Jutta Schwerdle, Prof. D. Dieter Bremecker, Wilfried Kley, Dr. Kai Litschen, Bernhard Steuerer, Christian Wäldele • TVöD in der Praxis
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ISBN: 3 448 06873 X ab 1.1.2007: 978 3 448 06873 3
Bestell Nr.: 04236 0001
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[email protected] Lektorat: Ulrich Leinz Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe (einschließlich Mikrokopie) sowie die Auswertung durch Datenbanken, vorbehalten.
Redaktion: Ass. jur. Claudia Wanzke Umschlag: 102prozent design, Simone Kienle, Stuttgart Druck: Bosch Druck GmbH, 84030 Ergolding Zur Herstellung dieses Buches wurde alterungsbeständiges Papier verwendet.
TVöD in der Praxis Das neue Tarifrecht sicher umsetzen
Jutta Schwerdle, Prof. Dr. Dieter Bremecker, Wilfried Kley, Dr. Kai Litschen, Bernhard Steuerer, Christian Wäldele,
Haufe Mediengruppe Freiburg · Berlin · München
Inhaltsverzeichnis 1
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Für wen gilt der TVöD? 1.1 Wie ist der tarifliche Stand? 1.1.1 Räumlicher Geltungsbereich des TVöD 1.1.2 Betrieblicher Geltungsbereich des TVöD 1.1.3 Persönlicher Geltungsbereich des TVöD 1.1.4 Vom Geltungsbereich ausgenommene Personen 1.1.5 Sonderproblem: Geringfügig Beschäftigte 1.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies?
11 11 11 12 12
Wie gehen Sie bei Neueinstellungen vor? 2.1 Wie ist der tarifliche Stand? 2.1.1 Welche Ausnahmen sind zu beachten? 2.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies? 2.2.1 Was bringt die neue Entgeltgruppe 1? 2.2.2 Sind jetzt vorzunehmende Eingruppierungen an den TVöD anzupassen? 2.2.3 Sind Vertrauensschutzregelungen zu beachten? 2.2.4 Gibt es im neuen Eingruppierungsrecht Ermessensspielräume? 2.3 Wege der betrieblichen Umsetzung 2.3.1 Gibt es noch Bewährungs , Fallgruppen und Tätigkeitsaufstiege? 2.3.2 Werden Vergütungsgruppenzulagen gewährt?
18 18 20 21 21
So gestalten Sie den TVöD–Arbeitsvertrag 3.1 Wie ist der tarifliche Stand? 3.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies? 3.3 Wege der betrieblichen Umsetzung 3.3.1 Wie setzen Sie eine Vertragsänderung um? 3.3.2 Wie kündigen Sie während der Probezeit?
30 30 36 37 41 41
12 14 15
25 25 26 26 28 28
Inhaltsverzeichnis
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Welche Möglichkeiten bieten befristete Arbeits verträge? 4.1 Wie ist der tarifliche Stand? 4.1.1 Befristete Verträge mit sachlichem Grund 4.1.2 Befristungen ohne sachlichen Grund 4.1.3 Regelungen zur Abwicklung nach § 30 TVöD 4.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies? 4.2.1 Die einzelnen Befristungs /Sachgründe 4.3 Wege der betrieblichen Umsetzung 4.3.1 Diskriminierungsverbot 4.3.2 Informationspflichten des Arbeitgebers 4.3.3 Angemessene Aus und Weiterbildung 4.3.4 Formen der Zeitbestimmung
43 44 44 45 47 49 50 68 68 69 69 69
5
Führung auf Probe/Führung auf Zeit 5.1 Wie ist der tarifliche Stand? 5.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies? 5.3 Wege der betrieblichen Umsetzung 5.3.1 Führung auf Probe 5.3.2 Führung auf Zeit
76 76 76 79 79 83
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In welchem Umfang besteht ein Weisungsrecht? 6.1 Wie ist der tarifliche Stand? 6.1.1 Die einzelnen Maßnahmen im Überblick 6.1.2 Wie ist die Versetzung geregelt? 6.1.3 Wie ist die Abordnung geregelt? 6.1.4 Wie ist die Zuweisung geregelt? 6.1.5 Wie ist die Personalgestellung geregelt? 6.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies? 6.3 Wege der betrieblichen Umsetzung 6.3.1 Wie wird das Weisungsrecht ausgeübt? 6.3.2 Die Beschränkung Ihres Weisungsrechts 6.3.3 Ist die Anordnung mitbestimmungspflichtig? 6.3.4 Was regelt der Personalgestellungsvertrag? 6.3.5 Checkliste Maßnahmen des Weisungsrechts
89 89 90 92 97 98 100 104 105 105 106 107 108 109
7
Wie gestalten Sie die Arbeitszeit flexibel und kundenorientiert? 7.1 Wie ist der tarifliche Stand? 7.1.1 Das Volumen der regelmäßigen Arbeitszeit
111 111 111
5
Inhaltsverzeichnis
7.2
7.3
8
9
6
7.1.2 Jahresausgleichszeitraum 7.1.3 Verteilung der Arbeitszeit auf Wochentage 7.1.4 Überstunden 7.1.5 Gleitzeitmodelle 7.1.6 Tägliche Rahmenzeit 7.1.7 Wöchentlicher Arbeitszeitkorridor 7.1.8 Arbeitszeitkonten Welche Möglichkeiten eröffnet dies? 7.2.1 Arbeitszeitmodelle des TVöD 7.2.2 Gleitzeit nach TVöD 7.2.3 Fazit Wege der betrieblichen Umsetzung 7.3.1 Arbeitszeitrahmen 7.3.2 Einsatz individueller Arbeitszeitmodelle 7.3.3 Mischformen, Zusammenwirken der Modelle 7.3.4 Zeitkontenmodelle bei Gleitzeit
Wie gehen Sie bei einer Eingruppierung/ Höhergruppierung vor? 8.1 Wie ist der tarifliche Stand? 8.1.1 Eingruppierung nach Regelungen des BAT 8.1.2 Gibt es noch automatische Bewährungs und Zeitaufstiege in den Entgeltgruppen? 8.1.3 Wann wird der Beschäftigte höhergruppiert? 8.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies? 8.3 Wege der betrieblichen Umsetzung 8.3.1 Nach welchem Bewertungsverfahren wird die Entgeltgruppe festgestellt? 8.3.2 Wie gehen Sie bei Höhergruppierung vor? 8.3.3 Wie ist die Personalvertretung zu beteiligen? Wie gestalten Sie den Stufenaufstieg? 9.1 Wie ist der tarifliche Stand? 9.1.1 Wie viele Entgelt Stufen gibt es im TVöD? 9.1.2 Zuordnung neu eingestellter Mitarbeiter 9.1.3 In welcher Stufe befinden sich übergeleitete Beschäftigte? 9.1.4 Was gilt für den Aufstieg in den Entgeltstufen?
113 113 114 117 118 119 119 123 124 130 131 132 133 133 138 140 150 150 151 153 154 155 155 155 162 162 166 166 166 167 169 170
Inhaltsverzeichnis
9.2
9.3
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? 9.2.1 Welche Vorteile bietet die Stufe 1 der jeweiligen Entgeltgruppe? 9.2.2 Was bringt die Aufteilung in Grund und Entwicklungsstufen? 9.2.3 Welche Probleme entstehen aufgrund der fehlenden Systematik in der Entgelttabelle? Wege der betrieblichen Umsetzung 9.3.1 Wie kann der Stufenaufstieg leistungs orientiert ausgestaltet werden? 9.3.2 Wie erfolgt die Stufenzuordnung bei Höher und Herabgruppierung? 9.3.3 Wie wirken sich Unterbrechungen der Tätigkeit auf die Stufenlaufzeit aus?
171 171 171 172 172 172 175 177
10 Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD? 179 10.1 Wie ist der tarifliche Stand? 179 10.1.1 Das Tabellenentgelt 180 10.1.2 Die vermögenswirksamen Leistungen 182 10.1.3 Die kinderbezogenen Entgeltbestandteile 183 10.1.4 Der Strukturausgleich 188 10.1.5 Die Zulagen 190 10.1.6 Zeitzuschläge, Überstunden, Mehrarbeit 199 10.1.7 Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst/ zeit 206 10.1.8 Die Jahressonderzahlung 211 10.1.9 Das Leistungsentgelt ab 2007 216 10.1.10 Die Einmalzahlungen für 2006/2007 217 10.1.11 Entgeltfortzahlung bei Urlaub, Krankheit und Arbeitsbefreiung 219 10.1.12 Das Jubiläumsgeld 222 10.1.13 Sterbegeld 227 10.1.14 Die betriebliche Altersversorgung 228 10.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies? 229 10.3 Wege der betrieblichen Umsetzung 232 10.3.1 Ist der Betriebs /Personalrat zu beteiligen? 232 10.3.2 Was gilt für das Entgelt bei Teilzeitarbeit? 233 10.3.3 Wie wird der auszuzahlende Betrag berechnet? 233 10.3.4 Wann ist Zahltag im TVöD? 234
7
Inhaltsverzeichnis
10.3.5 Unständige Entgeltbestandteile? 10.3.6 Ist die Abrechnung dem Beschäftigten auszuhändigen? 10.3.7 Wie kann der Beschäftigte reagieren? 10.3.8 Was gilt bei Entgeltüberzahlungen? 10.3.9 Welche Ausschlussfristen sind zu beachten?
8
234 238 239 239 239
11 Wie gestalten Sie das Leitungsentgelt? 11.1 Wie ist der tarifliche Stand? 11.1.1 Leistungsbezogene Entwicklungsstufen 11.1.2 Zusätzliche Leistungszulage 11.1.3 Die Beteiligung von Betriebs , Personalrat 11.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies? 11.2.1 Welche Zielsetzung verfolgt die Beurteilung? 11.2.2 Arten der Leistungsmessung 11.2.3 Führen mit Zielvereinbarungen 11.2.4 Wer beurteilt? 11.3 Wege der betrieblichen Umsetzung 11.3.1 Auswahl „zutreffender“ Leistungsmerkmale 11.3.2 Welche Beurteilungsfehler können auftreten? 11.3.3 Der Weg über das Einspruchsverfahren 11.3.4 Das „Führungs und Fördergespräch“
246 250 250 250 252 256 256 258 259 266 270 270 272 274 275
12 Wie gestalten Sie die Qualifizierung? 12.1 Wie ist der tarifliche Stand? 12.1.1 Welche Ziele verfolgt die Tarifregelung? 12.1.2 Was sind Qualifizierungsmaßnahmen im Sinne des TVöD? 12.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies? 12.2.1 Gibt es einen Anspruch auf Qualifizierung? 12.2.2 Wer trägt die Kosten der Qualifizierung? 12.3 Wege der betrieblichen Umsetzung 12.3.1 Welche Pflichten hat der Arbeitgeber? 12.3.2 Wie führen Sie das Gespräch über den Qualifizierungsbedarf? 12.3.3 Welche Mitbestimmungsrechte gibt es? 12.3.4 Was ist bei Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme zu beachten? 12.3.5 Was kann in Qualifizierungsvereinbarungen geregelt werden?
279 279 279 280 282 282 282 286 286 286 288 289 290
Inhaltsverzeichnis
13 Wie gehen Sie vor bei Krankheit? 13.1 Wie ist der tarifliche Stand? 13.1.1 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 13.1.2 Anspruch auf Krankengeldzuschuss 13.1.3 Welche Pflichten hat der Beschäftigte bei Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit? 13.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies? 13.2.1 Welchen Beweiswert hat die Arbeitsunfähig keitsbescheinigung? 13.2.2 Kann der Arbeitgeber eine Untersuchung veranlassen? 13.2.3 Kann der Arbeitgeber eine Einstellungs untersuchung verlangen? 13.3 Wege der betrieblichen Umsetzung 13.3.1 Kann die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung früher verlangt werden? 13.3.2 Welche Konsequenzen drohen bei Verletzung von Melde und Nachweispflichten? 13.3.3 Welche Pflichten hat der Arbeitgeber durch das betriebliche Eingliederungsmanagement? 13.3.4 Unter welchen Voraussetzungen kann ein Dritter in die Haftung genommen werden? 13.3.5 Was gilt bei überzahlten Krankengeld zuschüssen?
291 291 291 295
14 Wie gehen Sie vor beim Urlaub? 14.1 Wie ist der tarifliche Stand? 14.1.1 Wie hoch ist der Anspruch auf Erholungsurlaub? 14.1.2 Wann wird der Urlaubsanspruch gekürzt? 14.1.3 Wann ist Erholungsurlaub zu gewähren? 14.1.4 Ist der Erholungsurlaub teilbar? 14.1.5 Ist Übertragung auf das Folgejahr möglich? 14.1.6 Welche Folgen hat eine Erkrankung? 14.1.7 Ist Urlaubsentgelt/Urlaubsgeld zu zahlen? 14.1.8 Zusatzurlaub bei (Wechsel ) Schichtarbeit? 14.1.9 Gibt es eine bezahlte Freistellung von der Arbeit ohne Urlaub? 14.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies?
314 314
299 301 301 302 304 307 307 308 309 309 311
314 315 317 318 318 319 320 321 325 327
9
Inhaltsverzeichnis
14.3 Wege der betrieblichen Umsetzung 14.3.1 Wie ist der Urlaub zu planen? 14.3.2 Wie kann der Urlaub übertragen werden? 14.3.3 Kann der Urlaub abgegolten werden? 14.3.4 Erwerbstätigkeit während des Urlaubs?
10
328 328 330 330 330
15 Wie beende ich das Arbeitsverhältnis rechtssicher? 15.1 Wie ist der tarifliche Stand? 15.1.1 Welche Kündigungsfristen gelten? 15.1.2 Tarifvertragliche Unkündbarkeit 15.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies? 15.2.1 Bedeutung und Voraussetzungen der Unkündbarkeit 15.3 Wege der betrieblichen Umsetzung 15.3.1 Beendigung durch Auflösungsvertrag 15.3.2 Beendigung durch Kündigung
332 332 333 335 336
Stichwortverzeichnis
377
336 349 349 352
1
Für wen gilt der TVöD?
1.1
Wie ist der tarifliche Stand?
Um festzustellen, ob der TVöD auf eín Arbeitsverhältnis anwendbar ist, muss geprüft werden, ob Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den Geltungsbereich des TVöD fallen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen • dem räumlichen Geltungsbereich, • dem betrieblichen Geltungsbereich, • und dem persönlichen Geltungsbereich.
1.1.1
Räumlicher Geltungsbereich des TVöD
Der TVöD umfasst die Bundesrepublik Deutschland. Allerdings wird bei einer Reihe von Bestimmungen zwischen den Tarifgebieten West und Ost unterschieden. Wird auf das Tarifgebiet Ost Bezug genommen, so gelten die Regelungen für die Beschäftigen, deren Arbeitsverhältnis in dem in Art. 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet begründet wurde und bei denen der Bezug des Arbeitsverhältnisses zu diesem Gebiet fortbesteht. Für die übrigen Beschäftigten gelten die Regelungen für das Tarifgebiet West (§ 38 Abs. 1 TVöD). Auf das jeweilige Tarifgebiet Bezug genommen wird z. B. in § 6 Abs. 1 Buchst. b bei der Arbeitszeit und bei der Regelung des Entgelts in § 15 TVöD. Allein auf das Tarifgebiet West anwendbar sind die Regelungen über die Befristung in § 30 Abs. 1 und die der Unkündbarkeit in § 34 Abs. 2 TVöD.
11
1
Für wen gilt der TVöD?
1.1.2
Betrieblicher Geltungsbereich des TVöD
Der TVöD erstreckt sich auf den Bund und alle Mitglieder eines Mitgliedsverbandes der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber (VKA). Er gilt nicht für die Länder.
1.1.3
Persönlicher Geltungsbereich des TVöD
Der TVöD gilt für alle Beschäftigten des Bundes und der Arbeitgeber, die Mitglieder einer Vereinigung Kommunaler Arbeitgeber sind. Die bisherige Unterscheidung im BAT nach Angestellten und Arbeitern ist entfallen. Allerdings unterliegen nur die Arbeitsverhältnisse zwingend und unmittelbar dem TVöD, bei denen der Beschäftigte auch Mitglied in einer den TVöD abschließenden Gewerkschaft ist. Das sind ver.di, Gewerkschaft der Polizei, Industriegewerkschaft Bauen - Agrar - Umwelt, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie die dbb tarifunion, die wiederum 42 Fachgewerkschaften repräsentiert. Für Nichtgewerkschaftsmitglieder gilt der TVöD daher nur bei arbeitsvertraglicher Einbeziehung und entfaltet lediglich schuldrechtliche Wirkung. Diese arbeitsvertragliche Einbeziehungsabrede ist in aller Regel als Gleichstellungsabrede mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern zu verstehen. Sie ersetzt die fehlende Mitgliedschaft des Arbeitnehmers in der tarifschließenden Gewerkschaft und stellt ihn 1 so, als wäre er tarifgebunden .
1.1.4
Vom Geltungsbereich ausgenommene Personen
§ 1 Abs. 2 TVöD führt in einem Ausnahmekatalog abschließend diejenigen Beschäftigten auf, die, obgleich sie unter den allgemeinen persönlichen Geltungsbereich des TVöD fallen, dennoch ausgenommen sind. Für diesen Personenkreis bestimmen sich die Arbeitsbedingungen entweder nach anderen tarifvertraglichen Regelungen oder werden im Arbeitsvertrag frei vereinbart. Zulässig wäre es aber auch, für diese Personengruppen den TVöD teilweise oder vollinhaltlich im Arbeitsvertrag wieder einzubeziehen. 1
12
BAG, Urt. v. 19.03.2003 - 4 AZR 331/02.
Für wen gilt der TVöD?
1
Vom Geltungsbereich des TVöD sind ausgenommen: 1. Beschäftigte als leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG, wenn ihre Arbeitsbedingungen einzelvertraglich besonders vereinbart sind, sowie Chefärztinnen/Chefärzte, 2. Beschäftigte, die ein über das Tabellenentgelt der Entgeltgruppe 15 hinausgehendes regelmäßiges Entgelt erhalten, 3. bei deutschen Dienststellen im Ausland eingestellte Ortskräfte, 4. Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer, für die der TV-V oder der TV-WW/NW gilt, sowie Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer, die in rechtlich selbstständigen, dem Betriebsverfassungsgesetz unterliegenden und dem fachlichen Geltungsbereich des TV-V oder des TV-WW/NW zuzuordnenden Betrieben mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmern beschäftigt sind und Tätigkeiten auszuüben haben, welche dem fachlichen Geltungsbereich des TV-V oder des TVWW/NW zuzuordnen sind, 5. Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer, für die ein TV-N gilt sowie für Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer in rechtlich selbstständigen Nahverkehrsbetrieben, die in der Regel mehr als 50 wahlberechtigte Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer beschäftigen, 6. Angestellte, für die der TV Ang iöS, der TV Ang-O iöS, der TV Ang aöS oder der TV Ang-O aöS gilt, 7. Beschäftigte, für die ein Tarifvertrag für Waldarbeiter tarifrechtlich oder einzelarbeitsvertraglich zur Anwendung kommt sowie die Waldarbeiter im Bereich des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Bayern, 8. Auszubildende, Schülerinnen/Schüler in der Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, Entbindungspflege und Altenpflege sowie Volontärinnen/Volontäre und Praktikantinnen/Praktikanten, 9. Beschäftigte, für die Eingliederungszuschüsse nach den §§ 217 ff. SGB III gewährt werden, 10. Beschäftigte, die Arbeiten nach den §§ 260 ff. SGB III verrichten, 11. Leiharbeitnehmerinnen/Leiharbeitnehmer von Personal-ServiceAgenturen, sofern deren Rechtsverhältnisse durch Tarifvertrag geregelt sind, 12. geringfügig Beschäftigte im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV,
13
1
Für wen gilt der TVöD?
13. künstlerisches Theaterpersonal, technisches Theaterpersonal mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit und Orchestermusikerinnen/Orchestermusiker, 14. Seelsorgerinnen/Seelsorger bei der Bundespolizei, 15. Beschäftigte als Hauswarte und/oder Liegenschaftswarte bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages tätig sind, 16. Beschäftigte im Bereich der VKA, die ausschließlich in Erwerbszwecken dienenden landwirtschaftlichen Verwaltungen und Betrieben, Weinbaubetrieben, Gartenbau- und Obstbaubetrieben und deren Nebenbetrieben tätig sind; dies gilt nicht für Beschäftigte in Gärtnereien, gemeindlichen Anlagen und Parks sowie in anlagenmäßig oder parkartig bewirtschafteten Gemeindewäldern, 17. Beschäftigte in Bergbaubetrieben, Brauereien, Formsteinwerken, Gaststätten, Hotels, Porzellanmanufakturen, Salinen, Steinbrüchen, Steinbruchbetrieben und Ziegeleien, 18. Hochschullehrerinnen/Hochschullehrer, wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte und Lehrbeauftragte an Hochschulen, Akademien und wissenschaftlichen Forschungsinstituten sowie künstlerische Lehrkräfte an Kunsthochschulen, Musikhochschulen und Fachhochschulen für Musik, 19. Beschäftigte des Bundeseisenbahnvermögens.
1.1.5
Sonderproblem: Geringfügig Beschäftigte
Bei einer geringfügigen Beschäftigung (§ 8 SGB IV) unterscheidet man grundsätzlich zwischen • einer geringfügig entlohnten Beschäftigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV) und • einer kurzfristigen Beschäftigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV). Minijobbs
14
Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung, umgangssprachlich als Minijob bezeichnet, liegt nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV nur vor, wenn das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt 400 EUR nicht übersteigt. Eine kurzfristige Beschäftigung liegt nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV vor, wenn die Beschäftigung im Laufe eines Kalenderjahres entweder
Für wen gilt der TVöD?
1
auf nicht mehr als zwei Monate oder 50 Arbeitstage angelegt ist oder im Voraus vertraglich (z. B. durch einen auf längstens ein Kalenderjahr befristeten Rahmenarbeitsvertrag) begrenzt wird. Eine geringfügige Beschäftigung ist kranken-, pflege-, renten- und arbeitslosenversicherungsfrei. Problematisch ist die unterschiedliche Behandlung beider Beschäftigungsformen: Die geringfügig entlohnte Beschäftigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV) unterfällt uneingeschränkt dem TVöD. Der Beschäftigte ist Teilzeitarbeitnehmer gemäß § 24 Abs. 2 TVöD. Damit wird der Rechtsprechung von BAG und EuGH sowie dem Diskriminierungsverbot von Teilzeitkräften in § 4 Abs 1 TzBfG Rechnung getragen. Anders als im BAT ist die kurzfristige Beschäftigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV) jedoch aus dem Geltungsbereich des TVöD herausgenommen. Diese Herausnahme verstößt wohl gegen das Diskriminierungsverbot in § 4 Abs. 2 TzBfG, nach dem kurzfristig Beschäftigte als befristet Beschäftigte nicht benachteiligt werden dürfen. Der kurzfristig Beschäftigte hat jedoch keinen Anspruch auf die Zusatzversorgung. Dementsprechend sind sie ausdrücklich in Anlage 2 Nr. 8 ATV von der Pflichtversicherung ausgenommen.
1.2
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
Eine normative Tarifbindung an den TVöD besteht nur, wenn • sowohl der Arbeitgeber an den Tarifvertrag gebunden ist – z. B. aufgrund Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband – • als auch der Beschäftigte in einer tarifschließenden Gewerkschaft – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, dbb Tarifunion, usw. – organisiert ist. Die kollektivrechtliche Geltung des TVöD ergibt sich in diesem Fall unmittelbar und zwingend aus dem Tarifvertragsgesetz (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Ist eine der beiden Arbeitsvertragsparteien nicht organisiert, so kann die Geltung des TVöD individualrechtlich im Einzelarbeitsvertrag vereinbart werden. Man spricht von schuldrechtlicher Tarifbindung.
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1
Für wen gilt der TVöD?
Soweit der Arbeitgeber im Arbeitgeberverband organisiert ist, wendet er den TVöD auf die organisierten Arbeitnehmer an. Um Unfrieden in der Einrichtung/im Betrieb zu vermeiden, bietet es sich an, auch bei Nichtgewerkschaftsmitgliedern im Arbeitsvertrag auf die vollständige Geltung des TVöD Bezug zu nehmen. Tipp Ist der Arbeitgeber nicht dem Arbeitgeberverband beigetreten, so kann er nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit lediglich die Geltung ein zelner Vorschriften des TVöD individualrechtlich – in den Arbeitsverträ gen – vereinbaren oder einzelne Regelungen des Tarifvertrags als nicht geltend bezeichnen.
Verbreitet werden Arbeitsverhältnisse auch „in Anlehnung an den BAT/TVöD“ abgewickelt. Dies kann geschehen durch eine ausdrückliche Vereinbarung im Arbeitsvertrag oder durch tatsächliche Handhabung. Durch eine wiederholte vorbehaltlose Abwicklung einzelner Tatbestände nach dem BAT/TVöD kann sich ein Anspruch auf bestimmte tarifliche Leistungen aus betrieblicher Übung ergeben. Vielfach hat der Arbeitgeber dabei die Vorstellung, er könne sich jeweils die für ihn im Einzelfall günstige BAT/TVöDRegelung aus dem Tarifvertragswerk – nach der „Rosinen-Theorie“ – heraussuchen. Dies ist nicht der Fall. In aller Regel sind Arbeitsverträge vom Arbeitgeber vorformuliert. Es gilt damit die sog. Unklarheitenregelung, womit Zweifel zu Lasten desjenigen gehen, der die Vorformulierung verwendet. Meist wird die Verwendung des Begriffs „in Anlehnung an den BAT/TVöD“ von der Rechtsprechung zu Lasten des Arbeitgebers ausgelegt: • Da die Formulierung „in Anlehnung an …“ für sich genommen keine rechtliche Bedeutung hat, kann ein Arbeitgeber sich nicht 2 auf tarifliche Ausschlussfristen berufen. • Eine Weihnachtszuwendung, die der Arbeitgeber nach dem BAT-Zuwendungstarifvertrag für Angestellte hat leisten wollen –
2
16
BAG, Urt. v. 26.09.1990, AP Nr. 9 zu § 1 BeschFG = EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 89.
Für wen gilt der TVöD?
1
ohne dies ausdrücklich zu vereinbaren –, kann nicht nach § 1 Abs. 5 BAT-Zuwendungstarifvertrag zurückgefordert werden.3 Tipp Es wird empfohlen, im Arbeitsvertrag zu verdeutlichen, welche Vor schriften des BAT/TVöD Anwendung finden sollen und welche nicht: „Es gelten die Bestimmungen des TVöD und der diesen ergänzenden Ta rifverträge in der jeweils gültigen Fassung, mit Ausnahme der § 30 TVöD (Befristete Verträge), § 34 Abs. 2 und 3 TVöD (Unkündbarkeit) und § 25 TVöD (Betriebliche Altersversorgung)."
3
ArbG Freiburg, Kammern Offenburg, Urt. v. 30.06.1994, 6 Ca 264/94.
17
2
Wie gehen Sie bei Neueinstellungen vor?
Im Zusammenhang mit dem Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages ist vor allem über die Zuordnung des Beschäftigten zu einer Entgeltgruppe (Eingruppierung) und der zutreffenden Entgeltstufe zu entscheiden.
2.1
Wie ist der tarifliche Stand?
Im Geltungsbereich des bis 30. September 2005 maßgebenden Tarifrechts – das noch zwischen Angestellten und Arbeitern unterschied –, bestand die Besonderheit der so genannten Tarifautomatik. Der Beschäftigte wurde automatisch in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale der gesamten von ihm – nicht nur vorübergehend – auszuübenden Tätigkeit entsprach. Die Tätigkeitsmerkmale wiederum ergeben sich • für Angestellte aus den Anlagen 1a und 1b zum BAT, • für Arbeiter aus dem Lohngruppenverzeichnis. Diese etwa 17.000 Tätigkeitsmerkmale sind äußerst komplex und vielgestaltig. Durch den TVöD soll dieses System nun ersetzt werden durch eine neue einheitliche Entgeltordnung, mit dem Ziel ein transparentes und überschaubares Eingruppierungsrecht zu schaffen.
2.1.1 Wie wird die Eingruppierung geregelt? Das neue Eingruppierungssystem soll nach den bisherigen Verlautbarungen der Tarifvertragsparteien zum 1. Januar 2007 in Kraft treten. Dies erscheint jedoch wenig realistisch, die Tarifverhandlungen gestalten sich schwierig. Die neue Entgeltordnung wird wohl frühestens Mitte 2007, wahrscheinlich sogar erst zum 1.1.2008 eingeführt.
18
Wie ist der tarifliche Stand?
2
Bis zu diesem Zeitpunkt befinden sich die Tarifvertragsparteien in den so genannten Eingruppierungsverhandlungen. Gleichzeitig soll das neue Eingruppierungsrecht in Pilotprojekten praxiserprobt werden. Einigkeit besteht bislang über folgende Eckpunkte: • Die Tarifautomatik entsprechend § 22 BAT bleibt erhalten. • Das Bewertungsverfahren knüpft am Arbeitsvorgang und an der überwiegend auszuübenden Tätigkeit an. • Bewährungs-, Fallgruppen- und Tätigkeitsaufstiege – automatische Aufstiege in den Entgeltgruppen ohne Änderung der auszuübenden Tätigkeit – werden abgeschafft. • Die künftige Entgeltordnung ist tätigkeitsbezogen und gliedert sich in vier ausbildungsbezogene Qualifikationsebenen. • Eine neue Entgeltordnung wird aufgebaut: Abstrakte Oberbegriffe werden ergänzt mit typischen Beispielen. In die folgenden vier ausbildungsbezogenen Qualifikationsebenen soll die künftige Entgeltordnung gegliedert werden: • Un-/Angelernte (Entgeltgruppe – EGr. 1 bis 4) Beschäftigte mit Tätigkeiten, die keine oder eine unter dreijährige Ausbildung in einem nach dem BBiG anerkannten Ausbildungsberuf voraussetzen. • Dreijährige Ausbildung erforderlich (EGr. 5 bis 8) Beschäftigte mit Tätigkeiten, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem nach dem BBiG anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren voraussetzen. • Fachhochschulabschluss/Bachelor erforderlich (EGr. 9 bis 12) Beschäftigte mit Tätigkeiten, die einen Fachhochschulabschluss voraussetzen. • Wissenschaftlicher Hochschulabschluss/Master erforderlich (EGr. 13 bis 15) Beschäftigte mit Tätigkeiten, die einen Abschluss an einer wissenschaftlichen Hochschule voraussetzen. Die vier Qualifikationsebenen beginnen jeweils mit einer „Einstiegsentgeltgruppe“. Weiter wird es Heraushebungsentgeltgruppen mit höheren inhaltlichen Anforderungen geben, z. B. nach Vielseitigkeit, Schwierigkeit, Verantwortung, Selbständigkeit, Belastung und Kundenkontakt.
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2
Wie gehen Sie bei Neueinstellungen vor? •
Im TVöD sind die Paragraphen zur „Eingruppierung“ (§ 12 TVöD) und zur „Eingruppierung in besonderen Fällen“ (§ 13 TVöD) derzeit noch nicht belegt. Die Ausgestaltung der Entgeltordnung im einzelnen bleibt abzuwarten. Achtung: In der Übergangsphase zwischen dem In Kraft Treten des TVöD am 1. Oktober 2005 und dem (voraussichtlichen) In Kraft Treten der neuen Entgeltordnung am 1. Januar 2008 finden die bisherigen Eingruppie rungs bzw. Einreihungsvorschriften gemäß den §§ 22, 23, 25 BAT und Anlage 3 BAT, §§ 22, 23 BAT O einschließlich der Vergütungsordnung sowie die landesbezirklichen Lohngruppenverzeichnisse gemäß Rah mentarifvertrag zu § 20 BMT G und des Tarifvertrages zu § 20 Abs. 1 BMT G O (Lohngruppenverzeichnis) weiterhin Anwendung.
2.1.1
Welche Ausnahmen sind zu beachten?
In drei Ausnahmefällen erfolgt die Eingruppierung der seit 1. Oktober 2005 neu eingestellten Mitarbeiter nicht nach den bisherigen Eingruppierungsvorschriften: • Die Neueinstellungen in der Entgeltgruppe 1 erfolgen originär. Dies beruht darauf, dass diese um ca. 19 % unter dem bisherigen Lohnniveau angesiedelte Entgeltgruppe neu geschaffen wurde. • Neueinstellungen im Bereich der bisherigen Vergütungsgruppe I der Vergütungsordnung zum BAT/BAT-O erfolgen außertariflich, weil dieser Bereich in der Entgeltordnung nicht mehr abgebildet ist. • Bei Neueinstellungen von Ärzten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen erfolgt die Eingruppierung allein nach § 51 TVöD BT-K.
2.1.3 Wie erfolgt die Zuordnung zu den Entgeltstufen? Durch die Eingruppierungsregelungen wird lediglich die Entgeltgruppe ermittelt. Zur vollständigen Einordnung der Beschäftigten in das Entgeltsystem des TVöD bedarf es der richtigen Zuordnung zu den Stufen der Entgelttabelle.
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
2
Im Vergleich zum relativ starren System des bis 30. September 2005 gültigen Tarifrechts bietet § 16 TVöD vor allem im Bereich der VKA eine wesentlich höhere Flexibilität. Grundsätzlich erfolgt die Stufenzuordnung nach einschlägiger Berufserfahrung. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in Kapitel 8 – Wie gestalten Sie den Stufenaufstieg? – verwiesen.
2.2
2.2.1
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile? Was bringt die neue Entgeltgruppe 1?
Seit In-Kraft-Treten des TVöD zum 1. Oktober 2005 können neu eingestellte Mitarbeiter mit einfachsten Tätigkeiten unmittelbar der neuen Entgeltgruppe 1 zugeordnet werden. Es wurde eine so genannte Niedriglohngruppe geschaffen, die im Vergleich zu dem bis 30.09.2005 gültigen Entgeltniveaus (BAT/BAT-O bzw. BMT-G/ BMTG-O) eine Absenkung um ca. 19 % enthält. Hintergrund dieser Entwicklung war das Ziel der Tarifvertragsparteien, die weitere Ausgliederung von Betriebsteilen bzw. Abteilungen und Tätigkeiten zu verhindern. In der Vergangenheit waren vor allem die Bereiche der Gebäudeinnenreinigung und Küchen/Kantinen von Ausgliederungsmaßnahmen betroffen. Durch die im Verhältnis hohen Kosten des öffentlichen Arbeitgebers im Vergleich zu der Beauftragung eines privaten Reinigungsdienstes wurden diese Tendenzen der Ausgliederung wesentlich verstärkt. Um den Beschäftigten in diesem Niedriglohnsektor ebenfalls den tariflichen Schutz des TVöD – und insbesondere auch die betriebliche Altersversorgung des öffentlichen Dienstes – zugute kommen zu lassen und andererseits auf der Kostenseite eine Angleichung an entsprechende private Servicebetriebe zu erreichen, haben die Tarifvertragsparteien in der Entgeltgruppe 1 einen Kompromiss gefunden.
Niedriglohn gruppe
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2
Wie gehen Sie bei Neueinstellungen vor?
Der Entgeltgruppe 1 sind Beschäftigte mit einfachsten Tätigkeiten zugeordnet, so zum Beispiel:4 • Essens- und Getränkeausgeber/innen, • Garderobenpersonal, • Reiniger/innen in Außenbereichen wie Höfe, Wege, Grünanlagen, Parks, • Hausgehilfe/Hausgehilfin • Hausarbeiter/innen, • Bote/Botin (ohne Aufsichtsfunktion). Der abstrakte Oberbegriff der Entgeltgruppe 1 lautet also „einfachste Tätigkeiten“. Hierzu haben die Tarifvertragsparteien einen Beispielskatalog aufgestellt. Bei diesem handelt es sich lediglich um eine beispielhafte Aufzählung. Das bedeutet, • dass die Aufzählung nicht abschließend ist. Es können daher weitere Tätigkeiten unter die Entgeltgruppe 1 fallen, die zunächst das Merkmal der „einfachsten Tätigkeit“ erfüllen und sich am Vergleich des bestehenden Beispielskataloges messen lassen. Erst wenn eine Wertigkeit der Tätigkeit auf gleicher Ebene besteht, kann der Beschäftigte der Entgeltgruppe 1 zugeordnet werden. • dass nicht jede der im Beispielskatalog aufgeführte Tätigkeit automatisch der Entgeltgruppe 1 zuzuordnen ist. Wird die auszuübende Tätigkeit im Katalog genannt, muss zusätzlich noch das Merkmal der „einfachsten Tätigkeit“ gegeben sein. Erhebliche Kritik unter Praktikern hat die Entgeltgruppe 1 erfahren, weil die Tätigkeit der Gebäudeinnenreinigung in der Liste nicht aufgeführt ist. Obwohl die Entgeltgruppe 1 zur Verhinderung von Ausgliederungen geschaffen wurde, und in diesem Bereich in verstärktem Maße Kosteneinsparungen durch entsprechende Maßnahmen erfolgen, ist diese Tätigkeit nicht ausdrücklich aufgeführt. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum nicht abschließenden Beispielskatalog wird diskutiert, ob durch Auslegung des Kataloges die Gebäudeinnenreinigung grundsätzlich in die Entgeltgruppe 1 aufzunehmen ist. Dieser Ansicht ist aus mehreren Gründen zu widersprechen.
4
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Die Regelung findet sich in Anlage 3 TVÜ-VKA bzw. Anlage 4 TVÜ-Bund.
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile? •
•
2
Bei der Auslegung eines Beispielskataloges ist grundsätzlich auch der Wille des Gesetzgebers oder wie vorliegend der Tarifvertragsparteien zu beachten. Wenn die Tarifvertragsparteien einen Bereich absichtlich nicht geregelt haben, es also offensichtlich ist, dass diese Tätigkeit nicht grundsätzlich unter die Entgeltgruppe 1 zu subsumieren ist, muss dies bei der Auslegung zwingend Beachtung finden. Die Tarifvertragsparteien haben ausdrücklich die „Reiniger/innen in Außenbereichen wie Höfe, Wege, Grünanlage, Parks“ aufgeführt. Damit wurde die Gruppe der Reinigungskräfte eingeschränkt. Dieser Einschränkung hätte es nicht bedurft, wenn die Tarifvertragsparteien eine ergänzende Auslegung im Hinblick auf die Innenreinigung für zulässig gehalten hätten. Es muss also davon ausgegangen werden, dass bei Aufstellung des Kataloges den Tarifvertragsparteien die Problematik der Gebäudeinnenreinigung bewusst war, aber trotzdem eine Einschränkung auf die Außenanlagen erfolgt ist. Daher bleibt nach diesseitiger Ansicht eine erweiterte Auslegung auf den Bereich der „klassischen“ Reinigungskraft in Räumen versperrt. Ferner muss ungeachtet der obigen Ausführungen das Merkmal der „einfachsten Tätigkeit“ gegeben sein. Die Frage der Schwierigkeit der Tätigkeit spiegelt sich im Wesentlichen im Maß der Verantwortung und der Qualifikation wieder. Bei der Tätigkeit der Gebäudeinnenreinigung ist im Vergleich zu den übrigen Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppe 1 in den meisten Bereichen eine größere Verantwortung gegeben. Beispiel: Eine Reinigungskraft hat unbeaufsichtigt Zugang zu den Büros der Ein richtung. Ihr wurde hierfür ein Generalschlüssel überlassen. Eine im Vergleich höhere Qualifikation ergibt sich aus der Tätigkeitsanforde rung als solche. Die Reinigungskraft muss zur ordnungsgemäßen Auf gabenerledigung die verschiedenen zu reinigenden Bereiche (Boden, Schreibtisch, PC u.s.w.) mit unterschiedlichen Reinigungsmittel behan deln. Vergleicht man diese höheren Anforderungen mit der Tätigkeit der Außenreinigung, ergibt sich im Regelfall gerade keine Vergleichbarkeit.
Hinzuweisen ist jedoch, dass es sich bei diesen Erwägungen um einen durchschnittlichen Tätigkeitszuschnitt der Reinigungskraft handelt. Im Einzelfall mag eine andere Betrachtung zulässig sein.
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2
Wie gehen Sie bei Neueinstellungen vor?
Tipp Liegen bei der Gebäudeinnenreinigung abweichend von den obigen Ausführungen im Wesentlichen einfachste Tätigkeiten vor, die vom Re gelfall abweichen, können die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 1 durchaus gegeben sein.
Ein Gegenbeispiel ist die Reinigungskraft eines Operationssaales im Krankenhaus. Da hier unter besonderen hygienischen Bedingungen und in Kenntnis der Sensibilität der zu reinigenden Gegenstände vorgegangen werden muss, liegen sicherlich keine „einfachste Tätigkeiten“ im Sinne der Entgeltgruppe 1 vor. Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass keine der im Beispielskatalog aufgeführten Tätigkeiten pauschal der Entgeltgruppe 1 zugeordnet werden kann. Die Tätigkeit als solche muss im Lichte der Voraussetzung der „einfachsten Tätigkeit“ bewertet werden. Eine Besonderheit besteht jedoch – wie oben dargelegt – bei Reinigungskräften. Mischtätig keiten
Diskussionsbedarf besteht auch, ob Beschäftigte der Entgeltgruppe 1 zugeordnet werden können, die „Mischtätigkeiten“, also zwei oder mehr Tätigkeiten aus dem Katalog der Entgeltgruppe 1, ausüben. Bei den im Katalog genannten Aufgaben handelt es sich im Regelfall um einfachste Tätigkeiten. Werden dem Beschäftigten mehrere Tätigkeiten übertragen, bedeutet dies eine höhere Belastung, verbunden mit erhöhten Anforderungen und größerer Flexibilität des Beschäftigten. Grundsätzlich wird man dann von „einfachsten Tätigkeiten“ nicht mehr ausgehen können. Problematisch sind diesbezüglich die Beispiele „Hausarbeiter/innen“ und „Hausgehilfe/Hausgehilfin“, da ihren Tätigkeitsumschreibungen gerade „Mischtätigkeiten“ zugrunde liegen. Die dort genannten Mischtätigkeiten sind auch bei Einzelbetrachtung „einfachste Tätigkeiten“, die auch in der Summe überschaubar sind. Tipp Von den Tarifvertragsparteien wurde das Bedürfnis nach einem Nied riglohnsektor im öffentlichen Dienst erkannt. Die Umsetzung gleicht jedoch einem Kompromiss auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Im Ergebnis wird die Entgeltgruppe 1 in den seltensten Fällen zur Anwen dung kommen. Im Hinblick auf die Auslegungsunsicherheiten bleibt ab zuwarten, wie die Rechtsprechung die Problematik bewertet.
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
2.2.2
2
Sind jetzt vorzunehmende Eingruppierungen an den TVöD anzupassen?
Alle Eingruppierungsvorgänge – Eingruppierung bei Neueinstellungen wie Umgruppierungen – zwischen dem 1. Oktober 2005 und dem In-Kraft-Treten der neuen Entgeltordnung haben gemäß § 17 Abs. 3 TVÜ-VKA/Bund nur vorläufigen Charakter und begründen weder Besitzstände noch Vertrauensschutz. Die Vorläufigkeit der Eingruppierung gilt nicht • bei Neueinstellungen in Entgeltgruppe 1 und • bei der Eingruppierung von Ärzten. Diese sind endgültig.
nur vorläufigen Charakter
Tipp Weiterhin ist die Eingruppierung der Beschäftigten endgültig, die zum 1. Oktober 2005 erstmalig aus dem bisherigen Tarifrecht in den TVöD übergeleitet wurden. Die Zuordnung zu den Entgeltgruppen des TVöD erfolgte hier nicht „zwischen“ dem 1. Oktober und dem In Kraft Treten der neuen Entgeltordnung, sondern „zum" 1. Oktober.
2.2.3
Sind Vertrauensschutzregelungen zu beachten?
Bei Umgruppierungen wird Vertrauensschutz gewährt. Er bezieht sich auf die in Zwischenzeit erfolgten Höhergruppierungen aufgrund ausstehender Fallgruppen- oder Bewährungsaufstiege in den Entgeltgruppen 3, 5, 6, oder 8 (vgl. gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 TVÜ). Diese Höhergruppierungen von Beschäftigten, die am Stichtag bereits 50 % der erforderlichen Zeit der Bewährung oder Tätigkeit erfüllt haben oder deren Aufstieg bis zum 30.9.2007 erfolgt, beruht ihrerseits auf Gewährung von Bestandsschutz, der nicht nachträglich in Frage gestellt werden soll. Nicht ausdrücklich geregelt ist der Fall, wenn der individuelle Aufstiegszeitpunkt bis zum In-Kraft-Treten der Entgeltordnung noch nicht erreicht wurde, die Höhergruppierung also noch aussteht. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich jedoch, dass der Aufstieg auch in diesem Fall weiterhin zu gewähren ist. Nicht erfasst vom Vertrauensschutz sind die ausstehenden Aufstiege in den Entgeltgruppen 2 sowie 9 bis 15 gemäß § 8 Abs. 2 TVÜ. Dies
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2
Wie gehen Sie bei Neueinstellungen vor?
war auch nicht erforderlich, weil bei der dortigen Regelung die Eingruppierung nicht berührt wird, sondern sich der Aufstieg lediglich in einem höheren Vergleichsentgelt auswirkt und allenfalls einen Stufenaufstieg innerhalb der Entgeltgruppe zur Folge hat.
2.2.4 kein Ermessen
Gibt es im neuen Eingruppierungsrecht Ermessensspielräume?
Die Vorläufigkeit der Eingruppierung bei Einstellungen zwischen dem 1. Oktober 2005 und dem In-Kraft-Treten der neuen Eingruppierungsordnung führt wohl nicht zu einer weiteren Flexibilisierung. Wegen des Grundsatzes der Tarifautomatik besteht also auch im Geltungsbereich des TVöD kein Ermessen hinsichtlich der Eingruppierung (siehe Ziffer 2.3.1). Lediglich die veränderten Regelungen zur Stufenzuordnung mit der Möglichkeit der Anerkennung von 5 einschlägiger Berufserfahrung führen zu einem Gestaltungsspielraum für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Tipp Ab Geltung der neuen Eingruppierungsordnung muss die Eingruppie rung der seit 1. Oktober 2005 neu Eingestellten überprüft werden. Er gibt sich aus der Kontrolle eine geänderte Zuordnung, ist diese, ausge staltet mit dem Abschmelzen der Besitzstände, zu korrigieren.
2.3
Wege der betrieblichen Umsetzung
2.3.1 Wie werden die bisherigen Eingruppierungen der neuen Entgeltordnung angepasst? Mit In-Kraft-Treten der neuen Entgeltordnung sind die Eingruppierungen der seit dem 1. Oktober 2005 neu eingestellten Beschäftigten sowie sämtliche Umgruppierungen in diesem Zeitraum dahingehend zu überprüfen, ob sie mit der Wertung der neuen Entgeltordnung übereinstimmen. Sollte dies nicht der Fall sein, sind die Ein5
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Einzelheiten siehe Kapitel 8 – Wie gestalten Sie den Stufenaufstieg?
Wege der betrieblichen Umsetzung
2
gruppierungen/Umgruppierungen der neuen Entgeltordnung anzupassen. Diese Anpassungen erfolgen nur für die Zukunft. Sie können in Form von Höhergruppierungen – z. B. aufgrund der Weiterfassung des Begriffs des „sonstigen“ Beschäftigten – sowie Rückgruppierungen vorkommen. Die Darlegungs- und Beweislast bei einer Rückgruppierung obliegt dem Arbeitgeber. Tipp Bei einer Rückgruppierung wird Bestandsschutz gewährt, indem die fi nanziellen Nachteile durch eine nicht dynamische Besitzstandszulage ausgeglichen werden, solange die Tätigkeit ausgeübt wird.
Diese Besitzstandzulage bleibt unverändert bis zum 30. September 2008. Danach ist zu unterscheiden zwischen den am Stichtag übergeleiteten Beschäftigten – die allerdings nur bezüglich einer Umgruppierung betroffen sein können – und den ab dem 1. Oktober 2005 neu eingestellten Beschäftigten. • Bei den übergeleiteten Beschäftigten vermindert sich die Besitzstandszulage bei jedem Aufstieg in den Entgeltstufen nach dem 30. September 2008 um die Hälfte des Unterschiedsbetrags zwischen der bisherigen und der neuen Stufe. • Bei Neueinstellungen nach dem 30. September 2005 vermindert sich die Besitzstandszulage bei jedem Stufenaufstieg nach dem 30. September 2008 um den vollen Unterschiedsbetrag zwischen der bisherigen und der neuen Stufe. Die Regelung über die Anpassung erfasst lediglich den Fall, dass eine bisher tariflich zutreffend erfolgte Eingruppierung oder Umgruppierung mit der neuen Entgeltordnung nicht im Einklang steht und daher die Ein- bzw. Umgruppierung entsprechend der Wertung der neuen Entgeltordnung verändert werden muss. Hiervon nicht erfasst ist der Fall einer versehentlich tariflich unrichtig erfolgten Ein- bzw. Umgruppierung. In derartigen Fällen ist wie bisher auch eine korrigierende Rückgruppierung oder Höhergruppierung möglich.
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2
Wie gehen Sie bei Neueinstellungen vor?
2.3.1 • •
Gibt es noch Bewährungs, Fallgruppen und Tätigkeitsaufstiege?
Bei Neueinstellungen ab dem 1. Oktober 2005 finden Bewährungs-, Fallgruppen- und Tätigkeitsaufstiege nicht mehr statt. Bei übergeleiteten Beschäftigten erfolgen weiterhin noch Aufstiege in den in §§ 8 und 9 TVÜ angeführten Fällen aus Gründen des Bestandsschutzes.
2.3.2
Werden Vergütungsgruppenzulagen gewährt?
Grundsätzlich besteht bei einer ab dem 1. Oktober 2005 erfolgten Neuübertragung kein Anspruch auf Gewährung einer Vergütungsgruppenzulage, auch wenn eine Vergütungsgruppenzulage begründende Tätigkeit vorliegt und gleichgültig, ob bei einem neu eingestellten oder übergeleiteten Beschäftigten. Eine Ausnahme besteht nur, wenn dem Tätigkeitsmerkmal einer Vergütungsgruppe der Allgemeinen Vergütungsordnung (Anlage 1a zum BAT) eine Vergütungsgruppenzulage zugeordnet ist, die dem Beschäftigten unmittelbar mit Übertragung der Tätigkeit zusteht.
2.3.2 Was Sie bei Neueinstellungen beachten müssen Der folgende Ablaufplan zeigt Ihnen in zwei Schritten, was Sie bei Eingruppierungen von Neueinstellungen beachten müssen. Ablaufplan Erster Schritt: Ab dem 1. Oktober neu eingestellte Beschäftigte sind zunächst nach den bisherigen Eingruppierungsvorschriften und nach dem bisherigen Bewertungsverfahren in das System der Vergütungsordnung bzw. des Lohngruppenverzeichnisses einzureihen. Zweiter Schritt: Anschließend werden sie sofort in den TVöD übergeleitet, indem die Vergütungsgruppe bzw. Lohngruppe einer Entgeltgruppe zugeordnet wird. Während sich die Zuordnung nach der am Stichtag 30.09.2005 bereits vorhandenen Beschäftigten nach Anlage 1 zum TVÜ, Anlage 2 beim Bund richtete, erfolgt die Zuordnung der seit 1.10.2005 neu Ein gestellten nach einer eigenen Zuordnungstabelle: beim TVÜ VKA in Anlage 3, beim TVÜ Bund in Anlage 4.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
2
Aber: Durch dieses Vorgehen ergibt sich lediglich die Entgeltgruppe, welcher der Beschäftigte zugeordnet wird. Eine Festlegung der Stufe innerhalb der Entgelttabelle erfolgt aus beiden obigen Schritten nicht.
Bei der Eingruppierung ist weiterhin die Fallgruppe zu bestimmen. Aus dieser ergibt sich, ob sich der Beschäftigte nach dem bisherigen Tarifrecht in einem Aufstieg in eine höhere Entgeltgruppe befinden würde. Zwar finden bei Neueinstellungen keine automatischen Aufstiege mehr statt, für die Zuordnung der bisherigen Vergütungs-/ Lohngruppe zu den Entgeltgruppen des TVöD wird jedoch die Information, ob sich der Beschäftigte in einer Aufstiegsfallgruppe befindet, benötigt. So werden z. B. neu eingestellte Beschäftigte • der Vergütungsgruppe IV ohne Aufstieg nach IVa der Entgeltgruppe 9, • der Vergütungsgruppe IV mit Aufstieg nach IVa dagegen der Entgeltgruppe 10 zugeordnet.
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3
So gestalten Sie den TVöD– Arbeitsvertrag
Der Arbeitsvertrag ist die rechtliche Grundlage des Beschäftigungsverhältnisses. Er regelt zunächst die Leistungspflichten der am Arbeitsvertrag Beteiligten, also des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers. Sobald der Arbeitsvertrag von beiden Parteien wirksam unterzeichnet ist, kann dessen Inhalt grundsätzlich nur noch durch Änderungskündigung oder einvernehmliche Vertragsänderung umgestaltet werden. Eine Änderung kann aber gerade im Hinblick auf veränderte äußere oder in der Person des Beschäftigten liegende Umstände notwendig und sachgerecht sein.
3.1
Wie ist der tarifliche Stand?
Unter Berücksichtigung einer möglichst hohen Flexibilität sowohl auf Seiten des Arbeitgebers, aber auch des Arbeitnehmers, empfiehlt es sich bereits vor Abschluss des Vertrages die Gestaltungsmöglichkeiten, z. B. hinsichtlich der Tätigkeitsbeschreibung, zu prüfen.
3.1.1. Welcher Arbeitsvertrag ist der Richtige? Zunächst muss die Frage beantwortet werden, ob ein Arbeitsverhältnis auf bestimmte Zeit (befristetes Arbeitsverhältnis) oder unbestimmte Zeit abgeschlossen werden soll. Das befristete Arbeitsverhältnis trägt in vielen Fallgestaltungen dem Wunsch nach erhöhter Flexibilität für beide Arbeitsvertragsparteien Rechnung, da das Arbeitsverhältnis nach Zeitablauf oder Eintritt eines bestimmten Ereignisses endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf (siehe hierzu Kapitel 4 – Welche Möglichkeit bietet eine Befristung).
30
Wie ist der tarifliche Stand?
3
3.1.2. Was kann und was muss geregelt werden? Der Inhalt eines Arbeitsvertrages lässt sich aufteilen in Bestandteile, die geregelt werden müssen und zusätzliche Teile, die geregelt werden können. Geregelt werden müssen die so genannten Hauptrechte und Hauptpflichten eines Vertrages, da das Vertragsverhältnis sonst nicht wirksam zustande kommen kann. Zu den Hauptpflichten gehören: • die Arbeitsleistung, (Hierzu gehören auch Vereinbarungen über den Arbeitsort sowie über den zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung.) • die vertragliche Einbeziehung des TVöD, • das Arbeitsentgelt, (Hierzu gehört z. B. die Zuordnung zu einer Entgeltgruppe sowie die Zusage eines höheren [übertariflichen] Entgelts.) • eine etwaige Befristung. Einer vertraglichen Einbeziehung des TVöD bedarf es lediglich dann, wenn aufgrund fehlender beidseitiger Tarifbindung der TVöD nicht normativ wirkt, z. B. bei Einstellung eines Nichtgewerkschaftsmitgliedes (siehe hierzu Kapitel 1 – Für wen gilt der TVöD?). Neben diesen Hauptpflichten können Nebenabreden getroffen werden. Zulässig sind z. B.: • Pauschalierung von Stundenvergütungen und Zeitzuschlägen (§ 24 Abs. 6 TVöD), • Verzicht auf Probezeit oder Abkürzung der Probezeit (§ 2 Abs. 4 TVöD), • Vereinbarung einer Pauschvergütung, • Regelung der Arbeitszeit bei Lehrkräften. Des Weiteren können Nebenabreden getroffen werden, die der TVöD nicht ausdrücklich vorsieht, wie z. B.: • Vereinbarung einer außertariflichen Zulage, • Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausbildungskosten für den Fall vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis, • Gewährung von Fahrtkostenersatz, • Gewährung eines Verpflegungszuschusses (die Veröffentlichung von entsprechenden Richtlinien ersetzt die vorgeschriebene Schriftform nicht),
Hauptpflichten
Nebenabreden
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3
So gestalten Sie den TVöD–Arbeitsvertrag •
Gewährung von Trennungsentschädigung, • Zahlung von Schmutz- und Erschwerniszuschlägen, • Vereinbarung einer Zuschusszahlung zu den Beiträgen von Beschäftigten an einen Kranken- und Unterstützungsverein, • Gewährung eines Essenszuschusses, • Zahlung einer monatlichen Zulage, die zwar tariflich geregelt ist, jedoch einem Beschäftigten gewährt wird, der nicht zum tariflich festgelegten anspruchsberechtigten Personenkreis gehört, • unentgeltlicher Transport zu und von der Arbeitsstätte, • Zusage einer Lehrgangsteilnahme durch den Arbeitgeber. Der TVöD differenziert in § 2 zwischen Vereinbarungen über die Hauptrechte und Hauptpflichten (Abs. 1) und über Nebenabreden (Abs. 3). Die Abgrenzung ist erheblich für die Frage der Schriftform. Bezüglich Hauptrechten und Hauptpflichten ist in Abs. 1 geregelt, dass der Arbeitsvertrag schriftlich abzuschließen ist. Die Vorschrift ist lediglich deklaratorischer Natur, d. h. dass insofern auch mündliche Vereinbarungen wirksam sind. Achtung: Die Schriftform hinsichtlich der Nebenabreden ist zwingend, was zur Folge hat, dass mündliche Vereinbarungen über Nebenabreden grund sätzlich unwirksam sind. Ein Arbeitsverhältnis kann folglich hinsichtlich der Hauptleistungs pflichten wirksam mündlich begründet werden. Nebenabreden sind jedoch nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart sind.
Ein gesondertes Kündigungsrecht einer Nebenabrede ist in § 2 Abs. 3 TVöD vorgesehen. Dieses Kündigungsrecht muss jedoch gesondert im Arbeitsvertrag vereinbart werden. Für eine derartige Kündigung haben die für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses geltenden Fristen keine Bedeutung. Es empfiehlt sich jedoch, in Anlehnung an tarifliche Regelungen angemessene Fristen zu vereinbaren. Weitere Anforderungen an die Gestaltung des Arbeitsvertrages finden sich auch außerhalb des TVöD: Das Nachweisgesetz regelt die gesetzlichen Mindestbestandteile eines Arbeitsvertrages in Form einer Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer. Danach hat der Arbeitgeber späte-
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Wie ist der tarifliche Stand?
3
stens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen: • der Name und die Anschrift der Vertragsparteien, • der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, • bei befristeten Arbeitsverhältnissen: die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses, • der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig wird, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann, • eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit, • die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, Prämien, Zulagen und Sonderzulagen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit, • die vereinbarte Arbeitszeit, • die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs, • die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, • ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind. Zulässig ist allerdings, und gerade dies ist wiederum für den Bereich des TVöD bedeutsam, der Verweis auf einschlägige Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen. Wird dem Arbeitnehmer ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt, so entfällt die Informationspflicht nach dem Nachweisgesetz, soweit der Vertrag die entsprechenden Angaben enthält. Tipp: Das Nachweisgesetz gilt auch für geringfügig Beschäftigte! Die Informationspflicht nach dem Nachweisgesetz besteht dagegen nicht für Arbeitnehmer, die nur zur vorübergehenden Aushilfe von höchstens einem Monat eingestellt werden. Zu beachten ist jedoch das zwingende Schriftformerfordernis für die Befristungsabrede!
33
3
So gestalten Sie den TVöD–Arbeitsvertrag
3.1.3. Sind mehrere Arbeitsverträge möglich? Der TVöD sieht die Möglichkeit mehrerer Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber ausdrücklich vor (§ 2 Abs. 2 TVöD). Zwingende Voraussetzung ist jedoch, dass die jeweils übertragenen Tätigkeiten nicht in einem unmittelbaren Sachzusammenhang stehen. Andernfalls gelten sie als ein Arbeitsverhältnis. Mit der Zunahme der Teilzeitbeschäftigung hat die Möglichkeit von mehreren Arbeitsverhältnissen an Bedeutung gewonnen. Bei der Beurteilung, ob ein unmittelbarer Sachzusammenhang zwischen mehreren Tätigkeiten für denselben Arbeitgeber besteht, ist maßgeblich jeweils auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Anhaltspunkt für einen fehlenden unmittelbaren Sachzusammenhang könnte etwa die Zahlung des Entgelts aus unterschiedlichen Haushaltstiteln sein, oder wenn der Arbeitnehmer in verschiedenen Dienststellen beschäftigt wird. Beispiel: Bei Beschäftigung in ein und derselben Dienststelle kommt der Größe der Dienststelle sowie der Aufgabengliederung große Bedeutung zu. So ist z. B. eine Beschäftigung als Bote einerseits und als Reinigungskraft andererseits vorstellbar.
Besteht ein unmittelbarer Sachzusammenhang, so sind die beiden Arbeitsverhältnisse als eine Einheit zu behandeln. Besteht dieser nicht, ist jeder Arbeitsvertrag arbeitsrechtlich – nicht jedoch sozialversicherungsrechtlich – für sich getrennt zu behandeln, z. B. hinsichtlich Entgelt, Befristung, Kündigung. Achtung: Soweit beim selben Arbeitgeber eine versicherungspflichtige Tätigkeit neben einer geringfügigen Tätigkeit ausgeübt wird oder beide Tätigkei ten geringfügig sind, sind die Arbeitsverträge hinsichtlich der sozialver sicherungsrechtlichen Behandlung zusammenzurechnen. Wird also ins gesamt die Geringfügigkeitsgrenze überschritten, sind beide Arbeitsver hältnisse sozialversicherungspflichtig. Arbeitsrechtlich unterfallen beide Arbeitsverträge dem TVöD.
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Wie ist der tarifliche Stand?
3
3.1.4. Wie kann der Arbeitsvertrag geändert werden? Änderungen des Arbeitsvertrags können bewirkt werden durch: • Änderungsvertrag, • Änderungskündigung, • Eintritt zwingender Rechtsfolgen kraft Gesetzes (z. B. Änderung der Entgeltgruppe bei übergeleiteten Mitarbeitern durch Zeitoder Bewährungsaufstieg gemäß § 8 TVÜ-VKA oder gemäß § 23 BAT i. V. m. § 17 Abs. 1 TVÜ-VKA/Bund).
3.1.5. Was gilt für die Probezeit? Nach § 2 Abs. 4 TVöD gelten – von den in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausnahmen abgesehen – die ersten sechs Monate der Beschäftigung als Probezeit. Diese beginnt grundsätzlich mit dem rechtlichen (vereinbarten) Beginn des konkreten Arbeitsverhältnisses, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer die Arbeit tatsächlich aufgenommen hat. Die Probezeit läuft unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer in dieser Zeit seine Arbeitsleistung erbringt (Krankheit, Arbeitsbefreiung, Beschäftigungsverbote nach dem MuSchG usw.). Auf die Probezeit nicht angerechnet werden: • Grundwehrdienstzeiten, Wehrübungen §§ 6 Abs. 3, 11 Arbeitsplatzschutzgesetz, • Zivildienstzeiten § 78 ZivildienstG i. V. m. dem ArbeitsplatzschutzG, • Dienstpflichtzeiten nach dem BundesgrenzschutzG §§ 49, 59, • Eignungsübungszeiten § 8 VO zum EignungsübungsG, • Ausbildungszeiten nach § 8 SoldatenversorgungsG.
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So gestalten Sie den TVöD–Arbeitsvertrag
3.2
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
3.2.1. Ist das Nachweisgesetz eine „Falle“ für den Arbeitgeber? Gerade die Erfüllung der Anforderungen des Nachweisgesetzes kann zu nicht wünschenswerten Ergebnissen auf Arbeitgeberseite führen: Nach § 2 Abs. 1 Ziffer 5 des Nachweisgesetzes ist eine kurze Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit in die Niederschrift oder den Vertrag aufzunehmen. Achtung: Schlagwortartige Bezeichnungen wie zum Beispiel „Beschäftigter im allgemeinen Verwaltungsdienst“, „Technischer Beschäftigter", „Beschäf tigter im Sozial und Erziehungsdienst", „Beschäftigter im Sparkassen dienst", „Beschäftigter im Pflegedienst" genügen nicht. Vielmehr ist eine kurze Beschreibung der geschuldeten Tätigkeit notwendig. Wie detail liert diese Charakterisierung auszusehen hat, bestimmt sich im Einzelfall nach dem Inhalt der geschuldeten Tätigkeit, insbesondere auch danach, inwieweit hinsichtlich der geschuldeten Tätigkeit ein fest umrissenes Berufsbild besteht, so dass dem Arbeitnehmer aufgrund seiner Ausbil dung die nähere Ausgestaltung seiner Tätigkeit hinreichend bekannt ist.
Eine detaillierte Umschreibung der zu leistenden Tätigkeit führt jedoch zu einer Einschränkung des Direktionsrechts. Dieses gestattet dem Arbeitgeber grundsätzlich, verhaltenslenkende Anordnungen zu treffen, die sich auf die Tätigkeit selbst oder der damit zusammenhängenden Verhaltensweisen beziehen. So kann er die Arbeitsleistung nach Art, Ort und Zeit näher bestimmen. Werden diese Faktoren jedoch in der Niederschrift oder dem Arbeitsvertrag konkret beschrieben, geht damit ein Großteil der Flexibilität auf Seiten des Arbeitgebers verloren. Der Arbeitgeber kann dem Beschäftigten damit keine andere Tätigkeit zuweisen. Um dies möglichst zu vermeiden, ist die Aufnahme einer umfassenden Umsetzungsklausel in den Arbeitsvertrag zwingend geboten (zur Formulierung siehe unter Ziffer 3.3.1)
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Wege der betrieblichen Umsetzung
3
Achtung: Ein Teil der Literatur sieht unzutreffend das Direktionsrecht des Arbeit gebers durch eine Niederschrift nicht eingeschränkt. Die Niederschrift dokumentiert lediglich das, was zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart wurde. Ist die konkrete Tätigkeit vereinbart, wird das Direkti onsrecht dadurch auch eingeschränkt. Es sollte daher auf jeden Fall ein Umsetzungsvorbehalt vereinbart werden. Formulieren Sie wie folgt: „Der Beschäftigte wird zunächst eingesetzt als ...“.
3.2.2. Kann man Probezeit verlängern oder verkürzen? Soll oder muss von der in § 2 Abs. 4 TVöD vorgesehenen sechsmonatigen Probezeit abgewichen werden, ist Folgendes zu beachten: Eine Verlängerung der Probezeit bis zur Grenze von sechs Monaten ist unproblematisch, wenn die Arbeitsvertragsparteien zuvor eine kürzere Probezeit vereinbart haben. Dies gilt sogar, wenn die vereinbarte kürzere Probezeit bereits abgelaufen ist. Eine Verlängerung über sechs Monate hinaus ist grundsätzlich nicht möglich. Tipp: Sieht der Arbeitgeber die sechsmonatige Probezeit als nicht erfolgreich abgeleistet an, so kann er laut BAG dem Beschäftigten anstatt eine Kündigung auszusprechen in der Probezeit einen Aufhebungsvertrag anbieten, der den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses eine angemessene Zeitdauer über das vorherige Ende der Probezeit hinaus schiebt. Allerdings sollte der Aufhebungsvertrag einen alsbaldigen Be endigungszeitpunkt festsetzen (im entschiedenen Sachverhalt vier Mo nate nach Ende der ursprünglichen Probezeit).
3.3
Wege der betrieblichen Umsetzung
3.3.1. Was müssen Sie im Arbeitsvertrag regeln? Aufgrund der Geltung des TVöD bzw. dessen Inbezugnahme müssen nur einige wenige Punkte im TVöD-Arbeitsvertrag geregelt werden.
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3
So gestalten Sie den TVöD–Arbeitsvertrag
Dies sind: • Datum des Arbeitsvertrags, • Vertragsparteien, • Beginn des Arbeitsverhältnisses, • Dauer des Arbeitsverhältnisses, • Umfang der Arbeitszeit, • Angabe des Arbeitsorts, • kurze Charakterisierung oder Beschreibung der Tätigkeit, • Einbeziehung des TVöD, • Entgeltgruppe, • evtl. Probezeit, • evtl. Nebenabreden. Die notwendigen Bestandteile sollen im Folgenden erläutert werden: Einbeziehung des TVöD Da bei Einstellungsverhandlungen nach der Gewerkschaftszugehörigkeit nicht gefragt werden darf, wird – insbesondere bei tarifgebundenen Arbeitgebern – der Einheitlichkeit halber stets ausdrücklich die Geltung des TVöD im Arbeitsvertrag vereinbart. Diesen Weg gehen auch TVöD-Anwender, um die Geltung des TVöD für ihre Arbeitsverhältnisse zu vereinbaren. Die Einbeziehungsabrede erfolgt – wenn auch rechtlich nicht zwingend notwendig – regelmäßig dynamisch, um die Änderungen des TVöD infolge der jährlichen Tarifverhandlungen nicht gesondert einbeziehen zu müssen (siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 1). Befristung Soll das Arbeitsverhältnis nicht auf unbestimmte Zeit laufen, so ist eine Befristung ausdrücklich zu vereinbaren. Die Befristung umgeht regelmäßig den Kündigungsschutz. Daher ist die Befristung nur unter bestimmten Voraussetzungen wirksam. Für den Bereich des TVöD ist zusätzlich § 30 TVöD zu beachten (siehe hierzu Kapitel 4). Probezeit Soweit eine Einbeziehung des TVöD in den Arbeitsvertrag vorliegt, ist die gesonderte Vereinbarung einer Probezeit nicht erforderlich. Sie ergibt sich aus § 2 Abs. 4 TVöD; bei Befristungen aus § 30 Abs. 4
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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TVöD. Soll die Probezeit abweichend vom TVöD verkürzt werden, bedarf es einer ausdrücklichen Vereinbarung. Entgelt Das Entgelt als Hauptleistung des Arbeitgebers muss nicht eigens vereinbart werden. Im Geltungs- und Anwendungsbereich des TVöD ist nach § 15 TVöD das Entgelt nach der Entgeltgruppe geschuldet, die der auszuübenden Tätigkeit entspricht (Tarifautomatik). Jedoch ist nach § 17 Abs. 1 TVÜ Bund/VkA i.V.m. § 22 Abs. 3 BAT die sich nach der Tarifautomatik ergebende Vergütungsgruppe bzw. die sich aufgrund der Zuordnung ergebende Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag anzugeben. Diese Angabe hat nur deklaratorische Wirkung. Durch sie wird kein eigenständiger vertraglicher Anspruch auf Übertragung von Tätigkeit der angegebenen Entgeltgruppe und entsprechende Bezahlung begründet. Tipp: Achten Sie sorgfältig darauf, wie Sie die Angabe der Entgeltgruppe im Arbeitsvertrag formulieren, damit Sie nicht durch eine unklare Formu lierung neben dem tariflichen Zahlungsanspruch noch einen zusätzli chen vertraglichen Anspruch auf Bezahlung nach der angegebenen Ent geltgruppe begründen. Die Formulierung könnte etwa lauten: „Der Beschäftigte ist nach Maßgabe der Tarifautomatik eingruppiert in die Entgeltgruppe … TVöD (§ 17 Abs. 7 TVÜ*VKA i.V.m. § 22 Abs. 3 BAT).“ oder „Die/Der Beschäftigte ist eingruppiert in Anwendung von § 17 Abs. 7 TVÜ*VKA i.V.m. § 22 BAT in der Entgeltgruppe … TVöD.“
Fallgruppe Die Fallgruppe entscheidet, ob der Beschäftigte, der aus dem bisherigen Tarifrecht in den TVöD übergeleitet wurde, die Möglichkeit eines Aufstiegs in die nächst höhere Vergütungsgruppe hat. Im Geltungsbereich des BAT war in der Praxis die Angabe der Fallgruppe im Arbeitsvertrag nicht gebräuchlich. Auch durch die Anforderungen des Nachweisgesetzes besteht kein Bedürfnis der entsprechenden Angabe.
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So gestalten Sie den TVöD–Arbeitsvertrag
Auszuübende Tätigkeit/Umsetzungsklausel Die Angabe der auszuübenden Tätigkeit und der damit einhergehenden Einschränkung des Direktionsrechts ist unter Ziffer 3.2.1. beschrieben. Ein gelungenes Zusammenspiel zwischen den Anforderungen des Nachweisgesetzes und dem Erhalt eines möglichst weiten Direktionsrechts kann durch eine so genannte Umsetzungsklausel erfolgen. Beispiel: Die Umsetzungsklausel könnte wie folgt lauten: „Der Arbeitgeber hat das Rechts zur Umsetzung sowie zur Versetzung, Abordnung und Zuweisung (§ 4 TVöD). Insbesondere ist es ihm unbe* nommen, dem Beschäftigten aus dienstlichen bzw. betrieblichen Grün* den eine andere Tätigkeit im Rahmen der Entgeltgruppe zuzuweisen.“ Konkretisierung
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Die Möglichkeit der Versetzung oder Umsetzung kann ungeachtet einer Umsetzungsklausel auch durch Konkretisierung des Arbeitsverhältnisses eingeschränkt sein. Konkretisierung bedeutet die Verengung eines ursprünglich mit einem weiten Begriff z. B. „Beschäftigter im Verwaltungsdienst“ geschlossenen Arbeitsvertrags auf eine bestimmte Tätigkeit. Diese Konkretisierung tritt aber nicht allein durch Zeitablauf ein. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzukommen, die dem Beschäftigten Anlass zum Vertrauen darauf geben, eine bestimmte Tätigkeit auf Dauer ausüben zu dürfen. So zum Beispiel, wenn dem Beschäftigten mehrfach Anträge auf eine andere Stelle abgelehnt worden sind mit Hinweis auf die beabsichtigte Weiterverwendung auf der bisherigen Stelle. Desgleichen ist eine Konkretisierung bei mehrfachen speziellen Schulungen möglich. Allerdings ist im öffentlichen Dienst eine Konkretisierung eher nur in Ausnahmefällen anzunehmen, weil das Entgeltgruppensystem gerade auch dazu dienen soll, dem Arbeitgeber einen flexiblen Einsatz der Mitarbeiter zu ermöglichen. Neben diesen zentralen Bestandteilen können noch weitere Bereiche geregelt werden, wie zum Beispiel: • Abtretungsverbot, • Öffnungsklausel für Betriebs-/Dienstvereinbarung, • Ausschluss der Kündigung vor Arbeitsantritt, • Bearbeitungspauschale bei Pfändungen,
Wege der betrieblichen Umsetzung • • •
3
Fortbildungsgebot, Entgeltüberzahlung, Verpflichtung zur Mehrarbeit.
3.3.1
Wie setzen Sie eine Vertragsänderung um?
Jede Änderung oder Ergänzung des Arbeitsvertrages sollte – allein schon aus Beweisgründen – grundsätzlich schriftlich erfolgen. Ein Änderungsvertrag kann jedoch auch mündlich oder stillschweigend (durch konkludentes Handeln) abgeschlossen werden, soweit es sich nicht um Vertragsgegenstände handelt, die in Nebenabreden (§ 2 Abs. 3 TVöD) zu regeln sind. Tipp: Zur Abänderung des Arbeitsvertrags ist nicht erforderlich, dass die ge samte Vertragsurkunde neu erstellt wird. Es genügt, wenn eine schriftli che Änderungsvereinbarung hinsichtlich des Teils des Arbeitsvertrags abgeschlossen wird, der einen anderen Inhalt erhalten soll.
3.3.2
Wie kündigen Sie während der Probezeit?
Das Arbeitsverhältnis kann in der Probezeit bei Vorliegen der Voraussetzungen (nicht willkürlich, nicht rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig) durch eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung beendet werden. Hinsichtlich der Form und des Zugangs der Kündigung gelten die gleichen Voraussetzungen wie bei der sonstigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (siehe hierzu Kapitel 15 – Wie beende ich das Arbeitsverhältnis rechtssicher durch Kündigung?) Besonderheiten bestehen bei der Frist: Nach § 622 Abs. 3 BGB kann in der Probezeit, allerdings längstens für die Dauer von sechs Monaten, mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Nach § 34 Abs. 1 TVöD beträgt die Kündigungsfrist innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses in jedem Fall (auch bei einer Verkürzung der Probezeit) zwei Wochen zum Monatsende. Kündigungen während der Probezeit sind zunächst grundsätzlich wie Kündigungen eines Arbeitsverhältnisses zu jedem beliebigen Zeitpunkt zu behandeln.
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So gestalten Sie den TVöD–Arbeitsvertrag
Folgende Besonderheiten gelten: • Nach § 1 Abs. 1 KSchG kommt dieses Gesetz erst zur Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder derselben Dienststelle länger als sechs Monate bestanden hat. Tipp In den ersten sechs Monaten kann das Arbeitsverhältnis damit ohne Grund gekündigt werden. Die „subjektiven Erwägungen“, aus denen heraus gekündigt werden soll, müssen jedoch dem Betriebsrat/ Perso nalrat zwingend mitgeteilt werden, sonst ist die Kündigung unwirksam. Nach der im Koalitionsvertrag geplanten Änderung des KSchG ist zu künftig sogar eine bis zu 24 monatige Wartezeit für das Einsetzen des Kündigungsschutzes im Gespräch. • •
• •
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§ 4 KSchG ist hinsichtlich der Klagefrist jedoch anwendbar. Die Schutzbestimmungen des MuSchG hinsichtlich einer Kündigung gelten auch in der Probezeit, sodass das absolute Kündigungsverbot des § 9 MuSchG auch bei einer Probezeitkündigung zu beachten ist, sofern nicht nach § 9 Abs. 3 MuSchG die vorherige Zustimmung der zuständigen Landesbehörde vorliegt. Eine ohne Beachtung des § 9 MuSchG ausgesprochene Kündigung ist nach § 134 BGB unwirksam. Der Kündigungsschutz des § 2 ArbPlSchG (nach § 78 ZDG entsprechend anwendbar für Zivildienstleistende) ist zu beachten. Nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX setzt der Kündigungsschutz der unter den Geltungsbereich des SGB IX fallenden Personen erst dann ein, wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht. Ein unmittelbar vorausgegangenes befristetes Arbeitsverhältnis ist jedoch ggf. anzurechnen, da es auf die tatsächliche Beschäftigungsdauer bei demselben Arbeitgeber ankommt.
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Welche Möglichkeiten bieten befristete Arbeitsverträge?
Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, der auch für das Arbeitsrecht gilt, können Arbeitsverhältnisse nicht nur auf unbestimmte Dauer, sondern auch für eine bestimmte Zeit – befristet – geschlossen werden. Durch die Vereinbarung von befristeten Arbeitsverträgen wird dem Arbeitgeber der bedarfsgerechte Einsatz von Arbeitskräften erheblich erleichtert: Das Arbeitsverhältnis endet automatisch nach Ablauf der Frist, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Damit finden die Kündigungsschutzbestimmungen keine Anwendung und die bei Kündigungen vorgesehene Beteiligung des Betriebs- bzw. Personalrats entfällt. Um der Gefahr des Missbrauchs der vertraglichen Gestaltungsfreiheit zu begegnen und um Nachteile für den Arbeitnehmer wegen des Fehlens jeglicher Kündigungsbeschränkungen zu vermeiden, fordert die Rechtsprechung grundsätzlich, dass die Befristung durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein muss. Im Wege der Rechtsfortbildung wurde und wird damit der Grundsatz der Vertragsfreiheit durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eingeschränkt. Dieser Forderung hat sich schließlich auch der Gesetzgeber angeschlossen und erklärt durch das Teilzeitbefristungsgesetz (§ 14 Abs. 1) eine solche befristete Vereinbarung nur für zulässig, wenn für die Befristung ein sachlicher Grund vorliegt Ausnahmsweise ist jedoch nach der noch aktuellen Rechtslage auch eine Befristung ohne sachlichen Grund (sog. erleichterte Befristung) zulässig, wenn es sich um ein Arbeitsverhältnis mit einem neu eingestellten Arbeitnehmer oder einen Arbeitnehmer handelt, der das 52. Lebensjahr (ab dem 1.1.2007: das 58. Lebensjahr) vollendet hat (§ 14 Abs. 2 und 3 TzBfG).
Arbeitskräfte nach Bedarf
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Welche Möglichkeiten bieten befristete Arbeitsverträge?
4.1
Wie ist der tarifliche Stand?
Der TVöD enthält in § 30 eigene Bestimmungen für befristete Arbeitsverhältnisse. Grundsätzlich verweist die Norm jedoch auf die Vorschriften des zum 1.1.2001 in Kraft getretenen Gesetzes über befristete Arbeitsverträge (TzBfG). § 30 TVöD eröffnet – neben der ohnehin zulässigen Befristung mit sachlichem Grund (§ 14 Abs. 1 TzBfG) – die Möglichkeit, unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 und 3 TzBfG ohne sachlichen Grund zu befristen. Im Übrigen enthält die Vorschrift Regeln zur Abwicklung befristeter Verträge. Die folgenden Unterkapitel sollen Ihnen einen Überblick über die verschiedenen Alternativen befristeter Arbeitsverhältnisse geben.
4.1.1
Befristete Verträge mit sachlichem Grund
Grundsätzlich sind befristete Verträge mit sachlichem Grund zulässig. Insofern wird die bestehende Rechtslage nicht verändert. § 14 Abs. 1 TzBfG enthält einen Katalog von Beispielen sachlicher Gründe, er ist jedoch nicht abschließend. Eine Befristung ist danach zulässig, wenn • der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht, • die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern, • der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird, • die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt, • die Befristung zur Erprobung erfolgt, • in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen, • der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder • die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht. Die Sachgründe zur Befristung werden im Einzelnen unter Ziffer 4.2 dargestellt.
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Wie ist der tarifliche Stand?
4.1.2
4
Die Zulässigkeit von Befristungen ohne sachlichen Grund
Die Voraussetzungen für Befristungen ohne sachlichen Grund regelt § 14 TzBfG. Die Vorschrift unterscheidet zwischen befristeten Verträgen bei Neueinstellungen und befristeten Verträgen mit Arbeitnehmern nach Vollendung des 52. Lebensjahres. Es wird darauf hingewiesen, dass nach dem Koalitionsvertrag die Regelung in § 14 Abs. 2 TzBfG ersatzlos entfallen soll. Einzelheiten, zu welchem Zeitpunkt die Gesetzesänderung in Kraft treten wird, liegen noch nicht fest. Befristete Verträge bei Neueinstellungen Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung ist es nach § 14 Abs. 2 TzBfG noch zulässig, die Befristung eines Arbeitsvertrags • mit dreimaliger Verlängerung • bis zu einer Gesamtdauer von 24 Monaten zu vereinbaren, • ohne dass ein Befristungsgrund vorliegt; • es muss sich jedoch um eine echte Neueinstellung handeln. Der Mitarbeiter darf vorher weder befristet noch unbefristet bei demselben Arbeitgeber beschäftigt gewesen sein. Es kommt nicht darauf an, wie weit ein vorhergehender Arbeitsvertrag zurückliegt. Neueinstellungen liegen nur bei erstmaliger Beschäftigung vor! Befristete Verträge mit Arbeitnehmern nach Vollendung des 52. Lebensjahres Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 TzBfG war bisher der Abschluss befristeter Arbeitsverhältnisse ohne sachlichen Grund zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat. Zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber durfte ein enger sachlicher Zusammenhang jedoch nicht bestehen. Ein solcher Zusammenhang wäre zu vermuten, wenn ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten zwischen dem Ende des letzten Arbeitsvertrags und dem Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses liegt (§ 14 Abs. 3 Satz 2 und 3 TzBfG).
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Welche Möglichkeiten bieten befristete Arbeitsverträge?
Unmittelbar im Anschluss an eine Befristung ohne oder mit sachlichem Grund, z. B. die Vertretung eines Arbeitnehmers, konnte eine Befristung nach § 14 Abs. 3 TzBfG vereinbart werden. Tipp Für den öffentlichen Dienst im engeren Sinne – die öffentliche Verwal tung – finden die EU Richtlinien unmittelbar Anwendung. Die Regelung des § 14 Abs. 3 TzBfG wurde daher hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit europäischem Recht kritisch betrachtet. § 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge zur EU Richtlinie 1999/70/EG sieht für befristete Verträge vor, dass • entweder ein Sachgrund für die Verlängerung befristeter Verträge besteht • oder die maximal zulässige Dauer aufeinander folgender Arbeitsver hältnisse • oder die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge festge legt werden muss. § 14 Abs. 3 TzBfG lässt im Widerspruch zur EU Richtlinie eine unbe schränkte Zahl von Anschlussbefristungen zu!
Konsequent hat der Europäische Gerichtshof inzwischen entschieden, dass die in § 14 Abs. 3 TzBfG enthaltene Möglichkeit, mit Arbeitnehmern ab dem 52. Lebensjahr befristete Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund abzuschließen, mit europäischem Recht nicht 6 vereinbar ist. Die vorstehenden Ausführungen zur Befristung mit älteren Mitarbeitern stehen damit unter dem Vorbehalt einer Gesetzesänderung, die aufgrund des Koalitionsvertrages im Hinblick auf diese neue EuGH-Entscheidung zu erwarten ist. Tipp Nach der neuen Rechtsprechung des EuGH sind ab sofort – mit Geltung für die öffentliche Verwaltung und die Privatwirtschaft – mit minde stens 52 jährigen Beschäftigten abgeschlossene Befristungsabreden ohne Sachgrund unwirksam! Sämtliche dieser Verträge gelten unbefri stet.
6
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EuGH, Urt. v. 22.11.2005 in der Rechtssache C-144/04.
Wie ist der tarifliche Stand?
4.1.3
4
Regelungen zur Abwicklung nach § 30 TVöD
Die Tarifvertragsparteien haben sich in § 30 TVöD im Wesentlichen darauf geeinigt, dass die Inhalte der bisherigen Sonderregelung (SR) 2y BAT – wie bisher auch – nur für die Angestellten im Tarifgebiet West weitergelten. Danach finden die Besonderheiten des § 30 Abs. 1 S. 2 und der Abs. 2 bis 5 TVöD keine Anwendung auf Angestellte im Tarifgebiet Ost sowie auf Arbeiter im gesamten Tarifgebiet. Für letztere Beschäftigtengruppen finden die Vorschriften des TzBfG unmittelbar Anwendung. Tipp Für die genannte Beschäftigtengruppe muss im Arbeitsvertrag das Recht zur ordentlichen Kündigung sowie eine Probezeit ausdrücklich vereinbart werden.
Hinsichtlich der Angestellten im Tarifgebiet West haben die Tarifvertragsparteien zwischenzeitlich ein Redaktionsversehen bereinigt. In § 30 Abs. 1 Satz 2 TVöD in der ursprünglichen Fassung wird auf die „in den Absätzen 2 bis 4 geregelten Besonderheiten“ verwiesen. Die die Sonderregelungen zum BAT ablösenden Vorschriften umfassen jedoch die Absätze 2 bis 5 des § 30 TVöD. Die redaktionelle korrigierte Textfassung des TVöD wird deshalb dahingehend lauten, dass für Beschäftigte, auf die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden und deren Tätigkeit vor dem 1. Januar 2005 der Rentenversicherung der Angestellten unterlegen hätte, die in den Absätzen 2 bis 5 geregelten Besonderheiten gelten. Höchstdauer von fünf Jahren Nicht eindeutig ist die in § 30 Abs. 2 TVöD festgelegte Differenzierung zur Höchstgrenze für befristete Arbeitsverträge von fünf Jahren: Nach dieser Norm ist der Abschluss eines Zeitvertrags – eines Vertrags mit Enddatum – für die Dauer von mehr als fünf Jahren n unzulässig. Da nach § 30 Abs. 2 S. 1 2. Halbsatz TVöD weitergehende Regelungen im Sinne von § 23 TzBfG unberührt bleiben, ist bei Ärzten, die zum Facharzt ausgebildet werden, eine Befristung von bis zu acht Jahren zulässig.
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Welche Möglichkeiten bieten befristete Arbeitsverträge?
Nach gefestigter Rechtsprechung verbietet die Vorschrift nur den Abschluss eines Zeitvertrags für von vornherein mehr als fünf Jahren Dauer, nicht dagegen die Aneinanderreihung mehrerer befristeter Verträge, deren Laufzeit insgesamt fünf Jahre überschreitet. Geklärt ist die frühere Kontroverse, ob bei der Überschreitung von fünf Jahren ein jeweils anderer sachlicher Grund gegeben sein muss. Da sich im Wortlaut des Tarifvertrags für eine solche Beschränkung nicht der geringste Anhaltspunkt findet, hat der inzwischen allein zuständige siebte Senat des BAG zu Recht entschieden, dass auch der gleiche oder ein vergleichbarer sachlicher Grund zur Verlängerung 7 über fünf Jahre hinaus ausreiche. Bevorzugte Einstellung § 30 Abs. 2 Satz 2 TVöD schreibt vor, dass mit sachlichem Grund befristet beschäftigte Arbeitnehmer bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen bevorzugt zu berücksichtigen sind, wenn die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Nach der Rechtsprechung des BAG enthält die Vorschrift kein Ein8 stellungsgebot . Maßgebend für die unbefristete Einstellung bleibt im öffentlichen Dienst nach Art. 33 Abs. 2 GG die Eignung des Bewerbers. Der befristet beschäftigte Arbeitnehmer ist deshalb bei der Besetzung eines Dauerarbeitsplatzes nur bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen. Befristung ohne sachlichen Grund Folgende Besonderheiten gegenüber der gesetzlichen Regelung des § 14 Abs. 2 und 3 TzBfG wurden zwischen den Tarifvertragsparteien in § 30 Abs. 3 TVöD vereinbart: • Die Dauer des Arbeitsverhältnisses soll in der Regel zwölf Monate nicht unterschreiten; sie muss mindestens 6 Monate betragen. • Vor Ablauf des Arbeitsvertrags hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob der Beschäftigte auf Dauer oder befristet weiterbeschäftigt werden kann. 7
BAG, Urt. v. 22.03.1985 - 7 AZR 142/84, AP Nr. 90; 7 AZR 487/84, AP Nr. 89 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. 8 BAG AP Nr. 39 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag.
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? Vor und Nachteile •
•
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Als Probezeit gelten abweichend von § 2 Abs. 4 Satz 1 TVöD bei Arbeitsverhältnissen ohne sachlichen Grund die ersten sechs Wochen. Innerhalb der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen zum Monatsschluss gekündigt werden.
Befristung mit sachlichem Grund Bei befristeten Verträgen mit sachlichem Grund gelten die ersten sechs Monate als Probezeit. Die Kündigungsfrist beträgt dabei zwei Wochen zum Monatsende. Kündigung befristeter Verträge nach Ablauf der Probezeit Arbeitsverhältnisse bis zu 12 Monaten können nach Ablauf der Probezeit nicht ordentlich gekündigt werden (§ 30 Abs. 5 Satz 1 TVöD). Die Kündigungsfristen sind in § 30 Abs. 5 Satz 2 TVöD detailliert aufgeführt. Für die Festsetzung der Kündigungsfrist – aber auch nur diesbezüglich – gilt nach § 30 Abs. 5 Satz 3 TVöD: Eine Unterbrechung bis zu drei Monaten ist unschädlich, es sei denn, dass der Beschäftigte das Ausscheiden verschuldet oder veranlasst hat. Die Unterbrechungszeit bleibt bei Festlegung der Kündigungsfrist unberücksichtigt. Aus wichtigem Grund kann ein Arbeitsverhältnis unabhängig von seiner Dauer gekündigt werden. Die Aufnahme eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer gilt als wichtiger Grund.
4.2
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? Vor und Nachteile
Da nach den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages die Möglichkeit, ohne Sachgrund zu befristen, wegfallen, und auch die Zulässigkeit von Befristungen mit älteren Mitarbeitern eine Neuregelung erfahren wird, kann derzeit nur empfohlen werden, befristete Verträge nur mit Sachgrund zu schließen.
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4
Welche Möglichkeiten bieten befristete Arbeitsverträge?
4.2.1
Die einzelnen Befristungs /Sachgründe
Befristungen sind möglich bei • Befristung unter 6 Monaten (kurzfristige Aushilfen), • Erprobung des Mitarbeiters, • Fehlen von Einstellungsvoraussetzungen, • Vertretung erkrankter Mitarbeiter, • Vertretung für Mutterschutz, Elternzeit, • Lehrern, • aufgabenbezogener Aushilfe/zeitlich begrenztem Betriebszweck, • sinkendem oder steigendem Arbeitskräftebedarf bei genauer Prognose, • Wegfall von Haushaltsmitteln, • Drittmitteln, Forschungsprojekten, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, • eigenem Wunsch des Arbeitnehmers, • sozialem Überbrückungsvertrag, Auslaufvertrag, • saisonalem Einsatz, • Künstlern, • Lehrbeauftragten, Lektoren, • Leitenden Angestellten, • gerichtlichem/außergerichtlichem Vergleich, • wissenschaftlichem Personal, • Ärzten in der Weiterbildung (Facharztausbildung). Befristungen sind nicht zulässig bei: • Wegschieben des Arbeitgeberrisikos, • Befristung im Interesse Dritter, • allgemeinen beschäftigungs- und sozialpolitischen Erwägungen. Zulässige Befristungen unter 6 Monaten (kurzfristige Aushilfen)? Die Rechtsprechung hielt bisher einen sachlich gerechtfertigten Grund für erforderlich, wenn mit der Befristung zwingende Bestimmungen des Kündigungsschutzes des Arbeitnehmers umgangen werden. Das Kündigungsschutzgesetz und damit der allgemeine Kündigungsschutz greift jedoch erst, wenn das Arbeitsverhältnis mehr als sechs Monate bestanden hat (sog. „Wartezeit“) und der Arbeitgeber
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? Vor und Nachteile
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mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Der Arbeitnehmer besitzt damit in den ersten sechs Monaten keinen Kündigungsschutz. Eine Befristung war grundsätzlich auch dann wirksam, wenn kein sachlicher Grund vorlag. Beispiel: Die Formulierung im Arbeitsvertrag für solche kurzfristig eingestellten Aushilfen lautet: "Der Mitarbeiter wird eingestellt zur Aushilfe in Ab teilung .................... für die Zeit ................... vom bis ...................."
Eine Aneinanderreihung solcher mehrwöchiger Verträge war zulässig, soweit bei Gesamtschau der Befristungen der Zeitraum von sechs Monaten nicht überschritten wurde. Zu berücksichtigen ist, dass nach dem Wortlaut des TzBfG die befristeten Verträge in § 14 Abs. 1 mit sachlichem Grund und in § 14 Abs. 2 und 3 ohne Sachgrund abschließend geregelt sind. Die Möglichkeit, in den ersten sechs Monaten sachgrundlos ohne jede Einschränkung zu befristen, entfällt damit. Es erscheint sachgerecht, wegen des Wortlauts des TzBfG von der Notwendigkeit eines sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG auch bei einer Befristung bis zu sechs Monaten auszugehen. Eine einschränkende Auslegung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG ergibt jedoch, dass nur geringe Anforderungen an den Nachweis durch den Arbeitgeber zu stellen sind, "der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung bestehe nur vorübergehend". Tipp Die Rechtsprechung des BAG hat eindeutig festgestellt, dass auch bei 9 Befristungen bis zu sechs Monaten ein Sachgrund gegeben sein muss . Damit ist es nicht mehr möglich, Mitarbeiter lediglich zur Aushilfe in Abteilung … einzustellen.
Soll jemand unter sechs Monaten zur Aushilfe eingestellt werden, so muss vom Arbeitgeber der vorübergehende Charakter der Tätigkeit als Begründung angeführt werden (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG). Darauf hingewiesen wird, dass der Mitarbeiter in den ersten sechs Monaten des – bei Fehlen eines Sachgrundes – unbefristeten Ar9
BAG, Urt. v. 06.11.2003 - 2 AZR 690/02.
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4
Welche Möglichkeiten bieten befristete Arbeitsverträge?
beitsverhältnisses noch keinen allgemeinen Kündigungsschutz besitzt. Damit ist die ordentliche Kündigung ohne Grund möglich. Ist im Vertrag nicht ausdrücklich eine Probezeit und Kündigungsmöglichkeit vereinbart, so kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis grundsätzlich frühestens zum vereinbarten Ende ordentlich kündigen (§ 16 Satz 1 TzBfG). Es ist jedoch weiterhin möglich, Studenten aus deren Eigeninteresse heraus für die Dauer eines Semesters oder die Dauer der Semesterferien befristet zu beschäftigen. Erprobung des Mitarbeiters Nach § 2 Abs. 4 TVöD gelten im Normalfall die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit. Will der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis während der Probezeit beenden, muss er kündigen. Für Schwangere verbietet jedoch § 9 MuSchG jegliche Kündigung, auch die während der ersten sechs Monate. Dies bedeutet, dass die Schwangere praktisch keine Probezeit hat. Bei verschiedenen Einrichtungen versuchen zudem Personal- bzw. Betriebsräte über ihr Beteiligungsrecht die Probezeitkündigung über die sechs Monate hinaus zu verzögern und damit eine Kündigung ohne Kündigungsgrund zu verhindern. Die geschilderten Probleme treten nicht auf bei Vereinbarung eines befristeten Probearbeitsverhältnisses, das nach § 14 Abs. 1 Nr. 6 10 TzBfG bis zur Höchstdauer von sechs Monaten zulässig ist Die 11 Probezeitbefristung ist auch unter Geltung des § 30 TVöD zulässig . Der Erprobungszweck des befristeten Probearbeitsverhältnisses 12 muss nicht Vertragsinhalt geworden sein . Probezeitverlängerungen durch befristete Verträge über sechs Monate hinaus sind selbst bei mangelnder Bewährung des Arbeitnehmers unzulässig, bewirken demnach ein unbefristetes Arbeitsver13 hältnis !
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BAG AP Nr. 71 und 74 zu § 620 Befristeter Arbeitsvertrag. BAG, Urt. v. 12.12.1985 - 2 AZR 9/85. 12 BAG, Urt. v. 23.06.2004 - 7 AZR 636/03. 13 BAG AP Nr. 45 zu § 620 Befristeter Arbeitsvertrag. 11
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? Vor und Nachteile
4
Wird in dem Mitarbeiter, mit dem ein befristetes Probearbeitsverhältnis vereinbart ist – etwa durch Zusagen des Arbeitgebers – die Erwartung geweckt, er werde nach Ablauf der Befristung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen, so endet das Arbeitsverhältnis nicht mit dem Ablauf der Befristung. Vielmehr muss der 14 Mitarbeiter vom Arbeitgeber weiterbeschäftigt werden . Tipp Damit sind Probezeitbefristungen für den Arbeitgeber gefährlich. Aus sagen zur Eignung und Leistung des Bewerbers darf der Arbeitgeber während des befristeten Arbeitsverhältnisses praktisch nicht machen.
