KARL PIOCH
Auf der Spur der Partisanen
MILITÄRVERLAG DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK
Tatsachenbericht Fotos: ...
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KARL PIOCH
Auf der Spur der Partisanen
MILITÄRVERLAG DER DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN REPUBLIK
Tatsachenbericht Fotos: Karl Pioch (3), IML (2)
Ich danke allen tschechoslowakischen Freunden, die mich bei meiner Exkursion in die Geschichte der Partisanenbrigade ,,Magister Jan Hus" unterstützten.
1.—70. Tausend © Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik (VEB) — Berlin, 1976 Cheflektorat Militärliteratur Lizenz-Nr. 5 LSV: 7002 Lektor: Joachim Warnatzsch Umschlag: Karl Fischer Vorauskorrektor: Rita Abraham Korrektor: Ilse Fähndrich Hersteller: Ingeburg Zoschke Printed in the German Democratic Republic Gesamtherstellung: (140) Druckerei Neues Deutschland. Berlin
EVP 0,50 M
Autoausflug Wir schreiben den 23. August 1972. Es ist ein Mittwoch. Die Sonne lacht durch das Fenster meines Hotelzimmers. Seit ein paar Tagen wohne ich schon im „Avion" zu Hradec Králové. Auf der Hauptstraße der Bezirksstadt ist bereits starker Verkehr: die Zeit des Arbeitsbeginns. Ich bin zum Frühstück eingeladen. Also rasiere ich mich etwas schneller, denn ich möchte meinen alten Freund Robert nicht warten lassen. Ich freue mich auf ihn, aber auch auf seine Cousine Charlotta, eine ältere, freundliche Frau, die ein ähnliches Steckenpferd reitet wie ich: Besichtigung und Erforschung von Burgen, Schlössern, Kirchen. Unten in der Rezeption schlürfe ich noch einen heißen Kaffee. Der höfliche Hotelangestellte wünscht mir beim Hinausgehen einen schönen Tag und eine gute Fahrt. Ein paar Ansichtskarten stecke ich noch in einen Briefkasten. Dann überquere ich die Straße; drüben, in einer kleinen Gasse steht mein Trabant, mit dem ich sehr zufrieden bin. Es scheint ein freundlicher Tag zu werden. Das wäre schön, denn ich will heute noch eine kleine Tour machen.
Ich starte. Alles klappt ausgezeichnet, und ich denke mir, daß es wohl an meiner guten Laune liegt. Bald bin ich bei Robert. Es wird ein köstliches Frühstück, und wir unterhalten uns alle drei recht angeregt. Charlotta, die fast alle Burgen, Schlösser und Museen ihrer Heimat kennt, freut sich, in Robert und mir aufmerksame Gesprächspartner gefunden zu haben. Über allerlei Funde unterhalten wir uns, aus jenen Zeiten, als die Lausitzer noch das Gebiet von Hradec Králove besiedelt hatten, später aber von keltischen und germanischen Stämmen vertrieben wurden. Nach der Völkerwanderung hatten dann westslawische Stämme das Gebiet erobert und im 9. Jahrhundert starke Wehranlagen und Burgen auf den Hügeln an der Elbe angelegt. Und schon sind wir wieder im Gespräch über einige spezifische Anlagen, die der Verteidigung jener Westslawen dienten. Wie das so ist, kommen wir vom Hundertsten ins Tausendste — und dann auch auf jene Jahre, in denen die deutschen Faschisten aus dem tschechischen Gebiet das ,,Protektorat Böhmen und Mähren" machten und patriotisch gesinnte Bürger hinter Zuchthausmauern und KZ-Stacheldraht brachten. Ich denke daran, daß vor ein paar Jahren in unserer Republik einige dieser Verbrecher, die sich lange hatten tarnen können, verurteilt wurden. Unsere Justiz hält sich strikt an die Beschlüsse des
Potsdamer Abkommens sowie an die eigenen Gesetze, die der Aufklärung von Nazi-und Kriegsverbrechen und der Bestrafung faschistischer Verbrecher dienen. In den letzten Jahren wurden von unseren Gerichten verurteilt: SS-Arzt Dr. Fischer (er selektierte in Auschwitz Menschen für die Arbeit in Konzernbetrieben oder für die Gaskammern), SS-Angehöriger Wachholz (ermordete Unschuldige im KZ Theresienstadt), ein weiterer SS-Verbrecher, dem Greueltaten an Juden in Lettland nachgewiesen wurden. Ich sage meinen Freunden, wie wir solche Kriegsverbrechen und faschistische Unmenschlichkeit strafrechtlich verfolgen. Die Zeit vergeht. Robert kommt nicht mehr dazu, seine Erlebnisse während der Okkupation ausführlich zu erzählen, doch macht er mich eindringlich auf eine Partisanengruppe aufmerksam, die Ende 1944 im Böhmisch-Mährischen Hochland den Nazis schwer zu schaffen gemacht hat. Und ich denke mir, daß es gut wäre, einmal nicht auf den Spuren architektonischer Schönheiten zu lustwandeln, sondern die Spuren der tschechischen Partisanen zu verfolgen. Ich mache die beiden mit meinem neuen Plan bekannt. Sie geben mir noch ein paar Adressen ehemaliger Partisanen oder Widerstandskämpfer. Dann verabschieden wir uns. Gegen elf Uhr steige ich in meinen Wagen, lege mir die Autokarte griffbereit und starte. Der Weg bis ins Hochland ist nicht allzuweit.
Langsam fahre ich an den Außenmauern der Skodawerke vorbei, zur Hauptstraße nach Prag. Nach etwa drei Kilometern biege ich links in die Straße Nr. 37 ein, die in südliche Richtung führt. Ich lasse den Trabant schneller laufen, fahre im Elbtal entlang, passiere nach etwa zwanzig Kilometern eine Brücke. Kurz danach befinde ich mich schon im Zentrum von Pardubice, der alten Stadt an der Chrudimkamündung in der Elbe (Labe). In einer Gasse stelle ich meinen Wagen ab. Ein Antiquariat zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Im Schaufenster liegt eine sehr gute Reproduktion der Gründungsurkunde der Stadt von 1340. Mühsam entziffere ich die Unterschrift unter dem Dokument: Arnost von Pardubice, der erste Erzbischof von Prag, hat die Gründung mit seinem Namenszug schwungvoll bestätigt. Das hatte sich unter Karl IV. zugetragen; dieser Kaiser hatte Prag zu großer Blüte gebracht und jene Universität ins Leben gerufen, die heut noch seinen Namen trägt. Dann streife ich durch die engen Straßen, die Gassen, über Plätze, besichtige das Rathaus I, ein sehr reizvolles Schloß, errichtet im 19. Jahrhundert. Es hat viele berühmte Geistesschaffende und Künstler beherbergt, so auch den tschechischen realistischen Dichter Jan Neruda, dessen Familiennamen sich Pablo Neruda als Pseudonym wählen sollte. Bedrich Smetana hat eine Zeitlang im Schlosse gewohnt. Dann besuche ich ein kleines Restaurant.
Während ich den Kaffee trinke und ein Stück wunderbaren Obstkuchen verzehre, fängt es an zu regnen. Und ich will noch nach Chrudim! Ich denke daran, wie ich geschmunzelt habe, als ich erfuhr, daß in Chrudim der Erfinder der Schiffsschraube, Joseph Ressel, geboren ist — ein Kuriosum, wenn man bedenkt, daß diese Stadt etwa 270 Meter über dem Meeresspiegel liegt und das am nächsten gelegene Meer, die Ostsee, etwa 600 Kilometer entfernt an die Küste des Kontinents schwappt. Später dann, der Himmel ist noch grau, Wolkenfetzen treibt der Wind von Nordwest, fahre ich in die Eisernen Berge. Serpentinen hinauf, hinab, flankiert von wuchtigen Tannenwäldern, erreiche ich Bily Kámen, und kurz danach, durchfahre ich die eng nebeneinander liegenden Dörfer Lipovec und Licomerice. Wieder geht es eine kurvenreiche Straße aufwärts. Links ein Tal, rechts Berghänge mit Hochwald. Der zweite Gang schafft die Steigung nicht mehr, also schalte ich auf den ersten hinunter. Dann biege ich in einen Schotterweg ein; ich gelange an einen Steinbruch. Eine Sackgasse! Ich wende meinen Wagen und fahre ins Dorf, zurück. Der Regen ist stärker geworden, ein Gewitter steht hinter dem Berg. Den Trabant stelle ich auf dem Anger ab und flüchte mich in die Dorfkneipe. An einem Ecktisch nehme ich Platz, blicke im Raum umher. Es ist eine
einfache alte Gaststube, wie man sie in vielen böhmischen Dörfern sieht, gemütlich, sauber, man fühlt sich wie zu Hause. Der Wirt kommt, ich bestelle ein Kännchen Kaffee. Neugierig blickt mich der Mann an. Ich sage: „Der Regen, sehen Sie, hat mich aufgehalten, ich bleibe ein wenig, hier ist es gemütlich." Der Wirt lächelt. ,,Bei uns in den Bergen regnet es oft. Gäste aus anderer Gegend kommen selten ins Dorf. An Ihrem Akzent merke ich, daß Sie Deutscher sind. Darf ich fragen, aus welchem Deutschland Sie kommen?" Ich sage ihm, daß ich DDR-Bürger bin und meinen Urlaub hier verbringen will. ,,Eine reizvolle Gegend." Nachdem seine Frau den Kaffee serviert hat, setzen sich die Wirtsleute zu mir. Wir wechseln ein paar Höflichkeitsfloskeln. Ich frage nach Ansichtskarten, sage beiden, daß ich mich für alte Wehranlagen interessiere. Außerdem hätte ich gehört, daß während der deutschen Okkupation viele Partisanen in die Eisernen Berge gegangen seien. „Ja, sehr viele. Abgesprungen mit Fallschirmen auch. Hier handelte auch die Partisanenbrigade ,Magister Jan Hus'." Ich freue mich, daß ich nun schon eine Partisanenspur gefunden habe. Ich werde ihr folgen...
