlung initiiert und die die letztliehe Verfügungs gewalt besitzt, und eine Knecht-Untergebener-Sohn-Figur (oder Gruppe), deren Schicksal der Erzählung ihre formale Gestalt verleiht, und der das Hauptinteresse gilt. Die letztere ist die Hauptfigur; sie tritt in der Geschichte von Anfang bis Ende aUf.,,346 Die formale Gestalt der Gleichnisse, genauer: der Parabeln, ist danach eine Funktion der als Knecht, Untergebener oder Sohn erscheinenden Hauptfigur, der eine die Handlung des Erzählgerüsts initiierende HerrKönig-Vater-Figur zeitlich vorgeordnet ist. Beide Figuren sind also für die Handlung des Erzählgerüsts in einer spezifischen Funktion "Text"-konstitutiv. Auch diese These steht nur dann nicht in Widerspruch zu der These von der Primärfunktion des ErZählgerüsts selbst bzw. der "Text"-Sorte, wenn man zwischen der "Basis" der Figuren und der "Oberfläche" der konkreten "Text"-Sorte unterscheidet.
3.2. Aspekte der struktural-linguistischen Analyse der Gleichnise Jesu Zum Schluß meiner Ausführungen 347 will ich versuchen, einige Aspekte der struktural-linguistischen Analyse der Gleichnisse Jesu anzudeuten, wie sie in der "Generativen Poetik" in Angriff genommen wird. Eine ausführlichere Behandlung muß ich mir im Rahmen dieses Aufsatzes aus naheliegenden Gründen versagen; statt dessen verweise ich auf die in "Linguistica Biblica" bereits erschienenen348 und künftig erscheinenden Analysen. 345 Ebda. 173f. 346 Ebda. 173. 347 Der folgende Abschnitt ist eine erst kürzlich entstandene Erweiterung meines Vortrages in Ost-Berline Aus Raumgründen mußte er stark begrenzt werden. 348 E. GUTTGEMANNS, Struktural-generative Analyse der Parabel "Vom bittenden Freund" (Lk 11, 5-8). LingBibl 2. 1970, 7-11; DERS., Struktural-generative Analyse des Bildworts "Die verlorene Drachme" (Lk 15, 8-10). Ling Bibl 6. 1971, 2-17.
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3.2.1. Ein grundlegender Anknüpfungspunkt der strukturalen Analyse der Gleichnisseist die bedeutsame Abhandlung des russischen Formalisten Vladimir
Jakovlevi~ pro~;349,
dende Rolle spielt
der im französischen Strukturalismus eine
e~i
~ etwa bei dem für die strukturale Semantik maßgeblichen
Algirdas Julien Greimas 351 • Mag es vor 1958 mit dem im wesentlichen innerrussischen Charakter der formalistischen Bewegung 352 entschuldigt werden, daß der Bibelexegese dieses für die Folkloristik und Poetik revolutionäre Werk unbekannt blieb, so gibt es seit dem Vorliegen der amerikanischen Ubersetzung keine Entschuldigung mehr 353 • So kann man nur bedauern, daß die sehr verdienstvolle "Spieltheorie" von Georg Eichholz 354 trotz aller bedenkenswerten Ausführungen zu Sprache und Struktur der Gleichnisse 355 keinerlei Bezug zu Propps Theorie aufweist, die bereits 1928 aufgestellt wurde
und die von
Greimas als "Spieltheorie" interpretiert wird. Im einzelnen sind folgende Aspekte dieser Theorie für die "Generative Poetik" wesentlich. 3.2.1.1. Pro pp löst bereits 1928 grundsätzlich das sich noch bei Via stellende Problem des Verhältnisses von Erzählgerüst und Hauptfigur. In seiner Darstellung der Geschichte des Problems des VOlksmärChens 356 , für das Axel Olrik schon 1909 "epische Gesetze der Volksdichtung" aufstellte 357 , die dann von Rudolf Bultmann auf die Gleichnisanalyse übertragen vmrden 358 , wendet Propp sich entschieden gegen die übliche Einteilung der Märchen nach Klas-
349 V. J. PROPP, !.!orfologija skazki. (Gos. institut istor. iskusstv. Vopr. poetiki. Neperiod. ser., izd. Otd. slovesn. iskusstv. Vyp. XII) Leningrad 1928, 2. Aufl. Moskva 1969 (Issledovanija po fol'kloru i mifologii vostoka); DERS., !.!orphology of the Folktale, ed. S. PirkovaJakobson, transI. by L. Scott. (International Journal of American Linguistics 24/4/111). 1958, 2. Aufl. 1969; DERS., Morphologie du conte. 1970; DERS., Transformacii vol~ebnyx skazok. Poetika. Vremennik Otdela Slovesnyx Iskusstv. IV. 1928, 70-89 = DERS., Les transforma~ions des contes fantastiques; in: Theorie de la litterature, übers. u. hg. v. T. TODOROV. 1965, 234-262. - Die Erläuterungen zum Russischen verdanke ich meinem Mitarbeiter Reinhard Breymayer; ich zitiere Propp, Morphology nach der 1. Aufl. 350 Vgl. Schiwy, Aspekte 86; L. POLLMANN, Literaturwissenschaft und Methode 11. (Schwerpunkte Romanistik 3) 1971, 52ff. 351 Greimas, Semantik 159ff. 352 Vgl. Erlich, aaO. 66. 353 M. W. wurde Propps Werk erstmals in den Anm. 348 angegebenen Aufsätzen zitiert, kurz darauf im Juni 1971 in der oben S. 116 Anm. 95 angegebenen Lit. aus Langages 22. 1971, die von französischen Strukturalisten stammt. Am 5. 8. 71 teilt mir J. Delorme (Annecy) brieflich mit, daß seine Gruppe ganz auf der Basis der Arbeiten Greimas' vorgeht, die auch für die exegetischen Beiträge aus Langages maßgeblich sind. Ich freue mich über diese sich international abzeichnende Ubereinstimmung der linguistischen Exegese des NT. 354 Vgl. oben S. 138f und E. EICHHOLZ, Gleichnisse der Evangelien. 1971. 355 Ebda. 17-38. 356 Propp, Morphology 3-17. 357 Vgl. oben S. 130-133. 358 Vgl. oben S. 133-137.
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sen und nach Erzählgerüsten (engl. plot , russ. sju!et, vgl. franz. sujet)359: "Folktales possess one special characteristic: components of one 360
tale can, without any alteration whatsoever, be transferred to another."
Dieses Faktum der Transponierbarkeit der Elemente bringt die logische Einteilung nac~ Klassen und Sujets völlig durcheinander 361 • Gegen Antti Aarnes Einteilung nach Sujet_Typen362 wendet Propp ein: "Clear-cut division into types does not, in reality, exist. Very often it is fiction. Types do exist, not on the level outlined by Aarne, but on the level of the structural properties of fOlktales.,,363 Ich interpretiere im Sinne der "Generativen Poetik" und in Aufnahme des bereits zu Via Gesagten: Man IIIllß linguistisch mehrere levels unterscheiden: die Ebene der "Oberfläche" des Erzählgerüsts und die Ebene der strukturellen Elemente, die als generative "Basis" oder "Tiefenstruktur" die Elemente mittels Transformation auf der "Oberfläche" abbildet und so die Transponierbarkeit der Elemente erklärt. Propp schließt sich in diesem Zusammenhang Alexandr Nikolaevi~ Veselovskij an. Das Erzählgerüst ist ein Komplex von Motiven, und ein Motiv (russ. motiv) kann in verschiedenen Erzählgerüsten auftreten. Daraus fol:gt: "For Veselovskij, moti.f is something primary, plot secundary. A plot is, for him, a creative, unifying act.,,3 64 Im Gegensatz zu Veselovskij ist ein Motiv für Propp jedoch keine unzerteilbare Erzähleinheit 365 , die der·moderne Linguist der Klasse der "Narreme" zureChnet 366 • Mit R. M. VOlkov 367 erwägt Propp, ob die Motive Qualitäten der Hauptfiguren (engl. heroes, russ. geroi), ihrer Anzahl, ihrer Taten, Objekte usw. sind 368 • Aber von diesen Qualitäten kann man nicht reden, ohne die Basis der Kombination der Elemente, dh. die Grammatik der Elemente, zu kennen. Für Propp stellt sich damit ebenso wie für die "Generati.ve Poetik" die Aufgabe einer metasprachlichen Grammatik der Elemente, die deren Transformierbarkeit innerhalb der Erzählgerüste in Regeln faßt 369 3.2.1.2. Zur Lösung dieser Aufgabe sucht Propp nach Invarianten, die in allen Erzählgerüsten auftreten. Die Textkomparatistik verschiedener Erzählge-
359 Propp, aaO. 5f. 360 Ebda. 6. 361 Ebda. 7. 362 A. AARNE, Verzeichnis der Märchentypen. (FFC 3). 1911; A. AARNE - ST. THOMPSON, The Types of the Folktale. (FFC 184) 1961, 2. Aufl. 1964; ST. THOMPSON, Motif-Index of Folk-Literature I-VI. 1958. 363 Propp, aaO. 10. 364 Ebda. 11. 365 Ebda. 11. 366 Vgl. E. DORm~N, The Narreme in the Medieval Romance Epic - An Introduction to Narrative Structures. (University of Toronto Romance Series 13) 1969. 367 R. M. VOLKOV, The Investigations on Formation of the Folktale 1.- 1924. 368 Propp, aaO. 13. 369 Ebda. 14.
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rüste ergibt sowohl Invarianten als auch Variable. "The names of the dramatis personae 370 change (as well as the attributes accorded to each), but ne ither actions nor functions change." Daraus zieht Propp den für seine Konzeption grundlegenden Schluß: "a folktale often attributes identical actions to varied dramatis personae. This makes possible the study of the folktale according to the functions of its dramatis personae.,,371 Die Basis der linguistischen Analyse auch der Gleichnisse Jesu sind danach die "Text"-konstitutiven Funktionen der Hauptfiguren. Die erste Frage muß daher mit Propp lauten: "how many functions are there present in fOlktaleS?,,372 Bereits hier fällt bei einem Vergleich mit der Konzeption Vias auf, daß in beiden Theorien mit "Funktionen" gerechnet
wird, auch wenn der Term beide Male etwas
anderes meint. Es ist Aufgabe der "Generativen Poetik", beide Theorien kritisch zu einer übergeordneten Theorie zu integrieren. 3.2.1.3. Propp stellt für die Definition der "Funktionen" (russ. funkcii) zwei Regeln auf. 3.2.1.3.1. "First of all, definition should, in no case, stem from the dramatis persona - the 'bearer' of a function. Definition of a function is most often given in the form of a noun expressing an action (interdiction, questions [interrogationsI, flight, etc).,,373 Die "Text"-konstitutive Funktion ist also keine Ableitung des Trägers der Funktion, sondern die Bezeichnung einer Handlung der Hauptfigur, die ich künftig Protagonist nenne. Textsemantisch sind die Funktionen eine primäre stehende IU1tegorie, also Invarianten der "Text"-konstitutiven "BaSiS", die Handlungspersonen dagegen konkrete variable Abbildungen dieser Invarianten auf der "Text-Oberfläche". Unter Verknüpfung dieser These mit den Ergebnissen Vias folgert die "Generative Poetik": Die auch von Via - freilich in einem etwas anderen Sinne - beobachtete textsemantischen Funktionen der Hauptfiguren sind die Invarianten der "Basis"; sie geben im Sinne Propps die Handlungsbereiche der Hauptfiguren an, innerhalb derer im Sinne der strukturalen Semantik eine semantische Isotopie herrschen muß, so daß man diese Handlungsbereiche paradigmatisch ordnen kann. Ihnen gegenüber sind die konkreten Akteure der Gleichnisse - also "He=", "König" und "Vater" einerseits und "KneCht", "Untergebener" und "Sohn" andererseits "Oberflächen"-Abbildungen dieser Handlungsbereiche. Die "Generative Poetik" differenziert also innerhalb des Ansatzes Vias mit den Mitteln der struktural-generativen Kategorien.
370 Russ.: dejstvuju~~ie liea 371 AaO. 18. 373 Ebda.
handelnde // wirkende Personen. 372 Ebda. 19.
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3.2.1.3.2. Propp betont die Wichtigkeit der strukturellen Position der Funktion innerhalb des ErzäbJ.gerüsts: "Secondly, an action cannot be defined apart from its place in the process of narration.,,374 In typisch strukturaler Weise ,bestimmt also die textsyntaktische Matrix der Invarianten deren textsemantische Bedeutung. Propp sagt: "Identical acts can have entirely different meanings, and vice versa. Function must be 'taken as an act of dramatis personae, which is defined from the point of view of its significance for the course of action of a tale as a whole.,,375 Auch diese These ist nur verständlich unter Voraussetzung der Unterscheidung zwischen der "Basis" oder "Tiefenstruktur" der Invarianten und der "Oberfläche" der Abbildung dieser Invarianten in den Variablen der konkreten Hauptfiguren. Diese Differenzierung geht über den linguistischen Ansatz Vias hinaus. 3.2.1.4. Propp entwirft kurz die textsyntaktischen Regeln, nach denen die Volksmärchen als "Text"-Sorte konstituiert sind. Diese Regeln bilden quasi die axiomatischen Grundsätze der strukturalen Analyse, die Axiome der intendierten "Grammatik" der VolksdiChtung. 3.2.1.4.1. Die erste Regel zieht das Fazit aus dem Gesagten. "Functions serve as stable, constant elements in folktales, independent of who performs them, and how they are :fUlfilled by the daramatis personae. They constitute the components of a folktale.,,376 377 3.2.1.4.2. "The number of :fUnctions known in the fairy tale is limited." Die "Text"-Sorte ist also das Ergebnis der Kombinatorik einer endlichen Menge von Elementen, indem das generative Moment dieser Kombinatorik die unendliche Reihe dieser "Text"-Sorte erzeugt. Oder anders: Elemente und Kombinationsregeln gehören in den Bereich der "Kompetenz", die "Texte" selbst gehören in den Bereich der "Performanz". In einem folgenden Kapitel beschreibt Propp 31 invariante Funktionen 378 • Die Aufgabe der "Generativen Poetik" besteht in der PrüfUng, ob und in welchen valeurs diese Funktionen nicht nur in den Gleichnissen Jesu, sondern auch in anderen Gattungen wiederkehren. 3.2.1.4.3. Da die kompositionell-textsyntaktische Stellung einer Funktion im Rahmen des Erzählgerüsts ihre semantische valeur konstituiert, kommt
Propp zu der Regel: "The sequence of :fUnctions is always identical.,,379 Dies gibt ihm die Möglichkeit, "Typen" von Volksmärchen anhand des Auftretens identischer Funktionen zu klassifizieren380 • Die "Generative Poetik" verknüpft diese Regel mit Yias These von den "tragischen" und den "komischen" 374 375 377 379
Ebda. Ebda. 20. Ebda. Ebda. 20.
376 Ebda. 378 Ebda. 24-89. 380 Ebda. 21.
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Gleichnis-Typen bzw. den vier Untersorten, die durch die Kombination dieser Typen mit den beiden Schemata der Episoden-Reihung entstehen, indem sie diese Episoden-Reihung als Sequenz von Funktionen versteht und so Vias grobe Dreiteilung des Erzählgerüsts in Krise // Tat - Antwort // Krise - Auflösung weiter unterteilt. 3.2.1.4.4. Aus der "Text"-konstitutiven Rolle der Sequenz schließt Propp: "All fairy tales, by their structure, belong to one and the same type.,,381 Da bereits Via textsyntaktische Regeln der Gleichnisse aufgestellt hatte, ist die Verknüpfung dieser Regel Propps mit Vias Regeln durch die "Generative Poetik" nicht verwunderlich. Allerdings geht letztere von dem heuristischen Axiom aus, daß nicht nur die Gleichnisse Jesu, sondern auch andere synoptische Gattungen textsyntaktische Regeln besitzen müssen, die wahrscheinlich durch Verwendung ähnlicher Elemente wie die Regeln Propps zustandekommen. Die "Text"-Sorte der Gleichnisse unterscheidet sich für die "Generative Poetik" von den anderen synoptischen "Text"-Sorten IDlr in bezug auf die "Oberflächenstruktur", dh. in bezug auf die textsemantisch konstitutive faktische Sequenz der Elemente, nicht aber in bezug auf die "Basis" dieser Elemente selbst. M. a. W.: Die "Generative Poetik" spezifiziert die Gattungen anhand der Differenzierung einer "Basis"-Grammatik von Elementen, die mittels einer Transformations-Grammatik der "Text"-Sorte eine bestimmte Gattung generiert, von der "Oberflächen"-Grammatik eben dieser Gattung. Die neue "Text"-Theorie der Bibelexegese beruht also auf einer strukturalen Verallgemeinerung des methodologischen Ansatzes bei Propp, indem drei Analyselevels der strukturalen Grammatik unterschieden werden: die "Basis"-Grammatik der Elemente, die von Propp behauptete Transformationsgrammatik der Funktionen und die "Oberflächen"-Grammatiken der einzelnen Gattungen. Die ersteren beiden Grammatiken gehören in den Bereich der "Kompetenz", die letztere in den Bereich der "Performanz". Zur Begründung der Verallgemeinerung der Ergebnisse Propps ist diese heute in der struktural-generativen Linguistik selbstverständliche Differenzierung das entscheidende Argument. 3.2.1.5. Die von Propp innerhalb des Erzählgerüsts des Volksmärchens differenzierten 31 Funktionen können und müssen hier ebensowenig im einzelnen aufgeführt werden wie seine übrigen wesentlichen Ausführungen etwa über die Art und Weise, wie neue Figuren in den Handlungsfluß eingeführt werden 382 , über die Eigenschaften der dramatis personae und ihre Bedeutung383 und über das VolkSmärchen als ein Ganzes 384 • Diese Ergebnisse gehören nach der "Generati-
381 Ebda. 383 Ebda. 79-82.
382 Ebda. 76-78. 384 Ebda. 83-106.
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yen Poetik" in ihrer jetzigen Sequenz zur Gattungs- oder Performanz-Grammatik der Volksmärchen. Da ich unten auf die paradigmatische Organisation der Funktionen in der KOmpetenz-Grammatik zurückkommen werde 385 , kann ich hier sofort den nächsten grundlegenden methodologischen Schritt Propps anschliessen. Da Propp den Vorrang der Funktionen vor den dramatis personae unterstellt, muß er in seinem nächsten Schritt die Verteilung (engl. distribution, ruSSe raspredelenie) der Funktionen auf die dramatis personae untersuchen386 • In typisch linguistischer Weise schließt sich also an die "Immediate Constituent Analysis" oder Komponential-Analyse 387 die DistributionsAnalyse 388 an. Propp ordnet dazu die Funktionen in bestimmte Aktionsbereiche (engl. spheres of action, russ. krugi dejstvija) der dramatis personae: "The prOblem of the distribution of functions may be resolved on the plane of the problem of the distribution of various spheres of action among characters.,,3 8 9 Es handelt sich um sieben Bereiche 390 , die uns für synoptische Texte dem Ziel der "Generativen Poetik", nämlich der allgemeinen "Text"Grammatik, entscheidend näherbringen. Im folgenden zähle ich Propps Aktionsbereiche lediglich auf, ohne der Versuchung zu erliegen, die dem Ntler in die Augen fallenden Belegstellen für einzelne Aktionsbereiche bereits im jetzigen Forschungsstadium ohne gründlichere textsemantische Analyse kommentar'los zu nennen391 • Dem KUndigen wird jedoch die verblüffende Fruchtbarkeit der Kategorien Propps anband des synoptischen Materials ohnehin evident sein. 3.2.1.5.1. Der Aktionsbereich der Antagonisten (engl. villain, russ. antagonist, vreditel l ) umfaßt die Konstituenten: Verrat (engl. villainy, russ. vreditel'stvo), Kampf oder andere Formen der Auseinandersetzung mit dem Protagonisten, Verfolgung. 3.2.1.5.2. Der Aktionsbereich des Stifters oder Lieferanten (engl. donor, provider, russ. daritel', snabditel') mit den Konstituenten: Vorbereitung für die Sendung eines magischen Mittels (engl. magical agent, ruSSe vol§ebnoe sredstvo) oder Ad~vanten, Versorgung des Protagonisten mit einem Adjuvanten. 3.2.1.5.3. Der Aktionsbereich eines Helfers mit den Konstituenten: räumliche Versetzung des Protagonisten, Beseitigung eines Unglücks oder Mangels, Errettung vor Verfolgung, Vollbringung schwieriger Aufgaben, Transfiguration 385 Vgl. S. 174f. 386 AaO. 72-75. 386 AaO. 72-75. Die dazwischen liegenden Kapitel übergehe ich hier als weniger wesentlich. 387 Vgl. dazu Harris, Linguistics 278-280; Gleason, Introduction 128-148. 388 Vgl. dazu Harris, aaO. 199ff. 389 Propp, aaO. 73. 390 Ebda. 72f. 391 Die oben S. 116 Anm. 95 angegebene Lit. enthält eine derartige Fülle von ntl Belegen zu Propps Theorie, daß der zu erwartende Einwand, ich entwickele lediglich ein Programm, auf Unkenntnis des inzwischen erreichten internationalen Forscbungsstandes beruht.
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(engl. transfiguration, russ. transfiguracija) des Protagonisten. 3.2.1.5.4. Der Aktionsbereich der Suche nach einer Person (einer Prinzessin usw.) und ihres Vaters mit den Konstituenten: Übertragung schwieriger Aufgaben, Kennzeichnung des Protagonisten, Enthüllung des Antagonisten, Erkennung des Protagonisten, Bestrafung eines zweiten Antagonisten, Hochzeit. 3.2.1.5.5. Der Aktionsbereich des Expedienten (engl. dispatcher, russ. otpravitel') mit der Komponente: Entsendung oder Aufforderung des Protagonisten, dh. ein verbindendes Element. 3.2.1.5.6. Der Aktionsbereich des Protagonisten umfaßt die Konstituenten: Aufbruch zu einer Suche, Reaktion auf die Befehle des Stifters, Hochzeit. 3.2.1.5.7. Der Aktionsbereich des falschen Protagonisten (engl. false heroe, russ. lo~nyj geroj ). 3.2.2. Der "Generativen Poetik" stellt sich nun eine doppelte Aufgabe. Sie muß einerseits wie schon Propp392 die Distribution dieser Aktionsbereiche auf die Akteure der einzelnen Gattungen systematisieren, also die semantische Paradigmatik der Aktionsbereiche auf der Ebene der "Basis"-Grammatik untersuchen, und sie muß andererseits auf der Ebene der TransformationsGrammatik Regeln aufstellen, mittels deren die Aktionsbereiche je nach Selektion, Kombination und Distribution in der "Oberflächen"-Grammatik der verschiedenen "Text"-Sorten abgebildet werden. Die "Generative Poetik" löst beide textgrammatischen Aufgaben zugleich mit der Aufnahme spezifisch textSyntaktischer Kategorien. 3.2.2.1. Die "Generative Poetik" schließt sich aus naheliegenden Gründen einigen Kategorien der Strukturalen Syntax von Lucien Tesni~re an 393 • Von ihm stammt der linguistische Begriff des "Aktanten,,394, der eine syntaktische Klasse von Akteuren bezeichnet. Tesni~re entwickelt in seiner Syntax die Struktur des einfachen Satzes am verbalen Knotenpunkt (noeudverbal) des Satzes: "Le noeud verbal ••• exprime tout un petit drame. Comme un drame en effet, il comporte obligatoirement un proc~s, et le plus souvent des acteurs et des circonstances." Diese drei syntaktisch konstitutiven Elemente werden durch
Tesni~re
den Klassen Verb, Aktanten und Circumstanten zugeordnet: "Le
verbe exprime le proc~s ••• Les actants sont les @tres ou les choses qui, lit un titre quelconque et de quelque fa90n que ce soit, m@me au titre de simples figurants de la fa90n la plus passive, participent au proc~s ••• Les 392 AaO. 73f. 393 L. TESNIERE, Esquisse d'une syntaxe structurale. 1953; DERS., El~ments de syntaxe structurale. 1959. 394 Tesni~re, Esquisse 4f; ders., El~ments 105ff.
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circonstants expriment les circonstances de temps, lieu,
mani~re,
etc •••
dans lesquelles se d&roule le proc~s.,,395 In seiner Aufnahme dieser Theorie erinnert Algirdas Julien Greimas daran, "daß die Funktionen der traditionellen Syntax zufolge lediglich von Worten gespielte Rollen sind - das Subjekt ist hier
I
jemand, der eine Handlung ausführt '; das Objekt
I
jemand, der von
einer Handlung betroffen wird', et c. " Danach ist eine Aussage, also ein "Text", "nichts als ein Schauspiel, das sich der homo loquens selbst aufführt. Das Schauspiel hat·?indes die Eigentümlichkeit, daß es permanent ist: der Inhalt der Aktionen ändert sich die ganze Zeit hindurch, die Akteure wechseln, das Äußerungs-Schauspiel jedoch bleibt immer das gleiche, denrl seine Permanenz wird durch die festliegende Distribution der Rollen gewährleistet.,,396 In diesem Satz ist der methodische Ansatz der "Generativen Poetik" implizit enthalten, ebenso wie in der Auffassung der Syntax als DialekHarald Weinrich 397 • Greimas überträgt den syntaktischen Begriff
~durch
der "Aktanten" mit Recht auf Propps Distribution der "Funktionen" auf die Akteure. Danach hat Propp "eine funktionale Konzeption der Aktanten: die Personen werden nach ihm durch die Bündel von Funktionen konstituiert, die ihnen attribuiert werden. Die Invarianz, die man beobachten kann, indem man alle Märchen-Vorkommen des Korpus vergleicht, ist die der Aktionsbereiche, die den von Märchen zu Märchen variablen Personen (die wir Akteure zu nennen vorziehen) attribuiert werden.,,398 Die Aktionsbereiche Propps sind für eine struktural-textsyntaktische Semantik m. a. W. diejenigen semantisch isotopen "Sinn"-Bezirke oder semantischen Mikro-Universen 399 , in deren Kontext die Aktanten auftreten. Die Aktanten sind danach eine Klasse von Akteu~,
oder anders: ein Paradigma von Akteur-Lexemen wird durch einen entspre-
chenden Aktanten konstituiert. Greimas folgert daraus, "daß, während die Akteure innerhalb eines Märchen-Vorkommens eingesetzt werden können, die Aktanten, die Klassen von Akteuren Sind, nur vom Korpus aller Märchen aus eingesetzt werden können: eine Artikulation von Akteuren konstituiert ein einzelnes Märchen; eine Struktur von Aktanten eine Gattung. Die Aktanten besitzen also hinsichtlich der Akteure einen metasprachlichen Status,,400, dh. sie gehören in den Bereich der "Basis"- oder Kompetenz-Grammatik, während die Akteure in den Bereich der "Oberflächen"-Grammatik gehören. Oder noch allgemeiner: Die Seinsweise grammatischer jiJrscheinungen der "Text"-Sor"te wird 395 Ebda. 102. 396 Greimas, Semantik 158. 397 R. WEINRICH, Syntax als Dialektik. Poetica 1. 1967, 109-126. 398 Greimas, aaO. 159. 399 Ebda. 158: "das semantische MikroUniversum kann nur in dem Maße als Universum, d.h. als eine Bedeutungsgesamtheit definiert werden, wie es in jedem Augenblick vor uns als ein einfaches Schauspiel, als eine aktantielle Struktur auftauchen kann." , 400 Ebda. 159.
I'Iethodik der Gleichnisse Jesu
175
durch den unendlichen Prozeß der Generation von stets neuen "Texten" der gleichen "Textil-Sorte konstituiert, die grammatischen Erscheinungen des einzelnen PeZlformanz-"Textes" dagegen durch die Abbildung dieses Prozesses im einzelnen, also endlichen "Textil. Kurz: Die Aktanten existieren als Texteme, die Akteure im "Text"; die Aktanten sind syntaktische Klassen, die Akteure figurale Einzelrealisationen dieser Klassen. 3.2.2.2. Angesichts dieser für die moderne Textlinguistik 401 und strukturale Textkomparatistik 402 selbstverständlichen Grundeinsicht, die in der Form der Metasprache den Existenz- und Manifestationsmodi der Bedeutungsstrukturen Rechnung trägt 403 , bleibt der "Generativen Poetik" in einem wesentlichen Schritt über Via und erst recht über die Formgeschichte hinaus wie Greimas' Strukturaler Semantik nichts anderes übrig, "als zu den Aktanten selbst zurückzukehren, um zu sehen, in welchem Maße die Distributionsschemata der Aktanten einerseits und die Typen stilistischer Relationen zwischen Aktanten und Akteuren andererseits Kriterien für eine 'typologisierende' Part ikularisierung der aktantiellen Modelle abgeben könnten 404 • ~ bereits von Via gesehene Schematismus der Figuren oder Akteure in den Gleichnissen Jesu
wird also zum Zwecke der Gewinnung einer Generativen Grammatik der Gattungen von der figuralen Einzelrealisation auf die Ebene der textsyntaktischen Klasse zurücktransformiert. Dazu sind folgende Operationen der Zurücktransformation erforderlich. 3.2.2.2.1. Die Operation der Zurücktransformation auf die textsyntaktische ~
ist eine für die Textsemantik einer Gattungs-Typik entscheidende,
denn sie fragt nach den einzelnen semantischen Merkmalen, den sog. "S e_
~405,
der textsyntaktischen Klasse, die diese Klasse als
semanti~iso
topen "Sinn"-Bezirk erkennbar machen. Konkret: Die beiden Pr,Ptagonisten Vias, die "Herr-König-Vater-Figur" einerseits und die "Knecht-UntergebenerSohn-Figur" andererseits, werden auf der "Text-Oberfläche" als Lexeme, also als stilistische Konstellationen 406 , greifbar. Diesen "Figuren" ~ wenn sie schon solche sind - semantische Merkmale eignen, die die entsprechenden Lexeme zu lexematischen Paradigmen, also zu Äquivalenz-Klassen einer "Basis "-Grammatik , zu ordnen gestatten.
401 Neueste Veröffentlichung: H. ISENBERG, Überlegungen zur Texttheorie; in: J. IID~E (Hg.), Literaturwissenschaft und Linguistik I. (Ars poetica, Texte 8) 1971, 155-172. 402 Vgl. die bedeutsame Veröffentlichung W. A. KOCH, Strukturelle Textkomparatistik; in: DERS., Varia Semiotica. (Studia Semiotica 3) 1971, 184-210. 403 Vgl. Greimas, aaO. 35. 404 Ebda. 169. 405 Ebda. 16f. 21f. 25ff. 406 Ebda. 36f.
