Algebra Wolfgang Soergel 4. Februar 2005 Die Abschnitte bis zur Galois-Theorie einschließlich sollten in etwa den Standa...
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Algebra Wolfgang Soergel 4. Februar 2005 Die Abschnitte bis zur Galois-Theorie einschließlich sollten in etwa den Standard-Stoff einer Algebra-Vorlesung f¨ ur das dritte Semester abdecken.
Inhaltsverzeichnis 1 Gruppen 1.1 Die Frage nach der Klassifikation . . . 1.2 Untergruppen . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Restklassen . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Normalteiler . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Zyklische Gruppen . . . . . . . . . . . 1.6 Endlich erzeugte abelsche Gruppen . . 1.7 Kompositionsreihen . . . . . . . . . . . 1.8 Gruppenwirkungen . . . . . . . . . . . 1.9 Konjugationsklassen . . . . . . . . . . 1.10 Symmetrische Gruppen . . . . . . . . . 1.11 Endliche Untergruppen der Drehgruppe 1.12 Die S¨atze von Sylow . . . . . . . . . . 1.13 p-Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . 1.14 Etwas homologische Algebra . . . . . .
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2 Ringe 2.1 Definitionen und Grundlagen . . . . . . . . 2.2 Endliche Primk¨orper . . . . . . . . . . . . . 2.3 Polynomringe . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Polynome als Funktionen . . . . . . . . . . . 2.5 Der abstrakte chinesische Restsatz . . . . . . 2.6 Euklidische Ringe und Primfaktorzerlegung . 2.7 Lokalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4 4 5 9 10 12 15 19 20 22 23 25 31 33 34
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36 36 40 41 44 45 47 50
2.8 2.9 2.10 2.11
Primfaktorzerlegung in Polynomringen Kreisteilungspolynome . . . . . . . . . Symmetrische Polynome . . . . . . . . Die Schranke von Bezout . . . . . . . .
3 Ko ¨rper 3.1 Grundlagen und Definitionen . . . . 3.2 Algebraische K¨orpererweiterungen . . 3.3 Konstruktionen mit Zirkel und Lineal 3.4 Endliche K¨orper . . . . . . . . . . . . 3.5 Zerf¨allungsk¨orper . . . . . . . . . . . 3.6 Vielfachheit von Nullstellen . . . . .
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4 Galoistheorie 4.1 Galoiserweiterungen . . . . . . . . . . . . 4.2 Galoiskorrespondenz . . . . . . . . . . . . 4.3 Schiefk¨orper u ¨ber den reellen Zahlen . . . 4.4 Die Galoisgruppen der Kreisteilungsk¨orper 4.5 Das Quadratische Reziprozit¨atsgesetz . . . 4.6 Radikalerweiterungen . . . . . . . . . . . . 4.7 L¨osung kubischer Gleichungen . . . . . . .
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53 55 57 60
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63 63 64 68 71 74 77
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81 81 83 87 88 91 94 98
5 Verallgemeinerungen ins Unendliche 102 5.1 Das Zorn’sche Lemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 5.2 Der algebraische Abschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 5.3 Transzendenzgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 6 Lineare Algebra fu 111 ¨ r Moduln 6.1 Matrizenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 6.2 Moduln u ¨ber Hauptidealringen . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 7 R¨ aume als Ringe 7.1 Die Zariski-Topologie auf dem k n . . . 7.2 Noethersche Moduln und Ringe . . . . 7.3 Der k¨orpertheoretische Nullstellensatz . 7.4 Der Beweis des Nullstellensatzes . . . . 7.5 Algebren von polynomialen Funktionen
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118 . 118 . 119 . 121 . 123 . 126
8 Dimension 129 8.1 Zerlegung in irreduzible Komponenten . . . . . . . . . . . . . 129 8.2 Primideale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
2
9 Index
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1 1.1
Gruppen Die Frage nach der Klassifikation
Bemerkung 1.1.1. Ich erinnere an die Definition ?? einer Gruppe. Wir wollen im Folgenden die Frage untersuchen, welche Gruppen es u ¨berhaupt gibt. Pr¨aziser nennen wir zwei Gruppen isomorph genau dann, wenn es zwischen ihnen einen Isomorphismus gibt. Die Frage, welche endlichen Gruppen es u ¨berhaupt gibt, k¨onnen wir dann konkret fassen als die folgende Aufgabe: Man gebe eine Liste von endlichen Gruppen an derart, daß jede beliebige endliche Gruppe isomorph ist zu genau einer Gruppe dieser Liste. In mathematischer Terminologie ist das die Frage nach der Klassifikation der endlichen Gruppen. Beispiel 1.1.2. F¨ ur Gruppen mit h¨ochstens 4 Elementen k¨onnen wir diese Aufgabe noch ohne alle Theorie auf direktem Wege l¨osen. Eine endliche Menge mit Verkn¨ upfung beschreiben wir dazu durch ihre Verknu ¨ pfungstabelle, die im Fall einer Gruppe auch Gruppentafel heißt. Zum Beispiel bilden die dritten Einheitswurzeln 1, ζ = exp(2π i /3), η = exp(4π i /3) in C unter der Multiplikation eine Gruppe mit der Gruppentafel 1 ζ η 1 1 ζ η ζ ζ η 1 η η 1 ζ Haben wir eine Gruppentafel vor uns, so muß nach der K¨ urzungsregel ?? in jeder Spalte und in jeder Zeile jedes Element genau einmal vorkommen. Man sieht so recht leicht, daß es bis auf Isomorphismus nur eine Gruppe G gibt mit |G| Elementen f¨ ur |G| = 1, 2, 3, und daß es f¨ ur |G| = 4 bis auf Isomorphismus genau zwei M¨oglichkeiten gibt, die sich dadurch unterscheiden, ob jedes Element sein eigenes Inverses ist oder nicht. Bemerkung 1.1.3. Gegeben zwei Gruppen G und H k¨onnen wir auch ihr kartesisches Produkt G × H zu einer Gruppe machen, indem wir darauf die komponentenweise Verkn¨ upfung (g, h)(g 0 , h0 ) = (gg 0 , hh0 ) betrachten. Dann wird eine unserer beiden vierelementigen Gruppen (bis auf Isomorphismus) das Produkt von zwei zweielementigen Gruppen. Um weiter zu kommen, brauchen wir bessere Konstruktionsverfahren f¨ ur Gruppen und mehr Theorie. Bemerkung 1.1.4. Warum interessieren wir uns u ur Gruppen? Stel¨berhaupt f¨ len wir uns doch einmal eine ebene Figur vor, zum Beispiel eine stilisierte Bl¨ ute, einen Buchstaben, oder allgemein eine beliebige Teilmenge der Ebene 4
A ⊂ R2 . Unter einer “Symmetriebewegung” oder kurz Symmetrie unserer Figur verstehen wir eine abstandserhaltende Selbstabbildung g der Ebene, die unsere Figur in sich selber u uhrt, in Formeln gA = A. Alle Symme¨berf¨ trien einer Figur bilden unter der Hintereinanderausf¨ uhrung als Verkn¨ upfung eine Gruppe, die Symmetriegruppe der Figur. Bei den meisten Figuren besteht die Symmetriegruppe nur aus dem neutralen Element, aber ein Herz hat schon zwei Symmetrien, die Identit¨at und eine Spiegelung. Der Buchstabe H hat sogar 4 Symmetrien, ebensoviele wie das furchtbare Hakenkreuz, aber die Symmetriegruppen dieser beiden Figuren sind nicht isomorph. In diesem Sinne kann man den Gruppenbegriff interpretieren als eine Formalisierung des Konzepts eines “abstrakten Symmetrietyps”. ¨ Ubung 1.1.5. Gegeben Gruppen H und G bezeichne Grp(H, G) die Menge aller Gruppenhomomorphismen von H nach G. Man zeige, daß f¨ ur jede ∼ Gruppe G die Vorschrift ϕ 7→ ϕ(1) eine Bijektion Grp(Z, G) → G liefert.
1.2
Untergruppen
Definition 1.2.1. Eine Teilmenge einer Gruppe heißt eine Untergruppe genau dann, wenn sie abgeschlossen ist unter der Verkn¨ upfung und der Inversenbildung und zus¨atzlich das neutrale Element enth¨alt. Bemerkung 1.2.2. Ist G eine multiplikativ geschriebene Gruppe, so ist demnach eine Teilmenge U ⊂ G eine Untergruppe genau dann, wenn in Formeln gilt: a, b ∈ U ⇒ ab ∈ U, a ∈ U ⇒ a−1 ∈ U sowie 1 ∈ U. Beispiele 1.2.3. In jeder Gruppe ist die einelementige Teilmenge, die nur aus dem neutralen Element besteht, eine Untergruppe. Wir nennen sie die triviale Untergruppe. Ebenso ist nat¨ urlich die ganze Gruppe eine Untergruppe von sich selber. Bemerkung 1.2.4. Der Schnitt u ¨ber eine beliebige Familie von Untergruppen einer gegebenen Gruppe ist selbst wieder eine Untergruppe. F¨ ur eine Teilmenge T einer Gruppe G definieren wir die von T erzeugte Untergruppe hT i ⊂ G als die kleinste Untergruppe von G, die T enth¨alt. Nat¨ urlich gibt es so eine kleinste Untergruppe, n¨amlich den Schnitt u ¨ber alle Untergruppen von G, die T enthalten. F¨ ur T 6= ∅ k¨onnen wir hT i konkret beschreiben als die Menge aller endlichen Produkte von Elementen aus T und deren Inversen. F¨ ur T = ∅ besteht hT i nur aus dem neutralen Element. Ist T durch einen Ausdruck in Mengenklammern gegeben, so lassen wir diese meist weg und schreiben also zum Beispiel k¨ urzer ha1 , . . . , an i statt h{a1 , . . . , an }i. Ob der Ausdruck hT i in einem speziellen Fall die von einer Menge T erzeugte Untergruppe oder vielmehr die von der einelementigen Menge mit einzigem 5
Element T erzeugte Untergruppe meint, muß der Leser jeweils selbst aus dem Kontext erschließen. Lemma 1.2.5. Das Bild einer Untergruppe unter einem Gruppenhomomorphismus ist stets eine Untergruppe. Das Urbild einer Untergruppe unter einem Gruppenhomomorphismus ist stets eine Untergruppe. Beweis. Dem Leser u ¨berlassen. Definition 1.2.6. Sei ϕ : G → H ein Gruppenhomomorphismus. Das Urbild der trivialen Untergruppe von H heißt der Kern von ϕ und wird bezeichnet mit ker ϕ Das Bild ϕ(G) von ganz G unter ϕ wird nach der englischen und franz¨osischen Bezeichnung image bezeichnet mit im ϕ Bemerkung 1.2.7. Nach 1.2.5 sind Kern und Bild eines Gruppenhomomorphismus stets Untergruppen im Definitionsbereich bzw. Wertebereich unseres Gruppenhomomorphismus. Lemma 1.2.8. Ein Gruppenhomomorphismus ist injektiv genau dann, wenn sein Kern trivial ist. Beweis. Sei ϕ : G → H unser Gruppenhomomorphismus. Wir argumentieren durch Widerspruch: Besteht ker ϕ aus mehr als einem Element, so kann ϕ nat¨ urlich nicht injektiv sein. Gibt es umgekehrt x 6= y mit ϕ(x) = ϕ(y), so liegt x−1 y 6= 1 in ker ϕ. Beispiel 1.2.9. Die Abbildung sgn, die jeder Permutation τ ∈ Sr ihr Signum zuordnet, ist ein Gruppenhomomorphismus sgn : Sr → {1, −1}. Der Kern dieses Gruppenhomomorphismus, d.h. die Gruppe aller geraden Permutationen von r Objekten, heißt die r-te alternierende Gruppe und wird notiert als Ar = ker(sgn : Sr → {1, −1}) Satz 1.2.10 (Untergruppen von Z). Jede Untergruppe H ⊂ Z ist von der Form H = mZ f¨ ur genau ein m ∈ N. Beweis. Im Fall H = {0} ist m = 0 die einzige nat¨ urliche Zahl mit H = mZ. Gilt H 6= {0}, so enth¨alt H echt positive Elemente. Sei dann m ∈ H das kleinste echt positive Element von H. Wir behaupten H = mZ. Die Inklusion H ⊃ mZ ist hier offensichtlich. Aber g¨abe es n ∈ H \ mZ, so k¨onnten wir n 6
mit Rest teilen durch m und also schreiben n = ms + r f¨ ur geeignete s, r ∈ Z mit 0 < r < m und h¨atten r = n − ms ∈ H im Widerspruch zur Minimalit¨at von m. Definition 1.2.11. Seien a, b ∈ Z. Wir sagen a teilt b und schreiben a|b genau dann, wenn es d ∈ Z gibt mit ad = b. Sind zwei ganze Zahlen a, b nicht beide Null, so gibt es eine gr¨oßte ganze Zahl c, die sie beide teilt. Diese Zahl heißt der gr¨ oßte gemeinsame Teiler von a und b. Sind a und b ganze Zahlen, nicht beide Null, und ist 1 ihr gr¨oßter gemeinsamer Teiler, so sagen wir, a und b seien teilerfremd. Satz 1.2.12 (u oßten gemeinsamen Teiler). Sind a, b ∈ Z ¨ ber den gr¨ nicht beide Null und ist c ihr gr¨oßter gemeinsamer Teiler, so gilt: 1. Es gibt r, s ∈ Z mit c = ra + sb. 2. Teilt d ∈ Z sowohl a als auch b, so teilt d notwendig den gr¨oßten gemeinsamen Teiler von a und b. Beweis. Man betrachte die Teilmenge aZ + bZ ⊂ Z. Sie ist offensichtlich eine von Null verschiedene Untergruppe von Z. Also ist sie nach 1.2.10 von der Form aZ + bZ = cˆZ f¨ ur geeignetes cˆ > 0 und es gilt a. cˆ teilt a und b; b. cˆ = ra + sb f¨ ur geeignete r, s ∈ Z; c. (d teilt a und b) ⇒ (d teilt cˆ). Daraus folgt aber sofort, daß cˆ der gr¨oßte gemeinsame Teiler von a und b ist, und damit folgt dann der Satz. Bemerkung 1.2.13. Gegeben a1 , . . . , an ∈ Z k¨onnen wir mit der Notation 1.2.4 auch k¨ urzer schreiben a1 Z + . . . + an Z = ha1 , . . . , an i ¨ Ublich ist hier auch die Notation (a1 , . . . , an ), die jedoch leider oft auch nTupel von ganzen Zahlen bezeichnet, also Elemente von Zn , und in der Analysis f¨ ur n = 2 meist ein offenes Intervall. Es gilt dann aus dem Kontext zu erschließen, was jeweils gemeint ist. Sind a und b nicht beide Null und ist c ihr gr¨oßter gemeinsamer Teiler, so haben wir nach dem Vorhergehenden ¨ ha, bi = hci. Wir benutzen von nun an diese Notation. Uber die Tintenersparnis hinaus hat das den Vorteil, daß unsere Notation im Fall a = b = 0 sinnvoll bleibt. 7
Definition 1.2.14. Eine Primzahl ist eine nat¨ urliche Zahl p > 1 derart, daß aus p = ab mit a, b ∈ N schon folgt a = 1 oder b = 1. Bemerkung 1.2.15. Eine M¨oglichkeit, alle Primzahlen zu finden, ist das sogenannte Sieb des Eratosthenes: Man beginnt mit der kleinsten Primzahl, der Zwei. Streicht man nun alle Vielfachen der Zwei, d.h. alle geraden Zahlen, so ist die erste Zahl unter den u ¨brigen die n¨achste Primzahl, die Drei. Streicht man auch noch alle Vielfachen der Drei, so ist die erste Zahl unter den u ¨brigen die n¨achste Primzahl und so weiter. “Der Erste” heißt auf lateinisch “Primus” und auf griechisch ¨ahnlich und es scheint, daß daher die Bezeichnung “Primzahl” kommt. Satz 1.2.16 (Primfaktorzerlegung). Jede nat¨ urliche Zahl n ≥ 2 kann geschrieben werden als ein Produkt von Primzahlen n = p1 p2 . . . pr und diese Darstellung ist eindeutig bis auf die Reihenfolge der Faktoren. Beweis. Die Existenz ist klar mit vollst¨andiger Induktion. Die Eindeutigkeit folgt mit vollst¨andiger Induktion aus dem anschließenden Lemma. Lemma 1.2.17. Teilt eine Primzahl ein Produkt von ganzen Zahlen, so teilt sie einen der Faktoren. Beweis. Sei p unsere Primzahl und seien a, b ∈ Z gegeben mit p|ab. Teilt p nicht a, so folgt hp, ai = h1i. Nach 1.2.12 gibt es also r, s ∈ Z mit 1 = rp + sa. Es folgt b = rpb + sab und damit p|b. Bemerkung 1.2.18. Ich erkl¨are am Beispiel a = 160, b = 625 den sogenannten euklidischen Algorithmus, mit dem man ihren gr¨oßten gemeinsamen Teiler c bestimmen kann nebst einer Darstellung c = ra+rb. In der linken Spalte von Gleichungen wird jeweils geteilt mit Rest, und will man nur den gr¨oßten gemeinsamen Teiler kennen, so kann man die rechte Spalte ignorieren. Die oberste Zeile der rechten Spalte unserer Tabelle ist eine Trivialit¨at, die Zweitoberste entsteht in offensichtlicher Weise aus der Zeile links daneben, und jede weitere Gleichung der rechten Spalte erh¨alt man als eine Linearkombination der beiden dar¨ uberstehenden Gleichungen mit Koeffizienten, die sich aus der Gleichung links daneben ableiten lassen. 625 = 3· 160 + 145 160 = 1· 145 + 15 145 = 9· 15 + 10 15 = 1· 10 + 5 10 = 2· 5 + 0
⇒ ⇒ ⇒ ⇒
625 −1· 625 10· 625 −11· 625
8
− 3· + 4· − 39· + 43·
160 160 160 160 160
= 160 = 145 = 15 = 10 = 5
Aus der linken Spalte folgt f¨ ur den gr¨oßten gemeinsamen Teiler h625, 160i = h160, 145i = h145, 15i = h15, 10i = h10, 5i = h5, 0i = h5i und wir finden mit der rechten Spalte f¨ ur den gr¨oßten gemeinsamen Teiler die Darstellung −11 · 625 + 43 · 160 = 5. ¨ Ubung 1.2.19. Sind H, K ⊂ G zwei Untergruppen mit H ∩K = 1, so definiert die Multiplikation eine Injektion H × K ,→ G. ¨ Ubung 1.2.20. Man nennt einen surjektiven Gruppenhomomorphismus A 00 A spaltend genau dann, wenn er ein Rechtsinverses besitzt. So ein Rechtsinverses heißt dann auch eine Spaltung. Man zeige: Ist ϕ : A A00 ein surjektiver Homomorphismus von abelschen Gruppen, A0 ⊂ A sein Kern und ψ : A00 → A eine Spaltung von ϕ, so erhalten wir einen Isomorphismus ∼ A0 × A00 → A vermittels der Vorschrift (a0 , a00 ) 7→ a0 + ψ(a00 ). ¨ Ubung 1.2.21. Jede Surjektion von einer abelschen Gruppe auf Zr spaltet. Man gebe ein Beispiel f¨ ur eine Surjektion, die nicht spaltet.
1.3
Restklassen
Bemerkung 1.3.1. Ist (G, ⊥) eine Menge mit Verkn¨ upfung und sind A, B ⊂ G Teilmengen, so schreiben wir A ⊥ B = {a ⊥ b | a ∈ A, b ∈ B} ⊂ G und erhalten auf diese Weise eine Verkn¨ upfung auf der Menge aller Teilmengen von G, der sogenannten Potenzmenge P(G). Ist unsere urspr¨ ungliche Verkn¨ upfung assoziativ, so auch die induzierte Verkn¨ upfung auf der Potenzmenge. Wir k¨ urzen in diesem Zusammenhang oft die einelementige Menge {a} mit a ab, so daß also zum Beispiel a ⊥ B als {a} ⊥ B zu verstehen ist. Definition 1.3.2. Ist G eine Gruppe, H ⊂ G eine Untergruppe und g ∈ G ein Element, so nennen wir die Menge gH die Linksnebenklasse von g unter H und die Menge Hg die Rechtsnebenklasse von g unter H. Diese Nebenklassen sind also Teilmengen von G. Ein Element einer Nebenklasse nennt man einen Repr¨ asentanten der besagten Nebenklasse. Weiter betrachten wir in G die beiden Mengensysteme G/H = {gH | g ∈ G} H\G = {Hg | g ∈ G} Die Elemente von G/H und von H\G sind also Teilmengen von G und G/H sowie H\G selbst sind dementsprechend Teilmengen der Potenzmenge P(G) von G. Lemma 1.3.3. Sei G eine Gruppe und H ⊂ G eine Untergruppe. Jedes Element von G geh¨ort zu genau einer H-Linksnebenklasse und zu genau einer H-Rechtsnebenklasse. 9
Beweis. Wir behandeln nur Linksnebenklassen. Aus 1 ∈ H folgt g ∈ gH, also geh¨ort jedes Element von G zu mindestens einer Linksnebenklasse. Aus g ∈ xH folgt g = xh f¨ ur geeignetes h ∈ H, also gH = xhH = xH, folglich ist gH die einzige Linksnebenklasse, die g enth¨alt. Beispiel 1.3.4. Im Fall G = Z ⊃ H = mZ besteht die (additiv geschriebene) Nebenklasse a + H aus allen Elementen von Z, die bei Teilung durch m denselben Rest lassen wie a. Wir nennen in diesem Fall a + mZ ⊂ Z auch die Restklasse von a modulo m. Geh¨oren a und b zur selben Restklasse, in Formeln a + mZ = b + mZ, so nennen wir sie kongruent modulo m und schreiben a ≡ b (mod m) Offensichtlich gibt es f¨ ur m ∈ N, m ≥ 1 genau m Restklassen modulo m, in Formeln |Z/mZ| = m, und m¨ogliche Repr¨asentanten f¨ ur diese m verschiedenen Restklassen sind die nat¨ urlichen Zahlen r mit 0 ≤ r < m. Satz 1.3.5 (Lagrange). Gegeben eine endliche Gruppe teilt die Kardinalit¨at jeder Untergruppe die Kardinalit¨at der ganzen Gruppe. Ist G unsere endliche Gruppe und H ⊂ G eine Untergruppe, so gilt genauer |G| = |H| · |G/H| = |H| · |H\G| Beweis. Jedes Element von G geh¨ort zu genau einer Links- bzw. Rechtsnebenklasse unter H, und jede dieser Nebenklassen hat genau |H| Elemente. Definition 1.3.6. Gegeben eine Gruppe G mit einer Untergruppe H heißt die Zahl |G/H| der Restklassen der Index von H in G. ¨ Ubung 1.3.7. Seien G ⊃ H eine Gruppe und eine Untergruppe. Man zeige, daß es eine Bijektion zwischen G/H und H \ G gibt. ¨ Ubung 1.3.8. Haben zwei endliche Untergruppen einer Gruppe teilerfremde Kardinalit¨aten, so besteht ihr Schnitt nur aus dem neutralen Element.
1.4
Normalteiler
Definition 1.4.1. Sei G eine Gruppe. Eine Untergruppe H ⊂ G heißt ein Normalteiler von G genau dann, wenn gilt gH = Hg ∀g ∈ G. Bemerkung 1.4.2. In einer kommutativen Gruppe ist jede Untergruppe ein Normalteiler. In der Gruppe S3 der Permutationen von 3 Elementen ist die Untergruppe S2 ⊂ S3 aller Permutationen, die die dritte Stelle festhalten, kein Normalteiler. 10
¨ Ubung 1.4.3. Der Kern eines Gruppenhomomorphismus ist stets ein Normalteiler. Allgemeiner ist das Urbild eines Normalteilers unter einem Gruppenhomomorphismus stets ein Normalteiler, und das Bild eines Normalteilers unter einem surjektiven Gruppenhomomorphismus ist wieder ein Normalteiler. Satz 1.4.4 (Konstruktion der Restklassengruppe). Ist H ⊂ G ein Normalteiler, so ist G/H abgeschlossen unter der induzierten Verkn¨ upfung auf der Potenzmenge P(G) von G und wird damit eine Gruppe, genannt die Restklassengruppe oder der Quotient von G nach H. Beweis. Es gilt (gH)(g1 H) = gg1 HH = gg1 H, also ist unsere Menge stabil unter der Verkn¨ upfung. Das Assoziativgesetz gilt eh, das neutrale Element ist H, und das Inverse zu gH ist g −1 H. Beispiel 1.4.5. Zu jeder nat¨ urlichen Zahl m ≥ 1 bilden wir die Restklassengruppe Z/mZ. Sie hat genau m Elemente. Man k¨ urzt die Restklasse von a oft ab mit a ¯. Man kann sich Z/12Z als eine “Gruppe von Uhrzeiten” vorstellen. In dieser Gruppe gilt zum Beispiel ¯7 + ¯7 = 14 = ¯2 und ¯9 = −¯3. Satz 1.4.6 (Universelle Eigenschaft der Restklassengruppe). Sei G eine Gruppe und H ⊂ G ein Normalteiler. 1. Die Abbildung can : G → G/H, g 7→ gH ist ein Gruppenhomomorphismus mit Kern H. 2. Ist ϕ : G → G0 ein Gruppenhomomorphismus mit ϕ(H) = {1}, so gibt es genau einen Gruppenhomomorphismus ϕ˜ : G/H → G0 mit ϕ = ϕ˜ ◦ can . Beweis. Die erste Aussage ist klar. F¨ ur die zweite Aussage beachten wir, daß unter der Annahme ϕ(H) = {1} das Bild einer H-Nebenklasse ϕ(gH) = ϕ(g)ϕ(H) = {ϕ(g)} nur aus einem einzigen Element besteht. Dies Element nennen wir ϕ(gH), ˜ so daß also gilt ϕ(gH) ˜ = ϕ(g) und ϕ(gH) = {ϕ(gH)}. ˜ Auf diese Weise erhalten wir das gesuchte ϕ. ˜ Satz 1.4.7 (Isomorphiesatz). Jeder Gruppenhomomorphismus ϕ : G → H ∼ induziert einen Isomorphismus ϕ˜ : G/ ker ϕ → im ϕ. Beweis. Nat¨ urlich ist unser ϕ˜ surjektiv. Es ist aber auch injektiv nach 1.2.8, denn sein Kern besteht nur aus dem neutralen Element der Restklassengruppe. Korollar 1.4.8 (Noetherscher Isomorphiesatz). Sei G eine Gruppe und seien K ⊂ H ⊂ G zwei Normalteiler von G. So induziert die Komposition 11
von kanonischen Abbildungen G (G/K) (G/K)/(H/K) einen Isomorphismus ∼ G/H → (G/K)/(H/K) Beweis. Sicher ist unsere Komposition surjektiv. Unsere Aussage folgt also aus dem Isomorphiesatz 1.4.7, sobald wir zeigen, daß H der Kern unserer Komposition ist. Sicher ist H eine Teilmenge dieses Kerns. Liegt umgekehrt g ∈ G im Kern unserer Komposition G (G/K)/(H/K), so folgt gK ⊂ HK, also gH ⊂ H, also g ∈ H.
1.5
Zyklische Gruppen
Definition 1.5.1. Eine Gruppe, die von einem einzigen Element erzeugt wird, heißt zyklisch. Bemerkung 1.5.2. Zum Beispiel ist eine Gruppe G, deren Kardinalit¨at eine Primzahl ist, notwendig zyklisch, da sie nach 1.3.5 außer H = G und H = 1 keine weiteren Untergruppen haben kann. F¨ ur jede Gruppe G k¨onnen wir die von einem Element g ∈ G erzeugte Untergruppe beschreiben als hgi = {g n | n ∈ Z} Definition 1.5.3. Sei g ein Element einer Gruppe G. Die Ordnung ord g von g ist die kleinste nat¨ urliche Zahl n ≥ 1 mit g n = 1G . Gibt es kein solches n, so setzen wir ord g = ∞ und sagen, g habe unendliche Ordnung. Lemma 1.5.4 (Struktur zyklischer Gruppen). Ist G eine Gruppe und g ∈ G ein Element, so stimmt die Ordnung von g u ¨berein mit der Kardinalit¨at der von g erzeugten Untergruppe, in Formeln ord g = |hgi|. Genauer gilt: 1. Hat g unendliche Ordnung, so ist die Abbildung ν 7→ g ν ein Isomor∼ phismus Z → hgi. 2. Hat g endliche Ordnung ord g = n, so induziert ν 7→ g ν einen Isomor∼ phismus Z/nZ → hgi. Beweis. Wir betrachten den Gruppenhomomorphismus ϕ : Z → G, ν 7→ g ν . ∼ Nach ?? haben wir einen Isomorphismus Z/ ker ϕ → im ϕ = hgi. Nach 1.2.10 ist ker ϕ von der Form ker ϕ = nZ f¨ ur ein n ∈ Z, n ≥ 0, und dann gilt notwendig n = ord g f¨ ur g von endlicher Ordnung bzw. n = 0 f¨ ur g von unendlicher Ordnung.
12
Bemerkung 1.5.5. Motiviert durch dies Lemma nennt man die Kardinalit¨at einer Gruppe auch oft die Ordnung der Gruppe. Wir haben mit unserem ¨ Lemma im Ubrigen auch bewiesen, daß jede Gruppe mit genau 5 Elementen isomorph ist zu Z/5Z. Korollar 1.5.6. Bei einer endlichen Gruppe teilt die Ordnung jedes Elements die Ordnung der ganzen Gruppe. Beweis. Man wende Satz 1.3.5 an auf die von unserem Element erzeugte Untergruppe. ¨ Ubung 1.5.7. Man zeige: Jede Untergruppe einer zyklischen Gruppe ist zyklisch. Genauer haben wir f¨ ur beliebiges m ∈ N eine Bijektion ∼
{Teiler d ∈ N von m} → {Untergruppen von Z/mZ} d 7→ dZ/mZ Man folgert, daß jede von der ganzen Gruppe verschiedene Untergruppe einer zyklischen Gruppe von Primzahlpotenzordnung Z/pr Z in der Untergruppe pZ/pr Z ⊂ Z/pr Z enthalten sein muß. (Hinweis: 1.2.10.) ¨ Ubung 1.5.8. Man zeige, daß jede Untergruppe einer endlich erzeugten abelschen Gruppe endlich erzeugt ist, und daß man f¨ ur die Untergruppe h¨ochstens soviel Erzeuger ben¨otigt wie f¨ ur die ganze Gruppe. (Hinweis: Induktion u ¨ber die Zahl der Erzeuger. Als Basis kann man 1.5.7 nehmen. Dann bilde man geeignete Restklassengruppen.) ¨ Ubung 1.5.9. Sei p eine Primzahl. Eine p-Gruppe ist eine endliche Gruppe, deren Ordnung eine Potenz von p ist. Man zeige: Jede nichttriviale p-Gruppe enth¨alt ein Element der Ordnung p. (Sp¨ater werden wir sogar zeigen, daß es f¨ ur jeden Primteiler der Ordnung einer endlichen Gruppe ein Element gibt, dessen Ordung besagter Primteiler ist.) ¨ Ubung 1.5.10. Sei m eine von Null verschiedene nat¨ urliche Zahl. Man zeige, ¯ daß die Vorschrift ϕ 7→ ϕ(1) f¨ ur eine beliebige Gruppe G eine Bijektion liefert ∼
Grp(Z/mZ, G) → {g ∈ G | Die Ordnung von g ist endlich und teilt m} ¨ Ubung 1.5.11. Jede endlich erzeugte Untergruppe von Q ist zyklisch. ¨ Ubung 1.5.12. Man zeige, daß die additive Gruppe aller Gruppenhomomorphismen Grp(Z/nZ, Q/Z) unter punktweiser Addition isomorph ist zu Z/nZ, f¨ ur alle n ≥ 1. ¨ Ubung 1.5.13. Ist x ∈ Z teilerfremd zu n ≥ 1, so induziert die Multiplikation mit x einen Isomorphismus von Z/nZ auf sich selber. (Hinweis: Man untersuche den Kern der Multiplikation mit x.) 13
Bemerkung 1.5.14. Gibt es nat¨ urliche Zahlen n ∈ N, die bei Division durch 6 Rest 4 lassen, bei Division durch 13 Rest 2, und bei Division durch 11 Rest 9? Da (6, 13) = (13, 11) = (6, 11) = (1) lautet die Antwort ja, wie man aus dem anschließenden Korollar folgert. Satz 1.5.15. Ist m = ab ein Produkt von zwei zueinander teilerfremden Faktoren, so liefert die offensichtliche Abbildung einen Isomorphismus ∼
Z/mZ → Z/aZ × Z/bZ Beweis. Wir betrachten die Abbildung ϕ : Z → Z/aZ × Z/bZ n 7→ (n + aZ, n + bZ) Ihr Kern besteht aus allen n ∈ Z, die durch a und b teilbar sind, also aus allen Vielfachen von m. Der Isomorphiesatz liefert mithin einen Isomorphismus ∼ Z/mZ → im ϕ, und daraus folgt hinwiederum im ϕ = Z/aZ × Z/bZ, da unsere Untergruppe imϕ selbst auch schon m = ab Elemente hat. Korollar 1.5.16 (Chinesischer Restsatz). Ist m = q1 . . . qs ein Produkt von paarweise teilerfremden ganzen Zahlen, so liefert die offensichtliche Abbildung einen Isomorphismus ∼
Z/mZ → Z/q1 Z × . . . × Z/qs Z ¨ Beweis. Ubung. ¨ Ubung 1.5.17. Man gebe alle Zahlen an, die bei bei Division durch 6 Rest 4 lassen, bei Division durch 13 Rest 2, und bei Division durch 11 Rest 9. (Hinweis: Der euklidische Algorithmus liefert schon mal L¨osungen, wenn ein Rest 1 ist und die anderen Null.) ¨ Ubung 1.5.18. Gegeben x, y zwei Elemente endlicher Ordnung in einer kommutativen Gruppe teilt die Ordnung ihres Produkts das Produkt ihrer Ordnungen, in Formeln ord(xy)|(ord x)(ord y). Sind hier die Ordnungen von x und y teilerfremd, so gilt sogar ord(xy) = (ord x)(ord y). (Hinweis: 1.5.15, 1.3.8, 1.2.19.)
14
¨ Ubung 1.5.19. In jeder endlichen kommutativen Gruppe wird die maximal von einem Gruppenelement erreichte Ordnung geteilt von den Ordnungen aller Gruppenelemente. (Bezeichnet M ⊂ N die Menge aller Ordnungen von Elementen unserer Gruppe, so enth¨alt M mit jeder Zahl auch alle ihre Teiler. Weiter enth¨alt M nach 1.5.18 mit je zwei teilerfremden Zahlen auch ihr Produkt.) Definition 1.5.20. Gegeben eine Gruppe G heißt die kleinste Zahl e ≥ 1 mit g e = 1 ∀g ∈ G der Exponent unserer Gruppe. Gibt es kein solches e, so sagen wir, die Gruppe habe unendlichen Exponenten.
1.6
Endlich erzeugte abelsche Gruppen
Bemerkung 1.6.1. Unter einer Primzahlpotenz verstehen wir im folgenden eine nat¨ urliche Zahl der Gestalt q = pr f¨ ur p prim und r ≥ 1. Gegeben eine Primzahl p verstehen wir unter einer p-Potenz dahingegen eine nat¨ urliche r Zahl der Gestalt q = p f¨ ur p prim und r ≥ 0. Man m¨oge mir nachsehen, daß in dieser Terminologie nicht alle p-Potenzen Primzahlpotenzen sind. Die beiden folgenden S¨atze geben zwei Klassifikationen der endlich erzeugten abelschen Gruppen. Satz 1.6.2. Gegeben eine endlich erzeugte abelsche Gruppe G gibt es genau eine endliche Folge von von 1 verschiedenen nat¨ urlichen Zahlen a1 , . . . , as ∈ {0, 2, 3, . . .} mit ai |ai+1 f¨ ur 1 ≤ i < s derart, daß gilt G∼ = Z/a1 Z × . . . × Z/as Z Satz 1.6.3. Gegeben eine endlich erzeugte abelsche Gruppe G gibt es Primzahlpotenzen q1 , . . . , qt und eine nat¨ urliche Zahl r ∈ N mit G∼ = Z/q1 Z × . . . × Z/qt Z × Zr Die Zahl r wird durch G eindeutig festgelegt. Sie heißt der Rang von G. Die Primzahlpotenzen qτ sind eindeutig bis auf Reihenfolge. Bemerkung 1.6.4. Man beachte in beiden F¨allen, daß die Faktoren keineswegs eindeutig sind “als Untergruppen unserer abelschen Gruppe”. Der Beweis der beiden S¨atze wird uns bis zum Ende des Abschnitts besch¨aftigen. Eine erste wesentliche Zutat ist der folgende Satz, der auch f¨ ur sich genommen recht wichtig ist. Satz 1.6.5 (Elementarteilersatz). Gegeben eine nicht notwendig quadratische Matrix A mit ganzzahligen Eintr¨agen gibt es stets quadratische ganzzahlige invertierbare Matrizen mit ganzzahligen Eintr¨agen P und Q derart, 15
daß gilt P AQ =
d1 d2 ...
mit Nullen außerhalb der Diagonalen, wobei alle di nichtnegativ sind und d1 teilt d2 teilt d3 etc. Die di sind hierbei durch A eindeutig festgelegt. Beweis. Wir beginnen mit dem Nachweis der Existenz. Ist A die Nullmatrix, so ist nichts mehr zu zeigen. Sonst finden wir P, Q invertierbar derart, daß P AQ oben links einen positiven Eintrag hat, und zwar den kleinstm¨oglichen unter allen P AQ mit positivem Eintrag dort. Dann teilt dieser Eintrag notwendig alle anderen Eintr¨age der ersten Spalte, da wir sonst durch Zeilenoperationen, genauer durch Subtraktion eines Vielfachen der ersten Zeile von einer anderen Zeile, Multiplikation einer Zeile mit −1 und Vertauschung zweier Zeilen einen noch kleineren positiven Eintrag oben links erzeugen k¨onnten. Ebenso teilt unser Eintrag auch alle anderen Eintr¨age in der ersten Zeile. Durch entsprechende Zeilen- und Spaltenoperationen k¨onnen wir also zus¨atzlich die erste Zeile und Spalte bis auf den ersten Eintrag als genullt annehmen. Teilt nun unser positiver Eintrag oben links nicht alle anderen Eintr¨age unserer Matrix, sagen wir nicht ai,j f¨ ur i 6= 1 6= j, so k¨onnten wir durch Addieren der ersten Zeile zur i-ten Zeile gefolgt von einer Subtraktion eines Vielfachen der ersten Spalte von von der j-ten Spalte einen noch kleineren positiven Eintrag an der Stelle (i, j) erzeugen, und ihn durch Zeilenund Spaltenvertauschung in die linke obere Ecke bringen im Widerspruch zu unserer Annahme. Also teilt unser positiver Eintrag oben links alle anderen Eintr¨age unserer Matrix und eine offensichtliche Induktion beendet den Beweis der Existenz. Um die Eindeutigkeit zu zeigen bemerken wir, daß sich f¨ ur gegebenes r ≥ 1 der gr¨oßte gemeinsame Teiler Gr aller (r × r)-Minoren unter Zeilen- und Spaltenoperationen nicht ¨andert. Folglich sind die Gr = d1 . . . dr wohlbestimmt durch A, und dasselbe gilt dann auch f¨ ur die di . Beweis von 1.6.2. Gegeben ein Erzeugendensystem g1 , . . . , gn unserer abelschen Gruppe G erkl¨aren wir in offensichtlicher Weise einen surjektiven Gruppenhomomorphismus Zn G Dessen Kern ist nach 1.5.8 eine endlich erzeugte abelsche Gruppe K, f¨ ur die wir wieder einen surjektiven Gruppenhomomorphismus Zm K finden. So entsteht eine Sequenz Zm K ,→ Zn G 16
Genau wie bei Vektorr¨aumen u ¨berlegt man sich, daß die Gruppenhomomorphismen Zm → Zn genau die Multiplikationen von links mit ganzzahligen (n × m)-Matrizen sind, falls Elemente aus Zm bzw. Zn als Spaltenvektoren aufgefasst werden. Weiter u ¨belegt man sich, daß auch in dieser Situation die Verkn¨ upfung von Homomorphismen der Multiplikation von Matrizen entspricht. Bezeichnet nun A die Matrix zur Verkn¨ upfung Zm K ,→ Zn und w¨ahlen wir P und Q wie im Elementarteilersatz, so ergibt sich ein kommutatives Diagramm von abelschen Gruppen Zm O
A·
o Q·
Zm
/ Zn P· o
D·
/ Zn
f¨ ur eine nicht notwendig quadratische Diagonalmatrix D = diag(d1 , d2 , . . . , dr ) mit nichtnegativen Eintr¨agen und d1 |d2 | . . . |dr f¨ ur r = min(m, n). Dieses Diagramm liefert einen Isomorphismus zwischen G und dem Quotienten von Zn nach dem Bild der unteren Horizontalen, und dieser Quotient ist offensichtlich isomorph zu Z/d1 Z × . . . × Z/dr Z × Zn−r Lassen wir von unserer Folge d1 |d2 | . . . |dr alle Einsen vorne weg und erg¨anzen am Ende (n − r) Nullen, so erhalten wir eine Folge a1 | . . . |as wie im Satz gefordert und die Existenz ist gezeigt. Um die Eindeutigkeit zu zeigen bemerken wir, daß f¨ ur jede endlich erzeugte abelsche Gruppe G und jede Primzahl p und alle n ∈ N die Ordnung des Quotienten pn G/pn+1 G eine p-Potenz ist, und wir k¨onnen so Zahlen Dpn (G) ∈ N definieren als die fraglichen Exponenten, d.h. Dpn (G) ist die naturliche Zahl D ∈ N mit |pn G/pn+1 G| = pD . Das ist im u ¨brigen genau die Dimension von n n+1 p G/p G als Vektorraum u ¨ber Fp , deshalb der Buchstabe D. Sicher gilt Dpn (G × H) = Dpn (G) + Dpn (H) f¨ ur je zwei endlich erzeugte abelsche Gruppen G und H. F¨ ur zyklische Gruppen G ∼ = Z/aZ erkennen wir mit 1.5.13 und 1.5.15 m¨ uhelos, daß gilt 1 pn+1 |a; n Dp (G) = 0 sonst. Gegeben eine endliche abelsche Gruppe G und eine Primzahl p bilden wir nun ein Youngdiagramm Yp (G) im Sinne von ??, indem wir jeweils Dpn (G) K¨astchen in der n-ten Spalte u urmen. Ist G nun isomorph zu ¨bereinander t¨ Z/a1 Z × . . . × Z/as Z mit a1 ≥ 2 und a1 |a2 | . . . |as und sind die Zeilenl¨angen 17
unseres Diagramms von unten angefangen der Reihe nach z(0) ≥ z(1) ≥ . . . , so ist offensichtlich pz(0) die gr¨oßte p-Potenz, die as teilt, pz(1) die gr¨oßte pPotenz, die as−1 teilt, und so weiter. Wenden wir diese Erkenntnis an auf alle Primzahlen p, so folgt bereits die im Satz behauptete Eindeutigkeit f¨ ur endliche abelsche Gruppen. Ist unsere abelsche Gruppe nur endlich erzeugt, so k¨onnen wir das vorstehende Argument dahingehend modifizieren, daß wir unseren Diagrammen unendliche Zeilen erlauben. Dann ist eben z(i) das Supremum u ur eine und jede ¨ber alle ν ∈ N mit pν |as−i , als da heißt, es gibt f¨ Primzahl ebensoviele unendliche Zeilen wie Nullen in der Kette a1 |a2 | . . . |as wie Faktoren Z. Beweis von 1.6.3. Die Existenz folgt aus 1.6.2 mit dem Chinesischen Restsatz 1.5.16. Die Eindeutigkeit erkennt man, indem man sich u ¨berlegt, daß verschiedene Folgen a1 |a2 | . . . |as auch zu verschiedenen Produkten wie in 1.6.3 f¨ uhren. Genauer kann man a1 beschreiben als das Produkt der jeweils h¨ochsten Primzahlpotenzen f¨ ur alle vorkommenden Primzahlen, a2 als das Produkt der jeweils zweith¨ochsten und so weiter, bis am Ende die Zahl der Nullen gerade die Zahl der Faktoren Z in der Zerlegung 1.6.3 sein muß. Bemerkung 1.6.6. Ein Element endlicher Ordnung in einer Gruppe heißt ein Torsionselement. Eine Gruppe, in der alle Elemente außer dem neutralen Element unendliche Ordnung haben, heißt torsionsfrei. Zum Beispiel sind die abelschen Gruppen Z, Q und R torsionsfrei. Jede endlich erzeugte torsionsfreie abelsche Gruppe ist nach unserer Klassifikation isomorph zu Zr f¨ ur geeignetes r ∈ N. Bemerkung 1.6.7. Die Menge aller Torsionselemente ist in jeder abelschen Gruppe eine Untergruppe. Das Produkt aller endlichen Faktoren in jeder unserer beiden Darstellungen ist also eine wohldefinierte Untergruppe. Genauer ist sogar das Produkt aller Faktoren in der zweiten Zerlegung, deren Ordnungen Potenzen einer festen Primzahl p sind, eine wohlbestimmte Untergruppe unserer endlich erzeugten abelschen Gruppe, n¨amlich die Untergruppe aller Elemente von p-Potenzordnung. ¨ Ubung 1.6.8. Sind a, b ∈ Z teilerfremd, in Formeln (a, b) = (1), so l¨aßt sich das Element (a, b) ∈ Z2 erg¨anzen zu einem Erzeugendensystem von Z2 . Man formuliere und zeige auch die analoge Aussage f¨ ur Zn . ¨ Ubung 1.6.9. Der Rang ist einer endlich erzeugten abelschen Gruppe kann beschrieben werden als die Dimension des Q-Vektorraums Grp(G, Q) aller Gruppenhomomorphismen von G nach Q.
