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Corinna Engelhardt-Nowitzki (Hrsg.) Ausbildung in der Logistik
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Leobener Logistik Cases Herausgegeben von Univ.-Prof. Dr. Corinna Engelhardt-Nowitzki
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Corinna Engelhardt-Nowitzki (Hrsg.)
Ausbildung in der Logistik Mit Geleitworten von Dr. Matthias Konrad, Univ.-Prof. Dr. Wolfhard Wegscheider und em. Univ.-Prof. Dr. Dr. Albert F. Oberhofer
Deutscher Universitats-Verlag
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Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnetdiese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaiilierte bibliografische Daten sind im Internet iJber abrufbar.
l.AuflageGktober2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel/ Britta Gohrisch-Radmacher Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media, www. duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auSerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fijr Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-1G 3-8350-0574-X ISBN-13 978-3-8350-0574-7
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Geleitwort Matthias Konrad In einer Vemetzung aller Krafte hat Leoben in den vergangenen Jahren den Wandel hin zum modemen Wirtschafts- und Tourismusstandort vollzogen. Heute sind wir Kulturstadt und Industriestandort - vor allem sind wir eine Stadt mit Zukunft. Die Wirtschaftsinitiativen-Leoben-Gesellschaft und ihre strategischen Partner sind ein wichtiger Baustein in dieser Entwicklung. Mit dem Lehrstuhl fiir Industrielogistik wurde seitens der Montanuniversitat ein weiterer Schritt in die richtige Richtung getan. Zwischen der Stadtgemeinde, der Montanuniversitat Leoben, der HTL Leoben, dem Logistik-Club Leoben und der heimischen Wirtschaft ist ein kraftvolles Logistik-Netzwerk entstanden. Die Vormachtstellung der Montanstadt auf diesem Gebiet wird auch durch den erfolgreichen LogistikSommer untermauert. Wenn die Kooperation mit unseren starken Partner aus der Wirtschafl und mit der Montanuniversitat weiterhin so gut lauft, dann sehe ich Leoben im Jahr 2020 als das gesunde, pulsierende Herz der Obersteiermark. Ich bin mir sicher, dass wir in eine positive Zukunft blicken, in der sich viele neue Chancen fiir uns auftun werden. Ich danke Ihnen flir Ihr Engagement und die Tatsache, dass Sie die Stadt Leoben als attraktiven Logistikstandort nach auBen tragen. Ein leobenerisches „Gluck auf!" Dr. Matthias Konrad Biirgermeister der Stadt Leoben
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Geleitwort Wolfhard Wegscheider Die Entwicklung und Ausdifferenzierung der Studien an der Montanuniversitat Leoben hat mit der Einrichtung des Bakkalaureats- und Magisterstudiums „Industrielogistik" im Jahr 2002 eine wichtige Erganzung erfahren. Gleichsam zwischen Betriebswirtschaft und Technik bietet die Montanuniversitat eine Ausbildungsmoglichkeit in einem Each, das fiir alle Betriebe von groBer Bedeutung ist, besonders fiir die produzierenden. Wie in alien Fallen beim Aufbau neuer Lehrgebiete zu beobachten ist, stellen das Gewinnen von didaktischer Erfahrung und die Zusammenstellung konkreter Unterlagen fiir die Lehre groBe Herausforderungen dar. Daher ist die Initiative von Frau Prof. Engelhardt-Nowitzki sehr zu begruBen, diesen Band als schriftliche Sammlung von Konzepten, Inhalten und Methoden zur Lehre im Each Industrielogistik herauszugeben. Er zeigt den aktuellen Stand der Lehre auf und weist auf die groBe Bedeutung von Simulation, Fallstudien und Planspielen in der Praxis der Ausbildung hin. Sicher ist das letzte Wort in Fragen der Ausbildung und Ausbildungsmethodik von Industrielogistikem noch nicht gesprochen. Dieser Band ist aber ein wichtiger Schritt zur Dokumentation des Status Quo und damit zur Strukturierung der Diskussion tiber Optimierungspotentiale in den Lehr- und Lemprozessen. o.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Wolfhard Wegscheider Rektor der Montanuniversitat Leoben
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Geleitwort Albert F. Oherhofer Mit dem Trend der Weltwirtschaft zur freien Marktwirtschaft und damit zu verscharfter Konkurrenz ziehen sich die Untemehmen in hoherem MaBe auf ihre Kemkompetenz zurtick. Eine groBere Arbeitsteilung, besonders in hoch entwickelten Wirtschaftsgebieten ist die Folge. Der Logistik als „marktgerechte Gestaltung der Giiter-, Dienstleistungs- und Informationsflusse" fallt die wichtige Aufgabe zu, das Zusammenwirken der Untemehmen mit und in den Markten zu sichem. Osterreichs Wirtschaft ist besonders exportorientiert, dies betrifft auch speziell die Industrie der Steiermark. Hier hat sich im letzten Jahrzehnt in Leoben ein Logistik-Center entwickelt, als Standortzentrum der Wirtschaft. Gleichzeitig wurden an der Hoheren Technischen Lehranstalt Leoben und an der Montanuniversitat Leoben Ausbildungs- und Studienrichtungen geschaffen, die den Erfordemissen der Logistik der modemen Wirtschaft in Lehre und Forschung gerecht werden. Ein Logistik-Club Leoben, der zur engen Verbundenheit von Praxis und Lehre in Logistik beitragen soil, wurde geschaffen. Dieser Logistik-Club als Basis des Verbundes der Praxis mit Lehre und Forschung soil auch Ausgangspunkt sein fur die vorhersehbare Ausrichtung der Logistik in die Lander, die geografisch im Osten Osterreichs liegen. Der Lehrstuhl fiir Industrielogistik im Department fiir Wirtschafts- und Betriebswissenschaften an der Montanuniversitat Leoben wird in Lehre und Forschung der Logistik eine hervorragende Stellung einnehmen. em. Univ.-Prof. Dr. Dr. Albert F. Oberhofer Prasident Logistik-Club Leoben
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Vorwort Corinna Engelhardt-Nowitzki Besser, als es die vorangegangenen Geleitworte tun, kann man es im Grunde nicht ausdriicken: Die Logistik-Initiativen im Raum Leoben, insbesondere die Studienrichtung Industrieiogistik an der Montanuniversitat, der Fachzweig Logistik an der HTL und die Aktivitaten des Logistik-Centers und Logistik-Clubs Leoben biindeln in einem selten ganzheitlichen Konzept die Logistik-Kompetenz einer Region. Mit meiner Berufung auf den Lehrstuhl Industrieiogistik im Oktober 2003 bin ich nicht nur der Montanuniversitat gegentiber die Verpflichtung eingegangen, den neuen Studiengang professionell aufzubauen, sondem bin ich Teil und vor allem auch Treiber dieser Initiative geworden - eine einzigartige Herausforderung und Chance nicht nur fiir mich personHch, sondem fur aile „Stakehoider": Die Universitat, die Studierenden und Absolventen, die Untemehmen, das Logistik-Center und die Stadtgemeinde Leoben. Als Universitatseinrichtung verfolgt der Lehrstuhl die „klassischen" Aufgaben einer Universitat: •
•
Exzellenz in der universitaren Lehre Dies betrifft insbesondere den Aufbau des Studiums nach dem Prinzip der forschungsgeleiteten Lehre. Derzeit sind - obwohl erst der dritte Studentenjahrgang in das Studium eingetreten ist und die Studierenden des ersten Jahrgangs mit dem laufenden Wintersemester erst im siebten Semester studieren - ca. 200 Studierende fur die Studienrichtung Industrieiogistik eingeschrieben. Bei den Erstinskriptionszahlen ist die Industrieiogistik die starkste Studienrichtung der Montanuniversitat. Wissenschaftliche Profilbildung und Forschung Als Lehrstuhl einer Montanuniversitat stehen wir - obwohl kein „klassisch montanistisches" Fach - in einer langen Tradition, die es wiirdig fortzusetzen gilt. Es gilt also, die Industrieiogistik schltissig auf das fachliche und regionale Umfeld der Universitat auszurichten. Spezialisierungen liegen folgerichtig im Bereich der Produktionslogistik, in Supply Chain Management und Prozessoptimierung sowie auch im Bereich der Wissenslogistik, die gerade in den uns nahestehenden industriellen Bereichen ein immer wichtigere RoUe einnimmt.
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XII
Vorwort
•
Kompetenzpartner der Industrie In diesem Bereich gilt es einerseits, der Industrie aktuellstes logistisches Wissen praxisnah und anwendungsgerecht zuganglich zu machen. Andererseits ist die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft aber auch tragende Saule unserer Ausbildungsphilosophie: Nicht nur in Gastvortragen, sondem starker noch durch die feste Verankerung didaktischer Elemente wie Praktika, Fallstudien, Semesterprojekte und Abschlussarbeiten in Zusammenarbeit mit Untemehmenspartnem erleben die Leobener Studierenden im Fach Industrielogistik schon in den ersten Semestem einen intensiven Praxiskontakt. Erfahrungsaufbau einerseits, andererseits aber auch frlihe Orientierungschance fur den spateren beruflichen Einstieg.
Die Freude iiber den regen Zuspruch einerseits und die daraus erwachsende Verantwortung andererseits sind die Motivatoren der Arbeit unseres Teams am Lehrstuhl. In diesem Sinne starten wir mit dem vorliegenden Band als Buchreihe die „Leobener Logistik Cases", in denen wir regelmaBig aus unserer Arbeit berichten werden. Zu Wort kommen aber nicht nur die eigenen Mitarbeiter und Partner aus Wissenschaft und Praxis: Namhafte Experten zum jeweiligen fachlichen Schwerpunkt eines Bandes runden das Thema schliissig ab. Da zu Beginn der Aufbauarbeit des Lehrstuhls klarerweise das Studium im Vordergrund stand - Semester fiir Semester wollten Studierende mit Inhalten versorgt sein, ohne dass es einen langen zeitlichen Spielraum fiir die Entwicklung der Inhalte und des didaktischen Konzeptes gegeben hatte, widmet sich der hier vorliegende erste Band der Leobener Logistik Cases schwerpunktmaBig der Logistikausbildung. Fiir die Logistik als systemisches Fachgebiet stellen sich hier ganz besondere Herausforderungen: Das leicht vorzutragende bzw. als Lernender leicht zu erinnemde deklarative Faktenwissen ist der deutlich kleinere Teil des Qualifikationsprofils, das die Wirtschaft von unseren Absolventen erwartet. Vielmehr geht es um das wertvolle prozedurale Handlungswissen, das den „Logistiker" dazu befahigt, nicht nur gelemte Konzepte schliissig umzusetzen, sondem tatsachlich Wertschopfungsketten effektiv zu gestalten und effizient zu lenken. Diesem Anspruch muss das didaktische Konzept des Studiums Rechnung tragen. Wertvoll ist in diesem Zusammenhang vor allem der Blick nach auBen, daher ist es fester Bestandteil des Konzeptes fur diese Buchreihe, zum jeweiligen Themenschwerpunkt Experten sowohl aus der Scientific Community als auch erfahrene Praktiker dazu einzuladen, den jeweiligen Band mit zu gestalten.
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Vorwort
XIII
Neben dem Dank an die Autoren, an mein Team am Lehrstuhl und an den Verlag habe ich auf meinem personlichen und beruflichen Weg ausnehmend viel Untersttitzung und Anregung erfahren. Ohne alle diese Wegbegleiter hatte ich vermutlich nie die jetzige Aufgabe iibemommen und ware auch nicht diese Buchreihe ins Leben gerufen worden. Ich habe sehr vielen Helfem im Freundesund Kollegenkreis und einigen wenigen ganz besonderen Menschen in meinem Leben viel mehr zu verdanken, als man dies in einem Vorwort ausdrucken konnte. Insofem verzichte ich ausdriicklich auf eine Nennung und gehe stattdessen den Weg der personUchen Begegnung. Den Lesem dieses Bandes wtinsche ich eine abwechslungsreiche Lektiire, die je nach Anliegen den didaktischen Zugang zur Logistik, die Logistik selbst oder auch weitere Interessen im Zusammenhang mit einer modemen Logistikausbildung bereichem moge. Univ.-Prof. Dr. Corinna Engelhardt-Nowitzki Lehrstuhl Industrielogistik Montanuniversitat Leoben
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Inhaltsverzeichnis Geleitworte Matthias Konrad Wolfhard Wegscheider Albert Oberhofer
V V VII IX
Vorwort des Herausgebers
XI
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis
Teil I:
Die Logistikausbildung in Leoben: Handlungsorientiert und am Lernenden ausgerichtet
1 Anforderungen an die Logistikausbildung - fachlich, methodisch und didaktisch Corinna Engelhardt-Nowitzki 1.1 Implikationen fur die akademische Logistikausbildung aus dem Berufsbild des „Logistikers" 1.2 Konsequenzen fur das fachliche Basisprofil einer akademischen Logistik-Ausbildung 1.3 Konsequenzen fur die weiterfuhrende Vertiefling einer akademischen Logistik-Ausbildung - Systemkompetenz als notwendige Fahigkeit flir die ErfuUung logistischer Aufgaben Literatur
XV XXI
1
3
3 9
15 19
2 Einsatz moderner Medien und Lehrkonzepte in der Logistikausbildung am Beispiel des Planspieleinsatzes der Studienrichtung Industrielogistik an der Montanuniversitat Leoben 21 Corinna Engelhardt-Nowitzki 2.1 Der Einsatz moderner Medien - z. B. Planspiele - als didaktische Methode flir die Vermittlung komplexer Leminhalte insbesondere derLogistik 21 2.2 Der Einsatz moderner didaktischer Methoden in der Studienrichtung Industrielogistik an der Montanuniversitat Leoben 24
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XVI
Inhaltsverzeichnis
2.3 Perspektiven fur die didaktische Weiterentwicklung der Studienrichtung Industrielogistik an der Montanuniversitat Leoben stellvertretend fiir die Weiterentwicklung der universitaren Logistikausbildung Literatur 3 Lernort Leoben. Didaktische Elemente und Lernmedien in der Logistikausbildung an der HTL Leoben Robert Hermann und Alexandra Gmundtner 3.1 Ausbildung an der HTL Leoben
39 39
3.2 Ausbildungsschwerpunkt Logistik 3.3 Historische Entwicklung der Fachrichtung Logistik an der HTL Leoben 3.4 Berufschancen 3.5 Ausbildungsziel 3.6 Lehrinhalte und Methoden
40 40 42 43 44
4 Didaktischer Einsatz von Simulationssoftware fiir logistische Fragestellungen Corinna Engelhardt-Nowitzki, OlafNowitzki und Karl-Heinz Weigl 4.1 Besondere Fahigkeiten eines „Logistikers" 4.2 Simulation 4.3 Didaktik 4.4 Zusammenfassung Literatur 5 SUPPLY CHAIN SIMULATION (SCS) Simulation im World Wide Web zur Gestaltung von Versorgungsketten industrieller Produktionsbetriebe Robert Graf und Siegfried A ugustin 5.1 Einfiihrung und Zielsetzung 5.2 Umsetzung und Projektstand 5.3 Modellbeschreibung 5.4 Zusammenfassung Literatur
36 38
47 47 49 54 63 65
67 67 69 72 77 79
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Inhaltsverzeichnis
6 Planspiel in der Hiittenindustrie Wolfgang Steyrleithner 6.1 Allgemeines 6.2 Ziele und Umsetzung 6.3 Erfahrungen 6.4 Schlussbemerkung 7 Fallstudie Distributionslogistik Siegfried Augustin undSolveig Hofer 7.1 Einfuhrung 7.2 Problemstellung und Ausgangssituation 7.3 Durchfuhrung der Fallstudie 7.4 Erfahrungen
Teil II:
Ausgewahlte Best-Practice-Beispiele fiir eine zeitgemaBe Logistikausbildung an Hochschulen und in der Unternehmenspraxis
8 Innovative Lehrmethoden in der universitaren und auBeruniversitaren logistischen Aus- und Weiterbildung Michael Schenk, Tobias Reggelin undKatja Barfus 8.1 Planspiele 8.2 Das LogMotionLab 8.3 Ausblick Literatur 9 Management von Speditionen „spielerisch" lernen - Das Planspiel Speditionsmanagement Ingrid Gopfert und Axel Neher 9.1 Neue Anforderungen an die Logistikausbildung 9.2 Der Spielablauf. 9.3 Fazit
XVII
81 81 82 90 91 93 93 94 97 101
103
105 ...106 113 117 118
119 119 120 124
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XVIII
Inhaltsverzeichnis
10 ROFA-Plus - Ein simulationsunterstiitztes Planspiel zur Reorganisation von Produktionssystemen Gert Ziilch und Sascha Stohwasser 10.1 Vermittlung von Organisationswissen durch Planspiele 10.2 Konzeption des Planspiels ROFA-Plus 10.3 Ablauf des Planspiels Literatur 11 Einsatz von Simulationswerkzeugen in der Lehre am Beispiel von ARTS August-Wilhelm Scheer und Guido Grohmann 11.1 Einleitung 11.2 Einsatz computergestutzter Simulation in der Lehre 11.3 Simulation von Geschaftsprozessen mit ARIS 11.4 Beispiele zum Einsatz von ARIS Geschaftsprozesssimulationen in der Lehre 11.5 Ausblick Literatur 12 Wie Studierende Fiihrungseigenschaften trainieren konnen: Ausbildung mit dem FTMB® Ulrike Buchholz 13 SCM-Kompetenz-Management Focus: Planungs- und Dispositionsprozesse Sabine Back und Gemot Gossler 13.1 Ausgangssituation 13.2 Das Logistik-Monitoring-Konzept 13.3 Die authentische Trainings-Aufstellung 13.4 Resumee Literatur 14 Das Planspiel logtime Focus; Planungs- und Dispositionsprozesse Siegfried Augustin und Robert Graf
125 125 127 129 130
131 131 131 133 136 138 140 143
155 156 160 168 177 179 181
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Inhaltsverzeichnis
Teil III: Aspekte des Lernens und der Didaktik Expertenbeitrage 15 Vom Lehren zum Lernen: Ein neues Paradigma fur die HochschuUehre Pit Forster undAdi Winteler 15.1 Einleitung 15.2 Das Lehrparadigma 15.3 Lehren als LFbertragung von Wissen und die Folgen 15.4 Der Wechsel zum Lemparadigma 15.5 Lehrkonzepte 15.6 Lemkonzepte 15.7 Lehrkonzepte und Lemqualitat 15.8 Studentenorientierte Lemumgebungen 15.9 Problemorientiertes Lernen 16.10 Ja,aber Literatur 16 Elemente aktivierenden Lernens in der Hochschulausbildung OlafNowitzki 16.1 Unser Lemmotor - das Gehim und wie es Lernen fordert und fordert 16.2 Nehmt Euch die Acht! 16.3 Lernen als Prozess - sechs Schritte zum Erfolg 16.4 Aktiv Lernen - Aktiv Lehren 16.5 Aktivierend Lehren an der Hochschule 16.6 Wenn wir schreiten Seit' an Seit' - Planspiel und aktivierendes Lernen 16.7 Zusammenfassung Literatur
XIX
189
191 191 191 193 194 196 197 198 199 202 206 207 211
212 213 216 222 223 224 226 228
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XX
17 Didaktische Aspekte des Einsatzes von Fallstudien und Planspielen Elisabeth von Hornstein 17.1 Ursachen fiir den verstarkten Einsatz von Fallstudien und Planspielen 17.2 Lempsychologische Aspekte: Probehandeln mit verminderten Risiko 17.3 Lemeffekte durch Fallstudien und Planspiele 17.4 Durchfiihrung von Fallstudien und Planspielen 17.5 Konzeption von Fallstudien und Planspielen 17.6 Beobachtungsebenen von Fallstudien und Planspielen 17.7 Ausblick: Integration in ein Development Center Literatur
Inhaltsverzeichnis
229
229 230 232 233 235 236 237 239
18 Didaktische Aspekte der Arbeit mit Case Studies Kurt Matzler, Sonja Bidmon und Alexander Schwarz-Musch 18.1 Einleitung 18.2 Grundlagen didaktischen Handelns 18.3 Einsatz von Case Studies in der Lehre an Hochschulen 18.4 Kritisches Resiimee Literatur
241
Die Autoren
275
241 244 252 268 271
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Abbildungsverzeichnis Abbildung4.1:
Modellvariante und Abstraktionsgrad
50
Abbildung 4.2:
Phasenaufbau von Simulationsprojekten
51
Abbildung 4.3:
Gestaltung komplexer Probleme: Methoden und Techniken im Rahmen des System Engineering Konzepts
52
Abbildung 4,4:
Die AASE-Lemmethode
56
Abbildung 4.5:
Die logistische Theorie der Betriebskennlinien (vereinfachte Prinzipdarstellung) Die Mathematik im „Ein-Aggregats-Problem"
59
(vereinfacht)
60
Abbildung 4.7:
Vom Simulationsmodell zur Betriebskennlinie
62
Abbildung 5.1:
Gestaltungsstufen von Produktionssystemen
68
Abbildung 5.2:
TCP Architektur
70
Abbildung 5.3:
SCS-Zugang
71
Abbildung 5.4:
Englische Sprachversion
71
Abbildung 5.5:
Traditionelle Sicht betrieblicher Systeme
73
Abbildung 5.6:
Gestaltung betrieblicher Netzwerke
74
Abbildung 5.7:
e-Business in SCS
75
Abbildung 5.8:
Traditionelles Konzept
75
Abbildung 5.9:
Integrationskonzept
76
Abbildung 6.1:
Stofffluss im Modellhuttenwerk
83
Abbildung 6.2:
Kostentragerrechnung
Abbildung 6.3:
Buchhaltung (Teil 4)
84
Abbildung 6,4:
Investitionsvarianten
86
Abbildung 6.5:
Lagerbestand und Lagerbewegungen / Umsatziibersicht
87
Abbildung 6.6:
Periodentibersicht
88
Abbildung 4.6:
flirROHEISEN
84
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XXII
Abbildung 8.1:
Abbildung 8.2:
Abbildungsverzeichnis
Zusammenhang zwischen Art der Leminhaltevermittlung und Grad des Verstehens (Wojanowski und Schenk2004)
105
Haptisches Planspiel vs. Computersimulation (Reggelin 2003)
107
Abbildung 8.3:
Beispiel flir den modularen Aufbau eines Planspiel
110
Abbildung 8.4:
Individuell angepasstes SCM-Seminar mit SILKE-Masterfoods (Schenk u. Wojanowski 2004) Typischer Verlauf des Wissenstransfers und der Wissensentwicklung wahrend eines Planspiels (Reggelin 2003)
Abbildung 8.5:
Abbildung 8.6:
110
111
Analyse der Planspielrunde und Erarbeitung von VerbesserungsmaBnahmen
Ill
Technikum des Fraunhofer IFF in Magdeburg (Jahn et al. 2004)
114
Abbildung 8.8
Die Struktur des LogMotionLab (Jahn et al. 2004)
115
Abbildung 8.9
Materialflusssystem (Experimentelle Fabrik)
116
Abbildung 9.1
Spielbeginn
120
Abbildung 9.2
Operatives Tagesgeschaft
122
Abbildung 9.3
Managemententscheidungen
123
Abbildung 8.7:
Abbildung 10.1: Layout flir unterschiedliche Organisationsformen in einer Fahrradmontage
126
Abbildung 10.2: Analyse der Prozesskosten in der Fahrrad-Produktion
127
Abbildung 10.3: Outsourcing von Fahrrad-Baugruppen
128
Abbildung 11.1: ARIS Simulation [15]
134
Abbildung 11.2: Prozessinstanziierungsmodell [16]
135
Abbildung 11.3: Animationen zur ARIS-Lehre in WINFOLine
137
Abbildung 11.4: ARIS Web-Designer in WINFOLine [22]
138
Abbildung 12.1: FTMB®
147
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Abbildungsverzeichnis
XXIII
Abbildung 13.1: SCM-Kompetenz-Management
155
Abbildung 13.2: Monitoring Zyklus als kontinuierliches Verbesserungsprogramm
161
Abbildung 13.3: SCM KPI Organigramm als Grundlage einer Monitoring Bibliothek
165
Abbildung 13.4: Klassifikation und Einsatzprofile fur Coaching-Tools
170
Abbildung 13.5: ABCD-XYZ Analyse
171
Abbildung 13.6: ABC-XYZ Spektralanalyse
172
Abbildung 13.7: ZU/AB - Bestandsentwicklung
172
Abbildung 13.8: Dispositionsfenster
173
Abbildung 13.9: Beispiel der Kombination von Trainingselementen fiir ein Trainingstool
174
Abbildung 13.10: Oberflache eines individuellen Dispo-Games
176
Abbildung 13.11: Auswertung des Spielverlaufes des Dispo-Games
177
Abbildung 14.1: Elemente in logtime
182
Abbildung 14.2: Ausgangsstruktur ftir Spielrunde
183
Abbildung 14.3: Zusammenwirken von BPR und KVP
185
Abbildung 14.4: Phasen des Spielablaufs von logtime
185
Abbildung 15.1: Lehr- / Lemkonzepte und studentische Lemorientierungen
199
Abbildung 16.1: Der M.A.S.T.E.R.-Lemprozess
216
Abbildung 16.2: Soviel erinnem wir
221
Abbildung 17.1: Funktionsorientierung versus Prozessorientierung
229
Abbildung 17.2: Abhangigkeit des Verhaltens von Person und Situation
230
Abbildung 17.3: Planspielphasen
234
Abbildung 17.4: Kompetenzschema
235
Abbildung 17.5: Verhaltensebenen
236
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XXIV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 17.6: Planspieleinsatz im Rahmen eines Development Centers
238
Abbildung 18.1: Die Entwicklung der Fallstudienmethode
242
Abbildung 18.2: Dimensionen der Definition von Unterrichtsmethode (vgl. Terhart, 2000, S. 27, adaptiert) Abbildung 18.3: Einteilung der Unterrichtsmethoden nach
246
der Sozialform
247
Abbildung 18.4: Der Vorbereitungsprozess bei den Studierenden
261
Abbildung 18.5: Ablauf der Moderation
263
Abbildung 18.6: Die HBS-Methode der Fallstudiendiskussion
265
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Teill
Die Logistikausbildung in Leoben: Handlungsorientiert und am Lernenden ausgerichtet
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1
Anforderungen an die Logistikausbildung - fachlich, methodisch und didaktisch Corinna Engelhardt-Nowitzki
1.1 Implikationen fur die akademische Logistikausbildung aus dem Berufsbild des „Logistikers" Logistik ist ein sich schnell entwickelnder Wachstumssektor, was dazu flihrt, dass erstens Ausbildungsinhalte und zweitens Ausbildungsangebot und Absolventennachfrage stark zunehmen werden. Die Logistikkosten betragen je nach Sparte von ca. 8 % (Automobilindustrie) iiber 13 % (Konsumguterindustrie) bis zu 28 % (Handel)^ und sind damit ein nicht unerheblicher Hebel, den es zu bewirtschaften gilt. Logistikleistung (bezahlt oder unbezahlt) wird zunehmend zum Differenzierungskriterium und mangels Unterscheidbarkeit auf anderen Sektoren zur Basis der Erhaltung bzw. der ErschlieBung von Kundensegmenten und Umsatzpotentialen. Logistik-Wissen^ und damit auch die Logistikausbildung hat entsprechend schon heute einen hohen Stellenwert im Untemehmen, der sich kunftig noch steigem wird. Logistik hat sich von der „TuL-Funktion"^ zur wesentlichen Fach- und Fiihrungsfunktion entwickelt - mit der Konsequenz immer weitgehender Kompetenz- und damit auch Qualifizierungserfordemisse. Der Trend zur Verringerung der Leistungstiefe verstarkt diese Entwicklung zusatzlich. Einsatzfelder fiir Logistiker liegen nach Schatzungen zu ca. 40 % im Bereich Transport und Verkehr, zu ca. 25 % in Lager- und Umschlagstatigkeiten und zu ca. 35 % in Auftragsabwicklung, Produktion, Supply Chain Management und weiteren Detailfunktionen. Das Berufsbild des Logistikers ist umfassend und vielschichtig - sowohl hinsichtlich der fachlichen Spezialisierung als auch hinsichtlich der Ansiedelung als Fach- Oder Fiihrungsfunktion in der Untemehmensorganisation. Im Grunde 1 2
3
vgl. Baumgarten und Thorns, 2002 Wissen nach Probst et al. defmiert als „Gesamtheit der Kenntnisse und Fahigkeiten, die hidividuen zur Losung von Problemen einsetzen. Dies umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische AUtagsregelungen und Handlungsanweisungen."; Probst et al, 1999, S. 46 TuL: Transportieren und Lagem, ursprungliches Logistikverstandnis; vgl. Klaus und Krieger, 1998
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4
Corinna Engelhardt-Nowitzki
genommen kann man nicht einmal von „deni Logistiker" als Berufsbild sprechen - zu unterschiedlich sind Verantwortungsbereiche und Aufgaben und dementsprechend auch die erforderlichen Kompetenzen. Dies gilt selbst dann, wenn man sich auf akademische Berufsbilder und damit auf den Bereich der universitaren Ausbildung, der ja nur einen kleinen Teil der modemen Logistikausbildung darstellt, beschrankt. Insofem ist zu hinterfragen, ob es in den bezuglich des Qualifikationsprofils entsprechend hoch angesiedelten logistischen Fach- und Fiihrungsfunktionen und damit fiir die akademische Logistikausbildung iiberhaupt so etwa wie ein „kleinstes gemeinsames Vielfaches" der Kompetenzen und Inhalte geben kann. Falls dies der Fall ist, stellt sich nachfolgend die Frage nach der Art der Vermittlung dieser Leminhalte. Schon die Bezeichnung „Logistik" als Basiswissenschaft und -praxisfeld ist im Zusammenhang mit der trennscharfen Definition beruflicher Qualifikationsprofile eigentlich eine unzulassige Vereinfachung. Zwar besteht allgemein Einigkeit darin, dass unter Logistik das „Management von FlieBsystemen in Wertschopfungsnetzen"^ zu verstehen ist. Damit ist Logistik eine zentrale untemehmerische Aufgabe, die sowohl innerbetrieblich als auch untemehmensiibergreifend einer ausgesprochen dynamischen Entwicklung unterworfen ist. Hierbei orientiert sie sich - oft im Gegensatz zur formalen Aufbauorganisation des Untemehmens an den Ablaufen, die im Rahmen der Wertschopfungskette durchzufiihren sind. Die Operationalisierung dieser Querschnittsaufgabe erfolgt auf den einzelnen Untemehmensebenen und in den Kemprozessen - z. B. Beschaffung, Produktion, Distribution usw. - und dort zugeschnitten auf die situativen Anforderungen des jeweiligen Untemehmens. Wie aber verdichtet sich dies zu konkreten logistischen Anforderungsprofilen und Berufsbildem? Hier kann man nach Klaus^ drei Stufen unterscheiden: • • •
4 5
Operative Funktionen analog dem TuL-Verstandnis, d. h. z. B. Transport-, Lager-, Verpackungs- und Kommissionieraktivitaten Querschnitts- und damit Managementfunktionen zur Optimierung des Prozessflusses, z. B. durch Koordinafionsfunktion an den Schnittstellen Netzwerkmanagement („die dritte Bedeutung der Logistik"), mit den konkreten Aufgaben der Netzkonfiguration (Supply Chain Design), der Flussoptimierung, -stabilisierung und -lenkung
vgl. Klaus und Krieger, 1998 oder ahnlich lautende Definitionen, die heute sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis allgemein akzeptiert sind vgl. Klaus und Krieger, 1998
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Anforderungen an die Logistikausbildung
Es bleibt zu untersuchen, wie sich das Profil dieser Logistikaufgaben und damit auch das „des Logistikers" in so unterschiedlichen Bereichen wie der Prozessindustrie (Stahl, Chemie, Papier etc.), der Automobilindustrie, der elektronischen Industrie, der Transportsparte, bei Handelsuntemehmen oder im LogistikDienstleistungssektor - um nur einige wenige Beispiele flir Praxisszenarien zu nennen - voneinander unterscheiden. Hieraus ist abzuleiten, welche Implikationen dies fur die Logistikausbildung, insbesondere auf universitarer Ebene hat. Im Beispiel der Montanuniversitat Leoben, die bezogen auf die Logistik Schwerpunkte vor allem im Bereich der industriellen Produktion setzt, ist dies im an spaterer Stelle im Detail beschriebenen Curriculum Industrielogistik zielgruppenspezifisch erfolgt. Bereits diese wenigen Fragen machen auBerdem deutlich, dass LogistikAusbildung sich keinesfalls auf fachliche Inhalte vereinseitigen darf- weder im teils betriebswirtschaftlich, teils mathematisch-technisch fundierten Ausbildungszweig des „Logistik Management" noch im i. d. R. ingenieurfachlich orientierten Bereich des „Logistics-Engineering". Der Versuch, durch fachliche und hierarchische Segmentierung logistische Berufsbilder zu standardisieren^, ist nur ein erster Schritt - wenngleich ein sinnvoller. Dies hat seine Ursache darin, dass eine solche Segmentierung in erster Linie die expliziten^ Wissensbestandteile systematisiert, also beispielsweise beschreiben kann, welche Kompetenzen und welchen Erfahrungsumfang die Funktion z. B. „des Beschaffungslogistikers auf Senior-Management-Level" umfassen soil. Bei den impliziten^ Wissensbestandteilen, d. h. im Bereich der Erfahrung, des analytischen Problemlosens, des sozialen Einfuhlungsvermogens oder der Abstraktionsfahigkeit stoBt die ja selbst ebenfalls explizite Beschreibung expliziter Wissensbausteine schnell an ihre Grenzen. Beispielsweise gehen die ELA^, aber auch andere Gremien und Autoren, hier den pragmatischen Weg, den Katalog des geforderten fachlichen und vgl. beispielsweise die Berufsbilder und Zertifizierungsrichtlinien der European Logistics Assoziation (ELA), denen ein dreistufiger Standard ftir Logistik-Qualifikationsprofile zugrunde liegt explizit: Hier verstanden als der Teil des Wissens, der in Form eines Dokuments extemalisierbar ist, d. h. der z. B. in Form von Biichem, Skripten, Checklisten, Vorgehensvorschriften, Algorithmen, Lehrdialogen, Filmen und anderen multimedialen Lehrmedien usw. vorliegt; das explizite Wissen ist weitgehend unabhangig von der Person des Lehrenden und des Lemenden - das Verstandnis des Wissensangebots (Strukturierung und Aufbereitung!) und die Relevanz des Wissensangebots (Lemmotiv!) fur den Lemenden vorausgesetzt implizit: Hier verstanden als der personenabhangige Teil des Wissens, der nicht ohne weiteres in Form von Dokumenten extemalisierbar ist, d. h. z. B. das Erfahrungswissen, das einen Experten in einer komplexen Situation auch ohne expliziten Regelkatalog eine adaquate Entscheidung treffen lasst oder z. B. die Fahigkeit, aufgrund intensiver vorangegangener Ubung eine komplexe Methode fehlerfrei, effektiv und effizient anzuwenden ELA: European Logistics Association
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methodischen Wissensnachweises durch zusatzliche Anforderungen an die vorhandene Berufserfahrung zu erganzen, die jeweils notwendig ist, soil ein bestimmtes Qualifikationsniveau'^ zertifiziert werden. Aus der Unterscheidung der expliziten und impliziten Wissensbestandteile ergibt sich unmittelbar die nachste Frage: Welcher Bestandteil des notwendigen „Logistikwissens" ist durch Ausbildung vermittelbar bzw. erlembar, welcher unterliegt vor allem der eigenen Exploration und dem Erfahrungsaufbau im beruflichen Einsatz? Welche Inhalte, Begriffe, Konzepte und Methoden des logistischen Fachwissens mussen als notwendiges Basiswissen aktiv beherrscht werden? An welcher Stelle gilt es vielmehr das Abstraktions- und Problemlosungsvermogen des Studierenden zu fordem, was eine relativ hohe Unabhangigkeit von der Frage bedeutet, welche Leminhalte das Curriculum beinhaltet? Und wie kann ein didaktisches Konzept gestaltet sein, das es sich zum Ziel gesetzt hat, eben diese nicht in erster Linie fachlich orientierten Kompetenzen besonders zu starken und zu fordem? Fragen wie diese gilt es zusatzlich zur Gestaltung des fachlichen und des methodischen Soll-Qualifikationsprofils zu beantworten, wenn man sich mit der Thematik der Logistikausbildung naher befasst. Gerade im akademischen Bereich werden neben der logistisch-fachlichen Ausbildung weitere Lemziele einen wesentlichen Raum einnehmen mussen. Hierzu zahlen methodische Fahigkeiten (z. B. Arbeits-, Problemlosungs- und Moderationsmethodiken), interkulturelle Kompetenzen (z. B. Sprachen oder der Umgang mit speziellen Kulturzusammenhangen), aber auch soziale Kompetenzen (Kommunikation und Fuhrung) sowie ausgesprochen gut entwickelte analytische Fahigkeiten, ein gutes Abstraktionsvermogen und die Fahigkeit zum systemischen Denken und Handeln. Als prominentes und oft zitiertes Beispiel hierfur sei das „Beer Game"'^ genannt, das am MIT entwickelt wurde: Aufgrund der Fehlbeurteilung von Zeitverzogerungen und nicht-linearen Ursache-Wirkungsbeziehungen schaukeln sich innerhalb einer Wertschopfungskette Bestell- und Liefervorgange so sehr auf, dass das - im Vergleich zur Realitat wenig komplexe - System nach kurzer Zeit kollabiert. Vor allem in Fachkreisen bekannt ist ein weiteres Beispiel, das „Experiment Lohhausen" von Dietrich Domer''^: Hier erhalten die Probanden die Aufgabe, in der Rolle des Biirgermeisters der Gemeinde Lohhausen die Geschicke 10 der ELA-Standard unterscheidet vier Stufen: Den operativen Logistiker, den Logistiksachbearbeiter („Juniorlever'), den Bereichs- oder Abteilungsleiter Logistik („Seniorlevel") sowie den Untemehmens- oder Konzemlogistiker („Masterlevel") 11 vgl. z. B. Senge, 2003 12 Vgl. Domer, 2003 oder vergleichbare Arbeiten von Frederic Vester, z. B. Vester, 1999
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der Stadt und ihrer Bevolkerung zu lenken. Domer untersucht die unterschiedlichen Problemlosungsstrategien einer groBen Zahl von Probanden und identifiziert typische Fehlmechanismen, z. B. die Uberspezialisierung, die Ubergeneralisierung oder die Generierung unzulassiger Schlussfolgerungen fiir die Zukunft auf Basis vergangener Systemreaktionen. Experimente der Autorin mit einem selbst programmierten Untemehmensplanspiel, das im Vergleich zum realen Untemehmen ebenfalls auf ausgesprochen trivialen Zusammenhangen beruht, haben die genannten Studien und Forschungsergebnisse fast identisch bestatigt: Selbst die Information daniber erstens, dass und an welcher Stelle Zeitverzogemngen zu erwarten waren und zweitens, dass und an welcher Stelle gegenlaufige Effekte antagonistisch wirken konnten, half nur wenigen Probanden, das Modell-Untemehmen besser zu steuem. Eine (allerdings kleine und daher statistisch nicht signifikante) Teilmenge der Probanden hatte sogar vor Beginn des Planspiels die Modellmechanik gesehen - ubersichtlich auf einer einzigen A4-Seite gestaltet - und hatte die Zeit gehabt, das Modell anhand dieser Mechanik einzuschatzen. Trotzdem schnitten diese Teilnehmer kaum besser ab als die anderen, denen die Wirkungszusammenhange nur benannt worden waren, die aber weder die graphische Darstellung noch die quantitativen Zusammenhange kannten. In der Untemehmenspraxis erleben wir vergleichbare Phanomene, beispielsweise den sogenannten Bull-Whip Effekt^^ Die nahere Betrachtung dieses Effektes ergibt, dass er im Wesentlichen durch die Zunahme der Varianz der Bestellmengen je Supply Chain Partner im Vergleich zur - oft sogar relativ konstanten Endkundennachfrage - entsteht. Die quantitative Analyse^"^ ergibt sechs Hauptursachen flir den Bull-Whip Effekt: 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Fehlannahmen im Zuge der Nachfrageprognose, eine falsche Wahmehmung der Akteure aufgrund der Beschrankung auf lokale Informationen, Zeitverzug in der Informationsweitergabe, die Btindelung von Auftragen (Ziel der optimalen Bestellmenge), Preisschwankungen (Ziel der optimalen Konditionen) und den Ausgleich beflirchteter Engpasse („Bunkem").
