Orell Füssli Verlag AG Dietzingerstrasse 3 Postfach CH- 8036 Zürich
Worum geht es ? Das bewusste Einsetzen des systemis...
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Orell Füssli Verlag AG Dietzingerstrasse 3 Postfach CH- 8036 Zürich
Worum geht es ? Das bewusste Einsetzen des systemischen Denkens in Alltag erleichtert das Leben sowie das Gestaltung und das Steuern von Veränderungsprozessen. Auf dieser Grundthese aufbauend verfolgt das Werk zwei Absichten: Zum einen erklärt es plausibel und in allen Teilen nachvollziehbar die grundlegenden Ideen des systemischen Ansatzes. Zum anderen werden verschiedene Theoriestränge und Methoden einfach und verständlich dargestellt. Um den Transfer der Einsichten, Erkenntnisse und Handlungsideen in die Praxis zu ermöglichen, werden zudem viele konkrete Beispiele aus dem betrieblichen Alltag sowie aus dem täglichen Leben entwickelt und praktische Umsetzungshilfen entwickelt.
Inhalt Teil A: Die Ideen Das Denken in Systemen Die Wirkung von Grenzen Das Denken in Differenzen Zwei Grundtypen des Denkens Teil B: Die Praxis Das Differenzprofil Reduktion – die „erzwungene“ Differenz Die Dialektische Fragen-Matrix Subjektive Standards Der Perspektivenwechsel Die Technik der Modellbildung Das subjektive Wirkungsgefüge Der Papiercomputer Die Prioritätenmatrix Ideen-Blatt und Ideen-Box Teil C: Die Theorie Die „Schulen“ der Systemtheorie Varianten des Vernetzten Denkens Die Beobachtung Multikausalität Verwenden von Filtern Bewusstes Entscheiden Kommentierte Literaturliste
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Inhalt Einleitung .......................................................................................... 9
A
Die Ideen
11
1 Das Denken in Systemen .......................................................... 13 2 Die Wirkung von Grenzen ........................................................ 18 3 Das Denken in Differenzen....................................................... 22 4 Zwei Grundtypen des Denkens ................................................. 27
B Die Praxis ................................................................................. 31 1 Das Differenzprofil ................................................................... 33 Die Idee ..................................................................................... 33 Beispiel: Anforderungsprofil für Studierende........................... 34 Beispiel: Fähigkeitsmuster von Arbeitsgruppen ....................... 36 Die Vorgehensweise ................................................................. 37 2 Reduktion - die «erzwungene» Differenz ................................. 39 Die Idee ..................................................................................... 39 Beispiel: Die Vorlesung «Personalwirtschaft» ......................... 41 Die Vorgehensweise ................................................................. 44
INHALT
3 Die dialektische Fragen-Matrix................................................. 45 Die Idee ..................................................................................... 45 Beispiel: Der Schulanfang......................................................... 46 Die Vorgehensweise ................................................................. 49 4 Subjektive Standards................................................................. 50 Die Idee..................................................................................... 51 Beispiel: Das Seminar............................................................... 52 Die Vorgehensweise ................................................................. 55 5 Der Perspektivenwechsel: Meine Brille - deine Brille........................................................ 56 Die Idee..................................................................................... 56 Beispiel: Die Walnuss............................................................... 57 Beispiel: Organisationsentwicklung und «Die anwesenden Abwesenden» .............................................. 58 Die Vorgehensweise ................................................................. 60 6 Die Technik der Modellbildung ................................................ 62 Die Idee .................................................................................... 62 Beispiel: Der große und der kleine Hunger .............................. 63 Die Vorgehensweise ................................................................. 65 7 Das subjektive Wirkungsgefüge................................................ 67 Die Idee .................................................................................... 67 Beispiel: Die Chance auf Beförderung ..................................... 69 Die Vorgehensweise ................................................................. 71 8 Der Papiercomputer .................................................................. 73 Die Idee..................................................................................... 73 Beispiel: Das Geburtstagsgeschenk I........................................ 73 Die Vorgehensweise ...............................................
..76
INHALT
9 Die Prioritätenmatrix................................................................. 77 Die Idee ..................................................................................... 77 Beispiel: Das Geburtstagsgeschenk u........................................ 78 Die Vorgehensweise.................................................................. 82 10 Ideen-Blatt und Ideen-Box ........................................................ 83 Die Idee ..................................................................................... 83 Beispiel: «Zusammenfassung» eines Artikels........................... 86 Die Vorgehensweise ................................................................. 87
C Die Theorie ................................................................................ 89 1 Die «Schulen» der Systemtheorie ............................................. 91 2 Varianten des vernetzten Denkens ............................................ 96 3 Die Beobachtung......................................................................101 4 Multikausalität .........................................................................106 5 Verwenden von Filtern.............................................................110 6 Bewusstes Entscheiden..
.. 114
D Anhang.................................................................................... 119 1 Kommentierte Literaturliste.....................................................121 2 Die Autoren..............................................................................124 3 Die Studiengruppe für Organisations-Entwicklung
125
4 Anmerkungen...........................................................................126
Einleitung Es lassen sich zwei mit der Systemidee verbundene Phänomene beobachten: Einerseits gibt es sehr abstrakte Theorien, die für den durchschnittlichen «Verbraucher» schwer nachvollziehbar sind. Andererseits ist der Begriff System seit den 90er Jahren zu einem - positiv besetzten - Modewort geworden. Wir hingegen beschreiben in diesem Buch eine bestimmte Haltung oder Denkweise, die wir als systemisch bezeichnen. In der Unternehmensführung, in der Lehre oder im täglichen Leben werden viele systemische Ideen, ohne ausdrücklich als solche gekennzeichnet zu sein, verwendet. Diese spezielle Art des Denkens - bewusst eingesetzt - erleichtert das Leben in unterschiedlichen Anwendungsfeldern. Alltägliche Situationen stellen immer einen möglichen «Ernstfall» für systemische Überlegungen dar. Wenn sich der Trainer einer Fußballmannschaft dafür entscheidet, mit Raum- anstelle von Manndeckung zu spielen, so kann dies auch Ausdruck einer systemischen Haltung sein. Gleiches gilt, wenn er den Blick des Sportlers für bestimmte Spielzüge - im Gegensatz zu einzelnen Aspekten des Spielgeschehens - schärft. Auch das Verhältnis zu den Mitmenschen kann systemisch beleuchtet werden: Wie kommt es, dass eine bestimmte Person auf so viel Ablehnung stößt?
EINLEITUNG
Sogar die Frage, welches Rot der neue Pullover haben soll, kann aus einer systemischen Warte heraus beleuchtet werden. Zwei Absichten verbinden sich mit diesem Buch: Zum einen erklärt es plausibel und nachvollziehbar die Ideen des systemischen Ansatzes. Zum anderen werden die Theorien einfach und verständlich dargestellt. Um den Transfer in die Praxis zu ermöglichen, wurden viele konkrete Beispiele aus dem Unternehmensalltag, der Lehre und dem täglichen Leben mit der Theorie verbunden. Das vorliegende Buch ist in einer systemischen Zusammenarbeit entstanden, in der insbesondere die Art des gemeinsamen Wirkens und die gegenseitige Inspiration bedeutsam waren. Mehrere Personen haben bei der Entstehung dieses Buches mitgewirkt: Ein herzlicher Dank geht an Christina Häusle, die das Manuskript in eine lesbare Form gebracht hat. Nicht zuletzt aber danken wir unseren Frauen Anna-Maria und Heike, die uns zum wiederholten Male eine wertvolle «Stütze» waren. Martin Lehner
Falko E. P.Wilms
1 Das Denken in Systemen Kaum ein Begriff ist heute so weit verbreitet wie der Systembegriff. Da wird systemisch gedacht und gehandelt, werden systemische Managementansätze entwickelt und systemische Interventionen vollzogen. Es drängt sich schnell die Frage auf, woran ein «System» zu erkennen ist. Oder anders formuliert: Welche grundlegenden Merkmale weist ein System auf? Ein System ist - allgemein formuliert - die Beschreibung einer (funktionierenden) Lösung einer (gegebenen) Problemstellung. Diese Lösung weist mehrere Komponenten auf, deren Zusammenspiel einen funktionierenden Verbund ergibt. Dazu ein Beispiel: Was ist beim Kauf eines Geburtstagsgeschenks für Kai zu beachten? Sicherlich hat die Bedeutsamkeit von Kai für mich einen Einfluss auf meine Kaufentscheidung und stellt im Sinne der Problemlösung einen Einflussfaktor dar. Darüber hinaus gibt es noch weitere Faktoren, z.B. mein zeitlicher Aufwand, meine Kosten und Kais Freude. Es ergeben sich viele Beziehungen zwischen den einzelnen Einflussfaktoren der Problemlösung. So wirkt beispielsweise die Bedeutsamkeit von Kai für mich deutlich auf meine Bereitschaft, einen hohen zeitlichen Aufwand auf mich zu nehmen. Die Beschreibung der Problemlösung hört dort auf, wo es kaum noch Beziehungen zu weiteren Einflussfaktoren gibt. So
A
DIE IDEEN
gibt es einen Zusammenhang zwischen meinem zeitlichen Aufwand für den Kauf und meiner sonstigen Freizeit, aber hinsichtlich der Problemlösung ist diese Beziehung nicht wirklich bedeutsam. Die Grenze des Systems liegt also dort, wo die Anzahl an hinsichtlich der Problemlösung bedeutsamen - Beziehungen von Einflussfaktoren deutlich abnimmt. Die Grenze eines Systems ist also eine vom Beobachter als «sinnvoll» angesehene Abgrenzung des Sachzusammenhangs.
Abb. 1: Mein Geburtstagsgeschenk für Kai Zwar wirken viele Beziehungen zwischen den gefundenen Faktoren, aber das Beziehungsgefüge innerhalb des Sachzusammenhangs ist deutlich engmaschiger als die Beziehungen zu außen liegenden Faktoren. Man spricht auch vom Übergewicht der inneren Verknüpfung im System. Der Sachzusammenhang des Geschenke-Kaufens entsteht
l DAS DENKEN IN SYSTEMEN
also durch ein engmaschiges Beziehungsgefüge zwischen bedeutsamen Einflussfaktoren, wobei aber nicht alle Faktoren mit allen anderen Faktoren verbunden sind. Es besteht eine Ordnung, die dafür verantwortlich ist, dass das Zusammenspiel funktioniert. Die Problemlösung ist also nicht etwa eine Addition der einzelnen Wirkungen, sondern die Folge des funktionstüchtigen Zusammenspiels bedeutsamer Einflussfaktoren. Daher ist das Denken in Systemen eigentlich ein Nachdenken über die wirksamen Beziehungen zwischen den Einflussfaktoren. In diesem Zusammenhang stellen sich dem Beobachter folgende Fragen: a) Welche Einflussfaktoren sind für die Problemlösung bedeutsam? b) Welche Einflussfaktoren sind wirksam, aber für die beobachtete Problemlösung weniger bedeutsam? c) Welche einzelnen Wirkungen bestehen zwischen den Faktoren? d) Wie kann ich die Struktur und die Dynamik zwischen den Faktoren erkennen, ohne in einem Datenmeer zu ertrinken? e) Wie würde der Verbund auf ein bestimmtes Ereignis reagieren? f) Wie kann ich prüfen, welche Folgen die Umsetzung meiner Entscheidungen im System haben werden? g) Worauf sollte ich achten, wenn ich mit wenig Aufwand im System viel bewirken möchte? Beim Umgang mit solchen Fragen geht es nicht um die Detailgenauigkeit der Antworten. Vielmehr sind die Einflussgrößen in ihrem Zusammenspiel zu erfassen.
A DIE IDEEN
Die
grafische
Umsetzung
eines
bedeutungsvollen
Beziehungsgefüges wird Wirkungsgefüge genannt und ist beim Nachdenken über Systeme auf dreierlei Weise hilfreich: * Erstens erleichtert ein Wirkungsgefüge die Diskussion über die wirksamen Beziehungen; * zweitens können immer neue Antworten auf die Fragen a) bis d) direkt im Wirkungsgefüge notiert werden, so dass eine Dokumentation des aktuellen Sachstandes möglich ist; * drittens enthält ein Wirkungsgefüge all jene Elemente, die für ein System bedeutsam sind; es zeigt dadurch auch, wie das System mit seiner Umwelt «hinter» der Grenze verbunden ist und wie sich dieses System von anderen unterscheidet. An einem Wirkungsgefüge offenbart sich darüber hinaus auch, dass das traditionelle Denken in Ursache-Wirkung-Beziehungen bzw. in «Wenn-dann»-Konstellationen
ziemlich
realitätsfern
ist.
Es
erscheint weitaus wahrscheinlicher, dass ein bestimmtes Ereignis durch mehrere, ineinander wirkende Ursachen hervorgerufen wird (vgl. auch Abb. 2): In unserem Beispiel ist das ausgesuchte Geschenk für Kai eben nicht die konsequente Folge einer einzigen, zeitlich vorangegangenen Ursache, sondern eine Konsequenz von immerhin sechs Einflussfaktoren - und einige davon (z. B. die Bedeutsamkeit von Kai für mich) wirken über den Kauf des Geschenkes hinaus. Das wirksame Zusammenspiel der von den einzelnen Einflussfaktoren ausgehenden Wirkungen wird oft etwas missverständlich «Multikausalität» genannt. Da es hier aber eher um ineinander
greifende
Wirkungsbeziehungen
geht
als
um
verschiedene Ursachen, wird hier besser von einer «Multirelationalität» gesprochen: Das Zusammenspiel der wirksamen Be-
l DAS DENKEN IN SYSTEMEN
Ziehungen (= Relationen) steht eindeutig im Mittelpunkt der Betrachtung.
Eine so verstandene Multirelationalität ist in fast allen menschlichen Verhaltensweisen zu entdecken. So ist auch das Lesen dieser Zeilen für den Leser mit hoher Sicherheit nicht nur auf eine alleinige Ursache rückführbar.
2 Die Wirkung von Grenzen Eine Person verfügt in den allermeisten Situationen über eine Vielzahl an Verhaltensmöglichkeiten. Trotzdem nutzt sie meist nur wenige dieser Möglichkeiten. Die zu beobachtende Ordnung im Verhalten der Person wird neben ihrer Fähigkeit zur Beobachtung maßgeblich durch Vorlieben, Wünsche, Befürchtungen, Sympathien und Antipathien beeinflusst. Mit anderen Worten: Jede Art von Ausrichtung, die nicht beliebig ist, wirkt für eine handelnde Person als Begrenzung des eigenen Denkens, Fühlens, Handelns und Wollens; sie führt auch dazu, dass einzelne Verhaltensmöglichkeiten des Akteurs wahrscheinlicher, andere weniger wahrscheinlich eintreten werden. Wird der Akteur lange beobachtet, so werden Regelmäßigkeiten im Verhalten erkennbar. So kann es sein, dass der Akteur üblicherweise morgens eine Tasse Kaffee mit zwei Stück Zucker trinkt. Allerdings nimmt er immer dann Tee zu sich, wenn Hagebutten-Tee im Hause ist. In diesem Falle hat der Akteur sein Verhalten an seiner Vorliebe für Hagebutten-Tee ausgerichtet. Die Menge der vom Akteur beobachtbaren Verhaltensweisen ist also kleiner als die Menge seiner Verhaltensmöglichkeiten, denn grundsätzlich wäre er auch in der Lage, morgens zwei Glas Whisky zu trinken; diese Handlungsfreiheit ist nicht gegeben, wenn eine Sucht vorliegt, aber auch in einem solchen Falle gilt:
2 DIE WIRKUNG VON GRENZEN
Der Akteur (= Abhängiger) richtet seine Verhaltensmöglichkeiten an etwas (seiner Sucht) aus, wodurch er die Freiheitsgrade seines Handelns einschränkt. Im genannten Fall würde die Person dann folgende Handlungsregel befolgen: Wenn Whisky im Hause ist, trinke ich morgens zwei Glas davon.
Es zeigt sich: Alle Regelmäßigkeiten setzen den Möglichkeiten wirksame Grenzen1, so dass durch die Angabe von Regeln das Verhalten des beobachteten Akteurs detailliert beschrieben werden kann {s. Abb. 3). Die anhand von Handlungsregeln formulierten Regelmäßigkeiten können entweder in harten «Wenn-dann» -Regeln ge-fasst werden oder aber in Regelmäßigkeiten weniger allgemeiner
A DIE IDEEN
Art. Letztere beruhen auf der Existenz von weichen Regeln; zu denken ist etwa an die Regeln der Höflichkeit, wie beispielsweise: «Es ist üblich, dass der Mann der Frau die Türe aufhält.» Formulierte Handlungsregeln lassen sich somit anhand der verwendeten Freiheitsgrade unterscheiden.
Bei der Formulierung von Handlungsregeln - die wie gesehen immer auch die Menge der Verhaltensmöglichkeiten eingrenzen -lassen sich die folgenden Bereiche unterscheiden2:
* Deskriptive Sätze: Bedingungen bzw. Voraussetzungen für das Handeln: In der Bar gibt es nur alkoholische Getränke. * Normative Sätze: Man sollte Alkohol nur in Maßen trinken. * Nomologische Sätze: handlungsrelevante «Wenn-dann»-Beziehungen: Wenn ich Alkohol trinke, dann bin ich bald blau. Insbesondere bei der Beschreibung von technischen Abläufen ist im Zusammenhang mit der Wirkung von Grenzen die Quantifizie-
2 DIE WIRKUNG VON GRENZEN
rung von Eckwerten von Bedeutung. Maximale und minimale Werte begrenzen den so genannten Toleranzkorridor, der den «Normalfall» darstellt; Handlungsnot besteht nur im Falle des Ausbrechens aus diesem Korridor.
3 Das Denken in Differenzen Menschen befinden sich häufig in Situationen, in denen sie sich präzise Informationen erhoffen, sich dann aber mit Allgemeinplätzen zufrieden geben müssen. Ein Beispiel sei kurz skizziert: In einer Stellenausschreibung findet eine potenzielle Arbeitskraft den Hinweis, der künftige Stelleninhaber müsse in der Lage sein, sich teamorientiert und kooperativ zu verhalten. Allerdings stellt sich beim Studium weiterer Stellenangebote heraus, dass die Anforderung «Teamorientierung» bei nahezu jeder Stellenbeschreibung vorliegt. Damit sinkt der vermeintlich hohe informative Gehalt dieser Aussage drastisch; in einer pointierten Weise ließe sich sogar davon sprechen, dass der Hinweis auf die erwünschte Teamorientierung bestenfalls eine Banalität darstellt gemäß
dem
Motto:
Moderne
Unternehmen
arbeiten
selbstverständlich teamorientiert. Sofern unser Arbeitsplatzsuchender weiter an Informationen über die angebotene Stelle interessiert ist, bieten sich verschiedene Vorgehensweisen an: So wäre es beispielsweise denkbar, dass er sich in der Fachliteratur en detail über die Bedeutung des Begriffs Teamorientierung informiert. Abgesehen von der Tatsache, dass es sich hierbei natürlich um ein Konstrukt des jeweiligen Verfassers handelt, bleibt das grundsätzliche Problem weiterhin bestehen: Es ist keinerlei spezifische Information verfügbar,
3 DAS DENKEN IN DIFFERENZEN
die unserem Arbeitsplatzsuchenden eine genauere Vorstellung von der ausgeschriebenen Stelle ermöglicht. Wann - so muss gefragt werden - ist eine diesbezügliche Information hilfreich für unseren potenziellen Bewerber? Doch sicherlich dann, wenn er erkennen kann, welche spezifischen Aspekte von Teamorientierung sich das Unternehmen von seinem zukünftigen Mitarbeiter erwartet. Und die Information ist vermutlich dann spezifisch, wenn Unterschiede - also Differenzen - zu anderen Vorstellungen von Teamorientierung herausgearbeitet werden. Andersherum: Jene Aspekte, die bei allen Mitarbeiter suchenden Unternehmen (weitgehend) identisch sind, helfen wenig bei der Stellensuche.