Hier fanden die Verhöre statt Der Bericht des Reichsprotektors an Hitler Am 9.September 1944 schrieb der nach dem Attentat auf SS-Obergruppenführer Heydrich eingesetzte Staatsminister und Reichsprotektor von Böhmen und Mähren Frank folgenden Bericht an Hitler: „Nach dem letzten Bericht, der mit dem 12. 12. 1943 abschloß, hat sich die Situation im Protektorat weitgehend zum Nachteil des Reiches verändert. Die eigene außenpolitische Lage und die Ereignisse an den Fronten, das erfolgreiche diplomatischpolitische Spiel der tschechoslowakischen Emigranten in London und Moskau, deren immer
geschicktere Rundfunkpropaganda und die verstärkte Tätigkeit der tschechischen Widerstandsbewegung erzeugten im tschechischen Volkskörper eine sich immer mehr steigernde deutsch-feindliche Hochstimmung. Der Glaube an die kurz bevorstehende und vollständige Niederlage des Reiches und an die Wiedererrichtung einer freien tschechoslowakischen Republik ist Allgemeingut der tschechischen Bevölkerung geworden. Die Tätigkeit der illegalen Gruppen nimmt zu und ist erkennbar an gesteigerter Verbreitung von Flugblättern, Sprengung von elektrischen Leitungen und Bahnanlagen, Banditenunwesen vor allem in Mähren und der Bildung von revolutionären ,Nationalausschüssen' fast in allen Gemeinden nach dem Vorbild von 1918. Auch die breite Masse der Tschechen läßt die Maske fallen und erscheint wie verwandelt. Ihr Auftreten in der Öffentlichkeit (tschechische Geschäftsleute, Verkehrsbedienstete) ist herausfordernd, in Ämtern und Betrieben wachsen Arbeitsunlust und die Diskutiersucht. Eine ruckartige Versteifung der Lage brachten die Ereignisse vom 20.7. des Jahres, die Erfolge des französischen Maquis, die Befreiung von Paris, besonders aber der Aufstand in der Slowakei. Die Bereitschaft zum Aufruhr ist allgemein..." In diesem Bericht spiegelt sich die Unsicherheit der Okkupanten wider, aber auch die Kraft und Stärke des Widerstands gegen die Faschisten, die sich dem
Volkswillen der tschechischen Nation immer mehr ausgeliefert sahen. Man muß wissen, daß am 1.September 1944 der Slowakische Nationalrat erklärte, er übernehme die Macht und die Verteidigung im Lande und setze sich für eine brüderliche Zusammenarbeit mit dem tschechischen Volk ein. Das führte folgerichtig auch zum schnelleren Anwachsen der antifaschistischen Front in Böhmen und Mähren. Diese Deklaration wirkte sich auf die Stimmung aller Bevölkerungsteile des okkupierten Gebiets aus. Frank schrieb in seinem Bericht, unter den Deutschen „herrscht eine Fluchtpsychose, die nicht verborgen bleibt und schwerste Auswirkungen in der Richtung einer Steigerung des tschechischen Stimmungshochs erzeugt!". Allerdings verschweigt Frank, daß auch deutsche Arbeiter und Intellektuelle in dieser antifaschistischen Front kämpften. Die Jahre waren vorbei, da die Faschisten und das deutsche Monopolkapital tun und lassen konnten, was sie wollten. Die tschechoslowakischen Patrioten hatten nicht vergessen, wie durch die antisowjetische Politik der Westmächte und durch den Verrat der bürgerlichen Regierung der CSR die faschistischen Okkupanten im Frühjahr 1939 mit 20 Divisionen in die Tschechoslowakei einmarschiert waren. Nach dem Münchener Abkommen vom 29. September 1938 zwischen Chamberlain, Daladier, Mussolini und Hitler — es erlaubte dem faschistischen Deutschland, tschechoslowakische Gebiete zu
annektieren und war vor allem gegen die UdSSR gerichtet —, gelang es dem tschechoslowakischen Volk nicht sofort, den allgemeinen Widerstand zu organisieren. Dazu kam allerdings der sofort einsetzende faschistische Terror, der jeden Widerstand gegen die Okkupanten im Keime erstickte. Darüber hinaus hatten es die HenleinLeute verstanden, sich innerhalb der tschechischen Bevölkerung Spitzel und Verräter zu kaufen, die ihre eigenen Landsleute an die Organe der Nazis auslieferten. Die einzige Partei, die den zielbewußten Kampf gegen die eigenen und die deutschen Unterdrücker aufnahm, war die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei. Zum Kampf gegen die in-und ausländischen Unterdrücker rief sie das ganze Volk auf und orientierte auf die nationale und staatliche Selbständigkeit der Tschechoslowakei. Gleichzeitig mußte der Kampf gegen die Abwartepolitik der tschechischen Bourgeoisie im Hácha-Lager und in den Kreisen der Emigrantenregierung in London geführt werden. Diese Aufgaben konnte die KPC aber nicht allein lösen. Deshalb orientierte sie zielbewußt auf das schnelle Zusammenführen aller antifaschistischen Kräfte zur Nationalen Front. Bereits die ersten bitteren Erfahrungen mit den Eindringlingen hatten den Haß der Menschen gegen die Faschisten entfacht. Es kam zu vielen Aktionen gegen die Okkupanten. So wurden bereits
— nach Angaben der Protektoratsregierung — im Jahre 1939 in den tschechischen Gebieten 25 Streiks in 31 Betrieben mit 11 303 Beschäftigten durchgeführt, 11 568 -Arbeitstage wurden versäumt. Das hatte sich selbstverständlich auf die Erfüllung der Rüstungspläne in den ersten Monaten des zweiten Weltkriegs ausgewirkt. Am 28. Oktober 1939 hatten alle Betriebe Prags die Arbeit eingestellt; es war zur ersten entschiedenen Demonstration gegen Hácha und gegen die Besatzungsmacht gekommen. Laut Berichten der Gestapo in Prag wurden an diesem Tage 400 Personen verhaftet, 16 schwer verletzt, von denen einer, der Student Jan Opletal, seinen Verletzungen erlag. Nach dieser Demonstration schloß man die Universitäten und verschleppte 1200 Studenten in das KZ Sachsenhausen. Im Laufe des Jahres 1940 war es dann zu ersten Sabotageakten in Betrieben gekommen, durch die laut Berichten der Faschisten — großer Schaden besonders in der Rüstungsindustrie entstand. In den „Richtlinien zur politischen Arbeit" der KPC vom Juli 1939 kam zum Ausdruck, daß die Kommunisten das tschechoslowakische Volk „zur kämpferischen Aktivität führen" werden, „zur Verwendung von Kampfmitteln im Widerstand gegen Hitler, zur Anwendung der Waffe des Massenstreiks, der Kampfdemonstration, zur Durchführung von Sabotageakten, zur passiven
Resistenz, zu allen Formen des passiven und aktiven Widerstands und auch zu den Formen des bewaffneten Kampfes im gegebenen Augenblick". Der tschechische Raum war für die Faschisten von großer strategischer Bedeutung. Deshalb hatten sie mit Hilfe der Henlein-Partei schon vor der Annexion Böhmens und Mährens den Ausbau eines starken Polizeiapparats vorbereitet. Im ganzen Land waren Polizeiregimenter stationiert, nach militärischen Gesichtspunkten gegliedert und bewaffnet. Im Falle von Widerstand sollten diese Truppen die faschistische Macht sichern. Dabei legten die Faschisten besonderen Wert auf die Kriminalpolizei und die Gestapo. Außerdem richteten die Okkupanten dann 4 höhere Militärkommandos ein: zwei in Prag und je eins in Brno und Olomouc. Gegen diesen Ausbau der faschistischen Macht setzte sich die Bevölkerung zur Wehr. Die KPC übernahm in diesem Kampf die Führung und sorgte sich um die Aufstellung von Partisaneneinheiten und um die Koordinierung des Einsatzes der Widerstandsgruppen und bestimmter Kampfformen. Nach dem Überfall der Nazis auf die Sowjetunion verstärkte sich auch in der okkupierten CSR der antifaschistische Widerstand. Am 28. August 1941 traten 800 Arbeiter der Skodawerke in Hradec Králove in den Ausstand. Am 11. September streikten etwa 200 Arbeiter der
Jinonicer Waffenfabrik Walther. Acht Tage danach legten über 1600 Arbeiter des Betriebes „Telegrafia" in Pardubice die Arbeit nieder. Der Reichskommissar des Protektorats, Kerrl, berichtete an seinen Chef: „Die Produktion ist auf Grund von Sabotageakten im Juli 1941 im Protektorat um 33 Prozent gesunken. In der Waffenfabrik Brno sank die Leistung um rund 40 Prozent!" Der aktive Widerstand verstärkte sich; Fabrikeinrichtungen und Maschinen wurden unbrauchbar gemacht. Aus Naziberichten geht hervor, daß allein im Oktober 1941 283 Diversionsakte gegen Verwaltungen und Dienststellen geführt wurden. Bemerkenswert viele Aktionen richteten sich gegen die Verkehrswege, vor allem gegen strategisch wichtige Eisenbahnlinien. Im Oktober 1941 inspizierte daraufhin Heydrich die böhmisch-mährischen Gebiete und befahl, den Terror gegen die Einwohner zu verstärken. In dieser Situation rief die KPC die Bevölkerung auf, den Kampf gegen die Nazis noch aktiver zu führen. Flugblätter wurden verbreitet, in denen Aufforderungen standen wie diese: ,,In die Hände der Gestapo zu geraten ist immer mit Todesgefahr verbunden. Deshalb ist es notwendig, einer Verhaftung mit allen Mitteln auszuweichen. Es ist besser, zu fliehen, in die Wälder zu gehen, ein Geächteter zu sein, sich zu Kampf-gemeinschaften zusammenzuschließen, sich Waffen zu beschaffen
und an den Okkupanten unbarmherzig Rache zu üben, als sich diesen Mördern auszuliefern, von ihnen freiwillig zum Richtplatz geschleppt zu werden!"
Partisanenposten In der darauffolgenden Zeit kamen sehr viele Widerstandskämpfer in die Wälder und griffen zu den Waffen. Ende 1941 und im Jahre 1942 begannen sich in den tschechischen Gebieten die ersten Partisaneneinheiten zu bilden. Diese vorerst noch auf sich allein gestellten Gruppen setzten sich aus Arbeitern und Studenten zusammen; sowjetische Kriegsgefangene, die aus Lagern ausgebrochen waren, stießen zu ihnen und übernahmen vielfach die militärische Führung.