13 Beim Bull-Whip Effekt schaukeln sich - dem Beer Game fast unmittelbar vergleichbar ebenfalls Bestelldaten iiber die Wertschopfungskette auf; vgl zum Bull-Whip Effekt z. B. Forrester, 1972 Oder Chen et al, 2002 14 vgl. Keller, 2004
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Es ist verbltiffend, wie sehr sich Planspiel, psychologisches Experiment und die methodische Analyse des realen Phanomens gleichen. Die fachlichen Implikationen aus der Logistik sind fiir dieses Beispiel klar: Wissenschaftlich gut erforscht, in der Lehre hinreichend abgedeckt (Standardwissensbaustein von Basisvorlesungen des Supply Chain Management) und im praktischen Einsatz im Untemehmen bewahrt. Losungsansatze sind beispielsweise die Verfiigbarmachung aktueller, globaler Informationen (Endkundennachfrage) auf alien Stufen der Lieferkette, Einflihrung logistischer Konzepte wie CPFR, VMI oder ECR'^ Veranderung der Prognose-Logik, dezentrale Koordination (usw.). Trotzdem ist der Bull-Whip Effekt ein weit verbreitetes Phanomen, das mitnichten gelost ist. Neben Aspekten der Supply Chain Kollaboration (vertragliche Vereinbarungen zur gemeinsamen Nutzung von Forecastdaten durch mehrere Supply Chain Partner) stellt sich hier vor allem die Frage nach der „Logistik-System-Kompetenz": Offensichtlich ist die fachliche Durchdringung von Zusammenhangen noch lange nicht gleichbedeutend mit der Fahigkeit zur Analyse des Systemverhaltens bzw. zur Findung einer system-adaquaten Losung. Es bestatigt sich die Relevanz der oben genannten systemischen Kompetenzen. Je dynamischer das Umfeld wird und je weniger klar vorhersagbar die Konfiguration, das Verhalten und die Elastizitat der einzelnen Systembestandteile gegen eingehende Impulse, desto eher wird sogar gelten: Systemisches Denken, die Fahigkeit zur ursachenadaquaten Analyse auch nicht-linearer oder zeitverzogerter Zusammenhange sowie eine hohe Problemlosungs- und Abstraktionsfahigkeit werden kiinftig zur Kemkompetenz. Mindestens stellenweise, wenn nicht sogar flachendeckend, werden vergleichsweise leicht erlembare, „explizite" logistische Fachkenntnisse (z. B. das Wissen, wie die logistischen Methoden CPFR, VMI oder ECR anzuwenden sind) an Bedeutung verlieren. Die Konsequenz fiir die Logistikausbildung auf akademischen Niveau heiBt, dass fachliche und teils auch methodische Detailkenntnisse im Vergleich zur Forderung der Fahigkeit zum vemetzten Denken in den Hintergrund treten mussen. Der oben genannte Weg der ELA und anderer Institutionen einer Segmentierung logistischer Berufsbilder als Zielvorstellung der Logistik-Ausbildung ist zunachst der richtige. Sowohl dem Schiller, der fiir seine Studienwahl und spatere Berufsentscheidung die Orientierung sucht, als auch dem Personalleiter, der
15 CPFR: Collaborative Planning, Forecasting, Replenishment VMI: Vendor Managed Inventory ECR: Efficient Consumer Response
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die Qualifikation eines Absolventen beurteilen mochte, miissen verstandliche Informationen und einfache Bewertungskriterien zur Verfiigung stehen. In Folge dieser Zielbildformulierung wird sich sowohl in der curricularen Entwicklung als auch in der konkreten Ausgestaltung der Ausbildung und der Priifungsmodalitaten in zweierlei Hinsicht die Spreu vom Weizen trennen: „Vermittlung logistischen Fachwissens" versus „Forderung des systemischen Problemlosens", und „Lehrer-zentrierte Vorlesung erganzt durch das Auswendiglemen eines gegebenen Stoffumfangs" versus „Lemer-orientierte Exploration und interaktiv-spielerische Ubung". Klarerweise sind die genannten Begriffe sehr plakativ formulierte Extrema eines Kontinuums. Doch letztlich zeigt eben diese Pointierung die Notwendigkeit, bei der Ausrichtung einer akademischen Logistikausbildung eine klare Positionierungsentscheidung zu treffen: Geht es - wieder etwas provokativ verallgemeinert - um die Ausbildung gut spezialisierter logistischer Fachanwender mit einem gleichzeitig moglichst breiten und unmittelbaren Einsatzgebiet in moglichst vielen Teilbereichen der Logistik von der Beschaffiing bis hin zur Distribution? Oder geht es vielmehr um die Ausbildung eines „Logistiksystemexperten", der anhand einer fiindierten Logistikbasisausbildung in erster Linie die „Mechanik" eines fachlich evtl. sogar fast beliebigen Logistik-Teilsystems erfasst und der sich ggf. die aktuellen logistischen Detailkonzepte fallbezogen tiberhaupt erst im Bedarfsfall aneignet? In einer Zeit einerseits des leichten und schnellen Zugangs zu expliziten Wissensbausteinen (Internet, nahezu beliebiges Fachbuchsortiment) und andererseits hoher Volatilitat und Unvorhersagbarkeit liegt es klarerweise auf der Hand, sich in der akademischen Logistikausbildung, die vor allem auf die Experten- und Ftihrungskrafteausbildung auf hohem Niveau abzielt, fiir die zweite Variante zu entscheiden. Die Notwendigkeit einer seriosen fachlichen LogistikBasisausbildung ist davon naturlich unbenommen.
1.2
Konsequenzen fiir das fachliche Basisprofil einer akademischen Logistik-Ausbildung
Unabdingbar ist zunachst - und dies vollig unabhangig von der im vorhergehenden Abschnitt angeratenen Positionierung - die Vermittlung des Basiswissens im Each Logistik unter Einbeziehung der praktischen Erfordemisse der spateren Arbeitgeber aus Wirtschaft und Verwaltung. Zu den logistischen Basisfachem gehoren jedenfalls:
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Grundlagen Logistik bzw. Supply Chain Management Prozessmanagement und -optimierung Prozesskostenrechnung
Hier konnen - so wie dies z. B. fur die Situation der Montanuniversitat Leoben der Fall ist - die regionalen Erfordemisse durchaus bereits zu einer ersten Zielgruppen-Differenzierung fiir das Ausbildungsprofil fiihren, beispielsweise durch den Bezug der Basisfacher auf Praxissituationen aus: •
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Industrielogistik - vergleiche das Beispiel der Montanuniversitat'^: Gewerbliche Gewinnung von Rohstoffen und Veredelung zu Produkten, Systemen und Anlagen im Zuge der industriellen Produktion Handelslogistik: Beschaffung, Distribution und Vertrieb materieller Giiter Transportlogistik: Fragen zu Verkehr und Stoffstrommanagement auf Makroebene (Giiterund Informationsstrome) und auf Mikroebene (Behaltermanagement, Verkehrsmittelmanagement usw.) Dienstleistungs-Logistik: Erbringung immaterieller Leistungen im Bereich der Logistik oder evtl. situationsbedingt weitere Spezialisierungen
Weitere mogliche Dimensionen, die fiir die Zusammenstellung und Systematisierung der fachlichen Inhalte einer logistischen Basisausbildung hilfreich sein konnen sind: •
•
Die Kernprozesse, z. B. analog eines logistischen Referenzmodells: Beschaffungslogistik, Produktionslogistik, Distributionslogistik, Entsorgungslogistik sowie Querschnittsfunktionen (Qualitatsmanagement, Planung und Controlling usw.) Die fachliche Integration benachbarter Disziplinen in die Logistik: Insbesondere Informatik, Fordertechnik, Automation, angewandte Mathematik, Betriebswirtschaft und Jura
Vor der Einrichtung der Studienrichtung „Industrielogistik" an der Montanuniversitat Leoben wurde im Jahre 2001 durch Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft und unter Einbeziehung einschlagiger logistischer Fachverbande (insbesondere der BVL Osterreich und der Deutschen Logistik Akademie) eine umfassende und an den regionalen und sonstigen Erfordemissen ausgerichtete Bedarfs- und Zielgruppenanalyse durchgefiihrt. Diese Studie wurde zur wesentlichen Basis fiir die spatere Profilbildung des Studiums. Die in diesem Beitrag genannten Beispiele aus der Entstehungsgeschichte der Studienrichtung gehen teils auf diese Studie zuriick; vgl Augustin et al, 2001
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Anfordemngen an die Logistikausbildung
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• •
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Die Erweiterung der logistischen Inhalte durch allgemeine Methoden: Z. B. Projektmanagement, Problemlosungsmethoden, Kommunikation, Systemanalyse und -planung, Untemehmensfuhrung, Methoden der empirischen betrieblichen Sozialforschung usw. Die Verbindung der Logistik zu anderen Unternehmenssichten: Z. B. Forschung und Entwicklung (logistikgerechte Produktgestaltung, Target Engineering, ...) oder Marketing (Logistikleistung als Value Added Service und Differenzierungschance im Wettbewerb) Die Unternehmensebene des spateren beruflichen Einsatzes wie beispielsweise in den Qualifizierungsstufen der ELA Fremdsprachen und interkulturelle Kompetenzen
Unbedingt zu erfullende Qualitatskriterien einer logistischen Basisausbildung sind: • • •
•
Ein trotz modularem Aufbau der Lemeinheiten durchgangiges Logistikverstandnis Kombination aus wissenschaftlicher Professionalitat und hohem Praxisbezug der Lehrinhalte Klare Verbindung der deklarativen Lemziele, d. h. des Faktenwissens mit den prozeduralen Lemzielen, also eine CFberfiihrung des expliziten Faktenwissens in problemlosungsorientiertes, implizites Handlungsund Erfahrungswissen Laufende Weiterentwicklung und Aktualitat der Inhalte
Den systematischen Aufbau und eine fachlich konsistente Zusammenstellung der Inhalte vorausgesetzt, wird die Didaktik bei der Vermittlung zum Differenzierungsmerkmal. Hier klafft bei zahlreichen Hochschulinstitutionen eine signifikante Lticke zwischen der Einschatzung der Dozenten uber die eigene Lehrleistung („Note gut") und die Bewertung von Studierenden und Absolventen (schlechte Bewertung)^^ - eine offensichtliche Selbstiiberschatzung. Dies liegt nicht - wie oft von Lehrenden der Universitaten beklagt - in erster Linie an mangelnden Geldmitteln und einer dementsprechend eingeschrankten Infrastruktur (digitale Projektion, Einsatz von e-leaming-Elementen und ahnliches), sondem vor allem daran, dass^^
17 vgl. Winteler, 2004, S. 9 18 Vgl. ZU diesen Themen auch vergleichbare Ergebnisse einer Expertengruppe, die „sieben Grundsatze zur guten Praxis in der Hochschullehre" formuliert haben; Winteler, 2004, S. 163169
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die Vermittlung der Lehrinhalte sich in vielen Fallen vor allem am Unterrichtenden orientiert und weniger an den lemenden Personen der Einsatz von Medien die Kembotschaften nicht immer optimal unterstiitzt, teils sogar konterkariert wenig bis gar keine (inter)aktiven Unterrichtssequenzen vorgesehen sind - im Falle hoher Studentenzahlen zugegebenermaBen kein triviales Unterfangen, aber doch zumindest teilweise moglich Prlifungsmodalitaten (Multiple Choice Tests, Klausuren auf Basis von Lemfragen, mlindliche Prtifungen mit gleichzeitiger Priifung von bis zu vier Kandidaten pro halber Stunde) oft fiir die Studierenden das Auswendiglemen zur optimalen Strategic werden lassen
Eine Weiterentwicklung der Handlungs- und Urteilsfahigkeit kann aber nur dann erfolgen, wenn analog dem Verstandnis handlungsorientierter Lemtheorien das Lemen als aktiver, vom Lemenden selbst gesteuerter Prozess gestaltet wird. Didaktisch kann die Hochschullehre - selbst fiir den Fall hoher Studentenzahlen und damit einer prinzipiell nicht lem-optimalen Situation - durch Beriicksichtigung einiger Grundsatze einen beachtenswerten Beitrag nicht nur zum Level der fachlichen Basisausbildung sondem vor allem auch zur Forderung der eingangs als notwendiges Ausbildungsziel postulierten Abstraktions- und Problemlosungsfahigkeit bzw. systemischen Kompetenz leisten. Dies betrifft z. B. •
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•
•
die aktive Gestaltung des Unterrichts und die Ermutigung zur aktiven Exploration (Kurzreferate von Studierenden, Reflexionsphasen mit Kleingruppencharakter, Diskussion kontroverser Standpunkte, gezielte Thematisierung von Transferfragen, Einbeziehung von Fallstudien und Referenten aus der Untemehmenspraxis, Integration explorativer bzw. spielerischer Elemente, z. B. im Rahmen von Planspielsequenzen, Laboreinheiten, Simulationen, Rollenspielen, (Quasi-)Ex-perimenten, elektronischer Ubungstools oder Exkursionen) die Erweiterung des Lemorts aus der Vorlesungssituation hinaus sowohl in die heimische Umgebung der Lemenden als auch in Labors und ins betriebliche Umfeld den Umgang zwischen Lehrenden und Lemendem (Kontaktmoglichkeiten und -intensitat, Ruckmeldungen zu Lemfortschritt und Priiflingsergebnissen, Beriicksichtigung bzw. Akzeptanz unterschiedlicher Lemstile, Wertschatzung und Involvierung des Dozenten usw.) die Fordemng des Umgangs der Studierenden miteinander, beispielsweise durch gezielte Gruppenarbeiten, durch die fachliche Vemetzung von Einzelarbeiten, die eine Abstimmung der Schnittstellen erfordert,
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durch formelle oder informelle Tutoren-Modelle, durch Einrichtung oder Forderung gemeinschaftlicher Studenteninitiativen Entscheidender Grundstein ist - uber die logistische Basisausbildung hinaus der Kontext, in den ein solches Logistikstudium eingebettet ist. Grundsatzlich sind zwei Modelle vorherrschend: Erstens die tendenziell betriebswirtschaftlich orientierte Ausbildung mit Schwerpunkt Logistik-Management, die auf Basis betriebswirtschaftlicher und evtl. volkswirtschaftlicher Grundlagenfacher logistische Inhalte vertieft. Und zweitens die auf eine ingenieurwissenschaftlichtechnische Grundausbildung aufsetzende Logistikausbildung, die sowohl in Richtung Logistik-Management als auch in Richtung Logistics-Engineering vertieft werden kann. Ftir den spateren beruflichen Einsatz ist hier schon die ursprlingliche Studienwahl richtungsweisend: Der nach Neigung und Ausbildung betriebswirtschaftlich orientierte Logistiker wird sich eher technikfemen Funktionen bzw. Branchen der Logistik (z. B. in Verkehr oder Handel) zuwenden. Technische Fragestellungen - im Produktionsbereich tagliche Herausforderung - konnen (so nicht anderweitig erworbene zusatzliche Erfahrungen oder Qualifikationen hinzukommen) nur als Black Box behandelt werden. Der technisch orientierte Logistiker wird abhangig von seiner tatsachlichen Spezialisierung - Informationstechnik, Fordertechnik und Maschinenbau, Automation - per se unterschiedlich tief in konkrete technische Sachzusammenhange Einblick nehmen konnen. Im Regelfall wird es jedoch dem technisch orientierten Logistiker auf Basis seiner fiindierten ingenieurwissenschaftlichen Grundlagenausbildung (Mathematik, Statistik, Physik, Elektrotechnik, Chemie, Mechanik, Maschinenzeichnen, Informatik usw.) sowie aufgrund der in der Spezialisierung erworbenen weiterflihrenden Fertigkeiten die Einarbeitung in benachbarte Technologiefelder zumindest leichter fallen als dem betriebswirtschaftlich ausgebildeten Logistiker. Im Gegenzug ist dessen betriebswirtschaftliche Ausbildung sehr viel fiindierter, was ihn ftir die Steuerung von Ablaufen sowie fiir Planungs- und Controllingaufgaben pradestiniert. Mochte ein technisch orientierter Logistiker die wirtschaftliche Seite erganzen, bietet sich eine Zusatzausbildung an - z. B. in Form eines MBA-Abschlusses. Umgekehrt fallt die technische Zusatzqualifikation dem wirtschaftlich ausgebildeten Logistiker im Regelfall schwerer. Die Studienrichtung Industrielogistik an der Montanuniversitat Leoben ist von vomherein technisch orientiert: Die Tradition der Universitat sieht ein „erstes gemeinsames Studienjahr" vor, in dem alle Studienrichtungen die gleiche Basisausbildung (ingenieurwissenschaftliche Grundlagenfacher) erhalten. Erst ab dem
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dritten Semester beginnt die Zuwendung zum eigentlich gewahlten Fach Industrielogistik. Der Studienplan umfasst (Auszug): •
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Logistische Facher: Grundlagen Logistik und Qualitatsmanagement, Prozessmanagement, Stoffstrommanagement, Beschaffungs-, Produktions-, Distributionslogistik und Informationslogistik, intemationale Logistik, spezielle Anwendungsfelder der Logistik Logistik-Technik und Informatik: Transportsysteme und Fordertechnik, Wirtschafts- und Betriebsinformatik, fortgeschrittene IT, IT in der Logistik Betriebswirtschaftliche Facher: AUgemeine Betriebswirtschaft, Prozesskostenrechnung, Logistikcontrolling, Personalwirtschaft Methoden-, Sozial- und Sprachkompetenz: Systems Analysis in Logistics, Problemlosung und Moderation, Projektmanagement, Fiihrung (Freifach), Interkulturelles Management, Wirtschaftsenglisch
Nach dem siebten Semester, inkl. der Anfertigung zweier Bakkalaureatsarbeiten und einer nachgewiesenen Firmenpraxis im Umfang von mindestens 80 Tagen ist der erste akademische Abschluss als Bakkalaureus / Bakkalaurea erreicht. Der urspriinglichen Zielgruppen- und Bedarfsanalyse sowie dem Profil der Montanuniversitat entsprechend, liegen Industriekontakte fiir die praktische Aufgabenstellung der Abschlussarbeiten bzw. fiir das Firmenpraktikum bevorzugt im produzierenden Bereich. Vor allem die fortgeschrittenen Lehrveranstaltungen verlassen oft den typischen Vorlesungscharakter: Zusatzlich zu Gastvortragen durch Untemehmensvertreter und praktische Ubungsbeispiele treten als besondere Lemform hinzu: • • • • •
Planspiel Produktionslogistik Untemehmensfallstudie Distributionslogistik Semesterprojekt im Rahmen der Lehrveranstaltung Projectmanagement (englisch) Reale Problemlosung fiir Untemehmen im Rahmen der Lehrveranstaltung Information Logistics (englisch) Vortragszyklus, Workshops mit Reflexionscharakter und Ausarbeitung von Exposees auf Basis diverser Branchenprasentationen im Rahmen der Lehrveranstaltung spezielle Anwendungsfelder der Logistik
Entscheidet sich ein Studierender zur Fortsetzung des Studiums bis zum Abschluss mit Diplom nach weiteren drei Semestem, kann sowohl LogistikManagement als auch Logistics-Engineering als Vertiefungsschwerpunkt ge-
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wahlt werden, Beiden Vertieflingsrichtungen ist eines gemeinsam: Noch starker als in der grundlegenden Bakkalaureats-Ausbildung ist es Wesenszug des Curriculums, zusatzlich zur Fachwissenvermittlung vor allem auch die System- und Problemlosungskompetenz zu entwickeln und zu fordem.
1.3
Konsequenzen fiir die weiterfuhrende Vertiefung einer akademischen Logistik-Ausbildung - Systemkompetenz als notwendige Fahigkeit fiir die Erfiillung logistischer Aufgaben
War schon die Basisausbildung hin zum Bakkalaureat nach Moglichkeit praxisbezogen, interaktiv und losgelost von klassischen Lemformen der Universitat gestaltet, so gilt dies in noch hoherem MaBe fur die Inhalte der Vertiefungsschwerpunkte Logistik-Management und Logistics-Engineering. Dies betrifft einerseits die Zusammenstellung der Lehrinhalte sowie anderseits das didaktische Konzept. Zunachst ist beiden Schwerpunkten als Pflicht^cherkatalog gemeinsam • • •
Logistik-Strategie und Supply Chain Management Modellbildung und Simulation sowie Operations Research
Im Vordergrund des Lemens stehen bei diesen Themen nicht nur die fachlichen Stichworte, sondem vor allem auch der Aspekt der „Systemkompetenz". Anhand der jeweiligen Fachthemen erhalten die Studierenden ausflihrlich Gelegenheit sowohl zur theoretischen Durchdringung als auch zur spielerischen Exploration der Inhalte und erwerben zusatzlich zur methodischen Analyse- und Problemlosungskompetenz ein erstes „Erfahrungswissen" in der Gestaltung und im Umgang mit dynamischen Systemen. In Prufungen zahlt immer weniger das rein angelemte fachliche Wissen sondem vielmehr die Fahigkeit, das Erlemte im Transfer auf unbekannte Fragestellungen anzuwenden. Im Schwerpunkt Logistik-Management werden weiterfuhrende Facher der Logistik vertieft - so beispielsweise Fabrikplanung oder Materialflusssteuerung und -optimierung, aber auch methodische Kompetenzen vermittelt. Beispielsweise in den Fachem Logistik-Benchmarking, in denen jedes Jahr unter Anwendung von Methoden der empirischen betrieblichen Sozialforschung eine konkrete logistische Benchmarking-Studie aufgesetzt wird, oder im Each Veranderungsmanagement logistischer Systeme, das neben Systemverstandnis
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auch die sozialen Dimensionen eines Wertschopfungsnetzes thematisiert. Ein umfangreicher Wahlfachkatalog erganzt die Basisfacher um logistische Spezialthemen. Der Schwerpunkt Logistics-Engineering vermittelt Grundlagen der Automation, der Datenmodellierung und -strukturierung sowie des System-Engineering und der Softwareentwicklung. Typische Anwendungsszenarien, in die sich die Studierenden vertiefen, betreffen Fragen der regel- und ereignisgesteuerten Materialflusssteuerung oder der Lagertechnik und -automation. Wiederum erganzt ein Wahlfachkatalog die Pflichtveranstaltungen, im zweiten Schwerpunkt in Richtung Logistics-Engineering, Informatik und Automation. Beide Schwerpunkte werden vor allem aber auch durch Facher erganzt, die angrenzende Kompetenzen wie Sprachen, rechtliche Themen sowie Innovation und Technologiemanagement beinhalten. Im Fokus aller Lehrveranstaltungen steht vorzugsweise die Anwendung und Uberfiihrung des deklarativen Faktenwissens in prozedurales Wissen. Erst dies ermoglicht Logistiksystem-gerechte Entscheidungen und MaBnahmen. Die Diplomarbeit - an der Montanuniversitat Leoben typischerweise in Zusammenarbeit mit einem Untemehmen, fur das eine praktische Fragestellung ausgearbeitet wird - schlieBt den vertiefenden Teil der Studienrichtung Industrielogistik ab (Abschluss als Diplom-Ingenieur). In den vorangehenden Abschnitten und vor allem im Zuge der Beschreibung des Vertiefungsstudiums Industrielogistik an der Montanuniversitat Leoben war viel die Rede von der Systemkompetenz, die notig sei, um ein komplexes, dynamisches Logistiksystem zu gestalten, zu lenken und zu optimieren. Was aber genau ist damit gemeint, und wie lasst sich eine solche Systemkompetenz im Rahmen einer Ausbildung vermitteln? Unabhangig von der konkreten Ausgestaltung des Systems - z. B. also eines logistischen Netzwerks, aber auch anderer Systeme bedeutet „Systemkompetenz" •
•
den Zustand, d. h. die Konfiguration, die Charakteristik einzelner Elemente und Relationen sowie die Elastizitaten eine Systems hinreichend zutreffend zu beurteilen, zu erwartende Systemveranderungen als Folge auBerer (z. B. marktlicher) und innerer (z. B. Fuhrung) Impulse hinreichend zutreffend zu antizipieren.
