Vertriebsinformationssysteme
Jörg Becker • Ralf Knackstedt Oliver Müller • Axel Winkelmann
Vertriebsinformationssysteme Standardisierung, Individualisierung, Hybridisierung und Internetisierung
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Prof. Dr. Jörg Becker Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS) Leonardo-Campus 3 48149 Münster Deutschland
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Oliver Müller Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS) Leonardo-Campus 3 48149 Münster Deutschland
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Dr. Ralf Knackstedt Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS) Leonardo-Campus 3 48149 Münster Deutschland
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Dr. Axel Winkelmann Universität Koblenz-Landau Professur für Betriebliche Anwendungssysteme Universitätsstr. 1 56070 Koblenz Deutschland
[email protected]
ISBN 978-3-642-11858-6 e-ISBN 978-3-642-11859-3 DOI 10.1007/978-3-642-11859-3 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort
Der Vertrieb gestaltet die Schnittstelle zwischen dem Kunden und dem Unternehmen. Er beeinflusst vor allem durch die Akquisition von Aufträgen ganz wesentlich den Unternehmenserfolg. Um den Anforderungen der Kunden gerecht werden zu können, ist der Vertrieb auf informationstechnologische Unterstützung angewiesen. Die Gestaltung von Vertriebsinformationssystemen wird durch eine Vielzahl von Trends herausgefordert. Von besonderer Aktualität und Bedeutung für die Vertriebspraxis sind dabei die folgenden in diesem Buch behandelten Gestaltungsfelder: x Standardisierung der Infrastruktur: Insbesondere die logistische Abwicklung des Vertriebs eignet sich für den Einsatz standardisierter Enterprise Resource Planning (ERP)- bzw. Warenwirtschaftssysteme. Bei der Gestaltung von Vertriebsinformationssystemen muss systematisch entschieden werden, in welchem Umfang von standardisierten Lösungen Gebrauch gemacht wird. x Individualisierung des Leistungsangebots: Die Kundenorientierung erfordert vom Vertrieb eine möglichst exakte Anpassung des Leistungsangebots an die individuellen Wünsche des Kunden. Vertriebsinformationssysteme müssen daher die Konfiguration des Leistungsangebots durch Mitarbeiter des Anbieters oder gar durch den Kunden selbst unterstützen. x Hybridisierung des Leistungsangebots: Um komplette Lösungen für Kundenprobleme anbieten zu können, müssen Unternehmen integrierte Bündel aus Sach- und Dienstleistungen, sogenannte hybride Leistungsbündel, anbieten. Bestehende Spezialisierungen von Vertriebsinformationssystemen auf einzelne Industrie- bzw. Dienstleistungsbranchen werden dieser Anforderung nicht mehr gerecht. x Internetisierung des Kundenkontakts: Die Umsetzung von Vertriebsinformationssystemen mittels Internettechnologie kann heute als etabliert gelten. Dennoch stellen sich weithin zahlreiche Gestaltungsprobleme, die diesem Feld in Forschung und Praxis ein hohes Interesse sichern. Den vorgestellten Entwicklungstrends widmen sich die vier Teile des vorliegenden Bandes. Im ersten Teil (Standardisierung der Infrastruktur) stellen JÖRG BECKER, OLIVER RICHTER und TAMER EL-HAWARI eine modellbausteinbasierte Methode zur Dokumentation und Gestaltung von Vertriebsprozessen vor, die mittels standardisierter Modellbausteine die Effektivität und Effizienz der Modellierung von Vertriebsprozessen erhöhen kann. Die gegenwärtige und
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Vorwort
zukünftige Nutzung standardisierter Anwendungssysteme untersucht AXEL WINKELMANN mittels einer empirischen Untersuchung. Dem Nutzungsverhalten stellen AXEL WINKELMANN und STEFAN THIEMANN im Anschluss eine Analyse der Strategien von Anbietern standardisierter Anwendungssysteme gegenüber. Im zweiten Teil (Individualisierung des Leistungsangebots) analysieren GERTRUD SCHMITZ und MICHAELA DIETZ die Nutzenpotenziale der Individualisierung und erörtern deren informationstechnische Umsetzung. Leistungsbeschreibungen schnell an individuelle Anforderungen der Kunden anpassen zu können, ist das Ziel des von TOBIAS TEICH, JÖRG MILITZER, HOLGER DÜRR, KATJA UNGER, NGOC-ANH TRAN und CARSTEN LOESER präsentierten Konzepts. Einen Überblick über wesentliche Funktionsbereiche von Produktkonfiguratoren im Internet geben JÖRG BECKER, RALF KNACKSTEDT, OLIVER MÜLLER, ALEXANDER BENÖLKEN, OLIVER SCHMITT, MAYOORAN THILLAINATHAN und ANDRÉ SCHULKE. JELLA PFEIFFER vertieft die Betrachtung der Funktionsbereiche durch eine ausführliche Analyse der Unterstützung von Online-Kunden durch interaktive Entscheidungshilfen. Den dritten Teil (Hybridisierung des Leistungsangebots) motivieren ECKHARD HEIDLING und PAMELA MEIL, indem sie am Beispiel der Dürr AG die Bedeutung hybrider Leistungsbündel zur Erschließung neuer Absatzpotenziale aufzeigen. Die Anforderungen, die sich aus hybriden Leistungsangeboten für die Gestaltung von Vertriebsinformationssystemen ergeben, erörtern PHILIPP LANGER, TILO BÖHMANN und HELMUT KRCMAR anhand einer Fallstudienanalyse. Eine informationstechnische Unterstützung der Lebenszyklusrechnung für hybride Leistungsbündel wird von JÖRG BECKER, DANIEL BEVERUNGEN, RALF KNACKSTEDT, OLIVER MÜLLER und STEFFEN MÜLLER vorgestellt. Im vierten Teil (Internetisierung des Kundenkontakts) beschreiben DANIEL BEVERUNGEN, RALF KNACKSTEDT und AXEL WINKELMANN die methodengestützte Gestaltung von Vertriebsinformationssystemen an den Kundenkontaktpunkten von Unternehmen. Die Unterstützung der Gestaltung der Kundenbeziehung und insbesondere der Vertriebskanäle mittels dispositiver Informationssysteme diskutieren ANDREAS HILBERT und STEFAN SOMMER. Aktuelle Realisierungen von Online-Shops werden von AXEL WINKELMANN, MATTHIAS BOEHM und JÖRG BECKER hinsichtlich ihrer Bedienbarkeit einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen. Speziell für die Gestaltung der Internetauftritte von Verbundgruppen präsentieren RALF KNACKSTEDT und MATTHIAS STEINHORST ein Referenzmodell. Der erste Beitrag von Axel Winkelmann im ersten Teil, der erste und zweite Beitrag von Gertrud Schmitz und Michaela Dietz bzw. Tobias Teich, Jörg Militzer, Holger Dürr, Katja Unger, Ngoc-Anh Tran und Carsten Loeser im zweiten Teil sowie der zweite Beitrag im dritten Teil von Philipp Langer, Tilo Böhmann und Helmut Krcmar wurden 2008 zu dem wissenschaftlichen Track
Vorwort
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der Tagung Handelsinformationssysteme (HIS) eingereicht, vom Programmkomitee der Tagung begutachtet und für die Tagungspräsentation sowie für die Veröffentlichung in diesem Band ausgewählt. Zu dem in diesem Rahmen verliehenen Best Paper Award gratulieren wir Prof. Dr. Gertrud Schmitz und Michaela Dietz. Allen Autoren danken wir aufs Herzlichste für ihre Beiträge. Ohne ihren Einsatz wäre dieser Band nicht zustande gekommen. Für die Begutachtung der zu dem wissenschaftlichen Tracks der HIS 2008 eingereichten Beiträge danken wir Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Robert Hansen (Wirtschaftsuniversität Wien), Prof. Dr.-Ing. Herbert Kopfer (Universität Bremen), Prof. Dr. Helmut Krcmar (Technische Universität München), Prof. Dr. Peter Loos (Universität des Saarlandes), Dr. Stefan Neumann (SAP AG), Prof. Dr. Hubert Österle (Universität St. Gallen), Dr. Eric Scherer (Eidgenössische Technisch Hochschule Zürich), Jörg Schulte (Schulte, Bender & Partner Unternehmensberater), Prof. Dr. Ulrich W. Thonemann (Universität zu Köln), Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Uhr (Technische Universität Dresden). Unser Dank gilt auch allen, die als Referenten, Sponsoren, Organisatoren und Helfer zum Erfolg der Tagung beigetragen haben. Matthias Boehm danken wir für die Unterstützung bei der redaktionellen Überarbeitung des Bandes. Münster, im Winter 2009 Jörg Becker Ralf Knackstedt Oliver Müller Axel Winkelmann
Inhaltsverzeichnis
Teil I: Standardisierung – Informationssysteme effektiv gestalten.................................................................................. 1 Vertriebsinformationssysteme zwischen Standardisierung und Flexibilisierung – Referenzmodelle für die Prozesse im Vertrieb ......................... 3 1 Herausforderungen des Vertriebs ................................................................................. 3 2 Der Vertrieb im Unternehmen ......................................................................................... 4 3 Referenzmodelle für die Prozesse im Vertrieb ........................................................ 7 3.1 Marketing ........................................................................................................................ 7 3.2 Verkauf ............................................................................................................................. 9 3.3 Warenausgang ........................................................................................................... 11 3.4 Fakturierung............................................................................................................... 13 3.5 Debitorenbuchhaltung ........................................................................................... 14 4 Referenzmodellgestütztes Prozessmanagement.................................................. 14 5 Fazit .......................................................................................................................................... 17 Literaturverzeichnis ................................................................................................................. 17
Informationstechnologien im Spannungsfeld von Handel, Produktion und Dienstleistung: Status quo der Verwendung operativer und dispositiver IT-Systeme im Handel ..............................................................................................19 1 Bedeutung der IT im Handelsumfeld ......................................................................... 19 2 Methodische Grundlagen ................................................................................................ 20 3 Allgemeine Angaben zur IT im Handelsumfeld ..................................................... 21 3.1 Stellenwert der IT aus Sicht des Managements .......................................... 21 3.2 IT-Budget in Relation zum Unternehmensumsatz .................................... 22
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4 Status quo des Warenwirtschaftssystems als zentrales operatives System ......................................................................................................................................23 5 Status quo des Berichtswesens als zentrales dispositives System ............... 25 6 Einsatz von „Enabling Technologies“ ......................................................................... 28 7 Fazit ...........................................................................................................................................30 Literaturverzeichnis .................................................................................................................30
Strategisches Marktverhalten von ERP-Anbietern vor dem Hintergrund von Marktkonzentration und technologischem Wandel ................................................................33 1 Einleitung ................................................................................................................................33 2 State of the Art und Vorgehen der Untersuchung................................................. 34 3 Übersicht über die untersuchten ERP-Hersteller und deren Systeme ........ 35 4 Auswertung des strategischen Marktverhaltens .................................................. 37 4.1 Historie ..........................................................................................................................37 4.2 Produktpolitik ............................................................................................................38 4.3 Preispolitik ...................................................................................................................40 4.4 Distributionspolitik ..................................................................................................40 4.5 Kommunikationspolitik ......................................................................................... 41 5 Identifikation und kritische Diskussion des strategischen Marktverhaltens ..................................................................................................................42 6 Fazit und Einschränkungen der Untersuchung ..................................................... 45 Literaturverzeichnis .................................................................................................................46
Teil II: Individualisierung – Lösungen auf Kundenwünsche abstimmen .........................................................49 Individualisierung im stationären Einzelhandel: Möglichkeiten, kundenseitige Bewertung und Ansatzpunkte technologischer Unterstützung ........................51 1 Problemstellung und Untersuchungsziele ............................................................... 51 2 Individualisierung im stationären Einzelhandel ................................................... 54
Inhaltsverzeichnis
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2.1 Interaktive Wertschöpfung als Basis der Individualisierung ............... 54 2.2 Möglichkeiten der Individualisierung im stationären Einzelhandel ............................................................................................................... 55 2.3 Ansatzpunkte technologischer Unterstützung der Individualisierung .................................................................................................... 57 3 Der wahrgenommene Individualisierungswert im stationären Einzelhandel.......................................................................................................................... 59 3.1 Komponenten des wahrgenommenen Individualisierungswerts im stationären Einzelhandel ............................................................................... 59 3.2 Kundenbezogene Einflussgrößen des wahrgenommenen Individualisierungswerts im stationären Einzelhandel .......................... 62 4 Ausblick: Beispielhafte Wert-Effekte technologischer Unterstützung der Individualisierung ...................................................................................................... 63 Literaturverzeichnis ................................................................................................................. 65
Steigerung der Reaktionsfähigkeit von agilen Supply Chains mittels automatischer Beantwortung von funktionalen Leistungsanfragen ..................................................71 1 Einführung ............................................................................................................................. 72 1.1 Eine Einordnung des Handels in das vorgestellte Konzept ................... 72 1.2 Betrachtung bestehender Software-Lösungen ........................................... 73 1.3 Einordnung der Produzenten in den Ansatz ................................................ 74 2 Beschreibung des Ansatzes ............................................................................................ 75 2.1 Detaillierung des Begriffs Funktionale Leistungsnachfragen .............. 76 2.2 Funktionale Deskriptionen des Leistungsangebotes ............................... 78 2.3 Erzeugung von Prozessvarianten zur automatisierten Planung des Produktes ............................................................................................................ 79 2.4 Betrachtung der Kapazitäten durch evolutionäres Scheduling ........... 81 2.5 Rückmeldung des Angebotes an den Handel ............................................... 81 3 Zusammenfassung und Ausblick ................................................................................. 81 Literaturverzeichnis ................................................................................................................. 82
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Online-Produktkonfiguratoren – Status quo und Entwicklungsperspektiven .............................................................85 1 Einleitung ................................................................................................................................86 2 Empirische Erhebung ........................................................................................................87 3 Empirische Analyse zentraler Perspektiven und Funktionalitäten von Online-Produktkonfiguratoren ..................................................................................... 89 3.1 Funktionale und strukturelle Perspektive..................................................... 90 3.2 Ökonomische Perspektive .................................................................................... 95 3.3 Ökologische Perspektive ....................................................................................... 98 4 Fazit ........................................................................................................................................ 101 Danksagung................................................................................................................................ 102 Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 102
Interaktive Entscheidungshilfen ............................................... 105 1 Unterstützung von Online-Kaufentscheidungen mit interaktiven Entscheidungshilfen ........................................................................................................ 105 2 Typen von Interaktiven Entscheidungshilfen ..................................................... 106 2.1 Empfehlungssysteme ........................................................................................... 106 2.2 Interaktive Informationsmanagement-Tools (IIMT) ............................. 109 3 Relevanz von interaktiven Entscheidungshilfen ................................................ 111 3.1 Geringe Verbreitung bei Produktvergleichsmatrizen ........................... 111 3.2 Bevorzugung von interaktiven Informationsmanagement-Tools.... 114 3.2.1 Theorie und Hypothesen ......................................................... 114 3.2.2 Experiment ............................................................................... 116 3.2.3 Ergebnisse ................................................................................. 119 4 Zusammenfassung und Ausblick ............................................................................... 120 Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 121
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Teil III: Hybridisierung – Sach- und Dienstleistungen integrieren ........................................................................................ 125 Voraussetzungen und Formen der Erschließung neuer Dienstleistungsfelder und Märkte ............................................ 127 1 Einführung ...........................................................................................................................127 2 Elemente einer Systematisierung produktionsnaher Dienstleistungen .. 130 2.1 Dimensionen produktionsnaher Dienstleistungen .................................130 2.2 Die Angebots- und die Nachfrageseite produktionsnaher Dienstleistungen .....................................................................................................131 3 Systempartnerschaft durch produktionsnahe Dienstleistungen in der Industrie – Das Beispiel der Dürr AG .......................................................................134 3.1 Planung und Entwicklung als neue Felder produktionsnaher Dienstleistungen .....................................................................................................135 3.2 Projektmanagement als neues Feld produktionsnaher Dienstleistungen .....................................................................................................140 4 Zusammenfassung............................................................................................................143 Literaturverzeichnis ...............................................................................................................144
Anforderungen an eine IT-unterstützte Angebotserstellung für hybride Produkte ............................. 147 1 Hybride Produkte .............................................................................................................147 2 Der Lebenszyklus hybrider Produkte......................................................................148 3 Fallstudie: Der Lebenszyklus hybrider Produkte bei GAMMA ..................... 150 3.1 Die hybride Produktentwicklung als Basis für die Angebotserstellung ...............................................................................................151 3.2 Die Angebotserstellung hybrider Produkte ...............................................152 3.3 Die Schnittstellen der Angebotsphase zu den nachgelagerten Prozessen ...................................................................................................................155 4 Fallstudie: IT-Anforderungen im Angebotsprozess hybrider Produkte .. 155 4.1 Anforderung an die Prozessunterstützung des Angebotsprozesses ................................................................................................156 4.2 Anforderung an die inhaltliche Unterstützung des Angebotsprozesses ................................................................................................157
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5 Diskussion und Ausblick ............................................................................................... 159 Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 160
TCO-as-a-Service – Servicebasierte Lebenszyklusrechnung für hybride Leistungsbündel ....... 161 1 Bedeutung der Lebenszyklusrechnung für hybride Leistungsbündel...... 162 2 Konzeptionelle Grundlagen ......................................................................................... 164 2.1 Modellierung hybrider Leistungsbündel ..................................................... 164 2.2 Vollständige Finanzpläne ................................................................................... 166 3 Spezifikation der Web Services .................................................................................. 167 3.1 Überblick ................................................................................................................... 167 3.2 Web Service ValueBundle-to-PaymentsSequence .................................. 168 3.3 Web Service PaymentsSequence-to-TcoVoFi ............................................ 169 4 Abgleich mit PLM Services 2.0.................................................................................... 170 5 Ausblick ................................................................................................................................ 172 Danksagung................................................................................................................................ 173 Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 173
Teil IV: Internetisierung – Kundenkontaktpunkte systematisch gestalten .................................................................. 175 E-Services im Handel – Auffindung und Dokumentation von Potenzialen zur Digitalisierung von Dienstleistungen für Hersteller und Kunden........................ 177 1 Handelsdienstleistungen als Gegenstand der Dienstleistungsforschung ............................................................................................. 177 2 E-Services zur Digitalisierung von Dienstleistungen ....................................... 180 3 Auffindung und Dokumentation von E-Service-Kontaktpunkten mithilfe des erweiterten Service-Blueprint-Ansatzes...................................... 184 3.1 Anwendungsbeispiel: Rücknahme von Leergut ....................................... 184 3.2 Anwendungsbeispiel: Coupon-Promotions im Handel ......................... 185
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4 E-Service-Implementierungen für die Digitalisierung von Handelsdienstleistungen ...............................................................................................187 4.1 Web-Service-basierter Informationsaustausch an einzelnen Kontaktpunkten ......................................................................................................187 4.2 Web-Service-basierte Dienstleistungserbringung über mehrere Kontaktpunkte hinweg ........................................................................................188 5 Zusammenfassung und Ausblick ...............................................................................190 Danksagung ................................................................................................................................191 Literaturverzeichnis ...............................................................................................................192
Analytisches Customer Relationship Management im elektronischen Handel .................................................................. 195 1 Einleitung .............................................................................................................................195 2 Customer Relationship Management.......................................................................196 2.1 Vom Relationship Management zum Customer Relationship Management .............................................................................................................196 2.2 Closed-Loop-Ansatz des CRMs .........................................................................197 2.3 Kollaboratives, operatives und analytisches CRM ...................................198 3 Analytisches CRM im elektronischen Handel ......................................................198 3.1 Erhebung der Daten ..............................................................................................199 3.1.1 Nicht-reaktive Datenerhebung ................................................ 200 3.1.2 Reaktive Datenerhebung ......................................................... 202 3.2 Kundenidentifikation ...........................................................................................203 3.2.1 Aktive Kundenidentifikation ................................................... 204 3.2.2 Passive Kundenidentifikation .................................................. 205 3.3 Analysen über den Kunden ................................................................................205 3.3.1 Auswertung der nicht-reaktiv erfassten Daten ...................... 205 3.3.2 Auswertung der reaktiv erfassten Daten ................................ 206 4 Herausforderung: Analytisches Multi-Channel-CRM .......................................208 4.1 Multi-Channel-Management ..............................................................................208 4.2 Multi-Channel-Ansatz im analytischen CRM ..............................................208 5 Fazit ........................................................................................................................................209 Literaturverzeichnis ...............................................................................................................210
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Usability von Online-Shops – Eine empirische Analyse .... 213 1 Bedeutung von Usability im E-Commerce............................................................. 213 2 Begriffsbestimmung ........................................................................................................ 214 3 Forschungsmethodik ...................................................................................................... 215 3.1 Methoden in der Literatur ................................................................................. 215 3.2 Vorgehen bei der Analyse und Datengrundlage ...................................... 216 4 Diskussion der Analyseergebnisse ........................................................................... 217 4.1 Gestaltung des Layouts........................................................................................ 217 4.2 Gestaltung der Suchfunktion ............................................................................ 220 4.3 Gestaltung der Produktdetailseite ................................................................. 221 4.4 Gestaltung des Warenkorbs .............................................................................. 222 4.5 Gestaltung des Bestellprozesses ..................................................................... 223 5 Gestaltungsempfehlungen und Fazit ....................................................................... 225 Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 227
Verbundgruppen im Internet: Ein Referenzmodell............ 231 1 Relationship Management von Verbundgruppen .............................................. 231 2 Modellierung von Internetauftritten ....................................................................... 232 3 Referenzmodellierung des Internetauftritts von Verbundgruppen .......... 235 3.1 Methodisches Vorgehen ...................................................................................... 235 3.2 Ergebnis ..................................................................................................................... 237 4 Anwendungen in Forschung und Praxis ................................................................ 241 4.1 Anwendung in der Forschung .......................................................................... 241 4.2 Anwendung in der Praxis ................................................................................... 243 5 Ausblick ................................................................................................................................ 243 Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 244
Autorenverzeichnis ........................................................................ 245
Teil I: Standardisierung – Informationssysteme effektiv gestalten
Vertriebsinformationssysteme zwischen Standardisierung und Flexibilisierung – Referenzmodelle für die Prozesse im Vertrieb Prof. Dr. Jörg Becker Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS)
[email protected] Oliver Richter Prof. Becker GmbH
[email protected] Tamer El-Hawari Prof. Becker GmbH
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Herausforderungen des Vertriebs
Der Vertrieb ist durch seine Nähe zum Kunden ein Schlüsselfunktionsbereich im Unternehmen. Zunehmender Wettbewerbsdruck sowie steigende Produkt- und Variantenvielfalt fordern eine hohe Flexibilität. Der originäre Nutzen des Produktes rückt immer weiter in den Hintergrund, wird oftmals zum Commodity, und nur der Zusatznutzen wird zum ausschlaggebenden Kaufentscheidungskriterium, z. B. durch zusätzliche Dienstleistungen zur Sachleistung (vgl. Pufahl 2006, S. 15). Neue Absatzkanäle durch Entwicklungen der Informations- und Kommunikationsbranche, Lifestyle of Health and Sustainability-Trends oder Wünsche der Kunden nach persönlichem Kundenkontakt eröffnen Unternehmen ständig neue Möglichkeiten, den Vertrieb zu gestalten. Mit neuen Anforderungen nicht Schritt halten zu können, wird zu einem immer größeren Risikofaktor (vgl. Ahlert et al. 2005, S. 79). Der Terminus Vertrieb verfügt über keine eindeutige Definition (vgl. Hesse 2004, S. 9 ff.; Jo 2008, S. 21 f.). Ein verbreiteter und auch im Folgenden zu Grunde gelegter Ansatz ist eine ganzheitliche Betrachtung aller Entscheidungen und Handlungen, die im Zusammenhang mit dem Weg der Ware zum Endkunden stehen. Dieser umfasst neben Marketing und Verkauf auch die
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Jörg Becker, Oliver Richter, Tamer El-Hawari
Distributionslogistik, die auf die physische Bewegung der Ware ausgerichtet ist und im Wesentlichen die art- und mengenmäßige, räumliche und zeitliche Warenbereitstellung sicherstellen soll. Weitere Aufgaben sind abrechnungstechnische sowie buchhalterische Funktionen aus der Fakturierung und Debitorenbuchhaltung. Die Vertriebsseite steht in engem Zusammenhang mit dem Markt, wodurch eine höhere Wettbewerbswirksamkeit als in anderen Bereichen im Unternehmen entsteht (vgl. Becker, Winkelmann 2008, S. 240). Die Gestaltung der Distributionsprozesse und der damit verbundenen Informationssysteme erfolgt aus der Dialektik zwischen Standardisierung und Flexibilisierung. Durch Standardisierung lassen sich Prozesse auf Basis erprobter Inhalte mit geringen Kosten und einem geringen Risiko realisieren. Flexibilisierung hingegen erlaubt die schnelle Anpassung von Abläufen an neue Sachverhalte. Auf diese Weise kann ein Unternehmen dem stetigen Wandel der Kundenwünsche gerecht werden. Nur die Balance zwischen Standardisierung und Flexibilisierung ermöglicht es, die gewünschte Stabilität in Unternehmen zu schaffen.
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Der Vertrieb im Unternehmen
Damit man den Herausforderungen des Vertriebs gerecht werden kann, muss dieser im Gesamtkontext aus Unternehmen und Unternehmensstrategie betrachtet werden. Hierbei ist neben der Abgrenzung der Aufgabenbereiche auch eine Betrachtung der Abhängigkeiten zu anderen Bereichen, beispielsweise der Beschaffung oder den logistischen Funktionen im Lager, erforderlich. Ordnungsrahmen können bei dieser Einordnung einen ganzheitlichen Überblick vermitteln und somit eine große Hilfe darstellen. Aufgrund der hohen Wettbewerbsrelevanz nimmt der Vertrieb in einem Handelsunternehmen eine zentrale Bedeutung ein. In der allgemeinen Porter‘schen Wertschöpfungskette (vgl. Abbildung 1) wird beispielsweise zwischen unterstützenden und primären Aktivitäten einer Unternehmung unterschieden. Diesem Ansatz entsprechend zählt der Vertrieb zu den primären Wertaktivitäten, die direkt an der Wertbildung für den Kunden beteiligt sind. Im Vergleich zum Begriffsverständnis im Handels-H, das im Folgenden betrachtet wird, fasst Porter den Begriff „Vertrieb“ deutlich enger. „Marketing & Vertrieb“ nach Porter umfasst vor allem Prozesse zur Bereitstellung von Mitteln, durch die die Abnehmer das Produkt kaufen oder zu dessen Kauf verleitet werden können (z. B. Werbung, Angebote oder die Auswahl von Vertriebswegen). Logistische Funktionen werden in diesem Kontext in der „Ausgangslogistik“ gesondert betrachtet (vgl. Porter 2000, S. 66 ff.).
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Abbildung 1. Porter‘sche Wertschöpfungskette (vgl. Porter 2000, S. 66) Im speziell für Handelsunternehmen entwickelten Ordnungsrahmen „Handels-H“ umfasst der Vertrieb alle Funktionen mit Bezug auf den Weg der Ware zum Endkunden. Organisatorisch gesehen ist der Vertrieb in einem Handelsunternehmen gleichberechtigt mit der Beschaffung (vgl. Becker, Schütte 2004, S. 396). Während die Beschaffung, dargestellt durch die linke Seite im Handels-H, den Kontakt zu den Lieferanten und somit den Beginn der Wertschöpfungskette repräsentiert, ist der Vertrieb auf der rechten Seite für alle Aufgaben zum Endkunden verantwortlich (vgl. Abbildung 2). Letztere umfassen insbesondere die Kundenkontaktpflege im Marketing, den eigentlichen Verkauf, logistische Funktionen im Warenausgang sowie abrechnungstechnische und buchhalterische Funktionen in der Fakturierung und Debitorenbuchhaltung. Der Vertrieb bildet somit das zweite wichtige Glied der betriebswirtschaftlichen Wertschöpfungskette eines Handelsunternehmens. Die Verknüpfung zwischen eingehender Ware in der Beschaffung und ausgehender Ware im Vertrieb wird durch die zeitliche und räumliche Überbrückungsfunktion des Lagers hergestellt. Das Handels-H-Modell (bzw. die Porter´sche Wertschöpfungskette oder ein vergleichbares Modell) ist die oberste Ebene der Prozess-Strukturen eines Unternehmens. Wir nennen ein solches relativ abstraktes Modell einen Ordnungsrahmen. Auf dieser obersten Ebene sind alle Unternehmen einer Branche (z. B. Stückgutindustrie) oder eines Teilsektors (z. B. Versandhandel) im Wesentlichen gleich, so dass der Ordnungsrahmen Gültigkeit für alle Unternehmen dieser Branche oder dieses Teilsektors hat. Auch wenn ein Ordnungsrahmen eher plakativ erscheint, genau die Abstraktion zu finden, die eben diese Gültigkeit für alle Unternehmen des Teilsektors hat, ist nicht trivial. Um die Aufgaben, die den Vertrieb dokumentieren, hinreichend genau zu beschreiben, ist es allerdings unerlässlich, von diesem Ordnungsrahmen ausgehend die Prozessbeschreibungen weiter zu detaillieren. Wir tun dies in Hauptprozessen (den Elementen des Handels-H-Modells) und Detailprozessen (den Elementen der Hauptprozesse).
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Abbildung 2. Handels-H-Modell
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Referenzmodelle für die Prozesse im Vertrieb
3.1
Marketing
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Marketing ist im Folgenden im Sinne des klassischen Absatzmarketings zu verstehen (vgl. Abbildung 3, die Elemente der Hauptprozesse sind Rechtecke). Ausgangspunkt ist die Festlegung des MarketingMix, der aus der Verwendung der Instrumente Sortimentspolitik, Konditionspolitik, Kommunikationspolitik und Distributionspolitik hervorgeht und beschreibt, wie sich das Sortiment im Unternehmen aus dem Listungsprozess gestaltet. Der Marketing-Mix ist hierbei nicht als separierte Funktion anzusehen, da er Aufgabenbereiche beinhaltet, welche die Ausrichtung des Unternehmens auf die Kundenwünsche betreffen (vgl. Meffert 2008, S. 22). Die Auswertung von Kundeninformationen ist für die Erstellung des Marketing-Mix von besonderer Bedeutung. Durch ein optimiertes Targeting lassen sich bei Werbemaßnahmen hohe Wirkungsgrade erzielen. Auf der Basis des Sortiments und der Kundendaten lässt sich die Warenplanung durchführen, mit deren Hilfe Absatzprognosen erstellt und Bestände auf den zu erwartenden Bedarf abgestimmt werden. Hierzu stehen Kenngrößen wie Umsätze, Margen, Abschriften, Schwund, Einkaufsdaten, Bestände und andere Kennzahlen zur Verfügung. Nachdem ein Handelsunternehmen die Abbildung 3. Marketingprozess Entscheidung über das Sortiment gefällt hat, werden die Artikel im Einkauf angelegt. Den Artikeln sind Kunden und Filialen zuzuordnen. Der Prozess der Zuordnung wird als Artikellistung bezeichnet (vgl. Schütte, Vering 2004, S. 274 f.).
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Ist der Kunde identifizierbar (also kennt das Handelsunternehmen den Kunden, was z. B. im stationären Einzelhandel häufig nicht gegeben ist), so können auf Basis der Kundenstammdaten spezielle Konditionen für einen Kunden (oder auch eine Kundengruppe) festgelegt werden. Neben den Kundenkonditionen kann auch über den Vertriebsbonus eine nachträgliche Vergütung an den Kunden gegeben werden. Durch dieses Instrument werden Anreize zum Verkauf ausgewählter Artikel geschaffen, wodurch eine Steuerung der Absätze ermöglicht wird. Weitere Maßnahmen zur Verkaufsförderung sind Aktionen. Dabei handelt es sich um zeitlich befristete Einkaufs- und/oder Verkaufsmaßnahmen, die zur Ausnutzung von Konditionen und sonstigen Angeboten der Lieferanten und/oder der Förderung des Verkaufs dienen. An die Aktionsplanung schließt die Durchführung der Absatzwerbung an. Darunter werden sämtliche Werbemaßnahmen zur Absatzförderung des unternehmensübergreifenden Sortiments zusammengefasst. Die hier beschriebenen Hauptprozesse des Marketings lassen sich jeweils in detaillierter Form beschreiben. Dies soll am Beispiel der Pflege der Kundenkonditionen nachvollzogen werden (vgl. Abbildung 4, die Elemente der Detailprozesse sind Rechtecke mit abgerundeten Ecken). Der Prozess beginnt mit der Pflege der Verkaufskonditionsgruppierung. Eine Verkaufskonditionsgruppierung ist eine Zusammenfassung einzelner Konditionen, um diese bei einer hohen Kundenanzahl auf effiziente Art und Weise verwalten zu können. Für die Spezifizierung der KondiAbbildung 4. Kundenkonditiotionen sind Konditionstypen zu definieren. nen pflegen Sie bestimmen, wie eine Kondition (z. B. Gebühr oder Zins) berechnet wird. Konditionstypen sind die zentralen Elemente der Finanzkonditionen, die die grundsätzliche Funktionalität der auf ihnen basierenden Konditionen bestimmen. Sie steuern damit die erforderlichen und möglichen weiteren Eingaben für die Ermittlung und Berechnung
Vertriebsinformationssysteme zwischen Standardisierung und Flexibilisierung
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einer Kondition. Das Kalkulationsschema ist die Berechnungsvorschrift der Kondition und besteht aus der Bezugskalkulation, der Selbstkostenkalkulation und der Verkaufskalkulation. Im Kalkulationsschema wird der Zuschlag z. B. nach Einzelkosten, Abhängigkeiten oder Zeiträumen festgelegt. Zur Komplettierung der Konditionen sind diese in eine Abzugsreihenfolge zu bringen. Hierdurch wird ein eindeutiges Ergebnis bei der Berechnung der Konditionen sichergestellt. Durch die Pflege der Verkaufspreise lassen sich in Kombination mit den vorab definierten Konditionen Verkaufspreise kalkulieren. Um schließlich die kundenindividuellen Konditionen zu ermitteln, sind Kundenkonditionen entweder kunden- oder gruppenspezifisch zu pflegen.
3.2
Verkauf
Im Verkauf werden alle Aufgaben zusammengefasst, die von der Anbahnung über die Vereinbarung bis zur Durchführung eines Kundenauftrags reichen (vgl. Abbildung 5). Eine Kundenanfrage stößt häufig den Verkaufsprozess an. Diese Anfragen können verschiedenster Art sein und beispielsweise in Form von unspezifischen Produktanfragen oder genauen Bestellanforderungen gestellt werden. Insbesondere bei hohem Wert der potentiellen Aufträge werden Kundenanfragen gestellt, auf die der Anbieter mit einem Angebot antwortet. Dies kann eine Preisauskunft, ein schriftliches Angebot oder eine Ausschreibung sein. Der Ordersatz wird auf Grundlage des Angebotes erstellt. Er dient dazu, die beAbbildung 5. Verkaufsprozess darfsgerechte Lieferung an den Kunden unter Berücksichtigung von Verpackungseinheiten sicherzustellen. Wird die Order platziert, so kann durch die vertragliche Vereinbarung der Kundenauftrag bearbeitet werden.
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Die Bestellung kann je nach Auftragsart unterschiedliche Aktionen auslösen. So folgen z. B. aus Lagerterminaufträgen, Streckenaufträgen oder Baraufträgen unterschiedliche Prozessvarianten, die je nach Waren(-menge) auch kombiniert auftreten können. Bis zur Auslieferung der Ware sind Verfügbarkeitsprüfungen durchzuführen. Dabei müssen neben dem verfügbaren Bestand auch Zu- und Abgänge in die Kalkulation einfließen. Je nach Vertragsgestaltung sind Kundenanzahlungen zu verwalten. Diese stellen eine besondere Form der Kreditvergabe dar und stehen oft in Zusammenhang mit dem Fortschritt der Lieferung und/oder Leistung. Existieren fehlerhafte Lieferungen oder Rechnungen, folgen Retouren- und Gutschriftsabwicklungen in der Bearbeitung der Kundenreklamation. Ferner sind Maßnahmen der Außendienstunterstützung dem Verkauf zuzuordnen (vgl. Schütte, Vering 2004, S. 306 ff.).
Abbildung 6. Ordersatz erstellen
Die Erstellung eines Ordersatzes dient im Folgenden als Beispiel für eine detailliertere Beschreibung eines Prozesselementes im Verkauf (vgl. Abbildung 6). Der Ordersatz ist eine Auflistung von lieferbaren Artikeln unter Berücksichtigung von Verpackungseinheiten mit Verkaufspreisen und ggf. Preisvorschlägen für den Einzelhandel. Zu Beginn wird der Ordersatz abnehmerspezifisch definiert. Aus den Kopfdaten lassen sich die kundenbezogenen Artikelinformationen ziehen, die als Positionsdaten in den Ordersatz einfließen. Das Medium, auf dem der Ordersatz ausgetauscht wird, reicht von einfachen papierbasierten Listen bis hin zu elektronischen Katalogen. Je nach Kunde und Ordersatz muss die Datenübertragungsart gewählt und der Inhalt auf diese Weise an den Kunden übermittelt werden (vgl. Becker, Schütte 2004, S. 432).
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3.3
Warenausgang Im Warenausgang erfolgt die logistische Abwicklung des Kundenauftrags (vgl. Abbildung 7). Der Transport der Ware zum Kunden setzt häufig eine Tourenplanung voraus. Je nach Regelmäßigkeit der Lieferung, der Anzahl und dem Ort der anzufahrenden Lokationen, der Anzahl und Größe der Artikel usw. kann die Tourenoptimierung unterschiedlich komplex werden. Bei regelmäßiger Belieferung sind im Regelfall nur bei Zu- oder Abgängen von Kunden Neu-Optimierungen durchzuführen, während diese bei einer flexiblen Tourenplanung durchgängig erfolgen muss.
Die Tourenplanung löst die Kommissionierplanung aus, die die prognostizierten Kommissioniervolumina und die Verteilung der Kapazitätsbeanspruchung im Zeitverlauf bestimmt. Nach Vollendung der Planungsphase kann die KommissioAbbildung 7. Warenausgangsnierung durchgeführt werden. Diese prozess reicht von einer einfachen auftragsbezogenen bis zu einer parallel ausgeführten artikelorientierten Kommissionierung für mehrere Kunden. Man spricht hier von einstufiger Kommissionierung, bei der auftragsbezogen die Ware dem Lager entnommen wird, oder zweistufiger Kommissionierung, bei der die Ware, die zu einer Versandwelle gehört, zusammen dem Lager entnommen wird und dann in der Versandzone erst auf die Aufträge aufgeteilt wird. Die für den Transport bereitgestellte Ware ist im Warenausgang zu erfassen, die Bestände sind über die Bestandsbuchung im Lager anzupassen. Vor dem Verladen sind die Artikel transportgerecht zu verpacken (vgl. Becker, Schütte 2004, S. 324 ff.).
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In der Kommissionierung, als Beispiel für einen Detailprozess des Warenausgangs, werden die Artikel eines Kundenauftrags zusammengestellt. Für die Durchführung der Kommissionierung (vgl. Abbildung 8) ist ein Kommissionierbereich für die Positionierung der Ware am Warenausgang zu ermitteln. Die eigentliche Kommissionierung wird durch den Kommissionierauftrag initiiert. Dieser spezifiziert die vom Kommissioniersystem zu erbringende Leistung und beinhaltet Bezeichnung, Menge und Lagerort der jeweils aus dem Warensortiment des Lagers zu entnehmenden Artikel. Sind Kommissionierbereich und -auftrag bestimmt, so kann die Ware kommissioniert werden. Der Abbildung 8. Kommissionierung Vorgang führt zu einem Defizit im Bedurchführen stand, anhand dessen der Nachschub berechnet wird.
Abbildung 9. Artikel verpacken
Der Warenausgangsprozess schließt mit dem Verpacken der Artikel ab (vgl. Abbildung 9). Vor dem Verpacken ist eine zusätzliche Überprüfung der Kommissionierung sinnvoll, um die Qualität und Quantität der zu versendenden Ware sicherzustellen. Bei einer hohen Frequenz der Lieferungen an einen Abnehmer kann es dazu kommen, dass mehrere Kommissionieraufträge für den gleichen Kunden vorliegen. Diese sollten dann zusammengefasst werden. Für den Transport der Ware ist in einem solchen Fall eine Versandeinheit zu bilden, zu der die notwendigen Unterlagen beigelegt werden. Es ist ein Lieferschein und eine Rechnung zu erstellen. Die Dokumente sind anschließend der Versandeinheit beizufügen. Eine weitere gängige Variante ist es, die Rechnung auf postalem Wege zu verschicken und lediglich den Lieferschein beizulegen.
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3.4
Fakturierung Im Fakturierungsprozess sind Kundenlieferungen abzurechnen (vgl. Abbildung 10). Die Bewertung des Lieferscheins mit den gewährten Konditionen stellt die Basis zur Erstellung der Einzelrechnung dar. Diese kann dem Kunden separat oder am Ende einer Periode kumuliert als Sammelrechnung übergeben werden. Gut-/Lastschriften ergeben sich in der Regel aus Reklamationen und Retouren, die zu einer Forderung des Kunden gegenüber dem Unternehmen führen. Die Errechnung der nachträglichen Vergütungen und Boni erfolgt auf Grundlage der erstellten Rechnungsdaten in einer Periode. Die Boni können beispielsweise mit der nächsten Rechnung oder einer gesonderten Gutschrift verrechnet werden (vgl. Becker, Schütte 2004, S. 336 f.).
Abbildung 10. Fakturierungsprozess
Abbildung 11. Einzelfaktura erstellen
Als Beispiel einer detaillierten Sichtweise auf einen Prozessschritt der Fakturierung dient im Folgenden die Erstellung einer Einzelrechnung (vgl. Abbildung 11). Auslöser der Bestellung eines Kunden ist der Kundenauftrag. Dieser führt wiederum letztendlich zu einer Lieferung. Die Informationen von Kundenauftrag und Lieferung sind die Basis für die Rechnungserstellung. Die Daten des Kundenauftrags geben Aufschluss über noch auszuführende Aufträge in einer späteren Sendung und die Lieferung über die tatsächlich abzurechnenden Artikel. Für die Weitergabe der Rechnung an den Rechnungsempfänger existieren unterschiedliche Arten und Wege. Die Übermittlung der Rechnung erfolgt je nach Schnittstellenanbindung des Kunden über ein Electronic Data Interchange (EDI)-Format, klassisch als Brief oder als Beilage im Versandstück.
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3.5
Debitorenbuchhaltung Zentraler Bestandteil der Debitorenbuchhaltung (vgl. Abbildung 12) ist die Verwaltung der Kundenzahlungen (vgl. Schütte, Vering 2004, S. 362). Zu diesem Zweck müssen Debitorenstammdaten systemseitig hinterlegt werden. Zusätzlich werden im Stammsatz alle Daten abgelegt, die für die Geschäftsverbindung zum Debitor vonnöten sind. Anhand dieser Informationen kann die Buchung durchgeführt werden. Der Buchungssatz ist eine Buchungsanweisung in der doppelten Buchführung. Er legt fest, welche Beträge auf welche Konten gebucht werden sollen. Der Distributionsprozess findet seinen Abschluss in der Regulierung der durch den Warenverkauf entstandenen Forderungen.
Sind Abnehmer mit ihren Zahlungen in Verzug, folgt der Mahnungslauf. Ist die Kreditwürdigkeit des Kunden zweifelhaft, so kann durch die Einführung von Bestelllimits das finanzielle Risiko des Unternehmens reduziert werden. Diese Tätigkeit ist im Kreditmanagement verankert. Im Rahmen der Berechnung der Verzinsung werden Abbildung 12. DebitorenKapitalkonten oder Gutschriften verzinst. buchhaltungsprozess Beispielsweise werden Verzugszinsen berechnet, wenn der Kreditor mit der Zahlung der ausstehenden Beträge in Verzug gerät (vgl. Becker, Schütte 2004, S. 493 ff.).
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Referenzmodellgestütztes Prozessmanagement
Notwendig zur Dokumentation und Gestaltung von Prozessen sind Methoden und Techniken, die auf einfache Art Transparenz zwischen den Beteiligten – Fachabteilungen, Organisation, IT – schaffen. Diese Methoden und Techniken sollen Komplexität reduzieren oder zumindest beherrschbar machen. In der Praxis werden jedoch Modelle zur Prozessgestaltung eingesetzt, die nicht selten neue Komplexität erzeugen (vgl. Becker et al. 2009, S. 1; List, Korherr 2006, S. 1532). Ablauforganisationen werden in der Praxis oft auf verschiedenen Detaillierungsniveaus beschrieben, sind nicht überschneidungsfrei
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oder verwenden keine einheitliche Begriffswelt. Dies führt in der Regel dazu, dass eine Vergleichbarkeit von Modellen verschiedener Modellierer nahezu unmöglich wird (vgl. Becker et al. 2009, S. 1; Hadar, Soffer 2006, S. 568 f.; Lawrence, Barker 2001, S. 225). Nicht selten ist das Erstellen und Konsolidieren der Prozessmodelle so aufwändig, dass die eigentliche Optimierung der Prozesse in den Hintergrund rückt. Referenzinhalte können helfen, viele dieser Probleme bereits im Ansatz zu vermeiden und Aufwände für die Prozessmodellierung zu minimieren. Mit icebricks wurde eine Methode entwickelt, die den Ansatz des referenzmodellgestützten Prozessmanagements konsequent umsetzt. Das primäre Ziel der icebricks-Methode ist, Komplexität im Prozessmanagement zu reduzieren und so eine einfache, gut handhabbare Basis zur Erreichung einer hohen Prozesseffizienz zu bieten. Die Methode folgt dabei einer klaren, vorgedachten hierarchischen Struktur. Sie führt von einem Ordnungsrahmen (z. B. dem Handels-H-Modell) über die Hauptprozesse zu den Detailprozessen, die durch Prozessbausteine beschrieben werden. Ein Prozess ist dabei die inhaltliche, zeitliche und sachlogische Folge von Aktivitäten, die zur Bearbeitung eines betriebswirtschaftlich relevanten Objektes notwendig sind (vgl. Becker, Kahn 2005, S. 6). Um den Aufwand für die Modellierung einer Prozesslandschaft zu minimieren, greift die Methode auf Referenzinhalte zurück, die der Ebenenstruktur entsprechend sukzessive verfeinert werden. Die Bezeichnung aller Prozesselemente in der icebricks-Methode setzt sich immer aus einem Geschäftsobjekt (z. B. „Lieferschein“) und einer Tätigkeit (z. B. „erstellen“) zusammen. Bei der Neuanlage eines Prozesselements greift der Anwender auf eine Liste von Referenzgeschäftsobjekten zu und wählt die entsprechend vorgedachte Tätigkeit für das Element aus. Die Liste der Geschäftsobjekte und Tätigkeiten kann dabei jederzeit an die Namenskonventionen des Unternehmens flexibel angepasst werden. Da der Anwender keine eigene Bezeichnung für ein Element vergibt, sondern auf vorgedachte Inhalte zurückgreift, wird eine unternehmensweit einheitliche Begriffswelt schon durch die Methode gefördert. Der Ordnungsrahmen in icebricks enthält eine übersichtliche Darstellung der Kernaufgaben des Vertriebs, wie Marketing, Verkauf, Warenausgang, Fakturierung und Debitorenbuchhaltung. Dieser Ordnungsrahmen stellt aus Unternehmenssicht sowohl die Beziehungen zwischen den Bestandteilen des Vertriebs als auch den Kontext zu anderen Bereichen des Unternehmens, beispielsweise der Beschaffung oder dem Lager, her. Die Einzelelemente des Ordnungsrahmens bilden dabei die Hauptprozesse des Unternehmens, die auf den darunterliegenden Ebenen sukzessive verfeinert werden. Der Ordnungsrahmen stellt somit den zentralen Ausgangspunkt für das gesamte Prozessmanagement dar und ermöglicht einen strukturierten Aufbau der gesamten Prozesslandschaft.
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Die Hauptprozesse werden auf der direkt untergeordneten Ebene inhaltlich dokumentiert. Dabei kann zwischen verschiedenen Prozessvarianten unterschieden werden. Dieses Konzept ermöglicht die Abbildung von Sachverhalten, die aufgrund unterschiedlicher Ausprägungen von den Eigenschaften einer Tätigkeit oder der Art der Durchführung einzelner Bereiche zu unterschiedlichen Prozessabläufen führen. Dies gewährleistet eine intuitive Abbildung der Abläufe ohne großen Komplexitätszuwachs. Den Kern bildet dabei jeweils eine Standardvariante, die den Regelfall darstellt, während weitere Prozessvarianten mögliche Sonderfälle abdecken. Ein Beispiel ist der „herkömmliche“ Wareneingang als Standardvariante und das Cross-Docking als ein möglicher Sonderfall. Über die Elemente der Hauptprozesse kann in die einzelnen Prozesse der Detailprozessebene navigiert werden. Diese sind dabei stets komprimiert und übersichtlich gehalten und ermöglichen so eine intuitive Bedienung. Ablaufbedingte Entscheidungen können durch Verzweigungen abgebildet werden. So wird gewährleistet, dass Entscheidungen auf Detailprozessebene schnell identifiziert werden können, durch das vorgelagerte Variantenkonzept jedoch stets in ihrer Komplexität beherrschbar bleiben. Durch die Verwendung dieser drei Ebenen ergibt sich eine effiziente und intuitive Navigationsstruktur, die durch ihren Granularitätsgrad in wesentlichen Teilen für alle Handelsunternehmen zutreffend ist und nur punktuell Anpassungen auf Spezifika erfordert. Um die Detailausprägungen der jeweiligen Prozesselemente zu präzisieren, können diese mit Inhalten angereichert werden, die auf unterster Ebene hinterlegt werden. In der EDV-basierten Umsetzung der icebricks-Methode, dem gleichnamigen Tool, besteht die Möglichkeit, individuelle Dokumentationen zu den einzelnen Elementen abzulegen und zu verwalten. Diese können nach eigenem Ermessen bedarfsgerecht verfeinert werden und schaffen so punktuell den gewünschten Detaillierungsgrad. icebricks erlaubt, die Dokumentationen fallspezifisch abzubilden, ohne dass dabei negative Auswirkungen auf die Struktur in Kauf genommen werden müssen. Standardisierte Attribute an den Elementen ermöglichen darüber hinaus eine zusätzliche Anreicherung um strukturierte Informationen. Ferner lassen sich verwendete IT-Systeme und verantwortliche Organisationseinheiten zu den Elementen jeder Ebene zuordnen. Diese Zusatzinformationen können für Auswertungen herangezogen werden und gewährleisten so eine effiziente Steuerung der Prozesslandschaft.
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Fazit
Um den Herausforderungen des Marktes gerecht zu werden, ist ein effizientes und effektives Prozessmanagement ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Dabei steht die gesamte Vertriebsseite im Fokus der Betrachtung. Insbesondere der Kontakt zu den Kunden entscheidet über Erfolg und Misserfolg der Unternehmung. Nur wenn die eigenen Prozesse transparent sind, kann schnell und mit geeigneten Mitteln auf Trends am Markt reagiert werden. Der icebricksAnsatz sowie die klare Strukturierung der Prozesslandschaft anhand von vorgedachten Hierarchieebenen bieten den Unternehmen die Möglichkeit, den Fokus auf die Optimierung der Prozesse zu legen, anstatt zu viel Aufwand für die Erstellung der Prozessmodelle betreiben zu müssen. Zudem wird durch die unterschiedliche Detailgranularität auf den einzelnen Ebenen die Komplexität der Prozesslandschaft in Unternehmen beherrschbar. Die zusätzliche unternehmensweite Standardisierung über ein Glossar verhindert bereits im Vorfeld häufige Problemfelder der Modellierung, wie beispielsweise Namenskonflikte, aufgrund einer heterogenen Begriffswelt im Unternehmen. Die Kombination aus einer Methode für das referenzmodellgestützte Prozessmanagement mit einer geeigneten softwaretechnischen Umsetzung stellt eine Innovation dar, die mit relativ geringem Anpassungs- und Entwicklungsaufwand durch die Orientierung an Best Practice-Prozessen Flexibilität und Transparenz in den Prozessen schafft. Hierdurch lassen sich in Zukunft die Nutzenpotenziale eines Prozessmanagementprojektes optimal ausschöpfen. So kann schnell und einfach eine hohe Prozesseffizienz erreicht werden.
Literaturverzeichnis Ahlert D., Becker B., Evanschitzky H., Hesse J., Salfeld A. (2005): Exzellenz in Markenmanagement und Vertrieb – Grundlagen und Erfahrungen. 2. Aufl., Wiesbaden. Becker J., Delfmann, P., Herwig S., Lis, L., Stein A. (2009): Formalizing Linguistic Conventions for Conceptual Models. In: Proceedings of the 28th International Conference on Conceptual Modeling (ER 2009). LNCS 5829. Gramado, Brazil. Becker J., Kahn D. (2005): Der Prozess im Fokus. In: Becker J.; Kugeler M.; Rosemann M. (Hrsg.): Prozessmanagement. Ein Leitfaden zur prozessorientierten Organisationsgestaltung. 5. Aufl., Berlin, Heidelberg, New York, S. 3-16. Becker J., Schütte R. (2004): Handelsinformationssysteme. 2. Aufl., Frankfurt. Becker J., Winkelmann A. (2008): Handelscontrolling: Optimale Informationsversorgung mit Kennzahlen. 2. Aufl., Berlin, Heidelberg.
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Hadar I., Soffer P. (2006): Variations in conceptual modeling: classification and ontological analysis. Journal of the AIS, 7 (8), S. 568-592. Hesse J. (2004): Erfolgsforschung im Vertrieb. Empirische Analysen von Herstellerunternehmen schnelldrehender Konsumgüter. Münster. Jo A-R. (2008): Marketing- und Vertriebsfunktionen in Unternehmen. Determinanten und Konsequenzen von horizontalen Machtstrukturen. Wiesbaden. Lawrence R., Barker K. (2001): Integrating Relational Database Schemas using a Standardized Dictionary. In: Proceedings of the 2001 ACM symposium on Applied Computing (SAC). Las Vegas, S. 225-230. List B., Korherr B. (2006): An Evaluation of Conceptual Business Process Modelling Languages. In: Proceeding of the 2006 ACM symposium on applied computing (SAC). Dijon, S. 1532-1539. Meffert H. (2008): Marketing. 10. Aufl., Wiesbaden. Porter M. E. (2000): Wettbewerbsvorteile. Spitzenleistungen erreichen und behaupten. 6. Aufl., Frankfurt am Main. Schütte R., Vering O. (2004): Erfolgreiche Geschäftsprozesse durch standardisierte Warenwirtschaftssysteme. Marktanalyse, Produktübersicht, Auswahlprozess. 2. Aufl., Berlin, Heidelberg, New York.
Informationstechnologien im Spannungsfeld von Handel, Produktion und Dienstleistung: Status quo der Verwendung operativer und dispositiver IT-Systeme im Handel Dr. Axel Winkelmann Universität Koblenz-Landau Professur für Betriebliche Anwendungssysteme
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Bedeutung der IT im Handelsumfeld
In einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft sorgt der Handel für einen Ausgleich der Differenzen zwischen Produktion und Konsumption sowohl in räumlicher, zeitlicher, qualitativer als auch quantitativer Hinsicht (vgl. Barth, Hartmann, Schröder 2007, S. 1). Im funktionalen Sinne wird dem Handel damit die Aufgabe zuteil, Waren und Dienstleistungen zwischen Wirtschaftssubjekten zu vermitteln (vgl. Tietz 1993, S. 4). Allerdings führen die Austauschbarkeit der Produkte bzw. die Vergleichbarkeit der Angebote zwischen einzelnen Vertriebslinien dazu, dass neben den Produkten insbesondere die Prozessund Informationsexzellenz der Unternehmen eine wichtige Rolle bei der durch Marktsättigung hervorgerufenen Branchenkonsolidierung spielt (vgl. Becker, Winkelmann 2008, S. 13-41). Daher ist eine zuverlässige IT-Infrastruktur zur Unterstützung der Planung, Kontrolle und Entscheidungsvorbereitung unerlässlich. Zielsetzung des Einsatzes von IT-Systemen ist die Unterstützung der Geschäftsprozesse durch die effiziente und effektive Bereitstellung von Informationen und zu verarbeitenden Daten in geeigneter Form. Die Erfüllung von operativen und dispositiven Aufgaben ist ohne geeignete ITUnterstützung im Handel nicht mehr möglich. Die Datenherkunft gewinnt insofern an Bedeutung, als dass rationale Entscheidungen im Wesentlichen von der Aktualität und der Genauigkeit der Informationen abhängen (vgl. Weber 2006). Jene Unternehmen, die statt einer integrierten IT-Lösung eine Vielzahl an Insellösungen aufweisen, verlieren durch das aufwändige manuelle Zusammentragen von Daten im Rahmen der Berichtserstellung wichtige Ressourcen und im schlimmsten Fall den Überblick über die Zusammenhänge im Unternehmen. In solchen Fällen existieren häufig auch keine definierten Monatsstände, so dass sich Monatsberichte durch Buchungen nach Berichtsschluss noch ändern können, was die
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Adressaten verunsichert und ggf. sogar die Existenz des Unternehmens gefährden kann (vgl. Seidel, Janiesch, Winkelmann 2007, S. 219 f.). Im Rahmen dieses Artikels wird ein Beitrag zur Erhebung des Status quo der Verwendung operativer und dispositiver IT-Systeme im Handelsumfeld geleistet. Ziel ist es einerseits, einen aktuellen Überblick über die IT-Landschaft zu geben, und andererseits, das Potenzial für zukünftige Applikationen im Handelsumfeld abzuschätzen.
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Methodische Grundlagen
Bei der hier vorliegenden empirischen Untersuchung handelt es sich um die erste Publikation in einer Reihe von empirischen Erhebungen mit Bezug zur Handels-IT. Ziel der Befragung, die per Fragebogen durchgeführt wurde, war es, den operativen und dispositiven Status quo der IT im Handelsumfeld zu ermitteln. Konkrete Forschungsfragen waren: x Wie werden IT-Strategien vom Management unterstützt und welches Budget steht hierfür zur Verfügung? x Welche operativen und dispositiven Herausforderungen bieten sich im Handelsumfeld? x Wann sind ausgewählte Enabling Technologies im Handelsumfeld operativ relevant? Der Fragebogen wurde auf Basis einer theoriebasierten, empirischen Vorgehensweise hergeleitet. Durch Einbindung von Vertretern von Handelsunternehmen konnte der notwendige Praxisbezug sichergestellt werden. Ferner wurden im Anschluss an die Erhebung Tiefeninterviews mit ausgewählten Experten durchgeführt, um einzelne Ergebnisse der Befragung zu diskutieren (vgl. Abbildung 1). Die Fragebögen wurden im Rahmen der EHI-Technologie-Tage am 13. und 14. November 2007 an Handelsexperten aus D-A-CH mit technologischem Hintergrund (IT-Leiter, Mitarbeiter der IT, IT-Berater usw.) ausgeteilt. Die Rücklaufquote betrug 15,7% (47 Rückläufer). Die Rücklaufquote und Teilnehmerzahl ist im Rahmen einer ersten Erhebung als zufrieden stellend zu bezeichnen.
IT im Spannungsfeld von Handel, Produktion und Dienstleistung
Schritt 1
Aufarbeitung existierender Literatur und Studien zum Aufbau eines Fragebogens
Schritt 2
Datenerhebung auf den EHITechnologie-Tagen 2007
Schritt 3
Datenanalyse und -auswertung
Schritt 4
Tiefeninterviews mit ausgewählten Experten
21
Abbildung 1. Vorgehensweise zur Datenerhebung und -auswertung
3
Allgemeine Angaben zur IT im Handelsumfeld
3.1
Stellenwert der IT aus Sicht des Managements
Die Ausgestaltung der IT-Strategie sollte in enger Abstimmung mit der Unternehmensstrategie erfolgen. Einerseits beeinflussen permanent ändernde Unternehmensgegebenheiten und -strategien die Umsetzung in eine ITStrategie sehr stark, andererseits beeinflusst die IT aber auch maßgeblich die Unternehmensstrategie (vgl. Klein 2004, S. 91-96). Die IT stellt durch neue Funktionen und Technologien neue Möglichkeiten zur Geschäftsfeldentwicklung bereit. Sie ist somit in der Lage, den Unternehmenswert positiv zu beeinflussen. Damit ist allerdings auch eine hohe Sichtbarkeit und Unterstützung der IT-Entscheidungen durch das Management notwendig. Gerade im Handel wurden in den letzten Jahren Extrempositionen diskutiert. Einerseits machen Unternehmen wie Wal-Mart, Metro oder Edeka durch den forcierten Einsatz neuer Technologien wie RFID oder Self-Checkout sowie einen hohen Integrationsgrad zwischen den Systemen als Vorreiter wichtige Erfahrungen (vgl. Schramm-Klein 2004). Andererseits existieren erfolgreiche Handelsunternehmen wie beispielsweise die beiden ALDI-Gesellschaften oder Norma, die neue Technologien erst sehr spät einführen. So wurde beispielsweise das Barcode-Scanning bei ALDI erst 2001 (Aldi Süd) bzw. 2002 (Aldi Nord) eingeführt – rund 25 Jahre nach seiner Ersteinführung auf dem deutschen Markt (1977) (vgl. Becker, Winkelmann 2008, S. 121 ff.). Von den befragten Handelsexperten glauben rund zwei Drittel, dass die IT aus Managementsicht in ihrem Unternehmen einen wichtigen oder sehr
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Axel Winkelmann
wichtigen Stellenwert hat (vgl. dazu auch Abbildung 2). Dieses spiegelt die in der Einleitung genannte Notwendigkeit zur Prozess- und Informationsexzellenz wider. Allerdings erscheint die Anzahl der Unternehmen, bei denen die IT einen geringeren Stellenwert hat, mit knapp unter 15 % relativ hoch. Welchen Stellenwert hat die IT aus Sicht des Managements in Ihrem Unternehmen? 40%
35,56%
35%
31,11%
30% 25% 20%
15,56%
13,33%
15% 10%
4,44%
5% 0% sehr wichtig
wichtig
unentschlossen
unwichtig
sehr unwichtig
Abbildung 2. Schätzung des Stellenwerts der IT aus Sicht des Managements (n=45)
3.2
IT-Budget in Relation zum Unternehmensumsatz
Die Kosten für Informationstechnologien sind in vielen Unternehmen ein langsam, aber durch neue Projekte unter Beibehaltung der alten Infrastruktur stetig steigender Fixkostenblock. Die IT-Ausgaben im weltweiten Einzelhandel betragen nach Gartner Dataquest-Schätzungen 110 Milliarden Dollar mit einer Wachstumsrate 2002-2007 von 4% (vgl. Arend-Fuchs 2004, S. 130). 52% der befragten Handelsexperten aus D-A-CH erwarteten zukünftig ein steigendes IT-Budget, nur 3% gingen hingegen von einem sinkenden Budget aus (vgl. Abbildung 3). sinkend 3%
gleichbleibend 45%
steigend 52%
Abbildung 3. Entwicklung des IT-Budgets im Handel (n=25)
IT im Spannungsfeld von Handel, Produktion und Dienstleistung
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Typischerweise reichen die Aussagen über das individuelle Budget für die IT je nach rechnerischer Betrachtung von 0,3-0,4% vom Umsatz bis hin zu 3-4% (vgl. Becker, Winkelmann 2008, S. 430). Gern werden für Vergleiche die ITKosten in Relation zum Umsatz gesetzt, um einen einfachen Überblick über die Kosten zu erhalten. Allerdings führt diese Relation im Vergleich zur Industrie zu Verzerrungen, da Handelsunternehmen mit ihrer geringen Wertschöpfungstiefe anders als Produktionsunternehmen vergleichsweise hohe Umsätze und somit höhere prozentuale IT-Budgets aufweisen. Bei rund 70% der befragten Unternehmen lagen die IT-Kosten bei maximal 2% des Umsatzes (vgl. Abbildung 4). Die bei den Umsätzen im Milliardenbereich ebenfalls relativ großen IT-Budgets resultieren daraus, dass neben der der Zentraltechnologie auch die große Anzahl an Filialen mit IT, angefangen von den Filial-WWS und Kassensystemen bis hin zu den Display- und Waagensystemen, unterstützt werden muss. Bitte schätzen Sie Ihr Gesamt-IT-Budget in Relation zum Unternehmensumsatz
>5%
11,76%
2 bis < 5 %
17,65%
1 bis < 2 %
52,94%
< 1%
17,65%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Abbildung 4. IT-Budget der Unternehmen (n=17)
4
Status quo des Warenwirtschaftssystems als zentrales operatives System
Integrierte Warenwirtschaftssysteme (WWS) bilden einen entscheidenden Erfolgsfaktor für Handelsunternehmen, da sie die Bereitstellung entsprechender operativer und strategischer Informationen ermöglichen (vgl. auch Winkelmann, Klose 2008; Vering 2002, S. 4; Weber 2002). Ihnen kommt eine dominante Stellung als Informationslieferant zu, da sie Daten aus allen Unternehmensbereichen im Idealfall bündeln. Dabei spielt das Warenwirtschaftssystem als zentrales Softwaresystem im Handel analog zum Produktionsplanungs- und -steuerungssystem in der Industrie die entscheidende
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Axel Winkelmann
Rolle bei der Informationsbeschaffung und dem Datenaustausch. Der Zustand und die Qualität eines Warenwirtschaftssystems determinieren in hohem Maße den Erfolg eines Handelsbetriebs und wirken durch systemimmanente Restriktionen nachhaltig auf die Strategie- und Organisationsgestaltung eines Handelsunternehmens (vgl. Becker, Winkelmann 2004; Vering 2007). Das Warenwirtschaftssystem repräsentiert die warenorientierten dispositiven, logistischen und abrechnungsbezogenen Prozesse des Handels. Als Erweiterung ist das Handelsinformationssystem zu sehen, das zusätzlich zu den Aufgaben des Warenwirtschaftssystems betriebswirtschaftlich-administrative und Auswertungsfunktionen unterstützt (vgl. Becker, Schütte 2004, S. 38 ff.; Becker, Winkelmann 2008, S. 115 ff.). Ursprünglich war die Eigenentwicklung die ausschließliche Methode der Softwareeinführung. Erst durch fortschreitende technologische Entwicklungen entstanden in den 70er- und vor allem 80er-Jahren zahlreiche Softwareunternehmen, die statt Individual- Standardlösungen entwickelten. COBOL- und andere Programmiersprachen wie Fortran und Turbo Pascal, die vor allem in den ersten Jahren der Softwareentwicklung genutzt wurden, konnten mit fortschreitender Weiterentwicklung der Entwicklungswerkzeuge in den letzten Jahren zu Gunsten objektorientierter Programmiersprachen aufgegeben und durch Neuentwicklungen abgelöst werden. Während ältere Systeme noch ASCII-basiert arbeiten, d. h. in der Ursprungsversion über keine mit der Maus bedienbare Oberfläche verfügen (vgl. beispielsweise das in weiten Teilen des Möbeleinzelhandels noch im Einsatz befindliche Warenwirtschaftssystem MHS der SHD Datentechnik), besitzen moderne Standardsysteme eine grafische, vielfach an die WindowsWelt angelehnte Benutzeroberfläche. Auch ist zunehmend eine Abkehr von der Client-Server-Architektur festzustellen, bei der ein Teil der Software auf einem zentralen Server läuft und die Benutzeroberfläche vor Ort beim Benutzer installiert sein muss. Gerade verteilte Standorte haben ein Umdenken herbeigeführt, da Anwendungsunternehmen nicht bereit sind, jeden Anwender-Rechner immer wieder mit Softwareupdates zu versorgen. Der Fernzugriff auf das auf dem zentralen Server befindliche System oder WebOberflächen wie beispielsweise bei Semiramis von Soft-M ermöglichen die effiziente Nutzung moderner Standardsoftwaresysteme. Vor diesem Hintergrund haben viele Unternehmen in den letzten Jahren bereits in die Modernisierung ihrer Warenwirtschaft investiert bzw. aktuell Projekte in diesem Umfeld begonnen. Die empirische Erhebung ergab, dass in über 30% der Unternehmen die jetzige Implementierung des Warenwirtschaftssystems jünger als 5 Jahre alt ist (vgl. Abbildung 5). Allerdings liegt parallel das Alter bei rund 30% der Unternehmen mit über 10 Jahren relativ hoch. Über 50% der eingesetzten Warenwirtschaftssysteme sind bereits neu eingeführt oder werden gerade eingeführt (vgl. Abbildung 6).
