Darja Reuschke (Hrsg.) Wohnen und Gender
Darja Reuschke (Hrsg.) Unter Mitarbeit von Beate Kortendiek, Anja Szypulski und Shih-cheng Lien
Wohnen und Gender Theoretische, politische, soziale und räumliche Aspekte
Gewidmet Ruth Becker
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. 1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Katrin Emmerich / Sabine Schöller VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Rosch-Buch, Scheßlitz Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-15910-2
Inhalt
Einleitung.............................................................................................................. 7
Teil 1: Theoretische Annäherungen.................................................... 13 Ulla Terlinden Naturalisierung und Ordnung. Theoretische Überlegungen zum Wohnen und zu den Geschlechtern ................................................................................... 15 Kerstin Dörhöfer Ein Dach über dem Kopf? Oder „Was ist das Wohnen?“................................... 27
Teil 2: Wohnungsbauplanung und Wohnungspolitik in gesellschaftlichen Kontexten.................................................... 47 Iris Levin and Rachel Kallus Residential Experiences and Identity of Women in Givat Faradis ..................... 49 Misa Izuhara and Yosuke Hirayama Women and Housing in Japan ............................................................................ 69 Christine Bauhardt Wohnungsbau und Stadtentwicklung in Frankreich – Eine intersektionale Analyse stadträumlicher Segregation ................................................................. 89 Marlies Schulz Wohnen und Fertilitätsverhalten in der DDR ................................................... 117
Teil 3: Wohnbiografien, Lebensform und Lebenslage.................... 129 Annette Harth Frauen Wende(n) Wohnen. Zur Wohnweise ostdeutscher Frauen im Transformationsprozess .................................................................................... 131 Gabriele Sturm Alleine wohnen – empirische Befunde zu einer weit verbreiteten Lebensform....................................................................................................... 151
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Inhalt
Peteke Feijten and Clara H. Mulder Gender, divorce and housing – a life course perspective.................................. 175 Uta Enders-Dragässer und Brigitte Sellach Lebenslagen von Frauen und Wohnungsnotfallproblematik ............................ 195 Viktoria Waltz Ältere Migranten und Migrantinnen – Wo wohnen sie, wie leben sie, wie wünschen sie sich ihr Leben im Alter? ............................................................. 215
Teil 4: Wohnstandort, räumliche Mobilität und Multilokalität..... 237 Irene Hardill and Dan Wheatley Dual Career Couples, Gender and Migration.................................................... 239 Darja Reuschke Residing at multiple locations for job reasons: dwelling conditions, housing needs, and residential location of men and women in a multilocational way of life ................................................................................................................ 261 Antje Flade Wohnen, Mobilität und Geschlecht .................................................................. 283
AutorInnenverzeichnis...................................................................................... 301
Einleitung
Ausgehend von der Erkenntnis, dass Raum nicht nach einem Container-Modell als Behälter unabhängig von Menschen und Objekten existiert und stattdessen die Konstitution von Raum durch gesellschaftliche Prozesse erfolgt, widmet sich der vorliegende Sammelband dem Wohnen als ein gesellschaftlich determiniertes Phänomen, dessen baulich-physische Raumstrukturen (Größe und räumliche Verteilung von Wohngebäuden, Wohnungszuschnitt usw.) nur im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen zu verstehen sind. Neben der Bedeutung des Alters und der Haushaltsform für das Verständnis des Wohnverhaltens von Individuen und Haushalten hat eine inzwischen große Vielzahl von Veröffentlichungen der Frauen- und Geschlechterforschung unterschiedlicher Fachdisziplinen und der geschlechterdifferenzierenden Wohnforschung die zentrale Bedeutung der wechselseitigen Beziehungen zwischen Wohnen und Geschlecht theoretisiert und empirisch belegt. Wie gesellschaftliche Kontexte und Entwicklungen auf der gesellschaftlichen Makroebene das Wohnen der Geschlechter beeinflussen, wie sich der gesellschaftliche Wandel und die damit verbundenen Veränderungen der Geschlechterverhältnisse auf das Wohnen auswirken und welche geschlechtsspezifischen Differenzen im Wohnen bestehen das sind die zentralen Fragestellungen, denen dieser Sammelband nachgeht. Wohnen ist ein existentielles Grundbedürfnis des Menschen. In diesem Sinn ist die Wohnung als ein Ort der Existenzsicherung zu begreifen. Aber Wohnen ist nicht nur die Behausung die Wohnung, das Haus, die Wohnungseinrichtung im engeren physischen Sinne, sondern Wohnen umfasst auch die baulichräumlichen und sozial-räumlichen Strukturen, die die alltägliche Lebensgestaltung und Lebensführung von Individuen und Haushalten prägen. Dass Wohnen mehr als ein Dach über dem Kopf ist, wird zum Beispiel anhand spezifischer Wohnweisen und (Über)Lebensstrategien wie der Wohnungslosigkeit und der residentiellen Multilokalität deutlich während den einen das Dach über dem Kopf fehlt, verfügen andere aus beruflichen Gründen oder für Erholung und Freizeit über mehrere Wohnungen bzw. Unterkünfte. In diesem Zusammenhang wird gleichwohl das Spannungsfeld von Wohnen zwischen Sesshaftigkeit und Bewegung sichtbar. Wie Menschen wohnen, welche Wohnansprüche sie zur Bewältigung des Alltagslebens stellen, ob individuelle Wohnbedürfnisse befriedigt werden können und inwiefern Menschen zufrieden mit ihrer Wohnsituation sind das ist nicht allein von dem physischen Gehäuse abhängig, sondern wird entscheidend durch das Wohnumfeld, die wohnbezogene Infrastruktur, den
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Wohnstandort und damit durch vielfältige soziale und räumliche Beziehungsgefüge bestimmt. Die Nützlichkeit des Wohnstandorts hängt eng mit den raumzeitlichen Strukturen der Alltagsmobilität auf der nahräumlichen Ebene, aber auch mit großräumigen Wohnstandortfragen und Migrationsentscheidungen von Haushalten zusammen. Wohnen lässt sich deshalb nicht losgelöst von der Erwerbsarbeitsphäre betrachten; beide Lebensbereiche sind aufs Engste miteinander verwoben. Feministische Kritik am Wohnen ist seit ihren Anfängen auf räumliche Aspekte der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und die Wechselbeziehungen von räumlichen Strukturen und Reproduktionsarbeit gerichtet. Damit verbunden ist eine städtebauliche und raumplanerische Kritik an der räumlichen Organisation städtischer Infrastruktur in der funktionsgetrennten Stadt der westlichen Moderne und der Auslagerung von Wohnfunktionen aus der Stadt (Suburbanisierung), die zusammen zu verminderten Erwerbsarbeits- und Aktionsmöglichkeiten von Frauen in westlichen Industriegesellschaften wie der früheren Bundesrepublik führten. Im Zuge von wirtschaftlichem und sozialem Wandel hat die Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern in westlichen Industriegesellschaften und in Gesellschaften der vormals sozialistischen Länder eine tief greifende Veränderung erfahren und so unterliegen die sozialen Wirklichkeiten des Wohnens gleichwohl einem Wandel. Diesen vielseitigen Aspekten des Wohnens entsprechend, gliedert sich der Band in vier Teile: Teil 1: Theoretische Annäherungen Im ersten Teil erfolgt eine theoretische Annäherung an das Wohnen als gesellschaftliches Konstrukt aus der Geschlechterperspektive. Ulla Terlinden nähert sich einer Bestimmung des Wohnens mithilfe der Theorie der symbolischen Ordnung des Soziologen Pierre Bourdieu und erklärt anhand von Naturalisierung und hierarchischer Ordnung, wie Wohnen in verschiedenen Gesellschafts- und Geschlechterordnungen symbolisch konstruiert und von einem androzentrischen Geschlechterverhältnis geprägt ist. Was Wohnen ist und wie sich die Definition des Wohnens im Zuge des gesellschaftlichen Wandels verändert hat, wird in dem Beitrag von Kerstin Dörhöfer beschrieben. Über Heideggers philosophische Definition vom „Wohnen als Schonen“ spannt die Autorin den Bogen über die aus der feministischen Architektur- und Stadtplanung hervorgebrachte Definition vom „Wohnen heißt Arbeiten“, die sich gegen das moderne kleinfamiliale Leitbild vom Wohnen als Erholen richtete, bis zum gegenwärtigen Trend des Alleinwohnens, mit dem die Autorin ein neuartiges Verständnis vom Wohnen als kreatives Allein-Sein verbindet.
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Teil 2: Wohnungsbauplanung und Wohnungspolitik in gesellschaftlichen Kontexten Im zweiten Teil geht es um Wohnungsbauplanung und Wohnungspolitik in gesellschaftlichen Kontexten, deren Auswirkungen auf das Wohnen auf der Mikroebene und die Geschlechterverhältnisse, die darin zum Tragen kommen. Iris Levin und Rachel Kallus zeigen anhand einer neu errichteten palästinensischen Eigenheimsiedlung in Israel, wie durch staatliche Wohnungsbauplanung, die vordergründig auf die Verbesserung der Lebens- und Wohnbedingungen der arabischen Gesellschaft nach dem Leitbild der westlichen Moderne ausgerichtet ist, zugleich patriarchale Gesellschaftsstrukturen und Geschlechterhierarchien konserviert werden. Die Lebens- und Wohnsituation von Frauen im Zusammenhang mit ihrer Haushalts- und Familiensituation stehen im Mittelpunkt der Betrachtung, genauso wie in dem Beitrag von Misa Izuhara und Yosuke Hirayama, die empirische Ergebnisse über die Wohnsituation von Frauen in Japan präsentieren und dabei detailliert aufbereiten, wie die Fokussierung staatlicher Förderpolitik auf das männliche Familienernährermodell die Wohnsituation von Frauen beeinflusst und ihre Wahlmöglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt begrenzt. Der staatlichen Förderung des selbst genutzten Wohneigentums kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Im Kontrast dazu steht im Fokus der beiden folgenden Beiträge der öffentlich geförderte bzw. staatliche Wohnungsbau. Während Christine Bauhardt die historische Genese und krisenhafte städtebauliche und soziale Entwicklungen der Großwohnsiedlungen des Sozialen Wohnungsbaus in Frankreich aus der Gender-Perspektive untersucht, widmet sich Marlies Schulz der Verschränkung von Wohnungs- und Familienpolitik und deren Folgewirkungen auf das Fertilitätsverhalten in der DDR, die sich räumlich in den Großwohnsiedlungen am Rand der ostdeutschen Großstädte manifestierte. Teil 3: Wohnbiografien, Lebensform und Lebenslage Der dritte Teil behandelt Wohnbiografien und das Wohnen in bestimmten Lebensformen und Lebenslagen. Der Beitrag von Annette Harth knüpft an die vorangegangene Darstellung zum Wohnen in der DDR von Marlies Schulz an und geht der Frage nach, wie sich die Wohnweisen ostdeutscher Frauen im Transformationsprozess verändert haben. Der Bedeutungswandel des Wohnbereichs, mit dem Veränderungen im Erwerbsbereich eng verbunden sind, wird anhand von spezifischen Bedeutungsmustern nachgezeichnet. Die im Zuge des sozialen Wandels zu beobachtende Ausdifferenzierung von Lebens- und Wohnformen wird in der Literatur als Ausdruck von Individualisierung und erweiterten Wahlmöglichkeiten gedeutet. Die Zunahme von Einpersonenhaushalten ist nach dieser Lesart großstädtischen Singles zuzuschreiben. Inwiefern das Klischee vom jungen großstädtischen Single zutreffend ist und wie sich die aktuelle Lebens-
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und Wohnsituation von allein wohnenden Frauen und Männern in Deutschland darstellt diese Fragen beantwortet der Beitrag von Gabriele Sturm, der basierend auf Datenauswertungen der Bevölkerungsumfrage des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) differenzierte Einblicke in die Lebensform des Alleinwohnens gewährt. Welche Risiken gleichwohl mit gesellschaftlichen Individualisierungs- und Modernisierungsprozessen verbunden sind, wird in den nachfolgenden Beiträgen thematisiert: Peteke Feijten und Clara Mulder untersuchen anhand von Sekundärdaten Auswirkungen von Scheidungen auf das Wohnen in den Niederlanden vergleichend für Frauen und Männer. Uta EndersDragässer und Brigitte Sellach widmen sich der Wohnungslosigkeit von Frauen und damit einer Lebens- und Wohnform, die weder in der state-of-the-art Literatur noch in der amtlichen Statistik erfasst wird. Mithilfe des LebenslagenKonzeptes erläutern die Autorinnen die Komplexität der Faktoren, die zur Wohnungslosigkeit von Frauen führen. Neben Aspekten des sozialen Wandels werden im Zuge der Alterung unserer Gesellschaft seit einigen Jahren in der Wohnforschung und Raumplanung intensiv Folgen des demographischen Wandels auf die Veränderung von Wohnungsnachfrage und -angebot diskutiert. Viktoria Waltz lenkt die Diskussion über das Leben und Wohnen im Alter auf eine Zielgruppe, die in diesem Kontext in Wissenschaft und Praxis bislang nur wenig berücksichtigt worden ist: MigrantInnen der ersten Generation und hier vor allen Dingen ältere (allein stehende) Frauen. Teil 4: Wohnstandort, räumliche Mobilität und Multilokalität Der vierte Teil betrachtet unterschiedliche Formen räumlicher Mobilität und diskutiert die Komplexität von Wohnstandortentscheidungen in postmodernen Gesellschaften. Räumliche Aspekte der Synchronisation zweier beruflicher Karrieren behandeln Irene Hardill und Dan Wheatley in ihrem Beitrag über Dual Career Couples in Großbritannien. Dabei geht es um den alltäglichen Arbeitsweg und kleinräumige Wohnstandortentscheidungen von Paarhaushalten genauso wie um komplexe großräumige Wohnarrangements, in denen die Partner an unterschiedlichen Orten Karriere machen und wohnen (commuting couples). Beruflich bedingte residentielle Multilokalität wird weiter in dem Beitrag von Darja Reuschke vertieft, in dem die Wohnsituation von erwerbstätigen Männern und Frauen, die zwischen einer Hauptwohnung und einer beruflich genutzten Nebenwohnung pendeln, empirisch untersucht wird. Dabei werden multilokale Wohnarrangements von Männern und Frauen in unterschiedlichen Lebensformen, d. h. beruflich bedingte multilokale Haushaltsorganisationen von Alleinwohnenden, Lebensgemeinschaften mit und ohne Kind, in den Blick genommen. Der Band schließt mit einer Darstellung von Geschlechterdifferenzen im alltägli-
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chen Mobilitätsverhalten, die Antje Flade u. a. anhand von alltäglichen Zielorten und Mobilitätsbarrieren aufzeigt. Danksagung Das vorliegende Buch wurde mit der finanziellen Unterstützung der interdisziplinären Forschungsgruppe „Dynamik der Geschlechterkonstellationen“ der TU Dortmund gedruckt. Den beteiligten Wissenschaftlerinnen Prof’in Dr. Alexa Franke, Prof’in Dr. Gabriele Mentges, Prof’in Dr. Sigrid Metz-Göckel und Prof’in Dr. Ulrike Schildmann gilt mein herzlicher Dank. Bedanken möchte ich mich auch bei meiner Kollegin Dr. Beate Kortendieck, die den Anstoß für dieses Buch gegeben und mich von dieser Idee begeistert hat. Für inhaltliche Anregungen zu diesem Band danke ich ebenfalls Dr. Anja Szypulski und Dipl.-Ing. Shih-cheng Lien, ohne die dieses Buch in dieser Form nicht zustande gekommen wäre. Besonders danken möchte ich den engagierten studentischen Hilfskräften des Fachgebietes Frauenforschung und Wohnungswesen in der Raumplanung und vor allem unserer wissenschaftlichen Hilfskraft Dipl.-Ing. Cornelia Tippel, auf deren Unterstützung ich bei der redaktionellen Endarbeit nicht hätte verzichten können. Last but most importantly, I would like to thank all authors for their contributions to this book. Gewidmet Ruth Becker Dieses Buch ist Prof’in Dr. rer. pol. Ruth Becker anlässlich ihrer Verabschiedung von der Fakultät Raumplanung der Technischen Universität Dortmund gewidmet, in der sie das Fachgebiet Frauenforschung und Wohnungswesen von Oktober 1993 bis Oktober 2009 leitete. Mit dem Ziel, die Berücksichtigung frauenspezifischer Belange im Wohnungsbau und der Raum- und Stadtplanung durchzusetzen, hat Ruth Becker in ihrer jahrzehntelangen wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrtätigkeit dem (male) mainstream in der Stadt- und Raumplanung alternative wohnungspolitische und planerische Konzepte entgegengehalten, die den Alltagsbedürfnissen und Lebensbedingungen von Frauen gerecht werden. Ihre empirischen Untersuchungen zu Frauenwohnprojekten bilden nicht nur die Entwicklung „emanzipierter“ Wohn- und Lebensformen von Frauen in einer historischen und internationalen Perspektive eindrücklich ab, sondern geben der Planungspraxis und den Frauen als Zielgruppe von Planung und Wohnungsversorgung detaillierte Handlungsempfehlungen zur Realisierung von Wohnprojekten an die Hand. Ebenso haben Ruth Beckers fundierte Analysen der bundesrepublikanischen Wohnungspolitik, insbesondere des Sozialen Wohnungsbaus, die Ausrichtung der Wohnungspolitik und der Wohnungsbauplanung auf ehelich-familiäre Lebensgemeinschaften und die damit verbundene Benach-
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teiligung spezifischer Zielgruppen auf dem Wohnungsmarkt, wie allein erziehende und allein lebende Frauen, aufgedeckt und diese sozialen Ungleichheiten immer wieder auf die raumplanerische Agenda gesetzt. Für ihre kritischen Analysen über vergeschlechtliche Räume sei ihr ebenso gedankt wie für ihre widerständigen Praktiken und zukunftsträchtigen Visionen!
Dortmund, im Herbst 2009 Darja Reuschke
Teil 1: Theoretische Annäherungen
Naturalisierung und Ordnung. Theoretische Überlegungen zum Wohnen und zu den Geschlechtern Ulla Terlinden
1 Einleitung Im Alltagsverständnis bedeutet Wohnen, dort zu sein, wo man zu Hause ist. Es hat demnach etwas mit einem Haus zu tun, in dem gewohnt wird. Architekten und Architektinnen bauen Wohnhäuser nach physikalischen, funktionalen und ästhetischen Kriterien. Doch wie das Wohnen in seiner Vielfältigkeit und in seinem Wandel als alltägliches soziales Praxisfeld aussieht, bleibt oft unberücksichtigt. Es ist auch schwierig, trotz oder genau wegen der für jeden Menschen alltäglichen Präsenz von Wohnen, Wohnen auf einer theoretischen Ebene zu diskutieren. Auf der einen Seite ist Wohnen die selbstverständlichste Tatsache der Welt, die jeder und jede tut, auf der anderen Seite ist Wohnen uneindeutig und komplex. Eine oft gebräuchliche Assoziation mit Wohnen ist Privatsphäre, Rückzugsort und Intimbereich. Wie sehr aber Wohnen ein kulturelles Produkt ist, zeigt sich an den unterschiedlichen Praktiken der Diversifizierung zwischen öffentlichen und privaten Räumen in verschiedenen Zeiten und Regionen. In den Atriumhäusern der Stadtbürger in der Antike gab es ein hoch differenziertes System symbolischer Schranken zwischen dem Raum der Polis und dem Raum des Oikos. Beispielsweise wurden Räume im überbauten Teil des Hauses symbolisch als öffentlich und Teil der Polis angesehen. Der Rest gehörte zum privaten Bereich des Oikos. In der Wohnkultur des Mittelalters und der frühen Neuzeit war jedoch die symbolische Ordnung zwischen privaten und öffentlichen Räumen unbekannt. Öffentlich und privat waren ökonomische Begriffe, die privates Eigentum bzw. öffentlichen Besitz einer Stadtgemeinde anzeigten. Erst in der höfischen Gesellschaft, später dann auch in den bürgerlichen Schichten, bildeten sich fein verästelte Konventionen heraus, die öffentliche und private Praktiken differenzierten. Elias (1978, 1979, 1983) nennt diese Entwicklung den Prozess der Zivilisation. Die bürgerliche Wohnkultur des 19. Jahrhunderts zelebrierte dann wiederum die symbolische Trennung zwischen öffentlichen und privaten Räumen, indem sie halböffentliche Räume schuf wie die hoch differenzierte Ein-
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gangssituation mit Vorgarten, Haustür, Treppenpodesten und Fluren. Der Salon diente der Repräsentation des Inneren nach außen. Teyssot (1989) hat dies eindrucksvoll beschrieben. Die Privatheit fand ihren Höhepunkt im Intimbereich der körperlichen Entblößungen. Habermas (1969) konstatiert in seiner klassischen Studie zum Strukturwandel der Öffentlichkeit eine Grenze, die mitten durch die bürgerliche Wohnung ging. In völliger Umkehrung dieser symbolischen Ordnung im Bürgertum werden seit der Zeit der klassischen Moderne in der Architektur Manifestationen des „un-private house“ (Riley 1999) gebaut. In den Jahren 1946 bis 1951 baute Ludwig Mies van der Rohe in Plano, USA, mit Farnsworth House eine solche Manifestation aus Stahl und Glas. Der Bungalow ist so transparent, dass die Blicke der Öffentlichkeit in die privaten Räume eindringen. Ein 1995 von Shigeru Ban gebautes Beispiel stellt das „Curtain Wall House“ in Tokyo dar, dessen Wände, wie der Name schon sagt, aus Glas und Vorhängen bestehen. Das Private in der Öffentlichkeit zu präsentieren und das Wohnen als eine Performanz zu inszenieren, ist das Konzept dieser Häuser der Moderne. Dies zeigt, dass mit den Kategorien des Privaten bzw. der Ausgrenzung des Öffentlichen Wohnen nicht ausreichend definiert werden kann. Die symbolische Ordnung zwischen einer privaten und einer öffentlichen Sphäre und ihre räumlichen Manifestationen sind Konstruktionen der jeweiligen Kulturen. Auch die funktionalistische Definition des Wohnens reicht für seine Bestimmung nicht aus. Denn dabei geht es um Nutzungsarten in umbauten Räumen. Dies sind Schlafen, Essen, Lesen und andere regenerative Tätigkeiten. Die auf Funktionen basierende Wohnbauplanung bezieht das Wohnumfeld mit ein und besetzt scharf abgegrenzte Freiflächen mit Nutzungen, wie Parken, Spielen und Erholung. Schon in den siebziger Jahren hat die Frauenforschung diesen utilitaristischen und eindimensionalen Begriff vom Wohnen als zu eng und allein von den Wohnbedürfnissen des männlichen, berufstätigen Haushaltsvorstands ausgehend kritisiert und gezeigt, dass emotionale, pflegerische und gegebenenfalls erzieherische Aufgaben hinzukommen. Das funktionalistische Verständnis vom Wohnen, ob nun als eng instrumentell auf die Grundfunktionen beschränkt oder erweitert durch emphatische Elemente, kann Wohnen nicht ausreichend erfassen, vor allem weil Wohnen hier von jeder übergeordneten gesellschaftlichen Theorie abgekoppelt ist. Beide hier angeführten Ansätze zur Bestimmung des Wohnens, der des Privaten und der der Regeneration bzw. der Regenerationsarbeit, sind vielmehr Deutungsmuster in einer umfassenderen strukturell bedingten, symbolischen Ordnung, die sich in subjektiven Wahrnehmungen, Werten, Leitbildern, Alltagsroutinen und etablierten sozialen Institutionen von der Familie bis zum Staat permanent reproduziert. Das Anliegen dieser Überlegungen ist es deshalb, Woh-
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nen in seiner gesellschaftlichen Eingebundenheit zu sehen und mithilfe der Theorie der symbolischen Ordnung von Pierre Bourdieu zu interpretieren (Bourdieu 2005). Dabei stellt die symbolische Ordnung ein umfassendes Konzept dar, das die sozialen Lagen der Menschen und die Objektivierungen im materiellen Raum einbezieht. Nach Bourdieu gibt es keinen Raum, der nicht auf die gesellschaftliche Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern Bezug nimmt. Diese Arbeitsteilung ist eine soziale Konstruktion, sie erscheint jedoch als offensichtlich, denn im Reproduktionsprozess der Gattung hat diese Arbeitsteilung ihre biologische Grundlage. Sie verobjektiviert sich nicht allein in den Körpern, sondern auch im Raum. Wenn Wohnen und Geschlecht in die Theorie der symbolischen Ordnung eingefügt werden, ergibt sich bei beiden Themen eine enge Verzahnung und Übereinstimmung in Hinblick auf ihre Deutung. Beiden haften eine Naturhaftigkeit und ein Ordnungszwang an. Ich möchte im Folgenden Wohnen als soziales Praxisfeld beschreiben, welches symbolisch konstruiert und durchdrungen ist von einem strukturell bedingten, androzentrisch ausgerichteten Verständnis der Geschlechter. 2 Biologisierung und Naturalisierung Obwohl Wohnen in seiner Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit als ein gesellschaftliches Konstrukt gesehen werden muss, wird es immer wieder als anthropologische Lebenskonstante gesehen. Dies gilt insbesondere für das Alltagsverständnis, das die Wohnung als „dritte Haut“ des Menschen bezeichnet. Sogar in der de- und konstruktionsfreudigen Genderforschung wird die Wohnung als „dritte Haut“ interpretiert (Helferich/Hägele/Heneka 2000). Auch viele Arbeiten zur Wohn- und Architekturgeschichte sehen im Bau einer „Urhütte“ einen Naturtrieb des Menschen. Der „Schritt zur künstlichen Herstellung der Behausung, … markiert den Beginn des Wohnbaus.“ (Klotz 1995: 17) In der Beschreibung einer Ausgrabung, die um 400,000 v. Chr. datiert wird, wird dort sogar schon eine erste räumliche Funktionstrennung entdeckt. „In einer der Hütten fand man einen Stein mit zahlreichen Kratzern: hier war das Fleisch mit Hilfe kleinerer geschärfter Steine geschnitten worden, in der >Küche<. Nicht weit davon fanden sich versteinerte menschliche Exkremente: die >Latrine<. Schließlich fand man einen offenbar zum Sitzen herbei geschleppten, großen Stein, der von einer Fülle von Steinspittern umgeben war: die >Werkstatt<.“ (Klotz 1995: 20)
So werden Artefakte aus der Jungsteinzeit mit kulturellen Praktiken der Gegenwart interpretiert und damit Parallelen zwischen dem frühen „Natur“menschen und dem gesellschaftlichen Subjekt des Industriezeitalters gezogen, immer ver-
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bunden mit dem Subtext einer anthropologischen Konstante, im Sinne „es war schon immer so“. Ihren Kern hat die Biologisierung des Wohnens im umbauten Raum als Schutzraum und als Ort generativer und körperlicher Reproduktion. Beispielhaft soll hier der Stadthistoriker Lewis Mumford angeführt werden. Er sieht als Hauptelemente der landwirtschaftlichen Entwicklung in der jüngeren Steinzeit die Dominanz von „Heim und Mutter“ (Mumford 1979: 12). Beide sind verwurzelt in dem natürlichen Lebensvollzug. Der „Wohnsitz erhält Dauer und Stetigkeit“. Und weiter heißt es: „Die Frau schuf die ersten Behältnisse, flocht Körbe und wickelte die ersten Tontöpfe. Auch dem Dorf hat sie seine Gestalt gegeben; denn was das Dorf sonst auch sein mochte, es war jedenfalls das Nest der Gruppe für die Aufzucht und Pflege der Jungen.“ (ebd.) Die gängigen Interpretationen von Wohnhaus und Wohnen als „Urhütte“, „Nest“ und „dritte Haut“ naturalisieren Wohnen. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der als natürlich erscheinenden Zuordnung der Frauen zum Wohnen und der Sicht, Wohnen als ein dem Menschen naturhaft anhaftendem Bedürfnis zu interpretieren. In der gesellschaftlichen Ordnung sind Haus und Wohnung Ort der biologischen Reproduktion, sowohl in generativer wie auch in körperlicher und emotionaler Sicht. Immer wieder wird dabei in die Frühzeit zurückgegangen und die Sesshaftwerdung als „Ur“-Urbanisation, bestehend aus mütterlich geführten „kleinen Behältern“, den Häusern, gesehen. Ein Zitat von Lewis Mumford soll die naturhafte Aufgabe des Wohnens zeigen, es zeigt auch, wie verwoben die Konstruktion Wohnen mit der Sozialform der Familie ist. Bei ihm steht die Familie als Gruppe biologischer Bedürfnisse im Mittelpunkt seiner Visionen für eine bessere Stadt. „Eines dieser elementaren Bedürfnisse ist das Bedürfnis nach Fortpflanzung: das persönliche Bedürfnis nach Liebe und geschlechtlicher Vertrautheit, das Gattungsbedürfnis nach Kindern, die in einer für ihre physische und psychische Entwicklung günstigen Umgebung erzogen werden sollen, das heißt in einer beständigen, beruhigenden Umgebung von Heim, Garten und nächster Nachbarschaft des Landes.“ (Mumford 1951 zit. n. Frank 2003: 262)
Die bauliche Materialisierung der „Keimzelle“ ist die „Wohnzelle“. Die Analogisierung eines kulturellen Konstrukts durch biologische Kategorien ist nicht zufällig, vielmehr unterstreicht sie geradezu die Naturalisierung des Wohnens. Richard Sennett hat gezeigt, wie eng bis ins 20. Jahrhundert hinein Stadt und Architektur mit dem menschlichen Körper imaginiert werden. „Aufgeklärte Planer wollten, dass die Stadt schon ihrem Grundriss nach wie ein gesunder Körper funktionieren sollte, frei fließend und von sauberer Haut umhüllt. Seit
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den Anfängen der Barockzeit hatten die Stadtplaner Städte im Sinn gehabt, die eine wirksame Zirkulation von Menschen auf den Hauptstraßen erlaubten.“ (Sennett 1997: 329)
Im 18. Jahrhundert entwerfen Stadtplaner Verkehrssysteme, deren „Arterien“ und „Venen“ nach dem Modell des menschlichen Kreislaufes angelegt werden. Das gilt auch für den „organischen“ Stadtgrundriss des 20. Jahrhunderts von Bernhard Reichow. Noch heute ist das Ziel der Verkehrsplanung der „fließende Verkehr“, und wenn er nicht fließt, ist er, wie der menschliche Kreislauf, zusammengebrochen. Der kleinste Behälter, wie Mumford sagt, oder die kleinste Zelle, wie Le Corbusier es nennt, stellt das Wohnhaus dar. Die Wohnhochhäuser von Le Corbusier bestehen aus einem geordneten Raster von Wohnzellen. Geordnet geht es auch zwischen den Geschlechtern zu, Mumford und Le Corbusier sehen Frauen als (Haus-)Frauen, die aus der Natur des Gattungszwecks ihren Platz in der Familie und ihren Ort in der Wohnung haben. Die Naturhaftigkeit, die den Frauen anhaftet, ist, wie das Wohnen auch, Resultat dauerhafter, sich reproduzierender gesellschaftlicher Zuschreibungen, die tief im Bewusstsein der Menschen vorhanden sind und sich auch in den Körpern von Männern und Frauen manifestieren. Aufgrund dieser sich immer wieder reproduzierenden Deutungen und Handlungen ergeben sich soziale Strukturen. Das Scharnier zwischen den sozialen Strukturen und dem subjektiven Handeln ist bei Bourdieu der Habitus. Der Habitus ist ein theoretisches Konzept, welches beschreibt, das die, dem Individuum zugeschriebenen Eigenschaften und Verhaltensweisen von ihnen selbst als ihre eigenen, ihnen quasi „auf den Leib“ geschriebenen Eigenschaften und Verhaltensweisen erscheinen. Somit bleibt für Hinterfragungen und Widerstand gegen diese ihnen aufoktroyierten Deutungsmuster und Praktiken wenig Raum. Eine der grundlegenden gesellschaftlichen Strukturen ist die geschlechtliche Arbeitsteilung und die damit verbundene unterschiedliche Wertigkeit der produktiven und reproduktiven Tätigkeiten. Nach der symbolischen Ordnung der Gesellschaft benötigt die unterschiedliche und ungerechte Bewertung keine Legitimation, denn sie hat ihren Kern in der generativen Reproduktion der Gattung. Wenn etwas naturbedingt ist, benötigt es keine gesellschaftliche Legitimation. Besonders deutlich werden diese Mechanismen der Macht durch Naturalisierung in der bürgerlichen Schicht des 19. Jahrhunderts. Das Praxisfeld der Hausfrau wird als naturbedingte Erfüllung der Frau gesehen. Es war ihr „Geschlechtscharakter“, der sie vom Mann unterschied und sich ihm unterwarf. In seiner „Philosophie der Geschlechter“ erläutert Georg Simmel den „Geschlechtscharakter“ der Frau. Dabei wird sehr deutlich, dass er die Frau als Gat-
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tungswesen, also naturhaft der Fortpflanzung verpflichtet, sieht, die keine individuelle soziale Persönlichkeit besitzt. „Die individuelle Frau ist eben deshalb schwerer zu definieren als der individuelle Mann, weil sie als Genus [als Gattungswesen U.T.] leichter zu definieren ist.“ (Simmel 1911: 84) Deshalb gilt für Simmel, „dass das Generelle bei ihr viel mehr als beim Mann in der Form des persönlich Individuellen lebt. In der typisch vollendeten Frau wird vieles ganz Gattungsmäßige, eigentlich Unpersönliche, zu etwas völlig Persönlichem, so innerlich erzeugt, als träte es hier zum ersten Mal aus dem Einzigkeitspunkt der Persönlichkeit heraus in die Welt.“ (ebd.) Individuelle Persönlichkeit – man könnte auch sagen das menschlich Subjekthafte – ist bei Frauen schwer zu definieren, leichter ist sie als Genus, also als Gattungswesen zu sehen. Der Genus ist nach Simmel das Generelle und Unpersönliche, das jede Frau bestimmt. Dennoch besitzt sie auf dem Fundus dieser Gattungsfunktion eine aus ihrem Innern erzeugte Persönlichkeit, die jedoch nicht mit der individuellen Persönlichkeit des Mannes vergleichbar ist. Persönlichkeit und Subjekt ist bei Simmel eindeutig der Mann, während die Frau als Körper und Objekt dem Begehren und der generativen Reproduktion dient. Die Wohnung ist nach Simmel eine Schöpfung der Frau: „Dies nun zustande gebracht zu haben, ist die große Kulturleistung der Frau. Hier ist ein objektives Gebilde, dessen Eigenart mit nichts verglichen werden kann, durch die besondere Fähigkeiten und Interessen, Gefühlsweise und Intellektualität der Frau, durch die ganze Rhythmik ihres Wesens geprägt worden.“ (Simmel 1911: 286)
Hier wird der Zusammenhang zwischen der Bestimmung der Frauen als Gattungswesen und ihrem „Nest“ sehr deutlich. Obwohl Simmel dies durchaus als Kulturleistung sieht, gilt auch hier: Die Eigenart der Schöpfung basiert nicht auf einer individuellen Persönlichkeit sondern generell auf der Eigenart der Frauen als Geschlechtswesen. Dies zeigt sich ebenso an seiner Definition und Bewertung der Hausarbeit. „Der Hausfrauenberuf, in all seiner Mannigfaltigkeit von einem durchaus einheitlichen Sinn gelenkt, ist so ein Gebilde zwischen der Produktion aus dem urschöpferischen Ich heraus und der bloßen Wiederholung vorgezeichneter Betätigungsformen; und dies begründet seine Stellung in der sozialen Wertungsreihe ... er kann von jeder bloß durchschnittlichen Begabung erfüllt werden und ist doch nicht subaltern, braucht es wenigstens nicht zu sein.“ (ebd.: 314f.)
Neben dem Philosophen und Soziologen Simmel gibt es zahlreiche weitere Belege aus der damaligen Zeit, die sehr klar die Biologisierung des Geschlechterbildes „Frau“ zeigen. So wie die reproduktiven Tätigkeiten wie Mütterlichkeit zu
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ihrer „Natur“ gehören, ist das Haus, die Wohnung der natürliche Ort des Frauenlebens. Im materialisierten Zustand, im Haus, auf der Straße, also in der ganzen räumlichen Dingwelt ist die in der sozialen Welt vorherrschende Einteilung der Geschlechter präsent. Persönlichkeit wird der Frau nur als Gattungswesen zugestanden, dabei dient die biologische Reproduktion als Legitimation für die symbolische Ordnung der geschlechtlichen Arbeitsteilung, ihrer Wertung und der ganzen Ordnung der Welt. Bourdieu sieht dies als eine „willkürliche Konstruktion des Biologischen und insbesondere des – männlichen und weiblichen – Körpers, seiner Gebrauchsweisen und seiner Funktionen“ (Bourdieu 2005: 44). In Hinblick auf die Deutlichkeit der Ausführungen von Georg Simmel könnte man sagen, dass diese Sichtweise ein Produkt der bürgerlichen symbolischen Ordnung des 19. Jahrhunderts sei. Empirische Untersuchungen zeigen jedoch immer wieder, dass auch heute, trotz vieler Veränderungen, die Grundlagen der symbolischen androzentrischen Ordnung weiter bestehen. Dies gilt ökonomisch bei der Verfügung über Kapital, Grund und Boden, dies gilt auch kulturell in den subjektiven Wahrnehmungen und Deutungen. Die männliche Herrschaft ist, wie Bourdieu sagt, zwar verborgen, aber doch vorhanden. In den modernen Gesellschaften mit ihren komplexen Klassifikationsschemata wird sie jedoch an dieser oder jener Stelle brüchig, und es erfolgt eine bewusste Auseinandersetzung mit den symbolischen Ordnungssystemen. Aufgrund ihrer permanenten Reproduktion in Bewusstsein und Handlung, sind diese aber schwer zu verändern. Dies zeigen vergleichende Untersuchungen, wie die repräsentativ erhobenen Daten der „Jugendsurvey“ des Deutschen Jugendinstituts aus den Jahren 1992, 1997 und 2003 (DJI Bulletin 2006). Obwohl es bei jungen Frauen eine bewusste Auseinandersetzung mit der Geschlechterordnung gibt und sie diese Ordnung weniger konservativ als junge Männer beurteilen, setzen sich die traditionellen Grunddispositionen durch. Junge Frauen werden, solange sie bei ihren Eltern wohnen, weitaus stärker in die häusliche Arbeit eingebunden als junge Männer, sie gehen früher partnerschaftliche Bindungen ein und realisieren früher als junge Männer die Gründung einer Familie. Sie sehen häufiger als Jungen und junge Männer Kinder und Haushalt für sich als Lebensmittelpunkt. Obwohl junge Frauen mittlerweile junge Männer im Hinblick auf allgemein bildende Schulabschlüsse überholen, zeigen sich bei Erwerbsbeteiligung und beruflichen Positionen nur sehr langsam Verbesserungen zugunsten der Frauen. Einschneidend in den geschlechtsspezifischen Lebensmustern ist die Geburt eines Kindes. Dann beginnt bei jungen Eltern sehr häufig ein folgenreicher Prozess der Retraditionalisierung bisheriger Aufgabenverteilung (Gille/Sardei-Biermann 2006). Die androzentrische Disposition setzt sich auch bezüglich des Alters bei der Partner-
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wahl durch. Die in modernen Gesellschaften vorherrschende kulturelle Konstruktion einer Gleichsetzung von jugendlichem Körper und ästhetischerotischen Werten, also ein junger Körper ist als symbolisches Gut wertvoller als ein alter Körper, führt in patriarchalen Gesellschaften dazu, dass meist die Männer jüngere Frauen wählen. Die amtliche Statistik zu Eheschließungen und Alter der Paare aus dem Jahr 2004 zeigt ein eindeutiges Bild. Frauen zwischen 26 und 35 Jahren heiraten zu 32,5 % Männer, die mehr als fünf Jahre älter sind. Frauen zwischen 31 und 40 Jahren heiraten nur zu 7,5 % Männer, die mehr als fünf Jahre jünger sind (Statistisches Bundesamt 2004). Nach einer Untersuchung zu Lebensverläufen von Männern kommen die Autorinnen in Hinblick auf Altersabstände und Partnerschaft zu dem Schluss: „Je älter die Männer waren, als die Beziehung begann, umso häufiger sind sie mit einer deutlich jüngeren Partnerin zusammen und umso geringer ist das Ausmaß der Altershomogamie.“ (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2004: 36) In diesem Zusammenhang ist die Situation bei „Dual Career Couples“ interessant, denn sie verfügen über einen gleichen bzw. ähnlichen hohen beruflichen Status und ein gleiches bzw. ähnliches hohes Einkommen. „Die Konstellation des Doppelkarrierepaares stellt eine strikt enttraditionalisierte Lebensform insoweit dar, als das tradierte Modell des Mannes als Ernährer (und Oberhaupt) der Familie konsequent aufgebrochen ist.“ (Behnke/Meuser 2003: 172) (siehe hierzu Beitrag von Hardill und Wheatley in diesem Band) In der Studie von Behnke und Meuser wurden heterosexuelle Doppelkarrierepaare zu beruflicher Karriere und privater Lebensführung befragt. Die AutorInnen kommen zu dem Schluss, dass auch dort weiterhin eine geschlechtstypische Arbeitsteilung in einer modifizierten Form reproduziert wird. „Die Zuständigkeit der Frau geht über die so genannte alltägliche Lebensführung – die Sphäre des Haushalts und der Familie – hinaus und umfasst zusätzlich die Koordination zweier beruflicher Karrieren.“ (Behnke/Meuser 2003: 172) Das heißt, zu Haushalt und Familie kommt noch die Vereinbarkeitsarbeit, damit das Gesamtarrangement funktioniert. Dieser Befund lässt eine Persistenz erkennen, die wie die AutorInnen mit Bourdieu (1987) meinen, mit einem „Hysteresis-Effekt“ zu tun hat. Norbert Elias (2001) spricht verständlicher von einem „Nachhinkeeffekt“. Diese Begriffe bezeichnen einen Effekt, der auftritt, wenn die herrschenden sozialen Bedingungen mit den im Habitus verankerten Dispositionen nicht übereinstimmen. In der Regel wird sich die habituelle Disposition des Subjekts in der sozialen Praxis durchsetzen. Dies ist der Fall beim Wandel der gesellschaftlichen Bedingungen, wie ihn hier die Karrieren der Frauen zeigen, deren Habitus sich jedoch an den alten gelernten Dispositionen der Zuständigkeit für Haushalt und Familie orientiert.
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In diesen aktuellen Untersuchungen erweist sich, wie verfestigt die Geschlechterbilder und ihre Verräumlichungen sind. Die Methoden der Fixierung durch Naturalisierung und Biologisierung dieser kulturellen Konstruktionen sind äußerst erfolgreich. Sie bedürfen keiner gesellschaftlichen Legitimation und erscheinen damit als nicht hinterfragbar. Damit setzt sich das herkömmliche Verständnis von Wohnen und Geschlechtertypen auch bei Paaren, die ansonsten die traditionellen Dispositionen aufgebrochen haben, durch. Deutlich wird das auch daran, dass sich in der Studie von Behnke und Meuser (2003) die Familienarbeit im höheren Maße als geschlechtstypisch erweist als die berufliche Karriere. Die AutorInnen sprechen von der „gefühlten“ Zuständigkeit der Frauen für Beziehungsarbeit und familialen Zusammenhang, die etwas „äußerst Hartnäckiges“ zu sein scheint (ebd.: 173). 3 Ordnung und Macht Einige Studien haben die geschlechtlichen Subtexte von Stadtentwürfen herausgearbeitet. Als wesentliches Grundprinzip der Entwürfe gilt die Schaffung von Ordnung im städtischen Chaos der großen Metropolen des 19. und 20. Jahrhunderts (Wilson 1993, Frank 2003). Auf einem räumlich kleineren und für den Mann aus der bürgerlichen Schicht verfügbaren Terrain tut er das Gleiche, er schafft Ordnung in den Wohnungen. Auch dort herrschen aufgrund der gesellschaftlichen Neuordnung im 19. Jahrhundert chaotische Verhältnisse. Die Feudalstruktur bricht zusammen, die alten städtischen Ständeordnungen werden durch Aufstände und Reformen untergraben. Es ist eine Zeit des Umbruchs, die durch den Aufbau des Staates mit seinen exekutiven, später auch legislativen Aufgaben und vor allem durch die stark mit der Entstehung der Großstadt zusammenhängende Industrialisierung neue Ordnungen herausfordert. Nicht mehr das kulturelle Konstrukt der Hausökonomie als Wirtschafts- und Lebensform dominiert das soziale und ökonomische Praxisfeld der Stadtbewohnerschaft, es hat sich vielmehr über diverse Übergangsformen wie Hausindustrie, Manufaktur, Heimarbeit und letztendlich durch die industrielle Revolution überlebt. Aufgrund dieser Situation schafft das Patriarchat eine neue räumlich materialisierte Ordnung. Dies erfolgt durch radikale städtische Umplanungen im großräumigen Maßstab der Metropolen, es erfolgt aber auch im kleineren Maßstab der Wohnung. Es werden Grenzlinien, Übergänge und Abstufungen eingerichtet, die den städtischen Raum der Öffentlichkeit vom Raum der privaten Wohnung trennen. Die transitorischen Zonen zwischen den beiden Räumen sind einmal mehr privat, einmal mehr öffentlich. Sie materialisieren sich in außerhäuslichen Zugangsbereichen zur Wohnung, in Eingangsdielen, Verteilerfluren und Empfangszimmern. Ist die Wohnung ein Gut, das nach außen die Kapitalkraft präsentieren soll, werden diese Räume zu
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halböffentlichem Terrain, sie werden zu Objekten der symbolischen Herrschaft. Wenn jedoch die Wohnung als Gegenentwurf zur chaotischen und unübersichtlichen Stadt konstruiert wird, bilden diese Räume einen Schutzwall. Im Inneren der Wohnung werden Funktionen geordnet, indem sie durch Wände räumlich getrennt werden. Die Wohnung besteht aus verschiedenen Zimmern, in denen jeweils gekocht und gegessen wird und in denen die Kinder sich aufhalten. Einen besonderen räumlichen Bereich bilden Schlafzimmer und Toilette/Bad. Dieser als Intimbereich abgetrennte Raum verweist auf den moralischen Gegenentwurf von Sexualität und Körperlichkeit im unmoralischen Chaos der Städte und schafft einen eigenen Ort der gattungsgemäßen, generativen Reproduktion in der Familie. Die Ordnung im Hause wird in der Moderne des 20. Jahrhunderts weiterverfolgt, sie wird sogar zum Standard für die bislang nicht in solcher Praxis lebende Arbeiterklasse. Im Vordergrund stehen jetzt die verschiedenen Praktiken bzw. Funktionen. Die Grundrisse materialisieren die kulturelle hierarchische Ordnung, denn in räumlicher Trennung und räumlicher Inanspruchnahme entsprechen sie den häuslichen, alltäglichen Routinen des erwerbstätigen Mannes. Es ist jenes von den Architekten der klassischen Moderne und für die Mehrheit der Gesellschaft entworfene Modell, das in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg auch massenhaft in den Großbausiedlungen umgesetzt wird. Insbesondere gilt dies für die Rationalisierung der Hauswirtschaft. Grete SchütteLihotzky´s Frankfurter Küche orientiert sich nicht nur an der Organisation Tayloristischer Produktionsabläufe, sondern auch an androzentrischen Vorstellungen von Effizienz und Ordnung (Noever 1996). Das, was in der gewerblichen, von der männlichen Kultur geprägten Produktion gut funktioniert, ist Vorbild für die häusliche Produktion. In der bürgerlichen Wohnung des 19. Jahrhunderts wurde die Unübersichtlichkeit von Küche und Kinderzimmer in die hinteren Räume verbannt, in der Moderne des 20. Jahrhunderts wurde sie geordnet. Auch hier ist die Absicht zu erkennen, die kulturellen Praktiken der Reproduktion als naturhafte Phänomene zu deuten und nach androzentrischen Prinzipien der Ergonomie und des Taylorismus zu ordnen. Rationalisierung im Haushalt hat zwar die Berufstätigkeit der Frau ermöglicht, ihre Verantwortung und Zuständigkeit für Haushalt und Familie aber nicht in Frage gestellt. 4 Schluss Um den Zusammenhang zwischen Wohnen und der Ordnung der Geschlechter in der Theorie der symbolischen Ordnung zu erklären, sind also zwei wichtige Strategien zu beachten: die Naturalisierung und Biologisierung sozialer und
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kultureller Phänomene sowie das Schaffen von Ordnung in diesen scheinbar naturhaften Feldern. In der Gesellschaftstheorie von Bourdieu spielt die „Ökonomie der symbolischen Güter“ einen wichtigen kategorialen Ansatz. Er überträgt darin die ökonomischen Prinzipien des Tausches auf die kulturelle, symbolische Ebene der Gesellschaft. Während in den soziologischen Theorien sozialer Schichtung Güter als Statussymbole gelten, die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht signalisieren, werden diese in der „Ökonomie der symbolischen Güter“ als wesentliche Elemente einer Struktur der Gesellschaft gesehen. Wie lassen sich Wohnen und Geschlechter in dieser Ökonomie verstehen? In der symbolischen Ordnung einer Gesellschaft manifestiert sich Macht durch die Akkumulation von symbolischen Gütern. Der Markt der symbolischen Güter funktioniert über Subjekte, die tauschen, und Objekte, die getauscht werden. Die damit einhergehende Asymmetrie von Subjekt und Objekt, von Akteur und Instrument sowie ihre Zuordnung zu Männern und Frauen strukturieren die Geschlechterkulturen und organisieren Produktion und Reproduktion. Frauen sind in dieser Ökonomie Tauschobjekte und je mehr sie den herrschenden Frauenbildern entsprechen bzw. nicht entsprechen, beeinflussen sie die soziale Position der Männer. Auch das Haus bildet ein wichtiges symbolisches Gut. Es ist ein zentraler Ort der Repräsentation seiner Macht und seines Ansehens in der Gesellschaft. In diesem Sinn sind Frau und Haus, wie es Bourdieu ausdrückt, Objekte für die Akkumulation des symbolischen Kapitals des Mannes. Bourdieu konzentriert seine Ausführungen zur männlichen Herrschaft auf die Körper und deren vermeintliche naturbedingte Wesenszüge. Für ihn haben die Maskulinisierung des männlichen Körpers und die Feminisierung des weiblichen Körpers somatische Konsequenzen. Die Körper verändern sich, und auf diese Weise naturalisiert sich das Männliche bzw. Weibliche. Eine der krassesten Formen im Markt der symbolischen Güter stellt die Gewalt gegen Frauen dar, deren Ort in den meisten Fällen die Wohnung ist. Diese vollkommene Entpersonalisierung der Frau verdeutlicht die absolute Verfügung über sie und den Ort. Sie wird zum Objekt und die Wohnung zum Tatort. In einer als repräsentativ geltenden Opferbefragung finden ca. zwei Drittel aller Fälle im Nahbereich von Familie und Haushalt statt (Wetzel/Pfeiffer 1995). Dies stellt in den alltäglichen Deutungen von Wohnen ein besonderes Paradoxon dar, einerseits Schutzraum, andererseits Tatort zu sein. Interpretiert man es aber mit der Theorie der symbolischen Ordnung, wird schnell klar, dass Haus und Frau Objekte des Hausherrn sind, über die er mit Macht verfügt. Wohnen ist wie andere Praxisfelder Ausdruck und Instrument symbolischer Herrschaft. Gleiches gilt für den Lebensraum der Frauen. Warum benötigt diese Herrschaft keine Legitimation? Durch Naturalisierung kultureller Praktiken wer-
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den diese gesellschaftlich nicht verhandelbar und bedürfen damit keiner gesellschaftlichen Legitimation und durch Ordnen werden diese Praxisfelder übersichtlich, kontrollierbar und festigen die männliche Herrschaft.
Literatur Behnke, C. und Meuser, M. (2003): Vereinbarkeitsmanagement. Die Herstellung von Gemeinschaft bei Doppelkarrierepaaren. Soziale Welt, 54 (2), S.163-174. Bourdieu, P. (1987): Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt am Main. Bourdieu, P. (2005): Die männliche Herrschaft. Frankfurt am Main. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.) (2004): Männerleben. Eine Studie zu Lebensläufen und Familienplanung. Basisbericht. Köln. Elias, N. (1978 und 1979): Über den Prozess der Zivilisation. Erster und zweiter Band. Frankfurt am Main. Elias, N. (1983): Die höfische Gesellschaft. Frankfurt am Main. Elias, N. (2001): Die Gesellschaft der Individuen. (= Gesammelte Schriften, Bd. 10). Frankfurt am Main. Frank, S. (2003): Stadtplanung im Geschlechterkampf. Stadt und Geschlecht in der Großstadtentwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts. Opladen. Gille, M. und Sardei-Biermann, S. (2006): Jugend im neuen Jahrtausend – Angleichung der Geschlechter? DJI Bulletin 75 (2), S. 12-13. Habermas, J. (1969): Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Neuwied, Berlin. Helfferich, C., Hägele, A. und Heneka, A. (2000): Wohnen ohne „dritte Haut“? Wohnungslose Frauen, ihre kognitiven Repräsentationen von Raum und ihre kollektiven Taktiken Wohnen herzustellen. Zeitschrift für Frauenforschung und Geschlechterstudien 18 (3), S. 74-95. Klotz, H. (1995): Geschichte der Architektur. Von der Urhütte zum Wolkenkratzer. München, New York. Mumford, L. (1979): Die Stadt. Geschichte und Ausblick, Bd. 1. München. Noever, P. (1996): Margarete Schütte-Lihotzky. Wien, Köln, Weimar. Riley, T. (1999): The Un-Private House. The Museum of Modern Art. New York. Sennett, R. (1997): Fleisch und Stein. Frankfurt am Main. Simmel, G. (1911): Philosophische Kultur. Leipzig. Statistisches Bundesamt (2004): Fachserie 1, Reihe 1.1.Wiesbaden. Teyssot, G. (1989): Die Krankheit des Domizils. Wohnen und Wohnungsbau 1830-1930. Braunschweig. Wetzel, P. und Pfeiffer, C. (1995): Sexuelle Gewalt gegen Frauen im öffentlichen und privaten Raum. Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen. (= Forschungsberichte Nr. 37). Hannover. Wilson, E. (1993): Begegnungen mit der Sphinx: Stadtleben, Chaos und Frauen. Basel, Boston, Berlin.
Ein Dach über dem Kopf? Oder „Was ist das Wohnen?“ Kerstin Dörhöfer
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Das Darmstädter Gespräch 1951: Wohnen als Sein, Wohnen als Schonen 1951 fand eines der legendären „Darmstädter Gespräche“ statt, zu dem der Philosoph Martin Heidegger geladen war, um über das Wohnen zu sprechen.1 Er übertitelte seinen Vortrag „Bauen Wohnen Denken“. Dieser Vortrag wird immer wieder zitiert und interpretiert, in architekturtheoretische Diskurse aufgenommen und neu überdacht, in Seminaren gelesen und auf Tagungen diskutiert, er inspirierte Wissenschaftler und Künstler, sich grundlegend mit der Thematik auseinanderzusetzen. Im Internet findet er weit über 200.000 Erwähnungen. Heidegger stellte einleitend die Fragen: „1. Was ist das Wohnen? und 2. Inwiefern gehört das Bauen in das Wohnen?“ (Heidegger 1991: 88) Die herkömmliche Auffassung, dass gebaut wird, um zu wohnen, stellte Heidegger um und betonte, dass das Wohnen vor dem Bauen komme: „Wir wohnen nicht, weil wir gebaut haben, sondern wir bauen und haben gebaut, insofern wir wohnen.“ (ebd.: 91) Das Wohnen sah er also als Voraussetzung des Bauens. Um zu erläutern, wie er zu dieser seltsam anmutenden Kausalität kam, erläuterte Heidegger zunächst das Bauen. Er leitete es aus dem althochdeutschen Wort „buan“ ab, das „bleiben, sich aufhalten“ bedeutet und in enger Verbindung mit dem Wort „bin“ – ich bin, Du bist –, also mit dem Sein steht. „Die Art wie Du bist und ich bin, die Weise, nach der wir Menschen auf der Erde sind, ist das Buan, das Wohnen. Mensch sein heißt: als Sterblicher auf der Erde sein, heißt: wohnen.“ (ebd.: 90)
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Die „Darmstädter Gespräche“ widmeten sich der Thematik „Das Menschenbild unserer Zeit“. Das erste Gespräch fand 1950 statt, bis 1975 folgten zehn weitere. Sie waren keine Fachgespräche, sondern richteten sich an eine allgemeine Öffentlichkeit. Das „Darmstädter Gespräch“ 1951, bei dem Martin Heidegger seine Überlegungen zum Thema „Bauen Wohnen Denken“ vortrug, hatte die Überschrift „Mensch und Raum“. Außer Heidegger hielten der spanische Philosoph José Ortega y Gasset und die Architekten Otto Ernst Schweizer und Rudolph Schwarz Vorträge. Diese Veranstaltung ist vielfach dokumentiert, unter anderem in Bauwelt-Fundamente 94, Neuausg. Braunschweig (Conrads/Neitzke 1991).
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Bauen, Sein und Wohnen sind hier eins. In Abwandlung von Descartes’ berühmten Spruch könnte es heißen: Ich baue, also bin ich, ich bin, also wohne ich. Heidegger löste die Bedeutung des Wohnens von seinem engeren Verständnis als Wohnung, Unterkunft oder Behausung, wozu er auch andere Gebäude und Räumlichkeiten wie Fabriken oder Verkehrswege zählte. Er führte das Wohnen auf die Existenz als solche zurück, die Existenz der Menschen auf Erden. Allein das menschliche Dasein auf der Welt ist demnach bereits Wohnen. Zu diesem Verständnis vom Wohnen als Existenz, als Leben der Menschen, fügte er zugleich das Hegen und Pflegen hinzu. Auch hier ging es um Begriffszusammenhänge, nämlich das Bauen als das Anbauen auf dem Acker, das der Bauer vornimmt, um die Lebensmittel zu erzeugen. Er unterschied es vom Bauen als Herstellen und Errichten. Als Fazit seiner Untersuchungen der Wortbedeutungen kam er zu folgender Trias: „1. Bauen ist eigentlich Wohnen. 2. Das Wohnen ist die Weise, wie die Sterblichen auf der Erde sind. 3. Das Bauen als Wohnen entfaltet sich zum Bauen, das pflegt, nämlich das Wachstum, – und zum Bauen, das Bauten errichtet.“ (ebd.: 91)
Bauen als Folge des Wohnens als Sein differenzierte sich demnach in zwei Tätigkeitsbereiche, die heute fast als Gegensätze gelten: Das Beackern des Bodens, um die Früchte des Feldes zu ernten und für die Subsistenz zu sorgen, und das Bebauen des Bodens, um Bauwerke zu errichten – hier die Landwirtschaft, da die Bauwirtschaft. „Diese Tätigkeiten“, konstatierte Heidegger, „nehmen in der Folge den Namen bauen und damit die Sache des Bauens für sich allein in Anspruch. Der eigentliche Sinn des Bauens, nämlich das Wohnen, gerät in die Vergessenheit.“ (ebd.: 90) Diesen eigentlichen Sinn zu entdecken und der Vergessenheit zu entreißen, war das Anliegen Heideggers mit seinem Vortrag, dem er ja die Frage vorangestellt hatte, was das Wohnen sei. Seine Überlegungen zum Bauen und seine Gleichsetzung des Bauens mit dem Wohnen dienten im Wesentlichen zur Hinleitung auf den Kern seiner Ausführungen, nämlich die grundlegende Bedeutung des Wohnens herauszukristallisieren. Auch dafür bediente er sich wieder der Etymologie und führte das Wohnen auf seine altsächsischen und gotischen Wortstämme zurück. Danach bedeuten „wunon“ und „wunian“ bleiben, sich aufhalten und weitergehend zufrieden sein, in Frieden bleiben. Die Bedeutung von Frieden wiederum, so führte der Philosoph weiter aus, meint das Freie, frei sein von Schaden und Bedrohung, geschont sein. „Freien bedeutet eigentlich Schonen.“ (ebd.: 91)2 Schonen sollte nicht nur 2
Hängt man diesem Gedanken ein wenig weiter nach, so kommt man ob dieser Bedeutung ins Zweifeln. Früher meinte das Wort freien heiraten, „auf Freierfüßen“ ging einer, der um eine Braut warb. Heute ist der Freier im allgemeinen Sprachgebrauch derjenige, der Prostituierte aufsucht.
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heißen, das Geschonte in Ruhe zu lassen, ihm nichts anzutun, sondern darüber hinaus es in seinem Wesen zu belassen, es zu respektieren, zu achten und zu schützen. Darauf fokussierte Heidegger seine Erklärungen zur Bedeutung des Wohnens, das demnach nicht nur das Freie, Friedliche, Eingefriedete, sondern vor allem das Geschonte ist. Er wiederholte in seinem Vortrag mehrmals: „Der Grundzug des Wohnens ist das Schonen.“ (ebd.: 91, 92, 100) Da er das Wohnen als Sein, als Existenz an sich bezeichnete, ging es ihm in logischer Folge darum, dass das Sein der Menschen – „der Sterblichen“, wie Heidegger sie nannte – geschont und behütet und durch das Bauen „behaust“ wurde.3 Auf die Definitionen des Wohnens in seiner ursprünglichen Bedeutung stößt man auch, wenn man im Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache nachschlägt. Auch dort ist mit dem mittelhochdeutschen Wort „wonen“ oder dem altenglischen Wort „wunian“ das Bleiben, sich Aufhalten, Gewohnt sein verbunden. Im gotischen Stamm „wunands“ steckt außerdem die Bedeutung „sich freuend“, im altisländischen „una“ die des „Behagen empfinden“, „zufrieden sein“, und die indogermanische Wurzel geht auf „gewinnen“ zurück, „nach etwas trachten, gern haben“ (Bibliographisches Institut Mannheim 1963: 770). Wendet man Heideggers Methode an und blättert weiter, so bestätigt sich, dass die Wörter Freude, Friede und Befriedigung zu der unter „frei“ behandelten indogermanischen Sippe gehören (ebd.: 186), und es offenbart sich, dass „gewinnen“ zwar in alt- und mittelhochdeutschen wie in vielen anderen Sprachwurzeln mit „kämpfen, streiten, toben, sich anstrengen, sich plagen, leiden, erringen, erlangen“ verbunden wird, aber zugleich mit „Wonne“, und das meint „Verlangen, Lust, Freude, Genuss“ (ebd.: 770). Wohnen als dauernder Aufenthalt, als frei, zufrieden und geschützt sein, „Wohnen als Schonen“ und „Wohnen als Wonne“ sind nach diesen auf ursprüngliche Wortbedeutungen zurückgehenden Betrachtungen eine grundständige, Epochen, Regionen, Gesellschaftsformen und kulturelle Sitten übergreifende Wesensbenennung dessen, dem alltäglich und überall – wenn auch in unterschiedlicher Quantität und Qualität – ohne großes Besinnen nachgegangen wird.
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Bei diesen Wortverwendungen fällt es schwer, noch das Freie, den Frieden und das Schonen zu assoziieren. Im zweiten Teil seines Vortrags ging Heidegger auf seine andere Frage ein, die er eingangs gestellt hatte: „Inwiefern gehört das Bauen in das Wohnen?“ Dabei widmete er sich Interpretationen des Entstehens und der Beziehungen von Orten und Räumen, von Grenzen, Abständen und Ausdehnungen, denn das Darmstädter Gespräch 1951 stand ja unter dem Titel „Mensch und Raum“. Dabei wurde von ihm das Wohnen immer wieder als „der Grundzugs des Seins“ hervorgehoben, als etwas „Denkwürdiges“. „Bauen und Denken“, formulierte Heidegger, „sind jeweils nach ihrer Art für das Wohnen unumgänglich.“ (Heidegger 1991: 101)
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Heideggers Ausführungen sechs Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, in dem die vorher schon bestehende Wohnungsnot durch Bombardierungen, Zerstörungen und Flüchtlingsströme noch erhöht wurde, sind nicht zuletzt vor diesem Hintergrund zu verstehen. Seine Betonung vom Wohnen als Bleiben, Frieden und Schonen, so sehr diese Bedeutungen auch weit zurückreichende Wurzeln haben, war sicher geprägt von der jüngsten Geschichte und eine Ermahnung an die die Zukunft gestaltende Zunft, beim Wiederaufbau diese grundsätzlichen Bedeutungen stets zu bedenken. Deshalb forderte er das Denken ein und setzte „Bauen Wohnen Denken“ in eins. Die versammelten Architekten, zu denen so bekannte Namen wie Paul Bonatz, Wilhelm Kreis, Hermann Mäckler, Richard Riemerschmid, Sep Ruf, Hans Scharoun, Hans Schwippert und Rudolf Steinbach gehörten, diskutierten im Anschluss an diesen Vortrag unter der Gesprächsführung von Otto Bartning Heideggers Thesen. Die Dokumentation der Diskussion zeigt, dass sie nicht viel mit den philosophischen Ausführungen anzufangen wussten (Conrads/Neitzke 1991: 102-131). Ihre Beiträge drehten sich vorwiegend um klassische Themen der Architektur, um Material, Technik und künstlerischen Anspruch. Bonatz sprach gar vom „Zerdenken“ und forderte mehr „praktische Folgerungen“ statt wissenschaftlichem und geistigem Nachdenken (ebd.: 110f.). Binnen kurzem war die Runde im Werkgespräch und kritisierte oder lobte einzelne Gebäude, wobei das Selbstlob nicht zu kurz kam. Sogar auf die Zweckmäßigkeit des Bauens, die Funktionalität des zukünftigen Wohnungs- und Siedlungsbaus oder den hohen Wohnungsbedarf jener Zeit und die Möglichkeiten zur Annäherung an eine Linderung der Wohnungsnot, die dringend erforderlich und eine Aufgabe nicht zuletzt der Architektenschaft war, wurde nicht eingegangen. Frauen waren in der Runde nicht vertreten, und der Duktus des Gesprächs zeigte den Ausschluss des weiblichen Geschlechts auch aus den Gedanken der Architekten. So fragte Bartning in der Überleitung von Heideggers Vortrag zur Diskussion: „Was und vor allem wie ist unsere Aufgabe heute, unsere Aufgabe der Baumeister für unsere Brüder?“ (ebd.: 103), und eine der Antworten darauf, die Richard Riemerschmid gab, lautete: „Wir haben bisher kaum genug betont, daß [sic] es weniger darauf ankommt, festzulegen, wie die Sache gemacht werden soll, daß [sic] es vielmehr vor allem ankommt auf den Kerl, der’s macht.“ (ebd.: 124, Hervorhebung K. D.) Er erntete Beifall. Das Menschenbild, das zur Sprache kam, das „nicht mehr ein Bündel von Funktionen ist im Leben, im Beruf, im Staat … drängt jetzt doch wieder zu einem größeren, allgemeineren Menschenbild hin, wie es unsere Großvätergeneration, die große, am Anfang stehende Generation, gemeint hat“ (ebd.: 123), dieses Menschenbild war ein androzentrisches.
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2 Das Berliner IBA-Symposion 1981: Wohnen heißt Arbeiten Das Wohnen und der Wohnungsbau der drei Nachkriegsjahrzehnte, insbesondere der Soziale Wohnungsbau in der früheren Bundesrepublik für die breiten Schichten der Bevölkerung, ist in der Architektur-, Bau-, Stadtentwicklungs- und Stadtplanungsgeschichte oft beschrieben worden: in den 1950er Jahren die zwei- bis viergeschossige Zeilenbauweise auf „grünen Lungen“ und die Wohnsiedlungen nach dem Leitbild der gegliederten und aufgelockerten Stadt, in den 1960er und 1970er Jahren die peripheren Großsiedlungen mit ihren horizontal und vertikal gestaffelten Wohnkomplexen, in denselben zwei Jahrzehnten die Stadterneuerungsprogramme und Flächensanierungen in den Innenstädten und in zunehmender Ausdehnung die suburbanen Einfamilienhausgebiete. Mit gewissen zeitlichen Ungleichheiten und Differenzierungen in der Schwerpunktsetzung gab es diese Entwicklung in West- und Ostdeutschland, in West- und Osteuropa. Bei einem Gang durch die Städte wird sie unmittelbar erfahrbar und höchst anschaulich. Alle diese Wohnprojekte folgten dem androzentrischen Menschenbild. In der Adenauer-Ära mit ihrer restaurativen Politik wurde auch das Familienleitbild des 19. Jahrhunderts wieder etabliert, um nach einem kurzen Aufbruch in den 1920er Jahren, in denen das Bild und der Mythos der „Neuen Frau“ geschaffen wurden, und nach nationalsozialistischer Diktatur, Krieg und Zerstörungen eine bürgerliche Ordnung der Gesellschaft zu reinstallieren. In diesem Familienleitbild wurde Frauen das Leben in einer „weiblichen Normalbiografie“ zugewiesen, das für sie die Rolle als Gattin, Hausfrau und Mutter vorsah (Prokop 1976). Was darunter zu verstehen war, haben Wissenschaftlerinnen in den 1970er Jahren in mehreren Studien analysiert und vorgestellt. Allen voran öffnete der Vortrag mit dem Titel „Arbeit aus Liebe – Liebe als Arbeit: Zur Entstehung der Hausarbeit im Kapitalismus“, den die Historikerinnen Gisela Bock und Barbara Duden zur 1. Sommeruniversität für Frauen im Juli 1976 in Berlin hielten, vielen Zuhörerinnen und späteren Leserinnen des Aufsatzes die Augen für eine bis dahin in der Wissenschaft ignorierte, ihnen aber aus eigener Erfahrung vertraute Geschichte (Bock/Duden 1977). Die Autorinnen schilderten die Herausbildung der Hausarbeit im 17./18. Jahrhundert im Unterschied zur Hausökonomie in der „alten Gesellschaft“, sie schilderten, wie Kindererziehung zur eigenen Aufgabe wurde und sich das „Ideal der passiven, sanften und freundlichen Ehefrau, Hausfrau und Mutter“ durchsetzte. „Hausarbeit wurde fortan als Erscheinungsform von Liebe definiert, gegenüber der außerhäuslichen, Gehalt einbringenden Arbeit des Mannes.“ (ebd.: 150f.) Diese Studie belegte, dass Hausarbeit keine Wertschätzung erfuhr, weil sie nicht entlohnt wurde, und doch unverzichtbare Voraussetzung jeder Produktion –
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nicht nur im Kapitalismus – war, und dass Staat und Privatwirtschaft, Kapitalisten wie Linke im gemeinsamen patriarchalischen Interesse diverse Strategien entwickelten, um Frauen „als Hausarbeiterinnen, als Produzentinnen der Arbeitskraft“ im Kleinstbetrieb Familie zu verpflichten (ebd.: 173). Ein Zitat des US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers John Kenneth Galbraith zeigte das Erstaunen darüber: „Die Umwandlung der Frauen in eine auf unsichtbare Weise dienende Klasse war eine ökonomische Leistung ersten Ranges. Dienstboten für gesellschaftlich unterbewertete Arbeiten standen einst nur einer Minderheit der vorindustriellen Bevölkerung zur Verfügung; die dienstbare Hausfrau steht jedoch heute auf ganz demokratische Weise fast der gesamten männlichen Bevölkerung zur Verfügung.“ (Galbraith 1973, zit. in ebd.: 177)
Bock und Duden lieferten eine bis dahin ungehörte Definition von Hausarbeit: „Inhalt dieser Arbeit ist die Produktion und Reproduktion der gesellschaftlichen Arbeitskraft in physischer, emotionaler und sexueller Hinsicht.“ (ebd.: 123). Andere Studien jener Jahre untersuchten die konkrete Alltagsrealität von Hausfrauen und Hausarbeit. „Die Wirklichkeit der Hausfrau“ hieß eine Untersuchung der Soziologin Helge Pross, die 1975 erschien. Darin wurde das standardisierte Leben der „weiblichen Normalbiografie“ auf der Basis einer repräsentativen Untersuchung über nicht erwerbstätige Frauen in der früheren Bundesrepublik beschrieben: „Die deutsche Hausfrau ist 35 Jahre alt. Geheiratet hat sie mit 21. Sie versorgt zwei Kinder, die beide noch zur Schule gehen. Außer dem Mann und den Kindern hat sie keine Personen zu betreuen. Kernfamilie und Haushalt sind also eins. … Ihr Tag dauert von 6 Uhr 30 bis 22 Uhr 30. In dieser Zeit räumt sie die vier Zimmer, das Bad und die Küche auf, kocht, kauft ein, kümmert sich um die Hausaufgaben der Kinder. Mittags macht sie eine Pause. Irgendwann im Laufe des Tages hat sie auch ein paar Stunden ganz für sich. Diese Stunden verbringt sie mit haushaltsnahen Tätigkeiten. Im Sommer kocht und friert sie ein; wenn der Bedarf sich ergibt, tapeziert sie auch selber. Sie macht Hausarbeiten und betätigt sich als ihr eigener Friseur.“ (Pross 1975: 107)
Die deutsche Hausfrau hatte in jener Zeit eine Sechzig-Stunden-Woche (ebd.: 96, 108). Frauen mit mehr als zwei Kindern standen früher am Tag auf, machten seltener eine Pause und hatten weniger Zeit für sich selbst. Kam die Pflege von Alten und Kranken hinzu, ergaben sich noch einmal zusätzlich elf Arbeitsstunden pro Woche (ebd.: 96). Der Ablauf des Tages war nicht selbst bestimmt.
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„Die zeitlichen Marksteine des Alltags werden durch außerhäusliche Instanzen gesetzt: durch den Arbeitsbeginn des Mannes und durch den Schulbeginn. Zwischen diesen Fixpunkten bewegt sich auch die Hausfrau. … In der Bundesrepublik, so können wir verallgemeinern, herrschen, was die alltäglichen Zeiteinteilungen anlangt, Einheit und Ordnung. Diese Generalisierung ist zulässig, weil sich bei den Arbeitnehmerinnen prinzipiell kein anderes Bild ergab. ... Das Bild ist fast makaber: Abermillionen Menschen, Männer und Frauen und Kinder, erheben sich am Morgen zur gleichen Zeit wie auf ein nationales Signal, Abermillionen legen sich am Abend zur gleichen Zeit ins Bett. Abermillionen unterbrechen ihre Tätigkeit am Mittag zur gleichen Zeit, Abermillionen füllen früh am Tag und später am Nachmittag die Straßen zwischen Arbeitsstätte und Wohnung, Abermillionen lassen sich ungefähr zur gleichen Stunde vor den Fernsehapparaten nieder – Abermillionen in den gleichen zeitlichen Rahmen gespannt. Die Hausfrauen fallen aus ihm grundsätzlich nicht heraus.“ (ebd.: 79)4
Die Vier-Zimmer-Wohnung am Stadtrand, der Fernsehfeierabend im Wohnzimmer und die Verbannung der Hausarbeit in Küche und Kinderzimmer waren Indikatoren für die geschlechtsspezifische Verteilung von Berufs- und Hausarbeit, ihre räumliche Segregation in Stadt und Wohnung und die hierarchisierte Bewertung der Arbeitsbereiche von Männern und Frauen, die sich nicht nur in der Entlohnung, sondern auch in der Verortung und räumlichen Verfügung niederschlug. Die oft betonte Unsichtbarkeit der Hausarbeit entstand ja erst durch Wände, hinter denen sie verborgen wurde. Dem androzentrischen Weltbild der Architekten, das beim Darmstädter Gespräch 1951 offenbar geworden war und in dem Hausarbeit so wenig aufschimmerte wie sie in der Wissenschaft vorgekommen war, entsprachen die Normen des öffentlich geförderten Sozialen Wohnungsbaus, die bald für den gesamten Wohnungsneubau verbindlich wurden. Seine schärfste Ausprägung fand dies in der „Nasszelle“, Küche und Bad, die auf immer kleinerer Fläche geplant und ohne natürlichen Licht-, Luft- und Sonneneinfall und ohne Sichtbeziehungen oft innen liegend gebaut wurde. Die Normen sahen für die Arbeitsküche nicht mehr als sechs beziehungsweise acht Quadratmeter vor, und damalige Untersuchungen ergaben, dass die Hausfrauen darin täglich fünf bis sechs Stunden verbrachten, ein Drittel ihres Lebens (Carina 1953: 126).
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Neben den genannten Studien gab es in jenen Jahren viele weitere, wie die der englischen Soziologin Ann Oakley, die in ihrer „Soziologie der Hausarbeit“ von 1974 nicht nur den quantitativen Umfang und die Tätigkeiten der Hausarbeit erhob, sondern vor allem die Selbsteinschätzungen und Bewertungen der Hausfrauen untersuchte. Andere Arbeiten widmeten sich der Verbindung und Vereinbarkeit von Hausarbeit und Erwerbstätigkeit (vgl. Ostner 1978, Eckart/Jaerisch/Kramer 1979).
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Kerstin Dörhöfer „Der Zuschnitt der Wohnungen – die großen Räume für Repräsentation, Freizeit, Ruhe und Erholung, die kleinen für Hausarbeit und Kindererziehung – orientierte sich an männlicher Lebenswelt und privilegierte sie, obwohl der Mann außerhalb des Hauses tätig und viele Stunden nicht anwesend war. Das Leitbild der bürgerlichen Kleinfamilie, in der der Vater als Ernährer der Familie galt und die Mutter als zuständig für Heim und Kinder, wurde in den Nachkriegsjahrzehnten im wörtlichen Sinne versteinert, zementiert oder in Beton gegossen. Die Wohnarchitektur spiegelte die gesellschaftlichen Zuordnungen der Geschlechter.“ (Dörhöfer 2007: 48)
1979, am Ende des Jahrzehnts, in dem solche Wohnungen in der früheren Bundesrepublik Deutschland in jährlich vielen Hunderttausenden gebaut wurden,5 wurde in West-Berlin eine internationale Bauausstellung initiiert, die bis zum Jahr 1984 das „Wohnen in der Innenstadt“ modellhaft entwickeln sollte.6 Das Programm „Wohnen in der Innenstadt“ war sowohl eine Reaktion auf die mittlerweile stark kritisierten Großsiedlungen am Stadtrand als auch auf die Flächensanierungen, durch die preiswerter und bei der Bewohnerschaft beliebter Altbaubestand in urbaner Lage vernichtet worden war. Sanierungsmaßnahmen erfuhren einen Paradigmenwechsel, und die „Kahlschlagsanierung“ wurde durch behutsame Stadtreparatur und Modernisierung des Altbaubestands abgelöst. 1981 fanden zu den Planungsvorstellungen erste öffentliche Präsentationen statt. Zu einem Expertenverfahren und Symposion im Herbst jenes Jahres waren sieben Gutachter7 und 37 Vertreter von Interessenverbänden und Institutionen geladen, um ihre Expertisen und Positionen zu den Planungen der IBA vorzutragen. Die Diskussion fand vor einem etwa 300-köpfigen Fachpublikum statt. Frauen waren nicht zu diesem Verfahren eingeladen. So rief die Architektin Margrit Kennedy, zu jener Zeit Mitarbeiterin der IBA GmbH, eine Gruppe von engagierten Kolleginnen sowie Stadtplanerinnen, Soziologinnen und Kunsthistorikerinnen zusammen, die sich „Die Wüste lebt“ und mit steigendem Zorn „Die Wüste bebt“ nannte, denn sie musste sich über verschiedene Institutionen ein Rederecht erkämpfen. Das gipfelte schließlich in einem „Go-in“, bei dem sieben „nicht vorhergesehene – unvorhergesehene Reden“ gehalten wurden.8 5
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Allein 1973 wurden in der damaligen Bundesrepublik Deutschland 714.000 Wohnungen fertig gestellt (Dörhöfer 1978: 252). Diese internationale Bauausstellung wurde, weil die geplanten Projekte nicht bis zum Jahr 1984 fertig gestellt werden konnten, bis zum Jahr 1987 verlängert. Sie hieß deshalb „IBA ’84/’87“. Zu den Gutachtern gehörten Jaap Engel, der Wohnungsbaukoordinator der Stadt Amsterdam, die Architekten Vittorio Gregotti aus Mailand, Colin Rowe aus New York, Max Bächer aus Darmstadt, Edvard Jahn und Manfred Gehrmann aus Berlin sowie Egbert Kossak, Oberbaudirektor in Hamburg. Reden hielten die Kunsthistorikerin Gisela Stahl, die Soziologin Ulla Terlinden, die Architektinnen Birgit Wend und Veronika Keckstein, die Sozialarbeiterin Leyla Kosan, die Künstlerin Rotraud Damerau, die Architektinnen Ellen Nausester, Myra Warhaftig und ich. (Myra Warhaftig
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Diese Reden enthielten neben Forderungen zur stärkeren Beteiligung von beruflich engagierten und involvierten Frauen und als Expertinnen des Alltags an den Planungen der IBA Forderungen zur Berücksichtigung des Lebens und Arbeitens von Frauen in der ihnen zugewiesenen Rolle als Hausfrau und Mutter. Eingebettet in die feministische Diskussion der 1970er Jahre, in der es um die Anerkennung der von Frauen geleisteten Arbeit im Reproduktionsbereich und unter anderem um „Lohn für Hausarbeit“ ging,9 wurde die Forderung nach Raum für Hausarbeit erhoben – in der Wohnung, im Wohngebäude, im Wohnumfeld und in der Stadt. Wohnen wurde aus feministischer Sicht und aufgrund der Analysen der Tätigkeiten und des täglichen Stundenaufwands als Arbeiten definiert. Ein Auszug aus Ulla Terlindens Rede belegt diese Position: „In den Wohnbauten, die Sie planen und bauen, wohnen eigentlich nur Sie – die Männer! Frauen arbeiten dort, 10-12 Stunden am Tag. Hausarbeit ist ein ‚fulltime job’ und noch mehr als das. Würden Sie das anerkennen, würden Sie nicht Wohnräume, sondern Arbeitsräume für die Hausarbeit planen. Sicherlich sähen dann die Entwürfe anders aus. … Hausarbeit wird zu einem wesentlichen Teil außerhalb von Wohnungen verrichtet. Das, was aus Männersicht Konsum heißt, wie Einkaufen und Inanspruchnahme von Dienstleistungen, bedeutet für Frauen Arbeit. Auch das Großziehen von Kindern ist Arbeit und keine reine Freude. Schulen und Kitas gehören ebenso zu den wesentlichen Faktoren, die die Arbeitsbedingungen für Frauen bestimmen, wie das Gewerbe. Die Standorte dieser verschiedenen Einrichtungen der Infrastruktur sind Arbeitsstätten der Hausarbeit, und ihre Erreichbarkeit trägt zur Erleichterung bzw. Erschwerung der Hausarbeit bei. Die Standortplanung folgt generell betriebswirtschaftlichen Kriterien. Ich will deshalb diese betriebswirtschaftliche Sichtweise auf die Standortplanung von Hausarbeitsstätten anwenden. Der ‚private’ Haushalt ist eine wirtschaftliche Einheit und nicht nur eine konsumierende. Er ist wirtschaftlich wie der Supermarkt oder das Schulzentrum. Beide, der Supermarkt ausschließlich, das Mittelstufenzentrum nur bedingt, werden nach betriebswirtschaftlichen Kriterien geplant und organisiert. Offensichtlich werden die Rentabilitätskriterien bei der Planung von Produktionsstätten. Nicht nur die Konzentration von Geld, sondern auch die räumliche Konzentration bringt Vorteile für Produktion und erhöht Gewinn.