18
1.7
Kompositionsreihen
Definition 1.7.1. Eine Gruppe heißt einfach genau dann, wenn sie nicht nur aus dem neutralen Element besteht, aber außer dem neutralen Element und der ganzen Gruppe keine weiteren Normalteiler hat. Beispiele 1.7.2. Alle endlichen einfachen Gruppen sind seit etwa 1980 bekannt, ihre Klassifikation ist jedoch schwierig und man kann nur hoffen, daß zuk¨ unftige Forschungen noch substantielle Vereinfachungen der Argumente erlauben. Beispiele einfacher Gruppen sind die zyklischen Gruppen von Primzahlordnung und die alternierenden Gruppen Ar = ker(sgn : Sr → {±1}) aller geraden Permuationen von r ≥ 5 Objekten, wie wir als Satz 1.10.6 zeigen werden. Definition 1.7.3. Eine Kompositionsreihe einer Gruppe G ist eine Folge von Untergruppen G = Gr ⊃ Gr−1 ⊃ . . . ⊃ G0 = 1 derart, daß jede Gruppe unserer Folge ein Normalteiler in der n¨achstgr¨oßeren Gruppe ist und daß Gi /Gi−1 einfach ist f¨ ur 1 ≤ i ≤ r. Die Gruppen Gi /Gi−1 heißen die Subquotienten der Kompositionsreihe. Satz 1.7.4 (Jordan-H¨ older). Je zwei Kompositionsreihen einer endlichen Gruppe G haben dieselbe L¨ange und bis auf Reihenfolge isomorphe Subquotienten, die wir folglich die Kompositionsfaktoren von G nennen d¨ urfen. Sind genauer G = Mr ⊃ . . . ⊃ M0 = 1 und G = Ns ⊃ . . . ⊃ N0 = 1 zwei Kompositionsreihen von G, so haben wir r = s und es gibt eine Permutation σ ∈ Sr mit Ni /Ni−1 ∼ ur alle i. = Mσ(i) /Mσ(i)−1 f¨ Beweis. Wir zeigen das durch Induktion u ¨ber die Gruppenordnung. Seien G ⊃ M ⊃ ... ⊃ 1 G ⊃ N ⊃ ... ⊃ 1 zwei Kompositionsreihen. Gilt M = N, so folgt der Satz per Induktion. Sonst ist das Bild von M in G/N ein von 1 verschiedener Normalteiler, und da G/N einfach ist, liefert die offensichtliche Abbildung notwendig eine Sur∼ jektion M G/N und einen Isomorphismus M/(M ∩ N ) → G/N. Ebenso ∼ erhalten wir auch N/(M ∩ N ) → G/M. Deuten wir mit (M ∩ N ) ⊃ . . . ⊃ 1 eine Kompositionsreihe des Schnitts an, so hat die Gruppe G also Kompositionsreihen G ⊃ M ⊃ ... ⊃ 1 G ⊃ M ⊃ (M ∩ N ) ⊃ . . . ⊃ 1 G ⊃ N ⊃ (M ∩ N ) ⊃ . . . ⊃ 1 G ⊃ N ⊃ ... ⊃ 1 19
und je zwei in dieser Liste benachbarte Kompositionsreihen haben nach Induktionsvoraussetzung und den oben erw¨ahnten Isomorphismen bis auf Reihenfolge dieselben Subquotienten. Bemerkung 1.7.5. Verallgemeinerungen dieser Aussage f¨ ur geeignete unendliche Gruppen kann man zum Beispiel in [Lan74] finden.
1.8
Gruppenwirkungen
Definition 1.8.1. Eine Wirkung oder Operation einer Gruppe G auf einer Menge X ist eine Abbildung G×X → X (g, x) 7→ gx derart, daß gilt g(hx) = (gh)x f¨ ur alle g, h ∈ G, x ∈ X und ex = x f¨ ur das neutrale Element e ∈ G und alle x ∈ X. Eine Menge mit einer Wirkung einer Gruppe G nennt man eine G-Menge. Die Aussage “X ist eine G-Menge” schreiben wir in Formeln G#X Beispiele 1.8.2. 1. Ist X ein G-Menge, so ist auch die Potenzmenge P(X) eine G-Menge in nat¨ urlicher Weise. 2. Das Anwenden eines Isomorphismus definiert eine Operation GL(V ) × V → V von GL(V ) auf V f¨ ur jeden Vektorraum V. 3. Jede Gruppe operiert auf sich selbst vermittels ihrer Verkn¨ upfung G × G → G. 4. Die symmetrische Gruppe Sn operiert in offensichtlicher Weise auf der Menge {1, 2, . . . , n}. 5. Jede Gruppe G operiert auf jeder Menge X vermittels der trivialen Operation gx = x ∀g ∈ G, x ∈ X. 6. Ist H ⊂ G eine Untergruppe, so ist die Menge der Linksnebenklassen X = G/H eine G-Menge in offensichtlicher Weise. 7. Bezeichnet Ens× (X) die Gruppe der Bijektionen von einer Menge X auf sich selbst, so ist eine Operation einer Gruppe G auf X “dasselbe” wie ein Gruppenhomomorphismus G → Ens× (X). Definition 1.8.3. Sei X eine Menge mit einer Operation einer Gruppe G, also eine G-Menge. 20
1. Die Menge aller Fixpunkte von G notiert man X G = {x ∈ X | gx = x ∀g ∈ G}. In vielen Situationen nennt man die Elemente von X G auch die Invarianten von G. 2. Die Standgruppe oder Isotropiegruppe oder auch der Fixator oder Stabilisator von x ∈ X ist die Menge Gx = {g ∈ G | gx = x}. Sie ist eine Untergruppe von G. 3. F¨ ur A ⊂ X, H ⊂ G schreiben wir kurz HA f¨ ur die Menge HA = {ha | h ∈ H, a ∈ A}. F¨ ur jede Teilmenge A ⊂ X ist GA eine G-Menge in offensichtlicher Weise. Eine Teilmenge Y ⊂ X heißt G-stabil genau dann, wenn gilt GY = Y. 4. Sei x ∈ X. Die Menge Gx = {gx | g ∈ G} ⊂ X heißt die Bahn (englisch und franz¨osisch orbit) von x. Aus Gx ∩ Gy 6= ∅ folgt schon Gx = Gy, die Bahnen bilden also eine Partition von X. Die Menge der Bahnen G\X von G auf X heißt auch der Bahnenraum. Wir fassen den Bahnenraum G\X also auf als Teilmenge der Potenzmenge von X, in Formeln G\X ⊂ P(X). Wir haben eine kanonische Surjektion X G\X, x 7→ Gx. 5. Eine Operation heißt transitiv und X heißt ein homogener Raum f¨ ur G genau dann, wenn es ein x ∈ X gibt mit X = Gx. Bemerkung 1.8.4. Die Wirkung einer Gruppe auf der leeren Menge ist in unseren Konventionen nicht transitiv. Hier sind jedoch auch andere Konventionen gebr¨auchlich, zum Beispiel nennt Bourbaki die Wirkung einer Gruppe auf der leeren Menge durchaus transitiv. Beispiel 1.8.5. Wir betrachten die Menge X = C der komplexen Zahlen mit der Operation von G = S 1 = {z ∈ C | |z| = 1} durch Multiplikation. Die Standgruppen sind Gx = 1 falls x 6= 0 und G0 = G. Die Bahnen sind genau alle Kreise um den Nullpunkt mit Radius r ≥ 0. Die Einbettung R≥0 ,→ C ∼ induziert eine Bijektion mit dem Bahnenraum R≥0 → (S 1 \ C). Lemma 1.8.6 (Bahnen als Quotienten). Sei G eine Gruppe, X eine GMenge und x ∈ X ein Punkt. So definiert die Operation von G auf X eine Bijektion ∼ G/Gx → Gx Beweis. F¨ ur jede Gx -Nebenklasse N ⊂ G besteht die Menge N x nur aus einem Punkt, f¨ ur N = gGx haben wir genauer N x = gGx x = {gx}. Die Abbildung im Lemma wird nun definiert durch die Bedingung, daß sie jeder Nebenklasse N ∈ G/Gx das einzige Element von N x zuordnet. Diese 21
Abbildung ist offensichtlich surjektiv. Sie ist aber auch injektiv, denn aus gGx x = hGx x folgt gx = hx, also h−1 g ∈ Gx , also gGx = hGx . Bemerkung 1.8.7. Ist G eine endliche Gruppe und X eine G-Menge, so folgt mit dem vorhergehenden Lemma 1.8.6 aus 1.3.5 f¨ ur alle x ∈ X insbesondere die sogenannte Bahnformel |G| = |Gx | · |Gx| Die Kardinalit¨at jeder Bahn teilt also die Kardinalit¨at der ganzen Gruppe, und die Kardinalit¨at der Isotropiegruppen ist konstant auf den Bahnen. Allgemeiner pr¨ uft man f¨ ur beliebiges G die Formel Ggx = gGx g −1 f¨ ur g ∈ G, x ∈ X. ¨ Ubung 1.8.8. Sind Q, H Untergruppen einer Gruppe G, so haben wir eine ∼ nat¨ urliche Bijektion Q/Q ∩ H → QH/H. ¨ Ubung 1.8.9. Man z¨ahle die k-elementigen Teilmengen einer n-elementigen Menge mit Hilfe der Bahnformel. ¨ Ubung 1.8.10. Es operiere die Gruppe G auf der Menge X. Man pr¨ ufe f¨ ur −1 die Isotropiegruppen die Formel Ggx = gGx g . Genau dann stimmen also f¨ ur einen gegebenen homogenen Raum alle Isotropiegruppen u ¨berein, wenn er isomorph ist zum Quotienten der Gruppe nach einem Normalteiler. Wir sagen dann auch, der homogene Raum sei normal.
1.9
Konjugationsklassen
Definition 1.9.1. Ist G eine Gruppe und x ∈ G ein Element, so ist die Abbildung (int x) : G → G g 7→ xgx−1 ein Isomorphismus der Gruppe G auf sich selber. Er heißt die Konjugation mit x. Ganz allgemein nennt man einen Isomorphismus einer Gruppe mit sich selber auch einen Automorphismus der Gruppe. Die Automorphismen einer Gruppe G bilden selber eine Gruppe mit der Verkn¨ upfung von Abbildungen als Verkn¨ upfung. Sie heißt die Automorphismengruppe von G und wir notieren sie Grp× (G). Diejenigen Automorphismen einer Gruppe, die sich als Konjugation mit einem geeigneten Gruppenelement schreiben lassen, heißen innere Automorphismen und auf englisch interior automorphisms, daher die Notation int . Sicher gilt (int x) ◦ (int y) = int(xy), folglich ist x 7→ int x ein Gruppenhomomorphismus int : G → Grp× (G) und
22
insbesondere eine Operation der Gruppe G auf der Menge G, die Operation durch Konjugation G×G → G (x, y) 7→ (int x)(y) = xyx−1 Die Bahnen unter dieser Operation heißen die Konjugationsklassen unserer Gruppe. Beispiele 1.9.2. Die Theorie der Jordan’schen Normalform beschreibt die Konjugationsklassen in GL(n, C) und die Konjugationsklassen in einer kommutativen Gruppe sind einelementig. Definition 1.9.3. Die Standgruppe von g ∈ G unter der Operation von G auf sich selbst durch Konjugation heißt der Zentralisator ZG (g) von g, in Formeln ZG (g) = {x ∈ G | xgx−1 = g} Bemerkung 1.9.4. Ist G eine endliche Gruppe, G = C1 ∪. . .∪Cr ihre Zerlegung in Konjugationsklassen und gi ∈ Ci jeweils ein Element, so spezialisiert die Bahnformel zu |G| = |C1 |
+
...
+
|Cr |
= |G|/|ZG (g1 )| + . . . + |G|/|ZG (gr )| Definition 1.9.5. Das Zentrum einer Gruppe G ist die Menge Z(G) = {x ∈ G | xgx−1 = g
∀g ∈ G}
derjenigen Elemente, die mit allen anderen Gruppenelementen kommutieren. Bemerkung 1.9.6. Offensichtlich ist das Zentrum ein Normalteiler, was im ¨ Ubrigen auch die alternative Beschreibung Z(G) = ker(int : G → Grp× (G)) sofort zeigt. ¨ Ubung 1.9.7. Man bestimme das Zentrum der Gruppe GL(n, k) f¨ ur n ∈ N und k ein K¨orper.
1.10
Symmetrische Gruppen
Definition 1.10.1. Eine Partition λ einer natu ¨ rlichen Zahl n ∈ N ist eine monoton fallende Folge von nat¨ urlichen Zahlen λ1 ≥ λ2 ≥ . . . derart, daß fast alle Folgenglieder verschwinden und daß sich die Folgenglieder zu n aufsummieren. Die Menge aller Partitionen von n notieren wir Pn . 23
¨ Bemerkung 1.10.2. Eine Partition einer Menge X ist eine Uberdeckung U ⊂ P(X) von X durch paarweise disjunkte nichtleere Teilmengen. Die Menge aller Partitionen einer gegebenen Menge notieren wir PX . Hat X genau n Elemente, so erhalten wir eine offensichtliche Surjektion PX Pn Bemerkung 1.10.3. Jede Permutation σ ∈ SX einer Menge X liefert eine Partition von X, n¨amlich die Partition in die Bahnen von hσi. Im Fall |X| = n < ∞ erhalten wir so eine Surjektion Ens× X Pn , deren Fasern genau die Konjugationsklassen in Ens× X sind. Definition 1.10.4. Hat hσi außer einer p-elementigen Bahn nur einelementige Bahnen, so nennt man σ einen p-Zykel. Die Zweizykel heißen auch Transpositionen. Hat hσi genau zwei zweielementige und sonst nur einelementige Bahnen, so heißt σ eine Doppeltransposition. Hat hσi genau zwei dreielementige und sonst nur einelementige Bahnen, so nennen wir σ einen Doppeldreizykel. Proposition 1.10.5. Die symmetrischen Gruppen Sr werden von den Transpositionen erzeugt, die alternierenden Gruppen Ar von den Dreizykeln. Beweis. Die erste Aussage sollte bekannt sein. Die Zweite folgt daraus, daß man jede Doppeltransposition als Produkt von zwei Dreizykeln schreiben kann, (ab)(cd) = (abc)(bcd), und daß das Produkt von zwei nicht kommutierenden Transpositionen ein Dreizykel ist, (ab)(ac) = (acb). Satz 1.10.6. Die alternierenden Gruppen Ar sind einfach f¨ ur r ≥ 5. Bemerkung 1.10.7. In der alternierenden Gruppe A4 bilden die drei Doppeltranspositionen zusammen mit dem neutralen Element einen Normalteiler, der isomorph ist zur Klein’schen Vierergruppe Z/2Z × Z/2Z. Insbesondere ist A4 nicht einfach. Die Gruppen A1 und A2 sind trivial, A3 ∼ = Z/3Z ist jedoch auch noch einfach. Dem Beweis des Satzes schicken wir ein Lemma voraus. Lemma 1.10.8. F¨ ur r ≥ 5 wird die alternierende Gruppe Ar nicht nur erzeugt von den Dreizykeln, sondern auch von den Doppeltranspositionen. Des weiteren sind f¨ ur r ≥ 5 je zwei Doppeltranspositionen und je zwei Dreizykel auch schon in Ar konjugiert. ¨ Beweis. Dem Leser zur Ubung u ¨berlassen.
24
Beweis von 1.10.6. Sei ab jetzt r beliebig und N ⊂ Ar ein nichttrivialer Normalteiler. Nach dem vorhergehenden Lemma 1.10.8 reicht es zu zeigen, daß es in N entweder eine Doppeltransposition oder einen Dreizykel gibt. Dazu zeigen wir, wie man zu jedem nichttrivialen Element g ∈ N, das weder eine Doppeltransposition noch ein Dreizykel ist, ein anderes nichttriviales Element g˜ ∈ N mit noch mehr Fixpunkten konstruieren kann. Indem wir zu Potenzen von g u ¨bergehen, k¨onnen wir g von Primzahlordnung annehmen. Ist ord g ≥ 5, so w¨ahlen wir einen Zykel von g und betrachten einen Dreizykel h, der von einem festen Ausgangspunkt auf dem Zykel von g zwei Schritte mitl¨auft um dann wieder zum Ausgangspunkt zur¨ uckzu−1 −1 kehren. Dann ist unser Ausgangspunkt ein Fixpunkt von g˜ = h g hg und wir haben ein nichttriviales g˜ ∈ N gefunden, das mehr Fixpunkte hat als g. Ist ord g = 3 und ist g kein Dreizykel, so muß g ein Produkt sein von mindestens zwei disjunkten Dreizykeln. Dann stimmen aber die Konjugationsklassen von g in Ar und in Sr u ¨berein, da es n¨amlich eine ungerade Permutation gibt, die mit g kommutiert, zum Beispiel eine geeignete “Dreifachtransposition zwischen zwei Dreizykeln von g”. Es ist nun ein Leichtes, in S6 zwei Doppeldreizykel zu finden derart, daß ihr Produkt nicht trivial ist und dennoch einen Fixpunkt hat. Wenn wir also einen Doppeldreizykel von g auf der zugeh¨origen 6-elementigen Menge konjugieren zu einem geeigneten anderen Doppeldreizykel, so erhalten wir ein h ∈ N derart, daß hg nicht trivial ist und mehr Fixpunkte hat als g. Ist schließlich ord g = 2 und g keine Doppeltransposition, so muß g ein Produkt sein von mindestens zwei disjunkten Doppeltranspositionen. Wieder stimmen dann die Konjugationsklassen von g in Ar und in Sr u ¨berein. Wir finden also h ∈ N derart, daß h auf einer vierelementigen Teilmenge eine andere Doppeltransposition ist als g und außerhalb dieser vierelementigen Teilmenge mit g u ¨bereinstimmt. Dann ist hg die dritte Doppeltranspositon auf unserer vierelementigen Teilmenge und die Identit¨at außerhalb, ist also einerseits nicht trivial und hat andererseits mehr Fixpunkte als g. ¨ Ubung 1.10.9. Man zeige f¨ ur r ≥ 5, daß Ar der einzige nichttriviale echte Normalteiler von Sr ist. Man bestimme alle Kompositionsreihen aller symmetrischen Gruppen.
1.11
Endliche Untergruppen der Drehgruppe
Definition 1.11.1. Sei A ⊂ R3 eine Teilmenge. Unter einer Symmetrie bzw. einer Drehsymmetrie von A verstehen wir ein Element der orthogonalen Gruppe g ∈ O(3) bzw. eine Drehung g ∈ SO(3) mit gA = A.
25
Satz 1.11.2 (Klassifikation der endlichen Drehgruppen). Jede endliche Untergruppe der Gruppe SO(3) aller Drehungen des Raums ist genau eine der folgenden Gruppen: 1. Eine zyklische Gruppe Ck der Ordnung k ≥ 1, bestehend aus allen Drehungen zu einer festen Drehachse um Winkel der Gestalt 2πn/k. 2. Eine Diedergruppe Dk der Ordnung 2k f¨ ur k ≥ 2. Im Fall k > 2 ist das die Gruppe aller Drehsymmetrien eines ebenen gleichseitigen kEcks, aufgefaßt als r¨aumliche Figur. Im Fall k = 2 ist es die Gruppe aller derjenigen Drehungen, die von einem Paar orthogonaler Geraden jede in sich u uhren. ¨berf¨ 3. Eine Tetraedergruppe T aller 12 Drehsymmetrien eines Tetraeders. 4. Eine Wu urfels. ¨ rfelgruppe W aller 24 Drehsymmetrien eines W¨ 5. Eine Ikosaedergruppe I aller 60 Drehsymmetrien eines Ikosaeders. Bemerkung 1.11.3. Das Evozieren der platonischen K¨orper stellt insofern einen Stilbruch dar, als wir uns zumindest implizit darauf verst¨andigt hatten, ¨ alle unsere Uberlegungen ausschließlich im Rahmen der Mengenlehre durchzuf¨ uhren. Was die Betrachtungen zu Tetraeder und W¨ urfel angeht, sollte es f¨ ur den Leser ein Leichtes sein, unsere Schl¨ usse in diesen Rahmen zu retten. Beim Ikosaeder ist das jedoch nicht so einfach und streng genommen werden wir im folgenden nur zeigen, daß je zwei endliche Drehgruppen, die Elemente der Ordnungen 3 und 5 besitzen, in der Gruppe SO(3) aller Drehungen zueinander konjugiert sind. Daß solche endlichen Drehgruppen auch tats¨achlich existieren, wird erst in ?? streng bewiesen. Bemerkung 1.11.4. Eine W¨ urfelgruppe kann auch als die Gruppe aller Drehsymmetrien desjenigen Oktaeders aufgefaßt werden, dessen Ecken die Mit¨ telpunkte der Fl¨achen des W¨ urfels sind. Ahnlich kann eine Ikosaedergruppe auch als Gruppe aller Drehsymmetrien eines Dodekaeders aufgefaßt werden. Bemerkung 1.11.5. Die Diedergruppe D2 ist offensichtlich isomorph zur sogenannten Klein’schen Vierergruppe Z/2Z × Z/2Z. Die Tetraedergruppe kann man in die symmetrische Gruppe S4 einbetten vermittels ihrer Operation auf den Ecken des Tetraeders. Wir erhalten so einen Isomorphismus der Tetraedergruppe mit der alternierenden Gruppe A4 aller geraden Permutationen von vier Elementen. Die W¨ urfelgruppe operiert auf der Menge der vier r¨aumlichen Diagonalen des W¨ urfels und wir erhalten so einen Isomorphismus W ∼ = S4 . In 1.11.9 werden wir einen Isomorphismus der Ikosaedergruppe I mit der alternierenden Gruppe A5 aller geraden Permutationen von 5 Elementen herleiten. 26
Bemerkung 1.11.6. Die Bezeichnungen Tetraeder, Oktaeder, Dodekaeder und Ikosaeder f¨ ur die platonischen K¨orper neben dem W¨ urfel kommen von den griechischen Worten f¨ ur die Anzahlen 4, 8, 12 und 20 ihrer Fl¨achen her. Man findet auch f¨ ur den W¨ urfel wegen seiner 6 Fl¨achen manchmal die Bezeichnung “Hexaeder”. Beweis. Sei G ⊂ SO(3) eine endliche Untergruppe. F¨ ur jedes vom neutralen Element verschiedene Element g ∈ G\{1} unserer Gruppe definieren wir seine “Pole” als die beiden Schnittpunkte seiner Drehachse mit der Einheitssph¨are. Sei P die Menge aller Pole von Elementen aus G\{1}. Nat¨ urlich ist P eine endliche Menge und G operiert auf P. Wir z¨ahlen nun die Menge M aller Paare (g, p) mit g ∈ G\{1} und p einem Pol von g auf zwei Weisen: Einmal geh¨ort jedes von 1 verschiedene Gruppenelement g ∈ G\{1} zu genau zwei Polen, also haben wir |M | = 2(|G| − 1). Andererseits geh¨ort jeder Pol p ∈ P zu genau P |Gp | − 1 von 1 verschiedenen Gruppenelementen, also haben wir |M | = p∈P (|Gp | − 1). Zusammen erhalten wir 2(|G| − 1) =
X
(|Gp | − 1)
p∈P
Sei nun P = P1 ∪ . . . ∪ Pr die Bahnzerlegung von P und seien pi ∈ Pi fest gew¨ahlt. Die Isotropiegruppe von pi habe sagen wir ni ≥ 2 Elemente. Die zugeh¨orige Bahn hat dann |Pi | = |G|/ni Elemente und alle Isotropiegruppen zu Polen aus Pi haben ni Elemente. Fassen wir also die Pole jeder Bahn in unserer Summe zu einem Summanden zusammen, so k¨onnen wir in unserer Pr Gleichung die rechte Seite umformen zu i=1 (|G|/ni )(ni − 1) und es ergibt sich die Gleichung r X 1 2 = 1− 2− |G| ni i=1 Jeder Summand auf der rechten Seite ist mindestens 1/2, der Ausdruck links ist aber kleiner als 2. Es kommen also nur bis zu drei Bahnen von Polen in Betracht. Wir machen nun eine Fallunterscheidung nach der Zahl r der Bahnen von Polen. Fall 0: Es gibt u ¨berhaupt keine Pole. In diesem Fall besteht G nur aus dem neutralen Element, und wir haben die Gruppe C1 vor uns. Fall 1: Ganz P ist eine Bahn. Das ist unm¨oglich, denn es muß gelten |G| ≥ 2 2 wenn es u ≥ 1 > 1− n11 ¨berhaupt Pole geben soll, und damit h¨atten wir 2− |G| im Widerspruch zu unserer Gleichung.
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Fall 2: Es gibt genau zwei Bahnen P1 und P2 in P. Wir haben dann 2 1 1 = + |G| n1 n2 Da n1 und n2 Teiler sind von |G|, haben wir ni ≤ |G| und damit notwendig n1 = n2 = |G|. Alle Pole werden also von der Gruppe festgehalten, es gibt folglich nur zwei Pole, die sich notwendig gegen¨ uberliegen m¨ ussen. Damit sind wir im Fall der zyklischen Gruppen Ck mit k > 1. Fall 3: Es gibt genau drei Bahnen P1 , P2 und P3 in P, wir haben also 2 1 1 1 = + + −1 |G| n1 n2 n3 Wir d¨ urfen annehmen n1 ≤ n2 ≤ n3 . Sicher gilt dann n1 = 2, sonst w¨are die rechte Seite ≤ 0. Haben wir auch n2 = 2, so kann n3 beliebige Werte annehmen und wir haben |G| = 2n3 . Die Bahn P3 besteht dann aus zwei Polen, die sich notwendig gegen¨ uberliegen, und die Gruppe wird eine Diedergruppe. Sicher sind (2, 4, 4) und (2, 3, 6) unm¨oglich f¨ ur (n1 , n2 , n3 ), da ja gilt 1 1 1 1 1 1 + 4 + 4 − 1 = 0 = 2 + 3 + 6 , also bleiben nur die F¨alle (2, 3, 3), (2, 3, 4) 2 und (2, 3, 5), und man berechnet leicht die zugeh¨origen Gruppenordnungen zu 12, 24, und 60. Die Existenz endlicher Untergruppen der Drehgruppe mit derartigen Polbahnen und Polordnungen entnehmen wir der Anschauung. Zum Beispiel hat die W¨ urfelgruppe drei Polbahnen, als da sind: Eine Bahn aus den 8 Ecken zur Polordnung 3; eine Bahn aus den auf L¨ange Eins normierten 12 Mittelpunkten der Kanten, zur Polordnung 2; und eine Bahn aus den auf L¨ange Eins normierten 6 Mittelpunkten der Fl¨achen, zur Polordnung 4. Die folgenden drei Lemmata skizzieren einen Beweis der Eindeutigkeit bis auf Konjugation einer Gruppe zu gegebenem Typ (2, 3, n), den wir allerdings nicht bis ins Letzte formalisieren. Lemma 1.11.7. 1. Jede endliche Untergruppe einer Drehgruppe von einem der letzten beiden Typen ist maximal unter allen endlichen Untergruppen der Drehgruppe. 2. Eine endliche Drehgruppe von einem der letzten drei Typen kann beschrieben werden als die Symmetriegruppe jeder ihrer beiden kleineren Bahnen von Polen. Beweis. Nach unseren bisherigen Erkenntnissen kommen bei endlichen Drehgruppen f¨ ur die Paare (Ordnung eines Pols, Kardinalit¨at seiner Bahn) nur die Paare (n, 1), (n, 2), (2, n), (3, 4), (3, 8), (3, 20), (4, 6) und (5, 12) in Frage. ¨ F¨ ur jeden Pol m¨ ussen sich bei Ubergang zu einer echt gr¨oßeren Gruppe nach 28
der Bahnformel entweder seine Polordnung oder die Kardinalit¨at seiner Bahn oder beide vervielfachen. Das ist aber bei (4, 6) und (5, 12) unm¨oglich und wir erhalten die erste Behauptung. In den letzten drei F¨allen enth¨alt weiter jede Bahn von Polen zwei verschiedene nicht gegen¨ uberliegende Punkte. Folglich operiert sogar die Symmetriegruppe der Bahn Pi treu auf Pi und ist insbesondere endlich. Nun muss Pi auch unter der fraglichen Symmetriegruppe eine Bahn von Polen sein. Wenn diese Symmetriegruppe gr¨oßer sein will, muss sie also an diesen Polen gr¨oßere Polordnungen haben. Wieder ist das unm¨oglich bei (3, 4), (3, 8), (3, 20), (4, 6) und (5, 12). Lemma 1.11.8. Sind zwei endliche Drehgruppen vom selben Typ (2, 3, n) mit 3 ≤ n ≤ 5 gegeben und sind P3 und P˜3 jeweils zugeh¨orige Polbahnen kleinstm¨oglicher Kardinalit¨at, so gibt es eine Drehung, die P3 in P˜3 u uhrt. ¨berf¨ Beweis. Gegeben eine Bahn von Polen Pi betrachten wir ganz allgemein die Operation von G auf Pi × Pi und beachten, daß aus geometrischen Gr¨ unden die Isotropiegruppe eines Paars (p, q) mit p 6= ±q trivial sein muß. Nach dieser Vor¨ uberlegung betrachten wir die drei F¨alle der Reihe nach. Im Fall (2, 3, 3) haben wir |P3 | = 4 und |P3 × P3 | = 16. Folglich gibt es in P3 × P3 mindestens eine 12-elementige Bahn, die notwendig aus allen (p, q) mit p 6= q bestehen muß. Je zwei verschiedene Punkte aus P3 haben also denselben Abstand. Ich hoffe, daß damit sowohl die Aussage des Lemmas klar wird als auch, daß die Punkte aus P3 die Ecken eines Tetraeders bilden. Im Fall (2, 3, 4) finden wir ¨ahnlich, daß je zwei Pole aus P3 , die sich nicht gegen¨ uberliegen, denselben Abstand haben, und erkennen so hoffentlich sowohl die Aussage des Lemmas als auch, daß die Elemente von P3 die Ecken eines Oktaeders bilden. Im Fall (2, 3, 5) zerf¨allt P3 × P3 mit demselben Argument in die vier Bahnen der Paare gleicher Pole, der Paare von sich gegen¨ uberliegenden Polen und zwei weitere Bahnen von Polpaaren. Nehmen wir irgendeinen Pol p ∈ P3 , so bilden die Bilder von jedem Pol q ∈ P3 mit q 6= ±p unter den Drehungen aus unserer Gruppe mit Fixpunkt p ein regelm¨aßiges F¨ unfeck, und f¨ ur zwei verschiedene Ecken eines F¨ unfecks gibt es zwei M¨oglichkeiten f¨ ur ihren Abstand, deren Verh¨altnis u ¨brigends nach ?? oder elementargeometrischen ¨ Uberlegungen gerade der goldene Schnitt ist. Unsere beiden 60-elementigen Bahnen m¨ ussen sich also im Abstand zwischen den Polen eines Paars unterscheiden. Zu jedem Pol aus P3 gibt es damit außer dem Pol selbst und dem gegen¨ uberliegenden Pol noch 5 “nahe” Pole und 5 “weite” Pole. Nun bilden zwei sich gegen¨ uberliegende Pole aus P3 mit jedem weiteren Pol ein Dreieck, das nach dem Satz des Thales bei diesem weiteren Pol einen rechten Winkel 29
hat, wobei dieser Pol notwendig zu einem von unseren beiden sich gegen¨ uberliegenden Polen nah sein muß und zum anderen weit. Da unser Dreieck eine Hypothenuse der L¨ange 2 hat, wird dadurch der Abstand zwischen nahen Polen und der zwischen weiten Polen bereits vollst¨andig beschrieben und h¨angt insbesondere nicht von unserer Gruppe ab. Mit dieser Erkenntnis sollte das Lemma auch im Fall (2, 3, 5) klar sein. Satz 1.11.9. Die Ikosaedergruppe oder pr¨aziser jede endliche Drehgruppe mit Elementen der Ordnungen 3 und 5 ist einfach und isomorph zur alternierenden Gruppe A5 . Beweis. Wir benutzen wieder die Sprache der Anschauung, aber an dieser Stelle ist es leicht zu sehen, wie dieselben Argumente auch die pr¨azisere Formulierung des Satzes zeigen. Ein Ikosaeder hat 12 Ecken, 20 Fl¨achen und 30 Kanten. Jedes Paar von gegen¨ uberliegenden Ecken liefert vier Elemente der Ordnung 5 in I, macht 24 Elemente der Ordnung 5. Jedes Paar von gegen¨ uberliegenden Fl¨achen liefert zwei Elemente der Ordnung 3 in I, macht 20 Elemente der Ordnung 3. Jedes Paar von gegen¨ uberliegenden Kanten liefert ein Element der Ordnung 2 in I, macht 15 Elemente der Ordnung 2. Zusammen mit dem neutralen Element haben wir damit alle Gruppenelemente aufgelistet, denn es gilt 60 = 1 + 15 + 20 + 24 Da je zwei Kanten des Ikosaeders durch eine Drehsymmetrie des Ikosaeders ineinander u uhrt werden k¨onnen, bilden die 15 Elemente der Ordnung 2 ¨berf¨ ¨ eine Konjugationsklasse. Ahnlich sieht man, daß alle 20 Elemente der Ordnung 3 eine Konjugationsklasse bilden. F¨ ur die Elemente der Ordnung 5 kann ¨ das nicht gelten, denn 24 ist kein Teiler von 60. Mit ¨ahnlichen Uberlegungen erkennt man jedoch, daß die 24 Elemente der Ordnung 5 zerfallen in zwei Konjugationsklassen von je 12 Elementen, bestehend aus Drehungen und ± 4π . Die Klassengleichung der Ikosaedergruppe lautet um Winkel ± 2π 5 5 also 60 = 1 + 15 + 20 + 12 + 12 G¨abe es nun in I einen echten Normalteiler N, so m¨ ußte die Ordnung von N ein Teiler sein von 60 und eine Summe von Kardinalit¨aten von Konjugationsklassen. Die einzigen solchen Zahlen sind aber 1 und 60, folglich ist die Ikosaedergruppe I einfach. Man kann sich nun u ¨berlegen, daß es genau f¨ unf M¨oglichkeiten gibt, aus den 20 Ecken eines Dodekaeders 8 Ecken so auszusuchen, daß sie die Ecken eines W¨ urfels bilden. Auf der Menge dieser 5 einbeschriebenen W¨ urfel operiert unsere Gruppe durch Konjugation. Wir 30
erhalten so einen Gruppenhomomorphismus ϕ : I → S5 Der Kern von sgn ◦ϕ : I → {+1, −1} ist ein von 1 verschiedener Normalteiler von I, es folgt ker(sgn ◦ϕ) = I und ϕ induziert einen Gruppenhomomorphismus nach A5 = ker(sgn) ⊂ S5 . Der Kern von ϕ : I → S5 ist ein von I verschiedener Normalteiler von I, es folgt ker ϕ = 1, und durch Abz¨ahlen ∼ folgt, daß ϕ einen Isomorphismus ϕ : I → A5 induziert.
1.12
Die S¨ atze von Sylow
Satz 1.12.1 (S¨ atze von Sylow). Sei G eine endliche Gruppe, p eine Primr zahl und p die gr¨oßte p-Potenz, die die Gruppenordnung |G| teilt. So gilt: 1. Die Gruppe G besitzt Untergruppen der Ordnung pr . Wir nennen sie die p-Sylowuntergruppen oder kurz die p-Sylows von G. 2. Je zwei p-Sylows von G sind zueinander konjugiert. 3. Jede Untergruppe von G, deren Ordnung eine p-Potenz ist, liegt in einer p-Sylow von G. 4. Die Zahl der p-Sylows von G ist ein Teiler von |G|/pr und kongruent zu 1 modulo p. Bemerkung 1.12.2. Ist G eine endliche abelsche Gruppe, so gibt es also genau ¨ eine p-Sylow f¨ ur alle p. Wir kennen diese Untergruppe schon aus Ubung ??, es ist genau unsere Untergruppe G(p) aller Elemente von G, deren Ordnung eine p-Potenz ist. Beweis. 1. Wir argumentieren durch Induktion u ¨ber |G|. Ohne Beschr¨ankung der Allgemeingeit d¨ urfen wir annehmen, daß p die Ordnung unserer Gruppe teilt. Besitzt G eine echte Untergruppe H ⊂ G mit p - |G/H|, so folgt die Aussage aus der Induktionsannahme. Teilt sonst p den Index |G/H| jeder echten Untergruppe H von G, so ist die Kardinalit¨at jeder Konjugationsklasse mit mehr als einem Element teilbar durch p, aus der Klassenformel folgt damit |G| ≡ |Z(G)| (mod p) und p teilt die Ordnung des Zentrums Z(G). Dann gibt es nach ?? und 1.5.9 in Z(G) ein Element g der Ordnung p. Nach der Induktionsannahme finden wir nun eine p-Sylow von G/hgi, und deren Urbild ist notwendig eine p-Sylow von G. 2–4. Bezeichne S die Menge aller p-Sylows von G. Sicher operiert G auf S vermittels Konjugation. Wir vereinbaren zur Notation im weiteren Verlauf 31
des Beweises die folgenden Konventionen: Bezeichnen wir eine Sylow durch einen kleinen Buchstaben, so fassen wir sie prim¨ar als ein Element x ∈ S auf und schreiben die mit g ∈ G konjugierte Sylow gx. Bezeichnen wir eine Sylow jedoch durch einen großen Buchstaben, so fassen wir sie prim¨ar als eine Teilmenge P ⊂ G auf und schreiben die mit g ∈ G konjugierte Sylow gP g −1 . Sei nun eine Sylow P = x gegeben. F¨ ur ihre Isotropiegruppe Gx gilt Gx ⊃ P, also ist nach der Bahnformel |Gx| teilerfremd zu p. Sei nun H ⊂ G eine Untergruppe von p-Potenzordnung. Sicher zerf¨allt Gx in Bahnen unter H, und die Ordnung jeder solchen Bahn muß eine p-Potenz sein. Folglich gibt es in Gx einen Fixpunkt y von H. Dies y = gx ist nun aber in der Großbuchstabennotation gerade die zu P konjugierte Sylowuntergruppe Q = gP g −1 , und die Fixpunkteigenschaft besagt hQh−1 = Q ∀h ∈ H. Mithin ist HQ = QH eine Untergruppe von G, und ihre Ordnung ist |HQ| = |HQ/H| · |H| = |Q/Q∩H|·|H| und ist damit eine p-Potenz. Es folgt QH = Q, also Q ⊃ H und 2 und 3 sind bewiesen. Unser Argument zeigt aber insbesondere auch, daß es nur eine einpunktige Bahn von P auf S gibt, n¨amlich die Bahn von P selber. Alle anderen Bahnen haben als Kardinalit¨at eine echte p-Potenz, und das zeigt |S| ≡ 1 (mod p). Die Isotropiegruppe Gx von P ∈ S enth¨alt schließlich P, und damit folgt auch, daß |S| = |G/Gx | ein Teiler ist von |G/P |. Korollar 1.12.3. Jeder Primfaktor der Ordung einer endlichen Gruppe tritt auch als Ordnung eines Elements besagter Gruppe auf. Beweis. Sei p unser Primfaktor. Man findet zun¨achst nach 1.12.1 in unserer Gruppe eine p-Sylow und dann mit 1.5.9 darin das gesuchte Element der Ordnung p. Proposition 1.12.4. Jede Gruppe mit genau sechs Elementen ist entweder zyklisch oder isomorph zur symmetrischen Gruppe S3 . Beweis. Sei G unsere Gruppe der Ordnung |G| = 6. Wir finden nach 1.12.3 Elemente a, b ∈ G der Ordnungen 2 und 3. Nach 1.3.8 und 1.2.19 gilt hai ∩ hbi = 1, also definiert die Multiplikation eine Bijektion ∼
hai × hbi → G Sicher kann ba weder eine Potenz von a noch eine Potenz von b sein. Gilt ba = ab, so ist unsere Gruppe kommutativ und folglich isomorph zu Z/2Z×Z/3Z ∼ = 2 Z/6Z. Gilt ba = ab , so legt diese Gleichung schon die ganze Gruppenstruktur fest und wir haben die S3 vor uns. Korollar 1.12.5. Jede Gruppe der Ordnung 15 ist zyklisch. 32
Beweis. Die Zahl der 3-Sylows teilt 5 und ist konvergent zu 1 modulo 3. Es gibt also genau eine 3-Sylow, und damit genau zwei Elemente der Ordnung ¨ 3. Ahnlich gibt es genau eine 5-Sylow, und damit genau 4 Elemente der Ordnung 5. Zusammen mit dem neutralen Element sind das nur 7 Elemente. Die u ¨brigen 8 Elemente haben notwendig die Ordnung 15.
1.13
p-Gruppen
Bemerkung 1.13.1. F¨ ur eine Primzahl p hatten wir eine p-Gruppe definiert als eine endliche Gruppe, deren Ordnung eine p-Potenz ist. Die triviale Gruppe hat p0 Elemente und ist damit eine p-Gruppe f¨ ur jede Primzahl p. Proposition 1.13.2. Jede nichttriviale p-Gruppe hat nichttriviales Zentrum. Beweis. Zerlegen wir unsere Gruppe in Konjugationsklassen G = C1 ∪ . . . ∪ Cr , so sind alle |Ci | Teiler von |G|, also p-Potenzen. Die einelementigen Konjugationsklassen geh¨oren aber genau zu den Elementen des Zentrums von G, und wir folgern |G| ≡ |Z(G)| (mod p) Da nun das Zentrum stets mindestens ein Element hat, n¨amlich das neutrale Element, muss es im Fall einer nichttrivialen p-Gruppe sogar mindestens p Elemente haben. Satz 1.13.3 (Struktur von p-Gruppen). Ist G eine p-Gruppe, so gibt es in G eine Kette G = Gr ⊃ Gr−1 ⊃ . . . ⊃ G0 = 1 von Normalteilern von G mit Gi /Gi−1 ∼ ur alle i. = Z/pZ f¨ Beweis. Wir f¨ uhren den Beweis durch Induktion u ¨ber die Gruppenordnung. Ist G nicht trivial, in Formeln G 6= 1, so hat G nach 1.13.2 ein nichttrivales Zentrum Z(G) 6= 1. Indem wir von irgendeinem nichttrivialen Element des Zentrums eine geeignete Potenz nehmen, finden wir im Zentrum sogar ein Element x der Ordnung p. Die von x erzeugte Untergruppe G1 = hxi ist also isomorph zu Z/pZ, und da x im Zentrum liegt, ist G1 ein Normalteiler in G. Nach Induktion finden wir nun im Quotienten G = G/G1 eine Kette G = Gl ⊃ . . . ⊃ G1 ⊃ G0 = 1 wie gew¨ unscht. Dann nehmen wir Gi = −1 can (Gi−1 ) f¨ ur can : G G die Projektion. F¨ ur i ≥ 1 induziert dann nach ∼ dem Isomorphiesatz die Projektion einen Isomorphismus Gi /G1 → Gi−1 und f¨ ur i ≥ 2 haben wir nach dem Noether’schen Isomorphiesatz Gi /Gi−1 ∼ = (Gi /G1 )/(Gi−1 /G1 ) ∼ = Gi−1 /Gi−2 Definition 1.13.4. Eine Gruppe G heißt aufl¨ osbar genau dann, wenn es eine Folge von Untergruppen G = Gr ⊃ Gr−1 ⊃ Gr−2 ⊃ . . . ⊃ G0 = 1 gibt mit Gi−1 normal in Gi und Gi /Gi−1 abelsch f¨ ur 1 ≤ i ≤ r. 33
Bemerkung 1.13.5. Diese Terminologie kommt her vom Aufl¨osen von Gleichungen und wird erst im Licht von Satz 4.6.15 verst¨andlich. Satz 1.13.3 zeigt, daß jede p-Gruppe aufl¨osbar ist, und Bemerkung 1.10.7 zeigt, daß die symmetrische Gruppe S4 aufl¨osbar ist. ¨ Ubung 1.13.6. Gegeben G ⊃ N eine Gruppe mit Normalteiler ist G aufl¨osbar genau dann, wenn N und G/N aufl¨osbar sind.
1.14
Etwas homologische Algebra
Bemerkung 1.14.1. Ich gebe noch eine Verallgemeinerung des Noether’schen Isomorphiesatzes, die in vielen Anwendungen eine u ¨bersichtlichere Argumentation erm¨oglicht. Dazu ben¨otigen wir einige zus¨atzliche Begriffsbildungen, die sich noch oft als bequem erweisen werden. f
g
Definition 1.14.2. 1. Eine Sequenz von Gruppen A0 → A → A00 heißt exakt bei A genau dann, wenn das Bild der ersten Abbildung zusammenf¨allt mit dem Kern der zweiten Abbildung, in Formeln im f = ker g. 2. Eine Sequenz von Gruppen . . . Ai+1 →Ai →Ai−1 . . . heißt exakt genau dann, wenn sie exakt ist an jeder Stelle Ai . f
g
3. Eine Sequenz von Gruppen A0 → A → A00 heißt eine kurze exakte Sequenz genau dann, wenn sie exakt ist in der Mitte und außerdem f injektiv ist und g surjektiv. Wir notieren kurze exakte Sequenzen meist A0 ,→ A A00 . Lemma 1.14.3 (Neunerlemma). Sei gegeben ein Diagramm von Gruppen mit kurzen exakten Zeilen der Gestalt A0 ,→ A A00 ↓ ↓ ↓ B 0 ,→ B B 00 ↓ ↓ ↓ C 0 ,→ C C 00 und seien die senkrechten Kompositionen jeweils Null. Sei unser Diagramm kommutativ in dem Sinne, daß alle vier Quadrate “kommutieren”, daß also die Komposition A0 → A → B u ¨bereinstimmt mit der Komposition 0 0 A → B → B etc. Sind unter diesen Vorassetzungen zwei der Spalten kurze exakte Sequenzen, so auch die Dritte.
34
Beispiel 1.14.4. Den Isomorphismus Gi /Gi−1 ∼ = Gi−1 /Gi−2 aus dem Beweis von 1.13.3 h¨atten wir auch erhalten k¨onnen durch Anwendung des Neunerlemmas auf das Diagramm G1 ,→ G1 1 ↓ ↓ ↓ Gi−1 ,→ Gi Gi /Gi−1 ↓ ↓ ↓ Gi−2 ,→ Gi−1 Gi−1 /Gi−2 Beweis. Der Beweis ist etwas m¨ uhsam, aber nicht schwer. Wir zeigen nur, daß die Exaktheit der beiden linken Spalten die Exaktheit der rechten Spalte impliziert und u ¨berlassen die beiden anderen Nachweise dem Leser zur ¨ Ubung. Die Surjektivit¨at von B 00 → C 00 folgt, da sich B → C 00 als Komposition von zwei Surjektionen schreiben l¨aßt. Der Nachweis der Injektivit¨at von A00 → B 00 braucht mehr Arbeit. Geht ein Element a00 ∈ A00 nach 1, so w¨ahlen wir ein Urbild a ∈ A von a00 und sein Bild b ∈ B geht auch nach 1 in B 00 und nach 1 in C. Also gibt es ein Urbild b0 ∈ B 0 von b und die Urbild geht nach 1 in C und sogar schon in C 0 . Dann besitzt aber b0 ein Urbild a0 in A0 und dies a0 geht auf unser a unter der oberen linken Horizontale. Daraus folgt dann a00 = 1. Geht schließlich b00 ∈ B 00 nach 1 ∈ C 00 , so w¨ahlen wir ein Urbild b ∈ B von b00 und dessen Bild c ∈ C geht auch nach 1 in C 00 , kommt also von einem c0 ∈ C 0 . Dies c0 kommt hinwiederum von einem b0 ∈ B 0 , und bezeichnen wir das Bild von b0 in B auch mit b0 und betrachten b(b0 )−1 , so geht dies Element in B 00 wieder nach b00 aber in C nach 1. Wir d¨ urfen also davon ausgehen, daß wir unser b ∈ B schon von Anfang an so gew¨ahlt h¨atten, daß es in B 00 nach b00 geht und in C nach 1. Dann kommt aber b von a ∈ A und b00 kommt vom Bild a00 von a in A00 , was zu zeigen war. Bemerkung 1.14.5. Der vorhergehende Beweis ist ein sch¨ones Beispiel f¨ ur eine Beweismethode, die unter dem Namen Diagrammjagd bekannt ist. ¨ Ubung 1.14.6. Man gebe einen vollst¨andigen Beweis des Neunerlemmas. ¨ Ubung 1.14.7. Man folgere den Noether’schen Isomorphiesatz aus dem Neunerlemma.
