Verräter an Terra Frank M. Robinson (Originaltitel: COSMIC SABOTEUR) Übersetzung aus dem Amerikanischen: Jesco v. Puttk...
27 downloads
583 Views
4MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Verräter an Terra Frank M. Robinson (Originaltitel: COSMIC SABOTEUR) Übersetzung aus dem Amerikanischen: Jesco v. Puttkamer
1. Kapitel Sie überfielen ihn, als er wenige Häuserblocks von den Schlachthöfen Chicagos entfernt an einer Gasse vorüberging. Er hatte die Hochbahn zwei Haltestellen vorher verlassen, denn es war ein unbeschreiblich schöner Frühlingsmorgen, und er liebte es, durch das Polenviertel zu schlendern und die Stadt erwachen zu sehen. Er zählte 17 Jahre und stand der Welt noch ohne Zynismus gegenüber. Er hatte den sauberen, frischen Geruch der Morgenfrühe gern und empfand es als amüsant und reizvoll, den verschlafenen Hausfrauen in ihren ausgefransten Morgenröcken dabei zuzusehen, wie sie geräuschvoll die Haustüren öffneten und die Milch und die Zeitung hereinholten. Er würde die neuesten Schlachtviehpreise notieren, so überlegte er, und dann mit der Hochbahn in die Stadt zurückfahren und nur wenige Minuten später beim Vereinigten Nachrichtendienst eintreffen. Sein älterer Bruder war Reporter bei den „Nachrichten“ und hatte gesagt, daß sie dort unten noch einen Zeitungsboy gebrauchen konnten. Sein Bruder Larry war ein aufgeweckter Bursche und würde es einmal sehr weit bringen. Es war früh am Morgen, und noch niemand hatte zu arbeiten 3
angefangen. Die Straßen lagen wie ausgestorben. Die kühle Luft ließ ihn frösteln, und er hielt an einer Gasse an, um sich eine Zigarette anzuzünden, die ihn aufwärmen sollte. Und dann ging es los. Eine geballte Faust fuhr ihm direkt in den Mund. Es war schwer, Genaueres zu erkennen, denn der Schock hatte seine Augen mit Tränen gefüllt. Aber er sah drei erwachsene Männer vor sich, die größten und stärksten, die ihm außerhalb eines Television-Freistilringens jemals unter die Augen gekommen waren. Lauthals schrie er „Hilfe!“, knapp bevor sich eine Hand – so groß wie eine Schreibmaschine – in seinen Magen grub und jedes weitere Wort abschnitt. Er krümmte sich zusammen und fiel schlaff zu Boden, nach Luft ringend. Einer der Männer ergriff ihn am Rockkragen und zerrte ihn weiter in die Gasse hinein, zur Rückfront eines Restaurants, wo sich ein kleiner Berg von leeren Kisten und Abfalltonnen auftürmte, die mit faulen Orangen, Eierschalen und Kaffeesatz gefüllt waren. Niemand sagte etwas. Er rang noch immer nach Luft und fühlte sich sterbensübel, als sie ihn gegen den Abfallhaufen lehnten und methodisch und wissenschaftlich zu bearbeiten begannen. Eine Stimme drang aus Millionen Kilometer Entfernung an sein Ohr: „Umbringen dürfen wir ihn nicht!“ Und er stellte bei sich fest, daß die Männer von außerhalb der Stadt kommen mußten. Sie sprachen mit einem Akzent, den er noch niemals zuvor gehört hatte. Sic ließen ihn eine Minute lang in Ruhe, und er versuchte zu entfliehen. Sie lachten und stellten ihm ein Bein, bevor er drei Schritte tun konnte. Dann rissen sie ihn wieder auf seine Füße und begannen ihn erneut zu schlagen. Als er schließlich schlaff auf das Straßenpflaster sank, ließen sie von ihm ab. Seine Mütze lag einige Meter entfernt, und die Überbleibsel seiner Jacke nicht weit davon. Seine Hose war 4
zerrissen, und das Hemd hing in Fetzen. Die Streifen wehten wie blutige Banner in der leichten Morgenbrise. Einer der drei sagte: „Ich glaube, es ist Zeit, zu gehen.“ Stan vernahm eilige Schritte, und dann herrschte für lange Zeit Stille. Er wußte nicht, ob nur eine Minute, oder eine halbe Stunde verstrich, bis sich erneut Fußschritte hören ließen, die sich ihm näherten. Dann kniete jemand neben ihm nieder. „Du bist verletzt, mein Junge! Komm, ich werde dir helfen …“ Die Stimme klang weich und voller Mitleid. Sie hätte die eines Geistlichen sein können. Der Mann half ihm auf die Füße, und Stan taumelte auf die Straße hinaus und setzte sich auf den Bordstein. Er versuchte, mit einem zerfetzten Hemdsärmel das Blut wegzuwischen, aber es schien noch immer über seine Wangen herunterzuströmen. Dann merkte er, daß er weinte. „Hier.“ Ein Taschentuch wurde in seine Hand gedrückt, und er wischte sich damit über sein Gesicht. „Danke.“ „Wer war es, mein Junge?“ „Ich weiß es nicht. Ich ging gerade an der Gasse vorüber, als sie – über mich herfielen. Warum, weiß ich nicht. Ehrlich, Mister. Ich weiß nicht, warum.“ Er war nahe daran, wieder in Tränen auszubrechen und verstummte für einen Moment, um sich zur Ruhe zu zwingen. Dann blickte er zu dem Mann auf, der neben ihm stand. Schwarze Schuhe, funkelnagelneu. Sorgfältig gebügelte Gabardine-Hosen. Groß und ein wenig hager. Ein leichter, schwarzer Mantel, wie ihn ein Priester tragen mochte. Ein lohfarbener Hut, ebenfalls vollkommen neu. Mitte zwanzig, mit dem Gesicht eines Heiligen. Das Gesicht eines Mannes, dem man unbedingt vertrauen durfte. „Wie heißt du, mein Junge?“ 5
„Stan. Stanley Martin.“ Er war noch immer nahe daran, zu schluchzen, und der Name kam in einzelnen Silben heraus. Der Mann überlegte einen Augenblick, und Stan fand, daß er ein wenig wie ein Oberschullehrer aussah, der herauszufinden versuchte, wie intelligent ein Schüler war. „Wir müssen dich wieder frischmachen, Stan. Und dann werden wir dich nach Hause bringen.“ Er half Stan auf die Beine und führte ihn zu einem schwarzen Wagen hinüber, der wenige Meter entfernt am Straßenrand hielt. In weiter Ferne heulte eine Sirene. „Polizei“, sagte Stan und verhielt seinen Schritt. „Ich muß der Polizei Mitteilung machen!“ „Dazu werden wir auch später noch genug Zeit haben“, meinte der Mann ruhig. In seiner Stimme lag eine leise Andeutung von Ungeduld. „Eigentlich müßte ich warten“, murmelte Stan, aber der Mann schob ihn sanft in den Wagen, und Stan gab seinen Widerstand auf. Er legte sich auf den Rücksitz und lehnte seinen pochenden Kopf gegen die Polster an der Seite des Wagens. Es war ein großes Auto, dachte er verschwommen. Genau wie die Limousinen der reichen Leute, mit einer Glasscheibe zwischen dem Fahrer und den Passagieren. Von irgendwoher vernahm er ein zischendes Geräusch, und die Umgebung begann sich vor seinen Augen aufzulösen. Und dann fragte er sich plötzlich, wie man ihn nach Hause bringen konnte, wenn der Mann seine Adresse nicht kannte … Kurz bevor ihn das Bewußtsein vollständig verließ, sagte eine Stimme: „Ich bin dein Freund, Stan. Merke dir das, und wiederhole es immer und immer wieder. Ich bin dein Freund. Ich habe dein Leben gerettet.“ „Sie sind mein Freund“, murmelte Stan dumpf, während sein Bewußtsein langsam in ein Meer von klopfender, pochender Schwärze glitt. „Sie haben mein Leben gerettet …“ 6
Das letzte, was er sah, war ein flüchtiger Blick auf die Straßen, auf die Häuser und die hellen Flecken von Grün in den Vorgärten.
2. Kapitel Seine Muskeln schmerzten unerträglich, und er fühlte sich von einer unsagbaren Übelkeit erfüllt, deren Zentrum in seinem Magen lag. Seine Augen wollten sich zuerst nicht anpassen, und er blieb flach auf seiner Matratze liegen und betrachtete die verschwommenen Umrisse des Raumes. Es war ein komisches Krankenhaus. Niemand hatte seine Wunden verbunden, die dick von Blut verklebt waren, und er trug noch immer die gleichen Kleiderfetzen, die nach Schweiß und Schmutz rochen. Wohin hatte ihn der Mann gebracht? Er schüttelte den Kopf und versuchte, die Einzelheiten des Raumes auszumachen. Seine Sicht klärte sich ein wenig. Der Raum besaß nicht die entfernteste Ähnlichkeit mit einer Krankenstube. Er erinnerte ihn mehr an eine Gefängniszelle. Da war die Pritsche, auf der er lag, und das Waschbecken, und der Kübel und die vergitterte Tür. Sonst nichts. Kein Fenster, kein Tisch, kein Kalender – nichts. Nur eine kleine Zelle aus grauem, unpersönlichem Metall. Er stand auf, hielt sich an der Pritsche fest und berührte verwundert die Gitterstäbe. Er hatte nichts Unrechtes getan, dachte er. Nicht das geringste. „Wache! Wache!“ Er würde einen Rechtsanwalt kommen lassen. Larry besaß Beziehungen und vielleicht … Draußen ließen sich Schritte vernehmen. Einen Moment später öffnete sich die Tür. Der Mann, der sie öffnete, war kein Wärter, wenigstens trug er nicht die Kleidung eines solchen, 7
überlegte Stan. Nur ein Mann in einem blauen Anzug. Grinsend und verbindlich und – wie es die Romanschriftsteller nennen würden: drahtig. Außer seinen Augen. Die gleichen kalten Augen, die ein Henker haben mochte. Stan erschauerte. Der Tod. In einem blauen Serge-Anzug. „Ich war gespannt, wann du aufwachen würdest“, sagte der Mann freundlich. Er streckte seine Hand aus. „Mein Name ist Fred Tanner. Du …“ Stan beachtete die Hand nicht. „Ich will wissen, was hier eigentlich gespielt wird! Wo ist der Spaßvogel, der mich hierhergebracht hat? Wo ist …“ „Jemand anders kann dir alles erzählen, was du wissen willst“, sagte der Mann gelassen. „Du brauchst mir nur zu folgen.“ Stan rührte sich nicht. „Kommst du?“ Es war keine Frage, sondern eher die Feststellung einer Tatsache. Tanner stand dort, hielt seinen Kopf schräg geneigt und beobachtete Stan forschend, als ob er eine Ameise oder einen Vogel betrachtete. Stan schickte sich an, etwas zu sagen, aber die Worte erstarben in seiner Kehle. Tanner war kein Schwächling. Er hatte dicke Handgelenke und einen mächtigen Stiernacken. Er besaß ein Fluidum von ungeheurer Stärke, das ihn wie ein zweiter Anzug umgab. Er war genau der Typ, dachte Stan kalt, der einen in zwei Stücke brechen konnte, wenn er wollte. Er zuckte die Achseln und folgte Tanner den Korridor hinunter. Nach etwa dreißig Metern betraten sie einen Raum, der ungefähr so groß wie seine Zelle war. In einer Ecke des Zimmers stand ein ovaler Tisch, und daneben ein Rohrstuhl, beide aus dem gleichen Metall, aus dem auch die Wände und der Fußbo8
den bestanden. Die ganze Einrichtung sah aus, als ob sie aus einer einzigen Blechtafel ausgestanzt worden wäre. Der Mann hinter dem Schreibtisch hatte die Figur eines ExBoxers. Ein kraftvoller Mann, der langsam dick zu werden begann, mit wulstigen Lippen und dünner werdendem Haar. Tanner stieß Stan vorwärts. „Hier ist der Junge, Mr. Malcolm.“ Stan benetzte seine Lippen. „Ich – ich möchte gern wissen, was dies alles zu bedeuten hat, Sir.“ „Fred“, sagte der Mann hinter dem Schreibtisch mit gelangweilter Stimme, ohne von seinen Schriftstücken aufzublicken. „Er hat keine Manieren.“ Tanner schlug wie beiläufig mit der flachen Hand zu und traf Stan an der Seite des Kopfes. Stan stolperte gegen die Wand und glitt zu Boden. Er fühlte, wie ihm wieder die Tränen kamen. „He! Was zum …“ „Noch mal, Fred.“ Stan stürzte erneut nieder, schüttelte den Kopf und kletterte mühsam wieder auf die Füße. Er fühlte sich halb betäubt, war aber noch soweit bei Bewußtsein, daß er sich hütete, etwas zu sagen. „Wie heißt du?“ „Stan Martin. Ich habe …“ „Fred!“ Der Schlag erschütterte Stan bis ins Innerste, aber es gelang ihm, aufrecht stehenzubleiben. Seine Beine waren weich. „Wie viele Mitglieder deiner Familie sind am Leben, Martin?“ „Nur meine Mutter.“ Er strich mit der Zunge über seine aufgesprungenen Lippen. „Und mein Bruder. Sonst niemand.“ „Du hast dein ganzes bisheriges Leben in Chicago verbracht?“ „Ja – ja, Sir.“ 9
Mr. Malcolm legte endlich die Schriftstücke nieder, in denen er gelesen hatte, und blickte zu ihm auf. Wenn Tanners Augen kalt gewesen waren, so dachte Stan, dann waren Mr. Malcolms Augen gefroren. „Du magst Chicago nicht, oder?“ „Ich – ich glaube, es gefällt mir ganz gut.“ „Nein, das tut es nicht“, sagte Mr. Malcolm sanft. „Du hast deinen Kollegen bei dem Vereinigten Nachrichtendienst erzählt, daß du die Stadt hassen würdest und daß du sie verlassen wolltest, sobald es ginge.“ Stan riß seine Augen auf. „Woher wissen Sie das?“ „Wir wissen eine ganze Menge.“ Mr. Malcolm lehnte sich gemächlich in seinen Sessel zurück und betrachtete Stan wie einen Schmetterling auf einer Nadel. „Wir wissen, daß du deine Mutter haßt. Und deinen Bruder.“ „Woher haben Sie diesen Blödsinn?“ rief Stan erregt. Seine Stimme wurde lauter. „Was wollen Sie eigentlich von mir?“ „Fred! Bitte noch einmal.“ Tanner mußte Stan wieder auf die Beine helfen. „Mir wird schlecht“, sagte Stan schwach. Der Mann hinter dem Tisch ignorierte ihn. „Deine Mutter pflegte dich mit einem Riemen zu verprügeln, wenn du abends zu spät nach Hause kamst, Martin. Sie pflegte dir vorzuwerfen, daß du in den Kaufläden stehlen würdest.“ Lügen, dachte Stan. Aber er wagte keine Widerrede. „Dein Bruder Larry – er war immer der Liebling deiner Mutter, nicht wahr? Sie tat gewöhnlich für ihn Dinge, die sie für dich nie getan hätte, oder etwa nicht?“ „Larry ist niemals …!“ „Fred.“ „Mir ist schlecht“, wimmerte Stan. „Ehrlich, mir ist schlecht!“ „Du haßt die Stadt“, wiederholte Mr. Malcolm kalt. „Du haßt deine Familie.“ 10
„Ich glaube, Sie sind verrückt“, sagte Stan schwach. „Ich will einen Rechtsanwalt.“ Mr. Malcolm wandte sich wieder seinen Schriftstücken zu. „Bringe ihn in die andere Zelle, Fred.“ Zurück in eine Zelle, dachte Stan matt, als er Tanner hinausfolgte. Wo er sich endlich niederlegen könnte … Aber die andere Zelle war zu klein, als daß er sich darin hinlegen konnte. Sie maß 60 Zentimeter im Quadrat und besaß keinen Raum zum Niederlegen. Oder auch nur zum Hinsetzen. Das einzige, was er tun konnte, bestand darin, sich anzulehnen. Er berührte die Wand mit der Hand und schrie auf vor Schmerz. Die Wände waren mit Elektrizität geladen, und ein dünner Streifen Isoliermaterial trennte sie vom Fußboden. Er konnte sich nicht niederlegen, dachte er. Er hatte keinen Raum, um sich hinzusetzen, und er konnte sich noch nicht einmal anlehnen. Das einzige, was ihm übrigblieb, war, aufrecht stehenzubleiben, und zwar unbeweglich. Sie nahmen ihn acht Stunden später heraus. Diesmal war es ein anderer Raum. Ein gemütlicher Raum mit Teppichen auf dem Boden, Bildern an den Wänden und einem überdimensionalen Sofa aus Kunststoff an einer Seite. Der Mann, der hier auf ihn wartete, war der gleiche junge Mann mit dem Gesicht eines Heiligen, der ihn in der Gasse aufgelesen hatte. „Das ist Mr. Ainsworth“, sagte Tanner mit leiser Stimme und schob ihn vorwärts. Mr. Ainsworth starrte ihn erschrocken an. „Mein Gott, haben sie deine Wunden noch nicht verbunden, mein Junge?“ Stan sah ihn schweigend an. Mr. Ainsworths erschrockener Ausdruck machte einem entschlossenen Eifer Platz. „Wir müssen uns der Sache annehmen, mein Sohn, und zwar 11
auf der Stelle!“ Er drückte auf einen Knopf und wandte sich dann an Tanner. „Führe diesen Mann unverzüglich zur Krankenstube, Fred! Und bringe ihn nicht eher zurück, als bis er gebadet worden ist und neue Kleider angezogen hat!“ Er blickte wieder Stan an, und sein Gesicht war eine Studie von Sympathie und Mitleid. „Glaube mir, ich hatte keine Ahnung …“ Stan fühlte sich aus der Hölle in den Himmel versetzt. Man brachte ihn zu einer Krankenstube, wo ihn Ärzte und Schwestern, ihre Gesichter vollständig von weißen Gazemasken bedeckt, badeten und seine Verletzungen auswuschen und mit Kollodium bedeckten. Sie gaben ihm eine Injektion irgendeines Medikamentes, das seine Muskeln entspannte und sämtliche Schmerzen augenblicklich stillte. Sie vernichteten die Lumpen, die er getragen hatte und händigten ihm stattdessen einen Anzug aus blauem Serge aus – wie der, den Tanner trug. Als er zu dem Raum mit den Teppichen und dem Sofa zurückkehrte, hatte Mr. Ainsworth inzwischen einen kleinen Speisetisch aufgestellt. Das Zimmer war voll vom Duft von gebratenen Eiern und Speck und heißem, mit Butter bestrichenen Toast und dampfendem Kaffee. Stans Magen ballte sich zusammen und kehrte sich um, und plötzlich wurde ihm übel. „Immer mit der Ruhe“, meinte Mr. Ainsworth sanft. „Iß zu Beginn langsam.“ Stan zog einen Stuhl an den Tisch heran. Er fühlte sich zum Umfallen schwach. Eier und Speck und Kaffee … Als er fertig war, lehnte er sich zurück und nahm die Zigarette, die ihm Mr. Ainsworth anbot. „Was tue ich hier, Mr. Ainsworth? Warum kann ich keinen Rechtsanwalt bekommen?“ „Ich wünschte, ich könnte alle deine Fragen beantworten“, sagte der Mann mit dem seelensguten Gesicht gedankenvoll. 12
„Aber du mußt verstehen, daß ich hier nur ein Angestellter bin. Es gibt da einige Dinge, die ich dir leider nicht erzählen darf.“ „Wenn ich mich nicht im Gefängnis befinde, wo bin ich denn dann?“ fragte Stan bitter. Mr. Ainsworth hob seine Hände. „Es tut mir leid, Stan.“ Die Dinge wurden immer ungereimter, dachte Stan verwirrt. Wo befand er sich eigentlich, wenn er nicht im Gefängnis war? Die Zelle und der leicht gekrümmte Korridor, alles aus Metall. Und die Ärzte und die Schwestern, ihre Gesichter vollständig hinter ihren Gazemasken verborgen … „Sie brachten mich gestern zu einem Mr. Malcolm“, meinte Stan leise. „Er sagte mir, daß ich die Stadt hassen würde, und sogar meine eigene Mutter und meinen Bruder. Können Sie das begreifen? Ich nicht! Ehrlich, dieser Mensch …“ Seine Stimme erstarb. Mr. Ainsworth blickte zu Boden, und seine Stirn war gerunzelt. „Du bist nicht der einzige, der seinen Eltern grollte, weil sie zu streng sind, Stan. Und es ist auch durchaus nicht ungewöhnlich, daß eine Mutter eines ihrer Kinder den anderen bevorzugt.“ Stan starrte ihn mit offenem Mund an. „Aber – Sie stimmen ja Mr. Malcolm bei“, flüsterte er. „Ehrlich, auch Sie müssen ein wenig verrückt sein.“ Mr. Ainsworth sah verletzt aus. „Ich bin dein Freund, Stan – ich würde dich nie anlügen! Ich habe dein Leben nicht deshalb gerettet, um dir Lügen erzählen zu können!“ Es war verrückt, dachte Stan. Er hatte sich eines Morgens auf seinem Weg zu den Schlachthöfen befunden, und dann war der Himmel eingestürzt. Man hatte ihn gekidnappt und gefoltert, anscheinend aus keinem anderen Grund, um ihm mitzuteilen, daß er seine Familie haßte. 13
Es entbehrte jeglichen Sinns und Verstandes. Er warf seine Zigarette auf den Teppich und drückte sie mit dem Absatz aus. „Sie sind genauso schlecht wie die anderen. Sie arbeiten mit ihnen zusammen!“ Mr. Ainsworth sah enttäuscht aus. Er drückte auf einen Knopf auf seinem Tisch. Tanner erschien im Eingang, sein Gesicht hart und unpersönlich wie immer. „Du wirst ihn wieder zurückbringen müssen, Fred.“ Er blickte Stan traurig an. „Wir bemühen uns, freundlich zu dir zu sein, mein Sohn, und du läßt uns einfach nicht. Wir sagen dir doch nichts anderes als die Wahrheit!“ Stan begann zu zittern. Tanner ergriff ihn beim Arm, um ihn hinauszugeleiten, und die bloße Berührung seiner Hand ließ Stan noch mehr beben. Er zitterte wie Espenlaub und konnte sich nicht zur Ruhe zwingen. Es war ein äußerst eigenartiger Anblick gewesen. Als er zu Mr. Ainsworth gesagt hatte, daß er genauso schlecht wie die anderen wäre, hatte Mr. Ainsworth – geflimmert.