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hielt ihre Rede nicht im Rahmen des Go-ins). Diese Reden wurden anschließend in einem Typoskript unter dem Titel „Frauen gegen eine lebensfeindliche Stadtplanung“ von Sissa Malkowsky, Mitarbeiterin der IBA, zusammengestellt und verbreitet. Einige sind abgedruckt in der Dokumentation des Experten-Verfahrens, die der Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz herausgegeben hat (Der Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz 1982). Die Dokumentationen der ersten Sommeruniversitäten in Berlin geben einen Überblick über den lebhaft geführten Diskurs jener Jahre. (Gruppe Berliner Dozentinnen 1977, Dokumentationsgruppe der Sommeruniversität e.V. 1978, 3. Sommeruniversität für Frauen 1978 e.V. 1979).
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Kerstin Dörhöfer Der ‚private’ Haushalt ist aber ebenfalls eine Produktionsstätte, und ich denke, dass die Hausarbeit unabdingbar ist für die gesamte Ökonomie. Hausarbeit ist so wesentlich, dass vorrangig ihre betriebswirtschaftliche Effizienz in der Standortplanung berücksichtigt werden sollte. Nun findet Hausarbeit aufgrund gesellschaftlich herrschender Normen in kleinen Einheiten in der Familie statt, d. h. Hausarbeit ist nicht konzentriert und zentralisiert. … Was ich möchte, ist, dass diese verstreut liegenden Haushalte als wirtschaftliche Einrichtungen gesehen werden, deren Effizienz bei der Planung von Einrichtungen im Wohnumfeld eine gewichtige Rolle spielt und nicht nur die Effizienz der anerkannten wirtschaftlichen Einrichtungen.“ (Terlinden 1982: 71)10
„Wohnen heißt Arbeiten“ war meine eigene Rede übertitelt – ein krasser Gegensatz zur Definition von „Wohnen als Schonen“ und „Wohnen als Wonne“ (Dörhöfer 1982: 47). Aber wie die Wonne mit dem Gewinnen verbunden ist und somit nicht nur auf die Zufriedenheit beim Wohnen und Bleiben, sondern auch auf die Rendite im Wohnungsbau anspielt, so steckt eine Doppeldeutigkeit im Schonen. Heidegger leitete es vom Freisein von Schaden und Bedrohung ab und bezog es auf das Wohnen als Sein, als Existenz. Dass diese Definition des Wohnens als Schonen nicht auf das häusliche Leben vieler Familien zutrifft, belegen die statistischen Zahlen zur Gewalt in der Familie und zum Missbrauch von Frauen insbesondere im Privatbereich. Doch da er auch das Wohnen mit dem Bauen gleichsetzte – „Bauen ist eigentlich Wohnen“ – und dieses unterteilte in Hegen und Pflegen („nämlich das Wachstum“) einerseits und Errichten andererseits, enthielten seine philosophischen Gedanken auch die konkreten Realitäten von Gebrauchswert (Hegen und Pflegen – nämlich die Kinder und den Ehemann sowie sich selbst) und Tauschwert (Errichten des Hauses), ohne dass er es benannte. Wohnen als „Sein der Menschen“, als Existenz auf Erden, die es zu schonen gelte, wurde von Heidegger nur philosophisch betrachtet, nicht in den sozialen Konstruktionen des Seins, die eine Zweigeschlechtlichkeit und somit ein FrauSein und ein Mann-Sein mit unterschiedlichen Lebensbedingungen und Zuschreibungen hervorgebracht hatten. Das „Dasein“ ist geschlechtlich differenziert und somit sind alle Heideggerschen Definitionen auf ihre jeweilige Gültigkeit für die Geschlechter zu überprüfen. Seine eigenen Aussagen ließen dieses 10
Auf die Inhalte dieser Reden wurde von den Experten und Gutachtern in der anschließenden Diskussion ebenso wenig eingegangen wie auf den Vortrag Heideggers beim Darmstädter Gespräch 1951. Die Tageszeitung „taz“ beschrieb die Atmosphäre folgendermaßen: „Die anschließende Diskussion war von Ratlosigkeit seitens der Herren gekennzeichnet. Es sah so aus, als hätten sie überhaupt nichts kapiert. Gleich wurden Randgruppen zitiert, die auch benachteiligt seien, die vergessenen Kinder, die Ausländer … die Diskussion zerfranste, hier und da alberte jemand rum bis man dann nach der Pause zu etwas anderem überging.“ (die tageszeitung 1981: 6).
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wesentliche gesellschaftliche Strukturprinzip außer Acht, durch das Wohnen eben auch geschlechtsspezifisch unterschiedlich definiert wird. „Wohnen heißt Arbeiten“ war eine Definition, die sich von der Passivität des bloßen „Schonens“ absetzte und das aktive Tun der Frauen betonte. Die Feministinnen in Architektur und Planung mahnten, indem sie sich auf die Alltagsrealität von Frauen in ihrer damaligen „Normalbiografie“ bezogen, die Besinnung auf den Gebrauchswert, die Zweckmäßigkeit des Wohnens ein und beharrten dabei auf der gesellschaftlichen Wichtigkeit und räumlichen Funktionalität des Reproduktionsbereichs. Ziel dahinter war letztlich eine Befreiung von der „Sklaverei der Hauswirtschaft“, wie sie schon die „utopischen Feministinnen“ gefordert hatten (Hayden 1981). Doch zunächst ging es darum, diesen ignorierten, unsichtbar gemachten Bereich hervorzuheben. Die Zuspitzung der Definition „Wohnen ist Arbeiten“ war eine gewollte Provokation gegenüber der dominanten Definition „Wohnen ist Freizeit und Erholung“, die aus der Sicht der männlichen Lebenswelt – dem androzentrischen Menschenbild folgend – getroffen worden war und sich in der Gestaltung von Wohnungen und Wohnumfeld, in Lage und Ausstattung der Wohnsiedlungen niederschlug. Die erforderliche Regeneration von Hausarbeit und Kindererziehung, die Frauen benötigten und mangels infrastruktureller Angebote am Ort ihrer Arbeit – in der Wohnung und Wohnumgebung – suchen mussten, sowie die zunehmende und meist zusätzliche Erwerbstätigkeit, die den Regenerationswert der Wohnungen auch für Frauen steigerte, blieben in diesen frühen Analysen, Überlegungen und Forderungen der Neuen Frauenbewegung deshalb nicht außer Acht.11 So wurde sowohl die Planung von wohnungsnahen Aus- und Weiterbildungs- als auch von Arbeitsstätten in erreichbarer Nähe gefordert und ebenso eine Infrastruktur, die Frauen Flucht, Freizeit und Erholung ermöglichte (Terlinden 1982: 72). Für die Wohnung war eine der grundlegenden Forderungen in Bezug auf Virginia Woolf (1981): „ein Zimmer für sich allein.“ Die feministische Definition „Wohnen = Arbeiten“ dreißig Jahre nach Heideggers Definition vom „Wohnen als Schonen“ war ebenso wie diese vom zeitlichen Hintergrund geprägt, von der Restauration der patriarchalischen Leitbilder und den Verhältnissen in den drei Nachkriegsjahrzehnten. Um das Ausbrechen aus den Zwängen der „weiblichen Normalbiografie“, das sich trotz der herrschenden Geschlechterideologie schon gleich nach dem Zweiten Weltkrieg anbahnte, auch räumlich zu ermöglichen, entstanden die Forderungen nach Freiräumen für Frauen. Diese verweisen auf eine neue Definition von Wohnen, eine aktuelle Reflexion von Heideggers Frage: „Was ist das Wohnen?“ 11
Im Unterschied zur Neuen Frauenbewegung, die sich zuerst an städtischen Funktionsentmischungen und frauenfeindlichen Stadtplanungen entzündete, hatte die alte Frauenbewegung sich vor allem der Wohnungsfrage gewidmet (vgl. Terlinden/von Oertzen 2006).
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3 Architektur-Biennale Venedig 2008: Wohnen als Sein – allein Die Architektur-Biennale 2008 in Venedig zeigte ein Exponat, das „S1NGLETOWN“ benannt war und von der holländischen Künstlergruppe Droog und KesselsKramer präsentiert wurde. Eine beigefügte Zeitung begann mit den Worten: „In 2006 a tipping point was reached – the point where more American women lived without a husband than with one. Similar milestones are being passed across the developed world as living alone, once the fate of a pitiable few, becomes the norm.” (Droog/KesselsKramer 2008: 1)
Dieses Zitat verrät nicht nur, dass in den entwickelten Ländern immer mehr Menschen, vor allem Frauen, allein leben, es verrät einen einschneidenden Wandel der Wertesetzungen, da eine Frau ohne Ehemann nicht mehr zu bedauern, sondern zur Norm geworden ist. Die schnelle Zunahme der Einpersonenhaushalte ist eine weltweite Entwicklung. In europäischen Ländern sind mit leichten Schwankungen knapp 40 % aller Haushalte Single-Haushalte. Erstaunlicherweise nahm zwischen 2001 und 2006 dieser Haushaltstyp um mehr als 20 % in etlichen Ländern zu, die – im Gegensatz zu europäischen Ländern – für ihr hohes Bevölkerungswachstum bekannt sind, die aber seit einigen Jahren wichtige Wirtschaftsmärkte hervorbringen wie Süd-Afrika, Indien, Thailand, Vietnam, Süd-Korea, die Philippinen, Singapur und China. Shanghai und Peking haben mittlerweile mehr als eine Million Alleinlebende (ebd.: 14). „S1NGLETOWN“ bezeichnet die Entwicklung als „soziale Revolution“ (ebd.: 1). Dieses Exponat der Architektur-Biennale in Venedig 2008 ist nur ein Beispiel. Wo immer gegenwärtig über Wohnen, das Verständnis vom Wohnen und seine zukünftige Gestaltung diskutiert oder geschrieben wird, geht es um die demografische Entwicklung und den Wandel der Haushaltsformen. Der Familienhaushalt, in dem der Frau die Rolle der Ehefrau, Hausfrau und Mutter zufiel, ist nicht mehr die allgemeine Norm. Der standardisierte Haushaltstyp zerfiel in viele verschiedene Haushaltsformen. Die Statistik der Bundesrepublik Deutschland weist unterdessen zehn verschiedene Familien- bzw. Haushaltskonstellationen aus.12 2008 waren in Deutschland 37 % aller Haushalte 12
Unter Bezug auf das statistische Bundesamt berichtete die Berliner Zeitung im Jahr 2005, dass sich die 38,1 Millionen Haushalte (HH) in Deutschland folgendermaßen unterteilten: 25,2 % HH von Ehepaaren mit Kindern, 24,8 % HH von Ehepaaren ohne Kinder, 20,9 % weibliche Einpersonenhaushalte, 15,2 % männliche Einpersonenhaushalte, 5,8 % HH von Alleinerziehenden, 3,9 % HH von nichtehelichen Lebensgemeinschaften ohne Kinder, 1,1 % HH von nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern, 0,9 % HH von Familien mit nicht mehr ledigen Kindern, 0,8 %
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Einpersonenhaushalte, in Großstädten lag dieser Anteil bei mehr als 50 % mit steigender Tendenz. Das Geschlechterverhältnis betrug dabei 56 % weibliche Einpersonenhaushalte zu 44 % männliche Einpersonenhaushalte (Bock 2008: 3, 9; siehe auch Sturm in diesem Band). Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig: gestiegener Wohlstand, Wertewandel, Wunsch nach persönlicher Unabhängigkeit, somit späte Heiraten, häufige Scheidungen, nachlassender Kinderwunsch (vor allem bei Männern) und Geburtenrückgang. Hinzu kommt eine höhere Lebenserwartung. Die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf ist insbesondere für gut ausgebildete Frauen ein Grund, sich mehr und mehr Familienpflichten zu entziehen. Die ehemalige Forderung nach einem „Zimmer für sich allein“ hat sich in anderer Weise erfüllt: Es wurde zum Apartment oder zur Wohnung für sich allein. Mit der Zunahme des Alleinwohnens und der Verabschiedung vieler Frauen von der „weiblichen Normalbiografie“ verringerte sich ihr Aufwand für Hausarbeit, das „Hegen und Pflegen“ anderer. Da diese Arbeit auch nicht von Männern übernommen wurde, wurden viele Tätigkeiten, die zuvor in den Privathaushalten, den familiären Kleinstbetrieben, zur Reproduktion und Regeneration der gesellschaftlichen Arbeitskraft anfielen, in den Dienstleistungssektor überführt. Dadurch entstanden in diesem Wachstumsbereich der Wirtschaft neue, entlohnte Arbeitsplätze, die von Frauen eingenommen wurden, was wiederum die Rate der weiblichen Erwerbstätigkeit – und damit die Schwierigkeit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – erhöhte. „Die haushalts- und konsumbezogenen, gesundheits- und bildungsbezogenen Dienstleistungen stellen den Bereich dar, in dem in den 80er und 90er Jahren die meisten Dienstleistungsberufe entstanden sind, und der fast ausschließlich von Frauen eingenommen wurde. Man kann sagen, die Dienstleistungsgesellschaft ist die Vergesellschaftung der Hausfrau.“ (Siebel 2006: 46)
Dass Hausarbeit insgesamt „heute weitgehend vergesellschaftet“ sei (Kraft 2006: 25), lässt sich allerdings statistisch nicht belegen, denn den Einpersonenhaushalten stehen immerhin noch rund 30 % Mehrpersonenhaushalte von Ehepaaren, Lebensgemeinschaften und Alleinerziehenden mit Kindern und rund 30 % Zweipersonenhaushalte von Ehepaaren und Lebensgemeinschaften ohne Kinder gegenüber. Die hier anfallende Hausarbeit obliegt nach wie vor überwiegend den weiblichen Haushaltsmitgliedern. Nach verschiedenen Untersuchungen umfassen Hausarbeit und Kinderbetreuung in einem Vier-Personen-Haushalt neun bis zwölf Stunden täglich, wobei Frauen mehr als zwei Drittel davon erleMehrgenerationenhaushalte und 1,4 % sonstige HH ohne Kinder (Berliner Zeitung vom 17.2.2005).
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digen.13 Danach hat sich in diesen Haushalten im Vergleich zu den 1970er Jahren wenig verändert. Doch auch in Einpersonenhaushalten fällt Hausarbeit an – Ökotrophologen sprechen von durchschnittlich täglich zwei Stunden pro Person. Nicht alle Tätigkeiten können in den Dienstleistungssektor übertragen werden. Ein Leben, das sich auf den Beruf konzentriert, erfordert aber die Befreiung von außerberuflichen Verpflichtungen, zu denen nicht nur physische Hausarbeit und Kinderbetreuung gehören. Je mehr Frauen sich voll ihrer Berufstätigkeit widmen, umso mehr bedürfen auch sie der Unterstützung, mit den Worten des britischen Soziologen Ray Pahl ausgedrückt: „A professional woman needs a wife.” (zit. in Siebel 2006: 46). Dennoch lässt sich die kategorische Definition „Wohnen heißt Arbeiten“ nicht mehr aufrechterhalten, die, als sie aufgestellt wurde, nicht nur einer anderen sozialen Realität entsprach, sondern auch eine feministische Politik verfolgte. Gemäß der Diversifizierung der Haushalts- und Lebensformen hat sich das Verständnis dessen gewandelt, was das Wohnen ist, das eine „regelrechte Renaissance“ erlebt (Kunstmuseum Wolfsburg 2008: o. S.). Eine „Renaissance“ erlebt es nicht im Neubau von Wohnungen, ihrer Architektur und Gestaltung. Bevölkerungsrückgang und schrumpfende Städte in vielen Regionen – vor allem im Osten Deutschlands – haben zu einem Rückgang des Wohnungsbaus geführt und zu einem Rückzug des Staats aus öffentlicher Förderung und sozialer Versorgung. Neu entstehender Wohnungsbau ist durch den Markt geregelt, an dem sich aber gewandelte Bedarfe und Bedürfnisse noch kaum Geltung verschaffen konnten. So gibt es in der Wohnarchitektur wenige Neuerungen. Traditionelle Normen und Planungsvorstellungen bestimmen nach wie vor die Gestaltung insbesondere der Raumfunktionen, denn „developers and urban planners are totally stuck in their received paradigms – planning for lifestyles that no longer exist.“ (Michael Sorkin zit. in Droog/KesselsKramer 2008: 6). Analysiert man Grundrisse, so folgten sie seit den 1980er Jahren fast ungebrochen den in den drei Nachkriegsjahrzehnten gebauten und zum Standard gewordenen Vorbildern, die die feministische Kritik auf sich zogen. Die neuen Lebens- und Haushaltsformen mussten sich also mit dem Bestand arrangieren, der in den Nachkriegsjahrzehnten gebaut wurde. Häufiger entfalteten sie sich in 13
Jährlich wiederholte Untersuchungen des Instituts für Demoskopie in Allensbach zur Familie (im Auftrag von Vorwerk) ergaben, dass Mütter mit zwei kleinen Kindern durchschnittlich zwölf Stunden pro Tag arbeiten. 15 % von ihnen gaben an, gar keine Freizeit zu haben (Vorwerk & Co. KG 2008). Die Bundesregierung schreibt in ihrem „Magazin für Soziales, Familie und Bildung“ im März 2008, dass Männer durchschnittlich zwei Stunden im Haushalt arbeiten und eine Stunde mit Kinderbetreuung verbringen, Frauen vier Stunden für Hausarbeit und 2,3 Stunden für Kinderbetreuung aufwenden (Die Bundesregierung 2008: o. S.).
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Altbauten oder ungenutzten Fabriketagen (Lofts), die flexibler oder variabler genutzt werden können. Baulichkeiten, die physischen Gegebenheiten, wandeln sich langsamer als soziale Verhältnisse. Die „Renaissance“ des Wohnens bezieht sich deshalb vorwiegend auf das Interieur, auf Ausstattungen, Vorstellungen, Bilder, Imaginationen, Wünsche und Träume, die im Innenraum umgesetzt werden sollen. Dies verweist darauf, dass sich das Verständnis vom Wohnen, seine Definition, auf zwei Ebenen bildet: auf der Ebene des konkreten, realen, gebauten oder zu bauenden Wohnens und auf der des gedachten, phantasierten oder ideologisch aufgeladenen Wohnens. Wie stark beide Ebenen miteinander verwoben sind, hat das Wohnmodell der drei Nachkriegsjahrzehnte gezeigt, das dem patriarchalischen Familienleitbild des 19. Jahrhunderts folgte und die physischen Räume danach ausrichtete, so dass sich die bipolare, am jeweiligen Lebenszusammenhang der Geschlechter orientierte Definition vom Wohnen als Erholen einerseits, als Arbeiten andererseits ergab. Rund dreißig Jahre später, in denen sich die Diversifizierung der Lebens- und Haushaltsformen vollzog, ohne dass ihnen die physischen, baulich-räumlichen Gegebenheiten folgten, entfalten sich die Vorstellungen zum Wohnen vorwiegend auf der ideellen Ebene. Heideggers grundsätzliche Definition vom „Wohnen als Sein, Bleiben und Schonen“ ist in Anbetracht des Wandels der Geschlechterverhältnisse und Haushaltsformen also erneut zu überdenken – ebenso wie die feministische Definition der 1970er/80er Jahre. Da sich die wesentlichste quantitative und qualitative Veränderung durch die Einpersonenhaushalte ergeben hat, sie ein Motor der Entwicklung waren, fokussiert sich die Überprüfung auf sie. In „S1NGLETOWN“ wurden Einpersonenhaushalte in neun verschiedene Typen unterteilt, die sich – unabhängig vom Geschlecht – in drei Gruppen zusammenfassen lassen: die Mobilen (Manager, Pendler, „global opportunists“), die Migranten (Arbeitssuchende, die zunächst ohne Familie in andere Länder oder vom Land in die Stadt wandern) und alte Menschen („grey singles“). Daneben gibt es als Singles die zwischenzeitlich getrennt lebenden oder geschiedenen Männer bis zu ihrer Wiederverheiratung und die bewusst Alleinlebenden, meist gebildete Frauen (Droog/KesselsKramer 2008: 3f.). Allein die Verschiedenheit dieser Single-Typen lässt kaum noch eine für alle verbindliche Definition vom Wohnen denken – außer des „Seins“ an sich. „Wohnen als Bleiben“ gilt nicht für das unstete Leben der Mobilen und Migranten, und auch alte Menschen vergegenwärtigen sich trotz heutiger hoher Lebenserwartungen stets die Endlichkeit ihrer Existenz auf Erden. In Heideggers Definition vom „Wohnen als Schonen“ mit all seinen Charakteristika des geschützten, friedlichen, respektierten und freien Seins findet sich eine häufig genannte Vorstellung, die Wohnen als Rückzug sieht. Kein anderer Begriff wird derzeit so
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oft mit dem Wohnen verknüpft. Er trifft auf alle Einpersonenhaushalte zu, außer auf die der Migranten, deren Unterkünfte selten als Orte des Rückzugs, der Ruhe und der Achtung bezeichnet werden können. Für alte Menschen soll die Wohnung Ort des Rückzugs aus dem Berufsleben und für den Ruhestand sein, für mobile Berufstätige der des Rückzugs aus dem überlasteten, hektischen Alltagsstress, für bewusst Alleinlebende der des Rückzugs aus familiären Verpflichtungen, des Widerstrebens gegenüber der mit dem Familienhaushalt verbundenen Arbeit. Der Rückzug geschieht also aus zwei, bisher als Gegensätze geltenden Bereichen in einen eigenen, einen dritten, neu definierten Bereich: der (temporäre) Rückzug aus Beruf und Öffentlichkeit einerseits, aus Familie und Privatheit andererseits in eine weitgehend selbst bestimmte Lebensform, in der sich Berufsarbeit, Hausarbeit, Erholung, Freizeit, Ruhe und Aktivität ineinander verweben (können). „Gendered Space“, bipolarer, den Geschlechtern zugeordneter und hierarchisierter Raum, ist in diesem Bereich – wenn auch nur in den Grenzen des Wohnraums – nicht mehr vorhanden. Diese, aus dem Wandel der Lebens- und Haushaltsformen, also aus sozialem Wandel gewonnene Erkenntnis verlangt nach einem Wandel der physischen Raumorganisation in Städtebau und Wohnarchitektur. Skurrile Vorschläge sind entwickelt worden, um auf das Alleinwohnen, die berufliche Mobilität und die Diversifizierung der Bedarfe und Bedürfnisse zu reagieren. So ist die Idee der Wohnzelle, der „mobile homes“ und portablen Einhausungen, die schon einmal in den 1960er Jahren insbesondere von der britischen Gruppe „Archigram“ entwickelt wurde, wieder aufgegriffen worden.14 Eine „mass customization“, deren Produkte über Internet mit individueller Ausstattung bestellt werden können, verspricht durch ihre Variabilität, Mobilität und den Einsatz neuester Technologien und Materialien die wohnarchitektonische Lösung für den sozialen Wandel zu sein – nicht nur für Singles. Andere architek14
Der an der Harvard Graduate School of Design lehrende Architekt und Designer David Celento will dafür das ganze Spektrum neuer Entwurfs- und Produktionstechnologien einsetzen. Wie heute schon Modelle im Maßstab 1:1 am Computer simuliert und durch einen speziellen Drucker hergestellt werden können, sollen auch reale Wohnobjekte als Massenprodukte wie Automobile produziert werden. In die Computerprogramme können zukünftige NutzerInnnen eigene Wünsche eingeben, und durch eingebaute Sensoren in diesen „intelligenten“ Wohnobjekten werden wiederum Informationen über sie und ihre Wohngewohnheiten vermittelt, so dass sich „Funktion und Design immer weiter verbessern“ ließen (Celento 2008: 44). Dieser Beitrag erschien in einer Ausgabe der Bauwelt vom Juni 2008, die sich der Theorie, Praxis und Kritik widmete und „Essays zu Stadt und Gesellschaft“ enthielt. Ähnliche, avantgardistisch gemeinte Wohnkonzepte werden auch von anderen vorgestellt. So zum Beispiel von Nils Hille in der Zeitschrift „Deutsches Architektenblatt“ in einem Artikel unter dem Titel “Rollende Baukultur. Zwei Studenten entwickelten einen Wohnwagen mit gestalterischem Anspruch – zur Fahrt in die Selbständigkeit“ (Hille 2008: 62-65).
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tonische und städtebauliche Überlegungen als Reaktion auf diesen Wandel erwägen im Gegensatz zu einer solchen computergenerierten, zellenhaften und entlokalisierten Wohnweise eine erhöhte Befreiung von Festlegungen der Funktionen im Wohnungsbau, von fixierten Umgrenzungen und Umwandungen im Innenund Außenbereich, so dass sich eine größere Wahlfreiheit und Variationsbreite von Wohnformen ergeben, die den gewandelten Haushaltsformen entsprechen.15 Da der Wandel der Haushaltsformen eng mit dem Reproduktionsbereich verknüpft ist, in dem zwar einerseits eine teilweise Vergesellschaftung der notwendigen Hausarbeit stattgefunden hat, aber andererseits eine neue inhaltliche Qualität insbesondere für auf den Beruf konzentrierte Frauen, die die Entwicklung zum Alleinleben wesentlich getragen haben, erforderlich geworden ist, können sich planerische Konzepte nicht auf das Wohnen im engeren Sinne beschränken. Die Komplexität des gesellschaftlichen Wandels verlangt die Einbeziehung aller baulichen und städtebaulichen Strukturen. Auch wenn das Alleinleben und die Zunahme der Einpersonenhaushalte ein Verständnis vom Wohnen als Rückzug und „cocooning“ vermitteln, bedeutet das nicht, dass damit Einsamkeit, Kontaktlosigkeit und Ungeselligkeit verbunden sind. Das Wohnumfeld muss für die sorgende und emotionale Reproduktion sowie für die Entlastung der noch immer vorhandenen Hausarbeit nahe Infrastrukturen anbieten (Dörhöfer 2007: 56). Diese Forderung gilt auch für die Zweiund Mehrpersonen-Haushalte, für deren Mitglieder ebenfalls die Möglichkeit des individuellen Rückzugs – im wahrsten Wortsinn – eingeräumt werden muss, um auch hier von Zeit zu Zeit ein „cocooning“ verwirklichen zu können, denn in diesen Haushalten ist die traditionelle Arbeitsteilung der Geschlechter weitgehend beibehalten und den Frauen fehlt das „Zimmer für sich allein“ meist noch immer.16 Bauliche Wohnkonzepte, die der „sozialen Revolution“ entsprechen, stehen noch aus. Das Alleinwohnen und Wohnen als Allein-Sein legt den Schwerpunkt der Merkmale, die Heidegger mit dem „Schonen“ verband, auf die Aspekte der Ruhe, des Friedens und der Freiheit im eigenen Raum. Im Alleinwohnen offenbaren sich aber nicht nur der Wunsch nach Rückzug und ein Widerstand gegen die alten gesellschaftlichen Normen zur Lebensfüh15
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Vorstellbar sind in tragende Konstruktionen eingefügte Ebenen mit aller erforderlichen technischen Ausstattung, die gemäß dem sozialen Wandel baulich-räumliche Verschiebungen, Ausdehnungen und Verengungen, flexible Baukörper und Freiräume erlauben, ähnlich wie es schon 1957 Constant Nieuwenhuys als „New Babylon“ entwarf. Er konzipierte ein sich stets veränderndes Raumgitter für spielerische, kreative Menschen, die der entfremdeten, fremd bestimmten Berufswelt entrinnen wollten (Levin 1997: 70-82). Die Bedeutung des Alleinwohnens für Frauen als „Raum ergreifen“ hat Martina Löw schon 1994 in einer Studie erforscht. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse findet sich in ihrem Artikel „Der einverleibte Raum. Das Alleinwohnen als Lebensform“ (Löw 1997).
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rung von Frauen, sondern auch ein emanzipatorischer Akt. Es geht um Selbstbestimmung: über die Zeit, sofern sie nicht berufsgebunden ist, über die Tätigkeiten, die vollzogen werden sollen, über den Raum, über den verfügt werden kann, über seine Nutzung und Ausstattung. Das übertrifft das Verständnis vom Wohnen als Schonen, als Ruhe und Rücksichtnahme und erinnert an den Wortstamm des Wohnens, der Freude, Behagen, Zufriedenheit, Gewinn und Wonne damit verband.17 Der Akt des Widerstands gegen das herkömmliche Wohnen richtete sich nicht nur gegen Bindungen und Verpflichtungen in der Familie und durch Hausarbeit, gegen „Arbeit aus Liebe, Liebe als Arbeit“, sondern auch gegen die Normierung des Wohnens, gegen die vorbestimmten Funktionsabläufe, die Isolation in der „Nasszelle“, die versteinerte Ideologie und gegen die Ignoranz und den Androzentrismus der Architekten. Und da sich die Ablehnung nicht durch Umbau der das Leben begrenzenden Wohneinheiten oder durch Mitsprache bei Neuplanungen kundtun konnte, wurde in die „Wohnung für sich allein“ ausgewichen, wobei der gestiegene Wohlstand in den westlichen Gesellschaften und speziell das Einkommen der berufstätigen Frauen halfen. Das Alleinwohnen ist auch ein Protest gegen die vorgegebene Wohnarchitektur. Die „Renaissance“ des Wohnens, die sich auf das Interieur richtet, die Schaffung von Ambiente, Atmosphäre und Traumbild, ist eine Kritik an den Vorgaben der Investoren, Bauherren, Architekten und staatlichen Regulatoren des Wohnungsbaus. Sie ist das Bemühen um Selbstbestimmung des baulich-räumlichen Umfelds, so begrenzt es auch sein mag. Das ist ein nicht zu unterschätzender emanzipatorischer Aspekt. Er bringt die Phantasie und Imagination einer selbst konzipierten Wohnform auf die Ebene des Existenziellen und Lebendigen, des real Gelebten. Heideggers Definition vom „Wohnen als Sein“ erfährt ebenso wie die feministische Definition „Wohnen heißt Arbeiten“ in Anbetracht dessen eine neue Auslegung: Das Wohnen wird zum kreativen Tätig-Sein.
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Die Bedeutungen der Sprachwurzeln des Begriffs Wohnen, die auf Gewinn und Wonne anspielten, lesen sich im Nachhinein wie die Beschreibung eines Ehelebens, das schließlich zum Alleinwohnen führt: „kämpfen, streiten, toben, sich anstrengen, sich plagen, leiden, erringen, erlangen“, um schließlich bei der Wonne zu landen, die als „Verlangen, Lust, Freude, Genuss“ definiert wurde. Wie der Trend zum Alleinleben zeigt, hat sich diese Wonne weniger in der partnerschaftlichen Liebe und Sexualität erfüllt als auf die eigene Wohnung gerichtet.
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Kerstin Dörhöfer
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Teil 2:
Wohnungsbauplanung und Wohnungspolitik in gesellschaftlichen Kontexten
Residential Experiences and Identity of Women in Givat Faradis Iris Levin and Rachel Kallus
1 Introduction Givat Faradis is a new neighborhood, an extension of the Arab1 town of Faradis, located in the northern coastal area of Israel. Its official purpose was to mitigate Faradis’ severe lack of affordable housing, to provide dwellings for young local families with no private land for development, and to cope with housing shortages in the Arab sector, the result of years of neglect by the State of Israel. It has offered its residents a chance of escape from the dense, over-crowded life of old Faradis. For women living in Givat Faradis, regardless of age, professional career, life trajectory, personal situation and aspirations, moving to the new neighborhood has opened a new way of life that challenges, at least to some extent, the patrilocal residence2 that prevails in Palestinian society, enshrined by emotional, cultural and familial mores, but also an embodiment of political and economic constraints (Abou-Tabikh 2008, Sa'ar 2001). However, the specific planning of the neighborhood, the type of housing, and the manner in which land was marketed have not brought about any radical change in the traditional patterns of residence of the Arab population of Israel. The Arab sector in Israel has, to date, been widely disregarded by government public housing policies (Khamaisi 1990). The State's policies of land separation, including the establishment of purely Jewish settlements, restrictions on land administered by the Arab communities, institutionalized discrimination in providing housing subsidies and financial assistance, and the lack of government plans for public buildings in Arab communities, have all limited the freedom of choice of housing for Israeli Arabs (Khamaisi 2000, Kimmerling and Migdal 2003, Law Yone and Kallus 1994, Lustick 1980, Rabinowitz and Abu Baker 2002). Arabs, for the most part, are left to solve their own housing problems 1
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‘Arabs’ is the general term used to define the Arab-speaking populations living in Israel, including groups such as Bedouins and Druze. It is used in the same sense as “Arab Israelis”, “Arabs of 1948” or “Palestinian Israelis”, which denotes Palestinians who stayed within the borders of the State of Israel after its creation in 1948. Current Arab minority in Israel is 20 % of the total population (Central Bureau of Statistics 2008). A descent based on the male line, where adult sons continue to live with their parents, while daughters marry out (Barakat 1985 in Olmsted 2005: 55).
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Iris Levin and Rachel Kallus
since it is assumed that they have enough private land, which is not used efficiently due to their preferences for low density and rural building patterns. Housing shortages are also considered to be the result of lack of private transactions, due both to social mores and political positions about land (Yiftachel 2000). Givat Faradis, constructed in accordance with a prevalent suburban housing scheme used in the Jewish sector, is intended to improve quality of life of the local inhabitants, Arab-Palestinians by identity and Israelis by citizenship. Its development links the State of Israel’s current agenda to improve the conditions of the Arab sector to the latter’s aspirations to better their living standards. It encourages the pursuit of better housing away from the dense and crowded conditions of the old town, and offers a greater choice of housing and living arrangements. The chapter focuses on everyday life in Givat Faradis as influenced by its planning and architecture. It is based on investigation of the new neighborhood’s initiation process, planning procedures and implementation, and on in-depth interviews with residents. We contend that, although attempting to offer better housing options for the residents of Faradis, the new neighborhood, built in conformity with traditional norms and in line with suburban values, has not led to any major changes in the daily lives of its female inhabitants. Instead, it maintains the existing traditions of the patriarchal Arab society, although these traditions have been challenged, to some degree, by a greater choice of housing. Our argument is supported by literature that suggests that traditions of MiddleEastern gender relations emerge as a vibrant force that can be both constricting and liberating (Göçek and Balaghi 1994). Since the family is the basic societal unit at the core of Middle-Eastern culture (Joseph and Slymovice 2001), the house is an important locus of gender relations (Najmabadi 1998). Analysis of gender relations must be extended, however, beyond their operations within the family and examined as part of state policies (Hatem 1999). Israel, like most Middle Eastern states, has been ambivalent about ‘liberating’ women and the family. It has sought the apparently contradictory goals of economic development and the strengthening of the family (Shukri 1999). Gender awareness of housing policies directed towards the Arab sector reveals the intentional and unintentional consequences of state policies and their different effects on women. A background discussion situates Givat Faradis in place and relates to its history. An in-depth account follows, of the experiences of women in Givat Faradis, focusing on their opinions and based mainly on interviews with two women residents. The analysis then considers the encounter between Givat Faradis and Faradis, and how Givat Faradis is seen in relation to Givat Eden, the Jewish neighborhood across the ravine. Finally, the women’s experience as derived
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from their place of residence is considered in relation to their contradictory and mediated civil status as Palestinian women, citizens of a Jewish state, and living in a patriarchal society. 2 The town of Faradis Faradis is located two kilometers north of the Jewish town of Zichron Yaacov on Highway 4 half-way between Tel Aviv and Haifa (see figure 1). It was established in 1889 by Bedouins of the Al-Awarna tribe, on the remains of a RomanByzantine and a medieval settlement. Its name derives from the Arabic word Faradus, meaning a small garden of citrus trees – Paradise, the Garden of Eden. Faradis was the only Palestinian settlement that remained in the area after the 1948 Arab-Israeli war,3 when hundreds of refugees from demolished villages in the region joined its 900 inhabitants. It officially became a Local Council in 1952, following the establishment of the State of Israel. However, it was only linked to Israel’s electricity network in 1961 (Al-Saad 2000, Bitan 2004). Figure 1:
Location map
Source: author’s drawing
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The 1948 war is the first in a series of battles fought between the newly declared State of Israel and its Arab neighbors in the long-running Arab-Israeli conflict. It commenced at the termination of the British Mandate over Palestine in mid-May 1948 and ended in July 1949 (see also: Gelvin 2007, Tal 2004).
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In the annual classification of municipal councils4 conducted by the Israel Central Bureau of Statistics, Faradis is ranked in cluster 3 (out of 10), indicative of its low socio-economic status. The entire population is Muslim, of which half is under the age of 18. Most of the 9,500 inhabitants are employed in agriculture or industry in nearby Jewish settlements. Women work mostly as domestic helpers in Jewish households or in agriculture. Sixty-six percent of the women and fortyfour percent of the men are unemployed, and the women who work earn half the wage of the men (Central Bureau of Statistics 2003a, 2006). Faradis’ women, however, are in a better position compared to other Arab women in Israel, of which only ten percent are in a full-time position, eight percent are only partly employed, and eighty-two percent are unemployed, mostly due to lack of jobs around their place of residence (Bior 2009). The total area of Faradis is 2.732 sq. km. The built area is less than thirty percent of the total area (only 0.778 sq. km). Sixty percent of the total area is public land, owned by the State and managed by the Israel Land Administration. Only forty percent is privately owned, mostly by the Mer'i Family, the largest of the original clans, along with three other families, amounting to about twenty percent of the population. More than seventy percent of Faradis' residents arrived as refugees in 1948 and own no land at all, which causes a severe housing shortage throughout Faradis’ seven residential neighborhoods.5 Living conditions are poor. The average household size is 5.2, while the average household size in the Jewish sector is 3.1. Residential density is very high, with net built-up density of ten units per dunam6 (Al-Saad 2000, Central Bureau of Statistics 2003b). Commercial facilities, public services, and municipal institutions are located mainly in the old center of Faradis, near the main entrance. This area, built mostly before 1948, is a dense conglomeration of narrow winding paths lined with housing compounds of three- or four-storey structures, with some parts not officially regulated and legally subdivided. 3 Constructing Givat Faradis Givat Faradis, built on the hill above the old town, is connected to the old town by two access roads, one via the old center and the other a bypass.7 Its area of 4
5
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The classification of municipal councils uses clustered indicators, such as demography, standard of living, schooling and education, employment and unemployment, and benefits. For details see: CBS website at http://www1.cbs.gov.il/www/publications/local_authorities2003/local_authorities _e.htm Data based on an interview with Ahmad Al-Ghani, Welfare Department Head, Faradis Local Council, October 2002. One dunam, an Ottoman measurement, equals 1,000 sq. meters. The bypass, not yet opened, prevents the neighborhood’s full construction, which was to be completed by 2008.
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0.541 sq. km is almost the size of the built-up area of Faradis. But in order to maintain the new neighborhood’s low density, Givat Faradis’ population is planned at less than half the population of Faradis, which should also help to maintain physical separation from the old town. However, the vast public facilities and open spaces are intended, when completed, to provide the missing social services and amenities for the old town, including the currently almost nonexistent recreation areas and public institutional services. The Givat Faradis plan was initiated by the official State agencies in 1993, accepted into the Faradis Master Plan in 1994, and authorized a year later. The Israel Land Administration put up half of the land,8 the local council negotiated the plan with the local people, and the regional planning committee was the engine that set the whole process in motion. Since half of the land was state owned, administrated by the Israel Land Administration, and the other half privately owned by local families, the local council had to negotiate the plan with the landowners. However, a basic premise of the plan from its outset was that people with no private land in need of housing, would receive priority. The initiation of the process was affected by the optimism in the wake of the Oslo Accords9 and the feeling among Arab-Israelis that State authorities were finally willing to address their needs. However, ironically, approval of the plan after so many years was also due to the speeding-up of authorization processes in the early 1990s, which intended to initiate construction to provide housing for the large wave of immigrants from the former Soviet Union. As a semi-urban development, Givat Faradis adheres to the ’Build Your Own Home‘ (BYOH) scheme. BYOH was launched as a semi-privatization housing scheme in the late 1970s, a counterpart to two decades of publicly developed multi-family apartment buildings. It has been supporting an emerging middle class sector and encouraging suburbanization processes by allowing the construction of privately built detached or semi-detached houses on state-owned land. Givat Eden, an extension of Zichron Yaacov on the hillside that overlooks Faradis is a typical Jewish BYOH neighborhood. With its white houses and red roofs set in green and carefully tended streets it served as a paradigm for residents and planners of Givat Faradis alike. Givat Faradis is one of the first BYOH projects in the Arab sector. A serious attempt was made by the authorities to adapt its planning and construction to 8
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Half of the land on which Givat Faradis is built is State owned, administrated by the Israel Land Administration, and the other half is privately owned by local families. The Oslo Accords mark the first direct, face-to-face negotiation between the state of Israel and the Palestinians authority. They intended to delinate the future relationships between Israel and the anticipated Palestinian state. The Accords were officially signed at a public ceremony in Washington D.C. on September 13th 1993, in the presence of PLO Chairman Yasser Arafat, Israel Prime Minister Yitzhak Rabin and U.S. President Bill Clinton. (see: Gelvin 2007, Hill 2008)
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the Arab culture and to the requirements of its Israeli-Palestinian inhabitants. It is based on privately developed housing, but differs both from the self-help housing developments so common in the Arab sector (Meyer-Brodnitz 1994) and from the BYOH patterns in the Jewish sector. Its main goal was to retain the custom of patrilocality, in which young married couples live near to the husband’s relations in a home provided by his family (Abou-Tabickh 2008, Sa'ar 2001). Sales in Givat Faradis were per unit (four to six units per lot) instead of per lot, which is the standard practice of the Israel Land Administration in Jewish BYOH projects, where severe land use and density restrictions prevail. In Givat Faradis, a house could be divided into separate levels, thus making building costs divisible and allowing each owner to proceed according to needs and economic situation. Thus, a lot with two or four buildings can be owned by brothers or other relatives, who either share building costs or divide the costs and build individually, employing the same architect or engineer.10 Figure 2: Development plan of Givat Faradis
Figure 3: Givat faradis typical sections
Source: Levin 2004
Source: Levin 2004
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The services of an architect are not mandatory for acquiring building permits for small residential structures, and many builders tend to use an engineer to deal with structural issues. However, using an architect has now become a ‘status symbol’.
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The layout of Givat Faradis follows the local topography (see figure 2). Streets are curvilinear, unlike the haphazard layout of the old town. Building lots are usually long and narrow, intended for two buildings per lot. Two housing types are permitted: (1) high buildings of four storeys on the hilltop; and (2) terraced buildings, with no more than two floors per section on the lower slope. This allows for as many buildings as possible to enjoy the view (see figure 3). However, although the plan creates the illusion of a spread-out neighborhood, and regardless of careful considerations of the layout, actual density is quite high – net built-up density equals 7.5 units per dunam. In the nearby Jewish Givat Eden, the net built up density is only 2.3 units per dunam (Central Bureau of Statistics 2003b). The density and size of buildings have affected the building typology of Givat Faradis, making it quite different from the spread-out, detached homes of the typical Jewish suburban BYOH scheme. The combination of a suburban infrastructure (wide roads and sidewalks) and urban housing typologies (fourstorey houses in close proximity to each other) makes Givat Faradis look quite urban. Figure 4:
A typical view of Givat Faradis
Source: Levin 2004
Despite strict design codes specifying building size and density, built-up volume and shape, number of storeys, set-backs, roof geometry, finishing materials, and
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even types of fences, gates, planting and outdoor fixtures, most of the buildings in Givat Faradis do not adhere closely to these guidelines. The buildings vary in shape and volume. Typically, they have a vertical element indicating a staircase, and many protruding or recessed balconies (see figure 4). The arch is common to doors, windows, niches, balconies and fences, and many buildings present illustrations of the Dome of the Rock11 and/or verses from the Koran on their facades. Although they conform to the norms of the State of Israel and adapt to the Israeli culture and way of life, the new neighborhood is, for its residents, a way to reconnect with their Arab identity. Through their everyday lived experience they maintain their ethno-national identity, preserving their Palestinian heritage in present-day Israel. Their hybrid reality is evidenced in their way of life, their dwellings, and their residential environment, represented in the formal architectural language and spatial characteristics derived from their socio-political status and their proud Palestinian heritage. 4 Living in Givat Faradis Talking to women who recently moved to Givat Faradis has allowed better understanding of the experience of living in the new neighborhood. Women were asked about their daily routines and experiences in order to evaluate the difference of life in Givat Faradis from that in their previous place of residence. They were asked about the building of their houses, how the lot was purchased, who designed the house, how construction was handled, and what they thought of the process, the results, and life in their new home and the new neighborhood. The discussion often included a guided tour of the house and an explanation of its various features – the interior layout, selection of materials, details, etc. We asked what they like and/or dislike about the house and about the new neighborhood. We were also curious as to how the women perceive themselves as Arab Palestinian women who grew up and live in Israel, whether and how their identity is shaped vis-à-vis their place of living. All these elements were discussed in the women’s homes, usually outdoors on a balcony overlooking the view. In most cases, family members or friends were also present, in which case the conversation usually became more personal and intimate only while touring the house and the women were alone with us. The conversations were largely unstructured, but were guided by a set of prepared questions.
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The Dome of the Rock is an Islamic shrine located in the Haram-al-Sharif (Temple Mount) in Jerusalem, and a major religious and symbolic landmark.
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Amal12 Amal is a lawyer practicing her own law firm in Faradis. She is in her early thirties, married and has two daughters aged four years and one year. Her house, one of the first to be built in the neighborhood, is adjacent to that of her brother-inlaw, in the same 800 square meters lot, divided in half for the two houses that are similar but not identical. The two houses, in the second interior row and not in the first terraced tier, face the Mediterranean Sea view. Amal’s house is a detached three-storey building, of which the main entrance is on the second level, reached by external steps from the street. The house is plastered and finished in a beige tone. The interior includes a kitchen and adjacent dining area, a large formal living and a smaller family room on the entrance level, three bedrooms and an open space on the second floor, utility rooms in the lower level and the basement. The formal living room contains large leather couches and is used only for ceremonious gatherings and formal guests and not for everyday needs. According to Amal, most of the home activities occur in the kitchen and the adjacent family room. The formal living room, containing large leather couches, is used only for ceremonious gatherings and formal guests. Amal is not completely happy with the layout and says it would have suited her better if the kitchen had faced the view and connected to the outdoor terrace; and if the formal livingroom had faced the interior and her brother-in-law’s house. As it is, she says, the formal living-room is used only twice a year, during the holiday season. Casual visitors either sit in the dining area, where they can talk to her while she is in the kitchen, or in the outdoor terrace that is not adjacent to the kitchen. In retrospect she feels the house is too big and it shouldn’t have used the whole lot. As is customary among the Arabs, where men build houses as a sign that they are ready to marry, Amal’s house had been designed before she met her husband, so that she could only make a few alterations in its design. She insisted, for example, on adding a guest bathroom at the entrance level, made a couple of changes in the kitchen, and changed the location of the washing machine. She says that neither her husband nor the (male) architect were keen on these changes. In retrospect, she feels that she should have been more involved in the design and more persistent in her demands for changes. She believes she knows better than the architect or her husband about the day-to-day functioning of the house and should have taken a stronger initiative. According to Amal, the new neighborhood has brought back Faradis people who had left for other Arab towns, Haifa, or even Zichron Yaacov. It gave them the opportunity to build houses, which was previously not possible due to lack of land. Amal welcomes these changes and notes that Givat Faradis allows its new 12
All interviewees have been given false names.
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residents to feel once again part of Faradis. Givat Faradis, she says, offered new possibilities for residents to improve their living conditions, though she feels that the price of the land was too high, providing only the better-off. Families tried to stay close together, though the land allocation did not always allow for this, often making financial and familial sacrifices. In general, Amal feels that, although the neighborhood is a great achievement for the Arab sector, it could have been better utilized to house people with fewer means. It should also have been better organized, and the guidelines better enforced. She says that there are many buildings like the house opposite hers, where two extra storeys that block her view have been added. She thinks that, ultimately, the neighborhood will look exactly like old Faradis because nothing has been done apart from planning, and because the mentality of the inhabitants has not changed. In her opinion the inhabitants do not adapt to the requirements of formal planning or the modern way of life. As regards her own situation, Amal is relieved to be living away from her husband’s parents, even though, according to her, that is far from the norm in Faradis.13 She explains that the distance prevents her from being watched too closely and criticized. Nonetheless, her house is built next to that of her brotherin-law on a shared lot. This is particularly inconvenient for her because her brother-in-law is a very religious man, so that, according to custom, they are not allowed to talk to each other. She accepts the situation and is not offended, but her dissatisfaction is evident in the way she describes the alterations she would have made to increase her privacy, had she had more control over the design of her house. Amal’s desire to distance herself from the old generation was already clear to her when she was much younger. She left her parents’ home when she was in 12th grade and moved to Haifa to live with her older sister. When she finished high school she went to Jerusalem to study law at the Hebrew University, and later lived for three years in the UK, attempting to leave behind the suffocating tradition. When first married, she and her husband lived in a rented apartment in Zichron Yaacov before moving to Givat Faradis, even though they had to pay a much higher rent than they would have paid had they lived with her husband’s family in Faradis. The separation from the family gave the young couple greater control over family visits and more independence. As Amal says, living in Zichron Yaacov allowed her to escape criticism about her function as a mother and a housewife. Unlike her parents who raised seven children, Amal wants a small family. As a young professional woman, she is building both her family and her career. 13
Amal’s wish to distance herself from her family is not unique. A study of female Arab students found that, after marriage, most of them (54 %) wish to live away from their parents, and even more (74 %) prefer to live away from their in-laws (Fogiel-Bijaoui and Bachar 2003).
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But she is experiencing two kinds of difficulties. As a female lawyer in a maledominated religious society, it is difficult for her to advance her career, and the criticism of her husband's family does not help. As she says: “I don't meet many women at work because men usually take care of legal issues and many people prefer to go to a male lawyer. What makes it even harder is that many people think that only I should take care of my kids, not my husband … that’s why I preferred living in Zichron Yaacov.”
Living in Zichron Yaacov enabled Amal to separate her nuclear family from the extended one, and to develop her own career. It allowed her to construct her own identity without family ties and social pressures. Amal says that their Zichron Yaacov apartment was small, and when their first daughter was born they had to look for a larger place. They would have liked to stay in Zichron Yaacov, but buying property in a Jewish town was difficult for an Arab couple. The move to Givat Faradis has enabled them to continue to live apart from their family, even though family pressures and involvement still exist. Thus, living in their own house is certainly nicer than being cramped in a small rented apartment, but Amal still yearns for their time in Zichron Yaacov. The new neighborhood has created more housing opportunities in Faradis and thus allowed partial separation from the hamula (extended family). Amal is grateful for that. However, by encouraging families and relatives to share a lot, extended families do own and build together, thereby actually maintaining the patrilocal status quo. This supports claims that the State of Israel actively preserves the traditional Palestinian societal structure (Lustick 1980, Rosenfeld 1969), which, as Manar Hasan (2002, 2005) argues, encourages traditional mores in the Palestinian society that affect especially women. Amal, however, sees the State of Israel, or at least its culture, as a positive influence on the Palestinian society. The considerable independence of the women of Faradis, according to Amal, derives from the town’s relative isolation from other Arab towns and the fact that it is surrounded by Jewish settlements. She disapproves of the traditional Arab costumes, and seems to favor the westernizing effect of Jewish settlements on the Arab town. She would prefer Faradis to be like a Jewish settlement. For her, living in Givat Faradis – so similar yet so different from Givat Eden across the ravine – is a way of becoming like the Jews in general and those of Zichron Yaacov in particular. In the way she insists on having her own professional practice, Amal demonstrates a personal agency in a male-dominated environment, which Amalia Sa’ar (2007) associates with the particular location of Israeli-Palestinian women in a structurally contradictory place. This, Sa’ar maintains, causes them to suffer multiple oppressions, while also evincing impressive presence and achievements. Sa’ar claims that this struc-
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turally contradictory location is what fuels the dialectics of power and disempowerment so silent in the women’s collective story. In actual fact, however, the way Givat Faradis is planned and implemented, though it may support Amal’s whish to see it as a form of modernization, can hardly be seen as encouraging women’s liberation. The typology of detached or semi-detached houses promoted by the BYOH scheme focuses on the private home and pushes women deeper into their traditional domestic role. As widely argued by Wright (1981), Silverstone (1997) and others, suburbia has created separate spheres for men and women, in which the home insulates middle-class women against the hazards of city life, and consigns them to the maintenance of domesticity. The argument that urban settings allow women more choices and greater opportunities (Wilson 1991) is supported also by the findings of studies on Palastinian women in Israel. In the context of Palestinian women in Israel, Herzog (2005) argues that mixed town, and especially metropolitan cities like Haifa and Jaffa, while obviously featuring some disadvantages for Palestinian residents, offer women space of choice away from the pressure of their kinship and traditional communities. Herzog shows how women living in these cities enjoy less social control and broader individual and social freedom. Despite other writings that see the suburbs as potential arenas for diversity and differences (e.g. Dowling 1998), Givat Faradis, adopting Jewish middle-class suburban norms, can thus hardly be seen as enabling Palestinian woman women in Israel an escape route from tradition. Could it accommodate single mothers, gay couples, or divorcees? Samira Samira is older than Amal, married, the mother of five daughters and a son. She works as a domestic helper in Zichron Yaacov. Her oldest daughter is married and lives in Faradis, and her second daughter is about to wed. Her house on the northern slope faces the hills. It is one of two houses on a 700 square meter lot intended for four nuclear families. Each house has two-storeys and is intended for two families, each with a separate entrance. Samira’s house has only one storey at the moment, but there will be another level with a unit for her son, for which an external staircase is already built. The other house is owned by a nephew and a niece, and is connected to hers by a shared covered parking area. Samira’s house has a large balcony in the front, approached by steps from the street. The steps are grandiose, but the house itself is modest – 110 square meters on a single level. From an entrance hall one enters a kitchen to the right and a living room to the left, with a den and three bedrooms at the rear. Samira is happy with the layout, especially with the balcony because there was no outdoor space in her previous home.
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For 23 years after she got married, Samira lived with her husband’s parents in Faradis. Her husband, the youngest son, lived with his parents as the inheritor of the family house and she, as his wife, was exptected to move in with him. She had no property of her own. Abou-Tabickh (2008) maintains that differential inheritance makes men the sole inheritors of land and private property, and forces women to live with their husband's family. However, as Rosenfeld (1964: 29-30) explains, by leaving the inheritance in her brother’s hands, a woman maintains her connection to her father’s household, and this can be useful if her marriage fails. If she takes the inheritance it becomes her husband’s property a disadvantage if she wants to get out of the marriage. His mother’s death enabled him to sell the family house to another relative and move to Givat Faradis. Samira considers the move to her own house as a major improvement, especially when she recalls the overcrowding and pressures of the old house, where four sons and their families lived together under one roof. She says the hardest thing was the constant interference by relatives. It affected both her children and her husband, who used to sit in the town café until midnight to avoid the pressure in the house. Now that they have their own place her husband stays home and invites his friends over. Samira feels that the main benefit and her most important achievement since the move to Givat Faradis is the fact that after many years of being a housewife, she got a job. Lately she has taken on domestic work in Zichron Yaacov. Even though her husband objects and sees it as a disgrace, her job allows Samira a degree of economic independence. She has even got a driver license and had bought a car. Most importantly, as a working woman she feels she can provide better for her children and gain their respect. As she says: “I have my own money now and I buy whatever I need and what the kids want without asking my husband for money. It relieves the pressure in the house. The children help. My daughter, for example, prepares the food so when I get back from work I can rest.”
However, unlike Amal, Samira does not consider herself as part of the liberated "young generation". She feels she belongs to an older generation where women‘s rights are not taken for granted. She has to stand up to her husband and defend her rights and autonomy, especially in regard to her job. She considers her new autonomy as directly related to the move to the new neighborhood. Givat Faradis has given her new opportunities that had not existed in the old town. Thus, even though housing arrangements still maintain patrilocal residence with extended families, Givat Faradis makes room for change, enabling Samira to insist on control over her life and gain autonomy. Yet, regardless of her hard-gained achievement, she sadly admits that her daughters' future will probably be similar
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to hers. They are getting married with no professional education, although she has tried to convince them otherwise. Their choice indicates that although they live in a “new world” and Samira has, to some extent, transformed her own life, there is no basic change in the traditional Arab perception of the woman's role. It can be argued that Samira, like Amal, shows some signs of personal agency in her insistence on gaining economic independence. But, as Sa’ar (2007) argues, Israeli-Palestinian women are subjected to several gendered regimes simultaneously, all of which are strongly patriarchal, albeit in different ways. The gendered character of these various regimes assimilates them and facilitates collaborations, as Hasan (2002) also shows. But at the same time, Sa’ar maintains that the ethno-national component sets the power regimes against one another and this is what allows women some very important freedom. For Samira, as for Amal, Givat Faradis is a different world from that of the old town. But the change is not merely in living conditions. What Samira enjoys, away from Faradis, is what she sees as western modernity – “like the USA”, she claims. She wants a “clean, tidy” neighborhood and, like Amal, she sees Givat Faradis as offering a higher standard of living. The two women clearly state that, like the Jews, they want and deserve to live in a neighbourhood that is well taken care of. Distancing too is seen as an opportunity for change. Thus, adopting the formal planning provided by the State is, for these women, a form of passive resistance to their own world. Whereas Faradis symbolizes the old-fashioned, patriarchal Arab world, Givat Faradis symbolizes progress and liberation. With its wide streets and large houses, Givat Faradis is an alternative to the traditional space of Faradis. It symbolizes an achievement for the Palestinians living in Israel, which for the first time have been able to build their own homes on state’s owned land,14 with state-assisted planning, infrastructure development, public amenities, and financial subsidies. While apparently adapting to the codes of modern urban development, Givat Faradis’ hybrid architectural styles countermand enforced standardization. This hybridization imitates the modern architectural codes and western values of the Israeli planning system while maintaining the Palestinian aesthetic. Its embodiment of the residents’ identity and their ethno-national affiliation offers quiet resistance to the dominant Israeli culture, even though the women we talked to insisted that Givat Faradis helps them to become integrated in that culture. However, Givat Faradis can also be seen as a way to preserve the traditional structure of the Arab society. Hasan (2002) suggested that the traditional values of the Arabs in Israel have been supported by the state for its own political rea14
This in itself poses a dilemma for Palestinian living in Israel, since state-owned land is often perceived as originally Palestinian (Yiftachel and Kedar 2000).
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sons. She argues that maintaining and even strengthening the patriarchal clan has been a cornerstone of the state’s policies concerning the Palestinian population of Israel. Supporting traditional values helps the government to upkeep the community’s elders against social transformations that undermine their authority and threaten their stability. Rosenfeld (1969) also argued that the Israeli government has supported patriarchal leadership for its own benefit, to maintain the traditional structure of Arab society. Lustick (1980) pointed out similar governmental strategies of control, as did Eyal (2006). Thus, a new neighborhood constructed in accordance with traditional patterns could be seen as a way of maintaining traditional mores in a modern setting. As the women themselves maintain, with all its advantages, Givat Faradis is not enough to bring about real change. Although it is perceived as a step in bringing Faradis closer to Zichron Yaacov – “making it more ‘Jewish’”, neither of the women believes that Givat Faradis will ever be like Givat Eden. They believe that a new neighborhood cannot solve the deeper problems of Arab society, even though it alleviates the hardships of daily existence. Amal and Samira feel that nothing has really changed, that a better quality of life and nicer homes might even be simply another way of trapping women in their domestic space. Arabs, they say, will continue in the old way as long as their society’s values are maintained. Eventually, they say, Givat Faradis will become like old Faradis. Regardless of their criticisms and comparisons with the Jewish sector, neither Amal nor Samira (or other people with whom we talked) have any doubt about their national identity. As other researchers have noted (e.g. Shafir and Peled 2002), the residents of Givat Faradis see themselves as both Palestinians, related to the Palestinians in the occupied territories, and Israelis, Arab citizens of the State of Israel. They feel, however, that as citizens they do not receive the same rights as the Jewish population and believe that as Israelis they deserve equal rights in all spheres of life. The first Palestinian Intifada (uprising) in 1988 and the Oslo Accords in 1993 have re-aroused Palestinian identity among the Israeli Arabs (Kimmerling and Migdal 2003). However, the second Palestinian Intifada and the subsequent October 2000 incidents15 have had strong impact on the Arab’s citizenship discourse. Those events exposed the ongoing discrimination against Palestinian citizens of Israel, creating a crucial identity crisis of disillusion (Rouhana and 15
In September 2000, while Givat Faradis was under construction, the second Palestinian Intifada broke out following Ariel Sharon’s visit to the Temple Mount in Jerusalem. Palestinian Israelis joined the Palestinian struggle in the Occupied Territories. In October 2000, demonstrations and protests broke out all over the country, and main roads and highways near to Arab towns were closed, including Highway 4 at Faradis. Israeli policemen, using force considered inappropriate, were responsible for the death of 13 Israeli Palestinians, creating despair and frustration amongst Arabs and Jews alike (Rabinowitz and Abu Baker 2002).
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Ghanem 1998, Yiftachel 1999). Amid the widening schisms within Israeli society (Peres and Ben-Rafael 2007) and, in particular, a growing awareness of their Palestinian identity, many young Israeli Palestinians could no longer tolerate the ongoing discrimination. Rabinowitz and Abu Baker (2002) called them the “Stand Tall Generation” as opposed to their parents – the “Weary Generation” and their grandparents – the “Surviving Generation”. This third generation of the “Arabs of 1948” did not witness the Palestinian Al-Nakba16 at first hand, are better educated (Al-Ha 2001a) more politically aware (Rouhana 1989, Smooha 1990), and ready to fight for their rights (Kimmerling and Migdal 2003, Rabinowitz and Abu Baker 2002, Samooha 1992). According to Majid Al-Haj (2001b), the events of October 2000 were not a turning point in Jewish-Arab relations. Rather, they were the expression of a crisis that has been building up since the peace process began, locating the Palestinians in Israel as marginal to both Israeli society and the Palestinian national movement. The situation has been aggravated by the second Intifada, causing many Israeli Arabs to belatedly rediscover their Palestinian identity. In that respect Givat Faradis is yet another aspect of the struggle of the 'Stand Tall Generation' (Rabinowitz and Abu Baker 2002). It represents not only a struggle of the Israeli-Palestinians for their long due citizens’ rights, but an attempt to reconceptualize the “Arab village” and reinvent it against hegemonic control (Eyal 1993). Although as a residential environment Givat Faradis is less politically visible, it is, nonetheless, a mode of resistance through participation (Bhabha 1996), challenging the social, economic, and spatial exclusion of Palestinians in Israel. However, the women we talked to, although proud of their Palestinian heritage, see their personal identity as divorced from the ethno-national conflict. These women struggle to become part of the Israeli society and to secure what they are entitled to as citizens with equal rights. But, sadly, their conflicted status as Palestinian women living in patriarchal society limits their aspirations. Their marginalization, shaped by structural tensions between the family, the state and the ethno-national community, limits their rights to land and housing. Their subordination is ruled by societal norms, but is further reinforced by state practices, which supports the patriarchal culture that denies them freedom and equality. Furthermore, the women of Givat Faradis are also restricted by their own middle-class aspirations and their attempts to imitate prevailing western (Jewish) residential patterns.
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The Arabic term for disaster or catastrophe, used in the context of the 1948 Arab-Israeli war.
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5 Conclusion Givat Faradis exposes the tensions between formal and informal norms, where traditional values coincide with a contemporary way of life and aspirations for modernity and progress. This dialectic, especially for Israeli-Palestinians, involves dilemmas about formal planning. The pros of planned infrastructure and long-desired residential comfort; and the cons such as concessions of private land and zoning enforcement, underline the conflict between the state and its Palestinian citizens. Givat Faradis has adopted the Israeli codes of ‘modern’ and ‘western’ planning. It promotes the sanctity of privacy, of large, detached suburban homes that are often questioned in terms of gender benefits (see for example Dowling 1998, England 1993). Planning officials have shown much flexibility in trying to adjust western planning norms to what they perceive as Faradis residents’ special needs. But are these adjustments actually beneficial for women? Do they allow women to challenge the traditional lifestyle of the Arab social norms that confine women to the home? As in any BYOH neighborhood, the residents of Givat Faradis can build their own houses, but only according to strict building and design parameters. But, unlike similar Jewish settlements, Givat Faradis adheres to the patrilocal convention, allowing extended families to share a lot and thereby maintain their socio-cultural tradition. How does that help women in their dual trap as Palestinian citizens of a Jewish state and as women in a Palestinian peripheral society? The adjustments made to the BYOH scheme in Givat Faradis, attempting to adapt it to Palestinian socio-cultural needs (or perceived needs) maintain the patrilocal customs that are still a major obstacle on the route to women’s liberation. Amal, a modern professional woman living next to her brother-in-law, with whom she cannot communicate, is an example of this repressive residential pattern. Furthermore, the housing typology of the BYOH scheme, although considerably denser in Givat Faradis than in similar Jewish developments, sanctifies the private home and pushes women deeper into traditional roles, even though the new neighborhood has enabled the women to distance themselves from their extended families. As in the case of Samira, the liberating nature of Givat Faradis allows women more privacy and a sense of independence. But, both Amal and Samira are located in a structurally contradictory place that causes them to suffer multiple oppressions by various regimes; the family, the state, and the ethno-national community. Nevertheless, despite, and perhaps because of the nature of these contradictory regimes, both of them achieve some degree of personal agency that allows them considerable freedom. But the attempt to imitate prevailing western (Jewish) residential patterns keeps the women we talked to in traditional gender roles. Within the boundaries of tradition (i.e. adhering to patrilocal customs) and in line with suburban values, Givat Faradis fails to liber-
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ate them, even though the traditional structure of their society is challenged by a wider choice of housing.
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Women and Housing in Japan1 Misa Izuhara and Yosuke Hirayama
1 Introduction In post-war Japan, the housing system which encouraged an expansion of home ownership has been closely linked to the ‘male breadwinner family’ model (Hirayama and Izuhara 2008). In this model, marital status has been the key determinant for women’s housing access and circumstances. The majority of women have lived in ‘husband-earned housing’ as a ‘family place’ without owning their own housing assets. This has formed a normative and pervasive pattern in terms of housing acquisition and family formation in post-war Japan. Unmarried women, who have constituted only a minority group, are however currently increasing rapidly in number. Single women have been confronted with noticeable disadvantages in accessing the housing and mortgage markets and thus their housing opportunities have substantially been restricted. The distinctiveness of Japan’s welfare approach in comparison with Western countries and other East Asian countries has increasingly been debated (Esping-Andersen 1997, Holliday and Wilding 2003, Peng 2000). However, there is no doubt that the profile of Japan’s welfare mix has been characterised by smallscale state welfare provision and an explicit reliance on reciprocal welfare within families and the private ownership of housing. Individual membership of mainstream society has also been defined by a combination of establishing a family and owning a home (Hirayama 2003). It is in this context that Japanese women’s housing situations need to be understood. Marital status has been a key driver for differentiating women’s housing opportunities not only in Japan but also in many other countries. However, the large extent to which married and unmarried women are divided in housing securing along with the development of ‘husbandearned housing’ is a feature distinctive to Japanese society. Gendering of home ownership and differentiation in housing opportunities within female groups should not and cannot be assumed as a ‘natural’ or ‘essential’ phenomenon but is socially constructed by various social policy and practice. Labour policy, the taxation system, social security institutions as well as housing policy has effectively combined to produce a particular pattern of hous1
This chapter draws on research on ‘women and assets in Japan’ funded by the Institute for Research on Household Economics, Tokyo, Japan. The authors were members of the project team.
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ing and family life in Japanese society. Social and economic changes in recent years have however begun to redefine women’s role in housing acquisition. This is largely due to housing market volatility, changes in household formation, and women’s increased education attainments and labour market participation, which coincides with destabilised male employment and income. An increasing number of women with higher job positions and income status now own a share of their residential properties. It is therefore important to examine both continuity and change in women’s situations regarding housing. This chapter explores women’s housing conditions in Japan. After describing the research methodology that gives information on the empirical part of this chapter, a framework to explain the way in which public policy has impacted on women’s housing circumstances is provided. And then it roughly divides women into two groups for analysis – married women and non-married women; and examines their ‘housing fortunes’ according to their marital status. It examines the housing conditions of married women first to highlight the pervasiveness and structure of conventional ‘husband-earned housing’. It then moves on focusing on the disadvantageous positions of unmarried women in housing opportunities before concluding the chapter with some considerations to the social implications of women’s housing situations. 2 Methodology This chapter draws empirical evidence from a survey conducted in 2004 among women aged between 25 and 54 in Japan (for full reports, see the Institute for Research on Household Economics 2006a, 2006b). The survey questionnaire covered a wide range of issues, not only women’s housing assets holding but also their financial assets including individual savings and pensions. The sample was randomly selected across the country based on the Basic Resident Register to avoid bias in terms of age and residential areas. Out of 3,676 samples 2,205 responses were received (a 60 % response rate). Different categorisations were used for analysis to address the issues relating to individuals’ assets. In general housing statistics, there has often been a tacit assumption that housing is an issue at the household level, and thus the majority of housing research has been conducted among households as a unit. We therefore conducted a two-layered analysis – one at the household level (in order to compare and contrast our results with the national data), and another at the individual level (to highlight women’s own asset status). The analysis focuses in particular on the asset profile of individual women in overcoming conventional limitations. Despite efforts to reflect national characteristics, there was a certain bias attached to our samples. Compared with census data, our sample included: (1) a
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smaller percentage of those in their twenties; (2) more married samples (82 %); and (3) a smaller percentage in smaller households (the average household size was 3.9 people in our data compared with 2.7 in the census). The bias resulted in more conservative outcomes and also the research was not able to capture well the experiences of single women and single households. For this chapter, the limitation of the survey results is supplemented by other research to highlight changes in this area. 3 Public policy and women’s housing condition This section explores how various public policies have strengthened the link between the ‘male-breadwinner family’ model and access to home ownership, which has been one of the foundations shaping Japan’s post-war society. There are various policy measures that determine and differentiate women’s housing fortunes. In particular, policies relating to family formation, labour market operation and housing provision can be identified as key instruments. 3.1 Promoting particular household types A particular set of public policies, which constitutes the category of family policy, has consistently encouraged people to form a conventional nuclear household. This was assumed to be an effective substitute for the minimal expansion of public welfare provision. In the Japanese labour market the status of women has been much lower than that of men in terms of employment security, promotion opportunities and remuneration. For women, thus marriage has been the almost only means to obtain their economic security. Nuclear families benefit fully from the existing family-related systems and have been able to access home ownership relatively smoothly. This means in turn that non-conventional households are largely at the disadvantaged position when entering the owneroccupied housing sector. Tax and social security systems, which have been policy measures to facilitate the establishment of families, have prioritised their protection of conventional households. For example, married women, who earn less than 1,300,000 Yen (¥) (ca. € 9,000, £ 7,750)2 annually, are provided with an entitlement to a basic pension (through their husband contribution) without having to make extra contributions, while those whose annual incomes are ¥ 1,030,000 (ca. € 7.200, £ 6,100) or less assist their husbands in qualifying for income tax deductions. This has notably advantaged those who are married and has led many women to maintain the status of dependent wives to maximise their economic benefits (Nagase and Murao 2005, Yokoyama 2002). 2
1 EUR (€) = 131 ¥, 1 GBP (£) = 155 ¥ (August 2009).
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Japanese society has been referred to as a ‘company society’ where the corporate sector has played a significant role in providing welfare to form a model of the ‘company as a family’ (Fujita and Shionoya 1997). The government has encouraged the provision of corporate-based welfare to avoid expanding the direct provision of public welfare. Within the framework of the ‘company society’, major companies have provided employees with a range of occupational welfare, including housing welfare such as company housing and dormitories (Sato 2007). This has further reinforced the ‘male-breadwinner family’ model. Large corporations have provided rent subsidised housing and family allowances to their male employees whose wives earn ¥ 1,030,000 or less, or less than ¥ 1,300,000, in line with the tax and social security systems. Male employees with dependent family members are able to utilise low-interest company loans to purchase houses as well. In terms of young unmarried employees, many companies provide again male workers with company dormitories and rental subsidies. Young females are often considered as temporary workers and employed on the condition that they commute from parental homes and they are then expected to leave their job after marriage or childbirth. Despite the fact that family policy has advantaged conventional married households, the number of unmarried women has continuously been on the increase. This means that an increased number of women are in the disadvantaged position and are not protected by available policy measures. According to the Population Census, between 1980 and 2005 the rate of unmarried women rose from 26 % to 62 % for the 25-29 age group, and from 22 % to 37 % for the 3034 age group. Unlike some Western societies, cohabitation by non-married couples is still uncommon in Japan, although such couples are also on the increase. The percentage of unmarried women at the age of 50 and over, who are defined as ‘lifelong never-married’ in the Japanese statistical term, rose to 7 % by 2005. This figure is expected to further increase if the unmarried rate among current young people remains high. While the divorce rate is still lower in Japan than in many Western societies, the proportion of divorces to marriages rose from 18 % in 1980 to 37 % in 2005. The percentage of conventional nuclear households, consisting of a married couple and their children, decreased from 40 % in 1985 to 34 % in 1995 and then to 30 % in 2005. The changes in household formation are particularly noticeable in urban areas. For example, in Tokyo in 2005 the rate of unmarried women was 43 % for the 30-34 age group; the rate of ‘lifelong never-married women’ was 13 %; and the percentage of nuclear households was as low as 26 %. With the growing influence of neoliberal ideas, there have been some changes in family policy such as promoting the individualisation of social security benefits. The introduction of a new pension system, which enables divorced
Women and Housing in Japan
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couples to split their entitlement to the earnings-related portion of the former husband’s pension, started in 2007. A research committee within the Council for Gender Equality (2002) recommended that the systems of taxation and social security should be transformed towards individualisation. According to the committee, current systems based on the ‘male breadwinner family’ model do not support people’s free choice in terms of household formation but has led many women to choose particular patterns of family life. However, the focus on individualisation by social security policies has been minimal while the traditional policy to advantage dependent wives has mostly been preserved. Japan has one of the lowest fertility rates in the world. The total population began to decrease in 2006 due to falling fertility. This also led to an inevitable decline in the workforce. The government thus began to seek to improve women’s working conditions, although ‘male breadwinner families’ continued to receive advantages. Such policy shift was not only due to increasing claims for equal opportunities and treatments by women but also due to the necessity to address major demographic issues regarding fertility and shrinking workforce. The government has started encouraging companies to provide a family-friendly working environment for female employees including improved maternity leave and pay. However, progress in implementing family-friendly policies has been slow and has not yet been effectively implemented to stimulate a recovery in fertility. Moreover, government concerns for women have so far concentrated on married women who may possibly contribute more to mitigating the decline in fertility rates. An increasing number of unmarried women are still out of the scope of public policy. 3.2 Gendering the labour market Japan’s labour market has been highly gendered, coinciding with the traditional family model. Japan is among many countries where the wage gap between men and women is large. According to the Cabinet Office (2007), the proportion of women’s average wage to men’s is as low as 67 % in Japan in 2003 compared to 88 % in Sweden in 2005, 87 % in France in 2004, 83 % in Britain in 2003, and 81 % in the USA in 2005. This gendered distribution of wages, along with the tax and social security systems that privilege the dependent wife status, has reinforced the formation of conventional ‘male breadwinner families’. Since the 1990s a neoliberal approach has been apparent in Japan’s labour policy, which has accelerated the casualisation of the workforce. The Japanese bubble economy, which began with an abnormal rise in real estate and stock prices in the middle of the 1980s, collapsed at the beginning of the 1990s. Until the ‘economic bubble’ burst, many corporations in the ‘company society’ operated a lifelong employment system and a seniority system for progressive wage
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Misa Izuhara and Yosuke Hirayama
rises and promotions. However, the burst of the economic bubble marked a turning point and Japan entered a long, traumatic period of deep recession. In addition, the business environment has been increasingly becoming more competitive with the expansion of the global economy. With the weakening of the ‘company society’, an increasing number of corporations have abandoned the system of lifelong employment and introduced a performance-based system to replace the seniority system. The government, which had protected the security of employment with a series of regulatory measures, now began to deregulate the labour market. The major amendment to the Dispatched Labour Law in 1999 played a particularly important role in the casualisation of employment. The Japan Federation of Employers’ Associations published a landmark report in 1995 that emphasised the necessity to deregulate employment practices to improve global competitiveness in business and industries. The associations merged with the Japan Federation of Economic Organisations to form the new Japan Business Federation in 2002. The new Federation is the most influential corporate organisation in political term, and has continuously been putting pressure on the government to deregulate the labour market. Labour policy re-orientation towards more flexible workforce has been attained within the context of political pressure applied by the business circle. According to Labour Force Survey, the female labour participation rate (aged between 15 and 64) has increased from 52.5 % in 1980 to 62.3 % in 2008. Even among those aged between 25 and 34 who used to leave the workforce due to marriage and child rearing, the participation rate has been rising. As the stability of male employment and income has been eroded by the change in employment practices, it has been increasingly becoming more necessary for wives to enter the formal labour market. The impact of employment casualisation has been uneven between men and women, but indeed more profound on female workers. In other words, increasing feminisation of workforce often equals to the casualisation of workforce. The Employment Status Survey revealed that the rate of part-time, temporary and dispatched employment rose from 7 % in 1992 to 13 % in 2002 for men but from 36 % to 49 % for women. In the same period, the rate of regular or managerial employment dropped from 91 % to 85 % for men and for women more sharply from 63 % to 48 % in the same period. It is evident that the government has sought to promote gender equality in the labour market, although the intention was largely related to the issues around demographic change. The Equal Opportunity Act in 1986 and the major amendments in 1997 and 2006 provided an institutional framework for improving women’s status in the labour market. The series of Acts now forced corporations to abandon explicit gender discrimination in employment practice. However,
Women and Housing in Japan
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corporations developed new employment categories in which employees, who accepted company orders such as work-related moves and longer working hours with higher salaries and greater employment stability, were considered de facto men. This system has effectively maintained de facto gender discrimination in employment practices. The Basic Law for a Gender-Equal Society was also enacted in 1999, which meant that gender equality became a policy priority. In parallel with this legislation, the government has set a policy goal in terms of facilitating an increase in women who have higher occupational status. However, the improvement of women’s careers has not progressed favourably. 3.3 Expanding home ownership Japan’s public policy has relied on the private ownership of housing and individual asset accumulation for family security. This was assumed to be effective in substituting for minimal expansion of state welfare (Hirayama and Hayakawa 1995). Since the immediate post-war period the government has systematised housing policy to take the initiative in promulgating a homeownership-oriented housing system (Hirayama and Ronald 2007). The Government Housing Loan Corporation (GHLC) was established as a state agency in 1951 to provide middle-class households with long-term, low-interest mortgages for the acquisition or construction of their own homes. Of the various housing policy measures, the granting of GHLC mortgages was particularly emphasised to promote middleclass home ownership. Despite rapid urbanisation, the level of owner-occupied housing has hovered at around 60 % due to the measures used to accelerate the acquisition of housing. The ratio of private rental housing has been the second highest at around a quarter of all housing. However, housing policy has not supported the supply of private rental housing. There has been little assistance for the construction of private rental housing and absolutely no provision of rental subsidy. Direct provision of rental housing by the public sector has been marginal. Public housing has been provided to low-income households and public corporations have constructed rental housing for urban middle-income households. However, the ratios of low-income public housing and public corporation housing to total housing have been very low, corresponding to around 5 % and 2 %, respectively. The Japanese government has thus characteristically operated a tenure-discriminatory housing system. Housing policy has paralleled family policy to advantage conventional households (Hirayama 2003, Hirayama and Izuhara 2008). One-person households have been excluded from most housing policy measures. Once single people formed a new household by marriage, housing policy came into play. The Loan Corporation did not provide one-person households with mortgages until 1981. Of single-person households, the public-assisted mortgages were only
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Misa Izuhara and Yosuke Hirayama
available to those over 40 until 1988 and to those over 35, before the age restriction was removed in 1993. In addition, the Loan Corporation did not provide mortgages to those who wished to purchase or build small houses or housing units. This was aimed at promoting the construction of spacious homes but implicitly excluded smaller households such as single-person households. Moreover, the Housing Corporations provided rental housing mainly to family households with a very limited number of dwellings for single-person households. Indeed, single-person households were not the target of the public rental system for low-incomes. In 1980, single-elderly persons were finally qualified for public housing, but their younger counterparts are still excluded from public housing. The government began to undertake the neoliberal approach to housing policy in the middle of the 1990s, which accentuated the role of market economy in the provision of housing and mortgage (Hirayama and Ronald 2007). New developments in low-income public housing and Housing Corporation housing have almost stopped and their role in housing provision will become further marginalised in the future. The abolition of the Government Housing Loan Corporation in 2007, which had been one of the pillars of the post-war housing policy, was a particularly important watershed in the history of Japanese housing policy. The Housing Finance Agency, the successor of the GHLC, withdrew from the primary mortgage market and has thereafter only dealt with the secondary market of mortgage securities. Private lending institutions, the housing industry and the real estate sector, having suffered the ‘post-bubble’ recession, have been calling for the maintenance or expansion of the housing and mortgage markets. They put strong pressure on the government to retreat from housing policy. The neoliberalisation of housing policy has not produced a significant change in the pattern of marital status-based differentiation in women’s housing conditions. Unlike traditional housing policy that explicitly advantaged family households, the current housing and mortgage markets do not discriminate against non-conventional households including single-person households. However, the market economy inevitably excludes low-income people and those with poor financial credibility. While many married women with a male breadwinner have had better access to home ownership and the mortgage market, it has continued to be difficult for unmarried women due to their employment status and low income. 4 Housing married women Marital status has been, and still is, a key indicator for differentiating women’s housing situations in contemporary Japanese society. For the purpose of the analysis, this chapter divides women roughly into two categories according to
Women and Housing in Japan
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their marital status – married women and their non-married counterparts. Married women in general tend to live in ‘husband-earned’ housing as a ‘family place’, while their unmarried counterparts are less privileged. Table 1: Age
Women’s housing tenure by age and marital status Marital status
Owned house
Parents’ house
Private rented house
Public rented house
(%) married unmarried total
(%) 21.4 0.7 12.3
(%) 22.5 65.3 41.3
(%) 34.2 27.9 31.4
30-34
married unmarried total
39.3 1.4 31.9
17.6 60.6 26.0
35-39
married unmarried total
51.9 12.3 46.2
40-44
married unmarried total
45-49
Others
(%) 13.9 4.1 9.6
Company housing (%) 6.4 1.4 4.2
(%) 1.6 0.7 1.2
Number (N) of respondents 187 147 334
31.7 32.4 31.9
3.8 2.8 3.6
6.6 1.4 5.5
1,0 1,4 1,1
290 71 361
15.9 61.4 22.5
23.3 21.1 23.0
2.7 1.8 2.5
5.3 1.8 4.8
0.9 1.8 1.0
339 57 396
60.3 7.5 54.8
17.5 50.0 20.9
13.4 32.5 15.4
3.5 10.0 4.2
2.6 0.0 2.3
2.6 0.0 2.3
343 40 383
married unmarried total
64.6 16.7 59.2
17.5 44.4 20.6
10.9 22.2 12.1
2.5 11.1 3.4
3.5 0.0 3.1
1.1 5.6 1.6
285 36 321
50-54
married unmarried total
73.1 33.3 69.5
12.1 38.9 14.5
10.2 19.4 11.0
1.9 8.3 2.5
2.5 0.0 2.3
0.3 0.0 0.3
364 36 400
total
married unmarried total
54.6 7.8 46.3
16.6 57.9 23.9
19.3 26.9 20.6
4.0 5.2 4.2
4.3 1.0 3.7
1.2 1.3 1.2
1,808 387 2,195
25-29
Source: author’s calculations
According to our survey data, marital status determines the women’s housing tenure (see table 1). The average rate of home ownership is 55 % for married women across all age groups, while the rate is as low as eight per cent for unmarried women. Such striking contrast is witnessed for all the age bands. For example, the rates of home ownership for married women and their unmarried counterparts are 52 % and 12 % for those aged 35-39; 60 % and 8 % for those aged 40-44; and 65 % and 17 % for those aged 45-49, respectively. According to the
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Misa Izuhara and Yosuke Hirayama
data, many women appear to move from the parental home to private rental, and eventually to home ownership as the conventional jutaku sugoroku [housing ladder] suggests. And the majority of female owner-occupiers tend to climb up the ladder not as individuals but with their husband through marriage. Another interesting and crucial observation is that many female owneroccupiers in fact live in ‘husband-earned and owned’ housing rather than jointly owned housing. A significant contrast was found in comparison with Britain where the joint ownership was a dominant form among couples (see for more details Institute for Research on Household Economics 2006b). Also, one of the characteristics of home ownership in Japan is that a plot of land and housing (the building on top of the land) are often considered and valued separately. Our survey was designed to identify the legal ownership of both land and dwelling according to the housing types such as single-family homes and condominiums. Table 2 indicates that on average over three-quarters of all the properties (75 % of single-family homes; 75 % of land; and 78 % of condominium units) were owned by the husband of the female respondents alone. The cases in which women have some shares were as low as 20 % on average, which indicates that the majority of female owner-occupiers are in fact not the legal owner of their property. Furthermore, among women who own a share of their owner-occupied property, the rates of those who own more than a half of assets were low as 16 % for single-family homes and 23 % for condominium units. The majority of owner-occupied informants purchased or had their house built rather than inherited it.3 According to the survey, the male heads of households was a key (or often sole) player in financing the purchase of their marital housing. Among households who purchased or had their house built, 96 % used mortgages from the Government Housing Loan Corporation and/or commercial banks. Mortgage repayment was almost exclusively the responsibility of husbands as 90 % of the samples indicated. This point also shows that the financial status of male workers in the mortgage market has been the basis for the expansion of Japan’s home ownership rates particularly in the post-war housing system. We have been, however, increasingly witnessing cases in which wives contribute to housing loan repayments as the secondary earner reflecting the current economic climate and the decline in male income, although their responsibility is often low due to their low employment status in the formal labour market. The rate of women who owned inherited properties from their parents was equally low mainly because of the gendered inheritance practice. In contrast, the high rate of (sole) home ownership found among older women is highly linked to property transfers from their late husband as well as women’s longevity. This is 3
In the Japanese housing market, having their own single-family home built is still common as well as purchasing built-for-sale housing and condominium units.
