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Olaf Struck · Gesine Stephan · Christoph Köhler Alexandra Krause · Christian Pfeifer · Tatjana Sohr Arbeit und Gerechtigkeit
Forschung Gesellschaft
Olaf Struck · Gesine Stephan Christoph Köhler · Alexandra Krause Christian Pfeifer · Tatjana Sohr
Arbeit und Gerechtigkeit Entlassungen und Lohnkürzungen im Urteil der Bevölkerung
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
. . 1. Auflage September 2006 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Monika Mülhausen / Bettina Endres Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN-10 3-531-15159-2 ISBN-13 978-3-531-15159-5
Inhalt
Vorwort
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Warum eine Studie zum Thema „Arbeit und Gerechtigkeit“? Gesine Stephan, Olaf Struck und Christoph Köhler
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Theoretischer Bezugsrahmen und methodischer Ansatz Gesine Stephan, Olaf Struck und Christoph Köhler
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2.1 Theoretische Grundlagen und vorliegend empirische Befunde ..... 2.1.1 Arbeitsmarktforschung ......................................................... 2.1.2 Gerechtigkeitsforschung ....................................................... 2.1.3 Psychologische Verträge ....................................................... 2.2 Untersuchungsdesign und Methodik .............................................. 2.2.1 Bewertung auf Grundlage von Szenarien ............................. 2.2.2 Bewertung auf Grundlage eigener Erfahrungen ................... 2.2.3 Bedeutung soziodemographischer Merkmale und allgemeiner Werteinstellungen .............................................
18 18 21 27 28 29 30
Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen? ................................................................................. Alexandra Krause, Christian Pfeifer und Tatjana Sohr 3.1 Theoretische Überlegungen ........................................................... 3.1.1 Institutionelle Rahmenbedingungen ..................................... 3.1.2 Wann werden betriebsbedingte Entlassungen akzeptiert? .... 3.1.3 Wann werden betriebsbedingte Lohnkürzungen akzeptiert? .............................................................................. 3.1.4 Welche Bedeutung haben soziodemographische Merkmale der Befragten? .....................................................
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33 34 34 35 41 45
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4
5
Inhalt 3.2 Empirische Ergebnisse ................................................................... 3.2.1 Zur Bewertung der Szenarien ............................................... 3.2.2 Zur Bewertung eigener Erfahrungen .................................... 3.3 Zwischenfazit .................................................................................
50 51 59 66
Gender und Gerechtigkeit .................................................................. Tatjana Sohr
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4.1 Theoretische Überlegungen ........................................................... 4.1.1 Der „kleine Unterschied“ – auch bei Gerechtigkeitsbeurteilungen präsent? ................................... 4.1.2 Ergibt es einen Unterschied, ob Männer oder Frauen betroffen sind? ...................................................................... 4.1.3 Hat der familiäre Kontext einen Einfluss? ............................ 4.2 Empirische Ergebnisse ................................................................... 4.3 Zwischenfazit .................................................................................
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Arbeitsmotivation, Fluktuation, Krankenstand – wie wirken sich Entlassungen und Lohnsenkungen aus? ...................... Olaf Struck
72 73 75 76 85
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5.1 Theoretische Überlegungen ........................................................... 87 5.2 Empirische Ergebnisse ................................................................... 90 5.2.1 Folgewirkungen von Entlassungen ....................................... 91 5.2.2 Folgewirkungen von Lohnsenkungen ................................... 98 5.3 Zwischenfazit ................................................................................. 102 6
Die Einstellung zum Kündigungsschutz – wie wichtig sind Gerechtigkeitsnormen und Entlassungserfahrungen? .................... 105 Alexandra Krause 6.1 Theoretische Überlegungen ........................................................... 106 6.2 Empirische Ergebnisse ................................................................... 110 6.3 Zwischenfazit ................................................................................. 117
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Inhalt 7
Gerechtigkeitsurteile im internationalen Vergleich Gesine Stephan und Olaf Struck
........................ 121
7.1 Theoretische Überlegungen ........................................................... 7.2 Empirische Ergebnisse ................................................................... 7.2.1 Entlassungsszenarien ............................................................ 7.2.2 Lohnkürzungsszenarien ........................................................ 7.3 Zwischenfazit ................................................................................. 8
121 127 130 134 136
Arbeit und Gerechtigkeit: Ein Fazit ................................................. 139 Gesine Stephan, Olaf Struck und Christoph Köhler
Anhang: Aufbau der Szenarien Literatur
................................................................ 145
..................................................................................................... 151
Inhalt
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Vorwort
Während sich Pressemeldungen und Forschungsarbeiten zum Thema Entlassungen und Lohnkürzungen häufen, liegen in Deutschland kaum repräsentative empirische Befunde dazu vor, wie die Bevölkerung entsprechende Entwicklungen bewertet. Dieses Forschungsdefizit bildet den Hintergrund für das vorliegende Buch. Es behandelt die Frage, ob bzw. unter welchen Bedingungen solche Flexibilisierungsprozesse auf den Arbeitsmärkten als gerecht wahrgenommen werden. Knut Gerlach, Christoph Köhler und David Levine, der für die USA und Kanada die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnsenkungen anhand von Szenarientechniken erforscht hat, entwickelten die Idee zu der vorliegenden Studie. Gesine Stephan und Olaf Struck erarbeiteten darauf aufbauend die konzeptionellen Grundlagen des Forschungsvorhabens. Dabei ergänzt das Projekt die Arbeiten zur Bedeutung von Beschäftigungsstabilität auf Arbeitsmärkten, die im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 580 in Jena unter der Leitung von Christoph Köhler und Olaf Struck durchgeführt werden. Die Förderung durch die Hans-Böckler-Stiftung erlaubte es, den Kreis der Mitarbeiter um Alexandra Krause und Tatjana Sohr zu erweitern und die Erhebung durch das Befragungsinstitut „aproxima“ (Weimar) zu finanzieren. Darüber hinaus konnte Christian Pfeifer, der sich in seiner Diplomarbeit bereits mit einem ähnlichen Thema beschäftigt hatte, für eine Mitarbeit an dem Projekt gewonnen werden. Bei der Hans-Böckler-Stiftung, und dort insbesondere bei Gudrun Linne und dem Gutachterkreis, bedanken wir uns sehr herzlich für die freundliche, engagierte und unbürokratische Unterstützung. Unser besonderer Dank gilt zudem Knut Gerlach, der uns in jeder Phase des Projektes mit sicherem Urteil zur Seite stand. David Levine und Gary Charness danken wir für den fortwährenden Informationsaustausch und viele hilfreiche Hinweise. Sven Hauff und Anja Stephan waren in dem Projekt als wissenschaftliche Hilfskräfte tätig; ihnen danken wir für die kompetente Arbeit. Sabrina Laufer und Ronny Gärtner unterstützten uns bei der redaktionellen Bearbeitung, auch ihnen gilt unser Dank. Olaf Struck, Gesine Stephan, Christoph Köhler, Alexandra Krause, Christian Pfeifer und Tatjana Sohr
Warum eine Studie zum Thema „Arbeit und Gerechtigkeit“?
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1 Warum eine Studie zum Thema „Arbeit und Gerechtigkeit“? von Gesine Stephan, Olaf Struck und Christoph Köhler
Lange Zeit galten die Beschäftigungsbeziehungen in Deutschland als stabil und sicher. Und tatsächlich gelangten viele Menschen – nach einer durch häufige Wechsel gekennzeichneten Einstiegsphase – in gesicherte Berufspositionen. So beschritten Erwerbstätige die eingeschlagenen Laufbahnen nicht selten bis zum Ende ihrer Erwerbsarbeitszeit innerhalb eines Unternehmens. Auch in dieser historisch einmaligen Prosperitätskonstellation, die Ende der 1950er Jahre begann und Mitte der 1980er Jahre endete, hatten viele Frauen, Ausländer und Geringqualifizierte deutlich größere Schwierigkeiten beim Eintritt in eine stabile berufliche Laufbahn als männliche Facharbeiter oder Hochschulabsolventen. Doch ungeachtet dessen festigte sich das Leitbild des von Mückenberger (1985) beschriebenen stabilen und institutionell gesicherten „Normalarbeitsverhältnisses“. Wichtiges Merkmal eines solchen Ideals ist die von Arbeitnehmern1 und Arbeitgebern getragene Verpflichtung einer wechselseitigen Verantwortung – im Sinne eines vielfach unausgesprochenen psychologischen Vertrages. Arbeitnehmer setzen sich mit Engagement für das Unternehmen ein und erhalten dafür betriebliche Beschäftigungsstabilität sowie stabile und nicht selten steigende Löhne. Schon seit einiger Zeit mehren sich jedoch Pressemeldungen zu Entlassungen und Lohnsenkungen in deutschen Unternehmen. Häufig wird berichtet, dass derartige Maßnahmen weniger der unmittelbaren Absatzsituation Rechnung tragen, sondern insbesondere dem Kapitalertrag des Unternehmens dienen sollen. So berichtete der Tagesspiegel im März 2005, die 30 größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands hätten ihre Gewinne 2004 auf 35,7 Milliarden Euro verdoppelt. Zur gleichen Zeit wurden in diesen Unternehmen allein in Deutschland knapp 35.000 Stellen abgebaut und vielfach kam es dabei zu Entlassungen und Reallohnkürzungen. Die Flexibilisierung von Beschäftigungsverhältnissen gilt vielfach als notwendige Voraussetzung für den Erfolg von Unternehmen im Wettbewerb auf zunehmend globaleren Märkten (Reilly 1998). Folge der Flexibilisierung sind 1
Aus Gründen der Übersichtlichkeit verwenden wir im Folgenden generell die männliche Form, sofern dieser Unterschied inhaltlich nicht von Bedeutung ist.
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Gesine Stephan, Olaf Struck, Christoph Köhler
Veränderungen der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie die Dynamisierung individueller Lebensläufe. Politische Anpassungs- und Sicherungskonzepte wie „Employability“ (Gazier 1999) und „Flexicurity“ (Keller, Seifert 2000; Klammer, Tillmann 2001) sind hierbei Ausdruck einer Entwicklung, in der die Sicherheit von Beschäftigungsverhältnissen, zum Teil tatsächlich und vielfach in der subjektiven Wahrnehmung, unter Druck geraten ist. Diese Flexibilisierung von Beschäftigung und Arbeitsorganisation berührt die Interessen von Beschäftigten in grundlegender Weise. In Zeiten einer sich schnell verändernden Arbeitswelt, die vielfach mit Lohnkürzungen (teilweise in Verbindung mit unentgeltlicher Arbeitszeitverlängerung), Beschäftigungsabbau und steigender numerischer Flexibilität von Beschäftigungsverhältnissen (Bergemann, Mertens 2002; Grotheer, Struck 2003) einhergeht, ist fraglich: Treffen derartige Veränderungen auf die Akzeptanz unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen? Wie wichtig sind die konkreten Bedingungen der Flexibilisierung? Hängt die Einschätzung von persönlichen Merkmalen der Befragten ab? Inwieweit und unter welchen spezifischen Umständen rufen Entlassungen und Lohnkürzungen innerbetriebliche Widerstände hervor? Folgt man dem Mainstream des wissenschaftlichen und politischen Diskurses, so haben Arbeitnehmer vom Ideal der sicheren lebenslangen Beschäftigung schon lange Abschied genommen (Beck 1999; Sennett 2000). Dabei werden in der sozialwissenschaftlichen Forschung – etwa im Individualisierungs- und Subjektivierungsdiskurs – schon seit längerem die Risiken und Chancen höherer Wahlmöglichkeiten und -zwänge, zunehmender Eigenverantwortung und abnehmender Leitorientierungen durch Staat und Wirtschaftsorganisationen diskutiert. Individualisierungs- und Wertewandelsprozesse bewirken demnach, dass Erwerbspersonen Markt-Imperative des Unternehmenshandelns und damit die Flexibilisierung von Arbeitszeiten, Löhnen und Beschäftigungsverhältnissen zunehmend internalisieren und akzeptieren. Bei Fortexistenz des Ideals eines „Normalarbeitsverhältnisses“ wäre hingegen zu erwarten, dass Flexibilisierungsprozesse informelle Verpflichtungen verletzen und als ungerecht empfunden werden. Interessanterweise werden entsprechende Zeitdiagnosen auch in den USA diskutiert. Auch hier wird bereits seit Mitte der 1980er Jahre ein Rückgang der Bedeutung betriebsinterner Arbeitsmärkte, eine Abkehr vom „alten Beschäftigungskontrakt“ und damit eine Ausdifferenzierung des „Normalarbeitsverhältnisses“ postuliert. Dieser Diskussion zufolge war der so genannte „alte Kontrakt“ durch Arbeitsplatzsicherheit, interne Aufstiege, Spezialisierung und gegenseitige Loyalität gekennzeichnet. Unternehmen und Institutionen übernahmen Verantwortung für Investitionen in Bildung und für die längerfristige materielle Sicher-
Warum eine Studie zum Thema „Arbeit und Gerechtigkeit“?
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heit der Beschäftigten. Demgegenüber weist sich der „neue Kontrakt“ durch individuelle Eigenverantwortung für den Erhalt und Aufbau von Beschäftigungsfähigkeit in einer marktindizierten flexibleren und damit unsichereren Arbeitswelt aus. In diesem „neuen Kontrakt“ bewerten beide Arbeitsmarktparteien den jeweiligen Marktwert und lösen den Vertrag dann, wenn sich bessere Alternativen ergeben (Levine et al. 2002). Als Gründe werden vor allem die zunehmende Globalisierung, der technische Fortschritt sowie betriebliche Reorganisationsmaßnahmen genannt, die von Betrieben im Wettbewerb eine immer schnellere Reaktion auf sich wandelnde Umweltbedingungen erfordern. Tatsächlich ist in den USA die Stabilität von Arbeitsverhältnissen bei Männern mittleren Alters zurückgegangen (Farber 1996), Arbeitsverhältnisse werden als weniger sicher empfunden (Capelli et al. 1997), und die Bedeutung von Gewerkschaften hat abgenommen (Godard, Delaney 2000). Neuere Untersuchungen in den USA zeigen jedoch auch, dass die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer auch heute noch nach Beschäftigungssicherheit strebt und die Übertragung unternehmerischer Risiken auf die Beschäftigten als nicht gerechtfertigt empfindet (Charness, Levine 2000, 2002). Die entsprechenden Orientierungen finden sich ebenso im SiliconValley wie in traditionellen Industriegebieten des Nordens der USA, und sie sind über zwanzig Jahre hinweg stabil geblieben. Auch in Deutschland lassen sich eine Reihe von Studien finden, die direkt oder indirekt diese Thematik berühren. Einige Autoren verweisen darauf, dass die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes vielfach im Zentrum des beruflichen Interesses von Beschäftigten steht (Deutschmann 2002; IG Metall 2001; Seifert, Pawlowsky 1998: 605f.; Schramm 1992: 86f.). Dies nicht zuletzt deshalb, weil Erwerbspersonen ihre beruflichen Qualifikationsentscheidungen nicht auf Basis einer beruflich ungewissen Zukunft treffen können. Doch auch Arbeitgeber zeigen zum Aufbau und Erhalt von Engagement, Loyalität und Kooperation häufig ein Interesse an stabiler Beschäftigung (ebd.; Struck 1999; Struck, Simonson 2000). Andere Studien zu Erwerbsorientierungen bei einzelnen Berufsgruppen prognostizieren im Kontext veränderter Anforderungen an Arbeit eher die Arbeitskraftunternehmer- und Vermarktlichungsthese (Voß, Pongratz 1998; Voß 1998; Fischer 1999). Zu Arbeitskraftunternehmern werden einerseits Personen, die sich durch die Umstände dazu gezwungen sehen. Andererseits wird festgehalten, dass viele Personen mehr Flexibilität wünschen und zumindest in jungen Jahren oder auf der Basis hoher, marktgängiger Qualifikationen entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten in ihrer Beschäftigungskarriere anstreben. Bisher liegt jedoch keine umfassende und repräsentative Studie zu Sicherheits- und Gerechtigkeitsorientierungen in Bezug auf das Beschäftigungsverhältnis in Deutschland vor. Ein Überblick über die bisherige Literatur zu Ge-
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Gesine Stephan, Olaf Struck, Christoph Köhler
rechtigkeitsorientierungen im Kontext von Erwerbsarbeit in Deutschland zeigt drei Schwerpunkte: Erstens Arbeitslosigkeit und deren individuelle und gesellschaftliche Folgen (Kieselbach 1998; Leisering 1999; Liebig 2004a; Montada 1994), zweitens Gruppenarbeit, Entlohnung und Gerechtigkeit (Lengfeld, Liebig 2002), und drittens Konsequenzen des Strukturwandels im deutschen System industrieller Beziehungen (Lengfeld 2003, 2004; Lengfeld, Liebig 2000, 2003). Analysen zur Wahrnehmung und Bewertung von Gerechtigkeit im Kontext betrieblicher Rationalisierungsmaßnahmen sowie Lohnkürzungen wurden fast ausschließlich im nordamerikanischen Raum durchgeführt (insb. Kahneman, Knetsch, Thaler 1986; Charness, Levine 2000, 2002 sowie Levine et al. 2002). Dies überrascht vor allem aus zwei Gründen: Erstens blicken wir in den Geistesund Sozialwissenschaften auch in Deutschland auf eine lange, intensive theoretische Diskussion von Gerechtigkeitsnormen zurück (Liebig 2004b), die vor mehr als zwanzig Jahren noch einmal nachhaltig durch John Rawls (1975) entfacht wurde (siehe auch Dornheim et al. 1999; Ritsert 1997; Müller, Wegener 1995; Walzer 1992). Zweitens gewann das Gerechtigkeitsthema unter dem Stichwort „Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ im politischen Diskurs der letzten Jahre an Bedeutung (DGB 1997; Schabedoth 2002; Schulte 1998; SPD 2002; Stoiber 2002). Gerechtigkeit kann nicht allein als normativ-politisches Konstrukt verstanden werden, sondern ist auch als empirische Frage zu analysieren (Leisering 1999; Liebig 1997). Vor diesem Hintergrund trägt das vorliegende Buch dazu bei, eine Forschungslücke zu füllen. Die forschungsleitende Frage der Untersuchung ist: Unter welchen Umständen werden Lohnkürzungen und Entlassungen von Erwerbspersonen in Deutschland als gerecht empfunden, und unter welchen Bedingungen widersprechen sie dem Gerechtigkeitsempfinden? Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine repräsentative Telefonbefragung zur Gerechtigkeitswahrnehmung von etwa 1500 west- und 1500 ostdeutschen Befragten im Alter zwischen 20 und 60 Jahren durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden in den folgenden Kapiteln vorgestellt. Unsere Ergebnisse zeigen, dass in Deutschland – in noch stärkerem Maße als in den USA und Kanada – Entlassungen und Lohnkürzungen überwiegend als ungerecht eingestuft werden. Beschäftigte erwarten, dass Arbeitgeber sie zumindest teilweise gegen die Folgen allein gewinnorientierter Maßnahmen absichern. So werden beispielsweise Kostensenkungen der Unternehmen durch technischorganisatorische Rationalisierungsmaßnahmen in vergleichsweise starkem Maße als ungerecht bewertet. Demgegenüber gelten Entlassungen oder Lohnsenkungen aus „äußeren“ Anlässen, wie etwa nach einem allgemeinen Absatzmarkteinbruch als weniger ungerecht. Neben der Variation der Gerechtigkeitsbewertung nach
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angegebenen Gründen (Reziprozitätserwartung) hängt die Bewertung in starkem Maße vom Ablauf des Kündigungsprozesses (Verfahrensgerechtigkeit) sowie zum Teil von den Merkmalen der betroffenen Personen (Verteilungsgerechtigkeit) ab. Kündigungen beispielsweise werden eher als gerecht bewertet, wenn sie mit der Zahlung von Abfindungen und Outplacement-Beratung verbunden sind. Insbesondere Vermeidungsversuche seitens des Managements im Vorfeld der Entscheidungen sowie teilweise die Beteiligung der Mitarbeiter oder ihrer Interessenvertretung erhöhen signifikant die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen. Zudem wird deutlich: Gerechtigkeits- und Reziprozitätsansprüche spielen auch dann eine zentrale Rolle, wenn es um die Bewertung eigener betrieblicher Erfahrungen geht. Hervorzuheben ist, dass solche Erfahrungen mit Entlassungen und Lohnkürzungen in größeren Betrieben generell als ungerechter wahrgenommen werden als in kleineren Betrieben. Gewerkschaftsmitglieder akzeptieren Entlassungen in signifikant geringerem Ausmaß als Nicht-Gewerkschaftsmitglieder. Die Verletzung der Prinzipien organisationsbezogener Gerechtigkeitsnormen bewirkt dabei nicht nur eine kritische Bewertung von Entlassungen und Lohnkürzungen, sondern sie löst auch Folgereaktionen von Seiten der Weiterbeschäftigten aus. Wenn Entlassungen und Lohnsenkungen wirtschaftlich vermeidbar sind sowie soziale und Verfahrenskriterien verletzt werden, dann verschlechtern sich Kooperation und Arbeitsmotivation und die Bereitschaft zur Eigenkündigung nimmt zu. Ein Hinweis darauf, dass der Erfolg von Unternehmensentscheidungen immer auch davon abhängt, inwieweit sie die ex- oder impliziten Vereinbarungen berücksichtigen und Abweichungen hiervon durch Informationen und die Einbeziehung der Beschäftigten nachvollziehbar machen können. Darüber hinaus zeigt sich: Es besteht ein Bevölkerungsgruppen übergreifender Grundkonsens über distributive und prozedurale Gerechtigkeitsstandards. Beschäftigte orientieren sich an der Verlässlichkeit solcher Regeln. Und so werden dann spezifische Handlungen, die sich – wie in unseren Entlassungs- oder Lohnsenkungsbeispielen – auf eine Verteilung knapper Güter richten, als gerecht oder ungerecht empfunden. So mag es in modernen Gesellschaften in vielerlei Hinsicht eine Pluralisierung von Wertvorstellungen geben (Koller 2004; Klages, Hippler, Herbert 1992), zentrale Bereiche der Erwerbsarbeit wie Beschäftigungsoder Lohnsicherheit haben sie jedoch – zumindest bislang – nicht erreicht. Die Ergebnisse unserer Untersuchung werden im Folgenden vorgestellt und diskutiert. Hierfür wird in Kapitel 2 der theoretische und methodische Bezugsrahmen präzisiert. Die weiteren Kapitel dieses Bandes dienen der Ergebnisdar-
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Gesine Stephan, Olaf Struck, Christoph Köhler
stellung der Untersuchung. Zunächst wird ein Überblick über die Gerechtigkeitsbewertung von Entlassungen und Lohnsenkungen (Kapitel 3) gegeben. Nachfolgend werden einzelne Schwerpunkte der Untersuchung aufgegriffen. Präsentiert werden zunächst Geschlechterdifferenzen (Kapitel 4), Folgereaktionen von Weiterbeschäftigten (Kapitel 5), Einstellungen zum Kündigungsschutz (Kapitel 6) sowie ein Vergleich der Ergebnisse Deutschlands mit solchen für die USA und Kanada (Kapitel 7). Abschließend wird ein Fazit gezogen.
2 Theoretischer Bezugsrahmen und methodischer Ansatz von Gesine Stephan, Olaf Struck und Christoph Köhler
Ziel der Studie ist die Erfassung der wahrgenommenen Gerechtigkeit von Lohnanpassungen und Entlassungen in Deutschland: Ob und inwieweit werden betriebsbedingte Entlassungen oder Lohnsenkungen als gerecht empfunden? Welche Wirkungen haben diese Maßnahmen auf „freiwillige“ Leistungsbereitschaft, d.h. auf das Engagement, die Kooperation, den Krankenstand und die Neigung, das Unternehmen zu verlassen? Aufgabe dieses Kapitels ist es zunächst, zu verdeutlichen, inwieweit Reziprozitäts- und Gerechtigkeitserwartungen in impliziten Verträgen zwischen Erwerbstätigen und Unternehmensleitungen verankert sind. Den Bezugsrahmen der Untersuchung bilden verschiedene Forschungslinien der ökonomischen, soziologischen und sozial-psychologischen Gerechtigkeitsforschung, wobei im Folgenden zunächst aus der Perspektive der Arbeitsvertragstheorie und der Theorie betriebsinterner Arbeitsmärkte (Wachter, Wright 1990) argumentiert wird und nachfolgend Ansätze der empirischen Gerechtigkeitsforschung sowie die Theorie psychologischer Verträge in den Vordergrund gerückt werden. Im Anschluss werden die drei methodischen Säulen vorgestellt, die die Untersuchung tragen. Erstens wurden den Befragten verschiedene hypothetische Szenarien zu Ursachen, Prozedere und Wirkungen von Entlassungen und Lohnsenkungen vorgelegt. Eine Anzahl von Szenarien wurde von Gary Charness und David Levine übernommen, die ihre Untersuchungen in den USA und Kanada durchgeführt hatten. Darüber hinaus sind den Befragten weitere Szenarien zur Berücksichtigung institutioneller Besonderheiten in Deutschland präsentiert worden. Zweitens wurden Gerechtigkeitsstatements in Bezug auf allgemeine und selbst (direkt und indirekt) erlebte Entlassungen und Lohnsenkungen erfragt. Und drittens wurden Folgereaktionen der Beschäftigten in den betroffenen Betrieben erhoben.
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Gesine Stephan, Olaf Struck, Christoph Köhler
2.1 Theoretische Grundlagen und vorliegende empirische Befunde 2.1.1 Arbeitsmarktforschung Wie lässt sich zunächst aus Sicht der Arbeitsmarktforschung erklären, dass Unternehmen Interesse an langfristigen Beschäftigungsverhältnissen haben und auf Sicherheitsinteressen von Arbeitnehmern eingehen? Die neoinstitutionalistische Organisationsökonomik modifizierte das neoklassische Bild der Marktakteure u.a. durch die Berücksichtigung der Risikoneigung der Akteure (z.B. Picot, Dietl, Franck 1999). Ein fundamentales Ergebnis war, dass es bei risikoaversen Arbeitnehmern und risikoneutralen Unternehmen ineffizient ist, das Einkommen der Arbeitnehmer im Konjunkturverlauf mit ihrem Wertgrenzprodukt variieren zu lassen, so dass ein Unternehmen die Beschäftigten – aus Anreizgesichtspunkten – partiell gegen Einkommenssenkungen und gegen den Verlust des Arbeitsplatzes versichern sollte (Milgrom, Roberts 1992). In Unternehmen mit so genannten „internen“ Arbeitsmärkten wird daher ein entsprechender impliziter Arbeitsvertrag mit den Beschäftigten geschlossen. Wesentliche Merkmale solch interner Arbeitsmärkte sind langfristige Beschäftigungsverhältnisse, eine begrenzte Mobilität zwischen dem externen und dem internen Arbeitsmarkt sowie ein begrenzter Einfluss des externen Arbeitsmarktes auf die Entgeltstrukturen im internen Arbeitsmarkt (Milgrom, Roberts 1992). Nach ihrem Eintritt in einen internen Arbeitsmarkt folgen die dort beschäftigten Arbeitnehmer bestimmten Karrierepfaden und werden bei Nachweis ihrer Befähigung befördert. Die Lohnstrukturen im internen Arbeitsmarkt sind im Regelfall relativ rigide und durch Gewohnheiten sowie die Firmenhistorie geprägt. In der neueren Arbeitsmarktforschung werden internen Arbeitsmärkten zwei wichtige Funktionen zugesprochen (Groshen, Levine 1998):
Erstens lassen sich auf internen Arbeitsmärkten glaubhaft Leistungsanreize bereitstellen, etwa durch eine verzögerte Kompensation (Lazear 1981), durch einen drohenden Einkommensverlust bei einer Entlassung (Shapiro, Stiglitz 1984), durch eine als fair empfundene Entlohnung (Akerlof, Yellen 1990) oder durch Beförderungswettbewerbe bzw. -turniere unter den Arbeitnehmern (Lazear, Rosen 1981). Darüber hinaus argumentieren einige Autoren, dass kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitsplatzunsicherheit deutlich negativ auf die Arbeitszufriedenheit der betroffenen Beschäftigten wirken (Kieselbach 1998; Seifert, Pawlowsky 1998 sowie Borg 1989; Greenhalgh, Sutton 1991).
Theoretischer Bezugsrahmen und methodischer Ansatz
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Zweitens sollen interne Arbeitsmärkte die Effizienz des Arbeitseinsatzes sichern. Mit der Zunahme qualitativ höherwertiger Produktions- und Dienstleistungstätigkeiten (Weidig, Hofer, Wolff 1999) und der Optimierung von Arbeitsprozessen, Gruppenarbeit, Jobrotation, Mitbestimmung und dezentralen Verantwortungsstrukturen (Nordhause-Janz, Prekuhl 2000) werden in der Regel hohe Qualifikations- und Weiterbildungs- sowie Kooperations- und Motivationspotenziale vorausgesetzt (Abraham 2004; Baethge 2001, 2003; Baethge, Baethge-Kinsky 1998; Brandes, Weise 1998; Creed, Miles 1996; Heisig 1997; Schuler, Jackson 1987; Seifert, Pawlowsky 1998). Diese Potenziale werden innerhalb zeitlich begrenzter Arbeitsbeziehungen nicht aufgebaut. Theoretisch begründen lässt sich dies über die Humankapitaltheorie (Becker 1993), Vertrauensansätze (Beckert 2002; Heisig 1997) sowie zum Teil auch über Transaktionskosten- (Williamson 1990; Williamson, Wachter, Harris 1975) und Segmentationsansätze (Lutz 1987; Sengenberger 1987).
Diesen Vorteilen interner Arbeitsmärkte – der Schaffung von Anreizen und einem effizienten Arbeitseinsatz – stehen für die Betriebe jedoch auch potenzielle Nachteile gegenüber: Insbesondere bringt ein interner Arbeitsmarkt eine gewisse Inflexibilität mit sich. Die strategischen Entscheidungen eines Unternehmens für eine bestimmte Lohn- und Beschäftigungsstruktur unterliegen impliziten Restriktionen (Gerlach, Stephan 1999). Hat sich ein Unternehmen einmal für eine bestimmte Lohn- und Beschäftigungsstruktur entschieden, und hat sich ein interner Arbeitsmarkt etabliert, so wird es schwierig sein, Veränderungen dieser Strukturen durchzuführen. Gewohnheiten können im hier untersuchten Kontext als implizites Regelwerk betrachtet werden (siehe Schlicht 1998 zur Bedeutung von „Custom in the Economy“). Änderungen dieses Regelwerkes im Sinne eines Abweichens von bestehenden Konventionen können leicht als ungerecht und unfair angesehen werden. Neuere Befragungen von Managern zeigen die Bedeutung dieser impliziten Restriktionen auf, denen sich Unternehmen mit betriebsinternen Arbeitsmärkten gegenübersehen (Agell, Lundborg 1995; Bewley 1995; Blinder, Choi 1990; Campbell III, Kamlani 1997; Franz, Pfeiffer 2003; Levine 1993). Obwohl sich die Untersuchungen nach Stichproben, Ländern und zum Teil nach den gestellten Fragen unterscheiden, ergeben sich erstaunlich übereinstimmende Ergebnisse. Für betriebliche Lohnstrukturen gilt, dass die Löhne derart in Beziehung zum Produktionsergebnis, zu den Aufgaben oder zu den erforderlichen Fähigkeiten stehen müssen, dass die internen Lohndifferenziale für die Arbeitskräfte nachvollziehbar sind. Dabei hängt es vor allem von den in der Vergangenheit
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Gesine Stephan, Olaf Struck, Christoph Köhler
gezahlten Löhnen, den Gewinnen des Unternehmens und den Verdiensten der Kollegen auf vergleichbaren Arbeitsplätzen ab, ob die Entlohnung als gerecht angesehen wird. Weiterhin finden Lohnanpassungen in Reaktion auf Veränderungen der ökonomischen Umwelt nur in schwachem Ausmaß und mit Verzögerungen statt, da Arbeitnehmer historische Lohnunterschiede zu anderen Unternehmen als Ergebnis einer impliziten Vereinbarung betrachten. Von Seiten des Personalmanagements wird daher befürchtet, dass sich Lohnsenkungen im Unternehmen in verringerten Leistungen auswirken, während von einer Lohnerhöhung keine Leistungssteigerung erwartet wird. Insgesamt lässt sich festhalten, dass konsistente betriebsinterne Lohnstrukturen, die in ihrer Struktur und nach ihrer durchschnittlichen Lohnhöhe zwischen Betrieben differieren, die betrieblichen Entscheidungen aus ökonomisch nachvollziehbaren Gründen beeinflussen und durch erhebliche Trägheitsmomente gekennzeichnet sind. Dies gilt in ähnlicher Weise für Beschäftigungsanpassungen (Rousseau, Anton 1988, 1991; Rousseau, Aquino 1993). Befragungen von Weiterbeschäftigten zeigen, dass diese auf ungerecht wahrgenommene Entlassungen mit Kooperationsverweigerung und Leistungsrücknahme reagieren. Die betriebliche Flexibilität wird damit durch die komplexen und in ökonomischen Modellen schwer fassbaren Fairnessvorstellungen der Arbeitnehmer begrenzt. Zudem ist zu befürchten, dass bei einem Bruch impliziter Verträge durch das Management besonders qualifizierte Mitarbeiter und betriebsspezifisches Humankapital durch freiwillige Mobilität verloren gehen. In der Literatur ist inzwischen weitgehend akzeptiert, dass Arbeitnehmer auf als gerecht empfundenes Verhalten des Managements reziprok reagieren und eine hohe Arbeitsleistung erbringen (Fehr et al. 1998; Seifert, Pawlowsky 1998). Im Umkehrschluss kann ein als ungerecht empfundenes Verhalten der Unternehmensleitung einen signifikanten Motivations- und Leistungsverlust in der Belegschaft bewirken und darüber hinaus gesellschaftliche Reputationsverluste – schwerwiegend ist dies insbesondere bei potenziellen Kunden – zur Folge haben (Bies, Greenberg 2002). Sollen unerwünschte Effekte vermieden werden, so lassen sich Änderungen des impliziten Regelwerkes eines Unternehmens nur mit Verzögerungen und erhöhtem Aufwand an Kommunikation und Ausgleichsmaßnahmen durchführen. Darüber hinaus steigt im Grundsatz die Notwendigkeit zur Kooperation zwischen Betriebsleitung und betrieblichen sowie überbetrieblichen Vertretungsorganen der Beschäftigteninteressen.
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2.1.2 Gerechtigkeitsforschung Die Akzeptanz betrieblicher Lohnsenkungen und Entlassungen steht in einem engen Zusammenhang mit der wahrgenommenen Gerechtigkeit der Maßnahmen (Jeurissen 1999). Für die organisationale Gerechtigkeitsforschung (Greenberg 1995; Konow 2003) sind dabei zwei Aspekte von besonderer Bedeutung: distributive Gerechtigkeit und prozedurale Gerechtigkeit (so u.a. auch Hauff 2004; Kieselbach 1998; Lengfeld 2003; Lengfeld, Liebig 2003; Pfeifer 2003, 2004). Distributive Gerechtigkeit bezieht sich auf Fragen der Verteilungsgerechtigkeit. Es geht darum, die Ergebnisse einer Verteilung materieller oder immaterieller Güter und Lasten zu bewerten oder die Gerechtigkeit alternativer Verteilungsprinzipien zu beurteilen. Konkret soll beispielsweise beantwortet werden, nach welchen Kriterien zu entlassende Beschäftigte ausgewählt werden sollten, damit Kündigungen von den Befragten als gerecht und fair angesehen werden. Gerechtigkeitsurteile werden dabei je nach Art der sozialen Beziehung anhand unterschiedlicher Verteilungsprinzipien gefällt (Liebig 1997: 142 f.). Die Bewertung von Verteilungskonflikten orientiert sich im Allgemeinen an den folgenden Prinzipien:
Beitragsprinzip: Basierend auf der durch Adams (1965) etablierten EquityTheorie gilt eine Verteilung nur dann als gerecht, wenn sie den individuellen Leistungen der involvierten Personen Rechnung trägt (Greenberg 1990a: 400; Leventhal 1980; Young 1993: 3ff.). Eine beitragsgerechte Verteilung beschreibt somit einen Zustand, in dem Güter- und Lastenzuteilungen an eine Person gemessen an deren Leistung als gerecht wahrgenommen werden. Als Maßstab für die Bewertung des individuellen Einsatzes und der individuellen Belohnung oder Bestrafung dient erstens der Vergleich mit anderen Referenzpersonen (z.B. Mitarbeitern) und Gruppen, zweitens eine strukturelle Vorgabe des Systems (z.B. Arbeitsvorgaben, Entlohnungssysteme) sowie drittens der Selbstbezug, indem aktuelle Inputs oder Outputs mit früheren oder gar mit idealen Inputs und Outputs verglichen werden (Gilliland 1993: 715). Als gerecht gilt dabei, wenn Einsatz und Ertrag nicht nennenswert voneinander abweichen. Ist der Einsatz höher als der Ertrag, kann dies „Ärger und Frustration“ und in deren Folge (und im Zuge eines Abbaus kognitiver Spannungen) Leistungszurückhaltung erzeugen. Ist der Ertrag höher als der Einsatz, können (zumeist kurzzeitig) „Schuldgefühle“ ausgelöst werden, die wiederum leistungssteigernd wirken können (Adams 1965: 283 ff.). Gerade in an Wirtschaftlichkeit und Effizienz orientierten Unter-
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Gesine Stephan, Olaf Struck, Christoph Köhler nehmen gilt das Beitragsprinzip als dominantes Verteilungsprinzip (Deutsch 1975; Liebig 1997: 196). Bedarfsprinzip: Eine Verteilung wird dann als gerecht wahrgenommen, wenn eine grundlegende, allgemein anerkannte Bedürftigkeit der betroffenen Personen vorliegt und befriedigt wird (Gilliland 1993: 719). Es kann vermutet werden, dass dieses Bewertungsprinzip in modernen Wohlfahrtsstaaten und den hier etablierten Systemen der sozialen Sicherung zur Erfüllung von Grundbedürfnissen an Bedeutung verloren hat (Konow 2001). Allerdings kann weiterhin aus Lohnkürzungen und Arbeitsplatzverlusten ein erheblicher ökonomischer Verlust resultieren – etwa dann, wenn das Einkommen entscheidend zum Lebensunterhalt von Familienmitgliedern beiträgt (Engelstad 1997: 207) oder die Wahrscheinlichkeit von Langzeitarbeitslosigkeit, etwa bei gering qualifizierten, älteren oder sehr spezifisch qualifizierten Erwerbstätigen, besonders hoch ist (ebd.: 208). Eine explizite Anwendung in der deutschen Praxis findet das Bedarfsprinzip im Kündigungsschutzgesetz (KSchG), wonach betriebsbedingte Kündigungen grundsätzlich nur unter Beachtung sozialer Auswahlkriterien, wie zum Beispiel Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflicht (§1(3) KSchG), ausgesprochen werden dürfen. Gleichheitsprinzip: Hiernach sollen alle beteiligten Individuen, unabhängig von Leistung und Bedürftigkeit sowie von Geschlecht, Alter, ethnischer Herkunft, Bildung etc., den gleichen Anteil an Gütern oder Lasten zugesprochen bekommen (Gilliland 1993: 718; Lengfeld, Liebig 2003: 475). Die Equality-Theorie stellt dabei die Chancengleichheit heraus, die einer leistungs- und merkmalsunabhängigen Zufallsauswahl gleichkommt. Im Kontext von Beschäftigungsbeziehungen kommt dem Gleichheitsprinzip im Sinne von Gleichberechtigung häufig allerdings nur dann ein hoher Stellenwert zu, wenn die Chancengleichheit verletzt wird oder beschäftigungsirrelevante Kriterien für eine beschäftigungsrelevante Entscheidung herangezogen werden (Gilliland 1993: 718). Im Falle derart bedingter Gleichheitsprinzipien können beispielsweise Kündigungen eher als ungerecht angesehen werden, wenn diese eindeutig aufgrund der ethnischen Herkunft und nicht basierend auf Qualifikationen ausgesprochen werden. Beförderungen und Lohnerhöhungen würden dann als ungerecht wahrgenommen, wenn das Geschlecht und nicht etwa die persönliche Leistung als Auswahlkriterium gelten würde. Gilliland (1993: 718) ergänzt, dass eine Diskriminierung durch vormalig diskriminierte Personen eher wahrgenommen wird als durch Nichtdiskriminierte. Darüber hinaus kann Gleichheit im Sinne egalitärer (unbedingter) Gleichbehandlung verstanden werden, wonach alle Beteilig-
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ten gleich oder äquivalent betroffen sein sollten (Herwig 1984: 78ff.). So wäre beispielsweise bei Personalabbauprozessen eine Situation relativ gleicher Betroffenheit aller Beteiligten gegeben, wenn nicht nur einzelne Arbeitnehmer entlassen werden, sondern zusätzlich die verbleibenden Erwerbstätigen aller Hierarchie- bzw. Leistungsebenen Einschnitte beispielsweise durch Lohnkürzungen oder Zurückhaltung von Prämienzahlungen erfahren würden. Verantwortlichkeitsprinzip: Das von Konow (1996, 2001) vorgeschlagene Verantwortlichkeitsprinzip stellt zunächst eine Erweiterung des Beitragsprinzips um externe Variablen dar. Aufbauend auf den theoretischen Grundannahmen der Equity Theory (Adams 1965) sowie der Attributionstheorie (Hewstone, Fincham 1997; Kelley 1973) unterscheidet Konow diskrete und externe Variablen, die einen Einfluss auf das Gerechtigkeitsempfinden in Verteilungssituationen haben können. Diskrete Variablen sind Leistungen oder Kosten, die einen direkten Einfluss auf die Verteilung haben und von den Individuen beeinflusst werden können. Externe Variablen beschreiben gegebene Sachverhalte, die nicht veränderbar sind, sich aber trotz allem auf das Ergebnis einer Verteilung auswirken (zu kontrollierten und unkontrollierten Ursachen siehe auch Weiner 1994). Nach dem Verantwortlichkeitsprinzip gilt eine Verteilung genau dann als gerecht, wenn sie proportional zu den Einsätzen (Leistung und Kosten als diskrete Variablen) und relativ zu den Möglichkeiten (externe Variablen) getroffen wird, wodurch die betroffenen Personen nur für die Gegebenheiten verantwortlich gemacht werden, die sie auch selbst kontrollieren können. Hierzu ein Beispiel: Produziert A1 doppelt so viel wie A2 und ist er in physischer und kognitiver Hinsicht sowie in Bezug auf technische oder arbeitsorganisatorische Rahmenbedingungen von diesem nicht unterscheidbar, ist es gerechtfertigt, dass er einen doppelt so hohen Lohn bezieht. Ist A2 jedoch bei sonst gleichen Bedingungen unverschuldet „gehandicapt“, so steht ihm nach dem Verantwortlichkeitsprinzip der gleiche Lohn zu, obwohl sein Output geringer ist (in Anlehnung an Konow 2001: 142). Das Verantwortlichkeitsprinzip stellt somit primär eine Verknüpfung von Beitrags-, Gleichheits- und Bedarfsprinzip dar, da sich eine gerechte Verteilung nur aus der Gewichtung aller drei Faktoren ergibt. So richtet sich eine Güter- oder Lastenzuteilung also nicht mehr ausschließlich nach Leistung, sondern bezieht auch Gleichberechtigungs- und (relative) Egalitätsprinzipien sowie Ansprüche aufgrund von Bedürftigkeit ein. Sekundär werden nicht beeinflussbare Größen explizit in die Bewertung einer Verteilung mit einbezogen, so dass im Idealfall der Einfluss all jener Variablen (auch wenn sie direkt oder indirekt zur Ver-
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Gesine Stephan, Olaf Struck, Christoph Köhler teilungsmenge beitragen), die durch die beteiligten Personen nicht veränderbar sind, von der Gerechtigkeitsbewertung ausgeschlossen werden. Effizienzprinzip: Nach diesem Prinzip gilt eine Verteilung dann als gerecht, wenn sie in ihrer Gesamtheit die Erträge maximiert beziehungsweise die Lasten minimiert (Konow 2001: 145ff.). Verteilungen gelten demnach auch dann als gerecht, wenn einzelne Personen schlechter gestellt werden, damit Erträge in der Summe gesteigert werden können. Leisering (1999: 11) spricht in diesem Zusammenhang auch von „funktionalistischer“ oder „produktivistischer“ Gerechtigkeit, wobei aktuelle Verteilungen als gerecht anzusehen sind, falls sie mittel- oder langfristig den Gesamtnutzen aller erhöhen. Entgegen dem Bedarfs-, Gleichheits- oder Verantwortlichkeitsprinzip lassen sich auf Basis des Effizienzprinzips z.B. Abweichungen von den Sozialauswahlkriterien des Kündigungsschutzrechts legitimieren, da sie zum Erhalt qualifizierten Personals und somit der Leistungsfähigkeit des Unternehmens dienen. So zeigt etwa Struck (1999: 323), dass in der kritischen Situation des ostdeutschen Strukturbruchs nach der „Wende“ die Sozialauswahlkriterien für Kündigungen (insbesondere Alter und Betriebszugehörigkeit) aufgrund der Leistungsfähigkeit einzelner Mitarbeiter mit Wissen der Rechts- und Arbeitnehmervertretungen umgangen wurden. Das Effizienzprinzip kann daher als eine übergeordnete Form des Beitragsprinzips verstanden werden, wobei sich beide Prinzipien sowohl durch eine zeitliche Dimension als auch hinsichtlich ihres Anwendungskontextes unterscheiden. Im Rahmen eines Personalabbaus kann sich beispielsweise die Kündigung eines Arbeitnehmers unter Bezug auf das Beitragsprinzip danach richten, welche Leistung oder welchen Beitrag der Arbeitnehmer in der Vergangenheit erbracht hat. „Bei der effizienzorientierten Auswahl wird (demgegenüber ergänzend) danach gefragt, wer mit größerer Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner bisherigen oder zukünftig zu erwartenden Arbeitsleistungen, -haltungen oder Qualifikationen die Produktivität des Unternehmens erhöht und deshalb von einer Entlassungsentscheidung ausgenommen werden sollte“ (Kieselbach 1998: 241). Das Beitragsprinzip orientiert sich demnach primär am individuellen Arbeitnehmer, wohingegen beim Effizienzprinzip das Unternehmens- und/ oder Mitarbeiterwohl „in Gänze“ im Vordergrund steht.
Die Bewertung von Verteilungsergebnissen anhand der genannten Prinzipien wird jedoch auch durch die Gerechtigkeit der Verfahren beeinflusst, nach denen eine Verteilungsentscheidung zustande gekommen ist – also durch prozedurale Gerechtigkeit. Diese Erkenntnis wurde Mitte der 1970er Jahre aus der Beobach-
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tung hergeleitet, dass offenkundig ungerechte Verteilungsergebnisse durchaus als gerecht angesehen wurden, wenn sie das Resultat von Verfahren waren, die als gerecht empfunden wurden. Zugleich wurde festgestellt, dass neben möglichen Kompensationseffekten auch Kumulationen von Ungerechtigkeitsempfindungen auftreten, wenn zugleich Verfahrens- und Verteilungsaspekte als ungerecht wahrgenommen werden. In Anlehnung an Leventhal (1980: 37 ff.) lassen sich sechs formale Grundprinzipien unterscheiden, anhand derer die Gerechtigkeit eines Prozesses beurteilt wird (so auch Hauff 2004; Lengfeld, Liebig 2003: 477; Pfeifer 2003, 2004):
Consistency Rule: Entscheidungsprozesse sollten konsistenten Verfahrensregeln folgen, die für alle Beteiligten für eine gewisse Dauer gültig sind; Bias-Suppression Rule: Bei allen am Verfahren teilnehmenden Personen sollten Vorfestlegungen, Parteilichkeit und Eigeninteresse ausgeschlossen sein; Accuracy Rule: Dem Entscheidungsprozess sollten alle relevanten Informationen zu Grunde liegen; Correctability Rule: Entscheidungen müssen korrigierbar sein und Verfahren sollten (repressionsgeschützte und einfach in Anspruch zu nehmende) Einspruchsmöglichkeiten beinhalten; Representativeness Rule: Einwände, Interessen oder Werte aller vom Verteilungsprozess Betroffenen sollten in die Entscheidungsfindung einfließen; Ethicality Rule: Der Entscheidungsprozess sollte mit fundamentalen moralischen oder ethischen Auffassungen aller vom Prozess Betroffenen vereinbar sein.