A
DIE IDEEN
Auf unser Beispiel bezogen heißt dies nun folgendes: Kläre, in welchen Aspekten von Teamorientierung sich das betreffende Unternehmen von vergleichbaren Unternehmen unterscheidet. Das Ergebnis eines derartigen Klärungsprozesses könnte beispielsweise lauten: Bei vergleichbaren Unternehmen wird es als sehr wesentlich angesehen, dass ein Mitarbeiter in der Lage ist, seine eigene Sichtweise mitzuteilen, um dann in einem Abstimmungsprozess mit den Beteiligten zu einer gemeinsamen Lösung zu gelangen. In dem von unserem Stellensuchenden betrachteten Unternehmen ist es hingegen so, dass von einem zukünftigen Mitarbeiter erwartet wird, sich der Meinungsmajorität der Teamkollegen anzugleichen und die eigene Meinung eher zurückzustellen. Anders formuliert: Während viele Unternehmen eine kontroverse Position eher als hilfreich für die Problemlösung werten, gilt eine abweichende Meinung in dem besprochenen Unternehmen eher als störend und unerwünscht. Unser potenzieller Mitarbeiter kann nun aufgrund der vorliegenden Information besser abwägen, bei welchem Unternehmen er sich bewerben möchte. Das skizzierte Vorgehen lässt sich verallgemeinern. Bei allen Sachverhalten, die vermeintlich sehr ähnlich oder sogar identisch sind, ist es sinnvoll, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Varianten herauszuarbeiten. «Achte auf die Differenzen flautet der Hinweis, den man «informationshungrigen)) Menschen geben möchte. Diese Art des Denkens - wir wollen sie «Differenzdenken» nennen - spielt in der Systemtheorie eine wichtige Rolle. Dazu bemerkt David J. Krieger: «Beginnen wir am Anfang, das heißt mit dem Nichts. Stellen wir uns vor, dass es am Anfang der Welt nur den Urstoff gab. Der Urstoff ist nicht differenziert und nicht geformt. Wir können ihn nach dem atomistischen Modell als aus unendlich vielen gleichförmigen Elementen bestehend den-
3 DAS DENKEN IN DIFFERENZEN
ken, die völlige Freiheiten haben, Verbindungen miteinander einzugehen. Im Urstoff ist alles gleich. Es gibt keine Unterschiede. Auch zwischen den Elementen kann man eigentlich nicht unterscheiden, da sie alle gleich sind. Wenn wir uns nun in die Rolle Gottes versetzen und eine Welt erschaffen wollen, dann müssen wir mit einer Unterscheidung beginnen: Am Anfang war also die Unterscheidung, die Differenz.³
Abb. 6: Die Wahrnehmung des Unterscheidbaien Ähnliches gilt für die Wahrnehmung: Wahrgenommen werden kann nur das, was sich unterscheiden lässt. Sehr schön lässt sich dies an uns wenig vertrauten Sachverhalten verdeutlichen: Für viele Europäer sind die typischen amerikanischen Sportarten immer noch ein Buch mit sieben Siegeln. Wer sich ein Spiel zweier BaseballMannschaften anschaut, der beobachtet bestenfalls,
A DIE IDEEN
dass der Ball geworfen, geschlagen und gefangen wird sowie dass sich die Spieler der beiden Mannschaften auf eine nicht zu durchschauende Art bewegen oder auch nicht bewegen. Erst die Kenntnis und Anwendung der Spielregeln ermöglicht ein gezieltes Beobachten bestimmter Spielzüge und die Wahrnehmung einer Spieltaktik. Im Sinne des Differenzdenkens sind es also Unterschiede, die in die Wahrnehmung des Beobachters eingeführt werden und die nun ein differenziertes
Beobachten
ermöglichen.
Die
Idee
des
Differenzdenkens hat mehrere - mehr oder weniger praktische Konsequenzen: •
Allgemein gilt: Wer mehr Informationen über vermeintlich gleiche oder zumindest sehr ähnliche Objekte benötigt, der muss sein Augenmerk auf die Unterschiede der bezeichneten Objekte richten. Kurz und bündig: Achte auf die Differenzen!
•
Ein Spezialfall ergibt sich im Bereich des Wissensmanagements. Bei den häufig anzutreffenden (Spiegelstrich)-Aufzählungen z. B. Argumente, Vor- oder Nachteile, Aspekte kann es hilfreich sein, eine Differenzbetrachtung mit dem Fokus der Bedeutsamkeit anzustellen. So ließe sich beispielsweise die Frage beantworten, welche drei einer Liste von insgesamt zehn Aspekten hinsichtlich eines bestimmten Ge sichtspunktes besonders wichtig sind.
•
Differenzen lassen sich grundsätzlich auf allen Abstrakti onsebenen bilden. Dies hängt ganz wesentlich damit zu sammen, dass jede Differenzbetrachtung darin besteht, eine zuvor vorgenommene Abstraktion - zumindest in Teilen wieder aufzuheben. Umgekehrt gilt: Eine Abstraktion hebt Unterschiede auf, indem sie - jedenfalls scheinbar - Gleichheit herstellt.
4 Zwei Grundtypen des Denkens Die Welt ist uns Menschen nur über unser Denken zugänglich, das unsere Modelle4 von der Welt maßgeblich prägt (s. Kap. B. 6). Menschen verwenden regelmäßig einen bestimmte Grundtypus des Denkens. Wir unterscheiden: das Denken in Gemeinsamkeiten und das Denken in Unterschieden (vgl. Abb. 7). Nehmen wir an, ein Ehepaar möchte das Ziel des kommenden Urlaubes finden. Die Frau möchte «weit weg mit Blick auf den See» und der Mann plant «weit weg in der Nähe des Waldes» zu wohnen. Ein unbeteiligter Zuhörer könnte daraus folgende Einschätzungen der Situation ableiten: a) Die Ehepartner denken doch sehr unterschiedlich, denn sie bevorzugt die Seenähe, er hingegen die Waldnähe. b) Die Ehepartner denken im Grunde doch ähnlich, denn beide möchten weit weg. . Die Einschätzung einer gegebenen Situation durch den Zuhörer ist abhängig davon, ob er grundsätzlich eher in Unterschieden oder in Gemeinsamkeiten zu denken gewohnt ist (s. Abb. 7). Bei den meisten Menschen herrscht eine dieser beiden Orientierungen vor, durch die auch zukünftige Erfahrungen geprägt werden. Jeder Einzelne hat mit seiner speziellen Art zu denken seine Erfahrungen so sehr bestimmt, dass ihm die Möglichkeit eines an-
A DIE IDEEN
deren Denkens häufig gar nicht in den Sinn kommt. Solange der Einzelne seine handlungsbegründenden Beobachtungen für sich selbst verwertet, entstehen kaum Irritationen. Denken in Gemeinsamkeiten
Denken in Unterschieden Abb. 7: Grundtypen des Denkens Wenn nun aber verschiedene Denkgewohnheiten zusammenkommen, dann ist ein gegenseitiges Unverständnis der Beteiligten wahrscheinlich; aus diesem Grunde ist es insbesondere zu Beginn einer Problembearbeitung sinnvoll, dass sich die Beteiligten über ihre Denkgewohnheiten austauschen: Auf diese Weise schaffen sie die Voraussetzung, um beide Denkvarianten zu nutzen und so zu einem möglichst farbigen Bild der Situation zu gelangen. Gilt es ein Problem zu bearbeiten, so empfiehlt es sich, mit beiden Denkvarianten zu arbeiten. Zunächst wird die Problematik formuliert und dokumentiert; anschließend wird darüber nachge-
4 ZWEI GRUNDTYPEN DES DENKENS dacht, welche Eigenschaften eine möglichst gute Lösung haben soll.5 In der ersten Phase wird das Denken in Unterschieden (man spricht auch von divergentem Denken) genutzt, um möglichst viele verschiedene Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten. In einem Brainstorming werden alle Ideen erfasst, ohne sie zu bewerten.
In der zweiten Phase ist das Denken in Gemeinsamkeiten (man spricht auch von konvergentem Denken) erforderlich, um aus den vielen Handlungsmöglichkeiten eine umsetzbare Maßnahme zu bestimmen. Hierbei orientiert man sich an den anfangs erarbeiteten Eigenschaften einer guten Lösung und fragt, welche Handlungsmöglichkeiten diese Eigenschaften in genügendem Maße berücksichtigten.
A DIE IDEEN
Dadurch ist die Anzahl an Handlungsmöglichkeiten zumeist schon auf ein überschaubares Maß gesunken. Nun wird abschließend aus dieser Menge jene Möglichkeit verworfen, die die gewünschten Eigenschaften am wenigsten berücksichtigt. Dadurch wird die restliche Menge an guten Handlungsmöglichkeiten weiter verringert. Indem der zuletzt genannte Arbeitsschritt wiederholt wird, verringert sich die verbliebene Menge guter Handlungsmöglichkeiten, bis nur noch eine Maßnahme übrig bleibt. Diese dürfte dann zumindest die am wenigsten schlechte Möglichkeit der Problemhandhabung sein! Durch eine gleichberechtigte Verwendung des Denkens in Unterschieden und des Denkens in Gemeinsamkeiten (s. Abb. 8) wird es somit prinzipiell möglich, die Vorstellungen über einen Ausschnitt der Welt zu vervollkommnen und die Qualität der erarbeiteten Problemlösungen deutlich zu erhöhen.
1 Das Differenzprofil Das Differenzdenken kann in vielerlei thematischen Bezügen eingesetzt werden. Ein besonders interessantes Anwendungsfeld ist das der Kompetenzentwicklung. Dabei gilt es Informationen zu gewinnen, die sowohl bei der Qualifizierung von Menschen als auch bei deren Einsatz in Organisationen hilfreich sind. Auf die Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit Anforderungsprofilen auftauchen, haben wir bereits in Abschnitt A.3 hingewiesen. Dort wurde beispielhaft ausgeführt, dass ein Anforderungselement wie das der «Teamorientierung» bestenfalls einen sozial erwünschten Allgemeinplatz darstellt, aber wenig inhaltliche Konkretion bietet.
Die Idee In einem Differenzprofil werden Kompetenzen, Fähigkeiten oder Fertigkeiten einer Person oder einer Gruppe erfasst und auf eine bestimmte Art und Weise positioniert. Der zentrale Gedanken dieser Vorgehensweise besteht darin - entsprechend der Differenzidee -, bewusst jene Fähigkeiten herauszuarbeiten, die die beschriebene Person oder Gruppe hinsichtlich ihres Kompetenzprofils von anderen unterscheiden.
B
DIE PRAXIS
Bei der Positionierung der Fähigkeiten gilt es zwei Dimensionen zu berücksichtigen, wobei die erstere als Ausdruck der Differenz-idee zu begreifen ist: 1. Dimension: Die Fähigkeiten werden hinsichtlich ihrer Diffe renz zur Vergleichsperson/-gruppe geordnet. 2. Dimension: Die Fähigkeiten werden hinsichtlich ihrer Be deutung für die Erfüllung der Anforderungen geordnet. Werden die relevanten Fähigkeiten hinsichtlich dieser beiden Dimensionen erfasst, so ergibt sich ein zweidimensionales Diagramm, das so genannte Differenzprofil. Es weist Analogien zu den bekannten Portfolios auf und kann bezüglich mehrerer Aspekte ausgewertet werden. Folgende Fragestellungen haben sich dabei als hilfreich herausgestellt: * Welche Fähigkeiten fördern zugleich die Auftragserfüllung und die Unterscheidbarkeit zu den Vergleichsobjekten? * Welches Fähigkeitsmuster zeigt sich im Koordinatensystem? * Bei welchen Fähigkeiten gilt es lenkend einzugreifen, um eine Entwicklung der Fähigkeiten zu befördern?
Beispiel: Anforderungsprofil für Studierende An einem wirtschaftlich orientierten Studiengang (Betriebliches Prozess- und Projektmanagement) der Fachhochschule Vorarlberg überlegen die Hochschullehrer des Fachbereichs Arbeitsmethodik, welche fachübergreifenden Fähigkeiten es bei den Studierenden in besonderem Maße zu fördern gilt. Ihre Überlegungen werden dabei von zwei Aspekten geleitet:
l DAS DIFFERENZPROFIL
1. Dimension: Bei welchen Fähigkeiten gibt es Unterschiede zu vergleichbaren Studiengängen anderer Bildungsträger (ge nauer: wirtschaftlich ausgerichtet Studiengänge an Hoch schulen in der Bodensee-Region)? 2. Dimension: Welche der Fähigkeiten sind für die künftigen Ab solventen besonders bedeutend im Hinblick auf den Einstieg in das Erwerbsleben (genauer: die ersten beiden Berufsjahre nach Studienabschluss)?
Die Hochschullehrer ermitteln die relevanten Fähigkeiten in einem Workshop: Zunächst werden die Fähigkeiten hinsichtlich einer Dimension gereiht und getrennt davon - nach einer Pause -werden die gleichen Fähigkeiten hinsichtlich der anderen Dimension gereiht. Abschließend werden die erarbeiteten Reihun-
B
DIE PRAXIS
gen ein Koordinatensystem mit den beiden bearbeiteten Dimensionen übertragen. Als Ergebnis erhalten sie das Differenzprofil für die künftigen Absolventen (Abb. 9) und damit auch die Möglichkeit, ihr zukünftiges Lehrhandeln an den Ergebnissen auszurichten. Beispielhaft seinen zwei Ergebnisse kurz skizziert: « Es stellt sich heraus, dass die Fähigkeit «Informationsbeschaffung, -Verarbeitung und -Präsentation» zwar eine durchaus hohe Bedeutung für den zukünftigen Absolventen besitzt, dass aber darin
gleichsam
wenig
Profilierungspotenzial
für
den
bezeichneten Studiengang liegt. * Die Fähigkeit ((kontextbezogenes Handeln» bietet hingegen Profilierungsmöglichkeiten, da sie bei vergleichbaren Studien gängen und Bildungsträgern nur eine untergeordnete Rolle spielt. Zugleich eröffnet sie den Absolventen große Chancen am Arbeitsmarkt.
Beispiel: Fähigkeitsmuster von Arbeitsgruppen Für eine Gruppe in einer Organisation ist es bedeutsam, ihre Problemlösungskompetenz im Vergleich zu internen oder externen Wettbewerbern einzuschätzen. Zur Analyse ihrer kollektiven Fähigkeiten führen sie einen Workshop durch, in dessen Verlauf sie «ihr» Differenzprofil entwickeln. Dabei gehen sie wie folgt vor: * Die Zielstellung des Workshops wird in Hinblick auf Auftrag und Auftraggeber fixiert; * die Fähigkeiten der Gruppe werden ermittelt; * die Bedeutsamkeit der Fähigkeiten für die Auftragserfüllung wird festgehalten; * nach der Bestimmung der Vergleichsgruppe(n) werden die
l DAS DIFFERENZPROFIL
Unterschiede zu den Fähigkeiten der Vergleichsgruppe(n) ermittelt; abschließend wird das Differenzprofil ausgewertet.
Dabei stellt sich heraus, dass es insbesondere die Fähigkeit zur «Generierung von Lösungsalternativen» ist, die sowohl bedeutsam für die Aufgabenerfüllung ist als auch deutliche Unterschiede zu den Vergleichsgruppen aufweist.
Die Vorgehensweise « Zunächst sind die Zielstellung des Verfahrens und der Kontext der Überlegungen darzulegen. Dies ist der Rahmen für den Einsatz des Differenzprofils.
B
Dm PRAXIS
•
Dann gilt es festzuhalten, welche Fähigkeiten im Differenzprofil erfasst werden. Im Besonderen gilt es zu klären, welche Differenzen im Vergleich mit welchen Bezugsobjekten (Perso nen, Institutionen usw.) ermittelt werden und welches Bedeu tungskriterium angewandt wird.
•
Die Fähigkeiten werden hinsichtlich ihrer Differenz zur Vergleichsperson/-gruppe geordnet.
•
Die Fähigkeiten werden hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Erfüllung der Anforderungen geordnet.
•
Die ermittelten Ordnungen werden zu einem einheitlichen Dif ferenzprofil zusammengefügt.
•
Nachdem das Differenzprofil zielorientiert erstellt ist, geht es an dessen Interpretation. Dabei sind es insbesondere die er mittelten Differenzen zu den Bezugsobjekten, die einen hohen Erkenntnisgewinn erwarten lassen.
2 Reduktion - die «erzwungene» Differenz Es ist wie beim Eis essen - man kann sich nicht entscheiden: Schokolade, Vanille, Erdbeere, Himbeere, Pistazien, Stracciatella, NUSS,
«Schlumpf»-Eis, Zitrone, Banane, Johannisbeere und noch
viele andere Sorten stehen zur Wahl. Dabei soll es aber «eigentlich» nur eine Eiswaffel mit drei Kugeln sein. ' Die Qual der Wahl ist riesengroß - und es gibt auch noch viele Handlungsmöglichkeiten. Man kann die Vorgabe der «drei Kugeln» ignorieren - also einfach herrlich inkonseo^ient sein und sich von jeder Sorte bedienen -, es besteht die Möglichkeit, alle drei Kugeln von nur einer einzigen Sorte zu wählen, und dazwischen sind alle nur möglichen und unmöglichen Kombinationen denkbar. Wie auch immer unser potenzieller Eiskäufer sich nun verhalten mag, eine Entscheidung zu treffen - sei sie nun bewusst oder unbewusst -, ist für ihn unabdingbar.