3. Kapitel Mr. Malcolm verhörte ihn erneut. Warum gestand er nicht, daß er seine Familie haßte? Seine Mutter war daran schuld, daß sein Vater die Familie verlassen hatte. Und sein Bruder pflegte ihn zu verpetzen, als er noch kleiner war und hatte sogar ab und zu Geld entwendet, das Stan in der Kommode beiseitegelegt hatte. Stan beging den Fehler, laut zu lachen und landete in einer Zelle, in der er während der ganzen Zeit gebückt und zusammengekrümmt bleiben mußte. Jedesmal, wenn er geschlafen hatte, erschien ein kleines Tablett mit wässeriger Suppe, und nach jeder Schlafperiode säuberte jemand die Zelle. Mr. Ainsworth verhörte ihn als nächster – und das bedeutete 14
ein Bad und Essen und Zigaretten und Ruhe. Er nahm alles entgegen und genoß es. Und dann sagte er Mr. Ainsworth, was er von ihm hielt. Sie warfen ihn in eine kleine, stockdunkle Zelle und ließen ihn dort liegen. Wochenlang. Monatelang. Er verbrachte seine Zeit in einer Ecke hockend und dachte an die Stadt, an seine Mutter und an Larry, und daran, wie der Frühling aussah, und wie es möglich war, daß Blätter, die im Herbst so groß wie ein Handteller waren, im Frühling aus einem winzigen grünen Streifen zu wachsen begannen, der nicht größer war als sein Fingernagel. Dutzende von Malen rief er sich die Szene ins Gedächtnis, die seine Augen an jenem Tag als Allerletztes gesehen hatten, als er in Mr. Ainsworths Auto lag. Die baufälligen Häuser, die grünen Bäume und das winzige blaue Band des Sees jenseits davon … Und dann kamen die Tage, während denen er überhaupt nichts dachte, obgleich er sich später fragen mußte, ob es tatsächlich Tage gewesen waren, oder gar Wochen, oder nur Stunden. Es gab nichts, woran er die verstreichende Zeit messen konnte, obwohl er es mit Hilfe seines eigenen Pulsschlages versuchte, indem er die Schläge zu Minuten zählte, und die Minuten zu Stunden, und die Stunden zu Tagen. Es war Mr. Ainsworth, der ihn befreite. „Es ist lange her, seitdem ich dich das letzte Mal gesehen habe, mein Sohn.“ „Sie wissen ganz genau, wo ich bis jetzt war.“ „Verüble es mir nicht, Stan. Ich bemühe mich nur, dir zu helfen.“ „Ich weiß es zu schätzen“, sagte Stan trocken. Und das Komische war, daß er es tatsächlich schätzte. Mr. Ainsworth bedeutete Schlaf, ein Bad, Essen und saubere Kleider. Er war ihm dafür dankbar. Wie ein Hund, den man getreten hatte, und der halb verhungert war, und der doch mit 15
dem Schwanz wedelte, wenn man ihn über den Kopf streichelte. Aber das Wissen um all dies konnte seine Reaktionen nicht im geringsten beeinflussen. „Stan“, sagte Mr. Ainsworth ruhig, „sie wollen von dir, daß du zugibst, deine Familie zu hassen. Du behauptest das Gegenteil. Vielleicht glaubst du es auch. Aber würde es denn etwas ausmachen, bloß zu sagen, daß sie recht haben? Zu glauben brauchst du es ja gar nicht.“ Er zögerte einen Augenblick. „Und um die Wahrheit zu gestehen, ich fürchte, daß du nicht mehr sehr lange am Leben bleiben wirst, wenn du dir nicht wenigstens den Ruck gibst, das zu sagen, was man hören will.“ Stan fuhr zusammen, als ob ihn eine Schlange gebissen hätte. Dadurch, daß er dem Tode in der letzten Zeit so oft sehr nahegekommen war, erschien ihm das Leben plötzlich unendlich kostbar. Und was machte es tatsächlich aus? Einige von den Dingen, die sie ihm erzählt hatten, waren in der Tat nicht gerade Lügen. „In Ordnung“, sagte er dumpf. „Ich hasse also die Stadt. Und ich hasse meine Angehörigen.“ Irgendwo in seinem Geist zerbröckelte ein Grundstein. „So ist’s richtig, mein Sohn. Sei du der Klügere!“ Mr. Ainsworth schien sehr stolz auf sich selbst zu sein, als ob Stan soeben einen schwierigen Test bestanden hätte. „Ich nehme an, es wird noch weitergehen, oder?“ fragte Stan. „Woran soll ich denn als nächstes glauben, damit ihr mich nicht umbringt?“ „Ich fürchte, du siehst es nicht im richtigen Licht“, sagte Mr. Ainsworth kalt, und Stan erstarrte vor Furcht bei dem Gedanken, daß er Fred hereinrufen und ihn in die Kleinzelle bringen lassen würde. „Wir klären dich nur über einige deiner Eigenschaften auf, die du bisher noch nicht gekannt hast.“ 16
„Gewiß“, sagte Stan schnell und versuchte, ernsthaft zu erscheinen. „Sie klären mich über Dinge auf, die ich niemals vermutet hätte.“ Er wurde danach besser behandelt. Sie wiesen ihn in eine Zelle ein, wo er sich niederlegen und ausruhen konnte. Wenn sie mit ihm sprachen, boten sie ihm Zigaretten an und scherzten mit ihm. Selbst Mr. Malcolm ging so weit, freundlich zu sein. Alles, was sie ihm über sein früheres Leben erzählten, stimmte haargenau, und nach und nach begann er zu glauben, daß das, was sie ihm sagten, tatsächlich etwas Wahres enthielt. Es verging fast ein ganzes Jahr, bis sie ihn dem Höhepunkt zuführten. Sie erklärten ihm gerade heraus, daß er die ganze Menschheit hassen würde. Stan war es, als ob er einen Schlag mit einer Keule erhalten hätte. „Das können Sie nicht im Ernst meinen!“ Mr. Ainsworth seufzte und schüttelte den Kopf. „Stan, erinnerst du dich an den Tag, an dem ich dich auf der Straße aufgelesen habe? Drei deiner Mitmenschen hatten dich in eine Gasse geschleppt und verprügelt. Sie hätten dich umgebracht, wenn ich nicht dazwischengekommen wäre.“ „Aber es waren nur drei Einzelwesen!“ wandte Stan ein. „Sind denn die übrigen so verschieden von ihnen?“ höhnte Mr. Ainsworth. „Kein menschliches Wesen kümmert sich um einen Mitmenschen, nur um sich selbst. In jeder Generation beginnen sie einen Krieg und morden einander zu Millionen. Und Krankheit! Haben sie sich jemals bemüht, energisch dagegen vorzugehen? Haben sie jemals ehrlich versucht, die Armut aus der Welt zu schaffen?“ Seine Oberlippe schürzte sich. „Sie sind Affen! Nichts als Affen!“ „Sie sprechen, als ob Sie nicht menschlich wären!“ sagte 17
Stan und erkannte im gleichen Augenblick, daß er einen Fehler begangen hatte. Mr. Ainsworth begann wieder zu flimmern, wie ein Film in einem unzulänglichen Projektor. Stan verkrampfte seine Finger in die Armlehnen des Stuhls und erstarrte, verzweifelt bemüht, seine Furcht nicht zu zeigen. Mr. Ainsworth beobachtete ihn aufmerksam. „Ich glaube, wir sollten dir erklären, um was es sich hier eigentlich handelt, Stan. Paß auf!“ Er drückte auf einen Knopf auf seinem Tisch, und die Wand hinter ihm begann zu glühen – und dann zu verwehen, wie Zigarettenrauch vor einem Ventilator. Stan schloß seine Augen. Er fühlte sich schwindlig und elend und fürchtete, umfallen zu müssen. Langsam öffnete er sie wieder. Das Ende des Raumes war verschwunden, und stattdessen blickte er in einen nachtschwarzen Himmel, der mit den unzähligen winzigen Lichtflecken der Sterne bestäubt war. Sterne, die nicht flimmerten, sondern mit stetigem, strahlendem Schein leuchteten. In der linken unteren Ecke konnte er ein riesiges Segment einer grün und blau gesprenkelten Kugel erkennen, die mit dahinziehenden Streifen von Weiß überzogen war. Beinahe wurde es ihm wieder schlecht, aber dann packte ihn die Erregung, und er starrte auf das atemberaubende Bild. Er befand sich irgendwo im Weltraum und hing Tausende von Kilometern über seinem Heimatplaneten. Er erblickte das Universum, wie es noch niemals zuvor von einem Menschen gesehen worden war. Die strahlende Unendlichkeit der Sterne, und die langsam rotierende grüne Kugel der Erde … „Die Heimat der Affen“, sann Mr. Ainsworth. Er zögerte einen Augenblick. „Wir können jenen Planeten weitaus besseren Verwendungszwecken zuführen, als die menschliche Rasse. Wir beabsichtigen, ihn uns anzueignen. Und du wirst uns dabei helfen.“ 18
Stan blickte Mr. Ainsworth kalt an. „Und was kriege ich dafür?“
4. Kapitel „Die Hälfte der Erde“, sagte Mr. Ainsworth langsam. „Eine Hälfte deiner ganzen weiten Heimatwelt!“ Stan starrte ihn eine Minute lang eiskalt an, und dann brach er in Lachen aus. Ein Lachen, das in mächtigen Wellen aus ihm hervorsprudelte und gegen die Wände des Raums spülte. Ein Lachen der Verzweiflung, denn er kannte den Preis, den er dafür zu bezahlen haben würde. Er ernüchterte. Es gibt einen Moment, dachte er, in dem jeder Mensch aufstehen muß und sich entweder als Feigling oder als tapferer Mann zu erweisen hat. Jetzt war die Reihe an ihm. „Und Sie dachten, ich würde das Angebot annehmen! Sie glaubten, ich würde die ganze menschliche Rasse verraten und verkaufen!“ Sein Gesicht verzerrte sich in unbeschreiblicher Wut, und er klopfte sich stolz auf die Brust, ohne sich im geringsten mehr davor zu fürchten, was sie mit ihm tun würden. Seine Stimme klang rauh. „Ich bin einer der Affen, vergessen Sie das nicht! Es ist mein Volk, und mein Planet …“ Mr. Ainsworths Gesicht schien aus einem Eisblock gemeißelt zu sein. „Sieh mich an, Martin! Sieh mich an!“ Stan blickte ihn an und fühlte, wie ihm der kalte Schweiß auf die Stirn trat, und wie sich sein Magen zu einem kleinen, harten Ball zusammenzog. Mr. Ainsworth löste sich langsam auf, so langsam, daß Stan jede verschwindende Einzelheit zählen konnte. Und die Gestalt, die an Mr. Ainsworths Steile entstand … Stan schrie auf und taumelte zum Schott zurück, den Arm schützend vor leine Augen erhoben. 19
„Du wirst uns helfen“, sagte das Wesen mit einer gräßlichen, flüssigen Stimme. „Du wirst uns helfen, weil du es selbst willst. Wir benötigen Agenten, die uns diesen Planeten mundgerecht machen. Du wirst ihr Anführer sein. Und wenn du dein Werk getan hast, wird unsere Flotte landen!“ Er machte eine Pause. „Aber ich sehe, daß du noch ein wenig Erziehung nötig hast!“ Er lebte abgeschnitten von allem Kontakt mit menschlichen Wesen oder Kreaturen, die sich als Menschen maskierten. Tanner war verschwunden, und Mr. Ainsworth und Mr. Malcolm nahmen sich nicht länger die Mühe, als Homo sapiens zu erscheinen. Sie sprachen tagtäglich mit ihm, und wenn ihre Interviews vorher rauh und grob genannt werden konnten, so waren sie jetzt unfaßbar brutal. Er glaubte, was sie sagten, und er dachte, was sie ihm zu denken befahlen. Es nicht zu tun, hätte unweigerlich den Tod bedeutet. Aber es gab noch immer – Widerstand. Die Persönlichkeit, die einst Stanley Martin gewesen war, hatte sich nicht vollkommen aufgelöst. Es lagen in ihm noch immer zerschmetterte Fragmente von Erinnerungen und Plänen und Wünschen, die nicht vollständig ausgelöscht waren. Winzige Fragmente, die ihn unzuverlässig machten. Am letzten Tag wurde er in eine Maschine geschnallt, die Kopf und Brust fest umklammerte. Die Lichter erstarben, und er befand sich allein im Dunklen. „Wie ist dein Name?“ Die winzigen Fragmente der Persönlichkeit rangen und überlegten, und brachen verwirrt zusammen. „Ich – ich weiß es nicht.“ Die Stimmen aus dem Nichts fuhren fort: „Du besitzt eine Familie. Du haßt diese Familie.“ Ein feiner, schwebender Dunst von Erinnerungen. Eine Frau, 20
die sein Essen gekocht und ihn abends ins Bett gelegt hatte, als er noch klein war. Jemand namens Larry, der ihn einst mit Hilfe einiger gutgezielter Steinbrocken aus einer Straßenschlägerei herausgehauen hatte … Aber was war ein Bett? Was war eine Straßenschlägerei? Was waren Steinbrocken? „Ich – vermute es.“ Der Raum explodierte in blendendes Licht, das seine Augen versengte und tief in sein Gehirn stach. „Bist du sicher?“ „O ja! O Gott, ja!“ Die Pein war vorüber, und wieder lag der Raum in tiefster Schwärze. „Du haßt die Städte.“ Die Städte. Die verfaulenden Häuser und die stinkenden Wohnungen. Die schmutzigen Gassen und die armseligen Parks und die schmierigen Gebäude. Und die grünen Rasenflächen und die glücklichen Kinder, und die Badestrande … Er antwortete nicht. Irgendwo in seinem Gehirn begann sich ein Rad zu drehen. Langsam. Dann schneller und schneller, bis er vor Übelkeit schwitzte und zitterte. Und dann war es, als ob er in winzige Fragmente auseinandergerissen würde, die zusammenprallten und zerbrachen und schmerzten … Natürlich haßte er die Städte! Einen Augenblick Ruhe und Entspannung. „Die Affen. Du haßt die Affen. Die menschliche Rasse besteht aus Affen.“ Die menschliche Rasse. Seine Rasse. Die Stücke, die Stanley Martin gewesen waren, begannen langsam aufeinander zuzu21
treiben und noch einmal zu einem einzelnen Individuum zu verschmelzen … Und dann spürten seine Nervenenden und Ganglien einen scharfen, brennenden Schmerz. Einen Schmerz, der an seinen Nerven entlangraste und sich in jedes Segment seines Körpers brannte, einen Schmerz, der sämtliche kortikalen Zentren zu rösten drohte. Es war ein Schmerz, der die Fragmente der einstigen Persönlichkeit Stanley Martins zerstreute und zerstörte und in ein Nichts auflöste. Ein Schmerz, der die letzten Spuren von Bewußtsein und Gedächtnis auslöschte. „Du haßt die menschliche Rasse“, wiederholte die Stimme sanft. „Ja“, sagte Stan, ohne zu zögern. „Ich hasse die menschliche Rasse.“ Und dann begann er zu schwitzen und zu zittern, als ihn plötzlich eine Welle unbeschreiblicher Wut durchrann, als ob jemand einen Hahn aufgedreht hätte. Der Schmerz … Der Schmerz, an dem nur die Affen schuld waren! „Ich hasse die verdammten Affen! Ich bringe sie um!“ Eine geräuschlose Welle des Frohlockens und Triumphes ging durch den Raum. Sie hatten die Gußform hergestellt und darin ihr Monster erschaffen. Fünf Minuten später startete das Raumschiff nach seinem Heimatsystem, der fernen Thusca.