35
2
Ringe
2.1
Definitionen und Grundlagen
Definition 2.1.1. Ein Ring ist eine Menge mit zwei assoziativen Verkn¨ upfungen (R, +, ·) derart, daß gilt 1. (R, +) ist eine kommutative Gruppe. 2. Es gelten die Distributivgesetze, d.h. f¨ ur alle a, b, c ∈ R gilt a · (b + c) = (a · b) + (a · c) (a + b) · c = (a · c) + (b · c) 3. Es gibt ein Element 1 = 1R ∈ R mit 1 · a = a · 1 = a ∀a ∈ R. Die beiden Verkn¨ upfungen heißen die Addition und die Multiplikation in unserem Ring. Es kann offensichtlich nicht mehr als ein Element 1 ∈ R geben wie in 3, es heißt das Eins-Element oder kurz die Eins unseres Rings. Ein Ring, dessen Multiplikation kommutativ ist, heißt ein kommutativer Ring und bei uns in un¨ ublicher Verk¨ urzung ein Kring. Bemerkung 2.1.2. Wir schreiben meist k¨ urzer a · b = ab und vereinbaren die Regel “Punkt vor Strich”, so daß zum Beispiel das erste Distributivgesetz auch in der Form a(b + c) = ab + ac geschrieben werden kann. Bemerkung 2.1.3. Der Begriff “Ring” soll zum Ausdruck bringen, daß diese Struktur nicht in demselben Maße “geschlossen” ist wie ein K¨orper, da wir n¨amlich nicht die Existenz von multiplikativen Inversen fordern. Eine Struktur wie in der vorhergehenden Definition, bei der nur die Existenz eines Einselements nicht gefordert wird, bezeichnen wir als Rng. In der Literatur wird jedoch auch diese Struktur oft als “Ring” bezeichnet. Die Ringe, die eine Eins besitzen, heißen in dieser Terminologie dann “unit¨are Ringe”. Beispiele 2.1.4. Die einelementige Menge mit der offensichtlichen Addition und Multiplikation ist ein Ring, der Nullring. Jeder K¨orper ist ein Ring. Die ganzen Zahlen Z bilden einen Ring. Ist R ein Ring und X eine Menge, so ist die Menge Ens(X, R) aller Abbildungen von X nach R ein Ring unter punktweiser Multiplikation und Addition. Ist R ein Ring und n ≥ 1, so bilden die n×n-Matrizen mit Eintr¨agen in R einen Ring M (n×n, R) unter der u ¨blichen Addition und Multiplikation von Matrizen. Ist A eine abelsche Gruppe, so bilden die Gruppenhomomorphismen von A in sich selbst einen Ring mit der Verkn¨ upfung von Abbildungen als Multiplikation und der punktweisen Summe als Addition. Wir notieren diesen Ring EndZ A oder abk¨ urzend End A oder auch Ab A. 36
Scholium 2.1.5. Zu jedem topologischen Raum k¨onnen wir den Ring der stetigen reellwertigen Funktionen auf unserem Raum bilden, zu jeder C ∞ Mannigfaltigkeit den Ring der C ∞ -Funktionen und zu jeder Riemann’schen Fl¨ache den Ring der holomorphen Funktionen. Es zeigt sich, daß diese Ringe die urspr¨ unglichen “strukturierten R¨aume” sehr weitgehend kodieren. F¨ ur kompakte Hausdorff-R¨aume ist das die Aussage des Satzes ?? und in den anderen und vielen weiteren F¨allen gelten ¨ahnliche Aussagen. Man kann sich deshalb durchaus auf den Standpunkt stellen, daß “Ringe die besseren R¨aume” sind. Ich will mich im Folgenden nach Kr¨aften bem¨ uhen, diese geometrische Intuition freizulegen, die großen Teilen der Theorie der kommutativen Ringe zugrunde liegt. Definition 2.1.6. Eine Abbildung ϕ : R → S von einem Ring in einen weiteren Ring heißt ein Ringhomomorphismus genau dann, wenn gilt ϕ(1) = 1 und ϕ(a + b) = ϕ(a) + ϕ(b) sowie ϕ(ab) = ϕ(a)ϕ(b) f¨ ur alle a, b ∈ R. Bemerkung 2.1.7. Von Homomorphismen zwischen Rngen k¨onnen wir nat¨ urlich nicht fordern, daß sie das Einselement auf das Einselement abbilden. Wir sprechen dann von Rnghomomorphismen. In der Terminologie, in der unsere Rnge als Ringe bezeichnet werden, werden unsere Ringhomomorphismen “unit¨are Ringhomomorphismen” genannt. ¨ Ubung 2.1.8. F¨ ur jeden Ring R gibt es genau einen Homomorphismus Z → R. Bemerkung 2.1.9. Die St¨arke der Ringtheorie liegt unter anderem darin begr¨ undet, daß es sehr viele Vefahren gibt, um aus einem Ring einen neuen Ring konstruieren, und daß man auf diese neuen Ringe dann wieder alle bereits bekannten S¨atze anwenden kann. Einige Beispiele daf¨ ur haben wir bereits in 2.1.4 gesehen. Wir besprechen im folgenden noch eine weitere wichtige Konstruktion. Definition 2.1.10. Sei R ein Ring. Ein Ideal von R ist eine Teilmenge I ⊂ R derart, daß I eine Untergruppe ist von (R, +) und daß zus¨atzlich gilt RI ⊂ I und IR ⊂ I. Beispiele 2.1.11. Ein Ideal von Z ist dasselbe wie eine Untergruppe von Z, die Ideale von Z sind also nach 1.2.10 genau die Teilmengen der Gestalt Zm f¨ ur m ∈ N. F¨ ur ein beliebiges Element a in einem kommutativen Ring R ist die Menge Ra aller Vielfachen von a ein Ideal. Der ganze Ring R und {0} sind stets Ideale. Bemerkung 2.1.12. Ist ϕ : R → S ein Ringhomomorphismus, so ist ker ϕ ein Ideal von R. Allgemeiner ist das Urbild von einem Ideal unter einem Ringhomomorphismus stets wieder ein Ideal, und desgleichen das Bild eines Ideals unter einem surjektiven Ringhomomorphismus. 37
Bemerkung 2.1.13. Ganz allgemein ist ein Schnitt von Idealen eines Rings R stets wieder ein Ideal. Gegeben eine Teilmenge T ⊂ R bezeichen wir mit (T ) ⊂ R das kleinste Ideal von R, das T umfaßt, und nennen es das von T erzeugte Ideal. Wir k¨onnen (T ) entweder realisieren als den Schnitt aller Ideale, die T umfassen, oder als die Menge aller endlichen Ausdr¨ ucke (T ) = {a1 t1 b1 + . . . an tn bn | n ≥ 0, ai , bi ∈ R, ti ∈ T } Hier m¨oge der leere Ausdruck mit n = 0 wie u ¨blich die Null von R bedeuten. Ist T = {t1 , . . . , tr } eine endliche Menge, so schreiben wir auch (T ) = (t1 , . . . , tr ). Insbesondere gilt f¨ ur einen kommutativen Ring R zum Beispiel (a) = Ra f¨ ur alle a ∈ R. Ideale, die von einem einzigen Element erzeugt werden k¨onnen, heißen Hauptideale. Insbesondere ist jedes Ideal in Z ein Hauptideal. Proposition 2.1.14 (Restklassenringe und universelle Eigenschaft). Sei R ein Ring und I ⊂ R ein Ideal. 1. Es gibt genau eine Verkn¨ upfung “Multiplikation”, notiert mit einem Punkt, auf der Restklassengruppe R/I derart, daß die kanonische Abbildung can = canq : R R/I mit den Multiplikationen vertr¨aglich ist, d.h. can(a·b) = (can a)·(can b). 2. Mit dieser Multiplikation wird R/I ein Ring. 3. Jeder Ringhomomorphismus ϕ : R → R0 mit ϕ(I) = {0} faktorisiert eindeutig u ur solch ein ϕ genau einen ¨ber R/I, es gibt also in Formeln f¨ 0 Ringhomomorphismus ϕ˜ : R/I → R mit ϕ = ϕ˜ ◦ can . Bemerkung 2.1.15. Die Nebenklasse a + I = can(a) von a bezeichnet man auch oft mit can(a) = a ¯. Beweis. Auf der Potenzmenge von R betrachten wir die Verkn¨ upfung (A, B) 7→ A B = AB + I = {ab + t | a ∈ A, b ∈ B, t ∈ I} Wenn I ein Ideal ist, so gilt (a+I) (b+I) = ab+I. Folglich induziert unsere Vorschrift eine Verkn¨ upfung auf R/I, und das ist die gesuchte Multiplikation auf R/I. Es ist leicht zu sehen, daß diese Multiplikation R/I zu einem Ring macht. F¨ ur die dritte Aussage muß nur gezeigt werden, daß das aus der Gruppentheorie bereits bekannte ϕ˜ mit den Multiplikationen vertr¨aglich ist und die Eins auf die Eins wirft. Das bleibt dem Leser u ¨berlassen. 38
Bemerkung 2.1.16. Damit haben wir insbesondere auch die Quotienten Z/mZ mit einer Ringstruktur versehen. Wir geben gleich eine Anwendung. Proposition 2.1.17 (Teilbarkeitskriterien u ¨ ber Quersummen). Eine Zahl n ∈ N ist genau dann durch drei bzw. neun teilbar, wenn ihre Quersumme durch drei bzw. neun teilbar ist. Beweis. Wir erkl¨aren das Argument nur an einem Beispiel. Per definitionem gilt 1258 = 1 · 103 + 2 · 102 + 5 · 10 + 8 Da 10 kongruent ist zu 1 modulo 3 erhalten wir 1258 ≡ 1 + 2 + 5 + 8 (mod 3) Insbesondere ist die rechte Seite durch drei teilbar genau dann, wenn die linke Seite durch drei teilbar ist. Das Argument f¨ ur neun statt drei geht genauso. ¨ Ubung 2.1.18. Eine Zahl ist durch 11 teilbar genau dann, wenn ihre “alternierende Quersumme” durch 11 teilbar ist. Beispiel 2.1.19. In Z/6Z gilt nun zum Beispiel 3 · 3 = 3, 2 · 3 = 0, 4 · 4 = 4 urfen wir also in allgemeinen Rinund dergleichen mehr. Da gilt 4 · 4 = 4 · 1 d¨ gen nicht k¨ urzen. Dies Ph¨anomen werden wir nun im allgemeinen begrifflich fassen. Definition 2.1.20. 1. Gegeben ein Kring R und Elemente a, b ∈ R sagen wir, a teilt b oder a ist ein Teiler von b und schreiben a|b genau dann, wenn es d ∈ R gibt mit ad = b oder, gleichbedeutend, wenn gilt (a) ⊃ (b) oder auch gleichbedeutend (a) 3 b. 2. Ein Element a eines Rings R heißt ein Nullteiler von R genau dann, wenn es b ∈ R gibt mit b 6= 0 aber ab = 0 oder ba = 0. 3. Ein Ring heißt nullteilerfrei genau dann, wenn er außer der Null keine Nullteiler besitzt. 4. Ein Ring heißt ein Integrit¨ atsbereich genau dann, wenn er nullteilerfrei und ausserdem nicht der Nullring ist. Bemerkung 2.1.21 ( Ku ¨ rzen in Ringen). Sei R ein Ring. Ist a ∈ R kein Nullteiler, so folgt aus ax = ay schon x = y. In der Tat haben wir n¨amlich ax = ay ⇒ a(x − y) = 0 ⇒ x − y = 0 ⇒ x = y.
39
2.2
Endliche Primk¨ orper
Definition 2.2.1. Ein Element a eines Rings R heißt invertierbar oder auch eine Einheit genau dann, wenn es b ∈ R gibt mit ab = ba = 1. Die Menge der invertierbaren Elemente eines Rings bildet unter der Multiplikation eine Gruppe, die man die Gruppe der Einheiten von R nennt und mit R× bezeichnet. ¨ Ubung 2.2.2. Sei A eine zyklische Gruppe der Ordnung n ∈ N. So gibt es ∼ genau einen Ringisomorphismus Z/nZ → End A, und dieser Ringisomorphismus induziert einen Isomorphismus von seiner Einheitengruppe (Z/nZ)× auf die Automorphismengruppe von A. Definition 2.2.3. Ein Schiefk¨ orper ist ein Ring R, der nicht der Nullring ist und in dem alle von Null verschiedenen Elemente Einheiten sind. Ein K¨ orper ist ein kommutativer Schiefk¨orper. Lemma 2.2.4. Jeder Ringhomomorphismus von einem K¨orper oder allgemeiner einem Schiefk¨orper in einen von Null verschiedenen Ring ist injektiv. Beweis. Ist unser Ring nicht Null, so ist die Null darin keine Einheit. Folglich kann der Kern unseres Ringhomomorphismus keine Einheit unseres Schiefk¨orpers enthalten, d.h. der Kern besteht nur aus der Null. Proposition 2.2.5 (Endliche Primk¨ orper). Sei m ∈ N. 1. Genau dann ist Z/mZ ein Integrit¨atsbereich, wenn m eine Primzahl ist oder wenn gilt m = 0. 2. Genau dann ist Z/mZ ein K¨orper, wenn m eine Primzahl ist. Beweis. 1. F¨ ur m = 0 und m eine Primzahl ist Z/mZ offensichtlich ein Integrit¨atsbereich. F¨ ur m = 1 ist Z/mZ der Nullring und damit kein Integrit¨atsbereich. F¨ ur m > 1 keine Primzahl faktorisieren wir m = ab mit 1 < a, b < m und erhalten 0 = ab aber a 6= 0, b 6= 0, mithin hat dann Z/mZ von Null verschiedene Nullteiler. 2. Es muß nur noch gezeigt werden, daß f¨ ur jede Primzahl p der Ring Z/pZ ein K¨orper ist, daß also jedes von Null verschiedene Element a 6= 0 ein multiplikatives Inverses besitzt. Da Z/pZ nullteilerfrei ist, muß jedoch die Multiplikation mit a 6= 0 injektiv und damit bijektiv sein, also gibt es b mit ab = 1. Korollar 2.2.6 (Kleiner Fermat). Ist p eine Primzahl, so gilt f¨ ur alle ganzen Zahlen a ∈ Z die Kongruenz ap ≡ a
(mod p) 40
Beweis. Die multiplikative Gruppe (Z/pZ)× des K¨orpers Z/pZ hat genau p − 1 Elemente, nach 1.5.6 gilt also bp−1 = 1 f¨ ur alle b ∈ (Z/pZ)× . Es folgt bp = b f¨ ur alle b 6= 0, und f¨ ur b = 0 gilt diese Gleichung eh. Mit b = a + pZ ergibt sich dann die Behauptung. ¨ Ubung 2.2.7. Sei R ein kommutativer Ring derart, daß der kanonische Ringhomomorphismus Z → R u ¨ber Z/pZ faktorisiert. Dann ist die sogenannte Frobenius-Abbildung F : R → R, a 7→ ap ein Ringhomomorphismus von R in sich selber.
2.3
Polynomringe
Bemerkung 2.3.1. Ist k ein Ring, so bildet die Menge k[X] aller formalen Ausdr¨ ucke der Gestalt an X n +. . .+a1 X +a0 mit ai ∈ k unter den offensichtlichen Operationen einen Ring, den Polynomring u ¨ber k in einer Ver¨anderlichen X, und wir haben eine offensichtliche Einbettung can : k ,→ k[X]. Diese Beschreibung ist hoffentlich verst¨andlich, ist aber nicht so exakt, wie eine Definition es sein sollte. Deshalb geben wir auch noch eine exakte Variante. Definition 2.3.2. Sei k ein Ring. Wir bezeichnen mit k[X] die Menge aller Abbildungen ϕ : N → k, die nur an endlich vielen Stellen von Null verschiedene Werte annehmen, und definieren auf k[X] eine Addition und eine Multiplikation durch die Regeln (ϕ + ψ)(n) = ϕ(n) P + ψ(n) (ϕ · ψ)(n) = i+j=n ϕ(i)ψ(j) Mit diesen Verkn¨ upfungen wird k[X] ein Ring, und ordnen wir jedem a ∈ k die Abbildung N → k zu, die bei 0 den Wert a annimmt und sonst den Wert Null, so erhalten wir eine Einbettung can : k ,→ k[X], die wir schlicht a 7→ a notieren. Bezeichnen wir mit X die Abbildung N → k, die bei 1 den Wert 1 annimmt und sonst nur den Wert Null, so k¨ onnen wir jede Abbildung P ν ϕ ∈ k[X] eindeutig schreiben in der Form ϕ = ν ϕ(ν)X und sind auf einem etwas formaleren Weg wieder am selben Punkt angelangt. Bemerkung 2.3.3. Die wichtigste Eigenschaft eines Polynomrings ist, daß man “f¨ ur die Variable etwas einsetzen darf”. Das wollen wir nun formalisieren. Wir sagen, zwei Elemente a und b eines Ringes kommutieren genau dann, wenn gilt ab = ba. Proposition 2.3.4 (Einsetzen in Polynome). Sei ϕ : k → B ein Ringhomomorphismus und b ∈ B ein Element, das mit jedem Element a ∈ ϕ(k) kommutiert. So gibt es genau eine Erweiterung ϕ˜ = ϕ˜b von ϕ zu einem Ringhomomorphismus ϕ˜ : k[X] → B mit ϕ(X) ˜ = b. 41
Beweis. Diese eindeutig bestimmte Abbildung ϕ˜ ist eben gegeben durch die Vorschrift ϕ(a ˜ n X n + . . . + a1 X + a0 ) = ϕ(an )bn + . . . + ϕ(a1 )b + ϕ(a0 ). Bemerkung 2.3.5. Es ist u ¨blich, das Bild unter ϕ˜b eines Polynoms P ∈ k[X] abzuk¨ urzen mit ϕ˜b (P ) = P (b). So schreiben wir f¨ ur einen kommutativen Ring k zum Beispiel P (A) f¨ ur die Matrix, die ensteht beim Einsetzen einer Matrix A in ein Polynom P. In diesem Fall h¨atten wir B = M (n × n, k) und ϕ ordnete jedem a ∈ k das a-fache der Einheitsmatrix zu. Definition 2.3.6. Sei k ein Kring und P ∈ k[X] ein Polynom. Ein Element a ∈ k heißt eine Nullstelle von P genau dann, wenn gilt P (a) = 0. Definition 2.3.7. Sei k ein Ring. Jedem Polynom P ∈ k[X] ordnen wir seinen Grad (engl. degree, franz. degr´e) grad P ∈ N ∪ {−∞} zu durch die Vorschrift grad P = n grad P = −∞
falls P = an X n + . . . + a0 mit an 6= 0; f¨ ur P das Nullpolynom.
F¨ ur ein von Null verschiedenes Polynom P = an X n + . . . + a1 X + a0 mit n = grad P nennt man an ∈ k\0 seinen Leitkoeffizienten. Den Leitkoeffizienten des Nullpolynoms definieren wir als die Null von k. Ein Polynom heißt normiert genau dann, wenn sein Leitkoeffizient 1 ist. Das Nullpolynom ist demnach nur u ¨ber dem Nullring normiert. Lemma 2.3.8. Ist k ein nullteilerfreier Ring, so ist auch der Polynomring k[X] nullteilerfrei und es gilt grad(P Q) = grad P + grad Q. Beweis. Ist k nullteilerfrei, so ist offensichtlich der Leitkoeffizient von P Q das Produkt der Leitkoeffizienten von P und Q. Lemma 2.3.9 (Teilen mit Rest in Polynomringen). Sei k ein Ring. Gegeben Polynome P, Q ∈ k[X] mit Q = X d +. . .+a1 X +a0 f¨ ur ein d ≥ 0 gibt es Polynome A, R mit P = AQ + R und grad R < d, und ist k nullteilerfrei, so sind diese Polynome A und R sogar eindeutig bestimmt. Beweis. Wir suchen A mit grad(P − AQ) kleinstm¨oglich. G¨alte dann noch grad(P − AQ) ≥ d, sagen wir P − AQ = aX r + . . . mit a 6= 0 und r ≥ d, so h¨atte P −(A+aX r−d )Q echt kleineren Grad als R, im Widerspruch zur Wahl von A. Das zeigt die Existenz. F¨ ur den Nachweis der Eindeutigkeit gehen wir aus von einer weiteren Gleichung P = A0 Q + R0 mit grad R0 < d. Es folgt zun¨achst (A − A0 )Q = R0 − R und mit 2.3.8 weiter A − A0 = 0 und dann auch R0 − R = 0.
42
Korollar 2.3.10 (Abspalten von Linearfaktoren bei Nullstellen). Sei k ein Kring und P ∈ k[X] ein Polynom. Genau dann ist a ∈ k eine Nullstelle des Polynoms P, wenn (X − a) das Polynom P teilt. Beweis. Nach 2.3.9 finden wir ein Polynom A ∈ k[X] und eine Konstante b ∈ k mit P = A(X − a) + b. Satz 2.3.11 (Zahl der Nullstellen eines Polynoms). Ist k ein K¨orper oder allgemeiner ein nullteilerfreier Kring, so hat ein von Null verschiedenes Polynom P ∈ k[X] h¨ochstens grad P Nullstellen in k. Beweis. Ist a ∈ k eine Nullstelle, so haben wir P = A(X − a) mit grad A = grad P − 1. Eine von a verschiedene Nullstelle von P ist f¨ ur k nullteilerfrei notwendig eine Nullstelle von A und der Satz folgt mit Induktion. Definition 2.3.12. Ein K¨orper k heißt algebraisch abgeschlossen genau dann, wenn jedes nichtkonstante Polynom P ∈ k[X] \ k eine Nullstelle in k hat. Satz 2.3.13. Ist k ein algebraisch abgeschlossener K¨orper, so hat jedes Polynom P ∈ k[X] eine Zerlegung in Linearfaktoren der Gestalt P (X) = c(X − λ1 ) . . . (X − λn ) mit n ≥ 0 und c, λ1 , . . . , λn ∈ k. Ist P nicht das Nullpolynom, so ist diese Zerlegung eindeutig bis auf die Reihenfolge der Faktoren. Bemerkung 2.3.14. Gegeben eine Nullstelle λ von P heißt die Zahl der Indizes i mit λi = λ die Vielfachheit der Nullstelle λ. Beweis. Ist P ein konstantes Polynom, so ist nichts zu zeigen. Ist P nicht konstant, so gibt es nach Annahme eine Nullstelle λ ∈ k von P und wir finden genau ein Polynom P˜ mit P (X) = (X − λ)P˜ (X). Der Satz folgt durch vollst¨andige Induktion u ¨ber den Grad von P. ¨ Bemerkung 2.3.15. Ahnlich wie den Polynomring in einer Variablen konstruiert man auch Polynomringe in mehr Variablen. Ist die Zahl der Variablen endlich, so kann man induktiv definieren R[X1 , . . . , Xn ] = (R[X1 , . . . , Xn−1 ])[Xn ] Man kann aber auch f¨ ur eine beliebige Menge I den Polynomring R[Xi ]i∈I bilden als die Menge aller “endlichen formalen Linearkombinationen mit Koeffizienten aus R von endlichen Monomen in den Xi ”. Ich verzichte auf eine formale Definition, die man zum Beispiel in [Lan74] findet. 43
Bemerkung 2.3.16. Eine Teilmenge eines Rings, die das Einselement enth¨alt, die abgeschlossen ist unter Addition und Multiplikation, und die mit diesen Verkn¨ upfungen zu einem Ring wird, nennt man auch einen Teilring. Jeder Schnitt von Teilringen ist selbst ein Teilring. Gegeben S ⊃ R ein Kring mit einem Teilring und Elemente a1 , . . . , an ∈ S bezeichnet man mit R[a1 , . . . , an ] ⊂ S den Teilring von S, der von R und den ai erzeugt wird, in anderen Worten den kleinsten Teilring von S, der R umfaßt und alle ai enth¨alt. Bemerkung 2.3.17. Diese Notation f¨ uhrt leicht zu Verwechslungen mit Polynomringen. Viele Autoren verwenden die Konvention, nach der die “freien” oder “unabh¨angigen” Variablen in Polynomringen mit großen Buchstaben vom Ende des Alphabets geschrieben werden, die “abh¨angigen” Erzeuger eines Teilrings in einem bereits gegebenen Ring dahingegen mit kleinen Buchstaben. Nebenbei bemerkt kann man R[a1 , . . . , an ] auch beschreiben als das Bild des Einsetzungshomomorphismus R[X1 , . . . , Xn ] → S mit Xi 7→ ai . Ist dieser Einsetzungshomomorphismus injektiv, also ein Isomorphismus auf sein Bild, so heißen die Elemente ai algebraisch unabh¨ angig u ¨ ber R. Wollen wir besonders betonen, daß wir mit freien Ver¨anderlichen arbeiten, so setzen wir ein kleines “Freiheitsstrichlein” vorne in die Klammer und schreiben R[0 X1 , . . . , Xn ]. ¨ Ubung 2.3.18. Seien K ⊂ L K¨orper, I ⊂ K[X1 , . . . , Xn ] ein Ideal und hIL[X1 , . . . , Xn ]i das von I im Polynomring u ¨ber L erzeugte Ideal. So gilt I = K[X1 , . . . , Xn ] ∩ hIL[X1 , . . . , Xn ]i (Hinweis: Jedes Element von hIL[X1 , . . . , Xn ]i hat die Gestalt c1 f1 +. . .+cr fr mit fν ∈ I und cν ∈ L linear unabh¨angig u ¨ber K.) ¨ Ubung 2.3.19. Gegeben k ein K¨orper und P ∈ k[X] ein Polynom vom Grad grad P = d ≥ 1 bilden die Nebenklassen der Monome 1, X, X 2 , . . . , X d−1 eine Basis von k[X]/(P ) u ¨ber k.
2.4
Polynome als Funktionen
Bemerkung 2.4.1. Um die bisher eingef¨ uhrten algebraischen Konzepte anschaulicher zu machen, will ich sie in Bezug setzen zu geometrischen Konzepten. Ist k ein Kring, so k¨onnen wir jedem Polynom f ∈ k[X1 , . . . , Xn ] die Funktion f˜ : k n → k, (x1 , . . . , xn ) 7→ f (x1 , . . . , xn ) zuordnen. Wir erhalten so einen Ringhomomorphismus k[X1 , . . . , Xn ] → Ens(k n , k) 44
Dieser Homomorphismus ist im Allgemeinen weder injektiv noch surjektiv. Schon f¨ ur n = 1, k = R l¨aßt sich ja keineswegs jede Abbildung R → R durch ein Polynom beschreiben, und f¨ ur n = 1, k = Z/pZ nimmt das von Null p verschiedene Polynom X − X ∈ k[X] an jeder Stelle a ∈ k den Wert Null an. Wir haben jedoch f¨ ur alle n ∈ N : Satz 2.4.2. 1. Ist k ein unendlicher K¨orper oder allgemeiner ein unendlicher nullteilerfreier Kring, so ist k[X1 , . . . , Xn ] → Ens(k n , k) injektiv. 2. Ist k ein endlicher K¨orper, so ist k[X1 , . . . , Xn ] → Ens(k n , k) surjektiv. Beweis. 1. Durch Induktion u ur n = 1 ¨ber n. Der Fall n = 0 ist eh klar. F¨ folgt die Behauptung aus der Erkenntnis, das jedes von Null verschiedene Polynom in k[X] nur endlich viele Nullstellen in k haben kann. Der Kern der Abbildung k[X] → Ens(k, k) besteht also nur aus dem Nullpolynom. F¨ ur den Induktionsschritt setzen wir Xn = Y und schreiben unser Polynom in der Gestalt P = ad Y d + . . . a1 Y + a0 mit ai ∈ k[X1 , . . . , Xn−1 ]. Halten wir (x1 , . . . , xn−1 ) = x ∈ k n−1 fest, so ist ad (x)Y d + . . . + a1 (x)Y + a0 (x) ∈ k[Y ] das Nullpolynom nach dem Fall n = 1. Also verschwinden ad (x), . . . , a1 (x), a0 (x) f¨ ur alle x ∈ k n−1 , mit Induktion sind somit alle ai schon das Nullpolynom und wir haben P = 0. 2. Das bleibt dem Leser u ¨berlassen. Wir folgern in 2.5.6 eine allgemeinere Aussage aus dem abstrakten chinesischen Restsatz.
2.5
Der abstrakte chinesische Restsatz
Definition 2.5.1. Gegeben Ringe R1 , . . . , Rs bilden wir den Produktring R1 × . . . × Rs mit komponentenweiser Addition und Multipliktion. Gegeben ein weiterer Ring R und Ringhomomorphismen fi : R → Ri erhalten wir nat¨ urlich einen Ringhomomorphismus (f1 , . . . , fs ) : R → R1 × . . . × Rs r 7→ (f1 (r), . . . , fs (r)) Definition 2.5.2. Gegeben Ideale a, b in einem Ring R ist auch ihre Summe a + b = {a + b | a ∈ a, b ∈ b} ein Ideal, und wir nennen ihr Produkt und bezeichnen mit habi dasjenige Ideal oder gleichbedeutend diejenige additive Untergruppe von R, das bzw. die von allen Produkten ab mit a ∈ a und b ∈ b erzeugt wird. Analog notieren wir auch Produkte von mehr als zwei Idealen. 45
Bemerkung 2.5.3. F¨ ur das Produkt zweier Ideale ist eigentlich die Notation ab gebr¨auchlich, die wir aber bereits f¨ ur die von der Multiplikation eines Rings auf seiner Potenzmenge induzierte Verkn¨ upfung vergeben haben. Satz 2.5.4 (Abstrakter chinesischer Restsatz). Sei R ein Ring und seien a1 , . . . , as ⊂ R Ideale. Gilt ai +aj = R f¨ ur i 6= j, so ist die offensichtliche Abbildung ϕ : R → R/a1 × . . . × R/as eine Surjektion und ihr Kern ist der Schnitt der ai und f¨allt f¨ ur kommutatives R zusammen mit dem Produktideal ha1 . . . as i. Beweis. F¨ ur die Surjektivit¨at reicht es nachzuweisen, daß die Elemente ei = (0, . . . , 1, . . . , 0) aus dem Produkt mit (s − 1) Nullen aber einer 1 an der i-ten Stelle im Bild unserer Abbildung liegen, denn aus ei = ϕ(bi ) folgt (r1 , . . . , rs ) = ϕ(r1 b1 + . . . + rs bs ) f¨ ur beliebige r1 , . . . , rs ∈ R. Halten wir nun i fest und schreiben f¨ ur j 6= i die Eins von R in der Form 1 = aij + aji mit aij ∈ ai und aji ∈ aj , so k¨onnen wir u ¨ber alle von unserem festen i verschiedenen j das Produkt Y Y bi = (1 − aij ) = aji j6=i
j6=i
bilden, und es gilt in der Tat ϕ(bi ) = ei . Der Kern unserer Surjektion ist offensichtlich genau der Schnitt der ai und wir m¨ ussen nur noch zeigen, daß er f¨ ur kommutatives R mit dem Produktideal zusammenf¨allt. Im Fall s = 2 impliziert a + b = R aber offensichtlich a ∩ b = habi, denn schreiben wir 1 = a + b mit a ∈ a und b ∈ b, so gilt x = xa + xb auch f¨ ur alle x ∈ a ∩ b. Im allgemeinen beachten wir, daß unsere Rechnung von oben sogar zeigt a1 + ha2 . . . as i = R und erhalten dann mit vollst¨andiger Induktion a1 ∩ (a2 ∩ . . . ∩ as ) = a1 ∩ ha2 . . . as i = ha1 ha2 . . . as ii. Bemerkung 2.5.5. Wir schreiben auch hI n i f¨ ur das n-fache Produkt eines Ideals mit sich selber. Betrachten wir zum Beispiel R = k[X, Y ] f¨ ur einen K¨orper k und das Ideal I = (X, Y ), so gilt hI 2 i = (X 2 , XY, Y 2 ), hI 3 i = (X 3 , X 2 Y, XY 2 , Y 3 ) und so weiter. Korollar 2.5.6 (Interpolation durch Polynome). Sei k ein K¨orper und n ∈ N. Wir finden stets ein Polynom P ∈ k[X1 , . . . , Xn ], das an endlich vielen vorgegebenen Stellen des k n vorgegebene Werte annimmt und sogar eine beliebig vorgegebene “Taylorentwicklung bis zu einem festen endlichen Grad” hat.
46
Beweis. F¨ ur einen Punkt p ∈ k n bezeichne I(p) das Ideal aller Polynome, die bei p verschwinden. Mit der vagen Formulierung “die Taylorentwicklung bei p eines Polynoms P ∈ k[X1 , . . . , Xn ] bis zum Grad m−1 vorzugeben” meinen wir, seine Nebenklasse in k[X1 , . . . , Xn ]/hI(p)m i vorzugeben. Damit wir den abstrakten chinesischen Restsatz anwenden k¨onnen, m¨ ussen wir nur noch m m zeigen hI(p) i+hI(q) i = (1) falls p 6= q. Offensichtlich gilt I(p)+I(q) = (1), denn p und q unterscheiden sich in mindestens einer Koordinate, sagen wir pi 6= qi , und dann ist (Xi − pi ) + (qi − Xi ) eine Einheit im Polynomring. Schreiben wir nun 1 = a+b mit a ∈ I(p) und b ∈ I(q) und nehmen von dieser Gleichung die 2m-te Potenz, so folgt 1 ∈ hI(p)m i+hI(q)m i wie gew¨ unscht.
2.6
Euklidische Ringe und Primfaktorzerlegung
¨ Bemerkung 2.6.1. Die folgende schematische Ubersicht soll die Struktur dieses Abschnitts und die Beziehung der darin neu eingef¨ uhrten Begriffe untereinander verdeutlichen: Interessante Ringe, wie Z, Z[i], oder der Ring k[X] f¨ ur einen K¨orper k; ∩ Euklidische Ringe, in denen es eine “Division mit Rest” gibt; ∩ Hauptidealringe, in denen jedes Ideal von einem Element erzeugt wird; ∩ Faktorielle Ringe, d.h. Ringe mit “eindeutiger Primfaktorzerlegung”. Wir arbeiten nun unser Schema von unten nach oben ab und beginnen mit faktoriellen Ringen. Definition 2.6.2. Ein Element a eines Krings R heißt irreduzibel genau dann, wenn gilt 1. a ist keine Einheit, in Formeln a 6∈ R× ; 2. a l¨aßt sich nur in trivialer Weise als ein Produkt schreiben, in Formeln a = bc ⇒ b ∈ R× oder c ∈ R× . Beispiele 2.6.3. Die Null ist nie irreduzibel: Im Nullring ist sie eine Einheit, in anderen Ringen das Produkt der zwei Nichteinheiten 0 = 0 · 0. Eine ganze Zahl n ∈ Z ist irreduzibel genau dann, wenn ihr Betrag |n| eine Primzahl ist. Definition 2.6.4. Ein Ring R heißt faktoriell genau dann, wenn R ein kommutativer Integrit¨atsbereich ist und wenn gilt
47
1. Jedes a ∈ R \ 0 l¨aßt sich darstellen als ein Produkt von irreduziblen Elementen und einer Einheit, in Formeln a = up1 . . . pn mit u ∈ R× , pi irreduzibel, und n ≥ 0. 2. Diese Darstellung ist eindeutig bis auf Einheiten und die Reihenfolge der Faktoren. Ist genauer a = u0 p01 . . . p0n0 eine zweite Darstellung wie eben, so gilt n = n0 und es gibt eine Permutation σ ∈ Sn von n sowie Einheiten ui ∈ R× mit p0i = ui pσ(i) f¨ ur 1 ≤ i ≤ n. Beispiele 2.6.5. Unsere einzigen Beispiele f¨ ur faktorielle Ringe sind bisher Z und alle K¨orper. Als Beispiel √ f¨ ur einen nicht faktoriellen Integrit¨atsbereich betrachten wir den Teilring Z[ −5] der komplexen Zahlen, der gegeben wird durch √ √ Z[ −5] = {a + b i 5 | a, b ∈ Z} ⊂ C √ √ Ich behaupte, daß 6 = 2 · 3 = (1 + −5) · (1 − −5) zwei Zerlegungen in irreduzible Faktoren sind, die sich nicht nur um Einheiten und Reihenfolge unterscheiden. Das folgt leicht unter Verwendung der Multiplikativit¨ar der Norm |zw| = |z||w| ur z, w ∈ C aus der anschließenden Tabelle, in der alle √ f¨ Elemente z ∈ Z[ −5] der Quadratl¨ange |z|2 ≤ 9 aufgelistet sind. |z|2 0 1 4 5 6 9
√ m¨ogliche z ∈ Z[ −5] 0 ±1 ±2 √ ± −5√ (±1) + (± −5) ±3
Im folgenden werden wir viele Beispiele f¨ ur faktorielle Ringe kennenlernen. Insbesondere zeigen wir, daß Polynomringe u ¨ber K¨orpern stets faktoriell sind. Definition 2.6.6. Ein Ring R heißt ein Hauptidealring genau dann, wenn R ein kommutativer Integrit¨atsbereich ist und jedes Ideal von R ein Hauptideal ist, d.h. von einem einzigen Element erzeugt wird. Satz 2.6.7. Jeder Hauptidealring ist faktoriell. Beweis. Wir zeigen als erstes, daß sich in einem Hauptidealring jedes Element a ∈ R\0 zerlegen l¨aßt als Produkt einer Einheit mit endlich vielen irreduziblen Elementen. Wir bemerken dazu, daß in einem Integrit¨atsbereich 48
R die Gleichheit (a) = (b) von Hauptidealen ¨aquivalent ist zu a = ub mit u ∈ R× . Jetzt argumentieren wir durch Widerspruch. G¨abe es a ∈ R\0, das sich nicht in ein Produkt einer Einheit mit h¨ochstens endlich vielen Irreduziblen zerlegen l¨aßt, so w¨are insbesondere a selbst weder eine Einheit noch irreduzibel, also von der Gestalt a = a1 b1 mit a1 , b1 6∈ R× . Hier k¨onnen nicht sowohl a1 als auch b1 eine Zerlegung in ein Produkt von Irreduziblen besitzen. Wir d¨ urfen ohne Beschr¨ankung der Allgemeinheit annehmen, a1 habe keine Zerlegung in Irreduzible, und k¨onnen schreiben a1 = a2 b2 mit a2 , b2 6∈ R× und a2 ohne Zerlegung in Irreduzible. Indem wir so weitermachen, finden wir in R eine unendliche echt aufsteigende Folge von Hauptidealen (a) ⊂ (a1 ) ⊂ (a2 ) ⊂ . . . Die Vereinigung u ¨ber alle diese Hauptideale ist auch ein Ideal, also ein Hauptideal (h). Andererseits ist diese Vereinigung aber auch das Erzeugnis (h) = (a, a1 , a2 , . . .) der ai . Es folgt eine Relation der Gestalt h = ra+r1 a1 +. . .+rn an und damit (h) = (an ) im Widerspruch zu (an ) 6= (an+1 ). Dieser Wiederspruch zeigt die Existenz der Zerlegung. Jetzt zeigen wir die Eindeutigkeit. Dazu machen wir folgende Definition 2.6.8. Sei R ein kommutativer Integrit¨atsbereich. Ein Element p ∈ R heißt ein Primelement oder kurz prim, falls es (1) weder Null noch eine Einheit ist und falls (2) aus p|ab folgt p|a oder p|b. Bemerkung 2.6.9. Primelemente sind offensichtlich stets irreduzibel, aber irreduzible Elemente m¨ ussen im allgemeinen nicht prim sein. In einem faktoriellen Ring sind die Primelemente genau die irreduziblen Elemente. Um allerdings zu beweisen, daß ein Hauptidealring faktoriell ist, brauchen wir ein weiteres Lemma. Lemma 2.6.10. In einem Hauptidealring sind die Primelemente genau die irreduziblen Elemente. Beweis. Wir m¨ ussen nur zeigen, daß jedes irreduzible Element ein Primelement ist. Sei also R unser Hauptidealring und sei p ∈ R irreduzibel. Seien a, b ∈ R gegeben mit p|ab. Wir nehmen an p - a und folgern p|b. Denn sei (a, p) das von a und p erzeugte Ideal. Es ist nach Annahme ein Hauptideal, sagen wir (a, p) = (d). Da p irreduzibel ist, folgt (d) = (p) oder (d) = (1). Da p nicht a teilt, folgt (d) 6= (p), also (d) = (1) = R. Mithin k¨onnen wir schreiben 1 = ax + py f¨ ur geeignete x, y ∈ R. Es folgt b = abx + pby und aus p|ab erhalten wir wie gew¨ unscht p|b. Damit sind also alle irreduziblen Elemente in unserem Hauptidealring R Primelemente. Ist nun p01 ein Faktor unserer alternativen Zerlegung von a, 49
so gibt es ein i mit p01 |pi und damit p01 = u1 pi f¨ ur eine Einheit u1 . Wir setzen i = σ(1), k¨ urzen in beiden Produkten, und beenden den Beweis mit Induktion. ¨ Ubung 2.6.11. Der Quotient eines Hauptidealrings nach dem von einem irreduziblen Element erzeugten Ideal ist stets ein K¨orper. Bemerkung 2.6.12. Bis jetzt kennen wir außer Z und K¨orpern noch keinen einzigen Hauptidealring. Das wird sich jedoch gleich ¨andern. Definition 2.6.13. Ein euklidischer Ring ist ein kommutativer Integrit¨atsbereich mit einer Abbildung σ : R\0 → N derart, daß man f¨ ur alle a, b ∈ R mit a 6= 0 Elemente p, q ∈ R finden kann mit b = aq + r und r = 0 oder σ(r) < σ(a). Bemerkung 2.6.14. Grob gesagt ist also ein euklidischer Ring ein Integrit¨atsbereich, in dem man “teilen kann mit Rest”, wobei der Rest in einer pr¨azisen, durch σ spezifizierten Weise “kleiner” sein soll als der Teiler. Beispiele 2.6.15.
1. R = Z mit σ(n) = |n|.
2. R = k[X] f¨ ur einen K¨orper k und σ(P ) = grad P, siehe 2.3.9. 3. R = Z[i] = {x + y i | x, y ∈ Z}, σ(x + y i) = x2 + y 2 . Dieser Ring der sogenannten Gauss’schen Zahlen ist als Teilring von C zu verstehen. Wir werden dies Beispiel in ?? noch ausf¨ uhrlich besprechen. Satz 2.6.16. Jeder euklidische Ring ist ein Hauptidealring und damit insbesondere faktoriell. Beweis. Sei I ⊂ R ein Ideal. Ist I = 0, so ist I = (0) ein Hauptideal. Sonst finden wir a ∈ I\0 mit σ(a) kleinstm¨oglich. Wir behaupten I = (a). G¨abe es n¨amlich b ∈ I\(a), so k¨onnten wir schreiben b = aq + r mit r 6= 0 und σ(r) < σ(a). Nun gilt aber auch r = b−aq ∈ I, und das steht im Widerspruch zur Wahl von a.
2.7
Lokalisierung
Definition 2.7.1. Gegeben ein Monoid (M, ◦) und eine Teilmenge T ⊂ M notieren wir |T i = |T, ◦i = hT ; Moni das von T in M erzeugte Untermonoid. Bemerkung 2.7.2. Gegeben eine Teilmenge S eines Rings R bezeichnen wir mit |Si = |S, ·i ihr Monoid-Erzeugnis bez¨ uglich der Multiplikation, d.h. die Menge aller endlichen Produkte von Elementen von S einschließlich der 1 als dem “Produkt u ¨ber die leere Menge”. 50
Definition 2.7.3. Gegeben ein Kring R und eine Teilmenge S ⊂ R konstruieren wir einen neuen Kring S −1 R Etwas vage gesprochen soll er der Kring der “Br¨ uche mit Z¨ahlern aus R und ¨ Nennern Produkten von Elementen von S” werden. Ublicherweise heißt er die Lokalisierung von R nach S aus geometrischen Gr¨ unden, die wir in 2.7.8 erl¨autern. Die Konstruktion geht wie folgt: Wir betrachten die Menge R × |Si und definieren darauf eine Relation ∼ durch die Vorschrift (a, s) ∼ (b, t) genau dann, wenn es r ∈ |Si gibt mit atr = bsr. ¨ Diese Relation ist eine Aquivalenzrelation, wir bezeichnen die Menge der −1 ¨ ¨ Aquivalenzklassen mit S R und die Aquivalenzklasse von (a, s) mit as oder upfungen + und · durch a/s oder as−1 . Dann definieren wir auf S −1 R Verkn¨ die Regeln a b at + bs a b ab + = und · = s t st s t st und u upfungen wohldefi¨berlassen dem Leser den Nachweis, daß diese Verkn¨ niert sind und S −1 R zu einem Kring machen. Satz 2.7.4 (Universelle Eigenschaft der Lokalisierung). Sei R ein kommutativer Ring und S ⊂ R eine Teilmenge. 1. Die Abbildung can = canl : R → S −1 R, r 7→ r/1 ist ein Ringhomomorphismus, unter dem jedes Element von S auf eine Einheit von S −1 R abgebildet wird. 2. Ist ϕ : R → A ein Ringhomomorphismus, unter dem jedes Element von S auf eine Einheit abgebildet wird, in Formeln ϕ(S) ⊂ A× , so faktorisiert ϕ eindeutig u ¨ber S −1 R, es gibt also in Formeln genau einen Ringhomomorphismus ϕ˜ : S −1 R → A mit ϕ = ϕ˜ ◦ can . Beweis. Das Inverse von s/1 in S −1 R ist 1/s und der Rest der ersten Behauptung ist klar. Im zweiten Teil k¨onnen und m¨ ussen wir ϕ˜ definieren durch ϕ(r/s) ˜ = ϕ(r)ϕ(s)−1 , wie der Leser selbst pr¨ ufen mag. ¨ Ubung 2.7.5. Sei R ein Kring und S ⊂ R eine Teilmenge. Genau dann ist can : R → S −1 R ein Isomorphismus, wenn S aus Einheiten von R besteht, in Formeln S ⊂ R× . Ist T ⊂ R eine zweite Teilmenge, so ist die offensichtliche ∼ Abbildung ein Isomorphismus (can T )−1 (S −1 R) → (S ∪ T )−1 R.