Die Idee Im Fall der Reduktionsidee wird es sich als hilfreich erweisen, das mit der Idee in Beziehung stehende Problem etwas genauer zu umreißen. Es geht bei der Reduktionsidee darum, aus einer gegebenen Menge bestimmte Elemente nach - noch näher festzulegenden - Kriterien auszuwählen. Im konkreten Einzelfall kann dies
B
DIE PRAXIS
beispielsweise bedeuten, aus einer gegebenen Menge an Lerninhalten jene
auszuwählen,
die
sich
hinsichtlich
bestimmter
Rah-
menbedingungen didaktisch sinnvoll bearbeiten lassen. Das eigentliche Problem liegt nun darin, dass man sich manchmal sehr schwer tut, eine gezielte Reduktion aller Elemente bzw. eine Auswahl der relevanten Elemente vorzunehmen. «Irgendwie ist alles wichtig», «Das muss man von Fall zu Fall entscheiden» oder «Hier ist nichts verzichtbar» sind gängige Kommentare, die mit der Weigerung einhergehen, reduktiv tätig zu werden. Dabei ist für diese Personen häufig nicht ersichtlich, welchen Preis sie i. d. R. für diese Haltung zu zahlen haben. Denn schließlich steigt der Informationsgehalt, wenn wir eine bestimmte Menge an Elementen quasi gleichberechtigt - negativ formuliert: unbestimmt nebeneinander stehen haben und wir zusätzlich wissen, dass gewisse Elemente hinsichtlich eines bestimmten Kriteriums relevanter sind als andere.
2
REDUKTION - DIE «ERZWUNGENE» DIFFERENZ
Es scheint so zu sein, als würde die Vollständigkeit der Elemente, die mit einer scheinbaren «Gleichheit» einhergeht, höher bewertet als die gezielte Differenzierung. Dies mag einer Art «inneren Vorschrift» entsprechen, die wir an anderer Stelle als «Vollstän-digkeitsProgramm»6 bezeichnet haben. In der Tat ist es aber so, dass wir mehr Informationen gewinnen, wenn wir eine Entscheidung darüber treffen, welche der bezeichneten Elemente hinsichtlich eines bestimmten Kriteriums relevanter sind. Dies gilt im Besonderen für Fachleute: Von diesem Personenkreis darf durchaus erwartet werden, dass er Wesentliches von Unwesentlichem, Vorteilhaftes von WenigVorteilhaftem usw. zu unterscheiden in der Lage ist. Nun schreiten wir von der Problematik zur eigentlichen Idee voran, indem wir einen Klärungsprozess «der besonderen Art» vorschlagen: die Reduktion. Dabei handelt es sich - systemtheoretisch gesprochen - um eine «erzwungene» Differenzbildung, die sich auf eine bestimmte Menge an Elementen bezieht und zugleich kriterienorientiert geschieht. Eine Reduktion ist also eine gezielt vorgenommene Unterscheidung von Elementen, die zunächst hinsichtlich eines bestimmten Kriteriums gleich sind, also ein und derselben Menge angehören.
Beispiel: Die Vorlesung «Personalwirtschaft» An einer Fachhochschule wird eine Lehrveranstaltung zum Thema «Personalwirtschaft)) abgehalten. In der aktuellen Vorlesung behandelt der Dozent den Prozess der Personalgewinnung. Nachdem er die Grundlage der Personalbedarfsplanung erläutert und einige Hinweise zur Berücksichtigung der aktuellen Arbeits41
B
DE PRAXIS
marktsituation gegeben hat, wendet er sich den verschiedenen Verfahren der Personalbeschaffung zu. In einer Gruppenarbeit erarbeiten die Studenten u. a. die Vor- und Nachteile der betriebsinternen Personalbeschaffung. Nach Abschluss der Arbeitsphase präsentieren zwei Gruppen ihre Ergebnisse, die am Flip-Chart festgehalten werden. Dort ist zu lesen: Vorteile der betriebsinternen Beschaffung •
geringeres Auswahlrisiko,
•
spezifische Betriebskenntnisse der Mitarbeiter sind bereits vorhanden,
•
geringere Beschaffungskosten,
•
Stellenbesetzungen «aus den eigenen Reihen» motivieren die Mitarbeiter, sich weiterzubilden. Nachteile der betriebsinternen Beschaffung
•
Gefahr wachsender Betriebsblindheit,
•
Erlahmen der Kreativität,
•
evtl. unzureichende Autoritätsausübung aufgrund falsch ver standener Solidarität zu ehemals gleichgestellten Kollegen.
Im Anschluss an die Präsentation der Arbeitsergebnisse richtet der Dozent eine Frage an das Auditorium: «Sie sehen hier einige Argumente, die für die betriebsinterne Beschaffung sprechen. Welches dieser Argumente zählt - Ihrer Meinung nach - besonders stark?» - «Das kann man so genau nicht sagen, es kommt immer darauf an», antwortet ihm ein Student. «Dann sagen Sie mir doch bitte, worauf es denn ankommt», fasst der Dozent nach. «Na eben auf die Situation, auf die Situation kommt es an.» - «Das
l DAS DENKEN IN SYSTEMEN
glaube ich Ihnen gerne», heißt es erneut von Seiten des Dozenten, «dann nennen Sie mir doch bitte einen Kontext, für den Sie einen zentralen Vorteil der betriebsinternen Beschaffung ausmachen können!»
Nach einer kurzen Phase der Ratlosigkeit meldet sich Heide Vorarlberger zu Worte: «Also, wenn wir einmal davon ausgehen, dass die Mitarbeiter - wie es immer so schön heißt - die wertvollste Ressource eines Unternehmens sind, dann ist die Forderung nach einer effektiven Personalentwicklung nur folgerichtig. Und dies wiederum bedeutet, dass das Argument mit den «Stellenbesetzungen «aus den eigenen Reihen») den zentralen Vorteil der betriebsinternen Personalbeschaffung darstellt; über den Mecha-
B
DIE PRAXIS
nismus der betriebsinternen Beschaffung wird sozusagen Personalentwicklung konkret umgesetzt und damit auch beispielhaft vorgelebt.» Der Dozent ist mit der gegebenen Antwort sehr zufrieden. Zugleich weist er darauf hin, dass es sich hierbei nicht um die einzig mögliche - geschweige denn: einzig richtige - Antwort handelt. Je nach Perspektive und Auswahl- bzw. Differenzkriterium sind auch andere Antworten denkbar; allerdings handelt man i.d.R. nie völlig voraussetzungslos, so dass die Entscheidung für eine Antwort im Allgemeinen auf eine mehr oder minder große Zustimmung bauen darf.
Die Vorgehensweise * In einem ersten Schritt gilt es, die Ausgangsmenge mit ihren Elementen zu bezeichnen. Wovon - so ist zunächst zu fragen soll reduziert werden? * Danach ist das Auswahl- oder Differenzkriterium festzulegen. Nach welchem Maßstab ist die Reduktion vorzunehmen: Geht es um Bedeutsamkeit, Stärke, Größe oder etwas anderes? * Zu guter Letzt ist kriterienorientiert zu reduzieren. Welches ist denn nun der wesentliche Lerninhalt, das stärkste Argument usw.?
3 Die dialektische Fragen-Matrix «Kreativität meint, nicht immer in die gleiche Richtung zu gehen und das, was man ohnehin schon tut, einfach nur besser zu machen. Mit anderen Worten: Buddeln Sie nicht immer das gleiche Loch nur tiefer, buddeln Sie mal ganz woanders», fordert Edward de Bono von den Führungskräften der Unternehmen7. Gewünscht sind also neue Ideen und Problemlösungen, die - zunächst völlig unabhängig von
der
Problemstellung
-
die
Menge
der
verstellbaren
Möglichkeiten deutlich erweitern. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf die Fragen, die es hinsichtlich eines bestimmten Problemlösungsprozesses zu beantworten gilt. Wenn es gelingt - so die Idee -, über die Qualität der Fragen auch die Qualität des Fragenraums zu erhöhen, dann wird dies fast automatisch auch zu einer Qualitätsverbesserung der Menge der «Antworten» führen.
Die Idee Die Grundidee der dialektischen Fragen-Matrix besteht darin, sowohl qualitativ als auch zunächst quantitativ eine Vielfalt und eine Vielzahl an solchen Fragen zu generieren, die grundsätzlich dazu geeignet sind, einen hochwertigen Problemlösungsprozess zu befördern. Zu diesem Zweck spannen wir die Matrix so auf,
B
DIE PRAXIS
dass sie die im Folgenden zu beschreibenden Dimensionen aufweist: Dimension «Themen/Aspekte»: In den Spalten der Matrix werden alle problem- bzw. zielrelevanten Aspekte aufgeführt. Dabei ist auf eine sinnvolle Wahl der Abstraktionsebene zu achten. Dimension «Fragerichtung»: Die Zeilen der Matrix enthalten Fragewörter, von denen anzunehmen ist, dass sie zur Entwicklung einer sinnvollen Fragestellung beitragen. Ein Fragewort steht für eine grobe Ausrichtung der Frage, im Einzelnen sind dann durchaus unterschiedliche Varianten der Fragestellung denkbar. Kombiniert man in einer Matrix nun je eine Fragerichtung mit einem Thema, so können pro Matrix-Zelle bestimmte Fragemöglichkeiten notiert werden. Nicht jede Frage wird für die Problemstellung gleich relevant sein, so dass in einem Folgeschritt die Auswahl der zielführenden Fragen sinnvoll ist. Bevor man nun zur Beantwortung der ausgewählten Fragen schreitet, ergänzt man jede Frage um die entsprechende «NichtFrage». Dies geschieht deshalb, weil auch aus dem zunächst {hinsichtlich eines Aspektes) nicht Nachgefragtem wertvolle Informationen gewonnen werden. Eine Frage in Verbindung mit der jeweiligen Nicht-Frage bezeichnen wir als dialektisches Fragenpaar.
Beispiel: Der Schulanfang In unserem Beispiel gehen wir davon aus, dass die Familie Löhner Überlegungen zur Einschulung ihrer jüngsten Tochter Constanze anstellt. Die Eltern und die älteren Geschwister Alexandra und Tobias möchten gerne klären, was alles von Seiten der Familie aus getan werden kann bzw. dann konkret zu tun ist.
3
DIE DIALEKTISCHE FRAGEN-MATRIX
Gemeinsam macht man sich an die dialektische Fragen-Matrix und entwickelt in einem ersten Schritt die Aspekte und Fragerichtungen. Dabei erhält Familie Löhner folgendes Ergebnis: * Aspekte: Schultüte, Feier, Geschenk, Gäste u. a. m. •
Fragerichtung: Wer?, was?, wo?, weshalb? u. a. m.
Anschließend werden jeweils ein Aspekt und eine Fragerichtung kombiniert und diesbezügliche Fragen gestellt. So führt beispielsweise die Fragerichtung «Was?» verbunden mit dem Aspekt «Feier» zu den Fragestellungen: « Was wollen wir für eine Feier machen? * Was benötigen wir für eine solche Feier? * Was ist im Einzelnen für diese Feier vorzubereiten? * u.a.m.
B
DE PRAXIS
Schlussendlich formulieren sie zu jeder Frage die Nicht-Frage: Die Frage «Was benötigen wir für eine solche Feier unbedingt?» wird ergänzt um die Frage «Was benötigen wir für die Feier nicht?». Danach schreiten sie zur Beantwortung der einzelnen Fragen (einschließlich der Nicht-Fragen) und erhalten beachtliche Informationen für die Planung und Durchführung der Einschulung von Töchterchen Constanze. Vieles davon erscheint ihnen selbstverständlich, allerdings gibt es auch Bereiche, die sie möglicherweise ohne die dialektische Fragen-Matrix übersehen hätten. Und diese Bereiche zu ermitteln, war ja gerade Sinn und Zweck der Matrix.
3
DIE DIALEKTISCHE FRAGEN-MATRIX
Die Vorgehensweise •
Am Anfang des Prozesses steht die Formulierung der jewei ligen Problem- oder Zielstellung.
•
Im Anschluss daran werden die Dimensionen «Themen/As pekte» und «Fragerichtung» konkretisiert und verschiedene thematische Aspekte und Fragewörter konkret formuliert. Mit diesem Schritt ist die Fragen-Matrix formal entwickelt.
•
Nun gilt es, für jede Zelle der Matrix eine oder mehrere Fragen zu entwickeln. Aus der Vielzahl der Fragen werden dann jene (ca. 5 bis 7) Fragen ausgewählt, die als besonders relevant für die Bearbeitung der Problem- bzw. Zielstellung gelten.
•
Die ausgewählten Fragen werden zu guter Letzt um die jewei lige Mcizt-Frage ergänzt und anschließend beantwortet.
4 Subjektive Standards In der heutigen Zeit gibt es vielfältige Weiterbildungsangebote zur Verbesserung der aktuellen Führungs- und Kooperationspraxis. Entschließt sich nun jemand, an einer derartigen Maßnahme teilzunehmen, so ist er häufig von der Art und der Qualität seiner Anregungen ein wenig enttäuscht. Zu oft kommt es vor, dass den wissbegierigen Teilnehmern scheinbar nur Selbstverständlichkeiten präsentiert werden. In einer Seminarveranstaltung zum Thema «Mitarbeiterführung» heißt es beispielsweise, man müsse seine Mitarbeiter gleichsam fordern und fördern, es sei angeraten, einen kooperativen Führungsstil zu pflegen, in diesem Rahmen Ziele mit den Mitarbeitern zu vereinbaren und letztlich den Zielerreichungsgrad festzustellen. Wer sich nun bereits seit einigen Jahren in der Führungspraxis zu bewähren hatte, wird für diese Vorschläge nur eine begrenzte Begeisterung entfalten. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen sind die genannten Hilfestellungen mehr oder weniger banal- etwa in dem Sinne: Wer keine Ziele hat, kann auch nichts erreichen. Zum anderen handelt es sich dabei um «theoretische» Lehrbuchweisheiten, die dem harten Praxistest nicht standhielten.
4 SUBJEKTIVE STANDARDS
Die Idee Wir gehen davon aus, dass die eigentliche Problematik bei den bezeichneten «Selbstverständlichkeiten» darin besteht, das vorhandene Wissen in ein praktisches Handeln zu überführen. Der Wunsch nach neuen, bislang nicht bekannten Modellen und Ansätzen verdeckt häufig die mangelhafte Umsetzung der bekannten so genannten «Selbstverständlichkeiten». Ausgehend von dieser Annahme, plädieren wir dafür, so genannte Handlungsstandards einzuführen. Standards sind in diesem Zusammenhang als Maßstab oder «Richtschnur» des eigenen Handelns zu verstehen. Sie bezeichnen also ausdrücklich nicht die mittlere Ausprägung einer Variablen - diese Begriff s Verwendung ist auch gebräuchlich -, sondern eine selbstgesetzte handlungsleitende Orientierung. Die Formulierung von Handlungsstandards erfüllt insbesondere zweierlei Zwecke: Zum einen wird damit ein Klärungs-prozess angestoßen, an dessen Ende eine Positionierung hinsichtlich des eigenen Handelns steht; in diesem Sinne fördern Standards die Auseinandersetzung mit den Grundlagen des eigenen Handelns. Zum anderen ermöglichen Standards den Abgleich mit dem realen Handeln; sie bilden also die Basis für eine Rückmeldung an den «Autor» der Standards. Damit tragen sie möglicherweise auch zu dessen Desillusionierung bei. Derartige Handlungsstandards können sowohl situativ als auch permanent genutzt werden: Es besteht immer die Möglichkeit, einen Standard als relevant für ein bestimmtes Ziel auszuweisen, wobei der Akteur zwischen einer eher operativen und einer eher strategischen Ausrichtung zu unterscheiden hat.
B
DIE PRAXIS
Beispiel: Das Seminar Das Qualitätsmanagement-Konzept TQM (Total Quality Management) wird in einem Unternehmen eingeführt. Dabei wird der Versuch unternommen, diesen eher produktionstechnisch ausgerichteten Ansatz auch auf den sozialen Bereich zu übertragen. In diesem
Rahmen wird ein Seminar entwickelt, das sich an Mitarbeiter des Unternehmens richtet, die in einer Schnittstelle tätig sind, also direkt mit einem Mitarbeiter einer anderen organisatorischen Einheit zusammenarbeiten. Diese beiden Mitarbeiter besuchen das Seminar gemeinsam als «Lern-Tandem».
Das Seminar trägt den Titel QUIT (= Qualität im Team). An jedem der vier QUIT-Seminartage steht eines der folgenden Themen im
4 SUBJEKTIVE STANDARDS
Mittelpunkt: Entscheidungsprozesse, Kreativität, Kommunikation und Selbst-Management. Im jeweiligen thematischen Rahmen werden den Teilnehmern bestimmte Aufgaben gestellt, die sie dann in mehreren Arbeitsgruppen angehen. Vor der eigentlichen Aufgabenstellung werden die Teilnehmer aufgefordert, aus einer Liste von jeweils zehn Handlungsstandards jene drei auszuwählen, an denen sie ihr aufgabenbezogenes Handeln ausrichten möchten. Am dritten Tag werden den Teilnehmern Aufgaben zum Thema Kommunikation gestellt. Die Gruppe A entscheidet sich für drei Standards, die sie bei ihrer Aufgabenerfüllung einhalten wollen: Handlungsstandard 1: Bei uns wird für den notwendigen Informationsfluss gesorgt. Handlungsstandard 2: Jeder von uns kennt Ziele und Aufgaben des Teams. Handlungsstandard 3: Es gibt bei uns keine «schwarzen Schafe», niemand wird übergangen oder ausgegrenzt. Im Anschluss an eine der Gruppenaufgaben erfolgt eine Prozessanalyse, bei der die Beteiligten und die Beobachter einschließlich Trainer eine Rückmeldung abgeben, die sich sowohl auf das Verhalten jedes Einzelnen in der Gruppe als auch auf die Gruppe insgesamt bezieht. Dabei stellt sich u. a. heraus, dass weder die Zielstellung noch die Vorgehensweise für alle Beteiligten klar nachvollziehbar war. Im Gegenteil: Ein Teil der Gruppe hatte angenommen, es ginge bei der Aufgabe um die Entwicklung eines bestimmten Produkts, der andere Teil der Gruppe war davon ausgegangen, dass die Be-
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DIE PRAXIS
Stimmung von Zielgruppe und Nutzen des Produkts eigentliches Ziel der Aufgabe war. Die Gesamtheit der Rückmeldungen lässt die Mitglieder von Gruppe A relativ schnell erkennen, dass man sich im Hinblick auf das Gruppenziel vorschnell in Sicherheit gewogen hatte. Die vermeintliche Übereinstimmung wird darauf zurückgeführt, dass der subjektive Wunsch nach Konsens die Vielfältigkeit der Meinungen überlagert hat. In Zukunft wird man hinsichtlich Ziel und Vorgehensweise sensibler sein und die Erfüllung der Standards kritisch hinterfragen.
