IMPRESSUM Romane des Projekt 99 erscheinen mit freundlicher Genehmigung der
Erben Kurt Brands und des Hansjoachim Bernt-Verlages bei HEUL-Press
für den REN DHARK Club.
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Redaktion Projekt 99 und Exposeredaktion: Karl Eisner
Titelbild: H.J. Lührs + Gerald H. Neumann
Titellogo: Hartmut T. Klages
Covergestaltung: Ulrich Husse
Satz: Heinz Mohlberg
Druck: Druckerei Klaus Stowasser
1. Auflage: 1 000 Exemplare Oktober 1998 Alle Rechte an »REN DHARK« liegen bei den Erben Kurt Brands.
REN DHARK
DIE GROSSE SF-STORY VON KURT BRAND Band 110
Verschwörung auf Cromar Dirk van den Boom
Es ist den Terranern gelungen, einen Grako in ihre Gewalt zu bringen, einen jener goldenen Menschen, die vor langer Zeit Terror und Vernichtung über die Milchstraße gebracht haben sollen. Eine Untersuchung in der Cyborg-Station im Brana-Tal ergab, daß der Grako von einem Mental-Parasiten, einem Mensiten, kontrolliert wird. Durch einen Unfall im Labor kann sich der Mensit auf Terra ausbreiten und droht die Menschheit zu versklaven. Henner Trawisheim stellt daraufhin die Erde unter Quarantäne und riegelt die Heimatwelt der Menschen durch einen planetenweiten Schutzschirm vom restlichen Sonnensystem ab. Schließlich gelingt es, die Invasion des Mental-Parasiten mit Hilfe des CE-Gerätes zu beenden, die Quarantäne kann aufgehoben werden – jedoch zu einem hohen Preis: fast alle Cyborgs kommen während der turbulenten Ereignisse ums Leben. Durch die Quarantäne blieb Ren Dhark, dem es durch eine Rettungsexpedition zwar gelungen ist, eine Art diplomatischen Kontakt mit den Amphis zu etablieren, dabei aber durch den Angriff eines unbekannten Raumschiffs die POINT OF verloren geben mußte, die Heimkehr nach Terra verwehrt. Olan, der weise Anführer der Salter, entrinnt kurz vor den
Mensiten-Wirren nur knapp einer Katastrophe. Der Wohnturm, in dem er seine Mitarbeiter aufsuchen wollte, explodiert. Seine Artgenossen, die sich dort aufhielten, sind alle dem Unglück zum Opfer gefallen. Aber war es wirklich ein Unglück? Bernd Eylers bezweifelt dies und betraut seinen besten Agenten mit den Ermittlungen. Jos Aachten van Haag findet tatsächlich die bittere Wahrheit heraus und bezahlt diese Erkenntnis beinahe mit seinem Leben. Cromar wird währenddessen von einer unbekannten Ringraumerflotte angegriffen. Mit seinem neuen Flaggschiff – der GALAXIS II – eilt Ren Dhark zusammen mit einer riesigen Flotte der Zentralwelt des Telin-Imperiums zu Hilfe und kann die unbekannten Angreifer vertreiben. Doch die Tels erweisen sich als undankbar. Sie locken das Schiff des Commanders in eine Falle und bringen das Vario an Bord – jene grauenvolle Waffe, die ihren Opfern gnadenlos den Hitzetod bringt. Für Schiff und Besatzung gibt es keine Hoffnung. Noch während die terranische Entsatzflotte im System des Planeten Cromar sicherstellt, daß die unbekannten Einheiten nicht zurückkehren und den Überfall wiederholen und während Ren Dhark mit der GALAXIS II verzweifelt dem sicheren Tod entgegenfliegt, beginnen sich die Ereignisse auf der Hauptwelt der Tels zu überschlagen. Das verhaftete terranische Botschaftspersonal soll den »Wonnen des Abgrunds« übergeben werden und auf dem Heimatplaneten der Tels werden plötzlich Kräfte aktiv, die beteiligt sind an der Verschwörung auf Cromar…
Personenregister Sir Archibald ................... der ehemalige Botschafter Terras auf Cromar sitzt im Gefängnis Mandé Daguerre,
Janet Gilden,
Alexei Ogmanow und
Andrew McFergusson .... die Leidensgenossen des
Botschafters diskutieren Kochrezepte und singen patriotische Lieder Wer Dro Cimc ................. ein Fürsprecher der Terraner wird zum Verräter gemacht Anna Bulgakowa ............ die terranische Raumschiffkommandantin wird Zeugin eines seltsamen Schauspiels Wegt Ztari ....................... ein rebellischer Tel erlebt einen Putsch
Imperium der Tels, irgendwo auf der Hauptwelt Cromar Sir Archibald hatte in seinem langen Leben eine Reihe von ausgesprochen widerwärtigen Unannehmlichkeiten durchzustehen. Er erinnerte sich lebhaft an den Sektempfang kurz vor der Konstituierung der ersten Weltregierung, wo irgendein Volltrottel auf die Idee gekommen war, eine seltsame Mischung aus Wodka, Sekt und irgendeinem Fruchtsaft zu servieren, die zu dem Zeitpunkt in der High Society gerade die Runde machte. Es war ein wenig erbaulicher Anblick, dem ersten Weltpräsidenten dabei zuzusehen, wie er sich über die Hosenbeine des chinesischen Repräsentanten erbrach und nachher dummes Zeug lallend in den helfenden Armen von Sir Arthur zusammenfiel. Doch auch diese diffizile Situation hatte er letztendlich gemeistert – eine seiner letzten Taten vor der Pensionierung. Nach der Etablierung der Weltregierung gab es für einen Diplomaten der alten Schule nicht viel zu tun, und er hatte sich zurückgezogen – bis die Invasion der Giants und die darauf folgende Befreiung, die Öffnung in die Galaxis und der Kontakt mit anderen Völkern wieder Notwendigkeit für Leute wie ihn schaffte. Erst Lehrer auf der Akademie des Außenministeriums, dann von Henner Trawisheim persönlich auf einen höchst problematischen Botschafterposten versetzt worden: Nach Cromar, ins Herz des Tel-Imperium, dem gigantischen und mächtigen Reich der schwarzen Weißen, wie sie immer noch genannt wurden. Und jetzt saß Sir Archibald auf einer harten Pritsche in einem unzulänglich befeuchteten Raum in einem Gefängnis irgendwo auf Cromar. Er saß hier schon seit Tagen, und er war nicht allein: Das gesamte terranische Botschaftspersonal war ergriffen und in diesen Kerker geworfen worden, fast ohne ein
Wort... aber das mußte auch niemand erklären. Der allgemeine Vorwurf der Spionage und der Vorbereitung eines Krieges gegen das Tel-Imperium war genauso aus der Luft geholt, als wenn man ihnen mitgeteilt hätte, sie wären aufgrund penetranten Mundgeruchs verhaftet worden. Archibald wußte, was in die Tels gefahren war. Janet Gilden, Botschaftssekretärin, murmelte einen kaum verständlichen Fluch und richtete sich auf ihrer Pritsche auf. Die 39jährige Südamerikanerin mit dem kurzgeschnittenen, schwarzen Haar warf einen Blick auf ihren Vorgesetzten, der trotz aller Unbill ernsthaft bemüht war, eine gewisse britisch aristokratische Würde zu bewahren. Sie blickte kurz auf Mandé Daguerre, einen anderen engen Botschaftsmitarbeiter, der auf seiner Pritsche saß und seine manikürten Fingernägel betrachtete. Seit sie und elf andere Terraner von den Tels verhaftet worden waren, hatte Mandé geschwiegen und nur hin und wieder böse Blicke auf Sir Archibald geworfen, als hätte dieser die Verantwortung für ihr Los zu tragen. Sie wandte sich wieder dem Botschafter zu. »Sir, geht es Ihnen gut?« fragte sie vorsichtig. »Sicher, Janet, durchaus. Die harte Pritsche wird meinem Rückenleiden zuträglich sein. Das hat mir der Arzt schon immer verschrieben.« »Wann wird die TF denn endlich kommen und uns raushauen?« knurrte Alexei Ogmanow und wuchtete seinen schweren Körper zur Seite, um seinen Chef zu fixieren. Der Verantwortliche des Botschaftsfuhrparks, Techniker und Mädchen für alles, fühlte sich sichtlich unwohl. »Alexei, das stellen Sie sich dann doch etwas zu einfach vor«, entgegnete Archibald leise. »Wir alle haben ja noch mitbekommen, was passiert ist. Eine Flotte von Ringraumern hat Cromar angegriffen, und das dürfte nicht zuletzt der Grund für unsere Festsetzung sein.«
»Aber das waren doch nicht unsere Schiffe«, behauptete Alexei und richtete sich auf. »Die Tels müssen doch wissen, daß wir niemals...« »Die Tels wissen nichts dergleichen«, fiel Kurt Steinbrecher ein. Der neben Janet zweite Botschaftssekretär hatte sich bisher aus dem Gespräch herausgehalten. »Die denken, wir stecken dahinter. Was war denn die erste Erfahrung, die das Imperium mit einem Ringraumer gemacht hat? Die POINT OF hat eine ganze Tel-Flotte mit dem Hy-Kon ins Nirwana geschickt! Mich wundert, daß sie uns nicht gleich getötet haben.« Archibald nickte bedachtsam. »Ich befürchte allerdings, daß das noch kommen wird. Die Tels haben für uns nie eine große Sympathie bewiesen. Diejenigen unter ihnen, die mit uns kooperieren wollten – allen voran Wer Dro Cimc – werden im eigenen Volk immer noch wie Aussätzige behandelt. Die Tels halten sich für die fortschrittlichste humanoide Rasse in der Galaxis...« »Damit haben sie ja nicht einmal Unrecht«, murmelte Janet. »Wie meinen Sie das denn jetzt?« fragte Steinbrecher erbost. »Naja, seien wir doch ehrlich: Die Macht der Terraner basiert auf der Technik, die wir gefunden haben – erst haben wir uns die Giant-Technologie und die der Amphis zunutze gemacht, anschließend die der Salter mit ihren Ringraumern und den Robotern von Tower. Gut, wir haben das Tofirit erfunden und bauen mittlerweile unsere eigenen Schiffe – aber mal ehrlich, ohne dieses Glück und die Aufnahme der Technik anderer... die Tels haben ihre beachtlichen Fortschritte allein gemacht. Sie haben ein mächtiges Imperium errichtet und eine Raumflotte, gegen die die TF immer noch wie ein... naja...« Archibald nickte bestätigend. »Janet hat absolut recht. Sie wurden auf eine unangenehme Art und Weise von ihrem hohen Roß gestürzt – und als sie
merkten, daß die Macht der Terraner gar nicht auf eigener Erkenntnis, sondern auf schlichtem Ideenklau beruhte, dürfte ihnen das den Rest gegeben haben. Die Tels sind stolz...« »Arrogant! Selbstsüchtig! Überheblich!« erklärte Andrew McFergusson. Der Botschaftskoch hielt sich bei politischen Gesprächen zumeist zurück, doch hier hatte er nicht an sich halten können. »Nein«, mischte sich plötzlich Daguerre ein. »Vor allem sind sie eine Strafe für alle Terraner, die auf diesem gottverdammten Planeten leben müssen, obwohl sie wichtigere Dinge zu tun haben.« Daguerres Verbitterung sprach deutlich aus diesen Worten. Es war mittlerweile allgemein bekannt, daß sich der Diplomat schon als neuer Außenminister wähnte und die Versetzung in die terranische Botschaft auf Cromar als persönlichen Affront und Beleidigung seiner herausragenden Fähigkeiten ansah. Er wurde allgemein mit Nichtachtung gestraft. Archibald straffte seine hagere Gestalt. Er strich etwas von dem graumelierten Haar zurück, das ihm in die Stirn gefallen war und zwinkerte mit den Augen. Andauernde Gefangenschaft war für einen 64jährigen Mann kein sehr entspannender Zustand. »Wie auch immer«, meinte Alexei leise und musterte die anderen. »Wir müssen uns keine Illusionen machen. Die TF ist weit, wir sind allein. Es dürfte kein Zweifel daran bestehen, was mit uns geschehen wird...« »Das ist leider wahr«, meinte Archibald. Er blickte auf Janet, die die Jüngste im Team der terranischen Botschaft war. »Man wird uns bald exekutieren. Ihr habt vor einigen Stunden die Wachen gehört... ›Bald wird man Euch den Wonnen des Abgrunds übergeben!‹ Wir müssen uns keine Illusionen machen. Die Tels statuieren gerne Exempel. Und niemand ist dafür geeigneter als wir es sind.«
Steinbrecher nickte und setzte sich auf seine Pritsche. Seine Gedanken schweiften zurück zu dem Tag, an dem ihre verfahrene Situation begonnen hatte... *** Vergangenheit: Die terranische Botschaft auf Cromar Seit die terranische Botschaft auf Cromar eingerichtet worden war, hatte es nur Schwierigkeiten gegeben. Steinbrecher war sich nicht sicher, ob die Beziehungen zum Imperium der Tels jemals als normal bezeichnet werden konnten. Die schwarzen Weißen behandelten die Angehörigen der Botschaft mit der ewig gleichen Mischung aus Herablassung, Arroganz und der Überzeugung, es mit einem niedriger stehenden Volk zu tun zu haben. Besuchte er zusammen mit Archibald einen Empfang, wurden die Terraner zumeist geflissentlich ignoriert. Lediglich die Tels um Wer Dro Cimc, seine Mitarbeiter und Gefolgsleute, verhielten sich gegenüber den Terranern etwas freundlicher und banden sie in ihre Gespräche ein. Ansonsten sah man die terranische Botschaft offenbar nur als ein notwendiges Übel an. Steinbrecher war sich aber nicht sicher, was das größte Problem war: Die fehlende Kooperation mit den Tels oder das arrogante Getue von Mandé Daguerre, das er nur schwer zu ertragen vermochte. Die Behörden hatten den Terranern ein kleines, schon etwas baufälliges Lagerhaus irgendwo im Gewimmel in der Nähe des Raumhafens von Cromar zugewiesen. Es war zweistöckig und bot genug Platz als Wohn- und Arbeitsstätte. Der Botschaft standen zwei Gleiter zur Verfügung, telsches Personal hatte sich allerdings nicht finden lassen. Dementsprechend waren die Terraner darauf angewiesen, jede helfende Hand zu importieren. Mit insgesamt zweiundvierzig Terranern war die
irdische Kolonie auf Cromar sehr übersichtlich. Der wertvollste Besitz der Botschaft kam drei Tage vor der Katastrophe auf Cromar an. Es handelte sich um die Sternschnuppe RAMIREZ, die den Botschaftsangehörigen mit ihrer Besatzung für eventuell geplante Missionen innerhalb des Imperiums zur Verfügung stehen sollte. Seit die RAMIREZ jedoch auf einem kleinen Flugfeld des Raumhafens gelandet war, hatten die telschen Behörden keine Anstalten gemacht, ihr wieder eine Starterlaubnis zu geben. Die Besatzung vertrieb sich die Zeit mit Sonnenbaden und der Wartung des Schiffes. Dennoch war die Präsenz des kleinen TF-Schiffes eine Beruhigung für die Botschaftsmitglieder. Die Ereignisse waren dann ganz plötzlich über das Botschaftspersonal hereingebrochen. Eben noch in ihrer Routinearbeit versunken, hatten Tel-Wachen die Botschaft umstellt und gestürmt. Steinbrecher war zusammen mit anderen Mitgliedern des Botschaftspersonals im Büro Sir Archibalds zusammengetrieben worden. Die Tels hatten ihn mitten aus einer Besprechung geholt. Dort stand ein vor Freude förmlich berstender Vanko Rber und ließ Tiraden über die üblen Machenschaften der Terraner los, die nun ein für allemal beendet seien. Steinbrecher hatte dem Gerede nur mit einem Ohr zugehört. Hatten sich die Tels mal in etwas hineingesteigert, dann waren sie kaum noch zu bremsen. Er konnte ohnehin nicht viel ausrichten. Rbers Triumph stand ihm ins Gesicht geschrieben, als er auch Captain Darian von der RAMIREZ in seine Gewalt gebracht hatte. »Ihr Schiff wird selbstverständlich von unseren Truppen bereits umstellt!« erklärte er lächelnd. Er blickte erneut Sir Archibald ins Gesicht. Der Brite zeigte sich von den Äußerungen des Tels relativ unbeeindruckt. Steinbrecher nickte in sich hinein. Archibald mochte den Eindruck eines leicht vertrottelten, ältlichen Mannes machen, doch in
Wirklichkeit war er ein Diplomat mit Format und Erfahrung. Daß dahingegen Mandé Daguerre dies nicht war, konnte man an dessen nur mühsam beherrschte Wut erkennen, die sich in seinem Gesicht deutlich abzeichnete. Doch ehe Rber zu einer neuen Rede über die Verwerflichkeit terranischer Verbrechen anheben konnte, erzitterte plötzlich der Boden. »Was passiert da?« Alle Blicke richteten sich auf den Raumhafen. Dieser war vom Büro des Botschafters aus gut zu sehen. Dort war plötzlich hektische Betriebsamkeit ausgebrochen. Das Vipho des Captains blinkte hektisch. Darian aktivierte es, ohne auf die bösen Blicke der Tels zu achten. »Sir«, erklang die Stimme aus dem Lautsprecher, »die Ortung meldet das plötzliche Auftauchen von mehreren Hundert Ringraumern im Imperium... auch über Cromar. Keine Schiffe der TF, jedenfalls bekommen wir keine Identifikation! Die Ringraumer haben die äußeren Verteidigungslinien durchbrochen und greifen die Heimatflotte der Tels an.« Draußen ertönte ein Donnern. Zahlreiche Hantelschiffe rasten im Alarmstart in den Himmel. Der Boden erzitterte und die Lichtbögen der Triebwerke erhellten den Raum. Vom Raumhafen her erklang eine Alarmsirene, in die kurze Zeit später zahlreiche andere in der Stadt einfielen. »Captain«, ertönte abermals die Stimme aus dem Vipho. »Um den Kluis hat sich ein superstarker Schutzschirm gelegt. Die Streustrahlung stört unsere Ortung.« »Geben Sie Alarm und stellen Sie Gefechtsbereitschaft her. Hyperfunknachricht nach Terra, falls wir was durchbekommen. Ich bin auf dem Weg.« Darian steckte das Vipho ein und blickte auf die Versammelten. Rber wollte offenbar etwas sagen, als erneut ein Beben den Raum durchschüttelte. Der Vanko verlor das
Gleichgewicht und stürzte. Darauf hatten die vier Soldaten der Raumflotte, die in der Botschaft Dienst taten, nur gewartet. Sie nutzten die Verwirrung aus, stürzten sich auf die drei im Raum stehenden Tel-Wachen und überwältigten sie. Mit den Blastern in den Fäusten blickten sie grimmig lächelnd auf den Captain, der ihnen anerkennend zunickte. »Wir müssen wohl evakuieren... auch gegen den Willen der Tels!« Die anderen blickten auf den mittlerweile fast völlig leeren Raumhafen. Alle Tel-Schiffe, die irgendwie bewaffnet waren, hatten das Flugfeld verlassen. Neben den Raumhafengebäuden zeichnete sich nur noch die Kugel der Sternschnuppe ab, die sich mittlerweile in ihren Schutzschirm gehüllt hatte. »Wir müssen sofort mit den Vorbereitungen für die Evakuierung beginnen«, erklärte Archibald. »Wir versammeln uns in zehn Minuten in der Tiefgarage. Alexei...« »Sir?« »Wir nehmen den großen Gleiter. Ich werde die Botschaftsdokumente holen. Jeder nimmt nur die notwendigsten persönlichen Gegenstände mit. Wir haben keine Zeit zu...« Ein ohrenbetäubendes Krachen unterbrach den Botschafter. Heftige Erschütterungen ließen den Boden erzittern. Daguerre fiel hart zu Boden. Seine durchgestylte Frisur hing ihm wirr ins Gesicht. Ein Stuhl flog durch den Raum und krachte gegen die Wand. »Verdammt, was...« »Sehen Sie nur!« Janet Gilden wies aus dem Fenster. Über dem Raumhafen stand eine gigantische Feuerlohe. Ein Großkampfschiff der Tels hatte sich in die Anlage gegraben. Die Luft waberte von der Hitze der Explosion. Zahllose Gebäude brannten. Man konnte die verzweifelten Bemühungen der Löschtruppen genau
beobachten. »Die RAMIREZ?« »Das Schiff scheint unbeschädigt!« Die Sternschnuppe stand in der Tat immer noch in ihren Schutzschirm gehüllt am Rande des Raumhafens. Archibalds Blick ging nach oben. Lichtblitze durchzuckten den Himmel. Glühende Trümmerstücke rasten durch die Atmosphäre, lange Feuerfackeln hinter sich herziehend. Mit aufgerissenen Augen erblickte der Botschafter ein weiteres Tel-Schiff, das, langsam auseinanderbrechend, wie in Zeitlupe dem Boden entgegenfiel. »In die Tiefgarage!« stieß er hervor. Die Lähmung, die alle erfaßt hatte, löste sich. Rasch und entschlossen hasteten die Männer und Frauen die Etagen hinunter in die Tiefgarage. Ihnen begegneten nur zwei weitere orientierungslose TelSoldaten, die schnell überwältigt waren. Alexei Ogmanow sprang in den schweren Gleiter und aktivierte die Maschine. Die anderen Botschaftsmitglieder folgten ihm rasch. Es war keine Zeit, irgendwelche Dokumente zu retten. »Was ist mit den anderen?« schrie Daguerre aufgebracht. Erneut erklangen ohrenbetäubende Detonationen. Archibald wies auf den zweiten großen Gleiter, der unter einer zusammengestürzten Wand begraben lag. »Wir können auf niemanden warten!« rief er zurück und trieb seine Mitarbeiter an. »Wir passen kaum alle in diesen Gleiter. Jeder muß sich selbst retten!« Eine erneute Explosion erschütterte den Boden. In den Wänden der Garage bildeten sich Risse. Insgesamt hatten es zwölf Terraner in den Gleiter geschafft. Ein unheilvolles Knirschen erklang. Ogmanow riß den Steuerhebel an sich. Der Gleiter jaulte auf und sprang durch das geöffnete Garagentor die Betonrampe hinauf. Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit raste das schwere Fahrzeug in die Luft.