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Wie alt ist die jetzige Implementierung des Warenwirtschaftssystems in Ihrer Firma?
jünger 5 Jahre
37,84%
5 bis <10 Jahre
32,43%
10 bis <15 Jahre
24,32%
15+ Jahre
5,41% 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
Abbildung 5. Alter der WWS-Implementierung (n=37)
Gar nicht 8% 2 - 5 Jahre 20%
Fertig / in Bearbeitung 52%
< 2 Jahre 20%
Abbildung 6. Zeitliche Planung für ein neues Warenwirtschaftssystem (n=25)
5
Status quo des Berichtswesens als zentrales dispositives System
Das Berichtswesen ist wesentlicher Bestandteil der dispositiven Infrastruktur, dem in Unternehmen die Aufgabe zukommt, die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Steuerung des Unternehmens bereitzustellen. Bei der Gestaltung des Berichtswesens wird festgelegt, welche verfügbaren Daten in steuerungsrelevante Informationen, beispielsweise in verdichteter Form als Kennzahlen, bereitgestellt werden sollen.
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Axel Winkelmann
Das Berichtswesen sollte sowohl einheitlich informationstechnisch festlegen, welche Kennzahlen aus welchen Daten in welcher Form zu ermitteln sind, als auch fachlich definieren, welche Informationen eine Führungskraft zur Entscheidungsfindung benötigt. Die Datenherkunft für die Informationsversorgung der Entscheider gewinnt insofern an Bedeutung, als dass rationale Entscheidungen im Wesentlichen von der Aktualität und der Genauigkeit der Informationen abhängen (vgl. Weber 2006). Als Folge einer mangelhaften Berichtswesenpflege und einer versäumten Berichtswesenvereinfachung sind häufig folgende Phänomene zu beobachten: x Durch permanentes Erweitern der Berichte um temporäre Anforderungen entstehen Zahlenfriedhöfe, deren Informationsgehalt zweifelhaft ist. x Mitarbeiter erhalten auf der einen Seite zu viele und damit teilweise entscheidungsirrelevante Informationen, auf der anderen Seite fehlen aber wichtige Informationen. x Führungskräfte versuchen, durch individuelle Reports ihren Informationsbedarf zu befriedigen, und akzeptieren die zur Verfügung gestellten Berichte nur noch eingeschränkt. x Kennzahlen und Berichte einzelner Abteilungen sind durch ungeklärte Datenherkünfte, unterschiedlich aktuelle Daten sowie Homonym- und Synonymproblematiken nicht vergleichbar. Abweichungen lassen sich nicht oder nur mit hohem Aufwand erklären. Es wird deutlich, dass mit steigender Komplexität die Anforderungen des Unternehmens an das Berichtswesen und die dahinter liegende Datenbasis steigen. Eine zu große Menge an zu Informationen verdichteten Daten kann aber auch zur Informationsüberlastung des Managements führen. Daher sollte die Anzahl an Standardberichten nicht zu groß bei gleichzeitig hoher Abstimmung zwischen Informationsangebot und Informationsnachfrage sein. Wie viele Standard-Berichte stehen schätzungsweise in Ihrem Unternehmen zur Verfügung, die regelmäßig zur Verfügung gestellt werden? 101+ Berichte 51 bis 100 Berichte 11 bis 50 Berichte 0 - 10 Berichte
14,29% 31,43% 22,86% 31,43% 0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
Abbildung 7. Anzahl regelmäßig zur Verfügung gestellter Standardberichte (n=35) Von den befragten Teilnehmern gaben ca. 50 Prozent an, dass in ihrem Unternehmen weniger als 50 Standard-Berichte zur Verfügung stehen, dabei
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sogar ca. 30% weniger als 10 Berichte. Bei ca. 15 % der Beteiligten werden mehr als 100 Standardberichte im Unternehmen bereitgestellt (vgl. Abbildung 7). Diese Anzahl ist als relativ hoch einzustufen, da im Allgemeinen nur wenige Standardberichte – ergänzt durch ad hoc reporting und exception reporting – tatsächlich benötigt werden. Gefragt nach der Notwendigkeit von Verbesserungen in ihrem Berichtswesen wünschten sich rund 50% der Handelsexperten einen besseren Abgleich von den angebotenen Informationen mit ihren Bedürfnissen und zugleich eine Verringerung der Berichtsanzahl. Unterschiedliche, nicht klar definierte Kennzahlendefinitionen und Begrifflichkeiten werden ebenso wie die Aktualität der Berichte moniert (vgl. Abbildung 8).
Für wie wichtig erachten Sie folgende Verbesserungen (n= 38) für Ihr Berichtswesen? Verbesserung der Aktualität der Berichte Präzisierung und Vereinheiltichung der Kennzahlendefinitionen Vereinheitlichung des Begriffsgebrauchs Überarbeitung der für die Auswertung herangezogenen Bezugsobjekte Bessere Überlappung vom Informationsangebot in den Berichten und der Informationsnachfrage der Anwender Verringerung der Berichtsanzahl Pflege des Berichtsinventars als zentrales Verzeichnis aller Unternehmensberichte 0%
sehr wichtig
wichtig
unentschlossen
10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
unwichtig
sehr unwichtig
Abbildung 8. Verbesserungspotenzial im Berichtswesen (n=38) Das Berichtswesen baut vor allem auf den im zentralen Data Warehouse gespeicherten historischen und aktuellen Datenbeständen auf. Durch die große Menge an Filialen, die gute Anbindung an die Zentralen und die immer leistungsfähigeren IT-Systeme nehmen in den letzten Jahren das Datenvolumen und damit das Informationsangebot immer weiter zu. Eine Abspeicherung von Warenkörben auf Artikel- und Tagesbasis bedeutet für ein Unternehmen mit 3.000 Filialen und 10.000 Artikeln ca. 9 Milliarden Datensätze pro Jahr, was sich bei 100 Byte Datensatzgröße auf ca. 1 Terabyte summiert (vgl. Hertel 1999, S. 33). Abbildung 9 zeigt am Beispiel eines der Top7-Drogeriemarktunternehmen in Deutschland, wie rasant das Datenvolumen in den letzten Jahren gewachsen ist. Investitionen in die Berichtswesenreorganisation ebenso wie in den Aufbau eines zentralen Data Warehouses zur Speicherung der Unternehmensdaten wurden bereits oder werden aktuell von der Mehrzahl (65%) an Unter-
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Axel Winkelmann
nehmen getätigt (vgl. Abbildung 10). Ein weiteres Viertel der Unternehmen will Investitionen in weniger als 2 Jahren tätigen, so dass nahezu 85% aller Unternehmen über eine moderne dispositive IT-Architektur verfügen bzw. in naher Zukunft verfügen werden. Dieses unterstreicht erneut die hohe Bedeutung der Informationsexzellenz im Handelsumfeld. 1200 1000 800 600
GB
400 200 0 2002
2003
2004
2005
2006
2007
Abbildung 9. Entwicklung des Datenvolumens einer Drogeriemarktkette (vgl. Franz 2007) Wann planen Sie, in folgende IT-Projekte zu investieren? Berichtswesenreorganisation
Zentrales Data Warehouse 0% Fertig / in Bearbeitung
20%
< 2 Jahre
40% 2 - 5 Jahre
60% > 5 Jahre
80%
100%
Gar nicht
Abbildung 10. Investition in dispositive IT-Projekte (n=26)
6
Einsatz von „Enabling Technologies“
Vor allem Technologien zur Automatisierung und Reorganisation des Warenflusses werden im Handelsumfeld als „Enabling Technologies“ angesehen (vgl. beispielsweise Seifert 2004, S. 80 ff.). Durch die zunehmende Möglichkeit, Warenflüsse über RFID-Tags digital verfolgen zu können, ergeben sich in Logistik und Filiale neue Chancen der Prozessgestaltung und -verbesserung. Die Erhebung zeigt, dass vor allem in den nächsten 2-5 Jahren massiv in
IT im Spannungsfeld von Handel, Produktion und Dienstleistung
29
RFID-Technologien in der Logistik investiert werden dürfte. Dabei bedeutet der Einsatz von RFID im Handelsumfeld größere Investitionen sowohl für Handelsunternehmen als auch für deren Produzenten. Häufig diskutierte Szenarien gehen davon aus, dass Produkte bereits beim Produzenten mit RFID-Tags versehen werden und in der Logistik entsprechend den Anforderungen ausgewertet werden können (vgl. beispielsweise Richter 2005, S. 42; Hertel, Zentes, Schramm-Klein 2005, S. 148; Becker, Schütte 2004, S. 247 f.). Erst in einem zweiten Schritt nach mehr als 5 Jahren geht eine Mehrheit der befragten Experten davon aus, dass sich RFID auch auf der Fläche etablieren wird (vgl. Abbildung 11). Als Gründe für dieses Vorgehen lassen sich sowohl die bessere Standardisierung der Logistikprozesse gegenüber den Filialprozessen als auch der geringere Investitionsaufwand in der Logistik bei vergleichsweise besserem Kosten-/Nutzenverhältnis aufführen. Wann planen Sie, in folgende IT-Projekte zu investieren? RFID auf der Fläche RFID in der Logistik 0%
20%
Fertig / in Bearbeitung
40%
< 2 Jahre
60% 2 - 5 Jahre
80% > 5 Jahre
100% Gar nicht
Abbildung 11. Investition in RFID-Technologien (n=23) Zur weiteren Optimierung der Filialprozesse wurden in den vergangenen Jahren einige Pilotprojekte mit Self-Checkout-Technologie vorgenommen. Der Metro Future Store setzt diese Technologie bereits seit 2003 testweise ein (vgl. Rode 2003, S. 51). Die Externalisierung der Kassierleistung an den Kunden führt nach Theorie der Technologie-Anbieter zu einer starken Personalkostensenkung, allerdings an Tage mit hoher Besucherfrequenz u. U. auch zu Engpässen durch langsamere Kassiervorgänge. Bisherige Erfahrungen mit der in D-A-CH noch relativ neuen Technologie sind derzeit in erster Linie nur aus Pilotprojekten vorhanden (vgl. Atzberger 2007). Von daher verwundert es nicht, dass die Experten, die in Self-Checkout-Technologien investieren wollen, dieses nur zu 25% innerhalb der nächsten zwei Jahre planen. Das Gros will sich erst danach für eine Investition in diese Technologie entscheiden (44% innerhalb der nächsten 5 Jahre, 25% erst nach 2012).
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Axel Winkelmann
>5 Jahre 25%
Fertig / in Bearbeitung 6% <2 Jahre 25%
2-5 Jahre 44%
Abbildung 12. Investition in Self-Checkout-Systeme (n=16)
7
Fazit
Während vor einigen Jahren bei den Investitionen in die zentralen operativen und dispositiven IT-Systeme noch Kaufzurückhaltung moniert wurde, lässt sich mittlerweile ein hohes Interesse an Neuinvestitionen konstatieren. Viele Unternehmen im Handelsumfeld haben in den letzten Jahren bereits in neue Warenwirtschaftssysteme sowie Data Warehouse-Technologie oder die Reorganisation des Berichtswesens investiert oder sind aktuell bei der Einführung neuer Systeme. Bei den abgefragten Enabling Technologies sind zukünftig jedoch zahlreiche Investitionen zu erwarten. Ziel der hier vorgestellten Untersuchung war eine grundlegende Erhebung des Status quo der IT-Systeme im Handelsumfeld. Aufbauend auf den hier präsentierten Ergebnissen lassen sich für eine nachfolgende Studie Hypothesen für eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Gebrauch und Einsatz verschiedener Handelstechnologien ableiten. Eine entsprechende Erhebung mit Hypothesen auf Basis der hier vorgelegten Ergebnisse ist aktuell in Vorbereitung.
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Axel Winkelmann
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Strategisches Marktverhalten von ERP-Anbietern vor dem Hintergrund von Marktkonzentration und technologischem Wandel Dr. Axel Winkelmann Universität Koblenz-Landau Professur für Betriebliche Anwendungssysteme
[email protected] Stefan Thiemann Thiemann IT-Solutions
[email protected]
1
Einleitung
Die Marktsättigung in Bezug auf ERP-Systeme ist je nach Branche und Betriebsgröße sehr unterschiedlich. Historisch bedingt wurden ERP-Systeme im Regelfall zunächst bei größeren Unternehmen eingeführt, so dass der Markt für ERP-Systeme für Großunternehmen weitgehend gesättigt ist und neue ERP-Anwendungsunternehmen in erster Linie durch die Ablösung von Altanwendungen gewonnen werden können (vgl. Becker, Vering, Winkelmann 2007). Insbesondere bei mittelständischen Anwendungsbetrieben erwarten die ERP-Anbieter hingegen noch hohe Wachstumsraten, da diese häufig veraltete oder selbst entwickelte Systeme verwenden (vgl. Wesseler 2001). Auch bei öffentlichen Einrichtungen steigt der Bedarf an ERP-Systemen (vgl. Hesseler 2007; Niemann 2007; o. V. 2008b). Allein im deutschsprachigen Raum existieren zurzeit mehr als 300 ERPSysteme (vgl. Schütte, Vering 2004; Becker, Vering, Winkelmann 2007). Dabei reicht die Angebotspalette von Systemen, die bei nur wenigen Kunden in einer Spezialbranche installiert wurden (beispielsweise maxess x-trade mit einer einstelligen Anzahl an Installationen im Lebensmittelumfeld) und Anbietern mit einer sehr großen Installationsbasis (z. B. Microsoft Dynamics NAV mit einer deutlich fünfstelligen Anzahl an Installationen). Der Markt für betriebliche Anwendungslösungen ist in den letzten Jahren von einer erheblichen Dynamik gekennzeichnet. Bestehende Lösungen wurden technologisch und funktional grundlegend weiterentwickelt, diverse Systeme bzw. Anbieter sind aus verschiedenen Gründen nicht mehr am Markt präsent und nur einige wenige
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Axel Winkelmann, Stefan Thiemann
Anbieter bzw. Systeme sind neu auf den Markt gekommen. Insgesamt lässt sich eine Marktkonzentration bei den ERP-Anbietern konstatieren (vgl. Vering 2007). Vor diesem Hintergrund beleuchtet die vorliegende Untersuchung das strategische Marktverhalten von ERP-Anbietern, um zu analysieren, ob dominante Strategien zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen existieren. Die Untersuchung dient einerseits zum Festhalten des Status quo und damit als Beginn einer Zeitreihenanalyse. Andererseits gibt sie aber auch anderen Herstellern wertvolle Einblicke in das Marktverhalten der Konkurrenz.
2
State of the Art und Vorgehen der Untersuchung
Im Vorwege der Untersuchung des Marktverhaltens fand eine gründliche Analyse aktueller Fachliteratur zu bisherigen Untersuchungen in diesem Umfeld statt. Bei der Auswertung der Konferenzproceedings der drei internationalen Wirtschaftsinformatikkonferenzen ECIS (European Conference on Information Systems), AMCIS (Americas Conference on Information Systems) und ICIS (International Conference on Information Systems) in den Jahren 2001-2007 fanden sich keine nennenswerten Untersuchungen zum strategischen Marktverhalten von ERP-Anbietern. Stattdessen dominierten vor allem Faktoren für die erfolgreiche Einführung von ERP-Systemen sowie Konsequenzen und Charakteristika von ERP Systemen die Forschungsdiskussion (vgl. Bernroider, Koch 2000; Smyth 2001; Staehr, Shanks, Seddon 2006; Tan, Pan 2002). Auch eine Analyse der Journalbeiträge der Zeitschriften MIS Quarterly, European Journal for Information Systems, Journal of Management Information Systems sowie Wirtschaftsinformatik in den Jahren 2001-2007 bietet keine Anhaltspunkte mit Ausnahme der strategischen Bedeutung für das einführende Unternehmen (vgl. Oh, Pinsonneault 2007) über das Marktverhalten der Anbieter. Für die Analyse des Marktverhaltens wurden die Angaben aus der bei Becker, Vering und Winkelmann 2007 und Vering 2007 genannten Literaturquellen als auch die Angaben der Herstellerwebseiten ausgewertet. Darüber hinaus wurden die aktuellen Berichterstattungen und Archive der IT-Fachpresse konsultiert, um Aussagen zu der jeweiligen Produkt- und Programmpolitik, der Preispolitik, der Distributionspolitik und der Kommunikationspolitik der zehn international bedeutendsten ERP-Anbieter zu erhalten. Die Untersuchung fand statt im Zeitraum Februar bis Juni 2008. Die Daten der Analyse wurden anschließend aufbereitet und die Ergebnisse insbesondere der kritischen Diskussion in Abschnitt 5 durch fünf Experteninterviews mit Softwareherstellern und ERP-Beratern verifiziert. Der Artikel stellt eine zusammenfassende Übersicht über die Ergebnisse vor.
Strategisches Marktverhalten von ERP-Anbietern
3
35
Übersicht über die untersuchten ERP-Hersteller und deren Systeme
Im Rahmen der Arbeit wurden die ERP-Anbieter mit dem größten internationalen Marktanteil laut Gartner berücksichtigt (vgl. Niemann 2007). Es wurde der Marketing-Mix der zehn Anbieter, namentlich Agresso, Exact Software, Hyperion, IFS, Infor, Lawson Software, Microsoft, Oracle, Sage und SAP insbesondere mit Fokus auf ERP-Lösungen für mittelständische Unternehmen hin untersucht, wobei Hyperion mittlerweile durch Oracle aufgekauft wurde. Bei der Untersuchung wurde das jeweilige Marktverhalten der vergangenen Jahre kritisch hinterfragt. Agresso GmbH Die Agresso GmbH ist seit 1983 auf dem Markt und erzielte in 2006 einen Umsatz von 237 Mio. Euro mit 3.200 Mitarbeitern. Sie bietet drei ERP-Produkte speziell für Dienstleistungsunternehmen und öffentliche Einrichtungen an. Der Vertrieb, die Beratung und Schulung erfolgt durch eigene Mitarbeiter. Bei Anpassungen der Standardsoftware wird das Customizing von Partnern durchgeführt. Exact Software Die Exact Holding N.V. wurde 1984 gegründet und beschäftigt weltweit über 2.750 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz lag 2007 bei 252 Mio. Euro. In Deutschland werden drei Produkte hauptsächlich für mittelständische Unternehmen angeboten, davon ein ERP System, ein Produkt zur Lohnverwaltung und ein Produkt im Bereich Personalwirtschaft. Sowohl der Vertrieb als auch das Customizing wird eigenständig durchgeführt. Hyperion Software Corporation Die Hyperion Software Corporation wurde 1981 unter dem Namen IMRS gegründet und 2007 von Oracle übernommen. Hyperion war dabei spezialisiert auf Business Intelligence Lösungen. Industrial and Financial Systems, IFS Das Unternehmen Industrial and Financial Systems, IFS AB wurde 1983 gegründet. Mit 2.630 Mitarbeitern wurde in 2006 ein Umsatz von 2.209 Mio. Schwedischen Kronen erwirtschaftet. Die IFS bietet nur ein einziges integriertes Produkt an, das sich in erster Linie an größere mittelständische Unternehmen richtet und sowohl selber als auch durch Partner vertrieben wird. Infor Global Solutions Infor Global Solutions wurde 2002 unter dem Namen Agilisys gegründet und beschäftigt über 9.000 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz liegt bei 2.200 Mio. US $.
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Axel Winkelmann, Stefan Thiemann
Infor bietet kein integriertes ERP System, sondern alle Funktionen als separate Module an, wobei Infor durch zahlreiche Aufkäufe in den letzten Jahren ein großes Produktportfolio aufweisen kann, zu dem u. a. das ehemalige Baan (später: SSA Global Solutions) System gehört. Für Kunden jeder Größe werden der Vertrieb und das Customizing eigenständig abgewickelt. Lawson Software Lawson Software ist seit 1975 auf dem Markt und erwirtschaftete 2006 mit rund 3.600 Mitarbeitern einen Umsatz von 370,7 Mio. US $. Lawson bietet ein Produkt speziell für Unternehmen im Bereich Produktion und Handel und ein Produkt speziell für Unternehmen im Dienstleistungssektor. Zu den Kunden zählen kleine und mittelständische Unternehmen, der Vertrieb und das Customizing findet ausschließlich über Partner statt. Microsoft Die Microsoft Corporation wurde 1975 gegründet und erreichte in 2007 mit 78.565 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 51,12 Mrd. US $. In 2002 ist Microsoft durch den Aufkauf von Navision A/S in den ERP-Markt für mittelständische Unternehmen eingestiegen. Zusätzlich versucht Microsoft durch ein weiteres Produkt in den Markt der kleinen Unternehmen zu gelangen. Außerdem wird ein separates CRM Produkt angeboten. Oracle Oracle wurde 1977 gegründet und erzielte in 2007 mit 84.233 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von etwa 22,4 Mrd. US $. Oracle bietet dabei ein ERPProdukt für mittelständische ein drei ERP-Produkte für große Unternehmen an. Zusätzlich wird ein CRM-Produkt angeboten, dass auch als On-Demand Lösung verfügbar ist. Sage Die Sage Group wurde 1981 gegründet und beschäftigt rund 15.000 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz lag in 2007 bei über 1,7 Mrd. Euro. In Deutschland werden zum einen Standardsoftware für Freiberufler, Selbstständige, Handwerker sowie kleine Unternehmen angeboten. Für mittelständische Unternehmen werden drei verschiedene ERP-Systeme angeboten. Außerdem bietet Sage CRM-Systeme für Unternehmen jeder Größe an, wovon auch eine On-Demand Lösung existiert. SAP Die SAP AG wurde 1972 gegründet und zählt mittlerweile 50.200 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz lag 2007 bei 10,3 Mrd. Euro. SAP bietet neben drei klassischen ERP-Systemen für kleine, mittelständische und große Unternehmen auch eine On-Demand Lösung für mittelständische Unternehmen an.
Strategisches Marktverhalten von ERP-Anbietern
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Hersteller Gründung Mitarbeiter Umsatz Agresso 1983 3.200 (2006) 237 Mio. € Exact Software 1984 2.750 (2007) 252 Mio. € Hyperion 1981 Übernommen von Oracle IFS 1983 2.630 (2006) 2,2 Mrd. NOK Infor 2002 9.000 (2007) 2,2 Mrd. US $ Lawson 1975 3.600 (2006) 370,7 Mio. US $ Microsoft 1975 78.565 (2007) 51,12 Mrd. US $ Oracle 1977 84.233 (2007) 22,4 Mrd. US $ Sage 1981 15.000 (2007) 1,7 Mrd. US $ SAP 1972 50.200 (2007) 10,3 Mrd. € Tabelle 1. Übersicht über die ERP-Hersteller
4
Auswertung des strategischen Marktverhaltens
4.1
Historie
Der Markt für ERP-Systeme ist durch einen Konsolidierungsprozess gekennzeichnet. Dieser zeigt sich besonders deutlich bei den ERP-Herstellern für Großunternehmen (vgl. Abbildung 1). Die Anzahl an ERP-Herstellern, die in diesem Bereich traditionell Anwendungssysteme entwickeln, hat sich in den letzten Jahren vor allem durch Aufkäufe und Fusionen auf drei Hersteller reduziert: Oracle hat PeopleSoft und damit die Produkte von J. D. Edwards übernommen. Infor hat SSA Global übernommen, wobei SSA Global zuvor die Produktpalette von Baan gekauft hatte. SAP ist der einzige der untersuchten ERPHersteller für Großunternehmen, der durch organisches Wachstum und konsequente Weiterentwicklung ihres eigenen Systems besticht. Im Bereich der kleinen und mittelständischen ERP-Unternehmen haben sich Sage (gegründet 1981) und Agresso (gegründet 1983) durch verschiedene Zukäufe verstärkt, um sich so auf ausländischen Märkten zu etablieren. IFS (gegründet 1983) hingegen hat das eigene ERP System IFS Applications stetig weiterentwickelt und Niederlassungen auf allen Kontinenten eröffnet.
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Oracle PeopleSoft
J.D. Edwards Siebel (CRM) Hyperion (BI) Infor
SSA Global Baan SAP 2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Abbildung 1. Konsolidierungsprozess der ERP-Hersteller für Großunternehmen seit 2002
4.2
Produktpolitik
Bei der Produktpolitik fällt auf Basis der auf den Webseiten offerierten Informationen zu den Produkten, d. h. ohne detaillierte Untersuchung der implementierten Funktionen anhand der realen Systeme, kein nennenswerter Unterschied im Funktionsumfang auf. Die Lösungen für Großunternehmen beinhalten dabei alle die Komponenten Personal-, Finanz-, Warenwirtschaft, Supplier Relationship Management, Customer Relationship Management, Supply Chain Management, Produktion und Enterprise Asset Management. Für mittelständische Unternehmen entfällt aufgrund ihrer Größe im Regelfall das Enterprise Asset Management und Supplier Relationship Management. Für Kleinunternehmen werden nur die grundlegenden ERP-Funktionen Personal-, Finanz- und Warenwirtschaft angeboten, wobei das Personalwesen bei Sage als losgelöstes Produkt angeboten wird. Infor, Microsoft, Oracle und Sage bieten als einzige CRM-Lösungen an, die losgelöst vom herstellereigenen ERP-System eingesetzt werden können. Dadurch soll erreicht werden, dass auch Produkte an Unternehmen verkauft werden können, die bereits ein ERP-System der Konkurrenz einsetzen. Auch wird hierdurch der im Mittelstand verbreitete „Best-of-Breed“-Ansatz gefördert. Weitere Unterschiede bestehen darin, ob vom Hersteller direkt Branchenlösungen angeboten werden und somit eine bestimmte Zielgruppe anvisiert wird und in der verwendeten Technologie. Vor allem Agresso, IFS, Lawson und Sage bieten dabei branchenspezifische Lösungen an. Bei den verwendeten Techno-
Strategisches Marktverhalten von ERP-Anbietern
39
logien setzten bereits IFS, Infor, Lawson und SAP auf eine serviceorientierte Architektur. Oracle plant mit Oracle Fusion ebenfalls eine SOA. Hierdurch sollen die momentan existierenden Systeme, die durch Zukäufe von Unternehmen in das Oracle Produktportfolie aufgenommen worden sind, zu einer serviceorientierten Architektur kombiniert werden (vgl. Wesseler 2001).
On-Demand-Produkte
Branchenspezifische Produkte
X
Großunternehmen
X
mittelständische Unternehmen
X
Kleinunternehmen
Exact Software
Enterprise Asset Management
X
Produktion/PPS
X
Supply Chain Management
Warenwirtschaft
X
Customer Relationship Management
Finanzwirtschaft
Agresso
Supplier Relationship Management
Personalwirtschaft
Ein Alleinstellungsmerkmal unter den ERP-Herstellern ist das Angebot von OnDemand-Lösungen. Oracle und Sage bieten Siebel CRM 8.0 und Sage CRM sowohl als klassische Kauflösung als auch als On-Demand-Mietlösung. Der einzige der hier untersuchten Hersteller, der eine vollständige ERP-On-DemandLösung anbietet, ist SAP. Für Unternehmen mit 50 bis 500 Mitarbeitern bietet SAP mit BusinessByDesign eine On-Demand-Lösung an, bei der der Kunde keinerlei Hardware benötigt und die komplette Wartung und Releasewechsel durch eine monatliche Gebühr abgegolten sind.
X X
IFS
X
X
X
Infor
X
X
X
X
Lawson
X
X
X
X
Microsoft
X
X
X
Oracle
X
X
X
SageKHK
X
X
X
SAP Business One
X
X
X
X X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X X X
X X
X
X
X X
X
X
X
X
X
X X
X
Tabelle 2. Offerierte Produktfunktionen der betrachteten ERP-Hersteller
X X
40
Axel Winkelmann, Stefan Thiemann
4.3
Preispolitik
Bis auf SageKHK veröffentlicht kein Anbieter Preise für sein ERP-System, da der Aufwand für das Customizing unternehmensspezifisch ist und der Vertrieb zum Teil komplett durch Partner abgewickelt wird. Nach Aussage von Experten werden die Preise häufig in Abhängigkeit von Marktposition und strategischer Bedeutung des jeweiligen Kunden verhandelt. Daher werden die Lizenzkosten für die Systeme nicht offiziell bekannt gegeben. Umfragen gehen – als grobe Richtlinie - von durchschnittlichen Kosten von ca. 5.000 Euro pro User aus (vgl. Winkelmann 2007). Einzig die deutsche Sage-Tochter SageKHK veröffentlicht die Preise ihrer Produkte, wobei die Preislisten nur für die Produkte veröffentlicht werden, bei denen ein Customizing nicht angepasst wird. Hierzu zählen die Produkte PC-Kaufmann, Linie GS, Sage Lohn, ACT! für Kleinunternehmen sowie Classic Line, Office Line, Personalwirtschaft, Sage CRM, Sales Logix und Sage BI für kleine bis mittlere Unternehmen. Da bei den mittleren Unternehmen Kunden mit bis zu 200 Mitarbeitern angesprochen werden, bietet Sage für diese von einem ERP-System über CRM und BI ein breites Anwendungsspektrum mit fixen Preisen. Im Bereich On Demand weist SAP den monatlichen Userpreis mit 133 Euro aus.
4.4
Distributionspolitik
Die Distribution und Implementierung der ERP-Systeme wird von den ERPAnbietern unterschiedlich gehandhabt. Vor allem Exact Software und Infor vertreiben ihre Produkte eigenständig und passen diese auch vor Ort an die Kundenbedürfnisse an. IFS und Sage vertreiben und ändern ihre Produkte sowohl selbst als auch durch entsprechend zertifizierte Partnerunternehmen, wobei der Schwerpunkt beider Unternehmen im eigenen Vertrieb liegt. Sage vertreibt seine Produkte direkt im Online-Shop und über Messen und ein eigenes Vertriebsgeschäft. Auch IFS betreut den Großteil seiner Kunden selbst (vgl. Tabelle 3). Microsoft und Lawson setzen ausschließlich, SAP und Oracle zum Teil auf einen Partnervertrieb. SAP versucht derzeit, durch die On-Demand-Lösung SAP Business ByDesign neue Kunden im Mittelstand zu gewinnen. Diese wird im Gegensatz zu den restlichen Produkten direkt vertrieben. Bei Agresso findet der Vertrieb durch eigene Mitarbeiter statt. Bei Änderungswünschen von Kunden werden diese von Partnern übernommen. Damit wählt Agresso einen vollständig anderen Ansatz, was aber auch dadurch zu erklären ist, dass das Unternehmen sehr branchenspezifische Lösungen anbietet.
Strategisches Marktverhalten von ERP-Anbietern
Hersteller Agresso Exact Software IFS Infor Lawson Microsoft Oracle Sage SAP
Eigener Vertrieb X X X X
X X X
Eigenes Customizing X X X
X X
41
Vertrieb und Customizing durch Partner X X X X X X X
Tabelle 3. Art des Vertriebs und der Produktimplementierung bzw. des Customizings durch ERP-Hersteller
4.5
Kommunikationspolitik
Beim Vergleich der Kommunikationspolitik der Unternehmen fällt auf, dass sich insbesondere Agresso auf ein spezielles Marktsegment konzentriert. Mit Agresso Business World, Agresso Public Sector Solutions und Agresso Education werden ausschließlich die Dienstleistungsbranche und der öffentliche Bereich adressiert. Durch den starken Branchenfokus wird dabei der Customizing-Aufwand reduziert, wodurch die Produkteinführung günstiger ist als bei branchenunabhängigen Lösungen und die Einführungszeiten reduziert werden. Infor und SAP bieten branchenunabhängige ERP-Systeme für alle Unternehmensgrößen an, wobei SAP aus dem Markt der Großunternehmen kommt und seit 1995 nicht zuletzt durch zahlreiche Implementierungspartner und die Zusammenarbeit mit Branchenspezialisten verstärkt versucht, Kunden im Mittelstand zu gewinnen. Auch Oracle konzentrierte sich zunächst auf Großunternehmen, durch zahlreiche Übernahmen wie z. B. die Übernahme von PeopleSoft gewinnt auch der Mittelstand als Wachstumsmarkt an Bedeutung. Lawson und Exact Software konzentrieren sich ausschließlich auf mittelständische Unternehmen. IFS bietet ein ERP-System für große mittelständische Unternehmen an und konzentriert sich dabei auf Branchen mit Fertigungscharakter. Microsoft und SageKHK hingegen bieten ihre Produkte für Kleinunternehmen und mittelständische Betriebe an. SageKHK Deutschland kommt dabei aus dem Markt der Kleinunternehmen und Handwerker und ist durch den Kauf von Bäurer verstärkt in den Mittelstand vorgedrungen. SageKHK bietet im Mittelstand drei Branchenlösungen an. Microsoft ist durch die Übernahme von Navision in den Markt für mittelständische Unternehmen eingestiegen, bietet aber auch Lösungen für Kleinunternehmen. In Tabelle 4 wird außerdem ersichtlich,
42
Axel Winkelmann, Stefan Thiemann
dass alle Hersteller – mit Ausnahme des Sonderfalls Agresso – ERP Systeme für mittelständische Unternehmen vermarkten. Hersteller Agresso Exact Software IFS Infor Lawson Microsoft Oracle Sage SAP
Kleinunternehmen X
X X X X
Mittelständische Unternehmen X X X X X X X X X
Großunternehmen (X)
X
X X
Tabelle 4. Zielgruppen der ERP-Hersteller
5
Identifikation und kritische Diskussion des strategischen Marktverhaltens
Es lassen sich bei der Betrachtung der großen ERP-Hersteller in Bezug auf ihre ERP-Systeme zwei wesentliche Wachstumsstrategien (organisches Wachstum und Wachstum durch Aufkäufe) identifizieren, die sich wieder in miteinander kombinierbare Unter-Strategien aufteilen. Die Strategie des organischen Wachstums bietet den Vorteil, dass die Softwareentwickler Quellcode und Kundenprojekte von Anbeginn an selbst begleitet haben und – im Idealfall – entsprechendes Know-how durch die jahrelange Entwicklung vorliegt (vgl. Tabelle 5 und die dort genannten Beispiele aus den Reihen der zehn untersuchten ERP-Anbieter). Eine zweite Wachstumsstrategie liegt im Zuwachs durch Aufkäufe von anderen Unternehmen oder Produkten zur Ergänzung des eigenen Produkt-Portfolios und/oder Erweiterung des Kundenstamms (vgl. Tabelle 6). Der Vorteil der Strategie liegt im zügigen Ausbau des eigenen Marktgewichts. Allerdings führt der Zukauf u. U. auch zu Know-how-Problemen. Neben dem eigenen System müssen nun auch fremde Systeme mit ggf. anderer technologischer Basis weiterentwickelt und gewartet werden bzw. fremde Entwicklermannschaften in die eigene Produktstrategie integriert werden. Die Navision-Übernahme durch Microsoft demonstriert, wie schwierig eine solche Integration sein kann: bereits vor einigen Jahren wurde angekündigt, dass das Produkt sukzessive bis 2007 vollständig auf der Basis von Microsofts eigener .Net-Technologie aufsetzen sollte. Allerdings erweist sich die Portierung als deutlich langwieriger als
Strategisches Marktverhalten von ERP-Anbietern
43
ursprünglich geplant. Bei Zukäufen besteht daher u. U. das Ziel, die zugekauften Produkte noch eine Zeitlang zu supporten, um die Anwender nach und nach auf ein zentrales Produkt des ERP-Anbieters zu migrieren oder ein neues Produkt zu entwickeln, das die Funktionalität aller Vorgängerproduktlinien vereint. Dabei wird die Funktionalität der einzelnen Systeme auf das zentrale System portiert. Beispielsweise hat Microsoft bereits frühzeitig angekündigt, am Ende des Jahrzehnts seine zugekauften Anwendungssysteme (Axapta, Navision usw.) durch ein zentrales betriebswirtschaftliches Anwendungssystem ersetzen zu wollen und damit die Weiterentwicklung der Alt-Produkte einzustellen (vgl. Winkelmann 2007). Strategie Ständige Erweiterung der Funktionalität
Erläuterung Die Funktionalität des Systems wird z. B. durch neue Kundenanforderungen erweitert. Diese Strategie bietet einerseits den Vorteil, dass die vom Kunden geforderte Funktionalität in den Standard einfließt und der Hersteller somit garantiert, dass diese Funktionalität auch in zukünftigen Updates zur Verfügung steht und gewartet wird. Andererseits eröffnen sich durch zusätzliche Funktionalitäten neue Vermarktungsperspektiven für den ERP-Hersteller.
Konzentration auf Kern-Funktionalität in Kombination mit Partnergeschäft
Die Funktionalität des ERPSystems (Grundsystem) wird nur marginal vom ERPHersteller weiterentwickelt. Branchenlösungen mit funktionalen Erweiterungen werden durch Partnerunternehmen auf Basis des Grundsystems programmiert.
Bewertung + Vergrößerung des Funktionsumfangs bietet bessere Abdeckung der Kundenanforderungen + Weiterentwicklung des Stand-ards bietet Kunden Investitionssicherheit für Erweiterungen, die sonst außerhalb des Standards hätten entwickelt werden müssen + Keine oder nur geringe Abhängigkeit des ERPHerstellers von anderen Unternehmen - Hoher Funktionsumfang macht System für Entwickler und Implementierer unübersichtlich - Gefahr der „Verzettelung“ durch zu hohe Komplexität und zu viele Kundenanforderungen + Konzentration auf das Wesentliche + Hohes Branchen-Know-how durch Systemhäuser - Weiterentwicklung nur mit Rücksicht auf Partner möglich - Abhängigkeit von Partnern und ERP-Hersteller
Beispiele Aufnahme von Kundenanforderungen in den Standard, beispielsweise Textilfunktionalität von KarstadtQuelle in das SAP-System
Microsoft Dynamics NAV (Branchenlösungen z. B. durch GWS, Tectura usw.)
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Axel Winkelmann, Stefan Thiemann
Technologische Erneuerung
Die technologisch ältere Softwarearchitektur wird entweder sukzessive oder abrupt durch eine neue Version – entweder unter gleichem oder neuen Namen – unter Beibehaltung bzw. Neuprogrammierung der bisherigen Funktionalität abgelöst. Die Modernisierung erfolgt, um Wartbarkeit und Weiterentwickelbarkeit der Software zu erhalten oder technologische Neuerungen wie webbasierte Client-Server-Architekturen zu implementieren.
+ Modernisierung bietet neue Chancen bei der Weiterentwicklung (Effizienzgewinne, Verjüngung des Entwicklerteams usw.) + Modernisierung schafft Awareness am Markt durch Presse usw. - Hohe Investitionskosten für Modernisierung - Übernahme/Nachprogrammierer der alten Funktionen sehr langwierig und aufwendig
Sukzessive: Stufenweise Ablösung der NavisionProgrammiersprache C/AL durch .NET im Rahmen der Weiterentwicklung des Microsoft Dynamics NAVSystems Abrupt: Ablösung der sage Office Line 4.0 im Jahr 2008 durch Office Line Evolution (NET-Basis).
Tabelle 5. Abgeleitete Strategien im Rahmen des organischen Wachstums Strategie Eintritt in einen neuen Markt Erweiterung des geografischen Vertriebsgebiets
Erweiterung des Branchenvertriebsgebiets
Erläuterung Durch Zukauf eines Software-Herstellers bzw. dessen Produkts verschafft sich ein Unternehmen Zugang zu einem neuartigen Markt. Durch Zukauf eines in einem anderen Land etablierten Software-Herstellers wird das geografische Vertriebsgebiet erweitert. Da neben dem Produkt auch Beratungs- und BetreuungsKnow-how zum Vertrieb eines ERP-Systems notwendig ist, ist auch der Aufkauf von Systemhäusern ohne eigenes ERP-Produkt zur Stärkung der Präsenz in dem geografischen Vertriebsgebiet denkbar. Durch Zukauf einer ERPoder anderen Branchensoftware soll das Branchenvertriebsgebiet erweitert werden.
Bewertung + Schnelle Möglichkeit des Marktzugangs - Hohe Kosten für Akquisition - Ggf. fehlendes eigenes Knowhow zur Weiterentwicklung + Schneller Zugang zu neuen Märkten + Synergieeffekte für existierende und zugekaufte Produkte auf neuen und alten Märkten + Neben Software auch neue Mitarbeiter wertvoll - Ggf. fehlendes eigenes Knowhow zur Weiterentwicklung - Erhöhung der Weiterentwicklungskomplexität durch zusätzliche Produkte
Beispiele Eintritt von Microsoft in den ERP-Markt durch Aufkauf von Navision in 2002. Erwerb des ERPUnternehmens Intentia (Schweden) durch Lawson Software (USA, 2005), um mit „Movex“ auf dem europäischen Markt vertreten zu sein und dort auch die eigenen Lösungen zu vertreiben.
+ Schneller Zugang zu neuen Märkten + Synergieeffekte für existierende und zugekaufte Produkte auf neuen und alten Märkten + Neben Software auch neue Mitarbeiter wertvoll - Ggf. fehlendes eigenes Knowhow zur Weiterentwicklung - Erhöhung der Weiterentwicklungskomplexität durch zusätzliche Produkte
Stärkung von Oracles Vertriebsposition im Retail-Segment durch Aufkauf der marktführenden Einzelhandels-ERP-Lösung Retek in den USA im Jahr 2005.
Strategisches Marktverhalten von ERP-Anbietern Erweiterung der Produktpalette (Unternehmen sgröße)
Zukäufe eines ERP-Unternehmens bzw. -Produkts, das eine andere Unternehmensgröße bedient, schafft die Möglichkeit, neue Kundenkreise zu gewinnen.
Erweiterung der Produktpalette (Funktionsumfang)
Durch Zukauf von Spezialanwendungen erhalten ERPHersteller die Möglichkeit, ihr Produktpalette auch in Bereichen wie z. B. Business Intelligence oder Finance zu stärken.
+ Schneller Zugang zu neuen Märkten + Synergieeffekte für existierende und zugekaufte Produkte auf neuen und alten Märkten + Neben Software auch neue Mitarbeiter wertvoll - Ggf. fehlendes eigenes Knowhow zur Weiterentwicklung - Erhöhung der Weiterentwicklungskomplexität durch zusätzliche Produkte + Synergieeffekte für existierende und zugekaufte Produkte auf neuen und alten Märkten + Ggf. Cross-Selling-Potenzial - Ggf. fehlendes eigenes Knowhow zur Weiterentwicklung - Erhöhung der Weiterentwicklungskomplexität durch zusätzliche Produkte
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Aufkauf von Bäurer durch Sage in 2006 zur Erweiterung des Vertriebspotenzials an Unternehmen > 200 Mitarbeiter
Aufkauf und Integration der BIund CRM-Produkte von Siebel (2006) und Hyperion (2007) in die Oracle-Produktpalette. Aufkauf des BI-Anbieters Business Objects durch SAP (2007).
Tabelle 6. Abgeleitete Strategien im Rahmen des Wachstums durch Aufkäufe
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Fazit und Einschränkungen der Untersuchung
Die Untersuchung zeigt, dass die zehn größten ERP-Hersteller der Marktkonzentration und der Erschließung neuer Vertriebsgebiete vielfältig und teilweise strategisch diametral gegenüber stehen. Eine Bewertung der angewendeten Marktstrategien weist auf keine deutlich dominante Strategie hin, da alle Strategien des organischen Wachstums und des Wachsens durch Aufkäufe sowohl Vor- als auch Nachteile haben. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen mehrere Strategien in den vergangenen Jahren kombiniert haben. Der Konsolidierungsprozess der ERP-Branche wird auch zukünftig für zahlreiche Veränderungen am Markt führen. Aktuell sind nur noch drei sehr große Hersteller (SAP, Oracle, J. D. Edwards), die den Markt für Großunternehmen dominieren. Die übrigen Hersteller verteilen sich auf kleine und vor allem mittelständische Kundengruppen. Die Preispolitik konnte aufgrund der Verschwiegenheit der Hersteller in dieser Untersuchung nicht untersucht werden. Die hier gekürzt vorgestellte Untersuchung ist eine erste Analyse, die sich zunächst auf die frei verfügbaren Informationen über die zehn größten Anbieter konzentriert hat. Die Beschränkung auf die größten ERP-Anbieter übersieht vor allem einige Marktstrategien wie z. B. die von der Unternehmenskooperation MoveRetail vo-
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Axel Winkelmann, Stefan Thiemann
rangetriebenen Best of Breed-Strategie (u. a. maxess, Salomon, Remira) oder die von einigen ehemalig eigenständigen ERP-Entwicklern in den Vordergrund gerückten Partnergeschäfte (u. a. Neutrasoft, GWS) mit großen Partnern wie SAP und Microsoft. Es ist daher angedacht, die Untersuchung in einem nächsten Schritt normativ und explorativ u. a. durch quantitative Erhebungen mittels Fragebögen sowie Experteninterviews auch unter anderen ERP-Anbietern auszuweiten.
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Strategisches Marktverhalten von ERP-Anbietern
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Teil II: Individualisierung – Lösungen auf Kundenwünsche abstimmen
Individualisierung im stationären Einzelhandel: Möglichkeiten, kundenseitige Bewertung und Ansatzpunkte technologischer Unterstützung Prof. Dr. Gertrud Schmitz Universität Duisburg-Essen Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement und Handel
[email protected] Michaela Dietz Universität Duisburg-Essen Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement und Handel
[email protected]
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Problemstellung und Untersuchungsziele
Die hohe Wettbewerbsintensität im Einzelhandel und der damit einhergehende intensive Kostendruck bewirkt eine zunehmende Polarisierung der Distribution in Deutschland und wird die Handelsunternehmen zur konsequenten Formulierung und Umsetzung eindeutiger Wettbewerbsstrategien veranlassen (vgl. dazu und zum Folgenden z. B. Täger 2005). Einerseits gewinnt die Wettbewerbsprofilierung auf der Grundlage kosteninduzierter Discountstrategien mit standardisierten Massenprodukten vermutlich noch weiter an Bedeutung. Anderseits gehen Experten jedoch davon aus, dass der intensive Kostendruck, die durch moderne IuK-Technologien bewirkten Möglichkeiten einer effektiven und effizienten Erfüllung von Kundenanforderungen sowie ein verändertes Konsumentenverhalten lukrativer Zielgruppen zahlreiche Handelsunternehmen veranlassen wird, sich insbesondere im Handel mit hochwertigen und komplexen Produkten durch neue Angebotskonzepte im Wettbewerb zu differenzieren und profilieren. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit so genannte Kundenlösungen, die von Weltmarktführern wie IBM, GE, UPS, Nokia, Ericsson oder Rolls-Royce nachweislich erfolgreich zur Differenzierung im Wettbewerb genutzt werden (vgl. Davis et al. 2006), auch im stationären Einzelhandel ein zur Wettbewerbsprofilierung geeignetes Angebotskonzept darstellen. Kundenlösungen – oder synonym hybride Produkte – sind dem überwiegenden Begriffsverständnis entsprechend integrierte und individuelle Kombinationen aus Sach-
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Gertrud Schmitz, Michaela Dietz
und Dienstleistungen, die auf die Bewältigung kundenspezifischer Probleme ausgerichtet sind (vgl. dazu z. B. Schmitz 2008 sowie die dort angegebene Literatur). In zahlreichen Branchen, von der Informations- und Kommunikationstechnologie über den Maschinen- und Anlagenbau bis hin zu Gesundheits- und Finanzdienstleistungen, gelten Kundenlösungen bereits grundsätzlich als vielversprechende Möglichkeit zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen (vgl. Tuli et al. 2007). Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist die Überzeugung, dass Kunden nicht an einzelnen Produkten und Dienstleistungen als solchen interessiert sind. Private Kauf- sowie industrielle Beschaffungsentscheidungen dienen vielmehr der Lösung spezifischer Probleme, die sich den einzelnen Kunden individuell im privaten wie unternehmerischen Alltag stellen (vgl. Davis et al. 2006; Kreuzer et al. 2007; Pine 1993; Ramani, Kumar 2008; Sawhney 2006). Folgerichtig setzen daher viele Unternehmen im Wettbewerb nicht länger auf das isolierte Angebot einzelner Sach- und Dienstleistungen, sondern versuchen sich durch Kundenlösungen zu profilieren. Dieser Versuch scheitert allerdings nach vorliegenden Erfahrungsberichten aus der Praxis sowie empirischen Befunden überwiegend (vgl. Johansson et al. 2003), unter anderem weil die Unternehmen mehr oder weniger „willkürlich“ Produkte und Dienstleistungen zu Leistungsbündeln kombinieren (vgl. Fassnacht 2000), die als Kombinationen keinen Mehrwert gegenüber der Wertsumme der einzelnen Leistungsbestandteile stiften und zudem zur Lösung der spezifischen Kundenprobleme ungeeignet sind. Erfolgversprechende, tatsächliche Kundenlösungen im oben dargelegten Begriffsverständnis unterscheiden sich jedoch von Produkten, Dienstleistungen und auch Leistungsbündeln durch die integrierte und individuelle Kombination von Produkten und Dienstleistungen, die eine Bewältigung spezifischer Kundenprobleme ermöglicht. Die Integration verstanden als systematische Abstimmung der prinzipiell eigenständigen Leistungsbestandteile und die Individualität als ein zweites charakteristisches Merkmal von Kundenlösungen bewirken im Idealfall, dass der kundenseitig wahrgenommene Wert der Kombination den Wert übersteigt, den der Kunde beim separaten Erwerb der einzelnen Leistungsbestandteile in Summe wahrnehmen würde. Daher eröffnen Kundenlösungen auch im Einzelhandel prinzipiell nur dann Wettbewerbspotenziale, wenn die Integration der Leistungsbestandteile ebenso gewährleistet ist wie die effektive und effiziente Entwicklung sowie Umsetzung individueller Lösungsansätze. Fraglich ist, welche Möglichkeiten sich im stationären Einzelhandel zur Individualisierung bieten, da nach herrschendem Begriffsverständnis kennzeichnend für den stationären Einzelhandel das Beschaffen und Absetzen fremderstellter Sachleistungen an Dritte ist, die in der Regel nicht be- oder verarbeitet werden (vgl. Barth et al. 2007; Liebmann, Zentes 2001). Anknüpfend an diese Frage besteht ein erstes Teilziel des vorliegenden Beitrags in der Offenlegung von Möglichkeiten zur Individualisierung im stationären Einzelhandel. Ange-
Individualisierung im stationären Einzelhandel
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sichts des dargelegten intensiven Kostendrucks ist weiterhin zu überprüfen, inwieweit die identifizierten Möglichkeiten zur Lösung individueller Kundenprobleme Kostensenkungspotenziale beinhalten und somit im Sinne des Mass Customization individuellen Kundenproblemen zu Kosten Rechnung getragen werden kann, die dem Handel mit standardisierten Massengütern vergleichbar sind (vgl. Piller 1998, 2006). Diesbezüglich besteht ein zweites Teilziel der Untersuchung in der Identifikation von Ansatzpunkten zur technologischen Unterstützung der Individualisierungsmöglichkeiten, um auf diese Weise Kostensenkungspotenziale aufzuzeigen. Die beiden Teilziele stehen im Mittelpunkt des zweiten Kapitels. Die Wettbewerbsprofilierung durch Kundenlösungen im stationären Einzelhandel erfordert jedoch nicht nur Möglichkeiten zur effizienten Entwicklung und Umsetzung individueller Kundenlösungen. Neben den dadurch im Konkurrenzvergleich bewirkten Anbietervorteilen erfordert die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen gleichermaßen, dass durch die Individualisierung Kundenvorteile auch gegenüber standardisierten Massenprodukten realisiert werden. Inwieweit die Individualisierung zu Kundenvorteilen führt, beurteilt der Kunde durch die Gegenüberstellung aller Kosten- und Nutzenaspekte, die ihm aus seiner Sicht im Rahmen der Individualisierung entstehen (vgl. Lindgreen, Wynstra 2005). Kundenvorteile als Ergebnis dieses komplexen Vergleichs- bzw. Bewertungsprozesses werden in der Literatur synonym auch als wahrgenommener Wert bezeichnet (vgl. Zeithaml et al. 2006). Fraglich ist, welche Kosten- und Nutzenkomponenten der Kunde im Einzelnen bei der Bewertung der Individualisierung berücksichtigt. Die Konzeptualisierung des wahrgenommenen Individualisierungswerts und das damit einhergehende Aufzeigen der wahrgenommenen Kosten- und Nutzenaspekte stellt daher ein drittes Teilziel der Untersuchung dar, dem der erste Abschnitt des dritten Kapitels gewidmet ist. Die kundenseitige Wahrnehmung der Kosten- und Nutzenaspekte der Individualisierung hängt auch von kundenenbezognenen Einflussgrößen ab. Die Betrachtung kundenbezogener Einflussgrößen verspricht insbesondere differenzierte Hinweise zur Identifikation relevanter Kundensegmente und die darauf aufbauende Festlegung von Zielgruppen, bei denen eine Wettbewerbsprofilierung mittels Kundenlösungen effizient möglich ist. Ein viertes Teilziel besteht deshalb in der Erarbeitung kundenbezogener Einflussgrößen auf den wahrgenommenen Individualisierungswert im stationären Einzelhandel, das im zweiten Abschnitt des dritten Kapitels verfolgt wird. Weiterhin ist zu klären, welche Ansatzpunkte für das Handelsunternehmen existieren, die kundenseitige Wahrnehmung der Kosten- und Nutzenkomponenten der Individualisierung durch Technologieeinsatz zu beeinflussen. Die beispielhafte Darlegung von Wert-Effekten technologischer Unterstützung der Individualisierung im abschließenden vierten Kapitel versteht sich als Ausblick auf zukünftigen Forschungsbedarf.
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Gertrud Schmitz, Michaela Dietz
2
Individualisierung im stationären Einzelhandel
2.1
Interaktive Wertschöpfung als Basis der Individualisierung
Die Entwicklung und Umsetzung von Kundenlösungen im oben dargelegten Begriffsverständnis ist ohne eine mehr oder minder intensive Einbindung des Kunden nicht möglich (vgl. Vargo, Lusch 2004; Vesanen 2007). Kundenlösungen erfordern somit Interaktionsprozesse zwischen Einzelhandelsunternehmen und Kunde, die auch im Einzelhandel den klassischen Wertschöpfungsprozess verändern. Wertschöpfung kann nun nicht mehr nur alleine durch das einzelne Handelsunternehmen erfolgen, sondern erfordert als so genannte interaktive Wertschöpfung vielmehr die Kooperation zwischen Kunde und Einzelhändler (vgl. Reichwald, Piller 2002). Durch die Beteiligung des Kunden am Wertschöpfungsprozess in Form einer „joint production“ (Bendapudi, Leone 2003) wird im Idealfall ein aus Kundensicht im Konkurrenzvergleich attraktives Wert-Angebot zunächst gemeinsam entwickelt (vgl. Kalaignanam, Varadarajan 2006; Prahalad, Ramaswamy 2004a, 2004b; Reichwald, Piller 2002; Schreier 2005) und dann vom Kunden in der Nutzungsphase ggf. mit weiterer Unterstützung des Einzelhandelsunternehmens realisiert. Im Sinne der Service-zentrierten Logik des Marketing nach Vargo und Lusch (2004) ist bei Kundenlösungen ein „Co-Creation of Value“ des Kunden zwingend erforderlich. Inwieweit dieses „Co-Creation of Value“ tatsächlich gelungen ist und der interaktive Wertschöpfungsprozess zu einem hohen Wert geführt hat, beurteilt jedoch anschließend ausschließlich der Kunde durch den Vergleich des erhaltenen Nutzens mit den Kosten, die ihm zur Realisierung dieses Nutzens entstanden sind. Es ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass sich die zur Gewährleistung der Individualisierung notwendige interaktive Wertschöpfung aus Kundensicht als Prozess darstellt. So verstehen Kunden empirischen Befunden entsprechend Kundenlösungen als „(…) a set of customersupplier relational processes comprising (1) customer requirements definition, (2) customization and integration of goods and/or services and (3) their deployment, and (4) postdeployment customer support (…)“ (Tuli et al. 2007). Individualisierungsmöglichkeiten und wertschöpfende Aktivitäten im Einzelhandel ergeben sich somit bei Kundenlösungen von der gemeinsamen Analyse des Kundenproblems bis hin zur Betreuung in der Nutzungsphase.
Individualisierung im stationären Einzelhandel
2.2
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Möglichkeiten der Individualisierung im stationären Einzelhandel
Angesichts des einleitend beschriebenen Kostendrucks im Einzelhandel besteht die besondere Herausforderung darin, in Zusammenarbeit mit dem Kunden individuelle Lösungsansätze zu realisieren und trotzdem durch Standardisierungseffekte Kostenvorteile zu generieren, die über niedrigere Preise an den Kunden weitergegeben werden können. Dies entspricht dem Grundgedanken des Mass Customization (vgl. z. B. Grimmel 2007; Hart 1995; Piller 1998, 2006), das in der Variante des „Soft Customization“ (vgl. Piller 2006) ausdrücklich einen Vollzug der Individualisierung auch außerhalb des Herstellers vorsieht und daher für die vorliegende Problemstellung von besonderem Interesse ist. Neben der Selbstindividualisierung, die auf eine selbstständige kundenseitige Anpassung standardisierter Produkte mit eingebauter Flexibilität auch ohne Unterstützung des Handelsunternehmens abstellt, kann die Umsetzung der Individualisierung konzeptgemäß im stationären Einzelhandel in Zusammenarbeit zwischen Kunden und Kundenkontaktpersonal erfolgen (vgl. Piller 2006). Die dabei diskutierten Erscheinungsformen der Individualisierung werden im Folgenden mit Bezug zu Kundenlösungen aufgegriffen. Bei Kundenlösungen bietet der Interaktionsprozess in seinen verschiedenen Phasen dem Kundenkontaktpersonal vielfältige Möglichkeiten, individuell auf den einzelnen Kunden einzugehen und das eigene Verhalten flexibel den jeweiligen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Rahmenbedingungen des einzelnen Kunden anzupassen. Somit besteht in der Individualisierung der Interaktionsprozesse eine erste Möglichkeit der Individualisierung im stationären Einzelhandel (vgl. Bitner et al. 1990; Bruhn, Georgi 2006; Piller 1998; Piller et al. 2004; Reiss, Koser 2003; Vesanen, Raulas 2006). Im Idealfall entsteht dabei zwischen Kunde und Kundenkontaktpersonal als gleichberechtigten Partnern ein Dialog (vgl. Ballantyne, Varey 2006; Schmitz, Modlich 2008), der trotz Rückgriff auf weitgehend standardisierte Produkte und Dienstleistungen dennoch aus Kundensicht zur Realisierung einer individuellen Problemlösungen führt. Im Rahmen des Dialogs wird das individuelle Kundenproblem vom Kundenkontaktpersonal und dem Kunden gemeinsam differenziert analysiert. Dem Kundenkontaktpersonal bietet sich dabei die Gelegenheit, ein umfassendes Verständnis für den Kunden und seine spezifische Problemstellung aufzubauen. Dieses Verständnis ist eine notwendige Voraussetzung, um Interaktionen inhaltlich sowie auch in der Art der persönlichen Kommunikation individuell auf den jeweiligen Kunden auszurichten und damit eine Individualisierung über die interaktionsbezogene Flexibilität des Kundenkontaktpersonals zu gewährleisten (vgl. Gwinner et al. 2005). Ansatzpunkte zur Individualisierung über die interaktionsbezogene Flexibilität des Kundenkontaktpersonals („Tante-Emma-Prinzip“) bietet der gesamte Interaktions-
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Gertrud Schmitz, Michaela Dietz
prozess, der bei Kundenlösungen als „(…) open-ended, from pre-sale service interaction to post-sale-value-in-use“ (Ballantyne, Varey 2006) charakterisiert wird. Persönliche Kundenansprache und proaktive Hinweise des Kundenkontaktpersonals auf sich abzeichnende spezifische Kundenprobleme im Vorfeld können dabei je nach Kunde ebenso Ansatzpunkte zur Individualisierung bieten wie spezifische Beratungsleistungen in der Nutzungsphase (vgl. Strüker 2005). Neben der Individualisierung der Interaktionsprozesse bietet die für Kundenlösungen typische Kombination aus Produkten und Dienstleistungen dem Einzelhandel einen weiteren Ansatzpunkt zur Individualisierung. Der Individualisierung kann dabei durch eine vollständig variable Zusammenstellung der standardisierten Produkte und Dienstleistungen (vgl. Kaspar 2005; ähnlich auch Roth 2006; Schmitz 2008) Rechnung getragen werden. In diesem Fall verständigen sich Kundenkontaktpersonal und Kunde im Rahmen des Interaktionsprozesses je nach Art des individuellen Kundenproblems gemeinsam auf die jeweils in die Kundenlösung einzubeziehenden Produkte und Dienstleistungen. Im Ergebnis entsteht eine individuelle Kombination aus standardisierten Produkten des Herstellers und dazu kompatiblen Dienstleistungen des Einzelhandels, die auf die Lösung des spezifischen Kundenproblems ausgerichtet ist (vgl. Fiore et al. 2001; Grimmel 2007; Piller 2006). Eine dritte Möglichkeit zur Individualisierung knüpft unmittelbar an die Individualität der einzelnen Produkte und Dienstleistungen als integrativen Bestandteilen der Kundenlösung an. Produkte bieten dem Einzelhandel trotz der grundsätzlich beim Hersteller erfolgenden Fertigung dann eine gewisse Möglichkeit zur Individualisierung, wenn eine individuelle Endfertigung der standardisierten Rohprodukte im Einzelhandel so erfolgen kann, dass dadurch eine Lösung des spezifischen Kundenproblems bewirkt wird (vgl. Grimmel 2007; Piller 1998, 2006). Da Dienstleistungen vom Einzelhandel selbst produziert werden, beinhalten der Leistungserstellungsprozess wie auch das Leistungsergebnis gleichermaßen Ansatzpunkte zur Individualisierung (vgl. dazu und zum Folgenden Roth 2006; Schmitz 2008 sowie die dort jeweils angegebene Literatur). Aus wettbewerbsstrategischen Gründen muss dabei dem Grundgedanken des Mass Customization entsprechend häufig eine weitgehende Standardisierung der Leistungserstellungsprozesse erfolgen und trotzdem ein individuelles Leistungsergebnis gewährleistet werden. So laufen die einzelnen Prozesse der Montage eines Produkts beim Kunden z. B. in der Regel nach standardisierten Mustern ab und das Ergebnis trägt dennoch den individuellen Gegebenheiten beim Kunden Rechnung. Die Individualisierung erfordert in diesem Fall eine auf das Leistungsergebnis ausgerichtete Flexibilität des Kundenkontaktpersonals, die analog zur interaktionsbezogenen Flexibilität als ergebnisbezogene Flexibilität des Kundenkontaktpersonals bezeichnet werden kann. Die zur Realisierung der Individualisierung
Individualisierung im stationären Einzelhandel
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im Einzelhandel notwendige interaktionsbezogene und ergebnisbezogene Flexibilität des Kundekontaktpersonals kann nicht selbstverständlich bei allen MitarbeiterInnen gleichermaßen vorausgesetzt werden. Nach den theoretischen und empirischen Befunden von Gwinner et al. (2005) ist das zur Individualisierung erforderliche flexible Verhalten insbesondere von MitarbeiterInnen zu erwarten, die eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur und sowie eine spezifisch geprägte Leistungsmotivation aufweisen und darüber hinaus über differenzierte individuelle Kunden- und Kundenproblemkenntnisse verfügen. Diese Kenntnisse werden zwar im Rahmen des Dialogs mit dem Kunden erarbeitet, werden sie jedoch erfasst und gespeichert, ergeben sich unter anderem auch daraus Ansatzpunkte technologischer Unterstützung der Individualisierung, die nach der diesen Abschnitt zusammenfassenden Abbildung 1 aufgegriffen werden. Individualisierung der Interaktionsprozesse
Flexibilität des Kundenkontaktpersonals
Variabilität der Zusammenstellung Individualisierung der Sach- und Dienstleistungen
interaktionsbezogen
ergebnisbezogen
Abbildung 1. Individualisierungsmöglichkeiten im stationären Einzelhandel
2.3
Ansatzpunkte technologischer Unterstützung der Individualisierung
Sofern für die Interaktion mit dem einzelnen Kunden relevante Informationen vorliegen, können diese dem Kundenkontaktmitarbeiter z. B. durch Kundeninformationssysteme verfügbar gemacht werden. Ist etwa ein differenziertes Kundenprofil vorhanden, das Informationen über das bisherige Kaufverhalten, Präferenzen oder spezielle Wünsche, Fähigkeiten etc. des Kunden umfasst, erleichtert dies unmittelbar die interaktionsbezogene Flexibilität des Kundenkontaktpersonals. Kundeninformationssysteme sind ein Beispiel für so genannte Kundenkontakttechnologien, die zur unmittelbaren Unterstützung des Kundenkontaktpersonals im Rahmen der Interaktion mit dem Kunden eingesetzt werden können und daher vielfältige Ansatzpunkte zur technologischen Unterstützung der Individualisierung im Einzelhandel bieten (vgl. dazu und zum Folgenden Bruhn, Georgi 2006). Ein weiteres Beispiel für Kundenkontakttechnologien sind Softwarepakete, die alle für das Kundenkontaktpersonal relevanten Informationen zu den grundsätzlich im Einzelhandelsunternehmen verfügbaren Sach- und Dienstleistungen beinhalten.