Im Grundsatz lassen sich die hier hervorgehobenen formalen von interpersonalen Aspekten der Prozessgestaltung unterscheiden (Liebig 1997: 206f.). Daneben können analytisch fünf teilweise sich ergänzende und komplementäre interpersonale Prinzipien unterschieden werden, die ebenfalls die Gerechtigkeitswahrnehmung des entsprechenden Prozesses beeinflussen (Müller 1998: 60f.): (1) Berücksichtigung drückt aus, in welchem Maße Entscheider auf die Interessen und Bedürfnisse der Betroffenen eingehen. (2) Zudem soll die Gleichbehandlung aller Betroffenen während des Prozesses gewährleistet sein. (3) Kommunikative Integrität beschreibt, inwiefern Sachverhalte glaubwürdig dargelegt und Entscheidungen argumentativ begründet werden. Darüber hinaus soll (4) die rasche Rückmeldung von Zwischenergebnissen und Entscheidungen sowie (5) eine Aufklärung über Hintergründe und Wege der Entscheidungsfindung erfolgen. Mitunter werden die interpersonalen Prinzipien neben der distributiven und der
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prozeduralen Gerechtigkeit als eigenständige Gerechtigkeitsdimension in Form der „Interaktionsgerechtigkeit“ thematisiert (Kieselbach 1998: 243; Bies, Shapiro 1987). Greenberg (1990: 410ff., 1993:80ff.) unterscheidet dabei interpersonale und informatorische Gerechtigkeit, wobei erstere (etwa Berücksichtigung und Gleichbehandlung) der distributiven und letztere (etwa kommunikative Integrität, Rückmeldung und Aufklärung) der prozeduralen Gerechtigkeit zugeordnet werden. Für die hier vorgelegte Studie gilt allerdings, dass aufgrund der hohen situativen Beeinflussbarkeit zwischenmenschlicher Beziehungen, die im restriktiven Rahmen der Befragung nicht erhoben werden konnten, Auswertungen und Ergebnisse auf Teilaspekte formaler Verfahrensprinzipien beschränkt bleiben. Urteile über die Gerechtigkeit eines Verfahrens werden dementsprechend anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten gefällt: „Individuals do not have a single schema of a fair process that they apply on all occasions. Instead, they are concerned with different issues under different circumstances. As a result, it is likely that there are no universally fair procedures for allocation and dispute resolution.” (Tyler 1988: 131). Bei der Vielzahl der Anwendungsmöglichkeiten prozeduraler Gerechtigkeit in Organisationen, wie beispielsweise Personalauswahl, Entgeltfindung, Leistungsbeurteilung, Förderung von Arbeitsengagement und Personalabbau, lässt sich kein objektivierbarer Beurteilungsmaßstab von Gerechtigkeit finden. Prozedurale Gerechtigkeit ist „eine subjektive oder kollektive Bewusstseinskonstruktion, die Betroffene von und Verantwortliche für Entscheidungen in Organisationen herausbilden und gegebenenfalls auch wieder revidieren, modifizieren, ergänzen oder neu aushandeln können“ (Müller 1998: 67). Darüber hinaus können, abhängig von den Rahmenbedingungen, einzelne Prinzipien und Regeln übereinstimmen oder im Gegensatz zueinander stehen sowie unterschiedliches Gewicht haben (Elster 1995; Leventhal 1980). Eben deshalb sind empirische Untersuchungen zu strukturellen und situativen Ursachen unterschiedlicher Gerechtigkeitswahrnehmungen erforderlich. Im Rahmen solcher Untersuchungen sind dann interagierende Beziehungen zwischen Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit (Brockner et. al 1994; Gilliland 1993: 721) zu berücksichtigen. Insofern etwa die Ergebnisse einer Verteilung aufgrund der verschiedenen Allokationsprinzipien als gerecht wahrgenommen werden, können Aspekte der Prozessgestaltung in den Hintergrund treten. Zudem können negative Ergebnisse – wie beispielsweise Entlassungen oder Lohnkürzungen – eher als gerecht bewertet werden, wenn die entsprechende Entscheidungsprozedur als gerecht empfunden wird (Stock 2001: 52). „Procedural justice is the key to the acceptance of negative outcomes or decisions against someone’s wishes, it produces a ‚cushion of support‘ for leaders to take unpopular decisions.” (ebd.: 44). Andererseits kann sich das Ungerechtigkeits-
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empfinden zusätzlich noch verstärken, sobald Ergebnisse und Entscheidungsprozesse als unfair wahrgenommen werden. 2.1.3 Psychologische Verträge Gerechtigkeitsnormen werden auf dem Arbeitsmarkt umso wichtiger, wenn gut bezahlte Arbeit zu einer zusehends knappen Ressource wird. Darüber hinaus unterliegt der Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit neben rechtlichen Restriktionen auch immer der „freiwilligen“ Bereitschaft der Arbeitnehmer zur Kooperation (Deutschmann 2002). Aufgrund begrenzter Kontrollmöglichkeiten, die es nicht ermöglichen jede Handlung positiv oder negativ zu sanktionieren, werden zumeist implizite und unvollständige Verträge geschlossen, die auch als psychologische Verträge interpretiert werden können (Sadowski 2002: 72ff.). Psychologische Verträge (Anderson, Schalk 1998; Berner 1999; Grote 2000; Grote, Raeder 1999; Herriot, Manning, Kidd 1997; Hiltrop 1995; Millward, Brewerton 2000; Rousseau 1995; Rousseau, Schalk 2000) beschreiben das Vertrauen in gegenseitige Verpflichtungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, das auf Zusagen nach der Einstellungsentscheidung und während der täglichen Zusammenarbeit baut. Die Interpretation dieser Zusagen wird in starkem Maße durch subjektive Ansichten sowie durch gesellschaftliche und innerorganisatorische soziale Prozesse beeinflusst. Das Vertrauen in die Einhaltung der Verpflichtung beruht darauf, dass beide Parteien von der Einhaltung überzeugt sind (Reziprozität). Einseitige Vertragsverletzungen führen dabei zu einer Erosion des Vertrauens, wodurch sich die Bereitschaft der Arbeitnehmer zur „freiwilligen“ Leistungserbringung sowie der Arbeitgeber zu Investitionen (etwa Beförderungen) verringert. Nun können Veränderungen der Arbeitswelt, etwa die Zunahme numerisch flexibler Beschäftigung, die Verbreitung zeitflexibler Vertragsformen (Grotheer, Struck 2003) eine „Normalität“ von Kündigungen etc., zu einer Anpassung psychologischer Verträge führen. Derartig veränderte Verträge könnten sich dann durch weniger starke Bindungen oder qualitativ veränderte Übereinkünfte (etwa betriebliche Generierung zwischenbetrieblicher Übergangsmöglichkeiten durch Qualifizierung etc.) auszeichnen. Charness und Levine (2002: 403) folgern zur Akzeptanz der Veränderungen: „Many people perceive what is common as fair. Should the new employment contract become widespread, it will probably become more acceptable.”
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Gerechtigkeit ist damit ein vielschichtiges Phänomen, das sich nicht eindimensional erfassen und darstellen lässt. Dies wird im Untersuchungsdesign berücksichtigt, welches im Folgenden vorgestellt wird. 2.2 Untersuchungsdesign und Methodik Grundlage der empirischen Analyse ist eine im Jahr 2004 durchgeführte repräsentative telefonische Befragung von 3039 Personen im Alter zwischen 20 und 60 Jahren, die durch das Forschungs- und Beratungsinstitut „aproxima“ aus Weimar durchgeführt wurde. Befragt wurden jeweils etwa zur Hälfte Personen in West- (n=1448) und Ostdeutschland (n=1591). Gerechtigkeit „is a context dependent, but not context specific, phenomenon“ (Konow 2003: 1231). Entsprechend ist zu prüfen, in welchem Maße Aspekte der Reziprozität sowie der Verfahrens- und Verteilungsgerechtigkeit die Gerechtigkeitswahrnehmung beeinflussen. Hinsichtlich der Verfahrensgerechtigkeit sind dabei unter anderem Mitwirkungsmöglichkeiten der Mitarbeiter und ihrer Vertretungsorgane berücksichtigt. Mit Blick auf Verteilungsaspekte wird untersucht, welche Auswirkungen Versuche der Vermeidung, interne Kontrollierbarkeit bzw. externer Anlass der Maßnahme oder die Selektivität in der Auswahl der Betroffenen aufweisen. Die jeweils zugrunde gelegten Gerechtigkeitsprinzipien sind in Abhängigkeit von der Art der sozialen Beziehung zu analysieren. So kann vermutet werden, dass innerhalb der Arbeitswelt Leistungsprinzipien stärker in den Vordergrund treten als beispielsweise im familiären Kontext, in welchem dem Bedarfsprinzip eine allgemein höhere Bedeutung beigemessen wird. Zudem sind soziodemographische Merkmale, Erfahrungen der Person und der betriebliche Kontext zu berücksichtigen, die beeinflussen, wie eine Person eine spezifische Verteilungssituation schließlich bewertet. Um diese Vielschichtigkeit des Phänomens „Gerechtigkeit“ angemessen einbeziehen zu können, werden die in Deutschland vorherrschenden Gerechtigkeitsorientierungen gegenüber Fragen der Lohn- und Beschäftigungsanpassung folgendermaßen erfasst:
Erstens wurden Gerechtigkeitseinschätzungen zu hypothetischen Entlassungs- und Lohnkürzungsszenarien erfragt. Zweitens wurden in Form von Statements ergänzende Informationen erhoben.
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Drittens wurden die Erfahrungen der Befragten mit Entlassungen und Lohnsenkungen in ihrem eigenen betrieblichen Umfeld innerhalb der letzten fünf Jahre und deren Gerechtigkeitsbewertung ermittelt. Viertens wurde eine Anzahl soziodemographischer Informationen erhoben, u.a. zu Geschlecht, Alter, höchstem Ausbildungsabschluss, Haushaltskontext und Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft. Bei Erwerbstätigen wurden daneben Angaben zur Tätigkeit und Stellung im Erwerbsleben, die Betriebszugehörigkeitsdauer, Arbeitgeberwechsel, die Existenz eines Betriebsrates sowie die Betriebsgröße etc. erfragt.
2.2.1 Bewertung auf Grundlage von Szenarien Eine erprobte und angemessene Methode zur Untersuchung von Gerechtigkeitseinstellungen stellt die Szenarien- oder Vignettentechnik dar (Alves, Rossi 1978; Jasso, Rossi 1977). Szenarien erlauben es, genau zu beschreiben, unter welchen Umständen eine Verteilungsentscheidung erfolgt, wer davon betroffen ist und welche Konsequenzen die Verteilungsentscheidung für die Betroffenen mit sich bringt. Sie sind daher gut geeignet, um Gerechtigkeitseinstellungen in Abhängigkeit von bestimmten Kontextbedingungen zu untersuchen. Als QuasiExperiment ermöglichen sie es, zugleich die Einflüsse auf die Gerechtigkeitsbewertung in hohem Maße zu kontrollieren. Darin liegt ein wesentlicher Vorteil gegenüber Umfragedaten: Hier kann der mögliche Einfluss dritter, unbeobachteter Variablen auf die ermittelten Zusammenhänge erst über Wiederholungsbefragungen kontrolliert werden. Für die Szenarien wurden aus Gründen der internationalen Vergleichbarkeit in weiten Teilen adäquate Modifikationen der Fragestellungen von Charness, Levine (2000, 2002) gewählt, die selbst teilweise Formulierungen von Kahneman, Knetsch, Thaler (1986) aufgreifen. Der Fragebogen enthält jedoch auch eigene, auf Deutschland zugeschnittene Szenarien. Die von Charness und Levine verwendeten Fragestellungen beziehen sich auf hypothetische Szenarien, bei denen jeweils gefragt wird, als wie gerecht die Befragten eine knapp charakterisierte betriebliche Maßnahme einordnen. In jedem Interview werden drei Szenarien vorgestellt. Zur Einschätzung der Entlassungs- und Lohnsenkungsszenarien standen den Befragten dann vier Antwortkategorien („sehr gerecht“, „mehr oder weniger gerecht“, „mehr oder weniger ungerecht“ und „sehr ungerecht“) sowie die Möglichkeit der Angabenverweigerung zur Auswahl. Aufgrund der Länge der Szenarien und um Verzerrungen im Antwortverhalten durch eine Anpassung an die vermeintlichen Erwartungen des Intervie-
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wers zu vermeiden (Charness, Levine 2000: 384), wurde bei der Befragung ein „Between-Subjects“-Ansatz gewählt. Bei diesem Befragungsansatz wird jedes Szenario nur einer – hinreichend großen – Teilmenge der Befragten vorgetragen. Einige ergänzende Gerechtigkeitsaspekte in Bezug auf betriebsbedingte Entlassungen und Lohnkürzungen wurden über allgemeine Gerechtigkeitsurteile bei allen Befragten erhoben. Der Aufbau eines typischen Szenarios sei kurz erläutert. (Der detaillierte Aufbau ist im Anhang des Buches dargestellt.) In einem ersten Satz wird zunächst der auslösende „Schock“ für eine Lohnkürzung oder Entlassung genannt. Dies kann z.B. eine gesunkene Produktnachfrage oder die Einführung einer neuen Produktionstechnologie sein. Daran anschließend wird kurz präzisiert, welche Gruppe von Beschäftigten die Maßnahme betrifft, wobei die Betroffenen nach der Qualifikation, der Art des im Unternehmen erworbenen Humankapitals, dem Geschlecht sowie der Beschäftigungsdauer unterschieden werden. Neben diesem Aspekt distributiver Gerechtigkeit wird überdies die Prozessgestaltung beschrieben. Szenarienvariationen zur rigorosen oder behutsamen Durchführung von Entlassungen und Lohnsenkungen sowie zur Beteiligung des Betriebsrates ermöglichen hier die Berücksichtigung prozeduraler Gerechtigkeitsmerkmale. Eine mit Blick auf Reziprozitätsempfindungen interessante Variante ist zudem, ob die Unternehmensleitung durch eigene Gehaltseinbußen an Sparmaßnahmen partizipiert. Schließlich wird im Anschluss an einzelne Szenarien die Motivations- und Leistungsreaktion der weiterbeschäftigten Arbeitnehmer beschrieben. Die Analyse des Einflusses der einzelnen Szenariendimensionen auf die Gerechtigkeitsbewertung erfolgt in Anlehnung an die Methode des faktoriellen Surveys (Rossi, Anderson 1982; Beck, Opp 2001). Hierzu werden die Dimensionen als kategorial unabhängige Variablen kodiert. In logistischen Regressionen wird neben den Abwandlungen der Szenarien auch der Einfluss soziodemographischer Merkmale kontrolliert. Hierzu wird sowohl die Gesamtstichprobe als auch die Teilstichprobe der Erwerbstätigen untersucht. 2.2.2 Bewertung auf Grundlage eigener Erfahrungen Neben dem Szenarienansatz ist auch eine Analyse eigener Erfahrungen der Befragten wünschenswert, um einerseits den Einfluss der realen Erlebnisse auf das Gerechtigkeitsempfinden zu analysieren und andererseits die Ergebnisse der Szenarientechnik zu validieren. Dies gilt vor allem dann, wenn nicht nur die Einstellung zu einem bestimmten Ereignis, sondern darüber hinaus auch mögliche Handlungskonsequenzen ermittelt werden sollen (Lind, Tyler 1988: 46ff.). In der
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vorliegenden Studie wurden die Gerechtigkeitsbewertungen betrieblicher Entlassungen und Lohnsenkungen daher auch über die eigene betriebliche Erfahrung erfasst. So kann auch berücksichtigt werden, inwieweit betroffene Personen („implicated stakeholder“) eine andere Wahrnehmung als unbetroffene Dritte („impartial stakeholder“) aufweisen. Um die eigenen Erfahrungen mit betrieblichen Entlassungen und Lohnsenkungen zu erfassen, wurden erwerbstätige Personen zunächst gefragt, ob es innerhalb der letzten fünf Jahre in ihrem Arbeitsumfeld betriebliche Entlassungen oder Lohnsenkungen gegeben hat. Sie waren dabei nicht unbedingt selbst von der Entlassung respektive Lohnkürzung betroffen. Der so ausgewählte Kreis wurde dann gebeten, sowohl Angaben über den Umfang der Entlassungen, zum Prozedere (z.B. zur Beteiligung der Belegschaft oder ihrer Vertreter und über das Engagement des Arbeitgebers zur Vermeidung der Entlassungen bzw. Einkommenssenkung) als auch zu Auswirkungen im Betrieb (u.a. zur Kooperation zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten und zum Engagement für die Firma) zu machen. Schließlich wurden die Betroffenen gebeten, die Gerechtigkeit der erlebten Entlassung und/ oder Einkommenskürzung analog zu den Szenarien anhand einer vierstufigen Skala zu bewerten. Auch hier erfolgte sowohl eine deskriptive als auch eine multivariate Auswertung der Befragungsergebnisse. Insgesamt ermöglicht das Vorgehen eine umfängliche Berücksichtigung der theoretisch und/ oder empirisch orientierten Literatur. Dabei bietet sie für die Bundesrepublik erstmalig eine solide Datenbasis zur Analyse von Gerechtigkeitsbewertungen aktueller Lohnveränderungen und Entlassungsrisiken im Kontext betrieblicher und individuell-soziodemographischer Merkmale sowie individueller Wertorientierungen. Einschränkend gilt jedoch: Tatsächliche Anpassungen von Gerechtigkeitseinstellungen erwerbstätiger Personen im Zuge veränderter Beschäftigungsbeziehungen können anhand der erhobenen Querschnittsdaten nicht untersucht werden. Erst eine Wiederholungsbefragung des gleichen Personenkreises würde es ermöglichen, die Genese von Einstellungen zu analysieren und Alters-, Kohorten- sowie Periodeneffekte zu kontrollieren. Darüber hinaus würde es eine langfristige Verlaufsuntersuchung erlauben, mögliche Kausalwirkungen von individuellen, organisatorischen und institutionellen Einflussmerkmalen exakter zu erfassen, als es in der vorliegenden Untersuchung möglich ist. Hier besteht weiterhin ein erheblicher Forschungsbedarf.
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2.2.3 Bedeutung soziodemographischer Merkmale und allgemeiner Werteinstellungen Bereits die soziologischen Klassiker Weber, Durkheim oder Parsons wiesen darauf hin, dass die soziale Lage von Personen und Gruppen maßgeblich die Wahrnehmung des sozialen Geschehens und des normativen Handelns beeinflusst. Aus diesem Grund werden auch soziodemographische Merkmale und allgemeine Werteinstellungen der Befragten als mögliche Determinanten der Gerechtigkeitseinschätzung berücksichtigt. So dienen beispielsweise die Einkommenshöhe sowie eventuelle finanzielle Betreuungspflichten dazu, die Wirkung unterschiedlicher Grade der Angewiesenheit des Befragten auf den Erhalt des Arbeitsplatzes und die Lohnhöhe zu kontrollieren. Einbezogen werden zudem berufliche, biographische und askriptive Merkmale wie berufliche Stellung, Ausbildungsabschluss, Zahl der Arbeitgeberwechsel, Erleben von Entlassungen und Lohnsenkungen, die eigene berufliche Sicherheit, Alter und Geschlecht, um bisherige Erfahrungen der Befragten und ihre Möglichkeiten, auf veränderte Situationen reagieren zu können, zu berücksichtigen. In der vorliegenden Untersuchung wird die Gerechtigkeitswahrnehmung im Hinblick auf Entlassungen und Lohnsenkungen analysiert. Damit richtet sich die Analyse auf einen spezifischen Gegenstand des Gerechtigkeitsempfindens. Möglich wäre jedoch, dass diese spezifisch abgefragte Wahrnehmung mehr oder minder maßgeblich von übergreifenden, auf Beschäftigung oder Gesellschaft allgemein bezogenen Einstellungen abhängt. Durkheim, Parsons oder Rawls legen beispielsweise nahe, dass es universell gültige Gerechtigkeitsnormen zumindest innerhalb eines Kulturkreises gibt. Marx, Weber oder Parkin sehen Gerechtigkeit eher als interessengeleitet an und Weber und Walzer betonen zusätzlich die Abhängigkeit von Wertssphären. Um der Frage nach dem Zusammenhang zwischen spezifischen und allgemeinen Werteinstellungen nachzugehen, werden in einzelnen Analysen daher sowohl beschäftigungsbezogene Werteinstellungen als auch Gerechtigkeitsideologien berücksichtigt.
3 Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen? von Alexandra Krause, Christian Pfeifer und Tatjana Sohr
Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und regelmäßige Meldungen über den Beschäftigungsabbau in Unternehmen heizen die Diskussion um Änderungen im deutschen Arbeitsrecht immer wieder an. Wirtschaftsverbände sowie liberale, konservative und z.T. sozialdemokratische Politiker erheben die Forderung nach einer weitergehenden Deregulierung des Arbeitsmarktes. Nach dieser Auffassung sind rechtliche und politische Korsettstangen zu entfernen, um Unternehmen eine »freie Atmung« in Bezug auf Beschäftigungs- und Lohnanpassungen in Zeiten konjunktureller und struktureller Auf- und Abschwünge zu ermöglichen. Demgegenüber appellieren Interessensgruppen der Arbeitnehmer, allen voran die Gewerkschaften sowie gewerkschaftsnahe Politiker, an die „soziale Verantwortung“ der Unternehmen. Sie sehen den Ausbau, Einsatz und Erhalt von Qualifikationen und die Gewährleistung »freiwilliger« Leistungsbereitschaft als abhängig sowohl von gut bezahlten und stabilen Beschäftigungsverhältnissen als auch von einem fairen Umgang mit Arbeitnehmern an. Die folgenden Untersuchungen sind auf zwei zentrale Veränderungsmaßnahmen in Unternehmen fokussiert: Entlassungen und Lohnsenkungen. Analysiert werden die Ursache der Anpassungsmaßnahme, die betroffenen Beschäftigtengruppen, die Ausgestaltung der Maßnahme sowie allgemeine soziodemographische und erwerbsbezogene Merkmale der befragten Personen. Zudem wird gezeigt: Durch die Berücksichtigung der Gerechtigkeitseinstellungen der Beschäftigten, aber auch der Öffentlichkeit können Unternehmen die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnsenkungen deutlich erhöhen. Das Kapitel gliedert sich folgendermaßen: Abschnitt 3.1 entwickelt Hypothesen über die Faktoren, von denen die Gerechtigkeitsbewertung betriebsbedingter Beschäftigungs- und Lohnanpassungen abhängen könnten. Abschnitt 3.2 präsentiert dann die Ergebnisse der Datenanalyse. Der Datensatz erlaubt dabei zwei unterschiedliche Herangehensweisen:
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Alexandra Krause, Christian Pfeifer, Tatjana Sohr Die Gerechtigkeitsbewertung hypothetischer Szenarien ermöglicht Analysen darüber, wie unbeteiligte Beobachter („impartial spectators“) Entlassungen und Lohnkürzungen beurteilen. Anhand der Gerechtigkeitsbewertung eigener Entlassungs- und Lohnkürzungserfahrungen können dagegen Situationen untersucht werden, in denen sich die Befragten in der Position beteiligter Personen („implicated stakeholders“) befinden.
Das Kapitel schließt mit einem Fazit. 3.1 Theoretische Überlegungen 3.1.1 Institutionelle Rahmenbedingungen Bevor die einzelnen Hypothesen entwickelt werden, sei kurz auf die institutionellen Rahmenbedingungen betriebsbedingter Entlassungen und Lohnkürzungen eingegangen. Institutionelle Kontexte, wie das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), definieren sowohl Mindeststandards der Personalpolitik als auch spezifische Verteilungs- und Verfahrenskriterien, die Unternehmen bei Lohn- und Beschäftigungsanpassungen berücksichtigen müssen. In dem Maße wie die institutionellen Rahmenbedingungen die impliziten Erwartungen der Bevölkerung an die Gewährleistung von Beschäftigungs- und Einkommenssicherheit durch den Arbeitgeber widerspiegeln, ist die Akzeptanz betriebsbedingter Entlassungen und Lohnkürzungen von der unterschiedlichen Realisierung der gesetzlichen Vorgaben abhängig. Entscheidend ist dann, welche dieser Rahmenbedingungen für die Gerechtigkeitswahrnehmung der Beschäftigten und der Öffentlichkeit besonders wichtig sind und welche Gesichtspunkte eine eher untergeordnete Rolle spielen. Nach §1 KSchG ist eine Kündigung rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist, d.h. wenn Entlassungen weder personen- noch verhaltensbedingt erfolgen und auch keine dringenden betrieblichen Erfordernisse bestehen. Zudem müssen bei der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte (z.B. die Länge der Betriebszugehörigkeit) berücksichtigt werden, denen allerdings auch betriebliche Erfordernisse (z.B. besondere Qualifikationen) entgegenstehen können. Den Auswahlrichtlinien muss gemäß §95 BetrVG der Betriebsrat zustimmen, der nach §102 BetrVG vor jeder Kündigung anzuhören ist und dem auch die Entlassungsgründe zu nennen sind. Bei Massenentlassungen ist der Betriebsrat auch für die Aushandlung von Sozialplänen zuständig
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(§§111-112a BetrVG), die unter anderem Abfindungszahlungen und Outplacement-Beratungen für die betroffenen Arbeitnehmer vorsehen können. Entsprechend §§77 und 92a BetrVG können Betriebsrat und Arbeitgeber Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung vereinbaren. Im Falle von Lohnkürzungen zur Vermeidung von Entlassungen sind tarifvertragliche Regelungen gemäß §77(3) BetrVG jedoch vorrangig zu berücksichtigen. Daher dürfen in Betriebsvereinbarungen nur dann Löhne unterhalb des Tariflohns vereinbart werden, wenn eine entsprechende Öffnungsklausel im Tarifvertrag existiert. 3.1.2 Wann werden betriebsbedingte Entlassungen akzeptiert? Im Rahmen der Szenarienanalyse werden drei Entlassungsursachen unterschieden: Ein allgemeiner Absatzeinbruch repräsentiert eine rein exogene Ursache, während die Einführung einer neuen Produktionstechnologie unternehmensintern begründet ist. Produktivitätssteigerungen durch Verbesserungsvorschläge aus der Belegschaft als weitere interne Entlassungsursache sollen schließlich Aufschluss über die Bedeutung von Reziprozität im Zuge betriebsbedingter Kündigungen geben. Brockner et al. (1990) betonen, dass Individuen ein negatives Ergebnis eher dann akzeptieren, wenn ihnen im Sinne der informatorischen Gerechtigkeit eindeutige und adäquate Erklärungen für dessen Notwendigkeit gegeben werden. Die bisherige empirische Evidenz (Charness, Levine 2000; Rousseau, Anton 1988) belegt einen signifikant positiven Einfluss der Angabe eines eindeutigen und angemessenen Kündigungsgrundes auf die wahrgenommene Gerechtigkeit von Entlassungen. Dem Verantwortlichkeitsprinzip entsprechend ist die Beurteilung der Entlassungsgründe davon abhängig, ob und in welchem Umfang die Ursachen durch die Entscheidungsträger kontrollierbar sind. Bei internen Ursachen, wie der Einführung einer neuen Produktionstechnologie oder der Umsetzung von Verbesserungsvorschlägen aus der Belegschaft, wird diese Verantwortung eher der Unternehmensleitung zugeschrieben. Diese hätte es demzufolge auch in der Hand Entlassungen zu vermeiden (Pfeifer 2003: 36). Kahneman, Knetsch und Thaler (1986) können darüber hinaus zeigen, dass Reaktionen des Arbeitgebers auf einen externen Schock, der seinen Gewinn unter einen positiven Referenzwert fallen lässt und nicht von ihm verschuldet wurde, in der Regel akzeptiert werden. Ergreift ein Unternehmen hingegen selbst die Initiative, um den Gewinn zu Lasten der Arbeitnehmer zu steigern, so wird dies weitgehend als ungerecht empfunden. Im Unterschied zu Entlassungen aufgrund eines allgemeinen Absatzeinbruchs sollten Entlassungen in diesem Falle als ungerechter bewertet wer-
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den. Entlassungen infolge von Arbeitnehmervorschlägen verletzen zudem Prinzipien der Reziprozität, die nahe legen, dass der Arbeitgeber hierauf mit Erfolgsprämien oder anderen Vergünstigungen – nicht jedoch mit Entlassungen – reagieren sollte (Charness, Levine 2000).
Hypothese 1a: Entlassungen aufgrund eines exogenen Schocks werden als gerechter angesehen als Entlassungen aufgrund innerbetrieblicher Ursachen. Hypothese 1b: Entlassungen infolge der Einführung einer neuen Produktionstechnologie werden im Vergleich zu Entlassungen aufgrund gestiegener Produktivität durch Verbesserungsvorschläge der Arbeitnehmer als gerechter bewertet.
Die wahrgenommene Gerechtigkeit von Entlassungen dürfte zudem davon abhängen, welche Personengruppen betroffen sind. So ist die Beziehung qualifizierterer Arbeitnehmer zu ihrem Arbeitgeber in der Regel durch ein stärkeres Vertrauensverhältnis geprägt als die Beziehung zwischen Unternehmensleitung und geringer qualifizierten Produktionsarbeitern. Das trifft auch auf die in den Szenarien als Betroffene genannten Ingenieure zu. Da die Aufgaben von Produktionsarbeitern meist explizit formuliert sind und leichter überwacht werden können, ist ihr Vertragsverhältnis dagegen als eher transaktional einzuordnen (Rousseau 1995: 90ff.). Der stärkere psychologische Vertrag zwischen höher qualifiziertem Personal und Arbeitgeber wird mit einem langfristig stabilen Beschäftigungsverhältnis belohnt. Darüber hinaus sind höher qualifizierte Mitarbeiter tendenziell von größerer Bedeutung für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens, da insbesondere sie es sind, die notwendige Veränderungen mitgestalten können. Ihre Entlassung könnte daher das Effizienzprinzip verletzen. Wenn weiter davon ausgegangen wird, dass Menschen ihre normativen Erwartungen über die Zeit an die tatsächlichen Verhältnisse anpassen, werden sie eher das als gerecht bewerten, was üblich ist (Charness, Levine 2000). Die Tatsache, dass gering qualifizierte Arbeitnehmer in der Vergangenheit eher von Entlassungen betroffen waren als gut ausgebildete Fachkräfte, hätte dann Einfluss auf die Gerechtigkeitswahrnehmung.
Hypothese 2a: Entlassungen weniger qualifizierter Arbeitnehmer werden als gerechter bewertet als die Kündigung höher qualifizierter Beschäftigter.
Ein wichtiges Charakteristikum der Fähigkeiten eines Arbeitnehmers ist die Art des von ihm erworbenen Humankapitals. Dieses lässt sich in betriebsspezifisches und allgemeines Humankapital unterscheiden (Becker 1993). Auf internen
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Arbeitsmärkten kommt dem betriebsspezifischen Humankapital, das positiv mit der Dauer der Beschäftigungsbeziehung korreliert ist, eine besondere Bedeutung zu. Betriebsspezifisches Humankapital erhöht die Produktivität eines Arbeitnehmers in seinem gegenwärtigen Beschäftigungsverhältnis. Bei einem Firmenwechsel kann es im neuen Unternehmen jedoch nicht eingesetzt werden. Arbeitnehmer, die in betriebsspezifisches Humankapital investiert haben, werden bei ihrem aktuellen Arbeitgeber daher effizienter sein und ein höheres Einkommen erzielen können als anderswo (Milgrom, Roberts 1992: 363). Daraus folgen auch verschlechterte Wiederbeschäftigungschancen im Fall einer betriebsbedingten Kündigung. Arbeitnehmer, die über betriebsspezifisches Humankapital verfügen, werden von einer Entlassung daher härter getroffen als solche mit allgemeinem Humankapital, welches auch in anderen Unternehmen einsetzbar ist. Zudem können Investitionen in betriebsspezifisches Humankapital der Equity-Theorie entsprechend als größerer Beitrag zum Unternehmenserfolg gewertet werden.
Hypothese 2b: Entlassungen von Arbeitnehmern mit allgemeinem Humankapital werden als gerechter angesehen als die Entlassung von Arbeitnehmern mit betriebsspezifischem Humankapital.
Bei der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer müssen gemäß §1(3) KSchG soziale Kriterien beachtet werden. Wenn die normativen Erwartungen der Beschäftigten dieser institutionellen Regelung entsprechen, wird die Einhaltung sozialer Auswahlkriterien die wahrgenommene Gerechtigkeit von Entlassungen positiv beeinflussen. Ein häufig herangezogenes Entlassungskriterium ist dabei die Länge der Betriebszugehörigkeit. Das so genannte Senioritätsprinzip („last in, first out“) begünstigt sowohl das Beitragsprinzip als auch das Bedarfsprinzip, weil es gleichzeitig die erbrachten Leistungen für das Unternehmen und die schlechteren Arbeitsmarktchancen älterer Arbeitnehmer berücksichtigt. Zudem ist das Senioritätsprinzip ein konsistentes (Consistency Rule) und weitgehend anerkanntes Verteilungsprinzip (Engelstad 1997).
Hypothese 2c: Entlassungen werden als gerechter beurteilt, wenn die Auswahl der Arbeitnehmer nach sozialen Kriterien erfolgt. Hypothese 2d: Entlassungen von Arbeitnehmern mit einer kürzeren Betriebszugehörigkeit werden als gerechter bewertet als die Kündigung von Arbeitnehmern mit einer längeren Betriebszugehörigkeit.
Die Szenarien beschreiben drei verschiedene Formen der Ausgestaltung von Entlassungen: (1) „sanfte“ Entlassungen, (2) „harte“ Entlassungen und (3) Vermei-
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dungsstrategien. Bei sanften Entlassungen zahlt das Unternehmen Abfindungen und unterstützt die Betroffenen durch Outplacement-Beratungen. Um harte Entlassungen handelt es sich dagegen, wenn das Unternehmen weder Abfindungen noch sonstige Maßnahmen leistet, um die negativen Folgen der Entlassungen für die Beschäftigten abzumildern. In diesem Fall werden nur die gesetzlichen Mindeststandards eingehalten. Vermeidungsstrategien schließlich beinhalten einen allgemeinen Lohnverzicht, um zumindest einen Teil der Entlassungen zu vermeiden. Für Abfindungen gilt, dass diese nicht nur als Kompensation für die Kosten einer möglichen Arbeitslosigkeit betrachtet werden. Vielmehr sehen viele Arbeitnehmer hierin auch eine Anerkennung der im Unternehmen geleisteten Arbeit (Marr, Steiner, Schloderer 1998). Outplacement-Beratungen versuchen, die materiellen, psychischen und sozialen Kosten einer Entlassung zu senken, indem Arbeitnehmer Hilfestellung bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz erhalten. Abfindungen und Outplacement verbessern daher die Situation der Betroffenen, wodurch auch die Einhaltung des Bedarfsprinzips begünstigt wird (Engelstad 1997). Diese Überlegungen werden auch von Brockner et al. (1987) gestützt: Weiterbeschäftigte Arbeitnehmer empfinden die Entlassung von Arbeitskollegen als gerechter, wenn diese dafür kompensiert werden. Auch Rousseau und Anton (1988) weisen nach, dass Abfindungszahlungen die Akzeptanz von Entlassungen signifikant erhöhen.
Hypothese 3a: Im Vergleich zu harten Entlassungen werden Kündigungen, deren Folgen durch Abfindungen und Outplacement abgefedert werden, als gerechter beurteilt.
Rousseau (1995) schränkt die Gültigkeit psychologischer Verträge auf Verpflichtungen ein, die – wenn auch informell – so doch tatsächlich eingegangen wurden. Beschäftigungssicherheit im Sinne einer Arbeitsplatzgarantie kann daher nicht als Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer angesehen werden. Allerdings setzen die Notwendigkeit des Erwerbs betriebsspezifischen Humankapitals oder eine Entlohnung nach dem Senioritätsprinzip implizit die Gewährung von Beschäftigungssicherheit voraus. Auch das KSchG erkennt den Anspruch der Beschäftigten auf Arbeitsplatzsicherheit an, indem es den Arbeitgeber verpflichtet, betriebsbedingte Kündigungen nur dann auszusprechen, wenn sie unvermeidbar sind. Nicht die Sicherheit des Arbeitsplatzes selbst ist dann im Rahmen des psychologischen Vertrages ein aus Sicht des Arbeitnehmers „einklagbarer“ Anspruch, sondern die Verpflichtung des Arbeitgebers, Beschäftigungssicherheit soweit wie möglich zu befördern. Das Engagement des
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Arbeitgebers, Entlassungen zu vermeiden, kann daher als Indikator für reziprokes Verhalten gelten.
Hypothese 3b: Das Engagement des Arbeitgebers zur Vermeidung betrieblicher Entlassungen hat einen positiven Einfluss auf die Gerechtigkeitsbewertung der Entlassungen.
Entlassungen sind nicht nur mit Kosten für die betroffenen Individuen (z.B. monetäre und psychische Belastungen) und den Staat bzw. die Gesellschaft (z.B. Arbeitslosigkeit), sondern auch mit Anpassungskosten für das Unternehmen verbunden (z.B. durch Abfindungszahlungen oder geringere Motivation der Weiterbeschäftigten) (Krogh, Kameny 2002). Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten daher zunächst eine Vermeidungsstrategie verfolgen. Nach Berthold, Brischke und Stettes (2003) können die Folgen einer eingetretenen Unternehmenskrise durch Krisenbündnisse abgefedert werden. Häufig bewirken diese durch eine Modifikation der Arbeitszeit indirekt eine Reduzierung der Arbeitskosten. Im Rahmen eines solchen betrieblichen Bündnisses für Arbeit (BBA) werden Entlassungen also durch einen direkten oder indirekten Lohnverzicht vermieden (Seifert 2000). Ein BBA ist ein Kollektivvertrag zwischen der Unternehmensleitung und der betrieblichen Interessenvertretung, der dem Modell effizienter Verhandlungslösungen entsprechend nicht nur Lohn und Arbeitszeit, sondern auch das Beschäftigungsniveau festlegt (Schnabel 2002). BBA verbessern somit nicht nur das Ergebnis für die Betroffenen, sondern haben auch Vorteile für das Unternehmen (Massa-Wirth, Seifert 2004). Damit wird das Effizienzprinzip berücksichtigt (Konow 2001). BBA sind letztlich Änderungskündigungen, die gemäß § 4(3) Tarifvertragsgesetz (TVG) gegen das Günstigkeitsprinzip verstoßen, wonach Abweichungen von tarifvertraglichen Vereinbarungen nur zugunsten der Beschäftigten erlaubt sind (Mauer, Seifert 2001). Diese Perspektive wird zumindest vom höchsten deutschen Arbeitsgericht vertreten, das die Gewährung von Beschäftigungssicherheit nicht als Regelung zugunsten des Arbeitnehmers ansieht. Arbeitnehmer haben damit nicht die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis temporär mehr zu arbeiten oder auf Einkommen zu verzichten, um ihren Arbeitsplatz zu sichern (Berthold, Brischke, Stettes, 2003). Da BBA in der Regel Lohnabweichungen nach unten oder Arbeitzeitabweichungen nach oben beinhalten, müssen entsprechende tarifvertragliche Öffnungsklauseln vereinbart wurden. Promberger et al. (1996) untersuchen die Akzeptanz von Arbeitszeit- und Einkommensreduzierungen, die aufgrund von Öffnungsklauseln vereinbart werden, bei Arbeitnehmern der Volkswagen AG und der Ruhrkohle AG. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass
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eine überwiegende Mehrheit mit den neuen Regelungen zufrieden ist. Nach Kahneman, Knetsch und Thaler (1986: 733) empfinden gut zwei Drittel der Befragten die Aushandlung eines Lohnverzichts als gerechter, falls sich das Unternehmen in schlechter wirtschaftlicher Lage befindet. Nach Einschätzung der von Franz und Pfeiffer (2003) befragten Unternehmen sind Arbeitnehmer grundsätzlich dazu bereit, zur Sicherung des eigenen Arbeitsplatzes auf einen Teil ihres Lohnes zu verzichten. Bei Geringqualifizierten ist diese Bereitschaft jedoch nicht besonders ausgeprägt.
Hypothese 3c: Vermeidungsstrategien in Form von betrieblichen Bündnissen für Arbeit werden im Vergleich zu Entlassungen als gerechter beurteilt.
Betroffene Personen empfinden ein negatives Ergebnis als gerechter, wenn der Entscheidungsträger keinen eigenen Vorteil daraus zieht. Wenn ein Entscheidungsträger dagegen von der Entlassung profitiert, muss seine Unvoreingenommenheit bei der Entscheidungsfindung angezweifelt werden – die Bias-Suppression Rule wird verletzt (Leventhal 1980). Dem Verantwortlichkeitsprinzip entsprechend sollten die Entscheidungsträger schließlich einen Teil der Lasten mittragen (Konow 1996, 2000). Der Attributionstheorie zufolge wird die Verantwortung denjenigen zugeschrieben, die den Entscheidungsprozess kontrollieren (Weiner 1994). Die Schuld an den Entlassungen dürfte daher in erster Linie der Unternehmensleitung zugewiesen werden. Deren Verzicht auf eine Bonuszahlung ist dann ein Signal für „sharing the pain“ und müsste daher die wahrgenommene Gerechtigkeit der Entlassungen erhöhen.
Hypothese 4: Entlassungen werden als ungerechter beurteilt, falls die Unternehmensleitung einen Bonus erhält, und als gerechter, falls der Bonus abgelehnt wird.
Bei Entlassungen muss – soweit vorhanden – der Betriebsrat einbezogen werden. Darüber hinaus kann die Belegschaft selbst an Entscheidungsprozessen beteiligt sein. Eine umfassende Beteiligung der Arbeitnehmer oder des Betriebsrates ist ein Signal dafür, dass die Unternehmensleitung alle Mittel ausgeschöpft hat, um die Entlassungen zu vermeiden und deren negative Folgen für die Betroffenen soweit wie möglich abzumildern. So ist der Betriebsrat für die Aushandlung von Sozialplänen und Abfindungen verantwortlich, wodurch dem Bedürfnisprinzip (Engelstad 1997) und dem Beitragsprinzip (Adams 1965) Rechnung getragen wird. Da sowohl die Arbeitnehmer als auch das Unternehmen von dieser Zusammenarbeit profitieren (Sadowski, Backes-Gellner, Frick 1995:
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497ff.), wird das Effizienzprinzip begünstigt (Konow 2001). Zudem drückt die Unternehmensleitung durch dieses Verhalten – der interpersonalen Gerechtigkeit entsprechend – ihre Besorgnis um das Wohlergehen der Arbeitnehmer aus (Greenberg 1990a, 1993a). Die Beteiligung der Belegschaft oder des Betriebsrates begünstigt ferner die Einhaltung eines Großteils der Regeln prozeduraler Gerechtigkeit (Leventhal 1980). Der Accuracy Rule folgend werden relevante Informationen und Meinungen sowie die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigt. Konkret senkt die Beteiligung des Betriebsrats die Transaktionskosten für die Beschaffung dieser Daten, und Informationsasymmetrien werden abgebaut (Freeman, Lazear 1995). Der Betriebsrat garantiert der Correctability Rule entsprechend auch eine unkomplizierte und sichere Einspruchsmöglichkeit für die Betroffenen („collective voice“), die sie vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen des Arbeitgebers schützt (Hirschman 1970; Freeman, Medoff 1984: 7ff.). Eine gewisse Kontrollfunktion des Betriebsrates kann das Eigeninteresse des Arbeitgebers begrenzen. In Verbindung mit der Möglichkeit neue Konzepte anzustoßen, wird so die BiasSuppression Rule befriedigt. Des Weiteren wird durch die Involvierung des Betriebsrates der Representativeness Rule Rechnung getragen. Trotz möglicher Einwände hinsichtlich der Repräsentativität betroffener Gruppen ist der Betriebsrat ein demokratisch gewähltes Gremium, das die Interessen der Gesamtbelegschaft vertritt. Die Beurteilung von Entlassungen ist weiterhin stark von der Kommunikation des Managements mit den gekündigten und weiterbeschäftigten Arbeitnehmern abhängig (Brockner et al. 1990; Brockner, Greenberg 1990: 66f.), die durch eine Beteiligung des Betriebsrates intensiviert werden kann und daher die informatorische Gerechtigkeit erhöht (Greenberg 1990a, 1993a). Aus Sicht der Attributionstheorie wird der Prozess durch eine aktive Beteiligung des Betriebsrates für die Arbeitnehmer kontrollierbarer. Zugleich wird ihnen eine höhere Mitverantwortung zugeschrieben, woraus geringeres „Mitleid“ mit den Betroffenen resultiert (Weiner 1994).
Hypothese 5: Entlassungen werden als gerechter beurteilt, wenn die Beschäftigten bzw. der Betriebsrat am Entscheidungsprozess beteiligt werden.
3.1.3 Wann werden betriebsbedingte Lohnkürzungen akzeptiert? Die Bewertung der Gerechtigkeit eines Lohnkürzungsszenarios wird wesentlich durch die Referenztransaktion beeinflusst, die dieser Beurteilung zugrunde liegt.
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Die Referenztransaktion wird im Fall von Lohnkürzungen durch einen Referenzlohn und einen positiven Referenzgewinn des Unternehmens beschrieben. Unterstellt ist dabei, dass die Gerechtigkeit der Referenztransaktion selbst nicht fraglich ist. Nach dem „Prinzip des dualen Anspruchs“ haben Unternehmen einen Anspruch auf ihren Referenzgewinn und Arbeitnehmer auf ihren Referenzlohn. Eine Firma darf den Anspruch der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer nicht willkürlich verletzen, um den Gewinn zu erhöhen. Ist jedoch der Referenzgewinn des Unternehmens bedroht, kann dies neue Bedingungen schaffen, die einen Schutz dieses Gewinns auf Kosten der Mitarbeiter rechtfertigen (Kahneman, Knetsch, Thaler 1986: 729f.). Nach Angaben des IAB-Betriebspanels arbeiten etwa 85% der westdeutschen und knapp 80% der ostdeutschen Beschäftigten in Betrieben, die Branchen- oder Firmentarifverträge anwenden oder sich an Branchentarifen orientieren. Tarifstandards haben einerseits eine moderierende Wirkung, sowohl in wirtschaftlich guten als auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten, und sie schaffen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber verlässliche Rahmenbedingungen. Andererseits setzen Tarifverträge auch Anspruchsniveaus, so dass Tariflöhne als Mindestlöhne wirken. Obwohl zahlreiche Studien belegen, dass Lohnrigiditäten auf Arbeitsmärkten ein vorherrschendes Phänomen darstellen, legen die Ergebnisse von Kahneman, Knetsch, Thaler (1986) und Charness, Levine (2002) nahe, dass Gerechtigkeitsstandards nicht verletzt werden, falls ein Unternehmen, das Verluste macht, die Löhne der Beschäftigten senkt. Erfolgen Lohnsenkungen dagegen als Reaktion auf veränderte Marktlöhne, ist zu erwarten, dass diese Kürzungen eher als ungerecht angesehen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn bereits beschäftigte Arbeitnehmer Lohnkürzungen erfahren.