In Böhmen und Mähren entstand ein Zentrum der Partisanenbewegung in der Gegend von Podbrdi. Immer mehr Patrioten kamen in die Wälder, meist waren es klassenbewußte Arbeiter und Kommunisten. Natürlich waren diese ersten Partisanengruppen mangelhaft ausgerüstet und zahlenmäßig schwach. Deshalb kam es auch zu keinen größeren Aktionen. Kleine Diversionstrupps legten Telefonleitungen lahm und störten den Eisenbahnverkehr. Das änderte sich aber besonders nach der Stalingrader Schlacht und dem Sieg der Roten Armee am Kursker Bogen. In diesen Operationen wurden nicht nur große Teile der faschistischen Wehrmacht vernichtet, sondern außerdem die Autorität der UdSSR bei den Völkern der Welt gestärkt. Diese Erfolge beeinflußten auch die antifaschistische Befreiungsbewegung in Europa. In der CSR gab es zu jener Zeit kaum eine Familie, die vom Naziterror verschont geblieben war. Bewohner ganzer Dörfer, besonders im Gebiet von Benesov, in dem die Nazis den „SSTruppenübungsplatz Böhmen" errichten wollten, wurden ausgesiedelt; jüdisches Vermögen verschacherten die Faschisten an aus ,,dem Reich" eingewanderte Nazis und an „verdienstvolle Sudentendeutsche". Viele Bürger wurden ermordet, verhaftet, in Gefängnissen und Konzentrationslagern drangsaliert. Andere, meist Facharbeiter der Mangan-
industrie, metallverarbeitender Betriebe oder solche, die man in anderen Zweigen der Rüstung benötigte, wurden zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. Aber nicht nur Arbeiter betraf das, auch Angehörige der Mittelschichten, ja selbst Unternehmer waren einbezogen. Ist es da verwunderlich, daß die Zahl der Menschen, die in die Wälder gingen, ständig zunahm? Die KPC beschloß, das gesamte Volk im Befreiungskampf zu vereinen, und zwar in den. noch illegalen Närodni vybory, den Nationalausschüssen. Erst danach konnte mit erfolgreicheren Partisanenaktionen gerechnet werden. Das war die erste Phase des bewaffneten Kampfes gegen die Okkupanten. Trotzdem blieb der Kleinkrieg der Partisanengruppen wirkungsvoll im Kampf gegen die Nazis. Ab September 1944, die sowjetischen Truppen hatten die slowakische Grenze erreicht, bekam die Partisanenbewegung im annektierten Gebiet zusätzliche Aufgaben. Trotz des sich verstärkenden Terrors mußten der Vormarsch der Roten Armee vorbereitet sowie die eigene nationale Befreiung weiter organisiert werden. In diesen Tagen, da die sowjetische Armee mit ihrer Dukla-Operation den aufständischen Slowaken zu Hilfe kam, verstärkte sich auch die Aktivität der Londoner Emigrantenregierung, deren Vertreter den sowjetischen Einfluß sowie den der
Kommunisten gar nicht ideal fanden. Sie, die weiterhin an dem Ziel festhielten, die Macht der Großbourgeoisie in der CSR wieder zu errichten, setzten Fallschirmjäger über der Tschechoslowakei ab; diese Gruppen sollten sehr rasch eine militärische Organisation aufbauen und versuchen, die Politik der Nationalausschüsse zu diskriminieren oder für sich auszunutzen. Dem faschistischen Gegner gegenüber verhielten sich diese Gruppen passiv, abwartend. Aber sie bildeten in Mähren einige Organisationen. Ihr Einfluß auf die Bevölkerung war jedoch gering, denn seit langem unterstützte die UdSSR das tschechoslowakische Volk in seinem Befreiungskampf, sowjetische Spezialisten und Organisationsgruppen, entflohene Kriegsgefangene und ,,Ostarbeiter" halfen uneigennützig den Widerstandsund Partisanengruppen. Vom Stab der Partisanenbewegung bei der 4. Ukrainischen Front in Kiew wurden spezielle Gruppen zur Hilfe geschickt. So erhielt die erfahrene Partisaneneinheit ,,Záre" unter Kapitän Faustow den Auftrag, aus dem bisherigen Einsatzgebiet in der Slowakei nach Mähren zu marschieren. Die Männer konnten aber die stark gesicherte Grenze nicht passieren und mußten einen weiten und schwierigen Umweg nehmen. Sie gelangten erst Mitte Oktober 1944, vom Norden her, auf mährisches Gebiet. In einem Gewaltmarsch ging es dann in die Eisernen Berge,
Mitglieder des Partisanenstabs beim Kriegsrat der 4. Ukrainischen Front: (v. I. n. r.) Oberleutnant Suworow; Hauptmann Gill; Major Schramm; Major Fomin; Politkommissar Ing. Nezval, Leiter der Abt. Prag; Hauptmann Iwanow wo sie in der Gegend von Rusava wirkungsvoll kämpften. Ihnen wurde aber bald bekannt, daß die Faschisten Einsätze von Jagdkommandos gegen die Gruppe „Zäfe" planten, deshalb zogen sich die Partisanen auf das Böhmisch-Mährische Hochland zurück. Ende November verstärkte sich dort schlagartig der antifaschistische Widerstandskampf. Vom Kiewer Partisanenstab wurden weitere Gruppen aufgestellt, um den Kampf der Partisanen
in der CSR zu unterstützen. Unter anderen auch die Gruppe unter Major A. W. Fomin ...
Fomins Gruppe In der Nacht vom 25. zum 26. Oktober 1944 startete ein sowjetisches Transportflugzeug von Kiew aus in südwestliche Richtung. Der Pilot flog nicht zum erstenmal eine Maschine über die Front in das gegnerische Hinterland. Bisher hatte er stets Glück gehabt. Umsichtig führte er seine Li-2 dem Zielgebiet entgegen. Hinter ihm saßen im Rumpf der Maschine zwölf Partisanen. Die eisige Kälte in 3000 Meter Höhe ließ die Passagiere frieren. Der Kommandeur der Gruppe, Major A.W.Fomin, war bis vor kurzem noch Mitarbeiter des Partisanenstabs bei der 4. Ukrainischen Front gewesen. Er hatte sich bereits bewährt und war ein Spezialist des Kleinkriegs. Ihm zur Seite stand der Tscheche Miroslav Pich-Tuma, Politkommissar der Gruppe. Er, ein ausgezeichneter politischer Mitarbeiter im Partisanenstab, hatte sich für den Einsatz freiwillig gemeldet. Stabschef der aufzubauenden Partisaneneinheit sollte der Infanterieoffizier J.Perchumow werden. Zur Gruppe gehörten weiterhin eine sowjetische Ärztin und eine Funkerin; die beiden mutigen Frauen hatten bereits in Par-
tisanengebieten Belorußlands und der Ukraine gegen die Faschisten gekämpft und waren ihrer großen Erfahrungen wegen für diesen Einsatz ausgewählt worden. Alle wußten um ihre Aufgabe, dem tschechoslowakischen Volk zu helfen, die Faschisten zu besiegen und für eine schnellere Beendigung des Krieges zu sorgen. Der Flug verlief normal. Die Gedanken der Partisanen weilten bei ihren Angehörigen in der Heimat oder bereits in den Wäldern des BöhmischMährischen Hochlandes, ihrem Einsatzgebiet. Männer wie Frauen hatten das Fallschirmspringen wochenlang trainiert und fürchteten sich nicht vor dem Absprung. Und dann verlief alles so wie während der langen Ausbildungszeit. Der Pilot signalisierte, daß sich die Li-2 über dem Absprunggebiet befand. Der Kommandeur gab noch einige Instruktionen. Das Gurtzeug, die Verpackungstaschen und die Waffen wurden noch einmal aufmerksam überprüft. Der Major kontrollierte die Karabinerhaken der Zugverbindungsleinen an der Seilvorrichtung, ob die Federn der Haken wirklich entgegengesetzt zur Luke wiesen, durch die die Genossen abspringen sollten. Fünf Flugminuten später gab der Flugzeugführer das Signal zum Absprung. Der Steuermann kam nach hinten, um die zwei Lastenfallschirme zum Abwurf bereitzulegen.
Während die Maschine eine lange Kurve flog, sprangen die zwölf hintereinander ab; die zwei Frauen nach dem vierten Mann, Major Fomin sprang als letzter. Während der Major sich durch die Luke stürzte, schob der Steuermann die Lastenfallschirme an die Öffnung und warf sie kurz hinter Fomin in die Nacht. Fomin sprang mit Verzögerung, um nicht allzuweit abgetrieben zu werden. Fast 800 Meter stürzte er im freien Fall der Erde zu, dann riß er die Leine. Gleich darauf spürte er den harten, fast schmerzhaften Ruck der Gurte an Schultern und Schenkeln. Das normale Hinundherpendeln seines Körpers unter der Stoffhülle versuchte er schneller abzufangen. Bald schwebte er ruhig hinunter. Er versuchte sich zu orientieren. Unter sich sah er eine schwarze Masse ungemein schnell auf sich zu kommen. Ein umfangreiches Waldgebiet. Der Wind trieb ihn darüber hin. In einer Höhe von etwa 150 Metern über der Erde konzentrierte er sich auf seine Landung. Von den elf Genossen sah er nichts, auch die Lastenfallschirme konnte er nicht ausmachen. Er glaubte aber, daß sie nicht weit abgetrieben worden seien. Fomin wußte, daß es in der Nacht schwierig ist, Landung und Aufsprung präzis zu berechnen. Doch er vertraute, während eine Wiese auf ihn zuschoß, auf seine in hartem Training erworbene und in mehreren Einsätzen erprobte Reaktionsfähigkeit.