Jetzt konnten alle wieder das Ausmaß der Zerstörungen sehen. Weitere Tel-Kreuzer der schwersten Klasse waren auf den Planeten abgestürzt, oft in Einzelteilen. Ganz Cromar schien von ihrer Warte aus in Flammen zu stehen. Hektisch eilten Hilfsmannschaften umher. Der Gleiter nahm Kurs auf den Raumhafen. Archibald hieb auf das Vipho. Ein von Störungen unterbrochenes Bild von Captain Darian erschien auf dem kleinen Bildschirm. »RAMIREZ, wir sind auf dem Wege zu Ihnen!« rief Archibald. »Alles ist für einen Alarmstart bereit. Wir müssen uns...« Das Bild des Funkoffiziers verschwand. »Oh mein Gott...«, stieß Ogmanow aus und wies nach vorne. Ein großer, schwarzer Ringraumer stieß auf die verwüstete Raumhafenanlage hinab, unablässig um sich feuernd. Jagdflieger der telschen Bodentruppen rasten todesmutig auf den Angreifer zu und verwandelten sich im Abwehrfeuer des Feindes in flammende Feuerbälle. Das Intervallfeld des Ringraumers wurde erheblich belastet, als einige Bodenbatterien das Feuer eröffneten, doch dann stieß ein weiterer Ringraumer herab und unterstützte den Angriff. Explosionen und Brände zeugten vom Ende der meisten Bodenbatterien. Der Widerstand der Tels wurde zunehmend vereinzelt und sporadisch. Und dann glitt ein Ringraumer auf die abwartende RAMIREZ zu. Er schien für eine Sekunde innezuhalten, so daß Archibald schon hoffte, das kleine Schiff würde verschont bleiben. Dann sah er Flammenzungen aus den Triebwerken der Sternschnuppe schlagen. Captain Darian versuchte den Alarmstart. Das kleine Kugelschiff aus der Hinterlassenschaft der Giants kletterte langsam in die Höhe. Ein Strahlengewitter aus dem Ringraumer schlug in den Schutzschirm. Wie eine
Feder wurde die Sternschnuppe aus dem Kurs gerissen. Der Schirm zerplatzte wie eine schillernde Seifenblase. Archibald sah, wie die Besatzung das Schiff verzweifelt herumriß und die schwache Armierung das Feuer auf den Ringraumer eröffnete, dann zerbarst die RAMIREZ in einer einzigen, gigantischen Explosion und ihre Trümmer regneten auf die zernarbte Oberfläche des Raumhafens hinab. »Das hat keiner überlebt...«, flüsterte Janet Gilden und starrte entsetzt auf die herabfallenden Metallteile. »Das hat keiner überlebt...« Captain Darian barg sein Gesicht in den Händen. Seine Schultern bebten. Daguerre starrte ihn blicklos an. Sir Archibald schluckte trocken und faßte sich. »Ogmanow... zurück zur Botschaft. Das scheint der sicherste Ort zu sein.« Der Pilot hatte bereits gehandelt und den Gleiter herumgerissen, als die RAMIREZ explodiert war, um dem Trümmerregen zu entgehen. Die Ringraumer schienen den Gleiter nicht als lohnenswertes Ziel zu sehen, vor allem, da erneut einige telsche Jagdflieger auf die Angreifer zuflogen und diese, wenngleich vergeblich, unter Feuer nahmen. Ogmanow beschleunigte den Gleiter hart und sie kehrten ohne Blessuren in die Botschaft zurück. Die Männer und Frauen sprangen aus dem Fahrzeug, sobald es den Boden berührt hatte. Sie wußten, daß jetzt nur noch der kleine Schutzraum des Gebäudes wenigstens etwas Sicherheit bieten würde. Sie verließen eilig die Tiefgarage und betraten den Raum, der wohlweislich beim Einzug in das Gebäude eingebaut worden war. Kraftlos hockten sich die Terraner auf den Boden. Der Schock des plötzlichen Endes der RAMIREZ saß noch allen in den Knochen. »Verdammt«, murmelte Steinbrecher und schüttelte unentwegt den Kopf. »Was hat das alles nur zu bedeuten?« Er
stolperte. Auf den zweiten Blick erkannte er die verrenkte Gestalt eines toten Terraners, der unter einem Trümmerstück begraben lag. Er hielt einen Augenblick inne, dann erblickte er eine zweite Leiche. Mühsam stützte er sich an eine Wand, dann riß ihn der Botschafter weiter. Der alte Mann schien über unerschöpfliche Energien zu verfügen. »Woher kommen diese Ringraumer?« fragte Daguerre. Von seinem gepflegten Äußeren war nichts übriggeblieben. »Ich habe sie mir genau angesehen. Keine terranischen Hoheitszeichen. Mal ganz abgesehen davon, daß die TF niemals so einen Schwachsinn abziehen würde...« »Nein, keines unserer Schiffe«, bestätigte Archibald. Er hielt sein Vipho vor Augen und versuchte, eine Verbindung zu einer Tel-Behörde oder einem Nachrichtenkanal zu bekommen. Doch alle Leitungen waren tot. »Aber ich habe so die dumpfe Ahnung, daß die Tels diesen feinen Unterschied nicht machen werden.« Steinbrecher sah auf. »Wie bitte? Das waren doch eindeutig nicht wir! Und die RAMIREZ... würden wir denn unsere eigenen Leute töten...« »Nein, aber das wissen wir. Die Tels würden ohne Skrupel eigene Schiffe bei einem Angriff opfern. Ganz abgesehen davon dürften die wenigsten das Schicksal der RAMIREZ mitbekommen haben. Als sie abgeschossen wurde, war der Raumhafen bereits ein Trümmerfeld. Ich glaube nicht, daß die Tels diesem Vorgang eine allzu große Aufmerksamkeit geschenkt haben.« »Trotzdem...«, begehrte Janet Gilden auf. »Trotzdem«, beharrte Archibald, »bin ich der Ansicht, daß die Tels sehr schnell einen Sündenbock brauchen. Und wer fliegt bekanntermaßen Tausende von Ringraumern in der Galaxis herum? Die TF. Da liegt der Schluß doch nahe...« Steinbrecher begann wieder mit dem Kopfschütteln. Janet
Gilden sah Archibald fragend an. »Das bedeutet ja, daß auch wir hier...«, hob sie an. Archibald nickte. »Sicher. Auf unseren diplomatischen Status würde ich keinen Pfifferling mehr geben. Aber wir sind ja sowieso wegen Hochverrats verhaftet worden. Dann macht das hier auch nichts mehr!« Entmutigt schwiegen die Terraner. Draußen hörte man dumpf Explosionen und Kampfeslärm. Es bestand kein Zweifel darüber, wie die Schlacht ausgehen würde. Die Tels verloren an allen Fronten. Dann, nach einer weiteren Stunde, endete die Geräuschkulisse plötzlich. Alle hoben den Kopf. »Was ist passiert?« Archibald aktivierte sein Vipho. »Der Kampf scheint vorbei zu sein. Moment, unsere Ortungsanlage läuft noch... ich bekomme eine Verbindung... ah! Scheint, daß die TF eingegriffen hat! Die feindlichen Ringraumer fliehen aus dem Cromar-System! Die Schlacht ist vorbei!« Janet Gilden lachte erleichtert auf. »Dann haben wir ja auch nichts mehr zu befürchten!« »Da wäre ich mir nicht so sicher!« Alle Köpfe fuhren herum. In der Tür zum Schutzraum stand ein uniformierter Tel mit dem Blaster im Anschlag. Ohne Zweifel ein Offizier der Streitkräfte. »Sie alle sind verhaftet.« Archibald schob sich nach vorne. »Ich bestehe auf unserem diplomatischen Status! Ich bin der...« »Ich weiß, wer Sie sind«, unterbrach der Tel-Offizier unwirsch. »Und ich habe Order, Sie alle unter Arrest zu stellen. Beim geringsten Zeichen eines Widerstandes habe ich Befehl, von der Waffe Gebrauch zu machen!«
Archibald warf Ogmanow einen warnenden Blick zu. Dieser hatte sich bereits darauf vorbereitet, sich auf den Tel zu werfen. Mürrisch entspannte er sich wieder. »Gut, wir kommen mit!« erklärte Archibald. »Ich wünsche aber, sofort mit den entsprechenden Behörden in Kontakt zu kommen!« Der Offizier grinste kalt. »Ich befürchte, Botschafter, daß Ihre Wünsche hier niemanden mehr interessieren...« *** Gegenwart: Irgendwo auf Cromar Die gleiche bedrückte Stimmung wie in der Zelle der Terraner herrschte nur wenige Meter entfernt, jedoch von den Terranern durch starke Stahlbetonmauern getrennt. Wieder eine Gruppe von Humanoiden, die in einer großen Gemeinschaftszelle saßen und vor sich hin brüteten. In ihrer Mitte Wer Dro Cimc, der ehemalige Befehlshaber der telschen Flotte und eine der wichtigsten Führungspersönlichkeiten im Imperium. Zumindest war er das gewesen. Dro Cimc war nie mit den Maßstäben anderer Tels zu messen gewesen. Als Flottenoffizier herausragend, hatte er sich stets einen kritischen Geist und eine schnelle, vorurteilslose Auffassungsgabe bewahrt. Dies hatte ihm geholfen, die anfänglichen Mißverständnisse im Umgang mit den Terranern zu bewältigen. Als er erkannt hatte, daß nur Zusammenarbeit den Völkern der Milchstraße helfen konnte, die nahenden Gefahren zu bekämpfen und das gemeinsame Überleben zu sichern, war er zu einem Advokaten der vorsichtigen Kooperation mit den Terranern geworden. Ein Standpunkt, der ihn innerhalb der Tel-Elite immer zu so etwas wie einem
Außenseiter gemacht hatte. Seine ganze politische wie militärische Karriere nach dem ersten Kontakt mit den Terranern war ein Drahtseilakt gewesen – und nun schien es, als sei er abgestürzt und das rettende Netz hatte viele Löcher. Cimc sah auf eine der Pritschen, auf der sein Vater erschöpft lag und schlief. Einige andere Tels, enge Mitarbeiter, die wenigen Vernünftigen, die die vorausschauende Klugheit in Cimcs Konzept gesehen hatten und nun sein Schicksal teilten. Obgleich alle hier Anwesenden den Angriff der Ringraumer auf Cromar mitbekommen hatten, glaubte niemand der festgesetzten Sympathisanten Cimcs, daß die Terraner dahinter steckten. »Wahrscheinlich«, dachte Cimc bei sich, »glaubt nicht einmal die Regierung daran. Das alles kommt viel zu passend, um die alte Feindschaft zu den Terranern wieder aufleben zu lassen. Hoffentlich machen die Terraner jetzt keinen Fehler.« In den Gesichtern seiner Zellengenossen las Cimc Hoffnungslosigkeit. Auch der Wer selbst, der sonst immer bemüht war, in verfahrenen Situationen Gelassenheit zu zeigen und optimistisch zu bleiben, konnte seine Verzweiflung nicht verhehlen. Die Zellentür öffnete sich. Dro Cimc fuhr hoch. Aller Augen richteten sich auf ihn, als er sich dem Wärter näherte, der scheinbar ungerührt in der Türöffnung stand und eine Waffe in den Raum hielt. Als sich beide Männer gegenüberstanden, blieben sie eine kurze Zeit reglos und stumm stehen. Dann ergriff der Wärter mit einem abfälligen und schadenfrohen Unterton das Wort. »Verräter, ich bin beauftragt euch mitzuteilen, daß die weißen Teufel, die auf Cromar festgesetzt wurden, den Wonnen des Abgrundes überantwortet werden. Da bekannt ist, welchen Wert ihr euren terranischen Freunden beimeßt, habt
ihr das Vergnügen, ihnen daraufhin auf diesem Weg zu folgen. Ihr solltet euch bereithalten. Es wird nicht mehr lange dauern.« Der Wärter warf Cimc einen letzten, abschätzenden Blick zu und schloß die Kerkertür. Für einen Augenblick regte sich niemand. Dann wandte sich Cimc um. Er nickte schwach und sah seine Mitgefangenen an. Sie alle hatten mit nichts anderem gerechnet. »Die Terraner werden die Hinrichtung des Botschaftspersonals als Kriegserklärung werten«, meinte ein junger Mitarbeiter des Wers. Cimc nickte abermals. »Ich hoffe allerdings«, antwortete er leise, während er zur Pritsche seines immer noch schlafenden Vaters zurückkehrte, »daß die Terraner diese Dummheit nicht machen werden. Ren Dhark ist sicher zu vernünftig, als daß er deswegen das Leben von Millionen aufs Spiel setzen würde. Nur das Verhältnis zwischen Tels und Terranern wird auf lange Zeit hin tief erschüttert sein.« Cimc seufzte. »Das wird mein Problem aber nicht mehr sein...« *** Nur wenige hundert Meter entfernt hatte sich eine weitere Gruppe zusammengefunden, diesmal aber freiwillig. Ein schmuckloser Raum, funktional eingerichtet mit einem mächtigen Konferenztisch in der Mitte, gefüllt mit etwa 30 Tels, die von den Terranern die »Schwarzen Weißen« genannt wurden. Die Haltung der Tels war gespannt, jedoch nicht aufgeregt. Die Gesten ruhig und wie abgemessen. Gespräche wurden nur leise, jedoch nicht flüsternd geführt. Eine Atmosphäre gespannter Erwartung und Entschlossenheit war spürbar. Hin und wieder warfen die Tels einen Blick auf die Erscheinungen am Kopfende des Tisches: Zwei in
Energieschirme gehüllte Gestalten, deren Konturen kaum erkennbar waren und deren Stimmen durch Vocoder verzerrt wurden. Sie beteiligten sich wie beiläufig an den Gesprächen der Runde, warfen hin und wieder einen kurzen Kommentar ein, schienen die Szenerie mehr gelangweilt denn interessiert zu betrachten. Doch daß sie mehr waren als bloße Beobachter, zeigte die Aufmerksamkeit, mit der ihre knappen Bemerkungen von den versammelten Tels zur Kenntnis genommen wurden. Es waren nicht nur die Energieschirme, die die beiden verschwommenen Figuren auszeichneten. Wer genauer hinhörte und die Haltung der Versammelten studierte, mußte rasch zur Erkenntnis kommen, daß hier nicht nur etwas sehr wichtiges, ja entscheidendes besprochen wurde, sondern auch, daß die beiden Humanoiden am Kopfende des Tisches das Gespräch in der Hand behielten, es subtil steuerten, jedoch an ihrer Autorität zu keinem Zeitpunkt einen Zweifel ließen. Für einen Augenblick verebbte das geschäftsmäßige Gehabe der Tels. Eine der beiden Gestalten hinter den Energieschirmen erhob das Wort. »Wir sind damit wohl am Ende unserer Planungen angekommen«, meinte die verzerrte Stimme. »Die Transmitter werden von Gruppe A bereitgestellt. Wir wünschen, daß die technischen Voraussetzungen für den Plan hundertprozentig in Ordnung sind. Es darf keine banalen Pannen geben, die unseren Zeitplan und die anderen Vorbereitungen in Probleme bringen könnten.« Einer der Tels fühlte sich offenbar angesprochen. Er nickte knapp. »Dabei ist besonders die Anwendung der rakischen Technik zu beachten. Wenn es da zu Schwierigkeiten kommt, ist das ganze Unternehmen gefährdet. Sind die zugeteilten Spezialisten gut eingewiesen?« »Alles ist vorbereitet. Es wird keinerlei Probleme geben.«
Die Gestalt unter dem Energieschirm bewegte sich. »Ausgezeichnet. Durch den Einsatz dieser Technologie werden wir nicht nur die Schutzfelder und Transmitter manipulieren können, sondern uns auch die Sicherheitskräfte lange genug vom Hals halten können. Wir müssen aber subtil vorgehen. Es darf niemand zu früh von unseren Machtmitteln erfahren.« Einer der Tels nickte zustimmend. »Wie ist die Situation der Terraner?« war die nächste Frage aus dem Energieschirm heraus. »Alle Angehörigen der terranischen Mission sind im gleichen Zellenblock untergebracht und können miteinander kommunizieren. Wir haben eine direkte Zuschaltung zu den Überwachungskameras, wenn es gewünscht wird...« Wieder bewegte sich die Gestalt. »Nein, die Auskunft genügt. Sie selbst werden diesen Abschnitt des Unternehmens leiten?« Der Tel, der zuletzt gesprochen hatte, nickte zustimmend. »Das ist kein Problem. Die Terraner ahnen, daß für sie die Wonnen des Abgrunds vorgesehen sind. Ich denke nicht, daß es ein Problem geben wird. Wir werden die Gefangenen durch unseren Gewährsmann vorher benachrichtigen, ohne daß die Abhöranlagen des Kluis etwas davon merken. Die Terraner werden die Nachricht intern schon irgendwie weitervermitteln. Wir haben genug Wachen auf unserer Seite. Es wird keine Zwischenfälle geben.« Für einige Sekunden herrschte erwartungsvolles Schweigen. Die beiden Gestalten bewegten ihre Arme, die sich undeutlich hinter den Schirmen abzeichneten. »Große Zeiten brechen an. Der Angriff der Ringraumer war für uns mehr als nur ein Signal, es war eine Herausforderung und ein Fingerzeig des Schicksals. Die Phase langwieriger Vorbereitungen hat ein Ende gefunden. Zahlreiche Risiken
sind eingegangen worden, doch wir alle wissen, wofür wir kämpfen und welchen guten Zielen wir dienen. Die Vorbereitungen sind abgeschlossen und ich muß sagen, es ist alles zu unserer größten Zufriedenheit verwirklicht worden. Wir können befriedigt über unsere bisherige Leistung sein und wir werden Stolz über unsere zukünftigen Taten empfinden. Jetzt wird es Zeit, den Plan in die Realität umzusetzen.« Kein Beifall, keine zustimmenden Äußerungen. Die Runde löste sich leise und diszipliniert auf und die Tels trennten sich zielstrebig voneinander. Die Zeit des Wartens schien ein Ende zu haben. *** Vergangenheit: Wanguun, irgendwo auf Cromar Wegt Ztaris Vater war ein Kewir gewesen, einer jener hoch angesehenen Flottenoffiziere des Tel-Imperiums. Die Karriere des Vaters hatte das Leben der Familie Ztari bestimmt, von der Geburt Wegts bis hin zum plötzlichen Tode seines Vaters, der bei einer Flottenexpedition ums Leben gekommen war. Wegt hatte nur undeutliche Erinnerungen an ihn, denn als er starb, war der kleine Junge gerade erst acht Jahre alt gewesen. Er hatte seinen Vater als großen, breitschultrigen Mann in Erinnerung, der die Uniform der Flotte mit Stolz und Würde getragen hatte. In den wenigen Stunden, die er mit seinem Sohn hatte verbringen können, war immer die Rede von Stolz, Ehre und Würde gewesen, und Wegt hatte niemals etwas anderes tun können, als den Vorträgen seines Vaters mit Respekt und in aller Ruhe zu folgen, ohne wirklich zu verstehen, wovon er eigentlich sprach und was das mit Wegts Leben zu tun haben sollte. Wegts Mutter störte ihren Mann in seinen Reden nicht. Er
war selten genug Zuhause und da war jede Minute, die der Junge mit ihm verbringen konnte, nur zu kostbar. Obgleich sie befürchtete, daß Wegt durch die Lehren seines Vaters den gleichen Weg gehen und in die Flotte eintreten würde, blieb sie schweigsam. Doch ihre Befürchtungen sollten sich als unbegründet herausstellen. Nach dem Tode des Vaters zogen Wegt und seine Mutter nach Wanguun, einer mittleren Großstadt auf Cromar, fast genau auf der vom Kluis abgewandten Seite des Planeten. Wegt wuchs sehr behütet auf, was ihm jedoch nicht zum Nachteil gereichte. Sohn eines im Dienst verstorbenen Kewirs zu sein, bewirkte einige Vorteile in der Tel-Gesellschaft, die Wegt anfangs auch gerne ausnutzte. Da er sich in der Schule früh als kluger Kopf entpuppte, gewann er ein Stipendium der Raumakademie für ein Studium, das er mit großem Eifer begann. Seine Beurteilungen waren durchweg positiv, vor allem, da er sich in vielen Fächern auszeichnete. Als die Flotte mit dem Angebot an ihn herantrat, die Offizierslaufbahn einzuschlagen, lehnte Wegt ab. Seine Mutter, zu diesem Zeitpunkt schon sehr alt, hörte das mit Erleichterung. Seine Lehrer jedoch weniger. Sie beobachteten den herausragenden Studenten etwas mißtrauischer. Obgleich er sich weiterhin in seiner Karriere auszeichnete, schien er in seinem Privatleben weniger auffällig zu sein. Nicht, daß in der stark reglementierten und von unzähligen Verordnungen und Gesetzen beherrschten Gesellschaft der Tels viel Freiraum für persönliche Extravaganzen bestanden hätte. Doch Wegt beteiligte sich weder an den üblichen Studentenritualen, noch an den moderaten Exzessen, die man Studenten gemeinhin mehr oder weniger wohlwollend nachsah. Er schien jenseits der Universität gar nicht zu existieren. Durch Zufall kam man schließlich dahinter, daß er einem