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logistische Systeme mit einer der Umweltkomplexitat adaquaten Varietat entwerfen und konfigurieren zu konnen^^
und diese abstrakten Fahigkeiten in konkrete Entscheidungen und Handlungen im betreffenden Logistiksystem umzusetzen. Aus kybemetischer Sicht bedeutet dies die Fahigkeit, angemessen mit Vielfalt umzugehen (auch: Die Fahigkeit zur Bewaltigung von Komplexitat). Zahlreiche Methoden der Logistik und vor allem auch der Informatik, des Logistics-Engineering und der Automation verfolgen per se bereits Strategien zur Komplexitatsreduktion, beispielsweise: •
• • • •
Logistische Konzepte wie z. B. regelkreisgesteuerte Anlieferungsmodelle Oder situationsoptimale Bestellpolitiken als Basisparameter fiir Dispositionssysteme Prinzipien der Systemplanung und -gestaltung wie Modularisierung, Hierarchisierung, Kapselung, Selbstahnlichkeit und -organisation usw. Konzepte und Prinzipien der Softwareentwicklung Modeme Datenmodelle und -strukturierungskonzepte usw.
Daruber hinaus steht aber auch die fachneutrale Systemkompetenz klar im Fokus der Ausbildung. Der St. Gallener Sozialkybemetiker Markus Schwaninger^^ formuliert hierzu als zentrale Thesen: •
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„Wichtiger als ein schnelles Entscheiden ist das friihzeitige Erkennen von Entscheidungserfordernissen." Dieser These hinterliegt als Kompetenz die Fahigkeit zur fruhzeitigen Identifikation relevanter Parameter. „Die Qualitat einer Entscheidung hangt weniger vom Angebot als von der Nachfrage nach Information ab." Die Kompetenz hinter dieser Aussage ist das Modell, aufgrund dessen jemand eine Information^^ nachfragt.
Fachneutrale Fahigkeiten wie diese konnen anhand voUig beliebiger Aufgabenstellungen und Inhalte weiterentwickelt werden. Allerdings versagt hier die 19 20 21
vgl. Ashby, 1974 vgl. Schwanioger, 1999, S. 62ff Information ist in diesem Zusammenhang in ihrer kybemetischen Interpretation zu verstehen als das „Was uns verandert. [...] als das Bemerken (eines Unterschieds), welches eine Veranderung auslost."; Schwaninger, 1999, S. 63
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Vermittlung expliziter Lembausteine vollig: Obwohl theoretisch relativ leicht vermittelbar fiihrt die Kenntnis operationaler Begriffe und Konzepte der Systemtheorie wie beispielsweise „Komplexitat", „Elastizitat" oder „Nicht-Linearitat" als solche nicht zwangslaufig zu einem mentalen Paradigmenwechsel beim Lernenden, der gleichzeitig auch den gewtinschten Effekt einer Verhaltensanderung im Umgang mit komplexen Systemen mit sich brachte. In Prliflingen erlebt man immer wieder, dass Kandidaten nicht nur die Definitionen, sondem auch samtliche Inhalte eines Vorlesungsskriptums nahezu wortlich wiedergeben konnen. Bittet man darum, in einfachen eigenen Worten zu erklaren, was dies heiBt oder welche praktischen Konsequenzen dies flir die Logistik hat, wird es flir so manchen Kandidaten knifflig. Erfahrungstatsache ist, dass neben der konzeptionellen und analytischen Durchdringung des Stoffes vor allem die (idealerweise spielerische, experimentelle) Exploration des Verhaltens von Systemen mit steigender Komplexitat - von „gerade noch durchschaubar" iiber „vermeintHch einfach, aber schon nicht mehr erfassbar" bis zu „komplex, weder struktur- noch verhaltenstransparent" - signifikante Lemerfolge in Richtung hoherer Systemkompetenz bringt. ZusatzHch zu den bereits im Bakkalaureats-Studium eingesetzten didaktischen Methoden des Planspiels, der Fallstudie, der eigenen Ausarbeitung und Reflexion angebotener Inhalte arbeitet das vertiefende Magisterstudium daher verstarkt mit dem didaktischen Einsatz von Simulation. Spatere Beitrage in diesem Band erlautem dies fiir einzelne Lehrveranstaltungsbeispiele im Detail. Ein wesentlicher Aspekt ist abschlieBend festzuhalten: Je komplexer und je fachneutraler bzw. systembezogener die gewtinschten Lemziele, desto interaktiver und desto mehr am Lemenden orientiert mussen didaktische Konzepte sein. Dies geht soweit, dass ab einem Punkt die fachliche Spezialisierung eines Absolventen im Vergleich zu seinen analytischen Fahigkeiten, seinem Abstraktionsvermogen oder seiner Problemlosungs- und Systemkompetenz vollig in den Hintergrund tritt: Spezialwissen muss nicht notwendigerweise im Zuge der universitaren Ausbildung vermittelt werden. Dieses kann und wird man sich im Gegenteil - ein entsprechendes MaB der gerade genannten Fahigkeiten vorausgesetzt - im Zuge der beruflichen Spezialisierung ohnehin weiterfuhrend selbst aneignen. Die Fahigkeit zur „Mustererkennung", zur Identifikation der „Metaregeln" eines Systems ist dagegen eine der wertvollsten Fahigkeiten jedes jungen Absolventen. Kompetenzen wie diese sollte jede (nicht nur die logistische) akademische Ausbildung nachhaltig anregen und fordem.
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Anforderungen an die Logistikausbildung
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Literatur Ashby, 1994: Ashby, W. R., Einfthrung in die Kyberaetik, 1974 Augustin et al., 2001: Augustin S., Leydolf R. und Zsifkovits, H., Logistik Aus- und Weiterbildung in Leoben, interne Studie erstellt im Auftrag des Logistik-Centers Leoben im Juni 2001; auf Anfrage zuganglich tiber die Autoren oder tiber den Lehrstuhl fur Industrielogistik der Montanuniversitat Leoben, Osterreich Baumgarten und Thorns, 2002: Baumgarten, H. und Thorns, J., Trends und Strategien in der Logistik: Supply Chains im Wandel, 2003 Chen et al., 2002: Chen, F., Drezner, Z., Ryan, J. und Simich-Levi, D., The Bullwhip-Effekt: Manegerial Insights on the Impact of Forecasting and Information on Variability in a Supply Chain, in: Tayr, S., Ganeshan, R. und Magazine, M., Hrsg., Quantitative Models for Supply Chain Management, 2002, S. 417-439 Dorner, 2003: Domer, D., Die Logik des Misslingens. Strategisches Denken in komplexen Situationen, 2003 Forrester, 1972: Forrester, J. W., Industrial Dynamics, 1972 Keller, 2004: Keller, S., Die Reduzierung des Bullwhip-Effekts. Eine quantitative Analyse aus betriebswirtschaftlicher Perspektive, in: Logistik Management, 6. Jahrgang, Ausgabe 1, 2004, S. 10-26 Klaus und Krieger, 1998: Klaus, P. und Krieger, W., Hrsg., GablerLexikon Logistik. Management logistischer Netzwerke und Fliisse, 1998 Probst et al., 1999: Probst, G. J. B., Raub, S. und Romhardt, K., Wissen managen, 1999 Schwaninger, 1999: Schwaninger, M., Organisationale Intelligenz aus managementkybemetischer Sicht, in: Schwaninger M., Hrsg., Intelligente Organisationen: Konzepte fur turbulente Zeiten auf der Grundlage von Systemtheorie und Kybemetik, 1999, S. 55-78 Senge, 2003: Senge, P.M., Die fiinfte Disziplin, 2003 Vester, 1999: Vester, F., Die Kunst vemetzt zu denken, 1999 Winteler, 2004: Professionell lehren und lemen, 2004
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Einsatz moderner Medien und Lehrkonzepte in der Logistikausbildung am Beispiel des Planspieleinsatzes der Studienrichtung Industrielogistik an der Montanuniversitat Leoben Corinna Engelhardt-Nowitzki
2.1 Der Einsatz moderner Medien - z. B. Planspiele - als didaktische Methode fiir die Vermittlung komplexer Lerninhalte insbesondere der Logistik Das Medium „Spier' ist nicht nur evolutionares Grundprinzip des Lemens in der Entwicklung noch nicht adulter Lebewesen, sondem war vor allem im militarischen Bereich spatestens seit der Erfindung des Schachspiels, vermutlich aber schon wesentlich friiher in Form einfacher Sandkastenspiele zentraler Bestandteil menschlicher Planung, Reflexion, insbesondere aber auch Ausbildung. Der vorliegende Artikel verfolgt nach entsprechender theoriegeleiteter Fundierung des Einsatzes z. B. von Planspielen als didaktische Methode das Hauptziel, am Beispiel der Studienrichtung Industrielogistik an der Montanuniversitat Leoben, zu zeigen • • •
auf welchen Anwendungsfeldem, unter Nutzung welcher unterschiedlichen didaktischen Konzepte und in welchen AufwandsgroBenordnungen und Lehrintensitaten
das Medium Planspiel und andere interaktive didaktische Konzepte zur Vermittlung komplexer Lerninhalte insbesondere in der Logistikausbildung nutzbringend eingesetzt werden kann. Aus Sicht der Universitat hat der Einsatz von Planspielen (und anderen modemen Lemformen und -medien) zwei Aspekte: Einerseits die Chance zur Entwicklung der bereits im ersten Beitrag dieses Bandes als notwendige Anforderung herausgearbeiteten Fahigkeit des systemischen Denkens und Problemlosens. Andererseits aber auch ein nicht zu unterschatzender Beitrag zur Positionierung der Hochschule aus Marketing-Aspekten: Nicht mehr nur das klassische Hochschul-Ranking und noch weniger die Hochglanzbroschiire mit dem Profil der ausgelobten Studienrichtung wird kiinftig die Studienentscheidung potentieller Studierender beeinflussen, es werden weitere
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Kriterien hinzukommen: Zum einen betreffend die Institution selbst (Management, Qualitatssicherung / Akkreditierung, Arbeitsklima usw.) und ihre Angebote (Job-Fairs, Bewerberberatung, Studentenaktivitaten usw.), zum anderen aber in erster Linie auch betreffend die Ausbildung und Forschung: Neben Kriterien wie der Qualitat der Lehrenden, der Sinnhaftigkeit der Curricula, den Moglichkeiten zum intemationalen Austausch usw. wird vermehrt auch die Frage nach der Vermittlung der Lehrinhalte relevant werden. Das heiBt, dass insbesondere auch die Frage nach der Integration (inter-)aktiver didaktischer Methoden wie Planspiele, Fallstudien etc. mit tiber die Wahl des Studienortes entscheiden wird^". Konkrete Beispiele aus dem Leobener Studienplan fiir das Studium Industrielogistik veranschaulichen die Vorgehensweise, so dass der Leser in der Lage ist, die Erkenntnisse dieses Beitrags unmittelbar gewinnbringend im eigenen Umfeld einzusetzen. Zudem wird deutlich, in welcher Vielfalt und Anwendungsbreite der Einsatz von Planspielen moglich ist - beginnend von einfachen, nur ein paar Minuten der flir die Lehre zur Verfiigung stehenden Zeit in Anspruch nehmenden Reflexionssequenzen bis hin zu komplexen, teils PC-gestiitzten mehrtagigen Planspielvarianten. In weiterer Folge erfolgt in diesem und in den sich anschlieBenden Beitragen dieses Bandes eine Veranschaulichung der Moglichkeiten des erweiterten Einsatzes von Planspielen oder Planspielelementen sowie im kurzen Uberblick die Vemetzung mit anderen Methoden des aktivierenden Lemens, beispielsweise Fallstudien, Einsatz modemer elektronischer Lemmedien, Szenariotechnik oder didaktisch konzipierte und eingesetzte Werkzeuge der Simulation. Planspiele lassen sich defmieren als „komplex gemachte Rollenspiele mit klaren Interessensgegensatzen und hohem Entscheidungsdruck"^^ Ein Planspiel ermoglicht es den Teilnehmem, vergleichbar der Durchfiihrung eines Experimentes, ohne ein reales Fehlschlagsrisiko in einer klinstlichen Umgebung entweder kognitiv neu erlemtes Wissen erstmalig neu anzuwenden, „auszuprobieren" und wiederholt zu iiben, u. U. sogar aus unterschiedlichen Rollen, Ausgangsszenarien oder Beobachterpositionen heraus. Eine weitere Moglichkeit der Anwendung liegt in der ebenfalls gefahrlosen Exploration von Situationen, die durch mangelnde Information bzw. Transparenz gekennzeichnet sind. Einsatzmoglichkeiten fiir dieses zweite Anwendungsszenario liegen im Bereich der Ausbildung (exploratives Lemen), dariiber hinausgehend aber auch im realen Untemehmensgeschehen im Bereich Risiko- und Krisenmanagement. Entscheidend ist fiir 22 23
Conraths, 2004, S. 14f Meyer, 1987,8.366
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beide Anwendungsszenarien, dass die ktinstlich herbeigefiihrte Situation im Hinblick auf die zugrundeliegende Problem- oder Fragestellung moglichst realistisch, praxisbezogen und anschaulich modelliert wird. Der Planspielteilnehmer erlebt so am Modellverhalten unmittelbar die Konsequenzen, die eine Handlung oder Entscheidung zur Folge hat (bzw. in der realen Situation zur Folge hatte). Keinesfalls sollte allerdings das Spiel isoliert fur sich stehen und den Spieler ungerichtet seiner eigenen Interpretation iiberlassen: Vielmehr ist die durch einen geschulten Instruktor didaktisch sinnvoll geleitete Reflexion des erlebten Geschehens zentraler Bestandteil der Methode. Je nach Lemziel lassen sich sowohl inhaltliche Aspekte - z. B. in der Logistik der Verlauf einer Materialflussentwicklung uber die Zeit - als auch verhaltensbezogene Aspekte - z. B. die Zusammenarbeit im Team oder der eigene Umgang mit unerwarteten oder komplexen Situationen darstellen - diskutieren und trainieren. Als didaktische Methode bieten Planspiele die Chance, in Erweiterung klassischer, kognitiv orientierter Methoden wesentliche Grundelemente des aktivierenden Lemens einzusetzen. Die Anwendung abstrakten Wissens auf konkrete Untemehmenssituationen oder die Ubung der eigenen Fahigkeit zur Losung komplexer und intransparenter Problemsituationen nach dem Prinzip des selbstorganisierten Handelns regt im Planspielverlauf kreative Potentiale an und ist so eine effektive und - sinnvoll angewandt - auch effiziente Form des Lemens. Die Moglichkeiten des Einsatzes modemer Informationstechnologie haben das Medium Planspiel umso mehr zu einer attraktiven didaktischen Methode gemacht: Einerseits die Moglichkeit zur sofortigen Auswertung komplexer Zusammenhange im Zuge der Reflexion von Spielergebnissen, andererseits aber auch die didaktische Aufbereitung von Leminhalten im Zuge des e-Leamings eroffnen attraktive Einsatzmoglichkeiten. Insbesondere im Bereich Logistik kann man als weitere interessante didaktische Option Simulationswerkzeuge mit Modellcharakter einsetzen. Dies beinhaltet iiber die bereits genannten Vorteile des Planspieleinsatzes hinaus die Chance, das Verhalten eines Logistiksystems nicht nur „im Prinzip", d. h. unscharf, sondem sehr gut defmiert auf Basis realistischer Daten, Datenstmkturen und Handlungsverlaufe valide abzubilden. Der Ubergang vom nicht direkt im Geschaftsprozess wertschopfenden Spiel zur produktiven Analyse realer Entscheidungsszenarien im taglichen Geschafl wird hierdurch flieBend. Die Simulation ist gleichzeitig Lemwerkzeug mit direktem Realitatsbezug und tatsachlicheEntscheidungsuntersttitzungsmethode.
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Didaktische Szenarien kann der Instruktor unterschiedlich gestalten: Je nach Lemziel und auszubildender Zielgruppe ist sowohl die sich an eine vorherige Wissensvermittlung anschlieBende Spielsequenz mit anschlieBender Reflexionsphase zu Ubungs- und Veranschaulichungszwecken moglich als auch das Lemen durch Exploration und Erleben von Fehlschlagen bzw. Erfolgen ohne vorherige Vermittlung abstrakter Wissensinhalte. Vermieden wird vor allem die bei praktischen Fehlschlagen fast immer gegebene Gefahr der Passivitat der handelnden Akteure z. B. aufgrund der Angst vor Sanktionen oder aufgrund resignativer Tendenzen. Typische Lemziele sind die Analyse konfliktarer Situationen, die Transparentmachung komplexer Prozesse oder Verhaltensweisen, die Schulung des vemetzten Denkens bzw. strategischer Fahigkeiten, der Erwerb von erfahrungsorientierten Wissensbausteinen, die Schulung des Umgangs mit stressbelasteten Situationen sowie die Schulung sozialer Kompetenzen (z. B. Kommunikation, Zusammenarbeit im Team oder Ftihrung). Wesentliche Potentiale verspricht angesichts der beschriebenen Charakteristika der Einsatz von Planspielen in Umgebungen, die durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet sind: Komplexitat, Unsicherheit, Dynamik. All diese Eigenschaften konnen als nahezu klassische Attribute von Logistiksystemen bezeichnet werden.
2.2 Der Einsatz moderner didaktischer Methoden in der Studienrichtung Industrielogistik an der Montanuniversitat Leoben Beim Stichwort „modeme didaktische Methoden" liegt zunachst die Methode des Planspiels auf der Hand. Der denkbare Einsatz von Planspielelementen oder -sequenzen reicht vom funf-miniitigen Kurzexperiment zur Veranschaulichung eines Sachverhaltes bis hin zu aufwendigen, mehrtagigen und evtl. sogar computergestiitzten „Simulationen"^'^. An der Montanuniversitat sind Planspielelemente jeder GroBenordnung im Einsatz. Die folgenden Abschnitte beschreiben beispielhaft typische Szenarien. Aber nicht nur das Planspiel, sondem zahlreiche weitere Methoden haben Eingang in das Curriculum Industrielogistik in Leoben gefianden, beispielsweise die Methode des Storytellings oder die Arbeit mit Fallstudien. Auch uber diese Vielfach werden - wohl aus Scheu vor der Verwendung des Wortes „Spier' Planspiele auch als Simulation oder Business Simulation bezeichnet - nicht zu verwechseln mit der Simulation in ihrem eigentlichen Sinne.
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Aspekte berichten die folgenden Abschnitte. Die Reihung der Beispiele in den folgenden Abschnitten entspricht in etwa der Reihenfolge, in der die Studierenden das Studium durchlaufen.
2.2.1
Grundlagen der Logistik - „ direkt aus dem Unternehmen erzdhlt''
Der Studierende, der an der Montanuniversitat erstmals eine Vorlesung „Grundlagen der Logistik" besucht, hat in der Kegel ein sogenanntes „erstes Studienjahr" absolviert, das die Grundlagen einer Ingenieurausbildung vermittelt. Aufgrund dieses Grundlagencharakters gibt es bis zu diesem Zeitpunkt weder Bertihrungspunkte mit der Logistik noch ist die Gelegenheit zu praktischen Aktivitaten mit Unternehmen aus der Wirtschaft gegeben. Die meisten Studierenden haben daher - sofem nicht der personliche Lebenslauf bereits einschlagige Erfahrungen beinhaltet - zunachst Schwierigkeiten, logistische Themen iiber ein (relativ sinnloses) Auswendiglemen der Materie hinaus konzeptionell zu erfassen. Gerade aber diesen Einstieg benotigt das Fach Logistik - einerseits in Richtung Systemdenken und andererseits im Hinblick auf ein Gespiir fiir die Anforderungen praktischer Untemehmenssituationen. Im Bewusstsein dieser Problematik geht der Lehrstuhl Industrielogistik in Leoben in den ersten Vorlesungsstunden zusatzlich zur Vermittlung der expliziten Basiskenntnisse den Weg des Storytellings - „Geschichten, die das Unternehmen schreibt", wie ein einschlagiger Fachartikel treffend tituliert^^ Hintergrund dieser Methode ist die Tatsache, dass Geschichten besser behalten werden als abstraktes Fach- oder Methodenwissen. (Selten) aufmerksam lauschen die Studierenden dem Referenten, der unglaubliche Begebenheiten aus seiner beruflichen Praxis erzahlt, die dem Grundprinzip des FlieBens zuwiderlaufen - ein Kemelement des modemen Logistikverstandnisses, dass nun niemand mehr zu btiffeln hat. Zu plastisch bleibt die Erinnerungen an die Anekdoten aus der Vorlesung. Ganz nebenbei Unterricht der SpaB macht und der einen nicht miiden Gesichtes aus der Vorlesung schleichen lasst, sobald es nicht unangenehm auffallt. Der Vortragende hat neben einem schier unglaublichen Vorrat an „LogistikStories", die das Leben schrieb, noch weitere Ansatze parat: Eine kleine Gruppenarbeit mit Workshop-Charakter zum Thema „So fahren Sie Ihre LogistikLeistung garantiert an die Wand!" ist ungewohnlich, weckt Neugier und Spiel25 Bittelmeyer, 2004, S. 70ff
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trieb und schafft dadurch unmerklich eine Lematmosphare, in der der Lemer sich selbst den Weg durch die fachlichen Inhalte bahnt. Der Referent begleitet als „Coach" oder „Facilitator" und streut gelegentlich weitere Ideen ein, denen wiederum fachliche Prinzipien hinterliegen, die auf der Liste der Lemziele stehen. Die Alternative: Eine Sammlung von Overheadfolien (die der Dozent zwar vorbereitet hat, aber nur nach Bedarf oder zusammenfassend einsetzt) mit trockenen Spiegelpunkten. Klarerweise bleibt die Notwendigkeit des Lemens nicht aus und will in Vorbereitung auf die Abschlusspriifung auch das Skriptum gelemt sein. Doch auch die Art der Prtifung tragt dem Charakter der Lehrveranstaltung Rechnung: Eine mundliche Prtifung, die im Gegensatz zur oft vorherrschenden Abfrage von Fakten in schriftlichen Klausuren den Priifling nicht mit Fragen wie „ ... nennen Sie die grundlegenden Prinzipien der Logistik und erlautem Sie anhand eines Beispiels die Hintergrlinde ..." konfrontieren, sondem praktisches Verstandnis abfragt: „Woran erkennen Sie im Untemehmen einen guten Geschaftsprozess?" oder „Was macht eine gute Logistik-Performance aus und wie miissen die Ablaufe gestaltet sein, damit Sie eine solch gute Logistikleistung bekommen" oder „Sie sind Logistikleiter des Untemehmens XYZ und bekommen vom Vorstand den folgenden Auftrag: ... Was tun Sie und welche Methoden schlagen Sie vor?'' Die Methode des Storytellings erfordert hochqualifizierte Referenten: Der Geschichtenvorrat muss authentisch, d. h. vorwiegend selbst erlebt sein, um zum einen Glaubhaftigkeit zu erreichen, zum anderen aber zum jeweiligen Lemziel eine passende Story auswahlen zu konnen oder eine Frage mit einem spontanen Beispiel zu beantworten. Dariiber hinaus ist eine hohe didaktische Kompetenz und Lehrerfahrung gefordert, die mit einem Anstieg der GruppengroBe noch steigt: Auch mit Gruppen von 50 - 100 Studierenden und mehr kann man so den interaktiven Dialog aufnehmen. Zudem ist Storytelling aus didaktischer Sicht weit mehr als der simple Marchenerzahler, der die Wertestruktur so manchen Kindes gepragt haben mag: Eine „gute" Story muss folgenden Anforderungskriterien geniigen: •
•
Es muss ein klares Motiv hinterliegen. Keinesfalls darf die Frage offen bleiben, „wozu" ein bestimmtes Prinzip, oder eine Methode sinnvoU anwendbar ist oder „wozu" die Beachtung bzw. Nicht-Beachtung logistischer Gesetze fuhrt Das Motiv wird intuitiv vermittelt und entweder iiberhaupt nicht oder erst zum Ende der Geschichte explizit und formal thematisiert
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Die Geschichte polarisiert, macht aufmerksam und neugierig - oft sogar in Form des Lemens aus Dingen, die in der Praxis weniger gut fiinktioniert haben Die Geschichte muss Anknupfiingspunkte sowohl zum Lemziel als auch zum Lemer in seiner augenblicklichen Situation haben. Im Fall der Grundvorlesung Logistik an der Montanuniversitat Leoben muss eine Geschichte also beispielsweise auch dann „funktionieren", sprich fiir die Studierenden vorstellbar sein, wenn diese noch nie ein Untemehmen von innen gesehen haben Story und Erzahler miissen authentisch zueinander passen
Zugegeben erfordert es an einer Universitat zuweilen Mut, den Begriff der „Story" in den Mund zu nehmen - gerade dann, wenn die Beschaftigung mit Lehrund Lemkonzepten dort noch in den Kinderschuhen steckt. Aber auch hier kann die Semantik wertvolle Hilfe leisten: Auch dem streng sachlogischen Wissenschaftstheoretiker ist der Begriff des Beispiels nicht fremd - und schon ist der erste Weg auf dem Schritt zur „Story" getan. Um Missverstandnissen vorzubeugen: Storytelling ist nicht der Weg in die Banalitat und entspricht auch nicht der Idee, an die Stelle anspruchsvoller Inhalte das Marchen zu setzen. Die Idee ist vielmehr die narrative Umkleidung eines sinnvoU ausgewahlten Teil des zu vermittelnden Inhalts zugunsten eines schnelleren und nachhaltigeren Verstandnisses. So eingesetzt ist die Methode des Storytellings eine sinnvoUe und vor allem mit einfachsten Mitteln anwendbare didaktische Erganzung klassischer Unterrichtsmethoden.
2.2,2
Das Streichholz-Experiment
Das Streichholz-Experiment als zweites Beispiel der Sammlung aus dem Leobener Logistikunterricht gehort thematisch in den Bereich der Produktionslogistik. Ziel dieses kurzen Experiments (Dauer personenabhangig zwischen 15 und 30 min) ist es, Zusammenhange zwischen fundamentalen Parametem der Produktionslogistik, in der hier beschriebenen Variante beispielsweise zwischen Durchlaufzeit und Fertigungsbestand am eigenen Erleben zu veranschaulichen. Am Anfang der Argumentation stehen in der Untemehmenspraxis weit verbreitete Glaubenssatze, beispielsweise •
„Bei unvorhergesehenen Problemen ist ein Pufferbestand im Lager die beste Vorsorge."
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• •
„Bei den heute marktiiblichen Lieferzeiterwartungen sind wir nur dann lieferfahig, wenn wir geniigend Ware auf Lager produzieren." „Die einzige Chance fiir eine akzeptable Kostenposition ist eine hohe Auslastung der Maschinen - notfalls bis an die 100 %Auslastungsgrenze heran."
So und ahnlich lauten oft Argumente fur den Aufbau umfangreicher Bestande. Dies bedeutet allerdings meist eine hohe Kapitalbindung, die sich die meisten Untemehmen falls irgend moglich nicht leisten wollen. Gut ware es, konnte man sein Logistiksystem in eine andere Richtung lenken, z. B.: • •
„Bestande verursachen Probleme - namlich hohe Durchlauf- und damit auch Lieferzeiten." „Konnte man anstatt einer Abpufferung von Lieferengpassen durch hohe Bestande durch Bestandssenkungen Lieferzeiten zu verbessem?"
Das Streichholzexperiment veranschaulicht die tatsachlichen Zusammenhange: Die Studierenden bilden eine Produktionskette (und setzen sich dazu ggf. auch um). Der Dozent erteilt ihnen den Auftrag, entlang dieser Kette Streichholzer zu produzieren: Jeder Mitspieler ist eine Maschine und bekommt zum Zwecke der Produktion einen Wurfel. Bei jedem Wurf konnen an dieser Maschine genau so viele Streichholzer produziert werden, d. h. zum nachsten Kettenglied weitergeben werden, wie der Wurfel Augen hatte. Das erste Glied der Kette symbolisiert den Produktionsstart, beim letzten Glied ist das Streichholzprodukt fertig prozessiert. Die Reihenfolge der Produktionsauftrage (=Streichholzer) ist klar geregelt: „First in - first out", d. h. es muss immer das Streichholz weitergereicht werden, das an erster Stelle der Warteschlange steht. Mit dem Startsignal des Dozenten beginnen alle Spieler zu wtirfeln. Ziel des Spiels ist es, in moglichst kurzer Zeit moglichst viele Holzer zu produzieren. Zu Beginn hat noch kein Spieler einen Produktionsauftrag (Streichholz). Im ersten Durchgang geht nur ein einzelnes Streichholz in die Produktion. Es wird die Zeit gemessen, die dieser Auftrag vom ersten bis zum letzten Spieler benotigt. Das Streichholz muss niemals warten. Es wird schnellstens durchgereicht und ist in Sekundenschnelle fertig produziert. Im zweiten Durchlauf gibt der erste Spieler das Tempo vor: Seine Augenzahlen bestimmen, wie viele Auftrage in die Produktionslinie gelangen. Nach ein paar
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Minuten turmen sich vermutlich bei einigen Arbeitsplatzen die Bestande! Sobald sich bis zum letzten Kettenglied ein entsprechender Fiillstand ergeben hat, geben Sie ein anders gefarbtes Streichholz in die Fertigung und messen wiederum die Zeit, die es vom ersten bis zum letzten Spieler benotigt. Und es wird nicht gemogelt: Der Sonderauftrag muss brav in die Warteschlange. Im Anschluss wird reflektiert: Wie lange musste der Kunde auf diesen Sonderauftrag warten? In welchem AusmaB haben die Fertigungsbestande die Durchlaufzeit dieses Auftrages verlangert? Wahrscheinlich liegen GroBenordnungen zwischen diesem und dem ersten Wert! Und diese Zusammenhange gelten nicht nur im Streichholz-Experiment. Die sich im Curriculum anschlieBende Diskussion der graphischen und mathematischen Zusammenhange ist im Anschluss an ein solches Spiel im Regelfall vollig unproblematisch zu vermitteln: Vor ein paar Minuten hat jeder Studierende den Effekt am eigenen Leib erlebt und kann den abstrakten formalen Zusammenhangen nun im Regelfall problemlos folgen. Andere Varianten des Streichholzspiels ermoglichen die Demonstration weiterfiihrender logistischer GesetzmaBigkeiten. Der Nutzen dieses wenig aufwendigen Experiments: Es lassen sich mit auBerst geringem Aufwand (ggf. konnen sogar die Wiirfel weggelassen werden und die Streichholzer durch Papierschnipsel ersetzt werden, die an jeder „Maschine" zu unterschreiben sind) und innerhalb kiirzester Zeit sogar mit einer groBeren Anzahl von Teilnehmem (nicht jeder muss spielen, auch die Beobachtung einer Kette von Spielem flihrt zum plastischen Erleben des gewunschten Effekts) komplexe Zusammenhange leicht nachvollziehbar demonstrieren. Die Erfahrung zeigt, dass im Anschluss selbst an eine kurze Streichholzrunde die diesem kleinen Experiment hinterliegende Mechanik logistischer GesetzmaBigkeiten problemlos innerhalb kiirzester Zeit verstanden wird - das direkte Erleben des quasi-realen Geschehens noch unmittelbar vor Auge gelingt das abstrakte Verstandnis ungleich schneller als ohne die spielerische Einlage.