5. Kapitel Er war 24 Jahre alt. Ein großer, gutaussehender Mann, der niemals lächelte. Gekleidet in einen blauen Serge-Anzug und einen Hut, den er über seine Augen herunterzuziehen pflegte, so daß er die Welt wie in einem Bilderrahmen sah. Er war nicht der Typ, der sich mit jemandem anfreundete. Der unsichtbare Hauch von Drohung und Gewalt, der ihn umgab, bedrückte und 22
erschreckte die Leute, mit denen er in Kontakt kam. Er war ein Fremder, der die Welt mit kalten, berechnenden Augen ansah, wie ein Wissenschaftler, der ein Laboratoriumsgerät betrachtete. Affen. Er zählte nicht mehr 17 Jahre, er war kein Junge mehr, und er hätte keine Träne vergossen und keinen Laut von sich gegeben, wenn er auf einer Folterbank gestreckt worden wäre. In den Zügen seines Gesichtes und in der Haltung seiner Schultern drückte sich eiserne Härte und unbeschreibliche Kraft und Gewalt aus. Menschen, die mit ihm sprachen, fühlten sich minderwertig und erhielten den Eindruck, einem Übermenschen gegenüberzustehen. Und zu einem gewissen Teil hatten sie damit auch recht. Ein kleines thuscanisches Boot setzte ihn eines Nachts in einem nebelverhüllten, schottischen Moor ab, nicht weit von Paisley. Am nächsten Morgen tauchte er in Bristol auf, und am Nachmittag hatte er bereis eine Wohnung gemietet und die erste Ladung Apparate und Ausrüstung installiert. Während der nächsten drei Monate tat er nichts anderes als beobachten und reisen, in fünfzig verschiedenen Städten der Erde für sich einzukaufen und Unterkunftsmöglichkeiten einzurichten. Er begann, eine Organisation aufzubauen, obgleich es sich als schwierig erwies, die richtigen Männer zu finden. Die meisten von ihnen, die in Frage gekommen wären, hatte man hingerichtet oder für Lebenszeit hinter Gitter gesteckt. Aber nach Ablauf von sechs Monaten war seine Organisation fast komplett. Reynolds, Langerman und Caldwell bildeten seine Leutnants, Männer, die genug auf dem Kerbholz hatten und die Leute der nächsttieferen Staffel der Organisation anführen mußten. Der Mann, der seine rechte Hand bilden sollte, wurde ihm von Thusca gesandt. Ein kraftvoller, gedrungener, verbindlich aussehender Mann, der oft mit dem Mund lächelte, aber nie23
mals mit den Augen. Eine Wache brachte ihn herein, und er stand schweigend im Hintergrund des Raums, während Stan seine Besprechung mit den Leuten fortsetzte. Das Dutzend neuer Männer hörte ihm aufmerksam zu. Sie vertraten den Menschenschlag, der nur dem Geld treu ergeben sein würde, dachte Stan amüsiert. Hartgesichtige Männer, die wahrscheinlich für ein Dutzend verschiedener Sachen gekämpft hatten und genauso leicht und schnell die Seite wechselten, wie ein Hemd. Stan war mit seiner Ansprache fast fertig. „Im wesentlichen ist es ein primitives Schmuggelunternehmen. Mit dem Unterschied, daß ihr nicht wißt, was ihr schmuggelt. Ihr habt eure Pakete unter keinen Umständen zu öffnen.“ Ein Mann in der vorderen Reihe unterbrach ihn plötzlich. „Warum nicht?“ Stan lächelte frostig. „Die Pakete sind geladen, Piazza. Ich fürchte, du wirst dich in die Luft sprengen, wenn du sie zu öffnen versuchst. Zufrieden?“ Er wandte sich wieder den anderen zu. „Wir zahlen gut, sehr gut. Ein kluger Mann, der nicht allzu neugierig ist, wird feststellen, daß es der Mühe wert ist. Wir werden euch die Pakete aushändigen und euch mitteilen, wo ihr sie hinzubringen habt. In einigen Fällen werdet ihr zu diesem Zweck ausgedehnte Reisen unternehmen müssen. Seid vorsichtig, geht behutsam vor und schießt blitzschnell, wenn jemand versuchen sollte, euch die Pakete abzunehmen.“ Der Mann, den Stan Piazza genannt hatte, stand auf und wandte sich zur Tür. Stan sah ihm schweigend nach, bis seine Hand auf dem Türknopf lag. „Was ist los, Piazza?“ Der Mann drehte sich um und spuckte auf den Teppich. „Ihr Geschäft gefällt mir nicht. Da ist etwas faul. Wir gehen alle Risiken ein und wissen noch nicht einmal, was wir tun!“ 24
Stan schüttelte traurig den Kopf. „Es tut mir leid, Piazza. Wirklich leid. Ich hatte gehofft, daß wir dich brauchen könnten.“ Piazza wurde blaß. „Ich bin kein Spitzel, Mr. Martin.“ „Wir können das Risiko nicht eingehen“, sagte Stan einfach. Mit einer Bewegung, der nur ein einziges Augenpaar zu folgen vermochte, langte er in seine Jacke und schoß durch den Stoff. Piazza sah überrascht aus und glitt schlaff zu Boden. Stan lächelte den anderen kalt zu. „Ich schätze, daß man auf euch rechnen kann?“ Nachdem sie gegangen waren, näherte sich der Mann im Hintergrund und stellte sich vor, wobei er die kleine fluoreszierende Erkennungsmarke zeigte, die ihn als einen Neuankömmling von Thusca auswies. „Tanner.“ Stan runzelte die Stirn. „Komisch … Es ist mir, als hätte ich den Namen schon früher gehört, aber ich weiß nicht, wo.“ „Wir sind uns auf Thusca begegnet“, meinte Tanner gelassen. Stan schüttelte den Kopf. „Nein, es war noch früher.“ Er zögerte. „Aber das ist unmöglich!“ Tanner hob seine Augenbrauen. „Warum?“ Stan machte ein überraschtes Gesicht. „Hat man es Ihnen nicht erzählt? Kurz bevor ich diese Mission übernahm, habe ich mein Gedächtnis verloren. Ein Schlag auf den Schädel, oder so was ähnliches. Vor meiner Abreise sah ich nur zwei Leute; sie klärten mich darüber auf, was ich hier zu tun hätte. Habe inzwischen noch keine Zeit gefunden, einen Arzt aufzusuchen.“ Er schlenderte zum Getränkeschrank und mischte sich einen Drink. „Ich werde in einigen Monaten Mr. Ainsworth und Mr. Malcolm sehen. Vielleicht können sie mir helfen.“ „Sie halten es nicht für möglich, daß Ihr Gedächtnis – hier zurückkehrt, oder?“ fragte Tanner neugierig. 25
Stan lachte. „Auf keinen Fall! Auf diesem Planeten gibt es nichts, was mir irgendwie vertraut oder bekannt vorkommen würde!“ Er ließ die Eiswürfel in das Glas fallen. „Und doch, es ist komisch, ich erinnere mich an nichts, an rein gar nichts.“ Tanner lächelte flüchtig. „Ich wußte nicht, daß Sie ins Schmuggelgeschäft eingestiegen sind.“ „Es ist eine gute Tarnung, und zudem beschmutzen wir dabei unsere eigenen Finger nicht. Jedoch haben Sie mich nicht danach gefragt, was wir eigentlich schmuggeln.“ Tanner schwenkte seinen Drink, so daß die Eiswürfel gegen das Glas klickten. „Nun gut, was schmuggeln wir denn?“ „Manchmal Pakete, manchmal Koffer, manchmal Hutschachteln. Unsere Männer nehmen die Sachen in Empfang und bringen sie zu ihren verschiedenen Bestimmungsorten, wo sie – wie sie glauben – von jemand anderem abgeholt werden. Etwa ein Besenschrank in einem Gebäude, oder ein Abfallbehälter auf einer Straße, oder ein Schließfach in einer Bahnstation. Ich habe den Männern allerdings zwei Dinge nicht verraten – was in den Paketen enthalten ist, und daß sie niemals abgeholt werden.“ „Und was geschieht dann?“ Stan ließ sich in einen lederüberzogenen Sessel nieder und legte ein Bein über die Armlehne. „Nichts. Das heißt: Nichts bis zum 4. November. An jenem Tag jedoch wird um genau zwölf Uhr mittags, Londoner Zeit, die Hälfte der Städte dieses Planeten in die Luft fliegen.“ Tanner machte ein verwundertes Gesicht. „Na, und? Die Luftstreitkräfte, die Flotten und die Armeen werden dann noch immer intakt sein.“ „Sie werden viel zu sehr beschäftigt sein, um gegen uns kämpfen zu können“, sagte Stan sanft. „Sehen Sie, Tanner, sie werden sich nämlich gegenseitig bekämpfen.“ 26
Eine perfekt ausgeklügelte Idee, dachte Stan stolz. Die Theorie vom „Teilen und Herrschen“. Jedes Paket enthielt eine thuscanische Fusionsbombe. Sobald sie in die Luft gegangen wären, würde jede Nation glauben, daß sie ein anderes Land hinterlistig überfallen hätte. Am 4. November würden Tanner und er zuschlagen. Am 5. November: Die Erde in einem Chaos. Und am 6. November: Landung der thuscanischen Flotte. Tanner schlenderte in die Mitte des Raums und betrachtete die Leiche Piazzas. „Was werden Sie mit unserem Freund hier anfangen?“ „Wegschicken, ich glaube, nach Afrika.“ Stan hob den Leichnam auf und trug ihn in den Raum, der einst das Schlafzimmer gebildet hatte. Jetzt allerdings war er angefüllt mit Sende- und Übertragungsapparaten und – an der gegenüberliegenden Wand – einem schlichten, einfachen Reifen aus glänzendem Metall, der aufrecht auf einem Block aus schwarzem Marmor stand. Der Reifen war groß – mindestens zwei Meter im Durchmesser – und von einem dünnen Metallfaden dicht umwunden. Stan nahm auf einer Skala am Grundstein eine Einstellung vor. Der Faden glühte rot und dann strahlend weiß. Der Reifen selbst flimmerte und verging, während zur gleichen Zeit an seiner Stelle ein wirbelnder Kreis aus glänzendem Schwarz entstand. Er spannte seine Muskeln, hob den Leichnam empor und schleuderte ihn in den Kreis, wo er sofort verschwand, wie ein Mann, der vom Treibsand verschlungen wurde. „Wo wird er landen?“ „In einem Hauseingang in der Straße der Aussätzigen in Casablanca.“ Stan drehte die Skala von neuem, und der wirbelnde Kreis wurde durchsichtig und verschwand vollständig, während der Reifen wieder erschien. Tanner deutete auf die übrige Einrichtung. „Wozu dient dies alles?“ 27
„Sendeapparaturen, um die Bombenpakete auszulösen.“ Stan wies auf zwei kastenförmige Geräte, die die zweite Wand des Raums einnahmen. Das eine besaß eine Bank von fünfzig kleinen, weißen Lampen, das andere eine Bank mit fünfzig roten. „Die weißen Lichter bedeuten die Agenten selbst. Ich kann augenblicklich erkennen, ob ihnen etwas zugestoßen ist. Die anderen repräsentieren die Fusionsbomben. Wenn eine der Lampen verlischt, weiß ich, daß man an dem Paket herumgepfuscht hat.“ Noch während er das Gerät betrachtete, flackerte eines der weißen Lämpchen und ging aus. Tanner machte ein überraschtes Gesicht. „Was ist passiert?“ „Wir haben soeben einen Agenten verloren“, sagte Stan grimmig. „Chicago-Sektor.“ Er warf einen Blick auf die roten Signallichter. Sie leuchteten unverändert. „Es hat mit den Fusionspaketen nichts zu tun, sondern eher mit der – anderen Operation.“ Er sah Tanner an. „Diejenige, die Sie übernehmen sollen. Man hat Sie deswegen hierher geschickt.“ „Was werden Sie jetzt tun?“ Stan zuckte die Achseln. „Wir werden die Angelegenheit vorläufig in unsere eigenen Hände nehmen und dann einen anderen Agenten rekrutieren.“ Er suchte in einer Kartei, zog schließlich ein Dossier hervor und reichte es Tanner. „Spüren Sie diesen Mann auf und suchen Sie alles herauszufinden, was Sie können. Wir treffen uns dort in einer Woche.“ Tanner klopfte mit der Karteikarte leicht gegen seine Knöchel. „Mr. Ainsworth hatte gemeint, daß Sie keiner Opposition begegnen würden.“ Stans Gesicht blieb vollkommen ausdruckslos. Er wußte nicht, warum – aber Tanner gefiel ihm nicht. „Ich habe es ursprünglich auch nicht erwartet.“ Für kurze Zeit herrschte Schweigen, und dann schritt Tanner 28
zu dem Reifen und stellte die Skala ein. Das wirbelnde Schwarz erschien, und er trat auf den Marmorblock. Kurz bevor er im Kreis verschwand, sagte er: „Was werden Sie hinsichtlich der – Opposition unternehmen?“ „Wenn wir sie finden, werden wir sie zerschlagen“, antwortete Stan kalt. Als Tanner verschwunden war, schaltete Stan den Reifen ab. Während der Kreis langsam verging, zeigte er ihm für einen kurzen Moment wie ein Spiegel sein Ebenbild. Er starrte es abwesend an. Das Problem einer möglichen Opposition bereitete ihm Sorgen, aber es gab etwas, was ihn noch weit mehr bewegte. Etwas, woran er unwillkürlich dachte, wenn er morgens erwachte. Etwas, das ihn während des ganzen Tages nicht verließ und das ihn auch abends im Banne hielt, wenn er zu Bett ging. Wer war er?
6. Kapitel Es war ein Sommerabend, und die Innenstadt von Chicago brütete in drückender Hitze. Der Asphalt auf den Straßen war geschmolzen, und die Menschen lagen auf den Wiesen vor dem Buckingham-Springbrunnen, um auf jedes kühle Lüftchen zu lauern, das vom Michigan-See hereinblasen würde. Andere hatten sich vor ihren Ventilatoren ausgestreckt und lasen bis in den frühen Morgen, in der Hoffnung, daß die Temperatur um einige wenige Grad fallen würde, so daß sie zu Bett gehen könnten, ohne in einer Lache ihres eigenen Schweißes ertrinken zu müssen. Eine Frau, die am Gebäude der „Rein-Oel-Gesellschaft“ vorüberging, erblickte ein Flimmern in der Luft, und dann stand ein Mann in dem dunklen Hauseingang und sah sie nachlässig an. Sie stieß fast einen Schrei aus, gab dann der unerträglichen Hitze die Schuld an der Halluzination und eilte weiter. 29
Stan schlenderte den Michigan Boulevard hinauf und verhielt seinen Schritt vor einem Buchladen, wo ein Mann aufmerksam in das Schaufenster blickte. „Alles vorbereitet, Fred?“ Tanner nickte. „Er wird das Prudential-Gebäude in einer halben Stunde verlassen. Sein Wagen steht auf der Rampe unterhalb der Straße, auf dem Parkplatz, der parallel zum Fluß verläuft. Er befindet sich in der entfernten Ecke, ein Sportmodell.“ Er suchte in seiner Tasche und förderte einen kleinen Zettel zutage. „Hier ist die Wagennummer. Der Affe ist sehr leicht zu erkennen, etwa 60 Jahre alt, Sportmantel und schweinslederner Hut. Er hat hier seit einigen Wochen ein kleines Büro, wo er für die Regierung arbeitet, deshalb könnte er eine Aktentasche tragen.“ Stan wiederholte die Beschreibung bei sich. „Ist er sehr wertvoll?“ „Der beste, den sie haben. Es wird für die Affen ein schwerer Schlag sein, ihn zu verlieren. Ein ganz tüchtiger Schlag.“ Stan verharrte noch einige Minuten im Schatten des Buchladens. Er konnte jedes kleinste Geräusch auf der Straße hören, sogar das rasche Tick-tick-tick seiner Armbanduhr. „Ich gehe jetzt besser hinunter. Stehen Sie fünf Minuten nach der vollen Stunde bereit, um mir mit der Leiche zu helfen.“ Er wandte sich um und schritt die Straße hinauf, zu der Treppe, die zum Parkplatz hinunterführte. Hunderte von Wagen standen in ausgerichteten, schweigenden Reihen unterhalb der Rampe. Über ihnen strahlte der kalte Glanz unzähliger Fluoreszenzlampen. Genug Licht, dachte er. Es wäre nicht – ritterlich, den Wissenschaftler der Affen im Dunklen niederzuschießen. Er fand den hellen, zweifarbigen Sportwagen am Ende der Rampe. Niemand war zu sehen. Er lächelte vor sich hin, ging an dem Wagen vorüber und blieb im dichten Schatten eines Be30
tonpfeilers stehen. Er mußte eine Weile warten, und beunruhigende Gedanken trieben langsam zur Oberfläche seines Bewußtseins. Diese Stadt Chicago! Er hatte unzählige Städte des Planeten kennengelernt, aber diese hier war die einzige, die ihm – Sorgen bereitete. Eine Stadt, die auf eine seltsame, quälende Art vertraut und bekannt erschien. Er verspürte eine nahezu unwiderstehliche Dringlichkeit, einige Menschen dieser Stadt zu sehen und zu sprechen … Aber er war ein Agent für Thusca und hatte für solche Gedanken keine Zeit. Er stand hinter dem Pfeiler, ohne einen Muskel zu rühren, und dachte an überhaupt nichts, als ob Stanley Martin nur eine Illusion darstellte und in Wirklichkeit gar nicht existierte. Es war ein Viertel vor Sechs. Zehn Minuten vor Sechs. Sechs Uhr. Und auf den Betonstufen ließen sich Schritte hören. Der Mann mit dem Schweinslederhut näherte sich, um seinen Wagen zu holen. Stan stellte seine Hitzepistole auf geringste Streuung ein und legte den Finger auf die Feuertaste. Er wartete. Ein Affe. Der Mann kam näher und blieb neben seinem Wagen stehen. Er schob den Schlüssel ins Türschloß. Stan drückte auf die Taste, und der violette Strahl blitzte auf und traf zehn Zentimeter neben der Hand des Mannes auf die Wagentür. Der Lack begann qualmend zu brennen, und mit rasender Geschwindigkeit fraß sich eine saubere, feine Linie in das Metall, die glatt durch die Karosserie, die Polsterung und das Fahrgestell schnitt. Er kam nicht mehr dazu, auf den Mann zu zielen. Ein krachender Schlag ließ sich hören, und von dem Pfeiler, gegen den 31
er sich lehnte, sprühte ein Schauer Betonsplitter auf ihn herunter. Er fiel nach hinten und lag auf dem Pflaster, so daß der violette Strahl aus seiner Hitzepistole wie irrsinnig in die Höhe stach und die Betonwand der Rampe über ihm versengte. Jemand schrie dem Mann zu, der neben dem Wagen kauerte: „Lauf! Lauf, du Narr!“ Der Mann mit dem Schweinslederhut eilte hastig die Rampe hinauf. Stan versuchte, ihn noch zu erwischen, aber von neuem ergoß sich ein Regen von Betonsplittern auf ihn und ließ ihn sein Ziel verfehlen. Und dann war der Mann verschwunden, und Stans Gedanken wandten sich seinen eigenen Problemen zu. Die Opposition war in Erscheinung getreten … „Komm jetzt heraus, und es wird dir nichts passieren. Wenn du jedoch vorziehst, zu kämpfen, werden wir dich erledigen!“ Eine Frauenstimme, dachte er kalt. Etwa aus der Richtung eines Wagens, der sich dreißig Meter entfernt befand … Er zielte mit der Hitzepistole und sprengte den Benzintank auseinander, so daß die Flammen grell in die Höhe schossen. „Hast du tatsächlich geglaubt, daß wir dort wären?“ Er feuerte noch einmal, und dann veranlaßte ihn ein stetiger Hagel von Betonsplittern, seinen Blick beunruhigt dem Pfeiler zuzuwenden. Er war an seinem Oberteil vollständig abrasiert, und jetzt wurde er auch an seiner Basis durchgeschnitten, so daß er auf ihn herniederzustürzen drohte. Er stellte seine Hitzewaffe auf einen fächerförmigen Strahl ein, um seinen Ortswechsel zu decken. Dann kroch er hinter dem Pfeiler hervor und versuchte hastig, zu der Reihe der parkenden Wagen hinüberzulaufen. Ein heftiger Schlag traf seine Schulter und schleuderte ihn herum. Er stürzte schwer zu Boden, und der Schmerz lähmte einen kurzen Moment lang seine Nerven. Er wartete einen Bruchteil einer Sekunde, um ihn abklingen zu lassen und ver32
suchte dann, seine Hitzepistole zu erreichen. Der Betonboden vor ihm explodierte in Staub und Splitter, die sein Gesicht zerschnitten und seine Augen fast blendeten. „Steh auf!“ Sie trat hinter einem anderen Pfeiler hervor. Eine große, schwarzhaarige Frau mit ausgeprägten Backenknochen und kalten, grünen Augen. Ihr Gesicht war hart, und sie trug ihre Handfeuerwaffe mit angeborener Sicherheit. Zwei Männer folgten ihr. Tüchtig und fähig aussehende Männer, aber nicht die grimmigen, kaltäugigen Profis, mit denen Stan zu arbeiten pflegte. Die Frau näherte sich Stan und schlug ihm kräftig ins Gesicht. „Wie fühlt man sich als Verräter? Wie fühlt man sich, wenn man seinen Heimatplaneten verkauft?“ Er begriff nicht, was sie damit meinte, und sein Gesicht zeigte es. „Es war ein kluger Plan“, fuhr sie bitter fort. „Um den Planeten zu erobern, schneiden Sie ihm zuerst den Kopf ab, indem Sie die Wissenschaftler umlegen!“ Sie richtete ihre Waffe auf ihn. „Aber das ist nicht alles, was Sie geplant haben. Welche Pläne besitzt der abtrünnige Erdbewohner noch?“ Von blindwütigem Zorn überwältigt, schnellte seine Hand nach der Tasche, wo er seine Hitzepistole zu tragen pflegte, um im letzten Moment zögernd innezuhalten, als er sich erinnerte, daß diese noch immer einige Meter entfernt auf dem Betonboden lag. „Ich bin kein Affe!“ Sie lachte. Stan starrte sie kalt an. „Was werden Sie tun?“ „Sie töten. Und zwar sofort.“ Sie hob die Waffe, und Stan wußte, daß sie ihre Drohung auch ausführen würde. Noch einen Moment, dann würden sich die kleinen Geschosse in seinen Körper bohren und tief im 33
Fleisch explodieren. Er spannte seine Muskeln zu einem letzten Fluchtversuch, der vergeblich sein würde. „Sie armer Narr“, sagte sie langsam. „Ihnen kann nur noch der Tod helfen.“ Ihr Finger krümmte sich um den Abzug. Sie zog ihn niemals durch. Ein schriller Schrei ertönte hinter ihr, und einer ihrer Begleiter stürzte zu Boden, während dünne Rauchschwaden von seiner verbrannten Brust aufstiegen. Die Augen der Frau verengten sich. Sie ließ ihre Waffe sinken und hastete auf den Fluß zu, der neben dem Parkplatz vorüberströmte. Der übriggebliebene Mann fiel auf seine Knie nieder, um ihren Rückzug zu decken. Die Rampe widerhallte vom Knallen und Krachen seiner Pistole. Das Getöse verstummte abrupt, als erneut Flammen und Rauch emporschossen, und dann kam Tanner die Rampe heruntergerannt. „Lassen Sie sie nicht entkommen!“ Stan eilte zur Flußböschung. Tanner zerschnitt die ölige Oberfläche mit stechenden Strahlen aus seiner Hitzepistole. „Sie ist weg“, sagte Stan mit müder Stimme. „Hat keinen Zweck mehr.“ Er beobachtete die Oberfläche des Wassers noch einige Augenblicke und wandte sich dann wieder Tanner zu. „Wer war sie? Wie ist ihr Name?“ Tanner zuckte die Achseln. „Keine Ahnung. Wer sie ist oder wie sie heißt, kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen.“ Er würde sie nicht vergessen, dachte Stan langsam. Jenes lange, schwarze Haar und die grünen Augen. Und sie hatte sich wie eine Katze bewegt, wie eine geschmeidige Katze, die für eine Sache ebenso zu töten bereit war, wie er selbst. Tanner beobachtete ihn. „Kommen Sie bloß nicht auf falsche Ideen! Sie ist nichts als ein Affe!“ Stan sah ihn kalt an. „Der einzige Gedanke, den ich habe, ist, sie zu töten bevor sie mich umlegt.“ 34
Er ging auf eine andere Treppe zu, die ebenfalls zur Straße hinaufführte. Wie lange war es her, seitdem er die Rampe heruntergekommen war? fragte er sich. Der Lärm und der dicke Qualm des brennenden Autos hätte schon lange ein Rudel neugieriger Affen anlocken sollen, aber aus irgendeinem Grund war niemand zu sehen. Es hatte ihn ziemlich erschreckt, dachte er langsam. Als man ihn in Thusca auf seine Arbeit hier vorbereitete, hatte man ihm nichts von einer möglichen Opposition der Affen gesagt. Und, im besonderen, nichts von einem – Mädchen. Er müßte die Agenten seiner eigenen Organisation warnen, überlegte er abwesend. Und es wäre wahrscheinlich gut, einen Codenamen zu verwenden. Er fragte Tanner nach einem Vorschlag. „Am besten nehmen Sie einen Frauennamen“, meinte Tanner. „Etwa – Avis.“ Stan blickte ihn scharf an und verspürte das eigenartige Gefühl, daß es tatsächlich der Name des Mädchens war. Und dann erinnerte er sich daran, wie Tanner die Rampe heruntergeeilt war und gerufen hatte: „Lassen Sie sie nicht entkommen!“ Als es ihr jedoch trotzdem gelungen war, hatte sich sein Gesicht mit dem Ausdruck tiefster Enttäuschung überzogen. Tanner, entschied Stan plötzlich bei sich, hatte ihn angelogen, als er vorgab, sie nicht zu kennen. „Sie wird wahrscheinlich wieder aufkreuzen“, meinte Tanner laut. „Und zwar bald.“ Der zweite Agent verschwand zwei Wochen später in Paris.
