Frank Callahan
Zwei Kugeln für Cochise Apache Cochise Band Nr. 19
Prolog Man nannte die Apachen Barbaren, Wilde und ...
20 downloads
746 Views
632KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Frank Callahan
Zwei Kugeln für Cochise Apache Cochise Band Nr. 19
Prolog Man nannte die Apachen Barbaren, Wilde und Massenmörder. Waren sie das? Über alles, was in dieser Welt geschieht oder früher einmal geschah, kann man so oder so urteilen. Um objektiv zu sein, kann an dieser Stelle nur von Unbefangenen ein Widerruf dieser Meinung über die Apachen erfolgen. Unser Nachruf, sozusagen eine verspätete Ehrenrettung dieses großen, stolzen und kämpferisch veranlagten Volkes, das von der Steinzeit »über Nacht« in eine erbarmungslose Zivilisation versetzt wurde, die sie nicht begriff, wie auch die Umstände, die zum Untergang der roten Rasse führten. Man kann sagen, die damaligen Weißen und Mexikaner waren alles andere als weitblickend, eher nur von einer hyperhumanen Art, die dem Prankenschlag eines Panthers glich. Bei den meisten Weißen war die Ausrottung der Indianer eine beschlossene Sache, honoriert durch Prämien für einen Apachen-Skalp. Dachten und handelten die weißen Einwanderer mit ihrer mitgebrachten zweitausendjährigen Kultur alle richtig, Kultur und Zivilisation, gemessen an der der Apachen? Oder bewegten sie sich in der klischeehaften Vorstellung des Militärs vom »toten Indianer, der ein guter ist«? Mitnichten. Zum Teil gab es vorausschauende und mitfühlende Männer in der Army, die aber wegen ihrer »Humanitätsduselei« nicht zu Wort gelangten, aber den Untergang der roten Rasse voraussagten und mit den Indianern fühlten. Nicht alle waren sie ein Colonel Chivington, ein abenteuerund beförderungssüchtiger George Armstrong Custer. Fest steht aber, daß der Massenmord an der indianischen Rasse von
vielen Amerikanern heutzutage bagatellisiert und, wenn die Sprache darauf kommt, mit einer lässigen Handbewegung abgetan wird. Auch die in wissenschaftlichen Disziplinen denkenden Amerikaner können einen Rückblick auf die Zeit nach 1850 nur schwer vertragen. Man sieht die in den Wüsten und Gebirgen vegetierenden Stämme Arizonas nicht, und das beruhigt den Durchschnittsamerikaner ungemein, weil er das ökologische Harakiri, das man mit dem Land und seiner Urbevölkerung trieb, nicht mit ansehen muß. Zugegeben, die Stämme der Indianer, besonders die Apachen, betrieben zu keiner Zeit Vorratswirtschaft, ausgenommen die seßhaften und Ackerbau treibenden Pueblos im Westen von Neumexiko und in den nordöstlichen Bereichen Arizonas. Lag hier der Untergang der roten Rasse begründet? Sicherlich nicht, denn kein nomadisierendes Volk in Europa, Asien oder Afrika konnte sich mit Vorratshaltung befreunden. Gingen sie unter? Nein, sie gingen auf in den Völkern, deren Gebiete sie okkupierten. Auch andere negative Aspekte – in den Augen der Weißen – kann den Apachen nicht abgesprochen werden. Sie waren nun einmal Naturkinder, einfache Nomaden in einem riesigen Kontinent, der ihnen alles bot, was sie zum Leben brauchten. Zu allen Zeiten war daher für die Apachen die Welt noch in Ordnung. Erst als der weiße Mann mit seinen überlegenen Waffen, mit Schnaps und seiner verfeinerten Kultur und seinen ansteckenden Krankheiten kam, legte sich das große graue Leichentuch über die Stämme und Sippenverbände. Ganz bestimmt wäre vor 100 und mehr Jahren möglicherweise vieles ganz anders gekommen, wenn unter den Militärs und in der Regierung in Washington nur ein einziger Mann mit entsprechendem Weitblick und ohne Ressentiments gegen die rote Rasse gewesen wäre. Es hat nicht an klardenkenden und verantwortungsbewußten Leuten gemangelt, aber sie hatten nicht die Stimmengewalt im
Kongreß, die dazu notwendig gewesen wäre, den Indianern zu ihrem Recht zu verhelfen. Es ist nicht Aufgabe dieser Einleitung, anzuklagen und zu richten, denn niemand von uns kann sagen, daß er es womöglich hätte besser machen können. Sie alle in der damaligen Zeit – Rote wie Weiße – waren Kinder einer harten und erbarmungslosen Epoche, und sie waren Bewohner einer rauhen Umwelt. Die Serie APACHE COCHISE mit ihrem wahrhaft großen Häuptling Cochise als Held ist die im Wesen und Charakter authentische Aufzeichnung amerikanischer Geschichte, die in Romanform für den deutschen Sprachraum noch nicht oder nur in Kurzform gebracht wurde. Die guten und schlechten Weißen, die anständigen Apachen und die grausamen, tauchen namentlich in der Story auf und geben der Geschichte einen dramatischen, wenn auch makabren Hintergrund. Ihr Martin Kelter Verlag.
*** Die Haut des nackten Oberkörpers schimmerte kupferfarben im Sonnenlicht. Reglos stand der Mann vor den Corralstangen und beobachtete seine Pferde. Die Tiere warfen die Köpfe hoch, witterten, sogen die Luft ein und kreisten unruhig auf der Weide. Konatas Gesicht wirkte ausdruckslos. Seine schwarzen Augen schienen in unergründliche Fernen zu blicken. Der Farmer sah etwas, das nur er erkennen und deuten konnte. Denn er war ein Apache. Vor zehn Jahren hatte Konata den Entschluß gefaßt, nicht wieder auf den Kriegspfad zu ziehen. Niemand, nicht einmal er selbst, konnte sich das erklären. Obwohl der Mann schon zehn Sommer nicht mehr auf Skalpjagd ging, besaß er immer noch die unerklärlichen Fähigkeiten der Wüstenkrieger. Konata witterte das Unheil, spürte, daß er nicht mehr viel Zeit hatte. Abrupt wandte sich der Mann um und ging zum Haus. Die Tür öffnete sich. Gawa-chora blickte ihren Mann an und verbarg ihre Besorgnis nicht. »Was hörst du? Was siehst du?« fragte sie leise. »Du reitest sofort«, erwiderte Konata. »Es dauert nur noch kurze Zeit, bis unsere Feinde angreifen. Ich hole dir die besten Pferde. Nimm alles Geld mit. Reite zum Lager unseres Stammes. Dort bist du in Sicherheit.« Gawa-chora befiel auf einmal ein Gefühl, das sie nicht deuten konnte. Sie drehte sich um, ging zurück und legte die Waffen zurecht. Konata würde kämpfen, bis er tot war. Es dauerte nicht lange, bis die Squaw bereit war. Ihren Sohn trug sie in einer Schlinge aus Tuch vor der Brust. Das Geld steckte in einem Lederbeutel, der mit einer rohledernen Schnur am Rock befestigt war.
Konata kam mit vier Pferden vor das Haus. Gawa-chora saß geschickt auf und griff nach den Zügeln aus geflochtener Pflanzenfaser. »Sing mir das Totenlied, wenn Bu heute abend fliegt«, sagte Konata mit ruhiger Stimme. Gawa-chora spürte einen krampfartigen Schmerz in ihrer Brust. Sie liebte ihren Mann. Und sie wußte, daß auch er sie liebte. »Reite jetzt«, sagte der Farmer, »der Stamm wird dich schützen. Erzähle ihnen, daß ich kämpfend gestorben bin.« Gawa-chora preßte dem Pferd die Hacken in die Seiten. Willig ging das Tier los. Die drei anderen Pferde folgten der Stute. Die Squaw wollte bleiben, mit ihrem Mann gemeinsam kämpfen und sterben. Allein das Kind ließ sie gehorchen. Denn der Junge war noch keine zwei Sommer alt. Blieb Gowa-chora, starben zwei Männer. Konata, der Krieger, und sein Sohn, der in 15 Sommern ebenfalls ein Krieger der Aravaipas werden sollte. Und jeder Mann war wichtig für die Apachen. Konata sah sich nicht um. Er beobachtete die Berge. Noch ahnte er nichts von der Anwesenheit der Feinde. Der Farmer ging ins Haus. Ausdruckslos starrte er die Waffen an, die auf dem Tisch bereitlagen. Zwei moderne Winchestergewehre und zwei Revolver für Metallpatronen. Diese Waffen stammten nicht aus einem Raubzug, waren keine Beute. Konata hatte sie gekauft. Gekauft von dem Erlös eines Pferdehandels mit dem Zahlmeister von Fort Thomas. Der Mann kaufte gern von den Apachen, von den friedlichen Aravaipas, Pferde. Die Tiere waren sanft gezähmt und gehorchten jedem Zügeldruck. Vorbei, alles vorbei, dachte der Apache. Es gelingt uns nicht, so wie die Weißen zu werden. Wir haben zu viele Feinde und zu wenig Macht. Konata setzte sich mit dem Gesicht nach Osten und sang sein Totenlied. Er wußte, daß er sterben würde. Kampflos ließ sich
ein Krieger der Aravaipas nicht töten. Der Apache saß reglos. Mehr als zwei Stunden waren vergangen, als auf einmal Leben in den Mann kam. Mit den unerklärlichen Sinnen, mit dem Instinkt des Kriegers, hatte er gespürt, daß es soweit war. Lautlos stand Konata auf, nahm die Waffen und verließ sein Haus. Er warf keinen Blick zurück, als er im Wolfstrab auf den Hügelrücken zulief. Die sanfte Steigung diente dem Mann als Weg. Sein Tal war nicht breit und etwa zwei Meilen lang. Der Bach trocknete selbst in den heißesten Sommern nicht aus. Er quoll aus einer Felsspalte, die zu eng war, um die Zisterne irgendwo unter dem Felsmassiv zu erreichen. Nachdem das Wasser die zwei Meilen des Tales durchquert hatte, versickerte es in der Dornbuschwüste. Konata erreichte den Rand des Tales und schwang sich auf eine Felskanzel, die ihm ausreichend Deckung bot. Wie oft hatte der Mann hier gesessen und das weite Land beobachtet. Jetzt aber dachte er an Gawa-chora und seinen Sohn, der noch lange Jahre den Kindernamen tragen würde, bis er ein Krieger war. Konata fragte sich, ob auch sein Sohn die Prüfungen der Krieger durchmachen würde. Ob er sechs Meilen laufen mußte, den Mund mit Wasser gefüllt, und keinen Tropfen verschlucken durfte? Ein erwachsener Apache mußte zu Fuß in einer Nacht hundert Meilen zurücklegen können. Und bis auf die alten Krieger der Stämme schafften die Männer alle diese Leistung. Konata schüttelte alle Gedanken ab. Auf der anderen Seite des Tales lenkte ein Reiter sein Pferd zwischen einigen halbhohen Kiefern heraus. Minutenlang beobachtete er den Canyongrund. Der Mann war ein Indianer. Konata erkannte in ihm einen Wichita, einen der alten Feinde. Konata riß die Winchester an die Schulter und feuerte. Der Wichita warf die Arme hoch und rutschte schlaff vom Pferderücken zu Boden.
Hufe dröhnten plötzlich auf. In jagendem Galopp hetzten zwei Reitergruppen von beiden Seiten in das Tal. Die Kämpfer lenkten die Tiere im Zickzack. Deutlich erkannte Konata die Flammen vor den Sätteln einiger Reiter. Er zögerte nicht, sondern jagte methodisch Kugel um Kugel aus der Winchester. Die Geschosse trafen Männer und Pferde. Trotz des Bleihagels gaben die Angreifer nicht auf. Sie wollten Beute machen. Vier, fünf, sechs lodernde Feuerpfeile durchschnitten die Luft, schlugen in die Wände des Hauses und in den Stall ein. Innerhalb von Sekunden flammten die ausgetrockneten Bretter auf. Nach weniger als zwei Minuten lohten die Flammen schon eine Mannslänge über dem Giebel. Das Rauschen und Knistern des Feuers war für Konata die Aufforderung, sein tödliches Werk fortzusetzen. Noch hatte er Zeit, das Gewehr wieder aufzuladen. Er preßte Patrone um Patrone in die Metallöffnung des Schloßkastens. »Zastee!« gellte Konatas Stimme, als er die Waffe leerschoß. Die Wichitas unten rissen ihre Pferde herum. Keinem der Angreifer war verborgen geblieben, daß der Kugelhagel von oben kam. Die Reiter zwangen die Tiere an den brennenden Gebäuden vorbei und verhielten die Pferde hinter der Feuerdeckung. Sieben, acht Angreifer lagen flach auf den Rücken ihrer Tiere. In rasendem Galopp jagten die Pferde auf die Talwand zu. Pfeile schwirrten hoch, Gewehre krachten, und unter der Deckung dieses Angriffs arbeiteten sich die Wichitas den Hang hinauf. Konata schoß dreimal, traf ein Pferd und einen Krieger. Die anderen schafften es. Fünf Revolver wummerten. Die Kugeln klatschten gegen die Brustwehr, Konata hatte keine Chance. Er kroch nach hinten, legte die leergeschossene Winchester so hin, daß die Mündung auf den ersten Angreifer wies, der die Brüstung übersprang, und schob sich hinter einen Geröllhaufen. Jetzt! Drei Männer schnellten sich über die Brustwehr und feuerten aus ihren Colts wild um sich.
Konatas zweite Winchester hämmerte wie eine Maschine. Die drei waren sofort tot. Die beiden letzten Angreifer kannten den Standort ihres Gegners und griffen von zwei Seiten an. Der Apache jagte die letzten beiden Kugeln aus dem Gewehr, ließ es fallen und feuerte mit den Revolvern weiter. Und dann spürte er einen harten, einen erbarmungslosen Schlag zwischen den Schulterblättern. Das Donnern des Gewehrs hörte er nur noch gedämpft. Er kämpfte ein paar Momente lang um seine Besinnung. Schwankend kam er auf die Beine. Nur trübe Schleier erkannte er vor seinen Augen, als er nach den Gegnern suchte. Ohne ein Ziel zu erkennen, schoß Konata den Revolver leer. Abermals grollte das schwere Gewehr. Konata brach in dem Moment zusammen, als die Kugel dicht neben seinem Kopf in den Felsen schlug. Die beiden überlebenden Wichitas starrten auf den Toten. Sein Gesicht wirkte wie eine Drohung, eine wutverzerrte Maske. »Er hat zu viele von uns getötet«, sagte einer der Krieger. »Wir bringen Beute in unsere Hütten, große Beute. Doch das Wehklagen der Squaws wird länger dauern, als die Beute reicht.« Als die beiden Wichitas die Toten in eine Felsspalte geschleppt hatten, trieben ihre Gefährten im Tal bereits die Pferde, Schafe und Rinder zusammen. Eine Stunde danach erinnerten nur die Spuren und die schwach rauchenden Überreste der Farm an den Überfall. * Im Lager der Aravaipas trafen ständig Späher ein. Alle Krieger, auch die zwölf Chiricahuas, wechselten sich ab. Sie beobachteten die Goldsucher, die nach Süden zogen. Cochise wollte sicher sein, daß die Weißen ihr Wort hielten.
Er würde sofort eingreifen, wenn die Digger die Richtung änderten oder unterwegs Halt machten, um nach dem gelben Metall zu suchen. Eskaminzin saß am großen Feuer vor seinem Jacale. Der Häuptling der Aravaipas musterte unbewegten Gesichtes seine Gäste. Cochise ließ sich die Genugtuung über seinen Erfolg nicht anmerken. Victorio hingegen konnte seinen Zorn nicht beherrschen. Der Führer der Mimbrenjos gehörte zu jenen Apachen, die jeden Weißen töten wollten. Er haßte die Eindringlinge und verfocht die Ansicht, nur erbarmungsloser Kampf könne dem weiteren Vordringen der Bleichgesichter Einhalt gebieten. Um so verbissener war er nun, da Cochise durch seinen persönlichen Mut die Goldsucher aus dem Gebiet der Aravaipas vertrieben hatte. »Häuptling«, sagte Eskaminzin achtungsvoll, »mein Volk dankt dir. Die Bleichgesichter ziehen davon. Von nun an wird Frieden zwischen den Bergen sein. Kein weißer Mann wird mehr kommen und den Boden nach dem gelben Eisen umgraben, das die Herzen der Weißen so verwirrt. Der Friede blieb erhalten, und das verdanken wir dir.« Victorio lachte böse, als Eskaminzin schwieg, und sagte: »Sie kommen wieder, Häuptling. Es nutzt dir nichts, daß du wie ein Bleichgesicht Vieh züchtest, daß du den Boden bearbeitest und friedlich nur dein Land bebaust. Sie kommen, Eskaminzin, und sie kommen mit Haß im Herzen auf alle Apachen. Dann wirst du kämpfen müssen. Wir alle müssen den Kampf aufnehmen. Welcher weiße Mann kann gegen einen unserer Krieger bestehen? Keiner kann es, sage ich euch. Und wenn wir jetzt nicht anfangen, diese Brut zu vernichten, kommen immer mehr.« Cochise schüttelte tadelnd den Kopf. »Wir haben für sechs Mondzeiten Frieden geschlossen«, sagte
er. »Ich halte mein Wort. Wenn wir die Männer am Fluß getötet hätten, wären die Pferdesoldaten gekommen.« »Dann hätten wir auch sie getötet«, rief Victorio wild. »Wir haben Zeit genug, unsere Fallen aufzustellen. Und die Bleichgesichter laufen hinein wie die Ratte in den Schlund der Klapperschlange.« »So viele Klapperschlangen gibt es nicht, wie Pferdesoldaten kommen«, erwiderte Cochise ruhig. »Du hast gesehen, daß ich mein Wort halte und es ohne Krieg zum Frieden kommen kann. Geh, Victorio, und handle auch so.« Der Mimbrenjo sprang auf. Seine Augen wirkten wie schwarze Löcher. Der Häuptling sah nur einen Weg, die Apachen zu retten: Kampf und Tod. »Ich reite, Cochise«, sagte Victorio, »aber ich reite nicht, um deine Worte meinen Kriegern zu verkünden. Denn meine Krieger sind Apachen und keine Weiber.« Cochises Chiricahuas standen bereit. Ein Wink des Jefes hätte gereicht, und Victorio wäre von Pfeilen durchbohrt worden. Es war eine schlimme Beleidigung, einen Chiricahua ein Weib zu nennen. Cochise lächelte überaus freundlich, als er sagte: »Du willst unser Volk vernichten, ich will, daß es überlebt. Du siehst nur einen Tag, wenn du am Morgen die Sonne über den Bergen erkennst. Ich sehe tausend Tage, Victorio.« Der Mimbrenjo blickte die Jefes auffordernd an, die mit ihm ins Gebiet der Aravaipas gezogen waren. Chato, Nana und Loco standen umständlich auf, bedankten sich bei Eskaminzin für die Gastfreundschaft und gingen zu den Pferden. Halbwüchsige Aravaipa-Knaben hielten die Tiere an den Zügeln, wie es die Sitte gebot. Victorio sprang mit einem Satz auf sein Tier und rief: »Dann sehen wir uns in tausend Tagen wieder, Cochise. Du wirst erkennen, daß die Weißen tausend Wasserlöcher besetzt haben.
Du wirst sehen, daß die Krieger ihre Pferde nur noch mit Erlaubnis der Weißen tränken dürfen.« Hart riß der Mimbrenjo am Zügel und hieb dem Mustang die Fersen in die Seiten. Mit einem Sprung ging das Tier an. Sekunden später galoppierte das Pony davon. Chato, Nana und Loco folgten ihm langsamer. »Er bringt viel Unheil über unser ganzes Volk«, sagte Eskaminzin düster. Der Chief der Aravaipas gehörte zu jenen Apachen, die für den Frieden eintraten. Er hatte erkannt, daß sie als Rasse zu schwach waren, um die Weißen für alle Zeiten vertreiben zu können. Die Blaßhäutigen besaßen bessere Waffen, mehr Menschen und die Armee mit Kanonen und Gatling Guns, die schneller schossen, als ein Mann lachen konnte. »Es ist sein Weg«, erwiderte Cochise gelassen. »Auch wenn alle Stämme darunter leiden, wir müssen ihm seinen Weg lassen. Aber nun ist es an der Zeit, daß wir uns mit den anderen Feinden deines Stammes befassen.« Eskaminzins Gesicht wurde ernst. Wie ein Schatten legte sich der Ausdruck der Besorgnis über seine Züge. »Es sind die Wichitas und Caddos«, sagte der Chief. »Sie rauben, morden und brennen alles nieder, was sie nicht mitschleppen können.« Bitterkeit schwang in Eskaminzins Stimme, als er leise fortfuhr: »Ich habe zu wenig Krieger, Cochise. Ein Teil muß das Lager, die Kinder, Squaws und Alten schützen. Und die verbleibenden Krieger genügen nicht, um die große Horde der Wichitas zurückzuschlagen.« Cochise schwieg. Er dachte über die Worte des befreundeten Häuptlings nach. Für ein paar Minuten kämpfte er mit der Vorstellung, daß Eskaminzin schon zu sehr Weißer geworden, innerlich kein Apache mehr war. Denn ein Mann dieses Volkes stemmte sich mit all seiner Kraft gegen alle Feinde, brachte ihnen blutige Verluste bei und gab erst auf, wenn er tot war.
Eskaminzins nächsten Worte bewiesen Cochise, daß er sich irrte. »Ich sehe keinen Sinn darin, die Hälfte meiner Krieger zu opfern«, sagte der Häuptling der Aravaipas. »Denn sicher müßten weit mehr als dreißig Krieger das Totenlied singen, wenn wir die Wichitas angriffen. Dabei ist es gleich, ob wir unsere Listen anwenden oder offen vorgehen.« Cochise nickte. Der Häuptling hatte recht. Es war vollkommen sinnlos, diese Übermacht offen anzugreifen. Aber vielleicht fehlte Eskaminzin nur ein richtiger Plan, um seine Feinde loszuwerden. Eine kleine Handtrommel dröhnte in schnellem, wildem Rhythmus. Der Chief der Aravaipas horchte und sagte bitter: »Gawa-chora kommt. Sie hat ihren Sohn bei sich. Ihren Sohn und vier Pferde, wie du sie selten siehst, Cochise. Konata ist tot.« Der hochgewachsene Chiricahua wartete ab. Er konnte mit diesen Namen nichts anfangen. Aber er spürte, daß Eskaminzin innerlich aufgewühlt und zornig war. »Konata war der beste Krieger meines Stammes«, erklärte der Häuptling. »Vor zehn Sommern hörte er auf, ein Krieger zu sein. Er nahm das kleine Tal des ewigen Wassers in Besitz und wurde Viehzüchter. Die Pferdesoldaten kauften Tiere bei ihm.« Cochise fragte nicht, woher der Aravaipa von Konatas Tod wußte. Diese Dinge kannte er. Sie verbreiteten sich schneller, als der Wüstenwind Sandkörner von einem Ort zum anderen tragen konnte. Und Eskaminzins Späher kannten sicher alle Signale, um einen jeden Vorfall schnellstens weiterzugeben. Vielleicht hatte aber auch der Krieger, der Gawa-chora gesehen hatte, die Squaw ausgefragt. »Es dauert nicht mehr lange«, sagte Eskaminzin. »Sie wird vor mich hintreten und von mir, vom Stamm, Vergeltung fordern.« Der Häuptling der Aravaipas starrte zu Boden. Cochise spürte
die Besorgnis, die den Freund überwältigt hatte. »Wir können Gawa-chora ihren Mann nicht zurückgeben«, sagte der große Jefe bedeutsam. »Aber wir können dafür sorgen, daß die räuberischen Caddos und Wichitas zurückgeschlagen werden. Ich brauche Frieden, wenn ich unser Volk retten will. Unser ganzes Volk meine ich, alle Stämme. Die Jefes, die den Krieg predigen, würden dies als Schwäche auslegen. Wir selbst müssen die Banditen vernichten. Das ist unsere Aufgabe. Denn lassen wir die Blauröcke unsere Arbeit machen, so verachten uns die Krieger der Tontos und Mimbrenjos.« Der Aravaipa nickte. Ja, Cochise hatte recht. Aber wie sollte sein kleines Volk mit nur sechzig Kriegern die mehr als doppelt so große Horde der räuberischen Wichitas und Caddos vernichten? Aufgeben würden diese Kämpfer niemals. Sie waren gekommen, um Beute zu machen. Solange noch Beute in Sicht was, solange noch Beute in Sicherheit zu bringen war, gaben die Banditen von jenseits des Rio Grande niemals auf. Der Klang der Handtrommeln wurde schärfer, deutlicher. Nach wenigen Minuten hämmerte am ersten Jacale des Lagers ein junger Krieger seine Botschaft auf das Fell. »Warten wir ab, was uns Gawa-chora sagt«, murmelte Eskaminzin. »Ich spüre, daß es nichts Gutes sein wird. Ihre Stimme wird klingen wie die eines Menschen, der mit schlechtem, bitterem Wasser gegurgelt hat.« Cochise setzte sich gerade hin. Seine schwarzen Augen wirkten wie polierte Steine. Er starrte in die Flammen, die unter der Sonnenglut kaum zu erkennen waren. Hufschlag klang auf. Cochise sah aus den Augenwinkeln vier prachtvolle Pferde. Auf dem vordersten Tier saß eine Squaw von seltener Schönheit. Sie sah nicht aus wie eine Apachin. Nein, ihr Gesicht zeigte etwas, das er nicht genau deuten konnte. Gawa-chora würde selbst den merkwürdigen Ansprüchen eines Weißen genügen. Und die hatten doch seltsame Vorstellungen von wahrer Schönheit.
Die Squaw saß ab, sah nach ihrem Sohn, der auf dem Wiegenbrett schlief, und kam gelassen an das Feuer. »Ich bin eine Frau deines Volkes, Eskaminzin«, sagte Gawa-chora. »Ich bin gekommen, um Gerechtigkeit zu fordern. Du kennst mich, du kanntest Konata, und du weißt, daß wir keine Krieger waren.« Cochise hörte, daß Gawa-chora wir gesagt hatte. Die Squaw schien weiter als alle anderen zu denken. Wir, das bedeutete, daß ihr Mann sie nicht nur als Besitz angesehen hatte. »Konata ist tot«, fuhr die Frau fort. »Er starb kämpfend. Ich weiß es. Bu brachte einen Apachen in die Ewigen Jagdgründe und keinen Feigling. Seine Mörder aber leben, Eskaminzin. Es sind Räuber, die von weither gekommen sind, um zu plündern und zu morden. Wir haben den Weg eingeschlagen, der dein Weg ist. Ich komme nicht an dein Feuer, um mich zu beklagen. Ich komme, um Gerechtigkeit zu fordern.« Eskamizin starrte in die Flammen. Der Häuptling dachte angestrengt nach. Cochise stieß ihn leicht mit dem Fuß an. Der Aravaika sah auf und den großen Chief der Chiricahuas nicken. Also hatte Cochise bereits einen Plan. »Gawa-chora, du forderst Gerechtigkeit«, sagte Eskaminzin laut und mit volltönender Stimme, die selbst die schwerhörigen Alten des Rates hören mußten, »und du wirst Gerechtigkeit erleben. Ich, dein Häuptling, gebe dir mein Wort, Gawa-chora. Du bist willkommen beim Stamm. Du bist eine unserer Töchter und wirst es immer sein. Dein Sohn wird ein Krieger werden, der die Aravaipa zu neuen Zeiten führt. Ich habe es gesehen und verkünde dies nun. Niemand soll dich schmähen, niemand soll dir zu nahe treten. Du bist eine der unseren, eine der besten, denn du brachtest deinen Sohn zur Welt, der einmal ein berühmter Krieger sein wird.« Die Squaw ging ein paar Schritte rückwärts, bis sie es wagen konnte, dem Chiricahua und dem eigenen Chief den Rücken zuzuwenden.
