Lebensversicherungsmathematik Vorlesung am Institut für Mathematische Stochastik der Universität Hannover von Dr. Matthi...
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Lebensversicherungsmathematik Vorlesung am Institut für Mathematische Stochastik der Universität Hannover von Dr. Matthias Brake Sommersemester 2006
1
INHALTSVERZEICHNIS
2
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1.1 Was ist eine Versicherung? . . . . . . . . . . . 1.2 Einteilungsprinzipien für Versicherungsformen 1.3 Aufgaben der Versicherungsmathematik . . . 1.4 Deterministische Modelle . . . . . . . . . . . . 1.5 Lebensversicherung . . . . . . . . . . . . . . .
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4 4 5 5 6 7
2 Elementare Finanzmathematik 2.1 Die diskontinuierliche Methode . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Beispiele für Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 kontinuierliche Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Beispiele für Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Effektiver und nomineller Zinssatz . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Zeitrenten und ihre Barwerte von zinsbehafteten Zahlungen
. . . . . .
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9 9 10 11 12 13 15
3 Zukünftige Lebenserwartung eines x-Jährigen 3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 vollständige Restlebenserwartung eines x-Jährigen . . . . . . . 3.3 Sterbeintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Stationaritätsbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Diskretisierung: ganzzahlig gestutzte zukünftige Verweildauern 3.6 Sterbetafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1 Arten von Sterbetafeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.2 Vorgehensweise beim Herleiten einer Sterbetafel . . . . . 3.6.3 In der Praxis verwendete Sterbetafeln . . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
18 18 20 20 21 23 25 27 29 33
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4 Leistungen und Barwerte 35 4.1 Einleitung, Definition und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4.2 Berechnung von erwarteten Barwerten bei unterjährlicher Zahlungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 5 Kommutationszahlen 5.1 Einleitung und Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Versicherungen mit ausschließlich Erlebensfallcharakter . . . . . . 5.3 Versicherungen mit ausschließlich Todesfallcharakter . . . . . . .
45 45 46 48
6 Prämien 6.1 Modellvoraussetzungen der klassischen LV . . . . . . . . . . . . . 6.2 Nettoprämie = Nettobeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Jahresnettoprämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Unterjährliche Renten und unterjährliche Beiträge . . . . . . . . 6.4.1 Gebräuchliche Näherungsverfahren zur Berechnung unterjährlicher Beiträge (nicht in der Vorlesung behandelt) . . 6.5 Kosten und Bruttobeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1 Kostenschlüsselung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Allgemeine Berechnung der ausreichenden Prämie . . . . . . . . .
50 52 53 54 55 56 57 58 59
INHALTSVERZEICHNIS 6.7
3
Tarif- und Bruttoprämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
7 Der Gleichbehandlungsgrundsatz
63
8 Der Verantwortliche Aktuar
65
9 Deckungsrückstellungen in der LV 9.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Das prospektive Deckungskapital . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Klassische Lebensversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Rekursionsformel und retrospektive Darstellung . . . . . . . . 9.5 Zerlegung der Nettoprämie in Spar- und Risikoanteil . . . . . 9.6 Gezillmerte und ausreichende Deckungsrückstellung . . . . . . 9.7 Formeln für das gezillmerte und ausreichende Deckungskapital 9.8 Bilanzdeckungsrückstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
10 Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung 10.1 Bilanz und GuV: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.1 Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.2 Die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) eines Lebensversicherers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Überschussentstehung: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Die Ursachen des Überschusses und seine Quellen. Kontributionsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.1 Kontributionsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Überschussverteilungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.1 Natürliche Dividendensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.2 Mechanische Dividendensystem . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Überschussverwendungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.6 Schlussüberschussbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7 Finanzierbarkeit der Überschussbeteiligung, Profit-Testing . . . . 10.7.1 Varianten des Finanzierbarkeitsnachweises . . . . . . . . .
66 66 67 72 74 75 77 78 81 82 83 84 85 88 90 92 93 93 95 96 97 98 99
11 Rechtliche Rahmenbedingungen 103 11.1 Rechtliche Rahmenbedingungen der Prämienkalkulation und der Wahl der Rechnungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 11.2 Gesetzliche Vorgaben zur Berechnung von Deckungsrückstellungen104 11.3 Garantiewerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 12 Aktuarverordnung, Erläuterungsbericht
109
1 EINLEITUNG
1
4
Einleitung
1.1
Was ist eine Versicherung?
Aus Sicht des Versicherungsnehmers (VN): Mittel seiner individuellen Risikopolitik Aus Sicht des Versicherers (VR): Schutzversprechen als produziertes Wirtschaftsgut. Aus gemeinsamer Sicht: Finanzieller Risikotransfer vom VN auf den VR gegen Entgeltzahlung. Es sind mehrere Teilgebiete betroffen: 1. ökonomisches Phänomen 2. juristisches Phänomen 3. mathematisches Phänomen 4. medizinisches und technisches Phänomen etc. Die Versicherungswissenschaft ist somit interdisziplinär. Definition 1.1.1 (Farny, 1988, S. 870) Versicherung ist die Deckung eines im einzelnen ungewissen, insgesamt geschätzten Mittelbedarfs auf der Grundlage des Risikoausgleichs im Kollektiv und in der Zeit. Es gibt drei Hauptmerkmale des Versicherungsgeschäftes: 1. Finanzierung aus den Entgelten, 2. Unsicherheit hinsichtlich des versicherten Ereignisses, 3. Risikokalkulation und Risikoausgleich. Der letzte Punkt stellt die Abgrenzung zum Bankgeschäft dar. Bei diesen Hauptmerkmalen bleibt die Unsicherheit bei den Prämienzahlungen zunächst unberücksichtigt. Die Unsicherheit bezieht sich hier nur auf das Risiko. Dabei besteht die Unsicherheit in Bezug auf: • Tatsache des Eintritts des Risikos (Eintritt ja oder nein?), • Zeitpunkt des Eintritts, • Qualität des Eintrittes des Risikos (Art und Ausmaß). Bei der Modellierung der Unsicherheit sind zufällige Momente von Bedeutung. Hier kommt die Stochastik (Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik) ins Spiel.
1 EINLEITUNG
5
Fazit: Die Stochastik ist Basis der Versicherungsmathematik!
1.2
Einteilungsprinzipien für Versicherungsformen
Die folgenden Einteilungsprinzipien für Versicherungsformen sind praxisorientiert und historisch gewachsen. Sie sind nicht disjunkt. Eine Einteilung kann beispielsweise erfolgen • nach Art des versicherten Gegenstandes – Personenversicherung – Sachversicherung – Vermögensversicherung (z.B. Haftpflicht) • nach Art der Versicherungsleistung (s. VVG) – Summenversicherung (fester Geldbetrag nach Eintritt des Versicherungsfalles ohne Nachweis eines konkreten Schadens) – Schadenversicherung (vertragsmäßiger Ersatz des eingetretenen Schadens • nach Art der versicherten Gefahr (Risikoart) – Einbruchdiebstahlversicherung – Feuerversicherung – Glasbruchversicherung – etc. Diese Einteilungsprinzipien ziehen eine Bildung von Versicherungszweigen und -sparten nach sich, welche wichtig sind für: • die Kalkulation einer risikogerechten Prämie, • die Vertragsverwaltung und • die Ergebnisermittelung im Rahmen der Rechnungslegung. In dieser Vorlesung befassen wir uns mit der Personenversicherung und hier vorwiegend mit der Lebensversicherung (LV).
1.3
Aufgaben der Versicherungsmathematik
Bereitstellung von mathematischen Modellen und Methoden, • die die quantifizierbaren Sachverhalte des Versicherungswesens beschreiben oder erklären oder
1 EINLEITUNG
6
• mit deren Hilfe Entscheidungproblem der Versicherungswirtschaft gelöst werden. Anmerkung: Recht abstrakte Umschreibung der Aufgaben der Versicherungsmathematik. Man unterscheidet zunächst zwischen drei (nicht disjunkten) Zweigen der Versicherungsmathematik: • Personenversicherungsmathematik • Schadenversicherungsmathematik • Finanzmathematik Die Protagonisten in der Versicherungsmathematik sind die Versicherungsmathematiker und Aktuare (Begriffe häufig synonym verwendet). Die Hauptaufgaben der Versicherungsmathematik bestehen aus: • mathematische Beschreibung des versicherten Risikos bis hin zur Erstellung von statistisch gesicherten Rechnungsgrundlagen (LV: Schätzung und Vertafelung von Ausscheide- und Überlebenswahrscheinlichkeiten) • Tarifierung und Prämienkalkulation (LV: Berechnung von Barwerten, Nettoprämien, Kosten, Deckungskapitalien etc.) • versicherungstechnische Analysen (LV: Überschussermittelung, Überschusszerlegung nach Gewinnquellen, Renditeberechnungen etc.) • Risikoteilung VN - VR - Rückversicherer (hier: nicht behandelt) • Berechnung von Rückstellungen für die Schadenabwicklung, von Schwankungsrückstellungen und Sicherheitsreserven (Solvabilitätsüberlegungen) (hier: nicht behandelt) • Überlegungen zur Beschreibung des Zinsrisikos und zur Steuerung von Kapitalanlagen (hier: nur am Rande behandelt) In diese Probleme spielen häufig außermathematische Überlegungen, zum Beispiel betriebswirtschaftlicher oder steuerlicher Natur, hinein. Fazit: Ein Versicherungsmathematiker bzw. Aktuar ist folglich nicht nur ein ‘Produktentwickler‘ im Versicherungswesen, sondern (mit-)verantwortlich für viele Belange des VR.
1.4
Deterministische Modelle
In der Praxis der Personenversicherung werden in der Regel deterministische Modelle und Methoden verwendet. Aus wissenschaftstheoretischer Sicht sind
1 EINLEITUNG
7
dies Erklärungsmodelle: Deterministische Modelle: • Eingangs- und Zielgrößen werden als deterministisch angesehen (LV: Zins, Kosten etc.) oder durch ihre Erwartungswerte ersetzt (rechnungsmäßige = erwartete Anzahl von Leistungsfällen, erwartete Schadenhöhen) • Eingangsgrößen bestimmen / erklären Zielgrößen • im Ergebnis reines Mittelwertkalkül Nachteile deterministischer Modelle: • Modell ungeeignet , wenn Zufallsschwankungen um den Mittelwert von Bedeutung sind (z.B. bei der Betrachtung von Großschäden in der Schadenversicherungsmathematik) • keine fundierte Risikobewertung möglich • keine Berechnung von Sicherheitszuschlägen möglich. Man unterscheidet bei der deterministischen Methode zwischen der kontinuierlichen Methode und der diskontinuierlichen Methode: diskontinuierlich = diskret höchstens abzählbare Menge von Zeitpunkten (meistens äquidistant), zu denen die relevanten Ereignisse auftreten oder registriert werden (ggf. Diskretisierung erforderlich) kontinuierlich = stetig Verteilung der Zufallsvariablen, die Zeiten modellieren, besitzen (Lesbuege-) Dichten. In der Praxis treten häufig gemischte Modelle auf: • Zeitvariablen, die Gegenstand vertraglicher Regelungen und Einschränkungen sind (z.B. Prämienzahlungen, Leistungszeiten, Stornozeiten etc.) sind in der Regel diskret. • biometrische Variablen (z.B. Todesfallzeitpunkt, Individualisierungszeitpunkt etc.) sind in der Regel kontinuierlich. Die Unterscheidung zwischen diskontinuierlichen und kontinuierlichen Modellen ist historisch gewachsen. In der Praxis wird häufig die diskontinuierliche Methode, in der Theorie wird häufig die kontinuierliche Methode verwendet. In dieser Vorlesung wird vorwiegend die diskontinuierliche Methode angewendet!
1.5
Lebensversicherung
Charakter einer Lebensversicherung: Langfristiges Versicherungsverhältnis!
1 EINLEITUNG
8
Folgerung: Der Preis der Versicherung muss sorgfältig und vorausschauend bestimmt werden. Die verschiedenen Lebensversicherungsverträge kann man nach unterschiedlichen Kriterien einteilen: 1. Unterscheidung nach dem versicherten Ereignis • Versicherungen auf das Leben oder den Tod • Erwerbsunfähigkeitsversicherungen • Krankenversicherungen (hier nicht behandelt) 2. Unterscheidung nach Erbringung der Leistung • Versicherung auf das Leben oder den Tod – Altersrente (mit Garantiezeit) – Erlebensfallversicherung – (lebenslängliche) Todesfallversicherung – gemischte Versicherung (klassisches Beispiel!) – Witwen- / Witwerrente – Waisenrente – Versicherung auf zwei Leben – Rückgewähr (Zusatzversicherung, Todesfallversicherung in Höhe der bezahlten Beiträge) • Erwerbsunfähigkeitsversicherung – Invalidenrente – Invaliditätskapital – Prämienbefreiung – Invalidenkinderrente 3. Unterscheidung nach versicherbaren Risiken • Todesfallrisiko • Unfalltodrisiko • Erlebensfallrisiko • Berufsunfähigkeitsrisiko, Erwerbsunfähigkeitsrisik, Arbeitsunfähigkeitsrisik • Pflegebedürftigkeitsrisiko
2 ELEMENTARE FINANZMATHEMATIK
9
• Heiratsrisiko • Arbeitslosigkeitsrisiko Finanzierungsarten: Die Finanzierung in der Lebensversicherung erfolgt in der Regel die laufende Prämienzahlung oder gegen Zahlung eines Einmalbeitrages. Das Hauptprinzip bei der Berechnung der Versicherungsprämien ist das Äquivalenzprinzip. Es besagt, dass der Wert der Leistungen des Versicherers dem Wert der Leistungen des Versicherungsnehmers entsprechen muss.
2
Klassische oder elementare Finanzmathematik: Der Zins als Rechnungsgrundlage
Neben der Wahrscheinlichkeitstheorie (Sterbewahrscheinlichkeit, Ausscheideordnung etc.) spielt der Zins als weitere Rechnungsgrundlage eine entscheidende Rolle in der Lebensversicherungsmathematik. Man unterscheidet wie in der Versicherungsmathematik üblich zwischen der diskontinuierlichen Methode und der kontinuierlichen Methode. Dies bezieht sich auf die Änderung des Kapitals bzw. auf den Zeitpunkt der Zinsgutschrift. Während der gesamten Vorlesung gehen wir davon aus, dass der Zins nicht stochastisch, sondern deterministisch ist. Ein stochastischer Zins ist Gegenstand der Finanzmathematik (stochastische Prozesse, Brownsche Bewegung).
2.1
Die diskontinuierliche Methode
Der Zinssatz wird für einen Basiszeitraum festgelegt. Der Zins wird immer nur am Ende einer bestimmten Periode gutgeschrieben. Das Kapital ändert sich in diesen Punkten sprunghaft. Dabei sind nicht Gründe für die Zinszahlungen interessant, sondern nur die Auswirkungen der Zinszahlbuchungen auf die Änderung des Kapital (Zinstheorie ist Gegenstand der Wirtschaftswissenschaften). Einige wichtige Begriffe: Konversionsperiode: • Zeitraum, an dessen Ende die Zinsen gutgeschrieben werden. • Oft beträgt die Länge einer Konversionsperiode ein Jahr.
2 ELEMENTARE FINANZMATHEMATIK
10
• Die Zinszuschreibung erfolgt nur zu bestimmten festen Zeiten, oft in gleichlangen Konversionsperioden. Am Ende dieser Konversionsperiode steigt das Kapital sprunghaft. effektiver Zins: Wenn die Konversionsperiode mit der Basiszeiteinheit übereinstimmt, dann heisst der Zins, der in dieser Zeiteinheit auf das Kapital 1 gezahlt wird, effektiver Zins. Die Angabe der Basiszeiteinheit, auf die sich der effektive Zins bezieht, ist somit immer erforderlich. 2.1.1
Beispiele für Verzinsung
Sei i ein effektiver jährlicher Zinssatz. Zur Vereinfachung sei angenommen, dass i für alle Jahre identisch ist. Wir betrachten ein Bankkonto oder einen Fonds und ein Anfangskapital F0 , das investiert wird. Am Ende des Jahres k wird ein zusätzlicher Betrag rk investiert, k = 1, . . . , n. Frage: Wie sieht das Guthaben am Ende des n-ten Jahres aus? Sei Fk das Guthaben am Ende des Jahres k, einschließlich der Zahlung rk . Dann gilt: Fk = Fk−1 + iFk−1 + rk , k = 1, . . . , n ⇔
Fk − (1 + i)Fk−1 = rk ,
k = 1, . . . , n
Multipliziert man die untere Gleichung mit (1 + i)n−k und summiert über alle k, ergibt sich:
n
Fn = (1 + i) F0 +
n X
(1 + i)n−k rk .
(1)
k=1
Zusammengesetzte Verzinsung (Zinseszins) Interpretation: Das Kapital am Ende eines Zeitintervalls ist der verzinste Wert des Anfangskapitals plus der Summe der verzinsten Zwischenzahlungen. Vielfach ist man auch an dem umgekehrten Vorgang interessiert. Wir definieren r := 1 + i 1 v := . 1+i r nennt man Aufzinsungsfaktor und v den Diskontierungsfaktor. Dann gilt:
(2) (3)
2 ELEMENTARE FINANZMATHEMATIK
(1) ⇔ v n Fn = F0 +
11
n X
v k rk .
k=1
Der Zuwachs des Kapitals ergibt sich aus Fk − Fk−1 = iFk−1 + rk zu Fn − F 0 =
n X
iFk−1 +
k=1
n X
rk
k=1
als Summe der gutgeschriebenen Zinsen und der Gesamteinzahlung. Wir definieren weiter: d := 1 − v.
(4)
d nennt man den ährlichen Diskont oder Vorauszins. Bemerkung 2.1.1 Es gelten folgende Beziehungen: a)
iv = d
(5)
b) dr = i.
(6)
Beweis: siehe Übung. Als weiteres Beispiel betrachten wir die einfach Verzinsung: Sei dazu die Konversionsperiode ein Jahr, i der verwendete Zinssatz und F0 das Anfangskapital. Es werden am Ende jeder Konversionsperiode nur die Zinsen auf das Anfangskapital gezahlt. Am Ende des n-ten Versicherungsjahres liegt dann folgendes Kapital vor: Fn = F0 + iF0 · . . . · iF0 = F0 (1 + ni) Aufzinsung. | {z } n−mal
Analog erhält man für die Abzinsung bei der einfachen Verzinsung: F0 =
2.2
Fn . 1 + ni
kontinuierliche Methode
Das Kapital wächst nicht sprunghaft zu gewissen Zeitpunkten, sondern stetig in jedem Zeitpunkt.
2 ELEMENTARE FINANZMATHEMATIK 2.2.1
12
Beispiele für Verzinsung
i) Einfache Verzinsung: Sei K(t) das Kapital zum Zeitpunkt t und K(0) das Startkapital. Dann gilt:
K(t) = K(0)(1 + ti) Aufzinsung K(0) =
K(t) 1+ti
Abzinsung
ii) zusammengesetzte Verzinsung (auch geometrische oder mathematische Verzinsung):
K(t) = K(0)(1 + i)t = K(0)rt Aufzinsung K(0) =
K(t) (1+i)t
= K(t)v t
Abzinsung
Neben der reinen diskontinuierlichen Methode und der reinen kontinuierliche Methoden betrachtet man auch die sogenannte iii) gemischte Verzinsung: Sei n ≤ t < n + 1. Dann gilt mit s = t − n: K(t) := K(0)(1 + i)n (1 + s · i). Die gemischte Verzinsung gehört zu den kontinuierlichen Methoden. Es handelt sich hier um die zusammengesetzte Verzinsung für die vollendeten Konversionsperioden und um die einfache Verzinsung für die angebrochene Konversionsperiode. iv) kaufmännische Verzinsung: Sei n ≤ t < n + 1. Dann gilt mit s = t − n: K(t) =
rn+1 . 1 + i(1 − s)
Die kaufmännischen Verzinsung gehört zu den kontinuierlichen Methoden. Es handelt sich hier um die zusammengesetzte Verzinsung bis zum Ende der laufenden Konversionsperioden und um die einfache Abzinsung auf den Zeitpunkt t. Allgemein lassen sich die Verzinsungen durch folgendes Modell zusammenfassen:
2 ELEMENTARE FINANZMATHEMATIK
13
Definition 2.2.1 Sei B ∈ R+ der Anfangswert und K : [0; ∞) → [1; ∞) eine monoton nicht fallende, rechtsseitig stetige Funktion mit K(0) = 1. Dann heißt K Kapitalfunktion oder Aufzinsungsfunktion. Die Größe S := B · K(t) ist der Endwert des Startkapitals B zum Zeitpunkt t ≥ 0. r = K(1) heißt Aufzinsungsfaktor für das erste Jahr. i = r − 1 heißt Zinssatz, v := 1r heißt Abzinsungs- oder Diskontierungsfaktor und d := 1 − v heißt der jährliche Diskont (Vorauszins). i) K ist eine endliche Verteilungsfunktion.
Bemerkung 2.2.2
ii) Geht man von einer Konversionsperiode von einem Jahr aus, so lassen sich die bisher genannten Verzinsungen wie folgt darstellen: a) einfach / lineare Verzinsung: K(t) = KE (t) = 1 + [t]i diskontinuierlich K(t) = KE (t) =
1 + ti
kontinuierlich
b) zusammengesetzte (geometrische) Verzinsung: K(t) = KZ (t) = r[t] diskontinuierlich K(t) = KZ (t) =
rt
kontinuierlich
c) gemischte Verzinsung: K(t) = KG (t) = r[t] (1 + i(t − [t])) kontinuierlich d) kaufmännische Verzinsung: K(t) = KK (t) =
r [t]+1 1+i(1−(t−[t]))
kontinuierlich
Lemma 2.2.3 Bei kontinuierlicher Verzinsung gelten: a) KZ (t) ≤ KG (t) ≤ KZ ([t] + 1) b) KG (t) − KZ (t) = (i − δ)t + O(t2 )
(t → 0) mit KZ0 (0) = δ.
c) KZ ([t]) ≤ KK (t) ≤ KZ (t) d) KZ (t) − KK (t) = (δ − d)t + O(t2 )
(t → 0).
Beweis: Siehe Übung.
2.3
Effektiver und nomineller Zinssatz
Eingangs haben wir schon von dem effektiven Zins für eine Konversionsperiode gesprochen. Ein Zins für eine Basisperiode heißt effektiv, wenn die Konversionsperiode mit der Basisperiode übereinstimmt. Ist dies nicht der Fall, so
2 ELEMENTARE FINANZMATHEMATIK
14
kommen wir zu dem Begriff nomineller Zinssatz oder nominelle Zinsrate. Sei dazu I∆
D∆
der tatsächliche Gesamtzins, der in einem Zeitintervall der Länge ∆ ∈ (0; 1] auf das Kapital 1 gezahlt wird. 1 I∆ =1− , Diskont zu I∆ . := 1 + I∆ 1 + I∆
Dann heißt N I∆ := I∆∆ die nominelle jährliche Zinsrate und N D∆ := die nominelle jährliche Diskontrate.
D∆ ∆
Der nomminelle Zins ist somit der Jahreszins, der sich bei kontinuierlicher einfacher Verzinsung aus I∆ berechnet. Für ∆ = 1/k schreiben wir auch N I∆ := i(k) := kI1/k und N D∆ := d(k) := k · D1/k . Analog: • Der effektive Jahreszins i ist der Zins, der bei kontinuierlicher zusammengesetzter Verzinsung zum Zins I∆ für die Dauer t = ∆ führt: I∆ = (1 + i)∆ − 1. • Der effektive Jahresdiskont ist definiert als d :=
i . 1+i
Bemerkung 2.3.1 Offensichtlich gelten: D∆ = 1 − (1 − d)∆ , (k)
i d
(k)
d
(k)
1/k
= k((1 + i)
(7)
− 1),
(8)
1/k
(9)
= k(1 − (1 − d) (k) 1/k
= i
v
),
,
(10) 1/∆
i = (1 + I∆ )
− 1, 1/∆
d = (1 − (1 − D∆ )
(11) ).
(12)
Satz 2.3.2 Der effektive Jahreszins ist stets höher als der nominelle Jahreszins: Es gelten i>
I∆ ∆,
D∆ ∆
lim∆&0
>d I∆ ∆
(∆ ∈ (0; 1), I∆ > 0),
= lim∆&0
D∆ ∆
= δ.
(13) (14)
Beweis: Der erste Teil folgt gemäß Übung. Die zweite Zeile ergibt sich wie folgt: I∆ r∆ − 1 d = lim = |t=0 rt = log r, ∆&0 ∆ ∆&0 ∆ dt lim
2 ELEMENTARE FINANZMATHEMATIK
15
und gemäß Definition von D∆ lim
∆&0
D∆ I∆ = lim = log r. ∆&0 ∆ · (1 + I∆ ) ∆ 2
2.4
Zeitrenten und ihre Barwerte von zinsbehafteten Zahlungen
Definition 2.4.1 a) Eine Zeitrente ist ein vertraglich fixiertes System von zeitdiskreten Zahlungen an einen Vertragspartner, bei dem die Beträge und die Zahlungszeitpunkte, insbesondere also auch die Dauer, bei Vertragsabschluss festliegen. b) Vorschüssige Zahlungsweise: Die Zahlungen erfolgen zu Beginn des jeweiligen Rentenintervalls. Nachschüssige Zahlungsweise: Die Zahlungen erfolgen am Ende des Rentenintervalls. c) Der Barwert (Anfangswert) einer Zeitrente ist die Summe aller auf den Vertragsbeginn abgezinsten Zahlungen. d) Der Endwert einer Zeitrente ist die Summe aller auf das Vertragsende aufgezinsten Zahlungen. Schreibweise: Barwerte: a ¨
vorschüssige Zahlungsweise,
a
nachschüssige Zahlungsweise.
s¨
vorschüssige Zahlungsweise,
s
nachschüssige Zahlungsweise.
Endwerte:
Im folgenden wird die Jahresrente auf 1 normiert. Wird der Betrag 1 in k gleich großen Teilen innerhalb eines Jahres jeweils zum Beginn oder zum Ende eines Zeitintervalls der Länge 1/k gezahlt, so sprechen wir von einer k-tel-jährlich n · k-mal vorschüssig bzw. nachschüssig zahlbaren Rente. Bemerkung 2.4.2 a) Im Gegensatz zu Leibrenten (etwa Alters- und Invalidenrenten), deren Zahlungen vom Leben bzw. allgemeinem Status einer Person abhängen, spielt bei Zeitrenten der Zufall keine Rolle! b) Im Folgenden ist das Rentenintervall in der Regel ein Jahr und die Verzinsung zusammengesetzt.
2 ELEMENTARE FINANZMATHEMATIK
16
c) Bei vorschüssigen Zahlungen ist das Rentenende verschieden vom Zeitpunkt der letzten Zahlung. Bei nachschüssigen Zahlungen ist der Rentenbeginn verschieden vom Zeitpunkt der ersten Zahlung. Lemma 2.4.3 a) Der Barwert einer Zahlung vom Betrag 1 zu Beginn des k-ten Versicherungsjahres ist v k−1 . b) Barwerte und Endwerte von n Jahre lang jährlich vorschüssig bzw. nachschüssig zahlbaren Zeitrenten: a ¨n| =
n−1 X
1 − vn 1 − vn = , 1−v d
vk =
k=0
an| =
n X
k
v =
k=1
n−1 X
v k+1 = v · a ¨n| =
k=0 rn
−1 , d rn − 1 = an| · rn = . i
(15) 1 − vn , i
(16)
s¨n| = a ¨n| · rn =
(17)
sn|
(18)
c) Barwerte ewiger Zeitrenten: a ¨∞| = limn→∞ a ¨n| = d1 ,
(19)
1 i,
(20)
a∞| = limn→∞ an| =
Beispiel: Eine Erbschaft von 300.000 e soll bei 7%-iger Verzinsung in einer 12mal nachschüssig jährlich zahlbaren Zeitrente von x Geldeinheiten umgewandelt werden. 1 − 1, 07−12 0, 07 ⇒ x = 37.770, 60.
300.000 = x · a12| = x ·
Lemma 2.4.4 Barwerte m Jahre aufgeschobener, n Jahre jährlich zahlbarer Zeitrenten: ¨n| m| a
1−v n i , 1−v n i .