7. Kapitel Es war Dienstagabend, acht Uhr, als Stan aus einem schwach glühenden Kreis schwarzen Lichtes in einer schmalen Gasse in der Nähe der Rue Pigalle in Paris trat. Gelassen zündete er sich 35
eine Zigarette an und schlenderte die Straße hinunter, zu einem kleinen Café. Es war innen geräumiger, als es von der Außenseite ausgesehen hatte. Ein langer Raum mit niedriger Decke, einem winzigen Podium und einer kleinen Kapelle, die in der entfernten Ecke im Zigarettenrauch fast ganz verschwand. Tanner und Reynolds, einer von Stans Leutnants, saßen an einem Tischchen an der Wand und unterhielten sich mit einem verängstigten, kleinen Mann mit einem altmodischen Walroß-Schnurrbart. Stan setzte sich neben ihn auf die Bank und stellte sich vor. Er ließ Wein kommen und sagte dann: „Sie wissen Bescheid?“ Der kleine Mann sah halsstarrig aus. „Die Sache gefällt mir nicht ganz.“ „Wir verlangen nicht viel und zahlen sehr gut.“ Der Mann leckte seine Lippen und fingerte nervös an seinem Schnurrbart. „Ich begreife Sie nicht ganz, Monsieur. Sie wollen mir hunderttausend Franken geben, nur damit ich ein Paket beim Andenkenstand auf der Spitze des Eifelturms hinterlege?“ „Sie werden dem Mädchen dort hundert Franken geben“, unterbrach ihn Stan ruhig, „und sie bitten, das Paket für einen Monsieur Lorenz aufzuheben.“ Der Mann blickte zu Boden. „Sie haben nichts Gutes im Sinn, und mir will scheinen, daß hunderttausend Franken dafür zu wenig sind.“ Stan rückte drohend näher. Der kleine Mann schob sein Kinn vor und starrte ihn zornig an. „Nehmen Sie sich in acht, Mister! Ich brauche nur um Hilfe zu rufen, und Sie haben fünfzig Leute auf dem Hals. Und was soll mich überhaupt daran hindern, über diese Angelegenheit zu sprechen, und zwar dort, wo man sich dafür interessiert?“ „Ich könnte Sie umbringen, noch während Sie hier sitzen“, sagte Stan ruhig. „Ich könnte es tun, und Sie würden keinen 36
Mucks von sich geben, und niemand würde etwas von Ihrem Tod merken, mindestens noch zehn Minuten nach unserem Verschwinden.“ Der kleine Mann wurde weiß. Nervös drehte er einen schweren Ring an seinem Finger. „Das wagen Sie nicht, Mister. Ein Bursche wie Sie bringt das nicht fertig.“ „Sie werden genau das tun, was wir Ihnen sagen“, unterbrach ihn Stan kalt. „Und wenn wir wollten, würden Sie es auch umsonst tun!“ Er lächelte grimmig. „Ihr wirklicher Name ist William Clark. Sie befinden sich in diesem Land ohne Visa oder Reisepaß. Während des Krieges desertierten Sie von einem britischen Frachtschiff, und warum? Ihre Frau starb kurz nachdem Sie in England an Bord gegangen waren, und man munkelte allerlei darüber. Aber Sie verschwanden und wurden nie aufgefunden. Man stellte schließlich die Nachforschungen ein.“ Er zögerte. „Soll ich fortfahren?“ Die Augen des kleinen Mannes waren aufgerissen, und von den Spitzen seines Schnurrbarts fielen Schweißtropfen. „Aber, Mister, Sie werden doch nicht etwa einen alten Mann anzeigen, oder? Ich habe seit jener Zeit nichts mehr verbrochen. Nicht das geringste!“ Stan blickte ihn unpersönlich an. „Wollen Sie, oder wollen Sie nicht? Sie kennen die Frau, die den Andenkenstand unterhält. Es sollte nicht schwierig sein.“ Der kleine Mann schien die Angelegenheit einen Moment lang zu überdenken. „Nun ja, es ist wirklich nicht vie!“, murmelte er. „Nur einen Koffer, und ich soll ihn bloß bei der Frau hinterlegen, nicht?“ Er hatte ihn soweit, dachte Stan. „Richtig. Und gehen Sie mit dem Koffer behutsam vor! Lassen Sie ihn unter keinen Umständen fallen! Sie würden es sehr beklagen, wenn es passieren sollte.“ 37
Der Mann leerte sein Weinglas. „Wann bekomme ich mein Geld?“ „Wenn wir Ihnen den Koffer übergeben. Morgen.“ Der kleine Mann erschauerte und stand auf. „In Ordnung, ich werde es tun.“ Er drückte sich an Tanner vorbei und blieb jenseits des Tisches stehen. „Ihre Augen, Mister“, sagte er plötzlich und starrte Stan an, „ich schwöre zum Allmächtigen, das sind Henkersaugen!“ Henkersaugen. Irgendwann, irgendwo, sann Stan, hatte er das gleiche von jemand anderem gedacht. Von Fred Tanner. Aber er konnte sich nicht erinnern, wo oder wann. Tanner suchte in seiner Brieftasche und reichte dem schweren Mann, der neben ihm saß, einen Geldschein. „Reynolds, bestellen Sie noch etwas Wein und holen Sie einige Sandwiches.“ Als Reynolds sich entfernt hatte, wandte er sich an Stan. „Wieviele sind es jetzt?“ Stan zählte sie an seinen Fingern ab. „Eine im Palmolive-Gebäude in Chicago, eine im Woolworth-Gebäude auf Manhattan, eine in einem Ankleideraum im Hotel ‚Old Howard’ in Boston. Glasgow, Tokio, Berlin, Moskau, London, Rom und 41 andere. Und jetzt Paris. Fünfzig Affenstädte, und keine wird sehr lange mehr bestehen.“ Tanner nickte gedankenvoll. „Mr. Ainsworth wird sehr erfreut sein. Sehr erfreut, in der Tat!“ William Clark wohnte in einem kleinen, mit Stuck verzierten Mietshaus in einem Vorort zwischen Paris und Versailles. Selbst für ein französisches Mietshaus sah es sehr alt aus, dachte Stan. Man konnte sein Alter und den Staub, den es enthielt, schon fühlen, wenn man sich ihm näherte. Der Efeu, der die Außenwände bedeckte, war abgestorben, der Stuck an zahlrei38
chen Stellen abgebröckelt und die Vorhänge, die er durch die Fenster erkennen konnte, vergilbt und schlaff. Er stieg die Stufen zur Haustür empor und betätigte den Türklopfer. Dann trat er zurück und wartete darauf, daß die Pförtnerin die Türe öffnete. Sie tat es nicht. Er betätigte erneut den Klopfer, und dann die Klinke. Das Schloß knackte leicht, und mit einem lauten Knarren öffnete sich die Tür. Er trat ein. Staub, in wahren Wogen! Er wirbelte vom Teppich auf und erstickte ihn fast, bevor er sich wieder langsam niederließ, auf den Boden, auf einen uralten Fenstersitz und auf die zerfallenden Vorhänge. Er drehte sich nach Tanner um und zuckte überrascht zusammen. Tanners Faust hielt eine schwere Hitzepistole schußbereit umklammert. Sein Gesicht lag in grimmigen Falten. „Als welche Art von Mensch würden Sie Clark einschätzen, Martin?“ „Nun, als einen sauberen, etwas pedantischen, kleinen Mann und …“ „… nicht der Typ, der in einem alten, verstaubten Mietshaus leben würde?“ „Nein, auf keinen Fall!“ „Und wo soll er hier wohnen?“ „Zweiter Stock, am Ende des Korridors.“ „Vorwärts!“ Stan zögerte einen Augenblick. Die Leitung der Operation lag eigentlich bei ihm, aber Tanner schien sie an sich gerissen zu haben. Aus einem sehr guten Grund – Tanner wußte etwas, was ihm unbekannt war. Als er Tanner die Treppe hinauffolgte, schleuderten seine Füße kleine Staubwolken in die Luft. Die Tür zu Clarks Raum war geschlossen, und er klopfte leise an. Keine Antwort. 39
Er drückte die Klinke nieder. Verschlossen. „Reynolds, brechen Sie die Tür auf.“ Der große Mann krümmte seine Schultern und warf sich gegen die Tür. Die Füllung zersplitterte, als ob sie aus Papier bestanden hätte, und er stolperte bis in die Mitte des Raums, bevor er sich wieder fangen konnte. „Es war töricht, ihm diesen Befehl zu geben, Martin.“ „Warum?“ „Sie wußten nicht, was uns erwartete. Es hätte eine Falle sein können.“ Stans Stimme wurde eiskalt. „Seitdem wir das Haus betreten haben, benehmen Sie sich wie eine Katze auf einem heißen Rost, Was erwarten Sie hier eigentlich?“ Tanner antwortete nicht. Er schlenderte in den Raum. „Nun, wo ist Clark?“ Eine gute Frage, dachte Stan. Wo war Clark? Er blickte sich um. Die gebräuchliche Mietshaus-Zelle, in der so viele Leute dieses Planeten zu leben schienen. Ein Schreibtisch und ein ungemachtes Bett, mit zerwühlten, zerknitterten Decken … Auf dem Schreibtisch lag ein Tischtuch aus Leinen, und darauf stand eine Glasscheibe, sorgfältig in Zellophan gewickelt. Er trat heran und berührte sie behutsam, um sie ins Licht zu rücken und einen Blick auf das Foto dahinter zu werfen. Das Zellophan zerriß bei seiner Berührung und zerfiel. Das Foto dahinter war unwichtig, dachte Stan. Ein Bild von einem Schiff, auf dem Clark einst gedient hatte. Weitaus wichtiger war die Tatsache, daß sich das Zellophan bei seiner Berührung in Pulver aufgelöst hatte, und daß das staubige Leinentuch dort, wo es über die Tischkante hinunterhing, nur noch ausgefranste Fetzen bildete. Als ob das Gewicht des Tuches die Stärke des Leinengewebes überschritten hätte. 40
Alt. Unglaublich alt. Tanner stand neben dem Fenster und blickte hinaus. Als er sich wieder zurückzog, berührte sein Arm den Vorhang. Das Tuch zerfiel in einer Staubwolke zu Pulver und sank auf den staubbedeckten Teppich nieder. Stan beobachtete den Vorgang mit gespannter Neugier. Dann näherte er sich dem Bett. Die Bettücher waren zerwühlt und lagen nicht flach. An einigen Stellen bauschten sie sich, als ob immer noch jemand unter ihnen ruhte. Er nahm seine Hitzepistole in eine Hand und riß mit der anderen die Decken zur Seite. Wie die Vorhänge fielen sie sofort zu Staub zusammen. Unter ihnen lag ein Skelett. „Ich sehe, Sie haben Clark gefunden“, sagte Tanner. „Clark?“ Stan fühlte, wie ihm der kalte Schweiß auf die Stirn trat. Niemals hatte ihn jemand auf Thusca darüber aufgeklärt, daß ein Mensch an einem einzigen Abend sterben und zu einem vertrockneten Skelett zerfallen konnte. Der kleine Mann mit dem Walroß-Schnurrbart war mittleren Alters gewesen, also keinesfalls so alt und senil, daß sich seine Gelenke zu verhärten begannen. Und dann erblickte er den Ring an einem der Fingerknochen. Er berührte ihn behutsam und entfernte den Grünspan. Der gleiche Ring, mit dem Clark gestern in der Taverne gespielt hatte! Aber das Alter! Das unfaßbare Alter! Er drehte sich nach Tanner um und sah ihn fragend an. Der schmaläugige, flott gekleidete Mann stand dicht neben dem Fenster und hielt seine Hitzepistole schußbereit. Er starrte unbeweglich durch die Glasscheibe und nahm sich nicht die Mühe, sich umzuwenden. Seine Stimme war hart. 41
„Sie möchten wissen, was dies alles zu bedeuten hat, nicht wahr, Martin? Nun, kommen Sie her und sehen Sie sich das an!“ „Und was ist mit mir?“ rasselte plötzlich eine ängstliche Stimme. „Wann erklärt mir endlich jemand, was hier eigentlich los ist?“ Reynolds. Sie hatten ihn vollständig vergessen, dachte Stan. Der große Mann zitterte jetzt vor Furcht. Die Furcht vor dem Unbekannten. Tanner lachte leichthin. „Ich werde es Ihnen später ganz genau erklären, Reynolds. Ganz genau! Vorläufig haben wir jedoch andere Sorgen.“
8. Kapitel Stan eilte zum zweiten Fenster und blickte auf die Straße hinunter. Sie schien sich nicht verändert zu haben und sah noch gerade so aus wie vor einigen Minuten, als sie das Haus betreten hatten. Der breite Boulevard, die Stuckhäuser, die schattigen Bäume und die Vorgärten. Und einige der Affen auf dem Bürgersteig, die zur Arbeit eilten … Nur eilten sie nicht, wie er kurz darauf feststellte. Ein Mann befand sich auf der anderen Seite der Straße auf der Hälfte der Haustreppe, eine Aktentasche unter seinem Arm. Aber er bewegte sich nicht. Er war mitten in der Luft erstarrt und stand völlig unbalanciert. Ein Fuß schwebte in der Luft, und der andere berührte gerade die nächstniedere Stufe mit den Zehen. Zwei Türen weiter hatte eine Hausfrau mitten in ihrem Gang angehalten, und ihre Einkaufstasche schwebte schräg vor ihr. An der Ecke stand ein kleiner Renault-Wagen in der Mitte der Straße, offensichtlich im gleichen Moment erstarrt, in dem er in die Kurve gefahren war. Einen Block weiter unten hatten zwei kleine Jungen in kur42
zen Hosen und Baskenmützen Ball gespielt. Einer kauerte mit ausgestrecktem Arm auf dem Boden. Der andere stand aufrecht, hielt einen Fuß in der Luft und einen hocherhobenen Arm hinter seinem Kopf. Stan verengte seine Augen und entdeckte den Ball. Er befand sich etwa drei Meter vom Werfer entfernt und kroch langsam durch die Luft. Noch während er zusah, verlangsamte er sich und hielt an – etwa sechs Meter über dem Asphalt schwebend. „Die Luft!“ schrie Reynolds plötzlich. „Das Atmen geht auf einmal so schwer!“ „Wird noch schwerer werden“, sagte Tanner grimmig. „Und etwa eine halbe Stunde lang anhalten. Atmen Sie langsam, und bewegen Sie sich langsam und flüssig, was Sie auch immer tun! Wenn Sie sich zu schnell bewegen, wird die Luftreibung allein Ihre Kleider in Brand stecken!“ Er streckte langsam seinen Arm aus und schlug mit dem Kolben seiner Pistole gegen die Fensterscheibe. Kleine Sprünge und Risse liefen über das Glas, aber es zerbrach nicht. Tanner schob, und die Stücke fielen zögernd nach außen. „Wir befinden uns im Tempofeld, Martin – und sie auch.“ „Sie?“ „Avis und ihre Männer. Diejenigen, die Ihnen damals unter der Rampe entgegentraten. Sie sind es, die das Feld errichtet und Clark gekillt haben.“ Clark. Avis, dachte Stan, konnte wahrscheinlich die Geschehnisse ebenso beschleunigen, wie verlangsamen. Clark war heute zu Hause geblieben, um auf sie zu warten. Avis und ihre Männer hatten gewartet, bis alle außer Clark gegangen waren, und dann das Feld eingeschaltet. Innerhalb von fünf Minuten alterten das Haus und Clark um hundert Jahre. Es erklärte das Gerippe, es erklärte das zerfallende Zellophan und die vergilbten Vorhänge, die bei der Berührung zu Pulver zerstoben. Und damals auf der Rampe in Chicago. Avis hatte die Vor43
gänge beschleunigt, so daß ihm wie eine halbe Stunde erschienen war, was tatsächlich nur wenige Minuten dauerte. „Wie kommt es, daß wir nicht wie die anderen stillstehen?“ „Neutralisatoren – in unseren Gürteln eingebaut. Wenn wir sie nicht besäßen, wären wir schon vor langer Zeit gestorben. Unsere eigenen Felder schirmen auch Reynolds ab.“ Er verstummte. „Hier kommen sie!“ Auf der anderen Seite der Straße huschte eine Gestalt von einem geparkten Wagen zum nächsten. Ein Mann eilte plötzlich aus einer Seitenstraße hervor und verschwand hinter dem Renault, der an der Ecke erstarrt war. Stan konnte weitere Gestalten erkennen, die sich hinter den Fenstern der gegenüberliegenden Häuserfront bewegten. Im nächsten Moment ließ sich der vertraute Knall hören, und in den übriggebliebenen Glasstücken des Fensters entstand eine Reihe von Löchern – wenige Zentimeter von seiner Wange entfernt. Er vernahm das knatternde Geräusch, als sich die winzigen Geschosse hinter ihm in den Gips gruben. In Tanners Fenster blitzte eine bleiche, violette Flamme auf, und eine der Gestalten auf der Straße warf plötzlich in höchster Pein die Arme in die Luft. Stan atmete langsam wieder aus. Er hatte die Gestalt nicht deutlich gesehen und für einen kurzen Augenblick gedacht, daß es – Avis war. „Einer!“ sagte Tanner grimmig. Stan ließ eines der Autos in Flammen aufgehen und verfehlte knapp eine kleine Gestalt, die dahinter hervorhuschte. Das Knallen wurde lauter und härter. Außerhalb der Fensterrahmen konnte Stan Ströme von Stuck und Beton erkennen, die aus der Außenwand gefräst wurden. Von den Rahmen selbst war nichts mehr übrig, außer einzelnen Holzsplittern, die von kleinen Brocken zerfallenden Mörtels festgehalten wurden. 44
Sie nahmen das Haus auseinander, dachte er. Sie sezierten es so beiläufig und gelassen wie einen Frosch, bis die vordere Wand des Raumes vollständig entfernt sein würde, und damit auch jede Deckungsmöglichkeit. Er stellte den Schalter seiner Pistole einen Strich weiter und sprühte die gegenüberliegende Straßenseite mit einem Weitwinkelstrahl ab. Der Lärm verstummte abrupt und begann dann von neuem, lauter als zuvor: Das kleine Schlafzimmer wurde dunstig und neblig von Beton- und Ziegelstaub. Er entdeckte eine Gestalt, die sich zwischen den Büschen in einem Vorgarten bewegte, und zielte sorgfältig. Ein scharfer Schrei erklang, und dann duckte er sich hastig unter die Fensterbrüstung. Etwas hatte seine Wange gestreift und aufgeschnitten, so daß ein dünner Blutfaden vom Backenknochen herniederrann. „Was werden die Affen sagen, wenn all dies vorüber ist und sie die beschädigten Häuser und die Leichen entdecken?“ Tanner legte eine weitere laufende Gestalt um. „Es werden keine Leichen zu sehen sein. Der Wind zerstreut die Aschehaufen, sobald das Feld ausgeschaltet wird. Und was den Rest betrifft – die Affen sind erfinderisch, wenn sie Erklärungen für unbekannte Phänomene ausdenken. Sie glauben nie an etwas, was sie nicht mit eigenen Augen gesehen haben.“ Der Raum war in dichten Staub gehüllt und widerhallte vom Knallen der fremden Waffen. In der Vorderwand gähnten bereits ein halbes Dutzend Löcher. Und dann huschte eine ganze Gruppe von Gestalten über die Straße, und Stan hielt seinen Atem an. An der Spitze rannte Avis. Ihr langes, schwarzes Haar wehte, als sie die anderen zu größerer Eile anspornte. Tanner hastete plötzlich in den Hintergrund des Raumes und schob den Schreibtisch und das Bett zur Vorderwand heran. Er räumte den Schrank aus und häufte die Kleider auf die Möbel. 45
Das Knallen verstummte für einen Moment. Ein verhaltenes Schluchzen erfüllte den Raum. Stan drehte sich verwundert um. Reynolds war in einer Ecke zusammengebrochen, halb irrsinnig vor Angst. Tränen rannen über das Gesicht des großen Mannes, und das Schluchzen erschütterte seine breite Brust. Tanner wies zur Vorderwand. „Gehen Sie dorthin, Reynolds!“ Der verängstigte Mann kroch und taumelte zu dem Möbelhaufen hinüber. „Sie wollten eine Erklärung haben, nicht wahr?“ fragte Tanner scharf. Stan wußte, was nun folgen würde. Reynolds hatte in den letzten Minuten zu viel gehört. Was für ihn sehr traurig war. Reynolds’ ängstliches Gestammel wurde etwas deutlicher. „Bringen Sie mich hier ’raus, Tanner! Bitte, bringen Sie mich hier heraus!“ „Mit Vergnügen“, sagte Tanner grimmig. Seine Pistole schnellte hoch, und ein violetter Strahl tanzte über den kauernden Mann, über den Tisch und über den Kleiderhaufen. Ein kurzer, erbarmungswürdiger Schrei erklang, und dann schossen Flammen empor und hüllten den Raum ein, während dicke Qualmwolken durch die zerbrochenen Fenster hinauszogen. Irgendwo in seinem Inneren fühlte sich Stan elend und verwünschte sich selbst wegen seiner Schwachheit. „Nehmen Sie den Koffer, Martin. Wir hauen ab.“ Der Koffer. Er war nicht mehr da. Jemand mußte ihn gestohlen haben, überlegte Stan, während sie sich am Fenster auf die Straße konzentrierten. Selbst Reynolds hatte nichts bemerkt, und wenn doch, so konnte man ihn jetzt nicht mehr fragen. „Er ist weg?“ Tanner lachte. „Avis ist eine Amateurin, Martin. Eine blutige Anfängerin! Sie hätte uns hinterrücks umlegen 46