Als die Frau zu den Jacales gegangen war, sagte Cochise: »Wir greifen die Wichitas an. Ich habe zwölf meiner besten Krieger und Späher bei mir, mein Freund. Die halbwüchsigen Söhne deiner Männer sollen das Lager schützen. Ich brauche deine Kämpfer. Zusammen mit meinen zwölf Männern werden sie die Angreifer vernichten. Wir reiten, wenn die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hat.« Eskaminzin atmete auf und fragte: »Was ist mit den Spähern, die den Rückzug der weißen Goldgräber beobachten?« »Sie sollen weiter den Bleichgesichtern folgen«, entschied Cochise. »Wir dürfen sie nicht aus den Augen verlieren. Es sind zwei Gegner, die uns bedrohen, Eskaminzin. Einmal die Wichitas und die Caddos, und ein anderes Mal die weißen Digger. Sollten sie Gold finden, eine goldträchtige Stelle, dann halten wir sie nicht mehr. Sie wühlen sich in den Boden, und wir tränken die Erde mit ihrem Blut.« Cochise hatte gesprochen. Seine Entscheidung war unumstößlich. Der oberste Häuptling aller Apachenvölker half einem Freund. Denn Eskaminzin war wie Cochise der Meinung, daß die Stämme nur erhalten bleiben konnten, wenn sie nicht in einem selbstmörderischen Kampfzug gegen alle weißen Eindringlinge antraten. * »Ich möchte wissen, wo der verdammte Scout ist«, sagte der untersetzte Sergeant mißmutig. »Seit drei Stunden ist der Kerl verschwunden.« »Diese Halfcasts taugen doch alle nichts«, erwiderte der Soldat mit den Korporalsstreifen an den Ärmeln. »Wenn ein halber Apache schon den Namen Blaue Ente trägt, dann stimmt doch was nicht mit diesem Kerl. Blaue Ente, und das mitten in der Wüste!« Die zwei einfachen Soldaten grinsten sich zu. Sie waren
erfahrene Männer und wußten, wie die Indianer zu ihren Namen kamen. Tagelanges Hungern in der Einsamkeit, nur ab und zu einen Schluck Wasser und glühende Sonne brachten dem zukünftigen Krieger Visionen, die aus der körperlichen und geistigen Schwäche geboren waren. Und aus dieser Vision leitete der rote Mann seinen Namen ab. Wenn Blaue Ente seinen richtigen Namen genannt hatte, so war er gut und richtig für diesen Mann. Wahrscheinlich hatte der Scout nur irgendeine Bezeichnung gesagt, als er sich als Fährtensucher für die Army verdingte. Denn auch die Halbbluts waren meistens so abergläubisch, daß sie niemandem ihren wahren Namen sagten. Ein Feind konnte den Krieger vernichten, wußte er, wie dieser Feind in Wahrheit hieß. »Er kommt schon wieder, Sergeant«, sagte einer der beiden Dragoner träge. »Er hat noch über zwanzig Dollar Pokergewinn zu kassieren. Denken Sie, er läßt die Bucks sausen?« Der Sergeant lachte kurz und schüttelte den Kopf. Nein, Blaue Ente war einer der geldgierigsten Kerle, die Sergeant Garfield je kennengelernt hatte. Er kannte eine Menge Männer, weil er Berufssoldat war und schon lange die Winkel des Unteroffiziers am Ärmel trug. »Verfluchte Hitze«, sagte der zweite Soldat und schob sein Käppi in den Nacken. »Wenn's wenigstens Wasser gäbe.« Er hatte kaum ausgesprochen, als das Geschnatter einer Ente ihn förmlich im Sattel herumriß. Da war nichts, was einen solchen Vogel angelockt haben könnte. Außer hellem Sand, Speerdornsträuchern und Yuccas gab es nichts zu sehen. »Er ist da«, stellte der Sergeant fest. »Komm schon raus, du Entensohn. Wir warten seit über einer Stunde auf dich.« Eine Riesenpalmlilie wuchs zwei Längen hinter dem Pferd des letzten Mannes mehr als zwölf Yards hoch. Hinter dem dicken Stamm glitt der Scout hervor. Er lief im Wolfstrab zu Garfield und grinste, als er sich an den Hut faßte, als salutiere er. »Blaue Ente zurück sein, Mann mit Winkel«, sagte der
Halbindianer, und in seinen dunklen Augen funkelte der Spott. »Mich Meldung geben, ja?« Glenn Garfield holte tief Luft und sagte scharf: »Du verdammter Hundesohn, hör auf, in der Schweinesprache mit mir zu reden. Ich weiß genau, daß du ordentliches Englisch kannst. Und ich weiß auch, daß du Schreiben und Lesen kannst. Also red' nicht in dieser Idiotensprache mit mir!« Die letzten Worte brüllte er. Erschöpft sank er im Sattel zusammen, als er sich abreagiert hatte. Glenn Garfield war ein guter Sergeant. Er war, wie die meisten Männer seiner Art, das eigentliche Rückgrat der Armee, der Vermittler zwischen oft hohlköpfigen Offizieren und oft aufsässigen Dragonern oder Kavalleristen. »Mich guter Späher«, fuhr der Halbindianer ungerührt fort, »mich warten hinter Joshuabaum und hören zu. Mich nicht Hundesohn, mich keine Schuld, daß kleiner Chief meine Mutter an weißen Händler ausgeliehen. Mich lieber ganz weiß oder ganz rot. Aber Geld ist gut. Ich hole mir die verdammten zwanzig Bucks, Sarge! Darauf kannst du Gift nehmen. Und außerdem ist Idiot ja eigentlich ein gutes Wort, nicht wahr?« Der Späher redete vollkommen normal. Sein Kauderwelsch hatte wohl nur dazu gedient, die Beherrschung nicht zu verlieren. Wie die meisten Mischlinge zwischen roter und weißer Rasse reagierte er empfindlich, wenn es um seine Hautfarbe oder seine Stellung als Mensch ging. »Wieso ist ein Idiot was Besonderes?« wollte Garfield wissen und äugte mißtrauisch zu dem untersetzten Späher hinab. Blaue Ente grinste breit und erwiderte: »Ein gelehrter Mann sagte mir mal, daß dieses Wort aus dem Griechischen stammt und eigentlich Idios, der Besondere, bedeutet.« Garfield sank wie ein Wasserschlauch zusammen, dem plötzlich der Inhalt abhanden gekommen war. Das ertrug er nicht, einen Späher, der sich mit griechischer Sprache beschäftigte. »Deine Meldung, du dämlicher Wasservogel«,
forderte er kaum hörbar. »Warum nennst du dich nicht Kaktuskauz oder Gilaspecht, das würde besser passen.« Das Gesicht des Halbindianers wurde schlagartig ernst. »Eine Farm glimmt noch«, sagte der Kundschafter, »eine Menge toter Krieger liegt in einer Felsspalte. Eine Sippe der Aravaipas liegt erschlagen am Ort, an dem die Schlange den Hund biß. Es sind zwei Frauen, drei Kinder und ein Krieger, Sergeant. Du solltest nach Fort Thomas reiten und das melden. Ich glaube, das Land brennt bald.« Glenn Garfield fluchte wie ein Mulitreiber. »Welche verdammten Apachen haben denn die verdammten Überfälle ausgeführt?« wollte er wissen. »Ich denke, wir haben Frieden im Land.« »Untereinander dürfen die Kerle sich ruhig die Köpfe abschneiden«, rief einer der Soldaten. »Keine Apachen«, entgegnete Blaue Ente, »das waren Wichitas und Caddos. Mindestens hundert Reiter, Sarge. Wir brauchen ein paar Männer mehr, wenn wir den Kriegern den Weg nach Hause mit etwas Spaß erleichtern wollen.« »Auch das noch, räuberische Krieger aus dem Osten«, stöhnte Garfield. »Los, Leute, setzt euch gerade hin, Wir lassen unsere Pferdchen traben. Der Colonel wird vor Begeisterung in die Luft springen, schätze ich.« Ganz so war es nicht. Von Begeisterung und in die Luft springen konnte keine Rede bei Colonel Terence Ballinger sein, als er die Meldung bekam. »Holen Sie Lieutenant Cummings«, befahl der Kommandant der Ordonnanz. Garfield räusperte sich, zu lange und anhaltend, dachte der Oberst und schaute von der Landkarte hoch, die auf seinem Schreibtisch lag. »Was ist, Garfield? Sind Sie mit Cummings nicht einverstanden? Reden Sie ruhig. Sie wissen, daß ich Ihr Urteil schätze.«
»Sir, Lieutenant Cummings ist ein guter Offizier«, antwortete der Sergeant, »trotzdem gebe ich zu bedenken, daß er manchmal etwas zu draufgängerisch ist.« Colonel Ballinger lächelte, als er erwiderte: »Ich weiß, aber er nimmt einen Zug Dragoner mit, die mit den neuen Spencer-Karabinern ausgerüstet sind. Alle Männer sind mit der siebenschüssigen Waffe vertraut und bringen es fertig, einer Fliege im Flug mit der Spencer einen Flügel abzuschießen. Was sagen Sie nun, Garfield?« Der Sergeant nickte nur, war aber nicht überzeugt. Er witterte mit den Instinkten des langjährigen Soldaten, daß in diesem Fall mehr als ein Zug von 24 Soldaten ausrücken sollte. Aber eines konnte er tun. »Sir, ich melde mich freiwillig für die Strafexpedition«, sagte er und stand stramm. Ballinger nickte erfreut. Das schien ihm die richtige Paarung zu sein: der erfahrene, bedächtige Sergeant und Cummings. Der Lieutenant trat ein, fuhr sich schnell mit dem Zeigefinger über den rötlichblonden Schnurrbart und stand stramm. Colonel Terence Ballinger erklärte dem Offizier auf der Karte des Gebietes, wo Blaue Ente die Streitmacht der Wichitas vermutete und sagte abschließend: »Cummings, General Howard hat einen Frieden ausgehandelt, der durch nichts gestört werden darf. Ich bin davon überzeugt, daß die Wichitas und Caddos davon wissen. Sie nutzen diese Tatsache für ihr eigenes Spiel. Wir müssen ihnen Einhalt gebieten. Sonst besteht die Gefahr, daß aus diesen Überfällen ein neuer Krieg entsteht.« »Ich habe verstanden, Sir«, erwiderte Cummings und salutierte. »Meine Männer sind einsatzbereit. Ich lasse sofort den Zug antreten. Bekomme ich Blaue Ente als Kundschafter?« »Das geht leider nicht«, lehnte der Colonel ab. »Ich brauche den Mann in der südlichen San Carlos Reservation. Er spricht die Sprache der Mimbrenjos fließend. Ich habe das Gefühl, daß wir Cochise und seine Apachen zu lange unbeobachtet gelassen
haben.« Cummings verzog enttäuscht das Gesicht. Aber gegen den Befehl eines Colonels konnte ein kleiner Lieutenant nicht ankommen. Es dauerte nicht lange, bis ein Zug von vierundzwanzig Soldaten angetreten war. Die Dragoner hielten die Pferde an den Zügeln. Sergeant Garfield kontrollierte alle Waffen, Sättel, die Tiere, einfach alles. Die Sonne schien schräg über die Palisaden des Forts. Wie Blut schimmerten die roten Halstücher und die gleichfarbigen Streifen an den Hosen der Männer. Für ein paar Sekunden beschlich den Colonel das Gefühl, darin ein böses Vorzeichen zu erkennen. Er schüttelte diese Ahnung ab. Ein Kommandant durfte sich nicht solchen Gedanken hingeben. Am frühen Nachmittag gab er das Zeichen. Der Trompeter setzte sein Instrument an die Lippen und blies das Signal. Die Reiter formierten sich zur Doppelreihe. Die Flügel des Tores aus kräftigen Baumstämmen schwangen zurück. Steif standen die Rekruten und salutierten. Blaue Ente blickte den Männern sorgenvoll nach. Drei der Soldaten schuldeten ihm noch Geld. Der Halbindianer hoffte nur, daß er diese Burschen wiedersehen würde. Im Trab ritten Cummings und Garfield vor dem Zug her. Nach etwa einem Dutzend Meilen ließ der Lieutenant absitzen und die Pferde zwei Meilen am Zügel führen. Auf diese Weise erholten sich die Tiere großartig und waren in der Lage, insgesamt eine große Strecke in kurzer Zeit zurückzulegen. Sowohl Lieutenant Cummings als auch Garfield waren mit der Wildnis des Südwestens vertraut. Sie hörten den Ruf des Kaktuskauzes und sahen sich an. »Hören Sie?« fragte Cummings, »wir werden beobachtet. Hoffentlich sind es Aravaipas und nicht Victorios Männer.« Der Ruf schien weiterzuschwingen, eilte den Soldaten voraus.
Sie wunderten sich nicht, als plötzlich auf einer Sanddüne eine Reihe von Gestalten aufwuchs. Die Krieger hielten moderne Winchestergewehre in den Händen. Zusätzlich trugen alle Männer die traditionellen Waffen der Apachen: den Ulmenholzbogen samt Pfeilköcher, die Kriegskeule und die Rohhautschleuder, mit der jeder Kämpfer der Apachen auf mehr als hundert Yards Entfernung einen Stein so genau werfen konnte, daß er den Kopf eines Mannes wie eine Nußschale knackte. »Da, Cochise«, sagte Garfield und zügelte sein Pferd. »Was sucht der Häuptling hier?« »Wir werden es erfahren, Sergeant«, erwiderte Cummings. »Lassen Sie die Männer absitzen und ausruhen.« Cochise ritt auf seinem Schecken den Pferdesoldaten entgegen. Der Chief der Chiricahuas hatte das Pferd hinter einem mächtigen Saguarokaktus hervormarschieren lassen. Lieutenant John Cummings verspürte Unruhe in sich. Welchen Grund hatte Cochise, der angesehenste Häuptling aller Stämme, hierher zu ziehen? * »How«, sagte Cochise, als er sein zäh wirkendes Pferd zügelte. »Reiten deine Männer in den Krieg? Howard und ich haben Frieden geschlossen. Weißt du nicht davon?« »Jefe, ich bin Lieutenant John Cummings«, erwiderte der Anführer der Abteilung. »Wir kommen aus Fort Thomas. Unsere Patrouillen meldeten uns, daß räuberische Indianer das Gebiet der Aravaipas unsicher machen. Mein Späher fand einen toten Farmer und eine niedergemetzelte Sippe.« Prüfend beobachtete Cummings den hochgewachsenen Oberhäuptling der Apachenstämme. Nichts wies darauf hin, daß Cochise von den Überfällen wußte. Aber der Lieutenant wußte auch, daß sich die meisten Indianer in fast allen Situationen
ausgezeichnet beherrschen konnten. »Wir sind auf der Fährte der Mörder«, sagte Cochise hart und deutete mit der Rechten auf die Krieger über ihnen. Cummings dachte nach und entgegnete vorsichtig: »Sieh, dies ist Eskaminzins Gebiet. Er ist ein Freund der Weißen. Und geschieht einem Freund Unrecht, ist er in Not, so ist es unsere Pflicht, ihm zu helfen. Darum sind wir hier. Ich denke, es ist unsere Aufgabe, die räuberischen Wichitas zu vertreiben. Denn sie kommen aus einem Land, in dem andere weiße Männer nicht gut genug aufgepaßt haben. Nur so konnten die Banditen ihren Raubzug durchführen.« Cochise lächelte. Dieser junge Offizier war sehr geschickt. Ohne auch nur den Anschein einer Beleidigung oder eines Befehles auszusprechen, gab er dem Jefe zu verstehen, daß sich die Soldaten um die Wichitas kümmern würden. Der Führer der Chiricahuas war besorgt. Die 24 Soldaten sahen nicht aus, als könnten sie mehr als hundert kampferprobte Wichitas in die Flucht schlagen. »Lieutenant«, sagte der Häuptling, »ich biete dir unsere Hilfe an. Wir müssen auch selbst dafür sorgen, daß der Frieden erhalten bleibt. Vergiß nicht, daß ich mein Wort gab.« »Das ehrt uns«, stellte Cummings fest, »du willst dein Wort halten und für den Frieden sorgen. Wir Soldaten haben von General Howard den Befehl, auch für den Frieden zu sorgen. Sieh die Gewehre meiner Männer. Es sind moderne Waffen, Spencer-Karabiner. Sie können siebenmal hintereinander schießen. Ich bin sicher, daß wir die Eindringlinge vertreiben werden.« Cochise lächelte spöttisch und fragte: »Warum habt ihr nur solche Gewehre, Lieutenant Cummings? Schau, nach oben, zum Gipfel der Sanddüne. Meine Krieger besitzen Winchestergewehre, die dreizehnfachen Tod bringen. Die Männer schießen schneller, mehr und besser als deine Soldaten.«
Sekundenlang überlegte Cummings, ob der den Jefe nach der Herkunft dieser Waffen fragen sollte. Er entschied sich dagegen. Solange die Apachen diese furchtbaren Waffen nicht gegen Weiße richteten, sollte sich die Army besser aus den Gewehrgeschichten heraushalten. »Gut, weißt du, wo die Wichitas lagern?« fragte Cochise. »Nicht genau, aber mein Späher hat uns die Fährte beschrieben«, antwortete Cummings. »Wir wissen, wo wir sie aufnehmen können.« Cochise erklärte dem jungen Offizier, wo die räuberischen Wichitas ihr Lager aufgeschlagen hatten. Cummings salutierte, bedankte sich ernsthaft und hob die Rechte. Der Sergeant gab den Befehl zum Anreiten. Cochise saß reglos auf dem Rücken seines Mustangs und blickte den Soldaten nach. Seiner Meinung war es verrückt, mit nur 24 Männern gegen eine fünffache Übermacht von Räubern und Mördern anzugehen. Eskaminzin trieb sein Pferd die Sanddüne hinab, verhielt das Tier neben Cochise und fragte: »Reiten wir hinterher? Helfen wir ihnen?« »Nein, er will allein den Ruhm erlangen«, erwiderte der Jefe. »So soll er auch allein kämpfen. Wir lagern, mein Bruder. Laß die Späher ausschwärmen.« Es geschah, wie Cochise befahl. Lieutenant Cummings hingegen beglückwünschte sich zu seiner geschickten Verhandlungen mit dem großen Cochise. Der Offizier war entschlossen, dem Ruhm der Army im Südwesten eine weitere Einzelheit hinzuzufügen. Als er nach einer halben Stunde scharfen Rittes anhalten ließ, erkannte er die Felsformationen, die ihm Cochise beschrieben hatte. Sie waren in unmittelbarer Nähe der Feinde. Sergeant Garfield fragte: »Wie gehen wir vor, Sir? Ich denke, wir sollten versuchen, die Wichitas von der Höhe her unter
Feuer zu nehmen.« Cummings Begeisterung ging mit ihm durch. »Wir teilen unsere Abteilung«, sagte er. »Zwölf Männer arbeiten sich bis auf halbe Höhe. Wir anderen greifen frontal an, brechen durch, und während wir uns drehen, feuert die Reserve von oben.« Garfield runzelte die Stirn. Dieser Plan wäre gut, wenn sie mindestens zwei Züge gehabt hätten. Aber mit nur einer Abteilung einen solchen Angriff durchzuführen, erschien dem erfahrenen Sergeant zumindest leichtfertig. Obwohl er nicht davon überzeugt war, das Richtige zu tun, gab er die Befehle des Lieutenants weiter. Zwölf Dragoner trieben ihre Tiere bis dicht an die zerklüfteten Klippen und saßen ab. Die Soldaten nahmen Ersatzmunition mit, aber keine Wasserflaschen. Dies konnte nur ein kurzes Gefecht werden, davon waren die Männer überzeugt. Sie kletterten über das verwitterte Gestein, zwängten sich durch enge Felsspalten und krallten sich manchmal wie Eidechsen an winzigen Vorsprüngen fest, um weiterzukommen. Endlich hatte jeder der Dragoner seine Position gefunden. Nacheinander signalisierten die Soldaten durch Handzeichen, daß sie bereit waren. Lieutenant Cummings holte tief Luft. Jetzt galt es! »Fertigmachen zum Angriff!« rief der junge Offizier scharf. »Trompeter blasen Sie zur Attacke!« Als die ersten Töne des Angriffssignals von den Klippen widerhallten, riß der Offizier seinen Säbel aus der Scheide und hieb seinem Pferd in die Absätze der Flanken. Das Tier gelangte nach wenigen Sprüngen in den Galopp. Sergeant Garfields Pferd folgte in zwei Längen Abstand rechts neben dem Lieutenant. Die Hufe donnerten über den Boden. Sandwolken spritzten in alle Richtungen. Und als die Eisen über gewachsenen Fels hämmerten, hörten sich die zwölf Reiter wie eine ganze
Schwadron an. Was Cummings jedoch nicht bedacht hatte, waren die Späher der feindlichen Indianer. Die Wichitas und Caddos wußten, was ihnen bevorstand. Zwölf Dragoner, unter Führung eines jungen Offiziers, ritten dem Tod entgegen. Als die kleine Streitmacht die Felsensenke erreichte, hielten die Soldaten ihre Waffen schußbereit. Cummings erkannte mit einem Blick, daß er in eine vorbereitete Falle gerannt war. Einen Moment lang fühlte der Offizier heiße Furcht in sich aufsteigen. Zurück? Es war zu spät. Die Dragoner hielten ihre Pferde im Galopp. Bis sie die Tiere herumgerissen hatten, bildeten die Reiter einen zu großen Pulk, in dem jede Kugel der Feinde ein Ziel fand. »Weiter!« stöhnte Cummings verbissen und schrie seinem Pferd gellend in die Ohren. Das Tier machte einen erschreckten Satz, streckte sich und griff noch weiter aus. Sergeant Garfields Tier wollte gleichziehen und wurde ebenfalls noch schneller. Das rettete den beiden Männern das Leben. Denn als sie die Mitte der fast kreisförmigen Senke erreichten, schnellten überall rote Krieger hoch. Alle Indianer besaßen Gewehre oder Revolver. Das Metall der Waffen blinkte im Sonnenlicht. Und dann schien die Hölle aufzubrechen. Ein wahrer Bleihagel tötete Dragoner und Pferde. In das Dröhnen der Schüsse mischten sich die grellen Todesschreie der Pferde. Männer brüllten ihren Schmerz und ihre Todesangst heraus. Innerhalb von Sekunden wogten Pulverdampf und Staub so dicht, daß an ein genaues Zielen nicht mehr zu denken war. Die Soldaten in den Klippen jagten Schuß um Schuß aus ihren Spencers, aber keiner der Männer konnte sicher sein, einen Gegner getroffen zu haben.