Da bekam er auch schon Bodenberührung. Rolle vorwärts, Hocke, Umdrehen noch in der Hocke; dann zog er die unteren Leinen des Schirms flink an sich, bis die Seide zusammengefallen war. Er setzte sich und blickte angestrengt in die Nacht. Der Wald war nicht weit entfernt. An seinem Rand erhob sich ein mächtiger Laubbaum. Wenn nicht dort, dachte er, wo sonst sollten sich seine Genossen, oder wenigstens einer, befinden? Er versuchte das Dunkel mit den Augen zu durchdringen. Unter der Krone glaubte er, Gestalten zu erblicken, die winkten. Da vernahm er auch die leisen Rufe Pich-Tumas. Er lief zu ihnen. Bald fanden sich alle unter dem Baum ein. Fomin fragte jeden, ob alle Spuren verwischt worden seien; dann teilte der Stabschef die Männer ein, um die Lastenfallschirme zu suchen und die nähere Umgebung zu erkunden. Die Suche nach den beiden Schirmen nahm viel Zeit in Anspruch. Der Fallschirm mit dem Funkgerät und der Munition war etwas zu weit abgetrieben worden. Etwa 800 Meter von der Wiese entfernt war er in den Wipfeln zweier Tannen hängen geblieben. „Viermal waren wir unter ihm vorbeigegangen", meinte einer. ,,Da hörte ich zufällig die Zweige an der Seide schubbern und glaubte auch ein kurzes metallenes Klingeln zu vernehmen. Jedenfalls
schaute ich nach oben, und siehe da, was hing in den Bäumen? Unser Funkgerät." Endlich hatten sie alles beisammen und die Lasten unter sich aufgeteilt. Nun fehlten nur noch die Aufklärer. Die Genossen wurden schon unruhig. Doch dann tauchten sie auf. Sie hatten eine Ortschaft feststellen können; einer hatte sich zwischen die Häuser gewagt, es war alles ruhig und friedvoll. Auf dem Ortsschild fand man den Namen: Bily Kämen. Der Stabschef holte seine Karte aus der Brusttasche und stellte fest, daß sich die Partisanen im berechneten Absprunggebiet befanden, etwa acht Kilometer von Cäslav entfernt. Dann befahl Major Fomin den Aufbruch. Der Marsch führte die Genossen durch meist unübersichtliches Gelände in die Wälder bei Zbyslav. Obwohl auf der Karte zwischen Bily Kämen und ihrem Ziel nur etwa fünf Kilometer Luftlinie verzeichnet waren, brauchte die Gruppe mehrere Stunden; kleine Siedlungen mussten umgangen werden, Straßen und größere Wege benutzte man nicht, außerdem mußten sie sich geräuschlos durch Wald und Busch schlagen. Vor Morgengrauen langten sie in ihrem Gebiet an. Ein günstiger Platz wurde gesucht. Dann beriet man sich und beschloß, vorerst dazubleiben, bei Tage einen Erdbunker zu bauen, der in einen dicht bewachsenen Hügel führen sollte. Dann wurden die
Wachen eingeteilt. Die anderen machten es sich so bequem wie möglich. Todmüde, wie sie nach den Anstrengungen waren, schliefen sie sofort ein. Am Tag bauten sie ihren Bunker in den Hügel. Nach ein paar Stunden hatten sie bereits eine stattliche Unterkunft für nicht nur zwölf Personen zuwege gebracht. Während der verspäteten Mittagspause — es war schon gegen vierzehn Uhr — bat der Politkommissar den Kommandeur und den Stabschef zu einem Gespräch. Miroslav Pich-Tuma meinte zu Fomin und Perchumow auf russisch: „Freunde, ihr kennt doch Jan Hus?" ,,Was soll denn das", meinte Fomin. „Natürlich kennen wir ihn!" Perchumow lächelte. „Ich wollte euch ja nur vorschlagen, daß wir unserer Gruppe den Namen ,Jan Hus' geben." PichTuma rieb sich die Hände. „Was meint ihr dazu?" Perchumow sagte: ,,Wir brauchen einen Namen für unsere Gruppe. Dein Nationalheld, Miroslav, wäre nicht nur eine große Ehre für uns, sondern auch eine große Verpflichtung gegenüber deinem Volke. Ich bin dafür." „Ich freue mich darüber, Stabschef. Und was meinst du, Kommandeur?" „Ich bin auch für diesen Namen. Heute abend schlagen wir ihn unseren Genossen vor." Seit jenem Oktobertag gab es die Partisaneneinheit
„Magister Jan Hus", die im Kampf gegen die Faschisten Heldenhaftes geleistet hat. Aber noch bestand diese Einheit nur aus zwölf Kommunisten, die Verbindung zur KPC, zu anderen Partisanengruppen und zur Bevölkerung suchen mußten, die aber gleichzeitig die Faschisten zu bekämpfen und zu demoralisieren hatten. Für größere militärische Aktionen war die Gruppe vorerst zu schwach, nur „Nadelstiche" konnte sie dem Gegner beibringen, aber die mußten sitzen! Fomins Kämpfer bereiteten sich auch darauf vor, Zuträger und Agenten der Gestapo, des SD und der tschechischen Polizei unschädlich zu machen. Dazu brauchte die Gruppe guten Kontakt zur Bevölkerung. Was den Jan-Hus-Partisanen besondere Sorge bereitete, war ihr Bestand an Waffen, Munition und Verpflegung. Die zwölf würden zwar noch eine relativ lange Zeit mit dem Mitgenommenen reichen, doch man mußte in Kürze mit Zuwachs rechnen.
Der alte Jaroslav erzählt Auf der Suche nach Augenzeugen treffe ich in Lipovec einen alten Genossenschaftsbauern. Ich bringe mein Anliegen vor. Er lädt mich zu sich ein. Einen Kaffee brüht er, der es in sich hat, und bietet
mir von seinen Zigaretten an. Ich lehne dankend ab, sage ihm, daß ich Nichtraucher bin und bleiben möchte. Der alte Mann, mit seinem vom Wetter gezeichneten, von der Gebirgssonne gebräunten Gesicht schmunzelt und meint: „Das ist gut, aber ich habe mich schon lange an das Teufelskraut gewöhnt. Nun ja, ich lebe, bin ein alter Mann. Macht es dir was aus, wenn ich rauche?" Ich verneine. Der Alte zieht sich eine Zigarette aus der Packung und zündet sie mit einem altertümlichen, großen Tischfeuerzeug aus böhmischem Glas an. Nach ein paar Zügen sagt er: „Ich werde versuchen, mich an das zu erinnern, was sich damals in unserer Gegend zugetragen hat. Aber ich bin nicht mehr der Jüngste und habe bestimmt einiges vergessen. Obwohl, in den vergangenen Jahren bin ich oft, auch von studierten Leuten, befragt worden, was da so in den Bergdörfern passierte, als die Faschisten hier die Männer verhafteten und in Gefängnisse und Konzentrationslager verschleppten." Er zieht wieder an seiner Zigarette, blickt mich aufmerksam an und fährt fort: „Dein Interesse an der Partisanengruppe ,Jan Hus' ist mir verständlich; sie soll nicht vergessen werden. Und die Jungen sollen immer daran denken, daß es viele Menschen gab, gute Menschen, damals, die gegen die Faschisten gekämpft haben." Er trinkt einen Schluck Kaffee
und erzählt: „Irgendwann im Jahre neunzehnhundertdreiundvierzig lernte ich durch meinen Bekannten Josef, der ebenfalls in Lipovec wohnte, inzwischen aber verstorben ist, zwei russische Kriegsgefangene kennen. Sie brauchten Hilfe, denn sie waren aus einem Gefangenenlager ausgebrochen. Wir halfen ihnen. Wie ich viele Jahre später erfuhr, hatten ihnen auch andere Dörfler geholfen. Einer der Geflüchteten hieß Sergej und war in seiner Heimat Traktorist gewesen. Der andere nannte sich Iwan und war Lehrer. Das merkte man auch, wenn man sich mit ihm unterhielt; er verstand es, anschaulich zu erklären, und wußte viel. Nun, zu diesen beiden gesellte sich Anfang neunzehnhundertdreiundvierzig — furchtbar kalt war es damals hier oben — ein dritter Russe, ein Offizier, der sich Konstantin Korowin nannte. Auch er war aus der Kriegsgefangenschaft geflohen. Er hatte einige Wochen gebraucht, bis er, quer durch Deutschland, zu uns in die Berge gekommen war. Diese drei schlössen sich eng zusammen. Unterhalb Zbyslav, im Wald, bauten sie sich einen kleinen Unterstand. Sie hausten dort eine Weile. Nun, wir halfen ihnen natürlich. Wir wußten, daß wir mit unserem Leben spielten; die Nazis hätten uns erwischen können. Ich will mich aber nicht dabei aufhalten, was wir alles taten. Obwohl uns die Faschisten mit einem hohen Abgabesoll belegt hatten, besaßen wir doch alle ein festes Haus, eine Familie, es war schön warm in der Wohnung, und
wir hatten genügend zu essen. Und diese armen Kerle mußten ständig befürchten, entdeckt zu werden. Und der Winter damals war kalt. In Licomerice wohnte ein guter Mann, ein Schuhmacher namens Bohumil Brom. Wir entschieden uns, die drei Rotarmisten in unsere Wohnungen zu nehmen. Gesagt, getan, ich nahm Sergej, Bohumil den Offizier, und den Lehrer nahm die Mutter des Waldhüters Schuster mit in ihre Hütte. Soweit war alles gut. Die drei Russen blieben vorerst unbehelligt, dafür sorgten wir schon! Monate geschah nichts hier oben bei uns im Gebirge. Aber dann passierte es. Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, der alles aus dem Gleichgewicht brachte. Es war der siebenundzwanzigste Oktober neunzehnhundertvierundvierzig. Sergej begegnete im Walde ganz unvermutet zwischen Licomerice und Zbyslav sowjetischen Fallschirmspringern, die erst vor wenigen Stunden in der Nähe abgesprungen waren. Seine Freude war groß. Er glaubte, daß der verfluchte Krieg nun bald ein Ende nehmen und er in Kürze nach Hause zurückkehren könnte. Jedenfalls brachte er seine Genossen zu mir. Daß ein Tscheche unter ihnen war, freute mich besonders. Ja, so kam ich mit der Partisanengruppe ,Magister Jan Hus' zusammen. Ich wurde der erste Mitkämpfer der späteren Partisanenbrigade gleichen Namens. Darauf bin ich noch heute stolz!" „Darauf müssen wir einen trinken", sage ich und ziehe aus meiner Aktentasche eine Flasche Wodka hervor.