können, zog aber den Koffer vor! Ein Anruf bei Mr. Ainsworth, und wir können ihn morgen mit einem anderen ersetzen!“ Sie tasteten sich die Hintertreppe hinunter, als sich die Luft plötzlich nicht mehr dicht und schwer anfühlte, wie bisher. Im nächsten Augenblick widerhallte die Straße von lauten Rufen und Schreien, als Vorübergehende die augenblicklich zerstörten Häuser, die brennenden Wagen und die verdächtigen Aschehaufen gewahrten, die im Morgenwind verwehten. Als sie einen Häuserblock entfernt waren, blieb Stan stehen und wischte sich den Schweiß und Ziegelstaub vom Gesicht. Tanner blickte ihn scharf an. „Stimmt etwas nicht?“ „Ja, etwas stimmt nicht!“ Stan wirbelte herum und ergriff Tanner bei den Rockaufschlägen. Er kreuzte seine Hände, so daß sich der Kragen eng um Tanners Hals zusammenzog. Seine Knöchel gruben sich in das Fleisch. „Man hat mich über nichts aufgeklärt“, zischte er mit dünner Stimme. „Das Mädchen gehört nicht zu den Affen, sie weiß zuviel; ihre Waffen sind besser als alles, was die Affen besitzen, und ihre Männer zu gut organisiert!“ Seine Stimme begann vor Erregung zu beben. „Man verlangt von mir, die Operation hier unten zu leiten, und ich weiß noch nicht einmal, was hier eigentlich gespielt wird!“ „Sie hätten von allein auf die Antworten kommen können“, sagte Tanner. Sein Gesicht war wie eine Maske. „Wir sind nicht die einzigen, die diesen Planeten erobern wollen, Martin!“ Nicht die einzigen! Stan löste seinen Griff. Seine Arme hingen schlaff. „Avis ist eine Aurelianerin“, fuhr Tanner fort. „Ihr System und unseres haben manch blutige Schlachten um diesen Planeten ausgetragen. Wir kämpfen noch immer gegen sie, diesmal jedoch hier unten.“ Er zögerte. „Man hat Ihnen nicht alles mitgeteilt. Agenten werden nur nach und nach informiert, wenn sie sich bewähren. Als Agent für Thusca, Martin, hat man Ih47
nen nicht mehr erklärt, als das Oberkommando für richtig hielt!“ Seine Stimme verlor ihre Härte und wurde drängender. „Wir töten, aber nicht blindwütig, Stan. Dies ist ein wichtiger Krieg, ein Krieg um einen ganzen Planeten. Wir müssen brutal vorgehen, aber der Einsatz ist hoch. Wir kämpfen, um diesen Planeten uns zu eigen zu machen.“ „Es tut mir leid“, flüsterte Stan. „Vergessen Sie, was ich getan habe.“ Er würde den gleichen Fehler nicht noch einmal begehen, dachte er. Er würde das tun was man ihm auftrug, und niemals vergessen, daß Avis und ihresgleichen seine unerbittlichen Feinde waren, die Feinde seines Volkes. Aber da war immer noch etwas, was ihn in Unruhe versetzte. Als Tanner eben zu ihm sprach, hatte er ihn an jemanden erinnert, den er schon einmal vor langer Zeit gehört hatte …
9. Kapitel Die Alpträume begannen in Beirut. Stan besaß in der Nähe der Amerikanischen Universität eine moderne Wohnung. Er hatte die Jalousien geöffnet und war hundemüde zu Bett gegangen. Der Kalender zeigte Ende August, und die Dinge standen nicht allzu gut. Weitere Agenten waren spurlos verschwunden, ebenso verschwunden wie zahlreiche Fusionspakete aus ihren Verstecken. Aber die Sorgen konnten sich mit der physischen Erschöpfung nicht messen. Als sein Kopf das Kissen berührte, sank er sofort in tiefen Schlaf. Die Alpträume überfielen ihn, erschreckend und erdrückend. Er war nicht mehr Stanley Martin, patriotischer Chef-Agent für den Planeten Thusca. Er war wieder 17 Jahre alt, spielte auf den Straßen Chicagos, veranstaltete mit seinem älteren Bruder Kissenschlachten und erledigte verschiedene Gänge für seine Mut48
ter, um ihr dann dabei zuzusehen, wie sie das Essen zubereitete und Laibe frischgebackenen Brotes aus dem Ofen nahm. Und dann spürte er den Geruch der Druckerschwärze auf den noch feuchten Zeitungen, und Reporter schickten ihn mit ihren Berichten in die Redaktion, und zweimal wöchentlich ging er zu den Viehhöfen, um die Schlachtviehpreise zu notieren. Die Viehhöfe. Er war eines Morgens an einer Gasse stehengeblieben, und drei Männer hatten ihn überfallen und in den Magen und in die Nieren geschlagen und geprügelt – geprügelt – geprügelt … Er erwachte und zitterte am ganzen Körper. Sein Pyjama und die Bettücher waren von Schweiß durchnäßt. Er setzte sich auf die Bettkante und stützte seinen Kopf in die Hände. Er hatte geträumt, daß er ein Affe war. Er stand auf und ging ins Badezimmer, um ein Glas Wasser zu trinken. Er versuchte nicht mehr zu schlafen. Die Alpträume, die verdammten Alpträume … Er tastete auf dem Nachttisch nach Zigaretten und Streichhölzern. Die kleine Flamme des Zündholzes zitterte nervös in der Dunkelheit des Schlafzimmers. Er mußte ihnen Einhalt gebieten, auch wenn es bedeutete, daß er sich vor dem Schlafengehen mit Drogen betäubte. Er konnte die Träume nicht länger ertragen, die falschen Erinnerungen, die immer wieder an die Oberfläche trieben. In der nächsten Nacht entschloß er sich. Es fehlten noch immer einige Antworten zu dem Rätsel, wer er eigentlich war. Es mußte Dinge geben, die Tanner ihm verschwiegen hatte. Dinge, die ihm nicht mitgeteilt worden waren, weil das Oberkommando zweifellos die Zeit dazu noch nicht für gekommen hielt. Ein guter Agent wird sich nie gegen die höhere Autorität auflehnen, dachte er langsam, In Schweiß gebadet. Aber er mußte diese Dinge erfahren! Die Antworten, die ihm über die ersten fünfundzwanzig Jahre seines Lebens Auskunft erteilen würden. 49
Und es gab eine Person, die ihn vielleicht über verschiedenes aufklären konnte. Eine Person, die ihn einst einen Verräter genannt hatte, einen Abtrünnigen, der wie eine Marionette gebraucht würde. Eine Person, die über ihn Dinge wußte, die ihm unbekannt waren. Das Mädchen, Avis. Gelegentlich müßte er sie aufsuchen, um sie zu töten. Aber jetzt wollte er von ihr nur Informationen. Er kleidete sich an, stellte die Skala am Transportreifen auf London ein und trat hindurch. Tanner erwartete ihn auf der anderen Seite. „Wo ist sie?“ fragte Stan. Tanner hob seine Augenbrauen. „Nordamerikanischer Kontinent. Chicago.“ „Und wo genau?“ „Keine Ahnung. Wir haben versucht, den Ausstrahlungen des Fusionspaketes nachzuspüren, aber es bewegt sich pausenlos in der Stadt umher.“ Tanner verzog sein Gesicht. „Wir hatten keinen Erfolg. Wie Sie wissen, haben wir bei dem Versuch, ihr nachzuspüren, eine ganze Menge Agenten verloren.“ Er erhob sich und langte eine Pfeife und einen kleinen Tabaksbeutel aus seiner Tasche. Er sah sehr gelassen und sehr verbindlich aus, dachte Stan. „Sie wollen hinter ihr her, Martin?“ „Stimmt, ich will hinter ihr her.“ Tanner blickte ihn forschend an. „Sie gehen ein großes Risiko ein. Unsere Agenten werden ihr Versteck früher oder später aufspüren.“ „Bisher haben sie es noch nicht“, sagte Stan spöttisch. „Warum soll man es der Zukunft überlassen?“ Tanner zuckte die Achseln. „Viel Glück!“ Dann setzte er ernst hinzu: „Sprechen Sie nicht mit ihr, Martin! Geben Sie ihr keine Gelegenheit zu irgendwelchen Tricks. Töten Sie sie sofort.“ 50
„Genau das werde ich tun“, log Stan. Er überprüfte seine Hitzepistole, verstellte dann die Skala am Reifen und trat durch den wirbelnden Kreis … … auf eine Straße in Chicagos Südbezirken, wenige Häuser vom Hyde-Park-Theater entfernt. Er ging in einen benachbarten Drugstore und telefonierte. Dann schlenderte er zur Straßenecke zurück und wartete. Einige Minuten später fuhr einer seiner Leutnants, Caldwell, vor. „Wir haben Jones und Hagerty eingebüßt, Mr. Martin – erst vor wenigen Stunden. Ich war gerade dabei, einen Bericht darüber abzufassen, als Sie anriefen.“ „Haben Sie den Indikator?“ Der Mann reichte ihm ein kleines Gerät, das einem fotografischen Belichtungsmesser sehr ähnlich sah. Stan schwenkte es prüfend herum. Ein winziges Licht flackerte kurz auf. Er schwenkte es zurück, und das Lämpchen glühte, erlosch und leuchtete dann wieder hell auf. „Wissen Sie, ich begreife nicht ganz, wie Sie einer Person mit diesem Ding nachspüren können“, sagte Caldwell neugierig. „Wie funktioniert es?“ Es gab eine Menge Dinge, die Caldwell nicht wußte, dachte Stan. Er wußte nicht, daß die Operation etwas mehr als ein bloßes Schmuggelunternehmen war, daß dies keinen Bandenkrieg, sondern einen Kampf um weitaus höhere Einsätze darstellte, aber wenn er fortfuhr, derart wißbegierig zu sein, würde er eines Tages über die Wahrheit stolpern. Was für Mr. Caldwell bedauerliche Folgen haben würde. „Sie werden für Ihre Arbeit bezahlt, Caldwell, und nicht dafür, neugierig zu sein.“ „Okay, okay – ich habe ja nur gefragt.“ Stan lehnte sich in den Fond. „Vorwärts!“ Caldwell gab Gas, und sie fuhren schweigend durch die dicht bevölkerten Straßen nach Norden. Das Lämpchen auf dem klei51
nen Indikator pulsierte, verblaßte und dehnte sich wieder aus, und wurde allmählich heller und strahlender, als die schwachen Ausstrahlungen des Fusionsmaterials zunahmen. „Sie gehen besser nicht zu nahe heran“, sagte Caldwell plötzlich. „Das passierte nämlich den anderen Jungens. Sie kamen zu dicht heran und wurden aus dem Hinterhalt umgelegt.“ Das Indikatorlicht nahm langsam an Helligkeit zu und begann dann wieder zu ersterben. Sie waren etwa drei Häuserblocks entfernt und passierten es im rechten Winkel, dachte Stan. „In Ordnung, Caldwell. Setzen Sie mich hier ab.“ „Werden Sie bestimmt keine Hilfe benötigen, Mr. Martin? Ich könnte einige der Jungens …“ „Warten Sie an der Ecke. Wenn ich in einer Stunde nicht zurück bin, benachrichtigen Sie Tanner. Er weiß, was dann zu tun ist.“ Er verließ den Wagen, den Indikator in seiner Hand verborgen. Avis – oder jedenfalls das Paket – befand sich irgendwo in diesem Gebiet. Er blickte auf den Indikator und schritt vorwärts. Ab und zu hielt er an, um in ein Schaufenster zu sehen, und einen verstohlenen Blick auf das Gerät zu werfen. Ein Häuserblock, und die Hälfte des nächsten hinunter. Eine Tür, zwei Türen … Und eine zurück. Ein Geschäftsgebäude. Die gewöhnliche Mischung von Firmenschildern, Zahnärzte und Rechtsanwälte und kleine Handelsgesellschaften. Er betrat das Haus und überprüfte blitzschnell jeden einzelnen in der Vorhalle. Mindestens drei oder vier der Männer, die sich hier aufhielten, mußten ihre Leute sein, dachte er. „Oberster Stock, bitte.“ Der Aufzug kroch langsam in die Höhe und hielt im fünften Stock. Die Reaktion des Indikators war stark. Er ging zum vier52
ten Stock hinunter, wo das Lämpchen noch stärker leuchtete, dann zum dritten. Auf dem zweiten Stock nahm die Leuchtkraft etwas ab. Es mußte also der dritte sein. Er eilte geräuschlos die Treppe wieder hinauf und blieb lauschend stehen. Niemand im Korridor zu hören. Er schlenderte ihn gelassen hinunter. Eine Arztpraxis, ein Zahnarzt, ein Frisör und eine Stellenvermittlung. Die Stellenvermittlung, überlegte er rasch. Die ideale Front, die ideale Maskierung. Die ideale Methode, Agenten zu rekrutieren. Er blieb vor der Tür stehen und nahm seine Hitzepistole aus dem Schulterhalfter. Er drehte den Türknopf und trat ein. Und merkte plötzlich, daß alle Geräusche verstummt waren. Die Luft schien dicht und schwer, und die Staubteilchen in den Sonnenstrahlen, die durch das Fenster hereinstachen, standen vollkommen unbeweglich. „Sie haben lange gebraucht, hierher zu kommen, Martin.“ Sie stand vor ihrem Tisch und sah noch genauso aus, wie auf jener Rampe in Chicago und auf der Straße in dem Pariser Vorort. Eine große Frau. Dickes, schwarzes Haar, das ihr Gesicht lose umgab und um die bleiche Haut und kalten, grünen Augen einen dunklen Rahmen bildete. Es war ein hartes, fähiges Gesicht, mit der feinen Andeutung, daß es zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort hübsch gewesen sein mochte. Und jetzt – ein angespanntes Gesicht mit einem Hauch von Trauer. Stan brachte seine Hitzepistole in Anschlag. Sie bewegte keinen Muskel und wartete ruhig darauf, daß er auf die Feuertaste drückte. Nicht mit ihr sprechen, hatte Tanner gesagt. Ohne weiteres töten. Aber er war nicht hierher gekommen, um sie umzubrin53
gen. Noch nicht. Nicht bevor er einige Antworten erhalten hatte. Er ließ die Waffe sinken. „Sagen Sie mir nicht, Sie seien es endlich überdrüssig geworden, Leute umzulegen“, sagte sie ruhig. „Zweifellos geht es schon in die Hunderte“, meinte Stan spöttisch. „Ich nehme an, daß die Affen so allmählich Verdacht schöpfen werden.“ Sie schüttelte den Kopf mit einem bitteren Ausdruck. „Nein, das werden sie nicht. Es ist ja nichts Neues. Menschen sterben tagtäglich in einsamen kleinen Zimmern, andere erliegen Unfällen oder begehen Selbstmord. So glauben wenigstens die Terrestrier. Anscheinend blicken sie niemals weiter.“ „Sie vergessen“, sagte Stan, „daß auch wir Leute verloren haben. Und ich bin sicher, daß nicht alle von ihnen natürlichen Todesursachen erlegen sind.“ „Wen haben Sie verloren, Martin? Diebe, Rauschgifthändler, Mörder und noch Schlimmeres! Und was habe ich verloren? Patrioten, Wissenschaftler, Staatsmänner, die paar, welche die Vorgänge verstehen und mir glauben und mit mir zusammenarbeiten wollen.“ Stan zuckte ungeduldig die Achseln. „Sie sagten, ich hätte lange gebraucht, um hierher zu kommen. Ich nehme an, Sie haben es so geplant?“ Sie sah überrascht aus. „Aus welchem Grund hätten wir denn sonst die Fusionspakete gestohlen? Nur, damit Sie sie wieder ersetzen können? Die Thuscaner sind in der Lage, Ihnen alle Pakete zu liefern, die Sie benötigen. Wir wollten Ihnen etwas geben, womit Sie mir nachspüren konnten.“ „Es ist ein Wunder, daß man Sie nicht schon umgelegt hat.“ Die unbeweglichen Züge ihres Gesichts zerbrachen in ein halbes Lächeln. „Niemand außer Ihnen wäre bis hierher gelangt, Martin.“ 54
„Und jetzt bin ich hier. Was wollen Sie von mir?“ Sie blickte ihn eine volle Minute lang gedankenvoll und prüfend an. „Ich möchte, daß Sie die Seiten wechseln, Martin. Sie sollen uns helfen.“ Er starrte sie ungläubig an. „Sie hätten sich sagen können, daß ich ablehnen würde, bevor Sie mich fragten.“ „Wir benötigen Ihre Hilfe“, antwortete sie unberührt. „Es geht Ihnen doch ganz gut.“ „Wir verlieren“, sagte sie, und ihr Gesicht sah noch bleicher aus. „Wir haben rund dreihundert Agenten eingebüßt und bis jetzt nur zehn Fusionspakete gefunden. Ich kenne Ihren Terminplan nicht genau, aber ich weiß, daß es irgendwann im November geschehen wird. Jetzt ist es Ende August.“ Ihr Gesicht verzerrte sich. „Wir haben nicht die geringste Chance, und das wissen Sie auch ganz genau.“ „Das stimmt“, meinte er gelassen. „Ihr habt keine Chance mehr. Was wollen Sie, das ich tun soll? Den Verräter spielen?“ „Sie sind schon einmal zum Verräter geworden!“ sagte sie brutal. Da war wieder diese Andeutung, dachte er scharf. Die Andeutung, daß sie etwas über ihn wußte, worüber er keine Ahnung hatte. „Warum sollte ich mein Volk an eine Gruppe fremder Wesen verkaufen?“ fragte er forschend. „Weil wir keine Gruppe von fremden Wesen sind“, sagte sie ruhig. „Weil dieser Planet unser Planet und jeder einzelne darauf ein Aurelianer ist. Und Sie sind auch einer!“ „Das soll ich glauben?“ „Es ist wahr!“ flammte sie heftig. „Aber Sie sind konditioniert! Sie glauben alles, was Ihnen die Thuscaner sagen und zweifeln es nie an. Es wird langsam Zeit, daß Ihnen jemand die Wahrheit sagt!“ Sie beugte sich vor, und er spürte den feinen Hauch eines schwachen Parfüms. „Diese ganze Welt könnte in Feuer und 55
Flammen aufgehen, Martin, und es wäre tatsächlich von keiner besonderen Bedeutung. Weder für die Thuscaner, noch für mein eigenes Volk. Wissen Sie warum? Weil es nur ein Ableger ist! Ein unwichtiges Scharmützel in einem Kampf, von dessen Größe sich Ihr Verstand nicht einmal die geringste Vorstellung machen kann!“ „Sie lügen“, sagte er ohne Überzeugung. Sie schritt zum Fenster und deutete hinaus. „Diese Erde, sie ist nicht die Heimat der menschlichen Rasse, Martin. Sie ist nur ein Kolonisationsplanet, der vor Tausenden von Jahren wie Hunderte von anderen Systemen besiedelt wurde. Während der letzten fünfzigtausend Jahre hat sich Aurelia über die ganze Milchstraße ausgebreitet. Wir bleiben mit all den von uns kolonisierten Planeten nicht in Verbindung, wir können es nicht. Unsere Aufgabe bestand darin, die menschliche Rasse so weit wie möglich auszusäen und sich von uns unbeeinflußt entwickeln zu lassen. Das war ein Fehler.“ Sie kehrte zu ihrem Tisch zurück. „Nach einer gewissen Zeit trafen wir auf die Thuscaner, Ihre geliebten Freunde, Martin! Auch sie dehnten sich aus, in unserer Richtung. Wir mußten uns zurückziehen, um unsere primitiven kleinen Kolonieplaneten zu verteidigen. Und das war nicht leicht. Es war alles andere als leicht.“ Ihr Gesicht bewölkte sich, und der Ausdruck von Melancholie vertiefte sich auf ihm. „Wir hatten zu lange im Frieden gelebt. Und wir waren keine berufsmäßigen Krieger und an Zahl so gering. So armselig wenig! Wir konnten nur hoffen, das thuscanische Infiltrationssystem zu bekämpfen und jeden Planeten von der Gefahr zu überzeugen, in der er schwebte, damit er sich selbst verteidigen konnte.“ Stan grinste höhnisch. „Viel Erfolg haben Sie nicht gehabt – oder?“ „Was glauben Sie denn, was passieren würde, wenn wir uns 56
zeigten und eines unserer Raumschiffe landen ließen?“ fragte sie kurz. „Die meisten der Planeten würden vor Schreck und Angst gelähmt werden! Man würde uns nicht trauen und uns hassen, weil wir eine fortgeschrittenere Technik besitzen. Ich tue, was ich kann. Ich versuche, einige wenige aufzuklären und zu überzeugen. Gewöhnlich habe ich damit auch Erfolg, und sie erklären sich bereit, mir zu helfen.“ Sie sah ihn wieder an, und ihr Gesicht drückte reinen Haß aus. „Patriotische Männer, Martin – und Sie haben dabei geholfen, sie umzubringen!“ Für den Bruchteil einer Sekunde schien es, als ob sie am Ende ihrer Kräfte wäre. Dann wurde ihr Gesicht wieder hart, und mit heiserer Stimme sagte sie: „Ich habe auf tausend verschiedenen Planeten auf den Barrikaden gekämpft, Martin! Ich habe gegen die Thuscaner gestritten, so lange ich mich erinnern kann. Manchmal hatte ich Erfolg, aber in den wenigsten Fällen. Und wenn ich versagt hatte, mußte ich fliehen.“ Ihre Stimme wurde hart wie Stahl. „Aber ich fliehe nicht mehr. Wenn ich diesmal verliere, bleibe ich hier.“ „Sie haben sich für Ihre Rede den falschen Zuhörer ausgesucht“, sagte Stan kalt. Er wandte sich der Tür zu und verhielt dann seinen Schritt. „Sie sagten, ich wäre ein Aurelianer, ein Menschenwesen, Was meinten Sie damit?“ „Sie wurden vor fünfundzwanzig Jahren in dieser Stadt geboren“, sagte sie leise. „Sie arbeiteten hier, und ihre Familie lebte hier. Sie besaßen eine Mutter und einen Bruder namens Larry. Sie waren – außergewöhnlich. Zu etwas Höherem bestimmt. Alles weist darauf hin, daß Sie es zu einem großen Mann gebracht hätten. Sie liebten die Welt und ihre Menschen. Im Alter von siebzehn Jahren wurden Sie von den Thuscanern entführt und zu dem gemacht, was Sie jetzt sind. Mit voller Absicht raubten sie Ihr Gedächtnis, damit Sie sich an nichts mehr erinnern konnten und keinen Willen besaßen, keinen Willen außer dem der Thuscaner.“ 57
„Ich glaube Ihnen nicht“, sagte er heftig. „Sie wollen es nicht glauben.“ Sie zögerte. „Gehen Sie jetzt lieber, Martin. Zurück zu den Marionettenspielern und Fädenziehern.“ Er warf ihr einen letzten Blick zu und fühlte, wie etwas tief in ihm danach drängte, das Mädchen zu trösten und Worte zu sagen, die ihr helfen würden. Dann zuckte er die Achseln und verließ den Raum. Er befand sich zwei Häuserblocks weiter, bevor er erkannte, daß sowohl er als auch das Mädchen den anderen ohne weiteres hätte töten können. Aber keiner von ihnen hatte auch nur den geringsten Versuch unternommen.