Women and Housing in Japan
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because, unlike the practice under the pre-war patriarchal succession system, the transfer of assets does not usually skip widowed wives (Izuhara 2004, 2009). Table 2:
The ownership of detached houses, land, and condominiums among both married and unmarried households Detached houses
Respondent only Respondent with husband Respondent with parent(s) Respondent with husband and parent(s) Husband only Husband with parent(s) Others
N=865 (%) 2.9 15.8 0.6 0.9 74.5 4.7 0.6
Land
Condominium units N=710 N=130 (%) (%) 3.9 4.6 14.6 16.2 1.3 0.0 0.4 0.0 75.2 77.7 4.1 1.5 0.4 0.0 Source: author’s calculations
In contemporary Japan, more opportunities presented to women in the labour market have influenced their financial status in marriage. This is partly related to recent housing market volatility. Although the burst of the ‘economic bubble’ led to a drop in housing prices, housing has not yet become affordable for many households especially for those in major cities. In Tokyo metropolitan area, the average price-to-income ratio for a condominium unit rose from 4.2 times annual salary in 1985 to eight times at the height of the bubble economy in 1990, however dropped to 4.7 times in 1998 when the recession persisted and rose again to 5.2 times in 2005 (Ministry of Land, Infrastructure and Transport 2006). A combination of the housing market volatility and the labour market restructuring has thus made it difficult for households on a single income to access home ownership. Furthermore, Japan’s recent deflation also brought owner-occupied households the burden of mortgage repayment. In this context, wives are increasingly expected to earn considerable income in order to meet their mortgage repayment as well as children’s education. To reduce the repayment period is also one of the motivations regarding women’s labour participation. Among double-income couples (or one-and-a-half earners model where women take up a part-time job), there are divided fortunes depending mainly on the wife’s employment status. Recent social change has increased the one-and-ahalf income households in particular, in which wives have contributed to the household economy and in return have a small share of their housing assets. While the double-income couples in the similar financial position are still a mi-
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Misa Izuhara and Yosuke Hirayama
nority, an increasing number of women especially in the younger age groups are now willing to maintain their full-time position and thus their share of the residential property. Figure 1:
Married women´s home ownership by employment status, period of regular employment, annual income and savings 0%
<Employment status> Regular work Part-time or casual work Self-employment Currently unemployed Never employed
Less than 5 years 5-9 years 10-14 years 15-19 years 20 years or more No income Less than 㩯 1,300,000 㩯 1,300,000-1,999,999 㩯 2,000,000-2,999,999 㩯 3,000,000-3,999,999 㩯 4,000,000 or more <Savings> No savings Less than 㩯 1,000,000 㩯 1,000,000-3,999,999 㩯 4,000,000 or more women's home ownership
20%
40%
27.3% 7.8% 16.2% 8.4% 1.4% 7.4% 7.7% 12.3% 19.3% 32.1% 6.9% 8.8% 8.9% 16.8% 29.7%
3.3% 10.3% 16.1% 23.8%
60%
80%
58.6% 57.7% 62.2% 48.0% 55.4% 48.0% 50.1% 59.6% 59.6% 72.8%
48.9% 57.4% 48.2% 65.3% 60.8% 67.5% 47.0% 49.2% 53.0% 55.8% 66.9%
household home ownership
Note: The level of women's home ownership means that of households living in an owner-occupied house of which women have a share.
Source: author’s calculations
The survey data revealed that the employment status of women correlated to the level of their home ownership and also to the proportion of share in housing assets. As shown in figure 1, there is a strong link between various indicators in
Women and Housing in Japan
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relation to employment status and the level of both household and individual home ownership among married women. For example, the level of home ownership is higher for women in full-time regular employment (27.3 %) than for those in part-time or more casual employment (7.8 %), currently unemployed (8.4 %) or never employed (1.4 %). In terms of the duration of full-time employment, the rate was high at 32 % of individual ownership for those who worked for more than 20 years (for the household the rate is even higher at 73 %). Furthermore, their income is yet another indicator to determine the share of ownership. When women earn more than ¥ 4 million annually, the rate of home ownership is as high as 47 % for individual assets and 68 % for household housing assets. Our data also demonstrated that women who own substantial savings (for example, more than ¥ 4 million) tend to own their own housing assets (24 %), and contribute towards households housing asset accumulation (67 %). Although marriage provides women great security for housing and asset accumulation, the survey data also indicates ‘married women’ are not a homogenous group of people and their asset levels vary significantly according to their own and also husbands labour market status. 5 Housing unmarried women Recent demographic transitions, mainly caused by rising marital age, falling fertility rates and increasing longevity, have led to a decline in conventional households. An increasing number of women are thus now outside the ‘standard family’ model. The constant increase in the number of unmarried women for the last three decades clearly challenges the concept of such ‘standard family’ and policies constructed around it. How is it like to be an unmarried women in society with the systems geared towards the ‘standard family’ model? There are some single ‘career’ women who started creating a new market. However, for the majority, housing choices are inevitably very limited if you are single or divorced/separated with or without children mainly due to their less privileged employment status and position. 5.1 Single adult children at home Prolonged dependency among adult children has been a well-debated social issue in contemporary Japan since the late 1990s (see for example Yamada 1999). According to the survey data, unmarried women were more likely to live in their parents’ home: 65 % for the 25-29 age group; 61 % for those in their 30s; and even as high as 50 % for the 40-44 and 44 % for the 45-49 age groups (see table 1). Otherwise, they tended to be in the private rented sector as for example 32 % of women aged between 30 and 34. ‘Parasite singles’ – the term commonly used
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Misa Izuhara and Yosuke Hirayama
for this group in the popular debate – may benefit from advantages including rent-free accommodation and maximising their disposable income. Certainly, the sustained promotion of home ownership among the current parents generation supported by the economic growth and stable employment in the past enable the adult children to become ‘dependent’ for a prolonged period of time. Some commentators criticise such parasitic attitudes attributing the cultural aspect peculiar to Japan such as the high level of parent-child dependency (Miura 2005). Considering the prolonged ‘post-bubble’ recession and subsequent labour market restructuring, it is reasonable to conclude the parasitic tendency is not only cultural but also economically rational (Hirayama and Ronald 2008). Many unmarried women, if they struggled in the male-dominated labour market with lower status and pay, tend to have limited housing choice other than living in their parents’ home. According to the survey conducted by the National Institute of Population and Social Security Research (2001), many such single people were not lazy but did not earn income high enough to establish their own independent household. 5.2 Single women in the private rented sector As a result of housing policy emphasising home ownership throughout the postwar period, both public and private rented sectors have not been well developed in Japan. There is no equivalent to ‘housing benefits’ found in the UK available for tenants and the limited assistance in the direct supply of rental housing in Japan. As a consequence, private rental stock is in general of low-quality regarding facilities and small in floor space. Affordability and availability are indeed major issues for those women (and also men) who seek to secure their housing in the private rented sector. Women living alone spend a larger proportion of their income on rent compared with their male counterparts as the women under 30 years old spend 24 % of their total outgoings on housing while men do 15 % (National Survey of Family Income and Expenditure 1999). This is largely due to their preferences in good facility and location – women prefer not to compromise their safety and security living alone and convenience to commute to their workplace (Hinokidani 2007). The discrimination is however found among the attitudes of landlords – especially towards female-headed households mainly due to their unstable employment and thus income. Major companies provide their employees rent subsidies as part of occupational welfare if living in the private rental accommodation. However, such subsidies are often only available to ‘male’ regular employees under the conventional gendered two-tier employment system. Many companies still prefer to employ women who can commute from their (parental) home to keep the fringe expenses low.
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5.3 Divorced/separated women The poverty rate of lone-mother households has significantly been higher compared with other types of households (Hamamoto 2004, Yui 2006). When home owning couples got divorced, the current system produces women a disadvantage in housing asset division with their former husbands. This issue is strongly linked to the point raised earlier regarding ‘who owns their marital housing’. Divorced women who lived in an owner-occupied house thus tend to move out of the house since they possess little or no legal share of their marital property. For many women, obtaining a reasonable share of the property in court appears not to outweigh its likely financial and social cost. According to the survey conducted by the Ministry of Health and Welfare (1997) on divorced parents, there is a striking difference between men and women regarding their housing tenure change before and after divorce. While the change is minimal for men (from 43 % to 41 % for home ownership), the rates of home ownership dropped significantly from 29 % to 11 % for women. The rate of those who moved straight after divorce was 28 % for men but 71 % for women. In order to protect women’s asset and income status after divorce, the reforms on the pension system were introduced in 2007. The gap between the conventional family-centred institutional approach and the real demographic shift in recent years has been addressed through policy measures. Couples who divorce after April 2007 are now able to split the entitlement to the earnings-related portion of the husband’s pension that accrued during their marriage. The intention of the reforms is to provide financial security to divorced women in later life, although the full promotion of equal opportunity and status in employment for women remains a contentious issue. The full impact of the pension reforms on the divorce rate is still too early to assess but there is an increase among couples who have been married over 15 years in 2007 (Fukuda 2008). Single mothers with dependent children are a minority in Japan consisting only four per cent of the total households with children. The increasing divorce rate as well as separation and domestic violence however will produce more female-headed households (Hinokidani 2007). According to the Ministry of Health, Labour and Welfare (2003), the majority of such households live in rented accommodation either in the private sector (32 %) or public rental (22 %). The Life Support Centre for Mothers and Children is another alternative – welfare accommodation provided for lone mother households, which provides individual units, communal space and services including the nursery, study rooms, shared bath rooms, and counselling. There are currently approximately 300 such Centres housing 2,000 lone mother families in Japan. Although providing collective living, the Centres differ significantly from the ethos and functions of collective housing such as ‘co-housing’ in the North European sense. The Support
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Centre is considered to be a temporary accommodation and a stepping stone for lone parents to establish their own independent households. Thus, the aspects such as the lack of collaboration with other families and the lack of childcare support outside office hours make such institutional living less satisfactory to many single parents (Hinokidani 2007). 5.4 Single ‘career’ women Some positive changes for single women, especially for those with a career trajectory, have been also reported in the media in recent years. There is a new trend that a small but increasing number of single women in full-time employment are purchasing condominium units alone in Japan’s major cities. Among single owner-occupiers in the Tokyo metropolitan area, the rate of female home owners was concentrated in central areas while their male counterparts are more likely to live in the periphery (Matsumoto 1998). Moreover, according to the survey conducted by Recruit (2005), out of 3,743 households who purchased a condominium unit in the Tokyo metropolitan area in 2004, single people were more likely to purchase a unit in the 23 central wards (22 %) than other parts of the metropolis (9 %), while the opposite was true for family households (34 % bought a unit in the central wards and 51 % in outside the wards). Almost 8 % of the total purchasers were single women. Urban location is attractive to single female purchasers mainly due to the convenience for commuting. Old age related issues regarding being single may also urge those women to purchase housing (Yui 2004, Ueno 2007). In this scenario, the motivations of stabilising their residential situations by purchasing housing may be arising from their concern regarding tenure security rather than accumulation of housing assets. In large cities such as Tokyo, developers have sought to expand the condominium market by targeting single women as a new group of purchasers, and have increased the construction of so-called ‘compact condominiums’ for the single and couple markets. While a compact condominium unit is small often with a floor space of 30-50 m2 it is equipped to a high specification, is fashionable designed, and located in attractive and trendy neighbourhoods appealing to urban career women. Some private banks have also begun to provide housing loans specifically for single women in full-time employment. These new trends have reflected the fact that single career women have formed a small but viable new group accessing urban home ownership. 6 Concluding comments This chapter investigated women’s housing conditions and asset levels according to their marital status in contemporary Japanese society. The research found that in general, married women tend to be situated in a more favourable position
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compared with their unmarried counterparts. Despite the increasing gender equality brought into many aspects of the society, however, women’s stake in the housing assets is still low since married women tend to occupy ‘husband-earned and owned housing’ as their ‘family home’. The housing asset status of Japanese women – in particular housewives who still form the majority in Japanese society – are best described as having ‘the ideological ownership of housing without any actual legal substance’. Although a sharp and general contrast is indeed evident between married and unmarried women in the Japanese housing context, there are wide variations within each marital group. One example is that whether they are married or not, the more women earn the more likely that they have a share in housing equity. Increasing labour participation by women in the current economic climate therefore may help more women to own a larger proportion of housing assets in the future. Among unmarried women, while some people are temporally accommodated in the Support Centre for lone-parent families, others with a career trajectory started purchasing housing on their own. A series of deregulations in housing and financial policy have now made it possible and easier for single women to access home ownership, which is one of the positive outcomes in the recent recession. The market is responding to the purchasing power of career women with the sensitivity to their particular needs as singlefemale career households (although they are still a significant minority). Overall, however, a little sign of such marital-based division of housing fortunes among women diminishing can be witnessed. Marriage may have provided women safety and security in housing, but marriage itself has become much less secure in contemporary society as shown in the increasing number of divorces and the general trend in late and nonmarriage. If people stay single or dissolve their relationship, women face different housing-related issues in their life course. Housing issues of younger adults can be still absorbed by their parents who have made their housing equity in the stable economic growth period. It is however questionable how long such practice is sustainable. At the other end of the life course, housing is also an increasingly more prominent issue for older women due to the promotion of homecentred care under the current social care system.
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Wohnungsbau und Stadtentwicklung in Frankreich – Eine intersektionale Analyse stadträumlicher Segregation Christine Bauhardt
Die Großsiedlungen der französischen Großstädte machen in regelmäßigen Intervallen durch gewalttätige Auseinandersetzungen von sich reden. Zuletzt lieferten sich Polizei und Bewohner einiger Vorstädte von Paris, Straßburg und Toulouse 2005 tage- und nächtelange Straßenschlachten. Seit Anfang der achtziger Jahre die ersten Autos in drei Großsiedlungen in der Agglomeration Lyon brannten, sind die französischen Vorstädte sowohl Gegenstand der soziologischen Stadtforschung als auch der politischen Intervention. Seit einigen Jahren wird die Situation in den Großsiedlungen auch aus einer Gender-Perspektive analysiert, die sich der Frage der Gewaltförmigkeit dieser Konflikte und der Krise der Vorstädte insgesamt aus einer feministischen Perspektive annähert (vgl. Coutras 1996, 2003; Bauhardt 2004a, 2004b). Meinem Beitrag liegt das Erkenntnisinteresse zugrunde, inwieweit die – vermeintliche oder tatsächliche – Ethnisierung der französischen Vorstädte ein Ausdruck gesamtgesellschaftlicher Exklusionsprozesse ist. Trifft es zu, dass die französischen Vorstädte ethnisch stigmatisierte Gruppen räumlich konzentrieren und sie so aus der französischen Gesellschaft ausschließen? Welche Rolle spielen dabei die Träger des Sozialen Wohnungsbaus und welche Bedeutung kommt den staatlichen Interventionen zur Verbesserung der Lebens- und Wohnqualität in benachteiligten Quartieren zu? In welcher Weise kommen dabei Geschlechterverhältnisse und Gender-Konstruktionen zum Tragen? Diese Fragestellungen strukturieren meinen Beitrag zu dem komplexen Thema „Wohnen aus einer Gender-Perspektive“. Die hier entwickelten Überlegungen stellen den Versuch dar, den analytischen Ansatz der Intersektionalität verschiedener Kategorien sozialer Differenzierung und Hierarchisierung für das konkrete Beispiel der stadträumlichen Segregation fruchtbar zu machen. Ich konzentriere mich in meinen Überlegungen auf die französische Situation, weil ich diese aus eigener Anschauung und durch eigene empirische Analysen recht gut einzuschätzen vermag. Viele der Gemeinplätze, die in den französischen Medien verbreitet werden und die wiederum die deutsche Wahrnehmung der
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französischen Vorstädte prägen, halten einer genaueren Untersuchung nicht stand. Mein Anliegen ist es deshalb, ein entdramatisiertes Bild der französischen Grands Ensembles zu zeichnen, ohne die Probleme zu negieren, die dort ohne Frage vorzufinden sind. Allerdings verstellt die mediale Repräsentation der Gewaltausbrüche in den Vorstädten den Blick auf die alltäglichen Lebensrealitäten der BewohnerInnen, denen meine Aufmerksamkeit gilt. Die Normalität dieses Alltags ist weitgehend unspektakulär, oder anders gesagt: die problematischen Seiten der Alltäglichkeit des Lebens in den als problematisch geltenden Siedlungen schaffen es nicht in die öffentliche Aufmerksamkeitsproduktion. Zunächst einige Vorbemerkungen zum Sprachgebrauch. Es ist aufgrund der lange währenden Kolonial- und Migrationsgeschichte Frankreichs reichlich verfehlt, von der ethnisierten Bevölkerung als MigrantInnen oder FranzösInnen mit Migrationshintergrund zu sprechen. Auch in der französischen Sprache wird nach angemessenen Begriffen gesucht, um die Situation Frankreichs als eine postkoloniale zu benennen. Die Bezeichnung „immigré(e)“ ist in Frankreich nicht neutral und bedeutet nicht einfach „eingewandert“, sondern ist negativ konnotiert, ähnlich wie der Begriff „AusländerIn“ im Deutschen nicht einfach nur eine Person mit nicht-deutschem Pass bezeichnet. Auch das Konzept „deuxième/troisième génération“ – zweite/dritte Generation – ist in Frankreich umstritten, denn dieses sprachliche Konstrukt bezeichnet einen Zustand, den es nach dem französischen Gesellschafts- und Integrationsverständnis nicht gibt. Nach dem – inzwischen eingeschränkten – ius soli sind in Frankreich geborene Kinder von EinwanderInnen französische StaatsbürgerInnen. Es gibt daher keinen sachlichen Grund, sie von den „richtigen“ Franzosen zu unterscheiden. In französischen antirassistischen Zusammenhängen ist deshalb der Slogan „on n’est pas immigré de père en fils“ zu hören – der Status des Einwanderers vererbt sich nicht. Um sich dem regelmäßig auftauchenden Dilemma der Reproduktion von Diskriminierung durch sprachliche Benennung einerseits und der Benennung von Diskriminierungen andererseits zu stellen, ist die derzeit favorisierte (Selbst)Bezeichnung ethnisierter sozialer Gruppen „personnes issues de l’immigration postcoloniale“, „aus der postkolonialen Einwanderung stammende Menschen“. Damit geht gleichzeitig auch das Statement einher, Frankreich als postkoloniales Land zu kennzeichnen. Ich werde in diesem Text die Formulierung „postkoloniale MigrantInnen“ verwenden, um die Idee einer biografisch und/oder historisch relevanten Migrationsgeschichte mit der aktuellen postkolonialen Situation Frankreichs zu verknüpfen. Eine zweite notwendige Vorbemerkung betrifft die Bezeichnung der französischen Vorstädte als „banlieues“. Dieser französische Begriff hat auch in den
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deutschen Sprachgebrauch Eingang gefunden, im Deutschen wird er jedoch unzulässig verkürzt gebraucht und verstanden. „Banlieue“ umfasst im Französischen jede Form von Vorstädten, die Großsiedlungen des Sozialen Wohnungsbaus genauso wie Einfamilienhaussiedlungen oder Villengegenden. Eine soziale Stigmatisierung geht damit nicht automatisch einher, wie der Gebrauch von „banlieue“ im Deutschen suggeriert. Der Begriff beschreibt die Beziehungen von Kernstadt und Umland und hat damit eher eine räumliche als eine soziale Komponente. Die soziale Komponente ist nicht ausgeschlossen, aber sie ist nicht eindeutig negativ. Wenn jemand in Paris sagt „J’habite en banlieue“, so kann diese Person genauso gut im gut situierten Süden wie im eher armen Norden der Stadt wohnen. Auf jeden Fall lebt er oder sie nicht in Paris. Darüber hinaus wird in Deutschland oft übersehen, dass die französischen Grands Ensembles des Sozialen Wohnungsbaus ihren Ausmaßen den Großsiedlungen in Deutschland kaum vergleichbar sind. Berlin-Marzahn umfasste (vor dem Rückbau) 60.000 Wohneinheiten, also etwa 180.000 EinwohnerInnen, nach deutlichem Bevölkerungsrückgang leben heute in den Westberliner Großsiedlungen Märkisches Viertel noch knapp 40.000 Menschen, in Gropiusstadt ca. 37.000. Eine der bekannten Großsiedlungen im Umland von Paris, Le Val Fourré in Mantes-la-Jolie, hatte vor der Sprengung einiger Wohntürme, die seit Ende der neunziger Jahre zur Verbesserung der sozialen Situation beitragen soll, 22.000 EinwohnerInnen. Andere als problematisch wahrgenommene und in den Medien präsente Grands Ensembles, wie sie auf Französisch heißen, sind noch kleiner. Mein Beitrag gliedert sich in vier Abschnitte. Im ersten Teil stelle ich die historische Genese der französischen Großsiedlungen dar, die als Antwort auf die jahrzehntelange dramatische Wohnungskrise in Frankreich zu verstehen ist und die als solche von den unterschiedlichsten sozialen Gruppen zunächst auch positiv angenommen wurde. Im Anschluss daran wird nach den Gründen zu suchen sein, ob und inwiefern diese Antwort auf die Wohnungskrise zu einer neuen, dann städtebaulichen und sozialen Krise führt. Im darauf folgenden Abschnitt gehe ich auf die sukzessiven Stadterneuerungsprogramme ein, die von Seiten der Politik und Administration aufgelegt wurden, um die bauliche und soziale Situation in den Großsiedlungen zu verbessern. Abschließend werde ich diskutieren, in welcher Weise diese Bau- und Sanierungsprogramme mit impliziten und expliziten Gender-Konstruktionen unterlegt sind und inwieweit mediale Repräsentationen der „Gewalt in den Vorstädten“ die alltägliche Lebenssituation ihrer BewohnerInnen verdunkeln. Im abschließenden Fazit verfolge ich die Frage, ob das Konzept der „sozialen Mischung“ stadträumliche Segregation verhindert oder beseitigt.
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1 Grundzüge der französischen Wohnungspolitik Die Geschichte der französischen Wohnungspolitik ist bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts von erheblichem Wohnraummangel gekennzeichnet. Es gibt zwar auch in Frankreich als Reaktion auf die Probleme der Wohnungsversorgung und das Wachstum der Städte um die Jahrhundertwende eine Wohnreformdebatte, die jedoch nur geringe politische Konsequenzen hat. Allerdings verlief die Verstädterung in Frankreich regional sehr unterschiedlich und weniger stürmisch als etwa in Großbritannien und Deutschland während der Industrialisierung. In der Literatur herrscht Einigkeit darüber, dass den Debatten über die schlechten Wohnverhältnisse – Überbelegung von Wohnungen und drangvolle Enge in den Quartieren, schlechte hygienische Bedingungen, mangelnde Wasserver- und -entsorgung bei gleichzeitig hohen Mietpreisen – bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs nur unzureichende Taten folgen (vgl. Topalov 1987, Flamand 1989, Magri 1998, Moret 1998, Stébé 1998). In der Zwischenkriegszeit entwickelt sich die Wohnungsversorgung nicht nur der Arbeiter-, sondern auch der Mittelschicht krisenhaft, so dass 1928 erstmals ein Gesetz (loi Loucheur) verabschiedet wird, das staatliche Finanzhilfen größeren Ausmaßes für den privaten und öffentlichen Wohnungsbau vorsieht. Dieses Gesetz hat jedoch aufgrund der Weltwirtschaftskrise nur begrenzte Wirkung für den öffentlichen Sektor, während hingegen kleine Eigentumshäuser in den Vorstädten von Arbeitern und einfachen Angestellten mit staatlicher Unterstützung erstellt werden. Insgesamt entstehen zwischen den beiden Weltkriegen in Frankreich 1,8 Millionen Wohnungen (175.000 davon im Sozialen Wohnungsbau und 300.000 als Werkswohnungen), während im selben Zeitraum in Großbritannien und Deutschland mehr als doppelt so viele gebaut werden (vgl. Stébé 1998: 77). Nach dem Zweiten Weltkrieg stellt sich die Situation der Wohnungsversorgung entsprechend desolat dar. Die Zerstörungen des ersten Weltkriegs waren zu Kriegsbeginn in Frankreich noch nicht ausgeglichen, hinzu kommen die Zerstörungen des zweiten Weltkriegs, so dass der Conseil national de la Résistance im Juni 1945 den „Service national de logement“ ins Leben ruft und die Verantwortung des Staates für den Wohnungsbau proklamiert. Allerdings sind die verfügbaren Mittel keineswegs ausreichend, um die Pläne zu finanzieren, da dem Wiederaufbau der industriellen Produktionsstätten Vorrang eingeräumt wird (vgl. Mouillart 1998: 63). Die Wohnungskrise spitzt sich bis zu Beginn der fünfziger Jahre dramatisch zu, ohne dass es gelingt, Finanzmittel für den Wiederaufbau und Neubau von Wohnraum zu mobilisieren. Als Konsequenz beschließt der Staat eine Wohnungsbaufinanzierungspolitik, um über staatliche Anreize Investitionen in den Wohnungsbau zu initiieren. So werden mit dem Gesetz vom 2. Juli 1950 die strukturellen Bedingungen geschaffen, die den Sozialen Wohnungsbau
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sowohl finanzieren als auch erstellen sollen, die sog. organismes HLM (HLM – habitation à loyer modéré, d. h. Wohnraum zu moderatem Mietpreis). Damit ist ein gesetzlicher Rahmen für die Finanzierung des Sozialen Wohnungsbaus geschaffen, dem es allerdings zunächst an Substanz mangelt, denn mit der Fortschreibung des I. Plans1 wird auch die Priorität des Wiederaufbaus der Produktion fortgeschrieben (vgl. ebd.). Erst im Januar 1954, nach dem Erfrierungstod eines Kindes in einer Schlichtunterkunft und einer Frau auf der Straße, wird die Wohnungsnot zu einem zentralen politischen Thema. Die durch diese Ereignisse ausgelöste öffentlichkeitswirksame Kampagne des Abbé Pierre, mit bürgerlichem Namen Henri Groués und Gründer der Emmaüs-Bewegung, führt dazu, dass Regierung und Verwaltung Mitte der fünfziger Jahre die Dramatik der Wohnungskrise anerkennen und den Wohnungsbau zur Priorität erheben. Zu diesem Zeitpunkt fehlen in Frankreich schätzungsweise vier Millionen Wohnungen (Stébé 1998: 98) bei einer Gesamtzahl von ca. 15 Millionen Haushalten. Gleichzeitig ist der Zustand der vorhandenen Bausubstanz schlecht. Eine Erhebung des Wohnungsministeriums von 1956 weist auf, dass 42 % aller Wohnungen nicht über fließendes Wasser verfügen, 73 % keine Innentoilette und 90 % weder Dusche noch Badewanne haben (ebd: 95). Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern ist die Bautätigkeit in Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg gering. Im Jahr 1952 beispielsweise entstehen in Deutschland 99 Wohnungen pro 10.000 EinwohnerInnen, in Frankreich dagegen 20 (ebd.: 93). In der Peripherie der großen Städte werden nun Baugebiete für Großsiedlungen ausgewiesen, die sog. ZUPs („zones à urbaniser en priorité“), die kurzfristig und möglichst kostengünstig mit großen Mengen an Wohnraum und der notwendigen Infrastruktur bebaut werden sollen. Zum Teil werden diese Neubauten explizit als Übergangslösung und Notunterkünfte geplant, wie ihre Bezeichnung als „cité de transit“ oder „cité d’urgence“ bezeugt. Zwischen 1958 und 1967 entstehen in 195 ZUPs 2,2 Millionen Wohnungen in Wohntürmen und Scheibenhochhäusern im Rahmen des Sozialen Mietwohnungsbaus. Alle Stadtverwaltungen unabhängig von ihrer parteipolitischen Orientierung sind am Siedlungsbau in ihren Vorstädten beteiligt, wobei jedoch die Entscheidungsmacht zentral in Paris organisiert ist und der Präfekt (als Repräsentant des Zentralstaates) die Bauprogramme des jeweiligen Départements lenkt (vgl. Fribourg 1998: 225). Gebaut wird mit industriell vorgefertigten Bauteilen aus Stahlbeton nach dem Motto „schnell – viel – billig“: „construire vite, en quantité et bon marché“ (Stébé 1998: 101). Die Anziehungskraft der neuen Siedlungen auf Menschen verschiedener sozialer 1
Die französische Wirtschaft wie auch die Raumplanung werden bis in die achtziger Jahre durch Fünfjahrespläne zentralstaatlich gesteuert. Mit der Dezentralisierung Anfang der achtziger Jahre beginnt die Kompetenzverlagerung auf die Regionen und die Planung über Verträge, die zwischen dem Zentralstaat und den Regionen geschlossen werden (vgl. unten, Abschnitt 3).
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Herkünfte, denen sich mit den Neubauten auch Chancen auf verbesserte Wohnstandards und auf in der Altbausubstanz unbekannten Komfort eröffnen, ist nicht zu unterschätzen. Erster Exkurs: Sozialer Wohnungsbau in Frankreich Der Soziale Wohnungsbau in Frankreich beginnt de facto mit dem Gesetz vom 2. Juli 1950. Der Begriff HLM – habitation à loyer modéré – bezeichnet einerseits die Träger des Sozialen Wohnungsbaus und andererseits ihren Mietwohnungsbestand. Die Träger können eigenständige Unternehmen öffentlichen Rechts oder Eigentum der Kommunen und lokalen Gebietskörperschaften, d. h. vor allem der Départements, oder auch privatrechtliche Aktiengesellschaften sein. Sie sind sowohl Bauträger als auch Eigentümer und Verwalter ihres Bestandes und haben, unabhängig von ihrer Rechtsform, identische Kompetenzen und die Aufgabe, im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben preisgünstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Zielgruppen sind Haushalte mit bescheidenem Einkommen, dessen Höhe für die Anspruchsberechtigung gesetzlich festgelegt wird, und französischer Staatsangehörigkeit oder mit einem Aufenthaltstitel für das französische Staatsgebiet (vgl. Boubli 1994: 72). Ende der neunziger Jahre gibt es gut 600 Wohnungsbauträger und ca. 3,5 Millionen Sozialwohnungen. Etwa 55 % des Bestandes befinden sich in eigenständiger oder kommunaler Trägerschaft, etwa 45 % sind als Aktiengesellschaften organisiert. Die Hälfte aller Sozialwohnungen gehört zu einem der hundert Träger, die mehr als 9.000 Wohnungen verwalten (alle Angaben laut Horenfeld 1998). Ein Viertel des Bestandes befindet sich in als benachteiligt klassifizierten Stadtquartieren. Die Finanzierung des Wohnungsbaus erfolgt wie in Deutschland entweder durch direkte staatliche Investitionen oder durch indirekte Subventionierung über Steuerleichterungen und zinsgünstige Kredite. Diese Finanzierungsinstrumente werden „aide à la pierre“ genannt, Hilfe für den Stein. Die Hilfe für den Menschen, „aide à la personne“, ist dem deutschen Wohngeld vergleichbar und berechnet sich auf der Basis der Haushaltsgröße, des Einkommens und den Wohnaufwendungen im Verhältnis zum Haushaltseinkommen (vgl. Lacaze 1997: 32f.). Der Soziale Wohnungsbau basiert auf verschiedenen Finanzierungsquellen, die wiederum Einfluss auf die Belegung haben. Neben staatlichen Finanzmitteln setzen sie sich zusammen aus Mitteln der Haushalte der Kommunen und lokalen Gebietskörperschaften sowie der Unternehmen. Letztgenannte müssen bei einer Unternehmensgröße von mehr als zehn Beschäftigten einen festgelegten Anteil an der Lohnsumme in einen Fonds für den Sozialen Wohnungsbau einzahlen. Ursprünglich war dieser Satz auf 1 % der Lohnsumme definiert, weshalb man
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noch heute vom „1 % patronal“ spricht. Diese Finanzierung ermöglicht die Zuweisung von Sozialwohnungen an Beschäftigte dieser Unternehmen oder die Vermittlung zinsgünstiger Kredite zum Erwerb eines Eigenheims. Entsprechend komplex ist die Vergabe von Wohnungen im Sozialen Wohnungsbau. Gemäß dem Anteil ihrer finanziellen Beteiligung beziehungsweise ihrer Garantien und Kreditbürgschaften erwerben die verschiedenen Akteure Belegungsrechte, die Unternehmen ebenso wie die Kommunen und Départements. Daneben verfügt der Staat über Belegungsrechte für besonders benachteiligte Haushalte. Aus der Sicht der Träger des Sozialen Wohnungsbaus ergibt sich durch diese verschiedenen Belegungsrechte und die damit verknüpften Interessen der Akteure reichlich Konfliktstoff, der durch die Verwaltungen des HLMs zu regeln ist (vgl. Horenfeld 1998: 1412): Die Bürgermeister nutzen die Wohnungsvergabe zur Bindung ihrer Wähler (dazu später mehr), die Unternehmen wollen die Nachfrage ihrer Beschäftigten befriedigen, der Staat muss Solidarität mit den Schwächsten der Gesellschaft üben – und die Verwaltungen der Wohnbauträger haben das soziale Gleichgewicht ihrer Siedlungen im Blick. (Auch auf das Thema der „sozialen Mischung“ wird noch zurück zu kommen sein.) Auch für neutrale BeobachterInnen ist die Belegungspolitik aufgrund der Vielzahl der Akteure und ihrer unterschiedlichen Interessen durch einen Mangel an Transparenz und durch Geheimniskrämerei gekennzeichnet („le manque de transparence de stratégies d’acteurs qui pratiquent une véritable politique du secret“; Lefeuvre 2000: 226). 2 Von der Stadtutopie zur städtebaulichen und sozialen Krise Wie bereits angedeutet, werden die neuen Großsiedlungen von allen gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere von der Arbeiter- und Mittelschicht, aber auch von leitenden Angestellten und FreiberuflerInnen am Beginn ihrer Wohnkarriere, nachgefragt, da sich mit den Neubauten auch die Möglichkeit verbesserter Wohnqualität und erhöhten Ausstattungskomforts bietet: „En 1970, les HLM étaient occupés par une population jeune, composée de familles de dimension relativement importante, avec une présence majoritaire d’ouvriers et employés, en grande partie en mobilité sociale et en transition résidentielle vers l’accession à la propriété“ (Horenfeld 1998: 139). [So sind die BewohnerInnen der Sozialwohnungen 1970 junge, relativ große Familien, mehrheitlich ArbeiterInnen und Angestellte auf dem Weg des sozialen Aufstiegs und bestrebt, nach einer Übergangsphase im HLM Wohneigentum zu erwerben.]
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Der Autor ist Ökonom bei der französischen Vereinigung der Träger des Sozialen Wohnungsbaus.
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Entsprechend kann auch die staatliche Intervention auf dem Sektor des Wohnungsbaus als eine die Marktkräfte freisetzende Angebotspolitik verstanden werden. Indem durch ökonomische Besserstellung der Eigentumserwerb möglich wird, werden Wohnungen im Sozialen Wohnungsbau frei, die dann wiederum den nächsten AspirantInnen auf sozialen Aufstieg zur Verfügung stehen – „et ainsi de suite“ (Jaillet/Ballain 1998: 258). Besser kann man den angestrebten „Fahrstuhleffekt“ der Wohlstandsökonomien der fünfziger, sechziger und siebziger Jahre, die in Frankreich „Les Trente Glorieuses“, also die glorreichen dreißig Jahre genannt werden, nicht beschreiben. Die erste Generation der Wohnbevölkerung der Neubausiedlungen ist eine soziologisch sehr gut untersuchte Gruppe, in die darüber hinaus auch große Hoffnungen von Planern und Politikern3 gesetzt wurden. Die städtebauliche und soziale Vision, der die Grands Ensembles verbunden sind, zielt auf die Überwindung der sozialen und ökonomischen Segregation der bürgerlichen Stadt des neunzehnten Jahrhunderts, wo die Stadtquartiere der Bourgeoisie und des Proletariats undurchlässig gegeneinander abgegrenzt waren (vgl. Moret 1998: 20). Im Unterschied dazu knüpft sich an die Grands Ensembles und ihre BewohnerInnen die Utopie der Überwindung sozialer Schranken in der Lebensform der Neuen Stadt der Zukunft. Der Stadtsoziologe Paul-Henry Chombart de Lauwe, Pionier der französischen Stadtsoziologie, drückt dies in der 1960 erschienen Publikation „Famille et habitation“ so aus: „Dans les laboratoires improvisés que sont les cités nouvelles, s’élaborent, sous des pressions opposées, les structures sociales de demain“ (zit. nach Pinçon/PinçonCharlot 2000: 54). [In den improvisierten Laboratorien der neuen Städte werden unter gegensätzlichen Triebkräften die sozialen Strukturen von morgen erarbeitet.]
Die These, in den Großsiedlungen lösen sich aufgrund von räumlicher Nähe soziale Unterschiede auf, ist Ende der sechziger Jahre unter Stadtsoziologen weit verbreitet. Zahlreiche Untersuchungen beschreiben in den sechziger Jahren die Grands Ensembles als Wohn- und Lebensform, in der die neue Gesellschaft entsteht, die keine Klassenunterscheide mehr kennt. Nicht nur Chombart de Lauwe, auch Henri Lefèbvre äußert sich fast euphorisch in Bezug auf die sozialisierenden Effekte der neuen Städte: „’La nouvelle classe ouvrière’ n’a donc plus les traits caractéristiques de l’ancienne ‚aristocratie ouvrière’: passivité, indifférence, corruption [...]. La ‚nouvelle classe ouvrière’ dotée par son rôle dans la production d’une forte cohésion sociale cherche à créer ‘hors travail’ dans la cité des rapports sociaux complexes“ (zit. nach Cham3
Die männliche Form ist hier absichtlich gewählt.
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boredon/Lemaire 1970: 17). [‘Die neue Arbeiterklasse’ weist nicht mehr die charakteristischen Züge der alten ‘Arbeiteraristokratie’ auf: Passivität, Gleichgültigkeit, Korruption […]. Weil sie aufgrund ihrer Rolle im Produktionsprozess einen starken sozialen Zusammenhalt ausgeprägt hat, sucht die ‘neue Arbeiterklasse’ ‚außerhalb der Arbeit’ in der Stadt komplexe soziale Beziehungen zu schaffen.]4
Nach dieser Einschätzung ist es die räumliche Nähe, die einen zivilisatorischen und nivellierenden Einfluss auf die soziale Distanz verschiedener gesellschaftlicher Gruppen hat: „Le fait d’habiter dans les cités pousse certaines familles à rechercher une position sociale plus élevée; d’autres, au contraire, pour ne pas trop se distinguer, simplifient leur genre de vie“ (Chombart de Lauwe: Des hommes et des villes 1965; zit. nach Chamboredon/Lemaire 1970: 15). [Weil sie in den Cités wohnen, werden bestimmte Familien dazu angeregt, eine höhere soziale Position anzustreben; andere dagegen vereinfachen ihren Lebensstil, um sich nicht zu stark von den anderen abzuheben.]
Diese Vorstellung, nach der in einem gesunden, sauberen und harmonischen Wohnumfeld der „neue Mensch“ sozialisiert wird, bezeichnen Jean-Claude Chamboredon und Madeleine Lemaire in ihrem 1970 publizierten Aufsatz „Proximité spatiale et distance sociale“, der in keiner Bibliografie zur französischen Wohn- und Stadtsoziologe fehlt, als „Utopie von Soziologen“ (ebd.: 16). Hinter dieser Utopie stehe die Hoffnung auf den „petit bourgeois universel“ und auf die Abschaffung der Arbeiterklasse, „absent ou transformé par les vertus du contact évangélisateur avec les classes moyennes“ (ebd.: 17), eine Arbeiterklasse, die verschwindet oder durch die heilende Kraft des Kontaktes mit den Mittelschichten bekehrt wird. Gegen diese Überzeugung, die räumliche Annäherung der sozialen Klassen befördere ihre soziale Angleichung, formulieren die AutorInnen die These, die räumliche Nähe stärke die Tendenzen sozialer und kultureller Differenzierung. Sie rekonstruieren anhand von Selbstzeugnissen von BewohnerInnen der Großsiedlungen die Auf- und Abwertungsprozesse, die diese Hierarchisierung herstellen. Dabei spielen normative Konzepte zu Erziehung und Sexualverhalten eine entscheidende Rolle. Für die aufstiegsorientierten Mitglieder der Mittelschicht und der Arbeiterklasse seien diese Normen die entscheidenden Distinktionskriterien gegenüber dem Proletariat. Die proletarischen Jugendlichen „hingen herum“, „klauten Autos“ und „machten Mädchen und Frauen an“, ohne dass Eltern und Schule sich darum kümmerten. Besonders auffällig seien hier kinderreiche 4
Anfang der siebziger Jahre gingen tatsächlich viele Linke in Frankreich nicht nur in die Fabriken, um die Beschäftigten zu politisieren. Viele zogen auch mit der Absicht in die Grands Ensembles, um dort die Bevölkerung „außerhalb der Arbeit“ zu mobilisieren.
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Familien – allein erziehende Mütter scheint es in den sechziger Jahren noch nicht viele gegeben zu haben, oder sie waren noch nicht in den moralisierenden Diskurs eingeschlossen. Den Konflikt zwischen den Generationen, der in den Grands Ensembles besonders zugespitzt zum Ausdruck komme, interpretieren Chamboredon und Lemaire als Ausdruck der Konfrontation sozialer Gegensätze: „Le conflit de générations, qui paraît particulièrement aigu dans le cadre du grand ensemble, doit donc son acuité à sa dimension sociale“ (ebd.: 28). Und weiter: „Les conflits entre adultes et jeunes sont donc souvent des conflits entre adultes de classe moyenne et jeunes de classe populaire“ (ebd.: 27). Die Konflikte zwischen Erwachsenen und Jugendlichen sind also häufig Konflikte zwischen Erwachsenen der Mittelklasse und Jugendlichen der Arbeiterklasse. Entsprechend schlussfolgern die AutorInnen, die Großsiedlungen seien keine Orte gesellschaftlicher Homogenisierung, sondern sie hätten im Gegenteil die Wirkung sozialer Desintegration und des Aufbrechens von Klassensolidarität (ebd.: 33). Bemerkenswert an diesem vor knapp vierzig Jahren entstandenen Artikel, der wie gesagt zum Kanon der französischen Stadtforschung gehört, erscheint mir zweierlei, sieht man einmal von der Diktion der siebziger Jahre ab. Zum einen spielt die ethnische Differenzierung in der Untersuchung absolut keine Rolle, sie kommt weder in den zitierten Interviewpassagen von BewohnerInnen der Cités vor, noch in der Analyse der AutorInnen. Zum anderen fällt die Art und Weise der Thematisierung jugendlichen Sozialverhaltens ins Auge. Rumhängen, Autos klauen, Mädchen anmachen: Die Aktivitäten kennzeichnen auch vierzig Jahre später die Wahrnehmung Jugendlicher in den Grands Ensembles – und implizit gemeint sind offensichtlich junge Männer – in den Augen der Öffentlichkeit. Heute ist häufiger die Trilogie „dealen, Autos abfackeln, Mädchen vergewaltigen“ zu hören, aber die Wahrnehmung der Cités des Sozialen Wohnungsbaus als Orte jungmännlicher Delinquenz, verstärkt durch massenmediale Repräsentationen und Diskurse, ist allgegenwärtig. Man kann also in gewisser Weise von Kontinuität und Wandel der Lebensbedingungen in den Vorstädten seit ihrem Entstehen in den sechziger und siebziger Jahren sprechen. Kontinuität besteht nach meiner Ansicht in der Thematisierung sozialer Differenzen und Hierarchien durch Mittelschicht definierte Bewertungsschemata von sozial abweichendem Verhalten. Diese Thematisierung erfolgt entlang der Auffälligkeit und Skandalisierung jungmännlichen Dominanzverhaltens in der Öffentlichkeit. Damit ist weder gesagt, dass es dieses Verhalten nicht gäbe noch dass es billigend in Kauf genommen werden muss. Worauf es mir ankommt, ist die diskursive Konstruktion von Normalität und Abweichung über im Prinzip vergleichbare und gleichbleibende Kriterien. Den Wandel der Konstruktionen und Bewertungen sehe ich in der gegenwärtig klar ethnischen
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Konnotation sozialer Abweichung: Während Ethnisierung in der Analyse vom Ende der sechziger Jahre keine Rolle spielt, werden die Konflikte in den Großsiedlungen heute eindeutig ethnisch identifiziert. Es sind die nicht-weißen Jungmänner der postkolonialen Immigration, auf die sich die soziale Deklassierung bezieht. Zweiter Exkurs: Die Reform der Wohnungspolitik Die immense Bautätigkeit der sechziger Jahre wird Mitte der siebziger Jahre beendet, als sich erweist, dass der Mangel der Wohnraumversorgung weitgehend behoben ist und der Bausektor aufgrund der staatlichen Intervention aktiviert werden konnte. Im Einklang mit der zentralistischen Planungspolitik wird das Bauprogramm der Großsiedlungen mit Ministerialerlass vom 21. März 1973 gestoppt, bis 1976 werden nur noch existierende Baustellen zu Ende geführt. Gleichzeitig wird mit der Erdölkrise 1974 deutlich, dass die Vorstellung permanenten Fortschritts und Wachstums eine Fiktion war. Die Trente Glorieuses – die aus der Perspektive der Wohnungspolitik gerade einmal zwanzig Jahre gedauert hatten und so glorreich auch wieder nicht waren – enden abrupt. Entsprechend reagiert die Wohnungspolitik 1977 mit einer Reform der Wohnungsfinanzierung, wobei die Investitionen in den Neubau von Sozialwohnungen (aide à la pierre) weitgehend durch das Wohngeld für Sozialwohnungsberechtigte (aide à la personne) ersetzt werden. Damit soll insbesondere der Zugang einkommensschwacher Haushalte zum Mietwohnungsmarkt abgesichert werden. Erhalten bleiben im Zuge der Reform zinsgünstige Kredite zum Erwerb von Wohneigentum. Außerdem werden erste Instrumente zur Sanierung sowohl des im Privatbesitz befindlichen Mietwohnungsbestandes als auch der Großsiedlungen des Sozialen Wohnungsbaus eingeführt, deren bauliche Qualität und Infrastrukturausstattung sich sehr schnell als unzulänglich erweist. Diese Reform der Wohnungspolitik und der Finanzierungsinstrumente führt dazu, dass der Staat sich weitgehend aus der Rolle des Investors zurückzieht und den Marktkräften den größten Teil des Wohnungsbaus überlässt. Die Rolle des Staates reduziert sich in der Konsequenz auf seine Verantwortung für besonders benachteiligte Gruppen (vgl. Jaillet/Ballain 1998: 259). Die Veränderung des Finanzierungsmodus lässt sich den folgenden Größenordnungen des Jahres 1996 ablesen: Danach verteilen sich die Gesamtausgaben der öffentlichen Haushalte für den Wohnungssektor von rund 130 Milliarden Francs (ca. 20,5 Milliarden EUR) in 60 Milliarden für das Wohngeld, Steuererleichterungen in Höhe von rund 36 Milliarden, direkte Investitionen in den Wohnungsbau im Umfang von 26 Milliarden und 7 Milliarden aus dem „1 % patronal“ (vgl. Lacaze 1997: 104). Für die Träger des Sozialen Wohnungsbaus hat die Reform von 1977 weit reichende Folgen. Zum einen verlässt der größte Teil der Mittelschichten die
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lediglich als Durchgangsstation konzipierten Grands Ensembles auf dem Weg in das Wohneigentum. Parallel dazu sinken aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung die Erwerbseinkommen, und es steigt sowohl die Anzahl der Anspruchsberechtigten auf eine Sozialwohnung als auch derjenigen Menschen, die sich auf dem Mietwohnungsmarkt aus unterschiedlichen Gründen, zum Beispiel aufgrund von rassistischer Diskriminierung, nicht mit Wohnraum versorgen können. Entsprechend stellt sich die Situation in den Großsiedlungen Mitte der neunziger Jahre so dar, dass die jungen Mittelschichtfamilien die Sozialwohnungen verlassen haben und von den ehemaligen BewohnerInnen vor allem ältere Menschen in kleineren Haushalten übrig geblieben sind. Die frei gewordenen Wohnungen werden jetzt von Menschen bewohnt, die anderswo keine Wohnung finden: kinderreiche Familien, Alleinerziehende und postkoloniale MigrantInnen (vgl. Horenfeld 1998: 139). Diese „Konzentration“ als schwierig angesehener „Kategorien“ (ebd.) in den Grands Ensembles ist es, die jetzt die Aufmerksamkeit von Planern, Politikern und Medien auf sich zieht. Da sich auch die Unzufriedenheit insbesondere der Jugendlichen in Form der ersten Vorstadtriots Bahn bricht, entsteht Handlungsdruck. Die krisenhafte Zuspitzung der Lebens- und Wohnbedingungen in den Neubausiedlungen gibt Mitte der siebziger Jahre den Anlass zur Implementation der ersten städtebaulichen und sozialen Interventionen, die im Laufe der Zeit unter dem Begriff „politique de la ville“ zusammengefasst werden. Die ersten Maßnahmen zur Quartierserneuerung und -sanierung beginnen praktisch zeitgleich mit dem proklamierten Ende des Großsiedlungsbaus. Sie tragen den Namen „Habitat et vie sociale“ (HVS), also Wohnen und soziales Leben, und gelten als experimentelle Vorläufer der mit dem Amtsantritt von François Mitterrand 1981 verallgemeinerten politique de la ville. 3
Programme zur städtebaulichen Sanierung und sozialen Stadterneuerung: Die politique de la ville Zielsetzung der politique de la ville ist die Entwicklung des sozialen und städtischen Lebens, le développement social urbain (DSU). Ziel dieser Politik der sozial-räumlichen Stadterneuerung ist die Stärkung der sozialen Kohäsion durch räumliche Integration – le social et l’urbain. Die Politik des DSU zielt darauf ab, aufgrund ihrer sozialen und ökonomischen Situation benachteiligte Stadtquartiere durch spezielle Programme und Instrumente zu fördern. Wenn es schon nicht möglich ist, die Ökonomie politisch zu steuern, so die Grundidee, dann sollen politische Steuerungsmechanismen dort einsetzen, wo sie tatsächlich wirkungsvoll greifen können, nämlich auf der Ebene der räumlichen Planung (vgl. Donzelot 2001). Die politique de la ville bezieht sich nicht ausschließlich auf die Großsiedlungen des Sozialen Wohnungsbaus. Zu den sog. ZUS – zones urbaines
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sensibles, sensible städtische Bereiche – zählen auch Altbauquartiere in Großund Mittelstädten, die ähnliche Charakteristika aufweisen wie die Grands Ensembles der Vorstädte. Mit dem Begriff „politique de la ville“ werden Maßnahmen und Vorgehensweisen städtischer Planung bezeichnet, deren Ziel die Verbesserung der Lebensverhältnisse in geografischen Sektoren ist, die auf der Basis statistischer Faktoren von den Durchschnittsnormen auf nationaler und auf kommunaler Ebene abweichen. Der methodische Ansatz der politique de la ville stützt sich sowohl auf die BewohnerInnen als auch auf den räumlichen Kontext, wobei nicht Personen oder soziale Gruppen aufgrund besonderer Merkmale gefördert werden, was der republikanische Universalismus nicht zulässt, sondern ein bestimmtes Territorium. Ihre charakteristischen Kennzeichen sind folgende Aspekte: ein globaler Ansatz auf einem geografisch eng definierten Gebiet, partnerschaftliche und querschnittsorientierte Vorgehensweise zwischen den beteiligten Akteuren, Partizipation der BewohnerInnen bei sie betreffenden Entscheidungen und vertragliche Absicherung mit begrenzter Laufzeit zwischen Staat und lokalen Gebietskörperschaften (vgl. Anderson/Vieillard-Baron 2003, Annales 1995, Bachmann/Le Guennec 1996: 343-497, Chaline 1998, Donzelot 2003). Die politique de la ville kann als ein Experimentierfeld für die Reform der zentralstaatlichen Planung angesehen werden, denn für die französische Stadtund Raumplanung spielt die Dezentralisierung der Staatstätigkeit eine ausschlaggebende Rolle. Mit der Dezentralisierung seit Anfang der 1980er Jahre erfährt die räumliche Planung eine neue Konzeption. Traditionell auf einem hierarchischen Modell basierend, bei dem der Staat im Rahmen der nationalen Pläne per Gesetz die Ziele und Maßnahmen der räumlichen Planung und, wie oben ausgeführt, des Wohnungsbaus festsetzt und zur Umsetzung an die nachgeordneten Instanzen verweist, kommt mit der Dezentralisierung eine neue Auffassung hinsichtlich der Beziehungen zwischen den beteiligten Akteuren zum Tragen. Seither erfolgt die räumliche Planung in Verhandlungen zwischen den Regionen und dem Staat, die durch Planverträge, die contrats de plan État-région (CPER), besiegelt werden. Die Planverträge sind der administrative, juristische und finanzielle Ausdruck der Zielsetzung von Politik und Verwaltung, die räumliche Entwicklung Frankreichs im Interessenausgleich zwischen nationalstaatlicher und dezentraler Ebene zu planen. Im Unterschied zur gesetzlich geregelten, für das gesamte Staatsgebiet einheitlichen Planung, haben die Planverträge den Vorteil einer größeren Anpassungsfähigkeit an die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den Regionen (vgl. DATAR 2002, Pontier 1998). Die Planung per Vertrag ersetzt seit 1984 die Planung per Gesetz. Die Dezentralisierung der räumlichen Planung verstärkt den mit der Reform von 1977 begonnenen Rückzug des Staates aus der Verantwortung für die Woh-
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nungspolitik. Andererseits stärkt der dezentrale Ansatz die Kompetenzen der lokalen AkteurInnen wie Wohnungsbauträger und -verwaltungen, Kommunen und lokalen Gebietskörperschaften und nicht zuletzt der BewohnerInnen der jeweiligen Quartiere. Diese kamen in der von Paris aus zentral geplanten und ausgeführten Wohnungsbaupolitik der sechziger und siebziger Jahre lediglich als passive Adressaten staatlicher Maßnahmen vor, nicht aber als eigensinnige Subjekte mit eigenen Vorstellungen und Aspirationen. Dies drückt sich in der zuvor ausgeführten Vorstellung aus, die bauliche Konzeption der Großsiedlungen und die räumliche Nähe der verschiedenen sozialen Gruppen haben einen von außen auf die BewohnerInnen einwirkenden, zivilisatorischen Effekt. Der politique de la ville wurden verschiedene Funktionen zugeschrieben. Sie sollte ein Experimentierfeld zur Modernisierung des paternalistischen französischen Staates im Rahmen der Dezentralisierung darstellen. Der planende und vorsorgende Staat wird nach und nach zu einem „État animateur“ (Donzelot/Estèbe 1994: 53): „Animieren heißt zur Aktion einladen, wenn man sie nicht erzwingen kann, Dynamik zu erzeugen anstatt passive Erwartung fertiger Lösungen zu unterstützen“. Darüber hinaus ist die politique de la ville auch ein Betätigungsfeld für AktivistInnen in den jeweiligen Stadtquartieren. Für sie wird das DSU zu einem Feld der Qualifizierung und des sozialen Aufstiegs (Peraldi 1995, Duport/Peraldi 1998). Außerdem kann die politique de la ville auch als politische Strategie gedeutet werden, um universalistische Prinzipien des französischen republikanischen Staatsverständnisses und tatsächliche soziale Ungleichheit miteinander in Einklang zu bringen (vgl. Bauhardt 2002, 2004a). Die politique de la ville ist vielfach untersucht, ihre Vorgehensweise wurde in Wissenschaft und Praxis häufig kritisiert, ihre Instrumente den Problemen in den als schwierig identifizierten Stadtquartieren als nicht angemessen beurteilt (vgl. ausführlich dazu Bauhardt 2005). Unterschiedliche Regierungsmehrheiten legen unterschiedliche Schwerpunkte – bürgerlich-konservative eher bei ökonomischen, sozialdemokratische eher bei sozialen und kulturellen Förderansätzen – aber die Anfang der neunziger Jahre konstatierte „relégation“ (Delarue 1991), die Abkopplung insbesondere der Großsiedlungen des Sozialen Wohnungsbaus von der Gesamtstadt, wurde durch keinen dieser Ansätze korrigiert: Weder ist die Arbeitslosigkeit in den Quartieren gesunken, noch hat ihre sozial und ethnisch markierte Stigmatisierung abgenommen. Im Gegenteil: Sobald BewohnerInnen der Siedlungen der soziale und ökonomische Aufstieg gelingt, verlassen sie diese und ziehen in ein besser angesehenes Stadtviertel um (vgl. Jaillet 2003). Es wird sogar die These vertreten, dass die politique de la ville durch ihre Zonierungspolitik selbst zur Reproduktion der Stigmatisierung von Quartieren beitrage (z. B. Béhar 1998).
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Entsprechend konsterniert fallen die Bewertungen auf politischer Ebene aus. Ende der neunziger Jahre kommt der von der Regierung beauftragte Rapport Sueur (1998) zu dem Schluss, entgegen aller Maßnahmen der politique de la ville habe sich die Tendenz zunehmender Marginalisierung zahlreicher Stadtteile bestätigt. Der Bericht schlägt deshalb vor, die kleinräumige Ebene der geografisch eng definierten Problemquartiere zu verlassen und die gesamtstädtische Entwicklung in den Blick zu nehmen. Auch der französische Rechnungshof kommt in seiner Analyse von 2002 zu dem Ergebnis, dass die im Rahmen der politique de la ville eingesetzten Finanzmittel nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt hätten und dass diese aufgrund der Unbestimmtheit ihrer Ziele und Strategien für eine immer größere Verunsicherung bei den beteiligten AkteurInnen verantwortlich sei. Für die Zukunft wird eine bessere Klärung von Kompetenzen und Zuständigkeiten sowie eine erhöhte Evaluation und Kontrolle der Programme angemahnt (vgl. Cour des comptes 2002). Zu diesen Reformen kommt es aber nicht mehr, zumindest nicht im Kontext der bis dahin existierenden Auffassung der politique de la ville als einer eher kleinräumig ansetzenden Sanierungspolitik unter Einbeziehung der BewohnerInnen und ihrer Vereine.5 Das Gesetz für Solidarität und Stadterneuerung vom 13. Dezember 2000 (loi SRU) stellt das Prinzip der Sonderförderung von benachteiligten Stadtteilen in Frage. Zielsetzung des Gesetzes ist es, die allgemeine Daseinsversorgung zu stärken und den Zugang zu staatlichen Diensten und Leistungen für alle Menschen, unabhängig davon, ob sie in einer Zone der besonderen Förderung durch die politique de la ville leben, zu verbessern. Außerdem legt das Gesetz den Akzent auf das Prinzip der „sozialen Mischung“ in einem größeren stadträumlichen Zusammenhang. Die Kommunen werden dazu verpflichtet, den Anteil an Sozialwohnungen auf ihrem Gemeindegebiet auf mindestens 20 % zu steigern. Dieser Pflicht können sich die Kommunen jedoch durch Zahlung einer kompensatorischen Abgabe entziehen, was die Gutsituierten unter ihnen auch häufig tun, die die Mischung mit Schwächeren keinesfalls anstreben. Jacques Donzelot (2006: 109) bezeichnet dieses Vorgehen ironisch als „Wahlfreiheit“ der Kommunen zwischen Sozialem Wohnungsbau und einer Ausgleichszahlung. Die endgültige Verabschiedung vom „développement social et urbain“ erfolgt mit dem Gesetz vom 1. August 2003 zur Stadtsanierung, dessen Hauptstoßrichtung im Abriss von vernachlässigten Siedlungen und im Neubau von Sozialwohnungen liegt. Im Zeitraum 2004 bis 2008 sollen insgesamt 200.000 Wohnungen abgerissen, 200.000 saniert und weitere 200.000 Sozialwohnungen neu gebaut werden (Depincé 2003, zit. nach Damon 2004: 83). Diese Neuorientie5
Die BewohnerInnen mussten sich in Vereinen organisieren, um finanzielle Unterstützung ihrer Projekte durch die politique de la ville zu erhalten (vgl. Bauhardt 2004).
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rung hat vor allem die Aufwertung vernachlässigter Quartiere im Blick, wobei Aufwertung hier im doppelten Sinne gemeint ist: Aufwertung des Images von schlecht beleumundeten Siedlungen und Wertsteigerung von Boden und Immobilien. Der Ansatz der politique de la ville, die alltäglichen Lebensbedingungen der Menschen in den Quartieren zu verbessern, wird ersetzt durch ökonomische Inwertsetzung (vgl. Lelévrier 2004: 68). Christine Lelévrier (2004) vertritt die interessante These, dass die positiven Effekte der politique de la ville unterschätzt würden, weil die Evaluierung der Indikatoren im Längsschnitt – zum Beispiel die Arbeitslosenquote oder die durchschnittlichen Haushaltseinkommen – die Bewertung von Erfolg oder Misserfolg systematisch verzerrten. Die Verschlechterung der Indikatoren und die Verarmung von Quartieren könne durchaus als Ergebnis einer geglückten sozialen Entwicklung angesehen werden, denn, so ihre Argumentation, wenn die soziale Entwicklung erfolgreich ist, dann zeigt sich das daran, dass diejenigen Personen und Haushalte, die davon profitierten, die schlechten Wohngebiete verlassen und ihr Platz von ärmeren Sozialwohnungsberechtigten eingenommen würde. Da die ökonomischen Ressourcen der Armen aber insgesamt immer geringer würden, sinke auch das verfügbare Haushaltseinkommen. Seit einiger Zeit werden nun also als problematisch geltende Großsiedlungen abgerissen, was in der französischen Wohnungspolitik lange als „eine Art Tabu“ (Donzelot 2006: 75) galt. Der Abriss dieser Symbole fortschrittlicher Architekturkonzeption hätte das Eingeständnis des Scheiterns dieses Modells ebenso zum Ausdruck gebracht wie die gesellschaftliche Missachtung der BewohnerInnen.6 Nun aber scheint dies machbar geworden zu sein, vor allem auch, so Donzelot, weil die Wohnungsbauträger nicht mehr einfach nur die Verwalter schlechter Bausubstanz für arme Bevölkerungsgruppen sein wollten, sondern Projektentwickler, „städtische Unternehmer“ (ebd.: 77). Der Begründungszusammenhang, in den die Abrisspolitik gestellt wird, ist, wie könnte es anders sein, die „soziale Mischung“ (siehe Abbildungen 1 und 2).
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Jacques Donzelot berichtet von einem großen Kolloquium 1990 anlässlich der Publikation des Berichtes „Pour en finir avec les grands ensembles“, der den Abriss als einzige Lösung für die sozialen Probleme der Großsiedlungen proklamiert. Das Kolloquium wurde von Jugendlichen aus Lyoner Vorstädten gestürmt, sie verlangten, die Verantwortlichen sollten sich von diesem Konzept verabschieden (vgl. Donzelot 2006: 76).
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Abbildung 1:
Zum Abriss bestimmte Großsiedlung im Norden von Paris 2004 (Villetaneuse im Département Seine-Saint Denis)
Abbildung 2:
Neubau von Sozialwohnungen, um durch Abriss verloren gegangenen Wohnraum zu kompensieren, 2004 (ebenfalls Villetaneuse im Département Seine-Saint Denis)
Fotos: Christine Bauhardt
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Wohnungspolitik und Stadterneuerung aus einer intersektionalen Perspektive Die Darstellung der Phasen des Sozialwohnungsbaus sowie der sukzessiven Sanierung der Großsiedlungen beende ich hier, da mit der Politik des Abrisses beide Entwicklungsperspektiven des Sozialen Wohnungsbaus in Frankreich, zunächst quantitative Versorgung und anschließend qualitative Verbesserung, verabschiedet wurden. Ich möchte nun versuchen, sowohl die Utopie der neuen Stadt als auch das Scheitern unterschiedlicher Versuche, dieser Utopie Leben einzuhauchen, aus einer intersektionalen Perspektive zu analysieren. Der Begriff der Intersektionalität wurde von der US-amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw (1991) geprägt, um damit die Gleichzeitigkeit von Ungleichheits- und Unterdrückungsverhältnissen zu beschreiben. Ihr geht es dabei um die Überkreuzungen, Verschränkungen und Hierarchisierungen von individuellen und gruppenbezogenen Identitäten. Allerdings erweist es sich in der konkreten Analyse als schwierig, alle Differenz(ierungs)kategorien immer gleichzeitig im Blick zu behalten. Außerdem wird in der Gender-Forschung eine intensive Debatte darüber geführt, in welchem Kontext welche Kategorien sozialer Differenzierung zu Diskriminierung und Herrschaft führen (vgl. z. B. EJWS 2006, Klinger/Knapp/Sauer 2007). Ich werde mich im folgenden Versuch einer intersektionalen Analyse der Wohnungspolitik in Frankreich auf die Kategorien Klasse beziehungsweise ökonomischer Status, Ethnizität beziehungsweise Ethnisierungsprozesse sowie GenderKonstruktionen beziehen und ihre Relevanz für die französische Stadtentwicklung herausarbeiten. Die Rekonstruktion der Geschichte des Sozialen Wohnungsbaus in Frankreich zeigt, dass die Großsiedlungen vor allem als Antwort auf die dramatische Wohnungskrise verstanden werden müssen. Weder waren sie von Anfang an als Wohnsilos für unerwünschte soziale Gruppen konzipiert, noch sind sie räumlich und sozial aus der französischen Gesellschaft ausgeschlossen und sich selbst überlassen, wie die verschiedenen Phasen der politique de la ville bezeugen. Allerdings ist die Stadtutopie, die sich von Beginn an mit den Neubausiedlungen verbindet, durch einen offensichtlichen Klassen- und durch einen weniger offensichtlichen Gender-Bias gekennzeichnet. Zunächst ist hervorzuheben, dass der Soziale Wohnungsbau die Versorgung ökonomisch schwächerer Gruppen mit Wohnraum intendiert. Die Grands Ensembles haben aber zunächst nicht in erster Linie die am Wohnungsmarkt benachteiligten Gruppen im Blick, sondern die Mittelschichten am Beginn ihres sozialen und ökonomischen Aufstiegs, für die die Großsiedlungen als Zwischenstation auf dem Weg ins Wohneigentum konzipiert sind. Mit dem fortschrittlichen technischen Standard und dem erhöhten Wohnkomfort verknüpft sich so-
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wohl die Vorstellung einer Wohnsozialisation als auch einer gesellschaftlichen Nivellierungstendenz: Durch räumliche Nähe soll sich die soziale Distanz zwischen Arbeiterklasse und Mittelschicht einebnen und zu einer Anhebung des Lebensniveaus entlang den Bewertungsmaßstäben der Mittelschicht führen. Diese Mittelschichtstandards sind mit Geschlechternormen unterlegt, wie die Analyse von Chamboredon und Lemaire (1970) implizit zeigt. Anhand der Kriterien Erziehung und Sexualverhalten werden Norm und Abweichung konstruiert, die mit Auf- und Abwertungsprozessen verbunden sind. Familie und Schule versagen danach bei ihrer Aufgabe, gesellschaftliche Standards zu vermitteln. Dieses Versagen der Sozialisationsinstanzen gilt als verantwortlich für das abweichende Verhalten der männlichen Jugendlichen, die damit die mangelnde Anpassungsfähigkeit der unteren Schichten an die gesellschaftliche Ordnung zum Ausdruck bringen. Die männlichen Jugendlichen sind es in den sechziger Jahren ebenso wie heute, die die Wahrnehmung der Großsiedlungen prägen. Sie sind die sichtbarsten Indikatoren bei der Identifikation von als gefährlich geltenden Stadtquartieren, weil sie den öffentlichen Raum durch ihre physische Präsenz in Besitz nehmen und darüber hinaus als Akteure von Vorstadtriots im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen. Frauen und Mädchen sind so gut wie nicht sichtbar, weder als räumlich präsente noch als politisch agierende Subjekte – vorausgesetzt, man interpretiert die Gewaltmanifestationen als politisch motivierte Aktionen. Inwiefern dieser Gender-Bias wiederum mit einem ethnischen Bias unterlegt ist, möchte ich im Folgenden zeigen. Auffällig an der zeitgenössischen Analyse der Grands Ensembles ist, dass die ethnische Differenz in den Darstellungen nicht thematisiert wird, weder in den euphorischen Texten über die Laboratorien der Neuen Gesellschaft noch in der die Euphorie relativierenden Studie. Ethnisierungsprozesse scheinen in der ersten Phase von Neubau und Bezug der Großsiedlungen kein Thema gewesen zu sein. Neuere Untersuchungen belegen aber, dass die ethnische Kategorisierung der BewohnerInnen von Beginn an ein Problem für politisch Verantwortliche und Wohnungsbauträger darstellt. So zeigt Olivier Masclet (2005), dass der Anteil der migrantischen Bevölkerung an der gesamten Bewohnerschaft in der von ihm untersuchten Vorstadt Gennevilliers im Pariser Norden im Jahr 1962 6 %, im Jahr 1973 5 % beträgt (Masclet 2005: 14) und erklärt diesen geringen Prozentsatz damit, dass bei der Wohnungsvergabe in den sechziger Jahren eine informelle Quote für die Zuweisung von Sozialwohnungen an nicht-französische WohnungsbewerberInnen praktiziert wurde, die den Zugang zu Sozialwohnungen für MigrantInnen verschloss. Für die Belegung des Sozialen Wohnungsbaus bedeutet das eine Bevorzugung von qualifizierten ArbeiterInnen sowie kleinen und mittleren Angestellten französischer Staatsangehörigkeit. Dies ist umso problematischer, als die
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Kommune Gennevilliers zu den Pariser Vorstädten der Banlieue rouge, also zu den kommunistisch regierten Kommunen, gehört und man hier eine Gleichbehandlung aller abhängig Beschäftigten unter Absehung individueller Merkmale erwarten könnte. Das bedeutet zum einen, dass die Vergabe von Sozialwohnungen in den sechziger und siebziger Jahren von den Kommunalpolitikern durchaus als Instrument genutzt wurde, um WählerInnen zu gewinnen und an die Partei zu binden: In Gennevilliers erzielt die Kommunistische Partei bis 19837 häufig über 70 % der Wählerstimmen (ebd.: 15). Zum anderen fällt in diese Zeit die massive Rückkehr beziehungsweise Einwanderung aus Algerien in der Folge des Algerienkriegs sowie die Arbeitsmigration. Entsprechend groß wird die Konkurrenz um Wohnraum in den französischen Städten. Dabei, so Masclet, stellt sich „auf dramatische Weise die Frage nach der französischen oder algerischen nationalen Identität“ (ebd.). Da die Anspruchsberechtigten finanziell schwache Haushalte mit französischer Staatsangehörigkeit oder mit einem Aufenthaltstitel für das französische Staatsgebiet sind (s. o.), wird die Frage der Zuweisung einer Sozialwohnung auch eine nach der „richtigen“ Nationalität.8 Aber diese Frage wird nicht allein auf der Grundlage des Passes beantwortet. Es kommen auch normative Vorstellungen über angemessene oder unangemessene Lebensweisen zum Ausdruck, wenn über die Vergabe einer Sozialwohnung entschieden wird. Die Kinderzahl, ihre besondere ökonomische Benachteiligung oder auch die regionale, meist ländliche Herkunft der migrantischen Bevölkerung lässt sie den EntscheiderInnen als rückständig und für die neuen Sozialwohnungen ungeeignet erscheinen. Entsprechend werden ihre Anträge bei der Vergabe höchst selektiv berücksichtigt – sie gelten als Bedrohung für die Qualität der neuen Siedlungen (vgl. ebd.: 20). Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung darf nach den Vorstellungen von Politik und Wohnungsbauverwaltung eine – im Übrigen variabel gehaltene und willkürlich festgesetzte – Grenze nicht überschreiten. Die sog. „Toleranzschwellen“ können nach den Quellen einmal bei 5 %, einmal bei 10 bis 12 % oder auch bei 15 % liegen (de Barros 2005: 44). Der Status „Staatsangehörigkeit“ spielt in diesem Prozess der Wohnungsvergabe nur insofern eine Rolle, als er das Anrecht auf eine Sozialwohnung sicher stellt. Die tatsächliche Zuweisung von Wohnungen an die verschiedenen Anspruchsberechtigten erfolgt nach Kriterien ethnischer Identifizierung – ohne 7 8
1983 erzielt die rechtsextreme Partei Front National erstmals spektakuläre Wahlerfolge. Die Frage nach der Staatsangehörigkeit für die BürgerInnen Algeriens während und nach der Kolonisierung ist komplex und kann hier nicht im Detail erörtert werden. Zwischen 1945 und 1962 gelten AlgerierInnen als französische Staatsangehörige mit Wahlrecht, ihr Status lautet „Français musulmans d’Algérie“. Nach der Entkolonisierung müssen sie innerhalb von drei Jahren ihre französische Staatsangehörigkeit bestätigen, ansonsten wird ihnen die algerische Staatsangehörigkeit zugewiesen (vgl. de Barros 2005: 39).