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¨ Ubung 2.7.6 ( Lokalisierung vertauscht mit Restklassenbildung). Seien R ein Kring und S, B ⊂ R zwei Teilmengen. Wir betrachten den Restklassenring nach dem von B erzeugten Ideal R/(B) und dessen Lokalisierung nach dem Bild von S, also den Ring (canq S)−1 (R/(B)). Wir betrachten weiter die Lokalisierung S −1 R und deren Restklassenring nach dem vom Bild von B darin erzeugten Ideal (S −1 R)/(canl B). Man konstruiere einen kanonischen Isomorphismus ∼
(canq S)−1 (R/(B)) → (S −1 R)/(canl B) zwischen diesen Ringen und zeige, daß er und seine Umkehrung jeweils die einzigen Ringhomomorphismen zwischen besagten Ringen sind, die vertr¨aglich sind mit der kanonischen Abbildung von R in unsere beiden Ringe. (Hinweis: Beide Seiten teilen eine universelle Eigenschaft.) Bemerkung 2.7.7. Einige Spezialf¨alle verdienen Beachtung. Im Fall 0 ∈ S wird S −1 R der Nullring, wie man an der Definition sofort sieht. Falls S keine Nullteiler enth¨alt, so ist die Abbildung can : R → S −1 R injektiv. Ist R ein Integrit¨atsbereich und 0 6∈ S, so ist auch S −1 R ein Integrit¨atsbereich, und ist speziell S = R\0, so wird S −1 R sogar ein K¨orper. Wir nennen in diesem Fall S −1 R den Quotientenk¨ orper des Integrit¨ atsbereichs R und schreiben −1 S R = Quot R. Es ist nat¨ urlich etwas ungl¨ ucklich, daß Quotientenringe alias Restklassenringe so etwas anderes sind als Quotientenk¨orper, aber damit m¨ ussen Sie leben. Bemerkung 2.7.8. Ist k ein K¨orper, so bezeichnet man den Quotientenk¨orper des Polynomrings mit Quot k[X] = k(X) und nennt seine Elemente gebro¨ chen rationale Funktionen. Ahnlich schreibt man bei mehreren Ver¨anderlichen Quot k[X1 , . . . , Xn ] = k(X1 , . . . , Xn ). Ist k unendlich, so kann man sich die Elemente von k(X) als “fast u ¨berall definierte k-wertige Funktionen auf k” vorstellen. Etwas formaler betrachten wir im Ring Ens(k, k) aller Abbildungen von k nach k das Ideal N derjenigen Funktionen, die an allen außer endlich vielen Stellen verschwinden, und nennen Ens(k, k)/N den Ring der “fast u ¨berall definierten Funktionen auf k”. Dann liefert die universelle Eigenschaft eine Einbettung k(X) ,→ {fast u ¨berall definierte Funktionen auf k} Man definiert f¨ ur jede gebrochen rationale Funktion f ∈ k(X) ihren Definitionsbereich D(f ) ⊂ k als die Menge aller Punkte a ∈ k derart, daß f sich schreiben l¨aßt als Quotient von zwei Polynomen f = g/h mit h(a) 6= 0. ˆ mit h(a) 6= 0 6= h(a), ˆ Haben wir zwei solche Darstellungen f = g/h = gˆ/h
52
ˆ so gilt offensichtlich g(a)/h(a) = gˆ(a)/h(a) und wir definieren f (a) als diesen gemeinsamen Wert. In diesem Sinne liefert also jedes f ∈ k(X) eine Abbildung f : D(f ) → k Die endlich vielen Punkte außerhalb des Definitionsbereichs von f heißen die Polstellen von f. Ist k ein unendlicher K¨orper, a ∈ k ein Punkt und S die Menge aller Polynome, die bei a nicht verschwinden, so k¨onnen wir S −1 k[X] auffassen als die Menge aller gebrochen rationalen Funktionen, die bei a keine Polstelle haben. Unsere Konstruktion macht also aus dem Ring k[X] von “global auf ganz k definierten Funktionen” den Ring S −1 k[X] von Funktionen, die nur “lokal um a definiert” sind (und die an anderen Stel¨ len Pole haben d¨ urfen). Ahnliches gilt bei mehreren Ver¨anderlichen. Diese Anschauung mag erkl¨aren, warum auch ganz allgemein die Ringe S −1 R als “Lokalisierungen von R” bezeichnet werden. Bemerkung 2.7.9. Besteht S = {f } nur aus einem Element, so benutzt man f¨ ur die Lokalisierung nach S auch die Notationen S −1 R = Rf = R[f −1 ] ¨ Ubung 2.7.10. Ist speziell f die Variable f = X in einem Polynomring R[X], so schreibt man kurz R[X][X −1 ] = R[X, X −1 ] und nennt diesen Ring den Ring der Laurentpolynome u ¨ber R. Man zeige, daß sich jedes Ele−1 ment von R[X, X ] eindeutig darstellen l¨aßt als eine Linearkombination P i a i∈Z i X mit Koeffizienten ai ∈ R, fast alle ai = 0.
2.8
Primfaktorzerlegung in Polynomringen
Bemerkung 2.8.1. Der Polynomring k[X] mit Koeffizienten in einem K¨orper k ist euklidisch, mithin ein Hauptidealring und ein faktorieller Ring. Seine irreduziblen Elemente nennt man irreduzible Polynome. Wir zeigen im folgenden, daß sogar der Polynomring u ¨ber jedem faktoriellen Ring wieder faktoriell ist. Bemerkung 2.8.2. In Zusammenh¨angen, in denen wir mit mehreren K¨orpern gleichzeitig arbeiten, werden wir pr¨aziser von k-irreduziblen Polynomen reden, da dieser Begriff ganz entscheidend von k abh¨angt. Zum Beispiel ist das Polynom X 2 + 1 zwar R-irreduzibel, aber keineswegs C-irreduzibel. ¨ Ubung 2.8.3. Sei k ein K¨orper. Man zeige: (1) Alle Polynome vom Grad 1 sind irreduzibel in k[X]. (2) Ist P ∈ k[X] irreduzibel und grad P > 1, so hat P keine Nullstelle in k. (3) Ist P ∈ k[X] vom Grad grad P ≤ 3 und hat P keine Nullstelle in k, so ist P irreduzibel in k[X]. (4) Ist k algebraisch 53
abgeschlossen, so sind die irreduziblen Polynome in k[X] genau die Polynome vom Grad 1. P Definition 2.8.4. Sei R ein faktorieller Ring. Ein Polynom ri=0 ai X i ∈ R[X] heißt primitiv genau dann, wenn seine Koeffizienten “gr¨oßten gemeinsamen Teiler 1 haben”, wenn es also formal kein irreduzibles Element in R gibt, das alle Koeffizienten ai unseres Polynoms teilt. Bemerkung 2.8.5. Ich bin nicht vollst¨andig gl¨ ucklich dar¨ uber, daß mit dieser Definition auch alle Einheiten von R primitive Polynome in R[X] sind, aber ¨ hier noch zus¨atzliche Bedingungen zu stellen schien mir ein gr¨oßeres Ubel. Lemma 2.8.6 (von Gauss). Gegeben primitive Polynome mit Koeffizienten in einem faktoriellen Ring ist auch ihr Produkt primitiv. Beweis. Sei R unser faktorieller Ring und seien P, Q ∈ R[X] primitive Polynome. W¨are P Q nicht primitiv, so g¨abe es ein irreduzibles p ∈ R mit ¯ = 0 in (R/pR)[X]. Da aber p irreduzibel ist, w¨are R/pR ein P Q = P¯ Q ¯ = 0 Integrit¨atsbereich. Dasselbe g¨alte dann f¨ ur (R/pR)[X], und aus P¯ Q ¯ = 0, im Widerspruch zu unserer Annahme P, Q folgte damit P¯ = 0 oder Q primitiv. Satz 2.8.7 (Polynomringe u ¨ ber faktoriellen Ringen). Ist R ein faktorieller Ring, so ist auch der Polynomring R[X] ein faktorieller Ring und die irreduziblen Elemente von R[X] sind genau: 1. alle irreduziblen Elemente von R; 2. alle primitiven Polynome aus R[X], die irreduzibel sind in (Quot R)[X]. Beweis. Man sieht leicht, daß die unter 1 und 2 aufgef¨ uhrten Elemente irreduzibel sind. Wir nennen sie f¨ ur den Moment mal die 1&2-Irreduziblen von R[X]. Gegeben P ∈ R[X] zerlegen wir P = Q1 . . . Qn als Produkt ˜ i mit von irreduziblen Polynomen in (Quot R)[X] und schreiben Qi = ci Q ˜ i ∈ R[X] primitiv. So erhalten wir eine Zerlegung ci ∈ (Quot R)× und Q ˜ ˜ ˜ P = cQ1 . . . Qn mit Qi ∈ R[X] primitiv und irreduzibel in (Quot R)[X] sowie ˜1 . . . Q ˜ n primitiv ist nach dem Lemma c ∈ (Quot R)× . Da nun das Produkt Q von Gauss folgt c ∈ R, wir k¨onnen also c faktorisieren in c = up1 . . . pr mit u ∈ R× , pi ∈ R irreduzibel und folgern so die Existenz einer Zerlegung von P in ein Produkt einer Einheit mit 1&2-Irreduziblen. Das zeigt insbesondere, daß wir unter 1 und 2 in der Tat alle irreduziblen Elemente von R aufgelistet haben. Ist P = u0 p01 . . . p0r0 S1 . . . Sn0 eine andere Zerlegung von P in ein Produkt einer Einheit mit irreduziblen Elementen, sagen wir u0 ∈ R× , p0i ∈ R irreduzibel und Sj ∈ R[X] primitiv und irreduzibel in (Quot R)[X], so liefert 54
die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung in (Quot R)[X] zun¨achst n = n0 ˜ σ(i) f¨ und Si = qi Q ur geeignetes σ ∈ Sn und qi ∈ (Quot R)× . Dann folgt qi ∈ R× , und schließlich aus der Faktorialit¨at von R die Gleichheit r = r0 sowie die Existenz einer Permutation τ ∈ Sr und von Einheiten ui ∈ R× mit p0i = ui pτ (i) . Korollar 2.8.8. F¨ ur jeden K¨orper k ist der Polynomring k[X1 , . . . , Xn ] faktoriell, Sogar Z[X1 , . . . , Xn ] ist ein faktorieller Ring. ¨ Ubung 2.8.9. In einem Polynomring in mindestens einer Variable u ¨ber einem K¨orper gibt es stets unendlich viele normierte irreduzible Polynome. (Man multipliziere sonst alle zusammen und ziehe 1 ab.) Korollar 2.8.10. Sei k ein K¨orper und seien f, g ∈ k[X, Y ] zwei Polynome ohne gemeinsamen nichtkonstanten Teiler. So haben f und g h¨ochstens endlich viele gemeinsame Nullstellen. Bemerkung 2.8.11. In 2.11.2 werden wir genauer die “Schranke von Bezout” f¨ ur die maximal m¨ogliche Zahl gemeinsamer Nullstellen herleiten. Beweis. Unsere Polynome haben erst recht außer Einheiten keine gemeinsamen Teiler in (k(X))[Y ], und da dieser Ring ein Hauptidealring ist, gibt es notwendig p, q ∈ (k(X))[Y ] mit 1 = pf + qg oder, nach Multiplikation mit dem Hauptnenner a von p und q, a = p˜f + q˜g mit 0 6= a ∈ k[X] und p˜, q˜ ∈ k[X, Y ]. Die endlich vielen Nullstellen von a sind also die einzigen x-Koordinaten, die f¨ ur gemeinsame Nullstellen von f und g in Frage kommen. Ebenso kommen auch nur endlich viele y-Koordinaten in Frage und das Korollar folgt.
2.9
Kreisteilungspolynome
Bemerkung 2.9.1. Um Polynome mit Koeffizienten in Z als irreduzibel zu entlarven, ist das folgende Kriterium außerordentlich hilfreich. Satz 2.9.2 (Eisensteinkriterium). Sei P = an X n + . . . + a0 ∈ Z[X] und p eine Primzahl. Gilt p - an , p|an−1 , . . . , p|a0 aber p2 - a0 , so ist P irreduzibel in Q[X]. Beweis. Ist P nicht irreduzibel in Q[X], so besitzt es nach 2.8.7 eine Faktorisierung P = QR in Z[X] mit Q, R 6∈ Z. Wir reduzieren die Koeffizienten modulo p und folgern in Fp [X] eine Faktorisierung P = QR 55
mit nicht konstanten Q, R. Nach Annahme haben wir aber P = an X n mit an 6= 0. Es folgt Q = bX r und R = cX s f¨ ur geeignete b, c ∈ F× p und r, s > 0. Daraus folgt hinwiederum, daß die konstanten Terme von Q und R durch p teilbar sind, und dann muß der konstante Term von QR = P teilbar sein durch p2 , im Widerspruch zur Annahme. Bemerkung 2.9.3. Besonders interessant wird f¨ ur uns die Zerlegung der Pon lynome X − 1 in irreduzible Faktoren in Z[X] sein. Die komplexen Nullstellen von X n − 1 heißen auch die komplexen n-ten Einheitswurzeln. Sie bilden in der komplexen Zahlenebene die Ecken eines in den Einheitskreis eingeschriebenen regelm¨aßigen n-Ecks. In C[X] gilt nat¨ urlich Y Xn − 1 = (X − ζ) ζ n =1
Bilden wir in C[X] die Polynome Φd (X) =
Y
(X − ζ)
ord ζ=d
so gilt offensichtlich Xn − 1 =
Y
Φd (X)
d|n
Insbesondere folgt mit Induktion Φn (X) ∈ Z[X] f¨ ur alle n ≥ 1. Dies Polynom Φn heißt das n-te Kreisteilungspolynom oder gebildet griechisch das n-te zyklotomische Polynom. Nat¨ urlich haben wir f¨ ur p > 1 stets die Zerlegung X p − 1 = (X − 1)(X p−1 + X p−2 . . . + X + 1), also ist f¨ ur p prim der zweite Faktor das p-te Kreisteilungspolynom Φp . Korollar 2.9.4. Gegeben eine Primzahl p ist das p-te Kreisteilungspolynom Φp (X) = X p−1 + X p−2 . . . + X + 1 irreduzibel in Q[X]. Bemerkung 2.9.5. Wir werden in 4.4.2 allgemeiner zeigen, daß alle Kreisteilungspolynome irreduzibel sind in Q[X]. Beweis. Wir k¨ urzen Φp (X) = Q(X) ab und haben X p − 1 = (X − 1)Q(X). Reduzieren wir diese Gleichung modulo p und beachten X p − 1 = (X − 1)p ¯ in Fp [X], so folgt Q(X) = (X − 1)p−1 in Fp [X] und nach der Substitution ¯ + 1) = Y p−1 in Fp [Y ]. Jetzt pr¨ X = Y + 1 haben wir Q(Y ufen wir explizit, daß der konstante Term von Q(Y + 1) genau p ist und haben gewonnen nach dem Eisensteinkriterium.
56
Bemerkung 2.9.6. Nach ersten Rechnungen mag man vermuten, daß als Koeffizienten von Kreisteilungspolynomen nur 1, 0 und −1 in Frage kommen. Das erste Gegenbeispiel f¨ ur diese Vermutung liefert das 105-te Kreisteilungs7 polynom, in dem X mit dem Koeffizienten 2 auftritt. Man kann allgemeiner sogar zeigen, daß jede ganze Zahl als Koeffizient mindestens eines Kreisteilungspolynoms vorkommt [Suz87, SDAT00].
2.10
Symmetrische Polynome
Definition 2.10.1. Sei k ein Ring. F¨ ur jede Permutation σ ∈ Sn setzen wir die Identit¨at auf k fort zu einem Ringhomomorphismus σ : k[X1 , . . . , Xn ] → k[X1 , . . . , Xn ] Xi 7→ Xσ(i) Ein Polynom f ∈ k[X1 , . . . , Xn ] heißt symmetrisch genau dann, wenn gilt f = σf ∀σ ∈ Sn . Die Menge aller symmetrischen Polynome notieren wir k[X1 , . . . Xn ]Sn . Sie ist ein Teilring von k[X1 , . . . , Xn ]. Bemerkung 2.10.2. Operiert ganz allgemein eine Gruppe G auf einem Ring R durch Ringhomomorphismen, so bilden die Invarianten stets einen Teilring RG , den Invariantenring. Um sp¨ater darauf zur¨ uckgreifen zu k¨onnen bemerken wir bereits hier, daß unsere Gruppe dann nat¨ urlich auch auf dem Polynomring u ¨ber R in einer oder mehreren Ver¨anderlichen operiert und daß die Invarianten des Polynomrings zusammenfallen mit dem Polynomring u ¨ber dem Invariantenring, in Formeln R[X]G = RG [X]. Beispiele 2.10.3. Das Produkt X1 . . . Xn und die Summe X1 + . . . + Xn sind symmetrische Polynome. Allgemeiner definieren wir die elementarsymmetrischen Polynome in n Ver¨anderlichen si (X1 , . . . , Xn ) ∈ Z[X1 , . . . , Xn ]Sn durch die Vorschrift (T − X1 )(T − X2 ) . . . (T − Xn ) = T n − s1 T n−1 + s2 T n−2 − . . . ± sn so daß wir also haben
! si =
X
Y
|I|=i
j∈I
Xj
wo die Summe u ¨ber alle i-elementigen Teilmengen I ⊂ {1, . . . , n} l¨auft. Speziell ergibt sich s1 = X1 + . . . + Xn und sn = X1 . . . Xn . Bemerkung 2.10.4. GegebenQein kommutativer Ring k sind f¨ ur αi ∈ k die Koeffizienten des Polynoms (T − αi ) ∈ k[T ] per definitionem bis auf Vorzeichen die elementarsymmetrischen Funktionen in den αi . Grob gesprochen sind also die Koeffizienten eines Polynoms die elementarsymmetrischen Funktionen in seinen Nullstellen. 57
Satz 2.10.5 (u ¨ ber symmetrische Polynome). Alle symmetrischen Polynome sind polynomiale Ausdr¨ ucke in den elementarsymmetrischen Polynomen, und die elementarsymmetrischen Polynome si sind algebraisch unabh¨angig. F¨ ur einen beliebigen Ring k haben wir also in Formeln k[X1 , . . . , Xn ]Sn = k[0 s1 , . . . , sn ] Beispiel 2.10.6. Wir haben X13 + X23 + X33 = s31 − 3s1 s2 + 3s3 . Beweis. Nur die Inklusion ⊂ ist problematisch. Wir betrachten dazu auf Nn die lexikographische Ordnung, also (5, 1, 3) ≥ (4, 7, 1) ≥ (4, 7, 0) ≥ (4, 6, 114) im Fall n = 3. In Formeln ist sie induktiv definiert durch (i1 , . . . , in ) ≥ (j1 , . . . , jn ) ⇔
i1 > j 1 . oder i1 = j1 und (i2 , . . . , in ) ≥ (j2 , . . . , jn )
Bez¨ uglich dieser Ordnung gibt es in Nn keine unendlichen streng monoton P fallenden Folgen. F¨ ur ein von Null verschiedenes Polynom 0 6= f = cα X α n nennen wir das gr¨oßte α ∈ N mit cα 6= 0 seinen “Leitindex”. G¨alte unsere Inklusion ⊂ nicht, so k¨onnten wir unter allen symmetrischen Funktionen außerhalb von k[s1 , . . . , sn ] ein f mit kleinstm¨oglichem Leitindex α ausw¨ahlen. Da f symmetrisch ist, hat sein Leitindex notwendig die Gestalt α = (i1 , . . . , in ) mit i1 ≥ . . . ≥ in Bilden wir nun i
n−1 si11 −i2 s2i2 −i3 . . . sn−1
−in in sn
= g,
so hat g denselben Leitindex wie f und die Differenz f − cα g ist entweder identisch null oder hat zumindest einen echt kleineren Leitindex, geh¨ort also zu k[s1 , . . . , sn ]. Dann geh¨ort aber auch f selbst zu k[s1 , . . . , sn ] im Widerspruch zu unseren Annahmen. Um die lineare Unabh¨angigkeit der Monome sβ1 1 . . . sβnn in den elementarsymmetrischen Funktionen zu zeigen beachten wir, daß diese Monome paarweise verschiedene Leitindizes haben. Ist nun eine Linearkombination unserer Monome null, so notwendig auch der Koeffizient des Monoms mit dem gr¨oßten Leitindex, und dann induktiv alle Koeffizienten. Beispiel 2.10.7. Wir versuchen, ∆ = (X1 − X2 )2 (X2 − X3 )2 (X3 − X1 )2 durch elementarsymmetrische Funktionen auszudr¨ ucken. Unser Polynom hat den Totalgrad 6, wir machen also den Ansatz ∆ = As61 + Bs41 s2 + Cs31 s3 + Ds21 s22 + Es1 s2 s3 + F s23 + Gs32 58
Da in ∆ keine Monome X16 oder X15 X2 vorkommen, gilt A = B = 0. Setzen wir X3 = 0, so folgt (X1 X2 )2 (X12 − 2X1 X2 + X22 ) = D(X1 + X22 )2 (X1 X2 )2 + G(X1 X2 )3 , also D = 1 und G = −4. Wir sind damit schon angekommen bei einer Darstellung der Form ∆ = Cs31 s3 + s21 s22 + Es1 s2 s3 + F s23 − 4s32 Z¨ahlen wir die Monome X14 X2 X3 auf beiden Seiten, so folgt C = −4. Setzen wir jetzt f¨ ur (X1 , X2 , X3 ) speziell die Werte (1, 1, −1) und (2, −1, −1) ein, so erhalten f¨ ur (s1 , s2 , s3 ) die Werte (1, −1, −1) und (0, −3, 2) und finden 4 + 1 + E + F + 4 = 0 = 4F + 4 · 27 woraus sofort folgt F = −27, E = 18 und dann als Endresultat ∆ = s21 s22 − 4s31 s3 + 18s1 s2 s3 − 27s23 − 4s32 Ein kubisches Polynom T 3 + aT 2 + bT + c = (T − α)(T − β)(T − γ) mit Koeffizienten a, b, c und Nullstellen α, β, γ in einem Integrit¨atsbereich k hat also mehrfache Nullstellen genau dann, wenn gilt 0 = a2 b2 − 4a3 c + 18abc − 27c2 − 4b3 . Man nennt das Negative dieses Ausdrucks in den Koeffizienten auch die Diskriminante des kubischen Polynoms, wobei wir das Vorzeichen nur einf¨ uhren, um keine Unstimmigkeiten mit der allgemeinen Definition 2.10.10 aufkommen zu lassen. Hier sind jedoch auch andere Konventionen in Gebrauch. Bemerkung 2.10.8. Ist speziell T 3 + pT + q = (T − α)(T − β)(T − γ) ein Polynom mit Nullstellen α, β, γ ohne quadratischen Term, so ergibt sich f¨ ur die Diskriminante die Formel −(α − β)2 (β − γ)2 (γ − α)2 = 4p3 + 27q 2 Satz 2.10.9. Sei n ≥ 1 gegeben. Es gibt ein Polynom D = Dn ∈ Z[S1 , . . . , Sn ] derart, daß f¨ ur jeden beliebigen Integrit¨atsbereich k und jedes normierte Pon lynom T + an−1 T n−1 + . . . + a1 T + a0 ∈ k[T ], das in k[T ] vollst¨andig in Linearfaktoren zerf¨allt, gleichbedeutend sind: 1. D(an−1 , . . . , a1 , a0 ) = 0; 2. Das Polynom T n +an−1 T n−1 +. . . +a1 T +a0 hat mehrfache Nullstellen.
59
Beweis. Wir betrachten im Polynomring Z[X1 , . . . , Xn ] das symmetrische Q Polynom ∆n = i6=j (Xi −Xj ). Es l¨aßt sich nach 2.10.5 schreiben als Polynom ˜ n (s1 , . . . , sn ). Setzen wir in den elementarsymmetrischen Polynomen, ∆n = D n f¨ ur X1 , . . . , Xn die Nullstellen x1 , . . . , xn von T + an−1 T n−1 + . . . + a1 T + a0 ein, so folgt ˜ n (−an−1 , an−2 , −an−3 , . . . , ±a0 ) ∆n (x1 , . . . , xn ) = D = Dn (an−1 , an−2 , an−3 , . . . , a0 ) f¨ ur ein Polynom D = Dn ∈ Z[S1 , . . . , Sn ], dessen pr¨azise Definition nun hoffentlich klar ist und das unser Problem l¨ost. Definition 2.10.10. Der Ausdruck D(an−1 , . . . , a1 , a0 ) wie er zum Schluß des vorhergehenden Beweises erkl¨art wird heißt die Diskriminante unseres normierten Polynoms T n + an−1 T n−1 + . . . + a1 T + a0 .
2.11
Die Schranke von Bezout
Definition 2.11.1. Ein Polynom in zwei Ver¨anderlichen Y ] k¨onnen Pf ∈ k[X, wir in eindeutiger Weise schreiben in der Gestalt f = cpq X p Y q mit cpq ∈ k. Wir definieren den Grad oder genauer den Totalgrad von f durch die Vorschrift grad f = sup{p + q | cpq 6= 0} Speziell geben wir dem Nullpolynom den Grad −∞. Analog definieren wir auch den Grad eines Polynoms in mehr Ver¨anderlichen. Satz 2.11.2 (Schranke von Bezout). Sei k ein K¨orper und seien im Polynomring in zwei Ver¨anderlichen u ¨ber k zwei von Null verschiedene Polynome f, g ohne gemeinsamen nichtkonstanten Teiler gegeben. So gibt es in k 2 h¨ochstens (grad f )(grad g) gemeinsame Nullstellen von f und g. Bemerkung 2.11.3. Ist k algebraisch abgeschlossen und z¨ahlt man die gemeinsamen Nullstellen von f und g mit geeignet definierten Vielfachheiten und nimmt auch noch die “Nullstellen im Unendlichen” mit dazu, so haben f und g sogar genau (grad f )(grad g) gemeinsame Nullstellen in diesem verfeinerten Sinne. Die Details dazu k¨onnen Sie in der algebraischen Geometrie lernen. Beweis. Sicher reicht es, wenn wir unsere Schranke zeigen f¨ ur geeignet trans∼ formierte Polynome f ◦ ϕ, g ◦ ϕ mit ϕ ∈ GL(2, k), d.h. ϕ : k 2 → k 2 linear. Wir interessieren uns hier insbesondere f¨ ur die Scherungen ϕa : k 2 → k 2 , (x, y) 7→ (x + ay, y) mit a ∈ k und behaupten 60
Lemma 2.11.4. Sei f ∈ k[X, Y ] ein Polynom vom Totalgrad grad f = n. So enth¨alt f ◦ ϕa f¨ ur fast alle a ∈ k einen Term cY n mit c 6= 0. Beweis. Das ist klar. Wir wissen nach 2.8.10 schon, daß unsere beiden Polynome h¨ochstens endlich viele gemeinsame Nullstellen haben k¨onnen. Ist k unendlich (und jeder K¨orper l¨aßt sich in einen unendlichen K¨orper einbetten), so finden wir nun a ∈ k derart, daß unsere transformierten Polynome f ◦ ϕa bzw. g ◦ ϕa beide Monome der Gestalt cY n bzw. dY m enthalten, f¨ ur n = grad f, m = grad g, und daß zus¨atzlich die gemeinsamen Nullstellen unserer transformierten Polynome paarweise verschiedene x-Koordinaten haben. Ohne Beschr¨ankung der Allgemeinheit d¨ urfen wir also annehmen, daß unsere Polynome f und g die Gestalt f = Y n + an−1 (X)Y n−1 + . . . + a0 (X) g = Y m + bm−1 (X)Y m−1 + . . . + b0 (X) haben mit ai , bj ∈ k[X], grad ai ≤ n − i, grad bj ≤ m − j, und daß dar¨ uber hinaus die gemeinsamen Nullstellen von f und g paarweise verschiedene xKoordinaten haben. Die x-Koordinaten gemeinsamer Nullstellen sind aber genau die Nullstellen der im folgenden definierten Resultante R(f, g) ∈ k[X], und unsere Gradabsch¨atzungen an die ai und bj zeigen, daß diese Resultante als Polynom in X h¨ochstens den Grad nm hat. Satz 2.11.5 (u ¨ ber die Resultante). Gegeben m, n ≥ 0 gibt es genau ein Polynom mit ganzzahligen Koeffizienten in n + m Ver¨anderlichen, sagen wir R ∈ Z[a0 , . . . , an−1 , b0 , . . . , bm−1 ] derart, daß unter der Substitution der ai und bj durch diejenigen Elemente von Z[ζ1 , . . . , ζn , ξ1 , . . . , ξm ], die erkl¨art sind durch die Gleichungen X n + an−1 X n−1 + . . . + a0 = (X − ζ1 ) . . . (X − ζn ) X m + bm−1 X m−1 + . . . + b0 = (X − ξ1 ) . . . (X − ξm ) im Polynomring in den ζi und ξj gilt R(a0 , . . . an−1 , b0 , . . . , bm−1 ) =
n,m Y
(ζi − ξj )
i=1,j=1
Bemerkung 2.11.6. Gegeben normierte Polynome f (X) = X n + an−1 X n−1 + . . . + a0 und g(X) = X m + bm−1 X m−1 + . . . + b0 mit Koeffizienten in einem Kring k benutzen wir auch die Abk¨ urzung R(a0 , . . . , an−1 , b0 , . . . , bm−1 ) = R(f, g) 61
und nennen dies Element von k die Resultante von f und g. Ist k ein algebraisch abgeschlossener K¨orper, so verschwindet die Resultante von zwei normierten Polynomen mit Koeffizienten in k per definitionem genau dann, wenn die beiden Polynome mindestens eine gemeinsame Nullstelle haben. Beispiel 2.11.7. Im Fall m = n = 2 haben wir a0 = ζ1 ζ2 , a1 = −(ζ1 + ζ2 ) b0 = ξ1 ξ2 , b1 = −(ξ1 + ξ2 ) und eine kurze Rechnung liefert (ζ1 − ξ1 )(ζ2 − ξ2 )(ζ1 − ξ2 )(ζ2 − ξ1 ) = (a0 − b0 )2 − (a0 + b0 )a1 b1 + a0 b21 + b0 a21 Der Ausdruck rechts in den Koeffizienten ist also die Resultante der Polynome f (X) = X 2 + a1 X + a0 und g(x) = X 2 + b1 X + b0 . Zum Beispiel sehen wir, daß im Fall a1 = b1 unsere Polynome f und g in einem algebraisch abgeschlossenen K¨orper genau dann eine gemeinsame Nullstelle haben, wenn gilt a0 = b0 . Das h¨atten wir nat¨ urlich auch so schon gewußt, aber es ist doch ganz beruhigend, unseren Argumenten mal in einem u ¨berschaubaren Spezialfall bei der Arbeit zuzusehen. Q Beweis. Das Polynom n,m i=1,j=1 (ζi − ξj ) ∈ Z[ζ1 , . . . , ζn ][ξ1 , . . . , ξm ] ist symmetrisch in den ξj und liegt folglich in Z[ζ1 , . . . , ζn ][b0 , . . . , bm ] = Z[b0 , . . . , bm ][ζ1 , . . . , ζn ] Unser Polynom ist aber auch symmetrisch in den ζi , folglich liegt es sogar in Z[b0 , . . . , bm ][a0 , . . . , am ].
62
3 3.1
K¨ orper Grundlagen und Definitionen
Beispiele 3.1.1. Ein K¨orper ist nach 2.2.3 ein kommutativer von Null verschiedener Ring, in dem jedes Element ungleich Null eine Einheit ist. Aus den Grundvorlesungen bekannt sind die K¨orper R und C der reellen und komplexen Zahlen sowie der K¨orper Q der rationalen Zahlen. Allgemeiner haben wir zu jedem Integrit¨atsbereich R seinen Quotientenk¨orper Quot R konstruiert, zum Beispiel ist Quot Z = Q unser K¨orper der rationalen Zahlen sowie Quot K[X] = K(X) der Funktionenk¨orper u ¨ber einem gegebenen K¨orper K. Weiter ist nach 2.6.11 der Restklassenring R/pR von einem Hauptidealring nach dem von einem irreduziblen Element p ∈ R erzeugten Ideal ein K¨orper, speziell die Restklassenringe Fp = Z/pZ f¨ ur p eine Primzahl in Z und K[X]/(P ) f¨ ur P ∈ K[X] ein irreduzibles Polynom im Polynomring K[X] u ber einem K¨ orper K. ¨ Definition 3.1.2. Eine Teilmenge eines K¨orpers heißt ein Unterko ¨rper genau dann, wenn sie ein Teilring und und mit der induzierten Ringstruktur ein K¨orper ist. Bemerkung 3.1.3. Sicher ist ein beliebiger Schnitt von Unterk¨orpern eines K¨orpers wieder ein Unterk¨orper. Ist K ein K¨orper und T ⊂ K eine Teilmenge, so heißt der kleinste Unterk¨orper von K, der T enth¨alt, der von T erzeugte Unterk¨ orper. Den kleinsten Unterk¨orper von K, in anderen Worten den von T = ∅ erzeugten Unterk¨orper nennt man den Primk¨ orper von K. Definition 3.1.4. Sei K ein K¨orper. Gibt es d > 0 derart, daß in unserem K¨orper K gilt 1+1+. . .+1 = 0 (d Summanden), so heißt das kleinstm¨ogliche derartige d > 0 die Charakteristik d = char K von K. Gibt es kein solches d, so sagen wir K habe die Charakteristik Null und schreiben char K = 0. In Formeln k¨onnen wir (char K) ∈ N auch charakterisieren durch die Identit¨at ker(Z → K) = Z char K f¨ ur Z → K den eindeutig bestimmten Ringhomomorphismus von Z nach K. Lemma 3.1.5 (zur Charakteristik). Die Charakteristik eines K¨orpers ist entweder Null oder eine Primzahl und es gilt: char K = 0 ⇔ char K = p > 0 ⇔
Der kleinste Unterk¨orper von K ist isomorph zu Q; Der kleinste Unterk¨orper von K ist isomorph zu Fp .
63
Beweis. Sei d = char K. Da wir eine Inklusion Z/dZ ,→ K haben, muß Z/dZ nullteilerfrei sein, also ist die Charakteristik eines K¨orpers entweder null oder eine Primzahl. Im Fall char K = p > 0 prim induziert Z → K einen Isomorphismus von Fp = Z/pZ auf einen Unterk¨orper von K. Im Fall d = 0 induziert Z → K einen Isomorphismus von Q = Quot Z auf einen Unterk¨orper von K. Man pr¨ uft leicht, daß die Bilder jeweils die kleinsten Unterk¨orper von K sind.
3.2
Algebraische K¨ orpererweiterungen
Definition 3.2.1. Eine Erweiterung eines gegebenen K¨orpers ist ein weiterer K¨orper, der den gegebenen K¨orper als Unterk¨orper enth¨alt. Man spricht in dieser Situation von einer K¨ orpererweiterung, schreibt statt L ⊃ K meist L/K und nennt K den Grundk¨ orper und L den Erweiterungsk¨ orper oder Oberk¨ orper der K¨orpererweiterung. Bemerkung 3.2.2. Eine K¨orpererweiterung ist demnach nichts wesentlich anderes als ein K¨orperhomomorphismus. Vom rein inhaltlichen Standpunkt aus w¨ urde ich lieber konsequent mit K¨orperhomomorphismen arbeiten, aber das w¨ urde die Notation unn¨otig aufbl¨ahen. Im weiteren Verlauf gehen wir dann jedoch mehr und mehr zu diesem Standpunkt u ¨ber. Definition 3.2.3. Gegeben eine K¨orpererweiterung L/K und Elemente des Erweiterungsk¨orpers α1 , . . . , αn ∈ L bezeichnet man mit K(α1 , . . . , αn ) ⊂ L den von K und den αi erzeugten Unterk¨orper von L. Er ist im allgemeinen verschieden von dem von K und den αi erzeugten Teilring K[α1 , . . . , αn ] ⊂ L. Bemerkung 3.2.4. Das Symbol K(X) kann nun leider auf zweierlei Arten interpretiert werden: Einerseits als der Quotientenk¨orper des Polynomrings K[X] u ¨ber K in einer Ver¨anderlichen X, andererseits als der von K und einem weiteren Element X in einem gr¨oßeren K¨orper L erzeugte Unterk¨orper. Wie viele Autoren benutzen wir nach M¨oglichkeit große Buchstaben vom Ende des Alphabets f¨ ur die “algebraisch unabh¨angigen” Variablen in einem Funktionenk¨orper, d.h. im ersten Fall, und kleine Buchstaben f¨ ur Elemente einer bereits gegebenen K¨orpererweiterung, d.h. im zweiten Fall. Definition 3.2.5. Ist eine K¨orpererweiterung erzeugt von einem einzigen Element u ¨ber dem Grundk¨orper, so nennt man sie eine einfache oder auch eine primitive K¨ orpererweiterung des Grundk¨orpers und das fragliche Element heißt ein primitives Element der K¨orpererweiterung. √ √ Beispiele 3.2.6. Wir haben R(i) = R[i] = C und Q[ 2] = Q( 2), aber K[X] 6= K(X). 64
Definition 3.2.7. Gegeben eine K¨orpererweiterung L/K ist L in nat¨ urlicher Weise ein K-Vektorraum. Wir setzen [L : K] = dimK L ∈ N ∪ {∞} und nennen diese Zahl den Grad der K¨ orpererweiterung. Eine K¨orpererweiterung von endlichem Grad heißt eine endliche K¨ orpererweiterung, eine Erweiterung vom Grad 2 eine quadratische Ko rpererweiterung . ¨ Bemerkung 3.2.8. Man kann sich fragen, warum man f¨ ur die Dimension eines K¨orpers u ¨ber einem Unterk¨orper u ¨ber dimK L hinaus eine eigene Notation einf¨ uhren sollte. Der Grund ist meines Erachtens, daß in der Notation dimK L der K¨orper K unten im Index steht und dadurch weniger wichtig erscheint, weshalb diese Notation f¨ ur das Arbeiten u ¨ber einem festen K¨orper K angemessen ist. In unserer Situation aber wollen wir mit vielen verschiedenen K¨orpern jonglieren, die alle gleichermaßen Hauptdarsteller sind, deshalb die Notation [L : K]. √ Beispiele 3.2.9. Es gilt [Q( 2) : Q] = 2, [C : R] = 2, [R : Q] = ∞. Definition 3.2.10. Sei L/K eine K¨orpererweiterung und α ∈ L. Gibt es ein vom Nullpolynom verschiedenes Polynom 0 6= Q ∈ K[X] mit Q(α) = 0, so heißt α algebraisch u ¨ ber K. Sonst heißt α transzendent u ¨ ber K. Unter einer algebraischen bzw. transzendenten Zahl versteht man eine komplexe Zahl, die algebraisch bzw. transzendent ist u ¨ber Q. Bemerkung 3.2.11. Gegeben eine K¨orpererweiterung L/K und ein Element α ∈ L betrachten wir die Auswertungsabbildung K[X] → L Q 7→ Q(α) Ist α transzendent, so ist diese Abbildung injektiv und induziert folglich einen ∼ Isomorphismus K(X) = Quot K[X] → K(α) ⊂ L. Den anderen Fall kl¨art der folgende Satz. Satz 3.2.12 (u ¨ ber das Minimalpolynom). Sei L/K eine K¨orpererweiterung und sei α ∈ L algebraisch u ¨ber K. 1. Es gibt in K[X] unter allen normierten Polynomen P mit P (α) = 0 genau eines von minimalem Grad, das sogenannte Minimalpolynom P = Irr(α, K) von α u ¨ ber K. 2. Dies Minimalpolynom ist stets irreduzibel in K[X] und jedes Polynom Q ∈ K[X] mit einer Nullstelle bei α ist ein Vielfaches des Minimalpolynoms von α. 65
3. Das Auswerten bei α definiert einen Isomorphismus ∼
K[X]/(Irr(α, K)) → K(α) 4. Vereinbaren wir die Abk¨ urzung grad(Irr(α, K)) = gradK α und nennen diese Zahl den Grad von α u ¨ ber K, so gilt [K(α) : K] = gradK α und f¨ ur d = gradK α bilden die Potenzen 1, α, α2 , . . . , αd−1 eine Basis des K-Vektorraums K(α). Bemerkung 3.2.13. Man beachte, daß das Minimalpolynom von α u ¨ber K nur in K[X] irreduzibel ist. In L[X] spaltet es nat¨ urlich zumindest einen Faktor (X − α) ab und ist reduzibel falls α 6∈ K. Beweis. Da K[X] ein Hauptidealring ist und da das Auswerten ϕα : K[X] → L, Q 7→ Q(α) keine Injektion ist, gibt es ein von Null verschiedenes und dann nat¨ urlich auch ein normiertes Polynom P ∈ K[X] mit ker(ϕα ) = (P ), und alle anderen normierten Polynome aus (P ) haben offensichtlich einen Grad, der echt gr¨oßer ist als der Grad von P. F¨ ur dies P haben wir weiter eine Einbettung K[X]/(P ) ,→ L, folglich ist K[X]/(P ) ein Integrit¨atsbereich und P irreduzibel, und damit ist K[X]/(P ) sogar ein K¨orper. Dann induziert aber ∼ offensichtlich die Einbettung einen Isomorphismus K[X]/(P ) → K(α). Nach 2.3.19 bilden f¨ ur d = grad P die Bilder der Potenzen 1, X, X 2 , . . . , X d−1 eine Basis von K[X]/(P ) u ¨ber K, und das zeigt schließlich die letzte Aussage. Proposition 3.2.14. Sei L/K eine K¨orpererweiterung. F¨ ur α ∈ L sind gleichbedeutend: 1. α ist algebraisch u ¨ber K. 2. [K(α) : K] < ∞. 3. Es gibt einen Zwischenk¨orper K ⊂ L0 ⊂ L mit [L0 : K] < ∞ und α ∈ L0 . Beweis. 1 ⇒ 2 ⇒ 3 sind offensichtlich. Aber falls gilt dimK L0 < ∞ k¨onnen die Potenzen αν von α f¨ ur ν = 0, 1, 2, . . . nicht alle K-linear unabh¨angig sein, also 3 ⇒ 1. Proposition 3.2.15 (Quadratische K¨ orpererweiterungen). F¨ ur eine K¨orpererweiterung L/K mit char K 6= 2 sind gleichbedeutend: 1. L/K ist eine quadratische K¨orpererweiterung, in Formeln [L : K] = 2. 2. L entsteht aus K durch Adjunktion einer Quadratwurzel, in Formeln L = K(α) f¨ ur ein α ∈ L − K mit α2 ∈ K. 66
Beweis. 2 ⇒ 1 ist klar. F¨ ur die andere Richtung 1 ⇒ 2 beachte man, daß jedes β ∈ L − K ja notwendig ein Minimalpolynom P (X) = X 2 + aX + b 2 vom Grad zwei hat. Schreiben wir das um zu P (X) = (X + a2 )2 + (b − a4 ), 2 so finden wir (β + a2 )2 = a4 − b und das gesuchte α ist α = β + a2 . Bemerkung 3.2.16. Wir werden sp¨ater sehen, daß der K¨orper F2 eine Erweiterung vom Grad 2 beitzt. Diese Erweiterung entsteht sicher nicht durch Adjunktion einer Quadratwurzel, da jedes Element von F2 seine eigene Quadratwurzel ist. Satz 3.2.17 (Multiplikativit¨ at des Grades). F¨ ur K¨orper M ⊃ L ⊃ K gilt [M : K] = [M : L][L : K] Beweis. Wir betrachten nur den endlichen Fall. Sei m1 , . . . , mr eine Basis von M u ¨ber L und l1 , . . . , ls eine Basis von L u ¨ber K. Wir behaupten, daß dann die Produkte li mj eine Basis von M u ber K bilden. Nat¨ urlich sind sie ein ¨P Erzeugendensystem. Gilt andererseits i,j kij li mj = 0 mit kij ∈ K, so folgt P zun¨achst i kij li = 0 f¨ ur alle j aufgrund der linearen Unabh¨angigkeit der mj u ur alle i, j aufgrund der linearen Unabh¨angigkeit ¨ber L und dann kij = 0 f¨ der li u ¨ber K. Korollar 3.2.18. Gegeben eine endliche K¨orpererweiterung ist jedes Element des großen K¨orpers algebraisch u ¨ber dem kleinen K¨orper und sein Grad u ¨ber dem kleinen K¨orper teilt den Grad der K¨orpererweiterung. Beweis. Sei L/K unsere K¨orpererweiterung und α ∈ L unser Element. Die Kette K ⊂ K(α) ⊂ L zeigt [L : K] = [L : K(α)][K(α) : K]. √ √ Beispiel 3.2.19. Es gilt 5 6∈ Q( 3 2). In der Tat sind √ nach 2.8.3 die Polynome 2 3 X − 5 und X − 2 irreduzibel in Q[X], also hat 5 den Grad 2 u ¨ber Q und √ 3 2 den Grad 3. Definition 3.2.20. Eine K¨orpererweiterung heißt algebraisch genau dann, wenn alle Elemente der Erweiterung algebraisch sind u ¨ber dem Grundk¨orper. Satz 3.2.21. endlich.
1. Jede endlich erzeugte algebraische K¨orpererweiterung ist
2. Sei L/K eine K¨orpererweiterung. Diejenigen Elemente von L, die algebraisch sind u ¨ber K, bilden einen Unterk¨orper von L. 3. Seien M ⊃ L ⊃ K K¨orper. Ist M algebraisch u ¨ber L und L algebraisch u ¨ber K, so ist M algebraisch u ¨ber K. 67
Beweis. 1. Sei L = K(α1 , . . . , αn ). Sind alle αi algebraisch u ¨ber K, so sind sie erst recht algebraisch u ¨ber K(α1 , . . . , αi−1 ). Wir betrachten die K¨orperkette K ⊂ K(α1 ) ⊂ K(α1 , α2 ) ⊂ . . . ⊂ K(α1 , . . . , αn ) = L Da hier alle Schritte endlich sind nach 3.2.14, ist auch L/K endlich nach 3.2.17. 2. Sind α und β ∈ L algebraisch u ¨ber K, so haben wir nach 3.2.21 schon mal [K(α, β) : K] < ∞, mithin sind Elemente von K(α, β) algebraisch u ¨ber K. 3. F¨ ur α ∈ M betrachten wir die Koeffizienten β0 , . . . , βr ∈ L seines Minimalpolynoms u ¨ber L. Dann ist α sogar algebraisch u ¨ber K(β0 , . . . , βr ) und der Turm von endlichen K¨orpererweiterungen K ⊂ K(β0 , . . . , βr ) ⊂ K(β0 , . . . , βr , α) zeigt, daß α algebraisch ist u ¨ber K. ¨ Ubung 3.2.22. Sei K ⊃ C eine K¨orpererweiterung von C. Gilt K 6= C, so kann der C-Vektorraum K nicht von einer abz¨ahlbaren Teilmenge erzeugt werden, d.h. K hat “¨ uberabz¨ahlbare Dimension” u ¨ber C. (Hinweis: Abz¨ahlbar viele gebrochen rationale Funktionen aus C(X) k¨onnen nur abz¨ahlbar viele Polstellen haben.)