10. Kapitel Nach seinem Zusammentreffen mit dem Mädchen bestand er aus zwei verschiedenen Männern. Stanley Martin, der loyale ChefAgent für Thusca, der fortfuhr, die Eroberung einer Welt zu leiten. Und Stanley Martin, der Mann, der sich über seine eigenen Handlungen wunderte und sich von ihnen abgestoßen fühlte. Der Mann, dem die Stadt Chicago eigenartig vertraut erschien. Der Mann, der Tanner mißtraute und der wußte, daß es dafür einen Grund gab. Der Mann, in dessen Geist winzige Stücke eines Gedächtnisses immer wieder im Bewußtsein erschienen, wie bei einem Schiff, das unter Wasser auseinanderbrach und einzelne Planken und Sparren zur Oberfläche emporschickte. Er konnte den Kampf mit sich selbst nicht fortsetzen. Der schwächere, zerbrechlichere der beiden mußte verschwinden. Und das bedeutete, daß die Person, die sein schwächeres Gedächtnis zur Oberfläche gebracht hatte, sterben mußte. Avis’ Tod war eine beschlossene Sache. 58
Er arbeitete sorgfältig und umsichtig daran. Eines der Fusionspakete wurde in einem kleinen Laden in Chicago hinterlegt, nahe der Kreuzung der 63. Straße mit dem Halsted Boulevard. Einer von Avis’ Agenten versuchte, es an sich zu nehmen und wurde getötet. Am nächsten Tag wiederholten zwei andere den Versuch – und versagten. Die Nachricht sickerte durch, daß das Paket etwas Besonderes darstellte und daß seine Wichtigkeit die Bedeutung aller anderen Fusionsbomben weit in den Schatten stellte. Aber keine weiteren Agenten erschienen auf der Bildfläche. Ende Oktober war die Opposition scheinbar zusammengeschrumpft und erloschen. Avis war aus der Sicht verschwunden. Agentenmeldungen zufolge sollte sie in Stockholm gesehen worden sein, und einmal berichtete ein Agent, daß er sie in einem Vorort von Moskau flüchtig erblickt hätte. Und dann tauchte ihr Name in den Reporten nicht mehr auf. Stan ließ sich nicht täuschen. Avis würde es noch mal versuchen, dachte er. Sie war hinter dem Paket in Chicago her und würde sich so schnell nicht geschlagen geben. Er bereitete deshalb für sie den letzten Hinterhalt vor. Am 31. Oktober meldeten Berichte, daß feindliche Agenten dem Gebiet der Straßenkreuzung zustrebten und sich dort massierten. Stan beschloß, persönlich einzuschreiten. Er verließ den Kreis schimmernder Schwärze in einer Gasse in der Nähe der 63. Straße. Niemand bemerkte ihn. Menschen hasteten an ihm vorüber, rannten durch die Gasse, um sieh so schnell wie möglich von der Kreuzung zu entfernen. Sie waren offensichtlich auf der Flucht. Stan packte einen vorübereilenden Mann. „Was ist los?“ Der Mann schwitzte vor Angst. Seine Augen rollten wild. „Um Gottes willen, Mister, gehen Sie nicht dort hinaus! Sie haben Pistolen, mit denen sie Flammen schießen! Und auf der 59
Kreuzung liegen schon fünfzig Tote! Alles innerhalb einer Minute … Ich ging gerade nichtsahnend zu Sears, als die Straßen plötzlich voller Leichen waren!“ Stan ließ ihn los und rannte mit langen Schritten die Gasse hinauf. Er konnte jetzt das leise, singende Geräusch der Hitzepistolen und den rapiden, knallenden Feuerlärm von Avis’ Männern hören. Sie war endlich herausgekommen, in dem verzweifelten Bemühen, die Affen davon zu überzeugen, daß sie von einer außerirdischen Macht bedroht wurden. Mitten in der Schlacht hatte sie den Zeitprojektor abgeschaltet. Es müßte für die nichtsahnenden Passanten ausgesehen haben, als ob innerhalb eines Sekundenbruchteils ein Blutbad stattgefunden hätte. Auf dem Straßenpflaster nahe der Gasse lagen zusammengekrümmte Gestalten. Zwei Autos brannten lichterloh, und die Schaufenster von Sears und Wieboldts lagen in Scherben. Ein Geschoß pfiff an seinem Ohr vorüber, und er kauerte sich zusammen und ließ seinen Blick über die Kreuzung streifen. Ein dünner, violetter Strahl stach aus einem Türeingang im Sears-Gebäude, und er huschte darauf zu, die knallenden Projektile ignorierend, die durch die Luft zischten und hinter ihm in die Hauswände einschlugen. Tanner stand in dem Hauseingang. Seine Schulter blutete stark, und sein Gesicht glänzte vor Kampfeslust. „Tanner, was ist geschehen?“ „Sie trägt es jetzt offen aus“, zischte Tanner. „Auf diese Weise will sie die Affen überzeugen!“ Sie könnte damit Erfolg haben, dachte Stan langsam. Aber es war weitaus wahrscheinlicher, daß es die Affen für einen Bandenkrieg irgendwelcher Art hielten und die Wahrheit übersehen würden. Tanner deutete die Straße hinunter. „Stellen Sie sich dort unten auf, und wir werden versuchen, sie auf Sie zuzutreiben.“ 60
Stan jagte ein halbes Dutzend Häuserblocks hinunter und blieb dann plötzlich verblüfft stehen. Das laute Geheul von Sirenen ertönte. Kurz darauf erklang das schwere Rattern eines Maschinengewehrs, und dichte Tränengaswolken zogen über den Platz. Die knallenden Geräusche verstummten abrupt, und die violetten Flammen der Hitzepistolen erloschen. Schweigend huschten zahlreiche Gestalten aus den Hauseingängen und verschwanden in den Seitengassen. Stan zögerte und rannte dann eilig die Straße hinunter, weg von der Kreuzung. Er stieß mit Avis zusammen, als sie aus einem Eingang flüchten wollte. Ihr sonst so unbewegliches Gesicht war aufgelöst und von Tränen überströmt. Bevor er es merkte, hatte er sie fest um die Schultern gefaßt und an sich gezogen. Sie weinte an seiner Brust. Er hatte sich die ganze Zeit über selbst genarrt, erkannte er plötzlich. Er konnte sie nicht töten. Es war ihm unmöglich, auch nur daran zu denken. Er wollte es nicht. „In jedem Spiel“, sagte er ruhig, „muß es einen Gewinner und einen Verlierer geben.“ Sie hörte auf zu schluchzen und blickte zu ihm auf. Sie schüttelte leicht den Kopf, um ihr Haar aus dem Gesicht zu schleudern. „Ich weine nicht, weil ich verloren habe“, meinte sie leise. „Ich weine, weil – ein tapferer Mann im Sterben liegt! Weil so viele tapfere Männer umgekommen sind!“ Sie zögerte, und die Müdigkeit grub sich wieder in ihre Gesichtszüge. „Ich hätte es Ihnen sagen sollen, Stan. Ich hätte es Ihnen schon vor langer Zeit sagen sollen. Vielleicht hätte es geholfen.“ Sie deutete zur Kreuzung hinunter. „Er wird – nicht mehr lange leben. Gehen Sie hinaus und sagen Sie ihm Adieu.“ 61
Er blickte zur Straßenkreuzung zurück. Es war inzwischen wieder ruhig geworden, und der Betonstaub in der Luft sank langsam auf den Boden zurück. Polizisten schritten zwischen den schweigenden Gestalten umher, die auf dem Pflaster lagen, während neugierige Zuschauer einen großen Ring um den Schauplatz der Schlacht zu bilden begannen. Er ging ruhig zur Straße zurück. „Hierher, Stan.“ Die Stimme kam schwach. „Beeile dich besser!“ Neben einem der geparkten Wagen lag eine Gestalt, ihre ganze Seite versengt, geschwärzt und zu Asche verkohlt. Stan näherte sich ihr. Der Mann hustete, und seine Vorderseite färbte sich rot. „Wir haben uns immer gefragt, was mit dir geschehen ist, Stan – Ma und ich. Und dann fand mich Avis und erzählte mir, daß du die Seiten gewechselt hättest.“ Wieder hüstelte er trocken. Seine Brust hob sich krampfartig. „Habe es niemals geglaubt. Du warst nicht der Typ.“ Seine Augen schlossen sich in einem erneuten Schmerzanfall. „Habe es ihr hundert-, tausendmal gesagt, glaube ich.“ Er hielt einen Moment inne, und Stan glaubte, daß es mit ihm zu Ende war. Aber dann öffneten sich die Augen langsam wieder. „Ich wollte die ganze Story in der morgigen Ausgabe bringen. Vermute – dein Mann ist dahintergekommen.“ Stan konnte sich nicht dazu bringen, einen Blick auf die linke Körperseite zu werfen, wo die Kleidung verbrannt und die halbe Hüfte verkohlt war. Er kannte Tanners Methode mit der Hitzepistole zu gut und wußte, wie gern der Mann seine Opfer leiden sah. Der Mann begann wieder zu husten und setzte sich plötzlich aufrecht, sein Gesicht schmerzverzerrt und von Tränen überströmt. „Du erkennst mich noch nicht einmal! Du erkennst noch nicht einmal deinen eigenen Bruder!“ 62
Und kurz bevor er starb, sagte er: „Es tut mir leid, Stan. Gott segne …“ Er verschied. Stan kauerte mit feuchtem Gesicht über ihm, und die winzigen Stücke und Fragmente der einstigen Persönlichkeit Stanley Martins verschmolzen miteinander und wurden erneut zu dem Individuum, das sie vor acht Jahren gebildet hatten. Er stand auf und blickte schweigend auf seinen Bruder Larry hinunter. Ein Strom von Erinnerungen brandete in seinem Bewußtsein auf. Die Spiele, die sie miteinander gespielt hatten, ihre kleinen Streitigkeiten, die Art, wie einer für den anderen eingetreten war … Und er erinnerte sich jenes Morgens, als man ihn verprügelte, und als ihn die Thuscaner auflasen. Mr. Malcolm und Mr. Ainsworth und Tanner und die Messer und Maschinen, die seinen Geist zerbrachen … Jemand berührte seine Schulter. Ein Polizist hielt sein Notizbuch in der Hand und blickte ihn forschend an. „Sie kannten diesen Mann?“ „Einmal“, sagte Stan langsam. „Vor sehr, sehr langer Zeit.“ Er drehte sich um und ging die Straße hinauf. „He! Sie können noch nicht gehen! Wir müssen Sie verschiedenes fragen!“ Er hatte weit Wichtigeres vor, dachte Stan. Mit Mr. Ainsworth und Mr. Malcolm. Und mit seinem Mitabtrünnigen, Tanner. Avis wartete in der Gasse auf ihn und stand neben dem schwarz schimmernden Kreis im Schatten. Ihr Gesicht bestand nicht mehr aus harten Flächen und Kanten, wie früher. Er erkannte verschwommen, daß es eine gewisse Schönheit besaß, die er bisher noch nie festgestellt hatte. Schönheit – und eine gewisse Sympathie … 63
Er stand hilflos vor ihr und blickte sie an. Es gab nichts, was er hätte sagen können. Jedes Wort wäre zuviel, dachte er. Er hatte seine Welt verraten, und sie wußte es. „Es ist noch nicht zu spät“, sagte sie ruhig. Er schüttelte den Kopf. „Jetzt kommt nur noch der Aufwasch.“ Er fühlte, wie er plötzlich am ganzen Körper zu zittern anfing. „Mein Gott, ich habe eine ganze Welt zum Tode verurteilt!“ „Sie können es wiedergutmachen.“ „Dazu ist keine Zeit mehr!“ „Wir haben noch vier Tage!“ Vier Tage, überlegte er wild. Vier Tage, in denen er fünfzig Fusionspakete zurückholen mußte, die in fünfzig Städten rund um den Erdball versteckt lagen. Vier Tage, in denen er seine eigenen Agenten täuschen mußte – und Tanner. „Ich bin nur ein einziger Mann, Avis. Ich könnte es versuchen, aber ich werde es nicht schaffen!“ „Wenn Sie Hilfe benötigen“, sagte sie, „brauchen Sie es nur zu sagen.“ Sie besaß noch immer ihre Organisation, überlegte Stan. Sie hatte zwar nicht die Größe seiner eigenen, aber ihre Mitglieder waren tapfer und mutig und bereit, für eine gute Sache zu sterben. Sie besaßen zwar keine Transportreifen, aber sie hatten sich schon seit langem zu einem engmaschigen Agentennetz rund um den Erdball verteilt. Es wäre für Avis leicht, mit ihnen in Verbindung zu treten. Alles, was er zu tun hätte, bestand darin, ihr die einzelnen Verstecke mitzuteilen. Und dann müßten er und ihre Agenten … Es könnte tatsächlich gelingen! „In Ordnung“, sagte er finster. „Wir wollen es versuchen.“ Er überprüfte seine Hitzepistole, und dann traten sie gemeinsam durch den schimmernden Dunst … … in die Wohnung in Bristol. 64
Er reichte Avis eine Liste. „Hier sind sie, alle fünfzig. Diejenigen, die ich selbst übernehmen werde, sind markiert.“ Sie ergriff die Aufstellung und kehrte zu dem wirbelnden Kreis zurück. „Werden wir uns wieder treffen?“ fragte er. „Ja, und zwar hier“, sagte sie ruhig. „Am 4. November.“ Er sah sie verschwinden, stellte dann die Skalen auf einen anderen Zielort ein und trat hindurch. Er hatte vier Tage, dachte er, in denen er eine Welt retten mußte. Vier kurze Tage.