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Gertrud Schmitz, Michaela Dietz
Auf dieser Grundlage kann das Kundenkontaktpersonal durch einfaches „Klicken“ individuelle Vorschläge zur problemorientierten Zusammenstellung von Sach- und Dienstleistungen, zur eventuell möglichen individuellen Endfertigung von Produkten und zur problembezogenen Individualisierung von Dienstleistungen unterbreiten, sodass interaktions- wie ergebnisorientierte Flexibilität auf diese Weise technologisch unterstützt werden. Die gemeinsame Entwicklung von Kundenlösungen wird weiterhin erleichtert, wenn das Kundenkontaktpersonal in der Interaktion mit dem Kunden Produkt- und Dienstleistungssoftware zur Visualisierung und Demonstration bestimmter Leistungseigenschaften einsetzen und so seine Ausführungen z. B. auf elektronisch verfügbare Bilder oder transparenzschaffende Darstellungen von Prozessabläufen stützen kann. Kundenkontakttechnologien lassen sich darüber hinaus auch vor und nach der unmittelbaren persönlichen Interaktion zwischen Kundenkontaktpersonal und Kunde einsetzen. Dem Einzelhandelsunternehmen bieten sich dadurch in allen Phasen der Kundenlösung Möglichkeiten zur technologischen Unterstützung der Individualisierung. So kann es etwa dem Kunden vor der unmittelbaren persönlichen Interaktion durch entsprechende Software ermöglicht werden, selbstständig individuelle Lösungsmöglichkeiten kreativ zu entwickeln und zu bewerten. Diesen Weg geht z. B. ein Küchenanbieter. Mittels eines 3D-Web-Küchenplaners können Kunden eine Küche selbstständig unter Berücksichtigung der individuellen Beschaffenheit des jeweiligen Raumes sowie entsprechend ihrer individuellen Vorstellungen hinsichtlich Design und Ausstattung planen und sich dann eine Animation der individuell geplanten Küche ansehen (http://www.marquartkuechen.de). Weiterhin können unter Rückgriff auf vorhandene Informationen im Kundeninformationssystem z. B. in regelmäßigen Abständen individuelle E-Mail versendet werden (vgl. Hudetz, Duscha 2007; Strüker 2005), die Hinweise auf neue oder ergänzende Möglichkeiten zur Lösung des erfassten individuellen Kundenproblems beinhalten. Elektronisch vorhandene Informationen über die jeweils realisierten Kundenlösungen erleichtern weiterhin Interaktionsprozesse nach Implementierung der Kundenlösung und erlauben es dem Kundenkontaktpersonal, vom Kunden gewünschte Beratungs- und Betreuungsleistungen auch in der Nutzungsphase individualisiert zu erbringen und so über den wahrgenommenen funktionalen Nutzen der Kundenlösungen im Ergebnis auch den wahrgenommenen Individualisierungswert zu erhöhen.
Individualisierung im stationären Einzelhandel
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Der wahrgenommene Individualisierungswert im stationären Einzelhandel
3.1
Komponenten des wahrgenommenen Individualisierungswerts im stationären Einzelhandel
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Die Individualisierung stiftet dem Kunden einerseits einen gewissen Nutzen, andererseits muss er jedoch zur Realisierung dieses Nutzens gewisse Kosten in Kauf nehmen. Diese Nutzen- und Kostenkomponenten stellt er annahmegemäß in einem komplexen psychischen Vergleichsprozess vergleichend gegenüber und dies führt zum wahrgenommenen Wert der Individualisierung (vgl. Zeithaml et al. 2006). Fraglich ist, welche Kosten- und Nutzenkomponenten die Kunden im Rahmen der Bewertung der Individualisierung im stationären Einzelhandel berücksichtigen. Zwar ist die konkrete Ableitung sämtlicher Kosten- und Nutzenkomponenten nur kontextspezifisch möglich (vgl. Schmitz, Dietz 2008). Dennoch lassen sich zunächst anknüpfend an die Charakteristika von Kundenlösungen und der kundenseitigen Prozesssicht von Kundenlösungen nach Tuli et al. (2007) Kosten- und Nutzenkomponenten des Individualisierungswerts im stationären Einzelhandel identifizieren, die einzelfallspezifisch zu konkretisieren sind (vgl. Schmitz 2008). Wahrgenommene Nutzenkomponenten des Individualisierungswerts Der Kunde bewertet zunächst, inwieweit die Individualisierung tatsächlich zu einem maßgeschneiderten Lösungsansatz geführt hat, der ein hohes individuelles Problemlösungspotenzial aufweist und exakt auf die Beseitigung seines spezifischen Kundenproblems zugeschnitten ist. Diese Bewertung spiegelt sich im wahrgenommenen funktionalen Nutzen wieder (vgl. Dellaert, Stremersch 2005; Kreuzer, Kühn 2006; Schreier 2005; Whittaker et al. 2007). Der Kunde erkennt zum Beispiel, dass durch die individuell geplante Küche die vorhandenen Platzverhältnisse und sein Budget tatsächlich effizient genutzt worden sind und dass die individuelle Küchenausstattung ihm in einem seinen Vorstellungen entsprechenden Ambiente ein außerordentlich praktisches Arbeiten und Kochen ermöglicht. Individualisierte Lösungen versprechen dem Kunden darüber hinaus einen symbolischen Nutzen. Dieser beschreibt die durch die Lösung mögliche Selbstinszenierung und Selbstverwirklichung des Kunden (vgl. Bharadwaj et al. 2009). Durch eine individuell auf den Kunden zugeschnittene Lösung kann der Wunsch nach Einzigartigkeit ebenso befriedigt wie spezifische Werte und Einstellungen des Kunden kommuniziert werden (vgl. Kreuzer, Kühn 2006; Kreuzer et al. 2007; Schreier 2005). Durch den Erwerb eines maßgeschneiderten Anzugs kann der Kunde z. B. seine Möglichkeit, sich solch individuelle Dinge leisten zu können, de-
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monstrieren. Der wahrgenommene Produzentenstolz ist eine weitere Nutzenkomponente der Individualisierung. Der Kunde ist im Rahmen der interaktiven Wertschöpfung unmittelbar an der Entwicklung der individualisierten Lösung beteiligt und dies bewirkt z. B. Schaffensfreude und Stolz, eine im Kern einzigartige Lösung mitentwickelt und die Beseitigung des eigenen individuellen Kundenproblems letztlich selbst ermöglicht zu haben („Having done it oneself“) (vgl. Gouthier 2006; Schreier 2005, 2006). Die zur Individualisierung notwendigen Interaktionsprozesse beinhalten auch soziale Austauschprozesse zwischen Kundenkontaktpersonal und Kunden, die von Kunden unter anderem auch deshalb als nutzenstiftend wahrgenommen werden können, weil sie ihm das Gefühl persönlicher Anerkennung und individueller Wertschätzung vermitteln (vgl. Müller 2007). Die Individualisierung der Interaktionsprozesse kann weiterhin auch zu einer intellektuellen Stimulierung des Kunden beitragen (ähnlich auch Ballantyne, Varey 2006; Froehle, Roth 2004), da Hintergrundinformationen zu seinem individuellen Kundenproblem und zu möglichen Lösungsansätzen vermittelt werden. Insgesamt können die individualisierten Interaktionsprozesse zu einer Befriedigung der genannten hedonistischen Einkaufsbedürfnisse (vgl. Arnold, Reynolds 2003) beitragen, die sich zusammenfassend im wahrgenommenen Interaktionsnutzen widerspiegelt. Wahrgenommene Kostenkomponenten des Individualisierungswerts Die Individualisierung ist aus Kundensicht jedoch nicht nur nutzenstiftend, sondern ist für den Kunden auch mit monetären Ausgaben und verschiedenen nicht-monetären Belastungen verbunden, die zusammenfassend als wahrgenommene Kosten bezeichnet werden (vgl. Schmitz, Dietz 2008 sowie die dort angegebene Literatur). In Analogie zum Vorgehen auf der Nutzenseite sollen im Folgenden die grundlegenden Kostenkomponenten der Individualisierung aus Kundensicht identifiziert werden. Durch die Individualisierung entstehen aus Kundensicht im Vergleich zur Inanspruchnahme standardisierter Massengüter zusätzliche Informationsund Unsicherheitsprobleme (vgl. dazu z. B. Roth 2006; Schmitz 2001), die zu einem hohen wahrgenommenen Risiko führen können. Infolge der Individualisierung kann das Einzelhandelsunternehmen vor Vertragsabschluss nur ein Leistungsversprechen zur Lösung des individuellen Kundenproblems abgeben. Für den Kunden bewirkt dies eine erhöhte Qualitätsunsicherheit, da er vor Vertragsabschluss nicht abschließend beurteilen kann, ob die Lösung seines spezifischen Kundenproblems durch den entwickelten Lösungsansatz tatsächlich gelingt. Zwischen Einzelhandelsunternehmen und Kunde bestehen weiterhin auch nach Vertragsabschluss erhebliche Informationsasymmetrien bzw. Verhaltensunsicherheiten, die das Einzelhandelsunternehmen opportunistisch ausnutzen könnte (vgl. Davis et al. 2006; Heitmann, Herr-
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mann 2006; Randall et al. 2007). So ist z. B. denkbar, dass eine individuelle Dienstleistungserstellung vom Kunden unbemerkt und nicht ohne weiteres nachweisbar nicht in der vereinbarten Art und Weise erfolgt. Im Rahmen des individualisierten Interaktionsprozesses mit dem Kundenkontaktpersonal muss der Kunde unter anderem zeitliche und intellektuelle Ressourcen zur Verfügung stellen. So ist es z. B. zur Inanspruchnahme eines Onlinefotoservices nicht nur erforderlich, eine entsprechende Software zu erwerben, sondern sich auch mit ihren Funktionalitäten vertraut zu machen. Zur Implementierung der individualisierten Lösung müssen somit in der Regel auch auf Kundenseite bestimmte Voraussetzungen geschaffen und bestimmte Veränderungen bestehender Rahmenbedingungen vorgenommen werden. Insgesamt ist die Individualisierung für den Kunden mit spezifischen Investitionen verbunden, die ihm so bei der Inanspruchnahme einer standardisierten Massenlösung nicht entstehen würden und die außerhalb der Geschäftsbeziehung mit dem Einzelhandelsunternehmen weniger Wert sind (vgl. Meffert, Bruhn 2006). Diese bewirken Wechselhemmnisse und eine ggf. unfreiwillige Bindung an das Einzelhandelsunternehmen (vgl. Schmitz 2008). Die individualisierten Interaktionsprozesse können ferner mit negativen emotionalen Erfahrungen verbunden sein, sofern der Kunde die Offenlegung seiner individuellen Problemsituation und persönlichen Rahmenbedingungen als unangenehm empfindet. Sofern dem Kundenkontaktpersonal die erforderliche interaktionsbezogene Flexibilität nicht gelingt, besteht weiterhin die Gefahr, dass dessen Vorgehen als standardisiert sowie nicht zielführend beurteilt und eventuell sogar als unangemessene Bevormundung interpretiert wird. Dadurch kann es zu persönlichen Konflikten und weiteren negativen emotionalen Erfahrungen kommen. Insgesamt können die individualisierten Interaktionsprozesse für den Kunden mit vielfältigen emotionalen Belastungen verbunden sein, die als wahrgenommene Interaktionskosten bezeichnet werden. Zudem sind auch aus Kundensicht durch seine aktive Beteiligung an der Entwicklung einer individuellen Kundenlösung wahrgenommene Entwicklungsbzw. Produktionskosten zu berücksichtigen. Diese umfassen neben notwendigen monetären Ausgaben auch intellektuelle Anstrengungen des Kunden. Kunden verfügen nur über begrenzte kognitive Ressourcen, welche bei komplexen Individualisierungsmöglichkeiten schnell erschöpft sind (vgl. Garbarino, Edell 1997; Riemenschneider 2006). Empirisch konnte nachgewiesen werden, dass der Kunde bei einer zu hohen Anzahl an Auswahl- und Individualisierungsmöglichkeiten schnell überfordert ist und ab einer bestimmten Reizschwelle keine weiteren Informationen aufnimmt (vgl. Delleart, Stremersch 2005; Garbarino, Edell 1997; Randall et al. 2007), da deren Evaluation und Kombination als zu aufwendig und komplex empfunden wird (vgl. Heitmann, Herrmann 2006). Des Weiteren verursachen sowohl
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die individualisierte Interaktion als auch die Zusammenstellung sowie Evaluation verschiedener Lösungsvarianten im Vergleich zum Erwerb von Standardleistungen einen erhöhten Zeitaufwand (vgl. Piller 1998; Schreier 2005; Vesanen 2007). In den meisten Fällen sind individuelle Kundenlösungen nicht direkt nach Vertragsabschluss verfügbar, sondern bis zur Implementierung muss eine gewisse Wartezeit in Kauf genommen werden. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass Kunden zur Entwicklung individueller Problemlösungen eventuell auch physische Anstrengungen in Kauf nehmen müssen. Sowohl das Aufsuchen des Einzelhandelsunternehmens als auch die Notwendigkeit, sich selbst als externen Faktor in den Individualisierungsprozess zu integrieren, wie dies z. B. häufig im Bekleidungshandel erforderlich ist, kann mit physischen Belastungen für den Kunden verbunden sein (vgl. Berry et al. 2002; Schmitz, Dietz 2008). Wahr. Individualisierungswert
Wahr. Individualisierungsnutzen
Wahr. Funktionaler Nutzen
Wahr. Symbolischer Nutzen
Wahr. Produzentenstolz
Wahr. Individualisierungskosten
Wahr. Interaktionsnutzen
Wahr. Funktionales Risiko
Wahr. Spezifische Investitionen
Wahr. Interaktionskosten
Wahr. Produktionskosten
Abbbildung 2. Wahrgenommener Individualisierungswert
3.2
Kundenbezogene Einflussgrößen des wahrgenommenen Individualisierungswerts im stationären Einzelhandel
Die Frage, welche kundenbezogenen Einflussgrößen die Wahrnehmung von Kosten- und Nutzenkomponenten einer individualisierten Lösung positiv oder negativ beeinflussen, ist bisher weitgehend unbeantwortet. Jedoch zeichnet sich beispielsweise in der Literatur zum Mass Customization ab, dass individuelle Lösungen aus Kundensicht insbesondere dann als nutzenstiftend empfunden werden, wenn Kunden über stabile Präferenzen verfügen und sich dieser auch bewusst sind (vgl. Simonson 2005; Franke et al. 2009 sowie die dort angegebene Literatur). Weiterhin konnte empirisch nachgewiesen werden, dass Kunden ein kreatives Schaffen während eines Co-Design Prozesses dann als positive, nutzenerhöhende Erfahrung erleben (vgl. Fiore et al. 2001), wenn bei ihnen das persönliche Bedürfnis nach Einzigartigkeit sehr stark ausgeprägt ist (vgl. Badarkci, Whitelock 2003, 2004; Kreuzer, Kühn 2006; Kreuzer et al. 2007). Kunden, welche einen persönlichen Nutzen aus einem Variety Seeking Verhalten ziehen, also das Wechselverhalten als solches grundsätzlich als nutzenstiftend empfinden, werden bei individuellen Lösungen erhöhte Kosten wahrnehmen. Diese „Variety Seeker“ planen keine
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langfristige Bindung an ein bestimmtes Einzelhandelsunternehmen und sind daher auch nicht bereit, Informationen über sich und ihre Rahmenbedingungen preiszugeben, da sie dies als zu kostenintensiv empfinden. Somit kann die Lösung nicht effizient ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechend entwickelt werden, wodurch sie keinen bedeutenden Nutzenvorsprung im Vergleich zu Standardleistungen wahrnehmen (vgl. Simonson 2005). Einer empirischen Studie zu Folge ist die Bereitschaft des Kunden, eine individuelle Lösung zu erwerben, von der sog. Sacrifice Gap abhängig (vgl. Badarkci, Whitelock 2004). Diese Sacrifice Gap bezeichnet die Lücke zwischen dem wahrgenommenen Problemlösungspotenzials der Markt verfügbaren Standardleistungen im Vergleich zum angestrebten optimalen Problemlösungspotenzial. Das Ausmaß der wahrgenommenen Lücke zwischen diesen beiden Alternativen beeinflusst die Bedeutung der wahrgenommen Kosten der Individualisierung für die Beschaffungsentscheidung. Je größer die Lücke wahrgenommen wird, desto geringer ist ihre Bedeutung für die Kaufentscheidung.
4
Ausblick: Beispielhafte Wert-Effekte technologischer Unterstützung der Individualisierung
Das Einzelhandelsunternehmen kann durch technologische Unterstützung (vgl. Bruhn, Georgi 2006; Lewis 2002) die kundenseitige Wahrnehmung von Kosten- und Nutzenkomponenten der Individualisierung beeinflussen. Die daraus entstehenden Wert-Effekte resultieren zum einen aus Kosten-Effekten, welche sich durch geringere wahrgenommene Kosten ergeben. Zum anderen entstehen Nutzen-Effekte, welche aus der Erhöhung des wahrgenommenen Nutzens erwachsen. Im Folgenden werden als Ausblick auf den zukünftigen Forschungsbedarf dazu einige Beispiele aufgegriffen. Kosteneffekte im Sinne gesteigerter Prozesseffizienz lassen sich insbesondere durch einen umfassenden Onlineauftritt generieren (vgl. Donthu, Garcia 1999; Lee 2002). Durch die Möglichkeit für den Kunden, sich bequem von zu Hause über die standardisierten Produkte, angebotenen Dienstleistungen, deren Zusammenstellung und mögliche Individualisierung zu informieren, lassen sich im Vorfeld beispielsweise die wahrgenommene Kosten der Informationssuche oder des Aufsuchens des Einzelhandelsunternehmens als Teile der wahrgenommenen Produktionskosten reduzieren. Sofern den Kunden durch die Individualisierung der Website bereits denkbare Kundenlösungen unterbreitet werden können, entlastet dies sie im Rahmen des individualisierten Interaktionsprozesses und reduziert ihre wahrgenommen Produktionskosten. Als Beispiel diene die Homepage von http://www.mymms.com. Schon im Vorfeld wird es dem Kunden ermöglicht, sich über die verschiede-
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nen Möglichkeiten der Aufschriften, Farben, Verpackungen, Liefer- und Zahlungsmodalitäten seiner individuell zu gestaltenden M&Ms zu informieren. Auch der in 2.3 bereits erwähnte 3D-Web Küchenplaner von marquartkuechen.de bietet die Möglichkeit der Reduktion wahrgenommener Produktionskosten, indem der Kunde ganz einfach von zu Hause alternative Gestaltungsmöglichkeiten seiner Küche durchspielen kann und ihm dadurch überflüssige Wege und lange Beratungsprozesse erspart bleiben. Durch Technologieeinsatz können zudem Prozesse zeiteffizienter umgesetzt werden, wodurch Effizienzvorteile der Mitarbeiter bei der Kundenbetreuung entstehen und die wahrgenommenen Produktionskosten des Kunden in Form geringeren Zeitaufwands reduziert werden. Weiterhin bieten sich durch den Einsatz von Technologien vielfältige Möglichkeiten zur Reduktion der Qualitätsunsicherheit vor Vertragsabschluss. Durch die Einrichtung einer Homepage oder einer Service-Hotline wird es dem Kunden ermöglicht, sich zu jeder Zeit über das Einzelhandelsunternehmen und die von ihm angebotenen Produkte und Dienstleistungen zu informieren. So ließ sich empirisch nachweisen, dass Kunden ein geringeres Risiko wahrnehmen, wenn ihnen die Möglichkeit gegeben wird, sich Fotos bisheriger Leistungen anzusehen. Eine solche Möglichkeit bietet z. B. http://www. baederkontor-moers.de. Reagiert das Einzelhandelsunternehmen auf elektronische Kundenanfragen im Vorfeld durch Bestätigungsemails mit persönlicher Ansprache, reduziert sich beim Kunden die Unklarheit über ggf. vermutete mangelhafte Kommunikationsverbindungen und die Sorge, nur ein Kunde unter vielen zu sein (vgl. Hudetz, Duscha 2007). Durch eine so geschaffene Transparenz wird dem Kunden vermittelt, dass das Einzelhandelunternehmen sein Problem ernst nimmt und sich individuell um ihn bemüht, sodass durch diese positive Erfahrung im Vorfeld das wahrgenommene Risiko der Individualisierung reduziert werden kann. Darüber hinaus wirkt die Möglichkeit des Zugriffs auf Kundenerfahrungsberichte, wie dies z. B. von dem Uhrenhändler factory121time.com (http://www. 121time.com) angeboten wird, ebenfalls risikosenkend (vgl. Weathers et al. 2007). Auch in der unmittelbaren Interaktionssituation kann die Qualitätsunsicherheit durch Technologieeinsatz eventuell verringert werden. Im Bekleidungseinzelhandel wird z. B. durch den Einsatz eines Bodyscanners zur Erfassung von Körperform und -umfang die Wahrscheinlichkeit eines Messfehlers durch das Kundenkontaktpersonal erheblich reduziert (vgl. Fiore et al. 2001). Diese Beispiele verdeutlichen die vielfältigen Ansatzpunkte technologischer Erhöhung des wahrgenommenen Individualisierungswertes. Zukünftige Forschungsarbeiten sollten sich der Frage widmen, wie durch Technologien die weiteren kundenseitig wahrgenommenen Kosten- und Nutzenkomponenten der Individualisierung im Sinne des Einzelhandelsunternehmens beeinflusst werden können. So ist derzeit noch unter anderem offen, wie durch Techno-
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logieeinsatz dem wahrgenommenen Produzentenstolz oder dem symbolischen Nutzen effektiv und effizient Rechnung getragen werden kann.
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Steigerung der Reaktionsfähigkeit von agilen Supply Chains mittels automatischer Beantwortung von funktionalen Leistungsanfragen Prof. Dr. Tobias Teich Westsächsische Hochschule Zwickau Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
[email protected] Jörg Militzer Westsächsische Hochschule Zwickau Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
[email protected] Prof. Dr.-Ing. Holger Dürr Technische Universität Chemnitz Institut für Fertigungstechnik/Schweißtechnik, Professur Fertigungslehre
[email protected] Katja Unger Westsächsische Hochschule Zwickau Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
[email protected] Ngoc-Anh Tran Technische Universität Chemnitz Institut für Fertigungstechnik/Schweißtechnik, Professur Fertigungslehre
[email protected] Carsten Loeser Technische Universität Chemnitz Institut für Fertigungstechnik/Schweißtechnik, Professur Fertigungslehre
[email protected]
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Einführung
Organisationen unterliegen heutzutage einem Wandel, der Sie zwingt, Ihr Geschäftsmodell permanent zu überdenken und den Markterfordernissen anzupassen. Besonders der Handel, als direkte Schnittstelle zwischen produzierenden Unternehmen und Kunden muss sein Leistungsspektrum erweitern und dem Kunden einen Mehrwert bieten. Beispiele hierfür ist die zunehmende Verlagerung der physischen Einkäufe in virtuelle Online-Shops. Einen hohen Grad der Virtualisierung hat man zwischenzeitlich in der 3D Umgebung von Second Life erreicht, auch hier werden reale Umsätze erwirtschaftet. Um den Kundenbedürfnissen weiter gerecht zu werden, muss der Grad an Individualität der Produkte gesteigert werden. Mass Customization wird in diesem Zusammenhang als Konzept hervorgehoben. Es erlaubt dem Kunden eine, von dem Unternehmen vorgegebene, Variation der Leistungsnachfrage. Die Autoren stellen in diesem Paper eine Möglichkeit zur Erhöhung der Varianten einerseits und die Verringerung der Reaktionsgeschwindigkeit auf sich ändernde Kundenprämissen anderseits vor. Die Autoren wollen mit ihrem Ansatz eine Möglichkeit aufzeigen, die automatisiert die Kundenwünsche in einer virtuellen Planungsumgebung bewerten und Angebote erstellen kann. Damit wird dem Handel ein Konzept an die Hand gegeben, das Defizite zwischen den Kundenbedürfnissen und dem Angebot der Hersteller verkleinert.
1.1
Eine Einordnung des Handels in das vorgestellte Konzept
In Abbildung 1 ist Rolle des Handels dargestellt und in den Zusammenhang zu Kunden und Produzenten gebracht. Es ist zu erkennen, dass der Handel eine Brückenfunktion einnimmt, die hauptsächlich der räumlichen und zeitlichen Koordination des Verkaufs der produzierten Waren gilt. In dem Modell der Autoren wird eine weitere Funktion des Handels ergänzt. Konkret sollen die Wünsche der Kunden an den Hersteller übermittelt werden. Das Handelsunternehmen tritt dabei als Auftragsgeber für die produzierenden Unternehmen auf, als Übersetzer der Kundenwünsche. Beispielsweise könnte eine Nachfrage darin bestehen, dass der Kunde verschiedene Details eines Autos speziell auf sich zugeschnitten haben möchte. Dies wird dann durch den Autohändler in eine Form übersetzt, die einen Kundenwunsch aus Sicht des Unternehmens standardisiert darstellt. Dies löst folgend eine Anfrage aus, die wiederum eine Planung im produzierenden Unternehmen nötig macht.
Steigerung der Reaktionsfähigkeit von agilen Supply Chains
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An diesem Punkt setzen die Autoren an. Die Nachfrage wird durch einen Bedarf der Kunden durch den Handel dargestellt. Diese Nachfrage wird an einen Pool von Unternehmen weitergeleitet und führt dort zu einer automatisierten Planung und Angebotserstellung. Die Angebote können dann verglichen werden und resultieren letztendlich in einer Bestellung und somit einer Nachfragebefriedigung des Kunden. Dies muss in einer adäquaten Zeit erfolgen, da sich die Nachfragestruktur beispielsweise in der Textilindustrie sehr schnell ändern kann.
Abbildung 1. Einordnung der Supply Chain des Handels (angelehnt an Hertel et al. 2005)
1.2
Betrachtung bestehender Software-Lösungen
Der Aufbau bestehender ERP (Enterprise Resource Planning) Systemarchitekturen und PLM (Product Lifecycle Management) Anwendungen erweist sich für eine schnelle Anfragebearbeitung zunehmend ungeeignet. Die existenten Lösungen gehen von einem, durch die Produktpolitik festgelegten, Angebotsraum aus, der geringe Variantenvielfalt erreicht. Weiterhin werden temporäre Netzwerke zur Erfüllung der Kundenwünsche wenig bis gar nicht unterstützt, strukturell im Bezug auf abbildbare Relationen sowie prinzipiell im Bezug auf sinnvolle Relationen. Eine Nachfrage des Kunden erfährt, wenn überhaupt gegeben, einen Vergleich mit existenten Produkten auf Basis eines Ähnlichkeitsvergleichs. Dieser Vergleich wird für die Kostenplanung herangezogen und führt teilweise zu ungenauen, wenn nicht falschen Ergebnissen. Diese Möglichkeit wird in der nahen Zukunft nicht mehr ausreichen, um im Rahmen des Supply Chain Managements konkurrenzfähig in Bezug auf die Zeitspanne zur Beantwortung einer Kundenanfrage zu sein. Die Forschungs-
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gruppe der Autoren hat das Ziel, diese Wettbewerbslücke zu schließen und nachhaltig zur Verbesserung des Antwortzeitverhaltens beizutragen. Abzugrenzen ist die vorgestellte Lösung von bestehenden Online Shops, die eine Variation von Kundenwünschen zulassen. Beispielhaft ist hier der Technikvertrieb der Firma Dell oder die Servererstellung von IBM zu nennen. Hier wird dem Kunden direkt die Möglichkeit zur Konfiguration der Produkte gegeben. Dies erfolgt allerdings durch vorgegebene Möglichkeiten des jeweiligen Anbieters. Der Handel, der hier fokussiert wird, greift wiederum nur auf bestehende Produkte zurück. Sicherlich können Statistiken dieser Shops zu einer klaren Interpretation der Nachfrage führen, eine automatische Rückmeldung an die Zulieferer erfolgt hier allerdings auch nicht. Zu betonen ist, das hier die direkte Beziehung von Kunden und Handel gefördert wird, was als Teilstufe zwischen einem Warenhaus im engeren Sinne (hier zum Beispiel Saturn oder Media Markt), welches vorgefertigte Produkte anbietet und der angestrebten Lösung in diesem Beitrag gewertet werden kann.
1.3
Einordnung der Produzenten in den Ansatz
Ausgehend von der Zielstellung des methodischen Rahmens gehören zur relevanten Zielgruppe vor allem die KMUs (Klein und Mittelständische Unternehmen) des produzierenden Gewerbes. Diese Unternehmen stehen meist einer größeren Variabilität der Produktstruktur und -anforderungen im Kontext der auftragsbezogenen Fertigung gegenüber, welche durch die Kunden vorgegeben wird. Sie sind gefordert, möglichst zeitnah auf der Basis gesicherter Informationen, einer spezifischen Produktanfrage zu begegnen, damit diese dann zu einem potenziell lukrativen Auftrag umgesetzt werden kann. Hierbei ist die Verkettung einzelner Wertschöpfungsstufen zu beachten, die zu einer Umsetzung eines Auftrages über mehrere Instanzen von Unternehmen führt. Dies ist explizit im Umfeld der Supply Chains gegeben, die sich temporär für die Erstellung eines Kundenwunsches organisieren. Dies hat zur Folge, dass sich Wertschöpfungsketten, die aufgrund langjähriger Partnerschaften aufgebaut wurden, umgewandelt werden müssen in flexible, dynamische Supply Chain Strukturen (vgl. Sarkis et al. 2007). Solche SCs (Supply Chains) fallen unter die Kategorie von agilen Wertschöpfungsketten, virtuellen Unternehmen, und responsive Supply Chains (vgl. CamarinhaMatos 2004; Gunasekaran et al. 2008). Inhalt dieser Arbeit ist die Erstellung eines Angebotes über die aggregierte Wertschöpfungskette hinweg. Dabei ist der Fokus auf eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit gerichtet (B2B), die sich in der Anfrage des Handels einerseits und der Kooperation der Produzenten andererseits darstellt. Das Konzept ist ausgerichtet auf eine effiziente Beantwortung einer Anfrage, die es jedem Mitglied einer Supply Chain ermöglicht, unter Beachtung der eige-
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nen Ressourcenrestriktionen eine Aussage über die graduelle Erfüllbarkeit in Bezug auf die Spezifikation zu treffen. Damit werden Einschränkung bezüglich der Antwortzeit einer Anfrage, die maßgeblich dem zeitaufwendigen Vorplanungsprozessen geschuldet sind, welche sogar oftmals manuell und evtl. unvollständig umgesetzt werden, verringert und somit eine zeitnahe Koordination aller Teilnehmer einer Wertschöpfungskette möglich. Dadurch wird dem hehren Planungsziel eines virtuellen Unternehmens entsprochen: „die Produktentwicklungszeit – das Intervall zwischen der Nachfrage nach einem Produkt und dessen Fertigungsbeginn – schrumpfen zu lassen“ (vgl. William 1993). Zur Umsetzung bedarf es demnach einer geeigneten Automatisierungslösung, die idealerweise auch Kostenoptimalität realisiert.
2
Beschreibung des Ansatzes
Das durch die Autoren vorgestellte Konzept lässt sich in mehrere Teilgebiete zerlegen, die jeweils in ihren Ergebnissen aufeinander aufbauen und gesondert betrachtet werden müssen. Sie bilden den inhaltlichen Kern des vorgestellten Konzeptes, welches in Abbildung 2 in seiner Gesamtheit illustriert wird. Der Kunde ist hier als das Handelsunternehmen zu verstehen, welches die Nachfrage des Endkunden erfasst und in die funktionelle Nachfrage umsetzt bzw. übersetzt.
Abbildung 2. Integriertes Gesamtkonzept des Ansatzes Ausgangspunkt ist die Nachfrage des Kunden. Diese wird durch den Handel in eine definierte Schnittstelle übersetzt, die mittels Features die Nachfrage in ihrer Gänze darstellt. Folgend werden die Daten mittels Dekomposition der Features in logische Zwischenprodukte gegliedert. Diese werden im zweiten
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Schritt, der Generierung von Prozessvarianten als einzelne Knoten eines Variantenplans benötigt. Das funktionale Angebot ist als eine Erweiterung einer bestehenden Deskription innerhalb eines ERP Systems zu verstehen, die funktional abhängige Parameter bereitstellt. Hier ist die Rolle der Produzenten anzusiedeln, die eine solche Beschreibung leisten müssen und für funktionelle Anfragen den Rahmen darstellen müssen. Die resultierenden Prozessschritte (PS) sind das Ergebnis einer instanziierten Angebotsbeschreibung, bei der die Wertebereiche der Min./Max.-Attribute belegt wurden durch die konkret nachgefragten Übergänge von Zwischenprodukt (ZP) zu ZP. Um eine Aussage über die technologische Machbarkeit treffen zu können, ist es nötig diese Übergänge zu klassifizieren und die Höhe der Datendichte, die von beiden Seiten (Nachfrage und Angebot) bereitgestellt werden muss, zu definieren und abschließend zu untersuchen. Unter Beachtung der Restriktionen, die bei einer automatischen Arbeitsplanung zu beachten sind, erzeugt die verwendete Population Based Ant Colony Optimization (PACO) eine Anzahl Varianten, die anschließend durch einen genetischen Algorithmus bewertet und klassifiziert werden. Dieser Schritt wird mehrfach wiederholt, um eine Lösung nahe der optimalen Variante zu finden. Durch das Scheduling mittels dem naturanalogen Verfahren werden die lieferterminbezogen Auslastungen in der Unternehmung berücksichtigt, da einen Bewertung ohne Hinblick auf diese nicht hinreichend detailliert möglich ist. Abschließend werden die dominierenden Resultate bezogen auf die Kundenpräferenzen und die Schwerpunkte der Unternehmung in einer Pareto Front dargestellt. Diese dient als Entscheidungsgrundlage für die Auswahl des geeigneten Partners innerhalb der Wertschöpfungskette durch den Handel bzw. den Endprodukthersteller. Anschließend werden die Aspekte des Ansatzes näher beleuchtet und Gründe für die Auswahl der genannten Konzepte und Verfahren nähergebracht.
2.1
Detaillierung des Begriffs Funktionale Leistungsnachfragen
Die Nachfrage in diesem Bereich wird durch eine CAD-Zeichnung repräsentiert. Angereichert mit den Kundendaten sowie den Kundenprämissen, wird eine hohe funktionale Gliederung angestrebt, die eine Bedeutung jedes Elementes der Anforderung zuordnen lässt. Informationsbündel, die einer Menge an Informationen eine Bedeutung zuerkennen, werden Features genannt. Eine Nachfrage besteht also aus r Features mit {NFkr | rk N+; k N}, die jeweils der Menge der Bauteile k mit {BTk | k N+} zugeordnet sind. Jede Nachfrage besteht aus s Baugruppen. Die Baugruppen sowie die Nachfrage selbst können z Montageschritte mit {MSsz | zs N+; s N+} enthalten, die Zusammenbauinformationen enthalten. Eine Nachfrage lässt sich also aus Features endlich definieren. Abbildung 3 ermöglicht einen Überblick.
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Abbildung 3. Beispiel einer funktionellen Nachfrage Die Autoren haben umfangreiche Untersuchungen zur Repräsentation der Nachfrage angestellt, und teils ernüchternde Erfahrungen gemacht. Proprietäre Dateiformate für CAD- (Computer Aided Design) Daten wurden von vornherein ausgeschlossen, um die Allgemeingültigkeit des Ansatzes nicht zu gefährden. Als neutrales Austauschformat für den Maschinenbau wurde STEP (Standard for the exchange of product model data) in die nähere Betrachtung einbezogen, da es ein erklärtes Ziel ist, auch funktionale Aspekte in die Betrachtung einzubeziehen. Zum Test der Leistungsfähigkeit und Grad der Standardisierung wurde ein Demonstrator entwickelt, der in verschiedenen CAD-Systemen mit den gleichen Attributen und der gleichen Zeichnunghistorie dargestellt wurde. Der Export zu STEP wurde dann verglichen. Es zeigte sich, dass die Modelle alle in BREP (Boundary Representation) -modelle umgewandelt wurden. Es ging die Zeichnungshistorie verloren, Elemente wie ein Gewinde wurden nicht mit exportiert und hinterlegte Informationen waren verschwunden. Damit erwiesen sich die bestehenden CAD-Systeme als nicht geeignet für die Informationsdichte die benötigt wird, um automatisch Arbeitspläne zu generieren. Somit ist für diese Branche keine neutrale Lösung vorhanden, die der Handel nutzen könnte, um die Kundenanfragen funktionell zu beschreiben. Zwei Gesichtspunkte sollen hier nicht außer Acht gelassen werden. Die Nachfrage stellt sich in vielen Fällen als hinreichend detailliert dar. In der Textilindustrie beispielsweise kann eine Nachfrage auch aus wenigen Attributen bestehen, beispielsweise der Farbe, dem Stoff und einer Eigenschaft wie Wasserundurchlässigkeit oder Ähnlichem. Automatisierte Lösungen stehen für verschiedene Branchen bereit. Hier ist die Elektrotechnik zu nennen, bei der Fertigungsunterlagen direkt aus dem Entwurfsprozess generiert werden oder die automatische Programmerzeugung für CNC Maschinen mittels CATIA für den Maschinenbau.
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Letztendlich bleibt nur der Verweis auf die AP 224, ein Anwendungsprotokoll von STEP, das für die oben beschriebenen Bedürfnisse geeignet ist. Diese AP wurde 2007 zum ISO Standard erhoben. Allerdings ist noch keine kommerzielle Implementierung bekannt, verschiedene Anwendungen können im universitären Umfeld gefunden werden (vgl. Amaitik 2005, 2007; Liu et al. 2005; Sharma et al. 2002). Die geringe Unterstützung für STEP in kommerziellen Angeboten ist sicherlich der Unternehmensstrategie der unterschiedlichen CAD-Hersteller geschuldet. Allerdings sind Ansätze zu erkennen, die hoffen lassen, dass sich der Standard durchsetzt und die oben beschriebenen Anforderungen umsetzen lässt. Für den Moment wird eine Eigenentwicklung im Rahmen weiterer wissenschaftlicher Arbeiten von den Autoren angestrebt. Damit die Nachfrage in der nötigen Detaillierung beschrieben werden kann, ist eventuell eine Organisation zwischen Handel und Produzenten zu schaffen, die als Dienstleister die Nachfrage im entsprechenden Format erstellt.
2.2
Funktionale Deskriptionen des Leistungsangebotes
Bisher wurde die Nachfrage durch den Handel charakterisiert. Nunmehr wird das Leistungsspektrum des Ressourcenpools im virtuellen Unternehmen näher beleuchtet und damit die Perspektive aus Ressourcensicht eröffnet. Das Leistungspotenzial des Unternehmens wird durch das Leistungsangebot der Produktionsmittel repräsentiert und dient als Basis einer neuartigen Beschreibung der Aufbauorganisation des Unternehmens, einer funktionalen Modellierung der Ressourcen. Für die neuartige funktionale Beschreibung wird eine Klassifizierung der Ressourcen im Unternehmen vorgenommen, angelehnt an das „Integrierte Produkt- und Prozessdatenmodell“ (IPPM) aus dem Sonderforschungsbereich 361 (vgl. Sonderforschungsbereich 361 1998). Ergänzt wird das Modell hinsichtlich des Produktionsmittelschemas (vgl. Trommer 2001) durch die unterscheidende Einteilung von Betriebs- und Bearbeitungsmitteln. Um die Fähigkeiten funktionaler Ressourcenleistung abzubilden, werden neben den wertschöpfenden und nicht wertschöpfenden Funktionen auch die volkswirtschaftlichen Produktionsfunktionen zur zeit- und mengenmäßigen Anpassung integriert. Diese Abbildung der Ressourcen ordnet dieselben Features der Nachfragebeschreibung dem Angebot zu. Eine Bohrmaschine kann eine Bohrung herstellen. Der Unterschied liegt in der Repräsentation der Features im konkreten attributiven Kontext. Während der Handel konkrete Werte für die Features vorgibt, werden dem Angebot Hyperboxen zugeordnet, die jeweils einen Featureraum gleicher Art beschreiben. Dazu werden Wertebereiche für ein-
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zelne Attribute gesetzt, die die konkrete Fertigungskompetenz in Bezug auf das Feature beschreibt. Je nach Menge der variierbaren Werte wird somit ein n-dimensionaler Würfel aufgespannt, der die Kompetenz des Unternehmens widerspiegelt. Dabei ist zu beachten, dass die konkreten Parameter abhängig sein können von Anderen, die Verknüpfung erfolgt funktional. Beispielsweise kann die Länge einer Bohrung von dem Durchmesser in der Art abgeleitet werden, das ein bestimmtes Werkzeug, der Bohrer, die maximale Länge bei gegebenem Durchmesser vorgibt. Es sei M die Menge der Maschinen mit {Mi | i N+}. Jede Maschine kann ein ji Features MF herstellen, mit {MFij | ji N+; i N+}. Die folgende Abbildung visualisiert diese Definitionen.
Abbildung 4. Beispiel einer Ressourcenbeschreibung
2.3
Erzeugung von Prozessvarianten zur automatisierten Planung des Produktes
Die Generierung der Prozessvarianten erfolgt über die Zerlegung der Nachfrage in Zwischenprodukte pro Bauteil. Dabei lassen sich n Zwischenprodukte ableiten mit {ZPkn | nk N+}. Mit n = 0 ist der Rohstoff gemeint, der keine Features der Nachfrage enthält. Bei unabhängigen Features ergäbe sich die Anzahl ZP pro BT aus zwei potenziert mit der Anzahl Features. Die Komplexitätsreduktion die hier notwendig ist, erfolgt über die logische Definition der Nachfrage. Abhängige Features haben einen Vorgänger, der gefertigt sein muss, bevor das abhängige Feature gefertigt werden kann. Abbildung 5 demonstriert den Zusammenhang in einem Graphen.
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Die Notwendigkeit der Reduktion ergibt sich aus der Komplexität des Problems. Je höher die Anzahl von ZP desto mehr mögliche Wege vom Rohstoff zum Endprodukt. Die ZP stellen Knotenpunkte dar, die mittels Kanten verbunden sind. Jede Kante stellt einen Prozessschritt dar, der den Übergang von ZPkn ĺ ZPkn‘ darstellt. Ein Prozessschritt PSikn ĺ PSikn‘ ist dann möglich, wenn die Differenz der Zwischenprodukte in einer Hyperbox von Maschine i liegt, also das Feature durch die Maschine herstellbar ist. Es ist möglich, das eine Kante von mehreren PS dargestellt werden kann, was zu einer Komplexitätssteigerung führt.
Abbildung 5. Reduktion der Anzahl Zwischenprodukte Bei einer exakten Lösung müssten sich alle möglichen Varianten einer Bewertung mittels Scheduling in Hinblick auf bestehende Aufträge in der Unternehmung unterziehen. Weiterhin ist eine Betrachtung ausgelagerter Fertigungsschritte komplexitätssteigernd. Jede einzelne Einplanung ist ein klassisches NP hartes Problem und ist somit nicht in polynomialer Zeit lösbar. Dies führt zu den Überlegungen der Komplexitätsreduktion und zur Anwendung heuristischer Verfahren. Die Population based Ant Colony Optimization wird hier verwand, um die Lösungen zu generieren und ist somit ein Eröffnungsverfahren des Ansatzes. Klassische Ameisen Kolonie Optimierungen wurden auf viele Probleme angewandt, seit der Vorstellung des Konzeptes durch (vgl. Dorigo 1996). Erweiterungen des Ansatzes wurden geleistet durch die Einführung der Konzepte der best-so-far Lösung, des min-max Ant colony system (vgl. Stützle et al. 1996, 1997, 1998), des rangbasiertem Pheromone-update usw. Der populationsbasierte Ansatz von (vgl. Guntsch et al. 2002, 2004) führt in diesem Kontext zu den besten Ergebnissen. Dabei werden die besten Ameisen in einer Population zusammengefasst und nur diese sind berechtigt Pheromone zu aktualisieren.
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Im vorgestellten Ansatz werden die Ameisen auf den Startpunkt gesetzt und müssen jede Futterquelle besuchen, bevor sie ins Nest, dem Endprodukt gelangen können. Ihr Weg wird durch die variable Anzahl von Futterquellen gesteuert, die die ZP darstellen. Variabilität wird durch die abhängigen Features beschrieben. Dabei kann eine Ameise eine Futterquelle nur besuchen, wenn sie den nötigen Vorgänger schon besucht hatte. Der Weg zwischen den Futterquellen wird durch die möglichen Prozessschritte charakterisiert. Nach einem Durchlauf werden die einzelnen Prozessvarianten dem Scheduling unterzogen. Dabei wird die jeweils beste Variante ermittelt und damit die Ameise bestimmt, die in die Population aufgenommen wird. Untersuchungen zeigen, dass eine Anzahl von 20 Ameisen pro Durchgang ein guter Wert ist, um Rechenzeit zu verringern und qualitativ hinreichende Ergebnisse zu erzielen.
2.4
Betrachtung der Kapazitäten durch evolutionäres Scheduling
Die Bewertung der Varianten wird durch evolutionäres Scheduling erreicht. Dabei wird der Ansatz von (vgl. Kaeschel 2000) verwand. Besondere Beachtung findet die Multikriterialität der Optimierung. Hier werden Preis, genaue Entsprechung der Spezifikation und Liefertermin als Hauptfaktoren gesehen. Jede beste Lösung wird in die Population des vorhergehenden Schrittes übernommen und somit die Pareto-Front des Angebotsraumes bestimmt. Eine Pareto-Front stellt die besten Lösungen für ein jeweils definiertes Verhältnis von Zielkriterien dar. Weitere Ausführungen zur konkreten Spezifikation des Algorithmus finden sich in (vgl. Kaeschel 2000).
2.5
Rückmeldung des Angebotes an den Handel
In der letzten Modellstufe wird dem Kunden, und somit dem Partner im Supply Web, konkret dem Handelsunternehmen oder dem Endprodukthersteller, eine Menge an Lösungstupeln präsentiert, die nach Preis, Termin und Wahrscheinlichkeit der Lieferung variieren. Das Angebot enthält somit mögliche Realisierungsvarianten mehrerer Netzpartner. Das anfragende Handelsunternehmen ist nun in der Lage, die einzelnen Angebote zu vergleichen und löst die Bestellung letztendlich aus.
3
Zusammenfassung und Ausblick
Der Fokus des Papers liegt primär auf der Generierung von automatischen, auf funktionaler Beschreibung basierenden Leistungsnachfragen und -angeboten und führt somit zur flexibleren und zeitlich stark verkürzten Reaktion
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auf Kundenwünsche. Im Gegensatz zur kundenindividuellen Massenproduktion (Mass Customization) kann mit Hilfe des neu entwickelten Konzeptes, dem Trend der tatsächlich realisierbaren Individualisierung vollständig entsprochen werden, so dass vor allem das technologisch verfügbare Potenzial im Unternehmen ausgeschöpft werden kann. Die Verwendung moderner Algorithmen unterstützt zudem maßgeblich die Lösung des Erfüllbarkeitsproblems von Kundenanfragen und lässt eine multikriterielle Effizienzbewertung der Wertschöpfungsprozesse zu. Insgesamt stellen die Autoren fest: Das entwickelte Konzept ist in der Lage, besonders in der virtuellen Supply Chain dem Engpassfaktor Antwortzeit entgegen zu treten. Weiterhin wird die Variantenvielfalt durch eine geeignete Beschreibung des Angebotes erweitert. Somit wird der Handel in die Lage versetzt, als Vermittlungspartner zwischen Kunde und Produzenten aufzutreten und als weitere Dienstleistung individuell die Kundenwünsche aufzunehmen.
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Online-Produktkonfiguratoren – Status quo und Entwicklungsperspektiven Prof. Dr. Jörg Becker Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS)
[email protected] Dr. Ralf Knackstedt Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS)
[email protected] Oliver Müller Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS)
[email protected] Alexander Benölken Westfälische Wilhelms-Universität Münster
[email protected] Oliver Schmitt Westfälische Wilhelms-Universität Münster
[email protected] Mayooran Thillainathan Westfälische Wilhelms-Universität Münster
[email protected] André Schulke Westfälische Wilhelms-Universität Münster
[email protected]
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1
Einleitung
Produktkonfiguratoren sind ein zentrales Instrument zur Realisierung einer Mass Customization Strategie. Mass Customization verfolgt das Ziel, kundenindividuelle Bedürfnisse durch die Kombination vordefinierter Produkt- und Dienstleistungskomponenten mit einer zur Massenfertigung vergleichbaren Effizienz zu befriedigen (vgl. Franke, Piller 2002). Die dem Konzept zugrundeliegende Idee wurde bereits 1970 von Toffler beschrieben (vgl. Toffler 1970). Der Begriff Mass Customization ist jedoch erst später von Davis (1987) geprägt worden und erlangte erst spät durch das Buch von Pine (1993) eine breite Popularität. Für das Mass Customization Konzept charakteristisch ist die Integration des Kunden in die Wertschöpfungsprozesse des Anbieters: „Consumer take part in activities and processes which used to be seen as the domain of the companies“ (Wikström 1996). Der Kunde wird zum „Co-Designer“ oder „CoProducer“, indem er selbständig seine Bedürfnisse und Anforderungen zum Ausdruck bringt und in entsprechende Produkteigenschaften übersetzt (vgl. von Hippel 1998). Erst in den letzten Jahren konnte ein breiter und konsequenter Einsatz von Online-Produktkonfiguratoren in der Praxis beobachtet werden (vgl. Franke, Piller 2002). Bekannte Praxisanwendungen sind die Konfiguration maßgeschneiderter Computersysteme (z. B. http://www.dell.com) oder das Design und die Produktion individueller Textilien (z. B. http://www.spreadshirt. com). Betrachtet man Beispiele wie die obigen näher, so wird die Bedeutung der Gestaltung einer effektiven sowie nutzerfreundlichen Schnittstelle zwischen Kunde und Anbieter deutlich. Diese Schnittstelle wird in der Regel durch sogenannte Produktkonfiguratoren gebildet. Produktkonfiguratoren sind Softwareanwendungen, die das Zusammensetzen einer Kundenlösung aus vorgegebenen Produkt- und Dienstleistungskomponenten und die Selektion inhaltlicher Ausprägungen der Komponenteneigenschaften unter Einhaltung definierter Konfigurationsregeln ermöglichen (vgl. Scheer 2006). Produktkonfiguratoren stellen somit das „Frontend“ einer Mass Customization Strategie dar (vgl. Franke, Piller 2002). Ziel des vorliegenden Artikels ist es, für die Praxis relevante Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen. Dazu werden ausgewählte Funktionalitäten von Konfigurationssystemen aus der Literatur abgeleitet und gegen die Ergebnisse einer empirischen Erhebung konkreter Produktkonfiguratorimplementierungen (n=204) gespiegelt. In Kapitel 2 wird dazu zunächst die Vorgehensweise zur Erhebung der verwendeten Stichprobe vorgestellt. In Kapitel 3 schließt sich die Untersuchung der Stichprobe untergliedert nach den Per-
Online-Produktkonfiguratoren
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spektiven „Funktion und Struktur“, „Ökonomie“ sowie „Ökologie“ an. Zu jeder Perspektive werden typische Funktionalitäten von Konfiguratoren erläutert, ihre Verbreitung in der Praxis untersucht und mögliche Entwicklungsperspektiven aufgezeigt. Der Artikel schließt in Kapitel 4 mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick auf zukünftige Forschungsbedarfe.
2
Empirische Erhebung
Durch ein Team von vier Studenten wurden im Internet allgemein zugängliche Produktkonfiguratoren identifiziert. 1 Die Erhebung vollzog sich in einem zweitstufigen Verfahren. In einem ersten Schritt wurden zunächst möglichst zahlreiche Implementierungen identifiziert. Hierzu wurden die folgenden Taktiken parallel verfolgt: x Recherche über Suchmaschinen: Mittels einer Recherche über die beiden größten Suchmaschinen, Google und Yahoo, welche zusammen einen Marktanteil von über 95% besitzen, wurde versucht, direkt konkrete Implementierungen zu lokalisieren. Dabei wurden die Suchbegriffe „Prduktkonfigurator“ und „Konfigurator“ sowie „Product Configurator“, „Configurator“, „Configuration System“ und „Product Configuration System“ verwendet. Zu jeder der zwölf Suchanfragen wurden jeweils die ersten 200 Treffer auf Relevanz untersucht. x Recherche über unabhängige Datenbanken: Über diverse Kanäle wurde versucht, praxisorientierte Marktübersichten (z. B. Gartner Magic Quadrant, Forrester Wave) oder wissenschaftliche Erhebungen aufzufinden. Dabei wurde insbesondere die „International Configurator Database“ (www.configurator-database.com) gefunden, aus der zahlreiche Implementierungen übernommen werden konnten. x Identifikation von Softwareanbietern: Zusätzlich konnten im Laufe der Recherche Softwarehersteller, die Standardkonfigurationssysteme oder Individualentwicklungen anbieten, identifiziert werden. Durch auf den Webseiten der Anbieter angegeben Referenzen konnten zahlreiche Kundenimplementierungen lokalisiert werden. In einem zweiten, sich an die Sammlung potentieller Konfiguratorimplementierungen anschließendem, Schritt wurde die vorläufige Liste von Kandidaten überprüft. Als Produktkonfiguratoren wurden Softwareanwen-
1
Die Erhebung erfolgte im Rahmen des im Wintersemester 2008/2009 unter der Leitung von Dr. Ralf Knackstedt am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Informationsmanagement von Prof. Dr. Jörg Becker an der Westfälischen WilhelmsUniversität durchgeführten Vertiefungsmoduls Hybride Wertschöpfung.
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dungen berücksichtigt, die das Zusammensetzen einer Kundenlösung aus vorgegebenen Produktkomponenten (sog. Selektion und Kombination) und die Selektion inhaltlicher Ausprägungen der Komponenteneigenschaften (sog. Parametrisierung) unter Einhaltung definierter Konfigurationsregeln ermöglichen (vgl. Scheer 2006). Nicht öffentlich zugängliche Angebote wurden ebenso ausgefiltert, wie Implementierungen, die nicht mehr aktiv genutzt werden. Dabei wurde die Überprüfung der einzelnen Kandidaten stets von einer anderen Person durchgeführt, als derjenigen, die das System im ersten Schritt in die Kandidatenliste aufgenommen hat. Das Ergebnis der Datenerhebung stellt eine Liste von 204 aktiven Produktkonfiguratorimplementierungen dar. Abbildung 1 zeigt, wie sich die Gesamtzahl der Systeme auf unterschiedliche Branchen verteilt. Dabei bestätigt sich die These, dass die Automobilindustrie eine klare Vorreiterrolle bei der Implementierung von Produktkonfiguratoren einnimmt. Auf den Onlineauftritten nahezu aller führenden Hersteller lassen sich entsprechende Systeme finden. Es folgen – jedoch mit großem Abstand – die Branchen Personal Computer, Bekleidung und Textil und das Baugewerbe (insb. Konfiguration von Türen, Toren und Fenster).
Branchenverteilung Musikinstrumente Möbel 2% Papier und 2% Verpackung 2% Software 3% Telekommunikation 3%
Sonstige 15%
Automobil 23%
Personal Computer 13%
Lebensmittel 4% Konsumgüter 5% Sport und Fitness 5%
Baugewerbe 10%
Bekleidung und Textil 11%
Abbildung 1. Verteilung der Stichprobe nach den vorrangigen Branchen Eine weitere in der Literatur häufig anzutreffende These ist, dass Konfiguratoren in erster Linie im B2C-Geschäft, d. h. an der Schnittstelle zwischen Anbietern und Konsumenten, eingesetzt werden. Von den 204 untersuchen Systemen unterstützen in der Tat 159 (78%) ausschließlich Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen und Konsumenten (B2C). Auf Unternehmerzu-Unternehmer-Beziehungen (B2B) sind dagegen nur 13 (6%) der Konfiguratoren ausgerichtet. 32 (16%) der untersuchten Systeme sind sowohl für den B2B- als auch B2C-Einsatz ausgelegt.
Online-Produktkonfiguratoren
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Art der unterstützten Geschäftsbeziehung 159 200 150 100
32
13
50 0 B2B
B2C
B2B und B2C
Abbildung 2. Verteilung der Stichprobe nach Art der unterstützten Geschäftsbeziehung (Mehrfachnennungen möglich) Analysen der Stichprobe werden im Folgenden verwendet, um Ansätze zur Gestaltung von Online-Produktkonfiguratoren, die sich aus theoretischen Überlegungen heraus ergeben, mit dem in der Praxis umgesetzten Status quo zu kontrastieren. Gewonnenen Tendenzaussagen sind dabei nur von eingeschränkter Repräsentativität, da die Stichproblenerhebung diesbezüglich mit zahlreichen Einschränkungen versehen ist. Beispielsweise ist nicht sichergestellt, dass die bestmöglichen Suchbegriffe zum Auffinden von Produktkonfiguratoren verwendet wurden. Die Verwendung von Suchmaschinen bevorzugt Internetangebote, die ihre Metadaten für die Auffindung mittels bestimmter Suchbegriffe optimiert haben. Aus der Verwendung deutscher und englischer Suchbegriffe kann eine Überrepräsentation von Internetangeboten aus dem deutschsprachigen Raum resultieren.
3
Empirische Analyse zentraler Perspektiven und Funktionalitäten von Online-Produktkonfiguratoren
Konfiguration kann als spezielle Designaktivität bezeichnet werden, bei der das zu konstruierende Artefakt aus einer Menge vordefinierter Komponenten, die nur nach bestimmten Regeln miteinander kombiniert werden können, zusammengestellt wird (vgl. Mittal, Frayman 1989). Alexanders (1964) Rat folgend, Designaktivitäten aus den Perspektiven „Funktion und Struktur“ einerseits und „Ökonomie“ andererseits zu betrachten, wurde die Stichprobe zunächst aus diesen beiden Sichtweisen untersucht. Im Verlauf der Untersuchung wurde eine dritte Perspektive „Ökologie“ ergänzt.
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Jörg Becker et al.
3.1
Funktionale und strukturelle Perspektive
In ihrem Grundlagenartikel unterscheiden Mittal und Frayman (1989) zwei Sichten auf die Aufgabe der Konfiguration. Das Ziel der Konfiguration ist es, ein Produkt zusammenzustellen, das einen vorher bestimmten, wohldefinierten Zweck erfüllt, d. h. zur Lösung eines bestimmten Kundenproblems beiträgt. Dazu sind zum einen abstrakte Funktionen, die zur Lösung des bestehenden Problems notwendig sind, zu identifizieren und in einer sogenannten funktionalen Architektur zu dekomponieren. Zum anderen sind konkrete Komponenten und deren Eigenschaften zu definieren, welche die zuvor festgelegten Funktionen realisieren. Zwischen Funktionen und Komponenten können dabei komplexe m-zu-nBeziehungen bestehen. Eine Funktion kann in der Regel durch mehrere alternative Komponenten realisiert werden. So kann die Funktion „Antrieb“ beispielsweise durch die Komponenten „Elektromotor“ oder „Verbrennungsmotor“ realisiert werden. Ebenso kann eine Komponente mehrere Funktionen bereitstellen. Beispielsweise stellt die Komponente „Touchscreen“ die Funktionen „Eingabe“ und „Ausgabe“ bereit. Genau wie Funktionen in einer hierarchischen Struktur (funktionale Dekomposition) angeordnet sein können (bspw. besteht die Funktion „Aktualisieren von Daten“ aus den Teilfunktionen „Lesen von Daten“ und „Schreiben von Daten“), können Komponenten aus Teilkomponenten zusammengesetzt werden (bspw. besteht die Komponente „Motor“ u. a. aus den Teilkomponenten „Kolben“ und „Welle“). Neben diesen hierarchisch-strukturellen Beziehungen können zwischen Komponenten auch nicht-strukturelle Beziehungen bestehen. Diese werden in sogenannten Konfigurationsregeln abgelegt, die Restriktionen bezüglich der Kombination, Selektion und Parametrisierung von Komponenten und Komponenteneigenschaften darstellen und so die Menge der möglichen Konfigurationen einschränken (vgl. Scheer 2006). So kann beispielsweise mittels einer Konfigurationsregel definiert werden, dass die Komponente „Betriebssystem Windows Vista“ eine Komponente „Arbeitsspeicher“ mit der Eigenschaft „Kapazität >= 2 GB“ benötigt. Zentrales Mittel zur Beschreibung von Komponenten sind Eigenschaften. Für Komponenten mit überwiegend materiellen Charakter (Sachleistungen) bieten sich beispielsweise die üblichen physikalischen (z. B. Maße, Gewicht), mechanischen (z. B. Umdrehungen) und technischen (z. B. Bandbreite) Eigenschaften an (vgl. Emmrich 2005). Für überwiegend immaterielle Komponenten sind diese Eigenschaften weniger geeignet. Hier bieten sich vor allem funktionale sowie nicht-funktionale Eigenschaften an (vgl. O'Sullivan 2006). Funktionale Eigenschaften beschreiben in diesem Zusammengang beispielsweise eine Zustandsänderung beim Nutzer (z. B. Wissenszuwachs bei einer Schulung) oder einem Objekt (z. B. Austausch von Teilen bei einer Instand-
Online-Produktkonfiguratoren
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setzung). Nicht-funktionale Eigenschaften stellen Beschränkungen bezüglich der Funktion dar. Typische Beispiele sind Qualität, räumliche und zeitliche Verfügbarkeit oder Reaktionszeiten. Mit Hilfe der geschilderten Konstrukte kann sowohl die abstrakte funktionale Architektur als auch deren konkrete Realisierung durch Komponenten vollständig beschrieben werden. Es wird ein Lösungsraum aufgespannt, aus dem der Kunde während des Konfigurationsprozesses sukzessive sein individuelles Produkt ableiten kann (vgl. von Hippel 1998).
Abbildung 3. Screenshot des Online-Produktkonfigurators von Opel (http://www.opel.de) Abbildung 3 illustriert dies am Beispiel des Online Konfigurators von Opel. Die erste Spalte der markierten Konfigurationsmatrix zeigt die abstrakte Architektur 2 (Karosserie, Modell etc.) des Produkttyps, die Felder neben der ersten Spalte markieren auswählbare bzw. ausgewählte (schattiert darge2
Im Beispiel ist die abstrakte Architektur in Form von Komponententypen statt Funktionen definiert.
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stellte) Komponenten (Karosserie = Antara, Modell = Antara Edition etc.). Eine Vorschau der relevantesten Eigenschaften einer jeden Komponenten wird direkt in der Konfigurationsmatrix angezeigt, alle weiteren Eigenschaften lassen sich über einen Klick auf das „i“-Symbol neben der jeweiligen Komponente aufrufen. Ausgeblendete und mit einem Kreuz versehene Felder kennzeichnen Komponenten, die aufgrund der bereits getroffenen Auswahl nicht mehr wählbar sind. Diese Beschränkungen werden durch die Auswertung der hinterlegten Konfigurationsregeln (z. B. WENN Modell = „Antara Edition“ DANN Polster = „Stoff“ UND Felgen = „Stahl“) bestimmt.
Produktbeschreibung 197
200
89 35
100
0 Beschreibung über Komponenten
Beschreibung über Funktionen
Beschreibung über Problemlösungsbeitrag
Abbildung 4. Verwendete Ansätze zur Produktbeschreibung (Mehrfachnennungen möglich) Es wurde untersucht, wie häufig die oben erläuterten Arten der Produktbeschreibung bei den Konfiguratoren der erhobenen Stichprobe Verwendung finden (vgl. Abbildung 4). Dabei wird deutlich, dass die Beschreibung über Komponenten und deren Zusammensetzung und Eigenschaften klar dominiert. 197 (97%) der 204 untersuchten Systeme verfolgen diesen Ansatz. In immerhin 89 (44%) Systemen erfolgt eine (zusätzliche) Beschreibung über die generellen Funktionen, die von den einzelnen Komponenten bereitgestellt werden. Ansätze, ein Produkt sowie dessen Funktionen und Komponenten über ihren Beitrag zur Lösung eines bestehenden Kundenproblems zu beschreiben, konnten hingegen bei lediglich 35 (17%) Systemen erkannt werden. Ein Beispiel hierfür stellt der Konfigurator für Mobiltelefone und maßgeschneiderte Mobilfunkverträge auf getmobile.de dar. Die Beschreibung einzelner Vertragskomponenten adressiert bspw. den „Zu-Hause-Telefonierer“ oder den „Feierabend-Telefonierer“.
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Ausgangspunkt der Konfiguration Vollständige Neukonfiguration 11% Auswahl einer Basiskonfiguration 21%
Auswahl verschiedener Basiskonfigurationen 72%
Abbildung 5. Mögliche Ausgangspunkte der Konfiguration Von welchen Ausgangspunkten der Kunde den Konfigurationsprozess starten kann, zeigt Abbildung 5. In den wenigstens Fällen (11% der Fälle) fängt der Kunde „bei null“ an und muss Komponente für Komponente neu auswählen. In der Regel wählt der Kunde zwischen einer (21%) oder mehreren (72%) vorkonfigurierten Standardvarianten aus, welche er dann im Laufe des Konfigurationsprozesses nach seinen Bedürfnissen verändern kann.