176
Methodik der Gleichnisse Jesu
3.2.2.2.2. Um diese Paradigmen zu eruieren, müssen wir unterscheiden zwischen den variablen, kontextuellen Bedeutungseffekten eines Lexems einerseits und seinen invarianten Bedeutungseffekten andererseits. Erstere nennt man "kontextuelle Seme", letztere "Sem-Kerne", die ein permanentes Sem-Minimum der Lexeme in allen Kontexten darstellen. Aufgrund dieser Unterscheidung ist es mit Greimas möglich, "die Kontexte in Klassen von Kontexten zu gruppieren, die aus Kontexten gebildet werden, die den gleichen Bedeutungseffekt hevorrufen. Das kontextuelle Sem können wir dann als eben den gemeinsamen Nenner für eine ganze Klasse von Kontexten ansehen.,,407 Die Sem-Kerne sind Phänomene der "Basis"-Grammatik, die kontextuellen Seme sind Phänomene der "Kontext"-Grammatik, die mit der Gattungs-Grammatik in irgendeinem Zusammenhang stehen muß. In der Differenzierung innerhalb der Seme kehrt die grundlegende Unterscheidung mehrerer Analyse-levels wieder. Da die "Kontext"Grammatik als Regularisierung der textsemantischen Kombinierbarkeit der Seme zur Isotopie einer bestimmten "Kontext"-Sorte in die Ebene der Transformationsgrammatik gehört, sind die konkreten Bedeutungseffekte der Lexeme, also zB. die "Funktion der Figuren" in den Gleichnissen im Sinne Vias, bestimmte Kombinationen der Sem-Kerne mit den kontextuellen Semen, die man "Sememe" nennt 408 • Die Sememe sind die Abbildungsklassen der lexematischen Paradigmatik auf der "Text-Oberfläche". 3.2.2.2.3. Die "Generative Poetik" fragt als Generative Grammatik der Gattungen nach Kriterien für eine "typologisierende" Partikularisierung der aktantiellen MOdelle, dh. für eine an die Aktanten-Theorie anknüpfende Gattungs~.
Greimas selbst nennt folgende Kriterien.
3.2.2.2.3.1. "Das erste typologische Kriterium dieser Art könnte sehr gut der oft registrierte Synkretismus der Aktanten sein; man könnte so gemäß der Natur der Aktanten, die sich synkretisieren lassen, die Modelle in Gattungen unterteilen.,,409 Darauf ist anläßlich der binären Ordnung der Aktanten zurückzukommen 410 • 3.2.2.2.3.2. "Für ein zweites Kriterium ist der Synkretismus von der analy_ tischen Auf teilung der Aktanten in hyponymische oder hypotaktische Akteure zu unterSCheiden, die der komplementären Distribution ihrer Funktionen korrespondiert.,,411 Die Aktanten gruppieren sich oft in Paare von Akteuren, zB. Mann
.1.
Frau, Vater
.1.
SOhn, Großmutter
.1.
Enkel, Zwillinge usw. 412 Vias
Theorie von den bei den Protagonisten könnte sich mit Hilfe dieses Kriteriums linguistisch noch genauer begründen lassen, indem die semantischen Merkmale 407 Ebda. 37. 409 Ebda. 169. 411 Greimas, aaO.
408 Ebda. 38. 410 Vgl. unten S. 179. 412 Ebda. 170.
Methodik der Gleichnisse Jesu
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der Aktionsbereiche anband der komplementären Distribution der Akteure eruiert werden. Denn es liegt nahe, die "Funktionen" der Protagonisten als komplementäre Distribution innerhalb des Erzählgerüsts zu verstehen. Aber auch das Phänomen der "Doppelgleichnisse", das Gesetz der Wiederholung und das Gesetz der szenischen Zweiheit 413 könnten mit Hilfe dieses Kriteriums neu angegangen werden. 3.2.2.2.3.3. Skeptischer ist Greimas in bezug auf das dritte Kriterium, die Abwesenheit eines oder mehrerer Aktanten: "Die von sauriau 414 angeführten Beispiele der Abwesenheit von Aktanten lassen sich alle als dramatische Effekte interpretieren, die durch die Erwartung der Manifestation eines Aktanten hevorgerufen werden, was nicht das gleiche wie Abwesenheit ist, sondern viel eher ihr Gegenteil.,,41 5 3.2.2.3. Für eine strukturale Analyse ist Roman Jakobsons Axiom grundlegend, "daß die distinktiven Oppositionen nach dem Prinzip der Binarität (oder ~
~) aufgebaut sind,,416. Auch Vias These von den beiden Protagonisten impliziert m. E. eine binäre Beziehung zwischen den "Funktionen der Hauptfiguren"; auch die wenige Zeilen vorher genannten komplementären Distributionen sind hier zu nennen. Greimas versucht, Propps Ergebnisse nach dem BinaritätsPrinzip neu zu ordnen, um damit der "Basis"-Grammatik näherzukommen. 3.2.2.3.1. Die aktantiellen Kategorien haben modalen Charakter. "Als auffallendste Tatsache im Funktionieren der aktantiellen Kategorien ist uns ihr redundanter Charakter erschienen: jede Kategorie manifestiert sich in der Tat zumindest zweimal innerhalb einer einzigen Nachricht. Ein erstes Mal ist sie, durch einen einzigen ihrer Terme, in jedem der Aktanten anwesend, ein zweites Mal findet sie sich, mit ihren beiden Termen zugleich, in der Funktion wieder, die beide Aktanten miteinander verbindet.,,417 Mit diesem Satz knüpft Greimas direkt an
Tesni~re
an, bei dem die Aktanten ja diejenigen
textsemantisch relevanten syntaktischen, herkömmlich "Subjekt" und "Objekt" genannten, Klassen sind, die den semantischen Kern des Verbs zum semantischen Substrat des Satzes oder "Textes" expandieren 418 • Bezogen auf die Kategorien der herkömmlichen Grammatik, kann man auch sagen: Die Aktanten-Theorie ist als Verb_Valenz_Lehre 419 eine auf das Verb bezogene KaSUS_Lehre 420 • Da nur "SUbjekt" (Tesni~re: 1. Aktant; Weinrich: "Erstfigur") - Verb und "Objekt" (Tesni~re: 2. Aktant, 3. Aktant; Weinrich: "Zweitfigur", "Drittfigur")
413 Vgl. oben S. 135f. dramatiques. 1950. 415 Greimas, aaO. 417 Greimas, aaO. 120. 419 Vgl. Tesni~re, El&ments 238ff.
!!a:
414 E. SOURlAU, Les 200 000 Situations 416 Ivi~, Wege 132. 418 Vgl. Weinrich, Syntax 111f. 420 Vgl. ebda. 108.
178 ~
Methodik der Gleichnisse Jesu den semantischen Inhalt des Satzes ausmachen, ist das Verb quasi die-
jenige aktantielle Kategorie, die "Subjekt" (Greimas: s) und "Objekt" (Greimas: nicht-s) zu einer semantischen Einheit kombiniert. Damit diese Kombination einen sinnvollen Satz oder "Text", dh. eine "Text"-Grammatikalität, ergibt, muß man bereits für die "Basis "-Grammatik semantische Relationen der Aktanten annehmen. "Unter diesem Gesichtspunkt ist die Nachricht letztlich lediglich die Projektion der elementaren Bedeutungsstruktur auf den bereits in Klassen von Aktanten und Prädikaten organisierten Inhalt, also eine Struktur, die den Semem-Klassen hierarchisch übergeordnet ist.,,4 21 Aktanten sind also Kategorien, "die sowohl anf dem Plan der diskursiven Nachricht wie innerhalb der Mikro-Universen die Welt der Bedeutungen in Form von Aktanten-Oppositionen und Konjunktionen Organisieren,,4 2 2. Die sprachliche Welt einer bestimmten "Text"-Sorte ist das generative Ergebnis der Kombination verschiedener binär strukturierter Bedeutungs-Welten der "Basis". Dies erklärt auch, warum verschiedene "Text"-Sorten, obwohl sie unter Umständen verschiedene Sprachen sprechen können 423 , trotzdem der gleichen "Basis"-Sprache zugeordnet sind, also von jedem kompetenten Sprecher/Hörer dieser Sprache "verstanden" werden können. 3.2.2.3.2. Zur Eruierung der binären Struktur der Aktanten differenziert Greimas zwei Kategorien, nämlich die syntaktisch-binären Aktanten "Subjekt" ./. "Objekt" und die semantisch-binären Aktanten "Adressant" ./. "Adressat", so daß sich vier Aktanten ergeben. Der Adressant ist im Sinne der Kommunikationstheorie "Sender" derjenigen semantischen Verknüpfung mit dem "EmpfängerAdressaten, die das Verb syntaktisch zwischen "Subjekt" und "Objekt" herstellt, und zwar unabhängig von Aktiv oder Passiv-Transformation des Verbs 424 • Auf diese vier Aktanten oder zwei binären Aktanten-Paare kann man Propps 7 Aktionsbereiche und die von E. Souriau eruierten 6 bzw. 7 Aktanten des Theaters reduzieren 425 , denn beide Modelle sind in bezug auf die "thematische"
421 Greimas, aaO. 120. 422 Ebda. 117. 423 Vgl. Wandruszka, Interlinguistik 8: "Mehrsprachig sind wir schon in unserer I~ttersprache. Die Sprache, die wir in der Schule lernen, ist bereits unsere erste Zweisprache , nach einer regional, sozial, kulturell begrenzten Sprache der Kindheit eine transregionale, transsoziale Kultursprache. Wir lernen sehr schnell mehrere gesellschaftliche Gruppensprachen zu verstehen und zu gebrauchen, Schülersprachen, Studentensprachen, Sport sprachen, Fachsprachen. Wir sprechen zu Hause eine andere Sprache als im Beruf oder in der Öffentlichkeit. Wir wechseln von der Alltagssprache zur Sonn- und Feiertagssprache, von der Kultursprache zur Vulgärsprache. Wir sind mehrsprachig in allen Regenbogenfarben des soziokulturellen Spektrums. Unsere Sprachen sind keine Monosysteme. Jede Sprache ist eigentlich ein Konglomerat von Sprachen; jede Sprache ist ein POlysystem. " 424 Greimas, aaO. 118. 162f. 425 Ebda. 159-161.
Methodik der Gleichnisse Jeeu
179
Investierung 426 , dh. in bezug auf die thematischen Kräfte (Propp:Funktionen) der Aktanten, auf ein einfaches Modell zu reduzieren, "das ganz und gar auf dem Objekt basiert, das zugleich Objekt des Begehrens und Objekt der Kommu-
nika~st,,427, womit der oben erwähnte "Synkretismus u der Aktanten belegt ist. Das "SUbjekt" e.iner Erzählung, zB. bei einer Liebesgeschichte der Liebhaber, verhält sich zum "Objekt", also zur Geliebten, in der Weise, daß er "zugleich der Adressat (ist), während das Objekt zugleich der Adressant der Liebe ist,,428. Neben diesen beiden binären Aktanten-Paaren gibt es noch ein binäres Circumstanten-Paar, nämlich "Adjuvant" .1. "opponent,,429, die diejenigen Akteure zu Klassen zusammenfaßt, die Hilfe bringen oder Schwierigkeiten hervorrufen. Bei diesen Akteuren handelt es sich um Umstands-"Partizipanten", "nicht um wirkliche Aktanten des SChauspiels,,430. Greimas begründet diese Klassifikation mit dem Schluß: "Wenn die Funktionen als für die Aktanten konstitutiv angesehen werden, hindert einen nichts an der Annahme, daß die aspektualen Kategorien sich als Circumstanten konstituieren können, die die hypotaktischen Formulierungen des Subjekt-Aktanten Wären,,43 1• Auf diese Weise sind die 7 Aktionsbereiche Propps zu drei binären AktantenPaaren systematisiert 432 : Der Aktant des 1. Aktionsbereiches ist der Opponent, der binär-komplementär zugeordnete Aktant des 2. Aktionsbereiches ist der Adjuvant 433 ; der Adressat ist der Aktant des 6. Aktionsbereiches und des dazu binär-komplementären 7. Aktionsbereichs, der Adressant artikuliert sich im 4. und 5. Aktionsbereich 434 • Damit wird die Struktur semantischer MikroUniversen als Organisation von Aktanten-Oppositionen und - Konjunktionen sichtbar; sie ist die Existenzweise der Mikro-Universen. 3.2.2.3.3. Wenn man nun mit Greimas sagt, ein "Text" sei nichts als ein Schauspiel, das sich der homo loquens selbst aUfführt 435 , dann ist es legitim, die Aktanten-Theorie mit Harald Weinrich mit der Kommunikations-Theorie zu verknüpfen und die Aktanten (Weinrich: "Figuren") als semiotische Bezüge des Verbs auf die Sprechsituation zu verstehen 436 : Im 1. Aktanten symbolisie-
426 Ebda. 165-168. 427 Ebda. 163. 428 Ebda. 162. Die Auflösung dieses zunächst rätselhaften C~iasmus findet sich ebda. 181: Die Hochzeit ist "ein Kontrakt, der zwischen dem Adressanten, der dem Adressaten das Objekt der SUche anbietet, und dem SUbjekt-Adressaten, der es annimmt, geschlossen wird. Die Hochzeit muß folglich auf die gleiChe Weise wie 'AUfforderung' vs 'Annahme' formuliert werden, jedoch mit dem einen Unterschied, daß der solcherart geschlossene Kontrakt durch die Kommunikation des Objekts des Begehrens 'konsolidiert' wird." 429 Ebda. 163-165. 430 Ebda. 164. 431 Ebda. 432 Ebda. 165. 433 Ebda. 164. 434 Ebda. 163. 436 Vgl. Weinrich, Syntax 111. 435 Vgl. oben S. 174.
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Methodik der Gleichnisse Jesu
ren sich die semiotischen Bezüge des Verbs zum Sprecher in der Sprechsituation, im 2. Aktanten symbolisieren sich die semiotischen Bezüge des Verbs zum Hörer in der Sprechsituation. Die syntaktischen Klassen der Aktanten sind die semiotischen Zeichen für ein semantisches Mikro-Universum der Kommunikation zwischen Sprecher und Hörer des
"~extes".
Aus dieser Erkenntnis
entspringt (nicht nur) für die Gleichnisforschung die Aufgabe, die syntaktischen Phänomene der
Glei~hnisse,
insbesondere die syntaktische Morphologie
der zu Aktanten klassifizierten Akteure, als textsemantischen Niederschlag einer Kommunikationssituation zwischen Sprecher und Hörer des Gleichnisses zu verstehen und die Funktion der Protagonisten anhand der semantischen Merkmale der Aktanten semiotisch auf Sprecher und Hörer zu beziehen 437 • Sprecher und Hörer teilen einander ihre Rolle in der "Sinn"-Welt der Kommunikationssituation zu, indem sie mittels syntaktischer Klassen den Bereich des "ich", des, "du" und des "er" (= der "Welt", "das Dritte schlechthin gegenüber Sprecher und Hörer,,)43 8 auf die Aktionsbereiche der Aktanten verteilen. Die methodisch wichtigste Frage der "Generativen Poetik" ist daher an dieser Stelle, wie sich Sprecher und Hörer je ihre eigene Handlungswelt als sinnvolles Mikro-Universum mittels syntaktischer Rollen der Lexeme der einzelnen Aktanten zuweisen. 3.2.2.3.4. Greimas versucht, auch die 31 Funktionen Prvpps binär zu
~,
damit auch hier die Paradigmatik der "Basis"-Grammatik erkennbar wird. Ging es bei den bisher betrachteten Relationen zwischen den Funktionen und den Aktanten um die Existenzmodi der semantischen Mikro-Universen, so erlangen wir bei der Analyse der Relationen zwischen den Funktionen Erkenntnisse über deren Transformationsmodi 439 • Nach der semantischen Analyse der "Basis"-Grammatik sind also die Regeln der Transformations-Grammatik zu erforschen, die eine Erklärung der generativen Vielfalt von Akteuren und Funktionen in Selektion und Kombination gestatten. 3.2.2.3.4.1. Propp selbst widmet bereits 1928 den Transformationsregeln der
~ eine eigene untersuchung 440 • Seine Analyse leidet freilich noch unter der seit Ferdinand de Saussure als problematisch erkannten Vermischung der synchronischen mit der diachronischen Analyse 441 • Trotzdem eruiert Propp 20 synchronische Transformationen 442 • Es handelt sich dabei um Reduktion, Amplifikation (und Permutation), Deformation, Inversion, Intensivierung, Abschwächung, interne, realistische, Konfessionelle, abergläubische, archaische und literarische Substitution, Modifikation, Substitution einer unbe437 Ein analytisches Beispiel biete" Güttgemanns, LingBibl 6. 1971, 8ff. 438 Weinrich, aaO. 111. 439 Greimas, aaO. 151. 440 Vgl. die Lit. oben Anm. 349. 441 Vgl. Propp, transformations 237ff. 244ff. 442 Ebda. 246-257.
Methodik der Gleichnisse Jesu
181
kannten Herkunft und um interne, realistische, konfessionelle, abergläubische, literarische und archaische Assimilation. Diese Aufzählung ist eine erstaunliche, wenn auch nicht gänzlich linguistische Vorstufe äbJÜicher Regeln in modernen Transformationsgrammatiken 443 ; sie indiziert den Versuch, die innerhalb der "Text"-Sorte der Volksmärchen feststellbaren Transformationen zu analysieren. Greimas und die "Generative Poetik" erstreben jedoch in einem Schritt daTÜberhinaus eine Grammatik ~ Transformationen, die die Selektion und Kombination der Aktanten zu gattungs speZifischen "Sinn"Welten in allen "Text"-Sorten regulieren. 3.2.2.3.4.2. Dazu nimmt Greimas mehrere Operationen vor 444 • 3.2.2.3.4.2.1. Zur Simplifikation des Funktionen-Inventars wird eine binäre Anordnung versucht. Diese beruht auf zwei Voraussetzungen, auf "der Kondensierung der Erzählung zu 'episodischen' Einheiten, sowie weiterhin darauf, daß den anzuvisierenden Episoden ein binärer Charakter zugeschrieben wird, und daß sie von nur zwei Funktionen konstituiert werden,,445. Beide Voraussetzungen sind für die Sicht der "Generativen Poetik" bereits in Vias Vorgehen enthalten, so daß es konsequent ist, die Funktions-Paare in verschiedenen synoptischen Gattungen aufzusuchen. Greimas erhält folgende 11 Funktions-Paare: Verbot ./. Übertretung, Erkundung ./. Auskunft, Täusohung ./. Unterwerfung, Verrat ./. Mangel, Aufforderung ./. Entschluß des Protagonisten, Auferlegung einer Prüfung ./. Konfrontation mit der Prüfung, Kampf ./. Sieg, Verfolgung ./. Errettung, Auferlegung einer Aufgabe ./. Gelingen, Enthüllung des Antagonisten ./. Enthüllung (Transfiguration) des Protagonisten, Bestrafung ./. Hochzeit. Daneben gibt es 9 Funktionen, die sich scheinbar nicht binär ordnen lassen. Das vereinfachte Inventar von 20, zT. binären, Funktionen "ist, obschon beschränkter, nicht handhabbarer als das erste,,446. 3.2.2.3.4.2.2. Der entscheidende Schritt Greimas' in Richtung auf ein operationales Inventar der "Basis"-Grammatik besteht nun darin, daß er die ~ ~ Propps als semantische Merkmale ("Seme") der Aktanten versteht und deshalb versucht, innerhalb dieser Seme Sem-Kategorien oder -Systeme zu eru-
ieren. Diese Sem-Kategorien systematisieren die Kombination und Selektion der "Funktionen", dh. sie geben die semantischen Transformationsregeln an, die das Auftreten bestimmter thematischer Kräfte innerhalb der textsyntaktischen Position eines Aktanten als Abbildung einer Sem-Paradigmatik der "Basis" verständlich macht. Gelingt dieser Schritt sowohl in der theoretischen Fundierung als auch in der analytischen Anwendung 447 , dann kann die 443 Vgl. etwa Bechert-Cl~ment, Einführung 109ff. 444 Greimas, aaO. 178ff. 445 Ebda. 180. 446 Ebda. 447 Greimas, aaO. 206-239 demonstriert sie in extenso an Georges Bernanos.
182
Methodik der Gleichnisse Jesu
struktural-lin~istische
Analyse als beendet angesehen werden.
3.2.2.3.4.2.3. Die Funktionen werden in einem weiteren Schritt erneut binär geordnet, so daß sich zT. binäre Zuordnungen von binären Paaren ergeben. ZB. kann man die Paare Verbot .1. Übertretung, Aufforderung .1. Entschluß des Protagonisten als vier Seme verstehen, die das Thema "Kontrakt" ausmachen: Die Relation Aufforderung .1. Annahme ist die Etablierung des Kontrakts, die Relation Verbot .1. Übertretung ist der Bruch des Kontrakts 448 • Auf den Kontrakt folgen textsyntagmatisch oft "Konsequenzen-Funktionen", zB. die "Prüfung", die man als syntagmatisches Schema von fünf Funktionen (Injunktion .1. Annahme, Konfrontation .1. Gelingen, Konsequenz) analysieren kann449 • 3.2.2.3.4.2.4. Da ich hier die binär-reduzierende Analyse Greimas' wegen ihrer großen Differenziertheit nicht in wenigen Zeilen wiedergeben kann, stelle ich sogleich seinen nächsten methodisch wichtigen Schritt heraus. Die binäre Anordnung "hat die zumindest teilweise Befreiung der Analyse von der syntagmatischen Abfolgeordnung zur FOlge,,450, denn sie gruppiert Funktionen aus verschiedenen Episoden der Erzählung zu Paradigmen. Aber das "Text"-Synwird durch die binär-semiotische Analyse als transformationelles Sprachspiel mit den paradigmatischen Bedeutungseffekten des Sem-Inventars
~
erkennbar: Die dramatische Triebkraft der Erzählung, die sich in der "Erzählzeit" der zeitlichen Erstreckung der Erzählung reflektiert 451 , ist die Folge einer Spannung ("tension,,)452, die durch den Abstand der Funktionen definiert wird, "d.h. durch die Entfernung von (der gleichen Bedsutungsstruktur angehörigen) Sem-Inhalten in der die Erzählung konstituierenden Verkettung der Funktionen,,453. Versteht man die binären Funktions-Paare als Opposition negativer und positiver Seme, dann kann man die "Erzählzeit" als semiotisch notwendige Eigenschaft der "Text"-Sorte Erzählung ansehen: "Ist das negative Sem einmal gesetzt, wird die Erzählung dahin tendieren, das positive Sem aufzufinden. ,,454 Der Zeitfaktor der Erzählung, auch der Erzählung der Evangelien 455 , hat eine achronische Bedeutung 456 , denn er ist ein Element der text syntaktischen Abbildung paradigmatischer Bedeutungsstrukturen: Die diachronische Ordnung der Erzählung anthropomorphisiert in gewisser Weise (zB. in den Aktanten) die Bedeutungen und representiert sich dadurch als "eine Abfolge von menschlichen (oder para-menschlichen) Verhaltensweisen,,457. 448 Ebda. 180f. 449 Ebda. 182. 450 Ebda. 181. 451 Vgl. dazu oben S. 119 Anm. 106. 452 Hier besteht ein Zusammenhang zur Literaturtheorie von Ivor Armstrong Richards, der eine "Poetics of Tension" entwirft. Vgl. dazu Wimsatt Brooks, Criticism 610-634. 453 Greimas, aaO. 191. 454 Ebda. 455 Vgl~ dazu Güttgemanns, Offene Fragen 232ff. 456 Greimas, aaO. 192-194. 457 Ebda. 195.
Methodik der Gleichnisse Jesu
183
Die Erzählung besitzt daher eine multiple Mediations-Rolle; sie erreicht "Mediationen zwischen Struktur und Verhalten, zwischen Permanenz und Geschichte, zwischen Gesellschaft und Individuum." "Die Mediation der Erzählung besteht darin, 'die Welt zu vermenschlichen', ihr eine individuelle und ereignishafte Dimension zu geben. Die Welt wird durch den Menschen gerechtfertigt, der Mensch in die Welt integriert." Darin besteht die Bedeutungsleistung der Erzählung. Das Schema der Erzählung ist darum "die Projektion eines Mediations-Archetyp, einer Heilsverheißung" oder die Objektivation einer SoteriolOgie 458 • 3.2.3. Mit diesen Zitaten, die die eminent theologische Bedeutung der an Greimas anknüpfenden "Generativen Poetik" vor Augen führen, muß ich schliessen. Meine Absicht war, der neuen Methode eine ausreichend fundierte TheorieBasis zu geben, um damit den augenblicklichen Stand der Theoriebildung anzugeben, mit Hilfe dessen das von mir geleitete Forschungsteam in den nächsten Jahren mittels Differenzierung und Modifizierung der Theorie-Basis und mittels analytischer Anwendung die Grundzüge einer neuen, linguistisch orientierten, Neutestamentlichen Theologie vorlegen wird. Angesichts der Fülle der geschilderten Aufgaben stehen wir immer noch am Anfang; denn jeder "Fortschritt gibt neue Hoffnung, geknüpft an die Lösung einer neuen Schwierigkeit. Die Akte wird sich niemals schließen.,,459
458 Ebda. 197. 459 c. r.EVI-STRAUSS, Mythologica I. Das Rohe und das Gekochte. (franz. Mythologique I. Le cru et le cuit. 1964) 1971, 16. - Nach Abschluß des Manuskripts (S. 9. 71) gelingt es der Findigkeit von Reinhard Breymayer, eine Fülle von Informationen über Vladimir Jakovlevi~ Propp zu beschaffen. Eine Verarbeitung dieses Materials ist mir aus technischen und zeitlichen Gründen nicht mehr möglich; sie wird jedoch demnächst in einem Aufs~tz in Linguistica Biblica erfolgen. Der wichtigste Titel istl C. LEVI-STRAUSS, L'analyse morphologique des contes russes. In:ternational Journal of Slavic Linguistics and Poetics 3. 1960, 122-149. Wertvolle biographische Hinweise finden sich bei B. N. PUTILOV, Vladimir Jakovlevi~ Propp 70 Jahre. Deutsches Jahrbuch für Volkskunde 12. 1966. 67-70.
THEOLOGIE ALS SPRACHBEZOGENE WISSENSCHAFT-l(-
O. Prämissen 0.1. Da unser Bonner Arbeitskreis "Theologie und Linguistik" von der wissensund wissenschaftssoziologischen Erlcenntnis ausgeht, 0.1.1. daß sich ein
wissenscl~tlicher
Sachkenner nur relativ als jemand be-
sti=en läßt, "der im gegebenen Augenbliclc über eine Sache mehr weiß als alle anderen", 0.1.2. daß also in jeder Minute jemand auftreten kann, "der den Gegenstand noch genauer studiert hat und damit den bisherigen Stand der Sachkenntnis relativ entwertet" 1 , 0.1.3. daß damit der rlissensumlcreis des einzelnen Gelehrten durch sein "Be2
lesenheitsprofil" umschrieben wird , 0.1.4. daß damit weiter die wissenschaftliche
"Gründlichl~ei t"
und "Genauig-
kei t,,3 auch als quant i tati ves Zeitproblem des ':iissenschaftlers erscheinen 4 , wenn man eine gewisse Weite des Horizonts 5 erreichen will, 0.2. versucl'lt unser Tea.."l der wissenssoziologischen Tragik des Weges vom Hilfsassistenten zum Ordinarius 6 dadurch entgegenzuwirken,
*
2 4 6
Referat auf der Tagung der Evangelischen Akademie Loccum "Gegenwartssprache und Gesellschaft" am 27. 2. 1971 im Arbeitskreis IV "Sprache und Verstehen in der Theologie". Erstveröffentlichung in etwas erweiterter Fassung in LingBibl 4/5. 1971, 7-41. - Das Referat vrurde in dem von mir geleiteten Forschungsteam "Generative Poetik des NT" vorbereitet und nach der Tagung in Loccum erneu"t überarbeitet. Es bildet die theoretÜlche Grundlage der von der DFG bezuschußten Forschungsarbeit meines interdisziplinären Teams und umreißt quasi das "Programm" der Zeitschrift "Linguistica Biblica", soweit diese Publikationsorgan unserer Porschungsergebnisse ist. A."l den Vorarbeiten zu dem Referat haben mitgewirkt Reinhard Breynayer, T;IA, stud. theol. et phil. Sabine 3uschey und stud. phil. Hans-r,lan:f.'red Sclmh. Vielfältige Anregungen verc:!.anke ich auch Walter 11agaß, der in der Erstveröffentlichung einen hier entfallenden Abschnitt beigetragen hat. Ich danlce den Beteiligten für ihre Beiträge, oh."le die mein Referat nicht möglich gewesen wäre. H. SEIFFERT, Infornation über die InfoI'Tmtion. (Beck'sche Schwarze Reihe 56) 1968, 158. Ebda. 170f. 3 Ebda. 158. Ebda. 168. 5 Ebda. 166. Ebda. 150-157.
Theologie als sprachbezogene VIissensehaft
185
0.2.1. daß wir unsere in der Forschung gewonnenen wissenschaftlichen
~
kentnisse nicht mehr als Privateigentum eines ohne Lernanreize durch die Lel~situation
existierenden einzelnen wissenschaftlichen Genius' verstehen,
0.2.2. sondern als durch wissenssoziologische Interruction gewonnenes gemeinsames geistiges Eigentum ,des Teams ansehen, das als wissenschaftlich abgerundete Gesamtkonzeption nicht mehr in "Einzelbeiträge" oder "-erkenntnisse" zerlegt werden kann. 0.3. In diesem Sinne ist das folgende Referat nicht als eine Ausschließlichkeitsleistung eines einzelnen anzusehen, sondern als wissenssoziologisch und gruppendynamisch zustandegekommenes
~rgebnis
längerer gemeinsamer über-
legungen und Debatten. Wir bewerten also bibliographische ReCherchen, Sammeln von Belegmaterial und Einzelüberlegungen zur linguistischen Analyse und Theoriebildung genauso hoch wie die abrundende Endredaktion eines TeamBeitrages oder die Ausarbeitung eines Einzelbeitrages , weil beide wissenschaftssoziologisch immer nur im Zirkel existieren können. Es versteht sich von selbst, daß dSLlit der Universitätslehrer oder der professionelle Forscher den Lernenden und rIitforschenden gegenüber eine neue Einstellung gewinnen muß: Der Lehrende an der Universität kann den Lernenden niemals ein Fertigprodukt zun Pauken liefern; er karul vielmehr immer nur versuchen,
~
Studenten als echte Partner in den Forschungsprozeß einzubeziehen, um so ein Problembewußtsein zu wecken und damit das
Bildun~sziel
des denkenden,
nachdenklichen, kritischen und ad infinitum forschenden Menschen zu fördern. 0.4. Mit dieser wissenssoziologischen ZinsteIlung behindern wir in keiner \7eise die geistige Freiheit eines einzelnen Team-Mitglieds.
Vielmel~,
hat
jeder von uns das Recht, spezielle Ergebnisse aus seinem Arbeitsgebiet unter seinem Namen zu veröffentlichen, wenn er dies wünscht. Wir respektieren untereinander die Eigenart der jeweils anderen und oktroyieren auch im Team nierJandem eine I:icinung auf. Stellt sich in der Diskussion eine Differenz heraus, so }:önnen v/ir nur versuchen, einander unsere Argumente so klar wie nöglich ins Problembewußtsein zu rücken und bei andauerndem Dissens einander gleichberechtigt gelten zu lassen. Jedes Freiheit der Wissenschaft
a~dere
Verfahren würde die
a~tasten.
0.5. rat Brich Gräßer 7 sind auch wir von der positiven Funktion der Polemik in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung überzeugt.