11. Kapitel Die Nachtwolken rollten über die Kirchtürme von Bristol, und die gedämpften Schläge einer Turmuhr hallten über die Stadt, zehn Uhr. Die Stadt lag im Schweigen einer kühlen Herbstnacht, und in den Straßen begann sich der Nebel zu verdichten. In einer kleinen Wohnung in der Regentstraße stand eine kastenförmige Maschine schweigend in einer Ecke und starrte mit fünfzig roten, stetigen Augen in die zunehmende Dunkelheit. Fünf Minuten nach zehn erlosch ein Lämpchen flackernd, und es waren nur noch neunundvierzig. Um elf Uhr leuchteten nur noch sechsundvierzig Augen in der Finsternis. Am Abend des ersten Tages waren es neununddreißig. Zwei Tage später, am Abend des dritten Tages, nur noch ein Dutzend. Und jede verstreichende Stunde sah ein weiteres Lämpchen verlöschen … . Er stand in einer Station der Untergrundbahn in Moskau, hörte die Züge vorüberdonnern und hielt ein Auge auf einen Abfallbehälter in einer kleinen Nische neben einem sorgfältig 65
gearbeiteten Bulganin-Mosaik. Niemand von den Genossen, dachte er, würde jemals daran denken, seine Abfälle neben dem Mosaik des Staatsoberhauptes wegzuwerfen, und deshalb war der Abfallbehälter niemals verwendet worden. Und weil die Leute von der Müllabfuhr dies wußten, hatten sie keine Notwendigkeit darin gesehen, den Behälter in seiner Ruhe zu stören und auszuleeren. Er stand deshalb in seiner Nische und war niemals berührt worden. Ausgenommen ein einziges Mal. Einen Augenblick lang war der Perron menschenleer, und Stan schritt rasch auf den Behälter zu. Im nächsten Moment hielt er das Fusionspaket in der Hand. Jemand bellte ihm etwas zu, und er blickte erschrocken auf. Einige Meter entfernt stand ein Mann in der Uniform der Volkspolizei. Er konnte sich aus verschiedenen Gründen im Verborgenen gehalten haben, überlegte Stan. Vielleicht war er auf Taschendiebe aus oder paßte nur auf, daß niemand den Bahnsteig mit Abfällen verunreinigte. Aber es spielte keine Rolle, warum er sich dort befand. Das Wesentliche war, daß er in russischer Sprache Fragen stellte, und daß Stan ihm nicht antworten konnte. Ein neuer Zug donnerte herein, und Ströme von Menschen ergossen sich auf den Bahnsteig. Stan wirbelte herum und jagte zu einem Waschraum. Noch während des Laufens riß er die Umhüllung des Paketes ab. Einen Augenblick später hatte er die Zünddrähte gekappt und den empfindlichen Uhrwerksmechanismus zerbrochen. Hastig zerstörte er den beinahe unsichtbaren winzigen Empfänger. Er warf die Reste des Paketes unter die Räder eines Zuges, im gleichen Augenblick, als hinter ihm ein Pistolenschuß knallte, und ein Geschoß über ihm in die Decke einschlug, wo es kleine Splitter aus den Kacheln schlug. 66
Und dann hatte er die Waschraumtür erreicht, fuhr mit der Hand über ein Messingschild und sprang durch den schwarzen Kreis, der vor ihm erschien … … hinaus in eine kleine Straße in Rom, einen Häuserblock vom Vatikan entfernt. Es war früher Abend. Noch zwölf Stunden, in denen er das letzte Paket unschädlich machen müßte, dachte er. Das würde nicht lange dauern, und dann hätte er sogar noch Zeit, sich zu vergewissern, daß Avis’ Agenten kein Paket ausgelassen hatten. Er winkte einem Taxi und ließ sich in rasender Fahrt zu den Ruinen des alten Forums hinausfahren. Er wartete, bis das Taxi wieder verschwunden war und eilte dann auf die Trajanssäule zu, jene hohe Marmorsäule, die zum Andenken an die Siege und Taten des alten römischen Kaisers errichtet worden war. Er setzte über das niedrige Eisengitter hinweg, das die Säule umgab, und brach das Schloß an der Tür auf, die zu einer Treppe im Inneren führte. Das Paket lag noch immer in der Nische am Anfang der Steintreppe. Stan riß die Umhüllung auf, zerstörte die Mechanismen und zerdrückte dann das Paket in seinen Händen. Das war das Ende der … Laute Fußschritte ertönten, die die Wendeltreppe heraufgeeilt kamen. Er preßte sich gegen die Wand, bis sie in seiner Sicht auftauchten, warf sieh dann die Stufen hinunter und landete auf der Brust eines breitschultrigen Mannes. Sie rollten beide die steile Wendeltreppe hinunter. Tanner hatte endlich von den Vorgängen Wind erhalten, dachte Stan. Aber es war zu spät, um jetzt noch etwas zu unternehmen. Die Invasion hatte begonnen, und man konnte eine Flotte, die einmal gestartet war, nicht mehr aufhalten. Die übervertrauensvollen Thuscaner würden landen und zu ihrem gro67
ßen Schrecken feststellen, daß sich ihnen ein organisierter Widerstand entgegenstellte. Mr. Ainsworths „Affen“ ließen sich nicht so einfach herumstoßen … „Bastarde …“ Der breitschultrige Mann befand sich nicht allein. Ein zweiter stand am Ende der Stufen. Stan krümmte seinen Körper und hielt den ersten Italiener als Deckung vor sich. Ein Pistolenschuß knallte, und Stan hörte den dumpfen Einschlag eines Geschosses. Der Mann, den er umschlungen hielt, stieß einen schrillen Schrei aus, und seine Augen öffneten sich weit. Und dann befanden sich alle drei unten. Stan machte einen Satz zur Tür und schlug sie hinter sich zu. Einen Moment später rannte er zwischen den umgestürzten Torbögen und verlassenen Säulen hindurch, die den Ruhm des einstigen Roms gebildet hatten. Er hielt beim Kolosseum ein Taxi an, reichte dem Fahrer das restliche Geld aus seiner Brieftasche und sank ermattet in die Polster zurück. Ein Schuß zersplitterte das Rückfenster des Wagens, und er griff in seine Manteltasche nach seiner Hitzepistole. Sie mußte während des Sturzes auf der Wendeltreppe herausgefallen sein, überlegte er. Und das bedeutete, daß er jetzt wehrlos war. Er verließ das Taxi einen Häuserblock vor der Gasse und eilte in die Dunkelheit, als ein zweiter Schuß an seinem Ohr vorüberpfiff. Er hatte den Kreis aus schimmernder Schwärze schon fast erreicht, als sich ein Geschoß in den fleischigen Teil seines Rückens grub. Halb taumelnd, halb stürzend verschwand er in dem Wirbel schwarzen Lichtes …
68
12. Kapitel „Es ist dir nicht gelungen, Martin. Los – wach auf, damit ich es dir ins Gesicht sagen kann. Du und die übrigen Affen, ihr habt für alle Ewigkeit verloren!“ Stan bewegte sich; er tastete um sich und rollte dann auf seine Seite. Er fühlte, wie der Schmerz von seiner Schulter durch den ganzen Körper stach. Er erinnerte sich an einen Schuß – und dann war er gestürzt, und eine Stimme hatte gesprochen … Tanners Stimme. Seine Augen öffneten sich weit, und er setzte sich auf. Der Schmerz durchzuckte ihn erneut, und er krümmte sich zusammen. „Du bist also endlich wach.“ Er wandte sich um. Tanner stand in lässiger Haltung auf dem Marmorblock, auf dem sich der Reifen erhob. „Es wird dir leid tun, aufgewacht zu sein, Martin. Ich glaube, du würdest dich wohler fühlen, wenn du schon tot wärst.“ Er grinste vor sich hin. Stan wirbelte den Kopf herum und blickte zu der kastenförmigen Maschine mit den roten Lämpchen. Ein einziges Signallicht brannte noch. Das Lämpchen für Chicago. Tanner lächelte leicht. „Glaube nicht, du hättest gewonnen, weil nur noch ein Paket übriggeblieben ist. Fünfzig Fusionspakete bildeten unseren Sicherheitsfaktor. Tatsächlich benötigen wir jedoch nur ein einziges.“ Stans Gesicht spiegelte seine Gedanken wider, und Tanner las sie von seinen Zügen ab. „Ganz recht“, nickte er. „Nur ein einziges. Wir wollten eine Panik erzeugen, und dazu genügt eine Bombe. Wenn sie in die Luft geht, ist es vollkommen genug. Die übrige Welt wird es Sekunden später erfahren. Und dann geht die Flucht los.“ Er zögerte. „Du glaubst doch nicht, daß die Menschen der ganzen 69
Welt in ihren Städten bleiben werden, oder? Alle Polizeikräfte und sämtliche Kommissare, die es gibt, werden sie nicht dazu zwingen können. Und dann? Nun, dann gehen die Luftflotten in Aktion. Eine Flotte, weil man nach Rache dürstet, und die andere, weil ein rascher Angriff die beste Verteidigung ist, wie die Affenpolitiker so stolz behaupten.“ Er zuckte die Achseln. „Siehst du? Für das Chaos wird tatsächlich nur eine einzige benötigt.“ Stan spannte seine Muskeln für einen letzten, gewaltigen Sprung … Tanner bemerkte die Bewegung und hob die Augenbrauen. „Das wirst du doch nicht tun wollen, Martin. Aus zwei verschiedenen Gründen. Einmal habe ich Avis in meiner Gewalt. Und zum anderen: Du kämst zu spät. Die Explosion hat vor zehn Sekunden stattgefunden.“ Er winkte und trat in die Schwärze. Stan taumelte zur Apparatur hinüber und stellte die Skalen auf Chicago ein. Langsam und zögernd begann sich der schwarze Kreis zu formen, flimmerte und verging dann wieder, während das blanke Metall des Reifens erneut in Sicht trat. Er hatte verloren, dachte Stan halb betäubt. Die Stadt, in der er geboren und aufgezogen worden war, bestand nur noch aus Atomen, die durch den Luftraum wirbelten. Tanner hatte auf allen Fronten gewonnen. Und er besaß Avis. Stan kauerte sich in der Mitte des Zimmers zusammen, sein Gehirn war ein Wirrwarr sich jagender Gedanken. Und dann drang ein Geräusch an seine Ohren, ein Lärm, der gedämpft durch das Fenster hereinhallte. Das Getöse knallender Wagentüren, Tausender von startenden Autos und von Menschenmassen, die schreiend durch die Straßen eilten. Er nahm sich nicht die Mühe, nachzusehen. Er wußte, was es war. Der Auszug einer Milliarde Menschen aus zehntausend Städten und Metropolen hatte begonnen. 70
Und es blieben noch sechs Stunden bis zum Beginn des kurzen, blutigen Krieges. Sechs Stunden bis zum Eintreffen der Luftflotten an ihren Zielen. Einen Tag später würde die thuscanische Weltraumflotte aus den Wolken herunterstechen und die dritte Phase der Operation einleiten, die das Antlitz einer grünen Wasserwelt in eine Welt umändern würde, die ein weiterer Kolonieplanet von Thusca wäre. Eine Welt, an der die menschliche Rasse keinen Anteil mehr hatte. Und da war noch die Sache mit dem Mädchen … Der Lärm draußen auf der Straße bildete jetzt ein stetiges Tosen. Die Straße war von Menschen verstopft, die sich zu Fuß, auf Fahrrädern und in Autos durcheinanderdrängten, um sich aus der Stadt hinauszukämpfen. Er hörte Schreie und Flüche, und über allem das gedämpfte Knistern von Flammen. In wenigen Stunden würde die Stadt ein brodelndes Inferno bilden, dachte er. Es wäre niemand mehr hier, um die Feuer zu löschen. Und die Szene würde sich an tausend verschiedenen Orten abspielen, bevor die Sonne untergegangen wäre. Und am nächsten Tag der endgültige, schreckliche Orkan, wenn die Thuscaner eintreffen. Wenn die Menschheit sich zur letzten, kurzen Abwehrschlacht erheben würde. Es blieb nichts zu tun übrig, als sich auf das Ende vorzubereiten … Und dann dachte er wieder an Avis und wußte, daß es eine einzige letzte Chance gab. Er jagte in den Senderaum zurück und manipulierte die Schalter eines kleinen Fernsehgerätes, mit dessen Hilfe er und Tanner mit Mr. Ainsworth auf dem thuscanischen Flaggschiff in Verbindung zu treten pflegten. Avis hatte erwähnt, daß ihre eigene Flotte in Bereitschaft 71
stand. Eine kleine Flotte vielleicht, mit der man jedoch durchaus rechnen konnte. Er wartete einen Augenblick, bis sich die Röhren erwärmten und stellte dann die Frequenz ein, die Avis einmal erwähnt hatte. Es vergingen einige Minuten, bis sich der Bildschirm aufhellte. Ein Gesicht flimmerte einen Moment lang auf ihm und wurde dann deutlich. Es war das Antlitz eines Mannes mittleren Alters, der eine dunkelblaue Uniform trug. Seine Augen sahen aus, als ob sie alles erblickt hätten, was es sowohl im Himmel, als auch in der Hölle zu sehen gab. Stan erklärte eilig die Situation. Das Gesicht nickte verstehend. „Können Sie die Stadt verlassen?“ Das Getöse auf der Straße war inzwischen weiter angeschwollen. Stan zögerte einen Moment, bejahte dann. „Wir werden versuchen, Sie abzuholen. Begeben Sie sich auf der Hauptausfallsstraße zu dem kleinen mit Bäumen bestandenen Park außerhalb der Stadt.“ „Was werden Sie tun?“ In dem ernsten Gesicht vertieften sich die Linien. „Außer Sie aufzulesen können wir nichts unternehmen.“ Stan schaltete das Gerät aus, schob eine Hitzepistole in die Tasche und eilte zur Tür. Sie konnten also nichts unternehmen. Sie konnten nichts tun, um eine Welt zu retten, oder um Avis zu befreien. Nun, das würde er noch sehen! Er öffnete die Haustür und wurde beinahe von den dichten, hastenden Menschenmassen mitgeschleift. Er sprang in den Hauseingang zurück und ließ den schreienden, kämpfenden Mob vorüberströmen. Ein Vater hielt einen weinenden Säugling hoch über seinen Kopf. Tränenüberströmt schleppte sich eine Frau vorbei, ein kleines Bündel Kleider an sich gepreßt. Plötzlich wurde sie ohnmächtig, stolperte und fiel zu Boden, unter die tausend Füße der Menschenmassen. Stan sah sie nicht wieder aufstehen. 72
Er schloß die Tür und eilte zum hinteren Eingang. Die Gasse war ebenfalls überfüllt, aber lange nicht so dicht wie die Straße. Seit Tanners Erscheinen in dem Reifen war etwa eine halbe Stunde verstrichen, überlegte er. Er hatte noch fünfeinhalb Stunden, bis die Bomben zu fallen begannen. Sein Rücken schmerzte, und er fühlte, wie das Blut aus seiner Schußwunde rann. Er verzog das Gesicht und kämpfte sich weiter. Ein Mann neben ihm schleppte ein kleines, tragbares Radio mit sich, und Stan konnte die nervöse Stimme eines verängstigten Ansagers hören, der die Mobilmachungsbefehle der Regierung durchgab und die Hörer zur Ruhe und Disziplin ermahnte. Das war nutzlos, dachte Stan bitter. Die Worte hatten nicht mehr Wirkung auf die Springflut der flüchtenden Menschheit, als Xerxes auf den Ozean, als er dessen Auspeitschung anordnete. Die Menschheit verließ ihre Behausungen, und niemand vermochte sie aufzuhalten. Eine Stunde später hatte er drei Kilometer zurückgelegt und drängte sich durch die überfüllten Außenbezirke der Stadt. Die Menge lichtete sich jetzt etwas, und er erblickte den mit Bäumen bestandenen Park. Er war nur noch drei oder vier Häuserblocks entfernt. Es durfte nicht viel mehr sein, dachte er. Er wußte nicht, wieviel er in seiner Verfassung noch auf sich nehmen konnte. Er wartete etwa eine Stunde, bis ein kleines Beiboot in der Lichtung landete. Bevor er an Bord ging, blickte er auf seine Uhr. Noch drei Stunden.
13. Kapitel Die Kriegsraketen von Avis’ Heimatsystem Aurelia erstreckten sich wie ein dünner, roter Faden durch den Weltraum. Sie zählten mehr als hundert, dachte Stan, aber er wußte, daß sie von den thuscanischen Schiffen an Zahl hoffnungslos übertroffen wurden. 73
Die kleine Rakete steuerte zum Flaggschiff hinüber, eine Klappe öffnete sich, und das Beiboot glitt langsam durch die Öffnung in den Bauch des Schiffes. Eine Minute später befand sich Stan im Hauptkontrollraum. Vor ihm standen ein halbes Dutzend müde erscheinender Männer in der gleichen dunkele blauen Uniform, wie sie der Mann auf dem Leuchtschirm getragen hatte. Sie sahen nicht wie die tollkühnen Krieger aus, dachte Stan, die sie eigentlich sein sollten. Sie sahen eher wie eingeschüchterte Zivilisten aus, die zum Militärdienst einberufen worden waren. Der Mann, den Stan über das Fernsehgerät gesprochen hatte, stellte sich als Elal vor und lächelte schwach. „Wie ist die Lage?“ fragte Stan kalt. Elal zuckte die Achseln. „Der Feind ist in der Überzahl, etwa zehn zu eins, würde ich sagen. Wir hatten bis zur letzten Minute gehofft, daß Avis vielleicht Erfolg haben würde, daß sie den Zusammenbruch unserer Kolonie verhindern könnte.“ „Und was hätten Sie damit gewonnen?“ „Ihr Terrestrier seid durchaus nicht ohne Verteidigungsmitte!“, erklärte Elal. „In manchen Dingen mögt ihr rückständig und primitiv sein, aber ihr besitzt tödliche Waffen. Und ein Planet, dessen Widerstandskräfte gut organisiert sind, würde sich für die Thuscaner als ein harter Bissen erweisen. Es ist ihnen niemals gelungen, einen Planeten durch eine offene Attacke zu überwältigen. Sie müssen stets zur Infiltration greifen.“ „Auch Ihre Waffen sind nicht gerade erbärmlich“, sagte Stan. „Sie haben die Zeitfelder.“ „Sie besitzen nur begrenzte Wirkungsbereiche, sind zum Beispiel nur für kleine Felder und für kurze Zeiträume anwendbar. Und die Thuscaner haben Neutralisatoren.“ Ein anderer Mann, der Stan eigenartig bekannt erschien, ergriff das Wort. „Was ist mit Avis geschehen?“ 74
Ihr Vater, dachte Stan. „Sie wurde von Tanner gefangengenommen.“ Die Männer schwiegen und blickten sich betroffen an. „Nun, was werden Sie unternehmen?“ ereiferte sich Stan. „Sie sind die einzige Hoffnung, die es noch gibt!“ Elal zuckte die Achseln. „Was sollen wir denn tun? Wir haben Sie. Vielleicht können Sie uns helfen, wenn Sie sich an Ihre Zeit auf Thusca zu erinnern vermögen. Soweit wir wissen, sind Sie der einzige Mann, der jemals dort gewesen und zurückgekehrt ist. Außer …“ Er brach ab. „Sie lassen also die Welt im Stich?“ fragte Stan eiskalt. „Und Avis auch?“ Die Aurelianer bewegten sich unruhig. „Was sollen wir denn tun?“ fragte Elal. „Wir haben das Spiel gewagt und verloren. Die anderen sind in einer Übermacht von zehn zu eins. Und dies ist nicht die einzige Welt, um die wir uns kümmern müssen. Es gibt ihrer noch Tausende.“ „Und bei jeder der anderen werden Sie an Zahl übertroffen werden?“ fragte Stan grimmig. „Sie werden sich stets zurückziehen, und doch werden die Machtverhältnisse immer gleichbleiben. Ihr Verteidigungsring bricht nach und nach zusammen, und Sie müssen sich auf ein stetig zusammenschrumpfendes Gebiet konzentrieren. Das Gebiet, auf das die Thuscaner ihre Angriffe zu richten haben, wird somit immer kleiner werden. Und einmal müssen Sie es darauf ankommen lassen und eine Schlacht schlagen, warum nicht hier?“ „Wir hätten keinen Erfolg. Wir würden verlieren. Und unsere Flotte stellt einen viel zu großen Teil unserer Hauptmacht dar, als daß wir das Risiko eingehen könnten.“ Sie wollten aufgeben, weil die Dinge auf dem Papier schlecht aussahen, dachte Stan. Sie wollten kein Blut fließen sehen und ihre Finger nicht beschmutzen. „Wo steht die thuscanische Flotte?“ 75
Der junge Mann an den Kontrollen stellte die Skalen eines Bildschirms ein, der sich aufhellte und den schwarzen Weltraum zeigte. Da war die Erde an einem Rand des Schirms, eine grüne Kugel von der Größe eines Fußballs, und dann das samtschwarze, sternbesäte Firmament. Stan betrachtete eine kleine Ansammlung heller Lichtpunkte, die sich langsam quer über den Schirm bewegten. Der Operateur drückte auf einen, anderen Knopf, und der Ausschnitt des Weltraums sprang auf die Betrachter zu. Die Gruppe der Leuchtpunkte dehnte sich rasch aus, bis man deutlich die glühenden, stabförmigen Schiffe der Thuscaner erkennen konnte. Sie flogen in Dreiecksformation, an der Spitze ein riesiges rotes Raumschiff. In diesem Schiff würde sich Mr. Ainsworth befinden, dachte Stan. Mr. Ainsworth und Mr. Malcolm und vielleicht sogar Tanner. Es war – logisch, daß sich Tanner dort aufhielt. Er hatte sein Werk auf der Erde getan. Und es bestand die Wahrscheinlichkeit, daß auch Avis an Bord weilte. Sie wäre als Geisel von großem Wert. Er starrte gedankenvoll auf den Schirm. Die Schiffe bildeten kein sauberes Dreieck, keine wirklich militärische Formation. Ihre Glieder waren krumm und ungenau, als ob die Kommandeure weder von der Erde, noch von den aurelianischen Schiffen Widerstand erwarteten. „Wir könnten hinunterstoßen“, meinte Stan gedankenverloren. „Wir könnten das Flaggschiff dazu zwingen, in Europa zu landen. Es wäre Indizienbeweis Nr. 1 und würde den Krieg beenden. Sie und ihre Leute hätten Zeit, Erklärungen abzugeben, und wenn ich die – Affen – richtig kenne, werden sie sich danach nicht mehr so schnell kleinkriegen lassen. Es wäre das Ende der Thuscaner.“ „Sie glauben, es könnte gelingen?“ fragte einer der Männer spöttisch. 76