Gesprächszirkel um den Philosophieprofessor Angt Dokar angehörte. Dokar war vor vielen Jahren aufgrund seiner defätistischen Äußerungen zur Politik des Imperiums aus dem Lehrdienst entlassen worden. Er hatte unhaltbare Behauptungen aufgestellt: Etwa, daß die Tels nicht die überlegenste Rasse im Universum seien, das Imperium nicht die mächtigste Kraft der Galaxis und daß die Innenpolitik des Reiches zuwenig Freiheit einräume und von ihren Bürgern zu viele Opfer abverlange, für die es keine angemessene Entschädigung gäbe. Nach seiner Entlassung hatte Dokar als Kellner in einer kleinen Bar gearbeitet und um sich einen kleinen Kreis von freien Geistern geschart, die sich einmal im Monat im Hinterzimmer der Bar trafen, um ungezwungen über die politischen und gesellschaftlichen Zustände im Imperium zu sprechen. Und Wegt war bei diesem Gesprächszirkel gesehen worden – und das nicht nur einmal. Als diese Tatsache in der Beurteilung des Studenten auftauchte, wurde rasch deutlich, daß der Geheimdienst das schon lange gewußt hatte. Die Universitätsoberen beschlossen, an Wegt ein Exempel zu statuieren. Er wurde aus allen Seminaren ausgeschlossen, seine bereits erbrachten Zeugnisse ihm wieder aberkannt. Er erhielt eine Zulassungssperre für jede Universität des Imperiums. Seine Mutter starb vor Kummer, als sie diese Nachricht hörte. Wegt Ztari schien diese Neuigkeit unbewegt entgegenzunehmen. Er verschwand von der Oberfläche und begann, als Aufseher in der Nachtschicht einer Robotfabrik zu arbeiten, die landwirtschaftliche Geräte herstellte. Es war ein kühler Morgen, als Wegt Ztari wieder eine Schicht beendet hatte. Seine Lippen umspielte ein leichtes Lächeln, als er in der Ferne den goldenen Lichtschein der immer noch ausbrennenden Trümmer all jener Gebäude sah,
die bei dem mörderischen Angriff der fremden Ringraumer zerstört worden waren. In seinen Augen war dieser Überfall die gerechte Strafe des Schicksals, das von den Tels in ihrer Arroganz mehr als einmal herausgefordert worden war. Ihm war klar, daß die Behauptungen der Regierung, die Terraner stünden hinter dem Überfall, völlig aus der Luft gegriffen waren. Er hatte, kurz nachdem die terranische Botschaft in der Hauptstadt eingerichtet worden war, an einer öffentlichen Veranstaltung der Terraner teilgenommen und war einer der wenigen Gäste gewesen, die nicht dem Geheimdienst oder der Propagandaabteilung zugehörig gewesen waren. Was der terranische Botschafter über die Politik Ren Dharks dargelegt hatte, war völlig anders gewesen als alles, was die telsche Regierung dazu hatte verlautbaren lassen. Da Wegt so seine Erfahrungen mit der Regierung gemacht hatte, schloß er daraus, daß die Worte des terranischen Botschafters der Wahrheit zumindest näher waren als die offizielle Version der Regierung. Einige Wochen später hatte diese dem Botschafter öffentliche Auftritte ohne vorherige Genehmigung verboten – die seitdem nie mehr erteilt worden war. Wegt hatte das wenig verwundert. Er warf einen letzten Blick auf die noch brennenden Gebäude der Stadt. Sein Viertel war von den Angriffen weitgehend verschont geblieben, und da auch seine Fabrik nichts abbekommen hatte, ging er wie immer seinem Tagwerk nach. Er hatte festgestellt. daß die Schatten, die ihn hin und wieder verfolgten, seit dem Überfall der Ringraumer verschwunden waren. Wahrscheinlich hatten die staatlichen Organe jetzt besseres zu tun, als sich um einen unwichtigen Dissidenten zu kümmern. Wegt konnte das nur recht sein. Heute abend war wieder ein Treffen des »Kreises«. Er konnte an diesen Zusammenkünften nur selten teilnehmen, da er unter Beobachtung stand und seine Freunde
nicht kompromittieren wollte. Wenn der »Kreis« Bestand haben sollte, mußte man sehr vorsichtig sein. Doch seit Tagen war niemand mehr von den Ordnungskräften auch nur in seine Nähe gekommen. Wegt war sich sicher, heute abend das Treffen ungestört und ohne Probleme für seine Freunde besuchen zu können. Wegt hatte es nicht weit bis zu seiner kleinen Wohnung. Sie lag in einem der tristen Mietshäuser, die von der Regierung für die Unterschichten hochgezogen worden waren. Einheitswohnungen für die fleißigen Ameisen, die ohne zu murren das Tel-Imperium am Leben erhielten. Der Aufzug glitt in die Höhe, in den sechzehnten Stock, in den grauweiß gestrichenen Gang, von dem sich seine Wohnungstür nur durch eine Nummer abhob. In dem Gang lebten zwölf Parteien und Wegt kannte niemanden mit Namen. Müde Gesichter am Morgen, müde Gesichter am Abend. Ein Nicken, ein knapper Gruß, ein Wort über das Wetter. Mehr sprach man nicht. Wegt war das recht, denn er lebte in einer anderen Welt als seine Nachbarn. Die Einheitswohnung war genauso geschnitten wie alle anderen, zwei Räume, eine Naßzelle, eine Küchenecke, die Standardausführung für Junggesellen. Anders als in den meisten Wohnungen dieser Art dominierte hier nicht der Bildschirm des Fernsehnetzes, sondern eine Vielzahl von Büchern. Wegt war ein leidenschaftlicher Sammler von Büchern, und als die Ringraumer Cromar angegriffen hatten, war seine erste Befürchtung gewesen, seine Bücher wären dem Angriff zum Opfer gefallen. Bücher waren auf Cromar eine Seltenheit, was nicht zuletzt daran lag, daß sie sich der zentralen Erfassung durch den Kluis entzogen und manchmal Dinge enthielten, die eigentlich unter Verschluß gehörten. Wegt hatte viele Bücher, die eigentlich unter Verschluß gehörten. Einen guten Teil davon hatte er von Angt Dokar
erhalten, bevor dieser in einer Nacht vor zwei Jahren den Entschluß gefaßt hatte, aus dem Leben zu scheiden und Selbstmord zu begehen. Wegt hatte sich viele der alten, schweren Bände sichern können, ehe die Sicherheitskräfte die Wohnung des alten Mannes hatten ausräumen können. Er konnte tagelang nur über die Lederrücken streichen und sich am Knistern der Seiten erfreuen. Bücher waren eine Seltenheit im multimedialen Zeitalter und kaum noch jemand druckte sie. Doch das Gefühl, über die Blätter zu streichen und den Duft von Literatur einzuatmen, konnten Chips und Lesespulen niemals ersetzen. Wegt warf sich in einen Sessel und entspannte sich kurz. Dann nahm er ein rasches Abendessen zu sich, duschte und zog sich um. Kaum eine Stunde, nachdem er seine Wohnung betreten hatte, war er wieder auf dem Weg in die nächtliche Stadt hinaus, auf dem Weg zum Treffpunkt des »Kreises«. Der »Kreis« bestand aus einer informellen Gruppe von etwa zwanzig Tels, die aus den unterschiedlichsten Gründen innerlich mit der vorherrschenden Lebensphilosophie des Imperiums gebrochen hatten. Abgehalfterte Offiziere, verbitterte Politiker, uneinsichtige Akademiker, einige rebellische Studenten – alles in allem nicht viele Tels, aber zumindest welche, die sich die Freiheit ihrer Gedanken bewahrt hatten. Die Gruppe traf sich an verschiedenen Orten, um zu diskutieren und die Atmosphäre von Offenheit und Disput zu genießen. Heute abend war der Treffpunkt die Kantine einer stillgelegten Produktionsanlage. Ein Mitglied des Kreises war dort als Hausmeister beschäftigt und konnte den Mitgliedern Einlaß gewähren. Wegt war pünktlich, genauso wie alle anderen. Niemand wollte etwas von der kostbaren Zeit verlieren, die man zusammen verbrachte. Nach einer allgemeinen, freundlichen Begrüßung erhob der
inoffizielle Vorsitzende, Smac Utgat, das Wort. Smac war der Älteste von allen, ein Archivar in einem Historischen Institut der örtlichen Universität, der allgemein nur als wunderlich und harmlos galt – ein Image, daß er zu pflegen verstand und sich dadurch offenbar die Sicherheitskräfte vom Leib gehalten hatte. »Liebe Freunde, ich habe in den letzten Tagen beunruhigende Nachrichten gehört«, hob er an und hatte die ungeteilte Aufmerksamkeit der Anwesenden. »Unser Freund Tekd wird uns mehr darüber berichten.« Tekd Mfasl, ein ehemaliger Offizier der Flotte, unehrenhaft entlassen aufgrund der Äußerung einer kritischen Meinung über den Kluis, erhob sich. Die straffe, muskulöse Gestalt strahlte noch immer Autorität und ungebeugten Willen aus, obgleich Tekd sein Dasein als Fahrer eines Überlandgleiters im Massentiertransport fristete. »In der Tat habe ich beunruhigende Nachrichten für uns. Wie alle wissen, habe ich noch so manchen alten Kontakt in der Flotte und der militärischen Hierarchie. Ich habe nun Dinge gehört, die mich nicht froh stimmen. Wenn die Gerüchte stimmen, die mir zugetragen wurden, dann steht uns ein Putsch bevor.« Für einen Augenblick herrschte atemlose Stille. Auch Wegt schwieg erschüttert, dann raffte er sich auf. »Ein Putsch? Gegen die derzeitige Regierung? Das verstehe ich nicht! Wer könnte Interesse haben...« »Ich habe keine Ahnung!« gestand Tekd. »Doch wenn ich das richtig mitbekommen habe, stehen dahinter Kräfte, die die derzeitige Regierung für zu schwach, rücksichtsvoll und liberal halten!« Damit hatten sich die schlimmsten Befürchtungen Wegts bestätigt. Er hatte kaum damit gerechnet, eine Gruppe liberaler Offiziere würde sich zu einer solchen Maßnahme durchringen
– vor allem deswegen nicht, weil allgemein bekannt war, daß die einzigen Militärs, die dieses Attribut verdienten, um Wer Dro Cimc zu finden waren, den die Regierung kaltgestellt hatte. Auf der reaktionären Seite war aber offenbar noch Spielraum... das konnte nur eine echte Katastrophe für das Imperium nach sich ziehen. »Hast du etwas über die Planungen erfahren können?« fragte jemand aus der Gruppe. Der ehemalige Offizier machte eine verneinende Geste. »Es ist wirklich nur ein Gerücht, dafür aber ein hartnäckiges«, erklärte er. »Ich weiß nicht, wer dahintersteckt, warum und wann die Sache starten soll und welche Erfolgschancen es geben könnte. Ich weiß nur, daß es, wenn es wahr ist, eine Wende zum Schlechteren darstellt.« »Als ob das noch möglich wäre...«, murmelte einer. »Es ist möglich!« erhob Wegt seine Stimme. Er stand auf. »Machen wir uns doch bitte nichts vor. Die Tatsache, daß wir hier sitzen und reden können, hat nicht zuletzt mit der Taktik der derzeitigen Regierung zu tun, kleinere Gruppen von Andersdenkenden ruhig gewähren zu lassen, solange sie sich nicht gegen die herrschende Ordnung verschwören. So behält man uns unter Kontrolle und wir beschränken unsere Energie auf unsere Treffen, die schwierig genug zu organisieren sind. Wir alle haben Familie... zumindest die meisten von uns... und kaum einer von uns wird etwas anderes wagen, als hier einmal in der Woche ein paar Kommentare abzugeben. Selbst damit gehen viele von uns schon ein unkalkulierbares Risiko ein. Doch was wird passieren, wenn es einen Putsch gibt, der von noch radikaleren Kräften durchgeführt wird?« Ihm antwortete Stille. Doch das Schweigen war beredt, das konnte Wegt an den Gesichtern seiner Freunde erkennen. In allen machte sich die Erkenntnis breit, daß man dann nicht mehr sicher war. Niemand von ihnen.
Tekd ergriff erneut das Wort. »Damit hat Wegt mehr als recht!« bekräftigte er. »Und wenn ich Euch allen einen Rat geben darf: Sobald Ihr hört, daß dieses Gerücht Gewißheit geworden ist... versucht, so schnell wie möglich zu verschwinden und irgendwo unterzutauchen. Trefft sicherheitshalber entsprechende Vorbereitungen. Man kann jetzt nicht vorsichtig genug sein.« Ein paar zögerliche Gesten zeigten Wegt, daß manche sich mit dieser Idee nicht recht anfreunden wollten. Niemand hier war ein Held. Für manche war es die mutigste Tat in ihrem Leben gewesen, zu einer Sitzung des »Kreises« zu erscheinen. Wegt fühlte, wie in der Gruppe Unruhe entstand, Unwillen und Unglaube. Doch er wußte auch, daß Tekd mit jedem seiner Worte die Wahrheit gesprochen hatte. Und er wußte, daß diese Worte nicht zuletzt auch ihn selbst betrafen. *** Gegenwart: TF-Ringraumerflotte, auf dem Weg nach Cromar Es war eines dieser Erlebnisse, von denen man zwar gelesen, die man aber nie selbst zu erfahren erträumt hatte. Noch vor wenigen Stunden hatte Anna Bulgakowa sich in die Sessellehne ihres Kommandantenstuhls gekrallt und den sicheren Tod in einer Dunkelsonne erwartet, den die SUZANNE VEGA und alle anderen Schiffe der terranischen Ringraumerflotte zu ereilen schien, und dann waren die Synties aufgetaucht und hatten wieder etwas Magie spielen lassen! Magie im 21. Jahrhundert. Anna Bulgakowa war nie eine besondere Sympathisantin der Synties gewesen. Sie gehörte zu den
Raumschiffkommandanten der TF, die den »galaktischen Geleetropfen«, wie sie spöttisch genannt wurde, immer eine gehörige Portion Mißtrauen entgegengebracht hatten. Manchmal schienen sie segensreich für die Menschen zu wirken, doch ein andermal wurden Ereignisse bekannt, die ihre Taten und ihre Absichten in einem Zwielicht erschienen ließ. Doch diesmal hatten sie wieder ihre außergewöhnlichen Kräfte zugunsten der Menschheit spielen lassen, und Anna Bulgakowa konnte nicht anders, als außerordentlich erleichtert zu sein. Und dankbar, wenngleich ihr das nicht unbedingt behagte. Sie hatten nicht viel Zeit für die Äußerung ihrer Gefühle gehabt – weder auf der SUZANNE VEGA, noch auf den anderen Schiffen der TF. Kaum hatten die Synties sie vor dem Ende in der Dunkelsonne gerettet, hatte die Flotte Kurs auf Cromar genommen, um den Tels im Kampf gegen die fremden, geheimnisvollen Ringraumer zu unterstützen, die mordend durch die Galaxis zu ziehen schienen. Andere Einheiten der TF mochten Cromar bereits erreicht haben, doch die Meldungen erschienen widersprüchlich und die Flottenführung nahm ihren Auftrag sehr ernst. »Das ist alles völliger Schwachsinn«, erklärte Salvatore Malani, der Ortungsoffizier und haute mit völlig überflüssiger Kraftanstrengung auf seine Tasten. Noom Jin Park, der 1. Offizier des Schiffes, warf ihm einen mißbilligenden Blick zu. »Nun, Malani, welche Laus ist Ihnen über die Leber gelaufen?« fragte die Kommandantin und drehte ihren Sessel in seine Richtung. »Diese Verfolgungsjagd. Diese fremden Ringraumer. Das ist alles völliger Schwachsinn. Egal, was die Ringraumer vorhatten, durch diese Sache mit der Dunkelsonne ist ihr Vorsprung... naja, jedenfalls ziemlich groß. Genug Zeit, irgendeinen Planeten einzuäschern.«
»Wie zum Beispiel Cromar?« Malani nickte heftig. »Cromar oder welche Welt auch immer. Das sind die gleichen Schiffe wie die unseren. Selbst, wenn wir uns mächtig anstrengen, werden wir nur mit großer Mühe...« »Malani! Wir haben einen Auftrag, den Tels zu Hilfe zu kommen. Vielleicht haben bereits andere Einheiten der Flotte...« »Vielleicht!« unterbrach Malani den Einwurf. »Diese Magnetfeldstörungen machen ja kaum eine vernünftige Kommunikation möglich! Was wir jetzt tun sollten, ist lieber nach Hause fliegen und für die Verteidigung der Erde bereitstehen, bevor die bei uns auch noch vorbeikommen.« Park wiegte bedächtig den Kopf. »Ganz so dumm ist das nicht...« »Doch, ist es!« erklärte die Kommandantin bestimmt. »Sogar ziemlich dumm. Wir müssen herausfinden, woher diese Schiffe kommen, wer sie steuert und welche Absichten damit überhaupt verbunden sind!« »Naja«, meinte Park. »Woher sie kommen, dürfte doch relativ klar sein. Es müßte sich um jene Ringraumer handeln, die damals über Babylon verschwunden sind.« Bulgakowa hielt einen Moment inne, schien aber nicht überzeugt. »Dafür gibt es keinen Anhaltspunkt«, sagte sie schließlich. »Letztendlich wissen wir nicht, ob es nicht noch irgendwo anders Depots der Salter gab, die mit Ringraumern gefüllt waren. Wer weiß, vielleicht hat ein anderes Volk es verstanden, sich die Schiffe nutzbar zu machen und eine alte Rechnung mit den Tels zu begleichen.« »Das muß aber eine hohe Rechnung gewesen sein...« »In jedem Falle«, fuhr die Kommandantin fort, »werden wir das nur herausfinden, wenn wir erfahren können, wer auf
diesen Schiffen die Knöpfe drückt. Wer weiß, vielleicht werden wir auch sehr böse überrascht... Grakos, Salter... es könnte jemand sein, den wir nicht erwartet hätten.« »Dann ist es vielleicht sogar besser, wenn wir es gar nicht erst wissen«, orakelte Malani. »Das ist nun völliger Schwachsinn«, erwiderte die Kommandantin sofort. »Wie können wir denn Terra hinreichend verteidigen, wenn wir nicht einmal wissen, gegen wen!?« Malani nickte und schwieg. Auch die Kommandantin widmete sich wieder ihren Kontrollen. Im Verband mit den anderen Schiffen der TF flog die SUZANNE VEGA ihrem nahen Ziel zu. In nur wenigen Minuten würde man Cromar erreicht haben. Anna Bulgakowa sah sich um. Auf den Gesichtern der Zentralbesatzung war gespannte Neugierde zu sehen – und die Bereitschaft, beim entsprechenden Befehl sofort wieder einen Angriff auf die fremden Ringraumer zu versuchen. Von der Flottenführung trafen letzte taktische Daten und Planspiele ein. Anna hielt sie auf Tastendruck bereit. Äußerlich die Ruhe selbst, wühlte in ihr noch das Erlebnis mit der Dunkelsonne und den Synties. Sie ahnte, daß sie dieser Vorfall noch lange nicht loslassen würde. Sehr lange nicht... Doch jetzt gab es vordringlicheres zu bedenken. Die TFSchiffe erreichten mit einem letzten Sprung das Zentralsystem der Tels. Die Ankunft verlief genauso unspektakulär wie scheinbar unbeachtet. Während die terranischen Kreuzer sich vorsichtig Cromar näherten, versuchte die Flottenführung, Kontakt mit der Tel-Regierung aufzunehmen. »Malani, wie sieht es mit den fremden Ringraumern aus?« Der Ortungsoffizier schüttelte den Kopf. »Ich orte zahlreiche Tel-Schiffe... es kommen jede Minute welche dazu. Aber keine Ringraumer. Sie müssen allerdings
hier gewesen sein. Wenn ich das Bild der Fernortung richtig deute, liegt Cromar ziemlich in Schutt und Asche.« »Wie bitte?« »Etwa 10 % der Gebäude der Hauptwelt dürften zerstört sein. Ich orte einige noch nicht eingedämmte Nuklearbrände auf dem ganzen Planeten. Die Zerstörungen finden sich überall... militärische Areale genauso wie zivile Bereiche sind betroffen. Das Gebiet, in dem sich der Kluis, das zentrale Rechengehirn der Tels, befindet, ist durch einen extrastarken Energieschirm geschützt. Dort hat es kaum Zerstörungen gegeben.« Bulgakowa nickte. Sie waren zu spät gekommen... aber hätten sich die fremden Ringraumer mit halber Arbeit zufrieden gegeben? »Ich orte auch Antriebsspuren terranischer Schiffe im System. Offenbar hat es eine Rettungsaktion gegeben.« »Dann sind die Tels ja vielleicht gar nicht so schlecht auf uns zu sprechen!« hoffte Park. »Bis jetzt sind sie gar nicht zu sprechen!« warf der Funkoffizier ein. »Was soll das heißen?« fragte die Kommandantin. »Flottenfunk meldet, daß bisher jeder Versuch der Kontaktaufnahme von den Tels ignoriert wurde. Sehr willkommen scheinen wir hier nicht zu sein!« Anna Bulgakowa beobachtete die Bildschirme. Immer deutlicher zeichneten sich die Ortungsechos eintreffender TelSchiffe ein. Es mußten schon über 1000 Raumer sein, die über Cromar zusammengezogen wurden – und es wurden immer mehr. Eine Reihe der Schiffe näherte sich der Planetenoberfläche, offensichtlich, um an den Löscharbeiten teilzunehmen. »Ich habe mal ein bißchen im Funk der Tels gelauscht«, erklärte der Funkoffizier. »Es scheint so, als würden wir für
den Angriff der Ringraumer verantwortlich gemacht. Der Kluis habe außerdem berechnet, daß unsere Hilfsaktion nur ein Ablenkungsmanöver sei, um unsere Täterschaft zu verheimlichen.« Anna nickte gedankenverloren. »Ich habe noch mehr...«, fuhr der Funkoffizier fort. »Flottenfunk meldet, daß offenbar alle Raumfahrzeuge der Tels, die mit der Waffe Q ausgestattet waren, gezielt von den Ringraumern angegriffen und zerstört worden sind. Damit ist das Angriffspotential der Tels ziemlich zerstört worden.« »Und es wird den Tels ein weiteres Argument geben, daß wir Terraner hinter dem Angriff stecken. Schließlich waren wir es, die das Geheimnis um diese besonders zerstörerische Waffe entdeckt haben. Man wird uns jetzt noch weniger glauben, daß wir nicht hinter der Sache stecken.« »He... die Flottenführung hat Kontakt!«
»Schalten Sie uns rein!«
Der Funkoffizier berührte eine Sensortaste.