Validierung der Konfigurationsregeln Keine Validierung 31%
Am Ende 1%
Mitlaufend 68%
Abbildung 6. Zeitpunkt der Validierung der Konfigurationsregeln Abbildung 6 zeigt, wie die Konfigurationsregeln, welche sicherstellen sollen, dass der Kunde nur technisch oder betriebswirtschaftlich machbare bzw. sinnvolle Konfigurationen zusammenstellt, angewendet werden. Der Großteil der Systeme (68%) prüft die Konfigurationsregeln mitlaufend, d. h. nach jeder vom Kunden durchgeführten Konfigurationsaktivität. Dies hat den Vorteil, dass Kunden unmittelbar auf Konflikte hingewiesen werden und diese somit zeitnah beseitigen können. Erfolgt eine Prüfung der Konfigurationsregeln hingegen erst am Ende der Konfiguration, so sind aufwändige und unter Umständen sogar mehrfache Rücksprünge im Konfigurationsprozess
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notwendig. Folglich wenden nur 2 (1%) Systeme diese Taktik an. 63 (31%) Systeme wenden das Konzept der Konfigurationsregeln gar nicht an. Bei diesen Systemen handelt es sich mehrheitlich um Konfiguratoren für wenig komplexe Produkte (z. B. Bekleidung und Textilien).
Hilfestellung während der Konfiguration 200
112
150 100
75 22
5
50 0 Aktiv durch den Konfigurator
Reaktiv auf Anfrage des Nutzers
Aktive und reaktive Hilfestellung
Keine Hilfestellung
Abbildung 7. Angebotene Formen der Hilfestellung während der Konfiguration (Mehrfachnennungen möglich) Während des Konfigurationsprozesses können zahlreiche Probleme oder Fragen aufkommen. Beispielsweise könnte sich der Nutzer fragen, warum eine bestimmte Komponente nicht wählbar ist. Das System sollte in solchen Fällen Hilfestellung bieten können, da sonst die Gefahr besteht, dass der Nutzer den Konfigurationsprozess abbricht (vgl. Scheer 2006). Die Mehrheit der untersuchten Systeme (112 Systeme, 55%) bietet jedoch keinerlei Hilfestellung zu aufkommenden Problemen oder Fragen (Abbildung 7). 75 Systeme versuchen Fragen reaktiv auf Anfrage des Nutzers, z. B. durch Klicken auf ein Hilfe-Symbol, zu beantworten. Aktive Hilfestellung ohne Anforderung durch den Nutzer, bspw. durch Pop-up-Fenster, bieten nur 22 (11%) Systeme. 5 (2%) Systeme bieten sowohl reaktiv als auch aktiv Hilfe an. Neben der konsistenzsichernden Validierung der Konfiguration durch die Anwendung von Konfigurationsregeln können Konfigurationssysteme auch aktiv Empfehlungen für konkrete Komponenten geben (vgl. ausführlich das sich an diesen Beitrag anschließende Kapitel von Pfeiffer in diesem Band). Abbildung 8 zeigt, welche Mechanismen in der Praxis zum Einsatz kommen. 73 (36%) Systeme arbeiten mit statischen Regeln, die nicht interaktiv an das Verhalten der Kunden angepasst werden, sondern allgemeingültige Zusammenhänge beschreiben, die bei Bedarf in größeren zeitlichen Abständen überprüft und angepasst werden (Beispiel: „Bei der Konfiguration eines Autos immer aktiv auf Winterreifen hinweisen“). Anderes verhält es sich beim kollaborativen Filtern (vgl. Adomavicius, Tuzhilin 2005), das von 7 (3%)
Online-Produktkonfiguratoren
95
Systemen der Stichprobe implementiert wird. Es ermittelt zunächst Nutzer, die dem aktuellen Nutzer in bestimmter Hinsicht ähnlich sind, und schlägt ihm dann Komponenten vor, die von der Gruppe der ähnlichen Nutzer häufig gewählt werden. Ein weiterer Ansatz besteht darin, Kundenbewertungen zu einzelnen Komponenten zu sammeln und diese Bewertungen den Beschreibungen der Komponenten hinzuzufügen. Diese Art der Empfehlung durch Kundenbewertungen lässt sich bei 3 (1%) Systemen vorfinden.
Empfehlungsmechanismen
200 74 7
100
3
0 Statische Regeln
Kollaboratives Filtern
Kundenbewertungen
Abbildung 8. Implementierte Mechanismen zur Empfehlung von Komponenten (Mehrfachnennungen möglich)
3.2
Ökonomische Perspektive
Die relative Vorteilhaftigkeit eines Produktes wird nicht allein durch dessen Funktion und Struktur determiniert. Insbesondere bei funktional vergleichbaren Produkten spielt auch die ökonomische Perspektive, also die finanziellen Konsequenzen, die aus dem Kauf eines Produktes resultieren, eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung (vgl. Grob 2002). Wie aus Abbildung 1 erkenntlich ist, handelt es sich bei ca. der Hälfte der untersuchten Produktkonfiguratoren um Systeme, die langlebige Investitionsgüter (z. B. Automobile, Personal Computer, Gebäude, Telekommunikationsanlagen, Software) konfigurieren. Während für kurzlebige Konsumgüter (z. B. Bekleidung und Textil, Sport und Fitness, Lebensmittel), die in der Regel neben den Anschaffungskosten keine weiteren Kosten verursachen, einfache Preisvergleiche für die Entscheidungsfindung aus ökonomischer Sicht ausreichen, sind für eine fundierte Entscheidungsfindung bei Investitionsgütern Methoden des Investitionscontrollings anzuwenden. Grob (2006) unterscheidet drei Kategorien von Methoden des Investitionscontrollings: Statische Methoden, dynamische Methoden sowie Methoden der
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Jörg Becker et al.
vollständigen Finanzplanung. Statische Verfahren, wie z. B. die Kostenvergleichsrechnung, Rentabilitätsrechnung oder Amortisationsrechnung, basieren auf der Betrachtung einer repräsentativen Vergleichsperiode und der Verwendung von Durchschnittswerten. Der Datenerhebungsaufwand soll dadurch gering gehalten und der Rechenaufwand begrenzt werden. Bei im Zeitablauf variierenden Kostengrößen (z. B. mit dem Alter eines Autos ansteigenden Reparaturkosten) können diese Methoden jedoch nur Näherungswerte liefern. Dynamische Verfahren, wie die Kapitalwertmethode oder Endwertmethode, berücksichtigen mehrere Perioden und führen entsprechende Auf- bzw. Abzinsung anfallender Kosten durch. Methoden der vollständigen Finanzplanung, wie der vollständige Finanzplan (VOFI), betrachten mehrere Perioden und führen keine Verdichtung von Kostendaten durch (vgl. Grobe, Lahme 2004). Sämtliche Kosten sowie zusätzliche Zahlungen für bspw. Abschreibungen, Zinsen und Steuern werden originär betrachtet.
Kalkulation der Produktkosten 147
200 100
150 100
57 0
50
0
0
0 Keine Angabe
Preise der Einzelkomponenten
Gesamtpreis des Produkts
Statische Investionsrechnung
Dynamische Investitionsrechnung
Vollständige Finanzplanung
Abbildung 9. Angebotene Methode zur Kalkulation der Kosten einer konkreten Produktkonfiguration (Mehrfachnennungen möglich) Abbildung 9 stellt dar, in wie weit die verschiedenen Methoden der Kostenkalkulation in der Praxis Anwendung finden. Von den 204 Systemen der Stichprobe geben 147 (72%) Systeme lediglich den Gesamtpreis eines konfigurierten Produktes an. 100 (49%) Systeme geben zusätzlich die Preise einzelner Komponenten an. 57 (28%) geben gar keine Preisinformationen. Bei diesen Systemen besteht lediglich die Option, ein detailliertes Angebot zur konfigurierten Produktvariante anzufordern. Die fortgeschrittenen Verfahren des Investitionscontrollings für langlebige Investitionsgüter werden von keinem untersuchten System angeboten.
Online-Produktkonfiguratoren
Modell des konfigurierten Produkts
VOFI des konfigurierten Produkts
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Modell des Lösungsraums
Abbildung 10. Vollständiger Finanzplan eines konfigurierten Produktes Die Umsetzung der Methode des vollständigen Finanzplans in einem Produktkonfigurator wurde im Rahmen des Forschungsprojekts ServPay untersucht (vgl. Becker et al. 2009a, 2009b). Der Forschungsprototyp nutzt zur Eingabe der Datenbasis einen Modelleditor, mit dem sich sowohl das vom Hersteller angebotene, konfigurierbare Produktspektrum modellieren lässt, als auch die vom Kunden konfigurierten, konkreten Produkte darstellen lassen. In dem in Abbildung 10 dargestellten Beispiel wird eine Werkzeugmaschine samt produktbegleitenden Dienstleistungen konfiguriert. Auf der rechten Seite der Abbildung ist ein Modell des abstrakten Lösungsraums zu erkennen, auf der linken Seite ein Modell einer konkreten Produktvariante, die aus dem Lösungsraum abgeleitet wurde. Die Tabelle in der Mitte stellt den vollständigen Finanzplan dar, der aus dem System heraus für konfigurierte Produktvarianten generiert werden kann. Dazu werden gewählten Kompo-
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Jörg Becker et al.
nenten sowie die für eine ökonomische Betrachtung relevanten Komponenteneigenschaften ausgelesen und miteinander verrechnet. Zunächst wird die sogenannte originäre Zahlungsfolge aufgestellt (oberer Teil der Abbildung). Diese wird über die Perioden der erwarteten Lebensdauer des Produktes mit weiteren anfallenden Zahlungen (z. B. für Kapital oder Steuern) verrechnet (mittlerer Teil der Abbildung). Durch die zusätzliche Betrachtung von Opportunitätskosten (unterer Teil der Abbildung) können schließlich die TotalCost-of-Ownership (vgl. Götze, Weber 2008) der gewählten Produktkonfiguration über die gesamte angenommen Lebensdauer berechnet werden (vgl. Grobe, Lahme 2004).
3.3
Ökologische Perspektive
Neben den Perspektiven „Funktion und Struktur“ und „Ökonomie“ stellt für eine zunehmende Anzahl an Käufern auch die ökologische Qualität eines Produktes eine relevante Dimension bei der Kaufentscheidung dar. So kann insbesondere in der Automobil- und Elektronikindustrie in jüngerer Vergangenheit beobachtet werden, dass Anbieter aktiv umweltbezogene Informationen zu ihren Produkten kommunizieren. Die bereitgestellten Informationen reichen von einfachen qualitativen Aussagen, über offizielle Umweltzeichen (z. B. Blauer Engel) bis hin zu quantitativen Kennzahlen (z. B. CO2-Austoß pro Kilometer) oder umfangreichen Ökobilanzen. Abbildung 11 zeigt, in wie weit die geschilderten Instrumente in Produktkonfiguratoren, die in der Praxis im Einsatz sind, vorkommen, z. B. um die besondere Umweltfreundlichkeit bestimmter Komponenten darzustellen. Lediglich 5 (2%) Systeme stellen überhaupt umweltbezogene Informationen bereit. Dabei handelt es sich um qualitative Aussagen zu recyclingpotenzialen bestimmter Komponenten. Bei 4 der 5 Systeme handelt es sich um Konfiguratoren für Automobile, 1 System stammt aus der Personal Computer Branche. Aussagekräftigere Beschreibungen über Umweltzeichen, Kennzahlen oder komplette Ökobilanzen 3 konnten bei keinem System der Stichprobe identifiziert werden.
3
Die in Abbildung 12 gezeigte Ökobilanz ist nicht Teil eines Produktkonfigurators, sondern im Bereich Corporate Social Responsibility auf den Seiten der Continental AG zu finden.
Online-Produktkonfiguratoren
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Beschreibung der ökologischen Qualität
200 150 100 5
0
0
0
50 0 Qualitative Beschreibung (Freitext)
Umweltzeichen
Quantitative Beschreibung (Kennzahlen)
Aufstellung einer Ökobilanz
Abbildung 11. Beschreibung der ökologischen Qualität eines Produktes bzw. einzelner Komponenten (Mehrfachnennungen möglich) Ein fortgeschrittenes Instrument um die mit der Produktion, Nutzung und Entsorgung von Produkten in Verbindung stehenden Beeinflussungen der Umwelt (Entnahmen aus der Umwelt sowie Emissionen in die Umwelt) systematisch zu erfassen, transparent darzustellen und zu bewerten, stellt die Ökobilanz dar (vgl. Bieletzke 1999). Für Anbieter besonders umweltverträglicher Produkte stellt sie ein ganz wesentliches Steuerungs- und Kommunikationsinstrument dar (vgl. Wörner, Dold, Krcmar 1996). Das Konzept der Ökobilanzierung basiert auf vier Kernmodulen (vgl. Bieletzke 1999): x Festlegung des Bilanzierungsziels (Goal Definition): Zu Beginn der Ökobilanzierung ist das Bilanzziel festzulegen. Dies beinhaltet die Festlegung des Untersuchungsgegenstands (Betrieb, Prozess, Produkt, Standort). „In Produktbilanzen wird der Betrieb als Betrachtungseinheit um die vorund nachgelagerten Lebenszyklusstufen des bilanzierten Produkts erweitert, dessen gesamter Lebensweg den Bilanzraum darstellt“ (Bieletzke 1999). Der Untersuchungsrahmen ist aus praktischen Erwägungen heraus zusätzlich zeitlich und räumlich einzuschränken und auf die relevanten Lebensphasen und Umweltmedien zu konzentrieren. x Erstellung der Stoff- und Energiebilanz (Life Cycle Inventory): Mittels der Stoff- und Energiebilanz werden die im Bilanzierungsziel eingegrenzten „Stoffe und Energien im Produktionsprozess vom Eintritt über Reaktionsund Umwandlungsprozesse bis zum Austritt quantitativ und qualitativ“ (Bieletzke 1999) verfolgt. Abbildung 12 zeigt beispielhaft einen Ausschnitt aus der Ökobilanz eines PKW-Reifens, die auf den Webseiten der Continental AG angeboten wird (vgl. Continental 1999). Neben dem in der Abbildung gezeigten relativen Ressourcenverbrauch der einzelnen Produkt-
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Jörg Becker et al.
lebensphasen enthält der komplette Bericht weitere Statistiken über absolute Ressourcenverbräuche sowie Emissionen in die Umwelt. Von besonderer Bedeutung beim Aufstellen der Stoff- und Energiebilanz ist die Berücksichtigung von Kuppelprodukten. Entstehen die Kuppelprodukte im Zusammenhang mit der Herstellung mehr als eines Produktes so ist die Zurechnung der Kuppelprodukte auf einzelne Bilanzobjekte von besonderer Schwierigkeit (vgl. Riebel 1979a, 1979b).
Abbildung 12. Relativer Ressourcenverbrauch eines PKW-Reifens aufgeschlüsselt nach Lebenszyklusphasen x Aufstellen der Wirkungsbilanz (Environmental Impact Analysis): Die Wirkungsbilanz beschreibt die Beeinflussung des Gleichgewichtszustands der Biosphäre durch die in der Stoff- und Energiebilanz festgehaltenen Stoffe und Immissionen. Die Abschätzung der Einflüsse ist von hoher Subjektivität und kann nur eingeschränkt auf experimentell nachgewiesene physikalische Wirkungszusammenhänge gestützt werden. x Durchführung der Bilanzbewertung (Valuation): Im Rahmen der Bilanzbewertung werden die erhaltenden Daten insbesondere zu Vergleichszwecken aufbereitet, so dass sich Handlungsempfehlungen ableiten lassen. Hierbei können unterschiedliche Bewertungsmethoden zum Einsatz kommen. Bieletzke (1999) unterscheidet mit der verbalen und der nutzwertanalytischen Methode zwei Grundmuster: Die verbale Bewertungsmethode basiert auf argumentative Abwägungen der Teilumweltbeeinflussungen. Die nutzwertanalytische Bewertungsmethode basiert auf Kriterien, denen Kriterienausprägungen und Kriteriengewichte zugeordnet werden. Sie ermöglicht den Ausweis eines quantitativen Zielwerts, der
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101
sich für die Kommunikation mit externen Adressaten der Ökobilanz besser eignet (vgl. Bieletzke 1999). Die nutzwertanalytische Aggregation der Ökobilanz bietet sich dementsprechend auch für die Ausgestaltung der ökologischen Sicht in Online-Produktkonfiguratoren an.
4
Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Untersuchung der Stichprobe nahelegt, dass in der Praxis eine Art Basis-Konfigurator eine besonders große Verbreitung gefunden hat. Dieser für den B2C-Bereich aufgerichtete Online-Produktkonfigurator ermöglicht es dem Kunden, in einer Sitzung genau ein Produkt zusammenzustellen (197 bzw. 97% der untersuchten Konfiguratoren). Die Konfiguration startet mit einer vordefinierten Basis oder ermöglicht die Auswahl aus mehreren vorgegebenen Produktvarianten (182 bzw. 90% der untersuchten Konfiguratoren). Im Rahmen der Konfiguration werden dem Kunden Veränderungen an bestimmten Stellen ermöglicht. Das Produkt und seine in der Anzahl beschränkten Komponenten werden über Eigenschaften (Größe, Gewicht, Aussehen, Farbe, etc.) beschrieben. Diese dem Basis-Konfigurator zugeschriebenen Funktionen, sind bei rund 90% der untersuchten Online-Produktkonfiguratoren vorhanden. Die Untersuchung hat vier wesentliche Bereiche aufgezeigt, die sich für eine in der Praxis bisher noch verhältnismäßig selten aufgegriffene Weiterentwicklung der Basisversion eines Online-Produktkonfigurators eignen: x Problemlösungsorientierte Beschreibung: Die Beschreibung des Produkts als Problemlösungsbeitrag wird nur von 17% der untersuchten OnlineProduktkonfiguratoren unterstützt, obwohl diese Art der Darstellung der Perspektive des Kunden in der Regel besonders adäquat ist. Über die Konfiguration der angebotenen Leistung mittels der Beschreibung des zu lösenenden Kundenproblems anstelle der Eigenschaften und Funktionen der Produkte und ihrer Komponenten besteht für Unternehmen derzeit eine interessante Perspektive um Vorteile gegenüber Wettbewerbern zu erzielen. x Fortgeschrittene Empfehlungsmechanismen: Ein Vergleich mit den in anderen E-Commerce-Bereichen bereits realisierten Empfehlungsmechanismen (z. B. bei http://www.amazon.com) legt nahe, dass die untersuchten Produktkonfiguratoren bezüglich der Unterstützung dieser Funktionaltität noch erhebliches Potenzial für den Vertrieb der Produkte und das Customer Relationship Management ungenutzt lassen. x TCO-Berechnung: Keiner der untersuchten 204 Produktkonfiguratoren bietet die Möglichkeit eine Investitionsrechnung oder Total Cost of Ow-
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nership-Berechnung durchzuführen. Auch wenn die Unterstützung dieser Funktion nicht für jedes Unternehmen von Interesse sein wird und da ihr Einsatz vorrangig im B2B-Bereich von Bedeutung sein dürfte, ist das vollständige Fehlen in der Stichprobe verhältnismäßig überraschend. Dass nur knapp die Hälfte der 204 Konfiguratoren Komponentenpreise ausweisen und rund ein Drittel der Konfiguratoren auf Preisanzeigen (für das Gesamtprodukt ebenso wie für dessen Teilkomponenten) gänzlich verzichten, zeigt, dass auch die Unterstützung der ökonomischen Sicht auf die konfigurierten Produkte für viele Anbieter eine interessante Entwicklungsperspektive darstellt, mit der sie sich gegenüber Wettbewerbern differenzieren könnten. x Ausführliche Angaben zur ökologischen Sicht: Neben dem Ausweis von Ökobilanzen verzichten die untersuchten Produktkonfiguratoren auch auf die Angabe weitaus einfacher bereitstellstellbarer ökologischer Informationen wie z. B. ökologische Prüfzeichen, Stoffbilanzen, Emissionsausstoß oder realisierte Recyclingquoten. Dies zeigt, dass die Produktkonfiguratoren bisher auf eine Kundenschicht mit ausgeprägtem bzw. zunehmendem Umweltbewusstsein eher schlecht ausgerichtet sind. Die genannten Entwicklungsperspektiven könnten insbesondere für Anbieter von Standardsoftwarelösungen für Produktkonfiguratoren von Interesse sein, um die Funktionalität ihrer Angebote in Zukunft gezielt zu erweitern. Die Unterstützung durch Standardsoftware dürfte eine wesentliche Voraussetzung dafür bilden, dass derartige Lösungen in der Praxis eine weitere Verbreitung als heute erfahren.
Danksagung Dieser Beitrag wurde ermöglicht durch die Förderung des BMBF-Projekts „ServPay“ (Zahlungsbereitschaften für Geschäftsmodelle produktbegleitender Dienstleistungen; Förderkennzeichen 02PG1010) im Rahmen des Förderprogramms „Forschung für die Produktion von morgen“. Wir danken dem Forschungszentrum Karlsruhe, Abteilung Produktions- und Fertigungstechnologien (PTKA-PFT), für die Unterstützung.
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Interaktive Entscheidungshilfen Jella Pfeiffer Johannes Gutenberg-Universität Mainz Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und BWL
[email protected]
1
Unterstützung von Online-Kaufentscheidungen mit interaktiven Entscheidungshilfen
Die Zahl der Internetbenutzer weltweit ist im Jahr 2008 auf 1,54 Milliarden angestiegen, was auch mit einem großen Wachstum auf dem europäische E-commerce Markt einhergeht (vgl. International Telecommunication Union 2009). Laut einer Studie von Lewis (2009) kann der jährliche Anstieg des europäischen E-commerce Marktes auf 8% beziffert werden, wobei die jährliche Ausgaberate im E-commerce pro Europäer auf 942 € im Jahr 2009 geschätzt wird (vgl. Lewis 2009). Einer der Hauptunterschiede zwischen E-commerce und herkömmlichem Einkaufen sind die geringen Suchkosten beim Beschaffen von Produktinformationen (vgl. Ariely 2000; van den Poel, Leunis 1999). Im traditionellen Handel muss der Kunde physisch von Laden zu Laden gehen, um Informationen zu sammeln und Alternativen zu vergleichen. Heute reichen wenige Klicks, um an die relevanten Informationen zu gelangen, was dazu führt, dass der Kunde mehr Information in die Kaufentscheidung mit einbezieht (vgl. Lohse, Johnson 1996). Diese Entwicklung stellt die Wirtschaftsinformatik vor eine Herausforderung: Wie sollten Informationssysteme auf online-Verkaufsplattformen gestaltet werden, damit Kunden die relevanten Informationen mit geringem Aufwand miteinander vergleichen und so zu einer zufriedenstellenden Kaufentscheidung gelangen können? Einen Lösungsansatz stellen interaktive Entscheidungshilfen (interactive decision aids) dar. Interaktive Entscheidungshilfen sind Entscheidungsunterstützungssysteme auf Webstores, die Konsumenten trotz der großen Anzahl an Produktangeboten eine fundierte und informierte Kaufentscheidung ermöglichen (vgl. Wang, Benbasat 2009). Im Allgemeinen werden unter Entscheidungshilfen Techniken verstanden, die Entscheidungsträgern dabei helfen, kognitive Defizite zu überwinden und systematische Fehler zu umgehen (vgl. Beach 1997). Interaktive Techniken erlauben dem Konsumenten zusätzlich
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Jella Pfeiffer
selbstständig auf Produktinformationen einer Online-Datenbank zuzugreifen (vgl. Hoffman, Novak 1996; Häubl, Trifts 2000). Interaktive Entscheidungshilfen bestehen aus mehreren Teilprozessen. Sie bestimmen Benutzerpräferenzen, führen Such- und Vergleichsoperationen durch und sprechen Produktempfehlungen aus (vgl. Maes, Guttman, Moukas 1999). Verschiedene Typen von interaktiven Entscheidungshilfen konzentrieren sich dabei auf unterschiedliche Teilprozesse. Während sich Empfehlungssysteme (recommendation systems) auf das Bestimmen von Benutzerpräferenzen und Produktempfehlungen fokussieren, konzentrieren sich interaktive Informationsmanagement-Tools (IIMT) auf das Suchen und Vergleichen von Informationen. Der vorliegende Artikel hat zum Ziel, Empfehlungssysteme und IIMT miteinander zu vergleichen und die Notwendigkeit einer verstärkten Forschungsaktivität im Bereich IIMT aufzuzeigen. Ein Literaturüberblick und eigene empirische Studien zeigen, dass IIMT in der Literatur kaum Beachtung finden, obwohl sie von Kunden als sehr positiv wahrgenommen werden.
2
Typen von Interaktiven Entscheidungshilfen
2.1
Empfehlungssysteme
Empfehlungssysteme stellen die ersten Versuche dar, Kaufentscheidungen im Internet zu unterstützen (vgl. Adomavicius, Tuzhilin 2005). Sie bewerten Produkte kundenspezifisch und empfehlen das Produkt mit höchster Bewertung. In den ersten Jahren beschäftigte sich die Forschung hauptsächlich mit fragebasierten Empfehlungssystemen (query-based recommendation systems) auch Empfehlungsagenten genannt (recommendation agents) (vgl. Häuble, Trifts 2000; Spiekermann, Paraschiv 2002). Empfehlungsagenten fragen Benutzer explizit nach ihre Präferenzen, zum Beispiel nach der Wichtigkeit einzelner Attribute wie Preis oder Farbe, und schätzen darauf basierend die Nutzenfunktion (vgl. Abbildung 1). Die nutzenmaximierenden Produkte werden dem Kunden dann zum Kauf empfohlen (vgl. Abbildung 2). Obwohl es auch heute noch viele Arbeiten zu Empfehlungsagenten gibt (für eine Übersicht, siehe Xiao und Benbasat 2007), sind sie im Internet praktisch verschwunden, was darauf zurückzuführen ist, dass Kunden diese Art von interaktiven Entscheidungshilfen ablehnen (vgl. Fitzsimons, Lehmann 2004). Andere Typen von Empfehlungssystemen arbeiten nicht mit expliziten Fragemethoden, sondern versuchen Präferenzen implizit durch kollaboratives und inhaltsbasiertes Filtern (collaborative and content-based filtering) zu bestimmen, so zum Beispiel das Empfehlungssystem von Amazon. Beim in-
Interaktive Entscheidungshilfen
107
haltsbasierten Filtern wird die Bewertung eines neuen Produktes anhand vergangener Bewertungen des gleichen Nutzers geschätzt. Wenn ein Kunde beispielsweise nach einer Filmempfehlung sucht, wird das System Filme vorschlagen, die ähnliche Charakteristiken (z. B. Schauspieler, Genres, Regisseur) aufweisen, wie vom Kunden in der Vergangenheit bereits erworbene oder als positive bewertete Filme. Im Gegensatz dazu empfehlen kollaborative Filtermethoden Produkte, die von dem Kunden ähnlichen anderen Kunden als gut bewertet wurden. Wenn beispielsweise eine 50-jährige Managerin aus Berlin eine Filmempfehlung wünscht, werden ihr Filme vorgeschlagen, die andere Kunden mit ihren ähnlichen Profilen auch gewählt haben. Demnach wird bei inhaltsbasierten Filtern nach Produktgemeinsamkeiten und bei kollaborativem Filtern nach Personengemeinsamkeiten gesucht.
Abbildung 1. Eines der wenigen Beispiele eines Empfehlungsagenten, die noch im Internet zu finden sind (http://www.myproductadvisor.com)
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Abbildung 2. Beispiel für eine Produktvergleichsmatrix (http://www.my productadvisor.com) mit zwei interaktiven Informationsmanagement-Tools: Löschen (delete) von Alternativen und Verstecken von Produktdetails (hide details) In einer Studie untersuchen Spiekerman und Paraschiv (2002), was Kunden vom Benutzen interaktiver Entscheidungshilfen abhält. Die Autoren vergleichen empirisch vier verschiedene Arten von Empfehlungssystemen, darunter implizite Empfehlungssysteme und verschiedene Abstufungen von Empfehlungsagenten. Sie zeigen auf, dass die betrachteten Systeme Benutzer nicht ausreichend motivieren, wofür, nach Meinung der Autoren, die folgenden vier Gründe verantwortlich sein könnten: (1) Begrenzung der Kommunikation auf Attributsbewertungen und fehlender Einbezug von Kundencharakteristiken und Erwartungen, (2) fehlende Adaption an Kundenexpertise, (3) begrenzter Zugang zu Produktdatenbanken, um passende Empfehlung zu ermitteln, (4) fehlende Transparenz der Prozesslogik und dadurch Unverständnis auf Seiten des Kunden. In einer anderen Studie vergleichen Murray und Häuble (2008) verschiedene interaktive Entscheidungshilfen miteinander und kommen zu dem Schluss, dass Empfehlungssysteme zu langsam sind, um dem Trade-off zwischen Rechenaufwand und akkuratem Schätzen von Benutzerpräferenzen gerecht zu werden. Sie schlussfolgern die Notwendigkeit, interaktive Entscheidungshilfen zu entwerfen, die schnell auf die Interaktion des Kunden reagieren können. Solche interaktive Entscheidungshilfen stellen die im Folgenden beschriebenen interaktiven Informationsmanagement-Tools dar.
Interaktive Entscheidungshilfen
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Abbildung 3. Beispiel für eine einfache Produktauflistung in der ScreeningPhase (http://www.cdw.com) mit drei interaktiven Informationsmanagement-Tools: FILTER (links), SORTIEREN (oben) und PAARWEISER VERGLEICH
2.2
Interaktive Informationsmanagement-Tools (IIMT)
Neben dem kollaborativen und inhaltsbasierten Filtern, die beide auf explizite Benutzereingaben verzichten und den Empfehlungsagenten, die explizit mit dem Benutzer in Form eines Fragekatalogs kommunizieren, gibt es IIMT, die zurzeit in den meisten Online Shops angeboten (für eine Übersicht über die Typen, vgl. Abbildung 4). IIMT unterstützen einen zweistufigen Entscheidungsprozess, der dem natürlichen Entscheidungsverhalten von Personen nahe kommt (vgl. Gilbridge, Allenby 2006; Häubl, Trift 2000; Payne et al. 1992). Im ersten Schritt, der so genannten Screening-Phase, helfen einfache Filter-und Sortiermechanismen dem Kunden beim Durchsuchen der Produkte und der Auswahl einiger in Frage kommender Produkte (consideration set). Im zweiten Schritt, der so genannten tieferen Vergleichsphase, vergleicht der Kunde die in der Screening-Phase ausgewählten Produkte genauer, wählt eines davon aus und gelangt so zu einer Kaufentscheidung. Dieser Vergleichsprozess wird durch das Anbieten von Produktvergleichsmatrizen unterstützt. In einer m × n Produktvergleichsmatrix werden Produkte in Tabellenform dargestellt, wobei n für die sich im consideration set befindenden Produkte (z. B. Handy 1, …, Handy n) und m für die Anzahl der das Produkt beschreibenden Attribute (z. B. Preis, Farbe, Form) steht. Beispiele für solche Matrizen befinden sich in Abbildung 2 und Abbildung 6; andere Beispiele finden sich auf http://www.dell.de oder http://www.mysimon.com. (Der
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Empfehlungsagent auf http://www.myproductadvisor.com unterstützt auch beide Phasen, jedoch ist das für einen Empfehlungsagenten eher untypisch. Empfehlungsagenten schlagen zumeist nur das Produkt mit der höchsten Bewertung vor und verzichten auf eine Produktvergleichsmatrix.) Gupta, Yadav und Varadarajan (2009) führten erst kürzlich den Begriff IIMT für interaktive Entscheidungshilfen in der Screening-Phase und Produktvergleichsmatrizen ein (vgl. Abbildung 2 und 3). Sie definieren IIMT wie folgt: „Tools which enable buyers to sort through and/or compare available product alternatives. For example, these tools allow buyers to limit and sort choices on levels of various attributes and/or engage in side-by-side comparison of products in dyncamically created tables.” (vgl. Gupta et al. 2009). In diesem Artikel erweitern wir das Begriffsverständnis. Im Gegensatz zu Gupta et al. (2009) und Häubl, Trifts (2000) betrachten wir nicht Produktvergleichsmatrizen im Ganzen als interaktives Informationsmanagement-Tool, sondern Tools, die dem Benutzer eine Interaktion mit der Matrix erlauben. So sollen Benutzer in der Lage sein, Produkte aus der Matrix zu entfernen, umzuordnen oder zu bewerten. Ein Beispiel für das Entfernen von Produkten durch das Anklicken eines Links mit der Aufschrift „Delete“ ist in Abbildung 2 dargestellt. In der aktuellen Literatur finden solche interaktiven Informationsmanagement-Tools zum Bearbeiten der Matrix leider kaum bis gar keine Beachtung (für eine Ausnahme vgl. Gupta et al. 2009).
Abbildung 4. Typen von Interaktiven Entscheidungshilfen. Fokus dieser Arbeit bilden Entscheidungshilfen mit expliziter Benutzerinteraktion, z. B. durch Eingabe von Präferenzen oder Manipulation der Produktvergleichsmatrix
Interaktive Entscheidungshilfen
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Abbildung 5. Vorkommen von IIMT bei der tieferen Vergleichsphase (von insgesamt 27 Produktvergleichsmatrizen)
3
Relevanz von interaktiven Entscheidungshilfen
In zwei Studien wird nun die Relevanz von interaktiven Entscheidungshilfen untersucht. Dabei konzentrieren wir uns auf Entscheidungshilfen, die explizit mit dem Benutzer interagieren und klammern kollaboratives und inhaltsbasiertes Filtern aus (vgl. Abbildung 4). Die erste Studie zeigt auf, dass IIMT in der Screening-Phase verbreitet sind, es aber kaum Tools zur interaktiven Gestaltung von Produktvergleichsmatrizen gibt. Empfehlungsagenten kommen auf den untersuchten Seiten sogar gar nicht vor. (Der in dieser Arbeit viel zitierte http://www.myproductadvisor.com war nicht Teil der Stichprobe.) In einer zweiten Studie werden IIMT mit Empfehlungsagenten verglichen. Das Ergebnis des Laborexperiments zeigt, dass Benutzer IIMT bevorzugen.
3.1
Geringe Verbreitung bei Produktvergleichsmatrizen
In einer Studie wurden die nach dem Google Page Rang am besten platzierten 100 E-commerce Seiten untersucht. (Das der deskriptiven Studie zugrunde liegende Datenmaterial wurde im Januar 2009 von Studierenden des Universitätszentrums Rottenmann unter wissenschaftlicher Leitung von Priv.-Doz. Mag. Dr. René Riedl erhoben.) Der Page Rang misst die die Anzahl und die Wichtigkeit von Links zu den entsprechenden Internetseiten. Vier Internetseiten wurden wegen fehlendem Online-Web Shop durch die Rangpositionen 101 bis 104 ersetzt.
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Tabelle 1. Anteil der Webseiten pro Branche, die Produktvergleichsmatrizen anbieten Zunächst sei angemerkt, dass keine der 100 untersuchten Seiten einen Empfehlungsagenten anbot. Bezogen auf IIMT wurden zuerst die interaktiven Informationsmanagement-Tools in der Screening-Phase untersucht (vgl. Abbildung 3). Insgesamt wurden zwei unterschiedliche Tools angeboten: Filter und Sortieren. Filter wurde auf 100 Seiten, das Sortieren nur auf 70 Seiten angeboten. Zudem war Sortieren nur anhand weniger Kriterien und in einfacher Form möglich. Als Kriterium dienten der Preis oder vergangene Kundenbewertungen. Ein Sortieren nach nominalen Werten, wie Farbe, durch Bestimmen einer Präferenzreihenfolge (z. B. rot besser als gelb besser als schwarz) war auf keiner der Seiten möglich. Außerdem wurden bestimmte Reihenfolgen beim Sortieren, z. B. nach aufsteigendem Preis, teilweise fest vorgegeben. Die Filtermöglichkeiten waren im Allgemeinen umfassend. Filter wurden für fast alle Attribute angeboten, unabhängig davon, ob es sich um nominale (z. B. Farbe) oder metrische (z. B. Preis) Skalenniveaus handelt. Insgesamt ist positiv die weite Verbreitung zumindest der beiden genannten Tools anzumerken. Insbesondere die Filtermöglichkeiten sind sowohl in der Verbreitung als auch in der Ausgestaltung als gut zu bewerten. Beim Sortieren wäre ein breiteres Angebot, wie z. B. das Sortieren nach allen Attributen oder das Sortieren nach mehreren Kriterien gleichzeitig, wünschenswert. In einem zweiten Schritt werden IIMT zum Manipulieren von Produktvergleichsmatrizen untersucht. Von den 100 untersuchten Seiten boten 27 Produktvergleichsmatrizen an. Diese Matrizen erreicht der Konsument durch Anklicken von „compare“ Checkboxen (vgl. Abbildung 3). In den Fällen, in denen Produktvergleichsmatrizen angeboten werden, erlauben diese den Vergleich von vielen Produkten (vgl. Tabelle 2). In mehr als der Hälfte der Fälle (15 von 27) kann sogar eine unbegrenzte Anzahl von Produkten in die
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Matrix aufgenommen werden. Letzteres Ergebnis ist insofern erstaunlich, da zum Bearbeiten der Matrix wiederum kaum Hilfen angeboten werden (siehe Abbildung 5). Das interaktive Informationsmanagement Tool „Entfernen von Alternativen“ (delete) ist das einzig wirkliche verbreitete Tool (21 von den 27 Fällen, in denen Produktvergleichsmatrizen vorkamen). Nur zwei Webstores erlauben das Entfernen von Attributen aus der Matrix (http://www.bhphoto video.com und http://www.sony.com) und das Sortieren, und ein Webstore ermöglicht es, Unterschiede oder Gemeinsamkeiten farblich hervorzuheben und Details auszublenden (http://www.cdw.com, vgl. Abbildung 6). Produktvergleichsmatrizen gestatten es, Produkte anhand vieler Attribute übersichtlich darzustellen. Jedoch gibt es auch Produkte, für die eine detaillierte Aufschlüsselung nach Attributen nicht sinnvoll erscheint, da zum Beispiel das Design im Vordergrund steht (z. B. Kleidung). Diese Beobachtung spiegelt sich in den Ergebnissen der Studie wider. Eine Aufschlüsselung der 100 Seiten in verschiedene Branchen zeigt, dass Produktvergleichsmatrizen insbesondere in Branchen vorkommen, die informationsintensive Produkte verkaufen. In 79% der Webseiten, die Elektroartikel verkaufen und auf 75% der Seiten, die Computer verkaufen, können Kunden Produkte in Produktvergleichsmatrizen vergleichen. In anderen Branchen, wie der Nahrungs- und Modebranche, kommen Produktvergleichsmatrizen nicht vor (vgl. Tabelle 1). Die Ergebnisse der Studie stehen im Einklang mit anderen Studien, die kritisieren, dass im Allgemeinen nur Filter im Internet angeboten werden (vgl. Pu, Chen 2008). Silverman, Bachann und Al-Akharas (2001) merken an, dass Kunden mehr Hilfen zum Vergleichen von Produkten benötigen. Mehrere Arbeiten schlagen zudem vor, dass interaktive Entscheidungshilfen, die den Entscheidungsprozess in mehrere Stufen unterstützen (z. B. Screening und tiefere Vergleichsphase) eine bessere Beziehung zwischen Aufgabe und Informationssystem (task-technology fit) verwirklichen würden (vgl. Goodhue 1995; Goodhue 1998; Yuan 2003; Kamis, Davern 2005). Anzahl der erlaubten Produkte in Matrix Häufigkeit 3-5 6 10-12 5 30 1 Unbegrenzt 15 Tabelle 2. Ergebnis der deskriptiven Studie über die Anzahl der Produkte, die in einer Produktvergleichsmatrix aufgenommen werden dürfen
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Abbildung 6. Produktvergleichsmatrix mit drei interaktiven Informationsmanagement-Tools: Entfernen eines Produkts (remove), Hervorheben von Unterschieden und Gemeinsamkeiten (highlight options) und Ausblenden von Details (compare by)
3.2
Bevorzugung von interaktiven InformationsmanagementTools
In der deskriptiven Studie wurde gezeigt, dass Empfehlungsagenten in der Stichprobe nicht vorkommen, während IIMT zumindest in der Screeningphase weite Verbreitung finden. In der Literatur ist das Verhältnis gegenläufig: während es viele Arbeiten zu Empfehlungsagenten gibt, finden IIMT kaum Beachtung (für einen Überblick siehe Xiao und Benbasat 2007). Im Folgenden soll nun unter kontrollierten Laborbedingungen bestätigt werden, dass Kunden entgegengesetzt zum derzeitigen Forschungsschwerpunkt IIMT Empfehlungsagenten vorziehen. 3.2.1 Theorie und Hypothesen Um den Fragestellungen nachzugehen, müssen für Benutzerbewertungen relevante Faktoren bei interaktiven Entscheidungshilfen überprüft werden.
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Xiao und Benbasat (2007) kristallisieren in einer Meta-Studie mit 45 Artikeln vier Faktoren heraus: zwei zentrale Konstrukte des intensiv diskutierten technology acceptance Model (vgl. Davis 1989), nämlich wahrgenommene Nützlichkeit (perceived usefulness) und wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit (perceived ease of use) sowie Benutzerzufriedenheit (vgl. Wixom, Todd 2005) und Vertrauen (vgl. Wang, Benbasat 2005). Wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit steht für den Nutzungsaufwand während wahrgenommene Nützlichkeit den Grad der Leistungssteigerung beschreibt (vgl. Davis 1989). Mehrere Gründe sprechen dafür, dass IIMT bei beiden Faktoren besser abschneiden als Empfehlungsagenten. Erstens haben Menschen meist Schwierigkeiten, ihre Präferenzen auszudrücken, denn diese werden erst durch das Vorliegen der konkreten Alternativen konstruiert und gefestigt (vgl. Payne, Bettman, Schkade 1999). Nur bei IIMT liegen aber die konkreten Alternativen während der Interaktion vor, wohingegen bei Empfehlungsagenten Alternativen erst nach der Präferenzabfrage dargestellt werden. Zweitens verlangen Empfehlungsagenten aufwendige Benutzereingaben beim Beantworten von Präferenzmessungsfragen, zum Beispiel der Wichtigkeit von Attributen, was nicht nur zu größerem Nutzungsaufwand sondern auch aufgrund der erzwungenen Präferenzangaben von oft unsicheren Präferenzen zu niedrigerer Nützlichkeit führen könnte. Drittens haben Benutzer durch die weitere Verbreitung von IIMT im Internet (siehe vorhergehende Studie) mehr Erfahrung beim Umgang mit dem System als bei Empfehlungsagenten. Basierend auf dieser Argumentation lauten die ersten beiden Hypothesen: Hypothese 1: Die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit ist beim Benutzen von IIMT höher als beim Benutzen von Empfehlungsagenten. Hypothese 2: Die wahrgenommene Nützlichkeit ist beim Benutzen von IIMT höher als beim Benutzen von Empfehlungsagenten. Wang und Benbasat (2009) untersuchen den Einfluss von Strategiebeschränkung (strategy restrictiveness) auf das Entscheidungsverhalten. Sie vergleichen Empfehlungsagenten, einen einfachen Filter, der eine Eliminierungsstrategie unterstützt (elimination-by-aspect) und eine hybride Entscheidungshilfe, die beide Ansätze vereint. Sie zeigen, dass sich Benutzer in ihrer Wahl eingeschränkt fühlen, wenn nur einfache Filter zur Verfügung stehen. Dieses Ergebnis aufgreifend, sollten sich Benutzer durch IIMT weniger eingeschränkt fühlen als durch Empfehlungsagenten, da IIMT durch das Anbieten mehrerer verschiedener Tools unterschiedliche Entscheidungsstrategien unterstützen. Empfehlungsagenten hingegen nehmen normalerweise eine bestimmte Präferenzfunktion an, schätzen diese und versuchen, das nutzenmaximierende Produkt vorzuschlagen. Ein Benutzer, der nicht nutzenmaximierende Entscheidungsstrategien verwenden möchte, würde sich durch
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solch eine Entscheidungshilfe eingeschränkt fühlen und sollte weniger zufrieden sein. Weitere Studien untersuchen die Transparenz von Entscheidungshilfen. Bei IIMT können Benutzer die Auswirkungen ihrer Eingaben direkt nachvollziehen, während das Berechnen der nutzenmaximierenden Alternativen beim Entscheidungsagenten für den Benutzer nicht ersichtlich und somit intransparent ist. Folglich sind IIMT transparenter als Empfehlungsagenten, was laut mehreren Studien zu höherem Vertrauen führt (vgl. Kwak 2001; Sinha, Swearingen 2002; Greztel, Fesenmaier 2006). Hypothese 3: Die Benutzerzufriedenheit ist bei IIMT höher als bei Empfehlungsagenten. Hypothese 4: Das Vertrauen in IIMT ist höher als in Empfehlungsagenten. Als Konsequenz aus den vier Hypothesen ergibt sich die folgende letzte Hypothese: Hypothese 5: Benutzer verwenden IIMT häufiger als Empfehlungssysteme.
Abbildung 7. Beispiel zum Definieren von Attributsgewichten beim Empfehlungsagenten auf http://www.myproductadvisor.com 3.2.2 Experiment An der Studie nahmen 32 BWL-Studierende teil, davon 15 weibliche und 17 männliche. Fast alle Studierenden gaben an, das Internet mehrere Male am Tag zu benutzen (93,8%). Mehr als 2/3 haben schon mehr als 10-mal Produkte online erworben, 25% taten dies 2- bis 10-mal. Folglich können die Probanden als erfahrene Benutzer eingestuft werden. Da die Webseiten nur
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auf Englisch zur Verfügung standen, wurden die Englischkenntnisse abgefragt (93,8% gaben gute bis sehr gute Kenntnisse an). Die Studie wurde im Rahmen einer Wirtschaftsinformatikvorlesung absolviert, wobei unter den Studierenden als zusätzlicher Anreiz ein Amazon-Gutschein im Wert von 20 € verlost wurde. Die Motivation der Studierenden, an der Studie teilzunehmen, war sehr hoch (M=5,15; SD=1, auf einer 7-stufigen-Likert-Skala [1: stimme überhaupt nicht zu bis 7: stimme vollkommen zu]). Das Experiment wurde unter kontrollierten Bedingungen in einem Computerlabor durchgeführt und dauerte 30 Minuten. Die Probanden wurden randomisiert in zwei Gruppen unterteilt und sollten sich jeweils auf der Seite http://www.cdw.com (Gruppe 1: IIMT) oder http://www.myproduct advisor.com (Gruppe 2: Empfehlungsagent) für einen Laptop entscheiden. Sowohl die Webseite mit IIMT als auch die Webseite mit dem Empfehlungsagenten stellen unter den verfügbaren Systemen umfangreiche Umsetzungen dar. Der Empfehlungsagent auf http://www.myproductadvisor.com ist sehr flexibel, da Benutzer ihre Präferenzen in beliebiger Reihenfolge eingeben und den Frageprozess durch das Fordern einer Produktempfehlung abbrechen können. Außerdem können Benutzer nicht nur Attributsgewichte eingeben, sondern auch Ausschluss- und Wunschkriterien äußern (vgl. Abbildung 7 und 8). Die Produktempfehlungen werden dann in Form einer Produktvergleichsmatrix dargestellt, die lediglich einfache IIMT, nämlich das Entfernen einzelner Produkte und das Minimieren von Attributsgruppen erlaubt (5 Produkte pro Screen, vgl. Abbildung 9).
Abbildung 8. Beispiel eines Filters beim Empfehlungsagenten auf http:// www.myproductadvisor.com. Sobald mindestens eine Kategorie (z. B. Usage, Price,…) beantwortet wurde, können Produkte empfohlen werden (recommendations)
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Während die eine Probandengruppe den Empfehlungsagenten benutzte, bekam die andere Gruppe die Seite mit IIMT (http://www.cdw.com) dargeboten. Auf dieser Seite konnten sie im ersten Schritt mit Hilfe von Filter- und Sortier Tools die Auswahl auf wenige Produkte einschränken. Die Filter auf IIMT sind komfortabel, da sie ein Filtern aller Attribute erlauben, das Spezifizieren von Intervallen (z. B. Preisintervallen) ermöglichen und dem Benutzer schon gesetzte Filter anzeigen (vgl. Abbildung 3). Die Produktvergleichsmatrix wird dann aus den unter „compare products“ ausgewählten Produkten gebildet. Sie bietet einige IIMT, wie das Entfernen von Produkten, das Hervorheben von Unterschieden und Gemeinsamkeiten und das Aus- und Einblenden von technischen Details (vgl. Abbildung 6). Probanden bekamen eine genaue Beschreibung, wie die jeweiligen Webseiten zu benutzen sind. Nachdem die Probanden sich für einen Laptop auf der zugeteilten Seite entschieden hatten, beantworteten sie einen Fragebogen mit demographischen Angaben und einen Fragekatalog zur Messung der in den fünf Hypothesen formulierten Konstrukte. Der Fragebogen verwendet aus der Literatur bekannte und validierte Fragenkataloge (vgl. Pereira 2000; Wang, Benbasat 2009; Kamis, Davern 2005). Die Antworten werden mit einer 7-stufigen Likert-Skala erfasst. Die Reliabilität der Fragen war mit einem Cronbach’s alpha von je über 0,7 für alle Konstrukte zufriedenstellend (vgl. Nunnally 1967), so dass alle Angaben auf dem Fragebogen zur Auswertung der fünf Hypothesen herangezogen werden konnten.
Abbildung 9. Produktvergleichsmatrix beim Empfehlungsagenten (http:// www.myproductadvisor.com)
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Abbildung 10. Die Ergebnisse des Experiments zur Bevorzugung von IIMT vs. Empfehlungsagenten zeigen, dass IIMT als durchweg positiver bewertet werden 3.2.3 Ergebnisse Ein Kolmogorov-Smirnov Test zeigt, dass für die Konstrukte wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit, wahrgenommene Nützlichkeit und Vertrauen, eine Normalverteilung angenommen werden kann. Deshalb werden für Hypothesen 1, 2 und 4 T-Tests verwendet. Für diese drei Tests wird jeweils das Cohen’s d zur Messung der Effektstärke angegeben (vgl. Cohen 1989). Nach den Konventionen von Cohen (1989) wird ein d von 0,2 als schwacher Effekt, 0,5 als mittlerer Effekt und 0,8 als starker Effekt interpretiert. Für die beiden anderen Hypothesen zur Benutzerzufriedenheit und Häufigkeit der Benutzung, kann nicht von Normalverteilung ausgegangen werden, so dass hier mit dem nicht-parametrische Mann-Whitney U Test getestet wird. Laut Hypothese 1 soll die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit bei IIMT größer sein als bei Empfehlungsagenten. Der T-Test zeigt hohe Signifikanz (p=0,004; M(EA)=4,77; SD(EA)=1,1; M(IIMT)=5,72; SD(IIMT)=0,59). Der Effekt ist zudem groß, da ein d von 1,14 eine starke Beziehung zwischen der Gruppenzugehörigkeit und der wahrgenommenen Benutzerfreundlichkeit angibt. Die Ergebnisse für Hypothese 2 sind ebenfalls hochsignifikant und weisen einen starken Effekt auf (p=0,008; M(EA)=4,8; SD(EA)=0,86; M(IIMT)=5,54; SD(IIMT)=0,86, d=1,02). Somit scheint die wahrgenommene Nützlichkeit bei
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IIMT höher zu sein als bei Empfehlungsagenten. Hypothese 3 kann nur auf dem 10%-Level mit einem einseitigen Mann-Whitneys U Test bestätigt werden (p=0,0062; Z=1,56). Die Tendenz einer höheren Benutzerzufriedenheit bei IIMT scheint zwar zu bestehen, kann aber statistisch nicht ausreichend belegt werden. Hypothese 4 postuliert ein höheres Vertrauen beim Benutzen von IIMT, was durch einen hoch signifikanten T-Test bestätigt werden kann (p=0,004; M(EA)=4,18; SD(EA)=1; M(IIMT)=5,2; SD(IIMT)=0,8). Der Effekt ist mit einem d von 0,89 stark. Zuletzt wird mit Hypothese 5 überprüft, ob sich die positiven Bewertungen von IIMT, die mit drei der ersten vier Hypothesen bestätigt werden, auch in einer erhöhten Verwendungshäufigkeit von IIMT gegenüber Empfehlungsagenten widerspiegelt. Diese Vermutung kann mit einem Mann-Whitney U Test voll bestätigt werden (p=0,02; Z=-3,05). Die Ergebnisse sind noch einmal in Abbildung 10 zusammengefasst.
4
Zusammenfassung und Ausblick
In diesem Beitrag wurden verschiedene Typen von Entscheidungshilfen beschrieben, die entweder implizit oder explizit mit dem Kunden interagieren und sich auf unterschiedliche Teilprozesse bei der Entscheidungsunterstützung konzentrieren. Während sich Empfehlungssysteme auf das Bestimmen von Benutzerpräferenzen und Produktempfehlungen fokussieren, konzentrieren sich IIMT auf das Suchen und Vergleichen von Informationen. Außerdem wurde ein Missverhältnis zwischen dem in der Literatur betrachteten Typ und dem in der Praxis vorkommenden Typ von Entscheidungshilfen aufgezeigt. In einer ersten deskriptiven Studie wurde die Verbreitung von interaktiven Entscheidungshilfen im Internet untersucht. Das Ergebnis zeigt, dass Empfehlungsagenten kaum bis gar nicht verbreitet sind, IIMT jedoch zumindest in der Screening-Phase häufig eingesetzt werden. In einer zweiten Studie, einem Laborexperiment, wurde die Bewertung von Probanden bezüglich Empfehlungsagenten und IIMT gemessen. Es zeigt sich, dass IIMT eine höhere wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit und eine höhere wahrgenommene Nützlichkeit aufweisen und ein höheres Vertrauen genießen. Zudem wurden sie in der Studie häufiger verwendet. Bei der Nutzerzufriedenheit konnte eine positive Tendenz für IIMT beobachtet werden. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass der konkrete Empfehlungsagent und die IIMT zwar besonders umfangreiche und damit für die jeweilige Gruppe positive Beispiele darstellen, zur weiteren Validierung der Ergebnisse noch andere Webseiten miteinander verglichen werden müssten. Insgesamt lassen sich zwei Handlungsempfehlungen ableiten. Erstens plädieren wir für einen stärkeren Forschungsfokus auf IIMT, da diese zwar in der Praxis verbreitet sind, jedoch bisher kaum erforscht wurden. Die breite Lite-
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ratur über Entscheidungsverhalten sollte beim Design von solchen Tools systematisch mit einbezogen werden, um eine optimale Entscheidungsunterstützung zu ermöglichen (vgl. Pfeiffer et al. 2009). Weitere Studien müssten dann Implikationen der so entwickelten Tools, z. B. in Form von wahrgenommener Strategiebeschränkung, untersuchen. Zweitens sollten in der Praxis IIMT nicht nur in der Screening-Phase, sondern verstärkt auch in der Produktvergleichsphase zur Manipulation von Produktvergleichsmatrizen angeboten werden. Hier befindet sich ein großes Potenzial zur Steigerung der Kundenzufriedenheit.
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Teil III: Hybridisierung – Sach- und Dienstleistungen integrieren
Voraussetzungen und Formen der Erschließung neuer Dienstleistungsfelder und Märkte Dr. Eckhard Heidling Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e. V. ISF München
[email protected] Pamela Meil Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e. V. ISF München
[email protected]
1
Einführung
Die zunehmende Bedeutung produktionsnaher Dienstleistungen hängt mit grundlegenden Änderungen in der Organisation aktueller Herstellungsprozesse zusammen. Ein zentrales Merkmal dieser Entwicklung ist die beständige Restrukturierung der Unternehmensorganisation. Kennzeichnend ist eine auf Dauer gestellte Suche der Unternehmen nach dem optimalen Verhältnis von Eigen- und Fremdwertschöpfung und eine entsprechende Zusammensetzung ihrer Kernkompetenzen. 1 Ein Ende dieser Suchprozesse ist kaum abzusehen, weil die Fluktuation der Weltmarktbewegungen ständig neue Anreize zur Veränderung dieses Verhältnisses schafft. Insbesondere große Unternehmen lagern immer mehr Bereiche aus, so dass die ökonomischen und materiellen Risiken in wachsendem Maße auf die Zulieferer übertragen werden. Im Gegenzug müssen diese ausgelagerten Prozesse von den großen Unternehmen wieder eingebunden werden. Dies führt zu einer dauerhaften Reorganisation der Herstellungsprozesse, abzulesen an neuen Organisationsund Arbeitsformen wie Simultaneous Engineering oder Verteilte Arbeit (vgl. Meil 2009; Meil, Heidling 2006; Powell 2001). In der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit entstehen ebenfalls neue Strukturen, in denen große
1
Kernkompetenzen oder „Kernprozesse sind solche Geschäftsprozesse, die für eine Unternehmung eine strategische Bedeutung aufweisen, unternehmensspezifische Ressourcen nutzen, weder leicht zu imitieren noch zu substituieren sind und zudem mit einem wahrnehmbaren Kundennutzen verbunden sind“ (Sydow 2006, S. 435).
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Unternehmen häufig die steuernden Zentren hierarchischer Netzwerke mit einer großen Zahl kleinerer Zulieferer sind (vgl. MacDuffie, Helper 2006; Sydow 2006; Hirsch-Kreinsen 2003). Mit dieser Entwicklung verbunden ist eine veränderte Kundennachfrage, die in wachsendem Umfang auf Problemlösungen gerichtet ist. Nachgefragt werden nicht mehr nur Produkte, sondern zusätzlich damit verbundene Dienstleistungen. Aufgrund der sich weiter globalisierenden Märkte besteht außerdem eine zentrale Anforderung darin, diese produktbezogenen Dienstleistungen verstärkt auf ein internationales Umfeld auszurichten. Wie eine Reihe von Untersuchungen zeigen, nimmt eine zunehmende Zahl von Unternehmen des Investitionsgüterbereichs und des Maschinenbaus die Herausforderung der Erstellung produktionsnaher Dienstleistungen an, so dass sie einen wachsenden Stellenwert gewinnen. 2 Solche Dienstleistungen umfassen etwa die Projektierung und Generalübernahme von Anlagen, die Finanzierung, die produktbezogene Konzeption spezieller Schulungsangebote und Softwareprogramme, die Inbetriebnahme oder kundenindividuelle Wartungs- und Servicepakete (vgl. Rainfurth 2003; Grewer, Reindl 2003). Noch weit gehender sind Angebote zum Leasing, dem Betrieb von Fertigungseinrichtungen sowie deren Rücknahme. In diesen Fällen werden die Produkte selbst ein Teil der Dienstleistung (vgl. Rainfurth 2003; Meier 2004). Diese Kombinationen von Sach- und Dienstleistungen werden auch als hybride Produkte gekennzeichnet (vgl. Burianek et al. 2007; Ernst 2007). Allerdings verweisen die vorliegenden Untersuchungen zugleich auf große und bisher nicht ausgeschöpfte Potenziale (vgl. Nippa 2005). Nach entsprechenden Erhebungen bleibt der Umfang von Dienstleistungen im Investitionsgüterbereich häufig unter 10 % des Gesamtumsatzes der Unternehmen (vgl. Rainfurth 2003; Mödinger, Redling 2004; Backhaus et al. 2007). Dabei überwiegen die klassischen produktbegleitenden Dienstleistungen wie etwa die Inbetriebnahme des Produkts beim Kunden, die Beratung, die Schulung des Personals sowie die Wartung und Reparaturleistungen (vgl. Lay, Jung Erceg 2002; Backhaus et al. 2007). Anbieter sind in erster Linie größere Unternehmen, die ihre Dienstleistungen ausbauen und damit steigende Umsätze 2
Gesamtwirtschaftlich lässt sich die zunehmende Bedeutung der Dienstleistungen daran ablesen, dass ihr Anteil an der Bruttowertschöpfung zwischen 1991 und 2003 von 24 % auf über 30 % stieg. Wie Sondererhebungen des Statistischen Bundesamtes zeigen, werden produktbegleitende Dienstleistungen in erster Linie im Bereich des Verarbeitenden Gewerbes erbracht. Im Jahr 2002 boten 38 % dieser Unternehmen produktbegleitende Dienstleistungen an und erzielten damit einen Umsatz von 52,6 Mrd. Euro. Den höchsten Anteil daran hatte die Investitionsgüterindustrie, wobei der größte Teil des Umsatzes auf Unternehmen der Elektrotechnik entfiel (32 %), gefolgt vom Maschinenbau (28 %) (vgl. Mödinger, Redling 2004; Opfermann 2004). Für branchenbezogene Erhebungen vgl. auch VDMA 2002; ZVEI 2002.
Erschließung neuer Dienstleistungsfelder und Märkte
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erzielen. Dagegen wird dieses Potenzial von kleineren Unternehmen weiterhin nur wenig genutzt. Defizite bestehen offensichtlich auch bei der Vermarktung produktionsnaher Dienstleistungen, was daran abzulesen ist, dass sich die Kunden nur unzureichend über den Nutzen und die zusätzlichen Problemlösungen der Dienstleistungen informiert fühlen (vgl. Lay, Jung Erceg 2002). Durch die zunehmende Komplexität der Produkte und Dienstleistungen sind kleinere Spezialunternehmen immer stärker darauf angewiesen, Komplettlösungen in Kooperation mit anderen Unternehmen anzubieten. Deshalb besteht ein weiterer Bedarf darin, entsprechende Kooperationsformen mit anderen Unternehmen zu entwickeln. Solche Konzepte für neuartige kooperative Dienstleistungen sind bisher kaum verfügbar (vgl. Glomb, Schneider 2002; Sturm et al. 2007). Schließlich entstehen Schwierigkeiten für mittelständische Unternehmen dadurch, dass das Angebot kompletter Problemlösungen häufig eine zentrale Voraussetzung für die Erschließung globaler Märkte ist. Um geeignete produktbegleitende Dienstleistungen bereitzustellen, sind im mittelständischen Bereich die Kenntnisse der globalen Märkte jedoch vielfach nur unzureichend ausgebildet (vgl. Lay 2007). Dies gefährdet nicht nur die Verbreitung der produktionsnahen Dienstleistungen selbst, sondern kann sich außerdem negativ auf den Absatz der Produkte auswirken (vgl. Dreyer, Langhoff 2002). Insgesamt verweisen die Ergebnisse dieser Untersuchungen auf die vielfältigen Schwierigkeiten, produktionsnahe Dienstleistungen in industriellen Unternehmen so zu verankern, dass der dauerhafte Erfolg in den immer stärker international geprägten Märkten mittel- und langfristig gewährleistet ist. In den folgenden Ausführungen werden vor dem Hintergrund dieser Probleme bei der Erstellung und Verbreitung produktionsnaher Dienstleistungen einige Ergebnisse unserer aktuellen Forschungsarbeiten präsentiert. 3 Dabei geht es zunächst um Überlegungen zur Systematisierung produktionsnaher Dienstleistungen (Abschnitt 2). Anschließend wird am Beispiel des Unternehmens Dürr AG gezeigt, welche Potenziale produktionsnahe Dienstleistungen enthalten, was bis zur Entwicklung neuer Geschäftsfelder reichen kann (Abschnitt 3). Der Beitrag schließt mit einigen zusammenfassenden Bemerkungen (Abschnitt 4).
3
Die folgenden Ergebnisse wurden insbesondere im Projekt Projektmanagement für produktionsnahe Dienstleistungen (ProPro) erarbeitet. Das Projekt wird betreut vom Projektträger Karlsruhe (Bereich Produktion und Fertigungstechnologien) und zwischen 2006 und 2009 gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. An dem Projekt beteiligt sind sechs Unternehmen unterschiedlicher Größenklassen und zwei wissenschaftliche Institute.
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Eckhard Heidling, Pamela Meil
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Elemente einer Systematisierung produktionsnaher Dienstleistungen
Wie unsere Untersuchungen zeigen, sind zur Entwicklung produktionsnaher Dienstleistungen in den Unternehmen nach wie vor eine Reihe grundlegender Fragestellungen zu lösen. Dazu zählt einmal die Abgrenzungsproblematik, die auf die grundlegende Unterscheidung zwischen Produkt und Dienstleistung sowie die Unterscheidung zwischen Angebot und Nachfrage nach produktionsnahen Dienstleistungen verweist. Diese Problematik hängt eng mit einer nach wie vor dominierenden traditionellen Sichtweise auf produktionsnahe Dienstleistungen zusammen, die dadurch geprägt ist, dass die Dienstleistungen aus den Produkteigenschaften abgeleitet werden. Die Sichtweise produzierender Unternehmen ist häufig darauf fokussiert, was bezogen auf ihre jeweiligen Produkte die Anforderungen an geeignete Dienstleistungen sind, die dann in entsprechende Angebote umgesetzt werden. Eine weitere wichtige Fragestellung richtet sich auf die Spezifizierung des eigenen Dienstleistungsangebots. Dabei ist zu klären, welche produktionsnahen Dienstleistungen die Unternehmen gegenwärtig herstellen und welche produktionsnahen Dienstleistungen zukünftig erstellt werden sollen.
2.1
Dimensionen produktionsnaher Dienstleistungen
Um diese Fragestellungen zu klären und die damit verbundenen Sichtweisen zu erweitern, ist es erforderlich, produktionsnahe Dienstleistungen systematisch zu erfassen und zu verorten. Dies bietet die Grundlage für einen stärker strategisch ausgerichteten Blick der Unternehmen auf das aktuelle und besonders das zukünftige Dienstleistungsangebot. Der Ausgangspunkt einer Systematisierung produktionsnaher Dienstleistungen besteht in der Entwicklung von verschiedenen Dimensionen (vgl. Abbildung 1). Diese Dimensionen zeigen, auf welche Gestaltungsfelder sich die produktionsnahen Dienstleistungen jeweils schwerpunktmäßig beziehen. Die Dimensionen vermitteln die Angebotsseite mit der Nachfrageseite. Auf der Angebotsseite verweisen die Dimensionen darauf, welche Ressourcen zur Herstellung produktionsnaher Dienstleistungen bereitzustellen sind. Die Nachfrageseite zeigt, wie die produktionsnahen Dienstleistungen in den Unternehmen der Kunden für ihre eigenen Prozesse umgesetzt und angewendet werden können. Bisher sind produktionsnahe Dienstleistungen ganz überwiegend durch einen technischen Schwerpunkt gekennzeichnet. Allerdings zeigt eine genauere Betrachtung, dass die Herstellung und Umsetzung produktionsnaher Dienstleistungen eine ganze Reihe weiterer Dimensionen umfasst: eine personelle, eine organisatorische, eine finanztechnische, eine infrastrukturelle und eine politische. Dieses erweiterte Spektrum bleibt von Anbietern und Nachfragern
Erschließung neuer Dienstleistungsfelder und Märkte
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bisher häufig unbeachtet. Darin liegt ein wichtiger Grund für die vorherrschende Eindimensionalität mit einer Konzentration auf technische Zusammenhänge beim Angebot und der Nachfrage produktionsnaher Dienstleistungen. Dagegen wird es immer wichtiger, diese Mehrdimensionalität, die weit über die technische Dimension hinausweist, in den Mittelpunkt zu rücken.