Die Besonderheiten der neu eingeführten Begriffe "Führung auf Probe" und "Führung auf Zeit", deren Zulässigkeit befristungsrechtlich nicht unbedenklich ist, werden in einem eigenen Kapitel erläutert. Vorübergehende Vertretung für Mitarbeiter Einer der wichtigsten sachlich gerechtfertigten Gründe ist die Vertretung für einen festangestellten, vorübergehend jedoch nicht oder noch nicht zur Verfügung stehenden Mitarbeiter (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 15 TzBfG) . Der Vertretungsbedarf kann sich ergeben aus 16 • der Erkrankung eines Mitarbeiters , 17 • der Beurlaubung von Arbeitnehmern , • der Einberufung eines Arbeitnehmers zum Wehr- oder Zivildienst18, • der beabsichtigten Übernahme eines Auszubildenden nach be19 standener Prüfung , 20 • dem Mutterschutz bzw. Elternzeit einer Mitarbeiterin und ähnlichen Tatbeständen. 14
BAG AP Nr. 26 zu § 620 Befristeter Arbeitsvertrag und AP Nr. 8 zu § 1 BeschFG 1985. 15 Vgl. z. B. BAG, Urt. v. 12.06.1987 - 7 AZR 8/86. 16 BAG, Urt. v. 06.06.1984 - 7 AZR 458/82; BAG, Urt. v. 03.10.1984 - 7 AZR 192/83. 17 BAG NZA 1987, 238 und 739; NZA 1988, 201. 18 BAG NZA 1985, 90. 19 BAG NZA 1985, 90 und 561. 20 BAG, Urt. v. 17.02.1983, AP Nr. 74 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag.
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4 Zeit /Zweck befristung
Welche Möglichkeiten bieten befristete Arbeitsverträge?
Soweit in diesen Vertretungsfällen das Enddatum des Vertretungszwecks bereits bei Vertragsschluss feststeht, sollte dieses Enddatum von vornherein in den befristeten Vertrag aufgenommen werden (Zeitbefristung). In einigen Fällen, so bei der Erkrankung eines Arbeitnehmers, steht jedoch nicht fest, wann der Vertretungsbedarf entfällt. Hier sind Zweckbefristungen angemessen. Wird eine Einzelperson vertreten, so sollte im Arbeitsvertrag grundsätzlich festgehalten werden, welche Person vertreten wird. Die Zeitarbeitskraft muss die Umstände kennen, die zur Befristung 21 ihres Arbeitsverhältnisses geführt haben . Anerkannt ist auch, dass der zur Vertretung befristet eingestellte Arbeitnehmer nicht zur Verrichtung exakt der Aufgaben eingestellt werden muss, die der verhinderte Mitarbeiter ausgeübt hat. Es genügt, dass ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf entstanden ist und die befristete Einstellung eben wegen dieses vorübergehenden Bedarfs erfolgt ist. Diesen ursächlichen Zusammenhang allerdings 22 muss der Arbeitgeber im Einzelnen darlegen . Zulässig ist es, den befristet eingestellten Arbeitnehmer auf dem Arbeitsplatz eines festangestellten Mitarbeiters zu beschäftigen, der wiederum die Vertretung des zeitweilig verhinderten Arbeitnehmers 23 übernimmt . Beispiel: Die Leiterin eines Schreibbüros erkrankt längerfristig. Eine festange stellte Schreibkraft übernimmt vorübergehend die Leitung. Für diese Schreibkraft wird eine Aushilfe eingestellt für die Zeit der Abwesenheit der Leiterin.
Die zur Vertretung eingestellte Aushilfe darf im Übrigen24 auch mit anderen Aufgaben betraut werden, die der ausfallende Mitarbeiter unter Umständen nach seinem Arbeitsvertrag nicht zu leisten hatte. Wie der Arbeitgeber die Arbeit intern verteilte, bleibe ihm überlas21
BAG, Urt. v. 20.02.1991 - 7 AZR 81/90. BAG, Urt. v. 11.12.1985 - 7 AZR 320/84. 23 BAG, Urt. v. 30.09.1981, AP Nr. 61, v. 08.05.1985, AP Nr. 97, v. 03.12.1986, AP Nr. 110 jeweils zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. 24 LAG Bremen, BB 1989, 1411. 22
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? Vor und Nachteile
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sen. Entscheidend sei nur, dass durch den zeitweiligen Ausfall eines Mitarbeiters ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf entstehe 25 und die befristete Einstellung wegen dieses Bedarfs erfolge . Der erforderliche Zusammenhang zwischen Aushilfsbedarf und befristeter Einstellung fehle jedoch, wenn die Aushilfe Tätigkeiten verrichte, zu denen dem Vertretenen die entsprechende Qualifikation 26 fehlte . Sachlich gerechtfertigt ist es jedoch, wegen der geplanten Übernahme eines Auszubildenden ein befristetes Arbeitsverhältnis abzuschließen. Dabei ist nicht einmal Voraussetzung, dass der Arbeitgeber dem Auszubildenden die Übernahme bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem ersatzweise eingestellten Arbeitnehmer 27 zugesagt hat . Es ist zulässig, mehrere befristete Verträge mit der Vertretungskraft jeweils anschließend zu vereinbaren. Mit zunehmender Zahl und Dauer der Beschäftigung steigen jedoch die Anforderungen an den Sachgrund, insbesondere die Prognose, der Vertretungsbedarf werde 28 wegen Rückkehr des Vertretenen enden (näher unten). Nicht gebilligt hat das BAG dagegen, für einen bereits bei Vertragsschluss ersichtlichen laufenden Vertretungsbedarf immer wieder denselben Aushilfsarbeitnehmer befristet einzustellen (sog. Dauer29 aushilfe) . Bei dieser Sachlage muss der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer einstellen, der als sog. Springer die ständige Aufgabe hat, vorübergehend ausfallende Mitarbeiter zu vertreten. Dem Sachgrund der Vertretung steht es nicht entgegen, dass die Befristungsdauer hinter der Dauer des Vertretungsbedarfs zurückbleibt, denn dem Arbeitgeber steht es frei, den Arbeitsausfall über30 haupt zu überbrücken .
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BAG, Urt. v. 21.02.2001 - 7 AZR 107/00. LAG Bremen, Urt. v. 18.01.1989 - 2 Sa 328/87. 27 BAG, Urt. v. 21.04.1993 - 7 AZR 388/92. 28 BAG DB 1992, 1831. 29 BAG, Urt. v. 07.05.1980, AP Nr. 36 zu § 611 BGB Abhängigkeit; NZA 1985, 561. 30 BAG, Urt. v. 13.10.2004 - 7 AZR 654/03. 26
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Welche Möglichkeiten bieten befristete Arbeitsverträge?
Vertretung erkrankter Mitarbeiter Die Vertretung erkrankter Mitarbeiter stellt einen anerkannten Befristungsgrund dar, für den die vorstehenden Ausführungen gelten. Folgende Besonderheiten sind jedoch zu beachten: • Befristet man den Vertrag lediglich mit der Formulierung „… bis zur Rückkehr des Erkrankten an seinen Arbeitsplatz …“, so entstehen Probleme für den Fall, in dem der vertretene Mitarbeiter aufgrund der Krankheit ausscheidet. Für die Besetzung eines Dauerarbeitsplatzes ist möglicherweise eine sorgfältigere Personalauswahl als bei einer nur vorübergehend tätig werdenden Vertretung nötig. Tipp Um dem Problem aus dem Weg zu gehen, wird formuliert: „Die Zeitarbeitskraft wird eingestellt zur Vertretung des erkrankten Ar beitnehmers XY. Das Arbeitsverhältnis endet an dem Tag, an dem der Arbeitnehmer XY an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt bzw. ausscheidet, automatisch, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Im Fall der dauer haften Besetzung des Arbeitsplatzes behält sich der Arbeitgeber eine Ausschreibung der Stelle zum Zweck der Eignungsprüfung vor.“ •
Im Regelfall wird sich bei einer nicht unerheblichen Erkrankung eines festangestellten Arbeitnehmers nicht absehen lassen, welche Dauer die Krankheit haben wird. Grundsätzlich ist es demnach angemessen, eine Zweckbefristung zu vereinbaren. Meldet sich der erkrankte Mitarbeiter kurzfristig beim Arbeitgeber zurück, so muss der Arbeitgeber die Vertretung für die Dauer der Auslauffrist weiterbeschäftigen, obwohl der Vertretungsbedarf nicht mehr besteht.
Vertretung für Mutterschutz, Elternzeit § 21 BErzGG regelt diesbezüglich einige Besonderheiten: • Die Dauer der Befristung muss grundsätzlich kalendermäßig bestimmt sein. • Eine Zweckbefristung „bis zur Rückkehr der Schwangeren an ihren Arbeitsplatz“ nach den allgemeinen Grundsätzen ist seit der Änderung des § 21 Abs. 3 BErzGG mit Wirkung vom 1.10.1996 zulässig.
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? Vor und Nachteile •
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Der Beginn der Mutterschutzfrist richtet sich nach dem errechneten Geburtstermin des Kindes. Die Dauer der Elternzeit, die nach § 16 Abs. 1 BErzGG unter Umständen abschnittsweise genommen wird, muss vom Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin spätestens sechs Wochen vor dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Elternzeit dem Arbeitgeber gegenüber verbindlich erklärt werden, sofern die Elternzeit unmittelbar nach der Geburt des Kindes oder nach der Mutterschutzfrist beginnen soll, sonst spätestens acht Wochen vor dem Beginn (§ 16 Abs. 1 BErzGG). Zwar ist es nach dem Gesetz grundsätzlich erlaubt, einen einheitlichen befristeten Vertrag mit der Vertretung für Mutterschutz und Elternzeit zu vereinbaren. Die Schwangere hat jedoch wie geschildert das Recht, erst sechs Wochen vor der Inanspruchnahme der Elternzeit zu erklären, ob und wie lange sie in Elternzeit gehen will. Zudem können nicht vorhersehbare Probleme während der Schwangerschaft – wie etwa eine Fehlgeburt – auftreten. Es ist kaum möglich, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Vertretung die Dauer einer möglichen Elternzeit bereits datenmäßig zu bestimmen. Tipp Empfohlen wird deshalb, „für die Dauer der Mutterschutzfrist" einen ersten Vertrag mit Enddatum mit der Vertretung zu vereinbaren. Nach dem die Schwangere ihre Planung für die Elternzeit verbindlich erklärt hat, wird mit der Vertretung ein zweiter Vertrag „für die Dauer der El ternzeit" wiederum mit Enddatum geschlossen.
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Erweist es sich als schwierig oder sogar unmöglich, eine Aushilfe zu finden, die die kurzzeitige Befristung allein für die Mutterschutzfrist akzeptiert, so wird man von der Regelung des § 21 Abs. 3 BErzGG Gebrauch machen müssen. Beispiel: Der befristete Vertrag wird geschlossen: „… für die Dauer der Mutterschutzfrist der Stelleninhaberin ………....... bis zum ………......., ggf. für die Dauer der Elternzeit der Vertretenen. Das Arbeitsverhältnis endet automatisch, ohne dass es einer Kündigung be darf, mit der Rückkehr der Vertretenen an ihren Arbeitsplatz bzw. ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis.“
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Lehrer Für Lehrer gelten die oben entwickelten Grundsätze. Im Schulbereich muss jedoch die Vertretungskraft nicht einem bestimmten Arbeitnehmer zuzuordnen sein, sondern es genügt, den Vertretungsbedarf anhand der Zahl der beurlaubten Lehrer im Schulverwaltungsbezirk festzustellen31 Bis zur Obergrenze der Zahl der beurlaubten Lehrer können Vertretungskräfte befristet eingestellt werden. Die Befristung ist sogar bezogen auf das jeweilige Schuljahr zulässig, 32 wenn der Bedarf für spätere Schuljahre nicht abzusehen ist . Es soll auch nicht schaden, wenn dabei die Ausgestaltung als Zweckbefristung gewählt wird, z. B. „für die Dauer der Beurlaubung des 33 Lehrers …“ . Für den Zeitarbeitnehmer muss jedoch das Ende des Arbeitsverhältnisses frühzeitig erkennbar sein, entweder durch eine datenmäßig festgelegte Höchstbefristungsdauer oder durch eine rechtzeitige 34 Ankündigung des bevorstehenden Wegfalls des Befristungszwecks . Die Auslauffrist beträgt zwei Wochen. Aufgabenbezogene Aushilfe/zeitlich begrenzter Betriebszweck Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG liegt ein Befristungsgrund vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Zulässig sind Befristungen, wenn nur vorübergehende, zeitlich abge35 grenzte Aufgaben wahrgenommen werden sollen . Tipp Die bloße Ungewissheit über die Entwicklung der Auftragslage bzw. der Nachfrage nach Dienstleistungen und damit des zukünftigen Arbeits kräftebedarfs reicht nicht aus, um Arbeitsverträge zu befristen. Solche Umstände gehören grundsätzlich zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers, das nicht auf den Arbeitnehmer abgewälzt werden 36 darf. Dies gilt auch für den öffentlichen Dienst . 31
BAG NZA 1987, 739. BAG NZA 1987, 238. 33 BAG NZA 1987, 238. 34 BAG NZA 1985, 561. 35 LAG Frankfurt, DB 1989, 734. 32
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? Vor und Nachteile
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Beispiel: Bei der Einrichtung neuer Abteilungen in Krankenhäusern können die Arbeitsverträge nicht befristet werden mit dem Argument, man wisse nicht, ob nach einem gewissen Zeitraum eine ausreichende Auslastung der Abteilung gewährleistet sei.
Ein projektbedingter erhöhter Personalbedarf setzt die zutreffende Prognose des Arbeitgebers voraus, dass für die Beschäftigung des Arbeitnehmers über das vereinbarte Vertragsende hinaus, mit hinreichender Sicherheit kein Bedarf mehr besteht. Die Prognose ist nicht deshalb unzutreffend, weil der Arbeitnehmer nach Fristablauf aufgrund seiner Qualifikation auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Projekt hätte beschäftigt werden können. Die Prognose des 37 Arbeitgebers muss sich nur auf das konkrete Projekt beziehen . Beispiel: • Abwicklung eines größeren abgrenzbaren Bauprojekts • Durchführung der Volkszählung 2007 • Abwicklung der Bundes oder Landesgartenschau • Durchführung eines Forschungsprojekts, das für einen festgelegten Zeitraum aus öffentlichen Mitteln gefördert wird • Umstellungs , Abschluss , Auslaufarbeiten, wie Umstellung auf EDV, zügige Erledigung der Lohnsteuerjahresausgleiche bis zu einem be stimmten Termin, Arbeiten an einem Haushaltsabschluss, erhöhte Antragstellung aufgrund des Auslaufens einer gesetzlichen Regelung
Soweit bei diesen Projektbefristungen ein Enddatum ersichtlich ist, ist dieses im Vertrag zu nennen. Regelmäßig werden jedoch Zweckbefristungen angemessen sein. Auch diesbezüglich gilt: Daueraushilfen, bei denen von vornherein voraussehbar ist, dass sie weiterbe38 schäftigt werden sollen, sind unzulässig . Tipp Der befristet eingestellte Arbeitnehmer sollte nur mit Tätigkeiten des zeitlich begrenzten Projekts beschäftigt werden. 36
BAG NZA 1987, 739; NZA 1993, 1081. BAG, Urt. v. 25.08.2004 - 7 AZR 7/04, DB 2005, 502. 38 BAG DB 1985, 2151. 37
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Sinkender, steigender Arbeitskräftebedarf bei genauer Prognose Sinkender, steigender Arbeitskräftebedarf, z. B. aufgrund längerfristig greifender Rationalisierungsmaßnahmen oder einer geplanten Stellenverminderung, kann eine Befristung von Arbeitsverhältnissen nur ausnahmsweise rechtfertigen, wenn eine genaue, exakte Prognose über die Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs erstellt wurde39. Beispiel: In einem Kindergarten konnte das Arbeitsverhältnis mit einer neu ein zustellenden Erzieherin befristet werden auf den Zeitpunkt des Weg falls der von ihr zu betreuenden Gruppe. Eine genaue Prognose war möglich, da zum Einstellungszeitpunkt sowohl der Rückgang der Ge burtenzahlen im Einzugsbereich bereits konkret feststand wie auch be kannt war, zu welchem Zeitpunkt sich die Neuaufnahmen im Kinder garten und somit die Gruppenzahl reduzieren würden.
Die bloße Unsicherheit der künftigen Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs reicht jedenfalls nicht aus, um befristete Arbeitsverträge zu schließen. Dies gilt auch für die Übertragung sozialstaatlicher Auf40 gaben durch die öffentliche Verwaltung auf private Träger . Wegfall von Haushaltsmitteln Der Wegfall von Haushaltsmitteln im öffentlichen Dienst stellt generell keinen sachlichen Grund für die Befristung von Arbeitsverhältnissen dar, da der Arbeitgeber unter Umständen die Aufgaben aus 41 eigenen Mitteln fortführen kann . Die bloße Unsicherheit, ob zukünftig Haushaltsmittel gewährt werden, reicht jedenfalls nicht aus, um eine Befristung zu rechtfertigen. Auch wenn Haushaltspläne Mittel jeweils nur vorübergehend ausweisen – es also nicht sicher ist, dass sie im nächsten Haushaltsjahr weiter gewährt werden –, ist mit dieser Tatsache eine Befristung nicht zu begründen. Selbst wenn eine allgemeine Mittelkürzung zu erwarten ist oder Einsparungen allgemein 42 angeordnet werden, lässt sich eine Befristung nicht rechtfertigen . 39
BAG, Urt. v. 10.06.1992 - 7 AZR 346/91. BAG, Urt. v. 22.03.2000 - 7 AZR 758/98. 41 BAG, Urt. v. 14.01.1982, AP Nr. 64; v. 03.12.1982 AP Nr. 72 jeweils zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. 42 BAG, Urt. v. 03.12.1982, AP Nr. 72 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. 40
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Ausnahmsweise sollte nach der Rechtsprechung ein sachlicher Grund gegeben sein, wenn der Haushaltsgesetzgeber eine konkrete Haushaltsstelle allein für eine begrenzte Zeit ausweist, ohne Verlängerungen vorzusehen. Notwendig ist ein „künftig wegfallend“ Vermerk (kw-Vermerk) mit Enddatum auf der Haushaltsstelle. Unzureichend ist dagegen ein kw-Vermerk ohne Datierung. Tipp Insbesondere bei der Gewährung von Sondermitteln ist die Abgrenzung häufig schwierig. Vereinfacht ausgedrückt kann man sich merken: Wenn die Gewährung von Haushaltsmitteln und damit eine mögliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Verwaltungsermessen abhän 43 gig ist, ist eine Befristung unzulässig . Nach § 14 Abs. 1 Nr. 7 TzBfG gilt heute im Bereich des öffentlichen Dienstes aber nur dort: Wenn die Vergütung des befristet angestellten Arbeitnehmers aus einer konkreten Haushaltsstelle erfolgt, die nur be fristet bewilligt worden ist oder deren Streichung zum Ablauf der ver einbarten Befristung mit einiger Sicherheit zu erwarten ist, so ist die Befristung sachlich begründet. In diesen Fällen kann nämlich angenommen werden, der Haushaltsge setzgeber habe sich mit den Verhältnissen dieser Stelle befasst und festgestellt, dass für die Beschäftigung des Arbeitnehmers nur ein vor übergehender Bedarf besteht.
Für private, von einem Träger öffentlicher Verwaltung beauftragter Arbeitgeber gilt dagegen: Besteht eine Abhängigkeit von befristet vergebenen öffentlichen Haushaltsmitteln, so rechtfertigt dies nicht ohne Weiteres die Befristung von Arbeitsverhältnissen. Vielmehr muss der private Arbeitgeber selbst eine Prognose anstellen, ob es sich um eine Sonderaufgabe von begrenzter Dauer – bei der eine Befristung zulässig ist – oder um eine Daueraufgabe handelt. Drittmittel, Forschungsprojekte, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Bei Drittmittelfinanzierung, die vor allem im Forschungsbereich greift, wird eine Stelle von dritter Seite finanziert, weil die öffentliche Hand sie nicht selbst finanzieren kann und will. Diese Stellen werden im Regelfall – zeitlich begrenzt – besonders geschaffen. Es ist 43
Vgl. Schaub, 39, II 8 b.
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angemessen, den Bestandsschutz für die Stelle von der Gewährung der Drittmittel abhängig zu machen. Die Befristung des Arbeitsvertrags für die Dauer der Mittelzuweisung ist damit wirksam. Gleiches gilt für den Fall, in dem aus Sonderprogrammen des Landes be44 stimmte Forschungsaufgaben finanziert werden . Eigener Wunsch des Arbeitnehmers Auf ausdrücklichen Wunsch des Arbeitnehmers kann das Arbeitsverhältnis befristet werden (§ 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG – Befristung aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen). Allein aus der Annahme eines Arbeitgeberangebots auf Abschluss eines Zeitvertrags kann noch nicht geschlossen werden, dieser beruhe auf dem 45 Wunsch des Arbeitnehmers . Der Arbeitnehmer kann faktisch gezwungen sein, das Befristungsangebot des Arbeitgebers zu akzeptieren. Beispiel: Nicht zulässig wenn auch üblich ist es, den Berufsanfänger, der noch nicht seinen Grundwehrdienst abgeleistet hat, „auf seinen Wunsch" einzustellen „bis zur Einberufung zur Bundeswehr". Hier wer den eindeutig die Vorschriften des Arbeitsplatzschutzgesetzes unter laufen.
Vielmehr müssen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektive Anhaltspunkte vorliegen, aus denen gefolgert werden kann, dass der Arbeitnehmer ein Interesse gerade an einer befristeten Beschäftigung hat. Nur so lässt sich einigermaßen zuverlässig feststellen, ob es der wirkliche, vom Arbeitgeber unbeeinflusste Wunsch des Arbeitneh46 mers war, nur befristet beschäftigt zu werden . Das ist insbesondere anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen in seiner Person nur für einen begrenzten Zeitraum arbeiten will oder kann, z. B. • wegen familiärer Verpflichtungen, • wegen einer noch nicht abgeschlossenen Ausbildung oder • bis zu einem bereits geplanten Auswanderungstermin.
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BAG AP Nr. 61 zu § 620 BGB = NJW 1982, 1173. BAG DB 1982, 2708. 46 BAG AP Nr. 91 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. 45
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Tipp Aus dem Vertragswortlaut sollte sich eindeutig ergeben, dass der Zeit vertrag im Eigeninteresse des Arbeitnehmers geschlossen wurde.
Die für die betriebliche Praxis wichtigste Fallgruppe bildet die Beschäftigung von Studenten, die zur Studienfinanzierung eine bezahlte Beschäftigungsmöglichkeit suchen. Wenn der Student seine Erwerbstätigkeit immer wieder durch Abschluss befristeter Verträge den wechselnden Erfordernissen des Studiums anpassen muss – aber auch nur dann – sind diese Befristungen im Arbeitsleben üblich und 47 sachlich gerechtfertigt . Tipp Es ist zulässig, mit Studenten semesterweise befristete Arbeitsverträge zu schließen, wenn Umfang und Lage der Arbeitszeit jeweils neu nach den Studienanforderungen vereinbart werden.
Nicht im Interesse des Studenten liegt die Befristung auf ein Semester, wenn die Erwerbstätigkeit den Erfordernissen des Studiums bereits durch eine flexible Vertragsgestaltung, z. B. durch variable 48 Arbeitszeit, angepasst ist . Desgleichen ist es zulässig, Studenten mehrfach befristet während der Semesterferien zu beschäftigen. Der Arbeitgeber tut gut daran, sich bei jeder Verlängerung eine Immatrikulationsbescheinigung vorlegen zu lassen. Es ist wohl auch sachlich begründet, ein Teilzeitverhältnis für die voraussichtliche Dauer des Studiums zu vereinbaren, wobei der Umfang des Arbeitsverhältnisses den Studienzweck nicht gefährden darf. Dem Arbeitgeber kann es nicht zugemutet werden, nach Abschluss des Studiums überqualifizierte und deshalb unzufriedene 49 Mitarbeiter auf Dauer zu beschäftigen . Wiederholte, auf den jeweiligen Einsatz befristete Arbeitsverhältnisse mit Studenten hat das BAG für zulässig gehalten, da sie „im Ar50 beitsleben üblich“ seien . 47
BAG NZA 1991, 18 = DB 1990, 1874. BAG, Urt. v. 10.08.1994 - 7 AZR 695/93. 49 Vgl. BAG a. a. O. 50 BAG NZA 1991, 18. 48
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So können Studenten über Jahre hinweg immer wieder neu befristet • für jeweilige Nachtwachen bzw. • für einzelne Pflegedienstschichten angestellt werden. Eine konkrete vertragliche Festlegung erfolge wegen der wechselnden Inanspruchnahme durch das Studium in der Regel nur kurzfristig und auch nur für einen überschaubaren Zeitraum. In einem dauernden Teilzeitarbeitsverhältnis stehen dagegen nach der Rechtsprechung Studenten, die nach einer mehrwöchigen Einarbeitung in den Pool von Sitz- und Sonderwachen der Intensivstation 51 eines Klinikums aufgenommen werden . Hier besteht ein Rahmenvertrag Arbeit auf Abruf. Tipp Sobald eine Rahmenvereinbarung, und sei dies nur mündlich, im Sinne „Können wir Sie auch öfter einsetzen?" geschlossen wurde, wird man das geschilderte Dauerarbeitsverhältnis Arbeit auf Abruf annehmen müssen.
Sozialer Überbrückungsvertrag, Auslaufvertrag Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 TzBfG ist es zulässig, im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium ein befristetes Arbeitsverhältnis zu vereinbaren, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern. Die Befristung erfolgt hier aus sozialen Gründen; zu Gunsten des Arbeitnehmers kann ausnahmsweise befristet werden. Unter Einbeziehung der Rechtsprechung ist es zulässig, • dem Arbeitnehmer nach Abschluss seiner Ausbildung oder seines Studiums durch einen befristeten Arbeitsvertrag den Eintritt in das Berufsleben als soziale Überbrückungsmaßnahme zu er52 leichtern , • einem wirksam gekündigten Arbeitnehmer einen zeitlich befristeten Anschlussvertrag zur Überwindung von Übergangsschwie53 rigkeiten aus sozialen Gründen anzubieten , 51 52
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BAG, Urt. v. 19.01.1993 - 9 AZR 53/92. BAG NZA 1986, 571.
BAG AP Nr. 16 zu § 620 Befristeter Arbeitsvertrag.
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nach Auslaufen eines wirksam befristeten Arbeitsverhältnisses einen befristeten Anschlussvertrag zu vereinbaren, um dem Arbeitnehmer die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses zu 54 erleichtern . Angebliche soziale Erwägungen des Arbeitgebers dürfen dabei nicht zum Vorwand für den Abschluss befristeter Arbeitsverträge genommen werden. Gerade die sozialen Belange des Arbeitnehmers müssen für den Abschluss des Arbeitsvertrags ausschlaggebend gewesen sein. Die betrieblichen Belange brauchen allerdings nicht ganz außer Betracht zu bleiben. Eine sinnvolle Beschäftigung des Arbeitnehmers darf möglich sein. Tipp Nur wenn anzunehmen ist, dass es ohne den sozialen Überbrückungs zweck überhaupt nicht auch nicht befristet zum Abschluss eines Ar beitsvertrags gekommen wäre, ist eine Befristung aus sozialen Gründen 55 gerechtfertigt . Hierfür ist der Arbeitgeber beweispflichtig.
Saisonaler Einsatz, Eigenart der Arbeitsleistung Nach § 14 Abs. 2 Nr. 4 TzBfG kann die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigen. Mit Saisonkräften, die zwar regelmäßig, aber nur saisonal als Arbeitskräfte tätig werden, können befristete Arbeitsverträge geschlos56 sen werden . In Saisonbetrieben steigt die Beschäftigtenzahl des Betriebs aufgrund der Betriebsstruktur während der Saison nicht nur geringfügig. Als Saisonarbeit angesehen werden kann • die Tätigkeit des Bademeisters für die Sommersaison im Freibad, • die Anstellung in Fremdenverkehrsbetrieben wie Hotels, Gaststätten in Urlaubs- und Erholungsgebieten, • die Beschäftigung zusätzlichen Personals während der Sommerzeit im Fremdenverkehrsamt • bzw. im Winter in den Skigebieten. 54
BAG AP Nr. 54 und 60 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. BAG AP Nr. 88, 91 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; NZA 1988, 546. 56 BAG, Urt. v. 20.10.1967, AP Nr. 30 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; v. 29.01.1987, AP Nr. 1 zu 620 BGB Saisonarbeit. 55
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Welche Möglichkeiten bieten befristete Arbeitsverträge?
Nicht zu Saisonbetrieben zählen Unternehmen des Baugewerbes. Im Regelfall sollte eine Zeitbefristung vereinbart werden, d. h. die Saison muss durch Kalenderdaten begrenzt sein. Wird der Arbeitnehmer mehrfach zur Saison eingestellt, kann aus Gründen des Vertrauensschutzes ein Wiedereinstellungsanspruch bestehen, etwa wenn alle anderen Arbeitnehmer Jahr für Jahr in der 57 Saison wieder eingestellt werden . Künstler, Eigenart der Arbeitsleistung In bestimmten Branchen, in denen wegen des Publikumsgeschmacks oder der Aktualität ein Abwechslungsbedürfnis besteht, dürfen regelmäßig Zeitarbeitsverträge abgeschlossen werden (§ 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG – Eigenart der Arbeitsleistung). Betroffen sind vor allem Arbeitsverträge mit • Künstlern im Unterhaltungsgewerbe, • Musikern, • Schauspielern, • Sängern, • Regisseuren, • Redakteuren bei Funk und Fernsehen. Beispiel: Die Schauspieler am Stadttheater werden für bestimmte Spielzeiten verpflichtet. Aus Gründen der Programmgestaltung können Verträge mit Mitarbei 58 tern von Rundfunkanstalten befristet werden .
Gerichtlicher/außergerichtlicher Vergleich Nach § 14 Abs. 1 Nr. 8 TzBfG ist die Befristung in einem gerichtlichen Vergleich zulässig, vor allem wenn dadurch der Streit um die Wirksamkeit einer Kündigung beendet wird. Gleiches muss für den außergerichtlichen Vergleich gelten, zumindest dann, wenn beide Parteien anwaltlich vertreten sind. Der Katalog des § 14 Abs. 1 TzBfG ist nicht abschließend. 57 58
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BAG, Urt. v. 29.01.1987, AP Nr. 1 zu § 620 BGB Saisonarbeit. BAG, Urt. v. 28.06.1983, AP Nr. 4 zu Art. 5 Abs. 1 GG Rundfunkfreiheit; v. 11.12.1991, EzA § 620 BGB Nr. 112.
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? Vor und Nachteile
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Wissenschaftliches Personal Für die nach dem 26.6.1986 mit wissenschaftlichem Personal abgeschlossenen Verträge gelten die §§ 57 a-f Hochschulrahmengesetz (HRG) sowie das Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem Personal in Forschungseinrichtungen. Die gesetzliche Regelung bezieht sich auf befristete Arbeitsverträge, die die Hochschulen abschließen mit • wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeitern (§ 53 HRG), • Lehrkräften für besondere Aufgaben (§ 56 HRG) sowie • wissenschaftlichen und künstlerischen Hilfskräften (§ 57a HRG). Des Weiteren gilt das Gesetz für befristete Arbeitsverträge, die Professoren, die Aufgaben ihrer Hochschule selbstständig erfüllen, mit aus Drittmitteln vergüteten Mitarbeitern abschließen. Arbeitgeber ist hier das Hochschulmitglied, der Professor (§ 57c HRG). Technisches Personal oder Verwaltungspersonal wird nicht erfasst. Die im Gesetz aufgeführten Befristungsgründe sind derart weit gefasst, dass kaum eine Befristung unzulässig ist. So ist ausreichend, dass • die Tätigkeit der beruflichen Fort- oder Weiterbildung des befristet beschäftigten Mitarbeiters dient, • die Vergütung des Mitarbeiters aus Mitteln erfolgt, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, • der Mitarbeiter besondere Kenntnisse und Erfahrungen in der Forschungsarbeit erwerben oder vorübergehend in sie einbringen soll, • der Mitarbeiter überwiegend aus Drittmitteln vergütet wird, usw. Mehrfachbefristungen sind zulässig bis zur Höchstgrenze von grundsätzlich fünf Jahren, wobei Promotions- bzw. Beurlaubungszeiten nicht angerechnet werden. Ärzte in der Weiterbildung (Facharztausbildung) Nach dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung vom 15.5.1986 ist die Befristung eines Arbeitsvertrags bis zu acht Jahren gerechtfertigt, wenn die Beschäftigung des Arztes • seiner Weiterbildung zum Gebietsarzt (z. B. Facharzt für Chirurgie) oder
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Welche Möglichkeiten bieten befristete Arbeitsverträge? •
dem Erwerb einer Anerkennung für ein Teilgebiet oder • dem Erwerb einer Zusatzbezeichnung (z. B. Facharzt für Chirurgie insbes. Handchirurgie) dient. Selbst wenn die eingeräumte Zeitspanne nicht ausreichend ist, sollen 59 Befristungen zulässig sein .
4.3
Wege der betrieblichen Umsetzung
Neben der Notwendigkeit eines besonderen Rechtfertigungsgrundes für den befristeten Vertrag enthält das Teilzeit- und Befristungsgesetz allgemeine Regelungen zu befristeten Verträgen, die für beide Befristungsarten Anwendung finden.
4.3.1
Diskriminierungsverbot
Ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Befristung des Arbeitsvertrags nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG). Insbesondere muss einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung, die für einen bestimmten Bemessungszeitraum gewährt wird, in anteiligem Umfang gewährt werden (§ 4 Abs. 2 Satz 2 TzBfG). Tipp Befristet eingestellte Arbeitnehmer müssen eingruppiert werden und erhalten das sich daraus ergebende TVöD Entgelt.
Bezüglich der betrieblichen Altersversorgung – hier der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes – müssen befristet Beschäftigte nicht generell mit unbefristet eingestellten Arbeitnehmern gleichbehandelt werden. Die Zusatzversorgung wird vor allem gewährt, um eine gewisse Betriebstreue der Mitarbeiter zu erreichen und zu honorieren. Dieses Ziel besteht kaum bei kurzfristig sozialversicherungsfrei befristet eingestellten Aushilfen, die der ATV ausschließt. Es besteht demnach ein Grund für die unterschiedliche Behandlung. 59
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LAG Berlin, BB 1991, 1569.
Wege der betrieblichen Umsetzung
4.3.2
4
Informationspflichten des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber hat die befristet beschäftigten Arbeitnehmer über entsprechende unbefristete Arbeitsplätze zu informieren, die besetzt werden sollen. Die Information kann durch allgemeine Bekanntgabe an geeigneter, den Arbeitnehmern zugänglicher Stelle – also durch Aushang – im Betrieb und Unternehmen erfolgen (§ 18 TzBfG). Darüber hinaus hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmervertretung (Personal- und Betriebsrat, Mitarbeitervertretung) über die Anzahl der befristet beschäftigten Arbeitnehmer und ihren Anteil an der Gesamtbelegschaft des Betriebs und des Unternehmens zu informieren (§ 20 TzBfG).
4.3.3
Angemessene Aus und Weiterbildung
Der Arbeitgeber hat Sorge zu tragen, dass auch befristet Beschäftigte an angemessenen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen zur Förderung der beruflichen Entwicklung und Mobilität teilnehmen können, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe oder Aus- und Weiterbildungswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen (§ 19 TzBfG), z. B. ein eingeschränktes Fortbildungsbudget.
4.3.4
Formen der Zeitbestimmung
Zu unterscheiden sind – auch nach dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) – zwei Arten der Befristung, Zeit- und Zweckbefristung. Zeitbefristung Befristungen für eine bestimmte Dauer – mit Enddatum – sind grundsätzlich zulässig. Der Arbeitsvertrag muss für einen kalendermäßig genau festgelegten Zeitraum (Tag, Woche, Monat, Jahr usw.) geschlossen werden. Beispiel: Die Formulierung lautet regelmäßig: „Das Arbeitsverhältnis endet am 31.8.2006, ohne dass es einer Kündigung bedarf."
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Welche Möglichkeiten bieten befristete Arbeitsverträge?
Voraussetzung ist, dass die Dauer eindeutig ersichtlich ist. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, z. B. bei Einstellung „für 5-6 Wochen“, gilt das Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Als zulässig wird auch eine Befristung „für eine bestimmte Saison" angesehen, wenn die Saison objektiv, d. h. nach Kalenderdaten, bestimmbar ist, bei z. B. einer Einstellung für die Bädersaison. Nicht ausreichend ist die Befristung für eine unbestimmte Zeit, so für „den Sommer“, „die heißen Tage“. Beispiele für Zeitbefristungen sind: • Erprobung des Mitarbeiters, • Vertretung für Mutterschutz, Erziehungsurlaub, • Vertretung für Urlaub, Elternzeit. Zweckbefristung Befristungen nach einem bestimmten Zweck des Arbeitsverhältnisses sind ebenfalls grundsätzlich zulässig, soweit sich die Dauer der Arbeitsleistung objektiv aus dem Zweck ergibt, z. B. bei einer Einstellung zur Pflege eines Schwerkranken bis zur Genesung oder zum Tod des Betroffenen. Beide Vertragsparteien müssen sich darüber einig sein, dass die Dauer des Arbeitsverhältnisses von seinem Zweck abhängig sein soll. Die einseitig durch den Arbeitgeber geäußerte Zwecksetzung reicht nicht aus. Beispiel: Zweckbefristungen sind nur zulässig, soweit sich die Dauer nicht aus dem Kalender entnehmen lässt!
Die Wirksamkeit einer Zweckbefristung setzt neben dem Vorliegen eines sachlich gerechtfertigten Grundes zusätzlich voraus, dass der Zeitpunkt der Zweckerreichung für den Arbeitnehmer frühzeitig erkennbar ist, d. h. vom Arbeitgeber rechtzeitig angekündigt wird. Die Dauer der erforderlichen sog. Ankündigungs- bzw. Auslauffrist ist nach § 15 Abs. 2 TzBfG auf zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber festgelegt worden.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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Tipp Im TVöD muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsvertrag zweckbefristet ist, den Zeitpunkt der Beendigung spätestens zwei Wo chen vorher schriftlich mitteilen. Der Anspruch auf Zahlung der Vergü tung erlischt frühestens zwei Wochen nach Zugang dieser Mitteilung.
Schriftform für befristete Verträge Die Befristung eines Arbeitsvertrags bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Vorschriften reicht es aus, wenn die Befristungsabrede als solche schriftlich geschlossen wird. Tipp Ist die Befristung lediglich mündlich vereinbart, so ist sie unwirksam, § 125 BGB. Das Arbeitsverhältnis wird als unbefristetes aufrecht erhal ten.
Schriftform bedeutet, das Schriftstück muss eigenhändig unterschrieben sein (§ 126 BGB). Telefax, E-Mail und ähnliche Dinge reichen zur Zeit nicht aus. 60 Nach der Rechtsprechung des BAG kann ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis auch nach Antritt der Arbeit nicht geheilt werden. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 14 Abs. 4 TzBfG i. V. m. § 125 BGB, der für diesen Fall die Unwirksamkeit der Befristungsabrede, damit ein unbefristetes Arbeitsverhältnis anordnet, ist eine nachträgliche schriftliche Bestätigung nicht ausreichend, um die Anforderungen des § 14 Abs. 4 TzBfG zu erfüllen. Die schriftliche Bestätigung ist als Neuabschluss eines befristeten Vertrags einzuordnen und damit als Ablösung des bestehenden unbefristeten Vertrags nur zulässig, wenn zu diesem Zeitpunkt ein sachlicher Befristungsgrund besteht. Ohne sachlichen Grund ist jedoch eine Anschlussbefristung nicht zulässig, da zum Zeitpunkt der Bestätigung eine Neueinstellung nicht vorliegt (vgl. § 14 Abs. 2 TzBfG). Das Schriftformerfordernis nach § 14 Abs. 4 TzBfG gilt nur für die Vereinbarung der Befristung selbst, d. h. der Dauer des Arbeitsver-
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BAG, Urt. v. 01.12.2004 - 7 AZR 198/04.
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Welche Möglichkeiten bieten befristete Arbeitsverträge?
hältnisses. Der Befristungsgrund muss bei zeitbefristeten Verträgen nicht schriftlich vereinbart werden61. Angabe des Befristungsgrundes im Arbeitsvertrag Der Befristungsgrund sollte konkret im Arbeitsvertrag benannt werden. Auch wenn die Rechtsprechung dies nicht fordert62, wird immer wieder verlangt, dass der Mitarbeiter den Befristungsgrund bei Vertragsschluss kennen muss, so bei der Probezeitbefristung und bei der Befristung auf Wunsch des Mitarbeiters. Beispiel: Um nicht später in Beweisschwierigkeit zu geraten, sollte in TVöD Arbeitsverträgen der sachliche Grund wie folgt angegeben werden. „Der Mitarbeiter wird eingestellt zur Vertretung des erkrankten Arbeit nehmers ………………… von ………… bis ………/zweckbefristet bis zur Rückkehr des erkrankten Arbeitnehmers an seinen Arbeitsplatz bzw. dessen Ausscheiden.“ …
Bei zweckbefristeten Verträgen hat das BAG ausdrücklich verlangt, dass der Vertragszweck – also der sachliche Grund – schriftlich ver63 einbart werden muss. Dauer der Befristung Die angemessene Dauer nicht überschreiten, „die Befristungsdauer muss mit dem Befristungsgrund im Einklang stehen“.64 Bereits beim Abschluss des jeweiligen Vertrags muss ersichtlich sein, dass auch die vereinbarte Zeitdauer angemessen ist. Beispiel: Wenn ein Forschungsprojekt von vornherein auf drei Jahre konzipiert ist, kann der in dem Projekt beschäftigte Mitarbeiter nicht ohne Wei teres auf ein Jahr befristet eingestellt werden.
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BAG, Urt. v. 23.06.2004 - 7 AZR 636/03. Vgl. BAG, Urt. v. 08.12.1988 - 2 AZR 308/88. 63 BAG, Urt. v. 21.12.2005 – 7 AZR 541/04. 64 BAG AP Nr. 40, 56, 62, 124 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. 62
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Wege der betrieblichen Umsetzung
4
Das BAG prüft allerdings nicht mehr isoliert, ob die Laufzeit sachlich gerechtfertigt ist, sondern weist der Befristungsdauer nur noch 65 im Rahmen der Prüfung des sachlichen Grundes Bedeutung zu. Das bloße Zurückbleiben der vereinbarten Vertragsdauer hinter der bei Vertragsschluss voraussehbaren Dauer des Befristungsgrundes ist nicht ohne Weiteres geeignet, den Sachgrund der Befristung in Frage 66 zu stellen. Tipp Für den Sachgrund „Vertretung" hat das BAG entschieden, die vertrag lich vereinbarte Befristungsdauer bedürfe keiner eigenen sachlichen 67 Rechtfertigung.
Rechtsfolgen unwirksamer Befristung Bei wirksamer Befristung endet das Arbeitsverhältnis automatisch, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Genügt die Begründung für eine Befristung nicht den Anforderungen einer sachlichen Rechtfertigung oder liegen die Voraussetzungen einer erleichterten Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG oder § 14 Abs. 3 TzBfG nicht vor, so ist die Befristungsabrede nach § 16 Satz 1 TzBfG unwirksam. Damit ist ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zustande gekommen, das nur durch Kündigung aufgelöst werden kann. Es kann vom Arbeitgeber frühestens zum vereinbarten Ende ordentlich gekündigt werden, sofern nicht das Recht zur ordentlichen Kündigung ausdrücklich – durch Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag – vereinbart war. Ist die Befristung nur wegen des Mangels der Schriftform unwirksam, so kann der Arbeitsvertrag auch vor dem vereinbarten Ende ordentlich gekündigt werden (§ 16 Satz 2 TzBfG). Mehrere befristete Verträge, sog. Kettenarbeitsverhältnisse Werden hintereinander geschaltet mit demselben Arbeitnehmer mehrere befristete Arbeitsverträge geschlossen, so wird dadurch die generelle Vermutung, dass Kündigungsschutzbestimmungen umgangen werden
65
BAG, Urt. v. 26.08.1988 - 7 AZR 101/88. BAG, Urt. v. 26.08.1988 - 7 AZR 101/88. 67 BAG, Urt. v. 13.10.2004 - 7 AZR 654/03. 66
73
4
Welche Möglichkeiten bieten befristete Arbeitsverträge?
sollen, bestärkt. An die innere sachliche Berechtigung solcher Verlängerungen ist deshalb ein besonders strenger Prüfungsmaßstab zu legen. Mit zunehmender Zahl von Befristungen steigen die Anforderungen an die sachliche Rechtfertigung des zuletzt abgeschlossenen Vertrags. Nur dieser ist für die Befristungskontrolle entscheidend. Denn bei längerer Betriebszugehörigkeit verfestigt sich der Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses. Reicht die „sachliche Rechtfertigung“ einer Verlängerungsabrede nicht aus, so gilt auch hier das Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit geschlossen: Ein unzulässiges Kettenarbeitsverhältnis liegt vor. Frist zur Klageerhebung Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrages beim Arbeitsgericht Klage auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist (§ 17 TzBfG). Wird das Arbeitsverhältnis nach dem vereinbarten Ende fortgesetzt, so beginnt die Drei-Wochen-Frist mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der 68 Befristung beendet sei. Tipp Vereinbart ein Arbeitgeber nach einer unwirksamen Befristung mit dem Mitarbeiter erneut ein isoliert betrachtet wirksames befristetes Ar beitsverhältnis mit sachlichem Grund, so ist nach Ablauf von drei Wo chen die Möglichkeit entfallen, die Unwirksamkeit der Befristung des 69 vorangehenden Vertrags geltend zu machen.
Vertragsgestaltung Grundsätzlich sollte jeder befristete Arbeitsvertrag folgende Vereinbarungen enthalten: • die Form der Befristung: − Befristung mit Enddatum (Zeitbefristung) bzw. − Zweckbefristung, 68 69
74
BAG AP Nr. 54 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. BAG, Urt. v. 22.03.2000 - 7 AZR 581/98.
Wege der betrieblichen Umsetzung
4
•
den Grund für die Befristung: − Befristung nach "§ 14 Abs. 2 TzBfG oder § 14 Abs. 3 TzBfG" oder − Vorliegen eines sachlich gerechtfertigten Grundes aus der anerkannten Typologie, Darüber hinaus ist es sinnvoll, standardisiert weitere Abreden aufzunehmen, soweit die in den Absätzen zwei bis fünf des § 30 TVöD geregelten Besonderheiten keine Anwendung finden: • Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechts, • Vereinbarung einer Probezeit bei längerer Befristungsdauer. Schließlich sollte in allen Verträgen geregelt sein • die Vereinbarung der Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung für Verlängerungen. Im Übrigen richtet sich der Inhalt des befristeten Vertrags nach den auch bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen üblichen Vereinbarungen.
75
5
Führung auf Probe/Führung auf Zeit
Wie im Kapitel 4 beschrieben, bietet die Befristung von Arbeitsverträgen dem Arbeitgeber die Möglichkeit, Schwankungen im Arbeitsbedarf auszugleichen. Welche besonderen Regelungen der TVöD darüber hinaus für Führungskräfte vorsieht, zeigt das folgende Kapitel.
5.1
Wie ist der tarifliche Stand?
Mit den Vorschriften zur Führung auf Probe (§ 31) und Führung auf Zeit (§ 32 TVöD) haben die Tarifvertragsparteien völlig neue Regelungen zur befristeten Besetzung von Führungspositionen geschaffen. Beide Instrumente können sowohl mit neu eingestellten – also externen Bewerbern – als auch mit internen Bewerbern vereinbart werden.
5.2 Verlängerte Probezeit
76
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? Vorteile und Nachteile
Mit der Möglichkeit der Führung auf Probe – bis zu zwei Jahren – bietet der Tarifvertrag den Arbeitgebern ein wichtiges Instrument zur Erprobung der Beschäftigten in Führungspositionen. Die Führung auf Probe stellt praktisch eine verlängerte Probezeit dar, um den Bewerber/Beschäftigten sorgfältiger beobachten und ihn durch geeignete Hilfen besser auf die Führungsaufgabe vorbereiten zu können. Im Unterschied zur Führung auf Zeit zielt die Führung auf Probe grundsätzlich auf ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis bzw. eine dauerhafte Übertragung der Führungsposition.
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? Vorteile und Nachteile
Ziel der Tarifvertragsparteien bei Schaffung der – bis zu vier Jahren und mit Verlängerungen bis zu längstens zwölf Jahre zulässigen – Führung auf Zeit war es, dass sich der Arbeitgeber von Führungskräften ohne Ausspruch einer Kündigung und ohne Zahlung einer Abfindung trennen kann. Die Regelung des § 32 TVöD soll nach dem Willen der Tarifvertragsparteien dazu beitragen, dass • der befristete Wechsel in Führungsaufgaben von Arbeitgeber und Beschäftigen als normales Geschehen begriffen und vom Makel des Scheiterns befreit wird und • insbesondere bei der Verwaltung im öffentlichen Dienst unterhalb der Ebene der Wahlbeamten eine weitere Ebene mit zeitlicher Befristung von Führungsaufgaben eingezogen werden kann. Im Unterschied zur Führung auf Probe zielt die Führung auf Zeit grundsätzlich auf ein befristetes Arbeitsverhältnis bzw. – bei bereits vorhandenen Beschäftigten – auf die nur befristete Übertragung einer Führungsposition im Rahmen eines ansonsten unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Führungspositionen im Sinne der §§ 31, 32 TVöD sind nach der Definition in Abs. 2 der genannten Vorschriften „die ab Entgeltgruppe 10 zugewiesenen Tätigkeiten mit Weisungsbefugnis“. Nach der geplanten neuen Entgeltordnung sind dies Tätigkeiten mit Fachhochschulausbildung in der ersten Heraushebungsstufe. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Der Beschäftigte muss eine Tätigkeit der Entgeltgruppe 10 oder höher ausüben und im Rahmen dieser Tätigkeit auch Weisungsbefugnis innehaben. Erst diese macht schließlich die Führung aus, die erprobt bzw. befristet werden soll.
5 Wechsel in Führungs aufgaben
Tipp Weder im Tarifvertragstext noch in den Sitzungsprotokollen ist be stimmt, für wie viele Beschäftigte die Weisungsbefugnis bestehen muss. Gerade bei kleineren Einheiten wird davon auszugehen sein, dass es bereits ausreicht, wenn Weisungsbefugnis gegenüber einem anderen Beschäftigten besteht.
77
5
Führung auf Probe/Führung auf Zeit
Beispiel: Nach den derzeit noch gültigen Eingruppierungsvorschriften beginnt die Ebene der Führungspositionen im Sinne der §§ 31, 32 TVöD bereits bei • Technischen Angestellten mit besonderen Leistungen wie z.B. der Mitwirkung bei Leitung von schwierigen Bauten • In Sparkassen bei Gruppenleitern, die unterhalb der Abteilungsleiter und Geschäftsstellenleiter angesiedelt sind • Beschäftigungstherapeuten, Diätassistenten mit Weisungsbefugnis, leitenden Krankengymnasten. Ob in diesen Bereichen die Führung auf Probe/Führung auf Zeit praxis relevant werden wird, oder die genannten Instrumente nur bei höher zu bewertenden Führungsfunktionen eine Rolle spielen, bleibt abzuwarten.
Wird dem Beschäftigten eine Tätigkeit mit Weisungsbefugnis in einer niedrigeren als der Entgeltgruppe 10 übertragen, liegt keine Führungsposition im Sinne der §§ 31, 32 TVöD vor. In diesem Fall richtet sich die bloß vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit nach § 14 TVöD. Nach der Rechtsprechung des BAG zur „Vorläufer-Vorschrift“ in § 24 BAT kann der Arbeitgeber in Ausübung des Direktionsrechts einem Beschäftigten eine höherwertige Tätigkeit vorübergehend übertragen. Die Entscheidung hat im Rahmen billigen Ermessens – 70 unter Abwägung der beiderseitigen Interessen – zu erfolgen. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, bei Besetzung einer Führungsposition von den genannten Instrumenten Gebrauch zu machen. Der Tarifvertrag gibt lediglich die Option, die Position (zunächst) nur befristet zu besetzen. Die Regelungen zur Führung auf Probe und Führung auf Zeit sind befristungsrechtlich höchst problematisch, was im Einzelnen unten dargestellt ist.
70
78
BAG, Urt. v. 17.04.2002 – 4 AZR 174/01.
5
Wege der betrieblichen Umsetzung
5.3 5.3.1
Wege der betrieblichen Umsetzung Führung auf Probe
Bei der Vereinbarung von Führung auf Probe unterscheidet man die Vorgehensweisen bei externen und bei internen Bewerbern. Nach § 31 Abs. 1 TVöD können Führungspositionen als befristetes Arbeitsverhältnis bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren vereinbart werden. Innerhalb dieser Gesamtdauer ist eine höchstens zweimalige Verlängerung des Arbeitsvertrags zulässig.
Externe Bewerber
Zulässigkeit der Befristung § 31 TVöD enthält keine Regelungen hinsichtlich des Abschlusses, insbesondere der Zulässigkeit eines befristeten Arbeitsvertrags zur Führung auf Probe, so dass die von der Rechtsprechung zu § 14 TzBfG entwickelten Grundsätze anzuwenden sind. Die Führung auf Probe stellt nach dem Willen der Tarifvertragsparteien keine sachgrundlose Befristung dar, sondern eine Befristung mit dem Sachgrund der Erprobung im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG. Nach der Rechtsprechung des BAG kann die Probezeit, um die Eignung eines Beschäftigten festzustellen, nur für eine angemessene Zeitspanne vereinbart werden. Grundsätzlich ist die Probezeit auf längstens sechs Monate begrenzt. Bei besonderen Anforderungen des Arbeitsplatzes kann von diesem Grundsatz abgewichen werden. Insbesondere hat das BAG anerkannt, dass die einschlägigen Tarifverträge Anhaltspunkte dafür liefern können, welche zeitliche Dauer der Probezeit angemessen ist. Nach Einschätzung der Tarifvertragsparteien ist eine bis zu zweijährige Probezeit angemessen, um die Geeignetheit für eine Führungsposition zu prüfen, bei der die Anforderungen insbesondere im Hinblick auf das Führen, Leiten, Organisieren und Motivieren von Menschen erheblich komplexer und aufwändiger sind. Ob das BAG die bis zu zwei Jahren dauernde Erprobung akzeptieren wird, bleibt abzuwarten.
79
5
Führung auf Probe/Führung auf Zeit
Bisher hat das BAG längere Probezeitbefristungen z. B. im Manteltarifvertrag für die Orchester- und Chormitglieder des Westdeutschen Rundfunks für zulässig gehalten, wonach die Probezeit • für künstlerisches und wissenschaftliches Personal bis zu zwölf Monate und • für Orchester- und Chormitglieder bis zu 18 Monate beträgt. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Beurteilung in diesen Bereichen schwierig und kaum objektivierbar ist und ausreichend Zeit gegeben werden soll für einen „künstlerischer Eingliede71 rungs- und Bewährungsprozess“. Ein weiteres Argument für die Zulässigkeit der Erprobungszeit von bis zu zwei Jahren ergibt sich aus dem Koalitionsvertrag (B.I.2.7.1): Nach der geplanten Änderung des Kündigungsschutzgesetzes wird den Arbeitgebern die Option an die Hand gegeben, anstelle der gesetzlichen Regelwartezeit von sechs Monaten für das Einsetzen des allgemeinen Kündigungsschutzes eine Wartezeit von bis zu 24 Monaten zu vereinbaren. Damit kann zukünftig durch die tariflich vorgesehene Befristung auch nicht mehr in unzulässiger Weise der allgemeine Kündigungsschutz umgangen werden. Tipp Der Arbeitgeber kann muss aber nicht die zwei Jahre ausschöp fen. Er hat die Möglichkeit, mit dem Beschäftigten kürzere Ab schnitte zu vereinbaren und diese bis zu zwei Mal zu verlängern. Ggf. wird auch je nach Stellung der Führungskraft in der betriebli chen Hierarchie eine Abstufung erfolgen müssen, so dass bei „einfa cheren“ Führungspositionen nicht die vollen zwei Jahre ausge schöpft werden können. Besteht der Beschäftigte die Erprobungsphase, so wird er die Führungsposition in der Regel auf Dauer erhalten. Bei erfolglos verlaufener Probezeit endet das Arbeitsverhältnis zur Führung auf Probe mit Fristablauf.
71
80
BAG, Urt. v. 12.09.1996 – 7 AZR 31/96, AP Nr. 27 zu § 611 BGB.
5
Wege der betrieblichen Umsetzung
Vergütung bei Ausübung der Führungsposition Der externe Bewerber wird entsprechend der übertragenen Tätigkeitsmerkmale in die Entgeltgruppen des TVöD eingruppiert und erhält das monatliche Entgelt. Auch einem internen Bewerber, einem Beschäftigten, der bereits im Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber steht, kann eine Führungsposition befristet bis zu längstens zwei Jahre zur Probe übertragen werden.
Interne Bewerber
Befristete Übertragung der Führungsposition Die Übertragung der Führungsposition erfolgt regelmäßig in Form einer befristeten Änderung des Arbeitsvertrages. Zwar kann der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des BAG einem Beschäftigten einer höherwertige Tätigkeit vorübergehend im Rahmen des Direk72 tionsrechts zuweisen – auch § 31 Abs. 3 TVöD spricht vom „Übertragen“ der Führungsfunktion. Zu beachten ist jedoch, dass die Führung auf Probe auf eine dauerhafte Übertragung der Führungsposition abzielt und diese nur einvernehmlich – also mit Zustimmung des Beschäftigten – erfolgen kann. Tipp Bei einer befristeten Übertragung der Führungsposition an einen bereits beschäftigten Mitarbeiter wird nicht das Arbeitsverhältnis als solches, sondern lediglich einzelne Arbeitsbedingungen – hier die auszuübende Tätigkeit – befristet. Seit In Kraft Treten des Schuldrechtsmodernisie rungsgesetzes erfolgt die Kontrolle der befristeten Änderung einzelner Arbeitsbedingungen nicht mehr nach den Grundsätzen des Befri stungsrechts, sondern nach den Grundsätzen der sog. AGB Kontrolle, 73 der Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen. Die Befristung darf den Beschäftigten nicht unangemessen benachteiligen. Eine umfassen de Abwägung der beiderseitigen Interessen ist vorzunehmen.
Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung dürften jedoch die gleichen Grundsätze wie bei der befristeten Einstellung einer Führungskraft auf Probe anzuwenden sein. Die Tarifvertragsparteien haben die angemessene Dauer für die Erprobungsphase in 72 73
BAG, Urt. v. 17.04.2002 - 4 AZR 174/01. BAG, Urt. v. 27.07.2005 – 7 AZR 486/04.
81
5
Führung auf Probe/Führung auf Zeit
Führungspositionen auf bis zu zwei Jahre festgelegt. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen oben verwiesen. Tipp Auch wenn das zwingende Schriftformerfordernis für befristete Verträ ge (§ 14 Abs. 4 TzBfG) vorliegend nicht einschlägig ist, ist aus Gründen der Rechtssicherheit und Klarheit zu empfehlen, die vorübergehende Übertragung der Führungsposition zur Probe schriftlich zu fixieren! •
•
Nach Ablauf der vereinbarten Frist endet die Erprobung. Bei Bewährung wird dem Beschäftigten die Führungsposition auf Dauer übertragen (§ 31 Abs. 3 Satz 3 TVöD). Hat sich der Beschäftigte nicht bewährt, so erhält er/sie „eine der bisherigen Eingruppierungen“, also der vor Übertragung der Führungsposition ausgeübten Funktion entsprechende Tätigkeit (§ 31 Abs. 3 Satz 4 TVöD).
Vergütung bei der Führung auf Probe Der Beschäftigte hat für die Dauer der befristeten Übertragung der Führungsposition Anspruch auf • das Entgelt seiner bisherigen Entgeltgruppe sowie • „eine Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den Entgelten nach der bisherigen Entgeltgruppe und dem sich bei Höhergruppierung nach § 17 Abs. 4 Satz 1 und 2 ergebenden Entgelt“. Beispiel: (TVöD VKAWest) Ein Beschäftigter übt bisher eine Tätigkeit der EGr. 9 aus und ist in Stufe 3 eingestuft (monatliches Entgelt: 2.410,00 EUR). Er übernimmt im Rahmen der Führung auf Probe eine Tätigkeit, die EGr. 10 entspricht. Bei einer Höhergruppierung wäre der Beschäftigte in der EGr. 10 eben falls der Stufe 3 zuzuordnen (Entgelt: 2.600,00 EUR). Der Beschäftigter erhält damit für die Dauer der befristeten Übertra gung der Führungsposition Entgelt aus der EGr. 9 Stufe 3 2.410,00 EUR und die Zulage in Höhe von 190,00 EUR insgesamt
82
2.600,00 EUR
5
Wege der betrieblichen Umsetzung
5.3.2
Führung auf Zeit
Auch bei der Führung auf Zeit sind sowohl bei Gestaltung des Arbeitsvertrages als auch beim Entgelt Unterschiede zwischen externen und internen Bewerbern zu beachten. Zulässigkeit und Dauer der Befristung
Externe Bewerber
Nach § 32 Abs. 1 TVöD können Führungspositionen als befristetes Arbeitsverhältnis bis zur Dauer von vier Jahren vereinbart werden. Folgende Verlängerungen sind nach dem Wortlaut der Vorschrift zulässig: • bei Übertragung einer Führungsposition der EGr. 10-12 – nach der geplanten neuen Entgeltordnung der Ebene der Fachhochschulabsolventen mit Heraushebungsmerkmalen – eine höchstens zweimalige Verlängerung bis zu einer Gesamtdauer von acht Jahren (§ 32 Abs. 1 Satz 2 lit. a. TVöD), • bei Übertragung einer Führungsposition der EGr. 13-15 – der Ebene der Hochschulabsolventen – eine höchstens dreimalige Verlängerung bis zu einer Gesamtdauer von zwölf Jahren (§ 32 Abs. 1 Satz 2 lit. b. TVöD). Dabei können Zeiten in einer Führungsposition nach § 32 Abs. 1 lit. a. TVöD bei demselben Arbeitgeber auf die Gesamtdauer zur Hälfte angerechnet werden. § 32 TVöD enthält keine Regelungen hinsichtlich des Abschlusses, insbesondere der Zulässigkeit eines befristeten Arbeitsvertrags zur Führung auf Zeit. Die von der Rechtsprechung zu § 14 TzBfG entwickelten Grundsätze sind anzuwenden. Nach dem bei Drucklegung noch gültigen § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG kann der Arbeitsvertrag mit einem Beschäftigten, der bisher nicht im Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber stand, bis zur Höchstdauer von zwei Jahren ohne sachlichen Grund befristet werden. Durch Tarifvertrag kann die Höchstdauer der Befristung abweichend festgelegt werden (§ 14 Abs. 2 Satz 3 TVöD). Die Tarifvertragsparteien haben von dieser Öffnungsklausel Gebrauch gemacht, so dass bei neu eingestellten Mitarbeitern sich derzeit eine vierjährige bzw. über die Verlängerungsoptionen länger dauernde Befristung wohl noch rechtfertigen lässt.
83
5
Führung auf Probe/Führung auf Zeit
Achtung: Nach dem Koalitionsvertrag vom 11.11.2005 (B.I.2.7.1) wird die Mög lichkeit, Arbeitsverträge in den ersten 24 Monaten sachgrundlos zu befristen, gestrichen. Sobald die anstehende Änderung des TzBfG be schlossen ist, können auch neu eingestellte Mitarbeiter grundsätzlich nicht mehr ohne sachlichen Grund befristet eingestellt werden.
Wird die Befristung auf Zeit mit Beschäftigten nach Vollendung des 52. Lebensjahres vereinbart, so kann – nach der im Koalitionsvertrag angekündigten europarechtskonformen Ausgestaltung der Vorschrift – zukünftig § 14 Abs. 3 TzBfG als Rechtsgrundlage für eine sachgrundlose Befristung herangezogen werden. Allerdings wird die Befristung wohl nur noch zulässig sein bei der Einstellung arbeitsloser 52-Jähriger. Tipp Damit ist der befristete Vertrag zur Führung auf Zeit in der Regel so wohl bei neu eingestellten als auch bei früher bereits beschäftigten Mitarbeitern nur noch zulässig, wenn ein sachlicher Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG vorliegt.
Es erscheint sehr fraglich, ob allein die tarifliche Regelung zur Führung auf Zeit als solche als „sachlicher Befristungsgrund“ ausreichen wird. Die Regelung wurde geschaffen, um die Besetzung von Führungspositionen flexibel zu gestalten und unerwünschte Verkrustungen, die durch die dauerhafte Besetzung gerade einer Führungsposition mit demselben Beschäftigen entstehen können, zu vermeiden. Hier bestehen Bedenken, denn nach der Rechtspre74 chung sind beispielsweise Gruppenbildungen in einem Tarifvertrag nicht schon deshalb als sachlich gerechtfertigt anzusehen, weil sie von den Tarifvertragsparteien stammen. Trotz der besonderen Sachkunde der Tarifvertragsparteien und des ausgewogenen Kräfteverhältnisses kann nicht unterstellt werden, dass ihre Regelungen stets den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG entsprechen. Die Befristung auf Zeit wird an dem Sachgrund „Eigenart der Leistung“, § 14 Abs. 1 Ziffer 4 TzBfG, zu messen sein. Danach werden
74
84
BAG, Urt. v. 30.08.2000.
5
Wege der betrieblichen Umsetzung
z. B. befristete Verträge bei Künstlern wegen des Abwechslungsbedürfnisses des Publikums oder bei Moderatoren wegen des Innovationsbedürfnisses zugelassen. Allerdings genießen in diesen Bereichen die grundgesetzlich garantierte Freiheit von Kunst und Wissenschaft sowie die Rundfunkfreiheit jeweils Vorrang vor dem Arbeitsrecht. Damit bestehen erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit befristeter Verträge zur Führung auf Zeit. Letztlich bleibt die Entwicklung in der Rechtsprechung abzuwarten. Vergütung bei der Führung auf Zeit Der externe Bewerber wird während der Ausübung der Führungsposition auf Zeit entsprechend der übertragenen Tätigkeit – der Führungsposition – eingruppiert. Daneben wird (entgegen der Regelung bei internen Bewerbern, siehe unten) ein zusätzlicher „Risikozuschlag“ oder eine „Attraktivitätsprämie“ nicht gezahlt. Nach § 32 Abs. 3 TVöD kann auch einem bereits im Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber stehenden Beschäftigten vorübergehend eine Führungsposition bis zu den in § 32 Abs. 1 TVöD genannten Fristen (4 Jahre mit Verlängerungsoption auf acht bzw. zwölf Jahre) übertragen werden.
Interne Bewerber
Übertragung der Führungsposition im Rahmen des Direktions rechts oder durch Vertragsänderung? Nach der Rechtsprechung des BAG kann der Arbeitgeber einem Beschäftigten im Rahmen des Direktionsrechts vorübergehend eine 75 höherwertige Tätigkeit zuweisen . Die Rechtmäßigkeit der vorübergehenden Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit ist danach an den Regeln des § 315 BGB – nach billigem Ermessen – zu prüfen. Hier verlangt das BAG eine zweistufige Prüfung: In einem ersten Schritt kommt es darauf an, ob es billigem Ermessen entspricht, dem Beschäftigten überhaupt, wenn auch nur vorübergehend, die höher bewertete Tätigkeit zu übertragen. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob es billigem Ermessen entspricht, diese Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen.
75
BAG, Urt. v. 17.04.2002 - 4 AZR 174/01.
85
5
Führung auf Probe/Führung auf Zeit
Die Übertragung einer Führungsposition auf Zeit dürfte allerdings kaum in Ausübung des Direktionsrechts zulässig sein. Mit der Führungsposition ist notwendigerweise die Übertragung von Weisungsbefugnissen auf den betroffenen Beschäftigten und damit regelmäßig mehr Verantwortung und eine erhebliche Veränderung der zu leistenden Aufgaben verbunden. Tipp In der Regel wird eine solche Änderung der Arbeitsaufgaben nur im Rahmen einer einvernehmlichen Vertragsänderung erfolgen können.
Dafür spricht auch die Systematik des Tarifvertrages, der in § 32 Abs. 3 TVöD eine gesonderte Regelung für die befristete Übertragung von Führungspositionen enthält. Die Vorschrift wäre entbehrlich, wenn die Übertragung im Rahmen des Direktionsrechts nach § 14 TVöD zulässig wäre. Tipp Bei der befristeten Übertragung der Führungsposition an einen bereits beschäftigten Mitarbeiter wird nicht das Arbeitsverhältnis als solches, sondern lediglich einzelne Arbeitsbedingungen – hier die auszuübende Tätigkeit – befristet. Seit In Kraft Treten des Schuldrechtsmodernisie rungsgesetzes erfolgt die Kontrolle der befristeten Änderung einzelner Arbeitsbedingungen nicht mehr nach den Grundsätzen des Befri stungsrechts, sondern nach den Grundsätzen der sog. AGB Kontrolle, 76 der Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen. Die Befristung darf den Beschäftigten nicht unangemessen benachteiligen. Eine umfassen de Abwägung der beiderseitigen Interessen ist vorzunehmen.
Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung dürften jedoch die gleichen Grundsätze wie bei der befristeten Einstellung einer Führungskraft auf Zeit anzuwenden sein. Tipp Es bestehen erhebliche Bedenken, ob bei vier bzw. bis zu acht und zwölfjähriger Befristung der Führungsposition die berechtigten Inter essen des Beschäftigten an einer dauerhaften Übertragung der Füh rungsposition ausreichend berücksichtigt sind. Letztlich bleibt auch hier die Rechtsprechung abzuwarten. 76
86
BAG, Urt. v. 27.07.2005 – 7 AZR 486/04.
Wege der betrieblichen Umsetzung
5
Nach Fristablauf endet bei wirksamer Befristung die Übertragung der Führungsposition und der Beschäftige bekommt vom Arbeitgeber wieder eine Tätigkeit zugewiesen, die seiner Eingruppierung vor Übertragung der Führungsposition entspricht (§ 32 Abs. 3 Satz 3). Vergütung bei der Führung auf Zeit Der/die Beschäftige hat für die Dauer der Übertragung der Führungsposition Anspruch auf • Entgelt nach seiner bisherigen Entgeltgruppe sowie • eine „Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den Entgelten nach der bisherigen Entgeltgruppe und dem sich bei Höhergruppierung nach § 17 Abs. 4 Satz 1 und 2 ergebenden Entgelt“ • zuzüglich eines „Zuschlags von 75 v.H. des Unterschiedsbetrags zwischen den Entgelten der Entgeltgruppe, die der übertragenen Funktion entspricht, zur nächsthöheren Entgeltgruppe nach § 17 Abs. 4 Satz 1 und 2“. Zusätzlich zu der Zulage in Höhe der Differenz zwischen der Ausgangsentgeltgruppe und dem der Führungsposition entsprechenden Entgelt erhält der/die Beschäftigte noch einen „Zuschlag“ (§ 32 Abs. 3 Satz 2, 2. Teilsatz TVöD). Dieser Zuschlag soll nach dem Willen der Tarifvertragsparteien das Risiko ausgleichen, dass der Arbeitgeber dem Beschäftigten die Führungsposition nicht dauerhaft überträgt. Beispiel: (TVöD VKAWest) Ein Beschäftigter übt eine Tätigkeit der EGr. 9 aus, er ist der Stufe 3 zugeordnet (Entgelt 2.410 EUR). Er übernimmt befristet auf Zeit eine der EGr. 10 entsprechende Führungsposition. Bei einer Höhergruppierung wäre der Beschäftigte in EGr. 10 der Stufe 2 zu zuordnen (Entgelt 2.600 EUR). Der Beschäftigte erhält für die Dauer der Übertragung der Führungspo sition Entgelt aus EGr. 9 Stufe 3 2.410,00 EUR Zulage in Höhe von 190,00 EUR Zuschlag von 75 % des Unterschiedsbetrags 75,00 EUR zwischen EGr. 10 Stufe 2 und EGr. 11 Stufe 2 insgesamt 2.675,00 EUR
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5
Führung auf Probe/Führung auf Zeit
Externe Bewerber haben – wie oben dargestellt – keinen Anspruch auf den Zuschlag. Dies verwundert insofern, als der externe Bewerber bei Auslaufen der Befristung ohne Arbeitsverhältnis dasteht, während der interne Bewerber Anspruch auf eine Stelle entsprechend seiner früheren Tätigkeit hat. Eine weitere – in der Praxis kaum nachvollziehbare – Konsequenz ist, dass der interne Bewerber höhere Personalkosten verursacht und es für den Arbeitgeber deshalb günstiger sein kann, die Führungsposition mit einem externen Bewerber zu besetzen. Ob die Kenntnisse des internen Bewerbers über die Unternehmensstruktur, die Betriebsabläufe usw. die anfallenden Mehrkosten aufwiegen, bleibt dahingestellt.
88
6
In welchem Umfang besteht ein Weisungsrecht?
Das Arbeitsverhältnis wird im Gegensatz zu den vergleichbaren Werk- oder Dienstverträgen dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitgeber die Art und Weise der Arbeitsleistung einseitig bestimmen kann. Der Arbeitnehmer muss die Anweisungen des Arbeitgebers grundsätzlich befolgen. Die rechtliche Grundlage für dieses Wei77 sungs- oder Direktionsrecht findet sich in § 106 GewO . Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) näher bestimmen. Daneben umfasst das Weisungsrecht aber auch die Möglichkeit, das arbeitsbegleitende Verhalten der Arbeitnehmer zu reglementieren.
6.1
Wie ist der tarifliche Stand?
Veränderungen im Arbeitsbetrieb können es notwendig machen, dass dem Arbeitnehmer vorübergehend oder dauerhaft ein neuer Arbeitsort zugewiesen wird. Der Arbeitnehmer ist entweder auf der Grundlage des Weisungsrechts oder durch Tarifvertrag verpflichtet, der Weisung aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen nachzukommen.. Die Bestimmung des Arbeitsortes wurde bislang durch § 12 BAT konkretisiert, welcher zwischen der Versetzung, Abordnung und Zuweisung unterschieden hat. Auf die ausdrückliche Regelung der Umsetzung hingegen wurde verzichtet. Die Problematik in der Praxis bestand unter anderem in der Abgrenzung der einzelnen Begriffe, da sie im Tarifvertrag selbst nicht definiert wurden. Der beamtenrechtliche Ursprung ließ sich nur bedingt auf Arbeitsverhältnisse übertragen. Der TVöD schließt diese Lücke nun durch die Protokollerklärungen zu den Abs. 1-3 des § 4 TVöD. 77
seit 01.01.2003.
89
6 Personal gestellung
In welchem Umfang besteht ein Weisungsrecht?
Die bisher in § 12 BAT bestehenden Regelungen werden im Wesentlichen übernommen, jedoch durch das neu geschaffene Instrument der Personalgestellung erweitert. Im Gegenzug entfällt die Beschränkung, nach der während der Probezeit der Angestellte ohne seine Zustimmung weder versetzt noch abgeordnet werden darf. Ein Beschäftigter im öffentlichen Dienst muss wissen, dass ihm jede billigerweise zumutbare Tätigkeit auch an anderen Orten oder bei 78 anderen Arbeitgebern zugewiesen werden kann.
6.1.1
Die einzelnen Maßnahmen im Überblick
§ 4 TVöD bietet durch die Begriffsbestimmung eine klare begriffliche Abgrenzung der tarifvertraglichen Möglichkeiten, das Weisungsrecht auszuüben. Die mildeste Form der Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes, die Umsetzung, wird bereits durch das allgemeine Weisungsrecht gedeckt und wird daher nicht ausdrücklich noch mal im Tarifvertrag aufgeführt. Umsetzung Als Umsetzung bezeichnet man die Zuweisung eines neuen Arbeitsplatzes innerhalb des Betriebes oder der Verwaltung am Dienstort. Soweit sich das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht ändert, kann die Umsetzung einseitig vom Arbeitgeber durchgesetzt werden. Auch eine durch das Weisungsrecht gedeckte Umsetzung kann im Einzelfall personalvertretungsrechtlich von Bedeutung sein, wenn sich dadurch das Arbeitsbild oder die Tätigkeit erheblich ändern. Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer jedoch keinen Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsplatz. Versetzung auf Dauer
Nach der Protokollnotiz Nr. 2 zu Absatz 1 versteht man unter „Versetzung“ eine auf Dauer bestimmte Beschäftigung bei einer anderen Dienststelle oder einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses. Im Unterschied zur nachfolgend geschilderten Abordnung ist diese Maßnahme auf Dauer angelegt. 78
90
BAG, Urt. v. 26.06.2002 - 6 AZR 50/00.
6
Wie ist der tarifliche Stand?
Abordnung Ebenfalls in der Protokollnotiz zu Absatz 1 ist die Begriffsdefinition der Abordnung geregelt. Abordnung ist danach die vorübergehende Beschäftigung bei einer anderen Dienststelle oder einem anderen Betrieb desselben oder eines anderen unter den Geltungsbereich des TVöD fallenden Arbeitgebers unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses. Wesensmerkmal der Abordnung ist die zeitliche Befristung, die durch die Umschreibung der "vorübergehenden Beschäftigung" ihren Ausdruck findet. Ausdrücklich nicht geregelt ist die Dauer der Abordnung.
zeitliche Befristung
Tipp Sowohl die Versetzung als auch die Abordnung sind streng von der so genannten Umsetzung zu unterscheiden. Wesensmerkmal der Verset zung und Abordnung ist der Wechsel der Dienststelle. Eine Umsetzung meint lediglich die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs bei dersel ben Dienststelle am gleichen Dienstort.
Zuweisung Im zweiten Absatz des § 4 TVöD ist die Zuweisung geregelt. Nach der entsprechenden Protokollerklärung versteht man unter Zuweisung die – unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses – vorübergehende Beschäftigung bei einem Dritten im In- und Ausland, bei dem der allgemeine Teil des TVöD nicht zur Anwendung kommt, d. h. der Arbeitgeber nicht in den unmittelbaren Geltungsbereich des Tarifvertrages fällt. Personalgestellung Neu in den Tarifvertrag aufgenommen wurde die Möglichkeit der Personalgestellung. Der Tarifvertrag ergänzt das tarifvertragliche Weisungsrecht hierbei nur um eine bereits praktizierte Variante einer Zuweisung oder Abordnung. Die Personalgestellung findet ihre Anwendung bei Auslagerung von Aufgaben auf Dritte. Widersprechen die betroffenen Beschäftigten dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber, besteht beim bisherigen Arbeitgeber in der Regel keine andere Beschäftigungsmöglichkeit. Hat der neue
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In welchem Umfang besteht ein Weisungsrecht?
Aufgabenträger ein Interesse daran, das Know-how dieser Beschäftigten zu nutzen, wurden die Beschäftigten bisher auf der Grundlage eines Gestellungsvertrages beim neuen Aufgabenträger eingesetzt. Der wesentliche Unterschied der jetzigen tariflichen Regelung zum früheren Zustand besteht darin, dass nunmehr das Direktionsrecht des Arbeitgebers wesentlich erweitert wird. Während vor Aufnahme in den Tariftext die Personalgestellung lediglich als einvernehmliche Regelung, also nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers, durchsetzbar war, besteht nun unter Beachtung der weiteren Voraussetzungen die Möglichkeit einer einseitigen Regelung. Achtung: Bei der Abordnung an einen anderen Arbeitgeber, der Zuweisung und der Personalgestellung bleibt das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten beim bisherigen Arbeitgeber bestehen. Lediglich das Weisungsrecht in Bezug auf die konkret auszuübende Tätigkeit geht auf den anderen Arbeitgeber über.
6.1.2
Wie ist die Versetzung geregelt?
Bei der Versetzung handelt es sich um eine tarifvertragliche Konkretisierung des Weisungsrechts. Zum Schutz des Arbeitnehmers vor einer willkürlichen Entscheidung ist die Möglichkeit der Versetzung an weitere Voraussetzungen, etwa an das Vorliegen dienstlicher oder betrieblicher Gründe, geknüpft. Wechsel der Dienststelle Wesentliches Merkmal der Versetzung ist der Wechsel der Dienststelle bzw. des Betriebs. Sowohl die ehemalige, als auch die neue Dienststelle/der neue Betrieb müssen demselben Arbeitgeber zuzuordnen sein. Nach der Rechtsprechung ist eine Dienststelle eine tatsächlich organisatorisch verselbstständigte Verwaltungseinheit, der ein örtlich und sachlich bestimmtes Aufgabengebiet zur Wahrnehmung zugewiesen ist, – wobei eine, wenn auch nur geringfügige, organisatori-
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sche Abgrenzbarkeit genügt – und die ihren inneren Betriebsablauf eigenverantwortlich bestimmt.79 Tipp Ein Wechsel der Dienststelle ist nicht zwingend mit einem Ortswechsel verbunden. Dies ergibt der Umkehrschluss zu § 4 Abs. 1 TVöD, wonach eine Anhörungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer nur entsteht, wenn mit der Versetzung auch ein Wechsel des Dienstorts verbunden ist. So können beispielsweise mehrere Dienststellen dessel ben Arbeitgebers in einem Gebäude untergebracht sein. Andererseits ist es möglich, dass Teile einer Dienststelle räumlich voneinander entfernt liegen.
Der Begriff des Betriebs definiert sich durch eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mithilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt ver80 folgt. Wenn eine Dienststelle oder ein Betrieb als Gesamtheit an einen anderen Ort verlegt wird, liegt keine Versetzung vor, da dann der Arbeitnehmer nicht seine Dienststelle oder der Betrieb wechselt. Was sind dienstliche oder betriebliche Gründe? Voraussetzung für die Versetzung sind dienstliche oder betriebliche Gründe. Grundsätzlich hätte es dieser Regelung nicht bedurft, da das Weisungsrecht bereits eine Entscheidung nach billigem Ermessen erfordert. Der Arbeitgeber muss also einen nachvollziehbaren Grund haben, wenn er den Beschäftigten versetzen will. Inhaltlich können unter diese Begriffe nahezu alle Maßnahmen gefasst werden, die ihren Ursprung im dienstlichen oder betrieblichen Bereich haben. Auch in der Person des Beschäftigten selbst kann der Grund für eine Versetzung liegen, soweit ein Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis besteht. Der häufigste Grund für eine Versetzung ist der Personalbedarf einer Dienststelle. Dieser kann sowohl in einem Personalüberhang 79
BVerwG, Urt. v. 06.04.1984 - 6 P 39.83; BAG; BAG, Urt. v. 21.06.1990 - 6 AZR 342/88; BAG, Urt. v. 19.10.2000 - 6 AZR 206/99. 80 BAG, Urt. v. 18.01.1990 - 6 AZR 386/89.
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als auch im Personalfehlbedarf einer anderen Dienststelle liegen. Die Ursache des veränderten Personalbedarfs ist unerheblich. So kann auch erst eine betriebliche oder dienstliche Organisationsentscheidung des Arbeitgebers dazu geführt haben. Beispiel: Durch die Zusammenlegung zweier Abteilungen im Rathaus ist die Leitungsfunktion doppelt besetzt: Der Arbeitgeber versetzt einen Ab teilungsleiter auf eine gleich bewertete Stelle bei einem unselbständi gen Regiebetrieb der Kommune. Sozialauswahl
Hat der Arbeitgeber wie im vorhergehenden Beispiel die Wahl zwischen zwei gleich geeigneten Beschäftigten, so sind bei der Entscheidung die Grundsätze der Sozialauswahl nach § 1 KSchG entspre81 chend zu berücksichtigen. Aber auch Gründe, die in der Person des Beschäftigten liegen, können der Auslöser für eine Versetzung in sein. Unerheblich ist, ob äußere oder arbeitgeberinterne Umstände dazu geführt haben. Insbesondere die individuellen Fertigkeiten und Kenntnisse können eine Rolle spielen, wenn sich der Arbeitgeber davon eine effizientere Aufgabenerledigung verspricht. Es ist ein legitimes Ziel, die Aufgabenerledigung dadurch zu optimieren, dass jeder Beschäftigte auf dem Arbeitsplatz eingesetzt wird, wo er dem Arbeitgeber den größten Nutzen bringt Beispiel: Der Arbeitgeber tauscht zwei Beschäftigte auf ihren bisherigen Arbeits plätzen aus, weil einer der beiden aufgrund einer Zusatzqualifikation besser geeignet ist, den Arbeitsplatz des anderen auszufüllen.
Gleichermaßen kommen gesundheitliche Gründe in Betracht. Kann der Beschäftigte aus diesem Grund seine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben, ist eine Versetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz zulässig. Problematisch – jedoch nicht ausgeschlossen – ist die Abwägung, wenn die Gründe in dem Verhalten des Beschäftigten liegen. Das
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BAG, Beschl. v. 2. 4. 1996 - 1 ABR 39/95.
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Vorliegen von dienstlichen oder betrieblichen Gründen lässt sich auch dann rechtfertigen, wenn beispielsweise zwischen Arbeitskollegen persönliche Probleme und Differenzen bestehen und dadurch die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung gefährdet wird. Tipp Ist das persönliche Verhältnis zwischen den Beschäftigten derart zer stört, dass die Aufgabenerledigung darunter leidet, kann der Arbeitge ber im dienstlichen oder betrieblichen Interesse eine Versetzung vor nehmen. Bei der Ermessensabwägung ist nicht zwingend das jeweilige persönliche Verschulden der Beschäftigten maßgeblich, sondern die Frage, durch wessen Versetzung das Arbeitsklima am ehesten wieder hergestellt werden kann.
Selbst ein außerdienstliches Verhalten kann eine Versetzung rechtfertigen, wenn es in das Arbeitsverhältnis hineinwirkt. Versetzung auf Wunsch des Beschäftigten? Bei einer Versetzung bzw. Abordnung gemäß § 4 TVöD handelt es sich um eine einseitige Maßnahme des Arbeitgebers. Dies schließt jedoch nicht aus, dass eine Versetzung bzw. Abordnung auch auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolgen kann. Äußert der Arbeitnehmer einen entsprechenden Wunsch und kommt der Arbeitgeber dem nach, liegt keine Versetzung bzw. Abordnung vor, sondern eine einvernehmliche Vertragsänderung. Die oben dargestellte Interessenabwägung kann jedoch auch zu einer Verpflichtung des Arbeitgebers zur Vornahme einer entsprechenden Maßnahme werden. Ein solcher Fall könnte eintreten, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Ort seine Arbeitsleistung erbringen will und dies beispielsweise aufgrund einer besonderen familiären Situation geboten ist. Die Maßnahme muss jedoch für den Arbeitgeber zumutbar sein. Wie ist die Anhörung durchzuführen? Wenn der Arbeitnehmer an einem anderen als dem bisherigen Dienstort versetzt werden soll, ist er vor dieser Maßnahme zu hören (§ 4 Abs. 1 TVöD). Die Voraussetzungen und der Ablauf einer Anhörung sind im Tarifvertrag nicht weiter erläutert. Nach den Auslegungsgrundätzen des
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BAG bedeutet der Begriff "zu hören" nicht, der/dem Beschäftigten die Versetzung bzw. Abordnung schlicht mitzuteilen. Durch eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers soll sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber die Folgen der beabsichtigten Maßnahmen richtig einschätzt und seine Entscheidung aufgrund einer alle wesentlichen Umstände berücksichtigenden Interessenabwägung tref83 fen kann. Tipp Der Beschäftigte sollte seine Einwendungen gegen die Versetzung in Schriftform darlegen, damit der Arbeitgeber später den Nachweis für seine Ermessensabwägung erbringen kann.
Da es sich nur um eine Obliegenheit handelt, führt eine unterlassene oder grob fehlerhafte Anhörung nicht zur Nichtigkeit der Versetzung oder Abordnung. Die schuldhafte Verletzung kann jedoch zur Schadensersatzverpflichtung führen. Kann der Beschäftigte auf jeden Arbeitsplatz versetzt werden? Entgeltgruppen
Die Tarifvertragsparteien haben in der Entgeltordnung84 Tätigkeitsmerkmale nach allgemeinen Kriterien zu Gruppen zusammengefasst, denen ein einheitliches Entgelt zugewiesen ist. Dadurch haben sie die Wertigkeit der jeweiligen Tätigkeit standardisiert. Die standardisierte Bewertung ist der Maßstab für die Vergleichbarkeit von Tätigkeiten. Das Weisungsrecht beschränkt sich auf die durch die 85 Entgeltordnung als vergleichbar festgelegten Tätigkeiten. Der Arbeitgeber kann dem Beschäftigten also nur solche Tätigkeiten zuweisen, die in der jeweiligen Gruppe enthalten sind. Beispiel: Ein Beschäftigter, der tarifgerecht in der EGr. 5 eingruppiert ist, kann nicht auf einen Arbeitsplatz versetzt werden, deren Tätigkeit nur eine Eingruppierung in EGr. 3 rechtfertigt.
82
BAG, Urt. v. 11.03.1982 - 2 AZR 233/81. BAG, Urt. v. 30.10.1985 - 7 AZR 216/83. 84 In der Übergangsphase gelten die Eingruppierungsregeln des BAT/BMT-G und MTArb weiter (§ 17 TVÜ-VKA/§ 17 TVÜ-Bund). 85 BAG, Urt. v. 09.02.1989 - 6 AZR 174/87 83
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Das gezahlte Entgelt ist für die Beurteilung der Gleichwertigkeit der Tätigkeit unerheblich. Auch wenn dem Beschäftigten keine finanziellen Einbußen entstehen, muss er die geringwertigere Tätigkeit nicht annehmen. Übernimmt er jedoch die Tätigkeit, könnte unter Umständen darin eine konkludente Vertragsänderung zu sehen sein. Versetzungen sind aber andererseits nicht schon deshalb unzulässig, weil die zugewiesene Tätigkeit zum Wegfall von Zulagen führt. Maßgeblich ist allein die Austauschbarkeit innerhalb der Entgeltgruppe.
6.1.3
Wie ist die Abordnung geregelt?
Die Abordnung unterscheidet sich von der Versetzung im Wesentlichen nur durch die von vornherein befristete Wirkung der Maßnahme und die Möglichkeit, auch zu einem anderen Arbeitgeber abgeordnet zu werden. Wie ist die Abordnung zu befristen? Der Beschäftigte wird nur vorübergehend einer anderen Dienststelle zugewiesen. Für die Dauer der Abordnung sind weder ein Mindestnoch ein Höchstzeitraum tarifvertraglich festgelegt. Sie muss jedoch dem Grunde nach auf einen überschaubaren Zeitraum ausgelegt sein. Tipp Eine Abordnung kann auch nur zeitanteilig erfolgen. Dies kann etwa in der Form geschehen, dass der Beschäftigte nur an bestimmten Tagen in der Woche seine Arbeitsleistung bei einer anderen Dienststelle erbringt. Es sind hier sehr flexible Regelungen möglich. Die Abordnung kann so gar nur stundenweise erfolgen.
Wie erfolgt die Abordnung zu einem anderen Arbeitgeber? Nach der Protokollerklärung zu Abs. 1 des § 4 TVöD können die Beschäftigten ausdrücklich unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu einem anderen Arbeitgeber abgeordnet werden. Die Möglichkeit besteht jedoch nur zu solchen Arbeitgebern, die ebenfalls in den unmittelbaren Geltungsbereich des TVöD fallen.
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Achtung: Die Weisungsbefugnis beschränkt sich auch bei dem anderen Arbeitge ber auf das tarifvertraglich Zulässige. Dem Beschäftigten dürfen daher z. B. keine geringwertigeren Tätigkeiten übertragen werden.
Durch die Abordnung wird kein neues Arbeitsverhältnis zu dem anderen Arbeitgeber begründet. Es wird lediglich das Weisungsrecht im Hinblick auf die Arbeitsleistung (Arbeitszeit, Leistungserbringung) übertragen. Der bisherige Arbeitgeber ist weiterhin für alle Fragen des Grundverhältnisses zuständig. So sind Abmahnungen oder Kündigungen weiterhin nur von ihm auszusprechen. Auch die Zuständigkeit des Personal- oder Betriebsrates für diese Maßnahmen wird durch die Abordnung nicht aufgehoben. Ermessen und Anhörung Ebenso wie bei der Versetzung ist die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens bei Vorliegen eines dienstlichen- oder betrieblichen Grundes notwendig. Soll der Beschäftigte länger als drei Monate abgeordnet werden, besteht wie bei der Versetzung zudem ein Anhörungsrecht (siehe oben 6.1.2).
6.1.4
Wie ist die Zuweisung geregelt?
Die Zuweisung nach § 4 Abs. 2 TVöD ist der Abordnung weitestgehend nachgebildet. Der Unterschied besteht einerseits darin, dass dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit bei einem Arbeitgeber außerhalb des Geltungsbereichs des allgemeinen Teils des TVöD im In- oder Ausland zugewiesen werden kann. Andererseits muss der Beschäftigten der Zuweisung ausnahmslos zustimmen. Wie ist die Zuweisung zu befristen? Auch bei der Zuweisung handelt es sich nur um eine vorübergehende Maßnahme. Der Beschäftigte kann daher nur für einen bestimmten Zeitraum dem Weisungsrecht eines anderen Arbeitgebers unterworfen werden. Angesichts des Sinn und Zweck des Arbeitsverhältnisses ist dies auch nachvollziehbar. Eine dauerhafte Trennung des Beschäftigten von seiner bisherigen Dienststelle oder seinem Betrieb ist nur unter stark eingeschränkten Umständen mit
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seinem Arbeitsvertrag vereinbar, durch den sich die Vertragsparteien ja gerade persönlich gebunden haben. Welche Anforderungen müssen erfüllt sein? Der Beschäftigte hat im Gegensatz zur Versetzung und Abordnung ein aktives Mitspracherecht. Für die Zuweisung genügen bereits dienstliche bzw. betriebliche oder öffentliche Interessen. Die Anforderungen an die vom Arbeitgeber vorzunehmende Abwägung sind also geringer. Es ist jedoch nicht mehr ausreichend, wenn der Arbeitgeber die Interessen des Beschäftigten in seine Abwägung mit einbezieht, er benötigt seine ausdrückliche Zustimmung.
Mitsprache recht
Achtung: Eine Zuweisung im Sinne des § 4 Abs. 2 TVöD kann also grundsätzlich nicht gegen den Willen der/des Beschäftigten durchgesetzt werden.
Der Beschäftigte kann die Zustimmung nicht ohne weiteres verweigern. Hat der Arbeitgeber bei seiner Abwägung bereits die Interessen des Beschäftigten berücksichtigt, so kann der Beschäftigte noch darüber hinausgehende berechtigte Interessen geltend machen, die trotz des allgemeinen Grundsatzes der Gehorsamspflicht zu einer Versagung der Zustimmung führen können. Zu welchen „anderen Arbeitgebern“ kann die Zuweisung erfolgen? An den Arbeitgeber, an den die Zuweisung des Beschäftigten erfolgt, werden keine weiteren Voraussetzungen gestellt. Es kann sich sowohl um einen Arbeitgeber im Inland als auch im Ausland handeln. Auch die Frage, ob der Arbeitgeber dem privaten oder staatlichen Bereich angehört, ist unerheblich. Als Unterscheidungsmerkmal zur Abordnung ist die Zuweisung nur außerhalb des Geltungsbereiches des TVöD zulässig. Beispiel: Soll ein Beschäftigter der Stadt Köln befristet eine Tätigkeit beim Land Nordrhein Westfalen übernehmen, so besteht derzeit nur die Möglich keit der Zuweisung, da die Länder noch nicht den TVöD anwenden. Der Beschäftigte kann hierfür seine Zustimmung verweigern. Sollte das Land später in den Geltungsbereich des TVöD fallen, kann der Beschäf tigte ohne Zustimmung abgeordnet werden.
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Welche Tätigkeiten muss der Beschäftigte übernehmen? Außerhalb des TVöD fehlt es an den Eingruppierungskriterien, mit denen man die Gleichwertigkeit der Tätigkeiten bestimmen kann. Gemäß § 4 Abs. 2 TVöD darf dem Beschäftigten aber grundsätzlich auch bei dem anderen Arbeitgeber keine geringer „vergütete“ Tätigkeit zugewiesen werden. Da der Beschäftigte im Grundverhältnis bei seinem bisherigem Arbeitgeber verbleibt, kann dies nicht bedeuten, dass der Beschäftigte nun durch den anderen Arbeitgeber seine Vergütung erhält. Dass die Zuweisung nicht mit einer geringer vergüteten Tätigkeit verbunden sein darf, bezieht sich insbesondere auf die Art der Tätigkeit und deren Bewertung beim anderen Arbeitgeber. Der Beschäftigte muss eine Tätigkeit übertragen bekommen, deren Vergütung bei vergleichbaren Arbeitnehmern des anderen Arbeitgebers der bisherigen Eingruppierung des Beschäftigten entspricht. Er darf nicht mit Tätigkeiten von geringerer Wertigkeit betraut werden. Dies könnte problematisch werden, wenn sich die Wertigkeiten der Tätigkeit nach dem TVöD und des Vergütungssystems beim anderen Arbeitgeber extrem unterscheiden. Liegt das Vergütungsgefüge erheblich unter dem des TVöD, so wird auch die Übertragung einer geringer vergüteten Tätigkeit zulässig sein, die aber mit derjenigen der Entgeltgruppe des Beschäftigten vergleichbar ist. Der Anspruch auf das Entgelt richtet sich ja weiterhin nach dem TVöD. Liegt das Vergütungsgefüge erheblich über dem TVöD, wird dem Beschäftigten selbst dann keine erheblich geringwertigere Tätigkeit zugewiesen werden können, wenn sie gleich vergütet werden würde.
6.1.5
Wie ist die Personalgestellung geregelt?
Die Regelung der Personalgestellung in § 4 Abs. 3 TVöD trägt der Tatsache Rechnung, dass auch im öffentlichen Dienst immer häufiger Aufgaben auf Dritte übertragen werden (Outsourcing). Der Tatbestand knüpft ausschließlich die Verlagerung der Aufgaben des Beschäftigten zu einem Dritten an. Achtung: Der Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers muss beim bisherigen Arbeit geber aufgrund einer Änderung, z. B. eines Betriebsübergangs, endgültig weggefallen sein.