»... und wir wiederholen: Wir sind in friedlicher Absicht
gekommen und sind bereit, bei der Beseitigung der Schäden auf Cromar zu helfen. Bitte weisen Sie uns entsprechend ein«, brach die Stimme des Flottenkommandanten aus dem Lautsprecher. Die Antwort der Tels kam sofort. »Die Regierung des Telin-Imperiums weist jedes Hilfsangebot der weißen Affen kategorisch zurück. Es steht außer Zweifel, daß die weißen Affen für die Zerstörungen im Imperium verantwortlich sind. Wir sehen die terranische Flotte als Bedrohung an. Sie muß sofort abziehen.« Anna schüttelte den Kopf. Nichts anderes war zu erwarten. »Ich versichere im Namen der terranischen Regierung, daß wir nichts mit dem Angriff zu tun haben. Die Ringraumer werden von fremden Intelligenzen gesteuert, deren Identität wir nicht kennen. Wir haben alles versucht, einen Angriff auf
die Tels zu verhindern. Wir streben eine friedliche Koexistenz...« »Lügen! Die Tel-Regierung hat aus den Berechnungen des Kluis die Schuld der weißen Affen eindeutig verifiziert. Die terranische Flotte zieht sich umgehend zurück oder wir werden eine neue, vernichtende Waffe gegen sie einsetzen!« »Die bluffen doch«, murmelte Park und tippte sich an die Stirn. »Wenn die so eine tolle neue Waffe haben, warum haben sie die dann nicht gegen die fremden Ringraumer eingesetzt. Spinner!« Die Flottenführung meldete sich wieder zu Wort. »Wir akzeptieren die Forderungen der Tel-Regierung und sind bereit, uns umgehend aus dem System zurückzuziehen. Unser Angebot zur Hilfe bleibt jedoch weiterhin bestehen. Wir möchten nur unser Botschaftspersonal evakuieren und werden dann die Heimreise antreten.« »Die Abreise der Terraner hat sofort und ohne jede Verzögerung zu beginnen. Die Hilfe der weißen Affen wird nicht benötigt.« »Einverstanden, wir brechen sofort auf, sobald wir unser Botschaftspersonal aufgenommen haben.« Dann herrschte nur Rauschen im Äther. Die Tel-Regierung schien auf dieses Thema nicht eingehen zu wollen. »Und was passiert jetzt?« fragte Malani. »Naja, ich bezweifle, daß die Flottenführung einfach einen Abgang machen wird, ohne nicht irgend etwas zu versuchen, um unsere Leute aus den Händen der Tels zu holen«, erwiderte Anna Bulgakowa. »Nachricht der Flottenführung«, warf der Funkoffizier erneut ein. »Die Flotte sammelt sich am Rande des Systems und hält sich vorerst aus allen Aktivitäten heraus.« »Wie gesagt«, meinte Anna. »Wir ziehen nicht einfach so ab. Aber mir ist nicht ganz klar, was wir jetzt tun sollen!«
»Ich denke mal, das weiß die Flottenführung jetzt auch nicht«, orakelte Park. Und er traf damit den Nagel auf den Kopf. *** Imperium der Tel, irgendwo auf der Hauptwelt Cromar im Bereich des Kluis Ein sanftes Zittern weckte Cimc. Sekundenlang verharrte er regungslos auf der harten Pritsche und versuchte, seine Eindrücke zu deuten. Aufgeregtes Gemurmel erfüllte die Gemeinschaftszelle. Auch seine Mitgefangenen waren offensichtlich aus ihrem Schlaf gerissen worden. Aber was hatte sie geweckt? Ein dumpfes Geräusch. Erneut zitterte der Boden. Dann der scharfe, durchdringende Laut von komprimierter Energie, wie er durch die Luft schnitt. Schüsse. Explosionen. Cimc fuhr hoch. Seine Mitgefangenen sahen ihn erwartungsvoll an. »Ein erneuter Angriff?« mutmaßte jemand. Cimc schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß die mysteriösen Fremden sich die Mühe einer Invasion machen würden. Hier wird im Gefängniskomplex gekämpft.« Erneut erklangen Strahlschüsse und Explosionen von Granaten. Alle Tels in der Zelle sprangen auf und wichen von der Tür fort. Insgeheim hoffte jeder, daß diese Angriffe mit einer Befreiung für sie zu tun hätten. Vielleicht die Terraner...? Mit einem lauten Krachen öffnete sich die Zellentür und fiel zu Boden. Tels mit Waffen im Anschlag stürmten herein. Zielsicher hielt einer der Eindringlinge auf Cimc zu. »Schnell! Wir müssen hier raus, ehe die Wachen
Verstärkung anfordern!« Cimc hob die Hand. »Moment – wer seid ihr und warum wird uns geholfen?« »Wer Dro Cimc... wir sind hier im Auftrag anderer Wers, die mit der Politik des Kluis und seiner Gefolgsleute nicht einverstanden sind. Wir wollen Euch befreien!« Cimc nickte. »Gut – aber alle anderen meiner Mitgefangenen müssen ebenfalls befreit werden!« Der Tel schüttelte den Kopf und warf einen hektischen Blick über die Schulter. »Das wird nicht gehen – das ist viel zu kompliziert. Für eine so große Menge an Leuten ist unser Fluchtplan nicht konzipiert! Wir retten nur Euch, Wer! Ihr seid die Schlüsselfigur!« Cimc trat einen Schritt zurück. »Wenn ich die Schlüsselfigur bin«, hob er an, »muß meine Forderung erfüllt werden. Ich werde nicht gehen, wenn nicht alle meine Freunde mit mir kommen können!« Der Tel winkte ab. »Das geht nicht! Aber Euren Freunden wird nichts geschehen, Wer! Wir haben einen Plan und benötigen dabei Eure Hilfe. Wir wollen Teile des Kluis lahmlegen, um die Macht der Rechenmaschine zu brechen! Dann können wir ohne Probleme alle politischen Gefangenen befreien! Sie müssen uns mit Ihren Steuercodes und Paßwörtern helfen, Wer!« »Ich weiß nicht...« Ein anderer Tel eilte heran. »Wir müssen schnell machen. Die Wachen ziehen Verstärkungen zusammen!« Der Anführer der Befreier warf Cimc einen flehentlichen Blick zu. »Welche Teile des Kluis sollen paralysiert werden?« fragte
dieser. »Wir kennen uns nicht so gut aus – wir wollen erstmal alles abschalten, um dann...« »Auf keinen Fall!« erklärte Cimc bestimmt. »Wenn wir alles abschalten, bricht auf Cromar und im Imperium das Chaos aus! Es gibt bestimmte Sektoren, die die Initiativschaltungen und wichtige Teile der KI enthalten. Wenn wir diese lahmlegen können, werden die normalen Verwaltungsfunktionen des Kluis nicht beeinträchtigt!« »Ja, gut, gut! Nur müssen wir uns beeilen! Bitte!« Cimc spürte eine Hand auf seiner Schulter. Er blickte sich um und sah in das müde Gesicht seines Vaters. »Cimc, mach dich auf den Weg. Wir kommen zurecht.« Das gab den Ausschlag. »Also los!« Cimc nickte knapp. Ohne weitere Worte brach die Gruppe auf. Während die Tels durch die Gänge eilten, erkannte Cimc die Reste der Befreiungsaktion. Auf dem Boden lagen betäubte Tel-Wachen, einige Computersysteme waren außer Betrieb gesetzt. Blasterspuren an den Wänden waren dort zu erkennen, wo sich die Wachen offenbar erfolgreich gewehrt hatten. Cimc stieg wortlos über einen der reglos liegenden Männer hinweg. Soweit er erkennen konnte, waren seine Befreier relativ behutsam umgegangen und hatten sich bemüht, niemanden zu töten oder ernsthaft zu verletzen. Nach einigen Türen, die sie rasch passiert hatten, wurde das Geräusch von Schüssen lauter. Der Anführer der Befreier bekam einen hektischen Gesichtsausdruck. Immer wieder schaute er auf einen elektronischen Pad, auf dem ein Lageplan zu erkennen war. Mit einigen raschen Blicken orientierte er sich. »Dort entlang!«
Cimc und seine Befreier betraten einen Transmitterraum, in dem bereits ein anderer Tel wartete. »Schnell«, rief er den Herbeieilenden entgegen, »ich kann die Verbindung nicht ewig aufrechterhalten. Die Zentralstelle macht irgendwas mit den Computerdaten!« Wortlos stürzte sich der Anführer in das Transmitterfeld. Cimc sprang hinterher. Als er rematerialisierte, erkannte er an den Symbolen an der Wand, daß seine Befreier konsequent und schnell gehandelt hatten. Er befand sich in einer Außenstelle des Kluis. Seine Befreier mußten wirklich einige einflußreiche Wers als Verbündete haben – sonst wären sie nie durch die Sicherheitsvorkehrungen gekommen. »Hier haben wir eine Zugangsstelle!« rief der Anführer der Befreier und wies auf ein Terminal. Auch dort wurden sie bereits von einem Tel erwartet, der die Uniform eines KluisComputertechnikers trug. Er saß vor der Sensortastatur und seine schlanken Finger lagen regungslos auf den Tasten. Erwartungsvoll sah er Cimc an. »Wir benötigen die Daten zur Sicherheitsschaltung!« erklärte er. »Ich muß darauf bestehen, daß wirklich nur die Initiativschaltung und die anderen Teile der KI abgeschaltet werden, die die normale Verwaltung nicht beeinflussen!« beharrte Cimc erneut und sah den Anführer fest an. Dieser nickte hastig. »Selbstverständlich – das haben wir doch schon so besprochen! Geben Sie dem Techniker die Daten, dann können wir anfangen! Wir werden nicht ewig unentdeckt bleiben!« Cimc zögerte. »Wie soll das ganze denn vor sich gehen? Vom Terminal hier aus kann man die notwendigen Schaltungen gar nicht vornehmen. Und das Wachpersonal...« »Kümmern Sie sich nicht darum, Wer! Wir haben Leute an
allen wichtigen Stellen! Es kommt jetzt nur noch auf schnelles Handeln an!« Cimc beschlich ein ungutes Gefühl, als er sich seine Begleiter anschaute. Der Anführer drängte ihn und wich seinen Fragen eher aus. Würde er tatsächlich nur die Teile der weltumspannenden Maschine abschalten, die keine Katastrophe auslösen würden? Die Tels wirkten sehr erpicht darauf, die notwendigen Informationen aus ihm herauszubekommen... Doch er hatte keine andere Wahl. Es war immerhin eine Alternative zur ansonsten sicheren Exekution. Mit knappen Worten begann Cimc, die Details der Sicherheitsvorrichtungen zu beschreiben. Der Anführer der Tels und der Computertechniker erwiesen sich als ausgesprochen aufmerksame Zuhörer. Während der eine leise Informationen über ein unscheinbares Kehlkopfmikrophon an eine unbekannte Stelle weitergab, bearbeitete der andere die Tastatur und gab Daten in das Sicherheitsnetz ein. Die Professionalität beeindruckte Cimc für einen Augenblick. Hier waren gut ausgebildete Spezialisten am Werk. Das sprach dafür, daß tatsächlich oppositionelle Tels einige ihrer ausgesuchten Gefolgsleute auf diese Mission entsandt hatten. Doch dann... was sagte ihm, daß die Interessen der Auftraggeber nach der Abschaltung des Kluis noch mit seinen übereinstimmten? Was würde mit den anderen Gefangenen passieren, darunter sein Vater? Konnte er den Zusicherungen vertrauen? Cimc fühlte sich hin- und hergerissen, während er die wichtigen Informationen weitergab. Sein Gegenüber schien dies zu bemerken und hielt ihn mit zahlreichen Detailfragen auf Trab. Schließlich schien sein Wissensdurst befriedigt zu sein. »Das wäre alles!«
Er blickte befriedigt auf Cimc. In seinen Augen glitzerte es. Cimc beschlich ein ungutes Gefühl. In diesem Augenblick wünschte er sich, er hätte kein Wort gesagt. *** Nur wenige hundert Meter entfernt marschierten sechs Tels in Uniformen eine Treppe hoch. An den Abzeichen, die sie trugen, konnte man erkennen, daß es sich um Angehörige der Sicherheitstruppen des Kluis handelte, handverlesene Elitesoldaten, denen die hohe Aufgabe anvertraut war, sich um das Wohl und Wehe der höchsten und wichtigsten Instanz des Tel-Imperiums zu kümmern. Es war Zeit des Wachwechsels in diesem Sektor der gigantischen Rechenmaschine und genauso reibungslos, wie diese immer funktionierte, bemühten sich auch die Soldaten zu funktionieren. Die sechs Männer betraten ein kleines Kontrollzentrum, von dessen Monitoren man einige Räume und Gänge dieses Sektors einsehen konnte. Dort warteten bereits sechs andere Wachen auf ihre Ablösung. Nach kurzem militärischem Zeremoniell und einer knappen Einweisung des Wachhabenden marschierten die sechs abgelösten Männer davon, während die neu hinzugekommenen rasch ihre Plätze einnahmen. Vier der sechs neuen Wachen wechselten rasch zustimmende Blicke. Zwei von diesen erhoben sich und schlenderten zu dem fünften und sechsten Mann hinüber, die sich beide ihren Bildschirmen widmeten. Kurz blitzten die metallischen Körper von Betäubungsinjektoren auf, dann sackten die Männer in ihren Sitzen zusammen. »Die sind für die nächsten Stunden versorgt«, erklärte der Anführer. Seit er an dem konspirativen Treffen seiner Mitverschwörer teilgenommen hatte, war er nervös und
angespannt gewesen – bis zu diesem Augenblick, an dem die Entwicklung ihres gemeinsamen Planes ihren unumkehrbaren Beginn genommen hatte. Jetzt erfüllte ihn eine sichere Gelassenheit. Seine Männer handelten rasch und umsichtig. Jeder hatte jeden Handgriff und den genauen Zeitplan über Tage intensiv memoriert. Jeder wußte, was zu tun war. Nachdem einige Sicherheitsprotokolle am Computer abgeschaltet worden waren, begab sich die Gruppe wieder auf den Gang vor dem Kontrollraum. Zielsicher gingen sie den Gang einige Meter hinunter. Begegneten ihnen Zivilbedienstete des Kluis, setzten sie den undurchdringlich herrischen Gesichtsausdruck auf, den alle von den Sicherheitsleuten gewöhnt waren. Seit dem Angriff der Ringraumer auf das Imperium waren die Streifen intensiviert worden und überraschende Kontrollen auf der Tagesordnung. So wurden die vier hart dahinmarschierenden Männer nur mit einigen scheuen Blicken gemustert und nicht weiter belästigt. Niemand wollte allzu lange in ihrer Nähe sein. Den vier Verschwörern konnte das nur recht sein. Schließlich erreichten sie einen Transmitterraum. Der Dienstplan hatte ihnen gesagt, daß hier zur Zeit niemand anwesend war. Sie schlossen die Tür hinter sich und der Anführer eilte zu den Kontrollen. Ohne Zeit zu verlieren, aktivierte er den Transmitter. Ein Flimmern entstand, aus dem sich sechs weitere Tels materialisierten. Sie schritten den vier Wachleuten zügig entgegen. »Wie ist die Situation?« wurde der Anführer der Wachen gefragt. »Alles in Ordnung. Der Plan wurde bis jetzt eingehalten. Wie sieht es im Gefängnistrakt aus?« Der angesprochene Tel erlaubte sich ein knappes Lächeln. »Alles bestens. Wir haben die Sicherheitsinformationen und
alle Codes. Dro Cimc hat sich erwartungsgemäß als kooperativ erwiesen. Haben Sie alle weiteren Vorbereitungen beendet?« »Wir sind jederzeit einsatzbereit.« »Sehr gut. Die Codes...« Den Neuankömmlingen, die Anzüge der Zivilbediensteten trugen, wurden Identifikationsstreifen ausgehändigt, die sie auf Brusthöhe befestigten. »Mit diesen Codes können wir uns überall im Kluis frei bewegen – höchste Sicherheitsstufe. Es dürfte keine Probleme geben.« Der Sprecher der sechs Tels brummte zufrieden. »Wir machen uns dann auf den Weg. Sie halten die Stellung.« Dann wurden keine Worte mehr gewechselt. Die sechs Tels verließen den Transmitterraum, überquerten zielstrebig den Gang und verschwanden in einem Antigravlift. Die nächste Phase des Plans hatte begonnen. *** TF-Ringraumerflotte, am Rande des Cromar-Systems »Ich bekomme noch einen mächtigen Hals!« brummelte Salvatore Malani und warf einen mürrischen Blick auf die Ortungsschirme. Dort waren die Blips der terranischen Raumschiffe zu sehen, die fein säuberlich gestaffelt im Weltall hingen und auf denen Tausende von terranischen Raumsoldaten und Offizieren sich die Zeit damit vertrieben, möglichst friedlich auszusehen, um die offenbar sehr gereizten Tels nicht unnötig zu provozieren. Das war sehr lobenswert, aber nicht wirklich die eigentliche Aufgabe der TF. In der Zentrale der SUZANNE VEGA herrschte daher auch
Stille. Anna Bulgakowa hörte sich über die Flottenphase eine erregte Diskussion zwischen Mitgliedern der Flottenführung und einer Reihe von Raumschiffkommandanten an, von denen sie wußte, daß sie zu jedem Thema etwas zu sagen hatten, auch, wenn es eigentlich nichts zu sagen gab. Anna war sich darüber im klaren, daß es jetzt nur noch zwei Alternativen gab: Entweder in aller Gelassenheit abzuwarten, in der Hoffnung, daß die Tels sich doch noch rühren würden, oder mit freundlichem Lächeln den Heimweg zur Erde anzutreten und der leicht gestreßten Mannschaft etwas Erholungsurlaub zu gönnen. Anna optierte für die letztere Lösung. In der Flottenphase erklärte gerade ein leicht näselnder Kommandant, man müsse den Tels doch nun wirklich nicht so auf den Leim gehen. Die würden doch nur so tun, als hätten sie alles unter Kontrolle. Diese »Leute« brauchten terranische Hilfe, und wenn sie das nicht zugäben, dann müsse man sie ihnen eben geben, ohne ihre Zustimmung abzuwarten. Anna schüttelte sich. Heute wurde auf der Flottenphase mal wieder eine Menge Müll geredet. Erwartungsgemäß war die Antwort der Flottenführung, die den Näselnden mit wohlgesetzten Worten zurechtstutzte und durchblicken ließ, sich bald zur offensichtlich fälligen psychologischen Untersuchung zu melden. Anna hörte daraufhin von ihm nichts mehr, dafür fühlten sich aber andere berufen, intelligente und weniger intelligente Beiträge abzuliefern. Park, der 1. Offizier, trat neben sie und lauschte dem Gebrabbel aus den Lautsprechern einige Minuten. Dann schüttelte er bedächtig den Kopf. »Wir haben da offenbar ein kleines Entscheidungsproblem!« murmelte er verhalten. Anna grinste etwas hämisch.
»Das muß daran liegen, daß die Magnetstürme die Funkverbindung nach Terra völlig gestört haben. Jetzt kann keiner mehr Papa Bulton um Hilfe rufen. Ich will ja auch nichts gegen unsere Flottenführung sagen, aber diese Diskussion ist völlig überflüssig. Entweder wir warten oder wir fliegen ab.« Park nickte erneut und wies auf die Ortungsschirme.