3.3
Konstruktionen mit Zirkel und Lineal
Definition 3.3.1. Sei E ⊂ C eine Teilmenge der komplexen Zahlenebene. 1. Eine (reelle) Gerade durch zwei verschiedene Punkte von E heißt eine “aus E elementar konstruierbare Gerade”. 2. Ein Kreis durch einen Punkt von E mit Mittelpunkt in einem anderen Punkt von E heißt ein “aus E elementar konstruierbarer Kreis”. 3. Alle aus E elementar konstruierbaren Geraden und elementar konstruierbaren Kreise fassen wir zusammen unter dem Oberbegriff der “aus E elementar konstruierbaren Figuren”. 4. Ein Punkt z ∈ C heißt “elementar konstruierbar aus E” genau dann, wenn er im Schnitt von zwei verschiedenen aus E elementar konstruierbaren Figuren liegt. Satz 3.3.2 (Konstruierbarkeit und quadratische Erweiterungen). Die folgenden beiden Teilmengen K und Q von C stimmen u ¨berein: 68
1. Die kleinste Teilmenge K ⊂ C, die 0 und 1 enth¨alt und stabil ist unter elementaren Konstruktionen. 2. Der kleinste Teilk¨orper Q ⊂ C, der stabil ist unter dem Bilden von Quadratwurzeln. Definition 3.3.3. Wir nennen die Elemente von K die konstruierbaren Zahlen. Beweis. Wir beginnen mit der Inklusion Q ⊂ K. Offensichtlich ist K stabil unter Addition. Um die Stabilit¨at unter Multiplikation und Inversenbildung zu zeigen beachten wir, daß f¨ ur a ∈ C× gleichbedeutend sind: 1. a liegt in K; 2. |a| und
a |a|
liegen in K;
3. Re(a) und Im(a) liegen in K. Nun ist es unproblematisch, Punkte auf dem Einheitskreis mithilfe von Zirkel und Linal zu invertieren und zu multiplizieren. Daß das auch f¨ ur reelle Zahlen m¨oglich ist, zeigen die folgenden Abbildungen: Also ist K ein Teilk¨orper von C. Er ist aber auch stabil unter dem Bild von Quadratwurzeln: In der Tat ist klar, wie wir die Wurzeln von Punkten auf dem Einheitskreis mit Zirkel und Lineal bestimmen k¨onnen, und daß das Wurzelziehen mit Zirkel und Lineal aus einer positiven reellen Zahl m¨oglich ist, zeigt das folgende Bild, in dem ja gilt (h2 + a2 ) + (h2 + 12 ) = (a + 1)2 , also h2 = a. Also ist K ⊂ C ein Teilk¨orper, der stabil ist unter dem Bilden von Quadratwurzeln, und wir erhalten Q ⊂ K. Wir zeigen nun umgekehrt K ⊂ Q. Sicher ist Q stabil unter der komplexen Konjugation, denn mit Q ist auch Q∩Q ein unter dem Bilden von Quadratwurzeln stabiler Unterk¨orper von C. Eine komplexe Zahl z geh¨ort folglich zu Q genau dann, wenn ihr Real- und Imagin¨arteil zu Q geh¨oren. Mit z = x + i y werden unsere aus Q elementar konstruierbaren Figuren nun aber beschrieben durch Gleichungen der Gestalt (x − a)2 + (y − b)2 = c2 ax + by = c f¨ ur geeignete a, b, c ∈ Q ∩ R, und simultane L¨osungen zweier verschiedener derartiger Gleichungen sind in der Tat L¨osungen von linearen oder quadratischen Gleichungen. Das zeigt, daß Q ⊂ C stabil ist unter elementaren Konstruktionen. Da auch 0 und 1 zu Q geh¨oren, folgt K ⊂ Q. 69
Korollar 3.3.4. Jede konstruierbare Zahl ist algebraisch und ihr Grad u ¨ber Q ist eine Zweierpotenz. Beweis. Sei z unsere konstruierbare Zahl. Nach dem Satz gibt es eine Kette von K¨orpererweiterungen Q = K 0 ⊂ K1 ⊂ . . . ⊂ Kr mit [Ki : Ki−1 ] = 2 und z ∈ Kr . Es folgt [Kr : Q] = 2r und der Grad von z ist nach 3.2.18 ein Teiler von [Kr : Q]. Korollar 3.3.5. 1. Das regelm¨aßige Siebeneck ist nicht konstruierbar mit Zirkel und Lineal. 2. Die Seitenl¨ange eines W¨ urfels mit Volumen zwei ist nicht konstruierbar mit Zirkel und Lineal. 3. Es gibt keine Konstruktion mit Zirkel und Lineal, die es erlaubt, einen beliebig vorgegebenen Winkel zu dritteln. Bemerkung 3.3.6. Wir werden in 4.4.4 allgemeiner zeigen, daß sich f¨ ur n ≥ 3 das regelm¨aßige n-Eck mit Zirkel und Lineal konstruieren l¨aßt genau dann, wenn die Zahl ϕ(n) = |{a | 1 ≤ a ≤ n, (a, n) = 1}| eine Zweierpotenz ist. Insbesondere ist das regelm¨aßige Siebeneck nicht konstruierbar. Weiter ist das regelm¨aßige Dreieck konstruierbar aber nicht das regelm¨aßige Neuneck, als da heißt, der Winkel 2π/3 kann nicht gedrittelt werden mit Zirkel und Lineal. Hier geben wir f¨ ur diese beiden Aussagen schon mal direkte Argumente. Beweis. 1. Nach 2.9.4 hat exp(2π i /7) den Grad 6 u ¨ber Q. √ 2. Nach 2.8.3 hat die gesuchte L¨ange 3 2 den Grad 3 u ¨ber Q. 3. Sicher gilt exp(2π i /3) ∈ K. Es reicht, exp(2π i /9) 6∈ K zu zeigen. Sicher ist exp(2π i /9) = ζ eine Nullstelle des Polynoms X 9 − 1. Nat¨ urlich zerf¨allt dieses Polynom in X 9 − 1 = (X 3 − 1)(X 6 + X 3 + 1), und ζ ist Nullstelle des zweiten Faktors, unseres neunten Kreisteilungspolynom aus ?? ist. Es reicht zu zeigen, daß dieses Polynom irreduzibel ist u ¨ber Q, denn dann hat ζ den Grad 6 u ¨ber Q und kann nicht konstruierbar sein. In 4.4.2 werden wir zeigen, daß alle Kreisteilungspolynome irreduzibel sind. Hier basteln wir nur ein schnelles Argument f¨ ur unseren speziellen Fall zu9 sammen. In F3 [X] gilt sicher (X − 1) = (X − 1)9 und (X 3 − 1) = (X − 1)3 und folglich X 6 + X 3 + 1 = (X − 1)6 . Substituieren wir in X 6 + X 3 + 1 70
nun X = Y + 1, so erhalten wir in F3 [Y ] also das Polynom Y 6 . Gehen wir wieder u ¨ber zu Q[Y ], so hat (Y + 1)6 + (Y + 1)3 + 1 den konstanten Term 3. Damit k¨onnen wir aus dem Eisenstein-Kriterium folgern, daß unser Polynom irreduzibel ist.
3.4
Endliche K¨ orper
Satz 3.4.1 (Klassifikation endlicher K¨ orper). Die Kardinalit¨at eines endlichen K¨orpers ist stets eine Primzahlpotenz, und zu jeder Primzahlpotenz gibt es umgekehrt bis auf Isomorphismus genau einen endlichen K¨orper mit dieser Kardinalit¨at. Bemerkung 3.4.2. Gegeben eine Primzahlpotenz q notiert man “den” K¨orper mit q Elementen meist Fq . Ich weiß nicht, ob F in diesem Zusammenhang f¨ ur “finite” oder f¨ ur “field” (die englische Bezeichnung f¨ ur K¨orper) steht. Bemerkung 3.4.3. Man kann zeigen, daß jeder endliche Schiefk¨orper schon ein K¨orper ist, siehe zum Beispiel [Wei74], I, §1. Beweis. Ein endlicher K¨orper F hat notwendig positive Charakteristik 0 < p = char F. Nach 3.1.5 ist p eine Primzahl und wir haben eine Einbettung Fp ,→ F. Damit wird F ein endlichdimensionaler Fp -Vektorraum. F¨ ur r r = dimFp F = [F : Fp ] gilt dann offensichtich |F| = p . Das zeigt, daß die Kardinalit¨at eines endlichen K¨orpers stets eine Primzahlpotenz ist. Unser Satz behauptet nun dar¨ uber hinaus, daß die Kardinalit¨at eine Bijektion ∼
{endliche K¨orper, bis auf Isomorphismus} → {Primzahlpotenzen} definiert. Wir zeigen hier zun¨achst die Surjektivit¨at und unterbrechen den Beweis durch einen Satz und zwei Lemmata, um die n¨otigen Hilfsmittel bereitzustellen. Satz 3.4.4 (Zerf¨ allung von Polynomen in K¨ orpererweiterungen). Sei K ein K¨orper und P ∈ K[X] ein Polynom. So gibt es eine K¨orpererweiterung L von K derart, daß P als Element von L[X] vollst¨andig in Linearfaktoren zerf¨allt. Beweis. Das folgt mit Induktion aus dem anschließenden Lemma. Lemma 3.4.5. Sei K ein K¨orper und P ∈ K[X] \ K ein nichtkonstantes Polynom. So gibt es einen K¨orperhomomorphismus i : K ,→ L derart, daß das Bild i(P ) ∈ L[X] von P unter der induzierten Abbildung K[X] ,→ L[X] eine Nullstelle hat in L. 71
Beweis. Sei ohne Beschr¨ankung der Allgemeinheit P irreduzibel in K[X]. Wir betrachten den K¨orperhomomorphismus i : K ,→ L = K[X]/(P ) ¯ ∈ L von X ∈ K[X] eine Nullstelle und behaupten, daß die Nebenklasse X n von i(P ) ist. In der Tat, sei P = an X + . . . + a1 X + a0 mit aν ∈ K. So haben wir ¯ = i(an )X ¯ n + . . . + i(a1 )X ¯ + i(a0 ) (i(P ))(X) = an X n + . . . + a1 X + a0 = P = 0 Lemma 3.4.6. Sei p eine Primzahl, q = pr f¨ ur r ≥ 1 eine echte Potenz von p und L ein K¨orper der Charakteristik p. Zerf¨allt das Polynom X q − X u ¨ber dem K¨orper L vollst¨andig in Linearfaktoren, so bilden die Nullstellen unseres Polynoms in L einen Unterk¨orper der Kardinalit¨at q. Beweis. Nach 2.2.7 ist die Abbildung F : L → L, a 7→ aq ein K¨orperhomomorphismus. Die Nullstellen unseres Polynoms sind nun genau die Fixpunkte dieses K¨orperhomomorphismus, folglich bilden sie einen Unterk¨orper F von L. Um zu zeigen, daß dieser Unterk¨orper F genau q Elemente hat, m¨ ussen wir nachweisen, daß das Polynom X q − X nur einfache Nullstellen hat. Ist aber a eine Nullstelle, so gilt im Polynomring Fp [X] die Gleichheit X q − X = (X − a)q − (X − a) = (X − a)((X − a)q−1 − 1). Also ist jede Nullstelle unseres Polynoms einfach. Beweis von 3.4.1, Fortsetzung. Jetzt zeigen wir, daß es zu jeder echten Potenz q einer Primzahl p auch tats¨achlich einen K¨orper mit genau q Elementen gibt. Wir finden ja nach 3.4.4 eine K¨orpererweiterung L von Fp , in der das Polynom X q − X ∈ Fp [X] vollst¨andig in Linearfaktoren zerf¨allt, und nach 3.4.6 bilden die Nullstellen dieses Polynoms in L dann einen Unterk¨orper der Kardinalit¨at q. Schließlich zeigen wir, daß je zwei endliche K¨orper derselben Kardinalit¨at isomorph sind. Wir st¨ utzen uns dabei auf die Erkenntnis, daß × die multiplikative Gruppe F eines endlichen K¨orpers F stets zyklisch ist. Es gilt sogar allgemeiner: Satz 3.4.7 (Endliche Gruppen von Einheitswurzeln). Jede endliche Untergruppe der multiplikativen Gruppe eines K¨orpers ist zyklisch. Bemerkung 3.4.8. Die Elemente ζ endlicher Ordnung in der multiplikativen Gruppe eines K¨orpers sind per definitionem genau diejenigen Elemente, die eine Gleichung der Gestalt ζ n = 1 erf¨ ullen. Man nennt sie deshalb auch die Einheitswurzeln des K¨orpers. 72
Beweis. In jeder endlichen kommutativen Gruppe wird die maximale von einem Gruppenelement erreichte Ordnung geteilt von den Ordnungen aller Gruppenelemente, zum Beispiel nach dem Klassifikationssatz 1.6.2 oder di¨ rekter nach Ubung 1.5.19. W¨are eine endliche Untergruppe G der multiplikativen Gruppe eines K¨orpers nicht zyklisch, so g¨abe es also n < |G| mit ζ n = 1 ∀ζ ∈ G im Widerspruch dazu, daß das Polynom X n − 1 in unserem K¨orper h¨ochstens n Nullstellen haben kann. Jetzt k¨onnen wir zeigen, daß je zwei endliche K¨orper mit gleichviel Elementen isomorph sind. Ist n¨amlich F ein endlicher K¨orper mit q = pr Elementen, so ur alle gilt aq−1 = 1 f¨ ur alle a ∈ F× nach 1.5.6, also haben wir aq − a = 0 f¨ a ∈ F. Insbesondere sind die Minimalpolynome der Elemente von F u ¨ber q Fp genau die Fp -irreduziblen Faktoren des Polynoms X − X ∈ Fp [X]. Die Erzeuger von F sind also genau die Nullstellen der Fp -irreduziblen Faktoren P vom Grad r unseres Polynoms X q − X. Nach 3.4.7 gibt es solche Erzeuger und damit auch solche Faktoren und mit 3.2.12 folgt F∼ = Fp [X]/(P ) f¨ ur einen und jeden Fp -irreduziblen Faktor P vom Grad r. Das zeigt, daß ein endlicher K¨orper durch die Zahl seiner Elemente bis auf Isomorphismus eindeutig bestimmt ist. Das Argument zeigt nebenbei bemerkt auch, wie man in endlichen K¨orpern explizit rechnen kann. Bemerkung 3.4.9. Teile dieses Beweises lassen sich mithilfe der allgemeinen Theorie sp¨ater auch schneller erledigen: Die Eindeutigkeit erh¨alt man aus dem Satz 3.5.2 u ¨ber die Eindeutigkeit von Zerf¨allungsk¨orpern. Die Existenz folgt wie oben daraus, daß X q −X keine mehrfachen Nullstellen hat, aber das kann man nach 3.6.7 auch daraus folgern, daß die Ableitung dieses Polynoms keine Nullstellen hat. Satz 3.4.10 (Endliche Erweiterungen endlicher K¨ orper). Gegeben zwei endliche K¨orper l¨aßt sich der eine in den anderen einbetten genau dann, wenn die Kardinalit¨at des einen eine Potenz der Kardinalit¨at des anderen ist. Bemerkung 3.4.11. Mit den Methoden der Galois-Theorie werden wir dies Resultat sp¨ater sehr viel m¨ uheloser einsehen k¨onnen als im folgenden Beweis. Beweis. Seien F und L unsere endlichen K¨orper. L¨aßt sich F in L einbetten, so w¨ahlen wir eine derartige Einbettung, betrachten die Dimension d = [L : F ] des F -Vektorraums L und haben |L| = |F |d . F¨ ur die Umkehrung betrachten wir die Identit¨at (Y − 1)(Y c−1 + Y c−2 + . . . + 1) = Y c − 1 73
Aus dieser Identit¨at folgt q−1 Xa − 1 X q−1 − 1 Xq − X
teilt teilt teilt teilt
qr − 1 X ca − 1 r X q −1 − 1 r Xq − X
f¨ ur beliebige nat¨ urliche Zahlen q und r, f¨ ur beliebiges a, nach den beiden vorhergehenden Punkten, nach Multiplikation mit X.
Ist nun q eine Primzahlpotenz und r ≥ 1 eine nat¨ urliche Zahl, so zerf¨allt also q das Polynom X − X u ¨ber Fqr in Linearfaktoren und nach 3.4.6 bilden dann seine Nullstellen einen Unterk¨orper von Fqr mit q Elementen. ¨ Ubung 3.4.12. In einem K¨orper gibt es zu jeder nat¨ urlichen Zahl h¨ochstens einen Unterk¨orper mit der entsprechenden Zahl von Elementen.
3.5
Zerf¨ allungsk¨ orper
Definition 3.5.1. Sei K ein K¨orper und P ∈ K[X] ein Polynom. Unter einem minimalen Zerf¨ allungsk¨ orper oder kurz Zerf¨ allungsk¨ orper von P verstehen wir eine K¨orpererweiterung L/K derart, daß (1) das Polynom P in L[X] vollst¨andig in Linearfaktoren zerf¨allt und (2) der K¨orper L u ¨ber K erzeugt wird von den Nullstellen von P. Satz 3.5.2 (Eindeutigkeit von Zerf¨ allungsk¨ orpern). Sei K ein K¨orper und P ∈ K[X] ein Polynom. Sind L/K und L0 /K zwei Zerf¨allungsk¨orper von ∼ P, so gibt es einen Isomorphismus L → L0 , der auf K die Identit¨at induziert. Bemerkung 3.5.3. Wir zeigen das nach den Beweis von 3.5.8. Bemerkung 3.5.4. Da ein Zerf¨allungsk¨orper f¨ ur ein Polynom P damit in gewisser Weise eindeutig ist, spricht man auch oft von dem Zerf¨allungsk¨orper des Polynoms P. Das ist jedoch auch wieder etwas irref¨ uhrend: Im allge∼ meinen gibt es n¨amlich durchaus viele verschiedene Isomorphismen L → L0 zwischen je zwei Zerf¨allungsk¨orpern desselben Polynoms P, und sogar viele verschiedene, die auf K die Identit¨at induzieren. Definition 3.5.5. Seien i : K ,→ L und j : K ,→ M zwei K¨orpererweiterungen desselben Grundk¨orpers K. Ein K¨orperhomomorphismus ϕ : L → M mit ϕ ◦ i = j heißt auch ein Homomorphismus von K¨ orpererweiterungen. Die Menge aller solchen Homomorphismen von K¨orpererweiterungen notieren wir KringK (L, M )
74
Bemerkung 3.5.6. Fassen wir i : K ,→ L auf als die Einbettung eines Unterk¨orpers K ⊂ L, so benutzen wir statt ϕ oft das Symbol ˜ und nennen ˜ eine Ausdehnung von j auf L und stellen uns ein kommutatives Diagramm vor der Gestalt L ˜ ∪ & K → M Proposition 3.5.7 (Ausdehnungen auf primitive Erweiterungen). Sei K(α) eine primitive algebraische Erweiterung eines K¨orpers K und sei j : K ,→ M eine beliebige K¨orpererweiterung. So werden die Ausdehnungen von j zu einer Einbettung ˜ : K(α) ,→ M parametrisiert durch die Nullstellen in M des Minimalpolynoms von α u ¨ber K. Genauer liefert das Auswerten an α eine Bijektion ∼
KringK (K(α), M ) → {β ∈ M | Irr(α, K)(β) = 0} ϕ 7→ ϕ(α) Beweis. Sicher induziert das Auswerten eine injektive Abbildung zwischen den angegebenen Mengen, und wir m¨ ussen nur noch die Surjektivit¨at zeiur jede Nullstelle β von Irr(α, K) in M gen. Nach 3.2.12 haben wir jedoch f¨ Isomorphismen ∼ ∼ K(α) ← K[X]/(Irr(α, K)) → K(β) ¯ 7→ α bzw. X ¯ 7→ β, und die liefern dann die gesuchte Einbettung mit X K(α) ∼ = K(β) ⊂ M mit α 7→ β. Proposition 3.5.8 (Ausdehnbarkeitskriterium). Sei K(α1 , . . . , αn ) eine endliche Erweiterung eines K¨orpers K und sei j : K ,→ M eine Einbettung von K in einen K¨orper M derart, daß die Minimalpolynome Irr(αν , K) aller unserer Erzeuger αν in M [X] vollst¨andig in Linearfaktoren zerfallen. So l¨aßt sich die Einbettung j ausdehnen zu einer Einbettung ˜ : K(α1 , . . . , αn ) ,→ M, im Diagramm K ,→ K(α1 , . . . , α2 ) & ↓ M Beweis. Mit Lemma 3.5.7 sehen wir, daß das Einschr¨anken eine Kette von Surjektionen definiert der Gestalt KringK (K, M ) KringK (K(α1 ), M ) . . . KringK (K(α1 , . . . , αn ), M )
75
Beweis der Eindeutigkeit von Zerf¨allungsk¨orpern 3.5.2. Proposition 3.5.8 liefert uns Injektionen L ,→ L0 und L0 ,→ L u ¨ber K. Da hier beide Seiten endlichdimensionale Vektorr¨aume sind u ¨ber K und da unsere Injektionen beide K-linear sind, m¨ ussen sie beide Isomorphismen sein. Satz 3.5.9 (Maximalzahl von Ausdehnungen). Sei L/K eine endliche K¨orpererweiterung und j : K ,→ M eine Einbettung von K in einen K¨orper M. So gibt es h¨ochstens [L : K] Fortsetzungen von j zu einer Einbettung ˜ : L ,→ M, in Formeln | KringK (L, M )| ≤ [L : K] Beweis. Gibt es einen Zwischenk¨orper L0 mit K ⊂ L0 ⊂ L aber K 6= L0 6= L, so folgt der Satz mit vollst¨andiger Induktion u ¨ber den Grad unserer K¨orpererweiterung. Sonst gilt L = K(α) f¨ ur ein α ∈ L, und die Erweiterungen von j zu einer Einbettung von K(α) in M werden nach 3.5.7 parametrisiert durch die Nullstellen in M des Minimalpolynoms von α u ¨ber K. Dieses Polynom hat aber den Grad [K(α) : K] und h¨ochstens ebensoviele Nullstellen in M. Definition 3.5.10. Eine K¨orpererweiterung L/K heißt normal genau dann, wenn sie algebraisch ist und wenn gilt: Jedes irreduzible Polynom aus K[X], das in L eine Nullstelle hat, zerf¨allt in L[X] schon in Linearfaktoren. Bemerkung 3.5.11. In der ¨alteren Literatur, z.Bsp. in [Ara86], wird der Begriff “normal” manchmal auch definiert als die Eigenschaft einer K¨orpererweiterung, die wir sp¨ater mit “Galois” bezeichnen werden. √ √ 3 Beispiele 3.5.12. Q( 2)√ist normal u ¨ber Q, aber Q( 2) ist nicht normal u ¨ber Q, denn wir k¨onnen Q( 3 2) einbetten in R und die beiden anderen Wurzeln des in Q[X] irreduziblen Polynoms X 3 − 2 sind nicht reell. Satz 3.5.13 (Charakterisierung normaler Erweiterungen). F¨ ur eine endliche K¨orpererweiterung L/K sind gleichbedeutend: 1. L/K ist normal. 2. L ist der Zerf¨allungsk¨orper eines Polynoms P ∈ K[X]. Beweis. 1 ⇒ 2. Ist L normal u ¨ber K und erzeugt von α1 , . . . , αr , so ist L ein Zerf¨allungsk¨orper f¨ ur das Produkt der Minimalpolynome Irr(αi , K) der αi u ur die andere Implikation machen wir einen Umweg u ¨ber K. F¨ ¨ber die folgende etwas technische Aussage: 3. Gegeben eine beliebige Einbettung j : K ,→ M von K in einen beliebigen K¨orper M haben alle Fortsetzungen von j zu Einbettungen ϕ, ψ : L ,→ M dasselbe Bild, in Formeln ϕ(L) = ψ(L) ∀ϕ, ψ ∈ KringK (L, M ). 76
Jetzt zeigen wir 2 ⇒ 3 ⇒ 1 und beginnen mit 2 ⇒ 3. Sowohl ϕ als auch ψ identifizieren die Nullstellen von P in L mit den Nullstellen von P in M, wenn auch nicht notwendig in derselben Weise. Da nun L erzeugt wird u ¨ber K von den Nullstellen von P folgt ϕ(L) = ψ(L). Schließlich zeigen wir noch 3 ⇒ 1. Sei P ∈ K[X] irreduzibel mit einer Nullstelle α ∈ L. Wir erg¨anzen α zu einem endlichen Erzeugendensystem von L u ¨ber K, sagen wir L = K(α, β1 , . . . , βn ). Dann w¨ahlen wir f¨ ur M eine K¨orpererweiterung von L, in der sowohl das Minimalpolynom von α als auch die Minimalpolynome aller βi vollst¨andig in Linearfaktoren zerfallen. F¨ ur jede Nullstelle α0 ∈ M von P k¨onnen wir unsere Einbettung K ,→ M nach 3.5.7 zun¨achst fortsetzen zu einer Einbettung K(α) ,→ M mit α 7→ α0 , und dann nach 3.5.8 weiter zu einer Einbettung L ,→ M. Jede Nullstelle von P in M liegt also in ϕ(L) f¨ ur geeignetes ϕ, und da alle diese Bilder nach Annahme u ¨bereinstimmen, in Formeln ϕ(L) = L, zerf¨allt unser Polynom P schon u ¨ber L vollst¨andig in Linearfaktoren. Proposition 3.5.14 (Vergr¨ oßern zu normaler Erweiterung). Jede endliche K¨orpererweiterung L/K l¨aßt sich zu einer endlichen normalen K¨orpererweiterung N/K vergr¨oßern, es gibt in anderen Worten eine endliche Erweiterung N/L derart, daß N/K normal ist. Beweis. Wir nehmen Erzeuger α1 , . . . , αr von L u ¨ber K und konstruieren N als einen Zerf¨allungsk¨orper u ¨ber L des Produkts ihrer Minimalpolynome. Dies N ist dann nat¨ urlich auch ein Zerf¨allungsk¨orper des besagten Produkts u ¨ber K und damit normal u ¨ber K. ¨ Ubung 3.5.15. Man formuliere pr¨azise und zeige, daß es bis auf Isomorphismus genau ein minimales N wie in der Proposition gibt. Dies N heißt dann die normale Hu ¨ber K. ¨ lle von L u
3.6
Vielfachheit von Nullstellen
Satz 3.6.1. Seien K ⊂ L K¨orper und sei P ∈ K[X] ein irreduzibles Polynom. Ist char K = 0, so hat P keine mehrfachen Nullstellen in L. Bemerkung 3.6.2. Wir werden in 3.6.12 gegen Ende dieses Abschnitts sogar eine etwas allgemeinere Aussage zeigen. Das braucht jedoch einige Vorbereitungen. In einem K¨orper K der Charakteristik char K = p hat jedes Element a ∈ K h¨ochstens eine p-te Wurzel. In der Tat, gilt bp = a, so folgt (X p − a) = (X − b)p und folglich ist b die einzige Nullstelle des Polynoms X p − a. Betrachten wir nun den K¨orper K = Fp (T ), so besitzt a = T keine p-te Wurzel in K. Das Polynom X p − T ist sogar irreduzibel, was der Leser 77
¨ zur Ubung zeigen mag. In jedem Fall hat aber jeder irreduzible Faktor dieses Polynoms mehrfache Nullstellen in einer geeigneten K¨orpererweiterung. Proposition 3.6.3. Seien K ⊂ L K¨orper und f, g ∈ K[X] Polynome mit g 6= 0. 1. Das Teilen mit Rest von f durch g f¨ uhrt zum selben Resultat unabh¨angig davon, ob wir es in K[X] oder in L[X] durchf¨ uhren. 2. Genau dann ist g ein Teiler von f in L[X], wenn dasselbe gilt in K[X]. 3. Der normierte gr¨oßte gemeinsame Teiler von f und g in K[X] ist auch der normierte gr¨oßte gemeinsame Teiler von f und g in L[X]. Beweis. 1. Schreiben wir f = qg + r mit grad r < grad g, so sind q und r schon eindeutig bestimmt. 2. Das ist der Spezialfall von 1 mit Rest r = 0. 3. Sei dazu dK bzw. dL der normierte gr¨oßte gemeinsame Teiler von f und g in K[X] bzw. in L[X]. Nat¨ urlich ist dK auch ein gemeinsamer Teiler in L[X], also gilt dK |dL . Andererseits haben wir eine Darstellung dK = qf + pg mit q, p ∈ K[X], und daraus folgt umgekehrt dL |dK . Zusammen zeigt das dL = dK . Definition 3.6.4. F¨ ur ein Polynom P = an X n + . . . + a1 X + a0 mit Koeffizienten in einem beliebigen Ring R definieren wir seine (formale) Ableitung P 0 ∈ R[X] durch die Vorschrift P 0 = nan X n−1 + . . . + a1 Lemma 3.6.5 (Ableitungsregeln). Auch f¨ ur unser formales Ableiten gilt 0 0 0 die Summenregel (P +Q) = P +Q und die Produktregel (P Q)0 = P 0 Q+P Q0 . Beweis. Problematisch ist nur die Produktregel. Man kann sie durch explizite Rechnung zeigen, aber das ist wenig durchsichtig. Alternativ bemerken wir, daß diese Formel aufgefaßt werden kann als eine Familie von polynomialen Gleichungen in den Koeffizienten a0 , . . . , an , b0 , . . . , bm unserer Polynome P und Q. Wenn aber diese Gleichungen gelten nach dem Einsetzen beliebiger reeller Werte f¨ ur die ai und bj , so m¨ ussen sie auch abstrakt gelten im Polynomring Z[a0 , . . . , an , b0 , . . . , bm ] und damit auch, wenn wir f¨ ur ai , bj Elemente aus irgendeinem (kommutativen) Ring einsetzen. Somit folgt unsere “algebraische” Produktregel zumindest f¨ ur Koeffizienten in einem kommutativen Ring aus der in Analysis bewiesenen “analytischen” Produktregel. 78
Lemma 3.6.6 (Ableitung und Vielfachheit von Nullstellen). Sei K ein K¨orper, g ∈ K[X] ein von Null verschiedenes Polynom, und α ∈ K eine Nullstelle von g. Genau dann ist α eine mehrfache Nullstelle von g, wenn auch die Ableitung g 0 von g bei α verschwindet. Beweis. Ist g = (x − α)2 f, so folgt leicht g 0 (α) = 0. Gilt umgekehrt g(α) = g 0 (α) = 0 und schreiben wir g = (x − α)h, so folgt aus g 0 (α) = 0 schon h(α) = 0. Proposition 3.6.7. Sei K K¨orper und P ∈ K[X] ein Polynom. So sind gleichbedeutend: 1. Das Polynom P hat mehrfache Nullstellen in seinem Zerf¨allungsk¨orper. 2. Das Polynom P und seine Ableitung sind nicht teilerfremd, in Formeln (P, P 0 ) 6= (1). Beweis. 1 ⇒ 2. Ist α eine mehrfache Nullstelle des Polynoms P in seinem Zerf¨allungsk¨orper L, so ist (X − α) ein Teiler von P und P 0 in L[X] und es folgt (P, P 0 ) 6= (1). 2 ⇒ 1. Gilt (P, P 0 ) 6= (1), so betrachten wir den Zerf¨allungsk¨orper M des Produkts P P 0 . In M gibt es dann ein Element α derart, daß (X − α) sowohl P als auch P 0 teilt. In anderen Worten ist α eine Nullstelle von P und P 0 und damit eine mehrfache Nullstelle von P nach 3.6.6. Korollar 3.6.8 (Ableitung und Existenz mehrfacher Nullstellen). Sei K ein K¨orper und P ∈ K[X] ein irreduzibles Polynom. So sind gleichbedeutend 1. Das Polynom P hat mehrfache Nullstellen in seinem Zerf¨allungsk¨orper. 2. Die Ableitung P 0 von P ist das Nullpolynom. 3. Es gilt char K = p > 0 und es gibt Q ∈ K[X] mit P (X) = Q(X p ). Beweis. Dem Leser u ¨berlassen. Definition 3.6.9. 1. Sei L/K eine K¨orpererweiterung. Ein Element α ∈ L heißt separabel u ¨ber K genau dann, wenn es algebraisch ist u ¨ber K und sein Minimalpolynom Irr(α, K) keine mehrfachen Nullstellen hat. 2. Eine K¨orpererweiterung L/K heißt separabel genau dann, wenn jedes Element von L separabel ist u ¨ber K.
79
Beispiel 3.6.10. In Charakteristik Null ist jede algebraische K¨orpererweite√ rung separabel nach 3.6.12. Nicht separabel ist Fp ( p T ) u ¨ber Fp (T ). Definition 3.6.11. Ein K¨orper heißt vollkommen (englisch perfect, franz¨osisch parfait) genau dann, wenn er entweder die Charakteristik Null hat oder aber f¨ ur p = char K die Abbildung x 7→ xp eine Surjektion K K ist. Zum Beispiel ist jeder endliche K¨orper vollkommen. Satz 3.6.12. Jede algebraische Erweiterung eines vollkommenen K¨orpers ist separabel. Beweis. Sei ohne Beschr¨ankung der Allgemeinheit char K = p > 0. Sei L/K eine algebraische Erweiterung und sei α ∈ L ein Element mit Minimalpolynom P. Ist α mehrfache Nullstelle von P, so hat P nach 3.6.8 die Form P = bn (X p )n + . . . + b1 X p + b0 . Nehmen wir aber nun an , . . . , a0 ∈ K mit api = bi und betrachten Q = an X n +. . .+a0 , so folgt P = Qp im Widerspruch zur Irreduzibilit¨at von P. Satz 3.6.13 (Charakterisierung separabler Erweiterungen). F¨ ur eine K¨orpererweiterung L/K sind gleichbedeutend: 1. L/K ist separabel. 2. L wird erzeugt u ¨ber K von Elementen, die separabel sind u ¨ber K. Ist L/K endlich, so sind auch gleichbedeutend: 3. F¨ ur jede Vergr¨oßerung N/L von L zu einer normalen Erweiterung von K gilt |KringK (L, N )| = [L : K]. 4. Es gibt mindestens eine K¨orpererweiterung N/L von L mit der Eigenschaft |KringK (L, N )| = [L : K]. Beweis. Zeigen wir 1 ⇔ 2 f¨ ur endliche Erweiterungen, so folgt es im allgemeinen. Wir d¨ urfen uns also f¨ ur den Rest des Beweises auf den Fall L/K endlich beschr¨anken. 1 ⇒ 2 ist klar. F¨ ur 2 ⇒ 3 d¨ urfen wir mit Induktion u ¨ber den Grad [L : K] wieder annehmen L = K(α). Da α separabel ist, sind die [L : K] Nullstellen seines Minimalpolynoms in N paarweise verschieden und liefern paarweise verschiedene Erweiterungen der Einbettung K ,→ N zu K¨orperhomomorphismen K(α) ,→ N. 3 ⇒ 4 ist klar. F¨ ur 4 ⇒ 1 argumentieren wir durch Widerspruch. W¨are ein α ∈ L nicht separabel, so g¨abe es f¨ ur jedes N weniger als [K(α) : K] Ausdehnungen von K ,→ N zu einer Einbettung K(α) ,→ N und damit nach 3.5.9 notwendig auch weniger als [L : K] Ausdehnungen von K ,→ N zu einer Einbettung L ,→ N. ¨ Ubung 3.6.14. Seien M ⊃ L ⊃ K K¨orper. Ist M/L separabel und L/K separabel, so ist M/K separabel. 80
4
Galoistheorie
4.1
Galoiserweiterungen
Definition 4.1.1. Sei L/K eine K¨orpererweiterung. Die Gruppe aller K¨orperautomorphismen von L, die K punktweise festhalten, heißt die Galoisgruppe Gal(L/K) der K¨orpererweiterung L/K. Beispiele 4.1.2. Gal(C/R) ist eine Gruppe mit zwei Elementen, der Identit¨ at √ 3 und der komplexen Konjugation. Betrachten wir in R die dritte Wurzel 2 √ 3 von 2, so besteht Gal(Q( 2)/Q) nur aus der Identit¨at, denn jeder K¨orper√ √ 3 3 homomorphismus Q( 2) → Q( 2) muß die einzige L¨osung der Gleichung x3 = 2 in diesem K¨orper auf sich selbst abbilden. Theorem 4.1.3. Der Grad einer K¨orpererweiterung ist eine obere Schranke f¨ ur die Kardinalit¨at ihrer Galoisgruppe. Ist also in Formeln L/K unsere K¨orpererweiterung, so gilt in N ∪ {∞} die Ungleichung | Gal(L/K)| ≤ [L : K] Beweis. Das folgt sofort aus 3.5.9. Proposition 4.1.4. Sei q eine Primzahlpotenz und r ≥ 1. So ist Gal(Fqr /Fq ) eine zyklische Gruppe der Ordnung r, erzeugt vom Frobenius-Homomorphismus ∼ F : Fqr → Fqr , a 7→ aq Beweis. Sicher erzeugt F in der Galoisgruppe eine zyklische Untergruppe der Ordung r. Nach dem vorhergehenden Theorem 4.1.3 hat die Galoisgruppe jedoch h¨ochstens r Elemente. Definition 4.1.5. Eine K¨orpererweiterung L/K heißt eine Galoiserweiterung oder kurz Galois genau dann, wenn sie normal und separabel ist. Definition 4.1.6. Operiert eine Gruppe G auf einer Menge X, so schreiben wir ganz allgemein X G f¨ ur die Menge der Fixpunkte. Ist speziell X ein K¨orper L und G eine Gruppe von K¨orperautomorphismen von L, so ist LG ⊂ L offensichtlich ein Unterk¨orper von L. Er heißt der Fixk¨ orper von G. Satz 4.1.7 (Charakterisierungen von Galoiserweiterungen). Sei L/K eine endliche K¨orpererweiterung und G = Gal(L/K) ihre Galoisgruppe. So sind gleichbedeutend: 1. L/K ist eine Galoiserweiterung. 81
2. Die Ordnung der Galoisgruppe stimmt u ¨berein mit dem Grad der K¨orpererweiterung, in Formeln |G| = [L : K]. 3. Der Unterk¨orper K ist der Fixk¨orper der Galoisgruppe, in Formeln K = LG . 4. F¨ ur alle α ∈ L wird das Minimalpolynom von α u ¨ber K gegeben durch die Formel Y Irr(α, K) = (X − β) β∈Gα
Beweis. 1 ⇒ 2 folgt aus (3.6.13, 1 ⇒ 3) und 2 ⇒ 3 folgt daraus, daß in der Ungleichungskette |G| = [L : K] ≥ [L : LG ] ≥ |G|, bei der die letzte Ungleichung aus 4.1.3 folgt, u ¨berall Gleichheit gelten muß. Um 3 ⇒ 4 zu zeigen bemerken wir zun¨achst, daß ganz allgemein f¨ ur jede Nullstelle α ∈ L eines Polynoms P ∈ K[X] auch σ(α) eine Nullstelle ist, f¨ ur Q alle σ ∈ G. Das Produkt β∈Gα (X − β) teilt demnach das Minimalpolynom von α u ¨ber K. Aus 3 folgt weiter, daß dies Produkt in K[X] liegt, denn die Invarianten im Polynomring L[X]G stimmen, wie bereits in 2.10.2 erw¨ahnt, u ¨berein mit dem Polynomring u ¨ber den Invarianten LG [X] = K[X]. Mithin muß unser Produkt bereits selbst das Minimalpolynom sein. Schließlich zeigt 4, daß L normal und separabel ist u ¨ber K, und damit haben wir auch 4 ⇒ 1. ¨ Ubung 4.1.8. Unter der Voraussetzung char K 6= 2 ist jede quadratische K¨orpererweiterung L von K Galois mit Galoisgruppe Z/2Z. Definition 4.1.9. Eine Wirkung einer Gruppe auf einer Menge heißt treu genau dann, wenn nur das neutrale Element jedes Element der Menge festh¨alt. Sie heißt transitiv genau dann, wenn unsere Menge nicht leer ist und je zwei ihrer Elemente durch ein geeignetes Gruppenelement ineinander u uhrt ¨berf¨ werden k¨onnen. Satz 4.1.10 (Operation der Galoisgruppe auf Nullstellen). Sei K ein K¨orper. Ist P ∈ K[X] ein irreduzibles Polynom und L/K sein Zerf¨allungsk¨orper, so operiert die Galoisgruppe Gal(L/K) treu und transitiv auf der Menge {α ∈ L | P (α) = 0} der Nullstellen von P in L. ¨ Beweis. Dem Leser zur Ubung u ¨berlassen. Hinweis: 3.5.7 und 3.5.8.
82
Beispiel 4.1.11. Sei L der Zerf¨allungsk¨orper von X 3 − 2 u ¨ber Q. Wir behaupten Gal(L/Q) ∼ = S3 . Um das einzusehen, realisieren wir L als einen Teilk¨orper √ √ √ 3 3 3 L = Q( 2, ζ 2, ζ 2 2) ⊂ C √ der komplexen Zahlen, mit 3 2 ∈ R der reellen dritten Wurzel von 2 und√ζ = exp(2π i /3) einer dritten Einheitswurzel. Diese√Darstellung zeigt L 6= Q( 3 2), da ja unser L nicht in R enthalten ist. In Q( 3 2)[X] zerf¨allt unser Polynom X 3 − 2 also in einen linearen und einen irreduziblen√quadratischen Faktor, folglich ist L eine quadratische Erweiterung von Q( 3 2). Zusammen ergibt sich [L : Q] = 6 und | Gal(L/Q)| = 6. Die Operation von Gal(L/Q) √ √ √ mithin auf der Menge { 3 2, ζ 3 2, ζ 2 3 2} definiert nun nach 4.1.10 eine Einbettung Gal(L/Q) ,→ S3 , und da beide Seiten gleichviele Elemente haben, muß diese Einbettung ein Isomorphismus sein.
4.2
Galoiskorrespondenz
Bemerkung 4.2.1. Der folgende Satz geh¨ort eigentlich noch in den Abschnitt u ¨ber separable K¨orpererweiterungen. Ich habe ihn dennoch hierhin gestellt, um ihn mehr in die N¨ahe der gleich folgenden Anwendung zu r¨ ucken. Satz 4.2.2 (vom primitiven Element). Ist L/K eine endliche separable K¨orpererweiterung, so gibt es ein Element α ∈ L mit L = K(α). Beweis. Da die multiplikative Gruppe jedes endlichen K¨orpers zyklisch ist, d¨ urfen wir ohne Beschr¨ankung der Allgemeinheit K unendlich annehmen. Nach 3.5.14 k¨onnen wir L vergr¨oßern zu einer normalen Erweiterung N von K. Wegen der Separabilit¨at von L/K gibt es dann nach 3.6.13 genau [L : K] K¨orperhomomorphismen u ¨ber K von L nach N, in Formeln |KringK (L, N )| = [L : K] Diejenigen Elemente von L, auf denen zwei feste aber verschiedene derartige K¨orperhomomorphismen u ¨bereinstimmen, bilden einen echten K-Untervektorraum von L. Falls K unendlich ist, kann ein K-Vektorraum jedoch nach ?? nicht durch endlich viele echte Untervektorr¨aume u ¨berdeckt werden. Es gibt folglich Elemente α ∈ L derart, daß die σ(α) f¨ ur σ ∈ KringK (L, N ) paarweise verschieden sind. F¨ ur solches α liefert die Restriktion nat¨ urlich eine Injektion KringK (L, N ) ,→ KringK (K(α), N ) und L = K(α) folgt aus der Ungleichungskette [L : K] = |KringK (L, N )| ≤ |KringK (K(α), N )| = [K(α) : K].