2.2.3
Das Betriebskennlinien-Planspiel - Simulation einer Produktionsumgebung anhand der Metapher eines Brettspiels
In den Bereich der Produktionslogistik fallt das im folgenden Abschnitt kurz charakterisierte Betriebskennlinien-Planspiel. Die theoretische Grundlage fiir dieses Planspiel bildet die logistische Theorie der Betriebskennlinien, in der zentrale Kennzahlen der Produktionslogistik anhand mathematischer Gesetzma-
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Bigkeiten miteinander verkntipft sind, z. B. Durchlaufzeit und physikalische Durchlaufzeit zum Flussfaktor. Die diesem Stoff zugrundeliegende Warteschlangentheorie ist mathematisch nicht ohne Anspruch, gleichzeitig haben die Studierenden das Problem, dass sie wenig Vorstellungen von den tatsachlichen taglichen Ablaufen und Probiemen eines produzierenden Betriebes haben - nicht bezogen auf die Routinevorgange und erst recht nicht bezogen auf Ausnahmesituationen wie Maschinenausfalle oder kurzfristig stomierte Produktionsauftrage. Das Betriebskennlinienspiel vereinfacht die mathematische Theorie insofem, als es sich auf eine „Ein-Aggregat-Betrachtung" beschrankt, d. h. nicht jede einzelne der im Beispiel gegebenen Produktionsmaschinen einem Monitoring unterzieht, sondem die Produktionslinie als Ganzes. Auf einem Brett sind - einem Produktionslayout vergleichbar - alle Maschinen sowie die Wege zwischen diesen aufgebracht. Die Spieler erhalten nun jeweils unterschiedliche Arbeitsplane (Annahme eines bestimmten Produktmixes) und den Auftrag, „Ihr" Produktion moglichst gut durch dieses Produktion zu schleusen. Weitere Produktionslose im Spiel reprasentieren die vorhandene Auslastung. Ahnlich wie auch im praktischen Betrieb Einflusse auf den Ablauf, d. h. z. B. Ereignisse wie Los-Stops aufgrund von Qualitatsproblemen, Maschinenstorungen, fehlende Bedienerverfiigbarkeit usw. stochastisch verteilt sind, wird dies im Spiel realisiert - hier aus Grunden der Einfachheit durch das Prinzip des Wiirfelns. Die Spieler flihren also unter Bewaltigung typischer Problemsituationen ihre Lose durch die Fertigung. Hierbei werden laufend Leistungskennzahlen wie Durchlaufzeit, Auslastung, Fertigungsbestand usw. aufgenommen. Am Schluss der ersten Runde zeichnen und berechnen die Spieler anhand vorgegebener Formulare selbst die Betriebskennlinie, die im aktuellen Spiel den Orten der prinzipiellen Produktionsmoglichkeiten entspricht (Kombinationen von Flussfaktor und Durchsatz). Es folgt eine Reflexionsrunde, in der fachliche Fragen zum gerade Erlebten geklart werden, Grunde fiir eine schlechte Logistikperformance diskutiert werden und Verbesserungsmafinahmen vorgeschlagen werden. Zur zweiten Runde diirfen die Spieler die Spielregeln verandem. Dies allerdings unter der MaBgabe, dass jede Veranderung der Ausgangssituation oder einer Spielregel mit einer im Untemehmen tatsachlich denkbaren MaBnahme begriindet wird. Beispielsweise ergabe also die Entfemung alle anderen „storenden" Produktionslose sicherlich eine Optimierung, doch wiirde kaum ein Untemehmen von heute auf morgen seine Auslastung um einen solch groBen Prozentsatz zurtickfahren. Diese Idee wiirde der Spielleiter also nicht akzeptieren. Adaquate
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logistische Mafinahmen waren dagegen z. B. die Reparatur einer storungsintensiven Maschine, die Aufhebung von Anlagenzuordnungen durch EngineeringMaBnahmen usw. Nach der zweiten Runde wird die Kennlinie ein zweites Mai angetragen und verlauft nun besser^^. Wieder erfolgt eine Reflexionsrunde, werden die Grtinde diskutiert und die Kennzahlen im Vergieich zwischen erster und zweiter Runde situationsbezogen diskutiert. Dabei werden die Reflexionsrunden bewusst ahnlich gestaltet, wie eine Managementsitzung im realen Untemehmen: Die jeweilige Gruppe berichtet aus der Perspektive des Produktions- oder Logistikleiters dem Untemehmensvorstand und muss Rechenschaft iiber Zustand und Aktivitaten im Produktionsbereich ablegen. Die Erfahrung mit diesem Spiel hat gezeigt, dass im Spiel oft innerhalb von zwei Stunden abstrakte logistische Zusammenhange sehr leicht begreifbar wurden. Das zusatzlich zum Theorieverstandnis oft so notwendige Gefiihl flxr Veranderungen, Bewegungen und GroBenordnungen, dass nur der jahrelang erfahrene Praktiker hat, kann zumindest angestoBen werden. Auch Priifiingen zeigen, dass Studierende oft noch Wochen nach dem Spiel Transferfi-agen gut durchdenken und systemisch zutreffende Vorhersagen und Antworten entwickeln konnen. Lemgruppen, die ohne das Spiel unterrichtet wurden, taten sich typischerweise schwerer - sowohl mit der Behaltensleistung als auch mit der systemgerechten Beantwortung von „Was-ware-wenn" Fragen. Im Verhaltnis zum Einsatz einiger Stunden ftir das Spiel und einem minimalen Materialaufwand ist dies ein ausgenommen gutes Lemergebnis.
2.2.4
Planspieleinsatz im Rahmen der Produktionsplanung, -steuerung undLogistik
Die Vorlesung und LFbung zum Thema Produktionsplanung und Logistik liegt im Studienplan im flinften Semester, d. h. ist Bestandteil der Basisausbildung im Bakkalaureatsabschnitt der Studienrichtung Industrielogistik. Die Studenten erfahren in einem dreitagigen Seminar selbst, was es bedeuten kann, in einem Produktionsuntemehmen ftir Beschaffting und Produktionsplanung verantwortlich zu sein und das Ergebnis ihres Handelns in Form von Kennzahlen des UnIn der gesamten Praxis mit diesem Spiel hat von tiber einhundert Spielgruppen bisher noch keine einzige Gruppe in der zweiten Runde eine Verschlechterung erzielt, aller Gruppen konnten im Gegenteil die Situation der Beispielfertigung massiv verbessem.
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temehmenserfolgs zu begreifen. Dem Planspiel geht der Besuch der Vorlesung voraus, so dass grundlegende Konzepte und Methoden der Produktionslogistik mindestens ansatzweise verstanden werden. Das Planspiel hat als Simulationsspiel Modellcharakter fur eine konkrete Fertigung mit ihren Material-, Waren- und Informationsflussen. Die Zusammenhange sind in reduziertem Informationsumfang, Datenvolumen sowie mit vereinfachten aber doch typischen Strukturen und Handlungsablaufen abgebildet. Durch die Konzeption des Spiels wird eine Vorauswahl relevanter Entscheidungsprozesse getroffen und werden die Entscheidungsprozesse in einem objektivem Umfeld platziert, wobei die Gesamtheit der moglichen Entscheidungen i. d. R. von den Teilnehmem nicht erfasst wird. Das Handeln im Planspiel besteht aus der Analyse der auftretenden logistischen Probleme, dem Abwagen von Altemativen, dem Entwickeln von Strategien und dem Treffen von Entscheidungen. Entscheidungen losen im Spiel Reaktionen aus, diese erfordem wiederum ein flexibles Agieren der Teilnehmer. Die Wissensvermittlung durch das Planspiel hebt sich in mehreren Punkten vom eher an den Fakten und Methoden ausgerichteten Charakter der Vorlesung „Produktionsplanung, -steuerung und Logistik" ab, in die das Planspiel eingebettet ist. Der Lemende ist noch weniger passiver Zuhorer, sondem ist der eigentliche Akteur. Die Teilnehmer ubemehmen Management-Aufgaben z. B. als Produktionschef, Logistikleiter oder als Verantwortlicher fiir die Finanzen. Im Team werden Strategien entwickelt, umgesetzt und die Wirkungen diskutiert. Die Teilnehmer erleben hautnah typische Zielkonflikte in der Planung und Strategiefmdung. Sie lemen betriebswirtschaftliche Methoden und Informationsmittel zu ihrem Vorteil einzusetzen und mit Unsicherheiten bei der Entscheidungsfmdung umzugehen. Auch lemen sie Entscheidungen im Team und unter Zeitdruck zu fallen. Die Durchfiihrung des Produktionsplanspiels gliedert sich in die Phasen der Vorbereitung, der Durchfiihrung (Spielphase) und der Reflexion. In der Vorbereitungsphase erfolgt eine Einfiihrung in die Spielregeln und -ziele sowie die Gruppenbildung. In der abschlieBenden Reflexionsphase fmdet eine Aufarbeitung der vergangenen Geschehnisse statt und werden die eigenen Handlungen und deren Konsequenzen auf die Logistikleistung kritisch hinterfragt. Diese Phase ist weniger am eigentlichen Spielergebnis als mehr an den verwendeten Methoden und an den Altemativen, die moglich gewesen waren, orientiert. Die konkrete Steuerung einer Produktion gibt den Studierenden die Moglichkeit, das in der Vorlesung bereits vorab vermittelte Faktenwissen - z. B. zu mogli-
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chen Anliefemngsmodellen oder betreffend die Optimierung von LosgroBen und -reihenfolgen - in einer simulierten Umgebung probeweise umsetzen zu konnen und eine gewisse Form von Praxisbezug herzustellen. Auch konnen in einem solchen kontrollierten Umfeld Komplexitat und Interdependenzen realer Entscheidungssituationen nachempfunden werden und rollenabhangige Interessensperspektiven sowie systembedingte Entscheidungszwange gezielt aufgezeigt werden. Oft diskutieren beispielsweise der Produktionsleiter (Ziel: niedrige Kapitalbindung, d. h. niedrige Bestande) und der Vertrieb (Ziel: Viele zuverlassig erflillte Auftrage, d. h. Umsatz, aber auch hohe Bestande) kontrovers. Planspiele sind immer problemorientiert, nicht wissensorientiert, und daher bestens geeignet, um die Entwicklung von Handlungsstrategien zu fordem. Auch die Erhohung der Fahigkeit zur Kommunikation und Teamarbeit stellt ein Lemziel dar, welches im Rahmen der universitaren Ausbildung ohnedies an noch zu wenigen Stellen wahrgenommen wird. In den Reflexionsrunden wird den Studierenden die Reduktion des Spielszenarios auf eine beschrankte Teilmenge der Entscheidungssituationen und Handlungsaltemativen bewusst gemacht; eine unreflektierte 1:1 Ubertragung der im Spiel erworbenen Erfahrungen in die Realitat kann kaum zum Erfolg flihren, weil im Spiel wesentliche Parameter aus Anschaulichkeitsgriinden vemachlassigt werden - beispielsweise Rtist- und Transportzeiten, die in der Realitat je nach Situation eine ganz erhebliche Rolle fur die Optimierung der Produktionsablaufe spielen. Das Spiel kann auf unterschiedlichem Anspruchsniveau durchgefuhrt werden vom rein intuitiven Erleben hin bis zur sachkundigen logistischen Detailanalyse. Die angemessene Wahl des Niveaus ist erfahrungsgemaB entscheidend fur die Motivation und damit in weiterer Folge auch fiir den Lemerfolg der Teilnehmer. Die Akzeptanz durch die Studierenden war bisher durchwegs hoch. Interessant ist aus Sicht des Lehrers vor allem die Tatsache, dass sich im Regelfall in den Vorlesungseinheiten, die nach dem Planspiel stattfmden, die Qualitat der Fragen der Lemenden andert: Es ist ein wesentliche hoherer Anteil an verstandnisbildenden Fragen zu beobachten. Das Systemverstandnis ist offensichtlich deutlich hoher. Selbst als Spielleiter ist man jedes Jahr aufs Neue von der unterschiedlichen, kaum absehbaren Entwicklung der einzelnen Spielgruppen liberrascht. Das Planspiel sieht zwar keine direkte Konkurrenz der Gruppen vor, jedoch bildet sich durch den permanenten Vergleich der Gruppen eine durchaus kompetitive Situation, die als zusatzlicher Anspom fiir die Studierenden wirkt.
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Die Erfahrung zeigt dass das Planspiel gerade auf dem umfangreichen und teils recht abstrakten Gebiet der Produktionsplanung und -steuerung ein hohes MaB an Lemtransfer durch erlebte Erfahrung erlaubt. Im Vordergrund steht dabei das ganzheitliche vemetzte Denken und Handeln. Das Faktenwissen („Know What") wird zuvor vermittelt, die Kombination der herkommlichen Vermittlung der Lehrinhalte mit dem Planspiel fiihrt zu einer gesteigerten Effizienz des Lemens. Sehr gut eignet sich die Planspielmethode zur Vermittlung von Zusammenhangsund Transferwissen („Know Why"). Die Aneignung von Fertigkeiten und sozialer Kompetenz („Know How" und „Care Why") stellen zusatzliche implizite Ziele der Ausbildung dar: Ein zentraler Erfolgsfaktor fur die Bewaltigung der im Spielablauf gestellten Aufgaben ist letztlich die Fahigkeit einer Gruppe, sich arbeitsteilig zu organisieren und die Interessen und Begabungen einzelner Mitglieder zu respektieren und einzusetzen.
2.2.5
Spezielle Anwendungen der Logistik - Praxisvortrdge in Exposees selbst aufarbeiten und Losungsoptionen prdsentieren
Im Anschluss an die Grundausbildung in den Basisfachem der Logistik - Beschaffungs-, Produktions-, Distribution, und Informationslogistik sowie Prozessmanagement, -optimierung und Prozesskostenrechnung - besuchen die Studierenden eine Lehrveranstaltung, die aus einer Reihe von ca. 7-10 Praxisvortragen besteht: Zu jedem Termin halt ein ausgesuchter Fachmann aus den unterschiedlichsten Sparten der Logistik, z. B. Hafen, Cargozentren, Automobilbranche, Pharmaindustrie, Logistikdienstleister, Anlagengeschaft usw., einen Vortrag aus seinem Bereich. Die Studierenden, die zu diesem Zeitpunkt bereits wissen, dass sie uber den Vortrag hinaus unter Einbeziehung eigener Recherchen ein ca. 20-seitiges Exposee (geschrieben von Gruppen a ca. 4-5 Personen) anfertigen miissen, haben im Anschluss an den Vortrag ausfuhrlich Gelegenheit fur Fragen. Hierbei erhalten sie Hilfestellung durch einen Katalog von beispielhaft vorgeschlagenen Fragen an die Referenten, z. B.: • • •
Welche Bedeutung hat die Logistik in Ihrem Fachbereich heute, welche wird sie kunftig haben? Welche Themen der Logistik sind fiir Ihren Bereich besonders relevant, woran arbeiten Sie gerade? Wie sieht in Ihrem Bereich ein typisches Berufsbild „des Logistikers" aus und welche Qualifikationsprofile erwarten Sie sich von einem Absolventen?
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Einsatz modemer Medien in der Logistikausbildung
• •
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Konnen Sie die informationstechnische Durchdringung in ihrem Bereich erlautem? Welche Rolle spielt IT fur Ihre Logistik? usw.
Im direkten zeitlichen Anschluss an den Vortrag ist eine ca. 1,5-stundige LFbungseinheit angeschlossen, die dem Zweck dient, dass die Studierenden unter Nutzung des Internets, d. h. bereits mit ersten zusatzlichen Sekundarinformationen eine mogliche Argumentationslinie erarbeiten, wie sie das im Vortrag thematisierte logistische Anwendungsfeld im spateren Exposee aufarbeiten werden. Der Ubungsleiter unterstutzt strukturell und gibt evtl. Hilfestellung zu relevanten Stichworten fur die Recherche. Eine Gruppe wird dann aus der Ubungseinheit „entlassen", wenn sie fiir ihr Thema ein vollstandiges Storyboard ausgearbeitet hat, dem die Inhalte, die Struktur und die zur Verwendung beabsichtigen Methoden zu entnehmen sind. Der Ubungsleiter gibt zu diesem Stand ein letztes Feedback. Im Anschluss erarbeiten die Studierenden in Heimarbeit das Exposee. Die Prufung besteht aus der Prasentation eines der Exposees und der „Verteidigung", d. h. der Beantwortung von Transferfragen aus dem im Exposee behandelten logistischen Umfeld. Die Erfahrung aus der erstmaligen Gestaltung der Vorlesung nach dem beschriebenen Lehrveranstaltungsdesign schien zunachst zwiespaltig: Die Studierenden taten sich schwer, das Thema tatsachlich selbstandig aufzuarbeiten und dabei eine angemessene Reflexionstiefe auf Basis eines fundierten Problemverstandnisses zu erreichen. Ein Signal dafiir, das Design dieser Veranstaltung zu verandem? Ganz im Gegenteil. Die genannten Schwierigkeiten sind aus Sicht der Autorin eher ein Hinweis dafiir, dass die Ausbildung bis zu diesem Punkt des Curriculums - trotz Einsatz zahlreicher interaktiver Lehrmethoden - noch zu stark am deklarativen Faktenwissen orientiert ist. Gerade dieses niitzt fiir eine solche Aufgabenstellung aber nur sehr begrenzt bzw. lasst es sich ggf. mtihelos ad hoc und nach Erfordemis der Situation recherchieren. Die Formulierung der „richtigen Fragen" zu einem Gebiet dagegen, die eine unbedingte Voraussetzung zur Forderung der prozeduralen Kompetenz ist, bedarf nach bisheriger Erfahrung bei der uberwiegenden Zahl der Studierenden noch der Ubung. Geschehen kann dies durch Lehrveranstaltungen wie diese. Der positive Nebenaspekt fiir die Studierenden: In einem einzigen Semester konnen sie mtihelos ca. 7-10 Experten und Ansprechpartner aus den Logistikbereichen von Untemehmen kennen lemen und evtl. sogar konkret beziiglich der Moglichkeiten fiir Praktikumseinsatze Oder fiir die Anfertigung einer Abschlussarbeit ansprechen. Ein idealer Einstieg in das logistische Netzwerk, evtl. sogar bereits ein erster Schritt zur spateren beruflichen Anstellung.
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Corinna Engelhardt-Nowitzki
2.2.5
Zwischenfazit und kunftige Entwicklung
Die vorangegangenen Abschnitte 2.2.1 bis 2.2.4 haben einen exemplarischen Einblick in die didaktischen Ansatze vermittelt, mit Hilfe derer das Studium der Industrielogistik an der Montanuniversitat Leoben gestaltet wird. Zu den beschriebenen Beispielen kommen weitere hinzu: • •
•
Fallstudie Distributionslogistik - im Detail beschrieben im spateren Verlauf dieses Bandes (Beitrag von Augustin und Hofer) Fallstudie Internationale Logistik - Bestandteil des StudienSchwerpunktes Logistikmanagement und Fortsetzung der Grundausbildung im sechsten Semester zu diesem Thema Einsatz von Simulationswerkzeugen fiir logistische Fragestellungen im Detail beschrieben im spateren Verlauf dieses Bandes (Beitrag von Engelhardt-Nowitzki, Nowitzki und Weigl)
Die Zukunftsversion ist ein „Leobener Logistiklabor", in dem nicht nur ITgestiitzte Lehrveranstaltungen und Planspiele stattfinden konnen, sondem in dem auch weitere Fragestellungen der Logistik praxisgerecht und anschaulich aufgearbeitet werden konnen - evtl. sogar in Verbindung mit Hardwarekomponenten, z. B. also einem Modell eines automatischen Hochregallagers oder eines modellbasierten Umschlagspunktes. In diesem Logistiklabor stiinde auBerdem Simulationssoftware zur Verfligung, so dass neben der „physischen Modellwelt" auch die virtuelle Modellierung Gegenstand des Unterrichts, aber vor allem auch von Abschlussarbeiten und Projektaktivitaten flir Industrieuntemehmen sein kann.
2.3 Perspektiven fiir die didaktische Weiterentwicklung der Studienrichtung Industrielogistik an der Montanuniversitat Leoben stellvertretend fiir die Weiterentwicklung der universitaren Logistikausbildung Der vorliegende Beitrag zeigt: Trotz engster Budgetrestriktionen^^ lassen sich Prinzipien des aktivierenden und am Lemer orientierten Lemens durchaus
27 Die Studienrichtung wird mit minimalen Mitteln aufgebaut - es stehen in bescheidenem Umfang Personalressourcen zur Verfligung, finanzielle Mittel fiir die didaktische Weiterentwicklung, zum Einkauf von Planspielen, e-leaming-Medien oder zur Einladung prominenter Vortra-
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Einsatz modemer Medien in der Logistikausbildung
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schliissig realisieren. Dies zeigen auch die sich anschliefienden Beitrage dieses Herausgeberbandes. Der Vorsitzende des Akkreditierungsrates Prof. Dr. Erichsen brachte den Handlungsbedarf in der Hochschullehre in seinem Impulsreferat zur Thematik „Europaischer Trends in der Graduierung und Qualitatssicherung"^^ folgendermaBen auf denPunkt: • • •
Bildungspolitik muss sich angesichts der Globalisierung der Arbeitsmarkte auch in der Lehre international ausrichten Die Bedeutung von Wissenschaft, Forschung und Qualifikation ftir die wirtschaftliche Kraft einer Gesellschaft hat zugenommen Die Qualifikationsanforderungen an Beschaftigte steigen kontinuierlich und verandem sich typischerweise im Verlauf eines Arbeitslebens mehrfach
Die klare Konsequenz daraus ist, dass die Bedeutung des einmal im Laufe eines Universitatsstudiums erworbenen (Fach-)Wissens in den Hintergrund tritt. Schon beim Bachelor-Abschluss, der als erster akademischer Abschluss vomehmlich auf eine Arbeitsmarktfahigkeit der Absolventen auf Basis eines Basisstudiums abzielt, erst recht aber im Master- bzw. Diplomstudium oder im Doktorat miissen zunehmend prozedurale Wissenselemente und impUzite Fahigkeiten vermittelt und gefbrdert werden. Dem kann und muss die Hochschullehre Rechnung tragen. Die Aussage eines der Autorin bekannten Universitatsprofessors (der an dieser Stelle bewusst nicht zitiert wird) zum Thema der didaktischen Weiterentwicklung der Lehre, „ ... diejenigen Dozenten, die ein Problem mit ihren Vorlesungen oder Studenten hatten, wiissten dies ohnehin selbst und mogen eben ein Buch zum Thema Didaktik zur Hand nehmen ..." wird von einer heute an vielen Universitaten noch durchaus tiblichen Einstellung zum Ausnahmefall werden miissen und werden.
gender, die aus der eigenen Erfahrung Fallstudien-basiert unterrichten konnten, sind kaum vorhanden bzw. mussen durch Sponsorengelder finanziert werden 28 Erichsen, 2004
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Corinna Engelhardt-Nowitzki
Literatur Bittelmeyer, 2004: Bittelmeyer, A., Geschichten, die das Untemehmen schreibt, in: managerSeminare, Heft 78, Juli/August, 2004, S. 70-78 Bleicher, 2004: Interview von R. Fiedler-Winter mit Prof. Dr. Knut Bleicher, Mit intelligenten Losungen in die Zukunft, in: Personal, Heft 04/2004, S. 32-34 Conraths, 2004: Conraths, B., Jenseits von Rankings, in: Personal, Heft 04/2004, S. 14f Engelhardt 2000: Engelhardt, C , Betriebskennlinien, 2000 Engelhardt et al. , 2004: Engelhardt, C , Hall, K. und Ortner, J., Prozesswissen als Erfolgsfaktor. Effiziente Kombination von Prozessmanagement und Wissensmanagement, 2004 Erichsen, 2004: Erichsen, H.-U., Europaische Trends in der Graduierung und Qualitatssicherung, Impulsreferat anlasslich des AUCENWorkshops am 17.Mai 2004, IFF Wien Gillies, 2004: Gillies, C , Spielend Strategien entwickeln, in: managerSeminare, Heft 77, Juni, 2004, S. 70-76 Graf, 1992: Graf J., Planspiele: simulierte Realitaten fiir den Chef von morgen, 1992 Meyer, 1987: Meyer, H., Unterrichtsmethoden II, 1987 Winteler, 2004: Winteler, A., Professionell lehren und lemen, 2004
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Lernort Leoben. Didaktische Elemente und Lernmedien in der Logistikausbildung an der HTL Leoben Robert Hermann und Alexandra Gmundtner
3.1 Ausbildung an der HTL Leoben Unter dem weit iiber die Bundesgrenzen hinaus bekannten Namen „Berg- und Huttenschule Leoben", bestehend seit 20. Mai 1865, als seinerzeitige Ausbildungsstatte ftir Hauer, Steiger und Bergwerksschlosser und Maschinenhauer, etablierte sich diese Schule nach der Hochbliite des Bergbaues und den Anforderungen der Industrie entsprechend mit nachfolgenden Ausbildungsmoglichkeiten: • • • • •
HTL fiir Maschineningenieurwesen, Ausbildungsschwerpunkt Metallurgie HTL fur Wirtschaftsingenieurwesen, Ausbildungsschwerpunkt Logistik Werkmeisterschule fiir die Hiittenindustrie Werkmeisterschule fur die Mineralrohstoffindustrie Metallurgische Spezialkurse
Samtliche Ausbildungszweige der Privatschule sind mit Offentlichkeitsrecht ausgestattet, EU-weit anerkannt und haben Unikatscharakter. Als Erhalter der Ausbildungsstatte fungiert der Schulverein der Berg- und Hiittenschule Leoben, dessen Hauptversammlung sich aus folgenden Mitgliedem zusammensetzt: Bundesministerium fur Unterricht, Bildung und Kunst, Landesschulrat fiir Steiermark, Stadtgemeinde Leoben, Fachverband der Bergwerke und Eisen erzeugenden Industrie, Wirtschaftskammer Steiermark, Montanbehorde, Logistik-Club Leoben. Durch die Kooperation von Schulverein, Direktion, Professoren, Industrie und verschiedener Institutionen ist man fortwahrend bestrebt, ein Aus- und Weiterbildungsangebot sowohl im metallurgischen, logistischen als auch mineralrohstofflichen Bereich zu offerieren, das sich am Anforderungsprofil der Industrie orientiert. Um einer zukunfls- und praxisorientierten Ausbildung Rechnung tragen zu konnen, wird auf das Engagement von Praktikem aus Industrie und
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Robert Hermann und Alexandra Gmundtner
Wirtschaft ein besonderes Hauptaugenmerk gelegt. Das Lehrerteam umfasst im Schuljahr 2004/05 insgesamt 43 haupt- und nebenberuflich Tatige. Die folgende Tabelle zeigt die Schulerzahlen im Schuljahr 2004/05: Fachrichtung HTL fiir Metallurgie HTL fur Logistik Werkmeisterschule ftir die Huttenindustrie Werkmeisterschule fiir die Mineralrohstoffindustrie Gesamt
Schulerzahlen 112 74*) 15 28 229
Schulerzahlen im Schuljahr 2004/05
*^ befindet sich im Aufbau (zur Zeit drei Jahrgange)
3.2 Ausbildungsschwerpunkt Logistik Seit dem Schuljahr 2002/03 bietet die Hohere Technische Lehranstalt Leoben neben ihrem bereits bestehenden Ausbildungsschwerpunkt Metallurgie mit Logistik einen weiteren osterreichweit einzigartigen Schwerpunkt an. Ziel ist die ganzheitliche Ausbildung zum technischen Logistiker mit Matura-Niveau. Eine effektive Kombination betriebslogistischer, betriebswirtschaftlicher und technischer Gegenstande stellt das zentrale Thema der Lehrinhalte dar. Durch die enge Zusammenarbeit mit der Industrie und Wirtschaft ist eine laufende Evaluierung und Innovation des Ausbildungsprogramms, die das Angebot einer bedarfsgerechten Ausbildung ermoglicht, gewahrleistet. Mit ersten Absolventen darf im Fruhsommer 2007 gerechnet werden!