»Oder es passiert etwas!«
Anna wandte den Kopf. Auf dem Ortungsschirm war ein
Blip entstanden, der sich langsam der Flotte näherte. »Ein Xe-Flash!« meldete Malani beflissen. Die Tels hatten nicht nur eine eigene, sehr beeindruckende Technologie entwickelt, auch sie hatten Salter-Technologie entdeckt und für sich nutzbar gemacht. Im Gegensatz zu den Ringraumerflotten der Terraner besaßen sie eine große Anzahl dieser Xe-Flash, deutlich größer und stärker bewaffnet als die normalen, zweisitzigen Beiboote der Ringraumer, und ein Indiz dafür, daß es noch viele andere Stellen in der Galaxis geben mochte, wo Salter-Technologie nur darauf wartete, gefunden und genutzt – oder mißbraucht zu werden. »Ruf von der Flottenführung!« Bulgakowa blickte in die Holographie des Flottenkommandanten. »Ich rufe hiermit eine ausgewählte Anzahl von Kommandanten ins Flaggschiff. Der Xe-Flash der Tels hat die Absicht geäußert, hier einfliegen zu wollen. Im Gegensatz zu einigen meiner Kommandanten bin ich nicht der Ansicht, man solle das Schiff abfangen und vernichten...« Für einen Augenblick umspielte die Mundwinkel des Admirals ein leicht säuerlicher Ausdruck. »Um den Tels zu zeigen, daß wir es ernst meinen, und daß wir ihnen Respekt zollen, will ich eine hochrangige Delegation hier haben. Ich verlese jetzt die Namen...« Als Anna Bulgakowa den ihren hörte, war sie schon auf
dem Weg zum Hangar. Nur wenige Minuten später schoß ein Flash aus der Unitallhülle der SUZANNE VEGA und raste auf das Flaggschiff zu, wie einige andere der Beiboote aus allen Ecken der Flotte gleichfalls. Nur kurze Zeit vor den Tels erreichte Anna das Flaggschiff und sie konnte gerade noch mit den anderen, hastig herbeigeeilten Offizieren Aufstellung nehmen, als das Tel-Schiff durch die Unitallhülle glitt, das Intervallfeld abschaltete und langsam zu Boden schwebte. Für einige Sekunden passierte gar nichts. Dann öffnete sich eine Luke und ein Tel sprang heraus. Es war offensichtlich unbewaffnet. Der Flottenkommandant trat auf ihn zu, lächelte freundlich und hob zu sprechen an, als ihn eine rasche Handbewegung des Tel unterbrach. »Admiral, ich bin nicht hier, um im Auftrag der Regierung zu sprechen!« Anna zog die Augenbrauen hoch. Irgend etwas war offensichtlich nicht in Ordnung auf Cromar! »Die Regierung hat alle Terraner des Botschaftspersonals zum Tode verurteilt. Man hält weiterhin die Terraner für alle Zerstörungen im Imperium verantwortlich und wird keine offiziellen Kontakte dulden. In der Tat ist zu befürchten, daß, sobald die ersten Aufräumarbeiten beendet sind, die Regierung militärische Maßnahmen gegen ihre Schiffe anordnen wird.« »Aber wir...« Der Tel unterbrach erneut. »Dafür ist keine Zeit. Nicht alle Tels sind mit dieser Anordnung einverstanden. Wir haben daher geeignete Maßnahmen ergriffen, um ihr Botschaftspersonal in Sicherheit zu bringen. Hier!« Der Tel holte einen kleinen Informationsspeicher aus einer Hosentasche. »Darauf sind die Daten einer Transmitterleitung gespeichert, die in Kürze aktiviert werden wird. Wir sind
bemüht, alle Terraner durch den Transmitter auf ihr Schiff zu transportieren. Ich würde vorschlagen, daß ihre Flotte, sobald der Transfer beendet ist, so schnell wie möglich wieder startet und nach Terra zurückkehrt.« »Ich möchte noch wissen...« »Nein. Das ist alles, was ich ihnen mitzuteilen habe!« Mit diesen Worten wandte sich der Tel um, nachdem er dem Admiral einmal kurz zugenickt hatte, und verschwand wieder im Xe-Flash. Sekunden später hob das Beiboot langsam ab und glitt durch die Unitallhülle nach außen. Der Besuch des Tels war so schnell vorüber, wie er begonnen hatte. Die Formation der Raumschiffkommandanten löste sich auf und eine rege Diskussion entbrannte. »Das ist doch ein Trick!« mutmaßte einer der Offiziere und warf einen finsteren Blick auf die Stelle, an der noch eben der Xe-Flash gestanden hatte. »Wir aktivieren den Transmitter und die Tels schicken uns eine Höllenmaschine in die Flotte, um uns alle mit einem Streich zu vernichten.« »Das ist durchaus möglich«, erkannte Anna an und verschränkte die Arme vor der Brust. »Aber solche Tricks sehen nicht nach den Tels aus. Die haben bald eine genügend große Flotte hier massiert, daß sie uns auch auf dem konventionellen Wege fertigmachen können.« »Hm, plötzlich unter die Fremdrassenpsychologen gegangen, was?« Anna lächelte schwach. »Nein, aber wenn wir für die Tels wirklich der böse Feind sind, nützt ihnen eine zünftig gewonnene Schlacht propagandistisch viel mehr als ein mieser kleiner Trick mit einer Höllenmaschine. Außerdem ist es für uns ein leichtes, das betreffende Schiff vor dem Transfer zu isolieren und die anderen Schiffe außer Gefahr zu bringen. Nein, das ist vielleicht ein Trick, aber keiner der zerstörerischen Sorte.«
Der Admiral hatte der Diskussion schweigend zugehört und nickte Anna schließlich bestätigend zu. »Das sehe ich ähnlich. Wir werden den Transmitter auf diese Daten hin justieren und so lange in Reichweite abwarten, wie wir können.« Er warf einen Blick auf sein Armbandvipho, durch das er mit der Zentrale in ständigem Kontakt stand. Seine Stirn umwölkte sich. »Das dürfte aber nicht mehr allzu lang der Fall sein«, fügte er schließlich hinzu. »Nach den neusten Ortungsdaten massieren sich die Tel-Streitkräfte immer mehr. Wir werden bald abziehen müssen.« Dann blickte er wieder auf und machte eine auffordernde Bewegung. Die Kommandanten eilten zu ihren Flash, um zu ihren Schiffen zurückzukehren. Und wieder hieß es nur: Warten. *** Irgendwo auf Cromar, im Gefängnistrakt Andrew McFergusson träumte vor sich hin. Nicht, daß er wirklich geschlafen hätte – die Gemeinschaftszelle lud nicht gerade dazu ein – aber er lag mit verschränkten Armen auf seiner Pritsche und träumte vor sich hin. Als Koch der ehemaligen terranischen Botschaft drehte sich sein Traum um etwas Kulinarisches. Er leckte sich über die Lippen und wünschte sich in seine Küche. »An was denken sie denn schönes, Andrew?« Der Koch schlug die Augen auf und sah in das durchaus ansehnliche Gesicht von Janet Gilden, der Botschaftssekretärin. »Nun«, murmelte er, »nachdem ich mich die ganze Zeit mit
diesen Tel-Nahrungsmitteln habe herumschlagen müssen, um etwas einigermaßen genießbares auf den Tisch zu bringen, habe ich mir vorgestellt, wir wären auf Terra, sie alle säßen im kleinen Restaurant meines Bruders Malcolm und ich würde uns eine Kleinigkeit zaubern.« »Zum Beispiel?« »Als Aperitif ein paar Gemüsetörtchen. Sie hacken Erdnüsse fein, mischen sie mit Mehl und Salz sowie etwas Klee, setzen Butterstücke auf das Mehl, verkrümeln alles zu feinen Streuseln, dann gießen sie kaltes Wasser hinzu und verrühren alles zu einem Teig. Der kommt in die mit Kokosfett eingeriebenen Förmchen, darin gibt es eine leckere Paprikafüllung mit Frühlingszwiebeln und Oregano oder eine Blumenkohlfüllung, und das ganze wird noch mit Curry abgeschmeckt. Nicht vergessen etwas Käse zum Überbacken. Etwas ganz leckeres!« Ohne es zu bemerken, hatten sich eine Reihe von Botschaftsangehörigen um McFergusson geschart und seinem Rezept aufmerksam zugehört. Janet spürte, wie ihr das Wasser im Munde zusammenlief. Seit sie hier im Gefängnis der Tel saßen, hatten sie ihre Rationen an Nahrungskonzentraten bekommen, die offenbar bei allen Kulturen der Galaxis gleich scheußlich schmeckten. Sie hatten sie zwar am Leben erhalten, das war aber auch schon alles. Kurt Steinbrecher, der andere Botschaftssekretär, rückte etwas weiter nach vorne. »Andrew, was würden sie denn als Nachtisch vorschlagen?« Der Koch grinste und musterte den Fragesteller kurz. Dann schloß er wieder die Augen und erklärte: »Ich habe da ein britisches Rezept für einen Superkuchen. Er heißt Grandmother’s boiled fruit cake und man braucht dafür...« »Wachwechsel!« Der Koch verstummte sofort. Alexei Ogmanow hatte den Wachposten an der Tür bezogen
und von dort in den Gang gelauscht. Alle Geräusche in der Zelle erloschen sofort. Jetzt hörten auch die anderen Terraner die dumpfen Kommandos von draußen. Normalerweise kam der neue Wachhabende immer zu einer kurzen Inspektion in die Zelle. Sir Archibald richtete sich auf seiner Pritsche auf und musterte gelassen die Tür, die jeden Augenblick aufgehen mußte. Auch diesmal hielten sich die Tels an die Konventionen. Die Zellentür wurde entriegelt und glitt in die Wand. Ein Tel in der schmucklosen Uniform, die ihnen allen mittlerweile schon so wohlbekannt war, betrat die Zelle und musterte die Gefangenen kalt. Dann winkte er Archibald zu sich, der von seiner Pritsche aufstand und sich zu dem Tel gesellte. »Was kann ich für sie tun?« fragte er distanziert-höflich. Der Wachhabende warf einen kurzen Blick auf die anderen Wachen, die vor der Tür Stellung bezogen hatten. »Die Frage ist eher, was wir für sie tun können!« stieß er leise hervor. Andrew McFergusson sah, wie der Wachhabende leise mit dem Botschafter tuschelte. Währenddessen hatte eine der beiden Tel-Wachen vor der Tür die andere in ein Gespräch verwickelt. Es mußten zotige Tel-Witze gefallen sein, denn einer der Tels lachte lauthals. »Blondinenwitze werden es nicht sein!« mutmaßte Janet Gilden. »Kaum«, grinste Steinbrecher und deutete auf Archibald, der sich wieder zu ihnen gesellte. Er setzte ein freundliches Lächeln auf, als die Tels die Zellentür wieder hinter sich verschlossen hatten. »Liebe Freunde, es ist an der Zeit, etwas für unsere Entspannung zu tun. Ich kenne da ein altes Lied, das in alten Tagen immer ein Hochgefühl bei meinen Vorfahren erweckt hat. Und das können wir in unserer Situation nun wirklich
brauchen!« Seine Mitgefangenen starrten den Botschafter etwas verwirrt an. Daguerre sah aus, als würde er Archibald endgültig für völlig verrückt halten. Dieser blieb unbeirrt und holte tief Luft. Dann öffnete er den Mund und mit tiefer, geschmeidiger Stimme sang er: » Ruuuule, Britannia... Britannia ruules the waves...« Und während er ein Lied aus einer längst vergangenen Epoche eines längst vergangenen Imperium schmetterte, warf er den anderen eindringlich auffordernde Blicke zu. Schließlich faßte sich Steinbrecher, der das Lied schon mal gehört hatte, ein Herz und begann, weniger schön, aber dafür noch lauter einzustimmen. Auch Daguerre stimme ein, mit einem Gesichtsausdruck, als würde er eine Handvoll Zitronenscheiben verspeisen. Kaum hatten die anderen es ihm gleichgetan, verstummte Archibald, setzte sich neben Steinbrecher auf die Pritsche und flüsterte ihm ins Ohr: »Da draußen sind Tels, die uns befreien wollen. Zwei der Wachen gehören zu ihnen. Wir müssen uns bereithalten, weil die Exekution unmittelbar bevorsteht.« Steinbrecher schmetterte weiter Britanniens Glorie in den Raum, während er Archibald eine verständnislosen Blick zuwarf. Dieser zuckte mit den Schultern und flüsterte erneut: »Ich habe keine Ahnung warum! Menschenliebe wird es nicht sein – dahinter steckt eindeutig mehr. Aber es dürfte unsere einzige Chance sein!« Steinbrecher nickte. Archibald erhob sich und begann wieder, das Lied zu schmettern. Nun war es an Steinbrecher, Janet Gilden ins wohlgeformte Ohr zu flüstern. So machte die Nachricht die Runde. Am Ende verstummte das Lied. »Wenn das kein patriotischer Augenblick war«, erklärte Archibald mit einem Schmunzeln. »Hoffentlich nicht unser letzter«, orakelte McFergusson, der
mit der Wahl des Liedgutes aus prinzipiellen historischen Gründen nicht ganz so einverstanden war. Archibald wollte etwas erwidern, aber er erkannte, daß die Bemerkung des Kochs einen sehr realen Hintergrund hatte: Die Tür der Zelle öffnete sich und die Wachsoldaten traten ein. Einer der Tels trat hervor. »Es ist an der Zeit, Euch den Wonnen des Abgrundes zu überantworten!« Die Terraner erschraken. Das hieß, ihre Exekution stand unmittelbar bevor. Die Wachleute traten vor und legten den Gefangenen Energiefesseln an. Alle wurden mittels der Fesseln wie an einer langen Leine miteinander verbunden. Die Menschen ließen dies widerstandslos mit sich geschehen. Die drohend erhobenen Waffen der Tels machten jede Idee an einen eigenen Ausbruchsversuch von vornherein sinnlos. Gerade wollte Archibald sich umdrehen und noch einige aufmunternde Worte sprechen, als Waffen loszischten. Die Terraner warfen sich zu Boden, als die Strahlbahnen von Paralysatoren durch die Luft jagten. Tel-Wachen fielen zu Boden, zu effektiv und schnell getroffen, als daß sie noch hätten aufschreien können. Direkt neben Archibald schlug der verkrampfte Körper eines Wachmannes auf. Der Botschafter schluckte. Zum Schluß blieben zwei Tels übrig. Ohne jeden Gesichtsausdruck steckten sie die Waffen ein und betrachteten die niedergestreckten Wachleute. Einer gab einem der Tels einen Tritt, als wolle er sich vergewissern, daß auch er dem schnellen Angriff zum Opfer gefallen war. »Wir haben keine Zeit!« erklärte einer der Tels und riß an den Fesseln. »Der Transmitter wartet!« Zwei der Gefangenen stolperten. Archibald erhob sich würdevoll. »Das ist Ihr Befreiungsversuch?« schnappte er. »Einfach Ihre eigenen Leuten niederstrecken und...«
»Ruhe!« fuhr der Tel dazwischen. »Beeilung!« Mit erhobener Waffe trieb er die Terraner an. Im Laufschritt mußten sie die Zelle verlassen. Draußen wartete eine weitere Gruppe Tels. Archibald hob überrascht die Augenbrauen. »Wer Dro Cimc!« rief er aus. »Sie stecken also dahinter! Wir wußten, daß Sie ein Freund der Menschen sind!« Cimc nickte Archibald zu. »Ich bin nicht der Verantwortliche für diesen Ausbruch... aber bis jetzt ist er durchaus in meinem Sinne.« Darauf müssen wir noch zurückkommen, mein Freund, dachte Archibald bei sich. Doch es blieb keine weitere Zeit für Diskussionen. Der Alarm gellte durch die Zellenanlage. Jeden Augenblick konnten weitere bewaffnete Einheiten der Regierungstruppen auftauchen. Es galt, den Transmitterraum zu erreichen und die Flucht zu beenden. Ohne weitere Kommentare wurden den Terranern die Fesseln abgenommen. Dann eilte die große Gruppe, vorneweg und hinten absichernd schwer bewaffnete Tels, durch die Gänge der Anlage. An einer Kreuzung schlug ihnen heftiges Abwehrfeuer entgegen. Die Tels rissen die Terraner zu Boden. Gluthelle Blasterschüsse schlugen in die Wände ein und ließen das geschmolzene Metall wegspritzend in feinen Tropfen herabregnen. Nur mit Mühe fanden die Terraner eine Deckung. Die Tels, die sie befreit hatten, erwiderten das Feuer mit voller Kompromißlosigkeit. Archibald sah, wie ein Wächter von einer Energielohe erfaßt wurde, die sich blitzartig durch seinen Brustkorb fraß und den Körper des Getroffenen mit Wucht nach hinten schleuderte. Dann hörte er neben sich einen Aufprall und zuckte zusammen. Einer der Tels auf ihrer Seite war von einem Schuß der Wachmannschaft erfaßt worden – er starrte mit totem Blick direkt in das Gesicht des Botschafters. Die rechte Hälfte seines Oberkörpers war nur noch eine
verkohlte Masse, aus der ein furchtbarer Gestank nach verbranntem Fleisch drang. Das Gefecht wurde mit unverminderter Härte fortgesetzt. Archibald beobachtete, daß Cimc nicht über eine Waffe verfügte und sich genauso dem Schutz der Befreier anvertrauen mußte wie sie selbst. Einer ihrer Verteidiger erhob sich, holte aus und schleuderte ein metallisches Objekt gegen die Wachleute. Diese schrien entsetzt auf und schienen fliehen zu wollen, als ein heller Blitz Archibalds Augenlicht verdunkelte. Für Sekunden tanzten bunte Lichter auf seinen Netzhäuten. Als er wieder klar sehen konnte, lagen die Wachleute der Tels in grotesken Stellungen am Boden und die Waffen schwiegen. Eine unnatürliche Stille breitete sich aus, die aber sofort wieder durch die Tels unterbrochen wurde. »Wir müssen weiter!« rief einer ihrer Befreier, dem ein anderer Tel einen Sprühverband auf einen Arm auftrug. »Es werden noch mehr kommen. Wir müssen zum Transmitter – da entlang!« Ohne weitere Fragen zu stellen, setzte sich die Gruppe erneut in Bewegung. Gehetzt rannten die Terraner, mit bewaffneten Tels als Vor- und Nachhut, durch die Gänge. Vereinzelt wurden kurze Schußwechsel geführt, doch die Wachmannschaften schienen nur unkoordiniert und konfus zu reagieren. Archibald fühlte, wie ihn die Kräfte verließen. Er war der Älteste der Gruppe. Als sein Gang zu torkeln begann und er sich schwer atmend an der Wand aufstützen mußte, spürte er, wie zwei kräftige Arme ihn ergriffen und er hochgewirbelt wurde. Ehe er sich versah, hatte Kurt Steinbrecher ihn über seine mächtigen Schultern geworfen. Er sah von unten auf das grinsende Gesicht des Mannes, auf dessen Stirn die Schweißperlen glänzten. Ein naher Schuß hatte ihm die
Augenbrauen versengt. »Keine Sorge, Botschafter«, stieß Steinbrecher keuchend hervor. »Sie werden genau dort ankommen, wo auch wir ankommen werden!« Archibald grinste schwach. Dann endete die Hatz. Die Tels der Vorhut bedeuteten den Terranern, leise weiterzugehen. Sie kamen an einen Gang, vor dem Wachleute eine Barrikade errichtet hatten. Archibald erkannte undeutlich, daß hinter der Barrikade nicht nur Wachleute, sondern auch zwei Kampfroboter standen. »Dort müssen wir hinein!« erklärte einer der Tels. »Der Transmitterraum!« Er gab einige rasche Befehle. Die Tels sprangen hervor und traten in das Sichtfeld der Wachen. Diese eröffneten sofort das Feuer. Zwei der Befreier beendeten ihren Sprung nach vorne als brennende Fackeln, ein dritter Tel schleuderte eine der Granaten. Sie prallte wirkungslos von einem Energiefeld ab, der Tel wurde von einem Energieschuß erfaßt und gegen die Wand geschleudert, an der er bereits tot hinabglitt. »Das ist ein harter Brocken!« murmelte Steinbrecher. Jetzt waren von ihren Befreiern nur noch acht Tels übrig, dazu Cimc, den Archibald nicht als solchen zählte. Einer der Tels holte eine kurze, gedrungen wirkende Röhre aus seinem Rucksack. Cimc kauerte sich neben Archibald. »Eine Energieschleuder«, kommentierte er. »Die dürfte das Schutzfeld durchdringen. Man ist offenbar auf alles vorbereitet.« Archibald sah Cimc etwas erstaunt an. »Das sollten Sie doch am besten wissen«, entgegnete er. »Sie sind doch für all das hier zumindest mitverantwortlich, oder?« Cimc wiegte den Kopf.