Hypothese 6a: Lohnkürzungen werden als gerechter angesehen, wenn ein Unternehmen Verlust macht. Hypothese 6b: Lohnkürzungen für Beschäftigte aufgrund einer Änderung des Marktlohnes werden als ungerechter angesehen als die Zahlung niedrigerer Marktlöhne für neu eingestellte Mitarbeiter.
Entscheidend für die Gerechtigkeitsbewertung von Lohnkürzungen ist auch, auf welche Weise das Unternehmen die Verringerung des Einkommens durchführt: in Form einer allgemeinen Lohnkürzung und damit als Verlust kodiert oder als Streichung von Bonuszahlungen und/oder Erfolgsprämien und damit als Wegfall eines Gewinns kodiert. Vorliegende Studien individuellen Wahlverhaltens legen nahe, dass der Disnutzen eines als Verlust kodierten Ergebnisses als größer eingeschätzt wird als der Disnutzen desselben als Streichung eines als Gewinn ko-
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dierten Ergebnisses (Kahneman, Knetsch, Thaler 1986: 731f.). Die Untersuchungen in den USA und Kanada unterstützen diese Vermutung, da sich der Widerstand gegen eine Verringerung von Erfolgsprämien im Vergleich zur Kürzung der Löhne im gleichen Umfang als geringer erweist (ebd.; Charness, Levine 2002). Neben solchen Framing-Effekten sind weitere Aspekte von Bedeutung. So ist zu vermuten, dass die meisten Arbeitnehmer ihren Lohnsatz auch als ihren Anspruchslohn betrachten, während Erfolgsprämien als variable Entlohnungsbestandteile angesehen werden, deren Zahlung vom wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens abhängt.
Hypothese 6c: Im Vergleich zu einer allgemeinen Lohnkürzung im gleichen Umfang werden Entgeltkürzungen dann als gerechter empfunden, wenn sie eine Streichung von Erfolgsprämien beinhalten.
Es wurde bereits in Abschnitt 3.1.2 erläutert, dass durch Lohnsenkungen in Form betrieblicher Bündnisse für Arbeit (BBA) Entlassungen vermieden werden können. Dieser Aspekt sollte die Akzeptanz der Lohnkürzung positiv beeinflussen. BBA setzen allerdings tarifvertragliche Öffnungsklauseln voraus, falls der Lohn unter die Tariflohnhöhe sinkt. Den Befragten wurden daher Szenarien präsentiert, die unterschiedliche Verfahren zur Senkung des bisher gezahlten Tariflohns beschreiben. Die erste Möglichkeit besteht in der einvernehmlichen Nutzung einer Öffnungsklausel, d.h. unter Zustimmung der Gewerkschaft und des Betriebsrates. Die zweite Möglichkeit besteht in der Ausgründung von Teilen des Produktionsbereichs. Die wahrgenommene Gerechtigkeit der beiden Möglichkeiten sollte vor allem durch zwei Aspekte beeinflusst werden: Die Zustimmung von Arbeitnehmervertretungen hat eine legitimierende Wirkung, da den Arbeitnehmern der Attributionstheorie zufolge in diesem Fall eine stärkere Mitverantwortung für das Ergebnis zugeschrieben wird (Weiner 1994). Ausgründungen von Betriebsteilen bedürfen nicht der Zustimmung der Belegschaft oder ihrer Vertreter. In diesem Fall ist das Ergebnis für die Betroffenen schlechter: Einerseits müssen sie vielfach Lohnkürzung hinnehmen. Andererseits kann der Wechsel aus dem Stammunternehmen langfristig mit weiteren Nachteilen verbunden sein (z.B. Wegfall betrieblicher Zusatzleistungen, Beschäftigungsunsicherheit).
Hypothese 7a: Lohnkürzungen werden als gerechter beurteilt, falls dadurch Entlassungen vermieden werden können. Hypothese 7b: Tarifvertragliche Öffnungsklauseln werden im Vergleich zu Ausgründungen als gerechter bewertet.
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Eine wichtige Rolle spielt auch die Ausgestaltung der Lohnkürzung und die Beteiligung der Betroffenen. Die Theorie psychologischer Verträge legt nahe, dass Beschäftigte in Deutschland auch im Hinblick auf Einkommensstabilität implizite Erwartungen an den Arbeitgeber richten: Das Prinzip des Flächentarifs steht grundsätzlich im Widerspruch zu Lohnanpassungen an die jeweilige Marktlage der Unternehmen. Betriebliche Vereinbarungen von Lohnkürzungen zur Sicherung von Beschäftigung müssen sich daher auf entsprechende Öffnungsklauseln im Tarifvertrag berufen können. In dem Maße wie der Arbeitgeber versucht, betriebliche Lohnkürzungen zu umgehen, berücksichtigt er somit die implizite Erwartung der Arbeitnehmer an Einkommensstabilität.
Hypothese 8a: Lohnkürzungen werden als gerechter wahrgenommen, wenn der Arbeitgeber im Vorfeld versucht hat, sie zu vermeiden.
Betriebliche Lohnkürzungen als Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung bedürfen der Zustimmung des Betriebsrates (§77 BetrVG). Analog zur Beteiligung des Betriebsrates im Fall betriebsbedingter Entlassungen (vgl. Abschnitt 3.1.2) gilt auch hier, dass die Unternehmensleitung damit alle Möglichkeiten wahrnimmt, negative Ergebnisse für die Beschäftigten abzuschwächen. Auch in diesem Fall wird mit der Beteiligung des Betriebsrates ein gerechtes Entscheidungsverfahren gewährleistet: So hat die Belegschaft z.B. die Möglichkeit, ihre eigenen Belange in den Prozess der Entscheidungsfindung einzubringen, während sie zugleich die Möglichkeit erhält, einzuschätzen, inwieweit der Arbeitgeber tatsächlich im Interesse beider Seiten entscheidet. Auch der Aspekt der informatorischen Gerechtigkeit wird berücksichtigt. Sowohl der Einfluss prozeduraler Gerechtigkeit auf die Akzeptanz betrieblicher Lohnkürzungen als auch der Zusammenhang zwischen informatorischer Gerechtigkeit und Reaktionen auf Lohnungleichheit konnten bereits nachgewiesen werden (Greenberg 1990b, Greenberg 1993b). Schließlich wird die Lohnkürzung durch die Beteiligung des Betriebsrates als kollektiv vereinbarte Maßnahme wahrgenommen und daher eher von der Belegschaft mitgetragen als eine Lohnkürzung, die ohne Beteiligung der Beschäftigten vollzogen wird.
Hypothese 8b: Lohnkürzungen werden als gerechter beurteilt, wenn die Belegschaft aus Sicht der Beschäftigten am Entscheidungsprozess beteiligt war.
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3.1.4 Welche Bedeutung haben soziodemographische Merkmale der Befragten? Zwischen Ost- und Westdeutschen konnten seit der Wiedervereinigung immer wieder Einstellungsunterschiede nachgewiesen werden (u. a. Delhey 2001; Wegener, Lippl, Christoph 2000; Gensicke 1998; Westle 1994). Sowohl Unterschiede in der Sozialisation als auch in den situativen Bedingungen Ost- und Westdeutschlands werden als Ursachen der fortbestehenden „inneren Mauer“ untersucht. Ein zentrales Ergebnis bisheriger Studien ist der Nachweis, dass Ostdeutsche das Gleichheitsprinzip deutlich stärker befürworten als Westdeutsche. Das Bedürfnis nach staatlicher Regulierung des Arbeitsmarktes ist in Ostdeutschland stärker ausgeprägt als in Westdeutschland (Wegener 2003; Gensicke 1998), die Akzeptanz von Einkommensungleichheit ist hier ebenfalls niedriger als im Westen Deutschlands (Wegener, Lippl, Christoph 2000). Darüber hinaus war das Recht auf Arbeit in der Verfassung der DDR verankert. Für ostdeutsche Beschäftigte ist die aktuelle Arbeitsmarktsituation zudem prekärer als für westdeutsche Erwerbstätige: Während die Arbeitslosenquote im Jahr 2004 in Ostdeutschland 20,1% betrug, lag sie in Westdeutschland bei 9,4% (Statistisches Bundesamt 2005). Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst liegt in Ostdeutschland nach wie vor unter dem der westdeutschen Erwerbstätigen. So betrug der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst von Arbeitern im produzierenden Gewerbe im Jahr 2004 in Westdeutschland 2594 Euro, in Ostdeutschland dagegen 1920 Euro (ebd.). Lohn- und Beschäftigungsanpassungen stellen in Ostdeutschland daher ein größeres Risiko für die Beschäftigten dar als in Westdeutschland.
Hypothese 9: Entlassungen und Lohnkürzungen werden von Ostdeutschen im Vergleich zu Westdeutschen als ungerechter bewertet.
Ein Einfluss des Lebensalters auf die Gerechtigkeitsbewertung betrieblicher Entlassungen und Lohnkürzungen ist deshalb zu erwarten, weil Erwerbstätige je nach Altersgruppe unterschiedliche Beschäftigungs- und Einkommensrisiken tragen. Einerseits finden sich jüngere Beschäftigte häufiger in befristeten Arbeitsverhältnissen wieder und tragen damit auch ein höheres Arbeitsplatzrisiko. Andererseits ist die steigende Arbeitsmarktmobilität wesentlich auch der Mobilität der jüngeren Erwerbstätigen geschuldet (Holst, Schupp 2004). Diese trägt zu den relativ höheren Wiederbeschäftigungschancen der jüngeren Erwerbstätigen bei. Zudem stellt ein Arbeitsplatzwechsel zumindest dann, wenn er ohne Erwerbsunterbrechung erfolgt, häufig eine Verbesserung des Arbeitsplatzes dar (ebd.).
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Auch ist zu vermuten, dass in unterschiedlichen Altersgruppen unterschiedliche Erwartungen an das Beschäftigungsverhältnis bestehen. Jüngere werden eher antizipieren, dass Arbeitgeber keine dauerhafte Einkommens- und Beschäftigungssicherheit garantieren können. Ältere Arbeitnehmer werden sich in ihren Gerechtigkeitseinstellungen dagegen eher am Ideal der sicheren lebenslangen Beschäftigung orientieren, von der sie zu Beginn ihres Erwerbslebens in vielen Berufen noch ausgehen konnten.
Hypothese 10: Im Vergleich zu Beschäftigten mittleren Alters und älteren Beschäftigten schätzen jüngere Erwerbstätige betriebliche Entlassungen und Lohnkürzungen als gerechter ein.
Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Gerechtigkeitsbewertung von Verteilungskonflikten sind unbestritten. Generell wird davon ausgegangen, dass Frauen eher Verteilungen nach dem Gleichheitsprinzip, Männer dagegen meritokratische Verteilungen als gerecht ansehen (Davidson, Steinmann, Wegener 1995: 290). Unterschiede in der Gerechtigkeitswahrnehmung lassen sich dabei allerdings nicht allein auf die unterschiedlich sozialisierten normativen Präferenzen der Geschlechter zurückführen, sondern sind auch durch unterschiedliche rationale Interessen beeinflusst, die Frauen und Männer aufgrund ihrer jeweiligen ökonomischen Lage entwickeln (ebd.; Döbert, Nunner-Winkler 1986). Betriebliche Entlassungen und Lohnkürzungen erhöhen die soziale Ungleichheit zwischen den Betroffenen und denen, die von der Entscheidung profitieren bzw. nicht von negativen Ergebnissen betroffen sind. Zudem sind Frauen gegenüber Männern am Arbeitsmarkt noch immer benachteiligt. Lohnkürzungen z.B. treffen Frauen aufgrund ihrer zum Teil deutlich niedrigeren Bruttomonatsverdienste relativ stärker als ihre männlichen Kollegen (Statistisches Bundesamt 2005).
Hypothese 11: Im Vergleich zu Frauen bewerten Männer betriebliche Entlassungen und Lohnkürzungen als gerechter.
Der Ausbildungsabschluss wird häufig als Indikator unterschiedlicher Arbeitsmarktchancen und -risiken verwendet. Der Einfluss der eigenen Wiederbeschäftigungschancen scheint gerade im Hinblick auf die Einstellung zu betrieblichen Entlassungen und Lohnkürzungen von zentraler Bedeutung zu sein. Die Wiederbeschäftigungschancen werden in den nachfolgenden multivariaten Analysen in einer gesonderten Variable berücksichtigt. Die berufliche Bildung wird dagegen als Indikator unterschiedlicher Urteilskompetenzen in der normativen Bewertung
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von Verteilungssituationen herangezogen. So weist der Einfluss des Bildungsstandes darauf hin, dass Ostdeutsche den Transformationsprozess hin zu einer marktwirtschaftlichen Verteilungsordnung umso leichter bewältigt haben, je höher ihr Bildungsgrad war (Liebig, Wegener 1995: 283).
Hypothese 12: Die Gerechtigkeitsbewertung betrieblicher Entlassungen und Lohnkürzungen variiert mit dem Bildungsgrad.
Hinsichtlich des Erwerbsstatus werden drei Gruppen unterschieden: Erwerbstätige, Arbeitslose und Personen, die aus anderen Gründen nicht erwerbstätig sind. Arbeitslose waren in der Regel bereits selbst von Entlassungen betroffen und mussten dann die materiellen und immateriellen Konsequenzen tragen. Sie dürften sich der negativen Folgen betrieblicher Entlassungen für die Betroffenen daher am stärksten bewusst sein und Entlassungen vor diesem Hintergrund bewerten. Im Hinblick auf Lohnkürzungen ist dagegen ein entgegengesetzter Einfluss zu erwarten: Eine Absenkung des Lohns stellt vor dem Hintergrund der eigenen Arbeitslosigkeit einen weniger gravierenden Einschnitt dar als der Verlust des Arbeitsplatzes.
Hypothese 13a: Arbeitslosigkeit hat einen negativen Einfluss auf die Gerechtigkeitsbewertung betrieblicher Entlassungen. Hypothese 13b: Arbeitslose Personen bewerten betriebliche Lohnkürzungen im Vergleich zu Erwerbstätigen als gerechter.
Gerechtigkeitspräferenzen sind positionsabhängig. Shepelak argumentiert, dass die Akzeptanz sozialer Ungleichheit von der Wahrnehmung der eigenen Lebenschancen abhängig ist: „It is when individuals question their own opportunity chances (…) that individuals begin to challenge the legitimacy of inequality.” (Shepelak 1989: 229). Das Einkommen stellt eine der zentralen Determinanten sozialer Lebenschancen dar. Zugleich produzieren sowohl betriebliche Entlassungen als auch Lohnkürzungen soziale Ungleichheit, weil sie die Streuung der Einkommen in der Gesellschaft verstärken. Zwischen dem eigenen Einkommen und der Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen ist daher ein Zusammenhang zu vermuten.
Hypothese 14: Erwerbstätige mit niedrigem Einkommen nehmen Entlassungen und Lohnkürzungen verglichen mit den übrigen Beschäftigten als ungerechter wahr.
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Die Befragten wurden gebeten anzugeben, ob noch weitere Personen von ihrem Einkommen abhängig sind. Durch die finanzielle Abhängigkeit anderer Personen verschärfen sich die negativen Folgen, die Entlassungen und Lohnkürzungen für die Beschäftigten nach sich ziehen.
Hypothese 15: Die Abhängigkeit anderer Personen vom eigenen Einkommen hat einen negativen Einfluss auf die Gerechtigkeitsbewertung betrieblicher Entlassungen und Lohnkürzungen.
Es kann vermutet werden, dass Gewerkschaftsmitglieder besonders ausgeprägte Gerechtigkeitsvorstellungen in Bezug auf das Beschäftigungsverhältnis aufweisen. In der Aushandlung der Arbeitsbeziehungen sind die Gewerkschaften grundsätzlich um die Vermeidung von Beschäftigungsabbau und Einkommenssenkungen bemüht und stehen betrieblichen Personal- und Lohnanpassungen daher kritisch gegenüber. Darüber hinaus kann die Reduktion sozialer Ungleichheit zwischen den Beschäftigten als traditionelles Anliegen der Gewerkschaften gelten (Schulten 2002). Lengfeld und Liebig (2003: 473) konstatieren, „dass die Verbesserung industriell organisierter Arbeits- und Entlohnungsverhältnisse für die europäische wie für die US-amerikanische Gewerkschaftsbewegung immer auch ein „Kampf um soziale Gerechtigkeit“ war. Zudem betonen Gewerkschaften stark das Solidaritätsprinzip (vgl. GMH 1996).
Hypothese 16: Gewerkschaftsmitglieder beurteilen Entlassungen und Lohnkürzungen als ungerechter als nicht gewerkschaftlich organisierte Befragte.
Kahneman, Knetsch und Thaler (1986) verweisen darauf, dass die Bewertung von Szenarien informationsabhängig ist. Die in einem Szenario gegebenen Informationen bedingen die Annahmen, die seiner Bewertung zugrunde gelegt werden (Konow 2003: 1219). Im Hinblick auf Entlassungen und Einkommenskürzungen hat die berufliche Stellung einen ähnlichen Effekt: Selbständige werden auf der Basis ihrer Erfahrungen und Interessen über die Notwendigkeit betrieblicher Personal- und Lohnanpassungen anders informiert sein als abhängig Beschäftigte. Darüber hinaus werden sie sich eher mit den Arbeitgebern und nicht mit den Arbeitnehmern identifizieren. In ihrer Funktion als Unternehmer sind sie zudem selbst nicht direkt negativ von Lohn- und Beschäftigungsanpassungen betroffen.
Hypothese 17: Selbständigkeit hat einen positiven Einfluss auf die Gerechtigkeitsbewertung betrieblicher Entlassungen und Lohnkürzungen.
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Die Bedeutung der Betriebsgröße für die Erklärung von Gerechtigkeitsbewertungen konnte bereits empirisch belegt werden. Je größer eine Organisation ist, desto formalisierter und spezialisierter sind die Beziehungen innerhalb der Organisation. Die Anzahl der sozialen Gruppen nimmt zu und dementsprechend die Wahrscheinlichkeit der sozialen Nähe zu den von betriebsbedingten Entlassungen Betroffenen ab. Umgekehrt bewerten Beschäftigte ihre Ansprüche umso eher nach egalitaristischen Prinzipien, je kleiner ein Betrieb ist (Lansberg 1989). Daraus folgt, dass die Akzeptanz von Entlassungen durch Beschäftigte kleinerer Betriebe geringer ist als in größeren Betrieben. Aufgrund der Nähe der Beschäftigten zur Entscheidungsebene und deren Handlungsbedingungen sind die Informationstransparenz und die Beteiligungsmöglichkeiten in kleinen Betrieben jedoch höher als in größeren Unternehmen. Demnach würden Entlassungen dann in großen Unternehmen als ungerechter wahrgenommen werden. Diese Argumentation lässt sich analog für betriebliche Lohnkürzungen führen. Eine Verletzung des Gleichheitsprinzips trifft allerdings eher auf Entlassungen als auf Lohnkürzungen zu: Im Falle von Entlassungen können nicht alle Beschäftigten gleich behandelt werden, es muss eine Auswahl der zu Entlassenden stattfinden. Betriebliche Lohnkürzungen betreffen dagegen in der Regel alle Beschäftigten gleichermaßen. Insgesamt ist daher sowohl ein positiver als auch ein negativer Zusammenhang zwischen der Organisationsgröße und der Gerechtigkeitswahrnehmung von Entlassungen und Lohnkürzungen plausibel.
Hypothese 18a: Beschäftigte kleiner Betriebe schätzen Entlassungen und Lohnkürzungen im Vergleich zu den übrigen Beschäftigten als gerechter ein. Hypothese 18b: Beschäftigte kleiner Betriebe schätzen Entlassungen und Lohnkürzungen im Vergleich zu den übrigen Beschäftigten als ungerechter ein.
Die von der Entlassung oder Lohnkürzung Betroffenen tragen die negativen Konsequenzen der Lohn- und Personalanpassungen. Die eigene Betroffenheit von der Entlassung oder Lohnkürzung wird deren Gerechtigkeitswahrnehmung daher negativ beeinflussen.
Hypothese 19: Die eigene Betroffenheit von der betriebsbedingten Entlassung oder Lohnkürzung hat einen negativen Einfluss auf das Gerechtigkeitsurteil.
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Lohn- und Beschäftigungsanpassungen erscheinen Unternehmen als notwendig, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Dem steht das Interesse der Arbeitnehmer an Beschäftigungs- und Einkommensstabilität gegenüber. Zu vermuten ist, dass Personen, die relativ gute Chancen sehen, im Falle betriebsbedingter Entlassungen oder Einkommenskürzungen einen neuen Arbeitsplatz zu finden, Entlassungen und Lohnsenkungen weniger stark unter dem Eindruck der eigenen Risikolage bewerten als vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Notwendigkeit.
Hypothese 20: Personen, die ihre Wiederbeschäftigungschancen als gut einschätzen, beurteilen Entlassungen und Lohnsenkungen im Vergleich zu Personen mit subjektiv geringer wahrgenommenen Arbeitsmarktchancen als gerechter.
3.2 Empirische Ergebnisse Im Folgenden werden zunächst die Ergebnisse der Bewertung der Entlassungsszenarien und der Lohnkürzungsszenarien vorgestellt. Daran anschließend erfolgt die Darstellung der Ergebnisse der Gerechtigkeitswahrnehmung der eigenen Erfahrungen der Befragten. Doch zunächst einige Anmerkungen zur Methodik: Für die multivariaten Analysen wurden Logit-Schätzungen durchgeführt. Abhängige Variablen sind erstens die Gerechtigkeitsbewertung der Szenarien sowie zweitens die Erfahrung der Beschäftigten im Arbeitsumfeld. Die vierstufig erhobenen Bewertungsskalen wurden für die Berechnungen dichotomisiert und nehmen den Wert 1 an, wenn eine Bewertung mit „eher gerecht“ oder „sehr gerecht“ vorliegt, und den Wert 0 bei einer Bewertung mit „eher ungerecht“ oder „sehr ungerecht“. Um den Einfluss zu analysieren, den die einzelnen Dimensionen der Szenarien haben, wurden diese in Anlehnung an die Methode des faktoriellen Surveys (Rossi, Anderson 1982; Beck, Opp 2001) als kategorial unabhängige Variablen kodiert. Zudem sind die Modelle mit robusten Standardfehlern geschätzt worden, da jeder Befragte mehrere Szenarien präsentiert bekam und nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Gerechtigkeitsbewertungen einer Person unabhängig voneinander erfolgen (Beck, Opp 2001: 297).
Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen?
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3.2.1 Zur Bewertung der Szenarien Eine erste deskriptive Analyse ausgewählter Entlassungsszenarien zeigt bereits, dass die Mehrheit der Befragten Entlassungen eher als ungerecht bewertet. Lediglich zwei Entlassungsszenarien werden von einer deutlichen Mehrheit der Befragten als „eher gerecht“ oder „sehr gerecht“ eingestuft (Abbildung 1). In beiden Fällen ist eine externe Kündigungsursache vorgegeben worden: Betroffen sind hoch qualifizierte Mitarbeiter. Als sehr ungerecht werden zwei Szenarien mit einer internen Entlassungsursache beurteilt, wobei in einem Fall die Unternehmensleitung eine Erfolgsprämie „für die erfolgreiche Kostensenkung“ durch den Personalabbau erhält. Abbildung 1:
Gerechtigkeitsbewertung ausgewählter Entlassungsszenarien
60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 8.3
8.1 sehr ungerecht
Szenarien eher ungerecht
4.3 eher gerecht
5.2 sehr gerecht
Kurzbeschreibung Szenarien 8.3 Allgemeiner Absatzeinbruch, Entlassung von Ingenieuren mit 10jähriger Betriebszugehörigkeit und speziellem Humankapital, Zahlung von Abfindungen und Outplacementberatung. 8.1 Allgemeiner Absatzeinbruch, Entlassung von Ingenieuren mit 2jähriger Betriebszugehörigkeit und allgemeinem Humankapital, Entlassungen unter Einhaltung der Mindeststandards. 4.3 Einführung einer neuen Produktionstechnologie, Entlassung von Ingenieuren mit 10jähriger Betriebszugehörigkeit und speziellem Humankapital, Entlassungen unter Einhaltung der Mindeststandards. 5.2 Einführung einer neuen Produktionstechnologie, Entlassung von Ingenieuren mit 10jähriger Betriebszugehörigkeit und speziellem Humankapital, Entlassungen unter Einhaltung der Mindeststandards, Erfolgsprämie für Unternehmensleitung.
Dies zeigt bereits den Einfluss der unterschiedlichen Szenariendimensionen auf das Gerechtigkeitsurteil. Die multivariaten Analysen in Tabelle 1 unterstützen diese Ergebnisse auch bei Kontrolle der individuellen Merkmale der Befragten.
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Alexandra Krause, Christian Pfeifer, Tatjana Sohr
Die Modelle 1 und 2 zeigen die Ergebnisse für alle Befragten, die Modelle 3 und 4 diejenigen für das Teilstichprobe der Erwerbstätigen. In den Modellen 1 und 3 wurden als unabhängige Variablen zunächst nur die Szenariendimensionen aufgenommen. In den Modellen 2 und 4 sind zusätzlich soziodemographische und erwerbsbezogene Merkmale kontrolliert. Ausgewiesen werden nicht die geschätzten Koeffizienten, die den marginalen Effekt der jeweiligen unabhängigen Variablen auf die Gerechtigkeitsbewertung angeben, sondern Odds-Ratios. Werte kleiner 1 indizieren eine geringere Wahrscheinlichkeit, Werte größer 1 indizieren eine höhere Wahrscheinlichkeit, Entlassungen oder Lohnkürzungen als gerecht zu bewerten. Ein Beispiel: Die Odds-Ratio in Modell 1 für die Variable „Produktionstechnologie“ besagt, dass die Wahrscheinlichkeit, ein Szenario mit diesem Entlassungsgrund als gerecht einzustufen, etwa das 0,5-fache der Wahrscheinlichkeit beträgt, Szenarien mit der Entlassungsursache „Absatzeinbruch“ als gerecht zu bewerten. Tabelle 1: Gerechtigkeitsbewertung von Entlassungsszenarien Alle Befragten Modell 1 Modell 2 Szenariendimensionen Ursache (Ref.: Absatzeinbruch) Produktionstechnologie Verbesserungsvorschläge Produktionsarbeiter (Ref.: Ingenieure) Betriebszugehörigkeitsdauer (1 = bis 2 Jahre, 0 = 2-10 Jahre) Allgemeines Humankapital (Ref.: spezielles HK) Maßnahme (Ref.: sanfte Kündigung) Harte Kündigung Lohnverzicht Verhalten Management (Ref.: nicht erwähnt) Annahme der Prämie Verzicht auf Prämie Beteiligung Betriebsrat (Ref.: nicht erwähnt) Umfassende Beteiligung Mindestbeteiligung
Alle Erwerbstätigen Modell 3 Modell 4
0,537*** (7,39) 0,525*** (6,15) 0,998 (0,02) 1,580*** (4,45)
0,523*** (7,50) 0,505*** (6,31) 1,000 (0,00) 1,638*** (4,75)
0,472*** (6,79) 0,469*** (5,48) 1,049 (0,44) 1,637*** (3,69)
0,449*** (6,92) 0,428*** (5,90) 1,009 (0,08) 1,706*** (3,91)
1,869*** (6,14)
1,908*** (6,31)
1,717*** (4,13)
1,761*** (4,24)
0,284*** (11,49) 0,276*** (9,61)
0,269*** (11,68) 0,260*** (9,86)
0,287*** (8,69) 0,244*** (8,22)
0,283*** (8,50) 0,243*** (7,93)
0,424*** (6,44) 1,429** (3,42)
0,420*** (6,45) 1,439** (3,37)
0,411*** (5,22) 1,196 (1,31)
0,379*** (5,59) 1,119 (0,78)
1,023 (0,14) 1,497* (2,38)
1,020 (0,12) 1,560** (2,60)
1,130 (0,57) 1,680* (2,33)
1,192 (0,79) 1,764* (2,48)
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Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen? West (Ref.: Ostdeutschland) Alter (Ref.: 20 bis 35 Jahre) 36 bis 50 Jahre 51 bis 60 Jahre Männlich (Ref.: weiblich) Berufliche Ausbildung (Ref.: Lehre/ Facharbeiter) (Berufs-)Fachschule/ Meister/ Techniker (Fach)Hochschulabschluss Kein Ausbildungsabschluss Erwerbsstatus (Ref.: Erwerbstätig) Nicht erwerbstätig Arbeitslos Gewerkschaftsmitglied Selbständige Betriebsgröße (Ref.: größer 50 Besch.) (1= weniger als 50 Beschäftigte) Öffentlicher Dienst (Ref.: priv. Wirt.) Monatliches Nettoeinkommen 1001 bis 2000 Euro mehr als 2000 Euro Abhängigkeit Anderer vom Einkommen Entlassungserfahrung
0,899 (1,53)
0,819* (2,11)
0,843* (2,12) 0,684*** (3,81) 1,529*** (6,05)
1,059 (0,53) 0,775 (1,78) 1,306** (2,67)
1,163 (1,71) 1,658*** (5,87) 0,848 (1,26)
1,079 (0,67) 1,470** (3,22) 0,796 (0,98)
0,855 (1,62) 0,646*** (4,06) 0,772** (2,84)
0,824 (1,69) 1,534* (2,59) 1,227 (1,70) 1,065 (0,54) 1,251* (1,98) 1,685** (3,42) 0,738** (3,27) 1,308** (2,91) 1,427** (3,27) 3255 0,111 -2202,609 -1957,197
Chance neue Stelle zu finden (1 = wahrscheinlich) N 5520 5520 3255 Pseudo R2 (McFadden) 0,066 0,090 0,072 log pseudolikelihood, erste Schätzung -3685,244 -3685,244 -2202,609 log pseudolikelihood, letzte Schätzung -3442,570 -3352,624 -2045,089 Abhängige Variable: Gerechtigkeitsbewertung zu den Szenarien (1 = gerecht); Logistische Regression, Odds-Ratios, |z|-Werte in Klammern; *) pz < 0,05; **) pz < 0,01; ***) pz < 0,001.
Eine Dimension, die in den Szenarien variiert wurde, ist der Anlass der Entlassungsmaßnahme. Hier zeigt sich erwartungsgemäß, dass die Wahrscheinlichkeit
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Alexandra Krause, Christian Pfeifer, Tatjana Sohr
ein Szenario als gerecht zu bewerten signifikant höher ist, wenn Entlassungen Folge eines externen Schocks sind, als bei betriebsinternen Ursachen (Hypothese 1a). Entsprechend dem auf der Equity- und der Attributionstheorie basierenden Verantwortlichkeitsprinzip ist die Beurteilung der Entlassungsgründe tatsächlich davon abhängig, ob und inwieweit dem Management des Unternehmens die Verantwortung für sein Handeln zugeschrieben werden kann. Hingegen werden Entlassungen im Zusammenhang mit der Einführung einer neuen Produktionstechnologie nicht als gerechter beurteilt als solche aufgrund von Verbesserungsvorschlägen aus der Belegschaft – dies widerspricht dem Reziprozitätsgedanken aus Hypothese 1b. Möglicherweise lassen sich die Befragten von der Überlegung leiten, dass die betriebsbedingten Kündigungen von den Arbeitnehmern quasi mitverursacht wurden und damit letztlich Konsequenz ihrer eigenen Handlung sind. Die Höhe der Qualifikation der Betroffenen (Hypothese 2a) scheint keinen Einfluss auf die wahrgenommene Gerechtigkeit der Szenarien zu haben. Für die Bewertung eines Szenarios ist es ohne Bedeutung, ob Ingenieure oder Produktionsarbeiter betroffen sind. Hier könnten auf Seiten einiger Befragter Erwägungen sozialer Gerechtigkeit eine Rolle gespielt haben: Produktionsarbeiter befinden sich am unteren Ende von Unternehmenshierarchien, während Ingenieure eher hohe Positionen einnehmen. Geht man davon aus, dass Beschäftigte auf unteren Hierarchieebenen in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit in aller Regel auch diejenigen sind, die vorrangig die Lasten gravierender Fehlentscheidungen des Managements tragen, dann erklärt sich, warum sich Hypothese 2a nicht bestätigt hat. Dagegen haben die Art des erworbenen Humankapitals und die Dauer der Betriebszugehörigkeit einen signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der Bewertung eines Szenarios als gerecht bzw. ungerecht (p < 0,001). Entlassungen von Arbeitnehmern mit allgemeinem Humankapital werden als signifikant gerechter bewertet als Entlassungen von Beschäftigten, die spezifisches Humankapital erworben haben. Spezifisch qualifizierte Beschäftigte haben im Allgemeinen geringere Wiederbeschäftigungschancen. Dies scheint bei der Bewertung berücksichtigt zu werden, womit Hypothese 2b unterstützt wird. Auch Hypothese 2d wird gestützt: Die Wahrscheinlichkeit, ein Entlassungsszenario als gerecht zu bewerten, ist signifikant höher, wenn die Betroffenen erst seit zwei Jahren und damit vergleichsweise kurz im Betrieb beschäftigt sind. Mit Blick auf die Entlassung langfristig Beschäftigter scheint das Senioritätsprinzip, das auch in den sozialen Auswahlkriterien im KSchG verankert ist, die Bewertung in Richtung einer geringeren Akzeptanz zu beeinflussen.
Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen?
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Die Wahrscheinlichkeit, ein Szenario als gerecht zu bewerten, ist weiterhin signifikant geringer, wenn die Entlassungen lediglich unter Einhaltung gesetzlicher Mindeststandards erfolgen (harte Entlassung), verglichen mit Szenarien, in denen großzügige Abfindungen gezahlt werden und die Betroffenen bei der Stellensuche unterstützt werden (sanfte Entlassung). Hypothese 3a wird damit unterstützt. Unerwartet ist dagegen, dass sich Hypothese 3c abgelehnt werden muss, wonach Strategien, durch Lohnverzicht Entlassungen zu vermeiden, im Vergleich zu Entlassungen als gerechter angesehen werden. Im Gegenteil: Die Anwendung dieser Vermeidungsstrategie wird als signifikant ungerechter angesehen (p < 0,001) als sanfte Entlassungen. Die Differenz zu harten Entlassungen ist dagegen gering und entspricht nicht der erwarteten Richtung. Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass die Befragten die Folgen des betrieblichen Bündnisses für Arbeit in den entsprechenden Szenarien als eine Doppelbelastung für die Arbeitnehmerschaft interpretiert haben, d.h., dass der positive Aspekt der Vermeidungsstrategie, durch den vereinbarten Lohnverzicht zumindest einen Teil der Entlassungen zu umgehen, übersehen wurde. Auch Pfeifer (2004) konnte in einer Studierendenbefragung keine Präferenz für betriebliche Bündnisse gegenüber sanften Entlassungen, jedoch gegenüber harten Entlassungen feststellen. Hypothese 4, der zufolge Entlassungen als ungerechter bewertet werden, wenn die Unternehmensleitung eine Erfolgsprämie erhält, und als gerechter, wenn sie darauf verzichtet, wird voll unterstützt. Ganz besonders deutlich zeigt sich die negative Wirkung der Annahme der Erfolgsprämie auf die Gerechtigkeitsbewertung dadurch, dass die Fälle als Referenz gewählt wurden, in denen das Verhalten des Managements gar nicht erwähnt wurde. Trotzdem ist das Ergebnis hoch signifikant (p < 0,001). Dagegen erhöht ein Verzicht auf die Prämie („sharing the pain“) die Akzeptanz der Entlassungen, wobei die Odds-RatioWerte hier nur in den Szenarien für das Gesamtsample signifikant sind. Entsprechend der Hypothese 5 wäre zu erwarten, dass Entlassungen dann als gerechter beurteilt werden, wenn der Betriebsrat am Entscheidungsprozess beteiligt wird. Diese Hypothese wird jedoch nur für die Fälle gestützt, in denen der Betriebsrat den gesetzlichen Mindestanforderungen entsprechend beteiligt wurde, während Entlassungen nach einer frühzeitigen und umfassenden Betriebsratsbeteiligung im Vergleich hierzu als signifikant ungerechter bewertet werden. Eine Erklärung könnte sein, dass dann, wenn die betriebliche Interessenvertretung frühzeitig intervenieren konnte, die Enttäuschung über Entlassungen und damit zugleich über den Misserfolg der Intervention der Betriebsräte besonders deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Auch die meisten Lohnkürzungsszenarien werden eher als ungerecht bewertet. Deskriptive Auswertungen einiger ausgewählter Szenarien sind in Abbildung
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Alexandra Krause, Christian Pfeifer, Tatjana Sohr
2 dargestellt. Von einer deutlichen Mehrheit als gerecht beurteilt wird hier ein Szenario, in dem ein variabler Lohnbestandteil gestrichen wird. Szenarien hingegen, in denen aufgrund veränderter Marktbedingungen eine allgemeine Lohnkürzung erfolgt, werden von der Mehrheit eher als ungerecht bewertet. Abbildung 2:
Gerechtigkeitsbewertung ausgewählter Lohnkürzungsszenarien
60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
5.1
2.2
4.1
Szenarien sehr ungerecht
eher ungerecht
eher gerecht
sehr gerecht
Kurzbeschreibung Szenarien 5.1 2.2 4.1
Kleines Unternehmen mit verlangsamter Umsatzsteigerung, Streichung bisheriger Erfolgsprämie. Kleiner Copy-Shop, Arbeitslosigkeit ist hoch, Lohnsenkung von 7 auf 5,50 Euro. Kleiner Copy-Shop, Arbeitslosigkeit ist hoch, Nachfolger erhält 5,50 statt 7 Euro.
Die Modellierung der Regressionsgleichungen zur Analyse der Lohnkürzungsszenarien weicht von der der Entlassungsszenarien ab. Aufgrund des teilweise sehr unterschiedlichen Aufbaus konnten nicht alle Szenarien in ein Modell aufgenommen werden. Es wurden daher getrennte Schätzungen durchgeführt, deren Ergebnisse Tabelle 2 zeigt. Tabelle 2: Gerechtigkeitsbewertung von Lohnkürzungsszenarien Modell 1 Szenariendimensionen Ausgangslage (Ref.: Unternehmensgewinn) Unternehmensverlust Verlangsamte Umsatzsteigerunggerung Prämienstreichung (Ref.: allg. Lohnkürzung) Neuer Mitarbeiter (Ref.: bisheriger Mitarbeiter) Nutzung Öffnungsklausel (Ref.: Ausgründung von Teilen der Produktion)
Alle Befragten Modell 2 Modell 3
2,976*** (6,19) 1,131 (0,67) 4,190*** (8,08)
Alle Erwerbstätigen Modell 1a Modell 2a Modell 3a
3,502*** (5,19) 1,456 (1,53) 5,796*** (7,43) 2,258*** (3,78)
2,666** (3,33) 1,533* (2,34)
1,896* (2,43)
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Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen? West (Ref.: Ostdeutschland) Alter (Ref.: 20 bis 35 Jahre) 36 bis 50 Jahre 51 bis 60 Jahre Männlich (Ref.: weiblich) Berufliche Ausbildung (Ref.: Lehre/ Facharbeiter) (Berufs-)Fachschule/ Meister/ Techniker (Fach-)Hochschulabschluss Kein Ausbildungsabschl. Erwerbsstatus (Ref.: Erwerbst.) Nicht erwerbstätig Arbeitslos Gewerkschaftsmitglied Selbständige Betriebsgröße (1= weniger als 50 Beschäftigte) Öffentlicher Dienst Monatliches Nettoeinkommen 1001 bis 2000 Euro mehr als 2000 Euro Abhängigkeit Anderer vom Einkommen Lohnkürzungserfahrung
1,115 (0,84)
1,089 (0,39)
0,845 (0,91)
0,862 (0,83)
1,181 (0,55)
0,879 (0,47)
0,888 (0,77) 0,686* (2,12) 1,548** (3,35)
0,929 (0,28) 0,597 (1,69) 1,156 (0,67)
0,525** (2,83) 0,306*** (4,50) 1,207 (1,01)
0,904 (0,47) 0,851 (0,61) 1,522* (2,19)
1,242 (0,61) 0,708 (0,75) 0,911 (0,28)
0,332** (3,09) 0,210*** (3,81) 1,054 (0,17)
1,510* (2,51) 1,681** (3,29) 0,958 (0,17)
1,057 (0,18) 1,883* (2,47) 2,713** (2,71)
1,185 (0,71) 3,378*** (4,97) 1,489 (1,21)
1,225 (0,93) 1,160 (0,66) 0,782 (0,53)
0,958 (0,11) 1,715 (1,50) 1,334 (0,40)
1,227 (0,61) 3,021** (2,99) 0,440 (1,43)
1,037 (0,20) 0,795 (1,22) 0,991 (0,05)
1,197 (0,60) 0,885 (0,36) 0,758 (0,90)
0,920 (0,38) 1,595 (1,57) 1,351
0,888 (0,31) 2,125 (1,59) 1,530
1,016 (0,05) 4,878** (2,82) 1,143
(1,35) 1,151 (0,65)
(1,08) 1,873 (1,71)
(0,41) 1,354 (0,95)
1,114 (0,51) 1,773 (1,93) 0,896 (0,61) 1,195 (0,92) 1,179 (0,77) 711 0,137 -491,864
1,312 (0,77) 1,335 (0,60) 0,890 (0,39) 1,063 (0,19) 0,813 (0,57) 343 0,079 -174,913
1,300 (0,82) 1,831 (1,33) 0,742 (1,07) 1,014 (0,05) 1,253 (0,72) 325 0,143 -220,248
0,803 (0,87) 1,056 (0,21) 0,839 (0,72)
Chance neue Stelle zu finden (1 = wahrscheinlich) N 1200 572 566 Pseudo R2 (McFadden) 0,092 0,064 0,723 log likelihood, erste Schätzung -829,108 -300,325 -387,982 log likelihood, letzte Schät-753,189 -281,135 -359,914 -424,740 -161,020 -188,656 zung Abhängige Variable: Gerechtigkeitsbewertung zu den Szenarien (1 = gerecht); Logistische Regression, Odds-Ratios, |z|-Werte in Klammern; *) pz < 0,05; **) pz < 0,01; ***) pz < 0,001.
Werden die Ergebnisse im Einzelnen betrachtet, so zeigt sich zunächst: Im Vergleich zu Szenarien, in denen das Unternehmen Gewinne verzeichnet, ist die
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Alexandra Krause, Christian Pfeifer, Tatjana Sohr
Wahrscheinlichkeit das Szenario als gerecht zu bewerten, signifikant höher, wenn die Lohnkürzung im Zusammenhang mit Unternehmensverlusten steht (Modelle 1 und 1a). Damit wird die Hypothese 6a gestützt. Zudem wird auch Hypothese 6b unterstützt, wonach eine Lohnkürzung in Anpassung an neue Marktgegebenheiten bei einem neu eingestellten Mitarbeiter als gerechter beurteilt wird als bei einem bereits Beschäftigten (Modelle 2 und 2a); wiederum wird die Bedeutung des Senioritätsprinzips sowie der Einfluss eines einmal erworbenen Anspruchsniveaus deutlich. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass in den entsprechenden Szenarien jeweils der einzige Mitarbeiter eines kleinen Copy-Shops betroffen ist. Es ist fraglich, ob sich dieser Unterschied im Gerechtigkeitsurteil auch dann noch zeigen würde, wenn in einem Unternehmen mehrere Mitarbeiter beschäftigt sind, so dass in dem einen Fall alle Beschäftigten betroffen wären und im anderen nur ein Teil, nämlich die Neueingestellten. Denkbar ist, dass dann auch andere Erwägungen eine Rolle spielen. Z.B. könnte eine Lohnkürzung bei nur einem Teil der Beschäftigten mit der Befürchtung verbunden sein, dass diese später doch noch auf alle Arbeitnehmer übertragen wird. Eine Lohnsenkung bei Neueinstellungen dürfte dann kritischer gesehen werden. Den stärksten positiven Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit ein Szenario als gerecht zu bewerten, hat schließlich die Streichung einer Erfolgsprämie im Vergleich zu einer allgemeinen Lohnkürzung im selben Umfang (Modelle 1 und 1a), womit Hypothese 6c unterstützt wird. Die Nutzung einer Öffnungsklausel zur Durchführung von Lohnkürzungen wird als signifikant gerechter bewertet als Lohnkürzungen, die über die Ausgründung von Unternehmensteilen erreicht werden (Modelle 3 und 3a). Dieses Ergebnis entspricht Hypothese 7b. Die Befragten scheinen sich also der größeren Belastung der Arbeitnehmer bei Ausgründungen bewusst zu sein und/oder einer Legitimation durch die Zustimmung der Gewerkschaft und des Betriebsrates besondere Bedeutung beizumessen. Dies widerspricht nicht den Ergebnissen zur Beteiligung des Betriebsrates im Hinblick auf die Entlassungsszenarien, sondern ist vielmehr ein Hinweis darauf, dass bestehende institutionelle Regelungen die impliziten Erwartungen der Befragten widerspiegeln. Welchen Effekt haben nun die soziodemographischen Merkmale in den Szenarien? Auf die Beurteilung der Lohnkürzungsszenarien scheinen die meisten der individuellen Merkmale erstaunlicherweise nur wenig Einfluss zu haben (Tabelle 2). Die Ergebnisse der Schätzungen zu den Entlassungsszenarien ergeben ein etwas anderes Bild (Tabelle 1). Entgegen Hypothese 9 werden Entlassungen von westdeutschen Befragten als ungerechter bewertet als von Ostdeutschen. In Bezug auf das Lebensalter der Betroffenen zeigt sich nur für die höchste Altersgruppe ein signifikant negativer Einfluss auf die abhängige Variable (Hypothese
Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen?