Drei Dutzend Wichitas hetzten mit weiten Sprüngen auf die Felsen zu. Geschickt wie Eichhörnchen kletterten die Krieger hinauf. Drei vier Revolver wummerten, und fünf Angreifer stürzten getroffen in die Tiefe. Die anderen arbeiteten sich weiter vor, nutzten jeden Halt, jeden kleinsten Vorsprung und machten schließlich die Dragoner nieder. Nur zwei Männern gelang die Flucht. Sie hatten sich tief in enge Felsspalten geduckt und die Angreifer an sich vorüberklettern lassen. Die beiden Überlebenden krochen langsam aus ihren Deckungen als es ruhig wurde, erkannten sich und atmeten auf. Zu zweit fühlten sie sich besser, sicherer. Sie entdeckten eine Felsspalte, die gerade einem Mann Raum genug zum Vorankommen bot. »Wenn wir doch nur Pferde hätten«, sagte Ned verzweifelt. »Wir haben keine«, erwiderte Jim Hooker, »und wir werden so schnell auch keine bekommen. Vergiß die Gäule, Ned, wir müssen laufen. Wenn wir Cochise erreichen, haben wir es geschafft. Er wird uns helfen.« Sie schoben sich durch die Felsspalte und erreichten schließlich das Ende der Schlucht. Vorsichtig glitt Jim weiter und beobachtete die karge, kahle Umgebung. Einmal glaubte er eine Bewegung gesehen zu haben. Als sie sich nicht wiederholte, dachte der Soldat an eine Täuschung. Ned stieß ihn nach ein paar Minuten an und sagte halblaut: »Links, da wächst Grünzeug. Da muß Wasser sein, Partner.« Ja, dort wucherten Sträucher im Schatten der Felswand. Und wenn es keine Quelle gab, so boten die Büsche doch wenigstens Schatten. »Los, aber vorsichtig«, raunte Jim. Er ließ Ned bis dicht an die Sträucher herankommen, bevor sich Jim selbst auf den Weg machte. Als Ned Stogan mit einem Satz zwischen die dicht wuchernden Büsche sprang, dröhnten zwei Revolver. Der
Soldat drehte sich im Sprung, krümmte sich zusammen und fiel zu Boden. Für Jim war es zu spät, die Richtung zu ändern. Er wollte ausweichen, eine Deckung finden, das Feuer erwidern, aber wieder wummerten die Colts, und Jim spürte zwei harte Schläge, einen gegen die rechte Schulter und einen an den Rippen. Sofort flammte der Schmerz auf. Jim fiel, drehte sich dabei etwas und entdeckte zwei Krieger in den Felsen. Die Indianer blieben abwartend stehen. Wollten sie sichergehen, daß die Soldaten tot waren? Erst nach langen Minuten verschwanden die Krieger zwischen dem zerklüfteten Gestein. Jim kroch weiter, biß sich die Lippen blutig, um nicht zu stöhnen, und zerrte den bewußtlosen Ned in die Deckung der Büsche. Es roch nach Wasser. Jim holte vorsichtig Luft und schob sich weiter. Er sah eine Felsplatte, die wie ein Dach hervorragte. Unter dieser Platte lagen zwei Männer. Schwach schimmerten die roten Streifen an den Hosen. Erleichtert atmete Jim auf, als er den Lieutnant erkannte. Cummings hatte es also auch geschafft. Der Offizier war besinnungslos. Sein Gesicht wirkte bleich und eingefallen. Neben Cummings lag Sergeant Glenn Garfield. Auch er war schwer verwundet. Seine beiden Oberschenkel wirkten wie in Blut getaucht. »Okay, wer kommt noch?« fragte Garfield kaum hörbar. »Keiner«, erwiderte Jim, »außer mir hat nur noch Ned Stogan überlebt. Ich hole ihn.« Es dauerte lange, bis auch der letzte Mann der Abteilung, der letzte Überlebende von 24 Soldaten und ihrem Offfzier, an der kleinen Quelle lag. »Und jetzt, Sergeant, was nun?« fragte Jim, nachdem er sich etwas erholt hatte. »Jetzt warten wir«, antwortete Garfield. »Worauf?« fragte Jim schwer, »auf die Hölle?«
Der Sergeant antwortete nicht. Ihm schwand die Besinnung. »O verdammt«, sagte Jim bitter, »jetzt hocke ich hier in einem Loch und habe drei Schwerverwundete bei mir. Ich bin lahm. Den rechten Flügel kann ich nicht mehr bewegen, und die Rippen, auf denen trommelt jemand einen Marsch. Wenigstens haben wir Wasser. Aber wann wir verrecken, das ist doch nur eine Frage der Zeit.« Soldat Jim Hooker dachte nicht an Cochise, kam nicht auf den Gedanken, daß der Chief Späher ausgesandt hatte, um den Kampf zu beobachten. Cochise war die einzige Überlebenschance der verwundeten Soldaten. Ließ er sich zuviel Zeit, kam er zu spät. * Die Kundschafter der Chiricahuas und der Aravaipas lagen in sicheren Deckungen. Weit oberhalb der Pferdesoldaten und über der Masse der feindlichen Krieger übersahen die Späher den Talkessel. Quachan, der Aravaipa-Krieger, verspürte Neid und Zorn, als er sah, daß die Feinde den toten Soldaten die Waffen abnahmen. Diese Beute wäre dem Apachen gerade recht gekommen. Ein paar mehrschüssige Gewehre, ein paar Revolver in sicheren Verstecken untergebracht, konnten für Notfälle sehr nützlich sein. Der Ruf des Kaktuskauzes lenkte Quachan von seinen Gedanken ab. Er wandte den Kopf nach links. Hinter einer kleinen Halde kopfgroßer Geröllbrocken erkannte er Setonya. Der Freund deutete mit dem Zeigefinger auf den Boden und beschrieb anschließend einen Kreis in der Luft. Quachan nickte. Ja, sie sollten aufbrechen und Eskaminzin benachrichtigen. Er und Cochise mußten wissen, daß der junge Offizier seine Truppe in eine tödliche Falle geführt hatte. Vielleicht ließ Cochise sogar nach Überlebenden suchen. Der
Offizier und der kräftige Mann ohne Skalp waren verwundet worden. Quachan nahm an, daß sie sich in ein Versteck zurückgezogen hatten. Bekamen sie keine Hilfe, starben sie. Denn ihre Verwundungen konnten sie nicht selbst versorgen. Quachan überlegte sich, daß es für den großen Jefe sicher ein Vorteil war, brachte er die überlebenden Soldaten halbwegs gesund aus dieser Felsenwildnis zurück. Die Weißen mußten ihm einfach dankbar sein. Und das stärkte sein Ansehen bei ihnen. Setonya lief bereits zu der Felsspalte, in der die beiden Späher ihre Pferde zurückgelassen hatten. Quachan folgte dem Freund. Sie packten die Graszügel der Mustangs und führten sie durch die enge Klamm, die zu einem Pfad führte, der kaum einen Schritt breit war. Er bog sich in absonderlichen Windungen zu Tal und sah so aus, als könne ihn höchstens eine Bergziege benutzen. Aber die Mustangs der Apachen waren im Klettern diesen Tieren ebenbürtig. Ein Chiricahua-Späher auf der anderen Seite des Talkessels nickte zufrieden, als er den Rückzug der beiden Aravaipas sah. Die Häuptlinge bekamen innerhalb kurzer Zeit die Nachricht von der Niederlage der Pferdesoldaten. Der Chiricahua hingegen schlug die andere Richtung ein. Er folgte den Wichitas. Cochise mußte erfahren, an welchem Ort die Krieger der Wichitas und Caddos ihr Lager aufgeschlagen hatten. Dies hier, der Talkessel, war nur eine Falle für eventuelle Angreifer gewesen. Sie hatte ihren Zweck erfüllt. Der Späher war sicher, daß die Feinde sich zu ihrem eigentlichen Lager zurückzogen. Dort versorgten sie ihre Wunden und verteilten die Beute. Vielleicht kam es sogar zu einer kleinen Siegesfeier. Es war ein großer Triumph, eine Abteilung der Pferdesoldaten fast völlig vernichtet zu haben. Der Chiricahua, der Schneller Fuchs hieß, träumte ein paar Sekunden mit offenen Augen vom Ruhm, von Beute und Skalps
und dem Ansehen, daß ein solcher Sieg den Kriegern bei den Apachen einbrachte. Ja, das wäre die richtige Methode, um mit den weißen Eindringlingen fertig zu werden. Aus dem Hinterhalt zuschlagen, die Feinde vernichten, Beute machen und wieder spurlos in der Halbwüste verschwinden. Diese Taktik hatten die Krieger aller Stämme seit Jahrhunderten zu einer fast perfekten Kunst entwickelt, Cochise dagegen hatte dem einarmigen General sechs Mondzeiten Frieden versprochen. Und der Chief brach sein Wort niemals. Wer weiß, vielleicht war seine Ansicht über die Weißen und ihre Macht sogar richtig? Das entschied die Zukunft, an die Schneller Fuchs nicht viel Gedanken verschwendete. Geschickt nutzte der Späher herabgebrochenes Gestein, Bergwacholder und niedrig wuchernde Drehkiefern als Deckung. Er rechnete damit, daß auch die Gegner Kundschafter auf der eigenen Fährte zurückgelassen hatten Das Hauptlager konnte nicht allzu weit entfernt liegen. Denn die räuberischen Feinde ließen ihre bisherige Beute bestimmt nicht unbewacht. Schneller Fuchs glitt wie ein Schatten zwischen den borkigen Stämmen der Bäume hindurch. Die Sonne tauchte die Nadeln in ihr Licht und schuf so einen grünlichen Schimmer auf dem Boden, der die Blätter der Bergkräuter fettgrün aussehen ließ. Der Kundschafter erreichte die letzten Drehkiefern und verharrte reglos. Lange Minuten beobachtete er die nackten Felsschroffen, die Risse und Spalten, die einem Mann Deckung gewähren konnten. Tief sog der Krieger die Luft ein. Nichts ließ ihn mißtrauisch werden, kein Gegner lauerte in der Nähe. Schneller Fuchs glitt weiter. Mit weiten Sprüngen hetzte er von Felsbrocken zu Felsbrocken, wartete nach jedem Satz ab und prüfte die Umgebung, bevor er weitersprang. Nichts geschah. Unangefochten erreichte der Späher die Kante der Steilwand, sank zu Boden und schob sich schlangengleich weiter vor. Wie eine Brustwehr ragte vor ihm
das Gestein auf. Diese Deckung war jedoch schon mürbe und verwittert. Lücken von etlichen Handspannen wirkten wie Fenster. Schneller Fuchs kroch an eine dieser Öffnungen und blickte hinab. Er hatte sich nicht getäuscht. Unten sah er das Hauptlager der Feinde. Fast eine Stunde beobachtete Schneller Fuchs die Schlucht. Nichts wies darauf hin, daß die räuberischen Wichitas an Aufbruch dachten. Sie waren wohl sicher, die gesamte Patrouille der Pferdesoldaten niedergemacht zu haben. Und sicher konnten sie sich nicht vorstellen, daß Späher der Aravaipas den Kampf beobachtet hatten. Lange blickte der Kundschafter zu einer Zweighütte, die dicht an der Felswand stand. Er fühlte, daß es mit diesem Wickiup etwas auf sich hatte. Einmal ging ein Caddo mit einer Kürbisflasche zu dieser Hütte, bückte sich etwas und trat ein. Sekunden danach kam er ohne Flasche wieder ins Freie und schlenderte zu den Pferden. Schneller Fuchs prägte sich alle Einzelheiten der Umgebung ein. Sicherlich kannten die Krieger der Aravaipas diesen Canyon und konnten ihren Verbündeten genau schildern, wo die besten Orte für den Angriff lagen. Schneller Fuchs jedoch verließ sich nicht darauf. Erst als er sicher war, jede Einzelheit wiedergeben zu können, zog er sich zurück. Halb geduckt huschte der Späher durch das Felsengewirr, wand sich zwischen den Kiefernstämmen durch und blieb reglos stehen, als er seinen Mustang entdeckte. Das Tier rupfte die Bergkräuter ab, die auf einer schmalen Felsleiste wucherten, auf die der Wind Erde abgelagert hatte. Das war es nicht, was den Kundschafter überraschte. Er hatte dem Tier die Vorderbeine zusammengeschnürt. Doch jetzt waren die rohledernen Riemen verschwunden! Schneller Fuchs glitt zu Boden. Ein paar Speerdornsträucher boten ihm ausreichende Deckung. Lautlos wie eine Eidechse
kroch der Späher weiter. Noch etwa ein halbes Dutzend Pferdelängen war er von seinem Tier entfernt, als er das Lederstück sah. Reglos verharrte Schneller Fuchs. Kaum zwei Schritte vor ihm, zum größten Teil durch den Stamm einer entwurzelten Kiefer verborgen, lag ein Krieger. Der Kundschafter sah nur die Ferse des Mokassins. Der Gegner blickte in die Richtung, aus der Schneller Fuchs gekommen war. Der Chiricahua schob sich behutsam weiter. Mit den Fingerspitzen berührte er die Borke des umgebrochenen Stammes und atmete ganz flach. Vorsichtig zog der Krieger das Messer, packte es mit der Linken und stemmte sich allmählich hoch. Endlich konnte er über den Stamm blicken. In genau diesem Moment hob auch der Indianer auf der anderen Seite der Kiefer den Kopf. Er zuckte zurück, wollte zum Revolver greifen, doch da war Schneller Fuchs schon über ihm. Die Messerklinge blitzte in der Sonne auf. Der Apache senkte das breite, scharfe Metall in die Brust des anderen. Der war sofort tot. Schneller Fuchs blieb wachsam. Erst nachdem er den Feind mit dem Fuß angestoßen und minutenlang beobachtet hatte, holte er sich sein Messer zurück, nahm dem Toten den Skalp und den Colt samt Munition ab. Der Caddo hatte den Mustang gefunden und ihn nach vorn geführt und die Beinfessel gelöst. Für den gegnerischen Späher war klar, aus welcher Richtung der Krieger kommen mußte, dem dieses Pony gehörte: vom Lager der räuberischen Feinde. Schneller Fuchs schwang sich auf sein Tier, schnalzte mit der Zunge, und der Mustang lief los. * Cochise und Eskaminzin hörten die Berichte der Kundschafter mit steigender Unruhe. Die Chiefs wußten, daß sie schnell handeln mußten. Denn die Vernichtung von einem ganzen Zug
Pferdesoldaten würde die Männer in Fort Thomas aufschrecken. Ganz sicher unternahmen die Offiziere einen Rachefeldzug gegen die Apachen. »Die Absicht der Feinde ist leicht zu durchschauen«, sagte Eskaminzin. »Sie hetzen uns die Soldaten auf die Fährte und nutzen diese Gelegenheit für sich selbst.« Cochises Gesicht wirkte grimmig. Er nickte und erwiderte: »Niemand glaubt uns, daß Wichitas und Caddos die Überfälle durchführten. Für die Weißen sind wieder einmal die Apachen die Mörder. Es ist ihnen dann gleichgültig, Bruder, daß du ein friedlicher Mann bist, daß du versuchst, den Boden zu bepflanzen und deine Krieger zurückhältst. Die Aravaipas tragen die Schuld. Und bis du beweisen kannst, daß es nicht so ist, reitet die Hälfte deiner Krieger in die ewigen Jagdgründe.« Eskaminzin verzog das Gesicht. Manchmal fragte er sich, ob seine Politik den weißen Eindringlingen gegenüber richtig war. Manchmal erschien es ihm besser, kämpfend unterzugehen. Aber was wurde dann aus den Alten, den Squaws und den Kindern, die nie zu richtigen Kriegern werden konnten? »Wir stellen die Hunde«, versprach Cochise ernst. »Meine Späher sind noch unterwegs, Bruder. Sie werden uns melden, wo wir das Lager der Feinde finden.« Eskaminzin nickte. Er war nicht so zuversichtlich wie der große Jefe. Der Aravaipa dachte an die sechzig Krieger, die auf sein Wort hörten. Nach allem, was die Kundschafter bisher berichtet hatten, waren die Gegner doppelt so stark, Diesen Vorteil konnten die Aravaipas und Cochises zwölf Chiricahuas nur durch die überlegene Feuergeschwindigkeit der Winchestergewehre ausgleichen. Es würde ein harter Kampf werden. Denn keiner der Wichitas durfte entkommen. Die Kunde der Niederlage mußte im Land der Apachen bleiben. Sollten die Stämme in der Heimat der Feinde davon erfahren, brachen sie zu einem Rachefeldzug auf. Und das brachte einen Feuerbrand in den Südwesten, der
zahllose Opfer fordern würde. Hufschlag kam auf. Der Schrei des Adlers schwang scharf durch die Luft. Sofort darauf bellte ein Fuchs heiser. Fragend sah Eskaminzin den Jefe an. Cochise nickte und sagte: »Das ist Schneller Fuchs, einer meiner Krieger.« Es dauerte nicht lange, bis der Kundschafter das Lager in der Felsspalte erreichte und absaß. Sekunden danach kauerte der Späher vor den Häuptlingen und zeichnete mit einem kleinen Zweig die Lage des Canyons in den Sand. »Gut«, sagte Cochise, als sein Krieger schwieg, »wir teilen uns, Eskaminzin. Du führst die Hälfte deiner Männer zur anderen Seite. Brechen die Wichitas durch, fliehen sie, hältst du sie auf. Ich greife mit dem Rest deiner Krieger von Westen her an. Meine Chiricahuas verbergen sich an den Talhängen und greifen von oben her ein. Gib den Befehl zum Aufbruch, mein Bruder. Wir reiten, wir befreien dein Land von den Mördern und Dieben.« Eskaminzin schwang sich auf seinen Mustang, hob die Rechte und hielt eine kurze Ansprache. »Krieger, heute haben die Aravaipas die räuberischen Hunde in der Falle«, rief er, »wir jagen sie dorthin zurück, woher sie gekommen sind. Cochise hilft uns. Vergeßt nicht, daß von unseren Taten der Frieden abhängt. Denn wenn die Pferdesoldaten erst aufmerksam werden, wenn sie eingreifen, steht die Sache der Apachen schlecht. Hört mir zu, Krieger…« Nach wenigen Minuten waren die drei Trupps unterwegs. Cochise ließ seine Gruppe langsam reiten. Eskaminzin brauchte einen Vorsprung, um auf schmalen Pfaden, die nur den Apachen bekannt waren, zur anderen Seite der Schlucht zu gelangen. Was Cochise jedoch nicht wußte, war, daß der Häuptling der Aravaipas einen Weg kannte, der ihn in kurzer Zeit in den Rücken der Feinde gelangen ließ. Die Chiricahuas trieben ihre Mustangs an. Geschickt wie Bergziegen kletterten die struppigen Tiere auf kaum fußbreiten
Felsbändern in die Höhe. Zwischen den Drehkiefern tauchten die Ponys ein, verschwanden, als hätte es sie nie gegeben. Quachan lenkte sein Pferd neben Cochises Tier. Der Aravaipa-Krieger sagte halblaut: »Chief, wir müssen reiten. Dein Plan ist gut. Wenn aber Eskaminzin vor uns angreift, bleibt den Wichitas der Fluchtweg nach Westen offen.« Cochise blickte den Krieger aufmerksam an und fragte: »Dein Häuptling braucht einen Vorsprung, Quachan. Wie kann er vor uns sein Ziel erreichen?« »Er nimmt den Hirschweg«, erwiderte Quachan. »Die Berge sind kein Hindernis für unsere Mustangs.« Mit wenigen Worten erklärte der Aravaipa, was es mit diesem Hirschweg auf sich hatte. Vor langen Jahren, vor mehr Sommern, als der älteste Krieger des Stammes an Jahreszeiten zählte, mußte ein Aravaipa vor einer Übermacht die Flucht ergreifen. Seine Feinde töteten das Pony. Lanze und Kriegskeule waren verloren. Der Apache machte sich zu Fuß auf den Weg. Im Wolfstrab hetzte er auf die Berge zu. Zwischen Abgründen, brüchigem Gestein und kargen Pflanzen lief der Gejagte bergan. Er wandte jene List an, die er kannte. Vergebens, seine Verfolger kamen immer näher. Einer der Jäger ließ seine Freunde weit hinter sich. Er trieb sein Pony an, holte alles aus dem Tier heraus und ließ es breite Klüfte überspringen, bei denen jedes andere Pferd den Gehorsam verweigert hätte. Der Aravaipa hatte keine Chance mehr. Sein Feind war nur noch Minuten entfernt. Der Gejagte suchte Deckung in einem breiten Streifen junger Drehkiefern. Langsam arbeitete er sich zum Ende des Waldes vor. Nur noch vier Reihen Bäume standen vor dem Krieger. Zwischen den Stämmen glänzte die nackte Felswand im Sonnenlicht. Hier war der Weg des Aravaipa zu Ende. Zögernd machte er die letzten Schritte. Auf einmal richtete sich ein großer Hirsch vor ihm auf. Das Tier senkte den Kopf.
Drohend wiesen die nadelscharfen Spitzen seines Geweihs auf den Apachen. Er blieb reglos stehen. Es war nicht die Zeit zu jagen. Der erlegte Hirsch bot den Verfolgern einen zu deutlichen Hinweis. Plötzlich warf sich das Tier herum. Mit drei, vier langen Sprüngen gelangte es zur massiv wirkenden Felswand. Und dann streckte es sich, vollführte einen Satz wie ein Berglöwe und fand Halt auf einem Vorsprung, der von unten her nicht zu erkennen war. Der Krieger folgte dem Tier, gelangte auf das Gesteinsband und folgte ihm in die Höhe. Ein Stück weiter mündete der Weg in einer klaffenden Öffnung, die wie eine Höhle in das Innere des Berges führte. Diese Spalte endete auf der Westseite des Gebirgszuges. Und seit dieser Zeit nannten die Aravaipas den gefährlichen Pfad den Hirschweg. Sie benutzten ihn nur im Notfall, denn kein anderer sollte von ihm erfahren. Cochise hatte gespannt zugehört und nickte, als Quachan schwieg. »Wir reiten!« rief der große Jefe und hob den rechten Arm. Innerlich verspürte er Zorn. Warum hatte Eskaminzin ihm nicht davon erzählt? Er mußte doch wissen, daß jede Kleinigkeit bei einem solchen Kriegszug wichtig war. Vielleicht hatte das friedliche Leben aus Eskaminzin wirklich schon einen Farmer und Viehzüchter gemacht? Konnte er überhaupt noch wie ein Apache denken, wie ein Krieger handeln? Der Häuptling schüttelte diese Gedanken ab. Er brachte sein Pony in Galopp und jagte weit vor den anderen her. Quachan folgte Cochise. Der Jefe beobachtete den Aravaipa aus den Augenwinkeln und folgte jeder noch so kleinen Richtungsänderung des anderen. Quachan hob die Linke und deutete auf eine Kerbe im
Gestein. Sie sah aus, als hätte ein Riese eine gewaltige Axt in die Felsen geschmettert. Im selben Moment krachten Schüsse! »Angreifen!« rief Cochise und gab seinem Mustang die Zügel frei. Er sah sich nicht um, er wußte, daß ihm die Krieger folgten. Quachan riß den Ulmenholzbogen von der Schulter. Diese Waffe beherrschte er vollkommen. Selbst vom Rücken des galoppierenden Pferdes aus traf er mit einem Pfeil jeden Gegner. In dieser Situation verschmähte der Apache die Waffe der Weißen, die dreizehnschüssige Winchester, die in einer Lederschlinge an der Seite des Mustangs hing. Die kleine Streitmacht des Häuptlings drang in die Schlucht ein. Nach wenigen Längen sahen die Kämpfer Wickiups, Feuerstellen und eine Menge Pferde. Überall kletterten feindliche Krieger in die Felswände, um von oben auf die Angreifer zu feuern. Eskaminzin hatte seine Männer bis zur Mitte des Tales geführt. Nun war er umzingelt. Die Späher der Gegner hatten den Ring hinter dem Jefe der Aravaipas geschlossen. Die Linie war nur dünn, mit großen Lücken zwischen den einzelnen Kämpfern. Eskaminzin konnte sich zurückziehen. Er dachte nicht daran. Hier stand er den Mördern gegenüber, die über zahlreiche Sippen seines Volkes hergefallen waren. Sie hatten den Tod verdient, und er würde ihnen den Tod bringen. Cochises Streitmacht verteilte sich in weitem Halbkreis. Ein Schauer von Pfeilen regnete auf die überraschten Caddos und Wichitas herab. Der Häuptling fühlte sein Blut heiß aufwallen, als er die Kriegskeule vom Gürtel löste und seinem Pferd die Hacken in die Flanken hieb. Der Mustang wieherte laut und streckte sich, machte förmlich einen Satz nach vorn. Cochise lenkte das Tier nur mit den Knien auf den dichtesten Pulk Feinde zu. In der Rechten schwang der Chief den
Schädelbrecher, und mit der Linken umklammerte er die Lanze, deren Eisenspitze er selbst aus einem erbeuteten Messer gefertigt hatte. Die roten Bänder flatterten, als Cochise den Speer vorstieß und einen Caddo tötete. Ein Wichita preschte von der anderen Seite heran. Der Krieger riß hart an den Zügeln. Mit der Hinterhand schrammte das Pferd über die Grasnarbe und riß sie mehr als drei Yards lang auf. Cochise sah das metallische Blitzen und warf den Schädelbrecher. Der Granitkopf prallte gegen die Stirn des Feindes und tötete ihn sofort. Die Kriegskeule war verloren, denn in diesem Getümmel war es unmöglich, die Waffe vom Boden aufzuheben. Ein Dutzend Gewehre peitschten. Caddos, Wichitas und Pferde sanken sterbend zu Boden. Cochises Chiricahuas hatten mit einer Salve von oben herab vorübergehend Luft geschaffen. Der Jefe glitt vom Pferd, nahm den Revolver des toten Gegners und spannte den Hahn. Drei Caddo-Krieger jagten auf den großgewachsenen Führer aller Apachen zu. Vier-, fünfmal peitschten die Gewehre der Angreifer. Die Kugeln jaulten hinter dem Chief als Querschläger davon. Vom Sattel aus war die Treffsicherheit mit den Waffen der Weißen ziemlich gering. Cochise feuerte mit dem erbeuteten Revolver. Nach dem dritten Schuß spürte der Häuptling einen harten Schlag an der Rechten. Blut lief über Finger und Handrücken. Der Beutecolt war auseinandergeflogen. Zornig warf er die nutzlose Waffe weg und nahm im Aufsitzen seine Kriegskeule wieder an sich. Der Revolver mußte eine sogenannte Spanische Waffe sein, aus schlechtem Material gefertigt und nur für wenige Schüsse gut. Cochise achtete nicht auf die Wunde. Er stürzte sich mit seinem Pony wieder in den dichtesten Pulk Caddos und wütete wie ein Berserker unter den Kriegern. Sie wichen zurück, rissen die Pferde herum, und im Peitschen der Gewehre ergriffen die
Feinde die Flucht. Cochise stieß einen gellenden Schrei aus und wendete seinen Mustang. In breiter Linie jagten die Caddos nach Westen. Die Aravaipas hatten sich entlang der Talwände verteilt und drangen zur Mitte hin vor. Eskaminzins Männer zogen einen Kreis um die Gefangenen und schützten sie vor der Wut der Wichitas, die nicht ohne Beute die Flucht ergreifen wollten. Und jetzt stieg Cochises Leibgarde aus den Felswänden herab. Die zwölf Krieger feuerten mit den Winchestergewehren, die sie von Eskaminzin erhalten hatten. Immer wieder gellten die Kampfschreie der Apachen auf. Wieselflink wechselten sie ihre Standorte, boten den Feinden ein nie verweilendes, ständig wechselndes Ziel und jagten Kugel auf Kugel zwischen die indianischen Banditen. »Zastee!« brüllten die Chiricahuas. »Tötet!« Ein hünenhafter Caddo lenkte seinen Mustang auf die Felswand zu. Wie ein Brett ragte eine Steinplatte mannslang waagerecht aus der Wand. Oben stand ein Chiricahua, suchte sich seine Ziele und setzte seine Kugeln mit tödlicher Sicherheit. Der Caddo trieb sein Pferd an. Es wurde noch schneller. Schaum flockte von seinem Maul, und als es dicht vor der Felsplatte angelangt war, stieß sich der muskulöse Krieger mit einem gewaltigen Satz ab und landete oben neben dem Apachen. Der Chiricahua riß das Gewehr herum. Die Mündung war nur zwei Handbreit von der Brust des Caddo entfernt Als der Apache abdrückte, klickte es nur metallisch. Der Caddo grinste wie ein ausgehungerter Wolf im Winter, der Beute wittert, sie sicher wähnt und riß Messer und Colt aus dem Ledergurt, den er nach Art der Weißen um die Hüften trug. Der Chiricahua wirbelte das Gewehr herum und schlug zu. Der Kolben traf die Schläfe des Caddos. Wie von einer gewaltigen Faust wurde der Krieger vom Felsvorsprung gefegt und geriet unter die Hufe eines Pferdepulks. Die Caddos flohen,
brachen nach Westen durch. Und die Wichitas ebenfalls. Denn wurden beide Gruppen getrennt, waren sie schon so gut wie verloren. Jeder einzelne Krieger wußte das. Nur die vereinigte Streitmacht der beiden verwandten Stämme konnte den Apachen standhalten. Cochise zügelte seinen Mustang und prüfte die Lage. Er stieß einen lauten Schrei aus, deutete auf die Fliehenden und hob die Kriegslanze in ihre Richtung. Die Chiricahuas reagierten sofort. Eskaminzins Krieger hingegen zögerten, suchten ihren Häuptling, warteten auf seinen Befehl. Cochise sah den Chief nicht mehr. Plötzlich wummerten Revolverschüsse bei den Jacales. Sofort riß Cochise sein Pony herum. Ein Dutzend Caddos durchbrach den Ring der Aravaipas, die wütend brüllten und Pfeil um Pfeil auf die Fliehenden schwirren ließen. Vier, fünf, sechs Caddos stürzten von ihren Pferden. Die anderen schirmten ein Tier ab, auf dessen Rücken eine verschnürte Gestalt lag. Die Aravaipas trieben ihre Mustangs an, folgten den fliehenden Feinden und schoben sich zwischen Cochise und den Gefangenen. Dieser Mann mußte wichtig sein, dachte der Häuptling. Die Wichitas und Caddos versprachen sich etwas von ihm. Bevor der Führer aller Apachen die Streitmacht neu verteilen, bevor er den Befehl zur Verfolgung geben konnte, galoppierten die Ponys der Gegner aus dem Tal. Es war sinnlos, hinter ihnen herzuhetzen. Die ersten Flüchtlinge hatten Zeit genug gehabt, einen Hinterhalt zu legen. Die Aravaipas würden zuerst die befreiten Squaws in ihr Lager bringen wollen. Cochise ritt auf Eskaminzin zu. Der Jefe schien bedrückt, verlegen zu sein und sah an Cochise vorbei. *
John Haggerty lag in seiner Hütte, als der Kampf begann. Der Scout hörte die schrillen Rufe und wußte, das Chiricahuas in der Nähe waren. Brachten die Krieger Hilfe? Hilfe für den Gefangenen? Bevor sich John entschied, den Ruf des Falken auszustoßen und so seinen Standort zu verraten, sprang Gelbschlange in die Hütte. Der Anführer der indianischen Banditen grinste verzerrt und sagte laut: »Du bleibst bei uns, weißer Mann. Dich nehmen wir mit. Denn du bist mehr wert als alle Beute, die wir bisher machten.« Haggerty drehte den Kopf weg, stieß mit den gefesselten Beinen nach dem Wichita, der mühelos auswich. John biß zu, als die Hand des anderen dicht vor seinen Lippen war. Darauf hatte Gelbschlange nur gewartet. Blitzschnell stopfte er dem Scout einen Lederlappen in den Mund. Bevor John das Ding mit der Zunge herausdrücken konnte, schlang der Indianer einen breiten Streifen um den Kopf seines Gefangenen und sicherte so den Knebel. Das Gewehrfeuer wurde stärker. Haggerty fragte sich, ob Cochise in der Nähe war. Nur der Jefe der Chiricahuas besaß die Macht, den weißen Späher zu retten. Seine Krieger würden ihn töten. Und die Aravaipas nahmen sicher keine Rücksicht auf den Kundschafter. Sie waren zwar friedlich gegenüber den Weißen und kämpften nicht. Trotzdem konnte sich John vorstellen, daß sie einen weißen Skalp nicht verachten würden. Hundertzwanzig Krieger, dachte Haggerty, alle entschlossen, Beute zu machen und diese Beute mit nach Hause zu nehmen. Was hatte Eskaminzin dieser Streitmacht entgegenzusetzen? Wieviel Chiricahuas verstärkten die Krieger der Aravaipas? Die Kriegsschreie der Apachen gellten, Schüsse krachten und Pferde wieherten grell vor Todesangst. Sie haben Mut, sind berauscht vom Kampf und dem Sieg über
die Soldaten, dachte John unruhig. Die Angreifer werden einen schweren Stand gegen die siegestrunkenen Caddos und Wichitas haben. Haggerty fragte sich, ob die Krieger die Abteilung bis auf den letzten Mann niedergemacht hatte. Die Army mußte eingreifen, eine Strafexpedition ausrücken lassen, um den Indianern ihre Stärke zu zeigen. Natürlich würden die Soldaten gegen die Apachen ziehen, denn keiner der Offiziere wußte von der Horde Caddos und Wichitas, die sich auf einem Beutezug befanden. Cochise ist die einzige Hoffnung, wenn ich nicht freikomme, dachte John niedergeschlagen. Schafft es der Jefe nicht, diese räuberischen Eindringlinge zu stellen, zu töten, reiten die Soldaten gegen die Apachen. Der Krieg ist unvermeidlich. Und Victorios Anhängerschaft wird wachsen. Auf eine solche Situation wartet der kriegslüsterne Mimbrenjo-Chief nur. Drei Krieger stürzten in das Jacale. Sie rissen Haggerty hoch, behandelten ihn wie ein lebloses Bündel, einen Mehlsack und schleppten ihn ins Freie. Nun ist es soweit, schoß es John durch den Kopf. Jetzt zeigen sie mich den Aravaipas und ihren Verbündeten. Das ist meine Chance. Wenn Cochise seine Krieger selbst führt, erkennt er mich. Aber der Scout hatte sich geirrt. Er fühlte, wie er hochgehoben wurde und unsanft auf einem Pferderücken landete. Haggerty sah nur den Bauch des Tieres und auf der anderen Seite die eigenen Füße. Sekunden später trieben die Indianer das Pony an. Die Stöße brachten Johns Magen zur Rebellion. Krampfhaft schluckte der Kundschafter. Wenn er sich erbrach, würde er ersticken. Im Galopp jagten die Caddos davon. Zwischen den wirbelnden Hufen sah der Scout drei, vier Körper fallen. Das Gewehrfeuer ließ nach. Kein Pfeil schwirrte mehr durch die Luft, und die Stimmen der Krieger klangen zufriedener. O verdammt, keine Chance für mich, dachte Haggerty. Sie
bringen mich zu einem Ausweichlager. Bis die Apachen das gefunden haben und wieder angreifen, vergeht zuviel Zeit. Weiß der Satan, was Gelbschlange nun vorhat. Der gefesselte Mann rutschte auf dem Pferderücken nach hinten, als die Tiere einen steilen Bergpferd unter die Hufe nahmen. Ein Krieger rief etwas, und Gelbschlange ließ anhalten. »Hör zu, Kundschafter«, sagte der Chief, »wir setzen dich jetzt auf das Pferd. Du bleibst gefesselt. Versuchst du zu fliehen, bekommst du eine Kugel in die Schulter. Hast du das verstanden?« Haggerty antwortete nicht. Er spürte eine seltsame Leere im Kopf, als ihn zwei Krieger packten, hochrissen und auf den Pferderücken setzten. »Nehmt ihm den Knebel ab«, befahl Gelbschlange. »Ich will hören, was er sagt.« Erleichtert atmete John durch den Mund, als das schmutzige Leder draußen war. »Hast du verstanden, was ich gesagt habe?« fragte Gelbschlange nochmals. Haggerty nickte nur. Wenn er jetzt antwortete, konnte er sich nicht mehr zurückhalten. Gelbschlange war zufrieden. Er ritt an die Spitze der Kolonne und bestimmte das Tempo. Die indianischen Banditen besaßen alle ausgezeichnete Pferde. Nach einigen Minuten wußte John, auf welche Kommandos der Mustang unter ihm reagierte. Lange überlegte Haggerty, ob er einen Fluchtversuch riskieren sollte. Unauffällig wandte er den Kopf, musterte die Krieger hinter sich und erkannte, daß er keine Chance hatte. Die kampfgewohnten Caddos waren in zahllosen Raubzügen erprobt. Sie handelten im Bruchteil einer Sekunde, sollte ihr Gefangener das Pony zur Seite lenken. Haggerty konnte nur durchhalten und hoffen, daß Cochise in der Nähe war. Wenn der Jefe seinen weißen Freund entdeckte, würde er alles zu Johns Rettung unternehmen.