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Grundsätzlich werden bei einer derartigen Auslagerung die Arbeitsverhältnisse der in dem jeweiligen (Teil-)Betrieb tätigen Beschäftigten gemäß § 613a BGB auf den Übernehmer übertragen. Widerspricht der Beschäftigte dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses, und liegt deswegen kein Betriebsübergang vor oder ist der Beschäftigte nur mittelbar betroffen, so kann ihm im Wege der Personalgestellung beim Übernehmer eine Tätigkeit übertragen werden. Beispiel: Die Stadt Flensburg überführt den bisher als Eigenbetrieb geführten städtischen Bauhof in eine Anstalt öffentlichen Rechts. Sämtliche Ar beiten, die bisher durch den städtischen Bauhof ausgeübt wurden, wer den nun von der AöR erbracht. Die Stadt hat keinen Bedarf mehr zur Beschäftigung eines Gärtners.
Wer ist von der Personalgestellung betroffen? Nach dem Wortlaut des Tarifvertrags kann eine Personalgestellung durchgeführt werden, wenn die Aufgaben des Beschäftigten auf einen Dritten verlagert werden. Der Wegfall der Beschäftigung muss auf Dauer erfolgen. Der Tariftext spricht nämlich von der Verlagerung von Aufgaben. Eine Aufgabenverlagerung ist dann anzunehmen, wenn die Aufgaben endgültig und unwiderruflich auf einen Dritten, z. B. auf einen Dienstleister, übertragen werden. Nicht ausreichend ist, dass irgendwelche Aufgaben des Arbeitgebers auf einen Dritten verlagert werden. Die Aufgaben müssen konkret mit dem Arbeitsplatz des Beschäftigten im Zusammenhang stehen. Es können daher auch Beschäftigte betroffen sein, die zwar nicht in dem konkreten Aufgabenbereich tätig waren, deren Aufgaben aber ausschließlich mit diesem verbunden war. Beispiel: In oben genanntem Beispiel wird der Bauhof der Stadt Flensburg als AöR geführt. Die ursprünglich dort Beschäftigten können der AöR zur Arbeitsleistung zugewiesen werden, nicht jedoch innerhalb derselben Behörde arbeitende Beschäftigte des Personalreferats. Da der Bauhof auch bereits bisher schon Arbeiten für Dritte geleistet hat, wurde die Abrechnung dieser Leistung durch die Stadtverwaltung wahrgenommen. Für den ausschließlich mit dieser Aufgabe betrauten
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Beschäftigten ist mit der Übertragung ebenfalls die Aufgabe entfallen. Auch dieser Beschäftigte könnte daher grundsätzlich in den Anwen dungsbereich der Personalgestellung fallen.
Was gilt bei einem Betriebsübergang? Grundsätzlich ist für die Personalgestellung bei einem Betriebsübergang nach § 613a BGB kein Raum. Der Erwerber eines Betriebs oder Betriebsteils tritt im vollen Umfang in die Rechte und Pflichten der im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Im Idealfall wären dann keine Beschäftigten beim Veräußerer für eine Personalgestellung mehr vorhanden. Gleichwohl besteht in Einzelfällen – sowohl beim Beschäftigten als auch beim Arbeitgeber – das Interesse am Verbleib der Arbeitsverhältnisse. Der Übergang kann dann durch einen Widerspruch des Beschäftigten nach § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB verhindert werden. Hat der Erwerber trotzdem den Wunsch, das Know-how der Beschäftigten weiter zu nutzen, kann er mit dem Arbeitgeber einen Gestellungsvertrag schließen. Für diesen Fall greift die Personalgestellung. Für die Anwendung der Personalgestellung ist jedoch ein Betriebsübergang nach § 613a BGB keine zwingende Voraussetzung. Der Tariftext ordnet lediglich an, dass § 613a BGB und die gesetzlichen Kündigungsrechte unberührt bleiben. Entscheidend sind also nicht die Voraussetzungen des § 613a BGB, sondern ist ausschließlich die Frage, ob Aufgaben des Arbeitnehmers endgültig auf einen Dritten übertragen werden. Muss der Beschäftigte zustimmen? Durch die Personalgestellung wird das Direktionsrecht des Arbeitgebers wesentlich erweitert, da die Personalgestellung nicht der Zustimmung des Beschäftigten bedarf. Der Arbeitgeber hat daher nur in der Ermessensausübung die Interessen des Beschäftigten zu berücksichtigen. Bei einer Aufgabenverlagerung wird das Interesse des Beschäftigten in aller Regel hinter den betrieblichen oder dienstlichen Interessen zurückstehen, da durch den Übergang der Aufgabe auch die Beschäftigungsmöglichkeit entfallen ist. Kann der Beschäftigte nicht auf einen anderen freien Arbeitsplatz versetzt werden, so ist die Personalgestellung notwen-
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dig, um eine betriebsbedingte Kündigung zu vermeiden. Ob der Beschäftigte seine Arbeitsleistung an seinem bisherigen Arbeitsplatz weiter ausüben kann oder der Übernehmer die Arbeitsplätze verlegt, ist für die Personalgestellung ohne Belang. Der Übernehmer kann dem Beschäftigten auch eine andere Tätigkeit zuweisen. Die Grenzen werden jedoch auch beim Übernehmer durch die tarifvertraglichen Regelungen festgelegt. Es muss sich immer um eine zumutbare Tätigkeit im Sinne des Abs. 3 handeln. Achtung: Auch bei der Personalgestellung ist nur die vertraglich festgelegte Ar beit geschuldet. Auch der Übernehmer ist an diesen vorgegebenen Rahmen gebunden. Selbst wenn für die Arbeitnehmer des Übernehmers andere Regelungen gelten, ist dies nicht auf die gestellten Beschäftig ten übertragbar.
Muss der Übernehmer die Personalgestellung akzeptieren? Der Übernehmer der Aufgabe ist nicht gezwungen, eine Personalgestellung zu akzeptieren. Vielmehr muss er sich mit dem bisherigen Arbeitgeber einigen. Häufig will der Übernehmer jedoch die Erfahrungen und Kenntnisse der Beschäftigten nutzen, ohne dafür eigenes Personal einstellen zu müssen. Das Interesse des Arbeitgebers besteht in der Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen. Der Inhalt und die Ausgestaltung der Personalgestellung werden zwischen dem Arbeitgeber und dem Dritten vertraglich geregelt. Dieser Personalgestellungsvertrag muss eine Vielzahl von Regelungen enthalten, die die Personalgestellung ausgestalten, wie z. B. der finanzielle Ausgleich. Aufgrund des ähnlichen Sachverhalts ist der Personalgestellungsvertrag mit einem Leiharbeitsvertrag vergleichbar. Das Verhältnis zur Leiharbeit Die Abordnung, Zuweisung und Personalgestellung ermöglicht dem Arbeitgeber die Möglichkeit, das Weisungsrecht über die Beschäftigten auf einen Dritten zu übertragen. Insbesondere die Personalgestellung ähnelt in der Ausgestaltung sehr der Leiharbeit. Problematisch ist diese Nähe aufgrund der zwingenden Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG).
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Das AÜG erfasst jedoch nur die gewerbsmäßige, also mit Gewinnerzielungsabsicht verbundene Arbeitnehmerüberlassung (§ 1 Abs. 1 S. 1 AÜG). Daran fehlt es regelmäßig bei den Übertragungen zwischen öffentlich-rechtlichen und sonstigen Arbeitgebern, weil die abgebende Einrichtung in der Regel keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, sondern lediglich die Beschäftigungsmöglichkeit zum Ziel hat. Soweit der Übernehmer die anfallenden Personalkosten erstattet, ist darin noch keine Gewinnerzielungsabsicht zu sehen. Selbst wenn die anteiligen indirekten Kosten (Verwaltung) ebenfalls mit berechnet werden, führt dies noch nicht zu einem gewinnähnlichen Überschuss beim Arbeitgeber. Die Vorschriften des AÜG sind daher nur in den Fällen zu beachten, bei denen der finanzielle Ausgleich des Übernehmers höher ist, als die effektiven, direkten oder indirekten Personalkosten des Arbeitgebers.
6.2
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
Über das Weisungsrecht gemäß § 4 TVöD kann der Einsatz der Beschäftigten flexibler gestaltet werden. Der Arbeitgeber wird in die Lage versetzt, ein Arbeitsverhältnis auch dann aufrecht zu erhalten, wenn beim Arbeitgeber selbst keine Beschäftigungsmöglichkeit besteht. Zudem wird der Austausch von Erfahrungen und Fertigkeiten im öffentlichen Dienst erleichtert. Für den Beschäftigten bedeutet dies, dass auch er flexibler sein muss. Die Vorstellung, das Arbeitsleben ohne Veränderung immer am gleichen Arbeitsort verbringen zu können, ist mit der heutigen Zeit wohl nicht mehr zu vereinbaren. Auch bei der Erweiterung des TVöD durch die Personalgestellung handelt es sich um keine grundlegende Innovation. Bereits in der Vorgängervorschrift des § 12 BAT waren diese Möglichkeiten enthalten. Durch die eindeutige Begriffsbestimmung im Tarifvertrag ist die Anwendung der unterschiedlichen Maßnahmen jedoch übersichtlicher und kann damit auch einfacher gestaltet werden.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
6.3
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Wege der betrieblichen Umsetzung
Die Ausübung des Weisungsrechts ist nicht an bestimmte Formen oder Zeitabläufe gebunden. Die betriebliche Umsetzung richtet sich daher allein nach den Umständen des Einzelfalls.
6.3.1
Wie wird das Weisungsrecht ausgeübt?
Weisungen können individuell über Einzelweisungen an einen Arbeitnehmer oder kollektiv über Dienst- oder Betriebsanweisungen an alle Arbeitnehmer erteilt werden. Dienst- und Betriebsanweisungen stellen höhere Anforderungen an die Ermessensausübung, da nicht nur die Interessen eines Einzelnen sondern einer ganzen Gruppe von Arbeitnehmern zu berücksichtigen sind. Soweit der Inhalt der Weisung auch in den Zuständigkeitsbereich einer Arbeitnehmervertretung fällt, kann das Weisungsrecht auch über eine Dienst- oder Betriebsvereinbarung ausgeübt werden. Durch den Abschluss einer Dienst- oder Betriebsvereinbarung konkretisiert der Arbeitgeber sein Weisungsrecht für die Zukunft. Änderungen können nur mit Zustimmung der Arbeitnehmervertreter oder nach Kündigung der Vereinbarung vorgenommen werden, soweit diese nicht auch noch nachwirkt. Betriebs- und Dienstvereinbarungen unterliegen nicht dem gleichen arbeitsgerichtlichen Beurteilungsmaßstab wie Einzelweisungen, da es sich um eine einvernehmliche Regelung der Betriebsparteien vor Ort handelt. Hier ist zu vermuten, dass bereits ein beiderseitiger Interessenausgleich stattgefunden hat. Mit der einmaligen Ausübung des Weisungsrechts legt der Arbeitgeber sich nicht fest. Aufgrund von unternehmerischen Entscheidun86 gen kann er jederzeit die Weisung ganz oder zum Teil abändern. Wird jedoch der Inhalt der Weisung Bestandteil des Arbeitsverhältnisses, etwa durch Vereinbarung oder betriebliche Übung, kann die Änderung nur über eine Änderungskündigung erfolgen.
86
BAG, Urt. v. 26.07.2001 - 6 AZR 434/99.
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In welchem Umfang besteht ein Weisungsrecht?
6.3.2
Die Beschränkung Ihres Weisungsrechts
Der Arbeitgeber ist bei der Ausübung seines Weisungsrechts nicht völlig frei. Schon bei der Art und Weise der Weisungserteilung ist er nach § 106 GewO durch die Ausübung des billigen Ermessens eingeschränkt. Aber auch der Inhalt der Weisung unterliegt den Grenzen der Rechtsordnung (Grundrechte des Arbeitnehmers, gesetzliche Vorschriften, Tarifverträge, Betriebs-/Dienstvereinbarungen oder Einzelarbeitsverträge, aber auch betriebliche Übung). Die wechselseitigen Interessen sind nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Angemessenheit, aber auch der Verkehrssitte und Zumutbarkeit abzuwägen. Hierbei sind auch Fragen der Risikoverteilung im Arbeitsrecht, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale und persönliche Lebensverhältnisse einzubezie87 hen. Beispiel: Bei der Verteilung der Tag und Nachtschichten muss der Arbeitgeber die familiären Verhältnisse oder eine langjährige Beschäftigung aus schließlich in Nachtschichten berücksichtigen, soweit es die betriebli chen Verhältnisse zulassen.
Unzulässig sind auf jeden Fall Weisungen, die einen unberechtigt 88 maßregelnden Charakter haben. Die Interessen der Vertragsparteien müssen für die jeweils andere Vertragspartei erkennbar sein. Eine bloße innere Erwartungshaltung kann nicht Grundlage dieses Abwägungsprozesses sein. Sofern der Arbeitnehmer seine Interessen gegenüber dem Arbeitgeber nicht erkennbar offenbart, kann er diese später nicht geltend machen. Der Arbeitgeber ist nicht ohne Anlass zur Ausforschung verpflichtet. Bei der vorzunehmenden Abwägung ist auf die jeweilige Interessen89 lage zum Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen.
87
BAG, Urt. v. 28.11.1989 - 3 AZR 118/88. LAG Erfurt, Urt. v. 10.04.2001 - 5 Sa 403/2000. 89 BAG, Urt. v. 23.09.2004 - 6 AZR 567/03. 88
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Wege der betrieblichen Umsetzung
6.3.3
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Ist die Anordnung mitbestimmungspflichtig?
Weisungen des Arbeitgebers sind grundsätzlich dann mitbestimmungspflichtig, wenn sie eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände für den Beschäftigten bedeuten. Die Umsetzung als mildeste Form der Weisung ist daher nur mitbestimmungspflichtig, wenn sie sich auf den Status des Beschäftigten oder den Arbeitsort auswirkt. Daneben gibt es auch gesetzliche Regelungen für bestimmte Fälle (§ 75 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG bei einem Wechsel des Dienstorts). Bei allen anderen Maßnahmen des § 4 TVöD ist dagegen von einer Mitbestimmungspflicht auszugehen, soweit keine Ausnahmebestimmung greift. Mitbestimmungspflicht beim Arbeitgeber Die beabsichtigte Maßnahme darf nur ausgesprochen werden, wenn die Zustimmung des Personal- oder Betriebsrates vorliegt (siehe etwa § 69 Abs. 1 BPersVG). Dies bedeutet, dass bei fehlender Zustimmung oder nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrates die Maßnahme unwirksam ist. Ein Mitbestimmungserfordernis besteht ausnahmsweise nicht, wenn die Abordnung nur für einen geringen Zeitraum angeordnet wird. Im Bereich des BPersVG ist die Mitbestimmung nicht erforderlich, wenn die Abordnung für weniger als drei Monate erfolgen soll. Stellt sich während der Abordnung jedoch heraus, dass dieser Zeitraum überschritten wird, ist der Personalrat sofort zu beteiligen. Dies gilt auch bei einer Teilabordnung. Im BetrVG beträgt die mitbestimmungsfreie Frist einen Monat (§ 95 Abs. 3 BetrVG). Bei Personal- oder Betriebsratsmitgliedern ist eine Maßnahme nach § 4 TVöD gemäß § 103 Abs. 3 BetrVG und § 47 Abs. 2 BPersVG nur eingeschränkt möglich. Mitbestimmungspflicht beim Übernehmer Ist der Beschäftigte aufgrund einer Maßnahme nach § 4 TVöD in den Betrieb des Übernehmers eingegliedert, ist die Personalvertretung des Übernehmers für alle Fragen der Arbeitsgestaltung zuständig. Die Personalvertretung des abgebenden Arbeitgebers bleibt jedoch weiterhin zuständig für Fragen, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses (z. B. Abmahnung, Kündigung) betreffen.
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In welchem Umfang besteht ein Weisungsrecht?
Umstritten ist, ob die Personalvertretung des Übernehmers auch bereits bei der Übernahme zu beteiligen ist. • Geltungsbereich der PersVG Während in einigen Landespersonalvertretungsgesetzen die Mitbestimmung ausdrücklich vorgesehen ist, findet sich im BPersVG keine Regelung. Das BVerwG hat ein Beteiligungsrecht der aufnehmenden Dienststelle für den Fall anerkannt, wenn 90 diese selbst auf die Versetzungsentscheidung Einfluss hat. Ist für die Versetzung die übergeordnete Dienststelle zuständig, entscheidet die Stufenvertretung der übergeordneten Dienststelle gemäß § 82 Abs. 1, Abs. 2 BPersVG im Rahmen des Mitbestimmungsrechts, wobei die betroffenen Dienststellen zu hören sind. • Geltungsbereich der BetrVG Soll der Beschäftigte in einen anderen Betrieb versetzt werden, so entsteht das Mitbestimmungsrecht sowohl auf Seiten des abgebenden, als auch des aufnehmenden Betriebs. Der aufnehmende Betrieb hat unter dem Gesichtspunkt der Einstellung zu ent91 scheiden.
6.3.4
Was sollte im Personalgestellungsvertrag geregelt sein?
Der Personalgestellungsvertrag ist die rechtliche Ausgestaltung der Rahmenbedingung zwischen dem Arbeitgeber und dem Übernehmer. Hier sollten alle Fragen im Zusammenhang mit der Finanzierung und der Verteilung der Weisungsbefugnisse geregelt werden. Die gesetzlichen und tarifvertraglichen Ansprüche oder das Arbeitsverhältnis als solches können dagegen durch den Personalgestellungsvertrag nicht geändert werden. Der Vertrag sollte folgende Regelungen enthalten: • Darstellung des Aufgabengebietes, • Arbeits- und Dienstort (soweit möglich), • Übertragung der Weisungsbefugnis; Beachtung der tarifvertraglichen und arbeitsvertraglichen Bestimmungen, 90 91
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BVerwG, Urt. v. 06.11.1987 - 6 P 2.85. BAG, Beschl. v. 20.09.1990 - 1 ABR 37/90.
Wege der betrieblichen Umsetzung
6
•
Abstimmungsverfahren bei Unstimmigkeiten zwischen den Parteien, • Informationspflichten zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen, • Kostenerstattung (Entgelt/Verwaltung), • Austausch von Beschäftigten oder Rückgaberecht einzelner Beschäftigter, • Krankheit oder sonstige Gründe des Arbeitsausfalls, • Beendigung des Personalgestellungsvertrages und des Arbeitsverhältnisses. Darüber hinaus sind auch die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen. Bestenfalls werden Nutzen und Risiken so aufgeteilt, dass der Übernehmer quasi die Stellung eines Arbeitgebers übernimmt und der eigentliche Arbeitgeber lediglich noch die technische Abwicklung zu besorgen hat.
6.3.5
Checkliste Maßnahmen des Weisungsrechts
Die folgende Checkliste gibt einen abschließenden Überblick über die unterschiedlichen Maßnahmen, die der Arbeitgeber kraft seines Weisungsrechts treffen kann, die Voraussetzungen sowie die jeweiligen Rechtsgrundlagen. Was Umsetzung
Voraussetzungen • anderer Arbeitsplatz
Woraus
• gleiche Dienststelle • gleicher Arbeitgeber Abordnung
• zeitlich befristet
Versetzung
• andere Dienststelle/anderer Betrieb • gleicher oder anderer unter den TVöD fallender Arbeitgeber • zeitlich unbefristet • andere Dienststelle/ anderer Betrieb • gleicher Arbeitgeber
Weisungsrecht
§ 4 Abs. 1 TVöD
§ 4 Abs. 1 TVöD
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6
In welchem Umfang besteht ein Weisungsrecht?
Zuweisung
Personal gestellung
110
• zeitlich befristet • bei einem Dritten im In oder Ausland außerhalb des Gel tungsbereichs des TVöD • zeitlich unbefristet
§ 4 Abs. 2 TVöD
• bei einem Dritten
§ 4 Abs. 3 TVöD
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Wie gestalten Sie die Arbeitszeit flexibel und kundenorientiert?
Eines der Kernanliegen der Arbeitgeber bei der Reform des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes war die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Die Arbeit sollte künftig – ohne Verteuerung durch Zeitzuschläge – wesentlich leichter dann erledigt werden können, wenn die Bürger die Dienstleistungen auch tatsächlich benötigen. Durch Änderungen beim Überstundenbegriff (der Definition der Überstunde) sowie durch die neu eingeführten Arbeitszeitmodelle der täglichen Rahmenzeit und des wöchentlichen Arbeitszeitkorridors konnten diese Ziele im Wesentlichen erreicht werden. Wichtig ist für die Anwender des TVöD darüber hinaus, dass künftig sowohl bestehende Gleitzeitmodelle fortgeführt als auch neu eingeführt werden können.
7.1 7.1.1
Wie ist der tarifliche Stand? Das Volumen der regelmäßigen Arbeitszeit
Die tarifvertragliche regelmäßige Arbeitszeit nach dem TVöD-Bund beträgt für die Beschäftigten des Bundes durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich im gesamten Tarifgebiet der Bundesrepublik. Für die Beschäftigten der kommunalen Verwaltungen und Unternehmen bleibt es zunächst bei dem Arbeitszeitvolumen des BAT von 38,5 Stunden im Tarifgebiet West und 40 Stunden im Tarifgebiet Ost. Für den kommunalen Bereich im Tarifgebiet West haben die Tarifvertragsparteien für das Arbeitszeitvolumen eine Öffnung vereinbart. Hiernach kann auf landesbezirklicher Ebene, also zwischen einem Kommunalen Arbeitgeberverband und einem Landesbezirk der Gewerkschaft Verdi oder der dbb Tarifunion, eine Verlängerung
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auf bis zu 40 Stunden vereinbart werden. Die Vorschrift zum Arbeitszeitvolumen, § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD, kann entsprechend der eingeräumten Verhandlungskompetenz auf landesbezirklicher Ebene von den einzelnen Kommunalen Arbeitgeberverbänden und den Landesbezirken der Gewerkschaft Verdi oder der dbb Tarifunion gekündigt werden, und zwar mit einer Frist von einem Monat zum Schluss eines Kalendermonats, § 39 Abs. 3 TVöD. Eine Kündigung war somit erstmals zum 30.11.2005 möglich; sie ist unterdessen für die Bereiche Baden-Württemberg, Hamburg und Niedersachsen ausgesprochen worden. Hier wurde die wöchentliche Arbeitszeit nach teilweise wochenlangen Streiks auf 39 bis 39,25 Stunden festgesetzt. Zum Teil gilt das neu vereinbarte Arbeitszeitvolumen einheitlich für alle Beschäftigten, zum Teil wird nach verschiedenen Kriterien (Lebensalter, Entgeltgruppen, Kinderanzahl) differenziert. Nach Wirksamwerden der Kündigung des § 6 Abs. 1 TVöD können die Mitglieder des jeweiligen Kommunalen Arbeitgeberverbandes in neu abzuschließenden Arbeitsverträgen das Arbeitszeitvolumen frei vereinbaren. Eine Beschränkung für die Ebene der individuellen Arbeitsverträge auf 40 Stunden besteht insoweit nicht. Für bestehende Arbeitsverhältnisse verbleibt es wegen der im Tarifvertragsgesetz geregelten Nachwirkung gekündigter tarifvertraglicher Regelungen im kommunalen Bereich bis zu einer Neuregelung bei einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Eine Verlängerung kann hier erst eintreten, wenn es zu einer Einigung der Tarifvertragsparteien kommt. Der Freiheit der Arbeitgeber beim Abschluss neuer Arbeitsverträge steht auf gewerkschaftlicher Seite gegenüber, dass mit Wirksamwerden der Kündigung und dem Scheitern anschließender Verhandlungen die Friedenspflicht endet. Streikmaßnahmen der Gewerkschaften zur Erhaltung des geltenden Arbeitszeitvolumens – und theoretisch auch für eine Absenkung der regelmäßigen Arbeitszeit – wären dann zulässig. Die regelmäßige Arbeitszeit ist im TVöD so ausgestaltet, dass eine optimale Erfüllung der zu erledigenden Aufgaben im Mittelpunkt steht. Der Arbeitgeber kann die Arbeitszeit sehr weit gehend flexibel abrufen. Grenzen ergeben sich zunächst nur aus dem Arbeitszeitgesetz, den mitbestimmungsrechtlichen Gesetzen und dem Grundsatz, dass der Arbeitgeber sein Direktionsrecht in Bezug auf die Lage der
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Arbeitszeit nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der dienstlichen/betrieblichen Interessen einerseits und der Interessen der Arbeitnehmer andererseits auszuüben hat. Die regelmäßige Arbeitszeit, die für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzt ist, ist ein wichtiges Merkmal für den Begriff (die Definition) der Überstunde, der in § 7 Abs. 7 TVöD geregelt ist.
7.1.2
Jahresausgleichszeitraum
Für die Berechnung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zulegen, §6 Abs. 2 TVöD. Dies ermöglicht eine Verteilung der Arbeitszeit entsprechend dem jeweiligen Arbeitsanfall. So kann bei saisonal bedingtem erhöhtem Arbeitsbedarf die Arbeitsleistung während der Saison bis an die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes abgerufen werden. Es muss nur sichergestellt sein, dass über den Zeitraum von einem Jahr der jeweils geltende Umfang des Arbeitszeitvolumens eingehalten wird. Maßgeblich für die Bestimmung dieses Zeitraumes ist ein zu bestimmender Anfangszeitpunkt – es muss nicht auf das Kalenderjahr abgestellt werden. Der Jahresausgleichszeitraum ist für die Verteilung der Arbeitszeit durch Dienstpläne anzuwenden, nicht aber hierauf beschränkt. Auch bei ohne nach Dienstplänen bestimmter Arbeitszeit kann die Flexibilität ausgenutzt werden, die sich daraus ergibt, dass die Arbeitszeit nur im Durchschnitt eines Jahres das vereinbarte Volumen erreichen muss.
7.1.3
Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage
Die regelmäßige Arbeitszeit kann auf fünf Tage, aus notwendigen betrieblichen/dienstlichen Gründen auch auf sechs Tage verteilt werden, § 6 Abs. 1 Satz 3 TVöD. Auch hier steht die Erfüllung der wahrzunehmenden Aufgaben im Mittelpunkt. Die Verteilung erfolgt dabei auf „Tage”, ist also nicht auf Wochentage oder Werktage beschränkt. Eine Einbeziehung des Samstags und des Sonntags als Arbeitszeit ist ohne weiteres möglich und setzt nicht einmal „notwendige betriebliche/dienstliche Gründe” voraus, falls nicht die Verteilung zugleich auf sechs Tage erstreckt werden
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Wie gestalten Sie die Arbeitszeit flexibel und kundenorientiert? 92
soll. Es gelten nur das Arbeitszeitgesetz und das Willkürverbot im Rahmen des vom Arbeitgeber vorzunehmenden billigen Ermessens. Die Anforderungen an eine von der Regel der Verteilung auf fünf Tage abweichende Verteilung auf sechs Tage sind sehr gering. Der Arbeitgeber muss hierzu nicht etwa „dringende”, sondern lediglich „notwendige betriebliche/dienstliche Gründe” darlegen.
7.1.4
Definition
Überstunden
Überstunden sind diejenigen Arbeitsstunden, für die der Arbeitgeber einen Zeitzuschlag zahlen muss, dessen Höhe in § 8 Abs. 1 Buchst. a TVöD geregelt ist. Demgegenüber sind Mehrarbeitsstunden, also diejenigen Stunden, die ein Teilzeitbeschäftigter über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten leistet, zuschlagsfrei. Nicht jede über 38,5 Stunden pro Woche (bzw. 40 Stunden im Tarifgebiet Ost) hinausgehende Arbeitsstunde ist eine Überstunde. Eine zuschlagspflichtige Überstunde entsteht vielmehr erst, wenn alle drei Voraussetzungen des Überstundengrundbegriffs erfüllt sind (vgl. unten) und zusätzlich – für den Fall, dass eine tägliche Rahmenzeit oder ein wöchentlicher Arbeitszeitkorridor durch Dienstoder Betriebsvereinbarung eingeführt worden ist – die zu prüfende Stunde außerhalb einer täglichen Rahmenzeit oder außerhalb eines wöchentlichen Arbeitszeitkorridors liegt. Überstunden sind in § 7 Abs. 7 TVöD definiert: Danach muss die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten, wie sie für die betreffende Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzt wurde, überschritten sein und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden können. Zunächst setzen Überstunden eine Anordnung des Arbeitgebers voraus. Anordnung des Arbeitgebers Das erste Merkmal einer Überstunde ist die Anordnung des Arbeitgebers. Freiwillig geleistete Arbeitsstunden sind damit grundsätzlich keine Überstunden. 92
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§§ 9 und 10 „Sonn- und Feiertagsruhe” und „Sonn- und Feiertagsbeschäftigung”.
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Neben einer ausdrücklichen Anordnung des Arbeitgebers kann allerdings die Anordnung einer Überstunde auch durch eine stillschweigende (konkludente) Vereinbarung zustande kommen. Nach der Rechtsprechung muss der Arbeitnehmer im Prozess darlegen, ob die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeit notwendig waren bzw. ob 93 vom Arbeitgeber gebilligt oder geduldet wurden . Zutreffend hat 94 das Landesarbeitsgericht Hamm dieses Erfordernis präzisiert: Auch im Falle einer stillschweigenden Vereinbarung entsteht ein Anspruch auf Überstundenvergütung nur, wenn zuvor eine rechtsgeschäftliche Überstundenabrede getroffen wurde. Insbesondere bei Gleitzeitmodellen (zu deren Zulässigkeit nach dem TVöD vgl. Ziff. 7.1.5) wird es regelmäßig an einer solchen Überstundenabrede fehlen. Der Arbeitgeber kann hier davon ausgehen, dass zusätzlich geleistete Arbeitsstunden innerhalb des Gleitzeitrahmens ausgeglichen werden. Besteht hierzu wegen eines erhöhten Arbeitsanfalls allerdings keine Möglichkeit und weist die/der Beschäftigte den Arbeitgeber hierauf hin, so deutet dies auf das Zustandekommen einer Überstundenabrede. Die Darlegungs- und Beweislast tragen in diesem Zusammenhang die Beschäftigten. Bei einem mit Billigung des Vorgesetzten angewachsenen Zeitguthaben handelt es sich dagegen nicht um angeordnete oder gebilligte Überstunden, so eine Entscheidung des LAG Köln. Arbeitnehmer haben daher keinen Anspruch auf Zahlung einer Barabgeltung für ein Gleitzeitguthaben. Darüber hinaus handeln Arbeitnehmer im Regelfall sogar rechtsmissbräuchlich, wenn sie Gleitzeitguthaben in nicht unerheblicher Höhe ansammeln, ohne den geringsten Versuch zu unternehmen, bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses für einen Zeitausgleich 95 zu sorgen.
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Überstunden bei Gleitzeit
93 BAG, Urt. v. 25.11.1993 – 2 AZR 517/93. 94 LAG Hamm, Urt. v. 10. 06.1999 – 8 Sa 94/99. 95 LAG Düsseldorf, Urt. v. 10.09.1981 – 14 Sa 728/81.
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Über die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten hinaus geleistete Arbeit Das zweite Merkmal knüpft an die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten an, und zwar danach, wie diese für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzt worden ist. Tipp: Für Arbeit, deren Umfang vorhersehbar ist, ist dieses Merkmal die wichtigste Stellschraube zur Steigerung der Arbeitszeitflexibilität. Un regelmäßig anfallende Arbeit kann entweder über einen Dienstplan oder über die Betriebsüblichkeit so verteilt werden, dass Überstunden von vornherein nicht anfallen.
Der Arbeitgeber kann die Arbeitszeit in den Grenzen des Arbeitszeitgesetzes (und für den Fall, dass eine Betriebs-/Dienstvereinbarung zu § 6 Abs. 4 TVöD besteht, darüber hinaus) so verteilen, dass Abweichungen von der dienstplanmäßig festgelegten bzw. der betriebsüblichen Arbeitszeit gar nicht oder nur selten vorkommen. Beispiel: In Saisonbetrieben kann geregelt werden, dass in den Saisonmonaten die dienstplanmäßige oder die betriebsübliche Arbeitszeit 48 Stunden pro Woche beträgt. Die Arbeitszeit in den restlichen Monaten ist dann auf so viel Arbeitsstunden pro Woche festzulegen, dass im Ausgleichs zeitraum von bis zu einem Jahr durchschnittlich die regelmäßige Ar beitszeit erreicht wird, die für den jeweiligen Arbeitgeber nach § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD gilt. Eine Überstunde kann dann in den Saisonmonaten frühestens ab der 49. Arbeitsstunde pro Woche entstehen, wenn diese vom Arbeitgeber angeordnet wurde.
Kein Ausgleich bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche Das dritte Merkmal der Überstunde stellt gegenüber BAT und BMTG eine deutliche Ausweitung der Arbeitszeitflexibilität für den Arbeitgeber dar: Jede Arbeitsstunde, die über die für die Woche festgesetzten Arbeitsstunden hinausgeht, kann noch bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden. Erfolgt der Ausgleich, so liegt keine Überstunde und damit keine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung von Zeitzuschlägen vor.
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Beispiel: Der Arbeitgeber des oben dargestellten Saisonbetriebs ordnet in einer in der Saison liegenden Woche zwei zusätzliche, also 50 Arbeitsstunden an, was arbeitsschutzrechtlich bei entsprechendem Ausgleich zulässig wäre. Hier kann der Arbeitgeber bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche die zwei Arbeitsstunden wieder ausgleichen, indem er die für diese zweite Woche festgesetzten Arbeitsstunden um zwei Arbeitsstunden reduziert. So fallen keine Überstundenzuschläge an. Tipp: Diese Ausgleichsmöglichkeit setzt in der Praxis voraus, dass die jeweili ge Überstunde erfasst und der Zeitpunkt bestimmt wird, bis zu dem ein Ausgleich möglich ist. Die Erfassung kann in einem einfachen System erfolgen und setzt nicht notwendig ein Arbeitszeitkonto, erst recht kei nes im Sinne des § 10 TVöD voraus. Gegenüber dem BAT bedeutet die Notwendigkeit einer Erfassung keine zusätzliche Erschwernis für den Arbeitgeber. Auch hier müsste die Entstehung einer Überstunde erfasst werden, um zu prüfen, ob deren Ausgleich bis zum Ende derselben Wo che erfolgt war.
7.1.5
Gleitzeitmodelle
Gleitzeitmodelle werden im TVöD in der Protokollerklärung zu § 6 und in der Protokollerklärung zu Abschnitt II erwähnt, ohne dass für diese Modelle im Einzelnen Regelungen aufgestellt werden. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit die Gestaltungsfreiheit respektiert, im Rahmen derer die früheren Anwender von BAT und BMTG solche Arbeitszeitmodelle entwickelt und in aller Regel zur beiderseitigen Zufriedenheit praktisch umgesetzt haben. Gleitzeitregelungen sind unabhängig von den im TVöD geregelten Arbeitszeitmodellen der täglichen Rahmenzeit und des wöchentlichen Arbeitszeitkorridors. Sie werden durch diese Arbeitszeitmodelle in keiner Weise eingeschränkt. Beispiel: Nach einer bestehenden Gleitzeitregelung darf die Arbeitsleistung in der Zeit von 6.00 Uhr bis 21.00 Uhr erbracht werden. Zugleich existiert eine Dienstvereinbarung, durch die eine tägliche Rahmenzeit von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr festgelegt wurde.
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Wie gestalten Sie die Arbeitszeit flexibel und kundenorientiert?
Hier wird die „erlaubte” Zeit der Arbeitsleistung nicht beschränkt – sie könnte auch künftig über 18.00 Uhr hinaus bis 21.00 Uhr erbracht wer den. In dieser Zeit anfallende Arbeitsstunden würden dabei den Begriff der Überstunde erst erfüllen, wenn sie vom Arbeitgeber „angeordnet” worden wären.
Ist ein wöchentlicher Arbeitszeitkorridor von 45 Stunden vereinbart, bedeutet dies ebenfalls keine Beschränkung für die nach einer Gleitzeitregelung festgelegte Zeit, innerhalb derer die Arbeitsleistung erbracht werden darf. Der Hintergrund für diese Regelung war eine Auseinandersetzung darüber, ob bestehende und künftige Gleitzeitregelungen durch ausdrückliche tarifvertragliche Regelungen „eingefangen”, d. h. tarifvertraglich beschränkt werden sollten. Die Tarifvertragsparteien haben sich darauf geeinigt, im TVöD weder eine Beschränkung noch überhaupt eine Regelung bewährter Gleitzeitmodelle vorzunehmen. Dies ermöglicht die Fortsetzung und die Neueinführung von Gleitzeitmodellen und damit einen wirtschaftlichen Umgang mit der Arbeitszeit bei gleichzeitig regelmäßig hohem Grad der Zufriedenheit bei den Beschäftigten. Eine eher geringe Einschränkung liegt insoweit vor, als dass die Protokollerklärung zu § 6 TVöD klarstellt, dass Gleitzeitregelungen nicht zugleich Regelungen zu Abweichungen von den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (Öffnungsklausel gemäß § 6 Abs. 4 TVöD) enthalten dürfen. Sind Arbeitgeber und Beschäftigte der Auffassung, dass dringende betriebliche/dienstliche Gründe Regelungen zu Öffnungen von den Beschränkungen des Arbeitszeitgesetzes erfordern, so können entsprechende Vereinbarungen außerhalb von Gleitzeitregelungen getroffen werden. Wird dies befolgt, so ist eine weitere Einschränkung durch die Protokollerklärung zu § 6 nicht gegeben.
7.1.6
Tägliche Rahmenzeit
Es kann zusätzlich zu den automatisch geltenden Flexibilisierungen bei dem Grundbegriff der Überstunde das neue Arbeitszeitmodell der täglichen Rahmenzeit durch Dienst- oder Betriebsvereinbarung eingeführt werden. Dann sind die innerhalb der festgelegten Rah-
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menzeit liegenden Arbeitsstunden auch dann keine Überstunden, wenn alle anderen Voraussetzungen einer Überstunde erfüllt wären.
7.1.7
Wöchentlicher Arbeitszeitkorridor
Als weiteres neues Arbeitszeitmodell bietet der TVöD den wöchentlichen Arbeitszeitkorridor, der ebenfalls durch Dienst-/ Betriebsvereinbarung eingeführt werden kann. Ein Arbeitszeitkorridor von 45 Stunden bewirkt zum Beispiel, dass frühestens ab der 46. Stunde eine Überstunde vorliegen kann, wenn ansonsten alle anderen Voraussetzungen gegeben sind.
7.1.8
Arbeitszeitkonten
§ 10 Abs. 1 TVöD sieht vor, dass Arbeitszeitkonten eingerichtet werden können. Nur für den Fall, dass eine tägliche Rahmenzeit oder ein wöchentlicher Arbeitszeitkorridor vereinbart wird, sind diese zwingend einzurichten. Dies entspricht dem Ausgleich zwischen dem Bedürfnis des Arbeitgebers nach Arbeitszeitflexibilität einerseits und dem Interesse der Beschäftigten nach Arbeitszeitsouveränität andererseits. Anders ausgedrückt: Nur dann, wenn dem Arbeitgeber eine erhöhte Arbeitszeitflexibilität durch eines der beiden Arbeitszeitmodelle des TVöD – Rahmenzeit oder Arbeitszeitkorridor – eingeräumt wird, haben die Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, dass ihre Arbeitszeit über Arbeitszeitkonten im Sinne des § 10 TVöD geregelt wird. Dann kann davon ausgegangen werden, dass – stets unter Berücksichtigung der betrieblichen und dienstlichen Belange – die Beschäftigten „souveräner” mit der Lage ihrer Arbeitszeit umgehen können, also ihre privaten Interessen wichtiger genommen werden als dies z. B. bei starren Anfangs- und Endzeiten der Fall wäre. Neben Arbeitszeitkonten nach § 10 TVöD sind Arbeitszeitkontierungen zulässig, für die es keine tarifvertraglichen Vorgaben gibt. Einrichtung von Arbeitszeitkonten durch Betriebs /Dienstverein barung oder Tarifvertrag Arbeitszeitkonten nach § 10 TVöD können durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch
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Wie gestalten Sie die Arbeitszeit flexibel und kundenorientiert?
durch landesbezirkliche Tarifverträge (z. B. im Bereich eines Mitgliedverbandes der VKA) oder durch einen Tarifvertrag auf Bundesebene (im Bereich des Bundes) eingerichtet werden, § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 TVöD. Diese Regelungen werden in der Praxis bedeuten, dass ein Arbeitgeber in einem Betrieb/einer Verwaltung, für die ein Personalvertretungsgesetz gilt, ein Arbeitszeitkonto nicht mehr gegen den Willen der Personalvertretung durchsetzen kann. Lehnt nämlich die Personalvertretung eine entsprechende Dienstvereinbarung ab, so lässt sich diese auch nicht nach einem Einigungsstellenverfahren gegen den Willen des Personalrates durchsetzen. Es läge dann keine „einvernehmlich zustande gekommene Dienstvereinbarung“ vor. Die Möglichkeit des Abschlusses eines landesbezirklichen Tarifvertrages ist in diesen Fällen wohl eher theoretischer Natur. Die Gewerkschaften werden kaum geneigt sein, die vom Arbeitgeber gewünschte und dem Personalrat abgelehnte Vereinbarung in einem Tarifvertrag zu regeln. Dem Arbeitgeber steht es in diesen Fällen aber frei, ein Arbeitszeitkonto einzurichten, das nicht den Regeln des § 10 TVöD, sondern eigenen Regeln folgt. Tipp Stellen Sie den Wert eines Arbeitszeitkontos für die Arbeitszeitsouverä nität der Beschäftigten in den Mittelpunkt der Verhandlungen zu einer Dienst /Betriebsvereinbarung. Ein Arbeitszeitkonto im Sinne des § 10 TVöD ist keineswegs selbstverständlich. Es sollte als Gegenleistung für die Gewährung von mehr Arbeitszeitflexibilität des Arbeitgebers ange sehen werden. Ein Arbeitszeitkonto im Sinne des § 10 TVöD sollte stets mit der Vereinbarung von Rahmenzeit oder Arbeitszeitkorridor oder mit Gleitzeitmodellen verbunden werden.
Geltungsbereich der Betriebs/Dienstvereinbarung Ein Arbeitszeitkonto muss nicht zwingend für den ganzen Betrieb, die ganze Verwaltung eingerichtet werden. Nach § 10 Abs. 2 ist in der Betriebs-/Dienstvereinbarung festzulegen, ob das Arbeitszeitkonto im ganzen Betrieb, der ganzen Verwaltung oder nur in Teilen davon eingerichtet wird.
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Beispiel: Durch eine Dienstvereinbarung wird geregelt, dass in einem Landkreis nur für die Kfz Zulassungsstelle ein Arbeitszeitkonto zusammen mit einer täglichen Rahmenzeit von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr eingerichtet wird. Für die übrigen Teile der Kreisverwaltung verbleibt es bei festen Dienstzeiten ohne Arbeitszeitkonten und ohne Vereinbarung eines Ar beitszeitmodells.
Allerdings sollte eine Zersplitterung vermieden werden, die zu unterschiedlichen Regelungen für einzelne Beschäftigte in einem Betriebs-/Verwaltungsteil führen würde. Deswegen bestimmt § 10 Abs. 2 Satz 2 TVöD, dass alle Beschäftigten der Betriebs-/Verwaltungsteile, für die ein Zeitkonto eingerichtet wird, von den Regelungen des Arbeitszeitkontos erfasst werden. Inhalt der Betriebs/Dienstvereinbarung In der Betriebs-/Dienstvereinbarung zur Einrichtung eines Arbeitszeitkontos ist zunächst der Zeitraum festzulegen, für den der Beschäftigte entscheidet, welche der buchbaren Zeiten tatsächlich auf das Arbeitskonto gebucht werden sollen, § 10 Abs. 3 TVöD. Diese Regelung besagt zum einen, dass der Beschäftigte, nicht der Arbeitgeber darüber entscheidet, ob buchbare Zeiten tatsächlich gebucht werden sollen. Zum anderen kann der Beschäftigte aber seine Entscheidung später nicht von Fall zu Fall treffen. Er ist an seine Entscheidung für die Dauer des in der Betriebs-/Dienstvereinbarung geregelten Zeitraums gebunden. Sinn der Regelung ist es, den organisatorischen Aufwand für den Arbeitgeber überschaubar zu halten. Weitere Vorgaben für den Mindest-Regelungsgehalt einer Betriebs- / Dienstvereinbarung sind in § 10 Abs. 5 TVöD geregelt. • Buchst. a: Geregelt werden muss die höchstmögliche Zeitschuld und das höchstmögliches Zeitguthaben, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums anfallen dürfen. Dabei ist nur die Zeitschuld auf 40 Stunden begrenzt, nicht das Zeitguthaben. Letzteres kann bis zu einem Vielfachen von 40 Stunden betragen und somit im Ergebnis unbeschränkt vereinbart werden. Ein „Vielfaches” ist nicht beschränkt auf 80, 120 usw. Stunden; es können auch dazwischen liegende Grenzen vereinbart werden (z. B. das x-fache von 40 Stunden).
Zeitraum
Mindest Regelungs gehalt
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Buchst. b: Je nach dem Umfang des beantragten Freizeitausgleichs sind gestaffelte Fristen für das Abbuchen von Zeitguthaben oder für den Abbau von Zeitschulden durch die Beschäftigten vorzusehen. In der Bestimmung der Fristen sind die Betriebsparteien frei. • Buchst. c: Die Berechtigung, das Abbuchen von Zeitguthaben an bestimmten Zeiten vorzusehen, kann vereinfacht oder beschränkt werden. Hier können bestehende betriebliche oder Belange der Beschäftigten gleich in der Dienst-/ Betriebsvereinbarung generalisiert geregelt werden. Im Übrigen sind die Betriebsparteien frei, weitere Regelungen zu treffen oder es bei den Mindestinhalten zu belassen. Buchbare Zeiten Das Arbeitszeitkonto des § 10 TVöD ist für die Buchung von Zeiten, nicht von Geld vorgesehen. Die Frage, welche Arten von Zeiten auf dem Arbeitszeitkonto gebucht werden können, regelt § 10 Abs. 3 TVöD. Es gibt eine Grundregelung, die für alle Arbeitszeitkonten gilt, und weiter gehende Buchungsmöglichkeiten, die erst durch Betriebs-/ Dienstvereinbarung „freigegeben werden” müssen.
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Buchbare Zeiten (§ 10 TVöD)
Erläuterung/Anmerkung
1. Zeitguthaben oder Zeitschul den, die bei Anwendung des nach § 6 Abs. 2 TVöD festgeleg ten Zeitraums bestehen bleiben, § 10 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt.
Geringe Bedeutung wegen der Länge des Aus gleichszeitraums: bis zu 1 Jahr; nur die nicht innerhalb dieses Zeitraums ausgeglichenen Zei ten können gebucht werden.
2. nicht durch Freizeit ausgegli chene Zeiten nach § 8 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 2 TVöD, § 10 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt.
Überstunden als solche (nicht: Zeitzuschläge für Überstunden); Arbeitsstunden, die keine Überstun den sind und die nicht innerhalb des Ausgleichs zeitraums nach § 6 Abs. 2 Satz 1 oder 2 festge legten Zeitraums mit Freizeit ausgeglichen werden.
3. im Verhältnis 1:1 umgewan delte Zeitzuschläge nach § 8 Abs. 1 Satz 4 TVöD, § 10 Abs. 3 Satz 1, 3. Alt.
Die Zeitzuschläge nach § 8 Abs. Satz 2 TVöD für Überstunden, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit, Fei ertagsarbeit, Arbeit am 24. Dezember und am 31. Dezember, Arbeit an Samstagen (soweit diese nicht im Rahmen von Wechselschicht oder Schichtarbeit anfällt) können unter den in § 8 Abs. 1 Satz 4 genannten Voraussetzungen im Verhältnis 1:1 in Zeit umgewandelt und dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden.
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
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Freigabe weiterer Kontingente in Betriebs/Dienstvereinbarung Weitere Kontingente können nur auf das Arbeitszeitkonto gebucht werden, wenn dies durch Betriebs-/ Dienstvereinbarung „freigegeben” wurde. Ausdrücklich genannt werden Rufbereitschafts- und Bereitschaftsdienstentgelte, ohne dass hierin eine Beschränkung liegt. Jegliche andere Kontingente können buchbar gestellt werden. Die Beschränkung der buchbaren Zeiten in der Grundregelung gilt für alle Arbeitszeitkonten auf der Grundlage des § 10 TVöD. Der Grund: Die Regelung soll für den Arbeitgeber beherrschbar bleiben. Würden z. B. Bereitschaftsdienstentgelte generell buchbar gestellt, so könnte dies in Bereichen, in denen solche Entgelte einen erheblichen Umfang einnehmen, zu einer nicht verkraftbaren Reduzierung der tatsächlich zu leistenden Arbeitszeit führen. Die Faktorisierung weiterer Entgeltbestandteile kann jedoch auch im Interesse des Arbeitgebers liegen, z. B. wenn die Arbeit insgesamt erledigt werden kann und sich durch die Faktorisierung der Bereitschaftsdienstentgelte die Personalkosten reduzieren. Problematisch wäre eine solche Regelung aber, wenn es durch die Arbeitszeitreduzierung zu Engpässen bei der Aufgabenerledigung käme. Der Arbeitgeber kann seine entweder vorrangig an Arbeitszeit oder an Kostenreduzierung orientierten Interessen bei der Verhandlung über eine Betriebs/Dienstvereinbarung einbringen.
7.2
Bereitschafts dienstentgelte
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Gegenüber dem früheren „Arbeiterrecht“ im BMT-G oder dem MTArb ist die Ausweitung der Flexibilität besonders deutlich, da hier der „tägliche Überstundenbegriff“ galt. Überstunden fielen bereits an, wenn die für den Tag festgesetzte Arbeitszeit auf Anordnung überschritten wurde. Auch gegenüber dem BAT wurde die Flexibilität im Bereich der früheren Angestelltenarbeitsverhältnisse deutlich verbessert. Erstmals ist die Verhinderung von Überstundenzuschlägen bei solchen angeordneten Arbeitsstunden, die am Ende einer Woche liegen, überhaupt möglich. Bisher konnte ein Ausgleich nämlich nur inner-
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Wie gestalten Sie die Arbeitszeit flexibel und kundenorientiert?
halb derselben Woche erfolgen, in der die zusätzliche Arbeitsstunde angeordnet wurde. Am Ende einer Woche angeordnete Arbeitsstunden können nach § 6 Abs. 7 TVöD noch zuschlagsfrei angeordnet werden, wenn sie bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden. Für solche Arbeitsstunden, die am Anfang einer Kalenderwoche angeordnet werden, besteht ein Ausgleichszeitraum von zwei Wochen, in welchem der Ausgleich erfolgen kann. Das dritte Merkmal der Überstunde – die Ausgleichsmöglichkeit bis zum Ende der auf die Anordnung der Überstunde folgenden Kalenderwoche – ist für die Erhöhung der Arbeitszeitflexibilität und damit der Arbeitsproduktivität deswegen besonders wichtig, weil die Regelung keine Dienst- oder Betriebsvereinbarung voraussetzt und damit jedem Arbeitgeber unmittelbar zugute kommt. Diese Regelung wurde möglich, weil eine starre Arbeitszeit und eine „Bestrafung” der Arbeitgeber durch Überstundenzuschläge auch für den früheren Arbeiterbereich nicht mehr zeitgemäß erschienen.
7.2.1
Arbeitszeitflexibilisierung
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Arbeitszeitmodelle des TVöD
BAT und BMT-G gingen ausschließlich von „für die Woche” (BAT) oder „für den Tag” (BMT-G/MTArb) dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden aus und kannten weder den Begriff der variablen Arbeitszeit noch sonstige spezielle Arbeitszeitmodelle. Dennoch haben sich auf der Grundlage dieser Tarifverträge vielfältige Formen von Arbeitszeitmodellen entwickelt. Insbesondere Gleitzeitmodelle (mit oder ohne festen Anwesenheitszeiten, „Kernzeiten“) sind in Verwaltungen und Unternehmen flächendeckend eingeführt worden. Dieser Entwicklung haben die Tarifvertragsparteien in den §§ 6 bis 10 TVöD Rechnung getragen, indem Gleitzeitregelungen erstmals in zwei Protokollerklärungen – zu § 6 TVöD und zu Abschnitt II – ausdrücklich erwähnt und damit anerkannt worden sind. Darüber hinaus sind die Arbeitszeitmodelle der täglichen Rahmenzeit und des wöchentlichen Arbeitszeitkorridors neu im TVöD geregelt worden. Gleitzeit und allen sonstigen im TVöD oder auf dessen Grundlage (früher: des BAT/BMT-G) geregelten Arbeitszeitmodellen gemeinsam ist eine ausgewogene Berücksichtigung des Interesses der Ar-
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
beitgeber nach Arbeitszeitflexibilisierung und des Interesses der Beschäftigten nach Arbeitszeitsouveränität. Arbeitszeitflexibilisierung bedeutet dabei die Möglichkeit für die Arbeitgeber, die regelmäßige Arbeitszeit möglichst effektiv, d. h. entsprechend dem jeweiligen Arbeitsanfall (nach den Bedürfnissen der Bürger, der Kunden), einsetzen zu können, ohne dafür – jedenfalls in der Regel – Überstundenzuschläge zahlen zu müssen. Arbeitszeitsouveränität bedeutet demgegenüber die Möglichkeit für die Beschäftigten, ihre Arbeitszeit im Rahmen der dienstlichen/ betrieblichen Anforderungen nach ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen einteilen zu können. Diese Souveränität wird durch die Einrichtung von Arbeitszeitkonten ermöglicht. Sie ist dabei aber immer begrenzt durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers, der unabhängig von den Regelungen zu Arbeitszeitkonten in Zweifelsfällen den Vorrang der dienstlichen/betrieblichen vor den privaten Interessen durchsetzen kann. Etwas anderes gilt nur, wenn in Dienst-/Betriebsvereinbarungen das Direktionsrecht des Arbeitgebers eingeschränkt worden ist. Hiervon ist dringend abzuraten. Die neuen Arbeitszeitmodelle des TVöD der täglichen Rahmenzeit und des wöchentlichen Arbeitszeitkorridors gelten nicht für Schichtund Wechselschichtarbeit, § 6 Abs. 8 TVöD. Dies ist darin begründet, dass die Beschäftigten in Schicht- und Wechselschichtarbeit von vornherein weniger Arbeitszeitsouveränität haben, als dies sonst der Fall ist. Allerdings ist durch § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD der Ausgleich einer angeordneten Überstunde nicht nur bis zum Ende der nächsten Kalenderwoche, sondern bis zum Ende des Schichtplanturnus möglich. Dies ermöglicht auch bei Schichtarbeit eine erhebliche Flexibilität.
7
Schicht und Wechsel schichtarbeit
Tägliche Rahmenarbeitszeit Das Arbeitszeitmodell der täglichen Rahmenzeit ist ein zusätzlicher „Filter”, um der diejenigen Stunden, die nach § 6 Abs. 7 TVöD grundsätzlich geeignet sind, Überstunden zu sein, weiter wirksam zu begrenzen. Durch die Regelung zur täglichen Rahmenzeit sollen „Überstunden mit Zuschlagspflicht” abgewendet und zusätzliche zuschlagsfreie Arbeitsstunden ermöglicht werden.
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7 zwölf Stunden Rahmenzeit
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Nach § 6 Abs. 7 TVöD kann durch Betriebs-/Dienstvereinbarung in der Zeit von 6 bis 20 Uhr eine tägliche Rahmenzeit von bis zu zwölf Stunden eingeführt werden. Abweichend hiervon sind dann nur die Arbeitsstunden Überstunden, die über die vereinbarte Obergrenze (maximal 12 Stunden) hinaus angeordnet worden sind. Beispiel: Es besteht eine Betriebs/Dienstvereinbarung über die Einrichtung einer täglichen Rahmenzeit von zwölf Stunden, nämlich von 6.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Der Arbeitgeber ordnet Arbeitsstunden an, die über die für die Woche festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden. Die zu sätzlichen Stunden liegen innerhalb der Zeit von 06.00 bis 18.00 Uhr. Die zusätzlich angeordneten Arbeitsstunden erfüllen den Grundbegriff der Überstunde, ohne dass im Ergebnis eine zuschlagspflichtige Über stunde vorliegt, da die Stunden innerhalb der Rahmenzeit liegen. Für die angeordneten Arbeitsstunden sind keine Zeitzuschläge zu zahlen.
Besonderheit TVöD-E
Eine Besonderheit besteht für den TVöD-E: Hier kann die tägliche Rahmenzeit von bis zu 12 Stunden in einer Zeitspanne von 6.00 bis 22.00 Uhr festgelegt werden. Wöchentlicher Arbeitszeitkorridor Das Arbeitszeitmodell des wöchentlichen Arbeitszeitkorridors bildet das zweite im TVöD neu geregelte Arbeitszeitmodell. Hiernach sind abweichend von § 6 Abs. 7 TVöD nur die Arbeitsstunden Überstunden, die im Falle der Einführung eines wöchentlichen Arbeitszeitkorridors nach § 6 Abs. 7 TVöD außerhalb dieses Korridors liegen. Nach § 6 Abs. 6 TVöD kann durch Betriebs-/Dienstvereinbarung ein wöchentlicher Arbeitszeitkorridor von bis zu 45 Stunden eingerichtet werden. Beispiel: Es besteht eine Betriebs/Dienstvereinbarung über die Einrichtung eines wöchentlichen Arbeitszeitkorridors von 45 Stunden. Der Arbeitgeber ordnet fünf zusätzliche Arbeitsstunden an, die nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden.
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
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Die fünf zusätzlich angeordneten Arbeitsstunden erfüllen den Grundbe griff der Überstunde. Dennoch liegen im Ergebnis keine Überstunden vor. Es ist in einer Betriebs /Dienstvereinbarung ein Arbeitszeitkorridor von 45 Stunden eingerichtet worden und die zusätzlich angeordneten Arbeitsstunden liegen innerhalb dieses Korridors. Damit liegen „abwei chend von Abs. 7” keine Überstunden vor.
Das Verhältnis von Rahmenzeit und Arbeitszeitkorridor § 6 Abs. 8 TVöD regelt, dass die Vorschriften zur Rahmenzeit und zum Arbeitszeitkorridor „nur alternativ gelten”. Diese Vorschrift, die im Rahmen des Tarifvertrages für Versorgungsbetriebe seit einigen Jahren Anwendung findet, schränkt Rahmenzeit und Korridor nur geringfügig ein. Die Einschränkung gilt nämlich nicht generell in Bezug auf einen Betrieb, eine Verwaltung, sondern nur in Bezug auf das jeweilige Arbeitsverhältnis. Es ist also ohne weiteres möglich, tägliche Rahmenzeit und wöchentlichen Arbeitszeitkorridor nebeneinander in einem Betrieb, in einer Verwaltung zur Anwendung zu bringen. Dabei kann der Anwendungsbereich auf unterschiedliche Teile eines Betriebes, einer Verwaltung erstreckt werden. Denkbar und zulässig ist es darüber hinaus, in Teilen von Betrieben, Verwaltungen für jeweils ein Arbeitsverhältnis das eine und für ein anderes Arbeitsverhältnis das andere Arbeitszeitmodell zur Anwendung zu bringen. Beispiel: In einem Betriebsteil fällt Arbeit über 45 Stunden pro Woche, aber stets beschränkt auf den Zeitraum zwischen 6.00 Uhr und 18.00 Uhr an (bei einer 5 Tage Woche z. B. 60 Arbeitsstunden). In einem anderen Be triebsteil ist der Arbeitsanfall zwar regelmäßig auf maximal 45 Stunden beschränkt, die Verteilung aber so unregelmäßig, dass die Arbeit sich an manchen Tagen auf mehr als 12 Stunden verteilt, insgesamt aber weni ger als 45 Stunden umfasst. Hier empfiehlt es sich, in dem einen Betriebsteil eine tägliche Rahmen zeit und in dem anderen Betriebsteil einen wöchentlichen Arbeitszeit korridor einzuführen. § 6 Abs. 8 TVöD lässt dies zu.
Kritische Bewertung des Arbeitszeitkontos nach § 10 TVöD Nach § 10 TVöD kann ein Arbeitszeitkonto von bis zu einem Jahr eingerichtet werden, wiederum durch Betriebs-/Dienstvereinbarung.
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Wie gestalten Sie die Arbeitszeit flexibel und kundenorientiert?
Es ergibt sich aus der Natur der Sache, dass auf das Arbeitszeitkonto im laufenden Abrechnungszeitraum zwingend Zeitschulden bzw. Zeitguthaben gebucht werden müssen. Weitere Zeiten – Überstunden als solche, Überstundenzuschläge, faktorisierte sonstige Zeitzuschläge – können nach Wahl des Beschäftigten auf das Konto gebucht werden. Darüber hinaus können Rufbereitschafts- und Bereitschaftsdienstentgelte durch Betriebs-/Dienstvereinbarung zur Buchung freigegeben werden. Der Beschäftigte entscheidet – abgesehen von den Plus- und Minusstunden im Korridor und Rahmenarbeitszeit – nach dem Tarifvertrag allein darüber, welche Zeiten auf sein persönliches Konto gebucht werden sollen. Er muss dies noch nicht einmal auf Dauer tun, sondern die Betriebs-/Dienstvereinbarung muss einen Zeitraum festlegen, für den sich der Beschäftigte bindet. Die Beschäftigtenvertretung wird naturgemäß darauf drängen, die Zeiträume möglichst kurz zu halten – z. B. ein halbes Jahr zu vereinbaren –, für das der Beschäftigte sich bindet. Der Arbeitgeber hat dagegen ein Interesse, möglichst lange Abrechnungszeiträume zu vereinbaren, um die Ausgleichsmöglichkeit zu vergrößern. Tipp Es wird empfohlen, einen möglichst großzügigen Abrechnungszeitraum, z. B. von einem Jahr festzulegen. Gleichzeitig sollte eine Übertragungs möglichkeit von Plus und Minusstunden auf den Folgezeitraum das Folgejahr in der Betriebs / Dienstvereinbarung vereinbart werden, z. B. von plus und minus 40 Stunden. Verwaltungs aufwand
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Die Arbeitszeitkonten nach § 10 TVöD werden nur mit großem Aufwand zu verwalten sein, da jeder Beschäftigte abweichende Buchungsvorgaben machen wird und diese unter Umständen nach relativ kurzen Zeiträumen wieder ändern wird. Angesichts der eindeutigen Anordnung des Tarifvertrags erscheint es kaum zulässig, durch Betriebs-/Dienstvereinbarung einheitlich festzulegen, welche Zeiten ins Konto einfließen sollen. Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Faktorisierung von Zeitzuschlägen, insbesondere von Überstundenzuschlägen. § 10 Abs. 3 TVöD ordnet an, dass der Mitarbeiter die Buchung von in Zeit umgewandelten Zuschlägen nach § 8 Abs. 1 Satz 4 TVöD,
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
z. B. Überstundenzuschlägen, verlangen kann. Voraussetzung ist dabei, dass überhaupt Überstunden außerhalb der Korridor- bzw. Rahmenarbeitszeit angefallen sind. Eine Faktorisierung von Zeitzuschlägen erscheint grundsätzlich durchaus sinnvoll, wenn der Arbeitgeber in Zeiten geringeren Arbeitsanfalls letztere anordnen kann. Die Zielsetzung wird jedoch konterkariert, wenn allein der Beschäftigte – jeder individuell – über die Buchung entscheidet. Ist für den Mitarbeiter ein Arbeitszeitkorridor von 45 Wochenstunden eingerichtet, so führt jede angeordnete Stunde des Überschreitens zu einer zuschlagspflichtigen Überstunde, wenn sie nicht innerhalb von zwei Wochen ausgeglichen werden kann. Wählt der Mitarbeiter die Faktorisierung von Zeitzuschlägen im Konto, so ergibt sich folgendes Problem:
7 Faktorisierung von Zeitzu schlägen
Beispiel: Bei einmaligen Arbeitsspitzen, wie z. B. bei der Einführung einer kom plexen Software, überschreitet der Mitarbeiter unter Umständen über einige Wochen hinweg die 45 Stunden Korridor Grenze. Es ist grund sätzlich nach dem Arbeitszeitgesetz zulässig, bis zu 60 Stunden in der Woche zu arbeiten. Da nach 2 bis 3 Wochen massiver Korridorüberschreitungen auf den Mitarbeiter wieder die Normalbelastung von durchschnittlich 38,5 Stunden zukommt, ist er nicht in der Lage, die zuviel geleisteten Stun den auszugleichen. Die geleisteten Überstunden inklusive eines faktori sierten Zeitzuschlags von 25 % fließen spätestens am Ende des Ab rechnungszeitraums in das Arbeitszeitkonto. Am Ende des nächsten Abrechnungszeitraums treten die genannten Stunden erneut auf, weil Stunden in diesem Umfang kaum ausgegli chen werden können. Sie werden jedoch nicht erneut als zuschlags pflichtige Stunden gewertet, fließen aber zu 100 % wiederum in das Arbeitszeitkonto ein (§ 8 Abs. 2 TVöD). Bewegt sich die normale Arbeitsbelastung des Mitarbeiters um die 38,5 Wochenstunden ist also ein Ausgleich nicht möglich , so werden die einmal gemachten Überstunden am Ende eines jeden Abrechnungs zeitraums im Konto gebucht. Die Flexibilität relativiert sich.
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Wie gestalten Sie die Arbeitszeit flexibel und kundenorientiert?
Tipp Eine Faktorisierung von Zeitzuschlägen macht nur Sinn, wenn der Mit arbeiter im Folgezeitraum einen geringeren Arbeitsanfall hat, um den entsprechenden Ausgleich vorzunehmen. Benötigt der Beschäftigte jedoch im Durchschnitt 38,5 Wochenstunden, um seine Normalaufgaben zu bewältigen, so wirkt die Faktorisierung kontraproduktiv: Ein Abbau kann nicht erfolgen, am Ende des jeweiligen Abrechnungszeitraums treten erneut Plus Stunden auf, die das Konto belasten.
Bei Gesamtbetrachtung des § 10 TVöD ergeben sich also wesentliche Vorbehalte gegen das dort beschriebene Arbeitszeitkonto. Da die Flexibilisierungsformen „Rahmenarbeitszeit“ und „Arbeitszeitkorridor“ zwingend eine Anwendung des § 10 TVöD nach sich ziehen, kann nur mit Vorbehalten empfohlen werden, die genannten Flexibilisierungsinstrumente einzuführen. Gleitzeitregelungen sind jedoch von den Vorgaben der §§ 6 und 10 TVöD befreit, wie im Folgenden dargestellt wird.
7.2.2
Gleitzeit nach TVöD
Bestehende Gleitzeitregelungen unterliegen nach der Protokollerklärung zu Abschnitt 2 Arbeitszeit nicht den Vorgaben zu Korridor, Rahmenzeiten und Abrechnung im Stundenkonto nach § 10 TVöD. Im Protokoll nicht ausdrücklich erwähnt ist jedoch, ob dies auch für neu abzuschließende Gleitzeitregelungen gelten soll. Für eine Befreiung von den Vorgaben spricht, dass das Arbeitszeitkonto des § 10 TVöD nur für die Flexibilisierungsformen Arbeitszeitkorridor und Rahmenarbeitszeit zwingend angeordnet ist, die Flexibilisierungsform Gleitzeit ist in der Vorschrift nicht genannt. Zudem enthält § 10 die Formulierung „kann ein Arbeitszeitkonto eingerichtet werden“. Dies bedeutet, dass auch andere Abrechnungsmöglichkeiten, nämlich die der Gleitzeit, vereinbart werden können und nicht alle den Vorgaben des § 10 TVöD unterliegen sollen. Außerdem können Gleitzeitregelungen unabhängig von Korridor- und Rahmenzeitvorgaben mit dem Betriebs- bzw. Personalrat vereinbart werden.
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
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Im Ergebnis sollen neu abzuschließende Gleitzeitregelungen wohl grundsätzlich den tariflichen Regelungen entsprechen, z. B. der Vorgabe des § 6 Abs. 2 TVöD, nach der für die Berechnung des Durchschnitts der 38,5 Wochenstunden ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen ist. Abweichungen bezüglich Rahmen-, Korridor-, Kontovorgaben des § 10 sind jedoch durchaus zugelassen.
7.2.3
Fazit
Um die wenig praktikable Regelung des § 10 TVöD „Arbeitszeitkonto“ zu vermeiden, sollte der Arbeitgeber nach Möglichkeit mit dem Betriebs-/Personalrat Gleitzeitregelungen,, unter Umständen auch mit Funktionszeiten – Mindestbesetzungen oder Besetzungen – vereinbaren. Die Möglichkeit, die 38,5 Stunden im Jahresdurchschnitt abzurechnen, ergibt sich bereits aus § 6 Abs. 2 TVöD. Zudem sind Gleitzeitregelungen von den Tarifvertragsparteien nicht ausdrücklich dem Arbeitszeitkonto des § 10 unterworfen worden. Damit ist die Möglichkeit eröffnet, abweichende Abrechnungsformen zu vereinbaren (Einzelheiten vgl. unten „Abrechnung im Gleitzeitkonto“). Soweit erforderlich, z. B. in Werk-, Bauhöfen, sollte die Betriebs-/ Dienstvereinbarung vorsehen, dass der Arbeitgeber die Funktionszeiten wöchentlich oder zweiwöchentlich ändern kann. Tipp Um den Beschäftigten die Sorge zu nehmen, dass sich die Arbeitszeit wöchentlich bzw. zweiwöchentlich völlig ändert, sollte für die Abwick lung des Gleitzeit /Jahresstundenkontos eine Arbeitszeitgrobplanung für das Kalenderjahr vorgenommen werden, die einen durchlaufenden Schichtplan für den jeweiligen Bereich enthalten kann. In den Zweiwo chen bzw. Wochenplan werden dann nur noch die Änderungen einbe zogen, die sich aktuell ergeben, z. B. durch Krankheit eines betroffenen Beschäftigten.
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Wie gestalten Sie die Arbeitszeit flexibel und kundenorientiert?
7.3 Zielsetzung
Wege der betrieblichen Umsetzung
Alle dargestellten Instrumente zur Arbeitszeitflexibilisierung haben ein gemeinsames Ziel: die effektive Anpassung der Arbeitszeit an den Arbeitsanfall. In einer Zeit knapper Haushaltsmittel sowie starken Konkurrenzdrucks durch privatrechtlich organisierte Betriebe gewinnt dieses Thema auch im öffentlichen Dienst zunehmend an Bedeutung. Feste Arbeitszeiten bedeuten, dass der Mitarbeiter für seine Anwesenheit auch dann bezahlt wird, wenn keine Arbeit anfällt. Treten dagegen Arbeitsspitzen auf, müssen über die Normalarbeitszeit hinaus zuschlagspflichtige Überstunden angeordnet werden. Beim konsequenten Einsatz flexibler Arbeitszeiten wird dagegen nur gearbeitet, wenn die Arbeit anfällt. Überstunden/Mehrarbeit sind nicht mehr erforderlich. Die Personalkosten können über die Erarbeitung speziell auf die Einrichtung bezogener Arbeitszeitmodelle erheblich reduziert werden. Der Aufgabenanfall ist nach der besonderen Aufgabenstellung der Einrichtung durchaus unterschiedlich. Soll wirtschaftlich gearbeitet werden, so darf sich die Arbeitszeit der Mitarbeiter nicht auf die Fünf-Tage-Woche bei gleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage beschränken. Gearbeitet werden muss zu dem Zeitpunkt, zu dem die Arbeitsleistung nachgefragt ist. Beispiel: Stehen die Patienten in einem Krankenhaus für Behandlungen der Bäderabteilung nur zu bestimmten Zeiten zur Verfügung, so muss sich die Arbeitszeit der betroffenen Mitarbeiter diesen Zeiten anpassen.
Die Aufgabenstellung der Einrichtung kann nur dann zur Zufriedenheit des Bürgers/Kunden erledigt werden, wenn die Arbeitsleistung zur richtigen Zeit erbracht wird, nämlich zum Zeitpunkt der Nachfrage durch den Bürger/Kunden, selbst wenn diese Zeiten üblicherweise in den Feierabend des „Normalarbeitnehmers“ fallen.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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Beispiel: Bei verstärkter Nachfrage nach einer Dienstleistung müssen die Öff nungszeiten eines Amts/Bereichs bedarfsgerecht gestaltet, unter Um ständen verlängert werden, was einen flexiblen Arbeitseinsatz der Mit arbeiter bedingt.
7.3.1
Arbeitszeitrahmen
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) geht auch in der Neufassung von einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden aus, die allerdings erst im Durchschnitt eines halben Jahres erreicht sein muss (§ 3 ArbZG). • Die Vereinbarung der Sechs-Tage-Woche ist damit grundsätzlich zulässig, auch nach § 6 Abs. 1 Satz 3 TVöD, soweit dienstliche oder betriebliche Verhältnisse dies erfordern. • Die Höchstgrenze der täglichen Arbeitszeit beträgt zehn Stunden (§ 3 Satz 2 ArbZG). Der TVöD enthält zur Arbeitszeit lediglich Rahmenregelungen: • Er legt den Umfang der Arbeitszeit auf durchschnittlich 38,5 Wochenstunden fest (§ 6 Abs. 1 TVöD). • Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit und damit die Lage der Arbeitszeit regelt der Tarifvertrag nicht. Er überlässt die Vereinbarung von Arbeitszeitmodellen vielmehr den Betriebsparteien, Arbeitgeber und Betriebs- bzw. Personalrat. Bei Zugrundelegung des TVöD kann demnach • an bis zu sechs Tagen in der Woche • bis zu 10 Stunden täglich gearbeitet werden, soweit in anderen Wochen eine entsprechende Arbeitszeitverkürzung erfolgt. Zu beachten ist lediglich, dass das Gesamtvolumen bei Betrachtung eines Zeitraums von bis zu einem Jahr den 38,5-StundenDurchschnitt nicht überschreitet.
7.3.2
Einsatz individueller Arbeitszeitmodelle
Will der Arbeitgeber das für seine Einrichtung/seinen Betrieb passende Arbeitszeitmodell entwickeln, so ist zunächst durch eine Organisationsuntersuchung festzustellen,
Organisations untersuchung
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Wie gestalten Sie die Arbeitszeit flexibel und kundenorientiert? •
zu welchen Zeitpunkten und • und in welchem Umfang in der jeweiligen Abteilung die Arbeit anfällt. Da sämtliche Arbeitszeitmodelle mitbestimmungspflichtig sind (§ 87 Abs. 1 Ziffer 2 BetrVG, § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG), sollten gemeinsam mit dem Betriebs-/Personalrat die Vor- und Nachteile der jeweiligen Arbeitszeitform abgewogen werden. Je nach Akzeptanz durch die Mitarbeiter, auch abhängig von der Arbeitsmarktsituation, kann der Flexibilisierungsbedarf sowohl durch Vollzeit- als auch durch Teilzeitkräfte oder gemeinsam von beiden Gruppen ausgefüllt werden. Die folgenden Arbeitszeitmodelle können sowohl als Vollzeit- wie auch als Teilzeitarbeitsverhältnisse vereinbart werden. Man unterscheidet zwischen Gleitzeit, Schichtarbeit und Schichtdienst, Blockarbeitszeit, starrer Arbeitszeit, flexibler Arbeitszeit sowie sonstigen Modellen und Mischformen. Gleitzeit
Kernarbeitszeit
Funktionszeiten
Das zur Zeit am häufigsten verwendete Instrument der Arbeitszeitflexibilisierung ist die gleitende Arbeitszeit:: Während der Kernarbeitszeit ist der Mitarbeiter zur Anwesenheit verpflichtet, in den Gleitzeiträumen vor und nach der Kernarbeitszeit entscheidet der Mitarbeiter allein nach seinem Interesse über die weitere Anwesenheit. Die Gleitzeit dient primär den Interessen der Mitarbeiter. Benötigt der Arbeitgeber wegen einer Steigerung des Arbeitsanfalls die Mitarbeiter in den Gleitzeiträumen, so muss er zuschlagspflichtige Überstunden anordnen. Eine effektive Aufgabenerledigung fördert dieses Arbeitszeitmodell nur bei mündigen, kooperativen Mitarbeitern. Durch Festlegung von Mindestbesetzungen – sog. Funktionszeiten – in den verschiedenen Arbeitsbereichen kann der Arbeitgeber sicherstellen, Bürger/Kunden oder auch andere Mitarbeiter etc. immer einen Ansprechpartner finden. Schichtarbeit, Schichtdienst Fällt die Arbeit über eine längere Zeitspanne als 7,7 Stunden täglich an, so wird regelmäßig Schichtarbeit, bei Arbeitsleistung rund um die Uhr Wechselschichtarbeit angeordnet.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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Der Mitarbeiter wechselt im Normalfall wöchentlich zwischen Früh-, Spät-, Nacht- und Freischicht. Schichtdienst muss in Betrieben/Einrichtungen eingesetzt werden, die nach ihrer Aufgabenstellung dem Bürger/Kunden rund um die Uhr zur Verfügung stehen müssen, z. B. im Krankenhaus. Wegen der erheblichen gesundheitlichen Belastung der Mitarbeiter sollte die Schichtarbeit jedoch nur dort eingesetzt werden, wo sie unerlässlich ist. Blockarbeitszeit, starre Arbeitszeit Obwohl gut geeignet zur Flexibilisierung, ist die Vereinbarung von festen Blockarbeitszeiten mit Vollzeitkräften wenig verbreitet. Treten regelmäßig saisonale Schwankungen im Arbeitsanfall auf, so können diese in erheblichem Umfang von in Blockarbeitszeit arbeitenden Vollzeitkräften abgedeckt werden. In der Regel wird Blockarbeitszeit jedoch mit Teilzeitkräften vereinbart. Beispiel: Eine Vollzeitkraft kann in bestimmten Monaten fünf, u. U. auch sechs Tage in der Woche für täglich 10 Stunden herangezogen werden, so weit in den anderen Monaten ein entsprechender Ausgleich erfolgt.
Die Blockbildung ist stunden-, tage-, wochen- oder monatsweise möglich. So kann die Arbeit geleistet werden • an bestimmten Stunden des Tages
z. B. zwei Stunden morgens von 9 bis 11 Uhr und zwei Stunden nachmittags von 16 bis 18 Uhr
• an bestimmten Tagen der Woche
z. B. montags, mittwochs, freitags
• in bestimmten Wochen im Monat
z. B. jeweils die erste und letzte Woche eines Monats
• an bestimmten Monaten im Jahr
z. B. Januar bis März und Juni bis Au gust
Die Blockarbeitszeit eignet sich, um vorhersehbar wiederkehrende Arbeitsschwankungen oder Arbeitsspitzen abzudecken. Wo Arbeiten starken saisonalen Schwankungen, z. B. hervorgerufen durch Witterungseinflüsse und jahreszeitlich bedingt anfallende
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7
Wie gestalten Sie die Arbeitszeit flexibel und kundenorientiert?
Arbeiten, unterliegen, empfiehlt sich eine entsprechend ungleichmäßige Verteilung der zu leistenden Arbeitszeit auf die einzelnen Monate (vgl. KGSt-Bericht 2/1999). Neben den vertrauten Formen saisonaler Arbeit, wie sie auch im Garten und Friedhofsbereich bzw. Grünflächenamt gängig sind, fallen in vielen Bereichen ebenfalls saisonal bedingte Mehrbelastungen an, die zum Teil nicht bewusst als saisonale Schwankungen wahrgenommen werden, z. B. in den Bereichen Schulsekretariat, Jugendbereich (Stichwort: Jugendfreizeiten), Volkshochschule (Programmerstellung und Kurseinschreibungen), Beihilfebearbeitung (Spitzen z. B. vor Urlaubsbeginn), Sport- und Bäderamt, Kämmerei (Haushaltsaufstellung), Baugenehmigungen, Kulturbetrieb, Kommunaler Sitzungsdienst. Beispiel: Bei einer kommunalen Musikschule können die durch Ferienzeiten (Ostern, Sommer, Herbst, Weihnachten) bedingt entstehenden Arbeits täler durch freie Arbeitstage, aber auch durch entsprechende Urlaubs planung umgesetzt werden. Dem stehen Arbeitsspitzen durch Anmel dungen/Kurseinteilungen etc. jeweils zum Schulbeginn sowie durch Jahresabschlüsse etc. gegenüber. Die Vorteile einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung in diesen Bereichen liegen auf der Hand: Der Personaleinsatz der Verwaltung wird wirt schaftlicher gestaltet, wenn in den Monaten mit hohem Arbeitsanfall eine höhere Arbeitszeit geleistet wird als in Zeiten, in denen weniger Arbeit anfällt. Für die Beschäftigten kann sich in diesen Zeiten die Möglichkeit eröffnen, individuelle Wünsche, z. B. nach längeren Erho lungs oder Fortbildungsphasen, zu verwirklichen. Tipp Die Personaleinsatzplanung bei saisonal bedingten Arbeitszeiten kann jedoch nur dann funktionieren, wenn die Nachfrageverläufe ermittelt werden.
Flexible Arbeitszeit, Arbeit auf Abruf Aufgaben, die von Umfang und Lage nicht vorhersehbaren Schwankungen im Arbeitsanfall unterliegen, aber wiederholt auftreten, können mit der Vereinbarung flexibler Arbeitszeit abgewickelt werden.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
Die Vorteile: • Es kann zu dem Zeitpunkt und in dem Umfang gearbeitet werden, in dem die Arbeit anfällt. • Bei geringer Arbeitsauslastung kann die Arbeitszeit ohne Leerzeiten verkürzt werden. • Fallen Arbeitsspitzen an, wird Arbeit in zunehmendem Umfang abgerufen. Grundsätzlich kann die flexible Arbeitszeit auch mit Vollzeitkräften vereinbart werden. Ist der Arbeitsanfall und damit der Abruf jedoch nicht vier Tage im Voraus planbar, so hat der Mitarbeiter das Recht, die Arbeitsaufnahme abzulehnen. Ein Vollzeitvolumen kann auf diese Weise kaum erreicht werden. Flexible Arbeitszeit wird daher typischerweise als Teilzeitarbeitsvertrag vereinbart. Bei flexibler Teilzeitarbeit variieren Dauer und Lage der Arbeitseinsätze. Im Arbeitsvertrag muss jedoch ein festes Arbeitsdeputat (Umfang der Arbeitszeit) vorgesehen sein, § 12 Abs. 1 TzBfG. Demnach ist nur die Lage der einzelnen Arbeitseinsätze flexibel. Der Mitarbeiter verpflichtet sich, eine festgelegte Anzahl von • Stunden/Tagen in der Woche, • Stunden/Tagen/Wochen im Monat, • Stunden/Tagen/Wochen/Monaten im Halbjahr, im Jahr zu erbringen.
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flexible Teilzeitarbeit
Tipp Am gebräuchlichsten ist die Vereinbarung eines Stundenkontos im Halbjahr oder Jahr. Das Deputat wird vom Arbeitgeber im vereinbarten Bezugszeitraum nach Bedarf abgerufen (daher auch die Bezeichnung „Arbeit auf Abruf"). Die Mindestvorgaben des § 12 Abs. 1 u. 2 TzBfG – Ankündigungsfrist von vier Tagen, Mindesteinsatzdauer von drei Stun den am Tag – sind einzuhalten.
Bewertung Blockarbeitszeiten mit regelmäßig wiederkehrender Arbeitszeit sollten, soweit möglich, bevorzugt eingesetzt werden. Die Flexible Arbeitszeit, vor allem solche mit kurzfristigem Abruf, wird grundsätzlich auf nicht vorhersehbare Einzelfälle beschränkt bleiben müssen.
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7 Springerklausel
Wie gestalten Sie die Arbeitszeit flexibel und kundenorientiert?
Es bietet sich jedoch an, Aushilfenpools einzuführen. Mit den Beschäftigten werden „Arbeit auf Abruf“-Verträge mit einer so genannten Springerklausel abgeschlossen. Es wird vereinbart, dass die Beschäftigten nach der Eigenart ihrer Tätigkeit auf verschiedenen Arbeitsplätzen, zur Vertretung arbeiten.
7.3.3
Mischform
Mischformen, Zusammenwirken der Modelle
Die beschriebenen Grundformen der Arbeitszeit sind vielfältig miteinander kombinierbar. Konsensfähig sind vor allem Modelle, bei denen der Mitarbeiter grundsätzlich feste Arbeitszeiten hat, ein Teil der Arbeitszeit jedoch flexibel für Verlängerungen oder Verkürzungen zur Verfügung steht (Mischform zwischen fester und flexibler Arbeitszeit). Beispiel: Werden bei einer täglichen Arbeitszeit von acht Stunden sechs Stunden fest verplant etwa in einem Schichtmodell , darüber hinaus zwei Stunden flexibel vereinbart, gewinnt der Arbeitgeber Flexibilität über einen Zeitraum von vier Stunden täglich. Ist nach Ablauf der Sechs Stunden Schicht die Arbeit erledigt, endet die Arbeitszeit. Fällt an anderen Tagen in größerem Umfang Arbeit an, kann die Arbeitszeit auf bis zu 10 Stunden verlängert werden.
kombinierte Arbeitszeit
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Die Akzeptanz auf Arbeitnehmerseite und damit die Zustimmung des Betriebs-/Personalrats ist leichter zu erreichen, wenn die konkrete Verlängerung der Arbeitszeit aus der Natur der Sache oder aufgrund ausdrücklicher Bestimmung in einer Betriebs-/ Dienstvereinbarung nur mit Einverständnis des Arbeitnehmers möglich ist. Erhält der Mitarbeiter fühlbare Zuschläge zur Vergütung für die flexiblen Stunden, ist er durchaus motiviert, die kurzfristige Arbeitszeitveränderung hinzunehmen. Unterliegt der Arbeitsanfall regelmäßig saisonalen Schwankungen, die vom Umfang her im Vorhinein im Wesentlichen berechenbar sind, bei denen sich lediglich geringfügige Verschiebungen zu Beginn und am Ende der Arbeitsspitzen und in deren Höhe ergeben, so sollte der Arbeitgeber über ein kombiniertes Arbeitszeitmodell nachdenken.
Wege der betrieblichen Umsetzung
7
Beispiel: In einer kommunalen Ferieneinrichtung besteht erhöhter Arbeitskräfte bedarf für vier Monate in der Wintersaison – vom 15. Dezember bis zum 15. April – und für weitere dreieinhalb Monate während der Som mersaison – vom 1. Juni bis zum 15. September.
Grundsätzlich ist es möglich, den gesamten, sich ändernden Arbeitsanfall mit Vollzeitkräften abzudecken, soweit die tarifliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden im Durchschnitt eines Jahres wieder erreicht wird. Beispiel: In den saisonalen Spitzen arbeiten die Mitarbeiter bis zu 10 Stunden am Tag. Zum Ausgleich nehmen die Mitarbeiter in den arbeitsarmen Monaten längere Freizeitperioden oder arbeiten eine geringere Stun denzahl am Tag bzw. weniger Tage in der Woche. Ein solches Modell eignet sich für die Mitarbeiter von Sportämtern, Grünflächenämtern, Bauämtern, Freibädern usw.
Mit Sicherheit werden einige Mitarbeiter bereit sein, in fixierten Monatsblöcken vom Umfang her zum Teil mehr, zum Teil weniger Arbeit zu leisten, jedenfalls dann, wenn die jeweilige Tagesstundenzahl im Vorhinein festgelegt ist. Eher auf Resonanz stoßen könnten Modelle/Arbeitsverträge, die feste und flexible tägliche Arbeitszeit kombinieren.
Kombination fest/flexibel
Beispiel: Die Mitarbeiter arbeiten in den Saisonspitzen täglich sechs Stunden fest und 1,7 Stunden flexibel (= im Durchschnitt eines Jahres). In den Monaten mit geringerem Arbeitsanfall erfolgt der Ausgleich, z. B. durch eine tägliche feste Arbeitszeit von fünf Stunden und einer Stunde flexi bler Arbeitszeit.
Ein solches Arbeitszeitmodell ermöglicht es dem Arbeitgeber, in den Arbeitsperioden am Tag bis zu 10 Stunden abzurufen. Die Arbeitsaufnahme ist bei kurzfristigem Abruf allerdings freiwillig, so dass die flexiblen Stunden mit einem Zuschlag z. B. von 10 % der Stundenvergütung versehen sein sollten. Letztlich wird es jedoch schwierig werden, in ausreichendem Umfang Vollzeitmitarbeiter zu finden, die derart flexible Arbeitszeitformen vereinbaren.
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Wie gestalten Sie die Arbeitszeit flexibel und kundenorientiert?
Beispiel: In einigen Einrichtungen, vor allem Krankenhäusern, wurden bereits „Schichten mit Flexi Zeiten" eingeführt. So werden z. B. zwei von sechs Beschäftigten in einem Team zu einer Schicht mit Flexi Zeiten einge teilt, statt zum Beispiel acht Stunden arbeiten sie festgelegt nur fünf Stunden. Bei sich kurzfristig ergebendem Mehranfall von Arbeit sind die Betroffenen verpflichtet, länger zu arbeiten. Teilzeitarbeit
Alternativ können die saisonalen Arbeitsspitzen auch durch Teilzeitkräfte abgedeckt werden: Soweit regelmäßig vorhersehbar in den Saisonmonaten Arbeit anfällt, kann starre Teilzeitarbeit mit zwei Arbeitsblöcken – in der Zeit vom 15. Dezember bis zum 15. April und vom 1. Juni bis zum 15. September – angeboten werden. Der Mitarbeiter bestimmt dabei selbst, in welchem Umfang er konkret in den Blöcken arbeiten möchte. Der Arbeitgeber sollte lediglich beachten, dass bei Betrachtung aller Teilzeitkräfte das Gesamtarbeitsvolumen erreicht wird. Nicht absehbare, erst kurzfristig auftretende Schwankungen, die letztlich während des gesamten Jahres gegeben sind, kann der Arbeitgeber mit Mitarbeitern eines Abrufpools – mit flexibler Arbeitszeit – bewältigen.
7.3.4
Zeitkontenmodelle bei Gleitzeit
Um die Probleme der tariflichen Vorgaben zum Arbeitszeitkonto nach § 10 TVöD zu vermeiden, sollten möglichst Gleitzeitkonten zwischen den Betriebsparteien vereinbart werden, die nicht unter die Reglementierung des § 10 TVöD fallen. Grob eingeteilt sind drei Grundgestaltungen bei Zeitkontenmodellen denkbar: • Der Arbeitgeber legt die Arbeitszeit einseitig fest (Abrufarbeit). • Die Arbeitsvertragsparteien vereinbaren die Arbeitszeitverteilung einvernehmlich, z. B. in einem gemeinsamen Arbeitsplan (Konsensprinzip). • Der Arbeitnehmer bestimmt die Lage der Arbeitszeit im Wesentlichen selbst (Zeitsouveränität bei Gleitzeitarbeit).
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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Abrechnung der Gleitzeit im Jahresstundenkonto Erfahrungsgemäß bewegen sich in klassischen Gleitzeitsystemen die individuellen Zeitsalden fast ausschließlich im positiven Bereich – oft nahe der Grenze des höchstzulässigen Zeitübertrags (bisher meistens 10 Stunden zu Monatsende). Wenn dann bei erhöhtem Arbeitsanfall längere Tagesarbeitszeiten erforderlich werden, verbleibt oft nur die Anordnung von Überstunden oder die fast immer als ungerecht empfundene Kappung der über das übertragbare Plus hinausgehenden Zeitguthaben. In modernen Gleitzeitsystemen werden daher häufiger flexible Zeitkonten eingesetzt, in denen auf automatische Kappung verzichtet wird. Tipp Nach der Rechtsprechung ist es bei Zeitkonten nicht mehr zulässig, ab einem bestimmten Volumen einen ersatzlosen Wegfall der darüber hin 96 aus geleisteten Stunden zu vereinbaren. 97
In aktuellen Gleitzeitmodellen werden Zeitkonten häufig nach dem Modell eines Ampelkontos geführt. Dies bezieht sich auf die zwei oder drei „Ampelphasen“, in die es unterteilt ist. Im Unterschied zu den oben beschriebenen Zeitkonten hat das Modell keine Kappungsgrenzen, sondern setzt dem Grundsatz nach auf Gegensteuerung: • Die so genannte „Grüne Zone“ (z. B. bis +/- 30 Stunden): Selbstverantwortliche Disposition der Mitarbeiter. • Die so genannte „Gelbe Zone“ (z. B. bis +/- 40 Stunden): Die Führungskraft muss Maßnahmen ergreifen, die ein weiteres Anwachsen von Zeitguthaben bzw. -schulden verhindern. • Die so genannte „Rote Zone“ (z. B. +/- 50 Stunden): Sollte nur ausnahmsweise bzw. vorübergehend erreicht und muss 98 schnellstmöglich wieder verlassen werden. Nach der Rechtsprechung müssen zwischen Vorgesetztem und Beschäftigten konkrete Möglichkeiten zum Zeitausgleich aufgezeigt und festgelegt 99 werden.
Ampelkonto
96
LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.07.2002 - 2 TaBV 2/01. KGSt-Bericht 2/1999. 98 Vgl. Kutscher/Weidinger/Hoff 1996, S. 158. 99 LAG Baden-Württemberg, a. a. O. 97
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Frühwarn system
Wie gestalten Sie die Arbeitszeit flexibel und kundenorientiert?
Diese Konten werden fortlaufend geführt. Verlässt der Mitarbeiter die „Grünphase“ und kann er nicht zeitnah wieder in diese zurückkehren, ist er verpflichtet, die Führungskraft hierüber zu informieren. Diese ist dann dafür verantwortlich, dass ein entsprechender Zeitausgleich möglich wird: etwa durch Schieben von Terminen, Entlastung von einzelnen Aufgaben, das Stellen einer Aushilfe – und notfalls durch Anordnung von (bezahlten) Überstunden bzw. die Absenkung von Standards. Die Führungskraft bzw. das Kontrollgremium kann dem Mitarbeiter vorübergehend auch einen Zeitsaldo in der „Rotphase“ gestatten, wenn ein Zeitausgleich kurzfristig – etwa nach Abschluss der Terminarbeit – möglich ist. Grundsätzlich zielt das Ampelsystem als „Frühwarnsystem“ darauf ab, dass das Kappen von Zeitguthaben verhindert wird. Erreicht wird dies durch eine rechtzeitige Abstimmung zwischen Mitarbeiter und Führungskraft und v. a. bei absehbaren Schwankungen des Arbeitsanfalls durch den Aufbau von Zeitschulden in Zeiten geringerer Auslastung. Im Krankheitsfall empfiehlt es sich, mit Werten zu agieren, die sich aus einer gleichmäßigen Verteilung der persönlichen Wochenarbeitszeit über die planmäßigen Arbeitstage ergibt. Für Vollzeitbeschäftigte bedeutet das im Regelfall eine Anrechnung des Fehltages mit je 7,7 Stunden. Für Teilzeitbeschäftigte bedeutet es eine gleichmäßige Verteilung der individuell vereinbarten Arbeitszeit. In einer Betriebs-/Dienstvereinbarung könnte die Formulierung zum Ampelkonto wie folgt lauten: Muster Betriebs/Dienstvereinbarung: Ampelkonto Das Arbeitszeitkonto wird in Form eines Ampelkontos geführt. Bis zur Höhe von Plus 30 und Minus 20 Stunden bewegt sich der Arbeitnehmer ei genverantwortlich in der Grünphase. Die Gelbphase als Warnphase erfasst die Stunden von mehr als 30 bis 50 Plus bzw. 30 Minusstunden. Erreicht der Arbeitnehmer die Gelbphase, so wird ein Gespräch zwischen Vorgesetztem und Arbeitnehmer über Möglichkeiten zum Stundenabbau geführt. Bei Überschreiten der Grenze Plus 50 bzw. Minus 30 Stunden befindet sich der Ar beitnehmer in der Rotphase. Bevor der Mitarbeiter in die Rotphase eintritt, wird ein Gespräch zwischen dem für die Arbeitszeitplanung Verantwortlichen, einem Vertreter der Personalabteilung und dem örtlichen Betriebsrat geführt, um Lösungen zum Ab bau der in der Rotphase anfallenden Stunden im Sinne der Präambel zu finden.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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Bereits bei Genehmigung dieser Stunden wird ein konkreter Maßnahmenkatalog für den Arbeitnehmer zum Abbau der Stunden festgelegt. Stellt sich heraus, dass für die Überschreitung der 50 Plusstunden Grenze eine abgrenzbare einmalige Maßnahme die Ursache war, können ausnahmsweise Überstunden angeordnet werden.
Neben der Vereinbarung eines Ampelkontos, das als Steuerungsmechanismus zur Arbeitszeitplanung gut geeignet ist, sollte eine Betriebs-/ Dienstvereinbarung zum Gleitzeitkonto (das abweicht vom Arbeitszeitkonto nach § 10 TVöD) folgende Regelungsinhalte haben: • Während des Abrechnungszeitraums – ein Jahr – sind Begrenzungen im Sinne eines Korridors nicht vorzusehen. Die allein gültige Begrenzung nach oben wird gebildet durch die Höchstgrenzen des ArbZG, zehn Stunden täglich, durchschnittlich 48 Wochenstunden. • Am Ende des Abrechnungszeitraums ist eine Übertragungsmöglichkeit vorzusehen, die vom Umfang her die Beteiligten zur Planung des Kontos während des Jahres zwingt, z. B. kann die Übertragung von 50 Plus- und 40 Minusstunden vorgesehen werden. Die Betriebs-/Dienstvereinbarung sollte deutlich regeln, wann Überstunden im Modell anfallen, einerseits bei Überschreiten der 50 Plusstunden am Jahresende, andererseits bei ausdrücklicher Anordnung während des Jahres. § 43 TVöD BT-V sieht als Grundsatz den Freizeitausgleich für angeordnete Überstunden vor und lässt die Abgeltung erst bei nicht vorgenommenem Ausgleich bis zum Ende des dritten Monat zu. Bei angeordneten Überstunden während des Jahres erscheint diese Regelung zwingend. Der Ausgleich kann innerhalb des Jahreskontos erfolgen. Bei den Stunden, die rein rechnerisch am Ende des Abrechnungszeitraums oberhalb der Übertragungsmöglichkeit auftreten, handelt es sich jedoch nicht um Überstunden im Wortsinn de § 43 TVöD BT-V. Es erscheint deshalb zulässig, zu vereinbaren, dass diese Stunden inklusive der Zeitzuschläge am Jahresende ausgezahlt werden.
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Wie gestalten Sie die Arbeitszeit flexibel und kundenorientiert? •
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Bei vorhersehbaren regelmäßig wiederkehrenden Arbeitsspitzen bzw. -tälern können Elemente der Blockarbeitszeit in das Gleitzeitkonto einfließen. In den Monaten des Mehranfalls verschiebt sich der 38,5-Wochenstunden-Mittelwert auf z. B. 42 Stunden, bei geringerem Arbeitsanfall auf 35 Wochenstunden. Die Ampelphasen im Konto verschieben sich entsprechend. Dadurch vergrößert sich die Flexibilität. Zudem befindet sich der Mitarbeiter auch bei geringerem Arbeitsanfall „im grünen Bereich“ seiner Zeiterfassung. Zwingend regeln sollte die Betriebs-/Dienstvereinbarung in welchem konkreten Gleitzeitmodell/Mischmodell die Arbeitszeit innerhalb des Kontos verteilt wird. Auf die Ausführungen im Folgenden wird verwiesen.