3.3 Historische Entwickiung der Fachrichtung Logistik an der HTL Leoben Einhergehend mit der Eroffnung des Logistik-Centers Leoben im Marz 2000 in seiner Funktion als Logistikkompetenzzentrum, wurde das Thema Logistikausbildung - Ist- und Sollzustand - kritisch beleuchtet. Mit dem Ziel eine durchgangige Ausbildungskette zu schaffen bzw. bestehende Ressourcen zu nutzen,
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Logistikausbildung an der HTL Leoben
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wurde eine Expertenbefragung auf Basis von Fragebogen und Gesprachen mit Focus Obersteiermark durchgefuhrt. Daraus wurde der Bedarf an Logistikem mit Hochschulausbildung (Industrielogistik - MUL), im technischen Bereich angesiedelten Logistikem mit Maturareife (HTL Leoben), die Notwendigkeit der Aufnahme eines eigenen Lehrberufes und die Verfiigbarkeit diverser einschlagiger Fort- und Weiterbildungsangebote (BFI, HTL) abgeleitet. Der Kontakt zur HTL Leoben wurde erstmalig im Oktober 2000 aufgenommen. Nach Zustimmung der Hauptversammlung und Gesprachen mit den jeweiligen Entscheidungstragem entschied man sich fur die Implementierung eines weiteren einzigartigen und tiberaus vielversprechenden Ausbildungsschwerpunktes - Logistik. Nach Priifung bereits bestehender Lehrplane bot sich Wirtschaftsingenieurwesen (Schwerpunkt Betriebsmanagement) als Ubergangslosung fur eine vorerst schulautonome Anpassung an. Im Rahmen der Erstellung einer neuen Lehrplangeneration im Wirtschaftsingenieurwesen tibemahm die HTL Leoben die Hauptverantwortung fiir die Einfiihrung eines dritten Ausbildungsschwerpunktes „Logistik" gemeinsam mit dem Bundesministerium flir Bildung, Unterricht und Kunst. Bereits im Vorfeld wurden zahlreiche Anforderungsprofile von den verschiedensten Betrieben wie beispielsweise AT&S Hinterberg, voestalpine Donawitz Stahl AG, Nock Spedition & Logistik GmbH, Knapp Systemintegration GmbH, Logistik-Center Leoben, Magna Steyr & CoKG, Saubermacher AG, Bohler Edelstahl GmbH eingeholt und analysiert. Expertengesprache und Diskussionsrunden tiberzeugten das Ministerium vom Bedarf und der steigenden Nachfrage nach HTL-Logistikem. In Abstimmung mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen wurde eine Rohfassung der Lehrinhalte erarbeitet, evaluiert und abschliefiend zur Begutachtung und Genehmigung im Landesschulrat fiir Steiermark und den zustandigen Ministerium vorgelegt. Nach Erteilung des Offentlichkeitsrechts am 29. 4. 2003 erfolgte die letztgtiltige Genehmigung der Fiihrung des Schulversuches im August 2004. An dieser Stelle ergeht der herzlichste Dank an aile am Aufbau dieses Ausbildungsschwerpunktes Beteiligten fiir ihr Engagement und ihre Unterstiitzung.
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3.4
Robert Hermann und Alexandra Gmundtner
Berufschancen
Das Aufgabengebiet des technischen Logistikers spiegelt sich in den Produktlebenszyklen der produzierenden, be- und weiterverarbeitenden und wiederverwertenden Industrie sowie von Dienstleistungsuntemehmungen aller Wirtschaftszweige wider. Die Bedeutung der Material- und Informationsflussoptimierung in Untemehmen ist zunehmend ein wesentliches Erfolgskriterium heutiger Wertschopfungsketten. Die Intemationalisierung und die Herausforderung verkiirzter Produktlebenszyklen bei steigender Teilevielfalt und sinkenden Taktzeiten drangen die Untemehmen dazu samtliche Optimierungspotenziale in den inner- und auBerbetrieblichen Wertschopfungsprozessen auszunutzen, urn den Bediirfnissen an Produkten und Dienstleistungen kosten- und zeitoptimal gerecht zu werden. Hierbei hangt der Untemehmenserfolg erheblich von der Qualitat der Mitarbeiter ab. Ganzheitliches Denken, betriebswirtschaftliches und technisches Faktenwissen mit Praxisbezug, vemetzte Prozesstechnik und -management unter Einbeziehung modemster Kommunikations- und Informationstechnologien sowie Controllingmechanismen sind fiir das Erkennen betriebswirtschaftlicher und technischer Abhangigkeiten zur Prozessplanung und -steuerung Grundbedingung. Ganzheitliches Denken mit untemehmensintemer und betriebsubergreifender Relevanz schafft geringe Reaktions- bzw. Agitationszeiten. Im Bezug auf die sich permanent andemde wirtschaftliche Situation lassen sich daraus enorme Wettbewerbsvorteile generieren. Um die Abhangigkeiten bzw. Zusammenhange logistischer Ablaufe und Schnittstellen verschiedener, an der Vorsorgungskette beteiligter Untemehmen, unabhangig vom wirtschaftlichen Focus, zu optimieren, bedarf es eines bereichsiibergreifenden, prozessorientierten Verstandnisses. Daraus resultiert ein Wandel der Funktion des Logistikers von der reinen Distribution zum generellen Produktions- und Prozessmanager. Seine Aufgabe besteht im Erkennen komplexer Zusammenhange der Supply Chain und im Zusammenftihren von Methodenwissen und Sozialkompetenz, um Problemstellungen optimal losen zu konnen. Das anspmchsvolle und vielseitige Basiswissen eines HTL Logistikers bietet aus diesem Gmnd ausgezeichnete Chancen fiir den Einstieg ins Bemfsleben mit einem weiten Tatigkeitsspektrum. Bei der ganzheitlichen Betrachtung von Logistik handelt es sich um ein bemfliches Terrain, das auf Jahre hin einen hohen Bedarf an qualifizierten Fachkraften erwarten lasst. Im Speziellen geht es hierbei um Fachkrafte, die u. a. fur Planung, Gestaltung, Steuerung sowie Kontrolle des effizienten Einsatzes von Material, Personen, Energie und Informationsfliissen in der gesamten Versorgungs- und Entsorgungskette einsetzbar sind. Das Betati-
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gungsfeld bezieht sich auf samtliche logistischen Aufgabenstellungen, im Besonderen auf die Fiihrung und Gestaltung von Produktions- und Kommunikations- sowie Vertriebs - und Beschaffungsprozessen.
3.5 Ausbildungsziel Das primare Ausbildungsziel des Logistikers umfasst die Erkennung, Beurteilung, Verfolgung und Optimierung betrieblicher Ablaufe sowie das ganzheitliche Verstehen der inner- und aufierbetrieblichen Zusammenhange in den verschiedenen Untemehmensbereichen sowohl in technischer als auch wirtschaftlicher Hinsicht. Im Mittelpunkt hierbei steht die Kostenminimierung des materiellen und immateriellen Wertschopfungsprozesses und eine zur Erreichung einer nachhaltigen Kundenbindung vorzunehmende Leistungsdifferenzierung. Der Absolvent verftigt tiber fundierte theoretische und praktische Kenntnisse des modemen Prozessmanagements, der Produktionsplanung und -steuerung in Bezug auf Beschaffung, Werkstoff- und Produktionstechniken, der Materialund Lagerwirtschaft, Qualitats- und Risikomanagement, DistributionA^ersand, Export, After-Sales-Service und Entsorgungstechnik. Ebenfalls ist er mit den Anwendungsfeldem der Betriebswirtschaft vertraut und im Stande, aufbauend auf sein ganzheitliches Denken komplexe technische Zusammenhange unter Berucksichtigung okologischer und okonomischer Grundsatze und Rahmenbedingen zu analysieren, bereichsiibergreifend und untemehmerisch zu interpretieren und zu optimieren. Bei zunehmender Globalisierung zahlen Englischkenntnisse in Wort und Schrift, insbesondere die Kombination von technischem und betriebswirtschaftlichem Englisch, zur Grundausbildung. Das technische Verstandnis in Kombination mit betriebwirtschaftlichen logistischen Kenntnissen erlaubt eine Ausbildung, die die technische, methodische, soziale und untemehmerische Kompetenz in einer Fachkraft vereint. Die Ausbildung des HTL-Logistikers aus Leoben ist durch das nachfolgende Profil defmiert:
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Robert Hermann und Alexandra Gmundtner
Fiinfjahrige Ausbildung mit Reifepriifung Technische Kompetenz Methodische Kompetenz Betriebswirtschaftliche Kompetenz Ganzheitliches, nachhaltiges Denken Industrienahe - Praxisorientierung Universelle Einsetzbarkeit Verstandnis der Zusammenhange im Supply Chain Management Generalist Logistischer Spezialist Einsetzbar vorwiegend im mittleren Management
3.6 Lehrinhalte und Methoden Zentrale Bereiche der Ausbildung zum Logistiker/zur Logistikerin an der HTL Leoben sind Grundlagen und Technologien der Logistik, angewandte Logistik und Informationsmanagement, Werkstoff- und Fertigungstechnik, Mechanik, Betriebstechnik, Qualitats- und Umweltmanagement, Logistikrechnung und Controlling, Mitarbeiterfiihrung und Kommunikation. Diese Lehrinhalte sollen in unterschiedlichen, dem jeweiligen Wissensstand der Schiller angepassten Lehrmethoden unter Einsatz von Multimedia vermittelt werden.
Praxisbezug Die Logistikausbildung an der HTL steht unter dem Motto „Praxisorientierung". Aus diesem Grund wurden die Lehrinhalte auch in Zusammenarbeit mit Wirtschaftsuntemehmen gestaltet und ausformuliert. Das Angebot umfasst regelmaBige Vortrage von Logistikverantwortlichen aus Industriebetrieben der verschiedensten Branchen. Dariiber hinaus werden Exkursionen und Projekte gemeinsam mit Untemehmen durchgefuhrt sowie die Zusammenarbeit und Kooperation mit den Logistikverantwortlichen an der Montanuniversitat alien voran mit Univ.-Prof. Dr. Corinna Engelhardt-Nowitzki versucht zu intensivieren. Der Unterricht soil sich vorwiegend industrieorientiert gestalten, d. h. basierend auf Problemstellungen aus der Praxis, um Praxisnahe und Attraktivitat fiir die Schiller zu gewahrleisten. Den theoretischen Abschnitten werden nach Moglichkeit Exkursionen, Fallbeispiele, logistische Planspiele und Praxisprasentationen
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Logistikausbildung an der HTL Leoben
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vorangestellt bzw. begleitend dazu durchgeflihrt. Die Vermittlung der Lehrinhalte in den Unterrichtseinheiten erfolgt soweit wie moglich interaktiv. In der Angewandten Logistik werden dazu Fallstudien diskutiert. Gruppenbasierte Ubungen zur Entscheidungsunterstutzung sowie Planspiele verlaufen in direkter Interaktion mit den Lehrkraften. Im Bereich dieser Lehrveranstaltungen sollen die Schiiler auf die integrativen und kommunikativen Aufgaben vorbereitet werden, die Logistikem in der Praxis gestellt werden.
Interaktivitdt Bin erfolgreicher Logistiker muss die Fahigkeit besitzen auch mit Soft Skills richtig umzugehen. Die HTL in Leoben hat ihre Ausbildungsschwerpunkte entsprechend angepasst mit dem Ziel, die Fahigkeit zu vermitteln, andere Menschen mit Erfolg anzuleiten, sie zu motivieren, um mit ihnen im Team zusammenarbeiten zu konnen. Planspiele werden in den Unterricht integriert und einfache Case Studies in der Regel von Schulem im Team gelost.
Fdcher iibergreifende Ausbildung Bin weiterer, interessanter Aspekt des Lehrprogrammes soil die facheriibergreifende Ausbildung sein. Die einzelnen Pflichtgegenstande sollen nicht ausschlieBlich isoliert unterrichtet, sondem Gemeinschaftsprojekte, in denen Lehrer verschiedener Unterrichtsgegenstande zusammenarbeiten, initiiert und gefordert werden. Dieser Ausbildungsansatz entspricht dem Untemehmensalltag und soil verdeutlichen, dass brauchbare Losungen meistens der Zusammenarbeit unterschiedlicher Abteilungen eines Untemehmens bedtirfen. Dementsprechend bietet die HTL auch Querschnittsfacher an, die abteilungsubergreifendes Denken fordem sollen, wie zum Beispiel Qualitats- und Umweltmanagement. Die HTL Leoben ist bestrebt, ein den Bediirfiiissen der Industrie angepasstes Ausbildungsprofil anzubieten und ihrer Verantwortung gegeniiber den jungen Menschen, die gespannt in eine vielversprechende Zukunft sehen dtirfen, gerecht zu werden.
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Didaktischer Einsatz von Simulationssoftware fiir logistische Fragestellungen Corinna Engelhardt-Nowitzki, OlafNowitzki und Karl-Heinz Weigl
Fragt man die Absolventen von Hochschulen mit langjahriger Berufserfahrung nach dem Anteil des an der Hochschule erlemten Wissens, das sie in ihrem Beruf direkt brauchten, so lautet die Antwort in etwa folgendermaBen: ,,Wenn man alles im Studium gelernte Wissen ah 100 Vo setzt, so ist das Wissen, das ich wirklichfur meinen Berufbrauche etwa 5 %." Sicherlich ist es die Aufgabe der Hochschulen, umfassend ausgebildete Absolventen auf dem Arbeitsmarkt anzubieten. Trotzdem ist der groBte Teil des vermittelten Wissens fiir ein erfolgreiches Berufsleben nicht notig. Trotzdem soil dieser Beitrag kein Pladoyer fiir oder gegen die Inhalte der derzeit an den Hochschulen gelehrten Inhalte sein. Vielmehr geht es um die Tatsache, dass im Beruf nicht immer das erlemte Wissen den Erfolg ermoglicht, sondem oft die Fahigkeit zur Analyse von Problemen und ein erweitertes systemisches Denken. Wie fiir andere Studiengange gilt dies auch und im Besonderen fiir die Logistikausbildung.
4.1 Besondere Fahigkeiten eines „Logistikers" Aufgrund seiner besonderen Stellenbeschreibung und der Komplexitat der zu leistenden Aufgabe braucht ein Logistiker besondere Kompetenzen. So erfordert die schon erwahnte Komplexitat logistischer Ketten (Supply Chains) ein ausgepragtes Systemverstandnis. Die Zusammenhange und Abhangigkeiten zwischen den Tatigkeitsstellen, Abteilungen oder Untemehmen der gesamten Wertschopfiingskette sind analytisch nicht mehr zu beherrschen. Vielfach miissen die Entscheidungen oft auf intuitiver Basis, quasi „aus dem Bauch heraus", getroffen werden. Dieses Management komplexer Systeme erfordert das Verstandnis fiir dynamisches Systemverhalten. Es seien in der Folge einige Bespiele genannt:
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Corinna Engelhardt-Nowitzki, Olaf Nowitzki und Karl-Heinz Weigl
• • • • • • •
Vorhersage des Systemverhaltens Bestimmung und Bewertung der Stabilitat von Systemen Beurteilung nicht-lineare Wirkzusammenhange Einfluss der Zeitverzogerung auf die Wertschopfungskette Erfassen von dynamischen Effekten, z. B. Aufschaukelung entlang der Wertschopftingskette, der so genannte Bull-Whip Effekt^^ Systemoptimierung und -gestaltung Entscheidungsfahigkeit bei unvoUstandiger Information
Die Reihe lieBe sich problemlos erweitem. Die oben erwahnten Zusammenhange lassen sich nicht allein durch explizites^^ Wissen erkennen, steuem und beherrschen. Tatsachlich ist dazu ein groBes MaB an Erfahrung notig, das entweder durch langjahrige Beschaftigung mit ahnlichen Systemen erlangt werden kann Oder durch das „Erlemen" in einer Modellumgebung, wie sie die Simulation bieten kann. Wird in der Folge der Begriff Simulation verwendet, so bezieht er sich auf den Einsatz von Computem und geeigneter Software zur Simulation. Viele der gemachten Aussagen gelten im weiteren Sinne auch fiir Planspiele oder Experimente an physischen^^ sowie mathematischen Modellen. Planspiele und physische / mathematische Modelle sind allerdings nicht Inhalt des vorliegenden Beitrags.
29 30
vgl. z. B. Forrester, 1972 oder Chen et al., 2002 explizit: Hier verstanden als der Teil des Wissens, der in Form eines Dokuments extemalisierbar ist, d. h. der z. B. in Form von Biichem, Skripten, Checklisten, Vorgehensvorschriften, Algorithmen, Lehrdialogen, Filmen und anderen multimedialen Lehrmedien usw. vorliegt; das explizite Wissen ist weitgehend unabhangig von der Person des Lehrenden und des Lemenden - das Verstandnis des Wissensangebots (Strukturierung und Aufbereitung!) und die Relevanz des Wissensangebots (Lemmotiv!) fiir den Lemenden vorausgesetzt physisch: In diesem Zusammenhang sind tatsachlich vorhandene Miniaturmodelle gemeint, an denen direkt die Experimente durchgefiihrt werden. Beispielsweise lassen sich die Vorgange und die Steuerung innerhalb eines Hochregallagers direkt mit Hilfe eines physisch vorhandenen maBstabsgetreuen Modells erleben.
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Didaktischer Einsatz von Simulationssoftware fiir logistische Fragestellungen
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4.2 Simulation Der VDI definiert Simulation folgendermaBen: „ Simulation ist die Nachbildung eines Systems mit seinen dynamischen Prozessen in einem Modell, um zu Erkenntnissen zu gelangen, die aufdie Wirklichkeit ubertragbar sind. "^'^ Im Handbook of Simulation definiert Banks Simulation wie folgt: ^Simulation is the imitation of a real-world process or system over time. Simulation involves the generation of an artificial history of the system and the observation of that artificial history to draw inferences concerning the operating characteristics of the real system being represented. Simulation is an indispensable problem-solving methodology for the solution of many real-world problems. Simulation is used to describe and analyze the behaviour of a system, ask ''what if questions about the real system, and aid in the design of real systems. Both existing and conceptual systems can be modelled with simulation. "^^ Beiden Definition ist gleich, dass es sich bei einer Simulation oder besser einem Simulationsmodell um die Abbildung der realen Welt handelt, um dynamische Effekte untersuchen zu konnen. Diese sollen und miissen auf die Wirklichkeit ubertragbar sein. Nach Rabe^^ sind Simulationen in folgenden Fallen notwendig: • • • • •
Untersuchung des zeitlichen AblaufVerhaltens bei zeitlichen Schwankungen des Systems Analytische Methoden sind ausgereizt Experimente am realen System sind nicht moglich, weil noch nicht vorhanden, oder zu kostenintensiv bzw. risikobehaftet Wesentliche Teilaspekte des Systems sind neu, so dass noch keine Erfahrungen vorliegen Das „direkte" Verstehen des Systems ist aufgrund komplexer Wirkzusammenhange unmoglich und verhindert, die Systemdynamik in einfache Gleichungen zu iiberfiihren
Betrachten wir den Abstraktionsgrad von Experimenten nach dem Modell, an dem sie durchgefiihrt werden, so bilden das Experiment am realen System und ^^ VDI-Richtlinie 3633 ^^ Vgl. Banks 1998 ^^ Vgl. Rabe 1998
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Corinna Engelhardt-Nowitzki, Olaf Nowitzki und Karl-Heinz Weigl
das mathematische Modell die gegensatzlichen Pole. Auf dem Kontinuum dazwischen finden sich beispielsweise das physische Modell, dessen Abstraktionsgrad nah an der Realitat ist sowie die Computersimulation, deren Abstraktionsgrad wesentlich naher am mathematischen Modell ist. Allerdings lasst sich der Abstraktionsgrad durch den Detaillierungsgrad des Modells beeinflussen. Durch einen hohen Detaillierungsgrad befindet sich das Modell naher an der Realitat, jedoch urn den Preis eines hoheren Modellierungsaufwands. Die Abbildung 4.1 verdeutlicht diesen Zusammenhang. Sicher lieBe sich auch das Planspiel auf dieser Skala einordnen. Es ware (je nach Ausgestaltung) vermutlich zwischen dem physischen Modell und der Computersimulation zu fmden. Ebenso die Fallstudie (die tendenziell naher am realen System liegt als am mathematischen Modell, aber doch ohne eine minimale quantitative Grundlogik - entweder explizit in Form von Kennzahlen enthalten oder implizit vorausgesetzt - nicht schliissig ausformuliert werden kann).
Abbildung
4.1: ModelIvariante
und
Abstraktionsgrad
Eine Simulationsaufgabe verlauft typischerweise in mehreren Phasen: Aus dem realen Modell wird schrittweise iiber Annahmen zu Input-Output-Beziehungen ein zunachst qualitatives und dann quantitatives Modell entwickelt. Im Zuge der Validierung und Verifizierung werden Simulationsexperimente durchgefiihrt, die anhand des Vergleiches mit dem Verhalten des realen Systems (soweit ein solcher Vergleich praktikabel und durchfuhrbar ist, hier existieren naturgemaB praktische Restriktionen) dabei unterstiitzen, das Modell zu verbessem. Das validierte Modell wird anschlieBend flir Experimente verwendet, die Fragen zum vermuteten Verhalten des realen Systems (Uberpriifung der Hypothesen iiber das reale System) beantworten. Die Ergebnisse werden ausgewertet und in prakti-
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Didaktischer Einsatz von Simulationssoftware fiir logistische Fragestellungen
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sche Schlussfolgemngen iiberfuhrt, aus denen wiederum MaBnahmen im realen System (z. B. ProzessverbesserungsmaBnahmen) abgeleitet und unter Nutzung der tiblichen logistischen und Projektmanagementmethoden umgesetzt werden.
Abbildung 4.2: Phasenaufbau von Simulationsprojekten Haberfellner definiert in diesem Zusammenhang das System Engineering als: ,^uf bestimmten Denkmodellen und Grundprinzipien beruhende Wegleitung zur Gestaltung komplexer Systeme"^^. Die Gestaltung eines solchen Systems, also beispielsweise eines Logistiksystems, erfordert die Methoden beider „Welten": Die der Systemgestaltung, d. h. u. a. den Einsatz von Simulationsmethoden sowie Projektmanagement. Hinzu kommen die entsprechenden fachlichen Methoden, in diesem Fall Prozessmanagement, Supply Chain Management und Logistik. In der Realitat verkomplizieren Situationen unvollstandiger Information sowie Principal-AgentFragen^^ die Problemanalyse und Losungsfmdung zusatzlich.
35 36
Haberfellner, 2002, S. XVEI in diesem Zusammenhang wird fur Fragen des Supply Chain Design und der Supply Chain Steuerung und Optimierung die Institutionenokonomie und werden insbesondere die Transaktionskostentheorie oder der Principal-Agent-Ansatz (wieder) an Bedeutung gewinnen, da diese (und weitere) Ansatze es erlauben, Phanomene des realen Wirtschaftens zu beleuchten, mit denen der Logistiker zu Fragen der KoUaboration oder der Schnittstellengestaltung unmittelbar befasst ist. Vgl. z. B. Eisenhardt, 1989
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Corinna Engelhardt-Nowitzki, Olaf Nowitzki und Karl-Heinz Weigl
SYSTEM-
VORGEHENS-
DENKEN
MODELL
PROBLEMLOSUNGS - PROZESS PROBLEM [
Abbildung
SYSTEM-
PROJEKT-
GESTALTUNG
MANAGEMENT
LOSUNG
\
TECHNIKENder
TECHNIKEN des
SYSTEMGESTALTUNG
PROJEKTMANAGEMENT
4.3: Gestaltung komplexer Probleme: Methoden und Techniken im Rahmen des System Engineering Konzepts^^
Der Problemloser im Untemehmen, d. h. beispielsweise der Logistikexperte, benotigt neben diesen Methoden ein Grundverstandnis betreffend der Eigenschaften und des Verhaltens dynamischer komplexer Systeme, muss also z. B. in Begriffen und Zusammenhangen denken konnen, wie den folgenden: • • • • •
System: Elemente, Wechselwirkungen, Konnektivitat Komplexitat: Erkennungsmerkmale von Komplexitat und Umgangsprinzipien mit Komplexitat Granularitat, Skalierung (black box / glass box), Subsysteme, Systemhierarchie^^ Elastizitat, Nichtlinearitat Regelkreisprinzip, Riickkopplung, Homoostase
In der Theorie sind diese Begriffe unschwer auf wenigen Seiten Literatur bzw. anhand der ein oder anderen Overhead-Folie vermittelbar. Die auswendig gelemte und in der Prlifung korrekt wiedergegebene Definition ist indessen vollig wertlos: Es gilt vielmehr, ein Verstandnis dafiir zu entwickeln, was das fur Managementaufgaben heiBt, deren Ziel es ist, durch systemadaquate Interventionen 37 38
modifiziert nach Haberfellner, 2002, S. 426 vermehrt wird das rein hierarchische Verstandnis von Systemstrukturen nicht mehr ausreichend sein. Heutige Strukturprinzipien von Informationssystemen beruhen zwar noch auf hierarchischen Zusammenhangen, konnen aber den zunehmenden Anforderungen der Modellierung nicht nur dynamischer Prozessketten sondem auch der Abbildung „intelligenter", selbststeuemder logistischer Objekte absehbar nicht mehr Rechnung tragen. Hier sind erweiterte ModelHerungsansatze erforderlich, die den Weg von der Systemtheorie in die praktische ModelHerung und Anwendung in den nachsten Jahren fmden werden
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(z. B. also durch Anweisungen, Informationen, Workshops, IT-Systementscheidungen, Prozessgestaltungsmafinahmen, Projektentscheidungen etc.) das bestehende Logistiksystem zu steuem und dieses im Sinne seiner (Uber-) Lebensfahigkeit kontinuierlich weiterzuentwickeln. Zur Erreichung dieses Lemziels sind andere didaktisch Methoden erforderlich als fur die reine Vermittlung expliziter Wissensbausteine, z. B. das Planspiel, aber auch die Exploration, die (im Vergleich zum Experiment am realen System Untemehmen) im Falle der Durchfuhrung von Simulationsexperimenten vollig gefahrlos moglich ist. Klarerweise konnen die Erkenntnisse, die fur ein spezifisches, mittels Simulationssoftware modelliertes Logistiksystem gelten, nicht ohne weiteres und beliebig auf andere Logistiksysteme iibertragen werden. Trotzdem beinhaltet die Simulation zumindestens zwei wesentliche Erkenntniselemente: Erstens schafft sie ein Bewusstsein dafiir, dass sich Logistiksysteme aufgrund ihrer nicht-linearen Dynamik oft ausgesprochen „tiberraschend" verhalten konnen. Zweitens konnen typische und an anderer Stelle zumindest ahnlich wiederkehrende Mechanismen - beispielsweise ein Kanban-Kreislauf in der Beschaffungslogistik - durchaus am Modell exploriert werden. Diese Exploration liefert zwar in der Tat keine 1:1 Ubertragbarkeit, aber doch ein Bewusstsein fiir die Fragen und Probleme, die sich typischerweise in einer solcher Anwendung stellen, z. B. beim Kanban-Kreislauf die Frage der Behalterdimensionierung Oder der Umgang mit Schwankungen der Nachfrage. Ein weitere Beispiel, wo in der Didaktik Planspiel und Simulation fast flieBend ineinander iibergehen konnen ist das am MIT entwickelte „Beer Game"^^. Gegeben sei ein System aus Konsumenten, Einzelhandel, GroBhandel und Brauerei. Es wird wochentlich bestellt und geliefert. Im Falle einer Steigerung der Nachfrage kann die Brauerei ihren BierausstoB allerdings erst nach einem Vorlauf von mehreren Wochen erhohen. Im Spiel verdoppelt sich plotzlich aufgrund einer WerbemaBnahme die Nachfrage. Sie bleibt auf der neuen Hohe konstant. Im Spiel sitzen nach ca. zwanzig Wochenrunden sowohl die Brauerei als auch GroB- und Einzelhandel auf Bergen unverkaufter Bestanden. Wamm? Die Erklarung ist, kennt man die Mechanik dieses Systems, einfach: Der Marktteilnehmer verhalt sich aus seiner Perspektive rational und versucht die ihn betreffende Nachfrage zu befriedigen. Allerdings wirkt im System ein verstarkender Rtickkopplungsmechanismus, der im Regelfall von den Teilnehmem nicht durchschaut wird. Es ist ein interessantes didaktisches Experiment, die einfachen GesetzmaBigkeiten dieses Spiels von den Studierenden modellieren zu lassen und das Spiel mit 39 vgl. Senge, 1996, S. 39 ff
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den aus dieser Simulation erhaltenen Informationen emeut zu spielen. Denkbar sind hierfiir zwei Varianten: In der „offenen Variante" ist den Studierenden bekannt, dass es sich um eine Wiederholungsrunde zum Bierspiel handelt. Sie konnen also das aus erster Spielrunde vorhandene Wissen direkt auf eine nachste Runde ubertragen. In der „verdeckten Variante" spielt man nominell „ein anderes Spiel", das in der Mechanik dem Bierspiel nur ahnlich ist. Die Teilnehmer sind ebenfalls wieder Produzent, Zwischenhandler und Einzelhandel, jedoch werden Branche und Produkt unterschiedlich gewahlt. Der exteme Systemimpuls ist ebenfalls nur indirekt vergleichbar, beispielsweise konnten Engpasse auf dem Rohstoffmarkt angeklindigt werden, die zunachst die Verfiigbarkeit des Produktes beschranken. Die eingeschrankte Verfligbarkeit ist nach einer Anpassungszeit jedoch durch ErschlieBung altemativer Rohstofflieferanten dauerhaft aufgehoben. Die Spielbeschreibungen sind unterschiedlich formuliert, so dass sich eine Ahnlichkeit zum Bierspiel zwar vermuten lasst, jedoch die direkte Ubertragbarkeit der vorher im Bierspiel gewonnenen Erkenntnisse vom Teilnehmer nicht als gesichert anzunehmen ist. In beiden Fallen - offene Variante und verdeckte Variante - ist das Ziel ein Fortschritt bezuglich der Entscheidungsqualitat im Unterrichtsverlauf aufgrund der Moglichkeit der simulationsgestiitzten Exploration der logistischen Kette. Zusatzlich konnen weitere Szenarien behandelt werden, z. B. die Reaktion des Systems auf andere von auBen (Marktveranderungen, Wettbewerberaktionen, Veranderungen der Nachfrage, neue gesetzliche Bestimmungen etc.) oder von innen (neues Planungs- oder Forecastsystem, veranderte Vertragsbedingungen mit Lieferanten, neue organisatorische Regeln etc.) kommende Einfliisse.
4.3 Didaktik Betrachtet man die Didaktik der letzten 30 bis 40 Jahre, so ist beginnend in den siebziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts ein Wandel vom dozentenzentrierten Lehren hin zum autodidaktischen Lemen zu erkennen'^^. In den siebziger Jahren stand die Darbietung des Stoffs durch den Dozenten im Vordergrund und damit die reine Vermittlung von Wissen (Belehrungsdidaktik). Der Lemende hatte den Lemstoff zu konsumieren. Mit dem Beginn der neunziger Jahre fand der so genannte „autodidactic turn" statt. Der Lemende wurde jetzt in das Zentrum gerlickt, und uber das selbstgesteuerte Lemen wurde die "^^ vgl. Arnold, 1999
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autodidaktische Kompetenz des Lemenden benutzt. Ziel war es „Lemen, zu lemen". Mit Beginn des neuen Jahrtausends ist die Ermoglichungsdidaktik der Weg in der Ausbildung. Der Bildungsanbieter wird zum Bildungsberater oder Bildungscoach und erleichtert dadurch die Aufnahme und Speicherung von neuen Wissensinhalten. In diesem Zusammenhang spricht man auch vom „facilitative turn". Ursprunglich wurde diese Entwicklung ftir die Weiterbildung beschrieben, eine Ubertragung auf die Ausbildung an der Hochschule ist aber zulassig. In diesem Zusammenhang sei auch ein SeitenbHck auf die Methodik des „Aktivierenden Lemens" erlaubt'^^ Zentraler Inhalt des „Aktivierenden Lemens" ist der schnelle Einsatz des gelemten Wissens. Ein neuer Leminhalt kann durch den Dozenten dargeboten oder selbst bzw. in Gruppen erarbeitet werden. Um die Verankerung im Gedachtnis zu verstarken, ist die Suche nach „Sinn und Bedeutung" des neuen Wissens immens wichtig. Hier hilft eine schnelle Anwendung des gerade Erlemten. Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen 90 % der Inhalte erinnem, die sie „lesen", „sehen", „horen", „sagen" und „tun". In der folgenden didaktischen Betrachtung wird zunachst der Modelliemngsprozess einer Computersimulationsstudie allgemein beschrieben und didaktisch beleuchtet. In zweiten Schritt wird ein ausgewahltes Beispiel aus der Logistik, das durch Computersimulation behandelt wird, auf seinen didaktischen Hintergrund und Potential hin analysiert.