7
E. GRÄSSER, In eigener Sache. LingBibl 4/5. 1971, 5f.
186
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
0.5.1. Nicht weil wir Freude an der Polemik um der Polemik selbst willen hätten oder aggressive Emotionen abreagieren müßten, 0.5.2. sondern weil nach der antik-klassischen Rhetorik von Aristoteles,Cicero, Quintilian und, Augustin 0.5.2.1. die Polemik als stilistischer Zug des "genus iudiciale,,8 0.5.2.1.1. ein n:pOßATljJ.Cl 9 0.5.2.1.2. oder eine qUaesti0 10 in der controversia durch zwei Parteien beantworten läßt 11 , 0.5.2.1.3. so daß das dubium in der quaestio disputata seinen adäquaten sprachlichen Ausdruck findet 12 • 0.5.3. Auch die Emotion ist als Teil der Polemik legitim, sofern sie als Teil der peroratio die Affekte als pragmatisch-prosodische Verstärkung der argumenta einsetzt 13. Die KUnst der "öffentlichen" Rede darf auch in der Wissenschaft die Mittel der öffentlichen Rede im Dienst an der quaestio disputata einsetzen; sie sollte lediglich die reine Deinosis-Technik im Sinne einer verabsolutierten pathetischen amplificati0 14 meiden. Eine verabsolutierte Emotion ohne argumenta speist sich aus der Ideologie, nicht aus dem auch den Affekt-Haushalt tangierenden wissenschaftlichen Ringen um eine quaestio disputata; sie dient der Diffamierung des Gegners bei den nicht mit dem casus Vertrauten. 0.5.4. Die inventio, dh. das "Finden" der Gedanken, die excogitatio, dh. das Herausholen dessen, "was die res an mehr oder minder verborgenen Gedankenentwicklungsmöglichkeiten enthält,,1 5 , des genus iudiciale hat ihren Schwer16 punkt in den argumenta ,die beide Parteien in der controversia vorbringen: Die Polemik hat also nach der klassischen Rhetorik eine erkenntniserhellende Funktion, weil sie am "dialektischen" Charakter jeder Sender-Empfänger_Kommunikation 17 teilhat 18 • 0.5.5. Diese Option für die Dialektik bedeutet schon wegen ihrer expliziten BeZugnahme auf die Kommunikationstheorie 19 keine einseitige Option für die herkömmliche "Geisteswissenschaft" und ihre Hermeneutik, so daß auf uns die
Aristot., rhet. I, 3, p. 1358b, 8. Hermogenes, n:EP t E~pE:aEUJC; I, I, 65. 9 10 Quintil., instit. orat. III, 11, 1. 11 H. LAUSBERG, Handbuch der literarischen Rhetorik I+II. 1960, § 55, p. 51. 12 Ebda. § 66; § 61, 3b. 14 Ebda. § 257, 3c. 13 Ebda. § 436. 15 Ebda. § 260, p. 146. 16 Ebda. § 61, 1b. 17 Vgl. dazu E. GtlTTGEMANNS, Lin~Bibl 3. 1971, 5-7. 18 Lausberg, aaO. § 147, p. 89; § 63, p. 56. 19 E.GUTTGEMAIDTS, Einige wesentliche Denkmodelle der Semiotik. LingBibl 3. 1971, 2-18, bes. 5-14.
8
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
187
Bemerkung eines Frank1'urter Physikers zuträi'e: "Die neuen Hochschulgesetze sind von Geisteswissenschaftlern gemacht, die sich unter Wissenschaft nur Gerede vorstellen können und darum von den Belangen wirklicher Forschung keine Ahnung haben" (zitiert nach der "Zeit" vom 6. 11. 1970, S. 24). 0.5.6. Vielmehr geht es auch in unserer Polemik um die durch die Linguistik 20 eindeutig erwiesene Tatsache, daß in der heutigen wissenschaftsgeschichtlichen und -politischen Situation die von Wilhelm Windelband (1848 bis 1915) begründete und von Heinrich Rickert (1863-1936) erweiterte erkenntnis- und wissenschaftstheoretische Unterscheidung zwischen den deduktiven, generalisierenden nomothetischen "Naturwissenschaften" und den ideographischen, induktiven, individualisierenden "Kulturwissenschaften" nicht mehr zu halten ist. Hans-Dieter Bastian urteilt mit Recht: "Das Nebeneinander von geisteswissenschaftlicher Hermeneutik (H. G. Gadamer) und analytischer Wissenschaftstheorie (K. R. Popper) ist auf der Ebene nicht mehr vertretbar, die Theorie-und-Praxis-Probleme zusammenschalten muß,,21. Er verweist dazu auf Jürgen Habermas, der die Auflösung des Wissenschaftsdualismus auf dem Gebiet der Sozialwissenschaften als um deren "Sache" willen als notwendig erweist 22 • So erklärt sich unsere Polemik weithin aus dem Faktum, daß eine sich selbst einseitig als "Geisteswissenschaft" im Sinne Rickerts verstehende Theologie den erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Standard der Sprachwissenschaft (=Linguistik) nicht einmal ahnt, geschweige denn bewältigt. Unsere Polemik ist also auch "Ausdruck,,23 unseres Leidens darüber, daß sich die Theologie als Wissenschaft in der Optik der anderen "sprachbezogenen" Wissenschaften zeitlich, räumlich und wissenssoziologisch immer mehr isoliert. Uns geht es bei unserer Polemik nicht um weniger, sondern gerade um mehr Theologie, dh. aber um eine Wissenschaft, die gegenüber den anderen "sprachbezogenen" Wissenschaften überhaupt noch argumentieren kann. 0.6. Wenn wir uns heute vor allem mit Erich Gräßer kritisch auseinandersetzen, so geschieht das nicht, um ihn persönlich zu verletzen, oder um das zv/ischen uns kontroverse Sachproblem auf einen Namen zu personalisieren und so "methodisch kontrollierbare Sachverhalte unter affektiven Personalproblemen zu begraben,,24. Es geschieht vielmehr aus zwei Gründen. 20 21 22 23 24
H. HÖRMAJnr, Psychologie der Sprache. 1967. H. - D. BASTIAlT, Information über den Unfug. EvKomm 2. 1969, 78-81; Zitat 79a. J. HABER11AS, Zur Logik der Sozialwissenschaften. (edition suhrkamp 481) 1970, 71ff. Im Sinne K. Bühlers. Vgl. dazu Güttgemanns, LingBibl 3. 1971, 15f. Bastian, aaO. 78b.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
188
0.6.1. Wenn unser ständiger Bezug auf die klassische Rhetorik überhaupt raison hat, die W. Magaß als "Rede-Räson" bezeichnet 25 , dann können wir nur in der controversia der argumenta die legitimitas, die auctoritas, die veritas und die persuasio unserer Position einer "linguistischen" Theologie an den Tag bringen. Wir suchen also bewußt die Konfrontation der Argumente. Jeder mag dann selbst abwägen, auf welcher Seite die gravitas der argumenta elocutionis schwerer wiegt. Damit dienen wir also der Erkenntnis unserer wissensehaftsgeschichtlichen Situation in der Theologie. 0.6.2. Gräßer empfindet es als fair, ihm "mit GI'ÜL.den nachzuweisen, daß meine Einschätzung der Situation möglicherweise falsch ist,,26. Dieser Bitte um argwnenta können und wollen wir
uns nicht entzienen, obwohl wir nicht erst
jetzt anfangen, argumenta vorzubringen. Bei der Abwägung der argumenta beider Seiten wird sich freilich ergeben, daß wir bisher keineswegs bloß mit "Schlagworten, die aus dem Zusammenhang gerissen werden,,2 7 , gearbeitet haben. Vielmehr liegen unsererseits argumenta vor, die bisher nicht widerlegt, vielleicht auch nicht als argumenta erkannt worden sind, sondern zT. mit bloßen Emotionen als "Attacke gegen die Zunft" diffamiert wurden. So soll unser Beitrag die Herausforderung deutlich werden lassen, die durch die Linguistik in der Exegese entstanden ist.
1. Die Konstitution der Theologie als Wissenschaft 1.1. Die quaestio disputanda lautet: 1.1.1. Ist die Theologie überhaupt eine "Wissenschaft", dh. eine Methodik und Problembewußtsein voraussetzende Tätigkeit des menschlichen Denkens, die den heute üblichen und nötigen wissenschaftstheoretischen Kriterien innerhalb der universitas scientiarum standhält? 1.1.2. Welchen "Gegenstand" hat die Wissenschaft Theologie? 1.1.3. Welche "Aufgabe", welches pragmatisches Ziel (im Sinne von Charles Morris) hat die Theologie? 1.1.4. Welche "Methoden" sind dem Gebenstand und dem pragmatiSChen Ziel der Wissenschaft TheOlogie adäquat? 1.1.5. was für eine "Sprache" ist die Theologie als Wissenschaft: eine "Objektsprache" oder eine "Synt axsprache " 28 , besser: oder eine "Metasprache"?
25 2/i 28
w.
A~GASS, Das öffentliche Schweigen. 1967, 16. Gräßer, aaO. 6. 27 Ebda. R. CARt'l"AP, Logische Syntax der Sprache. (1934) 2. Aufl. 1968, 4.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
189
1.2. Bevor wir unsere argumenta zur quaestio disputanda vorbringen können, müssen wir noch zwei Punkte berühren, die der Kl.ärung der Fronten dienen. 1.2.1. Zunächst müssen wir das proprium unserer Konzeption einer "linguistischen" Theologie gegenüber denjenigen Konzeptionen herausarbeiten, die GräBer zu undifferenziert mit der unseren zusammenbringt. Dies soll unter Punkt 1.5. geschehen. 1.2.2. Sodann müssen wir die in der controversia beiden Parteien communis opinio herausarbeiten (unter Punkt 1.4.). damit das contrarium in der ar29 gumentatio besser herauskommt • Letzteres soll unter Punkt 1.5. geschehen. 1.3. zunächst soll also das proprium unserer Konzeption einer "linguistischen" Theologie herausgearbeitet werden. Dies ist notwendig, weil GräBer die von uns intendierte Funktion der Linguistik in der Theologie zu undifferenziert neben andere Phänomene der neuesten Theologiegeschichte stellt, mit denen wir uns keineswegs pauschal identifizieren können oder wollen. 1.3.1. GräBer erkennt "in der gegenwärtigen theologischen Situation einen DegradationsprozeJ3 des Wortes, der nachgerade gefährliche Formen annimmt." Äußeres Indiz für ihn sollen die 'merkwürdigen Adjektive' bzw. die Genetivverbindungen zu "Theologie" sein, zB. "kybernetische Theologie", "Theologie der ReVOlution", "Theologie der Politik Gottes", "Theologie der Information,,3 0 und offenbar allch unsere "linguistische" TheOlogie 31 • 1.3.2. GräBer läBt zwischen den damit bezeichneten Konzeptionen kaum Differenzierungen erkennen. Er scheint vielmehr dem "Oberthema" "Theologie der Revolution" das Programm einer "Verkündigung als Information,,3 2 , die Ansätze zu einer "kybernetischen" Theologie 33 und anscheinend auch E. Güttgemanns' "mit SendungsbewuJ3tsein vorgetragene linguistische Attacke gegen die gesamte neutestamentliche Zunft,,34 hierarchisch unterzuordnen und unserer "linguistischen" Theologie die freilich nicht ganz ernst zunehmende
29 30 31 32 33 34
Lausberg, aaO. § 377, p. 206f. GräBer, aaO. 6. E. GRÄSSER, Von der Exegese zur Predigt? v~p 60. 1971, 27-39, bes. 38. DERS., Die falsch programmierte Theologie. EvKomm 1. 1968, 694-699, bes. 694. Ebda. 695f. GräBer, Exegese 38. - Ich habe meinerseits eher den Eindruck, daß Grässers "SendungsbewuJ3tsein" als Retter der Theologie vor der tlberfremdung durch "Sach"-fremde Fragen und Methoden wesentlich stärker ausgeprägt ist. Im übrigen ist die Leidenschaftlichkeit des wissenschaftlichen Engagements der Wahrheitsfrage adäquat, so daß man sich vor psychologistischen Zerrbildern des Kontrahenten hüten sollte.
190
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
Geheimparole zu unterstellen: " ceterum censeo ecclesiam esse delendam ll35 • Der Erzvater all dieser Ketzereien sei die Wolfhart-Pannenberg-Gruppe; die "Theologie der Revolution" sei "durchaus in der Konsequenz jenes Ansatzes" einer "Offenbarung als Geschichte" zu sehen 36 • So sei das "Wort Gottes" durch einen zumindest virtuell konvergierenden Mehrfrontenangriff an eine "Krise" geraten 37 • Denn allen Konzeptionen sei gemeinsam, daß sie "die Degradation des Wortes Gottes" als ihre Voraussetzung brauchen, woran ihre theologische Illegitimität klar erkennbar werde. 1.3.3. Gegen diese Kolonnenbildung von quasi lauter "grauen Mäusen", die insgeheim das Fundament der Kirche unterwühlen, müssen wir als Vertreter einer "linguistischen" Theologie energisch protestieren. Wer uns derartiges unterstellt, hat uns entweder nicht gelesen oder nicht verstanden. Auch wenn wir auf Publikationen der "Verkündigung als Information" verweisen und auch sonst unser Belesenheitsprofil unter Beweis stellen, so heißt das noch lange nicht, daß wir jede These der zitierten Literatur teilen. Das könnte nur dann vermutet werden, wenn auf uns Gerhard Sauters grundsätzlich berechtigte Kritik am "SChulmäßigen" theologischen Zitierwesen und -unwesen zuträfe 38 • Auch die 1litwirkung einzelner der von Gräßer indizierten Namen an der Zeitschrift "Linguistica Biblica" ist kein Indiz einer Einheitsfront, wenn unsere wissenssoziologischen Überlegungen (oben unter Punkt 0.1. bis 0.4.) ernst gemeint sind. Daß eine solche Einheitsfront des "ceterum censeo ••• " unserer Intention nach nicht besteht, wird sowohl die Darstellung unseres proprium (unter Punkt 1.3.4.) als auch der beiden Parteien in der controversia communis opinio (unter Punkt 1.4.) beweisen. Was andere aus einzelnen Thesen von uns machen, kann nicht uns zur Last gelegt werden! Es ist jedoch nicht unsere Aufgabe, jede theoretische Schwäche, jeden Fehler und jede Meinungsdifferenz der anderen "grauen IJäuse" aufzudecken. Es ist vielmehr unsere Aufgabe, in geistiger Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und Freiheit unsere Konzeption einer "linguistischen" Theologie nach ihrem proprium in der Theoriebildungsebene und zugleich in der analytischen Anwendung herauszuarbeiten. Das proprium wird dann auch die differentiae specificae unserer "linguistischen" Theologie gegenüber anderen Konzeptionen an den Tag bringen: qui legit, intelligat!
35 36 37 38
Gräßer, Theologie 30. Ders., Exegese 695a. DERS., Wort Gottes in der Krise? 1969, 34-55. G. SAUTER, KOllllllWlikation und Wahrheitsfrage; in: Fides et communicatio, hg. v. D. Rössler, G. Voigt u. F. Wintzer. 1970, ,263-290, bes. 265.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
191
1.3.4. Das proprium unserer Konzeption einer "linguistischen" Theologie ist, daß sie eine "sprachbezogene" Wissenschaft sein will: "Der Historisierung der Theologie in den letzten 200 Jahren (seit J. S. SEMLER) und der Hermeneutisierung der Theologie in den letzten 40 Jahren (seit R. BUüTL;Alm) muß nun eine Linguistisierung der Theologie folgen, wenn die Theologie wirklich die 'Wissenschaft der Rede von Gott' sein und bleiben soll. Als solche kann sie sich heute nur noch ausweisen im interdisziplinären Rahmen der Wissenschaft von ~er Rede überhaupt,,39. 1.3.4.1. Dieses proprium ist im Sinne der semiotisch-linguistischen Konzeption der "Text1inguistik,,40 zu präzisieren: Die Konzeption einer "linguistischen" Theologie orientiert sich an dem linguistischen Primärzeichen "Text"; sie Will eine "Text"-bezogene Wissenschaft sein. 1.3.4.2. Alle herkömmlichen Disziplinen der Theologie haben in irgendeiner
~leise
einen semiotischen Bezug auf die linguistische Einheit
~:
1.3.4.2.1.
Die "historisch-kritische"
Theologie bezieht sich auf einen
in der Kirchengeschichte tradierten biblischen "Text" oder auoh auf ein Korpus von "Texten", den Kanon, der, textlinguistisch gesehen, ein !;ia1.-ro-"Text" ist, und auf "Texte" der bib1isc;:Jen UllIWe1t, die man linguistisch als "Kontexte" im Sinne einer ku1turanthropo10giochen "Kon41 Der Bezug der wissenschaftlichen Diszi-
textlinguistik" ansehen kann
plin bibelexegetische Theologie auf das linguistische PrJinomen Bibe1"Text" ist ein semiotischer Bezug; dies hat jedenfalls die SeI:liotik des li terarischen Kunstwerlcs ergeben 42. Y!ir se,,-el1 nicht, daß Gräßer oder ruldere dagegen irgend ein Argument vorgebracht hätten, das die Ergebnisse längerer Forschung theoretisch und analytisch Widerlegte. l:lur wenn = diesen ganzen Aspekt der modernen Literatur\Yissenschaft überhaupt nicht zur Kenntnis genommen hat, kann man unsere Konzeption als Kuriosum der Beschäftigung mit "Texten" a'1sehen. Ylir wollen nichts anderes als eine kritische "'issenschaft vom "Text,,43, und wir wissen nicht, aus welchen Gründen dieses Ziel theologisch illegitim sein soll. ',/ir können uns nicht vors"i;el1en, daß irgendjernand das Recht hat
39 40 41 42 43
zu dekretieren, was
Güttgemanns, Probleme lSf. Lit. vg1. oben S. 79 Anm. 115. Güttge=ns, LingBib1 1. 1970, S. 3 unter Punkt 2.1.3. J. TRABMTT, Zur Semiologie des literarischen Kunstwerks. (Internationale Bibliothelc für allgemeine Linguistik 6). 1970. E. LEIBFRIED, Kritische Wissenschaft vom Text. 1970.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
192 "theologisch"
~
und Vlas nicht. '-'fir unterstellen auch Grtißer oder anderen
nic...'1.t, daß sie dies intendieren. Aber der
Streit geht ge-
lllet;~odologiGche
rade darum, daß Grtißer bei linguistiscD. nic,:t mec:r hin-Gerfragbaren, als "theologiscll" einzig legi tben Größen einsetzt, \'le.hrend wir keine undislru.tierbaren Größen ansetzen wollen, die in sich bereits "theologisch" sind.Y/as ein "Te::t" kan.n,
~
~
und welche semio-tisci:::.er.'. Bezüge
D.a!l
zu i1'& haben
ein Linguist und Litera-turViissen.3ch2.:ft,ler b.eu--'ce sagen können,
und er sagt es auch, wenn er auf den neuesten 1,7issel'lSstancl ist. ])ie gabe des 3ibele:z:egeten ist in dieser Sache Li tera-turv/iosen.:: cuartlers
iden~;;izcl:;
IIkerygmatische"Bezug zum "Text"
aU.eil
mi-~
der des
Linguiste~'l
denn selbstver9ti..L."'1dlich
i5-1;
ein se:J.iotischer Bezug,
Vle:!.","J.
Au.~
und der sog. er
Det;,odisch kontrollierbar ist. Bs fällt also gar nicl:ts r;erkö=liches weg, sondern alles wird nur in eine neue 1.3.4.2.2. Die Disziplin
Konzep-~ion
IIKirchengeschic~!tell
integriert.
bezie11:t sich
mi-~
lCarl J3arth
auf "die Geschichte der Auslegung und d=it der i=er neu drohenden VergewaltigunG des 'Jortes Gottes. Sie ist aber auch und noch viel J:>.ellr dj_e Geschichte der Kritik, nit der es selbst seinen säI!ltlichen Ausleger1-)' ioller wieder gegenübergetreten ist und ir1ll2er wieder gegenübertreten Wird,,44. Gerhc.rd Ebeling spricht in einer Kurzf'o=el von der Kirchengeschichte als "Geschichte der Auslegung der Heiligen
Schrif'~II,
y/obei der Tern IIA1.ls1e-
gunS" sich nicht auf die KOIiIGlentar-Ill-cerpretati01.1
sondern siel:;,
'oe8chI'ti111:~,
auch auf die }:irchliche oder christliche l:'rruds ;:,ezie:ü 45. ::leide :LlefL"'.itionen verbinden den biblischen
"Te:~t"
der Linguio-c - aber nicht nur er! -
mit
de~.l
Phänomen TlAusleE,une", das
IIIn';~erpretatio:2"
fisch semiotische Frage der Kirchengeschichte lau·cet Verhältnj.s stehen
II~e:~tll
und
II
Interpretz.tion"
danacl~:
zueinan.de:r-?
strei ten, ob die :Disziplin
TlKirc~1engezchichtell
bea'Yl-Gworten kann, v/enn
sie als bloß
mal)'
:c.en:Tt 46. Die spezi-
;i'~eologie
bezei chneud, daß wir die herkörnrüicr-,en :0isziplinp;renzen teu, weil- die Frage lCur L:1 hinaus im
44
45 46
In welchem l:ann darUber
diese Frage überhaupt
lIarchivari8c~-~elT
Fi.i.r unsere Konzeption einer 1IlinßUistischen.1I
=.~ar.!.
~:/issel1~cmft
ist jedenfnlls UD
der Gestelltc:;
i:'-~':l.ertlleoloci:;cil-interdisziplinären
univer3itätB-iaterdis:~iplinö.ren
a.:'lsie:lt.
ll.::ld dariX)er-
Ges},räch Z"t.l l::liiren ist.
K. BARTH, Die kirchliche Dogmatik I/2. 1938, 764. G. EBELING, Die Geschichtlichkeit der Kirche und ihrer Verkündigung als theologisches Problem. (SgV 207/208) 1954. P. HARTRUUTN, Information und Interpretation. Bogawus 2. 1966, 2-13.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
193
De= die gestellte Frage ist gar keine in sich "theologische", sondern die ]'rage jeder ernsthaften Hermeneutik,
L~teratuI''\Vissenschaft
gu.istik, erst recht der "TeJ:::tlinguistik", Ylenn
n1Z..L"1.
und Lin-
de::::J. bibliochen "Textil
kein8 linguistisch unüberprüfbaren Sondereigenschaften zuschreibt, die sonst l:ein I!l.enschlicher "TeJ::t" besitzt. Darum sind so=-ort weitere Diszi-
plinen als "Text"-bezogene in die uberlegung einzubeziehen. 1.3.4.2.3. Die Disziplin "Systematische Theologie" bedenkt vor allem 1.3.4.2.3.1. die methodologischen Voraussetzungen der Frage nach dem Verhältnis von "Text" und "Interpretation" (herlrö=lich: "3errJeneutik"; ,/ir statt dessen: "Linguistik", die weit mehr als die traditionelle Hermeneutik uDf'aßt), 1.3.4.2.3.2. die !"rage nach der Sinnvollkeit des im "Text" oder in den "Interpretationen" sprachlich oder verhaltensmäßig Kodierten, zB. in der Auseinandersetzun8 mit dem logischen pOSitivismus 47 , 1.3.4.2.3.3. die Frage nach den "transzendentalen" Objekten (linguistisch: "Referenten"),für die der "';'ext" oder die "Interpretationen" als semiotisches Zeichen stehen (ode:i.' auch nicht st ehen), 1.3.4.2.3.4. die Frage nach der Aussagbarkeit dieser Beferenten (zB. "Gott") in "Texten" und "Interpretationen", 1.3.4.2.3.5. bz.7. die Frage nach der Spracl1funktion dieser Aussagbarkei t, wobei die geläufige theologische He=eneutil{ mit Recht nicht mehr bei der lineP.istiscnen Ne!L~funktion der nomina 48, sondern bei der ge genstandskonstitutiven Funktion der sprachlichen Zeichen 49 ansetzt, 1.3.4.2.3.6. und die Probleme der Systematisierbarlmi t osw. Systenatisierung aller so geVTonnenen Brll::enntnisse über das Yerhäl tnis zwischen
"Tex-t lf und lIInterpretation Tl , UD ein offenes SysteI!l ("Systemoid") zu erhalten.
47 48 49
F. FERRE, Language, Logic, and God. 1961; D. O. VIA, Die Gleichnisse Jesu. (BEvTh 57) 1970, 35ff; L. GILKEY, Naming the Whirlwind. 1969; Güttgema=s, Probleme 21. . P. HARTlIlAHN, Das Wort als Name. (WAFUffiW 6) 1958. E. HEINTEL, Gegenstandskonstitution und sprachliches Weltbild; in: Sprache - Schlüssel zur Welt, hg. v. H. GIPPER. 1959, 47-55.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
194
1.3.4.2. 1,. Die Disziplin "Pral>:tische Theologie" bedenkt vor allem
1.3.4.2.4.1. die metllodologischen Voraussetzungea des Weges zur "Interpretation"
OZVI.
VOll
"'I'e:ct"
zu dessen ][irchlicl'l-pralttischer 3pezialfor;'''"!'
IIpredigt" ("=_editation ll ) , "VerkUndigLtng" (IIooiletil:) oder "Katechese"
(Katec'::tetilr, ;1eligionspiidagogik), 1.3.4.2.4.2. die Frage na.ciJ. der "tJbersetzungll des "Textes lf in die
"Sprache der 1.Ienscile!l", dh. des Alltags von 1971, wobei die Kirc:,ensoziologie bzw. die Sprachsoziologie mitwirken,
1.3.4.2.4.3. die Prage nach dem heutigen kirc::"-ichen und außerkirchliche:, "Kontext Tl zu "~ext" und "Interpretation", z:J. im Gottesdienst (horkör.Jnlich: Li turgil:) , 1.3.4.2.4.4. die Frage nach der "übersetizux_ G" deo TlTextes" und der IJInterpretatior..en"
il:"
die kirchliche Praxis (her1::örJ.:"":.2.ic::.: Seelsorge,
Di(ü~onie, ::.;;thil:),
1.3.4.2.4.5. und die :"rap;e :lach den den "'2exte!l" bzw. den "Interpretatio:1e:l 1l adäquaten u:ld
da.l7l:~.:t legi tine!l rechtlic!-!en lIKontextenll50, die
die Ordnung der Kircl:e e.n den "Te::ten" l1.o::-:Jieren (her1:öj~ilich: Kirchenrech-~) •
1.3.4.3. :Jiese nur 8.....""1deutenden Definitioner! belegen unsere J:'hese von der ~heologie
als "'J:e:d:;lI-bezoc;ener
·.1i,:;sensc~"1'-
;·.. ber die vielleicht
nOC!l
zu sehr an den herkö=licher: :'Jisziplinen oriec1tierten Definitionen las801, die en·Lscheidende J1rage
In welchen
noc~:1 unbea.."1.tworte·~:
Verhäl'~nis
stehen
"Text" und "Interpretationen" zueir..ander (oben un-cer PurJ:-~ 1.3.~,.2.2.)?
1.3.4.3.1. '::eil dJese Fraße zu
bean-0WOJ~'Gel-_
i8 t, -Gri tt
U!l8er~
Konzeption
einer "linguistischel," Tl'eologie für die AUflösunG der herl:öilCllichen Disziplingrenzen ein. Bei ei!1er ce2.10,uen Ker:.r..tr.is der linguistischen 11 teratur
s'l;ell~~
!:d.ch nE:c.u.ich heraus, d2.ß dieGe
~~lrD.G(~
F::::"C~l-
l:eine Frage aloß
der Spezialvlissenschaf't ~heoloGie (=i,"/isnenscbe.ft der ~ yor.. Go·~t), sondern eine Fraee der GruncJ.lagenwtssensch;·ft Lil1r~istilr:: (=1Jissenscha.f't
von der Rede oder vom ""'ext" z_"-lr,e,-:eL"l) iot.
50 E. WOLF, Rechtsgedanke und biblische Weisung. 1948.
Theologie als sprachbezosene Wissenschaft
195
1.3.4.3.2. Der Textlinguist unterscheidet nämlich nach Zellig Sabettai Harris (*1909)51, und nach seinem Schüler Noam (Avram) Chomsky (*1928)52, innerhalb einer Sprache zwischen zwei Arten von "Texten,,53. 1.3.4.3.2.1. Bs gibt in der Schriftliclureit der Literatur und in der Eündlichkeit der Hede sog. "PerforDanz"-Texte. Das sind diejenigen "Texte", die kompetente Sprecher/Hörer einer Sprache aus deren virtuellem Repertoire an ;';öglichkei ten bisher realisiert habe". Danach sind die biblischen '''fexte'' und auch deren tradierte "Interpretationen" -linguistisch gesehen - sämtlich "Performanz-Texte". Die aktuale Predigt am ko=enden Sonntag ist - linguistisch gesehen - erst danl'l ein "Performanz-
lJ:Iext", wenn sie gehalten worden ist oder in memorierter oder schriftlicher Forr.:!. IIvorliegt". ~.
GC[~2Gl~~,~. fI.I~T~;
ßL.1isti:::cl::e Analyse nur
in
t~e:::;:::ten
I
PerforTJ.anz-'~e::::tei:.lÜ3Sel1
[.esclrrieben:
"~'DpiriGcll
'~e::::te I ,
db.
I
"vorliegen". Darum. hat
1gegeben' sind U:'lC ftir die 1i11-
Perfor-.Ll:;lnz-Phtlnonene' ~ clas falrtisch
aue; der unendlichen Repertoire-Generation
I
realisierte
Repertoire,,,54. 1.3.4.3.2.2. Von den PerforLnr.:.3-'CCexten' ur::.tersc::eidet der
2extlil"~guist
die sog. IIKOLlpetenz ll _,xexte 55 • De~s SiEd dj.ejei.1igen "S: e::-l;e l1 , die kO.i:lpetente Sprec;.'le:c/Hörer eil1er Sprache aUG deren virtuelle!..l Repertoire an :lögliclll:ei-:~en
aus ii.ll"'er
bicher noch
Spr2.c~ '.-I~oI.lpt3·cel-:z
nic~.:.t
realisiert l1aoeL, aber jeden Augenblicl:
erzeugen l:önnen. U:'lter
:ae~uG
lung der Generativen Trul1.sforTIlE..tionsgro.I:1Datik durch
51
52 53
54 55
56
auf die DarstelBierWiOC11 56
I'~anfred
Z.G. HARllIs,From Morpheme to Ut-ceral1ce. Languaee 22. 1946, 161-183; DERS., Discourse Analysis. Language 28. 1952, 1-30; DE::lS., Distribu~iona.l ;:-;tructure. i-roro. 10. 1954, 146-162; DEIiS., FroLl Phoneme to EorpheL1e. JJ8xeguage 31.1955,190-222; DEHS., Structural Linguistics. (1951) 7. flufl. 1966; D3cl.G., Hathenatical Structures in Language. 1963. Zur ~)ars.J.;ellu:i.1G vgl. 3. PLÖs:.1 Z. Operationen in der LinGuistik. 1. Zwis ch en ;)eric,lt zun Fors ciml1 ,;sv ertrag "IJingüst ische Datenverarbeitung: GrunDlagenforsc,"ung und Aufbau eines Progrn:.miersystems". (AZ. Un 16/ 13). Institut für ]Cor.mnmikationsfor8cJmD.g und Phonetik Bonn. 1970. vgl. die Lit. oben S. 60, An.TO.. 8. Ve;l. J. IH\"!.~~, Ko:npete1'lz und PerforI::anz i41 der Literaturtheorie; in: text, bedeutUTIF, iisthetil~, h[;. v. 8. J. Schmidt, 1970, 136-151. GHt-tgeI:l8."!.:.1'l:3, Linc::8ibl 1. 1970, C. 7 t.1n.l~er J?ul1~:ct 2. Der Eeg:?:'if':f der "Koi:.petenz"-rrsxte ist TI. ·~l. erstmals vo~ mir so verwendet worden. Doch sprj_ch-c bereits HartrJalUl von "Potential text en". Stimmt Dm, dej~. AxiorJ der Textlinguistik von der Texthaftic;kci t des primären sprachlichen Zeichens zu, da.nn ist der Begriff "Kompeteazlt-Text Ylcniger befremcllich. \7enn es nii2lich in der Kompetenz überhaupt Zeichen gibt, dalm müssen diese Texthaftigkei t besitzen. Stri"Gtig Imnn dann in Grunde nur die Seinswej_se sein, in der es diese texthaften Zeichen "gibt". L 3IS,,',7ISCii, Strlü[turalür,us. Kursbuch 5. 1966, 77-152; jetzt auc: . in: J. ImT'~ (Hg.), Literaturwissensc:mft und LinguiGtik I. (Ars Poetica, 'l'exte e) 1971, 17-90.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
196
GUT,:IG~I.I.AITITS
hat E.
geschrieben:
"t
3pro.che I ist eine Eence von 3ätz€E
oder besser: von 'Texten'; aber: 'zu jeden Sa-cz kann es beliebis viele alctuellc J1ealisierul'lgen unter konkreten Bedil1gL1.nge:i.'1. geben. Die Sprache
beste:1t aus
Satzges·~al ten.,
natürlici1en Spro.c~~:c~ i2"C
nicht aus Sprechal:ten. Die
einer
Sat:...;m.ej:~ge
strens theoretischen Sinll ul1beGrenzt I (Bier-
iTi.l
l?olglicl1 UTIfaßt eine 3prache unbecrenz-~ viele Sätze
wisch, 'G.sO. 105).