83
Bemerkung 4.2.3. Ist L/K eine endliche Galois-Erweiterung, so ist α ∈ L nach 4.1.7 ein primitives Element genau dann, wenn es von keinem Element der Galoisgruppe festgehalten wird. Wir k¨onnen sogar stets ein α ∈ L so w¨ahlen, daß es mit seinen Galois-Konjugierten eine K-Basis von L bildet: Das sagt uns der “Satz von der Normalbasis”, f¨ ur dessen Beweis ich auf ur jedes primi[Lor96] verweise. Diese sch¨arfere Aussage stimmt keineswegs f¨ tive Element, wie das Beispiel L = C, K = R, α = i zeigt. Satz 4.2.4 (Galoiserweiterungen durch Gruppenoperationen). Sei L ein K¨orper und G eine endliche Gruppe von Automorphismen von L. So ist L/LG eine endliche Galoiserweiterung mit Galoisgruppe G. Q Beweis. F¨ ur α ∈ L ist β∈Gα (X − β) das Minimalpolynom von α u ¨ber LG , denn dies Produkt geh¨ort zu LG [X] und es teilt das Minimalpolynom Irr(α, LG ), da ja mit α auch alle σ(α) f¨ ur σ ∈ G Nullstellen des MinimalpolyG noms sein m¨ ussen. Folglich ist L/L algebraisch, normal und separabel und damit Galois. Als n¨achstes zeigen wir, daß L endlich ist u ¨ber LG . Ist aber M ein Zwischenk¨orper der Erweiterung L/LG , gilt also in Formeln LG ⊂ M ⊂ L und ist M dar¨ uber hinaus auch noch endlich u ¨ber LG , so besitzt M nach 4.2.2 ein primitives Element, es gilt in anderen Worten also M = LG (α) f¨ ur G geeignetes α ∈ M. Da das Minimalpolynom von α u ¨ber L h¨ochstens Grad G |G| hat, folgt [M : L ] ≤ |G| f¨ ur alle Zwischenk¨orper M, die endlich sind u uhelos, daß L selbst endlich u ¨ber LG . Daraus folgt aber m¨ ¨ber LG und daß sogar gilt [L : LG ] ≤ |G|. Die Gleichheit G = Gal(L/LG ) ergibt sich dann aus der Ungleichungskette |G| ≤ | Gal(L/LG )| ≤ [L : LG ] ≤ |G| Korollar 4.2.5 (Galoiskorrespondenz). Gegeben eine endliche Galoiserweiterung L/K mit Galoisgruppe G = Gal(L/K) haben wir eine Bijektion Zwischenk¨orper M Untergruppen H ∼ der K¨orpererweiterung der Galoisgruppe ↔ K⊂M ⊂L H⊂G β
M
7→
LH
←
α
Gal(L/M ) H
Unter dieser Bijektion entsprechen die Normalteiler H von G genau denjenigen Zwischenk¨orpern M, die normal sind u ¨ber K, und in diesen F¨allen 84
definiert das Einschr¨anken von Elementen der Galoisgruppe einen Isomomorphismus von Gruppen ∼
G/H → Gal(LH /K) Beweis. Offensichtlich ist f¨ ur jeden Zwischenk¨orper M auch L/M Galois, somit folgt β ◦ α = id aus 4.1.7. Ohne alle Schwierigkeiten folgt α ◦ β = id aus 4.2.4. Das zeigt die erste Behauptung. Man sieht leicht, daß unsere Ent−1 sprechung G-¨aquivariant ist, in Formeln g(LH ) = LgHg f¨ ur alle g ∈ G. H Insbesondere ist L invariant unter G genau dann, wenn H in G ein Normalteiler ist. Da aber G transitiv operiert auf den Wurzeln der Minimalpolynome aller Elemente von L, ist LH invariant unter G genau dann, wenn es normal ist u ¨ber K. Schließlich faktorisiert dann die offensichtliche Abbildung G → Gal(LH /K) u ¨ber G/H und liefert eine Injektion G/H ,→ Gal(LH /K), die mit einem Abz¨ahlargument bijektiv sein muß. Definition 4.2.6. Sei char K 6= 2. Eine K¨orpererweiterung L/K heißt biquadratisch genau dann, wenn sie Grad [L : K] = 4 hat und erzeugt ist von zwei Elementen L = K(α, β) f¨ ur α, β ∈ L mit α2 , β 2 ∈ K. √ √ √ 2 Beispiel 4.2.7. Q( 3, 5) ist biquadratisch u ber Q, denn (a + b 5) = a2 + ¨ √ ur a = 0 noch f¨ ur b = 0 und erst recht 2ab 5 + 5b2 kann nie 3 sein, weder f¨ nicht f¨ ur a 6= 0, b 6= 0. Lemma 4.2.8. Jede biquadratische Erweiterung ist Galois, und ihre GaloisGruppe ist die Klein’sche Vierergruppe Z/2Z × Z/2Z. Beweis. F¨ ur die nichttrivialen Elemente σ ∈ Gal(L/K(α)) , τ ∈ Gal(L/K(β)) haben wir α 7→ α α 7→ −α σ: τ: β 7→ −β β 7→ β und wir haben {id, σ, τ, στ } ⊂ Gal(L/K). Das muß dann aber schon die ganze Galois-Gruppe sein. Bemerkung 4.2.9. Die Klein’sche Vierergruppe F22 hat 5 Untergruppen: Den Nullpunkt, drei Geraden und die ganze Gruppe. Sie entsprechen den Unterk¨orpern L ⊃ K(α), K(β), K(αβ) ⊃ K Eine K-Basis von L besteht aus 1, α, β, αβ, wie die simultane Eigenraumzerlegung von L unter σ und τ zeigt. Insbesondere ist α + β ein primitives Element. √ √ √ ¨ Ubung 4.2.10. Man dr¨ ucke 3 aus als Polynom in 3 + 5 mit rationalen Koeffizienten. 85
¨ Ubung 4.2.11. Sei L/K eine endliche K¨orpererweiterung und K1 , K2 ⊂ L zwei Zwischenk¨orper mit Ki /K Galois und K1 ∩ K2 = K. So ist auch der von K1 und K2 erzeugte Unterk¨orper K1 K2 ⊂ L Galois u ¨ber K und es gilt ∼ Gal(K1 K2 /K) → Gal(K1 /K) × Gal(K2 /K) vermittels der Restriktionen. Satz 4.2.12. Der K¨orper der komplexen Zahlen ist algebraisch abgeschlossen. Beweis. Sei [L : R] eine endliche normale Erweiterung von R, G = Gal(L/R) ihre Galoisgruppe, und S ⊂ G eine 2-Sylow von G. So haben wir [L : R] = |G| und [L : LS ] = |S| und folglich ist LS /R eine Erweiterung von ungeradem Grad. Da jedes Polynom aus R[X] von ungeradem Grad eine reelle Nullstelle hat, folgt LS = R. Mithin haben wir S = G und G ist eine 2-Gruppe. Damit entsteht notwendig L aus R durch sukzessive Adjunktion von Quadratwurzeln. Adjungiert man aber eine echte Quadratwurzel zu R, so erh¨alt man C, und in C hat jedes Element schon eine Quadratwurzel. Daraus folgt L = R oder L = C. Satz 4.2.13. Operiert eine endliche Gruppe G auf einem Integrit¨atsbereich R, so definiert die offensichtliche Einbettung einen Isomorphismus ∼
Quot(RG ) → (Quot R)G Q Beweis. Jeden Bruch f /h ∈ (Quot R)G k¨onnen wir mit σ∈G\1 σ(h) erweitern zu einem Bruch mit Nenner in RG . So ein Bruch kann aber nur dann G-invariant sein, wenn auch sein Z¨ahler in RG liegt. Bemerkung 4.2.14. F¨ ur jeden K¨orper k ist also nach 4.2.4 die Erweiterung k(s1 , . . . , sn ) = k(X1 , . . . , Xn )Sn ⊂ k(X1 , . . . , Xn ) eine Galoiserweiterung mit Galoisgruppe Sn . Unsere Erweiterung ist nat¨ urlich auch ein Zerf¨allungsk¨orper der allgemeinen Gleichung T n + s1 T n−1 + . . . + sn−1 T + sn , wo wir die si schlicht als algebraisch unabh¨angige Variablen des Funktionenk¨orpers k(s1 , . . . , sn ) u ¨ber k auffassen. Nach unserer Konvention sollten wir hier vielleicht sogar große Buchstaben vom Ende des Alphabets benutzen, zum Beispiel Yi statt si . Insbesondere ist die allgemeine Gleichung irreduzibel, da ja alle ihre Wurzeln zueinander konjugiert sind unter der Galoisgruppe. ¨ Ubung 4.2.15. Ist k ein K¨orper, dessen Charakteristik teilerfremd ist zu
86
4.3
Schiefk¨ orper u ¨ ber den reellen Zahlen
Definition 4.3.1. Bezeichne H die Menge aller komplexen 2 × 2-Matrizen der Gestalt a −b H= a, b ∈ C ⊂ M (2 × 2, C) ¯b a ¯ Die Addition und Multiplikation von Matrizen induziert offensichtlich eine Addition und Multiplikation auf H, und wir erhalten eine Einbettung C ,→ H vermittels a 7→ diag(a, a ¯). Das Bilden der konjugierten transponierten Matrix ¯ q , und definiert einen Antiautomorphismus q 7→ q¯ von H, in Formeln qw = w¯ qq ist f¨ ur q 6= 0 stets positiv und reell. Folglich ist H ein Schiefk¨orper, er heißt nach seinem Erfinder der Schiefk¨orper der Hamilton’schen Zahlen oder auch der Quaternionen. Wir fassen C meist als Teilmenge von H auf vermittels der eben erkl¨arten Einbettung. Dann hat H u ¨ber R die Basis 1, i, j, k mit 0 −1 0 −i j= und k = 1 0 −i 0 und es gilt i2 = j 2 = k 2 = ijk = −1 Die Konjugation q 7→ q erh¨alt in dieser Basis die Gestalt a + bi + cj + dk = a − bi − cj − dk F¨ ur q √ = a + bi + cj + dk ist qq = qq = a2 + b2 + c2 + d2 und man setzt kqk = q · q. Offensichtlich gilt dann kqwk = kqkkwk f¨ ur alle q, w ∈ H. Proposition 4.3.2 (Schiefk¨ orper u ¨ ber den reellen Zahlen). Sei K ein Schiefk¨orper mit einem Ringhomomorphismus R ,→ K, dessen Bild im Zentrum von K liegt. So ist K als R-Ring entweder isomorph zu R selbst oder zum K¨orper C der komplexen Zahlen oder zum Schiefk¨orper H der Quaternionen. Bemerkung 4.3.3. Wir brauchen sogar nur anzunehmen, daß K als R-Vektorraum abz¨ahlbar erzeugt ist. Derselbe Beweis funktioniert, wenn wir nach 3.2.22 wissen, daß auch jede Erweiterung abz¨ahlbarer Dimension von R bereits algebraisch ist. Beweis. Gilt K 6= R, so k¨onnen wir unsere Einbettung R ,→ K zu einer Einbettung C ,→ K fortsetzen, und das sogar unter der Zusatzannahme, daß das Bild unserer Erweiterung ein vorgegebenes Element von K enthalten soll. Nun machen wir K zu einem C-Vektorraum durch Multiplikation von links. Die Multiplikation mit i ∈ C von rechts wird dann ein C-linearer 87
Endomorphismus J ∈ EndC K mit J 2 = − idK . Als Endomorphismus endlicher Ordnung ist er diagonalisierbar nach ?? und liefert eine Zerlegung K = K + ⊕ K − mit K ± = {a ∈ K | ia = ±ai}. Nun ist K + ein endlichdimensionaler Schiefk¨orper mit C im Zentrum, woraus sofort folgt K + = C. Gilt K 6= C, so gibt es nach dem vorhergehenden auch in K − ⊕ R ein Element j mit Quadrat −1, und man erkennt sofort, daß gilt j ∈ K − . F¨ ur jedes von Null verschiedene j ∈ K − induziert aber die Multiplikation mit j von ∼ rechts einen Isomorphismus K + → K − und der Rest des Arguments kann dem Leser u ¨berlassen bleiben. Bemerkung 4.3.4. Eine Kompositionsalgebra ist ein reeller endlichdimensionaler euklidischer Vektorraum V mit einer bilinearen Abbildung µ : V × V → V derart, daß gilt |µ(v, w)| = |v||w| ∀v, w ∈ V. Topologische Methoden zeigen, daß die Dimension eine Bijektion Kompositionsalgebren mit Einselement ∼ → {0, 1, 2, 4, 8} bis auf Isomorphismus liefert. Die fraglichen Kompositionsalgebren sind 0, R, C, H und die sehr merkw¨ urdige Struktur der sogenannten Oktonionen O, auch genannt die Cayley’schen Zahlen, bei denen die Multiplikation nicht mehr assoziativ ist. Ausf¨ uhrlichere Informationen dazu findet man zum Beispiel in [E+ 92].
4.4
Die Galoisgruppen der Kreisteilungsk¨ orper
Bemerkung 4.4.1. Gegeben n ≥ 1 interessieren wir uns nun f¨ ur den Zerf¨allungsk¨orper u oper heißt der ¨ber Q des Polynoms X n − 1. Dieser Zerf¨allungsk¨ √ n n-te Kreisteilungsk¨ orper und wird bezeichnet mit Q( 1). Er ist offensichtlich normal und separabel und mithin eine Galois-Erweiterung von Q. Ich stelle mir als n-ten Kreisteilungsk¨orper meist konkret den Unterk¨orper Q(ζ) ⊂ C vor mit ζ = exp(2π i /n). Auch ohne R¨ uckgriff auf den K¨orper der komplexen Zahlen wissen wir nach 3.4.7, daß die n-ten Einheitswurzeln √ n in Q( 1) eine zyklische Gruppe der Ordnung n bilden. Die Erzeuger dieser Gruppe heißen die primitiven n-ten Einheitswurzeln. Per definitionem sind sie gerade die Nullstellen des n-ten Kreisteilungspolynoms Y Φn = (X − ζ) ord ζ=n
Wir hatten schon vor 2.9.4 mit Induktion u ¨ber n gezeigt, daß dieses Polynom Koeffizienten in Q und sogar in Z hat und daß f¨ ur p prim das Polynom Φp irreduzibel ist in Q[X]. Nun zeigen wir ganz allgemein f¨ ur alle n ≥ 1: 88
Satz 4.4.2 (Galoisgruppen der Kreisteilungsk¨ orper). teilungspolynome Φn (X) sind irreduzibel in Q[X].
1. Die Kreis-
2. Bezeichnet µn die Gruppe der n-ten Einheitswurzeln im n-ten Kreistei√ n lungsk¨orper Q( 1) und Ab× (µn ) ihre Automorphismengruppe, so liefern die offensichtichen Abbildungen Isomorphismen √ ∼ ∼ n Gal(Q( 1)/Q) → Ab× (µn ) ← (Z/nZ)× Insbesondere ist die Galoisgruppe des n-ten Kreisteilungsk¨orpers kanonisch isomorph zur Einheitengruppe des Restklassenrings Z/nZ. √ n 3. Gegeben zwei primitive n-te Einheitswurzeln ζ, ξ ∈ Q( 1) existiert √ √ n n genau ein K¨orperhomomorphismus σ : Q( 1) → Q( 1) mit σ(ζ) = ξ. Beweis. 1. Ist ζ eine primitive n-te Einheitswurzel, so sind alle anderen primitiven n-ten Einheitswurzeln von der Form ζ a f¨ ur a ∈ Z mit a teilerfremd zu n, in Formeln (a, n) = (1). Sei nun Φn = f g eine Zerlegung in Z[X] mit f irreduzibel. Es reicht zu zeigen, daß f¨ ur jede Nullstelle ζ von f und p ∈ N prim mit p - n auch ζ p eine Nullstelle ist von f, denn dann sind alle Wurzeln von Φn schon Wurzeln von f und es folgt Φn = f. Aber sei sonst ζ eine Nullstelle von f und p prim mit p - n und g(ζ p ) = 0. So teilt f das ¨ Polynom g(X p ), und nach Ubergang zu Fp [X] ist f¯ Teiler von g¯(X p ) = g p . Dann haben aber f¯ und g¯ eine gemeinsame Nullstelle im Zerf¨allungsk¨orper von X n − 1 u ¨ber Fp , und das steht im Widerspruch dazu, daß nach 3.6.7 das n Polynom X − 1 u ur p - n keine mehrfachen Nullstellen hat in seinem ¨ber Fp f¨ Zerf¨allungsk¨orper. √ 2. Sicher wird Q( n 1) erzeugt von jeder primitiven n-ten Einheitswurzel ζ, und da Φn nach Teil 1 ihr Minimalpolynom ist, folgt mit 3.2.12 √ n [Q( 1) : Q] = deg Φn = |(Z/nZ)× | Sicher liefert die Operation der √ Galoisgruppe auf den n-ten Einheitswurzeln weiter eine Einbettung Gal(Q( n 1)/Q) ,→ Ab× (µn ) und nach 2.2.2 haben ∼ wir einen kanonischen Isomorphismus (Z/nZ)× → Ab× (µn ). Da diese drei Gruppen alle gleichviel Elemente haben, folgt der Satz. Bemerkung 4.4.3. Es ist in diesem Zusammenhang bequem, die sogenannte Euler’sche ϕ-Funktion ϕ : Z≥1 → Z≥1 einzuf¨ uhren. Sie wird definiert durch die Vorschrift ϕ(n) = = = =
Zahl der zu n teilerfremden d ∈ N mit 1 ≤ d ≤ n Zahl der Erzeuger der Gruppe Z/nZ |{x ∈ Z/nZ | ord(x) = n}| |(Z/nZ)× | 89
√ Nach 4.4.2 haben wir also auch ϕ(n) = deg Φn = [Q( n 1) : Q]. Satz 4.4.4 (Konstruierbarkeit regelm¨ aßiger n-Ecke). Genau dann ist das regelm¨aßige n-Eck konstruierbar mit Zirkel und Lineal, wenn ϕ(n) eine Zweierpotenz ist. Beweis. Sei ζ eine primitive n-te Einheitswurzel. Ist ϕ(n) = [Q(ζ) : Q] keine Zweierpotenz, so kann ζ nicht konstruierbar sein nach 3.3.4. Ist ϕ(n) eine Zweierpotenz, so ist G = Gal(Q(ζ)/Q) eine 2-Gruppe. Nach 1.13.3 gibt es dann in G eine Kette von Normalteilern von G der Gestalt G = Gr ⊃ Gr−1 ⊃ . . . ⊃ G0 = 1 mit Gi /Gi−1 ∼ ur 1 ≤ i ≤ r. Deren Fixk¨orper bilden dann eine Kette = Z/2Z f¨ Q = Kr ⊂ Kr−1 ⊂ . . . ⊂ K0 = Q(ζ) von Teilk¨orpern mit [Ki−1 : Ki ] = 2 f¨ ur 1 ≤ i ≤ r. Diese Kette hinwiederum zeigt, daß ζ konstruierbar ist. Lemma 4.4.5 (zur Euler’schen ϕ-Funktion). lerfremd, so gilt ϕ(nm) = ϕ(n)ϕ(m).
1. Sind n und m tei-
2. Ist p prim, so gilt ϕ(pr ) = pr−1 (p − 1). Beweis. 1. Der Isomorphismus Z/nmZ ∼ = Z/nZ × Z/mZ induziert einen Isomorphismus (Z/nmZ)× ∼ = (Z/nZ)× × (Z/mZ)× . 2. Es gibt pr−1 Vielfache n von p mit 1 ≤ n ≤ pr , also gilt ϕ(pr ) = pr − pr−1 = pr−1 (p − 1) Bemerkung 4.4.6. Damit ϕ(n) eine Zweierpotenz ist, darf also nur der Primfaktor 2 in n mehrfach vorkommen, und alle anderen Primfaktoren m¨ ussen r r die Gestalt 2 + 1 haben. Nur dann kann aber 2 + 1 eine Primzahl sein, wenn r selbst eine Zweierpotenz ist, denn sonst w¨are r = st mit t > 1 ungerade, und wir k¨onnten die Gleichung (1 − X t ) = (1 − X)(1 + X + . . . + X t−1 ) spezialisieren zu X = −2s und so 1 + 2r nichttrivial faktorisieren. k
Bemerkung 4.4.7. Die Zahlen Fk = 1 + 22 heißen Fermat’sche Zahlen. F0 , F1 , F2 , F3 , F4 sind prim, aber F5 = 1 + 232 = 641 · 6700417 ist nicht prim. Es ist nicht bekannt, ob es außer den 5 ersten noch weitere Fermat’sche Zahlen gibt, die prim sind. Bekannt ist, daß Fk f¨ ur 5 ≤ k ≤ 21 nicht prim ist. 90
Bemerkung 4.4.8. Wenn man schon die Eulersche ϕ-Funktion einf¨ uhrt, so darf die witzige Identit¨at X n= ϕ(d) d|n
nicht fehlen. Um sie zu zeigen bemerke man, daß auch f¨ ur jedes Vielfache n = cd einer Zahl d schon gilt ϕ(d) = |{x ∈ Z/nZ | ord(x) = d}|. In der Tat definiert n¨amlich die Multiplikation mit c eine Einbettung Z/dZ ,→ Z/nZ, deren Bild genau aus allen x ∈ Z/nZ besteht, deren Ordnung d teilt.
4.5
Das Quadratische Reziprozit¨ atsgesetz
Definition 4.5.1. Seien a, b ∈ Z zwei ganze Zahlen. Besitzt die Gleichung a = x2 + by eine L¨osung mit x, y ∈ Z, so sagen wir, a sei ein Quadrat modulo b. Satz 4.5.2 (Quadratisches Reziprozit¨ atsgesetz). Seien p und q zwei verschiedene ungerade Primzahlen. 1. Ist p oder q kongruent zu 1 modulo 4, so ist p ein Quadrat modulo q genau dann, wenn q ein Quadrat ist modulo p. 2. Sind p und q kongruent zu 3 modulo 4, so ist p ein Quadrat modulo q genau dann, wenn q kein Quadrat ist modulo p. √ Beweis. Wir betrachten den p-ten Kreisteilungsk¨orper Q( p 1). Nach 4.4.2 ist seine Galoisgruppe G zyklisch ist von der Ordnung p−1, folglich gibt es genau eine Untergruppe der Galoisgruppe vom Index zwei. Der Fixk¨orper dieser Untergruppe ist nach 4.2.5 eine quadratische Erweiterung von Q. Wir zeigen nun, daß diese quadratische Erweiterung aus Q ensteht durch die Adjunktion p−1 einer Quadratwurzel aus (−1) 2 p, und behaupten sogar genauer Lemma 4.5.3. Ist p eine ungerade Primzahl und ζ eine primitive p-te Einp−1 heitswurzel, so besitzt (−1) 2 p eine Quadratwurzel in Z[ζ]. Beweis. Wir u ur welche Elemente α des p¨berlegen uns zun¨achst einmal, f¨ ten Kreisteilungsk¨orpers das Quadrat u ¨berhaupt in Q liegt. Bezeichnet G die Galoisgruppe des p-ten Kreisteilungsk¨orpers, so gibt es ja genau einen surjektiven Gruppenhomomorphismus χ : G {+1, −1} und der Kern von χ ist die einzige Untergruppe vom Index zwei. Der Fixk¨orper dieses Kerns ist das Bild von X x 7→ τ (x) τ ∈ker χ
91
und die besagten α m¨ ussen nun nicht nur in diesem Fixk¨orper liegen, sondern auch noch Eigenvektoren zum Eigenwert −1 sein f¨ ur ein und jedes σ 6∈ ker χ, sie m¨ ussen also in anderen Worten sogar im Bild der Abbildung X X x 7→ α(x) = (id −σ) τ (x) = χ(τ )τ (x) τ ∈G
τ ∈ker χ
liegen. Umgekehrt entsteht auch f¨ ur jedes von Null verschiedene α im Bild dieser Abbildung und unsere quadratische Erweiterung aus Q durch Adjunktion der Wurzel α von α2 . Jetzt setzen wir f¨ ur x eine primitive p-te Einheitswurzel ζ ein und berechnen das Quadrat von α = α(ζ). Nach 4.4.2 ∼ a haben wir einen Isomorphismus F× p → G, a 7→ σa derart, daß gilt σa (ζ) = ζ f¨ ur jede p-te Einheitswurzel ζ. Unter dieser Identifikation wird unser χ der einzige surjektive Gruppenhomomorphismus χ : F× p {+1, −1} und kann beschrieben werden durch die Formel χ(a) ≡ a
p−1 2
(mod p)
Wir erhalten mit diesen Identifikationen und Notationen X χ(a)ζ a α= a∈F× p
Nun beachten wir χ(ab2 ) = χ(a) und erhalten durch Substitution von ab f¨ ur a die zweite Gleichung der Kette X X X (ζ a+1 )b χ(a) χ(ab)ζ a+b = α2 = a∈F× p
a,b∈F× p
b∈F× p
Bei a = −1 ergibt sich ganz rechts der Beitrag χ(−1)(p − 1). Bei a 6= −1 beachten wir, daß f¨ ur η = ζ a+1 wie f¨ ur jede primitive p-te Einheitswurzel die Relation 1 + η + η 2 + . . . + η p−1 = 0 gilt, so daß die Summanden mit a 6= −1 jeweils den Beitrag −χ(a) liefern. Da nun die Summe der χ(a) u ¨ber alle a ∈ F× p verschwindet, liefern alle Summanden mit a 6= −1 zusammen den Beitrag χ(−1) und wir folgern α2 = χ(−1)p. Das Lemma folgt dann aus der Formel χ(−1) ≡ (−1)
p−1 2
(mod p)
F¨ ur den Rest des Beweises von 4.5.2 k¨ urzen wir Z[ζ] = R ab. Dieser Ring ist offensichtlich eine endlich erzeugte torsionsfreie abelsche Gruppe, insbesondere gilt f¨ ur unsere zweite Primzahl q notwendig qR 6= R und damit 92
1 6∈ qR qR ∩ Z = qZ. Wir haben weiter f¨ ur beliebiges α ∈ R, d.h. P und dann i α = p−1 c ζ mit Koeffizienten c ∈ Z nach 2.2.7 die Kongruenz i i=1 i X σq (α) = ci ζ qi ≡ αq (mod qR) Speziell f¨ ur unser α gilt also χ(q)α ≡ αq (mod qR), und da α2 und damit auch α nach 4.5.3 invertierbar sind in R/qR, folgt χ(q) ≡ αq−1 ≡ (α2 )
q−1 2
≡p
q−1 2
(−1)
p−1 q−1 2 2
(mod qR)
Hier sind jedoch beide Seiten ganze Zahlen, also gilt diese Kongruenz auch modulo qZ. Jetzt f¨ uhren wir f¨ ur p prim und a ∈ Z teilerfremd zu p die sogenannten Legendre-Symbole ein durch die Vorschrift a 1 a ist ein Quadrat modulo p; = −1 sonst. p q−1
Es gilt also χ(q) = ( pq ) und p 2 ≡ ( pq ) (mod q), womit unsere Kongruenz sich schreiben l¨aßt in der Form p−1 q−1 q p 2 2 ≡ (−1) (mod q) p q Da aber q eine ungerade Primzahl ist und nur die Zahlen ±1 zum Vergleich stehen, folgt das quadratische Reziprozit¨atsgesetz p−1 q−1 p q = (−1) 2 2 p q Bemerkung 4.5.4. Wann zwei ein Quadrat ist modulo einer Primzahl p, das sagt der folgende “Erg¨anzungssatz zum quadratischen Reziprozit¨atsgesetz”. Proposition 4.5.5 (Erg¨ anzungssatz). F¨ ur jede ungerade Primzahl p gilt p2 −1 2 1 f¨ ur p ≡ ±1 (mod 8); = (−1) 8 = −1 f¨ ur p ≡ ±3 (mod 8). p Beweis. Wir betrachten √ die primitive achte Einheitswurzel √ ζ = exp(πı/4). √ −1 Wir pr¨ ufen ζ + ζ = 2. Sei p das Vorzeichen mit σp ( 2) = p 2. Jetzt rechnen wir im Ring R = Z[ζ] und erhalten √ √ √ p 2 ≡ σp ( 2) ≡ ζ p + ζ −p ≡ (ζ + ζ −1 )p ≡ ( 2)p (mod pR) √ p−1 also p ≡ ( 2)p−1 ≡ 2 2 (mod p) und damit p = ( p2 ). F¨ ur das Vorzeichen p pr¨ uft man explizit, daß es durch die im Erg¨anzungssatz behauptete Formel gegeben wird. ¨ Ubung 4.5.6. Sei a ∈ Z fest vorgegeben. Ob a ein Quadrat ist modulo einer ungeraden Primzahl p h¨angt nur von der Restklasse von p modulo 4a ab. 93
4.6
Radikalerweiterungen
Definition 4.6.1. Eine Galoiserweiterung mit zyklischer Galoisgruppe nennt man eine zyklische Erweiterung. Eine Galoiserweiterung mit abelscher Galoisgruppe nennt man eine abelsche Erweiterung. Bemerkung 4.6.2. Zerf¨allt das Polynom X n −1 in einem K¨orper vollst¨andig in Linearfaktoren, so sagen wir, der besagte K¨orper enthalte alle n-ten Einheitswurzeln. Wir sagen, eine K¨orpererweiterung L/K entstehe durch Adjunktion einer n-ten Wurzel genau dann, wenn gilt L = K(α) f¨ ur ein n α ∈ L \ K mit α ∈ K. Satz 4.6.3 (Zyklische Erweiterungen). Seien K ein K¨orper und n ≥ 2 eine nat¨ urliche Zahl derart, daß unser K¨orper alle n-ten Einheitswurzeln enth¨alt und daß seine Charakteristik teilerfremd ist zu n. So gilt: 1. Alle zyklischen Erweiterungen von K vom Grad n entstehen durch die Adjunktion einer n-ten Wurzel. 2. Adjungieren wir zu K eine n-te Wurzel, so erhalten wir eine zyklische Erweiterung, deren Grad n teilt. Bemerkung 4.6.4. Der Beweis zeigt sogar genauer, was f¨ ur eine n-te Wurzel in Teil 1 adjungiert werden muß: N¨amlich ein beliebiger Eigenvektor zu einem Erzeuger der Galoisgruppe mit Eigenwert eine primitive n-te Einheitswurzel. Bemerkung 4.6.5. Man beachte den fundamentalen Unterschied zwischen der Erweiterung eines K¨orpers durch n-te Einheitswurzeln und der Erweiterung eines K¨orpers mit n-ten Einheitswurzeln durch n-te Wurzeln aus von 1 verschiedenen Elementen: Ist der Einfachkeit halber die Charakteristik Null, so ist im ersten Fall nach 4.4.2 und 4.6.7 die Ordnung der Galois-Gruppe ein Teiler von n − 1, im zweiten Fall dahingegen ein Teiler von n. Beweis. 2. Bezeichne µn ⊂ K × die Gruppe der n-ten Einheitswurzeln. Entsteht L = K(α) durch Adjunktion einer n-ten Wurzel aus a = αn , so sind die Wurzeln des Polynoms X n − a die ζα mit ζ den n-ten Einheitswurzeln, folglich ist unsere Erweiterung Galois. Weiter erhalten wir eine Injektion der Galois-Gruppe in die Gruppe der n-ten Einheitswurzeln, indem wir jedem σ ∈ Gal(L/K) diejenige Einheitswurzel ζ zuordnen mit σ(α) = ζα. Folglich liefert die Adjunktion n-ter Wurzeln in der Tat zyklische Erweiterungen, deren Ordnung n teilt. 1. Sei umgekehrt L/K eine zyklische Erweiterung vom Grad n. Sei σ 6= id ein Erzeuger der Galoisgruppe. Wir fassen σ auf als eine K-lineare Abbildung σ : L → L. Da gilt σ n = id nach Voraussetzung, sind die Eigenwerte von σ 94
notwendig n-te Einheitswurzeln. Da aus σ(α) = ζα und σ(β) = ηβ f¨ ur n-te Einheitswurzeln ζ, η folgt σ(αβ) = ζηαβ, bilden die Eigenwerte sogar eine Untergruppe U ⊂ µn . Enthielte diese Untergruppe nicht alle n-ten Einheitswurzeln, so g¨abe es einen Teiler d von n mit d 6= n derart, daß σ d als einzigen Eigenwert die 1 h¨atte. Das kann aber nicht sein, vom h¨oheren Standpunkt aus nach dem Satz von Maschke ??, vom niederen Standpunkt nach ??, elementar kann man auch argumentieren wie folgt: Es w¨are ja dann σ d von der Gestalt σ d = id +N mit N 6= 0 nilpotent, also h¨atten wir σ n = id +(n/d)N +N 2 Q(N ) f¨ ur ein geeignetes Polynom Q ∈ Z[X] und damit (n/d)N = −N 2 Q(N ) Das ist aber unm¨oglich f¨ ur N 6= 0 nilpotent, denn bilden wir von beiden Seiten dieser Gleichung Potenzen, so verschwindet die rechte Seite bei einer tieferen Potenz als die linke Seite. Also besteht U aus allen n-ten Einheitswurzeln und es gibt ein von Null verschiedenes α ∈ L mit σ(α) = ζα f¨ ur ζ eine primitive n-ten Einheitswurzel. Wir haben dann notwendig σ(αn ) = αn , also αn ∈ K, aber die Potenzen α, α2 , . . . , αn sind linear unabh¨angig u ¨ber K als Eigenvektoren zu paarweise verschiedenen Eigenwerten von σ. Es folgt [K(α) : K] = n und damit L = K(α). Korollar 4.6.6 (Adjunktion primer Wurzeln). Sei p eine Primzahl und K ein K¨orper einer Charakteristik char K 6= p, der alle p-ten Einheitswurzeln enth¨alt. Genau dann ist eine Erweiterung unseres K¨orpers Galois von der Ordnung p, wenn sie durch Adjunktion einer p-ten Wurzel entsteht. Beweis. Eine Galoiserweiterung von Primzahlordnung ist notwendig zyklisch. Das Korollar folgt damit aus 4.6.3. Satz 4.6.7 (Translationssatz der Galoistheorie). Seien in einem großen K¨orper zwei Teilk¨orper K, L gegeben und bezeichne KL den von K und L in unserem großen K¨orper erzeugten Teilk¨orper, das sogenannte Kompositum von K und L. Ist nun (K ∩ L) ⊂ K eine Galoiserweiterung, so ist auch L ⊂ KL eine Galoiserweiterung und die Restriktion definiert einen Isomorphismus ∼ Gal(KL/L) → Gal(K/K ∩ L) Bemerkung 4.6.8. Insbesondere gilt dieser Situation [K : K ∩ L] = [KL : L]. Ohne die Galois-Bedingung gilt diese Aussage im Allgemeinen nicht, als Gegenbeispiel betrachte man in den komplexen Zahlen die von zwei verschiedenen dritten Wurzeln aus 2 erzeugten Teilk¨orper.
95
Beweis. Wir zeigen die Aussage hier nur f¨ ur endliche Erweiterungen. Mit K/(K ∩L) ist auch KL/L erzeugt von separablen Elementen bzw. ein Zerf¨allungsk¨orper. Also ist KL/L Galois. Da K normal ist u ¨ber (K ∩ L), stabilisieren alle K¨orperautomorphismen von KL u ¨ber L den Unterk¨orper K, und die Abbildung auf den Galoisgruppen ist offensichtlich injektiv. Der Fixk¨orper des Bildes ist aber genau K ∩L und das zeigt die Bijektivit¨at im Fall endlicher Erweiterungen. Definition 4.6.9. Sei L/K eine K¨orpererweiterung. Wir nennen L eine Radikalerweiterung von K genau dann, wenn es eine K¨orperkette K = K0 ⊂ K1 ⊂ K2 ⊂ . . . ⊂ Kr = L gibt derart, daß der n¨achstgr¨oßere K¨orper jeweils entsteht durch Adjunktion einer Wurzel, daß es also in Formeln jeweils αi ∈ Ki und ni ≥ 2 gibt derart, daß gilt αini ∈ Ki−1 und Ki = Ki−1 (αi ). Bemerkung 4.6.10. “Radikal” ist der lateinische Ausdruck f¨ ur “Wurzel”. Unsere Radikalerweiterungen w¨ urde man also auf Deutsch bezeichnen als “Erweiterungen, die durch sukzessives Wurzelziehen entstehen”. Definition 4.6.11. Sei M/K eine K¨orpererweiterung. Wir sagen, ein Element α ∈ M l¨aßt sich darstellen durch Radikale u ¨ ber K genau dann, wenn sich K(α) in eine Radikalerweiterung von K einbetten l¨aßt. Beispiel 4.6.12. Die folgende reelle Zahl l¨aßt sich darstellen durch Radikale u ¨ber dem K¨orper Q der rationalen Zahlen: p √ 7 5 √ 6 + 3 + 13 17 √ − 19876 2 3+8 Definition 4.6.13. Sei K ein K¨orper und P ∈ K[X] ein Polynom. Wir sagen, die Gleichung P (X) = 0 l¨aßt sich aufl¨ osen durch Radikale genau dann, wenn sich alle Nullstellen des Polynoms P in seinem Zerf¨allungsk¨orper durch Radikale u ¨ber K darstellen lassen. Bemerkung 4.6.14. Eine Gruppe G heißt nach 1.13.4 aufl¨ osbar genau dann, wenn es eine Folge von Untergruppen G = G0 ⊃ G1 ⊃ G2 ⊃ . . . ⊃ Gr = 1 gibt mit Gi normal in Gi−1 und Gi−1 /Gi abelsch f¨ ur 1 ≤ i ≤ r. Satz 4.6.15 (Auflo ¨sbarkeit von Gleichungen durch Radikale). Sei K ein K¨orper der Charakteristik char K = 0 und P ∈ K[X] ein Polynom. So sind gleichbedeutend: 96
1. Die Gleichung P (X) = 0 l¨aßt sich aufl¨osen durch Radikale. 2. Die Galoisgruppe des Zerf¨allungsk¨orpers von P u ¨ber K ist aufl¨osbar. Beweis. Das folgt sofort aus der anschließenden Proposition, angewandt auf den Zef¨allungsk¨orper von P. Proposition 4.6.16. Sei K ein K¨orper der Charakteristik char K = 0 und sei L/K eine K¨orpererweiterung von K. So sind gleichbedeutend: 1. L l¨aßt sich einbetten in eine Radikalerweiterung von K. 2. L l¨aßt sich einbetten in eine endliche Galoiserweiterung von K mit aufl¨osbarer Galoisgruppe. Beweis. 2 ⇒ 1. Sei ohne Beschr¨ankung der Allgemeinheit L/K eine endliche Galoiserweiterung mit aufl¨osbarer Galoisgruppe G = Gal(L/K). So gibt es sogar eine Folge von Untergruppen G = G0 ⊃ G1 ⊃ . . . ⊃ Gr = 1 mit Gi normal in Gi−1 und Gi−1 /Gi zyklisch von Primzahlordnung f¨ ur 1 ≤ i ≤ r. Die zugeh¨orige Kette von Fixk¨orpern ist eine Kette von zyklischen Erweiterungen von Primzahlordnung K = K0 ⊂ K1 ⊂ . . . ⊂ Kr = L Adjungieren wir eine primitive |G|-te Einheitswurzel ζ, so erhalten wir nach dem Translationssatz 4.6.7 wieder eine Kette K = K0 ⊂ K0 (ζ) ⊂ K1 (ζ) ⊂ . . . ⊂ Kr (ζ) = L(ζ) von Galoiserweiterungen. Nach unserem Satz u ¨ber Adjunktion primer Wurzeln ensteht hier jede Stufe durch Adjunktion einer geeigneten Wurzel aus der vorherigen Stufe. Mithin l¨aßt sich L in eine Radikalerweiterung von K einbetten, n¨amlich in die Radikalerweiterung L(ζ). 1 ⇒ 2. Sei ohne Beschr¨ankung der Allgemeinheit L/K eine Radikalerweiterung. Offensichtlich k¨onnen wir L auch erhalten, indem wir sukzessive Wur√ zeln von Primzahlordnung pi ai adjungieren, f¨ ur geeignete Primzahlen pi . Es gibt also eine K¨orperkette K = K0 ⊂ K 1 ⊂ K2 ⊂ . . . ⊂ Kr = L
97
sowie geeignete αi ∈ Ki und Primzahlen pi derart, daß f¨ ur alle i ≥ 1 gilt Ki = Ki−1 (αi ) und αipi ∈ Ki−1 . Ist n das Produkt dieser pi und adjungieren wir zu L eine primitive n-te Einheitswurzel ζ, so ist im K¨orperturm K = K0 ⊂ K0 (ζ) ⊂ K1 (ζ) ⊂ . . . ⊂ Kr (ζ) = L(ζ) jeder Schritt eine abelsche Erweiterung. Vergr¨oßern wir nun L(ζ) zu einer ˜ ⊂ N aller normalen Erweiterung N/K und betrachten das Kompositum L K ˜ eine Galoiserweiterung von K ϕ(L(ζ)) mit ϕ ∈ Kring (L(ζ), N ), so ist L und es gibt einen K¨orperturm ˜0 ⊂ L ˜1 ⊂ L ˜2 ⊂ . . . ⊂ L ˜t = L ˜ K=L in dem jede Stufe eine abelsche Erweiterung ist. Die Galoiskorrespondenz ˜ zeigt dann, daß die Galoisgruppe Gal(L/K) aufl¨osbar ist. Proposition 4.6.17. Hat ein irreduzibles Polynom f¨ unften Grades aus Q[X] genau drei reelle und zwei komplexe Nullstellen, so ist seine Galoisgruppe die volle symmetrische Gruppe S5 und ist damit nicht aufl¨osbar. Beweis. Die komplexe Konjugation τ vertauscht zwei Nullstellen und l¨aßt die u ¨brigen fest. Da die Galoisgruppe G transitiv auf der 5-elementigen Menge der Nullstellen operiert, teilt nach der Bahnformel 5 die Gruppenordnung und es gibt nach 1.12.3 ein g ∈ G von der Ordnung ord g = 5. Man sieht, daß g und τ schon ganz S5 erzeugen. Beispiel 4.6.18. Das Polynom X(X 2 +4)(X 2√ −4) = X 5 −16X hat genau drei √ reelle Nullstellen und Extrema bei X = ±2/ 4 5 mit Werten ±32( 15 −1)1/ 4 5, die im Absolutbetrag gr¨oßer sind als zwei. Das Polynom X 5 − 16X + 2 hat also ebenfalls genau drei reelle und zwei komplexe Nullstellen, und es ist dar¨ uber hinaus irreduzibel nach dem Eisensteinkriterium.
4.7
Lo ¨sung kubischer Gleichungen
Bemerkung 4.7.1. Jetzt interessieren wir uns f¨ ur kubische Gleichungen, also Gleichungen der Gestalt x3 + ax2 + bx + c = 0 Ihre Galoisgruppen sind aufl¨osbar als Untergruppen von S3 , also m¨ ussen sich kubische Gleichungen zumindest in Charakteristik Null durch Radikale l¨osen lassen. Um explizite L¨osungsformeln anzugeben, bringen wir zun¨achst durch die Substitution x = y − a/3 den quadratischen Term zum Verschwinden und gehen u ur die L¨osung ¨ber zu einer Gleichung der Gestalt y 3 + py + q = 0. F¨ derartiger Gleichungen gibt der folgende Satz eine explizite Formel. 98
Satz 4.7.2. Gegeben komplexe Zahlen p, q erh¨alt man genau die L¨osungen der Gleichung y 3 + py + q = 0, wenn man in der Cardano’schen Formel s s r r 2 3 q p q q q 2 p 3 3 3 + + − − + y1/2/3 = − + 2 2 3 2 2 3 bei beiden Summanden dieselbe Quadratwurzel fest w¨ahlt und dann die beiden Kubikwurzeln so zieht, daß ihr Produkt gerade −p/3 ist. Bemerkung 4.7.3. Dasselbe gilt in jedem beliebigen algebraisch abgeschlossenen K¨orper mit von zwei und drei verschiedener Charakteristik. Man beachte, daß wir auch f¨ ur eine kubische Gleichung mit reellen Koeffizienten und drei reellen L¨osungen dennoch die komplexen Zahlen ben¨otigen, um unsere Formel anwenden zu k¨onnen. Diese schlagende Anwendung der komplexen Zahlen war der Ausgangspunkt ihres Siegeszugs in der h¨oheren Mathematik. Beweis. Daß wir auf diese Weise wirklich nur L¨osungen unserer Gleichung erhalten, kann man unschwer nachrechnen. Daß wir alle L¨osungen erhalten, folgt auch recht schnell: Stimmen zwei derartige L¨osungen u ¨berein, sagen wir −1 u + v = ζu + ζ v f¨ ur vertr¨agliche Wahlen u und v der beiden Kubikwurzeln und eine primitive dritte Einheitswurzel ζ, so folgern wir v = ζu, damit das Verschwinden der Diskriminante 27q 2 + 4p3 und damit gibt es auch nur h¨ochstens zwei L¨osungen nach 2.10.8. Stimmen alle drei so konstruierten L¨osungen u ¨berein, so folgt weiter u = v = 0 und q = p = 0 und unsere Gleichung hat in der Tat nur eine L¨osung y = 0. Bemerkung 4.7.4. Wie wir sehen, ist es nicht schwer, die Cardano’sche Formel nachzupr¨ ufen. Ich will nun aber erkl¨aren, wie man durch Galois-Theorie auf diese Formel gef¨ uhrt wird. Sei dazu k ein K¨orper, den wir zur Vereinfachung von der Charakteristik Null nehmen wollen und der auch eine nichttriviale dritte Einheitswurzel ζ enthalten m¨oge. Wir bilden den Funktionenk¨orper K = k(p, q) = Quot k[p, q] in zwei algebraisch unabh¨angigen Ver¨anderlichen p und q und bezeichnen ihn mit Noch was fehlt. L¨ose eigentlich u ¨ber Ring! Seien dazu p, q Elemente eines K¨orpers K, Sei weiter unser Polynom Y 3 + pY + q irreduzibel in K[Y ]. Ist L/K ein Zerf¨allungsk¨orper dieses Polynoms, so schreiben wir Y 3 + pY + q = (Y − α)(Y − β)(Y − γ) mit α, β, γ ∈ L und erhalten α+β+γ = 0 αβ + βγ + γα = p −αβγ = q = α2 β + β 2 α 99
Die Galoisgruppe G von L/K muß treu und transitiv operieren auf der Menge {α, β, γ} der Wurzeln. Diese Operation identifiziert mithin unsere Galoisgruppe entweder mit der Gruppe S3 aller Permutationen von {α, β, γ} oder mit der Gruppe A3 aller geraden Permutationen dieser Menge. Um diese F¨alle zu unterscheiden, betrachten wir in L das Element E = (α − β)(β − γ)(γ − α) = −2α3 − 3α2 β + 3αβ 2 + 2β 3 und beachten, daß nach 2.10.8 oder auch elementarer Rechnung gilt E 2 = −4p3 − 27q 2 Genau dann gilt demnach G = A3 , wenn E invariant ist unter G, wenn also −4p3 − 27q 2 bereits in K eine Quadratwurzel besitzt, und in jedem Fall ist L/K(E) eine Galoiserweiterung mit Galoisgruppe A3 . Sei nun σ ∈ G der Erzeuger dieser Galoisgruppe mit σ(α) = β, σ(β) = γ und σ(γ) = α. Nach 4.6.4 entsteht dann L aus K(E) durch Adjunktion der Kubikwurzel aus einem Eigenvektor von σ zu einem von 1 verschiedenen Eigenwert. Ist ζ eine primitive dritte Einheitswurzel, so ist zum Beispiel u = α + ζσ(α) + ζ 2 σ 2 (α) = (1 − ζ 2 )α + (ζ − ζ 2 )β = (1 − ζ 2 )(α − ζ 2 β) so ein Eigenvektor, zumindest unter der Annahme u 6= 0, und dasselbe gilt f¨ ur v = α + ζ 2 σ(α) + ζσ 2 (α) = (1 − ζ)α + (ζ 2 − ζ)β = (1 − ζ)(α − ζβ) Aus diesen Eigenvektoren erhalten wir unsere L¨osungen als u + v = 3α und dann durch Anwenden von σ weiter auch ζu + ζ 2 v = 3β sowie ζ 2 u + ζv = 3γ. Die dritten Potenzen von u und von v m¨ ussen nun in K(E) liegen. Liegen sie nicht bereits in K, so m¨ ussen wir sie unter dem Element τ der Galoisgruppe, das α und β vertauscht, in Eigenvektoren zu zerlegen. Schreiben wir demnach 2v 3 = (v 3 + τ (v 3 )) + (v 3 − τ (v 3 )), so muß der erste Summand zu K geh¨oren ¨ und der zweite zu KE. Multiplizieren wir der Ubersichtlichkeit halber noch einen geeigneten Faktor aus K auf die andere Seite, so finden wir konkret 2(1 − ζ)−3 v 3 = ((α − ζβ)3 + (β − ζα)3 ) + ((α − ζβ)3 − (β − ζα)3 ) = 3(ζ 2 − ζ)α2 β + 3(ζ 2 − ζ)αβ 2 +2α3 − 3(ζ 2 + ζ)α2 β + 3(ζ 2 + ζ)αβ 2 − 2β 3 = 3(ζ 2 − ζ)q − E 100
und wegen (1 − ζ)3 = 3(ζ 2 − ζ) und (ζ 2 − ζ)2 = ζ + ζ 2 − 2 = −3 schließlich v 3 3
q (ζ − ζ 2 )E =− + 2 18
Genauso liefert Ersetzen von ζ durch ζ 2 auch u 3 3
q (ζ − ζ 2 )E =− − 2 18
und es folgt, daß die beiden Ausdr¨ ucke r q q 2 p 3 − ± + 2 2 3 3 3 genau v3 und u3 liefern. Unsere L¨osung α hat also die Gestalt s α=
3
s r r 2 3 q q 2 p 3 q p q 3 − + + + − − + 2 2 3 2 2 3
und wenn wir die beiden kubischen Wurzeln so ziehen, daß ihr Produkt gerade −p/3 ist, so erhalten wir auch stets L¨osungen.