»Ich werde Ihnen das ein andermal erklären...« »Achtung!« Ein helles Zischen ertönte, als eine breite Flammenzunge die Energieschleuder verließ und in das Energiefeld brandete. Lichtzacken durchzogen das Feld, es schien zu schwanken. Archibald konnte die hektischen Bewegungen der Wachleute im Inneren erkennen. Dann brach das Schutzfeld mit einem Aufglühen zusammen. Es flogen Granaten und Archibald hörte die Schreie der Getroffenen. Ein Schußwechsel kam auf, Explosionen ließen den Gang erzittern. Feine Metallteile, die durch die Luft pfiffen und Einkerbungen an den Wänden hinterließen, zeugten vom Ende der beiden Roboter. »Jetzt nichts wie rein!« schrie ein Tel. Von einer Seite kamen weitere Wachmänner herbeigerannt. Die Terraner rappelten sich hoch und stürmten in den Transmitterraum. Einer der Tels machte sich hektisch an den Kontrollen zu schaffen, während die anderen die Tür hinter sich mit ihren Blastern verschweißten. »Das wird sie nicht lange aufhalten!« meinte Steinbrecher. Das Transmitterfeld stand. »Durch! Durch!« rief einer der Tels und machte hektische Armbewegungen. Die Terraner ließen sich nicht zweimal auffordern. Auch Archibald sprang durch das Feld. Er fand sich in einem anderen Raum wieder, in dem bereits vier Tels auf die Ankömmlinge warteten. Archibald sah sich um. Alle Tels, Terraner und Cimc waren in dem Raum angekommen. Einer der Fluchthelfer sah auf ein Multifunktionsgerät an seinem Arm. »Wir müssen uns erneut beeilen. Der Transmitter, der uns nach draußen führen wird, befindet sich einige hundert Meter von hier. Wir müssen dort sein, ehe die Wachtruppen auch auf
diesen Raum aufmerksam geworden sind.« Cimc trat vor. »Wir sind jetzt wieder im Kluis! Das verstehe ich nicht...« »Es erschien uns günstiger, einen Fluchtweg zu nehmen, mit dem niemand rechnen würde. Wer käme schon auf die wahnsinnige Idee, vom Gefängnistrakt in den Kluis zu fliehen, um von dort aus die Freiheit zu erlangen? Wir haben das Überraschungsmoment auf unserer Seite!« Archibald sah Cimc scharf an. Der Wer schien sich unwohl zu fühlen, sich innerlich zu winden. In Archibald stieg der Verdacht hoch, daß all dies nicht seine ungeteilte Zustimmung fand. In der Tat kam es auch Archibald mittlerweile so vor, als würde nicht alles mit rechten Dingen zugehen. Er nahm sich vor, die nächstbeste Möglichkeit für ein Gespräch mit Cimc zu nutzen. Steinbrecher gesellte sich zu ihm. »Mir gefällt das nicht!« Archibald nickte. Er war also nicht der einzige. Die Tels trieben die Gefangenen an. Erneut hastete die Gruppe durch Gänge und über Kreuzungen. Sie begegneten einigen verschreckten Zivilangestellten, jedoch noch keiner Wache. Das Glück und eine sorgfältige Planung schienen auf ihrer Seite zu sein. Bis sie an eine der Sicherheitssperren kamen. An einer großen Kreuzung, durch die zahlreiche Laufbänder liefen und die offenbar zu den zentralen Verkehrswegen innerhalb des gigantischen Kluis-Komplexes gehörten, hatte sich ein Trupp von etwa zwanzig Tel-Soldaten aufgestellt. Sie kontrollierten jeden Techniker und Wissenschaftler, der durch die Gänge zu seinem Zielort eilen wollte. Cimcs Magen zog sich zusammen. Jetzt galt es herauszufinden, ob seine Angaben über das Kontrollsystem des Kluis hilfreich waren. Die eilends programmierten Identifikationsstreifen der Tel-Rebellen
mußten nun ihren Dienst tun. Ein Tel-Soldat musterte die ankommende Kolonne erstaunt. Der Anführer der Befreier trat herrisch auf ihn zu und hielt ihm den ID-Streifen hin. »Wir sollen diese Gefangenen zum Verhör bringen«, erklärte er barsch und wies knapp auf die etwas verschreckt dreinblickenden Terraner. Sie hatten sich so auf einen Haufen gestellt, daß die durch die Kämpfe allzu mitgenommenen Mitglieder ihrer Gruppe nicht im Blickfeld der Wachsoldaten standen. Der Soldat nahm den Streifen entgegen und steckte ihn in ein Lesegerät. Ein Freizeichen erklang, der Soldat gab den Streifen zurück und nickte knapp. »Moment mal!« Die Tels drehten sich um. Zwei Techniker standen am Rand eines Ganges und musterten die Gruppe. Von ihrem Standort aus konnte man versengte Anzüge, leichte Verbrennungen und Verletzungen sowohl bei den Menschen als auch bei den Tels gut erkennen. Die Befreier handelten. Sie zogen ihre Blaster hoch und feuerten. Die Terraner warfen sich zu Boden. Hilfeschreie erklungen, als sich die vorbeigehenden Zivilisten mitten in einem Feuergefecht wiederfanden. Heiße Strahlbahnen zischten über die Köpfe der Terraner hinweg und von Schmerz erfüllte Laute zeugten von der Brutalität des Kampfes. Keiner wagte, den Kopf mehr als einige Sekunden zu heben. »Wir müssen zurück!« Die Tels rissen die Terraner hoch und trieben sie einen Gang entlang. Die Wachmannschaft hatte sich als überlegen erwiesen. Archibald erkannte, daß nur noch sechs Tels der Befreier voll einsatzfähig waren. Ohne großes Zögern drang die Gruppe in einen größeren Raum ein, offenbar ein Computerzentrum. Die wenigen dort arbeitenden Techniker
und Programmierer waren mit ein paar schnellen Schüssen vertrieben. Hinter den großen Speicherbänken, die ohne Zweifel einen wichtigen Teil der Kluis-Daten enthielten, wurde Deckung genommen. Das Aufheulen der Alarmsirenen und die militärischen Warndurchsagen in den verborgenen Lautsprechern gingen den Terranern durch Mark und Bein. Ihr Fluchtversuch war offensichtlich gescheitert. Die Tür öffnete sich wieder und einige Wachsoldaten stürmten herein. Die Befreier hatten sie schon erwartet und streckten sie mit gezieltem Feuer nieder. Niemand kam nach. Steinbrecher robbte zu Archibald hinüber. »Ich glaube nicht an einen Sturmangriff der Wachmannschaften«, flüsterte er dem Botschafter zu. »Diese Speicherbänke sind sicher nicht unwichtig, so tief im Herzen des Kluis. Ich gehe mal davon aus, daß die Wachleute den Befehl haben, sie auf jeden Fall zu schonen.« Archibald nickte. Er beobachtete, wie auch die Tels heftig miteinander diskutierten. Einer holte offenbar Anweisungen über ein Vipho ein. Cimc schien bei der Diskussion nur Beobachter zu sein. »Kurt, das bedeutet, es gibt zwei Möglichkeiten«, spann Archibald den Faden weiter. »Entweder man wird verhandeln oder man wird es mit Gas versuchen!« Steinbrecher grinste gequält. »Da die Tels im Verhandeln nicht gerade als die galaktischen Großmeister bekannt sind...« Archibald erwiderte das Grinsen. Er blickte an die Decke, auf der Suche nach Gasdüsen. Es war kaum zu erwarten, daß die Erbauer des Kluis diese simple Sicherheitsmaßnahme vernachlässigt haben. »Hier!« Archibald zuckte etwas zurück, als ein Tel ihm eine
Gesichtsmaske aus durchsichtigem Plastik vor die Augen hielt. An ihrem unteren Ende war ein kleiner Druckbehälter befestigt. Offenbar war seine Analyse auch von den Tels nachvollzogen worden. Ohne weitere Diskussion zog Archibald die anpassungsfähige Maske über. Er beobachtete, wie ein Tel mehrere dieser flachen Masken aus seinem Rucksack zog und verteilte. Sie reichten für alle. Zumindest dafür hatte die Dezimierung der Anzahl ihrer Befreier gesorgt. Dann kauerten sich die Terraner wieder hinter die Speicherbänke. Fast teilnahmslos beobachteten sie, wie ein feiner, kaum sichtbarer Sprühnebel sich wenige Sekunden später aus den Düsen herabsenkte. »Hoffentlich kein Kontaktgas«, dachte Archibald bei sich und versuchte, freie Hautpartien durch Zerren an der Kombination zu bedecken. Steinbrecher schien den gleichen Gedanken gehabt zu haben, denn auch er zupfte an seiner Kleidung herum. Als sich der Sprühnebel auf die Maske herabsenkte, hielt Archibald unwillkürlich den Atem an. Doch nichts geschah. Er holte tief Luft und lauschte in sich hinein. Er fühlte weder Schwäche noch Benommenheit, jedenfalls nicht mehr als vorher. Auch Steinbrecher warf ihm einen optimistischen Blick zu. Ein Zischen ertönte. Die Tels hatten ihre Strahler auf eine Seitenwand gerichtet und begannen, eine Öffnung in diese zu brennen. Die Arbeit ging schnell voran. Mit lautem Krachen fiel eine Metallplatte nach innen. Eine dunkle Öffnung zeichnete sich ab, groß genug, um geduckt durchschritten zu werden. Die Tels winkten hektisch. In einer geordneten Reihe krochen die Befreiten und ihre Befreier durch die Öffnung. Archibald fand sich in einem Ausrüstungslager wieder. Technische Elemente ihm
unbekannter Bauart lagen fein säuberlich verschweißt in Metallregalen. Die Tels verloren keine Zeit. Sie trieben ihre Schützlinge voran, bis sie an die Eingangstür kamen. »Moment!« Der Anführer der Tels wies auf ein Regal. Nagelneue Uniformen der Wachkräfte lagen dort in Plastikfolie fein säuberlich gestapelt. Schnell zogen die Tels die passenden Uniformen hervor, zerrissen die Folie und zogen sich blitzartig um. Im Hintergrund des Raumes hörte man Stimmen. »Jetzt vorwärts!« Die Tels durchschritten die Tür. Sie hatten Glück, auf dem kleinen Seitengang war niemand zu sehen. In einer Kanzel, durch eine Glaswand vom Gang abgetrennt, sah man lediglich einen schläfrig dreinblickenden Techniker sitzen. Der Tel-Anführer hob seinen Blaster, hielt inne, wechselte die Schußwaffe und paralysierte den Mann. Er fiel mit einem dumpfen Laut zu Boden. »Diese Konsole hat einen Sicherheitszugang. Cimc, wir benötigen jetzt Ihre Hilfe!« Der ehemalige Wer nickte. Er setzte sich an die Konsole. Ein holographisches Tastfeld erschien. Cimc tippte einige Eingaben ein. »Sicherheitscodes bestätigt. Bitte Informationen eingeben!« ertönte eine kalte Maschinenstimme. »Sicherheitskräfte von Sektor Agla-67 abziehen. Vermutete Infiltratoren haben Lift zu Sektor Dusk-55 genommen und bewegen sich in die Tiefe. Sicherheitskräfte wurden durch holographische Projektionen bei Agla-67 getäuscht. Höchste Gefahr für die unteren Sektoren.« »Angaben verstanden. Anweisungen ausgegeben.« Cimc sah auf. »Das wird sie nur einige Minuten beschäftigen. Sobald sie
herausgefunden haben, daß ich diese Angaben mit einem alten Vank-Sicherheitscode autorisiert habe, werden sie wissen, daß sie reingelegt wurden.« Der Tel-Anführer nickte. »Das wird uns genügen. Cimc. In Dusk-55 sind wichtige Energieanlagen, an sich die geeignete Stelle für einen Anschlag. Ihre Angaben klangen glaubwürdig. Wir werden die Zeit nutzen!« Die Gruppe machte sich wieder auf den Weg. Diesmal gingen sie nicht mehr so forsch voran, sandten Kundschafter aus und mieden die Hauptgänge. Der Alarm war abgestellt worden und die Sicherheitskräfte schienen tatsächlich woanders beschäftigt zu sein. So schnell es ging eilte man durch die Windungen des Kluis. Trotz der Hetze hatte Archibald Gelegenheit, sich ein Bild von dieser gigantischen Anlage zu machen. Der eigentliche Rechnerkomplex machte nur einen kleinen Teil davon aus. Es waren viele Verwaltungsstellen hier angesiedelt, Büros und Forschungseinrichtungen. Der Kluis war ohne Zweifel das Herz des Tel-Imperiums. Andererseits hatte es auch gezeigt, was passieren konnte, wenn eine genial konstruierte Maschine begann, über ein Sternenreich zu herrschen. Die unnachgiebige, machtbesessene Attitüde der Tels und ihre Herrenmenschenmentalität hatte sicher nicht zuletzt ihren Ursprung in der Tatsache, daß wichtige Entscheidungen von einer seelenlosen, gefühlskalten und von der Unumstößlichkeit ihrer Ratschlüsse überzeugten Maschine gefällt wurden – und da sich viele der Entscheidungen des Kluis in der Tat als vorteilhaft für die Ausbreitung des TelImperiums erwiesen hatten, war die Konsequenz der gesellschaftlichen Entwicklung wenig verwunderlich. Doch es gab noch andere Dinge, die Archibald beschäftigten.
Er eilte an Cimcs Seite. Der Tel war in den letzten Stunden sehr einsilbig geworden. »Welche Rolle spielen Sie in dieser Flucht?« stieß der Botschafter keuchend hervor. Cimc sah den ihn ratlos an. »Das wüßte ich selbst gerne genauer... es hat jedenfalls dazu geführt, daß der Kluis manipuliert wurde.« »Manipuliert?« schnaufte Archibald. »Wie denn?« Cimc sah immer ratloser aus. »Ich bin mir da nicht mehr so sicher...« Sie wurden unterbrochen. »Hier!« Eine weitere Tür, diesmal keine Wachen. Die Gruppe eilte in einen großen Raum, in dem zwei Transmitter standen. Offenbar wurde man hier bereits erwartet. Zwei Tels in Technikeruniformen sahen ungerührt zu, wie die Befreier und ihre Schützlinge in den Raum strömten, die Tür hinter sich verschlossen und einen schweren Metallschrank davorstellten. Sie hantierten an den Kontrollen der Transmitter. Wenige Sekunden später glühten die beiden Abstrahlfelder auf. »Dieser dort führt direkt in ein Schiff der wartenden terranischen Flotte!« erklärte der Anführer der Tels hastig. »Der andere dient unserer Flucht hier auf Cromar. Schnell, Terraner, dort hindurch!« Der Tel-Anführer wies hektisch auf den ersten Transmitter. Archibald zögerte. Woher sollte er wissen, daß dieser Transmitter wirklich auf ein terranisches Schiff führte? Der Botschafter schüttelte den Kopf. So einfach ging das nicht. »Wie sollen wir sicher sein...«, hob er an, doch der TelAnführer schnitt ihm das Wort ab. »Sie werden uns schon vertrauen müssen, Botschafter!« erklärte er bestimmt. »Und jetzt können wir nicht länger warten.«
Der Kreis der Tels schloß sich um die Terraner. Archibald erkannte, daß ihnen kaum eine Wahl blieb. In den Augen des Tel-Anführers vermochte er ein gefährliches Schimmern wahrzunehmen. Ohne Zweifel hatte er die Absicht, die Terraner in jedem Falle durch das Abstrahlfeld zu treiben, ob sie davon nun begeistert waren oder nicht. »Viel schlimmer als die Wonnen des Abgrunds kann es nicht werden«, flüsterte Steinbrecher. Er sprach damit wohl die Gedanken aller befreiten Terraner aus. Damit war die Entscheidung gefallen. Cimc beobachtete, wie die Terraner rasch und ohne Zögern durch den ersten Transmitter getrieben wurden. Diese leisteten keinen Widerstand. Archibald war der letzte, der durch das Feld schritt. Er warf Cimc noch einen undefinierbaren Blick zu – als wolle er sagen: Wir sehen uns bald wieder. Dabei war das höchst unwahrscheinlich. Cimc wandte sich an den Tel-Anführer, als der letzte Gefangene durch das Abstrahlfeld gegangen war. Jetzt wollte er erfahren, wie man sich seine Zukunft vorgesehen hatte. Würde er in eine Art Untergrund gehen und dort das Leben eines Gejagten führen? Würde er Cromar verlassen und auf einem der unwichtigeren Planeten des Imperiums eine neue Identität erhalten? Würde man ihn um weitere Sicherheitsinformationen und Verschlußsachen bitten? Während der Flucht hatte sich Cimc jede Einzelheit dessen ausgemalt, was er in diesen Fällen tun würde. Er fühlte sich vorbereitet. »Wohin fliehen wir?« Der Tel lächelte. »Du, Verräter, gehst mit deinen Freunden!« Cimc zuckte zusammen. Sein bisher schwaches Unbehagen sprang ihn mit voller Kraft an. Seine Hände verkrampften sich zu Fäusten.