= vm · a ¨n| = v m−1 ·
(21)
= v m · an| = v m ·
(22)
m| an|
¨ bzw. B der Barwert einer jährlich vorschüssig bzw. nachSatz 2.4.5 Seien B ¨ (k) bzw. B (k) der Barwert der k-tel-jährlich schüssig zahlbaren Zeitrente und B vorschüssig bzw. nachschüssig zahlbaren Zeitrente mit denselben Jahresgesamtbeiträgen. Dann gilt: a) zusammengesetzte Verzinsung: ¨ (k) = d · B, ¨ B d(k)
B (k) =
i i(k)
· B,
(23)
2 ELEMENTARE FINANZMATHEMATIK
17
b) kaufmännische Verzinsung: ¨ (k) = (1 − k − 1 d) · B, ¨ B 2k
B (k) = (1 +
k−1 i) · B 2k
(24)
Beweis: Der Beweis erfolgt nur für die vorschüssigen Zahlungen. Der Beweis für die nachschüssigen Zahlungen erfolgt analog. a) Die k-tel-jährlich vorschüssige Zahlung des Betrages 1 im ν-ten Versicherungsjahr bei zusammengesetzter Verzinsung hat den Barwert k−1
(k)
¨1| = ν−1| a
d 1 ν−1 X j/k v ν−1 1 − v = v ν−1 (k) . v v = 1/k k k 1−v d j=0
Summation über die einzelnen Versicherungsjahren liefert a). b) Die k-tel-jährlich vorschüssige Zahlung des Betrages 1 im ν-ten Versicherungsjahr bei kaufmännischer Verzinsung hat den Barwert k−1 vν X = (1 + i(1 − j/n)) k j=0 k−1 vν iX (1 + i)k − j k k j=0 i (k − 1)k vν (1 + i)k − k k 2 k−1 v ν (1 + i) − i 2k k−1 1−d v ν−1 wegen v = (1 + i)−1 , d = i/(i + 1). 2k
(k) ¨1| ν−1| a
= = = =
Summation über die einzelnen Versicherungsjahre liefert b). 2
Folgerung: Barwerte k-tel-jährlich nk-mal vor- bzw. nachschüssig zahlbare Zeitrenten bei a) zusammengesetzter Verzinsung (k)
a ¨ = d(k) n|
(k)
i a i(k) n|
a ¨n| = an| =
d
=
1 1 − vn , k 1 − v 1/k 1 1 − vn . k v −1/k − 1
(25) (26)
b) kaufmännischer Verzinsung (k)
a ¨n| = (1 − (k)
an| =
(1 +
k−1 an| 2k d)¨
=
k−1 2k i)an|
=
1 − vn k − 1 − (1 − v n ), 1−v 2k 1 − vn k−1 + (1 − v n ). v −1 − 1 2k
(27) (28)
3 ZUKÜNFTIGE LEBENSERWARTUNG EINES X-JÄHRIGEN
18
Zukünftige Lebenserwartung eines x-Jährigen
3 3.1
Einleitung
Gegenstand dieses Abschnittes ist die Modellierung des biometrischen Risikos. Da die Verzinsung deterministisch gewählt wurde, kommt hier erstmalig der Zufall und damit die Stochastik ins Spiel. Unter Risiko ist in der Lebensversicherung das Todesfallrisiko, aber auch das Invaliditätsrisiko zu verstehen. Dabei wird sowohl die Todesursache eines Einzelnen oder auch einer Gruppe von Leben betrachtet. Ebenso können auch mehrere Todesursachen berücksichtigt werden. Gibt es nur eine Ausscheideursache (z.B. nur Tod), so spricht man von einfacher Ausscheideordnung. Bei mehreren Ausscheideursachen spricht man von zusammengesetzter Ausscheideordnung. Einfache Ausscheideordnungen können ausschließlich mittels Zufallsvariablen modelliert werden (Lebensdauer und Ausscheideursachen), da die betrachtete Person nur einmal ihren Zustand ändert. Das allgemeine Geschehen in der Personenversicherungsmathematik ist dadurch gekennzeichnet, dass mehrere Personen zwischen endlich vielen Zuständen zu zufälligen Zeitpunkten wechseln. Dies kann nur mit Hilfe von stochastischen Prozessen beschrieben werden und ist nicht Gegenstand dieser Vorlesung. Wenn möglich sollen wie bei der Verzinsung auch hier die stetige Methode und die diskrete Methode einheitlich betrachtet werden. Dies geschieht dadurch, dass man nicht das Geschehen zu einen Zeitpunkt, sondern bis zu einem Zeitpunkt betrachtet. Bei der Gewinnung von biometrischen Rechnungsgrundlagen insbesondere bei der Herleitung von Sterbetafeln aus geeigneten Beobachtungen werden statistische Fragestellungen behandelt. Im folgenden bezeichnen wir mit (x) einen x-jährigen Mann bzw. eine x-jährige Frau. Mit T (genauer Tx ) bezeichne man die restliche Lebenserwartung eines x-Jährigen. Zum Zeitpunkt des Todes einer Person beträgt das Alter somit x + T = x + Tx . Die zukünftige Lebenserwartung Tx ist eine Zufallsgröße mit Verteilungsfunktion Gx (t) = P (Tx ≤ t), t ≥ 0. Gx (t) ist somit die Wahrscheinlichkeit, dass die x-jährige Person innerhalb der nächsten t Jahre stirbt, t ≥ 0. Voraussetzung/Annahme: i) Die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Tx , Gx , ist bekannt. ii) Gx sei stetig und besitzt eine Dichte g(t) = G0x (t) (Bemerkung: Die Existenz einer Dichte ist nicht zwingend erforderlich, s. Milbrodt/Helbig)
3 ZUKÜNFTIGE LEBENSERWARTUNG EINES X-JÄHRIGEN
19
g(t)dt = P (t < Tx < t + dt) bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, dass der Tod innerhalb eines infenitesimalen Zeitintervalls von t nach t + dt eintritt. Notationen in der IAA: t qx s|t qx
:= Gx (t),
t px
:= 1 − Gx (t) =: Sx (t),
:= P (s < Tx ≤ s + t) = Gx (s + t) − Gx (s) =s+t qx −s qx .
(29) (30)
Dabei ist t px die Wahrscheinlichkeit, das eine x-jährige Person mindestens t Jahre überlebt. s|t qx ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine x-jährige Person s Jahre überlebt und innerhalb weiterer t Jahre stirbt. Außerdem sei t px+s t qx+s
P (Tx >s+t) und 1−Gx (s) P (ss) 1−G(s)
:= P (Tx > s + t|Tx > s) =
:= P (Tx ≤ s + t|Tx > s) =
t px+s
ist die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass eine Person noch mindestens weitere t Jahre überlebt, wenn sie das Alter x + s erreicht hat. (Dies ist per se nicht gleich P (Tx+s > t), wie die Notation vermuten lässt. Hier benötigt man eine Zusatzbedingung, die sog. Stationaritätsbedingung.) t qx+s
ist die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass eine Person innerhalb der nächsten t Jahre stirbt gegeben das Ereignis, dass sie das Alter x + s erreicht hat. Es gelten folgende Beziehungen: s+t px
= 1 − Gx (s + t) = (1 − Gx (s))
1 − Gx (s + t) =s px ·t px+s 1 − Gx (s)
und s|t qx
= (Gx (s + t) − Gx (s)) = (1 − Gx (s))
Gx (s + t) − Gx (s) =s px ·t qx+s . 1 − Gx (s)
Die Interpretation dieser Beziehungen ist offensichtlich. Konvention: Für t = 1 wird der Index t in der Regel weggelassen: qx = 1 q x
und
s| qx
= s|1 q x .
3 ZUKÜNFTIGE LEBENSERWARTUNG EINES X-JÄHRIGEN
3.2
20
vollständige Restlebenserwartung eines x-Jährigen
Die vollständige Restlebenserwartung eines x-Jährigen ist der Erwartungswert ◦ E(T ) von T und wird mit ex bezeichnet. Z ∞ ◦ ex := E(Tx ) = t · g(t)dt. 0
Mit Hilfe der partiellen Integration mittels des Satzes von Fubini (vgl. evtl. Aufgabe) gilt: ◦
ex =
3.3
R∞ 0
(1 − Gx (t))dt =
R∞ 0
t px dt.
(31)
Sterbeintensität
Definition 3.3.1 Betrachte einen x-Jährigen (x). Sei Gx die Verteilungsfunktion der zukünftigen Restlebensdauer eines x-Jährigen. Gx sei stetig differenzierbar und besitze die (Riemann-) Dichte g(t). Dann heißt µx (t) =
g(t) d = − ln(1 − Gx (t)) 1 − Gx (t) dt
(32)
mit 0/0 := 0 die Sterbeintensität eines x-Jährigen im Alter x + t. (Die Annahme, dass G stetig differenzierbar ist, wird nur getroffen, um die Betrachtungen von “technischem Ballast“ frei zu halten. Tatsächlich genügt es vorauszusetzen, dass G stetig ist und eine Lebesgue-Dichte besitzt. Dann muss man allerdings mit Nullmengen operieren. Sogar die Existenz einer Dichte kann man fallenlassen. Dann arbeitet man mit sog. kumulierten Sterbeintensitäten.) Da nach Annahme T = Tx eine absolut stetige Verteilung mit Dichte g besitzt, gilt: Z t g(τ )dτ = Gx (t) − Gx (s) = P (s < Tx ≤ t) =s|t−s qx . s
Die Sterbeintensität µx läßt sich dann schreiben als µx =
g Sx
(0/0 := 0).
Interpretation: P (t < Tx ≤ t + δ|Tx > t) = δ
R t+δ t
g(τ )dτ δ&0 g(t) = µx (t) (λ − f. ü.) → δ · Sx (t) Sx (t)
µx (t) beschreibt somit die Momentansterblichkeit zur Zeit t. µx (t)δ ≈ P (t < Tx ≤ t + δ|Tx > t) = − für δ ”klein”.
Sx (t + δ) − Sx (t) Sx (t)
3 ZUKÜNFTIGE LEBENSERWARTUNG EINES X-JÄHRIGEN
21
Mit dem verallgemeinerten Hauptsatz der Differential und Integralrechnung folgt dann: d d log Sx (t) = − logt px dt dt Z t µx (τ )dτ , t ≥ 0. ⇒ Sx (t) = exp − µx (t) = −
0
Dabei gilt die erste Beziehung nur λ- fast überall auf [0; G−1 x (1)], falls G nicht stetig differenzierbar. Bemerkung: Wichtige versicherungsmathematische Größen: −1 a) wx := x + G−1 x (1) mit Gx (1) = inf{y : Gx (y) ≥ 1} Höchstalter eines x-Jährigen,
∼ rechnerisches
∼ (vollständige) mittlere Restlebensdauer von x, b) med(Tx ) := G−1 x (0, 5) R∞ R ◦ ∞ c) ex := E(Tx ) = 0 Sx (t)dt = 0 t px dt ∼ (vollständige) Restlebenserwartung von (x),
3.4
Stationaritätsbedingung
Für praktische Zwecke möchte man zumindestens für ganzzahlige Alter x und für ganzzahlige zukünftige Verweildauern n die Werte n px , n, x ∈ N vertafeln. Dazu müsste man allerdings eine Vielzahl von Wahrscheinlichkeiten abspeichern, was äußerst unpraktisch ist. Wünschenswert ist es daher, nur die einjährigen Überlebenswahrscheinlichkeiten 1 px , x ∈ N, abzuspeichern und die n-jährigen Überlebenswahrscheinlichkeiten aus diesen abzuleiten. Dadurch könnte man die Zahl der abzuspeichernden Wahrscheinlichkeiten um eine ganze Dimension blackuzieren. Im folgenden wird daher stets die Stationaritätsbedingung (Verträglichkeitsbedingung) gefordert, die diese Blackuktion ermöglicht:
P (Tx+s > t) = P (Tx > s + t|Tx > s) =t px+s ,
s, t, x ≥ 0
(33)
Falls die Stationaritätsbedingung gilt, kann die bedingte Wahrscheinlichkeit in der Definition von t px+s ersetzt werden durch die unbedingte Wahrscheinlichkeit P (Tx+s > t). Die Schreibweise t px+s ist somit konform mit der allgemeinen Definition von t px . Interpretation: Die Verteilung der zukünftigen Lebenserwartung eines s-Jährigen ergibt sich aus der Verteilung der Lebensdauer eines Neugeborenen (x = 0) ausschließlich durch die Berücksichtigung der Zusatzinformation, dass inzwischen das Alter s erreicht wurde. Andere Zusatzinformationen (etwa das Ergebnis einer Risikoprüfung) spielen keine Rolle.
3 ZUKÜNFTIGE LEBENSERWARTUNG EINES X-JÄHRIGEN
22
Anmerkungen: 1) Betrachte eine Population der Ausgangsgröße l0 mit einjähriger Sterbewahrscheinlichkeit 1 px = px , x ≥ 0. Es gelte die Stationaritätsbedingung. Dann gilt für alle x ≥ 0, n ∈ N: n px
= P (Tx > n)) = P (Tx > n|Tx > n − 1)P (Tx > n − 1)
(34)
= P (Tx+n−1 > 1)P (Tx > n − 1) = px+n−1 P (Tx > n − 1).
(35)
Analog zeigt man für alle j = 0, . . . , n − 2: P (Tx > n − j) = P (Tx > n − j|Tx > n − j − 1)P (Tx > n − j − 1) (36) = P (Tx+n−j−1 > 1)P (Tx > n − j − 1)
(37)
= px+n−j−1 P (Tx > n − j − 1).
(38)
Damit folgt induktiv: n px
= P (Tx > n) = px+n−1 P (Tx > n − 1)
(39)
= px+n−1 px+n−2 P (Tx > n − 2) .. . n−1 Y = px+n−j P (Tx > 1)
(40) (41) (42)
j=1 n−1 Y
=
px+n−j px =
j=1
und damit ln = l0
n Y j=1
px+n−j =
n Y
px+j−1 ,
(43)
j=1
Qn
j=1 pj−1 .
2) Aus der Stationaritätsbedingung folgt die Existenz eines ω0 ∈ [0; ∞] mit 1 x < ω0 P (Tx > 0) = (44) 0 x ≥ ω0 Beweis: Mit ω0 := inf{t ≥ 0|P (T0 ≤ 1) = 1} = inf{t ≥ 0|G0 (t) = 1} = G−1 0 (1) folgt die Behauptung. 3) Für s, t, x ≥ 0 gilt: s+t px
= P (Tx > s)P (Tx > s + t|Tx > s) = P (Tx > s)P (Tx+s > t) = s px · t px+s
und s+t qx
−s qx = P (s < Tx ≤ s + t) = P (Tx > s)(1 − P (Tx > s + t|Tx > s)) | {z } P (Tx+s >t)
| =
s px
· t qx+s .
{z
P (Tx+s ≤t)
}
3 ZUKÜNFTIGE LEBENSERWARTUNG EINES X-JÄHRIGEN
23
Siehe Übung! Folgerung: Das zugrunde liegende Risikokollektiv ist eine stationäre Personengesamtheit. Jährlich wächst eine Kohorte gleicher Stärke nach, alle Kohorten zeigen dasselbe Absterbeverhalten. Die dieses Absterbeverhalten steuernden einjährigen Sterbewahrscheinlichkeiten können dann rein altersabhängig (unabhängig vom Geburtsjahr) geschätzt und tabelliert werden (Sterbetafeln). Ein System L(Tx |P ), x ≥ 0, von Verteilungen zukünftiger Lebensdauern von(x) heißt einfache Ausscheideordnung, falls die Stationaritätsbedingung erfüllt ist (im Sprachgebrauch wird allerdings häufig die Folge lx , x ∈ N0 , der erwarteten Anzahl von Lebenden bei einem einzigen Risiko als einfache Ausscheideordnung bezeichnet).
3.5
Diskretisierung: ganzzahlig gestutzte zukünftige Verweildauern
Grundannahme: Tx strikt positiv. P Definition 3.5.1 Kx = [Tx − 0] := ∞ k=0 k · 1{k
1. Es gilt:
νx (k) = P (k < Tx ≤ k + 1) = P (Tx ≤ k + 1|Tx > k) · P (Tx > k) =
k px
· 1 q x+k .
2. Weiter gilt: P (Tx ≤ t) = P (Kx ≤ [t] − 1) + P (Kx = [t], Rx ≤ t − [t]), für t ≥ 0, 3. Außerdem gilt: P (Kx = k, Rx ≤ r) = P (k < Tx ≤ k + r),
k ∈ N0 , r ∈ (0; 1].
3 ZUKÜNFTIGE LEBENSERWARTUNG EINES X-JÄHRIGEN
24
Die letzten beiden Punkte sagen, dass die Kenntnis der Verteilung von Tx und die Kenntnis der gemeinsamen Verteilung von (Kx , Rx ) äquivalent sind. 4. Die ganzzahlig gestutzte Restlebenserwartung von (x) lautet: ex = E(Kx ) =
∞ X
k · P (Kx = k) =
k=1
= oder:
ex =
∞ X k=1 ∞ X
∞ X
k ·k px · qx+k
k=1 k Y k · (1 − qx+i−1 )qx+k i=1
P (Kx ≥ k) =
k=1
∞ X k=1
P (Tx > k) =
∞ X
k px .
k=1
Satz 3.5.4 Sei x ≥ 0. Folgende Aussagen sind äquivalent: a) Rx und Kx sind stochastisch unabhängig und Rx ∼ U (0; 1]. b) Es gelten die linearen Interpolationsformeln: k+r qx
= k qx + r · (k+1 qx −k qx ),
r ∈ (0; 1], k ∈ N0 .
Beweis: ”a) ⇒ b)”: Sei t ≥ 0. Dann gilt:
t qx
= P (Tx ≤ t) = P (Kx ≤ [t] − 1) + P (Kx = [t], Rx ≤ t − [t]) | {z } | {z } P (Tx ≤[t])
P (Kx =[t])·P (Rx ≤t−[t])
=
[t] qx
+ P ([t] < Tx ≤ [t] + 1)(t − [t])
=
[t] qx
+ (1+[t] qx −[t] qx )(t − [t])
=
[t] qx
+ (t − [t])(1+[t] qx −[t] qx ),
also b). ”b) ⇒ a)”: Seien 0 < r ≤ 1, k ∈ N0 Dann gilt P (Kx = k, Rx ≤ r) = r · P (k < Tx ≤ k + 1). Summation über k zeigt: P (Rx ≤ r) = r ⇒ Rx ∼ U (0; 1] ⇒ P (Kx = k, Rx ≤ r) = P (Rx ≤ r)P (Kx = k) 2 Bemerkung: 1. Gilt zusätzlich die Stationaritätsbedingung, so folgt für alle k, r, x, ν ≥ mit r + ν ≤ 1 und x + ν < ω0 P (Tx+ν ≤ k + r) = =
= P (Tx ≤ ν + k + r|Tx > ν) q k+r+ν x −ν qx k qx + (r + ν)[k+1 qx −k qx ] − νqx = . 1 −ν qx 1 − νqx
k+r qx+ν
3 ZUKÜNFTIGE LEBENSERWARTUNG EINES X-JÄHRIGEN
25
Speziell gilt für k = 0 (0 qx = 0): r qx+ν
=
r · qx . 1 − νqx
2. Sind Kx und Rx stochastisch unabhängig mit Rx ∼ U (0; 1], so gilt: ◦
ex = ETx = EKx + ERx = ex +
1 2
1 12 Sheppard-Korrektur = Varianzkorrektur.
V arTx = V arKx + V arRx = V arKx +
3. Sind Kx und Rx stochastisch unabhängig und gilt Rx ∼ U (0; 1], so folgt für u ≤ 1 u px
3.6
= 1 − uqx ⇒ µx (u) = −
qx d lnu px = . du 1 − uqx
Sterbetafeln
Ausscheideordnung: Modell zur Beschreibung des Abbaus einer geschlossenen Personengesamtheit. Einfache Ausscheideordnung: Ausscheideordnung, bei der nur eine Ausscheideursache wirksam wird. Spezialfall: einzige Ausscheideursache Tod ⇒ Sterbetafeln. Zusammengesetzte Ausscheideordnung: Ausscheideordnung, bei der mindestens zwei Ausscheideursachen wirksam sind (z.B. Tod und Invalidität). Im folgenden betrachten wir nur die einfache Ausscheideordnung mit Ausscheideursache Tod. Man möchte die einjährigen Sterbewahrscheinlichkeiten schätzen und vertafeln. Unter der Annahme der Stationarität erhält man so beliebige t-jährige Sterbewahrscheinlichkeiten für jeden Geburtsjahrgang. Ausgangspunkt: • Vorgabe von quantitativer und qualitativer Risikomerkmale, die die Sterblichkeit bestimmen: Alter, Geschlecht etc. • Kohorten: Risikoklassen, die vermöge der Merkmale Geschlecht und Alter gebildet werden. • Annahme: Verteilung der künftigen Lebensdauer einer Person hängt nur von den Ausprägungen der Risikomerkmale ab. • Aufgabe: Die unabhängigen einjährigen Sterbewahrscheinlichkeiten sollen als Funktion der Ausprägung der Risikomerkmale geschätzt werden. Vertafelung der resultierenden Schätzwerte: Differenzierung nach den Risikomerkmalen Alter und Geschlecht.
3 ZUKÜNFTIGE LEBENSERWARTUNG EINES X-JÄHRIGEN
26
• Lebensalter: AB := {x0 , . . . , ω} ⊂ N0 , x0 Minimalalter, ω Schlussalter (oft: x0 = 0, ω = 101 oder 111). • Sterbetafeln getrennt für Männer und für Frauen: Zu jedem Alter x ∈ AB werden jeweils ein Schätzwert für die unabhängige Wahrscheinlichkeit u qx festgehalten, dass eine Person des Kollektivs, die das Alter x erreicht hat, bis zur Vollendung des (x + 1)-ten Lebensjahres stirbt. ω ∈ AB ist das kleinste Alter mit unabhängiger einjähriger Sterbewahrscheinlichkeit gleich 1. • Im folgenden wird auf das Attribut ”unabhängig” verzichtet. • Keine Unterscheidung zwischen tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten und Schätzwerten! Bei den Einträgen in der Sterbetafeln handelt es sich um Schätzwerte für die einjährige Sterbewahrscheinlichkeit, die mit statistischen Fehlern behaftet sind. • Abgeleitete Größen: – Anfangsgröße der Kohorte lx0 ∼ Radix der Sterbetafel. – Voraussetzung: Sterbetafel beschreibt eine einfache Ausscheideordnung, bei der die Stationaritätsbedingung ist erfüllt:
lx := lx0 x−x0 px0 = lx0
x−x Y0
px0 +j−1
x ∈ AB ∪ {ω + 1}
j=0
⇒
lx+m = m px lx
lx ∼ erwartete Anzahl der Lebenden des Alters x (bzw. Schätzwerte dafür) und dx := lx qx = lx − lx+1
x ∈ AB
⇒ qx =
dx lx
∼ erwartete Anzahl der Toten des Alters x (bzw. Schätzwerte dafür). Häufig üblich: lx0 = 100.000. In der Realität sind Sterbewahrscheinlichkeiten nicht deterministisch. Sie unterliegen systematischen Schwankungen und dem Risiko systematischer Änderungen. Bemerkung: Rechnungsgrundlagen 1. und 2. Ordnung (siehe auch §11 (1) VAG): 1. Rechnungsgrundlagen 1. Ordnung: • dienen der Tarifierung • sind vorsichtig zu bemessen
3 ZUKÜNFTIGE LEBENSERWARTUNG EINES X-JÄHRIGEN
27
• VAG: dauernde Erfüllbarkeit der teilweise äußerst langfristigen Personenversicherungsverträge gewährleistet. ⇒ Todesfallversicherung: Barwert der vom VR zu erwarteten Leistungen nimmt mit steigender Sterblichkeit zu ⇒ Sterbetafel muss tatsächliche Sterblichkeit überschätzen. Rentenversicherung/Erlebensfallversicherung: Barwert der vom VR zu erbringenden Leistungen nimmt mit steigender Sterblichkeit ab. ⇒ Verwendung einer Sterbetafel, die die tatsächliche Sterblichkeit unterschätzt. Bei Versicherung, die sowohl Todesfall- als auch Erlebensfallleistungen erbringt, muss man prüfen, ob sie Todesfall- oder Erlebensfallcharakter hat. 2. Rechnungsgrundlagen 2. Ordnung: • dienen der Nachkalkulation, z.B im Rahmen des Controllings und der Überschussanalyse • Zur Erstellung einer Sterbetafel 2. Ordnung sind unternehmenseigene Daten heranzuziehen (sind Portefeuilles eines VR zu klein, d.h. keine hinreichende statistische Sicherheit beim Schätzen der Sterbewahrscheinlichkeit möglich, wird oft nur ein einfacher funktionaler Zusammenhang zwischen fester Sterbetafel und tatsächlicher Sterbewahrscheinlichkeitunterstellt. Der funktionale Zusammenhang wird aus dem Bestand heraus geschätzt.) 3.6.1
Arten von Sterbetafeln
1. Periodensterbetafeln: aufgrund von Sterblichkeiten in einer festen Periode ermittelt. Sie enthalten Schätzungen für die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person des Kollektivs, die innerhalb eines festen (kurzen) Zeitraumes das Alter x erreicht, im Laufe eines Jahres stirbt. Beispiel: DAV Sterbetafel 1994 T oder die Allgemeinen Deutsche Sterbetafel (ADSt - beruhen auf Volkszählungen) 2. Generationensterbetafeln: Die Leistungszusage in der LV ist oft sehr langfristig. Die einjährigen Sterbewahrscheinlichkeiten sind in der Regel nicht zeitlich konstant, sondern werden zumindestens in Deutschland mit der Zeit kleiner: ”säkulare Sterblichkeitsabnahme” auf Grund verbesserter medizinischer oder sozialer Verpflegung. ⇒ Generationensterbetafeln: zum festen Geburtsjahr τ = t−x sind Schätz-
3 ZUKÜNFTIGE LEBENSERWARTUNG EINES X-JÄHRIGEN
28
(τ )
werte für die Wahrscheinlichkeit qx = qx,t erfasst, dass eine in τ geborene Person, die zum Zeitpunkt t (angegeben als Kalenderjahr) das Alter x erreicht, innerhalb eines Jahres stirbt. Der betrachtete Zeitraum, in dem ggf. der Tod eines x-Jährigen eintritt, hängt von x ab (anders als bei Periodensterbetafel). Erstellung: erst nach Absterben einer ganzen Generation möglich. Daher werden gesuchte Sterbewahrscheinlichkeiten mittels geeigneter Extrapolation aus den geschätzten Sterbewahrscheinlichkeiten früherer Geburtsjahrgänge ermittelt (anderes Verfahren: Altersverschiebung nach Rueff). Anwendung häufig in der Rentenversicherung. 3. Selektionstafeln: • Erfassung weiterer Riskomerkmale (z.B. Raucherstatus, der jederzeit durch die VP veränderbar ist). • Selektionsvorgang zu Beginn des Vertrages: einjährige Sterbewahrscheinlichkeit einer x-jährigen Person, die zu einem vergangenem Zeitpunkt einem Selektionsvorgang unterlag, hängt von der seit der Selektion verstrichenen Dauer ab ⇒ 2-dimensionale Sterbewahrscheinlichkeiten. • Beispiel: – Wahrscheinlichkeit, dass eine x-jährige Person im ersten Jahr nach Invalidisierung stirbt, ist deutlich höher als die einjährige Sterbewahrscheinlichkeit, falls die Invalidisierung schon länger zurckliegt. – relative Sterbehäufigkeiten in Kollektiven x-jähriger Personen, die kürzlich eine Rentenversicherung abgeschlossen haben, ist meistens niedriger als bei x-jährigen Rentenversicherten mit schon älteren Verträgen. Grund: Autoselektion: Personen, deren zukünftige Lebenserwartung nach eigener Einschätzung eher unterdurchschnittlich ist, werden i.a. keine Rentenversicherung abschließen. – Selektion durch Risikoprüfung. • Verweildauereffekte werden durch Selektionssterbetafeln quantitativ erfasst. Schätzwerte für die Wahrscheinlichkeit q[x−t]+t ; t = 0, . . . , r, x ∈ AB, x ≥ t, dass eine x-jährige Person, die vor t Jahrem dem der Tafel zugrundeliegenden Selektionsprozeß unterlag, innerhalb eines Jahres stirbt.