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10). Hypothese 11, der zufolge Männer Entlassungen als gerechter bewerten, wird bestätigt. Erwartungsgemäß unterscheidet sich die Wahrscheinlichkeit ein Entlassungsszenario als gerecht zu beurteilen für Befragte mit (Fach-)Hochschulabschluss signifikant von der Referenzgruppe der Personen mit abgeschlossener Lehre (Hypothese 12). Dieser Zusammenhang zeigt sich auch im Hinblick auf die Lohnkürzungsszenarien (Tabelle 2). Hypothese 13a, nach der Arbeitslosigkeit mit negativeren Gerechtigkeitsbewertungen einhergeht, wird unterstützt. Mit steigendem Einkommen steigt auch die Wahrscheinlichkeit, ein Entlassungsszenario als gerecht anzusehen. Hingegen bewerten Befragte, von deren Einkommen noch andere Personen abhängig sind, Szenarien mit signifikanter Wahrscheinlichkeit als ungerechter. Damit werden die Hypothesen 14 und 15 unterstützt. Gewerkschaftsmitglieder beurteilen Entlassungen in Übereinstimmung mit Hypothese 16 als ungerechter. Wie erwartet, beurteilen Selbständige betriebsbedingte Entlassungen im Vergleich zu den übrigen Befragten als signifikant gerechter (Hypothese 17). Die Betriebsgröße scheint dagegen keinen signifikanten Einfluss auf die Gerechtigkeitsbewertung zu haben, so dass die Hypothesen 18a und 18b nicht bestätigt werden können. Überraschend ist, dass Erfahrungen mit Entlassungen im eigenen Arbeitsumfeld die Gerechtigkeitsbeurteilung eines Szenarios signifikant positiv beeinflussen. Ein Ergebnis, dass der Hypothese 19 zu widersprechen scheint. Hier könnte eine Rolle gespielt haben, dass die Befragten nicht unbedingt selbst von der miterlebten Entlassung betroffen waren und dass sie, selbst wenn sie unmittelbar betroffen waren, anschließend einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben. Im Hinblick auf die Bewertung hypothetischer Szenarien könnte der positive Effekt dann daraus resultieren, dass die Betroffenen in der Realität durch die eigene Erfahrung Strategien zur Bewältigung von Entlassungen erlernt haben und diese als weniger negativ wahrnehmen. Personen, die ihre Wiederbeschäftigungschancen positiv einschätzen, beurteilen die Entlassungsszenarien erwartungsgemäß mit signifikant höherer Wahrscheinlichkeit als gerecht als solche, die ihre Chancen eher negativ bewerten (Hypothese 20). 3.2.2 Zur Bewertung eigener Erfahrungen Die Analyse der Gerechtigkeitswahrnehmung eigener Erfahrungen bezieht sich auf die im eigenen betrieblichen Umfeld innerhalb der letzten 5 Jahre erlebten betriebsbedingten Entlassungen respektive Lohnkürzungen. Die Befragten waren nicht unbedingt selbst davon betroffen. Für die Analyse wird nur die Teilstichprobe der Erwerbstätigen herangezogen. Tabelle 3 zeigt den Anteil der befragten
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Alexandra Krause, Christian Pfeifer, Tatjana Sohr
Erwerbspersonen, die zwischen 1999 und 2004 in ihrem betrieblichen Umfeld Erfahrungen mit Beschäftigungs- und/ oder Lohnanpassungen gemacht haben. Tabelle 3: Erfahrungen mit betriebsbedingten Entlassungen und Lohnkürzungen im eigenen Arbeitsumfeld innerhalb der letzten 5 Jahre; getrennt nach Ost- und Westdeutschland* Ostdeutschland Entlassungen ja, einmal ja, mehrmals nein, keine Total Lohnkürzungen ja, einmal ja, mehrmals nein, keine Total
Westdeutschland
n
%
n
%
222 474 792 1488
14,92 31,85 53,23 100,00
139 324 875 1338
10,39 24,21 65,40 100,00
187 176 1129 1492
12,53 11,80 75,67 100,00
194 155 984 1333
14,55 11,63 73,82 100,00
* Befragt wurden Erwerbspersonen. Sie waren nicht notwendig selbst von der Entlassung oder Lohnkürzung betroffen.
Für den Zeitraum von 1999 bis 2004 werden mehr Entlassungen als Lohnkürzungen berichtet. Dabei geben ostdeutsche Befragte mit knapp 47% deutlich häufiger an, eine oder mehrere Entlassungen erfahren zu haben, als westdeutsche Befragte mit knapp 35%. Sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland haben mehr als zwei Drittel der Betroffenen mehrere Entlassungen erlebt. Das Ausmaß an Lohnkürzungserfahrungen ist demgegenüber in beiden Teilen Deutschlands deutlich geringer. In Ostdeutschland haben zwischen 1999 und 2004 etwa 24% der Befragten eine oder mehrere Lohnkürzungen im eigenen Arbeitsumfeld erlebt, in Westdeutschland waren es etwa 26%. Im eigenen Arbeitsumfeld erlebte Entlassungen und Lohnkürzungen wurden von den Befragten insgesamt häufiger als ungerecht erlebt. Allerdings werden sie jeweils auch von mehr als einem Viertel der Befragten als „eher gerecht“ eingeschätzt. Im Vergleich zu Entlassungen werden Lohnkürzungen dabei häufiger als ungerecht wahrgenommen: Etwa 70% der Befragten schätzen die erlebte Lohnkürzung als „eher ungerecht“ oder „sehr ungerecht“ ein, während es im Hinblick auf Entlassungen etwa 60% der Befragten sind (Abbildung 3).
Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen? Abbildung 3:
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Gerechtigkeitseinschätzung betrieblicher Entlassungen und Lohnkürzungen
60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Entlassungserfahrungen sehr ungerecht
Lohnkürzungserfahrungen eher ungerecht
eher gerecht
sehr gerecht
(Bewertung der im eigenen Arbeitsumfeld innerhalb der letzten 5 Jahre erlebten betrieblichen Entlassung und/oder Lohnkürzung, getrennt nach Ost- und Westdeutschland. Die Befragten waren nicht unbedingt selbst betroffen. Bei mehreren Entlassungs- oder Lohnkürzungserfahrungen im angegebenen Zeitraum wurde die letzte bewertet.)
Als Indikatoren reziproken Verhaltens sowie der prozeduralen und distributiven Gerechtigkeit der betrieblichen Anpassungsmaßnahme werden im Folgenden die in Tabelle 4 aufgeführten Dummy-Variablen herangezogen: Tabelle 4: Indikatoren Reziprozität Prozedurale Gerechtigkeit Distributive Gerechtigkeit
• • • • •
Dummy-Variable Engagement des Arbeitgebers zur Vermeidung von Entlassungen Engagement des Arbeitgebers zur Vermeidung von Lohnkürzungen Beteiligung der Belegschaft bzw. ihrer Vertretung Auswahl nach sozialen Kriterien Lohnkürzung als Vermeidungsstrategie von Entlassungen
•
Abfindungen oder aktive Unterstützung bei Stellensuche
Die Beteiligung der Belegschaft oder ihrer Vertretung an der Unternehmensentscheidung und die Sozialauswahl beziehen sich dabei auf zwei unterschiedliche Gesichtspunkte der Verfahrensgerechtigkeit (siehe Kapitel 2.1.2): Während eine Beteiligung die Accuracy Rule, die Bias-Suppression Rule, die Correctability Rule sowie die Representativeness Rule berücksichtigt, wird durch die Auswahl der Betroffenen nach sozialen Kriterien der Ethicality Rule entsprochen.
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Alexandra Krause, Christian Pfeifer, Tatjana Sohr
In hierarchischen Modellen wird nun in einem ersten Schritt der Einfluss des Entlassungs- und Lohnkürzungsprozedere auf die Gerechtigkeitswahrnehmung geschätzt. Die weiteren Schritte ergänzen das Modell um die allgemeinen soziodemographischen Variablen und die Merkmale des Erwerbskontextes. Die Ergebnisse in Tabelle 5 zu Erfahrungen mit Entlassungen zeigen, Aspekte der Reziprozität und Gerechtigkeit spielen nicht nur in der Bewertung hypothetischer Szenarien, sondern auch in der Realität eine Rolle: Miterlebte Entlassungen werden auch unter Kontrolle soziodemographischer und erwerbsbezogener Merkmale der Befragten als signifikant gerechter beurteilt, wenn der Arbeitgeber im Vorfeld versucht hat, sie zu vermeiden (p < 0,001), und die Belegschaft am Entscheidungsprozess beteiligt war (p < 0,01). Dieses Ergebnis entspricht den Hypothesen 3b und 5. Die Tatsache, dass die Betroffenen aufgrund sozialer Kriterien ausgewählt wurden, beeinflusst die Akzeptanz der Entlassung nur schwach positiv. Damit geht dieser Effekt in die Richtung von Hypothese 2c, er ist jedoch nicht signifikant. Der Einfluss von Abfindungszahlungen bzw. der aktiven Unterstützung der Betroffenen bei der Stellensuche ist dagegen insignifikant wie auch negativ. Hypothese 3a kann damit nicht bestätigt werden. Dieses Resultat widerspricht auch den Ergebnissen der Szenarienanalyse, die diese Hypothese voll unterstützen. Einen Einfluss hat möglicherweise die Tatsache, dass die Befragten im Hinblick auf ihre eigenen Entlassungserfahrungen nur gebeten wurden, anzugeben, ob überhaupt Abfindungen gezahlt wurden. Über die Höhe der Abfindungen liegen keine Informationen vor. In den Szenarien werden den von der Entlassung Betroffenen dagegen ausdrücklich großzügige Abfindungen gezahlt. Ein negativer Effekt der Abfindungszahlung auf die Bewertung der miterlebten Entlassung könnte dann daraus resultieren, dass die Betroffenen aus Sicht der Befragten eine zu geringe Abfindungszahlung erhalten haben. Die soziale Position des Befragten sollte in der Gerechtigkeitswahrnehmung eigener Entlassungserfahrungen eine größere Rolle spielen als in der Bewertung hypothetischer Szenarien. Wie die Ergebnisse zeigen, hat zwar keines der allgemeinen soziodemographischen Merkmale einen stabilen signifikanten Einfluss. Der Erklärungsgehalt der Schätzungen nimmt jedoch stark zu. Es lassen sich einige Besonderheiten festhalten: Überraschend ist zunächst, dass Entlassungen im Widerspruch zu Hypothese 9 nicht in Ost-, sondern in Westdeutschland als ungerechter wahrgenommen werden. Dieser Zusammenhang hat sich bereits in der Analyse der Entlassungsszenarien gezeigt. Einen positiven Einfluss auf das Gerechtigkeitsurteil der ostdeutschen Befragten hat möglicherweise die Tatsache, dass diese im Unterschied zu den westdeutschen Befragten, wie bereits in der Einleitung ausgeführt, sehr viel häufiger mit Entlassungen als üblichem Bestandteil des Arbeitslebens konfrontiert sind.
Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen? Tabelle 5: Gerechtigkeitsbewertung miterlebter Entlassungen im Betrieb Prozess Entlassungsvermeidung im Vorfeld Beteiligung der Mitarbeiter Auswahl nach sozialen Kriterien Abfindung/ Unterstützung Region (1= West) Alter (Ref.: 18 bis 35 Jahre) 36 bis 50 Jahre 51 bis 60 Jahre Geschlecht (1=männlich) Berufliche Ausbildung (Ref.: Lehre/ Facharbeiter) (Berufs-)Fachschule/ Meister/ Techniker (Fach-)Hochschulabschluss Kein Ausbildungsabschluss Monatliches Nettoeinkommen 1001 bis 2000 Euro mehr als 2000 Euro Abhängigkeit anderer vom Einkommen Betriebsgröße (1= weniger als 50 Beschäftigte) Öffentlicher Dienst Eigene Betroffenheit Chance neue Stelle zu finden ( 1 = wahrscheinlich) Gewerkschaftsmitglied Selbständige
Modell 1
Modell 2
Modell 3
Modell 4
3,394*** (6,20) 1,872** (3,19) 1,014 (0,08) 0,814 (1,10)
3,488*** (6,18) 1,886** (3,18) 1,015 (0,08) 0,802 (1,13) 0,713 (1,66)
3,536*** (6,04) 2,049** (3,48) 1,081 (0,39) 0,965 (0,17) 0,726 (1,52)
3,482*** (5,80) 1,945** (3,15) 1,053 (0,25) 0,973 (0,13) 0,740 (1,40)
0,872 (0,61) 0,668 (1,42) 1,465 (1,91)
0,868 (0,62) 0,641 (1,52) 1,290 (1,22)
0,914 (0,38) 0,760 (0,90) 1,361 (1,44)
0,674 (1,66) 0,934 (0,28) 0,753 (0,57)
0,674 (1,61) 0,988 (0,05) 0,843 (0,32)
0,629 (1,85) 0,939 (0,24) 0,813 (0,39)
0,971 (0,13) 1,168 (0,48) 1,171 (0,81)
1,101 (0,41) 1,321 (0,83) 1,183 (0,83) 3,151*** (5,18) 1,197 (0,70)
1,049 (0,20) 1,139 (0,38) 1,404 (1,60) 3,108*** (4,67) 1,324 (1,06) 0,485** (2,92) 1,640* (1,98) 0,520* (2,28) 1,149 (0,40) 563 0,166 -384,681 -320,953
N 563 563 563 Pseudo R² (McFadden) 0,084 0,101 0,140 log likelihood, erste Schätzung -384,681 -384,681 -384,681 log likelihood, letzte Schätzung -352,551 -345,979 -330,834 Abhängige Variable: Gerechtigkeitsbewertung eigener Entlassungserfahrung (1 = gerecht); Logistische Regression, Odds-Ratios, |z|-Werte in Klammern; *) pz < 0,05; **) pz < 0,01; ***) pz < 0,001.
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Im Hinblick auf Alter, Geschlecht und Einkommen entsprechen die Effekte den Hypothesen, sie sind allerdings insignifikant. Beschäftigte mittleren Alters sowie ältere Arbeitnehmer beurteilen die Entlassungen im Vergleich zur Referenzgruppe der jüngeren Arbeitnehmer als ungerechter (Hypothese 10). Männer nehmen die Entlassungen im Unterschied zu Frauen als gerechter wahr (Hypothese 11); in der Szenarienanalyse ist dieser Effekt ebenfalls signifikant. Entsprechend der Hypothese 14) ist die Akzeptanz der Entlassung bei Befragten mit höheren Einkommen höher als in der Referenzkategorie. Der Effekt bleibt jedoch im Gegensatz zu den Ergebnissen der Szenarienanalyse insignifikant. Die Abhängigkeit anderer Personen vom eigenen Einkommen schließlich beeinflusst das Gerechtigkeitsurteil schwach positiv. Im Gegensatz zur Szenarienanalyse wird Hypothese 15 nicht gestützt. Im Unterschied zu den allgemeinen soziodemographischen Merkmalen hat der Erwerbskontext des Befragten stabile Effekte auf das Gerechtigkeitsurteil: Der Einfluss der Gewerkschaftsmitgliedschaft ist entsprechend Hypothese 16 negativ und signifikant (p < 0,05). Beschäftigte kleinerer Betriebe bewerten die Entlassungen signifikant positiver (p < 0,001). Damit wird Hypothese 18a unterstützt. Hypothese 19 kann ebenfalls nicht abgelehnt werden: Die eigene Betroffenheit von der Entlassung hat einen signifikant negativen Einfluss auf die Gerechtigkeitswahrnehmung (p < 0,01). Hier ist zu vermuten, dass der negative Effekt sogar eher unterschätzt wird, weil lediglich diejenigen einbezogen wurden, die nach einer Entlassung eine neue Stelle gefunden haben. Personen, die nach der Entlassung keinen neuen Arbeitsplatz gefunden haben, wurden nicht nach ihrem Gerechtigkeitsurteil hierzu befragt. Die eigenen Arbeitsmarktchancen beeinflussen die Akzeptanz der Entlassung signifikant positiv (p < 0,05), womit auch Hypothese 20 unterstützt wird. Selbständigkeit dagegen zeigt keinen signifikanten Einfluss auf das Gerechtigkeitsurteil. Die positive Richtung des Effekts stimmt allerdings mit Hypothese 17 überein. Tabelle 6 dokumentiert die Ergebnisse der Analyse eigener Lohnkürzungserfahrungen. Neben dem Arbeitgeber-Engagement und der Beteiligung der Belegschaft wird dabei der Einfluss kontrolliert, den die Vermeidung von Entlassungen als Ursache der Lohnkürzung auf die Gerechtigkeitseinschätzung hat.
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Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen? Tabelle 6: Gerechtigkeitsbewertung eigener Lohnkürzungserfahrungen Modell 1 Prozess Vermeidungsversuch im Vorfeld Beteiligung der Mitarbeiter Einkommenskürzung zur Entlassungsvermeidung Region (1=West) Alter (Ref.: 18 bis 35 Jahre) 36 bis 50 Jahre 51 bis 60 Jahre Geschlecht (1=männlich) Berufliche Ausbildung (Ref.: Lehre/ Facharbeiter) (Berufs-)Fachschule/ Meister/ Techniker (Fach-)Hochschulabschluss Kein Ausbildungsabschluss Monatliches Nettoeinkommen 1001 bis 2000 Euro
2,305*** (3,63) 1,414 (1,45) 2,094** (3,26)
Modell 2
Modell 3
Modell 4
2,314*** (3,53) 1,543 (1,74) 2,270** (3,46) 1,409 (1,38)
2,202** (3,28) 1,550 (1,74) 2,423*** (3,65) 1,547 (1,71)
2,068** (2,96) 1,579 (1,80) 2,505*** (3,75) 1,476 (1,51)
1,204 (0,63) 0,990 (0,03) 0,864 (0,60)
1,265 (0,79) 0,972 (0,08) 0,863 (0,58)
1,373 (1,04) 1,098 (0,25) 0,877 (0,56)
1,170 (0,53) 1,751 (1,91) 0,672 (0,70)
1,189 (0,57) 1,786 (1,92) 0,729 (0,55)
1,186 (0,55) 1,735 (1,81) 0,748 (0,50)
1,266 (0,74) 1,660 (1,25) 1,068 (0,28)
1,416 (1,05) 1,776 (1,39) 1,075 (0,30) 2,231** (2,59) 1,549 (1,52)
1,483 (1,18) mehr als 2000 Euro 1,880 (1,50) Abhängigkeit anderer vom Einkommen 1,126 (0,49) Betriebsgröße 2,082* (1= weniger als 50 Beschäftigte) (2,12) Öffentlicher Dienst 1,568 (1,54) Eigene Betroffenheit 0,799 (0,70) Chance neue Stelle zu finden 1,356 ( 1 = wahrscheinlich) (1,09) Gewerkschaftsmitglied 0,765 (0,93) Selbständige 0,855 (0,35) N 419 419 419 419 Pseudo R² (McFadden) 0,071 0,100 0,113 0,119 log likelihood, erste Schätzung -264,813 -264,813 -264,813 -264,813 log likelihood, letzte Schätzung -245,908 -238,286 -234,839 -233,428 Abhängige Variable: Gerechtigkeitsbewertung eigener Lohnkürzungserfahrungen (1=gerecht); Logistische Regression, Odds Ratios, |z|-Werte in Klammern; *) pz<0,05; **) pz<0,01; ***) pz<0,001.
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Analog zu Entlassungen nehmen Beschäftigte Lohnkürzungen als signifikant gerechter wahr, wenn der Arbeitgeber aktiv versucht hat, sie zu vermeiden (p < 0,01), wodurch Hypothese 7a gestützt wird. Deutlich ist auch der positive Einfluss der Entlassungsvermeidung als Grund der Lohnkürzung auf das Gerechtigkeitsurteil (p < 0,01), der Hypothese 8a voll unterstützt. Die Beteiligung der Belegschaft hat ebenfalls einen stabilen positiven Einfluss auf das Gerechtigkeitsurteil und unterstützt Hypothese 8b; der Effekt ist in diesem Fall allerdings nur sehr schwach signifikant (p < 0,1). Die allgemeinen soziodemographischen Merkmale zeigen auch bei Lohnkürzungserfahrungen keinen signifikanten Einfluss auf die Gerechtigkeitswahrnehmung. Im Gegensatz zu den eigenen Entlassungserfahrungen fällt das Gerechtigkeitsurteil der westdeutschen Befragten der Annahme gemäß tatsächlich positiver aus (Hypothese 9). Der Effekt des Alters ist im Falle von Lohnkürzungserfahrungen nicht eindeutig. Frauen bewerten die Lohnkürzung als gerechter. Beide Effekte widersprechen damit den formulierten Hypothesen 11 und 12; sie sind allerdings sehr schwach. Das Einkommen zeigt dagegen der Tendenz nach den vorhergesagten positiven Effekt auf die Gerechtigkeitsbewertung (Hypothese 14). Auch dieser Effekt ist jedoch insignifikant. Eine finanzielle Abhängigkeit anderer Personen beeinflusst das Gerechtigkeitsurteil insignifikant positiv. Dieser Effekt widerspricht Hypothese 16, stimmt zugleich aber mit dem Ergebnis des vorherigen Modells überein. Anders als bei Entlassungen hat der Erwerbskontext schließlich kaum Einfluss auf die Gerechtigkeitswahrnehmung. Eine Ausnahme stellt die Betriebsgröße dar; mit zunehmender Größe werden Lohnkürzungen als ungerechter eingeschätzt. Analog zu betrieblichen Entlassungen wird Hypothese 18a damit unterstützt. Die übrigen Effekte des Erwerbskontextes bleiben insignifikant, stimmen in der Richtung allerdings mit den jeweiligen Hypothesen überein. 3.3 Zwischenfazit Ausgangspunkt dieses Kapitels war die Frage, ob die institutionellen Regelungen des deutschen Arbeitsrechts die normativen Erwartungen der Bevölkerung widerspiegeln und die Gerechtigkeitswahrnehmung von Entlassungen und Lohnkürzungen beeinflussen. Untersucht wurden dabei einerseits die Verletzung von Reziprozitätsnormen im Rahmen impliziter Verträge und andererseits die Rolle distributiver und prozeduraler Gerechtigkeitsnormen. Wie die Ergebnisse zeigen, spielen diese Normen sowohl in der Bewertung hypothetischer Szenarien als auch eigener betrieblicher Erfahrungen mit Entlas-
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sungen und Lohnkürzungen eine Rolle. In der Gerechtigkeitsbewertung der Szenarien unterscheiden die Befragten externe und interne Entlassungsursachen und berücksichtigen damit die Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung. So werden Entlassungen aufgrund eines allgemeinen Absatzeinbruchs gegenüber Entlassungen aufgrund einer Steigerung der Produktivität durch Einführung einer neuen Produktionstechnologie oder durch Verbesserungsvorschläge der Belegschaft als signifikant gerechter bewertet. Aus Sicht der Befragten sind Unternehmensentscheidungen, die Entlassungen nach sich ziehen, also eher dann gerechtfertigt, wenn dringende betriebliche Gründe vorliegen, die über eine bloße Gewinnsteigerung hinausgehen. Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass Beschäftigte in Deutschland von Seiten der Unternehmen die Berücksichtigung ihrer Mitverantwortung für die Beschäftigten erwarten. Die in §1(3) KSchG vorgesehenen Richtlinien für die Auswahl der von der Entlassung Betroffenen sind auch aus Sicht der Befragten von Bedeutung: Die Länge der Betriebszugehörigkeit hat einen signifikanten Einfluss auf die Bewertung der Entlassungsszenarien. In der Bewertung eigener Entlassungserfahrungen hat das Merkmal, ob bei der Auswahl der Betroffenen soziale Kriterien berücksichtigt wurden oder nicht, allerdings keinen Einfluss auf die Gerechtigkeitswahrnehmung. Dieses Ergebnis verwundert, da die Befragten in der Bewertung der Entlassungsszenarien neben der Seniorität auch das betriebsspezifische Humankapital der Betroffenen berücksichtigen. Die unterschiedlichen Konsequenzen, die eine Entlassung für die Beschäftigten je nach Status und Arbeitschancen hat, werden im Gerechtigkeitsurteil also durchaus berücksichtigt. Eine Ursache dieser widersprüchlichen Ergebnisse könnte sein, dass es einzelne Auswahlkriterien sind, die eine Rolle spielen und nach denen in der Bewertung der eigenen Entlassungserfahrungen nicht ausdrücklich gefragt wurde. Darüber hinaus werden Vermeidungsstrategien wie z.B. Lohnsenkungen im Rahmen betrieblicher Bündnisse für Arbeit zwar akzeptiert; Entlassungen werden allerdings dann eher als gerecht angesehen, wenn großzügige Abfindungen gezahlt werden. Die Akzeptanz von Entlassungen steigt auch dann – wie die Bewertung der eigenen Entlassungserfahrungen zeigt –, wenn der Arbeitgeber versucht hat, sie zu vermeiden. Die Berücksichtigung der Reziprozitätserwartungen der Beschäftigten an die Unternehmensleitung beeinflusst die wahrgenommene Gerechtigkeit der Entlassungsentscheidung also positiv. Lohnsenkungen zur Sicherung von Arbeitsplätzen werden vor allem dann akzeptiert, wenn eine tarifvertragliche Öffnungsklausel existiert, d.h. wenn eine Legitimation durch Arbeitnehmervertretungen besteht. Allerdings unterstützt die Analyse der Lohnkürzungsszenarien die Annahme, dass die wahrgenommene Gerechtigkeit von Lohnanpassungen stark durch
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die bestehenden Lohnstrukturen beeinflusst wird. Zwar nehmen die Befragten die Gerechtigkeit einer Lohnkürzung in Abhängigkeit von der Unternehmenslage wahr; die Absenkung der bestehenden Löhne auf den Marktlohn sowie allgemeine Lohnkürzungen werden jedoch als ungerecht bewertet. Die Streichung variabler Lohnbestandteile wird bei Angabe einer adäquaten Begründung dagegen als gerecht angesehen. Die Ergebnisse der empirischen Analyse weisen des Weiteren daraufhin, dass einer Beteiligung der Beschäftigten am Entscheidungsprozess sowohl im Hinblick auf Lohnkürzungen als auch auf Entlassungen eine Schlüsselrolle zukommt. Die Szenarienanalyse legt dabei nahe, dass eine über die gesetzlichen Mitbestimmungsrechte hinausgehende Beteiligung nicht erwünscht oder zumindest nicht als effektiv angesehen wird. Demgegenüber gibt die Mehrheit der Befragten, die noch immer in dem Betrieb beschäftigt sind, in dem sie die Entlassung respektive Lohnkürzung miterlebt haben und von dem sie berichten, dass ein Betriebsrat existiert, dennoch an, die Belegschaft oder ihre Vertretung habe keinen Einfluss auf die Entlassungs- bzw. Lohnkürzungsentscheidung gehabt. Die Existenz einer Personalvertretung scheint somit aus Sicht der Beschäftigten keine hinreichende Beteiligung der Belegschaft zu gewährleisten. Die Szenarienanalyse und die Analyse eigener Erfahrungen kommen darüber hinaus zu demselben Resultat: Im Hinblick auf betriebsbedingte Entlassungen zeigen sich mehr Unterschiede in der Gerechtigkeitsvorstellung zwischen soziodemographischen und erwerbsbezogenen Kategorien als bei der Bewertung von Lohnkürzungen. Eine Erklärung könnte darin liegen, dass Lohnkürzungen in der Regel alle Beschäftigten gleichermaßen treffen und weniger gravierende Konsequenzen nach sich ziehen als der Arbeitsplatzverlust. Entlassungen stellen dann das bedeutendere Verteilungsproblem dar, und ihre Beurteilung wird stärker durch die eigene soziale Lage und Erwerbssituation beeinflusst als die Bewertung betrieblicher Lohnkürzungen. Allerdings ist bei der Interpretation zu beachten, dass die Teilstichproben in der Szenarienanalyse nicht identisch sind. Vor allem bei der Bewertung eigener Erfahrungen hat der Erwerbskontext, wie z.B. die Arbeitsmarktchancen des Befragten oder die Betriebsgröße, eine höhere Bedeutung als die allgemeinen soziodemographischen Merkmale. Zukünftige Untersuchungen könnten durch eine detailliertere Berücksichtigung des Erwerbskontextes daher weiteren Aufschluss über die zentralen Einflussfaktoren geben. Bemerkenswert ist schließlich, dass bei der Einschätzung der Gerechtigkeit betriebsbedingter Entlassungen und Lohnkürzungen kein signifikanter Unterschied zwischen der ostdeutschen und der westdeutschen Bevölkerung nachzuweisen ist: Die im Hinblick auf die Einstellung zum Wohlfahrtsstaat und zu so-
Was beeinflusst die Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen?
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zialer Ungleichheit wiederholt nachgewiesenen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen scheinen sich auf die Bewertung konkreter betrieblicher Verteilungskonflikte weniger stark auszuwirken als angenommen. Die vergleichende Analyse der Einstellung zum Kündigungsschutz in Kapitel 6 kann allerdings durchaus einige Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland aufzeigen. Insgesamt zeigt sich, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen zum Kündigungsschutz und zur Mitbestimmung im Grundsatz mit entsprechenden Gerechtigkeitserwartungen auf Seiten der Bevölkerung korrespondieren. Deutlich wird jedoch auch, dass Unternehmen viele Möglichkeiten haben, die Akzeptanz notwendiger Entlassungen deutlich zu verbessern. Dies belegt die positive Wirkung einer glaubwürdigen Entlassungsvermeidung im Vorfeld ebenso wie die Akzeptanz steigernde Wirkung von großzügigen Abfindungen verbunden mit dem Angebot von Outplacement-Beratungen in den Entlassungsszenarien. Einen zentralen Einfluss hat das Verhalten des Managements: Besonders negativ auf die Gerechtigkeitsbewertung der Szenarien wirkt sich aus, wenn die Unternehmensleitung im Zuge der Entlassungen eine Erfolgsprämie erhält, während sich der Verzicht auf eine solche Prämie signifikant positiv auswirkt. Damit erklärt sich auch die öffentliche Empörung im Zusammenhang mit dem im Jahr 2005 angekündigten Stellenabbau bei der Deutschen Bank. Deren Vorstandssprecher hatte in einer Pressekonferenz am 3.2.2005 die ausgesprochen gute Gewinnsituation der Bank beschrieben, auch die ihm gewährten hohen Erfolgsprämien nicht verschwiegen und gleichzeitig die Entlassung von 6400 Beschäftigten zur weiteren Steigerung der Gewinne angekündigt. Wie unser Beitrag zeigt, hat er damit zwei wesentliche Aspekte vernachlässigt: Zum einen, dass Maßnahmen zur Gewinnsteigerung, die zu Lasten der Beschäftigten gehen, grundsätzlich als ungerecht beurteilt werden, und zum anderen, dass Erfolgsprämien für die Unternehmensleitung in einem solchen Fall als Ausbeutung der Arbeitnehmer interpretiert werden. Insbesondere durch einen Verzicht auf Erfolgsprämien hätte die Unternehmensleitung ein Signal für „sharing the pain“ setzen können.
4 Gender und Gerechtigkeit von Tatjana Sohr
In der Literatur wurde der Bedeutung geschlechtsspezifischer Unterschiede für die wahrgenommene Gerechtigkeit von betriebsbedingten Lohnkürzungen und Kündigungen bisher wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Aus der Psychologie sind einige Ansätze bekannt, die eine Verbindung zwischen moralischen Einstellungen und dem sozialen Geschlecht herstellen. So argumentiert Gilligan (1982), dass Männer Entscheidungen eher auf Grundlage allgemeiner moralischer Prinzipien treffen, während Frauen eher eine situative Moral zeigen. Für Frauen ist Fairness kein moralischer Imperativ. Sie treffen ihre Wahl eher unter Beachtung situativer Begleitumstände. Zudem bestätigen Ergebnisse der experimentellen Ökonomie, dass Frauen in Fairnessexperimenten stärker auf Änderungen des experimentellen Designs reagieren (Eckel, Grossman 1996). Es kann daher vermutet werden, dass Frauen und Männer betriebliche Personal- und Lohnanpassungen unterschiedlich bewerten. Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Gerechtigkeitsbewertung können aber auch auf die unterschiedliche Lebenssituation von Männern und Frauen zurückzuführen sein. Davidson, Steinmann und Wegener (1995) zeigen, dass nicht nur unterschiedlich sozialisierte normative Präferenzen, sondern auch ihre tatsächliche ökonomische Situation die Gerechtigkeitsvorstellungen von Frauen erklären. So liegt die Arbeitslosenquote von Frauen seit mehreren Jahren zwar unter der von Männern (in 2004: 9,4% zu 10,3%), aber der Anteil der Frauen, die von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind, ist weiterhin höher als der der Männer (Tabelle 7). Zudem spiegelt sich die unterschiedliche Stellung von Frauen und Männern im Erwerbsleben nach wie vor in geschlechtsspezifischen gesellschaftlichen Rollenbildern wider. Dabei sind soziale Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen immer wieder Gegenstand öffentlicher Diskussion sowie politischer Maßnahmen und Initiativen. Die Gerechtigkeitsbewertung betriebsbedingter Entlassungen und Lohnkürzungen dürfte daher nicht nur von Unterschieden im Antwortverhalten der Geschlechter abhängig sein. Vielmehr ist zu erwarten, dass diese Maßnahmen zugleich auch unterschiedlich bewertet werden, je nachdem, ob männliche oder weibliche Beschäftigte hiervon betroffen sind.
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Tatjana Sohr
Tabelle 7: Arbeitslosenquoten und Anteil der Langzeitarbeitslosigkeit nach Geschlecht 1997-2004
Jahr
Gesamt
Arbeitslosenquote Männer
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
9,2 8,8 7,9 7,2 7,4 8,2 9,1 9,5
9,3 8,8 8,1 7,6 7,8 8,8 9,7 10,3
Frauen 10,7 10,0 8,9 8,1 8,0 8,4 8,9 9,4
Anteil der Langzeitarbeitslosen (länger als 12 Monate) Gesamt Männer Frauen 50,1 52,2 51,7 51,5 50,4 47,9 50,0 51,8
47,1 49,9 49,9 50,1 48,4 46,0 48,3 50,5
53,6 55,6 54,0 53,1 52,9 50,3 52,3 53,7
Quelle: OECD Employment-Outlook 2001-2005.
Die Analysen in diesem Kapitel nehmen daher beide Perspektiven ein: Zum einen wird untersucht, inwiefern die Gerechtigkeitsbewertung hypothetischer Szenarien davon abhängt, ob Frauen oder Männer von Entlassungen oder Lohnkürzungen betroffen sind. Zum anderen werden Szenarien und ausgewählte Statements zur Gerechtigkeit verschiedener Entlassungskriterien im Hinblick darauf analysiert, ob sich das Antwortverhalten der befragten Frauen und Männer systematisch unterscheidet. Das Kapitel gliedert sich wie folgt: Die Entwicklung der Hypothesen zur Gerechtigkeitsbewertung von Lohn- und Beschäftigungsanpassungen in Abhängigkeit vom Geschlecht ist Gegenstand von Abschnitt 4.1. In Abschnitt 4.2 werden nach einer kurzen Beschreibung der angewandten Methodik die Ergebnisse der empirischen Analyse vorgestellt. Am Schluss wird ein Fazit gezogen. 4.1 Theoretische Überlegungen 4.1.1 Der „kleine Unterschied“ – auch bei Gerechtigkeitsbeurteilungen präsent? Es gilt als unbestritten, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede in der Gerechtigkeitsbewertung von Verteilungskonflikten gibt und dass Verteilungen aus der Sicht von Frauen eher dann als gerecht angesehen werden, wenn sie nach dem Gleichheitsprinzip erfolgen, während Männer Verteilungen nach dem meritokratischen Prinzip bevorzugen (Davidson, Steinmann, Wegener 1995: 290).
Gender und Gerechtigkeit
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Eckel und Grossman (1996) konnten zeigen, Männer treffen Entscheidungen mit größerer Wahrscheinlichkeit auf Grundlage allgemeiner moralischer Prinzipien, während Frauen eher auf Änderungen der Parameter des Entscheidungsumfeldes reagieren. Im Kontext der Entlohnungsgerechtigkeit halten sie es für denkbar, dass Frauen insofern flexibler sind, als sie in Reaktion auf sich ändernde ökonomische Umstände eher zu einer Anpassung ihres Reservationslohnsatzes bereit sind. Demnach ist anzunehmen, dass das Antwortverhalten von Frauen im Hinblick auf die Ursache der Entlassung stärker variiert als das der männlichen Befragten. Andererseits gibt es Belege dafür, dass Aspekte prozeduraler Gerechtigkeit für Frauen einen höheren Stellenwert haben. Da Frauen weniger häufig in den Führungsebenen von Unternehmen vertreten sind, haben sie zugleich weniger Zugang zu informellen Netzwerken und wichtigen Informationen – auch in Bezug auf Beschäftigungs- und Lohnanpassungen (Larkey 1993: 173).
Hypothese 1: Frauen beurteilen Entlassungen und Lohnkürzungen im Vergleich zu Männern generell als weniger gerecht.
4.1.2 Ergibt es einen Unterschied, ob Männer oder Frauen betroffen sind? Frauen sind – im Vergleich zu Männern – in weniger Berufen und in schlechter entlohnten Berufen beschäftigt (Holst 2001). Zwar ist die Erwerbsquote von Frauen zwischen 1995 und 2003 deutlich gestiegen, während die von Männern leicht gesunken ist. Allerdings scheint diese Erhöhung zu einem nicht unerheblichen Teil auf eine weiter ansteigende Teilzeitbeschäftigung von Frauen zurückzuführen zu sein. Der Anteil der teilzeitbeschäftigten Männer ist mit 6,3 % gegenüber einem Anteil von 37 % bei den Frauen im Jahr 2004 sehr gering (Tabelle 8). Zudem sind Frauen etwas stärker von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen, woraus Rückschlüsse auf ihre Wiederbeschäftigungschancen gezogen werden können. Uhlendorff (2003) zeigt auf Basis von Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) für die Jahre 1994 bis 2000, dass Frauen in zeitlicher Nähe zum Eintritt von Arbeitslosigkeit gegenüber Männern eine signifikant geringere Wahrscheinlichkeit auf Wiederbeschäftigung haben. Letzteres könnte die Annahme rechtfertigen, dass die Entlassung weiblicher Beschäftigter als ungerechter angesehen wird als die Entlassung männlicher Erwerbstätiger. Dies gilt umso mehr für alleinerziehende Mütter, die oft in besonderem Maße auf ihren Arbeitsplatz angewiesen sind. Andererseits könnte gerade in diesem Zusammenhang die Akzeptanz eines gegebenen gesellschaftlichen Rollenverständnisses einen noch stärkeren Einfluss auf die wahrgenommene Ge-
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Tatjana Sohr
rechtigkeit einer Entlassung von Frauen haben. In diesem Rollenverständnis werden Männern und Frauen jeweils bestimmte Eigenschaften zugewiesen, die mit einer Abwertung der Leistungen von Frauen im Erwerbsleben einhergeht. Mit dieser Zuschreibung, die von Männern und Frauen in ähnlicher Weise vorgenommen wird, wird dann soziale Ungleichheit zwischen den Geschlechtern legitimiert (Pfeifer 2003: 46f.). Zudem wird Männern im traditionellen Rollenverständnis nach wie vor die Rolle des Haupternährers in der Familie zugewiesen. Frauen werden hingegen häufig in erster Linie als Ehefrauen und Mütter wahrgenommen, denen es ermöglicht werden soll, ihrer häuslichen Verantwortung nachzukommen (Mósesdóttir 2001). Obwohl das Modell des männlichen Familienernährers grundsätzlich an Bedeutung verliert, ist es weiterhin in Regeln und Routinen sowie im institutionellen Rahmen Deutschlands (Bsp.: Steuergesetzgebung) verankert und prägt damit die Vorstellungen über das Verhältnis der Geschlechter (Gottfried, O’Reilly 2002). Tabelle 8: Erwerbsquoten und Anteil der Teilzeitbeschäftigten nach Geschlechtern 1997-2004 Jahr
Gesamt
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
71,0 71,0 71,2 71,1 71,5 71,5 71,3 72,7
Erwerbsquote Männer 79,5 79,9 79,2 78,9 79,0 78,7 78,0 79,1
Frauen 61,9 62,5 63,0 63,3 63,8 64,2 64,5 66,1
Anteil der Teilzeitbeschäftigung Gesamt Männer Frauen 15,8 16,6 17,1 17,6 18,3 18,8 19,6 20,1
4,1 4,6 4,8 4,8 5,1 5,5 5,9 6,3
31,4 32,4 33,1 33,9 35,0 35,3 36,3 37,0
Quelle: OECD Employment Outlook 2001-2005.
Die Bedeutung der wahrgenommenen distributiven Gerechtigkeit eines Szenarios wurde bereits in Kapitel 2 eingehend erörtert. Als ein wesentliches Verteilungsprinzip wurde dort das Gleichheitsprinzip identifiziert. Nach diesem Prinzip werden allen beteiligten Individuen leistungs- und merkmalsunabhängig gleiche Anteile an Gütern und Lasten zugesprochen. Betriebliche Maßnahmen, die ausschließlich oder überwiegend Frauen betreffen, verletzen das Gleichheitsprinzip und könnten von den Befragten daher als diskriminierend wahrgenommen werden. Nun war die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, verbunden mit zunehmender Kritik an den traditionellen Rollenverhältnissen zwischen Frauen und Männern, im Laufe der letzten Jahrzehnte immer wieder Gegenstand öffentlicher
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Diskussion. Es ist daher anzunehmen, dass die Gerechtigkeitsbewertung im Hinblick auf Lohn- und Beschäftigungsanpassungen weniger von einem traditionellen Rollenverständnis als vielmehr von Aspekten des Gleichheitsprinzips beeinflusst wird.
Hypothese 2: Szenarien, in denen vorwiegend Frauen von Entlassungen oder Lohnkürzungen betroffen sind, werden als weniger gerecht angesehen als Szenarien, in denen vorwiegend Männer von diesen Maßnahmen betroffen sind.
4.1.3 Hat der familiäre Kontext einen Einfluss? Soziale Auswahlkriterien, die festlegen, welche Beschäftigtengruppen im Falle betriebsbedingter Kündigungen zuerst von Entlassungen betroffen sind, werden im Rahmen der Szenarien nicht variiert. Die Befragten wurden daher gebeten, solche Kriterien anhand kontextunabhängiger Statements zu bewerten. Ihnen wurden u.a. folgende Statements vorgelegt:
Das Unternehmen entlässt zuerst die Mitarbeiter, die keine Kinder haben. Das Unternehmen entlässt zuerst die Mitarbeiter, die weniger qualifiziert sind.
Wenn man davon ausgeht, dass geschlechtsspezifische Gerechtigkeitsvorstellungen auch durch rationale Erwägungen der Betroffenen beeinflusst sind, erscheint ein höherer Egalitarismus bei Frauen plausibel: Aufgrund ihrer sozialen Benachteiligung sind sie im Vergleich zu Männern grundsätzlich stärker auf regulierende Maßnahmen zum Ausgleich sozialer Ungleichheit angewiesen, um sich gegen soziale Risiken zu schützen. Daher ist auch die Regulierung von und kollektive Absicherung gegen Arbeitsmarktrisiken aus ihrer Sicht rational. Die größere Abhängigkeit ihrer eigenen Erwerbstätigkeit von ihrer familiären Situation wird darüber hinaus dazu führen, dass Frauen dem Bedarfsprinzip in der Bewertung von Entlassungen und Lohnsenkungen eine größere Bedeutung beimessen als Männer (Döbert 1991: 135). Sie werden im Unterschied zu Männern die familiäre Situation der Betroffenen eher als Entlassungskriterium bevorzugen.
Hypothese 3: Aus der Sicht von Frauen sind Entlassungen eher dann gerecht, wenn sie die familiäre Situation der Betroffenen berücksichtigen, während Männer das Leistungskriterium bevorzugen.
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Tatjana Sohr
4.2 Empirische Ergebnisse Die Untersuchung orientiert sich an der Vorgehensweise in Kapitel 3. Geschätzt werden binär logistische Modelle unter Einschluss der dort verwendeten soziodemographischen Merkmale. Ausgewiesen werden die Odds-Ratios. Zur Analyse des Einflusses der Merkmale der einzelnen Dimensionen der Szenarien werden diese in Anlehnung an die Methode des faktoriellen Surveys (Rossi, Anderson 1982; Beck, Opp 2001) als kategorial unabhängige Variablen kodiert. Zudem werden die Modelle zu den Entlassungsszenarien mit robusten Standardfehlern geschätzt, da jedem Befragten mehrere Szenarien präsentiert wurden und nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Gerechtigkeitsbewertungen einer Person unabhängig voneinander erfolgen (Beck, Opp 2001: 297). In die Modelle zu den Lohnkürzungsszenarien wurden folgende Szenarien einbezogen, in denen die Betroffenen nach Geschlecht differenziert sind: Szenarienkennung
Kurzbeschreibung
6.3
Absatzeinbruch, Ausgründung, Lohnsenkung um 10%, vorwiegend Männer
7.2
Absatzeinbruch, Ausgründung, Lohnsenkung um 10%, Beschäftigte
9.3
Absatzeinbruch, Ausgründung, Lohnsenkung um 10%, vorwiegend Frauen
Analysiert wurde sowohl die Gesamtstichprobe als auch die Teilstichprobe der Erwerbstätigen, wobei auch getrennte Schätzungen für Frauen und Männer durchgeführt wurden. Schließlich wurde untersucht, inwiefern der familiäre Kontext die Gerechtigkeitsbewertung von Entlassungen beeinflusst. Dies geschieht auf Grundlage von Statements, in denen die Befragten die Gerechtigkeit folgender Entlassungskriterien beurteilen sollten:
Vorrangige Entlassung von Mitarbeitern ohne Kinder, vorrangige Entlassung von weniger qualifizierten Mitarbeitern.
Hierzu wurde der Einfluss des Geschlechts und weiterer soziodemographischer Merkmale (Region, Alter, Erwerbsstatus usw.) auf die Gerechtigkeitsbewertung in diesen Statements in logistischen Regressionen geschätzt und die Ergebnisse miteinander verglichen.
77
Gender und Gerechtigkeit
Für eine erste deskriptive Analyse werden diejenigen Szenarien herangezogen, die Differenzierungen der Betroffenen nach Geschlecht beinhalten. Für eine erste Darstellung der Differenzen zwischen einzelnen Szenarien bzw. zwischen männlichen und weiblichen Befragten werden in Tabelle 9 die Mittelwerte der Gerechtigkeitsbewertungen gegenübergestellt (auch wenn damit implizit unterstellt ist, dass die Abstände zwischen den Ausprägungen über die gesamte ordinale Skala gleich sind). Aufgrund der ordinalen Skalierung wurde für die statistischen Tests ein zweiseitiger Wilcoxon-Mann-Whitney-Test für nicht verbundene Stichproben angewendet, der im Gegensatz zum üblichen t-Test keine Annahme über die Abstände zwischen den Ausprägungen benötigt (Siegel, Castellan 1988). Tabelle 9: Mittelwerte wahrgenommener Gerechtigkeit nach Geschlecht Mittelwert Szenario Entlassungen 5.3 Absatzeinbruch, Produktionsarbeiter, 10 Jahre, allgemeine Kenntnisse, harte Entlassung 6.1 Absatzeinbruch, Produktionsarbeiterinnen, 10 Jahre, allgemeine Kenntnisse, harte Entlassung Differenz 5.3 - 6.1 Lohnkürzungen 6.3 Absatzeinbruch, Ausgründung, Lohnsenkung um 10%, vorwiegend Männer 9.3 Absatzeinbruch, Ausgründung, Lohnsenkung um 10%, vorwiegend Frauen Differenz 6.3 - 9.3
Frauen
1,32
Differenz
Männer
N Frauen/ Männer
1,52
-0,20***
220/117
-0,41***
196/105
1,05
1,46
0,27***
0,06
1,56
1,69
-0,13
195/106
1,02
1,09
-0,07
172/113
0,54***
0,60***
Wilcoxon-Mann-Whitney Rangsummentest, Signifikanzniveaus *) pz < 0,05, **) pz < 0,01, ***) pz < 0,001 Wahrgenommene Gerechtigkeit: 3 = sehr gerecht, 2 = eher gerecht, 1 = eher ungerecht, 0 = sehr ungerecht.