Der Trail führte durch die Bergwelt der Galiuros. Blüten des Petersbarts, Akeleien und ab und zu die weißen Matten der Portulakblüten wucherten zwischen Drehkiefern und niedrigen Tannen. Bergkräuter wuchsen in jeder Felsspalte, in die der Wind Erde getragen hatte. Zwischen den Ästen der Kiefern turnten Kaibab-Hörnchen umher, verharrten, wenn sie die Reiter sahen und schimpften nach einer Weile keckernd auf die Indianer hinab. Haggerty mußte widerwillig anerkennen, daß die Banditen die Berge sorgfältig erkundet hatten. Nicht einmal wurde Gelbschlange unsicher. Immer lenkte er seinen Mustang bei Abzweigungen ohne Zögern in die neue Richtung. Die Drehkiefern blieben hinter den Reitern zurück. Kriechgewächse bedeckten den Boden, klammerten sich mit langen Wurzeln in winzigen Spalten fest und trieben Ausläufer in alle Richtungen. Sobald einer dieser Tentakel mit fruchtbarer Erde in Berührung kam, schlug er Wurzeln. Oft genug waren die Entfernungen zu weit. Die Ausläufer lagen locker auf dem Gestein. Und die Blätter vertrockneten in der Sonne. Grau schimmerte der nackte Fels zwischen den verdorrten Zweigen des Kriechgewächses hindurch. Gelbschlange bog in einen Canyon ein, dessen Zugang von einer Gruppe kräftiger Drehkiefern verdeckt wurde. Ein Reiter mußte bis zu den letzten Bäumen vordringen und dann rechtwinklig abbiegen. Das war der Trick bei der Sache. Zwischen den letzten beiden Baumreihen öffnete sich nach einem halben Dutzend Pferdelängen das Tal, das kaum mehr als eine halbe Meile breit war. Zahlreiche Rinnsale sickerten aus den Felsspalten herab. Sie vereinigten sich am tiefsten Punkt des Canyons zu einem kleinen Fluß, der nach Süden rann. Irgendwo außerhalb der Galiuro Mountains mündete dieser Wasserlauf in den Aravaipa River. Neugierig sah sich John um. Als Gelbschlange sein Pony
zügelte, war vom zweiten Ausgang noch nichts zu entdecken. Der Chief ließ in einer großen Biegung lagern. Hier schnitt das Tal tief in die Felswände zur Linken ein. Auf Haggerty wirkte der Canyon wie das Bett eines mächtigen Flusses, der vor Urzeiten seine Bahn in die Berge gefressen hatte und im Laufe der Jahre ausgetrocknet war. Es dauerte nicht lange, bis die Krieger neue Zweighütten errichtet hatten. Feuer loderten vor den provisorischen Wickiups auf. Es roch nach bratendem Fleisch, nach Kräutern, und dem Scout lief das Wasser im Mund zusammen. Der Häuptling der Horde ging langsam auf den Scout zu, der vor einer halbfertigen Hütte lag. »Was willst du?« fragte John gelassen. Gelbschlange lächelte tückisch, als er antwortete: »Du bist in meiner Gewalt. Wenn ich es will, stirbst du den Tod der tausend Martern. Er dauert tagelang, Kundschafter Haggerty. Wir können genausoviel Spaß mit dir haben wie die Apachen. Du solltest etwas freundlicher mit mir reden, weißer Mann. Denk an die Martern.« John erwiderte etwas sehr Unfeines und sah zufrieden, daß der Anführer der Kriegerhorde zusammenzuckte. »Vielleicht können wir uns nun vernünftig unterhalten«, fuhr der Scout fort. »Ich bin dein Trumpf, Gelbschlange, das hast du selbst zugegeben. Wenn du mir auch nur ein Haar krümmst, verliere ich an Wert.« Haßvoll erwiderte der indianische Bandit: »Ich ziehe dir mein Messer durch die Kehle, wenn du noch einmal so redest, du weißes Stinktier.« »Wer sich vor einem Wichita fürchtet«, entgegnete John spöttisch, »hat auch Angst vor einer Eidechse. Wahrscheinlich ist dein Messer stumpf, Gelbschlange, und du hast viel Arbeit mit meinem Hals.« Der Indianer holte tief Luft. Seine dunklen Augen funkelten voller Haß. Er wollte antworten, diesem weißen Hund zeigen,
wer hier der Gefangene und wer der Herr war, als ein Goldadler schrie. Sofort drehte sich der Wichita um und ging davon. Aha, dachte John, die Kundschafter kommen zurück. Ich möchte für mein Leben gern wissen, was die Späher zu berichten haben. Er sollte es erfahren. Denn nach einiger Zeit kehrte Gelbschlange zu seinem Gefangenen zurück. Triumph zeichnete das Gesicht des Wichitas, als er dicht neben Haggerty stehenblieb. »Du bist mein Gefangener, und du bleibst es nach meinem Willen«, sagte der Chief laut. »Du bist das Mittel, mit dem wir neue, reiche Beute erkämpfen werden. Hör mir gut zu, weißer Hund.« Haggerty rollte sich herum. Mit einem Tritt seines Fußes brachte Gelbschlange den Gefangenen wieder in die alte Stellung. John lag auf, dem Bauch und spürte den Fuß des räuberischen Halunken in seinem Nacken: Der Wichita stieß einen Ruf aus, der in einem langgezogenen Triller endete. Es dauerte nicht lange, bis sich die Krieger im Halbkreis vor ihrem Anführer versammelten. »Ich habe euch zu reicher Beute geführt«, rief Gelbschlange. »Wir mußten alles im Stich lassen. Die Apachensquaws, die unsere tapfersten Krieger verwöhnen sollten, sind von ihren Stammesgenossen befreit worden. Wir liefen vor Gegnern davon, die höchstens halb so stark wie wir waren. Seid ihr Krieger eigentlich Weiber? Oder seid ihr alte, zahnlose Greise, die in der Sonne hocken und mit ihrer Spucke einen Käfer treffen wollen?« Haggerty drehte den Kopf zur Seite, lachte und rief so laut er konnte: »Nein, sie sind die Käfer, Gelbschlange. Und was kannst du von Käfern schon erwarten? Fällt der Schatten des Feindes über sie, so laufen sie davon und verkriechen sich, statt zu kämpfen.«
Der Wichita preßte nun mit aller Kraft seinen Fuß in den Nacken des hilflosen Weißen. John spürte den scharfen Sand an den Lippen, atmete ganz flach, um nicht den feinen Staub einzusaugen, der ihn unweigerlich zum Husten bringen würde. Diesen Triumph gönnte er dem Wichita nicht. Die Krieger murrten. Ob sie wegen der Worte des Weißen oder wegen der Vorwürfe ihres Anführers ungehalten waren, konnte John nicht feststellen. »Ich verspreche euch gute Beute«, rief Gelbschlange laut. »Keine Squaws, keine Gewehre, nein, ich verspreche euch Gold!« Es wurde still. Erwartungsvoll blickten die Krieger ihren Häuptling an. »Die Späher sind zurückgekehrt«, fuhr der Chief fort, »die weißen Goldsucher ziehen davon. Sie haben ihre Ausbeute mitgenommen. Wir holen uns das Gold, denn es gehört uns, wie das Land dem Roten Mann gehört.« Ein paar Sekunden blieb es still. Doch dann rief einer der Krieger: »Gelbschlange, wir wurden schon einmal von den Weißen zurückgeschlagen. Ihre Gewehre schießen schneller, als wir laden können. Wenn wir die Goldsucher noch mal angreifen, zahlen wir mit unserem Blut dafür. Und die Beute behalten die Weißen.« »Nein!« brüllte Gelbschlange laut, »diesmal wird es anders sein. Wir haben einen Gefangenen, den obersten Kundschafter der Pferdesoldaten. Wir zeigen ihn, den Goldgräbern und drohen, diesen Mann hier zu töten. Sie werden uns all ihr Gold, ihre Waffen und Patronen geben, denn sie wollen den Mann retten. Verlaßt euch auf mich. Ich kenne die Weißen. Sie geben nach, das verspreche ich euch.« »Wenn du dich nur nicht irrst«, sagte John gepreßt. Obwohl er den Mund voll Sand bekam, als er sprach, mußte er diese Worte loswerden. Gelbschlange schien die Weißen weniger gut zu kennen wie er seine Freunde glauben machen
wollte. Haggerty wußte ganz genau, daß die Abenteurer, die den Süden heimsuchten, zur hartgesottenen Art gehörten, die nur an sich selbst dachten. »Wir zeigen ihnen diesen Kundschafter«, fuhr der Häuptling fort, »wir binden ihn an den Pfahl und beginnen mit den tausend Martern. Selbst wenn John Haggerty schweigt, wenn er nicht vor Schmerzen schreit, so werden doch die anderen nachgeben. Sie können es nicht ertragen, sehen zu müssen, wie einer ihrer Rasse gemartert wird.« Die Krieger redeten in ihrem gutturalen Dialekt miteinander. Haggerty verstand kaum ein Wort. Er spürte jedoch, daß die Männer die Chancen gegeneinander abwogen. »Gut, wann greifen wir an?« fragte ein Caddo. »Im Morgengrauen«, erwiderte der Chief, »wir beobachten sie und suchen einen sicheren Hinterhalt. Noch in der Nacht errichten wir den Marterpfahl.« Gelbschlange entwickelte seinen Männern einen Plan, der kaum fehlschlagen konnte, wenn die Digger in der gewünschten Art reagierten. John Haggerty dachte bitter an seine Lage. Sie würden ihn fesseln und knebeln, diese indianischen Halunken. Denn ließen sie ihn reden, würde er die Goldsucher beschwören, nicht nachzugeben. Es ging um mehr als das Leben eines einzelnen Mannes. Es ging um den Südwesten an sich. Lohte der Feuerbrand des Krieges wieder auf, so waren Apachen und Weiße gleichermaßen verloren. Nach langen Auseinandersetzungen würden die Weißen siegen, dessen war sich John gewiß. Aber der Blutzoll würde schrecklich sein. Die Krieger zerstreuten sich. Der Chief nahm seinen Fuß von Haggertys Nacken und ließ zu, daß sich der Gefangene umdrehte. John sah das spöttische Lächeln im Gesicht des anderen und sagte halblaut: »Ich hoffe, daß sich die Digger nicht dazu zwingen lassen, verdammter Gelbkäfer. Warum verkriechst du
dich nicht unter einem Felsen? Ich spüre, daß du vernichtet wirst, daß dein Tod nahe ist, Caddo. Dieser Angriff auf die abziehenden Goldsucher ist der Anfang von deinem Ende.« Gelbschlange lachte höhnisch und erwiderte: »Es ist der Anfang von reicher Beute. Alles, was wir bisher holten, ist nichts, gar nichts gegen das, was du uns einbringen wirst, Chiefscout John Haggerty.« Der Kundschafter schüttelte den Kopf und wünschte sich heftig, daß niemand auf ihn Rücksicht nehmen würde. Die Caddo-Wichita Allianz durfte einfach nicht raubend und mordend durch den Südwesten ziehen. Sie konnten nicht jeden Menschen umbringen, dem sie begegneten. Und entkam auch nur ein weißer Mann, so ritten die Soldaten. Und die Apachen waren die Leidtragenden, denn sie sahen sich noch immer als die Herren des Landes. Und gegen sie richtete sich der Angriff der Pferdesoldaten. Gelbschlange schien Haggertys Gedanken zu ahnen, denn der Chief sagte grinsend: »Je mehr Unruhe, Kämpfe in diesem Land ausbrechen, um so besser ist es für uns, Scout. Du hat keine Chance. Du bist nur von meiner Gnade abhängig. Und wer weiß, vielleicht lasse ich dich frei, wenn wir genügend Beute gemacht haben? Vielleicht schenke ich dir auch einen schnellen Tod. Das kommt ganz auf dich an, weißer Mann. Nur auf dich.« John antwortete nicht. Seine Situation war mehr als hoffnungslos. Außer einem schnellen Tod erwartete er nichts mehr. Selbst im größten Kampfgetümmel konnte einer der Caddos oder Wichitas den Gefangenen mit einer Kugel, einem Pfeil oder einem Messerwurf erledigen. Es sei denn, Cochise war in der Nähe. Hatte der große Jefe seine Chiricahuas begleitet, griffen diese Krieger in die Auseinandersetzung ein, so hoben sich Haggertys Chancen beträchtlich. Denn Cochise opferte keinen Blutsbruder für irgendeinen Vorteil. Und Apachenlist war den Tricks der Wichitas und Caddos mehr als überlegen.
* »Cochise, es ist meine Schuld«, stieß Eskaminzin hervor. »Ich habe nur gesehen, daß wir den elenden Hunden von Caddos eine Niederlage zufügen können. Ich habe nicht weit genug geschaut.« Der große Jefe lächelte, und es war ein warmes, freundliches Lächeln. »Das zeigt mir, Bruder«, sagte er, »daß du noch ein Apache bist und kein weißer Mann in den Stiefeln der Wüstenkrieger.« Eskaminzin atmete erleichtert auf. Cochise war nicht zornig über den fehlgeschlagenen Angriff, über die Zeitverwirrung, die durch Eskaminzins Weg durch den Hirschpfad entstanden war. »Das ist genau die Kampfweise, die wir uns nicht erlauben dürfen«, fuhr Cochise fort, »wenn wir kämpfen und den Eindringlingen Widerstand leisten wollen. Wir müssen mehr über alle Dinge reden, Bruder.« Eskaminzins Gesicht zeigte einen besorgten und unsicheren Ausdruck. Cochise ahnte, woran der Häuptling der Aravaipas dachte und sagte: »Ich will nicht in deine Geheimnisse eindringen Bruder. Und wenn es nötig ist, daß ich davon höre, so wird mein Mund verschlossen bleiben. Aber alles ist wichtig, wenn es um unsere Gegner geht.« Eskaminzin nickte und sah etwas zuversichtlicher aus. Große Dinge behielt er nicht mehr für sich. Von den modernen Winchestergewehren wußte Cochise schon. Und der Besitz dieser Waffen war das größte Geheimnis der Aravaipas gewesen. Ferner zählte auch die Kenntnis der alten Goldmine der Eisenmänner im Tal des hundertfachen Todes dazu. Auch das war dem großen Jefe inzwischen bekannt, und er würde keinen Gebrauch von diesem Wissen machen. »Die Gefahr ist nicht vorbei«, sagte Cochise deutlich. Noch immer treiben sich die Caddo- und Wichita-Krieger in deinem
Land herum, Bruder. Sie geben nicht auf. Sie sind wie die Weißen, klammern sich zäh an unnütze Dinge und hoffen, eines Tages reiche Beute zu machen. Ich sende meine Späher aus. Sie sollen die Fährte der Halunken aufnehmen und ihr zum neuen Lager folgen.« »Und wir?« fragte Eskaminzin, »was machen meine Krieger?« Der Chief der Aravaipas war etwas gekränkt. Denn seine Männer waren genauso gute Apachen und ausgezeichnete Späher, wie es Cochises Krieger waren. »Sieh dich um«, erwiderte Cochise. »Haben unsere Feinde keinen Anspruch auf Ehre? Sie sind tot. Ihre Freunde können sie nicht bestatten, wie es die Sitte verlangt. Es ist unsere Pflicht, Eskaminzin, die Toten würdig auf den Weg zu den ewigen Jagdgründen vorzubereiten. Denke auch an die weißen Soldaten. Deine Männer sollen sie getrennt hinlegen. Deine Krieger kennen das Land. Sie werden eine Felsspalte finden, die für alle toten Kämpfer groß genug ist.« Eskaminzin starrte den Chief der Chiricahuas an und fragte: »Die Pferdesoldaten und die Räuber unserer Rasse sollen in ein gemeinsames Grab gesenkt werden?« Cochise lächelte. Sein Blick wirkte traumverloren, als er zu den Gipfeln der Berge hinaufblickte und leise antwortete: »Der Tod, Bruder, macht alle lebenden Wesen gleich. Er stößt die Tür in ein Land auf, das wir nicht kennen. Wir stellen uns dieses Land vor, ja, aber wir wissen nichts von ihm. Ist es so, wie unsere Überlieferungen berichten? Ist es ein wasserreiches Gebiet mit vielen Tieren, die allen Apachen Nahrung im Überfluß bieten? Oder ist es so, wie die weißen Kuttenmänner erzählen? Wachsen den Menschen im jenseitigen Land Flügel aus den Schultern? Brauchen sie keine Mustangs mehr und keine Waffen? Spielen sie auf merkwürdigen Instrumenten wunderbare Musik, die alle Seelen sanft macht? Wir wissen es nicht, Bruder, aber wir ahnen, daß der Tod nur einen Moment
währt, etwa so lang, wie der Atemzug eines Kindes dauert.« Eskaminzin fühlte sich von den Worten des Chiefs seltsam angerührt. Wie alle Apachen glaubte er an die Urgewalt der Natur in ihren vielfältigen Erscheinungsformen. Ein Blitz zur unrechten Zeit konnte Unheil, konnte den Zorn der Gottheit bedeuten. Ein Regenguß mitten im Sommer versetzte ganze Stämme in Unruhe. Aber so weit wie Cochise war Eskaminzin in seinem Denken noch nicht vorgedrungen. Er wandte sich ab und gab eine Reihe von Befehlen. Sofort schwärmten die Aravaipas aus. Sie sammelten die gefallenen Gegner und die Körper der Pferdesoldaten ein. Reglos standen die beiden Pferde der Häuptlinge im Schatten einer vorspringenden Felsplatte. Die Wege der Krieger wurden länger, nahmen mehr Zeit in Anspruch, und nach einer Stunde, gemessen an der Uhr der Weißen, lagen alle Toten im Talkessel vor den Wickiups. Cochise schnalzte mit der Zunge. Sein Pferd ging los und trug ihn zu den Soldaten. »Vier Männer fehlen«, sagte Cochise, als Eskaminzin sein Tier neben ihm verhielt. »Es sind zwei Soldaten, dann der Mann, der sich Lieutenant John Cummings nennt und der kleine Offizier, der Winkel und Streifen am Ärmel trägt.« Eskaminzin gab seinen Kriegern sofort den Befehl, die Fährte der vier vermißten Blauröcke aufzunehmen. Die Chiefs konnten nur noch warten. Cochise nutzte die Zeit und durchsuchte die Zweighütten. Nach Apachenart hatten die Caddos und Wichitas Unterkünfte errichtet. Alle Hütten waren leer. Alle bis auf eine. Und was Cochise hier fand, ließ ihn an allem zweifeln, was er sich bisher überlegt hatte. Denn auf dem Boden der Hütte, aus der die Feinde einen Mann herausgezerrt hatten, fand er ein Lederbild, das er genau kannte. Es gehörte seiner Schwester Tla-ina. Es hatte ihr gehört. Und es gab nur einen einzigen Mann, dem sie es geschenkt
haben konnte: John Haggerty, dem Falken. Reglos stand der hochgewachsene Cochise. Er starrte auf die matten Farben der Zeichnungen und atmete schwer. Ein solches Bild bekam jede Apachin, wenn sie zur Frau wurde. Ein heiliger Ritus, an dem der ganze Stamm teilnahm. Zum Zeichen dafür, daß sie nun nicht mehr zu den sorglos spielenden kleinen Squaws gehörte, als Hinweis auf ihre Fähigkeit, junge Krieger gebären zu können, fertigten die ältesten Squaws mit Hilfe des Medizinmannes dieses Bild an. Es enthielt die Eigenschaft der jungen Frau, zeigte ihre Fähigkeiten und ihren Namen auf. Es gab immer nur einen Menschen, dem sie dieses Bild zeigte: ihrem Geliebten. Cochise steckte den Lederfleck sorgsam ein. Er durfte nicht verlorengehen, denn das bedeutete nach dem Glauben der Apachen schlimmes Unglück. Bevor er weiter über John Haggerty nachdenken konnte, rief Eskaminzin. Der Häuptling der Aravaipas war von einem halben Dutzend Krieger umringt, die ihm Bericht erstatteten. Cochise ging mit langen Schritten zu den befreundeten Apachen. Seinem Gesicht war nichts von der Erschütterung anzumerken, die ihn ergriffen hatte. »Bruder«, rief Eskaminzin, »meine Späher haben die vier Pferdesoldaten gefunden. Sie liegen unter einem Felsendach, Wasser rinnt aus Gesteinsspalten, und Sträucher bieten Deckung und Schatten.« Cochise schwang sich auf seinen Mustang und fragte: »Leben sie noch?« Setonya, einer der Späher, antwortete: »Noch leben sie, Jefe. Ihre Wunden sind schwer. Das Blut rinnt aus den weißen Männern heraus.« Listig blickte der Späher den hochgewachsenen Chiricahua an. »Wenn wir sie vergessen«, fuhr Setonya fort, »leben vier
weiße Männer weniger in der Heimat der Apachen.« Cochises Gesicht wirkte, auf einmal hart und abweisend. Die dunklen Augen drohten förmlich. »Wir lassen keinen Pferdesoldaten sterben«, sagte der große Häuptling. »Wir haben Frieden mit den Blaubäuchen, Setonya. Auch ein Späher der Aravaipas sollte das wissen. Gerade er müßte es wissen, denn dein Chief hält schon lange Frieden mit den Weißen.« Der Kundschafter nahm die Zurechtweisung mit stoischer Miene auf. Er blickte an Cochise vorbei. Sein Gesicht wirkte leer, und mit keiner Geste zeigte er seinen Unmut. Innen sah es bei dem Krieger so aus, wie bei den meisten Aravaipas. In ihren Gedanken widersetzten sie sich Eskaminzin, der Frieden predigte. Die Krieger sollten die Apachentradition nicht aufgeben, die aus Raub, Mord und Marter und Skalps bestand. Eskaminzin jedoch hatte seine kaum sechzig Krieger fest in der Gewalt. Der Stamm war klein genug, um jederzeit über die Wege der einzelnen Kämpfer Bescheid zu wissen. Andererseits war er zu klein, um mit der eingedrungenen Horde Wichitas und Caddos fertig zu werden. Der Jefe beobachtete die Squaws, die sich für den Heimweg rüsteten. Sie waren froh, aus der Gewalt der indianischen Banditenhorde befreit zu sein. In Eskaminzins Dorf würde der Ruhm der Krieger vor ihrer Rückkehr die Gemüter erhitzen. Hoffentlich, so dachte Cochise, werden die Ältesten nicht übermütig. Wenn sie die Halbwüchsigen ausschicken, war alles umsonst. Denn die jungen Männer, die noch keine Krieger waren, gierten nach Ruhm, nach der ersten Beute und den ersten Skalps. Ein Dutzend Aravaipas leitete die Mustangs in die Richtung, aus der die Späher gekommen waren. Die meisten Krieger hielten Decken in den Händen. Wenn die Weißen wirklich so schwer verwundet waren, gab es nur eine Möglichkeit, sie zu
transportieren. Ihre Verletzungen durften nicht wieder aufbrechen, denn dies bedeutete den sicheren Tod für die Soldaten. Cochise ging zu jenem Jacale zurück, in dem er das Lederbild gefunden hatte. Mit gekreuzten Beinen setzte er sich in die Öffnung der Strauchhütte. Seine Gedanken beschäftigten sich mit John Haggerty, den er Freund nannte, der sein Blutsbruder war und seine Schwester liebte. War Falke zum Verräter geworden? Cochises Gedanken wurden schwer vor Kummer. Konnte es sein, daß die Macht der Weißen über ihre Mitmenschen so weit reichte, daß diese Macht Freundschaften zerstörte, die Zuneigung zwischen Männern, Kämpfern abwürgte? Cochise kam ein furchtbarer Gedanke. Der einarmige General Howard hatte gelobt, sechs Mondzeiten Frieden zu halten. Er hatte dieses Versprechen mit seinem Wort besiegelt. War es möglich, daß Howard sein Wort brach? Hatte der Vater der Pferdesoldaten die räuberischen Caddos und Wichitas selbst ins Land geholt, um Unfrieden unter den Apachenvölkern zu stiften? Vielleicht wollte Howard, daß die Wüstenkrieger den Frieden brachen. Vielleicht wartete er nur darauf, mit seinen Truppen eingreifen zu können, um so endgültig den Niedergang der Apachenstämme einzuleiten und das gesamte Gebiet für die weißen Eroberer freizumachen? Cochise wog gegeneinander ab, was das Wort eines weißen Pferdesoldaten und das eines Chiefs wert war. Er kam zu dem Schluß, daß die Weißen immer wieder ihre Versprechen brachen, sich nicht an feierlich geschlossene Verträge hielten. Aus dem Norden, dem Land des Winters, drangen immer wieder Nachrichten zu den Apachen. Nachrichten, die vom Tod ganzer Sippen, ja, vom Untergang ganzer Stämme berichteten. Und immer hatten die Weißen ihre Hände im Spiel.