Angebot
Produktionsnahe Dienstleistungen
Nachfrage
Produzent
Dimensionen
Kunde
Technik Personal Herstellung produktionsnaher Dienstleistungen
Organisation Finanzen
Umsetzung produktionsnaher Dienstleistungen zur Prozessgestaltung
Infrastruktur Prozesse beim Anbieter
Politisches Umfeld
Prozesse beim Kunden
Abbildung 1. Dimensionen produktionsnaher Dienstleistungen
2.2
Die Angebots- und die Nachfrageseite produktionsnaher Dienstleistungen
Zur Strukturierung der Angebots- und Nachfrageseite greifen wir auf die Dimensionen produktionsnaher Dienstleistungen zurück. In einem Analyseraster werden die Dimensionen mit den Phasen der Sachgüterherstellung, die von der Projektanbahnung bis zur Projektnachbetreuung reichen, verknüpft. In der vertikalen Achse sind die Dimensionen abgetragen, auf die sich die produktionsnahen Dienstleistungen beziehen können. Horizontal sind die Phasen der Sachgüterherstellung angeordnet, die von der Projektanbahnung bis zur Projektnachbetreuung reichen (vgl. Abbildung 2). Damit eröffnet das Analyseraster neue Perspektiven auf die Bedeutung produktionsnaher Dienstleistungen für die Unternehmen. Vergleichsweise unkompliziert können die Anbieterunternehmen einen Überblick über ihr jeweils aktuelles Angebot an produktionsnahen Dienstleistungen gewinnen. Traditionell umfasst dieses Angebot ausschließlich die technische Dimension und ist auf den after sales Bereich, also die Projektnachbetreuung, gerichtet. Mit dem Analyseraster bietet sich den Unternehmen darüber hinaus die Mög-
132
Eckhard Heidling, Pamela Meil
lichkeit, Szenarien einer strategischen Ausweitung zu entwickeln. Durch die Einbeziehung mehrerer Dimensionen sowie einer Ausrichtung an verschiedenen Phasen der Herstellungsprozesse können ganz neue Potenziale des Angebots produktionsnaher Dienstleistungen sichtbar gemacht werden. Phasen der Sachgüterherstellung Dimensionen pnDL
Produktentwicklung Potential-/Stakeholderanalyse Schulung
Projektplanung
Projektsteuerung/ -änderung
Projektabschluss
Projektnachbetreuung
Personal
Dimensionen Dimen sionen
Inbetriebnahme/ Produktanpassung
Projektdefinition
Technik
Einweisung Wartung + Service
Projektanbahnung
Organisation
Finanzen
Infrastruktur Politisches Umfeld pnDL: produktionsnahe Dienstleistung
Abbildung 2. Analyseraster zur Angebots- und Nachfrageseite produktionsnaher Dienstleistungen Ebenso wichtig ist die zunehmende Bedeutung dieser Mehrdimensionalität für die Nachfrage nach produktionsnahen Dienstleistungen. Erst durch die Berücksichtigung mehrerer Dimensionen und die Einbeziehung unterschiedlicher Phasen der Herstellungsprozesse können die strukturell veränderten Kundenanforderungen angemessen erfasst werden. In dieser Perspektive wird deutlich, dass sich die Nachfrage nach produktionsnahen Dienstleistungen über den gesamten Produkt- und Projektzyklus von Herstellungsprozessen erstreckt. Deshalb ist die anfangs beschriebene traditionelle Sichtweise erheblich zu erweitern. Durch eine Zuordnung der produktionsnahen Dienstleistungen zu den verschiedenen Phasen der Herstellungsprozesse ergibt sich das Bild einer Dienstleistungswertschöpfungskette (vgl. Abbildung 3). Produktionsnahe Dienstleistungen werden während des gesamten Herstellungsprozesses erbracht, also in den Phasen der Entwicklung, der Produktion und der Distribution. Aus den genannten strukturellen Gründen werden dabei externe Zulieferer in wachsendem Umfang in die Prozesse der Kunden eingebunden. Entscheidend ist, dass die Einbindung dieser Dienstleistungen und Dienstleister kein singuläres Ereignis ist, sondern kontinuierlich erfolgt. Dies hat weit reichende Konsequenzen für die Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und Kunden und führt zu der Frage, wie die Zulieferer und die von ihnen erstellten produktionsnahen Dienstleistungen im Verhältnis zu den Kunden positioniert sind.
Erschließung neuer Dienstleistungsfelder und Märkte
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Einbindung externer Zulieferer produktionsnaher Dienstleistungen Dienstleistungen im Vorfeld von Produktionsprozessen bei Kunden
X
Potenzialanalysen
X
Marktanalysen
X
K Konzepte
X
Bearbeitung ‚funktionaler Ausschreibungen‘
X
Produktionsbezogene Entwicklung
X
Technische Fachplanung
X
Lastenhefte
X
Beratung
Dienstleistungen im Verlauf von Produktionsprozessen bei Kunden
Dienstleistungen nach Auslieferung der Produkte bei Kunden
X
Vertrieb, Projektierung
X
Inbetriebnahme
X
Lieferantenauswahl/steuerung
X
Personaleinweisung
on site management
X
Dokumentation
X X
Pflichtenhefte
X
Wartung/Service
X
Prozessgestaltung
X
X
Prozessoptimierung
Rücknahme/ Entsorgung
Abbildung 3. Dienstleistungswertschöpfungskette Bei eher traditionellen produktionsnahen Dienstleistungen liegt ein klassisches Dienstleistungsverhältnis vor: der Kunde definiert z. B. ein bestimmtes Servicepaket für seine neue Maschine oder Anlage, kauft diese Dienstleistung am Markt ein und macht dem Dienstleister zur Umsetzung der Leistung mehr oder weniger detaillierte Vorgaben und Vorschriften. Die Beziehung zwischen Kunden und Dienstleistern ist eindeutig hierarchisch strukturiert. Eine Verschiebung dieser Rollenzuweisung findet in dem Maß statt, in dem der Dienstleister in die Prozessgestaltung beim Kunden einbezogen wird. Je genauer der Dienstleister über Kenntnisse der Kundenunternehmen verfügt, desto stärker ist er in der Lage, selbständig Prozesse beim Kunden zu gestalten und zu steuern. Gelingt es dem Dienstleister, sich gegenüber den Kunden als Prozessexperte zu etablieren, wird seine Stellung besonders durch die Einbindung in frühe Phasen der Realisierung von Projekten gestärkt, da er dann bereits in die Konzeption und Entwicklung neuer Produkte eigene Lösungsvorschläge einbringen kann. Mit der Position eines Prozessexperten ist für die Zulieferer ein grundlegender Wandel im Verhältnis zu ihren Kunden verbunden. Gegenüber der traditionellen Sicht- und Vorgehensweise der Zulieferer findet ein deutlicher Perspektivwechsel statt, weil der Ausgangspunkt der Gestaltung der Dienstleistungsangebote nicht mehr die eigenen Produkte, sondern die Prozesse beim Kunden sind. Ein weiteres zentrales Moment dieses Wandels ist eine veränderte Machtverteilung zwischen Zulieferer und Kunde. Durch seine detaillierten Prozesskenntnisse ist der Zulieferer als Dienstleister nicht mehr nur Befehlsempfänger, sondern kommt selbst in eine gestaltende Rolle. Damit verbunden kann ein Machtzuwachs sein, der das häufig asymmetrische Machtungleichgewicht zugunsten großer Kundenunternehmen gegenüber ihren kleineren Zulieferern verringert. Darüber hinaus können aus der Position des
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Eckhard Heidling, Pamela Meil
Prozessexperten ökonomische Vorteile für die dienstleistenden Zulieferer resultieren. ihre Prozesskenntnisse versetzen sie in die Lage, den Kunden neue Dienstleistungen anzubieten und damit ihre ökonomische Situation zu verbessern. Auch heute noch ist das Angebot an produktionsnahen Dienstleistungen bei vielen Unternehmen im Bereich der Projektnachbetreuung (after sales) konzentriert. Allerdings sind vermehrt Beispiele zu beobachten, in denen sich Zulieferer gegenüber ihren Kunden verstärkt als Prozessexperten positionieren. Dabei zeigt sich, welche Dimensionen produktionsnaher Dienstleistungen erschlossen und wie die entsprechenden Dienstleistungsangebote in unterschiedlichen Projektphasen erweitert und ganz neu entwickelt werden können. Dies soll im Folgenden am Beispiel des Unternehmens Dürr AG und dort speziell der Flugzeugsparte genauer dargestellt werden.
3
Systempartnerschaft durch produktionsnahe Dienstleistungen in der Industrie – Das Beispiel der Dürr AG
Das Hauptgeschäftsfeld der Dürr AG besteht in der Lieferung von Großserienlackierereien sowie Montagewerken. Dies umfasst die Anlagen-, Applikationsund Umwelttechnik, Fördersysteme sowie Steuerungs-, Automatisierungsund Leittechnik. Neben der Produktion werden auf Basis des umfangreichen Prozess-Know-hows außerdem Konzepte für den Service und die Modernisierung der Anlagen erstellt. Auf dem Gebiet der Applikationstechnik ist Dürr der international führende Anbieter in der Automobilfertigung. Etwa zwei Drittel der hergestellten Automobile werden mit Dürr-Produkten lackiert. Im Zusammenhang mit der Ausdifferenzierung der Geschäftsbereiche gewinnt für Dürr die Luftfahrtindustrie in den letzten Jahren eine zunehmende Bedeutung. In diesem Segment bietet Dürr Aircraft and Technology Systems neben den Lackierprozessen komplette Fertigungsanlagen für die Flugzeugindustrie an. 4 Die Produktpalette im Bereich Anlagenbau umfasst spezielle Werkzeuge und Vorrichtungen, Montageanlagen und Wartungsdocks für die Produktion von Flugzeugen sowie die entsprechende Lackier- und Fördertechnik. Wichtige Kunden sind Airbus und EADS mit ihren verschiedenen
4
Im Folgenden wird der Geschäftsbereich „Dürr Aircraft and Technology Systems“ kurz als „Dürr Aircraft“ bezeichnet. Zu den Aktivitäten in den Bereichen „Aircraft Systems“ und „Consulting“ vgl. auch die Informationen unter http://durr.com/de/ unternehmen/unternehmensbereiche/paint-and-assembly-systems/aircraft-andtechnology-systems.html.
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deutschen, europäischen und internationalen Standorten sowie Kunden in Nord- und Südamerika. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich für Dürr Aircraft die Zusammenarbeit mit den Kunden der Flugzeugindustrie und in der Folge die Kooperation mit den eigenen Zulieferern grundlegend geändert. Ein wichtiges Moment dieser Änderungen besteht in einer signifikanten Zunahme produktionsnaher Dienstleistungsaktivitäten. 5 Darauf wird in den folgenden Ausführungen näher eingegangen.
3.1
Planung und Entwicklung als neue Felder produktionsnaher Dienstleistungen
Im Unterschied zur Serienfertigung im Automobilbau ist das Flugzeuggeschäft geprägt durch eine Einzelfertigung. Aufgrund spezieller, auf das einzelne Produkt gerichteten Anforderungen werden für jedes Flugzeugmodell immer wieder neue angepasste Fertigungsanlagen entwickelt und gefertigt. Bestimmte Teile früherer Anlagen können meist nicht oder nur in geringem Umfang wiederverwendet werden. Hersteller wie Dürr Aircraft müssen für die Produktion der einzelnen Komponenten über ein sehr hohes Know how im Umgang mit den dafür benötigten Spezialtechnologien verfügen. Verbunden ist dies mit einem vergleichsweise hohen Qualifikationspotenzial der Beschäftigten bei Dürr Aircraft. So liegt der Ingenieuranteil bei etwa 45 % der Gesamtbelegschaft. Über ein breites Qualifikationsprofil verfügen ebenfalls die in der Produktion tätigen Facharbeiter, wobei besonders elektronische und mechanische Kenntnisse für die Installation von Sonderteilen, die Vorinbetriebnahmen sowie den Bau, die Installation und die Fertigung der Roboter für die Lackierprozesse erforderlich sind. Traditionell war das Geschäft von Dürr Aircraft in erster Linie ausgerichtet auf die Bearbeitung von Anfragen der Flugzeughersteller. Dabei ging es um die Fertigung bestimmter Teile von Anlagen für die Produktion der Flugzeuge, etwa den Komponentenbau oder den Zellenbau. Die entsprechenden Aufträge waren auf unterschiedliche Spezifikationen für die einzelnen Flugzeugmodelle gerichtet. Dabei wurden von den Kunden der Flugzeugindustrie jeweils Aufträge für sehr genau spezifizierte und abgegrenzte Aufgabenpakete definiert. Getrennt nach mechanischen und elektrischen Bauteilen wurden die einzelnen Komponenten an jeweils dafür spezialisierte Zulieferunternehmen vergeben. Kennzeichnend war darüber hinaus, dass detaillierte Lö5
Vgl. dazu auch den Beitrag von W. Heuschen (Senior Manager Planung und R&D, Aircraft and Technology Systems der Dürr Systems GmbH) auf dem Kongress „Wachstumspotenziale – Integration von Sachgütern und Dienstleistungen“, veranstaltet von BMBF und VDMA, 18.-19.3.2009 in Esslingen.
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Eckhard Heidling, Pamela Meil
sungen bis hin zu technischen Zeichnungen von den Auftraggebern weitgehend vorgegeben wurden. Aufgrund dieser Unterlagen erarbeitete Dürr Aircraft die jeweiligen Spezifikationen und erstellte dafür die entsprechenden Kalkulationen sowie Unterlagen zur Beschaffung und den Einsatz der notwendigen Ressourcen. Im Verlauf der letzten zehn Jahre veränderte sich allerdings die Nachfrage der Kunden grundlegend. Eine erste Änderung bestand darin, dass die Kunden ihre Anfragen bzw. Aufträge für elektrische und mechanische Komponenten in einem einzigen Vergabeprozess bündelten und die Lieferung von einem einzelnen Zulieferer verlangten. Allerdings richteten sich diese Aufträge immer noch auf eine spezielle Maschine oder Komponente. In jüngerer Zeit besteht eine sehr viel weiter reichende Änderung darin, dass die Kunden bei einzelnen großen Zulieferern ganze Fertigungsstraßen bestellen. Diese bestehen aus Förder- und Verkettungseinrichtungen sowie mehreren Arbeitsstationen, so dass die zu erbringenden Leistungen eine große Anzahl spezieller Komponenten umfassen. Daneben beinhalten solche großen Anlagen unterschiedliche Technologien wie etwa Montagehilfsvorrichtungen und Niet-, Bohr- oder Schweißanteile. Selbst große Zulieferer verfügen nicht über alle geforderten Kompetenzen für den Umgang mit den unterschiedlichen Technologien und können nicht alle Bestandteile solcher umfassenden Produktlinien selbst fertigen. Vor diesem Hintergrund stand Dürr Aircraft Mitte der 2000er Jahre vor der grundsätzlichen Entscheidung einer Neupositionierung gegenüber den Flugzeugherstellern. Die Frage lautete, ob man zukünftig in erster Linie in der gewohnten Rolle des spezialisierten Technologielieferanten für einzelne Komponenten verbleiben oder eine Weiterentwicklung zum transnationalen Sytemlieferanten umfassender Fertigungsstraßen anstreben sollte. Die Entscheidung fiel zugunsten einer Weiterentwicklung zum transnationalen Systemlieferanten, wobei dies die Beibehaltung einer spezifischen Technologieexpertise umfasst. Ein sichtbares Zeichen dieses Strategiewechsels bestand darin, dass Mitte der 2000er Jahre Dürr Aircraft eine eigene Entwicklungsabteilung gründete. Aktiv aufgegriffen wurde damit der zunehmend erkennbare Trend der Flugzeughersteller, immer größere Aufgabenpakete auszulagern und die Zulieferunternehmen frühzeitig in die Projekte zu integrieren und Spezifikationen gemeinsam zu entwickeln. Bereits in einem sehr frühen Stadium neuer Projekte, nämlich bei der Generierung von Ideen für neue Produkte, fordern die Hersteller verschiedene große Lieferanten dazu auf, eigene Lösungen zu entwickeln. Damit wird der Wettbewerb zwischen den Anbietern quasi vorverlegt. Aufgrund der neu geschaffenen Entwicklungskapazitäten liegt für Dürr Aircraft die Chance darin, schon im Stadium der Entwicklung der Anlagen für die Fertigung in die Kooperation mit den Kunden einzusteigen. Bereits in der
Erschließung neuer Dienstleistungsfelder und Märkte
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Entwicklungsphase der Anlagen können den Kunden eigene Angebote vorgelegt und damit deutlich früher als bisher das vorhandene Know how in die Geschäftsbeziehungen eingebracht werden. Zugleich erweitert dies die Möglichkeiten, die Entwicklungsprozesse der Fertigungsplanung, deren Steuerung bei den Kunden liegt, sehr viel stärker inhaltlich zu beeinflussen. Wenn Dürr Aircraft bereits bei der Generierung von Ideen eigene Überlegungen einbringen kann, erhöht sich damit auch die Chance, für die anschließende Planungsphase einen entsprechenden Auftrag von den Herstellern zu erhalten. Während in der Ideenphase von den Zulieferern wie Dürr Aircraft erwartet wird, diese Vorleistungen unentgeltlich zu erbringen, werden die Planungsaufträge in sehr viel größerem Umfang entgolten. Die Beteiligung an den Planungsphasen erhöht wiederum die Wahrscheinlichkeit, einen Fertigungsauftrag für die sich dann anschließenden Projektphasen der Produkterstellung zu erhalten. Abhängig ist dies einmal von qualitativ hochwertigen Ergebnissen, mit denen sich Dürr Aircraft ab der Entwicklungsphase auch für die dann folgenden Projektphasen gegenüber dem Auftraggeber als zuverlässiger und kompetenter Partner profilieren kann. Außerdem entwickeln sich zwischen den beteiligten Akteuren auf Seiten der großen Hersteller und der Lieferanten persönliche Kontakte, die ebenfalls wichtig für die Vertiefung der Zusammenarbeit im weiteren Projektverlauf sind. Dieser dauerhafte informelle Austausch führt häufig dazu, frühzeitig Informationen über weitere Entwicklungsvorhaben der Kunden zu erhalten und entsprechend schnell mit eigenen Ideen und Lösungsvorschlägen reagieren zu können. Die großen Projekte, die von den Herstellern definiert werden, übersteigen in ihrem Umfang in vielen Fällen die Kapazitäten einzelner Zulieferer. Aufgrund dieser Diskrepanz zwischen Projektdimension und Lieferantenkapazität müssen auch große Zulieferer wie Dürr Aircraft eine ganze Reihe von Leistungspaketen anderer Unternehmen zukaufen und zu einem gesamten Produkt zusammenführen. Darüber hinaus nimmt vielfach die technische Komplexität der Produkte und Aufgabenpakete zu. In der Realisierungsphase der Projekte ist die Rolle von Dürr Aircraft deshalb neben den eigenen Arbeiten durch einen hohen Integrationsanteil geprägt. Dadurch gewinnen die Kooperationsbeziehungen zu kleineren Unternehmen, die bestimmte Nischen zur Fertigung kleiner Teile für die Flugzeugindustrie besetzen, an Bedeutung. Eine wesentliche Aufgabe besteht darin, diese einzelnen Komponenten aus der eigenen und der Fertigung der kleineren Zulieferer zu einem komplexen Produkt wie einer gesamten Fertigungsstraße zu integrieren. Diese neuen Potenziale zur Ausweitung der geschäftlichen Aktivitäten sind stark von produktionsnahen Dienstleistungen geprägt (planen, entwickeln, beraten, koordinieren, integrieren u. a.). Mit diesen Potenzialen steigen allerdings auch die Risiken. Einerseits verantworten die Systemlieferanten wie Dürr Aircraft die technische Integration einer Vielzahl unterschiedlicher Teilelieferungen, andererseits müssen sie als zentrale Ansprechpartner der Her-
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Eckhard Heidling, Pamela Meil
steller dafür sorgen, dass die gelieferten Auftragspakete qualitativ, logistisch und terminlich in die Herstellungsprozesse der Auftraggeber integriert werden. Ein weiterer zentraler Risikofaktor liegt darin, dass parallel mit den wachsenden Auftragsumfängen die unbezahlten Vorleistungen stark steigen und die Systemlieferanten deshalb Leistungen in erheblichem Umfang vorfinanzieren müssen. Insgesamt kommt Dürr Aircraft aufgrund dieser Entwicklungen in eine ganz neue Position. Aus einem Lieferanten von Teilen ist das Unternehmen zu einem Systemintegrator unterschiedlicher Technologien und Produkte verschiedener Zulieferer geworden, um so funktionsfähige Komplettanlagen für die Flugzeugfertigung anzubieten. Durch die Gründung einer eigenen Entwicklungsabteilung können Planungs- und Entwicklungsdienstleistungen verkauft werden, was dazu beiträgt, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Durch diese veränderten Aufgaben müssen zugleich die eigenen Arbeits- und Leistungsprozesse neu ausgerichtet werden. Nicht mehr die Fertigung einzelner Bauteile steht im Vordergrund. Vielmehr entwickelt sich die Arbeit immer stärker dahin, den Bau einer Anlage aus dem Verständnis des gesamten Fertigungsprozesses, der beim Kunden stattfindet, zu entwickeln. Erst durch diese Kenntnisse der Fertigungsprozesse und des Fertigungsumfelds des Herstellers kann Dürr Aircraft individuell angepasste Produkte anbieten und liefern. Phasen der Sachgüterherstellung Dimensionen pnDL
Prozessplanung Potential-/Stakeholderanalyse
Projektplanung
Projektsteuerung/ -änderung
Projektabschluss
Projektnachbetreuung
Personal
Dimensionen Dimen sionen
Produktentwicklung
Projektdefinition
Technik
Beratung Wartung + Service
Projektanbahnung
Organisation
Finanzen
Infrastruktur
Technische Fachplanung
Politisches Umfeld pnDL: produktionsnahe Dienstleistung
Abbildung 4. Strategische Besetzung von Feldern produktionsnaher Dienstleistungen Diese Veränderungen in der Zusammenarbeit zwischen Auftraggebern und Lieferanten in der Flugzeugindustrie sind mit einer deutlichen Zunahme produktionsnaher Dienstleistungen verbunden. In der Projektabwicklung sehr
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139
viel wichtiger werden dabei insbesondere die frühen Phasen der Anbahnung, der Definition und der Planung der Projekte. Für Dürr Aircraft liegt ein Schwerpunkt bei den planenden, beratenden und entwickelnden Tätigkeitsbereichen (vgl. Abbildung 4). Eine genauere Betrachtung dieser einzelnen produktionsnahen Dienstleistungen verdeutlicht die weit gefächerte Ausprägung dieser Bereiche. Potenzial-/Stakeholderanalyse x Rekursiver Abgleich mit den Erwartungen verschiedener Stakeholder (Kunden, Zulieferern) x Strukturierung der Aufgabenbereiche in Teilpakete x Vertragsprüfung und Risikoanalyse Beratung x Abschätzung des Applikationspotenzials von Lösungen aus anderen Märkten x Erstellung von Investitions- und Industrialisierungsplänen x Kooperative Koordination zwischen Kunden und Partnern x Projektmanagement der Planungsprojekte Prozessplanung x Identifikation der Harmonisierungspotenziale zwischen verschiedenen Werken der Kunden x Erstellung von Machbarkeitsstudien für Detaillösungen (Design for Manufacturing) Technische Fachplanung x Planung des Montageprozesses und Erstellung von Spezifikationen x Projektierung, Identifikation von Sublieferanten und Organisation des Anfrageprozesses Produktentwicklung x Vorentwicklung für neue Produkte Die Verbindung der verschiedenen Projektphasen mit den Dimensionen zeigt, dass zur Erstellung produktionsnaher Dienstleistungen weit mehr als technische Kompetenzen erforderlich sind. In allen betrachteten Projektphasen sind darüber hinaus das Know how der Beschäftigten, Kenntnisse der Organisation unternehmensübergreifender Abläufe sowie deren infrastrukturelle und finanztechnische Bedingungen von zentraler Bedeutung. Hinzu kommen
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Eckhard Heidling, Pamela Meil
politische Aspekte, die eng damit zusammenhängen, dass in die einzelnen Projekte der Flugzeugfertigung meist mehrere europäische Produktionswerke der Hersteller einbezogen sind. Dadurch beeinflussen neben technischen Fragestellungen auch politische und nationale Interessen und Kulturen die Bearbeitung der Projekte. Dies erhöht die Komplexität der Aufgaben, wobei es für Dürr Aircraft besonders darum geht, die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Bereiche, Abteilungen und Werke auf Kundenseite in den Planungen und der Abwicklung der Projekte angemessen zu berücksichtigen.
3.2
Projektmanagement als neues Feld produktionsnaher Dienstleistungen
Durch die verstärkten Kooperationen mit unterschiedlichen Partnern und die zunehmenden Integrationsleistungen wurde deutlich, dass die damit verbundenen Anforderungen nur mit einem speziell auf diese Aufgaben ausgerichteten Projektmanagement zu bewältigen sind. Deshalb entwickelte Dürr in der ersten Hälfte der 2000er Jahre ein eigenes System für das Projektmanagement. Ein solches System hatte bis dahin nicht zur Verfügung gestanden, da in den einzelnen Geschäftsbereichen die Prozessabläufe unterschiedlich organisiert waren und mit verschiedenen Werkzeugen und Programmen gearbeitet wurde. Die jeweiligen Projektbeteiligten erhielten ihre Informationen durch einzelne Dateien. Dadurch entstanden „heterogene Projektlandschaften“ mit deutlichen Mängeln bei der Verfügbarkeit, der Qualität und der Konsistenz der notwendigen Informationen. Dies führte zu einer wachsenden Unübersichtlichkeit und erhöhte die Fehleranfälligkeit in den Projekten. Außerdem bestand kaum die Möglichkeit, Lernprozesse zwischen den Geschäftsbereichen zu initiieren. Mit der Einführung des neuen Projektmanagement Systems verbesserte sich die Situation ab Mitte der 2000er Jahre deutlich. 6 Dieses System ist eine Eigenentwicklung und wurde von der Projektmanagement Abteilung bei Dürr in enger Zusammenarbeit mit den verschiedenen Geschäftsbereichen über einen Zeitraum von mehreren Jahren entwickelt. Ein zentrales Ziel des Entwicklungsprozesses bestand darin, die konkreten Erfahrungen und speziellen Problemstellungen der Projektleiter aus den einzelnen Geschäftsbereichen zu sammeln, auszuwerten und so aufzubereiten, dass sie als Grundlage für den Aufbau des Systems genutzt werden konnten. Aufgrund der weltweiten Vernetzung der Dürr Aktivitäten wird dieses Programm inzwischen flächendeckend für die Projektabwicklung in allen Ländern und Geschäftsbereichen eingesetzt. Das Programm existiert in mehreren Sprachen und wird von der
6
Vgl. dazu auch die Dürr Broschüren „Consulting. Planning. Managing“ sowie „Dürr Projects. Aus der Praxis – Für Ihr Projekt“.
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Konzernzentrale gesteuert. Vor Ort eingeführt wird das System jeweils in mehrtägigen Anwenderschulungen. Mit der Einführung wurde es erstmals möglich, das Wissen und Know how aus Projekten der unterschiedlichen Länder und Erdteile, in denen der Dürr-Konzern aktiv ist, zu bündeln und allen Nutzern zu öffnen. Dasselbe gilt für Veränderungen und Verbesserungen, die kontinuierlich zur Weiterentwicklung des Systems beitragen und von denen die Nutzer ebenfalls weltweit profitieren.
Abbildung 5. Dürr Projects – Software für das Projektmanagement Der Kern des Projektmanagement Systems besteht aus dem Tool Dürr Projects (vgl. Abbildung 5). Damit werden insbesondere vier zentrale Bereiche abgedeckt: das Protokoll- und Aufgabenmanagement, das Änderungsmanagement, das Baustellenmanagement und das Informationsmanagement in Projekten. Darüber hinaus wird das System für das Qualitätsmanagement im Unternehmen eingesetzt. Das Protokoll- und Aufgabenmanagement strukturiert in erster Linie die regelmäßigen Meetings. Für jedes Meeting wird ein Protokoll erstellt, das neben den reinen Informationen die Verteilung der Aufgaben und die getroffenen Entscheidungen enthält. Diese Protokolle werden in einer Datenbank abgelegt und sind dadurch für die Nutzer jederzeit verfügbar. In der Aufgabenliste können offene Aufgaben aus allen Meetings protokollübergreifend für das gesamte Projekt verfolgt werden. Im Änderungsmanagement werden Abweichungen von der ursprünglichen Planung festgehalten, die im Laufe des Projekts auftreten. Für diesen Bereich des Change-Managements bietet Dürr Projects eine Reihe von Instrumenten. Bei Abweichungen gegenüber dem geplanten Projektverlauf geht es zunächst darum, einen Project Change Request (PCR) durchzuführen, um das jeweilige Ereignis zu dokumentieren. Festgestellt werden die Art und der Umfang der Änderungen, deren Ursachen, damit verbundene Terminverschiebungen und zu erwartende Kosten. Anschließend wird geklärt, welche der beteiligten Akteure für die jeweiligen Änderungen verantwortlich sind. So kann es etwa sein, dass ein Lieferant bestimmte Anforderungen, die an ihn gestellt waren,
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Eckhard Heidling, Pamela Meil
nicht oder nur unzureichend erfüllt hat. In diesem Fall wird ein Project Change Supplier (PCS) erstellt. Oder der Kunde verlangt Änderungen, die bei der Auftragsvergabe nicht bekannt waren. In diesem Fall wird ein auf die neuen Kundenwünsche zugeschnittenes Customer Change Request (CCO) generiert, das andere oder zusätzliche Funktionen gegenüber der ursprünglichen Lieferung umfasst. Das Baustellenmanagement ist in zwei große Bereiche gegliedert. Der eine Bereich umfasst das Baustellentagebuch, in dem die Fortschritte der einzelnen Gewerke auf der Baustelle festgehalten werden. Im anderen Bereich werden alle offenen Punkte aufgelistet, die auf der Baustelle noch zu erledigen sind. Mit dem Informationsmanagement wird der Informationsaustausch zwischen den Projektbeteiligten dokumentiert. Auf dieser Grundlage werden projektspezifische und projektübergreifende Reports erstellt. In einem weiteren Modul für das Qualitätsmanagement werden wiederkehrende Fehler sowie Maßnahmen aus Audits projektübergreifend dokumentiert und verfolgt. In den Stammdaten werden schließlich die Basisdaten des Projekts sowie die Kontaktdaten verwaltet. In diesen Bereichen sind alle für den Projektablauf wichtigen Informationen transparent gebündelt und jederzeit eingesehbar. Dürr Projects zeichnet sich dadurch aus, dass nicht nur die Dürr Beschäftigten in den Projekten darauf Zugriff haben, sondern ebenfalls die Kunden und Zulieferer. Durch abgestufte Zugriffsrechte können sie Protokolle und Change Requests einsehen sowie die Projektfortschritte nachvollziehen. Nicht zuletzt durch diese Zugriffsmöglichkeiten haben die mit Dürr kooperierenden Unternehmen Dürr Projects intensiv kennengelernt und durchgängig sehr positiv bewertet. Nach Einschätzung von Dürr führt dies zu Wettbewerbsvorteilen, weil das Vertrauen der Kunden in die Prozesse, die mit dem Bau und der Installation der Fertigungsanlagen verbunden sind, steigt und positive Effekte für die Verkaufsaktivitäten hat. Eine weitere wichtige Folge bestand darin, dass es über die positiven Bewertungen hinaus erste Kaufanfragen für Dürr Projects gab. Dies war eine unerwartete Nebenfolge, da das Tool nur für die Dürr-interne Projektsteuerung konzipiert worden war. Aufgrund der stetig steigenden Nachfrage hat sich das Unternehmen inzwischen entschlossen, Dürr Projects als eigenständiges Produkt am Markt anzubieten. Dabei wurde deutlich, dass sich das Kundeninteresse auch auf andere Elemente des Projektmanagement Systems von Dürr richtet. Dies veranlasste das Unternehmen dazu, in der zweiten Hälfte der 2000er Jahre ein eigenes Geschäftsfeld „Projektmanagement System“ zu gründen. Angeboten wird jetzt die Einführung eines umfassenden Projektmanagementsystems, wobei dieses nicht nur auf den Maschinen- und Anlagenbau, sondern branchenübergreifend auf die gesamte Industrie ausgerichtet ist. Neben Dürr Projects umfasst das Gesamtpaket weitere Tools und Module in Bereichen wie Projektleitung, Projektmanagement-Assessment, Schulung und Coaching.
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Insgesamt zeigt diese Entwicklung einen bemerkenswerten Wandlungsprozess: ein Unternehmen, dessen Aktivitäten bisher vorwiegend auf die Herstellung und den Verkauf von Produkten ausgerichtet war, hat sein Portfolio um einen Dienstleistungsbereich erweitert, in dem Projektmanagement für eine große Bandbreite industrieller Aktivitäten angeboten wird. Dieser Dienstleistungsbereich ist nur noch indirekt mit den herkömmlichen Produkten des Maschinen- und Anlagenbaus verbunden, was auf ein weiteres wichtiges Moment dieses Wandlungsprozesses verweist. Mit dem Angebot an Instrumenten für Projektmanagement ändert sich der Charakter der Beratungsdienstleistungen. Waren diese früher ausschließlich an bestimmte technische Produkt gekoppelt, zeigt sich jetzt ein Perspektivwechsel darin, dass ganze Prozesse umfassend betrachtet, analysiert und Instrumente zu ihrer Steuerung angeboten werden. Damit ändert sich der Blick auf die Erstellung von Produkten und Dienstleistungen grundlegend: nicht das einzelne Produkt, sondern der Prozess, der die Erstellung des Produkts ermöglicht, steht im Mittelpunkt der Geschäftsaktivitäten.
4
Zusammenfassung
Wie die bisherigen Untersuchungen zeigen, stehen die Unternehmen des Investitionsgüterbereichs bei der Erstellung produktionsnaher Dienstleistungen vor einer ganzen Reihe neuer Herausforderungen. Zentral ist dabei, dass neue Konfigurationen von Dienstleistungen stark durch Änderungen der Nachfrageseite geprägt sind. Auf der Suche nach einer möglichst optimalen Konzentration auf Kernkompetenzen lagern große Unternehmen in wachsendem Umfang nicht mehr nur produzierende Bereiche, sondern auch Dienstleistungsbereiche aus. Den mit diesen Verlagerungsprozessen verbundenen zunehmenden ökonomischen und materiellen Risiken, die von Zulieferern übernommen werden müssen, stehen wachsende Potenziale gegenüber, zusätzliche Geschäftsfelder durch neue Angebote produktionsnaher Dienstleistungen zu erschließen. Notwendig ist dafür allerdings eine Loslösung von der bisher zentralen Fokussierung auf die technischen Produkteigenschaften und nur einer einzelnen Phase des Wertschöpfungsprozesses (after sales/Wartung und Service). Um ihre Chancen tatsächlich wahrzunehmen, müssen die Zulieferer vielmehr ihre Perspektive auf die gesamte Palette von Dienstleistungen ausweiten, die im Verlauf eines Wertschöpfungsprozesses zur Herstellung von Produkten zu erbringen sind. Große Chancen scheint eine proaktive Strategie beim Angebot von Dienstleistungen zu versprechen, insbesondere dann, wenn es den Zulieferern gelingt, sich gegenüber den Kunden als Prozessexperten zu positionieren. Mit den neuen Herausforderungen sind darüber hinaus umfassende qualitative Veränderungen der Arbeits- und Organisationsprozesse verbunden, da an die Stelle funktional spe-
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Eckhard Heidling, Pamela Meil
zialisierter Einzeltätigkeiten als bisher dominierender Arbeitsform mehr und mehr die abteilungs- und unternehmensübergreifende Projektarbeit tritt. Dies muss bei der Entwicklung produktionsnaher Dienstleistungen zukünftig noch sehr viel stärker berücksichtigt werden.
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Anforderungen an eine IT-unterstützte Angebotserstellung für hybride Produkte Philipp Langer Technische Universität München Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik
[email protected] Prof. Dr. Tilo Böhmann International Business School of Service Management
[email protected] Prof. Dr. Helmut Krcmar Technische Universität München Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik
[email protected]
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Hybride Produkte
Während die wirtschaftliche Bedeutung reiner Sachleistungen aufgrund der geringer werdenden Differenzierungsmöglichkeiten tendenziell abnimmt, gewinnen hybride Produkte (auch Lösungen genannt) zunehmend an Bedeutung. Hybride Produkte sind Leistungsbündel aus aufeinander abgestimmten Produkten und Dienstleistungen, die am Markt als integrierte Leistungsbündel angeboten werden (vgl. Johansson, Krishnamurthy, Schlissberg 2003). Besonderes Kennzeichen ist daher die Integration der Teilleistungen, um ein Kundenproblem zu lösen (vgl. Foote et al. 2001). Dadurch soll der Wert hybrider Produkte die Summe der Werte der einzelnen Teilleistungen übersteigen (vgl. Johansson, Krishnamurthy, Schlissberg 2003; Burianek, Bonnemeier, Reichwald 2007). Neben der Möglichkeit zur Differenzierung können hybride Produkte auch eine stärkere Integration in die Wertschöpfungsaktivitäten der Kunden erschließen. Ein Anbieter hybrider Produkte übernimmt dabei Verantwortung für die nachgelagerten Aktivitäten in der Wertkette von Produkten, z. B. bei der Integration von Produkten zu komplexen Systemen, bei der Bereitstellung und dem Betrieb solcher Systeme oder sogar bei der Ausführung von Geschäftsprozessen des Kunden mit diesen Systemen. Dies erfordert gleich-
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zeitig einen Wandel des Anbieters von transaktionalen zu relationalen Beziehungsformen mit den Kunden (vgl. Galbraith 2002). Die Ausprägung dieser Leistungsbündel kann dabei sehr unterschiedlich sein. So gibt es einerseits einfache Wartungsverträge, die gemeinsam mit Maschinen verkauft werden und andererseits den Verkauf von Leistungsergebnissen, verbunden mit Service-Level-Agreement (SLA) Garantien (vgl. Burianek, Bonnemeier, Reichwald 2007; Kersten, Zink, Kern 2006). Anbieter versprechen sich durch die Übernahme nachgelagerter Wertschöpfungsaktivitäten höhere Umsätze und durch die Differenzierung höhere Gewinne. Besonders hohe Relevanz besitzen hybride Produkte in der IT-Branche. Dort ist das Angebot kundenspezifischer Leistungsbündel aus Hardware, Software und Dienstleistungen weit verbreitet (vgl. Böhmann, Taurel, Krcmar 2006). Ein Beispiel für solche IT-Leistungen sind der Betrieb, die Wartung und der Support einer großen VoIP-Telefonanlage.
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Der Lebenszyklus hybrider Produkte
Die Betrachtung von hybriden Produkten als integriertes Bündel von konfigurierbarer Hardware, Software und Dienstleistungen ist jedoch eine eher anbieterorientierte Sicht auf kundenspezifische Problemlösungen. Es ist vor allem eine Herausforderung für Anbieter, diese unterschiedlichen Leistungsarten zu einem Gesamtangebot zu integrieren. Auf Grundlage einer empirischen Studie wird diese Sicht als immer noch einer produktorientierten Denkweise verhaftet kritisiert (vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007). Die Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass vielmehr eine prozessorientierte Sicht den Erwartungen der Kunden entspricht. Für die überwiegende Mehrzahl der Kunden stehen bei hybriden Produkten die interaktiven Prozesse der „Definition von Kundenanforderungen“, der „Anpassung und Integration“, der „Inbetriebnahme“ und der „Unterstützung nach der Implementierung“ eines hybriden Produkts entlang ihrer Geschäftsprozesse im Vordergrund des Interesses (vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007). Besonders die unterstützenden Prozesse der Identifikation von Kundenanforderungen und die Unterstützung nach der Implementierung werden von Kunden als mitentscheidend für den Erfolg eines hybriden Produkts eingestuft (vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007). Die Gefahr der produktorientierten Sicht liegt darin, dass die Bedeutung dieser Prozesse nicht erkannt wird und in der Folge unzufriedenen Kunden und eine insgesamt geringere Profitabilität des hybriden Produkts zu erwarten ist (vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007). Diese Anforderungen an hybride Produkte führen zu einer weiter gefassten Definition, die die Kundensicht berücksichtigt (vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007): Ein hybrides Produkt ist eine Menge von relationalen Kunden-Anbieter-
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Prozessen, die die Kundenanforderungsdefinition, die Konfiguration und Integration von Produkten und/oder Dienstleistungen, die Implementierung und die Betreuung nach der Implementierung des hybriden Produkts beinhaltet und die alle darauf zielen, die Geschäftsbedarfe eines Kunden zu erfüllen. Im Folgenden werden die vier Prozesse, sowie ihre spezifischen Anforderungen und Problemstellungen kurz diskutiert. Der Prozess „Definition der Kundenanforderungen“ ist aus mehreren Gründen sehr komplex. In der Regel kennen die Kunden ihre Anforderungen selbst nicht vollständig (vgl. Rupp 2007). Deswegen sollte der Anbieter in der Lage sein, mehreren Adressaten beim Kunden die richtigen Fragen zu stellen und so alle bekannten und unbekannten Bedürfnisse identifizieren. Weiterhin muss der Anbieter das Umfeld und die Situation (Geschäftsmodelle, Geschäftsprozesse, …) des Kunden verstehen, sowie zukünftige Bedürfnisse antizipieren (vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007). Der Prozess „Anpassung und Integration“ ist wichtig, weil in dem Prozess die auf der Kundenanforderungsdefinition basierende Auswahl und Anpassung geeigneter Produkte und Dienstleistungen stattfindet. Bei der Auswahl der richtigen Komponenten und Dienstleistungen muss der Anbieter außerdem darauf achten, dass diese kompatibel sind und sich optimal ergänzen (vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007). Der Prozess „Inbetriebnahme“ ist ebenfalls integraler Bestandteil des hybriden Produkts. In diesem Prozessschritt muss der Anbieter beweisen, dass er die konzeptuelle Vorarbeit tatsächlich in ein hybrides Produkt für den Kunden umsetzen kann (Roll-Out). Er muss darauf vorbereitet sein, dass er seine Lösung an neue vorher unbekannte Anforderungen, die z. B. durch einen Technologiewechsel hervorgerufen sind, anpassen muss. Um den Wert seines hybriden Produkts zusätzlich zu erhöhen sollte der Anbieter außerdem eine möglichst hohe Akzeptanz in der Belegschaft des Kunden erreichen. Diese kann er z. B. durch Training und intensive Anwenderbetreuung erhöhen (vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007). Einer der wichtigsten Prozesse aus Kundensicht ist die „Unterstützung im Betrieb“, d.h. die Betreuung des Kunden nach erfolgter Implementierung des hybriden Produkts. Unterstützung bedeutet für die Kunden mehr als nur die Bereitstellung von Incident- und Problem-Management oder die Lagerhaltung von Ersatzmaterial. Es ist Aufgabe des Anbieters, sein Produkt während der Laufzeit der Lösung iterativ zu verbessern, sei es aufgrund eines besseren Verständnisses der Kundenprozesse oder aufgrund eines technologischen Wechsels (vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007).
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Fallstudie: Der Lebenszyklus hybrider Produkte bei GAMMA
Zu Beginn dieses Kapitels wird zunächst der Fallstudienpartner GAMMA vorgestellt. Die GAMMA GmbH zählt sich zu einer der weltweit führenden Anbieter für offene Kommunikationslösungen und -services. Mehr als 10 000 Mitarbeiter weltweit entwickeln und realisieren ein zukunftsweisendes und an den IT-Anforderungen der Kunden ausgerichtetes Portfolio von Produkten und Dienstleistungen zur Optimierung von Geschäftsprozessen. Die angebotenen Leistungen reichen vom Endgerät bis zum weltweiten Firmennetzwerk, basieren auf offenen Standards und sind in bestehende Infrastrukturen integrierbar. Aufgrund der immer größer werdenden Konkurrenzsituation auf dem ITund Telekommunikationsmarkt ist GAMMA bestrebt einen Wandel vom Standard-Produktanbieter zum Anbieter von hybriden Produkten zu vollziehen. GAMMA sieht in der Kombination von Produkt und Dienstleistung einen erhöhten Kundenwert und möchte sich deswegen über die Bereitstellung von besonders kundenorientierten Lösungen von der Konkurrenz absetzen. Die folgende Fallstudie beschreibt daher an Hand des Lebenszyklus hybrider Produkte bei GAMMA die Herausforderungen hybrider Produkte. Daran anschließend erfolgt die Ableitung von Anforderungen für die IT-Unterstützung des Lebenszyklus. Die zentral betrachtete Phase in dieser Arbeit ist die „Angebotserstellung“. Im hybriden Lebenszyklus schließt sie an die für Kunden unsichtbare „hybride Produktentwicklung“ an. Das Ergebnis der „hybriden Produktentwicklung“, der modulare Leistungskatalog wird als Input für das Angebot benötigt. Zu den nachgelagerten Phasen „Implementierung“, und „Unterstützung im Betrieb“ existieren ebenfalls Schnittstellen, die in der weiteren Arbeit beschrieben werden. Die Fallstudie hat gezeigt, dass die Informationen, die in den einzelnen Phasen gesammelt und genutzt werden, in den jeweils anderen Phasen sinnvoll zur Weiterentwicklung des hybriden Produkts eingesetzt werden können. So ist z. B. die Integration der Zeitabrechnung einzelner Dienstleistungen in der Phase „Unterstützung im Betrieb" zentraler Bestandteil der Kalkulation des hybriden Produktmoduls, das diese Leistungen in der „Angebotsphase“ enthält. hybr. Produkt-
Angebots-
Implemen-
Unterstützung
entwicklung
erstellung
tierung
im Betrieb
Abbildung 1. Der Lebenszyklus hybrider Produkte bei GAMMA
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Die hybride Produktentwicklung als Basis für die Angebotserstellung
Ein wesentliches Merkmal hybrider Produkte ist die hohe Kundenorientierung bis hin zum Angebot kundenindividueller Leistungsbündel. GAMMA strebt an, die Kundenorientierung durch einen modularisierten, standardisierten und ITIL zertifizierten Leistungskatalog, der in vielen Ländern unter Einhaltung der gleichen Qualitäts- und Servicemerkmale angeboten wird, zu erreichen. Die Standardisierung wird dabei zur Sicherung der Profitabilität von Lösungen bzgl. der nicht-differenzierenden Teilleistungen als notwendig angesehen (vgl. Sawhney 2006). Aus der Fallstudie ergibt sich folgendes Beispiel: Im Angebot der GAMMA gibt es verschiedene optionale Produktmodule, wie z. B. „Telefon High-End“ und „Telefon Basic“ (alle Produktnamen sind entfremdet). Je nachdem für welches Modul sich der Kunde entscheidet, stehen ihm weitere kompatible Module und mögliche Dienstleistungen zur Auswahl bzw. ändern sich der Preis und verfügbare Service Level Agreements (SLA). Wählt der Kunde nun das höherwertige Modul „Telefon High-End“, so kann er zusätzlich die Module „Voice Box“ oder „UMS“, sowie „Konfigurationsänderung Ferne“ auswählen. Hätte er „Betrieb Basic“ gewählt, so hätte er nur „Voice Box“ und „Konfigurationsänderung vor Ort“ zur Auswahl gehabt. Zwar dokumentiert sich damit bei GAMMA eine Abstimmung von Produkten und Dienstleistungen, doch ist die Struktur des Leistungsangebots und damit auch die Arbeitsfolge in der Angebotserstellung produktzentriert. Erst nach Abschluss der Konfiguration des technischen Telefoniesystems können dazu passende Dienstleistungen ausgewählt werden. So erfolgt beispielsweise die Wahl der zusagbaren SLA am Ende des Konfigurationsprozesses. Denkbar ist jedoch, dass bei der Konfiguration der Dienstleistungsbestandteile integrierte Anforderungen und Ziele für die Gesamtlösung verletzt werden, z. B. wenn ein angestrebter Preis pro Arbeitsplatz, oder eine geforderte Servicequalität nicht mit der Gesamtlösung erreicht werden. Dann muss erneut mit der Produktkonfiguration begonnen werden, um ggfs. auch andere Servicekonzepte wählen zu können. Auch die Abstimmung der Dienstleistungen auf bereits vorhandene Systeme des Kunden, die in die Gesamtlösung integriert werden müssen, wird so erschwert. Damit werden bei GAMMA aus der hybriden Produktentwicklung derzeit Produkte mit abgestimmten produktnahen Dienstleistungskomponenten geliefert und noch keine vorkonfigurierten Lösungsangebote, die eine Angebotserstellung ausgehend von der Problemstellung des Kunden und seinen Anforderungen an das Preis- und Qualitätsniveau von Kommunikationsdiensten erlauben.
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3.2
Die Angebotserstellung hybrider Produkte
Die Phase der Angebotserstellung besteht bei GAMMA aus mehreren Subprozessen. Sie beginnt bei der wichtigen Identifikation von Kundenproblemen, des Kundenumfelds und soweit möglich vom Kunden formulierter Anforderungen (vgl. Tuli, Kohli, Bharadwaj 2007). Diese Informationen müssen in einem iterativen Prozess ausgewertet und in ein Lastenheft übersetzt werden. Im Anschluss muss das Lastenheft in mehrere optionale für den Kunden konkrete Konfigurationsvorschläge verarbeitet werden. Nach Sichtung der Vorschläge muss der beste ausgewählt und als Angebot für den Kunden formuliert werden. Der Konfiguration müssen im Vertrag weiterhin Eigenschaften wie SLA, Preis und Vertragsdauer hinzugefügt werden. Der Prozessschritt „Kundenanforderungen identifizieren“, der gleichzeitig entscheidend für die Qualität des Angebots ist, stellt bei GAMMA hohe Anforderungen an die Mitarbeiter. Bei Lösungsangeboten benötigen Sie sowohl ein Verständnis für die Anwendungsdomäne der Kommunikationsdienste, z. B. in Form von Kenntnissen über die Branche und typische Geschäftsprozesse der Kunden. Darüber hinaus erfordert die Konzeption von Kommunikationssystemen Wissen über die technische Architektur, insbesondere dann, wenn Service-Level-Agreements über Verfügbarkeit und Antwortzeiten eines Systems geschlossen werden sollen. Schließlich müssen die Mitarbeiter auch die Leistungsangebote, bestehend aus Hardware-, Software- und Dienstleistungen, beherrschen, um sie für das Angebot aufeinander abstimmen zu können. Nur mit diesem Wissen können die Anforderungen des Kunden umfassend erfasst und in ein Angebot umgesetzt werden. Ein weiterer Faktor, der bei GAMMA Einfluss auf die Komplexität der Phase Angebotserstellung hybrider Produkte hat, ist die Kundengröße und damit das Geschäftsrisiko. GAMMA hat eine Unterteilung in vier Segmente „Angebotsprojekt klein indirekt“, „Angebotsprojekt KMU direkt“, „Angebotsprojekt Großkunden“ und „Angebotsprojekt Global“ vorgenommen. Die Größe der Angebotsmannschaft (Bid-Team), aber auch die Befugnisse des Einzelnen hängen von der Auswahl des entsprechenden Segments ab. Während im „Angebotsprojekt klein indirekt“ ein Vertriebsangestellter bzw. Wiederverkäufer mehrere Rollen wie z. B. Account-Manager und Bid-Manager einnimmt, sind diese Rollen im „Angebotsprojekt KMU“ bereits getrennt. Zusätzlich müssen bei sehr komplexen Angeboten der Kategorie „Angebotsprojekt Großkunden“ und „Angebotsprojekt Global“ Abteilungen aus dem Hauptquartier (in Abbildung 2 untere Hälfte) von GAMMA in den Prozess mit einbezogen werden. Im Folgenden sollen die in Abbildung 2 gezeigten Rollen beschrieben werden, um die Komplexität des Angebotsprozesses hybrider Produkte zu veranschaulichen.
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Der Bid-Manager ist der Projektleiter für das Angebot. Seine Aufgabe besteht in der Planung, Leitung und Kontrolle des Projekts. Er bildet weiterhin die Schnittstelle zwischen Kunde und Bid-Team und ist dafür verantwortlich, dass alle relevanten Informationen für die jeweilige Zielgruppe zugänglich und aktuell sind. Unterhalb des Bid-Managers gibt es eine Managementebene, die für die einzelnen Sub-Teams verantwortlich ist. Teillösungen, die z. B. von Service-Experten im DL-Team entworfen werden, müssen an Vertragsexperten weitergereicht und als Preisinformationen aufbereitet werden, so dass sie dann in die Gesamtkalkulation mit einfließen. Neben der interdisziplinären Zusammenarbeit muss das Angebot auch auf Redundanzen innerhalb einer Abteilung, z. B. im System Engineering Team geprüft werden, weil die Komplexität des Angebots in vielen Fällen zu inhaltlichen Lücken oder Überschneidungen der Angebotsmodule führt. Bei sehr großen Projekten werden Entscheidungen bis hoch zum Zentralvorstand der GAMMA getroffen. Die dafür nötige Klassifikation in Risikogruppen nimmt der Risiko Manager aus der Unternehmenszentrale vor. Kunde
Zentrale Rolle im Angebotsprozess Bid-Manager
Dienstleistung
Technik
Preis & Vertrag
DL-Team
Technik-Team
Vertragsraum
Unterstützende Rollen aus der Unternehmenszentrale
Finanzspezialist
Risiko-Manger
...
Abbildung 2. Rollen im Angebotsprozess hybrider Produkte bei GAMMA Auch in dieser Phase wird besonders bei der Zusammensetzung des BidTeams deutlich, dass die eigentlich für hybride Produkte geforderte Integration von Produkt und Dienstleistung nur bedingt aus der Produktentwicklung übernommen werden kann, weil die Verantwortung für die Angebotserstel-
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lung nach Leistungsarten organisiert ist. So gibt es auch hier Teams, die sich speziell um die Produktkonfiguration (Technik-Team) kümmern und andere Teams, die mit der Anpassung der Dienstleistung an das gewählte Produkt beauftragt sind. Eine Integration der Produkte und Dienstleistungen erfolgt damit letztlich kundenspezifisch in diesem Team. Ein weiteres Problem bei der aktuellen Aufteilung stellt die Vernachlässigung von Softwarelösungen dar. Software hat als immaterielles Gut andere Anforderungen als Hardware, da sie z. B. nicht gelagert und gezählt werden kann. Weiterhin ergeben sich aus lizenzrechtlichen Gründen zusätzliche Problemstellungen, etwa das bestimmte Konstellationen aus Soft- und Hardware nicht zulässig sind. Mit wachsendem Risiko sollten zusätzlich Kompetenzen in der Softwareverwaltung aufgebaut und gepflegt werden, etwa indem das Technik-Team in ein Hardware- und ein Software-Team aufgeteilt wird. Dadurch sollen die jeweiligen Anforderungen und die entsprechenden Aufgaben besser erfasst werden. In dieser nach Leistungsarten organisierten Angebotserstellung ist insbesondere die Abstimmung von integrierten Qualitätszusagen für die Betriebsphase in Form von SLA eine Herausforderung. In diesem Zusammenhang muss das Bid-Team z. B. die Einflussmöglichkeiten des externen Faktors (Kunde/externe Lieferanten) auf die Leistungserbringung ermitteln und gegebenenfalls beschränken. So können bindende Qualitätszusagen wie z. B. End-toEnd Verfügbarkeit nur dann gegeben werden, wenn GAMMA die gesamte Leistungsdomäne unter seiner Kontrolle hat und im Notfall Maßnahmen zur Einhaltung der Qualitätszusagen unternehmen kann. Darüber hinaus muss für die Zusage von Service-Levels das Zusammenspiel der technischen Konfiguration mit den Serviceprozessen sichergestellt werden, damit die Kombination der Produkte und Dienstleistungen einen ausreichenden Qualitätsstandard und gegenseitige Integration bietet, um die gewünschte SLA-Eigenschaft zu gewährleisten. Ein besonderes Problem der Preisfindung in einem produktzentrierten Angebotsprozesses für hybride Produkte besteht in der Erfahrung von GAMMA in den unterschiedlichen Wirkungen von Preisnachlässen, die gesamthaft für ein integriertes Leistungsbündel verhandelt werden, aber häufig unterschiedlich auf die Deckungsbeiträge von Produkten und Dienstleistungen wirkten, weil die Preisuntergrenze von Dienstleistungen häufig höher als die von Produkten liegt. Die Notwendigkeit für integrierte Kalkulationsmodelle entsteht vor allem, wenn neue Preismodelle zur Anwendung kommen sollen. Dazu zählt für GAMMA das „usage based pricing“ (vgl. Harmon, Raffo, Faulk 2005; Hünerberg, Hüttmann 2003). Bei diesem Modell bezahlt der Kunde einen verbrauchsabhängigen Preis, z. B. die Gesamtanzahl der vertelefonierten Minuten über einen bestimmten Zeitraum oder die Zahl der Endpunkte. Hier ist die Abstimmung der Preisfindung für Produkte und Dienstleistungen zwingend.
IT-unterstützte Angebotserstellung für hybride Produkte
3.3
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Die Schnittstellen der Angebotsphase zu den nachgelagerten Prozessen
Sobald der Vertrag abgeschlossen wird, werden bei GAMMA Vorbereitungen für die Durchführung der vereinbarten Leistungen getroffen. Die Verantwortung für das Projekt wird vom Bid-Manager an den Operations-Manager übergeben. Dabei werden die vereinbarten Leistungen noch einmal intern klargelegt. Im Anschluss daran folgt die detaillierte Planungsphase, bei der die Zuweisung von vertraglich vereinbarten Modulen in durchzuführende Aktivitäten erfolgt, sowie die dafür benötigten Ressourcen für die entsprechenden Zeiträume reserviert werden. Sobald die Aufgaben verteilt sind, beginnt die Inbetriebnahme. Bei GAMMA erfolgt die nötige Umsetzung der Vertragsinhalte in konkrete Leistungen manuell, da an dieser Stelle ein Medienbruch auftritt. Aus Sicht von GAMMA besteht hier die Gefahr, dass bei der manuellen Übernahme Fehler z. B. aufgrund mangelnder Information bestehen und in der Folge einzelne Vertragsvereinbarungen wie SLA nicht eingehalten werden können. Sobald die aus dem Change Management bekannten Anfangsprobleme gelöst sind wird die zweite Teilphase, der Regelbetrieb etabliert. In Zusammenhang mit der Angebotsphase ist es für GAMMA wichtig, darauf zu achten, dass für alle Aktivitäten der Mitarbeiter, die mit einem mit dem Kunden vertraglich vereinbarten Modul stehen, Protokolle angefertigt werden. So werden alle benötigten Servicezeiten im System rückverfolgbar und damit kann z. B. die Kalkulationsgrundlage (kostenbasiert) der Module immer aktuell gepflegt werden. Weiterhin werden Qualität belegende Informationen aus dem Betrieb für die Erstellung von Referenzlisten benötigt. Diese Referenzlisten werden im Angebotsprozess für den Aufbau des Kundenvertrauens in die Kompetenz des Anbieters eingebracht.
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Fallstudie: IT-Anforderungen im Angebotsprozess hybrider Produkte
Aus der Betrachtung der Angebotsphase und den damit verbundenen vorund nachgelagerten Phasen lassen sich einige wichtige Anforderungen an ein unterstützendes IT-System ableiten. Im Folgenden sind in diesem Artikel nur solche Anforderungen berücksichtigt, die Auswirkungen auf den Angebotsprozess hybrider Produkte haben. Dabei wird zwischen Anforderungen unterschieden, die den Angebotsprozess selbst betreffen und Anforderungen, die inhaltliche Themen im Prozess aufgreifen
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4.1
Anforderung an die Prozessunterstützung des Angebotsprozesses
Die Beobachtung bei GAMMA hat gezeigt, dass ab einer bestimmten Angebotsgröße bzw. ab einem bestimmten unternehmerischen Risiko mehrere interdisziplinäre Teams bei der Erstellung eines Angebots zusammenarbeiten müssen. Neben der eindeutigen Definition der In- und Outputs einzelner Prozessschritte sollte eine Kommunikationsplattform zur Verfügung gestellt werden, die die Zusammenarbeit der Teams vereinfacht. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die unterschiedlichen Teams eine unterschiedliche Sicht auf die gleichen Daten benötigen, weil sie unterschiedliche Rollen ausfüllen und somit mit unterschiedlichen Rechten ausgestattet werden müssen. Weiterhin müssen gerade bei sehr großen Angeboten die räumliche Trennung und die Zeitverschiebung der Teams (lokal ansässiges Unternehmen und Unternehmenszentrale) beachtet werden. Die Einführung einer neuen Kommunikationsplattform hat einen großen Einfluss auf die gelebten Arbeitsprozesse im Angebotsteam. Damit eine neue Plattform akzeptiert wird müssen zusätzlich Schulungen für die Mitarbeiter durchgeführt werden, um die Vorteile und die richtige Anwendung zu verdeutlichen. Außerdem sollte die Einführung der neuen Plattform als Technochange-Projekt durchgeführt werden, um die gelebten Arbeitsprozesse durch neue zu ersetzen. So könnte z. B. verlangt werden, dass Ergebnisse nicht mehr in Excel-Dokumente, sondern in Web-Formulare eingetragen werden müssen. Die kundenindividuelle Anpassung steht im Vordergrund der Angebotsprozesse hybrider Produkte. Daraus folgt, dass zusätzliche Informationsbedarfe entstehen, die nicht von Standard-Informationssystemen für Produkte und Dienstleistungen erfüllt werden können. Um diese besonderen Informationen zur Verfügung stellen zu können, sollte eine Lebenszyklusdatenbank (LifeCycle Management Database – LCMDB) für hybride Produkte gepflegt werden. Dies würde eine Kombination der Standarddaten mit kundenspezifischen Lösungsdaten ermöglichen und die Steuerung und Kontrolle von kundenindividuellen Projekten erleichtern. Beobachtetes Problem Große, interdisziplinäre und räumlich verteilte Teams Keine Erfassung erweiterter, kundenspezifischer Informationsbedarfe
Abgeleitete Anforderung Gemeinsame Kommunikationsplattform (inkl. Dokumentenmanagement, virtuelle Räume) Lebenszyklusdatenbank für hybride Produkte
Tabelle 1. Zusammenfassung – Anforderung Prozessunterstützung
IT-unterstützte Angebotserstellung für hybride Produkte
4.2
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Anforderung an die inhaltliche Unterstützung des Angebotsprozesses
Wie bereits dargestellt ist die Grundlage für die Angebotserstellung hybrider Produkte die Existenz eines aus hybriden Modulen aufgebauten Leistungskatalogs. Der Katalog enthält standardisierte und begrenzt konfigurierbare Module, die miteinander kombiniert werden können, sofern sie kompatibel sind. Ein Modul selbst ist aus einer integrierten Kombination von Produkten und den dazu gehörenden Dienstleistungen, den sogenannten DeliveryElements aufgebaut. In dem Beispiel in Abbildung 3 ist diese Zuordnung beschrieben. Das hybride Modul VoIP-Telefonanlage High-End besteht u. a. aus den Delivery-Elements „SWA: VoiP High-End Software“, „S: Installation HE“, etc. Zusätzlich verfügt jedes Delivery Element über definierte Schnittstellen, so dass die Abhängigkeiten zwischen den Delivery Elementen eindeutig bestimmt werden können. Für die Abbildung der Service-Level-Agreements (SLA) auf das aus Modulen kombinierte hybride Produkt ist in jedem Delivery-Element ein Punkte-System, sowie eine Abhängigkeitsmatrix zu weiteren Modulen hinterlegt, mit dem die max. möglichen SLA ermittelt werden können. Für die Erstellung und Pflege eines solchen Leistungskatalogs wird eine entsprechende Softwareapplikation benötigt, die mit der LCMDB verbunden sein muss. Weiterhin muss die Applikation die Wartung und damit die Übersicht über die vorhandenen Module und Delivery-Elements vereinfachen sowie Management-Informationen bereitstellen. In der Phase der Angebotserstellung gibt es mehrere Möglichkeiten der Prozessunterstützung durch die IT. Wie bereits in den vorherigen Kapiteln beschrieben ist die Identifikation von Kundenanforderungen eine Kernkompetenz im Angebotsprozess. Zur Unterstützung dieser Aufgabe sollte es für jedes Angebotselement einen erweiterten elektronischen Fragebogen geben. Ein Angebotselement ist ein Teil des gesamten Leistungskatalogs, der ein bestimmtes Thema/Angebot abdeckt. Im Beispiel GAMMA gibt es unter anderem die Angebotselemente Managed VoIP Telefonanlage oder Managed Telefonendgerät (vgl. Abbildung 3). Durch den Fragebogen sollen alle Fragen bzgl. des konkreten Angebotselements abgefragt werden, um ein möglichst vollständiges Gesamtbild der Kundenanforderungen in dem Angebotsteil zu erhalten. Für das Angebotselement Managed VoIP Telefonanlage müsste z. B. abgefragt werden, wie viele Nutzer gegenwärtig und in Zukunft damit arbeiten sollen, welche Funktionalität durch die Anlage bereitgestellt werden soll (z. B. Telefonbuch), welche weiteren Applikationen z. B. zur Abwicklung von E-Mails oder CRM eingesetzt werden, usw. Im Hintergrund der Anforderungsapplikation sollte ein Regelbaum zu den Fragen erstellt werden, der es ermöglicht, die erhaltenen Informationen in Leistungsmerkmale zu übersetzen. Leistungsmerkmale sind z. B. „SMS schreiben möglich“ oder „Konferenzen schalten“. Die Leistungsmerkmale sind jeweils mit Delivery-Elements in
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einer n:n Beziehung verbunden, so dass zu einem Leistungsmerkmal mehrere Delivery-Elemente passen können und umgekehrt. Als Ergebnis soll dann eine Auswahl von hybriden Produktkonfigurationen erzeugt werden, die den Kundenanforderungen entsprechen.