Erwartungsgemäß beurteilen Frauen alle vier Szenarien als weniger gerecht als Männer, doch lediglich für die beiden Entlassungsszenarien ist dieser Unterschied auch signifikant. Überraschend ist, dass die befragten Männer die Entlassung von Frauen im Vergleich zur Entlassung männlicher Erwerbstätiger als kaum ungerechter bewerten, während die Differenz der Gerechtigkeitsbewertung bei den weiblichen Befragten deutlich höher liegt und hoch signifikant (p < 0,001) ist. Die unter 4.1.1 und 4.1.2 aufgestellten Hypothesen im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Geschlecht und Gerechtigkeitsbewertung der Sze-
78
Tatjana Sohr
narien scheinen somit zumindest für die Entlassungsszenarien voll unterstützt zu werden. Dieser erste Eindruck wird durch die multivariaten Analysen bestätigt. Sowohl für das gesamte Sample als auch für die Teilstichprobe der Erwerbstätigen gilt, dass Frauen Entlassungsszenarien signifikant ungerechter bewerten als Männer (Tabelle 10). Dagegen geht der Einfluss des Geschlechts bei den Lohnkürzungsszenarien zwar in die erwartete Richtung, ist aber in Übereinstimmung mit dem Ergebnis des Mittelwertvergleichs nicht signifikant (Tabelle 11). Hypothese 1, dass Frauen betriebliche Anpassungsmaßnahmen im Vergleich zu Männern als ungerechter bewerten, kann damit nur für Entlassungen bestätigt werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang der unterschiedliche Einfluss einer Beteiligung des Betriebsrates, der sich bei einer Auswertung des Samples nach Geschlecht zeigt. Während diese Dimension in der Teilstichprobe der männlichen Erwerbstätigen keinen signifikanten Einfluss hat, zeigt sich bei den erwerbstätigen Frauen ein signifikant positiver Einfluss einer Beteiligung des Betriebsrates entsprechend der gesetzlichen Mindestanforderungen. Überraschend ist zudem, dass eine negative Reaktion der Weiterbeschäftigten auf die Entlassungen von den männlichen Befragten mit hoch signifikanter Wahrscheinlichkeit zu einer negativen Gerechtigkeitsbewertung des entsprechenden Szenarios führt, während diese Dimension das Gerechtigkeitsurteil von Frauen nicht signifikant verändert.
79
Gender und Gerechtigkeit
Tabelle 10: Gerechtigkeitsbewertung von Entlassungsszenarien nach Geschlecht gepoolt Szenariendimensionen Ursache (Ref.: Produktionstechnologie) Absatzeinbruch Verbesserungsvorschläge Betroffene (Ref.: Produktionsarbeiter) Ingenieure Produktionsarbeiterinnen Betriebszugehörigkeitsdauer (1 = 2 Jahre, 0 = 10 Jahre) Allgemeines Humankapital (Ref.: spezielles HK) Maßnahme (Ref.: sanfte Kündigung) Harte Kündigung Lohnverzicht Verhalten Management (Ref.: Verzicht auf Prämie) Annahme der Prämie Verhalten nicht erwähnt Beteiligung Betriebsrat (Ref.: Mindestbeteiligung) Umfassende Beteiligung Betriebsrat nicht erwähnt Weiterbeschäftigte weniger motiviert (Ref.: Reaktion nicht erwähnt) Geschlecht (1=weiblich) Region (1=west)
Alle Befragten Frauen Männer
gepoolt
Erwerbstätige Frauen
Männer
1,787*** (6,97)
1,706*** (4,85)
1,878*** (4,92)
2,059*** (6,59)
2,032*** (4,69)
2,115*** (4,60)
0,996 (0,04)
1,033 (0,26)
0,951 (0,34)
0,992 (0,06)
1,033 (0,18)
0,935 (0,36)
1,058 (0,67)
1,235 (1,84)
0,857 (1,18)
1,036 (0,32)
1,284 (1,64)
0,822 (1,18)
0,532*** (4,29) 1,513*** (4,12) 1,757*** (5,68)
0,465*** (3,91) 1,693*** (4,10) 1,851*** (4,64)
0,658 (1,72) 1,275 (1,50) 1,678** (3,36)
0,462*** (4,14) 1,578*** (3,48) 1,618*** (3,72)
0,393*** (3,68) 1,648** (2,89) 1,860*** (3,52)
0,560* (1,98) 1,559* (2,17) 1,417 (1,78)
0,403*** (10,09) 0,350*** (8,29)
0,417*** (7,59) 0,365*** (6,07)
0,384*** (6,65) 0,328*** (5,58)
0,424*** (7,30) 0,327*** (6,90)
0,448*** (5,32) 0,296*** (5,48)
0,386*** (5,13) 0,355*** (4,19)
0,296*** (8,39)
0,217*** (7,61)
0,425*** (4,02)
0,345*** (5,67)
0,268*** (4,84)
0,448** (3,06)
0,828 (1,84)
0,703** (2,60)
1,025 (0,16)
1,036 (0,26)
0,895 (0,59)
1,222 (1,02)
0,659* (2,48)
0,717 (1,48)
0,592* (2,07)
0,666 (1,83)
0,614 (1,58)
0,689 (1,20)
0,690* (2,20)
0,654 (1,94)
0,768 (0,98)
0,605* (2,26)
0,462* (2,50)
0,772 (0,79)
0,685**
0,857
0,477**
0,535***
0,746
0,328***
(2,91) 0,670*** (6,39) 0,926 (1,23)
(0,95)
(3,46)
(1,31)
(4,05)
0,865 (1,76)
1,014 (0,14)
(3,58) 0,792** (2,62) 0,879 (1,55)
0,874 (1,22)
0,889 (0,91)
80
Tatjana Sohr
Alter (Ref.: 20 bis 35 Jahre) 36 bis 50 Jahre 51 bis 60 Jahre Berufliche Ausbildung (Ref.: Lehre/ Facharbeiter) (Berufs-)Fachschule/ Meister/ Techniker (Fach-)Hochschulabschluss Kein Ausbildungsabschluss Erwerbsstatus Nicht erwerbstätig Arbeitslos Gewerkschaftsmitglied Kinder unter 12 Jahre Pflegebedürftige Angehörige Selbständige Betriebsgröße (1= weniger als 50 Beschäftigte) Öffentlicher Dienst Monatliches Nettoeinkommen (Ref.: bis 1000) 1001 bis 2000 Euro mehr als 2000 Euro Entlassungserfahrung
0,858* (2,08) 0,718*** (3,57)
0,894 (1,18) 0,733* (2,56)
0,838 (1,51) 0,721* (2,23)
0,968 (0,34) 0,750* (2,21)
0,974 (0,21) 0,776 (1,46)
1,003 (0,02) 0,750 (1,43)
1,137 (1,61)
1,073 (0,70)
1,209 (1,44)
1,068 (0,64)
1,042 (0,31)
1,093 (0,53)
1,565*** (5,90)
1,585*** (4,67)
1,519*** (3,49)
1,412** (3,28)
1,443* (2,53)
1,342 (1,85)
0,853 (1,35)
0,831 (1,21)
0,883 (0,67)
0,830 (0,88)
0,794 (0,80)
0,887 (0,38)
0,914 (1,04) 0,677*** (4,10) 0,808** (2,62) 0,984 (0,22)
0,904 (0,94) 0,641*** (3,62) 0,852 (1,46) 1,044 (0,46)
0,949 (0,33) 0,745 (1,91) 0,753* (2,35) 0,931 (0,60)
0,862 (1,46) 0,909 (1,03)
0,844 (1,21) 0,987 (0,10)
0,850 (1,08) 0,845 (1,19)
0,901 (0,75)
1,128 (0,70)
0,699 (1,64)
1,061 (0,30) 1,434*
1,630 (1,91) 1,274
0,728 (1,10) 1,617*
(2,52) 1,239*
(1,12) 1,259
(2,39) 1,167
(2,04) 1,021 (0,20)
(1,60) 0,960 (0,32)
(0,99) 1,119 (0,64)
1,221* (2,00) 1,458** (2,75) 1,175* (1,97)
1,294* (2,03) 1,621* (2,34) 1,182 (1,51)
1,223 (1,04) 1,424 (1,66) 1,127 (0,94)
Chance neue Stelle zu fin1,277 den 1,348** 1,437* (1 = wahrscheinlich) (1,79) (3,10) (2,59) N 6332 3851 2481 3754 2114 1640 Pseudo R2 (McFadden) 0,070 0,071 0,065 0,084 0,087 0,083 log pseudolikelihood, erste -4225,673 -2494,645 -1703,751 -2532,599 -1388,611 -1129,520 Schätzung log pseudolikelihood, letzte Schätzung -3929,010 -2317,702 -1592,684 -2320,622 -1267,203 -1035,619 Abhängige Variable: Gerechtigkeitsbewertung der Szenarien (1 = gerecht); Logistische Regression, Odds-Ratio, robuste |z|-Werte in Klammern; *) pz < 0,05, **) pz < 0,01, ***) pz < 0,001.
Gender und Gerechtigkeit
81
Im Hinblick auf das Geschlecht der von den Maßnahmen Betroffenen zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit ein Szenario, in dem Produktionsarbeiterinnen von Entlassung betroffen sind, als gerecht zu bewerten, nur etwa halb so hoch ist, wie für ein Szenario, in dem Produktionsarbeiter entlassen werden (Tabelle 10). Bei den Lohnkürzungsszenarien ist die Wahrscheinlichkeit eine Lohnsenkung, von der vorwiegend Frauen betroffen sind, gegenüber einer Lohnsenkung, die vorwiegend männliche Beschäftigte betrifft, als gerecht zu bewerten sogar noch geringer (Tabelle 11). Hypothese 2, wonach Szenarien, in denen vor allem Frauen von Entlassungen oder Lohnkürzungen betroffen sind, als weniger gerecht bewertet werden, wird somit bestätigt. Bei getrennter Schätzung für die Geschlechter zeigt sich jedoch, dass das Geschlecht in den Entlassungsszenarien für die Männer einen deutlich schwächeren Einfluss auf die Gerechtigkeitsbewertung zeigt. D.h., für die männlichen Befragten scheint das Geschlecht der von Entlassung Betroffenen eine geringere Rolle zu spielen. Dagegen werden Lohnkürzungen von beiden Geschlechtern mit hoch signifikanter Wahrscheinlichkeit (p < 0,001) als ungerechter bewertet, wenn sie Frauen betreffen. Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass sowohl Frauen als auch Männer hier implizit unterstellt haben, dass Frauen in Berufen, die nur eine geringe Qualifikation erfordern, verglichen mit Männern von vornherein schon besonders niedrige Löhne erhalten und somit von Lohnkürzungen stärker betroffen sind. Trotzdem bleibt das Ergebnis insbesondere im Hinblick auf die befragten Männer überraschend. Während Frauen sowohl Entlassungen als auch Lohnkürzungen, die nur Frauen betreffen, gleichermaßen als ungerecht empfinden, beurteilen Männer eine Entlassung von Frauen als deutlich weniger ungerecht als eine Lohnkürzung bei Frauen. Im Vergleich zur Entlassung von Männern nehmen Frauen die Entlassung weiblicher Beschäftigter demnach als wesentlich ungerechter wahr. Eine Erklärung wäre hier die Neigung von Menschen, sich mit ähnlichen Personen zu vergleichen und sich eher mit diesen zu identifizieren (Greenberg 1995). Dies gilt natürlich nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer. Allerdings nehmen Personen, die bereits Diskriminierung erfahren haben, diese eher wahr als Nichtdiskriminierte (Gilliland 1993: 718). Geht man davon aus, dass Frauen sich ihrer eher schlechteren Wiederbeschäftigungschancen bewusst sind, könnte dies erklären, warum Frauen die Entlassung von Frauen als signifikant ungerechter beurteilen, während dies im Hinblick auf die Bewertung der Entlassung von Männern durch männliche Befragte nicht der Fall ist.
82
Tatjana Sohr
Tabelle 11: Gerechtigkeitsbewertung von Lohnkürzungsszenarien nach Geschlecht gepoolt Szenariendimension Maßnahme (Ref.: Ausgründung von Teilen der Produktion/Betroffen sind Männer) Betroffen sind Frauen und Männer Betroffen sind Frauen Geschlecht (1=weiblich) Region (1=west) Alter (Ref.: 20 bis 35 Jahre) 36 bis 50 Jahre 51 bis 60 Jahre Berufliche Ausbildung (Ref.: Lehre/ Facharbeiter) (Berufs-)Fachschule/ Meister/ Techniker (Fach-)Hochschulabschluss Kein Ausbildungsabschluss Erwerbsstatus Nicht erwerbstätig Arbeitslos Gewerkschaftsmitglied Kinder unter 12 Jahre Pflegebedürftige Angehörige Selbständige Betriebsgröße (1= weniger als 50 Beschäftigte) Öffentlicher Dienst
Alle Befragten Frauen Männer
Alle Erwerbstätigen gepoolt Frauen Männer
0,674* (2,32) 0,286*** (6,90) 0,788 (1,59) 1,294 (1,74)
0,708 (1,59) 0,368*** (4,42)
0,577 (1,90) 0,176*** (5,48)
1,025 (0,13)
1,894** (2,67)
0,696 (1,60) 0,263*** (5,53) 0,895 (0,50) 1,271 (1,19)
0,685* (2,16) 0,469*** (3,52)
0,823 (0,85) 0,568* (2,06)
0,537* (2,16) 0,360** (2,80)
0,624* (2,05) 0,383** (3,05)
0,752 (0,96) 0,430** (2,69)
0,626 (1,23) 0,110*** (5,21)
0,804 (0,81)
2,270* (2,41)
0,969 (0,10) 0,513 (1,62)
0,283** (3,26) 0,226** (2,66)
0,933
1,029
0,746
0,872
0,816
0,888
(0,37)
(0,12)
(0,93)
(0,57)
(0,66)
(0,28)
1,726** (2,85)
1,865* (2,45)
1,433 (1,20)
1,625 (1,88)
1,620 (1,37)
1,404 (0,80)
0,745 (1,08)
0,749 (0,83)
0,696 (0,79)
0,730 (0,68)
1,665 (0,80)
0,248 (1,78)
1,074 (0,36) 1,002 (0,01) 0,663* (2,02) 0,888 (0,70) 0,601 (1,21)
0,945 (0,24) 0,913 (0,32) 0,572 (1,90) 1,004 (0,02) 0,672 (0,69)
1,520 (1,05) 1,298 (0,63) 0,745 (0,99) 0,850 (0,57) 0,467 (1,22)
0,892 (0,44) 0,848 (0,73) 0,789 (0,45) 3,465** (3,24) 1,384
0,686 (0,98) 0,948 (0,17) 0,935 (0,09) 2,635 (1,75) 1,424
0,974 (0,07) 0,694 (0,99) 0,418 (0,95) 6,105** (3,01) 1,340
(1,25) 1,543 (1,81)
(0,95) 1,738 (1,77)
(0,72) 1,214 (0,46)
83
Gender und Gerechtigkeit Monatliches Nettoeinkommen (Ref.: bis 1000) 1001 bis 2000 Euro mehr als 2000 Euro Lohnkürzungserfahrung
1,032 (0,13) 1,096 (0,26) 1,137 (0,59) 1,444 (1,49) 531 0,111 -368,053
0,970 (0,11) 0,752 (0,48) 1,201 (0,64) 1,613 (1,36) 293 0,075 -202,708
1,690 (0,96) 1,862 (1,04) 1,265 (0,62) 1,213 (0,51) 238 0,227 -164,666
Chance neue Stelle zu finden (1 = wahrscheinlich) N 878 527 351 Pseudo R2 (McFadden) 0,073 0,056 0,119 log likelihood, erste Schätzung -608,437 -364,125 -242,780 log likelihood, letzte Schät-564,348 -343,880 -213,833 -327,133 -187,563 -127,218 zung Abhängige Variable: Gerechtigkeitsbewertung der einbezogenen Szenarien (1 = gerecht); Logistische Regression, Odds-Ratio, |z|-Werte in Klammern; *) pz < 0,05, **) pz < 0,01, ***) pz < 0,001.
Für die weiteren soziodemographischen Merkmale bestätigen sich im Wesentlichen die Ergebnisse der grundlegenden Analysen in Kapitel 3, weshalb an dieser Stelle nur auf einige Besonderheiten eingegangen werden soll. Interessant ist der stabile Einfluss der Region auf die Gerechtigkeitsbewertung der Lohnkürzungsszenarien durch die befragten Männer. Während sich in den Untersuchungen in Kapitel 3 der erwartete Effekt nicht zeigte, beurteilen männliche westdeutsche Befragte die Szenarien mit signifikant höherer Wahrscheinlichkeit als gerechter als ostdeutsche Männer. Ältere Männer bewerten die Lohnkürzungsszenarien als signifikant ungerechter verglichen mit der Altersgruppe der 36- bis 50-jährigen, wogegen sich bei den Entlassungsszenarien kein statistisch gesicherter Effekt zeigt. Bei den Frauen hat die Altersvariable in keinem Modell einen stabilen Einfluss. Arbeitslosigkeit hat lediglich auf das Gerechtigkeitsurteil von Frauen in den Entlassungsszenarien einen signifikanten Einfluss. Selbständige Männer beurteilen Entlassungs- und Lohnkürzungsszenarien mit signifikanter Wahrscheinlichkeit als gerecht, während der Einfluss bei den Frauen zwar auch positiv, aber nicht statistisch gesichert ist. Ein höheres Nettoeinkommen wirkt sich dagegen signifikant positiv auf die Gerechtigkeitsbewertung allein in den Entlassungsszenarien aus. Hier beeinflussen dann auch individuelle Wiederbeschäftigungschancen das Urteil der Männer signifikant positiv. Das Antwortverhalten der Frauen wird von dieser Variable nicht beeinflusst. Bleibt noch die Überprüfung der Hypothese 3, wonach Frauen Entlassungen eher als gerecht bewerten, wenn bei der Auswahl die familiäre Situation berücksichtigt wird, während Männer eine Auswahl nach Leistung bevorzugen. Mit einer vorrangigen Entlassung von Beschäftigten ohne Kinder wird das Bedarfsprinzip berücksichtigt, unterdessen spiegelt eine vorrangige Entlassung weniger
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Tatjana Sohr
qualifizierter Beschäftigter die Bedeutung des Leistungskriteriums wider. Die Ergebnisse zeigt Tabelle 12. Tabelle 12: Gerechtigkeitsbewertung von Entlassungskriterien
Geschlecht (1=weiblich) Region (1=west) Alter (Ref.: 20 bis 35 Jahre) 36 bis 50 Jahre 51 bis 60 Jahre Berufliche Ausbildung (Ref.: Lehre/ Facharbeiter) (Berufs-)Fachschule/ Meister/ Techniker (Fach-)Hochschul-. abschluss Kein Ausbildungsabschluss Erwerbsstatus Nicht erwerbstätig Arbeitslos Gewerkschaftsmitglied
Zuerst Entlassung von … Beschäftigten ohne Kinder weniger qualifizierten Mitarbeitern Alle Befragten Erwerbstätige Alle Befragten Erwerbstätige 0,591*** 0,624*** 0,839* 0,773* (6,56) (4,71) (2,09) (2,44) 1,127 1,170 0,845* 0,794* (1,51) (1,61) (2,02) (2,26) 0,908 (1,02) 0,882 (1,12)
1,081 (0,67) 0,986 (0,10)
0,652*** (4,22) 0,604*** (4,19)
0,699** (2,91) 0,624** (3,05)
0,931 (0,72) 1,079 (0,77) 1,050 (0,32)
0,946 (0,45) 1,173 (1,34) 1,180 (0,69)
1,356** (2,85) 1,403** (3,25) 0,934 (0,43)
1,254 (1,74) 1,279 (1,96) 0,807 (0,90)
1,151 (1,29) 0,922 (0,72) 0,968 (0,31)
Selbständige Betriebsgröße (1= weniger als 50 Beschäftigte) Öffentlicher Dienst Kinder unter 12 Jahre Pflegebedürftige Angehörige
1,724*** (5,66) 1,015 (0,08) 2895 0,025 -1987,697
0,939 (0,50) 1,034 (0,20) 1,240 (1,68) 0,930 (0,60) 1,958*** (5,60) 1,063 (0,25) 1899 0,032 -1302,202
1,072 (0,61) 1,114 (0,89) 0,665*** (3,85)
0,805* (2,21) 1,033 (0,17) 2865 0,018 -1833,834
0,638*** (3,56) 1,032 (0,18) 1,205 (1,40) 1,219 (1,58) 0,827 (1,58) 0,818 (0,81) 1876 0,022 -1204,667
N Pseudo R2 (McFadden) log likelihood, erste Schätzung log likelihood, letzte Schät-1937,961 -1260,130 -1800,873 -1178,361 zung Abhängige Variable: Gerechtigkeitsbewertung der Auswahlkriterien (1 = gerecht); Logistische Regression, Odds-Ratio, |z|-Werte in Klammern, *) pz < 0,05, **) pz < 0,01, ***) pz < 0,001.
Gender und Gerechtigkeit
85
Überraschend ist, dass Frauen die vorrangige Entlassung von Beschäftigten ohne Kinder im Vergleich zu Männern als signifikant ungerechter bewerten, während sich im Hinblick auf eine vorrangige Entlassung gering qualifizierter Beschäftigter ein zwar signifikanter, aber in der Höhe nicht sehr ausgeprägter Unterschied in der Bewertung zeigt. Hypothese 3 kann damit nicht bestätigt werden. Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass Männer häufiger als Frauen die Alleinverdiener im Haushalt sind, so dass ihnen die Entlassung von Beschäftigten ohne familiäre Verpflichtungen vor dem Hintergrund ihrer eigenen Lebenssituation eher als gerecht erscheint. Ein hoch signifikanter Unterschied in der Gerechtigkeitsbewertung (p < 0,001) der Entlassung von Arbeitnehmern ohne Kinder zeigt sich auch im Hinblick darauf, ob Kinder unter 12 Jahren im Haushalt leben. Die betroffenen Befragten beurteilen die vorrangige Entlassung kinderloser Arbeitnehmer mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit als gerecht. Darin bestätigt sich die Bedeutung der eigenen Lebenssituation für die Gerechtigkeitsbewertung betrieblicher Entlassungen. Dem entsprechen auch der signifikant negative Effekt des Alters der Befragten und der signifikant positive Einfluss einer höheren beruflichen Bildung auf die Akzeptanz der Entlassung von weniger qualifizierten Mitarbeitern. 4.3 Zwischenfazit Die Analysen in diesem Kapitel haben gezeigt, dass in der Akzeptanz betrieblicher Lohn- und Beschäftigungsanpassungen geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen. Zwei Ebenen sind dabei von Bedeutung: Einerseits können Unterschiede im Antwortverhalten zwischen Männern und Frauen nachgewiesen werden. Andererseits bewerten die Befragten die Entlassung weiblicher Beschäftigter anders als die Entlassung männlicher Betroffener. Entlassungen werden von Frauen als signifikant ungerechter bewertet als von Männern. Hingegen stellt sich dieser Effekt bei den Lohnkürzungen nicht ein. Möglicherweise betrachten Frauen Entlassungen im Vergleich zu Lohnsenkungen als gravierenderen Einschnitt, während Männer hier weniger stark differenzieren. Hoch interessant sind auch die Ergebnisse zum Einfluss des von Entlassungen oder Lohnkürzungen betroffenen Personenkreises auf das Gerechtigkeitsurteil: Entlassungen und Lohnkürzungen, die vorwiegend Frauen betreffen, werden generell als signifikant ungerechter wahrgenommen. Damit scheint sich zu bestätigen, dass sowohl bei weiblichen als auch bei männlichen Befragten ein ausge-
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Tatjana Sohr
prägtes Bewusstsein der gesellschaftlichen Diskriminierung von Frauen existiert. Die Entlassung weiblicher Beschäftigter bewerten Frauen im Vergleich zu Männern als signifikant ungerechter. Obwohl man erwarten könnte, dass die Entlassung von Personen des eigenen Geschlechts aufgrund von Identifikationsprozessen grundsätzlich als eher ungerecht bewertet wird, zeigt sich dieser Effekt bei den männlichen Befragten in Bezug auf die Entlassung von Männern nicht. Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass Befragte Diskriminierungen umso eher wahrnehmen, je stärker sie selbst bereits damit konfrontiert waren oder sind. Die eigene Erfahrung von Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts würde dann erklären, warum weibliche Befragte die Entlassung von Frauen als signifikant ungerechter als die Entlassung von Männern wahrnehmen. Lohnkürzungen werden dagegen von beiden Geschlechtern als signifikant ungerechter wahrgenommen, wenn sie Frauen betreffen. Hier kann vermutet werden, dass sich sowohl Frauen als auch Männer dessen bewusst sind, dass sich Frauen im Durchschnitt in schlechter bezahlten Beschäftigungen befinden und sie Lohnsenkungen daher stärker betreffen. Ein entsprechendes Bewusstsein scheint im Hinblick auf die Entlassung von Frauen zumindest bei den Männern nicht vorhanden zu sein. Die Annahme, Frauen orientieren sich im Unterschied zu Männern stärker am Bedarfsprinzip und bewerten daher die Berücksichtigung des familiären Kontextes als Entlassungskriterium eher als gerecht, wurde nicht gestützt. Im Gegenteil: Es sind die männlichen Befragten, die eine Entlassung von Mitarbeitern ohne Kinder als signifikant gerechter bewerten. Dieses Ergebnis verweist darauf, dass nicht allein sozialisationsbedingte Unterschiede der normativen Orientierung zur Erklärung des unterschiedlichen Antwortverhaltens von Frauen und Männern herangezogen werden können. Das Antwortverhalten der Männer erscheint in diesem Fall eher vor dem Hintergrund der eigenen Lebenssituation plausibel: Da sie relativ häufiger finanzielle Verpflichtungen gegenüber Familienangehörigen haben als Frauen, erscheint ihnen die Entlassung von Beschäftigten ohne entsprechende Verpflichtungen als gerechter. Einschränkend ist jedoch festzuhalten, dass in der bisherigen Analyse noch nicht der mögliche Einfluss des Haushaltskontextes, in dem Frauen leben, berücksichtigt wurde. Unterschiedliche Gerechtigkeitsbewertungen sind zudem aufgrund unterschiedlicher Sozialisation und unterschiedlicher Lebenssituationen zwischen ost- und westdeutschen Frauen zu erwarten. Diese Aspekte könnten die zum Teil inhomogenen Ergebnisse in diesem Kapitel erklären und bieten daher weiteren Forschungsbedarf.
5 Arbeitsmotivation, Fluktuation, Krankenstand – wie wirken sich Entlassungen und Lohnsenkungen aus? von Olaf Struck
Ziel des folgenden Kapitels ist die Analyse von Beschäftigtenreaktionen bei Entlassungen und Lohnsenkungen. In der Untersuchung wurden Beschäftigte, die in den letzten Jahren Entlassungen oder Lohnkürzungen in ihrem Unternehmen erlebt hatten, danach gefragt, inwieweit sich nach solchen Maßnahmen das Engagement, die Kooperation, die Zahl freiwilliger Kündigungen oder der Krankenstand im Betrieb verändert haben. Derartige Wirkungen von Entlassungen oder Lohnsenkungen können für Unternehmen wiederum positiv verstärkende oder negativ sozial-kulturelle oder ökonomische Folgen nach sich ziehen. Eine Reihe von Studien zeigt, dass beispielsweise die mit Personalabbau verbundenen ökonomischen Gewinnerwartungen (etwa Personalkostenreduktion, Gewinnsteigerung, steigende Aktienwerte) und arbeitsorganisatorische Ziele (etwa steigende Produktivität, höhere interne Flexibilität) häufig nicht erreicht werden (Weiss, Udris 2001; sowie auch Armstrong-Stassen 1997; Burke, Cooper 2000; Kets de Vries, Balzazs 1997; Kleinert, Klodt 2000; Lee 1997; Morris, Cascio, Young 1999; Tomasko 1992; Worrall, Cooper, Campbell 2000). Dabei gelten negative Reaktionen nicht entlassener Beschäftigter als eine Ursache dafür, dass eine kurzfristige Kostenreduktion durch Stellenabbau mittel- bis langfristig vielfach durch Folgekosten aufgezehrt wird. 5.1 Theoretische Überlegungen Aus der Perspektive von Gerechtigkeitsbewertungen wurden seit den achtziger Jahren zunehmend die Folgen von Lohnsenkungen thematisiert. Dabei lassen sich Thesen zu möglichen Beschäftigtenreaktionen auf Lohnsenkungen insbesondere aus den Annahmen von Fair-Wage-Modellen im Rahmen der Effizienzlohnansätze ableiten. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass Arbeitnehmer eine als gerecht empfundene Vorstellung von Mindestlöhnen besitzen. Sinkt der je-
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Olaf Struck
weilige individuelle Nominallohn unter ein als gerecht empfundenes Maß, werden Arbeitnehmer ihre Arbeitsbereitschaft mindern. Arbeitsverhältnisse werden als Verhandlungssituationen betrachtet, die durch unvollkommene Kontroll- und Informationsstrukturen gekennzeichnet sind und in der Verhandlungsergebnisse in hohem Umfang als von Reziprozitätsnormen gesteuert angesehen werden (Akerlof 1982, 1984; Akerlof, Yellen 1990). Ebenfalls seit den achtziger Jahren wurden aus der Gerechtigkeitsperspektive Entlassungen bei jenen Beschäftigten untersucht, die nach Entlassungsaktionen im Unternehmen verbleiben. Anders als bei Lohnsenkungen kann hier auf umfänglichere empirische Analysen zu Konsequenzen von Entlassungen auf so genannte Survivors zurückgegriffen werden, die allerdings weitgehend auf den angelsächsischen Raum beschränkt sind (etwa Brockner, Davy, Carter 1985; Gowing, Kraft, Quick 1998. Ausnahmen: Berner 1999; Reader, Grote 2004). Bei der Analyse von Verfahrens- und Verteilungsgerechtigkeit von Entlassungen aus der Perspektive von Survivors zeigt sich (Brockner et. al. 1987; Brockner 1990), dass eine Entlassungsaktion von Seiten der im Betrieb Weiterbeschäftigten vor allem dann als ungerecht angesehen wird, wenn die Betriebsleitung nur unzureichende Begründungen hinsichtlich der Notwendigkeit der Entlassungen insgesamt sowie bezüglich der Auswahl der zu Entlassenden gibt. Zudem werden Maßnahmen auch dann als ungerecht empfunden werden, wenn Unternehmen sich nicht hinreichend um Vermeidung (etwa durch Umsetzungen) bemühten oder wenn sie im Falle von Entlassungen nicht ausreichend für die Ausgeschiedenen sorgten (etwa durch zusätzliche Abfindungen). Bedeutsam ist darüber hinaus der Befund, dass die Weiterbeschäftigten in Fällen von als ungerecht wahrgenommenen Maßnahmen des Managements ein deutlich geringeres Engagement für den Betrieb zeigen als in Fällen von als gerecht empfundenen Maßnahmen. Reaktionen der Weiterbeschäftigten stehen in einem engen Zusammenhang mit impliziten Übereinkünften zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die im Kapitel 2 der vorliegenden Studie als „psychologischer Vertrag“ eingeführt wurden (Anderson, Schalk 1998; Berner 1999; Grote 2000; Grote, Reader 1999; Herriot, Manning, Kidd 1997; Hiltrop 1995; Millward, Brewerton 2000; Rousseau 1995; Rousseau, Schalk 2000). Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Deutschland durch ein spezifisches Vertrauensverhältnis gekennzeichnet sind. In einem solchen Arrangement, das in Deutschland wirkungsvoll durch institutionell verankerte Regulierungen der Beziehungen der Arbeitsvertragsparteien gekennzeichnet ist, vertraut das Management darauf, dass die Arbeitnehmer ihren Dienst nicht nur nach Vorschrift verrichten, sondern sich darüber hinaus für die
Arbeitsmotivation, Fluktuation, Krankenstand
89
Betriebsziele engagieren. Zugleich vertrauen die Arbeitnehmer darauf, für ihre „freiwillige Leistungsbereitschaft“, ihre Loyalität und Kooperation sichere Arbeitsplätze und einen angemessenen (Lohn-)Anteil an den erwirtschafteten Gütern zu erhalten (Fehr et al. 1998; Seifert, Pawlowsky 1998). Es mag gelten, dass im Zuge vergleichsweise moderat erhöhter numerischer Flexibilität und veränderter, zunehmend zeitflexibler Arbeitsvertragsgestaltungen (Grotheer, Struck 2003) die für viele Arbeitnehmer vormals bedeutsame Arbeitsplatzsicherheit zusehends in Frage gestellt ist (Grote, Raeder 1999). Ferner können unterschiedliche Erfahrungen in Bezug auf Personalstrategien der Unternehmen und Beschäftigungsflexibilität in Branchen und Regionen (etwa different in Ost- und Westdeutschland) Gerechtigkeitserwartungen und Reaktionsbereitschaft beeinflussen. Und nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass insbesondere tariflich fixierte Löhne, Kündigungsschutzregelungen und Mitwirkungsrechte von Betriebs- und Personalräten für den überwiegenden Teil der Beschäftigten Mindeststandards in Form von Verfahrensregeln, Informations- und Anhörungsrechten sowie Sozialklauseln u.a. festlegen. Doch unabhängig von den dadurch beeinflussten Niveaus und Inhalten psychologischer Verträge gilt, Unternehmen, die den Erwartungen von Arbeitnehmern im Rahmen impliziter Verpflichtungskontrakte nicht nachkommen, haben mit negativen Reaktionen zu rechnen. Empirisch ermittelte Reaktionen sind eine (schon erwähnte) Abnahme des Engagements (Berner 1999; Brockner 1988; Edwards et al. 2003; Robinson 1996; Rousseau 1995; Rousseau, Anton 1988), eine verschlechterte Zusammenarbeit (Berner 1999; Rousseau 1995) sowie eine Zunahme freiwilliger Kündigungen bei den zunächst verbliebenen Beschäftigten (Brockner 1988; Edwards et al. 2003; Robinson 1996; Rousseau, Anton 1988). Derartige Reaktionen stehen zum Teil in einem theoretischen Verhältnis zum Konzept innerer Kündigungen, wobei diese dann als Reaktion auf einen Bruch des psychologischen Vertrages zu betrachten sind (Faller 1993: 32). Im Sinne des „Equity“-Prinzips (Adams 1965) ist mit einem Vertrauensbruch das Gleichgewicht zwischen den Erwartungen der Vertragspartner gestört. Innere Kündigung ist dann eine mögliche Reaktion: Der eigene Aufwand an Arbeit und Kosten wird gemindert, um die Situation wieder als gerecht balanciertes Soll-IstVerhältnis zu erleben (Löhnert 1990). „Dienst nach Vorschrift“, nicht kooperatives Verhalten oder die Erhöhung – vermeintlich krankheitsbedingter – Fehlzeiten sind zu erwartende Reaktionen. Neben solchen Formen innerer Kündigung bestehen zudem weitere Reaktionsmöglichkeiten. Greenhalgh und Sutton (1991: 169f.) berichten konkurrenzbezogene Haltungen. Die (indirekt) Betroffenen denken zunächst in hohem Maße an die Verbesserung der eigenen beruflichen Situation bzw. das eigene berufli-
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Olaf Struck
che Überleben. Solche Verhaltensweisen sind dann nicht unbedingt durch geringeres Engagement, sondern vor allem durch mangelnde Kooperation, Mobbing und/ oder Selbstinszenierung gekennzeichnet. Weitere Reaktionen sind darüber hinaus Ausstiege aus expliziten Verträgen (freiwillige Kündigung), etwa bei nicht kompensierbaren Verlusterwartungen und/ oder ertragreichen externen Alternativen, sowie Widerspruch (etwa im Rahmen eines Engagements für Arbeitnehmerinteressen), um den Freiraum eigener Handlungen zu erweitern. 5.2 Empirische Ergebnisse Im Folgenden werden Analysen zu Folgewirkungen von Entlassungen und Lohnkürzungen getrennt dargestellt. In der Untersuchung wurden dabei jeweils sechs Reaktionsmöglichkeiten berücksichtigt:
Kooperation der Mitarbeiter mit Vorgesetzten; Kooperation der Mitarbeiter untereinander; Engagement für das Unternehmen; Krankmeldungen; Bereitschaft das Unternehmen zu verlassen; Engagement für Arbeitnehmerinteressen.
Einbezogen wurden Befragte aus der privaten Wirtschaft, die innerhalb der letzten fünf Jahre im eigenen Betrieb Entlassungen oder Lohnkürzungen erfahren haben. Um innerbetriebliche Reaktionen erfassen zu können, durften diese Befragten im Falle von Entlassungen nicht direkt selbst betroffen sein. Dies traf für etwa 700 der gut 3000 Befragten zu. Eine etwa gleichgroße Anzahl der Befragten hatte in den letzten Jahren selbst oder indirekt im Unternehmen Lohnkürzungen erlebt. Erfragt wurden bei diesem Personenkreis die Reaktionen der Beschäftigten in den entlassenden oder Lohn senkenden Unternehmen. Es ist in einer telefonischen Befragung (u.a. aus Gründen von Zeitrestriktionen und der erschwerten Vertrauenssituation am Telefon) schwer möglich, valide Angaben über eventuell als brisant einzuschätzende Reaktionen des Interviewten (etwa Krankmeldung, geringes Engagement u.a.) zu erhalten. Aus diesem Grund wurden den Befragten geschlossene Fragen zur Reaktion der Beschäftigten nach der zuletzt erlebten Kündigungsmaßnahme bzw. Lohnsenkung gestellt. Um den Einfluss struktureller Variablen auf die Reaktionen zu kontrollieren bzw. zu überprüfen, wurden neben einer deskriptiven Darstellung der Ergebnisse
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91
multivariate logistische Regressionen mit den folgenden erklärenden Variablen gerechnet:
Region: Ost-/ Westdeutschland; Betriebliche Merkmale: Betriebsgröße (kleiner 50 oder 50 Beschäftigte und mehr) sowie die Anzahl der jeweils Betroffenen (größere Teile der Beschäftigten oder geringere Anteile; im Fall von Kündigungen); Angaben zum Prozedere der Entlassung bzw. Lohnkürzung: Engagement des Arbeitgebers zur Vermeidung dieser Maßnahme, Beteiligung der Belegschaft oder ihrer Interessenvertretung, Auswahl nach sozialen Kriterien (bei der Analyse von Entlassungsfolgen), Abfindungszahlungen oder aktive Unterstützung der Betroffenen (bei Entlassungsfolgen) sowie Lohnkürzungen zur Vermeidung von Entlassungen (bei Lohnkürzungsfolgen).
Wie oben ausgeführt, wird in der Literatur zu Erfahrungen mit Entlassungen zumeist konstatiert, dass diese bei den verbleibenden Beschäftigten für das Unternehmen negative Folgewirkungen auslösen. Es liegt nahe, ebensolche Wirkungen auch im Falle von Lohnkürzungen zu erwarten. Daher analysieren wir im Folgenden zunächst die Beschäftigtenreaktionen auf Entlassungen und im Anschluss daran die Folgen von Lohnsenkungen. 5.2.1 Folgewirkungen von Entlassungen Der Blick auf die deskriptiven Ergebnisse zeigt, dass bei Kündigungen vor allem die Zusammenarbeit zwischen den verbleibenden Beschäftigten und den Vorgesetzten, die Zusammenarbeit untereinander und das Engagement für die Firma beeinträchtigt wird (siehe Abbildung 4). Derartige Negativreaktionen treten dabei eher in West- als in Ostdeutschland auf. Darüber hinaus steigt nach betriebsbedingten Entlassungen wiederum vor allem in Westdeutschland in vielen Unternehmen die Bereitschaft der Beschäftigten, freiwillig zu kündigen. Diese Ergebnisse korrespondieren mit den eingangs vorgestellten Ergebnissen bisheriger Studien über die Reaktionen auf Kündigungen seitens der Weiterbeschäftigten. Vor dem Hintergrund der nicht selten auftretenden negativen Folgereaktionen erscheint dann allerdings das von den Befragungspersonen berichtete geringere Ausmaß an Krankmeldungen nach Kündigungen unerwartet.
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Olaf Struck
Abbildung 4:
Folgewirkungen bei Entlassungen (deskriptive Ergebnisse)
Zusammenarbeit: Mitarbeiter/ Vorgesetzte (West) Zusammenarbeit: Mitarbeiter/ Vorgesetzte (Ost)
Zusammenarbeit: Mitarbeiter untereinander (West) Zusammenarbeit: Mitarbeiter untereinander (Ost)
Engagement der Mitarbeiter für Firma (West) deutlich verchlechtert bzw. gestiegen eher verchlechtert bzw. gestiegen gleich geblieben eher verbessert bzw. gesunken deutlich verbessert bzw. gesunken
Engagement der Mitarbeiter für Firma (Ost)
Ausmaß an Krankmeldungen (West) Ausmaß an Krankmeldungen (Ost)
Bereitschaft das Unternehmen zu verlassen (West) Bereitschaft das Unternehmen zu verlassen (Ost)
Bereitschaft für Arbeitnehmerint. einzutreten (West) Bereitschaft für Arbeitnehmerint. einzutreten (Ost) 0
20
40
60
80
100
Untersuchungen, die sich dem Gesundheitszustand der Survivor widmen, sind selten. Nelson, Cooper, Jackson (1995) ermittelten, dass sich nach einer Privatisierung und Umstrukturierung eines britischen Wasserwerkes die Arbeitszufriedenheit sowie die psychische und physische Gesundheit der Beschäftigten verschlechterten. Zudem zeigten Kivimäki et al. (2000), einen Rückgang kurzfristiger Krankheitsmeldungen nach einem Personalabbau bei finnischen Staatsangestellten. Die Zahl der Meldungen langfristiger Krankheitsabstinenzen stieg jedoch an. Die Autoren gelangten dabei zu der Auffassung, dass sich die Angestellten vor weiteren Entlassungen fürchteten und so versuchten, krankheitsbedingte Abwesenheiten zu vermeiden. Auf der anderen Seite könnten erhöhte Arbeitsanforderungen zu einem Anstieg langwieriger Krankheiten geführt haben. Angesichts dieser Befunde erscheint es als evident davon auszugehen, dass auch in den hier vorgelegten Ergebnissen Befürchtungen vor weiteren Kündigungen den Rückgang der Krankmeldungen erklären. Vergleichsweise geringe Effekte zeigt die Bereitschaft sich für Arbeitnehmerinteressen zu engagieren. Erfahrun-
Arbeitsmotivation, Fluktuation, Krankenstand
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gen von Entlassungen wirken teilweise positiv, zu gleichen Anteilen jedoch auch negativ auf die Bereitschaft, für die Erweiterung eigener Handlungsspielräume einzutreten. Insgesamt lassen sich also auch in Deutschland Negativreaktionen der Survivor auf Entlassungen nachweisen. Gleichzeitig verdeutlichen die vielfach unverändert gebliebene Situation in den Betrieben sowie vor allem auch Verbesserungen in der Kooperation, dem Engagement und eine teilweise verringerte Kündigungsbereitschaft, dass es der Mehrzahl der Unternehmen gelingt, negative Folgewirkungen zu vermeiden bzw. Positivwirkungen zu erzeugen. Doch worin liegen die Ursachen für die differenten Beobachtungen von Folgewirkungen? Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine Reihe multivariater Analysen durchgeführt. Bei der abhängigen Variable wurden die Angaben „deutlich“ und „eher verschlechtert“ bei den Reaktionen „Zusammenarbeit: Vorgesetzte/ Mitarbeiter“, „Zusammenarbeit: Mitarbeiter untereinander“ und „Engagement“ sowie „deutlich“ und „eher erhöht“ bei „Austritte“, „Bereitschaft für Arbeitnehmerinteressen einzutreten“ bzw. „deutlich“ und „eher verringert“ bei „Krankmeldungen“ zusammengefasst. Die Modelle berücksichtigen zudem eine Reihe möglicher Ursachen, die Folgewirkungen für Unternehmen erklären können. Im Folgenden werden die Überlegungen zu den einzelnen Ursachen gemeinsamen mit den Ergebnissen (Tabelle 13) vorgestellt. Betrachten wir zunächst Ost-West-Unterschiede: Entsprechend der im Vergleich zu Westdeutschland deutlich schlechteren Situation am ostdeutschen Arbeitsmarkt und den damit verbundenen geringen Wiederbeschäftigungsmöglichkeiten bei einem Verlust des Arbeitsplatzes wurde erwartet, dass in Ostdeutschland die Bereitschaft zu Krankmeldungen und Betriebsaustritten vergleichsweise gering ausgeprägt sein sollte. Zusammen mit der vielfach als prekär wahrgenommenen wirtschaftlichen Situation ostdeutscher Betriebe sollte sich die Sorge um den Erhalt der Beschäftigung zudem in einem vergleichsweise höheren grundsätzlichen Engagement für das Unternehmen ausdrücken. Besonders den nach dem Strukturbruch im Anschluss der „Wende“ verbliebenen Beschäftigten, die in den neunziger Jahren erhebliche betriebliche Umstrukturierungsprozesse mitvollzogen hatten, wird neben einer hohen Qualifikation zugleich eine hohe Kooperations- und Bindungsbereitschaft zugeschrieben (Struck, Simonson 2000). Gerechtigkeitserwartungen und darauf basierende Reaktionen sollten sich also aufgrund regional spezifischer Erfahrungen und Situationen unterscheiden.
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Olaf Struck
Schlechtere Zusammenarbeit: Mitarbeiter/ Vorgesetzte
Schlechtere Zusammenarbeit: Mitarbeiter untereinander
Geringeres Engagement für das Unternehmen
Geringeres Ausmaß an Krankmeldungen
Höhere Bereitschaft, das Unternehmen zu verlassen
Höheres Engagement für gemeinsame Arbeitnehmerinteressen
Tabelle 13: Folgewirkungen bei Entlassungen (multivariate Analysen)
West
1,924** (3,03)
0,931 (-0,34)
1,588* (2,12)
1,193 (0,86)
2,388*** (3,83)
0,744 (-1,18)
Betriebsgröße (1= weniger als 50)
0,512** (-2,75)
0,486** (-3,01)
0,482** (-2,88)
0,932 (-0,31)
0,618 (-1,90)
0,474* (-2,54)
Anzahl der Betroffenen (1=größere Teile)
1,072 (0,26)
1,240 (0,84)
1,535 (1,63)
0,986 (-0,06)
1,641 (1,84)
1,756 (1,95)
Entlassungsvermeidung im Vorfeld
0,251*** (-6,17)
0,400*** (-4,21)
0,370*** (-4,43)
1,200 (0,82)
0,594* (-2,22)
0,531* (-2,47)
Beteiligung der Mitarbeiter
1,026 (0,11)
0,994 (-0,03)
0,688 (-1,55)
1,216 (0,91)
0,697 (-1,43)
1,454 (1,43)
Auswahl nach sozialen Kriterien
1,135 (0,56)
0,841 (-0,80)
0,940 (-0,27)
1,297 (1,24)
0,580* (-2,32)
0,620 (-1,87)
Abfindung, aktive Unterstützung
0,782 (-1,05)
1,211 (0,85)
0,826 (-0,80)
1,513 (1,89)
0,790 (-0,96)
1,116 (0,41)
N
464
468
469
452
458
465
Pseudo R² (McFadden)
0,110
0,060
0,091
0,020
0,089
0,053
log likelihood, erste Schätzung
-296,934
-298,577
-284,171
-285,985
-266,474
-229,888
log likelihood, letzte Schätzung
-264,213
-280,582
-258,330
-285,966
-242,822
-217,607
Logistische Regression, Odds-Ratio, z-Werte in Klammern, Signifikanzniveaus *) pz < 0,05, **) pz < 0,01, ***)pz < 0,001.