4 SUBJEKTIVE STANDARDS
Die Vorgehensweise * Zunächst gilt es, Ziel und Kontext der Handlungsstandards zu fixieren. Gelten die Standards nur für eine bestimmte Aufgabe, oder haben sie eine zeitlich übergreifende Bedeutung? * Formulieren Sie ca. 8 bis 10 Handlungsstandards, wobei Sie stets darauf achten, dass diese möglichst konkret gehalten sind, so dass ein Abgleich mit den Wahrnehmungen der be teiligten Personen gut möglich ist. * Sorgen Sie dann dafür, dass eine bestimmte Zahl an Hand lungsstandards ausgewählt wird. Zu Beginn eines derartigen Reflexionsprozesses ist es angeraten, sich auf ca. 3 Standards zu beschränken. * Nach dem zu beobachtenden Prozess werden die Einschät zungen der beteiligten Personen (Akteure und Beobachter) hinsichtlich der Erfüllung des bezeichneten Standards «unter die Lupe genommen»: Welche Unterschiede liegen bezüglich der einzelnen Einschätzungen vor? Wie hoch ist die Differenz hinsichtlich einer optimalen Standarderfüllung?
5 Der Perspektivenwechsel: Meine Brille - deine Brille Eine Mahlzeit ist eine Mahlzeit - könnte man jedenfalls vorschnell annehmen. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die verwendeten Perspektiven identisch sind. Bei einer genaueren Überlegung stellt sich sehr schnell heraus, dass diese Voraussetzung bestenfalls idealtypisch gelten kann. Denn: Über Geschmack lässt sich bekanntlich (nicht) streiten. Aber nicht nur für den Geschmack gilt, dass unterschiedliche Perspektiven auch unterschiedliche Betrachtungsweisen fördern. Für den Gast mag es sehr erfreulich sein, dass er sein (fast schon versalzenes) Wiener Schnitzel mit Beilage für kostengünstige sechs Euro erwerben kann. Für den Restaurantbesitzer hingegen ist dieses Angebot eher eine (ärgerliche) Begleiterscheinung bzw. ein von ihm eingesetztes
Mittel
zu
dem
Zweck
der
Erhöhung
des
Getränkekonsums des Gastes - oder einfacher formuliert: Am Schnitzel verdient der Besitzer fast nichts, am halben Liter frisch gezapften Bieres aber sehr wohl.
Die Idee Eine Perspektive ist eine bestimmte Herangehensweise an die Welt und ihre vielfältigen Aspekte. Systemtheoretisch formuliert
5 DER PERSPEKTIVENWECHSEL
sind es unterschiedliche Leitdifferenzen, die unterschiedliche Fragen und - selbstverständlich auch - unterschiedliche Antworten generieren. Dies lässt sich gut an der Unterscheidung von «legal» und «legitim» illustrieren. Die erste Begrifflichkeit verweist auf das gesellschaftliche Rechtssystem und seine Unterscheidungen, die zweite auf das moralische System eines Individuums. Die Grundidee lässt sich wie folgt zusammenfassen: Bestimmte Schritte eines Prozesses werden durch die Einführung neuer, bislang unbekannter oder ungenutzter Perspektiven bereichert. Dies gilt nicht nur für die so genannten kreativen Phasen, sondern für fast jeden Arbeitschritt; so kann beispielsweise bei der Bezeichnung und Beschreibung eines Problems eine Perspektivenvielfalt hilfreich sein, etwa um die Weite einer gegebenen Problematik zu erfassen. Berücksichtigt man an dieser Stelle nur die bereits bekannten Perspektiven, so kann es sehr leicht dazu kommen, dass eben auch nur die bereits bekannten Probleme gelöst werden - im Übrigen auch mit bereits bekannten Lösungen.
Beispiel: Die Walnuss Wie hilfreich ein «Brillenwechsel» sein kann, veranschaulicht Christian-Rainer Weisbach an einem ganz alltäglichen Fall: «Ich konnte bei meinen Kindern beobachten, dass ein vereinbarter Kompromiss keineswegs Zufriedenheit auslöst, wenn die wirklichen Ziele auf der Strecke bleiben. (...) Sie fanden gleichzeitig eine Walnuss im Garten und stritten sich darum, weil jeder sie haben wollte. Schließlich einigten sie sich darauf, die NUSS zu teilen. Doch kaum war die NUSS geknackt, kam der empörte Aufschrei:
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DIE PRAXIS
«Jetzt hast du sie kaputtgemacht. Nun kann ich überhaupt kein Schiff mehr schwimmen lassen.»8 An diesem Beispiel wäre eine Zielklärung unter Zuhilfenahme eines Perspektivenwechsels sehr hilfreich gewesen: Ein Kind hätte die beiden Schalenhälften erhalten, das andere die beiden Nusshälften. Nimmt ein Akteur die Perspektive eines Gegenübers ein, sollte er in jedem Falle die Interessen bzw. die Ziele des Gegenübers auszuloten versuchen. Ferner sollte erkundet werden, welche Strategien das Gegenüber als hilfreich ansieht, welche Diagnose- und Erklärungshypothesen es verwendet usw. Je umfangreicher der Akteur die Perspektive des Gegenübers rekonstruieren kann, desto höher ist seine Chance, eine für alle Beteiligten akzeptable Handlungsweise hervorzubringen.
Beispiel: Organisationsentwicklung und «Die anwesenden Abwesenden» In Organisationen vollziehen sich - gerade in der heutigen Zeit vielfältige Veränderungen. Sofern es sich dabei um bewusst gesteuerte Prozesse handelt, spricht man auch von Organisationsentwicklung. Um derartige Veränderungsvorhaben gezielt unterstützen und vorantreiben zu können, steht den Organisationsentwicklern ein vielfältiges Repertoire an Interventionsdesigns zur Verfügung. Eines dieser Instrumente trägt den Titel «Die anwesenden Abwesenden». Es geht hierbei darum, relevante Sichtweisen nicht anwesender Personen aufzuzeigen. Dieses Vorgehen kann sinnvoll sein, denn solche Projektionen von Fragen auf eine ab-
5 DER PERSPEKTIVENWECHSEL
wesende Person können dazu beitragen, klar Stellung zu beziehen und notwendig erscheinende Kritik zu äußern. Zu einem gegebenen Thema können die Teilnehmer dieser Übung beispielsweise dazu angehalten werden, in Einzelarbeit über den möglichen Beitrag einer abwesenden Person (z. B. ein Großwildjäger aus der Serengeti) nachzudenken. Nachdem sie sich den
möglichen
«Beitrag»
des
«anwesenden
abwesenden
Großwild]ägers» vergegenwärtigt haben, bringen sie den «stellvertretenden» Beitrag im Plenum ein. Dabei stellen sie sich hinter den eigenen Stuhl und sprechen stellvertretend für den Großwildjäger dessen «Beitrag» aus.
Abb. 17: Die anwesenden Abwesenden
B
DIE PRAXIS
Mit diesem recht einfachen Vorgehen wird es möglich, die Menge der verwendeten Perspektiven bei der Beschreibung eines Sachverhaltes deutlich zu erhöhen und somit zu einer umfänglicheren Sicht der Dinge zu gelangen.
Die Vorgehensweise * In einem ersten Schritt geht es darum, die aktuelle Position des Gegenübers bzw. Gesprächspartners (nomen est omen) nachzuvollziehen. Wie lautet die Position genau? Was will der Ge sprächspartner vordergründig? * Anschließend wird der Perspektivenwechsel rituell einge leitet: Die Sitz- oder Stehposition wird gewechselt, die Brille(n) getauscht, der neue Hut aufgesetzt usw. * Im entscheidenden dritten Schritt des Perspektiven wechseis bemüht man sich, jene Beweggründe zu erhellen, die unseren Gesprächspartner zur Einnahme seiner spezifischen Position veranlasst haben: •
Subjektive Konstrukte: Welche Begrifflichkeiten verwen det unser Gesprächspartner, und wie definiert er diese?
•
Subjektive Diagnosehypothesen: Wie nimmt unser Ge sprächspartner die aktuelle Situation wahr, wie lautet seine Diagnose?
* Subjektive Ziele: Welche Ziele sind für den Gesprächspart ner wichtig? Welche Interessen verfolgt er mit seinen Zielen? * Subjektive Erklärungshypothesen:
Welche Ursachen
nimmt unser Gesprächspartner für den aktuellen Ist-Zustand an? Wie hängen die angenommenen Ursachen mit den potenziellen Lösungsmöglichkeiten zusammen?
5 DER PERSPEKTIVENWECHSEL
* Subjektive Strategien: Welche Mittel werden zur Zielerreichung angenommen? Welche Vorschläge unterbreitet unser Gesprächspartner?9 Es ist von hoher Bedeutung, dass die Perspektive des Gesprächspartners versprachlicht wird. Sowohl die mündliche als auch die schriftliche Variante der Versprachlichung sind gangbare Wege, natürlich auch eine Kombination aus beiden.
6 Die Technik der Modellbildung Ein Modell eines Sachzusammenhangs kann der Abbildung eines Originals dienen (z. B. die Bronzestatue einer Person) oder als Vorbild für ein zu erstellendes Produkt verwendet werden (wie die Zeichnung einer Architektin in Bezug auf das zu errichtende Gebäude). Die Qualität eines Modells kann daher nur hinsichtlich seiner Tauglichkeit für einen bekannten Verwendungszweck beurteilt werden. Aus diesem Grund beginnt jede Modellkonstruktion mit der Definition des Verwendungszweckes und nicht etwa mit der Erfassung des zu repräsentierenden Objektes. Soll das Modell einen Sachverhalt abbilden, wird der Beobachter die für ihn «problemrelevanten» Einflussgrößen ermitteln und zu einem
für
ihn
sinnvollen
Ganzen
zusammenfügen.
Die
Dokumentation dieses Ganzen ist dann das Modell des beobachteten Sachzusammenhangs und prägt die Vorstellungen (zweckorientierte Vorstellungen und nicht etwa objektives Wissen) des Beobachters über den beobachteten Ausschnitt der Realität.
Die Idee Unsere Sprache folgt der Struktur von Subjekt, Prädikat und Objekt. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass in der Rea-
6 DIE TECHNIK DER MODELLBILDUNG
lität nur voneinander getrennt wirksame Ursache-Wirkung-Zusammenhänge wirksam sind. Es ist im Gegenteil davon auszugehen, dass jede problemrelevante Einflussgröße eine Ursache für zeitlich nachfolgende Wirkungen ist und zugleich auch eine Wirkung ist, die von mehreren zeitlich vorhergehenden Ursachen bestimmt wird. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die relevanten Wirkungen verschiedene Fristigkeiten aufweisen. Eine nun beobachtete Wirkung ist daher entweder * vor eher kurzer oder eher langer Zeit verursacht und dabei * von einem Ereignis bewirkt oder aufgrund des Zusammen spiels von mehreren Ereignissen hervorgerufen. Die wirksamen Zeitverzögerungen sind dafür verantwortlich, dass auftretende Phänomene oftmals zeitlich und auch örtlich nicht dort zu beobachten sind, wo sie verursacht worden sind.
Beispiel: Der große und der kleine Hunger Das wirksame Gefüge von problemrelevanten Einflussgrößen wird folgendermaßen modellhaft abgebildet: 1. Der Akteur definiert zunächst den Zweck seines Modells, in dem er die durch dieses Modell zu beantwortende Frage stellung erarbeitet. Beispiel: Wie kommt es zu einer «Nah rungsaufnahme» ? 2. Jede relevante Einflussgröße wird auf ein Post-it®-Kärtchen notiert, die zunächst unstrukturiert auf eine Wandtafel postiert werden. Beispiel: Die Begriffe Appetit, Nahrungsaufnahme usw. werden erfasst.
B
DIE PRAXIS
3. Nacheinander werden die Einflussgrößen herausgegriffen und die Größen (bzw. die dazugehörenden Kartonen) ermittelt, die direkte Beziehungen mit dieser Einflussgröße unterhalten. Hierbei leistet eine Tabelle wie in Abb. 18 gezeigt oft eine wertvolle Hilfestellung. Beispiel: Ein Restaurantbesuch wirkt dadurch auf die Nahrungsaufnahme, dass die Einnahme von Speisen angeboten wird. 4. Es werden Ursache-Wirkung-Ketten zusammengestellt, in dem die Beziehungen zwischen zwei Einflussgrößen durch Pfeile erfasst werden. Beispiel: Die «Wahrnehmung der Befind lichkeit» wirktauf den «Appetit».
5. Die Ursache-Wirkung-Ketten werden nach beiden Seiten so lange verlängert, bis zumindest eine zirkuläre Rückkopplungsschleife gegeben ist (s. Abb. 19). Beispiel: Es entsteht die
6 DIE TECHNIK DER MODELLBILDUNG
Kette: Wahrnehmung der Befindlichkeit, Appetit, Restaurantbesuch, Nahrungsaufnahme, Wahrnehmung der Befindlichkeit.
6. Alle Ursache-Wirkung-Ketten werden miteinander verbunden, wobei oft fehlende Kettenglieder eingefügt werden. Beispiel:' Der <(Kauf eines Apfels» wird zwischen Appetit und Nahrungsaufnahme eingefügt. Die Vorgehensweise * Zunächst ist die Zielstellung des Modells, die zu bearbeitende Fragestellung und die erwartete Antwortgenauigkeit darzulegen. Dies ist der Rahmen für das Modell. 65
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DIE PRAXIS
* Im Anschluss daran werden die problemrelevanten Faktoren, die Ursache-Wirkung-Ketten und deren Vernetzung ermittelt. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Wahl der Abstrak tionsebene - zu große Unterschiede sind zu vermeiden. * Ist das problemrelevante Zusammenspiel von Ursachen und Wirkungen abgebildet, geht es an die Interpretation des Mo dells. Dabei ist insbesondere die Plausibilität der zu erwarten den Ereignisse - z.B. hinsichtlich der verschiedenen Fristigkeiten - zu berücksichtigen.
7 Das subjektive Wirkungsgefüge Menschen handeln stets deutungsgebunden. Sie handeln also auf der Grundlage von Annahmen über bestimmte Sachverhalte. Um das Vorgehen von Menschen verstehen und nachvollziehen zu können, bedarf es einer Offenlegung all jener mehr oder minder «versteckten» Annahmen, die in ihrem Zusammenspiel zu dem gezeigten Verhalten führen. Insbesondere bei der Beobachtung komplexer Situationen erweisen sich auch die Deutungsmuster des Beobachters als komplex. Die Begründungsstrukturen einer Person - die ja eine spezielle Ausformung der wirksamen Deutungsmuster sind - können mit Hilfe eines so genannten Wirkungsgefüges dargestellt werden. Im Unterschied zu dem in Kapitel A. l vorgestellten Wirkungsgefüge geht es hierbei nicht um die Gemeinsamkeiten von Personen hinsichtlich der Einschätzung einer Sachlage, sondern um die individuellen Sichtweisen einzelner Personen. Insbesondere sind die Unterschiede zwischen den subjektiven Wirkungsgefügen von Interesse.
Die Idee Ein Wirkungsgefüge ist ein Zusammenspiel von angenommenen Einflussfaktoren auf einen Sachverhalt und deren Wirkungen auf-
B
DIE PRAXIS
einander. Bei der Erstellung eines derartigen Wirkungsgefüges sind zunächst die relevanten Einflussfaktoren der zu bearbeitenden Problemstellung zu ermitteln und dann die Wirkungen aufeinander zu bezeichnen. Wir sprechen von einem subjektiven Wirkungsgefüge, da es sich um ein subjektiv konstruiertes Gefüge von (subjektiv angenommenen) Einflussfaktoren und deren Wirkungen handelt. Ein solches Instrument lässt sich auf zweierlei Art und Weise nutzen: a) Reflexion der eigenen Begründungsstrukturen: Die Ermittlung eines subjektiven Wirkungsgefüges kann dazu beitragen, die Deutungen von Menschen nachvollziehbar zu machen - sowohl für die Person selbst als auch für andere «Interessenten». Aus systemtheoretischer Sicht reagieren Menschen «zunächst auf ihre eigenen Strukturen und Zustände» und somit auch auf die «Sichtweisen
und
Interpretationen,
die
Entwick10
lungsmöglichkeiten bestätigen oder ausschließen» . Daher können über ein subjektives Wirkungsgefüge jene Interpretationen und Annahmen in ihrem Zusammenspiel erschlossen werden, die aus Sicht des Akteurs hinsichtlich des gewählten Aspektes Wirkung zeigen. b)" Vergleich verschiedener Begründungsstrukturen: Die Ermittlung eines subjektiven Wirkungsgefüges kann genutzt werden, um einen Abgleich mit den Vorstellungen und Deutungsmustern anderer Personen herbeizuführen. Im Idealfall liegen auch von den anderen Personen erstellte subjektive Wirkungsgefüge vor, so dass eine Differenzbetrachtung (vgl. dazu auch Kap. A. 3: Das «Denken in Differenzen») möglich ist. Dabei wäre es hilfreich, den Fokus auf die Unterschiede hinsichtlich der ermittelten Einflussfaktoren und Wirkungen zu legen.
7 DAS SUBJEKTIVE WlRKUNGSGEFÜGE
Beispiel: Die Chance auf Beförderung Herr Ehrlich ist Mitarbeiter der Treuhand & Co. KG. Wir interessieren uns dafür, welche Vorstellungen er von den in seinem Unternehmen wirksamen Beförderungsmodalitäten entwickelt hat. Gefragt wird also nicht etwa, nach welchen formellen und/oder informellen Kriterien sich eine Beförderung vollzieht bzw. die
Chance auf Beförderung erhöht wird. Vielmehr suchen wir die subjektiven Begründungsstrukturen von Herrn Ehrlich zum Themenfeld «Beförderung im Hause». Im Einzelnen sind die folgenden Fragen zu beantworten (s. Abb. 20 und 21): 1) Wie lautet die Problemstellung? Welches ist das zu begründende Element? Beispiel: Wie entsteht für Herrn Ehrlich eine «Chance auf Beförderung»
B
Dm PRAXIS
2) Welche direkten Einflussfaktoren und Wirkungen liegen vor? Beispiel: U. a. ist eine «gute Beziehung zum Vorgesetzten» wichtig. 3) Welche Einüussfaktoren und Wirkungen nächster Ordnung lassen sich ermitteln? Beispiel: Die «Erledigung von nicht be trieblich bedingten (Zusatz-Aufgaben») für den direkten Vor gesetzten wirkt sich positiv aus. 4) Welche weiteren Wirkungen gibt es? Beispiel: Die «Chance auf Beförderung» wirktauf die «gute Beziehung zum direkten Vor gesetzten». 5) Welche Faktoren sind von mir beeinflussbar? Beispiel: Die «Teilhabe und Teilnahme an der innerbetrieblichen ».
7 DAS SUBJEKTIVE WIRKUNGSGEFÜGE
Bei der Ermittlung der direkten auf die Chance zur Beförderung einwirkenden Einflussfaktoren fällt auf, dass Herr Ehrlich der «guten Beziehung zum direkten Vorgesetzten» und dem «innerbetrieblichen (Beziehungs-)Netzwerk eine hohe Bedeutung bei-misst, andere Faktoren wie etwa den «Zielerreichungsgrad des jeweiligen Mitarbeiters» oder das «gezeigte Leistungsverhalten» aber nicht erwähnt. Ohne auf den Prozess der Reflexion im Einzelnen einzugehen, stellt sich doch die sehr grundsätzliche Frage nach der Entstehungsgeschichte dieser Begründungsstruktur und ihrer Funktion für Herrn Ehrlich. Zudem wäre es interessant zu erfahren, welche Unterschiede sich zu den subjektiven Begründungsstrukturen anderer Personen auftun.