I~extef BGü.). Sie is·;:; damit auch l;::ein ul1L1ittelbe.r geGebel1es
(ergänze:
eIlpiriscl1es Fal:tuIJ., sondern poter..tiell reales OIJje}ct" (ebda. 106), dh.
eben ein aus der Kompetenz generiertes 'virtuelles Repertoire l
das
,
sich mit der :r!irvrei terung der KOI'lpetel'lZ energetisch-dynaBiscl1 verändern
kann." 'f'",7er eine natürliche Sprac:18 beherrscht, hat ir~i. Kopf nj.c~lt ein-
facl, eine lange
L~_ste
von 'i/örtern oder Sätzen aufgespeichert, sonden,
ist in der Lage, belieiJige neue
Sf:-~tze
zu bilden und nie zuvor gehörte
Äußerungen zu verstehen. Sprachbeherrschung ist also eine al:-tive produlctive
Fähig}~ei~c,
petenz' befEihiet
bloB die Ker}.l:.tnis einer lTomenklatur.
nic~1"t;
a~so
zur
'3rzeugcLn~'
'Ge~leratiol1l
=
Einhei te:~.1157 Daraus ist zu folgern, daß :rColllpetenz-:iexte nie sein l:önnen,vrreil sie bei Realisierung so1'ort zu Die zu
sC~l:::.ffel:.de
tion ein
PrecU.gt
aI.'l
}:oIL-,'ce::''1den
'~COTI-
t
gegeben I
werden.
PerforDanz-Texte:~
ist bis zu illrer Realisa-
der sich aus unserer Sprach-Konpete::'lz erzeugen
Konpetel1z-Te~~t,
läßt; 118.C::_: Seil1.er Erzeugv..ng ist eI' ein
1.3.4.3.3.
SOl':':J.-~aG
I
von Bli-czen unO. Sinn-
Perforr:.8.nz-~e:;:t.
])a,.:.:lit läßt siell die en."!:;scl1eide .~:..de Frage der I:ircl'lengescl1icn-
te linguistiGcl.:' so forrmlieren: In vTelcheü Verlltil t::.i:J Gtehei1 der bib-
lische Performanz-"Text" und die kirchengeschichtlich bereits realisierten "Illterpretatj.onen" (ebenfalls Perfor;nallz- II r:2e:::te11 !) und dj~e nocl:.
nic:lt
realisic:i;'te~"l
ander? Diese
F~'age
l'=O::lpeteI~z-":'c:;:te",
"Interpretationen", alGo die
ist der oethodolo:::;ische
tion einer "linguistischen" lI~ext"-Ylissenschaften
~heolog~.e.
Kl'lot:el1pU1~:t
zuein-
unserer Konzep-
Sie ist aber auch die auf alle
anwendbare Hauptfrage der
augen01iel;:lic~len
Schner-
P'L1.nl·:tforschullC.: de:::- Liflgl..liotik, v/eil die Generative ':::rans:for'wationsgrs.IJIJ.atik bisher nur eine
Gr82ll!lati};; erstellt
KO!l:petenz-Gra:;·iL~JD..til[,
aber nocl.} ke::i.n8 PcrforrJanz-
:"1-:'. t.
1.3.4.3.4. Diese spezifisch linguistisch forj',lUlisrte Frage unsere KOl1.']!Jpt"i 011 ei:::er
Itl';
:lgu.istiscllen"
den KOl1zeptioEen, die GräBer quasi
"Wort Gottes"
unter\rlühle~l
Veröffel1tlic~:unge:2
57
sie:"lt.
0.18
~,~E'.Il
gelesen und siel1
Güttgenunns, Line;.J"1ibl 1. 1970,
~heol
gr:-:-.v.e ::äUS0 die
sollte eigcl'ltlich selb3~~
s.
ei~1
unterGcl1~)idet
ogie a 1 ::.; proprium -von I'~irche r:lcine~~,
und das
wer unsere
li.;·:(].J.2.stisc:.:es ]3e1e3en-
7 unt;er Punl-:t 1.4. und 1.2.
197
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft :1ei-c3prof'il gescl:.I.uffcl1. hätte, der dürfte die i11il'lQJ..istisc~:8" 12heologie
nicl"lt ale Iflingu.isti.scl1e Attacke gegen die gesahlte
~üßte viemehr erl:e~l:nen
Zunft ll D.uGgeben 58 ; der
neutest~le:i1tliche
kÖru'leil, daß es uns in der
1IIL.1guisti sc::ei.1. 11 'rheologie genau UIJ. das gellt, was oisher "herrlleneut-i sche"
S'heologie hieß, was jedocl1 zu sehT an einer einseitigen und nit deI' professionellen Sprnchv/ißse113Chaft nicht verblli."1de:'len Her:m.eneutjJ[ der Schleier~~lacher-~~pigol1ei1. orientiert war. Denn in der Tat: Von "Te:rt ll (oder: von
der "J~eßese", IIIn·Gerpr9t2~tion") zur TlPrediet"! Linguistisch heißt das:
Vom biolischen Perforillanz-";:L1e:x:t ll zu. quaestione we::'1l1 LJ.2.11
controve~sia
u:t13eI'eJ2l
ICornpetenz- lI s:'ext tl • Cur in ista
Zine controversia
es~?
k~l~
hier nur entstehen,
eil1-fi..lr-allcmal fes·clegt, Vlas eine lIt:1eologische H I-Ier3eneutik
~,
wearl. also
der
~~ercleneutik
llic~r'c
Bellr
nellen Sp:cachwissen;.::cl1c:.ft
fessio::'1.e 1 le
ge~ragt
werden, darf, welche3:' Bem.'!.g denn zwischen
der Scl-.:.leiermacher-S:radi tion uncl der heutizen professiobeste~1.t,
llit de:d kuriosen E~fe:.:t;, daß die pro-
n; clltfJ
Sprac~:"lllissenscl'lo:':ft
l:.li t
einel"' ';/issensc::aft zu -Gun 112. t,
ir::. der so viel U!1e.. so oft von ";3nraehe ll die l1ede
-i s·~!
lTur U!lvers.lvand
"liEgL'!.istisc~1el1T1
diesel'1 l=ardil1alpunkt unserer Posi tj.on eL."1.er
urngellen und so tun, als sei dieser ganze Problemb.orizo11t
}~3..nl1.
CC:leologie
nic~:.t
existent.
1.7ohlGaler1:-c, wir un·,;ers'c ellen Gräßer oder a:1dereil nieb.t, daß sie die Vernebelu:1.g~;
in
aber VliJ..." !.!Ussen darauf hinweisen·, daß IJanc!.le Xußerungen
publi~:tlilsvlirl:sanel1 Drgane~l
als kuriose
atollon
ho.-~.
-ciaruLl gelln.u de~-.!
der DU:f
I:::J. -,·,ia:lrl::.ei t
\'lir kc:.:nen keinen
de!l1."!
rGi~1.
:LJ.3,ü
sieb nich-c zu
der universi tas sciel1-
erns-~zu:1.ehllendell
Linguisten,
d~e
Günthor Scl1iv/Y ;JJ 59 une: der
3ac:ll:;:e:'l~;:cl1is
"~:euen
Zürcher
uncl Sac1:.1ic:l:t:eit von den
er.1otiol'lale:.1. Reruction.en a::de:cer.
Si:1G. die lT~l
d':CC8l'
'':~'leoric
"S::,:~xtel1,
-Ce I 2x.!.alysier-;:;en
58
il.'l
und der sie:.:. üoerdies nicht vrunc1er::l \7ürde, daß
l1eo.:~tion von
die lIaup-..~-fr8.t;e
59 60
habe::.:., unsere Position
bereit:.J viel früher auf diese ZusarmJlen:.lu'r-[,;e aufmerksam
Zeitung,,60 u:::.. cersch8:idc"t sich durc:'1 z':2.
~i'fel;:t
sind die Verhäl-'cr.d.s se
ul~lgei,:ehr~;
~;:leologie nich·~
Die
den
zu di:ffarnierel:, der
neucs-ce:'l t3-t '.:'1d ist, der unsere :!r2.cestellung nicht als legitia
allerkr:l':~:lel~ w~;_rcie,
vrL.l:cde.
p~ci:::tisc~l
,Außensei~erposition
~?ori.1.el':'
dll. die
und
lc:.u<;et: Aus
\78lc~~er
verse~::i8del1e:'l
Ga~-;;ullgel:,
;3pr8.chl;:o::.:.pe·~el'lz
heraus
bicher von der 'Formgeschicl:-
generiert, dh. erzeugt und bei
Gräßer, Exegese 38. G. SCHIWY, lIeue Aspekte des StrukturaliSI!IUs. 1971, 38f. llorgenausgabe lIr. 270 vom 15. 6. 1970, S. 27, Spalten c-d. Diesen Hinweis verdanke ich P. Hartmann.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
198
der Diachronie der Gu"!;ttmgen variiert worden? bS !landelt sicl! bei dieser Frage
die einfache übertragung einer ]'rage der Generativen TransfoI'l:l8-
Ur:!
tionsgrammatilc auf die Literaturtheorie ; diese übertragung ist in der neueren Linguistü: durchaus Geläufig 61 , wie auci) unabhängig VOll uns eine "Generative Poetics" eEtwicl;:elt vlUrde 62 , die \T':"r durch eille Konbil'latiol1. strul~turalen
versci::iedener lil:.guistischer Erkerui"Gllisse mit einer
Poetil.:
(etwa bei Ja.l I,:u1-:arovsky) und Bit den sozioli:'lQ.':l.istiscnen Ansätzen der frifuen
FOI'"~~eesc:1ic:'"Ge
gefunde", habe:", vrei 1 sie s; c:, logisc'l aus de:l
i?orsc:.lungssto.::Hl erflah.
~·!eruI.l
sein soll, Vlenn jede aildero sehel~
v/ir
l"'lich-~.
diese Konzeption IItheologi
anal:;tisc~E:
\',:o~11ge:,_lerl:-t,
aue!l
~lier
ICJC~11l
U:1 ers'cellell wi::J
tlle,:;it-in!
TI~ex-:;en
l.)ra.ge an die ,;
erl~"'..u'bt
GrS~er
iS'G,
oder
al1.deren nic:lt, daß sie diese l:onzep'cion als IItheolo::;isci,1" illegiti;:4 bczeic:lne:i.1~;
daß
sie
~.u.::ü.l
tione~l
aber Y/eCll über l1.n;:;erc
se~.:r ßCila::.1
I~Oi..1ZCp~cioll Geul"'~cilt
y,ird, Oh...'1.8
l::::ennt und ihr propriuTJ. zegcr-über nncleren 3c:J.ln~~iort
berlicl:sicllcigt, wenn weiter e.ll.es u2.x"'cer d:J.3
I~onzep
"':heologie
der Revolution" subsuEliert wi::.'d, das nir nü"ce::dno ver,/eniie'ü ;mbe:" rruß
pra.ktisch eine
SiC:l
"t11eoloe;i.Jc~le"
dann
Ille;;i timi.lliätserl..:l8rlln-::; e:cscbe:"l,
der viele fole;e:l vIerdeI!., weil il:r..en - eJ: oflicio - ::.lUllsc..::.lc Arbei'c durc:: Le2.:türe schwieriger lingv.isti;:cl1er
::?8.c~:literatur
isticchen
~.li"'G
~':e-thodeE
erspart ()leibt,
de:·.:
und Erlernen der lingu-
nllsei-~[:; 1.1:::errri.inGc~:r"t;en ~ffel-:t,
stirbt. 1.3.4.5. r/ie die TIal.."!.p-cf'rage der Generat:L yen Poetik cln
Fraee waitergefüh:cot wird und beantv.Jorte-c v/erden
~;::c..nl1,
i::'1-'(;e:i."di:J~iplinklre
soll weiter unte:·!
(unter Punk·~ 2) gezeist v/erden. 1.4. ',:iir wollen zunächst die
co.o2!.U:i.~io
Opillio beic.ler
travers; a heral.lGarbei.lüe::l. Dies l:önne:"l wir
zugleich die auf~eiGen.
\'feil es
Ansat~~pt.1.r..l:-i;e
:Jaoei l:önnen
h.eu'~e
fiir die
auc~1
8.11crclil1,~~s
cO~J:";rovel·sie..
Par·~ej.en.
in der C011-
nur so tun, daß Y/ir
in der cO:r:2!..Iuniz opinio
pei:c.liche Details 11ic[".I.-;; iiberga:"lgen \·lerden,
auf ei11e:: unver::.:!ebel tel1. .:31:].c:.: auf de:.'. tatsLi.chlic:len Sac:-:.ver-
halt ankotli.l"t.
1.4.1. ",fix stinnc:-: il1 der J.t:hene libereil1: "':fe:.l!."1. die
~Jiil;~U:":.3tj.~:
biuhc! unge-
nutzte CllaYlCen :für die Verk-Lind:'r;ung (w'ir n"tatt desser2.: C:!.leo1o~::ie)
ZLl
erkennen gibt, wj.rci (ltiir statt dezzeLl: :'"1U.ß) ei.!.18 veran:cv,o::,tlic~. . e theon1).t~el.1 i7issen Jl63 •
logische IIerzaeneutil::: sie zu
61 62 63
J. IHWE, Linguistik und Literaturwissenschaft. LB 3. 1969, 30-44. Lit. vgl. oben S. 61 Anm. 14. Gräßer, Exegese 38.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft 1./~.
2 •.Abc::: aus diener
C-bere~llDti!JJ:n.Ul[; ~iehen
q"'J.8nZe::1.. '.nihrcl'1d GräBer r.li-~ Gerhard j?riQdri8!..:. ~rvn:~.r't;un5e]'1
selbs"~
der TheoloGie an dac
199
'I/ir entcegellßeset:;;te Konse6~ f
IIYOT all::m optiL!..iatisc~·.. e::'1
Forsc~::ul.1{;GGcbiet Li:-'l~""I.1.i!J"'~i::1I \·larr~.:t,
"v.,reil
eLle I::ri::;8 c.uxc:·,r.:3.c:, t" und weil die Autorität in der Linguistik
bzw. Semantik für GräBer und Friedrich, Stephen Ull=nn 65 im Jahre 1951(!), dh. im Jahre des Beginns der neueren Semantik-Forschung66 , "den messianisc:.len Zif'er und di e unwissenschaftlic:::!e Ausdrucksweise einir;e.c ihrer
lfeophyten" bedauert, können wir uns 20 Ja'lrc später diese merbvUrdig autori täre Zi tterweise nicl-:,",; nehr leisten. Denn wir Ylis ser.. , daß Ullmann selbst 1962, also ca. 10 Jahre nac:_ seinco unglücklicherweise zuerst ins j)eutsche übersetzten
::"uc~'!,
II
n a.."lY
significn2.~t
developrJ.ent.c in senantico and general
lil!f,uistics" konstatieTt und einc eigene Meinungsänderung an einigen entscheidenden Punkten andeutet 67 • Überdies l~ennen wir gerade aus den let::;ten I.:OIU: ten und Jahren eine ganze
~Ieib,e
von Verl.if'fentl; cnunc:e-;'1 der Se:c.antik63 ,
die dieses Gebiet als lebendige und spul11:ende
~:liSßcnschaft
ausweist. Wer
hier suchl:und.i(;er izt 69, l:1ag der LCDer selbst entscLlei.c.e:'1. Wir l,önnen es
uns jedenfalls
~ücht
le:'sten abzuwartell, bis dj.e seLlaIltischc ForschunG zu
einei:!. sci::.olastischen ;,)tillsta."1d gekoj:::D:len ist.
~~s
würde doch auc:l dem Exe-
geten komsc:_ vorko!Dl:1en, wenn ein Linguist iill:l entgegenhielte: Es gebe ;::e11r alE; cin 1)u-;;zend differierende Beiträge zur :rheologie der Synoptiker; also wolle nicht
=,1
ers"'; eilunal abwarten, was dabei herausl:o=e. lJie 1x:egese hat
zu wenig, sonder::l bereits viel zu vicl p,ewartet, so daß ihr
bedarf an
::'ingllistisc~ler
lJach'~ol
.:ipe::;iolli teratur ir:nner größer wird, je lililger sie
jetzt noc!J. \vartot. Denn daß man.
r!iC~rlLi
eines
~ages
per bloßen -\,lillenf3ali:t ein
ßDlesenhei tsprofil Yon Jahrzehnten in der Lin!:;u.istik au1'holen kann, wenn !:lau endlich nerl:t, was an dar Zeit iz-1;, iot eina wissenssoziologische Tatsache; dabei ist die Demc..nt ik nur ein winziger Dei trae der Linguiotik zur 3xegese! '.1enn wir jetzt, hier und heute nicht das bereits Versäunte nach-
holen,
d~l::l verpe~t
dic 3ioelexerese den
_~sc~luß
an die allße3eine wissen-
schaftlici1e .,;:;ntwi C::1UTI.[;. Aoer vielleicr..'C ist es jetzt
64
65 67 68
69
berei-~s
zu spät,
G. FRIEDRICH, Zum Problem der Semantik. KuD 16. 1970, 41-57; DERS., Semasiologie und Lexikologie. ThLZ 94. 1969, 801-816. - G. KLEIN, VF 15/2. 1970, 1 meint, die Leser nachdrücklich auf diese Artikel hinweisen zu müssen, wohl um mein Referat ebda. 41ff. kritisch zu korrigieren. Der Leser wird den folgenden Zeilen entnehmen können, weshalb ich diese Artikel nicht genannt habe. Ullmann, Grundzüge 276. 66 Vgl. Geckeler, Semantik 23f. Ullmann, Semantics VII. Vgl. die Lit. oben S. 60f sowie J. LYONS, Structural Semantics. (Publications of the Philological Society XX) 1969; DERS., Einführung in die moderne Linguistik, übers. v. W. u. G. Abraham. 1971); M. WANDRUSZKA, Wörter und Wortfelder. (TBL 6), hg. v. H. Bertsch. 1970. Zu GräBer, Exegese 38.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
200
weil der Zug längst abgefahren ist, während wir Bibelexegeten noch schliefen?! 1.4.3. Wir stiml:J.en ebenfalls überein: Hit der historisch-kritischen Methode ist die klassische Philologie immer verbunden gewesen, so daß die "Theologie als Wissenschaft •• wesentlich eine historische Disziplin" ohne herrile neutica sacra ist 70 • Als Methode ist die Theologie bei aller 'Kirchlichkeit' notwendig "selber empirische Wissenschaft,,71. "Der Verzicht auf Bibelkritik um der Heiliglceit des Buches willen ko=t nicht aus dem Glauben, sondern aus dem UnglaUben! 1:1&"l will die Bibel da:rum für
'historisci~
erklären und unter ein historisches Au snahmere cht stellen,
~
exterritorial' sie so vor
dem Zugriff jeder profanen Wissenschaft, sei es Historie, sei es Naturwissenschaft, sei es Philosophie sicherzustellen,,72. Aber dieser Versuch muß scheitern: "Die historisch-kritische Forschung war nicht in das Belieben unserer Wahl gestellt; sie ist auch
ni~~t
dem Vorwitz der ungläubigen Ver-
nunft entsprungen; sie ist vielmehr unser unausweichliches SChicksal,,73. 1.4.4. Wenn dies jedoch so ist, dann ist heute die linguistiscile Forschung unser Schicksal. Denn diese ist wissenschaftsgeschichtlich nichts
a~deres
!Üs die moderne Weiterentwiclc1ung dessen, was man früher den "philologischen" Aspekt der historischen Forsci1ung l'1..annte. Wenn der Zugriff der historisch-kritischen i.Iethode auf den Bibel-"Text" legitim war, dann ist heute der linguistische Zugriff auf den Bibel-"Text" ebenso legitim, weil es auch linguistisch kein exterritoriales Gebiet geben darf. Aucll heute können wir !Üs Historiker und "Text"-Interpreten nicht nehr wählen, welche SprachWissenschaft wir als Bestandteil unserer Methode ansehen wollen. Wir können schlechterdings nur die modernste Linguistik, eben die "Textlil1guistik", als
Besta~dteil
unserer Historik theoretisch durchdringen und analytisch
anwenden. Dabei darf es uns gar nicht interessieren, waD sich dabei als Konsequenzen :für die
Predigt~
ergeben würde; dh. die Predigtpraxis
kein Kriterium für die "theologische" Legi tLT'Ji tät einer
~Iethode
l~ann
sein. \'Iio
die historisch-kritische Methode sicil hier dem Diktat der homiletischen Verwendbarkeit entzogen hat, so ka1lll Dich auch die linguistische Methode nicht einem Diktat unterwerfen, das nicht bedeutet
jedocl~
~ehr
bee;rlindet werden kann.
~
k,eineswegs eine Interesselosi(",kei t der "linguistischen"
Theologie an der Verkündigung, sondern das genaue Gegenteil. Aber wir lassen nicht die Predigt-Praxis, sondern l1ur die Größe
"Text" bestimmel1, was
"Predigt" ist; da:rum müssen wir mit unserer Konzeption beill "Text" ansetzen.
70 72
GräSer, Wort Gottes 28. Ebda. 11.
71 Ebda. 29. 73 Ebda. 12.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
201
1.4.5. Wenn Recht und Grenze der historisch-kritischen Methode mit Recht 74 ,wenn weiter die neuen
"noch nie dogmatisch sta= fixiert worden" sind
linguistischen Aufgaben der Theologie nicht in Antithese zur bisherigen 75 ,dann kann eigentlich nur
historiscn-kritischen Aufgaben zu sehen sind
Unkenntnis der heutigen Linguistik deklarieren, die anspruchsvolle Indienstnahme der historisch-kritischen 11ethode für die nötigung vom 'Text zur Predigt dv.rc~ Ernst ?\lchs 76 könne "von l-:einer heute verlangten theologischen Theoriefindung überholt werden" 77. Denn die siel, für uns aus der bisherigen Form-, Redaktionsgeschichte und aus der "Textlinguistik" ergebende "Generative Poetik des NT" erhebt i::1 der Tat den Anspruch, die Hö~gung VOll ~ext
zur Predigt in der Theoriebildungsebene adeauater zu be-
schreiben als eine historistisch mißverstandene hl.storische Methode, die Ernst Fuchs gerade nicht meint. Die Voraussetzung jeder Theoriefindung, "daß man sich des Gegenstands der Wissenschaft sehr genau bewußt ist und ihn sehr gut kennt" 78, ist für unsez'e Konzeption einer "linguistischen" Theologie eindeutig gegeben, so daß jede Polemik gegen sie nur auf Unkenntnis sowohl der Linguistik selbst als auch ur,serer Konzeption beruhen kann. 1.4.6. Wir sti=en endlich darin überein, daß der biblische "Text" das Kriterium aller Tradition ist", das nicht preisgegeben werden kann 79 • Wir sage::1 ausdrücklich, daß der biblische Performanz-"Text" das primäre ':roher der Theologie als Wissenschaft ist 80 • 1.4.7. Aber v/ir teilen in keiner Weise die Alternative, in der heutigen theologiegeschichtlichen Situation beginne sich die Gefahr abzuzeichnen, "daß das '.'Ioher der Theologie nicht mehr primär der biblische Text ist, sondern das weltlich Gegebene,,81. Ist denn der biblische "Text" nichts 'weltlich Gegebenes' mehr, so daß wir - wenn wir schon dogmatisch argumentieren wollten - auf Inkarnation und Kondeszendenz venveiscn müßten, die den biblischen"Text" zur "Sprache Go-!;tes und der J:ienGchen,,82 macht?! Die ständige absolute und hypostasierende Rede Gräßers von
~
"Vlort Gottes" und
~
"Evangelium" macht den i=er nur in geschichtlichen "Kontexten" existierenden "Text" zu einem über geschichtlichen deposi turn fidei, aus dem der chris-~lichen Y~rche
74 76
77 79 81
ihr Proprium zuko=t, "daß sie von einem Heilsereignis
Gräßer, -:::;·:er;ese 37. 75 Zu ebda. 35f. ...:.:. lUCl{S, Zur Frage nach dem historischen Jesus. (Ges. A.ufs.
1960, 226. Gräßer, aaO. 35. :::;bda. 31. =~bda.
Gottes und der i:!enschen. 1968.
Ir)
78 3bda. 29 80 Zu ebda. 37. 82 L. ALmrso - SCHÖKEL SJ, Sprache
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
202
der Verga1'J.genhei t~, das der Gegenvlart und Zulrunft mächtig is-t,,83. So übergesc~:lichtliche
wird aus der.:! lincuietisc.'len PhäIlonen "Text" eine
Größe
"Wort Gottes" extrapoliert, das dem linguistischen Zugriff nicilt nehr zugänglich ist; jedenfalls nüssen Vlir die Ausführungen Griißers wegen ihrer Argumentationsweise in der Logik dieser Schlußfolgerung verstehen, auch wenn Gräßer selbst diese vielleicht nicht ziehen diert
'hi~toriscil-lcritisc:,,:er
~.
Ylenn jel:l.nnü dezi-
Theologe' cein will, dann l:o...'1Il :w.an von iiun einmal 'hintoricc:l-kritisch l die
allerdings verlü.."rlgen, daf3 er
Zl.LYläct13t
l~isten.z
einen lIText" gebundenen lI\'JoI'tes Gottes" nac;l-
'eines n.ich"!; mehr
8.."'l
vleist. Ist das "Wort Gottes" jedoch an einen "Text" gebunden, dann ist nicht zu Gehcn, waruJ:! es nicht L1ehr dem "te;·:tline,uistiochen" Zugriff' zuGänglich sein soll. Der.r. daß dieser Zueriff alle :f'hfulonene, die mi·t dem "Text"
u~iversel
cenug sein muß, danit er
zusamr:eni~ü.ngen,
erfasaen ka1'J.n, ist
selbstversti.:.ndliClCle wiasenschaftstheoretiache Voraussetzung; wenn er beim jetzigen Theoriestruld besti=t e ?hä..1'J.omene noch niciü erfaßt, darm ü:t er eben so zu erweiterIl, daß er sie erf8.ßt • ..!:ine
Lin:,:~.li~tik,
die das nicht
ra.ehr leistet, h2.t ihr .0aneinsrecht verloren, nicht nur für sondern
ßTlll:dsUt~lich.
Aber die moderne Li!1guintil:
Lage, dies zu leisten; allerdings müssen
i~
die
di~ ~!heolof.ie,
dUrC~112UC
J..Si;;
:~~i::ologen
in der
zunächst e:"n-
mal darlegen:, flelc;!c Spezialproblen::l bei il"l..nen =fnllen. Denn vlird sich bc.ld zeijzeil, was
die
die Linguisten de:"l
1.4.8. Dia ist
o.~l=:;
freili~1
saf-eLl_ l{önn·~e:
~heologe.:.'l
den Linguiotel'l yorweinel:
~:öxll:en,
und wr.:.o
~~1.col0f~en beantv/or~an ~::ö;'ll1en.
dem biblizchan
die der so:;.
rl.~eJ~t" Offel~~')or,-\:lr;::~
13e!~e.l.l11tnisbe'uecune',
1I_,~""f-'.r..gelium ist
•••
Heil, es ist das neil. Das Heue
die
'wirkende Jpracl-::e I:
TestaL1e~.l~
'1feiß "Ion
od1öp:t'e:1dc Kiro.::e
d.urC~:8..118 e~
ni t Grtißer
zei{:;t :::licht dez
~~eine~·.1
anciercn
~vc-[lGe
liULl.,,84 Quid adhuc desideramus testes?! Hans-Dieter Bastian urteilt ä.esh alb mit Recht, "daß der Streit zwiflchan der reataurati ven
I~e!:e!l.ntnisbe
wegung l und der 'modernen I 'theologie der \"Io:ct-Gottea-I-Ier:'1eneutil: D.ui" einer
Op·~iBchen 'füuschu~{';
fcindiic!1.er Briider beruht ll85 •
1.5. rtir wollen n1..1.!l dao contrar;lLT. in der cor:troversia heral.loarbeiten, und
83 84
ZNfar
anhanö' der Unterfrat:.en der quo.cD·~io di~pu-tend~1. (urr~er Punl::::t 1.1).
GräBer, aaO. 31, Unterstreichung von uns. Ebda. 37. 85 Bastian, Information 81b.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
203
1.5.1. Welchen "Gegenstand" hat die Wissenschaft Theologie? 1.5.1.1. nach GräSer ist das 'Wort Gottes' derjenige "Gegenstand, der die Theologie ausschließlich begründet und legitimiert 86 ". 'Theologische' Anstrengungen haben dem einen Grundproblem christlicher Theologie zu genügen, "das Evangelium als Evangelium zur Sprache zu bringen,,87. Diese ForI!lU.lierungen sagen nicht genau, in welchem Verhältnis 'Wort Gottes' und 'Evangelium' zum "'fext" stehen. Als Linguist würde man wahrscheinlich zunächst vermuten, 'Wort Gottes' und 'Evangelium' seien pragmatische Sprachfunktionen des 'Textes'; damit wäre nämlich genau gesagt, daß der "Text" als IIS prachereignis,,88 bei den Interpretanten (="Bmpfängern") Heil ist. Aber wahrscheinlich darf man solche Formulierungen gar nicht so genau hinterfragen und auf linguistische Präzision dringen. Die Folge dieser mangelnden Präzision ist jedoch, daß deo in der Entmythologisierungsdebatte versierten Linguisten derartige Rede über das "\'fort Got-tes" als mythologisC::e Rede erscheint. Ist das "Wort Gottes" eigentlich ein 'sprachliches' Phänomen - donn I!lU.ß die Sprachwissenschaft es erfassen können ! -, oder ist es kein
'sprachli~~es'
Phänomen - dann darf man auch nicht durch 'sprach-
liche' Bezeichnungen Verwirrung schaffen? uas tertium wäre lediglich der Verzicht auf eine Ylissenschaft Theologie! 1.5.1.2. Da uns diese Definition dogmatisch zu sehr belastet ist (vgl. 1.4.7.) und überdies die der historisch-kri tis~1.en ~ilethode einzig angemessene deskrip-i;ive Sprache in Richtung auf die Homologie ablenkt, formulieren wir: Der 'Gegenstand' der Wissenschaft
~heologie
ist die Rede von Gott
als eine uno in biblisc!len Performanz-"Texten" durch die Perfornanz-"Texte" der"Tradition" und "Interpretation" als normativ ausgelegte, 'weltlich gegebene'
linguistisa.~e
Primäreinheit "Text", der als Methode nur eine
"Textlinguistik" entsprec:;en kann. Da= ist die Vlissenochaft der Rede (besser: des "Tex-tes") von Gott heute nur !IliSglich im Vlissenschaftstheoretischen Rahmen der Wissens chaft von der Rede oder vom "Text" überhaupt. Vier aus dieser Definition ausbricht, der reklamiert eine de:-: Linguisten nicht faßbare linguistische Sondergröße "Vior-c Gottes" mit im Grund inhumanen
86
GräBer, Wort Gottes 7. GRÄSs~, Die politische Herausforderung an die biblische Theologie. EvTh 30. 1970, 228-254. A. (J. B.) P~I~~LING SJ, Het woord. (Diss. Utrecht) 1935, 435.