Werden vor dem Hintergrund dieser Überlegungen die Ergebnisse der multivariaten Analyse betrachtet, so zeigt sich tatsächlich, dass eine verringerte Zusammenarbeit zwischen Beschäftigten und Vorgesetzten, ein vermindertes Engagement für das Unternehmen sowie eine höhere Bereitschaft das Unternehmen zu
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verlassen infolge von Entlassungen in Westdeutschland deutlich stärker ausgeprägt sind als in Ostdeutschland. Mit Blick auf die Betriebsgröße kann erwartet werden, kleinere Betriebe besitzen einen geringeren Spielraum, auf Marktveränderungen zu reagieren, als größere Betriebe. Zugleich sind vor allem in kleineren Betrieben die Informationstransparenz und die Beteiligungsmöglichkeiten aufgrund der Nähe der Beschäftigten zur Entscheidungsebene und ihren Handlungsbedingungen als größer einzuschätzen als in größeren Betrieben. Wenn die Annahmen zur prozeduralen Gerechtigkeit gelten, nach denen insbesondere die Transparenz der Ursachen, das Informationsverhalten (Brockner 1990; Brockner 1987; Rousseau, Anton 1988) und die Mitwirkungsmöglichkeiten die Beurteilungen von Entlassungen positiv beeinflussen (Leventhal 1980), und wenn zudem angenommen wird, dass als gerecht wahrgenommene Prozesse Negativreaktionen vermeiden, dann sollten sich negative Folgewirkungen in kleineren Betrieben in geringerem Umfang nachweisen lassen als in größeren Betrieben. Ebendies zeigen auch die Ergebnisse: Einschränkungen der Zusammenarbeit und des Engagements lassen sich vor allem in mittleren und größeren Betrieben nachweisen. Zugleich bekunden die befragten Beschäftigten größerer Betriebe ein höheres Engagement der Weiterbeschäftigten, für Arbeitnehmerinteressen einzutreten. Eher unerwartet ist das Ergebnis, dass das Ausmaß der Kündigungen in den hier vorgestellten Gesamtmodellen keinen signifikanten Effekt aufweist. Lediglich in den bivariaten Analysen zeigt sich: Wenn größere Teile der Belegschaft entlassen wurden, dann sinkt das Engagement für das Unternehmen (Odds-Ratio 2,02; p < 0,001) und zugleich steigt sowohl die Bereitschaft zu freiwilligen Kündigungen (Odds-Ratio 2,06; p < 0,001) als auch das Engagement für Arbeitnehmerinteressen einzutreten (Odds-Ratio 1,97; p < 0,01). Abhängig sind diese Effekte vor allem vom Engagement der Arbeitgeber, Entlassungen im Vorfeld zu vermeiden. Berücksichtigt wird zudem das Engagement der Arbeitgeber zur Vermeidung von Entlassungen. Betriebsbedingte Kündigungen können inner- oder außerbetriebliche Ursachen haben. Zudem gilt, Arbeitsplätze gefährdende Rahmenbedingungen, wie Umsatz- oder Gewinnrückgang, geringer Ausschöpfungsgrad von Anlagen, geringes Know-How, veraltete Produktionsanlagen, nicht marktgerechte Produkte etc., sind häufig schon längerfristig bekannt. Unternehmensleitungen können dementsprechend versuchen, Entlassungen durch veränderte qualitative und quantitative Absatz-, Produkt- oder Produktionsstrategien zu vermeiden.
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Entlassungen sind nicht nur mit Kosten für die betroffenen Individuen (Einkommensverlust, psychisch-soziale Belastungen durch Statuswechsel etc.) sondern auch mit Kosten für das Unternehmen verbunden (wie etwa Abfindungszahlungen, Motivationsverlust der Weiterbeschäftigten, Neurekrutierungskosten). Somit ist es für Unternehmen zum Teil zweckmäßig, zunächst nach Alternativen zu Entlassungen zu suchen (Krogh, Kamey 2002). Dabei kann vielen Beschäftigten eine Bereitschaft unterstellt werden, angesichts von glaubhaft gemachten Entlassungsdrohungen einen Wechsel des Arbeitsplatzes oder des Arbeitsortes, Kurzarbeit oder Lohnkürzungen etc. zu akzeptieren. Hier könnten dann allerdings Ursachen, die durch unternehmerische Entscheidungsträger kontrolliert und beeinflusst werden können, deren Wirkungen auf Entlassungen jedoch nicht abgewendet oder gemildert werden, die Wahrscheinlichkeit von Negativreaktionen steigern. So wurde erwartet, dass ein Engagement seitens des Arbeitgebers im Vorfeld von Entlassungen negative Folgewirkungen mindert. Diese Annahme wurde bestätigt. Arbeitgeberseitige Vermeidungsversuche im Vorfeld von Entlassungen ließen sowohl die Zusammenarbeit als auch das Engagement für das Unternehmen ebenso unbeeinträchtigt wie die Fluktuationsbereitschaft und das Engagement für gemeinsame Arbeitnehmerinteressen. Mangelndes Engagement der Arbeitgeber führte hingegen zu Negativreaktionen auf Seiten der Beschäftigten. Erwartet wurde dann, dass auch eine Beteiligung der Belegschaft bzw. ihrer Interessenvertretung von Bedeutung ist: Die Beurteilung von Kündigungen gilt als in starkem Maße abhängig von der Kommunikation des Managements mit den gekündigten oder weiterbeschäftigten Arbeitnehmern (Brockner, Greenberg 1990: 66f.). Diese kann durch eine aktive Beteiligung des Betriebsrates gefördert werden. Aus dem Blickwinkel der prozeduralen Gerechtigkeit erhöht eine direkte Beteiligung von Arbeitnehmern oder deren Vertretung durch Betriebsräte die Berücksichtigung relevanter Informationen (Accuracy Rule), Meinungen und Interessen (Representativeness Rule). Dies gilt vornehmlich dann, wenn Korrekturvorschläge im Verfahren möglich sind (Correctability Rule). Insbesondere durch Betriebsräte werden Transaktionskosten beim Erwerb und der Vermittlung von Informationen gespart und durch die Legitimation durch Wahlen und rechtlich fixierte Handlungsspielräume Informations- und Machtasymmetrien zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern verringert (Freeman, Lazear 1995). So können sanktionsfrei Einsprüche geltend gemacht und das Eigeninteresse des Arbeitgebers begrenzt werden (Bias-Suppression Rule). Vor diesem Hintergrund wurde erwartet, dass eine Vorabbeteiligung der Mitarbeiter oder ihrer Vertretung negative Folgereaktionen einschränkt.
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Allerdings zeigen die Ergebnisse der multivariaten Modelle keinen signifikanten Einfluss einer Beteiligung auf die untersuchten Folgen von Entlassungen. Lediglich die bivariaten Analysen weisen darauf hin, eine frühzeitige Beteiligung erhält das Engagement für das Unternehmen (Odds-Ratio 0,56; p < 0,01) und mindert die Bereitschaft das Unternehmen zu verlassen (Odds-Ratio 0,61; p < 0,05). Eine Ursache für die insgesamt sehr schwache Wirkung der Mitarbeiterbeteiligung auf Folgewirkungen von Entlassungen könnte darin liegen, dass in Unternehmen, in denen eine überdurchschnittliche Mitarbeiter- und ggf. Betriebsratsbeteiligung besteht, diesen eine moderierende Wirkung in der gesamten Unternehmensvergangenheit zuzumessen ist. Kommt es dann zu Entlassungen, verändert auch die (fortgesetzte) Beteiligung nichts an den Folgewirkungen. Entsprechend des Bedarfsprinzips kann das Gerechtigkeitsempfinden von der Geltung allgemein anerkannter sozialer Kriterien abhängig sein (Gilliland 1993: 719). Dieses Prinzip findet sich im deutschen Kündigungsschutzgesetz wieder, wonach betriebsbedingte Kündigungen nur unter Beachtung sozialer Auswahlkriterien, wie zum Beispiel Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflicht (KSchG §1(3)), ausgesprochen werden dürfen. Darüber hinaus ist zu vermuten, dass die Berücksichtigung der Sozialauswahl in Deutschland einen normativen Standard darstellt und daher auch der ethicality rule der Verfahrensgerechtigkeit entspricht. Gleichwohl gelangen bei Entlassungen auch ökonomische Effizienzkriterien, so beispielsweise als Maßnahme zum Erhalt des Unternehmens, Qualifikationsauswahl etc., zur Anwendung (Struck, Simonson 2000). Gefragt wurde, ob „soziale Kriterien in erster Linie“ der Auswahl der Betroffenen gedient hatten. Erwartet wurde, dass vor dem Hintergrund von Kündigungsschutzklauseln einer Auswahl nach sozialen Kriterien kein nennenswerter Einfluss auf Folgereaktionen zuzumessen sei. Diese Erwartung wurde weitgehend bestätigt. Allerdings zeigt sich auch, eine Auswahl in erster Linie nach sozialen Kriterien verringert die freiwillige Kündigungsbereitschaft der Beschäftigten. In der bivariaten Analyse zeigt sich zudem schwach signifikant, dass das Ausmaß des Krankmeldeverhaltens, das im multivariaten Modell ansonsten unerklärt bleibt, durch soziale Auswahlkriterien gemindert wird (Odds Ratio 1.45; p < 0,05). Sanfte Kündigungen (Charness, Levine 2000), bei denen das Unternehmen freiwillige Abfindungen und Outplacement (Qualifizierung, Verzögerung, Stellenvermittlung zur Erhöhung der Wiederbeschäftigungschancen und Milderung der psychisch-sozialen Folgen; Leana, Feldman 1992: 115ff.) anbietet, sollten als gerechter empfunden werden als harte Kündigungen (d.h. Einhaltung oder Nichteinhaltung gesetzlicher Mindeststandards). Aus Sicht der Equity-Theorie wird durch die Maßnahmen sanfter Kündigungen das Ergebnis für die Betroffe-
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Olaf Struck
nen verbessert. Zugleich wird damit eher dem Bedarfsprinzip Rechnung getragen. So zeigen dann auch Brockner et al. (1987) und Rousseau und Anton (1988) sowie die Ergebnisse in Kapitel 3, Kompensationen erhöhen die Akzeptanz von Entlassungen. Vor diesem Hintergrund sollten auch negative Folgewirkungen im Falle aktiver Unterstützungsleistungen, die über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus gewährt wurden, verhindert werden. Für diese These lassen sich in unseren Ergebnissen keine Belege finden. Die Art der Kündigung hat weder einen positiven noch negativen Einfluss auf die Reaktionen der Beschäftigten. Allerdings kann in der bivariaten Analyse wiederum ein signifikanter Effekt eines geminderten Ausmaßes des Krankmeldeverhaltens nachgewiesen werden (Odds-Ratio 1,53; p < 0,05). Zusammenfassend zeigt sich: Vor allem ein frühzeitiges Engagement von Arbeitgebern zur Verhinderung von Entlassungen kann Negativreaktionen vermeiden. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit negativer Folgewirkungen in kleinen Betrieben geringer als in mittleren und größeren Unternehmen. Hier wurde von der Annahme ausgegangen, dass in kleineren Unternehmen eine größere Nähe der Beschäftigten zur Entscheidungsebene und ihren Handlungsbedingungen besteht und somit von einer größeren Mitsprachemöglichkeit und vor allem von einer höheren Informationstransparenz auszugehen ist. Gilt diese Annahme, dann lassen sich die Faktoren des Arbeitgeber-Engagements und der Betriebsgröße gemeinsam als wirksame Merkmale von Verfahrensgerechtigkeit bzw. Reziprozität interpretieren, die dann auch Effekte auf Folgewirkungen haben. Ebenfalls einbezogene Merkmale der Verteilungsgerechtigkeit zeigen im multivariaten Modell demgegenüber keine Wirkung. Lediglich bivariate Analysen zum Ausmaß von Krankmeldungen deuten an, dass Verteilungsaspekten möglicherweise auch bei Folgewirkungen ein Einfluss zugemessen werden kann. Darüber hinaus wird deutlich, vor allem Weiterbeschäftigte in Westdeutschland reagieren negativ auf Entlassungen. Ein Hinweis darauf, dass vor allem die in Ostdeutschland vergleichsweise prekäre Situation in vielen Unternehmen und am Arbeitsmarkt die Verbleibsbelegschaften zu der Einsicht nötigt, die schwierige betriebliche Situation nicht zusätzlich durch Negativreaktionen zu befördern. 5.2.2 Folgewirkungen von Lohnsenkungen Neben der Analyse der Folgewirkungen von Entlassungen wurden zudem Reaktionen der Beschäftigten auf Lohnsenkungen untersucht. Entsprechend der Annahmen des so genannten Fair-wage-Modells und psychologischer Verträge wird
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Arbeitsmotivation, Fluktuation, Krankenstand
erwartet, dass Lohnsenkungen in vielen Fällen negative Folgereaktionen der Beschäftigten hervorrufen. Abbildung 5:
Folgewirkungen bei Lohnkürzungen (deskriptive Ergebnisse)
Zusammenarbeit: Mitarbeiter/ Vorgesetzte (West) Zusammenarbeit: Mitarbeiter/ Vorgesetzte (Ost)
Zusammenarbeit: Mitarbeiter untereinander (West) Zusammenarbeit: Mitarbeiter untereinander (Ost)
Engagement der Mitarbeiter für Firma (West)
deutlich verchlechtert bzw. gestiegen eher verchlechtert bzw. gestiegen gleich geblieben eher verbessert bzw. gesunken deutlich verbessert bzw. gesunken
Engagement der Mitarbeiter für Firma (Ost)
Ausmaß an Krankmeldungen (West) Ausmaß an Krankmeldungen (Ost)
Bereitschaft das Unternehmen zu verlassen (West) Bereitschaft das Unternehmen zu verlassen (Ost)
Bereitschaft für Arbeitnehmerint. einzutreten (West) Bereitschaft für Arbeitnehmerint. einzutreten (Ost) 0
20
40
60
80
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Der Blick auf die deskriptiven Ergebnisse verdeutlicht zunächst den Reaktionen auf Entlassungen vergleichbare Tendenzen, wobei allerdings geringere OstWest-Unterschiede auszumachen sind. Lohnkürzungen führen vor allem zu Beeinträchtigungen der Zusammenarbeit zwischen den verbleibenden Beschäftigten und Vorgesetzten, der Zusammenarbeit untereinander sowie – ausdrücklicher als im Falle von Kündigungen – des Engagements für das Unternehmen (Abbildung 5). Darüber hinaus steigt nach Lohnsenkungen in einer Reihe von Unternehmen die Bereitschaft der Beschäftigten, freiwillig zu kündigen. Etwas höher als im Falle von Entlassungen ist die Bereitschaft zu Krankmeldungen. Dieses Ergebnis
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Olaf Struck
scheint die zuvor getroffenen Aussagen eines Rückgangs der Krankmeldungen aufgrund von Befürchtungen vor weiteren Kündigungen zu bestätigen. Lohnkürzungen werden mit Blick auf den Erhalt des Arbeitsplatzes offenbar als etwas weniger bedrohlich wahrgenommen. Und wiederum vergleichsweise geringe Effekte zeigen die Ergebnisse zu der Bereitschaft, für Arbeitnehmerinteressen einzutreten. Insgesamt lassen sich somit auch nach Lohnkürzungen Negativreaktionen in den Unternehmen nachweisen. Die Anzahl der Befragten, die derartige Beschäftigtenreaktionen berichten, übersteigt dabei die Zahl derjenigen, die Negativreaktionen nach Entlassungen beobachteten. Ursächlich hierfür ist möglicherweise, dass Lohnsenkungen zumeist größere Belegschaftsanteile direkt und längerfristig erreichen, während Entlassungen die verbleibenden Belegschaften lediglich indirekt betreffen. Um auch bei Lohnkürzungen Näheres über die Ursachen von Folgewirkungen zu erfahren, sind wiederum eine Reihe multivariater Analysen durchgeführt worden (Tabelle 14). Als abhängige Variablen wurden dabei die zuvor vorgestellten Indikatoren zu Folgewirkungen berücksichtigt. Einbezogene unabhängige Variablen sind die Region (Ost, West), die Betriebsgröße, Vermeidungsengagement des Arbeitgebers, Belegschaftsbeteiligung sowie das Merkmal „Lohnkürzungen zur Vermeidung von Entlassungen“. Vergleichbar den Reaktionen auf Entlassungen führen auch Lohnkürzungen im West-Ost-Vergleich vor allem in Westdeutschland zu Negativreaktionen in Form verschlechterter Zusammenarbeit, geringerem Engagement und höherer freiwilliger Kündigungsbereitschaft. Auch hier scheinen die von den Beschäftigten antizipierten schwierigeren Bedingungen auf ostdeutschen Arbeitsmärkten und in den Betrieben die Akzeptanz unliebsamer Maßnahmen zu beeinflussen. Und so könnte einerseits gelten, dass Beschäftigte teilweise bereit sind, einen Lohnverzicht zu akzeptieren, wenn sich das Unternehmen in einer schlechten wirtschaftlichen Lage befindet (Kahneman, Knetsch, Thaler 1986: 733). Andererseits zeigt sich, dass jeweilige Erfahrungen und situative Bedingungen Gerechtigkeitserwartungen und Folgereaktionen beeinflussen. Weitgehend ohne Einfluss ist die Betriebsgröße. Lediglich Krankmeldungen gehen eher in Kleinbetrieben infolge von Lohnkürzungsmaßnahmen zurück. Mutmaßliche Ursache hierfür ist, Lohnsenkungen signalisieren prekäre betriebliche Situationen und mögliche Entlassungen, so dass vor allem Arbeitnehmer, die in den transparenteren Beschäftigungsbeziehungen kleinerer Betriebe beschäftigt sind, besorgte Zurückhaltung wahren. Wie schon bei Entlassungen ist auch bei Lohnkürzungen ein frühzeitiges, auf Vermeidung gerichtetes Engagement von Seiten des Arbeitgebers von Bedeu-
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Arbeitsmotivation, Fluktuation, Krankenstand
tung. Ein solches Engagement mindert Negativreaktionen bei der Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten, stellt das Engagement für das Unternehmen sicher und senkt die Fluktuationsbereitschaft. Wenig Auswirkung auf die Folgewirkungen von Lohnsenkungen hat eine direkte Beteiligung von Arbeitnehmern oder die Vertretung durch Betriebsräte. Allein in bivariaten Analysen zeigt sich signifikant, dass Nichtbeteiligung in einigen Unternehmen zu verminderter Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten (Odds-Ratio 0,64; p < 0,05) sowie zu verringertem Engagement für das Unternehmen (Odds-Ratio 0,67; p < 0,05) führt.
Schlechtere Zusammenarbeit: Mitarbeiter/ Vorgesetzte
Schlechtere Zusammenarbeit: Mitarbeiter untereinander
Geringeres Engagement für das Unternehmen
Geringeres Ausmaß an Krankmeldungen
Höhere Bereitschaft, das Unternehmen zu verlassen
Höheres Engagement für gemeinsame Arbeitnehmerinteressen
Tabelle 14: Folgewirkungen bei Lohnkürzungen (multivariate Analysen)
West
1,615* (2,41)
1,598* (2,39)
1,549* (2,26)
1,218 (0,87)
2,045** (3,34)
0,828 (-0,85)
Betriebsgröße (1= weniger als 50)
1,327 (1,26)
0,771 (-1,04)
0,882 (-0,57)
1,642* (2,04)
1,568 (1,93)
0,835 (-0,69)
Entlassungsvermeidung im Vorfeld
0,464*** (-3,68)
0,732 (-1,39)
0,515** (-3,30)
1,237 (0,89)
0,535** (-2,81)
0,798 (-0,97)
Beteiligung der Mitarbeiter (-vertretung)
0,875 (-0,57)
0,746 (-1,16)
0,756 (-1,26)
0,975 (-0,10)
1,285 (1,04)
0,911 (-0,36)
Einkommenskürzung zur Entlassungsvermeidung
1,248 (1,09)
1,355 (1,37)
0,928 (-0,38)
1,212 (0,82)
1,180 (0,76)
1,097 (0,40)
N Pseudo R² (McFadden)
468
468
468
450
462
454
0,039
0,023
0,041
0,013
0,041
0,005
log likelihood, erste Schätzung
-312,740
-275,553
-323,876
-247,986
-284,223
-253,639
log likelihood, letzte Schätzung
-300,708
-269,185
-310,759
-244,842
-272,615
-252,340
Logistische Regression, Odds-Ratio, z-Werte in Klammern, Signifikanzniveaus *) pz < 0,05, **) pz < 0,01, ***) pz < 0,001.
102
Olaf Struck
Insbesondere in Ostdeutschland wurden – teilweise im Rahmen betrieblicher Bündnisse (Seifert 2000) – Lohnsenkungen zur Vermeidung von Entlassungen vereinbart. Auch wenn solche Übereinkünfte den Beschäftigten Zugeständnisse des Lohnverzichts abverlangen, kann im Regelfall davon ausgegangen werden, dass in einer schwierigen Unternehmenssituation derartige Verzichte gegenüber einer verminderten Beschäftigungssicherheit bevorzugt werden. Lohnsenkungen zur Vermeidung von Entlassungen sollten dementsprechend keine Negativreaktionen auslösen. Dies zeigen dann auch die Befragungsergebnisse. Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Lohnsenkungen führen häufiger zu Negativreaktionen als Entlassungen. Ursache hierfür ist vermutlich die längerfristige und direktere Wirkung der Lohnsenkungsmaßnahme auf die Beschäftigten. Wie schon bei Entlassungen kann auch bei Lohnsenkungen vor allem das zugeschriebene frühzeitige, vermeidende Engagement von Arbeitgebern Negativreaktionen mildern. Zudem verdeutlicht die Analyse, Beschäftigte in ostdeutschen Unternehmen akzeptieren Lohnsenkungen eher als westdeutsche Beschäftigte. Vergleichbar den Ergebnissen zu Entlassungen kann dies als Hinweis darauf gewertet werden, dass die vergleichsweise schwierige wirtschaftliche Situation in Ostdeutschland die Bereitschaft zu Negativreaktionen mindert. 5.3 Zwischenfazit Entlassungen und/ oder Lohnsenkungen dienen der kurzfristigen Reduzierung von Kosten und damit der Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen. Allerdings zeigen Untersuchungen, auf mittelfristige Dauer bleiben die gewünschten Kosteneffekte vielfach aus. Als verantwortlich dafür gelten Negativreaktionen jener Beschäftigten, die ihren Arbeitsplatz behalten haben bzw. mit geringeren Löhnen auskommen müssen. Analysiert wurde dabei – insbesondere in der angelsächsischen Literatur –, dass dieser Beschäftigtenkreis die Geltung psychologischer Verträge als gebrochen ansieht und infolgedessen versucht, die „Verluste“ im Rahmen ihrer Handlungsspielräume zu minimieren. Als Folgen sind die Verringerung von Engagement und Kooperation sowie eine Erhöhung der Fluktuation analysiert worden. Auch in Deutschland lassen sich solche Negativreaktionen nachweisen. So gibt etwa jeweils ein Drittel der Befragten an, nach Entlassungen habe sich die Zusammenarbeit unter den Beschäftigten und zwischen Beschäftigten und Vorgesetzten sowie das Engagement für das Unternehmen eher oder deutlich verschlechtert bzw. verringert. Noch höher sind die Anteile nach einer Lohnkürzung. Hier variieren sie zwischen 30% und gut 45%. Immerhin ein Viertel der
Arbeitsmotivation, Fluktuation, Krankenstand
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Beschäftigten nach Entlassungen und ein Drittel der Beschäftigten nach Lohnkürzungen konstatiert, dass die Bereitschaft der Belegschaft, das Unternehmen zu verlassen, gestiegen sei. Und gut ein Fünftel nimmt im Falle von Entlassungen oder Lohnsenkungen eine höhere Bereitschaft in den Belegschaften wahr, stärker als bisher für gemeinsame Interessen einzutreten. Dass es von Seiten der Betriebsleitungen lohnenswert ist, die Maßnahmen selbst oder Umsetzungsstrategien der Maßnahmen zu reflektieren, wird deutlich, wenn die Anteile einer unveränderten Situation in den Betrieben (je nach Anlass und Reaktion 44% bis 60%) sowie die Aussagen zu leistungs- und kooperationssteigernden Reaktionen betrachtet werden. Im Falle von Entlassungen werden je nach Reaktion in etwa 15% bis 20% der Fälle Verbesserungen in Kooperation und Engagement sowie verringerte Austrittsneigungen festgestellt. Bei Lohnkürzungen beträgt die Zahl der Angaben je nach Reaktion zwischen 4% und 11%. Offenkundig werden in vielen Fällen negative Folgewirkungen vermieden. Vor allem dann, wenn es Unternehmen – etwa durch vorheriges Engagement zur Entlassungsvermeidung – glaubhaft gelingt, Entlassungen oder Lohnkürzungen als unvermeidlich darzustellen, sinkt die Wahrscheinlichkeit negativer Folgewirkungen. Sollen also Negativreaktionen im Zusammenhang mit Entlassungen oder Lohnsenkungen vermieden werden, dann können vor allem Maßnahmen zur Steigerung des reziproken Vertrauensverhältnisses in Form des Arbeitgeberengagements einer solchen Absicht dienen. Insbesondere die bivariaten Ergebnisse zeigen, dass dabei der Beteiligung von Mitarbeitern und/ oder ihrer Interessenvertretung und den damit verbundenen Informations-, Mitsprache- oder Einspruchsmöglichkeiten ebenfalls ein moderierender positiver Effekt bei der Vermeidung negativer Folgewirkungen beizumessen ist. Hier deuten sich Verfahrenseffekte an. Zugleich lassen sich das Positivergebnis geringer Betriebsgrößen und die damit zum Ausdruck gebrachte geringere Distanz zu Betriebs- und Umfeldinformationen sowie erleichterte Beteiligungsmöglichkeiten als Verfahrenseffekte interpretieren. In der Berücksichtigung solcher Reziprozitätsbeziehungen und Verfahrenseffekte, wie sie in psychologischen Verträgen und in Gerechtigkeitswahrnehmungen zum Ausdruck kommen, scheint auf Seiten der Praktiker Handlungsbedarf zu bestehen. Zum Teil bestehen Empfehlungen zur sozialen und motivationalen Moderierung der vielfach als unumgänglich eingeschätzten Kostensenkungsstrategien. Sie beziehen sich auf die im Zusammenhang mit der Verfahrensgerechtigkeit genannten Informations-, Konsistenz- und Einspruchsbedingungen. Abhängig ist die Wirkung derartiger Bedingungen dann allerdings in starkem Maße von Vertrauen erhaltenden Maßnahmen im Vorfeld von Entlas-
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Olaf Struck
sungs- oder Lohnsenkungsentscheidungen u.Ä. Entsprechend der Überlegungen zu psychologischen Verträgen bestünde die Aufgabe dann vor allem darin, die Inhalte des Vertrages zunächst einmal wahrzunehmen und schon sehr frühzeitig und transparent Rationalisierungs- und Personalentwicklungsstrategien hierauf abzustimmen. Eine beabsichtigte „Nichterfüllung“ von Verpflichtungen wäre von Seiten der Unternehmensleitung dementsprechend zeitig und mit Bezug auf Gründe und Maßnahmen zu thematisieren, um Neuanpassungen impliziter Verträge zu ermöglichen. Ungeachtet dieser Folgerungen bleibt zugleich eine Reihe von Fragen offen. Sowohl aus methodischer Sicht wie auch aus inhaltlichen Gründen wäre es notwendig zu untersuchen, welche Maßnahmen im Einzelnen welche Folgewirkungen entfalten. Die überwiegend im Querschnitt angelegten Untersuchungen sind dabei wenig geeignet, mittel- und langfristige Wirkungen unterschiedlicher Maßnahmen zu erfassen. Zudem bleiben eventuell bestehende Prozessreaktionen von (Weiter-)Beschäftigten, wie sie etwa von Noer (1993) beschrieben wurden, unbeobachtet. Wenige Erkenntnisse bestehen zudem über Wirkungen auf unterschiedliche Zielgruppen. Auch wenn die in den vorherigen Kapiteln dieser Studie vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass individuellen Merkmalen im Vergleich zu Verfahrensmerkmalen nur ein bescheidener Erklärungsgehalt zuzumessen ist, könnten sich dennoch je nach alters- oder familienspezifischer Lebenslage, Qualifikation oder betrieblicher Tätigkeit etc. differente Folgereaktionen zeigen. Und nicht zuletzt ist die bedeutende und zugleich am schwierigsten zu beantwortende Frage nach (quantifizierbaren) Kostenrelationen zwischen Einspareffekten (etwa von Kündigungen und Lohnsenkungen) und möglichen Folgekosten (etwa durch Kooperationseinschränkungen oder freiwilligen Kündigungen etc.) in bisherigen Untersuchungen unbeantwortet geblieben. Vor diesem Hintergrund bieten die vorliegenden Ergebnisse lediglich erste empirische Hinweise auf Folgewirkungen von Rationalisierungs- und Kostensenkungsprozessen, die sich auch im deutschen System von vergleichsweise stark institutionalisierten Arbeitsbeziehungen aufzeigen lassen.
6 Die Einstellung zum Kündigungsschutz – wie wichtig sind Gerechtigkeitsnormen und Entlassungserfahrungen? von Alexandra Krause
Bisher wurde untersucht, welche Faktoren für die Gerechtigkeitseinschätzung betrieblicher Entlassungssituationen von Bedeutung sind – so z.B. Aspekte der Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit und das Geschlecht – und welche Folgewirkungen betriebsbedingte Entlassungen auf das Verhalten der Weiterbeschäftigten haben. Das allgemeine Kündigungsschutzrecht spielte dabei implizit bereits eine Rolle, da der Einfluss der Betriebszugehörigkeitsdauer, der Auswahlkriterien sowie der Beteiligung des Betriebsrats auf die wahrgenommene Gerechtigkeit der Entlassung untersucht wurde. Es zeigte sich, dass die Gerechtigkeit einer Entlassung aus Sicht der Befragten in der Tat davon abhängig ist, ob zentrale Regelungen des Kündigungsschutzrechts berücksichtigt wurden oder nicht. Dieses Kapitel nimmt daher die Einstellung der erwerbstätigen Bevölkerung zur zukünftigen Ausgestaltung des Kündigungsschutzes näher in den Blick. Zwar stellen die mit der Agenda 2010 und im Zuge der Hartz-Reformen verabschiedeten Deregulierungen des Arbeitsrechts für das „Normalarbeitsverhältnis“ bisher nur marginale Einschränkungen dar (IAB 2005: 6); mit der Forderung, den Bestandsschutz als das dem Kündigungsschutz bisher zugrunde liegende Prinzip selbst zu reformieren, stehen jedoch weiterreichende Reformen zur Diskussion (Jahn, Walwei 2003). Eine weitere Einschränkung des Kündigungsschutzes bedeutet für die Beschäftigten steigende Arbeitsplatzunsicherheit. Der Kündigungsschutz stellt daher einen ausgewählten Indikator für die Sicherheitsbedürfnisse der Bevölkerung dar. Untersucht wird vor diesem Hintergrund, wie zentral Beschäftigungsstabilität für Beschäftigte in Deutschland tatsächlich ist und welchen Einfluss soziale Gerechtigkeitseinstellungen und eigene Erfahrungen mit Entlassungen auf die unterschiedliche Präferenz für den Ausbau, Erhalt oder aber die Flexibilisierung des Kündigungsschutzes haben.
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Alexandra Krause
6.1 Theoretische Überlegungen Der Kündigungsschutz ist ein wichtiges Instrument zur Gestaltung des Arbeitsmarktes und der Beschäftigungsförderung, wobei Fragen der Regulierung von Kündigungen kontrovers diskutiert werden. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht die Frage, ob und inwieweit der Kündigungsschutz in Deutschland als Beschäftigungshemmnis wirkt oder nicht (IAB 2004; Pfarr et al. 2004a, 2004b; Jahn 2004; Jahn, Walwei 2003; Rüthers 2003; Walwei 2000; Franz, Rüthers 1999). Als zentrales Argument für seine beschäftigungshemmende Wirkung gelten die u.a. durch Klagekosten, Abfindungen und Lohnfortzahlungen verursachten Kosten betriebsbedingter Kündigungen: Im Jahr 2000 wandten westdeutsche Betriebe ca. 2 Milliarden Euro für Entlassungsentschädigungen auf (Jahn 2004: 187). Die empirische Evidenz zeigt in der Tat, dass deutsche Betriebe relativ häufiger mit internen Anpassungsmaßnahmen wie Überstunden auf Schocks reagieren als z.B. US-amerikanische Firmen, die eher auf externe Anpassungen zurückgreifen (ebd.: 198). Wenngleich es keinen gesicherten Nachweis über den Einfluss des allgemeinen Kündigungsschutzes auf das Beschäftigungsniveau und die Erwerbslosenquote gibt, weisen die empirische Befunde recht eindeutig darauf hin, dass dieser Verteilungseffekte hat und die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit erhöht (Jahn, Walwei 2003: 3; IAB 2005: 29). Allerdings konnte auch gezeigt werden, dass der geltende Kündigungsschutz das Einstellungsverhalten von Kleinstbetrieben in Deutschland offensichtlich in geringerem Ausmaß beeinflusst als bisher angenommen (IAB 2004; Pfarr et al. 2003). Stattdessen scheint die betriebliche Beschäftigungspolitik vor allem durch die wirtschaftliche Lage des Betriebes bestimmt zu sein (Pfarr et al. 2003). Darüber hinaus können Betriebe die bereits existierenden flexiblen Beschäftigungsformen (z.B. befristete Beschäftigung oder Leiharbeit) sowie gesetzliche Möglichkeiten externer Anpassungen (z.B. Altersteilzeit) dazu nutzen, den gesetzlichen Kündigungsschutz zu umgehen. Wie im allgemeinen Teil dieses Buches erläutert (Kapitel 2.1) weist Rousseau in der Theorie des psychologischen Vertrags auf die Konsequenzen der in einer Gesellschaft gültigen Moralvorstellungen für die Beschäftigungsbeziehungen hin (Rousseau 1995): In jeder Gesellschaft bestehen soziale Verträge über ein angemessenes Verhalten. Im Hinblick auf Geschäftsbeziehungen auf Gütermärkten gilt die Norm des „good faith“ and „fair dealing“. Auf Arbeitsmärkten gelten darüber hinaus – wie wir in den vorangegangenen Kapiteln zeigen konnten – besondere Sicherheitsnormen für die abhängig Beschäftigten. Deren Interpretation ist jedoch abhängig von existierenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen. Daraus folgt aber auch, dass es zu Konflikten kommen kann, wenn sich
Die Einstellung zum Kündigungsschutz
107
die Institutionen des Arbeitsmarktes ungeachtet herrschender moralischer Vorstellungen bzw. im Widerspruch dazu verändern. Mit der Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse tritt in deutschen Betrieben nun aber ein Verteilungsprinzip weitaus stärker in den Vordergrund als bisher: das Marktprinzip (Moldaschl, Sauer 2000; Sauer, Döhl 1994). So können besonders qualifizierte Leistungsträger im Zuge der jüngsten Reform des Kündigungsschutzgesetzes einfacher von der Auswahl nach sozialen Kriterien ausgenommen werden. Damit können Unternehmen die Auswahl stärker von Markterfordernissen abhängig machen. Angesichts dieser Reform und weiterer künftig zu erwartender Änderungen des Kündigungsschutzgesetzes verwundert es, dass die Frage nach den individuellen Konsequenzen einer Flexibilisierung für die Arbeitseinstellungen und im Arbeitsverhalten der Beschäftigten in der bisherigen Forschung weitestgehend unberücksichtigt geblieben ist. Ein flexiblerer Kündigungsschutz erhöht das Arbeitsplatzrisiko vor allem für ältere Beschäftigte und Beschäftigte mit langer Betriebszugehörigkeitsdauer. Zwar gibt es Belege dafür, dass hohe Arbeitsplatzunsicherheit zu Produktivitätssteigerungen führen kann (Probst 2002; Brockner et al. 1992); zugleich wurde jedoch vielfach nachgewiesen, dass ein negativer Zusammenhang zwischen Arbeitsplatzunsicherheit und Arbeitszufriedenheit sowie betrieblichem Commitment, aber auch mit dem Gesundheitszustand der Beschäftigten besteht (Sverke, Hellgren, Näswall 2002; De Witte, Näswall 2003; Chirumbolo, Hellgren 2003; Grotheer, Struck 2003; Davy et al. 1997; Brockner et al. 1992; Ashford et al. 1989). So geben in Deutschland Beschäftigte aus Betrieben, in denen Personalabbau stattgefunden hat, häufiger auf ihre Arbeitssituation zurückgehende gesundheitliche Beschwerden an als Beschäftigte in Betrieben ohne Personalabbau (Badura, Schellschmidt, Vetter 2005). Dennoch wurde bisher kaum thematisiert, welche Akzeptanz die Flexibilisierung des Kündigungsschutzes in der deutschen Bevölkerung findet. Eine solche Einstellungsanalyse ist wichtig, um einschätzen zu können, ob der Abbau des allgemeinen Kündigungsschutzrechts überhaupt auf die Zustimmung der Beschäftigten stößt und welches die zentralen Akzeptanzbedingungen sind. Umgekehrt können Faktoren identifiziert werden, welche die Zustimmung zum Erhalt oder Ausbau des Kündigungsschutzes begünstigen. Mit der Zukunft des Kündigungsschutzes steht auch der normative Anspruch auf Beschäftigungsstabilität zur Disposition. Das dem Kündigungsschutz zugrunde liegende Bestandsschutzprinzip soll Beschäftigte vor willkürlichen Kündigungen schützen. Die Forderung nach seiner Flexibilisierung beinhaltet die stärkere Geltung des Marktprinzips zu Lasten des Anspruchs auf sichere Beschäftigung: Betriebe sollen Einstellungen und Entlassungen stärker in Abhän-
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gigkeit von ihrer Marktlage vornehmen können. Die gesetzliche Regulierung von Beschäftigung wird demgegenüber als Hemmnis angesehen. Offen ist jedoch, ob die Deregulierung des Kündigungsschutzes mit den normativen Erwartungen der Erwerbstätigen vereinbar ist (Wegener 1992). Eine gerechtigkeitstheoretische Perspektive hat dabei zwei Anknüpfungspunkte: Einerseits die ordnungsbezogenen Gerechtigkeitsvorstellungen der Beschäftigten, andererseits ihre individuellen Gerechtigkeitserfahrungen. In modernen Wohlfahrtsstaaten sind zwei gesellschaftliche Verteilungsvorstellungen von grundlegender Bedeutung: Egalitarismus und Individualismus. Diese beinhalten unterschiedliche Prinzipien als Grundlage einer gerechten gesellschaftlichen Güter- und Lastenverteilung. Dabei weisen sie die Verantwortung für eine gerechte gesellschaftliche Verteilungsordnung verschiedenen Institutionen zu: Während Egalitarismus Vertrauen in staatliche Regulierungsmaßnahmen als Garanten sozialer Gerechtigkeit kennzeichnet und sich an einer Umverteilung von Gütern und Lasten sowie am staatlichen Ausgleich sozialer Ungleichheit orientiert, stehen in der Vorstellung des Individualismus die individuellen Bemühungen der einzelnen Gesellschaftsmitglieder im Mittelpunkt einer gerechten Verteilungsordnung und die existierenden sozialen Ungleichheiten werden tendenziell als Ausdruck des unterschiedlichen individuellen Verdienstes akzeptiert. Eine gerechte Verteilungsordnung wird in dieser Vorstellung durch den Marktmechanismus gewährleistet (Liebig 2004b; Liebig, Wegener 1995; Wegener 1992). Im Kontext dieser Analyse ist dann entscheidend, in welchem Verhältnis diese beiden Verteilungsvorstellungen zum Status quo des allgemeinen Kündigungsschutzes und den Möglichkeiten seiner Reform stehen. So konnten Kluegel und Miyano zeigen, dass die Präferenz für wohlfahrtsstaatliche Regulierungsmaßnahmen u.a. davon abhängt, in welchem Ausmaß eine Person das Marktprinzip befürwortet (Kluegel, Miyano 1995). Da eine egalitaristische Verteilungsvorstellung soziale Ungleichheiten prinzipiell als rechtfertigungsbedürftig ansieht und die regulierende Funktion des Staates als notwendig erachtet, ist die Flexibilisierung des Kündigungsschutzes aus dieser Perspektive kritisch zu sehen: Sie führt dazu, dass die Positionszuweisung auf dem Arbeitsmarkt stärker in Abhängigkeit von Marktmechanismen vollzogen wird, der Staat gibt einen Teil seiner Regulationsmacht auf. Die Vorstellung einer individualistischen Verteilungsordnung verknüpft dagegen das Equity-Prinzip als Grundlage individueller Verteilungsansprüche mit dem Prinzip der Marktgerechtigkeit als gerechtem gesellschaftlichen Verteilungsmechanismus sozialer Güter und Lasten gemäß den unterschiedlichen Verteilungsansprüchen der einzelnen ökonomischen Subjekte. Aus dieser Sicht sind die aus betrieblichen Entlassungen resultierenden Ungleichheiten zwischen Weiterbe-
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schäftigten und Entlassenen grundsätzlich als Ausdruck individuellen Verdienstes anzusehen und das Marktprinzip als Mittel einer gerechten gesellschaftlichen Güterzuteilung. Daraus folgt:
Hypothese 1a: Egalitarismus hat einen negativen Einfluss auf die Zustimmung zur Deregulierung des Kündigungsschutzes. Hypothese 1b: Individualismus beeinflusst die Zustimmung zur Deregulierung des Kündigungsschutzes positiv.
Zudem wird die Einstellung einer Person zur zukünftigen Ausgestaltung des Kündigungsschutzes unmittelbar davon abhängig sein, welche Erfahrungen sie selbst bereits mit Kündigungen gemacht hat. Was die organisationspsychologische Forschung bisher zeigen konnte, waren vielfältige Folgen von Gerechtigkeitserfahrungen für die Arbeitseinstellungen der Beschäftigten und ihre Einstellung zum Unternehmen (Lengfeld, Liebig 2003). Bisher sind dabei vor allem die Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit, Fehlzeiten und Exit-Absichten untersucht worden (ebd.: 476). Analog ist daher zu vermuten, dass sich die Tatsache, ob eine Person ihre eigene Erfahrung mit Entlassungen als gerecht ansieht oder aber als ungerecht bewertet, jeweils unterschiedlich auf ihre Einstellung zum Kündigungsschutz auswirkt. Personen, die ihre eigene Erfahrung mit Entlassungen als gerecht beurteilen, werden dem Kündigungsschutz anders gegenüberstehen als Personen, aus deren Sicht die miterlebte Entlassung ungerecht gewesen ist. Werden Entlassungen als ungerecht wahrgenommen, erscheint ein gesetzlicher Schutz der abhängig Beschäftigten vor betriebsbedingten Kündigungen rational. Werden die von Entlassungen Betroffenen aus Sicht der Befragten dagegen gerecht behandelt, erscheint ein gesetzlich garantierter Kündigungsschutz der Beschäftigten weniger notwendig als im Falle negativer Erfahrungen. Daraus folgt:
Hypothese 2: Personen, die ihre eigene Entlassungserfahrung als ungerecht bewerten, beurteilen die Deregulierung des Kündigungsschutzes negativer als Personen mit positiver Entlassungserfahrung.
Von den soziodemographischen Merkmalen der Selbständigkeit und der Gewerkschaftsmitgliedschaft ist darüber hinaus ebenfalls ein signifikanter Einfluss auf die Einstellung zum Kündigungsschutz zu erwarten: Selbständige, die mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigen, profitieren unmittelbar von einer Lockerung des Kündigungsschutzes. Unabhängig davon werden sich Selbständige aufgrund ihrer Funktion der Notwendigkeit betrieblicher Personalanpassungen stärker be-
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wusst sein. Auch vor diesem Hintergrund ist eine Deregulierung des allgemeinen Kündigungsschutzes positiv zu sehen, weil sie die eigenen Handlungsmöglichkeiten erweitert. Kluegel und Miyano (1995: 83) argumentieren, dass Selbständige, Manager oder Professionals wohlfahrtsstaatliche Regulierungsmaßnahmen aufgrund der mit ihrer Funktion verknüpften Erfahrungen eher ablehnen, soziale Ungleichheiten dagegen eher akzeptieren. Umgekehrt sei von Gewerkschaftsmitgliedern eher eine Zustimmung zur wohlfahrtsstaatlichen Regulierung sozialer Ungleichheit zu erwarten: „Union membership may encourage support for such intervention by channeling diffuse dissatisfactions into demands for welfare state policies to protect workers from market vagaries“ (ebd.: 83). Aus der Perspektive von Gewerkschaftsmitgliedern ist der Abbau von Kündigungsschutzregelungen dann tendenziell kritisch zu sehen, weil er zu höherer Arbeitsplatzunsicherheit führt.
Hypothese 3: Selbständigkeit beeinflusst die Zustimmung zur Deregulierung des Kündigungsschutzes positiv. Hypothese 4: Gewerkschaftsmitglieder beurteilen die Flexibilisierung des Kündigungsschutzes signifikant negativer als Nicht-Gewerkschaftsmitglieder.
6.2 Empirische Ergebnisse Im Folgenden wird empirisch ausgewertet, wie der Kündigungsschutz aus Sicht der Erwerbsbevölkerung in Deutschland in Zukunft gestaltet werden sollte. Gefragt wurde: „In den letzten Jahren ist viel über den gesetzlichen Kündigungsschutz diskutiert worden. Was meinen Sie: Sollte man den gesetzlichen Kündigungsschutz weiter ausbauen, unverändert beibehalten, eher einschränken oder ganz abschaffen?“. Als zentrale unabhängige Variablen werden in multivariaten Analysen die Gerechtigkeitseinstellungen Egalitarismus und Individualismus sowie die Gerechtigkeitseinschätzung der eigenen Entlassung im Betrieb verwendet, wobei die Befragten nicht unbedingt selbst direkt von der Entlassungsmaßnahme betroffen waren. Wenigstens zwei Gründe sprechen dabei für einen regionalen Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland: Anfang der 1990er Jahre stieg die Arbeitsplatzunsicherheit in Ostdeutschland sprunghaft an und wirkte sich signifikant negativ auf die Arbeitszufriedenheit aus (Schlese, Schramm 1994). Zwischen 1990 und 2001 lag der Anteil der Befragten, die ihren Arbeitsplatz als sehr sicher bzw. eher sicher einschätzten, in Ostdeutschland durchgängig deutlich unter dem
Die Einstellung zum Kündigungsschutz
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der westdeutschen Befragten. In der Rangreihe der subjektiv wahrgenommenen Defizite der Lebensverhältnisse (definiert als Prozentdifferenz zwischen der Wichtigkeit und Zufriedenheit mit der jeweiligen Dimension) lagen Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten in Westdeutschland im Jahr 2001 an vierter, in Ostdeutschland dagegen an zweiter Stelle. In Ostdeutschland war das subjektive Defizit etwa doppelt so hoch wie in Westdeutschland (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung 2003). Ein detaillierter Vergleich zwischen beiden Regionen Deutschlands ist daher von Nutzen. Darüber hinaus unterscheiden sich Ost- und Westdeutschland im Hinblick auf die gesellschaftlich dominanten Wertvorstellungen: Zwar hat es in der Zustimmung zu Egalitarismus und Individualismus im Laufe der 1990er Jahre einige Verschiebungen gegeben; wie auch die vorliegende Studie zeigt, bestehen die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland jedoch – wenn auch auf einem anderen Niveau – weiter fort (Wegener 2003): Ostdeutsche sind egalitaristischer als Westdeutsche und Westdeutsche umgekehrt individualistischer als die Ostdeutschen. Um die beiden erklärenden Variablen Egalitarismus und Individualismus zu generieren, wurde zunächst eine Faktorenanalyse über mehrere Items durchgeführt, die Aussagen über eine gerechte gesellschaftliche Verteilungsordnung enthalten. Auf einer 5-stufigen Skala sollten die Befragten jeweils ihre Zustimmung bzw. Ablehnung angeben (1 = lehne ganz ab, 5 = stimme voll zu). Egalitarismus wurde dabei über die folgenden beiden Items erhoben: „Der Staat sollte für alle, die arbeiten wollen, einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen.“ und „Der Staat sollte für alle einen Mindestlebensstandard garantieren.“ Individualismus wurde ebenfalls über zwei Items erfasst: „Ein Anreiz für Leistung besteht nur dann, wenn die Unterschiede im Einkommen groß genug sind“ sowie: „Es hat schon seine Richtigkeit, wenn Unternehmen große Gewinne machen, denn am Ende profitieren alle davon.“ Die Faktorenanalyse ergibt eine entsprechende zweifaktorielle Lösung (Tabelle 15).