Die Vorgehensweise •
In einem ersten S chritt gilt es, die Fragestellung zu formulieren und das «zu begründende» Element zu bezeichnen. Es ist emp fehlenswert, bereits zu diesem Zeitpunkt mit der Visualisierung der Begründungsstruktur zu beginnen.
•
Um das subjektive Wirkungsgefüge in seiner Gesamtheit (aber keineswegs vollständig) zu erfassen, bedarf es der folgenden Arbeitsschritte: •
direkte Einflussfaktoren und Wirkungen ermitteln;
•
Einflussfaktoren und Wirkungen nächster Ordnung ermit teln (ggfls. diesen Schritt wiederholen);
•
weitere Wirkungen finden und
•
jene Faktoren kennzeichnen, die von der jeweiligen Person beeinflussbar sind.
•
Liegt das subjektive Wirkungsgefüge nun als «Produkt» vor, so
B
DIE PRAXIS
kann es gemäß der beschriebenen Möglichkeiten sowohl zur Reflexion der eigenen Deutungsmuster als auch zum Abgleich mit anderen (zur selben Fragestellung formulierten) subjektiven Wirkungsgefüge herangezogen werden.
8 Der Papiercomputer Das am stärksten verbreitete Instrument zur Analyse des Zusammenspiels der problemrelevanten Einflussfaktoren ist der so genannte Papiercomputer11.
Die Idee Es ist sinnvoll, die jeweilige Vernetzung eines einzelnen Einflussfaktors im Gesamtgefüge zu analysieren; die Art der Vernetzung bestimmt letztlich sein Verhalten im Gefüge. Zu diesem Zwecke erweist es sich als sinnvoll, die Anzahl der jeweiligen In- und Outputs zu erfassen.
Beispiel: Das Geburtstagsgeschenk l Zur beispielhaften Erläuterung verwenden wir das System «Geburtstagsgeschenk für Kai». Die ermittelten problemrelevanten Einflussfaktoren werden in einer Matrix in den Spalten von links nach rechts und in den Zeilen von oben nach unten in der gleichen Reihenfolge notiert. In einer Vereinfachung des ursprünglichen Ansatzes12 wird dann für jede Variable die im Wirkungsge-füge dargestellten abgehenden Pfeile (Output) gezählt und der sich ergebende Wert in der betreffenden Zelle der Matrix notiert.
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DIE PRAXIS
Weil kein Einflussfaktors auf sich selbst Einfluss ausübt, bleibt in der Matrix die Hauptdiagonale unbesetzt.
Abb. 22: Der Papiercomputer In unserem Falle weist das Wirkungsgefüge insgesamt 9 Faktoren auf, die mit genau 15 Wechselwirkungen untereinander vernetzt sind. In einem gegenüber dem ursprünglichen Verfahren doch sehr vereinfachten Vorgehen13 werden nun in der Zeile Anzahl Inputs die Spaltensummen ermittelt und in der Spalte Anzahl Outputs die Zeilensummen errechnet. Mit diesen beiden Summen pro Variable können den einzelnen Variablen nun verschiedene Wirkungen zugeordnet werden, siehe hierzu Abb. 22. Aktive Variablen (hier V2 und V3) wirken stark auf das Wirkungsgefüge ein. Reaktive Variablen - manchmal auch passiv genannt - nehmen viele Wirkungen auf. Kritische Variablen sind überdurchschnittlich stark mit anderen Variablen verbunden und
8 DER PAPIERCOMPUTER
puffernde Variablen - manchmal auch träge genannt - weisen eine unterdurchschnittliche Vernetzung zu anderen Variablen auf.
Die aktiven Variablen (hier V2, V3) sind hinsichtlich der Problemhandhabung gute Hebel für Eingriffe in die Problemsituation. Die reaktiven Variablen (hier VI) hingegen eignen sich nicht für Eingriffe, weil sie kaum auf die Problematik ausstrahlen. Die kritischen Variablen (hier V7) leisten als Beobachtungsobjekte für das Wirkungsgefüge gute Dienste, da sich hier Veränderungen besonders deutlich zeigen. Die puffernden Variablen (hier V4, V5, V8, V9) mit dem geringsten Zusammenspiel mit andere Faktoren sind in keiner Weise als Ansatzpunkt für eine effektive Problemlösung zu verwenden14.
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DIE PRAXIS
Die Vorgehensweise * Zunächst werden die problemrelevanten Einflussfaktoren auf die Problematik ermittelt. Danach wird das relevante Wirkungsgefüge erstellt oder aber es werden alle Kombinationen zwischen zwei Variablen daraufhin überprüft, ob es zwischen ihnen eine Wechselwirkung gibt. * Nun wird die Matrix aufgespannt und die Zeilen- und Spal tenköpfe in der gleichen Reihenfolge mit den Variablen gefüllt. Dann werden die bestehenden Wechselwirkungen entweder aus dem erarbeiteten Wirkungsgefüge abgelesen oder anhand der Fragestellung ermittelt: «Wenn sich Variable X ändert, ver ändert sich dadurch dann auch Variable Y oder nicht?» Jede gefundene Beziehung zwischen zwei Variablen wird durch eine l in der betreffenden Zelle der Matrix dokumentiert. * Es werden die Zeilen- {= Anzahl der Outputs) und Spal tensummen (= Anzahl der Inputs) ermittelt (s. Abb. 22). An schließend wird der höchste Wert der Inputs und Outputs be stimmt. Der größere der beiden Werte bezeichnet die Außengrenze des Vernetzungsgitters (s. Abb. 23). * Kleiner Tipp: Erstellen Sie eine Exceltabelle, um die Rech nungen automatisch durchführen zu lassen.
9 Die Prioritätenmatrix Bislang wurde allein das Kriterium der Lenkbarkeit der Variablen eines Wirkungsgefüges herangezogen, um Eingriffe abzuleiten. In der Praxis sind aber oft mehrere Kriterien zu berücksichtigen. So setzen konkrete Eingriffsmaßnahmen häufig an den problemrelevanten Variablen an, die im Einflussbereich des Akteurs liegen (Kriterium: Lenkbarkeit) und die in einer vertretbaren Frist in Richtung eines gewünschten Zustandes beeinflusst werden können. (Kriterium: Veränderungsfrist}.
Die Idee Mit der Prioritätenmatrix15 wird eine multikriterielle Analyse eines Wirkungsgefüges ermöglicht. Gemäß den Vorstellungen der multikriteriellen Entscheidungstheorie werden die gewünschten Kriterien der Analyse herausgearbeitet. Danach werden die problemrelevanten Variablen für jedes Kriterium in eine normierte Rangfolge gebracht. Abschließend wird über alle Rangfolgen hinweg ermittelt, welche der lenkbaren Einflussfaktoren das größte Maß an Kriterienerfüllung aufweist.
B
DIE PROJEKTE
Beispiel: Das Geburtstagsgeschenk II Eine Prioritätenmatrix besteht bei n Variablen im Wirkungsgefüge aus n+4 Zeilen und insgesamt 16 Spalten. Unterhalb des Matrixkopfes werden alle Spalten in einer Zeile von l bis 15 durchnurnmeriert. In einer Zeile darunter wird das jeweilige Gewicht der verwendeten Kriterien notiert. Erfolgt in der Problembearbeitung keine Gewichtung, bekommen alle Kriterien implizit das gleiche Gewicht zugeordnet. In den Spalten l und 2 sind alle Variablen und ihre jeweiligen Nummern notiert. Die Spalten 3 und 4 enthalten die im Wirkungsgefuge dargestellten Outputs (ausgehenden Pfeile) und In-puts (Pfeilspitzen); beide Werte können aus dem Papiercomputer entnommen werden. In Spalte 5 werden die Inputs von den Outputs subtrahiert, um den Überschuss an Outputs zu errechnen, der in Spalte 6 für alle positiven Fälle angegeben ist und in Spalte 7 als normierte Werte verzeichnet wird. Auf diese Weise wird das Kriterium Outputüberschuss erfasst. Ab Spalte 8 werden die verwendeten Kriterien und deren Normierungen aufgelistet. In der Praxis hat es sich als sinnvoll erwiesen die Veränderungs-Frist und die Lenkbarkeit der einzelnen Variablen als Kriterien zu verwenden. Andere/weitere Kriterien können ebenso verwendet werden. In Spalte 8 der Prioritätenmatrix wird gefragt «In welchem Zeitrahmen verändert diese Variable ihren Wert, wenn von der gewählten Lenkungsebene aus auf diese Variable Einfluss ausgeübt wird?» Die Antworten werden mit 3 für kurzfristig, 2 für mittelfristig und l für langfristig notiert sowie in Spalte 9 normiert. In Spalte 10 wird gefragt «Wie stark kann von der gewählten Lenkungsebene aus auf diese Variable eingewirkt werden?» Den
9 DIE PRIORTTÄTENMATRIX
möglichen Antworten auf diese Frage werden die Werte 0 für gar nicht, l für kaum, 2 für mittelmäßig und 3 für stark zugeordnet. Alle Variablen mit einer Lenkbarkeit von 0 aus Sicht der gewählten Lenkungsebene werden nicht weiter berücksichtigt. Für alle anderen Variablen werden die gefundenen Werte in Spalte 11 normiert.
B
DIE PRAXIS
In Spalte 13 wird über alle normierten Kriterien hinweg das größte Maß an Kriterienerfüllung ermittelt, indem für alle Variablen mit Outputüberschuss und einer Lenkbarkeit von mindestens l die Kriteriengewichte mit den Werten in den Spalten 7, 9 und 11 multipliziert und die Einzelergebnisse in Spalte 13 addiert werden. Der ermittelte Wert gibt den Grad der Kriterienerfüllung der einzelnen Variablen an. In der Spalte 14 werden die Werte aus der Spalte 13 normiert, womit das Maß an grundsätzlich möglichen Kriterienerfüllung der Variablen angegeben ist. Der Grad der Kriterienerfüllung kommt der Priorität gleich, mit der im Rahmen der Problemhandhabung auf diese Variable einzuwirken ist, denn: Werden in der Problemhandhabung die Variablen mit der schlechtesten Zielerreichung beeinflusst, so ist bei gleichem Ressourceneinsatz selbst bei einer optimalen Umsetzung der geplanten Maßnahmen nur eine vergleichsweise schlechte Zielerreichung möglich! In Spalte 15 werden folglich die Werte aus Spalte 14 in eine Rangreihe gebracht; diese Spalte gibt somit die Priorität an, mit der im Rahmen der Problemhandhabung auf die Variablen einzuwirken ist. In Spalte 16 wird zu den ermittelten Prioritäten jeweils die dazugehörende Nummer aufgezeigt, so dass nun die Schlüsselfaktoren herausgefiltert sind, deren Beeinflussung über alle Kriterien hinweg eine effektive Problemhandhabung erwarten lassen. Das Ergebnis einer ausgefüllten Prioritätenmatrix ist immer mit dem Ergebnis des Papiercomputers abzugleichen, in dem jeder Variablen eine Funktion zugeordnet wurde. Effektive Hebel der Problemhandhabung sollten aktive Funktion im Wirkungsge-füge übernehmen, entpuppen sich allerdings oftmals als kritische Größen.
9 DIE PRIORITÄTENMATRIX
Im nebenstehenden Fall {Abb. 25) beispielsweise ist die Variable mit der besten Priorität eine solche kritische Größe und sollte daher auf keinen Fall als primärer Eingriffspunkt dienen, da mit einem solchen Eingriff in das Wirkungsgefüge einer Problematik garantiert viele unerwartete Effekte bewirkt werden. Von allen priorisierten Variablen stellen im hier vorliegenden Fall nur die Variablen mit der Priorität 2 und 4 sinnvolle Eingriffspunkte in die Problematik dar, weil sie eine eindeutig aktive Funktion übernehmen.
B
DIE PRAXIS
Die Vorgehensweise Zunächst werden die Analysekriterien und deren Gewichtung ermittelt. * Dann werden die Werte aus dem Papiercomputer übernom men und der Outputüberschuss ermittelt. * Nun werden die Werte für die anderen Kriterien angegeben und jeweils normiert. * Anschließend werden die normierten Werte mit ihren Ge wichten multipliziert und pro Variable addiert, um den jewei ligen Grad an Kriterienerfüllung zu ermitteln. * Abschließend werden die Werte für die Kriterienerfüllung in eine Rangreihe gebracht. * Kleiner Tipp: Es empfiehlt sich, eine Exceltabelle zu erstellen, um die Rechnungen automatisch durchführen zu lassen.
10 Ideen-Blatt und Ideen-Box In der Informationsgesellschaft werden ständig neue Informationen erzeugt, so dass sich der Einzelne in immer stärkerem Maße vor die Aufgabe gestellt sieht, relevante Informationen auszuwählen und falls beabsichtigt - sich in einem Prozess des Selbstler-nens anzueignen. Gelingt dies - also die erfolgreiche Informationsaufnahme, -selektion und -Verarbeitung - nicht, so stellt sich schnell ein «Information overload» ein, begleitet von einem Gefühl der Ohnmacht ob der scheinbar unendlich großen Menge an bearbeitungswürdigen Informationen. Hier kann ein einfach gestaltetes Instrument erfolgreich Abhilfe schaffen: das Ideen-Blatt, mit dem es gelingen kann, relevante Aussagen in einer kurzen und prägnanten Form zu «verschriftlichen».
Die Idee Die Grundidee des Ideen-Blattes besteht darin, aus einer Vielzahl von Informationen einen Gedanken auszuwählen und in einer schriftlichen Form darzulegen. Dieser Auswahlprozess geschieht selbstverständlich kriterienorientiert; gewählt wird jene Idee, die sich - in einer bestimmten Hinsicht - als besonders bedeutsam für eine Person herausstellt.
B
DIE PRAXIS
Der geübte Leser erkennt natürlich sofort eine erneute Umsetzung der Differenzidee. Aus einer Vielzahl von Gedanken, wie sie beispielsweise in einem Fach- oder Sachbuch vorliegen, entscheidet sich der Nutzer des Ideen-Blattes für eine Idee oder aber wenige Ideen, die er für sich spezifizieren möchte. In Anlehnung an eine Formulierung von Gregory Bateson möchte man sagen: Der Nutzer entscheidet sich für eine Differenz - hier eine Idee -, die für ihn eine Differenz macht. In die Konzeption des Ideen-Blattes sind zwei lernpsychologische Überlegungen eingeflossen: • Zum einen darf die Konzeption des Ideen-Blattes (auch) als Anwendung der Reduktions-idee gelesen werden. Diese beinhaltet die Aufforderung: «Kläre, welche Informationen in dem von dir betrachteten Bereich besonders wesentlich (im Hinblick auf eine bestimmte Fragestellung) sind!» Diese - scheinbar banale und einfach zu vollziehende - Aufforderung fördert die Auseinandersetzung mit der gesamten Informationsmenge und trägt demzufolge zu einer sachlichen Klärung der Inhalte bei. » Zum zweiten - und dies deutet sich bereits bei der Reduk-tionsFrage an - wird die Idee des aktiven Lernens handlungspraktisch umgesetzt. Nicht nur, dass sich der Nutzer mit der Frage auseinander setzen muss, welche Informationen er nun vor seinem Hintergrund als wesentlich einschätzt. Nein, darüber hinaus wird auch eine inhaltliche Vertiefung der von ihm gewählten Idee befördert, indem er sich etwa mit den Folgerungen der von ihm bezeichneten Idee und möglichen Anschlussfragen konstruktiv beschäftigen muss.
10 IDEEN-BLATT UND IDEEN-BOX
Ein Ideen-Blatt besteht aus fünf Elementen (s. Abb. 26). Im Einzelnen sind dies: * Titel/Headhne: stichwortartige Benennung des Themas bzw. der Problemstellung; * Idee: Konkretisierung jener zentrale Aussage, die für den Nut zer «eine Differenz macht»; « Folgerungen: Schlüsse, die aus der skizzierten Idee gezogen werden, teilweise direkte Implikationen, teilweise kontextbezogene Konsequenzen; •
Storys und Beispiele: praktische oder aber auch fiktive Er fahrungen, die die skizzierte Idee verdeutlichen, häufig mit di rektem Anwendungsbezug zur Praxis des Nutzers;
•
Anschlussfragen: weiterführende Fragen und Überlegungen, die es in der Folge zu reflektieren und zu bearbeiten gilt, häu fig auch Verweis auf andere Ideen-Blätter.
B
DIE PRAXIS
Angemerkt sei noch, dass ein Rückgriff auf den ursprünglichen Text zwecks erneuter Informationssuche möglichst zu vermeiden ist. Die für den Nutzer bedeutsamen Informationen sind im Ideen-Blatt verfügbar. Allenfalls könnten veränderte Relevanzkriterien für ein erneutes «Durcharbeiten» des Textes herhalten. Mehrere Ideen-Blätter können in einer Ideen-Box zusammengefügt werden. Erforderlich ist eine Verweisstmktur, die die Beziehungen zwischen den einzelnen Verweisaspekten aufzuzeigen in der Lage ist. Es bietet sich zu diesem Zweck an, die Anschlussfragen als Ausgangspunkt für den jeweiligen Verweis zu nehmen - dies ist eine Möglichkeit, die andere Varianten keinesfalls ausschließt.
Beispiel: «Zusammenfassung» eines Artikels Häufig sind wir vor eine Situation gestellt, in der wir Informationen, die wir gerade gelesen haben, verfügbar halten wollen. Es existieren verschiedene Arbeitstechniken, um ein aktives Studium von schriftlichen Unterlagen sicherzustellen, etwa das Markieren von bestimmten Textpassagen oder das Formulieren von Fragen, die sich aus der Lektüre des Textes ergeben16. Wir schlagen an dieser Stelle vor, für eine «Zusammenfassung» eines Textes das Ideen-Blatt zu verwenden. Die Verwendung von Anführungszeichen soll darauf verweisen, dass es sich nicht etwa um eine klassische Zusammenfassung handelt, bei der alle wahrgenommenen Informationen in einer komprimierten Form dargestellt werden, sondern vielmehr um eine Darstellung jener zentralen Idee, die - aus welchen Gründen auch immer - bedeutsam für den Nutzer ist. Das Ideen-Blatt zu dem Kapitel «Systemgerechtes Verhalten»
10 IDEEN-BLATT UND IDEEN-BOX aus dem Buch «Das SANTIAGO-Prinzip» von Rolf Arnold17 ist in der Abb. 27 dargestellt. Die zentrale Idee ist in einem einfachen Aussagesatz formuliert. Der Bereich der Folgerungen ist nur angedeutet und kann ggfls. deutlich ausgeweitet werden. Die Story zu der dargestellten Idee ist ein Beispiel für ein nicht-systemgerechtes Verhalten. Dies ist durchaus stimmig, denn wichtig ist in diesem Zusammenhang die erfahrungsmäßige Verankerung der Idee oder einer ihrer Folgerungen, keineswegs aber eine logisch korrekte Deduktion aus der Hauptaussage, also der Idee.