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dass dies in offiziellen Dokumenten belegt wäre. Diese Praxis lässt sich nur anhand von Archivmaterial, wie es Masclet (2005) am Beispiel von Gennevilliers und den Protestbriefen von Bürgermeistern, Politikern und Wohnungsverwaltung aufgearbeitet hat, nachvollziehen. Mit dem staatlichen Belegungsrecht für besonders benachteiligte Haushalte werden die Verwaltungen der HLMs jedoch gezwungen, auch mehr postkoloniale MigrantInnen in ihren Bestand aufzunehmen. Dies führt zum einen dazu, dass ihnen häufig der schlechtere Teil der als Durchgangstation konzipierten Neubauten zugewiesen wird, eben weil die migrantische Bevölkerung als „qualitätsmindernd“ angesehen wird. Am Beispiel von Gennevilliers lässt sich nachweisen, wie heftig sich sowohl die Träger des Sozialen Wohnungsbaus als auch die politisch Verantwortlichen der Kommune gegen diese Forderung wehren. Zum anderen dürfte dann auch die soziale Distinktion der Mittelschichten, wie von Chamboredon und Lemaire (1970) beschrieben, zum Tragen kommen. Denn es ist davon auszugehen, dass die Frage von Norm und Abweichung nicht allein über die Frage der sozialen und ökonomischen Positionierung entschieden wird, wie dort erläutert wird, sondern auch über das Verhältnis von Überlegenheit und Unterordnung in einem (post)kolonialen Herrschaftszusammenhang. Die vielbeschworene Utopie sozialer Angleichung durch räumliche Nähe erweist sich damit nicht nur in Bezug auf die soziale, sondern zusätzlich auf die ethnisch markierte Distanz(ierung) als Illusion. So greifen zwei unterschiedliche Bewegungen bei der Entwicklung der Grands Ensembles ineinander. Die Mittelschichten, für die der Soziale Wohnungsbau als Übergangslösung bis zum Erwerb von Wohneigentum konzipiert war, verlassen die Siedlungen, sobald ihre finanziellen Mittel und die staatliche Eigentumsförderung ihnen das erlauben. Die migrantische Bevölkerung bezieht – freiwillig oder zwangsweise, weil es für sie keine anderen Möglichkeiten gibt – den schlechten Bestand der frei werdenden Wohnungen. Die Wohnungsbauträger und die politischen AkteurInnen postulieren ein „Gleichgewicht der Bevölkerungsgruppen“ beziehungsweise eine „soziale Mischung“ bei der Wohnungsvergabe. Die Strategien der Wohnungsbauträger in diesem Kontext beschreibt Masclet (2005: 25) folgendermaßen: Um den Gesamtwert ihres Bestandes zu verteidigen, opferten sie die am wenigsten attraktiven Standorte, nämlich diejenigen, die sich weit entfernt von Verkehrsmitteln, Stadtzentren und Arbeitsstätten befänden, für die sozial und ethnisch deklassierte Bevölkerung. Mit diesem Prozess der wechselseitigen Verstärkung von Rahmenbedingungen der Wohnungspolitik und der ökonomischen Krise einerseits und den sozialen Distinktionsbestrebungen der weißen Mittelschicht andererseits scheint mir die Entwicklung bestimmter Großsiedlungen zu marginalisierten Orten erklärbar. Gesellschaftlich sichtbar wird diese Überkreuzung von Machtverhältnis-
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sen an den ethnisch markierten, von der formellen Ökonomie ausgeschlossenen männlichen Jugendlichen, wenn es – wieder einmal – zu gewaltförmigen Auseinandersetzungen in den Großsiedlungen kommt. Jacqueline Coutras, eine der wenigen feministischen Stadtforscherinnen in Frankreich, hat schon früh darauf hingewiesen, dass die Krise der Stadt eine Geschlechterkrise ist (Coutras 1996) und dass Männer und Frauen sozialräumliche Segregation in der Stadt, nicht nur in den Großsiedlungen, in ihrem Alltag unterschiedlich erleben. Das prekäre Verhältnis der Frauen zum öffentlichen Raum und ihre Verortung in der Sphäre des Privaten ist dafür ein zentraler Indikator. In einer jüngeren Publikation (Coutras 2003) widmet sie sich der Konstruktion von Krisenphänomenen und Gewaltausübung aus einer Geschlechterperspektive. Hier geht sie auf die Inbesitznahme des öffentlichen Raumes durch männliche Jugendliche in den als problematisch identifizierten Stadtquartieren ein. Sie konstruieren danach ihre Männlichkeit über die Aneignung des öffentlichen Raums der Siedlung und durch die Definition der Regeln, die dort herrschen. Dieser öffentliche Raum in seiner reduzierten Form sei der letzte verbliebene Ort, an dem sie ihre Männlichkeit demonstrieren könnten (Coutras 2003: 179, vgl. auch Kebabza 2004). Die Regeln, die dabei definiert werden, zielen auf die Sexualität der Mädchen und jungen Frauen ab.9 Von hier zur Debatte über das Kopftuch und die vermeintlich wachsende Islamisierung der Großsiedlungen ist der Weg nicht mehr weit. Spätestens dann beginnen die Fragen, inwiefern Mädchen und junge Frauen sich freiwillig oder aufgrund der Umstände gezwungenermaßen den männerdefinierten Regeln unterwerfen. Auf diese Debatte werde ich hier nicht weiter eingehen, einfache Antworten führen dabei in die Irre (vgl. Bauhardt 2004b, 2009; Dornhof 2006). Stattdessen komme ich nochmals auf die politique de la ville zurück. Jacqueline Coutras vertritt die These, dass die jungen Männer und ihre gewaltförmigen Ausbrüche es geschafft hätten, ihre Realität gegenüber der dominanten Sicht der Dinge durchzusetzen und so die Öffentlichkeit machtvoll zu zwingen, ihnen trotz ihrer sozialen und kulturellen Unterdrückung (Be)Achtung entgegen zu bringen, und sei es mittels kostspieliger Politiken: „L’intérêt de la collectivité pour les ‚violences urbaines’, masculines, et les efforts répétés et coûteux des politiques pour y remédier montrent que les garçons ont su 9
Die Geschlechternormen und das Aushandeln angemessener oder abweichender Verhaltensweisen von diesen Normen sind Thema des Films „Regarde-moi“ von Audrey Estrougo (2007). Die Geschichte des Films ist ein und derselbe Tag, der einmal aus der Perspektive der Jungen, einmal aus der der Mädchen in einer Großsiedlung erzählt wird. Die dreiundzwanzigjährige Filmemacherin thematisiert damit auch eigene Erfahrungen in einer Pariser Vorstadt.
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imposer leur réalité à celle qui leur est imposée. [...] [A]lors il faut reconnaître que les garçons, dominés socialement et culturellement, ont le pouvoir d’obliger l’espace public à les considérer“ (Coutras 2003: 161).
Die politique de la ville ist, zumindest vordergründig, als Reaktion auf die ersten Vorstadtriots zu einem Feld städtebaulicher und sozialer Intervention geworden. Lösen allerdings konnten ihre unterschiedlichen Ansätze die Probleme sozialräumlicher Marginalisierung nie. Die meisten sozialwissenschaftlichen Analysen teilen die Einschätzung, dass hier in erster Linie „soziale Befriedung“ (Coutras 2003: 164) stattgefunden habe. Auch die politische Bewertung ist in der Konsequenz negativ und hat zur derzeit favorisierten Politik des Abrisses problematischer Siedlungen geführt. Das jedoch löst nicht die Probleme derer, für die weder auf dem Arbeitsmarkt noch in der Stadt Raum ist. Die politique de la ville konstruiert im Übrigen selbst die Geschlechternormen mit, die das Spektrum von Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit und Unsichtbarkeit im Privaten reproduziert. Die implizite Norm von Weiblichkeit, mit denen die Projekte der politique de la ville unterlegt sind, adressieren die Mädchen und Frauen als diejenigen, die für die Sozialisation der Gesellschaft und für den sozialen Zusammenhang in den als problematisch geltenden Quartieren zuständig sind (vgl. Bauhardt 2002, 2004a). Empirisch lässt sich durchaus nachvollziehen, dass sich Mädchen und Frauen tatsächlich stark in den Vereinen und Initiativen engagieren, die eine Verbesserung der sozialen Lebensverhältnisse in den Siedlungen anstreben. Horia Kebabza (2004) kritisiert allerdings in ihrer Studie über die Geschlechterverhältnisse in den von ihr untersuchten Großsiedlungen, dass die Interventionen der politique de la ville stereotype Gendernormen verstärke, da sie die Trennung von Öffentlichkeit und Privatheit und ihre jeweilige Zuweisung an die Geschlechter verschärfe: „Les pratiques différenciées induites par ces politiques publiques, même s’il existe des espaces de cohabitation filles-garçons, ont renforcé l’occupation non-mixte de l’espace, du territoire“ (ebd.: 61). [Die geschlechterdifferenten planerischen Maßnahmen haben die geschlechtsgetrennte Inbesitznahme des Raums verstärkt, auch wenn es Räume der gemeinsamen Nutzung von Mädchen und Jungen gibt.]
Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Wohnungsbau- und Sanierungspolitik in Frankreich von den Differenz(ierungs)kategorien Klasse, Ethnizität und Gender durchzogen ist, die auf je spezifische Weise Machtverhältnisse konstituieren und Ein- und Ausschlüsse produzieren. Stadträumliche Segregation kann nicht monokausal auf eine alles erklärende Ursache zurückgeführt werden. Weder eine rein ökonomische Analyse, die sich auf den Faktor Armut und ökonomische Ausgrenzung konzentriert, noch eine allein die Ethnisierung betonende
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Perspektive wird der Komplexität des Ineinandergreifens von sozialen Strukturen und individuellen Handlungen gerecht. Die Gender-Perspektive weist darüber hinaus auf die Bedeutung von Über- und Unterordnungsverhältnissen hin, die jenseits dieser Kategorien sozialer Stratifizierung liegen. 5 Fazit: Mit „sozialer Mischung“ gegen stadträumliche Segregation? Die verschiedenen Etappen der französischen Wohnungspolitik bauen mehr oder weniger explizit auf dem Konzept der „sozialen Mischung“, der „mixité sociale“ auf. Bereits die Programme für den Sozialen Wohnungsbau setzen auf die Vision der Mischung von Bevölkerungsgruppen, wobei die Vorstellung verfolgt wird, Angleichungsprozesse der Arbeiterklasse an Normen und Werte der Mittelschicht zu befördern. Die räumliche Nähe der sozialen Gruppen, so sieht es zumindest die städtebauliche Utopie, ermöglicht ihre Vermischung und damit die Verwischung sozialer Unterschiede. Dass dies de facto nicht der Fall ist und soziale Differenzierungs- und Deklassierungsprozesse durch die BewohnerInnen selbst reproduziert werden, hat sich anhand der Studie von Chamboredon und Lemaire (1970) gezeigt. Im Zusammenhang mit der Vergabe von Sozialwohnungen hat sich erwiesen, dass das Konzept der „sozialen Mischung“ eine ambivalente Wirkung entfaltet. Die Mischung von Bevölkerungsgruppen zielt hier auf die Begrenzung des Anteils als fremder oder als nicht-französisch kategorisierter BewohnerInnen, was dazu führt, dass diese schlechtere Bausubstanz und nachteilige Lagen akzeptieren müssen. Dadurch entstehen Gebiete innerhalb des Sozialwohnungsbestandes, in denen schwierige Lebenslagen kumulieren und die ethnisch identifiziert werden. Interessant ist dabei, wie stark die französische Stadtforschung betont, diese Quartiere seien keine „Ghettos“ (vgl. Wacquant 1992, 2006; VieillardBaron 1996). Dabei wird hervorgehoben, dass im Unterschied zu den Ghettos der Schwarzen in den Städten der USA die ethnische Zusammensetzung der Großsiedlungen in Frankreich hochgradig heterogen und „gemischt“ sei, was wiederum auf das Ideal der sozialen Mischung verweist. „Soziale Mischung“ wird auch hier als ein positiver Wert verstanden, obwohl diese ursprünglich aus einer Segregation zwischen erwünschten und unerwünschten, da „fremden“ Bevölkerungsgruppen hervorging (vgl. Tissot 2005). Im Kontext der aktuellen Politik von Abriss und Neubau wird ebenfalls mit dem Argument der „sozialen Mischung“ operiert. Hier stehen die Auflösung von Wohngebieten mit „hoher Konzentration problematischer Gruppen“ und die „soziale Mischung“ des Quartiers im Zentrum. Dass diese Politik zum Scheitern verurteilt ist, zeigt Christine Lelévrier (2004). Sie argumentiert mit der Wahrscheinlichkeit, dass die Neubauten wiederum den Haushalten mit relativ stabilem Einkommen und einer geringen Kinderzahl, also den eher „unproblematischen“
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Anspruchsberechtigten auf eine Sozialwohnung, zugewiesen werden. In den übrigen Quartieren mit schlechter Wohn- und Lebensqualität verbleiben die „unerwünschten“ ethnisch markierten Familien mit vielen Kindern. Damit gehe ein erneuter Filterungseffekt der sozialen Gruppen einher. Jacques Donzelot (2006) ironisiert das Konzept der „sozialen Mischung“ als eine „Doktrin“, die sämtliche Probleme der Großsiedlungen und der Gesamtgesellschaft lösen solle: „Pour que les enfants réussissent scolairement, pour que les parents retrouvent un emploi, pour que la délinquance diminue, une seule solution s’impose vraiment: la mixité sociale. Elle seule ramènera de fait les perdants de la vie dans le cours de la société“ (ebd.: 80). [Damit die Kinder in der Schule erfolgreich sind, damit die Eltern wieder eine Arbeit finden, damit die Kriminalität sinkt, gibt es nur eine richtige Lösung: die soziale Mischung. Sie allein wird die VerliererInnen des Lebens de facto wieder in die Gesellschaft eingliedern.]
Die „soziale Mischung“ als Allheilmittel gegen gesellschaftliche und städtische Segregation? Sowohl die historische Entwicklung des Sozialen Wohnungsbaus wie die Praxis der Wohnungsvergabe weisen darauf hin, dass „soziale Mischung“ eine Fiktion ist, die gerade wegen der höchst unterschiedlichen Vorstellungen, wer mit wem warum gemischt werden müsste, nicht realisiert werden kann – abgesehen davon, dass mit dem Konzept Erwartungen verbunden sind, die völlig illusorisch sind. Wahrscheinlich ist schon das Bild der sozial gemischten Stadt als einem verlorenen Ideal trügerisch. Städte waren und sind immer segregiert entlang sichtbarer und unsichtbarer Grenzziehungen. Die Frage bleibt, wie Stadtpolitik mit segregierten Stadtvierteln umgeht, in denen sich Armut und soziale Stigmatisierung manifestieren.
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Christine Bauhardt
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Wohnen und Fertilitätsverhalten in der DDR Marlies Schulz
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Ein Blick zurück in eigener Sache
Ort des Geschehens: Zeitraum des Geschehens: Handelnde Personen:
Ziel: Rechtliche Grundlage der Wohnungsversorgung:
Berlin, Hauptstadt der DDR 1966 - 1971 W. Schulz, Abschluss des Studiums 1965, Lehrer im Schuldienst; wohnhaft bei den Eltern in einer 2-Zimmerwohnung im Stadtbezirk Prenzlauer Berg; Wohnungsantrag im Stadtbezirk Prenzlauer Berg seit 1966. M. Wilde, Abschluss des Studiums, Lehrerin im Schuldienst; wohnhaft bei der Mutter in einer 1,5 Zimmerwohnung im Stadtbezirk Weißensee; Wohnungsantrag im Stadtbezirk Weißensee seit 1966. eine gemeinsame Wohnung U. a. Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung 1960 Nr. 27 und Schulgesetz vom 12.11.1959 § 38, in denen Lehrern und Erziehern am Dienstort spätestens innerhalb eines Jahres nach Dienstantritt ein angemessener Wohnraum zur Verfügung zu stellen ist. Für Lehrer gibt es in den Abteilungen Volksbildung der jeweiligen Stadtbezirke in Berlin ein Wohnungskontingent.
Aktivitäten der handelnden Personen: 1966 und 1967: Mehrere erfolglose Kontakte mit den entsprechenden Stellen der Abteilungen Volksbildung der Stadtbezirke Weißensee und Prenzlauer Berg. Mai 1967: Heirat, die Eheleute wohnen weiter bei ihren Eltern. Nach der Heirat erfolgt die Mitteilung der Abteilung Volksbildung, dass nur ein Wohnungsantrag gestellt werden darf. Entscheidung von M. und W. Schulz den Wohnungsantrag im Bezirk Prenzlauer Berg zurückzuziehen. August 1967: Eingabe an den Bürgermeister des Stadtbezirks Weißensee mit Verweis auf die rechtlichen Grundlagen.
118 Oktober 1967:
Januar 1968: Februar 1968:
August 1968: 1969 und 1970: Ende 1969: Mai 1970: Juni 1970: Juli 1970:
Oktober 1970: Oktober 1970: Dezember 1970: Februar 1971: Februar 1971: März 1971:
Marlies Schulz Beschluss der Schulordnung der DDR, in der die vorrangige und angemessene Versorgung mit Wohnraum für Lehrer und Erzieher rechtlich besonders fixiert wird. Feststellung einer Schwangerschaft. Zuweisung von 1,5 möblierten Zimmern (insgesamt 24 qm, der kleinere Raum ist nicht beheizbar) zur Untermiete als Überbrückungslösung. Der Wohnungsantrag läuft weiter, die Endversorgung mit Wohnraum soll 1970 erfolgen. Geburt des Kindes. Monatliche Kontakte zu den entsprechenden Stellen der Abteilung Volksbildung Weißensee und des Stadtbezirks Weißensee. Feststellung einer Schwangerschaft. Eingabe an den Bezirksbürgermeister des Stadtbezirks Weißensee. Geburt des zweiten Kindes. Mitteilung durch den Bezirksbürgermeister, dass das Ehepaar Schulz auf der Wohnraumvergabeliste der Abteilung Volksbildung des Stadtbezirks für das Jahr 1970 steht und eine Versorgung im 4. Quartal zu erwarten ist. Mitteilung der Abteilung Volksbildung, dass eine Versorgung in absehbarer Zeit nicht möglich ist. Eingabe an den Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Erich Honecker – Weiterleitung der Eingabe an den Stadtbezirk. Mitteilung des Stadtbezirks – Versorgung zurzeit nicht möglich. Gespräch mit dem Stadtbezirksrat: Eine Terminangabe für eine Endversorgung mit Wohnraum ist nicht möglich. 2. Eingabe an den Vorsitzenden des Staatsrates, Erich Honecker. Zuweisung einer 2,5 Zimmerwohnung im Stadtbezirk Weißensee.
2 Einleitung Das Beispiel spiegelt die typische Problemlage junger Familien in der DDR Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre wider. Diese Situation wird als Ausgangspunkt für die Darstellung der Wohnungspolitik und Familienpolitik der DDR seit Anfang der 1970er Jahre und deren Folgewirkungen gewählt. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Entwicklung, Struktur und räumliche Verteilung des Wohnungsneubaus und charakterisiert die Verteilungsmechanismen der Wohnungen und die sich daraus ergebenden Folgewirkungen hinsichtlich der Bevölkerungsverteilung. Es wird eine inhaltliche Verknüpfung zur Familienpoli-
Wohnen und Fertilitätsverhalten in der DDR
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tik der DDR vorgenommen. Daten für die darzustellenden Inhalte liegen in sehr unterschiedlicher Differenzierung und Qualität vor. In der Regel entsprechen sie nicht dem gewünschten Umfang und der gewünschten Qualität. Ursachen dafür sind einerseits der Tatbestand, dass nur in sehr geringem Umfang in der Statistik der DDR Daten für Gemeinden und Kreise veröffentlicht wurden und andererseits aus politischen Gründen Manipulationen und Verfälschungen statistischer Daten für die Veröffentlichung (z. B. Wohnungsbaustatistik) erfolgten (Oettel 2006: 52f., Tesch 2001: 35). Der Beitrag orientiert sich überwiegend an Daten, die ab 1990 vom Statistischen Bundesamt aufbereitet und rückgerechnet und in einer Sonderreihe des Statistischen Bundesamtes mit Beiträgen für das Gebiet der ehemaligen DDR veröffentlicht wurden. 3 Wohnungspolitik und ihre räumlichen Wirkungen Die gesamte Wohnungswirtschaft der DDR war durch ein staatlich zentriertes Planungs- und Verteilungsprinzip gekennzeichnet. Der Staat regulierte den Umfang und die Standorte des Wohnungsneubaus und die Erneuerung des Wohnungsbestandes und legte die Zuteilung der neuerrichteten und frei werdenden Wohnungen fest. Die Städte und Gemeinden erhielten nur unbedeutende Planungsbefugnisse und finanzielle Fonds. Ende der 1960er Jahre hatte der Wohnungsneubau einen sehr geringen Umfang mit rund 53.000 Wohnungen für die gesamte DDR. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den Wohnverhältnissen war auf ein bedrohliches Ausmaß angewachsen (Grundmann 1998: 109). Anfang der 1970er Jahre wurde ein Fehlbedarf von über 2,8 Millionen Wohnungen ermittelt (Rietdorf 1997: 19). Die staatliche Reaktion auf diese Situation war die Initiierung des Wohnungsbauprogramms auf dem VIII. Parteitag der SED 1971 und die Beschlussfassung 1973 auf der 10. Tagung des Zentralkomitees der SED (Tesch 2001: 9). Das proklamierte Ziel bestand darin, die Wohnungsfrage als soziales Problem bis zum Jahr 1990 zu lösen und jedem Haushalt eine eigene Wohnung zur Verfügung zu stellen. Der Versuch dieses Programm zu realisieren, erfolgte durch eine weitgehend verstaatlichte Bauindustrie, die durch Großbetriebe (Wohnungsbaukombinate) und durch die vorherrschende Bautechnologie der Großplattenbauweise gekennzeichnet war (Hannemann 1992: 283). Gegenüber dem Wohnungsneubau wurde die Erneuerung des vorhandenen Wohnungsbestandes stark vernachlässigt, was zu Stadtverfallsphänomenen enormen Ausmaßes führte. Auf zentraler Ebene wurden für den Wohnungsneubau Wohnungstypen entwickelt, die nur wenig gestalterische Modifizierungen zuließen. Dominant war der Wohnungsbautyp WBS 70, von dem in den Jahren von 1971 bis 1990 mehr als 644.000 Wohnungen (rund 50 % aller neugebauten Wohnungen) errichtet wurden (Hannemann 2005: 101). Zu einem wichtigen Kriterium der Standortwahl des Wohnungsneubaus wurde die Senkung des „einmaligen
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Marlies Schulz
Aufwandes“. Das führte zu einer Massenproduktion von Wohnungen mit einem geringen Bauaufwand auf relativ wenigen Standorten, zum Bau von uniformen Großwohnsiedlungen überwiegend am Rand der Städte. Insgesamt wurden in der Zeit von 1971 bis 1989 1.809.302 Wohnungen neu gebaut (Statistisches Bundesamt 1993: 12). Der Wohnungsbestand der DDR vergrößerte sich von 6.057.032 Wohnungen 1971 auf 7.002.539 Wohnungen im Jahr 1989. Das entspricht einem Zuwachs von rund 945.000 Wohnungen. Der Zuwachs beträgt damit rund 52 % des Volumens des Wohnungsneubaus, d. h. dass nur jede zweite Neubauwohnung eine Bestandserweiterung erbrachte. Ursachen sind Zusammenlegungen, Abriss und Nutzungsveränderungen von Wohnungen sowie Stadtverfall mit nicht mehr benutzbaren Wohnungen. Für die Auswahl der Standorte des Wohnungsneubaus spielte eine Städtehierarchie eine wichtige Rolle (Hunger 1994: 598). Entscheidend für die Zuteilung von Mitteln für den Wohnungsneubau war die Bedeutung der Stadt für den wirtschaftlichen Aufbau der DDR und die Rangfolge in der administrativen Hierarchie. Schwerpunktmäßig erfolgte der Wohnungsbau damit in der Hauptstadt Berlin, in einzelnen Bezirksstädten und einigen wenigen die Wirtschaftsstruktur der DDR bestimmenden Industriestädten, vorrangig junge Industriestädte wie Eisenhüttenstadt und Schwedt (Rietdorf 1997: 24, Tesch 2001: 59). Insgesamt erfolgte der Wohnungsneubau damit in großem Umfang in den Großstädten (Städte mit 100.000 oder mehr Einwohnern). Rund 58 % des Zuwachses am Wohnungsbestand der DDR in der Zeit von 1971 bis 1989 erfolgte in den 15 Städten, die 1989 100.000 oder mehr Einwohner hatten (siehe Tabelle 1). Benachteiligt waren die traditionellen Industriestandorte und die Klein- und Mittelstädte mit verheerenden Folgen für deren Bausubstanz. Tabelle 1: Entwicklung des Wohnungsbestandes der DDR und in Städten mit 100.000 Einwohnern oder mehr (1989) DDR
Städte, die 1989 100.000 Einwohner oder mehr hatten 2.120.407 1.573.500 34,8 466
Wohnungsbestand 1989 7.002.539 Wohnungsbestand 1971 6.057.032 Veränderung in % 15,6 Wohnungen je 1.000 426 Einwohner 1989 Quelle: errechnet nach Statistisches Bundesamt 1993, Verband Deutscher Städtestatistiker 1992
Der Versuch der Realisierung des Wohnungsbauprogramms hatte weiterhin entscheidende stadt- und siedlungsstrukturelle Veränderungen in der DDR be-
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wirkt. Folge der großen räumlichen Konzentration des Wohnungsneubaus war eine starke Binnenwanderung mit dem Ergebnis, dass in dem Zeitraum von 1971 bis 1989 alle Gemeindegrößengruppen unter 10.000 Einwohnern einen Wanderungsverlust aufwiesen. Die Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern hatten insgesamt einen Wanderungsgewinn von rund 724.000 Personen, davon entfielen 70 % auf die Städte mit 100.000 und mehr Einwohnern (Wendt 199394: 533). Während die Einwohnerzahl der DDR im betrachteten Zeitraum um 3,6 % abnahm, stieg die Zahl der Großstädte von 12 auf 15 und die Einwohnerzahl dieser 15 Städte um 8,4 % (rund 350.000 Personen). Der überwiegende Teil der anderen Städte und Gemeinden hatte größere prozentuale Bevölkerungsverluste als die DDR insgesamt. Ausnahmen bildeten nur die Städte, die im Rahmen des Wohnungsneubaus besonders begünstigt wurden, insbesondere die jungen Industriestädte (Grundmann 1998: 146). Der Versorgungsgrad mit Wohnungen je 1.000 Einwohner war in den Wohnungsbaustandorten des Wohnungsbauprogramms deutlich besser als in den Städten und Gemeinden, die nicht von dem Wohnungsneubau profitierten. Damit haben sich die Unterschiede in den Wohnbedingungen der einzelnen Gemeindegrößengruppen erheblich vertieft. Einen besonders hohen Zuwachs des Wohnungsbestandes hatten die Bezirksstädte Cottbus (74,1 %), Schwerin (67,0 %) und Rostock (64,3 %) sowie die Industriestadt Jena (45,9 %). In der Größengruppe der Städte unter 100.000 Einwohner sind die Bezirksstädte Neubrandenburg, Suhl und Frankfurt/Oder sowie die Industriestädte Schwedt und Eisenhüttenstadt durch ein überdurchschnittliches Wachstum des Wohnungsbestandes gekennzeichnet. Berlin nahm innerhalb des Wohnungsbauprogramms eine besondere Rolle ein. Das galt insbesondere seit 1976 durch den Beschluss des Berlin-Programms durch das Zentralkomitee der SED, dessen Ziel die Ausgestaltung Berlins als „Hauptstadt der DDR“ zu einer „sozialistischen Metropole“ formulierte. Berlin hatte damit Prestige- und Repräsentationscharakter. Von 1976-1985 wurde jede achte und von 1986-1989 jede sechste neugebaute Wohnung der DDR in Berlin errichtet (Schulz 1993: 590). Wegen dieses Sachverhalts hatte Berlin gegenüber allen Regionen Wanderungsgewinne zu verzeichnen. 1989 standen 1.000 Einwohnern in Berlin 494 Wohnungen zur Verfügung. Der umfangreiche Wohnungsbau führte jedoch nicht zu einer massiven Verringerung der Wohnungsanträge. Ende 1989 gab es mehr als 770.000 registrierte Wohnungsanträge, darunter rund 50 % von erwachsenen Einzelpersonen ohne eigene Wohnung (Oswaldt 1990: 106). Die Bevölkerung war mit den Wohnverhältnissen unzufrieden und reagierte wie in den Jahren davor mit Eingaben an die staatlichen Instanzen (Tesch 2001: 47, Maaß 2006: 66f.). Eingaben waren nach wie vor ein Mittel um Unzufriedenheit zu äußern und besonders vor Wahlen wirksam, da man in der Regel eher zu einer Wohnung gelangte (Elsner
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1999: 84). Die Ursachen dieses Wohnungsmangels sind vielfältig und liegen in der Wohnungspolitik begründet. Eine wesentliche Ursache war die Mietenpolitik der DDR. Die Mieten wurden staatlich stark subventioniert. Auf diese Weise erfolgte eine indirekte Aufstockung der Löhne und Gehälter. Rund 3 % des Haushaltsnettoeinkommens wurde für die Miete der Wohnung ausgegeben (Winkler 1990b: 165). Die Wohnung war finanziell für jeden Haushalt erschwinglich, das bewirkte eine geringe Wohnungsmobilität und führte zu einer hohen Zahl unterbelegter Wohnungen. So blieben z. B. Eltern nach dem Auszug ihrer Kinder oder Einzelpersonen nach dem Tod des Ehepartners in der Regel in der gemeinsam bewohnten Wohnung. Dieses bedingte einen großen Bedarf an Wohnungen (Schulz 1997: 69). 4 Wohnungsbauprogramm und Familienpolitik der DDR Das Wohnungsbauprogramm von 1973 war Teil der Sozialpolitik der DDR. In diesen Kontext ist auch die Familienpolitik oder präziser die Frauenpolitik einzuordnen. Schwerpunkt der Frauenpolitik der DDR war in den Jahren von 1971 bis 1989 die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Penrose 1990: 68, Wendt 1993: 12). Ausgehend von einer in den vorangegangenen Jahren gesunkenen Geburtenrate, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Ziele gefährden konnte, erfolgte eine starke Orientierung in dieser Zeit auf eine pronatalistische Bevölkerungspolitik und auf eine frauenorientierte Sozialpolitik, damit Mutterschaft und Berufstätigkeit miteinander verbunden werden konnten. Im Mittelpunkt stand die Sicherung des Arbeitskräftebedarfs (Grundmann 1998: 74, Wendt 1993: 12). Diese Frauenpolitik war wesentlich auf die Frau als Mutter ausgerichtet und war damit eine Mütterpolitik. Die Hauptadressanten der Politik waren die Frauen im fertilen Alter (Winkler 1990a: 138). Die sozialpolitischen Gesetze der Jahre 1972, 1976, 1981, 1984, 1986 und 1987 umfassten sowohl Regelungen, die direkt auf die Fertilität abzielten, wie Kindergeld, zinsgünstige Ehekredite, die „abgekindert“ werden konnten, Geburtenbeihilfen, Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit und Verlängerung des Urlaubs in Abhängigkeit von der Anzahl der Kinder und finanzielle Absicherung bei Krankheit eines Kindes, als auch Regelungen, die indirekt Einfluss auf die Fertilität ausüben, wie beispielsweise Versorgung mit Plätzen in Kindereinrichtungen und Beeinflussung der Wohnverhältnisse (Meyer 1996: Vf.). Insbesondere die gesetzlichen Regelungen von 1976 führten zu einem Anstieg der Geburtenrate bis 1980. Der Anstieg war im Wesentlichen auf Geburtenverschiebungen (Vorziehen geplanter Schwangerschaften) beschränkt und konnte den Geburtenrückgang abbremsen (Wendt 1993: 14). Insgesamt verringerten sich die Geburtenraten jedoch von 1970 mit 13,9 Lebendgeborene je 1.000 Einwohner auf 12,9 bis 1989 (Meyer 1996: 79, 50).
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Ein indirekter Einfluss auf die Fertilität resultierte aus den staatlichen Verteilungsmechanismen für Wohnungen generell. Die Verteilung der Wohnungen erfolgte für alle Rechtsformen von Wohnungen, auch für die Wohnungen in privaten Mehrfamilienhäusern, nach dem Prinzip der zentral gelenkten Wirtschaft. Für die Vergabe der Wohnungen waren die örtlichen Abteilungen der kommunalen Wohnraumlenkung verantwortlich. Hier spiegelt sich das Ziel der Wohnungspolitik und der Familienpolitik der DDR deutlich wider. Wohnen sollte nicht mehr von den materiellen Voraussetzungen abhängen. Die Wohnung sollte nicht Ware sein. Die Wohnungsvergabe wurde nicht einkommensbezogen gelenkt. Die Dringlichkeit des Wohnbedarfs wurde nach gesellschaftlichen und sozialen Erfordernissen eingestuft. Als Wohnungssuchende galten volljährige Einzelpersonen, Ehepaare und Familien, die über keinen „eigenen Wohnraum“ (d. h. Zimmer oder Wohnung) verfügten bzw. in „überbelegten nicht tauschfähigem Wohnraum“ wohnten (Verordnung zur Verbesserung der Wohnverhältnisse der Arbeiter, Angestellten und Genossenschaftsbauern 1972: 318). Eine Wohnung galt als überbelegt, wenn die Zahl der in der Wohnung lebenden Personen, die Zahl der Zimmer um mehr als Eins überstieg. Damit gab es Kriterien, wer überhaupt berechtigt war, einen Wohnungsantrag zu stellen. Einzelpersonen unter 25 Jahren, die bei den Eltern wohnten, konnten nur dann einen Antrag an ihrem Wohnort stellen, wenn sie über kein eigenes Zimmer im elterlichen Haushalt verfügten. Die Gründung einer eigenen Familie in einer eigenen Wohnung war äußerst schwierig. Der Wohnraum wurde in der Regel erst dann zur Verfügung gestellt, wenn eine Ehe geschlossen wurde oder das Geburtengeschehen bereits erfolgt war (siehe obiges Beispiel, Winkler 1990a: 125). Als Motive einer Eheschließung gaben junge Leute an: Liebe, Tradition und der Erhalt einer eigenen Wohnung (Winkler 1990a: 105). Das durchschnittliche Heiratsalter lediger Personen betrug 1970 bei Frauen 21,9 und bei Männern 24,0 Jahre. Es stieg bis 1989 leicht an und betrug 1989 für Frauen 23,2 und für Männer 25,3 Jahre (Wendt 1993: 32). Diese Situation bestätigen auch die Ergebnisse des deutschen Family and Fertility Surveys, in dem im Jahr 1992 Personen der Geburtsjahrgänge zwischen 1952 und 1972 nach dem Grund des Auszugs aus dem Elternhaus befragt wurden. Männer und insbesondere Frauen aus der DDR zogen in hohem Maße aus der elterlichen Wohnung bei Geburt oder Geburtserwartung eines Kindes aus (Hullen 1998: 67). Ein Effekt dieser Rahmenbedingungen war das relativ frühe Lebensalter der Frauen bei Geburt des ersten Kindes. Das Durchschnittsalter der Mütter betrug 1970 bei Geburt des ersten Kindes 21,9 Jahre und stieg bis 1989 nur um ein Jahr an (Winkler 1990a: 27). Dieses Verhalten war auch eine Anpassung an die Vergabepraktiken einer Wohnung. Die Wohnungsbedürftigkeit wurde in Wohnraumlenkungsverordnungen staatlich festgelegt. In den Wohnraumlenkungsverordnungen von 1967 und 1985 galten als bedürftig:
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Angehörige der Arbeiterklasse, besonders Schichtarbeiter, Familien mit drei und mehr Kindern, junge Eheleute, Bürger, die sich bei der Stärkung und Festigung und beim Schutz des Staates verdient gemacht haben (Wohnraumlenkungsverordnung 1967, 1985). Darüber hinaus wurden für einige Berufsgruppen eine zusätzliche Bedürftigkeit festgelegt, z. B. Lehrer und Erzieher. Ein Wohnungsantrag konnte in der Regel nur in der administrativen Einheit (Gemeinde, Stadtbezirk) gestellt werden, in der man wohnte. Entsprechend den jeweiligen örtlichen Bedingungen hinsichtlich der Wohnungssituation und den örtlichen politischen Zielstellungen wurden in den Städten und Gemeinden die Wohnraumlenkungsverordnungen umgesetzt. Auf der Basis der definierten Bedürftigkeit wurden Wohnraumvergabepläne erstellt, in denen für jeweils ein Jahr die zu versorgenden Haushalte erfasst wurden. Diese Pläne führten je nach den örtlichen Bedingungen zu langen Wartezeiten von zum Teil vier bis fünf Jahren. Die Wohnung wurde zu einem Mittel der Belohnung für systemkonformes Verhalten insbesondere des Fertilitätsverhaltens. Die Wartezeit konnte insbesondere durch die Geburt eines Kindes verkürzt werden. In der DDR wurden erste Kinder weitgehend unabhängig von den aktuellen Wohnbedingungen des Paares geboren (Wendt 1993: 88). Das Vorhandensein von Kindern war insgesamt eine Voraussetzung für eine Reihe von finanziellen und materiellen Zuwendungen und Leistungen. Der Wohnungsneubau und die Wohnungsvergabe orientierten sich an den durchschnittlichen Grundbedürfnissen und sollten der Angleichung zwischen den Schichten dienen. Das zeigt sich auch in den Normativen für die zu beanspruchende Wohnungsgröße eines Haushaltes. Diese richtete sich nach der Anzahl der zu versorgenden Personen. Die Zimmerzahl der Wohnung entsprach der Anzahl der Personen minus Eins. Einem Dreipersonenhaushalt stand damit eine Zweizimmerwohnung unabhängig von der Quadratmeterzahl der Zimmer zu (Schulz 1991: 15). Das führte dazu, dass viele Familien in überbelegten Wohnungen lebten. Auf diese Weise gab es in der DDR sowohl eine hohe Zahl von überlegten als auch wegen der bereits angesprochenen hohen Immobilität viele unterbelegte Wohnungen. War die jungen Familien zugewiesene Wohnung keine Neubauwohnung, dann hatte sie häufig auch unzureichenden Wohnkomfort. So zeigte eine Befragung aus dem Jahr 1982, dass 14 % der Frauen mit Kind(ern) in Wohnungen ohne Innen-WC, 12 % in Wohnungen ohne Bad/Dusche und 4 % in Wohnungen ohne moderne Heizung lebten (Wendt 1993: 88). Die Möglichkeiten individuelle Wohnwünsche hinsichtlich der Größe und Ausstattung sowie der lokalen Lage zu realisieren, berücksichtigte die staatliche Wohnungspolitik nicht. Die enge Verbindung der Wohnungspolitik mit der Familienpolitik spiegelt sich auch in der Umsetzung des Wohnungsbauprogramms insbesondere in der Struktur der errichteten Wohnungen wider. Der Anteil von Drei- und Vierzim-
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merwohnungen an den neu errichteten Wohnungen stieg von 46,1 % im Jahr 1971 bis 1989 auf 54,1 %, wobei der Anteil der Dreizimmerwohnungen mit mehr als zwei Drittel davon dominierte (Statistisches Bundesamt 1993: 15). Damit wird in Zusammenhang mit den Vergabeprinzipien die Orientierung, Wohnungsneubau für Familien durchzuführen, sichtbar. Wegen des vorhandenen Wohnungsmangels war das auch ein staatliches Instrument der Förderung junger Familien verbunden mit dem Ziel, einen Geburtenanstieg zu erreichen, um den Mangel an Arbeitskräften zu beseitigen. Der Einzug in eine Neubauwohnung beinhaltete in der Regel eine Verbesserung der Wohnbedingungen insbesondere hinsichtlich des Komforts (Bad und moderne Heizung). Betrachtet man die Wohnungsgröße der neu errichteten Wohnungen nach Quadratmetern, so muss deren Familienfreundlichkeit stark angezweifelt werden, denn 1989 hatten 57,8 % der Neubauwohnungen eine Quadratmeterzahl zwischen 56 und 71 (Statistisches Bundesamt 1993: 19). Da die Wohnungen in der Regel bereits mit mindestens einem Kind bezogen wurden, führten diese Wohnbedingungen dazu, dass die Familien ihre gewünschte Kinderzahl reduzierten (Harth 2006: 87). Das korrespondiert mit der Feststellung, dass der Geburtenrückgang der DDR auf die Verringerung von Geburten höherer Ordnung bei gleichzeitiger abnehmender Kinderlosigkeit zurückzuführen ist (Wendt 1991: 259). Hinzu kamen die genormten Grundrisse der Wohnungen, die wenig eigene Gestaltungsmöglichkeiten boten und beispielsweise für Familien viel zu kleine Küchen und Bäder zum Teil ohne Fenster enthielten (Rietdorf 1997: 31, Hannemann 2005: 103). Die Wohnunzufriedenheit war deshalb hoch, besonders stark in der Gruppe der Personen zwischen 25 und 35 Jahren (Winkler 1990a: 125). Die räumliche Konzentration des Wohnungsneubaus in Kopplung mit den Wohnungsvergabemechanismen führte zu einer Veränderung der Bevölkerungsstruktur einerseits in den Städten mit umfangreichem Wohnungsneubau und andererseits in den Städten und Gemeinden, die kaum Wohnungsneubau aufwiesen. Dieser räumlich konzentrierte Wohnungsneubau bedingte Wanderungsprozesse, an dem insbesondere Personen im fertilen Alter und Kinder beteiligt waren. Als Folge stieg der Anteil der jungen Bevölkerung in den Standorten des Wohnungsneubaus und in den übrigen Städten und Gemeinden sank dieser Anteil. Dieser Sachverhalt wirkt sich auf die Geburtenrate und auf den Anteil der Personen im Kindesalter aus. Während 1971 in den meisten Großstädten der Anteil der Kinder im Alter von 0 bis 15 Jahren geringer war als der DDRDurchschnitt von 23,1 %, ist die Situation 1989 bedingt durch den Zusammenhang von der räumlichen Konzentration des Wohnungsneubaus und den Wohnungsvergabekriterien umgekehrt, d. h. in diesen Städten ist der Anteil größer als der DDR-Wert mit 19,5 %. Beispielsweise beträgt der Anteil dieser Personen-
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gruppe in der Bezirksstadt Schwerin 22,4 % und in den Bezirksstädten Rostock 21,1 % und Suhl 21,0 %. Besonders hoch ist er 1989 in den Städten Neubrandenburg mit 24,7 % und Frankfurt/Oder mit 23,1 %. Dieser Sachverhalt ist das Ergebnis der unterschiedlichen Geburtenrate in der DDR und in den Großstädten, wie die Tabelle 2 belegt. Tabelle 2: Entwicklung der Geburtenrate in der DDR und in den Städten mit 100.000 Einwohner oder mehr Jahr
Geborene je 1.000 Einwohner DDR
Geborene je 1.000 Einwohner der Städte, die 1989 100.000 Einwohner oder mehr hatten 1971 13,8 13,4 1981 14,2 14,2 1989 12,1 12,3 Quelle: errechnet nach Staatliche Zentralverwaltung für Statistik (1973-1990); Statistische Jahrbücher der DDR, Berlin.; Statistisches Bundesamt (1990): DDR 1990. Zahlen und Fakten. Wiesbaden
Während die betrachteten Städte (siehe Tabelle 2) 1971 eine geringere Geburtenrate aufwiesen als die DDR gesamt, ist der Wert 1981 identisch und trotz Sinken der Geburtenrate bis 1989 generell, liegt der Wert der Großstädte über dem der DDR. Betrachtet man die Fertilitätsrate (Geborene je 1.000 Frauen im fertilen Alter), die 1971 für die DDR 69,0 % betrug, im Jahr 1981 65,4 % und 1989 auf 59,1 % sank, dann zeigt sich für den Zeitraum von 1971 bis 1981 ein sehr differenziertes Bild in den einzelnen Städten. Für die Zeit von 1981 bis 1989 weisen jedoch die meisten Städte eine Abnahme auf, die deutlich geringer ist als die des DDR-Wertes. Damit ist die Fertilitätsrate der Städte höher als der DDRDurchschnitt. Die Großwohnsiedlungen waren durch eine Ausstattung gekennzeichnet, die sich an dem Ziel Mutterschaft und Berufstätigkeit der Frauen orientierte. Die neuen Wohngebiete waren mit Ganztagsschulen, Kinderkrippen und Kindergärten ausgestattet. 1989 waren 91,2 % der Frauen erwerbstätig (Winkler 1990a: 63). Der Versorgungsgrad für Kinder im Kinderkrippenalter (Kinder bis drei Jahre) betrug 1989 80,2 % und für Kindergartenkinder 95,1 %. Die Großwohnsiedlungen, die überwiegend in den Großstädten bzw. ausgewählten Industriestädten errichtet wurden, waren dominant Wohngebiete von jungen Familien. Das durchschnittliche Alter der Wohnbevölkerung dieser Gebiete betrug bei Bezug rund 25 Jahre oder lag zum Teil noch darunter (Rietdorf 1997: 33).
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5 Fazit Die Sozialpolitik der DDR wurde seit 1971 maßgeblich durch zwei Komponenten geprägt, die Wohnungspolitik und die Familienpolitik, die eng miteinander verknüpft waren. Die Wohnungspolitik war auf die Nivellierung der Wohnbedingungen und die Standardisierung der Lebensweisen ausgerichtet. Wohnen wurde insgesamt stark reglementiert. Die Wohnungspolitik war stark auf die Lebensform Familie, konkret auf die sozialistische Kleinfamilie, ausgerichtet. Die Intention der Familienpolitik war die Schaffung von Möglichkeiten für Mutterschaft und Beschäftigung. In den staatlichen Wohnungsvergabekriterien wurden Familien besonders berücksichtigt. Die individuellen Entscheidungen im generativen Verhalten der jungen DDR-Bevölkerung sind stark von diesen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geprägt worden. Die im Rahmen des Wohnungsbauprogramms errichteten Großwohnsiedlungen am Rand der Großstädte sind die Wohngebiete, die die räumliche Ausprägung dieser Sozialpolitik darstellen.
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Teil 3:
Wohnbiografien, Lebensform und Lebenslage
Frauen Wende(n) Wohnen. Zur Wohnweise ostdeutscher Frauen im Transformationsprozess Annette Harth
Die aktuelle Debatte über die Stadt- und Wohnungsmarktentwicklung in den neuen Bundesländern wird beherrscht vom Thema der ‚Schrumpfung’. Die damit pointiert bezeichneten anhaltenden wirtschaftlichen und demografischen Rückgangsprozesse haben im Zusammenspiel mit dem parallel dazu weiter steigenden Wohnungsangebot zu einem, in manchen Regionen dramatischen Wohnungsleerstand geführt. In der Folge verlangsamte sich der Mietpreisanstieg, teilweise sanken die Mieten sogar, was die Dynamisierung und Mobilisierung auf der Nachfrageseite verstärkte. Die mit der Wende erheblich erweiterten Wahlmöglichkeiten der Haushalte auf dem entstehenden Wohnungsmarkt vergrößerten sich weiter. Entsprechend kommt den Wohnvorstellungen der Menschen, ihren Präferenzen und Abwägungen ein gewachsener Stellenwert zu. Wie Frauen und Männer wohnen wollen, warum sie umziehen oder bleiben und nach welchen Kriterien sie ihre Wohnstandorte auswählen, hängt auch mit ihrer (nach der Wende veränderten) sozialen Position im Geschlechterverhältnis zusammen (vgl. Dörhöfer/Terlinden 1998: 47). Besonders Soziallage und Geschlechtsrolle von Frauen wandelten sich im Zuge des Transformationsprozesses erheblich (vgl. z. B. Nickel 1997). Die gestiegene Vergeschlechtlichung sozialer Ungleichheit macht es – auch angesichts der neueren Debatten um einen Bedeutungsverlust der Kategorie ‚Geschlecht’ (vgl. dazu z. B. Becker 1998, 2008a) – sinnvoll und notwendig, die Veränderungen der Lebenslagen von Frauen zum Thema zu machen. Während die Wohnungs(bau)politik der DDR auf die Unterstützung der Vereinbarung von Beruf und Familie für Frauen ausgerichtet war, wird der (nach der Wende gestiegene) Konflikt zwischen Erwerbs- und privatem Reproduktionsbereich nun vermehrt individualisiert, d. h. den einzelnen Haushalten und dort meist den Frauen zugewiesen. Den sich im Zuge des Transformationsprozesses ebenfalls grundlegend wandelnden Wohnbedingungen kommt dabei als Rahmen und Bedingung für die Lösung des Vereinbarkeitsdilemmas ein gestiegener Stellenwert zu. Generell wirken die sozialräumlichen Lebensbedingungen in Wohnung, Stadtteil und der gesamten Umwelt als wichtiger unterstützender oder behindernder Rahmen (vgl. Dörhöfer et al. 1984: 1). Frauen können einer-
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seits durch die Wohnbedingungen in ihren Entfaltungschancen beeinträchtigt werden, diese können zum „Emanzipationshindernis“ (Warhaftig 1992) werden. Andererseits können die sozialräumlichen Lebensverhältnisse und die Wohnbedingungen auch spezifische Befreiungsmomente in sich bergen (vgl. z. B. Wilson 1993, Doderer 2003), indem der Alltag erleichtert, die Erwerbsintegration gefördert und Selbstentfaltung insgesamt ermöglicht wird. Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, wie sich die Wohnweise ostdeutscher Frauen im Transformationsprozess veränderte, wie sich die subjektive Bedeutung des Wohnbereichs und die wahrgenommenen Defizite wandelten und welche Folgen dies für Mobilitäts- und Segregationsprozesse hatte. Dazu zeichne ich zunächst die Wohnweise von Frauen in der DDR nach, um die Ausgangssituation deutlich zu machen, auf die der gesellschaftliche Umbruch stieß (1). Danach stelle ich zentrale Veränderungen der Wohnweise von Frauen nach der Wende dar (2). Ich beziehe mich dabei auf die sogenannte „erste Transformationsphase“ (Hradil 1996: 301), also den vergleichsweise kurzen Zeitraum vom Mauerfall 1989 bis Mitte der 90er Jahre. Diese Phase war durch rapide systemische und soziale Umbrüche gekennzeichnet, die sämtliche Lebensbereiche der Menschen erfassten. Mitte der 90er Jahre waren die „Turbulenzen, ... Irrungen und Wirrungen“ (ebd.) weitgehend überstanden. Insbesondere der Transfer des institutionellen, rechtlichen und organisatorischen Systemgefüges war weitgehend vollzogen (vgl. z. B. Reißig 1997) und auch im Bereich der sozialen Lebensbedingungen und Mentalitäten zeigten sich Anzeichen der Konsolidierung nach der schlagartigen Konfrontation mit der Notwendigkeit einer radikalen Umstellung des Alltagslebens. Die Weichenstellungen und Umorientierungen dieser ersten Phase sind zentral für unser Verständnis des gesamten Transformationsprozesses und wirken bis heute rahmensetzend, was ich abschließend durch eine Diskussion meiner Befunde vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen aufzeige (3). Empirische Basis meiner Ausführungen sind neben den allgemeinen Befunden der Transformationsforschung folgende Datengrundlagen1: Erstens habe ich eigene Sekundäranalysen stadtsoziologischer Untersuchungen aus der DDR durchgeführt, da aufgrund des Mythos der erreichten Gleichberechtigung Geschlechterunterschiede beim Wohnen in der DDR kein Forschungsthema waren. Zweitens habe ich die von Ulfert Herlyn geleitete Magdeburger Segregationsstudie (vgl. Harth/Herlyn/Scheller 1998) – eine Repräsentativbefragung aus dem Jahr 1995, an der knapp 500 Frauen teilnahmen – einer vertiefenden geschlechterbezogenen Auswertung unterzogen. Drittens beziehe ich mich auf 20 Intensiv1
Der Beitrag basiert im Wesentlichen auf Auswertungen im Rahmen meiner Dissertation (vgl. Harth 2006).
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interviews, die ich 1996 mit Magdeburgerinnen im Alter von 24 bis 49 Jahren geführt habe. 1 Wohnweise von Frauen in der DDR Das Geschlechtermodell in der DDR war durch eine hohe Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen, durch den Fortbestand traditionaler Rollenverteilung im privaten Lebensbereich und durch die Dominanz kleinfamilialer Lebensformen gekennzeichnet. Die Erweiterung des bürgerlichen Frauenbildes um die (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit wurde nicht ergänzt durch ein erweitertes Männerbild um die Fürsorge für Haushalt und Kinder (vgl. Diemer 1994). Das hatte zur Folge, dass Frauen häufig Mehrfachbelastungen ausgesetzt waren – durch Beruf, Haushalt und Kinder. Dieses Geschlechtermodell wurde durch ein umfangreiches sozialpolitisches Maßnahmenpaket unterstützt, man denke nur an den monatlichen bezahlten „Hausarbeitstag“ für Familienfrauen (vgl. zusammenfassend Trappe 1995: 40ff.). Auch die Wohnungs- und Städtebaupolitik hatte dabei ihren Beitrag zu leisten. Sie hatte ebenso wie die anderen Politikbereiche die Aufgabe, die sogenannte „sozialistische Lebensweise“ weiterzuentwickeln. Ein wichtiger Aspekt war der Abbau sozialer Unterschiede – und zwar nicht nur zwischen den ‚Klassen und Schichten’, sondern auch zwischen Männern und Frauen. Mit der Wohnungspolitik war das explizite Ziel verbunden, die „Emanzipation der Frau“ zu unterstützen (vgl. Hannemann 1989: 61). Diese wurde mit Erwerbsintegration gleichgesetzt und darauf reduziert. Die Wohnweise in der DDR ist Ausdruck dieses Geschlechtermodells und trug gleichzeitig zu dessen Fortbestand bei, was besonders an den vier nachfolgend dargestellten Aspekten deutlich wird. 1.1 Nivellierung der Wohnbedingungen Der auf niedrigem Niveau nivellierten Sozialstruktur der DDR (vgl. Lötsch 1991) entsprach eine fortschreitende Entdifferenzierung der Wohnverhältnisse (vgl. Harth 1997: 256ff.). Sollte ursprünglich die Arbeiterschaft so wohnen wie vormals nur das Bürgertum, in „Arbeiterpalästen“, so verkamen die Wohnbedingungen immer mehr zu einer Unterbringung der ‚Werktätigen’ auf Minimalniveau. Die Vernachlässigung des Altbaubestandes, der sehr eingeschränkte Eigenheimbau und die Konzentration auf den Wohnungsneubau in Plattenbauweise führten zu einer Standardisierung der Wohnbedingungen von Rostock bis Suhl. Gegen Ende der DDR erfolgte 94 % des Wohnungsneubaus (außer Eigenheimbau) in Plattenbauweise, bei der nur wenige Typenprojekte zur Anwendung kamen. Besonders die „Wohnungsbauserie 70“ (WBS 70) wurde in großen Mengen verbaut (vgl. Hannemann 1996: 92). Die Selbstentfaltungschancen im Wohnbereich – d. h. die über den reinen Gebrauchsnutzen hinausreichenden
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Aneignungsmöglichkeiten – waren für Frauen wie für Männer gleichermaßen erheblich eingeschränkt. Der anhaltende Wohnungsmangel, die unzureichenden Wohnbedingungen und die staatliche Wohnungsverteilung begünstigten tatsächlich eine Angleichung weiblicher und männlicher Lebenslagen. Die Sekundäranalysen der Daten von acht Wohnmilieu-Studien der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar und einer Studie von 1986 in der größten Plattenbausiedlung der DDR Berlin-Marzahn (vgl. Niederländer et al. 1987) erbrachten entsprechend alles in allem nur recht geringfügige geschlechtsspezifische Differenzierungen der Bewertungen der Wohnbedingungen (vgl. Harth 2006: 149ff.): Was die Wohnungen angeht, waren Männer ein wenig kritischer beim Wohnkomfort, Frauen dagegen bei der fehlenden Wohnungs- und Zimmergröße, ansonsten war man sich weitgehend einig. Die Wohngebiete wurden insgesamt deutlich negativer und auch etwas unterschiedlicher gesehen, wobei Männer mehr fehlende Freizeit- und Sportangebote kritisierten, Frauen dagegen eher Freiraumdefizite und fehlende Einkaufsmöglichkeiten. Abbildung 1 gibt exemplarisch einen Überblick darüber, welche Wohnbedingungen 1986 von Frauen und Männern in Marzahn als defizitär bewertet wurden. Zunächst zeigt sich wiederum, dass die Wohnungen selbst zumeist besser bewertet wurden als das Wohngebiet. Insbesondere der Wohnkomfort und die Größe des Wohnzimmers stießen auf fast gar keine Kritik, dagegen wurden die Abstellmöglichkeiten sowie die Größe von Bad, Kinderzimmer und Küche ziemlich negativ bewertet. Auch beim Lärmschutz sahen ca. ein Fünftel der Befragten Defizite. Das Wohngebiet schnitt demgegenüber schlechter ab: Bis auf die Kinderunterbringung (die sehr positiv bewertet wurde), die Verkehrsverbindungen und die Spielmöglichkeiten für Kinder wurden alle Aspekte sehr negativ gesehen. Besonders unzufrieden waren die Menschen mit den Möglichkeiten zur Naherholung, den Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche und Erwachsene, der ärztlichen Betreuung und den Einkaufsmöglichkeiten. Frauen bewerteten die Wohnbedingungen fast durchgängig etwas schlechter als Männer. Signifikante Unterschiede um mehr als 5 Prozentpunkte zeigten sich aber lediglich bei der Wohnungsgröße, der Zahl der Zimmer, der Schlafzimmergröße, den Einkaufs- und den Freizeitmöglichkeiten, also dort, wo die strukturell bedingten Mängel am deutlichsten in die Privatsphäre eingriffen, wo die Nutzungskonkurrenz am konkretesten war und Frauen eher zurücksteckten (z. B. das Schlafzimmer auch als Arbeitsraum nutzten und es deswegen als zu klein empfanden).
Frauen Wende(n) Wohnen. Abbildung 1:
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Negative Bewertung von Wohnbedingungen durch Frauen und Männer in Berlin-Marzahn 1986, Anteil (sehr) Unzufriedener*
* Frage: „Bitte schätzen Sie Ihre Wohnbedingungen ein und benutzen Sie dazu die Werte 1 (Sie sind sehr zufrieden) bis 5 (Sie sind sehr unzufrieden).“ Hier ist der Anteil derjenigen dargestellt, die den jeweiligen Aspekt mit 4 und 5 bewerteten. Quelle: Eigene Sekundäranalyse der Untersuchung von Niederländer et al. (n=558) (ZANr. 6373)
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Insgesamt aber lassen sich die geschlechtsspezifischen Bewertungsunterschiede, auch wenn sie weiter nach anderen sozialen Merkmalen differenziert werden, als relativ gering einschätzen. Die Marzahn- wie auch die WohnmilieuUntersuchungen ergeben nur wenige Hinweise auf geschlechtsspezifische Bewertungsunterschiede bezüglich der Wohnbedingungen in der DDR (ähnlich auch Schäfer 1992). Frauen wie Männer beurteilten ihre Wohnungen und Wohngebiete gleichermaßen recht kritisch und dachten – vernünftigerweise – pragmatisch im Rahmen ihrer engen Optionen. Die Möglichkeiten dämpften die Ansprüche. 1.2 Standardisierung der Lebensformen Wohnen wurde weitgehend mit der Lebensform Kernfamilie gleichgesetzt und darauf reduziert. Ideen kollektiven Wohnens, wie sie in sozialistischen Theorieansätzen vertreten worden waren, wurden von Anfang an ausgeblendet (vgl. auch Hannemann 1996: 95f.). Bereits das in der Verfassung der DDR verankerte Recht auf Wohnraum enthielt den Verweis auf die Familie als die zentrale Zielgruppe der Wohnungspolitik. Entsprechend war das Wohnungsbauprogramm auf die DDR-Durchschnittsfamilie zugeschnitten: das Ehepaar mit einem bis zwei Kind/ern. Die Dominanz von Dreiraumwohnungen und die unhinterfragt an bürgerlichen Vorbildern orientierten Wohnungsgrundrisse begünstigten traditionale kleinfamiliale Wohnformen. Auch die staatliche Wohnungszuweisung war familienzentriert. Junge Familien wurden bevorzugt mit Wohnraum versorgt (vgl. Hinrichs 1992: 21). Andere Lebensformen – wie z. B. junge Alleinstehende oder Wohngemeinschaften – hatten dagegen so gut wie keine Chancen auf eine Wohnung. Meine Rekonstruktion der Wohnbiografien zeigt deutlich, in welch starkem Maße individualbiografische Entscheidungen vor dem Hintergrund der eingeschränkten Optionen an diesen Vorgaben orientiert wurden. Nicht zuletzt die frühe Heiratsneigung und das niedrige Durchschnittsalter bei der ersten Geburt waren Folgen der familienzentrierten Wohnungspolitik (vgl. Harth 2006: 138ff., siehe hierzu auch Marlies Schulz in diesem Band). Ein InterviewZitat macht das deutlich: „Das war zu DDR-Zeiten so: Wenn man rauswollte aus dem Elternhaus, dann musste man zuerst mit ’nem Kind anfangen, damit man überhaupt ’nen Antrag stellen konnte. Ansonsten hatte man kaum Aussichten auf ’ne Wohnung. Das war das erste, was man sich angeschafft hat: ein Kind.“
1.3 Unterstützung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf Die Erwerbstätigkeit von Müttern bzw. die Mutterschaft erwerbstätiger Frauen war aus ideologischen und bevölkerungspolitischen Gründen ein zentrales Ziel der DDR. Der anhaltende Bevölkerungsrückgang und Arbeitskräftemangel führ-
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te zu einer Orientierung der Politik auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen – und zwar nur für diese. Das Wohnungsbauprogramm Honeckers sollte mit dem sogenannten ‚Komplexen Wohnungsbau’ Familien in ihren alltäglichen Verrichtungen unterstützen. Damit sollte das Ziel der Sozial- und Frauenpolitik, eine ‚Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Mutterschaft’ zu ermöglichen, baulich umgesetzt werden. In den neuen Wohngebieten sollten die Menschen nicht nur wohnen, sondern auch alle notwendigen Versorgungs-, Dienstleistungs- und Freizeiteinrichtungen vorfinden. Der eindeutige Schwerpunkt lag aber auf der Erhöhung der Wohnungsbauzahlen, sodass die Erstellung der Infrastrukturangebote nicht selten unzureichend blieb, lange nach dem Einzug der neuen Bewohnerschaft und teilweise gar nicht erfolgte. So wurden z. B. in Berlin-Marzahn (vgl. Hannemann 1991: 127), in Halle-Neustadt (vgl. Harth 1997) oder in Magdeburg-Neu Olvenstedt (vgl. Harth/Herlyn/Scheller 1998: 83f.) im Verlaufe der Bebauung immer mehr die für Infrastruktureinrichtungen vorgesehenen Flächen für Wohnungsbebauung genutzt. Dies ging aber nicht zu Lasten der Kindereinrichtungen, die brauchte man ja zur Unterstützung der berufstätigen Mütter. Zum Ende der DDR existierte ein flächendeckendes und den Erwerbsbedingungen angepassten Angebot von Kinderbetreuungseinrichtungen mit hohem Versorgungsgrad für alle Altersgruppen (siehe Tabelle 1). Tabelle 1: Versorgungsgrad mit Kindereinrichtungen 1970, 1980 und 1989 Versorgungsgrad 1970 1980 Einrichtungsart Kinderkrippen (bis 3 Jahre) 29,1 % 61,2 % Kindergärten (3 bis 6/7 Jahre) 64,5 % 92,2 % Schulhorte (1. bis 4. Klasse) 46,6 % 74,8 % Quelle: Eigene Zusammenstellung auf der Basis von Winkler 1990: 142ff.
1989 80,2 % 95,1 % 81,2 %
Die Entlastung blieb zwar auf die Mutterrolle von Frauen beschränkt, wurde von den Frauen aber als zentrale Unterstützung ihres Lebensalltags erlebt. Die Kindereinrichtungen wurden selbstverständlich und gern genutzt. Hier ein typisches Zitat: „Meine Tochter hat die Kinderkrippe, Kindergarten, Schule, Hort durchlaufen. Das hat alles nahtlos geklappt. Ich musste ja arbeiten gehen. Für mich war das ganz normal. Und sie ist dadurch auch sehr selbständig geworden.“
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1.4 Abwertung von Hausarbeit Die Entlastung der Frauen von Hausarbeit war dagegen kein Thema der DDRPolitik. Es blieb zudem bei der bürgerlichen Vorstellung der Minderwertigkeit von privater Reproduktionsarbeit gegenüber Erwerbsarbeit. Diese Minderbeachtung drückt sich sehr deutlich im Wohnbereich aus. Wohnungen und Wohngebiete behinderten die ganz überwiegend von Frauen geleistete Versorgungsarbeit erheblich: Die Enge und der unzureichende Ausstattungsstandard vieler Wohnungen sowie die erheblichen Defizite im Freiraumbereich und bei der Versorgungsinfrastruktur führten zu zahlreichen Alltagsbelastungen. Der enorme Druck im Wettlauf mit dem fortschreitenden Verfall der Altbausubstanz immer höhere Wohnungserstellungszahlen zu produzieren, führte im Laufe der DDR-Zeit zu einer immer höheren Verdichtung und Verschlechterung des Gebrauchswerts. Ein besonders perfides Symbol für die Abwertung der Hausarbeit sind die innenliegenden Mini-Küchen, in denen – ohne natürliche Belichtung und Belüftung – nur eine Person, meist die Frau, arbeiten konnte. Dies zeigt sich exemplarisch an den sogenannten ‚Ratio-Wohnungen’, die etwa im 1981-1989 errichteten Stadtteil Magdeburg Neu Olvenstedt dominierten. ‚Ratio’ steht dabei für ‚Rationalisierung’, womit die weitere Verkleinerung ohnehin schon beengter Wohnungen unter Kostenreduktionsgesichtspunkten gemeint ist (vgl. Kirsch/Klügel 1987: 34ff.). Auf den bislang im Rahmen der Wohnungsbauserie 70 (WBS 70) für eine 3-Raum-Wohnung vorgesehenen 57 qm entstanden nun „Ratio-4-Raum-Wohnungen“; auf der Grundfläche der vormaligen 2-Raum-Wohnungen wurden „Ratio-3-Raum-Wohnungen“ untergebracht (siehe Abbildung 1). Das Bad wurde noch kleiner, der Flur fiel so winzig aus, dass nicht einmal Platz für eine Garderobe war, das Wohnzimmer wurde zum Durchgangszimmer in ein Kinderzimmer und das Schlafzimmer wurde verkleinert. Der gravierendste Nachteil aber war, dass die Küchen, die in die vormaligen Bäder gequetscht wurden, ohne natürliche Belichtung und Belüftung sowie extrem klein sind, sodass sie nicht einmal ausreichend Platz für alle notwendigen Geräte und Vorratshaltung boten, geschweige denn von mehr als einer Person nutzbar waren. In den Intensivinterviews – und durchaus auch in den wohnsoziologischen Studien der DDR – äußern die Frauen erhebliche Kritik an ihren damaligen Wohnbedingungen und beschreiben die daraus entstehenden Alltagsbelastungen plastisch. Dennoch hatte sich die deutliche Mehrheit der Menschen mit den Wohnungsbedingungen arrangiert, zumal einem ja nichts anderes übrig blieb. Wenn auch die Belastungen für Frauen auf Grund ihrer stärkeren Zuständigkeit für die Haushaltsarbeiten ausgeprägter waren, waren doch alle Haushaltsmitglieder von Einschränkungen betroffen und gefordert, ihren Beitrag zur Bewältigung des Alltags in einschränkenden Wohnungsbedingungen zu leisten.
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Grundrisse einer WBS 70 2-Raum-Wohnung und einer „Ratio-3Raum-Wohnung“
Quelle: Kirsch/Klügel 1987
Alles in allem korrespondierte die Wohnweise in der DDR also mit der sozialen Position der Frauen im Geschlechterverhältnis. Sie entsprach dem um Berufstätigkeit erweiterten, aber ansonsten weiterhin traditionalen Frauenleitbild. Die Menschen hatten sich – den Umständen gehorchend und durchaus nicht ohne Kritik – mit den Wohnbedingungen arrangiert, zumal diese der Lebensrealität von Männern und Frauen auch weitgehend entsprachen. 2
Veränderungen der Wohnweise von Frauen in der ersten Transformationsphase Diese Lebensrealität änderte sich aber mit der Wende grundlegend. Frauen befanden sich in einem besonderen ‚Transformationsdilemma’ (vgl. Harth
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2006: 94ff.): Stärker als Männer wurden sie aus dem Erwerbsbereich verwiesen und waren mit beruflichen Abstiegen konfrontiert. Gleichzeitig erlebte der Familienbereich einen Funktionszuwachs. Insbesondere die Kindererziehung wurde verstärkt in die Familien zurückverlagert, was sich in einer deutlichen Erhöhung des dafür verwendeten Zeitvolumens widerspiegelt (vgl. Berger/Hinrichs 1999: 123f.). Arbeitslosigkeit, zum Teil Einschränkungen bei der Betreuung von Kindern wie auch ein erhöhter Anspruch an die Qualität der Erziehungsarbeit waren dafür ursächlich. Durch die gestiegenen Anforderungen im Erwerbs- und Familienbereich und die wachsende Rücksichtslosigkeit der Arbeitsmarktbedingungen gegenüber den familiären Bedürfnissen gerieten der Erwerbsbereich und der private Lebensbereich in ein neuartiges Spannungsverhältnis: Der Vereinbarungskonflikt verschärfte sich. Gleichzeitig wurde er verstärkt individualisiert. Während der DDR-Staat viel stärker die Vereinbarkeit der Lebensbereiche unterstützte, sind nach der Wende vermehrt individuelle Synchronisationsanforderungen entstanden. Dies zwang besonders Frauen dazu, individuelle Lösungen für das – nun verschärfte – ‚Vereinbarkeitsdilemma’ zu finden (vgl. Trappe 1995: 291, Schlegel 2002: 294). Die Wohnverhältnisse als Rahmen und Bedingung zu dessen Bewältigung veränderten sich nach der Wende ebenfalls grundlegend. Die vormalige Standardisierung und staatliche Versorgung mit Wohnraum und Infrastruktur wich sukzessive einer marktförmigen Gestaltung. Damit einher gingen Angebotsausweitungen, Qualitätssteigerungen und vor allem deutliche Differenzierungen. Prinzipiell erhielten die Menschen mehr Möglichkeiten, anspruchsgerecht zu wohnen und viele nutzten diese auch. Dies zeigt sich am erheblichen Mobilitätsschub in den ersten Jahren nach der Wende. Bereits Mitte der 1990er Jahre zeichneten sich auch deutliche Segregationstendenzen ab, deren markantester Ausdruck die massive Wohnsuburbanisierung war (vgl. Harth/Herlyn/Scheller 1998). 2.1 Bedeutungswandel des Wohnbereichs In Folge dieser Entwicklungen erlebte der Wohnbereich für Frauen einen generellen Bedeutungszuwachs gegenüber DDR-Zeiten. Die unterschiedlichen Funktionen des Wohnens mussten im gesamten Gefüge der neu entstandenen Alltagsanforderungen neu justiert werden. Auf der Basis einer vergleichenden Fallanalyse der Intensivinterviews konnte ich vier zentrale Bedeutungsmuster herauskristallisieren, die zugleich auch Bewältigungsmuster sind, mit denen auf neue Problemlagen reagiert wurde (vgl. Harth 2006: 195ff.). Diese Muster sind keineswegs etwa nach der Wende gänzlich neu entstanden oder gar nur in den neuen Bundesländern vorfindbar, sie haben vielmehr im Zuge des Transformationsprozesses eine besondere Relevanz und Zuspitzung erfahren.
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Erstens wurde der Wohnbereich stärker als vor der Wende zum Ort der individuellen Selbstentfaltung. Dies gilt für alle befragten Frauen. Aber für die stark berufsorientierten Frauen, die sich selbst als Aufsteigerinnen erlebten, wurde Selbstentfaltung zum dominanten Muster. Eine Frau betont: „Ich arbeite viel für mein Geld, sehr viel, das will ich dann auch genießen“. Alle hatten eine hohe und sichere Berufsposition mit weit überdurchschnittlichen Einkommen (wie ihre Männer auch). Ihre Kinder waren bereits älter (eigenes Durchschnittsalter: 43 Jahre), und sie selbst führten ein ausgesprochen berufsorientiertes Leben. Diese Frauen wollten individuell wohnen, ihren Raum prägen, ihn sich durch Gestaltung einverleiben. Nicht mehr die standardisierte Massenware mit immer gleichen Wohnungsschnitten, sondern Gestaltungsvariabilität und bauliche Vielfalt entsprach ihren Wünschen. Sie wollten sich im Wohnbereich kreativ ausleben, sich erholen, ungestört und unter Ihresgleichen sein. Für sie erhielt der Wohnbereich einen deutlich höheren Stellenwert für das Ausleben und Zeigen ihrer Individualität, und sie steckten viel Energie, Geld und Engagement in ihre Wohnungen, oft auch Eigenheime. Zweitens – und quantitativ dominierend – hat die Bedeutung des Wohnbereichs als Ort der Entlastung erheblich an Gewicht gewonnen. Besonders für erwerbstätige Mütter mit kleineren und etwas älteren Kindern (eigenes Durchschnittsalter: 37 Jahre) war die Belastung nach der Wende deutlich gestiegen: Sie beschrieben nicht nur erhöhte Anforderungen im Erwerbsbereich (insbesondere durch Angst vor Arbeitslosigkeit, durch Arbeitsverdichtung sowie erhöhte Flexibilitäts- und Mobilitätsanforderungen), einige von ihnen waren auch mit einer Traditionalisierung der häuslichen Arbeitsteilung konfrontiert, weil ihre Partner ebenfalls belasteter waren. Diese Frauen waren trotz ihrer vorhandenen ökonomischen Möglichkeiten bereit, auf die Verwirklichung gehobener Wohnansprüche zu verzichten, wenn dafür Wohnung und Wohnumfeld ihren Lebensalltag und den ihrer Kinder unterstützten. Eine Befragte meint z. B.: „Ich will gar keine Riesenwohnung, wo ich aus dem Putzen nicht mehr rauskomme.“ Eine gute Infrastrukturausstattung, ein nicht zu langer Arbeitsweg oder auch eine praktische Wohnungsausstattung hatten für diese Frauen als zentrale Faktoren ihrer Alltagsbewältigung an Gewicht gewonnen. Die Frauen des dritten Musters hatten dagegen für sich eine andere ‚Lösung’ der Vereinbarkeitsproblematik gefunden: die ausschließliche Familienorientierung. Gerade für jüngere Frauen mit kleinen Kindern (eigenes Durchschnittsalter: 32 Jahre) schien die Hinwendung zum häuslichen Lebensbereich bei bestehenden Arbeitsmarktproblemen eine gute Alternative zu bieten. Ihre Familienorientierung mit der unfreiwilligen Ausgrenzung aus dem Arbeitsmarkt zu erklären, greift aber zu kurz. Sie war vielmehr Ergebnis einer bewussten Lebensentscheidung, die nach der Wende überhaupt erst in dieser Form möglich
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wurde. In bewusster Abgrenzung zum Lebensmodell ihrer Mütter, deren Mehrfachbelastung sie noch plastisch vor Augen hatten, wollten sie ihr Leben anders gestalten, sich nicht aufreiben zwischen Beruf, Kindern und Küche. „Ich will nicht zur Arbeit hetzen“, so eine Befragte, „und nach Hause und zack und fertig. Ich möchte genügend Zeit haben für Familie, Garten und Haus.“ Der Familienund Wohnbereich avancierte für diese Frauen zum zentralen Feld ihrer Selbstbestätigung und ihres Engagements. Für einen Teil der Frauen hat viertens der Wohnbereich nach der Wende eine neue Qualität als Ressource der Lebensbewältigung in Problemsituationen erlangt. Gerade für dauerhaft vom Arbeitsmarkt verwiesene Frauen (Durchschnittsalter: 40 Jahre), die sich als Absteigerinnen und wegen ihrer niedrigen Ausbildungsabschlüsse als recht chancenlos betrachten, wurde der Wohnbereich nicht nur wichtigster Aufenthaltsort. Er wurde auch zum Kompensationsfeld für im Erwerbsbereich nicht mehr erfüllbare Bedürfnisse, z. B. nach sozialem Kontakt, nach Unterstützung oder Sicherheit. „Die Arbeit habe ich verloren“, so eine Befragte, „da bin ich viel zu Hause, rede mit den Nachbarn, kümmere mich halt, wenn irgendwas anliegt. Wenn wir jetzt auch noch ausziehen müssten, was soll dann aus uns werden?“ 2.2 Konsequenzen des Bedeutungswandels Der Bedeutungswandel des Wohnbereichs für Frauen, der in den vier Mustern zum Ausdruck kommt, hatte erhebliche Konsequenzen. Zunächst wuchs die Unzufriedenheit der Frauen mit ihren Wohnbedingungen erheblich. Neben die bereits zu DDR-Zeiten bestehenden Kritikfelder traten neue Ansprüche, allen voran der Wunsch nach einer größeren und komfortableren Wohnung und Wohneigentum. Die Frauen bewerteten ihre Wohnsituation auch nach neuen Bewertungsmaßstäben, wobei auch die Orientierung an relevanten anderen ein größeres Gewicht erhielt. Ohne an dieser Stelle auf die Fülle von Wohnungs- und Wohngebietsdefiziten aus Frauensicht eingehen zu können (vgl. dazu Harth 2006: 211ff.), wird insgesamt deutlich, dass die Wohnbedingungen, mit denen man sich zu DDR-Zeiten leidlich arrangiert hatte, nach der Wende wie ein zu eng gewordenes Korsett wirkten. Die durchaus wahrgenommenen allgemeinen Verbesserungen hielten längst nicht Schritt mit den sich rascher wandelnden Wohnansprüchen der Frauen. In der Folge wuchs die Umzugsneigung. Allein in Zeitraum zwischen 1990 und 1994 wechselten laut Sozio-ökonomischem Panel rund 20 % der ostdeutschen Haushalte ihre Wohnung außerhalb der Gemeindegrenzen (vgl. Hinrichs 1996: 270f.), und in Magdeburg war jede dritte Befragte bis 1995 bereits mindestens einmal umgezogen. Die Intensivinterviews zeigen, dass ein enger Zu-
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sammenhang besteht zwischen der stark angewachsenen Umzugsmobilität und den vier Bedeutungsmustern: Die Selbstentfaltungsorientierten gehörten zu den Hauptakteurinnen des Umzugsgeschehens bis Mitte der 1990er Jahre. Sie wollten individueller, komfortabler und zum Teil statusgerechter wohnen und forcierten wegen ihrer erheblichen Unzufriedenheit mit den bestehenden standardisierten Wohnbedingungen einen Umzug, zum Teil sogar gegen den Wunsch ihres Partners oder der Kinder. Ihr Umzugswunsch war so dringlich, dass die nach der Wende am schnellsten verfügbaren neuen suburbanen Wohngebiete meist ihr Umzugsziel wurden. „Noch ’89 sind wir losgerannt und haben uns informiert“, so eine Selbstentfaltungsorientierte, „endlich erfüllen wir uns, was jahrelang unser Traum war: ein Eigenheim“. Auch die Entlastungsorientierten hatten zum Umzugsgeschehen in den ersten Jahren nach der Wende beigetragen, die meisten von ihnen hatten allerdings Mitte der 1990er Jahre eher nur Umzugsabsichten. Viele von ihnen wohnten – da sie als Familien zu DDR-Zeiten dort eingewiesen worden waren – in den Großsiedlungen. Sie waren damit zwar zunehmend unzufrieden, wussten aber deren vergleichsweise gute Infrastrukturausstattung und oft hinreichende Wohnqualität zumindest vorerst noch zu schätzen. Da sie eher ungern in die suburbane Zone ziehen wollten – in Wohngebiete, deren Verkehrsanbindung und infrastrukturelle Ausstattung oft unzureichend ist – waren sie aus praktischen Gründen zum größeren Teil vorerst noch in ihren Wohnungen geblieben. Sie bremsten bis Mitte der 1990er Jahre damit noch den Segregationsprozess, waren aber mehr oder weniger latent umzugsbereit. „Wir wohnen hier bis jetzt doch noch gut“, so eine Bewohnerin einer Plattenbausiedlung, „die Wohnung ist pflegeleicht, dann sind um die Ecke zwei schöne Spielplätze und dahinter können die Kinder frei laufen, da fahren fast keine Autos. Einkaufen, Kindergarten, Schule – alles in der Nähe.“ Auch die Familienorientierten schmiedeten eher für die Zukunft Umzugspläne, wobei die Kindgerechtigkeit für sie zentrales Umzugsmotiv war. Ihre Umzugspläne waren Ausdruck einer Umlenkung ihrer Aktivitäten und schöpferischen Kraft vom Erwerbs- zum Familien- und Wohnbereich. Sie waren zu einem hohen Maß an Eigenleistungen bereit und strebten in die als besonders familiengerecht empfundenen suburbanen Wohngebiete – und zwar vorwiegend in Altimmobilien mit Sanierungsbedarf in Dörfern am Rande der Stadt. „Wir haben ein altes Fachwerkhaus gekauft, na ja schon ziemlich verfallen, und bauen eigentlich in jeder freien Minute daran rum. ... Für meinen Sohn wollte ich, dass er friedlicher und mit mehr Ruhe aufwächst.“ Die Frauen schließlich, für die ihre Lebensbewältigung im Mittelpunkt stand, betrachteten den Wohnbereich als Schutzzone, als Refugium in einer unsi-
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cherer gewordenen Umwelt. Entsprechend hatten sie eine Bindung zu ihrem Wohngebiet und wollten nicht umziehen. Eher reduzierten sie ihre Wohnansprüche: „Ich hab’ mich so dran gewöhnt, dass ich’s schon nicht mehr als Nachteil empfinde“, so eine Befragte. In Folge ihrer oftmals ökonomisch deprivierten Lage gehörten sie zu den potenziell Verdrängten – falls sie nicht ohnehin schon in abstiegsgefährdeten Wohngebieten wohnten. Die Ausgangsfragestellung, wie sich in den ersten Jahren nach der Wende die Wohnweise von Frauen gewandelt hat, lässt sich also wie folgt beantworten: Erstens erlebte der Wohnbereich insgesamt einen erheblichen Bedeutungszuwachs: In dem Maße, in dem sich die Soziallagen der Frauen zwischen Aufstieg und Abstieg differenzierten und ihre Mehrbelastung zunahm, wuchs dem Wohnbereich eine neue Qualität zur Bewältigung des Alltags zu. Zweitens stiegen dadurch die Diskrepanzen zwischen Wohnansprüchen und Wohnrealität: Die Wohnbedingungen genügten für einen wachsenden Teil der Frauen nicht mehr den veränderten Anforderungen. Deswegen begünstigte dies drittens ein Umzugsgeschehen, bei dem Frauen ihre Anforderungen sehr deutlich einbrachten. Sie hatten erheblichen Einfluss auf die auf der gesamtstädtischen Ebene sich deutlicher ausprägenden Segregationstendenzen. 3 Zur Aktualität der Befunde Abschließend wird diskutiert, ob sich dieser für die erste Transformationsphase festgestellte Wandel bis heute weiter fortgesetzt hat. Eine ganz entscheidende Veränderung seit Mitte der 1990er Jahre ist der Umschwung des bis dahin angebotsdominierten Wohnungsmarktes in einen durch erhebliche Wohnungsüberhänge und Leerstände gekennzeichneten Nachfragermarkt. 1999 standen bereits über eine Million Wohnungen (= 13 %) leer (vgl. Kommission Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel 2000: 17). Dieser erhebliche Wohnungsüberhang ist zum einen durch Angebotserweiterungen in Folge des Baubooms der 1990er Jahre und der Modernisierungen entstanden. Zum anderen aber ist er Konsequenz des anhaltenden Bevölkerungsverlustes, der „das alles überragende rahmensetzende Merkmal der Stadtentwicklung in den Neuen Bundesländern ist“ (Herlyn 2002: 27). Seit der Wende haben die neuen Bundesländer fast ein Fünftel ihrer EinwohnerInnen verloren, was sowohl auf den Geburtenrückgang als auch auf Wanderungsverluste (übrigens erheblich mehr Frauen als Männer) in die alten Bundesländer zurückzuführen ist (vgl. Keim 2001: 68, Lang/Tenz 2003: 35ff.). In der Folge sind die Mieten bei Neuvermietungen gesunken (vgl. Kommission Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel 2000: 31), sodass der Kreis derjenigen, die es sich leisten können, in Neubau- oder modernisierte Altbauwohnungen zu ziehen, erheblich größer geworden ist. Anspruchsgerechtes Wohnen
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wurde für immer mehr Menschen möglich; man musste sich nicht mehr mit Wohnungs- und Wohnumfelddefiziten abfinden. Dies fand seinen Ausdruck in einer deutlich erhöhten Umzugsmobilität. Für Leipzig wurde z. B. von einer „Dramatik der tatsächlichen Umzugshäufigkeit“ (Steinführer 2002: 132) gesprochen: So stieg allein in den zwei Jahren 1996 bis 1998 die Zahl der Umzüge um ein Drittel. Dass die Menschen ihre Wohnansprüche seit Mitte der 1990er Jahre verstärkt umsetzen, wird auch an der Entwicklung verschiedener Kennzahlen über die Wohnbedingungen deutlich. So ist die Wohnfläche je Person von 1996 (32,6 qm) bis 2005 (38,4 qm) deutlich gestiegen (vgl. Statistisches Bundesamt 2007: 285), die Eigentümerquote liegt mittlerweile (2006) bei 30 % (vgl. Timm 2008: 119), und insgesamt ist eine erhebliche weitere Angleichung an die Wohnbedingungen in den alten Bundesländern festzustellen (vgl. Böltken 2001: 178f.). Ein Teil der noch Mitte der 1990er Jahre bestehenden Diskrepanzen zwischen Wohnansprüchen und Wohnrealität haben sich also in der Zwischenzeit durch Umzüge (und Modernisierungen) gelöst. Entsprechend ist die globale Wohnungszufriedenheit gegenüber Mitte der 1990er Jahre weiterhin gestiegen (vgl. Christoph 2002: 13), ebenso wie die Wohngebietszufriedenheit; auch hinsichtlich verschiedener Einzelmerkmale haben sich die Zufriedenheitswerte zum Teil erheblich verbessert (vgl. Böltken 2001: 151, 170). Die eher grundlegenden Aspekte der Mietbezahlbarkeit, der Wohnungsgröße und ausstattung sind mittlerweile offenbar für die meisten Menschen so selbstverständlich, dass sie an subjektiver Relevanz verloren haben (vgl. Hinrichs 1999: 44). Dieser ‚Sättigungseffekt’ hat dazu geführt, dass andere Aspekte vermehrt an Bedeutung gewonnen haben, z. B. ‚soziales Wohnumfeld’, ‚verkehrsgünstige Lage’ und ‚Grundriss’ (vgl. für Leipzig-Grünau Kahl 2003: 89, vgl. auch Steinführer 2002: 136f.). Gerade angesichts der zunehmenden Konkurrenz der Wohnstandorte gewinnen also die ‚feinen Unterschiede’ und Selbstentfaltungsaspekte einen höheren Stellenwert. Es spricht einiges dafür, dass der Wandel der Wohnweise ostdeutscher Frauen sich vor diesem Hintergrund fortgesetzt und zum Teil sogar beschleunigt hat. Insbesondere der Stellenwert von Selbstentfaltung im Wohnbereich ist vermutlich weiter gestiegen. Dafür spricht zum einen die erhebliche Pluralisierung der Haushaltsformen seit Mitte der 1990er Jahre, die ihre Ursache auch in Veränderungen des Geschlechterverhältnisses hat (vgl. Becker 2008b): Der Anteil weiblicher Haushaltsvorstände, besonders Singles, hat sich deutlich erhöht (vgl. Statistisches Bundesamt 2006: 63). Zum anderen haben Frauen einen höheren Anteil am Familieneinkommen und damit wohl auch mehr Einfluss auf wohnbezogene Entscheidungen (vgl. Frank-Bosch 2003: 434). Das hängt mit der Entwicklung der geschlechtsspezifischen Arbeitslosigkeit zusammen: War 1995 die Arbeitslosenquote von Frauen noch doppelt so hoch wie die der Männer, so liegt
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sie mittlerweile mit rund 14 % gleich auf (Stand: August 2008).2 Schließlich ist eine neue Generation ins Erwachsenenalter gelangt, die sich möglicherweise stärker an Selbstentfaltungswerten orientiert (vgl. Scheller 2005: 298). Die zentrale Bedeutung des Wohnbereichs als Ort der Entlastung besteht nach wie vor: Trotz der erhöhten Männerarbeitslosigkeit übernehmen Frauen weiterhin das Gros der häuslichen Arbeiten (vgl. Statistisches Bundesamt 2003: 14). Zudem hat die Erwerbsbeteiligung von Müttern mit kleinen Kindern wieder deutlich zugenommen (vgl. Kreyenfeld/Geisler 2006: 345). Auch die Bedeutung der Familienorientierung im Wohnbereich ist weiterhin groß. Zwar ist die Zahl von Familienhaushalten deutlich rückläufig und ist die Erwerbstätigkeit von Müttern kleiner Kinder wieder gestiegen, gleichzeitig aber scheint die bewusste Kultivierung des Wohnbereichs als Ort emotionalisierter Familienbeziehungen wichtiger geworden zu sein (vgl. Scheller 2004: 37). Die wachsende soziale Polarisierung und räumliche Segregation hat schließlich den Stellenwert des Wohnbereichs für die Lebensbewältigung für Einkommensschwächere weiter erhöht (vgl. Herlyn 2002: 28). Die Ausdünnung von Infrastrukturangeboten in schrumpfenden Wohngebieten verschärft deren Lage immer mehr (vgl. Böltken 2001: 166f.). Der für den untersuchten Zeitraum bis Mitte der 1990er Jahre festgestellte Wandel der Wohnweise ostdeutscher Frauen hat sich allem Anschein nach fortgesetzt und zum Teil auf Grund des nachfragedominierten Wohnungsmarkts sogar beschleunigt: Der Stellenwert von Selbstentfaltung und Lebensbewältigung im Wohnbereich ist für Frauen weiter gewachsen, auch Entlastung und Familienorientierung haben nach wie vor große Bedeutung. Vor dem Hintergrund fortschreitender sozialer und räumlicher Differenzierungsprozesse ist auch zukünftig von einem weiteren Bedeutungszuwachs bzw. einer Pluralisierung der Relevanz des Wohnbereichs auszugehen. Frauen in den neuen Bundesländern wollen weiterhin ganz überwiegend beides: Familie und Beruf. Die Wohnbedingungen entscheiden mit darüber, ob die Bewältigung ihres Alltags in befriedigender Weise gelingt und Spielräume für Selbstentfaltung entstehen. Die Möglichkeiten zur Organisation der privaten Versorgungsarbeit und der Gebrauchswert von Wohnungen und Wohngebieten werden deswegen weiter eine große Bedeutung für Wohnstandortentscheidungen haben und so die weitere Stadtentwicklung beeinflussen.