Vertrauensarbeitszeit mit Ergebnisorientierung In neuerer Zeit wird die sog. „Vertrauensarbeitszeit“ propagiert, bei der eine Kontrolle der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber nicht stattfindet. Der Mitarbeiter verfügt eigenverantwortlich über seine Arbeitszeit. Bei hoher Identifikation des Mitarbeiters mit der Einrichtung bzw. dem Produkt oder der Dienstleistung erscheint die Einführung von Vertrauensarbeitszeit sinnvoll. In einigen Einrichtungen, insbes. im IT-Bereich, führt die Nichterfassung der Arbeitszeit dazu, dass die Mitarbeiter wesentlich mehr als die arbeitsvertraglich bzw. tarifvertraglich geschuldete Wochenarbeitszeitt leisten. Allein aus Gründen der Fürsorge für die Gesundheit der Mitarbeiter sollte der Betriebs-/Personalrat einen Überblick über den Umfang der geleisteten Arbeitszeit erhalten. Tipp Nach der Rechtsprechung kann der Betriebsrat verlangen, dass Arbeits zeitaufzeichnungen erfolgen, um die tarifliche Arbeitszeit wie auch die gesetzlichen Höchstgrenzen zu erfassen. Diesbezüglich ist vor allen Dingen auf die Aufzeichnungspflicht aus dem ArbZG hinzuweisen, die 100 sich auf alle Stunden, die acht am Tag überschreiten, bezieht.
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BAG, Beschl. v. 06.05.2003 - 1 ABR 13/02.
Wege der betrieblichen Umsetzung
Fehlen Anreize in der Vergütung, wie Ergebnisbeteiligungen oder Leistungszulagen, so besteht die Gefahr, dass die Mitarbeiter Arbeitsunterbrechungen, Pausen, Leerzeiten u. Ä. mit berücksichtigen, um die tarifliche bzw. betriebliche Wochenarbeitszeit zu erreichen. Für den Arbeitgeber optimal ist es jedoch, wenn lediglich der Arbeitserfolg – z. B. das Profit-Center-Ergebnis, das Projektergebnis – kontrolliert und honoriert wird, nicht jedoch die dafür im Einzelnen aufgewendete Arbeitszeit. Eigenverantwortlich arbeitende Mitarbeiter sind im Regelfall äußerst motiviert und damit produktiv für den Arbeitgeber. Ein sinnvoller Einsatz wird durch das Modell Vertrauensarbeitszeit letztlich erst dann ermöglicht, wenn das „Vertrauen“ einem Team von Beschäftigten gewährt wird. Neben der Verlagerung von Anwesenheitszeiten des Einzelnen (Kernzeiten) hin zu Ansprechzeiten des Teams gibt es bei innovativen Arbeitszeitsystemen auch eine Entwicklung weg von der Anwe101 Grundvorsenheitsorientierung hin zur Ergebnisorientierung. aussetzung hierfür sind klare Ziel- und Qualitätsvereinbarungen sowie eine Vertrauenskultur. Diese Vertrauensarbeitszeit sollte sich an folgenden Grundsätzen orientieren: • Die Steuerung der Vertragsarbeitszeiten soll grundsätzlich eigenverantwortlich im Team erfolgen – entsprechend den jeweiligen Anforderungen und unter Beachtung von Gesetz und Tarifvertrag. In diesem Rahmen können selbstverständlich persönliche Belange Berücksichtigung finden. • Die Beschäftigten sollen an der laufenden Aktualisierung der Standards, die ihrer Arbeit zugrunde liegen, beteiligt werden (Servicezeiten, garantierte Bearbeitungszeiten, Qualitätsstandards etc.). Hierfür sollen regelmäßige Gespräche und Zielvereinbarungen mit allen Mitarbeitern erfolgen. Systematische arbeitgeberseitige Zeiterfassung und somit -kontrolle entfällt hierbei und wird durch Zielvereinbarungen, Qualitäts- und Ergebnisabsprachen ersetzt. So kann Verantwortung zugewiesen und eingefordert werden. Unabdingbare Voraussetzung ist die Teambil101
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Teambildung
KGSt-Bericht 2/1999.
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Wie gestalten Sie die Arbeitszeit flexibel und kundenorientiert?
dung, die innerhalb der vorhandenen Strukturen stattfinden kann. Kernzeiten mit Anwesenheitspflicht des Einzelnen sind aufgehoben und finden ihren Fortgang in den Servicezeiten des jeweiligen Arbeitsteams. Das Team legt Besetzungsstärken, Dienstplan und Terminmanagement grundsätzlich eigenverantwortlich fest. Maßstab des Handelns ist der Anspruch der externen oder internen Kundinnen bzw. Kunden einerseits und die Erfüllung der Vertragsarbeitszeit andererseits. Beispiel: Den Kunden steht statt der bisher unterschiedlichen Öffnungszeiten nunmehr eine einheitliche, von 8.30 bis 17 Uhr durchgängige An sprechzeit zur Verfügung. Ziel ist, „Schaltergeschäfte“ (z. B. Kfz Zulassung) sofort zu erledigen. Individuelle Anfragen erfordern, wenn eine unmittelbar qualifizierte Leistung nicht möglich ist, eine Termin oder zumindest eine Rückrufvereinbarung. Wie im privaten Bereich sollen in der Verwaltung Terminvereinbarungen greifen, um Wartezei ten zu vermeiden. Allerdings tritt eine erhöhte zeitliche Anforderung bei den Servicediensten wie Telefonzentrale, Hausmeister, Infostand etc. ein. Tipp Die Vertrauensarbeitszeit setzt voraus, dass tatsächlich in großem Um fang Verantwortung delegiert wird. Nur auf diese Weise kann das In strument Führen mit Zielvereinbarungen sinnvoll eingesetzt werden. In den meisten Einrichtungen ist Letzteres jedoch nicht der Fall.
Gleitzeit mit Funktionszeiten Das Modell „Gleitzeit mit Funktionszeit“ zeigt eine weitere mögliche konkrete Ausgestaltung eines Zeitkontenmodells, bei der die Funktionszeiten – die jeweilige Mindestbesetzung des Bereiches, der Abteilung – einseitig durch den Arbeitgeber vorgegeben werden. Die Mitarbeiter sprechen die jeweilige Besetzung unter sich ab. Der Arbeitgeber greift lediglich ein, wenn eine „Schicht“ nicht besetzt ist. Es geht hier um eine Neugestaltung der betrieblichen Arbeitszeit, bei der die Arbeitszeit als Steuerungsinstrument zur bestmöglichen Erledigung der jeweiligen Aufgaben eingesetzt wird. Die Arbeitsaufgabe und deren Erfordernisse stehen im Mittelpunkt. Das bedeutet für
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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ein Dienstleistungsunternehmen eine zentrale Ausrichtung an den Kundeninteressen. Symbol hierfür sind die Servicezeiten (auch Funktions-, Ansprech-, Öffnungszeiten). Sie treten an die Stelle der Kernzeit. Während dieser Zeitspannen ist die jeweilige betriebliche Einheit entsprechend den internen oder externen Kundenbedürfnissen qualifiziert ansprechbar zu halten. Ziel ist eine kundenorientierte Ausweitung der Servicezeiten. Beispiel: Es ist vom Kunden/Bürger her gesehen nur schwer hinnehmbar, dass der öffentliche Dienst in weiten Bereichen unter der Woche nur bis 16 Uhr und freitags gar nur bis 12 Uhr seine Dienstleistungen anbietet. Eine Ausweitung der Servicezeiten ist aber zwingend verbunden mit der Einführung von Teamstrukturen.
Im Mittelpunkt der Teamdiskussion steht die Ausgestaltung der Servicebereitschaft. Diese kann je nach den Anforderungen der betrieblichen Einheit durchaus unterschiedlich ausfallen. Das Team muss dabei drei Fragen beantworten:
Service bereitschaft
Checkliste Servicebereitschaft Wer sind meine externen bzw. internen Kunden und wie lange muss die Organisationseinheit den Service anbieten? Hieraus ergibt sich die Servicezeit. Welche Anforderungen müssen die Mitarbeiter zur Abdeckung des Service erfüllen? Hieraus ergibt sich die Servicequalität, die je nach Saison oder aber auch Wochentag oder Tageszeit durchaus unterschiedlich beschaffen sein kann. So wird bei einer weit ausgedehnten Ser vicezeit in den Randzeiten meist keine optimale Servicequalität zu gewährleisten sein. Mit wie vielen Mitarbeitern muss die Organisationseinheit zu be stimmten Zeiten besetzt sein? Hieraus ergibt sich die Mindestbesetzungsstärke. Auch diese kann saisonal oder auch innerhalb eines Tages durchaus unterschiedlich ausfallen.
Bei dem geschilderten Modell werden die Funktionszeiten einmalig und auf Dauer festgelegt. Schwankungen im Arbeitsanfall löst das Modell nicht.
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Wie gestalten Sie die Arbeitszeit flexibel und kundenorientiert?
Gleitzeit mit sich ändernden Funktionszeiten Bei diesem Modell werden die Funktionszeiten durch den Arbeitgeber in bestimmten Zeitabständen geändert und angepasst. Das Modell „Gleitzeit als gemeinsamer, sich ändernder Arbeitsplan“ zeigt eine weitere mögliche konkrete Ausgestaltung eines Zeitkontenmodells, bei der die Funktionszeiten – die jeweilige Mindestbesetzung oder Besetzung des Bereiches, der Abteilung – einseitig durch den Arbeitgeber vorgegeben werden. Die Beschäftigten sprechen die jeweilige Besetzung unter sich ab. Der Arbeitgeber greift lediglich ein, wenn eine „Schicht“ nicht besetzt ist. Das Modell kann sowohl als Monats-, Halbjahres- oder Jahresstundenkonto vereinbart werden. Eine wichtige Frage, die zwischen Arbeitgeber und Betriebs-/Personalrat verhandelt werden muss, sind die Übertragungsmöglichkeiten von Stunden auf den nächsten Abrechnungszeitraum (Plus-, Minusstunden). Das Modell setzt eine Grob- und Feinplanung des Arbeitsanfalls sowie der privaten Belange des einzelnen Mitarbeiters voraus. In die Grobplanung werden saisonale Schwankungen und längere Freistellungszeiträume auf Wunsch des Mitarbeiters einbezogen. Die Feinplanung, die bezogen auf die Woche, 2 Wochen oder den Monat erstellt wird, berücksichtigt kurzfristige Schwankungen des Arbeitsanfalls sowie konkrete Ausfälle von Mitarbeitern, z. B. Krankheit, Arbeitsbefreiung von Mitarbeitern. Um Überstunden i.S.d. § 7 TVöD zu vermeiden, sollte diese Feinplanung – der konkrete Einsatzplan – für eine bzw. zwei Wochen gemacht werden. Beispiel: Das vorliegende Modell ist gut geeignet für einen Bau oder Werkhof, der bisher mit festen Schichten gearbeitet hat. Es wird ein durchlau fender Schichtplan erarbeitet, aus dem der Beschäftigte seinen Arbeit seinsatz zu unterschiedlichen Zeiten ablesen kann. Diese Arbeitszeit grobplanung wird heruntergebrochen auf einen Monatsplan, der die bis zu diesem Zeitpunkt erkennbaren Abweichungen, z. B. langfristige Er krankungen, Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen usw. berücksich tigt. Der letztlich entscheidende Einsatzplan wird mit einem Vorlauf von mindestens vier Tagen auf Wochenbasis erstellt und berücksichtigt nur noch die kurzfristig eintretenden Besonderheiten, z. B. kurzfristige Erkrankungen, Mehranfall von Arbeit durch Naturereignisse usw.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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Die Betriebs-/Dienstvereinbarung könnte wie folgt lauten: Muster Betriebs/Dienstvereinbarung: Gemeinsame Arbeitsplanung (1) (2)
In den in § 17 näher bezeichneten Bereichen und Abteilungen wird das Jahres stundenkonto nach dem Modell „Gemeinsame Arbeitsplanung" abgewickelt. Der Arbeitgeber hat eine Arbeitszeitgrobplanung in Form eines durchlaufenden Schichtplans vor Beginn des Jahreszeitraums zu erstellen. Der durchlaufende Jahresschichtplan dokumentiert sich auch im gemeinsam zu erarbeitenden Mo natsplan, in dem vorhersehbare Abweichungen einbezogen werden. Aufgrund des Monatsplans wird mit 4 Tagen Vorlauf der verbindliche Wocheneinsatzplan erstellt (vgl. Abs. 3). Innerhalb der Arbeitszeitgrobplanung kann die monatliche Sollarbeitszeit abwei chend von derzeit durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich festgelegt werden, z. B. auf durchschnittlich 35 Stunden wöchentlich oder durchschnittlich 42 Stunden wöchentlich. Änderungen der durchschnittlich zu leistenden Wochen arbeitszeit können z. B. bei Baumaßnahmen und strukturellen Veränderungen vorgenommen werden.
(3)
Der Betriebsrat erhält ständig durch EDV Zugriff Einblick in die jeweilige Pla nung. Individuelle Konflikte aus der Arbeitszeitverteilung werden mit dem Be triebsrat besprochen. Die Planung des Arbeitseinsatzes erfolgt spätestens am Dienstag der Vorwoche durch einen von der Leitung und dem Team eigenverantwortlich ausgearbeiteten Wocheneinsatzplan. Arbeitnehmerwünsche werden bei der Erstellung des Plans nach Möglichkeit berücksichtigt. Einigen sich die Teammitglieder nicht, so ent scheidet der Vorgesetzte. Der durchlaufende Schichtplan, aktualisiert im Monatsplan, soll bei der Erarbei tung des Wocheneinsatzplans Berücksichtigung finden. Änderungen der Mo natsplanung sind nur bei nicht vorhersehbaren Anlässen zulässig. Dazu zählt z. B. Krankheit, kurzfristiger Urlaub, Fortbildungsveranstaltungen und nicht planbare Änderungen des Arbeitsanfalls. Dienstags wird die Planung für die Folgewoche abgeschlossen. Die Wochenein satzplanung wird den Arbeitnehmern durch Aushang bekannt gegeben. Sollte ein Arbeitnehmer nicht in der Einrichtung anwesend sein (Krankheit/Urlaub), so ist er verpflichtet, vor der Arbeitsaufnahme seinen Arbeitsbeginn abzufragen.
(4)
Abweichungen vom Wocheneinsatzplan: Eine Verpflichtung zur jeweiligen Ar beitsaufnahme bzw. reduzierung besteht nur, wenn der Arbeitnehmer späte stens 4 Tage vor dem Bedarfsfall verständigt wird. Bei Anforderungen unter dieser Frist, z. B. kurzfristiger Änderung der Wocheneinsatzplanung, ist die Ar beitsaufnahme freiwillig. Kurzfristige Änderungen des Wocheneinsatzplans, wozu auch der Wegfall von Arbeit zählt, sollen gleichmäßig auf die Arbeitnehmer verteilt werden. Ist keine Freiwilligkeit hinsichtlich des Arbeitseinsatzes erreichbar, so kann der Arbeitgeber Überstunden anordnen. Die tatsächlich geleisteten Überstunden sind dem Betriebsrat unter Nennung des Grundes innerhalb von 3 Tagen mitzuteilen.
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Wie gehen Sie bei einer Eingruppierung/ Höhergruppierung vor?
Im öffentlichen Dienst bestimmt sich die Höhe des Entgelts des Beschäftigten nach den Tätigkeitsmerkmalen der gesamten von ihm – nicht nur vorübergehend – auszuübenden Tätigkeit. Diese so genannte Tarifautomatik bedingt eine entsprechende Eingruppierung. Dies gilt ebenfalls für eine ausstehende Höhergruppierung innerhalb des Entgeltsystems des TVöD.
8.1
Wie ist der tarifliche Stand?
Wie im 2. Kapitel „Wie gehen Sie bei Neueinstellungen vor?“ dargestellt, gibt es zwar eine Einigung über bestimmte Grundsätze des neuen Eingruppierungsrechts, die neue Entgeltordnung wird jedoch voraussichtlich erst Mitte 2007 oder sogar erst zum 1. Januar 2008 in Kraft treten. Bis zu diesem Zeitpunkt erfolgt die Eingruppierung im TVöD nach den Regelungen des bisherigen Tarifrechts. In der Zwischenzeit ist also für die Bestimmung der Vergütungsgruppe bzw. Lohngruppe bei Angestellten die Anlage 1a bzw. 1b zum BAT, bei Arbeitern das Lohngruppenverzeichnis maßgebend. Nach dieser Feststellung erfolgt die Überleitung und Zuordnung zu einer Entgeltgruppe des TVöD. Fazit: Bis zum In-Kraft-Treten der neuen Entgeltordnung sind im Wesentlichen die Regelungen zur Eingruppierung des BAT/BAT-O, BMTG II/BMTG-O sowie MTArb/ MTArbO weiter anzuwenden. Bei der Eingruppierung bei Neueinstellungen ab dem 1. Oktober 2005 wird jedoch kein Besitzstand gewährt. Ab Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung ist die Eingruppierung zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen (siehe 2. Kapitel Punkt 2.3.1).
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Wie ist der tarifliche Stand?
8.1.1
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Wie erfolgt die Eingruppierung nach den Regelungen des BAT?
Bedarf die Eingruppierung eines förmlichen Eingruppierungsaktes? Nach BAT wird die Vergütung nicht ausgehandelt. Sie hängt auch nicht von einer konkreten Leistung ab, sondern allein von der Zugehörigkeit des Beschäftigten zu einer Vergütungsgruppe. Entscheidend ist, ob die Tätigkeitsmerkmale der jeweiligen Vergütungsgruppe erfüllt sind. In diesem Fall erfolgt die Eingruppierung automatisch, ohne dass es eines förmlichen Aktes seitens des Arbeitgebers hierzu bedarf (Grundsatz der Tarifautomatik). Die Mindestvergütung eines tarifunterworfenen Beschäftigten ist somit nicht von einer durch den Arbeitgeber vorzunehmenden „Eingruppierung“ abhängig, sondern folgt allein und unmittelbar aus der arbeitsvertraglich auszuübenden Tätigkeit. Die Vereinbarung der auszuübenden Tätigkeit im Arbeitsvertrag hat daher maßgebliche Bedeutung in zweierlei Hinsicht: • Sie gibt Anspruch auf Beschäftigung mit entsprechender Tätigkeit und • bestimmt die Eingruppierung und damit die Vergütung. Merkmale, auf die es bei der Eingruppierung nicht ankommt, sind: • Qualität der geleisteten Arbeit und die inner- wie außerdienstliche Führung, • ausgewiesene Stelle im Haushalts- oder Stellenplan, • Einstufung vergleichbarer Beschäftigter, • anfallende Arbeitsmenge, • in der Regel Einarbeitungszeit. Was regelt die Vergütungsordnung? In § 22 Abs. 1 BAT haben die Tarifvertragsparteien geregelt, dass die Eingruppierung der Beschäftigten sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung (VergO) – Anlagen 1a und 1b – richtet. In der Anlage 1b zum BAT ist die Eingruppierung der Angestellten im Pflegedienst geregelt. Die Anlage 1a zum BAT (allg. VergO) enthält die Tätigkeitsmerkmale der Beschäftigten außerhalb des Pflegedienstes. Für den Bereich der VkA sowie den Bereich des Bundes und der Länder gelten verschiedene Fassungen der Anlage 1a zum BAT.
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Wie gehen Sie bei einer Eingruppierung/ Höhergruppierung vor?
Diese Vergütungsordnungen sind unterschiedlich gegliedert. Innerhalb der Vergütungsordnung sind gewisse Strukturierungen erkennbar, die den Laufbahngruppen des Beamtenrechtes (einfacher, mittlerer, gehobener, höherer Dienst) nachgebildet sind. Vom Rechtscharakter her enthalten die Vergütungsordnungen Rechtsnormen. Eingruppierungsrichtlinien der Arbeitgeberverbände haben dagegen keine tarifrechtliche oder arbeitsrechtliche Bedeutung. Es handelt sich dabei um verwaltungsinterne Anweisungen bzw. einseitige Empfehlungen einer Tarifvertragspartei an ihre Mitglieder. Beispiel: Das Innenministerium erlässt für seinen Amtsbereich einen Eingrup pierungserlass. Wird hierdurch die VergO verdrängt? Auch der Erlass des Ministeriums ist lediglich die juristische Meinungs äußerung einer Tarifvertragspartei; wegen der unmittelbaren Wirkung, und dem zwingenden Charakter der Tarifnormen können Eingruppie rungsrichtlinien die VergO nicht verdrängen. Tipp Soll eine Tätigkeit eingruppiert werden, so ist zunächst zu prüfen, ob ein spezielles Tätigkeitsmerkmal angewendet werden kann. Steht dies nicht zur Verfügung, wird die Anwendung der „allgemeinen“ Tätig keitsmerkmale für den Verwaltungsdienst geprüft. Diese sind im Sinne einer Auffangfunktion extensiv auszulegen.
Mit der Vergütungsordnung haben die Tarifvertragsparteien ein Instrument der Arbeitsbewertung geschaffen. Dort ist die Differenzierung der Tätigkeiten für die Angestellten des öffentlichen Dienstes in 18 (Bereich Bund und Länder) bzw. in 15 (Bereich VkA) Gehaltsgruppen festgelegt. Den Vergütungsgruppen werden Tätigkeiten zugeordnet. Diese Tätigkeiten werden umschrieben durch eine Vielzahl von Tätigkeitsmerkmalen, wie z. B. • gründliche und vielseitige Fachkenntnisse, • schwierige Aufgaben, • besondere Leistungen etc. Bei den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppen ist zu differenzieren zwischen den allgemeinen und speziellen Tätigkeitsmerkmalen.
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Wie ist der tarifliche Stand?
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Spezielle Tätigkeitsmerkmale Spezielle Tätigkeitsmerkmale gehen den allgemeinen vor. Sind also für die betreffende Tätigkeit spezielle tarifliche Tätigkeitsmerkmale vorhanden, dann gelten die allgemeinen Merkmale der jeweiligen Fallgruppe nicht. Beispiel: Zusätzliche Tätigkeitsmerkmale des Teils II VergO B/L gehen dem All gemeinen Teil I der VergO vor.
Allgemeine Tätigkeitsmerkmale Im Teil I der VergO B/L sowie im Allgemeinen Teil der VergO VkA sind in den jeweils ersten Fallgruppen (1 und 1a – 1c) der jeweiligen Vergütungsgruppe die so genannten allgemeinen Tätigkeitsmerkmale festgelegt. Bei den jeweils ersten Fallgruppen handelt es sich zwar um eigenständige Eingruppierungsnormen, zu beachten ist jedoch, dass der weitaus überwiegende Teil der Tätigkeitsmerkmale aufeinander aufbaut. Ein besonders starker innerer Zusammenhang der Tätigkeitsmerkmale besteht bei „allgemeinen“ Tätigkeitsmerkmalen für den Verwaltungsdienst. Hier entwickelt sich die höhere Anforderungen stellende Eingruppierungsnorm aus den Anforderungen der im Tarifgefüge darunter stehenden Vergütungsgruppe. Diese innere Systematik wird im Bereich der Vergütungsgruppen VIII, VII, VI b, V c und V b in erster Linie durch eine Steigerung der anzuwendenden Fachkenntnisse hergestellt.
8.1.2
Gibt es noch automatische Bewährungs und Zeitaufstiege in den Entgeltgruppen?
In den Vergütungsordnungen findet sich eine Vielzahl von Regelungen zu einer automatischen Höhergruppierung nach Ablauf einer bestimmten Zeit der Bewährung oder Tätigkeit. Achtung: Im TVöD werden automatische Aufstiege in den Entgeltgruppen nur noch bei übergeleiteten Beschäftigten im Rahmen des Besitzstandes berücksichtigt.
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8
Wie gehen Sie bei einer Eingruppierung/ Höhergruppierung vor?
Das bedeutet: trotz der Eingruppierung nach den Regelungen des BAT sind bei Neueinstellungen die automatischen Aufstiege nicht mehr zu berücksichtigen! Eine Höhergruppierung erfolgt nur noch im Zusam menhang mit der Übernahme höherwertiger Tätigkeiten.
8.1.3
Wann wird der Beschäftigte höhergruppiert?
Überträgt der Arbeitgeber dem Beschäftigten eine tariflich höher bewertete Tätigkeit auf Dauer, wird der Beschäftigte mit dem Tag der Übertragung der höherwertigen Tätigkeit automatisch in die höhere Vergütungsgruppe eingruppiert. Ist dieser höheren Vergütungsgruppe nach der Anlage 3 TVÜ-VKA bzw. Anlage 4 TVÜBund eine höhere Entgeltgruppe zugeordnet, führt dies zu einer höheren Eingruppierung nach TVöD. Dies folgt aus dem Grundsatz der Tarifautomatik. Im Arbeitsvertrag ist in diesem Fall eine Änderung hinsichtlich der vom Beschäftigten geschuldeten Arbeitsleistung erforderlich, die in der Praxis oft dadurch zustande kommt, dass der Beschäftigte die neue, höherwertige Tätigkeit ohne Einwendungen übernimmt. Beispiel: Der Beschäftigte A ist bei der Stadt B als Sachbearbeiter im Amt für Wohnungswesen tätig. Die Tätigkeit ist eingruppipert in VergGr. VIb, Fgr. 1a., der Beschäftigte wurde der EG 6 zugeordnet. Am 01.01.2007 werden ihm neue Aufgaben, die den Tätigkeitsmerkmalen der VergGr. Vc, Fgr. 1a entsprechen, auf Dauer übertragen. Der Beschäftigte A ist mit Wirkung vom 01.01.2007 in VergGr. Vc höhergruppiert und wird der EG 8 zugeordnet.
Grundsätzlich erfolgt eine Höhergruppierung nur bei Übertragung einer höherwertigeren Funktion. Im Rahmen des Besitzstands gibt es jedoch auch Fälle, in denen der Beschäftigte ohne Übertragung einer neuen Tätigkeit höhergruppiert ist (§ 8 TVÜ): Beispiel: • Der beim Bund Beschäftigte erfüllt die Voraussetzungen für den Bewährungsaufstieg nach § 23a BAT. • Der Beschäftigte erfüllt gemäß § 8 TVÜ die Voraussetzungen für den Fallgruppenbewährungsaufstieg.
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
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•
Der Beschäftigte wächst in eine höherwertige Tätigkeit hinein (§ 23 BAT iVm § 17 Abs.1 TVÜ). Hängt die Eingruppierung von einer oder mehreren Voraussetzungen in der Person des Beschäftigten ab, so ist der Beschäftigte mit dem Tag der Erfüllung dieser Voraussetzungen höhergruppiert, z. B. im kommu nalen Bereich bei erfolgreichem Ablegen der ersten oder zweiten Prü fung nach § 25 BAT i. V. m. § 17 Abs. 1 TVÜ VKA.
8.2
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
Das Eingruppierungsrecht des BAT, das bis zum In-Kraft-Treten der Entgeltordnung weiter gilt, ist sehr umfassend – allein im kommunalen Bereich gibt es ca. 17.000 unterschiedliche Eingruppierungsnormen – und kompliziert ausgestaltet. Hier bleibt zu hoffen, dass die neue Entgeltordnung ein einfacheres und handhabbares Eingruppierungsrecht bringt. Im übrigen wird auf die Ausführungen in Kapitel 2 – Wie gehen Sie bei Neueinstellungen vor? verwiesen.
8.3 8.3.1
Wege der betrieblichen Umsetzung Nach welchem Bewertungsverfahren wird die Entgeltgruppe festgestellt?
Das Bewertungsverfahren ist im Wesentlichen in § 22 Abs. 2 Satz 2-5 BAT festgelegt. Hieraus ergeben sich folgende Bewertungsschritte: 1. Feststellung der „Arbeitsvorgänge“, 2. Bewertung jedes einzelnen Arbeitsvorgangs, 3. Feststellung, ob bei einer „zusammenfassenden Gesamtbetrachtung“ der Arbeitsvorgänge bestimmte Tätigkeitsmerkmale erfüllt werden, deren Vorliegen bei der Einzelbewertung noch nicht bejaht werden konnte, 4. Addition der zeitlichen Anteile der mit den gleichen Tätigkeitsmerkmalen bewerteten Arbeitsvorgänge, 5. Feststellung der Eingruppierungsnorm (VergGr., Fallgruppe).
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Wie gehen Sie bei einer Eingruppierung/ Höhergruppierung vor?
Arbeitsvorgänge feststellen Der Arbeitsvorgang ist die für die Tätigkeitsbewertung allein maßgebliche Bewertungseinheit. Seiner Feststellung kommt daher entscheidende Bedeutung zu. Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, 1. bezogen auf den Aufgabenbereich des Beschäftigten, 2. zu einem bei natürlicher Betrachtung 3. abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Wie gelangt man zur Feststellung eines Arbeitsvorgangs? Die auszuübende Tätigkeit ist aufzugliedern in einzelne Arbeitsschritte und diese Arbeitsschritte wiederum in Arbeitseinheiten, und diese sind wiederum in Arbeitsvorgängen zusammenzufassen. Tipp Zusammenhangsarbeiten, Tätigkeiten, die aufgrund ihres engen Zu sammenhangs mit bestimmten, insbesondere höherwertigen Aufgaben eines Beschäftigten verbunden sind, dürfen bei der tariflichen Bewer tung zwecks Vermeidung tarifwidriger „Atomisierung“ der Arbeitsein heiten nicht abgetrennt werden, sondern sind diesen zuzurechnen.
Bei der Feststellung von Arbeitsvorgängen ist von einer natürlichen Betrachtungsweise auszugehen. Von Bedeutung ist: • ob die Einzeltätigkeiten zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führen, • ob einzelne Arbeitsleistungen zueinander einen starken inneren Zusammenhang aufweisen, • ob die Arbeitsleistung tarifrechtlich selbständig bewertbar ist, • ob wiederkehrende gleichartige Arbeitsleistungen vorliegen (dann ein Arbeitsvorgang). Neben diesen allgemeinen Grundsätzen sind zwei weitere Verbote von grundlegender Bedeutung: • Das Verbot der „Atomisierung“ von Arbeitsvorgängen: Höherwertige Arbeitsleistungen dürfen nicht aus dem Zusammenhang mit niedriger zu bewertenden Arbeiten gerissen und tarifwidrig in viele kleine Bewertungseinheiten aufgespalten werden.
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Wege der betrieblichen Umsetzung •
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Das Aufspaltungsverbot des Satzes 2 der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 Abs. 2 BAT: Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. Fällt also in einen Arbeitsvorgang eine höher zu bewertende Tätigkeit, z. B. „selbständige Leistungen“, so erfüllt der gesamte Arbeitsvorgang diese Anforderungen, unabhängig davon, in welchem Umfang diese „selbständigen Leistungen“ anfallen. Beispiel: Ein Arbeitsvorgang nimmt 30 % der Gesamtarbeitszeit in Anspruch. Innerhalb des Arbeitsvorganges sind die Tätigkeitsmerkmale „gründliche und vielseitige Fachkenntnisse“ zu 40 % und „selbständige Leistungen“ zu 5 % erfüllt. Wie ist der Arbeitsvorgang zu bewerten? Da der Arbeitsvorgang hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespaltet werden darf, erfüllt er insgesamt die Tätigkeitsmerkmale „gründliche und vielseitige Fachkenntnisse“ sowie „selbständige Lei stungen“.
Einfach gestaltet sich die Bewertung, wenn die Tarifvertragsparteien einen bestimmten Aufgabenbereich in der Form einer Dienstpostenbeschreibung oder Funktionsbezeichnung zum Tätigkeitsmerkmal erhoben haben. Hier sind alle zu diesem Aufgabenbereich gehörenden Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsvorgang zusammenzufassen. Beispiel: • Leiter von Kassen mit mindestens 30 Kassenangestellten (VergGr. IV a, Fallgruppe 2 des Teils I der VergO B/L); • Vorsteher von Kanzleien mit mindestens 40 Kanzleikräften (VergGr. V b, Fallgruppe 2 des Teils I der VergO B/L); • Vorlesekräfte für Blinde (VergGr. VII, Fallgruppe 42d des Teils I der VergO B/L); • Hausmeister mit einschlägiger Handwerker oder Facharbeiteraus bildung in Verwaltungsgebäuden mit einer benutzten Bodenfläche von mindestens 15.000 qm (VergGr. VII des Teils II Abschn. O unter Abschn. II VergO B/L).
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Wie gehen Sie bei einer Eingruppierung/ Höhergruppierung vor?
Abschließend noch ein paar Beispiele für die Bewertung von Tätigkeiten als ein Arbeitsvorgang: • Leitung eines Gartenbaubezirks, • Bearbeitung von Prüfungsangelegenheiten, • Unterschriftsreife Bearbeitung von Anträgen auf Bewilligung von Wohnungsbaumitteln, • Erfassung von Film-/Bildgut für Dokumentationszwecke, • Durchführung von Brückenneubauten von der Ausschreibung bis zur endgültigen Abwicklung des Bauvorhabens, • Leitung einer Küche, • Kontrolle von Lebensmitteln, • Erstellung eines EKG, • Fertigung einer Bauzeichnung, • Eintragung in das Grundbuch, • Bearbeitung eines Antrags auf Wohngeld, • Festsetzung einer Leistung nach dem Bundessozialhilfegesetz. Grundlage einer Arbeitsplatzbeschreibung ist in aller Regel die T ätigkeitsbeschreibung. In dieser Tätigkeitsbeschreibung müssen alle bewertungsrelevanten Angaben enthalten sein. Neben der reinen Tätigkeitsbeschreibung ist auch der zeitliche Anteil der Arbeitsvorgänge an der Gesamttätigkeit zu berechnen und anzugeben. Im Streitfall empfiehlt es sich, eine Tätigkeitsaufzeichnung anzufertigen. Das Bewertungsverfahren im Detail Das Bewertungsverfahren in seinen Einzelheiten soll nun anhand eines anschaulichen Beispiels verdeutlicht werden. Beispiel: Die Beschäftigte T erhält Vergütung nach VergGr. V b, Fallgruppe 1a der VergO B/L. Sie ist der Auffassung, ihre Tätigkeit erfülle die Tätigkeits merkmale der VergGr. IV b, Fallgruppe 1a, daher hat sie ihre nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit in einer Tätigkeitsbeschreibung geschildert, Arbeitsvorgänge gebildet und über einen Zeitraum von 2 Monaten Tätigkeitsaufzeichnungen durchgeführt. Nach der Auswertung der Tätigkeitsaufzeichnungen ergibt sich folgendes Bild: • Arbeitsvorgang A: Anteil an der Gesamttätigkeit 30 % • Arbeitsvorgang B: Anteil an der Gesamttätigkeit 10 %
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Wege der betrieblichen Umsetzung
8
•
Arbeitsvorgang C: Anteil an der Gesamttätigkeit 20 % Arbeitsvorgang D: Anteil an der Gesamttätigkeit 15 % • Arbeitsvorgang E: Anteil an der Gesamttätigkeit 20 % • Arbeitsvorgang F: Anteil an der Gesamttätigkeit 5 % Abschließend muss sie ihre Tätigkeiten bewerten. Wie geht sie vor? •
1. Bewertung der Arbeitsvorgänge Jeder Arbeitsvorgang ist für sich zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. Dabei ist das Tätigkeitsmerkmal zu ermitteln, dessen Anforderungen der Arbeitsvorgang erfüllt. Beispiel: Im Beispielfall gehen wir davon aus, dass für die Tätigkeit der Beschäf tigten die Tätigkeitsmerkmale des Allgemeinen Teils der VergO B/L an zuwenden sind. Innerhalb dieses Allgemeinen Teils ist jedoch die Sy stematik der aufeinander aufbauenden Tätigkeitsmerkmale zu berück sichtigen. Also ist mit der „Eingangsgruppe“, im vorliegenden Fall bei der VergGr. V b, Fallgruppe 1a, zu beginnen.
Die Bewertung gibt im Beispielsfall dann folgendes Bild: 1
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3
4
Arbeitsvorgang A Anteil an der Gesamttätigkeit: 30 %
X
X
X
X
X
X
X
X
Arbeitsvorgang B Anteil an der Gesamttätigkeit: 10%
X
Arbeitsvorgang C Anteil an der Gesamttätigkeit: 20% Arbeitsvorgang D Anteil an der Gesamttätigkeit: 15% Arbeitsvorgang E Anteil an der Gesamttätigkeit: 20% Arbeitsvorgang F Anteil an der Gesamttätigkeit: 5%
X
1 = gründliche Fachkenntnisse. 2 = gründliche und vielseitige Fachkenntnisse. 3.= gründliche, umfassende Fachkenntnisse. 4 = selbstständige Leistungen.
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Wie gehen Sie bei einer Eingruppierung/ Höhergruppierung vor?
Ergebnis: Die auszuübende Tätigkeit erfüllt die Anforderungen der VergGr. V c Fallgruppe 1a. 2. Zusammenfassende Gesamtbetrachtung der Arbeitsvorgänge Nach der Bewertung der einzelnen Arbeitsvorgänge im obigen Beispiel ist nach § 22 Abs. 2 BAT eine zusammenfassende Bewertung aller Arbeitsvorgänge vorzunehmen. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass in der Regel die Erfüllung der folgenden Tätigkeitsmerkmale erst bei Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden kann: • Gründliche Fachkenntnisse, • Gründliche und vielseitige Fachkenntnisse, • Gründliche, umfassende Fachkenntnisse, • Besonders verantwortungsvolle Tätigkeit, • Besondere Schwierigkeit der Tätigkeit, • Bedeutung der Tätigkeit, • Maß der Verantwortung. Das Tätigkeitsmerkmal „selbständige Leistung“ entzieht sich einer zusammenfassenden Bewertung. Denn ob bei der Erledigung eines Arbeitsvorganges eine geistige Initiative zu entwickeln ist, kann nur für jeden einzelnen Arbeitsvorgang entschieden werden. Beispiel: Bei der ersten isolierten Bewertung ergab sich obiges Bild. Nun ist in einem zweiten Bewertungsschritt in einer zusammenfassenden Ge samtbetrachtung zu prüfen, ob bei einer zusammenfassenden Bewer tung aller Arbeitsvorgänge das Vorliegen des Tätigkeitsmerkmals „gründliche, umfassende Fachkenntnisse“ bejaht werden kann. Gehen wir davon aus, dass das Ergebnis der Prüfung das Vorliegen dieses Merkmals ergibt. Zwischenergebnis: Die Tätigkeit der T erfüllt die Tätig keitsmerkmale der VergGr. V b, Fallgruppe 1a.
Warum ist diese Feststellung von Bedeutung? Hätte diese Feststellung nicht getroffen werden können, wäre die Bewertung beendet gewesen. Denn eine Tätigkeitsbewertung nach Vergütungsgruppe IV b, Fallgruppe 1a, ist nur möglich, wenn die Tätigkeitsmerkmale der VergGr. V b, Fallgruppe 1a erfüllt sind. Das Überspringen einer VergGr. ist daher nicht möglich.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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3. Vorliegen einer Heraushebung prüfen? Im Beispielsfall ist daher in einem weiteren Bewertungsschritt zu prüfen, ob eine Heraushebung vorliegt. Zur Feststellung dieses zusätzlichen Merkmals ist ein Vergleich anzustellen. Zunächst ist darzulegen, welche Tätigkeitsmerkmale die niedrigere Gruppe erfordert. Sodann ist zu prüfen, wodurch sich die Tätigkeit des die Höhergruppierung erstrebenden Beschäftigten aus den Merkmalen der niedrigen Gruppe heraushebt und ob dadurch die tariflichen Anforderungen erfüllt sind. Beispiel: Im Fall ist als zusätzliches neues selbständiges Tätigkeitsmerkmal „die besondere Verantwortung“ aufgeführt. Es ist also zu prüfen, ob eine „besonders verantwortliche Tätigkeit“ vorliegt. (Heraushebungsgruppen sind z. B. auch VergGr. IV a, Fallgruppe 1a „besondere Schwierigkeit und Bedeutung der Tätigkeit“ sowie VergGr. III Fallgruppe 1a „das Maß der Verantwortung“.) Bei der Bewertung des Aufgabenkreises der Beschäftigten T ist somit zu untersuchen, ob die Tätigkeit beispielsweise durch die Wahrnehmung von ideellen oder materiellen Belangen des Arbeitgebers, durch die Auswirkung der Tätigkeit im Behördenapparat oder auf die Lebensver hältnisse Dritter besonders verantwortungsvoll ist. Dies kann mögli cherweise erst bei einer Gesamtbetrachtung mehrerer oder sämtlicher Arbeitsvorgänge festgestellt werden.
Bei der vorzunehmenden Prüfung darf nicht auf die besondere Schwierigkeit der Tätigkeit abgestellt werden. Denn die besondere Schwierigkeit des Aufgabenkreises ist vielmehr erstes selbständiges Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IV a, Fallgruppe 1a. Auch ist zu beachten, dass fast jede Tätigkeit „Verantwortung“ erfordert. Nach der Bewertung der einzelnen Arbeitsvorgänge sind die zeitlichen Anteile der mit den gleichen Tätigkeitsmerkmalen bewerteten Arbeitsvorgängen zu addieren. Anschließend kann die Eingruppierungsnorm wie folgt festgestellt werden: Die Vergütungsgruppe greift ein, deren Merkmale durch Arbeitsvorgänge erfüllt werden, die zeitlich mindestens die Hälfte der gesamten auszuübenden Tätigkeit ausmachen. Wenn in einer Vergütungsgruppe ein anderes zeitliches Maß als die Hälfte bestimmt ist, gilt dieses.
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Wie gehen Sie bei einer Eingruppierung/ Höhergruppierung vor?
8.3.2
Wie gehen Sie bei einer Höhergruppierung vor?
Ergibt sich aus der Anlage 3 TVÜ-VKA oder Anlage 4 TVÜ-Bund (z. B. bei Übernahme einer höherwertigen Tätigkeit oder nachlaufendem Bewährungsaufstieg aus der Überleitung) ein Wechsel der Entgeltgruppe, so erfolgt die Zuordnung zur Tabellenstufe in der höheren Entgeltgruppe nicht stufengleich, sondern nach dem Entgelt. Der Arbeitnehmer wird der höheren Entgeltgruppe der Stufe zugeordnet, in der er zumindest sein bisheriges Tabellenentgelt erhält. Mindestens erfolgt die Zuordnung jedoch in Stufe 2. Bezüglich der Einzelheiten und der Darstellung anhand von Beispielen wird auf die Ausführungen in Kapitel 9 – Wie erfolgt der Stufenaufstieg? verwiesen.
8.3.3
Wie ist die Personalvertretung zu beteiligen?
Nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 PersVG unterliegen der Mitbestimmung die • Eingruppierung, • Höher- oder Rückgruppierung, • Übertragung einer höher oder niedriger zu bewertenden Tätigkeit. Darüber hinaus wird in einigen Landespersonalvertretungsgesetzen ausdrücklich die Feststellung der Fallgruppe als mitbestimmungspflichtiger Tatbestand festgelegt. Nach § 99 BetrVG ist die Ein- und Umgruppierung mitbestimmungspflichtig. Mitbestimmung bei der Eingruppierung Eingruppierung ist die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer tariflichen Lohn- oder Gehaltsgruppe im Rahmen eines kollektiven Entgeltschemas. Sie ist keine rechtsgestaltende Maßnahme seitens des Arbeitgebers, sondern ergibt sich nach der Tarifautomatik unmittelbar aus der Übertragung tariflich geregelter Tätigkeiten. Die Eingruppierung ist also ein gedanklicher Vorgang, ein Akt der Rechtsanwendung. Es geht um die Subsumtion eines bestimmten Sachverhalts unter eine vorgegebene Vergütungsordnung. Da die Eingruppierung kein Gestaltungs-, sondern ein Beurteilungsakt ist, gilt auch das Mitbestimmungsrecht nicht als Mitgestaltungs-,
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Wege der betrieblichen Umsetzung
sondern als reines Mitbeurteilungsrecht. Dieses soll die einheitliche und gleichmäßige Anwendung der Lohn- und Gehaltsgruppenordnung sowie die tarifgerechte Bewertung des Arbeitsplatzes sicherstellen. Mitbestimmungspflichtig ist: • sowohl die erstmalige Einreihung, • als auch die Überprüfung einer bestehenden Eingruppierung aus Anlass der Übertragung neuer Aufgaben, die auf einem neuen (anderen) bisher noch nicht bewerteten Arbeitsplatz anfallen. Es handelt sich insoweit auch um eine „Neu-Eingruppierung“. Die Mitbestimmung entfällt auch dann nicht, wenn die NeuEingruppierung weder zu einem Wechsel der Vergütungsgruppe noch zu einem Wechsel der Fallgruppe führt.
8
Neu Eingruppierung
Tipp Mitbestimmungspflichtig ist auch die Feststellung der Fallgruppe, wenn sie Auswirkungen auf die Entgelthöhe hat in der Weise, dass die Anlage 3 TVÜ VKA bzw. Anlage 4 TVÜ Bund die Beschäftigten einer Vergü tungsgruppe je nach Fallgruppe unterschiedlichen Entgeltgruppen zu ordnet. Auch die Korrektur der Feststellung der Fallgruppe (negativer Fallgruppenwechsel) ist mitbestimmungspflichtig.
Mitbestimmungspflichtig ist auch die übertarifliche Eingruppierung. Achtung: Die Zuordnung der aus dem bisherigen Tarifrecht übergeleiteten Be schäftigten zu einer Entgeltgruppe des TVöD nach Anlage 3 TVÜ VKA bzw. Anlage 4 TVÜ Bund ist tariflich abschließend geregelt und unter liegt daher nicht der Mitbestimmung. Im Zeitpunkt der Überleitung erfolgte keine neue „Eingruppierung“.
Kein Fall der mitbestimmungspflichtigen Eingruppierung ist hingegen die Entscheidung über zusätzliche Leistungen wie etwa Zuschläge, Zulagen etc., die von bestimmten persönlichen oder sachlichen Voraussetzungen abhängig sind. Beispiel: Die Übertragung besonderer Aufgaben, die mit Erteilung einer Funkti onszulage (z. B. Schichtführerzulage) verbunden sind, ist nicht mitbe stimmungspflichtig, da kein Wechsel der Entgeltgruppe damit verbun den ist.
163
8 Information
Wie gehen Sie bei einer Eingruppierung/ Höhergruppierung vor?
Entsprechendes gilt, wenn eine Änderung der auszuübenden Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe zum Wegfall einer Tätigkeitszulage führt. Damit die Personalvertretung ihr Mitbeurteilungsrecht ausüben kann, ist sie nach § 68 Abs. 2 BPersVG/§ 80 Abs.2 BetrVG rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Da Basis der Eingruppierung die auszuübende Tätigkeit ist, wird der Arbeitgeber diesem Informationsanspruch der Personalvertretung am besten durch die Vorlage einer hinreichend detaillierten Tätigkeitsbeschreibung gerecht. Meinungsverschiedenheiten können hierbei auftreten, zum einen über Rechtsfragen, aber auch – und dies wird häufiger der Fall sein – über die tatsächlichen Anforderungen des Arbeitsplatzes. Tipp Es besteht kein Anspruch auf eine unmittelbare Mitprüfung des Ar beitsplatzes seitens der Personalvertretung. Jedoch erscheint es durch aus sinnvoll und sachgerecht, die Personalvertretung an Arbeits platzüberprüfungen – etwa durch eine Bewertungskommission – infor matorisch oder aber auch mitwirkend teilnehmen zu lassen.
Streiten sich Personalvertretung und Arbeitgeber nicht über die Einstellung als solche, sondern lediglich um die richtige Eingruppierung, so kann die Personalvertretung zwar die Zustimmung zur „Eingruppierung“, nicht aber zur „Einstellung“ verweigern. Widerspricht die Personalvertretung der vorgesehenen Maßnahme, so ist die Frage, ob der Personalrat zu Recht widersprochen hat oder die Eingruppierung zutreffend erfolgt ist, im Einigungsverfahren zu lösen. Im Bereich des Betriebsverfassungsgesetzes wird der Streit durch eine Zustimmungsersetzung seitens des Arbeitsgerichtes gelöst. Durch eine Einstellung und eine vorläufige Gehaltszahlung unter Vorbehalt der Rückforderung bei gleichzeitiger Durchführung des Einigungsverfahrens bzw. Zustimmungsersetzungsverfahrens wird das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung nicht verletzt. Mitbestimmung bei einer Höhergruppierung/Herabgruppierung Höhergruppierung ist die Einreihung des Beschäftigten in eine höhere Vergütungs-/Lohngruppe, der eine höhere Entgeltgruppe zugeordnet ist. Die Höhergruppierung ist in § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG
164
Wege der betrieblichen Umsetzung
8
ausdrücklich als Mitbestimmungstatbestand angeführt. Zu beachten ist, dass in manchen Personalvertretungsgesetzen der Länder die Höhergruppierung als solche nicht der Mitbestimmung unterliegt, sondern lediglich die Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit. Im Bereich des Betriebsverfassungsgesetzes unterliegt die Höhergruppierung als Unterfall der „Umgruppierung“ gemäß § 99 BetrVG der Mitbestimmung. Herabgruppierung (auch Rückgruppierung) ist die Einreihung des Arbeitnehmers in eine niedrigere Vergütungs-/Lohngruppe, der eine niedrigere Entgeltgruppe zugeordnet ist. Hier gilt Entsprechendes wie bei der Höhergruppierung. Auswirkungen einer unterlassenen Personalvertretungsbeteiligung Wird das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung verletzt, ist zwischen den individualrechtlichen und den personalvertretungsrechtlichen Auswirkungen zu unterscheiden. Der Entgeltanspruch beruht allein und ausschließlich auf der individualvertraglichen Vereinbarung im Arbeitsvertrag und der sich hieraus ergebenden tariflichen Bewertung der auszuübenden Tätigkeit. Dieser Anspruch besteht unabhängig vom Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung. Daher ist die Verletzung des Mitbestimmungsrechts bei der korrigierenden Rückgruppierung für den Entgeltanspruch unerheblich. Der Entgeltanspruch richtet sich allein nach der tariflichen Eingruppierung. Ein nach den vertraglichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen nicht gegebener Entgeltanspruch kann durch eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts nicht begründet werden. Von diesem Fall einer korrigierenden Rückgruppierung zu unterscheiden ist allerdings der Fall der Zuweisung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit. Diese kann rechtswirksam nur erfolgen unter Zustimmung der Personalvertretung. Wurde die Personalvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt, ist die Zuweisung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit unwirksam. „Auszuübende Tätigkeit“ bleibt daher die bisherige höherwertige Tätigkeit. Sowohl die Höhe des Entgelts als auch die Teilnahme am Bewährungs-/Zeitaufstieg im Rahmen des § 8 TVÜ richtet sich allein nach dieser „auszuübenden" Tätigkeit.
165
9
Wie gestalten Sie den Stufenaufstieg?
Die Entgelttabellen des TVöD enthalten verschiedene Entgeltgruppen, die wiederum in Entgeltstufen unterteilt sind.
9.1 9.1.1
Wie ist der tarifliche Stand? Wie viele EntgeltStufen gibt es im TVöD?
Die Entgelttabellen des TVöD sehen grundsätzlich sechs verschiedene Stufen vor. • Im Bereich der VKA umfassen die Entgeltgruppen 2 bis 15 sechs Stufen. • Beim Bund bestehen nur die Entgeltgruppen 2 bis 8 aus sechs Stufen, die Entgeltgruppen 9 bis 15 enden bei Stufe 5. Diese differenzierte Regelung war erforderlich, da Bund und VKA unterschiedliche Startvoraussetzungen hatten: Die Vergütungstabelle des BAT für den Bereich der VKA ist vergleichsweise teuerer als die entsprechende BAT-Tabelle des Bundes. Welche Besonderheiten gelten bei der Entgeltgruppe 1? Die Entgeltgruppe 1 umfasst nur fünf Stufen (Stufe 2 bis 6). Stufe 1 für Beschäftigte ohne Berufserfahrung fehlt, weil der Entgeltgruppe 1 ohnehin nur un-/angelernte Mitarbeiter zugeordnet werden und es damit auf die Berufserfahrung nicht ankommt. Die Beschäftigten steigen nach jeweils vier Jahren in der vorangegangenen Stufe in die nächst höhere Stufe auf, befinden sich damit nach zwölf Jahren in der Endstufe. Ein leistungsorientiertes Verkürzung oder Hemmen des Stufenaufstiegs ist auch in Entgeltgruppe 1 zulässig.
166
Wie ist der tarifliche Stand?
9
Welche Übergangsregelungen sind zu beachten? Im Anhang zum jeweiligen § 16 TVöD (VKA- bzw. Bund-Fassung) gibt es Ausnahmeregelungen für konkrete Lohn- und Vergütungsgruppen nach BAT/BAT-O, BMT-G/BMT-G-O bzw. MTArb/ MTArb-O, die daraus resultieren, dass den 15 Entgeltgruppen des TVöD mehrere Lohn- und Vergütungsgruppen zugeordnet werden mussten und dabei Mehrkosten vermieden werden sollten. Die Ausnahmen betreffen sowohl die Ersteinstufung als auch den Wegfall bestimmter Stufen und die Stufenlaufzeit. Sie gelten sowohl für neu eingestellte als auch für übergeleitete Mitarbeiter und können auch den Klammerzusätzen in der Anlage 3 und Anlage 1 TVÜ-VKA bzw. Anlage 4 und Anlage 2 Bund entnommen werden. Beispiel: Im kommunalen Bereich sind Arbeiter der bisherigen Lohngruppe 9 zwingend der Stufe 1 der Entgeltgruppe 9 zuzuordnen. Sie erreichen die Stufe 4 erst nach 7 (statt wie üblich 3) Jahren in der Stufe 3. Die Stu fen 5 und 6 sind ausgeschlossen.
Mit Erlass der neuen Entgeltordnung zum TVöD werden die Ausnahmeregelungen obsolet.
9.1.2
Welcher Stufe werden neu eingestellte Mitarbeiter zugeordnet?
Bei der Zuordnung der Beschäftigten zu den Entgeltstufen ist zwischen Mitarbeitern, die seit dem 1.10.2005 neu eingestellt werden und den aus dem bisherigen Tarifrecht übergeleiteten Mitarbeitern zu unterscheiden. Was ist für die Stufenzuordnung entscheidend? Wird ein Beschäftigter neu eingestellt, so richtet sich die Zuordnung zu den Stufen nach der Berufserfahrung des Beschäftigten bei seiner Einstellung. Beschäftigte ohne einschlägige Berufserfahrung werden der Stufe 1 zugeordnet. Einschlägige Berufserfahrung wird wie folgt berücksichtigt:
167
9
Wie gestalten Sie den Stufenaufstieg?
Keine Berufserfahrung
Berufserfahrung mind. 1 Jahr
Berufserfahrung mind. 3 Jahre
Stufe 1
Stufe 2
Stufe 3
EG 2 bis 8
Stufe 1
Stufe 2
Stufe 3
EG 9 bis 15
Stufe 1
Stufe 1
Stufe 1
VKA EG 2 bis 15
1)
Bund 1)
Achtung: zu 1) siehe Tabelle oben Die unmittelbare Einstufung von Mitarbeitern in die Stufe 3 gilt nur bei Einstellungen nach dem 31. Dezember 2008. In der Verhandlungsnie derschrift findet sich hierzu folgende Niederschriftserklärung: „Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, dass stichtagsbezoge* ne Verwerfungen zwischen übergeleiteten Beschäftigten und Neuein* stellungen entstehen können.“
Gibt es Spielraum bei der Stufenzuordnung von Neueinstellungen? Unter bestimmten Voraussetzungen können „aus personalwirtschaftlichen Gründen“ förderliche Vorzeiten – auch Zeiten bei anderen Arbeitgebern – für die Stufenzuordnung berücksichtigt werden. Die Entscheidung liegt im freien Ermessen des Arbeitgebers. Was gilt bei Anwendung des TVöD-VKA? Der Arbeitgeber kann bei der Stufenzuordnung Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist (§ 16 Abs. 2 TVöD-VKA). Er kann den Beschäftigten also auch direkt in einer höheren Stufe einstellen. Tipp Ob die bisherige Berufserfahrung des Bewerbers „einschlägig“ ist, hat der Arbeitgeber im billigen Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) zu entschei den. Eine tarifliche Definition – wie beim Bund – gibt es nicht.
Grundsätzlich gilt ein Berufspraktikum nach den Praktikantentarifverträgen des öffentlichen Dienstes als Erwerb einschlägiger Berufserfahrung für den Praktikumsberuf (Protokollerklärung zu § 16 Abs. 2).
168
Wie ist der tarifliche Stand?
9
Was gilt beim Bund? • In den Entgeltstufen 2 bis 8 kann der Arbeitgeber – entsprechend der Regelung bei der VKA – Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist (§ 16 Abs. 3 Satz 3 TVöD-Bund). • In den Entgeltstufen 9 bis 15 sind die Beschäftigten dagegen zwingend der Stufe 1 zuzuordnen. Nur wenn eine mindestens einjährige einschlägige Berufserfahrung aus einem vorherigen Arbeitsverhältnis zum Bund vorliegt, erfolgt die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung. Dies gilt jedoch nur, wenn der Beschäftigte spätestens nach sechs Monaten – bei Wissenschaftlern ab Entgeltgruppe 13 längstens nach 12 Monaten – wieder eingestellt wird. (Protokollerklärung zu § 16 Abs. 2 Satz 2 TVöDBund). Für den Bereich des Bundes wird der Begriff „einschlägige Berufserfahrung“ in der Protokollerklärung Nr. 1 zu Absätzen 2 und 3 näher bestimmt. Erfasst wird nur eine Berufserfahrung in der übertragenen (derselben) oder einer auf die Aufgabe bezogen entsprechenden Tätigkeit. Zeiten eines Berufspraktikums nach den Praktikanten-TV gelten grundsätzlich als einschlägige Berufserfahrung (Protokollerklärung Nr. 2 zu § 16 Abs. 2 und 3 TVöD-Bund).
9.1.3
In welcher Stufe befinden sich übergeleitete Beschäftigte?
Mitarbeiter/-innen, die bei In-Kraft-Treten des TVöD am 1.10.2005 bereits beschäftigt waren, wurden nach den Bestimmungen des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA bzw. TVÜ-Bund) den Stufen der Entgelttabelle des TVöD zugeordnet. • Dabei wurden die Angestellten nach dem auf der Basis des Monats September 2005 zu ermittelnden „Vergleichsentgelt“ sog. individuellen Zwischen- oder Endstufen zugeordnet. Die Mitarbeiter befinden sich also zunächst in einer individuellen – in der
169
9
Wie gestalten Sie den Stufenaufstieg? 102
•
Tabelle nicht verzeichneten – Zwischenstufe, die grundsätzlich genau der im September 2005 gezahlten Vergütung entspricht. Liegt das Vergleichsentgelt über dem höchsten Stufenbetrag der zutreffenden Entgeltgruppe, befindet sich der Mitarbeiter in einer individuellen, dynamisch ausgestalteten Endstufe. Die Beschäftigten steigen zu dem im TVÜ festgelegten Stichtag 1. Oktober 2007 in die nächst höhere, reguläre Stufe auf. Arbeiter wurden nach ihrer Beschäftigungszeit in reguläre Entgeltstufen überführt. Sie erhalten im Rahmen der Besitzstandswahrung jedoch mindestens ihren bisherigen Monatstabellenlohn, ggf. durch Zuweisung in eine individuelle Zwischen- oder Endstufe. Tipp Erst wenn die übergeleiteten Beschäftigten regulären Entgeltstufen zu geordnet sind bei Angestellten in der Regel also erst ab 1. Oktober 2007 , richtet sich der weitere Stufenaufstieg nach den nachfolgend dargestellten Bestimmungen des TVöD.
9.1.4
Stufenlaufzeit
§ 16 Abs. 3 TVöD-VKA bzw. § 16 Abs. 4 TVöD-Bund enthalten grundsätzliche Regelungen über die Zeit, nach der ein Beschäftigter in die nächst höhere Stufe aufrückt. Diese Vorschrift wird durch § 17 Abs. 2 (leistungsabhängige Stufenaufstiege) ergänzt. Die erforderliche Zeit für das Aufrücken in die nächst höhere Stufe (die sog. Stufenlaufzeit) ist in den Entgeltgruppen 2 bis 15 degressiv ausgestaltet, das heißt, die Zeit verlängert sich von Stufe zu Stufe um jeweils ein Jahr. Die Verweildauer beträgt in • Stufe 1 (1 Jahr) -> • Stufe 2 (2 Jahre) -> • Stufe 3 (3 Jahre) -> • Stufe 4 (4 Jahre) -> • Stufe 5 (5 Jahre) -> • Stufe 6 102
170
Was gilt für den Aufstieg in den Entgeltstufen?
Besonderheiten bestehen aufgrund der Ortszuschlagsregelungen des bisherigen Tarifrechts.
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
9
Maßgeblich für das Aufrücken in den Stufen ist die Zeit einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe beim jetzigen Arbeitgeber. Ohne Veränderung der Entgeltgruppe und bei durchschnittlicher Leistung hat der Beschäftigte nach einer ununterbrochenen Tätigkeit von 15 Jahren die Stufe 6 erreicht.
9.2
9.2.1
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile? Welche Vorteile bietet die Stufe 1 der jeweiligen Entgeltgruppe?
Der Tabellenwert der Stufe 1 liegt jeweils 10 % unter dem Wert der Stufe 2 und bestimmt das Entgelt für die Zeit der Einarbeitung, in der Regel für ein Jahr. Tipp Nur neu eingestellte Mitarbeiter ohne Berufserfahrung werden für die Dauer eines Jahres der Stufe 1 zugeordnet. Die Stufe 1 ist damit keine generell anwendbare abgesenkte Entgeltstufe z. B. für die Dauer der Probezeit! Übergeleitete Mitarbeiter kommen nicht in die Stufe 1.
9.2.2
Was bringt die Aufteilung in Grund und Entwicklungsstufen?
Die Entgeltgruppen des TVöD sind grundsätzlich in sechs Stufen gegliedert, die wiederum unterteilt sind in • zwei Grundentgeltstufen (Stufen 1 und 2) und • vier Entwicklungsstufen (Stufen 3 bis 6). Der Stufenaufstieg im TVöD knüpft zunächst an die Zeiten der Tätigkeit in der jeweiligen Entgeltgruppe an. Elemente wie z. B. das Lebensalter (bisher nach dem BAT für den Aufstieg in den Vergütungsgruppen maßgebend) oder die Beschäftigungszeit (bisher für die Lohnstufen der Arbeiter entscheidend), spielen keine Rolle. In den Entwicklungsstufen – ab der Stufe 3 – kann der Arbeitgeber den Stufenaufstieg leistungsorientiert gestalten. Neben der Berufser-
171
9
Wie gestalten Sie den Stufenaufstieg?
fahrung knüpft der Stufenaufstieg also auch an die Leistung der Beschäftigten an. In Ziffer 9.3.1 ist dargestellt, wie der Arbeitgeber vorzugehen hat, wenn er die tariflichen Spielräume ausnutzen möchte.
9.2.3
Welche Probleme entstehen aufgrund der fehlenden Systematik in der Entgelttabelle?
Die Entgelttabelle des TVöD enthält – abgesehen von der 10 %-igen Absenkung der Stufe 1 – keinen logischen Aufbau. Mathematische Zusammenhänge zwischen den Werten der Entgeltgruppen oder der Entgeltstufen sind nicht auszumachen. Jeder Entgeltwert wurde separat und unabhängig von den anderen Werten ausgehandelt. Übergreifende Grundsätze waren dabei lediglich das Prinzip „Wippe“ (die attraktivere Ausgestaltung der Eingangsstufen bei gleichzeitiger Absenkung der Endstufen) und die Abbildung eines durchschnittlichen Lebenserwerbseinkommens eines Beschäftigten im Vergleich zum bisher geltenden Tarifrecht. Infolgedessen tauchen in verschiedenen Entgeltgruppen identische Tabellenwerte auf (z. B. EGr. 4 Stufe 4 und EGr. 5 Stufe 3 = jeweils 1.970 EUR, EGr. 14 Stufe 4 und EGr. 15 Stufe 3 = jeweils 3.900 EUR). Tipp: Um in Fällen der Höhergruppierung, z. B. bei Übernahme einer qualifi zierteren und verantwortungsvolleren Tätigkeit dem Beschäftigten auch einen Gehaltszuwachs zu sichern, mussten aufgrund der betragsglei chen Stufenzuordnung Garantiebeträge eingeführt werden.
9.3
Wege der betrieblichen Umsetzung
9.3.1
Wie kann der Stufenaufstieg leistungs orientiert ausgestaltet werden?
Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, ab dem Aufstieg aus der Stufe 3 in die Stufe 4 die Stufenlaufzeit des einzelnen Beschäftigten leistungsorientiert zu beschleunigen oder zu hemmen.
172
Wege der betrieblichen Umsetzung
9
Bei übergeleiteten Beschäftigten ist die Berücksichtigung der Leistung jedoch erst nach der Zuordnung zu einer regulären Stufe möglich, bei Angestellten in der Regel also erst ab dem 1.10.2007. Nur z. B. bei Mitarbeitern, die direkt in die Stufe 2 als Mindeststufe übergeleitet wurden, bei Arbeitern oder nach Höhergruppierungen ist der leistungsorientierte Stufenaufstieg bereits heute möglich. Wann kann die Stufenlaufzeit verkürzt werden? Liegen die Leistungen des Beschäftigten erheblich über dem Durchschnitt, kann die Wartezeit in den Stufen verkürzt werden. Erheblich über dem Durchschnitt liegende Leistungen können wohl angenommen werden, wenn die Leistungen um mehr als ca. 20 % vom Durchschnitt abweichen. § 17 TVöD enthält keine Vorgaben oder Einschränkungen zur Stufenverkürzung, so dass auch eine Kürzung der Stufe auf Null denkbar ist, die Stufe also übersprungen werden kann. Kann die Stufenlaufzeit auch verlängert werden? Bei erheblich unter dem Durchschnitt liegenden Leistungen (mehr als ca. 20 %) kann die Verweildauer in den einzelnen Stufen verlängert werden. Tipp: Möchte der Arbeitgeber den Aufstieg eines Beschäftigten in die nächste Stufe hemmen, so muss er dem Beschäftigten rechtzeitig signalisieren, dass er mit seinen Leistungen nicht zufrieden ist. Wird dem Beschäf tigten erst kurz vor oder bei Ablauf der regulären Stufenlaufzeit mitge teilt, dass sich die Stufenlaufzeit verlängert, so ist dies zu spät! Hier dürfte die bisherige Rechtsprechung des BAG zur Versagung des Be währungsaufstiegs nach dem BAT entsprechend anzuwenden sein.
Wird der Stufenaufstieg ausgesetzt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, jährlich zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für das Aussetzen des Stufenaufstiegs noch vorliegen. Ist die Personalvertretung zu beteiligen? Ob die Entscheidung des Arbeitgebers über das Vorziehen oder Aussetzen von Stufensteigerungen immer als Einzelfallentscheidung erfolgen soll und keiner Beteiligung des Betriebs-/ Personalrats un-
173
9
Wie gestalten Sie den Stufenaufstieg?
terliegt, ist umstritten. Dies erscheint zumindest als genereller Grundsatz jedoch sehr fraglich. Die Umsetzung des leistungsorientierten Stufenaufstiegs setzt voraus, dass der Arbeitgeber zunächst die sog. Normalleistung definiert, um anschließend eine erheblich über oder unter dem Durchschnitt liegende Leistung ermitteln zu können. Die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze wie z. B. die Einführung von Beurteilungssystemen unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 94 Abs. 2 BetrVG. Sind Beurteilungssysteme mit Vergütungselementen verbunden, so greift die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG. Soweit kollektive Regelungen vorliegen, sind also Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. In öffentlich-rechtlich organisierten Einrichtungen greifen die entsprechenden Regelungen in den Bundes- bzw. Landespersonalvertretungsgesetzen. Tipp: Das System der Leistungsbeurteilung als solches muss mit der Mitar beitervertretung vereinbart werden. Die Umsetzung im Einzelfall ist dann mitbestimmungsfrei.
Gibt es ein Beschwerdeverfahren? Zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten haben die Tarifvertragsparteien in § 17 Abs. 2 Satz 4 bis 6 ein betriebliches Beschwerdeverfahren vorgesehen. Über schriftlich begründete Beschwerden gegen die Verlängerung einer Stufenlaufzeit berät eine paritätisch besetzte betriebliche Kommission. Die Mitglieder der Kommission müssen dem Betrieb angehören und werden je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Betriebs- bzw. Personalrat benannt. Tipp: Die Kommission unterbreitet dem Arbeitgeber einen Vorschlag. Der Ar beitgeber hat das Letztentscheidungsrecht. Gleichwohl ist die Entschei dung gerichtlich überprüfbar.
174
Wege der betrieblichen Umsetzung
9.3.2
9
Wie erfolgt die Stufenzuordnung bei Höher und Herabgruppierung?
Was gilt bei Höhergruppierung aus einer regulären Stufe? Im Falle der Höhergruppierung erfolgt die Zuordnung zur Tabellenstufe in der höheren Entgeltgruppe nicht stufengleich, sondern betragsgleich. Der Beschäftigte wird in der höheren Entgeltgruppe der Stufe zugeordnet, in der er mindestens sein bisheriges Tabellenentgelt erhält. Die Zuordnung erfolgt jedoch mindestens in Stufe 2. Beispiel: Höhergruppierung von EGr. 8 nach EGr. 9 Bei einer Höhergruppierung aus Stufe 3 (2.240 EUR) erfolgt die Zuord nung in Stufe 2 (2.290 EUR). Bei einer Höhergruppierung aus Stufe 6 (2.493 EUR) erfolgt die Zuord nung zu Stufe 4 (2.730 EUR).
EGr.
1
2
3
4
5
6
9
2.061
2.290
2.410
2.730
2.980
3.280
8
1.926
2.140
2.240
2.330
2.430
2.493
Erreicht der Entgeltzuwachs bei der Höhergruppierung nicht einen bestimmten Mindestbetrag, so hat der Beschäftigte Anspruch auf den sog. Garantiebetrag. Dieser beträgt: • in den Entgeltgruppen 1 bis 8 25 EUR, • in den Entgeltgruppen 9 bis 15 50 EUR . Im Tarifgebiet Ost ist der Garantiebetrag nach dem jeweiligen Prozentsatz zu ermitteln.
Garantiebetrag
Beispiel: 1. Ein Arbeitnehmer wird aus EGr. 11 Stufe 4 (3.200 EUR) in EGr. 12 höhergruppiert und ist dort der Stufe 3 (3.200 EUR) zuzuordnen. Die Entgeltdifferenz ist Null. Er erhält für die Zeit in EGr. 12 Stufe 3 den Garantiebetrag von 50 EUR, insgesamt also ein monatliches Entgelt in Höhe von 3.250 EUR.
175
9
Wie gestalten Sie den Stufenaufstieg?
2. Ein Arbeitnehmer wird aus EGr. 2 Stufe 6 (1.935 EUR) in EGr. 3 hö hergruppiert und ist dort der Stufe 5 (1.940 EUR) zuzuordnen. Der Entgeltzuwachs beträgt 5 EUR. Der Mitarbeiter erhält nach dem Ta rifwortlaut für die Zeit in EGr. 3 Stufe 5 anstelle des Unterschieds betrags den Garantiebetrag von 25 EUR, insgesamt also 1.960 EUR. Praktikabler erscheint eine Zuordnung zur neuen Entgeltgruppe und Stufe und die Auszahlung lediglich eines Garantie Differenzbetrages von 20 EUR.
Die betragsmäßige Stufenzuordnung greift auch ein bei einer Höhergruppierung um mehr als eine Entgeltgruppe. Die zutreffende Stufe ist durch Vergleich des Tabellenbetrages in der Ausgangs- und der Entgeltgruppe, in die der Beschäftigte aufsteigt, zu ermitteln. Die Zuordnung erfolgt immer in einem Zuge und nicht etwa in Zwischenstufen von Entgeltgruppe zu Entgeltgruppe. Der Garantiebetrag nimmt an allgemeinen Entgeltanpassungen teil, d. h. er verändert sich jeweils um denselben Prozentsatz, wie das Tabellenentgelt der entsprechenden Entgeltgruppe (Protokollerklärung zu Absatz 4 Satz 2). Bei Höhergruppierungen erhält der Beschäftigte immer vom Beginn des Monats der Höhergruppierung an das Entgelt der höheren Entgeltgruppe, selbst wenn die Höhergruppierung am Ende des Monats erfolgt (Satz 5). Die Stufenlaufzeit in der jeweiligen Stufe der höheren Entgeltgruppe beginnt mit dem Tag der Höhergruppierung neu. Was gilt bei Höhergruppierung übergeleiteter Mitarbeiter? Die oben geschilderten Grundsätze zur „betragsgleichen“ Stufenzuordnung mit Garantiebetrag finden auch für die Höhergruppierung aus einer individuellen Zwischen- oder Endstufe Anwendung (§ 6 Abs. 2 Satz 2 TVÜ bzw. § 6 Abs. 4 TVÜ-VKA bzw. Abs. 3 TVÜBund). Die Beschäftigten erhalten also in der höheren Entgeltgruppe • Entgelt nach der regulären Stufe, deren Betrag mindestens der individuellen Zwischen- oder Endstufe entspricht, • mindestens jedoch den Garantiebetrag.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
9
Wie ist die Stufe bei Herabgruppierung zu bemessen? Wird der Beschäftigte einer niedrigeren Entgeltgruppe zugeordnet, erfolgt die Stufenzuordnung stufengleich,, d. h. er wird derselben Stufe zugeordnet wie in der höheren Entgeltgruppe. Ein Garantiebetrag kommt nicht zur Anwendung. Bei einer Herabgruppierung aus einer individuellen Zwischenstufe werden die Beschäftigten in der niedrigeren Entgeltgruppe derjenigen individuellen Zwischenstufe zugeordnet, die sich bei einer Herabgruppierung im September 2005 ergeben hätte. Bei übergeleiteten Angestellten ist also auf der Basis des BAT nach den Verhältnissen im September 2005 ein neues individuelles Vergleichentgelt zu bilden. Das Entgelt der niedrigeren Entgeltgruppe wird taggenau ab dem Tag der Herabgruppierung gezahlt.
9.3.3
Wie wirken sich Unterbrechungen der Tätigkeit auf die Stufenlaufzeit aus?
§ 17 Abs. 2 TVöD regelt die Rechtsfolgen von Unterbrechungen der Tätigkeit auf den Stufenaufstieg. Diese Unterbrechungen sind unschädlich Für die Stufenlaufzeit unschädlich (anwartschaftssteigernd) sind: 1. Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz, 2. Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit bis zu 39 Wochen, 3. Zeiten eines bezahlten Urlaubs, 4. Zeiten eines Sonderurlaubs, bei denen der Arbeitgeber vor dem Antritt schriftlich ein dienstliches bzw. betriebliches Interesse anerkannt hat, 5. Zeiten einer sonstigen Unterbrechung von weniger als einem Monat im Kalenderjahr, 6. Zeiten der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit.
177
9
Wie gestalten Sie den Stufenaufstieg?
Diese Unterbrechungen wirken sich auf den Stufenaufstieg aus Anwartschaftserhaltend (die Uhr wird angehalten) sind bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses • Unterbrechungen der Tätigkeit bis zur Dauer von drei Jahren und • Unterbrechungen wegen Elternzeit bis zur Dauer von fünf Jahren. In diesen Fällen wird die Stufenlaufzeit an der Stelle fortgesetzt, an der sie unterbrochen wurde, die Zeit der Unterbrechung zählt nicht mit. Anwartschaftsfeindlich (die Uhr wird zurückgedreht) sind Unterbrechungen der Tätigkeit von mehr als drei Jahren und Unterbrechungen wegen Elternzeit von mehr als fünf Jahren. In diesen Fällen wird der Arbeitnehmer nach der Unterbrechung der Stufe zugeordnet, die seiner bisherigen Stufe vorangeht, jedoch nicht niedriger ist, als die bei Neueinstellung maßgebende Stufe. Beispiel: Die Arbeitnehmerin hat im Dezember 2007 eine Beschäftigungszeit von 5 Jahren in ihrer Tätigkeit und ist der Entgeltgruppe 7 Stufe 3 zugeord net. Sie nimmt vier Jahre unbezahlten Sonderurlaub, für den der Ar beitgeber kein dienstliches Interesse anerkannt hat. Der Sonderurlaub endet im November 2011. Die Unterbrechung war anwartschaftsfeindlich (Unterbrechung mehr als 3 Jahre). Die Stufenzuordnung müsste zur Stufe 2 (vorangehende Stufe) erfolgen. Der Vergleich mit einer Neueinstellung ergibt jedoch, dass bei einer einschlägigen Berufserfahrung von fünf Jahren eine Ein stellung in Stufe 3 zwingend wäre (§ 16). Die Arbeitnehmerin wird folglich wieder der Stufe 3 zugeordnet. Die Stufenlaufzeit beginnt je doch neu, so dass bei durchschnittlicher Leistung erst nach drei Jahren der Aufstieg in Stufe 4 erfolgt.
178
10 Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD? Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die verschiedenen Entgeltbestandteile und ihre Rechtsgrundlagen.
10.1 Wie ist der tarifliche Stand? Übersicht Entgeltbestandteile und ihre Rechtsgrundlagen: Entgeltbestandteile
Rechtsgrundlage
Monatliches Tabellenentgelt neu eingestellte Beschäftigte
§§ 15, 16, 17 TVöD, 103 § 17 TVÜ i.V.m. Anlage 3
Monatliches Tabellenentgelt übergeleitete Beschäftigte
§§ 15, 16, 17 TVöD, §§ 4 – 8 TVÜ i.V.m. Anlage 1
Vermögenswirksame Leistungen
§ 23 Abs. 1 TVöD
Kinderbezogene Entgeltbestandteile
§ 11 TVÜ
Strukturausgleich
§ 12 TVÜ
Zulagen
Siehe Ziffer 9.1.5
Zuschläge, Überstunden , Mehrarbeits stundenvergütung
§ 8 Abs. 1 und 2, § 19 TVöD, § 23 TVÜ
Rufbereitschaftsvergütung Bereitschaftsdienstvergütung
§ 8 Abs. 3 TVöD § 8 Abs. 4 TVöD
Jahressonderzahlung
§ 20 TVÜ, § 20 TVöD
Leistungsentgelt (ab 2007)
§ 18 TVöD (Bund/VKA)
Einmalzahlung (2006 und 2007)
§ 21 TVÜ
Entgeltfortzahlung bei Urlaub, Arbeitsbe freiung und Krankheit
§§ 21, 22 TVöD, § 13 TVÜ
Jubiläumsgeld, Sterbegeld
§ 23 Abs. 2 und 3 TVöD
Betriebliche Altersversorgung
§ 25 TVöD
103
Ab In-Kraft-Treten der neuen Entgeltordnung: §§ 12, 13 TVöD.
179
10
Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
10.1.1 Das Tabellenentgelt Die Beschäftigten erhalten monatlich ein Tabellenentgelt. Hierfür 104 existieren im TVöD vier verschiedene Entgelttabellen : Tabelle TVöD/Bund – Tarifgebiet West = Anlage A (Bund), Tabelle TVöD/Bund – Tarifgebiet Ost = Anlage B (Bund), Tabelle TVöD/VKA – Tarifgebiet West = Anlage A (VKA), Tabelle TVöD/VKA – Tarifgebiet Ost = Anlage B (VKA). Mit Erlass des TVöD wurden zwar die unterschiedlichen Tabellenwerte des BAT für den Bund und die VKA sowie die bisherigen Lohntabellen weitgehend auf einheitliche Werte zusammengeführt. Um Kostensteigerungen beim Bund zu vermeiden, wurden jedoch folgende Besonderheiten vereinbart: Tipp In den Entgeltgruppen 9 bis 15 gibt es für die Beschäftigten des Bundes kein Tabellenentgelt der Stufe 6. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind die Tabellen für die VKA und den Bund gesondert ausgewiesen.
Die Tabellen der Anlage A und Anlage B unterscheiden nach den differenzierten Bemessungssätzen für das Tarifgebiet Ost. Was gilt im Tarifgebiet Ost? Aus fiskalischen Gründen wurde der besondere Bemessungssatz für das Entgelt im Tarifgebiet Ost auch im TVöD fortgeschrieben. Des Weiteren fand mit dem Potsdamer Tarifabschluss vom 9. Februar 2005 hinsichtlich des Bemessungssatzes eine weitere Differenzierung zwischen Beschäftigten des Bundes und der kommunalen Arbeitgeber statt. Grund hierfür ist die unterschiedliche Arbeitszeitdauer in den genannten Bereichen. Bemessungssatz Bund Für die Beschäftigten des Bundes im Tarifgebiet Ost wurde der Bemessungssatz von 92,5 % des jeweiligen West-Entgelts bis Ende 2007 festgeschrieben (Protokollerklärung Nr. 1 zu § 15 Abs. 1 TVöD).
104
180
Die Entgelttabellen finden Sie auf der beiliegenden CD-ROM.
Wie ist der tarifliche Stand?
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Bemessungssatz VKA Der Bemessungssatz für die Beschäftigten bei den kommunalen Arbeitgebern im Tarifgebiet Ost wird schrittweise dynamisiert (Protokollerklärung Nr. 2 zu § 15 Abs. 1 TVöD): • seit 1. Oktober 2005 94,0 % • ab 1. Juli 2006 95,5 % und • ab 1. Juli 2007 97,03 %. Tipp Der besondere Bemessungssatz für das Tarifgebiet Ost gilt für alle Ent geltbestandteile, selbst wenn im Tarifvertrag – wie z.B. bei den Wech selschicht und Schichtzulagen – nur der Wert für das Tarifgebiet West abgebildet ist. Nur vermögenswirksame Leistungen und das Jubiläums geld werden ungemindert gezahlt (Protokollerklärung Nr. 3 zu § 15 Abs. 1 TVöD).
Die Regelungen für das Tarifgebiet Ost gelten für die Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis in dem in Art. 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet begründet worden ist und bei denen der räumliche Bezug des Arbeitsverhältnisses zu diesem Gebiet fortbesteht (§ 38 Abs. 1 Buchst. a). Entscheidend ist also, wo das Arbeitsverhältnis 105 durchgeführt wird. Beispiel: Ein Mitarbeiter wird beim Bundesumweltamt eingestellt. Der Arbeits vertrag wird in Berlin West unterzeichnet, wo der Beschäftigte auch wohnt. Sein Dienstgebäude befindet sich in Berlin Ost. Das Einsatzge biet beschränkt sich auf das Beitrittsgebiet. Auf das Arbeitsverhältnis sind die Regelungen des TVöD für das Tarifgebiet Ost anzuwenden.
Wurde das Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet und wird der Beschäftigte später ständig oder auch nur vorübergehend außerhalb des Beitrittsgebiets eingesetzt, sind ab dem Zeitpunkt der Beschäftigung im Tarifgebiet West die Regelungen des TVöD für das Tarifgebiet West anzuwenden. Dies gilt solange, bis der Arbeitneh106 mer wieder auf seinen Arbeitsplatz im Beitrittsgebiet zurückkehrt. 105 106
BAG Urt. v. 24.02.1994 - 6 AZR 588/93. BAG, Urt. v. 06.10.1994 - 6 AZR 324/94.
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Wie hoch ist das Tabellenentgelt? Die Höhe des Tabellenentgelts bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in der der Beschäftigte eingruppiert ist und nach der für ihn geltenden Stufe (§ 15 TVöD). In Kapitel 8 ist im Einzelnen dargestellt, in welche Entgeltgruppe die Beschäftigten einzugruppieren sind. In Kapitel 9 finden Sie die Einzelheiten zur Zuordnung der Beschäftigten in die Entgeltstufen. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen.
10.1.2 Die vermögenswirksamen Leistungen Vermögenswirksame Leistungen sind Geldleistungen, die der Arbeitgeber für die Beschäftigten oder deren Angehörige in eine nach dem Vermögensbildungsgesetz begünstigte Anlageform überweist. Sie können aus der Anlage von Teilen des Arbeitslohns und/oder aus zusätzlichen Leistungen des Arbeitgebers bestehen. § 23 Abs. 1 TVöD regelt – mit einem Verweis auf das Vermögensbildungsgesetz in seiner jeweiligen Fassung – die Zahlung vermögenswirksamer Leistungen. Wer hat Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen? Anspruch auf Zahlung vermögenswirksamer Leistungen besteht nur, wenn das Arbeitsverhältnis voraussichtlich mindestens sechs Monate dauert. Befristet Beschäftigte haben nur dann Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen, wenn das Arbeitsverhältnis nach den Verhältnissen bei Vertragsabschluss die genannte Mindestzeit erreicht. Beispiel: Ein Beschäftigter wird befristet zur Aushilfe für die Dauer von vier Mo naten eingestellt. Er hat keinen Anspruch auf vermögenswirksame Lei stungen. Selbst wenn das befristete Arbeitsverhältnis um weitere drei Monate – auf insgesamt sieben Monate – verlängert wird, besteht kein Anspruch!
Nur dann, wenn das befristete Arbeitsverhältnis von Anfang an für die Dauer von mindestens sechs Monate geplant war oder der Verlängerungsvertrag selbst eine solche Mindestlaufzeit vorsieht, werden vermögenswirksame Leistungen gewährt.
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Tipp Der Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen entsteht frühestens für • den Kalendermonat, in dem der Beschäftigte dem Arbeitgeber die erforderlichen Angaben schriftlich mitteilt und • die beiden vorangegangenen Monate desselben Kalenderjahres. Für das zurückliegende Kalenderjahr werden vermögenswirksame Lei stungen damit nicht gewährt. Die vermögenswirksame Leistung ist frü hestens acht Wochen nach Erhalt der notwendigen Angaben fällig.
Voraussetzung für die Zahlung ist, dass der Beschäftigte für den jeweiligen Kalendermonat – wenn auch nur für einen Tag – Anspruch auf Entgelt für geleistete Arbeit, Entgeltfortzahlung für Urlaub oder Krankheit hat. Steht dem Beschäftigten nur Krankengeldzuschuss zu, sind die vermögenswirksamen Leistungen „Teil des Krankengeldzuschusses“, sie werden also neben der Differenz zwischen dem Krankengeld und dem Nettoentgelt bei Festsetzung des Krankengeldzuschusses berücksichtigt. In welcher Höhe werden vermögenswirksame Leistungen gewährt? Der Arbeitgeber muss bei Vollzeitbeschäftigung für jeden vollen Kalendermonat 6,65 EUR zahlen. Die vermögenswirksame Leistung ist nicht zusatzversorgungspflichtig.
10.1.3 Die kinderbezogenen Entgeltbestandteile Der TVÜ beschränkt die Zahlung kinderbezogener Entgeltbestandteile auf die Arbeitsverhältnisse, die am 30. September 2005 bestanden und zum selben Arbeitgeber über diesen Zeitpunkt hinaus fortbestehen, wobei in der Zeit bis zum 30.09.2007 Unterbrechungen von bis zu einem Monat unschädlich sind. Wechselt der Beschäftigte zu einem anderen TVöD-Arbeitgeber, so stehen kinderbezogene Entgeltbestandteile nicht mehr zu. Vor dem 1.10.2005 geborene Kinder Für zum Zeitpunkt der Überleitung am 1.10.2005 bereits geborene Kinder gilt die Besitzstandsregelung grundsätzlich nur, wenn das Kind im September 2005 bei der Bemessung der Vergütung/des Lohnes „berücksichtigt“ wurde.
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Beispiel: Das 24 jährige Kind eines am 30.09.2005 bereits beschäftigten Mitar beiters stand zunächst in einem Arbeitsverhältnis, so dass ein Anspruch auf Kindergeld im September 2005 nicht bestand. 2006 entschließt sich das Kind, ein Studium zu beginnen; der Anspruch auf Kindergeld lebt wieder auf. Der Mitarbeiter hat keinen Anspruch auf die kinderbezoge ne Besitzstandszulage. Das Kind war bei der Vergütung im September 2005 nicht zu berücksichtigen. Achtung: Von dem Erfordernis der Berücksichtigung des Kindes im September 2005 gibt es Ausnahmen: • Wurde im September 2005 kinderbezogener Orts /Sozialzuschlag nicht gezahlt, weil das Kind den Grundwehr , Zivildienst, Wehr übungen oder ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr ab leistet, wird die kinderbezogene Besitzstandszulage ab dem Zeit punkt des Wiederauflebens der Kindergeldzahlung gewährt (§ 11 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz TVÜ). • Gleiches gilt, wenn sich eine Beschäftigte im September 2005 in Mutterschutz z. B. für ein zweites Kind befindet und deshalb für das erste Kind Ortszuschlag/Sozialzuschlag nur im Rahmen des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld berücksichtigt wurde. Die Be schäftigte darf wegen der Mutterschutzfristen nicht schlechter gestellt werden.
Umstritten ist, ob auch Beschäftigte, die im September 2005 wegen Elternzeit, Ablauf der Entgeltfortzahlungsfristen bei Krankheit oder befristeter Erwerbsminderungsrente keine Vergütung erhalten haben, Anspruch auf kinderbezogenen Besitzstand haben. Dies ist im Hinblick auf die Rechtsprechung zum Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts sowie des Gleichbehandlungsgebots auch bei einfacher Behinderung – eine solche kann bei langandauernder Arbeitsunfähigkeit oder Erwerbsminderungsrente durchaus vorliegen – wohl zu bejahen.
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Zwischen dem 1.10.2005 und dem 31.12.2005 geborene Kinder Für die bis zum 31. Dezember 2005 geborenen Kinder gilt die Regelung zur kinderbezogenen Besitzstandszulage entsprechend (§ 11 Abs. 3 Buchst a TVÜ). Damit besteht Anspruch auf die kinderbezogene Besitzstandszulage, wenn das Kind bei Geburt zu einem früheren Zeitpunkt nach BAT/BAT-O bzw. den Tarifverträgen für die Arbeiter im öffentlichen Dienst bei der Vergütungs-/Lohnberechnung hätte berücksichtigt werden müssen. Sind beide Elternteile im öffentlichen Dienst beschäftigt, so steht die kinderbezogene Besitzstandszulage nur dem Elternteil zu, der auch das Kindergeld bezieht.
Besitzstands zulage
Tipp Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis erst nach dem 30.09.2005 beginnt, haben – selbst wenn das Kind noch im Jahr 2005 geboren wurde – kei nen Anspruch auf kinderbezogene Entgeltbestandteile.
Nach § 11 Abs. 3 Buchst. b) TVÜ haben auch die bis zum 31. Dezember 2005 aus tarifvertraglich geregelten Beschäftigungsverhältnissen in ein Arbeitsverhältnis übernommenen Auszubildenden sowie Praktikantinnen und Praktikanten Anspruch auf die kinderbezogene Besitzstandszulage, wenn das Kind vor dem 1. Januar 2006 geboren wurde. Wie hoch sind die kinderbezogenen Entgelte? Die kinderbezogenen Vergütungsbestandteile werden „in der für September 2005 zustehenden Höhe“ als Besitzstandszulage weitergezahlt. Damit stehen vollzeitbeschäftigten Mitarbeitern je Kind 90,57 EUR (TVöD-Ost: 83,78 EUR) monatlich zu. Die bisherigen Erhöhungsbeträge in den unteren Entgeltgruppen sind weiterhin zu gewähren. Die kinderbezogenen Entgeltbestandteile werden als dynamische Besitzstandszulage weitergezahlt, d. h. sie nehmen an künftigen allgemeinen Entgeltanpassungen teil. Teilzeitbeschäftigte haben grundsätzlich Anspruch auf anteilige Zahlung der kinderbezogenen Entgeltbestandteile. Zu beachten sind jedoch die bisherigen Besonderheiten des Ortszuschlagsrechts, wenn beide Elternteile im öffentlichen Dienst be-
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schäftigt sind (§ 29 Abschnitt B Abs. 6 BAT), wonach in bestimmten Fällen die Besitzstandszulage ungekürzt auszuzahlen ist, Ändert sich zu einem späteren Zeitpunkt der Umfang der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit – wechselt ein bisher Vollzeitbeschäftigter in Teilzeit oder wird die Arbeitszeit einer Teilzeitkraft weiter reduziert –, so ist auch die kinderbezogene Besitzstandszulage entsprechend anzupassen. Achtung: Eine Erhöhung der kinderbezogenen Besitzstandszulage durch eine Aufstockung der Arbeitszeit einer Teilzeitkraft tritt nach dem Willen der Tarifvertragsparteien jedoch nicht ein. § 11 TVÜ ist eine reine „Besitz standsregelung“, sie sichert die kinderbezogenen Vergütungsbestand teile maximal in der für September 2005 zustehenden Höhe.
Wie lange wird die kinderbezogene Besitzstandszulage gewährt? Der Anspruch auf kinderbezogene Besitzstandszulage bleibt nur erhalten „solange für diese Kinder Kindergeld ... ununterbrochen gezahlt wird oder ... gezahlt würde“. Beispiel: Ein Kind begann im Jahr 2004 ein Studium, das voraussichtlich bis 2008 andauert. Es besteht Anspruch auf Kindergeld und damit auch auf die kinderbezogene Besitzstandszulage. Im Jahr 2007 übersteigt das Erwerbseinkommen des Kindes die im EStG festgelegte Einkommens grenze, so dass Kindergeld nicht mehr gezahlt wird. Im Jahr 2008 liegt das Einkommen des Kindes wieder unter der maßgeblichen Einkom mensgrenze. Die kinderbezogene Besitzstandszulage steht nur bis 31.12.2006 zu. Obwohl 2008 wieder Kindergeld gezahlt wird, lebt der Anspruch auf die kinderbezogene Besitzstandszulage nicht wieder auf. Achtung: Unterbrechungen des Anspruchs auf Kindergeld wegen der Ableistung von Grundwehr , Zivildienst oder Wehrübungen oder wegen Ableistung eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres sind unschädlich!
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Die kinderbezogenen Entgeltbestandteile entfallen weiter „ab dem Zeitpunkt, zu dem einer anderen Person, die im öffentlichen Dienst steht oder ... versorgungsberechtigt ist, für ein Kind, für welches die Besitzstandszulage gewährt wird, das Kindergeld gezahlt wird.“ Damit führt jeder Wechsel in der Anspruchsberechtigung zum Wegfall der kinderbezogenen Besitzstandszulage, vorausgesetzt, der Kindergeldbezieher steht im öffentlichen Dienst. Beispiel: Der dem TVÜ unterliegende Beschäftigte hat bisher das Kindergeld be zogen. Nach dem Scheitern der Ehe leben die Kinder bei dem Ehegatten des Beschäftigten. Nach dem sog. Obhutsprinzip ist das Kindergeld nunmehr an den anderen Elternteil auszuzahlen. Steht dieser Elternteil in einem Beschäftigungsverhältnis zum öffentlichen Dienst, so entfällt die kinderbezogene Besitzstandszulage. Dies gilt auch dann, wenn der Ehegatte keinen Anspruch auf kinderbezogenen Besitzstand hat, weil bei ihm das Kind nicht im September 2005 berücksichtigt wurde!
Welche Anzeigepflichten sind zu beachten? Der Beschäftigte ist verpflichtet, Änderungen, die Auswirkungen auf die Kindergeldberechtigung sowie den Anspruch auf kinderbezogenen Besitzstand haben können, unverzüglich anzuzeigen. Tipp § 11 TVÜ enthält eine ausdrückliche Anzeigepflicht nur für den Fall, dass das Kindergeld an eine andere im öffentlichen Dienst stehende oder versorgungsberechtigte Person gezahlt wird. Zu empfehlen ist des halb, dass der Arbeitgeber die Beschäftigten mit Anspruch auf kinder bezogene Besitzstandszulage auf die Anzeigepflicht bezüglich sämtli cher Änderungen in der Kindergeldberechtigung hinweist.
Können kinderbezogene Besitzstandszulagen abgefunden werden? Für Kinder ab Vollendung des 16. Lebensjahres können kinderbezogene Entgeltbestandteile durch einzelvertragliche Regelung abgefunden werden (§ 11 bs. 2 Satz 3 TVÜ).
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10.1.4 Der Strukturausgleich Der Strukturausgleich stellt – neben den bestehenden Besitzstandsregelungen – eine Vertrauensschutzregelung für in den TVöD übergeleitete Mitarbeiter dar. Mit dem Strukturausgleich sollen nicht (mehr) erfüllte Erwartungen in der Vergütungsentwicklung, die auf der Fortgeltung des bisherigen Tarifrechts beruhten – z. B. wegfallende automatische Gehaltssteigerungen durch Lebensaltersstufensteigerungen –, insoweit kompensiert werden, als diese in der Entgelttabelle des TVöD nicht berücksichtigt worden sind (sog. Exspektanzenschutz). Nur Beschäftigte, die aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O in den TVöD übergeleitet wurden – also nur Angestellte –, können nach § 12 TVöD Anspruch auf Strukturausgleich haben. Anlage 2 TVÜVKA bzw. Anlage 3 TVÜ-Bund enthalten eine abschließende Auflistung von insgesamt 200 Fällen, in denen Strukturausgleich zu gewähren ist. Anspruch, Höhe und Zahlungsdauer des Strukturausgleichs sind von vier Voraussetzungen abhängig: • der Vergütungsgruppe, • der Lebensaltersstufe/Stufe der Grundvergütung, • der Stufe 1 oder 2 des Ortszuschlags • in bestimmten Fällen eines etwaigen Aufstiegs. Die genannten Voraussetzungen für die Zahlung eines Strukturausgleichs müssen im Regelfall am 1. Oktober 2005 vorliegen. Maßgebend sind also die Verhältnisse im Zeitpunkt der Überleitung in den TVöD, selbst wenn die Zahlung des Strukturausgleichs erst Jahre später beginnt. In der Regel, nämlich in 147 von 200 Fällen, beginnt die Zahlung des Strukturausgleichs am 1. Oktober 2007, in wenigen Ausnahmefällen bereits am 1. Oktober 2006, in einigen weiteren Fällen zu einem späteren Zeitpunkt – in vier Fällen sogar erst 9 Jahre nach In-Kraft-Treten des TVöD, also am 1.10.2014. Wie hoch sind die Strukturausgleichsbeträge? Allein für die Angestellten der Anlage 1a BAT gibt es insgesamt 200 unterschiedliche Strukturausgleichsbeträge! Sie liegen zwischen 20 und 180 EUR pro Monat.