Gefiel einem weißen Siedler oder Rancher das Land, das für ewige Zeiten den Indianern zugesprochen war, so brachen die weißen Männer diesen Vertrag. Wurde gar Gold, Silber oder Kupfer gefunden, so konnten die Krieger nur noch fliehen oder kämpfen. Und der Kampf endete zumeist mit dem Tod der roten Männer. Cochise haderte mit sich selbst. Er nannte sich innerlich den dümmsten Chief seit ungezählten Jahreszeiten, weil er einen Weißen zu seinem Blutsbruder gemacht hatte. Es war nicht gut, sich mit den Langmessern einzulassen. Das Volk litt darunter, wenn nicht heute, so doch morgen oder im nächsten Winter. Auf der anderen Seite hoffte er, daß John Haggerty selbst Gefangener der Caddos war. Aber wie konnte Falke in eine Falle dieser roten Banditen geraten? Das erschien Cochise fast unmöglich. An das nächstliegende, an eine Verwundung seines Bruders, dachte er nicht. »Ich muß abwarten«, murmelte er und hob sein Gesicht zur Sonne. Die wärmenden Strahlen drangen nicht bis in sein Herz, wie er es gehofft hatte. Dumpfe Unruhe blieb zurück, schwelte und machte den Führer der Apachen innerlich zu einem zagenden Mann, der mit sich rang, ob er wirklich den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Cochises Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück. Er sah eine weiße, rehlederne Hose, die mit bunten Fäden bestickt war und schaute auf. Er bemerkte den beinahe ehrfürchtigen Ausdruck in Quachans Gesicht und unterdrückte ein Lächeln. Bei den Aravaipas galt die Weisheit, daß die Träume eines Mannes heilig waren und in Erfüllung gingen. Die Krieger dieses Stammes respektierten die Gedankenversunkenheit eines jeden anderen Mannes und warteten selbst mit der dringendsten Nachricht, bis der träumende Mann wieder zu sich selbst gefunden hatte. »Chief, die Krieger haben die vier Blauröcke gebracht«, sagte
der Aravaipa achtungsvoll. »Eskarninzin will sie in unser Dorf bringen lassen. Die Weißen sterben, wenn wir sie zu ihrem Palisadenfort tragen, sagt unser Chief. Die Entscheidung liegt bei dir, Cochise. Denn du bist der Führer aller Stämme.« Der hochgewachsene Apache stand geschmeidig auf. Er überragte alle Krieger, selbst seinen Sohn Naiche, der in den Dragoon Mountains die Felsenfestung der Chiricahuas befehligte. Der mächtige Brustkorb des Häuptlings weitete sich unter einem tiefen Atemzug. Ja, es gab zu tun, Entscheidungen waren zu treffen. Entscheidungen, die vielleicht alle Völker der Apachen beeinflußten. Cochise ging zu Eskaminzin hinüber. Vor dem Chief der Aravaipas lagen auf vier Decken vier weiße Männer in der Uniform der Pferdesoldaten. Die roten Halstücher und die gleichfarbigen Streifen an den Hosen wiesen die Bewußtlosen als Angehörige der Dragoner aus. Dazu trugen die Soldaten der Kavallerie im Gegensatz gelbe Streifen und Halstücher. Der große Jefe beugte sich vor, musterte jeden Verwundeten und sah Eskaminzin besorgt an, als er sich wieder aufrichtete. »Sie sterben«, sagte Cochise leise, »wenn sie nicht bald Hilfe bekommen. Der Weg zum Fort ist zu weit, Bruder.« Der Führer des kleinen Aravaipa-Stammes nickte und schlug vor: »Ein Drittel meiner Krieger bringt sie in mein Dorf. Die Alten kümmern sich um die Pferdesoldaten. Wir haben gute Medizin, die das Fieber vertreibt und das heiße Brennen der Wunden zurückhält.« Cochise grinste und erwiderte: »Und auf dem Rückweg hierher spähen deine Krieger die Fährte unserer Feinde aus. Ist es so, mein Bruder?« Eskaminzin erwiderte das Grinsen und nickte. Ja, genau das war sein Plan. Denn ohne Kenntnis des neuen Lagers konnten die Krieger die Gegner aus dem Land des Sonnenaufganges nicht angreifen.
Eskaminzin gab eine Reihe von Befehlen. Jeweils vier Krieger lenkten ihre Mustangs an die vier Zipfel einer Decke, auf der ein verwundeter Soldat lag. Zugleich beugten sich die Apachen weit aus den Sätteln, packten die Decken und hoben sie hoch. Die Mustangs marschierten auf Kommando los. Im gleichen Schrittmaß fielen sie in Trab. Die sehnigen Arme der Krieger schwangen im Rhythmus der Gangart, und die bewußtlosen Weißen lagen wie in einer Sänfte; Kein Stoß, kein Ruck erschütterte die geschwächten Leiber der Soldaten. Sie wurden behutsamer als mit einem Sanitätsfuhrwerk der Army transportiert. Weitere zwölf Reiter schlossen sich den sechzehn Kriegern an, die den Rest der Abteilung davontrugen. Dieses Dutzend diente der Sicherheit. Kein Mensch konnte sagen, ob die Caddo-Wichita-Banditen irgendwo einen Hinterhalt gelegt hatten, nachdem ihre wilde Flucht weit genug vom Ort ihrer Niederlage entfernt zum Stillstand gekommen war. Cochise war zufrieden. Er bedauerte nur, daß er nicht mehr Chiricahua-Krieger mit zu Eskaminzin genommen hatte. Im Moment war die Kampftruppe der Apachen zu sehr geschwächt, um einen Angriff auf die immer noch übermächtigen roten Banditen durchzuführen. Nur List konnte zum Erfolg führen. Und die Listen der Apachen waren unter den Weißen bereits zu dieser Zeit Legende. * Die Goldsucher zogen langsam nach Süden. Cochise und Eskaminzin hatten den Diggern ihr Wort gegeben, daß sie unbehelligt davontrailen konnten. Lynn Rogers saß im Sattel ihres Pferdes. Das Tier paßte seine Schritte denen der müde dahintrottenden Mulis an. Die Sonne stand tief über den Gipfeln der Mountains, und die
Schatten der Reiter wurden länger. Ed Cooper, der Revolvermann, hatte die Führung des Reiterzuges übernommen. In der Mitte ritt Lynn, die als einzige Frau unter zwanzig Männern vor wenigen Tagen an den Aravaipa River gekommen war. Sie hatte Gold gesucht, wie die anderen. Ihr Führer war ein Mann gewesen, den sie nur unter dem Namen Captain Jack gekannt hatten. Er war ein fähiger Digger gewesen, der die verschiedenen Bodenschichten gekannt und seine Gruppe zu einem Stück sandigen Flußufers gebracht hatte, das ihnen allen etliche Funde einbrachte. Aber dann versiegte das Glück. Nicht nur das Gold war knapp geworden. Nach kurzer Zeit war Cochise, der Führer aller Apachenstämme, mit mehr als sechzig Kriegern erschienen. Der Chief hatte den Abzug aller Weißen aus dem Gebiet der Aravaipas verlangt. Captain Jack hatte Widerstand leisten wollen, Cochise beleidigt und ihn schließlich zum Zweikampf herausgefordert. Der Anführer der Digger war dem bärenstarken Cochise im Messerkampf unterlegen gewesen. Diese Niederlage hatte der Goldsucher nicht verwinden können, sich einen Colt geschnappt, um den Jefe zu ermorden, der ihm großmütig das Leben geschenkt hatte. Captain Jack war durch Cochises Tomahawk gestorben. Die Digger mußten abziehen. Denn so hatten sie es vereinbart. Ihr Rückzug war der Preis für Captain Jacks Niederlage. Und nun trailten sie nach Süden. Tombstone war ihr Ziel. Dort wollten sie ihr Gold verkaufen, die Nuggets, den Flitter und den Goldsand in blanke Dollars verwandeln. Wie es weiterging, vermochte noch keiner der Männer zu sagen. Lediglich Lynn Rogers, die einzige Frau unter den harten Kerlen, hatte eine feste Vorstellung von ihrer Zukunft. Sie würde, nachdem sie ihr Gold eingetauscht hatte, ein drei Stunden währendes Bad nehmen. Sie hatte schon jetzt das Gefühl, den Staub des Apachenlandes von ihrer Haut spülen zu müssen. Eine Strähne des kastanienfarbenen Haares fiel ihr in
die Stirn. Sie packte sie mit zwei Fingern, hielt sie ein Stück von den Augen weg und musterte die Haare. »Pfui Teufel«, murmelte sie, »ich sehe aus wie eine Grandma. Meine Haare hatten die Farbe einer reifen Kastanie, aber nun sehen sie grau aus.« So leise sie auch gesprochen hatte, der bärtige Digger an ihrer Seite hatte die Worte doch verstanden. In seinem dunklen Bartgestrüpp öffnete sich auf einmal ein Loch. Der Mann grinste, und das Loch war der Mund. »Lady«, sagte der Mann, »ich weiß genau, wieviel gelben Dreck Sie aus dem Boden gekratzt haben. Dafür können Sie selbst in Tombstone zwei Jahre lang baden. Und dort ist alles doppelt so teuer wie in einer anderen Stadt.« Lynn lächelte dem bärtigen Mann zu. Er war ihr schon mehrmals aufgefallen. Er verhielt sich so, wie sie sich gedacht hatte. Denn in einer Gemeinschaft, die auf sich allein gestellt, im Apachenland nach Gold schürfte, durfte es wegen einer Frau keinen Ärger geben. »Wie heißen Sie eigentlich?« fragte Lynn Rogers. »Ich habe keine Lust, Sie immer mit Mister anzureden.« Der Bärtige kratzte sich in dem dicht wuchernden Haargestrüpp, und das Loch verschwand abrupt. Lynn blickte den Mann forschend an. Sie glaubte, so etwas wie Verlegenheit in seinem Blick zu erkennen. »Nun, eigentlich heiße ich Zebu-Ion«, antwortete der Goldsucher, »aber es genügt, wenn Sie mich Zeb nennen, denke ich, Lady.« Lynn lachte nicht, sie lächelte nicht einmal, als sie den Namen hörte. »Sagen Sie Lynn zu mir«, forderte sie den Schwarzbärtigen auf. Abermals öffnete sich das Loch im Bart, und der Mann fragte: »Lady Lynn, was haben Sie vor, wenn Sie sich in Tombstone den Dreck vom Leib gespült haben?«
Die schöne Frau lächelte und erwiderte: »Ich suche mir einen Saloon, der gut besucht ist und miete einen Spieltisch. Denn Pokern und Würfeln sind die einzigen Fähigkeiten, die ich besitze.« Zeb lachte halblaut und sagte: »Das stimmt nicht ganz. Sie behalten zusätzlich noch einen kühlen Kopf und wissen Ihre Chancen gut einzuschätzen. Das sind zwei weitere Fähigkeiten, die im Westen kaum anzutreffen sind.« Lynn lächelte und strich unbewußt über ihre schmutzigen Haare. »Aber bis Tombstone haben wir noch eine Menge Meilen zurückzulegen«, fuhr Zeb fort. Forschend schaute die schöne Frau den bärtigen Digger neben sich an. »Erwarten Sie Ärger?« fragte Lynn leise und sah sich forschend um. Keiner der anderen Reiter konnte ihre Worte gehört haben, denn niemand hielt sein Muli in ihrer Nähe. »Ich habe ein mächtig schlechtes Gefühl«, gab der bärtige Digger zu. »Ich kann mich auf meine Ahnungen meistens verlassen, Lady. Ich wette jeden Betrag, daß wir nicht ungeschoren nach Tombstone gelangen.« Lynn preßte die vollen Lippen zusammen. Sie verspürte keine Angst, nur einen Anflug von Zorn und Niedergeschlagenheit. »Hält Cochise sein Wort nicht?« fragte die schöne Frau. »Läßt er die Apachenkrieger auf uns los?« Zeb schüttelte heftig den Kopf und erwiderte: »Nein, auf keinen Fall. Wenn uns Apachen angreifen, handeln sie auf eigene Faust. Der Chief steckt bestimmt nicht dahinter. Er hat sein Wort gegeben, Lady Lynn.« Sie dachte nach, und auf einmal wußte sie es! »Die Wichitas und Caddos«, sagte die schöne Frau langsam. »Sie treiben sich hier herum und wollen Beute machen. Ist es das, Zeb?«
»Ich nehme es an«, antwortete der bärtige Mann gelassen. »Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Ich denke, wir können sie zurückschlagen. Und da ist auch noch Cochise.« Verwundert fragte Lynn: »Was hat der Häuptling damit zu tun?« Abermals öffnete sich das Loch in den schwarzen Haaren. Zeb ließ sogar ein leises Lachen hören. »Eskaminzin hat ihn zur Hilfe geholt«, erklärte Zeb. »Der Chief der Aravaipas hat zuwenig Krieger, um uns und die roten Banditen zu bekämpfen. Cochise ist ein großer Führer. Bei der Army könnte er sicher General sein. Er hat einen Blick für solche Dinge.« Nachdenklich fragte Lynn Rogers: »Und Cochise reitet erst wieder zu seinen Leuten, wenn er die Gefahren für seine Freunde hier beseitigt hat?« Nickend sagte Zeb: »Das meine ich, Lady. Wir können also auf Hilfe hoffen, wenn die roten Halunken einen neuen Überfall versuchen. Ich stelle mir vor, daß ihnen Cochise und Eskaminzin schon auf der Spur sind.« Lynn richtete ihre Aufmerksamkeit auf das Pferd. Das Tier wurde von selbst langsamer. Die Reiterin sah, daß die Mulis der Digger in einen schmalen Canyon einbogen, dessen Seitenwände hoch aufragten. Mißtrauisch musterte sie das verwitterte, schrundige Gestein, die zahllosen Vorsprünge und fußbreiten Felsbänder, die Indianerfüßen Halt gewähren konnten. Die vorderen Mulis marschierten zur Seite, verteilten sich in dem engen Tal, strebten einer Stelle an der Ostwand zu und senkten die Köpfe. »Das ist eine sehr schlechte Stelle für ein Lager«, sagte Lynn ruhig. »Warum reiten Sie nicht zu Ed Cooper und bringen ihn davon ab, in dieser Falle das Nachtcamp aufzuschlagen?« Zeb fuhr sich mit den Fingern durch seinen schwarzen Bart und erwiderte: »Ich habe kein Talent, mich mit den Kerlen zu
streiten, die sich für die Bosse halten, Lady. Sie haben es ja am River gesehen. Captain Jack hätte mich am liebsten in kleine Stücke geschlagen. Nein, ich warte ab.« »Dann bleib ich in Ihrer Nähe«, sagte Lynn entschlossen. »Ich glaube, wenn einer es schafft, sind Sie das.« Zeb entfachte ein kleines Feuer, holte Wasser von dem kleinen Rinnsal, das aus einer Felsspalte rann, und kochte Kaffee. Lynn kümmerte sich um das Essen. Sie arbeiteten Hand in Hand. Und als sie aßen, waren sie die ersten. Die Sonne sank im Westen. Ein merkwürdiges Zwielicht breitete sich im Canyon aus. Aufmerksam musterte Zeb die Oberkante der Talwände. »Da, genau gegenüber«, sagte er heiser, »zwei alte Bäume stehen dort. Passen Sie genau auf, Lynn.« Sie blickte hinauf und spürte einen heißen Schrecken. Denn drei Männer standen dort oben. Ihre Körper schimmerten bronzefarben im Schein der untergehenden Sonne. Die hellen Rehlederhosen wirkten strahlend weiß, und von den Gewehren reflektierte blitzend das letzte Sonnenlicht. »Ich bin gespannt, wann die anderen etwas merken«, murmelte Zeb. Sie merkten nichts. Sie waren wie blinde Schafe. Erst als einer der Krieger dort oben sein Gewehr hob und eine Kugel in die jenseitige Talwand jagte, sprangen die Digger auf. »Was ist das?« rief einer. »Die verfluchten Apachen«, brüllte ein anderer. »Wir schicken sie zur Hölle, diese verdammten Stinker«, schrie ein anderer. In wenigen Sekunden hielten die Digger ihre Gewehre schußbereit. Sie zielten auf die drei Krieger, die im letzten Sonnenschein deutlich zu sehen waren. Lediglich die beiden Kämpfer, die bisher den Zug geführt hatten, behielten die Nerven. Ed Cooper lief zu Zeb, grinste schwach und fragte: »Hör mal, Schwarzbart, du kennst dich
doch mit den Roten aus. Was passiert jetzt? Sind das Apachen?« Zeb schüttelte den Kopf und erwiderte: »Nein, das sind die Kerle, die uns schon am Aravaipa River angegriffen haben. Jetzt versuchen sie es noch mal.« »Sie wollen unser Gold, unsere Waffen, die Tiere, einfach alles«, sagte Tomeo Avellan mit zorniger Stimme. »Wir geben ihnen heißes Blei, das bekommen sie von uns.« »Abwarten«, entgegnete Zeb, »sie zeigen uns jetzt nur, daß wir in der Falle sitzen. Es dauert nicht lange, bis sie ihre Forderungen stellen. Erst danach können wir handeln.« Lynn saß mit gekreuzten Beinen neben dem Feuer. Ihr Reitrock war etwas hochgerutscht und gab wohlgeformte Knie frei. Der Mexikaner blickte bedauernd darauf und seufzte. Diese Frau blieb für ihn unerreichbar. Und wenn das Pech bei ihnen im Tal war, konnten sie alle sterben. Tomeo wandte sich ab. Er ging mit steifbeinigen Schritten zu den Mädchen, die im Camp am Floß ihre Liebesdienste angeboten hatten. Ed Cooper blickte unverwandt zu den Talkämmen hinauf. Immer mehr Krieger erschienen dort. Nun ritt ein Indianer bis dicht an den Rand des Abgrundes. Reglos wie ein Denkmal stand das prachtvolle Pferd im roten Schein der Abendsonne. »Ein gutes Ziel«, sagte Ed langsam, »ich weiß, daß ich den Kerl aus dem Sattel holen kann, Schwarzbart.« »Laß es sein«, antwortete Zeb, »sie sind marodierende Krieger. Sie geben nicht auf, wenn ihr Chief tot ist. Im Gegenteil, sie überschütten uns dann mit einem Hagel aus Blei und Pfeilen.« Der Reiter hob den rechten Arm und rief: »Weiße Männer, ihr seid in der Falle. Ein Entkommen gibt es für euch nicht. Meine Krieger bewachen beide Zugänge des Tales. Wenn ihr meine Forderungen erfüllt, könnt ihr davonziehen, aber auch nur dann.« Ed Cooper spannte die Lippen zu einem bösen Lächeln. »Was machen wir«, fragte er, »kämpfen wir uns durch?«
»In der Nacht müssen wir einen Scheinangriff durchführen«, antwortete Zeb. »Die größere Gruppe bricht aus und macht uns den Weg frei, um hinterherreiten zu können. Alle Ausrüstung bleibt hier. Die Pferde dürfen keine schweren Lasten tragen. Nur uns, die Waffen und das Gold.« Ed nickte. Diese Idee versprach einigen Erfolg. Natürlich würden Männer verwundet werden oder sterben. Alles war besser, als sich von den roten Banditen ausplündern zu lassen. »Los, antworte dem Roten«, forderte Ed den Schwarzbärtigen auf. Zeb öffnete den Mund, wollte rufen, als der Anführer der Horde brüllte: »Ihr habt keine Chance, ihr weißen Hunde. Ich weiß, was ihr euch ausdenkt. Seht her, schaut euch den Mann genau an. Wir lassen ihn an einem Seil hinab.« »Verdammt«, sagte Zeb und starrte auf die Kante der Talwand. Vier Krieger hoben einen gefesselten Mann über den Abgrund und ließen ihn langsam an einem kräftigen Strick etwa zwei Dutzend Yards herab. »Ein Weißer«, stieß Lynn Rogers hervor, »o mein Gott!« »Ich kenne den Mann«, sagte Ed unruhig, »ich habe ihn schon gesehen, ich weiß nur nicht mehr, wo das war.« »Das ist John Haggerty«, rief der Häuptling, »er ist der oberste Kundschafter der Pferdesoldaten in diesem Land. Er stirbt, wenn ihr kämpft. Ich will alle Waffen, alle Patronen, das Gold und alle Werkzeuge. Ihr habt Zeit zum Überlegen. Wenn die Sonne wieder über die Berge scheint, will ich eure Entscheidung wissen.« Zeb fluchte halblaut vor sich hin. Ihre Lage war miserabel. Sie saßen in einer fast perfekten Falle. Die Rothäute würden nicht aufgeben. Sie wollten sich für die Niederlage beim Angriff rächen. Was Zeb nicht wußte, war, daß in der Zwischenzeit die Apachen den plündernden Indianern die Beute wieder
abgenommen hatten. Sie mußten also erneut zuschlagen, wollten sie nicht ohne Gewinn wieder ganz von vorn anfangen. »Okay, morgen früh!« brüllte Ed Cooper zurück. »Wir sagen dir, wie wir uns entschieden haben!« Zeb klappte den Mund zu. Die Augen des Diggers wirkten auf einmal hart. »Was ist«, brüllte er, »wenn wir uns von euch nicht einschüchtern lassen? Was passiert mit Haggerty?« Der Anführer der feindlichen Horde lachte laut, und dieses Lachen rollte förmlich ins Tal hinab. »Dann dürft ihr zusehen, wie der Kundschafter der Soldaten gemartert wird«, erwiderte der Häuptling. »Wir stellen den Pfahl so auf, daß ihr alles erkennen könnt. Und danach, weißer Mann, kommen meine Krieger über euch.« »Haggerty soll selbst reden!« schrie Zeb. »Er ist geknebelt«, entgegnete der Anführer der räuberischen Wichitas. Ein paar Digger hatten offenbar die Nase voll. Sie rissen ihre Gewehre an die Schultern und feuerten nach oben. Die kampfungewohnten Männer verschätzten sich beim Zielen gewaltig. Harmlos prallten die Kugeln gegen das mürbe Gestein und rissen einen Splitterregen herab. Sofort bekamen die Digger die Quittung für ihren Versuch. Die Männer, vier waren es, konnten nicht mal mehr schreien. Eine Pfeilwolke senkte sich herab, und in das Sausen dieser Geschosse mischte sich das Peitschen mehrerer Gewehre. Die vier Goldsucher waren sofort tot. »Diese verdammten Narren«, sagte Zeb böse. »Vier Schützen können bei einem Angriff eine Menge ausmachen. Jetzt haben wir vier Männer weniger.« »Bei Sonnenaufgang!« rief der Häuptling am Talrand. Auf ein Zeichen von ihm holten die Krieger das Seil ein, an dem John Haggerty, der Chiefscout für den Südwesten, hing. »Wir müssen beraten«, sagte Ed Cooper. »Los, kommt, es
muß doch einen Ausweg geben.« Der Revolvermann eilte mit langen Schritten davon. Er rief die anderen Goldsucher zusammen. »Cochise ist unser einziger Ausweg«, murmelte Zeb. »Aber wo der Chief jetzt ist, weiß niemand.« * Ein Apache lag zwischen ein paar Felsbrocken. Niemand konnte den Krieger von der Umgebung unterscheiden. Ein paar Hände voll Sand hatten genügt, die Tarnung perfekt zu machen. Aufmerksam hörte der rote Kämpfer zu, als die Caddos und Wichitas die großartige Idee ihres Häuptlings lobten. Gelbschlange ritt vorbei. Er ahnte nicht, daß kaum zwei Mannslängen neben seinem Pferd ein Späher seiner Feinde lag. Ein paar Schritte hinter dem Häuptling stolperte Haggerty mit gefesselten Beinen hinter dem Pferd her. Die Lederschlingen gestatteten dem Scout nur kurze Schritte. Noch immer war er geknebelt, und die Hände hatten ihm die Krieger auf dem Rücken verschnürt. Der Apache war ein Chiricahua. Er empfand eine wilde Freude, als er den gefährlichsten Kundschafter der Pferdesoldaten gefangen sah. Obwohl der Chief für den Frieden eintrat, brannte in dem Krieger der Chiricahuas immer noch die Sehnsucht, einen Weißen zu töten und auszurauben, seinen Skalp mit in die Felsenfestung zu bringen. Solange kein richtiger Kriegszug aus einer solchen Aktion wurde, griff Cochise nicht ein. Freilich ging es hier um mehr. Dem Späher war klar, daß die Apachen dem weißen Scout helfen mußten. Nur so konnten sie die plündernden und mordenden Eindringlinge aus dem Osten niederkämpfen. Wer weiß, vielleicht erwiesen sich die Goldsucher sogar als wertvolle Verbündete. Der Späher wartete lange. Unverwandt blickte er auf die
Fährte der Feinde. Kein gegnerischer Krieger ließ sich blicken. Die Sonne war nicht mehr zu sehen, als der Chiricahua vorsichtig aufstand und in der Deckung der Gesteinstrümmer davontrabte. Nach mehr als fünfhundert Yards erreichte der Kundschafter seinen Mustang, sprang mit einem Satz auf den Pferderücken und schnalzte mit der Zunge. Das Tier ging los, gehorchte dem leisesten Druck der Schenkel und den winzigsten Bewegungen der Graszügel. Der Späher trieb sein Pony an, als er sichere Deckung erreichte. Im Trab lief das Tier auf Umwegen zum Talkessel, in dem Cochise und Eskaminzin auf die Nachrichten ihrer Kundschafter warteten. Der Krieger brachte das Tier in Galopp, erreichte das Tal und jagte zu den beiden Jefes, die vor einem Jacale mit gekreuzten Beinen saßen. »Doppelhund«, sagte Cochise, als er seinen Mann erkannte, »welche Nachricht bringst du?« »Die Wichitas und Caddos brechen dein Wort, Häuptling«, berichtete der Kundschafter, nachdem er vom Pferd gesprungen war. »Sie lauerten den weißen Männern auf, die nach Süden ziehen. Die Langmesser waren dumm genug, in einer engen Schlucht zu lagern. Jetzt haben unsere Feinde sie in ihrer Gewalt.« Cochises Gesicht blieb unbewegt. Obwohl wilder Zorn in ihm aufstieg, beherrschte er sich. »Ist das alles?« fragte der Chief der Chiricahuas. Doppelhund lächelte grausam und fuhr fort: »Nein, Jefe, die Feinde haben einen weißen Mann in ihrer Gewalt. Sie martern ihn bei Sonnenaufgang, wenn die Goldsucher nicht aufgeben.« Forschend blickte Cochise seinen Krieger an und fragte halblaut; »Wie ist der Name dieses Weißen, Doppelhund? Du kennst ihn. Ich fühle das.« »Du nennst ihn Falke«, erwiderte der Späher.