87 E. 88
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
204
Eigenschaften, zB. der Eiger.schaft der "Rücksichts-LosiglceH im Blicic auf gefällige oder ungefällige Gelegenheiten ,,89. 1.5.1.3. Als Wissenschaft des "Textes" von Gott impliziert die Theologie wie jede "Textlinguistik" auch eine "Kontextli;:tgtlistik": Der "Kontext" des "Textes" gibt dessen sensus eine semantische liultifunktionalHät, die deEl unterschiedlichen Repertoire der 'Sillpfänger' durch die Geschichte hindurch entspricht 90. Von diesera Phänomen handelt heute die sog. Rezeptionsästhetilc91 • Es ist darum ein lint,'Uistisch und literat1.lrwissenschaftlich seltsamer Anachronismus, die Relevanz des "Kontextes" für die semantische Funktion des "Textes" zu bestreiten, weil damit ein zweiter "Te~ct" eingeführt zu werden drohe 92 , der sich an die normati ve S'~elle des Primär-"Textes" zu stellen drohe. Daß auch Gräßer nicht ohne eine faktische Kontextlinguistik, die allerdings methodisch ungeklärt ist, ausko:cmrc, beVleist seine Argumentation. T,'lie kann
=
einerseits für unbestritten halten, "daß für eine
'Situationstheologie' das, !!!!:.!! gesagt werden muß, abhängt
davon,
~
es gesagt wird,,92, wie auch die formgeschichtliche Very.nüpfung von 'Uort' und 'Situation' zeige 94 , wenn man andererseits in der konsequenten li11guisti:::;chen 11erüclmichtigung dieser Prinzipien eine Desavouierung des ''.fortes Gottes '''zugUl:sten eines Textes, den die '.'iir::lichl;:eit erstellt,,95 v.red eine Liquidation der
~heologie
96
alo Spruchproblem
sieht? Ylie l-:ann nan
weiter "das I'larxistiscne Dogma von der Präyalenz gesellschaftlicher Stru};:turen" attackieren 97 ,wenn nan gleicllzeiti!; das formgeschichtliche Dogma. von der Stil- und 'Formen'-schnffenden Jo'unl:tion des 'Sitzes im Leben' teilt, also die Theorie des 'Sitzes im Leben' nicht gegenüber einer soziologistischmarxistischen oder linguistisch-behavioristischen Interpretation absichert 98 ? Zu solchen Inkonsequenzen kann es nur dort konunen, wo !!lan von der modernen "Textlinguistik" l:eine Kenntnisse besi'i;zt und deshalb jeder
:;:ri·~ischen
HaC[l-
frage seitens der Linguistik zu pseudo-lin()listischen Thesen in der bisherigen Formgeschichte ziemlich wehrlos ausgeliefert ist. De facto wird danit doch ein exterritoriales Gebiet für die
~heologie
rel;:laniert, weil man sich
in der Argumentation gegenüber der kritischen Nachfrage nicht mehr ausweisen kann. Die von Gräßer inkrininierten Theologien haben vlenie;stens den Vorteil, daß sie das Problem grur!dsätzlich erlmnnt haben, Vlenn sie es aUC!l
89
Gräßer, aaO. 232.
90
Vgl. Güttgemanns, Lin@ibl 1, 1970, 3. 8 unter Punkt 6.
91 92 93 95 97 98
Vgl. oben 3. 145ff. Gräßer, Theoloe;ie 695a; ders., Bxegese 30f; ders., ':fort Gottes 7. Ders., Exegese 30f. 94 Ders., Herausforderung 234. Ders., Theologie 695b. 96 I~}:egese 31 An:c!.• 23. Ders., Herausforderung 235. Dazu Güttgemanns, Ling3ibl 1. 1970, S. 21' unter Punkt 2.1.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
205
nicht in der dezidierten Auseinandersetzung mit der Linguistik lösen. 1.5.1.4. Das GräBer offenbar bewegende Problem der Normativität des biblischen Primär-"Textes" gegenüber den "Kontexten" läßt sich nämlich durchaus mit Hilfe einer Generativen Textlinguistik lösen: Die Normativität der biblischen Performanz-"Texte" zeigt sich gerade in der deslrriptiv zu erfassenden semiotischen Bezogenheit der anderen christlichen Performanz"Texte" auf den primären Performanz-"Text"; sie sind "Te..'Cte über einen ~. Die Kontinuität bzvI. Diskontinuität ~vischen dem biblischen PerforElB.Ilz-"Text" und den kirchengeschichtlichen Performanz-"Texten" liegt in der annähernden Deckungsgleichheit (oder auch -ungleichheit) der Kompetenzen beider Performanzen, die Erhardt GÜTTGIDflAImS die "linguistische Form des hermeneutischen Prinzips vom 'testimoni= Spiritus Sancti internum'" genannt hat 99 - durcr.aus zu orthodox für mailchen "Theologen der Revolution"! Das generative Prinzip der Kompetenz erklärt Kontinuität und Diskontinuität üwischen den Perfo=anzen: "Als r:ti.t deI:l geschichtlichen Gesam"tproze.13 mvisaaen Autor, Text und Leser identisches Phänomen ist der 'sensus' der littera offen für dasjenige generative Prinzip, das die Verwirklichungen von Sinn-' Gestalten , in der Historie (Perfo~lz; realisiertes RepertOire) durch stets neue Verwirklichungen anreichert, also neue 'Kontexte' für PerfOr::Janz-' Texte , schafft (sensus plenior; virtuelles RepertOire) und so die DenkgeschiChte in Gang hält" 100. Da die Kompetenz einer Performanz durch A..Tlalyse deskriptiv erfaBbar ist, dh. sich den erkenntnistheoretischen Apriori der historisch-kritischen Uethode als linguistisc..lJ.e Kritik der historischen Ve~~nft einordnet, ist diese Theorie einer Generativen Textlinguistik von jedem Linguisten zu überprüfen, was für eine theOlogische Sonderhermenel.ltik des "Wortes Gottes" nicht zutrifft. Daß gerade über das Prinzip der semantischen l~ltifUnktionalität auch eine Sprachkritik in die linguistische Theoriebildune einv/irkt, also Kompetenz-Vere.."lderungen mitbedacht werden, ist eine logische Folgerl.lng.
99 Ebda. 2 unter Punkt 1.5. 100 Ebda. 3 unter Punlct 2.2.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
206
1.5.2. Damit ist auch die Frage bejahend beantwortet, ob die Theologie überhaup-:; eine "Wissenschaft" ist, dh. eine llethodik und Problembewußtsein vor~~ssetzende Tätigkeit des menschlichen Der~ens, die den heute üblichen und nötigen wissenschaftstheoretischen Kriterien innerhalb der universitas scientiarum standhält (zu 1.1.1.). Sie ist dies allerdings nur, sofern sie im Rahmen der allgemeinen Horizonte der Linguistik argunentieren kann, also Sachkenn·tnis besitzt. 1.5.3. Zugleich ist danit die Frage vorentschieden, welche "Aufgabe" oder welches pragmatisclle Ziel die Theologie hat. 1.5.3.1. Nach Gräßer ist es "die wesentliche und darum unaufgebbare Funktion der Theologie •• : In aller Öffentlic~~eit von einem Geschehen der Vergangenhei t zu reden, das der Gegenwart mäclltig ist" 101. "Sie soll dem :':lreig11.is des Wortes Go·ttes so nacildenken, daß sie dieses in seinem Geschehen-Sein historisch erklärt und als erneut Geschehendes geschichtlich verantwortet,,102 In einer rechtschaffenen eva~gelischen Theologie gehe es darum, "das Neue Testament als den Text der Predigt vom Ko=en Gottes in Anspruch zu nehmen" 103. Nur so bleibe der Gegenstand der Theologie vom vorgegebenen ",70rt Gottes I und ni cht vom Interesse des Wissenschaftlers bestimmt 104 • Um der Aufgabe der Theologie, nämlich der Verkündigung, willen sei eine Identifikation der Sache der Theologie mit anderen Wissenschaften zu kämpfen 105. 1.5.3.2. ','I er so argumentiert, der verschleiert die von Iludolf Dultmann · und VI" h 1 og~e begrün d ete metho disch e Untersc h ei dung von T.eo er_un d'19ung106 • Nicht die Ylissenschaft Theologie selbst hat zu verkündigen; sie i ot vielmehr die Wissenschaft der Rede von Gott, dh. von der Verkündigung. Die Verkündigung
is~.
ihr "Gegenstand", nicht ihre Aufgabe oder gar ihre Ileti-lode. Die
Itonstante Verwechslung von Theologie und Ver::cti.ndigung hängt u.a. damit zusammen, daß die Frage seit Jahren unberultwortet geblieben ist, inwiefern die Lehre von dem Heilsereignis in gleichen Sinne "S-orachereienis" sei wie ~eilserei9nis selbst 107. Wahrscheinlich hand~lt es sich bei der Verwechslung.von Theologie und Verkündigung um einen mißverstandenen Y.arl Barth, dessen Hormienmg der Theologie als '.'Iissenschaft am "Wort Gottes" verabsolutiert wird, so daß die Kritik Adolf von Har.nacks an der Verwechslung von Lehrstuhl und Predi!jtstuhl berec'=ttigt wird 108 • 101 103 105 106 107 108
GräBer, Theologie 699b. 102 Ders., Exegese 28. Ebda. 39. 104 Vgl. ebda. 29. Ders., Theologie 698a. Vgl. dazu die Lit. oben S. 72 Anm. 74. Güttgemanns, Literatur 57. A. HARNACK, Offener Brief an Herrn Professor K. Barth. GhrW 37. 1923, 142-144, bes. 142.
v.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
207
1.5.3.3. Das pragnat i cclle Ziel der 7!issenscllaIt Theologie ist di e nethodische DurchdrinGUnG der Rede von Gott, nicht die existentielle Ausübunß der Rede von Gctt. Ilan darf Rudolf J3ul tr.1aI'-1ls Ul1terscheic.ung zwischen der um der Lehre willen notYlendie verfügbaren '.'iissenschaft Theo:i.ogie und der UD des Geschenk-Chara-::ters des Glaubens willen notwendig unverfügbaren
existentiellen Theologie des gläubii:en r:enschen nicht vernebeln. !tan kap-1l die
\7issensc~1aft
Theoloeie nicht auf die Anthropologie ies gläubigen !.Ien-
schen au:fbGllen 109, so ßewiß der gläubige ;i:ensc!1 auch eine Theologie hat,
die allerdings keine r.'issenschaft zu setn braucht. 1.5.4. Drunit 1s II auch die Frage beant\9!ortet, was für ei!1e Sprache die J
rileologie als
V!isser..scha.f"~
ist. Sie ist keine "0bjektsprache ll , also Ver-
kündigung; s:te ist vielme~ ej.ne
HSyllttl.."'{1I -
oder "Eetaspre.chc 11: Sie
spricht als
rJissenscha:f"~
to}~tischen'
Fragen ihre Hauptf'ragen; man lID..1ß nl..1.r richtig verstehen, 'lIas
der Rede von Gott über diese Rede. Als :lede ist . 110 '2h9010gie irrlIner lieta-TlText ll zu einem nrext" • :DarLUJ. sind die sog. 'syn-
alles zur 'Syntax'
gchör·~.
1.5.5. Da..."J.it kommen wir zu der letzten :DTc.ee: Welche 'I.'lethodel1.' sind dem Geeenstru'd und dem prac;mati.schen Ziel der 'i!issenschaft TheoloGie adäquat?
1.5.5.1. GrL'.ßer hiil t offenbar die
historisc!1-~;ri tische
einzi2 adäquate. Ihr IItheologisches" Recht sei m.it berründe.}~,
tldaß historische
\-rir}:lich1-:0i-~
~?orschung
gerade
entfer]J.t, Gondern ihr uragekehrt
nich'~
Methode für die
~~rnst die
Käsemann 111 daiI"il1
~heologie
1~.7irklici:~::eit3nillle'
von der ver-
spricht unt:. gevlührtr1l112. niese bevlähre Ileich eben nur, wo vlir immer wieäer l:ritisch nach den ",'lort i!l den
liun, das ja
niclT~
mi-t
de~'1
'~·.rörtern'
3ucl:.stabe::1 der
fraeen, also nach de::-:l 3vanße-
!;)c~1Xift
ider..ticch
iG-~1I1 ~3.
Ob\"lohl
die historische Kritile nie das verbur:l alicnu:::1 aufspürt 114, verhilft sie "de:-l !.70r-'c \"lj.cder zu de::::, -rInG en sein . . . .:Lll: frei IiL-':'l.chende, lebensschaffende
:?ro11Dot scl1c!.ft 11 115
1.5.5.2. A:J. diesen
LUGS2.se2.1 ~ot
~ ~
sei2.~ ~?
2ra !r,eliu!:! 1
erstau!llicll, wie
leic~:,·~
und sC:1l1ell hier
13t daa verbun alienun überhaupt noch verbur.1,
109 ;~. FUCHS, Glaube und Erfahrung. (Ges. Aufs. In) 1965, 33. 110 G. IiAIlTBERGilll, Ist eine Theologie der Revolution überhaupt J;löglich? in: Vias'i;reib~die Revolutionäre? 1969, 90-117. 111 ~. KÄS?]].iAEF, Von theologischen Recht historisch-kritischer Exegese. ZThK 64. 1967, 259-281. 112 GräBer, Exegese 34. 113 Ders., Wort Gottes 25. 114 Ebda. 46. 115 Ebda. 32.
208
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
wenn keine sprachwissenschaftliche Methode in der Lage ist, es aufzuspüren? Woher weiß iCh, daß es das verbu,'Il alienuIll gibt, wenn keine I1ethode es aufspüren kann? Uns scheint doch, daß uns hier ein quid pro quo ID"geboten wird, das man einfach als autoritäre 'Gegebenheit' hinzunelm.en hat.
~
nennen wir eine mythologische Rede vom "Wort Gottes", deretwegen wir mit unserer linguistischen Kritik an der "\70rt-Gottes-Hermeneutilr" ansetzen. Jede sprachbezogene Wissensc"aft bedarf um ihrer Wissenschaftlichkeit willen des Verzichtes auf eine derartige mythologische Größe; auch die historiscl1kritische Theologie bedarf dieses Verzichts, weil sie das übergeschichtliche "\Yort Gottes" nicht erfassen kann. Wieso sich unsere "linguistische" Theologie in dieser Voraussetzung von der historisch-kritischen Theologie unterscheidet, können wir nicht erlrennen. Wenn hier schon etwas 'degradiert' wurde, dann ist das "Hort Gottes" bereits vor 200 Jahren durch die historisch-kri tische Llethode degradiert worden! Dahinter l:önnen wir doch nicht durch bloßen Beschluß zurück, um in einer seltsamen Sciüzophrenie das "1,7ort Gottes" zugleich der historischen l.iethode wi-eder zu entziehen. 1.5.5.3. Selbst ]'ra.;.1.Z Overbeck und Karl Barth verhelfen Gräßer 116 nicht zu der kritischen Reflexion, ob die historisch-kritische Methode wirlüich ohne erkenntnistheoretisches Apriori sei. lTur weil GräBer offenbar meint, die historisch-kritische lvletb.ode sei gegenüber dem linguistischen PhäJ.1.omen "Text" erkenntnistheoretisch neutral, kann er in seiner klarstellenden
Replil~ 117 ledi"lich die "inhaltlichen" Anleihen der Theologie bei den Hachbarfakultäten kritisieren; daraus muß geschlossen werden, daß "methodische" Anleihen offenbar erlaubt sind, obwohl Q·räßer grundsätzlich klar ist, daß eine neue Eethodologie nicht ohne Heubestimmung des 'Gegenstands' der Theologie sein kann 118. Tertium wäre lediglich, welm Überhaupt keine "Anleihen" der
~heologie
bei Irachbardisziplil1en erlaubt wären; aber da.'"lil wäre
GräBers Betonung der "inhaltlichen" Anleihen sinnlos.
1.5.5.4. Ist die Einführung der ' historisch-kritischen' !.Iethode in die Theologie vor 200 Jahr:m st&~ds'
wi~>klich
keine inho.l tliche VerEnderung des 'Gec:en-
der Theologie gewesen, wenn es an ihr zum Zusaqoenbruch des
DOgD~s
der Inspiration kam 119, genauer: weil an ihr daß Dogma ~ Dogma erkennbar wurde? ':'lar aber dieser Zusammenbruch legitim und die historische Forschung
116 Ders., Exegese 32f; ders., Wort Gottes 9f. 117 GräBer, LingBibl 4/5. 1971, 5f. 118 Ders., Exegese 29. 119 Ders., Wort Gottes 14.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
209
unser SChiCksal 120 , warum dürfen dann heute an der Einführung anderer Methoden nicht weitere Dogmen als Dogmen einer pseudo-autochthonen Theologie erkennbar werden? Wenn wir hier schon zwischen dogmatischer Theologie und historischer Methode zu wählen hätten, dann könnte sich uns die erkenntnistheoretische Alternative nur so wie bei Franz Overbeck stellen: "Entweder man glaubt - dann verzichtet man auf den wissenschaftlichen Umgang mit der Bibel. Oder man legt sie wissenschaftlich aus - dann zahlt man als Preis den Glaubensverlust,,121. Galt dies schon bei der Alternative zwischen dem Glauben an die Inspiration und der historisch-kritischen Methode, warum darf es dann nicht bei der Alternative zwischen dem Glauben an die 'SelbstmächtigJ~eit des \'fortes Gottes' und modernen, kontrollierbaren linguistischen Methoden gelten? Denn daß ein Zusammenhang zwischen Inspirationsdogma und der These von der 'Selbstmächti~eit des Wortes Gottes' besteht, durfte kaum zu bestreiten sein. Es kann nur dann eine sinnvolle Frage an Hans-Dieter Bastian sein, warum die Kriterien der mathematiscll-kybernetiscnen Informationstheorie dem Ev~~gelium angemessener . 122 seien als die Kriterien der Kerygma-Theologl.e selbst ,wenn letztere Krite·. rien dOgmatisch als einzig dem offenbar übergeschichtlichen 'Gegenstand' der Theologie angemessen deklariert werden, wenn die 'Sache' der Theologie übergeschichtlich und damit undiskutierbar 'vorliegt' (aus dem depositum fidei?), wenn also die 'Sache' der Theologie heute nicht (mehr) mit anderen Wissenschaften identifiziert werden~, obwohl sie vor 200 Jahren legitim mit der 'historischen Kritik' identifiziert wurde. NUr wer die historisch-kritische 1~ethode so dogmatisch fixiert und sie nicht mehr dem i!eichen Ideologieverdachtaussetzt wie die konkurrierenden oder ergänzenden Methoden, der kann die 'Zeitgeist-Theologie' perho=eszieren, weil er S! 'historisch-kritische' Methode vom Zeitgeist ausnehmen muß. Nur wer im Grunde Dogmatiker ist, der kann in der Polemik gegen die 'Zeitgeist-Theologie' Luthers Satz mißbräuchlich zitieren, es sei gar gefährlich, "von Gottes Sachen anders zu reden oder mit anderen Viorten, als sie Gott selbst braucht,,12 3 • Diesem Gericht wäre bereits die historiscll-kritische Methode verfallen, wenn Logik überhaupt noch einen Sinn hat. Gerhard Sauter hat schon recht, wenn er denjenigen schlecht beraten nennt, der "die Autorität des Wortes
120 Ebda. 12. 122 Der&, Exegese 38.
121 Ebda. 10. 123 Ebda. 39.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
210
Gottes dermaßen mit der tischen
r~ethQde"
wissenscl~ftlichen
Approbation der historisch-kri-
verbindet, "daß jede llethodenkritik zur Grundlagenkrisis
wird,,124. Denn das Ausklammern erkenntnis- und wissenschaftstheoretischer Fragen bei der historisc;l-kritischen Methode wegen deren allgemeiner "theologischer" Approbation hat die "theologische" Uichtapprobation der linguistisc..;"en Methode zur Folge, obwohl diese erkenntnis- und wissenschaftstheoretisch wesentlich besser durchreflektiert ist. 3in Gegensatz zwischen bisheriger 'historisch-h.-ritischer'
r~ethode
und neuer 'linguistischer' Methode
ergibt sich nur, weil die approbierte lilethode erkenntnistheoretische Erörterungen entweder verweigert oder vernebelt, während die neue rlethode am erkenntnistheoretischen Knotenpun..1rt "Text" ansetzt. Objektiv gesehen, besteht überhaupt kein Gegensatz zwischen einer erkenntnistheoretisch durchreflektierten 'historisch-kritischen' I.!ethode und einer ebenso durchreflektierten 'linguistischen' Hethode, weil beide identisch sind; nur letztere für "empirisch"zu halten, ist uns nie eingefallen. Aber wir wollen uns ebensQwenig wie Ernst Fuchs von den Historisten vorschreiben lassen, was eine erkenntnistheoretisch durchreflektierte 'historisch-F.ritische' methode ist. Hier sind wir der 'l1arburger Hermeneutik' wesentlich näher, als Freund und Feind erkennen. 1.5.5.5. Das überspringen der erkenntnistheoretischen Probleme der historisch-kri tischen I:Iethode entspric..'1t einer Verkennung der Funktion der Linguistik bzw. der Semantik: "Wenn im Wort Gottes oder im Kerygma von Hause aus nichts drinnen ist, wird auch keine noch so gute Lin{).üstik etwas hineinbringen,,12 5 • Wir müssen zurückfragen, in welchen erkenntnistheoretischen Bereich denn dieses '3twas' gehört, das eventuell im "Text" 'drin ist'? Gräßer \"lira. antworten: Dieses Etwas sei das 'Heils ereignis "
viel-
leicht auch vorsichtiger: es sei das 'Zeugnis' vom Heils ereignis ; in diesem Sinne 'liefere' der biblische "Text" "das eschatologische Heilsereignis der Vergangenheit, das der Gegenwart und Zukunft mächtig ist,,126. Die ~ kerl1l;!;nistheoretisch-semiotische Basis der llethode lautet hier docl1 \70hl: Der biblische "Text" liefert das Heilsereignis; den Liefervorgang entspric:TG die historiscb.-kri tische
l'~ethode,
weil sie wissenscl'-8.ftliche ilicegese im
Dienst der Verkündi;unZ sei, in der der LiefervorgaIlg
ZU::1
Zl.:'..f;e kO:J}Lie:
124 G. SAUTER, Vor einem neuen Methodenstreit in der Theologie? 1970, 10. 125 Gräßer, Exegese 38. 126 Ders., Theologie 697a.
(T~
164)
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft verbuB
= vehicul1.m
ist', Imlß
211
Spiritus Sancti 127 • Das 'Etwas', das im Kerygma 'drin
jedel1~a.1ls l~ach
GrELSers itußerungen etwas-i!l-sich-Unsprachliches
sein, ,,,eil es sonst nicht im Kerygma 'drin', sondern mit ihm identisch wäre. Das linguistische Phänomen Kerygna ist als semotisches Zeichen also ein 'Verweis' auf ein 'Etwas', das nicht es selbst ist; es ist illl Sinne der Linguistik ein referentiales Zeichen 128, obVlohl damit
e·~Vla
die Parabeln Jesu,
die wegen ihrer Inanspruchnahme der Fiktionalität non-referentiale Zeichen sind 129, nicht mehr "Kerygma" sein können.
1.5.5.6. Diese erkenntnistheoretisch--semiotische Basis ka.'m man nur von ..'wei gleichermaßen 'dogI"Atischen' Positionen aus teilen. 1.5.5.6.1. Die erste ist die semiotische Posi"!;ion der =istischen Erkenntnistheorie 130 , die unserer "textlinguistischen" Auffassune; von "Geschichte" entgegengesetzt ist 13 1 • Each dieser Theorie ist das sprachliche Zeiche!l, also zB. ein "Text", in Sinne der i7iderspiegelungstheorie von \lladimir Iljitsch (Uljanow) Lenin eine gegenüber der 'objektiven' ~7irklichkeit selrundäre Widerspiegelung derselben in der Sprache: "Die ::3edeutungen der Zeiche:::. sind •• begrifflicl'. generalioiert und l::ommunikationsft:.hige 'iiiderspiegelungen von Gegenständen der objel;:ti ven Reali -:'ät,,1 3 2. Das \7esen des vermittelten Zusa!lllilenl'lsngs zwischen dem Zeichen und deu in der \'7iderspiegelungstätigkeit bezeicJ.o-"1eten Gegensta:.'ld
Zeichen
~
bes·~eht
danach darin, "daß die
und liittel der Fixierung der ged&lklichen Abbilder der be-
zeichneten Gegenstäl'lde sind. Die gedanklic:len Abbilder der bezeichneten Gegenstände sind eben die Bedeutungen der
Zei~~en,
und nur sofern die
Zeichen gedal'J;:liche A'.Jbilder fixieren, Träeer von Bedeutune sind, dienen sie den lIenschcl1 im 3rl-:::enntnis- und KOLl!IIU:'lil:ationsprozeß.
I~re:m
"lesen
nac.l'l sind die Zeichen also ein Ei ttel des abstrahierenden, verallgemoinernden 3rkennens, das nur im Ra:.men des geDellschaftlichel'l IComm.nikations-
prozesses realisiert weräen kann. Außerhalb dieser ~rlcermtnistütigkei t
l::enntnio- und
bewuß-~en
oenschlichen
besi ben die Zeichen keinerlei gesellschaftliche Er-
I~oI:!t..""llU~'!il:ationsf1.l!l1:tion,
Ul'1.d das heißt, ul:.abhängie
VOIl
mensch-
lichen Bevm.ßtcein Libt es keine Zeichen,,1 33 • ;;ru1 wäre wir1dich gespannt, wie Grt,ßer zu dieser V"erabsolutierune der i1:01'1isc11e1'1 furoJ;:tion des Zeichens
127 128 130 131
Ders., V/ort Gottes 15. Ogden-Richards, Menaning 11. 129 Via, Gleichnisse 72ff. L. o. RESUKOW, Erkenntnistheoretische Fragen der Semiotik. 1968. A. SCHDUDT (Hg.), Beiträge zur marxistischen Erkenntnistheorie. (es 349) 1969, 194-265. 132 Resnikorr, aaO. 256, im Original zT. kursiv. 133 Ebda. 29.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft
212
steht, wie er also die marxistische Semiotik in der Auseinandersetzung mit Charles Sanders Peirce' (1839-194) pragmatistischer Semiotik 134 beurteilt. Wir können nämlich nicht annehmen, daß dem Theologen die bloße Beschäftigung mit solchen G:rundlagenfragen um der "Sache" der Theologie willen verboten is'~;
eine theologische Hermeneutik wäre sonst wal.rlich eine armselige Ange-
legenheit. Kein Wunder, wenn die Theologie unter diesen Umstä.'lden kaun hlithalten ka.'1n und - unseres Wissens - bisher kaum Beiträge zu diesen Fragen geliefert hat, wenn sie in der Schleiermacher-Herhleneutik-Tradition stecken blieb. 1.5.5.6.2. Die zweite ist die semiotische Position einer positivistischen Erkenntnistheorie 135 • Sie ist zwar wegen ihres Positivismus der natürliche Gegner der marxistischen Semiotik 136 , aber sie teilt mit der marxistischen Semiotik die Verabsolutierung der ikonischen Funktion des Zeichens, wie der Historismus beweist: "Texte" sind Zeichen für 'Objektive' ("Tatsachen"!) oder 'subjektive' ("Gedanken", "Einbildungen"!) "Ereignisse"; die 'historisehe' Eethode hat da..-rum aus den "Texten" zu erheben, "wie es gewesen ist" (Leopold von Ranke). Bei Herbert Spencers sozialdarwinistischer, evolutionistischer Sprachtheorie 137 , die mit ihren evolutionistischen Gesetzen der historischen Priorität des Einfacheren, Kürzeren, Isolierten vor dem Komplexeren, Längeren und Aggregierten die Formgeschichte de facto entscheidend beeinflußt hat 138 ,kann man sehen, was bei dieser positivistischen Semiotik herauskommt, nämlich genau das, was Gräßer als DOgma der Priorität der gesellschaftlichen Strukturen attackiert 139 : Die secl1s Typen von gesellschaftlichen Institutionen (häusliche, zeremonielle, politische, kirchliche, professionelle und industrielle) schaffen in langsamer Evolution nach den genalh'lten 3volutionsprinzipien verschiedene zeichensysteme, ua. die Sprache, wobei als Hauptfaktor der Evolution die Arbeitsteilung anzusetzen ist. Kein Wunder, daß der Marxist Igor Sergejewitsch Kon diese Konzeption keineswegs pauschal ablehnt 140. Für die heutige Frontstellung um die 'historisch-kritische' Methode ist bezeichnend, daß in der Theologie diese erkenntnistheoretischen Fragen kaum behandelt werden, während sie in der allgemeinen Philosophie heftig umstritten sind. AngeSichts dieses Tatbestandes ist die "theologische" Ruhe durchaus trügerisch. 134 135 136 137 138 139 140
C.S. PEIRCE, Schriften I+II, hg. v. K.-O. Apel. (Theorie 1) 1967/70. A. COI'ITE~ Rede über den Geist des Positivismus, hg. v. I. Fetscher. (PhB 244) 2. Aufl. 1966. A. NEUBERT, Semantischer Positivismus in den USA. 1962; I.S. KOU, Der Positivismus in der Soziologie. 1968. H. SPENCER, First Principles. (1862) Reprint 1966, 256ff. 279ff. Güttgemanns, Offene Fragen 200. Gräßer, Herausforderung 235. Kon, aaO. 22ff.