»Was soll...« »Du bist nicht halb so intelligent, wie uns berichtet wurde. Es ist eine Schande, daß viele aufrechte Tels für deine Befreiung ihr Leben lassen mußten«, fuhr der Tel-Anführer fort. »Aber das soll alles für den großen Plan seinen Sinn haben. Du, Cimc, hast deine Rolle jedenfalls gut gespielt.« Der Tel lächelte ironisch. »Jedenfalls besser, als ich das erwartet habe. Dein Mißtrauen ist eingeschlafen und deine Vorsicht nicht mehr vorhanden. Es scheint, als hätten Dummheit und Naivität sich im Bewußtsein des großen Wer Dro Cimc breitgemacht. Das hier wird wohl deine Quittung sein – für deinen Verrat ebenso wie für deine Unbesonnenheit!« Cimc stand erschüttert da. Der leise Verdacht, den er die ganze Zeit über gehegt hatte... der Tel war bestürzt. Er fühlte, wie ihm schwindlig wurde. Der Anführer der Befreier hatte recht... Dummheit war tatsächlich eine Sünde, der man ihn bezichtigen konnte. So viel Dummheit... Alles ein abgekartetes Spiel... Der Kluis... was sollte er jetzt noch glauben? Was würde nun passieren? »Aber meine Freunde – und mein Vater!« Der Tel-Anführer lächelte erneut. Es war ein gefährliches Lächeln. »Keine Sorge, Verräter. Man wird sich um sie kümmern.« Cimc hatte daran keinen Zweifel... Er wollte noch etwas erwidern, aber auf einen Wink seines Gegenübers wurde er gepackt und vorangetrieben. Cimc wehrte sich nur schwach. Er wurde durch den ersten Transmitter geworfen, der die Terraner eben erst abgestrahlt hatte. Cimcs letzter Gedanke vor dem Entzerrungsschmerz galt
dem tückisch grinsenden Anführer seiner Befreier und seinem Versprechen, seine Leidensgenossen und seinen Vater auch zu retten. Sein letztes Gefühl vor dem Sprung war Verzweiflung. *** »Ich denke, wir haben ein ernsthaftes Problem«, murmelte Jan Sörensen mit verkniffenem Gesicht und musterte die Energieanzeigen des Transmitters. Seit der Tel mit seinem XeFlash abgeflogen war, stand der Haupttransmitter des terranischen Flaggschiffes auf Empfang. Sörensen und seine Kollegin Fiona Bartok waren die Transmittertechniker, die gerade Dienst hatten und dementsprechend dafür verantwortlich, daß alles störungsfrei ablief. Soweit das in ihrer Verantwortung lag. Seit der Transmitter auf Empfang geschaltet war, hatte es für die beiden nicht viel zu tun gegeben. Statt dessen saßen sie vor den Kontrollen des Gerätes und musterten verstohlen den Sicherheitstrupp, der in der Halle Aufstellung genommen hatte. Ein junger Offizier trat nervös von einem Bein auf das andere und warf Blicke auf den Torbogen, die entweder ängstlich oder erwartungsvoll waren. In jedem Falle schien es ihm nicht besser als den anderen Besatzungsmitgliedern zu gehen, die hier auf die angekündigten Flüchtlinge warteten, denn eine Atmosphäre von gespannter Erwartung und steigender Nervosität erfüllte den Raum. Auch Sörensen und Bartok konnten sich diesem Einfluß nicht entziehen und ertappten sich dabei, wie sie die statisch glimmenden Energieanzeigen des Transmitters immer und immer wieder musterten. »Hoffentlich bekomme ich keinen Herzanfall, wenn das Ding losgeht«, wisperte nun Fiona bedeutungsvoll und nickte in Richtung des Transmitters. »Die Spannung hier ist so hoch,
daß damit fast zu rechnen ist.« Jan versuchte ein Lächeln, das ihm allerdings gründlich mißlang. »Ich habe immer noch die Befürchtung, daß uns die Tels eine Höllenmaschine herschicken werden. Es ist doch logisch: Eine Gigabombe in das Flaggschiff würde nicht nur die Zentrale der Flotte ausschalten, einen verheerenden psychologischen Effekt auf die Besatzungen haben, sondern auch ziemliche Zerstörungen im Umkreis verursachen. Hast Du mal einen M-Konverter hochgehen sehen?« Fiona schüttelte den Kopf. »Du denn?« »Nein... und ich will es auch nicht!« Dann versanken beide wieder in Schweigen. Die Kontrollen leuchteten auf. Das verhaltene Glimmen wurde zu einem hellen Gelb, einem Orange, dann wurde es zu einem starken Rot. »Verdammt!« »Das ist eine Unmenge an Energie, die da verwendet wird!« Der Offizier schlug Alarm. Um die Transmitterhalle legte sich ein Schutzfeld. Die Soldaten gingen in Stellung. Energieschlieren wurden im Transmitterfeld sichtbar. Die Anlage begann zu vibrieren. Bartok sah auf ihre Anzeigen. »Jan, da sendet jemand die Transmitterimpulse mit massiver Energieleistung. Entweder schicken die uns irgendeine schwere Materie mit einem wahnsinnig hohen spezifischen Gewicht oder die müssen durch starke Schirme hindurchsenden.« »Wenn die aus dem Bereich des Kluis senden, wäre das eine Erklärung.« »Wir sollten doch lieber abschalten, Jan! Das kann auch die Bombe...« »Kontakt!«
Das Transmittlerfeld leuchtete auf. Heraus torkelte ein Terraner, dann ein weiterer. Sie schienen desorientiert und waren unbewaffnet. Jan schlug auf den Schalter für das Schutzfeld, das sofort erlosch. Soldaten der TF nahmen die Flüchtlinge in Empfang und führten sie zur Seite. Weitere Terraner stürzten durch das Feld hindurch. Als letztes schließlich, mit ein paar Sekunden Abstand, fiel ein Tel zu Boden, als hätte ihn jemand durch das Feld gestoßen. Noch im Fallen wirbelte er herum und blickte voller Entsetzen auf den Transmitter, der nach ihm seine Tätigkeit einstellte. Sörensen warf ihm einen kurzen Blick zu. Die Augen des Tel waren geweitet, als sehe er einen namenlosen Schrecken. In seinen Gesichtszügen arbeitete es. Er schien tief bewegt und ignorierte die helfenden Hände, die ihm entgegengestreckt wurden. Schließlich richtete er sich alleine auf, blickte auf die Torbögen des Transmitters und es schien, als würde ein Schauer durch seinen Körper fahren. Der Offizier trat auf ihn zu. »Sie sind Wer Dro Cimc, wenn ich mich nicht irre!« Der Tel nickte langsam. »Willkommen auf dem Flaggschiff der TF, Wer. Ich werde Sie zum Admiral führen.« Willenlos setzte sich Cimc in Bewegung. Bartok und Sörensen sahen ihm schweigend nach, wie er die Halle mit den geflüchteten Terranern verließ. »Der sah ja schlimm aus«, flüsterte Fiona. Jan nickte. »Fast so, als habe er gerade etwas sehr wichtiges verloren.« *** An Bord der Suzanne Vega, zur gleichen Zeit
»Die Transmitter auf dem Flaggschiff sind ausgeschaltet worden!« Anna Bulgakowa nickte knapp. Zumindest war jetzt davon auszugehen, daß man sich auf den Heimweg machen konnte. Die terranische Botschaft war gerettet, nun brauchte man die höchst widerwillige Gastbereitschaft der Tels nicht weiter strapazieren – so diese nach diesem Vorfall überhaupt noch bestand. Die Kommandantin beugte sich vor, um über den Flottenkanal die Befehle zum Abflug zu erfragen, als eine weitere Meldung sie überraschte. »Explosion auf Cromar, Kommandantin!« Mit einem Schritt war Anna Bulgakowa an die Seite des Ortungsspezialisten getreten. Die Darstellungen auf dem Bildschirm sagten mehr als alle Worte. Die Ferntaster hatten die Energiewerte einer gigantischen Explosion auf der Hauptwelt der Tels geortet. Erschreckt musterte die Frau, wie die Werte sich förmlich zu überschlagen schienen. »Das ist ein Riesending!« murmelte Malani geschockt. Seine Hände flogen über die Sensortasten der Kontrollen. »Visuelle Übertragung?« fragte die Kommandantin. Malani schüttelte den Kopf. »Wir sind zu weit weg. Die Tels lassen nichts in die Nähe ihres Heimatplaneten. Die Werte sprechen aber für sich. Die Explosion fand direkt in der Hauptstadt Cromars statt. Ich messe hohe r-Werte an – es müssen Tausende von Tels umgekommen sein.« »Ursache?« »Keine Ahnung. Es hat keinen Angriff gegeben, zumindest nicht von außen. Eine zeitverzögerte Bombe? Oder auf Cromar geht nicht alles seinen geregelten Gang!« Das war keine neue Erkenntnis – sonst hätten die terranischen Botschaftsangehörigen kaum entfliehen können. Anna biß sich auf die Unterlippe. Es dürfte kein Zweifel
bestehen, wem die Tels das brutale Ereignis auf Cromar in die Schuhe schieben würden. »Ich habe jetzt genauere Daten!« erklärte Malani. »Offenbar ist der Kluis explodiert!« »Scheiße!« preßte Bulgakowa wenig diszipliniert hervor. »Das Nervenzentrum des Tel-Imperium und das zur gleichen Zeit, als die Terraner von Cromar auf eine wartende Ringraumerflotte geflohen sind. Da können wir Beteuerungen absenden wie wir wollen, die werden uns kein Wort glauben!« Malani sah sie verständnislos an. »Aber von uns ging ja nicht mal ein Blip aus!« Anna legte eine Hand auf die Schulter des Ortungsspezialisten. »Glauben Sie mir, das wird die Tels nicht stören. Deren Paranoia wird durch dieses Ereignis nur noch bestärkt. Vernünftige Argumente werden da nicht weiterhelfen. Wir können nur froh sein, daß der Botschafter und seine Leute das Inferno nicht haben miterleben müssen!« »Eine starke Funkmeldung!« Die Kommandantin fuhr herum. Auf dem Hauptbildschirm schälte sich aus zahlreichen Störungen das Gesicht eines beherrscht wirkenden Tels heraus. Er starrte unbewegt in die Kamera, dann öffneten sich seine Lippen. »Verehrte Bürger des Imperiums, ich spreche zu Ihnen in einer schweren Stunde. Verräter und Schurken haben das Imperium, das wir alle so lieben und mit dem Einsatz unseres Lebens verteidigen, an den Rand des Abgrundes geführt. Unser Stolz und unsere Ehre, noch vielmehr das Leben zahlloser Tels wurde den sinnlosen politischen Manövern einer verräterischen Clique geopfert. Der Angriff der Terraner und ihre weiterhin bestehende Präsenz im Herzen des Imperiums sind ein offenkundiges Beispiel dafür, wie die Regierung versucht hat, in Zusammenarbeit mit den Feinden des Reiches den
Untergang unseres glorreichen Imperiums vorzubereiten, um es den Händen der verbrecherischen Terraner auszuliefern. In diesen Minuten hat es einen von langer Hand vorbereiteten Anschlag auf das Herzstück des Imperiums, den Kluis, gegeben. Trotz der Bemühungen patriotischer Kräfte gelang es der Regierung, mit Hilfe terranischer Spione, den Kluis zu sprengen, um uns der terranischen Flotte auszuliefern. Während die terranischen Spione entkommen konnten – unter ihnen einer der Hauptverräter, Wer Dro Cimc – ist die Rechnung der anderen Verbrecher nicht aufgegangen. Zusammen mit Tausenden unschuldiger Tels starben sie in dem von ihnen verursachten Flammenmeer. Bürger des Imperiums! Wir, eine Gruppe patriotischer Offiziere, haben diese Entwicklung lange vorausgesehen! Nun haben wir, die wir uns die ›Erneuerer des Imperiums‹ nennen, uns der historischen Aufgabe gestellt! Wir haben einen Staatsrat gewählt, der die Geschicke des Imperiums in dieser schwierigen Zeit lenken soll! Patriotische Tels! Aufrechte Bürger! Befolgt die Anweisungen des neuen Staatsrates! Helft den Sicherheitskräften, die verbliebenen Kollaborateure zu finden und den Wonnen des Abgrundes zuzuführen! Unterstützt die neue patriotische Regierung der Erneuerung! Gemeinsam werden wir das Tel-Imperium wieder den Höhen und der Macht entgegenführen, die es rechtmäßig in der Galaxis verdient! Habt keine Angst! In Erwartung dieses Anschlages wurde eine Nebenzentrale errichtet, die die Aufgaben des Kluis erfüllen wird. Es wird kein Chaos und keine weiteren Ausfälle geben! Behaltet Ruhe und Disziplin! Terranische Verräter! Die neue Regierung wird Euer Tun nicht länger tolerieren! Die Zeit des müßigen Gesprächs ist vorbei! Zieht Eure Flotte sofort aus dem Cromar-System zurück, oder wir werden sofortige militärische Maßnahmen ergreifen! Noch wollen wir von einer sofortigen
Kriegserklärung gegen Euch absehen! Doch strapaziert unsere Geduld nicht zu lange! Die Zeit ist vorbei, da Ihr das TelImperium als Euer Spielzeug habt verwenden können! Die Zeit der Erneuerung ist nun gekommen!« Mit dem letzten Satz schwieg der Tel auf dem Bildschirm. Er blickte noch einige Sekunden mit unerbittlicher Miene in die Kamera, dann erlosch das Bild. In der Zentrale des Schiffes herrschte absolute Stille. Schließlich räusperte sich die Kommandantin und schaute sich um. »Ich hab’s ja gesagt!« murmelte sie schließlich mehr zu sich selbst. »Jetzt sind die Tels endgültig ausgetickt!« »Ich verstehe das nicht«, erklärte ihr 1. Offizier. »Eine Nebenzentrale, die die Aufgaben des Kluis erfüllen kann? Woher kommt die denn so plötzlich? Und wie kann jemand ein solches Projekt unerkannt von der Tel-Regierung verwirklichen? Der Kluis hat doch alles und jeden überwacht! Eine solche potentielle Konkurrenz hätte das Rechengehirn niemals zugelassen!« Bulgakowa nickte. »Sie haben recht. An der Geschichte stimmt es hinten und vorne nicht. Da ist etwas oberfaul – nur haben wir viel zu wenige Informationen, als daß wir darüber spekulieren könnten.« »Vielleicht ist die Wahrheit auch ganz anders... die TelRegierung als Volksverräter... das ist doch sehr dick aufgetragen...« »Ja, Park. Wenn Sie mich fragen: Das sieht eher nach einem netten, klassischen Militärputsch aus. Davor ist offenbar kein Staat gefeit!« Man hätte meinen sollen, daß mit dem Schritt ins Weltall auch ein ethischer oder moralischer Sprung nach vorne verbunden sei, dachte Anna bei sich. Das Beispiel der Tels wie
der Terraner zeigte, daß da noch eine Reihe von Defiziten vorhanden waren. »Eine erneute Funkübertragung von Cromar!« Wieder konzentrierte sich die Aufmerksamkeit aller auf den Hauptbildschirm, auf dem wieder das Gesicht des Tel-Offiziers erschien. »Bürger des Imperiums! Im folgenden verlese ich die Liste der Mitglieder des neuen Staatsrates...« Der Offizier begann, eine Reihe von Namen aufzusagen. Bulgakowa runzelte die Stirn. »Wenn mich nicht alles täuscht, befindet sich unter diesen Erneuerern kein Vank und kein Vanko!« meinte sie. Park nickte. »In der Tat kann ich bei den Titeln überhaupt keinen hohen Rang erkennen«, ergänzte er. »Es scheint sich um einen Putsch der mittleren und niedrigen Offiziersränge zu handeln.« Der Tel hatte derweil seine Namensverlesung beendet. »Patrioten! Um unsere Aussagen über die verräterischen Machenschaften einiger Tels und ihrer terranischen Freunde zu untermauern, präsentieren wir nunmehr den Beweis unserer Anschuldigungen. Uns wurde rechtzeitig vor der Explosion des Kluis Filmmaterial zugespielt, das die hochverräterischen Aktivitäten eindeutig dokumentiert. Jeder Bürger möge sich nunmehr eine eigene Meinung bilden!« Damit wurde das Bild des Offiziers ausgeblendet. Für einige Sekunden erschien das Staatswappen des Imperiums, dann wechselte die Szenerie. Der Film zeigte das Botschaftspersonal, wie es durch die Gänge des Kluis rannte. Es mußte sich um Darstellungen – ob real oder gefälscht – der Flucht der Terraner handeln. Bei ihnen waren einige Tels zu sehen, die jedoch von der Kamera nie richtig erfaßt wurden. Aus dem Off erklang abermals die Stimme des Offiziers.
»Hier sehen sie die terranischen Spione, die mit Hilfe der Tel-Verräter in den Kluis eindrangen und die Manipulationen an den Energiekonvertern vornahmen, durch die die vernichtende Explosion ausgelöst wurde. Hier, sehen sie sich den Hauptverräter an... Wer Dro Cimc!« Das Bild zeigte den Wer, wie er anderen Tels offenbar Instruktionen gab. Die Manipulation der Bildfolgen war perfekt und von Meisterhand ausgeführt. Der unvoreingenommene Beobachter mußte davon ausgehen, hier einen Beweis für einen Anschlag der Terraner vor sich zu haben. Erneut trat ein Tel-Offizier vor die Kamera. Anna konnte erkennen, daß dies jetzt kein Teil der normalen Übertragung mehr war, sondern vielmehr ein Richtspruch an die terranische Flotte. »Terraner! Aufgrund der katastrophalen Lage auf Cromar und der Tatsache, daß Euer Auftreten – warum auch immer – zum Abzug der angreifenden Ringraumerflotte geführt hat, werden wir derzeit vom Aussenden einer Strafexpedition nach Terra absehen. Wir erklären hiermit jedoch kategorisch, daß jedes weitere Eindringen in den Raum des Tel-Imperiums von der Regierung der Erneuerer als kriegerischer Akt angesehen und entsprechend beantwortet wird. Wir fordern die terranische Flotte hiermit erneut und ultimativ auf, das Hoheitsgebiet des Imperiums zu verlassen und nie, ich wiederhole, nie mehr hierher zurückzukehren. Der zur Flotte geflohene Hochverräter Cimc mag bei seinen terranischen Freunden bleiben und im Exil seine kümmerliche Existenz beenden. Das Imperium hat für ihn keine Verwendung mehr. Er ist hiermit für sein gesamtes Leben verbannt und seine sämtlichen Güter und Besitztümer werden eingezogen, um den Opfern seines Verrates zugute zu kommen. Einen Verräter am eigenen Volk können und wollen
wir nicht mehr dulden. Sein Name soll aus dem Gedächtnis aller aufrechten Tels getilgt werden!« Damit erlosch das Bild – diesmal offenbar endgültig. Park sah die Kommandantin an. »Es ist offensichtlich, daß die Terraner der Botschaft einer Intrige zum Opfer gefallen sind«, erklärte diese bestimmt. »Die ganze Befreiungsaktion, die Flucht Cimcs und die Explosion des Kluis sind Bestandteile eines ausgeklügelten Plans. Alles von langer Hand vorbereitet.« Park nickte. »Das wird uns noch einige Probleme bereiten! Zur Zeit haben die Tels genug mit sich selbst zu tun... die Zerstörungen durch die fremden Ringraumer sind gewaltig und es ist viel aufzuräumen und aufzubauen. Die neue Regierung muß erstmal fest im Sattel sitzen, ehe sie sich zu irgendwelchen außenpolitischen oder gar militärischen Aktionen imstande sieht, trotz aller starken Worte.« Die Kommandantin warf Park einen zustimmenden Blick zu. »So ist es«, bekräftigte sie. »Aber sobald das Imperium wieder konsolidiert ist und die Putschisten fest im Sattel sitzen... nun ja, eines hat diktatorischen Regimen immer geholfen: Sich auf äußere Feinde zu stürzen, um die eigene innere Machtbasis zu erhalten. Ich habe die Befürchtung, daß genau das passieren wird!« »Und das bedeutet?« warf Malani ein, der bisher nur schweigend zugehört hatte. Die Kommandantin zuckte mit den Schultern. »Wenn ich das nur wüßte.« »Ortung... die Tel-Verbände um Cromar nehmen Kurs auf uns!« Die Bilddarstellung war eindeutig. Große Verbände der mächtigen Tel-Kampfschiffe nahmen in geschlossener
Formation Fahrt auf. Sie würden die terranischen Schiffe in wenigen Minuten erreicht haben. »Die Flottenführung meldet sich«, kam die Meldung. »Wir haben sofortigen Rückzugsbefehl zur Erde!« Bulgakowa nickte dem Chefpiloten zu, der sofort die notwendigen Schaltungen vornahm. »Wir haben hier wirklich nichts mehr zu suchen«, murmelte sie leise, lehnte sich in ihrem Sessel zurück und betrachtete die Anzeigen. Als den Tels klar wurde, daß die terranischen Schiffe abdrehten, verlangsamten sie ihre Geschwindigkeit. Die terranische Flotte beschleunigte im Formationsflug und verließ das System des Planeten Cromar. Was sich auf dieser Welt abspielte, würde noch ungeahnte Folgen für die Terraner haben. Und niemand versprach sich positive Konsequenzen davon. *** Wanguun, irgendwo auf Cromar Es hatte einige Tage gedauert seit der letzten Zusammenkunft des »Kreises«, bis sich die Indizien für einen politischen Umschwung für den aufmerksamen Beobachter erkennen ließen. Wegt war ein sehr aufmerksamer Beobachter. Obwohl er seinem normalen, völlig harmlosen Lebenswandel nachging, hielt er immer die Augen offen. Er versuchte, hinter die Kulissen des Lebens zu blicken und nicht alles, was er dort erkannte, wollte ihm gefallen. Seit der Warnung hatte er sich besonders darum bemüht, aufmerksam und vorsichtig zu sein. Einige Gespräche mit Bekannten hatten ihm gezeigt, daß viele Tels ein seltsames Gefühl hatten... als läge etwas in der Luft. Nachdem die größten Schäden des Ringraumerangriffes unter Kontrolle
gekommen waren, war die Ankunft der terranischen Flotte für Wegt keine Überraschung gewesen. Da er ohnehin nicht der Auffassung war, die Terraner stünden hinter dem brutalen und rücksichtslosen Überfall – wenngleich die Regierung hier ganz offensichtlich anderer Meinung war –, konnte er die Ankunft der TF nur als Hilfsaktion für das Tel-Imperium werten. Es war abzusehen, daß die Regierung des Imperiums, allen voran der Kluis, jede Hilfe ablehnen würden. In einigen Regionen des Imperiums war es zu Unruhen gekommen, nichts wurde dringender gesucht als ein Sündenbock. Eine unbekannte Ringraumerflotte, die mit den mächtigsten Schlachtschiffen des Imperiums herumgespielt hatte wie mit Spielzeug, gab da nicht viel her. Das alte Mißtrauen gegen die Terraner, die sich der Technik der Rakes so beliebig zu bedienen schienen, half da schon viel mehr, und so war die Entscheidung gefallen. Wegt erwartete von niemandem, daß er sich rational mit diesen Vorwürfen auseinandersetzte. Die Regierung spielte dieses Spiel schon lange, und sie spielte es gut. Die Mehrheit der Tels würde den Vorwürfen Glauben schenken und sich trotz aller Not hinter die Regierung stellen. Es war ein harter Arbeitstag gewesen, als Wegt an einem Abend wieder nach Hause kam. Alle Fabriken und Produktionsstätten hatten Extraschichten fahren müssen, um die erlittenen Verluste und Zerstörungen ausgleichen zu können. Das galt auch für Wegt Ztari, und so hatte er gerade eine ermüdende Doppelschicht hinter sich gebracht. Erschöpft hatte er den Heimweg angetreten. Wie immer betrat er das schmucklose, eintönige Gebäude und fuhr mit dem Lift in sein Stockwerk. Er betrat seine Wohnung, warf einen müden Blick auf die Uhr und seufzte. Dann setzte er sich in einen Sessel, griff zur Fernbedienung und aktivierte den Schirm der TV-Kanäle. Eine Sendung über Aufräumarbeiten in irgendeiner Region Cromars wurde