Die Vorgehensweise * Zunächst gilt es, den betreffenden Text auszuwählen und die eigene Zielstellung zu klären. Im Idealfall gelingt es bereits an dieser Stelle, konkrete Fragen an den Text zu formulieren18.
B
DIE PRAXIS
» Beim eigentlichen Lesevorgang erweisen sich alle Formen von Bedeutungszuweisung (Markieren, Übertragen auf einen Fall usw.) als hilfreich. Dies sollte so erfolgen, dass das Ideen-Blatt anschließend relativ leicht ausgefüllt werden kann. * Nun wird das Kernstück der Arbeit geleistet und die Eintragungen in das Ideen-Blatt vorgenommen; eine spezielle Reihenfolge ist dabei nicht zu beachten. Wichtig ist nur, dass die zentrale Idee dem Nutzer hochgradig klar ist, durch die Notwendigkeit der «Verschriftlichung»)
wird
der
Klärungsprozess
sinnvoll
unterstützt. « Abschließend erfolgt die Einordnung des erstellten Ideen-Blattes in die Verweisstruktur einer bereits vorhandenen Ideen-Box oder aber - nach Vorliegen mehrerer inhaltlich zusammengehöriger Ideen-Blätter - der Aufbau einer Ideen-Box.
1 Die «Schulen» der Systemtheorie In den ersten beiden Teilen dieser Schrift haben wir uns zunächst mit einigen systemtheoretischen Grundideen und Arbeitsthesen (Teil A) auseinander gesetzt, um dann daran anschließend systemtheoretisch ausgerichtete Instrumente und Techniken (Teil B) vorzustellen. Im nun folgenden Teil C konzentrieren wir uns auf ausgewählte Theorieelemente, wobei der Schwerpunkt dieses ersten Kapitels auf den verschiedenen systemtheoretischen Denk-«Schulen» liegt. Dabei beziehen wir uns in unseren Ausführungen im Wesentlichen auf König/Zedler, die folgende Dreiteilung vorschlagen: a) Allgemeine Systemtheorie, b) Soziologische Systemtheorie und c) Systemtheorie in der Tradition von Bateson19. Zu a) Allgemeine Systemtheorie: Der Ursprung der allgemeinen Systemtheorie geht auf die Disziplinen Informationstheorie, Kybernetik, Spieltheorie und Operations-Research zurück. All diesen Ansätzen gemeinsam ist das Bemühen, «komplexe Prozesse auf der Basis neuer Begriffssysteme zu beschreiben, um daraus neue Steuerungsmöglichkeiten zu gewinnen.20» Die Integration dieser Ansätze durch Ludwig von Bertalanffy führte zu einer «General Systems Theory», die dieser wie folgt skiz-
C
DIE THEORIE
ziert: «Die allgemeine Systemtheorie ist eine Disziplin, die sich mit den allgemeinen Eigenschaften und Gesetzen von Systemen beschäftigt. Ein System ist definiert als eine Menge von in Wechselbeziehungen stehenden Elementen oder durch eine ähnliche Proposition. Die Systemtheorie beschäftigt sich mit jenen Prinzipien, die für Systeme gelten, unabhängig von der Natur des Systems, dessen Bestandteilen und den Beziehungen oder
l DIE SCHULEN DER SYSTEMTHEORIE
durch Erzeugung und Erhaltung einer Differenz zur Umwelt, und sie benutzen ihre Grenzen zur Regulierung dieser Differenz (.. .)»26. «Erst auf der Basis dieser mehrstufigen System-Umwelt-Unterscheidung lassen sich Elemente eines sozialen Systems definieren.»27 Demzufolge besteht beispielsweise eine Organisation nicht aus den Mitarbeitern, sondern aus den Kommunikationsprozessen dieser Organisation. Zudem sind soziale Systeme auto-poietisch, indem sie die Elemente, aus denen sie bestehen - hier: Kommunikationen selbst erzeugen. Bei der soziologischen Systemtheorie Luhmann'scher Prägung gilt es zusätzlich zu berücksichtigen, dass es sich um eine metatheoretische Konzeption handelt. So werden etwa unter dem Stichwort Beobachtung keine forschungsmethodischen Entwürfe vorgelegt, sondern die Voraussetzungen des Beobachtungsvorgangs entfaltet: Dazu gehören der «blinde Fleck» als die nicht beobachtbare - der Beobachtung aber vorausgesetzte - Unterscheidung und die Beobachtung (n-t-l)-Ordnung, in der die auf der Ebene der Beobachtung n-ter Ordnung benutzte Unterscheidung miterfasst wird28. Zu c) Systemtheorie in der Tradition von Bateson: Der Ansatz von Bateson geht zunächst von der kybernetischen Tradition aus und leistet eine Übertragung systemtheoretischer Überlegungen auf den sozialwissenschaftlichen Bereich. Dabei sind seine Überlegungen stets
implizit
formuliert29;
eine
erste
systematische
Zu-
sammenfassung seines Ansatzes findet sich bei Watzlawick/Beavan/Jackson30. Eine Weiterentwicklung seiner Überlegungen liefern König/Zedler, die sechs Hauptthesen formulieren: 1) Die Elemente eines sozialen Systems sind die in diesem System handelnden Personen. (...)
C DIE THEORIE
2) Jede Person in einem sozialen System deutet Wirklichkeit. (...) 3) Das Verhalten sozialer Systeme ist von sozialen Regeln be stimmt. (...) 4) Aus subjektiven Deutungen und Regeln ergeben sich in sozi alen Systemen zirkuläre Interaktionsstrukturen (Regelkreise). (...) 5) Soziale Systeme sind durch eine Systemgrenze von der Um welt, abgegrenzt. (...) 6) Soziale Systeme haben eine Geschichte, die durch Anfangs punkt, Entwicklung und Endpunkt charakterisiert ist. (...)31 Die Systemtheone in der Tradition von Bateson bedient sich unterschiedlicher
forschungsmethodischer
Verfahren,
so
werden
beispielsweise subjektive Deutungen mit Hilfe qualitativer Interviewverfahren erfasst, während etwa die Erhebung von Interaktionsstrukturen auf der Basis von systematischen Verhaltensbeobachtungen erfolgt. In dieser angedeuteten Verbindung von qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden offenbart sich das vorrangig praktische Interesse dieses Systemansatzes -ganz im Gegensatz zur soziologischen Systemtheorie. Die im Rahmen dieses Kapitels kurz vorgestellten Ansätze allgemeine Systemtheorie, soziologische Systemtheorie und Systemtheorie in der Tradition von Bateson - lassen sich allesamt im Ropertoire unserer systemtheoretisch fundierten Instrumente wieder finden. Dies sei exemplarisch an zwei Instrumenten bzw. Techniken illustriert: a) das subjektive Wirkungsgefüge: Dieses Instrument weist zweierlei Bezugspunkte auf. Zum einen kann es als Versuch gedeutet werden, jene variablen Einflussgrößen und Relationen zu erfassen, die sich als relevant für ein bestimmtes Sys-
l DIE SCHULEN DER SYSTEMTHEORIE
tem erweisen; insofern besteht eine Verbindung zur allgemeinen Systemtheorie bzw. genauer: zu den Ansätzen des vernetzten Denkens in der Lesart von Vester oder Probst. Zum anderen wird das Wirkungsgefüge ausdrücklich als subjektiv ausgewiesen, womit es sich in die Systemtheorie in der Tradition von Bateson einfügt. In deren zweiter Hauptthese wird davon ausgegangen, dass Personen in einem sozialen System bestimmte Aspekte der Wirklichkeit deutend erfassen. Darüber hinaus ergeben sich - so heißt es - aus den subjektiven Deutungen und Regeln zirkuläre Interaktionsstrukturen (Hauptthese 4), womit der Kreis zur allgemeinen Systemtheorie wiederum geschlossen wäre, b) das Differenzprofil: Die Grundidee des Differenzprofils besteht darin, ähnliche Fähigkeiten oder Kompetenzen hinsichtlich der wahrgenommenen Unterschiede zu erfassen, also ausdrücklich nicht in Bezug auf die vorhandenen Gemeinsamkeiten. Damit wird ein Gedanke der soziologischen Systemtheorie aufgenommen: die Systemabgrenzung qua «Erzeugung und Erhaltung einer Differenz zur Umwelt»32. Indem die Unterschiede zwischen bestimmten Sachverhalten herausgearbeitet
werden,
erfolgt
zugleich
auch
eine
Verschiebung des Beobachtungsfokus. Nunmehr sind es die Differenzen, die als wesentlich ausgewiesen sind, womit auch die
Formulierung
einer
Differenz» erklärlich wird.
«Reduktion
als
<erzwungene>
2 Varianten des vernetzten Denkens Alle im deutschsprachigen Raum verbreiteten Ansätze des vernetzten Denkens können im Wesentlichen auf den von Vester33 stammenden biokybernetischen Ansatz zurückgeführt werden, der in das von ihm entwickelte, sehr anwenderfreundliche Sensitivitätsmodelß^ mündete. Diese Variante des vernetzen Denkens soll hier verkürzt mit Sensitivitätsmodell erfasst werden. Davon zu unterscheiden sind insbesondere Varianten des ganzheitlichen Denkens35, die zumeist mit einem eigenen PC-Tool namens GAMMA36 aufwarten und hier kurz mit GAMMA tituliert werden. Beide Varianten können an sich auch mit einigen Arbeitsblättern abgearbeitet werden und sind bis auf die (jeweils unterschiedliche) Simulationsfunktion in keiner Weise auf eines der PCTools angewiesen. Lässt man die Simulationsfunktion der beiden Vorgehensweisen außer Acht, so werden grundsätzlich folgende Arbeitsschritte durchlaufen: 1. Zunächst wird die Fragestellung ausdrücklich formuliert. 2. Danach werden die problemrelevanten Einflussgrößen zusam mengestellt. 3. Daraufhin werden problemrelevante Relationen zwischen je weils zwei dieser Größen ermittelt.
2 VAKANTEN DES VERNETZTEN DENKENS
4. Aufgrund dieser Teilergebnisse werden den einzelnen Größen bestimmte Funktionen in der Problemstruktur zugeordnet. 5. Abschließend werden alle Teilergebnisse zu einer integrativen Gesamtplanung der zu tätigenden Maßnahmen herangezogen. Das Vorgehen führt über verschiedene Brainstormings und Diskussionen in Groß- und Kleingruppen zu einer starken Bindung jedes einzelnen Beteiligten an die erarbeiteten Arbeitsergebnisse. Trotz gleicher Arbeitsschritte sind bedeutsame Unterschiede erkennbar37. Schon im Aufbau der jeweiligen PC-Unterstützung zeigt sich ein deutlicher Unterschied: Im Sensitivitätsmodell sind alle Teilergebnisse durch eine relationale Datenbank miteinander vernetzt, was bei GAMMA nicht der Fall ist. Die weiteren Unterschiede, die neben der verschiedenen Begrifflichkeit existieren, sollen hier gemäß der Abfolge der Arbeitsschritte dargelegt werden. Zu 1: Die mit dem Sensitivitätsmodell bearbeiteten Fragestellungen beziehen sich auf große urban-ökologische Probleme wie den Individualverkehr und legten den Fokus der angestrebten Problemhandhabungen
auf
die
nachhaltige
Selbstorganisation der Situation. Dagegen wendet sich GAMMA ausdrücklich auch an betriebswirtschaftliche Problemstellungen wie die Lieferantenauswahl mit dem Fokus einer optimierten Problemlösung. Zu 2: Im Sensitivitätsmodell erfolgt die Sammlung problemrelevanter Einflussgrößen in Brainstormings durch die am
C
DIE THEORIEN
Prozess Beteiligten. Die Arbeitsergebnisse werden immer wieder anhand spezieller «Systemkriterien» auf ihre «Systemrelevanz» überprüft. Bei GAMMA hingegen werden verschiedene Perspektiven von als relevant erachteten Anspruchgruppen zusammengestellt. Aus den jeweiligen Blickwinkeln heraus werden dann so genannte Schlüsselvariablen ermittelt, die allerdings nur eine subjektive Plausibilität aufweisen müssen. Zu 3: Aufgrund der zusammengestellten Liste der problemrelevanten Einflussgroßen werden im Sensitivitätsmodell in der Einflussmatrix potenzielle Beziehungen zwischen jeweils zwei Einflussgrößen ermittelt mit der Frage «Wenn sich Variable A ändern würde, ergäbe sich dadurch eine direkte Änderung der Variable B und falls ja, wäre diese Änderung proportional, oder nicht?» Auf diesem Wege werden alle 2er-Paare an Einflussgrößen überprüft. Getrennt von diesem Arbeitsschritt werden mit dem Wirkungsgefüge aktuelle Beziehungen zwischen jeweils zwei Einflussgrößen ermittelt mit der Frage «Welche EinGussgrößen wirken mit der Variablen A direkt zusammen?» Nacheinander werden so alle 2er-Paare an Einflussgrößen bearbeitet. Im Sensitivitätsmodell gibt die Einflussmatrix somit die an sich möglichen problemrelevanten Beziehungen an, während das Wirkungsgefüge die zurzeit beobachteten Beziehungen in der Problematik aufzeigt. Bei GAMMA hingegen werden die Aussagen der Einflussmatrix quasi als Spiegelbild des Wirkungsgefüges ver-
2 VARIANTEN DES VERNETZTEN DENKENS
standen: Anhand der Frage «Welche Einßussgrößen wir-ken mit der Variablen A direkt zusammen?» wird zunächst ein Wirkungsgefüge erstellt und die dazugehörige38 Einflussmatrix erarbeitet. In der dazugehörigen Software wird diese Kopplung von Einflussmatrix und Wirkungsgefüge dadurch manifestiert, dass eine direkte Transformation des visuell erstellten Wirkungsgefüges in eine ebenso ausdruckbare, aber nicht getrennt ausfüllbare Einflussmatrix erfolgt. Zu 4: Aufgrund der Einflussmatrix werden im Sensitivitätsmo-dell den einzelnen Einflussgrößen bestimmte Funktionen in der Problemstruktur zugeordnet. Mit den Grundrechenarten wird den Einfluss großen in der Einflussmatrix anhand von Zeilen- und Spaltensummen sowie den Maßzahlen P und Q (die mit den Grundrechenarten ermittelt werden) eine Position auf einer AKTIV-REAKTIV-Skala sowie parallel dazu auf einer KRITISCH-PUFFERND-Skala zugeordnet. Jede Einflussgröße ist somit durch zwei verschiedene Einflussindizes charakterisiert. Bei GAMMA hingegen erfolgt die Zuordnung bestimmter Funktionen zu den Einflussgrößen in der Einflussmatrix anhand von Zeilen- und Spaltensummen sowie den beiden Maßzahlen maximaler Wert und maximaler Wert. 2 Den Einflussgrößen wird hier eine der Charakteristika aktiv, kritisch, puffernd oder reaktiv zugeordnet. Die Analyse der einzelnen Funktionen erfolgt somit grober und auf anderem Wege als im ursprünglichen Ansatz.
C
DIE THEORIE
Zu 5: Die Anwendung des Sensitivitätsmodells erbringt insgesamt folgende Arbeitsergebnisse: Eine auf ihre Systemrelevanz geprüfte Variablenliste, eine ausgefüllte Einflussmatrix und ein Wirkungsgefüge mit jeweils anderen Aussagen über die Problematik, eine detaillierte und in Rangreihe gebrachte Zuordnung von zwei verschiedenen funktionalen Charakteristika für jede Variable sowie konkrete Hebel für eine Handhabung komplexer Sachzusammenhänge mit dem Fokus auf eine Selbstorganisation der problematischen Situation. Die Anwendung von GAMMA erbringt demgegenüber weniger und dazu nicht derart detaillierte Arbeitsergebnisse: Eine Sammlung von Einflussgrößen, ein Wirkungsgefüge mit gleichbedeutender (!) Einflussmatrix, eine Zuordnung aller Variablen zu vier groben Funktionen sowie Ansätze für die Bearbeitung betriebswirtschaftlicher Problemstellungen mit dem Fokus der optimierten Problemlösung. Zusammenfassend ergibt sich aus dem Vergleich der beiden Hauptvarianten des vernetzen Denkens: * Das Sensitivitätsmodell zeigt eine deutlich systemische Orientierung und bietet vielfältige Möglichkeiten, einen gege benen Systemzusammenhang abzubilden (Dokumentation, Analyse, Simulation usw.). Das gesamte Vorgehen ist leicht nachvollziehbar. * GAMMA ist stark pragmatisch ausgerichtet und bietet nur mit Einschränkungen eine systemische Orientierung.
3 Die Beobachtung Man kann niemals alle wirksamen Komponenten einer Situation berücksichtigen, denn die Realität besteht aus einer Menge an Komponenten, die in einem einzigen Leben nicht abzählbar ist: Die Komponenten, verändern mit der Zeit die Anzahl, die Stoßrichtung und die Intensität ihrer Wirkungen und ihrer Beziehungen zu anderen Komponenten und diese Veränderung verlängert die Aufzählung aller wirksamen Einflussgrößen ins Unendliche. Vor diesem Hintergrund ist der Prozess der Beobachtung nichts anderes als zunächst unterscheiden und danach benennen der dadurch unterscheidbaren Objekte und deren Beziehungen.39
DIE THEORIE
Eine Beobachtung (siehe Abb. 28) generiert somit folgende Ergebnisse: Die Unterscheidung (man spricht hier auch von Grenze oder Differenz), das umgrenzte Benannte und drittens das davon Unterschiedene, das nicht bezeichnet wird und außerhalb der Grenze liegt. Das, was zu einem Zeitpunkt nicht bezeichnet ist, kann vom Akteur somit nicht beobachtet und auch nicht kommuniziert werden.40 Allerdings ist es dem Akteur zu jedem anderen Zeitpunkt möglich, unter Verwendung der selben Unterscheidung zu einer anderen Benennung zu gelangen: Das außerhalb der Grenze Liegende kann benannt und vom Akteur dadurch beobachtet werden, wenn er das Umgrenzte nicht bezeichnet und somit nicht beobachtet (Abb. 29).