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Quelle: http://www.destatis.de.
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Alleine wohnen – empirische Befunde zu einer weit verbreiteten Lebensform Gabriele Sturm1
Wohnen gilt in der Soziologie als ein Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse – und damit auch als ein Feld, in dem sich das Geschlechterverhältnis materialisiert. In zuspitzender Fortführung der Charakteristika von Hartmut Häußermann und Walter Siebel (2001: 762) ist heutiges Wohnen wie folgt zu kennzeichnen:
1
Die soziale Einheit des Wohnens wandelt sich zunehmend von der Kleinfamilie hin zu Einpersonenhaushalten und kinderlosen Paarhaushalten. Im Jahr 2007 waren von den 39,7 Mio. Privathaushalten in Deutschland 38,7 % Einpersonenhaushalte, 30,9 % Familienhaushalte mit ledigen Kindern (ohne Altersbegrenzung) und 30,4 % andere Mehrpersonenhaushalte ohne Kinder. Ökonomisch ist die Wohnung eine Ware. Wer eine Wohnung mit welcher Ausstattung wo mieten oder kaufen kann, lässt Rückschlüsse auf gesellschaftlichen Status und Lebensstil zu. Regional gibt der Immobilienmarkt auch Auskunft über ökonomische Entwicklung und Mobilität der Bevölkerung. Die Wohnung behielt trotz der weitgehenden Auslagerung der beruflichen Arbeit neben ihrer Funktion als Ort der Erholung und für Freizeitaktivitäten immer auch ihre Funktion als Ort der Reproduktionsarbeit. Dazu scheinen sich mit der Ausdifferenzierung der Dienstleistungsgesellschaft inzwischen nicht nur längere Aus- und Weiterbildungstätigkeiten, sondern auch wieder mehr Erwerbsarbeiten in der Wohnung zu verorten. Soziokulturell gilt die Wohnung als letzter Bereich des Privaten im Gegensatz zur Öffentlichkeit des Außerhäusigen. Nicht zuletzt der Slogan der Frauenbewegung „Das Private ist politisch“ hat allerdings darauf hingewiesen, dass u. a. Wohnen stark normativ geprägt ist und Menschen auch im Privatesten weder unabhängig von gesellschaftlichen Verhältnissen sind, noch so individuell, wie sie es gerne wären. Das Verhältnis von Privatem zu Öffentlichem – und damit das Wohnen – wandelt sich mit den gesellschaftlichen Umständen. Ich danke Frau Katrin Meyer für die Datenaufbereitung, Datenauswertung und Erstellung der Abbildungen.
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Gabriele Sturm
Für Frauen haben die gesellschaftlichen Veränderungen der vergangenen 50 Jahre im Wohnbereich einerseits zu einem hohen Anteil von AlleinerziehendenHaushalten und andererseits zu einer noch nie zuvor erreichten Anzahl Alleinwohnender geführt. Insgesamt lebt in Deutschland derzeit etwa jede und jeder Fünfte allein in einem Haushalt. Ruth Becker (2008: 455f.) resümiert zum Thema Alleinwohnen, dass Frauen dies positiver bewerten als Männer, u. a. da es ihnen eine andernfalls nicht erreichbare alltägliche Autonomie bietet, und dass insgesamt betrachtet nur ledige, kinderlose Frauen angemessene berufliche Chancen wahrnehmen können und sogar erfolgreicher sind als entsprechend lebende Männer. Dies lässt es interessant erscheinen, die jährlich durchgeführte Bevölkerungsbefragung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) auf die Äußerungen der in Einpersonenhaushalten Lebenden hin zu untersuchen. Die folgende Analyse folgt den dargestellten vier Beschreibungsdimensionen für Wohnen. 1 Die Datengrundlage Das raumbezogene Informationssystem des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) besteht aus mehreren Komponenten, für die Aggregatdaten flächendeckend und in regelmäßigen Zeitintervallen zusammengetragen werden. Einzig die jährlich durchgeführte repräsentative Umfrage nach den Wohn- und Lebensbedingungen sammelt Individualdaten. Sie wurde im Westen der Bundesrepublik erstmals im Herbst 1985 durchgeführt. Seit 1990 findet sie gleichermaßen in den alten wie den neuen Bundesländern statt. Ein gleich bleibender Fragenkatalog gewährleistet die langfristige vergleichende Beobachtung gesellschaftlicher Entwicklungen aus Sicht der Befragten. Das methodische Design einer mehrfach geschichteten Stichprobenziehung gewährleistet Ergebnisse mit Regionalbezug (BBR 2008a, 2008b). Für die Analyse der Einpersonenhaushalte werden hier die Stichproben der beiden vergangenen Jahre ausgewertet. 2006 wurde die BBSR-Umfrage als Einschaltung in einen Mehrthemenbus mit 3.252 persönlichen Interviews – 2007 als Sondererhebung mit 3.286 persönlichen Interviews (CAPI) durchgeführt. Neben dem Standardfragensatz wurden 2006 Fragen zum Themenschwerpunkt „Ökonomie und Mobilität“ und 2007 zum Themenschwerpunkt „Wohngebiet und Wohnort“ gestellt. Da dieser Beitrag zunächst eine nach verschiedenen Gruppen differenzierende Beschreibung der Alleinwohnenden liefern soll, liegen den Aussagen über Unterschiede als statistische Prüfverfahren Varianzanalysen und andere Mittelwertsvergleiche zugrunde.
Alleine wohnen
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2
Wer – Wo – Wie? Die Struktur der Einpersonenhaushalte in Deutschland2 Unabhängig davon, dass einige Haushalte ihre Wohnpraxis auf mehrere Wohnungen verteilen, stellt eine Wohnung normalerweise die Behausung dar, die Menschen als den zentralen Ort ihres derzeitigen Lebens begreifen und die ihnen eine selbstständige Lebensführung ermöglicht. Menschen, die in einer Wohnung (zusammen) leben, gelten i. d. R. als Wirtschaftseinheit und somit als Privathaushalt. Sofern ein Haushalt aus mehreren Personen besteht, handelt es sich entweder um einen Paar- oder Familienhaushalt oder um eine Wohngemeinschaft. Die amtliche Statistik zählt als Einpersonenhaushalte Personen, die für sich alleine in einem Haushalt wohnen und wirtschaften. Die aktuellsten Informationen über die Struktur privater Haushalte in Deutschland bietet der Mikrozensus (MZ). Dessen Hochrechnungen weisen nach, dass der Anteil der Einpersonenhaushalte an allen Haushalten nach wie vor relativ und absolut steigt (siehe Tabelle 1). Tabelle 1: Anteil der Einpersonenhaushalte an allen Haushalten (HH)* 1900
1939
1950
1991 1999 2007 35,26 37,80 39,72 Mio. Mio. Mio. Einpersonen11,86 13,49 15,39 HH (MZ) Mio. Mio. Mio. Anteil 7,2 % 9,8 % 19,4 % 33,6 % 35,7 % 38,7 % * Die Angaben für 1900 und 1939 beziehen sich auf das Deutsche Reich, die für 1950 auf die damalige Bundesrepublik Deutschland. Quelle: Statistisches Bundesamt 2008a alle HH
So ist nach der Deutschen Einheit der Anteil der Einpersonenhaushalte von knapp 34 % im Jahr 1991 auf knapp 39 % im Jahr 2007 gestiegen. Laut Mikrozensus ist jeder Dritte dieser Einpersonenhaushalte ein Seniorinnen- oder Seniorenhaushalt mit Bewohnerinnen und Bewohnern im Alter von 65 Jahren und älter. Nur für jeden Zwölften dieser Haushalte ist der bzw. die Alleinwohnende jünger als 25 Jahre. Allein wohnende Frauen und Männer unterscheiden sich in Deutschland deutlich in ihrer Altersstruktur und nach ihrem Familienstand3: Von den 7,1 Mio. 2
3
Wenn in diesem Text als Referenz auf Daten für die Bundesrepublik Deutschland verwiesen wird, so stammen diese hier und im Folgenden immer vom Statistischen Bundesamt (u. a. 2008a, b). Das Statistische Bundesamt weist die Altersgruppendaten in seinen Langen Reihen in 10-JahresSchritten aus, was hier im Text referiert wird. Da die Stichprobengröße der BBSR-Umfrage eine solche Differenzierung kaum mehr sinnvoll erscheinen lässt, werden in Tabelle 2 die zum Ver-
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Männern in Einpersonenhaushalten sind 23,8 % im Alter von 35 bis unter 45 Jahre, 22,3 % im Alter von 25 bis unter 35 Jahre und 16,5 % im Alter von 45 bis unter 55 Jahre – nur 7,8 % sind 75 Jahre und älter. Hingegen sind von den 8,3 Mio. Frauen in Einpersonenhaushalten 29,8 % 75 Jahre und älter, 20 % im Alter von 65 bis unter 75 Jahre und lediglich 12,2 % im Alter von 25 bis unter 35 Jahre (vgl. Tabelle 2). Von den allein wohnenden Männern sind 63 % ledig, 18 % geschieden und 11 % verwitwet – von den allein wohnenden Frauen hingegen 44 % verwitwet, 36 % ledig und 16 % geschieden. Tabelle 2: Einpersonen-HH nach Alter und Genusgruppe EinpersonenHH MZ
Frauen MZ
Männer MZ
1.307 8,5 % 5.021 32,6 % 3.696 24,0 % 5.361 34,8 % 15.385 100 %
655 7,9 % 1.772 21,3 % 1.751 21,0 % 4.143 49,8 % 8.324 100 %
652 9,2 % 3.249 46,1 % 1.942 27,5 % 1.218 17,3 % 7.061 100 %
Altersgruppe < 25 25 bis < 45 45 bis < 65 65 und älter
Männer BBSRUmfrage
Frauen BBSRUmfrage
87 11,6 % 237 31,7 % 222 29,7 % 201 26,9 % 747 100 %
79 7,6 % 118 11,3 % 236 22,6 % 612 58,6 % 1.045 100 %
EinpersonenHH BBSR 166 9,3 % 355 19,8 % 458 25,6 % 813 45,4 % 1.792 100 %
Genus41,7 % 58,3 % gruppen Datengrundlage: Mikrozensus 2007 (in 1.000), BBSR-Umfrage 2006 und 20074 © BBSR Bonn 2009 54,1 %
45,9 %
Diese unterschiedlichen Verteilungen verweisen nicht nur auf die nach wie vor höhere Lebenserwartung der Frauen in Deutschland.
4
gleich herangezogenen Mikrozensusdaten entsprechend summiert. Die hier eingeführten vier Altersgruppen liegen auch allen folgenden Analysen und entsprechend aufgeführten Kennwerten zugrunde. Die BBSR-Umfrage enthält – wie alle Umfragen – zu wenig Einpersonenhaushalte der jüngeren Erwerbsfähigen und zu viele Einpersonenhaushalte allein wohnender Seniorinnen und Senioren. Durch die sonst genutzten Gewichtungen, die insbesondere die regional repräsentative Verteilung sichern, ist dem kaum beizukommen. Insofern werden hier die Auswertungen ungewichtet vorgenommen und die Stichprobenverzerrung – wo nötig – bei der Interpretation berücksichtigt.
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An der Altersgruppe der unter 25-Jährigen zeigt sich, dass junge Frauen früher aus dem elterlichen Haushalt ausziehen als junge Männer, da trotz des Männerüberschusses in dieser Altersgruppe5 die Anzahl von Frauen in Einpersonenhaushalten bundesweit betrachtet leicht über der der Männer liegt. Im Alter von 25 bis unter 55 Jahre leben 4,42 Mio. Männer und 2,54 Mio. Frauen in Einpersonenhaushalten. Zwar gibt es infolge der höheren Wahrscheinlichkeit von Knabengeburten auch in diesen Altersklassen noch einen Männerüberschuss. Die wesentlich geringere Anzahl von allein wohnenden Frauen dieser Altersgruppe ist jedoch vor allem darauf zurückzuführen, dass Frauen etwa 90 % der 1,96 Mio. Alleinerziehenden dieses Alters stellen.6 Erst jenseits des 60sten Lebensjahrs kommt die höhere Lebenserwartung von Frauen in der Haushaltsstatistik zum Tragen. Entsprechend handelt es sich bei den allein wohnenden Seniorinnen meistens um verwitwete Frauen.
Laut Mikrozensus leben 2007 von den 15,4 Mio. Menschen in Einpersonenhaushalten 23,2 % in Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern (EW), weitere 16,5 % in Mittelstädten mit 20.000 bis 50.000 EW und 11,7 % in Kleinstädten mit 10.000 bis 20.000 EW.7 Diese Rangfolge ist für Frauen wie Männer gleich. Aus Sicht der Kommunen und ihrer Wohnungswirtschaft präsentieren sich diese Zahlen etwas anders. Da gilt, dass der Anteil der Einpersonenhaushalte umso höher ist, je größer die Kommune ist. Zum Beispiel ist in Berlin bereits mehr als die Hälfte aller Wohnungen nur noch von einer Person bewohnt, während dieser Anteil im Bundesdurchschnitt – wie in Tabelle 1 bereits aufgeführt – bei 39 % liegt. Da die BBSR-Umfrage insbesondere die regionale Verteilung der Haushalte repräsentiert, wird auch die Verteilung der Einpersonenhaushalte auf die Siedlungsstrukturtypen gut abgebildet. Entsprechend können im Weiteren die Wohnsituationen von Frauen und Männern nicht nur nach ihrem Lebensalter, sondern auch nach Stadttyp differenziert betrachtet werden. 5
6
7
Laut Statistischem Jahrbuch 2008 lebten am 31.12.2006 in Deutschland 3.467.100 Männer und 3.342.800 Frauen im Alter von 18 bis unter 25 Jahren. Davon ausgehend, dass junge Menschen i. d. R. erst nach Erreichen der Volljährigkeit ihren eigenen Haushalt gründen, leben rund 20 % der jungen Frauen und 19 % der jungen Männer in ihrem eigenen Einpersonenhaushalt. Weitere 7 % der jungen Frauen und gut 2 % der jungen Männer unter 25 Jahren sind verheiratet und leben somit in einem neu gegründeten Mehrpersonenhaushalt. Insgesamt leben 2007 in Deutschland 2,63 Mio. Alleinerziehende mit 3,66 Mio. ledigen Kindern. Mehr als 60 % der Kinder in Einelternfamilien sind minderjährig. 42 % der Alleinerziehenden sind geschieden, 23 % ledig, 21 % verwitwet, 14 % verheiratet getrennt lebend. Als Großstädte gelten kreisfreie Städte wie kreisangehörige Oberzentren mit mindestens 100.000 EW. Mittelstädte sind kleinere Oberzentren und städtisch geprägte Mittelzentren mit mindestens 20.000 EW. In Deutschland gibt es derzeit 78 Groß- und 672 Mittelstädte.
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Von den Einpersonenhaushalten leben 42 % der Frauen- und 44 % der Männerhaushalte in Großstädten (Tabelle 3) – im Vergleich zu 31 % der Gesamtbevölkerung. In Mittelstädten leben 26 % der allein wohnenden Frauen und 25 % der allein wohnenden Männer – im Vergleich zu 28 % der Gesamtbevölkerung. In der Gesamtschau lässt sich also feststellen, dass Einpersonenhaushalte nicht nur ein zunehmend häufiger auftretendes, sondern auch ein eher großstädtisches Phänomen sind. Vor allem Alleinwohnende im erwerbsfähigen Alter zwischen 18 und 64 Jahren sind überproportional häufig in Großstädten anzutreffen – je jünger, umso mehr. Insbesondere die jungen Männer scheint es in die Großstadt und dort mehrheitlich in die Innenstadt zu ziehen. Bei Frauen wie Männern geht diese frühe Phase eines eigenen Haushalts vor allem mit Ausbildung und erstem Berufseinstieg einher, was die überproportionalen Anteile junger SingleHaushalte in Großstädten erklärt, da dort nicht nur die meisten Hochschulen, sondern insgesamt die besseren und vor allem vielfältigeren Gelegenheiten anzutreffen sind. Tabelle 3: Frauen und Männer in Einpersonen-HH nach Alter und Stadtgröße Frauen BBSRUmfrage 79 118 236 612 1.045 100 %
Frauen in Mittelstädten 17 22 % 26 22 % 54 23 % 146 24 % 243 23,3 %
Frauen in Großstädten 41 52 % 57 48 % 105 45 % 230 38 % 433 41,4 %
Altersgruppe < 25 25 bis < 45 45 bis < 65 65 und älter
Vergleich MZ 2007 Datengrundlage: BBSR-Umfrage 2006 und 2007 26,0 %
42,3 %
Männer in Großstädten 55 63 % 115 49 % 96 43 % 62 31 % 328 43,9 %
Männer in Mittelstädten 14 16 % 41 17 % 46 21 % 54 27 % 155 20,7 %
44,1 %
25,0 %
Männer BBSRUmfrage 87 237 222 201 747 100 %
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Im Alter zwischen 25 und 65 Jahren wohnt rund ein Drittel der männlichen Großstadt-Singles laut eigener Einschätzung innerstädtisch,8 während dies von der insgesamt befragten Stadtbevölkerung durchschnittlich nur 18 % tun. Die jungen Frauen in der Großstadt geben zu 41 % an, innerstädtisch zu wohnen. Bei den 25- bis unter 45-jährigen weiblichen Großstadt-Singles sind es 28 % und bei den 45- bis unter 65-Jährigen noch 20 %. Die Bevorzugung großstädtischen Wohnens durch die Alleinwohnenden im erwerbsfähigen Alter manifestiert sich u. a. darin, dass Frauen wie Männer mit 17 % bis 25 % vergleichsweise häufiger in städtebaulichen Mischgebieten wohnen. Ansonsten sind Alleinwohnende unter 65 Jahren häufiger in Häusern mit einer größeren Anzahl von Wohnungen zu finden. So spricht für die innerstädtische Wohnlage der unter 25-Jährigen, dass 47 % der Frauen und 55 % der Männer in Gebäuden mit mehr als acht Wohneinheiten wohnen. Demgegenüber bewohnen 39 % der Seniorinnen und 44 % der Senioren ein Ein- oder Zweifamilienhaus. Entsprechend wohnen die in Großstädten beheimateten alten allein wohnenden Frauen zu 38 % und Männer zu 34 % in Stadtrandlagen. Tabelle 4: Wohneigentumsquote von Frauen und Männern in Einpersonen-HH nach Alter und Siedlungsstrukturtyp Frauen BBSRUmfrage
Frauen in anderen Siedlungsformen
Frauen in Großstädten
Altersgruppe
5% 11 % < 25 von 77 13 % 25 bis 20 % 5% von 118 < 45 32 % 45 bis 44 % 19 % von 235 < 65 41 % 65 und 51 % 27 % von 596 älter nf = 1.026 Datengrundlage: BBSR-Umfrage 2006 und 2007
Männer in Großstädten
Männer in anderen Siedlungsformen
2%
10 %
10 %
22 %
14 %
31 %
32 %
58 %
Männer BBSRUmfrage 5% von 87 16 % von 236 23 % von 221 50 % von 198 nm = 742
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8
In Groß- und Mittelstädten wird nach der innerstädtischen Lage der Wohnung gefragt. Im Durchschnitt wohnen 18 % in Innenstadt-, 39 % in Innenstadtrand- und 43 % in Stadtrandlagen.
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Im Durchschnitt schätzen die allein wohnenden Frauen den Ruf ihrer Wohngegend besser ein als dies die allein wohnenden Männer tun (Fdf=1; <.01 = 9,5). Diese Differenz beruht insbesondere auf den Urteilen der 25- bis unter 65-jährigen Singles. Ansonsten verbessert sich für allein wohnende Frauen wie Männer die Wohnlage bzw. die Wahrnehmung derselben mit zunehmendem Alter (Fdf=3; <.01 = 12,8). Dies geht damit einher, dass der Anteil an selbst genutztem Wohneigentum im Lauf des Lebens zunimmt (Tabelle 4) – und dafür andere Auswahl- und Beurteilungskriterien greifen als für Mietnutzungen. Allerdings liegt die Eigentumsquote der Alleinwohnenden im erwerbsfähigen Alter wesentlich niedriger als dies für den Bundesdurchschnitt ausgewiesen wird: 2006 lag der Anteil der von Eigentümerinnen und Eigentümern bewohnten Wohnungen laut Mikrozensus-Zusatzerhebung bei 42 %, in Westdeutschland bei 45 % und in Ostdeutschland einschließlich Berlin bei 31 % (ohne Berlin: 35 %), und für alle Einpersonenhaushalte bei 25 %. Abbildung 1:
Wohndauer am derzeitigen Wohnort nach Genus- und Altersgruppen
Datengrundlage: BBSR-Umfrage 2006 und 2007
Laut BBSR-Umfrage steigt der Eigentumsanteil bei den allein wohnenden Frauen von 5 % bei den unter 25-Jährigen über 13 % und 32 % auf 41 % bei den über 65-Jährigen. Bei den allein wohnenden Männern steigt der Eigentumsanteil von 5 % bei den unter 25-Jährigen über 16 % und 23 % auf 50 % bei den über 65Jährigen. Dies wiederum passt zu dem bekannten Befund, dass die Wohnflächen von Einpersonenhaushalten mit zunehmendem Alter der Bewohnerinnen und Bewohner größer sind: Bewohnen unter 25-Jährige im Durchschnitt 44 qm, sind dies bei 25- bis unter 45-Jährigen 58 qm, bei 45- bis unter 65-Jährigen 70 qm und bei über 64-Jährigen 78 qm. Neben dem Altersgruppenunterschied
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(Fdf=3; <.01 = 60,3) ist auch eine Differenz zwischen den Genusgruppen (Fdf=1; <.01 = 29,5) festzustellen: Allein wohnende Männer wohnen durchschnittlich auf 64 qm – Frauen auf 72 qm. Zudem weist die Varianzanalyse eine Wechselwirkung zwischen Genus- und Altersgruppen (Fdf=3; <.01 = 7,5) aus, da sich bei den über 64-Jährigen das durchschnittliche Wohnflächenverhältnis umkehrt: Die höhere Eigentumsquote der verwitweten Senioren führt bei diesen zu einer mittleren Wohnfläche von 82 qm – hingegen steht der wesentlich größeren Anzahl der allein wohnenden Seniorinnen im Mittel nur 76 qm Wohnfläche zur Verfügung. Wird nicht nach Altersgruppen differenziert, erscheinen die 2006 und 2007 befragten allein wohnenden Frauen wesentlich bodenständiger als die allein wohnenden Männer zu sein. Während Männer ihre Wohnung seit durchschnittlich 14 Jahren bewohnen, tun dies Frauen seit durchschnittlich 22 Jahren. Und im derzeitigen Wohnort leben die befragten Männer seit 30 Jahren – die befragten Frauen seit 41 Jahren (Abbildung 1). Dieser Effekt ist allerdings der Tatsache geschuldet, dass Menschen mit zunehmendem Lebensalter üblicherweise schon wesentlich länger an ihrem Ort wohnen. Da die über 64-jährigen Frauen ein Drittel aller befragten Einpersonenhaushalte ausmachen und mehr als dreimal so viele wie die gleichaltrigen Männer sind, wirkt sich deren lange Wohndauer verzerrend auf die zugehörigen Gesamtmittelwerte aus. Innerhalb der betrachteten Altersgruppen gibt es hinsichtlich der Wohndauer in der derzeitigen Wohnung keine nennenswerten Unterschiede. Die Frage nach einem für die beiden kommenden Jahre geplanten Umzug in eine andere Wohnung und möglicherweise an einen anderen Ort beantworten 21 % der Alleinwohnenden mit Ja bzw. mit Möglicherweise. Dies entspricht dem Durchschnitt aller befragten Haushalte, so dass Einpersonenhaushalte nicht umzugsmobiler zu sein scheinen als andere. Allerdings ist hier zu bedenken, dass die Gruppe der berufstätigen 25- bis unter 45-Jährigen in der Befragung unterrepräsentiert ist und damit gerade eine als hochmobil geltende Bevölkerungsgruppe unterschätzt wird. Die Häufigkeit eines geplanten Umzugs (Tabelle 5) entspricht den Erwartungen: Je jünger eine Person ist, desto umzugsmobiler ist sie bzw. muss sie sein. Entsprechend wird von den unter 45-Jährigen der Beruf als wichtigster Umzugsgrund vor Persönlichem genannt. Bei den über 45-jährigen Alleinwohnenden wird das Persönliche zum wichtigsten Umzugsgrund, gefolgt von Gründen, die in der Wohnung liegen, also weil diese zu klein, zu groß, zu schlecht etc. ist. Hinsichtlich der Rangfolgen gibt es keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen – allerdings wird von den jüngeren Männern der Beruf häufiger als wichtigster Grund genannt als von den jüngeren Frauen. Auffällig ist, dass 7,5 % der umzugswilligen Frauen wegen der Zusammensetzung der Nachbarschaft eine
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neue Wohnung suchen – ein Grund, der von den umzugswilligen Männern sehr selten genannt wird. Bis auf die jungen Männer will die Mehrheit der Umzugswilligen in ihrem Wohnort bleiben – die Seniorinnen und Senioren am liebsten gar in ihrem Stadtteil. Über die Ortsgrenzen zieht es unter den erwerbsfähigen Singles mehr Männer als Frauen. Allerdings ist zu bedenken, dass diese Absichten nicht mit dem tatsächlichen Verhalten übereinstimmen müssen. Tabelle 5: Umzugsabsichten von Frauen und Männern in Einpersonen-HH nach Alter und Wohnortgröße in % der jeweiligen Gruppe Frauen Frauen der in andeFrauen Männer AltersBBSRren Siedin Großin Großgruppe städten städten Umfralungsge formen 46 50 % 66 % 56 % < 25 58 % 40 25 bis 31 % 37 % 43 % 34 % < 45 29 45 bis 10 % 15 % 29 % 12 % < 65 36 65 und 7% 5% 8% 6% älter nf = 151 N = 374 14 % Datengrundlage: BBSR-Umfrage 2006 und 2007
Männer in anderen Siedlungsformen 63 % 43 % 29 % 8%
Männer der BBSRUmfrage 51 59 % 98 41 % 56 25 % 16 8% nm = 221 30 %
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3 Die Ökonomie der Einpersonenhaushalte Laut Mikrozensus 2007 sind 50,2 % der allein wohnenden Frauen und 82,8 % der allein wohnenden Männer im erwerbsfähigen Alter von 15 bis unter 65 Jahren. Entsprechend gelten nur 40,4 % dieser Frauen gegenüber 70,7 % dieser Männer als Erwerbspersonen. Von den weiblichen Erwerbspersonen sind 90,6 % erwerbstätig und 9,4 % erwerbslos – von den männlichen Erwerbspersonen sind 86,7 % erwerbstätig und 13,4 % erwerbslos.9 Unter den Erwerbstätigen sind von den Frauen 70,8 % Angestellte, 15 % Arbeiterinnen und 8,2 % Selbstständige – von den Männern 44,7 % Angestellte, 35,2 % Arbeiter und 13,5 % Selbstständige. In dieser Beteiligungsstruktur am Erwerbsleben zeigt sich deutlich, dass Frauen ihren Erwerbszugang insbesondere mit dem Wandel zur Dienstleistungs9
In diese Befunde könnte hineinspielen, dass 9,7 % der Männer und 4,7 % der Frauen in Einpersonenhaushalten keine deutsche Staatsangehörigkeit haben.
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gesellschaft gefunden haben. Allerdings finanzieren von den allein wohnenden Erwerbstätigen nur 90 % der Frauen und 93 % der Männer ihren überwiegenden Lebensunterhalt aus ihrer Erwerbstätigkeit. Der niedrigere Erwerbslosenanteil bei den Frauen lässt also nicht auf größere finanzielle Unabhängigkeit, sondern eher auf mehr Teilzeitarbeit und schlechter entlohnte Tätigkeiten schließen. Tabelle 6: (Fach-)Hochschulreife von Frauen und Männern in Einpersonen-HH nach Alter und Wohnortgröße in % der jeweiligen Gruppe Frauen der BBSRUmfrage 33 42 % 49 42 % 56 24 % 62 10 % nf = 200 19 %
Frauen in anderen Siedlungsformen
Frauen in Großstädten
26 %
56 %
33 %
52 %
18 %
31 %
9%
12 %
Altersgruppe
Männer in Großstädten
Männer in anderen Siedlungsformen
< 25
68 %
23 %
41 %
24 %
32 %
18 %
23 %
13 %
25 bis < 45 45 bis < 65 65 und älter N = 404 23 %
Vergleich MZ 2007 28 % Datengrundlage: BBSR-Umfrage 2006 und 2007 23,9 %
Männer der BBSRUmfrage 45 52 % 75 32 % 52 23 % 32 16 % nm = 204 27 % 33,4 %
© BBSR Bonn 2009
Der Altersstruktur und Erwerbsbeteiligung angemessen, liegt das MedianNettoeinkommen für allein wohnende Frauen bei 1.138 EUR und für allein wohnende Männer bei 1.270 EUR. Der Position der Erwerbstätigen nähert man sich allerdings besser, indem der Anteil der höheren Einkommen in den Blick genommen wird: Da verfügen 16,6 % der allein wohnenden Männer und 8,5 % der allein wohnenden Frauen über mehr als 2.000 EUR monatliches Nettoeinkommen.10 Davon ausgehend, dass hauptsächlich Erwerbstätige über Einkünfte in dieser Höhe verfügen, können maximal 27 % der erwerbstätigen Männer und 10
Von den 60,86 Mio. Menschen in Deutschland, für die der Mikrozensus ein persönliches monatliches Nettoeinkommen ausweisen kann, verfügen 16,3 % über mehr als 2.000 € und 18,2 % über weniger als 500 € monatlich.
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maximal 23 % der erwerbstätigen Frauen als gut Verdienende gelten. Über Armut und Wohlstand können weitere Aussagen anhand des Einkommensspektrums der Einpersonenhaushalte gemacht werden. Als Referenzgröße gilt der Median der Haushaltsnettoeinkommen. Dieses mittlere Nettoeinkommen liegt bei den Einpersonenhaushalten laut Mikrozensus 2007 bei 1.187 EUR. Wer weniger als 60 % von diesem Betrag zur Verfügung hat, gilt laut Eurostat als arm. Daran gemessen leben je 19 % der allein wohnenden Männer und Frauen in relativer Armut. Wer über mehr als doppelt so hohe Einkünfte verfügt, gilt als relativ wohlhabend. Als wohlhabend sind entsprechend 11 % der allein wohnenden Männer und 5 % der allein wohnenden Frauen anzusehen. Abbildung 2:
Erwerbsstatus nach Genus- und Altersgruppe
Datengrundlage: BBSR-Umfrage 2006 und 2007
Hinsichtlich der Bildungsentwicklung zeigen Mikrozensus und BBSR-Umfrage Ähnliches (Tabelle 6). Obwohl wegen der ungewichteten Altersgruppenstruktur der Anteil der erwerbsfähigen Einpersonenhaushalte mit (Fach-)Hochschulreife in der BBSR-Stichprobe unterrepräsentiert ist, zeigt sich mit zunehmendem Alter die immer besser werdende schulische und berufliche Ausbildung deutlich – unabhängig von der Genusgruppenzugehörigkeit der Alleinwohnenden. Am meisten profitieren davon die Großstädte. Sie bieten außer qualifizierenden Ausbildungs- und Studienstätten den Absolventinnen und Absolventen anschließend
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auch die größere Auswahl an Erwerbsmöglichkeiten. Weiter bestätigt das hohe Ausbildungsniveau und die sehr starke Erwerbsbeteiligung der 25- bis unter 45jährigen allein wohnenden Frauen (Abbildung 2) die bereits in früheren Studien festgestellte stärkere Berufsorientierung jüngerer allein stehender Frauen (Arbeitsgemeinschaft Riedmüller und Infratest 2002). Abbildung 3:
Einschätzung der eigenen wirtschaftlichen Lage (1 = sehr gut, 5 = sehr schlecht) nach Genus- und Altersgruppe sowie nach Siedlungsstrukturtyp
Datengrundlage: BBSR-Umfrage 2006 und 2007
Wie sehen nun die Aussagen der befragten Alleinwohnenden zu ihrer persönlichen wirtschaftlichen Lage aus? Unabhängig vom tatsächlichen persönlichen Nettoeinkommen werden die Befragten um eine subjektive Einschätzung ihrer persönlichen wirtschaftlichen Lage auf einer fünfstufigen Skala gebeten. Am besten beurteilen die Seniorinnen und Senioren ihre wirtschaftliche Lage (Abbildung 3). Bei den Alleinwohnenden im erwerbsfähigen Alter wird die Einschätzung der persönlichen wirtschaftlichen Lage mit zunehmendem Alter tendenziell kritischer.11 Insbesondere außerhalb der Großstädte beurteilen allein wohnende Männer ihre wirtschaftliche Lage eher als schlecht. Bei den jungen Männern hängt dies häufig mit der Ausbildungssituation zusammen, bei den älteren er11
Obwohl von den Erwerbstätigen (zum Zeitpunkt der Befragung 29 % der Alleinwohnenden) die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes mit zunehmendem Alter als sicherer eingestuft wird – unabhängig von der Genusgruppenzugehörigkeit.
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werbsfähigen Männern geht diese Einschätzung mit einem höheren Anteil Erwerbsloser (und einer oben bereits berichteten niedrigeren Eigentumsquote) als unter den erwerbsfähigen Frauen einher. Allerdings ist die höhere Erwerbsbeteiligung der allein wohnenden 45- bis unter 65-jährigen Frauen damit „erkauft“, dass etwa 30 % der im Erwerbsleben Stehenden Teilzeit oder gar nur stundenweise erwerbstätig sind im Vergleich zu lediglich 12 % der gleichaltrigen Männer. Ob allein wohnende Männer ihre wirtschaftliche Situation auch aufgrund von Unterhaltszahlungen als kritischer ansehen oder ob allein wohnende Frauen besser mit den ihnen zu Verfügung stehenden Mitteln wirtschaften können oder gar genügsamer sind, kann anhand der BBSR-Umfrage nicht beantwortet werden. Auf jeden Fall verweisen diese Befunde weniger auf Entwicklungen im Lebenszyklus als vielmehr auf historisch bedingte Generationenunterschiede. Die allein wohnenden Seniorinnen und Senioren gehören zu den Geburtsjahrgängen der Vorkriegsjahre, haben nach dem Zweiten Weltkrieg in West- wie in Ostdeutschland den Wiederaufbau geleistet und verfügen – sofern sie erwerbstätig waren – meist über relativ stetige Erwerbsbiografien mit vielen Versicherungsjahren. Entsprechend stehen ihnen eher höhere (Witwen-)Renten bzw. Pensionen und in den westdeutschen Ländern oft auch Ersparnisse, u. a. in Form von Wohneigentum, zur Verfügung. Die älteren Erwerbsfähigen im Alter von 45 bis unter 65 Jahren sind weitgehend Nachkriegsjahrgänge, die mehrheitlich mit der Vorstellung von Vollbeschäftigung aufwuchsen. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüche seit Ende der 1960er Jahre zeitigten für diese Generation einerseits unerwartet buntere Erwerbsbiografien mit Arbeitsplatz- und Berufswechseln sowie häufigeren Zeiten der Erwerbslosigkeit. Andererseits wurden in Westdeutschland infolge der 68er und der Frauenbewegung das Geschlechterverhältnis und Formen des persönlichen wie gesellschaftlichen Zusammenlebens in Frage gestellt und verändert praktiziert. In Ostdeutschland führte die Deutsche Einheit zu extremen Veränderungen der Arbeits- und Lebenswelt. Die allein wohnenden älteren erwerbsfähigen Männer scheinen mit diesen Umbrüchen tendenziell schlechter zurechtzukommen als die gleichaltrigen Frauen. Die jüngeren Erwerbsfähigen sind bereits mit Vorstellungen von schnellerem gesellschaftlichen Wandel und unsicheren familiären Beziehungen aufgewachsen. 25bis unter 45-Jährige lebten bis in die 1960er Jahre hinein mit hoher Wahrscheinlichkeit als (junge) Eltern – heute stellt diese Altersgruppe ein Drittel aller Einpersonenhaushalte. Dies spricht u. a. für Berufs- statt Familienorientierung bei Männern wie bei Frauen und für Anpassung an die gesellschaftlich geforderte Flexibilität und Mobilitätsbereitschaft. Welche Schlussfolgerungen sind aus den bisherigen Befunden für den Wohnungsmarkt zu ziehen? Die immer noch fortwährende Zunahme von Einper-
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sonenhaushalten und die Bevorzugung großstädtischen und innerstädtischen Wohnens bedeutet insbesondere in wachsenden Großstädten eine zunehmende Konkurrenz um innenstadtnahe Wohnungen. Die allein wohnenden Erwerbstätigen dürften zudem höhere Ansprüche an ihre Wohnung und das Wohnumfeld stellen, da sie mit der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit in Bezug auf die an die Wohnung gebundenen Erholungs- und Versorgungsfunktionen allein haushalten müssen. Ein vergleichsweise großer Teil der Einpersonenhaushalte sind Mieterhaushalte. Der geringere Eigentumsanteil dürfte aus verschiedenen Beweggründen resultieren. Der Lebensstil von großstädtischen Singles wird mit Ungebundenheit, Flexibilität, Mobilität etc. verbunden – und eventuell übernehmen Alleinwohnende dergleiche Erwartungen auch ins eigene Selbstbild. Vor allem aber müssen sie mit ihrem Einkommen auskommen. Bei einer bundesdurchschnittlichen Wohnungsgröße in Mehrfamilienhäusern von 69 qm stehen Einpersonenhaushalte auf dem Mietmarkt in Konkurrenz zu anderen Haushaltsformen, speziell zu Paar- und Alleinerziehenden-Haushalten. Die Mietbelastung ist allerdings für Einpersonenhaushalte im Durchschnitt wesentlich höher als für Mehrpersonenhaushalte, in denen meist mehrere Personen zum Einkommen beitragen: So betrug 2006 laut Mikrozensus-Zusatzerhebung die Mietbelastung (Bruttokaltmiete) für 35 % der Alleinwohnenden bis zu 25 % und für 22 % mehr als 40 % ihres Haushaltsnettoeinkommens (Timm 2008). Etwas anders sieht die Situation der Alleinwohnenden in Ortsrandlagen aus. Dort verbleiben viele Seniorinnen und Senioren nach Auszug der Kinder und nach dem Tod ihrer Partner oft noch lange allein in den einstigen Familienhäusern. Damit verbunden sind individuelle Versorgungsprobleme, da diese Ortslagen ohne eigenen PKW kaum mehr ausreichende Infrastrukturausstattung bieten. Aus Sicht der Kommunen stehen diese Ortsteile vor einem Generationen- bzw. Eigentümerwechsel, meist verknüpft mit einigem Planungsbedarf hinsichtlich der zukünftigen Gestalt bzw. Nutzung(smischung). 4 Der Alltag Alleinwohnender im Wohngebiet und am Wohnort Um den mit dem Wohnort verknüpften Funktionen nachzuspüren, wurden 2007 Bedarfe in Bezug auf 28 verschiedene Lebensbedingungen am Wohnort erfragt: Wie wichtig ist jede der folgenden Lebensbedingungen für Sie persönlich, damit Sie sich an Ihrem Wohnort wohl fühlen? und in einem weiteren Fragedurchgang: Wie zufrieden sind Sie persönlich mit folgenden Lebensbedingungen in ihrem Wohnort? Der individuelle Bedarf ergibt sich aus der Differenz der Wichtigkeit und der Zufriedenheit eines erfragten Bereichs (jeweils 7-stufige Rating-Skalen) – im Folgenden als „subjektives Defizit“ bezeichnet. Die größten Defizite werden vom Durchschnitt der Alleinwohnenden hinsichtlich folgender Bereiche genannt:
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Gabriele Sturm Angebot an Ausbildungsplätzen, Lehrstellen, Angebot an Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten, Schutz vor Kriminalität, Bürgerbeteiligung an Planungen für die Zukunft des Wohnorts und Betreuungseinrichtungen, Pflegeangebote für alte Menschen.
Ein ausreichendes Angebot bzw. gute Auswahl wird attestiert für:
Schwimmbäder und andere Sportanlagen, Ausflugsmöglichkeiten in die Umgebung und gastronomisches Angebot an Cafés, Restaurants, Kneipen zum Ausgehen.
Allerdings unterscheiden sich die Urteile sowohl zwischen Frauen und Männern als auch zwischen den Altersgruppen häufiger voneinander. So werden die Defizite an Ausbildungsplätzen und Lehrstellen wie die an Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten mit zunehmendem Lebensalter geringer wahrgenommen. Solches spricht für die Sensibilität des Instruments, die individuelle Relevanz abzubilden. Über alle Altersgruppen hinweg sehen Frauen im Durchschnitt in folgenden Bereichen weniger Bedarf als Männer:
Weiterbildungsangebote in VHS, Bücherei oder Familien-/Stadtteilzentrum (Fdf=1; <.05 = 5,94), Versorgung mit Wohnungen (Fdf=1; <.05 = 5,76), Angebot an Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten (Fdf=1; <.05 = 5,24, Wechselwirkung zu Altersgruppen: Fdf=3; <.05 = 2,91) und Angebot an Ausbildungsplätzen, Lehrstellen (Fdf=1; <.05 = 5,17, Wechselwirkung zu Altersgruppen: Fdf=3; <.05 = 3,65).
Durchgängig kritischer als allein wohnende Männer beurteilen allein wohnende Frauen die Situation hinsichtlich:
Einkaufmöglichkeiten für den alltäglichen Bedarf (Fdf=1; <.05 = 6,58), Versorgung mit Bussen, Bahnen und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln (Fdf=1; <.05 = 5,80), Versorgung mit Ärzten, Krankenhäusern und therapeutischen Einrichtungen (Fdf=1; <.05 = 5,27), Gesunde Wohnumgebung ohne Luftverschmutzung oder Bodenbelastung (Fdf=1; <.05 = 4,84), Integration von Minderheiten (Fdf=1; =.05 = 3,75) und
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Betreuungseinrichtungen, Pflegeangebote für alte Menschen (Fdf=1; 3,13).
Abbildung 4:
<.10
=
Subjektive Defizite (-6 bis +6) nach Genus- und Altersgruppen
Datengrundlage: BBSR-Umfrage 2006 und 2007
Die Lebensbereiche, für die Frauen stärkere Defizite als Männer indirekt und damit ohne bewusste Kontrolle beobachten, passen in etwa zum weiblichen Ge-
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schlechterstereotyp (Eckes 2008). Der gesellschaftliche Prozess der Geschlechtstypisierung bringt mit hoher historischer und kultureller Stabilität Frauen mit Wärme und Expressivität, Männer mit Kompetenz und Instrumentalität in Verbindung. In den vergangenen Jahrzehnten haben Studien nachgewiesen, dass sich die von Frauen über sich selbst berichtete Instrumentalität erhöht hat. Darauf weisen im Rahmen der Defizitanalyse die Wechselwirkungen zwischen Genusund Altersgruppe hin (Abbildung 4): Die ganz jungen und die 45- bis unter 65jährigen allein wohnenden Frauen beurteilen Ausbildungs- und Erwerbsarbeitsmöglichkeiten defizitärer als ihre Altersgenossen – es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie diesbezüglich enttäuschende Erfahrungen gemacht haben. Geschlechterstereotype scheinen in den Bereichen besonders nachhaltig, in denen sie sich gegenseitig mit der geschlechtlich-räumlichen Arbeitsteilung stützen, die Jahrhunderte lang den Frauen die Fürsorge für Andere und hausnahe Arbeiten übertrug. Diese traditionelle Arbeitsteilung wiederum ist aufs Engste mit Prozessen des Doing Gender verkoppelt. Darin geht es um situationsangemessenes Verhalten und Handeln unter Berücksichtigung der in Anspruch genommenen Geschlechtszuweisung (Gildemeister 2008). Die Defizitanalyse individueller Bedarfe verweist nun darauf, dass sich auch allein wohnende Frauen offensichtlich nach wie vor stärker als Männer für hausnahe Belange sowie für die Entwicklung und Pflege der Gemeinschaft verantwortlich fühlen. Dazu gehört – hier expliziert – auch eine „natürliche“ Verantwortung für Gesundheit/Körper und Natur (vgl. Breckner/Sturm 1993: 37f.). Insofern äußern sich die Befragten mit ihren aus Wichtigkeit und Zufriedenheit abgeleiteten Bedarfen nicht nur zur Funktion ihres Wohnstandorts, sondern auch zu den damit verknüpften soziokulturellen Verhaltensanweisungen und In-Wert-Setzungen. Die geschlechterdifferente Wahrnehmung von Bedarfen passt denn auch nur begrenzt zum ebenfalls 2007 selbstberichteten alltäglichen Tun im Wohngebiet. So geht die größere Unzufriedenheit mit den Einkaufsmöglichkeiten für den alltäglichen Bedarf mit tendenziell seltenerem wohnungsnahem Einkaufen der allein wohnenden Frauen einher. Weiter nutzen Frauen laut eigenem Bekunden wesentlich seltener als Männer die wohnungsnahe Gastronomie – gehen dafür aber deutlich häufiger in Wohnungsnähe spazieren. Wenn vor allem Frauen im Alter zwischen 25 und 65 häufiger als die altersgleichen Männer angeben, dass sie regelmäßig für ein gutes Erscheinungsbild ihrer Wohnung bzw. ihres Hauses sorgen, kann das ebenso für ein traditionelles Hausfrauenverständnis wie für eine besondere Bedeutung der eigenen Wohnung sprechen. Für Letzteres spricht, dass sich Männer und Frauen in ihrem Tun nicht unterscheiden, wenn es um Sauberkeit an Haltestellen oder in Parks geht. Und schließlich nehmen auch die Sozial-
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kontakte12 eher mit steigendem Lebensalter zu, als dass sie sich im selbstberichteten Verhalten der befragten Männer und Frauen unterschieden. 5 Beurteilungen der Wohnung und des Wohnens Der soziokulturellen Bedeutung soll nun dieser letzte Abschnitt gewidmet sein. Alleine zu wohnen wird im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte nicht mehr nur als Übergang oder als zufällige oder gar defizitäre Wohnform erlebt. In Folge der Neuen Frauenbewegung haben vor allem Frauen die Vorteile des Alleinwohnens thematisiert: Sie können eigenen Raum einnehmen; sie verwehren sich gegen die geschlechtstypische Arbeitsteilung; sie können neue Wege in Partnerschaften leben (Löw 1994: 99). In der Folge scheint für viele allein wohnende Frauen ihre Wohnung einen bedeutenderen Stellenwert einzunehmen als dies für Männer der Fall ist. Von den Indikatoren der BBSRUmfrage lassen Zufriedenheitsurteile und Ortsbindungen der Befragten Rückschlüsse auf die Bedeutung des Wohnens zu. Jährlich erfragt wird die Zufriedenheit mit der eigenen Wohnung, die Zufriedenheit mit der unmittelbaren Wohnumgebung und die Zufriedenheit mit der Stadt oder Gemeinde, in der die Befragten leben – jeweils auf einer 7-stufigen Rating-Skala. Für alle drei Einschätzungen gibt es zwischen Frauen und Männern wie zwischen den Altersgruppen hochsignifikante Unterschiede (Abbildung 5). Allein wohnende Frauen äußern sich sowohl hinsichtlich ihrer Wohnung (Fdf=1; <.01 = 26,9) als auch hinsichtlich ihrer Wohnumgebung (Fdf=1; <.01 = 8,5) als auch hinsichtlich ihres Wohnortes (Fdf=1; <.01 = 8,8) wesentlich zufriedener als allein wohnende Männer. Hinsichtlich der Wohnungszufriedenheit steigt diese mit zunehmendem Lebensalter an (Fdf=3; <.01 = 8,4). Dies lässt hoffen, dass die Befragten im Laufe ihres Lebens der ihnen passenden Wohnsituation näher kommen, dass sie ihre Wohnideale zunehmend realisieren können. Hinsichtlich Wohnumgebung und Wohnort steigen die Zufriedenheitsurteile nicht gleichermaßen an: Die Altersgruppe der 45- bis unter 65-Jährigen gibt hinsichtlich beider Aspekte kritischere Urteile ab. Sie haben eventuell zwar eine geeignete Wohnung, aber noch nicht den für sie besten Ort gefunden. Die Ergebnisse hinsichtlich der unterschiedlichen Wohnzufriedenheiten finden sich wieder in den Antworten auf die die Befragung abschließende Frage: Alles in allem, wie zufrieden sind Sie heute mit Ihrem Leben? (Abbildung 5). Auch so allgemein formuliert, äußern sich die allein wohnenden Frauen wesentlich zufriedener als die allein wohnenden Männer (Fdf=1; <.01 = 37,1): Am zufriedensten mit ihrem heutigen Leben sind die Seniorinnen im Alter von 65 Jahren und älter, gefolgt von den gleichaltrigen Senioren und den jungen Alleinwoh12
Dazu gehören die Items: Ich pflege alltägliche Kontakte zu Nachbarn. / Ich pflege Freundschaften im Wohngebiet. / Ich unterstütze hilfebedürftige Nachbarn.
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nenden. Am Unzufriedensten sind die 45- bis unter 65-jährigen Männer nach den 25- bis unter 45-jährigen Männern. Abbildung 5:
Zufriedenheit mit eigener Wohnung, Wohnumfeld, Wohnort und allgemeine Lebenszufriedenheit nach Genus- und Altersgruppen
Fallzahlen wie in Tabelle 2: 1.045 Frauen und 747 Männer Datengrundlage: BBSR-Umfrage 2006 und 2007
Diese nahezu durchgängig höhere Grundzufriedenheit der Frauen kann nicht als Methodenartefakt angesehen werden, sonst käme es im Rahmen der Defizitanalyse hinsichtlich der Lebensbedingungen nicht zu den von Frauen antizipierten größeren Bedarfen. So öffnen sich verschiedene Interpretationsalternativen: Eventuell wollen Männer in der Welt mehr darstellen, mehr erreichen als Frauen; in solch einem Fall wäre eine gewisse Unzufriedenheit ein Antriebsmittel, sich
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nicht auf dem Erreichten auszuruhen. Oder die relativ starken Veränderungen im gesellschaftlichen Geschlechterverhältnis haben für Männer zu deutlichen Verunsicherungen geführt, über die kaum ein öffentlicher Diskurs geführt wird. So bleiben sie mit ihren individuellen Lösung(sversuch)en allein, wobei sich die persönliche Verunsicherung als Unzufriedenheit äußert. Frauen haben hingegen, trotz verbliebener Ungerechtigkeiten zu ihren Lasten, in den vergangenen Jahrzehnten viel gewonnen. Es bieten sich ihnen vielfältige Lebenswege und historisch nie zuvor ergreifbare Chancen. Die von ihnen im höheren Ausmaß geäußerten Zufriedenheiten könnten darauf eine Reaktion sein. Schließlich soll noch angeschaut werden, welche Ortsbindungen bei direkter Nachfrage von den Alleinwohnenden angeführt werden. Dafür wurde zuletzt 2006 gefragt: Was würde Ihnen am meisten fehlen, wenn Sie von hier, aus diesem Ort, wegziehen müssten. Oder würde Ihnen gar nichts fehlen? Je älter die Befragten sind, desto seltener geben sie an, dass ihnen gar nichts fehlen würde: Immerhin geben 21 % der 25- bis unter 45-Jährigen, aber nur 2 % der über 64Jährigen an, dass ihnen gar nichts fehlen würde. Männer behaupten dies in allen erwerbsfähigen Altersgruppen häufiger von sich als Frauen. Entsprechend geben 30 % der Seniorinnen und Senioren an, dass sie auf gar keinen Fall von hier wegziehen würden. In Großstädten wird dies deutlich häufiger von allein wohnenden Frauen aller Altersgruppen verlautbart. Am meisten vermisst würde im Durchschnitt aller Befragten wie auch zu durchschnittlich 48 % von den Alleinwohnenden der Bekannten- und Freundeskreis. Genusgruppenunterschiede scheint es diesbezüglich in der Altersgruppe der 25- bis unter 45-Jährigen – und für diese besonders in Großstädten – zu geben, wo die Männer relativ wenig Wert auf ihre Freunde legen. Allerdings würden auch nur 39 % der großstädtisch wohnenden Seniorinnen ihren Freundes- und Bekanntenkreis vermissen. Verwandte, die in der Nähe leben, würden insbesondere von den jungen unter 25jährigen Frauen, aber kaum von den gleichaltrigen Männern vermisst. Hinsichtlich der Nachbarn sind keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu verzeichnen. Dass allein wohnende Frauen sich implizit stärker für das Soziale am Wohnort verantwortlich fühlen, wie die Defizitanalyse nahe legt, wird also durch die von Frauen seltener geäußerte Haltung, dass sie bei einem Ortswechsel nichts vermissen würden, bestätigt. Zugleich aber scheint die Bedeutung sozialer Netzwerke sie nicht an notwendig erachteten Ortswechseln zu hindern, da die Wohndauer am Ort für diejenigen im erwerbsfähigen Alter sogar eher geringer als die der Männer ist. Ähnliches zeigte sich bereits auf die Frage nach dem Ziel eines für die Zukunft geplanten Umzugs, auf die Männer im erwerbsfähigen Alter öfter angeben, den bisherigen Wohnort verlassen und ganz woanders hin umziehen zu wollen.
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6 Zum Abschluss Es gibt immer mehr Einpersonenhaushalte – und dies vor allem in den Großstädten. Zwar ist das Klischee des großstädtischen Singles anzutreffen, der bzw. die zu viel arbeitet und zu wenig Gelegenheit findet, eine Lebenspartnerin oder einen Lebenspartner zu finden; dieses Bild kennzeichnet Alleinwohnen eher als defizitäre Angelegenheit. Aber die bei Alleinwohnenden vorgefundene hohe Wohnund Lebenszufriedenheit (für Gesamtbevölkerung siehe BBR 2008) spricht eher dafür, dass alleine zu wohnen heutzutage für die meisten eine bewusst getroffene Entscheidung, eine gute Alternative zu anderen Wohn- und Lebensformen ist. Entsprechend beruht die Zunahme der Alleinwohnenden nicht mehr nur auf der demografischen Alterung und einer daraus resultierenden Zunahme von Witwen und Witwern. Immer mehr jüngere Erwerbstätige – vor allem jüngere Männer – leben alleine in ihren häufig innerstädtisch gelegenen Wohnungen. Einpersonenhaushalte bieten eine gute Gelegenheit, Wohn- und Lebensvorstellungen und -bedingungen von Frauen und Männern auf Unterschiede hin zu untersuchen, ohne dass die Urteile durch Rücksichtnahme auf Mitbewohnerinnen und -bewohner beeinflusst werden. Verschiedene Studien der vergangenen zwei Jahrzehnte haben einiges an geschlechterdifferenten Haltungen zum Wohnen konstatiert. Solche Befunde gilt es, in gewissen zeitlichen Abständen zu überprüfen, um gesellschaftliche Entwicklungen im Zeitverlauf nachzuzeichnen. Die BBSR-Umfrage ist zwar nicht auf Fragestellungen der Geschlechterforschung hin konzipiert, gleichwohl erlauben die Ergebnisse einige weiterführende Beschreibungen. Noch vor 30 Jahren war das Bild der allein wohnenden Frau vor allem von der armen Witwe mit geringer Rente geprägt. Dies stellt sich heute anders dar, denn während der vergangenen Jahrzehnte haben Frauen hinsichtlich Bildung und Erwerbsbeteiligung stark aufgeholt. Zwar kann im Vergleich ein größerer Teil der allein wohnenden erwerbstätigen Frauen als der Männer ihren Lebensunterhalt nicht von ihrer Erwerbstätigkeit bestreiten. Insgesamt jedoch weisen die Einkommen der Frauen bei niedrigerem bis mittlerem Einkommen eine geringere Spreizung auf als die der Männer. Dass heißt, unter den allein wohnenden Männern gibt es mehr sehr Arme und mehr Reiche. Wenn man die Wohneigentumsquote als Indikator für Wohlstand nimmt, können Alleinwohnende wenig von ihren Einkünften sparen, weil das Leben allein teurer ist als das in einer Gemeinschaft. Insofern wohnen sie mehrheitlich zur Miete. Auf dem Wohnungsmarkt müssen sie je nach biografischer Situation höhere Ansprüche an die wohnungsnahe Infrastrukturausstattung stellen. Allein wohnende Frauen und Männer orientieren sich in ihren Urteilen zu den örtlichen Lebensbedingungen und in ihren Wohn- und Lebenszufriedenheiten deutlich an Geschlechterstereotypen. Frauen äußern stärkere Bindungen an
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die sozialen Netzwerke vor Ort. Sie sehen sich zudem stärker in der Verantwortung für das engste Wohnumfeld, Gesundheit, Umwelt und ein funktionierendes Gemeinwesen. Männer reagieren sensibler auf unzureichende Erwerbsarbeitsund Bildungsangebote. Mehr Männer als Frauen sehen sich kaum an den Ort gebunden und würden bei einem Umzug auch ganz woandershin gehen. Die Tatsachen belegen allerdings etwas anderes. Eine Betrachtung der Wanderungsströme in Deutschland zeigt eher, dass die jüngeren Frauen im Falle mangelnder Lebenschancen vor Ort die Koffer packen und ihr Glück an einem anderen Ort suchen. Aktuell bewirken die neuen Unsicherheiten und Mobilitätszwänge eher bei Männern Unzufriedenheit, aber noch seltener raumbezogenes Handeln.
Literatur Arbeitsgemeinschaft Riedmüller und Infratest (2002): Die Lebenssituation alleinstehender Frauen (= Schriftenreihe des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Bd. 127). Stuttgart, Berlin, Köln. Becker, R. (2008): Lebens- und Wohnformen: Dynamische Entwicklung mit Auswirkungen auf das Geschlechterverhältnis. In: Becker, R. und Kortendiek, B. (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Wiesbaden, S. 453-462. Breckner, I. und Sturm, G. (1993): Weibliche Lebenssituationen im Wandel: Gesellschaftliche Entwicklungen verändern die Gestaltungsspielräume von Frauen in räumlichen Strukturen. In: Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.): Frauen planen die Stadt. Dokumentation eines Kolloquiums (= Schriftenreihe Forschung, Heft 493). Bonn, S. 23-45. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2007): Frauen – Männer – Räume. Geschlechterunterschiede in den regionalen Lebensverhältnissen (= Berichte Bd. 26). Bonn. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2008a): Leben in deutschen Städten. Bonn. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.) (2008b): Komponenten der Raumbeobachtung: Laufende Bevölkerungsumfrage. (http://www.raumbeobachtung.de/) Eckes, T. (2008): Geschlechterstereotype: Von Rollen, Identitäten und Vorurteilen. In Becker, R. und Kortendiek, B. (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Wiesbaden. S. 171-182. Gildemeister, R. (2008): Doing Gender: Soziale Praktiken der Geschlechterunterscheidung. In Becker, R. und Kortendiek, B. (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Wiesbaden, S. 137-145. Häußermann, H. und Siebel, W. (2001): Wohnen. In: Schäfers, B. und Zapf, W. (Hrsg.): Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands. Opladen, S. 761-771. Löw, M. (1994): Raum ergreifen. Alleinwohnende Frauen zwischen Arbeit, sozialen Beziehungen und der Kultur des Selbst. Bielefeld.
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Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2008a): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit: Haushalte und Familien. Ergebnisse des Mikrozensus 2007 (= Fachserie 1, Reihe 3). Wiesbaden. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2008b): Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden. Timm, U. (2008): Wohnsituation in Deutschland 2006. Ergebnisse der MikrozensusZusatzerhebung. Wirtschaft und Statistik 2, S. 113-122.
Gender, divorce and housing – a life course perspective Peteke Feijten and Clara H. Mulder
1 Introduction The basic notion of housing is universal: a house provides shelter and a safe haven around which people’s private lives evolve. But ‘housing’ also has gendered connotations. The feminine aspect of housing centres around domesticity, while the masculine aspect is about the house as a building: the physical unit where a man accommodates his family. For women, traditionally, the house is the centre of her life, while for men, worklife outside the house marks his identity. This gendered view on housing is also expressed through gendered contributions to the housing situation. Men usually pay for the house (mortgage or rent), while women run the household. In addition, men take care of most of the maintenance of the dwelling, while women mostly take care of the decoration and the internal upkeep. With de-traditionalisation of society due to increasing female labour market participation and the rise of gender-egalitarian attitudes, these notions may have lost some of their significance, but the gendered image of housing is still strong and widely shared. It has been argued by feminist scholars that this image of the home fosters gender inequality through power imbalance within the household: men’s role is dominant and women’s role is dependent (Kane and Sanchez 1994). This power imbalance is very persistent because Western societies are rooted in a patriarchal system that steers both society at the macro level and families at the micro level (Calasanti and Bailey 1991). At the micro level, this power imbalance is not a problem as long as families are intact, but it becomes a problem when couples split up. The dependent position of married women makes them vulnerable to the disappearance of the husband from the household. The dependent position of married women becomes visible in the high incidence of poverty among femaleheaded lone parent households that are created through divorce. Divorce has a strong impact on housing. Most often, the housing situation is negatively affected by a break-up. Moves into smaller, lower quality, cheaper housing are much more common among divorcees than among couples. As such, divorce can be regarded as a life event disrupting the housing career, in contrast to life events that progress the housing career, such as couple formation and
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Peteke Feijten and Clara H. Mulder
family formation. The ‘housing career’ – the sequence of houses and places where one lives over the life course – is often interpreted as having an upward direction (Gober 1992), but divorce, as well as for example becoming unemployed, can direct the housing career in a downward direction (Feijten 2005b). Therefore, we explicitly interpret the term ‘housing career’ neutrally in this chapter. Divorce and break-up of cohabiting unions are quite common life events nowadays. Increasingly more people experience it at some point in their lives. Most of these people exit again from the status of being divorced or split up by repartnering. This is especially true for those who split up from a cohabiting union. Thus, the linearity of relationship patterns over the life course has decreased, and many life courses are better characterised by “serial monogamy” than by “for better or for worse, 'til death do us part”. As the sequence of relationship events is not as linear as it was in the past, so may the corresponding housing careers have developed a more whimsical shape. Episodes of living in comfortable housing may be alternated by episodes in very modest housing, and then again an upward leap in housing quality may be made. It is likely that divorce or break-up often only have a temporary effect on housing careers, but for some the ‘damage’ may be lasting. How divorce affects housing careers is related to the characteristics of the divorced person. Gender is the most important characteristic determining the effect of divorce on housing. Many studies have shown that the negative effects of divorce are stronger for women than for men. This is mainly due to the weaker income position of women in a marriage, and the fact that they are more often the head of a lone-parent family after divorce. These factors impinge on housing as well. Closely related to this is the presence of children. The expartners of a couple with children are either the head of a lone-parent family or a non-custody parent after the divorce, unless they share custody (which becomes increasingly common but still accounts for only a small minority of living arrangements of children whose parents are divorced) (Fokkema, De Graaf and Kalmijn 2002). This chapter reports how divorce affects housing careers, from a gendered life course perspective. In the empirical part of the chapter, different aspects of housing careers are analysed: occurrence of moving; who moves: the exhusband, the ex-wife, or both; type and tenure of housing; and distance moved. Part of the empirical findings has been derived from previously published work, another part consists of new analyses. Data are used from a pooled life-history data set and the Netherlands Kinship Panel Study. The empirical findings refer to the Netherlands. Therefore, we dedicate a brief section to the particulars of divorce (numbers; legal arrangements; custody arrangements) and housing market
Gender, divorce and housing
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(distribution of tenure and dwelling type; moving patterns) in the Netherlands after the literature review. 2 Theoretical and contextual background 2.1 Divorce and housing Residential relocation is instrumental behaviour: it is done in order to achieve a certain goal, but is not a goal in itself. Residential relocation involves costs, such as financial costs, information costs, time costs and so on. These costs have to be outweighed by the place utility (expected benefits) of the new dwelling and location over the old. Only then does it logically make sense to move (Wolpert 1966, Brown and Moore 1970, De Jong and Fawcett 1981). However, what is largely overlooked in this literature is that not only the pull factors of the new housing situation have to be taken into account, but also the push factors of the old housing situation. Push factors are typically important in case of a divorce or split up. When a couple splits up, one of the partners urgently needs to move out of the communal dwelling – not because of the attraction of a new place, but because the old place needs to be left in order to get separated. The life course approach provides a better analytical framework for connecting splitting up, residential behaviour and housing choice. Several authors (e.g. Mulder 1993, Clark and Dieleman 1996, Mulder and Hooimeijer 1999, Feijten 2005a) have conceptualised how parallel life careers trigger, facilitate and restrict residential moves and housing choice. Life events, such as job change and marriage, may trigger a move. Life course stage often dictates what requirements are put upon the type of housing and location by a household, and what resources are available to realise preferences. Divorce is a life event that triggers a residential move, but also strongly restricts the choice set, due to the urgency of the move (there is no time to look around for better alternatives) and the limited resources (loss of the partner’s income; loss of economies of scale). The strong push and the urgency of moves triggered by divorce often lead these moves to be downward on the housing ladder, that is, from owner-occupied into rented housing, from single-family into multi-family housing, and from bigger into smaller housing (Schouw and Dieleman 1987, Wasoff and Dobash 1990, McCarthy and Simpson 1991, Van Noortwijk, Hooimeijer and Dieleman 1992, Feijten 2005b). Who leaves the matrimonial home upon separation often seems to depend on who is the rejected party (stays) or the ‘guilty’ party (leaves) (Gram-Hanssen and Bech-Danielsen 2008). Studies in the early 1990s found that at the moment of separation, women stay in the matrimonial home more often than men and that this gender difference was greater when the couple had lived in the house longer, and when they had dependent children (Symon 1990, Wasoff and Dobash 1990). The partner moving out often moves into temporary
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and/or shared accommodation (Sullivan 1986, Schouw and Dieleman 1987). Such an unfavourable housing situation often adds to the stress already involved in a separation (Anthony 1997). Alternatively, both partners leave the matrimonial home because neither can afford the home on their own. A partner who manages to stay in the matrimonial home actually most likely experiences an increase in housing quality, because the home is shared with fewer people than before the separation. The preference concerning staying in the matrimonial home differs. Some have a strong preference for staying (Anthony 1997, GramHanssen and Bech-Danielsen 2008), while others prefer to leave (Jackson 1990, Cooper 1992). Those who want to move house don’t necessarily want to move to a new region, because this would mean they would lose their location-specific capital, or would end up living further away from their children. In a later stage, when the divorce is settled, other factors may bring about change in a divorcee’s housing situation. One is the inability to keep up housing costs, such as rent, mortgage and maintenance costs. The party that keeps the matrimonial home suddenly has to pay for the cost of that home alone. This can become especially problematic for women, as their income is usually lower. Also the practical side of upkeeping a house may turn out to be a too difficult task. Altogether, women often end up in lower quality housing or poorer neighbourhoods, sooner or later after a divorce (Wasoff and Dobash 1990, Stewart 1991, Hayes and Al-Hamad 1999). The most common way of exiting from this situation for women is remarriage. This often improves their financial situation (Poortman and Fokkema 2001, Dewilde and Uunk 2008), and also their housing situation (Holmans 1990, Murphy 1990, South and Crowder 1998). 2.2 Divorce and gender It is well-known from the literature that the effects of divorce are different for men and women (Kalmijn and Poortman 2006). Women are often worse off financially after a divorce than men and in terms of adjusted household income, men do slightly better after divorce than before (Poortman 2000, Manting and Bouman 2006). The situation is different after splitting up from cohabitation: the gender difference is much smaller and men also experience a small decline in finances (Manting and Bouman 2006). However, separated men are not better off in all economic respects. Their housing situation usually declines (Anthony 1997) and compared to their married counterparts, they rely more often on social benefits and more often live below the poverty line (Poortman and Fokkema 2001). For long-term divorcees, economic hardship is quite persistent (Manting and Bouman 2006) but remarriage usually improves the economic situation for both men and women (Poortman and Fokkema 2001, Manting and Bouwman 2006).
Gender, divorce and housing
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The two most important reasons for gender differences in economic well-being after divorce are a lack of economic independence (women are lower educated and more often have no job, a part-time job or a low paid job) and the fact that women more often live with dependent children (which stands in the way of fulltime labour market participation). Welfare state arrangements and alimony partly take away the differences in economic well-being after divorce, but they cannot create equality between the sexes (Poortman 2000). Although divorced women do less well economically, the literature suggests that they benefit from divorce in a non-economic sense. A recent longitudinal study on Germany (Andress and Bröckel 2007) found that women had higher subjective well-being after divorce than men. Overall life satisfaction was higher for women than for men in the year following separation, and in the somewhat longer term, women perceived their (objectively worse) economic situation as no better or worse than men did. The latter has also been found by Jarvis and Jenkins (1999) for Great Britain. The effects of divorce and separation for women are therefore particularly negative in the short run. In the years after the divorce, divorced women may progress their labour market careers, thus improving their economic well-being, and their general sense of well-being may increase along. Nevertheless, repartnering remains the most effective strategy into better economic well-being for women. For those women who repartner, divorce is a disrupting yet temporary situation, of which the losses will often not be fully made up, but which may lose its significance as time passes. 2.3 Divorce in the Netherlands Like in most Western countries, annual divorce rates strongly increased in the Netherlands from the 1970s onward, to arrive at a relatively stable level of around 9 ‰ of marriages that it is still at today. The total divorce percentage1 also increased to around 33 % (Statistics Netherlands 2008a). These numbers illustrate that divorce has become a very common life event. Increasingly more people have seen or will see their marriage end in a divorce. When we include the experience of children of their parents’ divorce, it is safe to claim that a considerable share of the population experience divorce from close by at some point in their lives. Often, a divorce involves minor aged children. Since 1960, the percentage of divorcing couples with minor aged children has varied roughly between 60 % and 65 % (Dieleman and Schouw 1989, Statistics Netherlands 2008b). In 82 % of the cases, the custody of the children is granted to the mother and in 11 % of cases to the father (Kalmijn and De Graaf 2000). Joint custody is much rarer (around 3 % to 4 % (Fokkema, De Graaf and Kalmijn 2002)). 1
The percentage of marriages that will be dissolved through a divorce if the age-specific divorce and mortality risks of that year would remain in place.
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Then, there is the dissolution of non-marital unions. The number of persons in non-marital unions increased from 518 thousand in 1995 to 777 thousand in 2007 – an increase of 50 %. Non-marital unions dissolve at considerably higher rates than marital unions. Exact numbers of non-marital union dissolutions are lacking due to this event not being registered, but survey research has shown that the risk of a dissolution of a non-marital union is several times higher than the risk of dissolution of a marital union (Kalmijn 2008, Manting, 1994, Liefbroer and Dykstra 2000: 128). Cohabiting unions are more temporary and less committing in nature than marital unions (Rindfuss and VandenHeuvel 1990, McRae 1993), and thus their dissolution perhaps has a less severe impact than the dissolution of marital unions. Cohabitors have on average invested less in their housing situation, and they are less often owner-occupiers than are married people. Nevertheless, we took married and cohabiting unions, and their dissolutions, together in our analysis, partly because the numbers would become too small if we did not do so and we want to analyse gender differences. 2.4 Housing market in the Netherlands Every year, around 10 % of the Dutch population moves. Around one-third of moves is to another municipality and two-thirds are within the same municipality. The most common reason for moving is the dwelling (mostly moves to a larger dwelling), followed by partnership formation. Divorce accounted for 7 % of all moves in 2006 (VROM 2007). The housing market in the Netherlands consists of 56 % owner-occupied dwellings, 33 % social rented dwellings and 11 % private rented dwellings. In terms of type, 71 % of dwellings is a single-family dwelling and 29 % is a multifamily dwelling (flat or apartment) (VROM 2006). Rented dwellings and multifamily dwellings are over-represented in urban areas. As in many Western countries, house prices have strongly increased over the last 1.5 decades, making it increasingly more difficult for new entrants on the housing market to find suitable housing. For divorcees, finding a suitable dwelling after divorce may be difficult, because they are likely to search in the same submarket as young starters on the housing market: small, affordable (rented) accommodation. In the nineteen seventies and early nineteen eighties, when divorce rates were lower and the housing market was not as tight as it is nowadays, many divorcees appealed to local authorities for social rented housing, and many local authorities took on the responsibility of accommodating these people (often under certain conditions, such as minor aged children living in the household) (Dieleman and Schouw 1989). Nowadays, local authorities simply cannot realise this anymore because of their long waiting lists, and divorcees have to find their own housing solution.
Gender, divorce and housing
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3 Empirical findings for the Netherlands 3.1 Data The findings are based on two data-sets. The first is a pooled life-history dataset, consisting of the SSCW survey2 (ESR/STP 1992), the Netherlands Family Survey 1993 (Ultee and Ganzeboom 1993), and the Netherlands Family Survey 2000 (De Graaf et al. 2000). Each data-set contains information about respondents’ family history, relationship history, work history, education history and housing history. The data were collected through structured face-to-face retrospective interviews. Respondents who were living in the parental home were excluded, as were respondents for whom vital information on their life courses was missing. All our models include dummies to control for measurement differences between the surveys (but the differences were not significant). The data represent people from a wide range of birth years. Therefore, the housing careers of people who separated in the 1960s throughout the 1990s are analysed together. Because the empirical results stem from a few separate research projects, the exact sample sizes on which the analyses are based differ (N is reported in each table and figure caption). The second data-set is the second wave of the Netherlands Kinship Panel Study (NKPS, Dykstra et al. 2007). The first NKPS wave (Dykstra et al. 2005) was conducted in 2002-2003 and was representative of the Netherlands population aged 18-79 not living in institutions. The main sample of the first wave consisted of 8,161 persons, among whom 5,165 lived in a two-sex co-residential partnership. Of these, 3,995 have been re-interviewed in the second wave in the period 2005-2007. Of those respondents reporting living with a partner in the first wave, 174 reported their partnership had ended between the first and the second waves. It is the information of these respondents we use for analysing who moved out of the family home: the male partner, the female partner, or both. The results of the analysis of who is most likely to move out of the family home after separation should be treated with care, for several reasons. First of all, even though the NKPS main sample is a large data-set, the number of separations observed between the first and second waves is only modest. Secondly, the data suffer from gender-specific non-response. Already in the first wave, the percentage of males among respondents living in couples was 42.8 rather than around 50 (as it should be because the probability of being selected into the sample should be equal for the male and the female partner). Men are typically under2
The survey was commissioned by the Stichting Sociaal-culturele Wetenschappen (SSCW), Nederlandse Organisatie voor Wetenschappelijk Onderzoek (NWO). The data-set is available under the title ‘Aspects of life-event history of the Dutch population: part 1: changes in sociodemographic data, social mobility, relationship history, educational career, and work mobility’ at the Niwi Steinmetz archives (under number P1107).