Der alte Jaroslav schmunzelt und meint: „Da hole ich mal ein paar Gläser." Er steht auf und geht zur Anrichte. Kurz darauf stehen die Gläser auf dem Tisch. Ich gieße ein. „Auf dein Wohl, Partisan!" Einige Seiten meines Notizblocks sind bereits vollgeschrieben. Ich warte geduldig auf die weiteren Worte des Bauern, der bald weitererzählt: „Also, die Gruppe hatte sich in einen Hügel eingegraben, drüben im Wald. Unsere drei Rotarmisten schlössen sich den Partisanen an. Später, ich weiß nicht mehr genau, wann das gewesen ist, blieb nur noch eine Gruppe in unserem Wald. Der Stab eines Majors Fomin ging in die Wälder bei Zd’ár. Zur hiesigen Gruppe, die Nikolai Kolesnik führte, hielt ich die Verbindung. Wir bauten hier einen illegalen Nationalausschuß auf, dem ich bis zur Befreiung angehörte. Ende November oder Anfang Dezember neunzehnhundertvierundvierzig verrieten uns zwei tschechische junge Männer, die nicht aus unserer Gegend stammten. Sie waren zu den Partisanen gestoßen und hatten den Partisaneneid geleistet. Der eine hieß Josef Novotny und war aus Visic, Kreis Chrudim, der andere, Oldrich Pokorny, stammte aus Prag. Entweder waren die beiden vor der Erfassung zur Zwangsarbeit davongelaufen oder aus Deutschland geflohen, ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls versteckten sie sich hier in unserer Gegend und wurden Partisanen.
Durch irgendeine Undiszipliniertheit gerieten beide in die Hände der Gestapo. Um ihr Leben zu retten und auch, weil die Faschisten ihnen Geld versprachen, wurden sie Agenten. Sie verrieten die ihnen bekannten Anlauf- und Verbindungsstellen, bereiteten so die Vernichtung ihrer ehemaligen Kameraden vor. Die Gestapo nahm nun an, einen lohnenden Fang zu machen und sich, wie man so sagt, Lorbeeren zu verdienen. Doch sie hatte sich geirrt und eins nicht einkalkuliert: die langen Kampferfahrungen der Partisanen. Pokorny war der erste, der dann wieder in unserem Ort auftauchte. Er wurde in der Wohnung des Schuhmachers Brom, direkt am Waldrand, gestellt und dann verurteilt. Was aus dem anderen geworden ist, dem Josef Novotny, ist mir nicht bekannt. Aber die Gestapo ließ nicht von uns ab. An einem Tag Anfang Dezember, ich hatte unweit der Preloucer Straße im Wald zu tun, sah ich ein Auto halten. Zwei Männer stiegen aus. Ich schlich mich zur Straße und hörte den einen auf tschechisch mit unverkennbar deutschem Tonfall zu dem anderen sagen, er solle vorsichtig sein und sofort irgend etwas melden. Das war mir nicht geheuer, und ich beeilte mich, nach Hause zu kommen. Was sollte ich tun? Ich war allein. Vom Fenster aus beobachtete ich das Dorf. Zu wem wollte der Mann? Ich überlegte noch, als jener
Strolch direkt auf mein Haus zukam. Ich war auf der Hut. Schon klopfte es. Ich öffnete die Tür, fragte, was er wolle. Der Kerl sagte, er sei auf der Flucht vor der Erfassung zur Zwangsarbeit und suche Verbindung zu Partisanen. Er sei schon beim Bäcker Kurka gewesen. Der habe ihn zu mir geschickt. Kurka hat gewiß im besten Sinne gehandelt. Dieser Agent spielte seine Rolle sehr gut. Er machte alles völlig normal, dieser elende Strolch. Ich konnte mich kaum noch beherrschen, sagte ihm, was ich auf der Straße gesehen hatte, und jagte ihn davon. Was meinst du, wie der aussah und Beine machte! Ich hatte mir keine Blöße gegeben, und trotzdem war mir nicht wohl in meiner Haut. Am späten Abend ging ich zum Hügel und sagte Nikolai Kolesnik Bescheid. Die Gruppe war bereits viel größer geworden. Nikolai befahl sofort geeignete Maßnahmen. Ich sah den Agenten nie wieder; nach dem Kriege habe ich allerdings von ihm gehört: Er nannte sich Bambas und war einer der geschicktesten Agenten aus Prelouc. Für seine Verbrechen an der tschechoslowakischen Bevölkerung wurde er vom Volksgericht in Benesov zum Tode verurteilt. Eine Woche später, am neunzehnten Dezember, wurden unsere beiden Dörfer, Lipovec und Licomerice, von Wehrmacht und Waffen-SS umstellt. Sie holten alle Männer zwischen sechzehn und sechzig Jahren aus den Häusern, verhörten sie
unter Schlägen. Viele wurden gefoltert, um Aufenthaltsorte von Partisanen zu erfahren. Die Faschisten benahmen sich viehisch. Doch keiner unserer Einwohner hat etwas verraten. Die Männer wurden danach in den Tanzsaal des Gasthauses geführt. Am Abend transportierte man sie ab. Wir konnten herausbekommen, daß sie zuerst in verschiedene Gestapodienststellen geschleppt wurden. Nach grausamen Verhören brachte man sie dann in Gefängnisse und in das Konzentrationslager Theresienstadt. Ich war dem Unglück entkommen, weil ich mich, als die Wagenkolonne aufgetaucht war, auf dem Hof einer bekannten Familie verstecken konnte. Aber einige Wochen später haben sie auch mich festgenommen und in das berüchtigte Gefängnis Prag-Pankräc gesteckt. Anfang Mai neunzehnhundertfünfundvierzig, als der Prager Aufstand begann, wurde ich befreit. Von unseren Einwohnern brachten die Faschisten etwa dreißig Männer in Gefängnissen und Lagern um; einige starben nach der Befreiung an den Folgen ihrer Haft." Der alte Jaroslav seufzt. „Frauen haben sie auch weggeschleppt, unter ihnen meine Ehefrau, Frau Bohunkovä und Frau Bromovä." Schweigen beherrscht den Raum. Ich bitte den Alten um Verzeihung, daß ich in ihm die schmerzliche Erinnerung geweckt habe. Er blickt mich starr an, fährt sich mit der Hand über den
Kopf und sagt leise: „Ach, laß nur. Aber es ist alles so schwer." Spät ist es geworden, ich verabschiede mich von dem alten Jaroslav und gehe ins Gasthaus hinüber, in dem ich ein Zimmer gemietet habe.
Gedenkstein für die Opfer des zweiten Weltkriegs in Lipovec Am nächsten Morgen, ich will gerade zu meinem Trabant, treffe ich ihn noch einmal. „Dobrou cestu — na shledanou!" ruft er mir zu, „Guten Weg — auf Wiedersehen!" Ich bedanke mich, gehe zum Auto, starte. Das, was ich erfahren habe, läßt mir keine Ruhe. Und so verfolge ich die Geschehnisse von damals
und erfahre weitere Einzelheiten Geschichte der Jan-Hus-Partisanen...
über
die
Koljas Kämpfer Der Partisanenhelfer Jaroslav, der die Meldung über den mysteriösen Besuch an Nikolai Kolesnik gegeben hatte, ging wieder nach Hause. Nikolai brach mit seiner Gruppe auf. Nachdem die Jan-Hus-Partisanen den Bunker präpariert, ihn ausgezeichnet getarnt und sämtliche Spuren verwischt hatten, zogen sie durch die Wälder des Böhmisch-Mährischen Hochlandes. Ihr Ziel war das Flüßchen Säzava. Nach einigen Stunden angestrengten Fußmarsches gelangten sie in die Nähe eines Waldbauerngehöfts. Kolja und Mirko, der die Gegend halbwegs kannte, erkundeten sorgfältig, ob man hier eine Rast einlegen könnte. Die beiden nähmen zwar nichts Verdächtiges wahr, trotzdem war ihnen nicht geheuer zumute. Irgend etwas stimmte nicht, nicht einmal ein Hund schlug an. ,,Kolja, wir ziehen lieber weiter ins Gebirge. Oben steht eine Hütte, die kenne ich genau. Fast nicht zu sehen. War da als Kind oft mit meinem Vater. Mir gefällt die Sache hier nicht, alles ist so ungemein ruhig." „Besser ist es, wenn wir höher hinauf gehen. Wer weiß, was das hier für ein Kulakennest ist. Los, gehen wir!"
Bald gelangten die Partisanen zu einer sich über mehrere Bergkuppen hinziehenden Fichtenschonung. Daneben dichter, schwarzer Hochwald. „Wir sind bald da, höchstens noch achthundert Meter", sagte Mirko, dem die Freude anzusehen war, in die Hütte zu gelangen, in der er mit seinem Vater, einem Waldhüter, oft gewesen war. Da begann es zu schneien. Einer meinte, indem er in den Himmel blickte: „Danke, großer Spurenverwischer!" Er hatte die Lacher auf seiner Seite. Beeindruckt von seinem Heiterkeitserfolg, versuchte er nun, Mirko auf die Schippe zu nehmen. „He, Mirko? Wo ist denn deine Hütte. Scheint ein Zwergenhaus zu sein. Man müßte sie ja sonst sehen." „Von wegen Zwergenhaus! So gut habt ihr in eurem ganzen Leben nicht gewohnt, wie ihr da untergebracht sein werdet. Und außerdem, ich sehe sie schon." Mirko wies mit seinem Gewehr zum Waldrand, an dem fast undurchdringliches Gestrüpp eine ziemlich hohe Hecke bildete. „Wir sind da!" Kolja, der sich zwar über seine Genossen freute, die ihm jedoch zu laut erschienen, dämpfte die Stimmung etwas. „Vielleicht könnt ihr noch etwas lauter sein; unten die SS wäre begeistert über euer Geschrei!" Mittlerweile waren sie am Waldrand angelangt. Immer noch blieb die Hütte vor den Augen der
Partisanen verborgen. Natürlich behinderte auch der Schneefall die Sicht. Da bog Mirko einen Strauch beiseite, und nun sahen die Männer hinter weiteren mannshohen Sträuchern ein Pultdach, das mit einer dünnen Schicht Schnee bedeckt war. Nachdem alle hinter der Hecke standen, griff Mirko unter eine Holzspindel und fingerte einen rostigen Schlüssel hervor. Das Vorhängeschloß quietschte, als Mirko aufschloß. Dann zog der Tscheche noch den Riegel von der Kramme und öffnete die Bohlentür. Ein starker, aromatischer Duft schlug den Eintretenden entgegen: Bergheu. Die Hütte des Waldhüters war geräumiger, als es von außen den Anschein hatte. Im vorderen Teil des Raumes hingen oder standen ordentlich Geräte und Werkzeug, im hinteren, geräumigeren Teil lag Heu gebanst, in das sich die müden Männer sofort warfen. Sie hatten eine Ruhepause verdient. Kolja kam gerade noch dazu, im Nachhinein zu befehlen: „Einen halben Tag Ruhe, elf Stunden haben wir noch vor uns!" Dann teilte er die Wachen ein. Zuerst zogen der Russe Fedja und der Tscheche Pepik auf. Die beiden wurden von Standa und Ladislav abgelöst. Die letzte Wache brachten Jarda und Mirko auch ohne besondere Vorkommnisse hinter sich. Mirko weckte den Kommandeur. ,,He, aufstehen! Die sechs Stunden sind um!"