Managed VoIPTelefonanlage
Managed Telefonendgerät
Offering-Elements
Managed VoIP Anlage High-End (bis zu 10.000 Teilnehmer)
Managed VoIP Anlage MidRange (bis zu 1000 Teilnehmer)
Managed VoIP Anlage Basic (bis zu 100 Teilnehmer)
Hybride Module
HW: IBM Server Netfinity-Serie
SWA: VoiP Gigaline Software
HW: High-End Pack
S: Installation HE
S: Betrieb HE
Delivery-Elements für Managed VoIP Anlage High-End
Abbildung 3. Die Modularchitektur hybrider Produkte (Schema) Weiterhin sollte es möglich sein, zu den technischen Konfigurationen kompatible Preismodelle zu finden. So muss z. B. ermittelt werden können, ob für ein bestimmte Konfiguration, Value based Pricing oder Usage based Pricing verfügbar sind und welche Preisuntergrenze nicht unterschritten werden darf. Die Kosten der Module müssen periodisch mit den Kosteninformationen, die in der Leistungserbringung (z. B. Stundensätze/Einsatzdauer) aktualisiert werden, abgeglichen werden. Weiterhin sollten weiche Kriterien, wie unternehmenspolitische Entscheidungen in die Preisbildung einfließen können, etwa weil ein bestimmter Kunde für die Zukunft gewonnen werden soll und hier zusätzliche Werbungskosten von der Marketingabteilung zur Verfügung gestellt werden können. Zwischen dem Angebotsprozess und den nachgelagerten Prozessen sollte eine Schnittstelle erstellt werden, die die automatische Übernahme der Informationen in den Betrieb erlaubt um Medienbrüche zu verhindern und Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten. Weiterhin sollte eine Softwareapplikation zur Verfügung gestellt werden, mit dem für die Erbringung nötige Arbeitspläne und Konfigurationsdateien automatisch erstellt werden können. Im Betrieb sollte es möglich sein Stunden nach Modulen aufgeschlüsselt eintragen zu können um ihre Profitabilität zu bewerten. Weiterhin sollten Protokolle der durchgeführten Tätigkeiten erstellt und besondere Ereignisse und
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Probleme vermerkt werden können. Diese Informationen dienen den Katalogingenieuren dazu, falsche und/oder fehlende Abhängigkeiten im Leistungskatalog zu berichtigen. Weiterhin müssen die Techniker den Kundenkontakt über ein Schulnotensystem bewerten. Dadurch soll es bei späteren Verhandlungen zu Vertragsverlängerungen besser möglich sein, den Kunden und das Leistungsumfeld nach verschiedenen Kriterien einzustufen. Beobachtetes Problem Ohne Modularisierung können Skaleneffekte nur schwer erzielt werden Die Qualität der identifizierten Kundenanforderungen ist abhängig vom Mitarbeiter Der mit dem Kunden verhandelnde Mitarbeiter kann den Kundenwert des hybriden Produkts nur schwer einschätzen Medienbruch bei der Transformation von Vertragsinhalten in Leistungen Die Module können nicht auf ihre Leistungsfähigkeit hin eingeschätzt werden Keine Schnittstelle zur Modulentwicklung
Abgeleitete Anforderung Erstellung und Verwaltung eines aus modularen hybriden Modulen aufgebauten Leistungskatalogs Elektronische Abfrage der Kundenanforderungen und Übersetzung in passende Modulkonfigurationen Es wird eine Plattform benötigt, die die Ermittlung des Kundenwerts hybrider Produkte unterstützt Automatische Übernahme der Vertragsinhalte in Arbeitspläne und Ressourcenbelegung Aktualisierung von Modulstammdaten während des Betriebs Erstellung einer Kommunikationsschnittstelle zu den Entwicklungsingenieuren
Tabelle 2. Zusammenfassung – Anforderungen inhaltliche Unterstützung
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Diskussion und Ausblick
Die Fallstudie hat gezeigt, dass der Angebotsprozess für hybride Produkte, u. a. durch die explizit geforderte hohe Kundenspezialisierung sehr komplex und von zentraler Bedeutung im Lebenszyklus hybrider Produkte ist. Die Integration der Leistung auf die besonderen Kundenbedürfnisse und somit der vergleichbar höhere Kundenwert hybrider Produkte wird erst im Verlauf des Angebotsprozesses erzeugt. Der Anpassungsprozess erfordert folglich ein tiefes Verständnis der besonderen Kundensituation. Diese Anforderung führt in den meisten Fällen dazu, dass im Prozess interdisziplinäre Teams unterschiedlicher Größe an der Angebotserstellung arbeiten. Wenn es einerseits gelingt die Zusammenarbeit effizienter zu gestalten und andererseits Mitarbeitern mit Kundenschnittstelle ein Werkzeug für Wissensmanagement, so-
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wie einen modularisierten und konfigurierbaren hybriden Produktkatalog bereitzustellen, so kann der Prozess nach Meinung der Autoren in wesentlichen Teilen beschleunigt werden. Diese These soll in zukünftigen Arbeiten nachgewiesen werden.
Literaturverzeichnis Böhmann T., Taurel W., Krcmar H. (2006): Paketierung von IT-Dienstleistungen: Chancen, Erfolgsfaktoren, Umsetzungsformen. Technische Universität München, Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik. Burianek F., Ihl C., Bonnemeier S., Reichwald, R. (2007): Typologisierung hybrider Produkte. Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre – Information, Organisation und Management. München. Foote N. W., Galbraith J., Hope Q., Miller D. (2001): Making solutions the answer. The McKinsey Quarterly, 3, S. 84. Galbraith J. R. (2002): Organizing to deliver solutions. Organizational Dynamics, 31 (2), S. 194-207. Harmon R., Raffo D., Faulk S. (2005): Value-based Pricing For New Software Products: Strategy Insights for developers. http://cpd.ogi.edu/MST/CapstoneSPR2005/ VBSP.pdf. Datum des Zugriffs: 2008-02-02. Hünerberg R., Hüttmann A. (2003): Performance as a Basis for Pricesetting in the Capital Goods Industry. European Management Journal, 21 (6), S. 717–730. Johansson J. E., Krishnamurthy C., Schlissberg H. E. (2003): Solving the solutions problem. McKinsey Quarterly, S. 116-125. Kersten W., Zink T., Kern E.-M. (2006): Wertschöpfungsnetzwerke zur Entwicklung und Produktion hybrider Produkte: Ansatzpunkte und Forschungsbedarf. In: Blecker T., Gemünden H.-G. (Hrsg.): Wertschöpfungsnetzwerke. Festschrift für Bernd Kaluza. Berlin. Rupp C. (2007): Requirements-Engineering und -Management: Professionelle, iterative Anforderungsanalyse für die Praxis. Heidelberg. Sawhney M. (2006): Going Beyond the Product: Defining, Designing and Delivering Customer Solutions. In: Lusch R., Vargo S. (Hrsg.): Going Beyond the Product: Defining, Designing and Delivering Customer Solutions. Armonk, NY. Tuli K., Kohli A., Bharadwaj S. (2007): Rethinking Customer Solutions: From Product Bundles to Relational Processes. Journal of Marketing, 71, S. 1–17.
TCO-as-a-Service – Servicebasierte Lebenszyklusrechnung für hybride Leistungsbündel Jörg Becker Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS)
[email protected] Daniel Beverungen Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS)
[email protected] Ralf Knackstedt Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS)
[email protected] Oliver Müller Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS)
[email protected] Steffen Müller Westfälische Wilhelms-Universität Münster
[email protected]
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Jörg Becker et al.
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Bedeutung der Lebenszyklusrechnung für hybride Leistungsbündel
Aufgrund der Rückläufigkeit bzw. Stagnation des Sachleistungsgeschäfts und zunehmenden Preis- und Wettbewerbsdrucks sehen sich Investitionsgüterhersteller zunehmend veranlasst, Sachleistungen mit Dienstleistungen zusammen in aufeinander abgestimmten Leistungsbündeln anzubieten (vgl. Böhmann, Krcmar 2007; Fitzsimmons, Fitzsimmons 2001). Von der Integration von Sach- und Dienstleistungen versprechen sich Unternehmen unter anderem monetäre Vorteile, eine Differenzierung vom Wettbewerb, die Erhöhung der Kundenzufriedenheit und -bindung, die Möglichkeit des Angebots von Komplettlösungen und eine Stärkung des Unternehmensimage (vgl. Howells 2003; Kersten, Zink, Kern 2006). Dienstleistungen, die das Sachleistungsangebot ergänzen, können ausgehend von der Vorkauf- und Kauf- über die Nutzungs- bis zur Nachnutzungsphase unterschiedliche Abschnitte des bzw. den gesamten Lebenszyklus einer Sachleistung betreffen. Maschinen- und Anlagenbauer verbinden das Angebot ihrer Sachleistungen z. B. mit Beratungsleistungen zur Gestaltung des Sachleistungseinsatzes, mit Schulungen zur Qualifikation des Bedienpersonals, mit Wartungs- und Instandhaltungsdienstleistungen sowie Ersatzteilmanagement zur Sicherstellung der Verfügbarkeit der Sachleistung, mit Finanzierungsangeboten, bereits beim Kauf zugesicherten Entsorgungsgarantien oder der Übernahme des Anlagenbetriebs selbst. Um Kunden die wirtschaftlichen Vorteile des Kaufs eines Leistungsbündels darstellen zu können, bedarf es aus theoretischer Sicht einer Betrachtung sämtlicher über den Lebenszyklus des Leistungsbündels anfallenden direkten und indirekten Kosten auf Seiten des Kunden. Kunden von Investitionsgüterherstellern fragen eine solche Lebenszyklusrechnung zunehmend nach. Die Investitionsgüterhersteller selbst sind aufgrund der durch diese Berechnungen geschaffenen Transparenz und des damit derzeit verbundenen Aufwands noch zurückhaltend, dieser Anforderung nachzukommen. Erste Beispiele der Unternehmenspraxis legen allerdings die Prognose nahe, dass die Lebenszyklusrechnung für Leistungsbündel zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Gestützt wird diese Aussage auch dadurch, dass in der betriebswirtschaftlichen Forschung eine Reihe von Konzepten zur lebenszyklusorientierten quantitativen Planung, Steuerung und Kontrolle entwickelt wurden. Hierzu zählen in chronologischer Reihenfolge (vgl. Seewöster 2006 und die dort analysierte Literatur): Life Cycle Costing (1978), Produktlebenszyklusorientierte Ergebnisrechnung (1988), Product-Life-Cycle-Cost Management (1994), Produktlebenszyklusorientierte Planungs- und Kontrollrechnungen (1994), Product Life Cycle Management (1995), Lebenszykluskostenrechnung (1996), Lebenszyklusrechnung (1996), Lebenszyklusorientiertes Kos-
TCO-as-a-Service
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ten- und Erlösmanagement (1999), Life Cycle Target Costing (2000), Prototypgestützte Lebenszyklusrechnung (2002), Lebenszyklusrechnung unter Integration eines lebenszyklusbezogenen Zielkostenmanagements (2005) und Controlling von Life Cycle Cost-Verträgen produzierender Dienstleister (2006). Der vorliegende Beitrag untersucht die Fragestellung, wie eine serviceorientierte Softwareunterstützung der Lebenszyklusrechnung gestaltet werden kann. Im Kern einer solchen Softwareunterstützung stehen Services, die es ermöglichen, die relevanten Daten eines konkreten Leistungsbündels zu übergeben und Informationen bezüglich der Lebenszykluskosten des übergebenen Leistungsbündels zu erhalten. Folglich würden die Services als Input ein konkretes Leistungsbündelmodell (inkl. u. a. Struktur des Bündels, Leistungen des Bündels, Eigenschaften und Eigenschaftsausprägungen der Leistungen, geplanter Lebenszyklus) erwarten, auf Basis dieses Inputs und hinterlegter Algorithmen sämtliche über den Lebenszyklus anfallenden Zahlungen (Kosten und Erlöse) ableiten, terminieren und verrechnen und schließlich zu Kennzahlen verdichtete Informationen zur Unterstützung der vorliegenden Investitionsentscheidung als Output liefern. Der Beitrag adressiert mit dieser Entscheidungsunterstützung einen wichtigen, aber bewusst eingeschränkten Bereich anderer lebenszyklusbezogener Planungs-, Steuerung- und Kontrollkonzepte. Er lässt sich über die folgenden Dimensionsausprägungen von anderen Ansätzen abgrenzen (vgl. Seewöster 2006): Rechnungsgegenstand sind Leistungsbündel, die sowohl aus Sach- als auch aus Dienstleistungen bestehen. Die Fristigkeit der Rechnung ist langfristig. Die Rechnung umfasst die gesamte Nutzungsdauer des Leistungsbündels beim Kunden. Die Rechnung ist dynamisch in dem Sinne, dass einzelne Werte im Laufe des Rechnungszeitraums variieren können. Es wird nicht allein – wie im statischen Fall – eine repräsentative Periode, z. B. anhand von Durchschnittswerten, berechnet. Der Einsatzzeitpunkt der Rechnung ist die Entscheidung des Kunden über die Anschaffung des Leistungsbündels. Dabei können dem Kunden alternative Leistungsbündel jeweils unter Nutzung derselben Services berechnet werden. Primärer Rechnungszweck ist damit die Fundierung einer langfristigen Investitionsentscheidung aus Kundensicht. Die Rechnung weist damit deutliche Parallelen zur Investitionsrechnung auf. Die hier präsentierte Konzeption der Services zur Lebenszyklusrechnung basiert deshalb auf zwei wesentlichen Grundlagen (vgl. Abschnitt 2). Zur Bereitstellung der Datenbasis wird ein Konzept zur Modellierung von Leistungsbündeln benötigt und zur Erstellung der Entscheidungsunterstützung wird ein geeignetes Investitionsrechnungsverfahren gewählt. Der gewählte Modellierungsansatz wird in Abschnitt 2 vorgestellt, für die Durchführung der Lebenszyklusrechnung selbst wird auf das Konzept der vollständigen Finanzplänen zurückgegriffen (vgl. Grob 1989; Grob, Lahme 2004). Auf der
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Jörg Becker et al.
Basis dieser Grundlagen werden die notwendigen Services identifiziert und spezifiziert (vgl. Abschnitt 3). Die Kopplung der Services mit Produktdatenmanagementsystemen, die einen Großteil der notwendigen Daten des vorgestellten Ansatzes verwalten, wird am Beispiel der Referenzimplementierung des PLM Services 2.0-Servers des PDM Implementor Forums des ProSTEP iViP Vereins diskutiert (vgl. Abschnitt 4). Der Ausblick stellt den Gegenstand zukünftiger Entwicklungsarbeit vor (vgl. Abschnitt 5).
2
Konzeptionelle Grundlagen
2.1
Modellierung hybrider Leistungsbündel
Leistungsbündel können Sach- und Dienstleistungen integrieren. Für die ingenieurmäßige Beschreibung von Sachleistungen haben eigene Standards wie z. B. STEP (vgl. ISO 10303-41: Fundaments of Product Description and Support; ISO 10303-42: Geometric and Topological Representation; ISO 10303-46: Visual Presentation) (vgl. Anderl, Trippner 2000; ProSTEP 2007) große Verbreitung gefunden. Im Zuge der Etablierung der Disziplin Service Engineering wurde die modellbasierte Spezifikation, bspw. in Form des Service Blueprinting Ansatzes (vgl. Shostack 1982), auf Dienstleistungen übertragen. Diese beiden Entwicklungsstränge werden durch Ansätze zur Modellierung hybrider Leistungsbündel vereint (vgl. Becker, Beverungen, Knackstedt 2008). Die Ansätze unterscheiden sich insbesondere dahingehend, ob sie Sachleistungen und Dienstleistungen streng getrennt betrachten, ob sie eine Modularisierung der Leistungsbündelbestandteile vorsehen, inwieweit sie Regeln zur Konfiguration von Leistungsbündeln beinhalten und ob sie ökonomische Daten, wie sie für die Lebenszyklusrechnung unumgänglich sind, berücksichtigen. Die nachfolgende Spezifikation von Services zur Lebenszyklusrechnung basiert auf einem Modellierungsansatz, dessen konzeptioneller Sprachaspekt in Abbildung 1 dargestellt ist. Auf eine Vorstellung des repräsentationellen Sprachaspekts kann hier verzichtet werden, da von diesem bei der Nutzung der zu entwickelnden Services nicht notwendigerweise Gebrauch gemacht wird. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass die verwendete Sprache auch in dieser Hinsicht spezifiziert ist und durch ein Modellierungswerkzeug unterstützt wird.
TCO-as-a-Service 1 1
165
*
ValueBundleType
1
Rule
*
IfPart
*
ThenPart
1
* Excludes
1
Causes
* Customer
1
*
Module
MA_Rel 1
1
*
*
* *
ValueBundleInstance
1
*
* *
Configuration *
LSIOVBT_Rel
* *
*
1 *
Outcome
*
Attribute
1 * *
*
1 Interval
*
*
*
*
LSI_Rel
LifecycleStage *
*
* * Activity
*
*
Resource
* 1 CostCenter
* 1 BusinessUnit
1
*
Job
*
1
* *
Abbildung 1. Vereinfachtes UML-Diagramm des Leistungsbündelmodells (vgl. Becker et al. 2008) Im Folgenden werden die für die Lebenszyklusrechnung relevanten Aspekte des Modellierungsansatzes kurz skizziert. Zentrales Konstrukt der Modellierungssprache ist das ValueBundleType. Es stellt die möglichen Konfigurationsmöglichkeiten und Varianten eines generischen Leistungsbündels (z. B. ein Maschinentyp und das gesamte zugehörige Dienstleistungsportfolio) aus Anbietersicht dar und spannt somit einen Möglichkeitsraum für den Kunden auf. Ein ValueBundleType wird in erster Linie durch ihm zugeordnete Module und Regeln definiert. Modules bilden in sich abgeschlossene und wieder verwendbare Container. Mit ihnen wird das Ziel verfolgt, Leistungsbündelmodelle möglichst einfach und effizient aus vordefinierten Teilmodellen zusammenstellen zu können. Rules definieren Beziehungen zwischen Modu-
166
Jörg Becker et al.
len, die ihre Kombinationsmöglichkeiten definieren. Module werden durch die Zuordnung von Outcomes näher spezifiziert. Outcomes stellen Leistungen, d.h. das vermarktbare Ergebnis einer betrieblichen Faktorkombination, dar. Outcomes können in Strukturen angeordnet werden, d.h. Leistungen können aus untergeordneten Teilleistungen bestehen. Auf eine disjunkte Unterscheidung zwischen Sach- und Dienstleistungen wird aufgrund der zunehmend problematischen Abgrenzung verzichtet (vgl. Teboul 2006; Vargo, Lusch 2004). Outcomes werden durch Attributes beschrieben. Bei Leistungen mit überwiegendem Sachleistungsanteil bieten sich physikalische, mechanische oder technische Eigenschaften an. Bei Dienstleistungen finden funktionale (Welchen Zweck erfüllt die Dienstleistung?) und nichtfunktionale Eigenschaften (z. B. Preis, Qualität, Verfügbarkeit) Anwendung. Outcomes werden ferner zu LifecycleStages und Intervals zugeordnet, um die Definition der zeitlichen Struktur eines Leistungsbündels zu ermöglichen. Innerhalb der zeitlichen Dimension erfolgt zudem eine Zuordnung von Resources, Activities, Business Units, Jobs und Cost Centers, wodurch eine anbieterseitige, monetäre Bewertung von Leistungen ermöglicht wird. Als letztes relevantes Konstrukt stellt die ValueBundleInstance eine konkrete, durch den Kunden (Customer) durchgeführte Konfiguration (Configuration) eines generischen ValueBundleTypes dar. Es stellt die primäre Datenbasis für die in Abschnitt 3 beschriebenen Services zur Lebenszyklusrechnung dar.
2.2
Vollständige Finanzpläne
Der vollständige Finanzplan (VoFi) ist eine Methode des Investitionscontrollings (vgl. im Folgenden Grob, Lahme 2004). In einem VoFi werden sämtliche einem Investitionsobjekt, wie bspw. einem hybriden Leistungsbündel, zurechenbaren Zahlungen (Ein- und Auszahlungen) einschließlich der monetären Konsequenzen finanzieller sowie weiterer investiver Maßnahmen (z. B. Reund Ergänzungsinvestitionen) explizit dargestellt und zeitlich terminiert. Wie in Abbildung 2 gezeigt, werden zu jeder Periode eines VoFi Zahlungen (Payment), Eigenkapital (EquityCapital), Kredite (Loan), Anlagen (Investment) sowie Steuerzahlungen (Tax) erfasst und miteinander zu Bestandssalden (Balance) verrechnet. Zudem können im VoFi periodenunabhängig Kennzahlen (KeyFigure), wie beispielsweise die Total Cost of Ownership (TCO), berechnet werden.
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VoFi
KeyFigure 1
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TCO
*
1 * *
1
EquityCapital
Period 1
* Balance
Investment 1
1
1
*
*
Payment
*
1
*
Tax
Loan
Abbildung 2. Vereinfachtes UML-Diagramm des vollständigen Finanzplans (vgl. Dewanto 2007)
3
Spezifikation der Web Services
3.1
Überblick
Der hier vorgestellte Ansatz zur Lebenszyklusrechnung lässt sich in drei Phasen einteilen, mittels derer sich auch die notwendigen Services gliedern lassen (vgl. Abbildung 3). Voraussetzung für die Lebenszyklusrechnung ist, dass ein Kunde ein oder mehrere konkrete Leistungsbündelinstanzen aus dem vom Anbieter definierten Möglichkeitsraum abgeleitet hat. Die Konfiguration des Leistungsbündels liegt außerhalb des Fokus dieses Beitrags, was durch die kreisförmige Darstellung dieser Phase symbolisiert wird. Dieser Bereich liegt Das Modell des Leistungsbündels wird als Input an den Service ValueBundle-toPaymentsSequence übergeben. Anhand der statischen (Module und Leistungen) und zeitlichen (Lebenszyklus und Intervalle) Struktur des Leistungsbündels sowie der Leistungseigenschaften (insb. Zeit- und Mengengerüst sowie Preise) und ihrer konkreten Eigenschaftswerte leitet der Service die originäre Zahlungsfolge (d. h. Abfolge der direkt mit der Anschaffung des
168
Jörg Becker et al.
Leistungsbündels verbundenen Zahlungen) des übergebenen Leistungsbündels ab. Im Anschluss wird die originäre Zahlungsfolge an den Service PaymentsSequence-to-TcoVoFi übergeben. Dieser ermittelt und verrechnet aus der originären Zahlungsfolge derivative Zahlungen (d. h. Abfolge der durch die originäre Zahlungsfolge entstehenden Zahlungen, z. B. Kapitalkosten, Steuern). Dazu sind zusätzliche, vom Leistungsbündel unabhängige, Informationen bezüglich der finanziellen Rahmenbedingungen zu übergeben. Durch die Verrechnung der originären und derivativen Zahlungsfolgen über den Lebenszyklus des Leistungsbündels entsteht ein vollständiger Finanzplan. Der Service stellt Operationen bereit, um sowohl den vollständigen Finanzplan als auch zu Kennzahlen, insb. die Total Cost of Ownership, verdichtete Informationen bezüglich des übergebenen Leistungsbündels abzurufen. Auf Basis dieser Informationen kann der Kunde einen systematischen und fundierten Vergleich unterschiedlicher Leistungsbündel vornehmen kann. PDM-System, ERP-System, Produktkonfigurator, Modellierungswerkzeug, etc. Konfiguration einer konkreten Leistungsbündelinstanz
Instanziiertes Leistungsbündelmodell
Service „ValueBundle-toPaymentsSequence“ Generierung der Zahlungsfolge des konkreten Leistungsbündels
Originäre Zahlungsfolge der Leistungsbündelinstanz
Finanzielle Rahmenbedingungen des Kunden
Service „Payments Sequence-toTcoVoFi“ Generierung des um derivative Zahlungsfolgen ergänzten vollständigen Finanzplans (VOFI) und Berechnung von Kennzahlen
Szenario 1
Szenario 2
Abbildung 3. Phasen der Lebenszyklusrechnung
3.2
Web Service ValueBundle-to-PaymentsSequence
Tabelle 1 gibt eine Übersicht der fachkonzeptionellen Spezifikation des Service ValueBundle-to-PaymentsSequence mitsamt seiner Operationen sowie Inputs und Outputs. Der Service ermittelt aus dem übergebenen instanziierten Leistungsbündelmodell (ValueBundleType, ValueBundle
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169
Instance, Outcomes, Attributes, LifecycleStages, Intervals) die originäre Zahlungsfolge (Periods, Payments). Die Inputs und Outputs des Service sowie die interne Logik soll im Folgenden näher betrachtet werden. Die Schnittstelle des Service erwartet als Input eine Instanziierung eines konkreten Leistungsbündelmodells. Das bedeutet, dass wesentliche Teile der in Abbildung 1 gezeigten Klassen vom Quellsystem zu Objekten instanziiert und an einen XML-Parser übergeben werden müssen. Das erzeugte XML-Dokument im erwarteten Format kann dann an den Service übergeben werden. Neben den Objekten ValueBundleType und ValueBundleInstance sind zudem sämtliche referenzierten Instanzen der Objekte Outcome, Attribute, LifecycleStage und Interval zu parsen und an die Service-Schnittstelle weiterzureichen. Sind die benötigten Daten an den Service übergeben, so werden zunächst die Intervalle und Lebenszyklusphasen der Leistungsbündelinstanz in eine einheitliche Zeitreihe (Periods) umgerechnet. Im Anschluss werden die einzelnen Leistungen des Bündels und deren Teilleistungen durchlaufen und die jeweiligen zahlungsrelevanten Leistungseigenschaften identifiziert und deren Eigenschaftswerte (Payments) auf der zuvor erstellte Zeitreihe terminiert und verrechnet. Der entstehende assoziative Array aus Periods und Payments stellt die originäre Zahlungsfolge des Leistungsbündels und den Output des Service ValueBundle-to-PaymentsSequence dar. Web Service ValueBundle-to_Payments Sequence
Operation getOriginal _PaymentsFrom _ValueBundle
Input ValueBundleType, ValueBundle _Instance, Outcomes, Attributes, LifecycleStages, Intervals
Output Periods, Payments
Tabelle 1. Signatur des Web Service ValueBundle-to-PaymentsSequence
3.3
Web Service PaymentsSequence-to-TcoVoFi
Tabelle 2 gibt eine Übersicht der fachkonzeptionellen Spezifikation des Service PaymentsSequence-to-TcoVoFi mitsamt seiner Operationen sowie Inputs und Outputs. Der Service ermittelt aus einer zu übergebenden originären Zahlungsfolge (Periods, Payments) einen vollständigen Finanzplan (VoFi) sowie die Kennzahl Total Cost of Ownership (Tco). Die Service-Spezifikation wird im Folgenden näher betrachtet. Die Operation getTcoVoFiFromOriginalPayments erwartet als Input zum einen die
170
Jörg Becker et al.
originäre Zahlungsfolge eines Leistungsbündels (Periods, Payments). Diese kann entweder durch den vorgelagerten Service ValueBundle-toPaymentsSequence (Szenario 1) oder durch ein beliebiges anderes System erstellt worden sein (Szenario 2). Zum anderen sind die finanziellen Rahmenbedingungen (EquityCapitals, Loans, Investments) des Kunden, welche unabhängig vom Leistungsbündel sind, zu übergeben. Diese umfassen das verfügbare Eigenkapital, geplante Kredite inklusive der Attribute Betrag, Disagio, Laufzeit und Sollzinsen sowie Standardanlagen inklusive ihrer Rendite – jeweils mit Periodenbezug (Grob, Lahme 2004). Nach Übergabe der Inputs wird die Zeitreihe der Zahlungsfolge durchlaufen und die dort spezifizierten Zahlungen werden mit den gerade beschriebenen finanziellen Rahmenbedingungen saldiert. So entsteht ein vollständiger Finanzplan (VoFi), der einen Teil des Outputs des Service darstellt. Der zweite Teil des Outputs, die Total Cost of Ownership (Tco), wird durch die Verrechnung des Saldos der letzten Periode des Leistungsbündellebenszyklus mit den kalkulatorischen Zinsen auf das eingesetzte Eigenkapital ermittelt. Service Payments _Sequence-to_TcoVoFi
Operation getTcoVoFi _FromOriginal _Payments
Input Periods, Payments, EquityCapitals, Loans, Investments
Output VoFi, Tco
Tabelle 2. Signatur des Web Service PaymentsSequence-to-TcoVoFi
4
Abgleich mit PLM Services 2.0
Als Datenquellen für die Lebenszyklusrechnung kommen neben speziellen Modelleditoren, welche die in Abschnitt 2.1 erläuterten Sprachkonstrukte unterstützen, gemäß ihrem intendierten Anwendungsbereich insbesondere Produktdatenmanagement(PDM)-Systeme in Frage. PDM-Systeme dienen der unternehmensübergreifenden, datentechnischen Integration der Informationen über Produkte aus verschiedenen Systemen, wie z. B. CAx-Werkzeugen und ERP-Systemen (vgl. Eigner, Stelzer 2001). Produkte werden in PDMSystemen durch sogenannte produktdefinierenden Daten, die in ihrer Gesamtheit das sog. Produktmodell bilden, abgebildet (vgl. Scheer 2006). Die Informationen gliedern sich in sämtliche über den Lebenszyklus anfallenden Stamm und Strukturdaten (Items) und Dokumente (Documents), wie z. B. CAD-Zeichnungen und Textdokumente (vgl. Eigner, Stelzer 2001). Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit PDM-Systeme tatsächlich als Datenquelle für den hier vorgestellten Ansatz geeignet sind. Als exemplarisches PDM-System dient dazu die Referenzimplementierung des „PLM Services 2.0“-Servers des PDM Implementor Forums der ProSTEP iViP
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171
Association, welcher einen Zugriff auf Produktdaten über standardisierte Web Services ermöglicht. Die Spezifikation der „PLM Services 2.0“ erfolgt durch die Object Management Group (OMG) (für eine ausführliche Beschreibung der PLM Services 2.0, des Clients und des Servers der Referenzimplementierung siehe (vgl. Feltes, Lämmer 2005)). Die Analyse in Tabelle 3 beschränkt sich auf die für die in Abschnitt 3 konzipierten Services relevanten Objekte der UML-Diagramme aus Abbildung 1 und 2. HLB Objekt ValueBundle Type
PLM Services Package Configuration _management
ValueBundle Instance
Configuration _management
Outcome
Part _identification
Outcome Structure
Part _structure
Attribute
Properties
Lifecycle Stage
Part _identification
Interval
Nicht vorhanden
PLM Services Class (Auszug) Complex_product, Product_structure _relationship, Product_class, Product_component, Product_identification Physical_instance
Abdeckungsgrad
Item, Item_version, Design_discipline _item_definition Assembly_definition, Assembly_component _relationship Cost_property, Quality_property, Feature_parameter Application_context. Life_cycle_stage
Tabelle 3. Abgleich des vorgestellten Ansatzes mit den PLM Services 2.0 (vgl. OMG 2009) Wie aus Tabelle 3 erkenntlich wird, werden die statischen Konstrukte des HLB-Ansatzes vollständig durch die PLM Services abgedeckt. Leistungsbündel auf Typ- und Instanzebene inklusive ihrer hierarchischen sowie nicht hierarchischen Strukturen lassen sich ohne Probleme durch die Klassen des Configuration_management Pakets abbilden. Selbiges gilt für einzelne Leistungen, die sich durch die Klassen des Part_identification Pakets abbilden lassen, sowie Leistungsstrukturen, die sich durch die Klassen des
172
Jörg Becker et al.
Part_structure Pakets abbilden lassen. Attribute können ohne weiteres durch das Properties Paket umgesetzt werden. Im PLM Services Standard fehlen jedoch weitgehend Konstrukte zur Repräsentation der dynamischen Struktur eines Leistungsbündels über seinen Lebenszyklus hinweg. Während der präsentierte Ansatz erlaubt, sowohl für Leistungsbündel als auch einzelne Leistungen Lebenszyklen und Intervalle auf beliebigen Granularitätsstufen zu definieren, ermöglicht der PLM Services Standard lediglich die Zuordnung von einzelnen Leistungen (Items) zu den drei vordefinierten Lebenszyklusphasen Design, Manufacturing und Recycling. Zudem gleicht diese Zuordnung eher eine Bildung von Sichten zu reinen Übersichtszwecken als einer Definition von zeitlichen Strukturbeziehungen.
5
Ausblick 5
Präsentation 4 Rückgabe des VoFi und der TCO
3 Orchestrierung
1
Service-Aufruf
2 Übergabe des Leistungsbündelmodells
Abbildung 4. Integration der externen Services in die Oberfläche von PDMSystemen Es wurde ein Konzept zur servicebasierten Lebenszyklusrechnung für Leistungsbündel vorgestellt. Aktuell erfolgt die prototypische Implementierung der konzipierten Services auf Basis der in Abschnitt 4 angesprochenen Referenzimplementierung der PLM Services 2.0. Dabei gilt es neben der eigentlichen Evaluation des präsentierten Ansatzes die identifizierten Lücken im PLM Services 2.0 Standard zu schließen. Die erwarteten Erkenntnisse können Entwicklungspotenziale für anstehende Versionen des Standards aufzeigen. Zudem sollen die Services in noch folgenden Arbeiten, wie in Abbildung 4
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173
illustriert, in bestehende Informationssysteme zur Stammdatenpflege eingearbeitet werden. Dabei ist angedacht, die Services an geeigneten Stellen in die Oberflächen dieser Systeme zu integrieren und die Übergabe der Input- als auch Output-Parameter zu automatisieren.
Danksagung Dieser Beitrag wurde ermöglicht durch die Förderung der BMBF-Projekte „FlexNet“ (Flexible Informationssystemarchitekturen für hybride Wertschöpfungsnetzwerke; Förderkennzeichen 01FD0629) im Rahmen des Programms „Innovationen mit Dienstleistungen“ und „ServPay“ (Zahlungsbereitschaften für Geschäftsmodelle produktbegleitender Dienstleistungen; Förderkennzeichen 02PG1010) im Rahmen des Programms „Forschung für die Produktion von morgen“. Wir danken an dieser Stelle auch besonders den Projektträgern Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und dem Forschungszentrum Karlsruhe (PTKA-PFT) für die Betreuung.
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Teil IV: Internetisierung – Kundenkontaktpunkte systematisch gestalten
E-Services im Handel – Auffindung und Dokumentation von Potenzialen zur Digitalisierung von Dienstleistungen für Hersteller und Kunden Daniel Beverungen Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS)
[email protected] Dr. Ralf Knackstedt Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS)
[email protected] Dr. Axel Winkelmann Universität Koblenz-Landau Professur für Betriebliche Anwendungssysteme
[email protected]
1
Handelsdienstleistungen als Gegenstand der Dienstleistungsforschung
Dienstleistungen haben weltweit eine zunehmend wichtige Rolle bei der Wertschöpfung (vgl. OECD 2005). Nicht zuletzt deshalb wird in der angloamerikanischen Dienstleistungsforschung die Erstellung von Dienstleistungen neben der Erstellung physischer Güter als bedeutsamste Grundlage der Wertschöpfung insgesamt gesehen, was sich im Rahmen eines Paradigmenwechsels der Erstellung von Werten hin zu einer „Service-dominant logic“ manifestiert (vgl. Vargo, Lusch 2004). Die Wertschöpfung für Kunden findet in diesem Zuge durch die geeignete Kombination von Produkten und Dienstleistungen statt, die gemeinsam einen Nutzen für den Kunden erbringen sollen (vgl. Chuang 2007). Mithin ist eine Integration der Dienstleistungsprozesse in zweierlei Hinsicht zu leisten: Einerseits soll die Integration der Dienstleistungsprozesse in die
178
Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt, Axel Winkelmann
Prozesse des Kunden erfolgen, da Dienstleistungsprozesse per Definition eine Beteiligung des Kunden an der Leistungserstellung als „Co-Creator of Value“ voraussetzen (vgl. Vargo, Lusch 2004). Andererseits ist beim Anbieter (oder dem anbietenden Konsortium) selbst die Integration von Produktions- und Dienstleistungsprozessen sicherzustellen, um Leistungen für Kunden effizient – und damit zu konkurrenzfähigen Konditionen – erstellen und erbringen zu können (vgl. Rust, Kannan 2003; Beverungen, Knackstedt, Müller 2008). Hierzu können E-Service-Konzepte genutzt werden, um Digitalisierungspotenziale von Dienstleistungen gezielt zur Effizienzsteigerung zu nutzen. Die momentane Dienstleistungsforschung orientiert sich vor allem in der angloamerikanischen IS-Forschung deutlich spürbar in Richtung der Integration des Kunden in die Leistungserstellung (service encounter). Dies zeigt sich nicht zuletzt am Erscheinen entsprechender Sonderhefte (z. B. des Journal of the Academy of Marketing Science oder der Communications of the ACM), die häufig entweder Grundpositionen der sich formenden interdisziplinären Dienstleistungsforschung (Service Science, Service Science, Management and Engineering (vgl. Maglio, Spohrer 2008)) erläutern oder die Vermarktung von Leistungen in den Vordergrund der Betrachtung stellen. Eine Informationsintegration speziell zur Integration von Produktion und Dienstleistung (vgl. Beverungen, Knackstedt, Müller 2008; Glushko, Tabas 2008) findet hingegen international eher wenig Beachtung. Bezogen auf die Art der betrachteten Dienstleistungen ist eine ähnlich ausgeprägte Fokussierung der Forschung festzustellen: Während die angloamerikanische Forschung häufig Dienstleistungen für den Endverbraucher, z. B. Hotel Check-in (vgl. Glushko, Tabas 2008), Dienstleistungen im Gesundheitswesen oder Restaurants in den Vordergrund der Betrachtungen stellt, fokussiert sich die Dienstleistungsforschung in Deutschland durch den momentanen Schwerpunkt der staatlichen Forschungsförderung auf den Investitionsgüterbereich, z. B. den Maschinen- und Anlagenbau. Handelsdienstleistungen nehmen in diesem Zuge bislang nur eine untergeordnete Rolle ein, obwohl sie in Beiträgen explizit als ein Gestaltungsfeld der Dienstleistungsforschung genannt werden. Handelsdienstleistungen sind als ein Beispiel der „Market-based Services“ anzusehen, die gemeinsam einen Anteil von über 50% am Umsatz mit Dienstleistungen in den 30 OECD-Staaten erwirtschaften (vgl. Statistical Classification of Economic Activities in the European Community 2002; Sheehan 2006). Der Produktions- und Distributionsprozess und daraus resultierende Dienstleistungen verteilen sich unterschiedlich auf verschiedene Intermediäre zwischen Produktion und Konsumption. Dieses wird bereits bei der Betrachtung des Handelsbegriffs deutlich. Einerseits wird Handel institutional losgelöst als Tätigkeiten eines Unternehmens gesehen, das überwiegend handelsspezifische Tätigkeiten durchführt. Andererseits kann
E-Services im Handel
179
Handel aber auch nur rein funktional als Austausch von Waren und Dienstleistungen zwischen Wirtschaftssubjekten verstanden werden (vgl. Tietz 1993). Der Abverkauf von Ware kann damit auch nicht nur von einem selbstständigen Handelsunternehmen sondern grundsätzlich auch von produzierenden Unternehmen selbst übernommen werden (vgl. z. B. Apple, Dell usw.). In einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft hat der Handel die Aufgabe, die Differenzen zwischen Angebot und Nachfrage in räumlicher, zeitlicher, qualitativer und quantitativer Hinsicht auszugleichen. Damit erbringt er im Rahmen der Nachfrage- und Angebotsbündelung an verschiedenen Stellen des Handelsprozesses Dienstleistungen für Hersteller (vgl. Abbildung 1). Beispielsweise sorgt der Handel durch rechtzeitige Nachorderung beim Lieferanten oder Produzenten für die Warenverfügbarkeit in der Filiale. Ebenso leistet er produktindividuelle Kaufberatung und unterstützt den Kunden ggf. bei der Konfiguration eines Produktes (z. B. eines Autos) während des Kaufprozesses. Insbesondere im After-Sales-Bereich wurde der Handel durch gesetzliche Maßnahmen in den letzten Jahren immer mehr zur verlängerten Werkbank der Industrie. Zahlreiche Verordnungen zur Rücknahme von Pfandverpackungen, Altgeräten, Batterien usw. zwingen die Industrie zur Durchführung zusätzlicher Prozesse, die teilweise an den Handel als Dienstleister ausgelagert werden (vgl. Becker, Winkelmann 2008). Der vorliegende Artikel verfolgt in diesem Zuge zwei Ziele: Als erstes Ziel soll durch die Vorstellung eines erweiterten Service-Blueprint-Schemas ein Instrument zur Dokumentation von Digitalisierungspotenzialen bei der Erbringung von Dienstleistungen präsentiert werden, mit dem sich Digitalisierungspotenziale identifizieren und sich mithilfe verschiedener IT-Artefakte (z. B. Web-Services) umsetzen lassen. Zweitens soll der Handel als Forschungsgegenstand der Dienstleistungsforschung besser erschlossen werden, indem Handelsdienstleistungen zur Illustration von Digitalisierungspotenzialen herangezogen werden. Der Artikel ist wie folgt aufgebaut: Zunächst werden in Abschnitt 2 E-Services als Instrument zur Dienstleistungsdigitalisierung vorgestellt. Da E-Services explizit zur Digitalisierung in beiden Richtungen der Wertschöpfungskette einsetzbar sind, wird ein gespiegelter Service-Blueprint als Dokumentationshilfe von Digitalisierungspotenzialen propagiert. In Abschnitt 3 wird die Digitalisierung von (Handels-)Dienstleistungen anhand der Anwendung des Blueprint-Schemas auf das Couponing und die Rücknahme von Leergut analysiert und systematisiert. Abschnitt 4 präsentiert beispielhaft ausgewählte IT-Artefakte zur Nutzung der Digitalisierungspotenziale. Die Resultate werden in Abschnitt 5 zusammengefasst und weiterführende Forschungsfragen aufgeworfen.
180
Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt, Axel Winkelmann
Vor dem Verkauf (Pre-Sales-Services)
Während des Kaufs
Nach dem Kauf (After-Sales-Services)
x
x
Produktberatung
x
x
Produktkonfiguration (z. B. bei Auto)
Produktlieferung (z. B. Möbelhandel) und -aufbau
x
Vertragsabschluss (z. B. bei Auto)
x
Hotline für Produktnutzungsberatung
x
Kreditvergabe
x
Wartung
x
Leasing
x
Garantieabwicklungen
x
Bonitätsprüfung
x
Reklamationen
x
Ausräumung abgelaufener und schlecht gewordener Ware
x
Rücknahme (Pfandverpackungen, Batterien, Altgeräte, ...)
x
Entsorgung von abgelaufener und schlecht gewordener Ware
x
Entsorgung (Altgeräte, Batterien, Umverpackung, …)
x
Bargeldauszahlung über EC-Karte
x
Kunden- und Warenkorbanalysen, Abverkaufsanalysen
x
Inkasso
Stammdatenaufbereitung (Verfassen und Überprüfen z. B. individueller Beschreibungen für Elektronikartikel)
x
Erstellung von Produktbildern
x
Warendisposition zur Vermeidung von Out of Stock und rechtzeitiger Nachlieferung
x
Warendistribution (z. B. von Zentrallager in die Filialen)
x
Warenverräumung, d. h. Einräumen in das Filialregal
x
Produkt-Tests in Testfilialen
x
Artikellistung und Verkaufspreiskalkulation
x
Produktbewerbung o
Promotions auf der Fläche
x
Kundendatenerfassung
o
Offline-Werbung (z. B. Handzettelwerbung)
x
o
Warenkorbdatenerfassung
Online-Werbung (z. B. Produktbanner)
x
Coupon-Einlösung
x
Coupon-Ausgabe
x
Produktplatzierungen und Space Management zur Deckungsbeitragsmaximierung des Produktes
x
Verwaltung und Pflege von Konsignationslagern
x
Kundenbindungsprogramme
Abbildung 1. Beispielhafte Handelsdienstleistungen für Hersteller und Kunden
2
E-Services zur Digitalisierung von Dienstleistungen
Die Durchdringung mit digitalen Dienstleistungen fällt in Handelsunternehmen je nach Branche und Unternehmensgröße sowie Innovationsgrad sehr unterschiedlich aus. Während beispielsweise Aldi dafür bekannt ist, digitale Prozesse erst sehr spät einzusetzen, gilt beispielsweise Wal-Mart als Vorreiter von Prozessneuerungen (vgl. Becker, Winkelmann 2008). Einerseits ergibt sich eine Digitalisierung durch die Wahl des Mediums, insbesondere
E-Services im Handel
181
des Vertriebskanals. E- und M-Commerce haben z. B. zu einer Digitalisierung des Verkaufsraumes in Form von virtuellen Filialen und Shopping-Portalen geführt. Andererseits besteht auch im Rahmen traditioneller Vertriebslinien die Möglichkeit, einzelne Abwicklungsschritte bzw. Dienstleistungen zu digitalisieren und damit zu automatisieren. Die Entwicklung der Kassierdienstleistung von der rein manuellen Tätigkeit zu ersten ScanningKassen in den 70er- und 80er-Jahren bis hin zu derzeitigen Versuchen mit Self-Checkout-Systemen, bei denen die Kunden ihre Einkäufe selbst erfassen und ohne Kassierpersonal abrechnen müssen, ist ein typisches Beispiel für die Veränderung von Handelsprozessen durch Digitalisierung (vgl. Becker, Winkelmann 2008; Alonso et al. 2004). Auch die Einrichtung von Pfandautomaten zur Abwicklung der aufoktroyierten Pfandrücknahme für die Industrie unter Einbezug einer zentralen Clearing-Stelle, von der die Stammdaten für die Gebinde stammen und an die die entsprechenden Rücknahmemengen zwecks Verrechnung gemeldet werden, ist ein Beispiel für die Digitalisierung von Dienstleistungen. E-Services können als die Bereitstellung von Dienstleistungen über elektronische Netzwerke verstanden werden (vgl. Rust, Kannan 2003). Dabei ist es sekundär, ob E-Services von Dienstleistern oder klassischen Produzenten bereitgestellt werden. Generell lassen sich als Empfänger von E-Services sowohl Akteure auf nachgelagerten Wertschöpfungsstufen (Kunden) als auch vorgelagerten Wertschöpfungsstufen (Produzenten) identifizieren (vgl. Rust, Kannan 2003). Die Herausforderung für einen Anbieter von E-Services als Intermediär zwischen diesen Akteuren besteht also in der Integration von Informationen, die durch Kunden- und/oder Produzenten bereitgestellt werden, um die eigenen Dienstleistungen an zwei Ansatzpunkten zu optimieren: x Einerseits sollen Leistungen für Kunden so erbracht werden, dass diese ihr Bedürfnis nach der Lösung eines Problems als erfüllt ansehen. x Andererseits soll bei der Integration mit vorgelagerten Wertschöpfungsstufen ein möglichst hoher Grad der Prozesseffizienz erreicht werden (vgl. Rust, Kannan 2003), indem (a) Produzenten notwendige Informationen zur Erfüllung ihrer Leistungsprozesse zur Verfügung gestellt werden und (b) Informationen, die von Produzenten bereitgestellt werden können, zur effizienten Durchführung der Dienstleistungsprozesse im Handel zu nutzen. Mithin ist es entscheidend, den Kontaktpunkten („touch points“ (Rust, Kannan 2003)) zu externen Akteuren im Dienstleistungsprozess eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen, da diese einen Informationsfluss implizieren, den es im Rahmen einer Digitalisierung mit E-Services zu verbessern gilt. Das theoretische Rahmenwerk für die Identifikation und Dokumentation der entsprechenden Digitalisierungspotenziale können Ansätze zur Kundenintegration bilden, die auch in der (Service-)Marketingliteratur eine weite Verbrei-
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tung gefunden haben (vgl. Shostack 1981, 1984; Kingman-Brundage 1989; Zeithaml, Bitner 1996; Fisk, Brown, Bitner 1993). Die Ansätze eignen sich besonders zur Darstellung und Analyse von Schnittstellen in Dienstleistungsprozessen, indem einzelnen Funktionsbereiche durch sogenannte „Lines“ voneinander getrennt werden (vgl. Abbildung 2): Beispielsweise bestimmt die Line of Interaction, welche Aktivitäten durch den Anbieter, und welche durch den Kunden ausgeführt werden. Eine Verschiebung dieser Linie in Richtung des Kunden führt zu einer Verlagerung von Aktivitäten auf den Kunden, z. B. im Rahmen von Selbstbedienungskonzepten (Self-Service Anwendungen). Die Line of Visibility hingegen trennt die Prozesse des Dienstleisters, die für den Kunden sichtbar sind, von denjenigen Aktivitäten, in die der Kunde keinen Einblick hat. Das Grundkonzept des Service-Blueprints wurde auch durch zusätzliche Ebenen verfeinert (vgl. Kleinaltenkamp 2000; Fließ 2001) und mit anderen Ansätzen des Service-Designs kombiniert (vgl. Chuang 2007). Kundenaktivitäten
Support Aktivitäten
Line of Visibility
Line of Internal Interaction
Zeit
Potentialaktivitäten
Sekundäre Aktivitäten
Unsichtbare Aktivitäten
Sichtbare Aktivitäten
BackstageAktivitäten
Unmittelbar kundeninduzierte Aktivitäten
Line of Interaction
Sichtbare Aktivitäten Onstage-Aktivitäten
Preparation Aktivitäten Facility Aktivitäten
Line of Order Penetration Line of Implementation
Abbildung 2. Traditioneller Service-Blueprint Als Ausgangspunkt für die Identifikation und Systematisierung von Digitalisierungspotenzialen von Dienstleistungen kann eine abgewandelte Version des Service-Blueprints dienen, der die traditionelle Version um zusätzliche Ebenen in Richtung vorgelagerter Wertschöpfungsstufen (Produzenten) erweitert (vgl. Beverungen, Knackstedt, Müller 2008) (vgl. Abbildung 3). Letztlich findet somit eine Spiegelung des Service-Blueprints aus Sicht des Handels in zwei Richtungen statt: Während sich Aktivitäten, die durch den Handel auszuführen sind und in die weder Kunden noch Produzenten einen Einblick haben (bzw. haben sollen) in der Mitte dargestellt werden, werden Aktivitäten des Handels, in die Produzenten (Kunden) Einblick haben sollen, eine Ebene darunter (darüber) platziert. Eine weitere Ebene darunter (darüber)
E-Services im Handel
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Line of interaction (Kunden)
Kunden
Aktivitäten, die durch Kunden ausgeführt werden und für Händler sichtbar sind
Aktivitäten, die durch Händler ausgeführt werden und für Kunden sichtbar sind
sichtbar
sichtbar
werden Aktivitäten eingeordnet, die direkt vom Produzenten (Kunden) auszuführen sind und aus der Sicht des Handels sichtbar sind. Andere Lines des traditionellen Service-Blueprints sind zur Identifikation von Digitalisierungspotenzialen an Kontaktpunkten nicht erforderlich, da sie Aktivitäten beschreiben, die anderen Akteuren nicht sichtbar zu machen sind, sondern durch jeden Akteur selbstständig ausgeführt werden können. Außerdem wäre es grundsätzlich denkbar, Kunden sogar Aktivitäten der Vorplanung von Dienstleistungsprozessen sichtbar zu machen, z. B. um die eigene Leistungsbereitschaft vor und während der Dienstleistungserbringung zu demonstrieren. Dies lässt sich mit dem traditionellen Service-Blueprint jedoch bislang nicht abbilden, da es der propagierten Ordnung der Lines widerspräche. Daher erscheint der vorgeschlagene erweiterte Fokus zweckmäßig.
Aktivitäten, die durch Händler ausgeführt werden und weder für Kunden noch für Hersteller sichtbar sind
unsichtbar
Händler
Line of visibility (Kunden)
Line of visibility (Hersteller) sichtbar
Aktivitäten, die durch Händler ausgeführt werden und für Hersteller sichtbar sind
sichtbar
Hersteller
Line of interaction (Hersteller)
Aktivitäten, die durch Hersteller ausgeführt werden und für Händler sichtbar sind Zeit
Abbildung 3. Erweiterter Service-Blueprint zur Darstellung von Dienstleistungsprozessen im Wertschöpfungsdreieck Kunde, Dienstleister, Hersteller Um den Informationsfluss zwischen Aktivitäten in Dienstleistungsprozessen abbilden zu können, wird der erweiterte Service-Blueprint zusätzlich um das Attribut Kanal erweitert, der Anzeigen soll, welches Medium zur Informationsübertragung genutzt werden kann. Diese Erweiterung soll insbesondere Möglichkeiten zur Digitalisierung der Kontaktpunkte (bei Überschreitung von Lines) zusammenfassend aufzeigen. Gleichsam ist dies hilfreich, um die Rolle von Kunden und Lieferanten im Dienstleistungsprozess verstehen und analysieren zu können. Dies kann Auswirkungen auf den jeweils empfohlenen Kanal der Interaktion haben (vgl. Batson 1985). Im Prinzip bestehen dazu die folgenden Möglichkeiten:
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Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt, Axel Winkelmann
x Der Informationsfluss erfordert die physische Präsenz von Individuen auf beiden Seiten des Kanals, was z. B. bei Beratungsgesprächen im Handel der Fall ist, egal ob diese in der Filiale oder am Telefon durchgeführt werden. Daher ist eine Übermittlung der Information auf anderen Kanälen als der persönlichen Interaktion nicht zweckmäßig (manuelle Interaktion). x Der Informationsfluss erfordert nur auf einer Seite des Kanals die physische Präsenz eines Individuums, während die andere Seite durch eine entsprechend erstellte Benutzerschnittstelle (Interface) repräsentiert werden kann. Dies kann z. B. im Rahmen von Selbstbedienungskonzepten bei der Rückgabe von Leergut im Einzelhandel der Fall sein. Generell ist hierbei die Übergabe von physischen Objekten möglich, die automatisch angenommen (z. B. leere Flaschen) oder ausgegeben (z. B. volle Flaschen aus einem Getränkeautomat) werden können (halbautomatische Interaktion). x Der Informationsfluss erfordert auf keiner der beiden Seiten die physische Präsenz eines Individuums. Dies kann z. B. bei E-Commerce-Anwendungen oder bei automatisch durchgeführten Auktionen der Fall sein. Die physische Präsenz von Individuen ist hier nicht zwingend, da Interaktionen durch Nutzer oder aber durch Software(-agenten) im Auftrag von Nutzern ausgeführt werden können. Da hierbei keine physischen Objekte übertragen werden müssen, kann der Informationsfluss rein elektronisch abgewickelt werden (automatische Interaktion). Sind Potenziale zur Digitalisierung der Dienstleistung im erweiterten ServiceBlueprint annotiert, kann in einem nächsten Schritt eine Umsetzung des Digitalisierungspotenzials durch entsprechende IT-Artefakte, wie z. B. Modelle und Implementierungen, erfolgen.
3
Auffindung und Dokumentation von E-ServiceKontaktpunkten mithilfe des erweiterten ServiceBlueprint-Ansatzes
Am Beispiel zweier Handelsdienstleistungen soll die Auffindung und Dokumentation von Digitalisierungspotenzialen von Dienstleistungen im Folgenden exemplarisch gezeigt werden.
3.1
Anwendungsbeispiel: Rücknahme von Leergut
Die Rücknahme von Leergut ist als Dienstleistung des Handels für Hersteller der Getränkeindustrie seit Jahren fest etabliert. Entsprechende Referenzprozesse finden sich z. B. in Becker und Schütte (2004). Eine Überführung der
E-Services im Handel
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entsprechenden Geschäftsprozesse in die Notation des modifizierten ServiceBlueprints zeigt, dass vielfältige Möglichkeiten der Digitalisierung in Richtung der Hersteller existieren, während die Interaktion mit Kunden lediglich durch die physische Präsenz von Personal oder im Rahmen von Selbstbedienungskonzepten möglich ist, da die Rücknahme von Leergut die Übergabe physischer Objekte (und damit die physische Präsenz des Kunden) im Rahmen einer höchstens halbautomatischen Interaktion notwendig macht (vgl. weiße Objekte in Abbildung 4).
Abbildung 4. Erweiterter Service-Blueprint für das Retourenmanagement von Leergut (Auszug)
3.2
Anwendungsbeispiel: Coupon-Promotions im Handel
Coupon-Promotions im Handel sind ein Instrument für Verkaufsförderung, die durch den Handel auf Veranlassung verschiedener Hersteller durchgeführt wird. Dabei erhalten Kunden bei Einlösung von Coupons beispielsweise einen Rabatt auf bestimmte Produkte. Es handelt sich hierbei um einen kooperativen Prozess, da Hersteller u. a. die Art der zu bewerbenden Artikel, die Einlösebedingungen und Gültigkeitsräume der Coupons sowie die räumliche Ausdehnung, Dauer und Intensität der Coupon-Ausgabe gemeinsam mit dem
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Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt, Axel Winkelmann
Handel festlegen müssen. Coupons können im Handel sowohl eingelöst als auch z. B. beim Check-Out für den nächsten Einkauf ausgegeben werden.
Abbildung 5. Erweiterter Service-Blueprint für die Coupon-Ausgabe und -Einlösung (Auszug) Der hier betrachtete Prozess des Couponings wurde aus Winkelmann (2006) übernommen und in die Notation des erweiterten Service-Blueprints überführt (vgl. weiße Objekte in Abbildung 5). Damit Coupon-Promotions elektronisch, d. h. automatisiert, ausgegeben und eingelöst werden können, sind zunächst Artikelstammdaten und Promotionstammdaten (z. B. Gültigkeitszeitraum, Ausgaberegion, Face-Value der Coupons, Einlösebedingungen, etc.) festzulegen. Diese sollen im Kassensystem hinterlegt werden, so dass die Gültigkeit eines Coupons bei der Einlösung elektronisch geprüft werden kann. Falls eine Identifikation des Kunden gelingt, z. B. durch seine Teilnahme an einem Payback-Programm, können entsprechend hinterlegte Kundendaten zur Erstellung speziell abgestimmter Coupons herangezogen werden. Falls die Ausgabe eines Coupons tatsächlich erfolgen soll, wird dieser gedruckt bzw. auf elektronischem Wege zur Verfügung gestellt. Der Kunde kann nun seinen Einkauf fortsetzen oder ihn beenden.
E-Services im Handel
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Der Kontakt mit dem Kunden kann dabei sowohl durch seine physische Präsenz in den Verkaufsräumen des Handels (Kasse, Self-Checkout) oder aber auf rein elektronischem Wege (Webseite) stattfinden, da weder die Auswahl und Bezahlung von Waren noch die Ausgabe oder Einlösung von Coupons zwingend eine physische Präsenz des Kunden voraussetzt. Es kommen folglich mehrere Kanäle für die Interaktion infrage, die im Rahmen von EServices unterstützt werden können.
4
E-Service-Implementierungen für die Digitalisierung von Handelsdienstleistungen
Nachdem Digitalisierungspotenziale für E-Services im Handel aufgefunden wurden, können diese im Rahmen einer geeigneten IT-Unterstützung zur Effizienzsteigerung an Schnittstellen zu Kunden und Lieferanten hin gezielt genutzt werden. Web-Services (vgl. Alonso et al. 2004) sind unter bestimmten Voraussetzungen (wie z. B. relativ geringen Datenvolumina, verteilte Anwendungssysteme u. a.) ein Mittel zur Realisierung einer solchen Unterstützung, was anhand der in Kapitel 3 modellierten Beispiele veranschaulicht werden kann.
4.1
Web-Service-basierter Informationsaustausch an einzelnen Kontaktpunkten
Neben dem in den vorangegangenen Kapiteln verwendeten betriebswirtschaftlichen Dienstleistungsverständnis sind Web-Services als eine Realisierungsform zur Digitalisierung interorganisationaler Dienstleistungen zu verstehen (vgl. Buhl et al. o. J.). Web-Services als Realisierungsform serviceorientierter Architekturen werden in der Literatur derzeit intensiv diskutiert, mit einem Schwerpunkt auf die Informationsintegration in E-BusinessSzenarien (vgl. Schelp, Winter 2008; Tenenbaum, Khare 2001). Der Entwurf der Enterprise Services auf einer betriebswirtschaftlichen Ebene (vgl. Schelp, Winter 2008) und der nachfolgende Entwurf der Web-Services (vgl. Beverungen, Knackstedt, Müller 2008) soll dabei festgelegten Entwurfsmethodiken folgen. Die grundlegende Architektur kann dabei auf verschiedene Entwurfsprinzipien abzielen, von der semantischen Suche geeigneter Web-Services in UDDI-Repositories bis zur konventionellen Verwendung von Web-Services im Sinne eines umfassenden Middleware-Ansatzes (vgl. Klose 2006). Das Auffinden und Konzipieren von Web-Services die zur Umsetzung der identifizierten Digitalisierungspotenziale geeignet sind, kann z. B. mit der von Beverungen, Knackstedt und Müller (2008) vorgeschlagenen Konzeptionsme-
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Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt, Axel Winkelmann
thode auf der Ebene von Geschäftsprozessen erfolgen. Die Analyse kann dabei sowohl aus einer betriebswirtschaftlichen als auch einer technischen Sicht erfolgen, wird aber in diesem Beitrag nicht näher vorgestellt. Die konzipierten Web-Service-Schnittstellen können nachfolgend als Detaillierung der im erweiterten Service-Blueprint vorhandenen Kanäle angesehen werden, so dass eine entsprechende Web-Service-Schnittstelle einem Kontaktpunkt zugeordnet wird (vgl. die grau schattierten Schnittstellendokumente in Abbildung 3 und 4). Diese können auch in anderen Szenarien wiederverwendet werden. In dieser Form kann der erweiterte Service-Blueprint zur Dokumentation der entsprechenden Web-Service-Unterstützung dienen. Die mit Hilfe der Methode aus dem Prozess in Beverungen, Knackstedt, Müller 2008 konzipierte Web-Service-Schnittstelle einer negativen Bestellung zum Abtransport von Leergut, bestehend aus Kopfdaten und Positionsdaten ist exemplarisch in Abbildung 6 gezeigt, vgl. Datenmodell in Becker, Schütte 2004.
Abbildung 6. Exemplarische XML-Schema-Definition einer negativen Bestellung zum Abtransport von Leergut
4.2
Web-Service-basierte Dienstleistungserbringung über mehrere Kontaktpunkte hinweg
Zur effizienten Durchführung integrierter Promotions, insbesondere für das Couponing, sind Artikel- und Promotionstammdaten kooperativ durch Hersteller und Handel bereitzustellen (vgl. Winkelmann et al. 2008). Eine Möglichkeit zur Realisierung bietet eine Promotionplattform, die durch eine integrierte Bereitstellung der Stammdaten eine Senkung des Abstimmungsaufwands zwischen Industrie und Handel bei der Planung, Durchführung und
E-Services im Handel
189
Auswertung von Promotions verfolgt (vgl. Becker et al. 2007). Ermöglicht wird dies dadurch, dass benötigte Daten multilateral abgestimmt und bezogen werden und aufbereitet werden können. Auf technischer Ebene spiegelt sich dies unter anderem in der Erhöhung der Datenqualität (vgl. Winkelmann et al. 2008) und der automatisierten Anbindung an die existierende Systemlandschaft, z. B. Kassen- oder Warenwirtschaftssysteme, wider. Damit stellt die Umsetzung einer Promotionplattform eine weitergehende Digitalisierung dar als ein einzelner Web-Service, da die Plattform eine ganze Reihe an Services und Funktionen zur Abwicklung des gesamten Couponing-Prozesses bereitstellt, die im erweiterten Service Blueprint dokumentiert werden können (vgl. die grau schraffierten Objekte in Abbildung 5). Das UML Komponentendiagramm in Abbildung 7 ermöglicht einen Überblick über die Architektur der implementierten Promotionplattform (vgl. Becker et al. 2007). Dem Entwurf liegt ein modulares Architekturkonzept zugrunde, das Artikel- und Promotionstammdaten im Rahmen von Diensten verfügbar macht. Innerhalb dieser Dienste werden generische und wieder verwendbare Applikations-, Daten- oder Prozesslogiken hinter einer eindeutig definierten Schnittstelle gekapselt. Über diese Schnittstelle können andere Applikationen auf die Funktionen der Dienste zugreifen, was eine Informationsintegration zur kooperativen Abwicklung durch Hersteller und Händler im Sinne eines umfassenden Middleware-Ansatzes darstellt. Die wesentlichen Dienste im Kern der Promotionplattform sind innerhalb eines Service Frameworks angesiedelt, das eine lose Kopplung durch XMLDokumente ermöglicht. Bei Promotions, insbesondere beim Couponing, stehen zu bewerbende Artikel – und damit ihre Artikelstammdaten – im Mittelpunkt. Daraus ergibt sich für eine Promotionplattform die Notwendigkeit, Funktionen zur Erfassung, Verwaltung, Speicherung, Archivierung und Bereitstellung dieses Contents zur Verfügung zu stellen. Neben entsprechenden Funktionen zur Anzeige, Änderung und der teilautomatischen Erweiterung der Artikelstammdaten wird die effiziente Suche innerhalb der Inhalte realisiert. Neben Artikelstammdaten müssen entsprechende Funktionen zum Umgang mit den Promotionstammdaten selbst vorhanden sein. Dazu zählt neben der Zuordnung der Artikelstammdaten zu Promotions vor allem die Festlegung der zuvor beschriebenen Ausgabe- und Einlösebedingungen. Darüber hinaus erfolgt in diesem Dienst die Koordination des Abstimmungsprozesses zur Durchführung einer Promotion zwischen dem initiierenden Hersteller und teilnehmenden Händlern, so dass der gesamte Prozess der Promotion kooperativ über die Plattform abgewickelt werden kann. Funktionen zur Qualitätssicherung der Stammdaten werden im Dienst Quality Assurance Services zusammengefasst. Ein wesentlicher Baustein ist hierbei die automatische Erfassung neuer Artikel in etablierten Artikelstammdaten-
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Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt, Axel Winkelmann
pools (z. B. SINFOS) und das automatische Hinzufügen der entsprechenden Artikelstammdaten zur Datenbasis. In einem weiteren Schritt erlaubt die Anwendung diverser Ähnlichkeitsmaße, Vorschläge über das Hinzufügen der neuen Artikel zu laufenden oder zukünftig geplanten Promotions vorzunehmen. Damit wird eine effiziente Anpassung der Promotions auch zur Laufzeit möglich. Im Rahmen der Plattform Services wird die Verwaltung der Daten u. a. durch ein rollenbasiertes Berechtigungssystem zur Zugriffsabsicherung unterstützt, so dass die Datensicherheit auch im unternehmensübergreifenden Kontext gewahrt bleibt.