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Teilweise wird der Strukturausgleich ab einer bestimmten Laufzeit abgesenkt. So erhalten z. B. aus der Vergütungsgruppe IVa, Stufe 8 (VKA) übergeleitete verheiratete Angestellte ab 1.10.2007 für die Dauer von 5 Jahren einen Strukturausgleich in Höhe von 50 EUR, danach dauerhaft 25 EUR. Teilzeitbeschäftigte erhalten den Strukturausgleich nur anteilig. Spätere Veränderungen der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit – sowohl eine Verminderung als auch eine Erhöhung der Arbeitszeit – wirken sich entsprechend auf die Höhe des Strukturausgleichs aus (Protokollerklärung zu § 12 Abs. 3 TVÜ). Die Strukturausgleichsbeträge sind steuer- und beitragspflichtiges, damit auch zusatzversorgungspflichtiges Arbeitsentgelt. Die Strukturausgleichsbeträge sind nicht dynamisch. Sie nehmen also an der allgemeinen Entgeltentwicklung des TVöD nicht teil. Wie lange wird der Strukturausgleich bezahlt? Teilweise wird der Strukturausgleich nur für zwei bis acht Jahre gezahlt, in der weit überwiegenden Zahl ist der Strukturausgleich jedoch dauerhaft zu zahlen. Beispiel: Ein vom BAT in den TVöD übergeleiteter Angestellter der Kommune, der im Zeitpunkt der Überleitung verheiratet und in Vergütungsgruppe Vc, Stufe 2 eingruppiert war, erhält „nach 5 Jahren“ ab dem 1.10.2010 „dauerhaft“ – also bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses – einen monatlichen Strukturausgleich in Höhe von 55 EUR (Tarifgebiet West) bzw. 53 EUR (Tarifgebiet Ost).
Ist die Zahlung des Strukturausgleichs auf eine bestimmte Dauer begrenzt, so ist u.U. eine Ausnahmeregelung zu beachten (Vorbemerkungen zu der Anlage 2 TVÜ-VKA Abs. 3 Satz 2): Fällt das Ende des Zahlungszeitraums – z.B. in BAT Vb Stufe 6, verheiratet, der 30.09.2016 („für 9 Jahre“) – nicht mit einem Stufenaufstieg in der jeweiligen Entgeltgruppe zeitlich zusammen, wird der Strukturausgleich länger gezahlt, nämlich bis zum nächsten Stufenaufstieg. Diese Regelung soll verhindern, dass Beschäftigte durch den Wegfall des Strukturausgleichs eine (vorübergehende) Einkommensminderung hinnehmen müssen. Die Ausnahmeregelung gilt jedoch nicht,
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wenn der Stufenaufstieg in die Endstufe erfolgt, wenn sich also der Beschäftigte zum Ende der Laufzeit des Strukturausgleichs bereits in der Stufe 5 seiner Entgeltgruppe befindet. Wie wirken sich Höhergruppierungen aus? Höhergruppierungsgewinne werden auf die Strukturausgleichsbeträge angerechnet. Ist der Höhergruppierungsgewinn gleich hoch oder größer als der Betrag des Strukturausgleichs, entfällt dieser ganz. Beispiel: Ein verheirateter Angestellter der Vergütungsgruppe IVb Stufe 4 – An spruch auf Aufstieg nach fünf Jahren in Vergütungsgruppe IVa (VKA Tarifgebiet West) –, erhält ab 1. Oktober 2006 einen Strukturausgleich von 90 EUR. Am 1. Januar 2008 wird der Angestellte aufgrund der Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit in die Entgeltgruppe 11 hö hergruppiert. Sein Höhergruppierungsgewinn beträgt 100 EUR. Dieser „Unterschiedsbetrag" wird auf den Strukturausgleich von 90 EUR an gerechnet und führt zu dessen völligem Wegfall. Tipp Die Anrechnungsvorschrift findet auch dann Anwendung, wenn die Hö hergruppierung bereits zu einem Zeitpunkt stattfindet, zu dem die Zahlung des Strukturausgleichs noch nicht begonnen hat. Denn die Berechnung des Strukturausgleichs beruht auf der Annahme einer künftigen Gehaltsentwicklung innerhalb einer bestimmten Vergütungs gruppe. Sobald der Angestellte die am 1. Oktober 2005 zustehende Ver gütungsgruppe verlässt, besteht für die Zahlung des Strukturausgleichs keine Rechtfertigung mehr.
Kann der Strukturausgleich abgefunden werden? Der Strukturausgleich kann „einzelvertraglich“ – also nur mit Zustimmung beider Arbeitsvertragspartner – durch eine einmalige Abfindung abgegolten werden (§ 12 Abs. 5 TVÜ).
10.1.5 Die Zulagen Neben dem Entgelt im engeren Sinne werden den Beschäftigten Zulagen unterschiedlichster Art und Höhe gewährt.
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Der TVöD enthält abschließende Regelungen z. B. zu • Wechselschicht- und Schichtzulagen (§ 8 Abs. 5 und 6), • Leistungszulagen und Leistungsprämien (§ 18), • Zulage für die vorübergehende Ausübung höherwertiger Tätigkeit (§ 14), • Zulagen bei Führung auf Probe und Führung auf Zeit (§§ 31, 32), • Feuerwehrzulagen (Nr. 2 zu § 45 BT-V [VKA]), • Forscherzulagen (Nr. 4 zu § 47 BT-V [VKA]). Welche Vorschriften aus dem BAT/BMTG II/MTArb gelten weiter? Die Tarifvertragsparteien haben bei Verabschiedung des TVöD noch nicht abschließend über das Schicksal der sog. ergänzenden Tarifverträge entschieden. Im Bereich der VKA befassen sich verschiedene Bestimmungen mit der Ablösung bzw. Weitergeltung bisheriger Tarifregelungen: • Nach der Protokollerklärung zu § 36 TVöD-VKA (Anwendung weiterer Tarifverträge) werden die Tarifvertragsparteien bis zum 30. Juni 2006 regeln, welche den BAT, BMT-G ergänzenden Tarifverträge und Tarifvertragsregelungen für Beschäftigte im Geltungsbereich des TVöD – ggf. nach ihrer Anpassung an diesen Tarifvertrag – weiter anzuwenden sind. Bis dahin finden alle den BAT, BMT-G ergänzenden Tarifverträge in ihrem bisherigen Geltungsbereich weiter Anwendung. • Bezüglich der landesbezirklichen Tarifregelungen ist die insoweit vorrangige Regelung in § 2 Abs. 2 TVÜ-VKA zu beachten: Die von den Mitgliedsverbänden der VKA abgeschlossenen Tarifverträge sind durch die landesbezirklichen Tarifvertragsparteien hinsichtlich ihrer Weitergeltung zu prüfen und bei Bedarf bis zum 31. Dezember 2006 an den TVöD anzupassen; die landesbezirklichen Tarifvertragsparteien können diese Frist verlängern. Da die Mitgliedsverbände der VKA eigene Tariffähigkeit besitzen, gibt es eine Vielzahl von bezirklichen und landesbezirklichen Tarifverträgen. Weil es keine vollständige Übersicht über diese Tarifverträge auf Landesebene gibt, bedurfte es einer pragmatischen Regelung, wie mit diesen Tarifverträgen ab Oktober 2005 zu verfahren ist.
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Übersicht über weitergeltende Vorschriften Bis zu einer Entscheidung der landesbezirklichen Tarifvertragsparteien gelten insbe sondere die Bestimmungen zu den sog. Funktionszulagen weiter: nach dem Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte • Meister , Techniker , Programmiererzulagen, • Außendienstzulagen in der Steuerverwaltung, • Zulagen für Angestellte bei Justizvollzugseinrichtungen und Psychiatrischen Kran kenanstalten, • Ministerialzulagen. nach dem im Rahmen der Überleitung für bestimmte Fälle weiterhin anzuwendenden § 24 BAT • persönliche Zulagen bei vorübergehender Ausübung höherwertiger Tätigkeiten nach dem bis zum In Kraft Treten der landesbezirklichen Regelungen zum TVöD wei tergeltenden § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT • Erschwerniszulagen, Gefahrenzulagen nach dem zunächst noch gültigen § 56 BAT • Ausgleichszulagen bei Arbeitsunfall und Berufskrankheit nach der gemäß § 17 TVÜ bis zum In Kraft Treten der neuen Entgeltordnung noch anzuwendenden Anlage 1a zum BAT • Vergütungsgruppenzulagen unter bestimmten, engen Voraussetzungen (vgl. § 17 Abs. 5 Satz 2 TVÜ) • Funktionszulagen, Rettungsassistentenzulagen, Schichtführerzulagen.
Die landesbezirklichen Tarifverträge gelten jedoch nur insofern weiter, als es sich im Verhältnis zum TVöD um ergänzendes Tarifrecht handelt und der TVöD keine abschließenden Regelungen zum selben Gegenstand enthält. Beispiel: Landesbezirkliche Regelungen zur Rufbereitschaftsentlohnung von Ar beitern werden durch die abschließende Regelung im TVöD zur Abgel tung von Rufbereitschaft abgelöst, ohne dass es einer weiteren Verein barung hierzu bedarf.
Welche Zulagen stehen bei Wechselschicht und Schichtarbeit zu? Die Wechselschichtzulage (§ 8 Abs. 5 TVöD) beträgt bei • ständiger Wechselschichtarbeit 105,00 EUR monatlich • nicht ständiger Wechselschichtarbeit 0,63 EUR pro Stunde.
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Die Schichtzulage beträgt bei • ständiger Schichtarbeit 40 EUR monatlich, • nicht ständiger Schichtarbeit 0,24 EUR pro Stunde. Tipp Ständige Wechselschicht liegt vor, wenn die Arbeitsabläufe aufgrund organisatorischer Gegebenheiten dauerhaft in einem entsprechenden Schichtsystem geregelt sind.
So hat das BAG zu dem Tatbestandsmerkmal „ständige Schichtarbeiter” im Sinne von § 24 Abs. 2 BMT-G II entschieden: „Der Mitarbeiter ist „ständig” im Wechselschichtdienst eingesetzt, wenn die Wechselschichtarbeit zumindest für einen Zeitraum von zehn aufeinander folgenden Wochen geleistet wird. Durch die Wechselschichtzulage sollen die Belastungen ausgeglichen werden, die sich aus einem ständigen Wechsel der Arbeitszeit über einen längeren Zeitraum ergeben und sich damit auf den Lebensrhythmus des Betroffenen auswirken. Allein ein kurzzeitiger Einsatz in Wechselschicht, z. B. im Rahmen einer Urlaubs- oder Krankheitsvertretung, reicht damit nicht aus, um einen 107 Anspruch auf die ständige Wechselschichtzulage zu begründen.“ Diese Rechtsprechung kann im Wesentlichen auch auf die Regelung in § 8 Abs. 5 TVöD übertragen werden. Tipp Wird ein Beschäftigter für mindestens zwei aufeinander folgende Monate in Wechselschichtarbeit eingesetzt, dürfte auch nach der Neufassung des Tarifvertrags „ständige” Wechselschichtarbeit anzunehmen sein.
In Satz 2 der Protokollerklärung zu § 27 TVöD ist klargestellt, dass Unterbrechungen durch Arbeitsbefreiung, Freizeitausgleich, bezahlten Urlaub oder Arbeitsunfähigkeit in den Grenzen der Entgeltfortzahlung nach § 22 unschädlich sind und damit auch bei solchen Unterbrechungen der tatsächlich geleisteten Schichtarbeit noch „ständige Wechselschichtarbeit” vorliegt. Die Zulage bei nicht ständiger Wechselschichtarbeit wird damit in erster Linie Beschäftigten gewährt, die regelmäßig in festen Schich107
BAG, Urt. v. 12.11.1997 – 10 AZR 27/97, ZTR 1998, 181; BAG, Urt. v. 16.08.2000 – 10 AZR 512/99.
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ten arbeiten, vorübergehend aber auf einem Arbeitsplatz in Wechselschicht eingesetzt sind. Beispiel: Eine Mitarbeiterin arbeitet aus Gründen der Kindererziehung regelmä ßig nur in der Frühschicht. Zur Vertretung einer erkrankten Kollegin wird sie vorübergehend für die Dauer von drei Wochen in Wechsel schichtarbeit eingesetzt. Der Schichtplan sieht einen kurzen Wechsel zwischen den verschiedenen Schichten vor, sodass die Mitarbeiterin in der ersten und der dritten Woche Nachtdienst leistet. Die Mitarbeiterin hat Anspruch auf die Zulage für nicht ständige Wechselschichtarbeit. Sie ist nach einem Schichtplan eingesetzt, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechsel schichten vorsieht, bei denen die Beschäftigte längstens nach Ablauf eines Monats – hier sogar bereits nach zwei Wochen – erneut zur Nachtschicht herangezogen wird. Die Mitarbeiterin erhält für alle in Wechselschicht geleisteten Stunden – auch für die in ihrer üblichen Frühschicht geleisteten Arbeitsstunden – die Zulage von jeweils 0,63 EUR.
Die Ausführungen gelten entsprechend für die Abgrenzung der ständigen/nicht ständigen Schichtarbeit. Teilzeitkräfte haben nur Anspruch auf anteilige Zahlung der Zulagen bei Wechselschicht- und Schichtarbeit. Nach dem bis 30.9.2005 gültigen BAT konnten Teilzeitbeschäftigte im selben Umfange wie 108 Vollzeitbeschäftigte Wechselschichtzulage verlangen . § 33a BAT machte die Zahlung der Wechselschichtzulage allein davon abhängig, dass der Arbeitnehmer in Wechselschicht eingesetzt ist und innerhalb eines Zeitraumes von fünf Wochen eine bestimmte Mindestzahl von Nachtdienststunden leistet. Achtung: Das BAG hat ausdrücklich betont, dass die Kürzung der Schicht und Wechselschichtzulage im Hinblick auf die geringere Belastung von Teil zeitkräften aus arbeitsmedizinischen Gründen sachlich gerechtfertigt sein könnte, wenn die tarifliche Regelung auf solche möglichen Bela stungsunterschiede abstelle und dies auch zum Ausdruck bringe. 108
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BAG, Urt. v. 18.05.1994 – 10 AZR 391/93; BAG, Urt. v. 1993-06-23 - 10 AZR 127/92
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Bei Teilzeitkräften liegen zwischen den Arbeitseinsätzen im Wechselschichtdienst im Vergleich zu den Vollzeitkräften regelmäßig längere Arbeitsunterbrechungen und damit längere Regenerationszeiten, auch wenn dies im Tariftext nicht so eindeutig zum Ausdruck kommt und damit auch weiterhin ein gewisses Prozessrisiko besteht. Die Tarifvertragsparteien haben jedoch durch die neu eingeführte Zulage für „nicht ständige Wechselschichtarbeit“ gezeigt, dass sehr wohl nach der Belastung differenziert wird. Zulage für eine vorübergehende höherwertige Tätigkeit Wird dem Beschäftigten vorübergehend eine andere Tätigkeit übertragen, die den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren als seiner Eingruppierung entspricht, und hat er diese mindestens einen Monat ausgeübt, erhält er für die Dauer der Ausübung eine persönliche Zulage rückwirkend ab dem ersten Tag der Übertragung der Tätigkeit (§ 14 TVöD). Arbeiter erhielten bisher eine Zulage für vorübergehende Ausübung höherwertiger Tätigkeiten bereits ab Beginn bzw. nach dreitägiger Ausübung der höherwertigen Tätigkeit. § 14 Abs. 2 TVöD sieht vor, dass durch landesbezirklichen Tarifvertrag – für den Bund durch einen Tarifvertrag auf Bundesebene – eine entsprechende Regelung erfolgen kann, wenn der Beschäftigte ab dem ersten Tag der Vertretung in Anspruch genommen worden ist. Der Tarifvertrag wird durch einen Katalog die erfassten Tätigkeiten konkret auflisten.
mindestens einen Monat
Achtung: Bis zum In Kraft Treten des landesbezirklichen bzw. Bundes Tarifvertrags besteht Anspruch auf Zulagen für die vorübergehende Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit nur nach § 14 Abs. 1 TVöD.
Für die Berechnung der Höhe der Zulage bestehen unterschiedliche Regelungen. • Beschäftigte, die in die Entgeltgruppen 9 bis 15 eingruppiert sind, erhalten als Zulage den Unterschiedsbetrag zu dem Tabellenentgelt, das sich für den Beschäftigten bei dauerhafter Übertragung nach § 17 Abs. 4 Satz 1 und 2 ergeben hätte.
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Für Beschäftigte, die in eine der Entgeltgruppen 1 bis 8 eingruppiert sind, beträgt die Zulage 4,5 v. H. des individuellen Tabellenentgelts des Beschäftigten.
Welche Übergangsregelungen sind zu beachten? Nach § 10 TVÜ erhalten „Beschäftigte, denen am 30. September 2005 eine Zulage nach § 24 BAT/BAT-O zusteht, nach Überleitung in den TVöD eine Besitzstandszulage in Höhe ihrer bisherigen Zulage, solange sie die anspruchsbegründende Tätigkeit weiterhin ausüben und die Zulage nach bisherigem Recht zu zahlen wäre. Wird die anspruchsbegründende Tätigkeit über den 30. September 2007 hinaus beibehalten, finden mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2007 die Regelungen des TVöD über die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit Anwendung.“ Die Vorschriften gelten für landesbezirkliche Regelungen gemäß § 9 Abs. 3 BMT-G und nach Abschnitt I. der Anlage 3 des Tarifvertrags zu § 20 Abs. 1 BMT-G-O (Lohngruppenverzeichnis) entsprechend. § 18 TVÜ enthält eine Sondervorschrift für übergeleitete Beschäftigte, denen in der Zeit zwischen dem 1. Oktober 2005 und dem 30. September 2007 erstmalig eine höherwertige Tätigkeit vorübergehend übertragen wird. Techniker, Programmierer und Meisterzulage Nach der Protokollerklärung zu § 5 Abs. 2 Satz 3 TVÜ erhalten vom BAT/BAT-O in den TVöD übergeleitet Beschäftigte bei Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen bis zum In-Kraft-Treten der neuen Entgeltordnung ihre Meister-, Techniker- und Programmierzulage als persönliche Besitzstandszulage. Tipp Die genannten Zulagen werden – soweit die Anspruchsvoraussetzungen nach bisherigem Tarifrecht erfüllt sind – auch gezahlt, wenn dem Be schäftigten nach dem 30.9.2005 eine entsprechende Tätigkeit übertra gen wird (§ 17 Abs. 6 TVÜ). Dies gilt auch für Mitarbeiter, die erst nach In Kraft Treten des TVöD neu eingestellt werden.
Die Voraussetzungen für den Anspruch auf die genannten Zulagen sind im BAT-/BAT-O-ergänzenden Tarifvertrag über Zulagen an
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Wie ist der tarifliche Stand?
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Angestellte geregelt. Die Techniker- und die Programmiererzulage beträgt 23,01 EUR, die Meisterzulage 38,35 EUR monatlich. Heimzulage § 17 Abs. 1 Satz 1 TVÜ bestimmt, dass bis zum In-Kraft-Treten der neuen Eingruppierungsvorschriften die §§ 22 ff. BAT einschließlich der Vergütungsordnung über den 30.9.2005 hinaus weitergelten. Damit haben sowohl übergeleitete als auch nach In-Kraft-Treten des TVöD neu eingestellte Beschäftigte – bei Erfüllung der tariflichen Voraussetzungen – Anspruch auf die Heimzulage. Angestellte erhalten für die Dauer der Tätigkeit in einem Erziehungsheim, einem Kinder- oder Jugendwohnheim oder einer vergleichbaren Einrichtung eine Zulage, wenn in dem Heim • Behinderte im Sinne des § 39 BSHG oder • Kinder oder Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten zum Zwecke der Erziehung, Ausbildung oder Pflege ständig untergebracht sind (Protokollnotiz Nr. 1 zu Teil II Abschn. G der Anlage 1a zum BAT). Die Zulage beträgt 61,36 EUR, wenn in dem Heim überwiegend Personen, die nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch behindert sind (§ 39 BSHG) bzw. Kinder oder Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten untergebracht sind, im Übrigen 30,68 EUR monatlich. Angestellte bzw. Meister im handwerklichen Erziehungsdienst erhalten 40,90 EUR monatlich. Zulage nach § 33 BAT? Nach § 23 Satz 2 TVÜ-VKA werden Zulagen nach dem Tarifvertrag über die Gewährung von Zulagen gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT bis zu einer Neuregelung der Erschwerniszuschläge in einem landesbezirklichen Tarifvertrag weitergewährt. Die genannte BATRegelung gewährt einem Angestellten Zulagen, „wenn er regelmäßig und nicht nur in unerheblichem Umfang besonders gefährliche oder gesundheitsschädliche Arbeiten auszuführen hat und hierfür kein anderweitiger Ausgleich zu gewähren ist.“ Welche Arbeiten als besonders gefährlich oder gesundheitsschädlich anzusehen sind sowie die Höhe der Zulagen, sind im Tarifvertrag über die Gewährung von Zulagen gem. § 33 Abs. 1 Buchst. c) BAT
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10
Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
geregelt (Zulagentarifverträge). Die Weiteren in § 33 BAT vorgesehenen Zulagen werden nicht mehr gewährt. Freiwillige, übertarifliche Entgelte in der Informationstechnik Um Fachkräfte auf dem Gebiet der Informationstechnik für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst zu gewinnen bzw. zu halten, ist es regelmäßig unerlässlich, dass der Arbeitgeber übertarifliche Leistungen gewährt. Der Bund hat bestimmte Maßnahmen zur Gewinnung und Haltung von qualifizierten IT-Fachkräften für zu109 lässig erklärt. Neu eingestellte Beschäftigten können, sofern es • zur Gewinnung von IT-Fachpersonal mit einschlägiger Fachhochschul- oder Hochschulausbildung bzw. mit gleichwertigen Kenntnissen oder • zur Gewinnung von Fachinformatikern erforderlich ist, in begründeten Einzelfällen auch der Stufe 2 oder 3 zugeordnet werden. Dies gilt abweichend von § 16 Abs. 2 TVöD (Bund), der eine zwingende Einstellung neuer Mitarbeiter in Stufe 1 vorschreibt. Der Aufstieg in die nächst höhere Stufe erfolgt jedoch erst, wenn der Beschäftigte innerhalb seiner Entgeltgruppe die Stufenlaufzeit absolviert hat, die bei fiktiver Einstellung in Stufe 1 notwendig wäre. Beispiel: Eine IT Fachkraft wird ausnahmsweise in Stufe 3 der einschlägigen Entgeltgruppe eingestellt. Die Stufenlaufzeit für den Aufstieg aus der Stufe 3 in die Stufe 4 beträgt nach § 16 Abs. 4 TVöD (Bund) drei Jahre. Der Beschäftigte rückt jedoch erst nach sechs Jahren in der Stufe 3 in die Stufe 4 auf.
Die Regelung gilt entsprechend, wenn die Notwendigkeit besteht, „der bevorstehenden Abwanderung einzelner Beschäftigter“ aus dem IT-Bereich entgegenzuwirken. Hier kann „in besonderen Fällen“ auch eine Zuordnung zur Stufe 4 erfolgen, sofern der Beschäftigte bisher einer niedrigeren Stufe zugeordnet ist.
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Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 10. Oktober 2005, AZ: D II 2 – 220 218/279 bzw. D Ii 2 – 220 210-2/16.
Wie ist der tarifliche Stand?
10
Tipp Ob die geschilderten Maßnahmen ausreichen werden, um qualifiziertes IT Fachpersonal auch langfristig an den öffentlichen Dienst zu binden, muss bezweifelt werden. Zusätzliche finanzielle Mittel werden für die aufgezeigten Maßnahmen nicht zur Verfügung gestellt.
Für den Bereich der kommunalen Arbeitgeber fehlen entsprechende Empfehlungen für übertarifliche Leistungen. Die geschilderten Regelungen aus dem Bereich des Bundes können jedoch auch hier richtungsweisend sein.
10.1.6 Zeitzuschläge, Überstunden, Mehrarbeit Wird der Beschäftigte aufgrund der Eigenart des Betriebs auch an Wochenenden, Feiertagen oder nachts zur Arbeit herangezogen, erhält er neben seinem Entgelt Zeitzuschläge. Die Verpflichtung, Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschichtund Schichtdienste usw. zu leisten, ergibt sich aus § 6 Abs. 5 TVöD. Besonderheiten bestehen bei Teilzeitbeschäftigten: Sie müssen Überstunden und Mehrarbeit sowie Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft nur leisten, wenn dies im Arbeitsvertrag entsprechend vereinbart ist oder der Beschäftigte im Einzelfall der Ableistung solcher Dienste zustimmt. Zeitzuschläge betragen – auch bei Teilzeitbeschäftigten – je Stunde a) für Überstunden • in den Entgeltgruppen 1 bis 9 30 %, • in den Entgeltgruppen 10 bis 15 15 %, b) für Nachtarbeit 20 %, c) für Sonntagsarbeit 25 %,, d) für Feiertagsarbeit • ohne Freizeitausgleich 135 %, • mit Freizeitausgleich 35 %, e) für Arbeit am 24. Dezember und am 35 %, 31. Dezember jeweils ab 6 Uhr f) für Arbeit an Samstagen von 13 bis 21 Uhr, 20 % soweit diese nicht im Rahmen von Wechselschichtoder Schichtarbeit anfällt.
Zeitzuschläge nach § 8 TVöD
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Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
Der Anspruch auf Zeitzuschläge besteht nicht nur für volle Arbeitsstunden. Angefangene Stunden sind mit dem entsprechenden Stundenanteil zu berücksichtigen. Wie berechnet sich das „Stundenentgelt“? Der Zeitzuschlag errechnet sich aus dem „auf eine Stunde entfallenden Anteil des Tabellenentgelts der Stufe 3 der jeweiligen Entgeltgruppe“ (§ 8 Abs. 1 Satz 2 TVöD). Basis für die Berechnung des Zeitzuschlags ist damit ausschließlich das Tabellenentgelt der Stufe 3. Achtung: Die Zeitzuschläge sind für sämtliche Beschäftigte innerhalb einer Ent geltgruppe gleich hoch. Persönliche Entgeltmerkmale – wie z. B. die Berufserfahrung oder bei übergeleiteten Mitarbeitern die Höhe des Ent gelts aus der individuellen Zwischen oder Endstufe – sind für die Zeit zuschlagsberechnung unerheblich! Beispiel: Der Monatsbetrag wird zur Berechnung des Stundenentgelts
dividiert durch
• im Bereich TVöD VKA, Tarifgebiet West (bei 38,5 Stunden/Woche)
167,4 Monatsstunden (= 4,348 × 38,5)
• im Bereich TVöD VKA, Tarifgebiet Ost
173,9 Monatsstunden (= 4,348 × 40)
• im Bereich TVöD Bund
169,6 Monatsstunden (= 4,348 × 39).
Was gilt bei Überstunden? Freizeit ausgleich
§ 43 Abs. 1 Satz TVöD BT-V bestimmt (nur) für die Beschäftigten der Sparte Verwaltung, dass Überstunden grundsätzlich durch Freizeit auszugleichen sind. Der Freizeitausgleich ist möglichst bis zum Ende des nächsten Kalendermonats, spätestens bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach deren Entstehen zu erteilen. Tipp Wird ausnahmsweise kein Freizeitausgleich erteilt, so hat der Beschäf tigte – sofern kein Arbeitszeitkonto besteht bzw. der Beschäftigte keine Faktorisierung geltend macht – nach Ablauf des Ausgleichszeitraums Anspruch auf Auszahlung der geleisteten Überstunde.
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Wie ist der tarifliche Stand?
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Die Vergütung der geleisteten Überstunde als solche richtet sich nach dem individuellen Stundenentgelt,, begrenzt allerdings auf den Betrag der Stufe 4 der Entgeltgruppe des Beschäftigten (Protokollerklärung zu § 8 Absatz 1 Satz 1 TVöD). Neben dem Freizeitausgleich bzw. der Auszahlung des Stundenentgelts hat der Beschäftigte Anspruch auf den Zeitzuschlag, der je nach Entgeltgruppe 15 bzw. 30 % beträgt. Achtung: • Nur für Mitarbeiter, die mindestens der Stufe 4 zugeordnet sind, wird es ein einheitliches Überstundenentgelt geben. • Der Zeitzuschlag richtet sich für alle Beschäftigten nach Stufe 3, die Überstunde als solche dagegen nach der individuellen Stufe, maximal nach Stufe 4 der jeweiligen Entgeltgruppe. • Für die nachfolgend dargestellten „sonstigen“ Stunden wird dage gen das individuelle Stundenentgelt gezahlt.
Wie werden „sonstige“ und „Mehrarbeitsstunden” vergütet? Für Arbeitsstunden, • die keine Überstunden sind und • die aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht innerhalb des im Betrieb/in der Einrichtung geltenden Zeitraums für die Berechnung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit (längstens bis zu einem Jahr) mit Freizeit ausgeglichen werden, erhält der/die Beschäftigte je Stunde 100 v. H. des auf eine Stunde entfallenden Anteils des Tabellenentgelts der jeweiligen Entgeltgruppe und Stufe (§ 8 Abs. 2 TVöD). Hier ist also das jeweils individuelle Tabellenentgelt des Beschäftigten maßgebend. Beispiel: Ein Beschäftigter hat im Rahmen des Arbeitszeitmodells – planmäßig – Plusstunden aufgebaut, die im Herbst durch Freizeitausgleich ausgegli chen werden sollten. Aufgrund krankheitsbedingter Ausfälle kann der in Aussicht genommene Freizeitausgleich aus betrieblichen Gründen nicht gewährt werden. Die Plusstunden werden nach Ablauf des Ausgleichs zeitraums mit dem individuellen Stundenentgelt ausbezahlt.
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10
Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
Diese Regelung erfasst nicht die Stunden, die im Rahmen von Gleitzeitregelungen anfallen, es sei denn, sie wurden angeordnet (Protokollerklärung zu § 8 Abs. 2 TVöD). Wird eine Teilzeitkraft über die arbeitsvertraglich vereinbarte individuelle regelmäßige Arbeitszeit hinaus eingesetzt, so leistet diese – bis zum Erreichen der tariflichen Vollarbeitszeit – Mehrarbeitsstunden (§ 7 Abs. 6 TVöD). Achtung: Werden Mehrarbeitsstunden einer Teilzeitkraft ausbezahlt, so stehen 110 keine Zeitzuschläge für Überstunden zu! Die Mehrarbeitsstunden werden mit dem individuellen Stundenentgelt – also dem auf eine Stunde umgerechneten Entgelt der im Einzelfall konkret zustehenden Entgeltgruppe und stufe (bei übergeleiteten Mitarbeitern ggf. der indi viduellen Zwischen oder Endstufe) – vergütet. Erst wenn eine Teilzeit kraft „Überstunden” leistet, fallen Überstundenzuschläge an
Was gilt bei Nacht, Wochenend und Feiertagsarbeit sowie am 24. und 31. Dezember? Nachtarbeit
Sonntagsarbeit
Feiertagsarbeit
Für Nachtarbeit – Arbeit zwischen 21 Uhr und 6 Uhr – erhält der Beschäftigte einen Zuschlag in Höhe von 20 % je Stunde (§ 7 Abs. 5, § 8 Abs. 1 S. 2 Buchst. b) TVöD). Wird der Beschäftigte an einem Sonntag beschäftigt, so muss ihm innerhalb von zwei Wochen ein Ersatzruhetag gewährt werden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 ArbZG). Zusätzlich erhält der Beschäftigte für die am Sonntag geleisteten Arbeitsstunden einen Zuschlag von 25 % je Stunde. Nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD vermindert sich die regelmäßige Arbeitszeit für jeden gesetzlichen Feiertag, der auf einen Werktag fällt, um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden (sog. Sollzeitabzug für Feiertage). Für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, hat der Arbeitgeber dem Beschäftigten das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (§ 2 Abs. 1 EFZG). Werden die Beschäftigten nach einem Dienstplan eingesetzt, betrifft die Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit „die
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EuGH, Urt. v. 15.12.1994 – C-399/92 u.a.
Wie ist der tarifliche Stand?
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Beschäftigten, die wegen des Dienstplans am Feiertag frei haben und deshalb ohne diese Regelung nacharbeiten müssten“ (Protokollerklärung zu § 6 Abs. 3 Satz 3). Achtung: Der Sollzeitabzug steht allen Beschäftigten im Schichtdienst zu, auch denjenigen, die aufgrund der Dienstplangestaltung an diesem Tag – also ungeachtet des Feiertags und ggf. dadurch bedingter ausgedünnter Schichten – frei haben. Es ist nicht entscheidend, ob der Beschäftigte ohne Vorliegen eines Feiertags an dem Tag gearbeitet hätte oder nicht.
Der Sollzeitabzug greift an allen gesetzlichen Feiertagen, die auf einen Werktag fallen. Werktag ist jeder Tag, der nicht ein Sonntag oder gesetzlicher Feiertag ist, somit auch der Samstag. Der Sollzeitabzug für Feiertage, die auf einen Samstag fallen, kann jedoch nur für die Beschäftigten greifen, die normalerweise an Samstagen arbeiten müssen. Der Sollzeit ist um die „dienstplanmäßig ausgefallenen“ Stunden zu vermindern. Wird der Beschäftigte am Feiertag zur Arbeit herangezogen, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, einen Ersatzruhetag innerhalb eines Ausgleichszeitraums von acht Wochen zu gewähren (§ 11 Abs. 3 Satz 2, § 12 ArbZG). Als Ersatzruhetag kommt jeder Werktag in Betracht, also auch ein arbeitsfreier Samstag. Nach § 11 Abs. 4 ArbZG ist er grundsätzlich unmittelbar in Verbindung mit der mindestens elfstündigen ununterbrochenen Ruhezeit nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit (§ 5 ArbZG) zu gewähren. Tipp: Der Freizeitausgleich für Feiertagsarbeit bedarf nicht mehr – wie nach 111 der bis 30.09.2005 gültigen Tarifregelung – eines Antrags des Be schäftigten. Achtung: In dienstplanführenden Bereichen muss der Freizeitausgleich für die Feiertagsarbeit im Dienstplan besonders ausgewiesen und bezeichnet werden! 111
vgl. z.B. § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 BAT.
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Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
Wird der Beschäftigte zu Feiertagsarbeit herangezogen, so besteht Anspruch auf Zeitzuschläge für die am Feiertag geleisteten Stunden und zwar • ohne Freizeitausgleich 135 %; • mit Freizeitausgleich 35 %: Falls kein Freizeitausgleich gewährt wird, werden als Entgelt einschließlich des Zeitzuschlags und des auf den Feiertag entfallenden Tabellenentgelts höchstens 235 % gezahlt. Achtung: Zeitzuschläge für Überstunden oder Nachtarbeit stehen dem Beschäf tigten grundsätzlich neben den Sonntags und Feiertagszuschlägen zu (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 3 TVöD). Die Protokollerklärung zu § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d) TVöD regelt jedoch abschließend, dass als „Entgelt“ für Fei ertagsarbeit „höchstens“ 235 % gezahlt werden.
24. und 31. Dezember
Damit besteht – selbst wenn der Beschäftigte am Feiertag bei Nacht Überstunden leistet –, kein zusätzlicher Anspruch auf Überstundenoder sonstige Zeitzuschläge! Soweit es die betrieblichen/dienstlichen Verhältnisse zulassen, ist der 24. und 31. Dezember unter Fortzahlung des Entgelts arbeitsfrei. Achtung: § 6 Abs. 3 S. 3 TVöD enthält für den schichtplanführenden Bereich den sog. Sollzeitabzug für Heiligabend und Silvester und stellt damit die Beschäftigten im Schichtdienst den Verwaltungsmitarbeitern gleich. Die wöchentliche bzw. monatliche Arbeitszeit vermindert sich um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden.
Ist die Freistellung aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht möglich, hat der Beschäftigte Anspruch auf Freizeitausgleich innerhalb von drei Monaten (§ 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 TVöD). Daneben ist für die Arbeit zwischen 6 Uhr und 24 Uhr ein Zeitzuschlag in Höhe von 35 % des Stundenentgelts zu zahlen. Tipp Anspruch auf Freizeitausgleich besteht für sämtliche an diesem Tag geleisteten Arbeitsstunden, auch die zwischen 0 und 6 Uhr erbrachten. Der Zeitzuschlag wird jedoch nur für die zwischen 6 und 24 Uhr gelei steten Stunden gezahlt.
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Wie ist der tarifliche Stand?
Wird der Beschäftigte außerhalb eines Schichtplanes am Samstag zur Arbeit herangezogen, erhält er für Arbeit in der Zeit von 13 Uhr bis 21 Uhr einen Zeitzuschlag in Höhe von 20 % des Stundenentgelts.
10 Samstagsarbeit
Achtung: Der Zeitzuschlag für Samstagsarbeit wird nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. f) TVöD nur gezahlt, wenn die Samstagsarbeit nicht im Rahmen von Wechselschicht oder Schichtarbeit anfällt! Die schichtplanmäßige Samstagsarbeit ist damit zuschlagsfrei.
Zusammentreffen mehrerer Zeitzuschläge Beim Zusammentreffen mehrerer Zeitzuschläge wird grundsätzlich nur der jeweils höchste Zeitzuschlag gezahlt (§ 8 Abs. 1 Satz 3 TVöD). Beispiel: Für Arbeit an einem 1. Mai, der auf einen Sonntag fällt, ist (nur) der Zeitzuschlag für Feiertage in Höhe von 35 % zu zahlen. Der Zeitzu schlag für Sonntagsarbeit von 25 % tritt zurück.
Die Konkurrenzregelung gilt jedoch grundsätzlich nicht für die Zeitzuschläge für Überstunden und für Nachtarbeit.. Wann besteht Anspruch auf Erschwerniszuschläge? Insbesondere im Bereich der Arbeitertarifverträge gibt es im öffentlichen Dienst eine kaum noch zu überschauende Vielzahl von Erschwerniszuschlägen, die zumeist in Bezirkstarifen geregelt sind. Ziel der Tarifvertragsparteien bei Erlass des TVöD war es, die Zahl der Erschwerniszuschläge zu vermindern und einheitliche Regelungen zu schaffen. Nach § 19 Abs. 1 und 2 TVöD werden Erschwerniszuschläge nur noch gezahlt für Arbeiten mit außergewöhnlichen Erschwernissen. „Außergewöhnliche Erschwernisse” im Sinne dieser Vorschrift ergeben sich z. B. nur bei Arbeiten • mit besonderer Gefährdung, • mit extremer, nicht klimabedingter Hitzeeinwirkung, • mit besonders starker Schmutz- oder Strahlenbelästigung, • mit besonders starker Strahlenexposition oder • unter sonstigen vergleichbar erschwerten Umständen.
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Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
Für Erschwernisse, die mit dem Berufs- oder Tätigkeitsbild verbunden sind, stehen Erschwerniszuschläge nicht mehr zu. Soweit der außergewöhnlichen Erschwernis durch geeignete Vorkehrungen, insbesondere zum Arbeitsschutz, Rechnung getragen wird, besteht kein Anspruch auf Zuschläge (§ 19 Abs. 3 TVöD). Tipp Die zuschlagspflichtigen Arbeiten und die Höhe der Zuschläge werden im Bereich der VKA landesbezirklich und für den Bund durch einen Ta rifvertrag auf Bundesebene vereinbart (§ 19 Abs. 5 TVöD). Der Erlass der landesbezirklichen bzw. Bundes Tarifregelungen bleibt abzuwarten.
Die Zuschläge betragen in der Regel 5 bis 15 % auf eine Stunde entfallenden Anteils des monatlichen Tabellenentgelts der Stufe 2 der Entgeltgruppe 2 (§ 19 Abs. 4 TVöD). „In besonderen Fällen” kann davon auch abgewichen werden. Welche Übergangsregelungen sind zu beachten? Bis zum In-Kraft-Treten der noch abzuschließenden Tarifregelungen über die Erschwerniszuschläge gelten die bisherigen Vorschriften – insbesondere die für die Arbeiter bestehenden, bezirkstariflich geregelten Erschwerniszuschläge – weiter. Sind die Tarifverhandlungen über die noch zu regelnden Erschwerniszuschläge nicht bis zum 31. Dezember 2007 abgeschlossen, „gelten die landesbezirklichen Tarifverträge ab 1. Januar 2008 mit der Maßgabe fort, dass die Grenzen und die Bemessungsgrundlage des § 19 Abs. 4 TVöD zu beachten sind“ (§ 24 Satz 2 TVÜ-VKA). Tipp Damit dürfen die Zuschläge ab 1.1.2008 die Grenze von 5 % bis 15 % des Stundenentgelts der Entgeltgruppe 2, Stufe 2 nicht unter bzw. überschreiten. Sollte keine Tarifeinigung bis zum genannten Zeitpunkt vorliegen, wird zu gegebener Zeit zu klären sein, inwieweit der einzelne Arbeitgeber eine Anpassung der Zeitzuschläge vornehmen kann.
10.1.7 Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst,zeit Beschäftigte, die Rufbereitschaft leisten, haben Anspruch auf Zahlung einer Rufbereitschaftspauschale sowie einer zusätzlichen Ver-
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Wie ist der tarifliche Stand?
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gütung für die innerhalb der Rufbereitschaft erbrachte Arbeitsleistung (§ 8 Abs. 3 TVöD). Wie wird die tägliche Rufbereitschaft vergütet? Voraussetzung für die Zahlung der Pauschale ist, dass der Beschäftigte eine ununterbrochene Rufbereitschaft von mindestens 12 Stunden leistet (§ 8 Abs. 3 Satz 6 TVöD). Die tägliche Pauschale beträgt • für die Tage Montag bis Freitag das Zweifache, • für Samstag, Sonntag sowie für Feiertage das Vierfache des tariflichen Stundenentgelts. Maßgebend für die Bemessung der Pauschale ist der Tag, an dem die Rufbereitschaft beginnt.. Weiter ist in der Protokollerklärung zu § 8 Abs. 3 festgelegt: „Zur Ermittlung der Tage einer Rufbereitschaft, für die eine Pauschale gezahlt wird, ist auf den Tag des Beginns der Rufbereitschaft abzustellen”. Die Tarifvertragsparteien haben sich – zur Erläuterung der Bestimmung – auf das folgende Beispiel geeinigt (Niederschriftserklärung zu § 8 Abs. 3): Beispiel: „Beginnt eine Wochenendrufbereitschaft am Freitag um 15.00 Uhr und endet am Montag um 7 Uhr, so erhält der Arbeitnehmer folgende Pau* schalen: • 2 Stunden für Freitag, • je 4 Stunden für Samstag und Sonntag, • keine Pauschale für Montag. Er erhält somit 10 Stundenentgelte.“
Bezüglich der mit einer Pauschale zu belegenden Tage ist auf den „Beginn der Rufbereitschaft” (= den Freitag) abzustellen. Zur Bemessung der Höhe der Pauschale ist auf den Beginn der „täglichen” Rufbereitschaft abzuheben. Die bis Montag, 7 Uhr, dauernde Rufbereitschaft beginnt am Sonntag und wird auch nur diesem Tag zugerechnet. Wie ist die tatsächlich geleistete Arbeit zu werten? Für die Arbeitsleistung innerhalb der Rufbereitschaft einschließlich der hierfür erforderlichen Wegezeiten wird nach § 8 Abs. 3 Satz 4
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Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
TVöD „jede angefangene Stunde auf eine volle Stunde gerundet und mit dem Entgelt für Überstunden sowie etwaiger Zeitzuschläge nach Absatz 1 bezahlt”. Tipp Umstritten ist, ob bei mehreren Arbeitseinsätzen innerhalb einer z. B. 24 stündigen Rufbereitschaft • „jede” angefangene Stunde auf eine volle Stunde aufzurunden ist • oder ob diese Aufrundung nur einmal pro Rufbereitschaft – prak tisch nach Zusammenrechnung der einzelnen, ggf. minutenweise abzurechnenden Arbeitseinsätze – erfolgt.
Für die Auslegung einer Tarifvorschrift ist zunächst deren Wortlaut heranzuziehen. Aufgrund des eindeutigen Tarifwortlauts („… jede angefangene Stunde”) ist damit wohl von einer Aufrundung der einzelnen Arbeitseinsätze innerhalb der Rufbereitschaft auf jeweils eine volle Stunde auszugehen. Für die Zeit der Arbeitsleistung während der Rufbereitschaft sowie die erforderlichen Wegezeiten werden Zeitzuschläge – z. B. für Samstags-, Sonntags-, Feiertags-, Nachtarbeit – gewährt (§ 8 Abs. 3 Satz 4 TVöD). Was gilt bei „stundenweiser” Rufbereitschaft? Eine „stundenweise Rufbereitschaft” liegt vor, wenn die ununterbrochene Rufbereitschaft weniger als zwölf Stunden dauert. In diesem Fall wird „für jede Stunde der Rufbereitschaft 12,5 % des tariflichen Stundenentgelts nach Maßgabe der Entgelttabelle” gezahlt. Neben diesem 12,5-%-Stundenentgelt steht dem Beschäftigten für die innerhalb der Rufbereitschaft geleistete Arbeit einschließlich der Wegezeiten ein zusätzliches Entgelt zu. Beispiel: Der Beschäftigte leistet von 16.00 Uhr bis 24.00 Uhr Rufbereitschaft. Er wird für einen halbstündigen Einsatz abgerufen. Die Entgeltberechnung gestaltet sich wie folgt: 8 Stunden × 12,5 % = 1,0 Stunden zzgl. der geleisteten Arbeit – aufgerundet – 1,0 Stunden. Die errechnete Zeit von 2 Stunden ist mit Überstundenentgelt auszu zahlen.
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Wie ist der tarifliche Stand?
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Wie wird der Bereitschaftsdienst vergütet? Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 TVöD wird das Entgelt für Bereitschaftsdienst landesbezirklich – bzw. für den Bund in einem Tarifvertrag auf Bundesebene – geregelt. Diese landesbezirklichen Regelungen bzw. die Bereitschaftsdienstvergütung beim Bund müssen noch verhandelt werden. Welche Übergangsregelung ist zu beachten? Bis zum In-Kraft-Treten der neuen tariflichen BereitschaftsdienstEntgeltregelungen „gelten die in dem jeweiligen Betrieb/der jeweiligen Verwaltung/Dienststelle am 30. September 2005 jeweils geltenden Bestimmungen fort”. Nachfolgend werden exemplarisch die Bestimmungen des BAT zur Vergütung von Bereitschaftsdiensten dargestellt. Nach § 15 Abs. 6a Unterabs. 1 BAT muss die gesamte Zeit des Bereitschaftsdienstes – einschließlich der während des Bereitschaftsdienstes geleisteten Arbeit – pauschal bewertet werden. Die Bewertung richtet sich nach der durchschnittlichen tatsächlichen Inanspruchnahme während des Bereitschaftsdienstes. Entscheidend ist also, wie häufig und wie lange der Mitarbeiter während des Bereitschaftsdienstes zur Arbeitsleistung herangezogen wurde. Tipp Zur Ermittlung „der durchschnittlich anfallenden Zeit der Arbeitslei stungen” empfiehlt sich, die Arbeitnehmer zur Führung von Aufzeich nungen über ihre tatsächliche Inanspruchnahme während des Bereit schaftsdienstes zu verpflichten.
Unabhängig von der durchschnittlichen tatsächlichen Inanspruchnahme ist • der 1. bis 7. Bereitschaftsdienst im Kalendermonat mit mindestens 15 % • der 8. und jeder weitere Bereitschaftsdienst im Kalendermonat mit mindestens 25 % als Arbeitszeit zu bewerten (§ 15 Abs. 6a Unterabs. 2 BAT).
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Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
Beispiel: Der Beschäftigte wird im Monat zu 4 Bereitschaftsdiensten à 6 Stun den herangezogen. Tatsächlich arbeiten musste er etwa 7 % der Be reitschaftsdienstzeit. Trotz der geringen Arbeitsbelastung wird für die Vergütungsberechnung die Zeit des Bereitschaftsdienstes (4 × 6 = 24 Std.) mit 15 % als Arbeitszeit gewertet: 24 Std. × 15 % = 3,6 Std.
Für die errechnete Arbeitszeit ist Überstundenvergütung zu zahlen (§§ 8 Abs. 4 TVöD, 15 Abs. 6a Unterabs. 2 Satz 1 BAT). Tipp Für die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Ar beit werden Zeitzuschläge – z. B. für Nachtarbeit, Sonntags , Feiertags arbeit – nicht gezahlt (§ 35 Abs. 2 Unterabs. 3 BAT).
Bereitschaftsdienst ist aufgrund der Rechtsprechung des EuGH112 arbeitsschutzrechtlich wie Vollarbeit zu behandeln. Vergütungsrechtlich wird der Bereitschaftsdienst jedoch nicht zur „Vollarbeit” im tariflichen Sinne.. Aus diesem Grund stehen für Zeiten des Be113 reitschaftsdienstes Zeitzuschläge § 8 Abs. 1 TVöD nicht zu . Was gilt bei Bereitschaftszeit? Fällt in die Arbeitszeit z. B. eines Hausmeisters oder eines Beschäftigten im Rettungsdienst sog. „Bereitschaftszeit”, so werden für diese Zeiten keine zusätzlichen Pauschalen oder sonstigen Entgelte gezahlt, wie dies z. B. für Zeiten der Rufbereitschaft/des Bereitschaftsdienstes vorgesehen ist. Die Bereitschaftszeiten werden mit dem tariflichen Monatsentgelt abgegolten. Erbringt der Beschäftigte seine Arbeits- und Bereitschaftszeiten jedoch an Wochenenden, Feiertagen oder nachts, so stehen ihm die Zeitzuschläge zu.
112 113
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EuGH, Urt. v. 09.09.2003 – C 151/02; EuGH, Urt. v. 01.12.2005 – C-14/04. LAG Hamm, Urt. v. 19.03.1992 – 17 Sa 1739/91.
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10.1.8 Die Jahressonderzahlung Die Regelung zur Jahressonderzahlung in § 20 TVöD tritt erst zum 1. Januar 2007 in Kraft. Die Jahressonderzahlung für das Jahr 2006 richtet sich nach den Bestimmungen des § 20 TVÜ Bund bzw. VKA. Die Jahressonderzahlung für 2006 Für die Jahressonderzahlung 2006 besteht in § 20 TVÜ eine Übergangsregelung, die sowohl für neu eingestellte als auch für übergeleitete Beschäftigte gilt. Achtung: Die Anspruchsvoraussetzungen sowie die Bemessungsgrundlage für die Jahressonderzahlung richtet sich nach den in § 20 TVöD festgelegten neuen Grundsätzen. Nur der Bemessungssatz sowie bestimmte Erhö hungsbeträge sind in § 20 TVÜ abweichend geregelt.
Im Jahr 2006 beträgt die Jahressonderzahlung – insoweit dem bisherigen BAT entsprechend – in allen Entgeltgruppen • im Tarifgebiet West 82,14 %, • im Tarifgebiet Ost 61,60 % der in den Monaten Juli bis September 2006 durchschnittlich gezahlten Entgelte. Als Erhöhungsbetrag werden gezahlt für Beschäftigte im Tarifgebiet West
Tarifgebiet Ost
EGr. 1 8
332,34 EUR
In allen EGr. 255,65 EUR
EGr. 9 15
255,65 EUR
Der Erhöhungsbetrag entspricht dem bis einschließlich 2005 zu gewährenden Urlaubsgeld. Der TVöD sieht die Zahlung eines Urlaubsgeldes nicht mehr vor. Tipp Der Erhöhungsbetrag steht nicht nur übergeleiteten, sondern auch den ab dem 1.10.2005 neu eingestellten Beschäftigten zu.
Der „Urlaubsgeld“-Erhöhungsbetrag ist kein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt (§ 20 Abs. 3 Nr. 2 Satz 4 TVÜ).
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Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
Die Jahressonderzahlung 2006 erhöht sich für übergeleitete Beschäftigte weiter um 25,56 EUR für jedes Kind, für das der Beschäftigte im September 2006 kinderbezogene Entgeltbestandteile erhalten hat (§ 20 Abs. 3 Nr. 3 TVÜ). Achtung:
Die aufgrund der Übergangsregelung 2006 noch zu zahlenden Erhö hungsbeträge (bisheriges Urlaubsgeld und Kinderzuschlag) werden ab dem Jahr 2007 nicht mehr gewährt! Die Jahressonderzahlung ab 2007 Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung (§ 20 Abs. 1 TVöD). Tipp Der TVöD kennt grundsätzlich nur noch eine Anspruchsvoraussetzung: das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses am 1.12. des jeweiligen Kalen derjahres. Die im BAT noch maßgebenden Erfordernisse „seit 1.10. im öffentlichen Dienst“ sowie die Bindungsfrist bis einschließlich 31.03. des Folgejahres wurden nicht in den TVöD übernommen. Folgerichtig enthält der TVöD auch keine Rückzahlungsverpflichtung des Beschäf tigten bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bis zu einem be stimmten Zeitpunkt.
Auch sieht der TVöD grundsätzlich keine anteilige Jahressonderzahlung bei Ausscheiden des Beschäftigten im Laufe des Jahres (z. B. wegen Erreichen der Altersgrenze oder Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes) vor. Hiervon ist nur eine Ausnahme zu beachten: Nach § 20 Abs. 6 TVöD haben (nur) Beschäftigte, die bis zum 31. März 2005 Altersteilzeit vereinbart haben, auch dann Anspruch auf eine – anteilige – Jahressonderzahlung, wenn das Arbeitsverhältnis wegen Rentenbezugs vor dem 1. Dezember endet. Die Jahressonderzahlung bemisst sich in diesem Falle nach dem Durchschnitt der letzten drei Kalendermonate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
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Wie ist der tarifliche Stand?
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Wie hoch ist die Jahressonderzahlung? Die Höhe der Jahressonderzahlung ist nach Entgeltgruppen gestaffelt: Entgeltgruppen
Bemessungssatz Tarifgebiet West
Tarifgebiet Ost (75 % West)
EGr. 1 – 8, 2Ü
90 %
67,5 %
EGr. 9 – 12
80 %
60 %
EGr. 13 – 15, 15Ü
60 %
45 %
Die Bemessungssätze richten sich nach dem in den Monaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlten Entgelt. Unberücksichtigt bleiben hierbei • das zusätzlich für Überstunden gezahlte Entgelt (mit Ausnahme der im Dienstplan vorgesehenen Überstunden), • Leistungszulagen, Leistungsprämien, Erfolgsprämien, • Einmalzahlungen. Der Bemessungssatz bestimmt sich nach der Entgeltgruppe am 1. September. Bei Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis nach dem 30. September begonnen hat, tritt an die Stelle des Bemessungszeitraums der erste volle Kalendermonat des Arbeitsverhältnisses. Für die Berechnung des maßgebenden Durchschnittsbetrages werden die in den drei Monaten – Juli bis September – gezahlten Entgelte addiert und durch drei geteilt; dies gilt auch bei einer Änderung des Beschäftigungsumfangs.
Bemessungssatz
Beispiel: Eine Mitarbeiterin wechselt zum 1. August in eine Teilzeitbeschäfti gung. Für die Jahressonderzahlung werden – ohne Berücksichtigung der Änderung der Arbeitszeitdauer – die Entgelte der Monate Juli, August und September addiert, durch 3 geteilt und mit dem maßgeblichen Faktor (90, 80, 60 %) multipliziert.
Besteht im Bemessungszeitraum nicht für alle Kalendertage Anspruch auf Entgelt, so werden die gezahlten Entgelte der drei Monate addiert, durch die Zahl der Kalendertage mit Entgelt geteilt und sodann mit 30,67 – dem Faktor für die durchschnittliche Anzahl der Kalendertage im Monat – multipliziert (§ 20 Abs. 2 TVöD). Zeit-
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Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
räume, für die Krankengeldzuschuss gezahlt worden ist, bleiben hierbei unberücksichtigt. Beispiel: Ein am 1.1.2006 im Bereich TVöD West neu eingestellter Verwaltungs mitarbeiter ist in der Zeit vom 10.07. bis 06.09. wegen Krankheit ar beitsunfähig. Er ist eingruppiert in EGr. 6 Stufe 2 (Entgelt: 1960 EUR). Der Beschäftigte hat Anspruch auf Entgelt für geleistete Tätigkeit sowie Entgelt im Krankheitsfall bis zum 20.08.2006. Danach besteht bis ein schließlich 06.09.2006 kein Anspruch auf Entgelt. Die Jahressonder zahlung bemisst sich wie folgt: Im Bemessungszeitraum gezahlte Entgelte Entgelt Juli 1.960,00 EUR Entgelt August (20/31) 1.264,51 EUR Entgelt September (24/30) 1.568,00 EUR Summe 4.792,51 EUR dividiert durch die Anzahl der Tage mit Entgelt: 75 = 63,90 EUR x 30,67 = 1.959,82 x 90 % = 1.763,84 EUR.
Besteht während des Bemessungszeitraums an weniger als 30 Kalendertagen Anspruch auf Entgelt, ist der letzte – vor dem Bemessungszeitraum liegende – Kalendermonat, in dem für alle Kalendertage Anspruch auf Entgelt bestand, maßgebend. Beginn/Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Beurlaubung Der Anspruch auf die Jahressonderzahlung vermindert sich um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, in dem der Beschäftigte keinen Anspruch auf Entgelt oder Entgeltfortzahlung hat. Gemindert wird nur für volle Monate ohne Anspruch auf Entgelt. Beispiel: Der Beschäftigte wurde befristet für die Zeit vom 1. April 2006 bis 28. 9 Februar 2007 eingestellt. Er hat Anspruch auf /12 der Sonderzahlung 2006. 2007 steht eine Sonderzahlung nicht zu. Einer Mitarbeiterin wurde zur Pflege der erkrankten Mutter vom 15. März bis 14. Mai Sonderurlaub unter Verzicht auf die Entgeltfort 11 zahlung gewährt. Die Jahressonderzahlung beträgt /12.
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Wie ist der tarifliche Stand?
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Die Verminderung unterbleibt für Kalendermonate, für die Beschäftigte kein Entgelt erhalten haben wegen • Ableistung von Grundwehr- oder Zivildienst, wenn sie diesen vor dem 1. Dezember beendet und die Beschäftigung unverzüglich wieder aufgenommen haben, • Beschäftigungsverboten nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG, • Inanspruchnahme der Elternzeit nach dem BErzGG bis zum Ende des Kalenderjahres, in dem das Kind geboren ist, wenn am Tag vor Antritt der Elternzeit Entgeltanspruch bestanden hat, • oder wenn wegen der Höhe des zustehenden Krankengelds kein Krankengeldzuschuss gezahlt wurde. Tipp Abweichend vom Zuwendungs TV zum BAT besteht der Anspruch auf die Jahressonderzahlung nicht mehr bis zur Vollendung des zwölften Lebensmonats des Kindes! Die Jahressonderzahlung wird nur noch bis zum Ende des Kalenderjahres der Geburt bezahlt. Beispiel: Das Kind einer Beschäftigten ist am 15. Dezember 2006 geboren. Für 2006 besteht Anspruch auf die volle Jahressonderzahlung. 2007 wer 2 den nur noch /12 der Jahressonderzahlung (anteilig bis zum Ende der Mutterschutzfrist) gewährt. Die Elternzeit fällt nicht mehr in das Ka lenderjahr der Geburt des Kindes. Eine andere Mitarbeiterin entbindet am 15. Januar 2007. Sie nimmt nach der Mutterschutzfrist Elternzeit zunächst bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres des Kindes in Anspruch. 2007 besteht Anspruch auf die volle Jahressonderzahlung. Für 2008 wird eine Jahressonder zahlung nicht mehr gewährt.
Wird während des Bemessungszeitraums (Juli – September) eine erziehungsgeldunschädliche Teilzeitbeschäftigung ausgeübt, so bemisst sich die Jahressonderzahlung nach dem Beschäftigungsumfang am Tag vor dem Beginn der Elternzeit. Wann ist die Jahressonderzahlung fällig? Die Jahressonderzahlung ist mit dem Tabellenentgelt für den Monat November – also zum 30. November des Jahres – auszuzahlen (§ 20 Abs. 5 i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD). Ein Teilbetrag kann zu einem
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Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
früheren Zeitpunkt (z. B. entsprechend dem bisherigen Urlaubsgeld mit den Bezügen für den Monat Juli) ausgezahlt werden.
10.1.9 Das Leistungsentgelt ab 2007 § 18 TVöD Bund bzw. VKA sieht ab dem 01.01.2007 die Auszahlung von „Leistungsentgelten“ an die Beschäftigten vor. Tipp Das Leistungsentgelt ist eine zusätzlich zum Tabellenentgelt zu ge währende variable und leistungsorientierte Bezahlung. Der Lei stungstopf ist zwingend zweckentsprechend zu verwenden und jährlich auszuschütten. Dies insbesondere, weil sich der Leistungstopf u. a. aus umgewandelten Entgeltbestandteilen (Reduzierung der Jahressonder zahlung in den höheren Entgeltgruppen, Wegfall des Urlaubsgeldes, im Laufe der Zeit auslaufende Besitzstände) finanziert.
Wie groß ist der „Leistungstopf“? Zunächst beträgt das Volumen (der „Leistungstopf“) für die variable Bezahlung 1 % der ständigen Monatsentgelte des Vorjahres aller beim jeweiligen Arbeitgeber unter den Geltungsbereich des TVöD fallenden Arbeitnehmer. Ständige Monatsentgelte sind: • das Tabellenentgelt (Bruttoentgelt ohne der Beiträge des Arbeitgebers zur Sozialversicherung und dessen Kosten der betrieblichen Altersversorgung), • die in Monatsbeträgen festgelegte Zulagen (auch Besitzstandszulagen), • das Entgelt bei Urlaub und Krankheit (einschließlich Krankengeldzuschuss). Nicht einzubeziehen sind insbesondere: • unständige Entgeltbestandteile, • Jahressonderzahlungen und Einmalzahlungen, • Leistungsentgelte, • Strukturausgleichszahlungen, • Abfindungen, • Aufwandsentschädigungen, Auslandsdienstbezüge und • Entgelte der außertariflichen Beschäftigten.
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Wie ist der tarifliche Stand?
Der Leistungstopf soll auf die Zielgröße von 8 % ansteigen, wobei der Zeitpunkt der Erreichung dieser Zielgröße noch offen ist.
10 Zielgröße
Achtung: Das zunächst vereinbarte Volumen von 1 % gilt so lange, bis im Tarif vertrag ein höherer Prozentsatz vereinbart wird.
Zusätzlich zum Leistungsentgelt kann in Abhängigkeit von einem bestimmten wirtschaftlichen Erfolg der Einrichtung eine Erfolgsprämie gezahlt werden. Welche Vorgaben enthält der TVöD zur praktischen Umsetzung? § 18 TVöD (Bund) enthält lediglich eine Rahmenvorschrift zur Einführung einer leistungsbezogenen Bezahlung, die einer weiteren Ausgestaltung in einem ergänzenden TV-Leistungsentgelt (Bund) 114 bedarf. § 18 TVöD (VKA) regelt dagegen das Leistungsentgelt abschließend. Die Umsetzung erfolgt auf betrieblicher Ebene durch Abschluss entsprechender Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen. Bezüglich der Einzelheiten zur Leistungsbeurteilung, Umsetzung in Leistungszulagen, betrieblichen Kommission, Beteiligung des Betriebs-/Personalrats wird auf Kapitel 11 verwiesen. Bei Teilzeitbeschäftigten kann vom Grundsatz des § 24 Abs. 2 TVöD – der anteiligen Bezahlung sämtlicher Entgeltbestandteile entsprechend dem Umfang der vereinbarten Arbeitszeit – bei der Festsetzung der Leistungsentgelte abgewichen werden. Dies erscheint insbesondere bei Prämien für besondere Einzelleistungen sinnvoll. Die ausgezahlten Leistungsentgelte sind zusatzversorgungspflichtiges Entgelt (§ 18 Abs. 4 Bund, Abs. 6 TVöD).
10.1.10 Die Einmalzahlungen für 2006/2007 Im Bereich der VKA-Tarifgebiet West ist der Anspruch auf Einmalzahlungen für 2006 und 2007 in § 21 TVÜ geregelt.
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Zum Zeitpunkt der Drucklegung lag der ausfüllende TV-Leistungentgelt noch nicht vor.
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Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
Tipp Im Bereich der VKA Tarifgebiet Ost werden Einmalzahlungen nicht ge währt. Stattdessen wird der Bemessungssatz ab 1. Juli 2006 auf 95,5 %, ab 1. Juli 2007 auf 97 % angehoben.
Die Einmalzahlungen für die Beschäftigten des Bundes sind dagegen im TV über Einmalzahlungen für die Jahre 2005, 2006 und 2007 vom 9. Februar 2005 geregelt. In welcher Höhe stehen Einmalzahlungen zu? Den Beschäftigten steht für die Jahre 2006 und 2007 eine Einmalzahlung in Höhe von jeweils 300 EUR zu. Die Einmalzahlung wird in zwei Teilbeträgen in Höhe von je 150 EUR mit den Bezügen für die Monate April und Juli ausgezahlt. Teilzeitkräfte erhalten die Einmalzahlung nur anteilig entsprechend der individuell vereinbarten Arbeitszeit. Die Einmalzahlung ist steuer- und sozialversicherungspflichtiges sowie zusatzversorgungspflichtiges Entgelt. Wer hat Anspruch auf Einmalzahlungen? Die genannten Teilbeträge stehen zu, wenn der Beschäftigte an mindestens einem Tag des jeweiligen Fälligkeitsmonats Anspruch auf Bezüge (Entgelt, Urlaubsentgelt, Entgelt im Krankheitsfall) hat. Tipp Besteht der Anspruch auf Entgelt nicht für den gesamten Monat, er folgt dennoch keine Quotelung entsprechend der tatsächlichen Be schäftigungstage im jeweiligen Monat. Beispiel: Eine Mitarbeiterin wird befristet für die Zeit vom 15. April bis 5. Juli 2006 eingestellt. Sie erhält im April und Juli die ungekürzten Teilbeträ ge in Höhe von jeweils 150 EUR.
Der Anspruch besteht auch, wenn im betreffenden Monat • nur wegen der Höhe der Barleistungen des Sozialversicherungsträgers kein Krankengeldzuschuss gezahlt wird oder • eine Beschäftigte wegen der Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz keine Bezüge erhalten hat.
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Wie ist der tarifliche Stand?
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Wirken sich Einmalzahlungen auf andere Leistungen aus? Den Einmalzahlungen kommt keine Tabellenwirksamkeit zu. Sie haben daher keine Auswirkung auf die Bemessung sonstiger Leistungen und bleiben bei Berechnung von Urlaubs- und Krankenentgelt, Zuschlägen, Jahressonderzahlung, der Bemessung des Leistungstopfes usw. unberücksichtigt.
10.1.11Entgeltfortzahlung bei Urlaub, Krankheit und Arbeitsbefreiung § 21 TVöD regelt die Entgeltfortzahlung einheitlich für • Krankheit (§ 22 TVöD), • Urlaub (§ 26 TVöD), • Zusatzurlaub (§ 27 TVöD), • Arbeitsbefreiung (§ 29 TVöD) sowie • Arbeitsbefreiung am 24. und 31. Dezember (§ 6 Abs. 3 Satz 1 TVöD). Was ist Bemessungsgrundlage für die Entgeltfortzahlung? Die Entgeltfortzahlung bemisst sich nach zwei Bestandteilen, wobei Lohnausfall- und Referenzprinzip kombiniert werden: 1. den in Monatsbeträgen festgelegten (ständigen) Entgeltbestandteilen, dies sind: • das Tabellenentgelt, in der Übergangsphase das Entgelt nach der individuelle Zwischen- oder Endstufe, • den sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteilen, wie z. B. Garantiebeträgen bei Höhergruppierung, Zulagen für ständige Wechselschicht/Schichtarbeit, Funktions-, Pflege-, Heimzulagen, Techniker-, Meister-, Programmiererzulagen. Diese Entgeltbestandteile werden nach dem Lohnausfallprinzip entsprechend dem Anspruch des laufenden Monats weitergezahlt. 2. den nicht in Monatsbeträgen festgelegten (unständigen) Entgeltbestandteilen: Bezüglich dieser Entgeltbestandteile wird nach dem Referenzprinzip ein Durchschnittsbetrag ermittelt.
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Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
Unberücksichtigt bleiben gemäß § 21 Satz 3 TVöD: • das Entgelt für Überstunden mit Ausnahme der im Dienstplan vorgesehenen Überstunden, • Leistungsentgelte (Leistungszulagen, -prämien, Boni), • Jahressonderzahlungen, • Vermögenswirksame Leistungen, • Jubiläumsgeld. Der Durchschnittsbetrag bei unständigen Entgeltbestandteilen Basis der Durchschnittsberechnung für die unständigen Entgeltbestandteile sind die letzten drei vollen Kalendermonate, die dem Ereignis für die Entgeltfortzahlung – Urlaub, Krankheit, Arbeitsbefreiung – vorausgegangen sind. Dabei ist für die gesamte Dauer einer zusammenhängenden Entgeltfortzahlung auf den Beginn des maßgebenden Ereignisses abzustellen, auch wenn der Urlaub oder die Krankheit mehr als einen Monat dauert. Beispiel: Ein Beschäftigter hat vom 27. September 2006 bis 13. Oktober 2006 Erholungsurlaub. Der Tagesdurchschnitt ist auf Basis der vollen Kalen dermonate Juni bis August 2006 zu berechnen. Der Tagesdurchschnitts für die Urlaubstage im Oktober 2006 wird nicht neu berechnet.
Ein voller Kalendermonat liegt vor, wenn das Arbeitsverhältnis an allen Tagen des Kalendermonats bestanden hat. Maßgebend ist allein der rechtliche Bestand. Unerheblich ist, ob im entsprechenden Zeitraum auch Entgelt zustand. Tipp: Auch bei Sonderurlaub oder Elternzeit während des Bemessungszeit raums richtet sich die Entgeltfortzahlung nach dem Durchschnitt der letzten drei Monaten.
Erforderliche Entgeltbestandteile für die Durchschnittsberechnung Unständige Entgeltbestandteile sind insbesondere • Zeitzuschläge, Erschwerniszuschläge, • Rufbereitschafts-, Bereitschaftsdienstvergütungen,
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Wie ist der tarifliche Stand? •
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Zulagen bei vorübergehender Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 14 TVöD115. Tipp Maßgeblich sind nicht die im Berechnungszeitraum gezahlten bzw. fäl ligen, sondern die im Bemessungszeitraum entstandenen unständigen Entgeltbestandteile. Die Protokollerklärung Nr. 2 Satz 1 zu § 21 Sätze 2 und 3 stellt klar, dass der Tagesdurchschnitt auf Basis „der Summe der zu berücksichtigenden Entgeltbestandteile, die für den Berechnungs* zeitraum zugestanden haben" berechnet wird.
Fallen in den Bemessungszeitraum Entgeltfortzahlungstatbestände nach § 21 TVöD – also Urlaub, Krankheit usw. – so bleiben die für diese Tage erworbenen Ansprüche auf Fortzahlung des Tagesdurchschnitts unberücksichtigt (Protokollerklärung Nr. 2 Satz 4 zu § 21 Sätze 2 und 3). Wie errechnet sich der Tagesdurchschnitt? Der Tagesdurchschnitt beträgt bei einer durchschnittlichen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage 1/65 der DreiMonats-Summe (Protokollerklärung Nr. 2 zu § 21 Sätze 2 und 3). Die Berechnung des Tagesdurchschnitts erfolgt damit auf der Basis der durchschnittlichen Arbeitstage in einem Vierteljahr (= 13 Wochen × 5 Arbeitstage). Bei einer abweichenden Verteilung der Arbeitszeit ist der Tagesdurchschnitt entsprechend zu ermitteln (bei der 6-Tagewoche 1/78 = 13 Wochen × 6 Arbeitstage). Maßgebend ist jeweils die Verteilung der Arbeitszeit zu Beginn des Berechnungszeitraums. Beispiel: Ein Beschäftigter in der Fünftagewoche erzielt in den Kalendermonaten Februar April 2006 unständige Entgeltbestandteile in Höhe von insge samt 200 EUR. Im Mai 2006 nimmt er 14 Arbeitstage Erholungsurlaub. Der Durchschnittssatz für die Entgeltfortzahlung errechnet sich wie folgt: 200,00 EUR × 1/65 = 3,08 EUR × 14 Tage = 43,12 EUR. Auf die tatsächliche Anzahl der Arbeitstage im Berechnungszeitraum kommt nicht an. 115
Abweichend von § 24 BAT wird diese Zulage nicht nach Monatsbeträgen, sondern taggenau gezahlt.
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Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
Neueinstellung/Änderung der Arbeitszeit im Bemessungszeitraum Hat das Arbeitsverhältnis weniger als drei volle Kalendermonate bestanden, sind die vollen Kalendermonate, in denen das Arbeitsverhältnis bestanden hat, zugrunde zu legen. Bei Änderungen der individuellen Arbeitszeit werden die nach der Arbeitszeitänderung liegenden vollen Kalendermonate zugrunde gelegt. Beispiel: Ein Beschäftigter, der zum 13. Juli 2006 eingestellt wurde und in der Fünftagewoche arbeitet, ist durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert. Tritt die Arbeitsunfähigkeit im Juli oder August ein, besteht kein Anspruch auf einen Tagesdurchschnitt, da das Arbeitsverhältnis noch keinen vollen Kalendermonat bestanden hat.
Tritt die Arbeitsunfähigkeit im September ein, ist Ersatzberechnungszeitraum der Kalendermonat August. Der Tagesdurchschnitt für die Entgeltfortzahlung ergibt sich, indem die Summe der zu berücksichtigenden unständigen Entgeltbestandteile, die im Kalendermonat August 2006 entstanden sind, pauschal mit 1/22 – der durchschnittlichen Zahl von Arbeitstagen im Kalendermonat – multipliziert wird. Weitere Zahlungsansprüche bei Arbeitsunfähigkeit Bei Arbeitsunfähigkeit besteht nach Ablauf der Entgeltfortzahlungsfrist unter Umständen Anspruch auf Krankengeldzuschuss. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Kapitel 13 verwiesen.
10.1.12Das Jubiläumsgeld Treue
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Mit der Zahlung des Jubiläumsgeldes wird die vom Beschäftigten erwiesene Treue belohnt. Beschäftigte erhalten gemäß § 23 Abs. 2 TVöD ein Jubiläumsgeld • nach 25-jähriger Beschäftigungszeit i.H.v. 350 Euro, • nach 40-jähriger Beschäftigungszeit i.H.v. 500 Euro. Teilzeitbeschäftigte erhalten das Jubiläumsgeld in voller Höhe (§ 23 Abs. 2 Satz 2 TVöD).
Wie ist der tarifliche Stand?
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Jubiläumsgelder sind lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtiger Arbeitslohn, jedoch kein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt (Anlage 3 S. 1 Buchst f ATV-K bzw. Anlage 3 S. 1 Nr. 9 ATV Bund/Land). Tipp Neben dem Jubiläumsgeld hat der Beschäftigte beim Arbeitsjubiläum Anspruch auf einen Tag Arbeitsbefreiung.
Entscheidend ist lediglich der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Jubiläumszeit. Beispiel: Auch Beschäftigte, die sich zum Zeitpunkt des Jubiläums in Elternzeit oder Sonderurlaub befinden oder deren Arbeitsverhältnis wegen einer befristeten Erwerbsminderungsrente ruht, Anspruch auf das Jubiläums geld. Das Jubiläumsgeld ist nach Vollendung der erforderlichen Jubilä umszeit (und nicht erst nach Ablauf der Beurlaubung) zu zahlen.
Bestehen Spielräume für betriebliche Regelungen? Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung können – im Bereich der VKA – günstigere Regelungen getroffen werden. Damit können • die Dauer der für die Zahlung des Jubiläumsgeldes notwendigen Beschäftigungszeit verkürzt und/oder • der zu zahlende Betrag erhöht werden. Abweichungen zu Ungunsten der Beschäftigten sind dagegen nicht zulässig. Für den Bund sieht der TVöD eine Öffnungsklausel für abweichende Regelungen der Betriebspartner nicht vor. Die für das Jubiläumsgeld maßgebliche Beschäftigungszeit Der Anspruch auf Zahlung eines Jubiläumsgeldes richtet sich nach der „Beschäftigungszeit“ im Sinne des § 34 Abs. 3 TVöD. Erfasst sind die in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegten Zeiten bei demselben Arbeitgeber sowie Zeiten bei näher definierten anderen Arbeitgebern. Achtung: Bei der Beschäftigungszeit werden nur Zeiten in einem „Arbeitsverhält nis“ angerechnet. Zeiten in einem Beamtenverhältnis oder Ausbildungs zeiten werden nach dem TVöD nicht als Beschäftigungszeit anerkannt!
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Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
Zeiten einer Teilzeitbeschäftigung sind in vollem Umfang auf die Beschäftigungszeit anzurechnen. Tipp Mit Ausnahme des Sonderurlaubs werden auch Zeiten ohne Arbeitslei stung als Beschäftigungszeit anerkannt. Entscheidend ist allein der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses.
Anzurechnen sind damit insbesondere: • Zeiten eines Beschäftigungsverbots nach dem MuSchG, • die Elternzeit, • Ruhenszeiträume wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, • Zeiten des Erholungsurlaubs, • Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, selbst wenn die Frist für die Entgeltfortzahlung oder Zahlung des Krankengeldzuschusses bereits abgelaufen ist, • Zeiten eines Grundwehr-/Zivildienstes bei Einziehung aus dem laufenden Arbeitsverhältnis. Zeiten eines Sonderurlaubs nach § 28 TVöD – der aus wichtigem Grund unter Verzicht auf die Entgeltfortzahlung gewährt werden kann – bleiben bei der Berechnung der Beschäftigungszeit grundsätzlich unberücksichtigt (§ 34 Abs. 3 Satz 2 TVöD). Beispiel: Eine Beschäftigte hat zur Betreuung ihrer schwerstpflegebedürftigen Mutter sechs Monate unbezahlten Sonderurlaub erhalten. Die vor Be ginn und nach Ende des Sonderurlaubs liegenden Zeiten werden als Beschäftigungszeit anerkannt.
Die Zeit eines Sonderurlaubs wird ausnahmsweise auf die Beschäftigungszeit angerechnet, wenn der Arbeitgeber vor Antritt des Sonderurlaubs schriftlich ein dienstliches oder betriebliches Interesse anerkannt hat. Nach § 34 Abs. 3 Satz 1 TVöD werden als Beschäftigungszeit auch Zeiten in einem früheren Arbeitsverhältnis angerechnet. Das Arbeitsverhältnis muss nicht „ununterbrochen“ bestanden haben.
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Wie ist der tarifliche Stand?
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Tipp Im Gegensatz zu der bis 30.09.2005 im Tarifrecht des öffentlichen Dienstes gültigen Regelung ist dabei unerheblich, aus welchem Grund (Befristung, Auflösungsvertrag, Kündigung) der Mitarbeiter aus dem früheren Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.
Werden Zeiten bei anderen Arbeitgebern angerechnet? Eines der großen Ziele der Neugestaltung des Tarifrechts für den öffentlichen Dienst war die Lösung des Tarifrechts für die Beschäftigten von den beamtenrechtlichen Regelungen und der Anknüpfung an den Begriff des „öffentlichen Dienstes“. Insoweit konsequent hat man auch den Begriff der „Dienstzeit“ aus dem bis 30.09.2005 im Tarifgebiet West gültigen BAT nicht in den TVöD übernommen. Dennoch wurde erneut eine Regelung zur Anrechnung von Vorzeiten bei anderen Arbeitgebern aufgenommen. „Wechseln Beschäftigte zwischen Arbeitgebern, die vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfasst werden, werden die Zeiten bei dem anderen Arbeitgeber als Beschäftigungszeit anerkannt“(§ 34 Abs. 3 S. 3 TVöD). Achtung: Nach § 1 TVöD gilt dieser Tarifvertrag grundsätzlich nur für Beschäftig te, die in einem Arbeitsverhältnis stehen • zum Bund oder • zu einem Arbeitgeber, der Mitglied eines kommunalen Arbeitgeber verbandes ist, welcher der VKA angehört.
Nicht dem Geltungsbereich des TVöD unterliegen z. B. • sog. TVöD-Anwender, die den Tarifvertrag nur schuldrechtlich, aufgrund Vereinbarung im Arbeitsvertrag anwenden, • Einrichtungen, die „BAT-ähnliche“ Tarifverträge anwenden, wie z.B. den DRK-TV, den BG-AT, • Einrichtungen, die Allgemeinen Vertragsrichtlinien unterliegen, wie z. B. AVR Caritas, AVR Diakonie, BAT-KF. Vorzeiten bei solchen Arbeitgebern werden nicht als Beschäftigungszeit anerkannt! Ein „Wechsel“ zwischen zwei Arbeitgebern liegt nur vor, wenn der Beschäftigte tatsächlich von dem einen zu dem anderen TVöD-
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Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
Arbeitgeber überwechselt. Der Begriff „Wechseln“ wird definiert als ein „Sichablösen“, eine „Änderung“.116 Beispiel: • Tritt der Mitarbeiter zunächst in ein Arbeitsverhältnis zu einem Ar beitgeber ein, der nicht dem TVöD unterliegt, und wechselt er dann von diesem „Nicht TVöD Arbeitgeber“ wieder in den Tarifbereich, so werden Vorzeiten nicht angerechnet. • Ist der Mitarbeiter zunächst arbeitslos, liegt ein „Wechsel“ ebenfalls nicht vor. Das frühere Arbeitsverhältnis wird durch die Arbeitslosig keit und nicht durch das neue Beschäftigungsverhältnis abgelöst.
Auch „bei einem Wechsel von einem anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber“ werden die Vorzeiten als Beschäftigungszeit anerkannt (§ 34 Abs. 3 Satz 4 TVöD). Achtung: Damit werden auch Zeiten bei einer öffentlich rechtlichen Einrichtung, die nicht dem TVöD unterliegt, auf die Beschäftigungszeit angerechnet. Erfasst werden z. B. Zeiten beim Land, bei einer Landesärztekammer, Architektenkammer – und zwar unabhängig davon, ob diese Einrichtung den TVöD, den BAT oder sonstige arbeitsrechtliche Regelung anwendet! § 34 Abs. 3 Satz 4 TVöD verlangt nicht, dass diese Einrichtungen den TVöD anwenden oder sogar Mitglied im KAV sind. Allein entscheidend ist die öffentlich rechtliche Rechtsform!
Die Bestimmung greift jedoch nur ein, wenn sowohl der bisherige als auch der neue Arbeitgeber in öffentlich-rechtlicher Rechtsform 117 geführt wird. Eine Anrechnung nach dieser Vorschrift erfolgt also nicht, wenn der Mitarbeiter von einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung zu einem Arbeitgeber in privater Rechtsform wechselt. In diesem Fall greift jedoch unter Umständen die Anrechnungsvorschrift des § 34 Abs. 3 Satz 3 – Zeiten bei einem anderen „TVöD-Arbeitgeber“ – ein.
116 117
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vgl. Der Große DUDEN, Stilwörterbuch. BAG, Urt. v. 24.01.2001 – 10 AZR 90/00
Wie ist der tarifliche Stand?
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Tipp Zeiten bei anderen Arbeitgebern werden jedoch nicht bei Berechnung der Kündigungsfrist oder Feststellung der sog. Unkündbarkeit aner kannt.
Gelten für übergeleitete Beschäftigte Besitzstandsregelungen? Nach § 14 Abs. 1 und 2 TVÜ werden für die Dauer des über den 30. September 2005 hinaus fortbestehenden Arbeitsverhältnisses für den Anspruch auf das Jubiläumsgeld bis zum 30. September 2005 zurückgelegten Zeiten, die nach Maßgabe • des BAT bzw. BMT-G anerkannte Dienstzeit, • des BAT/BAT-O, BMT-G-O bzw. MTArb-O anerkannte Beschäftigungszeit, • des MTArb anerkannte Jubiläumszeit sind, als Beschäftigungszeit im Sinne des § 34 Abs. 3 TVöD berücksichtigt. Achtung: Übergeleitete Beschäftigte genießen somit für die Berechnung der Ju biläumszeit Besitzstand.
10.1.13Sterbegeld Das Sterbegeld soll den Hinterbliebenen des verstorbenen Beschäftigten die Umstellung der Lebensführung erleichtern. Damit sollen sie sich besser auf die nach Wegfall des Einkommens des Verstorbenen veränderten Verhältnisse einstellen können. Bezüglich der Gewährung eines Sterbegeldes ist zwischen dem Bund und dem Bereich der VKA zu unterscheiden. • Nur für den Bund gilt § 23 Abs. 3 TVöD uneingeschränkt. • Für den Bereich der VKA können „betrieblich eigene Regelungen“ getroffen werden (§ 23 Abs. 3 Satz 4 TVöD). Achtung: Arbeitgeber, die den TVöD VKA anwenden, können eigene Regelungen z. B. zur Höhe und zum Berechtigtenkreis des Sterbegeldes vereinbaren. Auch ist es zulässig, die Zahlung eines Sterbegeldes betrieblich ganz auszuschließen. Erlässt der Betrieb/die Einrichtung keine betrieblichen Regelungen, findet § 23 Abs. 3 TVöD Anwendung.
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Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
Anspruch auf Sterbegeld steht zu, wenn der Beschäftigte in einem Arbeitsverhältnis stand und das Arbeitsverhältnis beim Tod des Beschäftigten nicht geruht hat – beispielsweise wegen des Bezugs einer befristeten Erwerbsminderungsrente. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses ist unerheblich. Berechtigt sind ausschließlich folgende Angehörige: • die Ehegattin/der Ehegatten, • die Lebenspartnerin/der Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes oder • die Kinder des Beschäftigten. Das Sterbegeld sind Bezüge des „Sterbegeldempfängers“, nicht des Verstorbenen. Aus diesem Grund muss für die Auszahlung des Sterbegeldes die Steuerkarte des Berechtigten, ggf. eine zweite Steuerkarte mit Steuerklasse VI, vorliegen! Die Zahlung des Sterbegeldes an einen der Berechtigten bringt den Anspruch der Übrigen gegenüber dem Arbeitgeber zum Erlöschen. Beispiel: Der Arbeitgeber kann das Sterbegeld an die ihm bekannte Ehefrau des Beschäftigten zahlen. Auch ist eine Zahlung an denjenigen zulässig, der den Anspruch als erstes geltend macht. Achtung: Auch die Zahlung des Sterbegeldes auf das Gehaltskonto hat befreiende Wirkung (§ 23 Abs. 3 Satz 3 TVöD).
Das Sterbegeld richtet sich nach dem Tabellenentgelt des Beschäftigten. Als Sterbegeld wird das Tabellenentgelt der/des Verstorbenen • für die restlichen Tage des Sterbemonats und • in einer Summe – für zwei weitere Monate gezahlt.
10.1.14Die betriebliche Altersversorgung Die Beschäftigten haben nach § 25 TVöD Anspruch auf Versicherung unter eigener Beteiligung zum Zwecke einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung. Die Einzelheiten sind im Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung – Altersvorsorge-TV-Kommunal (ATV-K) bzw. beim Bund ATV geregelt.
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
In der Regel erfolgt die Versicherung bei der Zusatzversorgungskasse des für den Arbeitgeber zuständigen Kommunalen Versorgungsverbandes oder bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) in Karlsruhe. Die Höhe der betrieblichen Altersversorgung bemisst sich nach Versorgungspunkten, die aus dem zusatzversorgungspflichtigen Entgelt des Beschäftigten ermittelt werden. Welche Entgeltbestandteile zusatzversorgungspflichtig sind, ist im Einzelnen in einer Anlage zum ATV-K bzw. ATV geregelt. Die Zusatzversorgungskassen erheben zur Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung Umlagen – die teilweise auch vom Beschäftigten zu leisten sind – sowie Sanierungsgelder, die der Finanzierung von Deckungslücken aus dem früheren Gesamtversorgungssystem dienen.
10 Versorgungs punkte
Achtung: Trotz der 2001 erfolgten Umstellung der Zusatzversorgung des öffentli chen Dienstes weg von der Gesamtversorgung hin zu einem Betriebs rentenmodell beruht die Finanzierung der Betriebsrenten über die Zu satzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes noch weit überwie gend auf dem der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbaren Um lageverfahren. Die von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern heute zu leistenden Umlagen dienen der Finanzierung der heute zu zahlenden Altersversorgungen. Erst sehr langfristig wird eine Umstellung auf ein kapitalgedecktes Beitragssystem möglich sein.
10.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile? Das Entgeltsystem des TVöD ist erheblich übersichtlicher und einfacher gestaltet als die Vergütungsregelungen der bis 30.09.2005 anzuwendenden Tarifverträge des öffentlichen Dienstes (BAT/BAT-O, BMT-G/BMT-G-O/MTArb). Wesentliche Vorteile des neuen Tarifrechts sind: • Der TVöD unterscheidet weitgehend nicht mehr zwischen Angestellten und Arbeitern. Es gibt eine einheitliche Entgelttabelle.
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10 Alimentations prinzip
Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD? •
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Das aus dem Beamtenrecht stammende Alimentationsprinzip wurde aufgegeben. Insbesondere ist die Anknüpfung der Vergütung an das Lebensalter des Beschäftigten sowie an Familienstand und Kinderzahl entfallen. Einer weiteren Ausgliederung von Servicebereichen aus dem öffentlichen Dienst soll entgegengewirkt werden durch Einführung einer neuen Entgeltgruppe 1 für einfachste Tätigkeiten (siehe Kapitel 2) und einer Öffnungsklausel für tarifliche Regelungen zur Absendung der Entgelte im Bereich der un-/angelernten Tätigkeiten. Die Entgelte für junge ledige Beschäftigte sind attraktiver ausgestaltet. Um die Finanzierbarkeit des Systems zu sichern, wurden die Entgelte in den Endstufen gegenüber den bisherigen Vergütungen abgesenkt (Prinzip der Wippe). Der Aufstieg in den Entgeltstufen richtet sich nach der Berufserfahrung bzw. Tätigkeit in der Entgeltgruppe. Neu eingeführt wurden leistungsorientierte Elemente, die mehr Flexibilität in der Bezahlung der Beschäftigten ermöglichen: − So kann der Aufstieg in den Entgeltstufen leistungsorientiert beschleunigt oder gehemmt werden. − Ab 2007 setzt die verpflichtende Zahlung der Leistungsentgelte ein. Entsprechend den Regelungen im BUrlG und im EFZG knüpft die Entgeltfortzahlung bezüglich der unständigen Entgeltbestandteile an die letzten drei Monate an. Überstundenvergütungen werden – entgegen der Regelung im BAT/BMT-G usw. – nicht mehr berücksichtigt. Die Regelungen zur Jahressonderzahlung wurden gegenüber dem bisherigen Tarifrecht erheblich vereinfacht. Den Einmalzahlungen – für die Jahre 2005 bis 2007 an Stelle einer prozentualen Entgelterhöhung vereinbart – kommt eine Tabellenwirksamkeit nicht zu. Sie wirken sich bei der Bemessung sonstiger Tarifleistungen nicht aus. Die ungewöhnlich lange Laufzeit von 35 Monaten ist wegen der sich daraus ergebenden Planungssicherheit sowohl für die Aufstellung der kommunalen Haushalte als auch für die Wirtschaftsplanung kommunaler Unternehmen vorteilhaft.
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
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Neu eingeführt wurde die „Faktorisierung“, die Umrechnung von Zeitzuschlägen in Zeitguthaben, wobei die Entscheidung jedoch regelmäßig beim Beschäftigten – nicht beim Arbeitgeber – liegt. Kritisch zu beleuchten sind folgende Punkte: • Die neue „Entgeltordnung“ – das neue Eingruppierungsrecht im öffentlichen Dienst – muss noch abschließend verhandelt werden und wird frühestens Mitte 2007 bzw. zum 1.1.2008 in Kraft treten. In der Übergangsphase ist das bisherige höchst komplizierte Eingruppierungsrecht des BAT/der Lohngruppenverzeichnisse der Arbeiter weiterhin anzuwenden. • Es bestehen nach wie vor unterschiedliche Entgelttabellen: Zum 118 einen für Bund und VKA , zum anderen – aufgrund der abgesenkten Entgelte im Tarifgebiet Ost – für das Tarifgebiet West und Ost. • Die neue Entgelttabelle enthält – abgesehen von Stufe 1 – keinen logischen Aufbau. Sie verläuft weder in den Stufen noch in den Abständen zur nächst höheren Entgeltgruppe gleichmäßig. Jeder Entgeltwert wurde separat und unabhängig von den anderen Werten ausgehandelt, wobei eine Orientierung am durchschnittlichen Lebenserwerbseinkommens im Vergleich zum bisher geltenden Tarifrecht erfolgte. • Um bei Höhergruppierungen eine Entgelterhöhung zu sichern, mussten Garantiebeträge eingeführt werden. • Die Überleitung der Beschäftigten in den neuen Tarifvertrag gestaltet sich – z. B. aufgrund der unterschiedlichen Überleitungsregelungen für Angestellte und Arbeiter – höchst kompliziert. • Zum Ausgleich wegfallender Vergütungserwartungen wurden Strukturausgleichszahlungen eingeführt, die die Alimentationsgrundsätze des früheren BAT festschreiben bis der letzte unter BAT-Geltung eingestellte Mitarbeiter aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet und sei es durch Erreichen der Altersgrenze. • Im Rahmen der Besitzstandsregelungen werden kindergezogene Entgeltbestandteile noch auf Jahre hinaus weitergezahlt, so dass
118
Dies war insbesondere notwendig, um deutliche Kostensteigerungen beim Bund zu vermeiden. Die Vergütungstabelle BAT-Bund lag unter VKA-Niveau.
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•
•
die aufwändigen Kontrollmechanismen zumindest bezüglich des Anspruchs auf Kindergeld auch in Zukunft umzusetzen sind. Nicht eindeutige Formulierungen im Tariftext – z. B. zur Vergütung bei Rufbereitschaft – und Unklarheiten z. B. beim kinderbezogenen Besitzstand führen zu erheblichen Verwirrungen in der betrieblichen Praxis. Bei den Zulagen herrscht ein nur schwer zu durchschauendes Nebeneinander von TVöD-Regelungen und weitergeltenden Regelungen des bisherigen Tarifrechts. Erst im Zusammenhang mit dem Erlass der neuen Entgeltordnung wird endgültig über das Schicksal bestimmter Zulagen entschieden werden. Auch muss über das Weitergelten bzw. eine Anpassung bezirklicher Tarifregelungen noch entschieden werden.
10.3 Wege der betrieblichen Umsetzung Grundsätzlich hat der Arbeitgeber im Rahmen der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht die Entgeltbestandteile korrekt festzusetzen. Es bedarf keines „Antrags“ des Beschäftigten. Lediglich für die vermögenswirksamen Leistungen muss der Beschäftigte aktiv werden.
10.3.1 Ist der Betriebs/Personalrat zu beteiligen? Soweit die Entgelte tariflich abschließend geregelt sind, bestehen keine Mitbestimmungsrechte des Betriebs-/ Personalrats. Eine Ausnahme bildet die Festsetzung der leistungsorientierten Entgeltbestandteile. Der Betriebs-/Personalrat hat jedoch im Rahmen seiner allgemeinen Aufgaben die Verpflichtung, die Einhaltung der Tarifverträge zu kontrollieren und kann Fehler beim Arbeitgeber beanstanden. Auch kann sich ein Beschäftigter beim Betriebs-/Personalrat beschweren, der Betriebs-/Personalrat muss sich dann mit der Beschwerde befassen und im Falle der Berechtigung der Beschwerde beim Arbeitgeber auf Abhilfe drängen. Ansprüche einzelner Beschäftigter kann er jedoch nicht wirksam geltend machen.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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10.3.2 Was gilt für das Entgelt bei Teilzeitarbeit? Nach § 24 Abs. 2 TVöD erhalten Teilzeitbeschäftigte – soweit tarifvertraglich nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist – das Tabellenentgelt (§ 15) und alle sonstigen Entgeltbestandteile anteilig. Ausgezahlt wird der Anteil, der dem Verhältnis der individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht. Tipp Damit sind Teilzeitbeschäftigte, auch 400 EUR Kräfte – wie Vollzeitmit arbeiter – in die Entgeltgruppen und Entgeltstufen des TVöD einzuord nen. Auch stehen ihnen alle sonstigen Tarifleistungen anteilig zu.
Bezüglich der tariflichen Sonderregelungen für Teilzeitbeschäftigte (z. B. volle Zahlung des Jubiläumsgeldes) wird auf die Ausführungen zu den jeweiligen Entgeltbestandteilen verwiesen.
10.3.3 Wie wird der auszuzahlende Betrag berechnet? Das Tabellenentgelt und die sonstigen ständigen Entgeltbestandteile – z. B. kinderbezogener Besitzstand, Zulagen, Strukturausgleichsbeträge – werden für den Kalendermonat bemessen und ausbezahlt. Besteht nicht für alle Tage eines Kalendermonats Anspruch auf Entgelt, so wird nur der „auf den Anspruchszeitraum“ entfallende Teil gezahlt. Bei der Berechnung des anteiligen Entgelts werden die Kalendertage mit Anspruch auf Entgelt ins Verhältnis gesetzt zu der Zahl der Kalendertage des jeweiligen Kalendermonats (§ 24 Abs. 3 Satz 1 TVöD). Beispiel: Der Beschäftigte wird am 15. Oktober 2006 neu eingestellt. Er hat An spruch auf 17/31 des monatlichen Entgelts.
Die Berechnungsmethode findet auch Anwendung, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für eine Zulage im Laufe eines Kalendermonats wegfallen (§ 24 Abs. 5 TVöD).
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Beispiel: Dem Beschäftigten wurde vorübergehend eine höherwertige Tätigkeit übertragen, die Anspruch auf eine Zulage nach § 14 Abs. 3 TVöD be gründet. Die Übertragung endet am 27. April 2007. Von der Zulage werden für April 27/30 ausbezahlt.
Bei der Entgeltberechnung sind Bruchteile entsprechend den allgemeinen mathematischen Grundsätzen auf- und abzurunden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, jeden Entgeltbestandteil vor der Addition gesondert zu runden (§ 24 Abs. 4 TVöD).
10.3.4 Wann ist Zahltag im TVöD? Zahltag ist der Monatsletzte (§ 24 Abs. 1 TVöD). Der Beschäftigte ist verpflichtet, ein Gehaltskonto im Inland oder innerhalb der Europäischen Union einzurichten. Der Arbeitgeber hat das Entgelt so rechtzeitig zu überweisen, dass der Beschäftigte am Zahltag darüber verfügen kann. Achtung: Das Entgelt muss am Zahltag (am letzten Tag eines jeden Monats) dem Konto des Beschäftigten gutgeschrieben sein! Wird das Entgelt nicht rechtzeitig gezahlt, so kann der Beschäftigte Verzugszinsen und Ersatz des sog. Verzugsschadens verlangen.
Fällt der Zahltag auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlich Feiertag, so ist das Gehalt am nächsten Werktag fällig (§ 193 BGB). Tipp: Zahlt die Einrichtung die Entgelte – entsprechend der bis Januar 2003 im BAT/BAT O usw. vorgesehenen Regelung – noch am 15. eines jeden Monats, so kann die Umstellung des Zahltags vom 15. auf den Mo natsletzten nur im Monat Dezember eines Kalenderjahres erfolgen.