Es ergibt sich also, das eine Beobachtung mindestens zwei Grundsatzentscheidungen des Akteurs erfordert: Einerseits hat er eine Unterscheidung verwendet (obwohl er auch viele andere hätte
3
DIE BEOBACHTUNG
verwendet werden können), und andererseits hat er das Umgrenzte oder das durch die Grenze Ausgeschlossene benannt (obwohl der Akteur auch die andere Alternative hätte wählen können). In allen möglichen Fällen wird vom Akteur mit oder besser durch die Art der Beobachtung der so genannte «Blinde Fleck» generiert, der ja nichts anderes bezeichnet als das nicht Beobachtete. Im Prozess der Beobachtung kann eine Situation daher grundsätzlich nur erfasst werden, wenn der Akteur aktiv zwischen bedeutsamen und anderen Einflussgroßen der zu erfassenden Situation unterscheidet. Diese vom Akteur und eben nicht von der Realität bewirkte Grenze ist daher für den Erkenntnisprozess von entscheidender Bedeutung und verdeutlicht die Relevanz einer Arbeitsdefinition über die zu erfassende Situation. Innerhalb (oder außerhalb) dieser eingegrenzten Situationsbenennung wählt der Beobachter unter Verwendung spezieller Kriterien eine begrenzte (!) Menge an voneinander unterscheidbaren Beobachtungsergebnisse «n» (= Daten) über die abgegrenzte Situation aus und ordnet sie zu einem für ihn sinnvollen Ganzen (= Information) zusammen. Bei den abgeleiteten Ergebnissen wird zumeist auf einen einheitlichen Abstraktions- bzw. Konkretionsgrad geachtet, damit eine Unterscheidbarkeit und zugleich auch eine gewisse Ähnlichkeit erreicht wird und somit eine vergleichende Bewertung möglich ist. Die hierbei zumeist verwendeten Kriterien sind entweder definierte Merkmale wie Erreichbarkeit oder Bezahlbarkeit der Information oder aber Fragestellungen wie: Wer hat mit wem (oder was) wann was warum womit wozu getan? Die Verwendung von Kriterien sowie die Benutzung eines bestimmen Auflösungsgra-
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DIE THEORIE
des der Nennungen der Ergebnisse sind Grundsatzentscheidungen des Akteurs im Prozess der Beobachtung, denn es hätten ja auch viele andere Kriterien und Auflösungsgrade verwendet werden können! Die durch Abgrenzung und Benennung auf einen einheitlichen Auflösungsgrad erarbeiteten Aussagen zu einer Situation bestimmen die Vorstellungen, die ein Akteur durch den Prozess der Beobachtung einer Situation von dieser Situation bekommt. Anschließend wird der Akteur versuchen, seine Vorstellungen zu veranschaulichen bzw. zu dokumentieren, damit er über Kommunikationsprozesse mit anderen Akteuren in einen Verständigungsprozess über die Art der Situation eintreten kann: Wird sich über die Art der Unterscheidung und der Benennung verständigt, dann werden die Beteiligten durch das vereinheitlichte Vorgehen zu einheitlichen Beobachtungsergebnissen gelangen. Die in diesen Kommunikationsprozessen gegenseitig zu erläuternden bzw. zu stellenden Fragen lauten: 1. Aufgrund welcher Entscheidungen bist du zu dieser Beobach tung gelangt? 2. Warum hältst du diese Entscheidungen für hilfreich? 3. Auf welches gemeinsame Vorgehen können wir uns einigen? Eine gemeinsame Art der Beobachtung einer Situation verlangt das Treffen folgender Entscheidungen: * Mit welcher Unterscheidung wollen wir anfangen und den Sachverhalt eingrenzen? * Wollen wir das Umgrenzte und das durch die Grenze Ausge schlossene nacheinander benennen oder nur eine der beiden Möglichkeiten wählen?
3 DIE BEOBACHTUNG
* Welchen Auflösungsgrad wollen wir bei unseren Benennun gen verwenden? * Welche Kriterien wollen wir für diese einzelnen Entscheidun gen heranziehen? Vor diesem Hintergrund ist die Verständigung über einen Sachzusammenhang nichts anderes als eine Selbstverpflichtung aller Beteiligten, aufgrund von gemeinsamen Entscheidungen einen standardisierten Beobachtungsprozess durchzuführen. Das gemeinsame Vorgehen ermöglicht ein gemeinsames Erleben der umgebenden Welt und somit letztlich eine gemeinsame Wirklichkeit.
4 Multikausalität Wenn ein Akteur eine beobachtete Tätigkeit ausführt, dann liegt das zumeist an mehreren Faktoren: Beispielsweise ist das Lesen dieser Zeilen nicht allein durch eine Ursache begründet, sondern von mehreren Einflussgrößen (z. B: Interesse, Spaß, vorhandene Zeit, schlechtes Wetter draußen ...) beeinflusst. Ein beobachteter Sachverhalt entsteht somit durch eine wirksame Konstellation von relevanten Einflussgrößen, wobei einige mit anderen Faktoren verbunden sind, aber nicht alle Faktoren mit allen anderen Faktoren zugleich Beziehungen unterhalten. Die verschiedenen, mit unterschiedlichen Intensitäten, Stoßrichtungen und Zeitverzögerungen ausgestatteten Beziehungen der wirksamen Konstellation von relevanten Einflussgrößen bewirkt eine Ordnung, die für die Funktionstüchtigkeit des Zusammenspiels der Faktoren verantwortlich ist. Dieses Zusammenspiel bewirkt ein Gesamtverhalten des beobachteten Sachverhaltes, das nicht auf einzelne Einflussgrößen zurückgeführt werden kann, sondern auf den wirksamen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Faktoren basiert. Daraus ergibt sich insbesondere, dass der gegebene Sachverhalt sich so lange nicht ändert, solange diese Ordnung aufrechterhalten wird und umgekehrt. Mit anderen Worten: Eine Ist-Situation ist nicht etwa eine Addition der einzelnen Einfluss-
4
MULTIKAUSALITÄT
großen, sondern die Folge des funktionstüchtigen Zusammenspiels mehrerer Einflussfaktoren. Das Nachdenken über die Situation kommt somit einer Beschäftigung mit den problemwirksamen Beziehungen der Einflussfaktoren gleich. Das wirksame Zusammenspiel der von den einzelnen Einflussfaktoren ausgehenden Wirkungen wird oft etwas missverständlich «Multikausalität» genannt. Es geht hier aber um das wechselseitige Ineinandergreifen von Beziehungen (siehe Abb. 30), daher wird besser von einer «Multirelationalität» gesprochen.
Das Zusammenspiel der Wechselwirkungen kann anhand von unterschiedlichen Ordnungskriterien analysiert werden. Ein Beobachter kann einen Sachverhalt z.B. anhand der Kriterien Moral, Ethik, Effizienz, Effektivität oder aber Bezahlbarkeit beschreiben. Ein oftmals benutzter Gesichtpunkt in diesem Zusammenhang ist
C DIE THEORIE
der Zielerreichungsgrad oder aber (ökonomisch formuliert) der Deckungsbeitrag der wirksamen Beziehungen. Die aktive Beobachtung eines Sachverhaltes ist somit neben der Problemabgrenzung und -formulierung immer auch abhängig davon, nach welchem Ordnungskriterium der Beobachter die wirksamen Komponenten auf ihre Problemrelevanz überprüft. Ein Beobachter verwendet hierbei zumeist die Ordnungskriterien, die er gewohnt ist und aus seiner Biografie heraus als «normal» bzw. als «angemessen» empfindet. Kurzum: Er verwendet die für ihn (und nur für ihn) typischen Ordnungskriterien. Diese Bevorzugung einer Möglichkeit aus der Menge der an sich möglichen Ordnungskriterien kommt einer Vernachlässigung aller anderen Möglichkeiten gleich und ist als Entscheidung zu werten. Das Ergebnis dieser Entscheidung prägt die Erfassungstiefe eines Sachverhaltes und damit zusammenhängend auch die Möglichkeiten der Erfassung der problemwirksamen Multirelationalität. Eine Erfassung eines problemrelevanten Sachverhaltes erfolgt somit in unterschiedlichen Gruppierungen (z. B: Berufsgruppen oder Mitglieder verschiedener Organisationen) zumeist mit dem für die betreffende Gruppierung jeweils typischen Ordnungskriterium: Juristen beachten das Kriterium der Legalität einzelner Tätigkeiten, Ökonomen achten demgegenüber auf das KostenNutzen-Verhältnis, und Techniker achten zumeist auf die Funktionalität des Sachverhaltes. Insbesondere in interdisziplinär zusammengesetzten Teams kommt es vor, dass Mitglieder aus verschiedenen Gruppierungen vertreten sind und jeweils das Ordnungskriterium verwenden, das sie gewohnt sind und das in «ihrer» Gruppierung naheliegend nicht mehr zu hinterfragen ist. Erfolgt unter diesen Voraussetzungen
4 MULTKAUSALITÄT
eine Beobachtung eines Sachverhaltes41, dann kommen die Teammitglieder zu weit auseinander liegenden Beschreibungen des problematischen Sachzusammenhangs und der darin wirksamen Multir elationalität. Dies kann umgangen werden, wenn man sich bewusst macht, dass in der Beobachtung eines Sachverhaltes mehrere Ordnungsrelationen gleichbedeutend verwendet werden können42: Dies er-
reicht man, wenn am Anfang der Teamarbeit herausgearbeitet wird, mit welchen Ordnungskriterien gearbeitet werden soll (sinnvollerweise sollte man sich allerdings auf höchstens 5 Kriterien beschränken); dadurch kann jedes der Teammitglieder in gleicher Weise an der Ist-Aufnahme mitwirken, was bei den Beteiligten zugleich eine größere Transparenz des Vorgehens, ein tieferes Verständnis der erreichten Teilergebnisse sowie eine stärkere Akzeptanz des Gesamtergebnisses ermöglicht.
5 Verwenden von Filtern Ein Filter bewirkt (siehe Abb. 31), dass eine Menge A nicht komplett in eine Menge B abgebildet werden kann, weil der Abbildungsvorgang nicht alle Elemente erfasst und somit die Menge B mindestens ein Element kleiner ist als A. Wenn ein Akteur einen Sachverhalt (= Menge A) in eine modellhafte Abbildung (= Menge B) überführt, dann werden nicht alle Elemente des relevanten Sachverhaltes mit abgebildet, sondern eben nur ein Teil:
5 VERWENDEN VON FILTERN
Das Abbild ist einfacher als das komplexe Urbild, denn der Akteur möchte: a) eine bestimmte Thematik erfassen, b) bestimmte Fragestellungen zu dieser Thematik beantworten, c) eine bestimmte Antwortgenauigkeit anstreben. Der Akteur erstellt also ein Abbild immer zielorientiert, wobei für ihn das Abbild letztlich ein Mittel zur Zielerreichung ist. Ein Ziel ist in diesem Zusammenhang das, was der Akteur dazu verwendet, seine Handlungsmöglichkeiten in eine Rangreihe zu bringen; Rang l bekommt die Handlung zugeordnet, die den bestmöglichen Zielerreichungsgrad erwarten lässt. Grundsätzlich kann mit einer modellhaften Abbildung (sei es verbal, grafisch, haptisch oder mathematisch) das Ziel der Erfassung, der Beschreibung, der Erklärung oder der Gestaltung verfolgt werden.43 Die Wirkung von Filtern bei der modellhaften Abbildung44 sei an einem alltäglichen Beispiel erläutert: Peter möchte sich selbständig machen und ein Restaurant betreiben. Er möchte den Gästen eine möglichst gelungene Abbildung der Möglichkeiten seiner Küche in die Hand geben können und erstellt zu diesem Zweck eine Speisekarte. Dies erscheint ihm im ökonomischen Sinne zielführender, als jeden Kunden während der Geschäftszeiten durch die Küche zu führen. Nachdem das Ziel (= Filter) klar ist, definiert er die Merkmale der zu erstellenden Speisekarte: Sie soll ansprechend gestaltet, einfach zu verstehen, gut zu handhaben sein und wenig Gewicht haben. Somit sind die Indikatoren der Zieleneichung (= Filter) festgelegt, mit denen er verschiedene Speisekarten-Varianten auf ihre Qualität hin überprüfen wird.
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DIE THEORIE
Nachdem die Indikatoren der Zielerreichung festgelegt sind, stellt Peter die angebotenen Speisen und Getränke zusammen. In diesem Zusammenhang ist festzulegen, in welchen Nennungen (= Filter) in welcher Reihenfolge (= Filter), in welcher Gruppierung (= Filter), und in welcher Genauigkeit (= Filter) die Speisen aufgeführt werden sollen. Er entscheidet sich dafür, die Speisen nach geltenden Standards auf Deutsch und Englisch zu benennen; er wählt Reihenfolge Vorspeisen, Salate, Hauptspeisen (unterteilt in Fleisch, Fisch, Vegetarisches), Desserts und Getränke (unterteilt in Spirituosen und nicht Alkoholisches); bei den Speisen wird darauf hingewiesen, dass der Kunde jede Speise variieren kann und dass jede Speise in drei verschiedenen Portionsgrößen angeboten wird. Nachdem die Struktur geklärt ist, sucht Peter nach der richtigen Form (= Filter) der Speisekarte und der Nennungen. Er entscheidet sich gegen die standardisierten DIN-Maße und stattdessen für ein extremes Querformat mit drei Schriftspalten und einer dreistelligen Nummerierung aller Nennungen in einer bestimmten Schrifttype und -große. Nach der Form sucht Peter nun noch ein sinnvolles Material (= Filter) für die Speisekarte; er entscheidet sich für ein relativ schweres, farbiges Papier mit einem Leder einband, das ihm zum Ambiente des Restaurants passend erscheint. Abschließend vergleicht Peter die so erarbeitete modellhafte Abbildung der Verköstigungsmöglichkeiten seines Restaurants mit Speisekarten anderer Restaurants, mit denen er im Wettbewerb steht. Auf diese Weise ermittelt er, welche Erwartungen (= Filter) die Kunden in solchen Restaurants in der Stadt haben. Mit den gewonnenen Erkenntnissen überarbeitet Peter seine Speisekarte nochmals und trifft sich mit einem professionellen Grafiker.
5 VERWENDEN VON FILTERN
Der Grafiker schlägt einige Änderungen vor, die er mit den Möglichkeiten und Grenzen der menschlichen Wahrnehmungsorgane (= Filter) begründet. Mit der überarbeiteten Speisekarte geht Peter nun noch zu einer Druckerei, um die Kosten zu ermitteln; die dort kalkulierten Kosten sprengen die finanziellen Möglichkeiten (= Filter) von Peter, und so beschließt er, zusammen mit dem Drucker nach kostengünstigeren Varianten zu suchen. Bei dieser Suche kommt auch zur Sprache, dass Peter die Weiterbildung des Kochs möglichst gut in der Speisekarte umsetzen möchte. Daher strebt er eine halbjährliche Überarbeitung (= Filter) der Speisekarte an und leitet nun das endgültige Werk ab, das eine einfach zu handhabende Änderung der Seitenanzahl ermöglicht und somit eine halbjährliche Umstellung der Speisekarte ermöglicht. Wie an diesem Beispiel gut zu sehen ist, wird die Menge an theoretischen Möglichkeiten einer Speisekarte durch die Verwendung von Filtern nach und nach eingeschränkt, bis schließlich nur noch wenige Möglichkeiten mit ähnlichem Zielerreichungsgrad verbleiben. Daher sollte die Verwendung von Filtern dadurch bewusst erfolgen, dass insbesondere das angestrebte Ziel ausreichend konkret formuliert wird und dazu die konkreten Indikatoren zur Messung der Zielerreichung festgelegt werden.
6 Bewusstes Entscheiden Der Unterschied zwischen der beobachteten Situation und dem erwünschten Ziel begründet ein Problem. Eine dazugehörige Problemlösung soll dann mindestens dazu führen, diesen erkannten Unterschied zu mindern. Bereits aus dieser Grundidee ergibt sich, dass die Schärfe des Problems unmittelbar zusammenhängt mit dem vom Akteur gewünschten Ziel und eben nicht von der Realität herrührt, wie oftmals angenommen wird.
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BEWUSSTES ENTSCHEIDEN
Hierzu folgendes Beispiel (Abb. 32): Wiegt der Akteur 100 kg (beobachtete Situation) und erträumt sich ein Gewicht von 75 kg (Soll 2), so kann das Problem mit 25 kg quantifiziert werden (= Problem 2). Wird dagegen ein Ziel von 95 kg (Soll 1) erwünscht, so besteht die Schärfe des Problems in 5 kg (= Problem 1). Es ergibt sich also, dass ein Problem unmittelbar mit dem Wunsch des Akteurs und eben nicht mit seiner Umwelt verbunden ist.45 Aus diesem Grund ist die Wahrnehmungsfähigkeit des Akteurs für eine begründete Entscheidung von maßgeblicher Bedeutung: Einerseits hat der Akteur die äußere Welt (Ist-Zustand) zu beobachten, andererseits hat er durch die bewusste Wahrnehmung seiner inneren Welt (eigene Gefühle) sowie seiner mentalen Welt (eigene Vorstellungen) den erwünschten Soll-Zustand zu definieren. Die Detailgenauigkeit der Wahrnehmung eines Akteurs bestimmt somit das Auseinanderfallen von Soll und Ist in sehr starkem Maße, somit ist das Problembewusstsein von der eigenen Wahrnehmungsfähigkeit geprägt. Bei der Beobachtung eines Sachzusammenhangs kommt es insbesondere darauf an, die problemwirksamen Elemente zu identifizieren und die zwischen ihnen wirkenden Beziehungen zu erkennen. Hilfreiche Instrumente sind in diesem Zusammenhang beispielsweise das subjektive Wirkungsgefüge (siehe Kap. B. 7) die Einflussmatrix (siehe Kap. B. 8) sowie die Prioritätenmatrix (siehe Kap. B. 9). Eine Problemlösung verlangt vom Akteur die Beobachtung der Ist-Situation, die Definition eines Ziels sowie die Suche nach Handlungsmöglichkeiten (=Alternativen), um den erkannten Unterschied zwischen der Ist-Situation und dem Ziel zu vermindern. Wenn der Akteur (auch Entscheidungsträger genannt) zwischen wenigstens zwei Alternativen (mindestens zwischen Tun
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DIE THEORIE
und Unterlassen) wählen kann, dann liegt eine Entscheidung vor. Sollte der Akteur beispielsweise vier Alternativen gefunden haben, dann wählt er eine davon, was gleichbedeutend damit ist, dass er drei Alternativen aktiv verwirft.46 Eine Problemlösung ist daher unmittelbar mit (mindestens) einer Entscheidung verbunden. Die Frage ist nun, wie denn eine begründete Auswahl der umzusetzenden Alternative erfolgen kann, denn: Die Begründbarkeit der getroffenen Entscheidung ist für die Akzeptanz, auf die diese Wahl bei den Beteiligten fällt, außerordentlich entscheidend. Grundsätzlich erfolgt eine begründete Entscheidung durch folgendes Vorgehensmodell47, siehe Abb. 33: Phase 1: Der Akteur formuliert das Problem dadurch, dass er eine Situation beobachtet, einen Zielwert definiert und das Beobachtungsergebnis mit seinem Wunsch vergleicht. Phase 2: Der Akteur sucht nach Möglichkeiten, den Unterschied zwischen Ist und Soll zu minimieren; die Veränderung des Zielwertes ist eine Handlungsmöglichkeit, die in diesem Zusammenhang oftmals übersehen wird. Die Menge der Alternativen sollte möglichst groß sein. Phase 3: Der Akteur ordnet den einzelnen gefundenen Alternativen so genau wie möglich die zu erwartenden Konsequenzen zu, die sich aus der Umsetzung der einzelnen Alternativen ergeben48; hier wird er alles als Kosten angeben, was ein Beteiligter abgeben muss, und alles als Nutzen auffassen, was ein Beteiligter bekommt. Grund-
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BEWUSSTES ENTSCHEIDEN
sätzlich sind natürlich nur die Alternativen aufzunehmen, deren Kosten ihren Nutzen nicht übersteigen. Phase 4: Zum Schluss wird der Akteur aufgrund seines erarbeiteten Informationsstandes eine Entscheidung zugunsten einer Alternative treffen. Hierbei sollte er aufgrund von Regeln49 handeln, denn die Akzeptanz von Entscheidungen ist maßgeblich von der Transparenz hinsichtlich des Verfahrens abhängig.