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represented in surveys, but their under-representation is stronger in NKPS than in many other surveys (Dykstra et al. 2005), possibly because men are less interested in kinship as an interview topic. The under-representation of men living in couples is slightly stronger in the second wave than in the first (41.7 % men) and still stronger among those who separated between the first and second waves (37.3 % men). Thirdly, respondents who left the joint home after the separation are also under-represented, probably because these are difficult to reach. To correct for the selectivity, we use weighted data for most of the results. We took a preliminary version of the standard weighting variable for Wave 2 (documentation to be provided in a future version of Dykstra et al. 2007) as a starting point. After applying these weights, the share of men was still too low: around 45 % rather than almost 50. We further adjusted the weights to correct this underrepresentation. There can be no guarantee, however, that the selectivity problem is solved completely by using this procedure. 3.2 Occurrence of moving after split up and divorce After a split up or divorce, people move on average more often than do people who are in stable relationships. In Feijten and Van Ham (2007) it was shown that the likelihood of moving for a separated person was 1.6 times as high as for someone in his/her first relationship. This excluded the move that was made in order to actually get separated. If we included that, the difference in moving likelihood was even greater. The increased likelihood of moving decreased somewhat when the divorce or separation was longer ago, but it remained elevated compared to the stably partnered for a considerable number of years. We also found that the increased likelihood of moving was partly due to background characteristics of separated people compared to those in a first relationship. Level of education, socio-economic status and presence of dependent children in the household all influenced the likelihood of moving, and they decreased the influence of being separated to insignificance. 3.3 Who moves out of the family home? Upon separation, either the man or the woman leaves the family home, or they both leave. Table 1 shows the distribution of who leaves by who answered the interview question, using unweighted data. It can be seen that the majority of NKPS respondents (58 %) report only their ex-partner had left, whereas 36 % report only they had left and 6 % report both had left; this finding illustrates the selectivity of the sample according to who left. These percentages differ somewhat between men and women: separated men report more frequently that only their ex-partner or both had left, whereas they report less frequently that they had left themselves. This gender difference is not statistically significant, however.
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Furthermore, it is not clear what causes this difference: a greater likelihood of women than men to move out, or a greater non-response of men who moved out than of women who moved out. In any case, we do not replicate earlier findings for Britain in the early 1990s (Symon 1990, Wasoff and Dobash 1990) and for Denmark in 2002 (Gram-Hanssen and Bech-Danielsen 2008) that women are more likely than men to stay in the matrimonial home. We find that women are less likely than men to leave the home when there were children in the household before the separation (45.5 % of women are reported to leave while their men stay; weighted data) than when there were not (53.6 %), but the difference is not statistically significant. However, we do find that the ex-partner with whom the children live with after the separation – mostly the female – is considerably less likely to move out (see table 2). This apparent contradiction arises from the fact that, in the minority of cases where the children stay with the male, the female almost invariably moves out, whereas if the children stay with the female, she moves out in a considerable minority of cases (almost one-third). Table 1:
Percentage leaving joint home after separation by gender of respondent (unweighted data)
Respondent Ex-partner Both N (= 100 %) 31.3 59.4 9.4 64 Male 39.1 56.4 4.5 110 Female 36.2 57.5 6.3 174 Total Source: NKPS (own calculations). Pearson chi-square 2.24, df = 2, p = 0.33
Table 2:
Percentage leaving joint home after separation by parent with whom children live after separation (row percentages; weighted data except Pearson chi-square)
Male left Female left Both left N (unweighted) 40.2 52.9 6.9 91 No joint children/elsewhere 9.1 81.8 9.1 12 All with male 65.9 31.8 2.3 52 All with female 31.3 56.3 12.5 19 Divided or co-parents 43.1 50.0 6.9 174 Total Source: NKPS (own calculations). Pearson chi-square = 18.53, df = 6, p = 0.01
Because of the small number of observations, we further only report two more results. Marked as they are, they still have to be interpreted with care because of
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Peteke Feijten and Clara H. Mulder
the selectivity of the sample. As Gram-Hanssen and Bech-Danielsen (2008) also found, who leaves is strongly associated with who initiated the separation (see table 3). It should be noted that most respondents (both males and females) report they mainly initiated the separation themselves. Because most respondents are female, the share of cases in which the female is reported to have taken the initiative is probably over-represented. Table 3:
Percentage leaving joint home after separation by who initiated the separation (row percentages; weighted data except Pearson chisquare)
Male left Female left Both left N (unweighted) 43.2 54.1 2.7 35 Initiative of both 64.8 27.8 7.4 48 Initiative of male 28.9 62.7 8.4 91 Initiative of female 43.1 50.0 6.9 174 Total Source: NKPS (own calculations). Pearson chi-square = 22.94, df = 4, p = 0.00
Table 4:
Percentage leaving joint home after separation by who owned the home (row percentages; weighted data except Pearson chi-square)
Male left Female left Both left N (unweighted) 35.6 57.5 6.8 66 Home was rented 51.2 40.5 8.3 89 Couple owned jointly 7.7 92.3 0.0 12 Only man owned 100.0 0.0 0.0 7 Only woman owned 43.1 50.0 6.9 174 Total Source: NKPS (own calculations). Pearson chi-square = 22.94, df = 6, p = 0.00
The last finding is the association between who leaves and who owned the home before the separation (see table 4). Among renters, it is most frequently the female partner who leaves the home. It is possible that, in many of these cases, the male partner was the only person on the tenancy agreement or paid (most of) the rent. Unfortunately, we have no further information about tenancy agreements or rent payment. If only one partner owned the home, the other partner almost invariably leaves (because this association is so extreme, we show the findings even though the absolute numbers are very small). It should be noted that, among the couples in the NKPS data, home-ownership of only the male partner is reported more frequently (4.1 % of couples) than home-ownership of only the female partner (2.4 %). If the partners owned the home jointly, it appears to be
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most frequently the woman who stays and the man who leaves. A further investigation revealed that this finding could only for a small part be explained from the great share of those with children among homeowners. At first sight, this finding seems to contradict findings from previous research that women’s housing careers tend to suffer more from divorce than men’s. Possibly, this contradiction is partly caused by differences in measurement. We used the answer to a direct question about who moved out of the house at the time of the separation. The answers to this question may partly have pertained to moves to temporary accommodation, whereas such moves might not have been observed in data from other sources. Furthermore, as Feijten (2005b) has shown, if men leave an owner-occupied home upon separation, they tend to move to another owneroccupied dwelling while women who leave tend to move out of owneroccupation. Finally, as also shown by Feijten (2005b), in contrast with men, women remain likely to move out of owner-occupation for a longer period after the separation than men. 3.4 Type and tenure of housing after split up and divorce Figure 1 shows the distribution of destination type of housing for all respondents moving from a single-family dwelling (these results are based on the pooled lifehistory data). As can be seen, married men and women move by far the most often into another single-family dwelling. This is quite different when a couple splits up: then, almost half of the moves by men are into multi-family housing and around 15 % into other types of housing, such as with family or into lodging. Women succeed a bit more often in staying in the single-family sector shortly after separation. In the somewhat longer period after the separation or divorce, men have largely patched up as almost 80 % of their moves are into singlefamily housing (this category excludes people who found a new partner). For women, the situation has also improved compared to shortly after the divorce, but not as much as for men: only 60 % of moves made by women are into singlefamily housing. Given that separated and divorced women more often have children living with them than separated/divorced men, it could be argued that they more often need a single-family dwelling, but less often succeed in moving into one. We have to keep in mind, though, that this graph only represents movers. Women who live in single-family housing after a split up or divorce, will more often stay there and not move at all, while men move more often in the postdivorce period (Schouw and Dieleman 1987). Concerning housing tenure, we also found considerable gender differences (Feijten 2005b). A multivariate analysis of the risk of moving out of owneroccupation (on a sample of homeowners only) indicated that this risk was high for people who separated or divorced. For women, the risk was very high right
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upon separation. Men also moved often upon separation, but mostly within the owner-occupied sector. This reflects their better financial situation after a divorce compared to women. Somewhat later after the divorce, the risk to drop out of owner-occupation regressed to a normal level for men (comparable to the risk of those in couples), but it remained high for women. Thus, even if women stayed in an owner-occupied home upon the separation (presumably, in most cases, the matrimonial home), they kept running the risk of losing it and moving into rented accommodation. A move from owning to renting is probably the most closely related to a change in financial situation, because there is such a strong association between income, wealth and tenure, also in the Netherlands. Figure 1:
Destination of moves from single-family housing, by living arrangement* and gender (N=1354)
100% 90% 80% 70% 60%
other multi family housing
50%
single family housing
40% 30% 20% 10% 0% Men
Women Married
Men
Women
Separated recently
Men
Women
Separated >2 years ago
* ‘Separated’ refers to any form of living separately after marriage, i.e. separated (still legally married but not living together anymore) or legally divorced. Source: SSCW survey and Netherlands Family Surveys 1993 and 2000 (own calculations)
3.5 Distance of moving after split up and divorce Divorce and splitting up also affect moving distance. For all movers in the lifehistory data-set, we analysed the average moving distance by marital status. The results showed that separated people moved over shorter distances (18.4 kilometres) than people in relationships and singles (both 25 kilometres). We also studied moving distance operationalised as a binary variable indicating whether peo-
Gender, divorce and housing
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ple moved over a long distance (more than 40 kilometres) or not. We broke the result down by living arrangement, gender and ‘child status’. We expected that people who do not have the custody of their children after a split up or divorce (usually men) would not often move over long distances, because they want to stay close to their children. Figure 2 shows that separated singles (that is, divorced and split up persons not yet in a new relationship) move less often over long distances than their counterparts in a first relationship. As expected, the percentage is particularly low (five percent) for separated men with children (where often these children will live elsewhere, with their mother). Figure 2:
Percentage of moves over a long distance (> 40 km) by living arrangement, gender and child status (N = 6140) 0
5
10
15
Men
18.5
no children
18.2
child(ren)
21.0
no children
14.0
Men child(ren)
Women
Separated single
25
16.3
child(ren)
Women
In first relationship
no children
20
no children child(ren)
5.3 13.0 17.2
Source: SSCW survey and Netherlands Family Surveys 1993 and 2000 (own calculations)
We also analysed moving distance in a multivariate model with control variables. Again, separated men with children were estimated to move over the shortest distance of all, so the effect of being a separated man with children (mostly living elsewhere) appears to be robust. Separated men and women without children also moved over short distances, which we attributed to strong ties to the previous place of residence. When one experiences a split up, and ends up living alone, it may be very important to the person to stay in a familiar environment, close to friends and familiar shops, services and leisure activities.
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3.6 Escaping the divorced state: the effect of repartnering It is well-known from the literature that divorced and split up women who remarry, improve their circumstances in many ways: their standard of living improves (Amato 2000, Poortman and Fokkema 2001), they live in better neighbourhoods (Spain 1990, South and Crowder 1998) and they live in better quality housing (Poortman and Fokkema 2001). For divorced men, there is usually not a big change in financial and housing circumstances after repartnering, as their standard of living is already comparable to that of people in a relationship. Several of our analyses described above also estimated the effect of repartnering. The results show that re-partnered people (those who had either remarried or moved in with an unmarried partner) moved less often than separated people, but more often than people in a first relationship. Their moving propensity was especially high in the first period of the new partnership, and then rapidly decreased towards the level of people in a first relationship. Concerning type of housing after re-partnering, we found a gender difference in favour of women. They more often moved in single-family housing with their new partner (89 % of moves) than repartnered men did (77 % of moves). In terms of tenure, we only analysed homeowners. Homeowners who repartnered stay in owner-occupation in around 80 % of cases (both men and women). Although this percentage is high, their risk of leaving owner-occupation is still around 2.5 times higher than for people in a first relationship. 4 Conclusion and discussion In this chapter, we have shown that divorce and the break-up of a non-marital union have several consequences for men’s and women’s housing careers. Separation leads to increased moving, often into lower quality housing, and often over short distances. Who moves out of the matrimonial home is determined by whether the couple has children and who gets custody of these children, who owns the home, and who initiated the divorce. The lower quality of post-divorce housing takes the form of moves out of owner-occupation into rented housing, and out of single-family dwellings into flats or temporary accommodation. Divorced fathers were found to move mainly over short distances, probably in order to stay close to their children living in the former matrimonial home. This self-imposed geographical constraint also limits the choice of housing divorced fathers have, and therefore divorced men with children may more often make a ‘downward’ housing move than divorced men without children. Into what type of housing divorcees move appeared to be gendered. Women are more at risk of moving out of owner-occupation. They move out of singlefamily dwellings at about equal rates as men, but given that they more often live
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with children, a move out of a single-family dwelling is more often a problem for them. The gender differences also have a duration aspect. In the short term, both men and women move out at high rates. Women are worse off than men in terms of tenure (if women move from an owner-occupied home, it is more often into the rented sector than for men), but better off in terms of dwelling type (if women move from a single-family dwelling, it is more often into another singlefamily dwelling than for men). With increasing duration of the divorced or split up state, gender differences increasingly diverge, to the disadvantage of women. As the divorce or split up is longer ago, the risk for women to make ‘downward’ housing moves remains, while it disappears quite quickly for men. Thus, men’s housing careers are only affected in the short term by divorce and split-up, while women’s housing careers are affected more permanently. For women, starting a new relationship is a common and effective way of regaining housing quality, whereas for men repartnering does not affect their housing career very much. We can conclude that for men and for those women who find a new partner, divorce usually causes a temporary disturbance of their housing career, while for women who remain divorced, the backlog is lasting, and they often do not catch up with their married counterparts, nor with their male counterparts. Reflecting on the theoretical gender connotations of housing, the power imbalance relating to housing seems to be at least partially recreated through divorce, as we saw that women’s housing careers are more negatively affected then men’s, especially in the longer run. But one strong ‘asset’ in favour of women’s housing situation is their dominance in custody of children. A separating couple often wants the best for their children, and this often means that the mother can stay in the matrimonial home with the children. Yet, the gendered duration effects of divorce mean that a permanent stay in the matrimonial home is not guaranteed for lone mothers. Also, re-marriage rates for divorced women with children are lower than for divorced women without children (De Graaf and Kalmijn 2003), so this escape-route out of poor housing is less accessible for lone mothers. In this chapter, we have shown that effects of divorce on housing careers are both gendered and time-dependent. Future research into this topic should acknowledge this. A third dimension that has been found to affect housing and location after divorce and split up, is the presence of children – they are a good predictor of the housing moves of the custody and the non-custody parent. But since mothers still get custody over the children after a divorce in the vast majority of cases, the gender dimension already captures most of the differences between custody and non-custody parents in post-divorce housing careers.
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Peteke Feijten and Clara H. Mulder
Acknowledgements Clara Mulder’s research for this paper was supported by the Netherlands Organisation for Scientific Research (NWO), VICI grant no. 453-04-001. The Netherlands Kinship Panel Study is funded by grant 480–10–009 from the Major Investments Fund NWO, and by the Netherlands Interdisciplinary Demographic Institute (NIDI), Utrecht University, the University of Amsterdam and Tilburg University. Thanks are due to Michael Wagner for his insightful comments regarding the NKPS analyses and the selectivity of the NKPS data, and to Maarten van Ham, who co-authored one article from which part of the empirical results were drawn.
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Lebenslagen von Frauen und Wohnungsnotfallproblematik Uta Enders-Dragässer und Brigitte Sellach
1 Einführung Die öffentlichen Vorstellungen zur Wohnungsnotfallproblematik1 von Frauen sind nicht frei von vorurteilshaften und geschlechtsstereotypen Deutungsmustern. Bilder wie das von der "Frau auf der Straße", der "Obdachlosen", erschweren den Zugang zur Komplexität der Notlagen und Krisen sowie zu den tatsächlichen Handlungsspielräumen und Bewältigungsmöglichkeiten von Frauen bzw. Müttern in Wohnungslosigkeit bzw. Wohnungsnot. Im Hilfesystem gelten Frauen inzwischen als eigenständige Zielgruppe. Der Fachausschuss Frauen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Wohnungslosenhilfe e. V. (BAG Wohnungslosenhilfe e. V.). hat in kontinuierlicher Arbeit eine bundesweite fachpolitische Diskussion entwickelt, die in jährlichen Fachtagungen thematisch gebündelt wird. In Positionspapieren wurden unterschiedliche Aspekte der Situation wohnungsloser Frauen aufgegriffen. Dennoch kommt der Geschlechterfrage im Mainstream der Fachdiskussion nur marginale Bedeutung zu. Trotz der Akzeptanz frauenspezifischer Ursachen und Erscheinungsformen der Wohnungslosigkeit und des spezifischen Hilfebedarfs von Frauen aufgrund ihrer Armuts- und Gewalterfahrungen werden die Notwendigkeit und der Sinn von Angeboten und Orten eigens für Frauen weiter in Zweifel gezogen. Dennoch ist es zu beachtlichen Weiterentwicklungen zugunsten von Frauen gekommen (vgl. Enders-Dragässer et al. 2000, Sellach/Huber/Enders-Dragässer 2004). Kennzeichen von frauenspezifischen Einrichtungen der freien Träger der Wohnungslosenhilfe sind Niederschwelligkeit, das Angebot eines Frauenortes, der Schutz vor der Dominanz und Gewalt von Männern gewährleistet, und die Beschäftigung von ausschließlich weiblichen Mitarbeiterinnen. Eine dieser Einrichtungsformen ist der Tagestreff, auch als Café betrieben, mit Versorgungsangeboten und Beratung. Eine andere ist die Verbundeinrichtung, z. B. mit einem Frauenwohnprojekt, einer ambulanten Beratungsstelle und betreutem Wohnen in Wohngemeinschaften, einer Notaufnahme sowie einem Café als Tagesaufenthalt. 1
Der Begriff "Wohnungsnotfallproblematik" steht hier anstelle der Begriffe "Wohnungslosigkeit" oder "Obdachlosigkeit". Mit diesem Begriff soll der Komplexität von Ursachen und Erscheinungsformen der Wohnungsnot von Frauen Rechnung getragen werden.
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Wieder andere Einrichtungen arbeiten zielgruppenübergreifend, indem sie wohnungslose Frauen ebenso ansprechen, wie drogenabhängige oder psychisch kranke Frauen.2 Dabei sind Einrichtungen für wohnungslose Frauen nicht neu. Ihre Entstehung kann zum Teil bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurückverfolgt werden, als Gründungen der großen kirchlichen Verbände innerhalb der Frauen-Tradition der "Gefährdetenhilfe". Andere Einrichtungen verdanken ihr Entstehen der Frauen-Sozialarbeit bzw. der Frauenprojektebewegung in der Neuen Frauenbewegung. Insofern haben Hilfeangebote eigens für Frauen mit Wohnungsnotfallproblematik eine lange Tradition mit sowohl konfessionellen als auch sozial- oder frauenbewegten Wurzeln. In der Praxis der Sozialarbeit mit Frauen war es Ende der 1970er/1980er Jahre durch Frauenbewegung und Frauenforschung zu einem bedeutsamen Perspektivenwechsel gekommen. Sozialarbeiterinnen der Gefährdetenhilfe begannen ihre Klientinnen als Frauen zu sehen, deren Lebensverhältnisse von Wohnungslosigkeit und extremer Armut geprägt waren. Die Mitarbeiterinnen wandten sich gegen die Annahme, dass Frauen auf massive Beziehungsprobleme und Schicksalsschläge mit "destruktiven Bewältigungsstrategien" reagieren. In der Fachdiskussion wurde die Heterogenität der Wohnungsprobleme wie auch die der Frauen herausgearbeitet (vgl. Geiger/Steinert 1991, Enders-Dragässer et al. 2000, Sellach/Huber/Enders-Dragässer 2004). Von einer mehr oder weniger abgrenzbaren Gruppe von Frauen mit "typischen" Persönlichkeitsmerkmalen wurde nicht mehr ausgegangen. An einem Perspektivenwechsel wie diesem wird die Bedeutung gesellschaftlicher Deutungsmuster für die Wahrnehmung von und die Reaktion auf von Armut, Gewalt und Wohnungslosigkeit betroffene Frauen deutlich. Golden (1992) hat die historische Entwicklung der Wohlfahrt in Europa und später in den USA mit Deutungsmustern verknüpft, wie sie allein lebenden Frauen der westlichen Kultur galten. Danach bleibt die reale Situation wohnungsloser Frauen aufgrund moralischer und geschlechtsstereotyper Vorstellungen hinter Deutungen, Phantasien und Projektionen verborgen. Die Gesellschaft reagiert vielmehr auf allein lebende wohnungslose, aus der Haft entlassene Frauen sowie auf Prostituierte mit heftiger Abwehr, weil sie sich anscheinend außerhalb der gesellschaftlichen Weiblichkeitsvorstellungen befinden und mit ihrer Wohnungslosigkeit gesellschaftliche Normen verletzen. Weil sie den scheinbar "schützenden Raum von Ehe und Familie" verlassen haben, gelten sie als Frauen ohne Mann, ohne Familie, ohne eigene Häuslichkeit, die nicht ihren "weiblichen Pflichten" nachkommen. Sie leben nicht an den "normalen Orten von Frauen", sondern "auf 2
Zur bundesweiten Implementierung der Einrichtungen liegen keine validen Daten vor.
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der Straße", in "Schande". Ohne einen sie "schützenden" Mann an ihrer Seite erscheinen sie in sexueller Hinsicht freizügig, verfügbar, verkommen. Das Überleben mit Prostitution schien ausschließlich ihrer moralischen Schwäche geschuldet. Deswegen galten wohnungslose Frauen lange Zeit als "gefallen", "sittlich gefährdet", "verwahrlost", als "Huren", als "Verrückte" oder als "Hexen" historisch alte Bilder von allein lebenden Frauen. Sie wurden zugleich aber auch als "ungebundene" Frauen fantasiert, die gesellschaftlichen Einschränkungen "Widerstand leisten" und sich der "Enge eines bürgerlichen Frauenlebens entzogen haben" (Golden 1992). Ihre realen Notlagen und verzweifelten Versuche, in Lebensverhältnissen von extremer Armut und Ausgrenzung zu überleben, wurden in diesen Bildern zum Verschwinden gebracht. Stattdessen schienen jeweils individuelle "destruktive" Verhaltensweisen zu erklären, warum aus einer zuvor "normal" lebenden Frau eine randständige Wohnungslose werden konnte. Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel dieses Beitrags, Frauen mit einer Wohnungsnotfallproblematik in ihrer gesellschaftlichen "Normalität" zu verorten, sie als Frauen in einer existenziellen Krise darzustellen, die sie nicht aus eigenen Kräften bzw. mit Hilfen aus ihrem sozialen Netz bewältigen können. Mit der theoretischen Perspektive des Lebenslagen-Ansatzes kann gezeigt werden, dass die vielfältigen Ursachen eines Wohnungsnotfalls ebenso wie die Bewältigungsmuster geschlechtsspezifisch begründet sind. Daraus leitet sich die Bedeutung von institutionalisierter Hilfe im Wohnungsnotfall ab, wenn sie an der tatsächlichen Lebenssituation und an den Bildern von Weiblichkeit der Betroffenen ansetzt. 2 Der "weibliche Wohnungsnotfall" Der Deutsche Städtetag hat mit dem Begriff "Wohnungsnotfall", verbunden mit einer weitgehend akzeptierten Definition, eine lange Diskussion um ein einheitliches und erweitertes Problemverständnis von "Obdach- bzw. Wohnungslosigkeit“ beendet. Nach der Grundstruktur dieser Definition sind Wohnungsnotfälle aktuell von Wohnungslosigkeit betroffene und unmittelbar von Wohnungslosigkeit bedrohte Haushalte und Personen sowie Haushalte und Personen, die in unzumutbaren Wohnverhältnissen leben. Diese Grundstruktur lag auch der aktualisierten Definition des Forschungsverbundes "Wohnungslosigkeit und Hilfen in Wohnungsnotfällen" zugrunde,3 in denen die Differenzierungen der Machbarkeitsstudie des Statistischen Bundesamtes (1998) aufgegriffen und um den Aspekt des Gender Mainstreaming er3
Vgl. Forschungsverbund Wohnungslosigkeit und Hilfen in Wohnungsnotfällen 2005: 9-11 (http://www.bag-wohnungslosenhilfe.de/index2.html).
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Uta Enders-Dragässer und Brigitte Sellach
gänzt wurden. Nach der Definition zählen zu den Wohnungsnotfällen Haushalte und Personen, die
aktuell von Wohnungslosigkeit betroffen sind. Dazu gehören z. B. Haushalte und Personen ohne eigene mietrechtlich abgesicherte Wohnung (oder Wohneigentum), die nicht institutionell untergebracht sind und entweder bei Freunden oder Verwandten untergekommen sind, in Baracken oder Wohnwagen leben oder überhaupt keine Unterkunft haben. Weiter sind das Personen und Haushalte, die institutionell untergebracht sind, z. B per Verfügung, (Wieder-)Einweisung oder sonstiger Maßnahmen der Obdachlosenaufsicht (ordnungsrechtlich untergebrachte Wohnungsnotfälle) oder sich mangels Wohnung in sozialen oder therapeutischen Einrichtungen länger als notwendig aufhalten müssen. unmittelbar von Wohnungslosigkeit bedroht sind, weil z. B. der Verlust der Wohnung wegen Kündigung oder einer Räumungsklage unmittelbar bevorsteht oder weil die Wohnung aufgrund von sozialen Konflikten, Gewalt geprägten Lebensumständen oder wegen Abbruch des Hauses verlassen werden muss. in unzumutbaren Wohnverhältnissen leben. Das sind z. B. Schlicht- und andere Substandardwohnungen, außergewöhnlich beengte Wohnungen oder Wohnungen mit völlig unzureichender Ausstattung, aber auch unzumutbare Wohnverhältnisse wegen überhöhter Mietbelastung bei Niedrigeinkommen, in gesundheitlichen und sozialen Notlagen oder konfliktbeladene und Gewalt geprägte Lebensumstände.
Ergänzt wurden zwei weitere Gruppen:
Zuwanderinnen und Zuwanderer in gesonderten Unterkünften z. B. mit (Spät-)Aussiedlerstatus oder als Flüchtlinge mit Aufenthaltsstatus von länger als einem Jahr. Die Gruppe ist zwar ebenfalls aktuell von Wohnungslosigkeit betroffen, wird aber aufgrund ihrer besonderen Herkunfts- und Lebenssituation und der in der Regel auch anderen administrativen Zuordnung gesondert betrachtet. Personen und Haushalte, die ehemals von Wohnungslosigkeit betroffen oder bedroht waren, mit Normalwohnraum versorgt wurden und auf Unterstützung zur Prävention von erneutem Wohnungsverlust angewiesen sind. Hier sind die akuten Wohnungsnotprobleme zwar gelöst. Aber zur Stabilisierung der Wiedereingliederung in normale Wohnverhältnisse muss eine spezifische Nachbetreuung bzw. ergänzende Unterstützung bei Bedarf auch über einen längeren Zeitraum verfügbar sein.
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Der Wohnungsnotfall gilt als eine existenzgefährdende Notlage, für die, in Umsetzung des im Grundgesetz verankerten Sozialstaatsprinzips, öffentliche Hilfe zu leisten ist. Die gesetzlichen Grundlagen für die Hilfe waren bis Ende 2004 im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) normiert. Zum einen waren materielle Hilfen zur Abwendung des Notfalls vorgesehen, z. B. die Übernahme von Mietschulden, zum anderen persönliche Hilfen zur "Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten". Seit 2005 sind die entsprechenden gesetzlichen Regelungen im Sozialgesetzbuch (SGB) II und XII enthalten. In SGB II sind allerdings nur materielle Hilfen vorgesehen (§ 22), während im SGB XII neben den materiellen Hilfen (§ 34) auch die Vorschriften zur Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten aus dem BSHG übernommen wurden (§§ 67, 68). Die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten wird durch eine Verordnung zur Durchführung (DVO) genauer bestimmt, die 2001 reformiert wurde. Danach bestehen besondere Lebensverhältnisse "bei fehlender oder nicht ausreichender Wohnung, bei ungesicherter wirtschaftlicher Lebensgrundlage, bei gewaltgeprägten Lebensumständen, bei Entlassung aus einer geschlossenen Einrichtung oder bei vergleichbaren nachteiligen Umständen".4 Damit wurden Definitionen wie "Nichtsesshafte", "Landfahrer" oder "verhaltensgestörte junge Menschen", mit denen die Zielgruppen der Hilfe in der alten DVO zu § 72 BSHG abgegrenzt wurden, überwunden. Diese Definitionen entsprachen jedoch zu keiner Zeit den Realitäten der weiblichen Wohnungslosigkeit, wie in verschiedenen Studien zur Situation von wohnungslosen Frauen inner- und außerhalb des Hilfesystems nachgewiesen werden konnte. Dadurch wurden Frauen im Hilfesystem nicht sichtbar und wegen ihrer geringen Zahl schienen sie vernachlässigbar zu sein. (vgl. Geiger/Steinert 1991). Geiger und Steinert (1991) untersuchten erstmals im Auftrag der Bundesregierung umfassend die Wohnungslosigkeit von Frauen im Kontext ihrer strukturellen Lebensrisiken. Zwei weitere Studien entstanden im Rahmen der Begleitforschung für die beiden bundesweiten Modellprojekte "Hilfen für allein stehende wohnungslose Frauen" (Enders-Dragässer et al. 2000) und "Berufliche Förderung von allein stehenden wohnungslosen Frauen" (Enders-Dragässer/Roscher 2002). Hinzu kamen Länderstudien sowie Forschungsarbeiten zu unterschiedlichen Aspekten der Wohnungsnotfallproblematik von Frauen (vgl. Sellach/Huber/Enders-Dragässer 2004, Enders-Dragässer/Sellach 2005). Der Untersuchung von Geiger und Steinert (1991) kommt das Verdienst zu, mit umfangreichem Datenmaterial wohnungslose Frauen erstmals als eigenständige Zielgruppe dargestellt und ihren spezifischen Hilfebedarf ermittelt zu haben. 4
§ 1 der DVO zu § 72 BSHG in der Fassung vom 21.01.2001.
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Sie hielten vor allem das Defizitparadigma für nicht geeignet, die Heterogenität sowohl der Zielgruppe als auch ihrer Notlagen zu erklären. Stattdessen führten sie strukturelle Faktoren wie z. B. die Armutsrisiken von Frauen in die Diskussion um zutreffende Erklärungsansätze ein. Geiger und Steinert arbeiteten weiter Kompetenzen der Zielgruppe heraus und zeigten, dass sich die Frauen aktiv verhalten, um ihre Notlagen zu überwinden und dabei soziale Orientierungsmuster und Bewältigungsstrategien einsetzen, die überwiegend auf "Normalität" zielen. Die Begleitforschung der beiden Modellprojekte der Bundesregierung galt dem Bedarf und der Wirksamkeit von Hilfen, die am konkreten Bedarf der Frauen ansetzen; im ersten Modellprojekt als ambulante Hilfen, im zweiten Modellprojekt als berufliche Förderung und Reintegration ins Erwerbsleben. In beiden Modellprojekten wurde die große Bedeutung frauenspezifischer Hilfeangebote für eine erfolgreiche Unterstützung sowohl in Bezug auf die Wohnungssicherung als auch auf die Erwerbsarbeit deutlich. In diesen Studien wurden die Kompetenzen und die Normalitätsorientierung der Frauen herausgearbeitet, mit denen sie sich trotz ihrer komplexen Probleme auch als aktive und förderfähige Zielgruppe für eine berufliche Förderung erweisen. Übereinstimmender Befund war, dass Wohnungsnot und Wohnungsverlust wesentlich durch Konflikte in und Verluste von sozialen Beziehungen verursacht werden, wie Trennungen, Scheidungen, Verstoßungen sowie Todesfälle oder die Unterbringung von Kindern in Heimen oder Pflegefamilien. Auch das hohe Maß an Gewalterfahrungen als Auslöser und Grund für eine Wohnungsnotfallproblematik wurde nachgewiesen. Schulden einschließlich Miet- und Energieschulden waren weitere wichtige Ursachen. Insbesondere bei Armut und anderen, die Handlungsmöglichkeiten einschränkenden Problemen, wie z. B. körperlichen oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen, unzureichender beruflicher Qualifikation, vor allem aber auch Erfahrungen mit Gewalt, zeigte sich, dass bei davon betroffenen Frauen von einem Hilfebedarf auszugehen ist, der über die Versorgung mit Wohnhilfen hinausgeht und persönliche Hilfen in Form von Beratung und Unterstützung erfordert. Festgestellt wurde auch, dass der Hilfebedarf zudem abhängig ist von der Dauer bzw. der Häufigkeit der Wohnungsnotfallproblematik im Lebensverlauf. Nachgewiesen wurde weiter, dass Frauen häufig zwar aktuell von Wohnungslosigkeit betroffen sind, aber versuchen, irgendwo unterzukommen. Sie leben verdeckt, in verschiedenen Facetten zwischen Schlichtwohnung, Unterschlupf bei "Bekannten" oder einer Notbehausung, und suchen dabei dennoch den Anschein von weiblicher "Normalität" aufrecht zu erhalten. Frauen treten zudem weniger häufig als Männer als wohnungslos in Erscheinung, weil sie geschlechtergemischte Einrichtungen in der Regel für stigmatisierend halten und
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dort männliche Bevormundung, Bedrohung und Gewalt sowie die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft befürchten. Ein zentrales Ergebnis der Begleitforschung der bundesweiten Modellprojekte ist, dass Frauen mit Kindern im Wohnungsnotfall weitgehend nur als Mütter wahrgenommen werden, deren Hilfebedarf fast ausschließlich in Bezug auf ihre Verantwortung und Aufgaben für die Kinder definiert wird. Mütter mit Wohnungsnotfallproblematik wurden und werden deshalb als eigenständige Zielgruppe in der Praxis der Wohnungsnotfallhilfe noch kaum systematisch berücksichtigt (Enders-Dragässer/Roscher 2002). Durch eine individualisierende und defizitorientierte Sichtweise des Hilfesystems werden außerdem Krisen und extreme Ressourcendefizite von Frauen und Müttern zu spät aufgegriffen. In dem Ausmaß, in dem die akute Wohnungsnot bzw. Wohnungslosigkeit verdeckt bleibt und angemessene Hilfen nicht zur Verfügung stehen, sind Frauen weiter auf prekäre persönliche Lösungsversuche angewiesen. Die wenigen sichtbaren Frauen auf der Straße sind daher nur eine kleine Minderheit der Frauen mit einer Wohnungsnotfallproblematik. Die BAG Wohnungslosenhilfe e.V. hat den Anteil der Frauen an den Wohnungslosen für 2006 auf 25 % geschätzt, den von Kindern und Jugendlichen auf 11 % und den von Männern auf 64 %. Das sind ca. 64.000 Frauen, ca. 28.000 Jungen und Mädchen im Kindes- bzw. Jugendalter und 162.000 Männer. In der Forschungsliteratur wurde jedoch immer vermutet, dass mehr Frauen wohnungslos sind bzw. einen entsprechenden Hilfebedarf haben, als im Hilfesystem sichtbar sind. 3 Spezifische weibliche Armuts- und Lebensrisiken Die Wohnungsnotfallproblematik von Frauen ist eine Folge der spezifischen weiblichen Armuts- und Lebensrisiken und den damit verbundenen objektiv und subjektiv vermittelten Begrenzungen ihrer Handlungsspielräume. Wesentlich ist die geschlechtsspezifische Verteilung von Arbeit und Einkommen (Sellach 2000, 2004) mit den daran geknüpften Benachteiligungen in der formellen und informellen Erwerbsarbeit einerseits und der unbezahlten Haus- und Familienarbeit andererseits. Frauen sichern ihre wirtschaftliche Existenz und ihre sozialen Rechte nicht wie Männer hauptsächlich mit formellen Vollzeit-Arbeitsverhältnissen, sondern in unzureichendem Maß mit Teilzeit-Arbeitsverhältnissen sowie informeller Erwerbsarbeit. Typische Formen informeller Erwerbsarbeit von Frauen sind geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, Werk- und Provisionsverträge oder Angehörigen-Mitarbeit. Völlig ungeregelt und im Umfang unbekannt ist die Arbeit von Frauen im Prostitutions- und Pornogewerbe, im Vergnügungsgewerbe, z. B. als Animierdamen, Begleiterinnen, usw. (Rowhani-Ennemoser 1997). Frauen sind daher eher abhängig von Unterhalts- und Transfereinkommen, d. h. vom Einkommen des Ehemannes oder Partners, solange sie in einer Beziehung
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leben. Ihre sozialen Rechte, z. B. ihr Recht auf Rente, sind dann über den Ehemann vermittelt. Nach den repräsentativen Daten der Zeitbudgeterhebung 2001/2002 des Statistischen Bundesamtes (2003) belief sich der gesamte Umfang der Erwerbsarbeit im Jahr 2001 auf 56 Milliarden Stunden gegenüber 96 Milliarden Stunden unbezahlter Arbeit.5 Männer wendeten durchschnittlich 22 ½ Stunden wöchentlich für Erwerbsarbeit auf, während Frauen nur 12 Stunden wöchentlich erwerbstätig waren. Unbezahlt hatten Männer pro Woche durchschnittlich 19 ½ Stunden gearbeitet, Frauen dagegen 31 Stunden. Die unbezahlte Arbeit leisten Frauen für die alltägliche materielle und emotionale Versorgung von Kindern, Partnern und kranken oder alten Angehörigen. Frauen mit Kindern müssen in der Erwerbsarbeit immer noch erheblich zurückstecken. Denn weder Kinderbetreuung noch Schule entsprechen dem Bedarf von erwerbstätigen Müttern und dem Bildungsbedarf der Kinder. Der Schulerfolg setzt nach wie vor häusliche Zuarbeit voraus, die eher von Müttern als von Vätern geleistet wird (vgl. EndersDragässer/Sellach/Libuda-Köster 2004). Die in der Haus- und Familienarbeit unbezahlten Versorgungsleistungen, mit denen strukturell eine gesellschaftliche Grundversorgung und ein wesentlicher Anteil am Generationenvertrag gewährleistet werden, werden im System der sozialen Sicherung kaum berücksichtigt. Frauen können sich mit ihrer familiären Versorgungsarbeit nicht vor einer persönlichen Verarmung schützen, denn sozialstaatliche Leistungen stehen ihnen erst nach eingetretener Verarmung zu. Die Frauen benachteiligende Struktur der Sozialpolitik ist eine der zentralen Ursachen für die erhöhten Armuts- und Lebensrisiken von Frauen. Der zweite für Frauen zentrale Grund, zu verarmen und dadurch auch wohnungslos zu werden, liegt im Gewaltpotenzial in den Beziehungen und in den Folgen von Gewaltbedrohung und Gewalterfahrung. Frauen mit einer Wohnungsnotfallproblematik haben in hohem Ausmaß vielfältige Formen von Gewalt erlebt, z. B. in aktuell gewaltgeprägten Beziehungen oder bereits in der frühen Kindheit. Sie werden durch Gewaltausübung aus ihren Wohnungen vertrieben. Frauen erleiden dadurch auch erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen (vgl. Schröttle/Müller 2004). Die Enttabuisierung von Misshandlungen und sexueller Gewalt gegen Frauen war ein wesentlicher Schlüssel zum besseren Verständnis sowohl der Notlagen als auch der Bewältigungsversuche von Frauen. Nach wie vor wird jedoch die strukturell bedingte Notsituation als individuelles Problem, als individuelles Versagen gesehen, für das Frauen individuell verantwortlich sind. Auch die Frauen selbst geben sich die Schuld dafür, weil sie 5
Bezugsgröße ist jeweils die gesamte Bevölkerung ab 12 Jahren.
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sich als Handelnde erleben, auch wenn sie die Entwicklung nicht entscheidend positiv beeinflussen konnten. Spätestens hier setzt die Scham der Frauen ein und damit ihre Versuche, Armut und Wohnungslosigkeit verdeckt zu leben. 4 Weibliche Lebenslagen und Deutungsmuster im Wohnungsnotfall In der letzten umfassenden Studie zur Wohnungsnotfallproblematik "Wohnungsnotfälle und Wohnungslose: Zielgruppen- und Bedarfsforschung für eine integrative Wohnungs- und Sozialpolitik" wurden die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und sozialstaatlichen Handlungsspielräume von Frauen (EndersDragässer/Sellach 2005) und Männern (Fichtner 2005) mit einer Wohnungsnotfallproblematik geschlechtsdifferenziert untersucht. Die Studie war Teil des von der Bundesregierung geförderten Forschungsverbunds "Wohnungslosigkeit und Hilfen in Wohnungsnotfällen".6 Im einem Teilvorhaben der GSF e. V. wurden für Frauen und Männer objektivierbare Daten und subjektive Deutungen zu Verläufen und Ausprägungen von Wohnungsnotfällen, zu den Ressourcen für ihre Bewältigung, zur Einschätzung der eigenen Handlungsspielräume sowie zu den Bewältigungsstrategien aus der Perspektive der Betroffenen ermittelt. Im Mittelpunkt der Auswertung stand die Frage, wie objektive Bedingungen und subjektive Deutungen von Lebensverhältnissen und Handlungsmöglichkeiten im Wohnungsnotfall geschlechtsspezifisch ineinander greifen. Für beide Geschlechter wurden die "Bedingungen einer Wohnungsnotfallproblematik" und anhand ihrer subjektiven Deutungen und Erinnerungen auch die jeweiligen Ursachen und ihre individuellen Bearbeitungsformen analysiert. 4.1 Das theoretische Konzept der Untersuchung Das theoretische Konzept der Untersuchung ist der Lebenslagen-Ansatz aus der Sozialpolitikforschung, den Enders-Dragässer und Sellach um die Geschlechterdimension erweiterten und als Analyseinstrument in die Forschung zur Wohnungsnotfallproblematik eingeführt haben (vgl. u. a. Enders-Dragässer/Sellach 1999, 2002, 2005, 2006; Sellach/Enders-Dragässer/Libuda-Köster 2004, 2006). Im Begriff der "Lebenslage" wird das Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren in den konkreten Lebensverhältnissen von Individuen und sozialen Gruppen theoretisch gefasst. Die "Lebenslage" wird als multidimensionaler und individueller Handlungsrahmen definiert, der von einer Vielzahl von individuell eher nicht steuerbaren äußeren bzw. strukturellen Merkmalen bestimmt ist, zu 6
Verbundpartner waren neben der Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Frauen- und Genderforschung e. V. (GSF e. V.) das Institut für Wohnen und Umwelt (IWU) in Darmstadt und die Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung (GISS) in Bremen. Alle Forschungsberichte sind auf der Website der BAG Wohnungslosenhilfe e. V. unter http://www.bagwohnungslosen-hilfe.de/index2.html zu finden.
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denen neben den ökonomischen auch nicht-ökonomische und immaterielle, objektive und subjektive Dimensionen gehören. Auf unterschiedlichen Handlungsebenen sind das z. B. die "Spielräume" für Versorgung und Einkommen, für Kontakte und Kooperation, für Lernen und Erfahrungen, für Muße und Regeneration, für Disposition und Partizipation. Dieser Handlungsrahmen wird von den gesellschaftlichen Strukturen bzw. der Verfügbarkeit von und dem Zugang zu materiellen Gütern ebenso wie immateriellen Werten zur Entfaltung und Befriedigung wichtiger Interessen begrenzt und steht den einzelnen bzw. sozialen Gruppen, wie Paaren und Familien, für die Befriedigung der Gesamtheit ihrer individuellen und immateriellen Interessen und Bedürfnisse zur Verfügung. Sie füllen ihn jeweils in ihrem sozialen Kontext – mit den ihnen zur Verfügung stehenden persönlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten – aus. Individuell steuerbar ist dabei, inwieweit darin liegende Potenziale genutzt werden. Insofern sind neben den objektiven Dimensionen einer Lebenslage auch die subjektiven Elemente von Handlungen und Entscheidungen in das Konzept einbezogen, z. B. die je individuellen Strategien von Steuerung bzw. Bewältigung, auch in ihren biografischen Dimensionen im Lebensverlauf. In diesem Konzept wird Benachteiligung verstanden als eine weitreichende Begrenzung der individuellen Handlungsspielräume in verschiedenen Lebensbereichen. Sie lässt sich definieren als das Ergebnis der Kumulation von objektiv und subjektiv vermittelten Problemlagen bzw. sozialstrukturellen Defiziten. Die Problemlagen können dann von Frauen (und Männern) nicht aus eigenen Kräften überwunden werden, wenn sie nicht über genügend wirtschaftliche und soziale Ressourcen bzw. über genügend körperliche, psychische oder mentale Ressourcen verfügen, z. B. aufgrund von fehlender Bildung, Ausbildung, Berufserfahrung, wegen gesundheitlicher Beeinträchtigung und Behinderung, oder aber, wenn sie keinen Zugang zu institutionellen Hilfeangeboten haben bzw. von institutionellen Angeboten nicht erreicht werden. Enders-Dragässer und Sellach (1999, 2002, 2006) haben den geschlechtsneutral formulierten "Lebenslagen-Ansatz" nicht nur um die Geschlechterdimension erweitert, sondern dabei auch seine individualistische Fassung aufgegeben, indem zum einen mit der geschlechtlichen Arbeitsteilung und geschlechtsspezifischen Segregation der Erwerbsarbeit sowie der Geschlechterhierarchie (Frauenforschung) bzw. der hegemonialen Männlichkeit (kritische Männerforschung) einschließlich der männlichen Gewaltausübung die Auswirkungen der dadurch strukturierten faktischen Ungleichheit zwischen Frauen und Männern in das Konzept aufgenommen wurden. Zum anderen wird die für weibliche und männliche Individuen gleichermaßen bedeutsame Frage der Familie, der sozialen Bindungen und Beziehungen durch Mutterschaft/Vaterschaft bzw. Ehe/Partner-
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schaft integriert, ebenso die Auswirkungen von Versorgungsverpflichtungen oder Versorgungserwartungen bzw. Entpflichtungen durch soziale Beziehungen. Wegen der großen Bedeutung dieser sozialen Bindungen für die "Lebenslage" von Frauen und Männern wurde der Katalog der Handlungsspielräume erweitert um einen sozialen Handlungsspielraum, zusätzlich zu einem Geschlechtsrollenspielraum und einem Schutz- und Selbstbestimmungsspielraum. Mit dieser Erweiterung kann auch der komplexen Bedeutung von Gewaltbedrohung und Erfahrung von Gewalt im Leben von Frauen Rechnung getragen werden. Drei weitere Handlungsspielräume haben sich inzwischen als ebenfalls bedeutungsvoll erwiesen. Das ist zum einen die Dimension der durch Recht strukturierten bzw. begrenzten Handlungsspielräume, um rechtliche Beschränkungen berücksichtigen zu können, wie dies insbesondere für Migrantinnen gilt. Zum anderen hat Knab (2001) die Geschlechterdimension des Lebenslagen-Ansatzes um den "sozialstaatlichen Handlungsspielraum" erweitert und damit den Blick auf Barrieren im Zugang zu sozialstaatlichen Dienstleistungen, wie z. B. zu materiellen und persönlichen Hilfen in Notfällen oder zu Kinderbetreuungseinrichtungen, gelenkt. Schließlich konnte nach Abraham (2002) mit dem Bezug auf den Körper als „gewichtigem, soziale Ungleichheiten (mit)produzierenden und moderierenden Faktor“ (ebd.: 267) der Handlungsspielraum Gesundheit eingeführt werden. Das Besondere und Weitreichende am theoretischen Modell des Lebenslagen-Ansatzes ist, dass die handelnden Subjekte – Frauen und Männer – die ihr Leben im Rahmen ihrer individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten und der ihnen objektiv zur Verfügung stehenden sozialen und ökonomischen Ressourcen gestalten, im Mittelpunkt stehen und nicht nur als "Opfer ihrer Verhältnisse" gesehen werden. Ihre subjektive Verarbeitung von strukturell vorgegebenen Lebensbedingungen, ihre Bewältigungsstrategien, ihre sozialen Orientierungen, ihre Befindlichkeiten, d. h. ihre Sicht der "Dinge" werden einbezogen. Der Ansatz erlaubt daher „umfassende Aussagen über individuelle Risiken des Eintritts einer Unterversorgungslage und über Möglichkeiten zu deren Überwindung“ (Voges et al. 2003: 18). 4.2 Methodisches Vorgehen und Stichprobenbeschreibung In der Studie wurden 36 Frauen mithilfe eines Leitfadens interviewt, der anhand der Systematik des Lebenslagen-Ansatzes strukturiert war. Die Frauen waren im Zeitraum zwischen März 2002 und Oktober 2003 bundesweit meist über Mitarbeiterinnen von freien Trägern der Wohnungslosenhilfe für ein Interview gewonnen worden. Bei ihrer Auswahl wurden Unterschiede nach Alter, Familienstand und Wohnformen, Behinderung oder Migrationshintergrund berücksich-
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tigt. Die Frauen waren im Alter zwischen 19 und 70 Jahren, darunter mehr ledige und geschiedene Frauen sowie mehr Frauen in Ein- als in Mehrpersonenhaushalten. Einige der insgesamt 24 interviewten Mütter lebten – mit oder ohne Partner – mit minderjährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt. Etwas mehr als die Hälfte der Frauen hatte zum Zeitpunkt der Interviews eine eigene Wohnung bzw. wohnte zur Untermiete. Die übrigen Frauen lebten in einem betreuten Wohnverhältnis, in einer stationären Einrichtung oder einer Pension/einem Hotel. Einige hatten früher in einem eigenen Haus, einer Eigentumswohnung oder in eigener Geschäftswohnung gewohnt, andere in Notunterkünften, Bauwagen, auf der Straße oder waren aus Kliniken, Therapieeinrichtungen, aus der Psychiatrie bzw. Haftanstalt entlassen worden. Den Prozess des Wohnungsnotfalls (Beginn, Verlauf und aktuelle Situation zum Zeitpunkt des Interviews) haben die Frauen retrospektiv rekonstruiert. Für sie wird die "Lebenslage" zu einer ihr Schicksal bestimmenden und erklärenden Größe, indem sie ihre Erfahrungen auf objektiv gegebene Determinanten, z. B. die Armut in der Familie, zurückführen. Aus der Forschungsperspektive wiederum konnten aus den von den Frauen geschilderten Daten, z. B. zu den Familienverhältnissen, die objektiven gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihres Lebens – ihre strukturelle Lebenslage zum Zeitpunkt der Wohnungsnotfallproblematik – rekonstruiert werden, z. B. die berufliche oder wirtschaftliche Benachteiligung als Frau, Arbeitsplatzverlust wegen der Versorgung von Kleinkindern, ungerechtfertigte Leistungsverweigerung durch Behörden oder behördlicher Kindesentzug ohne vorhergehende Unterstützungsangebote. Für einige der Frauen war der aktuelle Wohnungsnotfall eine einmalige Notlage. Sie hatten zuvor keinen Bezug zum Hilfesystem. Für andere war der aktuelle Wohnungsnotfall eine Wiederholungserfahrung. Diese Frauen waren schon einmal oder mehrfach wohnungslos und hatten unterschiedliche Zwischenstationen im Hilfesystem kennen gelernt. Einige von ihnen waren stark verunsichert, ob es ihnen jemals wieder gelingen würde, in eine akzeptable Wohnsituation einzumünden bzw. dort bleiben zu können. Dies waren vor allem Frauen mit Alkohol- bzw. Drogenproblemen sowie Frauen mit Behinderung. Die empirischen Ergebnisse der Studie werden im Folgenden jeweils bezogen auf die ökonomischen, sozialen, gesundheitlichen und sozialstaatlichen Handlungsspielräume dargestellt. 4.3 Ökonomischer Handlungsspielraum Die Frauen gehörten zum Zeitpunkt der Interviews zu den armen Frauen in Deutschland.7 Die meisten erhielten staatliche Transferleistungen. Sie unter7
Entsprechend der Definition der Bundesregierung in den Armuts- und Reichtumsberichten liegt die Armutsschwelle bei 50 bzw. 60 Prozent des durchschnittlichen, nach dem OECD-Modell,
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schieden sich daher nicht von vielen anderen Frauen in vergleichbar schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen. Nur etwa die Hälfte von ihnen war bereits vorher der Gruppe der Niedrigeinkommensbezieher zuzurechnen. Etwa ein Drittel von ihnen gehörte aber schon vor dem Wohnungsnotfall zur Armutsbevölkerung. Für die Frauen ist Erwerbsarbeit besonders wichtig, notwendig und selbstverständlich, einschließlich der dazugehörigen beruflichen Bildung. Die Frauen sind, auch die in den alten Bundesländern, mit Ausnahme der noch jungen Frauen ohne Berufseinstieg, berufserfahren und bis zu drei Jahrzehnte lang erwerbstätig gewesen. Sie verstanden sich als Langzeiterwerbslose und strebten ins Erwerbsleben zurück. Wegen ihrer geringen Erwerbschancen fühlten sie sich allerdings von der Erwerbsarbeit weitgehend ausgeschlossen. Als ein zentrales Ergebnis kann gelten, dass die Frauen durchgängig in der Erwerbsarbeit, mit einem ihre Existenz sichernden Einkommen, die eigentliche Lösung für ihre wirtschaftlichen, sozialen und sonstigen Probleme sahen. Weil Erwerbsarbeit für sie eine selbstverständliche Option war, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau, formulierten sie nachdrücklich einen über die Angebote von Obdach- bzw. Wohnungslosenhilfe hinausgehenden durchgängigen Bedarf an beruflicher Förderung und Reintegration zur Erweiterung ihrer wirtschaftlichen Handlungsspielräume durch existenzsichernde Erwerbsarbeit. Dies verdeutlicht zugleich die Doppelstruktur ihres Hilfebedarfs zur Erweiterung ihrer Handlungsspielräume – einen Bedarf an Wohnhilfen ebenso wie an Hilfen zur Reintegration in die Erwerbsarbeit. 4.4 Sozialer Handlungsspielraum Bei großer Heterogenität der jeweiligen Lebensverhältnisse waren die frauentypischen Erklärungsmuster zu den Ursachen eines Wohnungsnotfalls und den darin zum Ausdruck gebrachten unzureichenden Handlungsspielräumen in einen sozialen Kontext eingebettet. Die größte Gruppe der Frauen führte den aktuellen Wohnungsnotfall vor allem auf Probleme im sozialen Nahfeld von Partnerschaft, Herkunftsfamilie bzw. selbst gegründeter Familie zurück. Konfliktkonstellationen waren vor allem mit extremer Armut, Gewalt oder Sucht verbunden. Manche Frauen erweiterten dieses Deutungsmuster um Probleme mit gewalttätigen Vermietern oder Untermietern. Ein Zusammenbruch von Lebensperspektiven aufgrund extremer Kränkungen wurde teilweise mit einem abrupten Ortswechsel zu kompensieren versucht. Damit konnte eine folgenreiche und schwer zu behebende Wohnungsnotfallproblematik ausgelöst werden. Die Frauen deuteten sich jedoch weniger als Opfer ihrer Verhältnisse, sondern eher als aktiv Handelnde, z. B. wenn sie ihre Wohnung wegen Konflikten gewichteten Pro-Kopf-Einkommens der Haushalte (Einkommensarmut) (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2008).
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und Gewalt aufgegeben und damit gewaltgeprägte bzw. extrem demütigende Beziehungen beendet hatten. Auf der Suche nach Lösungen hatten sie ihre Entscheidungen getroffen. Erst in der Rückschau konnten sie bewerten, ob sie den richtigen Weg gewählt hatten. Mehrheitlich positionierten sich Frauen gegenüber Männern eher ambivalent und distanziert. Sie waren eher pessimistisch, insbesondere nach extremen Kränkungs- und Gewalterfahrungen. Manche Frauen achteten nach negativen Erfahrungen bei neuen Partnern auf deren Mittätigkeit bei der Hausarbeit, gerechtere finanzielle Beteiligung an Wohn- und Lebenshaltungskosten, Mäßigung beim Alkohol, Verzicht auf Handgreiflichkeiten bzw. Gewalt und Herabwürdigung und hatten damit die eigenen sozialen Handlungsspielräume in ihrer Partnerschaft erweitert. In der Rückschau beleuchteten einige Frauen schlaglichtartig auch die Handlungsspielräume ihrer Herkunftsfamilie, die durch Ressourcendefizite ihrer Bezugspersonen (z. B. Armut, Bildungsbenachteiligungen, Gewalt- und Suchtprobleme) begrenzt wurden. Sie erkannten darin einen Zusammenhang zu ihrer eigenen späteren Armut. Als Töchter sozial benachteiligter Eltern waren ihnen die Voraussetzungen vorenthalten geblieben, die sie selbst zur Überwindung von Armut für entscheidend hielten, vor allem anderen schulische und berufliche Bildung als Grundlage für eine existenzsichernde Erwerbsarbeit. Frühe bzw. langjährige Heimunterbringungen wegen extrem belasteter Familiensituationen galten für die Frauen, die diese Erfahrungen hatten, ebenfalls als Gründe für ihre Bildungsbenachteiligung und damit verbunden ihren schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Zum sozialen Handlungsspielraum gehören auch die informellen sozialen Netze. Die Frauen deuteten die Möglichkeit, sich im Umfeld von Einrichtungen der Frauenarbeit eigene informelle Netze zu schaffen, als wichtige Unterstützung zur Erweiterung ihrer sozialen Handlungsspielräume. Diese informellen Frauennetze unterschieden sich von den familiären Netzen deutlich durch den Zugang zu externer Unterstützung und zu geschütztem öffentlichem Raum, der professionell gegen männliche Gewalt abgesichert war. In diesem Umfeld mit wertschätzender Atmosphäre konnten sich die Frauen untereinander problemorientiert austauschen. Externe professionelle Unterstützung und Ressourcen waren für sie im Bedarfs- bzw. Notfall erreichbar. Dabei konnten sie aus ihren kleinen Netzen heraus selbst entscheiden, inwieweit sie davon Gebrauch machen wollen. Insbesondere Frauen mit einer Suchtproblematik sahen sich dadurch in der Ablösung von "Suchtszenen" aktiv unterstützt, weil sie alternative soziale Beziehungen aufbauen konnten. Die Deutungen zeigten, dass sie sich in ihren sozialen Kontakten weitgehend und zum Teil auch erstmals auf Frauen hin orientierten, sich
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an Frauen wandten und sich mit ihrer Unterstützung von sucht- und gewaltgeprägten Milieus abwenden konnten. Über alle Auswertungsbereiche der Untersuchung hinweg stellte sich die Bedeutung von Mutterschaft und vom Leben mit Kindern als ein für die Frauen weitgehend verbindendes Deutungsmuster dar, auch wenn sie (noch) nicht Mütter waren. Den 24 Müttern im Sample war die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Gemeinschaft mit ihren Kindern außerordentlich bedeutsam. Die 15 Mütter, die Kinder durch Adoption, Fremdunterbringung oder Tod verloren hatten, brachten auch nach langen Jahren intensive Trauer zum Ausdruck bzw. arbeiteten diesen Verlust als Teil ihrer Probleme auf. Sie konnten aufgrund ihrer eingeschränkten Lebensverhältnisse die Verantwortung für die Versorgung und Erziehung der Kinder nur selten übernehmen bzw. waren zwangsweise von ihren Kindern getrennt worden. Mütter, die mit ihren Kindern zusammenlebten, sorgten sich sehr realistisch wegen ihrer eingeschränkten Lebensverhältnisse, insbesondere wie sie ihrer Verantwortung angesichts ihrer wirtschaftlichen und sozialen Notlage gerecht werden konnten. Ihren Beschreibungen nach war dies – wenn überhaupt – nur durch eigene Erwerbsarbeit möglich, wobei Versorgungsarbeit und Erwerbsarbeit als selbstverständlich zusammen gedacht wurden. Mutterschaft und Sorge für die Kinder bei gleichzeitiger Erwerbsarbeit waren für die Frauen daher von hoher Bedeutung. Mit der Verknüpfung der beiden Deutungsmuster Gemeinschaft mit Kindern und Erwerbsarbeit wird zugleich ein außerordentlich folgenreicher blinder Fleck in der Wahrnehmung der sozialen Bindungen von Müttern und ihres Hilfebedarfs im Wohnungsnotfall in Deutschland erhellt. Das aktuelle gesellschaftliche Argumentationsmuster von der "Armut von Kindern" bezieht sich faktisch auf die komplexe soziale Belastung und die wirtschaftliche Armut der Mütter dieser Kinder, ohne jedoch Ansatzpunkt von Hilfen für sie zu sein. In diese Blindheit sind die äußerst beschränkten ökonomischen Handlungsspielräume der gesamten Lebenssituation armer Mütter und ihr Risiko, ihre Kinder ohne Hilfestellungen aus dem sozialen Umfeld oder von einer sozialen Einrichtung zu verlieren, einbezogen. Die Frauen selbst sehen diese Gefahr, wenn sie ohne Erwerbseinkünfte angesichts mangelnder Versorgungs- und Hilfeangebote nicht über genügend Ressourcen verfügen können, um all das "bezahlen" bzw. über soziale Netze "eintauschen" zu können, was ihre Kinder in ihrem kontinuierlichen körperlichen, geistigen, psychischen und sozialen Wachstum benötigen. Das sind beispielsweise genügend Wohnraum, Ernährung, Kleidung, Betreuung, vorschulische, schulische und außerschulische Bildung, Geselligkeit, Sport- und Kulturangebote, Akuthilfe und Erfolgserlebnisse in der Gegenwart sowie tragfähige Perspektiven für die Zukunft.
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4.5 Gesundheitlicher Handlungsspielraum Körperliche oder psychische Beeinträchtigungen bzw. Erkrankungen, Behinderung, Alkohol- bzw. Drogenproblematik, extreme Ängste oder schwere Depressionen waren von hoher Bedeutung für eine Wohnungsnotfallproblematik. Insgesamt erwies sich die gesundheitliche Belastung der Frauen des Samples als hoch. Sie hatten darüber hinaus nur eingeschränkt Zugang zur medizinischen Versorgung bzw. fanden dort keine, ihren Lebensverhältnissen und ihrem Bedarf angemessene, Behandlungsangebote vor. Insbesondere die Therapieangebote bei einer Alkohol- oder Drogentherapie wurden als wenig hilfreich eingeschätzt. Die Frauen stellten in den Interviews zudem gesundheitliche Auswirkungen von krisenhaften bzw. traumatisierenden Erfahrungen von extremer Kränkung und Gewalt dar. Obwohl die gesundheitlichen Auswirkungen von Gewalt in Deutschland noch wenig untersucht sind und Symptome und Erkrankungen in der medizinischen Versorgung noch nicht systematisch als Folgen von Gewalt wahrgenommen werden, bewerteten die interviewten Frauen selbst diese Folgen und ihre Erfahrungen von sexueller, psychischer und physischer Gewalt als bedeutsam für ihre gesundheitliche Situation. Frauen, die wohnungslos und psychisch krank, alkohol- oder drogenabhängig bzw. behindert sind, sind wegen ihres eingeschränkten gesundheitlichen Handlungsspielraums auch in ihren wirtschaftlichen und sozialen Handlungsspielräumen erheblich beeinträchtigt. Bedarfsgerechte Hilfeangebote sind für diese Gruppen in der Regelpraxis jedoch noch nicht vorhanden. Dieses Defizit führte für einige Frauen zu dramatischen Zuspitzungen ihrer Notlage. Berichte von Suizidgedanken und -versuchen in den Interviews können als Indiz dafür gewertet werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass Frauen mit Wohnungsnotfallproblematik gesundheitlich belasteter und dabei wesentlich schlechter versorgt sind als andere Frauen. Die meisten der psychisch kranken bzw. suchtkranken Frauen des Samples hatten Einsicht in ihre Krankheit. In ihren Deutungen ging es ihnen vor allem um aktives Handeln und um das Durchhalten. Sie stellen in informellen Netzen Handlungsfähigkeit her, suchen in Gesprächen mit betroffenen wie mit professionellen Frauen nach Alternativen und Entlastung und erhöhen damit die eigene Entscheidungsfähigkeit. Einige der suchtkranken Frauen bezeichneten den Kontakt mit den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe als Wende zum Positiven. Die generell als unterstützend und aufbauend empfundenen Angebote der Wohnungslosenhilfe für Frauen erklären möglicherweise auch das Fehlen von klagenden bzw. passiven Deutungsmustern.
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4.6 Sozialstaatlicher Handlungsspielraum Der sozialstaatliche Handlungsspielraum ist für Frauen in einer ihre Existenz gefährdenden Notlage von besonderer Bedeutung, weil auch durch den Zugang zu sozialstaatlichen Einrichtungen entschieden wird, welche Chancen die Frauen haben, ihre Notlage zu überwinden. Insbesondere Sozialamt, Arbeitsagentur und Jugendamt sind hier gefordert. Die Frauen unterschieden in ihren differenzierten Berichten über diese für sie wichtigsten Behörden zwischen der Institution mit Funktion und Auftrag und den in der Behörde tätigen Fachkräften. Ämter wurden sowohl positiv als auch negativ bewertet, wobei zwischen einzelnen Personen, ihren Handlungsmöglichkeiten sowie einzelnen Leistungen bzw. Verfahren unterschieden wurde. Diese Unterscheidungen ermöglichten bei einer mitunter ausführlichen negativen Beschreibung einzelner Fachkräfte bzw. negativen Bewertungen von Verfahren die gleichzeitige positive Bewertung des jeweiligen Amtes. Umgekehrt konnten bei einer positiven Bewertung von Personen dennoch die Handlungsmöglichkeiten bzw. Leistungen eines Amtes pessimistisch eingeschätzt werden. Insgesamt wurden Behördenfachkräfte aber eher ambivalent erlebt, weil sie die von Normen und behördeninternen Regeln gesetzten Kontrollen und Sanktionen zu vollziehen hatten. Wenngleich die Frauen mit den staatlichen Transferleistungen ihren wirtschaftlichen Handlungsspielraum erweitern konnten, fühlten sie sich doch durch die Verfahren bei der Gewährung in Bezug auf Glaubwürdigkeit und Selbstbestimmung beeinträchtigt. Die Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe mit ihren frauenspezifischen Hilfe- und Versorgungsangeboten und die dort tätigen Mitarbeiterinnen haben die Frauen hingegen durchgängig positiv beschrieben. Die Mitarbeiterinnen wurden vorbehaltlos als Expertinnen anerkannt. Anders als in den Behörden wurden sie nicht als kontrollierendes, sanktionierendes, abwertendes Gegenüber wahrgenommen. Die Frauen fühlten sich vielmehr von ihnen wertgeschätzt. In der Erwartung wesentlicher Verbesserungen ihrer Lebenssituation gingen sie mit ihnen Arbeitsbündnisse ein. 5 Fazit: Realität und Normalität Die Frauen haben in der Regel "Schlimmes" erlebt. Betroffene Frauen haben zudem oft schon eine längere Vorgeschichte an sozialer Ausgrenzung und Benachteiligung, die bei einigen bereits in Kindheit und Jugend begonnen und sie schulisch wie beruflich benachteiligt hat. Denn ihre Perspektiven hatten sich häufig bereits ab der Kindheit entschieden. Zentral waren die Faktoren Armut, Bildungsdefizite, Gewalt, Bewältigungsversuche mit Alkohol bzw. Drogen sowie Ressourcendefizite von Bezugspersonen, außerdem die fehlende Unterstützung von außen. Entscheidend waren jedoch nicht allein diese Weichenstellun-
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gen in der Kindheit, sondern die Wiederholung von Erfahrungen im Erwachsenenleben, z. B. die Erfahrung von Gewalt, vor allem aber die mangelnde Unterstützung von außen in den verschiedenen Phasen der lebensgeschichtlichen Krisen. Die Frauen befinden sich in ihren mehrfach begrenzten Handlungsspielräumen nicht außerhalb der "Normalität". Die Analyse ihrer retrospektiven Berichte zeigt im Kontext des Lebenslagen-Ansatzes, dass sie sich selbst auch nicht außerhalb der gesellschaftlichen "Normalität" verorten. Sie haben durchaus realistische, ihrer Situation angemessene Wünsche, z. B. nach einer Erwerbsarbeit, einer eigenen Wohnung, der Heilung von der Alkoholabhängigkeit, der Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft mit Kindern, vielleicht auch einer neuen Partnerschaft. Auch sie wünschen sich ein "besseres Leben" für sich und ihre Kinder. An ihrer "Normalität" trotz ihrer schwierigen Lebensverhältnisse in der Hilfe anzuknüpfen, heißt, an der komplexen Realität von Frauen im gesellschaftlich strukturierten Geschlechterverhältnis mit benachteiligender geschlechtlicher Arbeitsteilung, benachteiligenden hegemonialen Männlichkeitsvorstellungen, entwürdigender und verletzender häuslicher bzw. sexueller Gewalt anzusetzen. Das bedeutet auch anzuerkennen, dass weit mehr Frauen als die als "wohnungslos" identifizierten Frauen vergleichbare Probleme haben, ohne dass sie bereits z. B. in einer Behörde deswegen aufgefallen sind. Gerade weil Frauen lange darum kämpfen, die Wohnung zu erhalten und die Familie nicht zu verlieren, sich also mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln selbst zu helfen suchen, benötigen sie bereits im Vorfeld der existenzbedrohenden Notlage präventive Unterstützung. Hilfe sollte nicht erst dann einsetzen, wenn die Notlage bereits eingetreten ist. Aber nur wohnungslose Frauen sind eine ausgewiesene Zielgruppe für Sozialarbeit, Frauen in ihren existenzbedrohenden Lebenskrisen sind es nicht.
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Ältere Migranten und Migrantinnen – Wo wohnen sie, wie leben sie, wie wünschen sie sich ihr Leben im Alter? Viktoria Waltz
1 Altern – auch für Migranten und Migrantinnen nicht leicht Sie haben den Wirtschaftsaufschwung im Nachkriegs-Deutschland wesentlich und unter den härtesten Arbeitsbedingungen mitgetragen und nun, da sie alt sind, möchten die einen ihr liebgewonnenes modernes Leben im Alter noch einmal mit neuen Aktivitäten bereichern und die anderen den Lebensabend mit ihren Kindern und Enkeln genießen und ihren Frieden mit dem ‚Allmächtigen‘ zum Beispiel in der Moschee schließen. Aber sie sind zumeist von Armut betroffen und ihr immer schon beengter Wohn- und Lebensspielraum ist nicht größer geworden. Erneut ist die Bundesrepublik auf sie und ihre Situation nur wenig vorbereitet und beginnt erst langsam sie als ‚neue Klientel‘ von Wohlfahrtsorganisationen und Regierungspolitik zu entdecken. Sie haben es jedoch von Beginn verstanden, ihr Selbsthilfepotenzial einzusetzen und ihre Wohnquartiere relativ ‚wirtlich‘ für eigene notwendige Bedürfnisse zu gestalten. Das wird im Alter allerdings schwieriger, sie sind auf Hilfe angewiesen. Sie haben in den ersten Jahren den mangelnden Wohnraum, die zugestandenden ‚10 Kubikmeter Luftraum‘ in Baracken hinnehmen müssen (Bursa 2007: 118). Sie haben die immer wieder kurzen und immer wieder neuen Verträge und Aufenthaltsgenehmigungen erduldet. Sie haben damit leben müssen, dass zu Hause erworbene Qualifikationen nicht anerkannt wurden und nur die unqualifizierten Arbeitsplätze für die meisten von ihnen wie beabsichtigt übrig blieben. Sie mussten selber zusehen, wie sie ihre Familien, die nach dem Anwerbestopp 1973 nachzogen, in den viel zu engen Altbauwohnungen der Arbeiterwohnviertel unterbringen können. Sie mussten sich damit abfinden, dass die Schulen nicht auf ihre türkisch, spanisch oder italienisch sprechenden Kinder vorbereitet waren und sich deren Zukunft längst nicht so klar und einfach entwickeln würde, wie sie das erhofft hatten. Sie haben sich erneut um die dreckigste Arbeit kümmern müssen, als die Schwerindustrie in der Krise steckte und sie als erste entlassen wurden. Manch einer hat die Flucht nach vorn angetreten und hat sich in die Selbständigkeit gewagt, ein Restaurant oder einen Lebensmittelladen aufgebaut und hat nicht immer Erfolg damit gehabt. Es blieb oft nichts anderes übrig und
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die Ehefrau, die für die Kinder sorgen wollte und sollte, musste ebenfalls arbeiten gehen – als Putzkraft oder im Akkord am Fließband mit den anderen Migrantinnen aus Jugoslawien, Portugal oder Marokko. Nie haben sie richtig deutsch lernen können, sind auf dem Stand der einfachsten Verständigung hängen geblieben, denn neben der harten Arbeit war ein Abendkurs gar nicht möglich und hätte zu viel Geld gekostet. So war es für sie am sinnvollsten, sich auf die anderen zu verlassen, die mit ihnen oder nach ihnen gekommen waren: Verwandte, Freunde und Kollegen aus der Heimat, aus den Dörfern Süditaliens, Nordgriechenlands, Spaniens, Portugals, Jugoslawiens oder der Osttürkei. Zusammen schufen sie so etwas wie eine eigene Infrastruktur in ihren Nachbarschaften, bereicherten ihre Stadtteile und hielten sie lebendig: mit Geschäften des täglichen Bedarfs für die heimisch orientierte Küche, Bet- und Andachtsräumen sowie Cafés und Vereinslokalen, in denen vor allem die Männer ihre Freizeit verbringen, ihre politischen Ansichten und Meinungen über die Arbeit und alle anstehenden Probleme austauschen konnten. Den Familienfrauen, die wie überall Küche, Kinder und oft noch täglich ein paar Stunden Lohnarbeit unter einen Hut bringen mussten, fehlte solch ein Raum für Austausch und Bewältigung von Frauensorgen. Die Wohnungen waren zu klein, es gab keinen Garten, keinen Balkon und keinen wirklichen Frauenraum in der Stadt, wie es ihn im Dorf (zum Beispiel auf dem Feld oder am Dorfbrunnen) immer gegeben hatte. Nur manche konnten sich im städtischen Grabeland einen solchen Platz schaffen. Und nun? Die Kinder sind groß, manche haben die Sozialleiter hinaufklettern können und haben es bis zum Studium gebracht. Sie würden gerne in der Nähe ihrer Kinder bleiben, sich auf die Enkel freuen, und ihren (Schwieger-) Töchtern und Söhnen beistehen im immer noch währenden Kampf um Anerkennung, Respekt und Akzeptanz ihrer Kultur, mit der sie nun einmal alle aufgewachsen sind und die auch für die Jüngeren ein Teil ihrer persönlichen Identität geblieben ist (vgl. Boos-Nünning/Karakasoglu 2005, 2006). Zurückkehren? Das ist lange vorbei und hat sich schon entschieden, als die Familie nachzog, auch wenn sie es damals noch nicht wirklich zugeben und wahrhaben mochten. Der Mittelpunkt ihres Lebens ist Deutschland geworden, jedenfalls für die meisten unter ihnen und ganz besonders gilt dies heute für die Zuwanderer aus der Türkei und ihre Nachkommen; 37 % der türkischen Erwachsenen hatten sich bis 2006 einbürgern lassen (Stiftung Zentrum für Türkeistudien 2007: 14). In der alten Heimat hatten sie sich schon länger nicht mehr zu Hause fühlen können, sie blieben Gäste und wurden auch so behandelt, als ‚alamanci‘, ‚tedesco‘ oder ‚germanos‘ (‚Spitznamen‘ für die Ausgewanderten in ihren Herkunftsländern). Auch in den Heimatdörfern hat sich vieles verändert: Es ist laut, bebaut und das einst geruhsame dörfliche Leben ist passé. Inzwischen ist eine
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Entfremdung eingetreten: Der Traum vom Leben im Alter in den südlichen Herkunftsländern beschränkt sich zumeist auf eine kürzere Zeit des Jahres, die Sommerferien bespielsweise. Pendeln charakterisiert nun ihr Leben, denn auch das soziale und gesundheitliche Versorgungssystem, in das man jahrzehntelang mit eingezahlt hat, möchte niemand missen. Was also machen die älter gewordenen ‚Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen der ersten Stunde‘ jetzt aus ihrem ‚Ruhestand‘? Und vor allem: Was können sie machen? Im Folgenden geht es um die Frage, inwieweit der demografische Wandel auch die Migrantinnen und Migranten betrifft. Dabei stehen die wirtschaftlichen Risiken, die sie im Alter betreffen, sowie insbesondere die Situation der Migrantinnen und die Wohnwünsche für das Leben im Alter im Vordergrund. Ergänzend werden einige interkulturelle Wohnprojekte aus Deutschland und dem europäischen Ausland vorgestellt. 2
Der demografische Wandel trifft auch die Migranten und Migrantinnen Durch die steigende Lebenserwartung und den starken Rückgang der Geburten seit Ende der 1960er Jahre hat sich die Bevölkerung in Deutschland grundlegend verändert. Die Anteile der bis 60-Jährigen sind höher als die der Kinder und Jugendlichen (28 %, Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) 2005: 159). Diese Verschiebung der Altersstruktur zugunsten der älteren Menschen wird sich, wie die Prognosen zeigen, bis 2050 möglicherweise so entwickeln, dass die Altersjahrgänge der etwa 60-Jährigen am stärksten vertreten sein werden und der Anteil der 80-Jährigen höher als der der Neugeborenen sein wird. Selbst steigende Geburtenzahlen – etwa durch eine neue Familienpolitik oder Zuwanderungen – werden diesen Trend nicht rückgängig machen können, so die Statistiker. Denn es haben sich auch die Formen des partnerschaftlichen Zusammenlebens verändert. Das Lebensmodell Ehe und Familie, vor allem ‚heiraten und Kinder haben‘ wird inzwischen nicht mehr als die einzige Lebensform gewählt. Bereits heute ist ein Drittel aller Frauen und Männer unverheiratet. Der Anteil der Singles, der Alleinerziehenden und der nicht ehelichen Lebensgemeinschaften in der Altersgruppe von 35 bis 39 Jahren, in der generell betrachtet die Familienphase durchlebt wird, ist bei Frauen auf fast 35 % gestiegen (Bundesministerium des Inneren 2009). Obwohl die ausländische Bevölkerung im Vergleich zur deutschen noch deutlich jünger ist (im Durchschnitt 10 Jahre jünger nach den Daten des Mikrozensus, Statistisches Bundesamt 2005b), vollzieht sich auch in ihrer demografischen Zusammensetzung ein erkennbarer Wandel. Die ‚erste Generation‘ kommt in das Rentenalter. Allein zwischen 1995 und 2003 machte die Gruppe der über
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60-jährigen Ausländer und Ausländerinnen1 bereits 10 % der über 60-Jährigen aus (BMAS 2005: 159). Die Bundesregierung rechnet damit, dass die Zahl 2010 bereits bei 1,3 Millionen, im Jahre 2020 bei ca. 1,99 Mio. und 2030 bei ca. 2,85 Millionen liegen wird. ‚Hochaltrigkeit‘, also über 80-Jährige, gibt es bei den Migranten und Migrantinnen noch selten, aber auch das wird sich perspektivisch ändern (Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2005: 116ff.). Wir können und müssen also davon ausgehen, dass die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland auch im Alterssegment ‚bunter‘ werden wird. Je nach Herkunft finden sich aber Unterschiede – wie es überhaupt unsinnig ist, von ‚den Migranten und Migrantinnen‘ zu sprechen, ohne die erheblichen Unterschiede zu berücksichtigen, soweit dies das offizielle Informationsmaterial zulässt. 2003 bildeten die über 60-Jährigen aus den ehemaligen Anwerbestaaten die größte Gruppe, allen voran die über 60-Jährigen aus Spanien mit 19,8 %, dann folgen mit 16 % KroatInnen, mit 15,5 % GriechInnen, mit 12,1 % ItalienerInnen, mit 10,8 % MigrantInnen aus Serbien und Montenegro, mit 10,2 % PortugiesInnen und TürkInnen und mit 9,1 % MigrantInnen aus BosnienHerzegowina (Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2005: 151). Insgesamt registrierte das Ausländerzentralregister den Anteil der über 65-Jährigen unter den Ausländern und Ausländerinnen mit durchschnittlich 7,2 % an allen Ausländern (Statistisches Bundesamt 2006a). Von den 6,725 Millionen Ausländern bilden die Türken 2006 mit 1,74 Mio. und damit 25 % aller Ausländerinnen und Ausländer zahlenmäßig und prozentual die größte Gruppe (ebd.). Dass sie dennoch einen Anteil von nur 10,2 % an den über 60-Jährigen aller Ausländer und Ausländerinnen haben, weist auf ihre immer noch relativ junge Gesamtzusammensetzung hin. Nach den o. g. Zahlen kann von etwa 100.000 ‚älteren‘ über 60-Jährigen unter den Türken ausgegangen werden. Ebenfalls für die Migrantenbevölkerung ist feststellbar, dass neben einer Verschiebung der ersten Generation zur Rentnergeneration auch eine Veränderung der traditionellen Lebensweise stattfindet und dies Einfluss auf Familienund Haushaltsgröße hat und eine Zunahme an Einpersonenhaushalten zu erwarten und teilweise schon real ist. Der Mikrozensus von 2005 ergibt für die deutschstämmige Bevölkerung einen Anteil von 21,8 % (oder absolut 14.654.000 Personen) Über-65-Jährige, der weibliche Anteil beträgt fast 59 %. 1
Damit sind nur die Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit gemeint, Eingebürgerte, Aussiedler und Aussiedlerinnen sowie Flüchtlinge sind nicht inbegriffen. Laut Mikrozensus 2005 wird von 14,8 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland ausgegangen (Statistisches Bundesamt 2006b), diese Zahl schließt Ausländer und Ausländerinnen, Eingebürgerte, Aussiedler und Aussiedlerinnen sowie Flüchtlinge ein.