10.3.5 Was gilt bei unständigen Entgeltbestandteilen? Am Tag der Zahlungsanweisung für das monatliche Entgelt steht häufig noch nicht fest, ob und wie viele Überstunden, Samstags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit, Bereitschaftsdienste und Rufbereit-
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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schaften etc. vom Beschäftigten im laufenden Kalendermonat geleistet werden. Deshalb sind die unständigen Entgeltbestandteile zeitversetzt auszuzahlen. Achtung: „Entgeltbestandteile, die nicht in Monatsbeträgen festgelegt sind, ... sind am Zahltag des zweiten Kalendermonats, der auf ihre Entstehung folgt, fällig.“ (§ 24 Abs. 1 Satz 3 TVöD). Die nicht in Monatsbeträge festgelegten Entgeltbestandteile, insbeson dere Zeitzuschläge, sowie der für die Entgeltfortzahlung bei Urlaub und Krankheit maßgebende Tagesdurchschnitt der unständigen Entgeltbe standteile entstehen zwar im Monat der Ableistung der Dienste, sie wurden jedoch erst im übernächsten Monat nach Ableistung ausbe zahlt. Beispiel: Die Zeitzuschläge für im Januar geleistete Sonntags , Nacht und Fei ertagsarbeit sind mit dem Entgelt für den Monat März fällig. Gleiches gilt für die Überstundenzuschläge.
Steuer und sozialversicherungsrechtliche Aspekte Zeitzuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind in bestimmtem Umfang steuerfrei (§ 3b EStG). Tipp § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d) TVöD sieht für Arbeit an Wochenfeiertagen bei Freizeitausgleich einen Zeitzuschlag von 35 %, ohne Freizeitaus gleich einen Zeitzuschlag von 135 % vor. Der „Zeitzuschlag” von 135 % setzt sich zusammen aus • 100 % „Auszahlung” des nicht gewährten Freizeitausgleichs • und lediglich 35 % echtem „Zuschlag”. 119 Nach den Lohnsteuerrichtlinien (R 30 zu § 3b EStG ) ist die „Barab geltung” eines Anspruchs auf Freizeitausgleich in vollem Umfang steu erpflichtig. Damit müssen von dem Feiertagszuschlag in Höhe von 135 % jeweils 100 % voll versteuert werden. Lediglich 35 % – der ei gentliche „Zuschlag” – darf lohnsteuerfrei ausgezahlt werden!
119
Rundschreiben des BMF v. 16.01.1999 – IV C 5 – S 2343 – 02/99.
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10 Zuflussprinzip
Entstehungs prinzip
Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
Die unständigen Entgeltbestandteile werden steuerrechtlich dem Auszahlungsmonat, nicht dem Monat der tatsächlichen Arbeitsleistung, zugeordnet (Zuflussprinzip)) . Die arbeitsrechtlich zeitversetzte Auszahlung von unständigen Entgeltbestandteilen kollidiert grundsätzlich mit dem sozialversicherungsrechtlichen Entstehungsprinzip (§ 22 Abs. 1 SGB IV). Danach ist unabhängig von der Frage, ob arbeitsrechtlich abweichende Fälligkeitsregelungen bestehen, der Beitragsanspruch in dem Monat 120 fällig, in dem der Anspruch dem Grunde nach „erarbeitet” wurde. Sozialversicherungsrechtlich gesehen hätte dies zur Folge, dass die Beitragsschuld aus den arbeitsrechtlich verzögert fälligen unständigen Entgeltbestandteilen nachträglich dem Monat zuzuordnen wären, in dem sie tatsächlich entstanden sind. Es müsste also bei unständigen Bezügen Monat für Monat beitragsrechtlich eine Rückrechnung auf vergangene, bereits abgewickelte Lohnabrechnungszeiträume erfolgen. Die Spitzenverbände haben allerdings schon im Jahr 1979 in einem 121 gemeinsamen Rundschreiben zugelassen, dass unständige Entgeltbestandteile beitragsrechtlich dem „nächsten oder übernächsten” Lohnabrechnungszeitraum zugerechnet werden können. Tipp Nach dem gemeinsamen Rundschreiben der Sozialversicherungsträger vom 12.08.2005 ist es auch weiterhin zulässig, variable Entgeltbe standteile, die im nächsten oder übernächsten Monat abgerechnet wer den – wie bisher – dem Abrechnungsmonat zuzuordnen. Sofern variable Arbeitsentgeltbestandteile zeitversetzt gezahlt werden und dem Arbeit geber eine Berücksichtigung dieser Arbeitsentgelte bei der Beitragsbe rechnung für den Monat, in dem sie erzielt wurden, nicht möglich ist, können diese zur Verbeitragung dem Arbeitsentgelt des Zahlungs / Fäl ligkeitsmonats hinzugerechnet werden.
Können unständige Entgeltbestandteile pauschaliert werden? § 24 Abs. 6 TVöD lässt eine Pauschalierung von unständigen Entgeltbestandteilen, wie z. B. Zeitzuschlägen und Erschwerniszuschlä120 121
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BSG, Urt. v. 25.09.1981 – 12 RK 58/80; 21.05.1996 – 12 RK 64/94. Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen des VDR und der BA vom 16/17.1.1979.
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gen zu. Auch Bereitschaftsdienst- oder Rufbereitschaftsvergütungen können pauschaliert werden, denn auch hier handelt es sich um „neben dem Tabellenentgelt zustehende Entgeltbestandteile“. Tipp Die Pauschalierung bedarf einer einzelvertraglichen Regelung. Beide Arbeitsvertragsparteien – Arbeitgeber und Beschäftigter – müssen ein verstanden sein. Die Pauschalierung erfolgt regelmäßig in Form einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag, die einer – vom Arbeitsvertrag unab hängigen – gesonderten Kündigungsmöglichkeit unterworfen werden kann (§ 2 Abs. 3 TVöD).
Eine Pauschalierung allein durch Betriebs-/Dienstvereinbarung genügt den Anforderungen des § 24 Abs. 6 TVöD nicht! Jeder einzelne Beschäftigte kann damit selbst entscheiden, ob er einer Pauschalierung der genannten Entgeltbestandteile zustimmt oder eine sog. Spitzabrechnung vorzieht. Umrechnung unständiger Entgeltbestandteile in Zeitguthaben Nach § 8 Abs. 1 Satz 4 TVöD können die Zeitzuschläge auf Wunsch des Beschäftigten in Zeit umgewandelt und ausgeglichen werden. Dies gilt entsprechend für Über- oder Mehrarbeitsstunden als solche (§ 8 Abs. 1 Satz 5 TVöD). Voraussetzung für die Faktorisierung ist, dass • ein Arbeitszeitkonto im Sinne des § 10 TVöD eingerichtet ist und • die betrieblichen/dienstlichen Verhältnisse die Faktorisierung zulassen. Im Falle der Faktorisierung von Überstunden werden gutgeschrieben für die geleistete Stunde als solche 60 Minuten und hinsichtlich des Zeitzuschlags • in den Entgeltgruppen 1 – 9: 18 Minuten/geleisteter Überstunde • in den Entgeltgruppen 10 – 15: 9 Minuten/geleisteter Überstunde. Im Falle der Faktorisierung von Zeitzuschlägen werden die Zuschläge entsprechend dem jeweiligen Prozentsatz einer Stunde in Zeit umgewandelt und durch Freizeit ausgeglichen.
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Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
Bei der Umwandlung ergeben sich folgende Zeitgutschriften (pro voller Stunde): Zeitzuschlag
Zuschlagshöhe
Zeitgutschrift in Minuten
Nachtarbeit
20 %
12
Sonntagsarbeit
25 %
15
Feiertagsarbeit ohne Freizeitausgleich mit Freizeitausgleich
135 % 35 %
81 21
Heiligabend und Silve ster
35 %
21
Samstagsarbeit
20 %
12
Angefangene Stunden sind jeweils mit dem entsprechenden Anteil zu berücksichtigen. Tipp Die Entscheidung, ob die Zeitzuschläge faktorisiert oder ausbezahlt werden, liegt vom Grundsatz her allein beim Beschäftigten. Nur wenn „die betrieblichen/dienstlichen Verhältnisse” einer Umwandlung in Frei zeit entgegenstehen oder ein Arbeitszeitkonto i.S. d. § 10 TVöD nicht eingerichtet ist, kann der Arbeitgeber die Faktorisierung ablehnen.
10.3.6 Ist die Abrechnung dem Beschäftigten auszuhändigen? § 108 Gewerbeordnung verpflichtet den Arbeitgeber, dem Beschäftigten eine Abrechnung des Arbeitsentgelts in Textform zu erteilen. Die Abrechnung muss mindestens Angaben enthalten über • den Abrechnungszeitraum und • die Zusammensetzung des Arbeitsentgelts (insbesondere Angaben über Art und Höhe der Zuschläge, Zulagen, sonstige Vergütungen, Art und Höhe der Abzüge, Abschlagszahlungen). Tipp Die Verpflichtung zur Abrechnung entfällt, wenn sich die Angaben ge genüber der letzten Abrechnung nicht geändert haben.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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10.3.7 Wie kann der Beschäftigte reagieren? Ist der Beschäftigte der Auffassung, ihm stünde ein höheres Entgelt zu, so muss er seine Entgeltansprüche zunächst innerhalb der Ausschlussfrist (Einzelheiten unten) gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend machen. Im Falle der Ablehnung muss er ggf. gerichtliche Schritte in Betracht ziehen.
10.3.8 Was gilt bei Entgeltüberzahlungen? Stellt der Arbeitgeber fest, dass einem Beschäftigten zuviel Entgelt ausgezahlt wurde, so muss er seinen Rückzahlungsanspruch innerhalb der Ausschlussfrist (Einzelheiten hierzu unten) gegenüber dem Beschäftigten schriftlich geltend machen und im Falle der Nichtrückzahlung ggf. einklagen. Der Anspruch auf Rückzahlung ergibt sich aus §§ 812 ff. BGB (ungerechtfertigte Bereicherung). Dem Anspruch des Arbeitgebers auf Rückzahlung kann der Beschäftigte unter Umständen die Einrede des Wegfalls der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) entgegenhalten. Eine Rückzahlungspflicht entfällt, wenn der Beschäftigte zum Zeitpunkt des Rückzahlungsverlangens nicht mehr um den überzahlten Betrag bereichert ist. Hierfür ist grundsätzlich der Beschäftigte darlegungs- und beweispflichtig. Beruft sich der Beschäftigte auf Entreicherung, so hat die Rechtsprechung zu seinen Gunsten Beweiserleichterungen aner122 kannt.
Rückzahlungs anspruch
Tipp Nehmen Sie in den Arbeitsvertrag eine vertragliche Rückzahlungsklau sel auf. Hier kann der Beschäftigte den Einwand der Entreicherung nicht entgegenhalten!
10.3.9 Welche Ausschlussfristen sind zu beachten? § 37 TVöD legt fest, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden müssen. Nach Ablauf der Frist erlischt der Anspruch. Hierin besteht der wesentliche Unterschied zur Verjährung. 122
BAG, Urt. v. 12.01.1994 – 5 AZR 597/92.
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Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
Welche Ansprüche fallen unter die Ausschlussfrist? Grundsätzlich werden alle Ansprüche erfasst, die in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen. Dazu gehören neben den tarif- und einzelvertraglichen auch gesetzliche Ansprüche. Entscheidend für die Einbeziehung ist die enge Verknüpfung eines Lebensvorganges mit dem Arbeitsverhältnis. Tipp Ob ein Anspruch zum Arbeitsverhältnis zu zählen ist, ergibt sich bereits aus den Umständen. Dennoch sollte immer auf eine deutliche Trennung der Rechtgeschäfte geachtet werden. So sollte die Abwicklung eines Kaufvertrages nicht über die Entgeltabrechnung erfolgen.
Von der Ausschlussfrist können beide Vertragsparteien gleichermaßen betroffen sein. Es gelten in allen Fällen die gleichen Voraussetzungen. Beispiel: Arbeitgeberforderungen • Erstattung zu Unrecht gezahlter Entgelte, Entgeltbestandteile, Ent geltfortzahlungen oder Sonderzahlungen, • Erstattung von Lohnsteuerzahlungen, • Schadensersatzansprüche (z. B. auch aus unerlaubter Handlung), • Erstattung von Ausbildungskosten, • Entgeltvorschüsse und Darlehen, wenn das Darlehen im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis und für dessen Zweck gewährt wurde, • Dienstwohnungsvergütung, • Erstattung einer Aufwandsentschädigung.
Den Beschäftigten wird es in vielen Fällen schwerfallen, festzustellen, ob eine Zahlung korrekt berechnet wurde. Nichtwissen schützt jedoch nicht vor dem Ausschluss nach § 37 TVöD. Tipp Bestehen Zweifel an einem Anspruch, sollte unverzüglich eine Klärung durch den Arbeitgeber verlangt werden. Erfolgt diese nicht zufriedenstellend, muss die Forderung zunächst schriftlich geltend gemacht werden, um anschließend ohne Frist eine Einigung zu erzielen oder Rechtsrat einzuholen.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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Beispiel: Arbeitnehmerforderungen • Zahlung von Entgelt, Entgeltbestandteile, Entgeltersatz oder Son derzahlungen, • Entgeltfortzahlung bei Urlaub und Krankheit, • Schadensersatzansprüche (z. B. auch wegen Verletzung der Fürsor gepflicht oder wegen Mobbing), • Zahlung von Abfindungen (z. B. auch aus einem Tarifvertrag; An sprüche aus einem Sozial oder Rationalisierungsplan fallen im Be reich des TVöD nach § 37 Abs. 2 TVöD nicht unter die Ausschluss klausel.), • Freizeitausgleich wegen Überstunden, Bereitschaftsdienst u. a. m. Erfasst wird auch der Anspruch eines Personalrats / Betriebsrats mitglieds auf Arbeitsbefreiung, • Ausstellung eines Zeugnisses sowie eine Zeugnisberichtigung.
Welche Ansprüche werden nicht erfasst? Neben den allgemeinen arbeitsrechtlichen Ansprüchen gibt es noch einige spezielle Ansprüche, die aufgrund ihrer Eigenart nicht unter eine Ausschlussfrist fallen. 1. Sozialplan (§ 37 Abs. 2 TVöD) 2. Gerichtlicher oder außergerichtlichen Vergleich Ein aufgrund des Vergleiches entstandener Anspruch, etwa auf eine Abfindungszahlung nach §§ 9, 10 KSchG, fällt nicht unter die Ausschlussklausel. 3. Betriebliche Altersversorgung (Zusatzversorgung) Von der Ausschlussklausel wird weder das Stammrecht auf Altersversorgung noch die einzelnen fälligen Rentenbeträge aus der Versorgungszusage erfasst. Nach neuerer Rechtsprechung soll jedoch der Anspruch auf Leistung aus einer betrieblichen Altersversorgung einer tariflichen Ausschlussklausel unterfallen können, wenn sich der erweiterte Geltungsbereich eindeutig und unmissverständlich aus dem Wortlaut ergibt. 4. Status- oder Daueransprüche Dazu gehören etwa die Ansprüche auf vertragsgemäße Beschäftigung oder auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte.
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Welche Entgeltbestandteile kennt der TVöD?
5. Persönlichkeitsrecht Der Schutz der Persönlichkeit kann nicht unter eine „vertragliche“ Ausschlussklausel fallen. Dazu gehört z. B. der Anspruch auf Entfernung ehrverletzender Dokumente oder Teilen davon aus der Personalakte. 6. Sozialrechtliche Ansprüche Ansprüche aus (sozial-)gesetzlicher Grundlage entstammen dem öffentlichen Recht und werden daher nicht von privatrechtlich vereinbarten Ausschlussklauseln berührt. Zu diesen Ansprüchen zählt das Kindergeld nach § 72 EStG, der Zuschuss zur Krankenversicherung nach § 257 SGB V und der Zuschuss zur Pflegeversicherung nach § 61 SGB XI. 7. Ansprüche Dritter Können Dritte eigene Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ableiten, z. B. das Sterbegeld nach § 23 Abs. 3 TVöD, fallen auch diese nicht unter die Ausschlussklausel. Nicht dazu zählen abgeleitete Ansprüche Dritter aus einer Lohnpfändung, Abtretung oder einem gesetzlichen Forderungsübergang. Beispiel: Die gesetzliche Krankenkasse macht einen nach § 115 SGB X überge gangenen Anspruch auf Zahlung von Krankenbezügen gegen den Ar beitgeber geltend. Als Ausschlussfrist gilt auch für sie die Frist, in wel cher der Angestellte seinen Anspruch hätte geltend machen müssen.
8. Einzelfälle Der Anspruch auf Urlaub (nicht Urlaubsabgeltung!) oder der Aufwendungsersatz des Betriebsrates nach § 40 BetrVG müssen nicht innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht werden. Achtung: Fällt ein Anspruch nicht unter die Ausschlussklausel, so gilt dies eben falls für einen damit verbundenen Gegenanspruch der anderen Ver tragspartei. Zahlt z. B. der Arbeitgeber einen zu hohen Zuschuss zur Krankenversicherung, so unterliegt auch der Rückzahlungsanspruch nicht der Ausschlussfrist. Dies gilt aber nur, wenn auch tatsächlich ein derartiger Anspruch besteht. Zahlt etwa der Arbeitgeber einen Zuschuss, obwohl die Voraussetzungen des § 257 SGB V nicht gegeben sind, kann er die Rückzahlung nur innerhalb der Ausschlussfrist geltend machen.
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Wie wirkt sich der Fristablauf aus? Der Fristablauf bewirkt, dass die Ansprüche erlöschen, die nicht rechtzeitig in der vorgeschriebenen Form gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden. Die Rechtswirkung tritt ein, ohne dass eine Erklärung oder Handlung der Vertragsparteien bedarf. Es ist auch nicht erforderlich, dass die Vertragsparteien den Ablauf der Frist erkennen oder wissen, dass ein Anspruch besteht, der unter die Ausschlussklausel fällt. Unerheblich ist weiterhin, ob derjenige, zu dessen Ungunsten die Ausschlussfrist wirkt, die rechtzeitige Geltendmachung seiner Ansprüche schuldlos versäumt oder die Rechtslage falsch beurteilt hat. Der Anspruch erlischt auch dann, wenn die Rechtslage zweifelhaft und der Betroffene unsicher war, ob ihm der fragliche Anspruch zusteht. Welche Vorteile bringt die Ausschlussfrist? Das Arbeitsrecht zeichnet sich zum einen durch viele Vorschriften und komplexe Sachverhalte und zum anderen durch das Bedürfnis nach schneller Rechtsklärung aus. Es hat sowohl in wirtschaftlicher als auch sozialer Hinsicht große Bedeutung für die Beteiligten. Traditionell sind diese Vertragsverhältnisse auf einen langen Zeitraum angelegt. Durch die Vereinbarung einer Ausschlussklausel sollen die Vertragspartner angehalten werden, ihre Ansprüche zeitnah geltend zu machen, um ihrer Beweislast bei zweifelhaften Ansprüchen noch nachkommen zu können und die Höhe von Nachforderungen in Grenzen zu halten. Wie ist die Forderung geltend zu machen? Nach § 37 TVöD muss der Anspruch schriftlich geltend gemacht werden. Dies kann auch durch ein Fax geschehen. Die Frist ist eingehalten, wenn die schriftliche Geltendmachung dem Schuldner entsprechend § 130 BGB innerhalb der Frist zugeht, d.h. er von der Geltendmachung unter normalen Umständen Kenntnis erlangen würde. Tipp Um den Zugang der schriftlichen Geltendmachung gerichtsfest bewei sen zu können, sollte der Gläubiger eine Empfangsquittung fordern oder die Zustellung unter Zeugen vornehmen.
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An den Inhalt des Schreibens dürfen keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden. Es genügt, wenn man erkennen kann, welcher Anspruch geltend gemacht wird und auf welche Tatsachen sich die Forderung stützt. Der Anspruch muss jedoch nach Grund und Höhe hinreichend deutlich bezeichnet werden. Eine genaue Bezeichnung kann dann unterbleiben, wenn der Schuldner die fehlenden Angaben kennt. Es muss aber deutlich werden, dass der Gläubiger die Erfüllung fordert. Tipp Ein Anspruch sollte unverzüglich geltend gemacht werden, sobald er der Höhe nach jedenfalls ungefähr beziffert werden kann. Stellt sich später heraus, dass der Betrag erheblich abweicht, schließt die vorzeitige Gel tendmachung eine spätere Berichtigung nicht aus. Wartet der Gläubiger jedoch zu lange mit der Geltendmachung, könnte sein Anspruch erlo schen sein.
Wann beginnt die Frist zu laufen? Die Ausschlussfrist beginnt ab dem Tag zu laufen, an dem der Anspruch auf die Leistung fällig wird. Eine Leistung ist fällig, wenn der Gläubiger sie vom Schuldner fordern kann. Beispiel: Das Entgelt ist nach § 24 TVöD am letzten Tag des Monats zu zahlen. An diesem Tag ist es auch fällig.
Unter bestimmten Umständen kann der Fristablauf auch später beginnen. Beispiel: • Aufgrund eines internen Rechenfehlers überweist der Arbeitgeber zuviel Entgelt. Dieser Fehler wird nicht bemerkt. Da der Arbeitgeber den Fehler selber verschuldet hat, beginnt die Frist mit der Auszah lung zu laufen. Es ist daher Sache des Arbeitgebers, durch geeignete Kontrollmaßnahmen diese Fehler zu vermeiden oder aufzuklären. • Musste der Beschäftigte aufgrund der Überzahlung den Fehler er kennen oder hätte er ihn ohne weiteres erkennen können, so ist er verpflichtet, dies dem Arbeitgeber mitzuteilen. Die Ausschlussfrist beginnt erst dann zu laufen, wenn der Arbeitgeber von dem Irrtum erfährt.
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Wenn die Überzahlung durch falsche oder unvollständige Angaben des Beschäftigten über die für die Höhe der Entgelte maßgebenden Tatsachen verursacht wurde, wird der Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers erst mit Kenntnis der maßgebenden Tatsachen fällig.
Die Ausschlussfrist soll nicht dazu dienen, sich ein auf unredliche Weise erlangten Wert zu erhalten oder von dem erkennbaren Fehler der anderen Vertragspartei profitieren zu können. Schadensersatzansprüche werden fällig, sobald der Geschädigte vom Schadensereignis Kenntnis erlangt oder bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt erlangt hätte. Wie wird die Frist berechnet? Für die Fristberechnung gelten die §§ 187 ff.BGB. Ist für die Fälligkeit eines Anspruchs ein bestimmter Tag festgelegt, so beginnt die Frist an diesem Tag; hängt der Anspruch vom Eintritt eines bestimmten Ereignisses ab, so zählt dieser Tag bei der Fristberechnung nicht mit. Erst der folgende Tag ist dann der 1. Tag der Ausschlussfrist. Beispiel: • Der Anspruch auf Zahlung des Entgelts wird grundsätzlich am letz ten eines Monats fällig. Ist der letzte Tag des Monats der 28. Febru ar, so endet die Ausschlussfrist mit Ablauf des 27. August. Ist der letzte Tag des Monats der 31. August, so endet die Ausschlussfrist mit Ablauf des 28./29. Februar. • Tritt am 11. März ein Schadensfall ein, so beginnt die Frist für den Schadensersatzanspruch am 12. März und endet mit Ablauf des 11. Septembers.
Jeder Anspruch ist für sich geltend zu machen. Nur für Ansprüche, die auf demselben Sachverhalt beruhen, genügt die einmalige Geltendmachung. Beispiel: Ein Beschäftigter beantragt eine Höhergruppierung, da ihm eine neue, höherwertige Tätigkeit zugewiesen wurde. Gleichzeitig macht er das Entgelt der höheren Entgeltgruppe geltend. Selbst wenn die Entschei dung länger als 6 Monate dauern sollte, reicht die einmalige Geltend machung auch für alle Forderungen in den weiteren Monaten aus.
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11Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt? Die Forderungen, im engeren und weiteren Bereich der öffentlichen Verwaltung Leistungszulagen zu gewähren, wurden in der Vergangenheit immer drängender. In den letzten Jahren sind viele Veränderungsbemühungen – Dezentralisierung von Ressourcenverantwortung, Verschlankung von Verwaltungsabläufen, Reduzierung von Hierarchiestufen – mit am starren und komplizierten Dienstund Tarifrecht gescheitert. Die Führungskräfte hatten nach dem Alimentationsprinzip des BAT keine Möglichkeit, Leistungen und Engagement des Mitarbeiters für den Veränderungsprozess positiv zu belohnen Der TVöD trägt dem nun Rechnung, indem er einen Leistungsbezug– wenn auch zunächst nur in geringem Umfang – einführt. Durch den Einstieg in die leistungsorientierte Bezahlung erhält der Arbeitgeber ein Steuerungsinstrument, das es ihm ermöglicht, die Ziele des Modernisierungsprozesses und das Handeln des Mitarbeiters in Einklang zu bringen. Mit der Einführung der Leistungsbestandteile ist die Hoffnung verbunden, die Mitarbeiter zusätzlich zu motivieren. Jede Einrichtung, gleich ob privatwirtschaftlich oder öffentlichrechtlich organisiert, muss dafür sorgen, dass die betrieblichen Ziele mit den persönlichen Zielen ihrer Mitarbeiter möglichst übereinstimmen. Den betrieblichen Zielen (Gewinnerzielung oder Aufgabenerfüllung bei Kostendeckung) stehen die persönlichen Ziele der Mitarbeiter (guter Verdienst, Sicherheit und Anerkennung) gegenüber. Die Mitarbeiter müssen also dazu gebracht werden, mit ihrem Verhalten im Betrieb möglichst viel zur Erreichung der Einrichtungsziele beizutragen. Das kann der Arbeitgeber bewirken, indem er die Erfüllung der persönlichen Mitarbeiterziele fördert, wenn und soweit die Mitarbeiter die Ziele des Betriebes verfolgen.
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Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
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Einschlägige Untersuchungen belegen, dass unter den verschiedenen Leistungsmotiven sog. Arbeitsgestaltungsmotive (z. B. Selbstständigkeit, Unabhängigkeit, Entscheidungskompetenz) nur bei Führungskräften Vorrang haben, deren materielle Bedürfnisse bereits abgesichert sind. Bei den übrigen Mitarbeitern – dies gilt für die private Wirtschaft wie für den öffentlichen Dienst – stehen eindeutig einkommensbezogene Leistungsmotive im Vordergrund. Leistungszulagen gelten somit als hochwirksames Instrument, um die Motivation der Mitarbeiter zu erhöhen und dadurch die betrieblichen Ziele zu fördern. Tipp Insbesondere im öffentlichen Dienst ist es für die Mitarbeiter völlig un gewohnt, dass sie beurteilt werden. Um den Ängsten der Mitarbeiter entgegenzutreten, sollte frühzeitig darauf hingewiesen werden, dass die Leistungseinschätzung mit der Zielsetzung erfolgt, die Mitarbeiter zu führen und zu fördern. Es sollte deshalb z. B. von vornherein statt des Begriffes „Beurteilungsgespräch“ die Bezeichnung „Führungs und För dergespräch“ Verwendung finden.
Die Grundsätze des Beurteilens, wie sie im Folgenden behandelt werden, gelten nicht nur für Wirtschaftsunternehmen, sondern sind auf alle Arten von Organisationen anwendbar, in denen Menschen zusammenarbeiten, um Leistungen zu vollbringen und damit Ziele zu erreichen. Diese Organisationen mögen auf Gewinn ausgerichtet oder Non-Profit-Organisationen sein, z. B. karitative Einrichtungen, Krankenhäuser, Theater, Krankenkassen, Interessenvertretungen, Kammern, politische Parteien, Genossenschaften. Das Funktionieren eines Beurteilungssystems hängt jedoch vom Umfeld der betroffenen Einrichtung ab, von der jeweiligen Unternehmenskultur, dem Führungsstil, der Form und Zielsetzung des gewählten Systems, der Verwendung der Beurteilungsergebnisse, der Unterstützung und Begleitung durch Schulung und Beratung und ganz entscheidend, ob nach dem gewählten System in einer offenen Atmosphäre gleichberechtigter Partner Beurteilter und Vorgesetzter miteinander kommunizieren können.
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11 Beurteilungs system
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Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
Damit ein Beurteilungssystem erfolgreich sein kann, müssen folgende Anforderungen erfüllt sein: 1. Akzeptanz Eine der wichtigsten Anforderungen an ein Beurteilungssystem ist die Akzeptanz sowohl durch die Mitarbeiter als auch durch die Personalverantwortlichen und die Einrichtungsleitung. Fehlende Akzeptanz ist häufig darauf zurückzuführen, dass die Mitarbeiter eine Beurteilung ihrer Leistungen nicht als Förderung, sondern als Bedrohung empfinden. Oftmals wissen sie zudem nicht, was mit den persönlichen Daten geschieht und wer Einsicht in die Beurteilungen bekommt. Für den Beurteiler ist fehlende Akzeptanz oft die Folge von Unsicherheiten im Umgang mit Konflikten und der Angst vor einem zusätzlichen Zeitaufwand. 2. Praktikabilität Ein Beurteilungssystem ist nur dann erfolgreich, wenn es praktikabel ist – also wenn • die Konzeption des Beurteilungssystems an den Beurteilungszweck (Ziel) angepasst ist, • die Beteiligten das System leicht verstehen können, • die Handhabung einfach ist • und der zeitliche Aufwand angemessen erscheint. 3. Objektivität Ziel einer Beurteilung muss es sein, so objektiv wie möglich zu beurteilen. Dies kann nicht durch die vermehrte Anzahl von Kriterien geschehen, sondern nur durch die Schulung der Beurteiler. Diese müssen auf die Subjektivität der Beurteilung und die Einflüsse der Beurteilungsfehler hingewiesen werden. Ein Beurteilungssystem bildet die Basis für: • eine anforderungs- und leistungsgerechte Vergütung. Die Mitarbeiterbeurteilung, insbesondere die Leistungsbeurteilung, ist Grundlage für die leistungsgerechte Vergütung der Mitarbeiter. • Personalentwicklungsentscheidungen. Die richtige Auswahl förderungswürdiger Mitarbeiter oder die Ermittlung der unterschiedlichen Fort- und Weiterbildungsziele werden durch ein Beurteilungssystem besser gewährleistet.
Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
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Weiter ermöglicht ein Beurteilungssystem: • eine Intensivierung der Kommunikation. Regelmäßige Gespräche zwischen den Personalverantwortlichen und den Mitarbeitern über die zurückliegende Leistung, die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz usw. verbessern die Kommunikation. • die Verbesserung der Mitarbeiterführung. Den Mitarbeitern soll aufgezeigt werden, wie der Personalverantwortliche die Leistungen des Mitarbeiters konkret einschätzt, wo die Stärken und Schwächen des Betroffenen liegen und auf welchem Weg Schwächen abgebaut bzw. Stärken aufgebaut werden können. • eine Optimierung des Personaleinsatzes. Die Informationen aus der Personalbeurteilung unterstützen die Entscheidungsfindung bei einer neu zu besetzenden Stelle, bei Versetzungen und Umsetzungen. • die Motivation der Mitarbeiter. Durch regelmäßige und gezielte Beratung sollen den Mitarbeitern Möglichkeiten der individuellen beruflichen Entwicklung und Förderung aufgezeigt werden. Darüber hinaus fühlen sich viele Mitarbeiter durch eine regelmäßige Beurteilung zu einem wachsenden Leistungsverhalten motiviert. • die Objektivierung der Personalarbeit. Mit einem strukturierten Beurteilungsverfahrens kann die Vergleichbarkeit der Beurteilungsergebnisse verbessert werden. • eine Erfolgskontrolle. Mithilfe der Mitarbeiterbeurteilung kann die Wirksamkeit von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen erkannt werden. • eine frühzeitige Konfliktbeseitigung. Durch regelmäßige Beurteilungsgespräche, die eine gegenseitige Beurteilung vorsehen, können bestehende Konflikte frühzeitig erkannt, besprochen und gelöst werden.
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Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
11.1 Wie ist der tarifliche Stand? neue Entgelt struktur
Im TVöD wurde eine neue Entgeltstruktur vereinbart, die eine bedarfsgerechte Unterstützung der Personalarbeit durch das Tarifrecht gewährleisten soll. Die TVöD-Entgelttabelle regelt dabei die Vergütungen für Arbeiter und Angestellte einheitlich und teilt sie in 15 Entgeltgruppen auf. Jede Entgeltgruppe verfügt über sechs Stufen, zwei Grundstufen und vier Erfahrungsstufen.
11.1.1 Leistungsbezogene Entwicklungsstufen Stufenaufstiege können bei erheblich über- oder unterdurchschnittlicher Leistung verkürzt bzw. verlängert werden. Leistungsorientiert ausgestaltet sind Stufenaufstiege zum Erreichen der Stufen vier bis sechs. In den genannten Stufen kann die Zeit des Erreichens bis auf null verkürzt werden. Für Streitfälle ist eine betriebliche Kommission vorgesehen. Der Arbeitgeber ist zu einer jährlichen Überprüfung verpflichtet. Leistungsbezogene Stufenaufstiege sollen insbesondere die Anliegen der Personalentwicklung unterstützen.
11.1.2 Zusätzliche Leistungszulage Unabhängig von den leistungsbezogenen Stufenaufstiegen sollen gesondert Leistungsanreize gewährt werden, konkret Leistungszulagen und -prämien. Ab 2007 ist vorgesehen, zunächst 1 % der Jahresentgeltsumme des Vorjahres der Tarifbeschäftigten für die leistungsorientierte Bezahlung einzusetzen. Zielgröße ist letztlich ein Volumen von 8 % der Entgeltsumme der Tarifbeschäftigten des jeweiligen Arbeitgebers. Im Jahr 2007 wird die Finanzierung vorrangig durch Umwidmung des Urlaubsgeldes sowie eines Teils der Jahressonderzahlung gespeist. Die weitere Finanzierung der leistungsorientierten Vergütung erfolgt durch sog. „20 % abgelöste Besitzstände“. Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass bis 2010 im Tarifgebiet West ca. 1/4, im Tarifgebiet Ost ca. 1/3 der heutigen Mitarbeiter aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und durch den Wegfall von Besitzstandszulagen und Vertrauensschutzzahlungen Gelder frei werden.
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Wie ist der tarifliche Stand?
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Die Finanzierung der leistungsbezogenen Bestandteile erfolgt damit nicht „on top“, sondern letztlich durch Umwidmung von bisherigen Entgeltbestandteilen. Leistungszulagen erfolgen temporär, wirken sich aber auf Versorgungsansprüche aus. Mittelfristig ist eine Spreizung von 96 % der tariflichen Vergütung (bei unterdurchschnittlicher Leistung) bis 104 % (bei überdurchschnittlicher Leistung) geplant. Die Definition der Leistungskriterien sowie die Gestaltung der Verteilungsregeln liegen dabei in den Händen des jeweiligen Arbeitgebers und seines Betriebs- bzw. Personalrates. Als Formen der leistungsorientierten Bezahlung stehen zur Verfügung: • Die Leistungsprämie erfolgt als Einmalzahlung aufgrund der individuellen Leistung des Mitarbeiters, regelmäßig durch Erfüllung einer Zielvereinbarung. Erreicht werden soll durch die Zusage von Prämien eine verstärkte Motivation der Mitarbeiter und verbesserte Arbeitsergebnisse. § 8 Abs. 5 TVöD definiert die Zielvereinbarung als eine „freiwillige Abrede zwischen der Führungskraft und einzelnen Beschäftigten oder Beschäftigtengruppen über objektivierbare Leistungsziele und die Bedingungen ihrer Erfüllung.“ • Die Leistungszulage ist eine zeitlich befristete, widerrufliche, in der Regel monatlich wiederkehrende Zahlung von begrenzter Dauer, die aufgrund individueller Leistung gewährt werden kann. § 18 Abs. 5 TVöD definiert Leistungsbewertung „als die auf einem betrieblich vereinbarten System beruhende Feststellung der erbrachten Leistung nach möglichst messbaren oder anderweitig objektivierbaren Kriterien oder durch aufgabenbezogene Bewertung.“ • Die Erfolgsprämie ist eine ertragsbezogene Zahlung, die sich am Unternehmens-, Einrichtungserfolg orientiert und die Beschäftigten in die wirtschaftliche Zielsetzung einbinden soll. § 8 Abs. 5 TVöD erlaubt die Feststellung oder Bewertung von Leistungen sowohl durch Zielvereinbarungen, als auch über eine systematische Leistungsbewertung.
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Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
Die Zeit bis zum 1. Januar 2007 gilt es zu nutzen, um auf Ebene der Einrichtung, differenziert nach den jeweiligen Aufgabenbereichen, Verteilungskriterien für Prämien und Zulagen zu entwickeln. Die leistungsorientierte Bezahlung sollte nicht nach beliebigen Kriterien ausgeschüttet werden, sondern nach Möglichkeit an strategischen Zielen der jeweiligen Verwaltung bzw. des Unternehmens ausgerichtet sein. Tipp Auch wenn nach dem TVöD im Jahr 2007 nur 1 % der Grundlohnsumme ausgeschüttet werden sollen und damit ein viel zu geringer finanzieller Anreiz gegeben ist, muss frühzeitig über sinnvolle Leistungsbeurtei lungssysteme nachgedacht werden. Soweit möglich, sollte der Lei stungstopf durch eine außer /übertarifliche Zulage aufgestockt werden. Zudem erscheint es denkbar, objektiv messbare Kriterien zu finden, wie Reduzierung von Reisekosten, Instandhaltungskosten, Bürokosten und ähnlichen Kriterien, die zu Einsparungen führen und damit zur teilwei sen Selbstfinanzierung des Leistungstopfes beitragen.
Es sei darauf hingewiesen, dass nach der Protokollerklärung zu § 18 Abs. 4 TVöD die Betriebsparteien auffordert werden, rechtzeitig zum 1. Januar 2007 betriebliche Verteilungssysteme zu vereinbaren. Andernfalls erhalten die Beschäftigten mit dem Tabellenentgelt des Monats Dezember 2008 6 % des für den Monat September jeweils zustehenden Tabellenentgelts. Diese 6 % werden linear verteilt – sie wirken wie eine Tariferhöhung, ohne Leistung in irgendeiner Weise zu berücksichtigen!
11.1.3 Die Beteiligung von Betriebs bzw. Personalrat
Lohngestaltung
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§ 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG stellen ein umfassendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in Lohnfragen sicher. Gleiches gilt für § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG bzw. die entsprechenden Landespersonalvertretungsgesetze. Die Betriebliche Lohngestaltung soll nur abstrakte, generelle Grundsätze zur Lohnfindung schaffen, um eine innerbetriebliche Lohngerechtigkeit zu gewährleisten. Der Betriebs- oder Personalrat ist wie folgt einzubeziehen:
Wie ist der tarifliche Stand? •
•
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Soweit ein Tarifvertrag das Lohnsystem bereits abschließend regelt, entfällt das Mitbestimmungsrecht, jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber Mitglied im Arbeitgeberverband ist. Enthält der Tarifvertrag jedoch nur eine Rahmenregelung, wie der TVöD beim Thema „Leistungszulage“, so unterliegt die konkrete Ausgestaltung der Zulage der Mitbestimmung des Betriebsrates. Gleiches gilt für übertariflich gezahlte Zulagen. Ist die Firma/Einrichtung nicht tarifgebunden, so unterliegt das gesamte Vergütungssystem der Mitbestimmung des Betriebsrats. In § 18 Absatz 6 TVöD stellt der Tarifvertrag Regeln über die Ausgestaltung von Betriebs- und Dienstvereinbarungen auf. Das jeweilige System der leistungsbezogenen Bezahlung wird betrieblich vereinbart. Die individuellen Leistungsziele von Beschäftigten bzw. Beschäftigtengruppen müssen beeinflussbar und in der regelmäßigen Arbeitszeit erreichbar sein. Die Ausgestaltung geschieht durch Betriebsvereinbarung oder einvernehmliche Dienstvereinbarung, in der insbesondere geregelt werden: − Verfahren der Einführung von leistungs- und/oder erfolgsorientierten Entgelten, − zulässige Kriterien für Zielvereinbarungen, − Ziele zur Sicherung und Verbesserung der Effektivität und Effizienz, insbesondere für Mehrwertsteigerungen (z. B. Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, der Dienstleistungsqualität, der Kunden-/Bürgerorientierung), − Auswahl der Formen von Leistungsentgelten, der Methoden sowie Kriterien der systematischen Leistungsbewertung und der aufgabenbezogenen Bewertung (messbar, zählbar oder anderweitig objektivierbar), ggf. differenziert nach Arbeitsbereichen, u. U. Zielerreichungsgrade, − Anpassung von Zielvereinbarungen bei wesentlichen Änderungen von Geschäftsgrundlagen, − Vereinbarung von Verteilungsgrundsätzen, − Überprüfung und Verteilung des zur Verfügung stehenden Finanzvolumens, ggf. Begrenzung individueller Leistungsentgelte aus umgewidmetem Entgelt, − Dokumentation und Umgang mit Auswertungen über Leistungsbewertungen.
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Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
Tipp Soweit die Leistungszulage betroffen ist, muss nach dem TVöD dem nach das Leistungsbewertungs bzw. Beurteilungssystem mit dem Be triebs , Personalrat vereinbart werden. Beurteilungs grundsätze
Zudem unterliegt die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze der Mitbestimmung des Betriebs-/Personalrats (§ 94 BetrVG / §§ 75 Abs. 3 Ziff. 9 BPersVG). Tipp Die Einstufungskriterien zur Verkürzung der Entwicklungsstufen sowie die Verteilung der Leistungszulage müssen mit dem Betriebs / Perso nalrat vereinbart werden, so wie es § 18 TVöD auch für die Leistungs zulage ausdrücklich vorschreibt.
Leistungszulage
Die Leistungszulage dient der „Honorierung konkreter, festgelegter, in der Regel relativ zum Arbeitsleben kurzfristiger Ziele". Die Verteilungskriterien müssen somit eine Gleichbehandlung der Mitarbeiter gewährleisten. Da der Arbeitgeber mit der Zulage eine einseitige Leistungsbestimmung Arbeitsleistung vornimmt, muss die Leistungsbestimmung billig und gerecht sein, d. h. von allen Mitarbeitern erreichbar. Tipp Auch die Leistungszulage und Erfolgsprämie des TVöD hat also kollekti ven Bezug. Die Verteilungskriterien müssen mit dem Betriebs / Perso nalrat vereinbart werden, da die Verwendung des Begriffes „Leistung“ nach der Rechtsprechung des BAG notwendig den Vergleich mit ande 123 ren Mehr oder Minderleistungen voraussetzt.
Der Arbeitgeber muss die Leistungsvoraussetzungen in vertraglichen Einheitsregelungen im Vorhinein bekannt geben und sachgerecht 124 abstufen, so das Bundesarbeitsgericht. Zunehmend Verbreitung findet heute das Konzept „Führen mit Zielvereinbarungen“, das auf die Vergütung individuell erbrachter Leistungen hinausläuft. Soll das Instrument sinnvoll genutzt wer-
123 124
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BAG, AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie. LAG Rheinland-Pfalz, DB 1975, 1996
Wie ist der tarifliche Stand?
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den, müssen die Unternehmensziele definiert und auf den Zuständigkeitsbereich des Mitarbeiters heruntergebrochen werden. Die jeweiligen Ziele müssen mit den Mitarbeitern vereinbart und deren Erreichungsgrad anschließend objektiv überprüft werden. Die gestellte Herausforderung soll vom Mitarbeiter durch von ihm verantwortete Beeinflussung der Arbeitsabläufe erreicht werden können. Auch diesbezüglich ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung nötig, wie es § 18 TVöD vorschreibt. Die Betriebs-/ Dienstvereinbarung kann allerdings nur das Verfahren als solches regeln. Konkrete Ziele in der Betriebsvereinbarung festzuschreiben erscheint nicht sinnvoll, da die Ziele jährlich wechselnd, abhängig von der jeweiligen Unternehmenssituation, neu vereinbart werden. Der Arbeitgeber bestimmt allein über den so genannten „Dotierungsrahmen“. Der Betriebsrats darf die Lohnfindung lediglich unter 125 dem Gesichtspunkt der Lohngerechtigkeit beeinflussen. Tipp Der Arbeitgeber muss nach dem TVöD 1 % der Grundlohnsumme lei stungsorientiert an die Mitarbeiter ausschütten. Will er eine höhere Summe zur Motivation der Mitarbeiter ausloten – was sinnvoll ist –, so kann er den konkreten Umfang des Leistungstopfes frei festlegen. Die 1 % überschreitende Summe sollte nicht in der Betriebs / Dienstverein barung festgeschrieben werden, damit der Arbeitgeber jedes Jahr neu entscheiden kann, ob und wie viel er, z. B. abhängig vom Einrichtungs ergebnis, als Leistungszulage ausschüttet.
Welchen abstrakten Zweck der Arbeitgeber mit der freiwilligen Leistung verfolgen will, unterliegt nicht der Mitbestimmung. Er entscheidet allein, ob er eine Weihnachtsgratifikation, ein zusätzliches Urlaubsgeld oder sonstige übertarifliche Zulagen zahlen will.
Zweck
Tipp Gibt der Arbeitgeber in den Verhandlungen vor, er wolle den Faktor „Anwesenheit“ honorieren, so kann der Betriebs /Personalrat das Krite rium nicht vollständig ablehnen. Verhandelt werden müssen jedoch die Modalitäten, wie im Einzelnen das Kriterium „Anwesenheit“ gemessen und honoriert werden soll. 125
LAG Rheinland-Pfalz, DB 1975, 1996.
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11 Personenkreis
Erläuterung der Beurteilung
Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
Neben der Bestimmung des Zwecks muss der Arbeitgeber auch den Personenkreis festlegen, für den die geplanten Leistungen gedacht 126 sind. Lediglich die Verteilungskriterien unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrates. Der Arbeitnehmer kann nach § 82 Abs. 2 BetrVG/§ 75 BPersVG verlangen, dass • ihm die Berechnung und Zusammensetzung seines Arbeitsentgelts – damit der Leistungszulage – erläutert wird und • mit ihm die Beurteilung seiner Leistungen sowie die Möglichkeiten seiner beruflichen Entwicklung im Betrieb erörtert wer127 den. Der Beschäftigte kann ein Mitglied des Betriebsrates zum Gespräch hinzuziehen. Der Betriebsrat seinerseits kann die Teilnahme nicht verlangen, denn die Hinzuziehung ist allein vom Willen des Arbeit128 nehmers abhängig.
11.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile? Es ist sinnvoll, den Mitarbeitern gegenüber frühzeitig – etwa auf einer Personal- oder Betriebsversammlung – zu verdeutlichen, welche Vorteile und Auswirkungen ein Beurteilungssystem hat, etwa durch Präsentation folgender Übersicht:
11.2.1 Welche Zielsetzung verfolgt die Beurteilung? Die Mitarbeiterbeurteilung erleichtert es den Vorgesetzten, ihren Verpflichtungen gegenüber den Mitarbeitern gerecht zu werden nach • Motivation, • gerechter Behandlung, • Einsatz am richtigen Arbeitsplatz, • Förderung und Entwicklung. 126
BAG, Urt. 08.12.1981, AP BetrVG 1972 § 87 Prämie Nr. 1. Klage, BB 1994, 1144. 128 BAG, Urt. 23.02.1984, DB 1984, 2098. 127
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? –Vorteile und Nachteile?
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Bedeutung für den Vorgesetzten: • •
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• •
•
Die Führungsfunktion wird intensiver ausgeübt. Eine aussagefähige Beurteilung erfordert ständigen Kontakt und wechselseitige Aussprache zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter. Die Zielvorstellungen werden geklärt. Eine objektive Beurteilung ist ohne die eindeutige Festlegung von Zielen, Aufgaben und Anforderungen der Position nicht sinnvoll möglich. Die Führungsverantwortung wird gestärkt. In der Beurteilung legt der Vorgesetzte seine Vorstellung über die Leistung und das Verhalten des Mitarbeiters schriftlich nieder und macht Vorschläge für die weitere Förderung und Entwicklung des Mitarbeiters. Die Beurteilung fördert die Kooperation im Führungsverhältnis. Im Beratungs- und Förderungsgespräch berät der Vorgesetzte seine Mitarbeiter, weist ihn auf Stärken und Schwächen hin und hilft dem Mitarbeiter bei der Verbesserung von weniger guten Leistungen bzw. falschem Verhalten.
Bedeutung für den Mitarbeiter: •
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Der Mitarbeiter erhält gezielte Informationen über sein Verhalten und seine Leistung. In regelmäßigen Abständen erfährt er, ob und inwieweit er die Anforderungen seines Aufgabenbereiches erfüllt. Das Vertrauensverhältnis wird gefestigt. Das kooperative Gespräch zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem wird gefördert. Der Dialog zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem darf sich nicht auf das Beurteilungsgespräch beschränken, vielmehr ist die Mitarbeiterbeurteilung nur der Schlusspunkt in einer Reihe von persönlichen Gesprächen. Eine gezielte berufliche Förderung wird angestrebt, Fähigkeiten des Mitarbeiters werden erkannt und nach Möglichkeit gefördert. Der Mitarbeiter wird im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten seinen Fähigkeiten entsprechend eingesetzt. Der Mitarbeiter gewinnt eine verstärkte Arbeitsmotivation.
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Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
11.2.2 Arten der Leistungsmessung Direkte oder indirekte Leistungsmessung? Akkord und Prämienlohn
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Traditionelle Verfahren der Leistungslohnformen wie Akkordlohn- und Prämienlohnsysteme haben im gewerblichen Bereich der privaten Wirtschaft eine noch immer sehr große Bedeutung. Ihr Vorteil ist, dass die individuelle Leistung i. e. S. durch direkte Leistungsmessung – objektiv – bestimmt werden kann. Wegen der zunehmenden Automatisierung hat der Akkordlohn allerdings bei der Entlohnung von gewerblichen Mitarbeitern an Boden verloren, während er im Bereich höherwertiger Tätigkeiten wegen der mangelnden Quantifizierbarkeit und Gleichförmigkeit der Leistungen ohnehin eine geringere Rolle spielt. Die ergebnis- oder zielsetzungsbezogene Beurteilung dient in erster Linie der Erfassung der kurzfristigen Leistungseffizienz und hat damit vor allem vergütungspolitische Bedeutung, insbesondere im Zusammenhang mit Bonus- oder anderen IncentiveSystemen. Um auch Beschäftigte mit Tätigkeiten gehobener Kategorie in den Genuss einer leistungsgerechten Entlohnung kommen zu lassen, erfolgt die Leistungsmessung meist indirekt durch Leistungsbeurteilung. Allerdings ist im letztgenannten Bereich die Gewährung von ergebnisbezogenen Prämien durchaus möglich und üblich. Voraussetzung ist allerdings, dass objektiv messbare Bezugsgrößen vorhanden sind bzw. vorgegeben werden können. Tipp In der Praxis spielen Leistungszulagen aufgrund von (indirekten) Lei stungsbeurteilungen die dominierende Rolle. Wo immer jedoch eine Kombination mit direkter Leistungsmessung möglich ist, sollte davon Gebrauch gemacht werden.
Die persönlichkeits- und funktionsbezogene Beurteilung dient vor allem der Erfassung der längerfristigen Leistungsfähigkeit und kann daher auch Aufschlüsse über Entwicklungsmöglichkeiten und Potenzial einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters geben. Wie aufgezeigt, verfolgen die verschiedenen Arten der Leistungsbeurteilungen unterschiedliche Zwecke. Man sollte daher genau über-
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? –Vorteile und Nachteile?
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legen, welche der verschiedenen Varianten zu wählen ist, oder auch eine pragmatische Kombinationsform suchen. In jedem Fall ist der Beurteilung ein kontinuierlicher Prozess zugrunde zu legen. Sie sollte wesentlich mehr darstellen als das Ausfüllen von Formularen einmal pro Jahr. Beurteilung ist vor allem ein Mittel der Führung und hat als solches viel zu tun mit Kommunikation, Motivation und Feedback. Summarische oder analytische Leistungsbeurteilung? Bei der summarischen Leistungsbeurteilung versucht der Beurteiler, die Leistungen des Mitarbeiters in einer zusammenfassenden Betrachtung zu würdigen. Bei einer geringen Zahl zu beurteilender Mitarbeiter kann er durch Bildung einer Rangreihe möglicherweise zu einem relativ sinnvollen Urteil kommen. Wegen der großen Abhängigkeit vom subjektiven Urteil des Beurteilers wird die summarische Leistungsbeurteilung i. d. R. abgelehnt. Besonders schlecht beurteilte Mitarbeiter werden das für sie ungünstige Ergebnis weniger in ihren Leistungen als in der Person des Beurteilers sehen. In der Praxis wird daher fast ausschließlich mit analytischen Verfahren der Leistungsbeurteilung gearbeitet. Hierbei werden verschiedene Leistungsmerkmale zur Urteilsfindung herangezogen. Die Einzelurteile über die Teilkriterien der Leistung können dann ungewichtet oder gewichtet zu einem Gesamturteil über die Leistungen des Mitarbeiters verdichtet werden.
11.2.3 Führen mit Zielvereinbarungen Zielvereinbarungen sind ein Instrument der Mitarbeiterführung, das 129 auf der Lehre des Management by Objectives beruht. Beim ergebnisorientierten Beurteilungsverfahren oder Management by Objectives handelt es sich um ein Führungskonzept, bei dem Vorgesetzte entweder Mitarbeitern Ziele vorgeben (Führung durch Zielvorgabe als autoritäre Variante) oder gemeinsam mit den untergebenen Mitarbeitern Ziele erarbeiten (Führung durch Zielvereinbarung als kooperative Variante). 129
Vgl. zur Definition Riesenhuber/Steinau-Steinrück, Zielvereinbarungen, NZA 2005, 785.
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Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
Mit der Formulierung von Leistungszielen ist eine begrenzte Abkehr vom Denken in Aufgaben hin zu Ergebnis und Zielbeitrag (Objectives) verbunden. Statt Aufgaben nach bestimmten Methoden zu erfüllen, sind Ziele zu erreichen; an die Stelle der Aufgabenorientierung tritt die Ergebnisorientierung. Die Leistungsbeurteilung erfolgt durch den Vergleich der Soll- zu den Ist-Ergebnissen am Ende der jeweiligen Beurteilungsperiode. Dieser ergebnisorientierte Ansatz konzentriert sich somit auf die Arbeitsleistung, weniger auf die allgemeinen Verhaltensweisen und Fähigkeiten des Mitarbeiters. Durch die Zielvereinbarung sollen die individuellen Ziele der Arbeitnehmer mit den Unternehmenszielen weitgehend in Einklang gebracht werden. Folge ist eine höhere Effizienz des Unternehmens. Ausgehend von dem Leitbild eines mündigen und initiativstarken, einsatzfreudigen Mitarbeiters werden die Ziele dabei – nach heutiger Sicht – einvernehmlich festgelegt (Zielvereinbarung). Auf diese Weise werden zugleich die Tätigkeit des Mitarbeiters und seine Leistung in den Mittelpunkt gerückt. Das eigenverantwortliche Handeln wird gestärkt. Die Zielfestlegung orientiert sich an den individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten des Arbeitnehmers. Die Betonung beim ergebnisorientierten Verfahren liegt häufig zu sehr auf kurzfristigen, quantifizierbaren Zielen. Langfristige Aspekte und wichtige Aufgaben werden unter Umständen vernachlässigt. Zielvereinbarungen sind Abreden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Erreichung von Leistungszielen in einem bestimmten Zeitraum, in der Regel einem Kalenderjahr Die Zielerreichung wird üblicherweise mit einem Bonus für den Arbeitnehmer honoriert. Werden die Ziele nicht (vollständig) erreicht, fällt der Bonus geringer aus oder ganz weg. Auf diese Weise wird ein Teil der Vergütung, in der Privatwirtschaft in der Regel bis zu 30 %, flexibel ausgeschüttet. Prinzipiell gibt es für Zielvereinbarungen so viele Anknüpfungspunkte wie es Aufgaben für die Mitarbeiter gibt. Beispiel: Folgende Ziele sind denkbar: die Anzahl von Reklamationen, die Ein führung einer neuen Dienstleistung, die Erreichung bestimmter Kosten quoten, die Kundenzufriedenheit oder die Mitarbeiterzufriedenheit.
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? –Vorteile und Nachteile?
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Variable Vergütung als Führungsinstrument Die Thematik „Einführung von Zielvereinbarungen“ ist weit mehr als eine Vergütungskomponente. Sie setzt letztlich eine grundlegende Umstellung der Struktur der Einrichtung voraus: 130 • Die Mitarbeiter werden nicht mehr als Kostenverursacher, sondern als „Gewinnproduzenten“ bzw. als „Garanten der Unternehmenszielerreichung“ betrachtet. • Die Vergütung verbindet die Einrichtungsziele mit den Zielsetzungen und Interessen der Mitarbeiter; die Vergütung ist Umsetzungshebel für die Einrichtungs- bzw. Firmenstrategien. • Rationalisierung und Kostenmanagement, Ausrichtung auf den Markt und die Kundenbedürfnisse werden zu Daueraufgaben. • Die Einführung von Zielvereinbarungen setzt zwingend eine Dezentralisierung von Verantwortung voraus und soweit möglich die Einrichtung von Profit-Center-Strukturen; es werden kleinere, überschaubare Einheiten gebildet, die unternehmerisch agieren und auf Veränderungen am Markt schnell und flexibel reagieren. • Engagierte Mitarbeiter leisten als „eigenständige Unternehmer“ in ihren Verantwortungsbereichen mit großer Selbstständigkeit ihre Beiträge zur Einrichtungszielerreichung. Dies gilt nicht nur für obere Führungskräfte, einzelne Bereiche (z. B. Vertrieb), sondern für jeden Mitarbeiter. Mitarbeiter werden damit zum „Intrapreneur“. • Das Prinzip „Führen durch Zielvereinbarungen“ enthält als notwendige Voraussetzung eine an der Zielerreichung ausgerichtete variable Vergütung; erreicht wird dadurch höhere Effizienz und Effektivität des Unternehmens/der Einrichtung. Tipp Das Herunterbrechen von Einrichtungszielen letztlich bis auf den ein zelnen Mitarbeiter gelingt nicht in einem Schritt. Begonnen werden sollte zunächst auf der oberen Ebene mit der Vereinbarung jährlich wechselnder Zielvereinbarungen. Mit den eher nachgeordneten Mitar beitern können Zielkriterien – objektiv messbare Kriterien – durchaus mit mehrjähriger Geltung vereinbart werden. 130
Vgl. zum Ganzen Nagel-Schlegtendal, Flexible Entgeltsysteme S. 75 f.
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Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
Neben Vereinbarungen über die Tätigkeitsziele einzelner Mitarbeiter sind auch Teamzielvereinbarungen – etwa für eine ganze Abteilung – möglich. Diese haben den Vorteil, dass starke Mitarbeiter schwache Mitarbeiter unterstützen, sie aber auch fordern. Tipp Damit mit zunehmender Gruppengröße die individuelle Leistungs und Motivationsförderung nicht verblasst, ist es sinnvoll, sowohl Team als auch Einzelzielvereinbarungen einzusetzen.
Die Vereinbarung der Ziele In einem jährlichen Zielvereinbarungsgespräch legen Funktionsinhaber und der direkte Vorgesetzte gemeinsam drei bis fünf klar definierte, messbare Ziele für die nächsten zwölf Monate fest. Am Ende des Jahres wird der Grad der Zielerreichung festgestellt; dieser dient als Berechnungsgrundlage für den leistungsbezogenen Teil der variablen Vergütung. Quantitative Ziele
Qualitative Ziele
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Quantitative und qualitative Ziele finden Quantitative Ziele sollten durch präzise Zahlenangaben festgelegt werden (Auslastungsgrad, Belegung der Einrichtung, Kostenersparnis und ähnliche Kennziffern). Wichtig ist, dass die Bemessungsgrundlagen und angestrebten Soll-Werte präzise und messbar definiert werden (z. B. Senkung der Instandhaltungskosten im Bauhof von ... EUR im Januar 2006 auf … EUR im Januar 2007 auf Basis …, genaue Bemessungsgrundlage). Bei quantitativen Zielen müssen Ober- und Untergrenzen der Zielerreichung festgelegt werden. Die Bewertung von Zielüber- bzw. -unterschreitungen kann linear oder progressiv definiert werden. (Beispiele: Kosten für externe Aufträge, Reisekosten, Profit-CenterErgebnis, Krankenstand usw.9 Qualitative Ziele beziehen sich auf angestrebte Zustandsveränderungen und finden keinen unmittelbaren Ausdruck in betriebswirtschaftlichen Kennziffern. Auch hier ist maßgeblich, dass nicht Tätigkeiten beschrieben, sondern angestrebte Ergebnisse festgelegt werden. Als qualitative Ziele empfehlen sich Vorhaben, die schon oft zu Gunsten tagesaktueller Routinetätigkeiten verschoben wurden. In
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? –Vorteile und Nachteile?
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Funktionen mit hoher Abwechslung (z. B. Projektorganisation) können Hauptprojekte Gegenstand der Zielsetzung sein. Qualitative Ziele können erreicht oder nicht erreicht werden. Grundsätzlich fällt bei der Beurteilung der Zielerreichung eine klare Ja/NeinEntscheidung. (Beispiele: durchschnittliche Wartezeit am Telefon, Servicequalität – Erreichen und Verbessern definierter Kriterien.) Tipp In der Zielvereinbarung soll ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Anzahl quantitativer und qualitativer Ziele angestrebt werden.
Folgende Vorgehensweise wird empfohlen: Schritt 1: Ziele vereinbaren • Ziele werden geplant, vereinbart und regelmäßig nachgehalten. • Es werden quantitative und qualitative Ziele unterschieden. • Der Prozess besteht darin: − zwischen Mitarbeitern und Personalverantwortlichen ein einheitliches Verständnis der Bereichs- bzw. Abteilungsziele herzustellen, − zu klären, was, wer bis wann qualitativ und quantitativ erreichen muss sowie − Meilensteine und Erfolgskriterien zu vereinbaren. Schritt 2: Ziele nachhalten • Mitarbeiter arbeiten Aufgaben und Arbeitsschritte zur Erreichung der Meilensteine aus. • Der/die Personalverantwortliche bespricht regelmäßig, mindestens quartalsweise mit den Mitarbeitern die Ziele und den Sachstand der Meilensteine anhand der Erfolgskriterien. • Dieser Prozess bietet die Gelegenheit: − Fortschritte zu erkennen, − Feedback zu geben und − die Mitarbeitern durch Coaching bei der Zielerreichung zu unterstützen. • Gravierende Änderungen der Zielvorgaben werden unterjährig dokumentiert.
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Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
Schritt 3: Zielerhaltung und Leistung beurteilen • Die Leistungsbeurteilung erfolgt zum Zielzeitpunkt als mündliches und schriftliches Feedback. • Sie beinhaltet anhand der vereinbarten Ziele und Erfolgskriterien was, mit welcher Unterstützung, wann erreicht wurde und welche Gesamtbeurteilung sich hieraus für die Leistung in der Position ergibt. Tipp § 18 TVöD legt den Schwerpunkt der Leistungsbeurteilung auf die Ein führung von Zielvereinbarungen.
Folgende Grundprinzipien sollten Beachtung finden: • Mindestens drei, maximal fünf Ziele pro Jahr vereinbaren. • Ziele auf Projekte und Aktivitäten begrenzen, die über die normale fachliche Aufgabenstellung hinausgehen. • Keine Routineaufgaben. • Prioritäten nach Wichtigkeit setzen und jedes Ziel in Relation zu den anderen Zielen gewichten (in Prozent). • Ziele werden grundsätzlich jährlich neu definiert und vereinbart. Inhalte und Messgrößen sollten nicht über mehrere Jahre festgeschrieben werden. • Einmal vereinbart, dürfen Ziele oder deren Bemessungsgrundlagen und -kriterien nur in besonderen Ausnahmefällen geändert werden. • Die Übersicht auf der nächsten Seite gibt einen genauen Überblick über den Zielvereinbarungs-Prozess sowie die zu erfüllenden Punkte im Einzelnen.
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Funktionsinhaber und Vor gesetzter arbeiten unab hängig voneinander Ziel vorschläge aus. Zahlen, Daten, Fakten analysieren, Rahmenbe dingungen berücksichti gen. Aus den übergeordneten Zielen die Ziele für den Bereich/die Abteilung ab leiten. Prioritäten festlegen, eventuelle Zielkonflikte abgleichen. Zielvorschläge erarbeiten: Welche Projekte oder be sonderen Aufgaben sollen von der betreffenden Posi tion bzw. dem Funktions inhaber in den nächsten zwölf Monaten umgesetzt werden?
Vorbereitung
Umsetzung
Zwischenzeitlich : Gesprä che führen, Status berich ten bzw. Feedback einho len Vorgesetzter : Unterstüt Konsens erreichen über: zung geben, Rahmenbe Anzahl (min. 3, max. 5); dingungen sicherstellen, Gewichtung in Prozent. Freiräume gewähren. Inhalte, Messkriterien und Zielkorrekturen oder Än Bemessungsgrundlagen derungen der Messgrößen festlegen. sind nur möglich bei gra Für qualitative Ziele: Ober vierenden Veränderungen und Untergrenzen der der Rahmenbedingungen, Zielerreichung bestimmen. die der Funktionsinhaber Zeiträume und Termine für nicht zu verantworten hat. Meilenstein – Gespräche vereinbaren. Unterstützungsmaßnah men besprechen Rahmenbedingungen klä ren. Ziele schriftlich auf dem Formular „Zielvereinba rung“ dokumentieren, Weiterleitung einer Kopie an den zuständigen Perso nalbereich
Im jährlichen Zielverein barungsgespräch: die beidseitigen Zielvor schläge abstimmen.
bis Ende Januar
Zielvereinbarung
Im jährlichen Zielerrei chungs Gespräch: Ergebnisse feststellen und bewerten (Soll Ist Ver gleich). Grad der Zielerreichung feststellen und schriftlich auf dem Formular „Jahres zielvereinbarung“ doku mentieren. Eventuelle Abweichungen und Ursachen analysieren. Erkenntnisse für neue Ziel vereinbarungs Periode nutzen. neue Ziele vereinbaren: Zielvereinbarungs Gespräch für das nächste Jahr.
bis Ende Januar
Feststellung der Zielerreichung
Weiterleitung des ausge füllten Formulars „Jahres zielvereinbarungen“ an den zuständigen Personalbereich. Berechnung der anteiligen variablen Vergütung durch den Personalbereich; ggf. in Abstimmung mit dem Vorgesetzten.
Februar/März
ZulageBerechnung
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? –Vorteile und Nachteile?
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Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
11.2.4 Wer beurteilt? Das „funktionelle“ Beurteilen „von oben nach unten" Kontrolle durch Dritte
Leistungsbeurteilungen werden im Regelfall vom direkten Vorgesetzten vorgenommen. Obwohl dieser die Leistungen des zu Beurteilenden aus betrieblicher Sicht gut einschätzen kann, bestehen Gefahren mangelnder Objektivität oder sogar Parteilichkeit, wenn die Beurteilungskompetenz keiner Kontrolle durch Dritte unterliegt. Ein möglicher Ausweg besteht darin, die Beurteilungsentwürfe grundsätzlich dem nächsthöheren Vorgesetzten zur Kontrolle vorzulegen oder die Leistungsbeurteilung gemeinsam mit diesem vorzunehmen. In der Praxis lassen sich auch Beurteilungssysteme finden, die den Kreis der Beurteiler weiter ziehen. Besonders in amerikanischen Unternehmen und ihren deutschen Tochtergesellschaften werden die Beurteilungen durch die Vorgesetzten gelegentlich durch „Input“ von anderen Personen ergänzt: Beispiel: Vorgesetzter und Mitarbeiter einigen sich auf Personen, die um Input gebeten werden sollen. Dies sind in erster Linie zwei bis drei „Haupt kunden“ des Mitarbeiters (interne oder externe Kunden, Arbeitskollegen aus dem eigenen Arbeitsgebiet oder anderen Bereichen). Ihr Input be steht aus Meinungsäußerungen über die Beiträge des Mitarbeiters zum Einrichtungsergebnis. Falls der Mitarbeiter auch Personalverantwortung hat, wird auch Input über seine Führungsqualitäten von drei bis vier seiner Mitarbeiter eingeholt. Der Vorgesetzte fordert den Input bei den Hauptkunden und Mitarbeitern schriftlich an.
Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass Hauptkunden und Untergebene den zu Beurteilenden aus anderer Sicht und in Situationen der täglichen Arbeits- und Verhaltensweise beobachten können, die dem direkten Vorgesetzten in der Regel nicht zugänglich sind. Allerdings ist zu bedenken, dass weder bei den Hauptkunden noch den nachgeordneten Mitarbeitern ein objektives Urteil sichergestellt ist. Rivalitäten zwischen dem zu Beurteilenden und den internen Hauptkunden sowie hierarchische Abhängigkeiten der nachgeordneten
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? –Vorteile und Nachteile?
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Mitarbeiter von ihrem zu beurteilenden Vorgesetzten können zu Verfälschungen sowohl in negativer als auch positiver Hinsicht führen. Die Beurteilung „von oben nach unten“ ist eine Notwendigkeit, der sich keine Organisation, kein Unternehmen/keine Einrichtung entziehen sollte, da der Prozess sowohl für die wirtschaftliche wie auch 131 für die personalpolitische Effizienz ein wichtiger Erfolgsfaktor ist. Das Beurteilen „von unten nach oben“, Vorgesetztenbeurteilung132 Im Regelfall hat diese Beurteilungsform nicht die Leistung im Vergleich zu einer Zielsetzung zum Gegenstand, sondern sie betrifft das persönliche Verhältnis von Mitarbeiter zu Vorgesetzten, beinhaltet letztlich eine subjektive Mitteilung, Rückkoppelung und Kritik – positiv oder negativ. Es kann durchaus zu einem Einverständnis zwischen den beiden Beteiligten über Änderungen im Vorgesetztenund/oder Mitarbeiterverhalten kommen. In jedem Fall wird über die Meinungsäußerung diskutiert, was als solches positiv zu bewerten ist. Die Art und Weise, wie mit dem Beurteilen „von unten nach oben“ umgegangen wird, kann den Zusammenarbeitsstil in der Abteilung, der Gruppe oder auch im gesamten Unternehmen/in der Einrichtung stark prägen. Beispiel: Der Leiter der Abteilung gibt seinen Mitarbeitern am Ende der Beurtei lungsgespräche aus seiner Sicht eine Zusammenfassung der Kommen tare und Kritikpunkte, die ihm mitgeteilt wurden. Er knüpft anschlie ßend Absichten und Erwartungen daran, was er beibehalten und was er verändern wolle. PraxisTipp Die Vorgesetztenbeurteilung setzt ein enormes Selbstbewusstsein und ausgeprägte Kritikfähigkeit auf Seiten der beurteilten Vorgesetzten vor aus, die in den starren Formen der vom Laufbahnprinzip geprägten öf fentlichen Verwaltung nur teilweise ausgeprägt sein dürften. 131 132
Vgl. Herwig Kressler, a. a. O., S. 72 f. Olesch/Padus, Innovative Personalentwicklung S. 144.
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Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
Mehr noch als das Beurteilen „von oben nach unten“ ist der umgekehrte Vorgang stark abhängig von Struktur und Kultur der Gruppe sowie den zwischenmenschlichen Verhältnissen, die darin herrschen. Die Beurteilung „von unten nach oben“ sollte daher nicht zur unbedingten Verpflichtung gemacht werden, da es sich dabei um Kriterien handelt, die noch viel weniger objektivierbar sind als die unternehmensspezifischen Leistungszielsetzungen. Beispiel: Bei Umkehrung der Beurteiler Beurteilten Relation verändern sich Wesen, Gegenstand und vor allem Zielsetzung der Beurteilung. Bewer tet wird dann nicht primär die fachliche Leistung oder der Beitrag des Vorgesetzten zum Einrichtungsergebnis, sondern vor allem die Art, wie er als Leiter der Abteilung oder des Teams auftritt. Es geht um Inhalte wie Kommunikation, Motivation, Durchsetzung, Glaubwürdigkeit, Aus bildung, aber auch Effizienz, Zielsetzung, Kontrolle, Feedback. Die Vor gesetztenbeurteilung sollte eher in größeren Zeitabschnitten und nicht regelmäßig stattfinden. Sie sollte auch nicht unbedingt die Vergütung direkt beeinflussen.
Die „360Grad“Beurteilung133 Diese Beurteilungsform verlässt die hierarchische Ausrichtung, indem sie jedes Mitglied der Organisation in den Mittelpunkt eines Kreises stellt, dem alle Mitarbeiter, Vorgesetzten, Kollegen angehören. Oft wird dieser Kreis erweitert um Personen, die einem entfernteren Teil der Einrichtung angehören, oder sogar Angehörige externer Organisationen (etwa Lieferanten, Kunden, Bürger), soweit sie nur mit dem betreffenden Menschen und der ausgeübten Funktion etwas zu tun haben. Der Beurteilte steht nicht nur bildlich im Zentrum des Beurteilungsprozesses. Aufgrund des erweiterten Kreises der Beurteilenden wird deutlich, warum von „360-Grad“-Beurteilung gesprochen wird. Er hat die Aufgabe, die „Beurteilungen“ der verschiedenen „Beurteiler“ einzuholen und sich daraus ein Gesamtbild zu formen. Es liegt dann auch primär an ihm, daraus Schlüsse und Konsequen-
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Vgl. Edwards/Ewen, 360 Grad-Beurteilung, München 2000.
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? –Vorteile und Nachteile?
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zen zu ziehen. Im Allgemeinen gibt es keinen Berichtsmechanismus, der die Ergebnisse solcher 360-Grad-Beurteilungen zusammenfasst und weiterer Verwertung, etwa für die Personalentwicklung oder die Festlegung der Vergütung, zuführt. Letzteres bleibt nach wie vor der funktionellen Beurteilung überlassen, die auch durch die 360-GradBeurteilung nicht ersetzt werden kann. Während die funktionelle Beurteilung ebenso unverzichtbar ist wie das Controlling oder die Marktforschung, sind Beurteilungen von unten nach oben und 360-Grad-Beurteilung eher Glaubenssätze, denen man sich anschließen kann oder auch nicht. Tipp Für die Phase der Einführung einer Leistungszulage erscheint die „360 Grad“ Beurteilung als zu aufwändig. Empfohlen wird, mit einfacheren Beurteilungsmethoden zu beginnen.
Selbstbeurteilung Wird ein Beurteilungssystem neu eingeführt, so erweist sich die sog. „Selbstbeurteilung“ als relativ einfaches handhabbares Instrument. In einem ersten Schritt erstellt der Vorgesetzte die Leistungsbeurteilung und füllt den Beurteilungsbogen aus. Damit ein möglichst objektives Ergebnis erzielt werden kann, wird er die Kenntnisse anderer Vorgesetzter berücksichtigen, sofern diese den Mitarbeiter von seiner Tätigkeit her einschätzen können. Parallel schätzt der Mitarbeiter seine eigene Leistung durch Ankreuzen im gleichlautenden Beurteilungsbogen ein. In einem Vier-Augen-Gespräch (Beurteilungsgespräch) vergleichen Vorgesetzter und Mitarbeiter die jeweilige Einschätzung zu den Leistungskriterien. Im Beurteilungsgespräch sollte auf konkrete Geschehnisse abgehoben werden. Negativpunkte sollten zwar klar begründet, jedoch nicht dem Mitarbeiter zum Vorwurf gemacht werden. Vielmehr sollte besprochen werden, auf welche Weise Abhilfe geschaffen werden kann, z. B. durch entsprechende Fortbildung des Mitarbeiters. Mögliche Differenzen werden von beiden Seiten begründet und erläutert. Die Begründung soll sich auf konkrete Tatsachen beziehen, eine mögliche abweichende Einschätzung der Rahmenbedin-
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Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
gungen ist zu berücksichtigen. Vorgesetzter und Mitarbeiter verhandeln mit dem Ziel der Einigung auf eine konkrete Punktzahl zum jeweiligen Beurteilungskriterium. Eine mögliche Änderung der Rahmenbedingungen, Abstellen von Fehlerquellen usw. soll wesentlicher Inhalt des Beurteilungsgesprächs sein. Vor allem soll die Förderung und weitere Entwicklung des Mitarbeiters besprochen werden. Tipp Für Einrichtungen, die bisher eine Leistungsbeurteilung ihrer Mitarbei ter nicht vorgenommen haben, bietet es sich an, nach Einführung der Leistungsorientierung im TVöD mit einem einfachen Beurteilungssystem wie der „Selbstbeurteilung“ zu beginnen. Die Erfahrung zeigt, dass so wohl bei den Mitarbeitern als auch bei Personal und Betriebsräten eine derartige Beurteilungsform am ehesten auf Akzeptanz stößt. Beispiel: Beurteilungsbogen für Tätigkeiten mit eher einfachen bis mittleren Schwierigkeitsgraden (Siehe nächste Seite)
11.3 Wege der betrieblichen Umsetzung 11.3.1 Auswahl „zutreffender“ Leistungsmerkmale In der Praxis privatwirtschaftlicher Unternehmen besteht kaum Übereinstimmung, welche Merkmale die Leistung ihrer Mitarbeiter richtig widerspiegeln. Die Menge der unterschiedlichen Leistungsmerkmale ist erheblich. Dennoch lassen sich aus ihren Anwendungshäufigkeiten bestimmte Schwerpunkte ableiten: Am häufigsten werden bei Mitarbeiterbeurteilungen Verhaltensmerkmale (40 %) genannt, dicht gefolgt von Erfüllungsmerkmalen (38 %). Leistungsmerkmale im engeren Sinne nehmen mit 13 % zwar nur den dritten Rang ein; es ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich hier um indirekte Leistungsmessung handelt. Verfahren der direkten Leistungsmessung spielen bei Leistungsbeurteilungssystemen keine tragende Rolle. Führungsmerkmale werden in rund 9 % aller Fälle genannt.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
Tipp Soll die Leistungszulage insgesamt auf der Basis subjektiv zu beurteilender Leistungs kriterien erstellt werden, empfiehlt sich ein ausführlicher Beurteilungsbogen, der fol gende Kriterien enthalten könnte (die jeweiligen Abstufungen sind zu verbalisieren):
Leistungsbeurteilung: Anforderungsmerkmale 1. Fachliches Können
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2. Quantität der Leistung
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3. Qualität der Arbeitsergebnisse
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4. Kundenorientierung
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5. Kooperation und Teamfähigkeit
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6. Initiative und Erfolgsorientierung
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7. Planung und Organisation
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8. Soziale Belastbarkeit
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9. Mitarbeiterorientierung
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10. Leistungsförderung
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11. Steuerung und Koordination
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Nur für Führungskräfte:
11.3.2 Welche Beurteilungsfehler können auftreten? Falls keine direkte Leistungsmessung durch objektiv überprüfbare Zielerreichungen möglich ist, hängt das Beurteilungsergebnis notwendigerweise von den subjektiven Wahrnehmungen des Beurteilers ab. Die Wahrnehmung jedes Menschen ist selektiv und von dem geprägt, was er wahrzunehmen erwartet. Vorurteile, Sympathien und Antipathien beeinflussen seine Wahrnehmung bei der Aufnahme der Informationen ebenso wie bei ihrer Verarbeitung und Bewertung. Häufig wird die Beurteilung einzelner Eigenschaften des Mitarbeiters durch den Gesamteindruck oder anderer besonders ins Auge fallender Eigenschaften überstrahlt (Halo-Effekt). Beispiel: Hält der Beurteiler den zu Beurteilenden insgesamt für eine beeindru ckende Erscheinung, neigt er häufig dazu, auch Einzelmerkmale beim diesem Mitarbeiter entsprechend positiv zu werten.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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Ist der Beurteiler ein Ordnungsfanatiker, haben sehr ordentliche Mitarbeiter auch bei anderen Merkmalen oft einen Beurteilungsvorteil gegenüber weniger ordentlichen Kollegen. Lascher Händedruck, Mundgeruch, häufiges Schwitzen und andere vom Beurteiler als negativ empfundene Persönlichkeitsmerkmale können die Beurteilung negativ überstrahlen. Der Hierarchie-Effekt besagt, dass Mitarbeiter höherer Hierarchiestufen bei gleicher Merkmalsausprägung oft besser beurteilt werden als Mitarbeiter niedrigerer Hierarchieebenen. Vom Kleber-Effekt wird gesprochen, wenn der Mitarbeiter längere Zeit nicht befördert wurde. Unter Vermischung von Ursache und Wirkung kann es vorkommen, dass er von seinem Vorgesetzten deshalb negativ beurteilt wird. Erfahrungen zeigen, dass Vorgesetzte dazu neigen, diejenigen Mitarbeiter besonders gut zu beurteilen, die sie häufig sehen und zu denen sie intensiven beruflichen Kontakt haben (Inter-Gruppen-Effekt). Weiß oder vermutet der Vorgesetzte, dass der zu beurteilende Mitarbeiter bei einem seiner eigenen Vorgesetzten aus irgendeinem Grund günstig eingeschätzt wird, so wird sich seine Beurteilung häufig an der bekannten oder vermuteten Meinung dieser Bezugsperson orientieren (Bezugspersonen-Effekt). Die Tendenz, von einmalig erbrachten auffallend guten oder schlechten Leistungen auf die Gesamtleistung des Mitarbeiters zu schließen, wird als Verallgemeinerungs-Effekt bezeichnet. Beispiel: Ein Mitarbeiter vergisst einmal einen Termin und wird vom Vorgesetz ten generell als vergesslich eingeschätzt.
Ein weiterer Beurteilungsfehler ist der Ähnlichkeits-Effekt. Hier sieht der Beurteiler seine eigenen Leistungen als Maßstab. Je mehr der Beurteilte dem Leistungsprofil des Beurteilers ähnelt, desto günstiger fällt für ihn die Beurteilung aus. Je größer die Unähnlichkeit ist, umso ungünstiger wird er beurteilt. Beim Stimmungslagen-Effekt lässt der Beurteiler seine augenblickliche psychische Stimmung in die Beurteilung einfließen. Besonders gravierend sind Fehler, die sich aus der Persönlichkeitsstruktur des Beurteilers ergeben:
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Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
Beim häufig anzutreffenden Milde-Effekt werden die Mitarbeiter generell zu nachsichtig und zu wohlwollend beurteilt. Dies kann darin begründet sein, dass der Vorgesetzte seine Mitarbeiter nicht verletzen oder ihnen schaden möchte. Vielleicht hat er ihnen gegenüber auch eine grundsätzlich positive Einstellung oder es fehlt ihm einfach der persönliche Mut, schlechte Leistungen als solche zu kennzeichnen. Der Strenge-Effekt wirkt dahin, dass an die zu Beurteilenden die relativ hohen Maßstäbe angewandt werden, die der Beurteiler an sich selbst anlegt. Ein besonders häufig anzutreffender Beurteilungsfehler ist der Mitte-Effekt. Hier besteht die Tendenz, alle Mitarbeiter mehr oder weniger gleich zu beurteilen, um Konflikte in der Gruppe zu vermeiden und dem Problem aus dem Wege zu gehen, Leistungen zu differenzieren und begründen zu müssen. Obwohl sich Beurteilungsfehler nie ganz ausschließen lassen, kann die Häufigkeit ihres Vorkommens dadurch vermindert werden, dass die Vorgesetzten schriftlich auf die einzelnen Fehlerarten hingewiesen werden. Insbesondere ist deutlich zu machen, welche negativen Auswirkungen einzelne Fehlerarten auf die Effektivität des Beurteilungssystems und die Leistungsbereitschaft der beurteilten Mitarbeiter insgesamt haben können. Im Rahmen von Schulungen (Verhaltenstrainings, Rollenspiele etc.) könnten den Vorgesetzten Ratschläge zur Vermeidung von Beurteilungsfehlern vermittelt werden.
11.3.3 Der Weg über das Einspruchsverfahren Erfolgt die Beurteilung funktional – von oben nach unten – durch den Vorgesetzten oder einigen sich Vorgesetzter und Mitarbeiter bei der sog. Selbstbeurteilung nicht über die Einstufung, sollte die Dienst-/Betriebsvereinbarung ein Einspruchsrecht für den Beschäftigten vorsehen. § 18 Abs. 7 TVöD regelt dazu: „Bei der Entwicklung und beim ständigen Controlling des betrieblichen Systems wirkt eine betriebliche Kommission mit, deren Mitglieder je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Betriebs-/Personalrat aus dem Betrieb benannt werden. Die betriebliche Kommission ist auch für die Beratung von schriftlich begründeten Be-
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schwerden zuständig, die sich auf Mängel des Systems bzw. seiner Anwendung beziehen. Der Arbeitgeber entscheidet auf Vorschlag der betrieblichen Kommission, ob und in welchem Umfang der Beschwerde im Einzelfall abgeholfen wird. Folgt der Arbeitgeber dem Vorschlag nicht, hat er seine Gründe darzulegen. Notwendige Korrekturen des Systems bzw. von Systembestandteilen empfiehlt die betriebliche Kommission. Die Rechte der betrieblichen Mitbestimmung bleiben unberührt.“
11.3.4 Das „Führungs und Fördergespräch“ Das Beurteilungsgespräch ist integrierender Teil des Beurteilungsverfahrens. Es erleichtert den Überblick über das Erreichte, gibt die Möglichkeit zu kritischer Rückschau, ermöglicht Feedback und bereitet den Weg für Maßnahmen, die geeignet sind, Stärken zu forcieren und Schwächen zu beseitigen. Das Beurteilungsgespräch sollte kein dramatischer Höhepunkt, sondern der logische Abschluss und Überblick über eine Beurteilungsperiode, etwa eines Kalenderjahres sein. Es ist auch der Beweis und Prüfstein dafür, ob zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter 134 Kommunikation und Feedback funktioniert haben. Im Idealfall wird nämlich das Beurteilungsgespräch für beide Beteiligten kaum Überraschungen bergen, sondern eine konstruktive Gelegenheit bieten, Stärken und Schwächen sowie fördernde und hindernde Faktoren zu besprechen. Zugleich bietet es den Hintergrund für neue Zielsetzungen und leistungsfördernde Maßnahmen. Das Beurteilungsgespräch kann für Beurteilte und Beurteiler eine sehr motivierende Erfahrung sein. Eine Mitarbeiterbeurteilung ohne Besprechung mit dem Beurteilten erfüllt nicht ihren Zweck. Das Beurteilungsgespräch stellt das letzte Glied des gesamten Beurteilungsverfahrens dar. Es dient sowohl der Besprechung der in der Vergangenheit erbrachten Leistungen als auch der Abstimmung über künftige Aufgabenstellungen (Arbeitsziele) und der weiteren beruflichen Entwicklung des Mitarbeiters. Um schon durch die Bezeichnung zum Ausdruck zu bringen, dass das Gespräch neben der Erörterung vergangener Leistungen auch
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Kressler a. a. O. S. 89.
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Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
und vor allem die künftige Entwicklung des Mitarbeiters zum Gegenstand hat, wird es vielfach auch als „Führungs- und Förderungsgespräch“ bezeichnet. Welchen Inhalt sollte das Gespräch haben? Der Mitarbeiter gilt nach moderner Auffassung als verantwortungs135 bewusster und mündiger Partner im Betrieb/in der Einrichtung. Er hat das Recht zu erfahren, wie seine Leistungen und sein Verhalten durch den Vorgesetzten eingeschätzt werden und wie seine weiteren beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten aussehen. Durch eine objektive Beurteilung und die faire Anerkennung guter Leistungen wird der Mitarbeiter für sein künftiges Verhalten motiviert. Eine konstruktive und sachliche Kritik trägt dazu bei, die Ursachen bestehender Mängel zu ermitteln und Wege zu ihrer Behebung aufzuzeigen. Der Mitarbeiter erfährt, inwieweit die Beurteilung durch den Vorgesetzten mit der persönlichen Einschätzung seiner Leistung übereinstimmt. Eventuell bestehende Missverständnisse und Hindernisse können besprochen und ausgeräumt werden. Das Beurteilungsgespräch bietet dem Mitarbeiter Gelegenheit, dem Vorgesetzten seine Erwartungen für sein berufliches Weiterkommen vorzutragen. Unter Berücksichtigung dieser Wünsche sowie der bisherigen Leistungen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter und der im Betrieb vorhandenen Möglichkeiten soll es durch das Gespräch zu einer Abstimmung zwischen dem Vorgesetzten und dem Mitarbeiter über dessen künftige Entwicklung kommen. Eine Umfrage des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialord136 nung hat zu der aufschlussreichen Feststellung geführt, dass die Bewertung der persönlichen Aufstiegschancen von dem Beurteilungsgespräch wesentlich beeinflusst wird. „So sieht die Mehrzahl der Befragten, die nie mit ihrem Vorgesetzten ein solches Gespräch geführt haben, ihre Aufstiegsmöglichkeiten als schlecht an. Von denjenigen hingegen, die über ihre Leistung informiert worden sind, beurteilt ein großer Teil die Möglichkeit des eigenen Fortkommens 135 136
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Vgl. Mentzel a. a. O. S. 104. Unternehmerische Personalpolitik, Bundesverband Deutscher Arbeitgeberverbände 1978 S. 152.
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positiv. Hier zeigt sich die Wichtigkeit von Beurteilungsgesprächen, die dazu beitragen können, dass der Einzelne sein eigenes Leistungsvermögen und damit auch seine Aufstiegschancen realistisch einzuschätzen lernt.“ Die Chancen des Beurteilungsgesprächs hat auch der Gesetzgeber erkannt. Nach § 82 BetrVG kann der Arbeitnehmer verlangen, dass mit ihm die Beurteilung seiner Leistung sowie die Möglichkeiten seiner beruflichen Entwicklung im Betrieb erörtert werden. Welche Aufgaben erfüllt das Beurteilungsgespräch? Im Einzelnen kann das Beurteilungsgespräch folgende Aufgaben erfüllen: • Besprechung der im Beurteilungszeitraum erbrachten Leistungen anhand der einzelnen Beurteilungskriterien. • Kritik und Ursachenerforschung ungenügender Leistungen im Beurteilungszeitraum. • Diskussion und Beschluss von Maßnahmen zur Leistungsverbesserung – Anerkennung und Bestätigung guter Leistungen. • Möglichkeit zur Stellungnahme des Mitarbeiters zu den Ergebnissen der Beurteilung. • Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern durch Schaffung einer offenen und vom gegenseitigen Vertrauen getragenen Atmosphäre. • Förderung der Motivation und Kooperationsbereitschaft des Mitarbeiters – Besprechung der Wünsche und Vorstellungen des Mitarbeiters hinsichtlich seiner künftigen Aufgabenstellung und Entwicklungsmöglichkeiten. • Festlegung des künftigen Aufgabengebietes des Mitarbeiters. • Abstimmung von Maßnahmen zur Förderung und Entwicklung 137 des Mitarbeiters. Tipp Auch wenn 2007 nur 1 % der Lohnsumme auf die Leistungszulage nach TVöD entfallen, macht es Sinn, bereits so früh wie möglich Führungs und Fördergespräche einzuführen. Letztere setzen nicht zwingend die Verknüpfung mit Vergütungsanreizen voraus. 137
Unternehmerische Personalpolitik, a. a. O., S. 152.
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Wie gestalten Sie das Leistungsentgelt?
Bedenken bestehen allerdings, wenn – wie zum Teil in der öffentlichen Verwaltung geschehen – jahrelang Führungs- und Fördergespräche geführt werden, ohne dass der leistungsbereite Mitarbeiter in irgendeiner Weise Förderung erfahren hat. Der weitgehend desinteressierte, durchaus negativ beurteilte Kollege hat im Gegenzug häufig auch keinerlei Nachteile hinnehmen müssen. 138
Checkliste Gesprächsdurchführung • Ist Ihre allgemeine Grundhaltung von Achtung, Verständnis, Tole ranz und Offenheit geprägt? • Geben Sie am Anfang des Gesprächs eine Übersicht über die Ge sprächsinhalte? • Sagen Sie, wie viel Zeit Sie sich für das Gespräch nehmen? • Halten Sie sich nicht zu sehr bei Details auf? • Versuchen Sie, ein aufmerksamer Zuhörer zu sein? • Achten Sie darauf, dass ein Dialog und kein Monolog geführt wird? • Lassen Sie die Mitarbeiter stets ausreden? • Versuchen Sie, bei dem Gespräch die Stärken der Mitarbeiter be sonders zum Ausdruck zu bringen? • Verdeutlichen Sie Ihre Anerkennung genügend? • Lassen Sie auch die Argumente der anderen gelten? • Versuchen Sie, durch offene Fragen („W“ Fragen) Ihr Gegenüber nicht in eine bestimmte Richtung zu drängen, sondern ihm mög lichst viel Freiheit in den Antworten zu geben? Bsp. für „W Fragen“ im Rahmen der „Kooperativen Zielvereinbarung“ sind: - Welche Ziele möchten Sie für den kommenden Zeitraum verein baren? - Was haben Sie im neuen Zeitraum an Zielen vor? Welche Ziele sind im Sinne des Teams und in Ihrem persönli chen Interesse erstrebenswert? • Sprechen Sie die kritischen Punkte konkret an? • Achten Sie darauf, dass Ihre Kritik nicht verletzend wirkt? (Kritisie ren Sie die Sache und nicht die Person!)
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Vgl. Nagel-Schlegtendal a. a. O. S. 94.
12Wie gestalten Sie die Qualifizierung? Heute ist es für jeden Beschäftigten erforderlich, dass er seinen Arbeitsplatz durch lebenslanges Lernen, also eine stetige berufliche Weiterbildung, sichert.
12.1 Wie ist der tarifliche Stand? Mit Einführung des TVöD wurde in § 5 erstmals eine tarifliche Regelung zur Qualifizierung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst getroffen. Qualifizierung erfasst die Fortbildung eines Beschäftigten, der bereits in einem Beruf tätig ist. Diese ist von der Ausbildung zu unterscheiden.
12.1.1 Welche Ziele verfolgt die Tarifregelung? Die Qualifizierung dient nach der tariflichen Zieldefinition: • der Steigerung von Effektivität und Effizienz des öffentlichen Dienstes, • der Nachwuchsförderung und • der Steigerung von beschäftigungsbezogenen Kompetenzen. Die Tarifvertragsparteien verstehen Qualifizierung auch als Teil der Personalentwicklung. Der Tarifvertrag möchte das Bewusstsein bei Arbeitgeber und Beschäftigten für die Notwendigkeit der Qualifizierung der Beschäftigten fördern. Tipp: Durch die tarifliche Neuregelung werden die in einigen Bundesländern existierenden Bestimmungen der Bildungsurlaubsgesetze bzw. Bil dungsfreistellungsgesetze nicht berührt.
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12
Wie gestalten Sie die Qualifizierung?
12.1.2 Was sind Qualifizierungsmaßnahmen im Sinne des TVöD? Eine Qualifizierung kann funktionsspezifisch (Teilnahme des EDVBeauftragten an einem Computerkurs) oder durch Vermittlung allgemeiner Fähigkeiten und Fertigkeiten geschehen (Sprachkurs). Welche Weiterbildungsinhalte für das jeweilige Arbeitsverhältnis sinnvoll sind, ist eine Frage der Arbeitsanforderungen, die regelmäßig der Arbeitgeber festsetzt. Nicht zur Qualifizierung im Sinne des § 5 TVöD zählen: • die Berufs(erst)ausbildung, • Maßnahmen ohne Berufsbezug, • die gesetzlich geregelten punktuellen Qualifizierungslasten des Arbeitgebers, z. B. die Pflicht zur Arbeitseinweisung (§ 81 Abs. 1 Satz 1 BetrVG), • der Qualifizierungsvorschlag des Betriebsrats zur Beschäftigungssicherung nach § 92a BetrVG. Der TVöD unterscheidet zwischen vier Arten der Qualifizierungsmaßnahmen:
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Ein Personalsachbearbeiter be sucht ein Seminar über die Neue rungen im Arbeits und Tarifrecht.
Der Besuch des aufbauenden An gestelltenlehrgangs (AL II), um die Voraussetzungen für die Eingrup pierung in die nächsthöhere Ent geltgruppe zu erreichen. Der Hausmeister erlernt den Um gang mit einem Schneeräumge fährt, damit er künftig auch im Bauhof eingesetzt werden kann.
Eine Mitarbeiterin nimmt während der Elternzeit an einer Schulung über eine neue Software teil, um den zwischenzeitlich eingetrete nen Änderungen in ihrem Aufga benbereich gewachsen zu sein.
die Fortentwicklung der fachli Der Beschäftigte qualifiziert sich chen, methodischen und sozialen für die geänderten Anforderungen Kompetenzen für die übertragenen an seinem bisherigen Arbeitsplatz. Tätigkeiten Die höchste Stufe der Qualifizie rung, die sog. Aufstiegsqualifizie rung, eröffnet dem Beschäftigten neue Tätigkeitschancen auf einem höherwertigen Arbeitsplatz. Die Bestandsschutzqualifizierung soll den Beschäftigten vor einer u.U. drohenden Kündigung schüt zen, indem sie ihn für andere Ar beitsplätze qualifiziert. Beschäftigte in Elternzeit, Son derurlaub oder langandauernder Arbeitsunfähigkeit werden qualifi ziert, damit sie bei Rückkehr mög lichst von Anfang an wieder voll einsatzbereit ist.
der Erwerb zusätzlicher Qualifika tionen
die Qualifizierung zur Arbeits platzsicherung
die Einarbeitung bei oder nach längerer Abwesenheit
b) Fort und Weiterbildung
c) Qualifizierung für eine andere Tätigkeit, Umschulung
d) Wiedereinstiegsqualifizierung
Beispiel
a) Erhaltungsqualifizierung
Zweck
Definition
Begriff
Wie ist der tarifliche Stand?
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Checkliste Qualifizierungs maßnahmen
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Wie gestalten Sie die Qualifizierung?
12.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile? 12.2.1 Gibt es einen Anspruch auf Qualifizierung? In § 5 Abs. 2 Satz 1 TVöD ist ein Anspruch auf Qualifizierung ausdrücklich ausgeschlossen. Vielmehr stellt die Qualifizierung lediglich ein „Angebot“ dar, aus dem die Beschäftigten keinen individuellen Anspruch auf Qualifizierung ableiten können. Die Aus- und Weiterbildung fällt grundsätzlich in den persönlichen Verantwortungsbereich des Beschäftigten. So regelt auch § 2 Abs. 4 SGB III, dass die Arbeitnehmer bei ihren Entscheidungen deren Auswirkungen auf ihre beruflichen Möglichkeiten verantwortungsvoll einzubeziehen haben. Sie sollen insbesondere ihre berufliche Leistungsfähigkeit den sich ändernden Anforderungen anpassen. Die Fort- und Weiterbildung ist grundsätzlich Obliegenheit des Beschäftigten.