Kolja, noch tief im Schlaf, brummte etwas vor sich hin, räkelte sich aber nur in seiner Heumulde, ohne Mirko begriffen zu haben. Erst ein harter Stoß in die Rippen holte ihn aus dem Schlaf. Aufgescheucht rief er: „Was ist?" Von diesem Ruf schreckten auch die anderen hoch und griffen zu ihren Waffen. „Aufstehn, Leute!" Mirko lachte in die verschlafenen Gesichter der Genossen. Jeder aß ein Stück Brot und etwas harte Wurst. Dann verließen die Partisanen die Hütte. Der Schnee lag kniehoch. Nur unter dem dichten Dach der Tannen ließ es sich laufen. Hinter der Gruppe gingen drei Mann, die Tannenzweige hinter sich her zogen, um die Spuren zu verwischen; der immer noch fallende Schnee und der Wind würden bald alles glatt gemacht haben. In der Dämmerung gelangten sie an einen tiefen Geländeeinschnitt, auf der Talsohle zog sich eine Straße entlang. Kolja schickte Mirko und Jarda hinunter, das Terrain zu erkunden. Nach zehn Minuten tauchte Mirko allein auf. „Scheint sehr befahren zu sein, die Straße. Jarda beobachtet sie." „Was für eine Straße, Mirko?" fragte Kolja. „Auf einer Länge von etwa zwanzig Kilometern verbindet sie zwei Hauptstraßen über das Gebirge. Nordostwärts, etwa fünfzehn Kilometer von hier
entfernt, ist eine kleine Siedlung, die einzige in dieser Gegend. Wir sind kurz vor dem Sazavatal." ,,Da sind wir ja fast am Ziel!" ,,Naja, 'n bißchen müssen wir schon noch marschieren", meinte Mirko zu Kolja. Genaue Entfernung weiß ich nicht, aber schau doch mal in die Karte." Kolja holte die Karte hervor. Nach einer Weile sagte er: ,,Mirko, zwei Stunden Wegs noch. Aber ..." Er wandte sich an alle. ,,... was glaubt ihr, wie es mir hier gefällt!" Kolja blickte in die Gesichter seiner Genossen. „Man könnte hier ... Also, wir bleiben und machen den Faschisten ein bißchen Dampf. Mögen sie glauben, sie hätten es mit einer großen Partisanenabteilung zu tun. Wir fangen ihnen ein paar Autos weg, versperren die Straße mit den Wracks! Also..." Der Kommandeur bemerkte die Zustimmung der Männer, ,,... Fedja und Iwan, ihr erklettert den Hang da, über der Straße. Steigt aber nur so weit, daß ihr noch die Straße einsehen könnt!" „Ruhe!" rief Standa leise aus. „Ich höre Motorengeräusche!" Noch war unten auf der Straße nichts zu sehen, doch das Brummen eines Autos konnten sie vernehmen. Durch die Entfernung hervorgerufen, schien ein kleiner Mannschaftswagen der faschistischen Wehrmacht dort unten ziemlich langsam zu kriechen.
„Schade! Dem hätten wir es aber geben können!" brummte Kolja. „Wird nicht der einzige gewesen sein", gab ihm Iwan Bescheid. Das Motorengeräusch verklang. Der Kommandeur wandte sich wieder den Männern zu. „Also, Fedja und Iwan, eure Aufgabe ist es, eine Flucht der Faschisten nach drüben zu verhindern. Ihr müßt uns aber auch Feuerschutz geben. Schießt erst, wenn wir geschossen haben; ihr wißt dann auch, daß die Fahrzeuge auf unserer Höhe sind. Alle anderen überfallen die ersten Autos, die wir sehen." Das nächste Geräusch stammte von einem flachen Lieferwagen, der Milchkannen fuhr. Vor der scharfen Kurve ging der Fahrer mit der Geschwindigkeit stark herunter, gab dann in der Kurve wieder Gas, schaltete auf den höheren Gang und raste die Straße links hinunter. Zehn Minuten später hörten sie wieder Fahrzeuggeräusche. Kolja nahm sein Fernglas, Zuerst sah er ein Beiwagenkrad mit Fahrer und Schützen. Dahinter fuhr ein Militärlastwagen, verdeckt mit einer Plane. Hinterher kam ein Geländewagen, ebenfalls verdeckt. Kurz vor der Kurve fuhren die Fahrzeuge langsamer. Die Partisanen ließen sie um die Kurve kommen, dann hob Kolja die Hand. Als das Krad direkt unter ihnen war, schrie er: „Feuer!" Kurz
darauf prasselten von den Berghängen die Geschosse ins Tal. Kolja und Standa kletterten den Hang zur Straße hinunter; von der anderen Seite kam Pepik herab. Vorsichtig, die Waffe schußbereit, näherten sich die drei dem Krad, dessen Seitenwagen eingedrückt war. Pepik zog den Starterschlüssel ab. Hier war nichts mehr zu machen, beide SS-Männer waren tot. Dann besahen sie sich den LKW. Die Scheibe der Fahrerkabine war völlig zerschossen, nur einige Glassplitter in der Einfassung waren zu sehen. Der Fahrer und ein SS-Obersturmführer lagen vornübergebeugt tot auf ihrem Sitz. Pepik, der nach hinten gegangen war, löste die Riegel der hinteren Wagenklappe, die krachend herunterfiel. Den Partisanen bot sich ein unerwarteter Anblick: Ein SS-Mann lag an der Längsbank, neben ihm zwei große Wolfshunde. Er und die Tiere waren tot. Direkt hinter dem Fahrerhaus lag ein weiterer Mann und stöhnte. Die Partisanen zogen ihn nach hinten; es war ein SSUnterscharführer, der nicht mehr lange zu leben schien. Pepik winkte Kolja, der den Geländewagen untersuchte, zu sich. Da auch im Geländewagen der Fahrer und die zwei SS-Männer tot waren, eilte Kolja zum LKW. Kolja sagte, als er merkte, daß der Schwerverwundete bei Bewußtsein war, zu Pepik: ,,Los, frag
ihn. wo er herkommt, wohin die Fahrzeuge gebracht werden sollten. Pepik fragte den SS-Mann. Der öffnete die Augen, fragte: ,,Partisanen?" ,,Ja", antwortete Pepik. „Und wo kommt ihr her?" „Egal. Ich sterbe. Meine Mutter hat recht gehabt... Wir kommen aus Königgrätz. Der Offizier hat uns abgeholt. Weiß nicht wohin. Jagdkommando." Die Stimme des jungen SS-Mannes wurde immer leiser. Die Partisanen konnten dem Gestammel entnehmen, daß der Mann mit Suchhunden aus dem SS-Hundezwinger Grünheide bei Berlin nach Königgrätz (Hradec Králove) kommandiert worden war. Dann bat der Deutsche, man möge seiner Mutter Bescheid geben. „Sie ist besser auf euch zu sprechen als ich" waren die letzten Worte. Pepik hatte übersetzt. Kolja winkte zwei weiteren Partisanen, während die anderen von den Hängen aus die Straße beobachteten und die Genossen auf der Straße sicherten. Kolja befahl, die Leichen aus den Kraftfahrzeugen zu ziehen und sie in den Straßengraben zu legen. Als das geschehen war, nahmen sie alle Sturmgewehre, Pistolen und die Uniformjacke des SS-Obersturmführers mit. Aus den Reservekanistern schütteten sie den Treibstoff über die Fahrzeuge und schraubten die Verschlüsse der Tanks ab. „Pepik und Standa! Ihr zündet das Zeug hier an.