Graphical User Interface (GUI) / Client
SINFOS Interface
Manufacturer Interface
Retailer Interface
Workflow / Service Orchestration (SO)
Workflow Interface
Services Framework (SF)
Service Framework Interface
Item Data Services (IDS)
Family Administration
Promotion Data Services (PDS)
Quality Assurance Services (QAS)
Coupon Master Data Handling
Platform Services (PS)
Master Data Watchdog
Article Master Data Handling
Database Layer Interface
Database Layer (DL)
Abbildung 7. Komponentendiagramm der integrierten Promotionplattform
5
Zusammenfassung und Ausblick
Im vorliegenden Beitrag wurden Kontaktpunkte des Handels mit Kunden und Herstellern in Dienstleistungsprozessen anhand eines erweiterten ServiceBlueprint-Schemas sichtbar gemacht, das bestehende Ansätze erweitert: Erstens wird die Spiegelung des Analyseschemas auf die Integration von Hersteller, Handel und Kunden ausgedehnt, indem eine zusätzliche Ebene im Blueprint eingefügt wird. Damit findet eine Anpassung auf die Eigenschaften von Handelsdienstleistungen statt, die im Wertschöpfungsdreieck Hersteller, Handel, Kunde kooperativ erbracht werden müssen. Zweitens wird eine Er-
E-Services im Handel
191
weiterung der Sprachkonstrukte des Service-Blueprints präsentiert, um die aufgefundenen Digitalisierungspotenziale und Spezifikationen im ServiceBlueprint dokumentieren zu können. Für die aufgefundenen Kontaktpunkte können mögliche Kanäle für die Übertragung der für den Übergang notwendigen Information identifiziert und an Kontaktpunkte annotiert werden. Dieser Kanal determiniert die Digitalisierungspotenziale, da manuell auszuführende Aktivitäten i. d. R. nur graduell durch E-Service-Konzepte automatisiert werden können. Somit kann der erweiterte Service-Blueprint als Hilfsmittel bei der Planung der Dienstleistungserbringung – insbesondere in einer Zusammenarbeit des Handels mit Herstellern – dienen. Anhand der Handelsdienstleistungen Couponing und Rücknahme wurde die Anwendung des erweiterten Service-Blueprints exemplarisch gezeigt und Kanäle an den Kontaktpunkten identifiziert. Zur Umsetzung der Digitalisierungspotenziale können verschiedene Technologien, beispielsweise Web-Services, genutzt werden. Diese können mit bereits in der Literatur vorgeschlagenen Methoden spezifiziert werden, auf die im vorliegenden Paper nicht näher eingegangen wurde. Zur besseren Übersichtlichkeit bietet es sich an, spezifizierte Web-Services im erweiterten Service-Blueprint an die jeweiligen Übergänge zwischen Kontaktpunkten zu annotieren. Diese können im Rahmen vergleichbarer Informationsflüsse wiederverwendet werden. Die vorgestellte Couponing-Plattform repräsentiert eine weitere Ausbaustufe der Digitalisierung von Dienstleistungen, die zur Administration von Coupon-Promotions über mehrere Kontaktpunkte hinweg dienen kann. Die auf der Plattform benötigten Daten können dabei bspw. durch entsprechend spezifizierte WebServices bereitgestellt, manipuliert und ausgetauscht werden. Anschlussfähigkeit besteht in der detaillierten Untersuchung weiterer Handelsdienstleistungen und der Konzeption weiterführender Automatisierungskonzepte zur (halb-)automatischen Informationsintegration von der Self-Service-Anwendung in den Verkaufsräumen des Handels bis in die ERPSysteme der Hersteller.
Danksagung Dieser Beitrag wurde ermöglicht durch die Förderung des BMBF-Projekts „FlexNet“ (Flexible Informationssystemarchitekturen für hybride Wertschöpfungsnetzwerke; Förderkennzeichen 01FD0629) im Rahmen des Programms „Innovationen mit Dienstleistungen“. Wir danken dem Projektträger Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) für die Betreuung.
192
Daniel Beverungen, Ralf Knackstedt, Axel Winkelmann
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Analytisches Customer Relationship Management im elektronischen Handel Prof. Dr. Andreas Hilbert Technische Universität Dresden Professur für Wirtschaftsinformatik, insb. Business Intelligence Research
[email protected] Stefan Sommer Technische Universität Dresden Professur für Wirtschaftsinformatik, insb. Business Intelligence Research
[email protected]
1
Einleitung
Durch die rapide technologische Entwicklung, insbesondere des Internets und des World Wide Web (WWW), ergeben sich für viele Unternehmen im Bereich des Handels sowohl neue Möglichkeiten, ihre Geschäftsprozesse im Internet abzubilden, als auch Kundenbeziehungen mit Hilfe von moderner Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) zu realisieren. Viele Unternehmen der Branche haben das Potenzial des elektronischen Handels erkannt und etablieren neben den traditionellen Absatzkanälen zunehmend internet- und webbasierte Interaktions- und Transaktionsplattformen (vgl. Kollmann 2009; Meier, Stormer 2005; Wirtz 2001). Nach dem Niedergang der New Economy erlebt der elektronische Handel zurzeit einen neuen Aufschwung. So konnte der elektronische Handel im Privatkundenbereich im Jahr 2007 ein zweistelliges Wachstum verbuchen. Die Verbraucher haben in Deutschland im Jahr 2007 ca. 18 Mrd. Euro für Produkte oder Dienstleistungen im Internet ausgegeben (vgl. Smith et al. 2007; Heinemann 2008). Vor dem Hintergrund der steigenden Umsatzzahlen gewinnt das Management der Kundenbeziehungen durch technologische Innovationen und dem damit verbundenen Potenzial für Personalisierung von Geschäftsbeziehungen gerade im elektronischen Handel erheblich an Bedeutung. Ziel des Customer Relationship Management (CRM) ist es, durch die Kenntnis der Kundenwünsche individuelle Präferenzen und Bedürfnisse zu berücksichtigen und kundenspezifisch Produkte oder Dienstleistungen über den elektronischen Vertriebskanal zu vermarkten. Damit soll die Zufriedenheit des Kunden gesteigert und seine langfristige Bindung an das Unternehmen erreicht werden
196
Andreas Hilbert, Stefan Sommer
(vgl. Smith et al. 2007; Wirtz 2001). Gegenwärtig nutzen viele Unternehmen im elektronischen Handel bereits klassische CRM-Systeme, um die Beziehungen zwischen den Unternehmen und den Kunden zu managen. Auch analytische CRM-Applikationen erfahren eine zunehmende Beliebtheit und Verbreitung in Unternehmen. Mit Hilfe der Methoden des Web und Data Minings können die anfallenden Daten des elektronischen Handels analysiert werden (vgl. Günther, Deckl 2006). Der Artikel soll aufzeigen, welche Möglichkeiten der Datenerhebung existieren und wie die erfassten Daten zur Informationsgewinnung über den Kunden im Sinne des analytischen CRMs genutzt werden können.
2
Customer Relationship Management
2.1
Vom Relationship Management zum Customer Relationship Management
Das Relationship Management bildet, als ganzheitliches Konzept nach Diller (1995), den Definitionsrahmen, in den sich weitere artverwandte Begriffe einordnen lassen, wie in Abbildung 1 dargestellt (vgl. Hippner et al. 2007). Der Begriff Relationship Marketing stellt deutlicher als das Relationship Management die Kundenseite in den Vordergrund, umfasst aber dennoch die Märkte, die Unternehmen vorgelagert sind (vgl. Hippner 2005). Relationship Management Relationship Marketing Customer Relationship Management
sonstige externe Beziehungen
sonstige interne Beziehungen
sonstige vertikale Beziehungen
potenzielle Kunden
aktuelle Kunden
verlorene Kunden
Abbildung 1. Abgrenzung des Customer Relationship Management von verwandten Begriffen (vgl. Hippner et al. 2007) Der Begriff des Customer Relationship Management leitet sich direkt aus dem Relationship Marketing ab und konzentriert sich ausschließlich auf die Gestaltung der Kundenbeziehungen. Wirtz (2001) definiert Customer Relation-
Analytisches CRM im elektronischen Handel
197
ship Management als „institutionale Analyse, Steuerung, Gestaltung und Controlling von Geschäftsbeziehungen zu den Kunden mit dem Ziel, einen unternehmerischen Erfolgsbeitrag zu leisten“ (Wirtz 2001). 2.2
Closed-Loop-Ansatz des CRMs
Für die technische Umsetzung des Customer Relationship Managements werden IT-Systeme eingesetzt, deren oberstes Ziel die effiziente Zusammenführung aller heterogenen Anwendungen der Verkaufs-, Marketing- und Serviceprozesse in einem Unternehmen ist. Zusätzlich sollen über Schnittstellen diverse betriebswirtschaftliche Standardsoftware (ERP- oder SCM-Systeme) und spezifische Daten des elektronischen Handels (Webdaten) angebunden werden, um eine homogene, logische Kunden-Datenbasis zu schaffen (Customer-Data-Warehouse), auf die alle Unternehmensbereiche zugreifen können. Somit wird den verschiedenen Unternehmensbereichen eine ganzheitliche Sicht auf die Kunden und ein einheitlicher Dialog mit den Kunden möglich (vgl. Kollmann 2009; Hippner 2007). Mailings
Internet
E-Mail
SCM
Front Office
Persönlicher Kontakt
Telefon WAP
Customer Interaction Center
Marketing Automation
Sales Automation
kollaboratives CRM
Service Automation operatives CRM
ERP
Webdaten
Back Office
Operative Kundendaten
Operative IT
Data Mining
OLAP
Content Mgmt. System
Closed-Loop Architektur
analytisches CRM
Customer Data Warehouse
Abbildung 2. Closed-Loop-Architektur eines CRM-Systems (vgl. Kollmann 2009; Hippner et al. 2007) Basis dieser Systeme ist die effiziente Sammlung, Aufbereitung, Verknüpfung und Bereitstellung aller verfügbaren operativen Kunden- und Transaktionsdaten in einer Data-Warehouse-Architektur, wie in Abbildung 2 dargestellt. Diese ist von den operativen Datenbanksystemen getrennt, um unter ande-
198
Andreas Hilbert, Stefan Sommer
rem das Tagesgeschäft nicht von rechenintensiven Analyseanwendungen zu beeinträchtigen. Die anschließende Analyse und Auswertung der integrierten Daten erfolgt bspw. mit Hilfe von Methoden des Web- und Data-Mining sowie Online-Analytical-Processing (OLAP). Die aus den Analysen gewonnen Erkenntnisse fließen über Feedback-Schleifen zurück in das operative Geschäft und verbessern schließlich die Verkaufs-, Marketing- und Service-Aktivitäten des Unternehmens. Dieser fortwährende Kreislauf aus Datenmanagement, Datenanalyse und Optimierung des operativen Geschäfts wird als ClosedLoop-Architektur eines CRM-Systems bezeichnet (vgl. Kollmann 2009; Hippner 2007).
2.3
Kollaboratives, operatives und analytisches CRM
In der Literatur hat sich die Dreiteilung eines CRM-Systems durchgesetzt. Das kollaborative CRM umfasst die Anwendungen für eine Realisierung, Synchronisation und Regulierung aller Kommunikationskanäle (bspw. Telefon, E-Mail oder Internet) zum Kunden, mit dem Ziel einen bidirektionalen, intensiven und flexiblen Dialog zwischen Kunden und Unternehmen zu gewährleisten. Im operativen CRM werden alle Aufgaben zusammengefasst, die im direkten Kontakt mit dem Kunden stehen (Front-Office-Aktivitäten). Hierbei wird das Ziel verfolgt, sämtliche Prozesse im Unternehmen, die im Zusammenhang mit der Transaktionsabwicklung stehen und auf der operativen IT basieren, weitestgehend zu automatisieren und zu standardisieren. Während das kollaborative und operative CRM unmittelbar die kundenbezogenen Geschäftsprozesse eines Unternehmens unterstützen, werden im Rahmen des analytischen CRMs die Kundenreaktionen systematisch und aggregiert in einer Kundendatenbasis (Customer-Data-Warehouse) archiviert und zur kontinuierlichen Optimierung der kundenbezogenen Geschäftsprozesse ausgewertet. Das CRM-System wird somit zu einer lernenden Einheit, in dem die Reaktionen der Kunden gezielt genutzt werden, um die Kundeninteraktion entsprechend der fein differenzierten Bedürfnisse unterschiedlicher Kundengruppen kontinuierlich zu verbessern (vgl. Kollmann 2009; Iriana, Buttle 2006).
3
Analytisches CRM im elektronischen Handel
Der Elektronische Handel (Electronic Commerce) wird nach Wirtz (2001) als ein Geschäftsmodelltyp des Electronic Business definiert, dessen Ziel die „Realisierung von Effizienzsteigerungen, Kostensenkungspotenzialen und Bequemlichkeitsvorteilen während einer (Handels-)Transaktion“ (Wirtz 2001) ist. Die wichtigsten Marktteilnehmer im Electronic Business bilden die Konsumenten (Consumer), die Unternehmen (Business) und die staatlichen
Analytisches CRM im elektronischen Handel
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Organisationen (Administration), wobei jeder Teilnehmer als Anbieter oder Nachfrager von Produkten oder Dienstleistungen auftreten kann. Dies gründet in insgesamt neun grundsätzlichen Marktbeziehungen, obwohl nur die Business-to-Consumer (B2C) und die Business-to-Business (B2B) Beziehungen als Optionen des elektronischen Handels bezeichnet werden (vgl. Meier, Stormer 2005; Wirtz 2001). Die im Folgenden vorgestellten Aufgaben des analytischen CRMs im elektronischen Handel unterteilen sich in die Bereiche der Datenerhebung, der Kundenidentifikation und schließlich der Analyse der erhobenen Daten.
3.1
Erhebung der Daten
In der Literatur zur Datenerhebung für den elektronischen Handel hat sich eine Einteilung der Methoden in nicht-reaktive und reaktive Datenerhebung durchgesetzt, die sich durch das Bewusstsein des Nachfragers „über die Aufzeichnung seines Verhaltens und der damit verbundenen Reaktion auf den Einsatz von Erhebungsmethoden“ (Buxel 2001) unterscheidet, wie in der Abbildung 3 dargestellt (vgl. Wiedmann et al. 2002). Online-Datenerhebung
Nicht-reaktive Datenerhebung
Log-Dateien
- Server-Logs - Proxy-Logs - ApplicationLogs
Umgebungsvariablen - Serverseitig - Clientseitig - Anfrageseitig
Reaktive Datenerhebung
Spezialanwendungen
Formularfelder
- Cookies - SoftwareAgenten - Client-Logs - Packet-Sniffer - PixelMethode (Web Bugs)
- Geschlossene Felder - offene Felder
Wahlmenüs
- Identifikationsdaten - Deskriptionsdaten - Kommunikationsdaten
Abbildung 3. Möglichkeiten der nicht-reaktiven und reaktiven Datenerhebung (vgl. Buxel 2001) Im Vordergrund der nicht-reaktiven Methoden steht die Datenerhebung, die aus dem Nutzerverhalten auf einer Webseite resultiert. Müller (2005) unterscheiden die Datenerhebung auf Basis von Log-Dateien, Umgebungsvariablen und Spezialanwendungen. Für die reaktive Datenerhebung im Internet sind
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insbesondere Identifikations-, Deskriptions- und Kommunikationsdaten von Bedeutung (vgl. Müller 2005; Wiedmann et al. 2002). 3.1.1 Nicht-reaktive Datenerhebung In der nicht-reaktiven Datenerhebung hat sich in der Praxis in den letzten Jahren gemäß dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) zunehmend die Erfassung von Daten auf Basis von Server-Logs (Log-Dateien) und der Pixel-Methode (Spezialanwendungen) durchgesetzt (vgl. Graf 2008). Diesen Trend bestätigen andere Autoren, die des Weiteren aufzeigen, dass sich entlang der zuvor genannten Methoden der Datenerhebung auch zwei konkurrierende betriebswirtschaftliche Geschäftsmodelle entwickelt haben. Kommerzielle Webanalyse-Anbieter vermarkten ihre Software als Application-Service-Provider-Modell (ASPModell) und nutzen hauptsächlich die Pixel-Methode. Bei Betreibern von elektronischen Handelssystemen, die sich eigenständig um die Datenerhebung im Internet kümmern, ist die Datensammlung mit Hilfe von Server-LogDateien verbreitet (vgl. Berendt et al. 2008; Roth, Voss 2002). Server-Log-Dateien In Log-Dateien werden die durch den Server protokollierten Parameter, welche bei einem Datenaustausch im Internet zwischen Webseite (Server) und Browser des Kunden (Client) anfallen, automatisiert gespeichert. Sie lassen sich auf Seiten des Servers (Server-Logs und Application-Logs), sowie zwischen dem Client und Server stehenden Proxy-Servern erheben. Server-Logs spiegeln hierbei das Verhalten vieler Clients auf einer Webseite wider, Proxyund Application-Logs hingegen das Verhalten vieler Clients auf vielen Webseiten. Für die Datenerhebung im elektronischen Handel sind insbesondere die Server-Logs von Bedeutung. Das individuelle Format der Server-Log-Dateien kann entsprechend des verwendeten Servertyps und dessen Einstellungen variieren. Das gängigste Format für Log-Dateien ist das Common Log Format (CLG), bzw. die Erweiterung des CLG zum Extended Common Log Format (ECLG), welches die in Tabelle 1 aufgelisteten Bestandteile umfasst (vgl. Hu, Zhong 2008; Markov, Larose 2007).
Analytisches CRM im elektronischen Handel Feldname Host Ident Authuser Date Timezone Request Status Bytes Referer Agent
Bedeutung IP-Adresse des zugreifenden Clients bzw. Proxy-Servers Identifikation (falls vorhanden, sonst Bindestrich) Benutzername (falls vorhanden, sonst Bindestrich) Datum und Uhrzeit des Zugriffs im Format dd/mm/yyyy:hh:mm:ss Abweichung von der Greenwich Mean Time (GMT) in Stunden Methode, URL und Protokoll des Zugriffs Antwortstatus des Servers als Codenummer Gesamtzahl der übertragenden Bytes URL der Seite, von welcher aus die Anfrage gestellt wurde (zusätzliches Feld des ECLF gegenüber dem CLF) Name und Versionsnummer des angefragten Browsers (zusätzliches Feld des ECLF gegenuäber dem CLF)
201
Beispielwert 123.45.67.189 01/Apr/08:12:16:06 +0200 "GET /SeiteA.html/9876 HTTP/1.0" 200 185
Mozilla (IE5.0,WinNT)
Tabelle 1. Felder des Extended Common Logfile Formats (vgl. Hu, Zhong 2008; Reichle et al. 2006) Pixel-Methode Die Pixel-Methode zur nicht-reaktiven Datenerhebung ist vor allem bei kommerziellen Webanalyse-Anbietern weit verbreitet, die ihre Dienste meist auf Basis eines Application-Service-Provider-Modells vermarkten (vgl. Sen et al. 2006; Roth, Voss 2002). Die Idee der Pixel-Methode ist nicht neu, sondern basiert maßgeblich auf dem Konzept der Web-Bugs welche sich vor einigen Jahren einer großen Beliebtheit erfreuten. Gemäß Martin et al. (2003) stellt die Pixel-Methode eine Weiterentwicklung der klassischen Web Bugs dar. Die Autoren beschreiben Web Bugs als Bestandteile des vom Server übertragenden Angebots beim Aufruf einer Webseite in Form von sehr kleinen Bilddateien, die Informationen über das Verhalten von Nachfragern übermitteln. Die Bilddateien sind durch ihre geringe Größe (in der Regel von 1×1 Pixeln) faktisch nicht sichtbar und verweisen auf einen Drittanbieter, der die übertragenen Daten aufzeichnet und auswertet. Die erhobenen Daten und ihr Informationsgehalt sind unter Einschränkungen mit Server-Logs vergleichbar. Die Web Bugs enthalten ebenfalls Datumsparameter und die IP-Adresse des Nachfragers. Darüber hinaus enthalten sie weitere Parameter wie bspw. Cookieinformationen zur Nutzeridentifikation (vgl. Martin et al. 2003; Säuberlich 2002; Harding et al. 2001). Die Pixel-Methode nutzt grundsätzlich dasselbe Verfahren wie das Konzept der Web Bugs. Es wird ebenfalls HTML-Code in einer Webseite platziert und durch ihren Aufruf werden Daten über das Nutzungsverhalten des Nachfragers auf dem Server eines Drittanbieters aufgezeichnet. Der HTML-Code des sogenannten Tracking-Pixels auf der Webseite enthält, neben einer Bilddatei zusätzlich noch Java-Script-Code, der das Aufzeichnen zusätzlicher Parameter erlaubt (vgl. Coremetrics 2008; Webtrekk 2008). Das Tracking-Pixel besteht demnach grundsätzlich aus dem HTML-Code einer Bilddatei und dem Java-
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Andreas Hilbert, Stefan Sommer
Script-Code. Der Aufbau der Bilddatei sowie die Java-Script-Funktionen unterscheiden sich je nach Webanalyse-Anbieter. Der Informationsgehalt, der mit Hilfe der Pixel-Methode gewonnenen Daten variiert je nach ASP-Modell des Anbieters und geht in der Regel über denen der Server-Logs hinaus. Gegenüberstellung der Methoden Zusammenfassend lässt sich sagen, dass beide Methoden einer nichtreaktiven Datenerhebung ihre Vor- und Nachteile aufweisen. Die Erhebung mittels Server-Log-Dateien im elektronischen Handel ist besonders für Unternehmen geeignet, die aus Gründen der Datensicherheit ihre Log-Files nicht an Drittanbieter übermitteln und sich die maximale Flexibilität in den Analysen erhalten wollen. Neben einer aufwendigen Datenaufbereitung und -präsentation weisen die Log-Dateien zudem Defizite in den Möglichkeiten einer Informationsgewinnung, der Aktualität sowie der Güte der Daten auf. Hier liegen nach Ansicht der Autoren die Vorteile der Pixel-Methode. Durch die vorhandenen Java-Script-Funktionen können spezifische Parameter für den elektronischen Handel für jede Webseite gesetzt und auch neu definiert werden. Zudem sind die Daten in Echtzeit verfügbar. Außerdem ermöglicht die Pixel-Methode durch die Fortschreibung der Cookie-ID eine einfachere Nutzeridentifikation. Schließlich liefern die ASP-Anbieter bereits mächtige Werkzeuge zur Datenpräsentation und -auswertung, die allerdings in ihrer Flexibilität Grenzen aufweisen. Nach Einschätzung der Autoren wird sich die Pixel-Methode in Zukunft durchsetzen. Zum einen werden aufgrund von Wirtschaftlichkeitsaspekten viele Unternehmen die ASP-Webanalyse-Modelle bevorzugen und zum anderen werden die ASP-Betreiber durch entsprechende Datenschutzzertifizierungen oder In-House Lösungen auch den Anforderungen von Unternehmen gerecht, die hohe Datenschutzkriterien zu erfüllen haben (vgl. Berendt et al. 2008; Sen et al. 2006; Mayr, Nancoz 2005). 3.1.2 Reaktive Datenerhebung Die Methoden der reaktiven Datenerhebung grenzen sich ab in Formularfelder und Wahlmenüs, wobei beide Methoden in der Praxis meist kombiniert zum Einsatz kommen. Sie erfolgt mit Kenntnis des Nachfragers über die Aufzeichnung seiner persönlichen Identifikations-, Verhaltens- sowie Beschreibungsdaten und setzt eine aktive Beteiligung von ihm voraus. Im Gegensatz zur nicht-reaktiven Datenerhebung stehen weniger verhaltensbeobachtende Technologien im Vordergrund. Vielmehr werden Eigenschaften des Nachfragers ermittelt. Im elektronischen Handel werden insbesondere Formularfelder (offen oder geschlossen) und Wahlmenüs zur Datenerhebung genutzt (vgl. Müller 2005; Wiedmann et al. 2002). Die Datenerfassung spielt sich vornehmlich bei der Anmeldung bzw. Registrierung eines Neukunden oder in Form von Befragungen und Umfragen eines Bestandskunden ab. Oft vollzieht sich die Datenerhebung in einem mehrstufigen Prozess, um den Kunden
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203
bspw. nicht zu Beginn einer Angebotsnutzung mit massiven Datenabfragen zu konfrontieren. Im Hinblick auf eine höhere Kundenakzeptanz für die Datenerhebung sollte dem Kunden der Mehrwert dieser veranschaulicht werden, um ihn so in seiner Aufwands-Nutzen-Überlegung zur Dateneingabe positiv zu beeinflussen (vgl. Müller 2005; Buxel 2001). In Formularfelder kann der Kunde manuell Daten eintragen. Geschlossene Formularfelder besitzen hierbei keine Freiheitsgrade bezüglich der einzugebenden Daten auf thematischer Ebene. Somit eignen sie sich daher besonders für die Erfassung von Identifikationsdaten, bei denen aufgrund der Anzahl möglicher Antwortkategorien kaum Standardisierungseffekte zum Tragen kommen (bspw. Straße und Hausnummer). Offene Formularfelder lassen dem Kunden größeren Spielraum bezüglich der Inhalte und Menge der einzugebenden Daten. Sie werden von Unternehmen im elektronischen Handel immer dann eingesetzt, wenn komplexe Sachverhalte über den Kunden in Erfahrung gebracht werden sollen (bspw. Antworten auf spezifische Fragestellungen). Bei Wahlmenüs sind vordefinierte Antwortkategorien zulässig. Der Kunde kann aus einer gegebenen Antwortmenge auswählen und es ist kein direkter Eingabeaufwand erforderlich. Die Verwendung von Wahlmenüs beschränkt sich auf diejenigen Anwendungsfälle, in denen keine Flexibilität gefordert ist (vgl. Müller 2005; Buxel 2001).
3.2
Kundenidentifikation
Das Problem der Kundenidentifikation im elektronischen Handel liegt in der Beschaffenheit des Mediums selbst. Die IP-Adresse ist das grundlegende Element mit dem ein Computer im Internet identifiziert werden kann. Die folgenden zwei Fallbeispiele zeigen allerdings, dass es hierbei zu erheblichen Problemen kommen kann (vgl. Gaul, Schmidt-Thieme 2002; Säuberlich 2002): x Eine IP-Adresse und mehrere Kunden: Internet-Service-Provider, Unternehmen oder Universitäten verfügen in der Regel über Proxy-Server die unterschiedlichen Clients eine Verbindung zum Internet ermöglichen. Alle Clients bekommen von dem Proxy-Server dieselbe IP-Adresse zugewiesen. Der Webserver identifiziert die unterschiedlichen Clients hierbei auf Basis der IP-Adresse als einen Kunden. x Mehrere IP-Adressen und ein Kunde: Ein Großteil der Internet-ServiceProvider weisen ihren Nutzern die IP-Adresse dynamisch zu. So kann es vorkommen, dass ein und derselbe Kunde bei zwei unterschiedlichen Besuchen zwei unterschiedliche IP-Adressen besitzt. Im schlimmsten Fall kann es passieren, dass ein Kunde während einer Sitzung oder sogar bei jeder neu angeforderten Webseite eine neue IP-Adresse zugewiesen bekommt.
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Anhand der dargelegten Fallbeispiele wird deutlich, dass eine Kundenidentifikation auf Basis von IP-Adressen für die eindeutige Zuordnung von erhobenen Daten eines Kunden unzureichend ist. Im elektronischen Handel kommt der Kundenidentifikation vor dem Hintergrund der kundenspezifischen Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen eine besondere Bedeutung zu. In der Literatur hat sich für diese Methoden eine Unterteilung in aktive und passive Kundenidentifikation etabliert, die sich anhand der bewussten Ausübung der Identifikation und Authentifizierung des Kunden unterscheidet (vgl. Gaul, Schmidt-Thieme 2002; Thurner 2002). 3.2.1 Aktive Kundenidentifikation Für die aktive Kundenidentifikation im elektronischen Handel werden grundsätzlich drei Verfahren (Chipkarten-, Biometrische- und Login-Verfahren) nach Müller (2005) differenziert, wobei sich ausschließlich das LoginVerfahren in der Praxis durchgesetzt hat. Hierfür ist zunächst eine Registrierung des Kunden notwendig. Im Zuge seiner Registrierung vergibt der Kunde einen Benutzernamen und ein Passwort bzw. bekommt dieses vom Anbieter zugewiesen (Minimalregistrierung). Die eigenständige Änderung eines zugewiesenen Passworts ist durch den Kunden in der Regel nach erstmaligem Login möglich. In vielen Systemen des elektronischen Handels hat sich eine Registrierung mit dem sogenannten Confirmed-Opt-In- oder Double-Opt-InVerfahren durchgesetzt. Der Kunde muss hierbei neben Benutzernamen und Kennwort zusätzlich noch seine E-Mail-Adresse angeben. Via E-Mail erfolgt im Falle des Confirmed-Opt-In Verfahrens bei erfolgreicher Registrierung eine Bestätigung. Beim Double-Opt-In Verfahren muss die Registrierung durch Aufruf eines Bestätigungslinks in der E-Mail abgeschlossen werden (vgl. Angeli, Kundler 2007; Müller 2005; Wirtz 2005). Vor dem Hintergrund der Minimierung der Eintritts- und Akzeptanzbarrieren ist eine Registrierung im elektronischen Handel heutzutage allerdings erst mit dem verbindlichen Kauf eines Produktes oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung notwendig. Sie gestaltet sich ausführlicher als die zuvor beschriebene Minimalregistrierung. Die Angabe von weiteren persönliche Daten, insbesondere der Rechnungs- bzw. Lieferanschrift, sowie der Auswahl der Zahlungsmethode sind verpflichtend. Optional kann der Kunde auch demographische und psychographische Daten angeben. Die E-Mail zur Bestätigung der Registrierung wird dann um die Bestellinformationen ergänzt (vgl. Müller 2005; Gaul, Schmidt-Thieme 2002). Ist die Person bereits über einen anderen Kanal ein Kunde des Unternehmens (bspw. im stationären Handel) und verfügt zudem schon über eine Kundennummer oder andere Identifikationsschlüssel, kann sich der Registrierungsprozess ggf. deutlich vereinfachen. In diesem Fall reichen für die Registrierung meist die Kundennummer oder Ähnliches und ein Passwort als Anmeldeparameter (vgl. Thurner 2002).
Analytisches CRM im elektronischen Handel
205
3.2.2 Passive Kundenidentifikation Die grundsätzliche Möglichkeit der passiven Kundenidentifikation beruht auf der Tatsache, dass ein Kunde beim „Surfen“ auf einer Webseite elektronisch erfassbare Spuren hinterlässt. Die Verfahren der passiven Kundenidentifikation unterteilt Müller (2005) in Globally Unique Identifier (GUID), Cookies und Session-IDs, wobei sich in der Praxis die Identifikation aus einer Kombination von Cookies und Session-IDs durchgesetzt hat. Die Session-ID stellt nach der Auffassung von Säuberlich (2002) eher ein unterstützendes Instrument der Kundenidentifikation dar und kann nicht allein für eine eindeutige Kundenidentifizierung herangezogen werden. Eine Session-ID ermöglicht lediglich die Ausweisung von zusammenhängenden Nutzungsvorgängen, aber nicht die Identifikation einzelner Kunden. Für eine eindeutige Identifizierung der Kunden auf Basis passiver Methoden sind Cookies am besten geeignet. Cookies sind kleine Textdokumente, die durch eine Webseite auf einem Server erzeugt und auf der Festplatte eines Kunden (Client) abgelegt werden. Sie bestehen im Normalfall aus einem Namen-Wert-Paar (bspw. customer=KND1234;) und weiteren optionalen Parameter-Wert-Paaren in beliebiger Reihenfolge, die durch Semikolon voneinander getrennt sind (bspw. max-age=6000;). Das Namen-Wert-Paar gibt hierbei den Namen (name) des Cookies und den zugeordneten Wert (value) an. Der exemplarische Parameter max-age zeigt die maximale „Lebenszeit“ des Cookies in Sekunden an. Beim Aufruf einer Webseite prüft der Browser des Kunden (Client), ob bereits ein oder mehrere Cookies von dieser Webseite gesetzt wurden. Ist ein Cookie vorhanden, so sendet der Browser die Cookieinformationen an den Server und dieser nutzt diese zur Identifikation des Kunden. Ein Cookie kann unterschiedlichste Informationen aufnehmen, bspw. eine Session-ID, Zugriffszeitpunkt, Klickverlauf oder eine Kundennummer zur eindeutigen Bestimmung des Kunden (vgl. IETF 2009; Thurner 2002; Harding et al. 2001).
3.3
Analysen über den Kunden
3.3.1 Auswertung der nicht-reaktiv erfassten Daten Handel getroffen werden, unabhängig davon, über welches der verschiedenen Verfahren die Daten erhoben werden. Der Informationsgehalt kann wie folgt systematisiert werden (vgl. Berendt et al. 2008; Breeding 2005; Fichter 2003; Wiedmann, Buxel 2003): x Nutzeridentifikation: Über die Auswertung von IP-Adressen, Session-IDs und Cookieinformationen können Hinweise auf die Kunden des elektronischen Handels gewonnen werden. Es lassen sich Verhaltensweisen ein-
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zelnen Clients oder Personen zuordnen und durch die Zusammenführung mit weiteren Informationen (bspw. den reaktiv erfassten Daten) lassen sich Aussagen über das Verhalten einzelner Kunden bzw. Kundengruppen treffen. x Interessen: Die URL liefert Hinweise auf die Interessen der Kunden an bestimmten Themen oder Angeboten (bspw. Webseite mit Produktdarstellung). Durch eine Analyse der Abfolge von Anfragen können Verbundbeziehungen zwischen einzelnen Angeboten oder Themengebieten aufgezeigt werden. x Nutzungszeiten: Die Auswertung der Nutzungszeiten ermöglicht die Analyse der Zugriffszeiten und Verweildauer auf einzelnen Webseiten. Die Verweildauer kann hierbei als Indikator für das Interesse an einem Themengebiet oder an einem Angebot interpretiert werden. Zusätzlich ermöglicht die Analyse Aussagen über die zeitliche Verteilung von Zugriffen auf eine Webseite des elektronischen Handels (Zeitpunkt und Häufigkeit). x Verbundene Interessen: Der Referer liefert Informationen auf die vor dem Zugriff besuchten Webseiten. Durch die Analyse können Rückschlüsse über Verbundbeziehungen zu anderen Webseiten und damit über die Interessen des Kunden gewonnen werden. 3.3.2 Auswertung der reaktiv erfassten Daten Identifikationsdaten Die Identifikationsdaten stellen die Basisinformation eines jeden Kunden dar. Sie dienen der genauen Bestimmung des Kunden in anwendungsorientierten Situationen wie der Transaktionsabwicklung und ermöglichen die Zuordnung von Verhaltens- und Kaufdaten zu konkreten Personen. Identifikationsdaten beinhalten in der Regel folgende Informationen: Titel, Vor- und Nachname, Kundennummer (eindeutige ID), Privat- bzw. Geschäftsadresse, Telefonnummern, Faxnummern, E-Mail Adressen, Geburtsdatum etc. Die Kundennummer wird einem Neukunden einmalig beim Erstkontakt mit dem Unternehmen zugewiesen. Sie dient zur eindeutigen Identifikation des Kunden und wird als Schlüsselelement herangezogen, um unterschiedliche Kundendaten genau einem Kunden zu zuordnen (vgl. Blattberg et al. 2008; Homburg, Sieben 2008). Deskriptionsdaten Deskriptionsdaten beschreiben grundlegende Wesensmerkmale und das Kaufverhalten von Kunden. Aus diesen Daten können Präferenzen und Vorlieben für bestimmte Produkte oder Dienstleistungen eines Kunden abgleitet
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werden. Sie werden von Blattberg et al. (2008) in transaktionsbezogene, demographische und psychographische Daten unterteilt (vgl. Blattberg et al. 2008; Buxel 2001): x Transaktionsdaten sind die früheren Kaufaktionen des Kunden protokolliert. Sie sind ein mächtiges Werkzeug, denn sie können das zukünftige Kaufverhalten der Kunden voraussagen. Transaktionsdaten enthalten die folgenden Informationen: Kaufdatum, gekaufte Produkte mit Kategorien, Anzahl, Kaufpreis je Produkt, Einkaufssumme, Zahlungsmethode und Rabatte. Mit Hilfe dieser Daten können Aussagen über die Art und Menge, sowie die zeitliche Verteilung von Bedürfnissen in Form von Produkten oder Dienstleistungen eines Kunden getroffen werden. Preise, Zahlungsmethode und Bankverbindungen lassen Rückschlüsse auf die Preissensibilität und Bonität eines Kunden zu. x Demographische Daten bestehen aus Informationen über das Alter, Geschlecht, Bildungsniveau, Beruf, Einkommen, Familienstand, Haushaltsgröße, Kinderanzahl, etc. Sie dienen vor allem der Zielgruppenidentifikation und -selektion. Unter Zuhilfenahme der historischen Transaktionsdaten können durch Zuordnung wesentlicher demographischer Merkmale bestimmte Käufergruppen als Zielsegment für spezielle Produkte, Themengebiete, etc. bestimmt werden. Das Bildungsniveau, der Beruf und das Einkommen lassen bspw. Rückschlüsse auf Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit zu. Die Haushaltsgröße und die Kinderanzahl liefern wichtige Indikatoren zur Bestimmung des Verbrauchverhaltens von Produkten. x Interessen, Hobbys, Freizeitaktivitäten und persönliche Werte, sowie Einstellungen der Kunden bilden die letzte Gruppe der Deskriptionsdaten, die als psychographische Daten bezeichnet werden. Sie ermöglichen Aussagen über die Art der Bedürfnisse eines Kunden und können in Verbindung mit den anderen Deskriptionsdaten bspw. wichtige Erkenntnisse zu möglichen Komplementärprodukten liefern. Kommunikationsdaten Kommunikationsdaten geben Aufschluss darüber, wie oft und in welcher Form ein Kunde in Kontakt mit dem Unternehmen getreten ist. Besonders relevant sind hierbei der Kommunikationsgegenstand (Produkt, Dienstleistung, Auftrag etc.), der Kommunikationsauslöser (Marketingkampagne, Auftragserteilung, Beschwerde, etc.) und der Kommunikationskanal (E-Mail, Telefon etc.). Sie ermöglichen Rückschlüsse auf die Bedürfnisse der Kunden im Zeitverlauf und der zeitlichen Verteilung des situativen Interesses an bestimmten Produkten oder Dienstleistungen (vgl. Buxel 2001).
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4
Herausforderung: Analytisches Multi-Channel-CRM
4.1
Multi-Channel-Management
Multi-Channel-Management bezeichnet gemäß Heinemann (2008) eine Kombination von Absatzkanälen, „die ein Kunde wahlweise nutzen kann, um Leistungen eines Anbieters nachzufragen“ (Heinemann 2008). Hierbei muss im Gegensatz zu traditionellen Mehrkanalsystemen mindestens ein Kanal des Unternehmens das Residenzprinzip (den stationären Einzelhandel, bspw. eine Filiale) und ein zweiter Kanal das Distanzprinzip und hier speziell den elektronischen Handel (bspw. Online-Shop) repräsentieren, wie in Abbildung 4 dargestellt.
Domizilprinzip: Haustürverkauf Treffprinzip: Marktplatz
Nachfrager
Anbieter
Residenzprinzip: Stationärer Einzelhandel
Distanzprinzip: Katalogversand, E-Shop Abbildung 4. Grundlegende Kontaktprinzipien zwischen Anbieter und Nachfrager (vgl. Wegener 2007) Des Weiteren muss über beide Kanäle ein klassischer bzw. elektronischer Kaufabschluss in Anlehnung an den Geschäftsmodelltypen „Commerce“ nach Wirtz (2001) möglich sein (vgl. Kollmann 2009; Heinemann 2008; Wirtz 2001). Das Multi-Channel-Management wird prinzipiell in das Interaktionsund Kanalmanagement unterteilt. Die Hauptaufgaben dieser zwei Bereiche bestehen sowohl darin, dem Kunden über alle Kanäle eine einheitliche Sicht auf das Unternehmen zu ermöglichen (one face to the customer), als auch dem Unternehmen eine homogene Sicht auf den Kunden zu bieten (one face of the customer) (vgl. Heinemann 2008; Schierholz et al. 2007). Der Fokus des analytischen CRMs liegt auf der zuletzt genannten Sichtweise.
4.2
Multi-Channel-Ansatz im analytischen CRM
Der Gedanke des Multi-Channel-Managements ist nicht neu und die Kundenansprache über mehrere Kanäle ist in vielen Branchen bereits Normalität. Heutzutage verlagern zunehmend die Unternehmen des stationären Handels aufgrund von stagnierenden Umsätzen im Einzelhandel und dem hohen Er-
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folgspotenzial des elektronischen Handels ihre Geschäftsmodelle in die elektronische Welt (vgl. Heinemann 2008). Unter der Maßgabe einer ganzheitlichen Kundenorientierung sorgt das CRM für eine Zusammenführung des stationären und elektronischen Handels (vgl. von der Oelsnitz 2006; Schneider 2002). Aus analytischen Gesichtspunkten werden jedoch die verfügbaren Kundeninformationen des elektronischen Handels nicht im Rahmen einer ganzheitlichen Untersuchung in Verbindung mit dem stationären Handel genutzt. Laut einer Studie der Computerwoche aus dem Jahre 2005, sehen die deutschen Unternehmen die größte Herausforderung in der unternehmensweiten Integration aller CRM-Aktivitäten (vgl. Computerwoche 2005). Weitere Autoren bestätigen diesen Trend und lassen erkennen, dass für viele Unternehmen eine kanalübergreifende Einbindung des CRMs im selbigen eine wichtige strategische Aufgabe für die Zukunft ist (vgl. Heinemann 2008; Goy et al. 2007). Die größte Herausforderung bei der Etablierung eines analytischen MultiChannel-CRMs stellt zunächst die Abbildung der Übergangsprozesse eines Kunden zwischen unterschiedlichen Beziehungsphasen im stationären und elektronischen Handel dar. Es gilt die typischen Kundenprozesse in der Interaktion beider Kanäle abzubilden. Des Weiteren müssen auch die erhobenen Daten des stationären und elektronischen Handels zusammengeführt werden. Es ist zu diskutieren, wie die Daten beider Kanäle in unterschiedlichen Beziehungsphasen zu gewichten sind. Inwieweit können bspw. die Transaktionsdaten des stationären Handels für eine personalisierte Angebotssteuerung im elektronischen Kaufprozess genutzt werden und in welchen Fällen ist eine Nutzung der Daten nicht mehr sinnvoll, weil der Kunde die Produkte zunehmend über den elektronischen Kanal bezieht und die historisierten Transaktionsdaten des stationären Handels seine Produktinteressen nicht mehr korrekt wiedergeben.
5
Fazit
Durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologie ergeben sich für Kunden im elektronischen Handel mehr Interaktionsspielräume. Unterschiedliche Wettbewerber sind nur wenige „Mausklicks“ entfernt und neue Anbieter drängen aufgrund der hohen Wachstumsdynamik verstärkt in den Markt ein. Zudem zeichnen sich viele Kunden im digitalen Zeitalter durch individuelles Verhalten und abnehmende Loyalität gegenüber den etablierten Anbietern aus. Niedrige Wechselbarrieren, erhöhte Markttransparenz, geringe Transaktionskosten und abnehmende Kundenloyalität sind die Herausforderungen, denen sich Unternehmen im elektronischen Handel stellen müssen (vgl. Müller 2005; Wirtz 2001). Umso wichtiger ist es daher, der zunehmenden Kundenorientierung im elektronischen Handel gerecht zu werden und
210
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analytische CRM-Systeme zur Wissensgenerierung über den Kunden einzusetzen. Durch eine gezielte Datenerhebung und -auswertung können die notwendigen Informationen über die Kunden erfasst und so kundenspezifisch Produkte oder Dienstleistungen vermarktet werden. Der Artikel hat den Prozess von der Erhebung der Daten bis zur Analyse aufgezeigt und den Einsatz verschiedener Methode erläutert. Der abschließende Ausblick thematisierte den Gedanken des analytischen Multi-Channel-CRMs, dass nach Ansicht der Autoren eine wichtige Herausforderung für die zukünftige Forschung darstellt.
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Usability von Online-Shops – Eine empirische Analyse Dr. Axel Winkelmann Universität Koblenz-Landau Professur für Betriebliche Anwendungssysteme
[email protected] Matthias Boehm Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS)
[email protected] Prof. Dr. Jörg Becker Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS)
[email protected]
1
Bedeutung von Usability im E-Commerce
Die Verbreitung des Internets hat große Auswirkungen auf das Einkaufsverhalten von Menschen, was zu einer Vielzahl neuer Geschäftsmodelle geführt hat (vgl. Kalakota and Whinston 1997, S. 7). Dabei gibt es allerdings große Unterschiede in der Nutzung eines Geschäfts und seines elektronischen Gegenstücks Beispielsweise wird die individuelle Vor-Ort-Beratung häufig nur durch einen Hilfe-Button auf der Homepage des Online-Shops ersetzt. Sensorische Eindrücke gehen bei der Visualisierung häufig verloren. Den Besuchern von Online-Shops fällt es daher oft schwer, die Produktqualität richtig zu beurteilen (vgl. Ward and Lee 1999, S. 4). Es ist deswegen nicht verwunderlich, dass die Erfolgsrate beim Kauf in einem Online-Shop in verschiedenen Studien nur zwischen 35 % und 67 % liegt (vgl. Nielsen et al. 2001, S. 7). Die Usability, zu Deutsch „Gebrauchstauglichkeit“, einer Webseite trägt neben dem Inhalt entscheidend zu dessen Bedeutung bei (vgl. Pemberton 2001). Viele Forscher argumentieren, dass Usability einen großen Einfluss auf die Kaufintention und -entscheidung sowie den Umsatz hat (vgl. Konradt et al. 2003; Kim, Moon 1998; Lohse, Spiller 1998; Nielsen et al. 2001). Nach
214
Axel Winkelmann, Matthias Boehm, Jörg Becker
Jarvenpaa u. a. trägt ein gutes Interface-Design dazu bei, dass die Hemmschwelle zum Einkauf im Internet besonders beim Ersteinkauf gesenkt wird (vgl. Jarvenpaa et al. 1999). Die Konsumenten haben grundsätzliche Probleme mit einigen entscheidenden Aspekten aktueller Online-Shops, was folgende Gründe hat: „Das Design verwirrt, die Navigation ist unverständlich, Bestellvorgänge sind zu kompliziert und die Funktionsvielfalt überfordert viele Kunden“ (dmc digital media center GmbH 2007, S. 1). Das Ziel des Beitrags ist die Analyse der Usability von E-Commerce-Shops mit „Trusted Shop“-Gütesiegel. Zu diesem Zweck wurde ein Kriterienkatalog mit 60 Kriterien entwickelt, mit Hilfe dessen der der Status quo der mittelständischen „Trusted Shops“ dargestellt und evaluiert sowie deren Entwicklungsperspektive aufgezeigt wird. Der vorliegende Artikel stellt ausgewählte Erkenntnisse des State of the Art vor und leitet Gestaltungsempfehlungen für zukünftige E-Commerce-Angebote ab.
2
Begriffsbestimmung
Usability ist ein Kernelement des interdisziplinären Forschungsfeldes der Human-Computer Interaction (HCI) (vgl. Gray, Salzmann 1998, S. 205). Allumfassendes Ziel der HCI-Forschung ist es, Techniken, Methoden und Richtlinien zum Design von besser benutzbaren Produkten zu entwickeln (vgl. Agarwal, Venkatesh 2002, S. 169). Für Usability gibt es keine einheitliche Definition (vgl. Abran et al. 2003, S. 326). Im Folgenden soll nach dem Verständnis der Internationalen Organisation für Standardisierung (ISO) unter Usability, übersetzt mit Gebrauchstauglichkeit, „das Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen“ (vgl. DIN 1998, S. 4) verstanden werden. Nach Rehmann (2000) verursacht schlechte Usability im Bestellprozess der Industrie viele hohe Kosten durch Nicht-Bestellen und Bestellabbrüche. In seiner Studie traten mehr als 40 % der Fehler während der Bezahlphase auf. Schmeißer und Sauer (2005) beschreiben das Phänomen der „kognitiven Dissonanz“ und meinen damit, dass die Wahrscheinlichkeit eines Abbruchs geringer wird, wenn dem Benutzer ausreichend Informationen über den Fortschritt des Bestellprozesses zur Verfügung gestellt werden. Ein Shop mit einer guten Usability kann dabei durch Übersichtlichkeit und hohe Funktionalität im Bestellprozess die subjektiv wahrgenommene Länge verringern und somit seine Verkäufe steigern. Insgesamt ist also festzuhalten, dass Usability für E-Commerce-Shops von sehr hoher Bedeutung ist, jedoch von einer Vielzahl von Shops wenig oder kaum beachtet wird, obwohl dieses wichtige Forschungsgebiet bereits von
Usability von Online-Shops
215
zahlreichen Forschern aufgegriffen wurde. Naidu und Chaparro 2007 haben beispielsweise 500 top E-Commerce Webseiten sowohl im Jahr 2002 als auch im Jahr 2007 untersucht. Dabei blieben die meisten Usability-Probleme auch fünf Jahre später bestehen. Viele Studien betrachten bei der Untersuchung der Usability jedoch nur große Online-Shops, zumeist aus den USA (vgl. z. B. Nielsen et al. 2001; Naidu, Chaparro 2007; Spool et al. 1997). Dieser Beitrag untersucht daher deutsche Online-Shops mit einem Gütesiegel, da es sich hier zumeist um klein- und mittelständische Betreiber handelt.
3
Forschungsmethodik
3.1
Methoden in der Literatur
Um Usability objektiv messen zu können, wurden verschiedene Standards und Richtlinien, sogenannte Guidelines, entwickelt. Smith und Mosier haben z. B. 944 allgemeine Guidelines aufgestellt (vgl. Smith, Mosier 1986). Ein Beispiel für Kategorie-spezifische Guidelines liefert Nielsen mit 207 Design Guidelines, die speziell für E-Commerce-Shops entwickelt wurden (vgl. Nielsen et al. 2001). Nach Agarwal und Venkatesh hat Usability viele Facetten und muss daher mit Hilfe von verschiedenen Methoden erfasst und gemessen werden (vgl. Agarwal, Venkatesh 2002, S. 170). Dabei ist es besonders wichtig zu wissen, was genau gemessen werden soll (vgl. Olsson 2000, S. 4). Ein UsabilityProblem lässt sich definieren als Aspekt eines Systems und/oder ein Verlangen des Benutzers, die dazu führen können, dass es für den Benutzer unangenehm, ineffizient, beschwerlich oder unmöglich ist, sein Ziel in einer typischen Benutzungssituation zu erreichen (vgl. Lavery et al. 1997, S. 254). Im Allgemeinen wird zur Aufdeckung von diesen Usability-Problemen zwischen expertenbasierten bzw. analytischen Methoden und nutzerbasierten bzw. empirischen Methoden unterschieden. Bei den expertenbasierten Methoden handelt es sich um Szenarien, in denen Experten das System in einer mehr oder weniger strukturierten Art und Weise benutzen, um herauszufinden, ob das System mit vordefinierten Kriterien übereinstimmt (vgl. Sweeney et al. 1993, S. 692). Von den expertenbasierten Methoden ist die heuristische Evaluation eine Methode, die häufig genutzt wird, da sie günstig ist und wenig Zeit in Anspruch nimmt (vgl. Yom 2001, S. 4). Dabei untersuchen ein oder mehrere Experten eine Benutzeroberfläche, und versuchen, sich eine Meinung darüber zu bilden, welche Dinge gut oder schlecht umgesetzt wurden (vgl. Nielsen, Molich 1990, S. 249 f.). Auf diese Weise werden Abweichungen vom Sollzustand erkannt (vgl. Nielsen 1993, S. 156). Das sogenannte Design Guideline Review ist ähnlich einer heuristischen Evaluation, allerdings
216
Axel Winkelmann, Matthias Boehm, Jörg Becker
basierend auf einer größeren Anzahl von Design Guidelines (vgl. Mack, Nielsen 1994, S. 5). Die nutzerbasierten Methoden zeichnen sich dadurch aus, dass ein oder mehrere Benutzer ein oder mehrere Aufgaben in einer angemessenen Umgebung lösen (vgl. Sweeney et al. 1993, S. 692). Im traditionellen Usability-Test wird ein Interface untersucht, indem Benutzer entweder in ihrer natürlichen Umgebung, meist aber in einem Labor, das Interface bedienen (vgl. Jeffries et al. 1991, S. 119). Dabei müssen sie bestimmte vordefinierte oder selbstgewählte Aufgaben lösen. Daten über Probleme werden durch den Experten gewonnen, der den Benutzer beobachtet.
3.2
Vorgehen bei der Analyse und Datengrundlage
In der vorliegenden Untersuchung wurde ein expertenbasiertes Vorgehen gewählt. Zum Aufbau eines umfassenden Kriterienkatalogs fand vor der Auswahl der Shop-Artifakte eine umfassende Literaturrecherche zum Thema Usability und E-Commerce statt. Die Analyse vorangehender Studien diente als Grundlage für die Durchführung von Experteninterviews zur Ermittlung des spezifischen Wissens von Shopbetreibern über Usability. Den Experten soll die Möglichkeit gegeben werden, ihre Erfahrung bei Konzeption, Implementierung und Wartung von E-Commerce-Shops mitzuteilen. Es fanden insgesamt vier Interviews mit zwei Betreibern erfolgreicher mittelständischer Online-Shops, sowie zwei Geschäftsführern und Projektleitern von Beratungsunternehmen statt. Aus Literatur und Experteninterviews wurde anschließend ein entsprechender Kriterienkatalog mit 60 Merkmalen zur Analyse der Usability von E-Commerce-Shops hergeleitet (vgl. auszugsweise Tabelle 1). Die Untersuchungskriterien wurden in die vier großen Themenblöcke Shopping, Suchen, Vormerken und Kaufen eines Online-Shops eingeteilt. Sie wurden so formuliert, dass sie möglichst einfach und objektiv, meist mit ja oder nein während der Analyse der E-Commerce-Seiten zu beantworten waren. Neben allgemeinen Fragen stammten die Kriterien aus den Kategorien Startseite, Navigation, Suche, Produktdetailseite, Warenkorb und Bestellprozess. Auf dieser Basis wurde analysiert, inwieweit Erkenntnisse über Usability in Online-Shops mit dem Gütesiegel „Trusted Shops“ umgesetzt sind. „Trusted Shops“ ist nach eigenen Angaben führendes Gütesiegel für Online-Shops in Europa mit Geld-zurück-Garantie für Verbraucher. Um ein „Trusted Shop“ zu werden, findet eine Analyse der Webseite statt, in der rechtliche Anforderungen aber auch Richtlinien der Transparenz überprüft werden (vgl. Trusted Shops GmbH 2007). Ziel von Gütesiegeln ist der Aufbau von Verbrauchervertrauen gegenüber (relativ unbekannten) E-Commerce-Anbietern (vgl. Hafenbradl 2007).
Usability von Online-Shops Kriterium
Ist ein beschriftetes Suchfeld inklusive Button auf jeder Seite verfügbar? Wie lauten die Bezeichnungen der Elemente? Wird die Suche aus dem Layout der Webseite hervorgehoben (z. B. andere Farben, Umrandung)? Kann direkt von jeder Seite aus die Suche auf bestimmte Bereiche eingeschränkt werden? Ist eine erweiterte Suche möglich? Handelt es sich um eine intelligente Suche? Werden folgende Informationen im Ergebnis angezeigt: Bilder, Bezeichnung, Verfügbarkeit, Preis? Kann das Suchergebnis sortiert werden? Wonach (z. B. alphabetisch, Preis, Kategorie)? Wie werden sehr viele Treffer dargestellt? (z. B. bei einer zu allgemeinen Eingabe). Darstellung von gar keinen Treffern. Ist ein Suchfeld vorhanden, das die fehlerhafte Eingabe enthält?
Nennung durch Experte 1, 2
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Literatur
Nielsen et al. 2001; Kim, Moon 1998
4
-
-
Gray, Salzman 1998; Nielsen et al. 2001 Nielsen et al. 2001 Nielsen et al. 2001; Kim, Moon 1998 Nielsen et al. 2001; Mack, Nielsen 1994 Nielsen et al. 2001; Kim, Moon 1998 Nielsen et al. 2001
1 1, 2, 3, 4 1, 4 1, 4 1, 4
Nielsen et al. 2001; Nielsen, Molich 1990
Tabelle 1. Auszug aus dem Kriterienkatalog am Beispiel „Suche“ Von den 2.693 „Trusted Shops“, eingeteilt in 14 Branchen, wurden für jede Branche zehn repräsentative Shops zufällig ausgewählt und auf ihre Usability untersucht. Nicht untersucht wurden Shops, die von den befragten Experten selbst erstellt wurden, wie z. B. Fahrrad.de, oder Shops, die Dienstleistungen wie z. B. eine Autovermietung oder DVD-Verleih, anbieten. Um sich an die meist verbreitete Auflösung zu halten, wurden alle Online-Shops grundsätzlich in einer Auflösung von 1024×768 Pixeln betrachtet. Als Browser dienten der Mozilla Firefox Browser in der Version 2.0.0.14 und der Windows Internet Explorer 7.0.5730.11. Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung werden im nachfolgenden Kapitel unterteilt nach Layoutgestaltung, Aufbau der Suchfunktion, Produktpräsentation und Warenkorbgestaltung präsentiert.
4
Diskussion der Analyseergebnisse
4.1
Gestaltung des Layouts
Die Analyse wurde zunächst mit einer Untersuchung der prozentualen Anteile der Darstellung des Inhaltes auf der Startseite bei der Standardauflösung begonnen. Durchschnittlich stehen dem Inhalt des Online-Shops 38 % der Fläche zur Verfügung, und es werden ca. neun Produkte auf der Startseite präsentiert. Einige Shops (ca. 16 %) präsentieren gar keine Produkte und stellen stattdessen z. B. nur die Kategorien des Shops dar. Insgesamt scheint
218
Axel Winkelmann, Matthias Boehm, Jörg Becker
es besser zu sein, weniger Produkte besonders hervorzuheben, diese dann aber eventuell besonders groß. Das zeigt auch die Tatsache, dass ca. 66 % zwischen null und zehn Produkte auf der Startseite präsentieren. Die Beurteilung des Ergebnisses zu dem Vorkommen von Standardlinks fällt wenig gut aus. In 75 % der Online-Shops werden große Abweichungen von der Vorgabe gefunden, Links zu unterstreichen und in blau darzustellen sowie besuchte Links lila einzufärben. Allerdings weichen 22,9 % der Shops lediglich bei der Vorgabe zu den besuchten Links ab. Nur drei Shops (2,1 %) verwenden Standardlinks. Diese Abweichung bleibt jedoch nicht die einzige im Bereich der Verlinkung. Zwar hat der größte Teil (62,9 % der Shops) ein anklickbares Logo, das zurück zur Startseite führt, in 37,1 % der Fälle fehlt jedoch der hinterlegte Link. Das führt dazu, dass Besucher vergeblich versuchen, auf das Logo, welches in allen Shops im oberen Teil der Seite vorhanden ist, zu klicken, um anschließend den Menüpunkt „Startseite“ oder „Homepage“ zu suchen. Insgesamt stellen die Ergebnisse kein gutes Bild dar, da die teilweise gravierenden Abweichungen auf eine unzureichende Kenntnis der Standards hindeuten. Die Anzahl der Werbebanner ist bei den untersuchten Shops relativ gering. Allerdings gibt es acht Shops, die auf diese Einnahmequelle nicht verzichten wollen. Dies führt dazu, dass die Startseiten, z. B. von reisebuch.de, mit drei großen Werbebannern sehr unübersichtlich werden. Im Hinblick auf Usability sollte möglichst auf Werbung verzichtet werden. Ebenfalls negativ sowohl für den Benutzer als auch für die Shopbetreiber ist die Tatsache, dass im Online-Shop Grafiken oder Elemente existieren, die zwar wie Werbung aussehen, in Wirklichkeit aber Informationsflächen des Shops sind. Dies war bei 29 Shops (20,7 %) der Fall. Ein Beispiel dafür ist der Shop Juwelon.de, bei dem in der Kopfleiste ein Banner in der typischen Form von Werbung eingebunden wurde (vgl. Abbildung 1). Benutzer des Internets, die solche Flächen meiden, ignorieren somit deren Inhalt. Für den Shopbetreiber hat das die Folge, dass er keinen zusätzlichen Umsatz durch das Banner generieren kann und wertvollen Platz auf der Startseite verschenkt.
Abbildung 1. Kopfleiste des Shops Juwelon.de mit Banner, das wie Werbung aussieht Die Ergebnisse zur Einordnung von besonders wichtigen Elementen auf der Startseite decken sich mit denen anderer Untersuchungen (vgl. Bernard, Sheshadri 2004; Yom 2003; Bucher et al. 2002). Das Logo des Shops wird nahezu ausschließlich im oberen Bereich, besonders oben links (in 85 % der
Usability von Online-Shops
219
Shops), platziert. Die Navigation wird in den meisten Shops unterteilt, d. h. die Links zur Startseite, zum Warenkorb und zur Kasse werden in der ersten Navigationsebene eingeordnet. Keine zweite Navigationsebene haben lediglich 27,9 % der Shops. Das hat jedoch zur Folge, dass diese Shops durchschnittlich doppelt so viele Elemente in der ersten Navigationsebene unterbringen wie Shops mit zweiter Ebene. Dieses hat negative Folgen für die Übersichtlichkeit der Navigation, denn statt normalerweise acht Links in der ersten Navigationsebene sind dann durchschnittlich 16 Links zu überblicken. Außerdem wird die gesamte Navigation, bei Shops ohne zweiter Ebene, größtenteils auf der linken Seite in der Mitte realisiert (in 61,5 % der Shops ohne zweite Ebene ist dies der Fall), wohingegen ca. 66 % der Shops mit zweiter Ebene die erste Ebene in der Kopfleiste der Webseite einordnen. Dies entspricht etwa der Hälfte aller untersuchten Shops (53,6 %). Die andere Hälfte verteilt sich hauptsächlich auf den linken und oberen Bereich des Bildschirms. Die zweite Navigationsebene ist vorzugsweise auf der linken Seite zu lokalisieren. Eine Anordnung auf der rechten Seite, was nur bei 2,1 % der Shops der Fall ist, hat sich nicht durchgesetzt und ist deshalb nicht empfehlenswert. Die Suche wird von etwa einem Drittel (33,6 %) oben links unter dem Logo positioniert, jedoch lässt sie sich auch häufig oben rechts (17,1 %) und links in der Mitte (12,1 %) finden. Eine hohe Zahl von 14 Shops (10 %) bietet dem Benutzer sogar gar keine Suche auf der Startseite an. Dies kann zum einen daran liegen, dass sie zunächst außerhalb des sichtbaren Bereiches liegt oder zum anderen, und das ist die schlechtere Möglichkeit, dass der Shop gar keine Suchfunktion besitzt. Die Positionierung des Warenkorbs variiert ebenfalls sehr stark. Zwar wird er vielfach (42,1 %) oben rechts angesiedelt, er lässt sich jedoch in allen Bereichen der Webseite finden. Das hat zur Folge, dass eine Hervorhebung erforderlich ist, spätestens dann, wenn der Besucher einen Artikel dorthin abgelegt hat und ihn sucht. Zwar ist nach Yom (2003) nicht bewiesen, dass ein Shop, der die Elemente nach diesen Ergebnissen angeordnet hat, auch eine bessere Usability aufweist, jedoch sollte beachtet werden, dass Benutzer sich schnell an die Anordnung gewöhnen und intuitiv an den entsprechenden Orten nach den Elementen suchen (vgl. Bucher et al. 2002, S. 96). Daher ist es jedem Shopbetreiber zu empfehlen, die Einordnung seiner Elemente zu überdenken und sich den allgemeinen Konventionen anzuschließen. Basierend auf den Ergebnissen zur Anordnung der Elemente kann ein Schema des häufigsten Layouts von Online-Shops erstellt werden (vgl. Abbildung 2).