3 ZUKÜNFTIGE LEBENSERWARTUNG EINES X-JÄHRIGEN
29
• Selektion klingt im Laufe der Jahre ab. ⇒ Annahme: q[x−t]+t = q[x−r]+r für alle t ≥ r, d.h. Sterbewahrscheinlichkeit ändert sich nicht mehr, wenn die Selektion mindestens r Jahre zurückliegt. • Die Vertafelung dieser Werte qx bezeichnet man als Schlusstafel der Selektionssterbetafel und r als (Länge der) Selektionsperiode. • Für die Versicherung einer bei Vertragsabschluss x-jährigen Person werden offenbar die Sterbenswahrscheinlichkeiten q[x] , q[x]+1 , . . . , q[x]+r = qx+r , qx+r+1 , . . . benötigt. • Selektionseffekt lässt sich sowohl bei Generationensterbetafeln wie auch bei Periodensterbetafeln verwenden. • Selektionsperiode häufig r = 5. 3.6.2
Vorgehensweise beim Herleiten einer Sterbetafel
1. Unterteilung des Bestandes nach Altersgruppen und Geschlecht differenzierende Merkmale
risiko-
• ggf. Unterscheidung nach weiteren Merkmalen wie Wohnort, Arbeitsplatz, Familienstand etc. • Problem: je mehr Risikomerkmale desto kleiner der Bestand 2. Rohe Sterbewahrscheinlichkeiten Situation: Zum Zeitpunkt t betrachten wir die Personengesamtheit L. Lx ∼ Menge der im Zeitpunkt t lebenden x-jährigen Männer, x ∈ N Qx ∼ Menge der im Zeitintervall [t; t¯] verstorbenen Männer, die im Zeitpunkt t x Jahre alt waren. x-jährig ist eine Person dann, wenn sie den x-ten Geburtstag erlebt und da (x + 1)-te Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Definition: qˆx :=
]Qx ]Lx ,
falls Lx 6= ∅ rohe Sterbewahrscheinlichkeiten.
Bemerkung: (a) Es werden nur Personengruppen bis zu einem Endalter ω = 100 oder ω = 110 betrachtet, da darüber hinaus die Beobachtungseinheiten nur schwach besetzt sind. (b) Interpretation: In einem stochastischen Bevölkerungsmodell ist der Wert ]Qx als Stichprobe der Zufallsgröße Qx der im Intervall [t; t¯] Verstorbenen, die im Zeitpunkt t x Jahre alt waren, angesehen ⇒ qˆx Schätzwert für die Wahrscheinlichkeit qx , im Intervall [t; t¯] zu sterben.
3 ZUKÜNFTIGE LEBENSERWARTUNG EINES X-JÄHRIGEN
30
Achtung: Unkorrektheit: Eine Person, die im Zeitpunkt t x Jahre alt ist und im Intervall [t; t¯] stirbt, kann, falls t < t¯ , im Zeitpunkt des Todes das (x + 1)-te Lebensjahr vollendet haben. ⇒ Dieser Todesfall darf bei der Schätzung von qx nicht berücksichtigt werden. ⇒ Ermittlung einer geeigneten Stichprobe notwendig. 3. Methoden zur Ermittelung geeigneter Stichproben: (a) Geburtsjahrmethode nach Becker-Zeuner: Abgrenzung nach dem Geburtsjahr Annahme: Beobachtung einer Personengesamtheit über k Jahre vom 01.01. des Jahre n bis 31.12. des Jahres n + k − 1 ⇒ Stichprobenwert Qx : Anzahl derjenigen Personen, die x-jährig im Beobachtungszeitraum gestorben sind und deren x-ter Geburtstag im Beobachtungszeitraum fiel und deren (x + 1)-ter Geburtstag, hätte sie ihn erlebt, ebenfalls noch im Beobachtungszeitraum läge. Vorteil: Sowohl die im Zähler aus als auch die im Nenner stehende Menge kann direkt beobachtet werden. Nachteil: Einige beobachtete Todesfälle werden nicht berücksichtigt ⇒ man verzichtet auf Informationen. (b) Sterbejahrmethode: Abgrenzung nach dem Todesjahr Sämtliche im Beobachtungszeitraum eingetretenen Todesfälle werden als Stichprobe gewählt. ⇒ Setzt die Modifikation der Anzahl der Lebenden, zu der die Anzahl der Verstorbenen ins Verhältnis gesetzt wird, voraus. Annahme: Jeweils die Hälfte der in dem Kalenderjahren n−x−1 und n + k − x − 1 geborenen Personen, die x-jährig verstarben, scheiden im Beobachtungsintervall aus der Personengesamtheit aus. Bemerkung: Diese Überlegungen beziehen sich auf geschlossene Personengesamtheiten (d.h. keine Zuwanderung möglich). Da in der Regel offene Personengesamtheiten betrachtet werden, müssen Wanderungen berücksichtigt werden. ⇒ Berücksichtigung von Wanderung wie folgt: Sämtliche Ein- und Auswanderungen finden in der Mitte des Kalendejahres statt. ⇒ jeder Zu- und jeder Abwanderer ist ein halbes Jahr unter Beobachtung.
3 ZUKÜNFTIGE LEBENSERWARTUNG EINES X-JÄHRIGEN
31
Das Verfahren erfordert hinreichend viele Informationen und genügend große Organisationen, die diese Daten sammeln und aufbereiten. ⇒ nur für große Stichproben lohnt dieser Aufwand ⇒ Volkszählungen und anschließende Bevölkerungsbeobachtung Dabei gibt es häufig Probleme mit der Datenspeicherung: Falls bei einem LVU nur das Alter zum Zeitpunkt des Abschlusses gespeichert ist, nimmt man an, dass jeder VN am Jahrestag seines Versicherungsvertrages Geburtstag hat oder dass alle VN am 01.01. oder 01.07. um ein Jahr älter werden. 4. Ausgleich von rohen Sterbewahrscheinlichkeiten: Die so ermittelten Sterbewahrscheinlichkeiten weisen oft einen unregelmäßigen Verlauf auf, was darauf schließen läßt, dass die Schätzwerte, bei denen die Unregelmäßigkeiten am deutlichsten sind, stärker von den tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten abweichen. Gesucht sind Verfahren, um aus den rohen Sterbewahrscheinlichkeiten qˆx die tatsächlichen Sterbewahrschelichkeiten qx zu ermitteln. Die tatsächlichen Sterbewahrscheinlichkeiten hängen somit von der Wahl des Ausgleichsverfahren ab. Die ”tatsächlichen Sterbewahrscheinlichkeiten” sind relative Wahrscheinlichkeiten und dürfen nicht mit den absoluten Wahrscheinlichkeiten eines Neugeborenen verwechselt werden, als x-Jähriger zu sterben Mit den ausgeglichenen Sterbewahrscheinlichkeiten erhält man die Entwicklung eines Bestandes Neugeborener: l0 := 100.000 lx − lx+1 dx lx+1 = lx (1 − qx ) ⇒ qx = = , lx lx dx = lx qx = lx − lx+1
px =
lx+1 . lx
Ein Ausgleichsverfahren bezieht sich nicht auf die rohen Sterbewahrscheinlichkeiten qˆx , sondern auf die Werte (ˆl0 , . . . , ˆlω ), um damit gemäß obigen Beziehungen Sterbewahrscheinlichkeiten zu erhalten. 5. Ausgleichsverfahren: (a) graphischer Ausgleich: Man legt durch die in einem Diagramm eingetragenen Punkte/Rohwerte ein glatte Kurve, die nur möglichst ”wenig” von den Rohwerten abweicht. (b) analytischer Ausgleich: Man gibt einen bestimmten Funktionalausdruck y = f (x, a0 , . . . , ak ) vor, wobei a0 , a1 , . . . , ak zu bestimmende Parameter sind. Die Parameter müssen so gewählt werden, dass die
3 ZUKÜNFTIGE LEBENSERWARTUNG EINES X-JÄHRIGEN
32
Funktion f die Messwerte gut ausgleicht. Güte eines Ausgleichsverfahrens: Mittelweg aus folgenden Anforderungen: • Messwerte sollen möglichst wenig von den Funktionalwerten abweichen, • Ausreisser sollen geglättet werden. Daraus ergibt sich ein Maß für die Güte: Summe der Fehlerquadrate. i. Ausgleich durch Polynome: Güte wird mittels der Methode der kleinsten Quadrate oder mittels Momentenmethode bestimmt. ii. Analytischer Ausgleich und Sterbegesetze (s.o.) Verallgemeinerung der Ausgleichsverfahren durch Einführung von Gewichten. iii. Ausgleich durch Splines. (c) Mechanischer Ausgleich: Anders als bei analytischen Verfahren werden keine in einem Ausgleichsintervall differenzierbaren Funktionen gesucht. Lediglich die Werte qˆx werden für ganzzahlige x aus dem betrachteten Intervall durch neue Werte qˆx ”ausgeglichen”. Idee: Um qx zu erhalten, betrachtet man in einer Umgebung von x die gemessenen Werte qˆx und bildet aus diesen ein gewichtetes Mittel, wobei entfernt liegende Werte meistens weniger berücksichtigt werden als nähere 6. Modifizierung (Ergänzung von Sicherheitszuschlägen) In der Realität sind Sterbewahrscheinlichkeiten nicht deterministisch. Es sind zufällige Schwankungen zu beobachten und es besteht das Risiko einer systematischen Änderung. Die gesetzlichen Anforderungen an gemäß §11 (1) VAG an eine vorsichtige Kalkulation sehen Zu- und Abschläge für das Schwankungsrisiko und das Änderungsrisiko vor. Es ist eine ständige Aufgabe des Verantwortlichen Aktuars, mit geeigneten Mitteln zu überprüfen, ob die von ihm gewählten Sterblichkeitsgrundlagen noch ausreichend sind. Wie beim Zins wählt man auch die Sterbetafel vorsichtig aus, um die dauerhafte Erfüllbarkeit der Verträge garantieren zu können. Das bedeutet, dass bei einer Todesfallversicherung die Sterbewahrscheinlichkeiten künstlich höher angesetzt werden (unter der Prämisse, dass Sterbewahrscheinlichkeiten im Laufe der Zeit sinken) und dass bei Erlebensfallversicherung die Sterbewahrscheinlichkeiten künstlich niedriger angesetzt werden.
3 ZUKÜNFTIGE LEBENSERWARTUNG EINES X-JÄHRIGEN
33
Häufig wird ein absoluter Sicherheitszuschlag bzw. -abschlag draufgeschlagen. 3.6.3
In der Praxis verwendete Sterbetafeln
1. Versicherungen mit Todesfallcharakter: Tarifgeneration vor 1967 1967 - 1987 1987 - 1994 Seit 1994
Sterbetafel ADSt 1924/26 M ADSt 1960/62 M Sterbetafel 1986 M/F (aus Volkszählung z.B. DAV Sterbetafel 1994 TM/TF
Die DAV-Sterbetafel wird von den meisten VR verwendet. Seit der Deregulierung des Versicherungsmarktes haben die VR freie Wahl bei der Verwendung der Sterbtafeln. T steht für Todesfallversicherung. 2. Altersverschiebung: Generationensterbetafeln sind zusammengesetzte (τ ) Sterbetafeln (qx ), bei denen die Sterbewahrscheinlichkeiten sowohl vom Alter x als auch vom Geburtsjahrgang τ abhängen. Das Problem bei der Bestimmung der Sterbetafeln ist, dass die Erstellung einer vollständigen Generationensterbetafeln erst nach dem Absterben der gesamten Generation möglich ist. Folgerung: Für die Anwendung ist es erforderlich, die gesuchten Sterbewahrscheinlichkeiten mittels geeigneter Extrapolationsverfahren aus den geschätzten Sterbewahrscheinlichkeiten früherer Generationen zu ermitteln (dazu liegen eine Reihe von Periodensterbetafeln zugrunde; Extrapolation erfolgt durch einen loglinearen Ansatz). Rueff: (τ )
Zweidimensionale Tafeln qx lassen sich mittels des Verfahrens der Altersverschiebung approximieren und vereinfacht darstellen. Durch geeignete Altersverschiebung können die Sterbetafeln nahezu vollständig ineinander überführt werden. Ausgangspunkte: (a) Grundsterbetafel (¯ qx ) (z.B. bei DAV-Sterbetafel 1994 R: Modifikati(1955) on der Generationensterbetafel 1955: q¯x ≈ qx . (b) Vertafelung ganzzahliger Altersverschiebungen δ(τ ) in Abhängigkeit vom Geburtsjahrgang τ . (τ )
Beide Tafeln sind so konstruiert, dass qx ≈ q¯x+δ(τ ) ”in einem versicherungstechnisch relevanten Alters- und Generationenbereich möglichst gut
3 ZUKÜNFTIGE LEBENSERWARTUNG EINES X-JÄHRIGEN
34
ist”. Vorteil: Es muss nicht für jede Generation eine Sterbetafel erstellt und gespeichert werden oder sämtliche extrapolierte Werte gespeichert werden. Nachteil: Nur anwendbar, wenn ein abnehmbarer Trend der Sterbewahrscheinlichkeiten festgestellt wird. Bei steigenden Trend ermittelt man zu hohe Sterbewahrscheinlichkeiten, die zu unzureichenden Beiträgen führen. 3. Versicherungen mit Erlebensfallcharakter:
Tarifgeneration vor 1987 1987 - 1995 1995 - 2004 seit 2004
Sterbetafel ADSt 1949/51 M/F + Rueffsche Altersverschiebung Sterbetafel 1987 RM/RF + Altersverschiebung z.B. DAV Sterbetafel 1994 RM/RF DAV 2004 R ( und DAV 2004 R Bestand für die Nachreservierung)
Die DAV-Sterbetafel wird von den meisten VR verwendet. Seit der Deregulierung des Versicherungsmarktes haben die VR freie Wahl bei der Verwendung der Sterbtafeln. R steht für Rentenversicherung. Die 87-er Sterbetafel war keine gute Sterbetafel, da sie nicht vorsichtig genug war. Wichtig: Der Aktuar hat dafür Sorge zu tragen, dass die Sterbetafeln stets hinreichend sicher angesetzt sind. Dazu muss er geeignete Verfahren zur Überprüfung der Sterbetafeln anwenden.
4 LEISTUNGEN UND BARWERTE
4
35
Leistungen und Barwerte
4.1
Einleitung, Definition und Beispiele
Definition 4.1.1 Eine (kumulative) Versicherungsleistungsfunktion ist eine Abbildung A : (0; ∞) × [0; ∞) 3 (s; t) 7→ As (t) ∈ [0; ∞) mit folgenden Eigenschaften: a) ∀s > 0 ist t 7→ As (t) eine Verteilungsfunktion auf [0; ∞) b) ∀t ≥ 0 ist s 7→ As (t) Borel-meßbar. Bemerkung: i) As (t) ist die unverzinste Gesamtleistung des Versicherers bis zum Zeitpunkt t einschließlich, falls der VN zum Zeitpunkt s stirbt. ii) A beschreibt das vom Versicherer angebotene Produkt. Aspekte des Verkaufs (wie z.B. Verzinsung oder Preis) sowie zufällige Momente (z.B. Zufälligkeit des Todeszeitpunktes) werden nicht berücksichtigt. Korollar 4.1.2 Jede kumulative Versicherungsleistungsfunktion kann aufgespalten werden in einen Todesfallanteil (death part) DA von Leistungen ab einschließlich des Todesfallzeitpunktes und in einen Erlebensfallanteil (survival part) SA bis ausschließlich zum Todesfallzeitpunkt: A = DA + SA DAs : t 7→ (As (t) − As (s − 0))+ , s > 0 SAs : t 7→ min(As (t); As (s − 0)), s > 0. Beispiele: Diskretisierung des Todesfallzeitpunktes. Sei 0 = s0 < s1 < . . . < sk < . . . ∞ eine monoton steigende Folge, s > 0, t ≥ 0. a) Todesfallversicherung, diskretisiert: Bei Tod im Intervall (sk−1 ; sk ] wird die Leistung (Versicherungssumme) D(sk ) ≥ 0 zur Zeit sk fällig. Dann gilt: As (t) = DAs (t) ∞ X = D(sk ) · 1[sk ;∞) (t) · 1(sk−1 ;sk ] (s). k=1
b) Leibrente, diskretisiert: Die Leistung S(sk ) wird direkt bei Erleben des
4 LEISTUNGEN UND BARWERTE
36
Zeitpunktes sk fällig, As (t) = SAs (t) ∞ X = S(sk ) · 1[sk ;∞) (t) · 1(sk ;∞) (s) =
k=1 ∞ X
k−1 X
k=1
l=0
! S(sl ) · 1[sl ;∞) (t)
· 1(sk−1 ;sk ] (s).
c) Gemischte Versicherung, diskretisiert: A = DA + SA mit DA und SA gemäß a) bzw. b): ! k−1 ∞ X X S(sl ) · 1[sl ;∞) (t) · 1(sk−1 ;sk ] (s). D(sk ) · 1[sk ;∞) (t) + As (t) = l=0
k=1
d) Todesfallzeitrente (Nachrente), diskretisiert: Der Tod im Zeitintervall (sk−1 ; sk ] löst eine Zeitrente mit Beträgen Dk (sk ), Dk (sk+1 ), . . . ≥ 0 zu Zeiten sk , sk+1 , . . . aus. As (t) = DAs (t) ! ∞ ∞ X X = Dk (sl ) · 1[sl ;∞) (t) · 1(sk−1 ;sk ] (s), k=1
l=k
z.B. Leibrenten mit Rentengarantie. e) Sei s > 0, t ≥ 0: unmittelbar zahlbare Todesfallversicherung: Leistung wird direkt bei Tod zum Zeitpunkt s fällig: As (t) = DAs (t) = D(s) · 1[s;∞) (t). f) kontinuierliche Leibrente: Bis zum Tod zur Zeit s wird eine Rente mit beschränkt integrierbarer Dichte σ : [0; ∞) → [0; ∞) gezahlt: Z As (t) = SAs (t) =
min(s;t)
σ(τ )dτ. 0
Bemerkung: Die Beschreibung von Leistungsversprechen in der Lebensversicherung mittels kumulativer Versicherungsleistungsfunktionen bietet ein einheitliches Dach einerseits für Erlebensfall- und Todesfallversicherungen und andererseits für die diskrete und kontinuierliche Methode. Wichtig: Alle Zahlungen werden bis zu einem Zeitpunkt kumuliert. Eine genaue Beschreibung, was zu einem festen Zeitpunkt geschieht, ist nicht Mittelpunkt der Untersuchung.
4 LEISTUNGEN UND BARWERTE
37
Im Folgenden wird fast ausschließlich die diskrete Methode betrachtet. Dabei sei As (·) eine (rechtsseitig stetige) Treppenfunktion, d.h. Zahlungen erfolgen immer an diskreten Zeitpunkten 0 = s0 < s1 < . . . < sk < . . . < ∞. Für t > 0 gilt dann:
As (t) = As (s0 ) + | {z } as (0)
∞ X k=1
(As (sk ) − As (sk−1 )) ·1[sk ;∞) (t) | {z } =:as (sk )
= as (0) · 1[0;∞) (t) +
∞ X
as (sk ) · 1[sk ;∞) (t)
k=1 ∞ X
=
as (sk ) · 1[sk ;∞) (t).
k=0
Erwirbt ein Versicherungsnehmer für eine Person (x) mit zukünftiger Lebensdauer Tx > 0, Tx Zufallsgröße auf einem W-Raum (Ω, A, P ), dieses Leistungsversprechen, so wird der Leistungsverlauf dieser Police beschrieben durch den (individuellen kumulierten) Versicherungsleistungsprozeß (ω, t) 7→ ATx (ω) (t)
∼ zufälliger gewichteter Zahlungsstrom
Zur Bewertung des Leistungsverlaufes mittels einer Kapitalfunktion K betrachtet man als Zufallsvariable den Barwert: Bx (ω) = a(ATx (ω) ) = ATx (ω) (s0 ) +
∞ X aTx (ω) (sk ) k=1
= aTx (ω) (s0 ) +
∞ X aTx (ω) (sk )
K(sk )
k=1
=
∞ X k=0
K(sk )
aTx (ω) (sk ) , K(sk )
da K(s0 ) = K(0) = 1. Definition 4.1.3 Der erwartete Barwert (= die Nettoeinmalprämie) einer Versicherungsleistung A für (x) gebildet mit der Kapitalwertfunktion K ist: Z E(Bx ) =
Z Bx (ω)dP (ω) =
Ω
∞ X as (sk )
(0;∞) k=0
K(sk )
dP Tx (s).
Bx bezeichnet man gelegentlich auch als finanzmathematischen Barwert der Versicherungsleistung für (x) und ihr Barwert E(Bx ) als den versicherungsmathematischen Barwert. Beispiele:
4 LEISTUNGEN UND BARWERTE
38
a) diskrete Todesfallversicherung: Bx =
∞ X D(sk ) ·1 (Tx ) K(sk ) (sk−1 ;sk ] k=1
∞ X D(sk ) E(Bx ) = · P (sk−1 < Tx ≤ sk ). K(sk ) k=1
b) diskrete Leibrente: Bx
∞ ∞ k−1 X X X S(sk ) S(sl ) = ·1 (Tx ) = K(sk ) (sk ;∞) K(sl ) k=0 ∞ X
k=1
! · 1(sk−1 ;sk ] (Tx )
l=0
S(sk ) · P (Tx > sk ) K(sk ) k=0 ! ∞ k−1 X X S(sl ) = · P (sk−1 < Tx ≤ sk ). K(sl )
E(Bx ) =
k=1
l=0
c) gemischte Versicherung, diskretisiert: Bx =
E(Bx ) =
∞ X k=1 ∞ X k=1
k−1
D(sk ) X S(sl ) + K(sk ) K(sl )
!
D(sk ) + K(sk )
!
l=0 k−1 X l=0
S(sl ) K(sl )
· 1(sk−1 ;sk ] (Tx ) · P (sk−1 < Tx ≤ sk ).
d) diskrete Todesfallzeitrente: Bx
∞ ∞ X X D(sl ) = K(sl )
E(Bx ) =
k=1 ∞ X
l=k ∞ X
k=1
l=k
D(sl ) K(sl )
! · 1(sk−1 ;sk ] (Tx ) ! · P (sk−1 < Tx ≤ sk ).
Die folgenden Überlegungen dienen der Berechnung von erwarteten Barwerten mit Sterbetafeln. Dies ist für die Praxis von großer Bedeutung. Lemma 4.1.4 Seien A eine (diskrete) Versicherungsleistungsfunktion, Kx = [Tx − 0] die ganzzahlig gestutzte zukünftige Lebensdauer von (x) und Rx = Tx − Kx . Dann gilt: E(Bx ) =
∞ X
bx (k) · νx (k),
k=0
wobei für k ∈ N0 νx (k) := P (Kx = k) = P (k < Tx ≤ k + 1)
4 LEISTUNGEN UND BARWERTE und
39
∞ X ak+r (sj )
Z bx (k) =
K(sj )
(0;1] j=0
dP Rx |Kx =k (r)
der (bedingte) erwartete Barwert der Versicherungsleistung bei Tod in (k; k + 1] ist. Sind Kx und Rx stochastisch unabhängig und ist Rx ∼ U(0; 1), so gilt: Z 1X ∞ ak+r (sj ) bx (k) = dr, k ∈ N. K(sj ) 0 j=0
Beweis: Es gilt:
P
Tx
= P =
Kx +Rx
∞ X
Z =
dP Kx +Rx |Kx =k dP Kx (k)
P Rx +k|Kx =k νx (k).
k=0
Damit folgt aus der Definition von E(Bx ): ∞ Z ∞ X X ar (sj ) Rx +k|Kx =k E(Bx ) = dP (r)νx (k) K(sj ) k=0 (0;∞) j=0 ∞ Z ∞ X X ar+k (sj ) Rx |Kx =k = dP (r)νx (k) K(sj ) (0;1] =
k=0 ∞ X
j=0
bx (k) · νx (k).
k=0
Sind Kx und Rx stochastisch unabhängig und ist Rx ∼ U(0; 1], so gilt für alle k ∈ N0 : P Rx |Kx =k = P Rx = U(0; 1]. 2
Beispiele: Gemischte Versicherung (Todes- und Erlebensfallleistung), diskretisiert: a) obiges Beispiel liefert im allgemeinen Fall: ! j−1 ∞ X D(sj ) X S(sl ) bx (k) = + · P (sj−1 − k < Rx ≤ sj − k|Kx = k). K(sj ) K(sl ) j=1
l=0
b) Sind Zahlungen nur zu ganzzahligen Zeitpunkten zugelassen (sl ≡ l), so folgt aus 0 < Rx < 1: k
bx (k) =
D(k + 1) X S(l) + . K(k + 1) K(l) l=0
4 LEISTUNGEN UND BARWERTE
40
Dabei wird der erste Summand bei Tod in (k; k + 1] fällig und der zweite direkt bei Erleben der Zeitpunkte l. c) Bei n-tel jährlicher Fälligkeit unter der Voraussetzung, dass Kx und Rx ∼ U(0; 1] stochastisch unabhängig sind, liefert a) mit sl ≡ l/n: 1 bx (k) = · n mit
j−1
n·k+n X j=n·k+1
D(j/n) X S(l/n) + K(j/n) K(l/n)
! ,
l=0
1 j−1 j = P (Rx ∈ ( − k; − k]). n n n
Bemerkung: Ist G−1 x (1) = ωx − x < ∞ die Höchstverbleibezeit, d.h. ωx < ∞ das Höchstalter für x-Jährige, so ist in der Formel für den erwarteten Barwert aus der Definition und den Beispielen das (äußere) zu P Tx gehörige Integral nur über (0; ωx − x] zu bilden. Beispiel: ∞ X as (j) dP Tx (s) K(s ) j (0;ωx −x]
Z E(Bx ) =
j=0
P∞
P
und k=1 . . . geht über in sk−1 <ωx −x . . . mit max Tx = ωx − x, sk−1 < Tx ≤ sk in den obigen Beispielen. Außerdem gilt: [ωx −x−0]
E(Bx ) =
X
bx (k) · νx (k).
k=0
In der Regel wird ωx ≡ ω0 ∈ N angenommen, da man meistens nur ganzzahlige Zeitpunkte betrachtet und das Höchstalter unabhängig von x ist (siehe Aufgabe zur Stationaritätsbedingung) Das Schlussalter der Sterbetafel gemäß üblicher Sprechweise ist dann ω0 − 1 (und nicht ω0 ), denn es gilt [ωx − x − 0] = limh↓0 [ωx − x − h]. Man wird maximal ω0 − 1 Jahre alt, vor Vollendung des ω0 -ten Lebensjahres stirbt man. Oftmals wird das Höchstalter auch mit ω bezeichnet. Beispiel: erwartete Barwerte einiger gebräuchlicher Versicherungen eines unter einfachem Risiko stehenden Leben (x) unter zusammengesetzter Verzinsung. Dabei wird die Stationaritätsbedingung vorausgesetzt. Es werden die international gängigen Notationen verwendet. a) Lebenslängliche Todesfallversicherung. sk = k, D ≡ 1, S ≡ 1. Ax = E(Bx ) =
ω0X −1−x k=0
v
k+1
νx (k) =
ω0X −1−x k=0
v k+1 kpx · qx+k ,
4 LEISTUNGEN UND BARWERTE
41
n-jährige temporäre Todesfallversicherung (Risikolebensversicherung), sk = k, D(k) = 11,...,n (k), S ≡ 0: A1x:x| := n Ax := E(Bx ) =
n−1 X
v k+1 k px · qx+k .
k=0
Deterministisches versicherungsmathematisches Kalkül: Man lege eine Sterbetafel (l0 , l1 , . . . , lω0 −1 )+ zugrunde und betrachte lx x-Jährige, die eine n-jährige Todesfallversicherung abschließen. Dem Versicher erwächst aus Pn−1 k+1 diesem Portolio der Gesamtschaden k=0 v ·(lx+k −lx+k+1 ) pro Police, also: n−1 X k=0
n−1
v
k+1
(lx+k − lx+k+1 ) X k+1 lx+k lx+k − lx+k+1 = = n Ax . · v · lx lx lx+k k=0
b) n-jährige Erlebensfallversicherung: sk = k, S(k) = 1{n} (k): n Ex
= E(Bx ) =
ω0X −1−x k=0
=
ω0X −1−x
k X 1{n} (l) l=0
K(l)
! · νx (k)
v n · 1{n,n+1,...} (k) · νx (k) = v n · n px .
(45)
(46)
k=0
Jährlich vorschüssig zahlbare lebenslängliche Leibrente mit Jahresbetrag Pω0 −1−x 1: sk = k, D ≡ 0, S ≡ 1, a ¨x = E(Bx ) = k=0 k Ex . Wird die Leibrente höchstens n Jahre gezahlt, so ist a ¨x:n| := E(Bx ) =
n−1 X
k Ex .
k=0
c) n-jährige gemischte Kapitalversicherung für (x): sk = k, D(k) = 1{1,...,n} (k), S(k) = 1{n} (k). Addition von a) und b) liefert: Ax:n| := E(Bx ) = n Ax + n Ex =
n−1 X
v k+1 k px · qx+k + v n · n px .
k=0
4.2
Berechnung von erwarteten Barwerten bei unterjährlicher Zahlungsweise
In diesem Fall reduziert man die Untersuchung auf jährliche Zahlungsweisen, so dass eine ausführliche Auflistung erwarteter Barwerte bei unterjährlicher Zahlungsweise nicht nötig ist.