Theologie als sprachbezogene Wissenschaft 1.5.5.7. Die erkel1-lltnistheoretisch-semiotische Basis der
213
"~extlinguistik"
und damit auch unserer Konzeption einer "linguistischen" Theologie lautet dagegen: Das sprachliche Zeichen ist konsequent funktional zu verstehen. Der "Text" ist danach ein "Medium sprachlicher Korrelation zwischen 'Sender', 'Empfänger' und 'Gegenstände und Sachverhalte!,,141 Das 'Heinen' des "Textes" ist erkenntnistheoretisch als Transzendentalität des sensus zu begreifenJ "Indem das Kunstwerk sich in seiner letzten Absicht nicht zeitlich begrenzen lassen will, sondern immer von neuem sich darstellt, einen empfangsbereiten Sinn sucht und wirken möchte, ist es im stärksten Maße auf Renaissance und insofern auf Aktualisierung angewiesen" 142. Diese Faktoren werden von der Rezeptionsästhetik bedacht. Das '11einen' des "Textes" ist als "triadisches
Fun1;:tions~
zwischen 'Sender', 'ill!lpfänger' und 'Gegenstände'"
zu explizieren: "Die linguistisch zureichende Explikation des 'Eeinens' darf weder dem Subjektivismus der monistischen Konzeption (sensus litteralis im Historismus) noch deEl Objektivismus der dyadischen Konzeption (sensus litteralis in der Offenbarungstheologie) überlassen werden; vielElehr muß sie als lebendiges und geschichtlich stets in Bewegung bleibendes triadisches FUnktionsfeld expliziert werden (sensus litteralis als apriori offen für den sensus plenior). In gewisser Weise würde so das Phänomen des
'Meinens' mit dem sprachlichen Zeichen selbst identisch, weil eben transzendentalphilosophiscD der quasi 'unsprachliche Gegenstand an sich' entfällt. Indem man das 'Ueinen' Elit dem "Text" identifiziert, an dem die Aspekte 'Sender', '~:mpfänger' und 'Gegenstände' infolge der funktionalen Kommunikationssituation "in gleicher Weise teilhabe:1, wird iB Falle der biblischen 'Texte' der theologische ':;''ceget auf die Objektivation der li ttera selbst verwiesen, die signUB eines sensus ist, an deB funktional Autor, Leser und theologischer 'Gegenstand' in gleicher Weise teilhaben. Damit ist einer -historistischen Konzeption vom sensus litteralis als einer sprachfunktionalen Einseitigkeit die
lin~listische
Grundlage entzogen; zugleich aber ist
ein sprachtheoretisches Modell vorgezeichnet, das die berechtigten lliomente der Her.neneutiken von BARTH und BULTIWrrT zwar aufnimmt, aber zugleich auf-
141 Güttgemanns, Probleme 26. 142 P. BÖCKMANN, DVjs 9. 1931, 467.
Theologie als sprachbezogene Wissenochaft
214
hebt, also seinen Standort in AufnaIlDle und J.lodifilcation dieser Hermelleu tiken sucht,,143. Diese Fo=lierungen von Erhardt GÜTTG3i.W:I'TS liegen seit dem So=er 1970 gedruckt vor, ob..."le daß Gräßer oder a.-'1dere Gegner der "linguistischen" Theologie bisher dazu Stellung geno=en hätten. Dieses Schweigen steht zu unserer Subsumienlng unter den Generalnenner der "Theologie der Revolution" in einen merkwürdigen Gegensatz.
1.5.5.8. Die textlinguistische Frage ist dem Phänomen "Text" gegenüber adäquater als die historisch-kritische Frage her}:ö=licher Provenienz, wenn gilt, "daß jede Erkenntnis mittels der l1ethode, die sie sich wählt, ihren Gegenstand konstituiert,,144. Dem Phänomen "Text" ist diejenige i.Iethode adäquat, die primär nach dem "Te;ct" selbst als einen linguistischen Phänomen fragt, ihn also als Sprache wahrnehmen will. Das Erkenntnisinteresse der "Textlinguist; k" ist auf den
lI~ex:t" ~ IITex~"
der t1Text" nicht be'WUßt dur eil a.ndere Daten
ersetz-~
ger:tchtet, so d8.ß
wird. Es soll uns beYn.lJ3t
werden, was überhaupt ein "Text" l.:;j; vrj_r wollen nit unserer "textlinguistischen" Frage die "Textualität" des "Textes" -oder die "Li-Geraturhaftic;l:eit" der Literatur im Sinne der russischen Formalisten 145 erkermen. "Textuali tät" ist das, was eine Rede zum "Textll~; "Literaturnaftigkeit 'l (russ.
literaturnost') ist das, was eine scl'1riftliche Rede zur "Literatur U ~. Wir wollen prj_mär wissen, was eine ntl Denn das, was sie
nur das
~,
Gatt-ung
1::::i,
ist abl1äng:Lg davon, was sie
"zeigenlI, was in sein
Zeic~1.en-Sei!J.
nicht Vlas sie sagt. ~.
:Sin Zeichen J::ann
eingeganGen oäer durch sein-
ZeichGn-Sein lronsti tuiert ist.
1.5.5.9. Die historische Frage herkömmlicher Provenienz fragt dagegen nach dem hinter dem "Text" stehenden "Ereignis", so als ob dies quasi ohne "Text" überhaupt 'gegeben' sei. 'Gegeben' sind für die Historik aber immer nur "Texte", nie die "Geschichte" selbst, die ein wissenschaftliches Konstrukt aus den "Texten" ist. Man kann diesen Sachverhalt sehr leicht an dem Verhältnis von Formgeschichte und Linguistik deutlich machen 146 •
143 144 145 146
Güttgemanns, aaO. 26f. Sauter, Methodenstreit 27. V. ERLICH, Russischer Formalismus. 1964, 190. Diesen Zusammenhang habe ich bereits oben S. 142ff ausführlich behandelt.
Generative Poetik
215
2. Ansa-Gzpunkt und Gru.ndprinzipien der "Generative!, Poetik des UT"
2.1. Der Ansatzpunkt der neuen lIethode 2.1.1. Das prag:r:Iatische Ziel unserer neuen Methode läßt sich nicht in die Alternative zVlingen, eine iKethode kö=e "bestenfalls zum Verständnis eines ·l'extes helfon, nicht aber das Einverständnis zu seiner Wahrheit erzwingen,,147. Diese Alternative ist schon deshalb innertheologisch-her~eneutisch fragwürdig, weil nach Ernst Fuchs das existentielle Einverst?indnis die Voraussetzung des Verstehens ist 148, so c:.aß "Verstehen" und "Einyerständnis" nicht
Z\.1
trennen sL'ld. ;-Ie= hier schon eine Alternative aufgestell t wird,
da."lIl nur die zwischen "Verstehen" (Tradition der Schleiermacher-He=eneu~Gik) und Deskription: E..1:te man etwas "verstehen" kann, muß Dan es zunächst einmal deskriptiv analysiert und besclu'ieben haben. 1'ian muß zunächst einmal erfassen, worun es sich handelt, ehe man sich "verstellend" mit ihm identifizieren
2.1.2. Das pragmatische Ziel unserer neuen Hethode erweckt durchaus nicht "den
Eindruc..~,
als sei über die Verständigung hinaus auch noch das Einver-
ständnis (die :8ntsc::leidung des Glaubens) nethodisch regulierbar und also ein rationales Kalkül, das mit Hilfe der Soziolinguistik usw. machbar sei" 149. Denn angesichts der falschen Alternative zwischen Verständigung und Einverständnis erklären wir: Terti= datur. niemand wird da.ruLl in unseren AusfiL.'1rungen Gräßers "Eindruck" belegen können. 2.1.3. Dieses Tertium ist die Spracherlerntheorie. In ihr gibt es heute für den Linguisten nur eine echte Alternative: man ist entweder linguistischer Behaviorist 150 oder man ist Vertreter der Generativen Transforillations-
grarrrr~atik151. Abgesehen von der theoretischen Stärke der letzteren Position gegenüber der ersteren, auCrl unsere Gegner werden wohl kaum die behavioristische Spracherlerntheorie wählen, weil sie allen ihren Dogmen widerspräche. rio die strilde Gültigkeit von sprachlichen Verhaltensmustern und si tuati yen Lernanreizen behauptet wird, da dürfte ein Vertreter der "kerygmatischen" Theologie kaum Verbündete suchen. Polglic..'J. korn:1t für uns alle nur die Spracherlerntl1eorie der GTG in Prage.
147 Gräßer, Exegese 38. 148 FuChs, Ges. Aufs. 111, 151. 149 Gräßer, aaO. 150 J. F. HALL, Learning as a Function 01' Word Frequency. Americ. Journ. Psych. 67. 1954, 138-140; B. F. SKINNER, Verbal Behavior. 1957. Vgl. oben S. 59 Anm. 4. 151 Vgl. dazu oben S. 1011'. GTG = Generative Transformationsgrammatik.
216
Generative Poetik
2.1.4. Deren Hauptfrage lautet: Wie erlt:lärt sich linguistisch die Fähigkeit eines Menschen, zB. eines kleinen Kindes, zuvor nie gehörte und von ihm gesprochene Sätze oder "Texte" selbst aktiv zu "erzeugen" oder passiv zu "verstehen" (dh. nachzuerzeugen)? Antwort: Der Sprech- und Verstehensfähigkeit muß eine "Kompetenz" zugrunde liegen, die aus eineo. endlichen Reper~
(Wörterbuch + Syntax) die unendliche "Performanz" einer besti=ten
Sprache erzeugt. Spracherlernung ist also die Gewinnung der Kompetenz, um aus ihr Per:formanzen zu erzeugen (vgl. oben S. 192 unter 1.3.4.2.2.). 2.1.5. An unsere Kritiker haben wir in diesem Zusammenhang drei Fragen zu stellen: 2.1.5.1. Kann mall die griechische Sprache des l'TT in dem obigen Sinne ~?
Kann man also eine
Koin~-,Sprachkompetenz
~
gewinnen, um aus ihr "Texte"
zu erzeugen, die von den ntl. nicht zu unterscheiden sind? Diese Frage stellt sich ernsthaft. Denn nur wenn Dan zu dieser Generation fähig ist, kann man die ntl. "Texte" im Sinne der Schleiermacher-Hermeneutik
"verstehen": l:.!an versteht sich auf die griechische Sprache des HT (Performanz-"Text"!), wenn man sie sprechen ka."ln, wenn =n also neue griechische "Texte" des UT (Kompetenz-"Texte"!) erzeugen kann. lJur wenn man zu dieser Erzeugung fähig ist, kann man auc!1 "verstehen", wie die Urchristenheit die ntl. Performanz-"Texte" erzeugt hat (vgl. oben S. 197f unter Punkt 1.3.4.4.). 2.1.5.2. Kann man die deutsche Alltagssprache von 1971 in dem obigen Sinne erlernen? Diese Frage stellt sich nicht ernsthaft, weil sonst niemand Deutsch sprechen könnte. Daß wir die Frage trotzdem stellen, geschieht um der Verdeutlichung des Tertium willen. 2.1.5.3. Kann man die ubersetzung aus der Griechischen Sprache des HT in die deutsche Alltagssprache erlernen? Diese Frage stellt sich wieder ernsthaft. Denn "Übersetzen" heißt linguistisch und auch für die traditionelle Hermeneutik keineswegs, Wörter der griechischen Sprache des lTT durch Y/örter der deutschen Sprache ersetzen 152 • Auch das Übersetzen von griechischen Performanz-"Texten" des NT in deutsche ?erformanz-"Texte" des Jahres 1971 beruht auf einer "Text"-Erzeugungs-Kompetenz, die eine recht komplizierte Interferenz der griechischen und der deutschen Sprachll:oßpetenz dar-
152 Zur linguistischen Übersetzungstheo~ie vgl. U. WEINREICH, Languages in Contact. (1953) 6. Aufl. 1968; F. GÜTTINGER, Zielsprache. 1963; E. A. NIDA, Towards a Science of Translation. 1964; J. C. CATFORD, A Linguistic Theory.of Translation. 1965; M. VlANDRUSZKA, Interlinguistik. (Serie Piper:) 1971.
217
Generative Poetik stellt: Bei der tlbersetzung werden "Texte" erzeugt, deren Sprachbasis die deutsche Sprachkompetenz ist, deren "Material" oder Struktur dagegen aus den Performanz-"Texten" genommen wird. lhe ist eine solche Interferenz zu erlernen, dh. wie ist die IIlUttersprachliche Kompetenz durch die fremdsprachliche Kompetenz zu erweitern oder auf eine höhere Stufe zu stellen? 2.1.6. Alle drei Fragen hängen also untereina..1'lder zusammen. Wir können
uns nicht vorstellen, daß unsere Kritiker oder sonst irgend jemand die Fragen verneint. Steht aber fest, daß man eine Kompetenz mit drei Aspekten gewinnen kann, dann IIlUß es auch möglich sein, aus der gleichen Kompetenz die übersetzende Transformation der biblischen Performanz-"Texte" in unsere heutigen Kompetenz-"Texte" (zB. die Predigt!) zu erzeugen, also den Weg vom "Text" zur "Predigt"
linguistisch kontrollierbar zu
gestalten. Der methodologische Knotenpunkt der "linguistischen" Theologie (vgl. oben unter Punkt 1.3.4.3.3.), nämlich die Frage, wie man vom biblischen Performanz-"Text" zu unserem Kompetenz-"Text" kommt, hängt also mit der Spracherlerntheorie der Generativen Transformationsgrammatik .zusam~.
Sollte jemand der Meinung sein, eine solche "Text"-Kompetenz sei
überhaupt nicht zu gewinnen, dann wäre er zu fragen, welchen Lerneffekt der griec.l-J.ische Sprachunterricht in der Theologie und die herkömmliche Hermeneutik
(inklusive Exegese und Ii!editation) in bezug auf den Weg vom
Taxt zur Predigt hat. Ist hier nämlich gar nichts zu lernen, wozu dann noch wissenschaftliche Theologie, gleich welcher Spielart? Die von uns gestellte Frage stellt sich also jeder wissenschaftlichen Theologie, nicht bloß der "linguistischen" Theologie. 2.1.7. Diesem
~
bei der Spracherlerntheorie und bei der Erlernung einer
"Text"-Kompetenz könnte man nur dann widersprechen, wenn man 2.1.7.1. die Glaubens-Haltung des Predigers zur raethodischen Voraussetzung
seiner Predigt macht, 2.1.7.2. die GlaubeEs-Haltung der ntl. Autoren in allen biblischen "Texten" gegeben sieht, 2.1.7.3. damit die "Sprache des Glaubens" der Erlernbarkeit entzieht 2.1.7.4. und somit eine hermeneutica sacra vertritt. Denn nur so ließe sich behaupten, daß sich die "Text"-Erzeugungs-Kompetenz der entzieht.
Erlern~
218
Generative Poetik
2.1.8. Die "Generative Poetik des NT" fragt anhand der ntl. PerformanzPhänomene nach derjenigen linguistischen Kompetenz, die die ntl. "Texte" erzeugte.
Diese Frage ist eine rein textlinguistische, dh. eine textsyntag-
matische, textsemantische und textpragmatische, also nur mit spezifisch linguistischen Methoden zu lösen. Wir sehen nicht, wieso diese Frage aus "theologischen" Gründen verboten sein soll, wenn jede andere analytische Frage an die Texte gestattet ist. Mit welchen Fragen an die ntl. Performanz-"Texte" die Frage nach der ntl. "Text"-Kompetenz zu beantworten ist, soll unter Punkt 2.2. gezeigt werden. Hier soll zunächst gezeigt werden, inwiefern die "Generative Poetik des HT" die nötigung vom Text zur Predigt in derTheoriebildtmgsebene adäquater beschreibt (vgl. oben S. 201 unter Punkt 1.4.5.). 2.1.9. Hat man nämlich die Prinzipien der "'fext"-Konstitution des UT erkannt, die nach "Gattungen' zu unterscheiden sind (vgl. unten unter Punkt 2.2.2.), dann muß es möglich sein, mit Hilfe der strukturalen Universalien der verschiedenen Kompetenzen sowohl für
di~
verschiedenen Performanzen
der griechischen als auch der deut schen Sprache auch heute die Kompetenz der transfor:nierenden Übersetzung der biblischen Performanz-"Texte" in unsere heutigen Kompetenz-"Texte" zu erlernen. Denn der Weg "vom Text zur Predigt" ist nichts anderes als eine methodisch kontrollierte Transformation des griechischen Performanz-"Textes" in unseren deutschen Kompetenz"Text". Die linguistische Forschung der "Generativen Poetik" ist deshalb ein unmittelbarer Beitrag für die Praktische Theologie, weil die strukturale Erkenntnis es ermöglicht, Performanz-"Texte" kontrollierbar in Kompetenz-"Texte" umzusetzen. 2.1.10. Dabei gestatten die strukturalen Universalien auch eine Sprach-
~, zB. durch die Erweiterung der Kompetenz 153. 1.2.10.1. Bei jeder "Übersetzung" eines griechischen "Textes" in einen deutschen "Text" findet eine 'rransformation statt, weil in zwei verschiedenen Einzelsprachen die strukturellen Faktoren niemals völlig gleich sind. VieDuehr ändert sich mit der Veränderung eines einzelnen Elements eines Sprachsystems auch das gesamte Struktur-Gefüge der Einzelsprache, weil diese Struktur das Zusammenspiel der Strukturwerte (valeurs) der Einzelelemente ist 154.
153 J. H. GREEUBERG (Ed.), Universals of Language. (1963) 2. Aufl. 1968. 154 De Saussure, Grundfragen 132ff; U. Weinreich, op. cit.
Generative Poetik
219
2.1.10.2. Sobald die Übersetzung eines "Textes" in einen anderen "Textil nicht nehr intuitiv, sondern linguistisch kontrolliert vorgenommen wird, muß man prüfen, ob durch die übersetzende Tr&~sformation die Strukturvlerte der Einzelelemente des einen "Textes" innerhalb des Strukturgefüges des anderen "Textes" geändert werden oder nicht. Es handelt si eh bei dieser Prüfung um eine textlinguistische Analyse von Textpaaren; das Interesse richtet sich "auf einen Grundbestand an zu übersetzender InfoI'l'lation und auf die Frage, wie weit eine originale Textbildungsnorm in den Text der Zielsprache übertragen werden ksnn,,155. Auch die Kompetenz der Übersetzung ist also textlinguistisch zu prüfen (vgl. oben unter Punkt 2.1.5.3.). 2.1.10.3. Nicht alle Veränderungen von Strukturwerten haben das gleiche Gewicht. l!immt man näml.l.ca mit Zellig Sabettai Harris die Existenz von paraphrastischen Transformationen an 156, dann hätten diese nicht die Funktion, die Tiefenstruktur des "Textes" zu verändern; sie wUrden lediglich die Oberflächenstruktur des "Textes" betreffen. Geht man andererseits. von der Veränderung von "Texten" aus, also von den auf der "Oberfläche" greifbaren Transformationen, dann ist der heuristische Verdacht ernsthafter anzusetzen, eine "Textil-Transformation werde vermutlich einen anderen "Textil erzeugen. 2.1.10.4. Bei jeder übersetzenden Transformation ist also zu prüfen, ob durch die "Übersetzung" ein a.'1c1_erer "Text" generiert wird. Diese Frage ist dann zu bejahen, wenn entscheidende Strultturwerte geändert werden. Eine solche Änderung wird bewußt zB. durch die Sprachkritik erstrebt. Diese I:IUß sich selbst fragen, welche Legitimität und Kontrollierbarkeit ihre "Text"Veränderung besitzt. 2.1.10.5. Diese Frage ist nur zu entscheiden, wenn man die linguistischen "Universalien" in die Überlegung einbezieht. Darunter versteht man diejenigen Faktoren, die in verschiedenen (oder allen) Einzelsprachen trotz Differenz der Struktur-Gefüge auftreten. Bevor methodisch kontrolliert "übersetzt" werden kann, ist also zu prüfen, welche Universalien der griechischen Sprache des NT und der deutschen Alltagssprache gemeinsam sind. Eine solche Prüfung ist nur mit spezifisch linguistischen Uethoden möglich.
155 Hartmann, Texte 23f, im Original kursiv. 156 Plötz, Operationen 19ff.
220
Generative Poetik
2.1.10.6. Die Kontrolle wird auch zu prlifen haben, welche diachronischen Veränderungen, zB. im Wortschatz (=le~:ematisches Repertoire) oder in der Gesellschaft ('" kulturanthropologischer "Kontext") oder auch in der JIlledialität der verwendeten Zeichen, die semantische Funktion des "Textes" heute verändern werden. DEUllit ist die gesellschafts- und medienanalytische Kritik in das nepertoire der operationalen Proben der "Generativen Poetik" einbezogen: Unsere "linguistische" Theologie ist kein Fetischismus von Performanz-"Texten". So gewiß das primäre Woher von Theologie historisch der biblische Performanz-"Text" ist (vgl. unter funkt 1.4.6.) , so geVliß ist die semantische Funktion dessen, was heute für die Kompetenz von Sprecher/Hörer "Text" sein kann, durch die heute möglichen "Kontexte" bestimmt. Der "Text"-Begriff ist damit keine Bezeichnung eines bloß "verbalen" Phänomens; er bezeichnet vielmehr die strukturale Interrelation verschiedener Faktoren, deren valeurs sich diachronisch verändern können. Die entscheidende Frage der "Generativen Poetilc" ist daher, ob die Universalien oder sons-Gige Faktoren die Analogie ("Identität!) des biblischen Performanz"Textes" und des heute möglichen "'1'extes" herstellen. Die Beantwortung dieser Frage ist die Kardinalaufgabe für die Forschung.
2.2. Grundprinzipien der "Generativen Poetik" 2.2.1 Die "Generative Poetik" geht wie die "Textlinguistik" von dem linguistischen Primärzeichen "Text" aus. Unser Axiom lautet also nicht - wie uns einige Kritiker unterstellen -: "sola structura", sondern: "sol= textum". Peter Hartmann, der JIllitbegründer der "Textlinguistik" in Deutschland, definiert: "Der Text ••• bildet das originäre sprachliche Zeichen. Dabei kann die materiale Komponente von jedem sprachmöglichen Zeichenträgermaterial gebildet werden,,157. "Sprache kommt nur als Text vor, indem funktionsgemäße und funlctionsgerechte Xomplexe (Zeichenmengen) geäußert werden,,158. "Ausgangspunkt einer Phänomenologie des linguistischen Objekts ist die Texthaf'tigkei t des originären sprachlichen ZeiChens" 159. "was einen (bestimmtell) Text
157 158 159 160
ZUr:l
DE.ZU
muß man herausheben,
(bestimmten) Te::t macht;' 160.
Hartmann, aaO. 10, im Original kursiv. Ebda. 11, im Original kursiv. Ebda. 12, im Original kursiv. Ebda. 21.
Generative Poetik
221
2.2.2. Die "Texte" können nach Textgattungen klassifiziert werden 161 : "Text gattungen werden als spezielle Aussage- oder Textbildungsweisen erscheinen, die unterschiedlichen Normen genügen; sie werden damit zu Erscheinungen der Sprachverwendung im Bereich eines bestimmten (Teil-) spraChSys"Gems,,162. Solche. Normgefüge von "Text"-Gattungen hat die herköJIDD.licl1.6 Formgeschichte"im Ansatz vernDltet und teilweise entdeckt. In bezug auf die Gattungsforschung allgemein kann man sagen: "Die Gattungen in der Literatur sind, in textlinguistischer Hinsicht, zu besonderen Kunstformen d.h. zu Textformen zur Aufnahme kunstwertiger Sprachproduktion - erklärte 163 -.ron Textbildung bzw. von Sprachverwendung" •
und gewordene Vorkommen
Der Zusammenhang von "Textlinguisti..1J:" und herkömmlicher Formgeschichte ist evident. Damit die methodologischenSchwächen der Formgeschichte (vgl. unter Punlct 1.5.5.9.1. bis 1.5.5.9.6.) vermieden werden, setzt unsere neue Methode dezidiert struktural an und nennt sich zur Unterscheidung von der herkömmlichen l!Iethode "Generative Poetik". Sie fragt nach den Phänomenen, die eine ntl. Gattung zu dieser bestimmten Gattung machen,
a~e a~e
Gattung als Gattung konstituierelJ. Die Gattungskonstituenten 164 nennen wir "Texteme,,165. 2.2.3.
l~
ßluln zwischen syntagmatischen, paradigmatiscnen und supraseg-
mentalen Textemen unterscheiden. 2.2.3.1. Syntagmatische Texteme können u.a. sein 2.2.3.1.1. die syntaktisch unterscheidbaren Satzarten 166 • So hat Erhardt GÜTTGElMI'l1IS etwa für Lk: 11, 5-8 nachgewiesen 167, daß der Fragesatz syntagmatisches Textern des betreffenden Gleichnisses ist, das den Lexemen ihre semantische Funktion verleiht; der Schiller unseres Mitwirkenden Prof.
:ur
Dr. G. Johannes Botterweck, Ylolfgang Richter, hat katholischerseits ähnliche Beweise für atl. Gattune;en geliefert 168 • Die Behauptung unserer Kritiker, es gebe bisher keine analytischen Beweise für unsere neue Methode ist schon seit Jahren eindeutig falsch und widerlegbar; sie kann sich nur dort halten, wo man die Literatur zum Thema nicht kennt.
161 162 163 164 165 166 167 168
Lit. vgl. oben S. 79 Anm. 115. Hartmann, aaO. 22f, im Original kursiv. Ebda. 23. R. Ia:.OSPFER - U. ommn, Sprachliche Konstituenten moderner Dichtung. 1970. W. A. KOCH, Vom liorphem zum Textem. 1969. Dazu Güttgemanns, Linc;Dibl 3. 1971, 16ff. E. GÜTTGEMAlrnS, Struktural-generative Analyse der Parabel "Vom bittenden Freund" (Lk: 11, 5-8). LingBibl 2. 1970, 7-11. Lit. oben S. 100 Anm. 11.
222
Generative Poetik
2.2.3.1.2. Die Sprachfu_1'lktionen der Satzarten, die man zunächst mit Karl Bühler grob einteilen 169 und mit Ro=n Jalc:obson verfeinern }:ann (unter Punkt 2.2.5). 2.2.3.1.3.
Syntag;~eme,
dh. syntaktisch zueinandergehörige oder verbundene
Lexeme oder Eorpheme, a.lso ':iörter oder grammatische l'htlzlOuene. 2.2.3.1. 4.
~::;
ist erwiesen, daß die syntal>:tische Bedeutungsmatrix die se-
mantische Funl:tionalität aller anderen Faktoren konstituiert 170 • Darum sind die syntagmatischen Fragen die wichtigsten Fragen (vgl. oben S. 207 unter Punlct 1.5.4.). Dai::tit ist analytisch erwiesen, daß die Analyse nicht bei den taxonomisch eruierbaren Elementen einer Sprac:"le, sonQern bein ganzen "Text" einzuset zen ha-t. Die Fundierung der linguistischen Hierarchieebenen ist umzukehren 171: Iricht vom einzelnen Wort zum "Te:~t", sondern vom "Te):-t" zum i
einzelnen -;1 ort··
2.2.3.2. Paradigmat;sche 2.2.3.2.1.
~,
~exteme
können u.a. sein
dh. lexikalische Einheiten einer Sprache,
2.2.3.2.2. lexematische Strukturen, dh. Gliederungsmerlcnale der Lexeme, z.B. die lexikalischen Klassen, 2.2.3.2.3. Wortfelder und Bildfelder als Spezialfo= von lexematischen Struktl.lren, 2.2.3.2.4. und Syntagmatische Solidaritäten oder lexematische Syntagmeme, dh. syntaktische Kombinationen verschiedener Lexeme zu einer Si=-Einheit. Hier besteht der Ü'bergang zu 2.2.3.1.3. 2.2.3.2.5. Das leJ:eraatische Paradi4-..n, 3D. ein Yiortfeld,
bes.l~eht
aus Lexe-
men, die sewantisch zur gleichen Sinn-Einheit gehören. Die Lexeme werden i=erha.lb des Paradigmas generiert, indem die selllan-tischen llerlalale des Paradigmas, die ~172 durch Verknüpfungsregeln kombiniert werden. Die Seme sind die nicht mehr Vlortha.ft
[,Teifbaren seme.i1tißchen IJerl::rnale, die die
wortha.ft greifbaren Lexeme erzeugen. Das Paradig= ist die Iaasse aller Lexeme, die durch die gleichen Seme generiert werden. Die lexematische Gliederung des Paradigmas erfolgt zT. durch das Prinzip der Opposition. Der Klassenbegriff für ein Paradigwa heißt J.rchilexCQ; er ist das logisch primäre Lexem, das das ganze lexematische Paradif.,'llla anfUhrt.
169 170 171 172
Bühler, Sprachtheorie 356ff. 398ff. P. HART1Wnr, Syntax und Bedeutung !. 1964. Hartmann, Texte 18. Vgl. Greimas, Se~~tik 21f. 28f.
Generative Poetik
223
Beispiel: Das Archilexem "Uensch" fUhrt ein Paradigma von Gattungsbezeichnungen an. In dieses gehören zB. die Lexeme "1'fa.nn" und "Frau". Beide Lexeme werden durch die Kombination mveier Seme generiert, von denen eines opposi tionell strukturiert ist: "1,Tann" = männlic..i1er "Eensch" + aufsteigende Verwandtschaftslinie .1. "Frau" '" weiblicher "fdensc!:l" + aufsteigende Linie. Die Seme männlich .1. weiblich stehen in Opposition zueinander. Zur aufsteigenden Verwandtschaftslinie steht die absteigende in Opposition. lhre Kombination mit der Opposition männl.ich.l. weiblich generiert: "Sohn" = männlicher "1:lensch" + absteigende Linie ./. "Tochter" = weiblicher "Mensch" + absteigende Linie usw. Das linguistische Prinzip der Analyse von Paradigmen ist, das Feld auf möglichst wenige Se~e zu reduzieren, deren Kombinatorik dann das g~~ze Feld generiert. Das Archilexem kehrt in allen Lexemen wieder; es wird nur mit verschiedenen Semen kombiniert bzw. indiziert. 2.2.3.2.6. Viele Phänomene des "Textes" sind aus der Kombination von Syntag: matik und Paradigmatik zu erlÜären. Dieses Ergebnis der Generativen Transformationsgrammatik lra..'11l so erläutert werden: einersei ts legt die Syntagmatik als syntaktische Bedeutungsmatrix die Stelle im Satz oder im "Text" fest, an der paradigmatische Phänomene sir~voll eingesetzt werden können. Andererseits legt der "Text"-Sinn fest, aus welchen Paradigmen Lexeme u.a. in
das Syntagma eingesetzt werden köllllen. Beispiel: Aus dem morphologischen tri-Tupel 1) Baum, Köter, nest, :DTorbert, Philologe, Almstik 2) bewlgstig, beschmutz, bewunder, schvdmm, verschling, 3) -t 17 können generiert werden 3 sinnvolle Texte, zB. J:!orbert beängstigt den Köter Der Köter verschlingt das 1Test Der Philologe bewundert Norbert Eorbert bewundert den Philologen Verschlingt der Köter das Hest? Diese
"'~exte"
werden durch syntagmatische Transformationen des n-!fupel
generiert.
Es können auch sinnlose "Texte" generiert werden, zB. *Norbert beängstigt den Baum *die Akustik beschllDltzt das Hest *der Köter verSChlingt die Akustik ifdie Akustik schwimmt den röter Die Sinnlosigkeit rührt hier nic~:t aus der Syntagmati}:, sondern aus der I'aradis=tlk: 3s v/erden Le."'l:eme kombiniert, deren Sene verschiedenen Paradigsen ~ngehören b~{. verschiedene lexematische Paradi~en konstituieren. '.leiter können sin."llose"Texte" generiert werden: *lTorbert der Baum beschmu:tzt *Der Köter Norbert beschmutzt *lTorbert der Köter beschmu:tz-c? Hier rü..:u-t die Sinnlosigkeit aus der SynJGagmatik.