101
5 5.1
Verallgemeinerungen ins Unendliche Das Zorn’sche Lemma
Lemma 5.1.1 (Zorn). Sei (X, ≤) eine partiell geordnete Menge. Besitzt jede total geordnete Teilmenge Y ⊂ X in X eine obere Schranke, so gibt es in X mindestens ein maximales Element. Bemerkung 5.1.2. Unter einer total geordneten Teilmenge einer partiell geordneten Menge versteht man eine Teilmenge, in der je zwei Elemente vergleichbar sind. Eine partiell geordnete Menge, in der jede total geordnete Teilmenge eine obere Schranke besitzt, nennt man induktiv geordnet. Bemerkung 5.1.3. Bezeichne wie u ¨blich P(X) die Potenzmenge von X, d.h. die Menge aller Teilmengen von X. Da es mich verwirrt, u ¨ber Mengen von Mengen zu reden, werde ich Teilmengen von P(X) oft als Systeme von Teilmengen von X ansprechen. Besonders h¨aufig benutzt man das Zorn’sche Lemma in der folgenden Gestalt. Korollar 5.1.4. Sei M eine Menge und X ⊂ P(M ) ein nichtleeres System von Teilmengen von M, das stabil ist unter aufsteigenden Vereinigungen. So besitzt X ein bez¨ uglich der Inklusion maximales Element. Beweis. Wir wenden das Zorn’sche Lemma an auf die partiell geordnete Menge X und m¨ ussen zeigen, daß jede Kette in X eine obere Schranke hat. Ist unsere Kette nicht leer, so ist die Vereinigung ihrer Mitglieder die gesuchte obere Schranke. Ist unsere Kette leer, so ist jede Menge aus unserem nach Annahme ja nicht leeren System X eine m¨ogliche obere Schranke. Bemerkung 5.1.5. Zur Motivation schicke ich dem Beweis des Zorn’schen Lemmas 5.1.1 eine typische Anwendung voraus. Satz 5.1.6. Jeder Vektorraum hat eine Basis. Beweis. Sei V unser Vektorraum und X ⊂ P(V ) das System aller linear unabh¨angigen Teilmengen A ⊂ V, geordnet durch Inklusion. Die leere Menge A = ∅ ist linear unabh¨angig, also ist X nicht leer. Wir zeigen als n¨achstes, daß X stabil ist unter aufsteigenden Vereinigungen. Ist in der Tat Y ein total geordnetes System von linear unabh¨angigen Teilmengen S S von V, so ist auch angig, denn sind v1 , . . . , vr ∈ A∈Y A paarweise verA∈Y A linear unabh¨ schieden, so gibt es ein A ∈ Y mit v1 , . . . , vr ∈ A und folglich verschwindet keine nichttriviale Linearkombination der vi . Also ist X auch stabil unter aufsteigenden Vereinigungen und nach dem vorhergehenen Korollar 5.1.4 gibt es damit ein maximales Element von X alias eine maximale linear unabh¨angige 102
Teilmenge von V. Diese Teilmenge muß aber schon ein Erzeugendensystem sein, denn sonst k¨onnten wir sie durch einen Vektor außerhalb ihres Erzeugnisses noch vergr¨oßern zu einer echt gr¨oßeren linear unabh¨angigen Teilmenge, in Widerspruch zur Maximalit¨at. Lemma 5.1.7 (Auswahlaxiom). Jede surjektive Abbildung von einer Menge auf eine andere besitzt ein Rechtsinverses, d.h. gegeben eine Surjektion h : Y Z von einer Menge Y auf eine Menge Z gibt es eine Abbildung g : Z → Y mit h ◦ g = idZ . Beweis. Vom Standpunkt der naiven Mengenlehre aus, den wir bisher stets eingenommen haben und den wir auch weiter einnehmen werden, kann man dieses Lemma m¨ uhelos beweisen: Man w¨ahlt halt f¨ ur jedes z ∈ Z ein Urbild aus, und fertig ist das gesuchte Rechtsinverse g. Bemerkung 5.1.8. Wenn man die Mengenlehre formalisiert in einer Formelsprache, so l¨aßt sich die Aussage dieses Lemmas nicht formal aus den anderen Axiomen herleiten, die wir zwar ihrerseits auch nie formalisiert haben, die wir aber st¨andig in intuitiver Weise benutzen. Das Auswahlaxiom ist sogar ¨aquivalent zum Zorn’schen Lemma, aber das werden wir uns nicht u ¨berle¨ gen. Man ben¨otigt das Auswahlaxiom im Ubrigen auch, um zu zeigen, daß ein unendliches kartesisches Produkt von nichtleeren Mengen nicht leer ist. Bemerkung 5.1.9. Eine partiell geordnete Menge, in der jede total geordnete Teilmenge T sogar eine kleinste obere Schranke besitzt, nennt man streng induktiv geordnet. F¨ ur jede Teilmenge T einer partiell geordneten Menge S kann es nat¨ urlich nicht mehr als eine kleinste obere Schranke geben, und falls sie existiert, heißt wie in der Analysis das Supremum von T in S und wird bezeichnet mit sup T. Wir f¨ uhren das Zorn’sche Lemma zur¨ uck auf den folgenden Satz, den wir dann im Anschluß beweisen. Satz 5.1.10 (Bourbaki). Ist (S, ≤) eine streng induktiv geordnete Menge, so besitzt jede monoton wachsende Abbildung f : S → S einen Fixpunkt, in Formeln (f (s) ≥ s ∀s ∈ S) ⇒ (∃s0 ∈ S mit f (s0 ) = s0 ) Beweis des Zorn’schen Lemmas. Eine Teilmenge einer partiell geordneten Menge, die total geordnet ist, nennen wir von jetzt an eine “Kette”. Wir betrachten nun das System S ⊂ P(X) aller Ketten von X. Sicher ist S partiell geordnet vermittels der Inklusion. S ist auf diese Weise sogar streng induktiv geordnet, das Supremum u ¨ber ein totalSgeordnetes System T ⊂ S von Ketten ist einfach die Vereinigung sup T = K∈T K und im Fall T = ∅ insbesondere die leere Kette ∅ ∈ S. Wir definieren nun eine monoton wachsende 103
Abbildung f : S → S durch die Vorschrift K ∪ {x} falls es x ∈ X gibt, so daß K ∪ {x} eine Kette ist; f (K) = f (K) = K sonst. Hier verwenden wir das Auswahlaxiom, um f¨ ur alle fraglichen K ein m¨ogliches x auszuw¨ahlen. Jetzt hat die Abbildung f nach dem Satz von Bourbaki einen Fixpunkt, es gibt also eine maximale Kette Kmax ⊂ X, und eine obere Schranke von Kmax ist notwendig ein maximales Element von X. Bemerkung 5.1.11. Die obere Schranke von Kmax vom Schluß des vorhergehenden Beweises ist sogar eindeutig bestimmt und kann beschrieben werden als das gr¨oßte Element von Kmax . Das interessiert aber eigentlich gar nicht mehr. Beweis des Satzes von Bourbaki. Die Menge S besitzt notwendig ein kleinstes Element k ∈ S, n¨amlich das Supremum der leeren Menge, die ja stets eine Kette ist. Wir machen nun behelfsm¨aßig folgende Definition 5.1.12. Eine Teilmenge T ⊂ S heißt ein “Turm” genau dann, wenn gilt 1. Das kleinste Element k von S geh¨ort zu T ; 2. Ist K ⊂ T eine Kette, so geh¨ort auch sup K zu T ; 3. Aus t ∈ T folgt f (t) ∈ T. Es reicht, einen Turm T zu finden, der auch eine Kette ist, denn dann ist sup T das gr¨oßte Element von T damit ein Fixpunkt von f. Nat¨ urlich ist ganz S ein Turm. Der Schnitt u urme in S ist der kleinste Turm ¨ber alle T¨ von S, wir nennen ihn T0 . Wir zeigen nun, daß dieser kleinste Turm T0 eine Kette ist. Dazu machen wir eine letzte Definition 5.1.13. Ein Element c ∈ T0 heißt “extrem” genau dann, wenn f¨ ur alle a ∈ T0 gilt (a < c) ⇒ (f (a) ≤ c). Lemma 5.1.14. Gegeben c ∈ T0 extrem gilt f¨ ur jedes x ∈ T0 entweder x ≤ c oder f (c) ≤ x. Beweis. Es reicht zu zeigen, daß die Menge Tc = {x ∈ T0 | Es gilt entweder x ≤ c oder f (c) ≤ x} ein Turm ist. Sicher gilt k ∈ Tc . Ist K ⊂ Tc eine Kette, so geh¨ort offensichtlich auch sup K zu Tc . Wir m¨ ussen also nur noch zeigen, daß Tc stabil ist unter f. Das folgt jedoch m¨ uhelos aus unseren Definitionen.
104
Lemma 5.1.15. Jedes Element von T0 ist extrem. Wir stellen den Beweis dieses letzten Lemmas zur¨ uck und folgern den Satz von Bourbaki. In der Tat zeigt ja dies Lemma zusammen mit dem vorhergehenden Lemma sofort, daß T0 total geordnet ist. Also ist T0 sowohl ein Turm als auch eine Kette und sup T0 ist ein Fixpunkt von f. Beweis von Lemma 5.1.15. Es reicht zu zeigen, daß die Menge E der extremen Elemente von T0 ein Turm ist. Sicher gilt k ∈ E. Um zu zeigen, daß E stabil ist unter f, bemerken wir, daß f¨ ur c extrem aus a < f (c) schon folgt a ≤ c nach Lemma 5.1.14. Es bleibt zu zeigen, daß f¨ ur jede Kette K ⊂ E auch ihr Supremum b = sup K zu E geh¨ort. Sei also a ∈ T0 und a < b. Es gilt zu zeigen f (a) ≤ b. Wenn wir haben a ≤ c f¨ ur ein c ∈ K ist das ur alle unproblematisch. Wenn nicht, so gilt nach 5.1.14 notwendig a ≥ f (c) f¨ c ∈ K und folglich a ≥ b im Widerspruch zur Annahme. ¨ Ubung 5.1.16. Jede (lineare) Surjektion von einem Vektorraum auf einen anderen hat ein (lineares) Rechtsinverses. Jede (lineare) Injektion von einem Vektorraum in einen anderen hat ein (lineares) Linksinverses. Jeder Untervektorraum U in einem Vektorraum V besitzt ein Komplement, d.h. es gibt einen Untervektorraum W ⊂ V mit U ∩ W = 0 und U + W = V.
5.2
Der algebraische Abschluß
Achtung, brauche Quotienten nach maximalen Idealen. Definition 5.2.1. Ein algebraischer Abschluß eines K¨orpers K ist ei¯ ⊃ K von K durch einen algebraisch ne algebraische K¨orpererweiterung K ¯ abgeschlossenen K¨orper K. Satz 5.2.2 (u ¨ ber den algebraischen Abschluß). Jeder K¨orper besitzt einen algebraischen Abschluß, und dieser algebraische Abschluß ist eindeutig bis auf (nicht-eindeutigen) Isomorphismus. Bemerkung 5.2.3. Der Beweis wird am Ende dieses Abschnitts gegeben. Vorher entwickeln wir einige Hilfsmittel, die Ihnen auch in anderem Zusammenhang noch oft begegnen werden. Satz 5.2.4 (Existenz von maximalen Idealen). In jedem von Null verschiedenen Ring gibt es mindestens ein maximales Ideal. Allgemeiner l¨aßt sich in einem beliebigen Ring jedes Ideal, das nicht der ganze Ring ist, vergr¨oßern zu einem maximalen Ideal unseres Rings.
105
Beweis. Sei R unser Ring und a 6= R unser Ideal. Wir betrachten das System aller Ideale von R, die a enthalten und nicht ganz R sind oder, gleichbedeutend, nicht die 1 von R enthalten. Dieses System von Mengen ist offensichtlich nicht leer und stabil unter aufsteigenden Vereinigungen. Jetzt folgt der Satz aus dem Zorn’schen Lemma in der Gestalt 5.1.4. ¨ Ubung 5.2.5. In jedem Ring l¨aßt sich auch jedes echte Links- bzw. Rechtsideal vergr¨oßern zu einem maximalen echten Links- bzw. Rechtsideal. Genau dann ist ein Linksideal maximal, wenn der Quotient danach ein einfacher Modul ist. Jeder von Null verschiedene Modul u ¨ber einem Ring besitzt einen einfachen Subquotienten. ¨ Ubung 5.2.6. Warum kann man nicht mit demselben Argument zeigen, daß jede Gruppe eine maximale echte Untergruppe besitzt? Man zeige auch, daß die additive Gruppe Q keine maximale echte Untergruppe besitzt. Lemma 5.2.7. Jeder K¨orper l¨aßt sich in einen algebraisch abgeschlossenen K¨orper einbetten. Beweis. Sei K unser K¨orper. Wir betrachten die Menge S = K[X]\K aller nicht konstanten Polynome mit Koeffizienten in K und bilden den riesigen Polynomring R = K[Xf ]f ∈S in dem es also f¨ ur jedes nichtkonstante Polynom f aus K[X] eine eigene Variable Xf gibt. In diesem riesigen Polynomring betrachten wir das Ideal a ⊂ R, das von allen f (Xf ) erzeugt wird, und zeigen a 6= R. Sonst k¨onnten wir n¨amlich 1 ∈ R schreiben als eine endliche Summe X gf f (Xf ) 1= f ∈E
f¨ ur E ⊂ S endlich und geeignete gf ∈ R. Nun gibt es nach 3.4.4, angewandt auf das Produkt der f aus E, eine K¨orpererweiterung L von K derart, daß alle f aus E in L eine Nullstelle αf ∈ L haben. F¨ ur die u ¨brigen f ∈ S w¨ahlen wir Elemente αf ∈ L beliebig und betrachten den Einsetzungshomomorphismus ϕ:
R → L Xf 7→ αf
Dieser Ringhomomorphismus m¨ ußte nun die Eins in R auf die Null in L abbilden und das kann nicht sein. Folglich gilt a 6= R und es gibt ein maximales Ideal m ⊃ a. Dann ist K1 = R/m ein K¨orper, und jedes nichtkonstante Polynom f ∈ K[X]\K hat eine Nullstelle in K1 , n¨amlich die Nebenklasse von Xf . Iterieren wir diese Konstruktion, so erhalten wir ein Kette von K¨orpern K = K0 ⊂ K1 ⊂ K2 ⊂ . . . 106
derart, daß jedes nichtkonstante Polynom mit Koeffizienten in Ki eine NullS stelle hat in Ki+1 . Die aufsteigende Vereinigung ∞ K ist dann ein algei i=0 braisch abgeschlossener K¨orper, der K enth¨alt. Proposition 5.2.8 (Ausdehnbarkeitskriterium). Ist K ⊂ L eine algebraische K¨orpererweiterung, so l¨aßt sich jede Einbettung K ,→ F von K in einen algebraisch abgeschlossenen K¨orper F zu einer Einbettung L ,→ F ausdehnen. Bemerkung 5.2.9. Es reicht sogar, wenn wir von F nur fordern, daß die Minimalpolynome Irr(α, K) aller Elemente α irgendeines Erzeugendensystems von L u ¨ber K vollst¨andig in Linearfaktoren zerfallen in F [X]. Beweis. Nach dem Zorn’schen Lemma gibt es unter allen Zwischenk¨orpern M mit K ⊂ M ⊂ L, auf die sich unsere Einbettung K ,→ F fortsetzen l¨aßt, mindestens einen Maximalen. Ich behaupte M = L. Sonst g¨abe es n¨amlich α ∈ L − M, und dies α w¨are algebraisch u ¨ber M, mit Minimalpolynom f ∈ M [X]. Nun h¨atte f eine Nullstelle β ∈ F, und wir k¨onnten M ,→ F fortsetzen nach 3.5.7 zu einer Einbettung M (α) → F, α 7→ β im Widerspruch zur Maximalit¨at von M. Beweis der Existenz und Eindeutigkeit des algebraischen Abschlusses. Sei K unser K¨orper. Nach 5.2.7 finden wir eine Einbettung K ,→ L von K in einen ¯ aller Elemente von L, algebraisch abgeschlossenen K¨orper L. Die Menge K die algebraisch sind u ¨ber K, ist nun nach 3.2.21. 2 ein Unterk¨orper von L, ¯ ein algebraischer Abschluß von und man erkennt mit 3.2.21. 3 leicht, daß K ¯ K ist. Seien weiter K ⊂ K und K ⊂ E zwei algebraische Abschl¨ usse von K. Nach 5.2.8 l¨aßt sich die Identit¨at auf K fortsetzen zu einem K¨orperhomomor¯ → E. Er ist nat¨ phismus ϕ : K urlich injektiv und wir m¨ ussen nur zeigen, daß er surjektiv ist. Nun induziert aber ϕ offensichtlich f¨ ur jedes nicht konstante ¯ auf die Polynom P ∈ K[X] eine Bijektion von den Nullstellen von P in K Nullstellen von P in E. Da E algebraisch ist u ¨ber K, muß damit ϕ surjektiv sein. ¨ Ubung 5.2.10. Sei F ein endlicher K¨orper. So ist die multiplikative Gruppe ¯ F× von seinem algebraischen Abschluß in unkanonischer Weise isomorph zur Gruppe aller Elemente von Q/Z, deren Ordnung teilerfremd ist zur Charakteristik von F.
5.3
Transzendenzgrad
Definition 5.3.1. Sei K/k eine K¨orpererweiterung. Eine Teilmenge E ⊂ K heißt algebraisch abh¨ angig u ¨ ber k genau dann, wenn wir paarweise 107
verschiedene x1 , . . . , xn ∈ E und ein von Null verschiedenes Polynom P ∈ k[X1 , . . . , Xn ] finden k¨onnen mit P (x1 , . . . , xn ) = 0. Andernfalls heißt E algebraisch unabh¨ angig. Definition 5.3.2. Sei K/k eine K¨orpererweiterung. Eine Teilmenge E ⊂ K heißt ein System von Transzendenzerzeugern genau dann, wenn K algebraisch ist u ¨ber dem von E erzeugten Teilk¨orper. Bemerkung 5.3.3. Offensichtlich ist jedes minimale System von Transzendenzerzeugern algebraisch unabh¨angig und jede maximale algebraisch unabh¨angige Teilmenge ist ein System von Transzendenzerzeugern. Hierbei sind die Begriffe minimal und maximal in Bezug auf die Inklusionsrelation zu verstehen. Satz 5.3.4 (Austauschlemma). Sei K ⊂ k eine K¨orpererweiterung, E ⊂ K ein System von Transzendenzerzeugern und A ⊂ K eine endliche algebraisch unabh¨angige Teilmenge. So gibt es eine |A|-elementige Teilmenge F ⊂ E derart, daß auch (E\F ) ∪ A ein System von Transzendenzerzeugern ist. Beweis. Es gilt, die Existenz einer Injektion ϕ : A ,→ E zu zeigen derart, daß auch (E\ϕ(A))∪A ein System von Transzendenzerzeugern ist. Wir nummerieren dazu die Elemente von A als a0 , a1 , . . . , an und argumentieren mit vollst¨andiger Induktion u urfen wir ¨ber n. Nach Induktionsvoraussetzung d¨ 0 annehmen, wir h¨atten f¨ ur A = {a1 , . . . , an } ein m¨ogliches ϕ bereits gefunden. Dann ist a0 algebraisch u ¨ber dem Erzeugnis K 0 ⊂ K von (E\ϕ(A0 )) ∪ A0 und wir finden ein Polynom P (X0 , X1 , . . . , Xn , Y1 , . . . , Yr ) mit Koeffizienten in k sowie b1 , . . . , br ∈ E\ϕ(A0 ) derart, daß nach Einsetzen von a1 , . . . , an , b1 , . . . , br f¨ ur X1 , . . . , Xn , Y1 , . . . , Yr ein von Null verschiedenes 0 Polynom in K [X0 ] entsteht, das jedoch bei X0 = a0 eine Nullstelle hat. Wir k¨onnen sogar r kleinstm¨oglich annehmen und haben dennoch r ≥ 1, da ja A nach Annahme algebraisch unabh¨angig ist. Setzen wir nun in alle Variablen ein wie zuvor und setzen sogar a0 f¨ ur X0 ein und lassen nur Y1 als Unbestimmte stehen, so erhalten wir ein Polynom in K[Y1 ], das nicht verschwindet, da wir r kleinstm¨oglich angenommen hatten. Es verschwindet aber nach Einsetzen von b1 f¨ ur Y1 , folglich ist b1 algebraisch u ¨ber dem von a0 , a1 , . . . , an , b2 , . . . , br erzeugten Teilk¨orper, wir k¨onnen ϕ(a0 ) = b1 setzen und sind fertig. Definition 5.3.5. Eine Transzendenzbasis einer K¨orpererweiterung ist ein algebraisch unabh¨angiges System von Transzendenzerzeugern. 108
Satz 5.3.6. Jede K¨orpererweiterung mit einem endlichen System von Transzendenzerzeugern besitzt eine endliche Transzendenzbasis, und je zwei ihrer Transzendenzbasen haben gleich viele Elemente. Beweis. Genau wie ??. Definition 5.3.7. Die Kardinalit¨at einer und jeder Transzendzbasis einer K¨orpererweiterung mit einem endlichen System von Transzendenzerzeugern heißt ihr Transzendenzgrad und wird notiert trgr(K/k). Besitzt eine K¨orpererweiterung kein endliches System von Transzendenzerzeugern, so setzten wir trgr(K/k) = ∞ und ignorieren in unserer Notation die auch hier durchaus m¨oglichen Unterscheidungen zwischen verschiedenen unendlichen Kardinalit¨aten. Korollar 5.3.8. Sei K ein K¨orper. Gibt es einen Isomorphismus ∼
K(X1 , . . . , Xn ) → K(Y1 , . . . , Ym ), der die Identit¨at ist auf K, so gilt m = n. ¨ Ubung 5.3.9. Sind M ⊃ K ⊃ k K¨orpererweiterungen, so ist der Transzendenzgrad von M u ¨ber k die Summe der Transzendenzgrade von M u ¨ber K und von K u ber k, in Formeln ¨ trgr(M/k) = trgr(M/K) + trgr(K/k) ¨ Ubung 5.3.10. Jeder Zwischenk¨orper in einer endlich erzeugten K¨orpererweiterung ist auch endlich erzeugt u ¨ber dem kleineren K¨orper. Bemerkung 5.3.11. Das vierzehnte Hilbert’sche Problem fragt, ob f¨ ur k ⊂ K eine endlich erzeugte K¨orpererweiterung, E ⊂ K ein Unterk¨orper u ¨ber k und R ⊂ K ein Teilring u ¨ber k, der u ¨ber k endlich erzeugt ist, auch R ∩ E ein u ¨ber k endlich erzeugter Ring sein muß. Nagata fand dazu das erste Gegenbeispiel. Inzwischen sind viele weitere Gegenbeispiele bekannt, von Mukai, Winkelmann, Steinberg, Kuroda und anderen. Scholium 5.3.12. Ist I ⊂ C[X1 , . . . , Xn ] ein Ideal und A = C[X1 , . . . , Xn ]/I ein Integrit¨atsbereich und schneidet die -offene Teilmenge U ⊂◦ Cn die Nullstellenmenge V (I) in einer Untermannigfaltigkeit von U so gilt trgr((Quot A)/C) = 2 dimR (V (I) ∩ U )
109
Scholium 5.3.13. Eindimensionale holomorphe Mannigfaltigkeiten heißen auch Riemann’sche Fl¨achen, da sie zweidimensional sind als reelle Mannigfaltigkeiten. Wir haben eine Bijektion Endlich erzeugte K¨orpererweiterungen kompakte zusammenh¨angende ∼ Riemannsche Fl¨achen, C ,→ M → bis auf Isomorphie vom Transzendenzgrad 1, bis auf Isomorphie u ber C ¨ Der K¨orper der meromorphen Funktion X 7→ auf X Zum Beispiel entspricht die Riemannsche Zahlenkugel P1 C so dem K¨orper der gebrochen rationalen Funktion C(T ).
110
6
Lineare Algebra fu ¨ r Moduln
6.1
Matrizenrechnung
Definition 6.1.1. Sei R ein Ring. Ein R-Rechtsmodul ist eine abelsche Gruppe (M, +) mitsamt einer Abbildung M × R → M, (m, r) 7→ mr derart, daß gilt f¨ ur alle m, n ∈ M und r, s ∈ R : 1. (m + n)r = mr + nr; 2. m(r + s) = mr + ms; 3. m(rs) = (mr)s; 4. m1 = m. Beispiel 6.1.2. R selbst und Rn sind R-Rechtsmoduln in offensichtlicher Weise. Unsere R-Moduln aus Definition ?? nennt man manchmal auch genauer Linksmoduln. Um den Unterschied klar zu machen, definieren wir f¨ ur jeden opp Ring R = (R, +, ·) den opponierten Ring R = (R, +, ∗) als die abelsche Gruppe R mit der “vertauschten” Multiplikation r ∗ s = sr f¨ ur r, s ∈ R. Man pr¨ uft ohne Schwierigkeiten, daß ein R-Rechtsmodul dasselbe ist wie ein Ropp -Linksmodul, alias eine abelsche Gruppe M mitsamt einem Ringhomomorphimus Ropp → End M. Insbesondere braucht man bei kommutativen Ringen zwischen Rechtsmoduln und Linksmoduln keinen Unterschied zu machen. F¨ ur R-Rechtsmoduln M, N nennen wir einen Gruppenhomomorphismus f : M → N mit f (mr) = f (m)r ∀m ∈ M, r ∈ R auch einen Homomorphimus von R-Rechtsmoduln und bezeichnen die Menge aller Homomorphimen von R-Rechtsmoduln mit Hom−R (M, N ). Genau wie bei K¨orpern haben wir auch bei Ringen R eine nat¨ urliche Bijektion ∼
Hom−R (Rn , Rm ) → M (m × n, R) f 7→ M (f ) wo die Spalten der Matrix M (f ) = (aij ) die Bilder unter f der Vektoren e1 , . . . , en der Standardbasis des Rn sind, in Formeln f (ej ) = (a1j , . . . , amj ) f¨ ur 1 ≤ j ≤ n. Die inverse Abbildung ordnet jeder Matrix A die R-rechtslineare Abbildung x 7→ Ax zu, wo wir die Elemente x ∈ Rn bzw. Ax ∈ Rm als Spaltenmatrizen auffassen. Wie bei K¨orpern entspricht die Matrixmultiplikation der Verkn¨ upfung von Abbildungen, in Formeln M (f ◦ g) = M (f )M (g), und
111
f ist ein Isomorphismus genau dann, wenn seine Matrix M (f ) invertierbar ist. Ist R kommutativ, so bilden wir f¨ ur quadratische Matrizen A = (aij )ni,j=1 ∈ M (n × n, R) die Determinante X det A = (sgn σ)a1σ(1) . . . anσ(n) , σ∈Sn
bzw. det A = 1 im Fall n = 0. Diese Formel macht zwar auch u ¨ber nichtkommutativen Ringen noch Sinn, aber die Formel det(AB) = det A det B ist dann nicht mehr richtig, und damit wird der Begriff in dieser Allgemeinheit nutzlos. Bei kommutativen Ringen zeigen wir jedoch Proposition 6.1.3 (Multiplikativit¨ at der Determinante). Sei R ein kommutativer Ring. 1. F¨ ur je zwei quadratische n × n-Matrizen A, B ∈ M (n × n, R) gilt det(AB) = (det A)(det B) 2. Genau dann ist eine quadratische Matrix A invertierbar in M (n×n, R), wenn ihre Determinante eine Einheit von R ist, in Formeln det A ∈ R× . Beweis. 1. Die Formel ist f¨ ur Matrizen mit Eintr¨agen in einem K¨orper bekannt aus der linearen Algebra. Sie gilt also auch f¨ ur Integrit¨atsbereich Z[X11 , X12 , . . . X1n , X21 , . . . , Xn,n ] denn der ist ein Teilring seines Quotientenk¨orpers. In diese abstrakte Identit¨at k¨onnen wir dann f¨ ur die xij Elemente eines beliebigen kommutativen Rings einsetzen, und die Behauptung folgt. 2. Aus 1 folgt, daß die Determinante jeder invertierten Matrix eine Einheit ist. Um die Umkehrung zu zeigen, erinnern wir uns an feinere Aussagen des Determinantenkalk¨ uls. F¨ ur eine quadratische Matrix A ∈ M (n × n, R) bildet man dort die adjungierte Matrix A# ∈ M (n × n, R) mit Eintr¨agen i+j A# det Aji , ij = (−1)
wo Aji die (n − 1) × (n − 1)-Matrix bezeichnet, die aus A entsteht durch Streichen der j-ten Zeile und der i-ten Spalte. F¨ ur Koeffizienten in einm K¨orper zeigt man in der linearen Algebra A# A = (det A)I ¨ mit I der (n × n)-Einheitsmatrix. Ahnlich wie im ersten Teil des Beweises u ¨bertr¨agt man diese Formel dann auf beliebige kommutative Ringe R. 112
Korollar 6.1.4. Sei R kommutativ und nicht der Nullring. So impliziert Rn ∼ = Rm schon n = m. Beweis. Ein Isomorphismus Rn ∼ = Rm wird notwendig beschrieben durch Matrizen A und B. W¨are n 6= m, so w¨aren unsere Matrizen nicht quadratisch. Hat ohne Beschr¨ankung der Allgemeinheit A mehr Zeilen hat als Spalten, und erg¨anzen wir unsere Matrizen durch Nullen zu quadratischen Matrizen A˜ und ˜ so gilt immer noch A˜B ˜ = 1 mit 1 der Einheitsmatrix, im Widerspruch zu B, det A˜ = 0. Ist M ein endlich erzeugter freier Modul u ¨ber einem kommutativen Ring n ∼ R 6= 0, so heißt die Zahl n ∈ N mit M = R auch der Rang von M.
6.2
Moduln u ¨ ber Hauptidealringen
Satz 6.2.1 (Elementarteilersatz). Sei f : M → N ein Homomorphismus zwischen zwei freien Moduln von endlichen R¨angen m, n u ¨ber einem Hauptidealring R. So gilt: 1. Es gibt eine diagonale Matrix D ∈ M (n × m, R), deren vordere Diagonaleintr¨age jeweils die hinteren teilen, in Formeln d11 |d22 | . . . |drr f¨ ur m n ∼ ∼ r = min(n, m), und Isomorphismen M = R , N = R derart, daß das folgende Diagramm kommutiert: f
M −→ N ko ko D Rm −→ Rn 2. Die Diagonaleintr¨age dii von D sind durch die Abbildung f wohlbestimmt bis auf Multiplikation mit Einheiten des Rings R. Beweis. 1. Wir d¨ urfen M = Rm und N = Rn annehmen. Die Abbildung f wird beschrieben durch eine Matrix A ∈ M (n × m, R) und es gilt, invertierbare Matrizen X ∈ M (n × n, R) und Y ∈ M (m × m, R) zu finden derart, daß XAY = D diagonal ist von der gew¨ unschten Form. F¨ ur eine Matrix A bezeichne (A) ⊂ R das von den Eintr¨agen von A erzeugte Ideal. Sicher gilt (XA) ⊂ (A) f¨ ur jede Matrix X, also (XA) = (A) f¨ ur X invertierbar. Ebenso gilt (AY ) ⊂ (A) f¨ ur jede Matrix Y und (AY ) = (A) f¨ ur Y invertierbar. Wir geben im folgenden ein Verfahren an, das im Fall (a11 ) 6= (A) invertierbare Matrizen X und Y liefert derart, daß der obere linke Eintrag von XAY ein echt gr¨oßeres Ideal erzeugt als a11 . Mit Induktion finden wir ˜ und Y˜ invertierbar derart, daß der obere linke Eintrag von dann sogar X 113
˜ Y˜ das Ideal (XA ˜ Y˜ ) = (A) erzeugt, d.h. daß er alle Eintr¨age von XA ˜ Y˜ XA teilt. Da nun Zeilen- und Spaltenoperationen auch durch Multiplikation mit invertierbaren Matrizen von links bzw. rechts gegeben werden, finden wir ˆ Yˆ derart, daß XA ˆ Yˆ außer einem Eindann sogar invertierbare Matrizen X, trag a11 = d11 in der oberen linken Ecke nur Nullen in der ersten Zeile und erste Spalte stehen hat und daß zus¨atzlich gilt (d11 ) = (A). Dann k¨onnen wir aber den Beweis beenden mit einer offensichtlichen Induktion. Es bleibt, das versprochene Verfahren anzugeben. Wir unterscheiden drei F¨alle. i.) Falls a11 nicht alle Elemente der ersten Zeile teilt, sagen wir a11 teilt nicht a12 , so betrachten wir das Ideal (a11 , a12 ) und w¨ahlen daf¨ ur einen Erzeuger d. Wir k¨onnen nun schreiben d = xa11 + ya12 sowie a11 = dλ, a12 = dµ und folgern 1 = xλ + yµ. Jetzt beachten wir a11 a12 x −µ d ∗ ∗ 0 ∗ ∗ ∗ y λ ∗ ∗ = ∗ ∗ 0 I ∗ ∗ mit I der Einheitsmatrix und haben schon gewonnen. ii.) Falls a11 nicht alle Elemente der ersten Spalte teilt, gehen wir analog vor. iii.) Teilt a11 alle Elemente der ersten Zeile und der ersten Spalte, so finden wir schon mal invertierbare X, Y derart, daß XAY außer einem Eintrag a11 in der oberen linken Ecke nur Nullen in der ersten Zeile und der ersten Spalte stehen hat. Unter der Annahme (a11 ) 6= (A) kann aber a11 nicht alle Eintr¨age von A teilen. Addieren wir nun eine geeignete Zeile zur ersten Zeile, so landen wir im Fall i und haben wieder gewonnen. Damit haben wir das versprochene Verfahren angegeben und Teil 1 ist gezeigt. 2. Wir zeigen nun die Eindeutigkeit der Diagonaleintr¨age bis auf Einheiten. Dazu betrachten wir f¨ ur i ≥ 1 das von allen Determinanten von i × iUntermatrizen von A erzeugte Ideal Ji (A). Ist X eine weitere Matrix, so gilt Ji (XA) ⊂ Ji (A), denn die Zeilen von XA sind Linearkombinationen von Zeilen von A. Insbesondere gilt also Ji (XA) = Ji (A) f¨ ur invertierbares X und ebenso Ji (AY ) = Ji (A) f¨ ur invertierbares Y. Es folgt sofort Ji (A) = (d11 . . . dii ) und damit die Eindeutigkeit der dii bis auf Einheiten. Bemerkung 6.2.2. Wir geben zwei Formen der Klassifikation endlich erzeugter Moduln u ¨ber Hauptidealringen an. 114
Satz 6.2.3 (Klassifikation durch Idealketten). Sei M ein endlich erzeugter Modul u ¨ber einem Hauptidealring R. So gibt es genau eine aufsteigende Kette a1 ⊂ a2 ⊂ . . . ⊂ an ⊂ R von Idealen von R mit an 6= R und M∼ = R/a1 × . . . × R/an Der Nullmodul wird abgedeckt durch den Fall n = 0. Bemerkung 6.2.4. Ist R ein faktorieller Ring, so nennen wir die Potenzen irreduzibler Elemente von R auch die Primpotenzen von R. Jede Primpotenz q hat also die Form q = pr mit p irreduzibel und r ≥ 1. Damit k¨onnen wir alternativ formulieren Satz 6.2.5 (Klassifikation durch Multimengen von Primpotenzen). Sei M ein endlich erzeugter Modul u ¨ber einem Hauptidealring R. So gibt es s ∈ N und Primpotenzen q1 , . . . , qt ∈ R derart, daß gilt M∼ = Rs × R/q1 R × . . . × R/qt R Hier ist s wohlbestimmt und die qi sind wohlbestimmt bis auf Einheiten und Reihenfolge. Der Nullmodul wird abgedeckt durch den Fall s = t = 0. Beweis der beiden S¨atze. Wir beginnen mit dem Beweis der Eindeutigkeit im zweiten Satz und zeigen zun¨achst die Eindeutigkeit von s. Sei Q = Quot R der Quotientenk¨orper von R. Wir behaupten s = dimQ HomR (M, Q), wo wir f¨ ur jeden R-Modul M den Raum HomR (M, Q) als Untervektorraum auffassen im Raum aller Abbildungen von M nach Q. Nach den allgemeinen Eigenschaften der direkten Summe gilt in der Tat HomR (M, Q) = HomR (R/q1 R, Q) × . . . × HomR (R/qt R, Q) × HomR (R, Q)s Nach ?? gilt HomR (R, Q) ∼ ussen nur noch zeigen, daß gilt = Q und wir m¨ HomR (R/a, Q) = 0 f¨ ur jedes von Null verschiedene Ideal a ⊂ R. In der Tat k¨onnen wir aber diesen Raum identifizieren als HomR (R/a, Q) = {f ∈ HomR (R, Q) | f |a = 0}, und da jeder von Null verschiedene R-Modulhomomorphismus f : R → Q injektiv ist, kann nur Nullabildung auf einem von Null verschiedenen Ideal verschwinden. Das zeigt die Eindeutigkeit von s. 115
Um auch die Eindeutigkeit der auftauchenden Primpotenzen zu zeigen, betrachten wir f¨ ur n ≥ 1 und jeden endlich erzeugten R-Modul M und jedes irreduzible Element p ∈ R den K¨orper R/pR und die nat¨ urlichen Zahlen dnp (M ) = dimR/pR (pn−1 M/pn M ) Sie haben die folgenden Eigenschaften: 1. dnp (M ⊕ N ) = dnp (M ) + dnp (N ) f¨ ur alle p und n und N auch endlich erzeugt. ur alle p und n. 2. dnp (R) = 1 f¨ 3. Ist π ein weiteres irreduzibles Element von R, so gilt 1 π ∈ R× p, m ≤ n; n m dp (R/π R) = 0 sonst. Hier ist die erste Eigenschaft offensichtlich. F¨ ur π = p induziert die Mul∼ tiplikation mit pn−1 Isomorphismen R/pR → pn−1 R/pn R, und das zeigt 2 sowie in 3 alle F¨alle mit π ∈ R× p. Im verbleibenden Fall π 6∈ R× p ist die ur Restklasse von p eine Einheit in R/π m R und das zeigt dnp (R/π m R) = 0 f¨ alle m. Damit erhalten wir f¨ ur jedes irreduzible p ∈ R und n ≥ 1 die Formel dnp (M ) = s + #{i | pn teilt qi }, und das zeigt die Eindeutigkeit der qi bis auf Reihenfolge und Einheiten. Als n¨achstes zeigen wir die Existenz im ersten Satz. Sei also M ein endlich erzeugter R-Modul. Sicher finden wir eine Surjektion p : Rm M. Da R noethersch ist, ist ker p auch endlich erzeugt und wir finden eine Surjektion f : Rn ker p. Jetzt fassen wir f auf als eine Abbildung f : Rn → Rm und haben M ∼ = Rm / im f. Nach Satz 6.2.1 finden wir aber X, Y invertierbar und D diagonal derart, daß das Diagramm Rn X↑ Rn
f
−→ D
−→
Rm ↓Y Rm
kommutiert, und k¨onnen f¨ ur die Diagonaleintr¨age von D sogar d11 |d22 | . . . |drr erreichen mit r = min(m, n). Es folgt M ∼ = Rm / im D ∼ = R/d11 R × . . . × R/drr R × Rm−r 116
In dieser Darstellung d¨ urfen wir die Terme mit dii ∈ R× weglassen und erhalten so die Existenzaussage in Satz 6.2.3. Daraus folgt sofort die Existenzaussage in Satz 6.2.5, indem wir im Fall ai 6= 0 einen Erzeuger d von ai als Produkt von paarweise teilerfremden Primpotenzen d = q1 . . . qk schreiben und mit dem chinesischen Restsatz zerlegen R/ai ∼ = R/q1 R × . . . × R/qk R Umgekehrt zeigt die bereits bewiesene Eindeutigkeit in Satz 6.2.5 auch die behauptete Eindeutigkeit in Satz 6.2.3, wir haben notwendig a1 = . . . = as = 0, dann ist as+1 erzeugt vom Produkt der jeweils gr¨oßten unter den qi vorkommenden Potenzen der verschiedenen Primelemente, und so weiter. Wenden wir unsere S¨atze an auf den Hauptidealring Z, so erhalten wir die Klassifikation der endlich erzeugten abelschen Gruppen vom Beginn der Vorlesung. Wenden wir sie an auf einen Polynomring u ¨ber einem algebraisch abgeschlossenen K¨orper, so ergibt sich Korollar 6.2.6 (Jordan’sche Normalform). Sei V ein endlichdimensionaler Vektorraum u ¨ber einem algebraisch abgeschlossenen K¨orper k und sei A : V → V eine lineare Abbildung. So gibt es eine Basis von V derart, daß die Matrix von A bez¨ uglich dieser Basis blockdiagonal ist, wobei die Bl¨ocke konstant sind auf der Diagonale, konstant 1 auf der ersten oberen Nebendiagonale, und null an allen anderen Stellen. Beweis. Mithilfe von Lemma ?? fassen wir V auf als k[X]-Modul und finden einen Isomorphismus von k[X]-Moduln V ∼ = k[X]/(X − λ1 )n1 × . . . × k[X]/(X − λt )nt W¨ahlen wir auf der rechten Seite in jedem Summanden als Basis die Nebenklassen von (X − λ)n−1 , . . . , (X − λ), 1, so erh¨alt die Matrix der Multiplikation mit X die gew¨ unschte Form. Bemerkung 6.2.7. Auf ¨ahnliche Weise erh¨alt man auch Normalformen f¨ ur die Matrizen von Endomorphismen u ¨ber nicht notwendig algebraisch abgeschlossenen K¨orpern. ¨ Ubung 6.2.8. Ist P ∈ k[X] ein normiertes Polynom, so ist P gerade das charakteristische Polynom der linearen Abbildung (X·) : k[X]/(P ) → k[X]/(P ).
117
7 7.1
R¨ aume als Ringe Die Zariski-Topologie auf dem k n
Definition 7.1.1. Sei k ein Kring und k[T1 , . . . , Tn ] der Polynomring u ¨ber k in n Variablen. Das Auswerten definiert eine Abbildung k n × k[T1 , . . . , Tn ] → k Ist I ⊂ k[T1 . . . , Tn ] eine Teilmenge, so definieren wir die Nullstellenmenge oder kurz die Nullstellen von I als die Menge der Punkte des k n , an denen alle Polynome aus I verschwinden, und notieren sie Z(I) = {(x1 , . . . , xn ) ∈ k n | f (x1 , . . . , xn ) = 0 ∀f ∈ I} mit Z wie “zeroes”. Die Teilmengen von k n der Gestalt Z(I) heißen die algebraischen Teilmengen von k n . Ist umgekehrt X ⊂ k n eine Teilmenge, so bilden diejenigen Polynome, die an allen Punkten von X verschwinden, offensichtlich ein Ideal von k[T1 , . . . , Tn ]. Es heißt das Verschwindungsideal von X und wird notiert I(X) = {f ∈ k[T1 , . . . , Tn ] | f (x) = 0 ∀x ∈ X} Lemma 7.1.2. Ist k ein Integrit¨atsbereich, so sind die algebraischen Teilmengen von k n die abgeschlossenen Mengen einer Topologie, der sogenannten Zariski-Topologie auf dem k n . T S I = I∈I Z(I) f¨ ur ein beliebiges System Beweis. Offensichtlich gilt Z I∈I I von Teilmengen von k[T1 , . . . , Tn ] und insbesondere I ⊂ J ⇒ Z(I) ⊃ Z(J). Nat¨ urlich haben wir Z(∅) = k n . Ist k nicht der Nullring, so gilt Z(1) = ∅, und ist k auch noch nullteilerfrei, so gilt zus¨atzlich Z(I) ∪ Z(J) = Z(I · J) mit I · J = {f g | f ∈ I, g ∈ J} verwendet haben. Folglich bilden die Z(I) das System der abgeschlossenen Mengen f¨ ur eine Topologie auf dem k n . T S Bemerkung 7.1.3. Offensichtlich gilt I X = X∈X I(X) f¨ ur ein beX∈X liebiges System X von Teilmengen des k n und insbesondere auch Y ⊂ X ⇒ I(Y ) ⊃ I(X). Damit folgt X = Z(I(X)) f¨ ur jede algebraische Teilmenge n X ⊂ k . Ist k ein Integrit¨atsbereich, so folgt f¨ ur den Abschluß einer beliebigen Teilmenge X ⊂ k n in Bezug auf die eben erkl¨arte Zariski-Topologie die Formel ¯ = Z(I(X)) X
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Bemerkung 7.1.4. F¨ ur drei beliebige Mengen A, B, C nebst einer Abbildung A×B → C, (a, b) 7→ ha, bi und einem ausgezeichneten Element 0 ∈ C k¨onnen wir ¨ahnlich Abbildungen Z : P(B) → P(A) und I : P(A) → P(B). Auch in dieser Allgemeinheit verwandeln sich Vereinigungen in Schnitte, Inklusionen kehren sich um und es gilt stets X ⊂ Z(I(X)) sowie I(X) = I(Z(I(X))), und zwar folgt ⊃ durch Anwenden von I auf die vorhergehende Inklusion und ⊂ durch Anwenden der dualen Inklusion auf I(X). Satz 7.1.5 (Nullstellensatz). Sei k ein algebraisch abgeschlossener K¨orper und I ⊂ k[T1 , . . . , Tn ] ein Ideal. Ist f ∈ k[T1 , . . . , Tn ] ein Polynom, das auf der Nullstellenmenge unseres Ideals verschwindet, so liegt eine Potenz unseres Polynoms bereits selbst in besagtem Ideal, in Formeln Z(f ) ⊃ Z(I) ⇒ f N ∈ I f¨ ur N 0 Bemerkung 7.1.6. Wir werden diesen Satz zeigen im Anschluß an Lemma 7.4.8. F¨ ur k nicht algebraisch abgeschlossen ist der Satz falsch. Als Beispiel betrachte man f¨ ur k = R in R[T ] das Ideal I = (T 2 + 1) und das konstante Polynom f = 1. Obwohl dies Polynom auf Z(I) = ∅ verschwindet, liegt keine seiner Potenzen in I. ¨ Ubung 7.1.7. Sei k ein unendlicher K¨orper. Verschwindet ein Polynom auf einer affinen Hyperebene in k n , so wird es von der (bis auf einen Skalar eindeutig bestimmten) linearen Gleichung der Hyperebene geteilt. ¨ Ubung 7.1.8. Ist γ : k → k ein K¨orperautomorphismus, so induziert γ einen Hom¨oomorphismus γ : k n → k n , (x1 , . . . , xn ) 7→ (γ(x1 ), . . . , γ(xn )) von k n versehen mit der Zariski-Topologie auf sich selbst. ¨ Ubung 7.1.9. Sei k ein Integrit¨atsbereich. Jede unendliche Teilmenge von k ist Zariski-dicht. Sind A ⊂ k m und B ⊂ k n Zariski-dicht, so gilt dasselbe f¨ ur A × B ⊂ k m+n .