4 LEISTUNGEN UND BARWERTE
42
Satz 4.2.1 Seien Kx und Rx stochastisch unabhängig und Rx ∼ U(0, 1). Dann gilt bei zusammengesetzter Verzinsung: a) Ist Bx der Barwert einer Todesfallversicherung bei Fälligkeit am Ende des Todesjahres mit DAs (t) =
∞ X
D(k) · 1[k;∞) (t) · 1(k−1;k] (s)
k=1 (n)
und Bx der Barwert der entsprechenden Todesfallversicherung (mit derselben jährlichen Todesfallleistung) bei n-tel jährlicher Fälligkeit mit # " ∞ n X X D(k + 1) · DA(n) 1[k+ l ;∞) (t) · 1(k+ l−1 ;k+ l ] (s) s (t) = k=0
l=1 (n)
für s > 0, t ≥ 0, so ist E(Bx ) =
i i(n)
n
k
n
· E(Bx ).
b) Ist Bx der Barwert einer Leibrente gemäß obigem Beispiel bei jährlicher Zahlungsweise mit SAs (t) =
∞ X
S(k) · 1[k;∞) (t) · 1(k;∞) (s)
k=0 (n)
und Bx der Barwert der entsprechenden Leibrente (mit derselben jährlichen Rente) bei n-tel jährlicher Zahlungsweise mit SA(n) s (t) =
∞ n−1 X S(k) X · 1[k+ l ;∞) (t) · 1(k+ l ;∞) (s) n n n k=0
l=0
(n) d 1 d für s > 0, t ≥ 0, so ist E(Bx ) = d(n) · E(Bx ) − d(n) · i(n) − 1i · ux . P k Dabei ist ux := ∞ k=0 S(k) · v · νx (k) der erwartete Barwert einer Todes, fällig zur Zeit l bei Tod fallversicherung mit Versicherungssumme S(l−1) v in (l − 1; l], l ∈ N.
4 LEISTUNGEN UND BARWERTE
43
Beweis: ad a) Gemäß obigem Beispiel folgt mit D( nj ) = D(k + 1) für j ∈ {nk + 1, . . . , nk + n}, k ∈ N0 : E(Bx(n) )
=
=
=
∞ nk+n X j 1 X · D(k + 1) v n · νx (k) n
1 · n
k=0
j=nk+1
∞ X
n−1 X
D(k + 1)
v
(j+nk+1) n
∞ n−1 X X j 1 1 · D(k + 1) · v k+1 · νx (k) · vn · vn n·v j=0
k=0
=
∞ X
1 1 1−v · vn · D(k + 1) · v k+1 · νx (k) 1 · n·v n 1 − v | {z } |k=0 {z } i
E(Bx )
i(n)
=
i i(n)
· E(Bx )
˜ l ) := ad b) Wiederum gilt mit obigem Beispiel S( n n − 1}, k ∈ N0 :
m−1 X
˜ l) S( n
l=0
K( nl )
= =
=
· νx (k)
j=0
k=0
1 n
· S(k), l ∈ {nk, . . . , nk +
˜ m−1 ) ˜ S( S(0) n + ... + K(0) K( m−1 n ) ˜ n−1 ) ˜ 2n−1 ) ˜ ˜ S( S( S(0) S(1) n n + ... + + + . . . + 2n−1 + K(0) K(1) K( n−1 ) K( n n ) nk−1 ˜ ˜ − 1) S( S(k n ) + +... + + ... + nk−1 K(k − 1) K( n ) ˜ m−1 ) ˜ S( S(k) n + + ... + K(k) K( m−1 n ) k−1 n−1 ˜ pn+q ) X X S( n p=0 q=0
K( pn+q n )
+
m−1 X
˜ l) S( n
l=nk
K( nl )
.
4 LEISTUNGEN UND BARWERTE
44
Damit folgt: ∞ 1 X E(Bx(n) ) = · n
nk+n X
k=0 m=nk+1
=
=
1 n
=
1 n
∞ 1 X · n
nk+n X
∞ X k X
m−1 X
S(p) · v p ·
k=0 p=0
(∗)
l 1 · S(k) · v n · νx (k) n
n−1 X
q
v n νx (k) −
q=0
∞ 1 X S(k) · v k · n2 k=0
=
· νx (k)
q=0
nk+n X
"
=
K( nl )
p=0
k=0 m=nk+1
1 · n +
l=0
!
nk+n X
k=0 m=nk+1 l=nk
=
˜ l) S( n
k−1 n−1 ˜ pn+q ) m−1 ˜ l) X S( X X S( n n · νx (k) pn+q + l K( ) K( ) n n l=nk k=0 m=nk+1 p=0 q=0 ∞ nk+n m−1 k−1 n−1 X X X 1 X X1 pn+q l · · S(p) · v n + · S(k) · v n · νx (k) n n p=0 q=0 k=0 m=nk+1 l=nk ∞ nk+n n−1 k−1 X X X q X 1 · · S(p) · v p · v n · νx (k) n
∞ 1 X · n
+
m−1 X
m−1 X
∞ n−1 X q 1X S(k) · v k · v n · νx (k) n q=0 k=0 #
l
v n −k · νx (k)
m=nk+1 l=kn
∞ k n−1 X q 1 XX · S(p) · v p · v n νx (k) n q=0 k=0 p=0 ∞ n−1 nk+n m−1 X X X X q l 1 − 2 S(k) · n · vn − v n −k · νx (k) n
d d(n)
k=0
q=0
∞ X k X
p
m=nk+1 l=kn
S(p) · v · νx (k) −
k=0 p=0
d d(n)
·(
i i(n)
∞
1 X − ) S(k) · v k · νx (k) i k=0
d d 1 1 · E(Bx ) − (n) · ( (n) − ) · ux . i d(n) d i P q d n Dabei folgt (*) aus n−1 q=0 v = n · d(n) gemäß Aufgabe 2c) und =
n·
n−1 X q=0
q
vn −
nk+n X
m−1 X
l
v n −k =
m=nk+1 l=kn
nk+n X
n−1 X
q
vn
m=nk+1 q=m−kn
=
n n−1 X X
q
vn
m=1 q=m
=
n−1 X
q
q · vn
q=1
= n2 ·
d d(n)
·(
1 i(n)
1 − ) i
5 KOMMUTATIONSZAHLEN
45
gemäß Aufgabe 2d).
2
5
Kommutationszahlen
5.1
Einleitung und Definition
Die Barwerte lassen sich unter Zuhilfenahme von Rechnern mit obigen Formel ermitteln. Diesen Weg wird man immer dann wählen, wenn die Versicherungsleistungen eine komplizierte Zeitabhängigkeit aufweisen. Wenn jedoch Leistungen konstant sind oder linear bzw. geometrisch wachsen und falls der Rechnungszins während der gesamten Vertragslaufzeit konstant bleibt, verwendet man häufig (vertafelte) Kommutationszahlen, durch die die Einträge der Ausscheidetafeln in Verbindung mit den Abzinsungsfaktoren dargestellt werden. In Zeiten, in denen Rechnerkapazitäten keine Rolle mehr spielen, sind Kommutationszahlen eher veraltet. Kommutationszahlen sind ausschließlich als rechnerische Größe gedacht. Sie besitzen keinerlei anschauliche Bedeutung. Voraussetzung: Einfache Ausscheideordnung, es gelte die Stationaritätsbedingung, Höchstalter ω0 ∈ N0 ⇒ Schlussalter der Sterbetafel: ω0 − 1 =: ω. Zusammengesetzte Verzinsung mit Diskontierungsfaktor v. Definition 5.1.1
• diskontierte Zahlen der Lebenden bzw. der Toten:
Dx = v x lx ,
Cx = v x+1 (lx − lx+1 ) = v x+1 dx = v x+1 lx qx .
• summierte diskontierte Zahlen der Lebenden bzw. Toten: ω ω X X Nx = Dν , Mx = Cν . ν=x
ν=x
• doppelt summierte diskontierte Zahlen der Lebenden bzw. der Toten: Sx =
ω X
Nν ,
ν=x
Rx =
ω X
x ∈ {0, . . . , ω}.
Mν ,
ν=x
Bemerkung: Es bestehen folgende Beziehungen zwischen den Kommutationszahlen: a) Cx = Dx vqx = Dx v − Dx+1 ω ω ω X X X ⇒ Mx = Cν = vDν − Dν+1 ν=x
ν=x
= vNx −
ν=x ω X
Dν −
ν=x+1
Dω+1 | {z }
v ω+1 lω+1 =0
= vNx − Nx+1 = Dx − d · Nx | {z } Nx −Dx
5 KOMMUTATIONSZAHLEN
46
und Rx =
ω X
Mν =
ν=x
ω X
vNν −
ν=x ω X
= vSx −
ν=x+1
ω X
Nν+1
ν=x
Nν − Nω+1 | {z } =0
= vSx − Sx+1 = Nx − d · Sx . | {z } Sx −Nx
b) rekursive Berechnung der Kommutationszahlen: Dx = v x lx = vv x−1 lx−1 (1−qx−1 ) = Dx−1 vpx−1 ,
D0 = l0 ,
x ∈ {0, . . . , ω}.
und Nω = Dω , Nx = Nx+1 + Dx , x ∈ {0, . . . , ω − 1}. P P Begründung: Nx = ων=x Dν = Dx + ων=x+1 Dν = Dx + Nx+1 . Außerdem: Sω = N ω ,
Sx = Sx+1 + Nx ,
x ∈ {0, . . . , ω − 1}.
c) diskontierte Zahlen der Toten:
Mω = Cω ,
Mx =
ω X
Cν =
ν=x
ω X
Cν +Cx = Mx+1 +Cx ,
x ∈ {0, . . . , ω−1},
ν=x+1
und R ω = Mω ,
5.2
Rx = Rx+1 + Mx ,
x ∈ {0, . . . , ω − 1}.
Versicherungen mit ausschließlich Erlebensfallcharakter
Beispiele: Erwartete Barwerte (Nettoleistungsbarwerte) von LV für (x) mit ausschließlich Erlebensfallleistungen: a) n-jährige Erlebensfallversicherung mit VS 1, n ≤ ω + 1 − x (vorschüssig, erste Zahlung direkt bei Vertragsbeginn, siehe (46) auf Seite 41): n Ex
= v n n px = v n
lx+n Dx+n = . lx Dx
b) jährlich vorschüssig zahlbare temporäre Leibrente der Dauer n ≤ ω + 1 − x mit Jahresbetrag 1: a ¨x:¯n| =
n−1 X
k Ex =
k=0
=
n−1 n+x−1 1 X 1 X Dx+k = Dν Dx Dx ν=x k=0 " ω # ω X 1 X 1 Dν − Dν = (Nx − Nx+n ). Dx ν=x Dx ν=n+x
5 KOMMUTATIONSZAHLEN
47
c) Jährlich vorschüssig zahlbare lebenslange Leibrente: Setzen wir in b) n = ω + 1 − x, so erhält man für den erwarteten Barwert: a ¨x =
Nx . Dx
d) Jährlich nachschüssig zahlbare temporäre Leibrente der Dauer n ≤ ω + 1 − x mit Jahresbetrag 1: ax:¯n| =
n X
k Ex
k=1
=
n X Dx+k
Dx
k=1
n+x 1 X Nx+1 − Nx+n+1 = . Dk = Dx Dx k=x+1
e) Jährlich nachschüssig zahlbare lebenslange Zeitrente vom Jahresbetrag 1 (n = ω + x + 1: am Ende des Todesjahres wird noch eine Zahlung fällig!): ax =
ω+1−x X
k Ex =
k=1
=
ω+1−x 1 X Dk+x Dx
1 Dx
k=1 ω+1 X
Dk
= Dω+1 =0
k=x+1
Nx − Dx 1 Nx+1 = = ax − 1. Dx Dx
f) jährlich vorschüssig zahlbare, um m ≤ n Jahre aufgeschobene temporäre Leibrente der Dauer n − m mit Jahresbetrag 1, n ≤ ω + 1 − x: ¨x = m| a ¨x:n−m| = m|n−m a
n−1 X k=m
=
k Ex =
n−1 X k=0
k Ex −
m−1 X
k Ex
k=0
Nx+m − Nx+n Nx − Nx+n Nx − Nx+m − = . Dx Dx Dx
g) jährlich vorschüssig zahlbare, um m ≤ ω + 1 − x Jahre aufgeschobene lebenslängliche Leibrente des Jahresbetrages 1. Setze dazu in f) n = ω + 1 − x. Dann gilt: =0
z }| { Nx+m Dx+m Nx+m Nx+m − Nω+1 = = = n Ex a ¨x+m . ¨x = m| a Dx Dx Dx Dx+m h) Jährlich vorschüssig zahlbare temporär steigende Leibrente der Dauer n ≤ ω + 1 − x mit bei 1 beginnender und jährlich um 1 steigendem Leistungsbetrag:
5 KOMMUTATIONSZAHLEN
(I¨ a)x:¯n| =
n−1 X
=
=
1 Dx 1 Dx
n−1 X
Nx+k − Nx+n Dx k=0 ! n−1 X 1 Nx+k − nNx+n = Dx
¨x = k|n−k a
k=0
48
k=0 ω X
Nk −
k=x
ω X
n+x−1 X
Nk − nNx+n
k=x
! Nk − nNx+n
!
=
k=x+n
Sx − Sx+n − nNx+n . Dx
Notation: I ∼ increasing. analog: erwarteter Barwert einer temporär linear fallenden Leibrente (Übungsaufgabe!). Die erwarteten Barwerte für unterjährlicher Rentenzahlung erhält man hieraus mittels Satz 4.2.1.
5.3
Versicherungen mit ausschließlich Todesfallcharakter
Auch hier gilt, dass die Barwerte bei unterjähriger Fälligkeit mittels Satz 4.2.1 auf die Barwerte bei Fälligkeit am Ende des Todesjahres zurückgeführt werden können. Im Folgenden betrachten wir nur den Fall, dass die Fälligkeit der Todesfallleistung am Ende des Todesjahres liegt. Beispiel: a) n-jährige temporäre TodesfallV (Risiko-LV) mit Versicherungssumme 1, fällig am Ende des Todesjahres n ≤ ω + 1 − x. Gemäß Beispiel gilt:
n Ax
= |n Ax =
n−1 X
v k+1 k px qx+k .
k=0
Es gilt wegen der Stationarität: k px = folgt: n Ax =
n−1 X
v k+1
k=0
lx+k lx
und qx+k =
lx+k −lx+k+1 . lx+k
Damit
n−1 n+x−1 1 X 1 X lx+k lx+k − lx+k+1 = Cx+k = Ck = lx lx+k Dx Dx k=0
=
k=x
Mx − Mx+n . Dx
b) Lebenslängliche Todesfallversicherung: Setze n = ω − x + 1: =0
z }| { Mx − Mω+1 Mx vNx − Nx+1 (v − 1)Nx + Dx Ax = = = = = 1 − d¨ ax , Dx Dx Dx Dx wegen 1 − v = d.
5 KOMMUTATIONSZAHLEN
49
c) n-jährige gemischte Kapitalversicherung mit Versicherungssumme 1, fällig bei Ablauf oder am Ende des Todesjahres, n ≤ ω − x + 1: Mx − Mx+n + Dx+n Dx vNx − Nx + Dx − vNx+n + Nx+n − Dx+n + Dx+n Dx Nx − Nx+n Dx − dNx + dNx+n =1−d = 1 − d¨ ax:¯n| . Dx Dx
Ax:n| =
n Ax
= =
+n Ex =
d) Wird der Beginn einer Todesfallversicherung um m Jahre aufgeschoben, so errechnet sich der Leistungsbarwert wie folgt:
m| Ax =
=
ω−x X
k+1 = k px qx+k v
k=m ω−x−m X
1 Dx
k+m px qx+k+m v
k+m+1
k=0
v
k+m+1 lx+k+m lx+k+m
lx
k=0
=
ω−x−m X
ω X k=x+m
Ck =
− lx+k+m+1
lx+k+m
=
ω−x−m X k=0
Cx+k+m Dx
Mx+m . Dx
Wegen der Stationaritätsbedingung gilt dabei: l −lx+k+m+1 lx+k+m und qx+k+m = x+k+m . k+m px = lx lx+k+m Analog gilt für die um m ≤ n Jahre aufgeschobene Todesfallversicherung der Dauer n − m, n ≤ ω + 1 − x, mit Versicherungssumme 1, die am Ende des Todesjahr fällig wird:
m|n−m Ax = m| Ax:n−m| =
=
n−1 X k=m ω−x X
k px qx+k v
k+1
k+1 − k px qx+k v
k=m
=
ω−x X
k px qx+k v
k+1
k=n
Mx+m − Mx+n Dx
e) TodesfallV und Risioko-LV mit steigender Versicherungssumme (siehe Übungsaufgabe): i) Barwert einer lebenslänglichen Todesfallversicherung, die mit Versicherungssumme 1 im ersten Jahr beginnt und deren Versicherungssumme jährlich um 1 steigt (n ≤ ω + 1 − x):
(IA)x =
ω−x X k=0
k| Ax
=
ω−x X k=0
Mx+k Rx = . Dx Dx
6 PRÄMIEN
50
ii) Barwert einer n-jährigen Risiko-LV, n ≤ ω − x + 1, die mit Versicherungssumme 1 im ersten Jahr beginnt und deren Versicherungssumme jährlich um 1 steigt:
(IA)x:n| =
n−1 X k=0
=
6
Mx+k − Mx+n 1 = Dx Dx
n−1 X
! Mx+k − nMx+n
k=0
Rx − Rx+n − nMx+n . Dx
Prämien
Wissenschaftlicher Sprachgebrauch / VVG:
Preis für Wirtschaftsgut ”Versicherungsschutz” = Prämie = Beitrag Letzteres erinnert gemäß Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) daran, dass bei VVaG die Versicherungsnehmer Mitglieder des Versicherungsvereins sind. Personenversicherung: Prämienzahlung = Leistung des VN an den VR! Frage: Welcher Wert einer Prämienzahlung ist einem gegebenen Wert der Versicherungsleistung adäquat? Beispiel: Betrachte ein Portefeuille einjähriger Todesfallversicherungen mit Versicherungssumme 1 für stochastisch unabhängige Personen gleichen Alters und Geschlechts. Jeweils nach einem Jahr werde das Portefeuille stochastisch unabhängig von der Vorgeschichte durch Abschluss derselben Anzahl gleichartiger Verträge komplett repliziert (gleichartig: Personen haben in allen Jahren das gleiche Eintrittsalter und Geschlecht, Barwerte des Verscherungsschutzes bezogen auf den Beginn des 1. Versicherungsjahres sind identisch). Betrachtet man jeweils den individuellen Einzelschaden pro Person und als Gesamtschaden im Kollektiv die Summe der Einzelschäden (individuelles Modell) und ist die Anzahl der Policen genügend groß, so legen das starke Gesetz der großen Zahlen und der zentrale Grenzwertsatz nahe,als adäquate Einmalprämie zu Beginn des Versicherungsjahres den erwarteten diskontierten Schaden dieses Risikos, also den erwarteten Barwert an Leistungen an diese Person, zu verlangen.
6 PRÄMIEN
51
Diese wird auch Nettoprämie oder Netto-Einmalprämie genannt. Dies sind alles nur Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen. Damit eine Versicherung bereits ab Beginn diese Leistungen zahlen kann, muss neben den Prämieneinnahmen auch ein gewisses Startkapital, eine sogenannte freie Reserve zur Verfügung stehen. Diese freie Reserve wird dann Jahr für Jahr fortgeschrieben (durch Verzinsung, Prämieneinnahme, Leistungszahlungen etc.). Reicht irgendwann diese freie Reserve unter Berücksichtigung der Prämieneinnahmen nicht mehr aus, so spricht man von dem versicherungstechnischen Ruin. Risikotheorie: Die Risikotheorie beschäftigt u.a. sich mit der Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit der versicherungstechnische Ruin eintritt. Falls für das gesamte Kollektiv zu Beginn eines jeden Versicherungsjahres höchstens die kollektive Nettoprämie verlangt wird, tritt mit Wahrscheinlichkeit 1 irgendwann der versicherungstechnische Ruin ein. ⇒ Nettoprämie allein ist nicht ausreichend. ⇒ Prämienzuschlag ist erforderlich, der eine gewisse Sicherheit gegenüber dem versicherungstechnischen Ruin liefert. In der Lebensversicherung verwendet man in der Regel keinen expliziten Sicherheitszuschlag, sondern einen impliziten durch die vorsichtige Wahl der Rechnungsgrundlagen. Weitere Zuschläge: • Zuschläge zur Deckung der dem Versicherer entstehenden Kosten, • ggf. Gewinnzuschlag, • Ratenzuschlag bei unterjährlicher ratierlicher Prämienzahlung • Versicherungssteuer. Die Zuschläge sind stark spartenabhängig. Für die Bruttoprämie ergibt sich folgendes Schema: + + = + = + = + =
Nettoprämie (erwarteter Leistungsbarwert) Sicherheitszuschlag Kostenzuschlag ausreichende Prämie Gewinnzuschlag Tarifprämie (als Jahres- oder Einmalprämie) Ratenzuschlag Tarifprämie (bei ratierlicher Prämienzahlung) Versicherungssteuer Bruttprämie
6 PRÄMIEN
6.1
52
Modellvoraussetzungen der klassischen LV
Bevor wir die Beitragsformeln für die gängigen Lebensversicherungsprodukte angeben, wollen wir an dieser Stelle noch einmal kurz die Modellvoraussetzungen der klassischen Lebensversicherung wiederholen und zusammenfassen: Voraussetzung 1: Beiträge, Deckungsrückstellungen sowie sonstige technische Werte werden mit Hilfe des Äquivalenzprinzips in einem Anwartschaftsdeckungsverfahren bestimmt. Voraussetzung 2: • Der Rechnungszins i wird über die gesamte Vertragslaufzeit als konstant angesehen. • Die zu berücksichtigen Wahrscheinlichkeiten werden durch Häufigkeiten ersetzt; man rechnet mit ihnen wie mit nicht vom Zufall abhängigen Zahlen (deterministisches Modell). • Auch die eingerechneten Kostenzuschläge werden als feste Größen für die gesamte Vertragslaufzeit im vorhinein festgelegt. Voraussetzung 3: Das Alter x bzw. y einer versicherten Person wird immer als ganzzahlig vorausgesetzt. Darauf abgestimmt werden auch die Beiträge und Versicherungsleistungen immer nur in jährlichen Abständen oder äquidistanten unterjährlichen Zeitpunkten fällig (diskontinuierliche Methode). Voraussetzung 4: Die zugesagten Versicherungsleistungen werden durch Beiträge finanziert, die von vornherein bestimmt sind. Diese Beiträge können während der gesamten Versicherungsdauer konstant oder aber in vorgegebener Weise variabel sein (Beispiel: abgekürzte Beitragszahlungsdauer oder ”Pflicht”-Dynamik bei der Tilgungs-LV). Die sehr einfachen Modellvoraussetzungen in der Kalkulation schlagen sich gerade im Barwertkalkül und somit in der Prämienberechnung mit Hilfe des Äquivalenzprinzips nieder. Hinweis: Da die Prämien einer Lebensversicherung in aller Regel im Verlauf der Versicherungsdauer nicht mehr geändert werden können (vgl. {§ 172 VVG), müssen die Rechnungsgrundlagen äußerst vorsichtig gewählt werden. Diese vorsichtigen, bei der Kalkulation zu verwendenden Grundlagen werden als Rechnungsgrundlagen 1. Ordnung bezeichnet. Dagegen nennt man Rechnungsgrundlagen, die der Realität möglichst nahe kommen, Rechnungsgrundlagen 2. Ordnung.
6 PRÄMIEN
6.2
53
Nettoprämie = Nettobeiträge
Es sind verschieden Axiome zur Bestimmung der Nettobeiträge für einzelne Versicherungstarife möglich. Die Grundannahme zur Bestimmung der Beiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung sind völlig verschieden von denen der privaten Assekuranz. Schlagwort: Solidaritätsprinzip versus Kapitaldeckung. In der Individualversicherung geht man davon aus, dass jeder Versicherungsnehmer für seinen erwarteten Schaden aufkommt. versicherungsmathematisches Äquivalenzprinzip! Dieses Prinzip besagt, dass die Barwerte der beiden Zahlungsströme Leistungen und Prämien gleich sind. Dabei unterscheidet man nach unterschiedlichen Zahlungsweisen: a) Einmalbeiträge Der Versicherungsnehmer zahlt zu Beginn der Versicherungsdauer einmalig einen Beitrag. Dieser Nettobeitrag ist gleich dem Leistungsbarwert des Tarifes. b) laufende Beiträge: Der Versicherungsnehmer zahlt zu gewissen Zeitpunkten (z.B. jährlich, jeweils zum Jahrestag seines Versicherungsbeginn) einen festen Betrag i) bis zum Lebensende ii) oder bis zum Ende des vor Vertragsbeginn zu vereinbarenden Beitragszahlungsdauer (sofern er diesen Zeitpunkt erlebt, ansonsten bis zum Tod) verkürzte Beitragszahlungsdauer. Bei den laufenden Beiträgen unterscheidet man zwischen über die Vertragslaufzeit konstante Beiträge und variablen Beiträgen. Im Folgenden betrachten wir fast ausschließlich die laufende Zahlung eines konstanten Beitrages. Der Beitrag entspricht bei den laufenden Prämienzahlung einer Leibrente auf das Leben des VN, zahlbar an das VU. Sei P der zu bestimmende Nettobeitrag, so ist der Barwert der Beitragszzahlung für einen Versicherungsnehmer (x) gleich P ·a ¨x
für lebenslange Beitragszahlung
und P ·a ¨x:¯n|
für abgekürzte Beitragszahlungsdauer.
6 PRÄMIEN
54
Sei B = E(Bx ) der Leistungsbarwert eines Versicherungstarifes mit Versicherungsleistung A, m die Beitrgaszahlungsdauer. Gemäß Äquivalenzprinzip berechnet sich der zu leistende Nettobeitrag P des VN nach P ·a ¨x:m| ¯ = B. Wir gehen dabei stets davon aus, dass die Beiträge immer zu Beginn eines Versicherungsjahres fällig werden (vorschüssige Zahlungsweise). Bei lebenslanger Zahlungsweise berechnet sich die Nettoprämie zu P ·a ¨x = B. Die beiden vorstehenden Gleichungen sind die Gleichungen der versicherungsmathematischen Äquivalenz. In beiden Fällen berechnet sich die Nettoprämie gemäß: P =
6.3
B
bzw. P =
a ¨x:¯n|
B . a ¨x
Jahresnettoprämien
Diese Modellvoraussetzungen hatten wir bereits verwendet, um die Leistungsbarwerte einiger spezieller LV-Tarife herzuleiten. Im Folgenden wollen wir die Jahresnettobeiträge für diese Tarife unter Verwendung der Kommutationszahlen angeben. Unter a) geben wir die Jahresnettoprämien bei verkürzter Beitragszahlungsdauer m und unter b) die Jahrenettoprämien, wenn die Beitragszahlungsdauer m gleich der Versicherungsdauer n bzw. im Falle der Renten gleich der Aufschubzeit n ist. 1. Aufgeschobene lebenslängliche Leibrente:
a)
b)
Px,m =
¨x n| a a ¨x:m|
Px,n =
¨x n| a a ¨x:n|
=
Nx+n Dx Nx+n = . Dx Nx − Nx+m Nx − Nx+m
=
Nx+n Dx Nx+n = . Dx Nx − Nx+n Nx − Nx+n
2. Lebenslängliche Todesfallversicherung: a)
Px,m =
b)
Ax Mx Dx Mx = = . a ¨x:m| Dx Nx − Nx+m Nx − Nx+m Px =
Ax Mx Dx Mx = = . a ¨x Dx Nx Nx
6 PRÄMIEN
55
3. Risikolebensversicherung: a)
Px,m =
b)
Px,n =
Dx Mx − Mx+n Mx − Mx+n n Ax = . = a ¨x:m| Dx Nx − Nx+m Nx − Nx+m n Ax
a ¨x:n|
=
Mx − Mx+n Dx Mx − Mx+n = . Dx Nx − Nx+n Nx − Nx+n
Derartige Risiko-LV werden in Deutschland höchstens auf 35 Jahre abgeschlossen. In der Regel sind aber hier die Versicherungsdauern wesentlich kürzer. 4. Gemischte Versicherung oder Kapitalversicherung:
a)
Px,m = =
b)
Px,n = =
Ax:n| Mx − Mx+n + Dx+m Dx = a ¨x:m| Dx Nx − Nx+m Mx − Mx+n + Dx+m . Nx − Nx+m Ax:n| Mx − Mx+n + Dx+n Dx = a ¨x:n| Dx Nx − Nx+n Mx − Mx+n + Dx+n . Nx − Nx+n
ax:n| gilt in b) für m = n: Wegen Ax:n| = 1 − d¨ Px,n =
6.4
1 − d¨ ax:n| 1 = − d. a ¨x:n| a ¨x:n|
Unterjährliche Renten und unterjährliche Beiträge
Betrachte im Folgenden m-tel jährliche Zahlungsweise. (m)
Dann ist a ¨x:n| der Barwert einer vorschüssigen m-tel jährlich, n Jahre hindurch zahlbaren Leibrente mit Zahlbetrag
1 m.