173 Ich entnehme die Beispiele variierend Bechert-C16ment-ThUmmel, Ein:führung 53.
224
Generative Poetik
Bei der Generierung von "Texten" muß also die Kombinatorik von Syntagmatik und Paradigmatik beachtet werden.
2.2.'.'. Suprasegmentale Texteme sind solche Phänomene der "Text"-Konstitution, die nicht mehr anhand von Elementen greifbar sind. ZB. können "Texte" von der gleichen Konstitutionsart mit verschiedener Betonung und Intonation ausgesprochen werden 174 • Einige "Texte" können lediglich an ihrer Betonung· als Aussage, Frage oder Befehl erkannt werden. Ihre syntagmatische und paradigmatische struktur ist identisch; nur ihre Prosodik 175 unterscheidet sie. Diese Prosodik ist meist kein Index eines einzelnen Elements, sondern Eigenschaft des gesamten "Textes". Es ist Aufgabe der Forschung, diese suprasegmentalen Texteme näher zu spezifizieren.
2.2.4. Einige Textlinguisten orientieren ihre Analyse zu sehr an den Elementen, die durch die sog. taxonomische Einteilung des "Textes" in Segmente gefunden werden können. Dies ist die FOlge der Auffassung des "Textes" als "Kette",' dh. als funktionaler Verbindung von Elementen oder Zeichen, wie sie schon bei Louis Hjelmsley (1899-1965) vOrliegt 176 • Diese Textlin~istik orientiert die "Text"-Konstitution zu starlr an der Substitutionsprobe, durch die ein Element des "Textes" als durch ein anderes ersetzbar erwiesen wird 177 So haben auch wir in Loceum einen Vortrag von Klaus Brinker (Aachen) gehört, der die Textlinguistik zu einseitig an dieser Probe orientierte und damit den Zuhörern einen einseitigen Eindruck vom Annatz bzw. von den Ansatzmöglichkeiten der "Textlinguistik" vermittelte. So gewiß die Substitution ein gewichtiger Faktor der "Textil-Konstitution ist 178 , so wenig ist sie a priori als wichtigstes Textem zu unterstellen. Diese Annahme widerspricht nämlich der Hierarchisierungsrichtung der Textlinguistik (vgl. oben unter Punkt 2.2.,.1.4.), die vom ganzen "Text" aus die Elemente deduziert und nicht umgekehrt aus den einzelnen Elementen den "Text" als deren SUmme aggregiert. Darum orientieren wir unsere "Generative Poetik" stärker an der SprachfuDktionstheorie, weil zu vermuten ist, daß hier die suprasegmentalen Texteme eher greifbar sind und daß der "Text" nicht die lineare Fortsetzung hierarchieniedriger Phänomene ist.
174 H. A. GLEASON Jr., An Introduction to Descriptive Linguistics. (1955) ,. Aufl. 1970, 1'5. 175 Vgl. dazu G. HAMMARSTRÖM, Linguistische Einheiten im Rahmen der modernen Sprachwissenschaft. (Kommunikation und Kybernetik in Einzeldarstellungen 5) 1966, "ff. 176 L. HJELJIISLEV, Die SpraChe, übers. v. O. Werner. 1968, 115. 177 R. HARWEG, Pronomina und Textkonstitution. (Bh Poetica 2) -1968. 178 Vgl. Güttgemanns, LingBibl 2. 1970, S. ~ unter Punkt 2.1.2. und 3.2.
225
Generative Poetik 2.2.5. Roman (Ossipowitsch) Jakobson (*1896) unterscheidet sechs Sprachfunktionen, die er den verschiedenen Aspekten der sprachlichen KOlllDlUnika-
tion zuordnet, so daß Funktionsmodell und KOlllIilUnikationsmodell eine Einhei t bilden 179. Wir demonstrieren die Theorie an eü1er verbesserten Zeichnung.
Kontakt
KOllllllUnikations-
Phatisch
i Metasprachlich
Diese Zeichnung ist eine Srweiterung des KOlllIilUnikationomodells 180 , in dem das Sprachfunktionsmodell 181 in die Pole der Komcunikation eingearbeitet wird. 2.2.5.1. Ein "Sender" lmmmuniziert mit einen "Empfänger" durch einen "Text". Dieser Kommunikationskontakt ist im Sinne der Rezeptionsästhetik doppelseitig bzw. triadisch polariSiert (vgl. oben S. 213f unter Punkt 1.5.5.7.). 2.2.5.1.1. Der "Sender" setzt zwar einen "Text", um durch ihn mit einem "Empfänger" in Kommunikation zu treten. 2.2.5.1.2. Aber der "3mpfänger" lcann nur das als "Text" rezipieren, was seinem "Kode" und seinem "Kontext" entspricht. Dabei ist der "Kode" das ihm mit dem "Sender" gemeins8.'1le Sprachsystem, der "Kontext" die verbalen und 179 R. JAKOBSON, Lin~istics and Poetics; in: Style in SEBEOK. 1960, 350-377. 180 Dazu Güttgemanns, LingBibl 3. 1971, 2-14. 181 Ebda. 14-18.
Lan~age,
ed. Th.
Generative Poetik
226
non-verbalen situativen Elemente. "Kode" und "Kontext" müssen also "Sender" und "Empfänger" weitgehend gemeinsam sein, wenn ein Kommunikationslrontakt zustandekommen soll. Bei diachronischen 1ferände:ru.ngen eines Systems einGr :C:inzelsprache und bei der Übersetzung
einer Binzelsprache in eine a-nde-
all.S
re Binzelsprache ist a..'l.zuneh::ten, daß der Ko=nilretionsl;:ontakt wegen der in diesem j]'alle auto=tisch stattfindenden Transformation (vgl. ooen unter I"ilnl;:t 2.1.10.1) schwerer zusta.."lCiekommt. Hier ist nur der eigene "KoCie" und "Kontext" die Bedingung dessen, Vlas für ilm "Text" sein ka-1'lll. In jedem Falle findet zwischen "Sender ll , lIEmpfä.."""lger" und "Textil ein statt, inder.l IISender
"I(on"text ll
Ilit-~els
ll
und 113mpfänger
ll
siel:
in..~erhalb
\';'ec~lsell:onta1ct
einestlKodesllin eine:l
eines IITe::::::tes" verständigen, d..h. die
Verstä...~digung
im.
Austausch herbeiführen. 2.2.5.1.3. :,Jer "~ext" l;:ann als (etwa in der Schrift oder els Literatur)
objektiviertes linguistisches DatUlJ. auch av.f den "Sender"
zurii.ckwirken.
:3r ist dann eine selbstiindige Größe neben 1-md außer den "Sender", der zu
ihm in ähnlichen Kontalct trete!.1. ka..l')Il wie der lI::IDp:Z'änger ll ; er ist selbrj"t
zum lI:Jmpftineerrr e;eworden. Ist der "Senderll 2.1icht mehr vorhanden (z3. infolge von Tod
USYl.) ,
dann steht der"'-Ve::t" völlie objel:ti 'fiert da, 1-md
der "Empfänger" tritt mit ihn in
':rec!J.sell:ontak·~,
dh. ein
Aus·~ausch
findet
nur noch zwischen ihm und dem "Text" statt. 2.2.5.1.4. Jeder "Tc:::t ll bedarf zu seiner -CbertraZL1.l1s eineo
11
Xanals 11 , dh.
eines I.:::ediums, das ip..Il trägt. :8inen IITe::t Tl olme JJaut ocie:c Schrift oder Druck oder elel:trisches oder optisches
~~edium
e;ibt es
nic~1~.
lI~e::tll
und
IIr:'.-..nal!l btlden also eir:e :8inhei t, d~Le IIittel deo LOLEu::~ilt:2.tions~:ontal-:tes
ist. Da jeder "Kanal." die übertragene Infor=tion gerciiß seüler Kapazität formt 182, ist die !~cnalkapazi tät die 3edinßlJ.ng für die I'iöglic,:Ll:eit dessen, was in konl::reter.. KomnunikatioI!saJ::t IIText ll sein ka.'ln. Der lII:~extTl ist also
zwar das primäre sprc.chlicile Zeich(m; aber er ist solciles nur Lmerhalb eines "Kode " in einer;l "Kontext" rai t Hil:fe eines I'Kanals lf •
Spracl~funl:tione:1
terschciden, ~tE:.l:tion
zuordne:l.
l:önne::~
lObwohl wir
wir jedoch
~:au.IJ.
seCtlS
G:rUIldazpel:tc der Sprache
"'Tcroale 'l'e::te
nuaübel1.. Der Untersci1iccl r.;ri."L."1.det
182 Vgl. ebda. 13 unter Punkt 1.7.7.3.
nic!:~·;;
i:;.'J.
fi~dar..,
die :"1.ur eiTle
den Eonopol einer
U:l-
Generative Poetik
227
bestimmten dieser verschiedenartigen Funktionen, sondern in der verschieden artigen hierarchischen Anordnung der Funktionen. Die verbale Struktur eines Textes hängt primär von der vorherrschenden Funktion ab,183. Die Differenzierung U<"1.d Zuord'lung der Sprachfunlrtionen zu den Polen des Koomunikationskontaktes ist also so zu verstehen, daß die einem bestimmten Pol zugeordnete Funktion in einem bestimmten Falle die Prädominanz über alle anderen Funktionen besi tz-t. Letztere sind dann l:i ttel, um die prädominante Funktion zu unterstützen. l':Ia..11 k=n folgende Fun..1>:tionen unterscheide..'1. 2.2.5.2.1. Die "emotive" oder "expressive" Funktion entspricht Karl Bühlers "Ausdruck" (früher: "Kundgabe" ). In dieser Funktion dient der "Text" dem Ausdruck der Innerlichkeit des Senders "94 oder eines 'Verhaltens zu dem, worliber er spricht'. 'Das rein emotive stratum der Sprache wird durcll die Interjektionen dargestellt. Sie unterscheiden sich von den rätteIn der referentialen Sprache sowohl durch ihre Lautstruktur
als auch durch ihre syn-
taktische Rolle.' 'Die durch die Interjektionen dargestellte emotive Funktion unterliegt bis zu einem gewissen Grade allen unseren Texten, auf der phonologischen, grammatikalischen und lexikalischen Ebene. Wenn \'lir die Sprache vom Standpunkt der übertragenen Information aus analysieren, können wir die Reichweite der Informz:'.;ion nicht auf den kogni ti ven Aspekt der Sprache beschränken,18 5 • Die emotive Funktion des "Textes" liefert uns vor allem eine InforLlation über den "Sender"; sie ist "Sender"-orientiert. 2.2.5.2.2. Die "konative" Fun..1>::tion entspricht Bühlers "Appell" (früher: Auslösung"); sie findet ihren 'reinsten gra.m.-:Jatischen Ausdrl.l.clr im Volrativ und im Irr;.peratiY, die syntaktisch, morphologisch und oft sogar phonetisch von anderen nominalen und verbalen Kategorien abweichen. Imperativsätze unterscheiden sich grundlegend von Aussagesätzen: letztere sind der Wahrheitsfrage unterllorfen, erstere nicht' 186 • :Die konati ve Punktion des "Textes" ist vor allen
1I~~pi'ä.7),eerTl-orientiert.
2.2.5.2.3. Die "referentiale " Funktion entspricht Bühlers "Darstellung". Der "Text" ist hiel' den bereits sprachlich
konsti tUierten, geforulten
und geGliederten 'Gegenständen' (="Referenzen") zugeordnet, die für kompetente Sprecherir!örer einer Einzelsprache sprachlich erfaßoar sind. Diese selbst bereits sprachliche Referenz bildet einen "Kontext" von Einstellungen für "Senderll und nBmpfä..""lger li
183 184 185 186
Z'U.!'"!l
"Ref'erenten",dh. ZUL.'l Dezugsobjekt der
Übersetzt aus Jalrobson, aaO. 353. Vgl. Güttgemanns, aaO. 15 unter Punkt 2.6.2. Übersetzt aus Jakobson, aaO. 354. Übersetzt aus ebda. 355.
Generative Poetik
228
Referenz. lTur wenn für "Sender" und "Empfänger" der gleiche "Kontext" besteht, kann der "Text" eine referentiale Funktion haben. Die referentiale Ftmktion des "Textes" ist also "Kontext" oder "Referenz"-orientiert. 2.2.5.2.4. 'Es gibt Texte, die primär dazu dienen, die Kommunikation herzustellen., zu verlängern oder abZUbrechen, zu prüfen, ob der Kanal noch iil. Ordnung ist ••• , die Aufmerksamkeit des Partners zu erregen oder sich seiner andauernden Aufmerksamkeit zu vergewissern' (übersetzt aus ebda.).Ein solcher "Text" ist ntl. zB. das &'Ilf)v, A.~Y(j) l'J1li:'v ••• Dieser "Text" übt mit Bron:i.slaw Ms.linowski eine "phatische" Funktion aus; der Kommunikationskontakt wird hier durch den bloßen Austausch von Wö~tern und Sätzen her gestellt 187 • 'Die phatische Funktion der Sprache ist die einzige, die die Vögel mit den
~,!enschen
gemeinsam haben. Sie ist auch die erste von Kindern
erworbene verbale Funktion; sie sind stolz darauf, kommunizieren zu können, bevor sie fähig sind, informative KOmD~ikation zu senden oder zu empfangen 188. Die phatische Funktion des "Textes" ist also "Kanal" -orientiert. 2.2.5.2.5. Die "metasprachliche" Funktion eines "Textes" ist dann gegeben, wenn dieser ein "Text" über einen Text" ist, also zB. bei der wissenschaftlichen Rede der Theologie, die Rede über die Rede von Gott ist (vgl. oben S.207 unter Punkt 1.5.4.). Jeder wissens·chaftliche "Text" hat darum eine metasprachliche Punktion als Prädominante; es würde seinen Charakter verfehlen, die referentiale Funktion als prägend anzunehmen, wie dies oft unreflektiert geschieht. Diese Funktion beherrscht auch die Rückfragen eines "Empfäng~rs" an einen "Sender" infolge Nichtverstehens oder auch Fragen eines die Sprache Lernenden. Metasprachliche Sätze sind also zB. "Wie meinen Sie das?" "Was heißt das?" "Wie nennen Sie das?" usw. Diese Fragen prüfen, wie der (gemeinsame) "Kode" aussieht bzw. ob er besteht. Die metasprachliche Funlrtion des "Textes" ist also "Kode"-orientiert. 2.2.5.2.6. 'Die Einstellung zum Text als solchem, die Aufmerksamkeit auf den Text um sei:::er selbst willen, ist die "poetiscile" Funktion der Sprache.' 'Jeder Versuch, den Bereich der poetischen 1'unktion auf die Poesie zu reduzieren oder die Poesie an die poetische ~llnktion zu binden, \vürde eine irreführende Vereinfachung sein. Die poetische Funktion ist nicht die einzige Funlttion des Wortlrunstwerks, sondern ihre dominante, beherrschende Funktion, während sie in allen anderen verbalen Leistungen als eine untergeordnete,
187 B. MALINOWSKI, in: Ogden-Richards, Meaning 315. 188 tlbersetzt aus Jakobson, aaO. 356.
229
Generative Poetik
akzessorische Konstituente auftritt ,189. Dan Otto Via Jr. hat diesen wesentlichen Punkt an den Gleichnissen JeS1.l nachgewiesen 190: Die Parabeln Jesu sind reale ästhetisc..'1e
Objel~te,
bei denen der "Text"
len steht, also ein non-referentiale
=
seiner selbst wil-
poetische Funl::tion prädominieren läßt;
jede historistische Frage nach de"l "Sitz im Leben" ist darum eine Ver:cennUl1g der sprachfun}:tionalen Eigentümlichkeit der Parabeln Jesu und linguistisch widerlegbar. Danit ist bej_ einer ntl. Gattung bereits ein entscheidender Ansat:;
~alyse
durcn die "Generative Poetik" gewonnen; unsere
Analysen setzen aus diesem Gnü,de gerade bei dieser Gattung an. Die poetische Funktion des "'?extes" ist also "Text"-orientiert. 2.2.6. Der Grundansatz der "Generati ven Poetik" ist nun, daß die ntl. GattUl'lgen diese
Sprachfunl~tionen,
die ihrerseits Satzarten konstituieren,
nicht willL"Ürlich selel::tieren und kOI:lbinieren, sondern nac!l den die Gattungen normierenden "Te;:t"-Konstituenten 191. Die ForschUl1g hat also als Erstes herauszufinden, welche prädominanten Funh-tionen die einzclnen Gattungen lwnstituieren bzw. wie das Hierarchiegefüge der Funktionen bei den einzelnen Gattungen gestrÜtet ist. Da dieses Gefüge die malcrosyntal"tische matrix des "Sin:ls" oder der "Sinnll-I~öglicnl::eiten der betreffenden Gattung ist (vgl. oben S. 222 unter
2.2.3.1.4.), ist damit auch festgelegt oder zumindest
wahrscheinlichkeitstneoretisch prädisponiert, welche Pnänomene aus Syntagmatik und ParadißLlatik in der LIk'J.krosyntaktischen I!atrix der betreffenden Gattung auftreten können 192. Damit kölmen auch die Fragen nach den syntagJölatischen, lexematischen und suprasegmentalen Textemen (vgl. oben S.221 unter Punkt 2.2.3) ges"cellt und leichter beantvlortet werden. Es versteht sich von selbot, daß eine Topik der Gattungen automatisches Forschungsergebnis sein muß. Die "Gattungen" sind also zu verstehen als generative Phiinomene der aus SelektiOl: und KOlClbination von Sprachfunlct i onen besteha'1den "Textil-Kompetenz. 2.2 7. Die obigen
~
sind im Rahmen der "Generativen Poetik" natürlich
nicht nur an die biblischen Perfo:!:'manz-"Texte", sondern ebenso an die heutigen Kompetenz-"Texte" zu s".;ellen. Dabei ist zu prüfen, ob die übersetzende )Cransforma.tion (z3.: "Vom Text zur Predigt"!) die Textbildungsnorm der biblischen
PerforI!'",~nz-"~exte"
in den "Text" der Zielsprache linguistisch kon-
trolliert über-trc.gen kmm (vgl. oben 3.219unter PUnkt 2.1.10.2.), ob also die
189 übersetzt aus ebda. 190 Via, op. ci-t. 191 Güttgemanns, aaO. 17 unter Punkt 2.9.3. 192 Hö~'1n, Psychologie 84-114.
230
Generative Poetik
prädominanten Sprachfunktionen der biblischen Performanz-"Texte" auch unsere Kompetenz-"Texte" beherrschen müssen und können. Tritt hier nämlich bei der heutigen "Text"-Erzeugul'lg eine Transfomation ein, dann ist zu vermuten, daß dani t ein anderer "Text", dh. eine andere Gattungsstruktur genericrt Wird, die ihrerseits einen a."lderen "Sinn" generieren kann. :8s ist die Absicht der "Generativen Poetik des IlT", diese Tran::Jformation nicht intuitiv und ins Blaue hinein, sondern linguistisch kontrolliert vorzu.nehmen, um so aus der gelernten Kompetenz heute legi ti.llle
"Te:~te"
zu erzeugen. Wenn diese Kompetenz
erst einmal golem-!; ist, dann ist die "lTötigung von Text zur Predigt" (vgl. oben S. 201 un'1;er Punlct 1.4.5.) automatisch gegeben. Denn die "Text"-Kompetenz beweist sich nur darin, daß sie "Texte", aJ.so Performanzen, erzeug-1;. 2.2.8. Damit haben Vlir erstmals den ganzen Horizont unserer "linguistischen" Theologie als geschlossene Theorie und Konzeption vorgetragen, nachdem Einzelstücke aus ihr verschiedentlich niger Zeit
mündli~~
und schriftlich schon seit ei-
vorgetragen V/Urden. Wir haben zugleicl" unseren Fxitikern gezeigt,
daß wir nicht eine Verengung, sondern gerade die Universalität der !let hode erstreben. Wir möchten nun die I.eser bi-1;ten, unsere Konzeption erst eirunal arJla.~d
der von uns zitierten Literatur zu durchdenken und unsere Position
in Zukunft auf linguistischer Grundlage und mi"t professionellen Kenntnissen zu
kritisi~ren.
Auf eine rein "theologische" Kritik einer pseudo-autochtho-
nen Theologie werden wir in Zukunft nur noch eingehen, wo uns dies um der IG.ärung unserer Position willen unbedingt notwendig erscheint. Unsere Aufgabe ist zu groß, aJ.s daß wir uns weiter mit del.' ,iiderlcgung von Unverstand und Unkenntnis verzetteln könnten. Wir haben vielmel'lr die Pflicht, von uns und von allen Denkbereiten die höchste Anstreneung des Geistes zu verlangen. Auf das Hiveeu einer leichtfertigen Popularisieruns u_'-'ld Hivellicrung von wissenschaftlichen Differen::lierungen, die dal'lll in einer differenzierten Te=inologie ihren Ausdruck finden, können und wollen wir uns nicht einlasse. Unser NaLle ist ein wissenschaftliches Progra=: Linguistica Biblica!
STELLENREGISTER
(Angefertigt von Reinhard Breymayer; zur Anlage vgl. S. 238) ALTES TESTAMENT 6, 4 18, 10. 14 21, 1-7 21, 12 Ex 4, 22 19ff 23, 19 34, 26 Lev 18, 5 5ff Dt 10, 21 14, 21 27, 9ff 28, 69 - 30, 20 29, 3 30, 12 LXX 30, 12f 30, 13 LXX 30, 14 30, 14 LXX 32, 21 33, 17 33, 21 Jas 24 1 Reg 2, 3 1 Sam 2, 10 1 Kön 17, 1 17, 13. 17ff 2 K"ön 19, 21 Jes 5 6, 9f 10, 22f 23, 12 27, 9c 28, 16 29, 10 37, 22 40, 13 47, 1 53, 1 59, 20. 21a 59, 20f 60, 2 65, 1f Jer 9, 22f 9, 23 14, 17 46, 11 Hos 2, 1. 25 Joel 3, 5 Am 5, 18 Gen
19, 134 41 41 42 38 38 38 38 45 38 96, 163 38 46 46, 49 47f 45, 45 45 45, 46 45 45, 48 47 17 75; 77; 94 38 96 96 16, 108 20 9, 5080 111, 74 48 43 9, 50a 50 48 48 9, 50a 51 9, 50a 47 50 52 19 47 96 96 9, 50a 9, 5080 43 46 19
9, 11
Am
Hab
2, 4
Sach
2, 3 9, 1 12, 10ff Mal 3, 23 Ps 5, 12 LXX 19, 5 LXX 32, 1. 280 LXX 60, 9 69, 23f LXX 80, 3 94, 12 LXX 119, 18 LXX Hiob 34, 27 Thren 1, 15 2, 13 5, 18 Dan 1, 6 7, 13 Esr 8, 25 10, 14. 17 Chron 3, 24 16, 35 26, 28 29, 8. 17 2 Chron 1, 4 29, 36 2 Makk 15, 9 Bar 4, 12 Sir prol 13f 1, 27 3, 25 9, 16 10, 15, 17, 25, 33, 35, 38, 39, 40, 44, 45, 46, 50,
22 15 9 6 3 5f. 18 24 8 12 17 4 15 20
19; 19, 135 86; 90; 90, 153 16 15; 16 8 20 96, 163 47 57 16; 17 48 16 91, 154 91, 154 91, 154 9, 5080 9, 50a 22, 153 17, 115 19, 134; 19, 135 22, 154 22, 154 18, 117 96, 163 22, 154 22, 154 22, 154 22, 154 91, 154 91, 154 91 92, 156 126 91, 155; 96, 163 96, 163 92, 156 96, 163 96, 163 91, 155 91, 155 96 96 92, 156 91, 155 92, 156 92, 156 96, 163
Stellenregister
232
4 Esr 8, 36 äth Hen 71, 14 99, 10 101, 3 Test Dan 6, 10
15, 98
Pesiq 143 a 149 a
FRtlHJUDISCHE SCHRIFTEN
77 77 77 77 75; 77; 94
3, 19; 18,
Tanch Qorach 220b Tholdoth 35a
QUMRAN 1 Q S IX, 11 X, XI, Q M IV, 1 Q p Hab CD 6, 11 12, 23
23. 25 12 6 - 13, 1
12, 23 14, 18f 19, 10 19, 10f 19, 33f 19, 35 - 20, 1 20, 1
4 Q PB 3
12, 69; 16, 109; 21 77; 94 75; 77; 94 77; 94 78 16, 109; 21 11; 11, 64; 22, 156 16, 109;21 11; 11, 64; 22, 156 16, 109 11; 11, 64; 21; 22, 15 11, 63 11, 63 2; 2, 13; 3; 11; 16, 109; 21; 22, 156 16, 109
Tanch B Tholdoth § 20 Num R 13, 11 zu 7, 13 ( 170a)
33 14, 2 zu 7, 48
(l72b) Midr Ps 18 § 5 (69a) 29 § 2 (116b) 43 §
(134a)
Midr Spr 19 § 21 (44a)
TARGUMIM
Tg Hos 3, 5 Tg Sach 9, 1 12, 10 Tg Jer Sach 12, 10 Tg Jer Sach 12, 10 (Codex Reuchlinianus) Tg Cant 4, 5
7, 4
9; 9, 52; 31 9; 9, 52; 31 15, 100 6 7; 22, 156 22, 158 6; 10, 59; 22, 156 6; 10, 59; 22, 156
RABBINICA Mekh Ex 23, 19 Sifr~ deb~ Rab Sifr Dt 1, 1 § 1, 37 zu 1, 1
38 15, 98 2; 2, 13; 3; 3, 19 15; 23, 160
3, 19; 17, 115; 22, 159;
Midr Cant 7, 5 (127b) Seder Elij R 18 (97f)
Tg Jer I Ex 40, 11
118; 21; 22, 158; 33, 50 17, 114; 23, 160 3, 19; 9, 52; 17, 114; 23, 160; 33 2, 13; 18, 117
Aggad Beresch 63, 3 (44b) Aboth I, 2-18 Sanh X, 1 j SUk 55b, 39 b Suk 52a Bar
b BH 85b b Sanh 39b. 93b 96b 97a Bar
16; 17, 111. 114; 23, 160 3, 19; 33, 50 3, 19; 33, 50 3, 19; 9, 52; 18, 117; 22, 156; 33 3, 19; 17, 115; 22, 159 15, 98 3, 19; 18, 117; 20; 22, 156. 158; 23, 161 33; 33, 50; 22, 158; 3, 19 5, 27 52 2; 2, 13 22, 156, 157; 9, 52; 18, 117 33, 50 2, 13 22, 157 22, 157 19; 23, 161 2, 13;
33, 50 98a
22, 157 2, 13; 17, 116;
233
Stellenregister b Sanh 98a 98b/99a 99a
b 'Erub 43b Gebet ja'aleh wejabo'
18; 23, 161 Mt 22, 1 22, 157 22, 2-14 19; 23, 161 24, 27 2, 13; 17, 24. 43f 114; 18, 25, 1 118; 22, 25, 1-13 157; 23, 25, 1-17 160 25, 2 19; 22, 25, 14-30 157; 23, 161 25, 19ff 22, 156 Mk 3, 17 3, 24 4, 3ff 4, 3-9
NEUES TESTAMENT Mt
3, 5, 6, 7, 7, 7, 7. 7, 9, 10, 11, 11, 11, 12, 13, 13, 13, 13, 13, 13, 13, 13, 15, 18, 18, 18, 18, 21,
10 14 33 9-11 13f 16-20 24 24-27 37 16 16 16f 16-19 33-37 24. 25 31 31f 33 36-43 44 44-46 44. 45. 47 14 21-35 23 23ff 32 28ff
126 126 75 115 126 115 128 116; 130; 137 126 127 128 128 115; 128 115 128 130 128 128 110 128 116 130 115 116 128 134; 165 135 134
4, 4, 4, 4, 4, 4, 9, 12, 12, 12, 13, 13, 13, 13, 15, Lk 4, 5, 6, 6, 6, 6, 7, 7, 7, 9, 10, 10, 11, 11, 11, 11, 12, 12, 12, 12, 12, 12, 13, 13, 13, 13, 14,
10-12 13-20 26-29 26f. 31f 30-32 31 50 1-9 1-12 41 28 "33-37 34 34-37 16 23 39 39 43-46 47-49 48 31-35 32 41f 62 30-35 30-37 5 5ff 5-8 11-13 16-21 35-38 39f 42ff 42-46 54-56 6-9 18f 19 20f 7-11
128 129 127 115; 128 128 129 116 135 116; 165; 129; 134 135 14, 86 128 136 116; 129; 130; 139 107 110 139 128 128 128 128 129 116 14, 86 128 115 128 128 14, 86 126 126 115 115 116 128 115; 128 128 130; 134; 136 126 135 119 128 134 116; 221 115 119 115 115; 128 136 137 128 130; 139 128 130 128 130
Stellenregister
234 Lk 14, 7-14
14, 14, 14, 14, 14, 14, 14, 14, 15, 15, 15,
7-11. 12-14 12-14 16-24 25-33 28 28-33 31 34 4. 8 11-24 11-32
16, 1-9 16, 5-7 16, 19-31 17, 7f 17, 7ff 17, 7-10 18, 1-8 18, 1ff 18, 9ff 18, 9-14 19, 11-27 19, 12-27 19, 17-27 Joh 1 , 11 1 , 38. 41f 1, 41 4, 25 9, 11 , 19, 19, 20, Apg 7, Röm 1 1, 1,
7 16 13. 17 17 16 2-53 16a 16
1, 16f 1, 17
1 , 17b 1, 17. 18 1, 18 1, 1, 1, 2,
18ff 18 - 3, 20 32 5
115 137 130 129; 130 115 128 128 128 128 128 134 11Ei; 165; 150, 254; 129; 130 165 135 119 128 134 115; 128 129 134 134 119 116 129 165 14 13, 79 12, 73; 13; 13, 81 12; 15; 22, 159 13, 79 13, 79; 14 13, 79 14, 86 13, 79 57 89 40 38; 40; 51; 52; 53; 68; 73; 84; 86 40; 41; 44; 47; 50; 63; 83; 85; 98 40; 41; 65; 68; 73; 80; 82; 84; 87; 90; 98; 86 50 40; 68; 87; 90 89 50; 87; 40 50; 81 81
Röm 2, 2, 2, 2, 2, 2, 2, 2, 2, 2, 3, 3, 3, 3, 3, 3, 3, 3, 3, 3, 3, 3, 3, 3, 3,
9f 11 12 13 14f 17. 23 17-24 25-29 26 29 1f 1-4 1-8 2 3 4 5-8 5 5. 21. 22 5. 25f 9 9-20 14 20 21
3, 3, 3, 3, 3,
21-31 21f 22 27 28
3, 4 4, 4, 4, 4, 4, 4, 4, 4, 4,
29
4,
4, 4, 4, 4, 4, 5, 5, 5, 5, 5, 5, 5, 5, 5, 5,
1 2. 6. 14. 16 3. 5. 9. 11. 22 5 6 7f 9a 9-12 10 11 11b. 12 13-17a 15 24 25 1 5 6-10 7 9 10 11 16. 18 17 18
38; 53 87 65 53 96 53 42; 81 71 54 52 39 38; 39; 54; 54 54; 80 65 54 53 54 93 56; 80 40 41; 80; 46; 41; 56; 56 38; 36; 41 67 89 56 57 57 57 57 57 57 57 87 58 81 41; 71 67 65 92 92 97 81 66 81
52
53
40 54 96 80
58; 92 92 96 53; 92 56 57
92
235
Stellenregister
Röm 6, 1 6, 2 7, 1 7, 7 7, 7ff 8, 4 8, 9. 11 8, 12 8, 31 9-11 9 9, 1-3 9, 1-5 9, 9, 9, 9, 9,
1 2 3 4 4f
9, 5 9, 5b 9, 6a 9, 6 9, 6-13 9, 9, 9, 9, 9, 9, 9, 9, 9, 9, 9, 9, 9, 9, 9, 9, 9, 9, 9,
6-29 6b 6b-13 6 - 11, 32 7f 7b 8 8f 8b 9a 9b 10b 12a 12 12. 16 13 14 14-18 14-29
9, 9, 9, 9, 9, 9, 9, 9, 9,
16 18 19-21 22f 24 24. 27 24-29 25f 27
36 37 37 36 86 81 71 37, 36 34; 40; 54; 36; 45 36; 39 37 37 37 37 37; 98 36; 38 40; 44; 39; 36; 43; 53; 36 41; 41; 36 42; 42 43 41 42 41 41 42 41 44; 47; 42 36; 44 36; 54 44 39 44 44 44; 47 41; 44 43;
Röm 9, 30 28 37 90
9, 3Of 9, 30-32 9, 30-33
28
9, 30 - 10, 21 9, 31 9, 32
36; 37; 47; 51; 55; 98; 51 37; 38;
9, 32f 9, 33 10, 1 10, 10, 10, 10, 10, 10,
1f 1-4 1-13 1-21 2f 3
10, 10, 10, 10, 10, 10, 10, 10, 10, 10, 10, 10, 10, 10, 10, 10, 10, 10,
3ff 4 4ff 5 5f 5-13 6 6ff 8 9 9a 9b 11 12a 12 13 14 14f 16a 16 16. 18-21 16ff 16-21 17 18 19
52; 53; 56 41; 38; 98 39; 44; 57;
42 39 42 51 98
42; 43 47 44; 57
10,
98 50 37; 44 44; 48;
10, 10, 10, 10, 10, 10, 10,
10, 19f 11 11, 1a 11, 1
56 43 44; 47
11, 11, 11, 11, 11,
1-6 1-32 1. 11 1b 1b-6
36; 56 41; 98 36; 47 36; 39 41; 56; 43 48 37; 28 45 45; 45 36 45 65; 93 65 45; 95 41; 91 ; 45 41; 68; 46 83 46 46 46 53 46 46 37 46; 43 47; 47 46 37; 46; 47 48; 55; 47 39; 47; 47 36; 47 47; 36 37 47 43
41; 43 44; 47 48; 93 37, 46
80; 96 56 93 56 98
48 98 98 98 53; 47 43; 51 39; 98
Stellenregister
236 Röm 11, 2a 11, 5 11, 6
11, 11, 11, 11, 11, 11, 11,
7 7-10 7b 7bf 8 8-10 11-15
11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11,
11-15. 25f 11 11a 11b 12. 15 13 15 16-24 16f 17 17b 18 19 19-21 20. 23 21 22f 23 24
11, 25a 11, 25 11, 25-32 11, 11, 11, 11, 11, 11, 11,
25-36 25ff 25b 25b. 26a 26 26b 28
11, 28f 11, 28a. 31 11, 30f 11, 31b 11, 32 11, 32-36 11, 33-36 11, 33b 11, 34 11, 35 12, 1 14, 17 Kor 1, 18 1, 30 1, 31
1 Kor 2, 2 47 47 3, 16 41; 47; 56; 4, 8 98 10, 1-13 10, 1 37; 47; 48 47 10, 6. 11 12, 2 39 48 12, 3 39 14, 36 47 15 47; 48; 55 98 15, 1-3a 53 15, 3b-5 37 48 15, 3 48 15, 3b 48 48 15, 12 48 15, 12. 13. 14. 16. 37; 48; 55 17. 20 48 15, 19. 28f 55 15, 28b 49 48 15, 34 44 2 Kor 1, 22 49 2, 17 40 3, 6 55 3, 7ff 49 3, 10f 50 4, 2 48; 49; 5, 18ff 55f 51; 55 5, 20 37; 39; 98 5, 21 49; 52; 55 6, 1 56; 98 9, 9f 51 10, 17 34 11, 30 43 12, 1-10 49 12, 9 52 Gal 2, 15 40 2, 16 52; 56; 2, 16a 58; 98 2, 20 52; 56; 5 2, 21 55 3, 1 50 3, 6 50 3, 6f 53 3, 6-18 55 3, 8 36; 51 3, 8f 51 3, 11 51 3, 16 51 3, 21 37, 28 3, 21f 70 3, 22 41 3, 23-25 65 3, 24 96 4, 4f
41 71 67 56 37, 29 58 68 45 41 23; 24, 166 5; 24; 24, 166 28 23; 26; 28 23 23, 67, 69; 57 81 71 41 98 95; 98 41 68; 98 83 65; 83 66 96 96 37 96 54; 92; 53; 71 93 41 67 57 56 58 58 90 57 91 91 92 57 91 57
165 50 69,
97 74; 80
56 93 54
Stellenregister Gal
4, 6 4, 21- 31 5, 4f 5, 5 6, 14-16 Eph 1 , 14 5, 5 6, 17 Phil 1, 11 1, 14 3, 3 3, 3f 3, 6 3, 7f 3, 7-11 3, 9 9c 9d 12 2, 10 2, 13 2 Thess 2, 6! Hebr 10, 38 Hebr 11 Jak 1, 20 3, 3, 3, Thess
71 56 91 66 57 14, 14, 14, 66 41 53 96 95 95 94 64; 80; 95 65, 65, 67 81 41; 34 90 57 75
86 86 86
65; 66; 91; 93; 38 38 67, 50
SONSTIGE SCHRIFTEN Aristot., rhetor. I, 3. (1358b, 8) 11, XX, 1! (1393a) 111, 111, 1!! (1405b) III, IV, 1:f (1406b) Aristot., poet. VI, 7! (1450a) Hermog., peri heureseos I, I, 65 Ign Eph 17, 2 Barn 15, 8 Herm, sim V, 2 Tertull., apo. 17, 6 Quintil., instit. orat. III, 11, 1
186, 113, 108, 108,
8 83 61 60
164, 336 186, 9 14, 86 14, 86 128 56 186, 10
237
NAMENS- UND LITERATURREGISTER
(Angefertigt von Re~~ard Breymayer) 1. Aufgeführt werden nur diejenigen Stellen, an denen der bibliographisch vollständige Titel angegeben ist. Die Zahl vor dem Komma bezeichnet die Seite, die Zahl hinter dem Komma die entsprechende Anmerkung; die Stellenangaben werden durch Semikolon voneinander getrennt. 2. Das Register ist konsequent alphabetisch angelegt. Alphabetisches Ordnungsprinzip sind die "Preußischen Instruktionen", die aus sachlichen Gründen nur gelegentlich modifiziert wurden. 3. Die Abkürzungen sind die in RGG, IZBG und NTA üblichen. Daneben wurden folgende Abkürzungen verwendet: DVjs Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte GRM Germanisch-romanische Monatsschrift LB Linguistische Berichte LingBibl Linguistica Biblica WW Wirkendes Wort "in Opposition zu ••• " .1. "parallel zu ••• ", "allomorph" ll
A. Aarne, Verzeichnis -, u. St. Thompson, Types L. Alonso-Schökel, Sprache H. Ammann, Rede K.-O. Apel (Hg.), Schriften C. S. Peirce H. Arens, Sprachwissensch. N. Avigad u. Y. Yadin, Genesis-Apocryphon A. J. Ayer, Language W. Bacher, Ag. bab. Am. -, Ag. pale Am. -, Ag. Tann. -, -, -, -, I. -, K.