4.3.1
Didaktische Aspekte des Modellbildungsprozesses
In diesem Abschnitt wird die Modellentwicklung vom realen System ausgehend nach der AASE-Lemmethode"^^ besprochen. AASE ist ein Akronym fur die vier Phasen des Simulationsprozesses: Analyse, Abstraktion, Synthese und Experiment. Eine Ubersicht zeigt die Abbildung 4.4:
vgl. den Beitrag von Nowitzki an spaterer Stelle im vorliegenden Band 42 vgl. Weigl, 2001
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Abbildung 4.4: Die
Corinna Engelhardt-Nowitzki, Olaf Nowitzki und Karl-Heinz Weigl
AASE-Lernmethode
Die einzelnen Prozessschritte sind: Analyse Gemeint ist die Analyse von Realsystem und Daten: Auf der Basis der Problemstellung werden ein reales oder hypothetisches System sowie dessen Daten analysiert. Lemeffekt: Wie interagieren die Subsysteme miteinander? Welcher Detaillierungsgrad ist fiir die Losung der Problemstellung notwendig? Abstraktion Modellkonzeption: Basierend auf dem Detaillierungsgrad und der Spezifikationen der verwendeten Simulationssoftware muss das Realsystem mehr oder weniger detailgetreu in ein abstraktes Modell liberfiihrt werden. Das Modell soil Softwaremodule aller Komponenten oder Subsysteme des Realsystems enthalten. Lemeffekt: Mit Hilfe der „Intelligenz" der Simulationssoftware entsteht ein Verstandnis, wie das Realsystem arbeitet. Die Hierarchie unter den einzelnen Komponenten und deren Wechselwirkungen miissen bestimmt sein.
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Synthese Die Synthese beinhaltet Modellentwicklung, Verifikation und Validierung: In dieser Phase sind die zuvor definierten Softwaremodule in der Simulationssoftware zu einem Computermodell zusammenzusetzen. Die Verifikation uberpruft, ob der Programmcode des Computermodells wie erwartet und gewunscht arbeitet. Die Validierung stellt sicher, ob das Modell das Verhalten des Realsystems unter den Studienbedingungen beschreibt. Lemeffekt: Das Verhalten und die digitale „Intelligenz" jedes einzelnen Softwaremoduls sowie deren Interaktionen mit anderen Modulen miissen untersucht werden. Durch die Verbindungen und Vergleiche zwischen dem digitalen Modell und dem Realsystem wird ein tieferes Verstandnis des Realsystems erreicht. Zusatzlich kann die Modellanimation das Prozessverstandnis verbessem. Experiment Hierzu gehoren Experimentdesign und Experiment: Diese Phase ist der Kemprozess einer Simulationsstudie. Hier wird das Verhalten des Modells auf die Variation der Inputparameter untersucht und bestimmt. Fiir jedes Szenario, das simuliert werden soil, muss festgelegt werden, wie lang ein Simulationslauf sein soil, und wie oft die Simulationslaufe wiederholt werden sollen, damit die statistische Basis ausreichend ist. Lemeffekt: Es wird anhand der durchgeftihrten Simulationsexperimente die „Erfahrung" fiir das Verhalten des Realsystems erweitert.
Soweit lassen sich der Modellbildungsprozess und die Durchftihrung der Simulationsexperimente an Hand der AASE-Lemmethode beschreiben. Diese Lemmethode erfiillt die Anforderungen modemer Didaktik. Unter Anleitung des Dozenten, der hier als Unterstiitzer auftritt, wird Wissen selbstandig erarbeitet. Zusatzlich wird durch den Einsatz der erlemten Inhalte an einer konkreten Fragestellung, einem konkreten Modell die Suche nach „Sinn und Bedeutung" fiir den Lemenden unterstiitzt. Die Inhalte werden besser erinnert. In Gedanken an den Anfang des Beitrags zuruckwandemd, kommen die Anforderungen an den „Logistiker" zuruck in den Fokus. Oft wird hier die Kenntnis iiber das Verhalten oder die Vorhersage des zukiinftigen Verhaltens eines Systems als Kompetenz gefordert. Auch das Erkennen und das Beherrschen nichtlinearer Wirkzusammenhange stehen im „Pflichtenheft".
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Wird der Simulationsprozess unter dem Licht der geforderten Kompetenzen beleuchtet, so ist klar erkennbar, dass dieser viele dieser Kompetenzen fordert. Zum einen muss fur die Entwicklung und Abstraktion des Realsystems ein tieferes Systemverstandnis erlangt werden. Dies geschieht zwar zunachst nur an diesem speziellen Realsystem, schult aber die Methodik ftir spatere Falle. Zum anderen ist wahrend der Simulationsexperimente „direkt" erfahrbar, wie sich das System verhalt. Auch die Anderung von Parametem wird so unmittelbar nachvoUziehbar. Damit entsteht, wenn auch zunachst nur auf der abstrakten Modellebene, aber doch ubertragbar in die ReaHtat, da am Modell eines Realsystems erlebt, „Erfahrung" im Umgang mit komplexen Systemen. Nach der Definition des VDI mussen die Ergebnisse einer Simulation auf die Wirklichkeit ubertragbar sein, sind somit auch die „Erfahrungen" wahrend einer Simulation auf die Wirklichkeit ubertragbar? Sicherlich, denn das Verstandnis fiir das komplexe Systemverhalten entsteht zwar nur im Modell, aber dieses orientiert sich an der Realitat. Genauso sicher ist, dass Wissen und Erfahrungen nicht nur anhand von Modellen und Simulationen erworben werden konnen. Die Simulation unterstlitzt somit die Entwicklung der geforderten Kompetenzen. Dies wird didaktisch betrachtet dadurch erreicht, dass der Lemende nicht durch einen Dozenten oder eine Prasentation das Verhalten des Systems geschildert bekommt, sondem vielmehr selbst und durch eigene Erfahrung das Verhalten des Systems erlebt. Dieses „Tun" der Modellbildung und der Durchfiihrung des Simulationsexperiments unterstlitzt somit in idealer Weise den Lemerfolg. Die einleitenden Abschnitte dieses Beitrags hatten mit dem Bierspiel und seiner Variation und damit ubertragbar auch auf anderen Varianten logistischer Systeme - die Anwendungsszenarien lassen sich nahezu beliebig aus alien Logistikbereichen zusammenstellen und damit auf den fachlichen Fokus der jeweiligen Lehrveranstaltung ausrichten - oder mit dem Beispiel der Modellierung von Kanban-Kreislaufen bereits gezeigt, wie sich Methoden der Simulation didaktisch nutzen lassen. Ein weiteres, konkret ausgearbeitetes Beispiel aus der Logistik beschreibt der folgende Abschnitt.
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Beispiel aus der Produktionslogistik
Innerhalb der Logistikausbildung wird im Rahmen der Produktionsplanung und -steuerung u. a. auch das Modell der Betriebskennlinien'^^ behandelt. Eine Betriebskennlinie beschreibt das Verhaltnis von Durchlaufzeit bzw. Flussfaktor zum Durchsatz bzw. der Auslastung. Innerhalb eines Diagramms mit diesen Dimensionen wird durch die Betriebskennlinie die Menge der potentiellen Produktionsmoglichkeiten einer Fertigung oder einer Fertigungseinheit festgelegt. Bin Produktionssystem besitzt immer genau einen aktuellen Betriebspunkt, der auf der Betriebskennlinie zu finden ist und der die konkrete Fertigungssituation zu einem gegebenen Zeitpunkt kennzeichnet. Vereinfacht zeigt die Abbildung 4.5:
Abbildung 4.5: Die logistische Theorie der Betriebskennlinien (vereinfachtePrinzipdarstellung)
Vgl. zu dieser Thematik beispielsweise Wiendahl, 1997, Nyhuis, 2003 oder Engelhardt, 2000
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Wie dargestellt charakterisiert die Betriebskennlinie das Verhaltnis zwischen der Auslastung des Produktionssystems und dem Flussfaktor bzw. der Durchlaufzeit. Mit zunehmender Auslastung nehmen beide zu. Nahert sich die Auslastung der Kapazitatsgrenze, so steigen Flussfaktor bzw. Durchlaufzeit gegen unendlich. Eine Betriebskennlinie beschreibt einen Moglichkeitsraum, der zugehorige Betriebspunkt den tatsachlich in diesem Raum realisierten Betriebszustand. Bei einer Veranderung der Parameter ergibt sich u. U. ein neuer Betriebspunkt, evtl. auf Basis einer veranderten Betriebskennlinie. Tatsachlich beschreibt die Betriebskennlinie die im „Ein-Aggregatsproblem"'^'^ mathematisch einfachen, jedoch im praktischen Produktionssystem fiir den weniger erfahrenen Logistiker oft nur schwer zu identifizierenden Zusammenhange zwischen Durchlaufzeit, physikalischer Durchlaufzeit, Durchsatz, Kapazitat und Auslastung. Diese Parameter hangen voneinander ab, die Veranderung eines Parameters beeinflusst die anderen unmittelbar.
Abbildung 4.6: Die Mathematik im „Eirr-Aggregats-Problem"
(vereinfacht)
44 Mit dem „Ein-Aggregatsproblem" ist eine Beschrankung der Betrachtung auf eine einzelne Fertigungseinheit gemeint oder die Betrachtung der Produktionslinie als Black Box, deren Gesamtzustand analysiert wird, nicht aber deren einzelne Fertigungsaggregate im Detail
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Diese Zusammenhange lassen sich in einer Prasentation anhand der zugrundeliegenden Mathematik eindeutig und nachvollziehbar erlautem (vgl. exemplarisch die Abbildung 4.6 sowie entsprechend weiterfuhrende Darstellungen zu Einzelheiten des Materialflusses bzw. zum Zustand des Produktionssystems aus logistischer Sicht). Auf der intellektuellen Ebene werden die Gleichungen von den Studierenden erfahrungsgemaB leicht nachvollzogen. Fragt man aber im Rahmen des Unterrichts oder in einer Prufung nach der Veranderung, die z. B. eine modifizierte Instandhaltungsstrategie oder eine andere LosgroBe flir dieses Produktionssystem bedeutet, entwickeln die Studierenden oft nur muhsam Losungsansatze und gehen an vielen Stellen in die Irre bzw. verlegen sich darauf, die Antwort zu erraten. Um also die theoretisch gelemten Zusammenhange zu vertiefen und ein „Gefuhr' fur den Einfluss der Veranderung von Parametem zu entwickeln, bietet es sich an, Betriebskennlinien anhand eines virtuellen Produktionsprozesses zu untersuchen. Dazu wird den Studierenden das Modell einer Tischlerei zur Verfugung gesteilt. Das Modell beinhaltet ftinf Produkte (Rett, Kommode, Schrank, Stuhl, Tisch) und sechs Produktionsstellen (Sage, Frase, Hobel, Leimer, Polsterer, Maler). Die Arbeitsplane fiir die Produkte sind fest vergeben und konnen nicht geandert werden. Andere Parameter wie LosgroBe, Produktmix, Verarbeitungsreihenfolge konnen verandert werden. Danach fmden Simulationslaufe statt, aus denen statistische Daten wie die Durchlaufzeit und die tatsachlich hergestellten Produktmengen entnommen werden. Aus diesen werden Auslastung, Flussfaktor und der Variationsfaktor a, sowie die Betriebskennlinie berechnet. AnschlieBend konnen die Studenten die Parameter variieren und die unterschiedlichen Betriebskennlinien miteinander vergleichen. Das Modellverhalten kann beliebig und ohne Risiko exploriert werden: Ergibt sich hierbei versehentlich ein inkonsistenter Zustand, der nicht mehr auf den ursprlinglichen stabilen Modellzustand riickfohrbar ist, kann das Grundmodell problemlos wieder auf den Rechner hochgeladen werden. Die Abbildung 4.7 verdeutlicht den Ablauf:
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Abbildung 4.7: Vom Simulationsmodell zur Betriebskennlinie
Unter didaktischen Gesichtspunkten unterstiitzt auch hier die Simulation die modeme Lehr- und Lemmethodik. Wie schon oben erwahnt, ist der Einsatz von gelemtem Wissen und die Verknupfung mit „Sinn und Bedeutung" von entscheidender Relevanz fiir die Merkfahigkeit. Beides leistet dieser Ansatz. Durch das beschriebene Simulationsmodell mit der nachfolgenden Auswertung zum Thema logistischer Betriebskennlinien werden bei den Studierenden die Zusammenhange zwischen den veranderlichen Parametem und der Veranderung des Betriebspunkts bzw. der Betriebskennlinie verdeutlicht. Die Gleichungen, die den Experimenten zugrunde liegen, werden mit „Leben" gefiillt. Zusatzlich entsteht auch ein tieferes Verstandnis fur die Zusammenhange im Produktionssystem. Gleichzeitig wird bereits der Ansatz fiir weiterfiihrende logistische Analysen gelegt: Sobald man die „Ein-Aggregatsbetrachtung" verlasst und mehrere Maschinen oder Fertigungseinheiten in ihrem Zusammenspiel betrachtet, werden die mathematischen Zusammenhange so komplex, dass eine analytische Losung nicht mehr gelingt. Im realen Produktionsgeschehen, in dem zur Fertigung eines Produktes zahlreiche Arbeitsschritte auf einem umfangreichen Maschinenpark
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durchzufuhren sind, ist dies regelmaBig der Fall. War im Ein-MaschinenProblem die Simulation lediglich das didaktische Mittel zur Visualisierung und Exploration, so wird sie durch die Erweiterung auf mehrere Aggregate zur notwendigen logistischen Methode.
4.4
Zusammenfassung
Die Ausfuhrungen zeigen eindeutig, dass der Einsatz von Simulation in der Hochschulausbildung den Gesichtspunkten modemer Didaktik entspricht. Sowohl die Entwicklung von Simulationsmodellen als auch die Durchfuhrung von Experimente anhand vorgefertigter Simulationsmodelle verstarken im Sinne des „Aktivierenden Lemens" die Merkbarkeit und das Verinnerlichen der Leminhalte. Studierende lemen am praktischen Beispiel und nicht nur durch mentales inneres Vorstellen und anschlieBendes Wiederholen der Leminhalte. Ein weiterer, nicht zu unterschatzender Effekt durch den Einsatz von Simulationsmethoden in der Hochschullehre ist, dass auf diese Weise das Systemverstandnis gefordert und der Umgang mit nicht-linearen Zusammenhangen geiibt wird. Die Erfahrung zeigt: Verstandnisfragen zur Beurteilung der relevanten Elemente und Parameter eines Systems konnen im Anschluss an einen solch interaktiv und explorativ gestalteten Unterricht um ein Vielfaches besser beantwortet werden. Zwar vergisst der Lemende Einzelheiten der Theorie (im Beispiel der Betriebskennlinien), trotzdem bleibt ein grundlegendes Verstandnis auf einer tieferen Ebene erhalten; die Einzelheiten sind im spateren beruflichen Einsatz bei Bedarf rasch nachgeschlagen und auf Basis des guten Grundverstandnisses auch schnell wieder - oder im Falle einer anderen, bisher nicht erlemten Theorie neu - erfasst. Alles in allem unterstiitzt die Simulation die Ausbildung modemer Logistiker, die fiir die zuktinftigen Herausforderungen des Berufslebens gewappnet sind. Greifen wir an den Anfang zuriick: Fragt man die Absolventen von Hochschulen mit langjahriger Berufserfahrung nach dem Anteil des an der Hochschule erlemten Wissens, das sie in ihrem Beruf direkt brauchten, so lautet die Antwort in etwa folgendermaBen: „Wenn man alles im Studium gelernte Wissen als 100 % setzt, so ist das Wissen, das ich wirklichfur meinen Berufhrauche etwa 5 %."
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Und oft setzen sie fort: ,,Was ich wirklich gehrauchen konnte, war, dass die Hochschule mich gelehrt hat, mich schnell in neue Themen einzuarbeiten und die Zusammenhdnge in Systemen schnellzu erkennen.'' Dies definiert in einer sich schnell verandemden Umwelt - und gerade auch angesichts der Tatsache, dass schon heute kaum ein Berufstatiger sein Leben lang in der gleichen Funktion bzw. Profession tatig ist - die Anforderungen, die an eine zeitgerechte universitare Logistikausbildung zu stellen sind. Fiir uns universitar Lehrende Herausforderung und Chance: Denn ganz ehrlich: Ist es nicht, vom didaktischen Nutzen einmal ganz abgesehen, auch fiir uns unendlich viel interessanter, auf einer solchen Basis zu unterrichten, als die ewig wahrende „Folien-Show" durch eine jahrliche Aufstockung der Zahl der gezeigten Folien pro Zeiteinheit aufgrund des Auftauchens neuer logistischer Konzepte und Methoden zum „Bewegtbild" zu machen?
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Literatur Arnold 1999: Arnold, R., Gieseke, W., (Hrsg.), Die Weiterbildungsgesellschafl, Bd. 1: Bildungstheoretische Grundlagen und Analysen, ZielVerlag, 1999 Banks 1998: Banks, J., Principles of Simulation, in: Banks, J., Hrsg., Handbook of Simulation, 1998, S. 3-30 Chen et al. 2002: Chen, F., Drezner, Z., Ryan, J. und Simich-Levi, D., The BuUwhip-Effekt: Manegerial Insights on the Impact of Forecasting and Information on Variability in a Supply Chain, in: Tayr, S., Ganeshan, R. und Magazine, M., Hrsg., Quantitative Models for Supply Chain Management, 2002, S. 417-439 Engelhardt 2000: Engelhardt, C , Betriebskennlinien, Hanser, 2000 Eisenhardt, 1989: Eisenhardt, K.: Agency Theory: An assessment and review, in: Academy of Management Review, Vol. 14, Nr. 1, 1989, S. 57-74 Forrester 1972: Forrester, J. W., Industrial Dynamics, 1972 Haberfellner et al. 2002: Systems Engineering. Methodik und Praxis, Verlag Industrielle Organisation, 2002 Nyhuis 2003: Logistische Kennlinien: Grundlagen, Werkzeuge und Anwendungen, Springer, 2003 Rabe 1998: Rabe, H., in: Kuhn, A., Rabe, H., Hrsg., Simulation in Produktion und Logistik, Springer-Verlag, 1998, S. 1-10 Senge, 1996: Senge, P., Die fiinfte Disziplin, 1996 Weigl 2001: A Capture Engineering Knowledge Through Computer Simulation, International DAAA-Symposium, Opatija, Kroatien, 19.21.10.2001 Wiendahl 1997: Wiendahl, Fertigungsregelung, Hanser, 1997
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SUPPLY CHAIN SIMULATION (SCS) Simulation im World Wide Web zur Gestaltung von Versorgungsketten industrieller Produktionsbetriebe Robert Graf und Siegfried Augustin
5.1 Einfiihrung und Zielsetzung Seit Jahren werden in der Lehre und beruflichen Weiterbildung Simulationswerkzeuge zur Vermittlung logistischen Funktionen und Zusammenhange eingesetzt. Beztiglich der eingesetzten Methoden und Mittel wurden in der Logistik und Informatik in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt. Hierzu konnen gezahlt werden: • •
•
Uberfuhrung des Logistik Managements in ein wesentlich erweitertes Supply Chain Management. EtabUerung von Kommunikations- und Businesswerkzeugen zum effektiven Betrieb einer Supply Chain wie B2B, B2C, elektronische Marktplatze/Markte, Internet etc. Entwicklung neuer Programmiersprachen fur den offenen und verteilten Einsatz der Trainingsmodule in lokalen und globalen Netzen.
Dabei werden die IT und insbesondere die Simulationstechnik, wie aber auch das Prozessmanagement vor vollig neue Herausforderungen gestellt. Waren in der Vergangenheit ledighch einzelne Funktionen und spater interne Prozesse das Objekt der Betrachtung, so geht es heute darum, ganze Netzwerke betriebUcher Systeme abzubilden. (vgl. Abb. 5.1) Im Rahmen des vorgestellten Projekts werden nun die bisher vermittelten traditionellen Aspekte um die neuen, aktuellen Methoden und Konzepte erweitert, sodass die von diesen geforderten, interdisziplinaren, bereichs- und untemehmensiibergreifenden Arbeitsmethoden trainiert werden konnen. Im besonderen handelt es sich dabei um
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Robert Graf und Siegfried Augustin
• • • • • •
Prozessgerechtes Produktdesign Auswahl geeigneter Materialien und Dienstleistungen Auswahl geeigneter Lieferanten Rechtliche Vereinbarungen zwischen den Untemehmen in der Supply Chain Einrichtung eines Supply Chain weiten Controlling-Systems Nutzung modemer IT fiir die Informationslogistik in der Supply Chain
Hierzu wird das Trainingsmedium Simulation auf den aktuellsten Stand der Informatik, Kommunikations- und Netzwerktechnik gebracht. Im Rahmen eines Verbundprojektes mit Kooperationspartnem aus der Industrie (SIEMENS AG) und anderen Hochschulen (Montanuniversitat Leoben, Osterreich und Technological Educational Institute of Kavala, Griechenland) wurde ein Trainingskonzept entwickelt, das die traditionellen produktionslogistischen Aspekte (Planung und Steuerung intemer Material-, Auftrags- und Informationsfliisse) um die genannten neuen Anforderungen erganzt.
Abbildung 5.1: Gestaltungsstufen
von
Produktionssystemen
Zielsetzung ist der Aufbau eines simulierten Modellsystems, an dem mehrere geografisch verteilte Wertschopflingspartner einer Versorgungskette beteiligt sind. Die Werteflusse in Form eines Warenaustausch und Geldflusses zwischen den Wertschopfungspartnem erfolgt im Sinne von B2B, B2C, e-commerce oder ahnlichen Losungen tiber einen virtuellen Marktplatz.
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Der Marktplatz und die damit verbundenen Rahmenbedingungen sind so zu gestalten, dass im Rahmen eines Planspiels die Betriebe der beteiligten Wertschopfungspartner neu zu planen sind und durch entsprechende MaBnahmen zwischen den Wertschopfungspartnem eine Supply Chain aufzubauen ist. Die im simulierten Modellsystem abgebildeten Wertschopfungspartner werden von jeweils einer Trainingsgruppe geplant und konnen geographisch unabhangig liber einen virtuellen gemeinsamen Markt agieren und kooperieren. Damit wird die Moglichkeit geschaffen, dass Trainingsgruppen aus unterschiedlichen Hochschulen und industriellen WeiterbildungsmaBnahmen gleichermaBen und zeitlich parallel an einem Planspiel interaktiv teilnehmen konnen. Durch die WEB-basierte Abwicklung des Planspiels lassen sich folgende, gegeniiber der konventionellen Durchfuhrung zusatzliche Trainingsaspekte realisieren: Schaffung einer dynamischen Cooperation unter den Teilnehmergruppen Arbeitsgruppen konnen tiber die Grenzen von Universitaten und Abteilungen gebildet werden Training und Gruppenarbeit sind von regionalen Einschrankungen unabhangig Zeitrestriktionen sind nicht relevant (kein gleichzeitiges Arbeiten der Gruppen im Planspiel notwendig) Mehrsprachige Durchfuhrung moglich, aufgrund unterschiedlicher Sprachversionen der Tools Produkt- und Wertefluss werden durch das Internet simuliert Der Informationsfluss richtet sich nach den Methoden des freien Marktes, seine Gestaltung kann durch die Simulation trainiert werden Handbiicher, Trainingsmaterial und sonstige Hilfen liegen im Internet Die Anzahl der Teilnehmer kann jederzeit verandert werden
5.2 Umsetzung und Projektstand Basis dieses logistischen Trainingskonzeptes ist eine Rechner simulierte Modellwelt mehrerer industrieller Betriebe. Hierzu gait es ein, den genannten Rahmenbedingungen angepasstes neues Simulationssystem zu entwickeln. Dabei
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Robert Graf und Siegfried Augustin
konnte auf einem bereits seit Jahren eingesetzten Simulations- und Planspielkonzept (TCP - Training Center Produktion) aufgebaut werden'^^ Die Simulation erfolgt heute auf einem zentralen Anwendungs-Server, auf den die Teilnehmergruppen (iber das Inter- bzw. Intranet und einen zwischengeschalteten Web-Server zugreifen konnen. Entsprechend den informationstechnologischen Anforderungen erfolgt die Realisierung in den Programmier- und Datenbeschreibungssprachen Java, HTML und XML und SVG. (vgl. Abb. 5.2)
Abbildung
5.2: TCP
Architektur
Heute wird das Planspiel liber ein Web-Portal betrieben (vgl. Abb. 5.3). Die derzeit verfiigbaren Portalfunktionen sind: Datenubergabe mit XML-Datei Simulation durch Formulareingabe Marktplatzaktivitaten Ergebnisauswertung Forum Handbuch und Spielunterlagen Hilfefunktion flir den Teilnehmer Verwaltungsfunktionen flir den Moderator
45 Wiendahl, 1996
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Ahbildung 5.3: SCS-Zugang
Erste Fremdsprachversionen sind Englisch, Franzosisch und Griechisch:
Abbildung 5.4: Englische Sprachversion
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In das Web-Portal wurden alle flir das Spiel benotigten Informationsmaterialien eingebunden und sind den Teilnehmem jederzeit zuganglich. Hierzu zahlen: •
Ein elektronisches Handbuch die fur das Spiel notwendigen Formulare fachspezifische Prasentationen.
•
5.3
Modellbeschreibung
Alle beteiligten Gruppen arbeiten mit einem Modellbetrieb (TCP), der im Ausgangszustand fiir alle Gruppen identisch ist. In diesem Modellbetrieb werden 3 Erzeugnisses hergestellt: Die Erzeugnisse bestehen aus Eigenfertigungsprodukten (Teile und Baugruppen) und aus Kaufteilen. Das in einem Modell simulierte Produktionssystem ist von den Teilnehmergruppen zu planen. Hierzu zahlt u. A. die Vorgabe von Beschaffungsauftragen, Fertigungsauftragen, Fertigungskapazitaten und SteuerungsmaBnahmen. Im Ausgangszustand arbeiten die beteiligten Gruppen in einer isolierten Modellwelt. Kaufteile werden von einem anonymen Beschaffungsmarkt unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen bezogen. (vgl. Abb. 5.5) Die Rahmenbedingungen werden gepragt durch lieferantenspezifische Merkmale und deren Auspragungen. Hierzu zahlen: • • • •
die Lieferzeit die Termintreue die Mengenabweichung Rabatte und Diskontvereinbarungen
Aus diesen Merkmalen ergeben sich unterschiedliche Lieferantenprofile fiir beispielsweise • • •
Just in Time Anlieferungen Sonderbestellungen oder Bestellungen unter verstarkten Kostengesichtspunkten
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Abbildung 5.5: Traditionelle Sicht hetrieblicher Systeme In der Folge erhalten die Gruppen die Moglichkeit den Warenaustausch sukzessive uber einen neu installierten zentralen Markt abzuwickeln. Hierzu konnen von den Gruppen Angebote am Marktplatz abgestellt bzw. Nachfragen platziert werden. Die Produktionseinheiten und Planungsgruppen gestalten somit ihre Systeme in einem gemeinsamen offenen Markt. Der Beschaffungs- und Absatzmarkt ist transparent und gestattet Gestaltungsmoglichkeiten bei Kunden- und Lieferantenbeziehungen im Sinne eines Supply Chain Managements. Jede Gruppe kann als Kunde bzw. Lieferant fiir Teile, UE (Unfertige Erzeugnis) und FE (Fertigerzeugnisse) im Gesamtmarkt agieren. (vgl. Abb. 5.6)
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Abbildung 5.6: Gestaltung betrieblicher
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Netzwerke
Bei der Gestaltung der Kunden-Lieferantenbeziehungen (Businessbeziehungen) sind diverse Auspragungen im Sinne der neu etablierten, Internet basierten Businessbeziehungen moglich. Bisher wurden drei Auspragungsstufen implementiert. (vgl. Abb. 5.7) Businessbeziehungen 1 (Marktplatz) fiir Teile, UE und FE Offen fiir alle Anbieter und Nachfrager. Anbieter und Nachfrager bestimmen die Konditionen selbst und isoliert aus Sicht ihrer betrieblichen Situation und unter Berucksichtigung von Marktbeobachtungen. Businessbeziehungen 2 (B2C; B2B; A2A) fiir Teile, UE und FE Die Produktionseinheiten stimmen untereinander exklusive Belieferungsstrategien ab. Die Konditionen ergeben sich aus der Sicht ihrer betrieblichen Situation und dem Anspruch der ganzheitlichen Gestaltung der Versorgungskette (Supply Chain) zum Vorteil aller Beteiligten. Businessbeziehungen 3 (traditioneller Markt) (fiir Teile, UE und FE) Anonymer (traditioneller) Anbieter- und Nachfragermarkt, der von den Gruppen nur eingeschrankt beeinflussbar ist.