7.2
Noethersche Moduln und Ringe
Achtung: Hier muss der Begriff eines Moduls bereits zur Verf¨ ugung stehen. Definition 7.2.1. Ein Modul u ¨ber einem Ring heißt noethersch genau dann, wenn er selbst und jeder seiner Untermoduln endlich erzeugt ist. Definition 7.2.2. Ein Ring heißt linksnoethersch bzw. rechtsnoethersch genau dann, wenn er noethersch ist als Links- bzw. Rechtsmodul u ¨ber sich selbst, und noethersch genau dann, wenn er linksnoethersch und rechtsnoethersch ist. 119
Beispiel 7.2.3. Ein Vektorraum u ¨ber einem K¨orper k ist noethersch als kModul genau dann, wenn er endlichdimensional ist. Jeder Hauptidealring ist noethersch und jeder Quotient eines noetherschen Rings ist noethersch. Beispiel 7.2.4. Der Polynomring R = Z[T1 , T2 , . . .] in abz¨ahlbar vielen Variablen ist nicht noethersch, denn das von allen Ti erzeugte Ideal ist nicht endlich erzeugt. Um das zu sehen, zeigt man diese Aussage vielleicht noch leichter f¨ ur den Quotienten dieses Ideals nach dem von allen Ti Tj erzeugten Ideal. Proposition 7.2.5. Jeder Quotient und jeder Untermodul eines noetherschen Moduls ist noethersch. Besitzt ein Modul M einen noetherschen Untermodul M 0 derart, daß der Quotient M/M 0 noethersch ist, so ist auch M selbst noethersch. Bemerkung 7.2.6. F¨ ur diejenigen Leserinen und Leser, die mit exakten Sequenzen vertraut sind, k¨onnen wir die Proposition auch wie folgt formulieren: Ist M 0 ,→ M M 00 eine kurze exakte Sequenz von Moduln u ¨ber einem Ring R, so ist M noethersch genau dann, wenn M 0 und M 00 noethersch sind. Beweis. Der erste Teil bleibt dem Leser u ussen im zweiten ¨berlassen. Wir m¨ Teil zeigen, daß jeder Untermodul U ⊂ M endlich erzeugt ist. Nach Annahme ist aber U¯ ⊂ M/M 0 endlich erzeugt, wir finden also Elemente u1 , . . . , ur ∈ U, deren Bilder U¯ erzeugen. Ganz genauso ist U ∩ M 0 endlich erzeugt, sagen wir von v1 , . . . , vs ∈ U. Nun sieht man leicht, daß die u1 , . . . , ur , v1 , . . . , vs ganz U erzeugen. ¨ Ubung 7.2.7. Jeder Quotient eines noetherschen Rings ist noethersch. Satz 7.2.8. Ein Modul u ¨ber einem noetherschen Ring ist noethersch genau dann, wenn er endlich erzeugt ist. Beweis. Ein noetherscher Modul ist immer endlich erzeugt. Ist umgekehrt M endlich erzeugt, so ist M ein Quotient von Rn , und f¨ ur R noethersch ist n auch R noethersch nach 7.2.5. Beispiel 7.2.9. Dieser Satz zeigt insbesondere, daß jede Untergruppe einer endlich erzeugten abelschen Gruppe endlich erzeugt ist. In der Tat ist ja eine abelsche Gruppe dasselbe wie ein Z-Modul, und Z ist ein Hauptidealring, also noethersch. Satz 7.2.10 (Hilbert’scher Basissatz). Ist R ein linksnoetherscher Ring, so ist auch der Polynomring R[T ] u ¨ber R linksnoethersch. Bemerkung 7.2.11. Dasselbe gilt auch f¨ ur rechtsnoethersch und noethersch. 120
Beweis. Sei I ⊂ R[T ] ein Linksideal. Wir betrachten das Linksideal a ⊂ R, das erzeugt wird von den Leitkoeffizienten aller Polynome aus I. Da R noethersch ist, gibt es endlich viele Polynome f1 , . . . , ft ∈ I, deren Leitkoeffizienten das Linksideal a ⊂ R erzeugen. Sei m das Maximum der Grade der fi . Gegeben h ∈ I mit deg h ≥ m finden wir offensichtlich pi ∈ R[T ] derart, daß h − p1 f1 − . . . − pt ft echt kleineren Grad hat als h. Induktiv finden wir dann sogar pi derart, daß diese Differenz echt kleineren Grad hat als m. Die Polynome aus R[T ] vom Grad < m und dann auch die Polynome aus I vom Grad < m bilden aber einen endlich erzeugten R-Modul, und w¨ahlen wir Erzeuger g1 , . . . , gr dieses R-Moduls, so erzeugen offensichtlich f1 , . . . , ft , g1 , . . . , gr unser Linksideal I u ¨ber R[T ]. Bemerkung 7.2.12. Insbesondere ist also ein Polynomring K[T1 , . . . , Tn ] in endlich vielen Variablen u ¨ber einem K¨orper K noethersch. Lemma 7.2.13. Ein Modul M ist noethersch genau dann, wenn jede aufsteigende Folge M0 ⊂ M1 ⊂ . . . von Untermoduln von M station¨ar wird. Bemerkung 7.2.14. Ein Ring ist insbesondere linksnoethersch genau dann, wenn jede aufsteigende Folge von Linksidealen station¨ar wird. Beweis. Ist jeder Untermodul von M endlich erzeugt, so auch die Vereinigung S ∞ ¨ber unsere aufsteigende Folge von Untermoduln. Es gibt also ein i=0 Mi u j derart, daß alle Erzeuger dieser Vereinigung schon in Mj liegen, und dann S M . gilt notwendig Mj = Mj+1 = . . . = ∞ i Ist ein Untermodul N ⊂ M i=0 nicht endlich erzeugt, so finden wir induktiv mi ∈ N derart, daß mi nicht im Erzeugnis von m0 , m1 , . . . , mi−1 liegt. Die Mi = hm0 , m1 , . . . , mi i bilden dann eine aufsteigende Folge von Untermoduln von M, die nicht station¨ar wird. ¨ Ubung 7.2.15. Ein Modul ist noethersch genau dann, wenn man in jedem nichtleeren System von Untermoduln des besagten Moduls einen Untermodul finden kann, der in keinem anderen Untermodul des besagten Systems enthalten ist.
7.3
Der k¨ orpertheoretische Nullstellensatz
Definition 7.3.1. Sei A → B ein Homomorphismus von Kringen. Wir sagen, B sei von endlichem Typ u ¨ ber A genau dann, wenn B als Ring
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erzeugt werden kann vom Bild von A zusammen mit endlich vielen weiteren Elementen. Wir sagen, B sei endlich u ¨ ber A genau dann, wenn B als A-Modul endlich erzeugt ist. Ein Element b ∈ B heißt ganz u ¨ ber A genau dann, wenn es Nullstelle eines normierten Polynoms mit Koeffizienten in A ist, wenn also eine Gleichung der Gestalt bn + an−1 bn−1 + . . . + a1 b + a0 = 0 gilt mit n ≥ 1 und ai ∈ A. Im Falle einer K¨orpererweiterung A ⊂ B sagt man stattdessen auch, b sei algebraisch u ¨ ber A. ¨ Ubung 7.3.2. Seien A → B → C Homomorphismen von Kringen. Ist C endlich u ¨ber B und B endlich u ¨ber A, so ist C bereits endlich u ¨ber A. Man zeige auch die analoge Aussage f¨ ur Kringerweiterungen von endlichem Typ. ¨ Ubung 7.3.3. Wird ein A-Kring erzeugt von endlich vielen u ¨ber A ganzen Elementen, so ist er bereits endlich u ¨ber A. Bemerkung 7.3.4. Ist ein Kring B von endlichem Typ u ¨ber einem noetherschen Kring A, so schon B selbst noethersch. Man folgert das zun¨achst mit ur einen Polynomring in endlich vielen dem Hilbert’schen Basissatz 7.2.10 f¨ 7.2.7 f¨ ur Quotienten solcher Polynomringe. Variablen u ber A und dann mit ¨ Satz 7.3.5. Jede K¨orpererweiterung von endlichem Typ ist endlich. Bemerkung 7.3.6. Wegen seiner engen Verwandtschaft zum Nullstellensatz wird dieser Satz in der Literatur oft die k¨ orpertheoretische Form des Nullstellensatzes genannt. Beweis. Sei L ⊃ k unsere K¨orpererweiterung. Seien e1 , . . . , en Erzeuger des k-Rings L, in Formeln L = k[e1 , . . . , en ]. Sind alle ei algebraisch u ¨ber k, so sind wir fertig mit 7.3.3. Sei sonst e1 , . . . , er eine maximale algebraisch unabh¨angige Teilfamilie der ei . Dann liefert per definitionem die Zuordnung Ti 7→ ei eine Einbettung des Polynomrings k[T1 , . . . , Tr ] ,→ L sowie eine Identifikation seines Funktionenk¨orpers k(T1 , . . . , Tr ) mit dem von den e1 , . . . , er u ¨ber k in L erzeugten Teilk¨orper K = k(e1 , . . . , er ) ⊂ L Wegen der Maximalit¨at unserer Teilfamilie sind die u ¨brigen Erzeuger er+1 , . . . , en Nullstellen normierter Polynome mit Koeffizienten in K. Betrachten wir den von den Koeffizienten dieser Polynome sowie von e1 , . . . , er u ¨ber k erzeugten Teilring A ⊂ K, so ist A per definitionem von endlichem Typ u ¨ber k und damit insbesondere noethersch. Andererseits ist L = A[er+1 , . . . , en ] 122
nach 7.3.3 endlich u ¨ber A. Wir haben also K eingebettet in ein Sandwich von Ringen L⊃K⊃A⊃k mit L endlich u ¨ber A und A von endlichem Typ u ¨ber k. Da A noethersch ist, muß dann aber auch K endlich sein u ¨ber A und damit von endlichem Typ u ¨ber k. Das ist aber der gesuchte Widerspruch, denn ein Funktionenk¨orper K∼ ur r ≥ 1 nie von endlichem Typ u ¨ber k sein: Es gibt = k(T1 , . . . , Tr ) kann f¨ ja nach 2.8.9 unendlich viele irreduzible Polynome in k[T1 , . . . , Tr ], und nur endlich viele davon k¨onnten in den Nennern von endlich vielen hypothetischen Erzeugern des k-Rings k(T1 , . . . , Tr ) vorkommen. Alternativer Beweis von 7.3.5 f¨ ur k u ¨berabz¨ahlbar. Ist L ein endlich erzeugter k-Ring, so ist L von abz¨ahlbarer Dimension u ¨ber k. G¨abe es nun ein t ∈ L \ k, das transzendent ist u ¨ber k, so h¨atten wir mit T 7→ t eine Einbettung k(T ) ,→ L. Der Funktionenk¨orper k(T ) hat aber u ¨berabz¨ahlbare −1 Dimension u uche (T − λ) parametrisiert durch ¨ber k, da die Familie der Br¨ λ ∈ k linear unabh¨angig ist u ¨ber k. Widerspruch!
7.4
Der Beweis des Nullstellensatzes
Definition 7.4.1. Ein Ideal in einem Ring heißt ein maximales Ideal genau dann, wenn es nicht der ganze Ring ist, wenn aber der ganze Ring selbst das einzige Ideal ist, das es echt enth¨alt. Beispiele 7.4.2. Sei m ∈ N. Genau dann ist mZ ⊂ Z ein maximales Ideal, wenn m eine Primzahl ist. Ist k ein K¨orper, so ist (X − a) ⊂ k[X] ein maximales Ideal, f¨ ur alle a ∈ k. Proposition 7.4.3 (Quotienten nach maximalen Idealen). Ein Ideal in einem kommutativen Ring ist maximal genau dann, wenn der Quotientenring nach besagtem Ideal ein K¨orper ist. Beweis. Ist ϕ : R S ein surjektiver Ringhomomorphismus, so erhalten wir eine Bijektion ∼
{ Ideale in R, die ker ϕ enthalten } → { Ideale in S } vermittels der Abbildungen I 7→ ϕ(I) f¨ ur I ⊂ R bzw. J 7→ ϕ−1 (J) f¨ ur J ⊂ S. Wenden wir diese Erkenntnis an auf die Surjektion R R/m f¨ ur irgendein Ideal m von R, so folgt, daß m ⊂ R ein maximales Ideal ist genau dann, wenn (0) ⊂ R/m ein maximales Ideal ist. Das Nullideal in einem kommutativen Ring ist aber nach dem anschließenden Lemma 7.4.4 maximal genau dann, wenn besagter Ring ein K¨orper ist. 123
Lemma 7.4.4. Ein kommutativer Ring ist ein K¨orper genau dann, wenn in ihm das Nullideal ein maximales Ideal ist. Beweis. In einem K¨orper ist nat¨ urlich das Nullideal maximal. Ist umgekehrt das Nullideal ein maximales Ideal, so gilt k = (1) 6= (0) und damit 1 6= 0. Weiter gilt (a) = k f¨ ur jedes a 6= 0, also gibt es f¨ ur jedes a 6= 0 ein b mit ab = 1. Bemerkung 7.4.5. Die nun folgenden Lemmata 7.4.6 und 7.4.8 formulieren eigentlich nur einfache Konsequenzen des Nullstellensatzes 7.1.5. Da wir uns jedoch beim Beweis des Nullstellensatzes auf diese Lemmata st¨ utzen wollen, werden wir sie hier aus dem bereits bewiesenen Satz u ¨ber K¨orpererweiterungen von endlichem Typ 7.3.5 herleiten. Lemma 7.4.6. Ist k ein algebraisch abgeschlossener K¨orper, so sind die maximalen Ideale des Polynomrings k[T1 , . . . , Tn ] genau die Verschwindungsideale von Punkten des k n . In Formeln haben wir also eine Bijektion ∼
k n → Max k[T1 , . . . , Tn ] x 7→ I(x) Bemerkung 7.4.7. Da jeder Punkt des k n abgeschlossen ist, k¨onnen wir die inverse Abbildung beschreiben durch die Abbildungsvorschrift m 7→ Z(m). Beweis. Ist k ein K¨orper und x ∈ k n ein Punkt, so ist ganz offensichtlich I(x) = (T1 − x1 , . . . , Tn − xn ) ⊂ k[T1 , . . . , Tn ] ein maximales Ideal: In der Tat ∼ induziert das Auswerten bei x einen Isomorphismus k[T1 , . . . , Tn ]/I(x) → k. Ist umgekehrt m ⊂ k[T1 , . . . , Tn ] ein maximales Ideal, so betrachten wir den K¨orper L = k[T1 , . . . , Tn ]/m. Wir haben nat¨ urlich einen Ringhomomorphismus ϕ : k → L und die Nebenklassen der Ti erzeugen L als k-Algebra. Mit dem Satz u ¨ber K¨orpererweiterungen von endlichem Typ 7.3.5 und unserer Annahme k algebraisch abgeschlossen folgt, daß ϕ eine Bijektion sein muß. Ist xi ∈ k das Urbild der Nebenklasse T¯i ∈ L von Ti , so folgt Ti − xi ∈ m. Bezeichnet x = (x1 , . . . , xn ) den Punkt mit den Koordinaten xi , so folgt I(x) ⊂ m und damit I(x) = m. Lemma 7.4.8. Hat ein Ideal in einem Polynomring in endlich vielen Variablen u ¨ber einem algebraisch abgeschlossenen K¨orper keine Nullstelle, so ist besagtes Ideal schon der ganze Polynomring. Beweis. Bezeichnet k unseren algebraisch abgeschlossenen K¨orper und I ⊂ k[T1 , . . . , Tn ] unser Ideal, so behaupten wir also in Formeln Z(I) = ∅ ⇒ I = k[T1 , . . . , Tn ] 124
Das zeigen wir durch Widerspruch: Ist ein Ideal I nicht der ganze Ring, so gibt es ein maximales Ideal m u ¨ber I und wir folgern aus I ⊂ m erst Z(I) ⊃ Z(m) und dann mit 7.4.6 weiter Z(I) 6= ∅. Beweis des Nullstellensatzes 7.1.5. Wir betrachten in dem um eine Variable T vergr¨oßerten Polynomring k[T1 , . . . , Tn , T ] das von I und f T − 1 erzeugte Ideal J. Da wir Z(f ) ⊃ Z(I) angenommen hatten, besitzt dies Ideal J u ¨berhaupt keine simultanen Nullstellen. Nach 7.4.8 gilt also in unserem um eine Variable vergr¨oßerten Polynomring eine Gleichung der Gestalt a0 (f T − 1) + a1 f1 + . . . + an fn = 1 mit fi ∈ I und ai in unserem um eine Variable vergr¨oßerten Polynomring. Nun durften wir sicher von Anfang an f 6= 0 annehmen. Setzen wir dann in unserer Gleichung T = f −1 ein, so ergibt sich eine Gleichung der Gestalt b1 f1 + . . . + bn fn = 1 −1
im Teilring k[T1 , . . . , Tn , f ] des Funktionenk¨orpers k(T1 , . . . , Tn ), wo die bi aus den ai hervorgehen durch Einsetzen von T = f −1 . Nach Multiplikation mit einer geeigneten Potenz f N von f erhalten wir schließlich eine Gleichung in k[T1 , . . . , Tn ] der Gestalt c1 f1 + . . . + cn fn = f N mit ci = f N bi in unserem urspr¨ unglichen Polynomring k[T1 , . . . , Tn ], und N diese Gleichung zeigt dann f ∈ I. ¨ Ubung 7.4.9. Sei k algebraisch abgeschlossen und I ⊂ k[T1 , . . . , Tn ] ein Ideal. ∼ So induziert die Bijektion k n → Max k[T1 , . . . , Tn ] aus Lemma 7.4.6 eine ∼ Bijektion Z(I) → Max(k[T1 , . . . , Tn ]/I). Definition I eines Rings R definiert man sein √ 7.4.10. Gegeben ein Ideal √ Radikal I durch die Vorschrift I = {f ∈ R | f N ∈ I f¨ ur N 0}. Ein Ideal heißt ein Radikalideal genau dann, wenn es sein eigenes Radikal ist. √ ¨ Ubung 7.4.11. Man zeige, daß f¨ ur ein Ideal I eines Krings R das Radikal I √ wieder ein Ideal von R ist und daß I sein eigenes Radikal ist. Bemerkung 7.4.12. Ist k algebraisch abgeschlossen, so gilt f¨ ur jedes √ Ideal a ⊂ k[T1 , . . . , Tn ] nach dem Nullstellensatz die Formel I(Z(a)) = a und die Vorschriften Z und I liefern inverse Bijektionen zwischen den Zariskiabgeschlossenen Teilmengen des k n und den Radikalidealen in k[T1 , . . . , Tn ]. ¨ Ubung 7.4.13. Man zeige die Formel f¨ ur die van-der-Monde-Determinante 1 X0 X02 . . . X0n .. = Y (X − X ) det ... i j . 2 n 0≤j
7.5
Algebren von polynomialen Funktionen
Definition 7.5.1. Sei k ein Kring und seien X ⊂ k n , Y ⊂ k m Teilmengen. Eine Abbildung ϕ : X → Y heißt algebraisch oder polynomial genau dann, wenn es Polynome P1 , . . . , Pm ∈ k[T1 , . . . , Tn ] gibt mit ϕ(x) = (P1 (x), . . . , Pm (x)) ∀x ∈ X Bemerkung 7.5.2. Sei k ein Kring und seien X ⊂ k n , Y ⊂ k m und Z ⊂ k l Teilmengen. Sind ϕ : X → Y und ψ : Y → Z algebraisch, so ist auch ihre Verkn¨ upfung ψ ◦ ϕ : X → Z algebraisch. ¨ Ubung 7.5.3. Ist k ein Integrit¨atsbereich, so sind algebraische Abbildungen stetig f¨ ur die von der Zariski-Topologie des k n auf unseren Teilmengen induzierte Topologie. Definition 7.5.4. Sei k ein Kring und X ⊂ k n eine Teilmenge. Die algebraischen Abbildungen f : X → k heißen polynomiale Funktionen. Wir bezeichnen den k-Kring der polynomialen Funktionen auf X mit O(X). Per definitionem liefert also die Einschr¨ankung einen Isomorphismus von kKringen ∼ k[T1 , . . . , Tn ]/I(X) → O(X) Definition 7.5.5. Jede algebraische Abbildung ϕ : X → Y zwischen algebraischen Mengen X ⊂ k n , Y ⊂ k m liefert einen Homomorphismus von k-Ringen ϕ] : O(Y ) → O(X) f 7→ f ◦ ϕ Definition 7.5.6. Ein Ring heißt nilpotentfrei genau dann, wenn er außer der Null keine nilpotenten Elemente hat. Ein nilpotentfreier k-Kring von endlichem Typ heißt ein affiner k-Kring. Theorem 7.5.7 (R¨ aume als Ringe). Sei k ein algebraisch abgeschlossener K¨orper. Betrachten wir die algebraischen Mengen in irgendwelchen k n als Objekte einer Kategorie mit polynomialen Abbildungen als Morphismen, ¨ so liefert das Bilden der polynomialen Funktionen eine Aquivalenz von Kategorien ◦ Algebraische Mengen ∼ Affine k-Kringe → n in irgendwelchen k X ϕ↓ Y
7→
126
O(X) ϕ] ↑ O(Y )
Bemerkung 7.5.8. Ein großer Teil der sogenannten “kommutativen Algebra” besteht aus geometrischen Erkenntnissen, die man mit Hilfe des vorhergehenden Theorems in die Sprache der affinen k-Kringe u ¨bersetzt und von dort verallgemeinert auf m¨oglichst große Klassen von kommutativen Ringen. Beweis. Zun¨achst einmal zeigen wir, daß es f¨ ur jeden affinen k-Kring A eine n algebraische Teilmenge X ⊂ k gibt mitsamt einem Isomorphismus von kKringen O(X) ∼ = A. Sind in der Tat t1 , . . . , tn ∈ A Erzeuger unseres k-Krings, so erhalten wir durch die Vorschrift Ti 7→ ti eine Surjektion k[T1 , . . . , Tn ] A Bezeichne a ihren Kern. Besitzt A außer der Null keine nilpotenten Elemente, so ist a ein Radikalideal, und ist k algebraisch abgeschlossen, so ist ein Radikalideal im Polynomring das Verschwindungsideal seiner Nullstellenmenge, in Formeln a = I(Z(a)). Wir erhalten damit Isomorphismen von k-Kringen ∼
∼
O(Z(a)) ← k[T1 , . . . , Tn ]/a → A und haben gezeigt, daß A isomorph ist zum k-Kring der polynomialen Funktionen auf der algebraischen Menge Z(a) ⊂ k n . Jetzt m¨ ussen wir noch zei] gen, daß unsere Vorschrift ϕ 7→ ϕ Bijektionen zwischen den Morphismen liefert. Wir notieren dazu die Menge der polynomialen Abbildungen zwischen zwei algebraischen Mengen mit Pol(X, Y ). Homomorphismen von kKringen notieren wir Kringk (A, B). Dann erinnern wir uns an die Formel Y = Z(I(Y )) ⊂ k m und bilden das kommutative Diagramm Pol(X, Y ) → Kringk (O(Y ), O(X)) ↓ ↓ k m Pol(X, k ) → Kring (k[T1 , . . . , Tm ], O(X)) wo die Horizontalen durch ϕ 7→ ϕ] definiert sind und die Vertikalen durch Y ⊂ k m bzw. k[T1 , . . . , Tm ] O(Y ). Nun ist die untere Horizontale offensichtlich eine Bijektion, sind doch beide Seiten in nat¨ urlicher Bijektion zur Menge O(X)m aller m-Tupel (ϕ1 , . . . , ϕm ) von polynomialen Funktionen auf X. Die obere Horizontale ist dann ebenso ein Bijektion, denn dort sind nun beide Seiten in nat¨ urlicher Bijektion zu {(ϕ1 , . . . , ϕn ) ∈ O(X)m | f (ϕ1 , . . . , ϕm ) = 0 ∀f ∈ I(Y )}, wegen der Definition des Verschwindungsideals I(Y ) auf der linken Seite und wegen der universellen Eigenschaft des Quotienten k[T1 , . . . , Tm ]/I(Y ) ∼ = O(Y ) auf der rechten Seite. 127
¨ Ubung 7.5.9. Es gibt durchaus bijektive polynomiale Abbildungen zwischen algebraischen Mengen, deren Umkehrabbildung nicht polynomial ist. Als Beispiele betrachte man im Fall char k = p > 0 die Abbildung k → k, t 7→ tp und im Fall char k beliebig die Abbildung k → Z(X 3 − Y 2 ), t 7→ (t2 , t3 ). Bemerkung 7.5.10. Der Hauptsatz von Zariski ?? wird uns sagen, daß in Charakteristik Null die Umkehrabbildung einer bijektiven algebraischen Abbildung von einer algebraischen Menge in eine “glatte” algebraische Menge stets wieder algebraisch ist. Bemerkung 7.5.11. Unsere bis jetzt entwickelten Notationen und Resultate lassen sich ohne große Schwierigkeiten u ¨bertragen von k n auf algebraische n Teilmengen X ⊂ k . Das Auswerten liefert sogar f¨ ur eine beliebige Teilmenge n X ⊂ k eine Paarung X × O(X) → k und wir bilden f¨ ur Y ⊂ X bzw. I ⊂ O(X) das Verschwindungsideal bzw. die Nullstellenmenge I(Y ) = {f ∈ O(X) | f (x) = 0 ∀x ∈ Y } Z(I) = {x ∈ X | f (x) = 0 ∀f ∈ I} Wieder kehren I bzw. Z die Inklusionen um, und ist k ein Integrit¨atsbereich, so bilden die Z(I) eine Topologie auf X, die u ¨bereinstimmt mit der von n der Zariski-Topologie auf k induzierten Topologie und die wir die ZariskiTopologie auf X nennen. ¨ Ubung 7.5.12. Gegeben Y ⊂ X ⊂ k n induziert die Einschr¨ankung einen ∼ Isomorphismus O(X)/I(Y ) → O(Y ). Satz 7.5.13 (Nullstellensatz, Variante). Sei k algebraisch abgeschlossen, X ⊂ k n eine algebraische Menge und O(X) der k-Kring der polynomialen Funktionen auf X. 1. Ist I ⊂ O(X) ein Ideal und verschwindet f ∈ O(X) auf der Nullstellenmenge von I, so liegt eine Potenz von f bereits in I. 2. Die Zuordnungen I 7→ Z(I) und Y 7→ I(Y ) liefern zueinander inverse Bijektionen zwischen den Radikalidealen von O(X) und den abgeschlossenen Teilmengen von X sowie zwischen den maximalen Idealen von ∼ O(X) und den Punkten von X, in Formeln X → Max O(X). ¨ Beweis. Ubung.
128
8
Dimension
Man sollte vielleicht diesen Abschnitt nach hinten ziehen und Variet¨aten mit Invariantentheorie davor behandeln. Liefert insbesondere projektive R¨aume!
8.1
Zerlegung in irreduzible Komponenten
Definition 8.1.1. Ein topologischer Raum heißt noethersch genau dann, wenn jede absteigende Folge abgeschlossener Mengen station¨ar wird. ¨ Ubung 8.1.2. Ein topologischer Raum ist noethersch genau dann, wenn jede offene Teilmenge besagten Raums kompakt ist. ¨ Ubung 8.1.3. Ein topologischer Raum ist noethersch genau dann, wenn es in jedem nichtleeren System von algebraisch abgeschlossenen Teilmengen unseres Raums ein bez¨ uglich Inklusion minimales Element gibt. Lemma 8.1.4. Ist k ein noetherscher Integrit¨atsbereich, so ist k n ein noetherscher topologischer Raum. Beweis. Nach 7.1.3 gilt unter unseren Annahmen f¨ ur jede abgeschlossene n Teilmenge X ⊂ A k die Formel X = Z(I(X)). Ist nun X0 ⊃ X1 ⊃ . . . eine absteigende Folge abgeschlossener Mengen in k n , so ist I(X0 ) ⊂ I(X1 ) ⊂ . . . eine aufsteigende Folge von Idealen im Polynomring u ¨ber k. Nach dem Hilbert’schen Basissatz ist aber ein Polynomring in endlich vielen Ver¨anderlichen u ¨ber einem noetherschen Ring stets noethersch, also wird unsere Folge von Idealen station¨ar und dann auch die Folge der Xν = Z(I(Xν )). Definition 8.1.5. Ein topologischer Raum X heißt irreduzibel genau dann, wenn er nicht leer ist und sich nicht schreiben l¨aßt als Vereinigung von zwei echten abgeschlossenen Teilmengen, in Formeln 6 ∃X1 , X2 ⊂ A X mit X1 6= X, X2 6= X und X1 ∪ X2 = X. Ein topologischer Raum, der nicht irreduzibel ist, heißt reduzibel. Bemerkung 8.1.6. Eine Teilmenge eines topologischen Raums nennen wir reduzibel bzw. irreduzibel genau dann, wenn sie diese Eigenschaften hat f¨ ur die induzierte Topologie. Beispiel 8.1.7. Sei k ein K¨orper. Das Achsenkreuz Z(T1 T2 ) ⊂ k 2 ist reduzibel in der Zariski-Topologie. ¨ Ubung 8.1.8. Das Bild eines irreduziblen Raums unter einer stetigen Abbildung ist stets irreduzibel.
129
¨ Ubung 8.1.9. F¨ ur einen topologischen Raum X sind gleichbedeutend: (1) X ist irreduzibel; (2) X ist nicht leer und je zwei nichtleere offene Teilmengen von X haben nichtleeren Schnitt; und (3) X ist nicht leer und jede offene nichtleere Teilmenge von X ist dicht in X. Definition 8.1.10. Die maximalen irreduziblen Teilmengen eines topologischen Raums heißen seine irreduziblen Komponenten. Beispiel 8.1.11. Ist k ein unendlicher K¨orper, so sind die irreduziblen Komponenten des Achsenkreuzes Z(T1 T2 ) ⊂ k 2 genau die beiden Koordinaten¨ achsen. Ahnlich kann man sich die irreduziblen Komponenten von beliebigen Zariski-abgeschlossenen Mengen der k n vorstellen. Ich rate davon ab, f¨ ur das Konzept der irreduziblen Komponenten außerhalb der Zariski-Topologie nach Anschauung zu suchen. Satz 8.1.12 (Zerlegung in irreduzible Komponenten). Ein noetherscher topologischer Raum besitzt h¨ochstens endlich viele irreduzible Kompo¨ nenten, keine seiner Komponenten ist in der Vereinigung der Ubrigen enthalten, und alle Komponenten zusammen u ¨berdecken den ganzen Raum. Bemerkung 8.1.13. Wir schicken dem Beweis des Satzes zwei Lemmata voraus, von denen das erste eine einfache Konsequenz unseres Satzes ist. Wir geben jedoch auch f¨ ur dies Lemma einen eigenst¨andigen Beweis, weil wir uns beim Beweis des Satzes darauf st¨ utzen wollen. Mit dem Zornschen Lemma kann man im u ¨brigen sogar zeigen, daß allgemeiner jeder topologische Raum die Vereinigung seiner irreduziblen Komponenten ist. Lemma 8.1.14. Jede abgeschlossene Teilmenge eines noetherschen topologischen Raums l¨aßt sich schreiben als endliche Vereinigung von irreduziblen abgeschlossenen Teilmengen unseres Raums. Beweis. Bezeichne X unseren Raum. Wir argumentieren durch Widerspruch. Sei in der Tat sonst Y ⊂ A X eine kleinstm¨ogliche abgeschlossene Teilmenge von X, die sich nicht als endliche Vereinigung von irreduziblen abgeschlossenen Teilmengen von X erhalten l¨aßt. So ist Y weder leer noch irreduzibel, besitzt also eine Darstellung Y = Y1 ∪ Y2 mit Yi ⊂ A Y und Yi 6= Y. Aufgrund der Minimalit¨at von Y gilt unsere Aussage notwendig f¨ ur Y1 und Y2 und dann auch f¨ ur Y, im Widerspruch zur Wahl von Y. Lemma 8.1.15. Sei X ein topologischer Raum und X = X1 ∪ . . . ∪ Xr eine Darstellung von X als endliche Vereinigung von irreduziblen abgeschlossenen Teilmengen. Gibt es keine nichttrivialen Inklusionen zwischen unseren Teilmengen, in Formeln Xi ⊂ Xj ⇒ i = j, so sind die Xi genau die irreduziblen Komponenten von X. 130
Beweis. Ist Y ⊂ A X eine abgeschlossene irreduzible Teilmenge, so haben wir Y = (Y ∩ X1 ) ∪ . . . ∪ (Y ∩ Xr ) und folglich Y = Y ∩ Xi alias Y ⊂ Xi f¨ ur mindestens ein i. Also ist jede maximale irreduzible Teilmenge von X eines der Xi , und w¨are ein Xj keine Komponente von X, so f¨anden wir ein i 6= j mit Xj ⊂ Xi . Beweis von Satz 8.1.12. Nach 8.1.14 k¨onnen wir X schreiben als endliche Vereinigung irreduzibler abgeschlossener Teilmengen X = X1 ∪ . . . ∪ Xr Indem wir u ussige Teilmengen weglassen, d¨ urfen wir weiter annehmen, ¨berfl¨ daß kein Xi ganz in der Vereinigung der u ¨brigen Xj , j 6= i enthalten ist. Der Satz folgt nun aus 8.1.15. Bemerkung 8.1.16. Das Beweisprinzip von 8.1.14 heißt noethersche Induktion. Abstrakt l¨aßt es sich wie folgt fassen: Sei X ein noetherscher topologischer Raum und P eine Eigenschaft abgeschlossener Teilmengen von X, formal also eine Abbildung P : {Y ∈ P(X) | Y ⊂ A X} → {wahr, falsch} K¨onnen wir f¨ ur jede abgeschlossene Teilmenge Y ⊂ ultigkeit von A X aus der G¨ P f¨ ur alle echten abgeschlossenen Teilmengen von Y schon auf die G¨ ultigkeit von P f¨ ur Y schließen, so folgt die G¨ ultigkeit von P f¨ ur alle abgeschlossenen Teilmengen von X.
8.2
Primideale
Satz 8.2.1. Sei k ein K¨orper. Eine Teilmenge X ⊂ k n ist irreduzibel f¨ ur die Zariski-Topologie genau dann, wenn der Ring der regul¨aren Funktionen auf unserer Menge ein Integrit¨atsbereich ist. Beweis. Ist O(X) kein Integrit¨atsbereich, so gilt entweder O(X) = 0 und damit ist X = ∅ nicht irreduzibel, oder es gibt in O(X) von Null verschiedene Elemente a, b mit ab = 0. Dann sind jedoch Z(a) und Z(b) echte abgeschlossene Teilmengen von X mit Z(a) ∪ Z(b) = X und X ist wieder nicht irreduzibel. Ist umgekehrt X nicht irreduzibel, so ist entweder X leer und O(X) = 0 ist kein Integrit¨atsbereich, oder es gibt Teilmengen I, J ⊂ O(X) mit Z(I) ∪ Z(J) = X aber Z(I) 6= X 6= Z(J). Dann gibt es auch Elemente a ∈ I und b ∈ J mit Z(a) 6= X 6= Z(b), und f¨ ur diese gilt erst recht Z(a) ∪ Z(b) = X. Damit gilt insbesondere a 6= 0 6= b aber ab = 0, und O(X) ist wieder kein Integrit¨atsbereich. 131
Bemerkung 8.2.2. Ist k ein unendlicher K¨orper, so ist insbesondere k n irreduzibel in der Zariski-Topologie. Definition 8.2.3. Ein Ideal I eines Krings R heißt ein Primideal genau dann, wenn gilt (1) I 6= R und (2) a, b 6∈ I ⇒ ab 6∈ I. Die Menge aller Primideale eines Krings R heißt das Spektrum von R und man schreibt Spec R = {p ⊂ R | p ist ein Primideal von R} Bemerkung 8.2.4. Genau dann ist ein Ideal in einem Kring ein Primideal, wenn der Quotientenring nach besagtem Ideal ein Integrit¨atsbereich ist. Insbesondere ist jedes maximale Ideal in einem Kring nach ?? ein Primideal. Bemerkung 8.2.5. Man kann den Begriff des Primideals auf verschiedene Arten auf den Fall nicht notwendig kommutativer Ringe verallgemeinern. Diejenigen Ideale, die genau die Bedingung der obigen Definition erf¨ ullen, heißen im nichtkommutativen Kontext vollprime Ideale. Beispiele 8.2.6. Die Primideale im Ring Z der ganzen Zahlen sind genau das Nullideal und die von Primelementen erzeugten Hauptideale. Allgemein heißt ein Element eines Rings ein Primelement genau dann, wenn das von besagtem Element erzeugte Hauptideal ein Primideal ist. Satz 8.2.7 (Primideale und irreduzible Mengen). Sei k ein algebraisch abgeschlossener K¨orper und X ⊂ k n eine algebraische Menge. So liefert das Bilden des Verschwindungsideals eine Bijektion zwischen der Menge aller irreduziblen abgeschlossenen Teilmengen von X und der Menge aller Primideale von O(X), in Formeln ∼
{Y | Y ⊂ A X, Y irreduzibel } → Spec k[X] Y 7 → I(Y ) Bemerkung 8.2.8. Nat¨ urlich sind alle einpunktigen Teilmengen von X irreduzibel. Sie entsprechen nach 7.5.13 unter unserer Bijektion genau den maximalen Idealen von k[X]. Man mag sich im Licht des Satzes also Spec k[X] vorstellen als die Menge X erweitert um gewisse zus¨atzliche Punkte, genauer um jeweils einen zus¨atzlichen Punkt f¨ ur jede irreduzible Teilmenge, die nicht bereits selbst nur aus einem Punkt besteht. Beweis. Nach 7.5.13 liefern das Bilden I des Verschwindungsideals und das Bilden der Nullstellenmenge Z zueinander inverse Bijektionen zwischen den abgeschlossenen Teilmengen von X und den Radikalidealen von O(X), und nach 7.5.12 liefert f¨ ur alle Y ⊂ X die Einschr¨ankung einen Isomorphismus ∼ O(X)/I(Y ) → O(Y ). Nach 8.2.4 und 8.2.1 entsprechen also unter unseren Bijektionen die irreduziblen abgeschlossenen Teilmengen genau den primen Radikalidealen alias den Primidealen. 132
Bemerkung 8.2.9. Ist f : R → S ein Ringhomomorphismus und p ⊂ S ein Primideal, so ist auch f −1 (p) ⊃ R ein Primideal. In der Tat haben wir R/f −1 (p) ,→ S/p, und jeder Teilring eines Integrit¨atsbereichs ist selbst ein Integrit¨atsbereich. Jeder Ringhomomorphismus induziert also auf den Spektren eine Abbildung in der Gegenrichtung Spec S → Spec R. ¨ Ubung 8.2.10. Ist ϕ : X → Y ein Morphismus von algebraischen Mengen ] und ϕ : O(Y ) → O(X) der zugeh¨orige Algebrenhomomorphismus, so kommutiert das Diagramm X ϕ↓ Y
∼
→ Max O(X) ⊂ Spec O(X) ↓ ∼ → Max O(Y ) ⊂ Spec O(Y )
wobe die Vertikale rechts jedem Ideal sein Urbild unter ϕ] zuordnet. Entspricht allgemeiner einem Primideal p ⊂ O(X) die irreduzible abgeschlossene Teilmenge Z ⊂ A X, so entspricht dem Urbild von p in O(Y ) der Abschluß ϕ(Z) des Bildes von Z in Y. Proposition 8.2.11 (Primideale von Lokalisierungen). Gegeben R ein kommutativer Ring und S ⊂ R eine Teilmenge induzieren die kanonische Abbildung can : R → S −1 R und die Vorschrift p 7→ S −1 p zueinander inverse Bijektionen ∼ Spec(S −1 R) ↔ {p ∈ Spec R | p ∩ S = ∅} Beweis. Da alle Elemente aus S bei der Lokalisierung Einheiten werden, landet das Zur¨ uckholen Spec(S −1 R) → Spec R in der Menge der Primideale ∼ von R, die S nicht treffen. Der kanonische Isomorphismus S −1 R/S −1 p → S¯−1 (R/p) aus 2.7.6 sagt uns weiter, daß mit jedem Primideal p ⊂ R, das S nicht trifft, f¨ ur das also die Teilmenge S¯ des Integrit¨atsbereichs R/p nicht die Null enth¨alt, auch S −1 p ⊂ S −1 R ein Primideal ist. Mithin liefert die Vorschrift p 7→ S −1 p jedenfalls eine Abbildung wie behauptet. F¨ ur jedes Ideal −1 −1 −1 a ⊂ S R gilt offensichtlich a = S (can a). F¨ ur jedes Primideal p ⊂ R, ∼ das S nicht trifft, folgern wir aus der Injektivit¨at von R/p ,→ S¯−1 (R/p) → S −1 R/S −1 p weiter can−1 (S −1 p) = p. Der Satz folgt.
133
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[Wei74]
Andr´e Weil, Basic number theory, Springer, 1974.
134
9
Index
135
Index G-stabil, 21 p-Potenz, 15 p-Sylow, 30 p-Sylowuntergruppe, 30 p-Zykel, 24
Charakteristik Null, 63 Chinesischer Restsatz, 14 cyclotomic polynomial, 56 Darstellung durch Radikale, 96 Definitionsbereich, 52 Diagrammjagd, 35 Diedergruppe, 25 Diskriminante, 60 Diskriminante des kubischen Polynoms, 59 Doppeldreizykel, 24 Doppeltransposition, 24 Drehsymmetrie, 25
abelsche Erweiterung, 94 Ableitung, formale, 78 Ableitungsregeln, 78 Abspalten von Linearfaktoren, 43 Abstrakter chinesischer Restsatz, 46 Addition, 36 affiner k-Kring, 126 algebraisch, 67, 122, 126 algebraisch abgeschlossen, 43 algebraisch abhangig, 107 algebraisch uber K, 65 algebraisch unabhangig, 44, 108 algebraischen Teilmengen, 118 algebraischer Abschlus, 105 allgemeine Gleichung, 86 alternierende Gruppe, 6, 19 auflosbar, 33, 96 Auflosbarkeit von Gleichungen, 96 Ausdehnbarkeitskriterium, 75 Ausdehnung, 75 Auswahlaxiom, 103 Automorphismengruppe, 22 Automorphismus, 22
Eindeutigkeit von Zerfallungskorpern, 74 einfache, 64 einfache Gruppe, 18 Einheit, 40 Einheitswurzel, 56 Einheitswurzeln, 72 Eins, 36 Eins-Element, 36 Einsetzen in Polynome, 41 Eisensteinkriterium, 55 elementarsymmetrische Polynome, 57 Elementarteilersatz, 113 endlich, 122 endliche Korper, 71 endliche Korpererweiterung, 65 endliche Primkorper, 40 enthalte alle n-ten Einheitswurzeln, 94 Erganzungssatz, 93 Erweiterung, 64 Erweiterungskorper, 64
Bahn, 21 Bahnenraum, 21 Bahnformel, 21 Bild, 6 biquadratisch, 85 Cardano’sche Formel, 99 Cayley’schen Zahlen, 88 Charakteristik, 63 136
Homomorphismus von Korpererweiterungen, 74
euklidischer Ring, 50 Euler’sche ϕ-Funktion, 89 exakt, 34 exakt bei A, 33 Exponent, 14
Ideal, 37 Ideal, erzeugt, 38 Ikosaedergruppe, 26 image, 6 Index, 10 induktiv geordnet, 102 innere Automorphismen, 22 Integritatsbereich, 39 interior automorphisms, 22 Interpolation durch Polynome, 46 Invarianten, 20 Invariantenring, 57 invertierbar, 40 irreduzibel, 47, 129 irreduziblen Komponenten, 130 isomorph, 4 Isomorphiesatz, 11 Isotropiegruppe, 20
faktoriell, 47 Fermat’sche Zahlen, 90 Fixator, 20 Fixkorper, 81 Frobenius-Abbildung, 41 Frobenius-Homomorphismus, 81 Galois, 81 Galoiserweiterung, 81 Galoisgruppe, 81 Galoiskorrespondenz, 84 ganz uber A, 122 Gauss’sche Zahl, 50 Gauss, Satz von, 54 gebrochen rationale Funktionen, 52 Grad, 60 Grad der Korpererweiterung, 65 Grad eines Polynoms, 42 Grad von α uber K, 66 groster gemeinsamer Teiler, 7 Grundkorper, 64 Gruppe, 13 Gruppe der Einheiten, 40 Gruppentafel, 4
Jordan’sche Normalform, 117 Jordan-Holder, 19
Hamilton’sche Zahlen, 87 Hauptideal, 38 Hauptidealring, 48 Hilbert’sche Probleme vierzehntes, 109 Hilbert’scher Basissatz, 120 homogener Raum, 21 Homomorphimus von R-Rechtsmoduln, 111 Homomorphismus
137
k¨orpertheoretische Form des Nullstellensatzes, 122 Kern, 6 Klassifikation durch Multimengen von Primpotenzen, 115 Klassifikation durch Idealketten, 115 Klassifikation der endlichen Gruppen, 4 Kleiner Fermat, 40 kommutativ, 34 kommutativer Ring, 36 kommutieren, 41 Kompositionsalgebra, 88 Kompositionsfaktor, 19 Kompositionsreihe, 19
Kompositum, 95 kongruent modulo, 10 Konjugation, 22 konstruierbaren Zahlen, 69 Konstruierbarkeit, 68 Konstruierbarkeit regelmasiger nEcke, 90 Korper, 40 Korpererweiterung, 64 quadratische, 65 Kreisteilungspolynom, 56 Kring, 36 kubische Gleichung, 98 kurze exakte Sequenz, 34 Kurzen in Ringen, 39
Nullstelle, 42 Nullstellen, 118 Nullstellenmenge, 118 Nullstellensatz, 119 Nullteiler, 39 nullteilerfrei, 39 Oberkorper, 64 Oktonionen, 88 Operation, 20 opponierter Ring, 111 orbit, 21 Ordnung, 12 parfait, 80 Partition einer Menge, 23 einer Zahl, 23 perfect, 80 Polstellen, 53 polynomial, 126 polynomiale Funktionen, 126 Polynomring, 41 prim, 49 Primelement, 49, 132 Primfaktorzerlegung, 8 Primideale und irreduzible Mengen, 132 primitiv, 54 primitive Einheitswurzel, 88 primitive Korpererweiterung, 64 primitives Element, 64, 83 Primkorper, 63 Primpotenzen, 115 Primzahl, 7 Primzahlpotenz, 15 Produkt, 45 Produktring, 45
Legendre-Symbol, 93 Leitkoeffizient, 42 lexikographische Ordnung, 58 Linknebenklasse, 9 linksnoethersch, 119 Lokalisierung, 51 maximales Ideal, 123 Menge, 20 minimaler Zerfallungskorper, 74 Minimalpolynom, 65 Multiplikation, 36 Multiplikativitat der Determinante, 112 des Grades, 67 Neunerlemma, 34 nilpotentfrei, 126 noethersch, 119, 129 noethersche Induktion, 131 Noetherscher Isomorphiesatz, 11 normal, 22, 76 normale Hulle, 77 Normalteiler, 10 normiert, 42 Nullring, 36
quadratische Korpererweiterung, 65 Quaternionen, 87 Quersumme, 39 138
Systeme von Teilmengen von X, 102
Quotient, 11 Quotientenkorper, 52
Teilen in Polynomringen, 42 Teiler, 39 teilerfremd, 7 Teilring, 44 teilt, 6, 39 Tetraedergruppe, 25 torsionsfrei, 18 Totalgrad, 60 transitiv, 21, 82 Translationssatz der Galoistheorie, 95 Transpositionen, 24 transzendent, 65 Transzendenzbasis, 108 Transzendenzgrad, 109 treu, 82 triviale Operation, 20 triviale Untergruppe, 5 trivialen Operation, 20
Radikal, 125 Radikalerweiterung, 96 Radikalideal, 125 Rang, 15, 113 Rechtsmodul, 111 Rechtsnebenklasse von g unter H, 9 rechtsnoethersch, 119 reduzibel, 129 Reprasentant, 9 Restklassen, 10 Restklassengruppe, 11 Restklassenring, 38 Resultante, 62 Reziprozitatsgesetz quadratisches, 91 Ring, 36 Ring der Laurentpolynome, 53 Ringhomomorphismus, 37 Rng, 36 Rnghomomorphismen, 37
unendliche Ordnung, 12 Unerkorper, erzeugt, 63 Untergruppe, erzeugt, 5 Unterkorper, 63
Satze von Sylow, 30 Schiefkorper, 40 separabel, 79 Sieb des Eratosthenes, 8 Spaltung, 9 Stabilisator, 20 Standgruppe, 20 streng induktiv geordnet, 103 Subquotienten, 19 Summe, 45 Supremum, 103 Symmetrie, 5, 25 Symmetriegruppe, 5 symmetrische Polynome, 58 System von Transzendenzerzeugern, 108
van-der-Monde-Determinante, 125 Verknupfungstabelle, 4 Verschwindungsideal, 118 Vielfachheit einer Nullstelle, 43 vollkommen, 80 vollprime Ideale, 132 von endlichem Typ, 121 Wirkung, 20 Wurfelgruppe, 26 Zariski-Topologie, 118, 128 Zentralisator, 23 Zentrum, 23 Zerfallung von Polynomen, 71 139
Zerfallungskorper, 74 Zerlegung in irreduzible Komponenten, 130 Zerlegung in Linearfaktoren, 43 Zorn, 102 zyklische Erweiterung, 94 zyklische Gruppe, 12 zyklotomische Polynom, 56
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