Um Entscheidungen für sich selbst und für andere nachvollziehbar zu machen, sind sie zu dokumentieren. Insbesondere sind * die Messung der Ist-Situation, * die Formulierung und Bedeutung der Soll-Situation, * die Suche nach Alternativen,
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die Zuordnung von zu erwartenden Konsequenzen sowie
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die regelgebundene Auswahl einer Alternative
zu notieren, am besten durch ein standardisiertes Verfahren. Später kann der Akteur dann prüfen, inwieweit die erwünschte Zielerreichung erfolgt ist und wie eine andere Informationshandhabung mehr Erfolg gebracht hätte. Auf diese Weise kann der Akteur mit der Zeit die von ihm gemachten Fehler erkennen und die dazugehörenden Tätigkeiten optimieren.
1 Kommentierte Literaturliste Die hier zusammengestellte Literatur zeigt in alphabetischer Reihenfolge grundlegende Werke zum Systemdenken auf. Diese Auswahl an Werken erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern auf die exemplarische Abbildung eines weiten Themenspektrums. Den kurzen Anmerkungen entnehmen Sie bitte das jeweilige Themenfeld, die theoretische und/oder praktische Ausrichtung sowie den an den Leser gestellten Anspruch. •
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Bateson, G. (1981): Die Ökologie des Geistes, Frankfurt/M. Ein Klassiker des Systemdenkens, von dem insbesondere das Konzept des «double bind» (Be ziehungsfalle) vielen vertraut ist. Aus dem Inhalt: Form und Muster in der Anthropologie; Form und Pathologie in der Beziehung; Biologie und Evolu tion; Erkenntnistheorie und Ökologie u.a.m. Daenzer, W. F./Huber, F. (Hrsg.) (1997): Systems Engineering - Methodik und Praxis, 9. Auflage, Zürich. Der Klassiker für die Konzeption und Reali sierung mehrdimensionaler Projekte mit einem separaten Orientierungsplan mit wichtigen Begriffen und ihren Zusammenhängen. Aus dem Inhalt: Sys temgestaltung; Projekt-Management; Fallbeispiel Flughafen; Techniken und Hilfsmittel u.a.m. Gester, P.-W./Schmitz, C./Heitger, B. (Hrsg.) (1999): Managerie 5. Jahr buch - Systemisches Denken und Handeln im Management, Heidelberg. Zahlreiche Reflexionen und Praxisbeispiele aus dem Managementbereich, anregend. Aus dem Inhalt: Die Veränderung der Veränderungsorganisation; Unternehmensführung als Balanceakt; Geschichten in der Beratung? u.a.m. Kahle, E. (1998): Betriebliche Entscheidungen - Lehrbuch zur Einführung in die betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie, 5. Auflage, München u.a. Ein Lehrbuch im Grenzbereich von Entscheidungstheorie und Organi-
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ANHANG
sation, anspruchsvoll und gut nachvollziehbar. Aus dem Inhalt: Begriffliche und wissenschaftliche Grundlagen: Das entscheidungstheoretische Grundmodell und seine Beschränkungen; Auswirkungen von Ungewissheit und Dynamik; Multipersonelle Entscheidungen u.a.m. König, E./Volmer, G. (1993): Systemische Organisationsberatung - Grund lagen und Methoden, Weinheim. Ein Systemansatz in der Tradition von Bateson, (erziehungs)wissenschaftlich fundierte Beratungshilfen, ausgewo genes Theorie/Praxis-Verhältnis, gute Lesbarkeit. Aus dem Inhalt: Phasen Systemischer Organisationsberatung; Diagnose subjektiver Theorien; Inter aktionsstrukturen in sozialen Systemen u.a.m. Lehner, M. (2001): Pädagogik der Mitarbeiterführung - Differenzorientierte Bildung und subjektive Führungsstandards, Hohengehren. Habilitations schrift im Grenzbereich von Pädagogik und Führung, Weiterentwicklung der Bildungsidee (Umgang mit Differenzen), anspruchsvoll und gut nachvoll ziehbar. Aus dem Inhalt: Annäherungen von Führung und Pädagogik; Mög lichkeiten und Grenzen von Bildung; Bildung und die lernende Organisation u.a.m. Luhmann, N. (1984): Soziale Systeme - Grundriss einer allgemeinen Theo rie, Frankfurt/M. Der «Klassiker» der modernen Theorie sozialer Systeme, die als aufeinander bezogene Kommunikationsprozesse aufgefasst werden. Aus dem Inhalt: System und Funktion; System und Umwelt; Selbstreferenz und Rationalität u.a.m. Radatz, S. (2000): Beratung ohne Ratschlag - Systemisches Coaching für Führungskräfte und Beraterinnen, Wien. Ein Coaching-Praxishandbuch auf Grundlage des systemisch-konstruktivistischen Denkens, viele Beispiele und Übungen, leicht lesbar. Aus dem Inhalt: Der Coachinggesprächs-Ablauf; Systemische Fragemethoden im Coaching; hilfreiche Eigencoaching-Konzepte u.a.m. Stermann, J. D. (2000): Business Dynamics - Systems thinking and modelling for a complex world, McGraw-Hill Companies. Ein System-DynamicBuch in der Tradition von Forrester, das als Übungsbuch konzipiert ist. Aus demlnhalt: The Modelling Process; Structure and Behaviourof Dynamic Sys tems; Causal Loop Diagramms (sehr detailliert); Stocks and Flows u.a.m. Vester, F. (1999): Die Kunst vernetzt zu denken - Ideen und Werkzeuge für einen neuen Umgang mit Komplexität, Stuttgart. Der neue «Klassiker» des vernetzten Denkens, vielfältige Anwendungsbeispiele für ein systemisch ausgerichtetes Denken, sehr gut lesbar. Aus dem Inhalt: Der biokybernetische Denkansatz; Das Sensitivitätsmodell; Der neue Weg zu nachhaltigen Strategien u.a.m. Wilms, F. E. P. (2001): Systemorientiertes Management, Wiesbaden. Grund lagenwerk im Grenzbereich von Systemdenken, Erkenntnistheorie und Be triebswirtschaft, zugleich anspruchsvoll und doch nachvollziehbar. Aus dem Inhalt: Der Zugang zur Wirklichkeit; Das systemorientierte Denken; Konzepte
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KOMMENTIERTE LTTERATURLISTE
des Systemdenkens; Die Methodische Umsetzung; Mehrdimensionale Wirkungsgefüge u.a.m. Zwingmann, E./Schwerte, W./Staubach, M./Emlein, G. (2000): Management von Dissens - Die Kunst systemischer Beratung von Organisationen, Frankfurt/M., 2. erw. Auflage. Gute Beispiele einer «theoriegeleiteten Praxis», anhand konkreter Praxisprojekte werden systemtheoretische Aspekte erläutert, gute Theorie/Praxis-Mischung. Aus dem Inhalt: Systemisches Denken; Organisation und Management von Dissens; Von Wirkungen und Nebenwirkungen; Organisationales Lernen in einer Bildungseinrichtung des Gesundheitswesens u.a.m. Züst, R. (1999): Systems Engineering - kurz und bündig, Zürich. Gute Kurzdarstellung des Themengebietes. Aus dem Inhalt: Systemdenken; Vorgehensprinzipien; Lebensphasenmodell; Problemlösungszyklus; Methoden
2 Die Autoren Martin Lehner, Prof. Dr. phil., Studium der Mathematik und Chemie, Promotion und Habilitation in Erziehungswissenschaft (Bereich Weiterbildung). Nach seiner Schulungs- und Personalentwicklungstätigkeit bei IBM war er zwischen 1991 und 1997 selbständiger Trainer und Berater, anschließend Prozess-Coach bei der TUI InfoTec GmbH. Seit 1998 ist er Hochschullehrer für Weiterbildung, Didaktik und Organisationsentwicklung an der Fachhochschule Vorarlberg (Österreich). mail: martin.lehner@fh-vorarlberg.ac.at web: www.staff.fh-vorarlberg.ac.at/ml Falko E. P. Wilms, Prof. Dr. rer. pol., Studium der Wirtschaftsund Sozialwissenschaften, Promotion zum Dr. rer. pol. über multipersonelle Entscheidungsfindung. Er ist Mitbegründer und langjähriger Leiter der Forschungs- und Beratungsgruppe FOKUS®; seit 1990 ist er als Trainer, Berater und Coach tätig. Seit 1998 ist er Hochschullehrer für Kommunikation, Teamentwicklung, Organisationslehre und Systemdenken an der Fachhochschule Vorarlberg (Österreich). mail: falko.wilms@fh-vorarlberg.ac.at web: www.staff.fh-vorarlberg.ac.at/wf Zusammen geben sie die Schriftenreihe Kontinuität und Wandel in Organisationen heraus. • Bd. 1: Führung und Zusammenarbeit, Berlin 2000 • Bd. 2: Problemsituationen als Gefüge von Wirkungen, Berlin 2001 • Bd. 3: Prozessmanagement, Berlin 2002
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3 Die Studiengruppe für Organisations-Entwicklung Die Studiengruppe für Organisations-Entwicklung (SOE) beschäftigt sich mit dem bewussten Gestalten und Durchführen von Veränderungsprozessen in Organisationen. Ein zielorientiertes Design von Lehr-Lern-Arrangements fördert die Kompetenzen zum Lösen komplexer Aufgaben in Gruppen und verschiedene Formen der Koordination und Kooperation. Die praxisorientierte Umsetzung von Erkenntnissen der Systemtheorie und der multipersonellen Entscheidungstheorie erleichtert das Gestalten und Steuern von Veränderungsprozessen. Zur Verbreitung der in diesem Buch beschriebenen Ideen und Konzepte werden von der Studiengruppe für Organisations-Entwicklung veischiedene Impuls vorträge, Seminare, Workshops und ZukunftsWerkstätten angeboten. Informationen über die Studiengruppe für Organisations-Entwicklung und deren Angebote finden Sie unter www.staff.fh-vorarlberg.ac.at/WF/SO.htm
4 Anmerkungen 1
Popper, K. R.: Die Logik der Forschung, 4. Aufl., Tübingen 1971, S. 34 ff. ^ Vgl.: Fuhr, T.: Kompetenzen und Ausbildung des Erwachsenenbüdners, Bad Heilbrunn/Obb. 1991, S. 152. 3 Krieger, D. J.: Einführung in die allgemeine Systemtheorie, 1996,3.11. ^ Man spricht in diesem Zusammenhang auch von mentalen oder kognitiven Modellen, die als Konstrukte des Denkens nicht direkt von außen beobachtbar sind. ° Oft verwendete Eigenschaften sind: kostengünstig, kurzfristig wirksam oder aber offen für weitere Maßnahmen. ° Vgl.: Lehner, M.: Neue Wege der didaktischen Reduktion; in: Verwaltung und Fortbildung, Heft l 1993, S. 42-50, hier S. 43. ' de Bono, E.: «Buddeln Sie doch mal ganz woanders». In: Management Wissen 6/91, S. 49. o Weisbach, C.-R.: Verhandeln und Moderieren für Wirtschaftsstudierende Logisch argumentieren, psycho-logisch verhandeln, Berlin 2000, S. 33. Vgl. König, E. /Volmer, G: Systemische Organisationsberatung, Weinheim 1993, S. 96 ff. *" Arnold, R.: Das Santiago-Prinzip - Führung und Personalentwicklung im lernenden Unternehmen, Köln 2000, S. 68 f. " Vester, F.: Ballungsgebiete in der Krise: Eine Anleitung zum Verstehen und Planen menschlicher Lebensräume mit Hilfe der Biokybernetik, Stuttgart 1976. Anfänglich wurde dieses Instrument Papiercomputer genannt; nachdem es in ein PC-Tool überführt wurde, wurde es umbenannt in EinOussmatrix (z. B. Vester 1999). 12 Vester, F.: a.a.O. 1976, S. 61 ff. 1^ 10 Es handelt sich hierbei um die vereinfachte Zuordnung von Wirkungen, wie sie im Grundsatz vom Vertretern des St. Galler Ansatzes vorgestellt werden, vgl. beispielsweise: Gomez, P./Probst, G.: Die Praxis des ganzheitlichen Problemlösens, 3. Aufl., Bern u. a. 1999, S. 88.
4 ANMERKUNGEN 14 Vester verwendet in diesem Zusammenhang die Werte 0 bis 3, während der hier vorgeschlagene Weg lediglich die Werte 0 und l unterscheidet. Vgl. Ves ter, F.: Ballungsgebiete in der Krise: Eine Anleitung zum Verstehen und Pla nen menschlicher Lebensräume mit Hilfe der Biokybernetik, Stuttgart 1976. 15
Vgl.: Wilms, F. E. R: Systemorientiertes Management, Wiesbaden 2001, S. 194. Vgl. Lehner, M./Ziep, K.-D. (21997): PhantastischeLemwelt, 2. überarb. Aufl., Weinheim 1997, S. 71 f. 17 Arnold, R.: Das SANTIAGO-Prinzip - Führung und Personalentwicklung im lernenden Unternehmen, Köln 2000, S. 35-42. 18 in Anlehnung an die PQ4R-Technik; Lehner, M./Ziep K.-D.: Phantastische Lemwelt, 2. überarb. Aufl., Weinheim 1997, S. 74 f. 1 König, E./Zedler, P: Theorien der Erziehungswissenschaft - Einführung in Grundlagen, Methoden und praktische Konsequenzen, Weinheim 1998, S. 169 ff. 20 König, E./Zedler, P. (1998), a.a.O., S. 169. 21 Bertalanffy, L. v.: ... aber vom Menschen wissen wir nichts, Düsseldorf u.a. 1970, S. 122 f. 16
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"• Vester, F.: Die Kunst vernetzt zu denken - Ideen und Werkzeuge für einen neuen Umgang mit Komplexität, Stuttgart 1999. 23 Vgl. Ulrich, H./Probst, G.: Anleitung zum ganzheitlichen Denken und Han deln, Bern u. a. 1988; Gomez, R/Probst, G.: Die Praxis des ganzheitlichen Problemlösens - Vernetzt denken, unternehmerisch handeln, persönlich über zeugen, Wien 31999. 24 Parsons, T.: Zur Theorie sozialer Systeme, Opladen 1976. 2 ° vgl. Luhmann, N.: Soziale Systeme, Frankfurt/M 1984. 26 Luhmann, N. (1984), a.a.O., S. 35 f. 27 König/Zedler (1998), a.a.O., S. 183. 2 ° Vgl. Luhmann, N.: Wie lassen sich latente Strukturen beobachten? In: Watzlawick, R/Krieg, P. (Hg.): Das Auge des Betrachters. Beiträge zum Konstruktivismus, München 1991, S. 66. 29 Vgl. Bateson, G: Geist und Natur, Frankfurt/M. 1982; Ruesch, J./Bateson, G.: Kommunikation: die soziale Matrix der Psychiatrie, Heidelberg. 1995. 3® Watzlawick, R/Beavan, J. H./Jackson, D.D.: Menschliche Kommunikation Formen, Störungen, Paradoxien, Bern 1969. 31 König/Zedler (1998), a.a.O., S. 192 ff.; vgl. auch König, E./Volmer, G.: Syste mische Organisationsberatung - Grundlagen und Methoden, Weinheim 2 1994, S. 32 ff. 32 Luhmann (1984), a.a.O., S. 35. 33 Vgl. Vester, F.: Die Kunst vernetzt zu denken, Stuttgart 1999. 3 ^ Vgl.: Vester, F.: Methodenhandbuch zum Sensitivitätsmodell Prof. Vesters, München 1992. 3^ Vgl.: Gomez, R/Probst, G.: Die Praxis des ganzheitlichen Problemlösens, 3. Aufl., Bern u. a. 1999.
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36 Vgl.: Hub, H.: Ganzheitliches Denken im Management, Wiesbaden 1994. 37 Vgl.: Wilms, F. E. R: Systemorientiertes Management, Wiesbaden 2001, S. 171; 176-184 ^ Genau das ist beim Sensitivitätsmodell bewusst nicht der Fall! 39 Vgl.: Kahle, E./Wilms, F. E. R: Der Helidem, Aachen 1998, S. 121. 4 0 Vgl.: Wilms, F. E. R: Systemorientiertes Management, Wiesbaden 2000, S. 219. 41 Siehe hierzu die Ausführungen in Kap. C.3. 42 Vgl.: Kahle, E./Wilms, F. E. R: Der Helidem, Aachen 1998, S. 41 ff. 43 Kahle, E./Wilms, F. E. R: Der Helidem, Aachen 1998, S. 94. 44 Alle Erkenntnisse können auf die Wahrnehmung von Situationen sowie auf die Dokumentation der Wahrnehmungsergebnisse übertragen werden. 4 ° Hier ließe sich einwenden, dass die soziale Umwelt ein deutliches Vorbild und prägendes Element für die (zum Teil berufliche) Sozialisation des Akteurs darstellt. Dem ist entgegenzuhalten, dass der individuelle Umgang mit den Vorbildern (z.B. mit den Erwartungen des Vorgesetzten) etc. darauf hinausläuft, inwieweit der Akteur die Erwartungen des Gegenübers erfüllen möchte. Hier kann der Akteur zwischen den Polen vollkommene Übernahme und totale Ablehnung wählen, was auf eine bewusste Entscheidung hinausläuft. 4 " Der Akteur kann also auch in mehreren Schritten jeweils eine Alternative verwerfen und damit die Menge der Alternativen langsam verringern, bis nur noch eine Alternative übrig ist. 4 ' Zur genaueren Darstellung siehe Kahle, E.: Betriebliche Entscheidungen, 5. unw. veränd. Aufl., München/Wien 1998, S. 39 ff. 4 ° Die Eintrittswahrscheinlichkeit der einzelnen Folgewirkungen sind zu beachten: Bei einer Wahrscheinlichkeit von 100% spricht man von Sicherheit. In betriebswirtschaftlicher Hinsicht wird eine erwartete Eintrittswahrscheinlichkeit von mehr als 60% als ein vertretbares Risiko (NichteintrittsWahrscheinlichkeit s 40%) eingestuft. " Solche Regeln richten sich nach der Abschätzbarkeit von Eintrittswahrscheinlichkeiten und beziehen sich letztlich auf Beurteilung der Alternativen hinsichtlich ihres Zielerreichungsgrades.