(m)
(m)
(ax:n| ist der Barwert der entsprechenden nachschüssigen Leibrente und a ¨x (m)
bzw. ax
sind die Barwerte bei lebenslanger Rentenzahlung.)
Gemäß Satz 4.2.1 (inkl. Beweis) und gemäß Aufgabe 2c) und d) erhält man für kleine i folgende Näherung: a ¨(m) ≈a ¨x − x Analog zeigt man:
m−1 2m
(m)
und a ¨x:n| ≈ a ¨x:n| −
m−1 (1 − n Ex ). 2m
6 PRÄMIEN
56
a(m) ≈ ax + x
m−1 . 2m
Nun kann man unterjährliche Zahlungsweise vereinbaren. Üblich in der Praxis sind: • halbjährliche, • vierteljährliche oder • monatliche Beiträge. Ist B der Leistungsbarwert eines Versicherungstarifes, so erhalten wir für m-tel jährlicher Zahlungsweise einen Beitrag P nach (m)
Pa ¨x:n| = B 6.4.1
bzw. P a ¨(m) = B. x
Gebräuchliche Näherungsverfahren zur Berechnung unterjährlicher Beiträge (nicht in der Vorlesung behandelt)
a) unechte unterjährliche Beiträge: • Man kalkuliert Jahresbeiträge • Division der Jahresbeiträge durch m bei m-tel jährlicher Zahlungsweise • Aufschlag von 2 %, 3 % bzw. 5 % auf den Jahresbeitrag Aber: Die Versicherungsperiode ist ein Jahr. Daraus ergibt sich: • fällige Versicherungssumme beim Todesfall wird erst am Ende des Jahres fällig. • die noch ausstehenden Anteile der Jahresprämie bis zum Jahresende sind noch fällig In der Praxis die VU die Versicherungssumme im Todesfall sofort nach Einreichen der Versicherungspolice und des Totenscheins aus, ziehen allerdings die noch ausstehenden Teile des Jahresbeitrages ab. b) echte unterjährliche Beiträge: Die Versicherungsperiode ist hier der Monat, das Viertel- bzw. das Halbjahr. Die Kalkulation erfolgt mit unterjährigen Rentenbarwerten oder mit Aufschlägen von 5 %, 3 % oder 2 % auf die Jahresprämie.
6 PRÄMIEN
6.5
57
Kosten und Bruttobeiträge
Treten die Rechnungsgrundlagen so ein, wie in die Beiträge und Leistungsbarwerte einkalkuliert wurden, so ist der Barwert der gezahlten Prämien gleich dem Barwert der ausgezahlten Leistungen (Äquivalenzprinzip). ⇒ Weder der VR noch die Gesamtheit der VN machen einen Verlust/Gewinn. Aber: Der Versicherungsbetrieb verursacht Kosten, die von den VN getragen werden müssen. Die Kosten werden in drei Gruppen eingeteilt: 1. Abschlusskosten (α-Kosten): Kosten des VR, die mit den Neuabschluss von V-Verträgen zusammenhängen: • sämtliche Aufwendungen für den Außendienst des VU oder die Makler • Kosten für die ärztliche Untersuchung • Kosten für die Ausstellung der Policen, Anlegen eines Satzes in der Datenbank usw. • Schulung des Außendienstes • Angebotserstellung • Antragsbearbeitung • allgemeine Werbung Bezeichnung des Kostenzuschlages: α oder αz . • berechnet in h der Versicherungssumme bzw. der Jahresrente bzw. seit 1994 in h der Beitragssumme (Summe aller während der Vertragslaufzeit fälligen Beiträge). • Muss bei Abschluss des Vertrages gezahlt werden • deckt u.a. die Abschlussprovision, die in der Regel proportional der VS bzw. der Beitragssumme ist Zu den α-Kostenzuschlag αz kommt außerdem ein Zuschlag αγ . αγ ∼ Amortisationszuschlag, zumeist in h der VS (bzw. Beitragssumme) für jedes Jahr der Beitragszahlung. 2. sonstige Verwaltungskosten (γ-Kosten): Sämtliche Aufwendungen, die das VU zu leisten und die nicht schon den Abschlusskosten zugerechnet wurden: • Personalkosten des Innendienstes • Miete für das Geschäftshaus • EDV
6 PRÄMIEN
58
• Bearbeitung von Leistungen und Rückkäufen (Schadenregulierungskosten) • Vertragsänderungen • Arbeiten zur Überschussbeteiligung, zur Rückversicherung und zum Jahresabschluss • Steuern • usw. 3. Inkassokosten (β-Kosten): Kosten, die durch den Einzug der Beiträge verursacht werden. 6.5.1
Kostenschlüsselung
Sämtliche Aufwendungen, die das VU zu leisten und die nicht schon den Abschlusskosten zugerechnet wurden: • Personalkosten des Innendienstes • Miete für das Geschäftshaus • EDV • Bearbeitung von Leistungen und Rückkäufen (Schadenregulierungskosten) • Vertragsänderungen • Arbeiten zur Überschussbeteiligung, zur Rückversicherung und zum Jahresabschluss • Steuern • usw. Alle diese Kosten müssen mittels geeigneter Schlüsselung gerecht auf die einzelnen Verträge aufgeteilt werden. 3 Möglichkeiten der Schlüsselung: 1. Aufteilung anteilig nach der Versicherungssumme 2. Aufteilung anteilig nach dem Beitrag 3. Aufteilung der Kosten pro Police (Stückkosten) Verteilt man die Kosten nach der Beitragshöhe, so müssen VN mit hohen Beitrittsaltern bei gleicher VS und gleicher V-Dauer mehr bezahlen als VN mit niedrigen Beitrittsaltern. Umgekehrt: bei gleicher V-Dauer und gleicher Beitragshöhe ist die Kostenbelastung bei VN mit niedrigem Beitrittsalter höher als bei VN mit hohen Beitrittsaltern.
6 PRÄMIEN
59
Problem / Streitpunkt: • Sind die allgemeinen Verwaltungskosten von der VS oder von den Beiträgen abhängig? • Ein Teil der Verwaltungskosten hat Stückkostencharakter, denn für jeden Vertrag (egal mit welcher VS) muss: – eine Akte angelegt werden – Speicherplatz reserviert werden – am Jahresende des Guthaben des VN errechnet werden Manchmal machen Verträge mit kleinen VS mehr Arbeit als ein Vertrag mit hoher VS. Fazit: • Ermitteln und Schlüsseln der Kosten ist stets ein aktuelles Problem in den Versicherungsunternehmen • Die Aufteilung der Kosten in Abschlusskosten und allgemeinen Verwaltungskosten ist ein wichtiges Problem / eine wichtige Aufgabe in den VU • Bei präziser Vorgehensweise müsste man jedem Vertrag die Kosten zuweisen, die er verursacht. Die Ermittelung der Kosten wäre dann aber so kostenintensiv, dass der Vorteil der Genauigkeit dadurch aufgewogen würde. Bemerkung: • Hier kann nur eine modellhafte Behandlung der Kosten stattfinden, die die betriebliche Wirklichkeit nur sehr grob beschreibt. Das Modell reicht aber häufig für praktische Zwecke aus. • Es ist problematisch, dass die rechnungsmäßigen Verwaltungskosten über die gesamte Vertragslaufzeit als konstant angesehen werden, die inflationären Einflüsse also völlig ausgeblendet werden. • Insbesondere spricht man bei der Berechnung der Bruttoprämie bei den rechnungsmäßigen Kostenzuschlägen von Kostenzuschlägen 1. Ordnung. Im Gegensatz dazu können sich die tatsächlichen Kosten im Laufe der Vertragslaufzeit ändern. Die tatsächlichen Kosten nennt man dann genau wie bei den anderen Rechnungsgrundlagen auch Kostenzuschläge 2. Ordnung.
6.6
Allgemeine Berechnung der ausreichenden Prämie
Sei (x) ein unter einem einzigen Risiko stehenden Leben, A eine Versicherungsleistungsfunktion und Bx bzw. E(Bx ) der Barwert dieser Versicherungsleistung für (x). Wir gehen aus von einer Versicherungsdauer von n ∈ N Jahren bzw. von
6 PRÄMIEN
60
einer lebenslangen Versicherungsdauer und von jährlich vorschüssig während einer Prämienzahlungsdauer von m ∈ {0, . . . , n} Jahren zahlbaren konstanten ausreichenden Prämie a Px,n . GA > 0 bzw. GAM > 0 bzw. GG > 0 seien die Bemessungsgrundlagen für die Abschlusskosten bzw. für die allgemeinen Verwaltungskosten (z.B. höchstmöglich Summe aller Prämien, VS oder Jahresrente). Weiterhin sei αz ≥ 0 der Abschlusskostensatz und αγ ≥ 0 der Amortisationszuschlag. Die rechnungsmäßigen Abschlusskosten setzen sich also aus den einmaligen rechnungsmäßigen Abschlusskosten αz GA und den jährlich vorschüssig während der Prämienzahlungsdauer in Rechnung gestellten Abschlusskosten αγ GAM zusammen. β a Px,n sei die jährlich vorschüssig während der Prämienzahlungsdauer in Rechnung gestellten β-Kosten (β ∈ [0; 1]) und γGG die jährlich vorschüssig während der gesamten Vertragslaufzeit in Rechnung gestellten γ-Kosten (γ ≥ 0 sei der allgemeine Verwaltungskostensatz). γ wird häufig aufgeteilt in γ1 und γ2 , falls die Versicherungsdauer und die Beitragszahlungsdauer unterschiedlich sind. γ1 bezieht sich auf eine Bemessungsgrundlage GG1 und wird während der Beitragszahlungsdauer angesetzt. γ2 bezieht sich auf die Bemessungsgrundlage GG2 und wird nach der Beitragszahlungszeit bis zum Ende der Versicherungsdauer angesetzt. Die (Brutto-)Äquivalenzgleichung für die ausreichende Prämie lautet:
a
Px,m a ¨x:m| = E(Bx ) + αz · GA + αγ · GAM · a ¨x:m| + β · a Px,m a ¨x:m| + γ · GG · a ¨x:n|
⇒ a Px,m =
E(Bx ) + αz · GA + αγ · GAM · a ¨x:m| γ · GG a ¨x:n| + . (1 − β) · a ¨x:m| 1−β a ¨x:m|
Wird während der Prämienzahlungsdauer ein γ-Kostensatz von γ1 ≥ 0 und danach bis Ende der Vertragslaufzeit ein reduzierter γ-Kostensatz γ2 ∈ [0; γ1 ) verlangt, so gilt wegen a ¨x:n| = a ¨x:m| + m|n−m a ¨x
a
Px,m =
E(Bx ) + αz · GA + αγ · GAM · a ¨x:m| ¨x:n| γ1 − γ2 γ2 a +GG· +GG· . (1 − β) · a ¨x:m| 1−β 1−βa ¨x:m|
Die Umlage eines Teils der Abschlusskosten auf die laufende Prämie (an Stelle einer Einmalprämienzahlung für den Abschluss zu Vertragsbeginn) nennt man Zillmerung (nach Zillmer, 1863). Die laufende Prämie, die man erhält, wenn man im Äquivalenzprinzip neben den eigentlichen Versicherungsleistungen nur die rechnerischen Abschlusskosten berücksichtigt, heißt gezillmerte (Netto-) Prämie oder Zillmerprämie. Schreibweise: α P , wobei α der Zillmersatz ist.
6 PRÄMIEN
61
Dann gilt: αz
Px,m =
E(Bx ) + αz · GA . a ¨x:m|
Beispiele für in Deutschland verwendete Kostensätze (ab 1994): • Gemischte Kapitalversicherung: – αz = 4% der Prämiensumme – β = 3% – γ = 4, 25h der VS bzw. γ1 = 4, 25%o und γ2 = 2, 75h der VS bei abgekürzter Prämienzahlungsdauer und unterschiedlichen Verwaltungskosten innerhalb der Prämienzahlungsdauer und danach. • Aufgeschobene Leibrente – αz = 4% der Beitragssumme – β = 4% – γ1 = 2% der Jahresrente (innerhalb der Aufschubzeit) – γ2 = 1, 5% der Jahresrente (während der Rentenbezugszeit) Beispiele für ausreichende Prämien einiger V-Verträge: 1. gemischte Versicherung: Beitragszahlungsdauer m, V-Dauer n ≥ m: a
m m a ¨x:m| + Px,n a ¨x:m| = Ax:n| + αz · GA + β a Px,n
¨x +(αγ · GAM + γ1 · GG1 ) · a ¨x:m| + γ2 · GG2 · m|n−m a
m ⇒ a Px,n =
Ax:n| + αz · GA + (αγ · GAM + γ1 · GG1 ) · a ¨x:m| + γ2 · GG2 · m|n−m a ¨x . (1 − β)¨ ax:m| Für m = n gilt: a
Px,n =
Ax:n| + αz · GA + (αγ · GAM + γ1 · GG1 ) · a ¨x:n| . (1 − β)¨ ax:n|
Gemäß Übung und Beispiel gilt für m = n: Px:n| =
1 a ¨x:n|
−d⇔a ¨x:n| =
1 Px:n| + d
6 PRÄMIEN
62
Damit folgt aus obiger Formel: a
Px,n =
Px:n| · a ¨x:n| + αz · GA + (αγ · GAM + γ1 · GG1 ) · a ¨x:n| (1 − β)¨ ax:n|
αz · GA · (Px:n| + d) αγ · GAM + γ1 · GG1 1 + + 1−β 1−β 1−β z z γ 1 + α · GA α · GA · d + α · GAM + γ1 · GG1 = Px:n| + . 1−β 1−β
= Px:n|
Bemerkungen: Die absolute und relative Höhe der Kostenzuschläge in den ausreichenden Beiträgen sind von den Rechnungsgrundlagen Zins und Sterblichkeit abhängig.
Sicherheitszuschlag: • implizit durch den Ansatz ”unrealistrischer” Rechnungsgrundlagen 1. Ordnung oder • expliziter Sicherheitszuschlag, aber der größte Teil der ”zuviel” gezahlten Beiträge muss den VN in Form von Gewinnbeteiligung wieder zurückgezahlt werden.
6.7
Tarif- und Bruttoprämie
Risikozuschlag: Da die Sterblichkeit bei der Prämienkalkulation nur als alters- und geschlechtsabhängig angesehen wird, tatsächlich aber die ”Güte” des versicherten Risikos von sehr viel mehr Faktoren abhängt (Konsumverhalten, Körpergröße, Körpergewicht, Beruf, Vorerkrankung usw.), muss in der Beitragskalkulation ein gegenüber dem Mittel erhöhtes Risiko abgefangen werden. Dabei wird nicht wie in der Schadenversicherung mit Hilfe von verallgemeinerten linearen Modellen nach diesen Risikomerkmalen tarifiert, jedoch ist es in der LV üblich bei LV mit Todesfallcharakter den Abschluss eines LV-Vertrages von der Beantwortung eines Fragenkataloges abhängig zu machen, mit dessen Hilfe man erhöhte Risiken erkennen kann. Liegt ein erhöhtes Risiko vor, so wird anstelle der normalen Sterbetafel (qx ) eine Sterbtafel (qx? ) mit geeignet erhöhter Sterblichkeit, (qx? ) ≤st (qx ), der Tarifierung zugrundegelegt. In der Regel verwendet man dazu eine einparametrige Transformation der Normalsterblichkeit. Die Differenz aus nach Rechnungsgrundlagen für erhöhtes Risiko und nach Rechnungsgrundlagen für normales Risikozu zahlenden Prämien wird als Risikozuschlag bezeichnet.
7 DER GLEICHBEHANDLUNGSGRUNDSATZ
63
Eine Besserstellung von VN mit erhöhtem Todesfallrisiko bei Lebensversicherungen mit Erlebensfallcharakter ist in Deutschland bisher nicht üblich. Beispielsweise gibt es keine Rauchertarife in der Rentenversicherung. Weitere Einflussgrößen auf die Tarif- oder Bruttoprämie sind: • Summenrabatt oder -aufschlag: Bei niedrigen Versicherungssummen wird häufig ein Aufschlag auf die ausreichende Prämie verlangt, um die summenabhängigen Kosten zu decken. Analog wird bei hohen VS ein Abschlag gewährt, um die Kostenbelastung zu begrenzen. • Stückkostenzuschlag: statt summenabhängigen Kosten werden häufig Stückkosten in die Beiträge eingerechnet, insbesondere wenn es Kosten sind, die für jeden Vertrag (jedes Stück) gleichermaßen anfallen (unabhängig von der der Höhe der VS- oder Beitragssumme). • Ratenzuschlag bei unterjährlicher Zahlungsweise. • Rundungsvorschriften auf Grund einheitlicher Berechnung.
7
Der Gleichbehandlungsgrundsatz
Der Gesetzgeber schreibt folgende Grundsätze bei der Prämienkalkulation vor. Maßgeblich sind dabei das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sowie das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) einschließlich der zugehörigen Rechtsverordnungen. Grundsätze: • Prämien und Leistungen dürfen nur nach gleichen Grundsätzen bemessen werden (§11 Abs. 2 VAG). • Nachfragemacht darf nicht zu besseren Prämien und Leistungen führen. • Das Willkürverbot erfordert sachlich begründete Preis-/Leistungsdifferenzierungen, die für einen sachverständigen Dritten nachvollziehbar sind. Beispiele: – doppelte Summen führen zu doppelten Prämien (die Differenz ist betriebswirtschaftlich nachvollziehbar) – das Geschlecht kann zu differenzierten oder einheitlichen Prämien führen. • Es gilt folgendes Kriterium: Eine versicherte Person fällt pro Vertrag / Tarif in genau eine Risikogruppe. Zerlegung des Bestandes in disjunkten Teilmengen: Risikogruppen / -untergruppen. – Risikogruppen sind untereinander überwiegend nicht vergleichbar. – Risikountergruppen unterscheiden sich formal in Teilvoraussetzungen (aktuariell sind sie allerdings unterscheidbar).
7 DER GLEICHBEHANDLUNGSGRUNDSATZ
64
– Mathematisch betrachtet kommt innerhalb einer Risikogruppe strukturell das gleiche Kalkulationsverfahren zum Einsatz. – Risikountergruppen unterscheiden sich in der Variation der Parameter (Alter, Sterbetafel, Kostensätze). Um diesen Gleichbehandlungsgrundsatz sicherzustellen ist folgendes zu beachten: • Die Leistungsgleichheit ist bezüglich aller Komponenten zu bewerten. Dazu zählen: – Vertragliche Leistungen – Optionen – Dienstleistungen des Versicherers • Das Kalkulationsverfahren ist so anzulegen, dass alle relevanten Leistungskomponenten ihren plausiblen Einfluss auf die Prämien haben. Dabei ist Leistungsgleichheit zu bewerten vom VA. Demzufolge sind beispielsweise unzulässig – unterschiedlich hohe Rückkaufswerte bei ansonsten identischen Verträgen zu gewähren oder – bei einem Verkäufer eine Preisdifferenzierung nach Beratungsaufwand durchzuführen. Im letzteren Fall müsste eine Kunde für ein und dasselbe Produkt einen anderen Preis zahlen als der Kunde, der weniger intensiv beraten wurde. • Die Pricing- und Underwritingregeln sollten genau fixiert werden. Geschäftspläne sollten erstellt werden, die festlegen, wie das Kalkulationsverfahren abläuft (z.B. um Willkür zu vermeiden bei der Belastung mit Allgemeinkosten). • Die Sicherstellung der Gleichbehandlung kann durch angemessene Ertragswertanalse erfolgen. Die Erträge der einzelnen Risikogruppen müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Es kann nicht sein, dass annähernd gleiche Risikoverbände unterschiedliche Erträge abwerfen. • Auch bei ungleichen Voraussetzungen sollten Kapitalerträge, Kosten, Risiko usw. mit der gleichen Systematik in Ansatz gebracht werden, damit das Verfahren vergleichbar bleibt.
8 DER VERANTWORTLICHE AKTUAR
8
65
Der Verantwortliche Aktuar
Der Verantwortliche Aktuar ist das deutsche Analogon zum britischen Appointed Actuary. Er hat zum Teil die Aufgabe der Staatsaufsicht übernommen (Fortfall der Präventivkontrolle). Er steht somit im Spannungsfeld der Entscheidungen. Er ist für die (finanzielle) Sicherheit des Unternehmes verantwortlich z.B. in Fragen der Solvabilität (ist genügend Kapital vorhanden, um allen Verpflichtungen nachzukommen?) Geregelt werden die Aufgaben des Verantwortlichen Aktuars in §11a VAG: 1. Jedes Unternehmen muss einen Verantwortlichen Aktuar stellen. 2. Der Verantwortliche Aktuar muss zuverlässig und fachlich geeignet sein. 3. Der Verantwortliche Aktuar • hat die Einhaltung der Gesetze für Prämien- und Deckungsrückstellungsberechnung sicher zu stellen, • muss die Finanzlage des Unternehmens auf die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen prüfen, • muss die Solvabilität überprüfen, • hat die ordnungsgemäße Berechnung der Deckungsrückstellung zu testieren, • hat dem Vorstand seine Kalkulationsansätze für die Deckungsrückstellung zu erläutern (das, was der VA tut, muss für andere nachvollziehbar sein, ermuss sein Arbeit präsentieren), • hat den Vorstand unverzüglich über eine drohende Testateinschränkung zu unterrichten und bei fehlender Abhilfe das BaFin zu informieren, • muss Vorschläge für eine angemessene Gewinnbeteiligung der VN abgeben. Somit wird vom Verantwortlichen Aktuar nicht nur seine ”rechnerische Kompetenz”, sondern auch seine Urteilskompetenz erwartet. Darüber hinaus wird nicht nur seine fachliche Kompetenz, sondern auch seine persönliche Integrität vorausgesetzt. Die wichtigste aktuarielle Aufgabe besteht in der Bewertung der Deckungsrückstellung.
9 DECKUNGSRÜCKSTELLUNGEN IN DER LV
9
66
Deckungsrückstellungen in der LV
9.1
Einleitung
Lebensversicherungsverträage erstrecken sich meist über mehrere Jahre oder Jahrzehnte. In dieser Zeit verändert sich altersbedingt das biometrische Risiko, und auch die Leistungsversprechen sind zeitabhängig. Dem gegenüber sind die Prämien zeitlich konstant oder sie verändern sich nach sehr einfachen, bereits zu Vertragsbeginn festgelegten Regeln. Nach dem Risikoausgleich im Kollektiv erfolgt auch ein Risikoausgleich in der Zeit: Bei laufenden Prämien zahlt der VN in der Regel zunächst mehr als die der jeweils zugehörigen Veersicherungsperiode entsprechende natürliche Prämie, d.h. den erwarteten Barwert der Versicherungsleistungen in dieser Periode, während er später weniger zahlt. Das hat zur Folge, dass das Äquivalenzprinzip zu Vertragsbeginn innerhalb der Vertragslaufzeit nicht mehr erhalten bleibt (an seiner Stelle tritt ein sog. erweitertes Äquivalenzprinzip). Die zur Zeit s ≥ 0 erwartete Differenz zwischem dem Barwert zukünftiger Leistungen und demjenigen zukünftiger Prämien bezeichnet man als das prospektive Deckungskapital zur Zeit s. Das prospektive Deckungskapital ist also der bedingte Erwartungswert des zukünftigen Verlustes des VR, gegeben den bisherigen Zustandverlauf. Das erweiterte Äquivalenzprinzip besagt also, dass zu einem späteren Vertragszeitpunkt ein Gleichgewicht von zukünftigen Leistungen einerseits sowie zukünftigen Prämien und prospektivem Deckungskapital andererseits vorliegen muss. Anstelle der Bezeichnung Deckungskapital werden auch die Begriffe Deckungsrückstellung oder Reserve verwendet. Bei dem Begriff Deckungsrückstellung denkt man an die Erfüllbarkeit für die Zukunft eingegangener Leistungsverpflichtungen aus Bilanzsicht. Bei dem Begriff Prämienreserve denkt man an die schon gezahlten, aber noch nicht für die Erfüllung der für die Vergangenheit eingegangenen Leistungsverpflichtungen verbrauchten Prämien oder Beiträge, sieht das Ganze eher retrospektiv. Gründe für die Bildung von Deckungsrückstellungen: • Ausweis der Verpflichtungen des Versicherungsunternehmens an die Versicherungsnehmer in der Bilanz. Der Betrag muss in der Bilanz als Rückstellung passiviert werden, • Ausgleich zwischen dem im Zeitablauf steigenden Aufwand des VU und der gleichbleibenden Prämie des VN (kurz: steigendes Risiko bei konstanter Prämie), • Ausweis der Spar- und Entsparprozesse bei kapitalbildenden Lebensversicherungen.
9 DECKUNGSRÜCKSTELLUNGEN IN DER LV
67
Grundsätzlich bezieht sich der Begriff Deckungskapital auf ein Versichertenkollektiv, es kann aber auch durch Aufteilung auf die Mitglieder des Kollektivs zu einem Einzeldeckungskapital werden. Seiner Natur nach ist das Deckungskapital ein auf die Zukunft gerichter Begriff: Es hat sicherzustellen, dass der VR auch in Zukunft seine Verpflichtungen erfüllen kann, sofern der VN dies tut. Man kann auch ein auf die Vergangenheit beruhendes retrospektives Deckungskapital einführen, welches das zu Vertragsbeginn vorhandene Gleichgewicht von Leistungen und Prämien zu späteren Vertragszeitpunkten s in ein Gleichgewicht von Endwerten der bisherigen Leistungen und Deckungskapital einerseits sowie Endwert der bisherigen Prämien andererseits überführt Das deutsch Versicherungsbilanzrecht in § 341 f HGB schreibt allerdings vor, dass das Deckungskapital bei der nach Art der LV betriebenem Versicherungsgeschäft wenn möglich prospektiv zu berechnen ist. Wir verzichten daher auf eine weitere Darstellung des Begriffes retrospektive Deckungsrückstellung und beschränken uns auf die in der Praxis üblichen Verwendung der retrospektiven Darstellung des prospektiven Deckungskapitals, die dann Anwendung findet, wenn eine prospektive Berechnung nicht möglich ist.
9.2
Das prospektive Deckungskapital
Wie üblich sei Tx die zukünftige Lebensdauer von (x), aufgefasst als Zufallsvariable auf einem W-Raum (Ω, A, P ) mit Verteilungsfunktion Fx . Die allgemeine Klasse der Versicherungszahlungsfunktionen A ist zu groß, um allgemeine Aussagen in dieser Klasse abzuleiten. Alle bisher betrachteten Spezialfälle von Versicherungszahlungsfunktionen waren in der Teilklasse der (diskreten) natürlichen Versicherungszahlungsfunktionen enthalten. Eine natürliche Versicherungszahlungsfunktion A = DA + SA ist eine Versicherungszahlungsfunktion, wie folgt definiert ist: Definition 9.2.1 Eine Versicherungsleistungsfunktion der Form SAs : t 7→ F (t) · 1[0,s) (t) + F (s − 0) · 1[s;∞) (t), wobei F : [0; ∞) → [0; ∞) eine Verteilungsfunktion ist, heißt natürliche Erlebensfallleistungsfunktion. Eine Versicherungsleistungsfunktion der Form DAs : t 7→ D(s) · 1[DT (s);∞) (t) mit monoton nichtfallender Leistungszeit (Fälligkeitszeit) DT : (0; ∞) → (0; ∞), DT ≥ Id, und Leistungshöhe (”Versicherungssumme”) D : ((0; ∞), B((0; ∞)) → ([0; ∞), B([0; ∞))) heißt natürliche Todesfallleistungsfunktion.