Der Häuptling straffte sich. Ein kühnes Funkeln trat in den Blick seiner schwarzen Augen. Cochise holte tief Luft. »Beschreibe mir deinen Weg«, befahl er Doppelhund. »Ich werde selbst spähen.« Der Krieger hatte erst drei Landmarken genannt, als Eskaminzin schon abwinkte. Der Chief der Aravaipas kannte sein Gebiet genau und wußte, wie Cochise am schnellsten und sichersten die Schlucht erreichen konnte. Doppelhund ging davon. Für heute hatte er seine Aufgabe perfekt gelöst. »Bruder, was wirst du tun?« fragte Eskaminzin. »Wenn wir die Feinde angreifen, sterben wir alle. Fast die Hälfte meiner Krieger bringt die verwundeten Pferdesoldaten in mein Dorf. Wir können keinen offenen Kampf wagen.« Cochise sagte halblaut: »Falke ist mein Bruder, Häuptling. Ich muß ihn befreien. Außerdem haben wir beide unser Wort gegeben, daß die weißen Goldsucher in Frieden abziehen dürfen. Wir müssen unser Wort halten.« Eskaminzin schien besorgt zu sein. »Die Feuer werden wieder lodern«, sagte er mit matter Stimme. »Nacht für Nacht durchdringen ihre Glutaugen die Dunkelheit. Unsere Krieger werden reiten und die Pferdesoldaten töten. Alle Weißen im Apachenland sterben, Cochise. Was geschieht danach? Mehr und mehr Weiße kommen, Soldaten dringen ein und töten jedes Kind, jede Squaw und jeden Krieger. Unser Volk stirbt, Cochise, wenn die Signalfeuer wieder brennen.« Der große Führer der Stämme vollführte eine abwehrende Handbewegung. »Dies darf nicht geschehen, Bruder«, erwiderte Cochise dumpf. »Unser Volk muß leben, muß von den Weißen lernen und zugleich seine Eigenart erhalten. Das ist unser Ziel.« Nach langem Schweigen fragte Eskaminzin: »Wie willst du
das erreichen? Wenn auch nur ein Gegner entkommt, wird er das Gerücht verbreiten, daß die Apachen wieder auf dem Kriegspfad sind.« Cochise antwortete nicht. Scheinbar verloren blickte er in den grauen Horizont des Abendhimmels. Erst nach einer Weile sagte der Chiricahua: »Die Wichitas und Caddos müssen sterben. Alle, Eskaminzin.« Natürlich, dachte der Chief der Aravaipas, das ist die einzige Lösung. Aber wie können wir das erreichen, denn wir sind zu schwach. Die Zeit ist zu kurz, um Cochises Chiricahuas herbeizurufen. »Wenn die Caddos und ihre Verbündeten die Weißen getötet haben«, sagte Eskaminzin schwerfällig, »vernichten wir jede Spur. Unsere Krieger suchen das gesamte Gebiet ab und sorgen dafür, daß niemand mehr von den Dingen erfährt, die hier vorgegangen sind.« »Nein«, erwiderte Cochise scharf, »nach Monden oder Jahreszeiten reden die Krieger darüber. Die Weißen vergessen nicht. Das ist keine Lösung, Bruder.« »Was willst du denn?« rief Eskaminzin aufgebracht. »Die Goldsucher sitzen in einem engen Tal. Wenn wir hundert Krieger hätten, würde ich angreifen, die Plünderer zu den Langmessern hinabwerfen, die unseren Feinden dann den Rest geben könnten. Aber wir haben keine hundert Krieger! Noch nicht einmal die Hälfte können wir einsetzen.« Cochises Gedanken waren schwer. Er verspürte eine Ahnung, daß die Lösung des Problems greifbar nahe vor ihm lag. Immer wieder schob sich Haggerty, der Falke, in die Überlegungen des Chiefs. Cochise dachte keine Sekunde daran, seinen weißen Blutsbruder im Stich zu lassen. Das wäre gleichbedeutend mit seinem Tod gewesen. Kein Apache würde in einem solchen Fall noch den Häuptling anerkennen. Der Stamm mußte ihn ausstoßen. So lautete das Gesetz, und das Gesetz war gut. Cochises Position war selbst dann gefährdet, wenn die
Goldsucher ausgeraubt oder gar getötet würden. Wie ein Feuerbrand durchraste dann die Nachricht, daß der große Cochise sein Wort nicht mehr hielt, den Südwesten. Die Weißen würden unruhig werden, wenn sie das hörten. Das Militär würde in Alarmbereitschaft versetzt, und der einarmige General Howard bekäme endlich die Verstärkung, die er seit langem gefordert hatte. Cochise wollte nicht noch mehr Pferdesoldaten im Gebiet der Apachen wissen. Selbst wenn er Howard davon überzeugen konnte, daß er unschuldig an allem war, kam Unruhe auf. Unruhe, die sich leicht zu einem gnadenlosen Krieg ausweiten konnte. Gold! Das war ihre Rettung. Warum hatte er nicht sofort daran gedacht? Die Lösung hatte wirklich nahegelegen. Sie würden den rothäutigen Banditen Gold geben, Unmengen des gelben Eisens zeigen. Mitnehmen jedoch würde kein einziger Krieger der indianischen Horde aus dem Osten auch nur so viel, wie unter einen Fingernagel paßte. Weggehen würde auch keiner der Feinde. Sie mußten sterben, und die Wächter des Goldes töteten zuverlässig. »Hör mir zu, Eskaminzin«, raunte Cochise und entwickelte dem Aravaipa einen verblüffenden Plan. Der Häuptling des kleinen Stammes hörte mit wachsendem Erstaunen zu. Erregt sprang er auf und rief: »Du bist der größte Führer unserer Stämme, Cochise. Mit dir können wir alles hinwegfegen, denn der große Geist hat dir besondere Gaben verliehen. Ich reite sofort, Jefe.« Cochise nickte und sah zu, wie Eskaminzin seine Krieger aufscheuchte, Auch die Chiricahuas sollten den Aravaipa begleiten. Gemeinsam mit den anderen Kämpfern stellten sie die Fallen auf. Tödliche Fallen, aus denen es für die rote Mordbrennerhorde kein Entweichen mehr gab. Der große Häuptling hingegen führte seinen Mustang am Zügel davon. Irgendwo zwischen Wacholdersträuchern legte
sich Cochise auf den Boden, starrte in den Nachthimmel und hoffte, daß er nicht vom Schicksal durch eines der silbern glänzenden Löcher der Sterne gerissen wurde. Er schlief ein. Er war sicher, zur richtigen Zeit zu erwachen. Und er war auch sicher, daß Eskaminzin alle Vorbereitungen während der Nacht traf. * Lynn kniete neben Zeb am Feuer. Die vier anderen Frauen, die sich ihr Geld auf eindeutige Weise im Diggercamp verdient hatten, waren nahe an Lynn herangerückt. Das Wort hatte ein Mann, der bisher durch nichts aufgefallen war. Er stand auf der anderen Seite der Flammen und achtete sorgsam darauf, nicht in den Lichtschein zu geraten. Sicher fürchtete er eine Kugel oder einen Pfeil der Indianer. »Ich frage euch«, rief der Kerl, »was haben wir mit diesem Spurensucher zu schaffen? Er gehört zur Army. Sollen sich die Yankees um ihre Leute selbst kümmern. Wie komme ich dazu, meine Waffen, meine Ausrüstung und die paar Unzen Gold für einen Narren herzugeben, der den Rothäuten ins offene Messer gelaufen ist?« Zufrieden trat der Digger zurück. Er lauschte auf die Stimmen der anderen Goldsucher. Fand er eine genügend starke Anhängerschaft, war die Entscheidung schnell herbeizuführen. »Du bist ein Narr, Frank«, rief ein anderer Mann. »Wenn wir nicht nachgeben, schneiden die Roten den Scout in Stücke. Okay, wir haben mit dem Fährtensucher nichts zu schaffen. Da gebe ich dir recht. Was aber passiert anschließend?« »Das kann ich dir genau sagen«, rief ein Digger. »Die roten Hurensöhne haben sich durch die Marter in einen Blutrausch gesteigert. Und dann fallen sie über uns her, Freunde. Wir haben nur eine Wahl. Entweder geben wir unseren Kram her und kommen vielleicht mit dem Leben davon. Oder wir bekommen
heißes Blei und sind Gold, Ausrüstung und die Mulis los. Von unserem Leben ganz zu schweigen.« Stimmen brandeten auf. Erregt redeten die Männer aufeinander ein. Die Mexikanerin, die bei den Freudenmädchen das Wort führte, schüttelte den Kopf und sagte zu Lynn: »Davon habe ich immer geträumt, daß sich Männer wegen uns streiten. Leider haben sie niemals so viel Gold gefunden, daß es dazu kam.« Lynn Rogers lachte und erwiderte: »Außerdem streiten sie sich nur darum, ob sie sterben wollen oder nicht.« »Und keiner denkt an Haggerty«, sagte Zeb, »diese verdammten Bastarde. Hoffentlich leben sie noch, wenn ihnen die Roten die Skalps nehmen.« Überrascht schaute Lynn den bärtigen Zeb an. So etwas wie Respekt glomm in ihren Augen auf. Auch die drei leichten Girls betrachteten den Bärtigen genauer. Sie alle spürten die Verachtung, die der Mann für die anderen Digger hegte. Die Kerle waren nur darauf aus, ihr eigenes Leben zu retten und möglichst noch das Gold und die Ausrüstung dazu. Zeb stand auf, marschierte zum Feuer und stellte sich in den Flammenschein. »Jetzt hört mir mal alle genau zu«, sagte der bärtige Digger grob, »ihr seid allesamt verdammte Narren. Wie könnt ihr einen Weißen verrecken lassen? Wie könnt ihr es vor euch selbst verantworten, he? Du da, und du, was denkt ihr euch eigentlich dabei? Dieser Haggerty stirbt den schlimmsten Tod, den ihr euch vorstellen könnt. Ihr aber denkt nur an den gelben Dreck, an nichts anderes. Ich wünsche euch, daß ihr eines Tages in die gleiche Lage kommt. Ich wünsche euch, daß euch – die anderen dann auslachen, wenn ihr Hilfe braucht. Was sagt ihr dazu, na? Wo sind eure großen Schnauzen geblieben?« Es war totenstill geworden. Nur die dürren Äste und Zweige im Feuer knackten, wenn sich die Flammen weiterfraßen. »Recht hast du, Schwarzbart«, rief ein älterer Goldsucher »Es
ist 'ne verdammte Schande für uns, daß wir um das Leben eines Weißen streiten.« »Was passiert, wenn wir den roten Schurken unser Gold geben?« fragte ein junger Mann, dessen scharfe Gesichtszüge wie eine Teufelsfratze im rötlichen Schein der Flammen wirkten. »Lassen uns die Redmen dann laufen? Oder jagen sie uns trotzdem Pfeile und heißes Blei auf den Pelz?« Zeb strich sich durch den Bart und antwortete: »Die Chance steht fünfzig zu fünfzig, Mann. Auf jeden Fall brauchen wir uns nicht mies zu fühlen, wenn sie uns trotzdem umlegen.« Die Digger redeten aufgeregt durcheinander. Zeb hatte den Eindruck, daß alle nur redeten, daß keiner dem anderen zuhörte. Und was er so an Gesprächsfetzen aufnahm, ließ ihn innerlich vor Zorn kochen. Noch immer waren die Meinungen geteilt. Etwa die Hälfte der Digger wollte nachgeben, und die andere Hälfte blieb starrsinnig, kümmerte sich nicht um das Schicksal eines weißen Scouts, der zu Tode gemartert werden sollte. »Ihr entscheidet euch«, rief Zeb, »nun gut, das ist eure Sache. Aber wenn ihr Haggerty morgen brüllen hört, wenn er wie ein Tier wimmert, weil die Rothäute ihm ihre Messer in Arme und Beine werfen, wenn sie ihn mit glühenden Aststücken quälen, wenn ihr das hört, dann wünscht ihr euch alle, ihr hättet euer Gold und eure Ausrüstung abgeliefert. Dafür garantiere ich.« Zeb hatte nicht verhindern können, daß Bitterkeit in seiner Stimme mitklang, als er diese Worte sagte. Abrupt wandte er sich vom Feuer ab und ging zu Lynn zurück. An der kleinen Brennstelle setzte sich der Bärtige nach Cowboyart auf die Hacken und starrte in die Flammen. Eine lange Weile sagte er nichts. Lynn und die Mexikanerinnen schwiegen ebenfalls. »Sie wissen ja nicht, was auf sie zukommt«, sagte Zeb nach langer Zeit halblaut. »Ich habe das schon mal mitgemacht.« Seine Augen wirkten kalt und hart im Spiel der Flammen. Von dem Goldsucher ging etwas aus, das die Mädchen frösteln ließ.
»Wenn ich einen Freund hätte«, fuhr Zeb fort, »der in Haggertys Lage wäre, ich würde ihn erschießen, wenn die Roten mit dem Zauber anfingen. Und wenn ich gemartert werden sollte, würde ich mir wünschen, daß mich ein Freund mit einer glatten Kugel erlöste.« Geschmeidig stand Lynn auf und ging zum großen Feuer. »Ich habe auch was zu sagen«, rief sie mit heller Stimme. »Wir verlieren unser Gold auf jeden Fall. Das ist doch jedem von euch klar. Die Frage ist doch nur, ob deswegen ein Weißer sterben muß oder nicht. Wenn die Indianer den Mann zu Tode gemartert haben, fallen sie über uns her. Was gibt es da noch zu überlegen? Seid ihr alle verrückt?« Lynn spürte die Feindseligkeit der Digger fast körperlich. Daß sie als Frau genauso hart wie die Männer geschuftet hatte, war auf einmal vergessen. Sie war eine Frau, und sie hatte sich nicht in diese Dinge einzumischen. Daß es auch um ihr Leben ging, daran dachten die Goldsucher nicht. Zwei Stunden dauerte es noch, bis die Digger abstimmten. Ein alter Mann ging mit seiner Waschpfanne von einem zum anderen. Wer dafür war, Haggerty zu retten, warf ein Holzstöckchen hinein. Wer nicht aufgeben, sondern um das Gold kämpfen wollte, nahm einen Kieselstein. Und am Ende, als alle Holzstückchen und alle Kiesel gezählt waren, lachte Zeb bitter auf. Denn der Oldtimer verkündete: »Die Mehrheit ist dafür, daß wir kämpfen. Es ist beschlossen. Stellt Wachen aus, seht die Waffen nach, es wird mächtig heiß, wenn die Sonne aufgeht.« »So wird über das Leben eines guten Mannes gerichtet«, sagte Zeb bitter. »Narren bringen ihn ums Leben. Wenn ich ihn günstig vor die Mündung bekomme, gebe ich ihm eine Kugel. Dann ist er wenigstens tot, und den Roten vergeht der Spaß.« Lynns Augen schienen vor Zorn zu sprühen. Auch die drei leichten Girls waren mit der Entscheidung der Digger nicht einverstanden. Weder die Frauen noch Zeb konnten etwas unternehmen. Sie mußten auf den Morgen warten und um ihr
Leben kämpfen. Lynn saß reglos am Feuer. Sie bewegte sich nur, um Holz nachzulegen. Zeb und die drei Mädchen schliefen, aber sie schliefen unruhig. Als im Osten ein heller Streifen über die Gipfel der Berge zog, fror Lynn Rogers auf einmal. Sie blickte zu den Kanten des Tales hinauf. Die Indianer schienen aus dem Boden zu wachsen. Ein Reiter kam dicht an den Abgrund heran. »Weiße Männer«, dröhnte die Stimme des Anführers, »ich bin gekommen, um eure Entscheidung zu hören.« Die Goldsucher packten ihre Waffen fester. Ein junger Mann rief laut: »Du wirst es nicht wagen, John Haggerty zu martern. Du weißt, daß sich sämtliche Soldaten auf deine Spur setzen werden wenn Haggerty stirbt. Wir geben nichts heraus. Wenn du Beute machen willst, so mußt du kämpfen.« Der Häuptling lachte und erwiderte: »Ihr habt eure Wahl getroffen. Ihr werdet alle sterben. Und wenn ihr gefunden werdet, was dann? Was ist denn, wenn die Pferdesoldaten den gemarterten Haggerty finden? Ich will es euch sagen: dann reiten die Blauröcke gegen die Apachen. Und wenn Krieg in diesem Land herrscht, machen wir reiche Beute.« Der Indianer wandte sich im Sattel um und winkte mit der Hand. Sechs Krieger schleppten einen Baumstamm heran, ließen ihn hinab und verankerten ihn in einer Felsspalte. Jeder im Tal starrte wie gebannt auf diesen mächtigen Pfahl. Andere führten Haggerty heran. Eine Messerklinge blitzte in den ersten Strahlen der Sonne. Die Fesseln fielen zerschnitten herab. Sofort packten die Krieger zu, zerrten den Scout an den Pfahl und verschnürten ihn. Der Anführer der Mordbrenner pfiff gellend. Ein gutes Dutzend seiner Männer stürmte vor, blieb plötzlich stehen, und dann wirbelten die Tomahawks durch die Luft.
Haarscharf an Haggertys Gesicht flogen die gefährlichen Kampfbeile vorbei. Der Scout gab keinen Laut von sich. Er beherrschte sich gewaltsam, denn er wollte nicht als feige gelten. Messer schwirrten durch die Luft. Die Schneiden zerfetzten Haggertys Hemd, und eine Klinge schnitt in sein Ohr ein. Wie gebannt sahen die Goldsucher zu. Lynn wollte sich zwingen, wegzuschauen – sie konnte es nicht. Wenn er verletzt wird, dachte die schöne Frau, dann zerbricht der Bann, dann kann ich mich verkriechen. Denn ich möchte nicht sehen, wie ein Mann in Stücke geschnitten wird. Zeb nahm sein Gewehr, sah es sorgfältig nach und hob es an die Schulter. Die Sonne war ein Stück auf ihrem Weg weitergewandert. Der Bärtige mußte gegen das gleißende Licht des jungen Morgens zielen. Resigniert ließ er das Gewehr sinken. Es war sinnlos. Zeb konnte keinen sicheren Schuß anbringen. Bis die Sonne den Goldsucher nicht mehr blendete, war Haggerty vielleicht schon tot. Eine weitere Gruppe Indianer stellte sich vor dem Gefangenen auf und hob die kurzen Kriegsbogen. Pfeile schwirrten von den Sehnen, und die Geschosse schlugen um Johns Kopf herum ein. »Wenn wir jetzt einen Ausbruch wagen«, raunte Lynn und blickte Zeb an. Er schüttelte den Kopf. Es war sinnlos. Die roten Banditen paßten genau auf. Mit ihrem Gefangenen beschäftigte sich immer nur eine Gruppe. Die anderen ließen die Goldsucher in der schmalen Schlucht nicht aus den Augen. Auf einmal riß der Häuptling dort oben sein Pferd herum. Das Tier ging los. Nach zwei Sekunden war von dem Anführer der Horde nichts mehr zu sehen. Was hatte das zu bedeuten? Die Minuten vergingen in quälender Langsamkeit. Ein Ruf klang auf. Die Krieger ließen ihre Bogen sinken. Langsam marschierten drei Indianer auf den Pfahl zu, schnitten
Haggerty los und trugen ihn davon. »Welche Teufelei haben sie sich jetzt ausgedacht?« fragte Lynn mit gepreßt klingender Stimme. Zeb kratzte sich seinen Bart und erwiderte: »Keine Ahnung. Ich schätze, da oben hat sich was geändert, ganz gewaltig geändert.« Es dauerte lange, bis die Digger erfuhren, was geschehen war. Ein Reiter zügelte sein Tier dicht am Abgrund.« »Cochise«, sagte Zeb verblüfft, »er läßt seinen Blutsbruder Haggerty nicht im Stich. Was hat der Jefe vor?« Sie alle sollten es gleich erfahren. »Ich habe mein Wort gegeben«, rief der Häuptling der Chiricahuas in die Tiefe. »Und ich dulde nicht, daß andere dieses Wort brechen. Reitet nach Süden und kommt nicht wieder in das Gebiet der Aravaipas. Euch geschieht nichts. Die Caddos und Wichitas lassen euch in Frieden ziehen.« »Da haben wir aber noch mal mächtig Schwein gehabt«, sagte Zeb leise. »Los, Lynn, verschwinden wir. Die anderen sollen den Staub schlucken.« Innerhalb von Minuten ritten Zeb, Lynn Rogers und die drei leichten Girls davon. Gespannt beobachteten die anderen die kleine Gruppe, die unbeirrt auf den südlichen Ausgang der Schlucht zuhielt. Sicher waren die Digger froh, ein paar Dumme gefunden zu haben, die Cochises Wort auf die Probe stellten. Nichts geschah. Ungeschoren verließen die vier Frauen und Zeb das Tal. Erst jetzt sattelten die anderen Digger und suchten ihre Ausrüstung zusammen. Binnen Minuten lag der enge Canyon verlassen. Die Goldsucher waren gerettet, entkommen. Aber wieder einmal hatten nicht die überlegenen Waffen der Weißen die Entscheidung gebracht. Weder sie noch der Mut der Digger hatten ihnen freien Abzug verschafft: es war die Macht und die Klugheit eines großen Mannes, des Führers aller Apachen: Cochise.
* Cochise erwachte, als es noch dunkel war. Ein paar Sekunden lauschte er auf die Geräusche der Nacht, auf den leichten Wind, der kühl durch die Berge fächelte. Lautlos und geschmeidig stand er auf. Sein Pferd döste zwischen ein paar halbhohen Drehkiefern und kam sofort heran, als es die Witterung seines Herrn in die Nüstern bekam. Cochise saß auf und lenkte das Tier zwischen den Bäumen hindurch. Er erkannte die Landmarken, die Doppelhund und Eskaminzin ihm beschrieben hatten. Als der Chiricahua nicht mehr weit von der Schlucht entfernt war, saß er ab. Ein sanfter Ruck am Zügel und ein paar geraunte Worte genügten, damit sich der Mustang hinlegte. Hinter einer Wacholdergruppe wurde er unsichtbar. Cochise sank zu Boden. Ohne ein Geräusch zu verursachen glitt der große Kämpfer wie eine Schlange voran. Er bemerkte ein halbes Dutzend Caddo-Späher, die aufmerksam die Umgebung beobachteten. Für einen Apachen waren sie nicht gut genug, und erst recht nicht für den Jefe der Chiricahuas. Cochise hörte die Worte des Häuptlings, seine Befehle, den Pfahl aufzustellen und den Gefangenen zu holen. Haggerty sah blaß aus, hatte sich aber in der Gewalt. Falke, du mußt noch warten, dachte Cochise. Ich bin dein Bruder. Bald wirst du wieder frei sein, Falke. »Nehmt die Tomahawks«, rief der Anführer der Mordbrenner. »Verletzt den Kerl nicht. Die weißen Hunde im Tal sollen lange Freude an der Sache haben.« Die Kampfbeile wirbelten durch die Luft. Danach kamen die Messer und die Bogenschützen an die Reihe. Cochise wußte, daß dies alles nur harmlose Vorgeplänkel waren. Sie sollten den Gefangenen einschüchtern, an seinem Mut, seinem Willen zehren und ihn empfänglich für die eigentliche Marter machen. Cochise entschied, daß er genug gesehen hatte. Dieser fremde
Chief würde ernst machen. Ungesehen gelangte der Chiricahua zu seinem Pony zurück. Während Cochise das Pferd antrieb, hielt er es immer auf weichem Untergrund, um sich nicht vorzeitig zu verraten. Es gelang ihm sogar, ungesehen an den sechs Beobachtern vorbeizugelangen. Ein spöttisches Lächeln huschte über Cochises Gesicht. Diese Caddos und Wichitas waren den Apachen mehr als unterlegen. Erst die Späher des zweiten Ringes entdeckten den Häuptling. Sofort sprangen vier Krieger hoch, legten Pfeile auf die Bogensehnen und zielten drohend auf den Apachenführer. Cochise kümmerte sich nicht um die Gefahr. Er ritt genau auf die fremden Krieger zu. Sie sprangen zur Seite. Wütend blickten sie dem hochgewachsenen Häuptling der Chiricahuas nach, der sie gar nicht zu sehen schien. Für ihn waren sie nichts als vier Käfer unter vielen anderen. Wenigstens gab sich der Jefe so. Als er noch ein halbes Dutzend Längen vom größten Pulk der Krieger entfernt war, stieß einer der Männer einen Ruf aus und deutete mit der Rechten auf Cochise. Der Häuptling der räuberischen Indianer riß am Zügel. Sein Pferd trabte auf Cochise zu. Triumph stand in seinem Gesicht, als er Cochise erkannte. »Das ist ein großer Tag für uns«, sagte Gelbschlange grinsend. »Wir machen reiche Beute, nehmen einem weißen Gefangenen den Skalp und haben den Chief der Apachen in unserer Gewalt!« Cochise blickte Gelbschlange erstaunt an. »Ein Mann sollte nicht träumen, wenn die Zeit der Taten gekommen ist«, sagte Cochise tadelnd. »Und du träumst, fremder Häuptling. Wah, bin ich in deiner Gewalt? Ich sehe hier keinen Krieger, der mich festhalten kann.« Der letzte Satz war eine böse Beleidigung der Caddos und Wichitas. Die Kämpfer, die Cochises Worte gehört hatten,
drängten vor. Drohend hoben sie ihre Waffen und stießen grollende Laute aus. Gelbschlanges Lächeln wirkte schlau und angespannt zugleich. Er wußte nicht, wieviel Apachen der Führer der Chiricahuas mitgebracht hatte, wieviel Krieger seine Streitmacht umzingelt hatten. »Der Weiße am Pfahl ist mein Bruder«, sagte Cochise ernsthaft. »Ich darf meinen Bruder nicht im Stich lassen.« »Ich bin Gelbschlange«, erwiderte der Anführer der Banditen, »und der Weiße ist in meiner Gewalt. Ich habe entschieden, daß er zu Tode gemartert wird. Vielleicht will ihm der Chief der Apachen Gesellschaft leisten?« Cochise vollführte eine verächtliche Handbewegung. Gelbschlange preßte die Lippen zusammen. Er kochte innerlich vor Zorn, denn die herablassende Art des Apachen brachte sein Blut in Wallung. Ein Wink von Gelbschlange genügte, und Cochise war nur noch eine Legende. Obwohl der Häuptling von mehr als zwei Dutzend Caddos und Wichitas umzingelt war, wagte deren Anführer nicht, ein solches Zeichen zu geben. Er wußte, daß die Rache der Apachen die beiden Stämme auslöschen wurde. Nach der Trauerzeit um den größten Führer der Wüstenvölker würden die Krieger nach Osten jagen und erbarmungslos jeden Angehörigen der beiden Stämme niedermachen. »Ich gab den Weißen im Tal mein Wort«, sagte der große Jefe, »daß sie ungehindert abziehen könnten. Du hast mein Wort gebrochen, Gelbschlange. Du raubst, mordest und läßt Feuerbrände in unserem Gebiet auflodern. Du bist der Feind aller Apachen.« Cochise sah, daß die Krieger sich anspannten. Er tat so, als nehme er ihre immer stärker ausbrechende Unruhe gar nicht wahr. »Die Aravaipas sind zu schwach, um uns gefährlich zu werden«, stellte Gelbschlange spöttisch fest. »Was können sie
unternehmen?« »Du hast es gesehen«, erwiderte Cochise. »Vor einem Tag gingen mehr als zwanzig deiner Krieger in die ewigen Jagdgründe ein. Sind mehr als zwanzig Männer nichts, Gelbschlange?« Das Gesicht des Anführers der Kriegerhorde verzerrte sich. Zorn und den Wunsch nach Rache las Cochise aus den Zügen seines Feindes. »Ich habe noch achtzig Kämpfer«, erwiderte Gelbschlange. »Achtzig, außer mir. Wir sind stark genug, die Aravaipas zu töten, alle zu töten. Niemand wird mehr leben, die Stammesgefährten nach den Gesetzen in das Land des Todes zu singen. Niemand wird mehr hier sein, der um die Toten klagen kann.« Cochise lächelte nachsichtig. Dieser Chief war sicherlich ein mutiger Mann. Ihn beherrschte die Gier nach Rache. Und Mut allein ersetzte nicht die Klugheit und Listigkeit, die ein jeder Feind im Kampf gegen die Apachen brauchte. »Höre, Gelbschlange«, sagte Cochise bedächtig, »ich habe mit Eskaminzin gesprochen. Du willst Beute, Gold, mit zu den Hütten deiner Völker nehmen. Auf dem Gebiet der Aravaipas liegt eine Goldmine der Eisenmänner. Das Gold windet sich in armdicken Strängen durch den Fels. Ich biete euch so viel von dem gelben Eisen, daß ihr es nicht tragen könnt. Gelbschlange, nie bist du mit reicherer Beute heimgekehrt.« Der Führer der Kriegerhorde saß starr im Sattel. Im Gegensatz zu den Apachen, die den Ledersitz des weißen Mannes verschmähten, ritten die Caddos und Wichitas in erbeuteten Sätteln. »Was verlangst du von mir, Cochise?« wollte Gelbschlange wissen. Der Chief stellte zufrieden fest, daß Erregung und Gier in der Stimme des Gegners mitschwang. Gelbschlange war schon gefangen, gefangen von der Idee eines goldenen Berges, von
Beute, wie sie reicher nie zuvor ein Anführer der Stämme heimgebracht hatte. »Halte, mein Wort«, erwiderte der Häuptling ernst, »laß die weißen Digger abziehen. Und laß meinen Bruder Falke frei. Das fordere ich, nicht mehr.« Gelbschlange witterte das Geschäft seines Lebens. Er sah zu den Kriegern, deren Gesichter ihre Gefühle widerspiegelten. Sie alle träumten von Ruhm, großer Ehre und dem einzigartigen Erfolg, der ihnen winkte. »Gut, ich vertraue deinem Wort«, sagte Gelbschlange nach einer Weile des Überlegens und grinste listig, »den Gefangenen nehmen wir mit. Er bleibt so lange in unserer Gewalt, bis wir drei Tage Vorsprung haben. Dann lassen wir ihn frei. Die Weißen können davonreiten.« Cochise wußte, daß der fremde Chief eine List plante. Der große Führer der Chiricahuas kümmerte sich nicht darum. Gelbschlange würde nie mehr eine List durchführen können. »Hol meinen Bruder«, verlangte Cochise. »Ich sage den Weißen, daß sie abziehen können.« Ein kurzer Befehl genügte, und die Krieger sammelten sich. Drei von ihnen gingen zum Marterpfahl und schnitten Haggerty los. Sie trugen den Scout zu den Häuptlingen. Dort stellten sie ihn auf die Füße. John lächelte schwach, als er Cochise erkannte. »Mein Bruder«, sagte der Weiße, »du setzt zuviel ein, um mein Leben zu retten. Ich bin keine hundert Sattelladungen Gold wert.« Cochise blieb ernst, als er in der Sprache der Chiricahuas erwiderte: »Tla-ina ist meine Schwester, Falke. Niemand vermag zu sagen, was aus ihr und dir werden wird. Du bist mein Bruder. Es ist die Pflicht eines Mannes, den Geliebten der Schwester zu retten. Es ist seine Pflicht, seinen Bruder vor dem Tod zu bewahren.«