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Abbildung 5.7: e-Business in SCS Die traditionelle Durchflihrung des Planspiels:
Abbildung 5.8: Traditionelles Konzept Die traditionelle Durchflihrung des Planspiels erfolgte bisher in der Form, dass lokal getrennte Spiele an verschiedenen Hochschulen und industriellen
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Robert Graf und Siegfried Augustin
Standorten eine voneinander vollig unabhangige Modelllandschaft abbildeten, wie auch die Gruppen innerhalb eines Spieles sich liber einen anonymen Markt versorgten und ihre Ware auf einem anonymen Markt absetzen und nur in geringem Umfang Berlihrungspunkte untereinander batten (Abb. 5.8). Demgegenuber ergeben sich durch die Web-Integration zwischen verschiedenen Spielen und auch zwischen den verschiedenen Gruppen eines Spiels ganz neue Gestaltungsmoglichkeiten. Die Gruppen sind von einer lokalen Prasenz an einem Spielort losgelost, da die Simulation der Modellbetriebe, die Kommunikation der beteiligten Wertschopfungspartner, der Warenaustausch und der Geldmittelfluss virtuell (iber das Internet auf einem zentralen Server erfolgt. Jede Gruppe, egal in welches Spiel diese integriert ist, kann somit am Gesamtmarkt partizipieren. Dabei ist es unwesentlich, in welchem Zeitraum und an welchem Ort ein Spiel durchgefiihrt wird. Es agieren am Markt immer diejenigen Gruppen untereinander, die aktuell present sind. (vgl. Abb. 5.9)
Abbildung
5.9:
Integrationskonzept
sUppLex
SUPPLY CHAIN SIMULATION (SCS)
5.4
77
Zusammenfassung
Das vorliegende Simulationsprogramm (SCS) konnte als solide Grundlage fur ein umfangreiches, modemes und global ausgerichtetes Lehrkonzept eingesetzt werden. Es erlaubt die Simulation und das Training umfangreicher Logistikmethoden und -maBnahmen unter Verwendung neuester Informationstechnologien und damit verbunden, den Einsatz neuester Logistikkonzepte im Sinne des Supply Chain Managements. Die Einsatzmoglichkeiten modemer Medien und insbesondere der Einsatz des Internet eroffnen ganz neue und bisher noch unbekannte Methoden im Sinne eines E-Leaming. Die angewandte Servertechnologie und die damit mogliche zentrale Simulation der Produktionsstatten, verbunden mit den Standardmethoden der Internet Kommunikation (e-mail und Foren), gestatten erstmals einen simulierten und geografisch unabhangigen Austausch von Kaufteilen, Zwischenprodukten, Erzeugnissen und Geldwerten. Damit wird erstmals eine international und auBerst realitatsnahe Form der Planspieldurchfiihrung moglich. Die Gestaltung und Umsetzung der Wertestrome, der Informationslogistik sowie der vertraglichen Rahmenbedingungen bedient sich gleicher Methoden und Werkzeuge wie sie in der Praxis unter Verwendung neuester Technologien heute zum Einsatz kommen. Lediglich die Herstellung von Zwischenprodukten und Erzeugnissen, durch die beteiligten Gruppen, erfolgt in einer Simulation. Bei einer kontinuierlichen, zeitlich unbegrenzten Etablierung und einer globalen Beteiligung von Lehreinrichtungen mit ihren Gruppen, kann so ein simulierter intemationaler Gesamtmarkt entstehen, indem die beteiligten Gruppen iiber einen bestimmten Zeitraum (z. B. semesterbezogen) mittels der Simulation Materialien und fiktive Zwischenprodukte und Erzeugnisse beziehen, herstellen und verteilen. Auf diese Weise wird es moglich sein, wahrend des Planspiels stufenweise Supply Chains aufzubauen und zu erweitem. Dies macht es notwendig, organisatorische und rechtliche Aspekte zu diskutieren und dariiber zu entscheiden: Zielvereinbarungen Entscheidungen tiber Make or Buy und Outsourcing Nationale und Internationale Vertrage und Vereinbarungen Mitarbeiterqualifikation Lieferantenauswahl
sUppLex
78
Robert Graf und Siegfried Augustin
Dadurch konnen unterschiedliche Methoden des BeschaffUngs- und Distributionsmanagements vermittelt und trainiert werden. AuBerdem ergibt sich die Moglichkeit zu einem dynamischen Benchmarking zwischen den einzelnen Gruppen, verbunden mit der Gestaltung eines Supply Chain Controllings. Durch die Schaffung einer Fremdsprachversionen und der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Hochschulen in Deutschland, Osterreich und Griechenland konnte dieses offene Konzept erstmals auf eine intemationale Plattform gestellt werden. Mit dem Polytechnikum in Kavala (TEI) wurde zum ersten Mai eine Lehrveranstaltung im nicht deutschsprachigen Ausland durchgeflihrt. Aber nicht nur Hochschulen konnen weltweit von einem solchen Lehrkonzept profitieren. Ein Forum auf der LEARNTEC widmete sich dem Problem des so genannten „Digital Divide". Unter dem Motto „Reach the Unreachables" hat es sich die UNESCO zur Aufgabe gemacht, mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und insbesondere dem Internet, Menschen in weniger weit entwickelten Landem an neuen und anspruchsvollen BildungsmaBnahmen teilhaben zu lassen"^^. Das vorliegende Lehrkonzept kann auch hier einen wesentlichen Beitrag leisten.
46 vgl. Kappel, 2002, S. 70
sUppLex
SUPPLY CHAIN SIMULATION (SCS)
79
Literatur Augustin und Graf, 1995: Augustin, Siegfried; Graf Karl-Robert: Planspiele bei der Einfiihrung kontinuierlicher Verbesserungsprozesse. In: etz, 124(1995)13-14, pp.12-17 Lang und Jung, 2001: Lang, Sabine; Klaus-Peter Jung: Planspiele fur die Praxis. In: Logistik Heute, Munchen, 23(2001)3, pp. 50-52 Riis, 1995: Riis, Jens O.: Simulation Games in Production Environement - An Introduction. In: Simulation Games and Learning in Production Management. London: Chapman & Hall, 1995, pp. 3-12 Wiendahl, 1996: Wiendahl, Hans-Peter: Fahigkeit zum Wandel und kurze Reaktionszeiten bestimmen den Erfolg. In: Industrieanzeiger, Stuttgart 118(1996)34/35, pp. 28-31 Kappel, 2002: Kappel, Hans Henning: LEARNTEC 2002: Intemationalitat wachst. In: Frankfurter AUgemeine Sonntagszeitung, Frankfurt 27.01.2002, p. 70
sUppLex
6
Planspiel in der Hiittenindustrie Wolfgang Steyrleithner
6.1 Allgemeines „... ist unser Untemehmen bestens gertistet, den aktuellen und zukiinfligen Anforderungen des Marktes zu entsprechen." So endete der engagiert vorgetragene Bericht des „Vorstandes" eines am Planspiel beteiligten Untemehmens ... Bei Planspielen handelt es sich im Gegensatz zu Unterhaltungsspielen um Modelle, die mit emster Intention und nicht zerstreuender und unterhaltender Absicht betrieben werden. Das hier dargestellte Planspiel basiert auf einem dynamischen Modell, das Aktions- und Reaktionsfolgen im Zeitablauf unterstellt. Der Aktionsbereich wird von den Teilnehmem reprasentiert, der Reaktionsbereich wird von einem mathematischen Modell und in bestimmten Situationen von der Spielleitung dargestellt. Der Nutzen eines Planspiels, das erganzend zu herkommlichen Lehrmethoden eingesetzt wird, liegt vor allem in der Verbindung zwischen theoretischer Schulung und praktischer Durchflihrung, indem die theoretischen Kenntnisse in quasi betrieblicher Umgebung, einer iiberschaubar gemachten Realitat, eingesetzt werden. Das vorliegende Planspiel ist ein Realitatsausschnitt und wurde speziell auf Gegebenheiten von Hiittenwerken der Stahlindustrie ausgerichtet. Die Idee, ein speziell ausgerichtetes Planspiel zur Erganzung von betriebswirtschaftlichen Vorlesungen im Bereich der Stahlindustrie zu entwickeln, hatte Herr Professor Dr. Albert F. Oberhofer an der Montanuniversitat in Leoben. Untersttitzt wurde die Entwicklung des Planspielmodells durch eine Reihe von Diplomarbeiten, die von Herm Professor Oberhofer vergeben und in deren Rahmen fiir die Hauptbetriebe eines Hiittenwerkes jeweils Teilmodelle zur Beschreibung der betrieblichen Ablaufe erarbeitet wurden.
sUppLex
82
Wolfgang Steyrleithner
6.2 Ziele und Umsetzung 6.2.1
Ziele
Mit dem Modell des Planspiels werden die Bereiche Produktion, Absatz, Investition und Finanzierung eines Huttenwerks und deren Abbildung im Rechnungswesen simuliert, um den Teilnehmem folgende Trainingsfelder anzubieten: Analysieren von betrieblichen Situationen und Entscheidungsfeldem und deren betriebswirtschaftliche Bewertung, erkennen von Zusammenhangen zwischen Geld- und Giiterstromen im Untemehmen, abschatzen von Auswirkungen von Entscheidungen in Teilbereichen auf das Gesamtuntemehmen, entscheiden in arbeitsteiligen Fuhrungsgruppen und erreichen von Untemehmenszielen: z. B. ausreichende Verzinsung des Eigenkapitals, ausgeglichene Produktions- und Finanzstruktur und optimale Kostenstruktur. Wenn auch ein unbestreitbares Spannungsmoment durch das Zusammentreffen der am Planspiel beteiligten Untemehmen im Markt besteht, so liegt dennoch der Schliissel fiir ein positives Abschneiden eines Teams in einer optimalen Kostenstruktur und einer soliden Finanzierung.
6.2.2
Modellaufbau
Das Modell besteht aus den Teilmodellen fur Materialfluss, Einkauf, Absatz, Investition, Finanzierung und Rechnungswesen. Im Materialflussmodell werden tabellarisch die Produkte, die Anlagenarten mit Anlagenvarianten, die Kostenarten, der Materialfluss und die Mengenbilanzen mit den erforderlichen Parametem defmiert. Damit wird beispielsweise ein Stofffluss entsprechend Abbildung 6.1 fiir das Hiittenwerk beschrieben.
sUppLex
83
Planspiel in der Hiittenindustrie
Im Einkaufsmodell werden die Einkaufskonditionen, wie z. B. Lieferzeiten oder die Festlegung, ob die Einkaufmenge eine EntscheidungsgroBe ist oder ob vom Modell gemaB der Produktionsplanung eingekauft wird. Kokerei
Erz 1
Erz 2
I I
Erz 3
|
|
Koks
Koksgas
Hochofen
Gichtgas
Schrott Zeichenerklarung:
Betrieb
Produkt
Rohstahl
Vorblocke
Vorbrammen
I BreitbandWalzwerk I
TrSger
Knuppel
P
Draht| Izwerk |
^^% Stabstahl Walzwe rk I
Draht
Stabstahl
Breitband 1
Breitband 2
nGrobblechI Walzwerk
Grobblech
I Kaltband- {{ I Walzwerk |
Kaltband
Abhildung 6.1: Stofffluss im Modellhuttenwerk
sUppLex
84
Wolfgang Steyrleithner
Im Finanzierungsmodell sind die Konditionen (Zinssatz und Laufzeit) fiir die Aufnahme von kurz-, mittel- und langfristigen Krediten und deren Tilgung und die Aufnahme von zusatzlichem Grundkapital festgelegt. Das Rechnungswesenmodell umfasst die Kostenrechnung, den Kontenplan und die Buchhaltung mit dem Abschluss. Die Kostenrechnung ist als Teilkostenrechnung formuliert, die die im Rahmen der Produktion von der Produktionsmenge abhangigen Kosten ausweist. Ein Beispiel fiir die Teilkostenrechnung von Hochofenbetrieben (Anlagen 401 bis 404) ist in Abbildung 6.2 gezeigt. 1
^ :; :-:er.c;e
-
r
'
Mer.cre
- -- - - ^-= -
-
Q
;
Xer.ae t Er:
_ ^ Kcster. :-E.t ?z
•KT
y.e .ae
3::.43
:
K S Prop.VerE R Z E U GUN G Roheiser. P r o p . K o s t Kos ter. a r b - K c s t . G i c h t g a s GE/t RE ZE'Z RE 3E/'t RE lOOG cbm t
::: Sa:'?
1.352.353
S— e
-
23;o?
4-.;
-----
. 3~3 - 9 -
5-,-6
21,^4
: .10 4.5 00 1 .02 6.6 30
460.000 400.003 691 .176 765.000
152,63 150,65 150,35 152,45
3.-^62.916
2.316.1-^7
151,55
-6~.786
Abbildung 6.2: Kostentrdgerrechnung fiir RO H EIS E N
Der Kontenplan umfasst die Bilanzkonten Grundkapital, Riicklagen, Verbindlichkeiten, Wechsel, Anlagevermogen, Vorrate, Kassa, Verlustvortrag, Periodenverlust, Gewinnvortrag und Periodengewinn, die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Eroffnungs- und Schlussbilanz. Ein Beispiel fiir die Gewinn- und Verlustrechnung zeigt Abbildung 6.3 (Buchhaltung Teil 4).
K 0 N T C
12 G+V - Rechnung
GEGEN KOKTO
=e 08 03 08 06 08 08 08 08 05 08 13 13
B U C H U N G S T E XT
UiTisatzerlose Aufterordentliche Erlose Guthabenzinsen Fixe K o s t e n s t e l l e n k o s t e n Umsatzkosten Konventionalstrafe Ve r t r i e b s ko s t e n Umschlag-/Iran sportkosten Lagerkosten Abschreibungen W e c h s e l - und K r e d i t z i n s e n Pericdenverlus t Periodengewinn
SOLL 1000 GE
HABEN 1000 GE
947.042. 0. 0. 201.600. 582.634. 2.061. 40.821. 46.960. 3.631. 37.295. 20.588. 0. 11.453. 947.042.
947.042.
Abbildung 6.3: Buchhaltung ( Teil 4)
sUppLex
Planspiel in der Huttenindustrie
85
Im Marktmodell sind voneinander unabhangige Markte mit produktspezifisch definierter Aufnahmefahigkeit in Abhangigkeit von Angebotsmenge und Angebotspreis definiert. Die Aufnahmefahigkeit eines Marktes wird von Periode zu Periode durch Vorgabe eines Konjunkturfaktors durch die Spielleitung gesteuert. Der Konjunkturfaktor wird den Untemehmen vor Beginn der Entscheidungsfmdung fur eine Periode bekannt gegeben. Das den bisher durchgeflihrten Planspielen zugrunde Uegende Modell ist ein Abbild eines gemischten Hiittenwerkes. Mehrere, in der Kegel drei bis flinf Untemehmen, beUefem zwei getrennte Markte mit 14 Zwischen- und Fertigprodukten. Im Ausgangszustand, in dem in der Regel alle Untemehmen gleich stmkturiert sind, ist jedes Huttenwerk in der Lage, Roheisen, Rohstahl, Vorblocke, Vorbrammen, Kniippel, Trager, Stabstahl und Grobblech zu erzeugen. Zur Auswahl stehende Investitionsvarianten ermoglichen den Ausbau des Produktspektmms auf Breitband, Kaltband oder Draht, Kapazitatserweitemngen in den bestehenden Produktionsstufen oder Rationalisiemngsinvestitionen. Es wird unterstellt, dass alle beteiligten Untemehmen schon langere Zeit bestehen und zu Beginn identisch sind in: •
Anlagenbestand,
•
Lagerbestand,
•
Kostenstmktur,
•
Verbindlichkeiten und
•
Eigenkapitalausstattung.
Die Produktion wird durch Vorgabe von Produktionsmengen und Einsatzstoffen festgelegt. Den Untemehmen liegen dazu die Daten tiber spezifische Verbrauchswerte und Herstellungskosten sowie Produktionskapazitaten vor. Neben Produktionsentscheidungen kann auch tiber Stillegung und Wiederinbetriebnahme oder Desinvestition entschieden werden. Rund 20 Investitionsvarianten stehen zur Auswahl. Dabei besteht die Moglichkeit, zwischen Varianten unterschiedlicher Kapazitat und unterschiedlichen Kostenvarianten zu wahlen (siehe Abbildung 6.4).
sUppLex
86
Wolfgang Steyrleithner
Anlage
Invest.-
Art Bezeichnung
Invest.-
Nutzungs-
1000 GF
Perioden
fixe Verarbeitungskosten 1000 GET.
prop. Verarbeitungskosten
Leistungsgrenzwert Einheiten/ Periode
spezifische Lei stung Abmessung 1 t/Betriebsstunde
4 Hochofen 4 Hochoten 4 Hochoten
1
72.000 85.000 100.000
15 15 15
10.000 14.000 16.000
GE/t Roheisen 18 15 12
tKoks 640.000 800.000 1.000.000
5 LD-Stahlwerk 5 LD-Stahlwerk
1
110.000 120.000
Is
54.000 60.000
GE tRohstahl 21 18
t Rohstahl 2.000.000 2.400.000
;
50.000 60.000 65.000
15 15 15
20.000 21.000 23.000
GEBetriebsst unde 3.250 2.900 2.500
Betriebsstu nden 7.200 7.200 7.200
320 t Vorbram. 350 t Vorbram. 400 t Vorbram.
25.000 32.000
15 15
11.500 14.000
GE/Betriebsst unde 950 900
6.100 6.200
80 t Trager 100 t Trager
6 StranggieBanlage 6 Stranggiel3anlage 6 StranggieBanlage
8 Trager-W alzwerk 8Trager-\\alz\verk 9 Knuppel- W alzwerk
30.000
15
12.000
700
7.200
160 t Knuppel
10 Stabstahl-Walzwerk
44.000
15
23.000
2.300
6.600
40 t Stabstahl
I 1 Draht-Walzwerk II Draht-Walz^verk
30.000 40.000
15
12.000 17.000
2.400 2.350
6.600 6.600
30 t Draht 50 t Draht
i:(irobbiech-\Valz\v. 13 Breitband-Walzwerk 13 Breitband-Walzwerk UKaltband-Walzwerk UKaltband-Walzuerk
-
60.000
15
38.000
8.500
6.200
nOtGrobblech
100.000 120.000
15 15
70.000 86.000
12.000 10.000
6.600 6.600
350tBreitbd. 1 400 t Breitbd. 1
50.000 80.000
!J
18.000 40.000
10.000 7.500
6,000 6.400
50 t Kaltband lOOtKaltband
spezifische Leistung Abmessung 2 t/Betriebsstunde
280 t Vorblocke 300 t Vorblocke 350 t Vorblocke
290 t Breitbd. 2 330 t Breitbd. 2
Abbildung 6.4: Investitionsvarianten
Investitionen konnen aus Eigenmitteln oder iiber Fremdmittel (Aufnahme von Grundkapital oder mittelfristigen Verbindlichkeiten) finanziert werden. Die „Hausbank" orientiert die Deckung der Kredite am Anlagevermogen; die Aktionare sind bereit, in Abhangigkeit vom Investitionsvolumen einer Periode das Grundkapital in bestimmten Rahmen durch Bareinzahlung zu erhohen. Zur Uberwindung kurzfristiger Liquiditatsengpasse werden Wechsel gezogen, die jeweils unmittelbar in der Folgeperiode mit Zinsen fallig sind. Das Berichtswesen zum Periodenablauf und Periodenergebnis umfasst auf 10 Seiten alle relevanten Daten geordnet nach: •
Kostentragerrechnung ftir jedes in einer Periode erzeugte Produkt, getrennt nach Betrieben (z. B. Hochofen 1, Hochofen 2, ...; vgl. Abbildung 6.2),
•
Umsatzaufstellung nach Produkten und Markten,
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87
Planspiel in der Hiittenindustrie
•
Lagerbestand und Lagerbewegungen fiir jedes Produkt und, soweit es verkauft wurde, Umsatz und Deckungsbeitrag (vgl. Abbildung 6.5),
•
Anlagenbestand und Anlagenveranderungen,
•
Ubersicht zu Verbindlichkeiten,
•
Buchhaltung und Abschluss, die Bilanzkonten, Gewinn- und VerlustRechnung (vgl. Abbildung 6.3) und Schlussbilanz umfassend.
PRODUKT Beitr. Nr. Bezeichnung GE
Anfangs Einkauf
2 KOKS [t] 0.
140000. 1441666.
bestand
gung
Menge
Preis
Wert
1000 GE ]
7869.
85,00
0.
0.
0.
0. 2000.
65,00
130.
0.
0. 1192186.
0. 5961.
26,84
160.
0.
0. 1685650.
0. 8428.
35,78
302.
0.
0. 1703397.
0. 8517.
43,78
373.
0.
0. 27177. 151,34
4 .113.
0.
528000.
0. 2640. 155,75
411.
0.
29000.
0. 2400000. 1969231.
0. 119769. 210,50
25 212.
104.780.
6000.
76266. 1120000. 1196285.
340000. 5981. 241,71
1 446.
0.
800000.
0. 4000. 242,40
970.
0.
0.
0. 13642. 277,89
3 791.
219.292.
368421.
476358. 0. 252,89
0.
93.943.
10 104.
199.113.
,00
0.
0.
0. 99692. 385,99
38 480.
322.915.
0.
7.000.
86 159.
947.042.
2000.
4 ERZl [t] 0.
0.
95000. 1103147.
5 ERZ2 [t] 0.
95000. 1599078.
6 ERZ3 [t] 0.
95000. 1616914.
7 ROHEISEN [t] 0.
15000.
8 SCHROTT [t] 0.
80000.
11 VORBLOECKE [t] 0. 12 VORBRAMMEN [t] 0.
4000.
13 TRAEGER [t] 86.915.
10000.
14 KNUEPPEL [t] 32344.
12000.
15 STABSTAHL [t] 82.857. 17 DRAHT [t] 0. 18 GROBBLECH [t] 122.081.
Verkauf
Erlos D-
E N D B E ST AND
1573797.
3 ERDGAS [lOOOcbm] 0.
9 ROHSTAHL [t] 33.209.
Erzeu- Verbrauch
0.
0. 2316177. 2304000. 250540.
0. 0. 0.
200100.
800000. 480000. 600000.
10000.
0.
350000.
0.
243579. 28786. 351,00
0.
0.
0.
0.
331214. 0.
20000.
23 GICHTGAS [lOOOcbm] 7.000.
0
0.
0.
600000.
0.
0. 3762916. 1143750.
520308. 0.
,00
600000. Summe 364.407.
Abbildung 6.5: Lagerbestand und Lagerbewegungen / Umsatzubersicht
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Wolfgang Steyrleithner Erganzend werden die Dividendenzahlungen, die Investitionen, der Umsatz und die Schlussbilanz aller Untemehmen „publiziert" (vgl. Abbildung 6.6). In den vergangenen 35 Jahren ftihrte der technologische Wandel naturgemaB auch zu Veranderungen im Modell, z. B. entfielen Siemens-Martin-Stahlwerke und StranggieBanlagen ersetzten den Blockguss und die BlockbrammenstraBen. Das Modell wurde auch punktuell abgeandert, um den Ablauf an den inhaltlichen und verfiigbaren zeitlichen Rahmen einer Veranstaltungsreihe anzupassen: z. B. entfiel in bestimmten Veranstaltungen die Kokerei und der Vormaterialeinkauf wurde vereinfacht. Periode 2 Unternehmen
Dividendenzahlung lOOOGE] Investitionen
U3
U2
Ul
0 LD--Stahlwerk
Umsatzerlose [lOOOFE] 1 .786.199
0 LD-Stahlwerk Strangg.-Anl. Kaltband-WW 1.533.788
17.000 LD-Stahlwerk
1.333.020
Schlussbilanz [10 0 0 GE] Anlagevermbgen Vorrate Kassa Verlust-Vortrag
448.450 226.745 0 1.389
571.450 23.338 117.878 0
453.116 40.425 60.697 0
Grundkapital Rucklagen Verbindlichkeiten Wechsel Periodengewinn
193.000 82.635 236.350 24.859 139.739
230.000 128.860 365.483 0 88.322
195.000 83.273 174.017 0 101.949
Abbildung 6.6: Periodeniibersicht
6.2.3
Entscheidungsrdume
Fiir jedes Geschaftsjahr (jede Periode) sind die Produktion der einzelnen Betriebe (Produktionsmengen und Verfahrensparameter wie z. B. Mollerzusammensetzung), die Angebote an den beiden Markten je Produkt (Angebotsmenge und
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Planspiel in der Huttenindustrie
89
Angebotspreis), die Investitionen (Anlagenart und Variante), die Aufhahme von Krediten und Grundkapital und die Ausschiittung von Dividenden von den teilnehmenden Teams festzulegen.
6.2.4
Ablauf
Zur Vorbereitung werden die Teilmodelle fur Materialfluss, Einkauf, Absatz, Investition, Finanzierung und Rechnungswesen mit den an den Zielen einer Veranstaltung orientierten Parameterwerten gefullt. Damit sind dann die Ausgangssituation und die Rahmenbedingungen fur die Untemehmensentscheidungen vorgegeben. Die Teilnehmer treten zu Beginn als „Vorstandsmitglieder" in die Untemehmen ein. Da die Aufgaben der Untemehmensleitung sehr vielfaltig sind und zur Diskussion, Entscheidungsvorbereitung und Entscheidungsfindung nur begrenzt Zeit zur Verftigung steht, sind einzelne Funktionen an die Mitglieder innerhalb der Gruppe zu delegieren. Entscheidungen sind zu den Aufgabenbereichen Produktion, Verkauf, Investition, Finanzierung und Dividendenzahlung zu treffen und in Formblatter einzutragen. Die Entscheidungen zur Finanzierung sind durch einen Finanzplan zu untermauem. Ftir Investitionsvorhaben sind Wirtschaftlichkeitsrechnungen zu erstellen. Ein Planspiel umfasst in der Regel den Zeitraum von vier bis sechs Perioden, wobei eine Periode einem Geschaftsjahr entspricht. Der Ausgangszustand wurde bisher flir alle Untemehmen gleich gewahlt und durch die Berichte iiber die zuletzt abgelaufene, vom „vorangegangenen Vorstand" gesteuerte Periode beschrieben und im Umfang von Periodenberichten dokumentiert. Eine entsprechende Dokumentation erhalt jedes Untemehmen als Ergebnis der individuellen Entscheidungen. Zusatzlich werden die Dividendenausschiittung, die Schlussbilanzen, der Umsatz und die Investitionen der abgelaufenen Periode aller beteiligten Untemehmen „veroffentlicht". Nach Abschluss der ersten Periode werden die Untemehmen aufgefordert, eine Untemehmensplanung zu erstellen und abzugeben. Im einzelnen ist die gewahlte Untemehmensstrategie darzustellen und die Investitionen bis zur letzten Periode, der Umsatz und der Bilanzgewinn der letzten Periode abzuschatzen. Nach Simu-
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90
Wolfgang Steyrleithner
lation der letzten Periode erarbeiten die Vorstande die Abschlussprasentation, die die Darstellung der Strategie, der wesentlichen Entscheidungen und der Ergebnisse der abgelaufenen Perioden, der Entwicklung der Herstellungskosten und Deckungsbeitrage der Hauptumsatztrager und die Positionierung fiir zuklinftige Perioden umfasst. Diese Presentation wird vor dem Plenum aller „Vorstande" vorgetragen. Danach werden fur die beteiligten Untemehmen die nachfolgend genannten Kennzahlen gegenubergestellt und mit Punkten bewertet. Auch die den Kennzahlen zugrundeliegenden Modelle stellen Abstraktionen dar und umfassen die Bewertung von: Untemehmensplanung Kapazitatsabstimmung im Untemehmen, Herstellungskosten, Vorrate, Finanzplanung und Liquiditat, Dividendenzahlungen und die Entwicklung der Kennziffem Gewinn / Eigenkapital, Cash flow / Eigenkapital, Eigenkapital / Fremdkapital und Eigenkapital / Anlagevermogen.
6.3
Erfahrungen
Zu Beginn eines Planspieles gilt es flir die Teilnehmer ein sehr umfangreiches Zahlengebaude zu erfassen und fiir sich zu ordnen. In der Regel ist es flir Techniker verlockend, sich auf die Produktion, die Berechnung des Stoffflusses und die Investitionen zu „sturzen" und zu konzentrieren. Techniker sind im Planspiel erfahrungsgemaB „vorsichtig" - sie scheuen sich, gleich zu Beginn groBere Investitionen in ihr Kalkiil einzubeziehen, mitunter werden pauschal Investitionsvorhaben aus dem eigenen beruflichen Erfahrungsbereich bevorzugt. Kaufleute iibemehmen in der Regel den Absatzbereich, die Festlegung des Investitionsvolumens und die Finanzierung. Dennoch nimmt mit Fortschreiten des Planspieles die Beschaftigung mit Themen des ,jeweils anderen Bereichs" zu. Am Ende wird meistens die unter den Zielen geforderte iibergreifende Sicht erreicht. In vielen Fallen hangt der Erfolg eines Teams auch von den Fahigkeiten zur Moderation eines gewahlten oder selbst emannten „Vorstandsvorsitzenden" ab.
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Planspiel in der Hiittenindustrie
6.4
91
Schlussbemerkung
Durch den Zwang zum systematischen Arbeiten und Entscheiden im Planspiel, auch unter Zeitdruck, eignet es sich zum Erreichen der eingangs genannten Ziele in vielen Fallen besser als andere Instrumente. Als Begleitprogramm zur Vermittlung von theoretischen Leminhalten hat dieses Planspiel bisher durchgangig die Anforderungen der Veranstalter erfuUt.
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7
Fallstudie Distributionslogistik Siegfried Augustin und Solveig Hofer
7.1
Einfiihrung
Distributionslogistik, also die Anwendung logistischer Prinzipien auf die Prozesse in der Distribution, besteht im wesentlichen aus den Komponenten des Transportierens, Umschlagens und Lagems sowie des Verpackens. Je nach der Distributionsstruktur sind diese Komponenten unterschiedlich zu kombinieren, wobei auch hier - wie in Beschaffung, Produktion und Entsorgung - fur einen moglichst kontinuierlichen Fluss von Waren und Informationen zu sorgen ist. Bei der Gestaltung der Distributionsstrukturen ist wegen der groBen Nahe zu den extemen Kunden auf strikte Einhaltung der Logistik-Leistungsziele zu achten, allerdings bei gleichzeitiger hoher Wirtschaftlichkeit. Das bedeutet, dass alle Register des Prozessmanagements gezogen werden mussen, auf der rein methodischen Ebene ebenso wie auf der Mitarbeiterebene. Von besonderer Bedeutung sind dabei einerseits methodische Ansatze wie das Zusammenfassen („Bundeln") mehrerer Prozesse aus Grtinden der Synergie und damit der Wirtschaftlichkeit, andererseits sind Distributionsprozesse vielfach lander- und staateniibergreifend, so dass auch Aspekte des interkulturellen Managements zu berticksichtigen sind. Da die direkt und indirekt wertschopfenden Prozesse, mit denen sich die Logistik befasst, sehr stark von menschlichen Entscheidungen gepragt werden, kann die Nichtbeachtung der kulturell bedingten Unterschiede von Mitarbeitem aus unterschiedlichen Kulturkreisen auch Konzepte zum Scheitem bringen, die nach der „Papierform" durchaus tauglich gewesen waren. Dabei sind derartige Einfliisse bereits bei der Konzeption und bei der Implementierung zu berticksichtigen, zumal sie keineswegs von vomeherein als Probleme angesehen werden diirfen, sondem auch Chancen in sich bergen. Diese Komplexitat ist nur sehr schwer theoretisch zu vermitteln und zu bewaltigen. Hier empfiehlt es sich, zum Instrument der Fallstudie zu greifen, um die Lemziele der Distributionslogistik zu erreichen. In der far die Lehrveranstaltung „Distributionslogistik" entwickelten Fallstudie werden folgende Lemziele miteinander verkniipft:
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Siegfried Augustin und Solveig Hofer
•
Vermittlung von Logistikwissen in der Distributionslogistik, speziell Leistungssteigerung und Kostenreduzierung durch Bundelungskonzepte.
•
Vermittlung interkulturellen Wissens, speziell Sensibilisierung fiir interkulturelle EinflussgroBen anhand eines konkreten Falles „Osterreich/Deutschland - Lateinamerikanische Staaten". Dabei werden zwei Ebenen unterschieden: 1. Erarbeitung eines Bundelungskonzeptes fiir die Distributionslogistik unter Beriicksichtigung interkultureller Einfllisse. 2. Erarbeitung eines Implementierungskonzepts fur dieses Logistikkonzept inkl. Projektstrukturierung und Festlegung der Projektteambesetzung.
Die Durchfiihrung der Fallstudie erfolgt in mehreren Arbeitspaketen, die von Arbeitsgruppen durchgefiihrt werden. Dabei gelten folgende Prinzipien: •
•
In den Arbeitsgruppen gilt vomehmlich das Konsensprinzip (nur in Ausnahmefallen das Kompromissprinzip oder Mehrheitsentscheidungen). Die Ergebnisse der Gruppenarbeiten werden nach jedem Arbeitspaket prasentiert und mit dem „realen" Projekt verglichen, wobei als Vergleichsgrundlage die mogliche PotentialerschlieBung dient.
Durch gruppenubergreifende Auswahl von Ergebnisaltemativen auf argumentativer Basis wird ein gegenseitiger Lemprozess zwischen den einzelnen Gruppen herbeigeflihrt. Da im realen Projekt eine zieladaquate und funktionierende, aber nicht unbedingt optimale Losung erarbeitet und realisiert wurde, werden wesentliche Erkenntnisse aus der Fallstudie in Vorgaben fiir die nachste Durchfiihrung eingearbeitet, so dass das Konzept einer „Lemenden Fallstudie" verwirklicht wird.