Terminologie I Terminologie 11 Tradition UnterSllchungen Baldermann, Didaktik Unterricht Baldinger, Semasiologie
A. Bar-Adon u. W. F. Leopold, Child Language J. Barr, Bibelexegese K. Barth, Dogmatik -, Römerbrief R. Barthes, Introduction
168, 362 168, 362 201, 82 59, 5 212, 134 32, 44 5, 29 152, 266 4, 25 4, 25 4, 25; 105, 39 1, 2
16, 104 1, 2
6, 36 99, 1 99, 1 8, 42; 88, 149 101, 16 9f, 53 192, 44 52, 70; 63, 30 116, 95
144, 213 R. Barthes, Literatur H.-D. Bastian, Information 187, 21 H. Bauer u. P. Leander, 30, 28 Grammatik 12, 70 W. Baumgartner, TbR 19 134, 171 H. Bausinger, Formen J. Bechert, D. Cl~ment u.a. , 102, 19 Einführung J. Becker, Heil 63, 31 61, 14; M. Bense, Einführung 79, 115 -, Theorie 79, 115 K. Berger, Abraham 56, 80 A. Bertsch, Sprachlehre 30, 28 W. Beyschlag, Theodizee 35, 8 M. Bierwisch, Strukturalism.102, 21; 195, 56 3, 19; P. Billerbeck, Kommentar 7, 39 12, 73 M. Black, Approach 21, 145 -, Servant F. Blaß u. A. Debrunner, Grammatik L. Bloomfield, Introduction -, Language E. Bochinger, Religions139, 194 unterricht 213, 142 P. Böckmann, DVjs 9 Th. Boman, JeSlls-Uberliefg. 133, 167
Namens- und Literaturregister W. G. W. H. C. -, H. R. C. -, C. -,
C. Booth, Rhetoric Bornkamm, Ende Bousset, Religion Braun, Qumran Bremond, Logique Message Brinkmann, Satz Brinkmann, Wirklichkeit Brockelmann, Grundriß Syntax Brooks, Modern Poetry u. R. P. Warren, Understanding Fiction
-, u. -, Understanding Poetry W. H. Brownlee, John A. B. Bruce, Conception F. Bruneti~ret L'&volution S. Buber (ed.), Tanchuma K. Bübler, Sprachtheorie R. Bultmann, -, Ev. Joh. -, Exegetica
dikaiosyn~
-, Geschichte u. Eschat. -, Gesch. syn. Trad. -, Stil -, Theologie Chr. Burchard, Bibliographie A. T. Cadoux, Parables R. Carnap J. C. Catford, Theory C. Chabrol, Analyse -, u. M. de Certeau, Bibliographie -, Probl~mes N. Chomsky, Aspekte -, Considerations -, Structures A. Comte, Rede H. Conzelmann, Analyse -, Grundriss -, -, -, -, E. -, -, -,
Randbemerkungen Rechtfertigungslehre Rez. Stuhlmacher Was glaubte Coseriu, Einführung Semantik Sincronia Sprache
-, Synchronie 0. Cullmann, Christologie
116, 97 87, 141 7, 39 7, 39 116, 95 116, 95 109, 68 116, 97 22, 152 9, 51 148, 244 116, 97; 148, 244 148, 244 12, 71 35, 11 127, 133 2, 13 111, 75; 121, 114 65, 42 13, 79 46, 53; 65, 42 64, 36 125, 124 36, 25 40, 40 12, 70 156, 289 188, 28 216, 152 116, 95 116, 95 116, 95 60, 8; 102, 19 60, 8 60, 8; 102, 19 212, 135 1, 5
46, 51; 63, 27 68, 53 86, 139 63, 27 46, 51 60, 12 102, 18 80, 116 60, 12; 102, 18 80, 116 36, 20
239
G. Dalman, Grammatik 6, 35 -, Messias 7, 39 -, Worte 2, 10 W. Dantine, Rechtfertigg. 63, 27 Chr. Dietzfelbinger, Heilsgeschichte 56, 79 -, Paulus 56, 79 A. Diez Macho, Lengua 5, 30 T. A. van Dijk, Entwicklg. 60, 13 E. Dinkler, Prädestination 35, 16 -, Signum 35, 16 C. H. Dodd, Interpretation 12, 73 -, Parables 105, 32 E. Dorfman, Narreme 168, 366 G. Ebeling, Geschichtlk. 192, 45 R. Edelmann (rec.), Corpus 6, 33 Chr. v. EhrenfeIe, Gestaltqualitäten 110, 70 G. Eichholz, Gleichnis 138, 186 -, Gleichnisse 167, 354 J. Elbogen, Gottesdienst 15, 94 v. Erlich, Formalismus 145, 223; 214, 145 K. Hj. Fahlgren, vedaqa 75, 90 F. Ferr&, Language 193, 47 J. A. Fitzmyer, Gen.Apocr. 5, 29 H. G. Frank, Grundlagen 115, 93 20, 141 M. Friedman (ed.), Seder -, Sifr& 15, 98 G. Friedrich, Hohepriester 7, 39 -, Problem 199, 64 -, Art. Römerbrief 63, 31 -, Semasiologie 199, 64 C. C. Fries, Meaning 60, 7 E. ]\lchs, Frage 201, 76 -, Glaube 207, 109 -, Hermeneutik 99, 9 R. W. Funk, Hermeneutic 147, 234 H.-M. Gauger, Semantik 88, 147 88, 147 -, Wort E. GaugIer, Brief 35, 17 H. GeckeIer, Semantik 60, 6 G. Genette, Fronti~res 116, 95 B. Gerhardsson, Memory 1, 2 Tradition 1, 2 W. Gesenius u. E. Kautsch, Grammatik 22, 152; 30, 32 L. Gilkey, Naming 193, 47 H. Gipper, Sprache 193, 49 H. A. Gleason Jr., Introduotion 224, 174 F. GOdet, Kommentar 63, 31 L. Goldschmidt (ed.), Talmud 18, 119; 19, 125 E. GräSer, Exegese 59, 1; 189, 31 -, Herausforderung 203, 87
-,
240
Namens- und Literaturregister
E. GräBer, In eigener Sache 59, 1; 185, 7 59, 1; -, Theologie 189, 32 190, 37 -, Wort Gottes J. H. Greenberg (Ed.), 218, 153 Universals A. J. Greimas, Eliments 116, 95 d 'une grammaire -, Eliments pour une thflo116, 95 rie 61, 18 -, Semantik: 61, 18; -, Du sens 116, 95 116, 95 -, Strllcture 116, 95 -, Pour une thflorie 10, 56 A. W. de Groot, Syntaxis E. Güttgemanns, Analyse 79, 115; Lk 11, 5-8 166, 348; 221, 167 166, 348 -, Analyse Lk 15, 8-10 79, 115 -, Anleitung 1, 1 -, Apostel 79, 115 -, Darstellung 80, 115; -, Denkmodelle _, Offene Fragen 121, 111 -, Nachwort, Kontext 147, 235; 121, 112 75, 90 -, VP 12/2 78, 108; -, VF 15/2 106, 41 62, 25; -, Probleme 81, 124 -, Recht 105, 39 -, Rez. Schmi thais 72, 74 -, Theologie 184, * -, Thesen 79, 115; 146, 228 F. Güttinger, Zeilsprache 216, 152 G. Guillaume, Architect. 8, 45 P. Guiraud, Essais 142, 209 -, u. P. KUentz, Stylist. 142, 209 111, 76 D. Gutzen, Poesie J. Habermas, Zur Logik 187, 22 Th. Häring, Römerbrief 35, 12 F. Hahn, Hoheitstitel 13, 82 H. Halbfas, Religionsunt. 140, 197 J. F. Hall, Learning 215, 150 G. Hammarström, Einheiten 27, 11; 224, 175 A. V. Harnack, Brief 206, 108 G. A. Harrer, Saul 14, 88 Z. S. Harris, Discourse 80, 115; Analysis 103, 24; 195, 51 -, Discourse Analysis Repr.80, 115; 103, 24
Z. S. Harris, String Analysis
33, 47;
103, 24 195, 51 84, 130; 103, 24; 195, 51 195, 51 -, From Phoneme -, Distributional Strllct. 103, 24; 195, 51 -, Mathematical Strllctures 195, 51 -, Transformational Theory 102, 18 -, Elementary Transforma102, 18 tions -, Transformations in 102, 18 Strllcture 79, 115 P. Hartmann, Zum Begriff 192, 46 -, Information 60, 13 -, Probleme 80, 120; -, Syntax 222, 170 79, 115 -, Text 79, 115 -, Textlingu.istik 87, 146; -, Wort 193, 48 79, 115; R. Harweg, Pronomina 224, 177 R.P.E. Haulotte, Lisibi116, 95 litfl K. Hauschildt, Weg 99, 3 K. Hausenblas, Bedeutung 79, 115 99, 2 Th. Heckei, Zur Methodik K. E. Heidolph, Grtlndprobleme 79, 115 E. Heintel, Gegenstandskonstitution 193, 49 111, 77 J. G. Herder, Schriften L. Hjelmslev, Principes 33, 45 84, 130; -, Sprache 224, 176 121, 114; H. Hörmann, Psychologie 187, 20 J. B. HOfmann, Wörterbuch 81, 122 E. Honig, Conceit 155, 283 60, 13 A. Hoppe, Methoden H. S. Horovitz u. L. Fin2, 15 kelstein, Siphre F. Horst, Deuteronomium 46, 49 F. Hundsnurscher, Methoden 61, 24 J. Ihwe, Kompetenz 195, 53 198, 61 -, Linguistik 175, 401; -, (Hg.), Literaturwiss. 195, 56 H. Isenberg, tlberlegu.ngen 175, 401 R. Jakobson, Linguistics 225, 179 -, po~zija 154, 274 H. R. JauS, Literaturgesch.146, 224 G. Jeremias, Lehrer 11, 63 J. Jeremias, Abendmahlsworte 1, 2. 3 -, Linguistics -, From Morpheme
Namens- und Literaturregister J. -, -, P. A. -, E. E.
Jeremias, Gleichnisse Nochmals Stand Joüon, Grammaire Jülicher, SNT Gleichnisreden Jüngel, Paulus Käsemann, Gottesgerechtigkeit
-, Recht -, Versuohe P. F. J. -, -, -,
Kahle, Genisa Kainz, Psyohologie J. Katz, Issues Mentalism Philosophy u. J. A. Fodor, Structure -, u. P. M. Postal, Theory B. Klappert, Frage W. Klatt, Gunkel J. Klauuner, Vorstellg. G. Klein, Gerechtigkeit -, Individualgesch. -, Probleme -, Rekonstruktion -, Römer 4 -, VF 15/2 R. Kloepfer u. U. Oomen, Konstituenten
4, 24 M. J. Lagrange, Rom. 27, 15; 1,6 4, 24 F. Lang, ThW VII 22, 152 H. Lausberg, Handbuch 63, 31 104, 28 E. R. Leach, Genase 82, 127 E. Leibfried, Wissenschaft 35, 14; 63, 27 207, 111 35, 14; 63, 27 12, 68 121, 114 60, 9 60, 9 60, 9 60, 10 60, 10 1, 6 143, 211 7, 39 63, 27 56, 77 56, 77 53, 71 56, 77 199, 64
143, 210; 221, 164 J. Knoblooh (Hg.), Wörterb.31, 34 75, 90 K. Koch, ~dq -, Wesen 75, 90 79, 115; W. A. Koch, Morphem 103, 26; 221, 165 175, 402 -, Semiotica 175, 402 -, Textkomparatistik C. E. van Koetsveld, Gelijkenissen 104, 31 212, 136 I. S. Kon, Positivismus E. Koppen, New Critic. 148, 239 -, (Hg.), Lexikon 148, 239 IV. Kramer, Christos 14, 90 S. Krauß, Lehnwörter 19, 134 161, 318 M. Krieger, Window E. Kühl, Theodizee 35, 9 W. G. Kümmel, Einleitung 63, 31 104, 29 -, NT K.G. Kahn, Rez. Jeremias 4, 24 12, 71 -, NTS 1 -, Messiahs 7, 39 O. Kuß, Römerbrief 63, 31 E. Y. KUtscher, Language 5, 29. 32 P. de Lagarde, Prophetae 6, 36
241
50, 58; 63, 31 95, 159 108, 61; 186, 11 116, 95 61, 15; 79, 115; 191, 43 M. Leroy, renouveau 61, 16 H. Levin, Symbolism 116, 97 C. L~vi-Strauss, L'analyse 183, 459 -, Mythologica I VII; 183, 459 J. Le~, Poetics 61, 14 J. Levy, Wörterbuch 19, 129 Lewin-Epstein (ed.), Midr. 16, 106 H. Lietzmann, Römer 34, 2; 63, 31 Linguistica Biblica 100, 13 Linguistik und Didaktik 101, 15 P. Lubbock, Craft 116, 97 U. Luz, Geschichtsverst. 34, 1 J. Lyons, Introduction 32, 43; 102, 22 -, Semantics 199, 68 R. Macuch, Grammatik 32, 39 W. Magaß, Schweigen 188, 25 G. ~~ainberger, Theologie 207, 110 228, 187 B. Malinowski, Problem B. Mandelbaum (ed.), Pesiq 21, 149 '(j. Mann, Belehrung 140, 197 L. Marin, conclusion 116, 95 -, Femmes 116, 95 -, Jesus 116, 95 W. Marxsen, Einleitung 63, 31 A. H. MClreile, Commentary 12, 73 A. Merx, Messias 14, 92 O. Michel, Römer 34, 3; 63, 31 J. St. Mill, System 8, 45 Ch. Morris, Foundations 59, 3 -, Signs 59, 3; 121, 110 S. Moscati u.a., Introduct. 32, 42 J. Muküovslq, Ästhetik 148, 237 -, Poetik 148, 237 Chr. Müller, Gerechtigkeit 35, 15; 63, 27 G. Müller, Bedeutung 119, 106 -, Erzählzeit 119, 106 -, Poetik 119, 106 -, Zeiterlebnis 119, 106 J. Munck, Christus 35, 7 -, Paulus 35, 7 A. Neubert, Positivismus 212, 136 F. Neugebauer, In Christus 66, 45 216, 152 E. A. Nida, Science E. Norden, Theos 36, 21
242
Namens- und Literaturregister
M. Noth, Personennamen A. Nygren, Römerbrief J. M. Oesterreicher, Misstep C.K. Ogden u. I. A. Richards, Meaning
9, 50 63, 31
35, 18
121, 112; 148, 238 A. Olrik, Gesetze 130, 150 H. Ott, Muttersprache 5, 32a W.A. de Pater, Sprachlogik 153, 269 C.S. Peirce, Schriften 212, 134 E. Peterson, Kirche 34, 4 O. Pfleiderer, Paulinismus 52, 62 52, 62 -, Urchristentum 102, 20 K. L. Pike, Guide 102, 20 -, Language 25, 1 I. Plein, zu Güttgemanns J. van der Ploeg, Tg Job 5, 29 S. Plötz, Operationen 102, 18; 195, 51 L. Pollmann, Literatarwiss.167, 350 V. J. Propp, MOrfologija 167, 349 -, Morphologie 167, 349 -, Morphology 167, 349 -, Transformacii 167, 349 -, transformations 167, 349 183, 459 B. U. Put ilov , Propp C. Rabin, Documents 3, 17 Rabinsohn, Messianisme 7, 39 G. V. Rad, Studien 46, 49 M. Rang, Handbuch 99, 5 C. E. Reed (ed.), Learning 101, 16 A. Reichling, Meaning 60, 6 -, woord 203, 88 H. Remplein, Entwicklung 139, 192 R. Rendtorff u. K. Koch, Studien 56, 78 K. H. Rengstorf, Aufer2, 11 stehung M. Rese, tl'berprüi'ung 8, 39; 97, 170 211, 130 L. O. Resnikow, Fragen I. A. Richards, Philosophy 142, 205 W. Richter, Be=fungsber. 100, 11 100, 11; -, Exegese 144, 212 -, Formgeschichte 100, 11 -, Recht 100, 11 -, Untersuchungen 100, 11 D. Rössler u.a., Fides 190, 38 L. Rost (Hg.), Damaskusschr. 2, 14 H. Rüdiger u. E. Koppen, 148, 239 Lexikon 139, 192 A. Rüssel, Kinderspiel 97, 168 A. A. van RUler, Kirche 13, 78 F. Rundgren, Erneuerung 13, 74 -, Gospels 8, 42 F. de Saussure, Cours 79, 112 -, G=ndfragen
G. -, A. S.
Sauter, Methodenstreit Kommunikation Schaff, Einführung Schechter, Documents
G. Schille, Versuche G. Schiwy, Aspekte
210, 124 190, 38 61, 17 2, 14; 12, 68 2, 7
61, 23; 197, 59 -, St=kturalismus 61, 23 A. SChlatter, Gerechtigkeit 35, 13; 63, 29 A. Schmidt (Hg.), Beiträge 211, 131 K. L. Schmidt, Judenfrage 34, 5 S. J. Schmidt, Bedeutung 61, 17 -, Text und Bedeutung 60, 13 -, (Hg.), text, bedeutung 60, 13; 129, 143; 195, 53 -, 'Text' und 'Geschichte' 142, 207 T. Schmidt, Leib 71, 68 H. J. Schoeps, Paulus 34, 6; 98, 173 G. Schrenk, ThW 11 85, 136 E. Schürer, Geschichte 7, 39 H. Schult, Studien 9, 50 S. SChulz, ZNW 53 2, 7 106, 42 A. Schweitzer, Geschichte Th. A. Sebeok (ed.), Style 142, 209; 225, 179 102, 20 -, CUrrent Trends E. Segelberg, Ölbaum 48, 57 S. Segert, Bemerkungen 5, 29 -, Orthographie 5, 32 184, 1 H. Seiffert, Information E. Sjöberg, Gott 52, 65 V. Skali~ka, Text 79, 115 B. F. Skinner, Behavior of Organism 59, 4 -, Verbal Behavior 59, 4; 215, 150 E. Souriau, Situations 177, 414 H. Spencer, Principles 127, 133; 212, 137 A. Sperber (ed.), Bible 6, 33 -, Premasor. Bible 6, 33 M. Stallmann, Geschichte 140, 198 142, 207 W.-D. Stempel, Beiträge K. Stendahl (ed.), Scrolls 7, 39; 12, 71 G. Storz, Wirklichkeit 116, 97 H. L. Strack, Einleitung 4, 23 P. Stuhlmacher, Evangelium 78, 108 -, Gerechtigkeit 35, 15; 63, 27 L. Tesni~re, El~ments 61, 21; 173, 393 -, Esquisse 61, 21; 173, 393 O. Thimme, Religionsunterr. 140, 197
Namens- und Literaturregister St. Thompson, Motif-Index 168, 362 T. Todorov, Cat~gories 116, 95 -, Po~tique 116, 95 -, Th~orie 167, 349 C. C. Torrey, Quantulac. 14, 84 J. Trabant, Semiologie 191, 42 N. S. Trubetzkoy, Grundzüge 8, 46 St. Ullmann, GrundzUge 8, 42; 61, 16 142, 209 -, Language 8, 44 -, Semantics 8, 43 -, Words 104, 30 A. F. Unger, natura 147, 233; D. O. Via, Gleichnisse 193, 47 1, 4 Pb. Vielhauer, AUfsätze 18, 122 -, Vorläufer 1, 4 -, Weg W. Vischer, Geheimnis 34, 5 R. M. Volkov, Investiga168, 367 tions P. VOlz, Eschatologie 7, 39 116, 95 G. Vuillod, Exercises M. Wandruska, Interlingui216, 152 stik 199, 68 -, Wörter 35, 10 E. Weber, Problem K. Wegenast, Religions140, 197 unterricht 148, 239 R. Weimann, Orit1cism U. Weinre1ch, Erkundungen 60, 11 216, 152 -, Languages 88, 149 H. Weinrich, Linguistik 125, 126 -, Metapher 110, 71 -, MUnze 110, 71 -, Semantik 60, 13; -, Syntax 174, 397 -, Textlinguistik 88, 151 R. Wellek, Grundbegriffe 148, 240 -, u. A. Warren, Theorie 160, 312 P. Wernle, Anfänge 52, 63 Ph. Wheelwright, Metaphor 116, 97 U. Wilckens, Rechtfertigung 56, 78 -, Römer 3 56, 78 A. N. Wilder, Language 147, 234 W. K. Wimsatt Jr., Icon 145, 222; 148, 245 -, u. C. Brooks, Cr1ticism 148, 245 K. Witt, Konfirmandenunterricht 99, 4 K. Witte u. W. Harwerth, 141, 205 Geschichte E. WOlf, Rechtsgedanke 194, 50 A. S. van der Woude, Hiobtargum 5, 29 -, Vorstellungen 12, 71 W. Wrede, Messaisgeheimnis 108, 58 W. WUnsche, Leiden 7, 39
L. Zunz, Vorträge
243 4, 22
L I N G U IST I
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B L I
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Interdisziplinäre Zeitschrift für Theologie und y,inguistilr Un ter )ji twirk ung von !lans -Die"~er Bas ti an, G. Johannes Botter\,e ck, Reinhard Breymayer, Sabine Buschey, Helmut Gipper, ;[alter ,;agaß und Dan O. Via herausgegeben von Brhardt Giittgemanns, 53 BonnR6ttgen, Kirchweg, Telefon (02221) 25 56 75 Lingui sti ca Bi bli ca ers cheint 10mal Ü
GUT T G E i1 A il N S Offene Fragen zur
Forr;I.E~eschichte
des
t~vangcliums
bine methodologische Sldzze der GrundlagenprobleT:latil, der Formund Hedaktionsgeschichte. (Beitrage zur evangelischen '.:'heologie, Band 54) 2., verbesserte Auflage. 280 Seiten. Kartoniert DK 24.80 Fiier ~rird eine historisch-literarisch pri".zis unterbaute, formale und materiale "ibeltheologie und Christologie ecboten. Die Dis.kussion mit der früheren und heutigen Bibelvlissenschaft ist umfangreich, eingehend und. ergiebig. Es ist das besondere Verdienst dieses FOrSClllli'1.gsbericates, speziell hinsichtlj eh der Synoptik.er, das (jberkommene unä. seine Vertreter kri ti sch und produ],tiv überprüft und Ergebnisse in neu begründeten und formulierten 'I'ilesen mi t Bestimmthei t (und Vorläufigkeit) vorgelegt zu :'laben. Literarischer Ratgeber
B A G T I A A
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Lenins ,:eg zur Revolution Eine r.onfrontation mit Sersej Bulgakov und ?etr Struve im Interesse einer theologischen 3esinnung. XVI, 536 Seiten. ;':artoniert etwa DI,j 30.Die Beschäftigung mit Lenin als Hevolutioniir empfiehlt sich nicht nur im Blick auf den christlich-marxistischen ~ialog, in dem Lenin bisher auffallend wenig berdcksichti;t ist, sondern mehr noch 9.11.ßesichts der in Gang };:o:i.llt1er.. d.en tn€ol.ogj schen Besinnung auf" Probleme der Revolution. Da die cllristlicne 'l.;;leoloe;ie hierfür kaum gerüstet ist, bedarf sie dringend sowohl des historischen Materials, das eHe Hirklichkeit eines revolutionären Prozesses veranschaulicht, als auch des Gesprächs mit Marxisten, die ihre revolutionäre Praxis theoretisch reflektiert haben. C II R.
KAI S E R
V b R LAG
M
UN
C E E N