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Alexandra Krause
Tabelle 15: Die Struktur gesellschaftlicher Gerechtigkeitsvorstellungen Egalitarismus Individualismus h² Der Staat sollte für alle, die arbeiten wollen, einen Arbeits0,808 -0,009 0,653 platz zur Verfügung stellen. Ein Anreiz für Leistung besteht nur dann, wenn die Unter-0,023 0,754 0,570 schiede im Einkommen groß genug sind. Der Staat sollte für alle einen Mindestlebensstandard garan0,808 0,009 0,653 tieren. Es hat schon seine Richtigkeit, wenn Unternehmen große 0,023 0,755 0,571 Gewinne machen, denn am Ende profitieren alle davon. Eigenwerte 1,307 1,139 Hauptkomponentenanalyse mit Promax-Rotation (N=2940). Für die west- und ostdeutsche Teilstichprobe ist die Struktur nahezu identisch.
Neben den gesellschaftlichen Gerechtigkeitsvorstellungen wurden die bereits in Kapitel 3 beschriebenen soziodemographischen Merkmale und der Erwerbskontext als unabhängige Variablen in die Analyse einbezogen. Nach einer kurzen deskriptiven Darstellung der Ergebnisse wird der Einfluss subjektiver Gerechtigkeitsvorstellungen, allgemeiner soziodemographischer Merkmale sowie des Erwerbskontextes in einem ordinalen logistischen Regressionsmodell untersucht. Werden die Ergebnisse im Einzelnen betrachtet, dann verdeutlicht die deskriptive Verteilung der abhängigen Variable (Abbildung 6) zunächst die hohe Wertschätzung, die dem Kündigungsschutz in Deutschland entgegengebracht wird. Abbildung 6:
Einstellungen von Erwerbspersonen zur Zukunft des Kündigungsschutzes in Deutschland
60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Ostdeutschland
Westdeutschland
Zukunft des Kündigungsschutzes ganz abschaffen
eher einschränken
unverändert beibehalten
weiter ausbauen
113
Die Einstellung zum Kündigungsschutz
In Ost- und Westdeutschland sprechen sich jeweils knapp 30% der Befragten dafür aus, den Kündigungsschutz eher einzuschränken oder ganz abzuschaffen. In beiden Teilen Deutschlands sind es damit etwa 70% der Befragten, die sich gegen eine Deregulierung des Kündigungsschutzes aussprechen. Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland resultieren daraus, dass die ostdeutschen Befragten extremer antworten. Während der Anteil derer, die einer Deregulierung zustimmen bzw. sie ablehnen, jeweils sehr ähnlich ist, sprechen sich mehr Ostdeutsche für den Ausbau bzw. die Abschaffung des Kündigungsschutzes aus als in Westdeutschland. Kreuztabellen geben einen ersten Hinweis auf die Bedeutung der ordnungsbezogenen Gerechtigkeitsvorstellungen (Tabelle 16) und der eigenen Gerechtigkeitserfahrung mit Entlassungen (Tabelle 17) für die Einstellung zum Kündigungsschutz. Aufgrund der Schiefe der Verteilungen wird der Medianwert als Zentralmaß gewählt. Tabelle 16: Medianwerte für Egalitarismus und Individualismus in Abhängigkeit von der Einstellung zum Kündigungsschutz Zukunft des Kündigungsschutzes
ganz abschaffen eher einschränken unverändert beibehalten weiter ausbauen
Egalitarismus
n 143 287 639 370
Ost Median .749 .290 .762 .785
n 94 286 662 249
Individualismus West Median -.603 -.998 .292 .774
n 143 287 639 370
Ost Median .116 .160 .084 .094
n 94 286 662 249
West Median .608 .175 -.229 .104
Für Westdeutschland zeigt sich ein der Annahme entsprechender negativer Zusammenhang zwischen der Flexibilisierung des Kündigungsschutzes und Egalitarismus. In Ostdeutschland ist die Zustimmung zu Egalitarismus bei denen, die sich zugleich für den Ausbau des Kündigungsschutzes aussprechen, zwar am höchsten; es besteht jedoch nur ein geringer Unterschied zu denen, die ihn ganz abschaffen wollen. Individualismus zeigt umgekehrt in Ostdeutschland den erwarteten Effekt: Personen, die sich für die Einschränkung oder Abschaffung des Kündigungsschutzes aussprechen, sind individualistischer als Personen, die ihm positiv gegenüberstehen. In Westdeutschland zeigen Personen, die den Kündigungsschutz abschaffen wollen, den mit Abstand höchsten Medianwert. Die Mittelwertdifferenzen zwischen den übrigen Kategorien sind allerdings geringer. Während also in Ostdeutschland Egalitarismus weniger stark zu diskriminieren scheint, ist es in Westdeutschland Individualismus. Dieser Befund stimmt mit
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Alexandra Krause
der Tatsache überein, dass Egalitarismus in Ostdeutschland hohe Akzeptanz findet, während in Westdeutschland Individualismus stark akzeptiert wird. Wie Tabelle 17 dokumentiert, spricht sich ein größerer Anteil der Personen, die ihre eigene Entlassungserfahrung als gerecht bewerten, seltener für den Erhalt oder Ausbau als für die Einschränkung oder Abschaffung des Kündigungsschutzes aus. Dieses Ergebnis gilt für West- und Ostdeutschland. Umgekehrt bevorzugen Personen, die ihre eigene Entlassungserfahrung als ungerecht bewerten, eher den Erhalt oder Ausbau als die Deregulierung des Kündigungsschutzes. Diese Ergebnisse stimmen mit Hypothese 2 überein. Allerdings sind die Unterschiede in Ostdeutschland ausgeprägter als in Westdeutschland. Tabelle 17: Die Gerechtigkeit eigener Entlassungserfahrungen und die Einstellung zur zukünftigen Ausgestaltung des Kündigungsschutzes (in %) Zukunft des Kündigungsschutzes
ganz abschaffen eher einschränken unverändert beibehalten weiter ausbauen Total
Gerechtigkeitseinschätzung eigener Entlassungserfahrung Ostdeutschland gerecht ungerecht 53.73 46.27 (36) (31) 63.48 36.52 (73) (42) 35.19 64.81 (101) (186) 28.74 71.26 (48) (119) 40.57 59.43 (258) (378)
Westdeutschland gerecht ungerecht 37,50 62,50 (15) (25) 55,81 44,19 (48) (38) 32,64 67,36 (63) (130) 30,30 69,70 (30) (69) 37,32 62,68 (156) (262)
In einem ordinalen Regressionsmodell wird die Vorstellung über die Zukunft des Kündigungsschutzes schließlich in Abhängigkeit von den subjektiven Gerechtigkeitsvorstellungen, Selbständigkeit und Gewerkschaftsmitgliedschaft geschätzt. Die abhängige Variable ist mit 1 = weiter ausbauen, 2 = unverändert beibehalten, 3 = eher einschränken und 4 = ganz abschaffen kodiert. Egalitarismus und Individualismus werden dabei nicht als stetige Variablen, sondern als Set von Dummy-Variablen in die Analyse einbezogen. Die Kategorisierung beruht auf den Quartilen, als Referenzkategorie dient das Quartil der Personen mit der niedrigsten Zustimmung zu Egalitarismus bzw. Individualismus. Tabelle 18 dokumentiert die Ergebnisse der multivariaten Analyse.
115
Die Einstellung zum Kündigungsschutz
Tabelle 18: Einstellungen zur Zukunft des Kündigungsschutzes in Deutschland – Ost- und Westdeutschland im Vergleich (ordinales logistisches Regressionsmodell) Abbau des Kündigungsschutzes in Deutschland
Egalitarismus (Ref.: Quartil der Fälle mit der niedrigsten Zustimmung) 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil Individualismus (Ref.: Quartil der Fälle mit der niedrigsten Zustimmung) 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil Gerechtigkeit eigener Entlassungserfahrung (1=gerecht) Alter (Ref.: 20-35 Jahre) 36-50 Jahre 51-60 Jahre Männlich Berufl. Bildung (Ref.: abgeschlossene Lehre) (Berufs-)Fachschule, Meister, Techniker (Fach-)Hochschule Sonstige Einkommen (Ref.: bis 1000 Euro) 1001-2000 Euro Mehr als 2000 Euro
Ostdeutschland (N=380) Modell 1 Modell 2 Modell 3
Westdeutschland (N=269) Modell 1 Modell 2 Modell 3
0,775 (0,89) 0,450* (3,54) 0,299*** (4,24)
0,834 (0,61) 0,533 (1,92) 0,356** (3,36)
1,014 (0,05) 0,552 (1,78) 0,460* (2,47)
0,555* (2,01) 0,474 (1,94) 0,223*** (4,68)
0,661 (1,38) 0,588 (1,33) 0,341** (3,19)
0,774 (0,84) 0,586 (1,33) 0,423* (2,49)
0,791 (0,84) 0,855 (0,59) 1,260 (0,86) 2,757*** (4,97)
0,853 (0,56) 0,908 (0,36) 1,467 (1,40) 2,799*** (4,95)
0,862 (0,52) 0,911 (0,34) 1,319 (0,99) 2,328*** (3,99)
2,012 (1,92) 1,282 (0,76) 2,505** (2,94) 1,625* (2,00)
2,241* (2,14) 1,351 (0,90) 2,666** (3,02) 1,583 (1,86)
1,956 (1,73) 1,372 (0,93) 2,468** (2,69) 1,320 (1,08)
1,201 (0,74) 0,795 (0,77) 1,758** (2,66)
1,334 (1,13) 0,776 (0,81) 1,288 (1,13)
0,971 (0,10) 1,931 (1,70) 1,270 (0,89)
1,038 (0,13) 2,194* (1,96) 1,260 (0,86)
1,651* (2,08) 1,697* (1,96) 1,619 (0,77)
1,443 (1,50) 1,678 (1,86) 2,003 (1,08)
1,002 (0,01) 2,049* (2,30) 1,444 (0,68)
0,965 (0,11) 1,955* (2,09) 1,570 (0,81)
0,844 (0,77) 0,688 (0,98)
1,191 (0,76) 0,782 (0,60)
1,781 (1,70) 2,521* (2,32)
1,893 (1,87) 2,701* (2,48)
116 Finanzielle Abhängigkeit anderer Personen Betriebsgröße Öffentlicher Dienst Arbeitsmarktchancen Selbständigkeit
Alexandra Krause 1,086 (0,39)
1,145 (0,62) 2,044** (2,86) 0,845 (0,64) 1,363 (1,08) 4,020*** (3,68) 0,935 (0,25) -479,888
0,643 (-1,70)
0,692 (1,40) 1,368 (1,04) 0,979 (0,06) 1,301 (0,90) 1,658 (1,24) 0,532* (1,98) -336,865
Gewerkschaftsmitgliedschaft log likelihood, erste Schät-479,888 -479,888 -336,865 -336,865 zung log likelihood, letzte Schät-451,604 -445,214 -427,206 -316,790 -303,407 -297,465 zung Pseudo R² 0,059 0,072 0,110 0,060 0,099 0,117 Abhängige Variable: Erwartung an den Kündigungsschutz (1=weiter ausbauen, 2=unverändert beibehalten, 3=eher einschränken und 4=ganz abschaffen), Odds Ratios, |z|-Werte in Klammern; *) pz < 0,05; **) pz < 0,01; ***) pz < 0,001.
Die Einstellung zur zukünftigen Ausgestaltung des Kündigungsschutzes ist in der Tat von den ordnungsbezogenen Gerechtigkeitserwartungen der Beschäftigten und ihren eigenen Gerechtigkeitserfahrungen mit betriebsbedingten Entlassungen abhängig. In beiden Teilen Deutschlands hat Egalitarismus den erwarteten negativen Effekt auf die Präferenz für eine Flexibilisierung des Kündigungsschutzes: Im Vergleich zum Quartil mit der geringsten Zustimmung ist diese Präferenz in den übrigen Quartilen niedriger. Dabei ist der Effekt des vierten Quartils sowohl in Ostdeutschland als auch in Westdeutschland signifikant (p < 0,05). Hypothese 1a kann also bestätigt werden. Individualismus zeigt dagegen nur für Westdeutschland einen signifikanten Einfluss auf die Einstellung zum Kündigungsschutz (Hypothese 1b): Das Quartil der Personen mit der stärksten Zustimmung zu Individualismus spricht sich in Westdeutschland mit einer signifikant höheren Wahrscheinlichkeit für eine Flexibilisierung des Kündigungsschutzes aus als die Referenzgruppe (p < 0,01). In Ostdeutschland hat Individualismus dagegen keinen Einfluss auf die Einstellung zum Kündigungsschutz. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass Egalitarismus vor allem in Ostdeutschland hohe Zustimmung erfährt, während in Westdeutschland Individualismus allgemein hohe Akzeptanz findet, ist dieses Ergebnis unerwartet: Zu erwarten wäre eher gewesen, dass Individualismus die Einstellung zum Kündigungsschutz nur in Ostdeutschland signifikant beeinflusst. Die Gerechtigkeit der eigenen Entlassungserfahrung hat einen Hypothese 2 entsprechenden Effekt: Personen, die ihre eigene Entlassungserfahrung als gerecht bewerten, sprechen sich eher für eine Flexibilisierung des Kündigungs-
Die Einstellung zum Kündigungsschutz
117
schutzes aus als Personen, die ihre eigene Erfahrung als ungerecht beurteilen. Dieser Unterschied ist allerdings nur in Ostdeutschland signifikant (p < 0,001). Hypothese 3 und 4 können ebenfalls nur für jeweils eine der beiden Regionen bestätigt werden: Selbständigkeit wirkt sich in Ost- und Westdeutschland positiv auf die Vorstellung einer Deregulierung des Kündigungsschutzes aus. In Ostdeutschland ist dieser Effekt hoch signifikant (p < 0,001), während er in Westdeutschland insignifikant bleibt. Umgekehrt zeigt der Unterschied zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nicht-Mitgliedern nur in Westdeutschland den erwarteten signifikanten Effekt: Gewerkschaftsmitglieder sprechen sich hier mit signifikant geringerer Wahrscheinlichkeit als Nicht-Mitglieder für die Flexibilisierung des Kündigungsschutzes aus (p < 0,05). Darüber hinaus zeigen sich die folgenden Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland: In Ostdeutschland hat keines der soziodemographischen Merkmale einen stabilen Effekt auf die Einstellung zum Kündigungsschutz. Dagegen sprechen sich Beschäftigte in kleinen Betrieben eher für eine Flexibilisierung des Kündigungsschutzes aus als Beschäftigte größerer Betriebe (p < 0,01). In Westdeutschland sind es dagegen Personen mit (Fach-)Hochschulabschluss und hohem Einkommen, die sich stärker für die Deregulierung des Kündigungsschutzes aussprechen als Personen mit abgeschlossener Lehre bzw. niedrigem Einkommen. Die Betriebsgröße hat keinen Einfluss auf die Einstellung zur Zukunft des Kündigungsschutzes. 6.3 Zwischenfazit Ausgangspunkt dieses Kapitels war die Frage, ob auch die Einstellung zum Kündigungsschutz durch die Gerechtigkeitserwartungen der Beschäftigten beeinflusst wird. Mit der Flexibilisierung des Kündigungsschutzes erhält der Marktmechanismus als gesellschaftliches Verteilungsprinzip innerhalb der Beschäftigungsbeziehungen mehr Gewicht. Fraglich war daher, ob diese Entwicklung mit den Vorstellungen der Beschäftigten über eine gerechte Verteilungsordnung vereinbar ist oder nicht. Darüber hinaus machen Beschäftigte eigene Erfahrungen mit Kündigungen, die sie als gerecht oder ungerecht erleben. In dem Maße wie Betriebe selbst Gerechtigkeitsstandards berücksichtigen, wenn sie betriebsbedingt kündigen, wird eine staatliche Regulierung von Personalanpassungen von Seiten der Beschäftigten möglicherweise als weniger notwendig angesehen als im umgekehrten Fall. Die empirische Überprüfung dieser Annahme zeigte zunächst, wie zentral Beschäftigungsstabilität für Beschäftigte in Deutschland ist: Sowohl in Ost- als
118
Alexandra Krause
auch in Westdeutschland sprechen sich etwa 70% der Erwerbspersonen für den Erhalt oder Ausbau des Kündigungsschutzes aus. Damit spiegelt sich das politische und wissenschaftliche Plädoyer für eine Flexibilisierung des Kündigungsschutzes nur sehr begrenzt in den Einstellungen der Bevölkerung wider. Darüber hinaus werden die Einstellungen zur zukünftigen Ausgestaltung des Kündigungsschutzes tatsächlich durch die Vorstellungen einer gerechten gesellschaftlichen Verteilungsordnung beeinflusst sind: Egalitarismus wirkt sich negativ auf die Zustimmung zu einer Deregulierung des Kündigungsschutzes aus, Individualismus hat einen positiven Effekt. Allerdings spielen ordnungsbezogene Gerechtigkeitsvorstellungen in Westdeutschland offensichtlich eine größere Rolle als in Ostdeutschland. In Ostdeutschland ist die Einstellung zum Kündigungsschutz dagegen auch von der eigenen Erfahrung mit Entlassungen abhängig: Wird die eigene Entlassungserfahrung als gerecht bewertet, so findet sich auch eher eine Zustimmung zur Deregulierung des Kündigungsschutzes. Während sich in Ostdeutschland vor allem Selbständige und abhängig Beschäftigte in ihrer Einstellung zum Kündigungsschutz unterscheiden (Selbständige unterstützten eher eine Flexibilisierung des Kündigungsschutzes als abhängig Beschäftigte), sind es in Westdeutschland Gewerkschaftsmitglieder und die übrigen Erwerbstätigen. Gewerkschaftsmitglieder stehen einer Deregulierung des Kündigungsschutzes dabei eher ablehnend gegenüber. Insgesamt legen die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland die Schlussfolgerung nahe, dass sich die Ansprüche an einen zukünftigen Kündigungsschutz in Westdeutschland eher auf der Grundlage soziodemographischer Merkmale und aufgrund gesellschaftlicher Ordnungsvorstellungen ausbilden. In Ostdeutschland dagegen weist der Einfluss von Betriebsgröße und Selbständigkeit sowie der Gerechtigkeitswahrnehmung der eigenen Entlassungserfahrung darauf hin, dass die Einstellung zum Kündigungsschutz hier eher durch bisherige Erfahrungen mit Personalanpassungen beeinflusst wird. Beschäftigte kleiner Betriebe stehen einer Flexibilisierung des Kündigungsschutzes weiterhin positiver gegenüber. Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass sie besser über die Entscheidungen der Unternehmensleitung informiert und darin einbezogen sind als Beschäftigte in großen Unternehmen. Aufgrund der Existenz interner Arbeitsmärkte erwarten Beschäftigte großer Unternehmen darüber hinaus in höherem Maße Beschäftigungsstabilität als die Mitarbeiter kleiner Betriebe. Die Analyse der Einstellung zum Kündigungsschutz im Unterschied zur reinen Institutionenanalyse seiner Beschäftigungswirkung gibt demnach wertvolle Hinweise darauf, welche Personengruppen seiner Flexibilisierung eher zustimmend bzw. ablehnend gegenüberstehen. In Ostdeutschland ist die Akzeptanz
Die Einstellung zum Kündigungsschutz
119
einer weiteren Deregulierung des Kündigungsschutzes wesentlich davon abhängig, in welchem Maße Betriebe bei Entlassungen die Gerechtigkeitserwartungen der Beschäftigten berücksichtigen.
7 Gerechtigkeitsurteile im internationalen Vergleich von Gesine Stephan und Olaf Struck
Im folgenden Kapitel wird ein Vergleich der Gerechtigkeitseinschätzungen von Entlassungs- und Lohnkürzungsszenarien in West- und Ostdeutschland mit den Ergebnissen vorliegender Studien von Charness und Levine (2000, 2002) für die USA und Kanada vorgestellt. Vor dem Hintergrund verschiedenartiger Arbeitsmarktregime wird erwartet, dass auch die Regulierung von Entlassungs- und Lohnkürzungsszenarien länderspezifische Differenzen aufweist. Zunächst werden Unterschiede zentraler Arbeitsmarktmerkmale der untersuchten Länder diskutiert. Im Anschluss daran wird kurz die Methodik beschrieben. Zentraler Bestandteil des Kapitels sind die empirischen Ergebnisse. Ein Fazit beschließt die Darstellung des internationalen Vergleiches. 7.1 Theoretische Überlegungen Unsere grundlegende Hypothese ist: Länderspezifische Arbeitsmarktinstitutionen beeinflussen die Beurteilung von Arbeitsmarktprozessen. Institutionalistische Ansätze verweisen auf nicht-marktliche Koordinierungs- und Allokationskriterien und heben die Bedeutung relativ dauerhafter, vielfach normativ abgesicherter Denk-, Verhaltens- und Beziehungsmuster hervor. Diese übernehmen wichtige Orientierungs-, und Legitimationsfunktionen (North 1992). So vertritt Schlicht (1998) die These, dass länderspezifische Gesetze und Institutionen explizite und implizite Rechte und Ansprüche etablieren, auf deren Basis soziale Normen und Gewohnheiten durchgesetzt werden. Im untersuchten Kontext sind insbesondere die geltenden Kündigungsschutzregelungen sowie Institutionen der Lohnsetzung von Bedeutung. Einen Einfluss kann weiterhin der Segmentierungsgrad betrieblicher Arbeitsmärkte haben. Und schließlich ist die FallbackPosition im Fall einer Entlassung zu berücksichtigen, die vor allem durch die Höhe und Struktur der Arbeitslosigkeit beeinflusst wird, aber wiederum auch durch institutionelle Regelungen, wie die Höhe und Bezugsdauer von Lohnersatzleistungen. Die einzelnen Aspekte werden im Folgenden ausführlicher dargestellt.
122
Gesine Stephan, Olaf Struck
In Deutschland ist der Kündigungsschutz vergleichsweise stark ausgeprägt. Für Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten, die für mindestens 6 Monate im Betrieb beschäftigt waren, gilt das Kündigungsschutzgesetz. Gibt es einen Betriebsrat, so ist dieser bei allen Kündigungen ausführlich zu unterrichten und anzuhören. Die gesetzliche Kündigungsfrist beträgt zwischen 2 Wochen in der Probezeit (maximal 6 Monate) und 7 Monaten nach einer Beschäftigungsdauer von 20 Jahren. Bei „Massenentlassungen” muss ein Unternehmen soziale Gesichtspunkte – z.B. die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten und Wiederbeschäftigungschancen – berücksichtigen und den Betriebsrat konsultieren. Relativ häufig folgt in Deutschland auf Kündigungen eine Klage der Entlassenen vor dem Arbeitsgericht; in den meisten Fällen geht es den Klägern dabei jedoch eher um die Höhe der Abfindung als um die Wiedereinstellung. Tabelle 19: Ausgewählte OECD-Indikatoren: Regulierung von Entlassungen in den späten 1990er Jahren Erschwernis von Entlassungen
Regulierungsdichte des Kündigungsschutzes
Verstärkter Schutz bei Massenentlassungen
Land
Indikator
Rang
Indikator
Rang
Indikator
Rang
USA
0,5
2
0,2
1
2,9
11
Kanada
2,0
6
0,9
3
3,4
18
Deutschland
3,5
20
2,8
21
3,1
13
Der Wertebereich der Indikatoren reicht von 0 bis 6. Der Rang basiert auf einer Länderliste, die 26 Nationen einschließt. Dokumentiert sind die Indikatoren für „Difficulty of dismissal“, „Overall strictness of protection against dismissals“ und „Overall strictness of collective dismissals relative to individual dismissals“. Quelle: OECD (1999, 65f., 109ff.)
Für die USA gilt hingegen, dass jede Partei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit oder ohne guten Grund jederzeit bei einem „just cause“ kündigen kann; ein Mitbestimmungsgesetz existiert nicht. Ein gewisser Kündigungsschutz besteht für – den relativ geringen Anteil – gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmer, da die meisten Tarifverträge die Klausel enthalten, dass Kündigungen nur aus gutem Grund erfolgen dürfen. Weiterhin bieten Anti-Diskriminierungsgesetze für ausgewählte Gruppen von Beschäftigten einen gewissen Schutz vor Entlassungen; der Nachweis einer vorsätzlichen Ungleichbehandlung kann für ein Unternehmen im Fall einer Klage hohe Schadensersatz- und Strafzahlungen nach sich ziehen. In Kanada muss für eine Kündigung ein guter und hinreichender Grund vorliegen, die Kündigungsfrist beträgt für mindestens seit drei Monaten
Gerechtigkeitsurteile im internationalen Vergleich
123
beschäftigte Arbeitnehmer zwei Wochen. Abfindungen sind gesetzlich geregelt: Ab einem Jahr Betriebszugehörigkeit erhalten entlassene Arbeitnehmer zwei Tageslöhne für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit, wobei die minimale Abfindung fünf Tageslöhne umfasst. Bei Klagen entscheiden die Gerichte selten auf eine Wiedereinstellung, im Regelfall wird ein Schadensersatz ermittelt. Ein Vergleich relevanter OECD-Indikatoren (Tabelle 19) weist insgesamt darauf hin, dass der amerikanische Arbeitsmarkt in Hinsicht auf den Kündigungsschutz weniger reguliert ist als der kanadische, dieser wiederum weniger als der deutsche. In Hinsicht auf Massenentlassungen („Collective dismissals“) ist die Regulierungsstärke in allen drei Ländern deutlich höher als bei Entlassungen einzelner Arbeitnehmer. Insgesamt ist jedoch zu vermuten, Unterschiede im Kündigungsschutz gehen in Deutschland mit deutlich höheren Ansprüchen an die Arbeitsplatzsicherheit einher als in den USA und Kanada. Die Einschätzung von Lohnkürzungen dürfte u.a. durch die unterschiedliche Ausgestaltung der Lohnsetzung in den betrachteten Ländern beeinflusst werden (Tabelle 20). Inwieweit sind Arbeitnehmer institutionell gegen mehr oder weniger willkürliche Kürzungen ihrer Entlohnung abgesichert? In Kapitel 2 wurde bereits auf die Bedeutung impliziter Restriktionen in Unternehmen mit internen Arbeitsmärkten hingewiesen und gefolgert, dass betriebsinterne Lohnstrukturen durch erhebliche Trägheitsmomente gekennzeichnet sind: Es wird befürchtet, Lohnsenkungen wirken sich im Unternehmen in verringerten Leistungen aus. Diese Befürchtung – so deutet ein Blick in die bislang spärlichen Befunde an – scheint jedoch ein länderübergreifendes Phänomen zu sein. Ein expliziter Schutz gegen Lohnsenkungen kann durch das System der industriellen Beziehungen implementiert werden. Hier gilt allgemein, dass der Erfassungsgrad von Tarifverhandlungen in Deutschland sehr viel höher ist als in den USA. Während in Deutschland knapp 70% der Beschäftigten in Betrieben arbeiten, die Tarifverträge anwenden, sind es in den USA weniger als 20%. Dabei bestehen innerhalb von Deutschland jedoch Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. Nach Berechnungen aus dem IAB-Betriebspanel 2003 bestehen für 62% der westdeutschen Beschäftigten Branchentarifverträge und für weitere 8% Firmentarifverträge. In Ostdeutschland bestehen hingegen lediglich für 43% der Beschäftigten Branchentarifverträge und für 11% Firmentarifverträge. So werden in Ostdeutschland häufiger betriebliche Bündnisse für Arbeit geschlossen, bei denen der Lohn teilweise sogar unter dem vereinbarten Tariflohn liegt. Weiterhin gelten die Flächentarifverträge nur für einen geringeren Anteil der ostdeutschen Betriebe und Beschäftigten. Entsprechend lässt sich vermuten, Lohnkürzungen werden in den USA eher akzeptiert als in Deutschland und finden innerhalb Deutschlands eher in Ostdeutschland Akzeptanz.
124
Gesine Stephan, Olaf Struck
Tabelle 20: Ausgewählte Indikatoren: Industrielle Beziehungen und Lohnersatzleistungen Anteil der Gewerkschaftsmitglieder
Erfassungsgrad der Tarifverhandlungen
Lohnersatzquote
Index der Bezugsdauer von Lohnersatzleistungen
Land
1996-1998
1994
1999
1999
USA
14
17
0,29
0,22
Kanada
36
36
0,49
0,42
Deutschland
27
92 0,37 0,75 Die Lohnersatzquote berechnet sich als der Durchschnitt der Lohnersatzquote während des ersten Jahres in Arbeitslosigkeit über drei Familientypen. Der Index der Bezugsdauer von Lohnersatzleistungen berechnet sich als: [0,06*(Lohnersatzquote im 2. und 3. Jahr einer Arbeitslosigkeitsepisode) + 0,04*(Lohnersatzquote im 3. und 4. Jahr einer Arbeitslosigkeitsepisode)] / (Lohnersatzquote im 1. Jahr einer Arbeitslosigkeitsepisode). Quelle: Nickell et al. (2005, 5, 7)
Auf die Bedeutung mehr oder minder geschlossener und abgegrenzter Beschäftigungsbereiche für das Verständnis von Arbeitsmarktprozessen verweisen die verschiedenen Segmentationstheorien. Ein Beispiel hierfür sind innerbetriebliche Arbeitsmärkte, zu denen externe Arbeitskräfte nur auf genau definierten Einstiegspositionen Zutritt haben (Doeringer, Piore 1971, Sengenberger 1987). Arbeitskräfte, die – zumeist im jüngeren Alter – den Einstieg in einen dieser betrieblichen Arbeitsmärkte geschafft haben, stehen vielfach nicht in Konkurrenz zu externen Arbeitskräften. Eine solche Segmentierung kann erstens durch das Vorhandensein betriebsspezifischer Qualifikationen (Humankapitalansätze) erklärt werden. Entsprechend dem Spezifitätsargument der Transaktionskostenansätze steigern betrieblich passgerechte Qualifikationen den Nutzen der Arbeitskräfte für das Unternehmen. Zugleich ist derart qualifizierten Beschäftigten der Wechsel in andere Unternehmen erschwert. Zweitens sind Unternehmen bereit, überdurchschnittliche (Effizienz-)Löhne zu zahlen, um sich die Folgebereitschaft und Loyalität der Beschäftigten zu erhalten bzw. um „Shirking“ zu vermeiden. Drittens können Arbeitskräfte auf der Basis ihrer Qualifikationen oder ihres Kooperationsverhaltens und unterstützt durch Gewerkschaften lukrative Arbeitsplätze monopolisieren und sich der Lohnkonkurrenz betriebsexterner Arbeitskräfte entziehen (Insider-Outsider-Ansätze). In Abhängigkeit von den Produktionsstrukturen und organisatorischen und institutionellen Rahmenbedingungen ist zu erwarten, dass sich länderspezifische Unterschiede in der Geschlossenheit solcher betrieblicher Arbeitsmärkte herausbilden. Die im Vergleich hohe betriebliche Beschäftigungsstabilität in Deutschland geht einher mit geminderten Zugangsmöglichkeiten in gesicherte betriebliche Positionen. Auch vor diesem Hin-
125
Gerechtigkeitsurteile im internationalen Vergleich
tergrund ist zu erwarten, dass Kündigungen, und hier insbesondere von spezifisch qualifizierten Arbeitskräften, in Deutschland im Durchschnitt als ungerechter wahrgenommen werden als in den USA. Relevant für die Fairnesseinschätzung von Entlassungen kann auch die Fallback-Position der Entlassenen sein. Besondere Beachtung verdient hier sicherlich die Höhe der Arbeitslosenquote. Die Arbeitslosenquote ist in den USA deutlich niedriger als in Kanada und Deutschland (Tabelle 21), wo wiederum die Arbeitslosenquoten in Ostdeutschland etwa doppelt so hoch sind wie in Westdeutschland. Einerseits lässt sich vermuten, dass Arbeitnehmer Kündigungen oder Lohnkürzungen bei hoher Arbeitslosigkeit als ungerechter bewerten als bei einer weniger angespannten Arbeitsmarktsituation: Je höher die regionale Arbeitslosenquote ist, desto unwahrscheinlicher ist es, zeitnah einen neuen Arbeitsplatz mit vergleichbaren Arbeitsplatzbedingungen zu finden. Dem entgegenstehen mag jedoch ein Gewöhnungseffekt in Bezug auf Kündigungen und Lohnkürzungen, wenn die Arbeitslosenquote bereits seit einiger Zeit auf einem hohen Niveau verharrt. Tabelle 21: OECD-standardisierte Arbeitslosenquoten und Anteil der Langzeitarbeitslosen 1995-2003 OECD-standardisierte Arbeitslosenquote
Anteil der Langzeitarbeitslosen (länger als 12 Monate)
Jahr
USA
Kanada
Deutschland
USA
Kanada
Deutschland
1995
5,6
9,6
8,0
9,7
14,1
48,7
1996
5,4
9,7
8,6
9,5
13,9
47,8
1997
4,9
9,2
9,2
8,7
12,5
50,1
1998
4,5
8,4
8,8
8,0
10,1
52,2
1999
4,2
7,6
7,9
6,8
11,6
51,7
2000
4,0
6,8
7,2
6,0
11,2
51,5
2001
4,7
7,2
7,4
6,1
9,5
50,4
2002
5,8
7,7
8,2
8,5
9,6
47,9
2003
6,0
7,6
9,1
11,8
10,0
50,0
2004
5,5
7,2
9,5
12,7
9,5
51,8
Quelle: OECD Employment-Outlook 1999-2005.
Von Bedeutung kann weiterhin die Struktur der Arbeitslosigkeit sein – sind alle Erwerbstätigen mehr oder weniger gleichermaßen von Arbeitslosigkeit bedroht, bzw. welche Gruppen sind durch besondere Risiken und Langzeitarbeitslosigkeit
126
Gesine Stephan, Olaf Struck
gekennzeichnet? In Deutschland liegt der Anteil Langzeitarbeitsloser mit etwa 50% deutlich höher als in den USA mit etwa 10%. Damit konzentrieren sich die Probleme, einen Arbeitsplatz zu finden, in Deutschland vor allem auf bestimmte Arbeitnehmergruppen, insbesondere Unqualifizierte und ältere Arbeitnehmer. Dies kann wiederum implizieren, dass auch in einer Situation hoher Arbeitslosigkeit lediglich die überproportional betroffenen Arbeitnehmergruppen Entlassungen und Lohnkürzungen als ungerecht empfinden. Auch die Absicherung bei Arbeitslosigkeit unterscheidet sich zwischen den verglichenen Ländern. An dieser Stelle soll nur kurz angemerkt werden, dass in den USA die Leistungen geringer und die Anspruchsberechtigung kürzer sind als in Deutschland (Tabelle 20). Jedoch wurde zum Befragungszeitpunkt auch in Deutschland eine Absenkung des Anspruches auf Lohnersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit diskutiert. Mit Inkrafttreten des SGB II zum 1.1.2005 hat sich die Absicherung von Langzeitarbeitslosen dann auch deutlich verschlechtert. Insgesamt lässt sich in Hinsicht auf den Einfluss der Arbeitsmarktsituation damit keine eindeutige Vorhersage treffen. Vor dem Hintergrund dieser länderspezifischen institutionellen Regelungen und Strukturmerkmale erwarten wir insgesamt, dass sich länderspezifisch unterschiedliche Ansprüche etablieren. Diese gehen wiederum mit psychologischen Verträgen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern einher, die durch regional unterschiedliche Niveaus und Inhalte gekennzeichnet sind. Höhere Wiederbeschäftigungschancen und Übergangsmobilitäten auf dem Arbeitsmarkt sowie ein geringerer Grad an sozialer Sicherheit in den USA und teilweise in Kanada lassen erwarten, dass Kündigungen und Lohnkürzungen tendenziell als gerechter wahrgenommen werden als in Deutschland. Allerdings konnten Charness und Levine (2000, 2002) bei ihrem Vergleich zwischen dem Silicon Valley und Kanada kaum länderspezifische Unterschiede in den Einschätzungen von Entlassungen und Lohnkürzungen feststellen. Unter Berücksichtigung dieses Ergebnisses und auf Basis der vorangegangenen Überlegungen lässt sich damit die folgende Hypothese formulieren: Die allgemeine Akzeptanz betriebsbedingter Kündigungen sowie von Lohnkürzungen ist aufgrund institutioneller und struktureller Faktoren in Deutschland geringer als in Kanada und den USA. Dies begründet sich in Hinsicht auf Entlassungen vor allem durch das gesetzlich fixierte Ultima-Ratio-Prinzip bei Einzelkündigungen. In Hinsicht auf Lohnkürzungen begründet sich eine geringere Akzeptanzerwartung in Deutschland vor allem durch die vergleichsweise stärker institutionalisierten Verfahren der Lohnsetzung.
Gerechtigkeitsurteile im internationalen Vergleich
127
7.2 Empirische Ergebnisse Der Ländervergleich basiert auf einem Vergleich der Befragungsergebnisse für Deutschland mit den Resultaten von Charness und Levine (2000, 2002). Diese befragten im Rahmen eines Quasi-Experiments telefonisch 950 Arbeitnehmer in Kanada (Vancouver und Toronto, März bis September 1997) und 1059 Arbeitnehmer in den USA (Silicon Valley/ Kalifornien, Oktober 1997 bis März 1998). Bei der Erstellung unseres Fragebogens wurde auf vergleichbare Formulierungen großer Wert gelegt. Nicht vermeidbare Unschärfen bei der Übersetzung bewirken aber sicherlich, dass keine vollständig übereinstimmende Interpretation der Befragten vorausgesetzt werden kann. In Hinsicht auf die Fallzahlen gilt, dass den Analysen der Szenarien von Charness und Levine jeweils etwa 130 Beobachtungen für die USA sowie Kanada zugrunde liegen, während für Deutschland pro Szenario jeweils etwa 300 Beobachtungen zur Verfügung stehen. Die Ergebnisse der Kündigungsszenarien von Charness und Levine wurden der Häufigkeitstabelle im Anhang ihres Beitrags (2000, 397f.) entnommen. Für den Ländervergleich wurde dann ein einfacher einseitiger t-Test zum Vergleich der resultierenden Mittelwerte durchgeführt. Gegenübergestellt werden die Mittelwerte für die USA, Kanada und Gesamtdeutschland. Anzumerken ist, bei einer Anzahl der von uns erfragten Entlassungsszenarien konnte keine Zuordnung zu den Szenarien von Charness und Levine (2000) vorgenommen werden; umgekehrt wurde auch zu einigen Charness und Levine Szenarien kein entsprechendes Statement erfragt. Für einen Vergleich der Lohnkürzungsszenarien wird auf Charness und Levine (2002, 298) zurückgegriffen, die den Anteil der Personen ausweisen, die ein Szenario als „gerecht“ bezeichnen. Zu dieser Kategorie werden in ihrer – und entsprechend auch in unserer – Erhebung die Antworten „sehr gerecht“ und „mehr oder weniger gerecht“ zusammengefasst. Für einen Vergleich kann hier ebenfalls ein einseitiger t-Test auf Gleichheit der Mittelwerte herangezogen werden. Aufgrund der Kodierung als Dummyvariable fallen die Mittelwerte allerdings entsprechend geringer aus als bei den Entlassungsszenarien. Generell gilt, dass ein Szenarienvergleich zwischen West- und Ostdeutschland nur sehr geringe Unterschiede erkennen lässt. Dies trifft ebenfalls zu, wenn zur Abgrenzung zwischen Ost- und Westdeutschland die Erhebungsregion herangezogen wird. Die hier vernachlässigbaren Ost-Westdifferenzen sind vermutlich als ein Hinweis auf die Bedeutung gleicher rechtlicher Verfahrensregeln und sozialversicherungsrechtlicher Sicherungsstandards sowie insgesamt gesunkener Chancen auf eine Wiedereinstellung infolge einer Entlassung zu interpretieren. Vor diesem Hintergrund scheinen innerdeutsche regionale Kontexte – wie um-
128
Gesine Stephan, Olaf Struck
fängliche Lohnsenkungen oder geringere Einflussmöglichkeiten von Betriebsräten in Ostdeutschland – eher wenig Erklärungskraft aufzuweisen (zu den Ergebnissen von Ost-West-Vergleichen siehe auch die vorherigen Kapitel 3 und 6). In der Überblicksdarstellung der Ergebnisse sind in Tabelle 22 zunächst die Mittelwerte der vergleichbaren Entlassungsszenarien für die einzelnen Länder, die Mittelwertdifferenzen und deren Signifikanzen im Überblick dokumentiert. Hinsichtlich der Größenordnungen der Mittelwerte und Mittelwertdifferenzen ist zu berücksichtigen, dass bei den Entlassungsszenarien die Bewertungen Werte von 0 (sehr ungerecht) bis 3 (sehr gerecht) annehmen können, während in den Lohnkürzungsszenarien nur noch zwischen 0 (nicht gerecht) und 1 (gerecht) unterschieden wird. Der Blick in die USA und Kanada zeigt zunächst, auch in den USA und Kanada herrscht eine kritische Einstellung gegenüber Entlassungen und Lohnkürzungen vor. Offensichtlich halten auch nordamerikanische Erwerbstätige in Bezug auf den Arbeitsvertrag ungeachtet der real hohen Arbeitsmarktflexibilität und des liberalen Grundkonsenses in der Gesellschaft an den „alten“ organisationsbezogenen Gerechtigkeitsideologien fest. Diese Befunde aus den Erhebungen von Levine et al. (2002) sind umso erstaunlicher als sie keine grundlegenden Veränderungen gegenüber den Erstbefragungen von Kahneman, Knetsch und Thaler in den 1970er Jahren erkennen lassen. Die Gegenüberstellung der Mittelwerte für Kanada, USA und Deutschland verdeutlicht dann, dass entsprechend unserer Erwartungen bei der Mehrzahl der Szenarien in Deutschland eine noch kritischere Einstellung gegenüber Entlassungen und Lohnkürzungen vorherrscht.
129
Gerechtigkeitsurteile im internationalen Vergleich Tabelle 22: Mittelwerte, Mittelwertdifferenzen und Signifikanzen der vergleichbaren Szenarien im Überblick Mittelwert Entlassungsszenarien 1.1 Verbesserungsvorschläge, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, sanfte Kündigung. 1.2 Allgemeiner Absatzeinbruch, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte Kündigung, Verzicht Erfolgsprämie 1.3 Neue Produktionstechnologie, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, sanfte Kündigung 2.3 Allgemeiner Absatzeinbruch, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte Kündigung 3.2 Allgemeiner Absatzeinbruch, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte K., Erfolgsprämie für Kostensenkung 4.3 Neue Produktionstechnologie, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte Kündigung 5.2 Neue Produktionstechnologie, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte Kündigung, Erfolgsprämie für Kostensenkung 5.3 Allgemeiner Absatzeinbruch, Produktionsarbeiter, 10 Jahre, allgemeines Humankapital, harte Kündigung 7.1 Allgemeiner Absatzeinbruch, Ingenieure, 10 Jahre, allgemeines Humankapital, harte Kündigung 8.3 Allgemeiner Absatzeinbruch, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, sanfte Kündigung 10.1 Verbesserungsvorschläge, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte Kündigung 10.2 Allgemeiner Absatzeinbruch, Produktionsarbeiter, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte Kündigung 10.3 Neue Produktionstechnologie, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte Kündigung, Verzicht Erfolgsprämie
Mittelwertdifferenz
USA
Kanada
Deutschland
USA/ Deutschland
Kanada/ Deutschland
1,82
2,05
1,45
0,37***
0,60***
1,41
-
1,24
0,17*
-
2,30
2,25
1,48
0,82***
0,77***
0,98
0,92
1,14
-0,16*
-0,22**
0,90
-
0,84
0,06
-
1,03
0,93
0,83
0,19*
0,10
0,91
-
0,65
0,26***
-
1,18
-
1,39
-0,21**
-
1,14
-
1,47
-0,33***
-
2,12
2,55
1,72
0,40***
0,83***
0,96
0,69
0,91
0,05
-0,22**
1,15
1,07
1,21
-0,06
-0,14*
1,54
-
1,15
0,39***
-
130
Gesine Stephan, Olaf Struck Mittelwert
Mittelwertdifferenz
Lohnkürzungsszenarien
USA
Kanada
Deutschland
2.1 Kleines Unternehmen, Umsätze steigen langsamer, Lohnsenkung um 10 %
0,39
0,28
0,32
2.2 Copy-Shop, zufriedenstellende Geschäftssituation, steigende Arbeitslosigkeit, 0,67 0,76 0,29 Nachfolger erhält 7 statt 5,50 Euro 3.1 Kleines Unternehmen, hohe Arbeitslosigkeit, Unternehmen macht Gewinne, Lohn0,37 0,24 0,31 senkung um 5 % 4.1 Copy-Shop, zufriedenstellende Geschäftssituation, steigende Arbeitslosigkeit, 0,33 0,37 0,16 Lohnsenkung von 7 auf 5,50 Euro 4.2 Kleines Unternehmen, hohe Arbeitslosigkeit, Unternehmen macht Verluste, Lohn0,73 0,66 0,55 senkung um 5 % 5.2 Kleines Unternehmen, Umsätze steigen langsamer, Streichung bisheriger Erfolgs0,59 0,56 0,66 prämie von 10% Einseitiger t-Test, Signifikanzniveau: *) pt = 0,05, **) pt = 0,01, ***) pt = 0,001
USA/ Deutschland
Kanada/ Deutschland
0,07
-0,04
0,38***
0,47***
0,06
-0,07
0,18***
0,21***
0,17***
0,11*
-0,07
-0,10*
7.2.1 Entlassungsszenarien Gerechtigkeitseinschätzungen bei variierenden Entlassungsursachen und Arten der Kündigung vergleicht zunächst Tabelle 23. Gegenübergestellt werden Kündigungen aufgrund eines allgemeinen Absatzeinbruches, der das wirtschaftliche Überleben des Unternehmens bedroht, aufgrund einer Produktivitätssteigerung durch die Einführung einer neuen Produktionstechnologie sowie aufgrund einer Produktivitätssteigerung durch Verbesserungsvorschläge aus der Belegschaft. Bei „harten“ Kündigungen erfüllt das Unternehmen lediglich gesetzliche Mindeststandards, „sanfte Kündigungen“ werden von Abfindungszahlungen und von Outplacement-Beratungen begleitet. Harte Kündigungen werden – unabhängig von der Kündigungsursache – in allen drei Ländern eher als unfair beurteilt. Dagegen variiert die Beurteilung von sanften Kündigungen in Abhängigkeit von der Kündigungsursache zwischen den drei Ländern erheblich. In den USA und Kanada werden bei sanften Kündigungen insbesondere Entlassungen infolge der Einführung einer neuen Produktionstechnologie als gerecht beurteilt. Dieses Ergebnis werten bereits Charness und Levine (2000) als erstaunlich. In Deutschland ist ein allgemeiner Absatzeinbruch hingegen die Ursachenvariante, die am ehesten als gerecht akzeptiert wird.