9 DECKUNGSRÜCKSTELLUNGEN IN DER LV
68
Jede Kombination der Gestalt A := DA + SA mit SA und SA wie oben heißt natürliche Versicherungsleistungsfunktion oder Versicherungszahlungsfunktion. Im Folgenden betrachten wir wie bisher üblich ausschließlich diskrete Versicherungszahlungsfunktionen. D.h. die Zahlungen erfolgen ausschließlich zu diskreten Zeitpunkten 0 =: s0 < s1 < . . . sn < sn+1 < . . . Dann folgt mit DT (s) =
∞ X
sk · 1(sk−1 ;sk ] (s)
k=1
und D(s) =
∞ X
D(sk ) · 1(sk−1 ;sk ] (s)
k=1
für die natürliche Todesfallleistung: DAs (t) =
∞ X
D(sk ) · 1(sk−1 ;sk ] (s) · 1[sk ;∞) (t).
k=1
Für die natürliche Erlebensfallleistung SAs (t) = F (t)·1[0;s) (t)+F (s−0)·1[s;∞) (t) ergibt sich mit ∞ X F (t) = S(sk ) · 1[sk ;∞) (t) k=0
folgende Darstellung: SAs (t) =
∞ X
S(sk )1[sk ;∞) (t)1[0;s) (t) +
k=0 ∞ X
+
k=0
= =
∞ X k=0 ∞ X
S(sk )
1(s ;∞) (s)1[s;∞) (t) | k {z }
=1(sk ;∞) (s)1[sk ;∞) (t)−1(sk ;∞) (s)1[sk ;s) (t)
S(sk )(1[sk ;∞) (t)1[0;s) (t) + 1(sk ;∞) (s)1[sk ;∞) (t) − 1(sk ;∞) (s)1[sk ;s) (t)) S(sk )1[sk ;∞) (t)1(sk ;∞) (s),
S(sk ) ≥ 0 ∀k ∈ N0 .
k=0
SAs (t) stellt somit die Gesamtleistung des VR bis zum Zeitpunkt t dar, wenn der VN zum Zeitpunkt s verstirbt. Die Finanzmathematischen Barwerte (d.h. die Bewertung mittels Kapitalfunk-
9 DECKUNGSRÜCKSTELLUNGEN IN DER LV
69
tion K) ergeben sich wie gehabt: X
SBx =
=
sk
K(sk )
S(sk ) K(sk ) 1(sk ;∞) (Tx )
∞ X k−1 X S(sj ) 1 (Tx ), = K(sj ) (sk−1 ;sk ] k=1 j=0
bzw. ∞
DBx =
X D(sk ) D (Tx ) = 1 (Tx ), K ◦ DT K(sk ) (sk−1 ;sk ]
D(sk ) ≥ 0 ∀k ∈ N.
k=1
Die versicherungsmathematischen Barwerte ergeben sich mit Hilfe der ganzzahlig gestutzten zukünftigen Lebensdauer Tx von (x) und Rx wie gehabt: E(SBx ) =
∞ X
sbx (k)νx (k) mit
k=0
sbx (k) =
j−1 ∞ X X S(sl ) P (sj−1 − k < Rx ≤ sj − k|Kx = k) und K(sl ) j=1 l=0
E(DBx ) = dbx (k) =
∞ X
dbx (k)νx (k) mit
k=0 ∞ X j=1
D(sj ) P (sj−1 − k < Rx ≤ sj − k|Kx = k). K(sj )
Sei ωx das Höchstalter von (x). Für s ≥ 0 sei DBx,s der (finanzmathematische) Barwert zur Zeit s aller strikt nach s ausgelösten Todesfallleistungen:
D (Tx )K(s) K ◦ DT X D(sk ) = 1(s;∞) (Tx ) 1 (Tx )K(s) K(sk ) (sk−1 ;sk ]
DBx,s = 1(s;∞) (Tx )
sk ≥s1
Speziell für s = sj folgt: DBx,sj =
X sj ≤sk+1 <ωx −x
D(sk+1 ) 1 (Tx )K(sj ). K(sk+1 ) (sk ;sk+1 ]
Analog: Sei SBx,s der (finanzmathematische) Barwert zur Zeit s aller ab einschließlich s fälligen Erlebensfallzahlungen:
9 DECKUNGSRÜCKSTELLUNGEN IN DER LV
X
SBx,s =
s0 ≤sk <ωx −x
S(sk ) (1 (Tx ) − 1(sk ;∞) (s))K(s) K(sk ) (sk ;∞)
X
=
70
DT (s)≤sj
S(sj ) K(s). K(sj )
Analog ist der Barwert P Bx,s zur Zeit s aller ab einschließlich s fälligen Prämienzahlungen definiert: X
P Bx,s =
DT (s)≤sj
Px (sj ) K(s). K(sj )
Speziell gilt für s = sj :
SBx,sj
X
=
sj ≤sk
P Bx,sj
X
=
sj ≤sk
S(sk ) K(sj ) und K(sk ) P (sk ) K(sj ). K(sk )
Sei Bx,s = DBx,s + SBx,s − P Bx,s . Definition 9.2.2 Das prospektive Deckungskapital der natürlichen Versicherungszahlung A für (x) zur Zeit s ≥ 0 ist: V0 (s) := s Vx := E(Bx,s |Tx > s), vorausgesetzt, die rechte Seite ist wohldefiniert. Wie man später sieht, ist die rechte Seite wohldefiniert, wenn 1 (1 − Fx (sk ))(|S(sk )| + |Px (sk )|) < ∞ K(sk ) −x
X sk <ωx
gilt. Im folgenden sei stets diese Voraussetzung erfüllt. Es gilt: E(Bx,s |Tx > s) =
1 P (Tx > s)
Z DBx,s + SBx,s − P Bx,s dP. {Tx >s}
9 DECKUNGSRÜCKSTELLUNGEN IN DER LV Betrachte zunächst: Z 1 DBx,s dP P (Tx > s) {Tx >s} Z 1 = K(s) P (Tx > s) {Tx >s} s X
=
s≤sk+1 <ωx −x
X
=
s≤sk+1 <ωx −x
X k+1 <ωx
71
D(sk+1 ) 1 (Tx )dP K(sk+1 ) (sk ;sk+1 ] −x
D(sk+1 ) P (sk < Tx ≤ sk+1 ) K(s) K(sk+1 ) P (Tx > s) D(sk+1 ) P (sk < Tx ≤ sk+1 |Tx > s)K(s). K(sk+1 )
Analog: Z
1
SBx,s dP
P (Tx > s) =
{Tx >s}
Z
1 P (Tx > s)
X
{Tx >s} DT (s)≤s
X
=
DT (s)≤sk <ωx −x
X
=
DT (s)≤sk <ωx −x
S(sk ) K(s)dP K(sk )
S(sk ) P (sk < Tx ) K(s) < ∞ laut Voraussetzung K(sk ) P (Tx > s) S(sk ) K(s)P (sk < Tx |Tx > s), K(sk )
bzw. Z
1
P Bx,s dP
P (Tx > s) =
{Tx >s}
X DT (s)≤sk <ωx −x
Px (sk ) K(s)P (sk < Tx |Tx > s), K(sk )
Falls sj = j für alle j ∈ N0 und s = k, so folgt: [ωx −x−0] k Vx
=
X l=k [ωx −x−0]
+
X l=k [ωx −x−0]
−
X l=k
S(l) K(k)P (Tx > l|Tx > k) K(l) D(l + 1) K(k)P (l < Tx ≤ l + 1|Tx > k) K(l + 1) Px (l) K(k)P (Tx > l|Tx > k). K(l)
Falls die Stationaritätsbedingung gilt mit K(l) = v −l und falls das Alter des VN als ganzzahlig vorausgesetzt wird (siehe Voraussetzung 3), so gilt mit ωx ≡
9 DECKUNGSRÜCKSTELLUNGEN IN DER LV
72
ω0 ∈ N und ω = ω0 − 1 (Schlussalter) bzw. [ωx − x − 0] = ωx − x − 1: k Vx
=
+
−
ω−x X l=k ω−x X l=k ω−x X
S(l) · v l−k · l−k px+k D(l + 1) · v l+1−k · l−k px+k · qx+l Px (l) · v l−k · l−k px+k .
l=k
Setze Bx+k = +
ω−x X l=k ω−x X
S(l) · v l−k · l−k px+k D(l + 1) · v l+1−k · l−k px+k · qx+l .
l=k
Falls Px (·) ≡ Px , so folgt: k Vx
= Bx+k − Px
ω−x X
v l−k · l−k px+k = Bx+k − Px · a ¨x+k .
l=k
9.3
Klassische Lebensversicherung
Es gelten die Voraussetzungen 1) - 4) der klassischen Lebensversicherung, A sei eine natürliche diskrete Versicherungszahlungsfunktion, die Zahlungen nur zu Jahreswechseln vorsieht. Es gelt ω−x X
v l (1 − Fx (l))(|S(l)| + |Px (l)|) < ∞,
l=0
und es gelte die Stationaritätsbedingung. Sei sk ≡ k Schlussalter der Sterbetafel.
∀k ∈ N0 , ω = ω0 − 1 das
Sei weiter:
x = Eintrittsalter, n = Versicherungsdauer,
n≤ω−x+1
m = zurückgelegte Vertragslaufzeit,
m ∈ N, m < n
Px = konstante Nettoprämie Dann gilt: m Vx
= Bx+m − Px · a ¨x+m:n−m|
9 DECKUNGSRÜCKSTELLUNGEN IN DER LV
73
mit Bx+m =
n X
S(l)v l−m l−m px+m +
n−1 X
D(l + 1)v l+1−m l−m px+m qx+k
l=m
l=m
als Barwert der künftigen Versicherungsleistungen im Alter x+m. D.h. die letzte Zahlung S(n) erfolgt bei Erleben des Ablaufs zum Zeitpunkt n, also zu Beginn des n + 1-ten Versicherungsjahres. Erweiterte Äquivalenzgleichung: Zu jedem Zeitpunkt der Versicherungsdauer gilt: vorhandenes Deckungskapital + erwarteter Barwert zukünftiger Prämieneinnahmen = erwarteter Barwert der zukünftigen Versicherungsleistungen ”prospektiver Ansatz” Nach dem (einfachen) Äquivalenzprinzip gilt:
Bx+m = Px+m a ¨x+m:n−m| ⇒ m Vx = (Px+m − Px )¨ ax+m:n−m| (”Prämiendifferenzformel”)
Beispiele: a) n-jährige Erlebensfallversicherung mit VS 1 und jährlich vorschüssig zahlbare konstante Prämien: Für k ∈ {0, . . . , n} und Px = P (n Ex ) ist
k Vx
= v n−k n−k px+k − Px
n−1 X
v l−k l−k px+k
l=k
=
¨x+k:n−k| . n−k Ex+k − Px a
Insbesondere ist 0 Vx = 0 (Äquivalenzprinzip) und n Vx = 1. In Kommutationszahlen dargestellt erhält man: k Vx
=
Dx+n Dx+n Nx+k − Nx+n − . Dx+k Dx+k Nx − Nx+n
9 DECKUNGSRÜCKSTELLUNGEN IN DER LV
74
b) lebenslange Todesfallversicherung mit VS 1 und n Jahre lang jährlich vorschüssig zahlbaren konstanten Prämien: Für k ∈ {0, . . . , n} und Px = P (Ax ) ist k Vx
ω−x X
=
v
l+1−k
l−k px+k
· qx+l − Px
n−1 X
v l−k l−k px+k
l=k
l=k
= Ax+k − Px a ¨x+k:n−k| . In Kommutationszahlendarstellung erhält man: k Vx
9.4
Mx+k Nx+k − Nx+n Mx − . Dx+k Nx − Nx+n Dx+k
=
Rekursionsformel und retrospektive Darstellung
Satz 9.4.1 Sei A eine natürliche Versicherungszahlungsfunktion bei einem unter einem einzigen Risiko stehendem Leben (x), die Zahlungen nur zu Jahreswechseln vorsieht. Es gelte: [ω−x−0]
X
v(l)(1 − Fx (l))(|S(l)| + |Px (l)|) < ∞.
l=0
Dann gilt für alle k ∈ N0 mit P (Tx > k) > 0 k Vx
= S(k) − Px (k) + v(k + 1)K(k)P (Tx ≤ k + 1|Tx > k)D(k + 1) +v(k + 1)K(k)P (Tx > k + 1|Tx > k)k+1 Vx .
Im Spezialfall zusammengesetzter Verzinsung mit Diskontierungsfaktor v und bei zusätzlicher Gültigkeit der Stationaritätsbedingung ist k Vx
= S(k) − Px (k) + vqx+k D(k + 1) + v · px+k · k+1 Vx .
Beweis: [ωx −x−0]
S(k) +
X l=k+1
= S(k) +
K(k) P (Tx > k + 1|Tx > k) · K(k + 1)
[ωx −x−0]
·
X l=k+1
S(l) K(k)P (Tx > l|Tx > k) K(l)
S(l) K(k + 1)P (Tx > l|Tx > k + 1). K(l)
9 DECKUNGSRÜCKSTELLUNGEN IN DER LV
75
Analog [ωx −x−0]
Px (l) K(k)P (Tx > l|Tx > k) K(l)
X l=k
= Px (k) + [ωx −x−0]
X l=k+1
K(k) P (Tx > k + 1|Tx > k) K(k + 1) Px (l) K(k + 1)P (Tx > l|Tx > k + 1). K(l)
Und [ωx −x−0]
X l=k
D(l + 1) K(k)P (l + 1 ≥ Tx > l|Tx > k) K(l + 1)
= D(k + 1)
K(k) P (Tx ≤ k + 1|Tx > k) K(k + 1)
[ωx −x−0]
+
X l=k+1
·
D(l + 1) K(k + 1)P (l + 1 ≥ Tx > l|Tx > k + 1) K(l + 1)
K(k) P (Tx > k + 1|Tx > k). K(k + 1)
Daraus folgt: k Vx
= S(k) − Px (k) + D(k + 1)K(k)v(k + 1)P (Tx ≤ k + 1|Tx > k) +v(k + 1)K(k)P (Tx > k + 1|Tx > k)k+1 Vx .
Falls zusammengesetzte Verzinsung mit Diskontierungsfaktor v vorliegt und die Stationaritätsbedingung gilt, so folgt k Vx
= S(k) − Px (k) + vqx+k D(k + 1) + v · k+1 Vx · px+k .
”Versicherungsmathematische Bilanzgleichung=Fundamentalgleichung für das prospektive Deckungskapital” (Vorwärtsgleichung).
9.5
Zerlegung der Nettoprämie in Spar- und Risikoanteil
Interpretation der Rekursionsformel: Falls (x) zur Zeit k noch lebt, so genügt das prospektive Deckungskapital zur Zeit k, um folgende Zahlungen zu finanzieren: • die Erlebensfallleistung S(k) − Px (k) exakt zur Zeit k, die per Konvention als noch nicht getätigt gilt.
9 DECKUNGSRÜCKSTELLUNGEN IN DER LV
76
• eine einjährige Todesfallversicherung für (x) im Zeitintervall (k; k + 1] mit VS D(k + 1). • eine Versicherung für (x) auf das Erleben des Zeitpunktes k + 1 mit VS k+1 Vx . Löst man die Rekursionformel nach Px (k) auf, so erhält man für alle k ∈ N0 mit S(k) = 0
Px (k) = v(k + 1)K(k)k+1 Vx − k V x + v(k + 1)K(k)(D(k + 1) − k+1 V x )P (Tx ≤ k + 1|Tx > k) bzw. bei zusammengesetzter Verzinsung mit Diskontierungsfaktor v und bei Gültigkeit der Stationaritätsbedingung:
Px (k) = v · k+1 V x − k V x + v · (D(k + 1) − k+1 V x )qx+k Cx+k = v · k+1 V x − k V x + (D(k + 1) − k+1 V x ) | {z } Dx+k | {z } P S (k) x
PxR (k)
⇒ Zerlegung der Prämie des (k + 1)-ten Versicherungsjahres in die Sparprämie: PxS (k) = v · k+1 V x − k V x , die der Auffüllung der Deckungsrückstellung dient, und in die Risikoprämie: PxR (k) =
Cx+k (D(k + 1) − k+1 V x ) = qx+k v(D(k + 1) − k+1 V x ), Dx+k
die zur Abdeckung des Todesfallrisikos in (k; k + 1] benötigt wird. Am Ende des Jahres steht noch das Kapital D(k + 1) − k+1 V x unter Risiko. Diskontiert auf den Zeitpunkt der Beitragszahlung zu Beginn des (k + 1)-ten Jahres ergibt dies: v(D(k + 1) − k+1 V x ). Der Erwartungswert der im (k + 1)ten Jahr zu bezahlenden Leistungen, also das erwartete Risiko des (k + 1)-ten Versicherungsjahres, beläuft sich daher auf: qx+k v(D(k + 1) − k+1 V x ) = PxR (k). Das Versicherungsgeschehen im (k + 1)-ten Versicherungsjahr wird damit aufgefasst als eine Verbindung eines Sparvorganges und einer einjährigen Todesfallversicherung mit VS (D(k + 1) − k+1 V x ) (=”riskiertes Kapital” oder ”Risikosumme”). • Das riskierte Kapital kann auch negativ sein!
9 DECKUNGSRÜCKSTELLUNGEN IN DER LV
77
• Die Risikoprämie hängt über k+1 V x von den Gegebenheiten in der gesamten Restlaufzeit des Vertrages ab. • Gilt das Äquivalenzprinzip und ist S(0) = . . . = S(k) = 0, so gilt offenbar: k Vx
= K(k)
k−1 X
PxS (l) · v(l)
l=0
Partialsummen der aufgezinsten Sparprämien liefern die Deckungskapitalien. Hinweis: Risikoprämie und Sparprämie hängen von k ab und ändern sich daher in jedem Jahr.
9.6
Gezillmerte und ausreichende Deckungsrückstellung
a) Ausreichende Deckungsrückstellung / Deckungskapital Berücksichtigung der Kostenzuschläge αz , γ bei der Reserveberechnung nach dem prospektiven Ansatz sowohl bei dem Barwert der zukünftigen Prämien als auch beim Barwert der künftigen Versicherungsleistungen. b) Gezillmerte Deckungsrückstellung / Deckungskapital Hier werden nur die reinen Versicherungsleistungen und die (unmittelbaren) Abschlusskosten im Sinne der nachfolgenden Vorschriften eingerechnet: Rechtsgrundlage für die Zulässigkeit der Zillmerung ist §4 Abs. 1 DeckRV: Im Wege der Zillmerung werden die Forderungen auf Ersatz der geleisteten, einmaligen Abschlusskosten einzelvertraglich bis zur Höhe des Zillmersatzes ab Versicherungsbeginn aus den höchstmöglichen Prämienanteilen gedeckt, die nach den verwendeten Berechnungsgrundlagen in dem Zeitraum, für den die Prämie gezahlt wird, weder für Leistungen im Versicherungsfall noch zur Deckung von Kosten für den Versicherungsbetrieb bestimmt sind. Der Zillmersatz darf 40h der Summe aller Prämien nicht überschreiten. Das bedeutet: • es müssen Forderungen bestehen (vertragliche Vereinbarungen) auf Ersatz der einmaligen Abschlusskosten. • Kosten (Abschlusskosten) müssen (global) anfallen.
9 DECKUNGSRÜCKSTELLUNGEN IN DER LV
78
• der Tilgungsvorgang ist unter diesen Bedingungen vorgeschrieben. Der Versicherer finanziert die Abschlusskosten vor. Der VN muss dies mit den Beiträgen in den ersten Versicherungsjahren tilgen. Bemerkung: Die Zillmerung ist eine zweifache Abänderung des Versicherungsvertrages: i) Die Nettoprämie wird um den Zillmerbetrag erhöht (interne Kostenbelastung) ii) Die Kosten werden so schnell wie möglich getilgt (der Tilgungsaufwand reduziert damit auch die Nettoprämie). Die Nettoprämie ist nicht mehr konstant; in den ersten Jahren wird nur das Risiko der jeweiligen Versicherungsperiode gedeckt. Der Teil des Beitrages, der über dem Leistungsbarwert der jeweiligen Versicherungsperiode liegt, wird zur Tilgung verwendet. Dabei müssen die Kosten der jeweiligen Versicherungsperiode ebenfalls durch die Beiträge gedeckt werden. Es muss unabhängig vom Reservierungsaufwand getilgt werden, d.h. die Bildung des Deckungskapitals erfolgt später. In der ersten Periode ist wegen der negativen gezillmerten Deckungsrückstellung noch kein Rückkaufswert vorhanden. In den früheren Jahren sind die Rückkaufswerte geringer als die Beiträge, die bis dahin gezahlt wurden. Die Finanzierung der Rückkaufswerte setzt später ein.
9.7
Formeln für das gezillmerte und ausreichende Deckungskapital
Es liege die zusammengesetzte Verzinsung mit Diskontierungsfaktor v ∈ (0; 1] zugrunde. Satz 9.7.1 Gegeben sei eine natürliche Versicherungszahlungsfunktion für ein Leben (x) mit Versicherungsdauer n ∈ N Jahre und Beitragszahlungsdauer m ∈ {1, . . . , n} Jahre mit jährlich vorschüssig zahlbaren konstanten Nettoprämien Px,m > 0. GA > 0 und GG > 0 seien die Bemessungsgrundlagen für die (einmaligen) Abschlusskosten bzw. die allgemeinen Verwaltungskosten. αz ≥ 0 sei der Zillmersatz. Zusammen mit jeder Prämienzahlung fallen β-Kosten β · a Px,m , β ∈ [0; 1), und γ-Kosten γ1 · GG1 , γ1 ≥ 0, und nach der Prämienzahlungsdauer jährlich vorschüssig γ-Kosten γ2 · GG2 , γ2 ∈ [0; γ1 ], an. Es gelte zudem die Stationaritätsbedingung.
9 DECKUNGSRÜCKSTELLUNGEN IN DER LV
79
Dann gilt für alle s ∈ [0; n] αz sVx
= s Vx −
αz · GA · a ¨x:m|
und a sV x
m−1 X
v l−s · l−s px+s
l=[s−0]+1
z
= αs V x + γs V x
mit Pn−1 l−s · l−s px+s l=[s−0]+1 v P a ¨x:n| m−1 γ · l=[s−0]+1 v l−s · l−s px+s , s ≤ m − 1 − a¨ s V x := γ2 · GG2 · x:m| Pn−1 l−s · s ∈ (m − 1; n]. l−s px+s , l=[s−0]+1 v γ sV x
heißt Verwaltungskostenreserve.
Beweis: Œ sei GA = GG2 = 1. Sei s ∈ [0; n]. Konvention: m > n. z
⇒ α P x,m = Px,m −
Pn
l=m
= 0 für
αz . a ¨x:m|
Damit erhält man für dem Barwert zukünftiger Prämien: Z 1 z αz E(α P B x,s |Tx > s) := P B x,s dP P (Tx > s) {Tx >s} m−1 X
=
αz
P x,m · v l−s · l−s px+s
l=[s−0]+1 m−1 X
=
Px,m · v
l−s
l=[s−0]+1
αz · l−s px+s + · a ¨x:m|
m−1 X
v l−s · l−s px+s .
l=[s−0]+1
Daraus folgt: αz sVx
= s Vx −
αz · a ¨x:m|
m−1 X
v l−s · l−s px+s .
l=[s−0]+1
Analog folgt wegen a
αz
Px,m
¨x P x,m γ1 γ2 m|n−m a = Px,m + + + − Px,m 1−β 1−β 1−β a ¨x:m| αz a ¨x:n| P x,m γ1 − γ2 γ2 = Px,m + + + · − Px,m 1−β 1−β 1−β a ¨x:m|
und a ¨x:n| = a ¨x:m| + m|n−m a ¨x ,
9 DECKUNGSRÜCKSTELLUNGEN IN DER LV
80
dass αz P
a ¨x:n| γ1 − γ2 γ2 = s Vx + Px,m − − − · 1−β 1−β 1−β a ¨x:m|
a sV x
·
m−1 X
x,m
v l−s · l−s px+s
l=[s−0]+1
+
a ¨x:n| β β αz β P x,m + (γ1 − γ2 ) + γ2 · 1−β 1−β 1−β a ¨x:m| ·
m−1 X
v l−s · l−s px+s
l=[s−0]+1
+γ1 ·
m−1 X
v
l−s
· l−s px+s + γ2 ·
l=[s−0]+1
=
s Vx
n−1 X
v l−s · l−s px+s
l=max{m;[s−0]+1} z
+ (Px,m − α P x,m ) ·
m−1 X
v l−s · l−s px+s
l=[s−0]+1
−(γ1 − γ2 + γ2 ·
+γ1 ·
m−1 X
a ¨x:n| )· a ¨x:m|
m−1 X l=[s−0]+1
αz sVx
+γ2 ·
n−1 X
v l−s · l−s px+s + γ2 ·
l=[s−0]+1
=
v l−s · l−s px+s
+ γ2 · (1 −
v l−s · l−s px+s
l=max{m;[s−0]+1}
a ¨x:n| )· a ¨x:m|
n−1 X
m−1 X
v l−s · l−s px+s
l=[s−0]+1
v l−s · l−s px+s .
l=max{m;[s−0]+1}
Die vorletzte Summe ist 0, falls s > m − 1. 2
Anmerkung: 1. Es gilt: ausreichende DR = gezillmerte DR + Verwaltungskostenrückstellung!
2. Ausreichende Deckungsrückstellung bei ganzzahligen Vertragszeitpunkten: a ¨x+k:m−k| γ a z + sV x k V x = k Vx − α · GA · a ¨x:m| mit ( γ sV x
:= γ2 · GG2 ·
a ¨x+k:n−k| − a ¨x+k:n−k| ,
a ¨x:n| a ¨x:m|
·a ¨x+k:m−k| , k ≤ m − 1 k = m, . . . , n
.
9 DECKUNGSRÜCKSTELLUNGEN IN DER LV 3.
81
αV 0 x
ist stets negativ; je nach Tarif, Vertrags- und Prämienzahlungsdauer können auch später gezillmerte Deckungskapitalien negativ sein. Die Idee von Zillmer war, den Zillmersatz so hoch zu anzusetzen, dass am Ende des ersten Versicherungsjahres die Deckungsrückstellung 0 ist. Er Z =P verwendet die sogenannnte x + 1-Methode: Px,n x+1,n−1 . Die Zillmerung kann im Einzelfall unvernünftig sein (z.B. bei langlaufenden Risikoversicherungen mit fallender Versicherungssumme. Hier wird die Deckungsrückstellung nicht mehr positiv.) Daraus folgt, dass Rückkaufswerte periodengerecht finanziert werden müssen. Rückkaufswerte können demnach erst nach einigen Jahren gewährt werden. Bei früher Kündigung sind die bis dahin gezahlten Beiträge ganz oder teilweise verloren.
Aber: Auch der Versicherer erleidet bei Frühstorno einen Verlust, vor allem aus noch nicht erwirtschafteten überrechnungsmäßigen Abschlusskosten. 4. Verwaltungskostenrückstellung: Diese wird nur bei Einmalbeitragsversicherungen bzw. bei Verträgen mit abgekürzter Beitragszahlungsdauer gebildet: Der Vertrag muss auch während der beitragsfreien Zeit verwaltet werden, d.h. es entsteht ein Verwaltungsaufwand auch dann, wenn keine Prämien gezahlt werden. Also muss während der Beitragszahlungsdauer eine Reserve aufgebaut werden, aus der nach Ablauf der Beitragszahlungsdauer die Verwaltungskosten finanziert werden können. Während der beitragspflichtigen Zeit wird die Rückstellung aufgebaut, in der beitragsfreien Zeit wird sie wieder abgeschmolzen. Im Vergleich zum prospektiven Deckungskapital ist die Verwaltungskostenrückstellung eher klein.
9.8
Bilanzdeckungsrückstellung
In der Praxis werden Deckungskapitalien jeweils am Ende eines Versicherungsjahres berechnet. Die Bilanzdeckungsrückstellung ist die Deckungsrückstellung zum Bilanzstichtag (in der Regel der 31.12. eines Jahres, wenn das Geschäftsjahr gleich dem Kalenderjahr ist). Beginnt das Versicherungsjahr am 1.h. eines Jahres, so wird die Bilanzdeckungsrückstellung in der Praxis mit Hilfe der Näherungsformel aus Aufgabe 23 berechnet: Der Vertrag befinde sich im (m + 1)-ten Versicherungsjahr: B m Vx
= ma Vx +
Bemerkungen:
13 − h a h−1 a 13 − h a (m+1 Vx − ma Vx ) = Vx . m Vx + 12 12 12 m+1
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG
82
• Bei der Bilanz-DR wird stets die ausreichende Deckungsrückstellung zugrunde gelegt. • Negative Bilanzdeckungsrückstellungen werden auf 0 gesetzt. Beruht der negative Wert der Bilanz-DR auf der Zillmerung, wird er als Forderung an VN aus dem selbst abgeschlossenen Geschäft (= noch nicht fällige Ansprüche) mit positivem Vorzeichen auf die Aktivseite übertragen (aktiviert). • Über den Bilanzstichtag hinaus gezahlte Beitrags- oder Rententeile werden als Beitragsüberträge in der Bilanz ausgewiesen.
10
Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung
Die vorsichtige Kalkulation führt bei den Lebensversicherern zwangsläufig zu Überschüssen (früher: in beachtlicher Höhe). Überschussanalyse: Frage: Welche Überschüsse entstehen in welcher Höhe und aus welchen Gründen? Und daraus ergibt sich die Frage: Welche Abweichung vom erwarteten Versicherungsverlauf, der der Prämienkalkulation zugrundegelegt wurde, tritt ein? Verfahren zur Überschussanalyse: • einzelvertraglich: – Ertragswertberechnung – Profitabilitätstest – Deckungsbeitragsberechnung • bezogen auf einen Versicherungsteilbestand: – Gewinnanalyse – Bestandsprojektion – embedded value Welches Verfahren verwendet wird, hängt von der zugrundeliegenden Fragestellung ab.