„Vielleicht. Und zwar wird uns das Überraschungsmoment zur Hilfe kommen“, sagte Stan kurz. „Es ist wahrscheinlich das Letzte, was sie von Ihnen erwarten würden.“ Er zögerte. „Sie sagen, daß die anderen in der Überzahl seien, und daß Sie nicht die besten Waffen hätten. Haben Sie jemals die älteste Waffe ausprobiert, die es gibt: Mut?“ Es herrschte tiefstes Schweigen. „Ihre Worte sind sehr mitreißend“, sagte Elal nach einer Minute. „Aber ich finde Ihre Pläne nicht sehr praktisch.“ Stan blickte im Kontrollraum umher. Der Pilot war jung. Er sah erwartungsvoll aus und schien die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben zu haben. Er würde den Wagemut aufbringen, überlegte Stan. Die anderen hatten niemals eine Schlacht erlebt. Sie wußten nicht, was Kampf war. Stan wandte sich an den Piloten. „Steuern Sie das Schiff hinunter, auf das thuscanische Flaggschiff zu!“ „Woher sollen wir wissen, ob er wirklich die Seiten gewechselt hat?“ rief eine Stimme. „Vielleicht ist er noch immer mit den Thuscanern verbündet!“ Stan wirbelte herum. In seiner Faust glänzte das Blau einer Hitzepistole. „Wir haben keine Zeit, uns darüber zu streiten, aber es ist wahr.“ Zum Piloten: „’runter mit dem Schiff!“ „Sie vergessen, daß ich hier der Anführer bin“, sagte Elal ruhig. „Sie haben Ihr Amt niedergelegt“, meinte Stan kalt. „Ein Anführer ist ein Mann, der führen kann. Sie können es nicht. Ich kann es.“ Seine Augen funkelten. „Wir gehen hinunter!“
14. Kapitel Sie schossen durch den Weltraum, auf das Leitschiff der thuscanischen Flotte zu, das sich dem Planeten in weiten Kreisen 77
immer mehr näherte. Stan warf einen Blick auf seine Uhr. Noch knapp eine Stunde, bis der Planet unter ihm einen schrecklichen, nutzlosen Krieg beginnen würde. Noch knapp eine Stunde, in der er das Unmögliche fertigzubringen hatte. „Sehen Sie!“ rief jemand. „Sehen Sie auf den Schirm!“ Stan warf einen kurzen Blick darauf. Dort war die thuscanische Flotte, die sich unter ihnen – jetzt viel näher – ausbreitete, und der kleine, flackernde Punkt, der ihr eigenes Schiff darstellte. Hinter ihm zogen sich die übrigen Raumschiffe der aurelianischen Flotte in der Form eines riesigen, langgezogenen C durch das All. Sie folgten ihrem Leitschiff hinunter, obgleich sie erkennen mußten, wie gering ihre Chancen gegen die mächtigen thuscanischen Schiffe waren. Mut, dachte Stan und fühlte, wie sich sein Hals zuschnürte. Die unbekannte Waffe! Aber würde sie den Ausschlag bringen? „Kontakt in fünf Minuten“, sagte der Pilot. Stan eilte an seine Seite. „Zeigen Sie mir, wie die Steuerung funktioniert.“ Es war einfach genug. Die Feuertasten für die verschiedenen Richtungsraketen ließen sich wie die Tasten eines Klaviers betätigen. Und das Radar, das die Entfernung des Schiffes von einem anderen Objekt angab, stimmte auf den Meter genau. Stan beobachtete den Piloten eine Minute lang prüfend. Wie würde der Mann reagieren, welches wären seine Reflexe? „Wenn wir das Flaggschiff erreichen, tun Sie genau das, was ich sage!“ Er blickte auf den Bildschirm. Die thuscanische Flotte befand sich bereits sehr nahe, aber sie veränderte jetzt ihre Formation ein wenig. Das Dreieck war aufgelöster und sah noch unruhiger aus. Sie wußten nicht, was die aurelianischen Schiffe planten, dachte Stan. Sie wurden nervös und unsicher. Und gerade das bezweckte er. 78
„Sie werden uns alle umbringen!“ schrie eine Stimme hinter ihm. „Vielleicht werde ich das“, meinte Stan gelassen. „Ich kann Ihnen nichts versprechen!“ Nur noch wenige Kilometer. „Feuer links!“ Die Backbordraketen hoben das Schiff leicht an, so daß es dicht über dem thuscanischen Flaggschiff hinwegstürmte, kaum einen halben Kilometer entfernt. Die Flammensäulen aus Stans Raketen brandeten über das feindliche Schiff, und dann entfernten sie sich wieder. „Noch mal!“ Der Pilot wendete die Rakete in einem engen Kreis und kehrte zurück. Unter ihnen spuckte das Flaggschiff Feuer und Qualm, um aus der Formation auszuscheren. Verzweifelt bemühte es sich, vor den wahnsinnigen Männern zu fliehen, die darauf aus waren, Selbstmord zu begehen. Stan ließ das Schiff erneut hinabstechen und dicht über der thuscanischen Rakete hinwegstreichen. Es blieb ihr nichts übrig, als hinunterzugehen. Stan brüllte vor Lachen und jagte sie vor sich her, wie ein Hund, der seine Schafe über die Weide treibt, zu nahe, als daß sie ihre Waffen anwenden können. Und der bei jedem Vorstoß den Tod riskiert. Er forderte ihn heraus, und er wußte es. Und machte sich nichts daraus. Die Minuten vertickten langsam, und einer halben Milliarde Menschen auf der grünen Kugel tief unten blieb nur noch wenig Zeit. Überraschung und Mut waren genau die Elemente, die sie benötigt hatten. Sie standen im Begriffe, den Kampf zu gewinnen. Er wandte sich an Elal. „Holen Sie die Thuscaner auf den Leuchtschirm.“ Einen Moment später verging das Bild auf dem Schirm, und 79
statt dessen erschien das Innere eines fremden Kontrollraumes. Das Wesen auf dem Schirm erkannte Stan, veränderte sich, und im nächsten Augenblick sah er in das ernste Gesicht von Mr. Ainsworth. „Das solltest du nicht tun, Stan, es ist falsch“, sagte Mr. Ainsworth mit einer Stimme, die zugleich verwirrt und verletzt klang. „Ist das dein Dank für unsere Freundschaft? Zahlst du uns so unsere Gastfreundlichkeit zurück?“ Er lauschte den Worten und wußte, daß es Lügen waren. Er sah Mr. Ainsworth an und wußte, was unter diesem frommen Gesicht lag. „Ich werde Ihr Schiff zur Landung zwingen und Sie töten“, sagte er kalt und ruhig. „Aber zunächst werden wir über jeder Hauptstadt der Erdkugel Haschen spielen. Wir werden den ‚Affen’ vorführen, was die letzten Geschehnisse eigentlich zu bedeuten haben. Und wenn dann die thuscanische Flotte noch immer landen will, ist sie dazu herzlich eingeladen. Ich würde jedoch davon abraten, Ainsworth! Die ‚Affen’ werden sich bis zum letzten Mann verteidigen, und gegen organisierten Widerstand können Sie nichts ausrichten.“ Er schaltete das Gerät ab. Sie befanden sich jetzt in der Atmosphäre, und die Luft pfiff schrill, als das Raumschiff hinunterschoß. Die Temperatur stieg im Inneren des Kontrollraums an, bis die Kühlapparaturen eingeschaltet wurden. Der Ozean zog tief unter ihnen vorüber, und dann befanden sie sich über London, kaum sechs Kilometer hoch. In deutlicher Sicht der verängstigten Millionen, die außerhalb der Stadt lagerten, jagten sich die beiden Schiffe mit langen, strahlenden Heckflammen über das Firmament. Stan trieb die Thuscaner über Paris und Moskau, über Tokio und Washington, indem er den Piloten auf der Tastatur der Richtungsraketen spielen ließ und das thuscanische Schiff zwang, die von ihm gewünschte Richtung einzuschlagen. Er 80
drohte, von oben her auf die Rakete hinunterzustürzen, wenn sie fliehen wollte, oder sie von unten zu rammen, wenn sie zu landen versuchte. Die Regierungen der Länder erblickten die Szene mit Erschrecken und erkannten die Gefahr, die aus dem Weltraum zu kommen drohte. Riesige Bombenflugzeuge, die mit brummenden Motoren über arktische Einöden und ausgedehnte Wasserflächen ihre Bahn zogen, empfingen plötzlich knatternde Funksprüche. Sie wendeten abrupt auf ihrem Kurs und jagten zu den nächstliegenden Landeplätzen, ohne sich darum zu scheren, ob sie im Land des eben noch angegriffenen Feindes lagen. Weit draußen im All war der Weltraum ein Gewühl kämpfender Schiffe und flammender Raketen, die abrupt in gigantischen Atomexplosionen zerfielen. Tief unten jedoch trieb Stan das thuscanische Schiff rund um den Erdball und dann wieder auf Europa zu. Er zwang es schließlich im Tiergarten des evakuierten Berlins zur Bruchlandung. Sein eigenes Schiff landete einen Häuserblock davon entfernt. Die verwirrten Offiziere im Kontrollraum blickten ihn fragend an, und er stellte fest, daß er noch immer ihr Anführer war, daß sie noch immer keinen Rat wußten. „Sie werden das Schiff durch jene Schleuse verlassen und gegen sie kämpfen“, sagte er kurz. „Mann gegen Mann, wenn es sein muß. Aber Sie müssen sie bekämpfen – und töten.“ Er ging mit langen Schritten auf die Luftschleuse zu. „Viel Glück!“ Bei der anderen Rakete ließ sich keine Bewegung feststellen, und er dachte für einen Augenblick erschrocken an die Möglichkeit, daß die Insassen bei der Landung umgekommen waren. Dann erkannte er, daß sie warteten, bis er sich zeigen würde. 81
Er verbarg sich hinter einigen Steinblöcken und stellte den Schalter seiner Hitzepistole ein. Sie würden nicht lange in ihrem Schiff bleiben, dachte er. Er würde sie zwingen, herauszukommen. Er schaltete die Hitzepistole auf größtmögliche Intensität und zielte auf eine Beobachtungsluke des feindlichen Kontrollraums. Die Quarzscheibe verfärbte sich, glühte auf und zerschmolz plötzlich. Hinter ihr konnte Stan undeutlich das Kontrollpult ausmachen. Er richtete die Pistole darauf, und der violette Strahl ließ die Schalthebel aufglühen und schmelzen. Dann berührte die gebündelte Hitzeenergie eine dünne Treibstoffleitung im Kontrollpult, und abrupt schossen weiße Flammen in die Höhe. Sekunden später explodierten die Treibstofftanks mit einer Gewalt, die winzige Stücke rotglühenden Metalls über das ganze Gebiet verstreute. Jetzt mußte es gleich losgehen, dachte er … Die Luft um ihn herum war plötzlich voll von stechenden, violetten Strahlen, und er spürte, wie ihn einer von ihnen leicht an der Schulter berührte. Das Fleisch zischte auf, und sein Hemd fing Feuer. Er warf sich zur Seite und schlug die Flammen aus, ohne seinen Blick von der feindlichen Schleuse abzuwenden. Und dann sprang sie auf, und unzählige Gestalten brodelten heraus. Die Schlacht war kurz und sehr gründlich. Aber so sehr Stan seinen Blick auch anstrengen mochte, die beiden, die er suchte, sah er nicht. Als alles vorüber war, schritt er auf das Feld hinaus. Er bemerkte niemand, der wie Tanner oder wie – Avis aussah. Er atmete auf. Der junge Pilot kam auf ihn zugeeilt. „Auf der anderen Seite des Schiffes fand kein Kampf statt, nicht wahr, Sir?“ „Nein. Warum?“ 82
„Eine der Luken, Sir! Sie ist zerschmolzen. Und es befanden sich gar keine Hitzewaffen in ihrer Nähe!“ Stan eilte in langen Sprüngen zur anderen Seite des Schiffes. Da war die geöffnete Luke, und auf dem aschebedeckten Boden, dessen Graswuchs durch die Düsenflammen des landenden Raumschiffes verkohlt worden war, ließen sich Fußspuren erkennen. Er jagte neben ihnen her. Sie führten zweifellos auf die Stadt zu. Er warf einen Blick in diese Richtung und entdeckte die Flüchtlinge im letzten Augenblick, bevor sie hinter einem Trümmergrundstück verschwanden. Zwei Gestalten, die auf eine der Seitenstraßen zueilten. Und der Transportstreifen befand sich, wie Stan wußte, in einer dunklen Gasse hinter dem HO-Gebäude im russischen Sektor. Stan eilte keuchend durch die Straßen. Seine beiden Schulterwunden schmerzten unerträglich, aber er mußte seinem Wild auf der Spur bleiben. Sie befanden sich jetzt zwei Häuserblocks vor ihm, Tanner und ein Mädchen, das von ihm halb gestoßen, halb gezogen wurde. Ein violetter Strahl zischte dicht über Stans Kopf, und er duckte sich und eilte die Straße im Zickzack entlang. Die Gestalten verschwanden um eine Ecke, und Stan jagte ihnen eine Flammengarbe aus seiner Pistole nach. Als er die Gasse schließlich erreichte, war niemand mehr zu sehen, nur die schimmernde Schwärze des Reifens. Er zögerte und warf sich dann kurz entschlossen hindurch … … in die Wohnung in Bristol. Tanner war da und harrte seiner. Lässig gegen einen Tisch gelehnt wartete er. Avis stand mit angstverzerrtem Gesicht in der äußersten Ecke. Stan blieb stehen und überblickte die Lage. „War ’ne nette Hetzjagd, nicht wahr?“ fragte Tanner. Immer noch der verbindliche Tanner, dachte Stan. „Ich habe Sie erwischt, oder nicht?“ 83
„Das hängt davon ab, von welchem Standpunkt man es betrachtet. Vielleicht habe ich Sie erwischt!“ Tanner hielt eine eigenartige Waffe in der Hand. Stan warf einen forschenden Blick darauf, und dann wußte er genau, was es war. Tanner hatte sich Avis’ Zeitpistole bemächtigt. Er stand im Begriff, ihn auf die gleiche Art umzubringen, wie William Clark getötet worden war. Und es fiel ihm ein, daß er ohne seinen Neutralisator, den er – wie Tanner – seit einiger Zeit nicht mehr trug, völlig schutzlos sein würde. Tanner wollte ihn innerhalb einer Sekunde um hundert Jahre altern. „Glauben Sie tatsächlich, daß Sie mit heiler Haut davonkommen werden?“ „Warum nicht? Wer sollte mich denn aufhalten?“ Wieviele Male war er in den vergangenen acht Jahren gestorben? fragte sich Stan. Wie oft hatte sein Leben nur an einem dünnen Faden gehangen, der darauf wartete, durchgeschnitten zu werden? „Stan! Nieder!“ Tanner wandte sich halb um, für Sekundenbruchteile abgelenkt. Aber es genügte. Stan ließ sich auf den Teppich fallen und warf sich gegen Tanners Beine. Und dann lagen beide auf dem Boden und rangen miteinander. Stan griff nach dem Arm, der noch immer die Zeitpistole hielt. Tanner grunzte und krümmte sich, und dann … Stan riß seinen Kopf zur Seite, zog seine Beine an und stieß sie seinem Gegner mit voller Kraft gegen die Brust. Der Mann taumelte zum Reifen zurück, wobei sein Fuß aus Versehen den Einschalthebel berührte. Hinter ihm begann sich der Kreis schimmernder Schwärze aufzubauen. Und dann fiel der samtschwarze Kreis abrupt zusammen, löste sich auf und verging, während der drahtumwickelte Metallrahmen wieder in Sicht kam. 84
Stan stützte sich auf einen Ellbogen, als ihm übel wurde. Der Transportreifen in Bristol war auf Chicago eingestellt gewesen. Nur – gab es kein Chicago mehr. Und auch der dortige Reifen existierte nicht mehr. Aber Tanner war hindurchgefallen, wohin? Das Wesen, das Fred Tanner gewesen war, hing in einem unerfaßlichen Raum, der keinen Anfang und kein Ende besaß. Und keinen Ausgang.
15. Kapitel Sie standen auf dem Flachdach des ersten, neuerrichteten Gebäudes von New Chicago und sahen den winzigen Schweißflammen der Arbeiter zu, die aus der ganzen Welt gekommen waren, um die Stadt wieder aufzubauen. Es war Nacht, eine kühle, klare Nacht. Nur vereinzelte dünne Wolken huschten ab und zu über das volle Gesicht des Mondes. Die Sterne strahlten herunter – eine Million winziger Kerzen, die vor einem schwarzen Hintergrund flimmerten. Avis wandte ihm ihr Gesicht zu und fragte: „Liebst du mich?“ „Was denn sonst?“ Nach einer Minute sagte sie: „Ich muß morgen zurückkehren.“ „Ich weiß.“ „Ich – ich möchte es nicht.“ „Warum nicht?“ Sie lächelte in der Dunkelheit. „Du weißt genau, warum nicht. Ich möchte dich nicht verlassen.“ Er ließ sich auf der Brustwehr nieder, und sie setzte sich neben ihn. „Sie haben dir niemals meinen Familiennamen mitgeteilt?“ fragte sie plötzlich. „Nein. Er ist Tanner, nicht wahr?“ „Er war mein Bruder.“ 85
Er wartete einen Augenblick und fragte dann: „Was ist mit ihm geschehen?“ „Er strebte nach Macht“, sagte sie ruhig. „Unsere Gesellschaftsform konnte sie ihm nicht geben, darum verließ er uns und ging zu ihnen. Und zwar aus freiem Willen, sie haben ihn niemals konditioniert, wie dich.“ Sie zögerte. „Ich nehme an, daß es immer Menschen geben wird, die nach Macht streben und bereit sind, ihre Mitmenschen zu verraten, wenn sie ihnen im Weg stehen.“ Stan runzelte die Stirn. „Also deshalb hat man dich heruntergeschickt. Du solltest ihn aufhalten, nicht wahr?“ Sie nickte. „Ich besaß die besten Qualifikationen.“ Nach kurzem Zögern fuhr sie fort: „Nach einer Weile rückte ein Thuscaner an seine Stelle und übernahm seine Rolle, das weiß ich. Aber ich frage mich, auf welche Art er tatsächlich gestorben ist. Hast du während deines Aufenthalts auf Thusca jemals von ihm gehört?“ „Er starb als Held“, log Stan. Sie lächelte. „Schönen Dank jedenfalls. Aber ich kannte ihn auch.“ „Sie verwendeten ihn als Modell“, sagte Stan. „Wie Mr. Ainsworth und Mr. Malcolm. Es hat diese Menschen tatsächlich einmal gegeben. Sie wurden von den Thuscanern lange vor meiner Einführung gekidnappt und beobachtet, bis sie sie imitieren konnten. Ainsworth, Malcolm und dein Bruder dienten als Modell.“ Er erschauerte. „Vielleicht läuft auf einer ihrer Welten ein imitierter Stanley Martin herum!“ Sie blickten eine Weile schweigend zu den Sternen auf, und dann meinte Avis: „Du bist ein starker Mann, Stan. Wie konnten sie dich jemals – zerbrechen?“ „Eine simple Technik. Man könnte es Gehirnwäsche nennen. Die Thuscaner stellten Mr. Ainsworth und Mr. Malcolm auf, und ich war der Mann zwischen ihnen. Mr. Malcolm bildete 86
den Feind, Mr. Ainsworth repräsentierte den Freund. Er pflegte mich vor Mr. Malcolm zu ‚retten’. Es gibt keine Methode, mit der man eine Freundschaft rascher begründen könnte. Ich fühlte mich sozusagen verbunden, verpflichtet. Und dann war da noch die Folter – und die Maschinen. Als mein Gedächtnis zurückkehrte, glaubte ich, alle Einzelheiten zu erkennen. Ich beging nur einen Fehler. Ich kam niemals auf die Idee, daß Tanner in Wirklichkeit ein Thuscaner war.“ „Er hat eine Menge Leute genarrt, mich eingeschlossen. Ärgere dich nicht darüber.“ „Ich tue es aber. Wenn Tanner ein Mensch gewesen wäre, hätten sie mich niemals benötigt. Obwohl sie raffinierte Psychologen waren, brauchten sie zur Ausführung ihrer Arbeiten einen menschlichen Agenten, sozusagen als Sicherheitsfaktor. Wäre Tanner ein Mensch gewesen, so hätten sie ihn als ihren Agenten einsetzen können.“ „Du hast die Konditionierung der Thuscaner durchbrochen“, meinte sie. „Warum?“ Er lächelte. „Ich erinnerte mich an jenen Morgen, als sie mich überfielen. Sie verprügelten mich eine halbe Stunde lang, und niemand eilte mir zu Hilfe. Niemand außer Ainsworth. Selbst in Chicago bleiben die Leute nicht untätig, wenn ein 17jähriger von drei Männern umgebracht wird. Tanner hatte die Zeitpistole in Anwendung gebracht. Was für mich eine halbe Stunde war, geschah in Wirklichkeit innerhalb weniger Sekunden. Und die Neutralisatoren der drei Angreifer schirmten mich ab. Es hätte mir niemand zu Hilfe eilen können!“ Er blickte gedankenvoll zu den Sternen empor. „Weißt du, Avis, es gefällt mir hier nicht. Ich habe meine Familie damals verloren, als Chicago in die Luft flog. Und Larry ist kurz davor gestorben.“ Seine Stimme wurde leiser, als er fortfuhr: „Und die thuscanische Erziehung ist nicht vollständig verschwunden. Manchmal denke ich über die Menschen noch als – Affen.“ 87
„Was hast du für Pläne, Stan?“ Er erhob sich und deutete zu den Sternen. „Ich gehe mit dir! Dort oben gibt es Tausende von Welten, die ich niemals gesehen, Tausende von Abenteuern, die ich niemals erlebt habe. Und Thusca gibt es auch noch!“ Sie lachte leise. „Sonst noch was?“ Er strich mit seinen Fingern sanft durch ihr Haar und küßte sie. „Das weißt du ganz genau …“ „Wir starten morgen“, sagte sie nach einer Weile. Er legte seinen Arm um ihre Schulter und ließ sich auf der Brüstung nieder, während seine Augen zu den flimmernden Sternen aufsahen. Eine leichte Brise wehte vom See herüber und zerwühlte sein Haar. Und er stellte sich vor, daß sie weiterwehte, bis zu den Tausenden von Welten, die er niemals gesehen hatte. Und zu den Tausenden von Abenteuern, die er niemals erlebt hatte … – Ende –
88