Nach diesen Worten trieb er seinen Mustang an, ritt an die Kante des Abgrundes und rief hinab: »Ich habe mein, Wort gegeben. Und ich dulde nicht, daß andere mein Wort brechen. Reitet nach Süden und kommt nicht wieder in das Gebiet der Aravaipas. Euch geschieht nichts. Die Caddos und Wichitas lassen euch in Frieden ziehen.« Ein paar Minuten lang betrachtete der Häuptling den Aufbruch der Weißen. Er verstand diese Menschen nicht. Ihr Denken war verworren. Starb ein Farmer bei einem Apachenangriff, brüllten viele weiße Männer nach Rache. War, wie jetzt, ein Weißer gefangen und sollte gemartert werden, so ließen sie ihren Rassegenossen im Stich. Cochise zupfte am Zügel. Das Pony drehte sich und trabte zu Gelbschlange zurück. Vor dem Häuptling der Kriegerrotte stand Haggerty. Der Scout blickte an Gelbschlange vorbei. »Wenn es eine Falle ist, wirst du sterben, weißer Mann«, hörte Cochise den feindlichen Anführer sagen. Der Chief unterdrückte ein Lächeln. Gelbschlange war mißtrauisch. Er rechnete mit einer List der Apachen und bereitete sich darauf vor. Cochises Plan war großartig. Kein einziger der räuberischen Caddos und Wichitas würde entkommen. Ja, es war eine List, aber in so großem Maßstab, daß Gelbschlange sie nicht zu durchschauen vermochte. »Sag mir«, forderte der Anführer der Bande Cochise auf, »wo die Goldmine liegt. Ich will sicher sein, daß wir nicht sterben, wenn wir an den Ort kommen.« Der Chiricahua schüttelte den Kopf und erwiderte: »Du wirst sehen, Gelbschlange, aber nicht hören. Nur während der Dunkelheit dürfen Männer in den Stollen hinabgelassen werden. Dies ist ein uraltes Gesetz der Aravaipas, und wir müssen dieses Gesetz einhalten, soll uns nicht der Zorn Manitus treffen. Eskaminzin sorgt für alles. Seine Squaws bereiten Essen für euch, füllen hohle Kürbisse mit Wasser und halten die
vierkantigen Flaschen mit dem brennenden Wasser der Weißen bereit.« Gelbschlanges Augen leuchteten auf, als er vom Schnaps hörte. Obwohl er sich auf den scharfen Trunk freute, blieb das Mißtrauen in ihm wach. »Willst du unseren Verstand umnebeln, Cochise?« fragte der fremde Häuptling. »Sollen wir betrunken und von Sinnen sein, damit deine Krieger uns töten können?« Cochise lachte belustigt und erwiderte: »Um einen Caddo oder Wichita zu töten, schicken wir unsere Kinder aus.« Wütend murrten die Krieger. Schon wieder eine tödliche Beleidigung. Die Gier nach dem Gold jedoch ließ sie schnell wieder schweigen. »Reiten wir«, sagte Cochise, »ich bleibe neben Gelbschlange, und mein Bruder Falke reitet an meiner Seite.« So geschah es, und wenig später zogen achtzig Krieger, zwei Häuptlinge und ein gefesselter Weißer durch die Berge. Ihr Ziel war das Tal des hundertfachen Todes, dessen Name Cochise wohlweislich verschwiegen hatte. Denn er wollte Gelbschlange nicht noch mißtrauischer machen, als er ohnehin schon war. * Eskaminzin war ständig unterwegs. Er beobachtete die Squaws, die große Stücke Mulifleisch brieten, er trat zu den Kindern, die an den Quellen frisches Wasser in ausgehöhlte Kürbisse füllten und ging zu den Alten, die vom Schamanen ein geheimnisvolles Pulver bekommen hatten. Diesen Staub füllten die Alten mit zitternden Händen in die Flaschen, deren Korken sie vorher behutsam entfernt hatten. Nach einigen Minuten des Schüttelns hatte sich der Puder aufgelöst, und die Flaschen wurden wieder verschlossen. Eskaminzin war zufrieden. Alles lief so ab, wie Cochise es geplant hatte. Die Caddos und Wichitas würden trinken. Nicht
nur der Alkohol der Weißen umnebelte anschließend ihre Sinne, sondern auch die zermahlenen Früchte und Wurzeln des Stechapfels. Sie verstärkten die Wirkung des Schnapses, riefen Halluzinationen hervor und machten die Feinde unvorsichtig. Die vielen Klapperschlangen im Tal würden leichtes Spiel haben. Eskaminzin lief im Wolfstrab aus dem Dorf. Mehr als zwei Stunden war er unterwegs. Fünfzig Krieger und die zwölf Chiricahuas hatten sich in der Umgebung des tödlichen Tales verborgen. Sie lauerten dort, wo der Chief der Eindringlinge mit Sicherheit Posten aufstellen würde. Weder Cochise noch Eskaminzin nahmen an, daß der feindliche Häuptling ihrer Einladung vertrauensvoll folgte. Er versuchte sicher, sich gegen alle möglichen Dinge abzusichern. Die Krieger der Aravaipas und der Chiricahuas würde er nicht finden. Sobald Eskaminzin das Zeichen gab, griffen sie an, töteten die gegnerischen Posten und warfen ihre Leiber in die Schlucht hinab. Das aber durfte nicht vor dem Erscheinen der Sonne über den Gipfeln geschehen. Denn dann erwärmte sich der Boden im Tal, und die Klapperschlangen wurden geschmeidig und angriffslustig, wenn die Steifheit der kalten Nacht aus ihren Körpern vertrieben war. Der Ruf eines Nachtfalken hallte von der Höhe des Berges herab. Eskaminzin lief schneller. Sein Atem ging gleichmäßig, und die Beine stampften unermüdlich in langen Schritten voran. Der Häuptling hatte keinen Mustang genommen, um nicht die geringste Spur zu hinterlassen, wenn er die Posten aufsuchte. Der Schrei des Nachtfalken am hellichten Tag war das Zeichen. Die Feinde ritten auf das Dorf der Aravaipas zu. Dort sollten sie zuerst essen und trinken, von dem Wasser trinken, daß kleine Mengen des Stechapfelpulvers enthielt. Die Krieger sollten sich leicht und frei und irgendwie großartig fühlen, wenn sie ihre Posten einnahmen, wenn die anderen unter Gelbschlanges
Führung in die Mine eindrangen. Ihre Aufmerksamkeit mußte geschwächt werden. Um so gewaltiger würden die armdicken Goldadern in den Felswänden auf die beutegierigen Gegner der Apachen wirken. Eskaminzin erreichte die ersten Jacales und lief langsamer. Ein Junge von vierzehn Sommern kam auf den Chief zu und meldete gewichtig: »Die Pferdesoldaten wollen mit dir sprechen. Einer der Männer ist bei klarem Verstand und weiß, wo er ist.« Unschlüssig blickte der Führer der Aravaipas nach Süden. Von dort kamen Cochise und die räuberischen Fremden. Im Osten schob sich die glutrote Sonnenscheibe immer höher über die Berge und tauchte die Drehkiefern, die Fichten und die schneeweißen Blüten des Portulaks in blutigen Schein. »Ich komme, Kleiner Speer«, antwortete der Chief dem halbwüchsigen Jungen, der in zwei Sommern ein Krieger sein würde. Ein baufällig wirkender Jacale im Hintergrund des Dorfes diente den verletzten Pferdesoldaten als Quartier. Die Hütte sah schlecht aus, war aber dicht. Eskaminzin wollte niemanden herausfordern, neugierig machen, damit ließ er die Soldaten in dieses alte Wickiup legen. Der Häuptling glitt in das Halbdunkel der Hütte. »Ich bin Eskaminzin«, sagte er leise. »Wir haben uns gesehen«, antwortete Lieutenant Cummings. »Leben von meinen Männern nur noch diese drei?« »So ist es, Soldat«, antwortete der Häuptling leise. »Wir locken sie in eine Falle. Sie werden alle sterben.« John Cummings holte tief Luft. Den stechenden Schmerz mißachtete der Offizier. Es ging um mehr als einen schwer verwundeten Lieutenant. Es ging um den Frieden im Südwesten. Wenn diese Indianerhorde, die zu einem großen Raubzug aus dem Osten gekommen war, weiterhin ihr Unwesen trieb, zerbrach der Friede, der ohnehin gefährdet war.
»Du mußt zum Fort reiten«, sagte Cummings und stöhnte schwer. »Der Colonel, Ballinger heißt er, muß alles wissen. Es ist wichtig, es geht nicht nur um euch, es geht um alle Stämme der Apachen. Wir wollen keinen Krieg, wir alle wollen ihn nicht. Und wenn die fremden Plünderer weiterhin rauben und morden, fällt es wieder auf die Apachen zurück.« Cummings wollte noch etwas sagen, doch er verlor die Besinnung. Eskaminzin beugte sich hinab. Der Offizier atmete ruhig und gleichmäßig. Er war erschöpft, und nur seine Sorge um den Frieden hatte ihn so lange reden lassen. Die Wunden waren gesäubert, verbunden, und der Medizinmann hatte die Kugeln herausgeholt. In spätestens zwei Wochen konnten die vier verletzten Pferdesoldaten wieder zu ihrem Fort reiten. Eskaminzin verließ die Hütte, lief zu seinem Mustang und saß auf. Es galt, die fremden Indianer zu empfangen, ihr Mißtrauen zu zerstreuen. Abermals schrillte der Ruf des Nachtfalken durch die Luft, gefolgt vom scharfen Ruf eines Blauhähers. Die Truppe war in der Nähe des Dorfes. Eskaminzin preßte seinem Pony die Hacken in die Flanken und ritt zu den letzten Jacales. Hinter dem Chief versammelten sich die Krieger, und hinter ihnen die Squaws und Kinder. Alle wollten die Männer sehen, die das Land zwischen den Galiuro und Pinaleno Mountains mit Tod und Raub und Blut überzogen hatten. Sie kamen wie Eroberer, saßen stolz wie vor Jahrhunderten die Eisenmänner auf den Pferden und schauten hochmütig auf die Zweighütten der Aravaipas. Hinter Eskaminzin klang das zornige Gemurmel der Squaws auf. Ein scharfer Befehl des Chiefs brachte sie zum Schweigen. Es galt, die fremden Mörder in eine tödliche Falle zu locken. Sie durften durch nichts gewarnt werden.
Cochise ritt neben dem Anführer der Kriegerhorde. Und neben dem großen Jefe saß John Haggerty, der Falke, im Sattel eines Ponys. Der Scout war gefesselt. Mit beiden Händen stützte er sich auf das Sattelhorn, um den sicherlich schmerzenden Rücken zu entlasten. Cochise trieb sein Pferd an. Vier Längen vor dem fremden Häuptling erreichte der Apachenführer seinen Freund Eskaminzin. »Es geschieht so, wie wir besprochen haben«, raunte der hochgewachsene Führer der Chiricahuas. Laut fuhr er fort: »Dies ist Häuptling Gelbschlange. Wichitas und Caddos haben sich verbündet. Sie suchen Beute, vor allem Gold, Eskaminzin. Wie wir besprochen haben, schenken wir den Fremden die Mine der Eisenmänner. Das Gold gehört Gelbschlange und seinen Kriegern.« »So sei es!« rief Eskaminzin und hob beide Arme, die Hände zu den Seiten ausgestreckt, zur Sonne, die inzwischen zwei Handbreit über den höchsten Gipfeln der Pinalenos stand. »Wir versprechen feierlich, daß diese fremden Krieger so viel Gold mitnehmen dürfen, wie ihre Pferde tragen können. Und wir verlangen, daß die Caddos und Wichitas das Land der Apachen verlassen und den Weißen, den Cochise Falke und Bruder nennt, dem Häuptling der Chiricahuas übergeben.« Gelbschlange grinste unverschämt. Er schien das Gefühl zu haben, daß seine Kämpfer den Aravaipas auch das letzte Quentchen Mut abgekauft hatten. Trotzdem blieb der feindliche Anführer wachsam. Er teilte mit einigen Befehlen die Wachen ein. Zehn Krieger führten die Pferde zu einer Weide, die für die Tiere der Gäste reserviert war. Eskaminzin verbiß sich ein Grinsen. Diese Pferde brachten dem Stamm gute Beute. Denn die Tiere sollten nicht mit ihren Reitern untergehen. »Die Squaws haben ein Festmahl zubereitet«, rief er, »wir wollen gemeinsam essen, Tizwin trinken und danach
aufbrechen. Sobald die Sonne versinkt, gestatten die alten Gesetze uns, den Fundort des gelben Eisens zu betreten. Kommt an die Feuer, ihr seid in meinem Dorf die Gäste des Stammes.« Lediglich Haggerty bemerkte den feinen Unterschied. Eskaminzin hatte gesagt, daß die Caddos und Wichitas hier im Dorf die Gäste des Stammes seien. Von der Mine hatte er nicht gesprochen. Der Scout ahnte, daß Cochise und Eskaminzin eine ganz große Teufelei ausgebrütet hatten, eine List, die mit dem Tod, der Vernichtung der Eindringlinge, ihr Ende und ihre Erfüllung fand. Der noch immer gefesselte Scout fragte sich, mit welchem Trick Cochise die Feinde der Aravaipas vernichten wollte. Haggerty war sicher, das zu erfahren. Vorher jedoch bereiteten die Apachen ihren Gegnern, die über zahlreiche Sippen Unglück und Tod gebracht hatten, ein Festmahl. Argwöhnisch musterte Gelbschlange die gereichten Speisen. Erst als Eskaminzin und Cochise ein großes Bratenstock teilten und selbst davon aßen, griff der Häuptling der marodierenden Horde selbst zu und nickte, als ihn ein paar Krieger fragend anblickten. Die Caddos lösten Johns Fesseln, gaben eine Hand frei. Die andere verbanden sie mit Schlingen, die bis zu den Beinen hinabreichten. Cochise selbst gab seinem Blutsbruder vom eigenen Bratenstück ab. Die Aravaipas bemerkten diese ehrende Geste und nickten respektvoll. Gelbschlange hingegen grinste, als sei ihm gerade eine besonders großartige Gemeinheit eingefallen. Fast zwei Stunden dauerte die große Fresserei, wie sie Haggerty bei sich nannte. Erst als die Kürbisflaschen kreisten und milder Tizwin als Abschluß auf die Speisen gegossen wurde, lockerte sich die Anspannung der unerwünschten Gäste etwas. Gelbschlange rülpste lautstark und erhob sich umständlich. Der untersetzte Anführer gab sich Mühe, seine Verachtung zu
verbergen. Ganz gelang es ihm nicht, denn diese Apachen entsprachen gar nicht den Legenden über diese harten, listigen Wüstenkrieger. »Wir waren eure Gäste«, rief Gelbschlange, »ihr habt uns Essen und Wasser gegeben, und wir danken euch dafür. Wir sind froh, daß die Aravaipas keinen verworrenen Geist besitzen. Wir sind froh, daß wir unser Ziel erreichen, ohne weitere Krieger im Kampf zu verlieren.« Jetzt kommt es, dachte Haggerty. Zuerst lobt er die Feinde, verhält sich so, als seien seine Männer Feiglinge, und nun beleidigt er seine Gastgeber. So war es auch. »Auch ihr werdet euch freuen«, fuhr Gelbschlange fort. »In keiner Hütte wird das Totenlied erklingen, und die Männer des Stammes können weiterhin die Sippen mit Nahrung versorgen, ohne in Gefahr zu geraten.« Die Alten am Feuer verzogen grimmig die faltigen Gesichter. Zu ihrer Zeit hätten sie den dreisten Halunken nach diesen Worten niedergemacht. Beleidigte er doch alle Krieger, nannte er sie Weiber, die für Nahrung sorgten und dem Kampf auswichen. »Ich sehe, daß nur wenige Krieger im Dorf sind«, fuhr Gelbschlange verschlagen fort. »Sicher sind die anderen in den Bergen unterwegs, um Wild zu erbeuten.« Eskaminzin stand auf, breitete die Arme aus und rief: »O Gelbschlange, du und deine tapferen Krieger, ihr seid unsere Gäste. Aber ihr solltet nicht die Toten verspotten. In vielen Jacales herrscht Trauer. Die Squaws und Kinder weinen um den tapferen Mann und Vater. Mein Stamm verlor über die Hälfte seiner Krieger in den letzten Wochen. Und trotz unserer Trauer bereiten wir dir ein Festmahl, geben wir dir das gelbe Eisen, denn ich will mein Volk nicht untergehen lassen. Wir sind schwach, aber tapfer.« Gelbschlange unterdrückte ein zufriedenes Lächeln nur
unvollkommen. Also, so schloß er, hat der gestrige Angriff der Aravaipas im Talkessel den Apachen einen hohen Blutzoll abgefordert. Nun besaß Eskaminzin nicht mehr genügend Krieger, um den beutegierigen Caddos und Wichitas gefährlich werden zu können. Der Anführer der Horde dankte nochmals für das Mahl und blickte zur Sonne. »Wenn der Weg weit ist, sollten wir aufbrechen«, rief er. »Der Mantel der Nacht legt sich bald über das Land, und wir möchten sehen, was ihr uns versprochen habt.« Cochise nickte zum Zeichen seines Einverständnisses. Gelbschlange sah erstaunt zu, wie die Halbwüchsigen ein Muli mit starken Seilen beluden. Ledergeschirre, zusammengefaltete Eimer aus der gegerbten Haut des Hirsches und Ledersäcke bildeten den Rest des Gepäcks. Natürlich wollte der Anführer der Horde wissen, was es mit diesen Dingen auf sich hatte. Er fragte nicht. Spätestens bei der Goldmine würde er es erfahren. Gelbschlange ritt zu seinen Kriegern und sprach leise mit ihnen. Mehr als vierzig Männer erhielten den Befehl, sich am Ziel zu verteilen und das Gebiet zu bewachen. Noch immer rechnete der Führer der Eindringlinge mit einer Falle, einer tückischen List der Apachen. Zwar hatte sich sein Mißtrauen zum großen Teil gelegt, als er Eskaminzins Rede gehört hatte, doch Gelbschlange wollte sichergehen. Außer Cochise und Eskaminzin schloß sich kein Apache der Gruppe an. Die Halbwüchsigen hatten das Packtier einem Krieger der Caddos übergeben, der das Leitseil des Mulis am Sattelknauf festband. Die beiden Apachenhäuptlinge übernahmen mit Gelbschlange die Spitze. Haggerty blickte Cochise an. Der Scout kannte den großen Jefe gut und entdeckte den Funken von Spott in dessen Blick. Spott mischte sich mit gnadenloser Grausamkeit, stellte Haggerty fest, und er konnte ein Frösteln nicht unterdrücken. Die Krieger ritten los. Im Schritt führten die Mustangs der
Apachen die Gruppe weiter nach Westen. Dort lag das Ziel, da lag die vermeintliche Beute der Horde. In Wahrheit ritten sie ihrem Tod entgegen, einem ruhm- und würdelosen Tod, der jeden wahren Krieger zutiefst beschämen mußte. * Nach einem langen Ritt, der über verschlungene Wege, schmale Felspfade und durch dichte Wälder führte, zügelte Eskaminzin seinen Pinto. »Dort, Gelbschlange«, sagte der Häuptling, »in dieser Schlucht führt ein Weg in den Berg. Die Eisenmänner bahnten ihn vor undenklichen Zeiten. In dieser Höhle wartet das Gold auf dich.« Mißtrauisch blickte sich Gelbschlange um. Er witterte, spürte, daß dies eine Falle war, konnte sie jedoch nicht entdecken. »Warum ritten wir an diesen Ort?« fragte er nachdrücklich. »Wie sollen wir zur Mine gelangen? Unsere Pferde hätten im Tal einen leichteren Weg gefunden.« Cochise lächelte und erwiderte: »Sie hätten den Weg in den Tod gefunden, Häuptling. Die Schlucht hat einen Namen bei meinen Freunden. Sie nennen sie das Tal des hundertfachen Todes.« Gelbschlange umkrampfte mit der Rechten den Revolvergriff und starrte Cochise mißtrauisch und wütend an. »Hunderte von Klapperschlangen beherrschen das Tal«, fuhr der Chief ungerührt fort. »Jedes Pferd, jeder Krieger wäre ein Opfer der Würmer geworden, hätten wir den Weg durch die Schlucht genommen. Darum zogen wir hierher. Ein Schacht führt in den Stollen. Die Seile dienen uns als Hilfe. Deine Männer bewachen hier oben den Eingang. Bist du nun zufrieden?« Gelbschlange blieb mißtrauisch und fragte: »Und die Höhle
wimmelt auch von Schlangen, nicht wahr? Und Gold enthält sie nicht. Ist es so, Chochise?« Der Häuptling lächelte nachsichtig und erwiderte: »Es ist nicht so. Für die Schlangen sind die beiden Pfade zum Stollen zu steil. Sie erreichen ihn nicht. Laß die Seile ausrollen. Eskaminzin und ich gehen als erste hinab, wenn du das verlangst. Es besteht keine Gefahr, Gelbschlange. Zudem trägst du doch den Namen der Schlange. Wie können die Würmer dir gefährlich werden?« Der fremde Häuptling schluckte den Spott und sagte: »Gut. Fünf meiner Krieger sollen zuerst hinabgelassen werden. Danach Fackeln, Beutel und Wasserflaschen. Anschließend kommt ihr beide und der weiße Hundesohn an die Reihe. Ich betrete die Höhle zuletzt. Ich warne euch. Meine Krieger töten euch, wenn ihr nicht die Wahrheit gesagt habt.« Cochise breitete die Arme aus und schüttelte traurig den Kopf. »Warum sollten wir dich belügen?« fragte er erstaunt. »Ja, wenn meine Krieger in diesem Gebiet wären, sähe alles anders aus. Dann würdet ihr jetzt schon auf goldenen Mustangs in den ewige Jagdgründen reiten. Aber ich bin allein. Wir können nur überleben, wenn wir dir Beute übergeben.« Gelbschlange stieß eine Reihe von Befehlen aus. Die Hälfte seiner Krieger ritt davon. Gleichgültig sahen Eskaminzin und Cochise zu, wie zwanzig Männer ihre Pferde in einiger Entfernung über die klaffende Schlucht zwangen. Nun suchten auf jeder Seite des tiefen Taleinschnittes über zwanzig Krieger die Umgebung ab. Sie fanden nichts, keinen Apachen, und bezogen Posten an genau den Stellen, die Eskaminzin durch Männer gesichert hatte. Die restlichen Caddos und Wichitas rollten die kräftigen Seile aus. Fünf Krieger suchten trockenes Gras zusammen, wickelten es um Aststücke und entzündeten die provisorischen Fackeln, bevor ihre Freunde ihnen die Schlingen der Stricke um die Oberkörper legten.
»Es sind etwa zwölf Mannslängen bis zum Grund des Schachtes«, sagte Eskaminzin. »Die Wände sind glatt und bieten keinen Halt.« Gelbschlange gab das Kommando. Ohne Zögern trat sein erster Krieger an den Rand der Öffnung, ließ sich in die Dunkelheit gleiten, und die anderen Männer gaben Seil nach. Ein dumpf klingender Ruf schallte aus der gähnenden Schachtmündung. Gelbschlange beugte sich etwas vor. Schwach nur drang der Schein der Fackel herauf. Der zweite Krieger verschwand nach unten. Innerhalb weniger Minuten erreichten die fünf Männer den Stollen. Priviant und Wasserflaschen wurden in den Ledereimern verstaut und hinabgelassen. Ohne Aufforderung traten Cochise, Eskaminzin und Haggerty vor. Es dauerte nicht lange, bis auch diese drei Männer im Goldstollen ankamen. Neugierig sah sich Haggerty um. Er glaubte nicht so recht an die armdicken Adern im Gestein. Die beiden Apachen entzündeten Fackeln und gingen voraus. »Dort sind sie«, sagte Eskaminzin düster und hob sein Licht. John Haggerty hielt den Atem an. Die Beschreibung Cochises hatte der Wahrheit entsprochen, war eher untertrieben gewesen, denn an manchen Stellen verdickten sich die Goldstränge so, daß sie breit wie der Oberschenkel eines Mannes waren. Ein ungeheures Vermögen barg dieser Berg. Sollten jemals weiße Digger davon erfahren, würde die Hölle über die Aravaipas hereinbrechen. Kein Gesetz, keine Soldaten konnten die goldgierigen Menschen dann noch zurückhalten. Ein seltsames Schwirren klang auf, als die Caddo-Krieger weiter in den Stollen vordrangen. Die Banditen hatten vergessen, daß sie auf die beiden Chiefs und den Weißen achtgeben sollten. »Was ist das?« fragte John leise. »Was kommt auf uns zu?« Für einen Moment hatte ihn der Gedanke gepackt, daß sich
Eskaminzin und Cochise selbst opfern wollten, um den Aravaipas den Untergang zu ersparen. »Fledermäuse, Falke«, antwortete Cochise, »das Licht macht sie scheu. Sie schwirren davon, in die Dunkelheit des Tales.« Ein mächtiger Luftstrom zog durch die Höhle. Hunderte von Flügeln peitschten und verursachten so einen Wirbel. Lautlos zogen die Fledermäuse an den Männern vorbei. »Was ist das?« fragte Gelbschlange dicht hinter den Apachen und dem weißen Scout. Cochise wiederholte seine Erklärung, und der feindliche Häuptling gab sich zufrieden. Er stapfte davon, hielt seine Fackel gesenkt und leuchtete den Boden ab. Sicher suchte er nach Schlangenspuren. Auf dem glatten Fels hinterließ nichts eine Fährte. Endlich marschierte Gelbschlange weiter. Die Fackeln seiner Freunde loderten in mehr als dreißig Yard Entfernung. Langsam gingen Cochise, Eskaminzin und Haggerty hinterher. Die dicken Stränge Gold setzten sich bis ans Ende des ausgebauten Stollens fort. Mächtige Balken stützten das Deckengestein ab. Dem Scout kam es so vor, als hätten die Spanier vor langen Jahrhunderten beabsichtigt, den Adern bis zu ihrem Ende zu folgen. Warum die Eroberer ihren Plan aufgegeben hatten, vermochte heute niemand mehr zu sagen. Vielleicht wurden sie der Klapperschlangen nicht Herr, vielleicht starben die Eisenmänner von der Hand der Apachenkrieger. Freiwillig, so schätzte Haggerty, hatten die Eroberer auf keinen Fall diesen riesigen Schatz fahren lassen. Die Unmenge Gold erinnerte zu sehr an die Legenden der sagenumwobenen sieben Städte Cibolas, die aus purem Gold errichtet gewesen sein sollten. Gelbschlange drehte sich um. Sein Gesicht spiegelte die Zufriedenheit wider, die von dem Häuptling Besitz ergriffen
hatte. »Gut, sehr gut«, sagte er, »ihr habt Wort gehalten. Auch ich halte mein Wort, Cochise. Wir sind hier neun Männer. Wenn wir alle arbeiten, brauchen wir einen Tag und eine Nacht, um das Gold aus den Felsen zu lösen. Anschließend reiten wir davon, in Richtung Sonnenaufgang. Nach drei Tagen lassen wir den Kundschafter der Pferdesoldaten frei.« Haggerty rief laut: »Ich denke gar nicht daran, für dich zu schuften, du roter Halunke. Ich bin dein Gefangener, aber nicht dein Sklave. Ich setze mich hier hin und sehe zu, wie ihr das Gold aus den Steinen brecht.« Cochise lächelte und sagte: »Gelbschlange, es ziemt sich nicht für einen Chief der Chiricahuas, die Arbeiten einer Squaw zu verrichten. Auch Eskaminzin wird nicht helfen. Apachen wühlen nicht nach Gold. Hol deine Krieger herab. Ihr wollt das Gold. Wir haben euch unser Wort gegeben, daß ihr mitnehmen dürft, so viel ihr tragen könnt. Und dabei bleibt es.« Gelbschlange verzog das Gesicht. Es paßte ihm nicht, seine Streitmacht oben an der Mündung des senkrechten Zuganges zu vermindern. Ihm würde nichts anderes übrigbleiben, denn er vermochte weder die beiden Apachen noch den Weißen zum Arbeiten zu zwingen. Der Häuptling ging zu den Seilen, streifte sich die Schlinge über den Oberkörper und zog dreimal an einem der Stricke. Sekunden danach schwebte Gelbschlange nach oben. Es dauerte nicht lange, bis eine Menge Vorräte herabgelassen wurden. Zwanzig Krieger folgten, und dann kam Gelbschlange wieder unten an. Er ging zur dicksten Ader, zog sein Messer und schnitt mit der scharfen Eisenklinge einen breiten Span aus dem Gold. »Einen Tag und eine Nacht«, rief der Häuptling, »und wir sind fertig. Selbst wenn noch Gold im Gestein bleibt, können unsere Mustangs doch nicht mehr tragen. Macht euch an die Arbeit. Ich weiß, daß dies keine Arbeit für Krieger ist. Vergeßt jedoch
nicht, daß unser Ruhm noch den Söhnen unserer Söhne an den Lagerfeuern Respekt abnötigen wird. Nie zuvor brachten Krieger so reiche Beute in die Wigwams unserer Völker. Und darum sage ich euch, daß dies keine Arbeit ist, die dem Krieger die Ehre nimmt. Vergeßt nicht, wie wir an den Schatz herangekommen sind.« Die Krieger murmelten zustimmend. Gelbschlange war im Recht. Diese Beute würde bei beiden Stämmen zur Legende werden. Die kräftigen Eisenklingen gruben sich in die Goldstränge. Dicke Späne fielen herab. Sorgfältig hoben die Krieger das Gold auf und warfen die Stücke in die Ledereimer. Cochise trat zwei Schritte zurück und gelangte neben Haggerty. »Falke«, raunte er, »ich würde an deiner Stelle nicht von dem Wasser trinken, das in den Kürbisflaschen ist. Du brauchst nur kurze Zeit ohne frisches Wasser zu sein.« »Was hast du vor?« wollte Haggerty wissen. Er spürte, daß die Freiheit winkte, daß Cochise und Eskaminzin einen großartigen und zugleich furchtbaren Plan geschmiedet hatten, um die Horde der indianischen Banditen in die ewigen Jagdgründe zu schicken. Cochise schüttelte leicht den Kopf. Er wollte nichts verraten. Vielleicht ließ sich Falke doch etwas anmerken, und dann war der ganze Plan gefährdet. Nach einer langen Weile, der Schweiß rann den wild schuftenden Kriegern von den nackten Oberkörpern, hielten sie inne. Fast zugleich griffen die Männer nach den ausgehöhlten Kürbissen und tranken in langen Zügen. Cochise ließ sich seine Zufriedenheit nicht anmerken. Je mehr die Feinde tranken, desto verwirrter wurden ihre Sinne. Hoffentlich blieben die Wachen oben am Schachtrand nicht standhaft und öffneten die Flaschen mit dem brennenden Wasser und tranken davon.