Wir verschwinden! Macht schnell, kommt nach!" Die beiden warteten, bis die Gefährten ein Stück Hang erklettert hatten, dann zündeten sie den Treibstoff an und stiegen, so schnell es ging, den Genossen hinterher. Kurz darauf gab es mehrere dumpfe Explosionen, Feuer flammte auf, schwarzer Rauch entwickelte sich. „Schade um die Fahrzeuge", meinte Kolja. „Hätten wir gut gebrauchen können." Standa antwortete: „Ach was, wir wären zwar schneller, aber eher zu entdecken! Also, drei Stück zerstört ist besser als eins mitgenommen!" Kolja lachte. „Natürlich, und trotzdem ist es schade um die Autos und um das Motorrad. Ich wollte schon immer mal eins haben. Naja, nach dem Kriege!" In der Gestapo-Leitstelle Prag Obwohl das Dienstzimmer von Dr. Gerke beheizt wurde, fror der mächtigste Mann des Protektorats: der Chef der Geheimen Staatspolizei des Protektorats und -der Stadt Prag, Oberregierungsrat und SS-Obersturmbannführer. Der Henker klingelte seinem Adjutanten. „Schicken Sie den Leimer herein!" „Zu Befehl, Obersturmbannführer!" Kurz darauf trat Leimer ein, meldete sich exakt zur Stelle. Rührte sich nicht. „Bitte nehmen Sie Platz." Der SS-Führer schob dem Gesinnungskumpanen einen Sessel zurecht. Leimer stammte aus Neuwied am Rhein und war
bereits bei der Polizei der Weimarer Republik. Nun ist er hier als Kriminalkommissar eingesetzt. Vor ein paar Monaten hatte man ihm eines der heißesten Eisen aufgebürdet: Leiter des Dezernats IV-N, das sich mit dem Einsatz gegen „Fallschirmagenten" — so die Bezeichnung der Gestapo für die Partisanen — beschäftigte. Eine wesentliche Aufgabe bestand in der Werbung sogenannter Konfidenten. Das waren Tschechen, die sich für einen Judaslohn an die Nazis verkauften und ihre Landsleute verrieten. Aber das klappte nicht so, wie es Leimer gern gesehen hätte. Auf dem Prager Hauptpostamt hatte er zwar den Leuten ,,poste restante" einrichten lassen, wo sie Befehle und Aufträge sowie ihren monatlichen Agentensold abholen konnten. Das wußten aber nicht nur Gerke und Leimer, sondern auch ein paar tschechische Postangestellte. Und diese wiederum informierten die Partisanen. So nimmt es nicht wunder, daß nach der Zerschlagung des Faschismus ein großer Teil der Agenten durch die antifaschistischen Sicherheitsorgane der CSR ergriffen und abgeurteilt werden konnten. Aber noch war es nicht soweit. In dem . Gestapo-Dienstzimmer in Prag entwickelte sich folgendes Gespräch: Gerke forderte Leimer auf, über die Bekämpfung der Partisanen in den letzten Wochen zu berichten. „Wir müssen etwas vorlegen. Sie haben mir
gemeldet, daß einige Aktionen unternommen wurden, die aber keinen nennenswerten Erfolg zeitigten. Sie wissen von den Fallschirmagenten, die vor vier Monaten im Raum Tschaslau abgesprungen sind. Russische Fallschirme wurden gefunden. Die Meldungen kamen von der Polizei und von Wehrmachtsdienststellen. Von Gendarmerieangehörigen und Forstangestellten erfuhren wir, wohin diese Banditen gegangen sind. Soweit, so gut. In den verschiedensten Orten wurden die Einwohner befragt. Aber was kam dabei heraus? Nichts! Dort scheint es nur Blinde und Taube zu geben! Doch sie waren da, diese Banditen! Das bewiesen uns zerschnittene Telefonleitungen, zerstörte Brücken, überfallene Kraftfahrzeuge." ,,Das ist mir alles bekannt. Ich habe dementsprechend gehandelt. Leider noch erfolglos." „Mensch, Leimer, Sie waren Leiter der GestapoAußendienststeile in Mittelböhmen, im Oberlandratsbezirk Kolin. Sie kennen sich da gut aus, haben Ihre Vertrauensleute. Aber niemand dort kann sagen, was eigentlich los ist! Konkret, mein Lieber!" „Ich weiß, daß Banden dort kämpfen, weiß auch, daß Fallschirmagenten in diesem Gebiet abgesprungen sind. Aber was nützt es mir, wenn ich mich selbst auf meine Leute dort nicht verlassen kann. Ich habe ihnen ganz bestimmte
Befehle erteilt, konkrete. Dann habe ich ihnen freie Hand gelassen, ihnen gesagt, sie müssen hart herangehen, ohne jede Rücksicht. Einziges Ziel ist, diese abgesprungene Bande festzusetzen!" „Aber bis heute wurde noch kein einziger Bandit erwischt!" „Sie wissen von unserer großangelegten Aktion vom neunzehnten Dezember vorigen Jahres in Lipovec-Licomerice.'' „Leimer, soll ich Ihnen vorlesen, was ich an das Reichssicherheitshauptamt berichtet habe?" Gerke fingerte aus einer Mappe den Durchschlag des Lageberichts vom Dezember 1944 heraus, suchte etwas auf den Blättern. Nachdem er die Stelle gefunden hatte, las er vor: „Gruppe bei Licomerice ausgemacht, vierzehn Personen. Etwa einhundert männliche Personen als Helfer in beiden Ortschaften festgenommen. Im Wald einen Bunker entdeckt. Zwei Fallschirmagenten, die sich im Ort befanden, konnten flüchten. Ein Ehepaar, Helfer der Agenten, konnte unter deren Feuerschutz gleichfalls entkommen. Die Leiche eines Konfidenten wurde bei der Durchkämmung des Waldes, unter Laub versteckt, aufgefunden..." Gerke blickte auf. „... und so weiter und so weiter." Dann holte er eine Flasche Kognak und zwei Gläser, goß ein. Sie tranken. „Obersturmbannführer, wir haben erfahren, daß sich die Gruppe oder ein Teil von ihr ostwärts
abgesetzt hat. Nichts deutet darauf hin, daß sich Banditen in den Eisernen Bergen aufhalten. Wir erhielten Informationen darüber, daß Anzeichen in den Wäldern bei Saar auf Partisanen schließen lassen. Ich befahl, sofort nähere Erkundungen einzuholen. Dann wurde Krucemburk umstellt, vierundzwanzig Einwohner wurden verhaftet. Aber nicht eine einzige Spur zu den Fallschirmagenten konnte man finden, obwohl härteste Maßnahmen gegenüber der Bevölkerung durchgeführt wurden." „Wissen Sie, Leimer, was das heißt? Die Einheimischen finden uns schwach. Sie verraten nichts. Wir müssen weiträumiger operieren!" „Sie haben recht. Nach letzten Informationen, die ich Ihnen noch nicht liefern konnte, machen sich die Banditen nun auf der Böhmisch-Mährischen Höhe, weiter nach Südosten zu, in der Nähe mehrerer kleiner Bergdörfer zu schaffen. Besonders zwischen Chrudim und Habern. Es muß mehrere Gruppen, vielleicht sogar schon größere Einheiten geben, denn bei den Überfällen auf Polizeistationen, Gendarmerieposten, auf SSFahrzeugkolonnen konnte im Nachhinein festgestellt werden, daß die Banditen Aufklärer, Sicherungsgruppen, Stoßtrupps und Sprengkommandos haben. Hier hilft nicht mehr unser ,Kleinklein', hier muß man kräftiger 'ran!" „Machen Sie es doch so wie Obersturmbannführer
Skorzeny in Mähren! Jawohl! Wir setzen Jagdkommandos ein, denen kleine Einsatzkommandos der Polizei in allen Gendarmeriestationen unterstellt werden..." „Aus einigen Dörfern erhalten wir überhaupt keine Informationen, dort müßte der Stab der Banditen sein", unterbrach Leimer den Chef. „Irgendwie müssen wir da 'rankommen!" Leimer beugte sich nach vorn, umfaßte die Kante des Schreibtischs und sagte ungemein leise: „Es konnten Funksignale gehört werden!" „Gut, dann fordern wir Nachrichtentruppen der Wehrmacht an, Spezialisten und mehrere Peilwagen. Es müßte uns doch gelingen, mit Einsatz von Waffen-SS und Polizei wenigstens einen Teil der Banditen aufzurollen!" Gerke stand auf, winkte Leimer an einen Kartentisch. Beide beugten sich über das Meßtischblatt. „Ich glaube, Chrudim wäre ein günstiger Einsatzort. "Leimer blickte seinen Chef an. „Von hier aus könnten wir einiges unternehmen." „Gut. Und wer leitet diese Geschichte?" „Ich schlage als Leiter des Jagdkommandos den Chef der GestapoAußendienststellen Kolin und Beneschau vor, auch wenn Chrudim selbst nicht mehr zu seinem Dienstbereich gehört. Er und seine Leute waren bei allen Aktionen dabei und haben sich auch ein Netz von Vertrauenspersonen aufgebaut. Man müßte ihn aber von seiner jetzigen Tätigkeit
entbinden." Dann nannte Leimer den Namen. „Nicht schlecht", meinte Gerke, „der ,Hauptsturmführer mit der großen Nase'! Unterstützen Sie ihn, so gut Sie können, Leimer. Er wird von seiner jetzigen Dienstfunktion vorerst entbunden. Wir müssen doch endlich zum Erfolg kommen!"
Eine erfolgreiche Partisanenaktion Im zeitigen Frühjahr 1945 war die Partisanengruppe „Magister Jan Hus" bereits zu einer ansehnlichen Brigade angewachsen. Über dreihundertzwanzig ihrer Kämpfer hatten den Nazis empfindliche Schläge versetzt. Befriedigt und stolz gab die Hauptfunkerin Maria die Erfolgsmeldungen an den Partisanenstab durch, die Major Fomin diktiert und der Funker verschlüsselt hatten. Aber noch kämpften die einzelnen Einheiten der Brigade fast ausschließlich allein, führten selten gemeinsame Aktionen durch. Nun wurde im Stab der Brigade zum erstenmal eine gemeinsame große Aktion in einer Stadt erwogen. Alle Einheiten hatten zu stellen: Stoßtrupps, Sicherungsgruppen, Sprengkommandos. Major Fomin, Stabschef Perchumow und Politkommissar Pich-Tuma einigten sich auf einen Anschlag in Zd’ár, das die Faschisten in Saar umbenannt hatten. Die an der Säzava gelegene Industriestadt war
einmal ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, beherbergte recht viele Partisanenhelfer, zum anderen waren hier Bezirksverwaltungen und Ämter des Protektorats. Die Partisanen entschieden sich für ein ganz bestimmtes Objekt... Gegen acht Uhr, die Arbeitszeit hatte bereits begonnen, kamen einzelne Männer in die Stadt: Partisanen Fomins. Einige trugen Eisenbahneruniformen, andere waren als Gendarmen verkleidet. Es fiel nicht weiter auf, daß sie alle in eine bestimmte Richtung gingen: Zum Bahnhof. Noch waren der Stoßtrupp sowie das Sprengkommando nicht zusammen. Doch die Partisanen, die die Aktion abzusichern hatten, befanden sich bereits an ihren Plätzen am Eisenbahndepot. Gegen neun Uhr trafen die Genossen der beiden Aktionstrupps am Bahnhof zusammen. Jeder hatte seine bestimmte Aufgabe. Alles schien bisher geklappt zu haben. Drei Genossen drangen in das Bahnhofsgebäude ein, hielten den Bahnhofsvorsteher fest, derweil andere die Telefonleitungen unterbrachen. Eine weitere Gruppe begab sich zum Lokschuppen. Zwei dort diensttuende Lokführer wurden schnell in den nahegelegenen Güterschuppen gebracht und bewacht. Ihnen erklärten die Genossen, daß sie in wenigen Minuten freigelassen werden würden. Sie sollten sich aber ruhig verhalten. Im Lokschuppen untersuchte das Sprengkommando Drehscheiben und Lokomotiven. „Jungs, seid
vorsichtig!" rief Standa. „Verhaltet euch so, als wäret ihr hier ständig auf Arbeit!" Pepik, Fedja und Ladislav übergaben ihm dann die Sprengstoffpakete. „Sei du lieber vorsichtig!" Ladislav lief zum Tor, nahm dort durch ein vereinbartes Zeichen die Verbindung zum ersten Sicherungsposten auf: Wie ist die Lage? Der Posten gab das Zeichen weiter. Kurz darauf winkte er: Alles klar. Standa brachte die Sprengstoffpakete unter den Fahrgestellen der Lokomotiven und unter der Drehscheibe an. Dabei brummte er: ,,Mit der Hälfte des Sprengstoffs könnten wir eine größere Wirkung erzielen, brächten wir die Ladungen in den Loks an. Aber wir haben keine Zeit. Schade.'' Als die Pakete an den richtigen Stellen lagen, zog Standa die Jacke aus. Um seinen Oberkörper hatte er sich die Zündschnur gewunden. „Leider haben wir noch keine elektrische Zündmaschine auftreiben können", sagte er bedauernd. Dann wickelte er viele Meter Schnur von seinem Körper ab, schnitt sie mit einem Finnmesser durch und verband jeweils die Enden mit den Ladungen. Bald darauf gab er den Gefährten Bescheid: „Lad'a, sag Kolja, daß die Eisenbahner ein Stück vom Schuppen weggebracht werden sollen. Er kann dem Absperrkommando das Signal geben, damit keine Passanten die Straße drüben benutzen. Zurück jetzt!"