12.2.2 Wer trägt die Kosten der Qualifizierung? Nach § 5 Abs. 5 TVöD trägt grundsätzlich der Arbeitgeber die Kosten – einschließlich der Reisekosten – für eine von ihm veranlasste Qualifizierungsmaßnahme, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Allerdings kann der Beschäftigte angemessen an den Kosten einer Qualifizierungsmaßnahme beteiligt werden. In die Planung, ob und in welchem Rahmen eine Qualifizierung vorgenommen wird, kann der Arbeitgeber gesetzliche Förderungsmöglichkeiten einbeziehen, so z. B. die Förderung der beruflichen Weiterbildung nach §§ 77 ff. SGB III. Wie kann der Beschäftigte an den Kosten beteiligt werden? In der Regel wird der Arbeitgeber mit dem Beschäftigten eine Qualifizierungsvereinbarung abschließen, in der unter anderem auch geregelt wird, in welchem Umfang, zu welchem Fälligkeitszeitpunkt und in welcher Form sich der Beschäftigte an den Kosten zu beteiligen hat. Der Tarifvertrag sieht vor, dass der Eigenbetrag des Beschäftigten in Geld und/oder in Arbeitszeit erfolgen kann.
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
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Beispiel: Der Eigenbeitrag in Form von Arbeitszeit kann durch Einbringen von Zeitguthaben oder durch Reduzierung der vereinbarten individuellen regelmäßigen Arbeitszeit für die Dauer der Qualifizierungsmaßnahme geschehen.
Sieht eine Qualifizierungsvereinbarung einen Eigenbeitrag des Beschäftigten in Form von Geld vor – was in der Praxis wohl nur in Ausnahmefällen zu erwarten sein dürfte –, so ist dieser Beitrag aus dem Nettoentgelt des Beschäftigten zu leisten. Eine mögliche Eigenbeteiligung des Beschäftigten kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine Qualifizierungsmaßnahme überwiegend im persönlichen Interesse des Beschäftigten liegt und demgegenüber nur ein geringes dienstliches bzw. betriebliches Interesse des Arbeitgebers besteht. Alternativ können diese Regelungen auch in der Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung geregelt werden. Zulässig ist auch die Vereinbarung von Rückzahlungsklauseln, die dem Arbeitgeber einen Erstattungsanspruch für die Qualifizierungskosten im Falle des baldigen Ausscheidens des Beschäftigten nach Abschluss der Qualifizierungsmaßnahme einräumen.
Rückzahlungs klausel
Achtung: Die Verpflichtung des Beschäftigten zur Rückerstattung der Qualifizie rungskosten bedarf einer ausdrücklichen Vereinbarung. Diese muss vor oder unmittelbar zu Beginn der Fortbildung geschlossen werden. Sie muss zu den Gründen sowie zum Umfang der Rückzahlungsverpflich 139 tung eindeutige Regelungen enthalten.
Wann sind Rückzahlungsklauseln zulässig? 140
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG sind vertragliche Vereinbarungen über die Rückzahlung von Qualifizierungskosten im Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Beschäftigten zulässig. Das gilt jedoch nur, soweit der Beschäftigte durch die Qualifizierungsmaßnahme einen geldwerten Vorteil erlangt und die zulässigen Bindungsfristen eingehalten sind. 139 140
BAG, Urt. v. 21.11.2002 - 6 AZR 77/01. Vgl. z.B. BAG, Urteil vom 05.12.2002 - 6 AZR 216/01.
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Wie gestalten Sie die Qualifizierung?
geldwerter Vorteil
Tipp Ein geldwerter Vorteil ist gegeben, wenn der Beschäftigte mit der vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung seine beruflichen Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wesentlich verbessert hat. Dies ist der Fall, wenn außerhalb des Betriebs des Arbeitgebers Bedarf nach derart aus gebildeten Arbeitskräften besteht und die beruflichen Entwicklungs sowie Verdienstchancen für den Beschäftigten durch die vom Arbeitge ber finanzierte Qualifizierung gesteigert wurden. Aber auch Qualifizierungsmaßnahmen, die dem Beschäftigten realisti sche Aufstiegschancen im Bereich des bisherigen Arbeitgebers eröffnen, die ihm zuvor verschlossen waren, reichen aus.
Die Zulässigkeit der Rückzahlungsklausel hängt weiter von der Bindungsdauer ab. Diese muss in einem angemessenen Verhältnis zur 141 Qualifizierungsdauer stehen. Wann dies der Fall ist, hat das BAG bisher nicht generell geklärt. Allerdings lassen sich der Rechtsprechung folgende Vorgaben entnehmen: Checkliste zur zulässigen Bindungsdauer • Eine Qualifizierung, die nicht länger als einen Monat dauert, rechtfer tigt regelmäßig nur eine Bindung des Beschäftigten bis zu sechs Mo naten, es sei denn, der Beschäftigte hat durch die Qualifizierung eine besonders hohe Qualifikation erworben oder die vom Arbeitgeber auf gewendeten Qualifizierungskosten sind außergewöhnlich hoch. • Bei einer Qualifizierungsdauer bis zu zwei Monaten ohne Ver pflichtung zur Arbeitsleistung kann eine höchstens einjährige Bin dung vereinbart werden. • Bei einer Lehrgangsdauer von drei bis vier Monaten ist eine Bin dungswirkung von zwei Jahren angemessen. • Eine Lehrgangsdauer von fast sechs Monaten rechtfertigt eine Bin dungsdauer von bis zu zwei Jahren. • Eine Lehrgangsdauer von bis zu einem Jahr ohne Arbeitsverpflich tung rechtfertigt im Regelfall keine längere Bindung als drei Jahre. Etwas anderes kann sich nur bei einer besonders hohen Qualifikati on verbunden mit überdurchschnittlichen Vorteilen für den Be schäftigten ergeben.
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BAG, Urt. v. 05.12.2002 - 6 AZR 539/01.
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
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Eine Bindungsdauer von fünf Jahren hat das BAG im Hinblick auf die Länge bzw. Hochwertigkeit der Ausbildung für zulässig erachtet bei Finanzierung eines über zweijährigen Lehrgangs zur Ausbildung von Fachlehrern oder bei Finanzierung eines achtsemestrigen Universitätsstudiums. Eine Rückzahlungsklausel ist jedoch nur insoweit zulässig, als es der Beschäftigte in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen. Die Rückzahlungspflicht kann damit nur an eine vom Beschäftigten veranlasste Beendigung des Arbeitsverhältnisses, gleich ob aus Eigenkündigung oder wegen einer begründeten arbeitgeberseitigen Kündigung, anknüpfen. Für den Beschäftigten muss erkennbar sein, welche Beträge er im Fall der Nichteinhaltung der Bindungsdauer an den Arbeitgeber zurückzuzahlen hat. Eine Festlegung der Beträge, die der Rückzahlungsklausel unterfallen, ist erforderlich. Tipp Zu den erstattungsfähigen Kosten der Qualifizierung zählen der Sachaufwand (z. B. Lehrgangsgebühren, Fahrt und Unterbringungsko sten) und das während der Fortbildung weiter gezahlte Entgelt. Auch Sozialabgaben mit Ausnahme des Arbeitgeberanteils können zurück verlangt werden.
Der zurückgeforderte Betrag ist zu staffeln nach der eingehaltenen Bindungsdauer. Tipp Bei einer Bindungsdauer von drei Jahren haben sich in der Praxis mo natliche Minderungen von Rückzahlungsverpflichtungen von 1/36 be währt.
Die Verpflichtung zur Rückzahlung von Qualifizierungskosten unterliegt der Ausschlussfrist des § 37 TVöD. Der Arbeitgeber muss die Rückzahlung innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend machen.
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Wie gestalten Sie die Qualifizierung?
12.3 Wege der betrieblichen Umsetzung 12.3.1 Welche Pflichten hat der Arbeitgeber? •
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Eine Verpflichtung zur Qualifizierung der Beschäftigten besteht nicht. Die Beschäftigten haben lediglich Anspruch auf ein regelmäßiges Gespräch mit der jeweiligen Führungskraft, in dem festgestellt wird, ob und welcher Qualifizierungsbedarf besteht (§ 5 Abs. 4 TVöD). § 5 Abs. 2 TVöD eröffnet den Betriebspartnern die Möglichkeit, das tarifliche „Angebot“ zur Qualifizierung durch freiwillige Betriebsvereinbarungen bzw. Dienstvereinbarungen wahrzunehmen und näher auszugestalten. Werden Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt, so sind die zwingenden Beteiligungsrechte von Betriebs-/ Personalrat zu beachten. Für Beschäftigte mit „individuellen Arbeitszeiten“, insbesondere Teilzeitbeschäftigte sollen Qualifizierungsmaßnahmen so angeboten werden, dass ihnen eine gleichberechtigte Teilnahme ermöglicht wird.
12.3.2 Wie führen Sie das Gespräch über den Qualifizierungsbedarf? Mit wem und wie oft sind die Gespräche zu führen? Nach dem TVöD hat jeder Beschäftigte Anspruch auf ein regelmäßiges Gespräch mit der jeweiligen Führungskraft. Tipp Aufgrund der eindeutigen Formulierung des Tarifvertrages sind Qualifi zierungsgespräche auch z. B. mit geringfügig Beschäftigten oder Mitar beitern, die nur geringqualifizierte Hilfstätigkeiten ausüben, zu führen.
Der Tarifvertrag bestimmt ausdrücklich, dass auch Beschäftigte „bei oder nach längerer Abwesenheit“ Anspruch auf das Gespräch haben. So sind auch Beschäftigte in Elternzeit oder Sonderurlaub sowie Langzeiterkrankte zum Qualifizierungsgespräch einzuladen.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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Tipp: Qualifizierungsgespräche sind bei länger Abwesenden nach dem Wort laut des TVöD nicht erst nach Beendigung der Abwesenheit, also z. B. am Ende der Elternzeit, sondern bereits während der Abwesenheit re gelmäßig zu führen.
Das Gespräch kann sowohl mit den einzelnen Beschäftigten getrennt als auch als Gruppen-/Teamgespräch geführt werden. Die Entscheidung liegt bei der jeweiligen Führungskraft. Tipp Gerade in großen Arbeitseinheiten empfiehlt es sich, vorerst ein Grup pengespräch durchzuführen. Sollte sich dabei herausstellen, dass ein einzelner Beschäftigter weitergehenden persönlichen Gesprächsbedarf hat, sollte die Führungskraft ein individuelles Einzelgespräch mit dem Betroffenen führen.
Soweit z. B. in einer Dienst- bzw. Betriebsvereinbarung nichts anderes geregelt ist, muss ein solches Gespräch einmal im Jahr stattfinden. Welche Ziele und Inhalte hat das Gespräch? Mit dem Gespräch ist festzustellen, ob und wenn ja, welcher Qualifizierungsbedarf für den einzelnen Beschäftigten besteht. Inhalt des Gesprächs können dementsprechend z. B. sein: • höhere Anforderungen im Aufgabengebiet, • Zielvorgaben des Arbeitgebers, • die Karriereentwicklung des Beschäftigten. Gerade aus Sicht des Arbeitgebers ist für eine moderne Personalführung ein Mitarbeitergespräch unumgänglich. In das Bewusstsein von Arbeitgeber und Beschäftigten soll rücken, dass über die Personalführung die Motivation des einzelnen Beschäftigten gesteigert werden kann. Die Vorstellungen und Fähigkeiten des Beschäftigten sollen so mit den dienstlichen/betrieblichen Zielen und Erfordernissen verbunden werden.
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Wie gestalten Sie die Qualifizierung?
12.3.3 Welche Mitbestimmungsrechte sind zu beachten? Die tarifvertragliche Regelung in § 5 TVöD eröffnet keine neuen Beteiligungsrechte der Personalvertretung. Zu beachten sind jedoch die bestehenden gesetzlichen Regelungen. Betriebsverfassungsrecht Die §§ 96 - 98 BetrVG regeln die Beteiligung des Betriebsrats bei der Berufsbildung. Arbeitgeber und Betriebsrat haben die Berufsbildung der Arbeitnehmer zu fördern. Überblick über die Vorschriften: • § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sieht einen Anspruch des Betriebsrats auf Ermittlung des Bildungsbedarfs durch den Arbeitgeber vor. • Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung auch durch Qualifizierung der Beschäftigten machen (§ 92a Abs. 1 BetrVG). Die Vorschläge hat der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat zu beraten. Tipp Hat der Arbeitgeber Maßnahmen geplant oder durchgeführt, die dazu führen, dass sich die Tätigkeit der betroffenen Beschäftigten derart än dert, dass ihre beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Erfüllung ih rer Aufgaben nicht mehr ausreichen, so hat der Betriebsrat bei der Ein führung von betrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen ein Mitbestim mungsrecht (§ 97 Abs. 2 BetrVG). Der Betriebsrat kann die Maßnahmen über die Einigungsstelle erzwingen. •
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Werden betriebliche Berufsbildungsmaßnahmen durchgeführt, so hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der mit der Fortbildungsmaßnahme beauftragten Person. Auch müssen sich Arbeitgeber und Betriebsrat bei vom Arbeitgeber finanzierten Berufsbildungsmaßnahmen über die Teilnehmer einigen. Schließlich kann der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn die Weiterbeschäftigung des betroffenen Beschäftigten nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist (§ 102 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG).
Wege der betrieblichen Umsetzung
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Personalvertretungsrecht Die Ausführungen gelten entsprechend für den Bereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes und der Personalvertretungsgesetze der Länder. Im Einzelnen: • Nach § 75 Abs. 3 Nr. 7, 13 BPersVG hat der Personalrat ein Mitbestimmungsrecht bezüglich der Auswahl der Teilnehmer an Fortbildungsveranstaltungen und der Aufstellung von Plänen für Umschulungen bei Rationalisierungsmaßnahmen. • § 76 Abs. 2 Nr. 6, 10 BPersVG regelt die Beteiligung des Personalrats bei allgemeinen Fragen der Fortbildung der Beschäftigten und Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern. • Der Personalrat kann gegen eine Kündigung Einwendungen erheben, wenn nach seiner Ansicht die Weiterbeschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungsoder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist (§ 79 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG).
12.3.4 Was ist bei Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme zu beachten? •
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Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Teilnahme zu dokumentieren und den Beschäftigten schriftlich zu bestätigen (§ 5 Abs. 3 Satz 2 TVöD). Zeiten von „vereinbarten Qualifizierungsmaßnahmen“ sind – soweit nicht der Arbeitnehmer diese als Eigenbeitrag einbringt – als Arbeitszeit anzuerkennen (§ 5 Abs. 5 Satz 1 TVöD). Achtung:
Hinsichtlich der Anrechnung als Arbeitszeit gelten die allgemeinen Grundsätze. Als Arbeitszeit ist lediglich die Dauer der Qualifizie rungsveranstaltung selbst, mindestens jedoch die für den jeweiligen Tag dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich vorgesehene Arbeitszeit, anzurechnen. Die Fahrzeit zum und vom Ort der Qualifizierungs maßnahme ist grundsätzlich nicht als Arbeitszeit zu werten. Bei Teilzeitkräften ist die über die individuelle Arbeitszeit hinausge hende Zeit der Qualifizierung als Mehrarbeit anzurechnen.
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Tipp Aus der grundsätzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers, die Zeit der Qualifizierung als Arbeitszeit anzuerkennen, ergibt sich auch die Pflicht, das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen.
Der Beschäftigte hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, wegen der Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme eine besser bezahlte Tätigkeit zugewiesen zu bekommen. Arbeitgeber und Beschäftigter haben jedoch die Möglichkeit, in der Qualifizierungsvereinbarung dahingehende Regelungen zu treffen. Insbesondere bei länger dauernden Fortbildungsmaßnahmen wird der Beschäftigte ein Interesse daran haben, anschließend die neu erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten auch in der täglichen Arbeit einzusetzen und entsprechend besser bezahlt zu werden.
12.3.5 Was kann in Qualifizierungsvereinbarungen geregelt werden? Im Wege einer freiwilligen Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung können Arbeitgeber und Personalvertretung das tarifvertragliche Angebot zur Qualifizierung wahrnehmen und näher ausgestalten. Tipp Inhalt einer solchen Dienstvereinbarung kann z. B. die Art, Dauer, der Inhalt, die Durchführung der Qualifizierungsmaßnahme sein.
Die Tarifvertragsparteien haben bewusst auf eine tarifvertragliche Regelung verzichtet, um den Sozialpartnern auf betrieblicher Ebene einen umfangreichen Spielraum zu belassen. Auf diese Weise können die dienstlichen bzw. betrieblichen Interessen sowohl des Arbeitgebers als auch der Beschäftigten berücksichtigt werden. Tipp In einer Betriebs bzw. Dienstvereinbarung kann dem einzelnen Be schäftigten ein individueller Anspruch auf Qualifizierung eingeräumt werden. Bei der Vereinbarung eines solchen Anspruchs ist dem Arbeit geber allerdings höchste Zurückhaltung anzuraten.
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13 Wie gehen Sie vor bei Krankheit? Nur wenn eine Krankheit zugleich zur „Arbeitsunfähigkeit“ des Beschäftigen führt, greifen die nachfolgend geschilderten tariflichen und gesetzlichen Regelungen. Als „Krankheit“ definiert das Bundesarbeitsgericht „jeden regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustand“. Ist der Arbeitnehmer „außer Stande, die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeit zu verrichten“ bzw. könnte er „die Arbeit nur unter der Gefahr fortsetzen, in absehbarer naher Zeit seinen Zustand zu verschlimmern“, so liegt zugleich Arbeitsunfähigkeit vor.
13.1 Wie ist der tarifliche Stand? 13.1.1 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Die Beschäftigten haben bei einer Arbeitsunfähigkeit infolge • Krankheit, • Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation • einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Gleiches gilt für eine Arbeitsverhinderung, die infolge einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft eintritt. Der Anspruch der Beschäftigten ergibt sich sowohl aus den allgemeinen Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes (insbesondere § 3 EFZG) als auch den speziellen Regelungen in § 22 TVöD sowie § 13 TVÜ Bund/VKA. Wann entsteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung? Nach der allgemeinen Regel § 3 Abs. 3 EFZG entsteht der Anspruch erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhält-
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nisses. Abweichend hiervon regelt § 22 TVöD zugunsten des Beschäftigten, dass ohne Wartezeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht. Voraussetzung für die Entgeltfortzahlung ist nicht, dass der Beschäftigte bereits einen Tag gearbeitet hat. Erkrankt der Beschäftigte somit vor Vertragsbeginn, setzt mit Beginn des Arbeitsverhältnisses die Zahlung der Krankenbezüge ein. War der Beschäftigte allerdings bereits zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsabschlusses arbeitsunfähig erkrankt und dauert dieser Zustand zu Beginn des Arbeitsverhältnisses fort, besteht kein Anspruch auf Krankenentgelt. Kann man den Anspruch auf Krankenentgelt verlieren? Vorsatz
Der Beschäftigte hat keinen Anspruch auf Krankenbezüge, wenn er sich die Krankheit vorsätzlich oder grob fahrlässig zugezogen hat (§ 22 Abs. 1 TVöD i. V .m. der Protokollerklärung zu Abs. 1). Von Vorsatz spricht man, wenn der Beschäftigte den Eintritt der Erkrankung direkt anstrebt oder zumindest billigend in Kauf genommen hat. Grob fahrlässig handelt er, wenn er gegen das von einem Menschen im eigenen Interesse gebotene Verhalten in "gröblicher Weise" verstößt. Wurde eine unverschuldete Erkrankung durch grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten erschwert oder verlängert und tritt dadurch die Arbeitsunfähigkeit erst ein bzw. wird ihre Dauer verlängert, so verliert der Beschäftigte die Krankenbezüge gleichermaßen. Tipp Den Beschäftigten trifft demzufolge eine Verpflichtung zu einem ge sundheitsförderlichen Verhalten. Andernfalls macht er sich schadener satzpflichtig. Eventuell kann sogar eine ordentliche Kündigung ge rechtfertigt sein. Allerdings trägt der Arbeitgeber die Darlegungs und Beweislast für das schuldhafte Verhalten des Arbeitnehmers.
Wie lange wird Krankenentgelt bezahlt? Nach § 22 Abs. 1 TVöD erhält der Beschäftigte Krankenentgelt bis zu einer Dauer von sechs Wochen. Danach setzen die Leistungen der Krankenkasse ein. Die Fälligkeit des Krankenentgelts richtet sich nach § 24 Abs. 1 TVöD, die Berechnung von Teilbeträgen nach § 24 Abs. 3 TVöD.
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Was gilt bei Mehrfacherkrankungen? Zum Thema Mehrfacherkrankungen gibt es verschiedene Fallkonstellationen: denkbar sind eine erneute Erkrankung nach vorangegangener Arbeitsunfähigkeit, eine zusätzliche Erkrankung während bereits bestehender Arbeitsunfähigkeit oder eine Fortsetzungserkrankung. Erneute Erkrankung nach vorangegangener Arbeitsunfähigkeit Jede auf einer neuen Krankheit beruhende Arbeitsunfähigkeit begründet grundsätzlich einen neuen Anspruch auf Krankenentgelt. Allerdings muss zwischen der ersten und der zweiten Krankheit eine – wenn auch nur kurze – Zeit der vollen Arbeitsfähigkeit liegen, in der jedoch der Mitarbeiter nicht gearbeitet haben muss. Ein Zeitraum von wenigen Stunden genügt. Hat der Arzt in der Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung (AU-Bescheinigung) einen bestimmten Kalendertag festgelegt, so bescheinigt er damit in der Regel die Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der üblichen Arbeitszeit des Mitarbeiters an diesem Kalendertag. Bei einer auf den nächsten Kalendertag datierten neuen AU-Bescheinigung ist davon auszugehen, dass zwischen den von den beiden Bescheinigungen erfassten Zeiträumen eine Zeit der Wiederherstellung der Gesundheit gelegen hat. Zusätzliche Erkrankungen während bereits bestehender Arbeitsunfähigkeit Tritt während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine weitere neue Krankheit hinzu oder wird eine Krankheit ohne zwischenzeitliche Arbeitsfähigkeit durch eine andere abgelöst, so liegt eine Erkrankung vor. Es verbleibt beim ursprünglichen Anspruch auf Krankenentgelt. Fortsetzungserkrankung Eine Fortsetzungserkrankung liegt vor, wenn die erneute Erkrankung auf demselben medizinisch nicht ausgeheilten Grundleiden beruht. Die erneute Erkrankung stellt lediglich eine Fortsetzung der früheren dar. Beispiele einer Fortsetzungserkrankung sind etwa: • nicht ausgeheilte Grippe, • nicht ausgeheilte Lungenentzündung,
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Wiederholungs erkrankung
rheumatische Beschwerden, Leber- und Magenleiden, in Schüben auftretende Psychosen, Epilepsie, immer wieder ausbrechende Hautekzeme.
Von der Fortsetzungserkrankung ist die Wiederholungserkrankung zu unterscheiden. Gemeint sind damit medizinisch völlig neue Erkrankungen, auch wenn sie dasselbe Organ betreffen. Beispiel: Ein zweiter grippaler Infekt wäre zwar die "gleiche" Krankheit, nicht jedoch „dieselbe" Krankheit. Eine Fortsetzungserkrankung würde nur dann vorliegen, wenn die vorausgegangene Grippeerkrankung medizi nisch nicht ausgeheilt war und ein Rückfall erneut zur Arbeitsunfähig keit führt.
Bei einer Fortsetzungserkrankung gelten die einzelnen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit insgesamt als eine Erkrankung. Es besteht daher auch nur einmal Anspruch auf Krankenbezüge (§ 3 Abs.1 EFZG). Von diesem Grundsatz sieht § 3 Abs. 1 EFZG zwei Ausnahmen vor: 1. Die 6-Monats-Unterbrechung Liegen sechs Monate zwischen zwei Arbeitsunfähigkeitszeiträumen aufgrund einer Fortsetzungserkrankung, so entsteht der Anspruch auf Krankenentgelt neu. Die 6-Monats-Frist beginnt am 1. Tag nach Beendigung eines Arbeitsunfähigkeitszeitraums zu laufen. Von diesem Zeitpunkt an müssen sechs Monate vergehen, bevor die Fortsetzungserkrankung einsetzt. Wenn der Arbeitnehmer innerhalb des 6Monats-Zeitraums aufgrund einer anderen Krankheit arbeitsunfähig erkrankt, ist dies unschädlich. 2. Die 12-Monats-Rahmenfrist Selbst wenn zwischen den verschiedenen Phasen der Arbeitsunfähigkeit keine 6 Monate liegen, entsteht ein erneuter Anspruch des Arbeitnehmers auf Krankenentgelt, wenn seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der Fortsetzungserkrankung zwölf Monate vergangen sind und er nunmehr erneut an der Fortsetzungserkrankung erkrankt.
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Was gilt bei ruhenden Arbeitsverhältnissen? Wird der Beschäftigte vor oder während eines Ruhens des Arbeitsverhältnisses (z. B. unbezahlter Sonderurlaub, Grundwehrdienst, Wehrübung, Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz, Elternzeit) arbeitsunfähig krank, besteht kein Anspruch auf Krankenentgelt. Dauert die Arbeitsunfähigkeit bei Wiederaufnahme der Arbeit noch fort, beginnt der 6-Wochen-Zeitraum für das Krankenentgelt gemäß § 22 Abs. 1 TVöD erst zum Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Arbeitsverhältnisses. Anders ist die Rechtslage beim Krankengeldzuschuss (siehe Ziffer 12.1.3). Der Bezugszeitraum von 13 bzw. 39 Wochen gemäß § 22 Abs. 3 TVöD beginnt hier mit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Erlischt der Anspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses? Der Anspruch auf Krankenentgelt erlischt grundsätzlich mit dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, gleich aus welchem Rechtsgrund, wie z. B. Befristung, Aufhebungsvertrag, tariflicher Endigungstatbestand (§§ 30, 33 TVöD) oder Kündigung (§ 34 TVöD). Kündigt der Arbeitgeber jedoch aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit und endet das Arbeitsverhältnis vor dem Ende der Bezugsfrist, behält der Beschäftigte den Anspruch auf Krankenentgelt bis zur Dauer von sechs Wochen. Gleiches gilt, wenn der Beschäftigte aus einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund kündigt, der den Beschäftigte zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 EFZG).
Kündigung
13.1.2 Wann besteht ein Anspruch auf Krankengeldzuschuss? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Nach Ablauf von sechs Wochen entfällt der Anspruch auf Krankenbezüge. An dessen Stelle tritt ein Anspruch auf Krankengeldzuschuss (§ 22 Abs. 2, 3 TVöD). Voraussetzung ist, dass dem Arbeitnehmer Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung oder entsprechende Leistungen aus der gesetzlichen Renten- oder Unfallversicherung oder nach dem Bundesversorgungsgesetz zustehen oder, wenn
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er in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versichert ist, zustünden. Die Zahlung des Krankengeldzuschusses ist folglich untrennbar an die Zahlung von Krankengeld gekoppelt. Ein Anspruch auf Krankengeld entsteht nach § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bei stationärer Behandlung von deren Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Kein Anspruch auf Krankengeldzuschuss besteht • während des ersten Jahres der Beschäftigungszeit (Ausnahme: Der Beschäftigte vollendet im Lauf der Arbeitsunfähigkeit eine Beschäftigungszeit von mehr als einem Jahr, § 22 Abs. 3 Satz 2 TVöD). • bei Bezug einer Altersrente oder einer vergleichbaren Leistung (§ 22 Abs. 4 Satz 2 TVöD). • bei Bezug von Leistungen sonstiger Versorgungseinrichtungen, die nicht allein aus Mitteln der Beschäftigten finanziert ist (z. B. Mutterschaftsgeld). • bei Vorliegen einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder eines nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruchs. Wie lange besteht der Anspruch auf Krankengeldzuschuss? Krankengeldzuschuss wird gezahlt, wenn der Arbeitnehmer eine Beschäftigungszeit (§§ 34 Abs. 3 TVöD) zurückgelegt hat • von mehr als 1 Jahr, längstens bis zum Ende der 13. Woche, • von mehr als 3 Jahren, längstens bis zum Ende der 39. Woche seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Die ersten sechs Wochen, in denen der Arbeitnehmer Krankenbezüge erhält, sind dabei in den Bezugszeitraum mit einzurechnen. Der Krankengeldzuschuss wird somit in der Zeit bis zur Vollendung des dritten Beschäftigungsjahres tatsächlich höchstens bis zu 7 Wochen gezahlt und nach der 3-Jahres-Schwelle höchstens bis zu 33 Wochen. Gibt es Höchstgrenzen für den Krankengeldzuschuss innerhalb eines Kalenderjahres? Im Gegensatz zum BAT sieht § 22 TVöD keine absolute Höchstgrenze für die Inanspruchnahme des Arbeitgebers innerhalb eines Kalenderjahres vor. Vielmehr besteht der Anspruch bei jeder neuen
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Erkrankung in voller Höhe. Die jeweilige Höchstdauer des Zuschusses bezieht sich auf „dieselbe“ Erkrankung. Wie hoch ist der Krankengeldzuschuss? Der Krankengeldzuschuss wird in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den tatsächlichen Barleistungen des Sozialversicherungsträgers und dem Nettoentgelt gezahlt. Als Erstes wird also das Nettoentgelt – das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Arbeitsentgelt – ermittelt. Dieses ist den Beschäftigten nach § 21 TVöD u. a. während krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit fortzuzahlen. Zu den gesetzlichen Abzügen zählen auch die an die Zusatzversorgungseinrichtung zu entrichtenden Arbeitnehmeranteile an den Erhöhungsbeträgen sowie die Arbeitnehmeranteile an den Beiträgen zu den Ersatzversicherungen (z. B. zu den berufsständischen Versorgungseinrichtungen). Bei freiwillig Krankenversicherten ist dabei deren Gesamtkranken- und Pflegeversicherungsbeitrag abzüglich Arbeitgeberzuschuss zu berücksichtigen. Von dem so ermittelten Nettoentgelt ist das Bruttokrankengeld abzusetzen. Das Bruttokrankengeld beträgt seit dem 1.1.1997 70 % des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Es darf 90 % des entgangenen Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Als Regelentgelt gilt bei einem Monatseinkommen der 30. Teil des Kalendermonats. Herangezogen wird dabei der letzte Monat vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Bei nicht pflichtversicherten Beschäftigten berechnet sich der Krankengeldzuschuss nach § 22 Abs. 2 Satz 3 TVöD fiktiv nach dem Krankengeldhöchstsatz, der ihm bei Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung zustünde. Dieser beträgt zur Zeit unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze von 3.525 EUR täglich 82,25 EUR (= 70 % der Beitragsbemessungsgrenze: 30 Tage)
Nettoentgelt
Beschäftigte, die unter § 71 BAT (Tarifgebiet West) fielen Beschäftigte, die bereits am 30. Juni 1994 in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, das am 1. Juli 1994 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat, hatten im Geltungsbereich des BAT (Tarifgebiet West) aufgrund der Übergangsregelung in § 71 BAT einen Anspruch
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auf Zahlung von Krankenbezügen über die Dauer von sechs Wochen hinaus bis zum Ende der 26. Woche seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Die Beschäftigten erhielten also nach bisherigem Recht volle Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis zur Dauer eines halben Jahres. In den Verhandlungen zum TVöD ist für diese Beschäftigte Folgendes vereinbart worden: „Für Beschäftigte, die unter die Regelung der Entgeltfortzahlung des § 71 BAT fallen, wird als Krankengeldzuschuss die Differenz zwischen Nettourlaubsentgelt und Nettokrankengeld gezahlt. Für alle übrigen Beschäftigten bleibt es bei der bisherigen Regelung (Differenz zwischen Nettourlaubsentgelt und Bruttokrankengeld). In beiden Fällen wird der Krankengeldzuschuss statt längstens bis zum Ende der 26. Woche zukünftig längstens bis zum Ende der 39. Woche gewährt." Tipp Hieraus folgt, dass die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Beschäftigten sich daher ab 1. Oktober „nachversi chern" müssen, damit die Krankenkasse bei einer länger als sechs Wo chen andauernden Arbeitsunfähigkeit ab der 7. Woche und nicht erst ab der 27. Woche die entsprechenden Leistungen erbringt.
Als Kompensation dafür, dass der TVöD keine Nachfolgeregelung zu § 71 BAT enthält, wird den betroffenen Beschäftigten außerdem ein höherer Krankengeldzuschuss als den übrigen Beschäftigten bezahlt. Die Höhe des Krankengeldzuschusses bemisst sich nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem von der Krankenkasse festgesetzten Nettokrankengeld (oder der entsprechenden gesetzlichen Nettoleistung) und dem Nettoentgelt. Der Begriff „Nettokrankengeld“ wird in Satz 2 definiert. Darunter ist die Leistung zu verstehen, die dem Beschäftigten nach Abzug der von ihm geschuldeten Beiträge zur Sozialversicherung unmittelbar zufließt. Dadurch ergibt sich ein gegenüber dem Bruttokrankengeld niedrigerer Betrag, der zwangsläufig zu einem höheren Zuschuss des Arbeitgebers führt, um den Unterschiedsbetrag zum Nettoentgelt auszugleichen. Der Arbeitgeber finanziert gewissermaßen zusätzlich die auf das Krankengeld entfallenden Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung.
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13.1.3 Welche Pflichten hat der Beschäftigte bei Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit? Welche Meldepflichten sind zu beachten? Nach § 5 Abs. 1 EFZG ist jeder Beschäftigte verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Diese Anzeigepflicht besteht unabhängig davon, ob die Arbeitsunfähigkeit verschuldet oder unverschuldet ist. Tipp Der Beschäftigte muss den Arbeitgeber grundsätzlich am ersten Tag der Erkrankung, und zwar zu Arbeitsbeginn, informieren. Die Mitteilung kann dabei mündlich, telefonisch oder ggf. per Fax erfolgen, eine nor male briefliche Anzeige ist verspätet. Möglich ist die Information jedoch auch durch Angehörige oder Arbeitskollegen
Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer zur Feststellung einer möglichen Erkrankung einen Arzt aufsuchen will. Schreibt der Arzt den Beschäftigten krank, hat der Beschäftigte den Arbeitgeber unverzüglich hiervon in Kenntnis zu setzen. Über Verlängerungen der Krankschreibung ist der Arbeitgeber ebenfalls unverzüglich zu informieren, auch nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums. Bei Beschäftigten in verantwortlicher Stellung gelten besondere Anforderungen. Sie sind im Falle plötzlicher Erkrankung dazu verpflichtet, den Arbeitgeber zu informieren, was während ihrer Abwesenheit in ihrem Aufgabenbereich geschehen soll, sofern nicht krankheitsbedingte Umstände entgegenstehen Muss der Beschäftigte die Arbeitsunfähigkeit nachweisen? Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, muss dem Arbeitgeber spätestens am darauf folgenden Arbeitstag eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorgelegt werden, so § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG. Die Dauer bestimmt der behandelnde Arzt. Im Regelfall stellt er nach einer genauen Untersuchung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus. Dafür muss er den Versicherten auch über Art und Umfang der tätigkeitsbedingten Anforderungen und Belastungen befra-
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gen. Bei der Auswahl des untersuchenden Arztes ist der Beschäftigte frei. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, muss unverzüglich ein neues ärztliches Attest vorgelegt werden (§ 5 Abs. 1 Satz 4 EFZG). Tipp Eine Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Behand lungsbeginn liegenden Tag ist nur ausnahmsweise und nur nach ge wissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu zwei Tagen zulässig.
Bei Mitgliedern gesetzlicher Krankenkassen sollte die Bescheinigung zusätzlich den Vermerk des Arztes enthalten, dass auch die Krankenkasse unverzüglich über die Arbeitsunfähigkeit zu informieren ist. Dieser sind auch Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen (§ 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG). Dem Arbeitgeber muss die Art der Erkrankung des Arbeitnehmers nicht mitgeteilt werden. Nur in Ausnahmefällen (ansteckende Erkrankung etc.) kann eine Meldepflicht bestehen. Welche weiteren Pflichten bestehen bei Auslandsaufenthalten? Hält sich der Beschäftigte bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Ausland auf, so ist er verpflichtet, dem Arbeitgeber • die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit, • deren voraussichtlich Dauer sowie • die Adresse am Aufenthaltsort in der schnellstmöglichen Art mitzuteilen (§ 5 Abs. 2 EFZG). Die Mitteilung des Aufenthaltsortes soll dem Arbeitgeber bei berechtigten Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Kontrolluntersuchung auch im Ausland – z. B. durch einen von der Krankenkasse benannten Arzt – ermöglichen. Die durch die Mitteilung entstehenden Kosten hat der Arbeitgeber zu tragen. Kehrt der arbeitsunfähig erkrankte Beschäftigte in das Inland zurück, so ist er verpflichtet, dem Arbeitgeber und der Krankenkasse seine Rückkehr unverzüglich anzuzeigen.
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13.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile? 13.2.1 Welchen Beweiswert hat die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung? Um berechtigt von der Arbeit fernbleiben zu können und einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu haben, muss der Arbeitnehmer die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit darlegen und erforderlichenfalls beweisen. Diesen Anforderungen kommt er mit Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vollständig nach, da dieser laut Rechtsprechung ein hoher Beweiswert zukommt. Auch in einem Arbeitsgerichtsverfahren hat der Richter nach Ansicht des BAG im Regelfall den Beweis der Arbeitsunfähigkeit mit Vorlage der Bescheinigung als erbracht anzusehen. Wann bestehen berechtigte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit? Hat der Arbeitgeber trotz Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Zweifel, so muss er – um einer Entgeltfortzahlung zu entgehen – konkrete Einzelumstände darlegen, wenn er die Krankschreibung in Frage stellen will. Tipp Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit einer Arbeitsunfähigkeitsbe scheinigung können insbesondere dann bestehen, wenn • die Krankschreibung für einen länger zurückliegenden Zeitraum er folgt ist, • die Krankschreibung ohne vorhergehende ärztliche Untersuchung erfolgt ist oder • der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit „angekündigt" hat. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit einer anderen Tätigkeit nachgeht oder sich sonst genesungswidrig ver hält oder wenn er eine rückdatierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt.
Ist durch solche oder vergleichbare Tatsachen der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert, muss der Arbeitneh-
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mer seinerseits den vollen Beweis für seine Arbeitsunfähigkeit erbringen. Er kann z. B. den Arzt als Zeugen benennen, muss ihn jedoch zuvor von der ärztlichen Schweigepflicht entbinden. Verbleiben Zweifel, gehen diese zu Lasten des Arbeitnehmers.
13.2.2 Kann der Arbeitgeber eine Untersuchung veranlassen? Eine allgemeine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich vor der Einstellung oder während des Beschäftigungsverhältnisses einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, besteht nicht. Wohl aber bestehen einzelne gesetzliche Vorschriften, die derartige Untersuchungen vorsehen, z. B. das Jugendarbeitsschutzgesetz, das Bundesseuchengesetz, die Gefahrstoffverordnung - sowie die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften. Aber auch ein Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder der Arbeitsvertrag können den Arbeitnehmer zu einer ärztlichen Untersuchung verpflichten. Tipp Auch ohne ausdrückliche Regelung muss der Arbeitnehmer bei einem berechtigten Interesse des Arbeitgebers eine ärztliche Untersuchung seines Gesundheitszustandes dulden. Dies ergibt sich generell aus seiner allgemeinen Treuepflicht. Bestehen zum Beispiel Zweifel an der Taug lichkeit, den Anforderungen des Arbeitsplatzes aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft gerecht zu werden (z. B. Fahrtauglichkeit eines Busfahrers), so kann ein ärztliches Gutachten eingefordert werden.
Welche Möglichkeit bietet der TVöD? Auch der TVöD (§ 3 Abs. 4) ermächtigt den Arbeitgeber zur Kontrolle: Bei begründeter Veranlassung muss der Beschäftigte durch ärztliche Bescheinigung nachweisen, ob er die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit erfüllen kann. Damit steht also nicht nur die allgemeine Arbeitsfähigkeit im Mittelpunkt der Untersuchung. Arbeitsfähig ist der Beschäftigte erst dann, wenn sein Leistungsvermögen mit den gesundheitlichen Anforderungen seines Arbeitsplatzes in Übereinstimmung steht.
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§ 3 Abs. 4 TVöD spricht von begründeter Veranlassung. Geregelt ist nur, dass der Arbeitgeber von der Befugnis nicht willkürlich Gebrauch machen darf. Der Anlass zur Untersuchung kann sich aus der Fürsorgepflicht für den Arbeitnehmer selbst, aus der Fürsorgepflicht für die übrigen Arbeitnehmer oder aus dem sonstigen Pflichtenkreis der Verwaltung oder des Betriebs ergeben. Die Möglichkeit der Untersuchung bedeutet jedoch nicht, dass der Arzt ohne jede Einschränkung alle Untersuchungen vornehmen darf, die er oder der Arbeitgeber für sachdienlich halten. Das Interesse des Arbeitgebers an der geforderten Untersuchung ist vielmehr abzuwägen gegen das Interesse des Arbeitnehmers an der Wahrung seiner Intimsphäre und körperlichen Unversehrtheit.
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Tipp: So muss der Arbeitnehmer in der Regel keinen mit einer Blutentnahme verbundenen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit dulden.
Der Arbeitgeber ist in der Wahl des Arztes beschränkt. So kann er nach § 3 Abs. 4 TVöD einseitig nur die Untersuchung durch einen Betriebsarzt oder einen anderen Arzt, auf den sich die Betriebsparteien geeinigt haben, bestimmen. Soll ein anderer Arzt, z. B. ein Facharzt, die Untersuchung durchführen, muss er sich hierüber mit der Personalvertretung einigen. Der Arbeitnehmer kann den vom Arbeitgeber bestimmten Arzt nur ablehnen, wenn er konkrete und gewichtige Gründe vorzubringen vermag, aufgrund derer eine Untersuchung durch gerade diesen Arzt für ihn unzumutbar ist. Mitwirkungs
Tipp pflicht Der Arbeitnehmer ist zur Mitwirkung verpflichtet. Er hat den untersu chenden Arzt insoweit von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden, als es das Ziel der Untersuchung erfordert. Darüber hinaus muss er den Arzt über vorangegangene Erkrankungen unterrichten, einschlägige Vorbefunde zur Verfügung stellen und bisherige Ärzte von der Schwei gepflicht gegenüber dem nun untersuchenden Arzt entbinden.
Verweigert der Arbeitnehmer grundlos seine Mitwirkung, ist der Arbeitgeber nach Abmahnung zur (ggf. außerordentlichen) Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt.
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Die Kosten der ärztlichen Untersuchung hat der Arbeitgeber zu tragen. Dazu gehören Gebühren für Ärzte, Kosten von Laboruntersuchungen, Kosten einer eventuell erforderlichen stationären Unterbringung sowie eventuelle Fahrtkosten. Die Untersuchungen sind nach Möglichkeit während der Arbeitszeit vorzunehmen. Für die Untersuchung ist der Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung freizustellen. Findet die ärztliche Untersuchung außerhalb der dienstplanmäßigen Arbeitszeit statt, besteht Anspruch auf Freizeitausgleich, da der Beschäftigte auf Anordnung des Arbeitgebers diese Zeit aufgewandt hat. Welche Kontrollmöglichkeiten bestehen über die Krankenkasse?
Schadenser satzpflicht
Der Missbrauchskontrolle dienen auch die ergänzenden Kontrollbefugnisse der Krankenkasse (§ 275 SGB V), die zum Teil erheblich verschärft worden sind. Bislang konnte die Krankenkasse bei „begründeten Zweifeln“ an der Arbeitsunfähigkeit eine gutachterliche Stellungnahme des medizinischen Dienstes einholen. Nunmehr reichen (einfache) Zweifel aus. Solche Zweifel werden nach § 275 Abs. 1 Nr. 3b SGB V vermutet insbesondere • bei auffällig häufigen Mehrfach- und Kurzerkrankungen, • bei häufiger Arbeitsunfähigkeit am Beginn oder Ende einer Woche oder • bei Nachweisen durch einen Arzt, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen auffällig geworden ist. In § 106 Abs. 3a SGB V ist zudem erstmals eine Schadensersatzpflicht des Arztes geregelt, der grob fahrlässig oder vorsätzlich die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers festgestellt hat, obwohl die medizinischen Voraussetzungen nicht vorlagen.
13.2.3 Kann der Arbeitgeber eine Einstellungsuntersuchung verlangen? Anders als der BAT enthält der TVöD keine Verpflichtung des Beschäftigten, sich auf Verlangen des Arbeitgebers einer Einstellungsuntersuchung zu unterziehen. Damit sind Einstellungsuntersuchun-
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gen nur noch auf freiwilliger Basis mit Einwilligung des Bewerbers bzw. Beschäftigten zulässig. Diese Einwilligung könnte wie folgt lauten: Einwilligung des Arbeitnehmers in eine Eignungsuntersuchung/ ärztliche Untersuchung Hiermit erkläre ich, dass ich mit einer psychologischen Eignungsuntersu chung/einem graphologischen Gutachten und/oder einer ärztlichen Untersuchung einverstanden bin. Den untersuchenden Arzt entbinde ich von seiner Schweige pflicht, soweit die Auskünfte erforderlich sind, die Eignung für die Tätigkeit zu be urteilen.
Da kein Bewerber sein Einverständnis versagen wird, steht es im Ermessen des Arbeitgebers, ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Einstellungsuntersuchungen sollten nicht generell, sondern im Einzelfall je nach Erforderlichkeit erfolgen. Diese richtet sich z. B. nach Art und Dauer der auszuübenden Tätigkeit, Alter des Bewerbers oder dem Eindruck von seinem Gesundheitszustand beim Vorstellungsgespräch. Liegt beim Abschluss des Arbeitsvertrages das Ergebnis der Einstellungsuntersuchung noch nicht vor, kann der Arbeitsvertrag unter dem Vorbehalt der gesundheitlichen Eignung des Bewerbers abgeschlossen werden. Hierbei handelt es sich um eine auflösende Bedingung. Eine derartige Vertragsklausel könnte lauten: Musterklausel: Arbeitsvertrag unter Vorbehalt der Eignung Die Einstellung erfolgt vorbehaltlich der uneingeschränkten gesundheitlichen Eignung für die vorgesehene Tätigkeit gemäß dem Ergebnis der ärztlichen Einstellungsuntersu chung.
Beruft sich der Arbeitgeber im Fall eines negativen Untersuchungsergebnisses auf die auflösende Bedingung, endet das Arbeitsverhältnis dennoch nicht sofort. Vielmehr ist wie bei einer Zweckbefristung dem Arbeitnehmer ein unabdingbarer Mindestzeitraum zuzugestehen, währenddessen er sich auf die bevorstehende Vertragsbeendigung einstellen kann. Das Anstellungsverhältnis endet mit der kürzestmöglichen Frist von zwei Wochen zum Monatsende (§ 34 Abs.1 TVöD).
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Durch die Untersuchung hat der Bewerber seine körperliche Eignung nachzuweisen. Es soll festgestellt werden, ob der Bewerber • die arbeitsvertraglich vorgesehene Tätigkeit verrichten kann, • durch die auszuübende Tätigkeit an seiner Gesundheit nicht gefährdet wird, • nicht die Gesundheit anderer Mitarbeiter aufgrund ansteckender Erkrankungen gefährdet. • Der untersuchende Arzt kann vom Arbeitgeber bestimmt werden. Durch die Einwilligung in die Einstellungsuntersuchung entbindet der Bewerber den Arzt in dem dazu erforderlichen Umfang von seiner Schweigepflicht (§ 203 StGB). Davon erfasst ist jedenfalls die allgemeine Stellungnahme des untersuchenden Arztes zur gesundheitlichen Eignung für die vorgesehene Tätigkeit. Die Bescheinigung darf in der Regel nur das Untersuchungsergebnis, nicht jedoch den Untersuchungsbefund, enthalten. Die Untersuchung kann zu folgenden Ergebnissen führen: • keine gesundheitlichen Bedenken, • keine gesundheitlichen Bedenken unter bestimmten Voraussetzungen, • befristete gesundheitliche Bedenken, • dauernde gesundheitliche Bedenken. Die Entbindung von der Schweigepflicht erstreckt sich im Allgemeinen nicht auf die Angabe von einzelnen Untersuchungsbefunden wie z. B. Blutbild, Blutdruck, Puls, Hörvermögen, Sehvermögen etc. Ob und welche Mitteilungen der Arzt über die reine Stellungnahme zur Eignungsfrage hinaus für erforderlich hält, hat er in eigener Verantwortung zu prüfen. Bei der Einstellungsuntersuchung ist im Hinblick auf Umfang und Intensität der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Das Interesse des Arbeitgebers an der geforderten Untersuchung ist abzuwägen gegen das Interesse des Arbeitnehmers an der Wahrung seiner Intimsphäre und körperlichen Unversehrtheit. Außerdem sind die Grundsätze des Fragerechts des Arbeitgebers zu beachten. Auch der Arzt darf im Rahmen einer Einstellungsuntersuchung keine weiter gehenden Fragen stellen, als dies dem Arbeitgeber erlaubt ist. Gewinnt der Arzt aufgrund seiner Sachkunde im Rahmen
Wege der betrieblichen Umsetzung
der Einstellungsuntersuchung weitere Informationen, darf er diese dem Arbeitgeber nicht mitteilen, soweit sie die genannten Grenzen überschreiten. Sowohl die Feststellung einer Schwangerschaft als auch das Vorliegen einer AIDS-Infektion, dürfen in keinem Fall in die Stellungnahme einfließen. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand kann der AIDS-Virus durch die üblichen sozialen Kontakte am Arbeitsplatz nicht übertragen werden. Eine andere Betrachtungsweise ist sicherlich dann geboten, wenn aufgrund des speziellen Arbeitsgebiets oder Aufgabenbereichs des Beschäftigten (z. B. Klinik oder Kindergarten) die Möglichkeit einer Infektion von Kollegen, Patienten oder Kunden nicht ausgeschlossen ist. Weigert sich der Bewerber ein ärztliches Zeugnis vorzulegen oder den vom Arbeitgeber benannten Arzt in Anspruch zu nehmen, so wird der Arbeitgeber von der Einstellung absehen. Die Kosten der Einstellungsuntersuchung hat, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, der Arbeitgeber zu tragen. Zu den Untersuchungskosten gehören Gebühren für Ärzte, Kosten von Laboruntersuchungen, Kosten einer eventuell erforderlichen stationären Unterbringung sowie Fahrtkosten. Der Bewerber hat keinen Anspruch auf Ersatz eines etwaigen Verdienstausfalls, der ihm durch die Einstellungsuntersuchung entsteht. Dies gehört zum notwendigen Zeitaufwand auf der Suche eines neuen Arbeitsplatzes (§ 629 BGB).
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Kosten
13.3 Wege der betrieblichen Umsetzung 13.3.1 Kann die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu einem früheren Zeitpunkt verlangt werden? Nach der Neuregelung des EFZG ist der Arbeitgeber ohne jede Einschränkung berechtigt, die ärztliche Bescheinigung früher zu verlangen. Dies gilt nicht nur im Einzelfall, wenn z. B. ein Beschäftigter des Öfteren kurzzeitige „Auszeiten“ nimmt. Vielmehr kann ganz generell und kollektiv für eine Abteilung oder aber für den ganzen Betrieb die Vorlagepflicht auf den ersten Tag der Erkrankung gelegt
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Wie gehen Sie vor bei Krankheit?
werden, z. B. durch Aushang am Schwarzen Brett, Hausmitteilung oder einheitliche Regelung in allen Arbeitsverträgen. Tipp In diesen Fällen hat der Betriebs /Personalrats jedoch ein Mitbestim mungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bzw. den entsprechenden Vorschriften des Bundes / Landespersonalvertretungsgesetzes.
13.3.2 Welche Konsequenzen drohen bei Verletzung von Melde und Nachweispflichten? Ein einmaliger schuldhafter Verstoß des Beschäftigten gegen seine Anzeige- und/oder Nachweispflicht rechtfertigt in der Regel weder eine ordentliche noch eine außerordentliche Kündigung. Der Arbeitgeber ist in diesen Fällen lediglich dazu befugt, den Arbeitnehmer abzumahnen, d. h. ihm für den Wiederholungsfall kündigungsrechtliche Konsequenzen anzudrohen. Verstößt der Arbeitnehmer wiederholt trotz Abmahnung schuldhaft gegen die Anzeigepflicht, so rechtfertigt dies in der Regel eine auf verhaltensbedingte Gründe gestützte ordentliche Kündigung. Dabei muss es nicht einmal zu einer Störung der Arbeitsorganisation oder des Betriebsfriedens gekommen sein. Fehlt es dagegen an einem Verschulden des Arbeitnehmers, so scheiden kündigungsrechtliche Sanktionen aus. Eine schuldhafte Pflichtverletzung ist z. B. dann zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer in Folge der Schwere der Erkrankung nicht dazu in der Lage war, den Arbeitgeber unverzüglich über die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtlichen Dauer zu unterrichten. Eine außerordentliche Kündigung ist nur in Ausnahmesituationen gerechtfertigt. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes i. S. des § 626 BGB ist z. B. dann zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer sich grundsätzlich weigert, der Anzeigepflicht nachzukommen und sich dementsprechend verhält.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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Tipp Der Arbeitgeber ist nach § 7 EFZG berechtigt, die Entgeltfortzahlung zu verweigern, wenn und solange der Beschäftigte schuldhaft • keine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt, • bei einem Auslandsaufenthalt den weiteren Anzeigepflichten nicht nachkommt, • den Übergang eines Schadensersatzanspruchs gegen einen Dritten auf den Arbeitgeber verhindert.
13.3.3 Welche Pflichten hat der Arbeitgeber durch das „betriebliche Eingliederungsmanagement“? Nach § 84 Abs. 2 SGB IX hat der Arbeitgeber ein „betriebliches Eingliederungsmanagement“ durchzuführen, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind. Hierbei hat der Arbeitgeber: • mit dem Betriebs-/Personalrat, • bei schwerbehinderten Arbeitnehmern außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, • mit Zustimmung und Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers nach Möglichkeiten zu suchen, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann. Zudem sollen entsprechende Leistungen oder Hilfen geprüft werden, um erneuter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und den Arbeitsplatz zu erhalten.
13.3.4 Unter welchen Voraussetzungen kann ein Dritter in die Haftung genommen werden? Der TVöD enthält – anders als der BAT in § 38 – keinen eigenen originären tarifvertraglichen Forderungsübergang. Es greift die gesetzliche Regelung nach § 6 EFZG. Kann der Arbeitnehmer von einem Dritten aufgrund gesetzlicher Vorschriften Schadensersatz wegen Verdienstausfalls verlangen, so geht dieser Anspruch mit der Entgeltfortzahlung grundsätzlich auf den Arbeitgeber über. Der Übergang bewirkt, dass insoweit nicht mehr der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber Anspruchsinhaber ist und den Schadens-
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Wie gehen Sie vor bei Krankheit?
ersatz gegenüber dem Schädiger (ggf. auch klageweise) geltend machen kann. Der Anspruchsübergang findet insoweit statt, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt fortgezahlt hat. Zu berücksichtigen sind das Bruttoentgelt, wie es der Arbeitgeber nach Maßgabe des § 4 EFZG fortgezahlt hat, Entgelt für eventuelle Freistellungstage, die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung, Beiträge zu Einrichtungen der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung. Tipp Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gehen nur insoweit auf den Arbeitgeber über, als dieser auf Grundlage des EFZG Leistungen er bringt. Zahlt der Arbeitgeber darüber hinaus (z. B. aufgrund des TVöD Krankengeldzuschuss, anteilige Jahressonderzahlung, anteiliges Ur laubsentgelt, Sterbegeld), so werden diese vom Anspruchsübergang nicht erfasst. Der Arbeitgeber kann sich solche Leistungen aber nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln über die Abtretung von An sprüchen abtreten lassen.
Nicht vom Forderungsübergang erfasst werden u. a.: • die Arbeitnehmer-Sparzulage, • immaterielle Schäden des Arbeitnehmers (z. B. Schmerzensgeld) sowie Sachschäden, • eigene Aufwendungen des Arbeitgebers aus Anlass des Schadensfalles wie z. B. die Kosten für die Schadensbearbeitung sowie sonstige Eigenschäden, die dem Arbeitgeber aufgrund der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers entstehen, • Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung oder • Beihilfe. Der Schadensersatzanspruch geht erst in dem Zeitpunkt und in dem Umfang auf den Arbeitgeber über, als dieser Entgeltfortzahlung tatsächlich leistet. Frühere Forderungsübergänge gehen damit denen des Arbeitgebers vor. Dies kann beispielsweise relevant werden, wenn nicht nur der Arbeitgeber, sondern auch ein Träger der Sozialversicherung Leistungen erbringt (z. B. Krankengeld bei Langzeiterkrankung). Für die Träger der Sozialversicherung gilt der günstigere § 116 SGB X, der den sofortigen Übergang des Anspruchs bei Ent-
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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stehen anordnet. Genügt der Schadensersatzanspruch nicht, um die Leistungen von Sozialversicherung und Arbeitgeber zu decken, so bewirkt der spätere Forderungsübergang nach § 6 EFZG, dass der Sozialversicherungsträger zunächst zu befriedigen ist und der Arbeitgeber sich lediglich am verbleibenden Rest des Schadensersatzanspruchs schadlos halten kann. Der Forderungsübergang findet ausnahmsweise nicht statt, wenn sich der Schadensersatzanspruch gegen einen in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitnehmer lebenden Familienangehörigen richtet. Der Forderungsübergang kann ferner nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers geltend gemacht werden (§ 6 Abs. 3 EFZG). Beim Forderungsübergang treffen den Arbeitnehmer auch Mitwirkungspflichten (§ 6 Abs. 2 EFZG). So hat er unverzüglich dem Arbeitgeber die zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlichen Angaben (Schadensursache, Schadenshergang, Schädiger, Zeugen, Urkunden) zu machen. Verletzt der Arbeitnehmer diese Pflicht, berechtigt dies den Arbeitgeber zur Leistungsverweigerung (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 EFZG). Der Arbeitnehmer darf schließlich den Forderungsübergang nicht dadurch unmöglich machen, dass er mit der Versicherung des Schädigers einen Abfindungsvergleich abschließt, der sämtliche aus dem Schadensfall herrührenden Ansprüche betrifft, obwohl er damit rechnen muss, dass infolge des schädigenden Ereignisses entgeltfortzahlungspflichtige Erkrankungen entstehen (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 EFZG). Der Arbeitgeber hat in diesen Fällen ein Rückforderungsrecht hinsichtlich der geleisteten Krankenbezüge gem. §§ 812 ff. BGB aus ungerechtfertigter Bereicherung.
13.3.5 Was gilt bei überzahlten Krankengeld zuschüssen? Nach § 22 Abs. 4 Satz 3 TVöD gelten überzahlte Krankengeldzuschüsse und sonstige überzahlte Bezüge als Vorschüsse auf die zustehenden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer vergleichbaren Leistung aus einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung oder aus einer sonstigen Versorgungseinrichtung, die nicht allein aus Mitteln der Beschäftigten finanziert ist. Dadurch
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Wie gehen Sie vor bei Krankheit?
tragen die Tarifvertragsparteien dem Umstand Rechnung, dass der Rentenversicherungsträger oft für einen viele Monate zurückliegenden Zeitpunkt den Eintritt Erwerbsminderung anerkennt und von diesem Zeitpunkt an rückwirkend die Rente zahlt. Der arbeitsunfähige Beschäftigte soll in diesem Fall nicht neben dem Rentenanspruch auch den Anspruch auf Krankenentgelt behalten. Maßgebend ist hierbei der Tag, der in dem Rentenbescheid als der Tag bezeichnet ist, von dem an erstmals Rente gewährt wird. Unbedeutend ist, wann der Rentenbescheid erstellt, wann er dem Empfänger zugegangen ist oder wann der Arbeitnehmer die erste Rentenzahlung erhalten hat. Dadurch, dass die über den Rentenbeginn hinaus gezahlten Krankenbezüge als Vorschuss auf die Rente fingiert werden, verlieren sie insoweit ihre Arbeitsentgelteigenschaft. Die darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge, Lohnsteuer sowie Umlagen zur Zusatzversorgungskasse sind insoweit neu zu berechnen und zurückzufordern. Des Weiteren bewirkt die Bezeichnung dieser Zahlungen als Vorschüsse, dass der Arbeitnehmer als Empfänger der Leistung zur Rückzahlung verpflichtet ist, wenn die tariflichen Voraussetzungen der Vorschussgewährung vorliegen. Das bedeutet, dass das gesetzliche Bereicherungsrecht (§ 812 ff. BGB) daneben keine Anwendung findet. Insbesondere kann sich der Arbeitnehmer nicht auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen. Zugleich enthält § 22 Abs. 4 Satz 3 TVöD auch einen Forderungsübergang. Er ordnet den Übergang von Rentenansprüchen insoweit an, als sie auf die Zeit entfallen, in der Krankenbezüge über den tariflich maßgebenden Zeitpunkt hinaus gezahlt werden. Der tarifvertragliche Anspruchsübergang umfasst daher nur die für denselben Zeitraum fällig gewordenen Rentenansprüche. Die darüber hinausgehenden von der Vorschussfiktion erfassten Beträge hat der Arbeitnehmer selbst zurückzuzahlen. Hinsichtlich dieser tariflichen Regelung und der sich daraus ergebenden für den Arbeitnehmer u. U. einschneidenden Konsequenzen hat der Arbeitgeber keine allgemeine Belehrungspflicht. Die tarifliche Ausschlussfrist des § 37 TVöD beginnt in derartigen Fällen erst in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Arbeitgeber in der Lage ist, seinen Rückforderungsanspruch wegen überzahlter Bezüge annähernd zu beziffern. Dies ist in der Regel erst dann der
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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Fall, wenn er aufgrund der entsprechenden Mitteilung des Sozialversicherungsträgers erkennen kann, in welcher Höhe Rentenansprüche auf ihn übergegangen sind und welcher Restbetrag für die Rückforderung verbleibt. Nach § 22 Abs. 4 Satz 4 TVöD kann von der Rückforderung abgesehen werden, es sei denn, der Beschäftigte hat dem Arbeitgeber die Zustellung des Rentenbescheids schuldhaft verspätet mitgeteilt. In allen anderen Fällen kann der Arbeitgeber nach freiem Ermessen entscheiden, ist aber durch die Grenze der Willkür eingeschränkt.
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14 Wie gehen Sie vor bei Urlaub? Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts, so der § 21 TVöD. Der Tarifvertrag gestaltet dabei kein eigenständiges Recht, sondern konkretisiert nur den gesetzlichen Anspruch aus dem Bundesurlaubsgesetz.
14.1 Wie ist der tarifliche Stand? Im Gegensatz zu den Regelungen des BAT//BAT-O/BMT-G/BMTG-O/MTArb/MTArb-O werden die Abweichungen zur gesetzlichen Grundlage stark eingeschränkt. § 26 TVöD (Erholungsurlaub) ist somit erheblich übersichtlicher. Insbesondere finden sich hier Regelungen zur Höhe des Urlaubsanspruchs, zur Teilbarkeit, zur Übertragbarkeit auf das Folgejahr sowie für den Fall der Beendigung bzw. des Ruhens eines Arbeitsverhältnisses.
14.1.1 Wie hoch ist der Anspruch auf Erholungsurlaub?
Verteilung der Arbeitstage
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Die Dauer des Erholungsurlaubs ist nach dem Alter der Beschäftigten gestaffelt – unabhängig von der jeweiligen Entgeltgruppe . Sie beträgt • bis zum vollendeten 30. Lebensjahr 26 Arbeitstage, • bis zum vollendeten 40. Lebensjahr 29 Arbeitstage, • nach dem vollendeten 40. Lebensjahr 30 Arbeitstage. Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Die Anzahl der Urlaubstage ist abhängig von der Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die Arbeitstage. Die Regelung in Abs. 1 geht von einer Verteilung auf fünf Arbeitstage pro Woche aus. Hierbei ist der Begriff der Arbeitstage nicht ausdrücklich geregelt. Als Arbeitstage sind alle Kalendertage zu werten, an denen der Angestellte dienstplanmäßig oder betriebsüblich zu arbeiten hat. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle betrifft dies die Tage von Montag bis Freitag. Dies ist für die Urlaubsberechnung jedoch nicht zwin-
Wie ist der tarifliche Stand?
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gend. Die Verteilung auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche muss nicht auf bestimmte Kalendertage festgelegt sein. Im Durchschnitt müssen sich jedoch fünf Arbeitstage pro Woche ergeben. Bei mehr oder weniger als fünf Arbeitstagen passt sich die Länge des Urlaubsanspruchs entsprechend an. Maßgeblich ist die Verteilung der Arbeitstage, wie sie am Anfang des Jahres vorgesehen war. Bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs ist die Dauer der täglichen Arbeitszeit unbeachtlich. Teilzeitbeschäftigte haben daher den gleichen Urlaubsanspruch wie Vollzeitbeschäftigte. Beispiel: Ein Beschäftigter, der in Teilzeit regelmäßig 24 Stunden pro Woche ar beitet – an jeweils drei Tagen je 8 Stunden –, erhält nur entsprechend anteilig Urlaub. Hat er bereits das 40. Lebensjahr vollendet, so wird die Anzahl der Arbeitstage seiner durchschnittlichen Arbeitswoche ins Ver hältnis zu einer Arbeitswoche mit fünf Arbeitstagen gesetzt. Er hat daher im Kalenderjahr Anspruch auf 18 Urlaubstage (30 Urlaub stage x (Anzahl der individuellen Arbeitstage (3) pro Woche / 5 Ar beitstage)).
Ergibt die Umrechnungsregel einen Bruchteil von verbleibenden Urlaubstagen, der mindestens eine halben Urlaubstag ergibt, wird der Bruchteil auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet. Die Gewährung von Bruchteilen von Urlaubstagen ist im TVöD nicht vorgesehen, selbst wenn der Beschäftigte nur wenige Stunden arbeitet. Beträgt der Bruchteil weniger als einen halben Tag, bleibt er unberücksichtigt. Der Beschäftigte hat lediglich Anspruch auf die bei der Berechnung verbleibenden ganzen Tage.
14.1.2 Wann wird der Urlaubsanspruch gekürzt? Der volle Urlaubsanspruch besteht nur dann, wenn auch das Arbeitsverhältnis in dem Kalenderjahr ununterbrochen besteht. Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im Laufe des Urlaubsjahres oder ruht es zwischenzeitlich, so kann sich der Urlaubsanspruch entsprechend mindern. Dies betrifft jedoch ausschließlich den tariflichen Erholungsurlaub. Der gesetzliche Mindestanspruch von 24 Werktagen (20 Arbeitstage) im Kalenderjahr nach § 5 BUrlG ist in jedem Fall zu berücksichtigen.
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14 bei Einstellung
Wie gehen Sie vor bei Urlaub?
Wird das Arbeitsverhältnis erst im Laufe des Jahres neu begründet, so besteht ein Anspruch auf ein Zwölftel des tariflichen Erholungsurlaubs für jeden vollen Monat innerhalb des Kalenderjahres. Ein voller Monat ist nicht gleichzusetzen mit einem Kalendermonat. Beispiel: Beginnt das Arbeitsverhältnis am 20. März hat der Beschäftigte mit Ablauf des 19. April einen Anspruch auf ein Zwölftel des Erholungsur laubs. Im gesamten Jahr erwirbt er neun Zwölftel (20. März bis 19. De zember = 9 volle Monate).
bei Beendigung
bei Ruhen
Beginnt das Arbeitsverhältnis erst in der zweiten Hälfte des Jahres, erfüllt der Beschäftigte nicht mehr die Wartezeit des § 4 BUrlG. Er kann den Urlaub erst im Folgejahr geltend machen. Die Übertragung erfolgt dabei gemäß § 7 Abs. 3 Satz 4 BUrlG auf Antrag des Beschäftigten. Auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im laufenden Jahr erhält der Beschäftigte nur anteiligen Erholungsurlaub für die vollen Monate des Arbeitsverhältnisses. Bei Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte kann der gesetzliche Urlaub durch die tarifliche Regelung jedoch nicht gemindert werden. Der Beschäftigte hat daher in jedem Fall Anspruch auf 20 Arbeitstage (24 Werktage) Mindesturlaub. Eine Kürzung des Urlaubsanspruches erfolgt auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis zwar während des gesamten Kalenderjahres besteht, aber für bestimmte Zeiträume ruht. In diesem Fall vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen Zusatzurlaubs für jeden vollen Kalendermonat der Ruhenszeit ebenfalls um ein Zwölftel. Beispiel: Die 25 jährige Beschäftigte wird am 01. Januar eines Jahres eingestellt und erhält für eine private Fortbildung einen Sonderurlaub vom 01. Mai bis zum 30. Juni. Das Arbeitsverhältnis endet am 30. September. Der Urlaubsanspruch von 26 Tagen vermindert sich um 5/12 für die Monate Mai – Juni und Oktober – Dezember (5 Monate). Damit verbleibt ein Urlaubsanspruch von 15,17 Tagen für das Kalenderjahr. Der Mindest anspruch nach BUrlG beträgt bei einer Fünf Tage Woche und erfüllter Wartezeit jedoch 20 Arbeitstage (= 24 Werktage). Der Urlaub kann da her insgesamt nur um 6 Urlaubstage gekürzt werden.
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Wie ist der tarifliche Stand?
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Fehlzeiten wegen Krankheit, Arbeitsversäumnis oder -befreiung mindern den Urlaubsanspruch nicht. Neben dem tarifvertraglichen Reduzierungstatbestand können auch noch gesetzliche treten. So kann der Erholungsurlaub gemäß § 17 Abs. 1 BErzGG um ein Zwölftel für jeden vollen Kalendermonat gekürzt werden, in dem sich der Beschäftigte in Elternzeit befindet. § 4 Abs. 1 ArbPlSchG enthält eine entsprechende Bestimmung für Wehr- oder Ersatzdienst.
14.1.3 Wann ist Erholungsurlaub zu gewähren? Der Anspruch auf Erholungsurlaub besteht in jedem Kalenderjahr des Arbeitsverhältnisses. Urlaub bedeutet die Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung und dient der Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitskraft der Beschäftigten. Um diesen Zweck erfüllen zu können, wird der Anspruch auf Erholungsurlaub mit dem Kalenderjahr verbunden. Grundsätzlich ist daher der Urlaub im laufenden Kalenderjahr vom Arbeitgeber zu gewähren bzw. vom Beschäftigten zu nehmen. Die Urlaubsplanung für den Betrieb oder die Verwaltung muss sich an den dienstlichen oder betrieblichen Bedürfnissen orientieren. Dem Urlaubsantrag des Beschäftigten ist stattzugeben, wenn keine dringenden betrieblichen Belange oder vorrangige Urlaubswünsche anderer Beschäftigter entgegenstehen. Achtung: Der Urlaubsanspruch ist unabhängig von der Arbeitsleistung und be steht bereits am ersten Tag des neuen Jahres in vollem Umfang. Selbst wenn der Beschäftigte das ganze Kalenderjahr arbeitsunfähig ist, kann er trotzdem den gesamten Urlaub geltend machen.
Vor dem Beginn des Kalenderjahres besteht kein Anspruch auf den Urlaub des Folgejahres. Ein „Vorweggewähren“ von Urlaubstagen ist daher nicht möglich. Hat der Beschäftigte einen längeren Urlaub genommen, als ihm zustand (Kürzung wegen Ruhen oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses), kann zu viel gewährter Urlaub bzw. das für diese Zeit gezahlte Urlaubsentgelt zurückgefordert werden. Scheidet der Ar-
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Wie gehen Sie vor bei Urlaub?
beitnehmer in der ersten Jahreshälfte aus und hat er in diesem Zeitraum mehr als den anteiligen Urlaub genommen, scheidet eine Rückforderung aufgrund des Rückforderungsverbotes des § 5 Abs. 3 BUrlG aus.
14.1.4 Ist der Erholungsurlaub teilbar? Regeneration
Der Erholungsurlaub muss nicht im Ganzen genommen, sondern kann auch auf mehrere Teilabschnitte aufgeteilt werden. Um den Erholungszweck nicht zu gefährden, ist jedoch eine Atomisierung des Urlaubs, etwa in 30 einzelne Tage, zu vermeiden. Entsprechend ist in der Protokollerklärung zu § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD konkretisiert, dass der Urlaub grundsätzlich zusammenhängend gewährt werden soll und dabei eine Dauer von zwei Wochen anzustreben ist. Dadurch wird jedoch nicht ausgeschlossen, dass Urlaub auch an ein142 zelnen Tagen genommen werden kann. Im Hinblick auf den Erholungszweck sollte im Jahr ein zusammenhängender Urlaubsblock die Regeneration ermöglichen.
14.1.5 Ist die Übertragung auf das Folgejahr möglich?
dringender Grund
Prinzipiell ist ein Urlaub in dem Kalenderjahr zu nehmen, in dem der Anspruch entsteht. Nach § 26 Abs. 2 a) TVöD kann jedoch der Urlaub in zwei Stufen auf das folgende Kalenderjahr übertragen werden. Grundlage der Übertragung ist das Bundesurlaubsgesetz. Daher bestimmen sich die Voraussetzungen der Urlaubsübertragung nach § 7 Abs. 3 BUrlG. Im TVöD werden jedoch eigene Übertragungsfristen geregelt. Der Urlaub muss aufgrund dringender betrieblicher oder in der Person des Beschäftigten liegender Gründe im Urlaubsjahr nicht genommen werden können. Liegt kein ausreichender Grund vor und tritt der Beschäftigte den Urlaub trotz Aufforderung durch den Arbeitgeber nicht an, verfällt der Urlaubsanspruch.
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§ 13 Abs. 1 BUrlG enthält insoweit eine tarifliche Öffnungsklausel.
Wie ist der tarifliche Stand?
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Achtung: Fällt der persönliche Grund vor Ende des Kalenderjahres weg, ist der Beschäftigte verpflichtet, den Resturlaub anzutreten. Tut er dies nicht, verfällt der Teil des Resturlaubs, den er noch im vorangegangenen Jahr hätte nehmen können.
Liegt ein hinreichender Grund im Sinn des BUrlG vor, ist zur Übertragung keine weitere Einigung der Arbeitsvertragsparteien erforderlich. Tipp Um zu vermeiden, dass am Ende eines Kalenderjahres ein Engpass ent steht, weil viele Beschäftigte noch ihren Resturlaub antreten wollen, ist ein Urlaubsplan empfehlenswert.
Wird der Erholungsurlaub übertragen, muss er in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Ausreichend ist, wenn der 31. März der erste Urlaubstag ist. In der zweiten Stufe kann der Resturlaub nur noch in der Zeit zwischen dem 01. April und 31. Mai des Jahres angetreten werden, wenn der Urlaub bis zum Ablauf der ersten Frist wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht angetreten werden konnte. Eine Übertragung über den 31. Mai eines Jahres ist ausgeschlossen. Kann der Beschäftigte seinen Urlaub auch bis zu diesem Zeitpunkt nicht antreten, verfällt der Resturlaubsanspruch aus dem vergangenen Jahr endgültig. Auch eine ersatzweise Abgeltung ist nicht möglich. Darüber hinaus kann ein Erholungsurlaub auch noch aufgrund der gesetzlichen Regelungen im MuSchG und BErzGG auf ein späteres Kalenderjahr übertragen werden.
14.1.6 Welche Folgen hat eine Erkrankung? Gemäß § 9 BUrlG werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage einer Arbeitsunfähigkeit, die in die Zeit des Erholungsurlaubs fallen, auf den Jahresurlaub nicht angerechnet. Für die Entgeltfortzahlung nach § 21 TVöD hat die Anzeige grundsätzlich in der Frist des § 5 Abs. 1 EFZG bzw. bei einem Auslandsaufenthalt gemäß § 5 Abs. 2 EFZG zu erfolgen. Für die Nichtanrechnung von
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Wie gehen Sie vor bei Urlaub?
Urlaubstagen genügt die Vorlage eines Attestes nach Ende des Urlaubs. Allerdings muss ein im Ausland ausgestelltes ärztliches Zeugnis erkennen lassen, dass der ausländische Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterschieden hat. Kann der Beschäftigte die Zeit einer Arbeitsunfähigkeit in seinem genehmigten Urlaub nachweisen, kann er für jeden Krankheitsstag einen neuen Urlaubstag beanspruchen. Hierzu bedarf es jedoch eines neuen Antrags und auch einer neuen Genehmigung durch den Arbeitgeber. Erkrankt der Beschäftigte bereits vor dem Urlaubsbeginn und hält die Erkrankung auch in den geplanten Urlaubszeitraum an, so muss der Urlaub erst gar nicht angetreten werden. Wird der Beschäftigte noch im ursprünglich geplanten Urlaubszeitraum wieder arbeitsfähig, kann der Arbeitgeber dennoch nicht verlangen, dass der Beschäftigte die restlichen Urlaubstage – wie genehmigt – antritt. Achtung: Tritt der Beschäftigte seinen Jahresurlaub am Ende des Urlaubsjah res/der Übertragungszeit an und erkrankt er im Urlaub, so verfallen die Resturlaubstage aus dem vergangenen Jahr. Eine Übertragung ist nicht möglich, da diese voraussetzt, dass die Erkrankung (persönlichen Grün de) zum Jahresende/31. März vorgelegen hat und der Beschäftigte des wegen seinen Urlaub nicht antreten konnte.
14.1.7 Ist Urlaubsentgelt/Urlaubsgeld zu zahlen? Der Beschäftigte hat während der Dauer seines Erholungsurlaubs Anspruch auf Fortzahlung seines Entgelts. Die Höhe wird durch § 21 TVöD einheitlich für alle Entgeltfortzahlungsfälle (Urlaub, Krankheit, Arbeitsbefreiung) bestimmt. Die ständigen Entgeltbestandteile werden ohne inhaltliche Änderung weitergezahlt. Lediglich für die unständigen Entgeltbestandteile wird eine Durchschnittsberechnung der letzten drei Kalendermonate angestellt. Die Entgeltfortzahlung erfolgt zusammen mit oder, wenn der Urlaub den gesamten Monat andauert, anstelle des Entgeltanspruchs nach § 24 TVöD am letzten Tag eines Monats. Der Beschäftigte kann die Entgeltfortzahlung erst zu diesem Zeitpunkt geltend machen.
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Wie ist der tarifliche Stand?
Anspruch auf ein zusätzliches „Urlaubsgeld“ sieht der TVöD – im Gegensatz zum BAT/BMT-G/MTArb – nicht mehr vor.
14 Urlaubsgeld
14.1.8 Zusatzurlaub bei (Wechsel) Schichtarbeit? Beschäftigte erhalten einen Zusatzurlaub gemäß § 27 TVöD, wenn sie ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit leisten und ihnen eine Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 TVöD zusteht. Wechselschichtarbeit und die Höhe des Zusatzurlaubs Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen der Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen wird. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, an Werktagen sowie an Sonn- und Feiertagen gearbeitet wird. Eine identische Berücksichtigung in allen Schichten ist jedoch genauso wenig erforderlich, wie ein gleichmäßiger Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten. Nimmt der Beschäftigte nicht an allen Schichten teil, z. B. aus persönlichen Gründen nicht an der Nachtschicht, leistet er keine Wechselschichtarbeit. Auf die Anzahl der Schichten im Dienstplan und ihre Verteilung über den Tag kommt es nicht an. Der Beschäftigte leistet bereits dann eine Nachtschicht, wenn mindestens zwei Stunden der Arbeitszeit in die Zeit zwischen 21:00 Uhr und 6:00 Uhr (Nachtarbeit) fallen. Für je zwei zusammenhängende Monate, in denen der Beschäftigte ständig Wechselschichtarbeit leistet, erhält er einen zusätzlichen Urlaubstag. Rechnerisch sind daher maximal sechs Urlaubstage für den Beschäftigten erreichbar. Der Wortlaut der Vorschrift setzt nicht voraus, dass es sich um zwei zusammenhängende Kalendermonate handelt. Demnach ist auch ein Zeitraum als zusammenhängender Monat zu zählen, der in der Mitte eines Kalendermonats beginnt und am vorhergehenden Tag des nächsten Monats endet, z. B. vom 11. Mai bis zum 10. Juni.
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Wie gehen Sie vor bei Urlaub?
Beispiel: In einem Krankenhaus sieht der Dienstplan insgesamt vier Arbeitsschichten vor, die über 24 Stunden verteilt sind. Der Beschäftigte arbeitet in diesem Dienstplan von 14. März bis 20. Juli durchgehend. Für die vier zusammen hängenden Monate (14. März 13. Juli) erhält er zwei zusätzliche Urlaub stage. Die darüber hinausgehenden 7 Tage (14. 20. Juli) Wechselschicht bleiben für den Urlaubsanspruch unberücksichtigt.
Schichtarbeit und die Höhe des Zusatzurlaubs Schichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel des Beginns der täglichen Arbeitszeit, verschoben um mindestens zwei Stunden, in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht, und deren Zeitspanne mindestens 13 Stunden beträgt. Mit der Zeitspanne wird die Zeit zwischen dem Beginn der frühesten und dem Ende der spätesten Schicht innerhalb von 24 Stunden bezeichnet. Schichtarbeit leisten auch die Beschäftigten, die in einem Dienstplan für Wechselschicht nicht in allen Schichten, insbesondere in der Nachtschicht, oder nicht an allen Tagen, insbesondere am Wochenende, arbeiten oder die nur in einem unverhältnismäßig geringen Umfang in einer der Schichten einer Wechselschicht eingesetzt werden. Damit ein Dienstplan als Schichtarbeit gilt, ist es ausreichend, wenn sich die Arbeitszeit auch nur einmal im Monat um mehr als zwei Stunden verschiebt. Für je vier zusammenhängende Monate, in denen der Beschäftigte ständig Schichtarbeit leistet, erhält er einen zusätzlichen Urlaubstag. Auch hinsichtlich des zusammenhängenden Zeitraums von vier Monaten wird nicht auf den Kalendermonat abgestellt. Wann entsteht der Anspruch auf Zusatzurlaub? Voraussetzung für die Gewährung von Zusatzurlaub bei Wechselschicht- und Schichtarbeit ist der ununterbrochene Einsatz des Beschäftigten nach einem entsprechenden Dienstplan für einen bestimmten Zeitraum. Nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 TVöD können zukünftig auch Zeiten aus dem vergangenen Jahr, in denen der Beschäftigte Wechselschicht- oder Schichtarbeit geleistet hat, mit berücksichtigt werden.
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Wie ist der tarifliche Stand?
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Im Gegensatz zu den bisherigen Regelungen entsteht der Anspruch auf Zusatzurlaub bereits in dem Jahr, in dem die Voraussetzungen erfüllt werden. Beispiel: Der Beschäftigte wird in Wechselschicht seit dem 01. September einge setzt. Mit Ablauf des 31. Dezember hat er die Voraussetzung erfüllt. Da der Anspruch zusammen mit der Erfüllung der Voraussetzung entsteht, zählt er noch zum vorangegangenen Jahr. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Protokollerklärung. Dieser Urlaubstag ist dann innerhalb der nächsten drei Monate zu nehmen (§ 26 Abs. 2 a) TVöD).
Was ist bei einer Unterbrechung der (Wechsel) Schichtarbeit? Für die Feststellung, ob ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit geleistet wurde, ist eine Unterbrechung durch Arbeitsbefreiung, Feizeitausgleich, bezahlten Urlaub oder Arbeitsunfähigkeit in den Grenzen des § 22 TVöD unschädlich. Dies gilt jedoch nur, wenn der Beschäftigte dienstplanmäßig weiterhin zur Wechselschicht- oder Schichtarbeit eingesetzt worden wäre. Was gilt bei nicht ständiger (Wechsel) Schichtarbeit? Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- und Schichtarbeit können die Beschäftigten des Bundes ebenfalls einen Anspruch auf einen Zusatzurlaub erwerben. Dies setzt voraus, dass sie entweder in drei Monaten des Kalenderjahres überwiegend Wechselschichtarbeit bzw. in fünf Monaten des Kalenderjahres überwiegend Schichtarbeit geleistet haben. Im Bereich der VKA fehlt eine einheitliche Regelung. Hier können die Parteien der jeweiligen Betriebe oder Verwaltungen entsprechende Regelungen durch Dienst- oder Betriebsvereinbarung treffen. Diese Regelungen gelten dann nur in der jeweiligen Verwaltung oder dem Betrieb. Dadurch wird dem einzelnen Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, eine Vereinbarung zum Zusatzurlaub zu treffen, die auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Der Anspruch auf Zusatzurlaub ist begrenzt Der Anspruch auf Zusatzurlaub darf zusammen mit dem Erholungsurlaub eine bestimmte Anzahl an Urlaubstagen pro Kalender-
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maximal 6 Tage pro Jahr
Wie gehen Sie vor bei Urlaub?
jahr nicht übersteigen. Werden die in § 27 Abs. 4 TVöD festgelegten Grenzen überschritten, verfallen die übrigen Urlaubstage. Neben dem Zusatzurlaub sind bei der Ermittlung des Gesamturlaubsanspruchs in diesem Sinn auch noch sonstige tarifliche und gesetzliche Ansprüche auf Zusatzurlaub hinzuzuzählen. Lediglich der Zusatzurlaub wegen Schwerbehinderung nach § 125 SGB IX bleibt unberücksichtigt. Die Anzahl der Zusatzurlaubstage darf maximal 6 Tage pro Kalenderjahr betragen. Erwirbt ein Beschäftigter in einem Kalenderjahr einen höheren Anspruch, verfallen die zusätzlichen Urlaubstage ebenfalls. Achtung: Für Beschäftigte, die aus dem Jahr 2005 einen Anspruch auf Zusatzur laub nach §§ 48a BAT/BAT O und 41a BMT G/BMT G O sowie 48a MTArb/MTArb O für 2006 geltend machen können, ist dieser bereits auf die Gesamtzahl der zulässigen Zusatzurlaubstage anzurechnen. Im Jahr 2006 können daher auch nach den Abs. 1 und 2 nur noch Zusatzur laubstage erlangt werden, soweit die Obergrenze von 6 Tagen für 2006 noch nicht erreicht ist.
Insgesamt besteht eine absolute Höchstgrenze von insgesamt 35 Arbeitstagen für den Erholungsurlaub und den Zusatzurlaub. Bei der Höchstgrenze ist der Zusatzurlaub für ständige Wechselschicht- und Schichtarbeit nach Abs. 1 nicht einzurechnen. Zusatzurlaub, der nach Abs. 3 im Bereich der VKA durch Dienst- oder Betriebsvereinbarung geregelt wird, zählt jedoch zum Gesamturlaub hinzu. Für Beschäftigte, die im laufenden Kalenderjahr das 50. Lebensjahr vollenden, erhöht sich die Grenze um einen Tag auf insgesamt 36 Arbeitstage. Gibt es die Möglichkeit eines unbezahlten Urlaubs? wichtiger Grund
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Beschäftigte können bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Verzicht auf die Fortzahlung des Entgelts Sonderurlaub erhalten. Die Gewährung steht im Ermessen des Arbeitgebers. Der wichtige Grund sollte auf persönlichen Motiven des Beschäftigten beruhen, welche bei objektiver Betrachtungsweise hinreichend gewichtig und schutzwürdig erscheinen.
Wie ist der tarifliche Stand?
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14.1.9 Gibt es eine bezahlte Freistellung von der Arbeit ohne Urlaub? § 29 TVöD enthält eine Aufzählung von Anlässen, bei denen der Beschäftigte von der Arbeit freigestellt und sein Entgelt trotzdem weitergezahlt wird. Dieser Fortzahlungsanspruch besteht nicht nur für den Tag des genannten Ereignisses, sondern kann auch im zeitlichen Zusammenhang vom Beschäftigten genommen werden. Zu den anerkannten Anlässen für eine Arbeitsbefreiung zählen: • Niederkunft der Ehefrau oder Lebenspartnerin Einzige Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitsbefreiung sind die Geburt und das Ehe- bzw. Lebenspartnerschaftsverhältnis. Die weiteren Umstände (Vaterschaft, Gesundheit des Kindes, Geburtsort) sind unerheblich. • Tod der Ehegattin/des Ehegatten, der Lebenspartnerin/des Lebens-partners nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz, eines Kindes oder Elternteils Erfasst werden die Verwandtschaftsverhältnisse erster Ordnung. Daneben ist die Vorschrift auch auf Stief- und Pflegekinder anwendbar, soweit sie in häuslicher Gemeinschaft mit dem Beschäftigten gelebt haben. • Umzug aus dienstlichem oder betrieblichem Grund • 25- und 40-jähriges Arbeitsjubiläum • Schwere Erkrankung von − Angehörigen, soweit sie in demselben Haushalt leben, − Kindern unter 12 Jahren, − Betreuungspersonen für pflegebedürftige Behinderte oder Kinder unter 8 Jahren. Unter dem Begriff der „schweren Erkrankung“ sind mehrere Tatbestände zusammengefasst, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass eine Person, die in einem bestimmten Verhältnis zum Beschäftigten steht, schwer erkrankt und eine andere Person zur Betreuung oder Pflege nicht zur Verfügung steht. Daraus ergibt sich, dass eine schwere Erkrankung immer dann gegeben ist, wenn der Erkrankte pflege- und betreuungsbedürftig ist. Für die ersten beiden Personengruppen ist die Pflegebedürftigkeit von einem Arzt zu bescheinigen. Bei der letzten Personen-
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gruppe wird die Pflegebedürftigkeit durch die weiterhin zu betreuenden Dritten fingiert. Insgesamt besteht pro Jahr aus diesem Grund nur ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung von nicht mehr als fünf Tagen. • Ärztliche Behandlung von Beschäftigten Ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung wegen eines Arztbesuches ist gegeben, wenn zwar die Gesundheit des Beschäftigten soweit beeinträchtigt ist, dass er einer ärztlichen Behandlung bedarf, andererseits er aber durch die Erkrankung nicht arbeitsunfähig geworden ist. Grundsätzlich ist der Beschäftigte gehalten, Arztbesuche nicht während der Arbeitszeit zu erledigen. Über diese ausdrücklich genannten Einzelfälle kennt der TVöD auch die Arbeitsbefreiung zur Erfüllung der allgemeinen staatsbürgerlichen Pflichten (für Schöffen oder ehrenamtlicher Richter, Zeugen oder Sachverständige vor einem deutschen Gericht sowie Mitglieder eines Wahlausschusses oder Wahlvorstandes). Nicht darunter fallen alle dienstlich oder privat veranlassten Polizei- oder Gerichtstermine. Tipp Häufig besteht bei der Übernahme einer staatsbürgerlichen Pflicht ein Ersatzanspruch für den Verdienstausfall. Der Beschäftigte ist verpflich tet, diesen Ersatzanspruch geltend zu machen und den Betrag an den Arbeitgeber zu zahlen. Verschuldet der Beschäftigte, dass er die Ersatz zahlung nicht erhält, muss er trotzdem den Ausgleich gegenüber dem Arbeitgeber leisten. Der Ersatz von Aufwendungen (z. B. Fahrtkosten) fällt nicht unter die Abgabepflicht.
Auch für die Wahrnehmung gewerkschaftlicher Aufgaben kann ein Anspruch auf bezahlte Freistellung bestehen. Für eine Teilnahme an Tagungen steht den gewählten Vertretern eine Arbeitsbefreiung von bis zu 8 Tagen pro Kalenderjahr zu. Tipp Unter „Tagungen" sind die Veranstaltungen zusammengefasst, in denen die internen Organisations oder Entscheidungsfindungsprozesse im Hinblick auf die satzungsmäßig vorgegebenen Aufgaben stattfinden. Reine Informations oder Schulungsveranstaltungen zählen nicht dazu. Hierfür ist keine bezahlte Freistellung zu gewähren.
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Für eine Tätigkeit in den Ausschüssen nach dem Berufsbildungsgesetz (Sitzungen der Prüfungs- und Berufsbildungsausschüsse) oder in den Organen der Sozialversicherungsträger kann ebenso eine Arbeitsbefreiung gewährt werden. Der Beschäftigte hat keinen absoluten Rechtsanspruch auf Arbeitsbefreiung. Der Arbeitgeber kann, wie bei der Wahrnehmung gewerkschaftlicher Aufgaben, die Zustimmung nur dann verweigern, wenn dringende dienstliche oder betriebliche Gründe entgegenstehen. In allen anderen Fällen besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Erteilung der Arbeitsbefreiung. § 29 Abs. 3 TVöD ermöglicht jedoch in besonderen Fällen sowohl eine bezahlte (nur bis zu drei Tage) als auch eine unbezahlte Freistellung. Der Arbeitgeber muss diesbezüglich die Interessen des Beschäftigten gegen die dienstlichen und betrieblichen Belange nach billigem Ermessen abwägen.
14.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile? Durch den TVöD wird die Regelung des Urlaubs und aller ähnlichen Tatbestände im öffentlichen Dienst insbesondere im Hinblick auf den Erholungsurlaub, den Zusatzurlaub und die Entgeltfortzahlung entschlackt. Durch die Einbeziehung der gesetzlichen Regelungen besteht für den Anwender nicht mehr die Gefahr der Abweichung zwischen tarifvertraglicher und gesetzlicher Auslegung. Für den Arbeitgeber bedeutet dies einen erheblich geringeren Verwaltungsaufwand und eine Konzentration der Arbeitszeitkontingentierung auf das jeweilige Kalenderjahr. Der Beschäftigte genießt nicht mehr die komfortablen Übertragungsmöglichkeiten von Resturlaub auf das folgende Jahr. Dies gilt als folgerichtige Entscheidung der Tarifvertragsparteien. Häufig verfolgte der Beschäftigte mit dem Ansparen von Urlaubstagen private Ziele, die nicht zwingend der Erholung oder Wiederherstellung der Arbeitskraft dienen sollten. Oft genug wurde der Resturlaub nur als Sicherheitsreserve für unvorhergesehene Zwischenfälle in das nächste Jahr verschoben. Für den Arbeitgeber bedeutete diese
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Sparmentalität ein unkalkulierbares Risiko für die Dienstplangestaltung. Aber auch die Beschäftigten profitieren davon, da sie nun den notwendigen Erholungsurlaub – auch in ihrem Interesse – in dem Zeitraum bekommen, der dafür vorgesehen ist. Darüber hinaus sieht der Tarifvertrag auch genügend andere Instrumente vor (§ 28 TVöD – Sonderurlaub, § 29 TVöD Arbeitsbefreiung), um bei begründeten privaten Bedürfnissen eine Arbeitsbefreiung vom Arbeitgeber verlangen zu können. Durch die Vereinfachung der Entgeltfortzahlung wird die Entgeltabrechnung für beide Seiten transparenter. Eine gesonderte Berücksichtigung der Urlaubstage wird in allen Fällen überflüssig, bei denen keine unständigen Entgeltbestandteile zu berücksichtigen sind.
14.3 Wege der betrieblichen Umsetzung Die Planung, Gewährung und Umsetzung des Urlaubs im Betrieb und in der Verwaltung wird durch die neue tarifvertragliche Regelung kaum beeinflusst. Der Arbeitgeber sollte jedoch die Beschäftigten ausdrücklich auf die erschwerte Übertragung eines Urlaubs ins folgende Jahr hinweisen.
14.3.1 Wie ist der Urlaub zu planen? Antrag auf Einzelurlaub Grundlage der Urlaubsplanung ist üblicherweise der „Urlaubswunsch“ der Beschäftigten. Dieser wird dem Arbeitgeber als Urlaubsantrag mitgeteilt. Er muss als notwendige Angaben den Zeitpunkt des Urlaubsbeginns und die Urlaubsdauer enthalten. Soweit beim Arbeitgeber keine bestimmte Form vorgegeben ist, sollte der Antrag schriftlich erfolgen. Soweit gegen den Urlaubswunsch keine dringenden dienstlichen oder betrieblichen Interessen oder vorrangige Urlaubsansprüche anderer Beschäftigter sprechen, ist der Antrag zu genehmigen. Auch die Genehmigung des Arbeitgebers sollte in Schriftform erfolgen.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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Beispiel: Dringende dienstliche oder betriebliche Interessen können sein: • saisonale Arbeitsbelastungen, • Sicherung des Betriebsablaufs (z.B. bei mehreren Urlaubsanträgen), • Personalmangel durch äußere Umstände (z. B. Grippewelle), • festgelegte Ferienzeiten (Betriebs oder Schulferien).
Kann der Arbeitgeber Urlaub anordnen? Aufgrund der Neugestaltung der Übertragungsmöglichkeit wird zukünftig auch das Anordnungsrecht des Arbeitgebers eine größere Rolle spielen. Legt der Beschäftigte seinen Urlaub nicht selbsttätig fest und bestehen dringende dienstliche oder betriebliche Interessen für eine Urlaubsgewährung, kann der Arbeitgeber den Urlaub gemäß § 7 BUrlG anordnen. Dabei hat er jedoch auch die Belange des Beschäftigen hinreichend zu beachten. Urlaubslisten und Urlaubsplan Zur Vereinfachung der Urlaubsplanung kann der Arbeitgeber Urlaubslisten oder einen Urlaubsplan einsetzen. Die Urlaubsliste dient nur dazu, die Urlaubswünsche der einzelnen Beschäftigten zu sammeln und dem Arbeitgeber die Festlegung der Urlaubszeiträume zu vereinfachen. Wenn der Arbeitgeber den in der Urlaubsliste eingetragenen Urlaubswünschen nicht in angemessener Frist widerspricht, darf der Beschäftigte davon ausgehen, dass ihm der Urlaub gewährt wird. Tipp Bereits vor Eintragung in die Urlaubsliste sollte darauf hingewiesen werden, dass der Fristablauf keine Genehmigung des Urlaubswunsches darstellt. So entsteht der Urlaubsanspruch erst mit der Zustimmung.
Durch die Aufstellung eines Urlaubsplans unter Mitwirkung des Personal- oder Betriebsrates wird der Urlaubsanspruch des einzelnen Beschäftigten konkretisiert und kann grundsätzlich nicht mehr einseitig vom Arbeitgeber geändert werden. Im Urlaubsplan werden die Urlaubswünsche der Beschäftigten zusammengefasst. So kann
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sich jede Abteilung oder jeder Betriebsteil auf die Fehlzeiten besser einstellen. Tipp Sind aufgrund der speziellen Bedürfnisse in der Verwaltung / dem Be trieb kurzfristige Urlaubsanträge nicht möglich, sollte mit dem Perso nal oder Betriebsrat eine Vereinbarung geschlossen werden, nach wel cher der Urlaubsplan schon vor Beginn des Kalenderjahres aufgestellt wird. Einvernehmliche Änderungen sind später immer noch möglich.
14.3.2 Wie kann der Urlaub übertragen werden? Für die Übertragung des Urlaubs genügt es, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG vorliegen. Eine Einigung zwischen Arbeitgeber und dem Beschäftigten ist nicht erforderlich. Um jedoch ein Verfallen des Resturlaubs zu vermeiden, sollte sich vor Jahreswechsel darüber verständigt werden, ob der Urlaub übertragen werden kann oder noch im alten Jahr angetreten werden muss.