131
Gerechtigkeitsurteile im internationalen Vergleich
Tabelle 23: Mittelwertdifferenzen und t-Test auf Gleichheit der Mittelwerte nach Entlassungsursache und Kündigungsform Mittelwert Kurzbeschreibung Szenarien 2.3. Allgemeiner Absatzeinbruch, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte Kündigung 8.3 Allgemeiner Absatzeinbruch, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, sanfte Kündigung 4.3 Neue Produktionstechnologie, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte Kündigung 1.3 Neue Produktionstechnologie, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, sanfte Kündigung
Mittelwertdifferenz USA/ Deutschland
Kanada/ Deutschland
USA
Kanada
Deutschland
0,98
0,92
1,14
-0,16*
-0,22**
2,12
2,55
1,72
0,40***
0,83***
1,03
0,93
0,83
0,19*
0,10
2,30
2,25
1,48
0,82***
0,77***
0,05
-0,22**
0,37***
0,60***
10.1 Verbesserungsvorschläge, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches 0,96 0,69 0,91 Humankapital, harte Kündigung 1.1 Verbesserungsvorschläge, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Hu1,82 2,05 1,45 mankapital, sanfte Kündigung. Einseitiger t-Test, Signifikanzniveau: *) pt = 0,05, **) pt = 0,01, ***) pt = 0,001
Ein Blick auf die Mittelwertdifferenzen zeigt, dass der Unterschied in den Gerechtigkeitseinschätzungen zwischen den USA und Kanada sowie Deutschland bei sanften Kündigungen deutlich höher ausfällt als bei harten Kündigungen. In den USA und Kanada werden Entlassungen mit einer weichen Kündigung für alle genannten Ursachen als signifikant gerechter empfunden als in Deutschland. Hier spiegelt sich wider, dass Kündigungen in Deutschland grundsätzlich eher als ungerecht empfunden werden. Besonders deutlich ist der Unterschied zwischen den USA und Deutschland, wenn die Entlassungen Folge der Einführung einer neuen Produktionstechnologie sind. Bei harten Kündigungen gilt das obige Prinzip nicht durchgängig. Harte Kündigungen aufgrund eines Absatzeinbruchs werden – wie zuvor erwähnt – in den USA und Kanada sogar als ungerechter eingeschätzt als in Deutschland. Mögliche Ursachen sind die in den USA schlechtere soziale Absicherung bei Arbeitslosigkeit und ein weitgehendes Fehlen sozialer Kündigungsschutzklauseln. Tabelle 24 stellt die Differenzen in den Gerechtigkeitseinschätzungen nach Spezifität des Humankapitals und nach der Gruppe der Betroffenen gegenüber. Einerseits geht es um die Entlassung von Spezialisten für eine Produktionstechnik, die in anderen Unternehmen selten eingesetzt wird, andererseits um die Ent-
132
Gesine Stephan, Olaf Struck
lassung von Beschäftigten, die die am Arbeitsplatz erworbenen Kenntnisse auch in anderen Unternehmen einsetzen können. Verglichen werden weiterhin die Entlassungen von Ingenieuren und Produktionsarbeitern. Tabelle 24: Mittelwertdifferenzen und t-Test auf Gleichheit der Mittelwerte nach Betroffenen und Art des Humankapitals Mittelwert Kurzbeschreibung Szenarien 2.3 Allgemeiner Absatzeinbruch, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte Kündigung 10.2 Allgemeiner Absatzeinbruch, Produktionsarbeiter, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte Kündigung
Mittelwertdifferenz USA/ Deutschland
Kanada/ Deutschland
USA
Kanada
Deutschland
0,98
0,92
1,14
-0,16*
-0,22**
1,15
1,07
1,21
-0,06
-0,14*
-0,33***
-
-0,21**
-
7.1 Allgemeiner Absatzeinbruch, Ingenieure, 10 Jahre, allgemeines Human1,14 1,47 kapital, harte Kündigung 5.3 Allgemeiner Absatzeinbruch, Produktionsarbeiter, 10 Jahre, allgemeines 1,18 1,39 Humankapital, harte Kündigung Einseitiger t-Test, Signifikanzniveau: *) pt = 0,05, **) pt = 0,01, ***) pt = 0,001
Festzuhalten ist, dass es in den USA und Kanada offensichtlich wenig Unterschied macht, ob Arbeitnehmer mit allgemeinem oder spezifischem Humankapital gekündigt werden, während in Deutschland Entlassungen bei allgemeinem Humankapital als weniger kritisch angesehen werden. In der Folge fällt auch der Unterschied zwischen den Ländern höher aus, wenn es sich um Arbeitnehmer mit allgemeinem Humankapital handelt, als wenn Arbeitnehmer mit spezifischem Humankapital betroffen sind. Dieses Ergebnis könnte auf die in Deutschland vergleichsweise niedrigeren Wiederbeschäftigungschancen – aufgrund hoher Arbeitslosigkeit und relativ geschlossener betriebsinterner Arbeitsmärkte – firmenspezifisch qualifizierter Arbeitnehmer zurückzuführen sein. Weiterhin zeigt Tabelle 24, die Gerechtigkeitseinschätzung ändert sich kaum, wenn anstelle von Ingenieuren Produktionsarbeiter entlassen werden. Der Unterschied in den Gerechtigkeitseinschätzungen zwischen den USA bzw. Kanada und Deutschland fällt bei der Kündigung von Ingenieuren – deren berufliche Profession in Deutschland eine vergleichsweise hohe Anerkennung genießt – jedoch etwas stärker aus als bei Kündigungen von Produktionsarbeitern. Von Interesse ist schließlich, ob eine Gewährung oder Ablehnung von Erfolgsprämien im Vergleich der untersuchten Länder unterschiedliche Gerechtig-
133
Gerechtigkeitsurteile im internationalen Vergleich
keitsbewertungen impliziert. Entsprechende Vergleichswerte liegen nur für die USA, aber nicht für Kanada, vor und sind in Tabelle 25 dokumentiert. Generell werden Kündigungen unter Verzicht des Managements auf Erfolgsprämiezahlungen als deutlich fairer angesehen als im Referenzszenario ohne Erwähnung von Erfolgsprämienzahlungen, welche aber wieder als geringfügig gerechter eingeschätzt werden als Kündigungen, in denen die Geschäftsleitung eine Erfolgsprämie für erfolgreiche Kostensenkung annimmt. Die Mittelwertdifferenzen zwischen den Ländern zeigen jedoch, dass der Verzicht auf eine Erfolgsprämie in den USA zu einer deutlich „besseren“ Bewertung von Entlassungen führt als in Deutschland. Im Gegenzug wird aber auch die Annahme einer Erfolgsprämie in den USA weniger negativ bewertet als in Deutschland. Insgesamt sind die Unterschiede zwischen den USA und Deutschland größer, wenn die Ursache der Kündigungen die Einführung einer neuen Produktionstechnologie ist, als wenn die Kündigungen aufgrund eines externen Absatzeinbruches erfolgen. Tabelle 25: Mittelwertdifferenzen und t-Test auf Gleichheit der Mittelwerte nach der Gewährung bzw. Annahme von Erfolgsprämien Mittelwert
Differenz USA/ Deutschland
Kurzbeschreibung Szenarien
USA
Deutschland
2.3 Allgemeiner Absatzeinbruch, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte Kündigung
0,98
1,14
-0,16*
1,41
1,24
0,17*
0,90
0,84
0,06
1,03
0,83
0,19*
1,54
1,15
0,39***
0,91
0,65
0,26***
1.2 Allgemeiner Absatzeinbruch, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte Kündigung, Verzicht auf Erfolgsprämie 3.2 Allgemeiner Absatzeinbruch, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte K., Erfolgsprämie für Kostensenkung 4.3 Neue Produktionstechnologie, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte Kündigung 10.3 Neue Produktionstechnologie, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte Kündigung, Verzicht auf Erfolgsprämie 5.2 Neue Produktionstechnologie, Ingenieure, 10 Jahre, spezifisches Humankapital, harte K., Erfolgsprämie für Kostensenkung
Einseitiger t-Test, Signifikanzniveau: *) pt = 0,05, **) pt = 0,01, ***) pt = 0,001
Dieses Ergebnis deutet an, dass der Unternehmensleitung in Deutschland eine vergleichsweise geringere Verantwortung für Erfolge wie auch für Misserfolge zugeschrieben wird als in den USA. Hierin drückt sich möglicherweise ein Kooperationsverständnis aus, das verantwortliche Leistungen nicht nur des Mana-
134
Gesine Stephan, Olaf Struck
gements, sondern der gesamten Belegschaft in Deutschland in deutlicherem Maße in den Vordergrund rückt als in den USA. Korrespondierend mit diesem Engagement und Leistungsverständnis wird dann u.a. Beschäftigungssicherheit verlangt und seitens der Unternehmensleitungen vielfach auch gewährt. Als Ausdruck dessen können dann die in Deutschland vergleichsweise hohe Bedeutung geschlossener betrieblicher Arbeitsmärkte und die häufig langfristigen Beschäftigungsbeziehungen angesehen werden. Kommt es allerdings zum Bruch solch impliziter Vereinbarungen, dann werden sie in höherem Maße als ungerecht wahrgenommen. Dies gilt umso mehr, als vor dem Hintergrund vergleichsweise geschlossener Arbeitsmärkte bei hoher Arbeitslosigkeit geringe Aussichten auf eine der Qualifikation angemessene Wiederbeschäftigung bestehen. 7.2.2 Lohnkürzungsszenarien Im nächsten Schritt werden Lohnkürzungsszenarien untersucht. Dabei werden in Tabelle 26 zunächst Szenarien gegenübergestellt, die nach der Gerechtigkeit einer Lohnsenkung im Kontext hoher regionaler Arbeitslosigkeit fragen: Ergeben sich Unterschiede, wenn Unternehmen Verluste oder Gewinne tätigen? In allen drei Ländern zeigt sich deutlich, dass eine Entgeltkürzung als wesentlich gerechter eingeschätzt wird, wenn sich das Unternehmen in einer Verlustsituation – und nicht in einer Gewinnsituation – befindet. Dieses Ergebnis findet sich für Kanada bereits bei Kahnemann, Knetsch und Thaler (1986). Ihre Interpretation ist, dass es als gerecht empfunden wird, wenn Firmen sich – auch auf Kosten ihrer Transaktionspartner – vor Verlusten schützen, wobei jedoch dasselbe Verhalten bei Gewinnen nicht akzeptiert wird. Tabelle 26: Mittelwertdifferenz und t-Test auf Gleichheit der Mittelwerte nach der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens Mittelwert Kurzbeschreibung Szenarien
USA
Kanada
Mittelwertdifferenz Deutschland
5.2 Kleines Unternehmen, hohe Ar0,73 0,66 0,55 beitslosigkeit, Unternehmen macht Verluste, Lohnsenkung um 5 % 3.1 Kleines Unternehmen, hohe Arbeitslosigkeit, Unternehmen macht 0,37 0,24 0,31 Gewinne, Lohnsenkung um 5 % Einseitiger t-Test, Signifikanzniveau: *) pt = 0,05, **) pt = 0,01, ***) pt = 0,001
USA/ Deutschland
Kanada/ Deutschland
0,17***
0,11*
0,06
-0,07
135
Gerechtigkeitsurteile im internationalen Vergleich
Weiterhin zeigt der Vergleich der länderspezifischen Mittelwerte, dass in Deutschland Lohnsenkungen infolge von Verlusten des Unternehmens als signifikant ungerechter eingeschätzt werden als in den USA und Kanada. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass in Deutschland die Lohnsetzung stark durch kollektive Verhandlungen geprägt ist, und Lohnkürzungen ein eher ungewohntes Phänomen darstellen (Pfeiffer 2003). In Tabelle 27 wird verglichen, inwieweit Lohnkürzungen für bereits länger beschäftigte Arbeitnehmer anders wahrgenommen werden als die Zahlung entsprechend gekürzter Löhne bei Neueinstellungen – also von der Seniorität abhängen. Im Ergebnis zeigt sich, die Einstellung eines Nachfolgers zu einem gekürzten Lohn wird in allen drei Ländern als deutlich gerechter wahrgenommen als eine Lohnsenkung bei Mitarbeitern mit Seniorität. Kahneman, Knetsch und Thaler (1986) interpretieren ein entsprechendes Ergebnis im Sinne von Ansprüchen, die im Laufe eines Beschäftigungsverhältnisses erworben werden, die jedoch nicht automatisch auf Arbeitsverhältnisse neuer Beschäftigter übertragen werden. Tabelle 27: Mittelwertdifferenz und t-Test auf Gleichheit der Mittelwerte nach Seniorität der Betroffenen Mittelwert Kurzbeschreibung Szenarien 4.1 Copy-Shop, zufriedenstellende Geschäftssituation, steigende Arbeitslosigkeit, Lohnsenkung von 7 auf 5,50 Euro 2.2 Copy-Shop, zufriedenstellende Geschäftssituation, steigende Arbeitslosigkeit, Nachfolger erhält 7 statt 5,50 Euro
Mittelwertdifferenz
USA
Kanada
Deutschland
USA/ Deutschland
Kanada/ Deutschland
0,33
0,37
0,16
0,18***
0,21***
0,67
0,76
0,29
0,38***
0,47***
Einseitiger t-Test, Signifikanzniveau: *) pt = 0,05, **) pt = 0,01, ***) pt = 0,001
Diese Ansprüche scheinen in den USA und Kanada allerdings in geringerem Maße ausgeprägt zu sein als in Deutschland: Ein Einschnitt beim Arbeitsentgelt wird in den USA und Kanada generell eher akzeptiert als in Deutschland. Der Unterschied ist sowohl bei Kürzungen für bereits beschäftigte Arbeitnehmer signifikant und steigt nochmals an, wenn es um die Entlohnung eines Nachfolgers geht. Wiederum kann dies als Hinweis darauf gewertet werden, dass institutionelle Pfadabhängigkeiten der Lohnsetzung in Deutschland andere Gerechtigkeitserwartungen auslösen als in den USA und Kanada.
136
Gesine Stephan, Olaf Struck
Tabelle 28: Mittelwertdifferenz und t-Test auf Gleichheit der Mittelwerte nach Art der Entgeltkürzung Mittelwert Kurzbeschreibung Szenarien 2.1 Kleines Unternehmen, Umsätze steigen langsamer, Lohnsenkung um 10 % 5.2 Kleines Unternehmen, Umsätze steigen langsamer, Streichung bisheriger Erfolgsprämie von 10%
Mittelwertdifferenz USA/ Deutschland
Kanada/ Deutschland
USA
Kanada
Deutschland
0,39
0,28
0,32
0,07
-0,04
0,59
0,56
0,66
-0,07
-0,10*
Einseitiger t-Test, Signifikanzniveau: *) pt = 0,05, **) pt = 0,01, ***) pt = 0,001
Abschließend wird gefragt: Spielt es eine Rolle, ob Entgeltkürzungen durch eine Lohnsenkung oder die Streichung einer jährlichen Erfolgsprämie erfolgen? Tabelle 28 verdeutlicht, dass dies sowohl in den USA und in Kanada als auch in Deutschland der Fall ist – die Streichung der Erfolgsprämie wird in allen drei Ländern als gerechter wahrgenommen. Diese Bedeutung des „Framing“ von im Endeffekt gleichen Ergebnissen konnten bereits Kahneman, Knetsch und Thaler (1986) nachweisen. Im Vergleich der Länder wirkt sich das „Framing“ als Erfolgsprämienstreichung in Deutschland in noch stärkerem Ausmaß aus als in den USA und Kanada. Ein Grund hierfür mag sein, dass Erfolgsprämien in den USA und Kanada eine gewichtigere Rolle spielen als in Deutschland. 7.3 Zwischenfazit Charness und Levine (2000, 2002) heben als ein wesentliches Ergebnis ihrer Studien hervor, Kündigungen und Entlassungen werden auch in den USA in wesentlich geringerem Ausmaß akzeptiert, als in Zeiten eines Wandels hin vom „alten“ zum „neuen“ Arbeitsvertrag zu erwarten gewesen wäre. Insofern weisen die Ergebnisse für die USA, Kanada und Deutschland in eine gemeinsame Richtung. Ein zentrales Ergebnis des Vergleichs ist aber auch, dass Kündigungen in Deutschland bei der Mehrzahl der überprüften Szenarien als weniger gerecht beurteilt werden als das in den USA und in Kanada der Fall ist. Im Einzelnen zeigt sich dabei:
Harte Kündigungen werden sowohl in Deutschland als auch in den USA als wenig gerecht eingestuft – dies gilt unabhängig von der Kündigungsursache. Sanfte im Vergleich zu harten Kündigungen haben in den USA und
Gerechtigkeitsurteile im internationalen Vergleich
137
Kanada jedoch einen deutlich stärkeren Effekt auf die Wahrnehmung als „gerecht“ als in Deutschland. Dies mag zum Teil auf die in den USA schlechtere soziale Absicherung bei Arbeitslosigkeit zurückzuführen sein, zum Teil darauf, dass in den USA das Bedürftigkeitsprinzip – im Gegensatz zu Deutschland – bei Kündigungen im Regelfall keine Anwendung findet. Kündigungen von Arbeitnehmern mit allgemeinem Humankapital werden in Deutschland, aber nicht in den USA und Kanada, eher akzeptiert als Kündigungen von Arbeitnehmern mit spezifischem Humankapital. Eine mögliche Ursache hierfür kann eine stärkere Geschlossenheit betriebsinterner Arbeitsmärkte in Deutschland darstellen. Verbunden damit bestehen für Beschäftigte mit firmenspezifischem Humankapital vergleichsweise geringe Wiederbeschäftigungschancen und hohe Risiken von (Langzeit-)Arbeitslosigkeit, die von den Befragten antizipiert wurden. Ob Produktionsarbeiter oder Ingenieure entlassen werden, beeinflusst die Gerechtigkeitsbeurteilungen in allen drei Ländern nur in geringem Ausmaß. Sowohl in Deutschland als auch in den USA reduziert sich die Akzeptanz der Kündigungen geringfügig, wenn die Unternehmensleitung eine Erfolgsprämie für Kostensenkungen erhält, und erhöht sich signifikant bei der Ablehnung der Erfolgsprämie. In den USA wird der Verzicht jedoch noch positiver wahrgenommen als in Deutschland. Dies gilt vor allem, wenn die Entlassungen aufgrund der Einführung einer neuen Produktionstechnologie erfolgt sind.
Auch bei den untersuchten Lohnsenkungsszenarien zeigt sich in der Tendenz, dass entsprechende Einschnitte in den USA und Kanada eher akzeptiert werden als in Deutschland. Hervorzuheben sind folgende Einzelergebnisse:
Länderübergreifend werden Entgeltkürzungen eher dann als fair empfunden, wenn Unternehmen Verluste – und keine Gewinne – realisieren. Die Ursache einer Lohnkürzung spielt bei deren Beurteilung damit eine große Rolle. Ebenfalls als gerechter wahrgenommen wird in allen drei Ländern die Einstellung eines neuen Mitarbeiters zu einem gekürzten Lohn als eine entsprechende Lohnsenkung bei einem bereits länger beschäftigten Arbeitnehmer. Generell gilt jedoch, dass Lohnsenkungen auch bei Verlusten des Unternehmens und sowohl für Neueingestellte als auch für Beschäftigte mit Senioriät in Deutschland als ungerechter angesehen werden als in den USA und Kanada. Dies weist darauf hin, dass Beschäftigungsverhältnisse in Deutsch-
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Gesine Stephan, Olaf Struck land vergleichsweise stärkere Ansprüche und psychologische Verträge begründen. Schließlich gilt für alle drei Länder, die Streichung regelmäßig gezahlter Erfolgsprämien gilt als fairer als entsprechende Lohnsenkungen. Dabei wird die Streichung der Erfolgsprämie in Deutschland – vermutlich aufgrund ihrer geringeren Bedeutung – als gerechter eingeschätzt als in den Vergleichsländern.
Insgesamt lassen sich damit Differenzen in den Gerechtigkeitsbeurteilungen von Entlassungen und Lohnkürzungen zwischen den USA und Kanada auf der einen Seite und Deutschland auf der anderen Seite nachweisen. Diese länderspezifischen Differenzen gehen mit einer unterschiedlichen Ausgestaltung wichtiger Arbeitsmarktinstitutionen einher. Zu vermuten ist, dass länderspezifische Regulierungsstandards jeweils unterschiedliche explizite und implizite Rechte und Ansprüche sowie psychologische Verträge begründen.
8 Arbeit und Gerechtigkeit: Ein Fazit von Christoph Köhler, Gesine Stephan und Olaf Struck
Rationalisierung, Outsourcing und Standortverlagerung kennzeichnen zunehmend geringere Elastizitätsspielräume von Unternehmen. Ursache ist ein steigender Kostendruck durch internationalisierte Wirtschaftsprozesse. Erhöhte Transparenz bei Kapitalanlagen und verminderte Transaktionskosten im Informationen-, Güter- und Warentransfer befördern diesen Prozess. Eingewoben in diese Entwicklung versuchen Unternehmen ihre Wettbewerbsposition ständig zu verbessern. Neben dem Versuch der Produktivitätssteigerung und Leistungsintensivierung greifen sie immer wieder auch auf Strategien der Entlassung und Lohnsenkung zurück. Maßgabe ist die Kostensenkung. Allerdings wird dieses Ziel vielfach nicht erreicht. Ungeachtet intensiver Einsparungsmaßnahmen bleibt die Steigerung der Kapitalerträge hinter den Erwartungen zurück, nicht selten sinken sie sogar. An die Stelle einer angestrebten „win-win-Situation“, nach der nur ein „gesundes und schlagkräftiges“ Unternehmen Arbeitsplätze erhalten und schaffen sowie hohe Löhne zahlen kann, treten Verlusterfahrungen. Einbußen treffen dann Beschäftigte und Entlassene ebenso wie das Management und die Renditen langfristiger Anleger. Eine mögliche Erklärung für die unerwünschten Folgen sind negative Reaktionen der Beschäftigten (und mitunter auch der Kunden). Vor diesem Hintergrund einer sich schnell verändernden Arbeitswelt, die vielfach mit Lohnkürzungen (teilweise in Verbindung mit unentgeltlicher Arbeitszeitverlängerung), Beschäftigungsabbau und steigender numerischer Flexibilität von Beschäftigungsverhältnissen einhergeht, lautete unsere Ausgangsfrage: Ob und unter welchen Bedingungen werden derartige Veränderungen von unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen als gerecht wahrgenommen und inwieweit rufen sie innerbetriebliche Widerstände hervor? Einen Ausgangspunkt dieser Fragestellung bildet die Diskussion um den „neuen Arbeitsvertrag“, die seit den 1990er Jahren insbesondere in den USA geführt wird. Hier wurde durch die Medien, aber auch von Teilen der Wissenschaft das Ende des „alten Arbeitsvertrages“ ausgerufen. Dieser verspricht Beschäftigungssicherheit gegen hohe Arbeitsleistung. Im „neuen Arbeitsvertrag“ dagegen wird diesem Diskurs zufolge dieser implizite Kontrakt aufgekündigt: Beide Parteien bewerten die Gegenseite nach dem jeweiligen Markwert und lösen den
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Vertrag, wenn sich bessere Alternativen ergeben (Levine et al. 2002). Das Pendant zu dieser Debatte bildet in Deutschland die Diskussion um die Erosion des so genannten „Normalarbeitsverhältnisses“. Unsere Untersuchung konzentriert sich auf Entlassungen und Lohnkürzungen, weil sich hier die sozialen Risiken des Beschäftigungsverhältnisses zuspitzen. Sie fragt nach Gerechtigkeitsbewertungen, weil damit basale normative Orientierungen erfasst werden können, die hinter dem „psychologischen Arbeitsvertrag“ stehen. Damit knüpfen wir an verschiedene Forschungslinien der sozialphilosophischen und empirischen Gerechtigkeitsforschung an. Für unsere Fragestellung nach dem alten und neuen psychologischen Arbeitsvertrag können wir zwischen marktbezogenen und organisationsbezogenen Gerechtigkeitsideologien unterscheiden:
Der „neue Arbeitsvertrag“ wird mit dem Prinzip der marktbezogenen Tauschgerechtigkeit legitimiert. Unterstellt wird hier, dass beide Parteien aus freiem Willen und zu ihrem Vorteil den Tausch vereinbaren. Rechtliche Gleichheit und das Prinzip der Vertragsfreiheit, das heißt die Sicherheit eines gerechten Verfahrens, garantieren also die gerechte Verteilung. Neoklassische und neo-liberale Ansätze gehen darüber hinaus davon aus, dass der Tausch auch makroökonomisch und -sozial gerechte Ergebnisse generiert, da im Sinne des Effizienzprinzips Wohlfahrtssteigerungen erzielt werden, an der alle Bürger partizipieren. Bezogen auf unsere Fragestellung wären nach diesen Gerechtigkeitskriterien Kündigungen dann legitim, wenn sie einer der beiden Seiten zum Vorteil gereichen und aus freien Stücken erfolgen. Dies ist, wie im „neuen Arbeitsvertrag“ vorgesehen, dann der Fall, wenn Unternehmer ihre Wettbewerbs- und Gewinnsituation verbessern können oder Beschäftigte eine bessere Alternative auf dem Arbeitsmarkt haben. Innerhalb des „alten Arbeitsvertrages“ wird der Organisation eine hohe Verantwortung für die Allokation von Gewinnen und Verlusten zugeschrieben: Der „Arbeitgeber“ schützt den „Arbeitnehmer“ gegen die Marktrisiken und zahlt Löhne, während der „Arbeitnehmer“ seine Leistungsfähigkeit und -bereitschaft einzubringen hat. Dieser Tausch entspricht organisations- und verhandlungsbezogenen Gerechtigkeitskriterien. Beide Seiten geben entsprechend ihren Möglichkeiten, wobei im Allgemeinen das Beitragsprinzip (entsprechend der Equity Theory von Adams) und das Verantwortlichkeitsprinzip (entsprechend dem Accountability Principle nach Konow) in der Bewertung der Leistungen berücksichtigt werden. Der Bruch der Sicherheitszusagen bei betriebsbedingten Kündigungen kann dann als ungerecht
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bewertet werden, obwohl dies nach den Prinzipen des Marktes im Sinne der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und des Ertrags rational und gerechtfertigt ist. Die Frage ist, ob die organisationsbezogenen Gerechtigkeitsideologien des „alten Arbeitsvertrages“ oder des „Normalarbeitsverhältnisses“ angesichts realer oder „gefühlter“ Veränderungen noch Bestand haben. Dabei geht es insbesondere um die Frage, unter welchen Bedingungen Entlassungen und Lohnkürzungen als gerecht angesehen werden. Wenn es zutrifft, dass sich das Konzept des „neuen Arbeitsvertrages“ mehr und mehr durchsetzt, ist zu erwarten, dass die Bevölkerung insgesamt, oder Beschäftigte im Besonderen, betriebliche Anpassungen an die Marktsituation auch als gerecht akzeptieren. Eine kritische Bewertung wird dann erfolgen, wenn der alte Arbeitsvertrag eher den Gerechtigkeitserwartungen entspricht. Dahinter könnten auf das Unternehmen bezogene gesellschaftliche Standards der Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit stehen, die dem „opportunistischen“ marktrationalen Handeln widersprechen. Dabei kann es für Unternehmen kostspielig sein, implizite Kontrakte zu verletzen: Arbeitnehmer reagieren auf faires Verhalten des Managements positiv mit einer hohen Arbeitsleistung (z.B. Fehr et al. 1998). Entsprechend wird aber auch ein als ungerecht empfundenes Verhalten der Unternehmensleitung als Bruch eines impliziten Kontraktes interpretiert; in der Folge sind Motivations- und Leistungseinbrüche zu erwarten. Diese Problematik wurde von uns empirisch analysiert. Grundlage der Auswertungen ist eine telefonische Befragung von rund 3000 Personen im Alter zwischen 20 und 60 Jahren in West- und Ostdeutschland. Die vorherrschenden Gerechtigkeitsorientierungen in Bezug auf Lohn- und Personalanpassungen wurden dabei in drei Fragebatterien erfasst: Erstens zu hypothetischen Entlassungsund Lohnkürzungsszenarien; zweitens zu allgemeinen Statements über Personalpolitik; drittens zu eigenen Erfahrungen mit Entlassungen und Lohnkürzungen im Betrieb. Die Untersuchungsergebnisse sind – gemessen am öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs über Flexibilisierung und die Erosion des „Normalarbeitsverhältnisses“ oder des „alten“ Arbeitsvertrages – überraschend. Entlassungen und Lohnkürzungen werden von der großen Mehrheit der Befragten nicht nach marktbezogenen Gerechtigkeitskriterien eines neuen Arbeitsvertrags, sondern nach den organisationsbezogenen Gerechtigkeitskriterien des alten Arbeitsvertrages bewertet. Diesen zufolge soll der Arbeitgeber die Beschäftigten gegen die Marktrisiken absichern. Entlassungen und Lohnkürzungen sind aus dieser Sicht nur dann legitim, wenn sie wirtschaftlich unvermeidbar sind, also dem Überleben des Unternehmens und der Sicherung von Arbeitsplätzen dienen und sozial
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„abgefedert“ werden. Dabei zeigt sich, dass insbesondere die Prozessgestaltung die Wahrnehmung solcher betrieblicher Maßnahmen als gerecht oder ungerecht beeinflusst. Unternehmen verlangen von den Arbeitnehmern eine erhöhte Flexibilität, Mobilität, Innovation und Selbstverantwortung. Entspricht jedoch seinerseits ein Unternehmen nicht den Erwartungen der Beschäftigten und werden Verpflichtungen aus dem impliziten Arbeitsvertrag gebrochen, dann kann dies sowohl zu negativen Gerechtigkeitsurteilen als auch zu negativen Folgereaktionen führen. Konsequenterweise machen die Befragten ihre Gerechtigkeitsbewertung der Entlassungsszenarien von der Entlassungsursache, der Ausgestaltung der Kündigungen und des Kündigungsprozesses sowie von der Einhaltung distributiver Gerechtigkeitsprinzipien bei der Auswahl der Betroffenen abhängig. Auch im Hinblick auf die Szenarien, die Lohnkürzungen beschreiben, kann der Einfluss von Gerechtigkeitsstandards nachgewiesen werden. Einige Aspekte sollen an dieser Stelle noch einmal besonders hervorgehoben werden:
Entlassungsszenarien werden von den Befragten nur dann tatsächlich als gerecht wahrgenommen, wenn sie mit der Zahlung von Abfindungen und Outplacement-Beratungen verknüpft sind. In allen anderen Fällen variiert lediglich das Ausmaß, in dem Szenarien als mehr oder weniger ungerecht bewertet werden. Ein als angemessen wahrgenommenes Verhalten des Managements erhöht die Akzeptanz der Entlassungen in den Szenarien. So unterscheidet sich die Gerechtigkeitsbewertung von Szenarien mit internem oder externem Entlassungsgrund nicht, wenn die Unternehmensleitung auf ihre Erfolgsprämie in diesem Zusammenhang verzichtet. Die Analyse der Lohnkürzungsszenarien bestätigt die Annahme, dass Lohnanpassungen durch die hohe wahrgenommene Gerechtigkeit der bestehenden Lohnstrukturen restringiert sind. Zwar bewerten die Befragten die Gerechtigkeit einer Lohnkürzung in Abhängigkeit von der Unternehmenslage unterschiedlich; die Anpassung der bestehenden Löhne an den Marktlohn sowie allgemeine Lohnkürzungen werden jedoch insgesamt eher als ungerecht bewertet. Lohnkürzungen in Form der Streichung einer bisher an die Beschäftigten gezahlten Erfolgsprämie werden dagegen als eher gerecht bewertet.
Das Ergebnis der Szenarienanalyse, demzufolge Entlassungen und Lohnkürzungen in der deutschen Bevölkerung umso eher akzeptiert werden, je stärker sie Reziprozitäts- und Gerechtigkeitsgesichtspunkte berücksichtigen, kann auch
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durch die Analyse der eigenen betrieblichen Erfahrung erwerbstätiger Personen mit Entlassungen und Lohnkürzungen bestätigt werden. Hier sind es vor allem Vermeidungsstrategien, die die Akzeptanz erhöhen. Die Analyse der Gerechtigkeitswahrnehmung in Abhängigkeit vom Einfluss individueller und betrieblicher Merkmale zeigt vor allem drei wichtige Zusammenhänge auf:
Insbesondere die Akzeptanz von Beschäftigungsanpassungen ist bei Gewerkschaftsmitgliedern deutlich geringer als bei den übrigen Befragten. Die Akzeptanz von Entlassungen und Einkommenskürzungen ist in kleineren Betrieben höher als in den größeren Unternehmen. Die eigene Erwerbssituation hat einen signifikanten Einfluss auf die Gerechtigkeitswahrnehmung betrieblicher Anpassungsprozesse: So werden Entlassungen dann umso eher als gerecht wahrgenommen, wenn die eigenen Beschäftigungschancen als günstig eingeschätzt werden.
Im Hinblick auf Folgewirkungen betrieblicher Entlassungen und Lohnkürzungen zeigt die vorliegende Studie, dass insbesondere Lohnkürzungen, aber auch Entlassungen, häufig negative Reaktionen der (Weiter-)Beschäftigten mit sich bringen. Umgekehrt werden jedoch auch positive Reaktionen auf betriebliche Anpassungsprozesse berichtet. Entscheidend für die Akzeptanz ist hier vor allem, dass der Arbeitgeber aus Sicht der Beschäftigten versucht hat, diese Maßnahmen zu vermeiden. Auch eine Beteiligung der Belegschaft hat einen positiven Einfluss auf die Akzeptanz der Beschäftigten. Darüber hinaus konnte für Ostdeutschland ein positiver Zusammenhang zwischen als gerecht empfundenen Entlassungen und der Zustimmung zur weiteren Lockerung des allgemeinen Kündigungsschutzes aufgezeigt werden. Der internationale Vergleich zeigt, Kündigungen und Lohnkürzungen werden sowohl in den USA und Kanada als auch in Deutschland als eher ungerecht angesehen. Deutlich wird jedoch auch, dass entsprechende Maßnahmen werden in Deutschland als vergleichsweise ungerechter angesehen werden als in den USA und Kanada. Eine wichtige Ausnahme zeigt sich im Hinblick auf das erworbene Humankapital. Entlassungen von Arbeitnehmern mit allgemeinem Humankapital werden in Deutschland als gerechter bewertet als Entlassungen von Arbeitnehmern mit spezifischem Humankapital. Im Einzelnen lassen sich Differenzen zwischen den Ländern auch auf die unterschiedliche institutionelle Absicherung der Beschäftigten gegen Entlassungen zurückführen. Ein Beispiel dafür sind die deutlich stärkere Bedeutung von Abfindungszahlungen in den USA und Kanada und ihr positiver Einfluss auf die Akzeptanz betrieblicher Entlassungen.
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Insgesamt mag also gelten, dass im Zuge vergleichsweise moderat erhöhter numerischer Flexibilität und veränderter, zunehmend zeitflexibler Arbeitsvertragsgestaltungen (Grotheer, Struck 2003) die für viele Arbeitnehmer bedeutsame Arbeitsplatzsicherheit zusehends in Frage gestellt ist (Grote, Raeder 1999). Ferner können unterschiedliche Erfahrungen in Bezug auf Personalstrategien der Unternehmen und Beschäftigungsflexibilität in Branchen und Regionen (etwa different in Ost- und Westdeutschland) Gerechtigkeitserwartungen und Reaktionsbereitschaft beeinflussen. Und nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass insbesondere tariflich fixierte Löhne, Kündigungsschutzregelungen und Mitwirkungsrechte von Betriebs- und Personalräten für den überwiegenden Teil der Beschäftigten Mindeststandards in Form vom Verfahrensregeln, Informations- und Anhörungsrechten sowie Sozialklauseln u.a. festlegen. Doch unabhängig von den dadurch beeinflussten Niveaus und Inhalten psychologischer Verträge gilt, dass Unternehmen, die den Erwartungen von Arbeitnehmern im Rahmen impliziter Verpflichtungskontrakten nicht nachkommen, mit negativen Reaktionen zu rechnen haben. Künftige Studien sollten sowohl Informationen über die Inhalte der impliziten Verträge erheben, gegen die betriebliche Entlassungen und Lohnkürzungen in aller Regel verstoßen, als auch genauer erfassen, welche Maßnahmen im Einzelnen welche betrieblichen Auswirkungen haben. Insbesondere die Bedeutung der industriellen Beziehungen in Deutschland sollte eingehender untersucht werden. Genauere Kenntnisse über diese Zusammenhänge könnten hier weiteren Aufschluss darüber geben, wie negative Folgewirkungen besser vermieden werden können. Zudem konnten aufgrund des Querschnittdesigns unserer Erhebung Anpassungen von Gerechtigkeitseinstellungen im Zuge veränderter Beschäftigungsbeziehungen nicht untersucht werden. Einerseits haben bisherige Untersuchungen gezeigt: Gerechtigkeitseinstellungen weisen im Zeitablauf eine eher hohe Stabilität auf. Andererseits ist zu erwarten, dass die neuen Bedingungen einer veränderten Arbeitswelt mit der Zeit als normal angesehen werden und dann auch eine entsprechende Anpassung von Gerechtigkeitswahrnehmungen nach sich ziehen. Diese Aspekte könnten in einer Wiederholungsbefragung berücksichtigt werden.
Anhang: Aufbau der Szenarien
In den Kündigungsszenarien wird zunächst in einem ersten Satz der auslösende „Schock“ für eine Entlassung genannt. Von den Entlassungen sind entweder Produktionsarbeiter oder Ingenieure betroffen. Diese Unterscheidung wird aus Gründen der Vergleichbarkeit unmittelbar aus den amerikanischen Untersuchungen übernommen. Schließlich wird die Prozessgestaltung beschrieben, wobei in diesem Zusammenhang einige Szenarien Angaben zur Beteiligung des Betriebsrates enthalten, während in anderen aufgenommen wird, ob die Unternehmensleitung durch eigene Einkommenseinbußen an den Sparmaßnahmen partizipiert. Zwei Szenarien beinhalten als Ergänzung noch die Reaktion der Weiterbeschäftigten auf die Entlassungen. Der erste Satz in jedem Szenarium beschreibt den Entlassungsgrund: a1) a2) a3)
Das wirtschaftliche Überleben eines Unternehmens ist durch einen allgemeinen Absatzeinbruch bedroht. In einem Unternehmen ist die Produktivität durch die Einführung einer neuen Produktionstechnologie gestiegen. In einem Unternehmen ist die Produktivität aufgrund von Verbesserungsvorschlägen aus der Belegschaft gestiegen.
Im zweiten Satz wird beschrieben, welche Gruppe von Arbeitnehmern von den Entlassungen betroffen und wie lange diese bereits im Unternehmen beschäftigt ist: b1) b2)
Das Unternehmen entlässt daher eine Anzahl von Ingenieuren [b1’) Produktionsarbeitern; b1’’) Frauen, die in der Produktion eingesetzt waren], die seit ca. zehn [b2’) zwei] Jahren in dem Unternehmen beschäftigt sind.
Im nächsten Satz wird die Art des von den Betroffenen erworbenen Humankapitals erwähnt: c1)
Die Betroffenen sind Spezialisten für eine Produktionstechnik, die in anderen Unternehmen selten eingesetzt wird.
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Anhang: Aufbau der Szenarien
c2)
Die Kenntnisse, die sie am Arbeitsplatz erworben haben, sind auch in anderen Unternehmen verwertbar.
Der nächste Satz beschreibt die Reaktion des Arbeitgebers auf den „Schock“: d1) d2) d3)
Ihnen wird unter Einhaltung der Mindeststandards gekündigt. Diejenigen, die entlassen werden, erhalten eine großzügige Abfindung. Gleichzeitig bietet das Unternehmen Unterstützung bei der Stellensuche an. Um weitere Entlassungen zu vermeiden, wurde im Rahmen eines betrieblichen Bündnisses für Arbeit ein Lohnverzicht für die verbleibenden Beschäftigten ausgehandelt.
Anschließend wird in einigen Szenarien beschrieben, wie der Betriebsrat beteiligt wurde: e1) e2)
Der Betriebsrat wurde frühzeitig und umfassend beteiligt. Der Betriebsrat wurde entsprechend den gesetzlichen Mindestanforderungen beteiligt.
In einem Teil der Szenarien wird stattdessen die Erfolgsprämie für das Management erwähnt: f1) f2)
Die Unternehmensleitung verzichtet wegen der notwendigen Entlassungen auf ihre jährliche Erfolgsprämie. Die Unternehmensleitung erhält eine Erfolgsprämie für die erfolgreiche Kostensenkung.
Schließlich werden zwei Szenarien noch um die Reaktion der Beschäftigten ergänzt, die dann von den Befragten gesondert beurteilt werden soll: g1)
Die weiterbeschäftigten Kollegen reagieren auf die Entlassungen mit einer verringerten Leistungsbereitschaft.
Die jeweiligen Szenarien ergeben sich dann aus folgenden Kombinationen: 1.1: 1.2:
a3) b1) a1) b1)
b2) c1) d2) b2) c1) d1) f1)
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Anhang: Aufbau der Szenarien 1.3: 2.3: 2.3a: 3.2: 3.3: 4.3: 5.2: 5.3: 6.1: 6.2: 7.1: 7.3: 8.1: 8.3: 8.3a: 9.1: 9.2: 10.1: 10.2: 10.3:
a2) a1) a1) a1) a2) a2) a2) a1) a1) a1) a1) a2) a1) a1) a1) a1) a1) a3) a1) a2)
b1) b1) b1) b1) b1’) b1) b1) b1’) b1’’) b1) b1) b1’) b1’) b1) b1) b1’) b1) b1) b1’) b1)
b2) b2) b2) b2) b2) b2) b2) b2) b2) b2) b2) b2) b2’) b2) b2) b2) b2’) b2) b2) b2)
c1) c1) c1) c1) c2) c1) c1) c2) c2) c1) c2) c2) c2) c1) c1) c1) c1) c1) c1) c1)
d2) d1) d1) d1) d1) d1) d1) d1) d1) d3) d1) d1) d1) d2) d2) d3) d1) d1) d1) d1)
g1) f2) e2) f2)
e1) g1)
f1)
Zum Beispiel lautet das Szenario 3.2: „Das wirtschaftliche Überleben eines Unternehmens ist durch einen allgemeinen Absatzeinbruch bedroht. Das Unternehmen entlässt daher eine Anzahl von Ingenieuren, die seit ca. zehn Jahren in dem Unternehmen beschäftigt sind. Die Betroffenen sind Spezialisten für eine Produktionstechnik, die in anderen Unternehmen selten eingesetzt wird. Ihnen wird unter Einhaltung der Mindeststandards gekündigt. Die Unternehmensleitung erhält eine Erfolgsprämie für die erfolgreiche Kostensenkung.“ Vier Lohnkürzungsszenarien beginnen mit folgender Ausgangssituation: „Das wirtschaftliche Überleben eines Unternehmens ist durch einen allgemeinen Absatzeinbruch bedroht.“ Anschließend wird jeweils eine alternative Reaktion des Unternehmens auf diese Lage beschrieben: 6.3:
Entlassungen sollen vermieden werden. Teile des Produktionsbereichs, in denen vorwiegend Männer arbeiten, werden daher durch Ausgründungen aus dem Unternehmen ausgegliedert. Die dort Beschäftigten erhalten einen Lohn, der um 10 % unter dem bisher gezahlten Tariflohn liegt.
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Anhang: Aufbau der Szenarien
7.2:
Entlassungen sollen vermieden werden. Teile des Produktionsbereichs werden daher durch Ausgründungen aus dem Unternehmen ausgegliedert. Die dort Beschäftigten erhalten einen Lohn, der um 10 % unter dem bisher gezahlten Tariflohn liegt. Entlassungen sollen vermieden werden. Daher wird von Gewerkschaft, Arbeitgeberverband, Betriebsrat und Unternehmensleitung einvernehmlich eine Öffnungsklausel im Tarifvertrag genutzt, um die Löhne um durchschnittlich 10 % zu senken. Entlassungen sollen vermieden werden. Teile des Produktionsbereichs, in denen vorwiegend Frauen arbeiten, werden daher durch Ausgründungen aus dem Unternehmen ausgegliedert. Die dort Beschäftigten erhalten einen Lohn, der um 10 % unter dem bisher gezahlten Tariflohn liegt.
8.2:
9.3:
Die übrigen Szenarien sind für unsere Fragestellung wichtige Szenarien aus Kahneman, Knetsch, Thaler (1986), die aus Gründen der Vergleichbarkeit nur leicht modifiziert wurden. 2.1:
2.2:
3.1:
4.1:
Die Einkommen der Arbeiter in einem kleinen Unternehmen entsprechen bisher dem Branchendurchschnitt. In den letzten Monaten sind die Umsätze des Unternehmens deutlich langsamer gestiegen als zuvor. Das Unternehmen senkt die Löhne um 10 %. Ein kleiner Copy-Shop hat seit einem 1/2 Jahr einen Mitarbeiter, der einen Stundenlohn von 7 € erhält. Das Geschäft läuft zufriedenstellend, aber die Arbeitslosigkeit in der Region ist gestiegen. Andere kleine Geschäfte stellen inzwischen Mitarbeiter für 5,50 € die Stunde ein. Der bisherige Mitarbeiter hört auf. Sein Nachfolger wird für einen Stundenlohn von 5,50 € eingestellt. Ein kleines Unternehmen zahlt seinen Arbeitern bisher durchschnittliche Löhne. Die Arbeitslosigkeit in der Region ist hoch. Das Unternehmen könnte die derzeitigen Mitarbeiter durch gute Mitarbeiter zu einem geringeren Lohn ersetzen. Das Unternehmen macht Gewinne. Die Eigentümer senken die Löhne der Beschäftigten um 5%. Ein kleiner Copy-Shop hat seit einem 1/2 Jahr einen Mitarbeiter, der einen Stundenlohn von 7 € erhält. Das Geschäft läuft zufriedenstellend, aber die Arbeitslosigkeit in der Region ist gestiegen. Andere kleine Geschäfte stellen inzwischen Mitarbeiter für 5,50 € die Stunde ein. Der Eigentümer des Copy-Shops senkt den Stundenlohn seines Mitarbeiters auf 5,50 €.
Anhang: Aufbau der Szenarien 4.2:
5.1:
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Ein kleines Unternehmen zahlt seinen Arbeitern bisher durchschnittliche Löhne. Die Arbeitslosigkeit in der Region ist hoch. Das Unternehmen könnte die derzeitigen Mitarbeiter durch gute Mitarbeiter zu einem geringeren Lohn ersetzen. Das Unternehmen macht Verluste. Die Eigentümer senken die Löhne der Beschäftigten um 5%. Ein kleines Unternehmen zahlt seinen Arbeitern jedes Jahr eine 10%ige Erfolgsprämie. Die Einkommen entsprechen bisher dem Branchendurchschnitt. In den letzten Monaten sind die Umsätze des Unternehmens deutlich langsamer gestiegen als zuvor. Die Erfolgsprämie wird gestrichen.
Lohnkürzungs- und Entlassungsszenarien, die mit derselben Ziffer beginnen, wurden jeweils denselben Personen vorgestellt.
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