Während die Partisanen schnell aus dem Schuppen liefen, verband Standa alle Enden der Zündschnüre miteinander. Dann zog er seine Jacke wieder an, holte aus einer kleinen Rolle, die einer Kabeltrommel ähnlich sah, das Ende einer dünnen, schwarzlackierten Schnur und verband sie mit den anderen. Dann ging er, die Rolle in der rechten Hand, rasch aus der Halle. Die dünne, schwarze Schnur rollte hinter ihm ab. Am Bahnhofsgebäude warteten Ladislav und Pepik auf ihn. Die anderen sah er nicht. Alle drei rannten über den Bahnhofsvorplatz in eine Seitenstraße. Dort hielt Standa im Lauf inne: Die Schnur war abgelaufen. „Schnellzünder", sagte er zu den Gefährten. „Zwanzig Meter brennen in NullKomma-zwei Sekunden ab! Macht den Mund weit auf!" Er hielt die Flamme eines Feuerzeugs an das Ende der Schnur. Kaum war das geschehen, als mehrere kurz aufeinanderfolgende, ohrenbetäubende Detonationen zu hören waren. Als wäre der Teufel hinter ihnen her, jagten die drei davon. Sie waren schon aus der Stadt hinaus, da erklangen die Alarmsirenen.
Die letzten Tage Nach dieser Aktion bereitete sich die Partisanenbrigade ,,Magister Jan Hus" mit anderen Verbänden auf den offenen Kampf vor. Fünfhundert Kämpfer umfaßte nun die Brigade.
Slowakischer Aufstund 1944. Gemeinsam mit tschechoslowakischen Partisanen kämpfen geflohene französische Kriegsgefangene gegen die faschistischen Okkupanten Im Februar begannen die Partisanen, einzelne Gebiete zu befreien. Kurz darauf befand sich eine ganze Reihe von Dörfern im Böhmisch-Mährischen Hochland in ihrer Hand. Noch vor dem Eintreffen der Roten Armee waren größere Gebiete befreit,
darunter die Städte Zd’ár, Havlickuv Brod, Litomysl, Chotebor. Als die Truppen der Roten Armee in Zd’ár einmarschierten, umjubelt von den Einwohnern, reihten sich viele Jan-Hus-Partisanen in die sowjetischen Kolonnen ein. Am 5. Mai 1945 begann der Aufstand der Prager Bevölkerung gegen das faschistische Regime. Sowjetische Vorausabteilungen griffen in den Kampf ein und konnten ein Blutbad in der Stadt sowie die Zerstörung kulturhistorischer Bauten verhindern. Vier Tage danach waren die Faschisten geschlagen. Allerdings versuchten einige Einheiten des Gegners, sich über den Böhmerwald nach Bayern durchzuschlagen. Sie wurden von den Partisanen hart bedrängt, die aber die Flucht der gut bewaffneten Truppen nicht verhindern konnten. Einige Tage nach der Befreiung ihres Heimatlandes gingen die Jan-Hus-Partisanen in ihre Heimatstädte und -dörfer. Auch Pepik, Fedja, Standa und Jarda. Jeder wußte, daß die Gefährten eine Freundin, Braut oder Frau zu Hause hatten, welche Sorgen sich der einzelne machte. Und so nahm es nicht wunder, daß Pepik, als er sich von den Kameraden verabschiedete, über seine Heimatstadt Kolin sprach und sich Gedanken machte, wie es dort wohl aussehen mochte. Über seine Braut Tanja sprach er, über seine Jugendfreunde.
Und sie gedachten auch der im Kampf gefallenen Genossen, Kameraden. Pepik sprach beim Abschied füralle, als er sagte: „Jetzt müssen wir, die noch leben, die faschistischen Verbrecher, ganz besonders aber deren Führer suchen und finden. Sie müssen alle für ihre Greueltaten büßen. Vielleicht sollte man ausgesuchte Genossen auch bis nach Deutschland schicken, um die Verbrecher aufzustöbern. Ich, und das verspreche ich euch, werde nicht eher ruhen, bis ich den Leiter des SS-Jagdkommandos Chrudim, der vorher Gestapochef von Kolin war, gefunden habe! Ich werde nachforschen! Hoffentlich sehen wir uns noch einmal gesund wieder, liebe Genossen!" Pepik stand auf, zog alle der Reihe nach an sich, wünschte mit bewegter Stimme jedem viele Erfolge auf dem weiteren Weg. Dann ging er schnell davon...
Epilog Seit meiner Reise in die CSSR sind zwei Jahre vergangen. 1974 führt mich mein Weg wieder dorthin. Noch immer verfolge ich die Spur der Jan-Hus-Partisanen. In Kolin halte ich mich mehrere Tage auf, besuche Bekannte, sehe mir die Stadt an, erkundige mich nach Fomins Kämpfern. Die Genossen schicken
mich in die Wälder um Habry. In Vickovice, einem Dorf in dem ausgedehnten Waldgebiet, lerne ich einen jungen Mann kennen, der mir berichtet: „Am sechsundzwanzigsten März neunzehnhundetrtfünfundvierzig fuhren mehrere Militärfahrzeuge durch unser Dorf; Sicherheitspolizei und Waffen-SS. Drei LKWs blieben im Dorf. Ich weiß nicht genau, wie viele Sojdaten von den Fahrzeugen sprangen, aber siebzig waren es gewiß. Ich war damals zehn Jahre alt, und da können Sie sich ja vorstellen, daß uns dieser Aufmarsch interessierte. Meine Freunde und ich paßten ganz schön auf, was da passierte. Noch nie waren so viele Militärfahrzeuge durch unser Dorf gefahren. Hunde hatten sie auch mit. Wir beobachteten, daß hin und wieder Melder auftauchten, auf Krafträdern. Dann bewegten sich die Faschisten in kleinen Gruppen auf das Dorf Leskovic zu. Das ist ein paar Kilometer von hier entfernt. Sie führten Hunde mit sich und hatten Maschinenpistolen und MGs. Ich habe nicht einen einzigen Karabiner gesehen. Ich lief mit ein paar Freunden hinter den Soldaten her, natürlich ziemlich weit hinter ihnen, denn wir hatten Angst vor den Faschisten und den großen Wolfshunden. Etwa einen Kilometer liefen wir denen nach. Auf einmal stand ein Offizier vor uns und schnauzte uns an, jagte uns nach Hause.
Am Abend kam Vater mit dem Fahrrad heim. Würde er noch leben, könnte er Ihnen viel mehr berichten als ich. Vater sagte zu uns, im Leskovicer Wald würde geschossen. Am nächsten Morgen sammelten sich die Faschisten wieder in unserem Dorf und fuhren bald ab. Vater erfuhr später, daß die Okkupanten auch Leichen auf einem LKW hatten, die sie nach Pardubice brachten..." Bei diesen Toten handelte es sich um die Mitglieder des Brigadestabs der Jan-Hus-Partisanen Major Alexander Wassiljewitsch Fomin, Stabschef Iwan Wassiljewitsch Perchumow, Arztin Lydia Alexandrowna Smekowa, Hauptfunker Maria Poljakowa, zwei unbekannte tschechische Partisanen. Wie ich später erfahren sollte, haben sich die Genossen heldenhaft verteidigt. Sie fielen durch Verrat im Kampf gegen eine große Übermacht aus Waffen-SS, Polizei und dem SS-Jagdkommando Chrudim. Das ist die Geschichte der Jan-Hus-Helden; einer Brigade tschechischer, slowakischer und sowjetischer Antifaschisten, die sich für die Befreiung ihrer Heimatländer, ja für die Befreiung Europas vom Faschismus einsetzten. Ihr Kampf war gerecht. Ehre den Helden, die für die Freiheit ihr Leben gaben.
Die wichtigsten tschechoslowakischen Partisanenbrigaden und –verbände Partisanenbrigade „Magister Jan Hus" (etwa 500—600 Mann) Operationsgebiet: Böhmen-Mähren Partisanenbrigade „Jan Kozina" (etwa 500—600 Mann) Operationsgebiet: Böhmen-Mähren Partisanenbrigade Jegorow (etwa 800—1000 Mann) Operationsgebiet: Slowakei Partisanenbrigade „Janosik" (etwa 600—800 Mann) Operationsgebiet: Slowakei Partisanenbrigade Woljanski (etwa 1200—1500 Mann) Operationsgebiet: Slowakei Partisanenabteilung „Miroslav Tyrs" (etwa 150—250 Mann) Operationsgebiet: Böhmen-Mähren
Partisanenabteilung ,,Záre" (etwa 200—300 Mann) Operationsgebiet: Slowakei und Böhmen-Mähren Partisanenabteilung Dadilenko (etwa 400 bis 500 Mann) Operationsgebiet: Slowakei Mitte Januar 1945 operierten auf dem Gebiet der Tschechoslowakei über 60 Partisanenbrigaden und -abteilungen mit etwa 10000 Kämpfern, deren Zahl bis Kriegsende ständig zunahm (nicht mitgerechnet die vielen selbständigen Gruppen).