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG
83
Interpretation: Die Überschussbeteiligung kann man als Rückerstattung von aus Sicherheitsgründen überhöhten Versicherungsprämien interpretieren. Folgerung: Der Wettbewerb der LVU untereinander spielt sich im wesentlichen über die Höhe der Überschussbeteiligung ab. Wer ist an der Entstehung und Verteilung von Überschüssen interessiert? • VN, als Rückerstattung von aus Sicherheitsgründen überhöhten Versicherungsprämien. • die Anteilseigner eines Unternehmens, bei AG die Aktionäre. Ein Teil des Überschusses wird hier als Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet. • Steuerbehörde • Das LVU selber. Ein Teil des Gewinnes steht dem LVU zur Stärkung des Eigenkapitals zur Verfügung. Dieser Betrag wird am Ende der GuV als Gewinn ausgewiesen.
10.1
Bilanz und GuV:
Es besteht eine gesetzliche Verpflichtung (HGB, AktG, div. Steuergesetze), in regelmäßigen Abständen Rechenschaft über seine wirtschaftlichen Verhältnisse abzulegen. Rechenschaft muss gegenüber der Steuerbehörde und gegenüber der Öffentlichkeit abgelegt werden (bei juristischen Personen (AG, GmbH, VVaG) oder bei Personengesellschaften ab einer bestimmten Größe). Ebenfalls ist das VU verpflichtet, Rechenschaft gegenüber der Aufsichtsbehörde abzulegen. Um die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens zu beurteilen und somit die Entstehung von Überschüssen darzulegen, werden einmal im Jahr zu einem Stichtag (i.d.R. bei LVU der 31.12.) sämtliche Vermögenswerte und Forderungen des Unternehmens aufgelistet. Diesen Vorgang nennt man Inventur, die Liste mit den Vermögenswerten Inventar. Zusammensetzung des Kapitals: z.B.: • Grundkapital (bei AG) • Rücklagen (gehören ebenfalls den Eigentümern) • Verbindlichkeiten • Rückstellungen
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG
84
• Vermögenswerte, die von der Gesamtheit der Versicherten bisher eingebracht wurden. VN haben in Form der DR wirtschaftlich (nicht rechtlich) einen Anspruch auf diese Vermögenswerte. 10.1.1
Bilanz
Begriff der Bilanz (italienisch bilancia = Waage): Gegenüberstellung von Vermögen und Kapital an einem bestimmten Stichtag. Bilanzgleichung: Summer aller Aktiva = Summe aller Passiva bzw. Vermögen = Kapital. Auf der linken Seite der Bilanz, der Aktivseite, stehen sämtliche im Unternehmen vorhandene Vermögenswerte zu Gruppen zusammengefasst. Auf der rechten Seite, der Passivseite, steht, woher das Vermögen stammt. Ist nun die Summe der Zahlen auf der Passivseite kleiner als die Summe der Zahlen der Aktivseite, so ist mehr Vermögen im Unternehmen als Forderungen an das LVU gestellt werden. ⇒ Differenz = Bilanzgewinn ⇒ wird passiviert, so dass beide Seiten gleich sind. Umgekehrt: Aktivseite < Passivseite: Bilanzverlust ⇒ wird aktiviert. Mindestanforderungen an die Bilanz: siehe RechVersV. Bilanzgliederung: Die allgemeine Gliederungsvorschrift des § 266 HG wird ersetzt durch das Formblatt 1 gemäß § 2 RechVersV. Um Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen zu garantieren, müssen sowohl Bilanz als auch GuV einem gewissen Schema entsprechen. Zusammen bilden Bilanz und GuV den Jahresabschluss eines LVU (§ 341 a HGB). Übersicht über die wesentlichen Bilanzpositionen und ihre quantitative Bedeutung am 31.12.2000 (Quelle: Geschäftsbericht des BAV 2000, Teil B):
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG
85
a) Aktivseite: A. B. C. D.
Ausstehende Einlagen auf das gezeichnete Kapital Immaterielle Vermögensgegenstände Kapitalanlagen Kapitalanlagen für Rechnung und Risiko von Inhabern von Lebensversicherungspolicen E I. Forderungen aus dem selbst abgeschlossenen Versicherungsgeschäft G I. Abgegrenzte Zinsen und Mieten Sonstige Aktiva (E II., E III., F, G II., H)
Bilanzsumme aller LVU am 31.12.2000:
0,08 % 0,08 % 93,22 % 1,91 % 0,93 % 1,61 % 2,17 % ———100,00 %
1.132,953 Mrd. DM
b) Passivseite: A. B./C.
Eigenkapital Genußrechtkapital und nachrangige Verbindlichkeiten D. Sonderposten mit Rücklageanteil E. Vers.-techn. Rückstellungen (netto) F. Vers.-techn. Rückstellungen im Bereich der LV, soweit das Anlagerisiko von den VN getragen wird H. Depotverbindlichkeiten aus dem in Rückdeckung gegebenen Versicherungsgeschäft I I.1. Verbindlichkeiten aus dem selbstabgeschlossenen Versicherungsgeschäft gegenüber den VN a) verzinslich angesammelte Überschussanteile b) sonstige Sonstige Passiva (G, I I.2, I I.3, I II. bis V., K)
1,21 % 0,02 % 0,11 % 83,66 %
1,84 % 4,40 %
5,92 % 1,59 % 1,25 % ———100,00 %
Anzahl der Unternehmen: 123
10.1.2
Die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) eines Lebensversicherers
a) Allgemeines: 1. Die GuV ist eine Gegenüberstellung der Erträge und Aufwendungen zur Ermittlung des Unternehmensergebnisses des Geschäftsjahres und der Dar-
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG
86
stellung seiner Quellen. 2. Abgrenzung der Erträge und Aufwendungen auf das Geschäftsjahr erforderlich 3. Staffelform statt Kontoform 4. Unterschiedliche Formblätter für Schaden-, Unfall- und Rückversicherer (Formblatt 2) sowie für Lebensversicherer, Pensions- und Sterbekassen und Krankenversicherer (Formblatt 3) Hauptunterschied: • Lebensversicher: Das Ergebnis aus Kapitalanlagen wird der versicherungstechnischen Rechnung zugewiesen • Schadenversicherer: Das Ergebnis aus Kapitalanlagen wird der nichtversicherungstechnischen Rechnung zugeordnet 5. Die GuV eines LVU wird in eine versicherungstechnische Rechnung und in eine nichtversicherungstechnische Rechnung aufgeteilt. 6. Eine Übersicht über die wichtigsten Aufwendungen und Erträge gibt die nachfolgende Übersicht.
b) Quantitative Bedeutung der wichtigsten Ertrags- und Aufwandspositionen der LVU im Jahr 1999
Erträge:
Posten 1. 2. 3. 4.
gebuchte Bruttobeiträge verdiente Bruttobeiträge Beiträge aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung Erträge aus Kapitalanlagen davon: laufende Erträge
in % der verdienten Bruttobeiträge 100,1 100,0 12,6 73,4 59,2
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG
87
Aufwendungen:
Posten 1. 2. 3. 4. 5.
6.
Brutto-Aufwendungen für Versicherungsfälle Brutto-Aufwendungen für Rückkäufe Veränderung der Brutto-Deckungsrückstellungen Brutto-Aufwendungen für Beitragsrückerstattung Brutto-Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb davon: a) rechnungsmäßig gedeckte Abschlussaufwendungen b) sonstige Abschlussaufwendungen c) Verwaltungsaufwendungen Aufwendungen für Kapitalanlagen davon: laufende Aufwendungen
in % der verdienten Bruttobeiträge 54,0 15,0 49,4 31,7 14,4
7,6 3,3 3,5 10,3 2,4
Ergebnispositionen:
Posten Ergebnis aus dem abgegebenen Rückversicherungsgeschäft Rohüberschuss Jahresüberschuss/ -fehlbetrag
in % der verdienten Bruttobeiträge -0,1 33,1 1,4
Nachrichtlich: Verdiente Bruttobeiträge 2000 = 119,658 Mrd. DM
Der Begriff des Überschusses: Gemeint ist der sogenannte Rohüberschuss, der aus der GuV folgendermaßen ermittelt werden kann:
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG
+ =
88
Jahresüberschuss / -fehlbetrag Bruttoaufwendungen für die Beitragsrückerstattung Rohüberschuss
Die Aufwendungen für die Direktgutschrift, d.h. der Teil des Überschusses, der der Deckungsrückstellung direkt gutgeschrieben wird, werden in die Berechnung des Rohüberschusses nicht mit einbezogen. Folgerung: Als Gewinn bezeichnet man die Differenz zwischen der Summe der Erträge und der Summe der Aufwendungen in dieser Periode.
10.2
Überschussentstehung:
Es gibt unterschiedliche Quellen, aus denen Überschüsse entstehen können: • Sterblichkeitsergebnis (andere Sterblichkeit als in der verwendeten Sterbetafel) • Ergebnis aus dem sonstigen Risiko (z.B. bei BUZ, Heiratsrisiko oder Unfallversicherung) ⇒ zusammen mit dem Sterblichkeitsergebnis ergibt sich hieraus das Risikoergebnis. • Ergebnis aus dem vorzeitigen Abgang (Stornoergebnis): – Storno am Beginn: Abschlusskostenverlust – Storno am Ende: Gewinn durch Stornoabschlag i.d.R. Verlustquelle, da Frühstorno höher als Spätstorno • Ergebnis aus Kapitalanlagen – Zinsergebnis (aus Differenz zwischen tatsächlich erwirtschafteten Zins und Rechnungszins) – übriges Kapitalanlageergebnis: ∗ Neubewertung der Kapitalanlagen eines VU (Aktiva) jährlich zum Bilanzstichtag ⇒ Buchgewinne /-verluste ∗ Gewinne / Verluste aus dem Abgang von Kapitalanlagen • Ergebnis aus Abschlusskosten: Differenz aus rechnungsmäßigen AK (Zillmerung und Amortisationszuschlag) und tatsächlichen AK ⇒ i.d.R. Verlustquelle • Ergebnis aus lfd. Verwaltung: Differenz aus den rechnungsmäßigen Kosten (β- und γ-Kosten, Stückkosten) und den tatsächlichen Aufwendungen ⇒ im Branchendurchschnitt Gewinnquelle.
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG
89
• Ergebnis aus dem Unterschied von Tarifbeitrag und Normbeitrag (Beitrag, der sich aus der Berechnung mit den Rechnungsgrundlagen der Reservierung ergibt), Abrechnung aus Gewinnzuschlägen • Rückverwsicherungsergebnis: Teil des Geschäftes wird an die Rückversicherung weitergegeben ⇒ Abrechnung der RV-Verträge führt zu Gewinnen oder Verlusten (meist leichte Verluste) • sonstiges Ergebnis: Einnahmen / Ausgaben, die nicht unter die anderen Positionen subsummierbar sind. Die quantitative Bedeutung der Überschussquellen wird anhand der Marktzahlen der letzten Jahre exemplarisch dargestellt.
Quantitative Bedeutung der Überschussquellen: Überschussquelle
2002
2001
2000
1998
1997
1996
Risiko und vorzeitiger Abgang
7,1
7,0
7,0
7,4
7,2
7,3
Kapitalanlagen
2,0
16,1
27,6
27,4
25,8
24,3
Abschlusskosten
-3,2
-3,3
-2,9
-2,7
-2,4
-2,6
3,5
3,6
3,6
3,7
3,7
3,5
Rückversicherungsergebnis
-0,2
0,1
0,1
-0,3
-0,4
-0,3
sonstiges Ergebnis
-1,1
-1,3
-2,1
-2,7
-2,3
-2,5
8,0
22,1
33,2
32,8
31,6
29,8
lfd. Verwaltungskosten
Gesamtergebnis
(jeweils in Prozent der verdienten Beiträge) Quelle: Geschäftsberichte der BaFin 2003 und des BAV 1998
Die Gewinn bzw. Verluste werden mit Hilfe der Kontributionsgleichung bestimmt. Fazit: Um die Ergebnisse der einzelnen Gewwinnquellen zu ermitteln, müssen sämtliche Beiträge zerlegt werden nach: • Risikoanteil • Sparbeitrag
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG
90
• Kostenanteil Die Ergebnisse müssen der BaFin in Form von standardisierten Meldungen (NW 213 - 219) mitgeteilt werden.
10.3
Die Ursachen des Überschusses und seine Quellen. Kontributionsgleichung
Zur Feststellung des Gewinns müssen umfangreiche Berechnungen am Versichertenbestand durchgeführt werden. Seit Einführung der automatisierten Datenverarbeitung erfolgt dies in der Regel für jeden einzelnen Tarif. Dies betrifft: • Prämien (Prämienzerlegung) • Versicherungsleistungen • Veränderung der Beitragsüberträge • Veränderung der Deckungsrückstellung • rechnungsmäßig gedeckte Abschlusskosten Die innerbetriebliche Rechnungslegung ist die Gewinnanalyse: Zerlegung des Gesamtjahresgewinns des LVU auf Teilbestände, über die als Abrechnungsverband getrennt abgerechnet werden. Betriebswirtschaftliche Problem: • Wesentliche Positionen, wie z.B. die Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb können nicht direkt zugeordnet werden, sondern müssen in geeigneter Weise aufgeschlüsselt werden. • Der Jahresüberschuss jedes Abrechnungsverbandes muss auf die einzelnen Überschussquellen (Risiko, Vermögen (Kapital), Storno, Kosten) mit Hilfe der Kontributionsformel verteilt werden. Weichen die Rechnungsgrundlagen 1. Ordnung (für Prämienkalkulation und DRBerechnung) und Rechnungsgrundlagen 2. Ordnung (tatsächliche Rechnungsgrundlagen) voneinander ab, so ist in der GuV kein Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben (Erträgen und Aufwendungen) gegeben. Stellt man Einnahmen und Ausgaben gegenüber (und bezieht man diese auf einen Zeitpunkt k) so erhält man
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG
91
Allgemeines System von Äquivalenzgleichungen zur Berechnung von Deckungsrückstellungen bzw. Beiträgen oder Summen von allgemeinen LV-Verträgen Bezeichnungen: 1 vk = 1+i k Bk D(k)
S(k)
Vk V S βk γk δk αS , αB
n-jährige Versicherung, k ∈ [0, . . . , n] Diskontierungsfaktor zum Zeitpunkt k ausreichende Jahresprämie a Pk nach Abzug der Inkassokosten βk · a Pk : B k = (1 − βk )a Pk Todesfallleistung für einen im k-ten Versicherungsjahr Sterbenden. Fälligkeit am Ende des k-ten Versicherungsjahr, also in k Erlebensfallleistung für jemanden, der den Zeitpunkt k erlebt, d.h. der den Ablauf des k-ten Versicherungsjahres erlebt. Fälligkeit zu Beginn des (k + 1)-Versicherungsjahres, also in k Deckungsrückstellung am Ende des k-ten Versicherungsjahres, d.h. zum Zeitpunkt k vorhandenes Kapital zu Versicherungsbeginn Versicherungssumme = Bezugsgröße aller summenabhängigen Werte Inkassokosten, d.h. beitragsabhängige Verwaltungskosten Verwaltungskosten bezogen auf S laufende absolute Kosten, z.B. Stückkosten einmalige Abschlusskosten bezogen auf S bzw. auf die Beitragssumme B
Meist sinnvolle Annahmen: D(k + 1) = gk · S S(k) = hk · S
mit gk ≥ 0, 0 ≤ k ≤ n − 1 n X hk = 1. mit hk ≥ 0, 0 ≤ k ≤ n, k=0
Für 0 < k < n kann man folgende Äquivalenzgleichung aufstellen: B + V = vk · qx+k · D(k + 1) + S(k) + γk · S + δk + vk · px+k · Vk+1 . | k {z k} | {z } Einnahmen Ausgaben Die Inkassokosten heben sich weg, da sie bei den Beitragseinnahmen wie auch bei den Ausgaben berücksichtigt werden. Zusätzlich hat man noch eine Startgleichung: k = 0 : B 0 − αB + V0 = v0 · qx · D(1) + S(0) + γ0 · S + δ0 + v0 · px · V1 mit V0 = V − αS · S und k = n : Vn = S(n) = hn · S. Setzt man B k = fk · B mit festem Anfangsbeitrag B und berücksichtigt man in f0 die Abschlusskosten in Prozent der Beitragssumme (z.B. αB = 0, 04 · n · B) so ergibt sich folgendes lineares Gleichungssystem:
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG
92
f0 · B = (v0 · qx · g0 + αs + γ0 + h0 )S + δ0 − V + v0 · px · V1 .. .. .. . . . fk · B = (vk · qx+k · gk + hk + γk )S + δk − Vk + vk · px+k · Vk+1 .. .. .. . . . fn−1 · B = (vn−1 · qx+n−1 · gn−1 + hn−1 + vn−1 · px+n−1 · hn +γn−1 )S + | {z } vn−1 ·px+n−1 · VSn
+δn−1 − Vn−1 . Es liegt ein System von n Gleichungen und n+1 Unbekannten B, S, V1 , . . . , Vn−1 vor. Gibt man eine Größe vor, so können die restlichen Variablen durch Auflösung des linearen Gleichungssystems berechnet werden (Lösbarkeit prüfen, Lösungen mit Hilfe von Determinanten). 10.3.1
Kontributionsgleichung
Die Äquivalenzgleichung zum Zeitpunkt k läßt sich auch nit Rechnungsgrundlagen 2. Ordnung berechnen (Achtung: keine Äquivalenz mehr!) Vergleicht man für beide Rechnungsgrundlagen die (Äquivalenz-) Gleichungen, so lässt sich der Jahresüberschuss ermitteln, aufgeteilt nach Überschussquellen. Man multipliziere dazu die (Äquivalenz-) Gleichungen zum Zeitpunkt k mit (1 + ik ) und rechne dann mit Rechnungsgrundlagen 2. Ordnung, d.h. i0k ∼ ik qk0 ∼ qk βk0 ∼ βk
usw.
Als wirkliche Einnahmen ergeben sich: 0 Ek+1 = (a Pk + Vk )(1 + i0k )
in k + 1, d.h. am Ende des (k + 1)-ten Versicherungsjahres, und als wirkliche Ausgaben: 0 A0k+1 = qx+k · D(k + 1) + S(k) · (1 + i0k ) + (γk0 · S + δk0 + βk0 · a Px,k )(1 + i0k ) 0 +(1 − qx+k )Vk+1 .
Der Gewinn am Ende des (k + 1)-ten Versicherungsjahres lautet dann: 0 G0k+1 = Ek+1 − A0k+1 .
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG
93
Wegen 0 = Ek+1 − Ak+1 gilt: 0 G0k+1 = (a Pk + Vk )(1 + i0k ) − qx+k · D(k + 1) − S(k) · (1 + i0k ) 0 −(γk0 · S + δk0 + βk0 · a Pk )(1 + i0k ) − (1 − qx+k )Vk+1
− [(a Pk + Vk )(1 + ik ) − qx+k · D(k + 1) − S(k) · (1 + ik ) −(γk · S + δk + βk · a Pk )(1 + ik ) − (1 − qx+k )Vk+1 ] 0 = (qx+k − qx+k )(D(k + 1) − Vk+1 ) (Risikogewinn)
+((γk − γk0 )S + (δk − δk0 ) + (βk − βk0 )a Pk )(1 + i0k ) (Kostengewinn) +(i0k − ik )((Vk − S(k)) + (1 − βk )a Pk − γk · S − δk ) (Zinsgewinn) Kontributionsgleichung Der Zinsgewinn ist i.a. positiv, ebenso der Risikogewinn (mit Ausnahme der Rentenversicherung). Die Kostengewinne sind unternehmensabhängig. Meldungen: Diese Gewinne werden in den sog. internen Nachweisungen pro Abrechnungsverband (seit 1995 für das Neugeschäft: pro Bestandsgruppe) ermittelt. Risiko Storno Vermögen (Zins) Kosten
10.4
NW NW NW NW
218 218 219, S. 1 219, S. 2 + 3.
Überschussverteilungssystem
10.4.1
Natürliche Dividendensysteme
Eine gerechte Verteilung ist die streng natürliche Überschussbeteiligung. Diese natürlichen Dividendensysteme sind Überschussbeteiligungssysteme, die jeweils zum Ende eines Versicherungsjahres den Kontributionsgewinn bzw. zu Beginn eines Versicherungsjahres den erwarteten Kontributionsgewinn gutschreibt. Der Kontributionsgewinn ist der Gewinn, der mit Hilfe der Kontributionsformel ermittelt wurde, also der durch die Gegenüberstellung der mit Rechnungsgrundlagen 1. und 2. Ordnung berechneten versicherungsmathematischen Größen und durch eine Zerlegung in die Ergebnisquellen ermittelt worden ist. Die Überschussanteile werden also entstehungsgerecht ermittelt und verteilt. Bezugsgrößen sind die versicherungstechnischen Größen, die auch die Gewinne erwirtschaften, z.B. Risikobeitrag, Deckungsrückstellung etc. Vorteile: Die einzelne Versicherung wird individuell entsprechend ihrem Beitrag zum Gesamtgewinn abgerechnet. Nachteil:
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG
94
Die Bezugsgrößen sind nach außen für den Kunden weitgehend unbekannt. Es herrscht mangelnde Transparenz. Außerdem sollen Schwankungen in der Überschusszuteilungen (z.B. aufgrund von Zinsschwankungen) vermieden werden. Um letzteres Problem zu lösen wurde folgendes Zuteilungsverfahren eingeführt: Es gibt zwei Arten der Zuteilung: • Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) • Direktgutschrift (seit 1983) RfB: Der für die Überschussbeteiligung der VN vorgesehene Teil des gesamten Überschusses wird zunächst der RfB zugeführt. ⇒ aus der RfB wird dann die auf die einzelnen Verträge entfallenden Überschussanteile entnommen. Solange die Mittel aus der RfB den VN noch nicht zugeteilt worden sind, gehören sie ihm nicht, d.h. VN kann nicht auf die Mittel bestehen. Allerdings stehen diese Mittel dem LVU auch nicht mehr frei zur Verfügung. Nur in den Jahren, in denen ein LVU einen Verlust ausweisen muss, kann dieser Verlust durch Mittel aus der RfB gedeckt werden (in den Letzten Jahren hat diese Funktion der RfB leider an Bedeutung gewonnen). Ziel der RfB ist es, eine möglichst gleichbleibende Höhe der Überschussbeteiligung zu erzielen. Problem: zeitliche Verzögerung der Überschussbeteiligung. Direktgutschrift: Lösung des Problems ist die Direktgutschrift. Ein Prozentsatz des Deckungskapitals, der sich aus der Differenz des Rechnungszinses und einem mit großer Sicherheit zu erwirtschaftenden Ertragszins ergibt, wird festgelegt. Der Überschuss in Höhe dieses Prozentsatzes wird dem DK direkt gutgeschrieben. Der Rest geht wie üblich in die RfB und wird später zugeteilt. Mindestüberschüsse für VN: Die Verordnung zu § 81 c VAG der BaFin legt Rückgewähr- und Zuführungsquoten fest. ⇒ gewisse Mindestüberschüsse müssen den VN zugeteilt werden (derzeit ca. 97 % der Überschüsse). Zu erwirtschaftender Mindestüberschuss: bis 1982: Rückerstattungsquote (RE-Quote): RE-Quote =
Zuführung zur RfB Zinsüberschuss + Risikoüberschuss
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95
1982 - 1994: Rückgewährquote (R-Quote): Rechtsgrundlage: § 81 c VAG, bleibt gültig für den Altbestand R-Quote =
Zuführung zur RfB + Direktgutschrift + rechn. Zinsen Normzinsertrag + Normrisikoüberschuss
Seit Juli 1994: Z-Quote: Rechtsgrundlage:
§ 81 c VAG und Verordnung über die Mindestbeitragsrückerstattung in der Lebensversicherung (ZRQuotenV) vom 23.07.1996
Mindestzuführung zur RfB (für die überschussberechtigten Verträge des Neubestandes) = 0,9 · (Kapitalerträge - Direktgutschrift aus Kapitalerträge - rechn. Zinsen) jeweils bezogen auf den Neubestand
Anteil der RfB-Zuweisung am Rohüberschuss in Prozent: Jahr
Anteil
2002
92,3
2001
93,9
2000
95,6
1999
96,1
1998
95,9
1997
96,3
1996
96,6
Quelle: Geschäftsberichte der BaFin 2003 und des BAV 1998 10.4.2
Mechanische Dividendensystem
Weniger entstehungsgerechte aber dafür umso transparentere Verteilungssysteme sind die mechanischen Dividendensystem. Hier unterscheidet man zwischen zwei Varianten: streng mechanischen Systemen: Hierbei wird jährlich ein fester Teil des Beitrages an den VN als Überschuss überwiesen.
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG
96
halbmechanisches System: Es wird jährlich ein Prozentsatz der Beitragssumme (Summe der bisher gezahlten Beiträge) als Überschuss gewährt.
Vorteile: Beide System sind einfach zu handhaben, übersichtlich und leicht für den VN nachvollziehbar. Nachteile: Die Zuwendung der Gewinne kann höchstens im Durchschnitt gerecht sein. Die beiden Systeme sind somit weit davon entfernt, natürlich zu sein.
10.5
Überschussverwendungsarten
Die dem VN zustehenden Überschüsse werden meistens nach einer der folgenden sechs Möglichkeiten zugeteilt: 1. Barausschüttung: Überschüsse werden zum Zuteilungszeitpunkt an den VN überwiesen (bar oder auf ein Konto). Wenig verbreitet! 2. Verrechnung mit den Beiträgen: Überschüsse werden mit Beitragszahlung verrechnet. Diese Zuteilung wird bei RisikoLV angewendet. Da den RisikoLV meist nur Risiko- und Kostenüberschüsse zugeteilt werden, bleiben die Überschüsse die ganze Zeit über nahezu konstant. Man kann dann einen festen Beitragsnachlass gewähren. Dieser Beitragsnachlass ist dann die Überschussverwendung. (Erwarteten Überschüsse werden vorab zugeteilt!) Verwendet werden die Rechnungsgrundlagen des Stammvertrages. 3. Todesfallbonus: Es wird jährlich eine erhöhte Todesfallleistung zugesagt. Todesfallbonus der RisikoLV ist eine Alternative zu der Verrechnung der Beiträge. Häufig wird er als Zusatzleistung zur gemischten KapitalLV angeboten. Verwendet werden die Rechnungsgrundlagen des Stammvertrages. 4. Verzinsliche Ansammlung: Die Überschüsse werden auf ein Überschusskonto des VN beim VU gutgeschrieben. Das Geld wird dort wie auf einem Sparkonto verzinst. Der Zins kann dabei variieren. 5. Bonussystem: Überschüsse werden als Einmalbeitrag für eine Versicherung, eine ÜberschussV verwendet, die zum gleichen Zeitpunkt abläuft wie die StammV. Der Versicherungstarif der Überschussversicherung kann gleich sein dem Versicherungstarif der StammV, es kann aber auch ein anderer Versicherungstarif gewählt werden. Die Überschussversicherungen sind natürlich wieder am Überschus beteiligt. 6. Abkürzung der Versicherungsdauer: Die Überschüsse werden in die Deckungsrückstellung gestellt und behandelt wie eine Zuzahlung zur DR. Der Ablauftermin wird entsprechend der Zuzahlung vorverlegt.