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Für die Migrantenbevölkerung beträgt der Anteil der über 65-Jährigen 7,8 % (oder absolut 1.212.000 Personen), der weibliche Anteil 52 % (Statistisches Bundesamt 2005a). Ähnlich wie bei der deutschstämmigen Bevölkerung ist Alter ‚ziemlich weiblich‘, auch wenn sich das für die Migrantenbevölkerung in ähnlich dominanter Ausprägung erst noch entwickeln wird. 3
Arbeitslosigkeit, Armutsrisiko und schlechtere Lebenslagen – noch immer Schicksal der Migrantinnen und Migranten Seit der Debatte um das Zuwanderungsgesetz, das 2005 in Kraft getreten ist (vgl. Krummacher/Waltz 2007), hat sich die Datenlage zur Erfassung der Lebenslagen der Migranten und Migrantinnen durch die Berichte der Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration und entsprechende Erhebungen des Statistischen Bundesamtes erheblich verbessert und die Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Lebenslagen und Probleme der Migrantenbevölkerung – auch der älteren – um einiges erhöht. Es liegen Daten zur Zusammensetzung nach Herkunftsländern, Aufenthaltsstatus, Arbeitsbedingungen, Ausbildung und beruflichem Werdegang sowie zur Gesamtheit aller Personen mit Migrationshintergrund differenziert nach denen mit ausländischem Pass, Eingebürgerten, Aussiedlern oder Flüchtlingen sowie nach Personen mit Migrationserfahrung oder ohne diese Erfahrung, aber mit Migrationshintergrund, vor (Statistisches Bundesamt 2006a). Auch die Lebenssituation der Rentnergeneration und insbesondere die der Frauen sind über Informationsdienste (Informations- und Kontaktstelle Migration (IKoM) 2002: 1), Sonderberichte im Auftrag verschiedener Ministerien (Stichs 2008) und Forschungsprojekte (Matthäi 2004) konkreter im Blickfeld von Politik und Sozialinstitutionen. Zwar werden in der kommunalen Politik die Migranten immer noch und immer wieder vor allem als Problem und als Belastung für die Stadtteile gesehen und es werden weniger die bestehenden strukturellen Defizite hervorgehoben, aber ein Paradigmenwechsel findet langsam statt – auch weil es inzwischen genauere Informationen gibt, so z. B. in der neueren Ausrichtung des Programms ‚Soziale Stadt‘ (vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2007: 35, Deutsches Institut für Urbanistik 2005: 1). Die aktuellen Statistiken können auch ein realistischeres Bild davon geben, bezüglich welcher Tatbestände die Mehrheit besonders der Migranten und Migrantinnen Probleme hat und worin u. a. die strukturellen Defizite begründet sind:
in ihrem zumeist niedrigen Ausbildungsniveau und fehlenden Chancen in der Migrationssituation,
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Viktoria Waltz in ihrer relativen Sprachlosigkeit bei wenig Chancen zu einem Sprachunterricht, sind doch die heutigen Integrationskurse in erster Linie für so genannte Neuzuwanderer gedacht und nicht für die länger in Deutschland ansässige Mehrheit der älteren Migranten sowie in ihrem Status als zumeist ungelernte ArbeiterIn mit den Folgen: Niedriglohn, Zeitarbeit, Arbeitslosigkeit und geringe Sozialleistungs- und Rentenansprüche.
Für die Migrantinnen liegen zusätzliche Problemlagen
in den immer wieder gebrochenen Erwerbsbiografien bei Doppelt- und Dreifachbelastung, in ihrem engen und auf Frauen wenig ausgerichteten städtischen Lebensund Wohnumfeld sowie in der Unvorbereitetheit auf die Schwierigkeit, die eigene Kultur und Identität unter den Bedingungen des Lebens in der Fremde zu bewahren und dies nicht nur für sich selbst, sondern u. U. auch noch für die Kinder und die ganze Familie.
Die genannten Tatbestände wirken sich, davon ist auszugehen, entscheidend und wie man noch sehen wird, vor allem im Alter negativ aus. Die Daten zur Situation der Migrantinnen und Migranten aus dem Sozio-ökonomischen Panel (SOEP), aus allen bisher seit 2001 vorgelegten Armutsberichten der Bundesregierung und den Berichten der Ausländerbeauftragten spiegeln kontinuierlich eines wider: Am Tatbestand struktureller Diskriminierung vor allem in Bezug auf die Arbeits- und wirtschaftliche Situation sowie auf die Wohnsituation dieser Bevölkerungsgruppe hat sich bis heute leider nur wenig geändert, wie im Folgenden dargestellt wird. Ökonomische Lage Die wirtschaftliche Situation von Migrantinnen und Migranten ist nach wie vor durch eine Reihe von Faktoren negativ beeinflusst, insbesondere die fehlende Qualifikation oder Nichtanerkennung im Herkunftsland erworbener beruflicher Qualifikation(en) (Färber et al. 2008: 164 ff., Engelmann/Müller 2000), der Abhängigkeit von einzelnen Branchen und schließlich Sprachdefizite. Dennoch sind nach 60 Jahren arbeitsorientierter Einwanderung die Zahlen bestürzend:
AusländerInnen finden seltener sozialversicherungspflichtige Arbeit: Die entsprechende Beschäftigungsquote 2005 betrug bei ihnen 31 % gegenüber
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51 % bei den Deutschen. Sie sind mehr als die deutschen ArbeitnehmerInnen den Schwankungen des Arbeitsmarktes unterworfen. AusländerInnen sind immer noch überdurchschnittlich und unverhältnismäßig in den einfach qualifizierten Jobs und in Niedriglohngruppen beschäftigt; so zum Beispiel in den Branchen Bergbau, Energie und Wasserversorgung und im Baugewerbe mit fast 40 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, im Dienstleistungsbereich vor allem im Gaststättengewerbe mit 21 % und bei der Gebäudereinigung mit 27 % (Stand: 2004). AusländerInnen sind häufiger in Minijobs beschäftigt: 9 % gegenüber 6,8 % aller Beschäftigten (Stand: 2005). AusländerInnen sind doppelt so häufig von Arbeitslosigkeit betroffen wie Deutsche, nämlich mit 18 % gegenüber 9,8 % (Arbeitslosenquote in 2005), wobei Türken mit 25 % den höchsten Anteil an Arbeitslosen unter AusländerInnen aufweisen und mit 31 % die größte Gruppe an Arbeitslosen bezogen auf alle Ausländer bilden (Stand: 2003). AusländerInnen tragen ein höheres Armutsrisiko2: 28,0 % gegenüber 15 % der Deutschen (Stand: 2005). In der Gruppe der Aussiedler lebte ein Viertel unterhalb der Armutsgrenze (2003: unter 900 EUR); Türken und Personen aus dem ehem. Jugoslawen sind am stärksten von Armut betroffen und haben die längste Verweildauer. AusländerInnen sind deshalb in höherem Maße von Transferleistungen abhängig, nämlich 8,4 % gegenüber 2,9 % der Deutschen (Sozialhilfequote in 2003); bezogen auf die jeweilige Wohnbevölkerung im erwerbsfähigen Alter nimmt jede fünfte Person mit Migrationshintergrund gegenüber jeder vierzehnten ohne Migrationshintergrund Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (nach SGB II) in Anspruch (Stand: 2005). AusländerInnen haben ein erheblich geringeres Einkommen: Nur 14 % der AusländerInnen erzielen mehr als 2.000 EUR pro Monat, aber 23 % der Deutschen; 45 % der AusländerInnen sind in der Einkommensgruppe bis 1.100 EUR gegenüber nur 37 % der Deutschen und 44 % verfügen über nur 900 EUR gegenüber 20 % der Deutschen (Stand: 2005). (vgl. BMAS 2005: 157ff.; Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2007: 85ff.; Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2005: 39ff., 102ff.) Wohnen und Mietbelastung Auch die Migrantinnen und Migranten haben an der generellen Verbesserung der Wohnbedingungen in Deutschland durch Sanierungs- und Stadtteilprogramme 2
Die Armutsrisikoquote bezeichnet den Anteil der Personen, die unter der Armutsgrenze leben. Die Grenze wird mit 60 % des durchschnittlichen Einkommens berechnet.
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teilgenommen und wohnen im Allgemeinen auch in Wohnungen mit Bad oder Dusche und Sammelheizung. Dennoch gibt es mehrere Defizite, die ihrer ökonomischen Lage und ihren größeren Haushalten (3,1 Personen pro Haushalt der ausländischen gegenüber 2,1 Personen der deutschen Haushalte in 2006) entsprechen und auch mit Diskriminierung auf dem privaten Wohnungsmarkt zu tun haben (Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2007: 154):
AusländerInnen haben im Gesamtdurchschnitt eine geringere Wohnfläche zur Verfügung: 30 qm pro Kopf gegenüber 45 qm bei Deutschen. Ihre Wohnfläche nur in Mieterhaushalten ist noch geringer: 27 qm gegenüber 41 qm pro Kopf der Deutschen im Durchschnitt aller Mieterhaushalte (Stand: 2006, Statistisches Bundesamt 2007). AusländerInnen wohnen hauptsächlich zur Miete und sind seltener Eigentümer. Die Eigentümerquote liegt bei ihnen bei 24 % gegenüber 43 % aller Haushalte und dies trotz einer Steigerung zwischen 1998 und 2006 um 10 %. Nur durch Kauf oder Neubau haben sich viele ausländische Haushalte überhaupt adäquaten Wohnraum schaffen können (vgl. Bursa 2007). AusländerInnen haben eine höhere Mietbelastung: Ihre durchschnittliche Miethöhe pro qm ist zwar etwas niedriger als im Gesamtdurchschnitt (6,12 EUR gegenüber 6,21 EUR Bruttokaltmiete), ihre Mietbelastung ist jedoch relativ höher, denn da sie sich als Mietergruppe überdurchschnittlich im niedrigen Einkommenssegment befinden (s. o.) sind sie von den hohen Mietbelastungen dieser Einkommensgruppe betroffen, die 42 % ihres Einkommens für die Bruttokaltmiete ausgeben muss. AusländerInnen wohnen häufiger in (groß-)städtischen benachteiligten Nachbarschaften: 39 % der Ausländer leben in den 38 deutschen Großstädten mit mehr als 200.000 Einwohnern und stellen dort im Durchschnitt 15 % der Bevölkerung. Sie leben dabei überproportional in Stadtteilen mit hoher Konzentration von städtebaulichen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen und entsprechenden Mängeln am Gebäudebestand und im Wohnumfeld. Entsprechend sind sie in den guten Wohnbeständen (mit Balkon/Terrasse) unterproportional und in den schlechtesten Wohnbeständen (mit Kohlenheizung, ohne Bad) überproportional vertreten. (vgl. BMAS 2008: 152ff., Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2007: 85ff., Statistisches Bundesamt 2006b)
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Gesundheit Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Ausbildung, entsprechender Berufstätigkeit (ungelernt, Schicht-, Schwerstarbeit u. a.) sowie Krankheitshäufigkeit und bestimmten Krankheitsbildern. Auch wenn die Krankenkassen den Migranten insgesamt eine etwas bessere Gesundheit als den Deutschstämmigen bescheinigen, so haben die durchschnittlich höheren körperlichen Belastungen am Arbeitsplatz, niedrige Einkommen und psychische Belastungen ihren Tribut verlangt: AusländerInnen sind bei diversen Krankheitsbildern höher belastet, vor allem bei Herz-Kreislauferkrankungen, Rückenbeschwerden und Nervenerkrankungen. Diese (teilweise auch altersbedingten) Erscheinungen treten generell zeitlich früher bei der Migrantenbevölkerung auf als bei der vergleichbaren deutschstämmigen Bevölkerung (vgl. BMAS 2008: 152ff., Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2005: 116ff.). Alle beschriebenen Tatbestände wirken auf und gelten für die älteren Migranten und Migrantinnen in besonderer Weise. Der 6. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2005: 102ff.) bezeichnete diese als die zukünftig am stärksten von Armut gefährdete Gruppe. Vom Anstieg des Armutsrisikos, so die Statistik, sind vor allem Alte, Junge und Frauen (mit 34 %, Stand 2003) bedroht. Seit 2003 erhalten Rentner bei Bedürftigkeit die sogenannte ‚Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung‘ (SBG XII) und darunter waren bereits 2003 24 % AusländerInnen. (Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2005: 102ff.) 4 Lebens- und Wohnsituation älterer Migrantinnen An den allein stehenden älteren Frauen lässt sich in besonderer Weise die prekäre Lebens- und Wohnsituation der Migranten und Migrantinnen im Alter ablesen. Als Alleinstehende, Geschiedene oder Verwitwete sind sie, wenn sie nicht mehr in das Solidaritätsmodell Familie und Ehe eingebettet sind, besonders im Alter in einer schwierigen Lage (vgl. Matthäi 2004). In der Öffentlichkeit hält sich vor allem das Bild der ‚fremden Frau‘ (Farrokhzad 2006), der Frau mit dem Kopftuch. Migrantinnen werden in den Medien mit Vorliebe als Opfer häuslicher Gewalt, von Menschenhandel, Prostitution und Beschneidung vorgeführt. Vor allem Türkinnen und andere Muslima werden als rückständig und fremdbestimmt, als Opfer von Zwangsheirat und Ehrenmord dargestellt. Aber es gibt nicht ‚die Türkin‘, ‚die Griechin‘ ‚die Portugiesin‘, ebenso wenig wie es ‚die Deutsche‘ gibt. Wie viel ‚Fremdheit‘ wirklich besteht und wie viel ‚Annäherung‘ inzwischen stattgefunden hat bezüglich der Familienund Ehevorstellungen, der Erziehung der Kinder und individueller Lebensentwürfe, ist in mehreren Studien nachgewiesen, dennoch halten sich die Vorurteile hartnäckig (vgl. Boos-Nünning/Karakasoglu 2005, Karakasoglu/Waltz 2002).
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Auch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2007: 124ff.) beschäftigt sich in ihrem 7. Bericht bei ihren Vorschlägen zur Integrationspolitik für Migrantinnen vorrangig mit den Themen häusliche Gewalt, Genitalverstümmelung, Frauenhandel und Zwangsverheiratung. Wenn dies auch wichtige und notwendige Themen von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungspolitik und -gesetzen sein müssen, verschwindet dahinter doch leider die Dringlichkeit sozialpolitischer Verantwortung für die älteren und besonders die allein stehenden Migrantinnen, die eine zentrale Rolle im wirtschaftlichen Aufbau der Bundesrepublik eingenommen haben und so wichtig für die Integration der folgenden Generationen waren und sind. Seit Dietzel-Papakyriakou als erste Wissenschaftlerin die Lage älterer Ausländer untersucht hat (Dietzel-Papakyriakou 1993), liegen uns heute zwei neuere Untersuchungen vor, die einen aktuellen Einblick in die soziale Lage der Frauen unter den Migranten ermöglichen: zum einen ein Forschungsprojekt von Ingrid Matthäi (2004) über die Situation älterer allein stehender Migrantinnen für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und zum anderen ein ausführliches Arbeitspapier von Anja Stichs (2008) zur Arbeitsmarktintegration von Frauen ausländischer Nationalität in Deutschland für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Sie lassen, auch wenn nicht immer repräsentativ, Haupttendenzen zur Lage der Frauen mit Migrationserfahrungen erkennen. Die Studie von Stichs unterscheidet zwischen den Generationen und die Aussagen über ausländische Frauen der ersten Generation sind durchaus mit der Befragung älterer Migrantinnen in der Studie von Matthäi vergleichbar. Die Studie von Stichs fragt vornehmlich nach der Erwerbsbeteiligung von Frauen im Rahmen einer ‚Repräsentativbefragung ausgewählter Migrantengruppen‘ (RAM) von 3.996 Personen im Alter von 15 bis unter 80 Jahren aus der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien, Italien, Griechenland und Polen, darunter 1.316 Frauen. In beiden Untersuchungen stellen die Türkinnen jeweils die größte Vergleichsgruppe. Da in mehreren Themenbereichen dieser Untersuchung vergleichend nach den Bedingungen der ersten Generation gefragt wird, finden sich auch hier Hinweise auf die Lage der älteren Migrantinnen. Als erste Generation gelten hier Frauen, die mit sieben Jahren oder später eingereist sind und keine Schulausbildung in Deutschland erhalten haben. Ökonomische Lage, Beschäftigung und Einkommen Generell ist die Frauenerwerbsquote der ausländischen Frauen mit 41,7 % geringer als die der ausländischen Männer mit 61,5 %, und etwas geringer als die der deutschen Frauen mit 43,2 % (Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2005: 29ff.). Frauen der ersten Generation weisen über alle Herkunftsgruppen hinweg ein deutlich schlechteres Qualifikationsprofil
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auf als Frauen der zweiten Generation oder auch deutsche Frauen, damit verfügen sie über ein schlechteres Schulbildungsniveau (67,8 % der Befragten der ersten Generation haben keinen Schulabschluss) und sind entsprechend schlechter auf dem Arbeitsmarkt positioniert gegenüber den ausländischen Männern und auch den deutschen Frauen. (Stichs 2008: 5ff.) (siehe Tabelle 1) Tabelle 1: Migratinnen der ersten Generation nach Stellung im Beruf in Prozent (Auswahl) Un-/angeFach-/ einfache lernte Vorarbeiterin Angestellte Arbeiterin Meisterin 52,3 4,9 13,2 Quelle: RAM 2006/2007 in: Stichs 2008: 41
Angestellte qualif. Tatigkeit 18,7
Selbständig/Akademikerin 9,9
Türkische Frauen haben es generell noch einmal schwerer, sie sind in der ersten Generation mit 83,7 % und in der zweiten Generation noch mit 40 % als un- oder angelernte Arbeiterinnen tätig und damit wesentlich öfter als der Durchschnitt und die Migrantinnen anderer Länder (ebd.: 42). Es kommt hinzu, dass im Durchschnitt auch noch 2008 nur 18 % aller der in der Stchs-Studie befragten Frauen in Vollzeit arbeiten, fast 20 % in Teilzeit und 36,5 % sind Hausfrauen. Bei allen hat außerdem die Familiengröße erheblichen Einfluss auf die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit: Ab drei Kindern nimmt, wie auch bei deutschen Frauen üblich, die Erwerbstätigkeit ab. Wenn auch in der jungen Generation die Familie mit zwei Kindern vorherrschendes Ideal ist (vgl. Boos-Nünning/Karakasoglu 2006), so ist doch die Familie mit drei und mehr Kindern unter den Befragten und vor allem den türkischen Frauen keine Seltenheit (siehe Tabellen 2 und 3). Entsprechend hat die Ehe für alle noch relativ hohe Bedeutung: 80 % bei den befragten 25-64-Jährigen (Stichs 2008: 17). Tabelle 2: Migratinnen der ersten Generation nach Art der Hauptbeschäftigung und Nationalität in Prozent (Auswahl) Nationalität Ehem. Italien GrieJugosl. chenland Vollzeit 11,9 23,2 20,1 32,2 Teilzeit 14,3 22,1 26,5 19,9 arbeitslos 10,7 10,7 11,5 9,6 Hausfrau 49,2 27,4 24,8 21,2 Quelle: RAM 2007/2008 in: Stichs 2008: 11 Hauptbeschäftigung
Türkei
Polen
gesamt
18,0 27,0 9,0 30,7
18,0 19,6 10,5 26,5
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Tabelle 3: Migratinnen der ersten Generation nach Kinderzahl und Nationalität in Prozent (Auswahl) Nationalität Ehem. Italien GrieJugosl. chenland 3-5 Kinder 41,2 17,5 23,7 20,7 6 u. mehr 3,8 0,9 0,4 Quelle: RAM 2006/2007 in: Stichs 2008: 19 Kinderzahl
Türkei
Polen
gesamt
8,6 -
28,0 1,9
Die hier deutlich gewordenen strukturellen Voraussetzungen der ersten Generation schlagen sich in ihrer wirtschaftlichen Situation nieder. Sie sind als Frauen und als Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Während deutsche Frauen mit 54 % mit einem monatlichen Durchschnittseinkommen von unter 1.100 EUR auskommen bzw. die Familie unterstützen, sind es bei den Frauen mit Migrationshintergrund deutlich mehr, nämlich 2006 67 % (Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2007: 116f.). Nach dem SOEP von 2003 lebten 24 % aller Migrantinnen unter der Armutsrisikogrenze gegenüber 21 % der ausländischen Männer. Die Sozialhilfequote bei ausländischen Frauen betrug 9,4 % gegenüber 3,2 % der deutschen Frauen und 7,5 % der ausländischen Männer (Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2005: 39f.) Bei den ab 65-jährigen ausländischen Frauen ist 2006 jede sechste auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angewiesen, gegenüber 10 % der ausländischen Männer und gegenüber 1,4 % der deutschen Männer und 2,2 % der deutschen Frauen (BMAS 2008: 139f.). Wohnen Im Vergleich zur älteren deutschstämmigen Bevölkerung leben ältere Migrantinnen und Migranten in kleineren und bescheidener ausgestatteten Wohnungen. Über 40 % der über 65-Jährigen gegenüber mehr als der Hälfte der Deutschen lebt in Einpersonenhaushalten. Darunter befinden sich zunehmend, wie bei den Deutschen auch, Frauen. In den Mehrpersonenhaushalten der älteren, insbesondere der türkischen Migranten und Migrantinnen der ersten Generation leben häufig mehrere Generationen zusammen. Generell trifft für alle Migranten und Migrantinnen die bereits o. g. Enge und mangelnde Qualität der Wohnung und im Wohnumfeld zu. (vgl. Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2005: 116ff.)
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5 Allein stehende ältere Migrantinnen Über die Lebenssituation speziell der allein stehenden Frauen aus der ersten Generation ist relativ wenig bekannt, dabei sind auch sie eine zunehmende Größe in der Migrationsbevölkerung, entweder allein stehend seit Beginn des Aufenthalts in Deutschland oder als Geschiedene oder Verwitwete. Die Studie von Matthäi (2004) befragt 76 allein stehende Frauen aus den vier ehemaligen Hauptanwerbestaaten Türkei, Italien, Griechenland und dem ehemaligen Jugoslawien für West-Deutschland sowie Vietnam für die ehemalige DDR. Bei den Befragten handelt es sich um allein stehende Frauen im Alter ab 50 Jahren, die ledig, verwitwet, geschieden oder dauerhaft getrennt lebend sind, davon ist etwa ein Drittel zwischen 60 und 69 Jahren, jede zehnte der Befragten ist bereits 70 Jahre oder älter. Das Gros der Befragten kam bereits vor dem Anwerbestopp im Jahr 1973 in die Bundesrepublik. Im Folgenden werden Befunde aus dieser qualitativen Studie vorgestellt (vgl. Matthäi 2004). Wirtschaftliche Situation Die befragten allein stehenden Migrantinnen gehören zu der von Armut besonders gefährdeten Risikogruppe. Die Studie belegt, dass auch hier ganz unterschiedliche Lebenslagen vorliegen und dass diese Gruppe – trotz ihrer o. g. wirtschaftlich prekären Lage – weder generell als hilflos und isoliert anzusehen ist, noch resigniert einen völligen Rückzug in die eigene Ethnie angetreten hat, wie allgemein behauptet wird. Auch hier spielen Bildung und Erwerbsleben, Familienzusammenhang und Sprachkenntnisse eine Rolle. Dies entscheidet darüber, ob und wie die allein stehenden Frauen sozial abgesichert sind und wie sie am sozialen Leben ihres Umfeldes teilnehmen können und seltener ihre ethnische Zugehörigkeit. Immerhin leben allein stehende Migrantinnen weniger als deutschstämmige Frauen tatsächlich allein. Vor allem in traditionellen Familien der türkischen, ex-jugoslawischen und der vietnamesischen Gemeinde haben etwa die verwitweten Frauen eine relativ hohe ökonomische und soziale Absicherung, wenn auch um den Preis eines vielfach beengten Wohnzusammenhangs bei erheblichen Hilfeleistungen bei der Betreuung der Enkel und im Haushalt. Neun von zehn befragten Migrantinnen haben eigene Nachkommen und bei knapp zwei Dritteln leben die Kinder in Deutschland und überwiegend räumlich in relativ naher Nachbarschaft. Nur jede neunte Mutter lebt allein. Die Frauen, die aus verschiedenen Gründen bereits als Alleinstehende nach Deutschland ausgewandert sind, können sich, was ihre soziale Einbindung angeht, auf ihre jahrelangen Erfahrungen als Alleinstehende stützen, sind vielfach in Selbsthilfeprojekten und bürgerschaftlich aktiv. Diese sind bei durchgängiger Erwerbsarbeitsbiografie auch weniger vom Armutsrisiko betroffen.
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Armutsrisiken und Isolation bekommen dann erdrückendes Gewicht, wenn etwa durch Scheidung oder nach dem Tod des Ehemannes und Familienvorstandes der Familienzusammenhang und das ‚bewährte‘ Modell der Versorgungsehe nicht mehr gewährleistet ist. Auch die moderne Lebensauffassung der jüngeren Generation stellt zunehmend das traditionelle Loyalitätsprinzip gegenüber den Eltern und Großeltern in Frage. Vor allem Geschiedene sind die ‚ökonomischen Verliererinnen‘ unter den älteren Migrantinnen. Relativ gut abgesichert ist nur die relativ kleine Gruppe der Witwen mit doppelten Rentenbezügen und mit Ansprüchen z. B. aus der Knappschaftsrentenversicherung oder Hinterbliebenenansprüchen aus Betriebsrenten (vgl. Matthäi 2006: 2f.). Wohnen Die überwiegende Mehrheit der Befragten lebt in Mietwohnungen mit den bereits genannten Defiziten, wobei jede Fünfte wegen ihres niedrigen Einkommens auf Wohngeldzuschuss angewiesen ist, auch weil viele mit überhöhten Mietforderungen konfrontiert sind. Über Wohneigentum in Deutschland verfügt jede fünfte der Befragten, allerdings mit unklaren realen Eigentumsverhältnissen, weil Finanzierung und Instandsetzung als generationsübergreifendes Projekt begriffen wird. Da die Immobilie zum Zeitpunkt des Kaufs zumeist in sanierungsbedürftigem Zustand war, ist der Instandsetzungsbedarf jeweils erheblich und belastet die Familie weiterhin. Die Mehrgenerationenhaushalte leben mehrheitlich im selbstgenutzten Eigentum. Allerdings klagen viele ältere Frauen in diesen Haushalten über beengte Wohnverhältnisse, in denen oftmals nicht jedes Familienmitglied über einen eigenen Raum verfügt. Generell kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass zahlreiche allein stehende Migrantinnen im Alter drastische Qualitätseinbußen hinsichtlich des Wohnens und des Wohnumfeldes hinnehmen müssen, weil ihnen ihr Haushaltseinkommen wenig Spielraum lässt und/oder sie auf Grund ihres ‚Ausländerstatus‘ am Wohnungsmarkt benachteiligt oder übervorteilt werden (vgl. Matthäi 2004). 6 Wohnwünsche und Wohnprojekte für alternative Wohnformen Eine Rückkehr in das Herkunftsland ist für die meisten Migranten und Migrantinnen keine Option, eher die eines Pendlerdaseins. Die Mehrzahl der älteren Migranten – wie der Deutschstämmigen – erhofft sich im höheren Alter eine familiäre Pflege, hegt aber nach Aussagen vieler in der Matthäi-Studie befragter Frauen relativ große Zweifel, umfassende Versorgungsleistungen durch Angehörige bekommen zu können. Nur eine Minderheit hat die Gewissheit, dass der ‚Generationenvertrag‘ auch im Pflegefall eingehalten wird. Manche spielen mit dem Gedanken, im Pflegefall doch zurückzukehren, weil dort Pflegehilfe noch eher finanzierbar scheint. Auffällig ist eine geringe Kenntnis über das deutsche
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Pflegesystem und eine große Skepsis gegenüber Altenpflegeeinrichtungen. Dabei sind angesichts der psychischen und physischen Belastungen während der Erwerbsarbeitsphase die Risiken, sehr früh zum Pflegefall zu werden, relativ hoch (Matthäi 2006: 3). Was aber wären Alternativen? Im Folgenden sollen generelle Vorstellungen und daran orientierte Projekte beispielhaft aus Deutschland und den Niederlanden vorgestellt werden. Der seit 20 Jahren aktive Verein für Internationale Freundschaften (ViF) in Dortmund hat im Jahr 2000 ein Projekt zum Wohnen von Migrantinnen und Migranten im Alter vorgeschlagen, das beispielhaft für eine Alternative zum Pflegeheim ist. Die ehemals ‚jungen‘ Mitglieder aus der Türkei, Marokko, Tunesien, Italien und neuerdings Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion gehören inzwischen mehrheitlich bereits zur Rentner- oder Frührentnergeneration. Sie nennen es ‚Mediterranes Wohnen in Gemeinschaft‘, am liebsten generationenübergreifendes Wohnen. Für sie gehören dazu:
eine eigenständige Wohneinheit für jedes Paar oder jede Einzelperson, eine Gemeinschaftsküche mit Gemeinschaftsraum bzw. Lese-/Fernsehraum, Gästezimmer für besuchende Angehörige, die entfernter wohnen, Kinderspielmöglichkeiten für besuchende Enkel, Garten und Freiraum zum gemeinsamen Grillen und Erholen, Pflegediensteinheit, die auch dem umgebenden Quartier Dienste anbieten kann, Versammlungsraum für Informationsveranstaltungen, die auch für das umgebende Quartier angeboten werden können, Einbettung in das Quartier, das sich in der Nähe der ursprünglichen Wohnung und damit in der Nähe der Familie befinden sollte, sowie Park oder Grünanlage möglichst in der Nähe (vgl. website Verein für Internationale Freundschaften).
Diese Vorstellungen sind sicherlich nicht nur migrantenspezifisch, aber sie beschreiben, was nach unseren Kenntnissen allen älteren MigrantInnen wichtig ist: die Nähe zu den Kindern und Enkeln sowie Gemeinsamkeit und Integration im bekannten Stadtteil. Ein 2002 fertiggestelltes Projekt der städtischen Bremer Heimstiftung, das Stiftungsdorf Gröpelingen in Bremen, hat den Gedanken der Nähe und Integration im Stadtteil aufgenommen und ein multikulturelles Zentrum, die Alte Feuerwache des Stadtteils, mit einem Seniorenheim verbunden, in dem 14 der 40 Einund Zweiraumwohnungen in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Interkulturelle Studien vorrangig für türkische ältere Menschen öffentlich gefördert wur-
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den. Der Architekt hatte aus den Gesprächen mit den zukünftigen Bewohnern und Bewohnerinnen, die aus dem Stadtteil kamen, spezielle Wünsche umgesetzt, etwa die Einrichtung und Orientierung von Gebetsnischen und Waschstellen in der Wohnung nach Mekka, die Orientierung zum Innenhof, einem halböffentlichen Raum, und Spielmöglichkeiten mit den Enkeln im Hof und im Haus (vgl. ILS 2005, website Bremer Heimstiftung). Ethnisch orientiert ist auch das Projekt Haus am Sandberg in Duisburg, mit dem das Deutsche Rote Kreuz seit 1997 ausdrücklich eine interethnische Ausrichtung dieser vollstationären Altenhilfeeinrichtung mit 72 Ein- oder Zweibettzimmern anbietet. Was wird als interethnisch verstanden? Von den 90 Beschäftigten sind 14 türkischer Herkunft, weitere kommen aus Russland und Kasachstan. Für alle ist interkulturelle Weiterbildung verbindlich, auch Sprachunterricht. Es gibt eine international ausgerichtete Küchenverpflegung, eine internationale Bibliothek, Gebetsräume für Christen und Muslime, regelmäßige Gottesdienste und Koranlesungen. Wöchentlich findet ein sog. ‚mediterraner Markt‘ statt, alle Feste der Nationen werden gemeinsam gefeiert, es gibt regelmäßig ein multikulturelles Kulturangebot (vgl. website Deutsches Rotes Kreuz 2007). Ein alternatives Wohnprojekt, etwa ein Gemeinschaftsprojekt, gibt es in NRW bis heute noch nicht. Die Landesregierung hält dies aber für eine Zukunftsaufgabe (Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW 2007: 80). In den Niederlanden, wo die ethnische Orientierung Tradition hat, gibt es entsprechend viele ethnische Wohnprojekte, darunter auch für ältere Migrantinnen. Wenige, so genannte ‚Känguruh‘-Wohnungen, umfassen eine große und eine kleine Wohnung als Ensemble, darauf zugeschnitten, dass die Älteren mit der nächsten Generation zusammenleben können. Es geht bei all diesen Projekten um die Anerkennung des Wunsches, dass man im Alter gern mit Menschen derselben Sprache, Kultur und Herkunft zusammenlebt, obwohl in den Niederlanden eigentlich alle Migranten unterstützt niederländisch lernen können und auch sprechen. Wohngruppenprojekte für ‚Allochthone‘3 sind eine Antwort auf die Tatsache, dass der Wunsch von den Nachkommen gepflegt und betreut zu werden, nicht mehr selbstverständlich zu erfüllen ist. Die Initiative und Begleitung durch allochthone Vereine und Initiativen, auch wenn Bauherren zumeist Institutionen der städtischen oder privaten Wohnungswirtschaft sind, ist eine wichtige und für die Niederlande typische Voraussetzung gelingender Projekte. Darunter sind Neubauprojekte mit besonderem Zuschnitt auf eine Gruppe (z. B. ‚Wi Kontren‘ in Amsterdam), Projekte in bestehenden Alteneinrichtungen mit 3
In der niederländischen Statistik wird als ,Allochthon’ jemand bezeichnet, bei dem mindestens ein Elternteil im Ausland geboren ist. 10 % der Bevölkerung sind Allochthone nicht westlicher Herkunft, insgesamt sind es 1,6 Mio. Einwohner des Landes.
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Sonderbereichen für eine bestimmte Gruppe (z. B. ‚Pousada‘ in Rotterdam) und Projekte, die Mitglieder einer ethnischen Gruppe in einer gemischten Einrichtung unterbringen und darin Gemeinsamkeiten und Erweiterungen ihrer Gruppe (z. B. Harmonika-Modell) ermöglichen (z. B. ‚Santosa‘ in Rotterdam) (vgl. De Jong 2004). Wi Kontren in Amsterdam umfasst 31 Wohnungen, davon sieben Zweizimmerwohnungen und 24 Dreizimmerwohnungen. Alle Wohnungen sind behindertengerecht. Sie wurden als Ergebnis der Bewohnerbeteiligung von einem surinamesischen Architekten entworfen, mit typischen surinamischen Details wie in den Fenstern mit Jalousien, den traditionellen Farben und einem tropischen Gewächshaus. Die Bewohner sind kreolisch-surinamisch und chinesischsurinamisch, letztere Gruppe pflanzt in eigenen Gärten ihr Gemüse, treibt morgendlich Tai-Chi Gymnastik und auch sonst pflegen alle ihre besonderen Gewohnheiten. Das Projekt wurde realisiert durch die städtische Wohnungswirtschaft, der Bewohnerverein ist Träger und hat die Leitung (De Jong 2004: 5ff.). Die Chinesische Brücke, ein Stiftungsprojekt in Den Haag, bietet seit 1998 Gemeinschaftswohnen für zehn Ehepaare, zehn allein stehende Frauen und drei allein stehende Männer an. Die Stiftung zielt darauf ab, älteren Menschen aus China ein selbständiges Leben zu ermöglichen. Die Senioren sind Stiftungsmitglieder und können Bildungs- und Kulturangebote der Stiftung in der Stadt unentgeltlich nutzen und bekommen dafür z. B. Transportmöglichkeiten gestellt. 18 von ihnen sind älter als 70 Jahre, zehn zwischen 60 und 70 Jahren, fünf Bewohner jünger als 60. Mehr als die Hälfte der Bewohner kommt aus Surinam, zwei aus Indonesien und die übrigen aus China. Drei Viertel der Bewohner werden durch Sozialhilfe unterstützt. Die chinesische Atmosphäre spiegelt sich in den Farben dunkelrot und schwarz an der Außenfassade wider. Ein Architekt chinesischen Ursprungs wurde engagiert. Die Verwaltung ist in den Händen der Bewohnerorganisation (Innovatie programma Wonen en Zorg 2000). Der Hudsonhof in Amsterdam wurde 1998 als multiethnisches Wohnprojekt mit 54 Wohneinheiten gegründet, davon 30 explizit für ältere Menschen aus Marokko, Tunesien und der Türkei, und dies unter Mitarbeit des Vereins ‚evinim‘ (unser Haus). Es gibt zudem Wohngruppen für ältere Menschen aus Portugal und Osteuropa und für alle sowohl gemeinsame als auch innerethnische Einrichtungen, darunter das Gästehaus ‚Misfirhane‘. Die jüngeren Familien sind in die Unterstützung der Älteren einbezogen (Fischer-Krapohl/Gottwald 2007: 153f.). In Deutschland tun sich Wohnungsbaugesellschaften schwer mit Projekten für und mit Migrantinnen und Migranten, auch wenn sich das Vermietungs- und Verkaufsinteresse mehr und mehr auch auf diese Gruppe richtet (vgl. z. B. website GESOBAU). Immer noch geistert die Gefahr einer ‚Parallelgesellschaft‘ in
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der öffentlichen Debatte herum – obwohl die niederländischen Beispiele zeigen, dass es keinen Widerspruch darstellt, an den kulturellen Traditionen festzuhalten und in die deutsche Gesellschaft integriert zu sein. Die Akzeptanz ethnischer Spezifika macht gerade den Erfolg solcher Altenprojekte aus. Innovative Wohnprojekte speziell für ältere Zuwanderer sind deshalb oft Ergebnis innerethnischer Initiativen, leider haben diese es bei der Realisierung schwer. Das Wohnprojekt Grimmelsiepen in Dortmund, das Seniorenwohnungen in Gemeinschaft mit Mehrgenerationenwohnen vorsieht, wartet seit 2002 auf seine Verwirklichung – die integrierte Moschee ist der Stein des städtischen Anstoßes (vgl. website Architekturbüro Karatas). Erfolg versprechend ist das Projekt Pro-Wohnen – Internationales Wohnen Oberhausen-Tackenberg, das sich an Bedürfnissen türkischer älterer Migranten und Migrantinnen ausrichtet. Tackenberg ist ein Stadtteil mit hoher Migrantenkonzentration und einem aktiven Netzwerk von Bewohnerinitiativen, u. a dem Moscheeverein Mevlana, Wohlfahrtsverbänden. sowie türkischen Geschäftsleuten, die an der Projektidee beteiligt sind. Ziel dieses Modellprojektes ist die Realisierung eines altengerechten Neubaus mit besonderem Fokus auf die unterschiedlichen Pendler: Pendler, die übers Jahr kurzzeitig in die Türkei fahren, Pendler, die die Hälfte des Jahres jeweils hier und dort verbringen, und Pendler, die mehr als ein halbes Jahr in der Türkei verweilen. Deshalb werden in diesem Projekt kleine Wohneinheiten angeboten, die selbst bei kurzer Wohndauer pro Jahr und längerer Abwesenheit finanzierbar sind. Das Projekt erfreut sich großer Aufmerksamkeit, wird vom Bund durch das Programm ExWoSt (Experimenteller Wohnungs- und Städtebau) gefördert, durch den WohnBund beraten und die Stadt ist mit Planungsamt, Sozialamt, Migrationsrat und der Koordinierungsstelle ‚Leben im Alter‘ aktiv beteiligt (vgl. Karhoff 2009, Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretungen (LAGA) 2008: 38). Erfolgreich und besonders auf die Bedürfnisse der Bewohner zugeschnitten ist das Projekt Nascha Kwartihra (Unsere Wohnung) für russischsprachige Demenzkranke in Köln. Kooperationspartner ist das Kultur- und Integrationszentrum Phoenix Köln, das von russischen Migranten für russische Migranten betrieben wird. In einer ambulant von der Diakonie betreuten Wohngemeinschaft der Demenzkranken sind die Angehörigen in die Planung mit einbezogen worden und nehmen aktiv am alltäglichen Leben teil. Sie gehen selbstverständlich dort täglich ein und aus. Es wird russisch gesprochen, russisch gekocht und gemeinsam die noch immer relevanten Feste gefeiert. Diese Gemeinschaft der Gleichgesinnten mit gleichen Erfahrungen macht nach den Erfahrungen der Betreuer und Familienmitglieder sogar Erfolge in der Bewältigung der Krankheit möglich (vgl. LAGA 2008: 39f.).
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7 Ausblick Ältere Migranten und Migrantinnen sind heute also durchaus im Blick der Politik, der Sozialarbeit und der eigenen Gemeinden. Die Bewältigung der Probleme im Alter ist genauso wie für die deutschstämmige Bevölkerung ein dringliches Anliegen zukünftiger Stadtplanung und Wohnungspolitik. Auch die Migranten und Migrantinnen werden älter, hochbetagt und damit auch pflegebedürftig. Auch sie möchten so lange wie möglich ein selbständiges Leben führen und schließlich von den Kindern versorgt werden. Auch das ist ein Wunsch, der immer weniger in Erfüllung gehen wird. Deshalb sind Projekte alternativer Wohnformen so dringlich, mit und ohne Verwandte, mit und ohne Deutsche, generationenübergreifend ebenso wie nationenübergreifend, interethnisch und interkulturell. Flexibilität und Vielfalt sind auch hier gefragt. Projektvorbilder gibt es schon, wenn man über den Tellerrand schaut und ausländische Projekte mit in Überlegung und Planung einbezieht. Ein neues europaweites Projekt für Aktives Altern von älteren Menschen mit Zuwanderungsgeschichte in Europa (AAMEE) lässt hoffen, dass die folgenden Ziele auch für Ideen zu neuen Wohnformen gelten und neue Projekte entwickelt werden. Das Projekt zielt darauf ab:
die Lebensleistungen von älteren Menschen mit Zuwanderungsgeschichte anzuerkennen, die Chancen und Potenziale zu verdeutlichen, die ältere Menschen mit Zuwanderungsgeschichte haben und die soziale, kulturelle und wirtschaftliche Integration von älteren Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu fördern. (website Active Ageing of Migrant Elders across Europe).
Das Institut für Gerontologie an der Technischen Universität Dortmund sieht folgende Anforderungen im Handlungsfeld Wohnen und Wohnumfeld. Als allgemeine Zielsetzung sollten die Verbesserung der Wohnsituation älterer Migranten und die interkulturelle Öffnung der Wohnungswirtschaft und der kommunalen Akteure berücksichtigt werden. Themenschwerpunkte könnten sein (Schnabel 2008):
der Neubau, der barrierefreie Umbau, die Integration in das Quartier und Quartiersgestaltung, die Identifizierung und bauliche Umsetzung von kulturellen Besonderheiten, die Miteinbeziehung der Zielgruppe,
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Viktoria Waltz Leuchtturmprojekte sowie die Auswertung von Praxisbeispielen ‚good and best‘.
Für ein erfolgreiches Vorgehen scheint doch vor allem wichtig zu sein, selbstinitiierte und auf die Wünsche der Betroffenen bezogene Wohnprojekte und die Betroffenen und ihre Gemeinden zu fördern und außerdem innerethnische Wohnprojekte als Potenzial zu begreifen und nicht als ‚Parallelgesellschaft‘ zu diskriminieren. Wer Jahrzehnte auf Eigeninitiative angewiesen war, Jahrzehnte ohne besondere Integrationsangebote sich der deutschen Umgebung hat anpassen müssen, hat schließlich auch ein Recht darauf, im Alter seine/ihre kulturellen Wünsche erfüllt zu bekommen.
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Teil 4:
Wohnstandort, räumliche Mobilität und Multilokalität
Dual Career Couples, Gender and Migration Irene Hardill and Dan Wheatley
1 Introduction A growing number of households in advanced capitalist countries like Germany and the UK are striving to achieve upward social mobility through the pursuit of a career (Savage 1988). In some of these households both partners are trying to build careers. These ‘dual career’ households are defined as those in which both partners (that is, two heterosexual adults living as a couple in a two person or larger household) are in managerial and administrative, professional and associated professional and technical occupations; the types of occupation which tend to place particular demands on the individual and emphasise commitment (Erikson and Goldthorpe 1992: 42). In this chapter we focus on the location and mobility decisions of heterosexual dual career households, highlighting in particular the ways in which social mobility (career advancement) and spatial mobility (geographic migration) intertwine for them. We draw on research we have conducted over the last fifteen years within the East Midlands region of the UK. Dual career households form a subset of ‘work rich’ households; both partners have degree/professional qualifications, and are managers or professionals. They receive two salaries sometimes boosted by such things as company cars, private health insurance and performance-related pay. Both partners in dual career households mobilise their cultural and symbolic capital in the pursuit of a career; but can two careers be equally prioritised? We explore careers through the lens of the household, as a site of conflict (of gender roles, labour divisions, allocation of resources etc.) and as a process, being formed, dissolved and reconstituted. Adopting a household focus facilitates the holistic examination of individual labour and housing market decisions. Both partners in dual career households have a deep commitment to the labour market and seek jobs with a high degree of commitment, and an intrinsically demanding character (Rapoport and Rapoport 1976). In dual career households the intertwining of home and work is likely to be particularly complicated since it may require the prioritising of one partner’s career at the expense of the other partner’s career. Moreover, those female partners who are mothers have a stronger attachment to the labour market after childbirth than do mothers in other households. The number of dual career households in the UK increased by over
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300,000 from 1984-1991, totalling over 1.2 million (Hardill, Green and Dudleston 1997: 314), and by 2001 they numbered 2.23 million, or 10 per cent of all households (Wheatley 2008). Clearly, in socio-economic terms, dual career households form a privileged group, better able to compete economically, and exercise their influence in achieving priorities, than many other population groups. After this introduction this chapter is divided into three further sections. Section two focuses on how dual career households juggle work and home. Section three presents the findings of our research on mobility and migration, and finally section four offers discussion and conclusions arising from our research. 2 Dual career households: juggling work and home 2.1 The changing world of work We begin by examining the ways in which changes in the labour market over the last two decades or so have impacted on male and female managers and professionals. Since the 1980s the proportion of women holding managerial and especially professional jobs has increased. In 1974 in the UK, women comprised two per cent of managers, by 1998 the proportion was 18 per cent (Hardill 2002). The proportion of women in some professional occupations has also increased, accounting in 1998 for 64 per cent of teaching professionals; 33 per cent of solicitors holding practising certificates in England and Wales (compared with 20 per cent in 1988); 24 per cent of barristers in 1998, compared with 14 per cent in 1987 (ibid). At the same time economic restructuring has impacted on the world of paid work as economic downturns helped pressure the private sector in the UK into making longer term adaptations to the competitive pressures of economies increasingly organised on a global scale (Sennett 1998). In the UK the public sector has also been substantially changed, which had previously embraced the social security values of European welfare states. As a result, men and women in both the private and public sectors are pursuing careers in a very different working environment from that prevailing previously. Employers have increased their flexibility by replacing permanent workers with those employed in non-standard employment (on a temporary or contract basis) (Beck 1992). The proliferation of these contracts for salaried workers combined with downsizing and white-collar redundancy led Sennett (1998: 120) to comment that a career can no longer be regarded as a ‘well made road’ (see also Beck 1992). Indeed downsizing often results in increased work loads for those staff who remain. Uncertainty is a key defining feature of most people’s career horizons (Sennett 1998), and it is reshaping ‘commitment’ in the form of ‘workaholism’. There has always been an element of flexibility as to the number of hours worked by managers and professionals, but in the UK (and the USA) the overall
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number of hours worked is increasing. This ‘workaholism’ is expressed by ‘presentism’ in the workplace with pressure to arrive at work early and not to be the first person to leave the workplace (Hardill 2002; see also Wheatley, Hardill and Philp 2009). In a study of the merchant banking sector in the UK, for example, a highly developed ‘Protestant’ work ethic exists and many employees (men and women) routinely work between ten and twelve hours a day (McDowell 1997). But stress, disillusionment and dissatisfaction (Scase, Scales and Smith 1998) accompany workaholism, with women managers and professionals recording particularly high stress levels. Working life is also characterised by more and more movement. Mobility (which has been conceptualised as the social nature of movement) and migration are the ‘markers of our time’ (Said 1994). In this chapter we argue that mobility has both social and spatial dimensions. In the ‘new economy’ of the AngloAmerican world the mass timetable of the industrial world, of the ‘9 - 5’ office world, and of silent Sundays, has given way to a flexi-time, flexi-place world. The temporal pattern of work has changed in its daily, weekly and monthly rhythms, but so has the ‘spatiality’ of work: for some paid work is undertaken at home, for others there is more cross-border travel, for others more short-term assignments and for others work takes place in cyberspace. Mobility is demanded of salaried workers at a variety of scales of space and time. Increasingly, there is a separation of activity from location, especially paid work from the domain of the workplace, with salaried staff practicing spatial and temporal flexibility with regard to the execution of their paid work tasks. A reconfiguration of the spatial mobility and the temporal flexibility expected of managers and professionals is occurring. For example there is:
an apparent expansion in the spatial horizons of managers and professionals for career development often necessitating international mobility; the blurring of business travel, short term business assignments and residential mobility; trends in the re-arrangement of the spatial and temporal linkages between home and work, mediated by technology and telecommunications, with tasks for paid work undertaken in a variety of locations such as while travelling, whilst at home, and networking whilst socialising; residences increasingly chosen for their access to a number of labour markets (near to motorway hubs, airports).
In the ‘new economy’ the execution of paid work involves more and more movements. The lives of managers and professionals and their households in the UK are being transformed by new movements and mobilities:
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Irene Hardill and Dan Wheatley Commuting flows have become more diffuse and in order to capture their complexity it is important to focus on: the daily, weekly and monthly movements undertaken for the execution of tasks for paid work by managers and professionals; other types of movements as they impinge on the journeys outlined above (such as combining shopping and childcare journeys with work journeys). There also appears to be a blurring of business travel with commuting, residential mobility and migration and there is an increasing use of hotels/rented apartments for business assignments (few days, few weeks, month, year or so), sometimes provided by an employer. Moreover managerial and professional mobility outlined above impacts on residential mobility, with ‘place’ flexibility an increasing feature of life for managers and professionals (Green 1997), as illustrated by ‘commuter’ couples and ‘astronaut’ families1 (Hardill 2002). There is therefore a challenge to the idea of housing as a united space and for some partners weekends involve movements to ‘be together’.
2.2 Households and household arrangements We have already noted the dramatic changes in the world of work, and today family arrangements are diverse, fluid and unresolved, with a broad range of gender and kinship relations, the ‘postmodern family’ (Stacey 1998: 17). There is now a greater choice of lifestyle: to live alone, with a partner or with other individuals; to stay single or marry; to remain in or terminate relationships and subsequently divorce/marry/cohabit; to forgo/postpone childbearing or to have children within/outside marriage or other consensual unions. While there is greater choice, living together remains a conjugal norm, not all dual career households are permanent, they are formed and some are dissolved. Men and women participate in the labour market on a very different basis, and their participation cannot be understood in isolation from their position in kinship and family structures, and their relationship to childbearing and reproduction (Horrell and Humphries 1995). Their positions in paid and unpaid work are mutually determining (McKie, Bowlby and Gregory 1999). For men or women in a co-habiting or married relationship their work in the household or the labour market cannot be fully conceptualised without a clear understanding of household arrangements, decision making and strategies (Wheelock, Baines and Oughton 2000: 1). In each household structure, a whole host of activities and social relations, beyond those associated with paid work, have to be accommo1
Astronaut families, is the term used to describe those families who send their children abroad for education, to acquire educational and cultural capital. The term used is astronaut families and parachute children (for a fuller discussion see Hardill 2002).
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dated and co-ordinated by partners, within particular temporal and spatial constraints. A key spatial constraint on men and women’s lives is the fixed location of the home, within a particular locale (Hanson and Pratt 1995, Jarvis 1999). Household power relations, gender roles and ultimately household structure are deeply embedded within the ‘household-locale nexus’ (Jarvis 1999). Hanson and Pratt (1995: 576) argue that the home-work relationship is both deeply gendered and intimately geographical. Dual career households are arguably the most egalitarian, or potentially so, as both partners have invested in cultural and symbolic capital (of which education is a significant component), as well as having a deep commitment to the labour market as articulated through the pursuit of a career, but the tasks of social reproduction remain a largely female preserve. Some existing literature, largely British (such as Gregson and Lowe 1995), shows that, in general, wealthier dual earner couples do less household labour overall because they can afford to make such substitutions, and that it is this, rather than the male partner doing more unpaid work, that is largely responsible for the reduction in the female partner's burden of unpaid housework. In this latter case, there is something of an illusory character to the perception of equity in task sharing within the household. This means that many women are still left occupying two roles (Anderson, Bechhofer and Kendrick 1994): a situation which has been referred to as the ‘superwoman syndrome’ (see Newell 1993) – or one in which they at least excel outside the home and cope within it (England 1996). Research in the USA (Hochschild 1990) suggests that the increase in the participation of married women in full-time paid employment, in combination with the lack of participation of their partners in the tasks of social reproduction, contributes to the risk of divorce and separation. 2.3 Careers and dual career households Traditionally the term ‘career’ implied some long-term progression, a ladder, or linear promotion, within an occupation, or through a series of occupations involving increasing levels of responsibility at each stage (Evetts 2000). And a career is built upon a knowledge and expertise base usually acquired in higher education and/or vocational qualifications that are general, academic or jobrelated (Bourdieu 1984). The earnings of a non-manual worker do not vary with hours; extra hours are therefore gratis to an employer2 (Schor 1993). They are
2
Some professional groups, such as lower grade hospital doctors do receive extra payments for overtime.
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paid to complete a range of tasks and they exert some autonomy as to how, where and when these tasks are executed. Linear promotion (thereby gaining social mobility) can be achieved through some combination of factors such as length of service, experience, ability and aptitude, and the acquisition of further vocational qualifications (Bailyn 1993). Promotion ladders can be nationally standardised (as in teaching or nursing) or they can be firm- or company-specific. Qualifications and promotions are linked in that occupational qualifications bestow competence on practitioners which is of great significance to the ideology of professionalism (Evetts 2000, Sullivan 1995). Climbing linear managerial/professional career ladders requires individualism (Beck 1992) and competitiveness (Evetts 2000: 60). Research has shown that having a full-time job, an uninterrupted working life, and being seen as promotable through having the ability and commitment (which often involves working long hours) to appear as a viable long-term prospect, are key factors influencing an individual’s career progression. High status, well-paid jobs tend to be organised as full-time, and are therefore generally incompatible with wanting to prioritise both home and work. Moreover the pursuit of two careers can impact negatively on personal relationships as careers require individualism (Beck 1992), an ability to travel ‘light’ (Sennett 1998: 31). The ‘typical’ female career trajectory in the UK has been non-linear, complex and dynamic, characterised by access to fewer choices/options (spatial and temporal) and fewer material resources in their personal lives than men (Epstein et al. 1999). Moreover women in dual career households, even childless women, are more likely to be the ‘trailing spouse’ with the ‘follower’/secondary career, which is unplanned and erratic (Bruegel 1996, Hardill, Green and Dudleston 1997). Household migration thus ranks next to child rearing as an important dampening influence of the life cycle wage evolution of married women (Mincer 1978: 771). Typically for the trailing spouse household migration is not associated with economic betterment and career development that it provides her partner who has the lead career. 2.4 Social mobility and spatial mobility A number of geographers and sociologists have examined the relationship between career advancement (sometimes termed ‘social mobility’) especially for male workers, within the internal labour markets of large organisations and geographic migration (sometimes termed ‘spatial mobility’) between different branches of such multi-site organisations (Green 1997, Savage 1988). This work has placed emphasis on the way in which largely male managers and professionals have built a career, achieving social mobility through spatial mobility, typically involving inter-regional moves, with their female partners as ‘trailing
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spouses’. This work makes clear that different organisational and career structures have different implications for the frequency and patterns of spatial mobility. Savage (1988) captured some of these main differences in his characterisation of three alternative social mobility strategies: 1.
2. 3.
Organisational strategy: in which the individual pursues his/her career by moving upwards through the structure of an individual (often large) organisation; Entrepreneurial strategy: in which a self-employed individual aims to become a small, and possibly large employer of labour; Occupational strategy: in which an individual continually invests in skillsbased (often, but not always, occupationally specific) assets – typically gaining experience with a range of different employers – in order to pursue his/her career within their profession.
New career strategies – in addition to occupational and organisational (Savage 1988, Green and Canny 2003) – are emerging as a result of labour market and household changes, and these include portfolio careers, whereby individuals build their own careers, often involving a range of employers/occupations/experience (Ackers 1998). Second, there has been a considerable growth in the number of people – both men and women – whose legal and contractual status is one of self-employment. But their actual work situation is far from that of the traditional small business owner (Corden and Eardley 1999: 209). Entrepreneurial strategies of self-employment are emerging for managers and professionals (largely male and middle aged). Increased insecurity in job contracts and dissatisfaction with their terms and conditions of employment are resulting in some managers and professionals adopting an entrepreneurial strategy (Sennett 1998). They move from employee to self-employed status, often drawing on their social networks and business contacts using their accumulated skills and expertise. Few employ others and they tend to work from home as “consulting seems the road to independence” (Sennett 1998: 19). David Brooks (2000: 108f.) has suggested that for some people business values are different, “business is not about making money; it’s about doing something you love. Life should be an extended hobby ... in this way business nourishes the whole person”. He suggests that a counter-cultural mental framework has come to the business world (ibid: 111). In a similar vein Beck (2000: 54f.) suggests there is more of a, “cross-over between employer and day labourer, self exploiter and boss on their own account … with the objective of moulding their own lives rather than conquering world markets”. For some therefore making money and maximising profits are not the key motive, and
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Irene Hardill and Dan Wheatley
high-pressure careers and large incomes may be traded in for a less frantic and more creative life by becoming self-employed in a different area of activity (Knowsley 1999). Some women adopt a self-employment strategy partly in an effort to juggle work and home, especially childcare, which in the UK is largely marketised (Drew 1998). For many of them the level of remuneration does not always provide a livelihood for even one person. 3 Juggling work and home: empirical evidence from the East Midlands As was mentioned in the introduction in this chapter we draw on the empirical findings from two research projects undertaken over the last fifteen years within the East Midlands region of England. Nottingham is one of the key cities in the East Midlands region of England, some 200 km to the north of London, near to the M1 motorway; a journey of one and a half hours by train. Today the city has a population of over 280,000, but the city’s sphere of influence extends beyond it’s administrative boundaries, and because of this Greater Nottingham can be identified, with a population of almost 640,000. Since the establishment of regional governance structures in England in 1999, it has become the regional capital of the East Midlands (Hardill, Bentley and Cuthbert 2006). Analyses of published statistics reveal that at the regional scale the incidence of dual career households in the East Midlands is similar to the national average. The first project which was an in-depth study of the location and mobility decisions of dual career households, funded by the Leverhulme Trust in 1994 1995, was undertaken by Irene Hardill, Anne Green and David Owen. The second, ‘Working 9 to 5? Complex patterns of Time Allocation among Managers and Professionals in Dual Career Households’, was a PhD funded by the UK Economic and Social Research Council undertaken by Dan Wheatley at Nottingham Trent University, who replicated the in-depth study under the supervision of Irene Hardill. The data were collected in 2006. In these studies the Personnel Directors of a range of organisations based in Nottingham were approached to help in the identification of dual career households. These organisations were drawn from the private, public and voluntary and community sectors. In this way we gained access to staff in a relatively comprehensive range of managerial, professional and associated occupations. Each of the participating organisations has a different organisational structure, and hence the internal labour market conditions are somewhat different. In each of the dual career households identified, at least one partner was employed at a Nottingham base by one of the stakeholder employers. The other partner could have worked for any employer (or indeed work in a self-employed capacity) in any location.
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The 136 (first study) and 81 (second study) participating households first completed a semi-structured self-completion questionnaire (for a fuller discussion of the methods see Hardill et al. 1999). The questionnaire schedule was in three parts, with sections on each career, including jobs held and places of residence, educational attainment and ‘their’ career (general household information). A subset of those who completed the survey element of the research also participated in the in-depth qualitative interviews. Each partner was interviewed separately. By using qualitative research methods the interrelated cultural, social, political and economic complexities of dual career households have been mapped. We used lay discourse (i.e., the lived experience of the research participants) to construct qualitative and experiential narratives of the different needs, experiences and lifestyles of dual career households. Relative to other ‘work rich’ households, dual career households are more likely to: have both partners in full-time employment; travel longer distances to work; have two or more cars; be characterised by both partners travelling to work by car; live in the owner-occupied sector; (For further details regarding these characteristics see Green 1997, Wheatley 2008). For career advancement a willingness to be mobile, including to migrate, is often a pre-requisite. Previous studies have emphasised the importance of job-related reasons for long distance moves, and of such moves being, “a very positive agent of spiralism for the middle classes” (Savage 1988: 565). Such terms as ‘middle class cosmopolitan’ or ‘spiralist’ have been coined to describe upwardly mobile, largely male managers and professionals. In the remaining part of this chapter we look at the impact of career strategies of him on her, vice versa and on the household (their lives together). 3.1 Careers Dual career households have to make decisions (either consciously or unconsciously) about whether to pursue both careers equally, whose career should take precedence, and when. Such decisions inevitably involve compromise. Decisions about household migration and location implicitly involve conflict of interests between different household members (Bruegel 1996, Hardill, Green and Dudleston 1997, Hardill et al. 1999). Using the in-depth interview results from the first study (Hardill, Green and Dudleston 1997) an attempt was made to designate one partner as ‘leader’ and one as ‘follower’ in accordance with whether one career
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could be identified as leading (i.e. receiving first priority) in household location and mobility decisions. The 30 case study households included 19 instances of ‘him leading’, five instances of ‘her leading’ and in six cases no ‘lead’ career could be identified – in such cases both partners were designated as having careers of equal weighting. In the words of one male ‘leader’: “the job opportunity was king … everything else was secondary … it was what I was doing that determined where we live”. Some female ‘followers’ said they were content, for example: “I have always put his work first because I can always make mine fit in”. However, the majority of the ‘followers’ were less happy and expressed frustration about the ‘sacrifices’ they have made. Many of the male ‘leaders’ were only too well aware of the ‘sacrifices’ of the followers: one said “it is fair to say that at every turn she has sacrificed her career”; while another said, “she has had to compromise and I haven’t”. In order to offset the extent of the sacrifice/compromise borne by the ‘follower’, in some instances the ‘leader’ was subject to the ‘followers’ veto; one ‘leader’ specifically used the term ‘veto’, while another said “I did not take employment in areas of the country perceived as difficult” for his partner’s career. Another way of exploring career prioritisation within dual career households is by the hours per week each partner devotes to paid work. On the basis of hours worked by each individual in relation to his/her partner, again we use the Leverhulme case study households for illustrative purposes and have divided them into three groups. In the first group, ‘male workaholics’: the male partner's career was prioritised, with him working over 60 hours per week and undertaking very few of the tasks of social reproduction, while his female partner worked shorter hours and took virtually all the responsibility for the tasks of social reproduction. In these households the women were more likely to work in a parttime capacity in female-dominated professional jobs, such as teaching and nursing, than in the other groups of dual career households identified. It is this group that is characterised by work patterns most akin to those described by Henry and Massey (1995). This group accounted for a quarter of the households in the first British study. The second and third groups represent variations on ‘equal partners’ model. A degree of distinction is made between the second group, in which both partners invested much time and energy in their respective careers, working considerably longer than their contracted hours. And the third group in which both partners worked only slightly longer than their contractual hours. In the majority of group two households where there were dependent children, some of the tasks of social reproduction were commodified, by hiring a cleaner, child-minder, nanny, etc. (as highlighted by Gregson and Lowe (1994) in their study of dual
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career households in North East and South East England). Group two and three households accounted for a half and a quarter, respectively, of those included in the British case study. While work-time remains a key issue for many couples in Nottingham (see Wheatley 2008, Wheatley, Hardill and Philp 2009), many couples also juggle lengthy commutes. Turning specifically to the results of the second study (using data collected during 2006), it is evident that while the working hours of women managers and professionals have increased over the last decade, resulting in work-time similar to that of their male counterparts, their lives remain spatially constrained. This is perhaps best illustrated in respect to their commuting behaviours. Figure 1:
Complex commutes in Nottingham
Stephen and Trudy Stephen (a professional working in higher education) commutes around 50 km each way per day, requiring him to leave his home at around 6:30 am, returning around 7 pm. Within this household Trudy (a professional employed by a city authority) is employed full-time but must fit the school-run into her commute, requiring the use of flexible working arrangements. Alan and Sarah Alan (a manager at an optical retailer) and Sarah (a manager working in communications) live in the city centre of Nottingham. Sarah makes a short five minute walk from her home to her workplace. Alan, although undertaking a short journey uses a car to make a short drive out of the city centre each morning to his workplace approximately five km away. Daniel and Rachel Daniel (a solicitor) and Rachel (a manager working in local government) are a couple household located close to a transport hub. Rachel commutes eight km each way per day using a car, while Daniel drives to his local train station and takes a train to his workplace location 30 km away in the city centre of Nottingham. Males in both managerial and professional occupations are likely to undertake longer distance journeys to work (22.8 km for managers and 27.7 km for professionals) than their female managerial and professional counterparts (who commute 13.8 km and 23.7 km on average). The commutes of women partners often combine tasks of social reproduction, such as collecting shopping, taking or
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collecting children to and from school. The 2006 Nottingham study provides a range of examples of this pattern of activity, including that of Stephen and Trudy (see figure 1). Stephen’s job search area is much larger than Trudy’s because of the prioritisation of his career. Moreover she undertakes the majority of household tasks, including the school run with little input from Stephen. This severely limits Trudy’s job search area, as she must juggle paid employment with the range of tasks of social reproduction within the household. Similarly, Daniel and Rachel are a childless couple and have located close to a transport node to afford access to a range of labour markets, Rachel drives only a short distance to work, often fitting in shopping or some other household task on the way home, while Daniel performs a multi-part journey to Nottingham each day which takes around 2 hours in total (to and from work). However, it should be noted that not all couples follow this model. For example, Alan and Sarah made a conscious decision to locate in the heart of Nottingham’s city centre to avoid extensive commuting. However, this decision was made as a childless couple, and both partners suggested they may move out of the city when they start a family. Further evidence from the research conducted in Nottingham in 2006 highlighted gendered variations in daily mobility. This evidence took the form of patterns of daily movements outside of Local Authority Districts (LADs) for work. Using the 2005 Autumn Labour Force Survey for the UK it was found that these movements were more prominent among males than females, at both national (UK) and regional (East Midlands) levels. Statistical evidence in the form of logistic regression confirmed this trend of spatial entrapment among women, something that flexible working arrangements, it seems, have yet to successfully address (see Wheatley 2009: 223). Many organisations now offer employees greater flexibility in their working patterns, in part to help with the complexities of managing the demands of paid work alongside the demands of home. These include a range of different tools and working arrangements, which include:
annualised hours compressed hours flexi-time job share part-time or reduced hours teleworking term-time working.
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Flexi-time was used by the majority of surveyed organisations. This working arrangement allows employees flexibility in their hours of work, often around a number of core hours (e.g. 10 am - 3 pm). The employer receives key benefits including the opportunity to extend opening hours, allowing greater contact time with clients, and in addition the use of such schemes may allow a reduction in office space, through the use of hot-desking and similar space-sharing working arrangements. In other studies there is evidence that such schemes may reduce absenteeism (Jackson and van der Wielen 1998). That said real barriers exist for employees wishing to make use of this flexibility (Wheatley 2008). One issue highlighted in Nottingham was the conflict between standard workplace practice including peaks of work to meet deadlines and meeting arrangements. Here flexibility was limited as a meeting at 5 pm would constrain employees into a working pattern which may not match their preferred routine. Perhaps of even greater significance, it was found that for those who are dependent upon a car for a commute and/or need access to a car in the execution of their paid work the freedom to work flexibility may be constrained by access to car parking. As one interviewee in the Nottingham sample suggested, “there isn’t enough car parking here…which I think [affects] flexible working for people who work here. I mean theoretically you can arrive at work as late as 10 o’clock, if you arrive after half past 8 however the car park is full” (Human Resource Manager, City Authority). This is particularly problematic for women who fit the ‘school run’ into their daily schedule: “Women who can’t [arrive early] because they have caring responsibilities or they have to go somewhere else first, they feel doubly penalised, because they can’t get a space” (Human Resource Manager, Higher Education). 3.2 Migration decisions Both residential decisions and housing search are intrinsically tied to the household, how it functions as a decision-making unit, and the weighting of power relations with it. The choice of place of residence profoundly affects the careers of both partners. Residential migration is a highly disruptive process for all those involved, particularly in moves involving considerable distances – it disrupts and fragments a household’s social space (Seavers 1999: 151). Moving home for homeowners is an immensely important operation involving serious amounts of debate and discussion for most couples before they eventually reach a decision to move and buy a given property. Moving home involves a series of decisions:
the decision to search for a new house; the area searched;
252
Irene Hardill and Dan Wheatley the type of settlement; type of property considered; size of property; internal layout of the property; and external general appearance/style of property (ibid).
The dominance and relative influence of the partners can change at different stages in the migration process, and it is necessary to distinguish between:
the impetus to move and the actual decision to move; and the general destination area and the specific housing search space (ibid).
Each partner enters the decision process with an image of the desired outcome of the decision, as they perceive it. The areas of disagreement will require the couple to discuss, negotiate, and undertake a series of trade-offs to develop a relative preference or concede their preferences. The impetus to move is often linked to the job market and the pursuit of a career, with residential location strongly related to the male partner’s pattern of commuting, while the job search of the female partner is constrained spatially by the residence as a point of origin (Hanson and Pratt 1995). When asked to describe the decision making process relating to major decisions, especially infrequent lifestyle decisions like house purchase, one man commented, “I don’t actually feel consciously that there is a sort of process by which we sit down and negotiate.” While one woman said, “I’m sure in many relationships there is always a little bit more of one person in any decision than the other.” While the choice of general house location tended to be determined by the ‘lead’ career (see above), when it came to the specific house, this tended to be a joint decision. For example, one man said, “house buying is a bit different because you’ve both got to see it.” Another man said, “we were both looking and then tried to make a joint decision on what we wanted”. Hence, the process of residential decision making for dual career households involves negotiation and compromise. Deciding where home should be located has traditionally been the male partner’s right. In the UK common law made the man head of household and also gave him the authority to choose the marital abode. The female partner was obliged to follow him wherever he went and live under whatever circumstances he chose, with an emphasis on living together and common residence. People’s living arrangements today are very complex, and can be brought about by the prioritisation of both careers, when the female partner wishes to take a job away
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from ‘home’, or wishes to remain in an attractive job in the present location if the spouse is offered an attractive job elsewhere. The commuting lifestyle is characterised by an almost total compartmentalisation of work and home life. ‘Commuter marriage’ is a situation in which the couple decides to ‘live together apart’ (Winfield 1985: 4). They have two homes; there are patterns of rent-rent, own-own, own-rent, rent-own, with town houses, condominiums, suburban single-family homes, sharing with parents or family, hotel rooms, apartments. Commuter couples who maintain two residences may not pool resources for the running of the two residences in two cities some distance apart. Separations run a continuum from several days apart each week to a month or so. Some live together apart because of a job relocation as Simon and Samantha did (see figure 2). Figure 2:
Career prioritisation among dual career households
Simon and Samantha Simon (a sales executive) and Samantha (a senior analyst programmer) are in their early thirties, and work full time for the same manufacturing company. They have been together for just over a decade, and met at work when they were both, ‘on a fast-track general management scheme’. Pam and Dave Pam (a paediatric ward sister) and Dave (a nursing lecturer) are in their early forties and have been together since college days in London. They have two children in their early twenties who still live with them. Dave’s career has always been prioritised, and determines where they live. Joanne and Ken Joanne (a doctor) and Ken (a regional sales manager) are in their early forties and met about a decade ago when they both had established careers. Joanne has been married before. They have a five-year-old son at a private school and they employ a nanny. The first spell as a commuter couple lasted 18 months when one partner was relocated to a plant several hundred miles away. They were working for the same organisation, “we didn't have very much choice in the matter. It is always difficult on a Sunday night to tear yourself away” (Samantha). They have also had a second spell, “doing the weekend relationship bit again; we hated the fact that we weren’t living together” (Simon). Samantha commented on the second pe-
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riod, “We knew the only thing permanent was our relationship but despite that he went to London to work as a management consultant and I came to Nottingham”. But in other dual career households living apart is a temporary phenomenon because of short-term assignments (from a few days) some distance from the place of residence of the household. Dave, for example, talked of one foreign assignment when their two children were young. “I was asked to go out to Jordan and teach students who were qualified nurses in a big teaching hospital in Jordan. So I went there for 10 weeks. I think that was probably quite a strain on Pam. She was very good about it. She didn't sort of put a step in the way. It was a very good experience but it was a long time for her”. Sometimes both partners have complex work patterns: “I never stayed away unless I felt my wife was happy with me being away. Because of her job we had to balance commitments between the two of us. Even before the family came along, if she was working I would make sure I was around. We are very much a working partnership” (Ken). Our research also reveals a strong preference for properties in accessible semi-rural locations in central England (such as near to a motorway hub, or to an airport) thereby providing access to several labour markets, for both childless households as well as for those with dependent children, with both partners having access to a car (Green 1997, Hardill, Green and Dudleston 1997). This form of living arrangement is often described as nodal living (Doyle and Nathan 2001: 9, Kloosterman and Musterd 2001: 625, Green, Hogarth and Shackleton 1999: 51, Green 1997). Here the choice of such locations represents a trade off between a longer commute and migration, recognising that migration can adversely affect the career of the trailing spouse partner. In the second study in 2006, almost 12 per cent of the 81 households who participated in the survey reported they had chosen their current residence, as a compromise, somewhere in between partners’ workplace locations. Examples of this form of living arrangement are shown in figure 1, which highlights two specific examples of nodal living among the Nottingham sample, for example households 1 and 6. The households highlighted in figure 1 all live in close proximity to a major transport hub – the M1 – as well as convenient public transport networks between Sheffield and Nottingham/York, and Loughborough and Nottingham. Interestingly, couple 1, Mark and Lisa, who are a professional couple employed as a solicitor, and in higher education respectively, both make use of public transport in their journeys to work. Mark travels from Sheffield to York on the train, while Lisa although undertaking a shorter commute, performs a multi-part journey to Nottingham, driving to the railway station then getting the tram to
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work once off the train. However, performing this sort of multi-part journey on a regular basis is suggested to result in increased levels of stress (as discussed by Williams and Hill 2007, Wener et al. 2003, Koslowsky, Kluger and Reich 1995) and requires substantial inputs of time and effort from the employee. Figure 3:
Commuting trends and examples of nodal living Sheffield => York (94.2 km)
1
Sheffield => Nottingham (77.3 km) Matlock => Nottingham (44.4 km) 4
5 Derbyshire => Nottingham (21 km and 16.4 km)
3
6
Mansfield => Nottingham (22.8 km)
2
Lincoln => Nottingham (61.1 km)
Loughborough => Nottingham (15.7 km)
Loughborough => Banbury (111 km)
Source: Wheatley 2009: 211
Lincoln => Lincoln (1 km)
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Interestingly, figure 3 further highlights the enduring link between gender and proximity between home and work, as the female partners in households 2 and 6 undertake substantially shorter journeys to work than their partners. Household 2, Terry – a professional employed in higher education – and Vanessa – a manager employed by a local authority – are a typical example of this, as parents of two young children, aged six and seven. Vanessa is likely therefore to be limited in her movements, as she must remain flexible in order to fulfil her household and caring responsibilities as Terry undertakes very few of the tasks of social reproduction. In addition examples are given of households who have chosen to live some distance from their workplace in order to retain a preferred living environment (households 4 and 5). Ken and Deirdre (household 4) both work in Nottingham and live in rural Derbyshire. Although they work in the same city they travel independently in separate cars to work as they need the feeling of autonomy as to when to commute. In summary, although women in the surveyed dual career households in the 2006 study were able to maintain a deeper commitment to the labour market than those surveyed in the 1990s, they still occupy the secondary career and lack the spatial mobility of their male partners. 4 Conclusions In this chapter we have noted that in the UK a growing number of households are dual career. Juggling two careers as well as caring for dependent children or elderly relatives creates particular challenges for couples who must manage their long hours of paid employment with unpaid caring ‘work’ within the household (Wheatley, Hardill and Philp 2009). In addition managerial and professional occupations demand mobility, involving substantial daily, weekly and monthly movements, further exacerbating issues of time constraint among these households. Increased mobility is resulting in a blurring of business travel with commuting, residential mobility and even migration. In addition, managerial and professional mobility has real impacts on residential mobility, with ‘place’ flexibility an increasing feature of life for managers and professionals (Green 1997). Indeed, residential movements for paid work are increasingly complex with compromise a key feature among dual career households. That said women, even in dual career households, are more likely to be the ‘trailing spouse’ with the ‘follower’/secondary career, which is unplanned and erratic in relation to that of their male partners (Bruegel 1996, Hardill, Green and Dudleston 1997). The empirical evidence presented in this chapter highlights the complexities of the lives of those partners in dual career households. Daily routines may be constrained by workplace pressures and the requirements of those jobs, not least
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need to have access to their car to enable them to travel during the working day off-site to execute their work tasks. The lives of women partners in dual career households remain constrained by the uneven division of the tasks of social reproduction in the home. They still undertake the majority of these tasks. So while women partners in dual career households now have a deeper commitment to the labour market than in the past they are still left performing two roles, while they excel outside the home, they must cope within it (England 1996).
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Residing at multiple locations for job reasons: dwelling conditions, housing needs, and residential location of men and women in a multilocational way of life Darja Reuschke
1 Introduction The working sphere in post-industrial societies has changed profoundly due to the structural shift in the labour markets that encompasses a change in prevailing employment conditions as can be seen in the rising importance of part-time employment and fixed-term employment contracts. In recent years, this labour market flexibilisation, in which insecure employment conditions are embedded, has contributed to higher geographical mobility demands in such a way that not only career starters have been affected but women and men of different educational levels in all stages of their occupational career. A compromise on geographical relocation in the search for work and job promotion has thus become a more salient issue especially among two-earner couples in Germany and other countries in Western Europe today than it was during first modernity. Undoubtedly, women take over an important part regarding the rising complexity of geographical mobility patterns as women’s traditional migration role of a trailing spouse seems to be on trial (Smits, Mulder and Hooimeijer 2003, Van der Klis and Mulder 2008, Hardill 2002). Against the background of changing employment conditions and societal change multilocational living arrangements as solutions for co-location conflicts arising in household settings have attracted increasing interest from both academia and the public in the last couple of years. From a geographical and housing point of view a distinction between two types of residential multilocality must be made in terms of household and centre of life issues: On the one hand, there is commuting between a main residence and a job-induced secondary residence, which is often labelled long-distance weekly commuting in English literature (Green, Hogarth and Shackleton 1999) and Shutteln in the German literature (Schneider and Limmer 2008). On the other hand, sociological researchers pay much attention to couples that do not share their household. In the literature, the kind of partnership arrangement that involves commuting between two separate households, i.e. without a shared
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Darja Reuschke
household, situated either close by in the same city or over long distance in different cities is often labelled living apart together partnerships. This chapter investigates the type of multilocational way of life mentioned first, in which men and women have a secondary residence which he or she uses regularly for work. According to the German Microcensus1, this type of circulation migration has gained in importance in Germany over the last years. For the Federal Republic 357,000 persons with a job-related secondary residence were registered in 2004 (including trainees). This corresponds to an increase of 12 % compared to 1996 (Federal Statistical Office 2005: 61). Further information about the dwelling situation of commuters cannot be derived from Microcensus data. This also applies to the German Socio-Economic Panel (GSOEP)2 and empirical studies conducted to date on job-motivated multilocational household structures, which also do not provide information about the dwelling of commuters. Therefore, little is known about residing in multiple locations for job reasons in contemporary Germany. The aim of the chapter is to explore dwelling conditions, housing needs and residential location of men and women with a job-related secondary residence on an individual level in the context of the type of household concerned. A comparison of dwelling circumstances between the two residences which take objective dwelling characteristics and subjective housing needs into account will give answers to the following major questions: To what extent do the physical setting and preference patterns differ between the two locations? What types of dwelling are in demand as job-used secondary residence? What kind of particular housing preferences are provoked in the multilocational way of life? In this regard, it will be asked whether female and male commuters have distinct dwelling conditions and subjective housing preferences at the job-related secondary residence. A classification of certain types of secondary residence will shed more light on the (contemporary and future) housing demand in cities with a good economic performance, which will therefore possess a substantial amount of job-related secondary residences. For Germany, agglomerations in the economically stronger regions in the south-west, namely Bavaria (Munich), Baden Wuerttemberg (Stuttgart) and North Rhine-Westphalia (Cologne, Dusseldorf), are considered (see Federal Statistical Office 2005: 61). First, a review of the current status of research on multilocational living arrangements from a housing and spatial point of view will be given (section 2). Then the sampling will be explained and a description of the sample will be
1
2
The German Microcensus is a representative annual sample of one percentage of all households in which a commuting survey is included every four years. A representative annual household panel survey of private households.