220
Axel Winkelmann, Matthias Boehm, Jörg Becker
Logo (85 %)
Erste Navigationsebene (53,6 %)
Warenkorb (42,1 %)
Suche (33,6 %)
Zweite Navigationsebene (55,7 %)
Inhalt
Abbildung 2. Schema des häufigsten Layouts von mittelständischen „Trusted Shops“
4.2
Gestaltung der Suchfunktion
Das Textfeld zur Eingabe der Suchanfrage wird z. B. als „Innensuche“, „Schnellsuche“, „Produktsuche“ oder „Volltextsuche“ bezeichnet. Am häufigsten lässt sich die Beschriftung „Suche“ (23,6 %) finden. In 20 Shops hat das Suchfeld keine Beschriftung. Dann kommt es besonders darauf an, dass der Suchbutton eine aussagekräftige Bezeichnung hat. Hier lauten die häufigsten Bezeichnungen „Suchen“ (17,9 %) und „Go“ (16,4 %). Auch werden häufig Symbole wie eine Lupe (16,4 %) oder ein Pfeil (14,3 %) verwendet. Sechs Shops bieten keinen Button, so dass der Benutzer nach Eingabe der Suchanfrage die Enter-Taste drücken muss, was sicherlich nur bei erfahreneren Internetnutzern vorauszusetzen ist. Nur zwei Shops verwenden eine gut verständliche Kombination von „Suchbegriff“ und „Finden“. Negativ zu beurteilen ist die Kombination von leerem Suchfeld und dem Symbol einer Lupe daneben, welche sieben Shops verwenden. Wenn ein Besucher einen Artikel finden möchte, überfliegt er die Webseite auf der Suche nach „Suche“. In diesen Fällen dürften gerade unerfahrene Besucher die Lupen-Metapher nicht erkennen. Ein Shop verwendet die Kombination „Volltextsuche“ und „Search“. Diese beiden Beschriftungen sind als ungeeignet anzusehen, da vermutlich kaum ein Benutzer weiß, was eine Volltextsuche ist. Ob alle (deutschen) Besucher wissen, was „Search“ bedeutet, ist ebenfalls fraglich. Neben dem Design der Suchelemente ist vor allem deren Funktion von großer Bedeutung. Dabei ist es z. B. wichtig, entweder den gesamten Shop zu durchsuchen oder nur bestimmte Teile. Nur in 14 Shops (10 %) ist eine di-
Usability von Online-Shops
221
rekte Eingrenzung der Suchergebnisse möglich. Das gleiche gilt für eine erweiterte Suche, die 35 % der Shops anbieten. Es ist wichtig, dass die Suche „intelligent“ agiert. Nur sechs Shops (4,3 %) verfügen über eine solche Suche. Im Test konnten diese Suchfunktionen sowohl Tippfehler korrigieren, als auch automatisch Informationen über den Shop, die AGBs oder Kontaktdaten liefern. Immerhin 10 % korrigieren Tippfehler oder versuchen, während der Eingabe eine Liste mit möglichen Suchanfragen anzuzeigen (5,7 %). Das Problem bei letzteren ist, dass bei zu schneller Eingabe eines Suchbegriffs der Benutzer die Hinweise gar nicht zur Kenntnis nimmt, sondern z. B. direkt mit Hilfe der Enter-Taste die Suche startet. Dies führt dann wiederum dazu, dass kein passender Artikel gefunden wird. Ein großer Teil der Shops (70,7 %) verfügt nur über eine standardmäßige Suche ohne jegliche Korrektur oder Überprüfung der Eingaben. Die Shopbetreiber übersehen somit eine große Zahl von potenziellen Kunden, die vorzugsweise Artikel suchen statt zu ihnen zu navigieren.
4.3
Gestaltung der Produktdetailseite
Die Produktdetailseite stellt detailliert Informationen über das Produkt zur Verfügung und ist somit die wichtigste von allen Seiten eines Online-Shops, wird aber häufig zu wenig beachtet. Im Foto-Palme.de Online-Shop sind z. B. nur ca. 5 % der Produktseite bei einer Auflösung von 1024×768 Pixeln sichtbar. Das liegt daran, dass drei Produktsets, 51 Zubehörartikel und sechs Cross-Selling-Artikel präsentiert werden. Besser wäre es, wenn nur wenige ausgewählte und gut passende Artikel dargestellt werden würden. Ein ähnliches Problem ist bei Uhrenhandel.de zu beobachten. Dort kann zwar die Produktbeschreibung direkt und großflächig eingesehen werden, die Zusammenfassung auf der rechten Seite mit Preis, Verfügbarkeit und Versandbedingungen jedoch nur zur Hälfte. Eines der wichtigsten Elemente einer Produktseite ist das Produktbild. Nur mit einem qualitativ hochwertigen, großen Bild, das alle wesentlichen Charakteristika des Produktes zeigt, kann sich ein Besucher ein Urteil über das Produkt bilden. Aus diesem Grund haben auch die Mehrzahl (97,1 %) der Shops ein Bild auf der Produktseite. Die Bildauflösungen reichen von 50×50 Pixeln bis hin zu 500×400 Pixeln für das Standardartikelbild ohne Vergrößerung. Die meisten Shops (37,1 %) verwenden jedoch eine Auflösung zwischen 200×150 und 250×300 Pixeln. Dabei ist die Größe eines Bildes allein nicht entscheidend. Es hängt auch davon ab, ob der Besucher ein sehr kleines Bild vergrößern kann, also hinein zoomen kann, oder nicht. Bei der Möglichkeit zur Ansicht von verschiedenen Perspektiven ist das Ergebnis gemischter. Etwas mehr als die Hälfte (57,1 %) der Shops stellt keine verschiedenen An-
222
Axel Winkelmann, Matthias Boehm, Jörg Becker
sichten zur Verfügung; der Rest zumindest für einige wenige (14,3 %) oder für viele (28,6 %). Auch vollständige Produktinformationen tragen zu einem erfolgreichen Online-Auftritt bei. Daher verfügen auch 71,4 % der Shops über ausführliche Informationen z. B. über Größen, Material und Farben. Immerhin 28,6 % beschreiben ihre Produkte mit nur wenigen und unvollständigen Texten. Dabei kommt häufig (80 % der Shops) an oberster Stelle auf der Seite ein Fließtext, gefolgt von einer stichpunktartigen Liste mit Produktcharakteristika (58,9 % der Shops, die an oberster Position Fließtext haben). Eine Tabelle wird generell nur sehr selten verwendet, obwohl sie eine gute Möglichkeit darstellt, Informationen zu präsentieren. Insgesamt ist die Darstellung der Informationen gut, aber nicht hervorragend. Es gibt viele Shops, die zu wenige oder schlecht dargestellte Informationen über ihre Produkte bieten.
4.4
Gestaltung des Warenkorbs
Grundsätzlich hat sich die Bezeichnung „Warenkorb“ für den Warenkorb als ersten Schritt des Bestellprozesses anders als im englischen Sprachraum (vgl. Naidu, Chaparro 2007) durchgesetzt (97,1 % der Shops verwenden diese). Nur drei Shops verwenden die Bezeichnung „Einkaufswagen“. Kunden könnten bei der Frage Schwierigkeiten haben, ob dies der Warenkorb ist oder etwas anderes. Daher ist eine solche anderslautende Bezeichnung zu vermeiden, ebenso wie Inkonsistenzen. So heißt im Shop vom Juwelier Memmel der Warenkorb auf Produktdetailseite „Einkaufskorb“ und später „Warenkorb“. Ein übersichtlicher Warenkorb gibt dem Benutzer alle relevanten Informationen in einer einfach zu verstehenden Art und Weise. Dazu gehört z. B. dass zu jeder Position das entsprechende Produktbild vorhanden ist. Leider ist dies nur in 59 % der Shops der Fall. Der Rest zwingt den Benutzer, sich die genaue Artikelbezeichnung zu merken. Sehr wenige Shops zeigen einen genauen Liefertermin (9,4 %) oder zumindest die Verfügbarkeit (15,1 %) der Artikel erneut an. Somit muss sich auch hier der Benutzer diese Angaben von der Produktdetailseite merken. Viele Shops versuchen, durch Aufschlag von Versand- und Speditionskosten günstige Preise nachträglich zu ihren Gunsten zu erhöhen. Dies zeigt sich auch dadurch, dass nur 37,4 % der Shops im Warenkorb, also vor Beginn der Bestellung, den endgültigen Preis anzeigen. Besser scheint es, direkt im Warenkorb die Versandart auszuwählen und die Preise für die verschiedenen Arten aufzuführen, da sonst der Kunde erst während der Bestellung erfährt, meist sogar erst am Ende, was die Lieferung kosten wird. Eine weitere Funktion des Warenkorbs ist die Möglichkeit, mit einem Klick den Einkauf fortzusetzen und zurück auf die zuletzt besuchte Produktseite zu
Usability von Online-Shops
223
gelangen. Diese ist aber in 47,5 % der Shops nicht vorhanden. Von weitaus größerer Bedeutung ist aber der Button zum Start des Bestellprozess. In etwas weniger als der Hälfte der Fälle (44,6 %) ist dieses sofort ohne Scrollen möglich. Der Warenkorb ist in einer Vielzahl von Shops weit von einem komfortablen Überblick über die Waren, die gekauft werden sollen, entfernt. Positiv ist anzumerken, dass nur in 10,1 % der Fälle Cross-Selling-Angebote gemacht werden. In den meisten Fällen sind dies jedoch nur wenige Produkte, so dass der Kunde nicht beim Starten des Bestellprozesses gehindert wird.
4.5
Gestaltung des Bestellprozesses
Hat sich der Kunde entschlossen, seine ausgewählten Artikel zu erwerben, startet er den Bestellprozess. In 42,6 % der Fälle müssen sich die Kunden im Online-Shop registrieren, d. h. die Kunden werden gezwungen, vor Abgabe der eigentlichen Bestellung persönliche Daten, E-Mail-Adresse und teilweise auch das Geburtsdatum anzugeben. Zur Anzahl und Reihenfolge der Bestellschritte existieren unterschiedliche Meinungen (vgl. Naidu, Chaparro 2007). Häufig kommt es jedoch vielmehr auf die Art und Weise der Visualisierung der notwendigen Schritte an. Hier zeigt sich bei vielen Online-Shops sehr großer Nachholbedarf. So haben 24,3 % der Shops keinerlei visuelle Unterstützung im Bestellprozess, d. h. 34 Shops geben den Kunden keine Informationen darüber, wo sie sich im Bestellprozess befinden und welche Schritte zum Abschluss der Bestellung noch durchzuführen sind. Das führt dazu, dass bei längeren Prozessen die Gefahr steigt, dass Kunden verunsichert werden, da sie nicht wissen, wie viele Schritte noch folgen werden, und den Prozess abbrechen. Acht Shops (5,7 %) verwenden eine Anzeige der Schritte der Form „Schritt x von n“. Dieser Weg ist ebenfalls als ungeeignet einzuschätzen, da dem Kunden die Übersicht über den Inhalt aller notwendigen Schritte fehlt. Nicht bedeutend besser sind die 41 Shops (29,3 %), die ein sehr verstecktes Bild verwenden, welches z. B. ganz unten auf der Seite positioniert ist oder kaum als Fortschrittsanzeige erkennbar ist. Am häufigsten (35 % der Shops) lassen sich horizontale Abbildungen finden. Beispiele für solche Abbildungen sind in Abbildung 3 dargestellt. Dabei sind die oberen zwei Bilder von Tintenpalast.de und PHDShop.de als deutlich besser einzuordnen, als die beiden unteren von FSComputer.de und Edelguenstig.com. Vertikale Übersichten können ebenfalls nützlich sein, werden jedoch nur in acht Shops (5,7 %) verwendet. Insgesamt ist die Visualisierung in sehr vielen Shops nicht ausreichend. Der erste Schritt des Bestellprozesses ist meist die Eingabe der persönlichen Daten. Dabei kommt es darauf an, diese möglichst einfach zu gestalten. Die Anordnung der Felder sollte so übersichtlich wie möglich sein. Ein Verzicht auf viele Pflichtangaben ist sinnvoll. Eine Anordnung der Felder unter-
224
Axel Winkelmann, Matthias Boehm, Jörg Becker
einander ist ebenfalls zu bevorzugen. Außerdem ist es wichtig, dass die Kunden auf fehlende oder falsche Eingaben hingewiesen werden. Grundsätzlich prüfen alle Shops jedoch nur, ob alle Pflichtfelder ausgefüllt wurden. Der letzte eigentliche Schritt des Prozesses ist die Bestellzusammenfassung oder -übersicht. Das führt dazu, dass es für den Kunden nicht oder nur schwer ersichtlich ist, ob die Bestellung versandt wurde. Bei Shops mit Bestellübersicht ist es wichtig, dass der Button zum Abschicken der Bestellung gut sichtbar ist. Dies ist jedoch nur in 21,6 % der Shops der Fall. In der Mehrheit (78,4 %) muss der Kunde den Button erst suchen. Ein gutes Beispiel liefert die Zusammenfassung auf med-markt.de (vgl. Abbildung 4). Der Button ist dort auffällig platziert, und der Kunde erhält außerdem die Möglichkeit, nach unten zu scrollen und seine gesamte Bestellung zu überblicken.
1) 2) 3) 4) Abbildung 3. Horizontale Bestellübersichten von 1) Tintenpalast.de, 2) PHD-Shop.de, 3) FSComputer.de und 4) Edelguenstig.com
Abbildung 4. Gut sichtbarer „Bestellung Abschicken“ Button auf medmarkt.de
Usability von Online-Shops
5
225
Gestaltungsempfehlungen und Fazit
Mit der empirischen Analyse der Usability von E-Commerce Shops wurden 140 Shops mit dem „Trusted Shop“-Gütesiegel auf Basis eines 60-PunkteKataloges in den Kategorien analysiert. Dabei zeigt sich, dass große, etablierte und sehr erfolgreiche Online-Shops häufig auf ein externes Siegel verzichten. Ihr Markenname ist als Vertrauensbasis ausreichend. Von daher beschränkt sich die Studie in erster Linie auf kleine und mittelständische E-CommerceAnbieter. Dabei wurde zahlreiche aussagekräftiger Ergebnisse und Gestaltungsempfehlungen für zukünftige Webauftritte gewonnen und zahlreiche Defizite aufgedeckt (vgl. Tabelle 2). Das Ergebnis der Analyse war insgesamt uneinheitlich. Neben einigen in allen Punkten sehr guten E-Commerce-Angeboten konnten zahlreiche inhaltliche und repräsentationale Mängel identifiziert werden. Ein großer Teil der Shops besaß beispielsweise ein festes Layout und ließ dadurch viel Fläche auf größeren Monitoren für Produktpräsentationen ungenutzt. Zwar präsentieren die meisten Anbieter Produkte auf ihrer Startseite, aber gerade als mittelständische Anbieter könnten sie das Vertrauen der potenziellen Kunden durch Eigendarstellungen erhöhen. Nur acht der 140 untersuchten Shops boten ausführliche Texte und Bilder über sich, die Unternehmenshistorie oder Mitarbeiter und die Produktabwicklung. Zusätzlich sollten viele Shops über die Einführung eines Forums, Hotline oder Live-Chat nachdenken. Mit Hilfe einer abschließenden Clusteranalyse konnten die Angebote in zwei Kategorien eingeteilt werden. Dabei ist festzustellen, dass nur 33 Shops (23,6% aller untersuchten Angebote) in die Kategorie der mittelmäßig bis guten Shops fällt. Da selbst diese Shops in Teilen großes Verbesserungspotenzial haben, besteht in Zukunft ein hoher Bedarf an Optimierung. Möglichkeiten hierzu konnten mit diesem Artikel identifiziert werden. Aufgrund ihrer Subjektivität wurden einige Kriterien für diese Untersuchung der Usability von Online-Shops ausgeschlossen. Hierzu zählen vor allem die Aktualität der einzelnen Seiten sowie die Bewertung des Designs, Farben und Farbkombinationen. Auch wurde nicht überprüft, wie viele Produkte pro Kategorie vorhanden sind. Profilfunktionen, wie z. B. die Verwaltung von persönlichen Daten, aber auch das Speichern von Artikeln im Merk- bzw. Wunschzettel oder Warenkorb wurden nicht untersucht. Ebenso blieb der Geschenke- und Gutscheinservice sowie der Aftersales-Service (E-Mail-Benachrichtigungen, Bestellstatus einsehen, Service, Lieferung, usw.) unberücksichtigt. Die aussagekräftigen Ergebnisse dieser Studie können zur Verbesserung von Online-Angeboten sowie für weitergehende Analysen verwertet werden. Eine verbesserte Usability kann dazu führen, dass Kunden weniger Anfragen mit
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Axel Winkelmann, Matthias Boehm, Jörg Becker
Problemen stellen und somit Betreiberressourcen binden. Außerdem stellt die Usability im Shop, neben einem hohen Bekanntheitsgrad, eine gute Möglichkeit dar, sich im Online-Markt zu profilieren. Kriterium Layout des Shops
Anzahl der zu präsentierenden Produkte auf der Startseite Raum für den Inhalt
Analyseergebnisse Zwei Drittel aller Shops haben z. B. ein anklickbares Logo oben links. In einem Drittel der Fälle fehlt aber der hinterlegte Link zur Startseite. Ein Fünftel nutzt Flächen, die zwar wie Werbung aussehen, aber Informationen sind. Im Durchschnitt werden neun Produkte präsentiert.
Durchschnittlich stehen dem Inhalt des Online-Shops 38 % der Fläche zur Verfügung.
Beachtung von DesignStandards Optimierung der Suche
75 % der Online-Shops weichen davon ab, Links in anderer Farbe und unterstrichen darzustellen. Nur zwei Shops verwenden eine optimale Kombination von „Suchbegriff“ und „Finden“ für die Bezeichnungen der Elemente der Suchfunktion. Nur sechs Shops (4,3 %) verwenden eine intelligente Suche.
Layout und Inhalt der Produktdetailseite
71 % der Shops bieten ausführliche Informationen über die Produkte an, aber 28 % beschreiben ihre Produkte nur mit wenigen und unvollständigen Texten. Die Mehrzahl (97 %) der Shops hat zumindest ein Artikelbild auf der Produktdetailseite, aber 57 % stellen keine verschiedenen Ansichten zur Verfügung.
Gestaltungsempfehlungen Das Layout sollte sich an dem allgemein gültigen Schema orientieren (vgl. Abbildung 2).
Der Platz auf der Startseite ist kostbar und zur Produktpräsentation zu verwenden. Es ist empfehlenswert, sich an Durchschnittswerten anderer Shops zu orientieren. Das Verhältnis zwischen Titel, Menü und Inhalt ist zu beachten. Der Shop muss mit einer Auflösung von 1024×768 Pixeln verwendbar sein. Außerdem ist auf den Trend zur Nutzung von mobilen Endgeräten und Netbooks zum online Einkaufen zu achten. Für unerfahrene Benutzer ist es wichtig, dass Design-Standards eingehalten werden. Die Suchfunktion hat eine elementare Bedeutung für den Erfolg eines Online-Shops. Die richtige Platzierung (vgl. Abbildung 2), Bezeichnung und Funktionsweise sind ausschlaggebend für den Erfolg. Die Präsentation der Suchergebnisse sollte ebenfalls nicht vernachlässigt werden. Ausführliche Informationen, wie z. B. Größenangaben, Material, Farben etc. über das Produkt sind notwendig, damit sich der Besucher im Shop über das Produkt informieren kann. Dabei sollte sich der Informationsgehalt an der Zielgruppe orientieren. Dazu sind verschiedene Darstellungsformen (Text, Liste oder Tabelle) und Detaillierungsebenen hilfreich. Bilder (und eventuell auch Produktvideos) sind absolut notwendige Elemente auf der Produktdetailseite.
Usability von Online-Shops Design des Warenkorbs
Zwar hat sich die Bezeichnung „Warenkorb“ durchgesetzt (97 %), nur wenige Shops zeigen jedoch z. B. einen Liefertermin (9,4 %) oder die Verfügbarkeit (15,1 %) der Artikel erneut an. Auch fehlt in 59 % der Fälle zu jeder Position im Warenkorb das Artikelbild.
Der Bestellprozess als Schlüssel zum Erfolg
Nur in 44 % der Fälle ist der Button zum Start des Bestellprozess im Warenkorb sofort ohne Scrollen erkennbar. In 42 % der Fälle müssen sich die Kunden vor dem Kauf registrieren. Die Schritte des Bestellprozesses werden in 24 % der Shops nicht visuell unterstützt. Und nur in 21 % der Shops sind deutlich sichtbarere „Bestellung abschicken“-Button auf der Zusammenfassungsseite vorhanden.
227
Genau wie auf der Produktdetailseite sind Bilder und übersichtliche präsentierte Informationen sehr wichtig für den Warenkorb. Nach einer längeren Einkaufstour ist es für den Kunden notwendig, vor dem eigentlichen Bezahlen eine Übersicht über die einzukaufenden Artikel zu bekommen. Bestimmte Informationen sind daher Pflicht. Wenn Benutzer den Startbutton zum Bestellen erst suchen müssen, wenn sie sich vor dem Kauf anmelden müssen (Kunden sollten niemals gezwungen werden), wenn der Bestellprozess nicht durch z. B. horizontale und gut lesbare Abbildungen visuell unterstützt wird, oder wenn nicht ohne Scrollen ersichtlich ist, wie und wo die Bestellung endgültig abgeschickt werden soll, ist die Wahrscheinlichkeit außerordentlich hoch, dass der potentielle Kunde seinen Einkauf abbricht. Auch heute ist die Abbruchrate in Online-Shops noch sehr hoch. Sie kann jedoch durch eine bessere Unterstützung des Benutzers verringert werden.
Tabelle 2. Kriterien und Gestaltungsempfehlungen für erfolgreiche OnlineShops
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Usability von Online-Shops
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Verbundgruppen im Internet: Ein Referenzmodell Dr. Ralf Knackstedt Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS)
[email protected] Matthias Steinhorst Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS)
[email protected]
1
Relationship Management von Verbundgruppen
In Verbundgruppen schließen sich rechtlich und wirtschaftlich selbständige Handels- und Handwerkbetriebe zu horizontalen Kooperationssystemen zusammen (vgl. Morschett, Neidhart 2003). Ursprünglich als Einkaufsgemeinschaften zur Bündelung von Umsatzvolumen gegründet, weisen Verbundgruppen teilweise eine über hundertjährige Tradition auf. Die Kooperationsgebiete wurden neben der Beschaffung auch auf das Marketing, die Finanzierung, den Informationsaustausch und die Unterstützung durch weitere Dienstleistungen ausgeweitet (vgl. Markmann 2002). In Deutschland kommt dieser Kooperationsform mit 150.000 in 600 verschiedenen Verbundgruppen organisierten Unternehmen eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung zu. Der Marktanteil der Partnerunternehmen von Verbundgruppen liegt in einzelnen Handelssparten bei über 50% (vgl. Barrenstein, Kliger 2003). Das Relationship Management ist als an wirtschaftlichen Zielen der Unternehmung ausgerichtete Konzeption, Anbahnung, kontinuierlichen Pflege und Kontrolle von Beziehungen für den Erfolg einer Verbundgruppe von maßgeblicher Bedeutung. Bei Verbundgruppen hat Relationship Management eine zweifache Ausprägung (vgl. Nohr, Roos, Vöhringer 2006). Gegenstand des Partner Relationship Managements sind die Beziehungen zwischen der Verbundgruppenzentrale und den einzelnen Partnerunternehmen. Das Customer Relationship Management widmet sich den Beziehungen zu Konsumenten. Während das Partner Relationship Management in den Aufgabenbereich der Verbundzentrale fällt, werden Aufgaben des Customer Relationship Managements häufig sowohl von der Verbundzentrale als auch von Partnerunternehmen wahrgenommen. Letzteres ist insbesondere dann gegeben, wenn
232
Ralf Knackstedt, Matthias Steinhorst
Konsumenten direkt bei der Zentrale bestellen können. Nohr, Roos und Vöhringer (2008) haben in Interviews und Umfragen erhoben, dass die Bedeutung des Relationship Managements bei Verbundgruppen erkannt worden ist, seine Umsetzung allerdings noch vergleichsweise am Anfang steht. Bei der Realisierung erfolgt diesen Studien gemäß derzeit eine Konzentration auf das Partner Relationship Management, da es als Voraussetzung für den Aufbau eines Customer Relationship Managements der Kooperation angesehen wird (vgl. Nohr, Roos, Vöhringer 2008). Ein wichtiges Instrument für das Partner Relationship Management stellt der Internetauftritt der Verbundgruppenzentrale dar. Forschungsfrage des vorliegenden Beitrags ist es, die Common Practice der Gestaltung von Verbundgruppen-Internetauftritten zu ermitteln. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, ob die ausgemachte Fokussierung auf das Partner Relationship Management von den Internetauftritten der Verbundgruppen bestätigt wird. Als Forschungsmethode wurde die Entwicklung eines Referenzmodells gewählt. Zunächst wird die zur Modellierung des Referenzmodells gewählte Modellierungsmethode vorgestellt (Abschnitt 2). Im Anschluss werden die Konstruktion des Referenzmodells und das Ergebnis dieses Prozesses ausführlich beschrieben (Abschnitt 3). Verschiedene Anwendungen des Referenzmodells zeigen seine Bedeutung für Forschung und Praxis auf (Abschnitt 4). Ein Ausblick zu weiterführenden Forschungsarbeiten schließt den Beitrag ab (Abschnitt 5).
2
Modellierung von Internetauftritten
Für die fachkonzeptionelle Modellierung von Web-Applikationen werden verschiedene Ansätze vorgeschlagen, die sich in drei unterschiedliche Entwicklungslinien einteilen lassen (vgl. Retschitzegger, Schwinger 2000; Schwinger, Koch 2004). Eine Gruppe von Ansätzen hat ihren Ursprung in der Entity-Relationship-Modell-basierten Datenmodellierung. Andere Ansätze lassen sich vorrangig auf das Hypertext Modeling zurückführen. Eine weitere Entwicklungslinie bilden objektorientierte Ansätze (vgl. Abbildung 1). Für die Modellierung der Internetauftritte von Verbundgruppen wurde die erweiterte World Wide Web Design Technique (eW3DT) nach Scharl gewählt (vgl. Scharl 1997). Für diese Wahl ausschlaggebend war, dass mit dieser Modellierungstechnik bereits Referenzmodelle für Web-Applikationen konstruiert wurden, deren Wiederverwendung im Rahmen dieser Forschungsarbeit angestrebt wurde. Darüber hinaus berücksichtigt die Modellierungstechnik die wesentlichen Modellkonstrukte, die auch von den anderen Modellierungstechniken bereitgestellt werden. eW3DT unterscheidet mit Seite, Interaktion, Index, Menü und Datei fünf Webelementtypen, die statisch und dynamisch
Verbundgruppen im Internet
233
ausgeprägt sein können. Im Gegensatz zu statischen Webelementen ist der Inhalt dynamischer Webelemente beim Abruf variabel. Ein Internetauftritt wird abgebildet, indem die Webelemente über verschiedene Linktypen miteinander in Beziehung gesetzt werden. Die Beschreibungen einzelner Webelemente können in Submodellen verfeinert werden. Data Modelling (ERM)
Hyptertext Modelling (HDM/Dexter)
RMM
W3DT
W3I3
Araneus
eW3DT
HDM-Lite/Autoweb
WebML
Object-oriented Modelling (OMT/UML)
OOHDM
„Conallen“
OO-H
Abbildung 1. Modellierungsansätze für Web-Applikationen (vgl. Brelage 2006) Wesentliche Aufgabe der fachkonzeptionellen Referenzmodellierung mit eW3DT ist es, die inhaltlichen Themen der Verbunddokumente zu identifizieren, welche für die Internetauftritte von Verbundgruppen typisch sind. Beispielsweise wird häufig ein Index „Partnersuche“ unterstützt, mit dem man sich einen Überblick über die Verbundgruppenmitglieder verschaffen kann. Allerdings kann der Index unterschiedlich gegliedert werden, z. B. alphabetisch und geographisch, was mittels eW3DT allenfalls durch eine mehrfache Modellierung des Index abgebildet werden kann, ohne dabei die Ähnlichkeit dieser Indizes geeignet auszuweisen. Als Reaktion auf diese Beschränkungen der Ausdrucksmächtigkeit von eW3DT wurden Sprachkonstrukte, die im Bereich der fachkonzeptionellen Modellierung von OLAP-Systemen (vgl. Böhnlein 2001) etabliert sind, mit eW3DT integriert (vgl. im Folgenden das Metamodell in Abbildung 2).
234
Ralf Knackstedt, Matthias Steinhorst OLAP-Spezifikation
eW3DT Statischer Link
Zuordnung Verbindungstyp
D,T
Dynamischer Link
Dimensionsausschnitt
(0,n)
(0,1)
(0,n)
(0,m) Dim-BezObjekt
Repräsentativer Link
Organisationseinheit (1,n)
DBOHierarchie
(1,n)
(1,n)
Dimension
N,T
Horizontaler Link
(1,n)
(0,n)
Bezugsobjekt
Technisch verantwortlich Kennzahlensystem
Inhaltlich verantwortlich
Zuordnungshierarchie
(1,n)
Seite
(0,1) Menü Site (1,1)
(1,1)
Index (0,1)
Webelement
(0,n)
(0,n)
Zuordnnug
(0,m) (0,n)
Zuordnung
Kennzahl
Navigations- (0,n) raumelement (0,n)
(0,n) Zuordnung
D,T
Sequenz
(1,1) (1,n) Suche
Web-OLAP
(1,1)
(0,1) (0,m)
(0,n) Navigationsraum (0,n)
Zuordnung
(1,1)
Zuordnung
Zuordnung
(0,1) (0,n)
Zuordnung
OLAP-Bericht
(0,1)
Spalte
(0,1) Zeile
OLAP-Operationen
Datei
Zuordnung
Interaktion
(0,n) (1,1)
Tabellenkoordinate
Zuordnung
(0,n) (1,n)
ERM Datencluster (0,n) Webelementtyp
statisch
(0,n) Datenspezifikation
D,T
(1,n)
Zuordnung
D,T
(0,n)
dynamisch
Typ
D,T Relationship- (2,n) typ (0,n) Entitytyp
(0,n)
(0,n) (1,n) Spezialisierung/ Generalisierung (1,n) (1,1) Kante
(1,1)
ET wird generalisiert ET wird spezialisiert ET-KanteVerbindung RST-KanteVerbindung
Abbildung 2. Metamodell der zur Referenzmodellierung verwendeten Modellierungssprache
Verbundgruppen im Internet
235
Einem Index können dabei unterschiedliche Dimensionen bzw. Dimensionsausschnitte zugeordnet werden, um zu verdeutlichen, dass bestimmte Objekte wie z. B. Partnerunternehmen nach unterschiedlichen Gliederungskriterien gesucht werden können. Als zusätzlicher Verbunddokumenttyp wurde die Suche ergänzt, die von vielen Verbundgruppen unterstützt wird. Über die Angabe von Navigationsräumen, die von Dimension(sausschnitt)en und Kennzahlensystemen aufgespannt werden, kann die unterstützte Suche inhaltlich eingeschränkt werden. Ebenfalls auf einzelnen Verbundgruppenseiten zu finden, ist die Bereitstellung kennzahlenbasierter Berichte, die teilweise auch über die OLAP-Funktionalitäten Rotation, Slicing, Dicing und Drilldown bzw. Roll-up manipuliert werden können. Solche bereitgestellten Inhalte werden über den ergänzten Verbunddokumenttyp Web-OLAP abgebildet. Die inhaltliche Spezifikation der OLAP-Berichte erfolgt, indem über die Angabe von Zeilen- und Spalteninhalten eine zweidimensionale Projektion auf einen Navigationsraum festgelegt wird. Die Datenbasis von Web-OLAPBerichten, die als dynamisch ausgeprägt sind, wird jeweils aktualisiert, die Inhalte statischer Web-OLAP-Berichte bleiben dagegen unverändert. Welche OLAP-Operationen unterstützt werden, kann durch zusätzliche Attribute des Verbunddokuments Web-OLAP festgehalten werden. In eW3DT werden dem Verbunddokument Interaktion Datenbanksymbole zugeordnet, um die mittels der Interaktion erhobenen bzw. bereitgestellten Daten zu charakterisieren. Da die Abgrenzung und Benennung einzelner Datenbanken DV-konzeptionelle Entscheidungen beinhaltet, werden zur Spezifikation dieser Daten in der hier verwendeten Variante von eW3DT Datencluster verwendet, die einen Ausschnitt aus einem Entity-RelationshipModell darstellen. Damit wird eine durchgängig fachkonzeptionelle Referenzmodellierung gewährleistet.
3
Referenzmodellierung des Internetauftritts von Verbundgruppen
3.1
Methodisches Vorgehen
Die Konstruktion des Referenzmodells wurde in einem vierstufigen iterativen Verfahren in der Zeit vom 01.07.2007 bis 30.06.2008 vorgenommen. In einem ersten Schritt wurden die Grundgesamtheit und die Zielsetzung des Referenzmodellierungsprojektes konkretisiert. Als Basis wurden die etwa 300 Mitglieder des Zentralverbandes gewerblicher Verbundgruppen (ZGV) gewählt, und es wurde eingeschränkt, dass in der hier vorzunehmenden Ausbaustufe des Referenzmodells zunächst nur die allgemein zugänglichen Be-
236
Ralf Knackstedt, Matthias Steinhorst
reiche der Internetauftritte analysiert werden sollten. In einem zweiten Schritt wurden aus der Mitgliederliste des ZGV mit Intersport (Sportartikelhändler), Garant (Schuhhändler), Electronic Partner (Elektronikhändler), expert (Elektronikhändler) und Getränkering (Lebensmittelhändler) besonders umsatzstarke und bekannte Verbundgruppen einzelner Handelssparten ausgewählt, um die Referenzmodellierung mit tendenziell fortschrittlichen Internetauftritten zu initialisieren. Die Internetauftritte dieser fünf Verbundgruppen wurden mit eW3DT modelliert. Dabei wurden die in Abschnitt 2 beschriebenen zusätzlichen Spracherweiterungen als notwendig erkannt und eingeführt. Die fünf Einzelmodelle wurden zu einem einzelnen Referenzmodell konsolidiert. Die sich auf Hierarchiestufe 3.0 befindenden Submodelle „Personalwesen“ und „Finanzinformationen“ dieser Referenzmodellversion beruhten dabei auf den Arbeiten von Scharl 1997. Im dritten Schritt wurde die empirische Basis des Referenzmodells auf 45 Internetauftritte erweitert. Die Auswahl der 40 weiteren Auftritte erfolgte, indem in vier Teilschritten jeweils 10 Verbundgruppen randomisiert aus der Mitgliederliste ausgewählt wurden. In jedem Teilschritt wurden diese 10 Verbundgruppen mit den Elementen des bis zu diesem Zeitpunkt konsolidierten Referenzmodells modelliert. Dabei erfolgte eine inhaltliche Analyse, ob Elemente des konsolidierten Referenzmodells in dem jeweiligen Internetauftritt vorhanden und welche Elemente ggf. zusätzlich vorzusehen sind. Nach der Modellierung und inhaltlichen Analyse von jeweils 10 Verbundgruppen wurde das Referenzmodell um die zusätzlich benötigten Elemente erweitert. Das neue konsolidierte Modell diente dann als Basis für die Analyse weiterer 10 Internetauftritte. Die Anzahl der zu erweiternden Modellelemente nahm während dieser Analyse kontinuierlich ab, wobei in jeder Runde noch weitere Elemente identifiziert wurden. Für die bis hierhin erreichte Ausbaustufe des Referenzmodells erschien dieses Ergebnis zufrieden stellend. Die Modellierung wurde folglich mit der Bereitstellung einer Version 1.0 des Referenzmodells zunächst abgeschlossen. Die in den einzelnen Schritten modellierten Verbundgruppen werden in Tabelle 1 aufgeführt.
Verbundgruppen im Internet Stufe 1 2
3.1
3.2
3.3
3.4
237
Verbundgruppen Eingrenzung auf die 300 Verbundgruppen des ZGV Modellierung der Internetauftritte von fünf besonders umsatzstarken und bekannten Verbundgruppen: Intersport (S), Electronic Partner (EA), expert (EA), Garant (SH), Getränkering (LH) Erweiterungsanalyse mit zehn zusätzlichen Verbundgruppen: ANWR (SH), Quick Schuh (SH), Sabu Schuh (SH), „FÜR SIE“ (LH), DEHA, (EA), Sagaflor (GH), Hagebau (BM), ART CREATIV (KB), Büroring (OS), Rewe (LH). Es wurden insgesamt 34 weitere Webelemente identifiziert. So wurden in diesem Schritt u. a. das Kundenmagazin und das Veranstaltungsangebot in das Referenzmodell integriert. Das auf Scharl basierende Submodell Personalwesen wurde um die Indices Praktika und Diplomarbeiten erweitert. Das Submodell Produkte erhielt ein Interaktionselement Beratung und den Index Warenkorb mit der Dimension Produkt. Die statische Seite Unternehmensmission wurde auf Hierarchiestufe 3.0 in das Referenzmodell aufgenommen. Auch der Newsletter wurde in diesem Schritt als ein für Verbundgruppen relevantes Webelement identifiziert. Erweiterungsanalyse mit zehn zusätzlichen Verbundgruppen: Lekkerland (LH), Synaxon (EA), Cospar (D), Bico (S), Beauty Alliance (D), GTEG (E), Ermuri (LH), Gefako (LH), Awell (RB), Idee + Spiel (SpH). Im zweiten Durchlauf wurden insgesamt 16 neue Webelemente identifiziert. U. a. wurde das Submodell Presse um das Pressearchiv erweitert, das sich auf der Hierarchiestufe 4.0 des Referenzmodells befindet. Ein Ordnungsrahmen der Verbundgruppe, der sich auf Hierarchiestufe 3.0 des Referenzmodells befindet, wurde integriert. Erweiterungsanalyse mit zehn zusätzlichen Verbundgruppen: Elgora (E), Sanigro (E), Tiptop-Hotels (T), Sanacorp (P), Südbund (E), Maler-Einkauf (E), Nordbike (S), Noweda (P), Clinicpartner (P), Igeka (SpH). Im dritten Durchlauf wurden insgesamt 10 neue Webelemente identifiziert (u. a. das Kundenfeedback) Erweiterungsanalyse mit zehn zusätzlichen Verbundgruppen: Progros (T), EZ Fashion (BH), KATAG (BH), APM (AH), Gut Hotels (T), Schokoring (LH), Vedes (SpH), Garant-Möbel (E), Euronics (EA), Markant (LH). Im letzten Schritt wurden 2 weitere Webelemente identifiziert, die aber nicht in das Referenzmodell aufgenommen wurden, da sie sehr speziell auf die jeweiligen Internetauftritte ausgerichtet waren und somit keinen allgemeingültigen Charakter aufweisen.
Legende AH = Automobilhändler, BM = Baumarkt, BH = Bekleidungshändler, D = Drogerie, E = Einrichtung, EA = Elektronikartikel, GH = Gärtnereihändler, KB = Künstlerbedarf LH = Lebensmittelhändler, OS = Office Supply, P = Pharmabranche, RB = Reinigungsbranche SH = Schuhhändler, SpH = Spielzeughändler, S = Sportartikel, T = Tourismus
Tabelle 1. Modellierte öffentliche Internetauftritte von Verbundgruppen
3.2
Ergebnis
Das so konstruierte Referenzmodell unterteilt sich in insgesamt zehn Teilmodelle (vgl. Abbildung 3). Es besteht insgesamt aus rund 74 Webelementen auf 5 Hierarchiestufen. Die Homepage stellt den zentralen Zugangspunkt zum Informationsangebot der Verbundgruppe dar. Elemente der Hierarchiestufe 1.1 werden direkt in die Homepage integriert und sind daher über den Linktypen „includes“ mit der Homepage verbunden.
238
Ralf Knackstedt, Matthias Steinhorst
Homepage
Incl
Menü
Datenschutzerklärung
Datei
1.1 1.0
Produkte
Menü
2.0
Incl Informationen über VG
Anfahrtsbeschreibung
Datei
1.1
Menü
2.0
AGBs
Seite
Sprachauswahl
Index
Incl DL-Angebot 2.0
Index Mitglieder/ Endkunden
1.1 Kontakt
Seite
2.0 Incl Impressum
Global 2.0
Index Land
Mitglieder
Index
2.0
Branche/ Region/ alphabetisch
1.1
Seite
2.0
Aktuelles
Mitglied werden
Interaktion
Incl
Soziales Engagement
Partnersuche Incl 1.1
2.0
Index PLZ/ alphabetisch
Index Contentsuche Incl
Typ/Zeit/Ort Dynamisches Webelement
Kundenmagazin
Branche/ Region/ alphabetisch
Menü
Legende 2.0
Index
Anmeldung Mitglieder
2.0
2.0 Veranstaltungen
1.1
Sprache
Statisches Webelement
Index Ausgabe
Dynamischer Link Statischer Link Incl Rep
1.1
Sitemap
Suche
Alle Inhalte
Menü
Incl 1.1
Horizontaler Link
Intranet-Login
Repräsentativer Link
Interaktion
Incl 1.1
Navigationsraum Dimension Spezialisierung / Generalisierung Datenspezifikation
Kundenfeedback Incl
1.1
Kennung und Passwort
Interaktion Kundenfeedback
Abbildung 3. Oberste Ebene des Modells Hierzu zählen die Veröffentlichung der Datenschutzerklärung, einer Anfahrtsbeschreibung und der AGBs, die aufgrund ihrer geringen Änderungshäufigkeit als statische Bereitstellung von Dateien modelliert sind. Ein statischer Index ermöglicht die Sprachauswahl der Seite. Der Index Aktuelles stellt dem Besucher wechselnde Nachrichten zur Verfügung, die nach Branche, Regionen oder alphabetisch sortiert bereitgestellt werden. Das Auffinden von Partnerunternehmen wird mit Hilfe eines Index, der die Partner nach Postleitzahlen oder alphabetisch sortiert, unterstützt. Die Partnersuche ist in einem eigenen Submodell verfeinert (vgl. Abbildung 4). Die Contentsuche
Verbundgruppen im Internet
239
unterstützt das Auffinden beliebiger Inhalte aus dem gesamten veröffentlichten Informationsraum über die Angabe von Suchbegriffen. Eine Sitemap stellt ein zusätzliches Menü zur übersichtlichen Navigation durch den kompletten Internetauftritt zur Verfügung. Der Intranet-Login ermöglicht den Zugang zum Intranet der Verbundgruppe. Die statische Interaktion Kundenfeedback ermöglicht es, ein Feedback über Aufbau und Gestaltung des Internetauftrittes abzugeben. Incl
Öffnungszeiten
Seite
1.2.1 Adresse
Seite
Incl Partnersuche
1.1
Index
1.2.1 Rep
PLZ/ alphabetisch
Partnerprofil
Seite
1.2
Incl
Telefon
Seite
1.2.1
Incl
E-Mail
Seite
1.2.1
Abbildung 4. Verfeinerungsmodell „Partnersuche“ Weitere Webseitenelemente werden über das Menü der Homepage angesteuert. Diese sich auf der Hierarchiestufe 2.0 befindenden Elemente werden über einen statischen bzw. dynamischen Link mit der Homepage verbunden und sind häufig in einem Submodell ausführlich spezifiziert. Tabelle 2 gibt einen inhaltlichen Überblick über die Inhalte dieser Bestandteile des Referenzmodells. Modellelement Produkte
DL-Angebot
Beschreibung Verbundgruppen bieten ihre Produkte nach Warengruppen, nach Marken oder alphabetisch sortiert auf ihrer Website an. Darüber hinaus integrieren viele Verbundgruppen einen Warenkorb in ihre Website, so dass der Besucher die Möglichkeit erhält, Waren gleich online zu kaufen. Der Verkaufsprozess wird durch eine Beratung, im Submodell als statische Interaktion dargestellt, unterstützt. Der Besucher der Site ist hier aufgefordert, zu spezifizieren, nach welchen Produkten er sucht, also etwa nach gebrauchten oder neuwertigen. Auf der Grundlage dieser Angaben erhält er dann eine Auswahl an Produktvorschlägen, die für ihn interessant sein könnten. Ähnlich wie das Produktangebot beinhaltet der Internetauftritt einer Verbundgruppe auch ein Dienstleistungsangebot. Dienstleistungen unterscheiden sich nach Empfängern: Manche Verbundgruppen bieten Dienstleistungen wie ein zentrales Marketing oder verbundgruppenweit einheitliche Warenwirtschaftssysteme an, die sich ausschließlich an die Mitglieder der Gruppe richten. Andere Verbundgruppen hingegen offerieren Dienstleistungen, die direkt für den Endkunden bestimmt sind, wie zum Beispiel ein Liefer- und Reparaturservice. Diese unterschiedlichen Arten von Dienstleistungen werden im Modell durch entsprechende Dimensionen gekennzeichnet.
240
Ralf Knackstedt, Matthias Steinhorst
Global
Mitglieder
Veranstaltungen
Kundenmagazin
Informationen über VG
Kontakt Impressum Mitglied werden
Soziales Engagement
Verbundgruppen sind häufig global aufgestellte Unternehmen. Viele Verbundgruppen führen daher unterschiedliche Homepages für jedes Land, in dem sie tätig sind. Sie stellen hier einen auf die jeweilige nationale Kundschaft abgestimmten Internetauftritt zur Verfügung. Die einzelnen Mitglieder der Verbundgruppe haben ebenfalls eigene Internetauftritte. Da sich die Anzahl der Mitglieder stetig ändert, werden diese Sites aus einem dynamischen Index nach Branche, regional oder alphabetisch sortiert aufgerufen. Ein Index mit aktuellen Veranstaltungen rund um die Verbundgruppe weist den Besucher des Internetauftrittes auf entsprechende Informationen hin. Der Index ist nach den Dimensionen Veranstaltungstyp, Zeit oder Ort sortiert. Über den Index gelangt der Besucher der Site auf die konkrete Veranstaltung, die er über eine in das Webelement integrierte Interaktion direkt buchen kann. Darüber hinaus führen viele Verbundgruppen ein Kundenmagazin, das in bestimmten Zeitabständen erscheint und die Kunden über Neuigkeiten informiert. Der entsprechende Index verweist auf die einzelnen Ausgaben des Magazins, die zum Download bereit stehen. Das Submodell „Informationen über die Verbundgruppe“ liefert dem interessierten Besucher Hintergrundwissen beispielsweise zur Historie der Verbundgruppe. Auch Pressemitteilungen werden hier veröffentlicht. Diese sind aus einem Index abrufbar. Ältere Pressemitteilungen werden zu einem Pressearchiv zusammengefasst. Viele Verbundgruppen veröffentlichen einen Ordnungsrahmen ihrer Unternehmung. Ein Bild der Verbundgruppenmission wird entworfen. Der Besucher kann einen Newsletter abonnieren, der ihn über sämtliche Neuigkeiten rund um die Verbundgruppe auf dem Laufenden hält. Informationen über die finanzielle Situation der Unternehmung runden das Bild ab. Hier stehen die letzten Geschäftsberichte der Verbundgruppe nach Jahren sortiert zum Download bereit. An der Börse notierte Verbundgruppen veröffentlichen darüber hinaus den Verlauf ihrer Aktie. Dieses kann über eine Web-OLAP-Anwendung geschehen, mit der sich der Besucher eigene OLAP-Berichte erstellen kann, die ihm einen detaillierten Eindruck über die finanzielle Situation der Verbundgruppe vermitteln. Diese Darstellung wird durch die Ergebnisse der Hauptversammlungen abgerundet, die der Besucher über einen nach Zeiteinheiten sortierten Index abrufen und downloaden kann. Neben Finanzinformationen stellen Verbundgruppen in diesem Submodell auch ihr Personalwesen dar. Stellen-, Ausbildungs- und Traineeangebote sind jeweils über eigene Indizes zu erreichen. Auch Diplomarbeiten und Praktika werden auf diesem Weg ausgeschrieben. Der Besucher erreicht über die entsprechenden Indizes das konkrete Angebot, auf das er sich mit Hilfe der integrierten Interaktion direkt bewerben kann. Hier stellt die Verbundgruppe Kontaktinformationen zur Verfügung. Kommerzielle Internetauftritte führen ein Impressum. Um neue Mitglieder anzuwerben, verlinken Verbundgruppen in ihren Internetauftritten auf Bewerbungsformulare. Interessierte Unternehmen, die in derselben Branche tätig sind wie die jeweilige Verbundgruppe, haben so die Möglichkeit, sich direkt um eine Mitgliedschaft in dieser zu bewerben. Im Modell werden diese Bewerbungsformulare als statische Interaktion abgebildet. Viele Verbundgruppen berichten über ihr soziales Engagement, um ihre Verankerung in der Gesellschaft zu verdeutlichen. Aus dem statischen Menü wird ein Index aufgerufen, der auf die konkreten Projekte verweist. Über ein Interaktionselement können Sponsoringgesuche an die Verbundgruppe gestellt werden.
Tabelle 2. Modellelemente der Hierarchiestufe 2.0 des Referenzmodells
Verbundgruppen im Internet
4
Anwendungen in Forschung und Praxis
4.1
Anwendung in der Forschung
241
Das Referenzmodell bildete die Basis, um Internetauftritte von Verbundgruppen mittels einer Clusteranalyse vergleichen zu können (vgl. Abbildung 5). Dabei wurde das Ziel verfolgt, Gruppen von Internetauftritten zu identifizieren, die sich dadurch auszeichnen, dass die Mitglieder einer Gruppe untereinander vergleichsweise homogen und einzelne Gruppen untereinander vergleichsweise heterogen sind. Über die Clusterung sollte die These geprüft werden, ob Verbundgruppen zunächst ihr Partner Relationship Management (PRM) ausbauen und sich erst im Anschluss daran dem Customer Relationship Management (CRM) widmen. Träfe diese Behauptung auch auf die Gestaltung der Internetauftritte zu, so müssten sich Cluster von Internetauftritten unterscheiden lassen, die ausschließlich Webelemente, die das PRM unterstützten, enthalten und Cluster, deren Internetauftritte neben den Webelementen des PRM auch Webelemente enthalten, die für das CRM spezifisch sind. Webseiten, die kaum spezifische Webelemente des PRM enthalten, dürften dagegen sehr selten bis gar nicht auftreten. Als binäre Merkmale für die Clusteranalyse wurde deshalb nur das Vorhandensein solcher Webelemente des Referenzmodells berücksichtigt, die sich einer der beiden Formen des Relationship Managements zuordnen lassen. Für das CRM wurden die Webelemente „Produkte“, „Kundenmagazin“, „Kundenfeedback“, „Partnersuche“ und „Dienstleistungen“ mit der Dimension „Kunden“ berücksichtigt. Die Zuordnung der Partnersuche begründet sich daraus, dass dem Kunden über dieses Webelement die Möglichkeit eröffnet wird, Adressen der in seiner Nähe ansässigen Partner der Verbundgruppe zu ermitteln, um dort Produkte offline kaufen zu können. Demgegenüber unterstützen die Webelemente „Dienstleistungen“ mit der Dimension „Partner“, „Mitglieder“ und „Mitglied werden“ speziell das PRM. Der Analyse wurden die in Tabelle 1 aufgeführten 45 Verbundgruppen zu Grunde gelegt. Das Ergebnis der Clusteranalyse kann als Dendrogramm dargestellt werden (vgl. Abbildung 5). Es legt eine Einteilung der Internetauftritte in die Cluster kundenund partnerorientierter Auftritt nahe. Es ist z. B. zu beobachten, dass in keinem der kundenorientierten Internetauftritte eine Auflistung der Mitglieder der jeweiligen Verbundgruppen enthalten ist. Auch Dienstleistungen für Partner werden so gut wie nicht angeboten. Umgekehrt werden in partnerorientierten Internetauftritten keine Dienstleistungen für Kunden oder ein Kundenmagazin angeboten. Die vollständige Abbildung der Häufigkeiten der Webelemente innerhalb eines Clusters kann Tabelle 3 entnommen werden.
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Ralf Knackstedt, Matthias Steinhorst
Abbildung 5. Dendrogramm der Clusteranalyse über Verbundgruppen Dieses Ergebnis ist nicht dazu geeignet, die Vermutung zu bestätigen, dass sich in den Internetauftritten ein Entwicklungspfad widerspiegelt, der ausgehend vom Aufbau eines PRM in einer zweiten Entwicklungsstufe auch das CRM implementiert (vgl. Abschnitt 1). Stattdessen legt es für den Aufbau der Internetauftritte nahe, dass derzeit entweder eine partner- oder eine kundenorientierte Fokussierung erfolgt. Cluster 1: kundenorientierter Internetauftritt APM, Awell, Beauty Alliance, Bico, Elgora, EP, Ermuri, Euronics, expert, Garant-Möbel, Gefako, GTEG, Gut Hotels, Hagebau, Idee + Spiel, Igeka, Intersport, Lekkerland, MalerEinkauf, Quick Schuh, Rewe, Südbund, Tip-Top Hotels Häufigkeiten der untersuchten Webelemente (tendenziell kundenorientierte Webelemente fett) in Cluster 1: Produkte: 74% Mitglied werden: 22% Dienstleistungen für Partner: 4% Dienstleistungen für Kunden: 52% Mitglieder: 0% Kundenmagazin: 26% Partnersuche: 87% Kundenfeedback: 9%
Cluster 2: partnerorientierter Internetauftritt „Für Sie“, ANWR, Art Creativ, Büroring, Clinicpartner, Cospar, Deha, EZ Fashion, GarantSchuh, Getränkering, Katag, Markant, Nordbike, Noweda, Progros, Sabu Schuh, Sagaflor, Sanacorp, Sanigro, Schokoring, Synaxon, Vedes Häufigkeiten der relevanten Webelemente (tendenziell partnerorientierte Webelemente fett) in Cluster 2: Produkte: 9% Mitglied werden: 41% Dienstleistungen für Partner: 100% Dienstleistungen für Kunden: 0% Mitglieder: 36% Kundenmagazin: 0% Partnersuche: 18% Kundenfeedback: 0%
Tabelle 3: Häufigkeiten der charakteristischen Webelemente je Cluster
Verbundgruppen im Internet
4.2
243
Anwendung in der Praxis
Das Referenzmodell wurde angewendet, um die Internetauftritte der Verbundgruppen mit der Common Practice zu vergleichen. In Interviews mit Vertretern der Verbundgruppen Synaxon, Markant, Vedes, Sagaflor, Ermuri, Euronics und Garant-Möbel wurden die von dem jeweiligen Internetauftritt abgedeckten Bereiche des Referenzmodells vorgestellt und fehlende Bereiche als Entwicklungsmöglichkeiten vorgeschlagen. Die Interviewpartner kamen dabei jeweils aus dem mittleren bis hohem Management der Verbundgruppe. Die Interviews wurden im Juni 2008 durchgeführt. Dieses Audit der Internetseiten stieß bei den Interviewpartnern auf reges Interesse. Alle Interviewpartner begründeten Unterschiede zwischen dem Referenzmodell und dem konkreten Internetauftritt dadurch, dass entsprechende Webelemente bei der Gestaltung des Internetauftritts schlicht vergessen wurden, oder dass die Voraussetzung, um die vom Referenzmodell vorgesehenen Inhalte anbieten zu können, bei der Verbundgruppen nicht gegeben sind bzw. dies der Unternehmenspolitik nicht entspricht (z. B. die Durchführung von Veranstaltungen für Mitglieder bzw. Kunden). Ein Fehlen für Verbundgruppen typischer Webelemente wurde im Rahmen der Befragung nicht moniert. Es wurde aber der Wunsch geäußert, das Referenzmodell um die Darstellung des Intranets zu erweitern.
5
Ausblick
Die Anwendungsbeispiele bestärken die Annahme, dass die Entwicklung des Referenzmodells für Internetauftritte von Verbundgruppen von bedeutendem Nutzen für Forschung und Praxis ist. Für die empirische Forschung liefert das Referenzmodell eine konsolidierte Merkmalsmenge, welche die Basis zur standardisierten Beschreibung von Internetseiten bildet. Indem weitere Verbundgruppen mittels dieses Instrumentariums beschrieben werden, soll die Basis für entsprechende empirische Untersuchungen ausgeweitet werden. Bei der Durchführung der Clusteranalyse sollen dabei insbesondere auch weitere Hierarchiestufen berücksichtigt werden, indem statt der hier vorgestellten zweistufigen eine partitionierende, mehrstufige Clusteranalyse durchgeführt wird. Auch erscheint es sinnvoll, die Datenbasis durch weitere verbundgruppenspezifische Merkmale anzureichern, die über die Inhalte des Internetauftritts hinausgehen, wie z. B. das Alter der Verbundgruppe oder die Handelssparte. Für die Praxis stellt das Referenzmodell ein interessantes Instrument für ein inhaltliches Audit des eigenen Internetauftritts dar. Sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht erscheint es wünschenswert, dass Referenzmodell in einer weiteren Ausbaustufe auch auf den Intranet-Bereich auszuweiten. Die bisher erzielten Ergebnisse erscheinen
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Ralf Knackstedt, Matthias Steinhorst
den Projektbeteiligten als notwendige Bedingung für eine solche Ausweitung, da die vorliegenden Ergebnisse geeignet sind, den Nutzen des Referenzmodellierungsansatzes adäquat zu kommunizieren. Dies bildet die Grundlage, um Verbundgruppen zur Beteiligung an einem solchen Projekt in Form der Zugangsgewährung zu ihren Intranet-Bereichen zu motivieren. Neben einer derartigen Ausweitung bietet sich auch die Übertragung des gewählten Vorgehens auf andere Bereiche der Internetkommunikation an. Die Autoren streben eine entsprechende Untersuchung für Forschungsportale im Internet an.
Literaturverzeichnis Barrenstein P., Kliger M. (2003): Verbundgruppen in Wandel. Akzente, 27. Böhnlein M. (2001): Konstruktion semantischer Data-Warehouse-Schemata. Wiesbaden. Brelage C. S. (2006): Web Information System Development – Conceptual Modeling of Navigation for Satisfying Information Needs. Berlin. Markmann F. (2002): Franchising in Verbundgruppen – Eine ökonomische Analyse der institutionellen Barrieren seiner Implementierung. Wiesbaden. Morschett D., Neidhart M. (2003): Die Zukunft der Kooperationen. In: Zentes J. (Hrsg.): Marketing- und Management-Transfer. Saarbrücken. Nohr H., Roos A. W., Vöhringer A. (2006): Relationship Management bei Verbundgruppen und Franchise-Systemen. Stuttgart. Nohr H., Roos A. W., Vöhringer A. (2008): Relationship Management von Verbundgruppen. In: Becker J., Knackstedt R., Pfeiffer D. (Hrsg.): Wertschöpfungsnetzwerke. Konzepte für das Netzwerkmanagement und Potenziale aktueller Informationstechnologien. Münster. Retschitzegger W., Schwinger W. (2000): Towards Modeling of DataWeb Applications – A Requirements’ Perspective. Americas Conference on Information Systems (AMCIS). Long Beach, CA. Scharl A. (1997): Referenzmodellierung kommerzieller Masseninformationssysteme. Idealtypische Gestaltung von Informationsangeboten im World Wide Web am Beispiel der Branche Informationstechnik. Frankfurt/Main. Schwinger K., Koch N. (2004): Modellierung von Web-Anwendungen. In: Kappel G., Pröll B., Reich S., Retschitzegger W. (Hrsg.): Web Engineering: Systematische Entwicklung von Web-Anwendungen. Heidelberg.
Autorenverzeichnis Prof. Dr. Jörg Becker Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS) Leonardo-Campus 3, D-48149 Münster Tel.: +49 (0)251/83 38100, Fax: +49 (0)251/83 38109 E-Mail:
[email protected] http://www.wi.uni-muenster.de/is/organisation/becker
Alexander Benölken Westfälische Wilhelms-Universität Münster Leonardo-Campus 3, D-48149 Münster Tel.: +49 (0)251/83 38100, Fax: +49 (0)251/83 38109 E-Mail:
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Daniel Beverungen Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS) Leonardo-Campus 3, D-48149 Münster Tel.: +49 (0)251/83 38092, Fax: +49 (0)251/83 28068 E-Mail:
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Matthias Boehm Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS) Leonardo-Campus 3, D-48149 Münster Tel.: +49 (0)251/83 38100, Fax: +49 (0)251/83 38109 E-Mail:
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Prof. Dr. Tilo Böhmann International Business School of Service Management Hans-Henny-Jahnn-Weg 9, D-22085 Hamburg Tel.: +49 (0)40/536 991 55, Fax: +49 (0)40/536 991 66 E-Mail:
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Michaela Dietz Universität Duisburg-Essen Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement und Handel Lotharstaße 65, D-47057 Duisburg Tel.: +49 (0)203/379 2620, Fax: +49 (0)203/379 3256 E-Mail:
[email protected] http://www.msm.uni-due.de/index.php?id=1918&tx_eduext_pi1 [showUid]=1258&cHash=2b0cf57c2f
Prof. Dr.-Ing. Holger Dürr Technische Universität Chemnitz Institut für Fertigungstechnik/Schweißtechnik, Professur Fertigungslehre Reichenhainer Straße 70, D-09107 Chemnitz Tel.: +49 (0)371/531 32217, Fax: +49 (0)371/531 23720 E-Mail:
[email protected] http://www.tu-chemnitz.de/mb/FertLehre/html/kontakt/ mitarbeiter.php
Tamer El-Hawari Prof. Becker GmbH Lütke Berg 4-6, D-48341 Altenberge Tel.: +49 (0)2505/9483 0, Fax: +49 (0)2505/9483 83 E-Mail:
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Dr. Eckhard Heidling Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e. V. – ISF München Jakob-Klar Str. 9, D-80796 München Tel.: +49 (0)89/27 29 21 65, Fax: +49 (0)89/27 29 21 60 E-Mail:
[email protected] http://www.isf-muenchen.de/mitarbeiter/10/Eckhard-Heidling
Prof. Dr. Andreas Hilbert Technische Universität Dresden Professur für Wirtschaftsinformatik, insb. Business Intelligence Research Münchner Platz 3, D-01187 Dresden Tel.: +49 (0)351/463 322 68, Fax: +49 (0)351/463 327 36 E-Mail:
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Dr. Ralf Knackstedt Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS) Leonardo-Campus 3, D-48149 Münster Tel.: +49 (0)251/83 38094, Fax: +49 (0)251/83 38109 E-Mail:
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Prof. Dr. Helmut Krcmar Technische Universität München, Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik Boltzmannstraße 3, D-85748 Garching bei München Tel.: +49 (0)89/289 19532, Fax: +49 (0)89/289 19533 E-Mail:
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Philipp Langer Technische Universität München Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik Boltzmannstraße 3, D-85748 Garching bei München Tel.: +49 (0)89/289 19529, Fax: +49 (0)89/289 19533 E-Mail:
[email protected] http://www.winfobase.de/winfobase/cms_winfobase.nsf/%28ynDK_Con tentByKey%29/PhilippLanger
Carsten Loeser Technische Universität Chemnitz Institut für Fertigungstechnik/Schweißtechnik, Professur Fertigungslehre Reichenhainer Straße 70, D-09107 Chemnitz Tel.: +49 (0)371/531 35641, Fax: +49 (0)371/531 23720 E-Mail:
[email protected] http://www.tu-chemnitz.de/mb/FertLehre/html/kontakt/ mitarbeiter.php
Pamela Meil Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e. V. – ISF München Jakob-Klar Str. 9, D-80796 München Tel.: +49 (0)89/27 29 21 0, Fax: +49 (0)89/27 29 21 60 E-Mail:
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Jörg Militzer Westsächsische Hochschule Zwickau Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Scheffelstr. 39, D-08012 Zwickau Tel.: +49 (0)375/536 3265, Fax: +49 (0)375/536 3104 E-Mail:
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Oliver Müller Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS) Leonardo-Campus 3, D-48149 Münster Tel.: +49 (0)251/83 38064, Fax: +49 (0)251/83 28064 E-Mail:
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Steffen Müller Westfälische Wilhelms-Universität Münster Leonardo-Campus 3, D-48149 Münster Tel.: +49 (0)251/83 38100, Fax: +49 (0)251/83 38109 E-Mail:
[email protected] http://www.wi.uni-muenster.de/is/
Jella Pfeiffer Johannes Gutenberg-Universität Mainz Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und BWL Jakob-Welder-Weg 9, D-55128 Mainz Tel.: +49 (0)6131/39 22017, Fax: +49 (0)6131/39 22185 E-Mail:
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Oliver Richter Prof. Becker GmbH Lütke Berg 4-6, D-48341 Altenberge Tel.: +49 (0)2505/9483 0, Fax: +49 (0)2505/9483 83 E-Mail:
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Oliver Schmitt Westfälische Wilhelms-Universität Münster Leonardo-Campus 3, D-48149 Münster Tel.: +49 (0)251/83 38100, Fax: +49 (0)251/83 38109 E-Mail:
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Prof. Dr. Gertrud Schmitz Universität Duisburg-Essen Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement und Handel Lotharstaße 65, D-47057 Duisburg Tel.: +49 (0)203/379 1427, Fax: +49 (0)203/379 3256 E-Mail:
[email protected] http://www.msm.uni-due.de/index.php?id=1921
André Schulke Westfälische Wilhelms-Universität Münster Leonardo-Campus 3, D-48149 Münster Tel.: +49 (0)251/83 38100, Fax: +49 (0)251/83 38109 E-Mail:
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Stefan Sommer Technische Universität Dresden Professur für Wirtschaftsinformatik, insb. Business Intelligence Research Münchner Platz 3, D-01187 Dresden Tel.: +49 (0)351/463 33520, Fax: +49 (0)351/463 32736 E-Mail:
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Matthias Steinhorst Westfälische Wilhelms-Universität Münster European Research Center for Information Systems (ERCIS) Leonardo-Campus 3, D-48149 Münster Tel.: +49 (0)251/83 38100, Fax: +49 (0)251/83 38109 E-Mail:
[email protected] http://www.wi.uni-muenster.de/is/
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Prof. Dr. Tobias Teich Westsächsische Hochschule Zwickau Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Scheffelstr. 39, D-08012 Zwickau Tel.: +49 (0)375/536 3415, Fax: +49 (0)375/536 3104 E-Mail:
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Stefan Thiemann Thiemann IT-Solutions Totilaweg 4, D-42281 Wuppertal Tel.: +49 (0)173/6869641, Fax: +49 (0)321/21129153 E-Mail:
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Mayooran Thillainathan Westfälische Wilhelms-Universität Münster Leonardo-Campus 3, D-48149 Münster Tel.: +49 (0)251/83 38100, Fax: +49 (0)251/83 38109 E-Mail:
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Ngoc-Anh Tran Technische Universität Chemnitz Institut für Fertigungstechnik/Schweißtechnik, Professur Fertigungslehre Reichenhainer Straße 70, D-09107 Chemnitz Tel.: +49 (0)371/531 36721, Fax: +49 (0)371/531 23720 E-Mail:
[email protected] http://www.tu-chemnitz.de/mb/FertLehre/html/kontakt/ mitarbeiter.php
Katja Unger Westsächsische Hochschule Zwickau Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Scheffelstr. 39, D-08012 Zwickau Tel.: +49 (0)375/536 3415, Fax: +49 (0)375/536 3104 E-Mail:
[email protected] http://www.fh-zwickau.de/index.php?id=824
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Dr. Axel Winkelmann Universität Koblenz-Landau Professur für Betriebliche Anwendungssysteme Universitätsstr. 1, D-56070 Koblenz Tel.: +49 (0)261/2872525 E-Mail:
[email protected] http://www.bas.uni-koblenz.de
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