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG
97
Die verzinsliche Ansammlung und das Bonussystem sind die üblichen Überschussverteilungsformen für die kapitalbildende LV. Die Überschüsse in der RentenV werden meist wie folgt verteilt: Während der Aufschubzeit werden die Überschüsse verzinslich angesammelt. Das Überschusskonto wird zu Beginn der Rentenzahlung als Einmalbeitrag für eine zusätzliche Rente verwendet: • jährlicher Rentenzuwachs • konstante Gewinnrente • fallende Gewinnrente
10.6
Schlussüberschussbeteiligung
Die jährlichen Überschusszuteilungen sollen von den Schwankungen des Jahresergebnisses möglichst unabhängig sein und sind daher in der Regel etwas niedriger als die tatsächlich angefallenen Überschüsse. Die Differenz zwischen zugeteilten und tatsächlichen Gewinnen und die durch die verzögerte Weitergabe noch nicht erfassten Überschüsse sowie die Überschüsse aus dem letzten Versicherungsjahr werden als Schlussüberschussanteil bei Vertragsbeendigung ausgezahlt. Der Schlussüberschussanteilsfonds (SÜAFonds) ist Teil der RfB. Was bedeutet eigentlich Überschussbeteiligung bei einer kapitalbildenden Lebensoder Rentenversicherung? Wie unterscheidet sich die ”laufende Überschussbeteiligung” von dem ”Schlussüberschussanteil”? Lebensversicherer sind durch gesetzliche Vorschriften zur vorsichtigen Beitragskalkulation verpflichtet. Sie erzielen daher häufig aus dem Kapitalanlage-, Risikound Kostenergebnis Überschüsse. Daran werden die Versicherungsnehmer in Form einer ”laufenden Überschussbeteiligung” und eines ”Schlussüberschussanteils” beteiligt. Beide Überschussarten unterscheiden sich erheblich und sind nicht direkt miteinander vergleichbar: • Die laufende Überschussbeteiligung in Form von Zins-, Risiko-, Kostenoder Grundüberschussanteilen wird jährlich vom Unternehmen festgelegt (deklariert) und zeitnah im folgenden Geschäftsjahr jedem einzelnen Vertrag gutgeschrieben. Durch die Deklaration erwerben alle Versicherungsnehmer einen unwiderruflichen Anspruch darauf. • Der Schlussüberschussanteil wird in der Regel erst bei Beendigung des Versicherungsvertrages gewährt. Er basiert auf Überschüssen, die nicht voll durch die laufende Überschussbeteiligung ausgeschöpft wurden. Die Höhe der deklarierten Schlussüberschussbeteiligung ist für alle Versicherungsverträge, die im Kollektiv verbleiben, nicht verbindlich. Im Gegensatz zu den laufenden Überschussanteilen handelt es sich bei den deklarier-
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG
98
ten Schlussüberschussanteilen daher um vorläufige und dementsprechend widerrufliche Vertragswerte. Im Gegensatz zur laufenden Überschussbeteiligung, die allen Kunden jährlich verbindlich gutgeschrieben wird, handelt es sich bei den deklarierten Schlussüberschussanteilen um Werte, die nur für die Verträge gelten, die im Geschäftsjahr aus dem Kollektiv ausscheiden. Die Schlussüberschussanteile können sich im nachfolgenden Geschäftsjahr je nach Ertragslage wieder vollständig verändern, ohne dass der Kunde einen Anspruch aus der vorjährigen Deklaration hat. Darüber hinaus sind auch die Bemessungsgrundlagen für die laufenden Überschussanteile und den Schlussüberschussanteil unterschiedlich. Motivation für die SÜA: • Sicherstellung, dass der letzte laufende Überschussanteil nicht verloren geht • Ausgleich für die vorsichtige Bemessung der laufenden Überschussanteile (Kontinuität), es herrscht eine starke Abhängigkeit von der Kapitalanlagestruktur (Aktuar kann auf die atmende Aktivseite mit Hilfe des SÜA flexibel reagieren. SÜA ist eine Art Puffer für die atmende Aktivseite). • Ungewissheit über das zukünftige Risikoergebnis • Steigerung der Ablaufleistung (werbewirksam). SÜA werden bei Kapitalversicherungen gewährt: • bei Ablauf in voller Höhe • zeitanteilig bei vorzeitigem Todesfall • zeitanteilig bei Rückkauf nach einem Drittel der Vertragsdauer, spätestens nach 10 Jahren Der SÜA-Fonds wird zeitanteilig aufgebaut (SÜA-Fonds innerhalb der RfB). Der VN hat nur einen Rechtsanspruch auf die gebundenen Mittel in der RfB. Bei Vertragsabschlüssen zwischen 1980 und Juli 1994 wird die Höhe der SÜA begrenzt gemäß Rundschreiben R 1/85 des BAV. Für Vertragsabschlüsse ab Juli 1994 entfällt diese Begrenzung.
10.7
Finanzierbarkeit der Überschussbeteiligung, Profit-Testing
Auch wenn immer konsequent das Äquivalenzprinzip angewendet wurde, kann es vorkommen, dass die Verträge, Tarife oder Bestände incl. der Überschussbeteiligung nicht die vereinbarte Rendite abwerfen, dass sich die Überschussbeteiligung nicht finanzieren lässt. Gründe: • erhöhte Rückkaufswerte
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG
99
• erhöhte Provision (nicht durch Zillmerung gedeckt) • mechanische Überschusskomponenten (die höchsten im Mittel gerecht sind) • Entwicklung der freien RfB (die als Puffer für das Geschäftsergebnis wirkt) Folgerung: Umfangreiche Berechnung zur Rentabilität von Verträgen, Tarifen oder Beständen unter Einschluss der Überschussbeteiligung (Deckungsbeitragsberechnung, Finanzierbarkeitsnachweis) sind erforderlich. Traditionelle Modelle: Durchführung von Barwertberechnungen mit Rechnungsgrundlagen 2. Ordnung auf der Grundlagen der üblichen deterministischen Annahmen. Wichtig: Eine ständige Überprüfung der angewendeten Verfahren ist unumgänglich. 10.7.1
Varianten des Finanzierbarkeitsnachweises
Man stellt dem Barwert der zukünftig erwarteten Aufwendungen den Barwert der zukünftig erwarteten Erträgen zuzüglich des vorhandenen Vermögens gegenüber. Hierbei sind die jeweiligen Überschussanteile mitberücksichtigt. Der Saldo von Aufwendungen, Erträge und vorhandenen Vermögen muss insgesamt positiv sein, dann ist die Finanzierbarkeit der Überschussbeteiligung gegeben. Dabei spielt die Frage des Zinses, mit dem der Barwert gebildet wird eine wichtige Rolle. 1. Ansatz: Man betrachtet einen geschlossene Bestand ohne Neuzugang und berechnet dann die Finanzierbarkeit in folgenden Schritten: 1. Hochrechnung der Beitragsentwicklung: • mit Rechnungsgrundlagen 2. Ordnung (Mittelwert der letzten drei Jahre) unter Einschluss von Stornowahrscheinlichkeiten • man addiert pro Hochrechnungsjahr die gezillmerten Nettoprämien für den betrachteten Bestand: Pt , Pt+1 , . . . , Pt+N > 0,
Pt+N +1 = 0
(sich abbauender Bestand, da kein Neugeschäft) 2. Hochrechnung der Erträge: Die wirklichen Erträge Et , Et+1 , . . . unterscheiden sich von den gezillmerten Nettoprämien im wesentlichen durch: (a) Ergebnis aus dem sonstigen Risiko, z.B. bei zusätzlicher Unfallversicherung (positiv)
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG 100 (b) Erträge aus dem Abgang von Kapitalanlagen und aus der Auflösung von Wertberichtigungen, vermindert um Abschreibungen und Wertberichtigungen (c) Ergebnis aus Abschlusskosten (eingerechnete abzüglich tatsächliche Abschlusskosten, bei korrekter Abrechnung überwiegend negativ) (d) Ergebnis aus laufenden Verwaltungskosten (eingerechnete abzüglich tatsächliche Verwaltungskosten, überwiegend positiv) (e) Ergebnis aus dem in Rückdeckung gegebenen Versicherungsgeschäft (meist leicht negativ) (f) Ergebnis aus den sonstigen Erträgen und Aufwendungen aus dem Versicherungsgeschäft (meist negativ) Daher nimmt man folgende Modifikation der Erträge vor: Man setzt κt für das Jahr t fest als Summe der Ergebnisse der obigen Ergebnisse und Erträge (Ergebnisse der letzten drei Geschäftsjahre, meist negativ), definiert dann kt := Pκtt und danach Et+i := Pt+i · (1 + kt ) als hypthetische zukünftige Erträge. Für reale Bestände sind dann Et , Et+1 , . . . , Et+N > 0. 3. Berechnung der zu erwartenden Aufwendungen: Man rechnet mit Rechnungsgrundlagen 2. Ordnung die • Todesfallleistungen • Erlebensfallleistungen • Stornoleistungen (Rückkaufswerte) • Ablaufleistungen hoch (wichtig: jeweils einschließlich der Überschussanteile), und erhält daraus die Aufwendungen At , At+1 , . . . , At+M > 0,
At+M +1 = 0.
4. Berücksichtigung des vorhanden Vermögens:
Vt = Summe aus gezillmerten Deckungsrückstellungen + Guthaben aus der verzinslichen Ansammlung der Überschussanteile + Deckungsrückstellung der Boni sowie der zusätzlichen Deckungsrückstellungen bei Abkürzung der Versicherungsdauer + Beitragsüberträge aus dem Vorjahr + Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB)
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG 101 5. Bestimmung des Istzinses: Frage: Mit welchem Zins berechnet man die Barwerte? Ansatz: Hardysche Zinsformel: (K)
it =
2Et
(K)
.
Kt−1 + Kt − Et
Dabei bezeichnen: Kt (K) Et
= Summe der Kapitalanlagen am Ende des Jahres t = Erträge aus Kapitalanlagen - Aufwendungen für Kapitalanlagen (jeweils des Jahres t)
Diesem Modell liegen folgende Annahmen zugrunde (nicht in der Vorlesung behandelt!): • Zuwachs/Abfluss des Kapitals über das Jahr gleichmäßig verteilt • unterjährige Verzinsung linear Sei dazu weiter: (K)
∆Kt = Kt − Kt−1 − Et
∆Kt · δ = Kapitalzuwachs nach s Zeiteinheiten im Intervall [t + s, t + s + δ], δ
0 (0 ≤ s ≤ 1),
dieser Zuwachs wird linear verzinst mit (1 − s) · it . Dann gilt folgende Bestimmungsgleichung: Z 1 (K) Et = Kt−1 · it + ∆Kt (1 − s)it ds 0
1 it (K) (K) ⇔ Et = Kt−1 · it + ∆Kt · it = (2Kt−1 + Kt − Kt−1 − Et ) 2 2 (K) 2Et ⇔ it = . (K) Kt−1 + Kt − Et Sei vt :=
1 1+it .
Hinweis: Der so ermittelte Zins ist ”gestaltbar”, der Aktuar muss bei internen Untersuchungen die Angemessenheit sicherstellen, zumal dieser Zins die entscheidende Einflussgröße ist. Beim Finanzierbarkeitsnachweis (hier Amtsmodell) prüft man, ob max (M,N )
Vt +
X k=0
1/2
(Et+k − vt At+k )vtk ≥ 0.
10 ÜBERSCHUSSBETEILIGUNG IN DER LEBENSVERSICHERUNG 102 2. Ansatz: Bisweilen wird auch ein Sollzins j aus vj = Vt +
max M,N X
1 1+j
und
1/2
(Et+k − vj At+k )vjk = 0
k=0
bestimmt. (z.B. mit Newton-Verfahren). Die Forderung lautet dann: j ≤ it , d.h. Sollzins ≤ Istzins. Aber Warnung: j ≤ it ist im allgemeinen nicht äquivalent mit der Gültigkeit der Finanzierbarkeitsbedingung. (Gegenbeispiele findet man z.B. bei M. Steiner: ”Der Finanzierbarkeitsnachweis und die Äquivalenzbehauptung von Peter Gessner in der Lebensversicherung”, Blätter DGVM XVI 1983, 97 - 115) Für realistische Bestände genügt es allerdings, j ≤ it nachzuprüfen. Gravierende Einwände: Die oben implizit enthaltenen Modellannahmen über die zukünftigen Kosten: Et+k = Pt+k (1 + kt ) impliziert fallende Kosten für einen auslaufenden Bestand. Grund: die Prämieneinnahmen eines auslaufenden Bestand fallen monoton. Alternativmodell (Gessner): Kosten werden beim Istzins durch ein Abzugsglied berücksichtigt. Folge: Das Modell unterstellt zunächst noch steigende Kosten, da auch bei einem auslaufenden Bestand i.a. der Zinsträger (DR, RfB etc.) für eine Weile noch ansteigt, ehe er dann monoton fällt. Merkregel: Falls die Verwaltungskostengewinne die Abschlusskostenverluste nicht kompensieren, stellt ein Finanzierbarkeitsmodell nach Gessner eine härtere Forderung dar als das ”Amtsmodell”. Wenn dagegen die Gesamtkostenergebnisse positiv ausfallen, hat man genau entgegengesetzte Verhältnisse. Anmerkungen zum Profit-Testing • Barwertbetrachtung (Ertragswertbetrachtung) sind auch in anderen Ländern üblich: siehe ”embedded values” in England. (Einige - die besseren Versicherer veröffentlichen diese Zahlen jährlich.) ⇒ Qualität des Neugeschäftes wird transparent. • Barwertbetrachtungen werden nicht nur für den Gesamtbestand, sondern auch auf kleineren Ebenen durchgeführt, etwa:
11 RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN
103
– nach Vertriebseinheiten – auf Einzelvertragsebene. Auf diese Weise kann man für alle Ebenen Profitberechnungen durchführen. Aber: Barwertbetrachtungen alleine genügen in vielen Fällen nicht Beispiel: gezieltes Storno zum ”günstigen” Zeitpunkt! Es können aber auch globale Probleme auftreten: RfB kann zwischenzeitlich zu klein werden (um die Überschussbeteiligung zu finanzieren), ohne dass dies aus Barwertbetrachtungen ersichtlich ist. Folgerung: Es sind detaillierte Periodenberechnungen notwendig! Notwendige Periodenberechnungen müssen auf der Basis von Projektionen von Jahresergebnissen • auf Bestandsebene • pro Abrechnungsverband • für die einzelnen Vertriebseinheiten • pro Vertrag durchgeführt werden. Dabei sind ”worst-case”-Szenarien unverzichtbar.
11
Rechtliche Rahmenbedingungen
11.1
Rechtliche Rahmenbedingungen der Prämienkalkulation und der Wahl der Rechnungsgrundlagen
Maßgeblich ist § 11 Abs. 1 VAG: • Die Prämien in der LV müssen unter Zugrundelegung angemessener versicherungsmathematischer Annahmen kalkuliert werden und so hoch sein, dass das VU allen seinen Verpflichtungen nachkommen kann, insbesondere für die einzelnen Verträge ausreichende Deckungsrückstellung bilden kann. Der Finanzlage des VU kann dabei Rechnung getragen werden, ohne dass planmäßig und auf Dauer Mittel eingesetzt werden dürfen, die nicht aus Prämienzahlungen stammen. • Seit dem 01.07.1994 sind unterschiedliche Rechnungsgrundlagen für die Beitragskalkulation und für die Berechnung der Deckungsrückstellung zulässig. In der Praxis kommt dies kaum vor: vor allem der Ansatz eines hö-
11 RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN
104
heren RZ für die Prämienkalkulation als für die Berechnung der Deckungsrückstellung würde für das VU unangemessen teuer! • Prämienkalkulation und Reservierung können nachträglich auseinanderfallen – Änderung der biometrischen Verhältnisse – Kostensteigerung • Auffassung der DAV: – Die Reservierung darf nicht unvorsichtiger sein als die Annahmen in der Kalkulation. Genauer: – Der Prämienzahlungsbarwert darf keine vorsichtigeren Grundlagen unterstellen als der Leistungsbarwert. • Wegfall der Vorweggenehmigung der Rechnungsgrundlagen (und der Bedingungen, der Tarife etc.) durch die BaFin seit dem 01.07.1994. • Aber: Nachträgliche Anzeige der Grundsätze für die Berechnung der Prämien und Deckungsrückstellungen einschließlich der verwendeten Rechnungsgrundlagen und math. Formeln an die BaFin erforderlich (§§ 13 d Nr. 6 und 83 VAG) • Unternehmensübergreifende, abgestimmte Aufstellungen von Sterbetafeln und anderen biometrischen Rechnungsgrundlagen zulässig. (Gruppenfreistellungsverordnung der EG-Kommission vom 21.12.1992)
11.2
Gesetzliche Vorgaben zur Berechnung von Deckungsrückstellungen
Europarechtliche Vorgaben (relevante Vorschriften der dritten Koordinierungsrichtlinie Leben vom 10.11.1992) • Finanzaufsicht wird nach dem Sitzlandprinzip durchgeführt • Dienstleistungsfreiheit • Kern der europäischen Richtlinie ist der Artikel 18: – Jedes VU muss ausreichende Rückstellungen bilden – Es ist ein vorsichtiges prospektives Verfahren anzuwenden, dass allen Verpflichtungen ∗ Leistungen (inklusive Überschussbeteiligung) ∗ Optionen (z.B. Vertragsänderungen ohne erneute Gesundheitsprüfung) ∗ garantierten Rückkaufswerten ∗ Kosten (inklusive Provisionen)
11 RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN
105
jeder einzelnen Police Rechnung trägt – Die Bewertung muss vorsichtig sein (d.h. es müssen angemessene Margen für nachteilige Abweichungen von den relevanten Faktoren vorhanden sein) – Das Vorsichtsprinzip gilt auch für die zu bedeckenden Aktiva (der Verantwortliche Aktuar verantwortet zwar nicht die Kapitalanlagen, aber er beurteilt beispielsweise, ob die Aktiva der Verpflichtungsstruktur entsprechen - z.B. in Puncto Laufzeiten) – Die Rückstellungen sind einzelvertraglich zu berechen – Der Bewertungszins ist vorsichtig zu bemessen – Die Bewertung muss stetig sein (Änderungen von Annahmen müssen genauestens begründet werden!) Folgerung: Es existiert ein europäischer Kodex zur Rückstellungsbildung. – Dieser Kodex ist nicht mechanistisch, sondern für Experten – Die Reservierung ist eine komplexe Beurteilung (Bewertung) von Risiken – Nur so macht die Institution ”Verantwortlicher Aktuar” Sinn
Umsetzung in deutsches Recht (HGB, VAG, Rechtsverordnungen) 1. VAG und zugehörige Rechtsverordnungen • aktuarielle Kernpunkte: §§ 11, 11a und 65 VAG • Deck-RV zu § 65 VAG • AktuarV zu § 11a VAG 2. HGB • § 341 f in Zusammenhang mit der RechVersV Die Zweiteilung beruht auf der Zielsetzung des Gesetzgebers, alle handelsrechtlichen Bestimmungen (für alle Wirtschaftszweige) im HGB zu treffen.
Allgemeine Bestimmungen zur Bildung von Deckungsrückstellungen • Deckungsrückstellungen sind Rückstellungen des Unternehmens, nicht ein Sparguthaben des Versicherten. Rückstellungen haben ganz allgemein den Zweck, dass ein Unternehmen seinen (künftigen) Verpflichtungen nachkommen kann.
11 RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN
106
• Neben mathematische Fragestellungen sind auch handelsrechtliche Fragen und steuerliche Bestimmungen relevant. • § 341 f (1) HGB: Deckungsrückstellungen sind in versicherungsmathematischer Höhe incl. zugeteilter Überschussanteile (ohne Ansammlungsguthaben) nach prospektiver Methode zu bilden. • Berechnung der Deckungsrückstellung mit retrospektiven Ansätzen unzulänglich. Retrospektive Berechnung nur zulässig, wenn prospektive Berechnung nicht möglich. • Die Terminologie Risikoprämie / Sparprämie ist irreführend. Es werden keine Prämienanteile gespart, sondern es werden Aufwandsrückstellungen gebildet. Es gilt nicht zwangsläufig, dass Sparprämie = Periodenaufwand zur Deckungsrückstellung. • Die Kategorien heißen in der Rechnungslegung nicht Einahmen / Ausgaben, sondern Aufwand / Ertrag. • Zinssatzverpflichtungen sind zu berücksichtigen, falls derzeitige oder zu erwartende (Kapital-) Erträge nicht ausreichen (§ 341 f (2) HGB). • Für Berechnungsgrundlagen und Berechnungsmethoden besteht Publizitätspflicht (§ 52 RechVersV) – Berechnungsmethoden: prospektiv / retrospektiv, einzelvertraglich, Kostenansatz implizit / explizit – Rechnungsgrundlagen: Sterbetafeln, Reservierungszinssätze, Zillmersätze – Verwaltungskostenrückstellung, Bonusrückstellung – Angaben zu Besonderheiten (z.B. Rentenauffüllungen) • § 65 VAG - Regelung enthält Verordnungsermächtigung für: – Festlegung des Höchstrechnungszinses – Festlegung der maximalen Zillmerung – Festlegung der sonstigen Rechnungsgrundlagen, falls die 3. Lebensversicherungsrichtlinie dies erfordert.
Deckungsrückstellungsverordnung: Höchstrechnungszins (HRZ) Nach der 3. EG-Lebensversicherungsrichtlinie sind zwei Festlegungen möglich: 1. Markteinheitlich mit Obergrenze 60 % der Staatsanleihen 2. Unternehmensindividuell in Abhängigkeit von der aktuellen und zu erwartenden Ertragskraft des Unternehmens.
11 RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN
107
Nur die 1. Variante ist in Deutschland umgesetzt (DeckRV). Die Regelungen lauten im einzelnen: • Berechnung des HRZ prinzipiell auf der Grundlage der Umlaufrenditen der Anleihen der öffentlichen Hand (Jahreswerte) entsprechend der Statistik der Deutschen Bundesbank; HRZ max. 60 % des arithmetischen Mittels der letzten 10 Jahre • HRZ zur Berechnung der Deckungsrückstellung bei Versicherungen mit Zinsgarantie 4 %; für Neuabschlüsse ab dem 01.07.2000 nur noch 3,25 %, aktuell nur noch 2,75 %. • Der Höchstrechnungszins bei Vertragsabschluss gilt für die gesamte Laufzeit. • EB-Verträge mit Laufzeit bis zu 8 Jahren: Maximal 85 % der aktuellen Umlaufrendite. • Rentenversicherung ohne Rückkaufswert: 85 % des Mittels der Umlaufrenditen für (Rest-) Laufzeiten von 1 - 8 Jahren. Ein aktuariell angemessener Rechnungszins: Liegt vor, wenn die Finanzkraft des Unternehmens und die Verfassung der Kapital- Märkte bei gleichmäßiger Finanzierung über die Vertragslaufzeit erwarten lassen, dass die Leistungen hinreichend sicher zu erbringen sind oder dass Sicherungsmittel zur Verfügung stehen. Gedanken zur Kontrolle des Höchstrechnungszinses durch den Aktuar (§ 11a VAG): • Das Renditerisiko wird durch den Aktuar kontrolliert. Er muss dafür qualifiziert sein! • Das Niederstwertprinzip verhindert Werterhöhung auf der Aktivseite (Berwertungsgrenze: Anschaffungswert), eine atmende Passivseite ist systemfremd • Die Koppelung von Beitragskalkulation und Reservierung bringt Wunsch nach Kontinuität des Rechnungszinses mit sich. Dies wird durch das Bewertungsverfahren (60 % des 10 Jahresmittels der Umlaufrenditen) erreicht, aber das Verfahren ist rein retrospektiv. • Folgerung aus der retrospektiven Festlegung: Die Entwicklung und Anwendung von Testverfahren zur Kontrolle und Beherrschung von Zinssprungrisiken ist erforderlich! • Die Ergebnisse werden in einem Zinsbericht veröffentlicht.
Eventueller Auffüllbedarf der Deckungsrückstellung a) Infolge sinkender Zinserträge:
11 RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN
108
• Die Festlegung des Rechnungszinses auf der Grundlage des 10-jährigen retrospektiven Durchschnitts der Umlaufrendite ist bei sinkendem Zinsniveau offensichtlich unzureichend, da zu spät reagiert wird. • Ob der aktuell erzielte (Kapital-) Ertrag ausreicht, kann nicht sinnvoll am Nettozins gemessen werden, denn ein Zinsanstieg mit Abschreibungsbedarf darf nicht zur Erhöhung der Passivseite führen (atmende Passivseite ist systemfremd). b) Infolge veränderter biometrischer Grundlagen: • es ist eine nachhaltige Änderung erforderlich. Das bloße Eintreten des Schwankungsrisikos ist nicht ausreichend. • DAV-Tafeln grundsätzlich ausreichend sicher, dennoch laufender Prüfungsbedarf. • Auch nach Neubewertung der Deckungsrückstellung muss ein insgesamt ausreichendes Sicherheitsniveau wieder erreicht werden: • Möglicher Trend und statistische Schwankungen sind wieder zu berücksichtigen. • Der Situation auf dem Kapitalmarkt kann Rechnung getragen werden. • Langfristige Trends (Erlebensfallrisiko) können zu mehrfacher Auffüllung führen.
11.3
Garantiewerte
§§ 174 und 175 VVG: Vorschriften zur Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung Mathematisch interessante Punkte: • Berechnung der beitragsfreien Versicherungsleistung ist mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation vorzunehmen. (Bei unterschiedlichen Rechnungsgrundlagen ist i.d.R. die mit den Rechnungsgrundlagen der Deckungsrückstellungskalkulation ermittelte Rückstellung höher als diejenige, die mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechnet worden ist. => VR kann Realisierung von Verlusten vermeiden.) • Für den Fall, dass die vereinbarte Mindestversicherungssumme oder -rente nicht erreicht wird, hat der Versicherer den auf den Versicherungsvertrag entfallenden Rückkaufswert zu erstatten. • Prämienfreie Leistung ist auf den Schluss der laufenden Versicherungsperiode unter Berücksichtigung von Prämienrückständen zu berechnen.
12 AKTUARVERORDNUNG, ERLÄUTERUNGSBERICHT
109
• VR ist zu einem Stornoabzug nur dann berechtigt, wenn er vereinbart und angemessen ist. § 176 VVG enthält Vorschriften über den Rückkaufswert: • Rückkaufswert wird fällig bei Aufhebung des Vertrages durch Rücktritt, Kündigung oder Anfechtung Voraussetzung: Es liegt eine Kapitalversicherung auf den Todesfall der Gestalt vor, dass der Eintritt der Verpflichtung des VR zur Zahlung des vereinbarten Kapitals gewiss ist. • Bei solchen Versicherungen wird der Rückkaufswert auch bei Selbstmord der versicherten Person fällig. • Rückkaufswert ist nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode als Zeitwert der Versicherung zu berechnen. Prämienrückstände werden vom Rückkaufswert abgesetzt. • VR ist zu einem Stornoabzug nur dann berechtigt, wenn er vereinbart und angemessen ist. Ungeachtet der Diskussion um den Begriff des Zeitwertes bedeutet dies im Regelfall: Bei normalen gewinnbeteiligten Versicherungen ist der Zeitwert nichts anderes als als das voll gezillmerte, mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation kalkulierte Deckungskapital einschließlich bereits gutgeschriebener oder erdienter Überschussanteile.
12
Aktuarverordnung, Erläuterungsbericht
Die Aktuarverordnung (Rechtsverordnung zu § 11 a VAG) regelt im Zusammenhang mit den Aufgabendes Verantwortlichen Aktuars die Sachverhalte, die durch die Ermächtigung zur DeckRV nicht abgedeckt sind.
Insbesondere: Insbesondere sind dort die Anforderungen an den Erläuterungsbericht beschrieben, den der VA im Rahmen des Jahresabschlusses dem Vorstand vorlegen muss.
12 AKTUARVERORDNUNG, ERLÄUTERUNGSBERICHT
110
Inhalt des Erläuterungsberichtes:
• Einteilung des Bestandes in Risikoklassen (versicherungstechnisch und bzgl. Anlageklassen) • Erläuterung von verwendeten Näherungsverfahren bei der Rückstellungsberechnung (anstelle von Einzelberechnungen) • Angabe von – W-Tafeln – Rechnungszinssätzen – Zillmersätzen – Kostensätzen für den lfd. Betrieb und Provisionen (explizit oder implizit) • Nachweis, dass alle Leistungen einschließlich Überschussbeteiligung berücksichtigt worden sind • angemessene Sicherheitsspannen bei der Bewertung der Rückstellungen verwenden • vorsichtige Bewertung der Aktiva • Einschätzung über die künftige Entwicklung der Sicherheitsspannen • Angabe der Zusatzrückstellungen (Kosten, Optionen, nicht individualisierte Änderungsrisiken) • Angabe nicht aus Prämien finanzierter Deckungsrückstellungen; Nachweis, dass retrospektives Berechnungsverfahren keine geringere DR liefert als prospektives Verfahren
Anmerkungen:
• Einteilung in Risikoklassen sollte nicht schematisch sein; Analyse des Bestandes nach folgenden Kriterien möglich: – Rechnungsgrundlagen – Optionen – Anlagerisiken • Rechnungslegung folgt dem Nominalwertprinzip ⇒ künftige Inflation darf bei Reservierung nicht berücksichtigt werden (nur eingetretene Kostensteigerung darf in der Bilanz berücksichtigt werden)
12 AKTUARVERORDNUNG, ERLÄUTERUNGSBERICHT
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• Eindeutige Aufteilung der Kosten auf Risikoklassen nicht möglich ⇒ in diesem Punkt kann Aktuarverordnung nicht erfüllt werden • aktuarielle Bewertung der Aktiva noch weitgehend Neuland • Kosten für Vermögensverwaltung, Regulierung, Rückversicherung sind in den Rechnungsgrundlagen mit zu berücksichtigen • ebenso müssen Abschlusskosten, die über die Zillmerung hinaus gehen, explizit berücksichtigt werden