gezeigt, begleitet von patriotischem Gerede. Wegt hörte nur mit einem halben Ohr zu: »... zeigt sich auch hier in Fhuukt, daß die hervorragend motivierten und bestens ausgebildeten Streitkräfte des Imperiums Freunde und Helfer der Bevölkerung sind. Nur ihrem unermüdlichen Einsatz ist es zu verdanken, daß nach stundenlanger Arbeit die während des Angriffes der weißen Affen zerstörte Statue des großartigen Vanks Fkort Mnasl wieder errichtet werden konnte. Nun strahlt die Weisheit dieses vor hundert Jahren verstorbenen großen Führers wieder über die Straßen Fhuukts, und kann, ja wird die Bevölkerung zu neuen Anstrengungen im Wiederaufbau der...« »Bürger des Imperiums!« Wegt schreckte hoch. Er war beinahe eingenickt. Das Programm war plötzlich unterbrochen worden. Auf dem Bildschirm erschien das hart geschnittene Gesicht eines Offiziers. Im Hintergrund leuchteten die Insignien des Imperiums. Draußen in der Stadt heulten Alarmsirenen. Wegt Ztari war hellwach. Mit Spannung verfolgte er die Ankündigungen des Offiziers. Es war offenbar geschehen – und das auf eine weitaus brutalere Art und Weise, als Wegt es sich vorgestellt hat. Das glühende Areal, das einmal der Kluis gewesen war... die feige Flucht Wer Dro Cimcs... und die Ernennung einer neuen, offenbar vom Militär eingesetzten Regierung... und dann die beständigen Vorwürfe und Drohungen gegen die Terraner... Wegt saß minutenlang wie erstarrt in seinem Sessel. Dann erschien ein anderer Mann auf dem Bildschirm. Ein weiterer Offizier, der sich als Sprecher des Innenministeriums vorstellte. »Patriotische Bürger unseres Imperiums«, hob er an. »Die alte Regierung hat lange zugesehen, wie zersetzende Elemente den reinen Körper unseres Staates wie Bazillen heimsuchten
und den Willen des Volkes von innen heraus angriffen. Falsch verstandene Liberalität und Nachsicht hat nicht zuletzt dafür gesorgt, daß die weißen Affen leichtes Spiel mit unserer Flotte hatten. Überall werden nun die Sicherheitskräfte des Innenministeriums dafür sorgen, daß diese Bazillen ausgemerzt werden und ein so verhängnisvoller Vorfall nie wieder passieren kann. Die neue Regierung garantiert die Sicherheit aller wohlmeinenden und patriotischen Bürger, die dem Imperium mit ganzer Kraft zu dienen bereit sind. Doch all jene Elemente, die meinen, ihre Freiheiten ausnutzen zu können, um der Macht und dem Ansehen des Imperiums zu schaden, werden von uns mit voller Kraft bekämpft werden und die Wonnen des Abgrundes erleben dürfen! Das, patriotische Bürger, ist ein heiliges Versprechen, das die neue Regierung Euch geben will!« Wegt hatte genug gehört. Er drückte auf die Fernbedienung. Mit einem Griff hatte er die Umhängetasche gefaßt, die neben ihm auf dem Boden lag – fertig gepackt seit jenem letzten Treffen des Kreises. Er warf sich eine Jacke über, öffnete eine Schublade und holte sich ein dickes Bündel Bargeld heraus – fast schon ein Anachronismus auf Cromar, aber für die Sicherheitsbehörden waren Kreditkarten nur eine Spur, an die man sich heften konnte. Dann fiel sein Blick auf den kleinen Blaster, den ihm ein Freund besorgt hatte. Das glänzende Metall der neu wirkenden Waffe stieß ihn ab. Doch er hatte die Waffe gewollt und er wußte damit umzugehen. Also mußte er sie auch mitnehmen. Es war besser, auf alles vorbereitet zu sein. Er öffnete die Tür und lugte heraus. Der Fahrstuhl – er fuhr nach oben. Sein Kommunikator klingelte. Wegt spürte ein ungutes Gefühl in seiner Magengegend. Seine beiden Herzen pochten heftig. Er sprang aus der
Wohnung. Die Tür glitt hinter ihm zu. Mit schnellen Schritten hatte er den Zugang zum Treppenhaus erreicht. Er rannte einige Stufen herunter, hielt inne... Schritte, von unten. Niemand benutzte noch die Treppen. Niemand – außer jemandem, der ihn an der Flucht hindern wollte. Ihm blieb nur der Weg nach oben... und dann vielleicht ein Versteck oder die Außenleitern. Oder die Wartungsschächte. Wegt rannte schwer atmend die Treppe hoch. Es war nicht weit bis zum Dach. Er stieß die Tür auf, sog die kühle Nachtluft in seine brennenden Lungen. Niemand zu sehen. In den Straßen Sirenengeheul und großer Aufruhr. Mit zusammengekniffenen Augen konnte Wegt den Aufmarsch von Sicherheitskräften an zentralen Plätzen erkennen. Die neue Regierung schien kein Risiko eingehen zu wollen. »Na fein«, murmelte Wegt. Er wandte sich um und lauschte. Die Schritte im Treppenhaus waren nicht verklungen. Ihm blieben vielleicht noch einige wenige Minuten. Rasch lief er zum Rand des Daches. Eine frei hängende Leiter führte das hohe Gebäude herunter. Am Ende, ganz unten, sah er zwei Bodenfahrzeuge der Polizei. Man würde ihn dort sicher erwarten. Also ein Versteck. Wegt wirbelte herum und rannte zum Installationshäuschen. Seine Vorbereitungen zahlten sich aus, er hatte sich den richtigen Schlüssel für das primitive Sensorschloß besorgt. Die Tür des Verschlages öffnete sich, Wegt quetschte sich hinein. Dort, der Zugang zur Belüftung und den Wartungsschächten. Erst seine Tasche, dann wuchtete Wegt sich selbst in die enge Röhre. Ohne Zeit zu verlieren kroch er vorwärts, langsam, um möglichst wenig Lärm zu verursachen. Er hatte sich den Plan der Röhren und Schächte ungefähr eingeprägt. Mühsam orientierte er sich, es war sehr
dunkel hier. Wegt hielt inne. Unter sich, in einem Gang, hörte er Stimmen. »In seiner Wohnung ist er nicht.« »Wahrscheinlich hat er eins und eins zusammengezählt und ist rechtzeitig abgehauen.« »Der Türcomputer unten in der Halle hat ihn aber nicht registriert. Auch die Beobachter nicht. Er muß noch irgendwo im Haus sein – ich vermute mal, auf dem Dach.« »Gut, gehen wir nachsehen!« Wegt stieß leise die Luft aus. Sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen. Man war hinter ihm her. Er war sich sicher. Langsam bewegte er sich in dem Schacht weiter. Er kam an eine Kreuzung. Für einen Augenblick wußte der Tel nicht, wohin er sich wenden sollte. Dann hielt er sich links. Der enge Schacht fiel etwas ab, dann wurde er immer steiler. Sprossen waren zu sehen, die Wegt zum Abstieg nutzen konnte. So behutsam und leise wie möglich schob er sich hinunter. Sobald er irgendein Geräusch hörte, blieb er wie angewurzelt stehen. Dann erst, als er sich sicher fühlte, setzte er seine Flucht fort. Wegt warf einen hastigen Blick auf seine Uhr. Es waren erst 20 Minuten seit seiner Flucht vergangen... und es kam ihm wie Stunden vor. Dann hörte er unter sich ein Summen. Mittlerweile stand er senkrecht auf den Sprossen einer Leiter, die in die Tiefe führte. Er blickte zwischen seine Beine hindurch. Ein kleines, blinkendes Etwas schwebte langsam nach oben. Eine Spionsonde. Sie konnte ihn jeden Augenblick entdecken. Hastig griff Wegt in seine Umhängetasche. Er holte einen Störsender hervor, den der technisch begabte Ex-Student gebastelt hatte. Er richtete das primitive Gerät auf die Sonde, drückte den Auslöser. Der kleine Robot schnarrte, dann wand
er sich wie nach einem Windstoß. Schließlich stürzte er ab. Wegt hörte das Herumschrammen an den Schachtwänden. Er war hier nicht mehr sicher! Wegt überlegte rasch. Viele Möglichkeiten blieben ihm nicht mehr. Sobald die Sicherheitsleute die Überreste der Spionsonde entdeckt hatten, würden sie ein ganzes Rudel davon durch die Schächte schicken und ihn sehr schnell finden. Wegt entschied sich, wieder das Dach aufzusuchen. So schnell er konnte wand er sich durch die Schächte. Als er den Eingang im Installationshäuschen erreicht hatte, wartete er einen Augenblick. Er hörte nichts. Mühsam schob er sich durch die Öffnung, schlich zur Tür und öffnete sie einen Spaltbreit. Niemand. Sollten seine Häscher das Dach schon abgesucht haben? Wegt öffnete die Tür weiter. Niemand zu sehen. Er trat hindurch. Ein paar Schritte hin zum Rand des Daches, um die Lage zu überblicken. »Und jetzt die Hände hoch, mein Freund.« Wegt Ztari blieb wie erstarrt stehen. Langsam drehte er sich um. Zwei Tels in Uniform standen vor ihm, Waffen auf ihn gerichtet. Einer lächelte süffisant. »Du hast doch nicht im Ernst geglaubt, uns täuschen zu können, mein Kleiner!« erklärte er in arrogantem Tonfall. Der andere winkte mit Handschellen. »Es wird uns eine besondere Freude sein, dich über deine Freunde zu verhören, ehe du den Wonnen des Abgrundes übergeben wirst«, erklärte er. »Ihr seid verrückt!« preßte Wegt hervor. Die beiden Tels lachten nur. »Und jetzt komm her und mach keinen Ärger«, forderte ihn einer auf. Er trat einen Schritt auf ihn zu, Wegt wich zurück. Beide Tels trugen scharfe Waffen, keine Schocker. Doch sie schienen den Auftrag zu haben, ihn lebend zu fangen.
»Da ist nur noch der Rand des Daches, mein Freund!« erklärte der erste der Uniformierten. »Besser, du gibst jetzt gleich auf. Ersparst dir eine Menge Probleme.« Ztari hatte sich auf diesen Augenblick gut vorbereitet. Er hob die Hände höher und trat auf die Uniformierten zu. Einer senkte seine Waffe und holte eine Fessel hervor, der andere blickte einen Moment auf seinen Freund. Ztari sprang zur Seite. In seiner Hand hielt er den kleinen Blaster. Eine Flammenlohe leckte aus der Öffnung und erfaßte die beiden Uniformierten. Von der Kraft des Aufpralls wurde einer nach hinten geschleudert, während der andere sich zur Seite hechten wollte. Doch Ztari folgte den Bewegungen des Mannes und erwischte ihn. Für Sekunden hörte er dem Knistern des verbrennenden Uniformstoffes zu und fühlte, wie Übelkeit in ihm heraufstieg. Doch dafür blieb keine Zeit. Ztari raffte sich auf und sah sich um. Ein blendend heller Lichtschein erfaßte ihn. Vom Rand des Daches stieg ein Polizeigleiter hoch. Ztari hob abwehrend die Hände, um seine Augen zu schützen und torkelte in Richtung Geländer. Eine Lautsprecherstimme forderte ihn auf, die Waffe niederzulegen und sofort aufzugeben. Der Gleiter war in ein Schutzfeld gehüllt, so daß Ztaris Waffe nutzlos war. Wegt Ztari zögerte einen kleinen Moment. Ihm blieb jetzt nur noch eine einzige Lösung, um sich und seine Freunde vor den Verhören des Geheimdienstes zu schützen. Ja, dachte Wegt Ztari. Das ist in der Tat die einzige Lösung. Ich erspare mir und meinen Freunden eine Menge Probleme. Er warf noch einen Blick in den nächtlichen Himmel, dann blickte er voll in den Lichtstrahl des Gleiterscheinwerfers und lächelte freundlich. Er winkte. Ehe jemand etwas tun konnte, hatte er die Brüstung des
Daches ergriffen und übersprungen. Er fiel, ohne zu schreien. Mit Wegt Ztari starb in dieser Nacht der erste Dissident nach dem Sturz der alten Regierung. Es sollte nicht der letzte sein. *** An Bord des terranischen Flaggschiffes in der Kabine des Kommandanten Man hatte ihm die beste Kabine an Bord des Flaggschiffes der Flotte gegeben. Dies war traditionellerweise der Raum, der auch in diesem Jahrhundert von manchen immer noch als »Kapitänskajüte« bezeichnet wurde. Man hatte ihn mit ausgesuchter Höflichkeit behandelt und ihm ein Mannschaftsmitglied als Steward zugeteilt. Der Kommandant des Schiffes wie der Flottenadmiral hatten ihm zugesichert, jederzeit zu seiner Verfügung zu stehen. Doch im Grunde wollte Wer Dro Cimc nur allein sein. Die Übertragung von Cromar und die Filmsequenzen, die die neue Regierung ins All geschickt hatte, hatte er direkt auf dem Bildschirm in seiner Kabine beobachten können. Als er sich selbst auf dem Schirm hatte sehen können, wie er anderen Tels wichtige Sicherheitsinformationen über den Kluis übergab, hatte er sein Gesicht in den Händen verborgen. Spätestens jetzt wußte er, wie sehr man ihn benutzt hatte, um Ziele zu verfolgen, die er sonst zu keinem Zeitpunkt gebilligt hätte. Dazu kam die Erkenntnis der Tatsache, daß mit der Explosion des Kluis nicht nur Tausende Unschuldiger in den Tod gerissen worden waren, sondern wahrscheinlich auch seine ehemaligen Mitgefangenen. Und sein Vater.
Er hatte all das nicht gewollt. Sicher, auch er hatte der Alleinherrschaft des Kluis ablehnend gegenübergestanden. Er hätte sich auch an einer Aktion beteiligt, die ohne diese großen Opfer zu einer sinnvollen Reform des Regierungssystems des Imperiums geführt hätte. Doch das, was jetzt dabei herausgekommen war, war ein Militärputsch und die Putschisten waren Tels, denen er keine Sekunde über den Weg trauen würde. Die starken Worte der ersten Übertragung hatten jede Hoffnung in Wer Dro Cimc auf die Vernunft und Toleranz der neuen Machthaber zerstört. Die Tatsache, daß er von der neuen Regierung verbannt und mit Lügen und Hohn überschüttet worden war, war da nur noch ein kleines zusätzliches Gewicht auf seiner Seele. Er war sich gar nicht sicher, ob er überhaupt jemals nach Cromar zurückkehren wollte, jetzt, nachdem seine Freunde wahrscheinlich alle tot waren und nichts übriggeblieben zu sein schien, für das es sich zu kämpfen lohnte. Er spürte ein leises Zittern und erkannte, daß das Flaggschiff der Terraner Fahrt aufgenommen hatte. Rückkehr zu Erde, für Ungewisse Zeit die neue Heimat des Wer Dro Cimc. Er machte sich wenige Gedanken über seine Zukunft, mehr über die Fehler in seiner Vergangenheit. Kopfschüttelnd saß Cimc auf der großen Couch des Kommandanten und fragte sich immer wieder, was er hätte anders machen sollen. Schließlich erkannte er, daß diese Gedanken müßig waren. Eine Kontrolleuchte unter dem Bildschirm belehrte ihn darüber, daß die Flotte demnächst auf Sternensog gehen würde. Cimc lehnte sich zurück und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Die Leere, die er in sich fühlte, schien sich ins Endlose auszudehnen. Jemand klopfte. Mühsam hob Cimc seine Stimme zu einem brüchigen
»Herein!«. Sir Arthur Archibald betrat behutsam die Kabine. Mit einem Blick erkannte er, wie es um den Tel stand. Ohne zu fragen, setzte sich der ältere Herr neben den ehemaligen Wer. »Cimc, ich hatte noch keine Gelegenheit, Ihnen auch im Namen meiner Mitarbeiter für die Rettung zu danken.« Cimc winkte müde ab. »Archibald, wir alle sind nur benutzt worden. Ihre Rettung und meine Flucht waren nicht mehr als positiv erscheinende Begleiterscheinungen. Wir sind hereingelegt worden.« Archibald wog seinen Kopf. »Das mag sein, Wer. Ungeachtet dessen säßen wir ohne Ihre Mithilfe entweder noch im Gefängnis oder wären exekutiert worden. Ob unsere Befreiung nun eine Begleiterscheinung war oder nicht – wir sind verdammt froh, daß wir diese Sache überlebt haben. Es sah nämlich nicht immer danach aus.« Cimc lächelte schwach. »Dann freuen Sie sich, Botschafter. Mir ist jede Freude an alledem, was passiert ist, vergangen.« Archibald sah den Tel scharf an. »Geben Sie nicht zu früh auf, Cimc. Sie sind nicht der einzige Tel, der an eine andere Zukunft Ihres Reiches glaubt. Ich habe während meines Aufenthaltes auf Cromar so manchen Ihrer Landsleute kennengelernt, der mit der militärisch durchorganisierten und nationalistischen Führung des Reiches nicht einverstanden war. Endlos werden sich auch Verrückte wie die derzeitigen Putschisten nicht an der Macht halten können. Die Geschichte hat mehrfach erwiesen, daß sich keine Diktatur ewig hält. Und ich habe so das Gefühl, als würden diese ›Erneuerer‹ ihre Sessel bald wieder räumen müssen.« Archibald beugte sich vor. »Und dann benötigt das Imperium wieder vernünftige und maßvolle Führungspersönlichkeiten wie Sie, Cimc! Es war ein
fataler Fehler der Putschisten, Sie gehen zu lassen! Ich will ja nicht übertreiben, aber ich denke, die haben damit die Keimzelle ihres eigenen Unterganges gelegt. Geben Sie noch nicht auf, Cimc! Selbst, wenn Sie sich die Schuld an den Vorgängen auf Cromar geben – es wird eine Gelegenheit kommen, all das wieder gut zu machen. Und das ist eine Chance, auf die Sie hinarbeiten und auf die Sie warten sollten.« Cimc lächelte verhalten. »Archibald, ich danke Ihnen. Nein, so leicht gebe ich sicher nicht auf. Doch manche Wunden benötigen wohl eine Zeit der Heilung. Und diese hier ist besonders tief.« Der Botschafter nickte verständnisvoll. »Nun, Cimc, ich lasse Sie wieder allein. Sollten Sie aber das Bedürfnis nach Gesellschaft verspüren... unser Koch versucht sich in der Kombüse derzeit an der Produktion eines Gebäcks, das er Grandmother’s boiled fruit cake nennt. Ich weiß noch nicht, was daraus werden wird, aber vielleicht haben Sie Interesse daran, es einmal zu kosten.« Damit stand Archibald auf, hob grüßend die Hand und verließ die Kabine. Wer Dro Cimc starrte einige Sekunden auf die geschlossene Tür. Dann stahl sich ein feines Lächeln auf sein Gesicht. *** Imperium der Tels, irgendwo auf Cromar Der Raum war klein und geschmackvoll eingerichtet. Eine Sitzecke, einige Computerterminals, schön anzusehende Holographien. Sieben Personen standen in dem Raum um einen niedrigen Tisch herum. Leise wisperten Displays Meldungen und Statistiken in die Stille hinein. Fünf der sieben
Personen waren Tels, Offiziere der Raumflotte in den mittleren Dienstgraden. Zwei der Personen waren nicht zu identifizieren, sie verbargen sich hinter Energieschirmen, die nur ihre Schemen erkennen ließen. »Der Plan wurde entsprechend Ihrer Weisungen ausgeführt«, erklärte einer der Tels. »Die eigenen Verluste bewegten sich innerhalb der vorberechneten Parameter.« »Cimc und die Terraner?« fragte eine der Gestalten hinter dem Energieschirm. »Die Befreiung verlief relativ reibungslos. Es gab etwas größere Schwierigkeiten als berechnet, sie konnten jedoch überwunden werden. Alle Terraner und der Verräter befinden sich an Bord der terranischen Flotte. Die überlebenden Mitglieder des Befreiungskommandos wurden eliminiert. Ihr Transmittersprung hatte keine Gegenstation. Sie werden auf ewig als Energiegitter im Hyperraum treiben.« »Das ist befriedigend. Die Lage im Imperium?« Ein anderer Tel ergriff das Wort. »Die Bevölkerung verhält sich größtenteils ruhig und abwartend. Wir haben die Geheimdienstakten ausgewertet und unverzüglich mit der Austilgung unerwünschter Elemente begonnen.« »Die Flotte und die Streitkräfte?« »Die Flotte steht voll hinter der neuen Regierung. Alle höheren Offiziere haben den Machtwechsel begrüßt. Einige Einheiten der Territorialstreitkräfte auf entfernten Kolonialwelten haben Widerstand geleistet. Die entsprechenden Maßnahmen zu ihrer vollständigen Vernichtung wurden eingeleitet und werden einen sicheren Erfolg haben.« Die Gestalten hinter den Schutzschirmen bewegten sich. »Der Geheimdienst?« »Auf unserer Seite. Unsichere Kandidaten wurden
eliminiert. Einige wenige Einzelpersonen sind auf der Flucht, werden jedoch verfolgt. Keine ernsthafte Bedrohung.« Ein anderer Tel räusperte sich. »Die interstellaren Reaktionen sind weniger erfreulich. Daß die Terraner nicht begeistert sind, ist klar. Wir haben Meldungen empfangen, nach denen auch andere Völker wie die Utaren den Machtwechsel mit großer Unruhe beobachten und offenbar Vorbereitungen treffen, sollten wir aggressive Absichten hegen. Seit die Terraner die Brut der Amphis gerettet haben, ist Enok ohnehin auf ihrer Seite. Ich schlage vor, daß wir uns in der näheren Zukunft zurückhalten...« »Das werden wir«, bestätigte einer der Schutzschirmträger. »Es gibt genug auf Cromar und anderen Welten des Imperiums wieder aufzubauen. Der Bevölkerung muß bewiesen werden, daß die neue Regierung tatkräftig für ihr Wohl eintritt. Sobald sich die Lage stabilisiert hat, werden wir uns den außenpolitischen Problemstellungen zuwenden. Das Rückgrat unserer Flotte wurde von den Ringraumern gebrochen. Sobald die Fertigungsanlagen wieder betriebsbereit sind, werden wir ein großes Rüstungsprogramm auflegen müssen, damit das Imperium nicht lange so verwundbar bleibt. Bis dahin werden wir also Ruhe bewahren.« Die Tels nickten beifällig. Dann warteten sie noch einen Moment. Als keine der beiden Gestalten hinter den Schutzfeldern noch etwas sagte, verließen sie leise den Raum. Das Wispern ihrer Viphos ging mit ihnen. Dann waren die beiden Drahtzieher alleine. »Wir haben den ersten Schritt erfolgreich getan.« »Wann werden wir den zweiten gehen?« Für einen Augenblick herrschte Stille. »Wenn die Zeit dafür reif ist. Und das wird nicht allzu dauern, dessen können wir sicher sein!«
- Ende
Wie es aussieht, werden auf Cromar die Tels und ihre mysteriösen Anführer nach der Ausschaltung des Kluis eine ganze Weile mit sich selbst beschäftigt sein. Terraner sind in Zukunft unerwünscht und so macht sich die Entsatzflotte der TF auf den Rückweg ins heimatliche Sonnensystem. Und während all diese Ereignisse stattfinden, sind auf Hope geheimnisvolle Kräfte am Werk. Ron Argon und Jeanne Delcroix, die letzten beiden Überlebenden des Kolonistenraumers ANDROMEDA, scheinen
Verstoßene der Zeit zu werden...