* In dieser Nacht unterdrückten die abergläubischen Apachen ihre Furcht vor Bu, der Eule, die während der Dunkelheit durch das Land streifte und die Seelen der Toten ins jenseitige Reich brachte. Die Krieger mißachteten die Gefahren, die ihnen durch zahllose Naturgeister drohten und griffen an. Es galt, den Stamm der Aravaipas zu retten. Es galt, den Frieden im Apachenland zu erhalten und die räuberischen Feinde nicht entkommen zu lassen. Ein Apache stand plötzlich neben einem umgestürzten Baum. Eine Sekunde zuvor hatte nichts darauf hingedeutet, daß ein Krieger in der Nähe des faulenden Holzes lag. Und wieder eine Sekunde später brach ein Wichita-Krieger unter dem Hieb der Streitkeule tot zusammen. Der Apache band Arme und Beine des Toten mit einem ledernen Riemen zusammen, suchte anschließend das Pferd des Wächters und führte es herbei. Nun hockte sich der Krieger auf die Hacken. Er mußte warten, bis das Signal erklang. Alles andere war nur noch eine Sache der Zeit. So wie diesem Wichita erging es sämtlichen Posten, die Gelbschlange ausgestellt hatte. Eskaminzins Krieger, verstärkt durch die zwölf Chiricahuas, hatten mit sicherem Blick alle gefährdeten Orte bereits vor der Ankunft der Wächter aus der Horde besetzt. Einem Apachen machte es nichts aus, länger als zehn Stunden in Deckung zu liegen und auf Beute zu warten. Unter einer dünnen Sandschicht in der Wüste, zwischen umgestürzten Kakteen, getarnt mit der trocknenden Stachelhaut, im Fell eines Hirsches reglos liegend, verbrachten die Krieger der Halbwüste geduldig Stunde um Stunde mit Beobachtungen. War die Beute zum Greifen nahe, stand der Feind neben ihnen, schlugen sie erbarmungslos zu. Nicht umsonst galt bei den Weißen im Südwesten das
Sprichwort: einen Apachen siehst du erst, wenn er vor dir aus dem Boden wächst. Aber dann ist es für dich zu spät. Der einsame Krieger lauschte mit halb geschlossenen Lidern in die Nacht. Merkwürdige Geräusche zerrten an den Nerven des Aravaipas. In weiter Ferne schrie eine Eule, bekam Antwort von einem Kaktuskauz, und der Krieger konnte nicht verhindern, daß ihm ein Schauer der Furcht über den Rücken lief. Schließlich erinnerte sich der Mann an den Toten, der ein paar Schritte entfernt lag und fing sich wieder. In dieser Nacht brachte Bu nicht die Seelen der Apachen, sondern die ihrer Feinde in das dunkle Land. Endlich erklang das Hämmern eines Gilaspechtes. Dieser Vogel höhlte mit seinem starken Schnabel die holzigen Stämme der Saguarokakteen aus und baute sich so eine Wohnstatt. Doch niemals klopfte ein Gilaspecht in der Nacht seine Höhle. Der Krieger zählte lautlos mit. Zweiundvierzigmal klang das Hämmern auf. Und das bedeutete, daß die gleiche Anzahl Feinde tot oder kampfunfähig war. Den letzten Ruf stieß der Aravaipa aus, bevor er sich bückte und den Toten aufhob und über den Rücken seines eigenen Pferdes warf. Das kalte silberne Licht der Sterne erhellte die Nacht nur notdürftig. Die Sichel des Mondes spendete nicht genügend Glanz, um genau erkennen zu können, was in der Nähe der Schlucht des hundertfachen Todes vorging. Von allen Seiten trieben die Aravaipas und Chiricahuas Pferde an den Rand des Einschnitts. Leblose Körper fielen herab, wurden an die Steilkante geschleift und hinabgeworfen. Keine Spur sollte von den Eindringlingen übrigbleiben. Das Dutzend Chiricahuas und weitere zwölf Aravaipas glitten zu Fuß zur Öffnung des Schachtes. Lange Zeit belauerten die Apachen die restlichen Caddos und Wichitas. Sie saßen um das Feuer herum. Fünf Krieger waren umgesunken. Die anderen starrten wie gebannt in die Flammen.
Das Pulver des Medizinmannes, vermischt mit dem brennenden Wasser der Weißen, tat seine Wirkung. Die Apachen huschten lautlos hinter die Feinde, die mit Mord und Feuer über die Sippen gekommen waren und lösten die Kriegsbeile aus den Gürtelschlaufen. Keiner der Gegner war fähig, sich zu wehren. Sie alle erblickten in den Flammen wundersame Dinge und wußten nicht, daß die Droge in ihrem Blut ihr ganzes Denken, all ihre Sinne gefangennahm. Minuten später trugen die Apachen die Toten davon, brachten auch sie an den Rand der Steilwand, die in das Tal des hundertfachen Todes beinahe senkrecht hinabführte. Anschließend warteten die Krieger am Feuer, das ihren Feinden Traumbilder vorgegaukelt hatte. Sie warteten auf Eskaminzin und Cochise. Und auf den Weißen, den der große Jefe der Chiricahuas Bruder nannte. Noch saßen die drei Männer in der Höhle der Eisenkrieger, betrachteten mit gleichgültigen Blicken all das Gold, betrachteten die Caddos und Wichitas, die ebenfalls traumversunken an den Wänden lehnten. Lediglich zwei Wachen blieben aufmerksam. Gelbschlange hatte ihnen strikt untersagt, etwas zu essen oder zu trinken. Diese beiden Krieger mußten die Gefangenen bewachen. Sie wurden unruhig, flüsterten miteinander und gingen vorsichtig zu ihren Gefährten und betrachteten sie eingehend. Cochise packte seinen Dolch. Auch Eskaminzin zog lautlos das Messer. Mit geschmeidigen Schritten huschten die Apachenchiefs zu den Wächtern. Sie konnten keinen Laut mehr von sich geben. Haggerty atmete gepreßt. Er ahnte, daß Cochise und Eskaminzin für den Frieden im Südwesten gesorgt hatten, auf ihre Weise: Erbarmungslos hart, wie es die Art der Apachen war. Eskaminzin lief zum Schacht und zog zweimal an einem Seil,
wartete und zog noch dreimal. Sofort ruckte ein anderer Strick. Der Aravaipa nickte zufrieden und schlang sich das Seil um den Oberkörper. Sofort entschwebte der Mann nach oben. Cochise durchtrennte mit schnellen Schnitten Haggertys Fesseln und raunte dicht am Ohr des Falken: »Jetzt du, schnell. Sie sehen, was vorgeht, aber ich weiß nicht, wie stark ihre Träume sind. Durchbricht einer den Bann, kann er uns gefährlich werden und auch die anderen aus der Versunkenheit lösen.« John nickte, legte die Schlinge um und spürte den kräftigen Zug der Krieger an der Schachtmündung. Wenig später schwang sich auch Cochise über die Kante. »Sie sind so gut wie tot«, sagte der große Häuptling hart. »Sobald die Sonne aufgeht, erwärmt sich der Boden im Tal des hundertfachen Todes. Die Klapperschlangen kriechen in die Höhle. Gelbschlange und seine Männer erwachen kurz vor dem grauen Morgen. Ich warte hier und erzähle ihnen von der Rache der Apachen.« Die Krieger zogen die Seile herauf und rollten sie zusammen. Eskaminzin schwang sich auf seinen Mustang und übernahm die Führung. »Reite ins Dorf, Falke«, forderte Cochise seinen Blutsbruder auf, aber Haggerty schüttelte den Kopf. Die Krieger ritten unter Eskaminzins Führung davon. »Es war deine List, Cochise«, sagte John nach einer langen Weile leise. »Ich weiß, daß General Howard dir dankbar sein wird. Die Horde hätte einen neuen Krieg auslösen können. Alle Untaten wären euch Apachen zugeschrieben worden.« »So ist es«, erwiderte der Chief. »Sobald die Sonne über die Berge blickt, spreche ich zu den Banditen. Sie sollen wissen, daß weder ein Caddo noch ein Wichita jemals im Land der Apachen Beute machen kann.« »Was ist mit den anderen Kriegern?« fragte Haggerty nach
einiger Zeit. »Sie sind tot«, entgegnete Cochise hart. »Ich kam zu Eskaminzin, weil er Hilfe brauchte. Eskaminzin behagten die weißen Goldsucher am Aravaipa nicht. Zudem suchten die Angreifer aus dem Osten die Sippen heim. Meine Chiricahuas und die Krieger meines Freundes töteten die Feinde während der Nacht. Ihre Leiber liegen in der Schlucht des hundertfachen Todes. Die Pferde sind Beute des Stammes.« Haggerty holte Luft. Einem Apachenführer machte es vielleicht nichts aus, eine derartige Menge Gegner zu töten. Für einen Weißen jedoch war es ein Schock. John dachte an den Bürgerkrieg und beruhigte sich etwas. Die Stämme der Apachen lebten in ständigem Krieg mit Eindringlingen aller Art, den Mexikanern und der Natur. Es war kein Wunder, daß sie zweckbestimmt handelten, auch wenn diese Taten in den Augen der Weißen manchmal überaus hart und grausam wirkten. Alles in diesem Land befand sich im Einklang. Versiegten Wasserstellen, so verdursteten Apachen, die sich auf ihren Zügen auf Wasser verließen. Raubten und mordeten fremde Indianer, waren auch die Krieger der Halbwüste nicht mehr sicher. »Falke«, raunte Cochise, »ich dachte zuerst an weiße Männer, die mit den Caddos und Wichitas gemeinsame Sache machten. Ich dachte daran, daß Howard die Horde ins Land geholt hätte, um uns zu bekämpfen. Ich fand einen Stiefelabdruck nach unserem Angriff auf das erste Lager. Jetzt weiß ich, daß du als Gefangener in der Gewalt der Eindringlinge warst. Ich weiß es, seitdem ich dieses hier fand.« Cochise holte unter seinem karierten Hemd das bemalte Lederstück hervor, das Tla-ina dem Weißen gegeben hatte. John blickte starr auf das Zeichen. »Du weißt, was dies bedeutet?« fragte Cochise sanft. »Du kennst den Brauch unseres Stammes, der Squaws?« »Ja, mein Freund, ich weiß es«, erwiderte John Haggerty
leise. »Hier, meine Schwester hat dir dieses Geschenk gemacht«, sagte der Jefe und reichte dem Weißen, den er Bruder nannte, das Lederstück. »Was wird aus Tla-ina und dir? Du bist ein Freund der Apachen, aber weiß. Du gehörst nicht zu uns und nicht zu deiner Rasse. Ich möchte Tla-ina nicht im Unglück sehen, Falke. Denk an die vielen weißen Männer, die sich eine Indianerin zur Frau nahmen. Denk daran, was deine Rasse dazu sagt. Ich weiß nicht, ob du das durchstehen wirst.« Haggerty dachte bitter: er zweifelt daran, denn er kennt die Weißen. Aber er kennt auch mich. Warum zweifelt er? Seiner Schwester traut er zu, daß sie durchhält, natürlich, sie ist eine Apachin. »Cochise«, erwiderte John ernst, »was wird, kann niemand sagen. Vielleicht läßt mich Eskaminzin töten, weil ich die Lage dieser Goldmine kenne. Vielleicht fallen in zwei oder drei Tagen Victorios Krieger über mich her, und mein Skalp trocknet im Rauch eines Mimbrenjofeuers. Ich kann dir nur versprechen, daß Tla-ina niemals leiden wird.« Der Häuptling lächelte und sagte: »Das ist viel, Falke, sehr viel. Ich bin zufrieden. Ich grüße meine Schwester von dir, sobald ich wieder in meinem Jacale bin.« Im Osten drängte ein grauer Streifen Helligkeit das Dunkel der Nacht zurück. Die meisten Sterne waren schon verblaßt. Cochise stand geschmeidig auf und trat an die Kante des Schachtes und lauschte. »Diese Hunde, diese Wüstenratten«, klang Gelbschlanges Stimme auf. »Höre, Mörder«, rief Cochise mit mächtiger Stimme, »diese Höhle ist euer Grab. Ihr seid über ein Volk der Apachen gekommen und habt den Tod gebracht. Ihr wolltet den Feuerbrand in unserem Land wieder schüren, um Beute zu machen. Dort unten hast du so viel Beute, wie du willst. Ich stehe zu meinem Wort. Nimm mit, was du zu tragen vermagst.
Gelingt es dir, die Schlucht des hundertfachen Todes hinter dich zu bringen, so bist du frei.« »Du hast Krieger an beiden Enden des Tales aufgestellt, die uns töten sollen«, antwortete Gelbschlange. »Nein, kein Apache wartet auf euch«, erwiderte Cochise. »Nur der Tod, denn tausend Schlangen leben dort. Wenn die Sonne steigt, gleiten sie in den Stollen. Dort ist es warm, aber nicht brennend heiß. Ihr werdet sterben, alle. Und euer Tod wird nicht der eines Kriegers sein. Ehrlos sollt ihr in das jenseitige Land eingehen, und ehrlos sollt ihr dort die Arbeit der Sklaven für Krieger verrichten. Denn ihr habt euch zu Sklaven gemacht, als ihr nur noch an Gold und Beute dachtet. Ich habe gesprochen!« Haggerty stand auf, betrachtete Cochise staunend und deutete auf den Schacht und fragte: »Wie willst du sie daran hindern, heraufzuklettern? Das Loch ist eng genug, daß sich ein Mann mit Armen und Beinen an den Wänden abstemmen kann.« Cochise lächelte und stieß einen grellen Schrei aus. Es war der Jagdruf des Rotschulterbussards, der hier im Süden überhaupt nicht vorkam. Plötzlich waren die beiden Männer von zwanzig Kriegern umringt. Sie tauchten aus ihren Deckungen auf wie ein Kistenteufel aus seiner Schachtel. Die Krieger grinsten über Haggertys verblüfftes Gesicht und machten sich ohne weiteren Befehl an die Arbeit. Gemeinsam rollten sie einen mächtigen Felsbrocken heran, der wohl mehr als eine halbe Tonne wiegen mochte. Sie waren erst zufrieden, als der gewaltige Klotz genau auf der Mündung des Schachtes lag. »Beantwortet das deine Frage?« wollte Cochise wissen und lächelte Falke an. Haggerty nickte nur. »Ich möchte ins Dorf der Aravaipas«, sagte er. »Vielleicht kann der Medizinmann meine Wunden nachsehen.
Anschließend muß ich zurück. General Howard soll erfahren, was hier vorgegangen ist.« »Dein Pferd und die Waffen warten auf dich«, sagte einer der Aravaipa-Krieger. »Vorher mußt du dich vom Rat der Alten prüfen lassen. Zwei Männer fordern deinen Tod, Falke, denn du weißt zuviel.« Haggesty lächelte und erwiderte: »Ich werde die weisen Männer überzeugen, Krieger. Ich bin kein Feind der Apachen, wie Cochise und Eskaminzin bestätigen können. Das sollte dem Rat zu denken geben.« Der Krieger ginste und sagte respektlos: »Sie sind nicht weise, Falke. Es sind Greise, denen der Starrsinn den Kopf verdorben hat.« Die Aravaipas führten Pferde heran. Minuten später trabten die Mustangs Eskaminzins Dorf zu. Hinter den Apachen klangen Schüsse auf. Die engen Talwände dämpften die Detonationen. Die Caddos und Wichitas versuchten wohl, sich durch die Menge der Schlangen zu kämpfen. Es war der Versuch, der zum Scheitern verurteilt war. Denn Cochise versicherte Haggerty, daß mindestens tausend Klapperschlangen das kleine Tal beherrschten. Im Dorf der Aravaipas empfingen die Squaws die Krieger mit schrillen Freudentrillern. Cochise erhielt den ganzen Respekt, der ihm zustand. Immerhin war er der Retter des Stammes. Seine List hatte den Feinden den Tod gebracht. Eskaminzin saß hinter einem niedergebrannten Feuer. Das Gesicht des Chiefs zeigte einen Ausdruck aus Resignation und Belustigung. Sechs alte Männer, Greise, hockten ihm gegenüber. Sie wandten die Köpfe, als Cochise mit Haggerty nähertrat. »Er muß sterben!« rief plötzlich einer der Alten mit brüchiger Stimme und zeigte mit seinem dürren Arm, dessen Finger wie Klauen wirkten, auf den Scout. Es gelang den Häuptlingen, die Männer des Rates davon
abzubringen. John ließ sich vom Medizinmann behandeln, überprüfte seine Waffen, die bei der Beute gewesen waren, die die Aravaipas den Eindringlingen abgenommen hatten, und verabschiedete sich von Cochise. Erst jetzt erzählte der Häuptling von den vier überlebenden Soldaten. »Ich weiß, daß sie in den besten Händen sind«, erwiderte Haggerty nur. »Berichte du in Fort Thomas, was sich zugetragen hat. Ich reite zu Howard. Kein anständiger Weißer vergißt, daß du den Südwesten vor einem Krieg bewahrt hast.« Cochise hob die Linke und grüßte seinen Blutsbruder. Chiefscout John Haggerty ritt davon. »Es gibt nicht viele anständige Weiße«, murmelte der große Häuptling. »Wenn wir mehr Freunde wie Falke hätten, bräuchte ich nicht um unser Volk zu fürchten.« * Am späten Vormittag verabschiedete sich der Führer aller Apachen von Eskaminzin, sprach ein paar scharfe Worte zu den Ältesten, ließ aber nicht den Respekt vor ihnen vermissen, und zog mit seinen zwölf Chiricahuas nach Nordwesten. Dort lag, in der Nähe des Gila Rivers, Fort Thomas, eine der nördlichsten Befestigungen der Kavallerie. Die Apachengruppe durchzog das Land wie selbstverständlich. Dies war ihre Heimat, und hier waren sie die Herren. Gegen Mittag brachten Späher Wild, das sie am Feuer brieten. Ein paar Schlucke Wasser rundeten die Mahlzeit ab. Erst am frühen Abend erreichte Cochise mit seinen Kriegern das Gelände des Forts. Die Palisaden ragten mehr als doppelt mannshoch auf. Selbst ein Reiter, der sich vom Mustang aus nach oben schwang, konnte die Enden nicht packen. An allen vier Ecken hatten die
Soldaten Wachtürme errichtet, auf denen ständig Posten Ausschau nach Feinden hielten. »Wartet in den Hügeln«, befahl Cochise seinen Krieger. »Die Weißen werden unruhig, wenn sie so viele Apachen auf einmal sehen. Ich will nicht ihre Unvernunft herausfordern.« Allein ritt der Jefe auf das Haupttor zu. Die Sonne stand hinter ihm am Himmel. Deutlich hoben sich die Umrisse der Überbauten vom Hintergrund des Himmels ab. Cochise war noch etwa fünfzig Pferdelängen von den Palisaden entfernt, als eine Stimme aufgellte. »Indianer!« schrie ein Mann mit aller Kraft seiner Lungen. Der Häuptling wußte, daß seine Krieger die Befehle befolgten. Also konnte nur er selbst mit dem Alarmschrei gemeint sein. Verwundert dachte Cochise darüber nach, daß ein einzelner Apache eine solche Angst bei den weißen Pferdesoldaten hervorrufen konnte. Denn in der Stimme des Postens war deutlich Angst mitgeschwungen. Das Pony tänzelte plötzlich ein wenig, als es mit den Vorderhufen beinahe in das Loch eines Erdhörnchens getreten war. Im selben Moment krachten zwei Gewehre. Die Kugeln sirrten knapp eine Armlänge an Cochises Kopf vorbei. Zornig zügelte der Apache sein Tier. Drohend blickte er auf die Palisaden. Waren alle Weißen verrückt geworden? »Welcher Idiot hat ohne Befehl geschossen?« brüllte plötzlich ein Mann mit dröhnender Stimme. »Ich, Sir, Reiter Luke, auf Posten, Sir!« »Und Reiter Gleason, ebenfalls auf Posten!« »Sir!« brüllte der andere. »Ebenfalls auf Posten, Sir!« wiederholte der zweite Schütze. »Wie kommt ihr hirnverbrannten Idioten dazu, durch die Gegend zu ballern? Habt ihr ein Karnickel gesehen?«
»Nein, Sir, einen Indianer. Und Sie haben selbst gesagt, wenn wir einen Apachen sehen, müßten wir schneller schießen als er.« »Idioten, ich bin nur von Verrückten umgeben!« schrie der andere Mann, den Cochise für einen Sergeanten hielt. Denn fast nur sie gaben ein derartiges Gebrüll von sich. »Das gilt für das freie Land, wenn wir auf Patrouille sind, in Feindgebiet, ihr Narren. Was habt ihr eigentlich in dem Ding, auf dem euer Hut sitzt? Kopf sagen auch manche dazu. Aber in einen Kopf gehört ein klein wenig Gehirn hinein. Und dieses Gehirn sollte ab und zu mal nachdenken. Ich wette, ihr beide habt nur getrockneten Büffelmist drin. Wenn Dummheit stinken würde, könnte die Kavallerie mit eurem Gestank allein sämtliche Indianer bis in den Golf von Mexiko jagen. Geht zur Seite, ich will das Ding sehen, das ihr für einen Indianer gehalten habt. Sicher ist es nur eine Springmaus oder ein Erdhörnchen, allenfalls eine Taschenratte.« Cochise saß abwartend auf seinem Mustang. Der Jefe hatte begriffen, daß zwei Neulinge aus Übereifer gefeuert hatten. Aus solchen Situationen konnten Dinge entstehen, die sämtliche Stämme wieder auf den Kriegspfad brachten. Die Weißen mußten ihre Leute besser ausbilden und beobachten, überlegte er. »Hölle und Teufel!« stieß der Sergeant hervor, »das hätte euch den Kopf kosten können. Reiter Luke, sausen Sie zum Colonel und melden Sie, daß Cochise vor dem Tor wartet. Gleason, runter mit Ihnen. Holen Sie Captain Arbogast aus dem Kasino. Der Häuptling wird mit militärischen Ehren empfangen. Und sorgen Sie dafür, daß das Tor geöffnet wird, Sie Hohlkopf.« Cochise lächelte und preßte seinem Pony die Absätze in die Flanken. Langsam ging das Pferd auf die Palisaden zu. Die Torflügel schwenkten nach innen. Im letzten Schein der Sonne glänzten die Bajonette des Zuges, der in gerader Reihe angetreten war, im Lichtschein. »Aaaachtung!« brüllte der Sergeant.
Ein Captain zog den Säbel und präsentierte ihn. Der Trompeter blies ein Signal, das sonst nur Vorgesetzten galt. Langsam ritt Cochise an den stramm stehenden Soldaten vorbei und empfand so etwas wie Genugtuung. Er bewertete die Geste dieses Empfanges zwar nicht höher als sie war, aber er ahnte, daß er mit dem kommandierenden Offizier ein gutes Palaver führen konnte. Er saß ab, überließ die Zügel seines Mustangs einem herbeilaufenden Soldaten und verneigte sich leicht vor dem Zug Soldaten. Ein bulliger Sergeant betrachtete den Jefe mißtrauisch, trat heran, salutierte und sagte: »Häuptling, ich habe die Ehre, Sie zu Colonel Ballinger zu führen. Der Kommandant erwartet Sie.« »Danke, Sergeant«, antwortete Cochise, »ich fühle mich geehrt. Und wenn die beiden Pferdesoldaten auf Wache lernen, daß Kugeln auch töten können, wird ihre Ausbildung noch besser sein.« Der Sergeant lief rot an, beherrschte sich aber und marschierte steifbeinig vor dem Indianer her. Eine Ordonnanz riß die Tür zur Kommandantur auf und salutierte. »Häuptling«, sagte der Sergeant fast flehend, »bringen Sie Nachricht von unseren Männern? Was ist mit Ihnen?« Cochises Gesicht schien sich zu verdüstern, als er leise erwiderte: »Vier leben noch. Alle anderen sind tot. Sie starben von der Hand unserer Feinde. Caddos und Wichitas waren in das Land der Aravaipas eingedrungen. Sie kommen niemals mehr wieder.« Cochise wandte sich ab, als er die Trauer im Blick des weißen Soldaten sah. Dem Kommandanten, Colonel Terence Ballinger, berichtete er mit nüchternen Worten und kurzen Sätzen, was sich in den letzten Tagen in Eskaminzins Gebiet zugetragen hatte. Cochise vergaß nicht zu berichten, Wie die feindlichen
Indianer gestorben waren. Und er vergaß auch nicht, John Haggerty zu erwähnen, der bereits auf dem Ritt zu General Howard war. Nur von der Goldmine sagte er kein Wort. Colonel Ballinger dankte dem Führer der Stämme für seinen Einsatz. »Die Überlebenden, sind sie transportfähig?« wollte der Oberst anschließend wissen. Cochise erwiderte lächelnd: »Jetzt noch nicht. In zweimal sieben Tagen reiten sie allein hierher. Sie sind bei Freunden, Colonel. Der Stamm der Aravaipas sorgt für sie.« »Ich wünschte, wir Soldaten hätten mehr solche Freunde«, sagte der Oberst leise, und Cochise lächelte gedankenverloren. Denn er sah in der Zukunft wieder nur Kämpfe und Blut, wenn die weißen Eroberer ihrer Gier nach Land und Gold keine Zügel anlegten.
ENDE