14.3.3 Kann der Urlaub abgegolten werden? Der TVöD sieht keine Abgeltungsmöglichkeit für nicht verbrauchten Resturlaub vor. Wird der Urlaub nicht rechtzeitig angetreten, verfällt er. Eine Abgeltung ist nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG möglich. Tipp Um eine Urlaubsabgeltung zu vermeiden, sollte bei einer Kündigung der Urlaub innerhalb der Kündigungsfrist angeordnet werden.
14.3.4 Erwerbstätigkeit während des Urlaubs? Der Zweck des Urlaubs ist die Erholung des Beschäftigten zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Arbeitskraft. Eine Erwerbstätigkeit während des Urlaubs würde diesem Zweck widersprechen. Daher ist dies durch die Regelung des § 8 BUrlG grundsätzlich unzulässig, es sei denn, der Arbeitgeber hat zugestimmt. Zulässig bleiben aber
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•
Nebentätigkeiten gemäß § 3 Abs. 3 TVöD, • Arbeiten im eigenen Haushalt (tapezieren, malen, fliesen etc.), • Gefälligkeitsarbeiten im privaten Bereich. Ein Verstoß des Beschäftigten ist eine abmahnungswürdige Pflichtverletzung. Entstehen dem Arbeitgeber darüber hinaus konkrete Schäden, kann er diese geltend machen.
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15 Wie beende ich das Arbeits verhältnis rechtssicher? Das Thema „Beendigung von Arbeitsverhältnissen" ist ein Dauerbrenner. Gerade in Zeiten, in denen die Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund gerückt ist, ist der Arbeitgeber gezwungen, sich auch mit dem Abbau von Personal zu beschäftigen.
15.1 Wie ist der tarifliche Stand? Das Arbeitsverhältnis endet automatisch mit Ablauf des Monats, in dem der Beschäftigte das 65. Lebensjahr vollendet hat, so § 33 Abs. 1b TVöD In Hinblick auf neuen Renteneintrittsregelungen ist diese Vorschrift doch bereits jetzt anpassungsbedürftig. Nach Absatz 2 endet es zudem mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers (Rentenbescheid) zugestellt wird, wonach der Beschäftigte voll oder teilweise erwerbsgemindert ist. Dabei ist der Arbeitnehmer verpflichtet, den Arbeitgeber von der Zustellung des Rentenbescheids unverzüglich zu unterrichten. Beginnt die Rente erst nach Zustellung des Rentenbescheids, endet das Arbeitsverhältnis nach § 33 Abs. 2 Satz 3 TVöD mit Ablauf des dem Rentenbeginn vorangehenden Tages. Wird allerdings nur eine Rente auf Zeit gewährt, endet das Arbeitsverhältnis nicht, sondern ruht im Zeitraum der Rentengewährung. Im Übrigen endet das Arbeitsverhältnis (außer in den seltenen Fällen der Anfechtung, §§ 119, 123, 142 BGB und bei Tod des Arbeitnehmers, vgl. § 613 BGB) insbesondere nach § 33 Abs. 1b TVöD durch Auflösungsvertrag oder Kündigung, vgl. § 34 TVöD. Für die Kündigung sind in § 34 TVöD Regelungen über die Kündigungsfrist,, die Voraussetzungen zur Erlangung des erweiterten Kündigungsschutzes durch Ausschluss der ordentlichen Kündigung sowie Bestandsschutzregelungen für übergeleitete Beschäftigte enthalten.
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Für den Auflösungsvertrag, der jederzeit möglich ist, finden sich keine Einschränkungen. Im Übrigen gelten die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen wie z. B. Beteiligung der Personalvertretung, Schriftform (§ 623 BGB), Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) sowie das Kündigungsschutzgesetz. Haben die Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis nach § 30 TVöD abgeschlossen, ist eine ordentliche Kündigung nach § 30 Abs. 5 Satz 1 TVöD nur zulässig, wenn die Vertragsdauer mindestens 12 Monate beträgt. Sind Arbeitgeber oder Arbeitnehmer nicht tarifgebunden und haben sie eine Befristung außerhalb des TVöD vereinbart, ist eine ordentliche Kündigung nach § 15 Abs. 3 TzBfG ausgeschlossen, es sei denn, dass sie ist im Arbeitsvertrag ausdrücklich vorgesehen.
15.1.1 Welche Kündigungsfristen gelten? Hinsichtlich der Kündigung regelt § 34 Abs. 1 TVöD die beidseitigen Kündigungsfristen. Diese gelten sowohl für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer. Sie binden auch tarifungebundene Parteien, sofern die Geltung des TVöD vertraglich vereinbart wurde. Ein Verzicht des Arbeitnehmers auf die tariflichen Kündigungsfristen ist nicht möglich. Für tarifgebundene Arbeitnehmer ergibt sich dies aus § 4 TVG, für nicht tarifgebundene aus § 622 Abs. 4 BGB. Hier kann der Abschluss eines Auflösungsvertrags helfen. Dauer der Kündigungsfrist Bis zum Ende des sechsten Monats seit Beginn des Arbeitsverhältnisses beträgt die Kündigungsfrist nach § 34 Abs. 1 Satz 1 TVöD zwei Wochen zum Monatsende. Nach Ablauf des sechsten Monats richtet sich die Kündigungsfrist nach der Beschäftigungszeit wie folgt: bis zu einem Jahr: ein Monat zum Monatsschluss, von mehr als einem Jahr: 6 Wochen, von mindestens 5 Jahren: 3 Monate, von mindestens 8 Jahren: 4 Monate, von mindestens 10 Jahren: 5 Monate, von mindestens 12 Jahren: 6 Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres.
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Beschäftigungszeit ist nach § 34 Abs. 3 TVöD die bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist. Unberücksichtigt bleibt die Zeit eines Sonderurlaubs gemäß § 28 TVöD, es sei denn, der Arbeitgeber hat vor Antritt des Sonderurlaubs schriftlich ein dienstliches oder betriebliches Interesse anerkannt. Zeiten bei anderen Arbeitgebern werden bezüglich der Kündigungsfristen nicht angerechnet, weil § 34 Abs. 1 Satz 2 TVöD nur auf Abs. 3 Sätze 1 und 2, nicht aber auf die Sätze 3 und 4 verweist. Berechnung der Kündigungsfrist Die Berechnung der Fristen richtet sich nach den §§ 186 ff. BGB. Die Kündigung muss dem Arbeitnehmer vor Beginn der Kündigungsfrist zugegangen sein. Der Tag des Zugangs ist in die Frist nicht einzubeziehen. Beispiel: Einem Beschäftigten soll gekündigt werden mit einer Kündigungsfrist von • einem Monat zum Monatsende zum 30.6. Die Kündigung muss dem Beschäftigten spätestens am 31.5. zugehen. • sechs Wochen zum Ende eines Kalendervierteljahres zum 31.12. Die Kündigung muss spätestens am 19.11. zugehen. • drei Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres zum 30.6. Die Kündigung muss spätestens am 31.3. zugehen. Achtung: Ist der letzte Tag des möglichen Zugangs (in den vorherigen Beispielen der 31.5., 19.11. und 31.3.) ein Sonn oder Feiertag und erfolgt die Zu stellung deshalb erst am folgenden Werktag, so ist die Kündigungsfrist nicht gewahrt. § 193 BGB gilt nicht. Wird die Kündigung dem Kündi gungsempfänger am letzten Tag per Eilbrief zugestellt, kann sie nicht deswegen zurückgewiesen werden, weil die Zustellung an einem Sonn oder Feiertag erfolgt.
Zugang der Kündigung Für die Länge der Kündigungsfrist ist der Rechtsstatus des Beschäftigten bei Zugang der Kündigung maßgebend. Würde er am folgen-
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den Tag, aufgrund einer längeren Beschäftigungszeit eine längere Kündigungsfrist erhalten, wäre dies unerheblich. So wäre es auch bei einer Kündigung zum Ablauf der ersten sechs Monate (i. d. R. Ablauf der Probezeit) ausreichend, wenn die Kündigung am letzten Werktag des Monats (bei einem Samstag am vorhergehenden Freitag) zugeht, um die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes zu vermeiden. Das Arbeitsverhältnis endet dann zwar erst mit Ablauf des 7. Monats, die Kündigung bedarf aber keiner sozialen Rechtfertigung. Eine Kündigung kurz vor Erreichen oder gar am letzten Tag vor Erreichen der Unkündbarkeit ist grundsätzlich möglich, kann aber unter besonderen Umständen rechtsmissbräuchlich sein, so z. B. wenn vorfristig gekündigt wird, um die Unkündbarkeit zu verhindern. Beispiel: Der Beschäftigte wird zum 1.2. unkündbar. Zum Jahresende fällt sein Arbeitsplatz weg. Bei einer fristgerechten Kündigung wäre Kündi gungstermin der 30.6. Wegen der dort eingetretenen Unkündbarkeit wird zum 31.1. eine Änderungskündigung auf Reduzierung um zwei Vergütungsgruppen ausgesprochen. Diese Kündigung wäre unwirksam.
Nichtfristgerechte Kündigung Wird die Kündigungsfrist nicht gewahrt, ohne dass eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde, verschiebt sich das Ende des Arbeitsverhältnis auf den nächstzulässigen Termin ohne dass dadurch die Kündigung unwirksam wird143.
15.1.2 Tarifvertragliche Unkündbarkeit § 34 Abs. 2 TVöD regelt einen tarifvertraglichen Kündigungsschutz, die so genannte Unkündbarkeit. Mit der Unkündbarkeit erhält der Beschäftigte, für den die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden, eine dem Beamten auf Lebenszeit angenäherte Rechtsstellung. (siehe hierzu Kapitel 15.2)
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BAG, Urt. vom 09.02.2006, 6 AZR 283/05.
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15.2 Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile? Dass die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Vollendung des 65 Lebensjahres (Anpassung an das neue Renteneintrittsalter muss noch erfolgen) und Zustellung des Rentenbescheids in § 33 TVöD einer klaren Regelung zugeführt wurde, ist vorteilhaft. Gleiches gilt für die jederzeitige Möglichkeit des Abschlusses von Auflösungsverträgen. Auch die konsequente Staffelung der Kündigungsfristen zu Anfang der Beschäftigung bei der Berechnung der Kündigungsfrist bietet einige Vorteile. Die Regelungen der tarifvertraglichen Ünkündbarkeit sind je nach Betrachter ambivalent: Der Arbeitnehmer erhält durch sie einen hohen Schutz, für den Arbeitgeber sind sie zu ein äußerst schwer zu überwindendes Kündigungshindernis.
15.2.1 Bedeutung und Voraussetzungen der Unkündbarkeit
Voraussetzung Unkündbarkeit
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„Unkündbarkeit“ bedeutet den Ausschluss der ordentlichen Kündigung seitens des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer seinerseits kann auch nach Eintritt seiner Unkündbarkeit ordentlich kündigen. Für seine Kündigung gilt die Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres (§ 34 Abs. 1 TVöD). Dem Arbeitgeber verbleibt das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund. Der wichtige Grund kann im Verhalten, in der Person oder in den betrieblichen Verhältnissen begründet sein. Voraussetzungen der „Unkündbarkeit“ sind: • eine Beschäftigungszeit von 15 Jahren und • die Vollendung des 40. Lebensjahres. Beide Voraussetzungen müssen beim Zugang der Kündigungserklärung vorliegen. Es genügt nicht, dass die Voraussetzungen erst in dem Zeitpunkt gegeben sind, zu dem die Kündigung das Arbeitsverhältnis beenden soll.
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Achtung: Kündigen Sie einem Beschäftigten kurz vor Erreichen der „Unkündbar keit", besteht die Gefahr, dass die Kündigung als objektiv funktionswid rige Umgehung des tariflichen Kündigungsschutzes und daher als rechtsunwirksam angesehen wird. Als rechtsmissbräuchlich wurde z. B. eine Kündigung erklärt, bei der der Arbeitgeber kurz vor dem Eintritt der Unkündbarkeit ordentlich gekündigt hat – jedoch nicht zum nächst möglichen Kündigungstermin, sondern erst zu einem späteren Termin und dem Arbeitgeber für einen derart frühzeitigen Ausspruch der Kün 144 digungserklärung kein sachlich gerechtfertigter Grund zur Seite stand . Als rechtsmissbräuchlich angesehen wurde auch ein Fall, bei welchem die für eine weitere Beschäftigung eines Arbeitnehmers erforderlichen Drittmittel verhindert wurden, um durch eine auf diesen Umstand ge 145 stützte Kündigung den Eintritt der Unkündbarkeit zu verhindern, . Tipp: Sprechen Sie daher die Kündigung in einem gewissen zeitlichen Ab stand vor Eintritt der „Unkündbarkeit" aus. Ist dies nicht möglich, soll ten Sie größtmögliche Sorgfalt darauf verwenden, alles zu vermeiden, was auf eine Umgehung des besonderen tariflichen Kündigungsschutzes hinweisen könnte.
Die Ermittlung der Beschäftigungszeit ist in § 34 Abs. 3 TVöD geregelt. Danach ist Beschäftigungszeit die bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist. Unberücksichtigt bleibt die Zeit eines Sonderurlaubs gemäß § 28 TVöD, es sein denn, der Arbeitgeber hat vor Antritt des Sonderurlaubs schriftlich ein dienstliches oder betriebliches Interesse anerkannt. Im Gegensatz zum BAT werden grundsätzlich auch Zeiten bei anderen Arbeitgebern auf die Beschäftigungszeit angerechnet, • bei einem Wechsel zwischen Arbeitgebern, die vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfasst werden, oder • bei einem Wechsel von einem anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber.
144 145
Beschäftigungs zeit
BAG, Urt. vom 16.09.1987, 7 AZR 202/87. BAG, Urt. vom 20.07.1987, 2 AZR 515/88.
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Zunächst sollte der Tarifwortlaut bei den Kündigungsfristen und der Unkündbarkeit einen Vollverweis auf § 34 Abs. 3 TVöD enthalten. Die Anrechnung von Vorzeiten bei anderen Arbeitgebern auf die Kündigungsfristen und die Erreichung der Unkündbarkeit hätte jedoch unter Umständen Folgen für die Personalauswahl bei Stellenbesetzungen gehabt. Beispiel 1): Der 39 jährige A wechselt am 1.1.2006 vom Land Baden Württemberg, bei dem er 14 Jahre als Angestellter beschäftigt war, zur Gemeinde G, die dem TVöD unterfällt. Würde die Zeit beim Land bei den Kündi gungsregelungen als Beschäftigungszeit anerkannt, wäre der Beschäf tigte nach Ablauf eines Jahres ordentlich unkündbar. Der Mitarbeiter hätte wohl kaum Chancen, eingestellt zu werden. Tipp Um solche personalpolitischen Folgen zu verhindern, haben sich die Ta rifvertragsparteien zwischenzeitlich verständigt: Vorzeiten bei anderen Arbeitgebern werden nicht mehr angerechnet und sind somit für die Kündigungsfristen und das Erreichen der sog. Unkündbarkeit irrelevant. Klargestellt wurde dies durch eine Änderung des Tarifwortlauts: Der Klammerzusatz in § 34 Abs. 1 und Abs. 2 lautet nunmehr: „bei/nach einer Beschäftigungszeit (Abs. 3)
Vorliegen eines wichtigen Grundes Voraussetzung für die außerordentliche Kündigung ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes gemäß § 626 BGB. Prüfungsmaßstab ist dabei die Dauer der künftigen Vertragsbindung. Es ist darauf abzustellen, ob es dem Arbeitgeber zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Erreichen der Altersgrenze fortzusetzen. Dies kann sich je im Einzelfall zu Gunsten, aber auch zu Lasten des Arbeitnehmers auswirken. So ist bei Dauertatbeständen oder Wiederholungsgefahr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eines unkündbaren Arbeitnehmers für den Arbeitgeber eher unzumutbar als bei einem ordentlichen kündbaren Arbeitnehmer. Bei einmaligen Vorfällen ohne Wiederholungsgefahr hingegen wirkt sich die lange Vertragsbindung eher zu Gunsten des Beschäftigten aus. In die Interessenabwägung einbezogen werden sollte die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung des Arbeitnehmers durch Umset-
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zung oder Versetzung. Bei unkündbaren Beschäftigten ist hierbei nicht nur der jeweilige Betrieb oder die Dienststelle des Arbeitgebers heranzuziehen, sondern im Rahmen der Zumutbarkeit der gesamte Bereich des Arbeitgebers. Auch die außerordentliche Kündigung nach § 34 Abs. 2 TVöD hat innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen zu erfolgen (§ 626 Abs. 2 BGB). Die Frist beginnt mit Kenntnis des Kündigungsberechtigten von den maßgeblichen Tatsachen. Handelt es sich allerdings bei dem Kündigungsgrund um einen Dauertatbestand (der Kündigungsgrund dauert an), so genügt es, dass dieser Dauertatbestand in den letzten zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung 146 angehalten hat . Beispiel: Die Arbeitnehmerin A wird als Sekretärin der Geschäftsführung be schäftigt. Nach Ausscheiden des Geschäftsführers wird dessen Position nicht wieder besetzt und die Aufgaben der Geschäftsführung insgesamt von dem verbliebenen Geschäftsführer wahrgenommen. Eine Beschäfti gungsmöglichkeit für die ordentlich unkündbare A ist nicht vorhanden. Nach mehreren Gesprächen und Verhandlungen mit A, die sich über mehrere Monate hinziehen, wird ihr schließlich außerordentlich mit einer Auslauffrist von sechs Monaten zum Ende des Kalenderviertel jahres gekündigt. Hier ist die Kündigung nicht etwa wegen Nichteinhaltens der Aus schlussfrist von zwei Wochen unwirksam. Die fehlende Möglichkeit, A weiter im Betrieb zu beschäftigen, stellt vielmehr einen Dauertatbe stand dar. Je länger der Arbeitgeber trotz fehlender Beschäftigungs möglichkeit zur Gehaltszahlung verpflichtet war, desto unzumutbarer wird für ihn die weitere Aufrechterhaltung eines sinnentleerten Ar 147 beitsverhältnisses .
Von dieser 2-Wochen-Ausschlussfrist zu unterscheiden ist die Frage, ob die außerordentliche Kündigung fristlos oder unter Einräumung einer sozialen Auslauffrist erfolgt. Generell ist der Arbeitgeber nicht gezwungen, die Kündigung als fristlose auszusprechen. Jedoch hat er zu beachten, dass bei Einräumung einer Kündigungsfrist nicht in146 147
BAG, Urt. vom 05.02.1998, 2 AZR 227/97. BAG, Urt. vom 05.02.1998, 2 AZR 227/97.
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sofern ein widersprüchliches Verhalten vorliegt, als der Arbeitgeber anscheinend selbst zumindest eine begrenzte Weiterbeschäftigung als zumutbar erachtet. Daher ist bei verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigungen generell von der Einräumung einer Auslauffrist abzuraten. Anders verhält es sich im Bereich der personenbedingten Kündigung. Hier ist zu vermeiden, dass sich die tarifvertragliche Schutzposition in ihr Gegenteil verkehrt. Daher ist hier generell die längste Kündigungsfrist einzuhalten, die ohne Aus148 schluss der ordentlichen Kündigung zu beachten wäre . Diese beträgt im TVöD-Arbeitsverhältnis in der Regel sechs Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres (§ 34 Abs. 1 TVöD).. Tipp: Bei Einräumung einer sozialen Auslauffrist hat der Arbeitgeber beson ders darauf zu achten, dass von der äußeren Form her eindeutig und unmissverständlich klar wird, dass es sich trotz der Auslauffrist um eine außerordentliche Kündigung handelt.
Außerordentliche Kündigungen im Einzelfall In den folgenden Einzelfällen sind außerordentliche Kündigungen denkbar: Krankheit Eine außerordentliche Kündigung kommt hier nur in Betracht, wenn dem Arbeitgeber wegen der auch weiterhin zu erwartenden gravierenden Fehlzeiten des Beschäftigten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist. Vorrang vor einer Kündigung hat jedoch in einem solchen Fall immer eine zumutbare Umsetzung des Beschäftigten. Voraussetzung ist jedoch auch hier ein anderer freier Arbeitsplatz, den der Arbeitnehmer trotz seines Gesundheitszustandes ganz auszufüllen in der Lage ist. Es besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers zu einem Austausch von Arbeitnehmern oder gar zu einem Ringtausch. Eine solche Maßnahme würde auch Rechtspositionen anderer Arbeitnehmer berühren, deren Arbeitsverhältnis 149 nicht gestört ist . 148 149
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BAG, Urt. vom 04.02.1993, 2 AZR 469/92. BAG, Urt. vom 04.02.1993, 2 AZR 469/92.
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Eine auf Krankheit beruhende, auf Dauer anhaltende bloße Leistungsminderung (ohne unzumutbare Fehlzeiten) führte im BAT gemäß § 55 Abs. 2 zum Ausschluss einer Beendigungskündigung. Zulässig war allenfalls eine Änderungskündigung bei Herabgruppierung um maximal eine Vergütungsgruppe. Und selbst die Kündigungsmöglichkeit war in bestimmten Fällen ausgeschlossen. Diese Einschränkung fehlt nun in § 34 TVöD. Insoweit wird die Norm aber ergänzt durch die Protokollerklärung zum dritten Abschnitt des TVÜ - Bund/VKA. Dort heißt es in Satz 4: „§ 55 Abs. 2 Satz 2 BAT bleibt in seinem bisherigen Geltungsbereich unberührt.“ Die Formulierung „in seinem bisherigen Geltungsbereich“ besagt, dass – trotz der Vereinheitlichung des Tarifrechts – ab dem 1. Oktober 2005 die Vorschrift des § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT auch danach nur für Angestellte (§ 38 Abs. 5 TVöD) gilt. Die Vorschrift bleibt „unberührt“, wird also durch das In-Kraft-Treten des TVöD nicht verdrängt und erfasst demzufolge nicht nur Angestellte, die am Stichtag bereits unkündbar waren, sondern auch solche, die erst nach dem 30. September 2005 die sog. Unkündbarkeit nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD erlangen. Für diese Auslegung spricht gleichermaßen der Gesamtkontext der Regelung. Denn im ersten Teil von Satz 4 werden allgemein die Regelungen zur Leistungsminderung in den §§ 25 Abs. 4, 28 Abs. 1 und 2, 28a BMT-G/BMT-G-O, 56 BAT/BAT-O in ihrem jeweiligen Geltungsbereich bis zu einer Neuregelung für weiterhin anwendbar erklärt, wovon ersichtlich alle Beschäftigten und nicht nur die übergeleiteten Beschäftigten erfasst sind. Bei anderer Auslegung wäre zudem die Protokollerklärung schlicht überflüssig, da bei den am Stichtag schon unkündbaren Angestellten voller Bestandsschutz bereits nach § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD gewährleistet ist. Achtung: Daraus folgt: Auch im TVöD ist (zunächst) eine Beendigungskündigung wegen andauernder Leistungsminderung ausgeschlossen.
Liegt eine teilweise oder volle Erwerbsminderung vor, ist die Kündigung ausgeschlossen. In diesem Fall wird § 34 Abs. 2 von § 33 TVöD verdrängt.
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Wie beende ich das Arbeitsverhältnis rechtssicher?
Druckkündigung Eine als Kündigungsgrund angeführte Drucksituation ist alternativ als verhaltens-/personen- oder betriebsbedingter Kündigungsgrund 150 zu prüfen . Beispiel: Ein Kindergarten wird von einer ordentlich unkündbaren Leiterin geführt. Aufgrund ihres autoritären Führungsstils kommt es zu einer äußerst angespannten Situation. Einige Mitarbeiter haben deswegen bereits gekündigt, weitere drohen mit Kündigung. Mehrere Eltern haben ihre Kinder abgemeldet. Diese Situation vermag eine außerordentliche perso nenbedingte (Änderungs ) Druckkündigung nach § 34 Abs. 2 TVöD 151 rechtfertigen . Zunächst wird vom Arbeitgeber jedoch erwartet, dass er versucht, auf die Parteien einzuwirken, um eine Kündigung zu vermeiden.
Rationalisierungsmaßnahmen Bei Rationalisierungsmaßnahmen kann einem unkündbaren Beschäftigten, der einen ihm angebotenen gleichwertigen Arbeitsplatz nicht annimmt, mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende gekündigt werden (§ 5 Abs. 2 Unterabs. 2 Rationalisierungsschutz-TV). Diese Tarifregelung geht der allgemeinen Regelung des § 34 Abs. 2 TVöD vor. Verdacht auf strafbare Handlungen Ein dringender Verdacht einer schwerwiegenden strafbaren Hand152 lung kann eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen . Bei Vorliegen eines dringenden Tatverdachts geht das für ein Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauen verloren. Da bei Verdachtskündigungen jedoch grundsätzlich immer die Gefahr besteht, einen Unschuldigen zu treffen, muss der Arbeitgeber zuvor alle ihm zumutbaren Aufklärungsmaßnahmen ausgeschöpft haben. Dazu gehört 153 zwingend die vorherige Anhörung des Betroffenen .
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BAG, Urteil vom 31.01.1996, 2 AZR 158/95. BAG, Urteil vom 31.01.1996, 2 AZR 158/95. 152 BAG, Urteil vom 31.01.1996, 2 AZR 158/95. 153 BAG, Urteil vom 30.04.1987, 2 AZR 283/86. 151
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Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
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Achtung: Für am 30.09.2005 bereits ordentlich unkündbare Angestellte gilt ein besonderer Besitzstand. Nach § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD verbleibt es bei den bisherigen Regelungen des BAT. Nach § 55 Abs. 1 und 2 BAT ist eine Kündigung nicht möglich aus: • betrieblichen Erfordernissen, seien sie auch noch so dringlich; • Gründen einer Leistungsminderung, da hier nur eine Änderungs kündigung vorgesehen ist (§ 55 Abs. 2 BAT).
Beschränkung des außerordentlichen Kündigungsrechts Die Regelung der §§ 53 Abs. 3, 55 BAT schließt die außerordentliche Kündigung nicht völlig aus. Sie weiterhin aus in der Person oder im Verhalten des Angestellten liegenden wichtigen Gründen möglich. Ausgeschlossen wird jedoch die Möglichkeit einer Kündigung wegen Leistungsminderung sowie aus betriebsbedingten Gründen. Letztere Beschränkung ist teilweise unwirksam. § 626 BGB stellt auch für den Öffentlichen Dienst zwingendes Recht dar. Die Entwicklung in den letzten Jahren zeigt, dass auch hier Fallkonstellationen auftreten, bei denen eine Weiterbeschäftigung schlichtweg nicht mehr möglich ist. Man denke z. B. an die Schließung eines Kindergartens einer kleinen Gemeinde oder eines Krankenhauses. Der völlige Ausschluss der Kündigung in diesen Fällen verstößt nach neuester Rechtsprechung des BAG gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Das 154 BAG führt aus: „Zu den Freiheitsrechten privatautonomen Handelns gehört das der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG immanente Grundrecht des Arbeitgebers, Arbeitsverhältnisse privatautonom zu begründen, aber auch zu beenden. Da der Arbeitgeber prinzipiell die Möglichkeit haben muss, sein Unternehmen aufzugeben, muss er wirksam kündigen können. Zudem muss er das Recht haben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung sein Unternehmen haben soll. Das Grundgesetz, Art. 12 GG, verlangt vom Arbeitgeber nicht, ein unzumutbares Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten. Unverzichtbar sind danach z. B. Beendigungsmöglichkeiten, die der Anpassung des Arbeitnehmerbestandes an die Entwicklung des Unternehmens dienen. Eine Tarifnorm, die vom Arbeitgeber Unmögli154
BAG, Urt. vom 27.06.2002, 2 AZR 367/01.
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ches bzw. evident Unzumutbares verlangt und damit in dessen unternehmerische Freiheit eingreift, ist insoweit verfassungswidrig und schon im Wege der geltungserhaltenden Reduktion dahingehend 155 einzuschränken, dass sie für derartige Ausnahmefälle nicht gilt..” Tipp: Eine außerordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ist – trotz des Wortlauts des § 55 Abs. 2 BAT – möglich, wenn die Geschäfts grundlage des Arbeitsverhältnisses sich aus betrieblichen Gründen der art grundlegend verändert, dass dem Arbeitgeber unter Berücksichti gung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zu der vereinbarten Beendigung (Altersgrenze) nicht zugemutet werden kann. Eine unzumutbare Belastung des Arbeitgebers ist insbesondere in den Fällen anzunehmen, wenn er einerseits die Arbeit des Arbeitnehmers nicht mehr in Anspruch nehmen kann, andererseits aber über Jahre hinweg zur Zahlung des vereinbarten Entgelts – oder auch um eine Entgeltgruppe herabgesetzten Entgelts – verpflichtet bliebe.
Vor Ausspruch einer außerordentlichen Beendigungskündigung hat der Arbeitgeber allerdings alle zumutbaren Mittel auszuschöpfen, die eine Weiterbeschäftigung ermöglichen können. Seine Bemühungen dürfen nicht unter das absinken, was der Rationalisierungsschutztarifvertrag fordert, auch wenn er im konkreten Fall nicht 156 unmittelbar zur Anwendung kommen sollte . In Betracht kommen hierbei u. a. folgende Maßnahmen: • Umsetzung innerhalb des Betriebs oder Versetzung zu einem anderen Betrieb des Unternehmens auf einen anderen freien Arbeitsplatz, • Freimachen eines geeigneten Arbeitsplatzes oder dessen Schaffung durch eine entsprechende Umorganisation, (Bei beiden Maßnahmen sind in die Prüfung nicht nur die aktuell freien anderweitigen Arbeitsplätze, sondern auch das zu erwartende Freiwerden eines geeigneten Arbeitsplatzes aufgrund üblicher Fluktuation miteinzubeziehen.) 155
BAG Urt. v. 27.06.2002 . 2 AZR 367/01; BAG, Urt. vom 05.02.1998, 2 AZR 227/97. 156 BAG, Urt. vom 27.06.2002, 2 AZR 367/01.
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•
Freimachen eines gleichwertigen oder auf der nächstniedrigeren Stufe befindlichen, für den unkündbaren Arbeitnehmer geeigneten, Arbeitsplatzes durch Beendigungskündigung gegenüber einem ordentlich kündbaren Angestellten, (Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Willen der Tarifvertragsparteien, einen ordentlichen unkündbaren Arbeitnehmer vor dem Verlust des Arbeitsplatzes aus betrieblichen Gründen in besonderer Weise zu schützen und abzusichern.) • Übertragung höherwertiger Aufgaben auf einem freien oder nach einem Überbrückungszeitraum frei werdenden Arbeitsplatz, sofern der Arbeitnehmer – eventuell nach einer Einarbeitungszeit – für die Tätigkeit geeignet erscheint. Kann eine der angeführten Maßnahmen nicht einseitig kraft Direktionsrechts, sondern nur im Einvernehmen mit dem Mitarbeiter durchgeführt werden – z. B. Weiterbeschäftigung auf einem um eine Entgeltgruppe niedrigeren Arbeitsplatz – so ist bei Ablehnung seitens des Mitarbeiters eine betriebsbedingte außerordentliche Änderungskündigung auszusprechen. Beispiel: Ein Unternehmen gliedert den EDV Bereich aus, in dem der Mitarbeiter seit 20 Jahren arbeitet. Der Mitarbeiter widerspricht dem Betriebsüber gang, obwohl die Tarifvertragsparteien und die Betriebspartner umfangrei che Absicherungen für die betroffenen Mitarbeiter vereinbart hatten. Vor Ausspruch einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit Auslauffrist gegenüber dem ordentlich unkündbaren Mitarbeiter hat das Unternehmen nunmehr alle zumutbaren, eine Weiterbeschäftigung er möglichenden, Mittel auszuschöpfen. Legt der „unkündbare" Arbeitnehmer dar, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, so genügt in einem späteren Kündigungsschutzprozess nicht, dass der Arbeitgeber das Bestehen entsprechender freier Arbeitsplätze in Abrede stellt. Vielmehr hat er ggf. unter Vorlegung der Stellenpläne substantiiert darzulegen, weshalb das Freimachen eines geeigneten Arbeitsplatzes oder dessen Schaffung durch eine entsprechende Umorganisation, ggf. nach einer Übergangszeit, 157 und nach Einarbeitung nicht möglich oder zumutbar war .
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BAG, Urteil vom 17.09.1998, 2 AZR 419/97.
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Vor Ausspruch einer außerordentlichen betriebsbedingten Beendigungskündigung ist schließlich zu beachten, dass der tarifliche Kündigungsausschluss sich nicht nachteilig für den „unkündbaren“ Arbeitnehmer auswirkt. Die Kündigung darf daher nicht fristlos erfolgen, sondern hat mit einer Auslauffrist von sechs Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres zu erfolgen. Außerordentliche Änderungskündigung (§ 55 Abs. 2 BAT)
wiederholte Änderungskündigung
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Bei der Änderungskündigung nach § 55 Abs. 2 BAT handelt es sich – trotz der vorgesehenen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres (§ 55 Abs. 2 Unterabs. 4 BAT) – nicht etwa um eine ordentliche Kündigung, sondern um eine befristete außerordentliche Änderungskündigung aus wichtigem Grund. Daher ist auf diese Kündigung § 4 Satz 2 KSchG entsprechend anzuwenden. Insbesondere gilt auch hier die Ausschlussfrist nach § 54 Abs. 2 BAT. Bei einer Änderungskündigung aus betrieblichen Gründen besteht die erhebliche Gefahr, dass die Ausschlussfrist versäumt wird. Dem Feststellungszeitpunkt, zu dem der maßgebliche Sachverhalt vom Arbeitgeber festgestellt wird, kommt daher maßgebliche Bedeutung zu. Ziel der Änderungskündigung ist eine Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe. Das mit der außerordentlichen Kündigung verbundene Änderungsangebot muss daher auf eine Tätigkeit gerichtet sein, die in ihrer tariflichen Zuordnung der nächstniedrigeren Vergütungsgruppe entspricht. Unzulässig wäre es, dem Arbeitnehmer zwar die Bezahlung nach der nächst niedrigen Vergütungsgruppe anzubieten, ihm zugleich aber eine Tätigkeit zuzuweisen, die einer noch niedrigeren Vergütungsgruppe zugeordnet ist. Eine weitergehende Herabgruppierung ist im Rahmen ein und derselben Änderungskündigung nicht möglich. Jedoch schließt § 55 Abs. 2 BAT wiederholte Änderungskündigungen nicht aus, wenn jeweils ein neuer wichtiger Grund vorliegt. An die Zumutbarkeit einer solchen erneuten Änderungskündigung sind jedoch erhöhte Anforderungen zu stellen. Bei der Änderungskündigung unterscheiden sich zwei Fallgruppen: • die betriebsbedingte außerordentliche Änderungskündigung und • die personenbedingte außerordentliche Änderungskündigung.
Welche Möglichkeiten eröffnet dies? – Vorteile und Nachteile?
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Betriebsbedingte außerordentliche Änderungskündigung Dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Beschäftigten entgegenstehen, berechtigen den Arbeitgeber im Regelfall nur zu einer außerordentlichen Änderungskündigung, und dies auch nur dann, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist. Hierbei sind unter „bisherigen Vertragsbedingungen” die zu verstehen, unter denen der Beschäftigte zum Zeitpunkt der Änderungskündigung arbeitet. Maßgebend ist sonach die Entgeltgruppe, die sich aus der bisher auszuübenden Tätigkeit ergibt sowie aus den sonstigen vertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen. Beispiel: Der Arbeitgeber vereinbart mit der ordentlich unkündbaren Kranken schwester A, dass sie lediglich in der Spätschicht eingesetzt wird. Fällt nun aus organisatorischen Gründen die Spätschicht weg, bleibt dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit einer Änderungskündigung nach § 55 Abs. 2 BAT. Steht ein anderer vergleichbarer freier Arbeitsplatz im Tag dienst zur Verfügung, hat er diesen der A anzubieten. Ansonsten muss er prüfen, ob ein entsprechender Arbeitsplatz durch Beendigungs ggf. Änderungskündigung eines ordentlich kündbaren Mitarbeiters freige macht werden kann. Scheidet auch dies aus, wäre die Beschäftigung auf einem um eine Entgeltgruppe niedrigeren Arbeitsplatz zu prüfen.
Dringende betriebliche Erfordernisse sind z. B. bei Auflösung der Beschäftigungsstelle, Wegfall des Aufgabengebiets des Angestellten, Einschränkung von Haushaltsmitteln etc. gegeben. Das Vorliegen eines derart dringenden betrieblichen Grunds genügt allein jedoch nicht. Darüber hinaus muss die Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich sein. Dabei hat sich die Prüfung nicht auf die Dienststelle oder den Betrieb, sondern darüber hinaus auf den gesamten Geschäftsbereich des Arbeitgebers zu erstrecken. Auch ist bei der vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass dem unkündbaren Beschäftigten gegenüber Kündigungen aus betrieblichen Gründen – anders als bei Kündigung wegen Krankheit – ein deutlich erhöhter Schutz gewährt werden soll. Ist daher auf einem gleichwertigen Arbeitsplatz ein ordentlich kündbarer Arbeitnehmer beschäftigt, der nach einer Zurückstufung um
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Wie beende ich das Arbeitsverhältnis rechtssicher?
eine Entgeltgruppe ebenfalls weiterbeschäftigt werden kann, ist in der Regel gegenüber dem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer die Ände158 rungskündigung auszusprechen .
Leistungs minderung
Personenbedingte außerordentliche Änderungskündigung Bei einer auf Dauer vorliegenden erheblichen Minderung der Leistungsfähigkeit ist gleichfalls nur eine Änderungskündigung zum Zweck der Herabgruppierung um eine Entgeltgruppe zulässig. Dies schließt jedoch nicht aus, dass eine Beendigungskündigung auf andere Gründe wie z. B. gravierendes Fehlverhalten oder erhebliche Fehlzeiten gestützt wird. Bei der Feststellung der Minderung der Leistungsfähigkeit ist auf die vertraglich geschuldete Leistung des Beschäftigten in einer seiner Entgeltgruppe entsprechenden Tätigkeit abzustellen. Maßgebend ist dabei die Tätigkeit, die der Beschäftigte zum Kündigungszeitpunkt verrichtet. Der Beschäftigte muss die ihm übertragene Tätigkeit wegen Minderung der geistigen oder körperlichen Kräfte nicht mehr ausüben können. Eine Leistungsminderung, deren Behebung abzusehen ist, ist kein Grund für eine Änderungskündigung. Die Leistungsminderung darf auf der anderen Seite auch nicht so erheblich sein, dass eine teilweise oder volle Erwerbsminderung vorliegt. In diesem Fall greift § 33 TVöD mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis endet . Die Änderungskündigung ist in zwei Fällen unzulässig: • wenn die Leistungsminderung Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist – es sei denn, der Beschäftigte hat vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt. • wenn die Leistungsminderung auf einer durch langjährige Beschäftigung verursachten Abnahme der körperlichen oder geistigen Kräfte und Fähigkeiten nach einer Beschäftigungszeit von 20 Jahren beruht und der Beschäftigte das 55. Lebensjahr vollendet hat. Beide Bedingungen (Beschäftigungszeit, Lebensalter) müssen gleichzeitig erfüllt sein. Maßgebender Zeitpunkt ist der Tag,
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BAG, Urt. vom 17.05.1984, 2 AZR 161/83.
Wege der betrieblichen Umsetzung
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an welchem dem Beschäftigten die beabsichtigte Abgruppierung mitgeteilt wird. Die Beweislast für beide Ausschlussgründe trifft den Arbeitnehmer. Auch für diese Änderungskündigung ist die ZweiwochenAusschlussfrist des § 54 Abs. 2 zu beachten. Allerdings spielt sie in der Praxis keine Rolle, weil es sich hier um das Vorliegen eines Dauertatbestands handelt. Bei diesem Dauertatbestand reicht es für die Einhaltung der Zweiwochenfrist aus, dass er in den letzten zwei 159 Wochen vor Ausspruch der Kündigung angehalten hat . Achtung: Für am 30.09.1005 bereits unkündbare Arbeiter gilt ein besonderer Be sitzstand: Nach § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD verbleibt bei den bisherigen Regelungen des BMT G bzw. MTArb. Danach ist eine Kündigung nur noch aus wichtigem Grund möglich. Eine Erweiterung des Bestandsschutzes für den Bereich des BMT G ent hält § 14 Abs. 3 TVÜ–VKA. Danach erwerben aus dem Geltungsbereich des BMT G übergeleitete Beschäftigte, die am 30. September 2005 eine Beschäftigungszeit (§ 6 BMT G ohne die nach § 68a BMT G berück sichtigten Zeiten) von mindestens zehn Jahren zurückgelegt haben, abweichend von § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD den besonderen Kündigungs schutz nach Maßgabe des § 52 Abs. 1 BMT .
15.3 Wege der betrieblichen Umsetzung 15.3.1 Beendigung durch Auflösungsvertrag Ein Arbeitsverhältnis kann bei Einverständnis beider Vertragsparteien jederzeit durch einen schriftlichen Auflösungsvertrag beendet werden (§ 33 Abs. 1b) TVöD). Tarifvertragliche Einschränkungen oder gesetzliche Einschränkungen bestehen hierfür nicht. Deshalb eröffnet der Auflösungsvertrag insbesondere dann eine Beendigungsoption, wenn eine Kündigung nicht möglich wäre (z. B. bei tariflicher Unkündbarkeit).
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BAG, Urt. vom 04.02.1993, 2 AZR 469/92
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Aufklärungspflichten des Arbeitgebers vor Vertragsschluss Meist geht es um sozialversicherungsrechtliche Nachteile, wie z. B. das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs, eine eventuelle Sperre des Arbeitslosengeldes, die Anrechnung der Abfindung auf das Arbeitslosengeld, aber unter Umständen auch den Verlust einer betrieblichen Versorgungsanwartschaft oder des Sonderkündigungsschutzes. Grundsätzlich ist es Sache der Vertragspartei, sich rechtzeitig über die Auswirkungen eines Rechtsgeschäfts zu informieren (Prinzip der 160 Selbstverantwortlichkeit) . Der Arbeitnehmer muss sich also selbst über die rechtlichen Folgen seines Handelns Klarheit verschaffen, wenn er von diesen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses abhängig machen will. So ist der Arbeitgeber z. B. nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer über die Einzelheiten des Steuerprogressionsvorbehalts bei einer Abfindungsver161 einbarung aufzuklären . Dennoch kann der Arbeitgeber unter Umständen nach dem Fürsor162 gegrundsatz aufklärungspflichtig sein : Verlust einer betrieblichen Altersversorgung Eine Belehrungspflicht über den drohenden Verlust einer betrieblichen Altersversorgung besteht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund besonderer Umstände darauf vertrauen darf, dass der Arbeitgeber bei einer vorzeitigen Beendigung seine Interessen wahren und ihn redlicherweise vor unbedachten nachteiligen Folgen des Ausscheidens bewahren werde 163. Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber ein besonderes Interesse am Aufhebungsvertrag hat und aus eigenem Entschluss an den 164 Arbeitnehmer herantritt . Von Bedeutung ist auch die eigene Vorkenntnis des Arbeitnehmers.
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BAG, Urt. vom 13.11.1984, 3 AZR 255/84 und vom 03.07.1990, 3 AZR 382/89; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. vom 22.11.1993, 5 Sa 439/93. 161 ArbG Frankfurt, Urt. vom 16.03.2005, 9 Ca 6184/04: dies gilt zumindest, wenn der Arbeitnehmer im Geschäftsleben erfahren ist. 162 BAG, Urt. vom 10.03.1988, 8 AZR 420/85. 163 BAG, Urt. vom 03.07.1990, 3 AZR 382/89. 164 HzA-Weslau/Haupt, Gruppe 1, Rz. 2026.
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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Sozialversicherungsrechtliche Nachteile Das Bundesarbeitsgericht165 verlangt vom Arbeitgeber in dieser Hinsicht keine umfassende Unterrichtung. Dies wäre wegen der schwierigen und unbeständigen sozialrechtlichen Materie zuviel verlangt. Zudem könnte sich der Arbeitgeber sogar wegen einer schuldhaft falschen Auskunft noch schadensersatzpflichtig machen, selbst bei 166 nur leichter Fahrlässigkeit (§ 276 BGB) . Der Arbeitgeber sollte jedoch zumindest dann, wenn der Arbeitnehmer eine Bedenkzeit hat, diesen an die Agentur für Arbeit verweisen. Das müssen Sie bei einem Auflösungsvertrag zu beachten Die folgenden Checkliste, die Sie auch auf der beiliegenden CD finden, hilft Ihnen, alle wesentlichen Punkte beim Abschluss eines Auflösungsvertrages zu beachten. Was?
Warum
§§
1
Den Arbeitnehmer vor Abschluss auf die bei der Agentur für Arbeit erhältlichen Merkblätter hinwei sen!
Prinzip der Selbstverantwortung
§ 280 BGB
2
Dem Arbeitnehmer Bedenkzeit einräumen und dies auch im Auf lösungsvertrag vermerken!
Vermindert Aufklä rungspflichten; beugt Anfechtung vor
§ 280 BGB
3
Die normalen Kündigungsfristen einhalten und vor allen Dingen: keine Rückwirkung! Dies kann Betrug zu Lasten der Arbeitsver waltung sein!
Ruhenstatbestand beim ALG
§ 143a SGB III
4
Bei ordentlich unkündbaren Ar beitnehmern (z. B. Betriebs oder Personalratsmitgliedern gem. § 15 KSchG; nach § 34 Abs. 2 TVöD unkündbaren Arbeitnehmern nach Tarifverträgen) bezüglich des Ar beitslosengeldes an Probleme beim ALG denken!
Ruhenstatbestand beim ALG
§ 143a SGB III
Sperrfrist beim ALG
§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III
165 166
§§ 119, 123 BGB
BAG, Urt. vom 10.03.1988, 8 AZR 420/85. BAG, Urt. vom 13.11.1984, 3 AZR 255/84.
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Bei Beendigung aus betriebsbe dingten Gründen dies auch in den Auflösungsvertrag ausdrücklich aufzunehmen!
Vermindert Sperrzeit gefahr
§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III
6
Den Aufhebungsvertrag schriftlich abschließen!
Schriftform zur Wirk samkeit erforderlich
§ 623 BGB
7
Evtl. Vereinbarung einer einseiti gen Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung und unter Anrech nung von Urlaubsansprüchen!
sozialversicherungs pflichtiges Beschäfti gungsverhältnis bleibt bestehen;
§ 7 SGB IV
verrechneter Urlaub muss nicht zusätzlich abgegolten werden
§ 7 Abs. 4 BUrlG
8
Kein Verzicht auf unabdingbare gesetzliche Urlaubsansprüche!
unwirksam
§ 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG
9
Kein Verzicht auf tarifliche Rechte ohne Zustimmung der Tarifver tragsparteien!
unwirksam
§ 4 Abs. 4 TVG
10
Kein Verzicht auf Rechte aus einer Betriebsvereinbarung ohne Zu stimmung des Betriebsrats
unwirksam
§ 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG
11
an evtl. nachvertragliche Wettbe werbsverbote denken
Diese könnten ohne Pflicht zur Zahlung von Karenzgeld noch für gegenstandslos erklärt werden
§ 74 ff HGB
12
Bei ausländischen Arbeitnehmern u.U. übersetzen lassen
Beugt einer Anfechtung vor
§§ 119, 123 BGB
13
u.U. allgemeine Erledigungsklausel
Erledigt verzichtbare Ansprüche
§ 362 BGB
15.3.2 Beendigung durch Kündigung Die Kündigung ist eine einseitige, rechtsgestaltende, empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die das Arbeitsverhältnis sofort oder nach Ablauf der Kündigungsfrist aufgehoben werden soll (vgl. §§ 620 Abs. 2, 622 Abs. 4, 626 BGB i.V.m. § 34 TVöD). Sie wird meist in der Praxis zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen gewählt. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer können kündigen. Während die (ordentliche) Kündigung des Arbeitnehmers grundsätzlich keines Kündigungsgrundes bedarf, ist für den Arbeitgeber
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Wege der betrieblichen Umsetzung
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dieses Recht durch den allgemeinen (KSchG) und besonderen Kündigungsschutz bestimmter Arbeitnehmergruppen (Schwangere, Schwerbehinderte, Betriebsratsmitglieder etc.) und durch Beteiligungsrechte des Betriebsrats oder der Personalvertretung beschränkt. Welche Kündigungsarten gibt es? Zu unterscheiden ist zunächst die ordentliche (fristgerechte) Kündigung von der – nur ausnahmsweise in Betracht kommenden – außerordentlichen, meist fristlosen Kündigung. Neben diesen beiden Grundkündigungsarten existieren noch weitere spezifische Kündigungsarten, beispielsweise die Änderungskündigung und die Verdachtskündigung. Findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, unterscheidet man zudem zwischen den dort genannten Kündigungsgründen: verhaltens-, personen- und betriebsbedingte Kündigung. Ordentliche Kündigung Die ordentliche (fristgemäße) Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Arbeitgeber wie Arbeitnehmer sind an die Einhaltung der Kündigungsfristen nach § 34 Abs. 1 TVöD gebunden. Der Arbeitnehmer bedarf für die Kündigung keines Grundes. Dagegen bedarf die Kündigung des Arbeitgebers nach 6-monatigem Bestand des Arbeitsverhältnisses einer besonderen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 KSchG, es sei denn, es liegt ein Kleinbetrieb im Sinnes des § 23 Abs. 1, Sätze 2 bis 4, bzw. Abs. 2 KSchG vor. Außerordentliche Kündigung Mit einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung kann ein Arbeitsverhältnis gemäß § 626 BGB beendet werden, selbst wenn eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Dies ist bei Berufsausbildungsverhältnissen nach Ablauf der Probezeit, bei Mitgliedern der Personalvertretung oder des Betriebsrats sowie häufig bei befristeten Arbeitsverhältnissen der Fall. Zudem kann einem nach § 34 Abs. 2 TVöD ordentlich unkündbaren Angestellten nur noch außerordentlich gekündigt werden.
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Wie beende ich das Arbeitsverhältnis rechtssicher?
Die außerordentliche Kündigung erfordert das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Dieser muss so wichtig sein, dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die fristgemäße Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abgewartet werden kann (§ 626 Abs. 1 BGB). 167 Die Rechtsprechung prüft wie folgt: • Ist ein bestimmter Sachverhalt ohne die Umstände des Einzelfalles an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (sog. „Kündigungsgrund an sich“)? • Liegt ein Kündigungsgrund an sich vor, ist eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen. • Die wichtigen Gründe lassen sich entsprechend den im Kündigungsschutzgesetz genannten Kündigungsgründen in verhaltensbedingte, personenbedingte und betriebsbedingte einteilen. Betriebs- und personenbedingte Kündigungen kommen grundsätzlich als außerordentliche nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund tarifvertraglicher Unkündbarkeit nicht ordentlich kündbar ist (vgl. hierzu Kapitel 15.2). • Damit bleiben für die anderen Fälle der außerordentlichen Arbeitgeberkündigung die verhaltensbedingten Kündigungsgründe. Zudem muss die außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 2 BGB innerhalb einer Frist von zwei Wochen, beginnend nach Kenntniserlangung des wichtigen Grundes durch die kündigungsberechtigte Person, dem zu Kündigenden zugehen. Die außerordentliche Kündigung beendet im Regelfall das Arbeitsverhältnis sofort. Bei ordentlich unkündbaren Angestellten ist es aber zulässig, eine soziale Auslauffrist zu beachten, die der an sich geltenden Kündigungsfrist entsprechen kann. Tipp: Bringen Sie in diesem Fall jedoch unzweideutig zum Ausdruck, dass es sich dennoch um eine außerordentliche Kündigung handelt.
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BAG, Urt. vom 17.05.1984, 2 AZR 3/83.
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Änderungskündigung Eine Änderungskündigung zielt auf eine Änderung der Arbeitsbedingungen (z. B. Entgelt, Tätigkeit, Einsatzort) ab, die durch Ausübung des Direktionsrechts oder mangels Zustimmung des Arbeitnehmers zu einer einvernehmlichen Vertragsänderung nicht erreicht werden kann. Da sie ein milderes Mittel ist im Verhältnis zur Beendigungskündigung, geht sie ihr grundsätzlich vor. Achtung: Besteht die Möglichkeit, einen Arbeitnehmer an einem anderen freien Arbeitsplatz im Betrieb, der Dienststelle oder dem Unternehmen, ggf. auch unter geänderten (schlechteren) Bedingungen, weiterzubeschäfti gen, darf, wenn das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, keine Be endigungskündigung ausgesprochen werden. Vielmehr muss der Arbeit geber änderungskündigen, auch wenn er meint, die Änderung sei dem Arbeitnehmer unzumutbar oder wenn der Arbeitnehmer bereits erklärt 168 hat, er sei mit der Änderung nicht einverstanden .
Die Änderungskündigung hat zwei Bestandteile. Sie ist eine Beendigungskündigung, verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis unter geänderten Bedingungen fortzusetzen. Die Änderungskündigung ist eine echte Kündigung und unterliegt allen für eine Kündigung geltenden Grundsätzen. Sie kann als ordentliche oder als außerordentliche Kündigung erfolgen. Achtung: Die Änderungskündigung muss unbedingt das Arbeitsverhältnis als Gan zes kündigen und mit einem konkreten Angebot der Weiterbeschäfti gung nach Ablauf der Kündigungsfrist verbunden sein. Wird nur ein Teil des Vertrages gekündigt, liegt eine (unwirksame) Teil kündigung vor.
Die in der Änderungskündigung angebotene Vertragsänderung darf sich bei Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes nicht weiter vom früheren Vertragsinhalt entfernen, als sie vom Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des Kündigungsgrundes „billigerweise hingenommen“ werden muss. 168
BAG, Urt. vom 21.04.2005, 2 AZR 132/04 und 2 AZR 244/04.
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Wie beende ich das Arbeitsverhältnis rechtssicher?
Beispiel: Spricht der Arbeitgeber betriebsbedingt eine Änderungskündigung aus, weil er den Arbeitnehmer an einem bestimmten Platz nicht weiterbe schäftigen kann, darf er in das Änderungsangebot nicht plötzlich eine Vertragsstrafeklausel aufnehmen.
Nimmt der Arbeitnehmer das Änderungsangebot an, wird das Arbeitsverhältnis zu den geänderten Bedingungen ab dem im Angebot angeführten Zeitpunkt fortgeführt. Lehnt er das Angebot ab, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist. Erhebt der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage und unterliegt er im Prozess, verliert er den Arbeitsplatz. Nach § 2 KSchG hat der Arbeitnehmer auch die Möglichkeit, die Änderungskündigung unter Vorbehalt anzunehmen und die Zulässigkeit der Änderungskündigung gerichtlich durch Änderungsschutzklage überprüfen zu lassen. Verdachtskündigung Besteht gegen einen Arbeitnehmer der dringende Verdacht einer Straftat oder einer schweren Pflichtverletzung, so kann allein schon dieser Verdacht eine Kündigung rechtfertigen, wenn es gerade der Verdacht ist, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört und zu einer unerträglichen Belastung des Arbeits169 verhältnisses geführt hat . Denn bei Vorliegen eines dringenden Tatverdachts, geht das für ein Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauen verloren. Da jedoch bei einer Verdachtskündigung immer die Gefahr besteht, dass ein Unschuldiger getroffen wird, ist Voraussetzung für eine Verdachtskündigung immer, dass der Arbeitgeber alle ihm zumutbaren Aufklärungsmaßnahmen ausgeschöpft hat. Dazu 170 gehört zwingend die vorherige Anhörung des Betroffenen .
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BAG, Urt. vom 12.12.1984, 7 AZR 575/83. BAG, Urt. vom 30.04.1987, 2 AZR 283/86.
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Verhaltensbedingte Kündigung Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten im Arbeitsverhältnis verletzt und dadurch die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zerstört. „Verhalten“ liegt nur vor, wenn es vom Arbeitnehmer willentlich steuerbar ist. Deshalb wird bei Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes grundsätzlich vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung abzumahnen sein. Grundsätzlich muss die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers verschuldet (d. h. vorsätzlich oder fahrlässig – § 276 BGB) sein. Tipp: Folgende Kontrollfrage können Sie stellen: „Kann der Arbeitnehmer (sich vertragsgerecht verhalten), aber will nicht?“
Personenbedingte Kündigung Eine personenbedingte Kündigung kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer seine Fähigkeiten oder Eignung verloren hat, die geschuldete Arbeitsleistung ganz oder teilweise zu erbringen. Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Die vom Arbeitnehmer ausgehende „Störung“ ist meist von ihm nicht „mehr“ steuerbar. Deshalb ist hier grundsätzlich eine Abmahnung nicht erforderlich. Tipp: Folgende Kontrollfrage können Sie stellen: „Will der Arbeitnehmer (sich vertragsgerecht verhalten), aber kann er nicht?“
Betriebsbedingte Kündigung Eine betriebsbedingte Kündigung kommt in Betracht, wenn ein oder mehrere Arbeitsplätze durch eine unternehmerische Entscheidung, die von den Arbeitsgerichten grundsätzlich hinzunehmen ist, verloren gehen. Findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, ist eine betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Bedürfnisse bedingt ist und der Arbeitgeber bei Auswahl der zu kündigenden Person die vier Sozialkriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung ausreichend berücksichtigt hat.
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Wie beende ich das Arbeitsverhältnis rechtssicher?
Die wichtigsten Kündigungsgründe im Überblick Die folgende Checkliste bietet einen abschließenden Überblick über die wichtigsten Kündigungsgründe. Neben verschiedenen Ausgestaltungen des Kündigungsgrundes sind auch die möglichen Kündigungstatbestände erkennbar. Die Bedeutung der Abkürzungen entnehmen Sie bitte der Legende. b = betriebsbedingter Kündigungsgrund v = verhaltensbedingter Kündigungsgrund p = personenbedingter Kündigungsgrund ao = außerordentliche Kündigung möglich Ab = Abmahnung erforderlich = keine Kündigung möglich Kündigungsgrund
B
V
p
ao
Ab
X
Abkehrwille (Vorbereitungen, sich selb ständig zu machen) X
Abwerbung (In besonderen Fällen bei Ver trauensstellung) Alkohol Verstoß gegen betriebliches oder gesetzliches Alkoholver bot bei besonderer Gefähr dung Dritter Verstoß gegen betriebliches oder gesetzliches Alkoholver bot (Alkoholkrankheit nicht eingeräumt) Krankhafte Trunksucht mit Auswirkungen auf das Arbeits verhältnis, nicht therapiebereit oder Therapie erfolglos Androhung einer Krankheit, insb., wenn ein Urlaubsantrag nicht bewilligt oder verlängert wird
358
+
X
X
X
X
X
Wege der betrieblichen Umsetzung
Anzeige gegen Arbeitgeber, wenn sie ausschließlich in Schädigungsabsicht erfolgt wenn sie völlig haltlos und unfundiert ist wenn sie gegenüber Unzu ständigen wie der Presse er folgt wenn der Arbeitnehmer zu erst vergeblich versucht hat, betriebsinterne Lösung zu fin den und Anzeige objektiv ge rechtfertigt ist
X X X
X
Anzeigepflicht bei Arbeitsun fähigkeit, Verstoß gegen § 5 EFZG
X
X
Arbeitserlaubnis (trotz Erfordernis keine gültige Arbeitserlaubnis)
X
X
Arbeitsverweigerung (Weigerung, eine arbeitsver traglich geschuldete Leistung überhaupt oder in der gefor derten Art und Weise zu er bringen) Ausländerfeindlichkeit (Erzeugung ausländerfeindli cher Stimmung durch entspre chende Äußerungen oder Ver halten)
X
X
X
X
Besonders krasse Fälle Arbeitsrückgang Arbeitsmenge geht auf nicht absehbare Zeit zurück Beleidigung von Vorgesetzten, Kollegen oder auch Kunden Besonders grobe Beleidigun gen aus gehässigen Motiven
15
X X
X
X
X
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15
Wie beende ich das Arbeitsverhältnis rechtssicher?
Bestechlichkeit, Schmiergeld annahme
X
Störung des Betriebsfriedens (z. B. durch parteipolitische Agitation, Falschinformatio nen der Presse, Angriffe auf Betriebsrat)
X
Betriebsübergang Wegen Betriebsübergang kann nicht gekündigt werden. Wird im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang im Übernahmebetrieb jedoch um organisiert, kann betriebsbe dingt gekündigt werden.
X
X
X
X
Diebstahl von Eigentum des Arbeitgebers, von Mitarbeitern oder Kunden
360
Druckkündigung (Mitarbeiter sind nicht mehr bereit, mit AN zusammen zu arbeiten und drohen ihrerseits ernsthaft mit Kündigung. Der AG muss jedoch zunächst versuchen, sich schützend vor den AN zu stellen.)
X
Eigungsmangel (AN ist nicht in der Lage, die vertraglich geschuldete Lei stung zu erbringen z. B. kör perlich, wegen einer fehlenden Erlaubnis, Fahrerlaubnis)
X
Erkrankung, Langzeit (AN fehlt am Stück 1 ½ Jahre. Es ist nicht ersichtlich, wann er wieder kommt.)
X
Wege der betrieblichen Umsetzung
X
Freiheitsstrafe (AN befindet sich nicht nur kurzzeitig in Haft) Fremdvergabe (Der AG entschließt sich, be stimmte Tätigkeiten des Be triebs an einen Dritten zu ver geben.)
X
X
Häufige Erkrankungen (AN fehlt in den letzten drei Jahren jeweils deutlich mehr als sechs Wochen. Es ist nicht ersichtlich, dass dies künftig nicht mehr eintritt. AG hat jeweils mehr als sechs Wo chen Entgeltfortzahlung ge leistet Häufiges Zuspätkommen
X
X
Homosexualität
X X
Internetnutzung während Ar beitszeit entgegen Verbot Herunterladen pornografi schen Materials in erhebli chem Umfang während der Arbeitszeit
X X
Konkurrenztätigkeit Leistungsmängel Kann der AN, aber will er nicht. Will der AN, aber kann er nicht Mobbing (Diskriminierung von Mitarbeitern oder Untergebe nen)
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X
X
X X
X
X
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15
Wie beende ich das Arbeitsverhältnis rechtssicher?
Nebentätigkeit (entgegen ei ner arbeitsvertraglichen Re gelung nicht angezeigt oder genehmigt)
X
X
Privattelefonate (auf Kosten des AG während der Arbeitszeit)
X
X
Rauchverbot (Verstöße gegen betriebl. geltendes Rauchver bot)
X
X
Schwangerschaft
X
Selbstbeurlaubung
X
Straftaten innerhalb des Ar beitsverhältnisses, wie z. B. Unterschlagung
X
X
Straftaten außerhalb des Ar beitsverhältnisses, wenn das Arbeitsverhältnis z. B. durch mangelnde Eignung konkret beeinträchtigt wird Tätlichkeiten gegen Kollegen, in schweren Fällen, gegen AG Umsatzrückgang (wenn der AG umorganisiert und deshalb Arbeitsplätze frei werden)
X X X
Unentschuldigtes Fehlen
X
X
Unpünktlichkeit
X
X
Verdacht einer strafbaren Handlung (bei dringendem Tatverdacht und vorheriger Anhörung des AN)
362
X
X
X
Wege der betrieblichen Umsetzung
X
Vorstrafen (es sei denn, es besteht konkrete Wiederho lungsgefahr und der AN ist deshalb für die Tätigkeit nicht geeignet) Vollmachtsüberschreitung Wehrdienst im Ausland (wenn außerhalb der EU)
X
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X
X X
Mitbestimmung durch Betriebs/Personalrat So ist der Betriebsrat zu beteiligen Besteht ein Betriebsrat, ist dieser vor Ausspruch jeder Kündigung nach § 102 Abs. 1 BetrVG anzu hören. Dabei sind dem Betriebsratsvorsitzenden, bei dessen Verhinderung seinem Stellvertreter (vgl. § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG) bzw. dem zuständigen Ausschussvorsitzenden die Kündigungsgründe entsprechend dem Kenntnisstand des Arbeitgebers mitzuteilen. Bei einer ordentlichen Kündigung hat der Betriebsrat eine Woche, bei einer außerordentlichen Kündigung drei Tage Zeit. Solange muss der Arbeitgeber abwarten, es sei denn, der Betriebsrat teilt ihm schon vorher mit, dass für ihn die Angelegenheit abgeschlossen ist. Bei der Fristberechnung zählt nach § 187 Abs. 1 BGB der Tag der Information nicht mit. Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Feiertag, Samstag oder Sonntag, so tritt nach § 193 BGB an dessen Stelle der nächste Werktag. Eine ohne ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Arbeitgeberkündigung ist unwirksam (§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG). Der Betriebsrat kann einer Kündigung zustimmen, Bedenken äußern oder lediglich die Frist verstreichen lassen. Dies erzeugt keine rechtlichen Wirkungen. Grundsätzlich kann er auch nach § 102 Abs. 3 BetrVG einer ordentlichen Kündigung schriftlich widersprechen. In diesem Fall hat der gekündigte Arbeitnehmer nach § 102 Abs. 5 BetrVG für die Dauer eines arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahrens einen Weiterbeschäftigungsanspruch. So ist der Personalrat zu beteiligen Besteht ein Personalrat, hat dieser bei einer ordentlichen Kündigung ein Mitwirkungsrecht nach § 72 BPersVG. Das bedeutet, dass die
363
15
Wie beende ich das Arbeitsverhältnis rechtssicher?
Dienststelle eine ordentliche Kündigung nur aussprechen darf, wenn der Personalrat Gelegenheit hatte, Einwendungen gegen die Kündigung zu erheben und diese mit dem Dienstgeber zu erörtern. Eine Kündigung vor Abschluss des Mitwirkungsverfahrens ist unwirksam. Die Information geht ebenfalls an den Vorsitzenden bzw. Stellvertreter. Nach §§ 68 Abs. 2 Satz 2, 72 Abs. 1 BPersVG muss die Dienststelle den Personalrat nicht nur rechtzeitig und umfassend von der geplanten Maßnahme unterrichten, sondern auch noch mit diesem (mündlich) erörtern. Der Personalrat hat 10 Arbeitstage Zeit, sich zur beabsichtigten Kündigung zu äußern. Dabei beginnt die Frist mit der ordnungsgemäßen vollständigen Unterrichtung. Eine eventuelle mündliche Erörterung wirkt sich nicht auf den Fristlauf aus. In dringenden Fällen hat der Dienststellenleiter die Möglichkeit, die Frist auf drei Arbeitstage abzukürzen. Der Personalrat kann der beabsichtigten ordentlichen Kündigung zustimmen oder die Frist verstreichen lassen. Dann gilt die Maßnahme als gebilligt. Erhebt der Personalrat innerhalb der Frist begründete Einwendungen, und will die Dienststelle dennoch kündigen, teilt sie ihre Entscheidung dem Personalrat schriftlich begründet nach § 72 Abs. 3 BPersVG mit. Reagiert der Personalrat nicht, kann die Dienststelle kündigen. Der Personalrat hat aber auch die Möglichkeit, innerhalb von drei Arbeitstagen die Angelegenheit der übergeordneten Dienststelle vorzulegen (§ 72 Abs. 4 BPersVG). Handelt es sich bei der übergeordneten Dienststelle um eine Behörde der Mittelstufe, und entspricht sie den Einwendungen des Bezirkspersonalrats nicht, kann dieser wiederum innerhalb von drei Arbeitstagen die Angelegenheit der obersten Dienstbehörde zur Erörterung mit dem dortigen Hauptpersonalrat vorlegen. Kommt es auch da zu keiner Verständigung, entscheidet die oberste Dienstbehörde. Hat der Personalrat ordnungsgemäß Einwendungen nach § 79 Abs. 1 Satz 3 BPersVG erhoben, hat der Arbeitnehmer für die Dauer eines arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzprozesses einen Weiterbeschäftigungsanspruch. Bei außerordentlichen Kündigungen hat der Personalrat nach § 79 Abs. 3 BPersVG lediglich ein Recht auf Anhörung (drei Arbeitstage).
364
Wege der betrieblichen Umsetzung
15
Besonderheiten bei tariflich unkündbaren Arbeitnehmern Bei beabsichtigten außerordentlichen Kündigungen von tariflich unkündbaren Beschäftigten muss die Beteiligung der Personalvertretung – unter Gewährung einer Auslauffrist – grundsätzlich wie 171. bei einer ordentlichen Kündigung erfolgen Stellt das Gesetz für die Mitwirkung des Betriebs- oder Personalrats bei ordentlichen Kündigungen schärfere Anforderungen auf als bei außerordentlichen, würde sich im Ergebnis der tarifliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung gegen den betreffenden Arbeitnehmer auswirken. Die Mitwirkung des Betriebs- oder Personalrats würde man nur an den erleichterten Voraussetzungen messen. Unterliegt die außerordentliche Kündigung nur der Anhörung, ist insoweit nur das Benehmen mit dem Personalrat/Betriebsrat herzustellen, während bei der ordentlichen Kündigung eine weitergehende Mitwirkung oder gar Zustimmung der Personalvertretung erforderlich wäre. So könnte dem tariflich besonders geschützten Arbeitnehmer leichter als den übrigen Arbeitnehmern gekündigt werden. Der darin liegende Wertungswiderspruch lässt sich nur durch eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Mitwirkung des Betriebs- bzw. Personalrats bei ordentlichen Kündigungen vermeiden. Achtung: Für Betriebs und Personalratsmitglieder gelten nach § 103 BetrVG/ § 47 BPersVG Sonderregelungen. Diese können grundsätzlich nur außer ordentlich mit Zustimmung (ggf. durch das Arbeitsgericht oder Verwal tungsgericht ersetzt) des Betriebs oder Personalrats gekündigt werden.
So muss die Kündigung erklärt werden Nach § 623 BGB bedarf jede Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dabei spielt keine Rolle, welcher Art die Kündigung ist (ordentliche, fristlose, Änderungskündigung...) und wer sie ausspricht (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer).
171
Schriftform
BAG, Urt. vom 25.03.2004 - 2 AZR 399/03;BAG, Urt. vom 18.01.2001 - 2 AZR 616/99.
365
15
Wie beende ich das Arbeitsverhältnis rechtssicher?
Achtung: Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB gilt nur für die Kündigungser klärung, nicht jedoch für die Kündigungsgründe.
Die Anforderungen an die gesetzliche Schriftform ergeben sich aus § 126 BGB: „Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.“ Aufgrund der Empfangsbedürftigkeit der Kündigungserklärung muss das Original des Kündigungsschreibens dem Kündigungsempfänger zugehen. Unzulässig ist die Verwendung von Stempeln, Schreibmaschine, Faksimile oder anderen mechanischen Hilfsmitteln. Auch eine digital erstellte Signatur genügt nicht. Die Kündigung als empfangsbedürftige Willenserklärung muss in der Form zugehen, die für ihre Abgabe erforderlich ist. Ein Telegramm genügt daher trotz eigenhändiger Unterzeichnung des Aufgabetelegramms nicht. Gleiches gilt für die Übermittlung durch Telefax, da die dem Empfänger zugehende Erklärung lediglich eine Kopie des beim Absender verbleibenden Originals ist. Aus den gleichen Gründen genügt auch eine E-Mail nicht, selbst wenn sie durch Einfügen einer Unterschriftsdatei „unterschrieben“ wurde. Achtung: Die fehlende Schriftform hat gemäß § 125 Satz 1 BGB die Nichtigkeit der Kündigung zur Folge. Eine Heilung ist nicht möglich. Inhalt
366
Die Erklärung muss den Beendigungswillen eindeutig und zweifelsfrei zum Ausdruck bringen. Dabei ist zwar nicht zwingend geboten, das Wort „Kündigung“ zu verwenden, genau das ist jedoch dringend zu empfehlen, um jegliches Missverständnis zu vermeiden. Der Kündigende muss auch deutlich machen, ob das Arbeitsverhältnis ordentlich oder außerordentlich aufgelöst wird. Dies kann z. B. mit den Worten „fristgerecht zum …“ oder „fristlos“ klargestellt werden. Die Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit keiner Angabe von Gründen, eine Ausnahme besteht bei Ausbildungsverhältnissen (§ 22 Abs. 3 BBiG).
Wege der betrieblichen Umsetzung
Die Kündigung darf grundsätzlich an jedem Ort und zu jeder Zeit erfolgen, auch während einer Erkrankung, an einem Samstag, Sonntag oder gar einem Feiertag (z. B. Zugang einer Kündigung am 172 24.12.) . Unwirksam ist lediglich eine Kündigung zur Unzeit, aber nur, wenn der Kündigungsempfänger die Kündigung unverzüglich zurückweist.
15 Ort und Zeit der Kündigung
Beispiel: 173 Kündigung im Krankenhaus am Tag des Arbeitsunfalls , Arbeitnehmer wird um Mitternacht aus dem Schlaf geweckt, um Kündigung erklären zu können; Kündigung auf Toilette.
Fallen Abschluss des Arbeitsvertrags und Arbeitsantritt auseinander, ist eine Kündigung vor Arbeitsantritt zulässig. Da nach TVöD eine Probezeit mit kurzer Kündigungsfrist vorgeschaltet ist, beginnt die zweiwöchige Kündigungsfrist mit Zugang der Kündigungserklärung und nicht etwa erst mit dem Zeitpunkt des vereinbarten Arbeitsantritts zu laufen. Die Formulierung in § 34 Abs. 1 TVöD „seit Beginn des unbefristeten Arbeitsverhältnisses“ steht dem nicht entgegen. Ihr kommt lediglich die Bedeutung zu, dass bis Ablauf der ersten sechs Monate (= regelmäßig Ablauf der Probezeit) eine Kündigung mit verkürzter Kündigungsfrist möglich sein soll. Tritt daher ein Beschäftigter nach vorangegangener rechtzeitiger Kündigung seine Arbeit nicht an, besteht kein Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers, insbesondere kann er nicht seine erneuten Ausschreibungskosten geltend machen. Tipp: Schließen Sie im Arbeitsvertrag die Möglichkeit einer Kündigung vor Arbeitsantritt aus, etwa mit einer Formulierung wie: „Eine Kündigung vor Arbeitsantritt ist ausgeschlossen.“
172 173
BAG, Urt. vom 14.11.1984, 7 AZR 174/83. LAG Bremen, Urt. vom 29.10.1985, 4 Sa 151/85.
367
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Wie beende ich das Arbeitsverhältnis rechtssicher?
Wer ist kündigungsberechtigt? Die Kündigung kann trotz der höchstpersönlichen Natur des Kündigungsrechts auch von einem Vertreter ausgesprochen werden. Dieser muss jedoch rechtsgeschäftlich bevollmächtigt werden. Die Vollmacht kann dabei formlos erteilt werden. Der Arbeitnehmer kann jedoch die Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB unverzüglich zurückweisen, wenn ihm bei Ausspruch der Kündigung keine Vollmachtsurkunde im Original vorgelegt wird. Die Zurückweisung muss 174 grundsätzlich innerhalb einer Woche erfolgen , nach 14 Tagen ist sie zu spät. Erfolgt die Zurückweisung rechtzeitig, ist die Kündigung unwirksam. Eine Ausnahme hiervon besteht, wenn dem Arbeitnehmer die Vollmacht bekannt ist. Im öffentlichen Dienst sind die Zuständigkeiten für Personalentscheidungen in der Regel den einschlägigen Rechtsvorschriften oder Verwaltungsbestimmungen zu entnehmen. Insoweit liegt eine Inkenntnissetzung im Sinne des § 174 BGB vor. Unabhängig davon ist bei einer Kündigung durch den Leiter der Perso175 nalabteilung eine Vollmachtsvorlage entbehrlich . Dies gilt jedoch nicht bei einer Kündigung durch den Personalsachbearbeiter. Bei Betrieben in privater Rechtsform kann die Vollmacht auch in der Prokura, einer Generalvollmacht oder Handlungsvollmacht enthalten sein. Tipp: Kündigungen sollten grundsätzlich durch den gesetzlichen Vertreter des Arbeitgebers oder den Personalleiter unterschrieben werden. Ist dies nicht möglich, ist das Kündigungsschreiben von einem Bevollmächtig ten zu unterzeichnen, dessen Vollmacht dem Arbeitnehmer bekannt ist. Anderenfalls ist unaufgefordert die Vollmachtsurkunde beizulegen.
Zugang der Kündigung Die Kündigung wird erst wirksam, wenn sie dem Kündigungsgegner zugeht.
174 175
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BAG, Urt. vom 31.08.1979, 7 AZR 674/77. BAG, Urt. vom 29.06.1989, 4 AZR 482/88.
Wege der betrieblichen Umsetzung
Der Zugang ist maßgebend für • die Prüfung und Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, • den Beginn der Kündigungsfrist, • die Ausschlussfrist nach § 626 Abs. 2 BGB. Man unterscheidet zwei Arten des Zugangs: • gegenüber Anwesenden und • gegenüber Abwesenden. Ein besonderes Problem besteht dann, wenn der Kündigungsempfänger über seinen normalen gewöhnlichen Aufenthalt, z. B. während des Urlaubs, nicht erreichbar ist. Unter Anwesenden ist die schriftliche Kündigungserklärung zugegangen, wenn der Empfänger sie verstehen kann. Volltrunkenheit oder Bewusstlosigkeit verhindern den Zugang ebenso wie Sprachunkundigkeit. Daher ist bei einem der deutschen Sprache nicht ausreichend kundigen ausländischen Arbeitnehmer die übergebene Kündigungserklärung zu übersetzen. Bei persönlicher Übergabe liegt Zugang vor, unabhängig davon, ob der Empfänger die Kündigung liest, sie verliert oder wegwirft. Verweigert er die Annahme, liegt ebenfalls Zugang vor.
15
Zugang unter Anwesenden
Tipp: Zu Beweiszwecken sollte die Kündigung unter Anwesenden immer im Beisein eines Zeugen übergeben werden. Der Empfang sollte vom Ar beitnehmer schriftlich bestätigt werden.
Bei Abwesenden ist die Kündigung zugegangen, wenn sie in seinen Machtbereich – z. B. Briefkasten, Wohnung, Geschäftsräume, Postschließfach – gelangt und er unter gewöhnlichen Umständen von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann.
Zugang unter Abwesenden
Beispiel: Arbeitgeber lässt durch Boten Kündigungsschreiben überbringen. Der Bote wirft um 17.00 Uhr das Schreiben in den Briefkasten. Das Schrei ben ist erst am nächsten Tag zugegangen, da nicht zu erwarten ist, dass der Arbeitnehmer nach der allgemeinen Postzustellung nochmals den Briefkasten überprüft.
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Wie beende ich das Arbeitsverhältnis rechtssicher?
Es genügt die abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme unter gewöhnlichen Umständen: Ein Kündigungsschreiben, das in Urlaubsabwesenheit des Arbeitnehmers in dessen Briefkasten gelangt, geht ebenfalls zu. Versäumt der Arbeitnehmer aber in einem solchen Fall die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG zur fristgerechten Erhebung einer Kündigungsschutzklage, kann er nach § 5 KSchG die nachträgliche Klagezulassung beim Arbeitsgericht beantragen. Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs. Daher sollte dem Nachweis des Zugangs besondere Sorgfalt gewidmet werden. Beachten Sie insbesondere, dass der Nachweis der Absendung nicht genügt. Von einer Kündigung mit normaler Post sollte man absehen, weil bei Bestreiten des Zugangs durch den Arbeitnehmer kein Beweis zu führen ist. Beim Einwurf-Einschreiben wird der Einwurf (eines Briefes) in den Briefkasten oder Postfach des Empfängers von der Post dokumentiert. Erfolgt die Kündigung per Übergabe-Einschreiben kann es Probleme geben, wenn der Empfänger nicht zu Hause ist. Es ist zwar möglich, das Kündigungsschreiben an eine Person auszuhändigen, die nach der Verkehrsauffassung als empfangsberechtigt anzusehen ist, so z. B. Familienangehörige, Lebensgefährten, Vermieter. Verweigert dieser allerdings die Entgegennahme, so ist er nicht mehr Empfangsbote. Die Erklärung geht in diesem Fall nicht zu. Trifft der Postbote niemanden an, hinterlässt er einen Benachrichtigungsschein. Dieser Benachrichtigungsschein bewirkt jedoch noch keine Zustellung. Erst wenn der Empfänger den Brief abholt, liegt Zugang vor. Damit kann es zu erheblichen Verzögerungen kommen, die sich natürlich auf die Kündigungsfrist auswirken können. Die Zustellung per Boten ist regelmäßig zu empfehlen. Dabei erfolgt der Zugang mit Übergabe des Kündigungsschreibens oder Einwurf in den Briefkasten. Ist ein solcher nicht vorhanden, kann der Brief vollständig unter der Wohnungstür des Empfängers durchgeschoben werden. Der Vorteil der Zustellung durch Boten besteht darin, dass der Bote in einem etwaigen Kündigungsschutzprozess als Zeuge auftreten kann. Die Zustellung durch Gerichtsvollzieher ist eine sichere, aber zeitraubende Art der Zustellung. Der Gerichtsvollzieher wird persönlich beauftragt (§ 167 ZPO), er stellt persönlich zu. Ist
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Wege der betrieblichen Umsetzung
15
der Empfänger abwesend, erfolgt eine Ersatzzustellung, indem das Kündigungsschreiben bei der Post oder Geschäftsstelle des Amtsgerichts niedergelegt und der Empfänger hiervon benachrichtigt wird. Damit ist die Zustellung vollzogen. Eine Abholung des Empfängers ist nicht erforderlich (§ 132 BGB). Ist der Aufenthalt des Arbeitnehmers trotz Nachforschungen beim Einwohnermeldeamt und der zuletzt zuständigen Postdienststelle unbekannt, besteht die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung nach § 132 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 204 ff. ZPO. Zuständig ist das jeweilige Amtsgericht. Tipp: Die Zustellung durch persönliche Übergabe mit Empfangsbestätigung oder im Beisein von Zeugen ist zu empfehlen. Ist dies nicht möglich, raten wir zu einer Überbringung durch Boten an die Privatanschrift. Der Bote hat Datum und Uhrzeit der Aushändigung oder des Einwurfs in den Briefkasten schriftlich mitzuteilen. Handelt es sich um ein Mehrfa milienhaus, ist im Protokoll exakt zu vermerken, in welchen Briefkasten das Kündigungsschreiben eingeworfen wurde. Beachten Sie, dass es sich bei dem Boten nicht um eine Person handeln darf, die den Arbeit geber (z. B. Justitiar) in einem etwaigen späteren Prozess vertreten würde, da es sonst Probleme mit dem Zeugenbeweis gibt.
Ist der Arbeitnehmer umgezogen, kann es ebenfalls zu Zugangsproblemen kommen. Dabei geht eine Verzögerung zu Lasten des Arbeitgebers. War allerdings der Arbeitnehmer durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag verpflichtet, einen Wohnungswechsel anzuzeigen, kann er sich auf die Verspätung des Zugangs nicht berufen. Der Arbeitnehmer genügt allerdings seiner Verpflichtung zur Mitteilung des Wohnungswechsels, wenn er die neue Anschrift auf einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ver176 merkt . Tipp: Im Arbeitsvertrag eine Verpflichtung zur Anzeige jedes Wohnungs wechsels aufnehmen!
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BAG, Urt. vom 18.02.1977, 2 AZR 770/75.
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Wie beende ich das Arbeitsverhältnis rechtssicher?
Hat der Empfänger den – rechtzeitigen – Zugang der Kündigung vereitelt (z. B. fehlender Briefkasten, Nichtabholung, verspätete Abholung des Einschreibens oder Angabe einer falschen Adresse), muss er sich so behandeln lassen, als ob die ursprüngliche Kündigung zugegangen wäre, wenn der Arbeitgeber die Kündigung nach 177 Kenntnis der Umstände unverzüglich wiederholt . Hat der Empfänger die Annahme grundlos verweigert, gilt die Kündigung als zugegangen. Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung Bei betriebsbedingter Kündigung kann der Arbeitgeber nicht beliebig kündigen. Vielmehr muss er den Personen kündigen, die sozial am wenigsten hart von der Kündigung betroffen werden. Die soziale Auswahl ist in drei Prüfschritten vorzunehmen: 1. Schritt: Der Kreis der für eine Sozialauswahl in Betracht kommenden Arbeitnehmer ist zu ermitteln. 2. Schritt: Einzelne Arbeitnehmer dürfen aus dem Kreis der Vergleichbaren herausgenommen werden, wenn ihre Weiterbeschäftigung, • insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen • oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG) 3. Schritt: Bestimmung der Schutzwürdigkeit nur nach • Dauer der Betriebszugehörigkeit, • Lebensalter, • Unterhaltspflichten, • Schwerbehinderung. Schritt 1: Den Kreis der Sozialauswahl ermitteln 1.) Die Sozialauswahl ist betriebsbezogen, Arbeitnehmer anderer Betriebe können nicht einbezogen werden178. Der Kreis der AN ist aus dem ganzen Betrieb und nicht nur aus ein179 zelnen Abteilungen zu ermitteln . 177 178
372
BAG, Urt. vom 22.09.2005, 2 AZR 366/04. BAG, Urt. vom 26.02.1987, NzA 1987, 775.
Wege der betrieblichen Umsetzung
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Unter „Betrieb“ versteht man die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sachlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Wesentliche Kriterien sind also: • einheitliche Organisation, • einheitliche Leitung zur Verfolgung arbeitstechnischer Ziele, • grundsätzlich ein Betriebsinhaber. • Im Bereich der öffentlichen Verwaltung entspricht der Betriebsbegriff in der Regel dem der Dienststelle. 2.) Weiterhin können Arbeitnehmer nicht einbezogen werden, deren ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist: a) durch Gesetz (z. B. § 15 KSchG; § 9 MuSchG; § 18 BErzGG; §§ 85 SGB IX; §§ 2, 10 ArbPlSchG; § 78 Abs. 1 Nr. 1 ZDG; § 22 Abs. 2 BBiG) b) durch TV (Unkündbarkeit § 34 Abs. 2 TVöD), c) oder durch arbeitsvertraglichen Ausschluss. Solche Regelungen gehen als Spezialvorschriften § 1 Abs. 3 KSchG vor. 3.) Horizontale Vergleichbarkeit: In den Kreis der auswahlrelevanten Personen können nur die aufgenommen werden, die ihrer Tätigkeit nach miteinander verglichen werden können. Das sind solche Arbeitnehmer, die ohne erhebliche Einarbeitungszeit untereinander ausgetauscht werden können. • Die Einarbeitungszeit gilt dann als erheblich, wenn sie die im Betrieb übliche Probearbeitszeit bzw. sechs Wochen überschreitet. • Vergleichbar ist ein Arbeitsplatz, wenn der Arbeitgeber auf Grund seines Weisungsrechts den Arbeitnehmer ohne Änderung seines Arbeitsvertrags weiterbeschäftigen kann. Die Vergleichbarkeit der Arbeitsplätze hängt damit von der jeweiligen Ausge180 staltung des Arbeitsvertrages ab .
179 180
BAG, EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 27. BAG, Urt. vom 29.03.1990, 2 AZR 369/89.
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Wie beende ich das Arbeitsverhältnis rechtssicher?
2. Schritt: Die Herausnahme einzelner Arbeitnehmer 1) Herausnahme von Leistungsträgern Liegt die Weiterbeschäftigung einzelner Arbeitnehmer insbesondere wegen ihrer besonderen Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen im berechtigten betrieblichen Interesse, kann der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer aus dem Kreis der Vergleichbaren herausnehmen. Dies gilt: a) bei besonderen Kenntnissen (durch Schulungen, Erfahrungen Sprachkenntnis), b) bei besonderen Fähigkeiten (vielseitige Verwendbarkeit, Fähigkeit zur Wahrnehmung von Führungsaufgaben oder zur Lösung von Konflikten unter den Arbeitskollegen, körperliche Eignung), c) bei besonderen Leistungen (wesentlich größere Leistungsstärke als andere Arbeitnehmer). Hier wird dem Grunde nach ein berechtigtes betriebliches Interesse anerkannt. Allerdings wird dieses nach dem dritten Schritt im Hinblick auf die Interessen des für die Kündigung ausgewählten betroffenen Arbeitnehmer noch einmal überprüft. 2) Herausnahme anderer Arbeitnehmer Es geht um die Aufrechterhaltung der bisherigen Personalstruktur. Der Arbeitgeber kann Gruppen bilden. Diese Gruppenbildung kann von den Arbeitsgerichten auf Sachlichkeit überprüft werden. Ist die Gruppenbildung sachlich, wird dem Grunde nach ein berechtigtes betriebliches Interesse anerkannt. Allerdings wird dieses nach dem dritten Schritt im Hinblick auf die Interessen des für die Kündigung ausgewählten betroffenen Arbeitnehmer noch einmal überprüft. Beispiel: Bei der X GmbH sollen von 100 Arbeitnehmern 10 Arbeitnehmer ent lassen werden. Zur Sicherung der ausgewogenen Personalstruktur könnte der Arbeitgeber folgende Gruppen bilden: Alter bis 30 31 40 41 50 51 60 >60
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Arbeitnehmer 10 20 30 30 10
10 % 1 2 3 3 1
Kündigung 1 2 3 3 1
Wege der betrieblichen Umsetzung
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3. Schritt: Bestimmung der Schutzwürdigkeit Einzelner Schließlich ist eine Einzelfallabwägung erforderlich. Dabei hat der Arbeitgeber bei der Gewichtung der Sozialkriterien im Verhältnis zueinander einen Beurteilungsspielraum. Dieser ergibt sich daraus, das § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nur verlangt, dass die Sozialkriterien „ausreichend“ berücksichtigt sind. Sozialkriterien: • Dauer der Betriebszugehörigkeit Diese wird vom Gesetz selbst bei der Bemessung einer Abfin181 dung besonders berücksichtigt (§§ 1a, 10 Abs. 2 KSchG ). • Lebensalter des Arbeitnehmers und die damit verbundene Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt. Zu Lasten des Arbeitnehmers spielt jedoch keine Rolle, dass er bald Rente beziehen könnte (§ 41 Satz 1 SGB VI). • Unterhaltsverpflichtungen Der Verpflichtung, Unterhalt zu zahlen, kommt ebenfalls eine wichtige Bedeutung zu. • Schwerbehinderung. Zu guter Letzt ist noch einmal zu überprüfen, ob die Herausnahme der Leistungsträger in berechtigtem betrieblichen Interesse war. Diese ist ins Verhältnis zu setzen mit den Interessen des jetzt für die Kündigung ermittelten Arbeitnehmers.
Abschließende Interessen abwägung
Betriebs/Dienstvereinbarung über Sozialauswahl bei Kündigungen Wird in einer Betriebs-/Dienstvereinbarung festgelegt, wie die Sozialen Gesichtspunkte nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. (§ 1 Abs. 4 KSchG i.V.m. § 95 BetrVG; § 76 Abs. 2 Nr. 8 BPersVG). Für diese Bewertung muss ein Punkteschema vereinbart werden.
181
BAG, Urt. vom 18.10.1984, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr.34.
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Wie beende ich das Arbeitsverhältnis rechtssicher?
Beispiel: Folgende Punkteverteilung wäre denkbar: Merkmal Betriebszugehörigkeit pro Jahr: Lebensalter ab 25 Jahre pro Jahr: Pro Unterhaltsberechtigte Person: Schwerbehinderung bis 50% GdB: Über 50 je 10%:
Punkte 2 1 5 5 1
Kommt es zu keiner Einigung mit dem Betriebsrat, kann der Abschluss über die Einigungsstelle erzwungen werden, (§ 95 Abs. 1 BetrVG).
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Stichwortverzeichnis Abordnung 91, 97 - Befristung 97 - zu einem anderen Arbeitgeber 97 Ampelkonto 141 Änderungskündigung 346 - betriebsbedingte außerordentliche 347 - personenbedingte außerordentliche 348 Anhörung 95 Arbeit auf Abruf 64, 136, 140 Arbeitsplan 140 Arbeitsunfähigkeit 291 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - Beweiswert 301 Arbeitsvertrag 30 - Änderung 35 - Hauptpflichten 31 - Konkretisierung 40 - mehrere Arbeitsverhältnisse 34 - Mindestbestandteile 32 - Nachweisgesetz 32, 36 - Nebenabreden 31 - Probezeit 35, 37, 41 - Schriftform 32 - Umsetzungsklausel 40 Arbeitszeit - Erfassung 117 - Lage 133 - Umfang 133 Arbeitszeitflexibilisierung 125
Arbeitszeitkontierung 119 Arbeitszeitkonto 119 - buchbare Zeiten 122 - zusätzliche Kontingente 123 Arbeitszeitkorridor 117, 119, 126 Arbeitszeitmodelle 124 - Kombinationen 138 - Mischformen 138 Arbeitszeitrahmen 133 Arbeitszeitsouveränität 125 Auflösungsvertrag 333, 349 Befristete Arbeitsverhältnisse 43 Befristung 43 - mit sachlichem Grund 44 - ohne sachlichen Grund 45 Bereitschaftsdienstentgelt 123 Betriebliche Altersversorgung 228 betriebliches Eingliederungsmanagement 309 Betriebs-/Dienstvereinbarung - Geltungsbereich 120 - Gemeinsame Arbeitsplanung 149 - Inhalt 121 - zum Gleitzeitkonto 143 Betriebsübergang 102 Beurteilungsgespräch 247, 275 Beurteilungssystem 247 - Auswirkungen 256 Blockarbeitszeit 135, 144
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Stichwortverzeichnis
Dienststelle 92 Direktionsrecht Siehe Weisungsrecht Diskriminierungsverbot 68 Eingruppierung 18, 150 - Anpassung 27 - Bewertungsverfahren 155 - Entgeltstufe 20 - Ermessen 26 - Mitbestimmung 162 - Vergütungsgruppenzulage 28 Einstellungsuntersuchung 304 Elternzeit 317 Entgeltbestandteile 179 - Einmalzahlungen 217 - Jahressonderzahlung 211 - Jubiläumsgeld 222 - kinderbezogener Besitzstand 183 - Tabellenentgelt 180 - Vermögenswirksame Leistungen 182 - Zulagen 190 - Zuschläge 199 Entgeltfortzahlung 219, 291 - Bemessungsgrundlage 219 Entgeltgruppe 18, 21, 96 Entgeltordnung 18 - Einstiegsgruppe 19 - Qualifikationsebenen 19 Entgeltstruktur 250 Entgeltstufen 171 Entgelttabelle 250, 180 Erfolgsprämie 251 Erholungsurlaub 314 - Abgeltung von Resturlaub 330 - andere Erwerbstätigkeit 330
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Anordnung 329 Arbeitsbefreiung ohne Urlaub 325 Arbeitsunfähigkeit 319 Dauer 314 Kürzung des Urlaubsanspruchs 315 Sonderurlaub 324 Teilbarkeit 318 Übertragbarkeit 318 Übertragung 330 Urlaubsentgelt 320 Urlaubsplanung 328 Zusatzurlaub bei Schichtarbeit 321
Flexible Arbeitszeit 136 flexible Teilzeitarbeit 137 Führung auf Probe 76, 79 Führung auf Zeit 76, 83 Führungsposition 77 Funktionszeiten 134 Geltungsbereich TVöD 11 Geringfügige Beschäftigung 14 Gestellungsvertrag 92, 102, 108 gleitende Arbeitszeit Siehe Gleitzeit Gleitzeit 115, 134, 140 - mit Funktionszeiten 146 - mit sich ändernden Funktionszeiten 148 Gleitzeitkonto 143 Gleitzeitmodelle 117, 130 Höhergruppierung 153, 164 Jahressonderzahlung 211 Jubiläumsgeld 222
Stichwortverzeichnis
Kappung 141 Kernarbeitszeit 134 Kernzeiten 124 Kinderbezogene Entgeltbestandteile 183 Krankenentgelt 292 Krankheit 291 - Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 299 - Auslandaufenthalt 300 - Beendigung des Arbeitsverhältnisses 295 - betriebliches Eingliederungsmanagement 309 - Entgeltfortzahlung 292 - Fortsetzungserkrankung 293 - Krankengeldzuschuss 295 - Kündigung 295 - Mehrfacherkrankungen 293 - Meldepflichten 299 - ruhende Arbeitsverhältnisse 295 - Schadensersatz Dritter 309 - Untersuchung 302 Kündigung 332, 352 - außerordentliche 336, 338 - betriebsbedingte 357 - Druckkündigung 342 - Krankheit 340 - Kündigungserklärung 365 - Kündigungsfrist 332, 333 - Mitbestimmung 363 - personenbedingte 357 - Rationalisierungsmaßnahmen 342 - Sozialauswahl 372 - Unkündbarkeit 335 - Verdacht strafbarer Handlungen 342 - Verdachtskündigung 356
-
verhaltensbedingte 356 Zugang 334, 368
Leiharbeit 103 Leistungseinschätzung 247 Leistungsentgelt 216, 246 - Entwicklungsstufen 250 - Mitbestimmungsrecht 252 leistungsorientierte Bezahlung 251 Leistungsprämie 251 Leistungszulage 250, 251 Leistungszulagen 144 Mindestbesetzung 134, 146 Mitarbeiterbeurteilung 256 Neueinstellung 18, 45 Organisationsuntersuchung 133 Outsourcing 100 Personalgestellung 90, 91, 100 - Betriebsübergang 102 - Gestellungsvertrag 102 - Zustimmung 102 Personalgestellungsvertrag 108 Qualifizierung 279 Qualifizierungsvereinbarung 282 Rahmenarbeitszeit 125 Rahmenzeit 118, 124 saisonale Arbeit 136 Schicht- und Wechselschichtarbeit 125 Schichtarbeit 134 Servicebereitschaft 147 Sozialauswahl 372
379
Stichwortverzeichnis
380
Springerklausel 138 starre Arbeitszeit 135 Sterbegeld 227 Strukturausgleich 188 Stufenaufstieg 166
Versetzung 90, 92 - auf Wunsch 95 - dienstliche/betriebliche Gründe 93 Vertrauensarbeitszeit 144
Tarifbindung 15 Tätigkeitsbeschreibung 158 Teilzeitarbeit 140
Weisungsrecht 89, 105 - Ermessensausübung 106 - Mitbestimmungsrecht 107
Überstunden 114 - Anordnung des Arbeitgebers 114 - Ausgleich 116 - Freizeitausgleich 143 - Gleitzeit 115 Umsetzung 90 Umsetzungsklausel 40 Unkündbarkeit 335 Urlaub Siehe Erholungsurlaub Vergleichsentgelt 169 Vergütungsordnung 151 Vermögenswirksame Leistungen 182
Zeitbefristung 54, 69 Zeitkontenmodelle 140 Zielvereinbarung 145 Zielvereinbarungen 259 Zuschläge - Arbeitszeitkonto 237 - Faktorisierung 237 - Faktorisierung von Zeitzuschlägen 238 Zuweisung 91, 98 - Befristung 98 - Tätigkeiten 100 - Zustimmung 99 Zweckbefristung 70