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given (section 3). Empirical results will be presented in section 4, closing with concluding remarks in section 5. 2 Literature Review of job-induced dual residences and housing Job-induced commuting between two residences has been examined in some surveys in German speaking areas and the UK since the late 1960s, the focus being on regional economic development or activity spaces (Lutz and Kreuz 1968, Breyer 1970, Vielhaber 1987, Junker 1992, Hackl 1992, Hogarth and Daniel 1988). In these empirical studies more or less attention was devoted to housing conditions either at the main residence or at the secondary residence. As Junker (1992) and Hackl (1992) showed for the so called weekly commuting in southern Germany, homeownership and the importance of building the own family house in the home town are a main trigger for running a secondary residence near the workplace in an agglomeration further away. Deeper insights into the living situation at the job-related secondary residence were provided by Vielhaber (1987) in his survey of dual activity spaces in Austria. Here, the provisional way of residing in mass lodgings provided by the employer was the prevalent characteristic of residential multilocality concerning the secondary residence. However, these case studies concentrate on the commuting of lowqualified male workers mainly employed in the building and construction industry from structurally weak regions to labour market centres like Vienna and Munich. The working sphere is therefore strongly related to the fordistic production regime. As regards societal change, the mobile living arrangements were closely connected to traditional gender roles as can be exemplified by means of the male breadwinner model being a crucial part of the living arrangements of the male workers and their family. Even the researcher's point of view is stuck in the traditional gender division of work as becomes apparent in the ex-ante exclusion of female commuters from the sampling by Hogarth and Daniel (1988). Residential multilocality in the light of the ongoing modernisation of society has been examined predominantly since the 1970s in the US in social sciences with respect to couples and socio-psychological effects on partnership and family (see Farris 1978, Gross 1980, Gerstel and Gross 1984, Winfield 1985, Anderson and Spruill 1993). In this regard, dual career couples, i.e. couples with either partner having a strong professional career orientation and a high degree of individual commitment to work (see Hardill and Wheatley in this book), have been an important issue. Since the emphasis of this research has been on couples and families – while singles have been neglected from a sociological and socio-psychological point of view the international literature to date can only provide partial insights on housing issues of multilocational living arrangements and residential location choices at the job-induced secondary residence. Apart
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from the scarce findings on housing issues, most studies draw empirical data on a small and non-random sample. Winfield (1985: 14) describes a diverse housing pattern at both residences in terms of dwelling tenure and dwelling type for the US in which rented dwellings and owner-occupied homes and several types of dwelling like hotel rooms, apartments, town houses, single-family homes, condos and high-rises are involved. Contrary to these multi-faceted housing conditions of commuters, the interviewees (n = 25) in a study on long distance weekly commuting by Green, Hogarth and Shackleton (1999: 27-28) show strong preferences to renting a flat at the job-related secondary residence. This is also true for the commuters in an empirical study by Schneider, Limmer and Ruckdeschel (2002: 97-98) for Germany. The non-randomly selected respondents (n = 106) most often live in rented accommodations both at the main and the secondary residence. Against the background of the differentiation of the labour market and rising geographical mobility demands one may therefore assume a greater importance of rented multifamily housing for the late-modern multilocational way of life in Germany, opposed to substantial influences of owner-occupied housing at the main residence on residential multilocality during the first modernity (Junker 1992, Hackl 1992). Concerning dwelling quality, the housing situation at the secondary residence is described in recent research as “minimalist” housing (Axtner, Birmann and Wiegner 2006), whereas Rolshoven (2007: 19), regarding various types of multilocalists including others than job-induces commuters, argues that the bipolarity of a main and a secondary residence in late-modernity is increasingly blurring. As a result, Rolshoven distinguishes between “double nesters”, who reproduce their main residence in their secondary residence, and “contrasters”, who have a high dwelling quality at the main residence opposed to a sparse dwelling at the secondary residence. This assumption is in line with findings of a study by Van der Klis and Karsten (2005: 11) on the meaning of home in a dual residence situation of commuters in couple households in the Netherlands, in which a broader continuum of job-used secondary residences from “purely functional residence” to “being a full home” in terms of material functions, activity patterns and the social dimension of home becomes apparent. Since the literature on housing choice and relocation mostly regards migration and moves as a housing adjustment process of the (whole) household one can only find some advices for residential choices in a multilocational way of life at the secondary residence. The investigation carried out by Meier (2006) on German expatriate bank employees in London provides some information in this respect. The younger respondents (25 to 30 years old) who opted for a multilocational household organisation purposely chose a flat in the city within walking
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distance to their workplace. Important for their decision was that their workplace and leisure facilities were close-by. This corresponds to findings that the relative residential location, i.e. the distance to other locations, is of greater importance for younger persons and households than for families, for whom site characteristics (e.g. open space amenities) are more important (Mulder and Hooimeijer 1999). Accordingly, the continuous spatial monitoring by the Federal Office for Building and Regional Planning reveals that among in-movers to German cities young persons in single-person households prefer central residential locations while older in-movers in multi-person households tend to move to locations on the outskirts (Sturm and Meyer 2008). It has to be noticed that in such (“representative”) secondary data-sets people who commute between two residences for job reasons are an underrepresented group as they are hardly reachable at their registered main residence. Surveys carried out by Green (1997) and Behnke and Meuser (2005) on dual career couples, however, suggest that because of the high costs of coordinating the multilocational way of life the relative housing location in terms of accessibility to long distance traffic and work trip distance is an important determinant of residential decisions at the secondary residence for commuters, whatever age and household composition. 3 Sample design and sample description The study is based on a quantitative research design. A random sample of people with a secondary residence is drawn from official registers of inhabitants kept by municipalities throughout Germany. Since a central register does not exist in Germany, it was necessary to select particular municipalities as study areas. Furthermore, the register of residence does not give any information about why people are registered at a secondary residence. To ensure that a sufficient number of people with a job-related secondary residence are represented in the random sample, only large cities with metropolitan functions were chosen: Munich (Bavaria), Stuttgart (Baden-Wuerttemberg), Dusseldorf (North Rhine-Westphalia) and the federal capital Berlin. The random sample includes people who at the time of the drawing of the sample were aged 25 to 59, and who moved to the study areas during the last five years and have registered a secondary residence there. As a comparison group, people of the same age group were chosen who had also moved to the study areas at the same period of time but had registered their main residence there. In Stuttgart it was not possible to divide recent movers into main and secondary residences, so that a random sample of people had to be taken of those who either had a main or a secondary residence. The standardised questionnaire was sent out by mail in January 2006. The net random sample amount of all in-movers was 2,007 including 483 people with
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a secondary residence. Out of the latter about half as many (n = 226) could be classified as commuters who commute between two accommodations for work (“commuters”). In brief, significantly more men than women have a job-related secondary residence (61 %). Female commuters are younger than their male counterparts: The median age of women with a job-related secondary residence is 31 years compared to 36 for their male counterparts.3 Men more often than women commute in a partnership with children (31 % vs. 12 %). About 44 % of the female commuters live in a single household; this household composition applies only to almost one third of the men (for further socio-structural characteristics see Reuschke 2009). In the sub-sample of respondents without a further residence, 837 respondents moved over a greater distance ( 50 km) into the study area and are currently employed (”employed long distance movers“). In contrast to the commuter sub-sample the ratio of men to women is almost balanced. The median age, which is 32 years for female employed long distance movers and 34 years for their male counterpart,4 does not differ significantly from the age of the commuter sub-sample. More than one third of employed long distance movers lives in a single-person household (38 %). 4 Empirical Results 4.1 Residential location at the secondary residence In the sample the commuters’ secondary residence is predominantly located in one of the study areas and the main residence lies outside of the chosen metropolises either in another large city (38 %), a medium-sized city (26 %), a small town (15 %) or in a rural village (21 %). Commuters’ accommodations are dispersed in different residential areas of the city at the job-used secondary residence similar to young employed long-distance in-movers in single-person households who moved to one of the study areas with their whole household: the highest percentage of 44 % has their secondary residence in the inner city. More than a third lives in other inner city areas (37 %), and one fifth has their secondary residence on the edge of the city. Consequently, the vast majority of commuters do not live at the job-used secondary residence in areas with pure residential use according to their self-reported housing characteristics. As argued in section 2, the residential location of commuters at their jobused secondary residence (inner city, other inner city areas, on the outskirt) is not determined by the commuters’ age and household composition. Other sociodemographic or socio-economic characteristics do not have an effect on the resi3
4
The lower quartile for women is 29 compared to 30 for men, the upper quartile is 40.5 vs. 46.5, standard deviation for women = 8.3, and SD for men = 9.7. Standard deviation for women = 7.8, and SD for men = 7.9.
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dential location either. Considering all in-movers of the total random sample while excluding commuters, however, several socio-structural effects and influences of the migration biography on the residential location can be detected which have been pointed out in other housing studies (Mulder and Hooimeijer 1999, Bailey 1993, Sturm and Meyer 2008): (1) Young in-movers in singleperson households have moved to the inner city, (2) in-movers in family households tend to live on the outskirts, (3) people with highly qualified positions less often moved to the edge of the city, (4) the higher the number of past interregional moves the higher the propensity for living in the inner city, (5) among all in-movers women less often live on the outskirts, which corresponds to the finding that female in-movers significantly less often live in family households than men do.5 Two findings may contribute to the explanation of the particular residential location patterns of commuters at their secondary residence:
Among commuters those with a secondary residence in the inner city can be distinguished by shorter journey-to-work trip times compared to commuters who live outside the inner city (17.2 minutes vs. 24.8 minutes). At the same time, the residential area in the city is the central explained variable for commuters’ trips to work (travelling time and length).6 After controlling for the dwelling size a correlation between the residential area and the rent is obvious for commuters in that the rent per square meters in other inner city areas is less than in inner city areas and on the edge of the city taken together.
Searching for an inexpensive rented apartment some commuters regardless of age, occupational position, gender, and number of past inter-regional moves might prefer residential location in other inner city areas, while for others work trip times are the crucial point for residential choice. Evidence for a spatial manifestation of strong preferences for a good connection to high speed networks (motorways, long distance railway lines, and airplanes) in the dispersion of the secondary residences over different residential areas of the city is not directly found in the sample as has been argued in section 2. After controlling for other residential environment features (open space environment, infrastructure) the
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It has to be noticed that only the residential location at the time of the survey is known and that residential mobility within the study areas after the respondents have moved to one of the metropolises cannot be detected with the data-set. After controlling for age, gender, per capita income, and occupational position significant at the 0.01 level.
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subjective importance of the transport connection7 provides no additional clarity for the residential location in multivariate analysis. 4.2 Dwelling conditions at the two residences The vast majority of respondents live in rented accommodations at their job-used secondary residence, only 10 % of the male commuters and 8 % of the female commuters live there in a privately owned accommodation. The housing tenure at the main residence shows a completely different picture: More than half of the commuters live there in their own property (58 % men and 54 % women). Accordingly, the dwelling type differs significantly between the two residences: Whereas the highest portion of men and women live in a residential building with more than eight flats at the job-related secondary residence (44 % and 48 % respectively), a single-family house constitutes the main home of 55 % men and 48 % women. For comparison, the present homeownership rate is 42.6 % in West-Germany and 31 % in East-Germany (Federal Ministry of Transport, Building and Urban Affairs 2007: 26). The higher-than-average own-occupied housing especially for male commuters results from the residential location of the main household in suburban areas of agglomerations, smaller towns, and rural villages. Thus, the assumption that multilocational household organisations for job reasons in the late-modern German society are associated with multifamily rented dwelling is only partially confirmed as living in owner-occupied housing at the main residence is dominating the multilocational way of life as it was noticed for Germany in the first modernity (see Hackl 1992, Junker 1992). In the German housing market the housing situation of households is strongly correlated with housing tenure, owners for example have a considerably higher space consumption per person than renters (see Federal Office for Building and Regional Planning 2007: 170). The observed differences in housing tenure therefore may suggest contrasting objective dwelling conditions at the two locations. In fact, the living space consumption is significantly lower at the secondary residence: The median living space for male commuters is 40 sq. m at the secondary residence compared to 120 sq. m at the main residence, which corresponds to 50 sq. m per person. The median space consumption of female commuters amounts to 45 sq. m at the job-used secondary residence and 80 sq. m and 47 sq. m per person respectively at the main residence. According to the average space consumption per person in Germany in 2006 (Federal Office for Building and Regional Planning 2007: 173), the median living space of single-person 7
The subjective importance of the transport connection of the living area was measured by means of a ranking system. In this system respondents were to grade in downward order the local public transport (bus/city railway) and the long distance traffic differentiated into main train station, motorway and airport.
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households who have moved in the last two years is 54 sq. m. Thus, the space consumption of commuters at their job-used secondary residence can be considered as below average. Table 1:
Dwelling quality at both residences, percentage of given dwelling features for men and women job-used secondary residence
room > 30 sq. m separate kitchen workroom guestroom bright rooms comfortable bathroom separate lavatory balcony/terrace garage/parking space n
women 19.8 % 75.6 % 24.0 % 10.5 % 72.0 % 54.7 % 20.9 % 65.0 % 33.7 % 86
men 24.4 % 66.7 % 15.4 % 11.4 % 60.2 % 46.3 % 21.1 % 52.8 % 40.7 % 123
main residence single-person couple/family household household women 46.2 % 79.5 % 51.3 % 33.3 % 84.6 % 64.1 % 35.9 % 61.5 % 56.4 % 39
men 55.6 % 84.4 % 51.1 % 46.7 % 84.4 % 64.4 % 53.3 % 66.7 % 73.3 % 45
women 61.7 % 80.9 % 46.8 % 42.6 % 85.1 % 89.4 % 53.2 % 85.1 % 68.1 % 47
men 67.0 % 91.0 % 68.0 % 55.7 % 89.8 % 85.2 % 71.0 % 89.8 % 73.9 % 88
shaded: average percentage is higher compared to the other residence, p 0.05 Source: author’s calculations
Dual dwelling differences become apparent in greater detail when single dwelling features are considered, as can be seen in table 1, showing the percentage of given dwelling characteristics of male and female commuters at the secondary residence and at the main residence. As the dwelling characteristics at the main residence depend on the household composition a distinction between commuters in single-person households and multi-person households is made for the main residence. For the comparison of the selected dwelling features between the two locations (given or not given) paired t-tests were employed. Significant differences (p 0.05) are shaded in table 1. Dwelling conditions are of considerably lower quality on average at the jobused secondary residence compared to the main residence, whereas the differences between the two locations are greater for men than for women in general and greatest for men in couple or family households. Differences in dwelling conditions are least distinct for women in single-person households. For them the
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differences between the two locations is mainly due to living space features (spacious room, a further room). The varying extent of objective dwelling differences between the two locations by household type results from housing tenure, i.e. the higher proportion of homeowners among commuters in couple or family households. Comparing the average dwelling size and dwelling attributes of the job-used secondary residence of women and men, no significant differences in terms of living space can be noticed, but after controlling for age and household income, women’s accommodation at the workplace more often possesses a balcony/terrace and/or a workroom than men’s secondary residences. The only dwelling feature that shows a broader (but no significant) spread by gender in favour of male commuters is a garage or parking space corresponding to the finding that the accessibility of motorways at the secondary residence is significantly more important for men than it is for women. These preferences refer to gender specific transportation behaviour which is pointed out by a number of geographical mobility studies (e.g. Blumen 1994 and see Flade in this book). A comparison of the dwelling characteristics of commuters, who have their job-used secondary residences in one of the metropolises, with employed long distance movers in single-person households yield no significant differences in objective dwelling conditions for women. In contrast, men with a job-used secondary residence in one of the metropolises have a lower average space consumption than male long distance in-movers in single-person households without dual residences. Due to the smaller dwelling size, the average dwelling quality is also lower with regard to dwelling layout (a further room), dwelling amenity values (bright rooms) and sanitary accessories (separate lavatory).8 4.3 Housing needs at the secondary residence The analyses of housing tenure, size and dwelling features revealed some important differences in objective dwelling conditions at both residences which are especially remarkable for men in couple and family households. Whether housing needs differ similarly between the two locations will be investigated in this section. Apart from preferences for specific dwelling features, housing needs with regard to residential environments will be also considered. In the questionnaire, subjective preferences were measured by a four-item scale ranging from 8
Among the control group the median living space consumption is 54 sq. meters for women and 56 sq. meters for men and thus equals the representative mean of spatially mobile households well (see section 4.2). Control variables for the comparison group analyses: age (in years), per capita income, residential location in the metropolises (inner city, other inner city areas, on the outskirt), p 0.1. To compare, almost one-fifth of male employed long distance movers in single-person households has an additional workroom in his accommodation, about three-fourths report having bright rooms, and one-third has a separate lavatory (compare table 1 for male commuters).
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very unimportant, rather unimportant, rather important to very important. Table 2 sums up the percentage of male and female commuters for whom the selected dwelling characteristics are important or very important for both the secondary residence and the main residence. The evaluations for the main residence are again differentiated by household type. Subjective preferences at both residences were compared by applying non-parametric paired Wilcoxon-tests. Significant differences (p 0.05) are shaded in table 2. Table 2:
Subjective preferences for dwelling features at both residences, percentage of important and very important features for men and women
room > 30 sq. m separate kitchen workroom guestroom bright rooms comfortable bathroom separate lavatory balcony/terrace garage/parking space n
men second- main residence ary residence all couple/ singlefamily person househousehold hold 40.4 % 77.0 % 71.0 % 69.6 % 91.0 % 84.0 % 23.8 % 68.0 % 54.0 % 17.3 % 53.0 % 41.0 % 85.8 % 99.0 % 93.0 % 70.8 % 89.0 % 73.0 % 29.9 % 71.0 % 57.0 % 56.3 % 94.0 % 80.0 % 58.0 % 72.0 % 64.0 % 115 86 45
secondary residence all
51.4 % 76.0 % 47.0 % 33.0 % 94.0 % 85.0 % 38.2 % 77.0 % 49.3 % 84
women main residence
couple/ family household 74.0 % 81.0 % 51.0 % 56.0 % 100.0 % 95.0 % 63.0 % 91.0 % 63.0 % 45
singleperson household 57.0 % 85.0 % 61.0 % 34.0 % 95.0 % 90.0 % 53.0 % 89.0 % 61.0 % 39
n varies slightly for the features due to missing values shaded: average percentage is higher than it is at the other residence, p 0.05 Source: author's calculations
The comparative analysis of dwelling needs yields an overall lower grade at the job-used secondary residence compared to the main residence. Hence not only are the objective dwelling conditions lower on average at the job-used secondary residence than they are at the main residence but also are commuters less demanding at their secondary residence in terms of dwelling quality. Once more, the preference structure differs in general more for male commuters than for female commuters whereas the greatest distinction in dwelling preferences
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emerge for men in couple or family households which is due to the high rate of owner-occupied housing at the main residence among these men. Regardless of household type, men do not attach great importance to such dwelling features referring to a higher living space consumption which corresponds to their average small living space. In accordance with findings regarding objective dwelling conditions at the two locations, differences in the preference patterns are least distinct for women in single-person households. Table 3:
Subjective preferences for features of the residential environment at both residences, percentage of important and very important features by gender
commercial stores: important thereof: very important
men women secondary main secondary main residence residence residence residence 91.0 % 91.0 % 98.0 % 98.0 % 42.0 % 33.0 % 56.0 % 61.0 %
leisure/cultural facilities: important thereof: very important
67.0 % 22.0 %
79.0 % 20.0 %
80.0 % 29.0 %
94.0 % 31.0 %
gastronomy: important thereof: very important
62.0 % 20.0 %
62.0 % 11.0 %
77.0 % 23.0 %
81.0 % 20.0 %
open space amenities: important thereof: very important
77.0 % 34.0 %
94.0 % 47.0 %
94.0 % 53.0 %
98.0 % 63.0 %
quiet residential environment: important thereof: very important
90.0 % 42.0 %
94.0 % 53.0 %
90.0 % 46.0 %
90.0 % 59.0 %
59.0 % 9.0 % 82
66.0 % 19.0 % 82
46.0 % 68.0 % good neighbourhood: important thereof: very important 10.0 % 24.0 % n 127 133 n varies slightly for the features due to missing values shaded: less important than it is at the other residence, p < 0.05
Source: author's calculations
The average low dwelling needs of male commuters at their secondary residence are underlined by the result that they evaluate the amenity and recreation values of their dwelling in one of the study areas (separate kitchen, balcony/terrace,
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bright rooms, and comfortable bathroom) as less important than employed long distance in-movers in single-person households. By contrast, female commuters’ preferences at the secondary residence in the metropolises differ from the evaluation of the female control group only with respect to one dwelling feature (bright rooms).9 Except from a garage/parking space, all dwelling features of the job-used secondary residence are more important to very important for women than they are for male commuters, these findings being significant after controlling for age with respect to a workroom, a guestroom, a comfortable bathroom, and a balcony/terrace. The dwelling features which are most important for both male and female commuters at his/her job-used secondary residence are bright rooms, followed by a separate kitchen and a comfortable bathroom. A separate kitchen is generally of greater importance at the secondary residence the younger the commuters are, a fact which explains the higher proportion of women to men for whom a separate kitchen is important to very important. A balcony/terrace is almost as important for female commuters as a separate kitchen in the job-used secondary residence. Half of them evaluate a balcony/terrace even as very important, whereas almost half of the male commuters could do without one at the jobused secondary residence. The percentage of commuters who evaluate a comfortable bathroom in his/her secondary residence as important seems to be rather high in comparison with other dwelling attributes, but in fact only one-fourth appreciates this feature as very important. The analysis of subjective preferences for features of the residential environment suggests that commuters are rather willing to make compromises regarding the dwelling size and quality at their job-used secondary residence than the residential environment. Taken together, the selected residential environment features in table 3 are considerably higher in importance at the job-used secondary residence than has been noticed for the item battery of dwelling features in table 2 – an observation that does not apply to such an extent to the main residence or to the control group either. Whereas all selected dwelling features in table 2 indicate a considerably lower level of importance at the job-used secondary residence compared to the main residence both for men and women regardless of household type, infrastructure facilities gain in importance at the secondary residence to some extent. Thus, the percentage of male commuters for 9
Control variables for the comparison group analyses: age (in years), per capita income, residential location in the metropolises (inner city, other inner city areas, on the outskirt), p 0.05. For comparison, among the control group 86 % of the male respondents evaluate a separate kitchen as important or very important; the percentage amounts to 83 % for a balcony/terrace, 92 % for bright rooms, and 85 % for a comfortable bathroom. Almost all women of the control group appreciate bright rooms (99 %).
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whom close-by commercial stores and gastronomy are very important is higher (but not significantly) at the secondary residence than it is at the main residence. The same can be noticed for female commuters who evaluate gastronomy slightly (but not significantly) more often very important at the secondary residence than at the main residence. In comparison with female employed longdistance in-movers women also consider close-by gastronomy at their job-used secondary residence significantly more important.10 In accordance with the findings of Van der Klis and Karsten (2005: 8) one may therefore assume that some male and female commuters more often go out for dinner at the job-used secondary residence than they usually would at the main residence. In contrast, both men and women attach more value to open space amenities, a quiet residential environment, and a good atmosphere in the neighbourhood at the main residence than at the job-used secondary residence. Close-by commercial stores are the residential environment feature that is on average regarded as most important at the job-used secondary residence by both women and men. Subjective preferences for residential environment features at the job-used secondary residence are strongly connected to the commuting arrangement: For commuters who travel on a weekly basis between the two locations residential environment features are generally less important than they are for commuters who travel every two weeks or less to the main residence.11 Leisure and cultural facilities are significantly more important for commuters in a single-person household or for those living in a separate household with the partner. For men and women in a couple or family household close-by leisure and cultural facilities are rather unimportant at the job-used secondary residence. Regardless of commuting arrangement and household composition, shops and leisure/cultural facilities become more important at the secondary residence the longer men and women live in a multilocational household organisation. Gender-specific residential environment needs at the job-used secondary residence can be noticed for open space amenities and a good atmosphere in the neighbourhood.12 The greater importance women attach to open space amenities also applies to the control group, thus, this gender specific environment prefer10
11
12
Control variables for comparison group analyses (important and very important): age (in years), per capita income, couple household (yes/no), children in the household (yes/no), residential location in the metropolises (inner city, other inner city areas, on the outskirt), p 0.05. Among the female control group 68 % appreciate close-by gastronomy. In the sample 59 % of the respondents commute on a weekly basis between the two locations. Here, men after controlling for age, distance between the residences and relationship status (partner yes/no) are significantly more often weekly commuters than women are. Therefore the term “weekly long-distance commuter” often find in literature applies better to male commuters than for female commuters. Control variables: weekly commuting (yes/no), age (years), household type, p 0.05.
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ence is not due to the multilocational way of life but rather refers to general gender differences of in-movers to the selected metropolises. The remarkable low subjective preferences of male commuters for open space amenities and the neighbourhood are confirmed by comparison group analyses with male employed long-distance in-movers who attach significantly more importance to these residential environment features.13 4.4 A Typology of job-induced secondary residences Housing conditions and preferences at the secondary residence have been investigated so far with regard to particular dwelling and residential environment features. In order to explore the housing situation from a more overall viewpoint as to what kind of job-induced secondary residences may be distinguished and who prefers what type of dwelling, a cluster analysis is applied taking all selected objective dwelling features of the job-used secondary residence into account (see table 2).14 A distinction of three dwelling types can be derived from this:
13
14
Very small and simple dwelling (n = 79): The median dwelling size is 34 sq. m; the dwelling therefore does not have a spacious room, a workroom or guestroom, a separate lavatory, and rarely has a balcony/terrace. A garage or parking space does not belong to the dwelling either. Almost half of the commuters of this type have a separate kitchen and bright rooms. Only one-third has a comfortable bathroom. The dwelling amenity values and the sanitary accessories are on a low level altogether. Small dwelling with higher amenity values (n = 81): With a median size of 43 sq. m the dwelling of this group of commuters is rather small, but possesses a balcony/terrace, bright rooms and a separate kitchen and therefore a higher level of amenity values. A garage/parking space often belongs to the dwelling. Living space related features as a workroom/guestroom, separate lavatory and a spacious room barely exist. Sizeable dwelling with high quality (n = 46): Almost all dwellings of this group have a separate kitchen, a balcony/terrace and bright rooms, and most See control variables in footnote 10. For 90 % of the male employed long distance in-movers in single-person households open space amenities are important to very important; and a good atmosphere in the neighbourhood is important to very important for 57 %. All dwelling attributes are binary-coded (given: yes/no). Therefore problems with the equal weighting of variables are excluded. According to Backhaus et al. (2006, pp. 486-555), a single linkage cluster analysis is applied in the first step in order to identify and then exclude outliers (n = 3). After this, groups were estimated by using Ward’s method and the Euclidean distance. Cases with missing values were listwise deleted (n = 17). It has to be noted that the Ward’s algorithm tends to estimate groups of about the same size.
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Darja Reuschke of them possess a workroom, a separate lavatory and a spacious room. With 69 sq. m the median size is considerably higher than it is for the abovementioned groups.15 The sanitary accessories are on a high level.
Very small and simple dwellings are rented accommodations whereas sizeable dwellings of high quality are rather own-occupied. As has already been argued with regard to residential environment needs, the commuting arrangement has an important effect on the group building: Weekly commuters and therefore more men than women and significantly older commuters live in very small and simple dwellings. By contrast, commuters who travel to the main residence every two weeks or less and therefore more women than men and younger commuters live in sizeable dwellings with a high quality at the job-used secondary residence.16 After controlling for the commuting arrangement, the observed gender differences with regard to given dwelling attributes at the job-used secondary residence (balcony/terrace, workroom) are not significant anymore. That means that the gender differences in dwelling conditions result from the fact that women tend to travel to the main residence less often on a weekly basis than their male counterparts. The above classification corresponds with the dwelling needs to a certain degree, hence (1) commuters who have a very small and simple dwelling tend to have overall low dwelling needs, (2) commuters who have a sizeable, high quality dwelling also have overall high dwelling needs, and (3) commuters with a small dwelling and higher amenity values have higher preferences for leisure values of the dwelling but do not set a high value on living space related features (spacious room, further room, separated lavatory). However, there is another important group of commuters (4) who would also wish to live in a dwelling with higher amenity values, i.e. in a dwelling with a balcony/terrace, a separate kitchen, and a comfortable bathroom, but actually live in very small and simple secondary residences that lack higher amenity values. The housing situation of commuters with a very small and simple job-used secondary residence and corresponding overall low dwelling needs (1) might be described as a “minimalist” way of dwelling, which is pointed out in other empirical studies on multilocational household organisations (Axtner, Birmann and Wiegner 2006). In the sample this housing situation applies especially to two groups of commuters: married male commuters in a family household on the one hand and unmarried men and women in single-person households with short15 16
Eta = 0.532, p < 0.01. Characteristics of commuters of the identified dwelling groups were investigated by controlling reciprocal effects by means of multinomial logistic regression models. All mentioned characteristics are significant at the 0.05 level.
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term employment contracts on the other hand. As married men mostly live with their family in an own-occupied single-family house their multilocational housing situation exhibit a “contrasting” multilocational housing arrangement. Their low dwelling needs at the secondary residence coincide with overall high dwelling needs at the family home. The housing situation of the latter group of unmarried commuters in single-person households does not display such an extreme contrast as their dwelling standards at the main residence are not on such a high level as it is true for married men in a family household. Since fixed-term employment often correlates with a career start and/or part-time employment and therefore with a low income (e.g. research assistants) they rather opt for a provisional way of dwelling at the job-used secondary residence. A contrasting way of living also applies to commuters in very small and simple dwellings who cannot satisfy their dwelling preferences for higher amenity values at the secondary residence (4). Among these commuters women in a couple household with both partners in highly qualified positions are outstanding. For them the multilocational way of life is only a temporary arrangement and the majority will abandon the job-used secondary residence over the next two years. Certainly, that is why living at the secondary residence has been regarded as a rather provisional arrangement and dwelling standards at the jobused secondary residence have not been adapted to the higher dwelling needs. Commuters with a sizeable job-used secondary residence of high quality and corresponding overall high dwelling needs (2) tend to have comparably high housing standards and needs at both residences and therefore “duplicate” their dwelling arrangements in a multilocational way of life. Such duplicating practices can be observed for example for a woman in a family household with two dependent children who used to commute to the family home but now her partner is the commuting partner. Presumably, the duplicated housing conditions were adapted for the well-being of the children. In another case a male respondent began commuting when he met his wife in a town further away. Both continue to work at their jobs and take turns to commute. According to the alternating commuting arrangement they “doubled” their housing conditions by keeping his owner-occupied apartment and buying a shared single-family house at her place. The dwelling conditions of commuters with a small secondary residence who appreciate the high amenity values of the dwelling (3) do not differ significantly between both residences regarding some recreation and convenience features, i.e. bright rooms, balcony/terrace, and garage/parking space.17 The dual dwelling arrangement is thus characterised by duplicating the recreation and 17
For the comparison paired t-tests for single dwelling attributes were used.
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convenience features on the one hand and a clear spread in the importance of living space related dwelling features in favour of the main residence on the other. Among this group men and women are almost equally distributed whereas men mostly live in a couple household without children and women more often live with their partners in separate households. 5 Concluding remarks and discussion This chapter explored the housing situation of men and women commuting between two residences for job reasons. Literature to date on multilocational household organisations for job reasons has paid much attention to the “living in dual worlds” which is expressed in the bipolarity of housing situations and activity spaces. The comparative analysis of dwelling conditions and housing needs between both residences support, however, the thesis by Rolshoven (2007) that the bipolarity of a main and a secondary residence in late-modernity is increasingly blurring. Within the wider range of dwelling standards a striking distinction between ‘contrasters’ and ‘double nesters’ surfaces. Moreover, ‘inbetweeners’ appear whose multilocational dwelling arrangement are characterised by intertwining contrasting and duplicating practices. To conclude, the differences in dwelling conditions at both locations are largely linked to tenure status which, in turn, is connected to household type. Rented multifamily housing dominates dwelling at the job-used secondary residence, but is of minor importance at the main residence. The result that the majority of commuters live in owner-occupied housing at the main residence speaks for the assumption that homeownership is an important trigger for residing in multiple locales for job reasons in Germany in late modernity. It is assumed that commuters like employed long-distance in-movers in single-person households more often live in inner city areas at the secondary residence than the representative cross-section of the urban population does (see Sturm and Meyer 2008). As expected, this spatial pattern is due to the importance of shorter work trips. However, the assumption that the relative residential location is more important at the job-used secondary residence than site characteristics could only be partly confirmed as compared to features of the residential environment accessibilities to long distance traffic are of less importance for the dispersion of the secondary residences on different residential areas of the city. It might be suggested that a substantial part of commuters search for a small rented apartment of about 40 sq. m and with good amenity and convenience features (balcony/terrace, comfortable bathroom, separate kitchen, garage/parking space) at the job-used secondary residence. In a second group there are commuters who prefer very small, simple and cheap rented apartments of
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about 30 sq. m. In addition, a smaller group of commuters search for sizeable rented or owner-occupied apartments mostly of about 70-80 sq. meters and high dwelling quality (comfortable bathroom, bright rooms, spacious room, separate lavatory, garage/parking space). In metropolises job-induced commuting between two residences will thus increase the housing demand for small apartments in the inner city and other inner city areas. Given the shrinkage of affordable housing in expanding housing markets like Munich and Stuttgart due to the decreasing social housing stock and the restructuring of unemployment assistance, which has affected housing assistance in the last couple of years severely (employment benefit II), job-induced commuting between two residences will contribute to tighten the rental market for small and affordable housing. The results show that both physical setting and housing needs at the jobused secondary residence are largely influenced by the commuting arrangement. Due to the interaction of commuting rhythms and commuter’s socio-structural characteristics differences in the dwelling conditions at the job-used secondary residence of women and men become evident. Since women commute less often on a weekly basis and more often take turns commuting with their partner than men do, some convenience and amenity attributes of the dwelling are more often distributed among female commuters than their male counterparts (balcony/terrace, workroom). On the other hand, men more often than women live in very small and simple dwellings at the secondary residence. Although gender differences in objective dwelling conditions are all due to gender specific commuting arrangements, gender instead has an independent effect on the importance of residential environment features, namely open space features and a good atmosphere in the neighbourhood. One could therefore assume that women rather than men (wish to) spend some social time in the residential area and engage in activities at the secondary residence instead of spending all the time at work (cf. Green, Hogarth and Shackleton 1999, Van der Klis and Karsten 2005). In this regard questions about dual lifestyles in multilocational household organisations in a gender perspective arise for future research. Acknowledgments The data were collected within the framework of the project “Mobile living arrangements and housing demand” at the Department of Gender Studies and Housing Research at the School of Spatial Planning at Technische Universität Dortmund (project co-ordinator Prof. Dr. Ruth Becker). The data collection was funded by the Ministry of Innovation, Sciences, Research and Technology of the federal state North Rhine-Westphalia. I thank Ruth Becker for supervising my work.
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Wohnen, Mobilität und Geschlecht Antje Flade
1 Wohnen und Mobilität Wohnen und Mobilität hängen in vielfältiger Weise miteinander zusammen. Zum einen sind je nach Wohnstandort die Mobilitätsanforderungen unterschiedlich, zum anderen beeinflusst der Verkehr als Summe individueller Fortbewegungen das Wohnen. Eine hohe Verkehrsbelastung in Wohngebieten bedeutet Verkehrslärm und Verkehrsunsicherheit, was sich auf das Wohnen auswirkt. Um die Zusammenhänge zwischen den Bereichen Wohnen und Mobilität differenziert zu erfassen, ist zunächst eine begriffliche Klärung vorzunehmen. Sowohl zum Wohnen als auch zur Mobilität gibt es indessen mehr als nur eine Definition. Sehr weit gefasst ist die Definition von Wohnen als Leben auf der Erde (vgl. Flade 2006). In diesem Fall ist Mobilität nur eine Unterkategorie des Wohnens, denn die Fortbewegung gehört zu den menschlichen Lebensäußerungen. Um sich als Mensch behaupten zu können, ist Mobilität unabdingbar. Von existentieller Bedeutung ist, sich Nahrung zu verschaffen und lebensbedrohenden Gefahren zu entkommen (Schmitz 1994). Fasst man den Begriff des Wohnens enger und versteht darunter den relativ dauerhaften Aufenthalt an einem Ort, dann werden Mobilität und Wohnen zu Gegensätzen, denn Wohnen meint Bleiben an einem Ort, Mobilität bedeutet Wechsel von Orten. Der Mensch hört auf zu wohnen, wenn er unterwegs ist. Das Verlassen der Wohnung kann kurz- oder langfristig sein, was in der Unterscheidung zwischen zirkulärer und residentieller Mobilität zum Ausdruck kommt. Die alltägliche Mobilität, bei der die Wohnung sowohl Ausgangs- als auch Endpunkt ist, wird als zirkuläre Mobilität bezeichnet. Bei der residentiellen Mobilität wird "die Residenz" verlegt. Zirkuläre Mobilität gehört zum Alltagsleben, der Wohnortwechsel ist dagegen ein relativ seltenes und mehr oder weniger auch kritisches Lebensereignis. Ein umweltpsychologischer Ansatz ist, Wohnen als Mensch-UmweltBeziehung zu definieren. Das Wohnen zeichnet sich gegenüber anderen MenschUmwelt-Beziehungen dadurch aus, dass diese Beziehung besonders eng ist: "Dwelling is the most intimate of relationships with the environment" (Saegert 1985: 288). Der Begriff Mobilität wird ebenfalls nicht einheitlich gebraucht. Auch hier gibt es unterschiedliche Auffassungen, die sich folgenden Positionen zuordnen
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lassen: Mobilität als zurückgelegte Wegstrecke, als Zahl der Wege, als individuelle Beweglichkeit und als umweltpsychologisches Konzept und somit als Produkt aus Person- und Umweltmerkmalen. Mobilität als Zahl der Kilometer bzw. Zahl der Wege lässt sich leicht quantifizieren, wobei die Zahl der zurückgelegten Wegekilometer je Person und Zeiteinheit als Verkehrsleistung bzw. als Mobilitätslängenbudget bezeichnet wird. Analog ist das Mobilitätszeitbudget die Anzahl verbrauchter Wegestunden. Die Mobilitätsrate ist die Zahl der Wege pro Person und Zeiteinheit (Limbourg/Flade/Schönharting 2000: 14). Des Weiteren lässt sich Mobilität als individuelle Beweglichkeit auffassen, wobei dieses Merkmal nicht nur die realisierten, sondern auch prinzipiell mögliche Fortbewegungen einschließt. Die beobachteten Fortbewegungen einer Person sind deshalb kein ausreichendes Maß für die individuelle Mobilität. Aus der Verfügbarkeit über Verkehrsmittel und der körperlichen Fitness lässt sich auf die individuelle Beweglichkeit schließen. Aus umweltpsychologischer Perspektive ist Mobilität eine MenschUmwelt-Beziehung bzw. ein Produkt aus individueller Beweglichkeit (MenschKomponente) und den äußeren Bedingungen wie der räumlichen und der Verkehrsinfrastruktur (Umwelt-Komponente). Es hängt von den Umweltbedingungen wie dem Standort der Wohnung und der Zielorte ab, wie viele Kilometer und Wege zurückzulegen sind. Je weiter die Wohnung vom Arbeitsort, der Schule, dem Ort der Ausbildung, der Kindertagesstätte, den Geschäften und Freizeiteinrichtungen usw. entfernt ist, um so höher sind die Mobilitätsanforderungen. Im Folgenden wird von den umweltpsychologischen Definitionen von Wohnen und Mobilität ausgegangen, wobei der Fokus ausschließlich auf die alltägliche Mobilität gerichtet wird. Die residentielle Mobilität, d. h. der Wohnortwechsel, ist ein eigenes Thema. Ziel des Beitrags ist, anhand von drei Aspekten: den alltäglichen Zielorten, den Mobilitätsbarrieren und der geschlechtstypischen Sozialisation die Zusammenhänge zwischen Wohnen, Mobilität und Geschlecht zu beleuchten. 2 Ansätze zur Erklärung geschlechtstypischer Mobilität Die Feststellung, dass sich weibliche und männliche Personen in ihrer Mobilität unterscheiden (vgl. Flade/Limbourg 1999), unterstreicht die Notwendigkeit, die Analyse nicht auf eine geschlechtsneutrale Betrachtung, nämlich MenschUmwelt-Beziehungen, sondern vielmehr auf Frau-Umwelt- und Mann-UmweltBeziehungen zu richten. Ansatzpunkte, um diese Differenzierung zu begründen und um die Unterschiede zu erklären, sind die Annahmen, dass sich die Zielorte von Frauen und Männern infolge eines unterschiedlichen Lebensalltags unterscheiden und dass es Mobilitätsbarrieren gibt, die je nach Geschlecht unterschiedlich wirken. Um die unterschiedlichen Umwelt-Beziehungen von Frauen
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und Männern erklären zu können, ist es zudem erforderlich, die geschlechtstypische Sozialisation zu berücksichtigen und das räumliche Verhalten von Mädchen und Jungen vergleichend zu analysieren. 2.1 Unterschiedliche Zielorte Die Annahme, dass Frauen andere Zielorte haben als Männer, lässt sich aus den geschlechtstypischen Lebenslagen ableiten. Peterson, Wekerle und Morley (1978) haben die Lebenswelt in zwei Sphären unterteilt: in einen privaten häuslichen Bereich mitsamt dem Wohnnahbereich und in eine öffentliche außerhäusliche Sphäre, die all das umfasst, was sich außerhalb des Hauses und des Wohnnahbereichs befindet. Die erste Sphäre ist Domäne von Frauen, in der zweiten Sphäre dominieren die Männer. "From early times until today and in societies throughout the world, women have been associated with and even restricted to the private sphere of the dwelling whereas men have had freer rein to frequent public spaces." (Franck/Paxson 1989: 122).
In der von Männern beherrschten zweiten Sphäre werden Entscheidungen getroffen, die das Leben aller Menschen beeinflussen und die die Welt verändern. "If we consider environments ranging from the "home" to the "world" and relate this to spheres in which women and men are concentrated, it becomes clear that men are dominant at the scale of the "world", city and region by virtue of their political, economic, and employment roles. Women, on the other hand, tend to occupy spaces at the home and neighbourhood levels, and exercise some degree of personal control over them." (Peterson/Wekerle/Morley 1978: 514).
Frauen können auf die Gestaltung ihrer häuslichen Sphäre bis zu einem gewissen Grad Einfluss nehmen, Männer fällen indessen in der außerhäuslichen Sphäre Entscheidungen, die sich auf die Beschaffenheit der ersten Sphäre auswirken, indem sie zum Beispiel Richtlinien formulieren und Normen festlegen, durch die Wohnungsgrößen, Wohnungsgrundrisse, die Gestaltung von Wohnumgebungen und Standorte bestimmt werden. Die Zielorte von Frauen ergeben sich aus ihrer Zuständigkeit für die häuslich-familiäre Sphäre, die Zielorte von Männern sind davon unabhängiger. Becker-Schmidt (2001) gelangte in ihrer aktuellen Analyse der gesellschaftlichen Bedingungen der Lebenssituation von Frauen im Unterschied zu derjenigen von Männern zu dem Schluss, dass Frauen in beiden Sphären, der Reproduktions- und der Produktionsarbeit verortet sind, während Männer von der Repro-
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duktionsarbeit weitgehend freigstellt sind. Das bedeutet, dass Frauen den Mobilitätsanforderungen in beiden Sphären gerecht werden müssen. 2.2 Mobilitätsbarrieren Mobilitätsbarrieren sind weite Wege und fehlende Mittel, um Entfernungen schnell und zeitsparend zu überwinden. Die Nichtverfügbarkeit eines Pkw und ein unzureichendes ÖPNV-Angebot erschweren es, weite und viele Wege ohne größeren Zeitaufwand zurückzulegen. Ein nicht verfügbarer Pkw verringert die individuelle Autonomie und erhöht die Abhängigkeit von Fahrplänen und Gelegenheiten des Mitfahrens. Vom Wohnstandort hängt es ab, wie weit die Wege zu den im Alltag wichtigen Zielorten sind. Je größer die Entfernungen sind, umso stärker ist die Abhängigkeit von motorisierten Verkehrsmitteln. Eine weitere Mobilitätsbarriere ist Mangel an Zeit bzw. das begrenzte Zeitbudget. Küster (1999) hat drei Kategorien der Zeitverwendung unterschieden: (1) die frei verfügbare, persönliche Zeit, (2) die an andere Personen gebundene Zeit und (3) die öffentliche, an Institutionen gebundene Zeit. Institutionen, die zeitliche Vorgaben machen, sind zum Beispiel Arbeitgeber, Schulen, Geschäfte und Verkehrsanbieter. Die Begleitung von Kindern zu deren Zielorten (Begleitmobilität) ist ein Beispiel für eine an andere Personen gebundene Zeit. Doch Zeitstress entsteht nicht nur, weil Aktivitäten wie auch die Begleitung anderer Personen zeitaufwändig sind, sondern auch, sobald verschiedene Zeitmuster koordiniert und synchronisiert werden müssen (Küster 1999: 186). Die persönliche Zeit ist eine Art Reservoir, aus dem geschöpft wird, um den Zeitbedarf in den beiden anderen Kategorien zu decken. Im Extremfall verringert sich der Anteil persönlicher Zeit auf ein Minimum. Eine Mobilitätsbarriere stellen zudem Unsicherheitsgefühle im öffentlichen Raum dar. Dies sind negative emotionale Reaktionen, auf die überwiegend mit Vermeidungsverhalten reagiert wird. Die davon betroffenen Personen nehmen Umwege in Kauf oder verzichten, soweit es möglich ist, auf die Unternehmung, um solche negativen Gefühle zu vermeiden (vgl. Rölle/Flade/Lohmann 2005). Eine weitere Mobilitätsbarriere ganz anderer Art sind lückenhafte kognitive Karten bzw. fehlende Kenntnisse der räumlichen Strukturen, deren Ursache eingeschränkte Möglichkeiten der Umwelterkundung und Erfahrungsbildung sind (vgl. Flade 2008: 85ff.). 2.3 Geschlechtstypische Sozialisation Bereits Kleinkinder erkennen, dass es zwei Geschlechter gibt und dass sie selbst entweder weiblich oder männlich sind (vgl. Trautner 1993, 1994). Das Geschlecht ist schon in einer frühen Lebensphase ein Kriterium, das – im Unterschied zum Alter, welches sich im Laufe der Zeit fortwährend ändert – eine über
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alle Lebensphasen hinweg gleich bleibende Grundlage für das kognitive Ordnungssystem liefert (Miller/Trautner/Ruble 2006). Weiblichen und männlichen Personen werden unterschiedliche Fähigkeiten, Fertigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften zugeschrieben, was sich in den Geschlechtsrollenstereotypen widerspiegelt, wie zum Beispiel, dass eine soziale Orientierung typisch weiblich ist. Mit solchen Zuschreibungen und Stereotypisierungen verbunden sind Erwartungshaltungen auch in Bezug auf die eigenen Fähigkeiten. Wer meint, sich in unvertrauten Gegenden nicht oder nur schwer orientieren zu können, kann es dann auch deutlich schlechter. Die Einstellung, angesichts seines weiblichen Geschlechts etwas nicht zu können, wirkt entmutigend. Diese Haltungen werden noch bekräftigt, indem Mädchen weniger Autonomie zugestanden wird. Internalisierte Erwartungshaltungen und weniger Gelegenheiten der Umwelterkundung wirken dahingehend, dass sich Mädchen weniger als Jungen zutrauen, unbekanntes Terrain zu erkunden und eigenständige Erfahrungen mit der Umwelt zu machen (Flade 1996). 3 Forschungsergebnisse 3.1 Zielorte Wegezwecke sind ein naheliegendes Kriterium, um festzustellen, inwieweit sich die Zielorte von Frauen und Männern unterscheiden. Offenkundig sind Unterschiede bei den Wegezwecken "Begleitung anderer Personen" und "Wege zur Arbeit". Auf den Wegezweck der Begleitung entfallen laut Statistik 9 % aller Wege (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung 2005). Begleitmobilität, die sich aus der Verantwortlichkeit für andere Familienmitglieder ergibt, ist der häuslichen Sphäre zuzuordnen. Frauen sind häufiger als Männer nicht allein ihrer individuellen Belange wegen unterwegs, sondern auch, um andere Personen – überwiegend Kinder – zu ihren Zielorten zu bringen. Frauen begleiten und transportieren Kinder zur Schule, zum Kindergarten und diversen anderen Orten (vgl. Buhr 1999). Frauen kombinieren häufiger verschiedene Zielorte als Männer. In Tabelle 1 wird dies mit konkreten Zahlen belegt, die in einer Untersuchung der Verkehrsmittelnutzung in sechs Städten empirisch ermittelt wurden (vgl. Flade et al. 2002b). In jedem Untersuchungsgebiet wurden rund 2.000 erwachsene Personen telefonisch interviewt. Ein Ergebnis ist, dass Frauen häufiger mehrere Wege zu einer Wegekette kombinieren als Männer, was jedoch nicht heißt, dass Männer stets oder überwiegend nur einen Zielort anstreben. Sie tun es lediglich seltener. Nach dem Zwei-Sphären-Modell sind Geschlechtsunterschiede insbesondere bei der Erwerbsquote und damit hinsichtlich der Häufigkeit von Wegen zur Arbeit zu erwarten. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung lag der Anteil der erwerbstätigen Frauen im Bundesdurchschnitt im Jahr 2006 bei 44,7 %, derjenige
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der Männer bei 56,6 % (Statistisches Bundesamt/GESIS-ZUMA/WZB 2008: 113). Es steht somit außer Frage, dass Männer häufiger Wege zur Arbeit zurücklegen. Die Frage, wie problemlos der Arbeitsort von der Wohnung aus erreichbar ist, stellt sich vielmehr vielen Frauen, denn entsprechend dem zweiSphären-Modell kann davon ausgegangen werden, dass Frauen in beiden Sphären zu verorten sind und diese verbinden müssen (Becker-Schmidt 2001). Tabelle 1: Häufigkeit von Wegeketten bei Frauen und Männern, in Prozent* Untersuchungsgebiet Frauen Männer Hamburg-Barmbek 69,7 62,3 Bremen-Neustadt 63,6 54,4 Kiel Ostufer 51,0 46,0 Mainz-Neustadt 75,6 67,4 Fürstenwalde 61,8 43,0 Ahrensburg 68,7 41,6 * Prozentanteil der Befragten, die angegeben haben, dass es mehr oder weniger oft vorkommt, dass sie Wege miteinander verbinden. Quelle: Flade et al. 2002b: 49
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf eine nicht selten ablehnende Haltung gegenüber der Erwerbstätigkeit von Müttern, wie dies in den Kommentierungen der Aussage „Ein Kleinkind wird sicherlich darunter leiden, wenn seine Mutter berufstätig ist.“ zum Ausdruck kommt. Vor allem Männer stellen die Erwerbstätigkeit von Müttern infrage. Auch wenn die Daten in Tabelle 2 auf einen Einstellungswandel im Laufe der Jahre schließen lassen, bestehen doch nach wie vor Vorbehalte. Tabelle 2: Anteil derjenigen, die negative Konsequenzen der Erwerbstätigkeit von Müttern auf Kleinkinder vermuten, nach Geschlecht in Ost- und Westdeutschland (in Prozent) Ost 1991 2004 Männer 59 35 Frauen 57 23 Quelle: Statistisches Bundesamt 2006: 522 Geschlecht
West 1991 79 73
2004 70 56
Die in der Verkehrsplanung übliche Einteilung von Wegen zur Arbeit, zur Ausbildung, zum Einkaufen, zu dienstlichen/geschäftlichen Erledigungen und von Wegen in der Freizeit ist als Kriterium, um Geschlechtsunterschiede ausfindig zu
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machen, nicht immer feinmaschig genug wie folgendes Beispiel zeigt: Analysen der Merkmale von Personen, die Museen besuchen, haben ergeben, dass Männer und Frauen ähnlich häufig in Museen anzutreffen sind. Man findet auf dieser Ebene der Kategorisierung also keinen Unterschied. Ein näherer Blick zeigt indessen, dass Frauen häufiger Kunstmuseen aufsuchen, während Männer mehr an naturwissenschaftlichen, technischen und historischen Präsentationen interessiert sind (vgl. Institut für Wirtschaftsforschung/Institut für Museumskunde 1996). Die Verschiedenheit der Zielorte von Frauen und Männern erschließt sich demnach nicht immer auf den ersten Blick. 3.2 Mobilitätsbarrieren Als Mobilitätsbarrieren wurden in der Geschlechterperspektive folgende Kriterien betrachtet: das Fehlen einer Fahrerlaubnis, die Nichtverfügbarkeit eines Pkw, ein unzureichendes ÖPNV-Angebot, hohe Mobilitätsanforderungen, ein begrenztes Zeitbudget, das Angewiesensein auf Mitfahrgelegenheiten, Unsicherheitsgefühle im öffentlichen Raum und ein unzureichendes räumliches Wissen. Der Besitz eines Führerscheins ist zwar für die meisten Frauen heute selbstverständlich. Dennoch ist der Anteil der Frauen mit einer Pkw-Fahrerlaubnis mit 72 % nach wie vor geringer als der Anteil der Männer mit 89 % (Schöller/Canzler/Knie 2007: 908), wobei sich diese Differenz in den nächsten Jahren verringern wird, weil jüngere Frauen häufiger einen Führerschein besitzen als ältere. So haben 84 % der 26- bis 30-jährigen Frauen gegenüber 89 % der gleichaltrigen Männer eine Fahrerlaubnis (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung 2005). Ähnlich ist der Geschlechtsunterschied bei der PkwVerfügbarkeit: 84 % der Männer gegenüber 67 % der Frauen haben einen Pkw zur Verfügung (Schöller/Canzler/Knie 2007: 908). Dass der Pkw das beherrschende Verkehrsmittel im Personenverkehr in Deutschland ist (Statistisches Bundesamt 2006: 360), trifft zwar für Männer zu, nicht jedoch für Frauen. Dies sei an einem Ergebnis des bereits erwähnten Forschungsprojekts zur Verkehrsmittelnutzung in sechs Städten veranschaulicht (vgl. Flade et al. 2002a, b). Die Befragung ergab, dass das häufigste Verkehrsmittel Erwachsener im Hamburger Untersuchungsgebiet der ÖPNV und im Kieler Gebiet der selbst gefahrene Pkw ist. Wie sich bei der nach dem Geschlecht differenzierenden Auswertung zeigte, sind öffentliche Verkehrsmittel im Hamburger Gebiet nur bei den Frauen häufigstes Verkehrsmittel, und zum hohen Pkw-Anteil im Kieler Gebiet tragen vor allem die Männer bei (siehe Tabelle 3). In beiden Gebieten sind die Frauen deutlich seltener mit dem selbst gesteuerten Pkw, dafür aber häufiger mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Die motorisierten Verkehrsmittel, also Pkw und ÖPNV, sind, wie aus den Prozentangaben in Tabelle 3 hervorgeht, die wichtigsten Verkehrsmittel. Der
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Anteil der Personen, die oft zu Fuß gehen oder oft Rad fahren, ist in beiden Gebieten vergleichsweise gering. Tabelle 3: Häufigstes Verkehrsmittel von Frauen und Männern im Zeitraum 2000/01 in zwei städtischen Gebieten in Prozent Gebiet in Hamburg insgeMänner Frauen samt Pkw, Selbstfahrer 40 23 30 Pkw, Mitfahrer 1 4 3 Fahrrad 13 11 12 ÖPNV 37 49 44 zu Fuß 9 13 11 insgesamt 100 100 100 Quelle: Flade et al. 2002a: 55f. Häufigstes Verkehrsmittel
Gebiet in Kiel Männer
Frauen
52 2 13 20 13 100
28 9 9 38 16 100
insgesamt 40 5 11 29 15 100
Frauen sind aufgrund eines nicht verfügbaren Pkw häufiger auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Das Beispiel in Tabelle 4 zeigt, dass dies auch für die Teilgruppe der erwerbstätigen Frauen gilt. Die Verkehrsmittelnutzung auf dem Weg zum Arbeitsort in der Stadt ist nicht nur je nach Wohnstandort, sondern auch je nach Geschlecht unterschiedlich. Die Gegenüberstellung Stadt/Umland zeigt, dass die in der Stadt wohnenden Erwerbtätigen deutlich öfter als die Erwerbstätigen aus dem Umland ohne motorisiertes Verkehrsmittel zur Arbeit kommen. Die räumliche Struktur des jeweiligen Wohnorts beeinflusst somit das Mobilitätsverhalten. Darüber hinaus ist das Geschlecht ein weiterer Einflussfaktor, denn Männer erreichen den Arbeitsort in der Stadt häufiger mit dem Pkw, Frauen doppelt so oft mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Tabelle 4: Verkehrsmittelnutzung erwerbstätiger Frauen und Männer, die in Darmstadt oder im Umland wohnen, in Prozent Hauptsächliches Verkehrsmittel
Stadt
Umland
Frauen Männer Frauen Männer Pkw 40,9 60,2 70,8 83,7 ÖPNV 35,0 17,3 28,0 14,1 zu Fuß/Rad 23,8 20,6 1,0 1,2 Sonstige 0,3 1,9 0,2 1,0 Quelle: Flade/Kröning 1995: 472 (Daten der Volkszählung 1987)
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Ein weiterer Beleg dafür, dass die seltenere Verfügbarkeit von Frauen über einen Pkw länderübergreifend ist, zeigt eine neuere Studie aus der Schweiz, die ergeben hat, dass annähernd doppelt so viele Frauen in Haushalten ohne Pkw leben wie Männer (Haefeli/Steiner 2009: 4). Das Angewiesensein auf öffentliche Verkehrsmittel ist indessen nicht unbedingt von Nachteil. So hat eine Untersuchung von Blumen (2000) ergeben, in der in Israel erwerbstätige Mütter befragt wurden, dass Frauen das Pendeln nicht als Problem ansahen, sofern die Fahrt für sie die Gelegenheit bietet, sich für eine gewisse Zeit von den Verpflichtungen beider Lebensbereiche, der Familie und der beruflichen Welt, zu lösen und einfach "abzuschalten". Autofreiheit ist ein großstädtisches Phänomen, was besagt, dass ein fehlender Pkw kein Mobilitätshindernis darstellt, wenn auf einen leistungsfähigen ÖPNV zurückgegriffen werden kann, wie er in großen Städten zu finden ist. Haefeli und Steiner (2009) gehen davon aus, dass sich derzeit ein neuer urbaner Lebensstil herausbildet, der entscheidend durch urbane Eliten, die sich bewusst und nicht aus ökonomischen Gründen für ein Leben ohne eigenen Pkw entscheiden, geprägt wird. In großen Städten stellt Autofreiheit keine existentielle Mobilitätsbarriere dar, so dass Frauen ohne Pkw in großen Städten kaum Nachteile haben. Anders ist die Situation in Kleinstädten und im ländlichen Raum (vgl. Krause 1999). Eine weiteres Problem sind zeitaufwändige Mobilitätsanforderungen. Auf der Grundlage der Daten der Zeitbudgeterhebung 1991/92 des Statistischen Bundesamts hat Küster (1999) festgestellt, dass Frauen durchschnittlich 64 Minuten und Männer 74 Minuten täglich unterwegs sind. Davon entfallen bei den Frauen 31 Minuten (48 % ihrer Mobilitätszeit) und bei den Männern 45 Minuten (61 % ihrer Mobilitätszeit) auf die Pkw-Nutzung. Männer sind somit absolut und prozentual deutlich länger mit dem Auto unterwegs. In ihrer Analyse der Zeitverwendung für die Begleitung anderer Personen richtete Küster (1999) den Fokus speziell auf den Haushaltstyp Ehepaare mit zwei oder mehr Kindern, wobei das jüngste Kind unter sechs Jahre alt ist und beide Elternteile erwerbstätig sind. Bei den Männern in dieser Gruppe entfielen an den Wochentagen Montag bis Freitag im Mittel sieben Minuten pro Tag auf Begleitmobilität, die Frauen waren in dieser Weise im Mittel 20 Minuten unterwegs, also rund dreimal so lange. Mitfahren im Pkw ist zwar nur selten die häufigste Art sich fortzubewegen, im Modal Split beläuft sich der Anteil dieser Fortbewegungsart indessen auf 16 % (vgl. Schöller/Canzler/Knie 2007: 897). Fahren im Pkw bewirkt sowohl bei der fahrenden als auch bei der mitfahrenden Person eine physiologische und kognitive Aktivierung. Im Unterschied zur Person am Steuer haben jedoch die mitfahrenden Personen keine Möglichkeit zu agieren, sodass die Aktivitäten nach Ansicht von Schönhammer (1993) in ungerichtete Erregung übergehen. Der
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Autor schließt daraus, dass rund die Hälfte der von ihm befragten mitfahrenden Personen über das Fehlen von Kontrollmöglichkeiten sowie ein starkes Gefühl von Bedrohung berichtet. Befürchtet werden Fehlleistungen der fahrenden Person. Man ist ständig angespannt u. a. auch wegen des als zu gering empfundenen Abstands zum Auto davor. Lediglich rund ein Sechstel der Mitfahrenden fühlt sich ohne Einschränkungen entspannt. Da Frauen öfter als Männer Mitfahrende sind, erleben sie dementsprechend häufiger Stress durch fehlende Eingriffsmöglichkeiten. Hinzu kommt noch ein Angewiesensein auf die Zeitvorgaben der fahrenden Person. Ein weiteres gravierendes Mobilitätshindernis sind Unsicherheitsgefühle bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. Jeschke 1994, Krause 1999, Flade 2002, Hunecke/Preißner 2001). Öffentliche Verkehrsmittel müssen erst einmal erreicht werden. Bereits auf dem Weg zu den Haltestellen und Stationen können Gefühle der Unsicherheit auftreten. In repräsentativen Fahrgastbefragungen in Mannheim und Hanau bezeichneten 12 % bzw. 15 % der Befragten den Weg zur Haltestelle als denjenigen Bereich, in dem sie sich unsicher fühlen. Ferner zeigt die Studie, dass 36 % der Frauen gegenüber 18 % der Männer bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel gelegentlich bis oft Unsicherheit erleben, Frauen also doppelt so häufig (vgl. Rölle/Flade/Lohmann 2005: 82). Diejenigen, die bestimmte Zielorte aufsuchen müssen und dabei auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind (= Captive Riders), haben nicht die Möglichkeit, der erlebten Unsicherheit durch Mobilitätsverzicht zu entgehen. Da Frauen häufiger zu der Gruppe der Captive Riders gehören (vgl. Rutherford/Wekerle 1988), steht ihnen diese Strategie der Unsicherheitsbewältigung weniger zur Verfügung. Menschen können sich umso besser in ihrer Umwelt orientieren, je genauer sie deren räumliche Struktur kennen. Die mit der räumlichen Umwelt gemachten Erfahrungen sind Grundlage für den Erwerb einer kognitiven Karte der mentalen Repräsentation der Umwelt (O'Neill 1992). Untersuchungen in künstlichen und in realen Umwelten belegen, dass Frauen schlechtere Orientierungsleistungen aufweisen. In der Untersuchung von Lawton, Charleston und Zieles (1996) wurden studentische Versuchspersonen einen verwinkelten Weg durch ein ihnen unbekanntes mehrstöckiges Gebäude geführt. Anschließend wurden sie aufgefordert, den Weg allein zurückzugehen. Erfasst wurden die Häufigkeit der erforderlichen Wegekorrekturen, Fehler beim Zeigen der Richtung, in der sich der Ausgangsort befindet, die Einschätzung der Übersichtlichkeit des Gebäudes sowie die Beurteilung der Schwierigkeit der Aufgabe. Die Studentinnen legten den Rückweg zum Ausgangsort in der gleichen Zeit und mit nicht häufigeren falschen Anläufen zurück als die männlichen Studenten. Bei den Richtungsangaben ergaben sich jedoch signifikante Unterschiede: Die weiblichen Versuchspersonen machten mehr Fehler und fühlten sich häufiger desorientiert. Die Erklä-
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rung dieses Befunds durch Lawton, Charleston und Zieles ist, dass Frauen erwarten, dass sie Aufgaben, bei denen räumliche Fähigkeiten gefragt sind, nicht so gut meistern können: "The greater task uncertainty reported by women may reflect the general tendency of women to underestimate their performance on tasks that are gender typed as masculine. Women's self-evaluation […] was affected not only by their actual performance, but also by their low expectancies for performance of these tasks" (Lawton/Charleston/Zieles 1996: 217).
In einem weiteren Experiment wurden die besseren Leistungen von Männern in den Richtungsangaben bestätigt. Lawton und Morrin (1999) gingen dabei so vor, dass sie mit dem Computer Labyrinthe simulierten, die in ihrer Komplexität variierten. Die Richtungsangaben der weiblichen Versuchspersonen erwiesen sich in allen Fällen, also unabhängig von der Komplexität des räumlichen Musters bzw. der Zahl der Richtungsänderungen zum Zielort, als weniger zutreffend. In einer Untersuchung, in der die Orientierungsleistung in einem virtuellen Einkaufszentrum erfasst wurde, ergab sich, dass die weiblichen Versuchspersonen in allen Tests schlechter abschnitten als die männlichen. Die Aufgaben waren: (1) in möglichst kurzer Zeit zu einem Zielort in dem Zentrum zu gelangen, (2) Richtungen und Entfernungen zu schätzen und (3) bestimmte Orte auf einem Lageplan zu lokalisieren (Tlauka et al. 2005). Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich Frauen in unvertrauten künstlichen Umwelten nicht so gut orientieren können wie Männer. In vertrauten alltäglichen Umwelten haben Frauen solche Schwierigkeiten jedoch nicht, wie das Ergebnis einer Untersuchung in einem Einkaufszentrum in Ankara zeigt (Dogu/Erkip 2000). Die Hinweisschilder und die "Hier-sind-Sie"-Karten wurden von rund zwei Dritteln der Frauen und Männer, die in dem Einkaufszentrum befragt wurden, für unzureichend gehalten. Also auch die Männer fanden das Einkaufszentrum unübersichtlich. Auch bei der Aufgabe, die Richtung anzugeben, in der ein bestimmtes Geschäft liegt, das von dem Ort, an dem die Befragung durchgeführt wurde, nicht zu sehen war, ergab sich kein Geschlechtsunterschied hinsichtlich der Genauigkeit der Angaben. Offensichtlich sehen sich Frauen in Alltagsumwelten wie Einkaufszentren nicht als inkompetent an, weil sie weiblichen Geschlechts sind und deshalb etwas nicht können. 3.3 Vergleich von Mädchen und Jungen Die Untersuchung der Lebensräume von Großstadtkindern von Muchow und Muchow (1935) liefert eine Grundlage, um Geschlechterunterschiede des Mobilitätsverhaltens im Kindesalter zu untersuchen. Muchow und Muchow haben den Lebensraum von Kindern in zwei Bereiche unterteilt: einen Spielraum (= die
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Orte, die fast täglich aufgesucht werden) und einen Streifraum (= die Orte, zu denen man nur selten kommt). Charakteristisch für die alltäglich aufgesuchten Orte ist, dass das Kind diese genau kennt, während der Streifraum ein vergleichsweise unbekanntes Terrain ist. Während sich die Spielräume 9- bis 14jähriger Mädchen und Jungen als ähnlich erwiesen, waren die Streifräume der Jungen rund doppelt so groß. Die rund 60 Jahre später durchgeführte Untersuchung von Kustor (1996), in der vergleichbar alte Kinder (10- bis 13-Jährige), befragt wurden, bestätigte, dass der Lebensraum von Mädchen auch heute noch weniger ausgedehnt ist als der von Jungen. Nach Kustor (1996) ist ein wesentlicher Grund für den eingeschränkten Lebensraum von Mädchen ein übermäßiges Beschütztwerden durch Erziehungspersonen. Webley (1981) hat nachgewiesen, dass die Unterschiede schon bei jüngeren Kindern zu finden sind. Der Aktionsraum von 8-jährigen Jungen war ausgedehnter als der gleichaltriger Mädchen. Webley schloss daraus auf ein geringeres Ausmaß an räumlichen Erfahrungen bei Mädchen bereits im Grundschulalter. Auch die Aktivitäten, denen Jungen und Mädchen in ihrer Feizeit nachgehen, sind geschlechtstypisch. Typische Aktivitäten von Jungen sind das Fußballspielen und das "Rough-and-tumble"-Spiel, ein spielerisches Kämpfen und Verfolgen, das dann in Gang kommt, wenn mehrere Jungen zusammentreffen (Bierhoff 1996). Jungen brauchen für diese Aktivitäten viel Platz. Während Jungen Aktivitäten in der Gruppe sehr schätzen, finden sich Mädchen im Alter zwischen 10 und 13 Jahren in erster Linie in kleinen oder in Zweiergruppen zusammen, deren Raumbedarf weitaus geringer ist (Kustor 1996). Jungen sind insgesamt mehr an sportlichen Aktivitäten interessiert (Kustor 1996). Beliebt ist bei ihnen der bestimmten Regeln folgende Gruppensport, während Mädchen individuelle Formen des Sports bevorzugen (Pfister 1993, 1996). Die Unterschiede in den sportlichen Interessen lassen sich, wie Pfister bemerkt hat, an der Aufteilung in Sportvereinen ablesen: In Fußballvereinen überwiegen die Jungen, in Turnvereinen sind etwa zwei Drittel Mädchen. Die Motive, sich sportlich zu betätigen, sind je nach Geschlecht unterschiedlich. Männlichen Jugendlichen geht es vor allem um die kämpferisch lustvolle Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen. Bei weiblichen Jugendlichen ist ein wichtiges Motiv die gute Figur und gutes Aussehen: "Sie sind [...] immer noch relativ selten in solchen Sportarten aktiv, in denen der Körper als Mittel der Auseinandersetzung mit anderen oder mit der Umwelt eingesetzt wird. Die Aneignung von Räumen und die Eroberung neuer Dimensionen, [...] Experimentier- und Risikofreude sind typisch für Sportarten, in denen weibliche Jugendliche, wenn überhaupt, dann nur als Minderheit vertreten sind". (Pfister 1996: 55).
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"Gendered Spaces", also die Aufteilung von Räumen in Frauen- und MännerBereiche sind vielfach sowohl kultur- als auch epochenvergleichend untersucht worden (vgl. Baumgartner-Karabek/Landesberger 1984, Rendell 1999). Dass auch Spielplätze ansatzweise Gendered Spaces sind, hat eine Beobachtungsstudie auf einem Spielplatz ergeben, bei der die in einer der Beobachtungsepisoden jeweils anwesenden Kinder differenziert nach Geschlecht und Art der Aktivitäten gezählt und kartiert wurden (Artmann/Flade 1989). Etwa zwei Drittel der 6bis 12-Jährigen waren Jungen. Der Anteil der Mädchen betrug in dieser Altersgruppe immerhin noch ein Drittel. Bei den ab 12-Jährigen, die den Platz insgesamt deutlich seltener aufsuchten als die unter 12-Jährigen, betrug der Anteil der Mädchen deutlich weniger als ein Drittel, nämlich nur noch rund ein Zehntel. Richards und Larson (1989) haben dieses Phänomen, die Akzentuierung des Geschlechtsunterschieds beim Übergang ins Jugendalter, die sich auch in einer verringerten Präsenz älterer Mädchen im öffentlichen Raum ausdrückt, als "gender intensification" bezeichnet: "In the age period prior to adolescence, girls were already spending more time in interpersonal activities and less time in instrumental activities. With adolescence these differences became accentuated. While living in different life spaces […] boys and girls were experiencing very different life spaces" (Richards/Larson 1989: 621).
Der größere Aktionsraum und die verstärkte Nutzung des öffentlichen Raums spiegeln sich in den Wegen der Verkehrsmittelnutzung wider. Mädchen und Jungen verfügen zwar gleich häufig über ein Fahrrad (vgl. Flade et al. 2002a), Jungen sind indessen in besonderem Maße Fahrrad-affin (Kustor 1996). Für Jungen ist das Fahrrad das schnelle, flexibel einsetzbare, stets verfügbare individuelle Verkehrsmittel, während Mädchen weitere Strecken bevorzugt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen (vgl. Kustor 1996, Flade et al. 2002a). Jungen fahren nicht nur häufiger, sondern auch schneller Rad, ihre Fahrten sind länger, und sie sind häufiger "ziellos" unterwegs (Limbourg 2008). Offensichtlich haben sie auch als Jugendliche noch einen größeren Streifraum. So dient die Mobilität den Jungen häufiger als den Mädchen nicht allein der Zielerreichung, sondern auch der Raumerkundung. 4 Resümee Eine Betrachtung und Analyse geschlechtsneutraler Mensch-UmweltBeziehungen reicht nicht aus, um das Mobilitätsverhalten in unserer heutigen Gesellschaft zu beschreiben und zu erklären. Die Differenzierung zwischen FrauUmwelt-Beziehungen und Mann-Umwelt-Beziehungen ergibt: Typisch für Frauen ist ein höheres Ausmaß an Begleitmobilität und eine häufigere Verbindung von Wegen zu Wegeketten. Bedingt dadurch sind Synchronisationsleistungen
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erforderlich, was sich auf das Zeitbudget auswirkt. Eine Entlastung wäre die eigenständige Mobilität von Kindern. Diese ist jedoch nur möglich, wenn die Wege verkehrssicher und die Zielorte von Kindern wie Kindergarten, Schule, Spiel- und Sportplatz ohne Pkw erreichbar sind. Die Gewährleistung von Verkehrssicherheit in Wohngebieten und sicherer Kinderwege sind die Voraussetzungen, um die Mobilitätserfordernisse von Frauen zu verringern – ganz abgesehen davon, dass dadurch auch die Selbstständigkeit von Kindern im Umgang mit ihrer räumlichen Umwelt gefördert wird. Ein Mobilitätshindernis ersten Ranges sind weite Wege. Eine Siedlungsstruktur, in der Wohn- und Zielorte weit auseinander liegen, ist für Frauen noch nachteiliger als für Männer, weil die Entfernungen größer sind, so dass ein Auto erforderlich wird, um die Verkehrsbeteiligungsdauer in machbaren Grenzen zu halten. „Unsere heutige Siedlungsstruktur ist überwiegend geprägt durch den autogerechten Um- und Ausbau [...]. Die Erreichbarkeit von Orten des täglichen Lebens hat durch die autofixierte Verkehrs-, Siedlungs-, und Stadtentwicklungspolitik der langen Wege und der Zentralisierung von Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen abgenommen.“ (Krause 1999: 66)
Doch die Anschaffung eines Pkw löst das Problem nicht unbedingt, denn eine Folge kann zum Beispiel sein, dass die Begleitmobilität als einer typischen Aufgabe von Frauen noch mehr zu einer nicht mehr hinterfragten Selbstverständlichkeit wird (Buhr 1999). Lösungen sind zum einen eine nicht-autogerechte Planung neuer Siedlungen sowie ein nicht-autogerechter Umbau und Ausbau bestehender Siedlungen, zum anderen ein leistungsfähiger und attraktiver ÖPNV, zu dem auch ein ausreichendes Angebot an Bike & Ride-Stellplätzen gehört (vgl. Flade et al. 2002a: 243). Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel als Alternative bedeutet vermehrten Aufenthalt im öffentlichen Raum. Um die dabei insbesondere in Zeiten der Dunkelheit auftretenden Unsicherheitsgefühle zu verringern, von denen besonders Frauen betroffen sind, bieten sich zwei Strategien an: gestalterische und organisatorische Maßnahmen, die den öffentlichen Raum sicherer machen und sicherer erscheinen lassen, sowie das Erlernen von Techniken, mögliche Angriffe und Bedrohungen wirkungsvoll abzuwehren (Koszy 1996). Die zweite Strategie beinhaltet eine Modifikation der Erwartungshaltung, dass Frauen schwach und wehrlos sind. Große Bedeutung haben Erwartungshaltungen in Bezug auf die eigenen Fähigkeiten. Wer meint, sich in unvertrauten Gegenden nicht oder nur schwer orientieren zu können, kann es dann auch deutlich schlechter. Die Einstellung, auf-
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grund des Geschlechts etwas nicht zu können, wirkt entmutigend. Solche Haltungen müssen als bloße Voreinstellungen erkennbar werden. Um zu vermeiden, dass sich solche Erwartungshaltungen in der Kindheit entwickeln und verfestigen, ist eine geschlechtsneutralere Sozialisation anzustreben. Das beinhaltet eine Stärkung des Interesses und der Motivation von Mädchen an der Erkundung der Umwelt und einer Verringerung einer übermäßigen Kontrolle. Ein Ziel ist die Verringerung der Geschlechtsrollenstereotypisierung ab dem Grundschulalter. Auch wenn jüngere Kinder ein solches kognitives Ordnungssystem benötigen, um ihre soziale Umwelt zu begreifen, so ist doch jenseits des Vorschulalters die kognitive Entwicklung so weit fortgeschritten, dass solche Stereotypisierungen in Frage gestellt werden können.
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AutorInnenverzeichnis Bauhardt, Christine, Dr., ist seit 2005 Professorin für Gender und Globalisierung am Institut für Wirtschfts- und Sozialwissenschaften des Landbaus an der Humboldt-Universität zu Berlin. Forschungsschwerpunkte sind die Theorie und Politik räumlicher Planung, Migration und Stadtentwicklung sowie Nachhaltigkeit und Geschlechterverhältnis. Dörhöfer, Kerstin, Dr.-Ing., (*1943) war Professorin für das Fachgebiet Architektur/Urbanistik an der Universität der Künste Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Wohnungs- und Städtebau, Architektur- und Stadtentwicklung, Geschlechterverhältnisse und Raumstrukturen. Enders-Dragässer, Uta, Dr. rer. soc. (*1940), Soziologin und Erziehungswissenschaftlerin, ist Mitgründerin und wissenschaftliche Leiterin der Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Frauen- und Genderforschung e.V. (GSF e.V.). Forschungsschwerpunkte: Frauen in schwierigen Lebensverhältnissen (Wohnungslosigkeit, Psychiatrie, Leistungen und Belastungen von Müttern, unbezahlte Frauenarbeit), geschlechterdifferenter Lebenslagen-Ansatz, geschlechterdifferente Schul- und Sozialisationsforschung, Gender Mainstreaming. Feijten, Peteke, Dr., is research fellow at the School of Geography and Geosciences, University of St Andrews (UK). Her research interests include population geography, demography, households, migration, life course studies, housing, longitudinal analysis, event history models, multilevel models, and spatial analysis. Flade, Antje, Dr., (*1941) ist Diplom-Psychologin. Nach langjähriger Forschungstätigkeit als Umweltpsychologin im Institut Wohnen und Umwelt in Darmstadt ist sie seit 2006 als Autorin und Beraterin in Hamburg tätig. Ihre Schwerpunkte sind die Wohn- und Architekturpsychologie, Stadt- und Mobilitätsforschung. Hardill, Irene, Dr., (*1951) is Professor of Economic Geography at Nottingham Trent University, Nottingham (UK). Her research interests include the theorisation of work; mobility and work (the intertwining of housing and labour markets and gender relations); juggling of paid and unpaid work (unpaid caring activity as well as voluntary action), and household decision making.
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AutorInnenverzeichnis
Harth, Annette, Dr. rer. pol., (*1963) ist seit 1992 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Freiraumentwicklung/Fachgebiet Planungsbezogene Soziologie der Leibniz Universität Hannover. Forschungsschwerpunkte: subjektorientierte empirische Stadtforschung, Freiraum und Handeln, genderbezogene Stadtsoziologie, Stadtentwicklung in Ostdeutschland, Stadt als lokaler Lebenszusammenhang. Hirayama, Yosuke, Dr., is Professor of Housing and Urban Studies at the Faculty of Human Development, Kobe University (Japan). Her research interests include home ownership, urban change and social inequalities. Izuhara, Misa, PhD, is Director of Studies at the Centre for East Asian Studies and also a Senior Research Fellow at the School for Policy Studies at the University of Bristol (UK). Her research interests include ageing and intergenerational relations, housing and social change, and comparative policy analysis between the East and the West. Kallus, Rachel, PhD, M.Arch, is an Associate Professor at the Technion, Israel Institute of Technology, where she teaches architecture, urban design, and town planning. Her research focuses on the socio-political production of the built environment and the formation of urban culture, focusing especially on socioethnically contested spaces. Levin, Iris, PhD, M.A. Urban and Regional Planning, worked for six years in architecture and planning firms in Tel Aviv before commencing her PhD studies in 2006 at the University of Melbourne, Australia. Her research interests focus on diversity in the city, planning for minority groups, residential environments, and immigrants and their home environments. Mulder, Clara H., Dr., is Professor at the Faculty of Social and Behavioural Sciences at the University of Amsterdam. Her research interests include residential mobility, residential choice, and family relations. Reuschke, Darja (*1976), Dr. rer. pol., ist seit 2004 wissenschaftliche Mitarbeiterin in Lehre und Forschung im Fachgebiet Frauenforschung und Wohnungswesen in der Fakultät Raumplanung der TU Dortmund. Forschungsschwerpunkte: Mobilitäts- und Migrationsforschung, empirische Sozialforschung insbesondere Forschungsdesign und quantitative Methoden.
AutorInnenverzeichnis
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Schulz, Marlies, Dr., (*1944) ist seit 1993 Professorin für Angewandte Geografie und Raumplanung am Geografischen Institut der Humboldt Universität zu Berlin. Forschungsschwerpunkte: Stadtgeografie, Forschungen in Transformationsländern, sozialräumliche Entwicklungen in der Region Berlin/Brandenburg. Sellach, Brigitte, Dr. oec.troph., (*1943) Dipl. Soziologin, Staatssekretärin a.D., ist Mitgründerin und Vorstand der Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Frauen- und Genderforschung e.V. (GSF e.V.). Forschungsschwerpunkte: Sozialpolitikforschung zu Frauen in schwierigen Lebensverhältnissen (bezahlte und unbezahlte Frauenarbeit, Armut, Gewalt, Wohnungslosigkeit, Behinderung), Gender Mainstreaming, Verwaltungsmodernisierung. Sturm, Gabriele, PD Dr., (*1951) ist seit 2005 Projektleiterin im Referat Raumund Stadtbeobachtung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in Bonn. Arbeitsschwerpunkte: räumliche Soziologie, Methodologie, quantitative und qualitative Forschungsmethoden, Evaluation, Geschlechterforschung. Terlinden, Ulla, Dr. phil., ist seit 1995 Professorin für Sozio-ökonomische Grundlagen urbaner Systeme an der Universität Kassel. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind Gender Studies in der Planung sowie soziologische Stadtforschung. Waltz, Viktoria, Dr. rer. pol., war wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät Raumplanung der Technischen Universität Dortmund. Ihre Arbeitsfelder sind multiethnischer Raum und Identität, Stabilisierung benachteiligter Stadtteile, Kolonisierung und räumliche Deformation im Nahen Osten (Israel und Palästina), Kommunikation in der Planung, kooperative Planungsverfahren, Planerausbildung. Wheatley, Dan, PhD, is a lecturer in Economics at Nottingham Trent University, Nottingham (UK). His research interests include time allocation (including work-time, caring, and the commute); mobility and work; gender inequity in paid work and at home; and decision making among dual career households.