7.2 Problemstellung und Ausgangssituation „Bundelung" ist in der sich derzeitig standig wandelnden Marktsituation nicht nur ein gem verwendetes Schlagwort, um Ziele wie Produktivitatssteigerung und Kostenreduktion zu unterstiitzen, Bundelung hat vielmehr in zahlreichen Beschaffungs- und Absatzmarkten sowie hinsichtlich weit verstreuter Produktions-
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Fallstudie Distributionslogistik
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standorte fur viele Konzeme eine immer starkere Internationale und globale Relevanz. Im Besonderen bei logistischen Btindelungsstrategien ist diese Relevanz immer deutlicher zu erkennen. Daher ergab sich fiir diese Fallstudie die Notwendigkeit, die Entwicklung eines landeriibergreifenden Logistikkonzeptes mit der Komplexitat eines aufstrebenden, „neuen" und sich rasch entwickelnden Marktes wie China, Ost-Europa, Indien oder Lateinamerika zu kombinieren. Ausgewahlt wurde ein Fall aus dem lateinamerikanischen Raum. Die jeweiligen Wachstumszahlen, Kostenstrukturen, Wirtschaftsdaten und Wirtschaftsraume, geographischen Randbedingungen sowie auch die politischen, interkulturellen und sozialpolitischen Aspekte einzelner Lander Lateinamerikas (Mexiko, Kolumbien, Brasilien, Chile und Argentinien) soUten in das zu planende Logistikbiindelungskonzept eingearbeitet werden.
7.2.1
Problembehandlung und Aufgabenstellung
Zielsetzung der Fallstudie ist es im Sinne der Sicherung der Erfolgsfaktoren eines Technologiekonzems mit Hauptsitz im deutschsprachigen Raum das Projekt „Btodelungskonzept in Lateinamerika" vorzubereiten, zu planen, zu konzipieren und im letzten Schritt die Zusammensetzung des Implementierungsteams festzulegen. Die Aufgaben dieser Fallstudie wurden in Arbeitspakete gegliedert um eine modulare Zusammensetzung mit aufeinander aufbauenden Entwicklungsschritten der Losungsansatze moglich zu machen. Die drei ineinander verwobenen Arbeitspakete waren die Informationsbeschaffung, die Konzeption des Btindelungsnetzwerkes in Lateinamerika und die Erstellung der Projektgruppen zur Implementierung des neuen landeriibergreifenden Logistikkonzeptes. In den verschiedenen Arbeitspaketen wurden den Studenten unterschiedlichste Hilfsmittel in Form von Datenmaterial iiber die einzelnen Lander, deren Wirtschaftsstrukturen und naturlich die interkulturellen Aspekte der dort geschichtlich verwurzelten Volker und Kulturen an die Hand gegeben. Des weiteren war es Aufgabe der Betreuer, den Studenten mit konzeptionellen und erfahrungsgepragten Hilfestellungen zur Seite zu stehen, ohne sie jedoch zu sehr in Richtung eines Losungsansatzes zu lenken.
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7.2.2
Siegfried Augustin und Solveig Hofer
Informationsbedarfsermittlung und -beschaffung
In jedem neuen international oder national aufgesetzten Logistikprojekt ergibt sich im ersten Schritt die Notwendigkeit der Informationsbeschaffung, um darauf aufbauend Konzepterstellung und Projektplanung zu entwickeln. Die hierbei zu Anwendung kommende Form und Art beziehungsweise der Ablauf einer solchen Daten- bzw. Informationsbeschaffung kann die unterschiedlichsten Auspragungen annehmen. Um im Sinne einer Vergleichbarkeit innerhalb dieser Failstudie die Breite moglicher Losungs- und Vorschlagsvarianten zu kanalisieren, wurde als Form der Informationsbeschaffung die „Erstellung eines Fragebogens" festgelegt. Die Gestaltung der Inhalte mit den jeweils als notwendig erachteten Detaillierungsgraden, die Bestimmung der landerspezifischen Informationstrager beziehungsweise die Form der Ansprache der einzelnen Adressaten vor Ort unter Berucksichtigung der Hierarchic sowie die Festlegung des Zeitrahmens ftir die Rucksendung der ausgefiillten Fragebogen aus den Landem wurden den Studenten frei uberlassen.
7.2.3
Erstellung eines BUndelungskonzeptes fUr Lateinamerika
Ziel der nachsten Aufgabe ist im ersten Schritt die Konzeption verschiedenster Losungsaltemativen von Biindelungsnetzwerken innerhalb Lateinamerikas in Abstimmung mit dem Produktionsmarkt in Europa. Hierbei wird erwartet, dass das interkontinental ausgerichtete Logistiknetzwerk sowohl geographische, sozialpolitische wie auch interkulturelle Fakten zu einer stabilen Struktur zusammenfuhrt. Innerhalb dieser Teamarbeit besteht jedoch nicht nur die Aufgabe darin das Konzept zu erstellen, sondem auch durch eine professionelle Presentation die jeweilige Netzwerklosung darzustellen und argumentativ darzulegen, warum gerade diese Losung gewahlt wurde und in welchen Punkten hierbei die Vorteile dieser Bundelungsaltemative liegen. Der Abschluss dieser Aufgabe besteht darin, innerhalb der Projektgruppen eine endgiiltige Auswahl der „idealen" Konzeptlosung zu fmden.
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Fallstudie Distributionslogistik
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Projektstruktur und Rollout-Plan Die Erstellung der Projektstruktur, also die Besetzung des Projektteams fiir die Umsetzung des erarbeiteten Logistikkonzepts, die geographische Verteilung und Terminierung des RoUout-Regionen-Planes, die Entwicklung des Projektphasenplanes sowie weiterer projektrelevanter Aufgaben bilden den Inhalt der nachsten Aufgabe. In diesem Arbeitspaket werden viele Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren eines solchen Umsetzungsprojektes behandelt. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf den interkulturellen Aspekten, vor allem in der Beriicksichtigung der personlichkeitsbezogenen naturlichen Teamrollen bei der Besetzung des ausfiihrenden Projektteams, wofur beispielsweise die Methode der Belbin'schen Teamrollen eingesetzt werde kann.
7.3 Durchfiihrung der Fallstudie Diese Fallstudie wird von Arbeitsgruppen von je 6-10 Personen durchgefuhrt, die aus den Teilnehmem der Lehrveranstaltung gebildet werden. Die Anzahl an Arbeitsgruppen, die gleichzeitig an den jeweiligen Losungsaltemativen arbeiten, sind von der Zahl der Vorlesungsbetreuer abhangig. Es sollte jedoch vermieden werden, mehr als 4 - 5 Gruppen zu bilden, da ansonsten die Prasentationszeiten und die anschliefienden Diskussions- und Abstimmungsrunden zuviel Zeit in Anspruch nehmen. Der zeitliche Rahmen der Fallstudie sollte dem Umfang der durchzufiihrenden Aufgaben angepasst sein. Fiir die in diesem Beispiel beschriebenen Aufgaben empfiehlt es sich, zwei Tage zu veranschlagen. Der im Anhang dargestellte exemplarische Zeitplan dieser Fallstudie zeigt deutlich, dass wegen der hohen zu verarbeitenden Datenmengen und der Komplexitat der unterschiedlichen zu diskutierenden Probleme die Teamarbeit in den Arbeitsgruppen besonders viel Zeit in Anspruch nimmt. Die Studierenden haben im Lauf der Fallstudie mehrfach die zeitintensive Aufgabe, sich in ganz und gar neue Aufgabengebiete einzuarbeiten, um fundierte und plausible Losungsansatze zu entwickeln. Der exemplarische Zeitplan soil lediglich ein Anhaltspunkt fur einen moglichen zeitlichen Verlauf dieser Fallstudie sein. Natiirlich kann er je nach Vorkenntnissen der Teilnehmer modifiziert werden.
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7.3.1
Siegfried Augustin und Solveig Hofer
Thematische Einbettung der Fallstudie
Die unterschiedlichsten logistischen Themenkreise konnen fiir diese Fallstudie den theoretischen Rahmen bilden. Fallstudien geben die Moglichkeit, als Bindeglied zwischen bereits erlemtem theoretischen Wissen und praktischer Anwendung zu dienen. Lehrveranstaltungsthemen, in denen diese Fallstudie zur Anwendung kommen kann, sind zum Beispiel Distributionslogistik insgesamt, aber auch im einzelnen Servicelogistik oder TUL-Logistik (Transportieren, Umschlagen und Lagem). Auch ein Einsatz in der Beschaffungslogistik und sogar in der Informationslogistik (mit speziellem Fokus auf Informations- und Kommunikationsaspekten) ist denkbar. Auch Methodenkompetenz kann durch diese Fallstudie trainiert werden, etwa die Anwendung des Knoten- und Kantenmodells. Die Fallstudie wird in aufgabenadaquaten Arbeitspaketen durchgefiihrt.
Arbeitspaket 1 Erste Teilaufgabe im Arbeitspaket 1 „Informationsbedarfsermittlung und -beschaffung" ist es fur die Studierenden, innerhalb ihrer Arbeitsgruppen eine Organisationsstruktur zu entwickeln, die im Laufe der Fallstudie auch uberdacht und wenn notigt angepasst werden kann. Der jeweilige Gruppensprecher fungiert als „offizieller" Reprasentant der Arbeitsgruppe, wobei alle Teammitglieder als gleichberechtigte Partner jederzeit auch die Moglichkeit haben, die Gruppenergebnisse zu prasentieren und den anderen Projektgruppen vorzustellen. Hauptarbeitsinhalt des Arbeitspaketes 1 ist die Informationsbedarfserhebung. Die Aufgabenstellung lautet wie folgt: Uberlegen Sie, welche Informationen Sie zur Erstellung eines Blindelungskonzeptes allgemein, und speziell fur Lateinamerika von den Regionalgesellschaften und den darin vertretenen Logistikfunktionen beziehungsweise Querschnittsfunktionen der einzelnen Lander benotigen. Konzipieren Sie einen Fragebogen, anhand dessen Sie in diesen Landem den von Ihnen zuvor defmierten Informationsbedarf ermitteln konnen. Hierbei ist es nicht nur die Aufgabe, Uberlegungen anzustellen, welche Daten in Bezug auf Standorte, Struktur, wirtschaftlichen Status der Region, Logistikvolumenzahlen, geographische Ausdehnung und Struktur der Lander und Stadte, politische, soziale und gesetzliche Rahmenbedingungen zur Implementierung
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eines intemationalen Bundelungskonzeptes notwendig waren, es ist auch Aufgabe der Studierenden, in diesem Arbeitsschritt zu beriicksichtigen, in welcher Qualitat diese Daten erbracht werden mtissen und durch welchen Prozess (Aussendung des Fragebogens in unterschiedlich hierarchisch strukturierte Landesbzw. Regionalgesellschaften) es sichergestellt werden kann, diese Datenqualitat zu bekommen. In diesem Punkt der Uberlegungen spielen bereits viele interkulturelle Aspekte eine groBe Rolle, die es auch im Zuge dieser Fallstudie einzuarbeiten gilt. Um zeitverzogemde Risiken zu vermeiden, die bei Themen wie der Informationsbedarfserhebung durch einen Fragebogen leicht auftreten konnen, ist es im hohen MaBe notwendig, „Softfacts" und damit auch interkulturelle Informationen in die Strategic der Datenerfassung mit einzubeziehen. Fragebogen sind ein lastiges, wenn auch sehr notwendiges tJbel jedes operativen Logistikers. Der befragte Mitarbeiter wird immerhin angehalten, Daten an jemanden weiterzuleiten, dessen Position und genaue Absicht er nicht kennt. Und dafiir muss er sogar seine eigene operative Arbeit verschieben, da das Ausfiillen von Fragebogen Zeit kostet. In dieser Fallstudie ist es daher auch notwendig, die Sensibilitat der Teilnehmer hinsichtlich Umfang und Genauigkeitsanspruch der erwarteten Daten zu wecken, um dadurch einen „sinnvollen" Rucklauf eines versandten Fragebogens und damit den Aufbau eines verwertbaren Datenpools zu ermoglichen. Abschluss dieses Arbeitspaketes 1 ist die Presentation der Einzelergebnisse durch eine Gruppenprasentationen vor der Horerschaft. Der anschlieBende Vergleich mit einer exemplarisch ausgefullten Fragebogendatenbank (zusammengefasste Daten aus ausgewahlten Fragebogen, die von unterschiedlichsten Standorten verschiedener Lander zunickgesendet wurden) eines real aufgesetzten Projektes gibt anschlieBend die Moglichkeit, die in den Kleingruppen entwickelten Ideen zu spiegeln und Vor- sowie Nachteile des Realprojektes und der theoretischen Datenerhebungen zu diskutieren.
Arbeitspaket 2 Aufgabenstellung des Arbeitspaketes 2 ist es, basierend auf den am Ende des Arbeitspaketes 1 ausgegebenen „echten" Daten ein Biindelungskonzept flir Lateinamerika zu entwickeln. Die hierbei zur Anwendung kommenden Daten erhalten die Studenten aus einer exemplarisch zusammengestellten Datenbank, die die moglichen Ergebnisse eines ausgesendeten Fragebogens an die Lander darstellt. Hierbei besteht nattir-
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lich auch das Risiko von Falschmeldungen beziehungsweise liickenhaften Angaben durch die Partner in den Landem. Zusatzlich zum Informationsbedarf aus dem exemplarischen Fragebogen wird auch weiteres spezifisches Landermaterial liber Bevolkerungsdichte, Geographie, Infrastruktur, Ballungszentren, Wetter, Entwicklungsstand usw. an die Arbeitsgruppen verteilt. Von dem zu entwickelnden Biindelungskonzept wird erwartet, dass es sowohl Kostenreduktion wie auch Verbesserungen der logistischen Leistungskennzahlen, zum Beispiel Liefertreue und Lieferqualitat, ermoglicht. Diese Faktoren spielen in der abschlieBenden Presentation von Arbeitspaket 2 und in der Diskussion eine zusatzliche Rolle, um die jeweiligen Losungsaltemativen der Teams vor dem Plenum zu vertreten. Im Gegensatz zu Arbeitspaket 1 erfolgt im Arbeitspaket 2 die Auswahl des weiter zu verfolgenden Losungsvorschlages durch die Studierende selbst. In diesem Fall ist es Aufgabe der Gruppensprecher in einer Podiumsdiskussion, im Sinne eines „Steering Committee" die jeweils vorgestellten eigenen Konzepte zu vergleichen und zu bewerten. Im Anschluss wird durch einen Konsensbeschluss das im Sinne aller Anforderungskriterien „ideale" Losungskonzept ausgewahlt.
Arbeitspaket 3 Das durch das „Steering Committee" beschlossene Biindelungskonzept fur Lateinamerika ist fiir das Arbeitspaket 3 die Basis der Aufgabenstellung. Inhalt ist die Erarbeitung der Projektkonzeption fiir die ausgewahlte Losungsaltemative. Hierbei ist neben Teamorganisation, Projektcontrolling, Kosten-Nutzenanalyse (Fehlkostenanalyse), Darstellung des Projektplans und des regionalen Roll-Out Plans auch besonderes Augenmerk auf die Teambesetzung zu legen. Unter dem Gesichtspunkt, dass es sich um ein intemationales bzw. sogar interkontinentales Biindelungsprojekt handelt, muss auch im Sinne der Akzeptanzsteigerung nicht nur auf die ausgewogene Verteilung projektteamspezifischer Rollenbilder (zum Beispiel nach Belbin) geachtet werden, sondem auch auf die Integration intemationaler Teammitglieder. Dies spiegelt sich auch in Form von Risikofaktoren im Projektplan und in der Festlegung der intemen und extemen Teamrollen wider. Abschluss des Arbeitspaketes 3 bildet wieder eine Prasentation des in jeder Gruppe entwickelten Losungsansatzes. Diese Abschlussprasentation enthalt eine Vorstellung des geplanten Projektteams, der zur Implementierung notwendigen Roll-Out-Plane so wie auch Vorschlage fur ein Controlling und Risikoabschat-
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Fallstudie Distributionslogistik
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zungen. Im Anschluss an die Prasentationen folgt auch hier eine Diskussion iiber die Vor- und Nachteile dieser Losungsansatze.
Abschlussdiskussion und Vergleich mit „realer** Projektlosung Den Abschluss der Fallstudie bildet eine zusammenfassende Diskussion aller Ergebnisse aus den Arbeitspaketen 1 - 3 . Hierbei werden die Losungsansatze der Fallstudie mit dem tatsachlichen Losungsansatz des realen Projektes und der dafur entwickelten Implementierungsstrategie in Lateinamerika verglichen. So ergibt sich die Moglichkeit, Erfahrungen und erlebte Vor- und Nachteile sowie Risiken eines solchen Projektes mit den Studenten zu diskutieren und mogliche Verbessemngsvorschlage durch die in der Fallstudie erarbeiteten Losungsansatze zu generieren.
7.4
Erfahrungen
Die bisherigen Erfahrungen mit der Durchflihrung der geschilderten Fallstudie und die nachfolgende KontroUe des Wissens durch Klausuren und miindliche Prufungen zeigen, dass die eingangs aufgefiihrten Lemziele in deutlich hoherem MaB erreicht werden als dies vorher - ohne eine Vertiefung durch die Fallstudie - festzustellen war. Hervorzuheben ist dabei ein gewisser Ganzheitlichkeitseffekt, eine simultane, interaktive Beschaftigung in den Arbeitsgruppen mit Logistikproblemen vor einem interkulturellen Hintergrund. Die Notwendigkeit, kulturelle Einfltisse anderer Lander auf ihre Logistikrelevanz hin zu untersuchen und zu gewichten, fiihrt zu einer scharferen Reflexion eigener, „hausgemachter" Losungsansatze. AuBerdem wird die Motivation in den Arbeitsgruppen durch das allgemeine Interesse an anderen Landem und Kulturen um gelegentliche eigene private oder berufliche Erfahrungen gesteigert. Die Situation, in der sich die Arbeitsgruppen bei der Durchfuhrung der Arbeitspakete befmden, wird speziell von berufstatigen Studierenden als sehr realistisch empfunden. Fiir die Ermittlung des Informationsbedarfes zur Erstellung eines Biindelungskonzepts gibt es keine strikten Vorschriften oder Regeln, auBerdem ist schwer abzusehen, was die Partner in den anderen Landem tatsachlich an Informationen liefem. Die Teilnehmer lemen also gezwungenermaBen, dass bei unvollstandigen oder fragwiirdigen Informationen auf der Basis von Annahmen weitergear-
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Siegfried Augustin und Solveig Hofer
beitet werden muss; nicht nur in der Fallstudie, auch in der Realitat steht nicht beliebig viel Zeit zur Verfiigung. Ahnliches gilt fiir die Plausibilitat des Bundelungskonzepts. Das einzige objektive Kriterium fiir die Qualitat des Ergebnisses ist die Zielerrichtung, deren MaB aufgrund der vorgestellten realen „Musterlosung" abgeschatzt werden kann, sowohl aus logistischem als auch aus interkulturellem Blickwinkel. Durch die von den Gruppensprechem coram publico vorgenommene Auswahl der besten Alternative werden die jeweiligen Einzeluberlegungen fiir alle reflektiert. In der anschlieBenden Entwicklung eines Implementierungskonzepts mtissen die Teilnehmer ihre Kenntnisse des Projektmanagements mit den logistischen und interkulturellen Inhalten verbinden und zu einem in sich geschlossenen und machbaren Ganzen, einem Implementierungsprojekt, formen. Hier gewinnt erfahrungsgemaB die an sich trockene Materie des Projektmanagements einen besonderen Grad von Unmittelbarkeit, vor allem wegen der stark interkulturell beeinflussten Entscheidungen liber Projektorganisation, funktionale und natiirliche Teamrollen und Projektteamzusammensetzung. In einer weiteren Ausbaustufe der Fallstudie ist vorgesehen, im Zusammenhang mit dem Implementierungskonzept das Thema der natlirlichen Teamrollen (nach Belbin) zu vertiefen und den Studierenden entweder einen fiktiven Pool an moglichen Projektmitarbeitem aus den beteiligten Landem mit den jeweiligen Personlichkeitscharakteristika zur Verfiigung zu stellen, aus dem dann das Projektteam zu rekrutieren ist, oder die Studierenden selbst als einen solchen Pool zu deklarieren. Dabei wiirde in der Regel zwar der interkulturelle Aspekt vemachlassigt, die Reflexion der eigenen spezifischen Teamrolle in der Projektarbeit jedoch vertieft werden. Insgesamt zeigen die bisher gewonnenen Erfahrungen mit der geschilderten Fallstudie zur Distributionslogistik, dass nicht nur die Lemziele und ihre flankierenden Ziele erreicht werden, sondem dariiber hinaus der interdisziplinare Charakter der modemen Logistik erfahrbar gemacht werden kann.
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Teil II
Ausgewahlte Best-Practice-Beispiele fiir eine zeitgemaUe Logistikausbildung an Hochschulen und in der Unternehmenspraxis
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Innovative Lehrmethoden in der universitaren und auBeruniversitaren logistischen Aus- und Weiterbildung Michael Schenk, Tobias Reggelin undKatja Barfus
Planspiele, Lahore, Demotools, Case Studies und andere Altemativen zur klassischen Lehrmethode des Frontalvortrages nehmen einen immer bedeutenderen Platz innerhalb der Curricula universitarer und auBeruniversitarer Aus- und WeiterbildungsmaBnahmen ein. Das hat seinen guten Grund und Uegt in der Art der Wissensvermittlung und dem daraus resultierenden Lemerfolg begriindet. Es wird davon ausgegangen, dass nur ca. 20% der gehorten aber bis zu 80% der erlebten Leminhalte verstanden und langfristig behalten werden (siehe Abb. 8.1).
Abbildung 8.1: Zusammenhang zwischen Art der Lerninhaltevermittlung und Grad des Verstehens fWojanowski u. Schenk 2004)
In diesem Abschnitt wird der Einsatz logistischer Planspiele und des LogMotionLabs (RFID-Labor) in der universitaren und auBeruniversitaren logistischen Aus- und Weiterbildung in Zusammenarbeit von Fraunhofer IFF und dem Lehr-
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Michael Schenk, Tobias Reggelin und Katja Barfus
stuhl fiir Logistische Systeme der Otto-von-Guericke Universitat Magdeburg vorgestellt.
8.1 8.1.1
Planspiele Wanim Planspiele?
Wie schon in der Einleitung erwahnt, besteht der Vorteil des Planspieleinsatzes in der Art der Wissensvermittlung. Dadurch, dass die Leminhalte aktiv wahrend des Planspiels erlebt und erarbeitet werden, ist der Lemerfolg wesentlich hoher als beim klassischen Frontalunterricht. Planspiele haben aber noch eine Reihe weiterer Vorteile. Im Gegensatz zum Einsatz von Fallstudien, wo Losungsoptionen vorgeschlagen werden, ohne dass sie umgesetzt werden miissen, mtissen die im Planspiel von den Mitspielem vorgeschlagenen VerbesserungsmaBnahmen in das im Planspiel dargestellte logistische System integriert und implementiert werden. Die Teilnehmer eines Planspieles tragen somit Verantwortung fur die Umsetzung ihrer Entscheidungen. Von Vorteil ist auch die Moglichkeit, verschiedene Szenarien simulieren und Entscheidungen testen zu konnen, ohne dass die Spieler die gleichen Konsequenzen wie im „richtigen Geschaftsleben" tragen miissen. Wenn das im Planspiel dargestellte Untemehmen Verluste macht oder Kunden verliert, so sieht der Spieler zwar die Auswirkungen seines Handelns muss, aber nicht die harten Konsequenzen der realen Welt tragen (vgl. Graf 1992). Ein Hauptanliegen von Planspielen ist die Vermittlung grundlegender und typischer Prozesse, Herausforderungen und Zusammenhange im jeweiligen Wissensgebiet. Planspiele konnen weiterhin Herangehensweisen, Konzepte und Methoden fiir diese Herausforderungen demonstrieren. Sie sind dadurch in der Lage, Akzeptanzbarrieren auf Mitarbeiterebene zu durchbrechen. Nicht vergessen werden sollten wichtige Eigenschaften, wie z. B. Problemlosungskompetenz und Teamfahigkeit, die mit Hilfe von Planspielen trainiert werden.
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Innovative Lehrmethoden in der logistischen Aus- und Weiterbildung
8.1.2
Planspiele am Fraunhofer IFF und an der Otto-von-Guericke- Universitdt Magdeburg
Planspielarten Grundsatzlich kann zwischen haptischen und computerbasierten Planspielen unterschieden werden.
Haptisches Planspiel Vorteile
Hohe Flexibilitat in Bezug auf - Eingriffsmoglichkeiten des Planspielmoderators - Spielgestaltung Anschauliche Sicht auf das dargestellte System (Vogelperspektive) -> Alle Prozesse fur Spieler nachvollziehbar -^ Auswirkungen der einzelnen Handlungen auf das System sichtbar
Computersimulation Lange Zeitraume simulierbar •^ Langfristige Auswirkung von Entscheidungen besser darstellbar GroBe Komplexitat darstellbar -^ Realitatsnahe Abbildung -> Fiir Simulation von konkreten Untemehmen nutzbar
Hohe Interaktion der Teilnehmer Nachteile
Keine langeren Zeitraume simulierbar -> z.B. Darstellung von Ersatzteilen mit langer Lebensdauer problematisch
Fehlende Transparenz ^ "BlackBox"Gefahr Geringe Flexibilitat
Komplexitat relativ gering Abbildung 8.2: Haptisches Planspiel vs. Computersimulation (Reggelin 2003)
Diese beiden Varianten unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der beiden Dimensionen Flexibilitat und Komplexitat, die ein wichtiges Merkmal zur Klas-
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Michael Schenk, Tobias Reggelin und Katja Barfus
sifikation von Planspielen darstellen (Wojanowski 2002). Flexibilitat bezieht sich auf die Veranderungsmoglichkeiten des Planspielmodells, den Planspielablauf und die Eingriffsmoglichkeiten des Planspielmoderators. Mit einer hohen Komplexitat kann eine groBe Realitatsnahe erzeugt werden. Auf der anderen Seite wirkt sich eine hohe Komplexitat aber schlecht auf die Transparenz und den Lemerfolg aus (vgl. Hoegsdal 1992). In einer Computersimulation lasst sich eine hohe Komplexitat erreichen, die Flexibilitat hingegen ist stark eingeschrankt. Die Komplexitat, die in einem haptischen Planspiel erreicht werden kann, ist deutlich geringer als in einer Computersimulation. Dagegen ist die Flexibilitat eines haptischen Spiels wesentlich hoher als die einer Computersimulation. Abbildung 8.2 stellt die wichtigsten Unterschiede zwischen einem haptischen Planspiel und einer Computersimulation dar. Das Fraunhofer IFF in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl fiir Logistische Systeme der Otto-von-Guericke-Universitat Magdeburg setzt vorwiegend auf haptische Planspiele, da sich bei ihnen ein hoherer Lemerfolg als bei Computersimulationen einstellt und sie flexibler sind. Abhangig von den Lemzielen und der Zielgruppe kann jedoch auch die Nutzung einer Computersimulation - entweder allein oder in Kombination mit einem haptischen Planspiel - sinnvoll sein.
Planspieleinsatz Planspiele eignen sich sowohl im universitaren als auch auBeruniversitaren Bereich sehr gut als Bereicherung der logistischen Aus- und Weiterbildung. Sie konnen z. B. erganzend als Seminar im Rahmen einer Lehrveranstaltung an der Universitat angeboten werden. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Mitarbeiterweiterbildung in Untemehmen, wo Planspiele oft ein belebendes Element von Seminaren sind. Ein drittes Einsatzgebiet sind Beratungsprojekte im Bereich des Reengineering. Dort konnen mit Hilfe von Planspielen Akzeptanzbarrieren und Vorurteile gegentiber Veranderungsprozessen auf der Mitarbeiterebene abgebaut werden. Damit ein Veranderungsprozess akzeptiert wird, muss er durchlebt werden. Daftir ist es wichtig, dass im Seminar kein vorgedachtes Wissen prasentiert wird, sondem dass die Losungen durch die Teilnehmer selbstandig erarbeitet und umgesetzt werden. Das kann der Einsatz eines Planspiels gewahrleisten (Wojanowski 1998).
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Innovative Lehrmethoden in der logistischen Aus- und Weiterbildung
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Fraunhofer IFF und Otto-von-Guericke-Universitat haben sowohl in nationalen als auch in intemationalen Projekten bisher sehr gute Erfahrungen mit dem Einsatz von Planspielen in den oben genannten Einsatzbereichen gemacht.
Planspielentwicklung Die Idee fur ein Planspiel entsteht meist aus Industrieprojekten heraus. Das stellt sicher, dass wirkliche Problemstellungen der Praxis behandelt werden. Somit erhoht sich auch die Glaubwtirdigkeit und Akzeptanz besonders beim Einsatz des Planspiels in der Mitarbeiteraus- und weiterbildung von Untemehmen.
Planspielaufbau Die Planspiele, die am Fraunhofer IFF und an der Otto-von-GuerickeUniversitat genutzt werden, sind durch ihren modularen Aufbau charakterisiert. Kemelemente eines jeden Planspiels sind Arbeitsstationen mit Arbeitsanweisungen, Transportscheiben fur Material- und Informationsfliisse und ein Produkt, was selbst wiederum modular aufgebaut ist (siehe Abb, 8.3). Wird die Fabrik als System betrachtet (vgl. Wirth u. Schenk 2004), so lassen sich mit Hilfe dieser Kemelemente Untemehmen bzw. Untemehmensbereiche und ihre Beziehungen untereinander und zur Umwelt darstellen. Der modulare Aufbau macht das Planspiel flexibel und ermoglicht eine problemlose Anpassung des Spiels an die Zielgmppe und Lemziele der Logistikaus- und -weiterbildung (vgl. Wojanowski u. Schenk 2003). Abbildung 8.3 zeigt ein Planspielseminar mit SILKE-Masterfoods. Hier wurde das SCM Planspiel SILKE an die Supply Chain von Masterfoods angepasst, was durch den modularen Aufbau moglich war.
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Michael Schenk, Tobias Reggelin und Katja Barfus
Abbildung 8.3: Beispiel fur den modularen Aufbau eines Planspiels
Abbildung 8.4: Individuell angepasstes SCM-Seminar mit SILKE-Masterfoods (Schenk u. Wojanowski 2004)
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Innovative Lehrmethoden in der logistischen Aus- und Weiterbildung
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Planspielablauf Der typische Ablauf des Wissenstransfers und der Wissensentwicklung wahrend eines Planspiels ist in Abb. 8.4 dargestellt. Im Anschluss an eine Ausgangssituation, die im Regelfall schlecht ist und z. B. angelehnt sein kann an reale Probleme in dem Untemehmen, wo das Spiel eingesetzt wird, erfolgt das Spielen einer Planspielrunde. Daran schlieBt sich die Analyse der gespielten Runde und die Auswahl und Implementierung von VerbesserungsmaBnahmen an (siehe Abb. 8.5). Bei diesen beiden Schritten ist ein Vorgehen analog zum Systems Engineering (Haberfellner et al. 1997) sehr hilfreich.
Abbildung 8.5: Typischer Verlaufdes Wissenstransfers und der Wissensentwicklung wahrend eines Planspiels (Reggelin 2003)
Abbildung 8.6: Analyse der Planspielrunde und Erarbeitung von Verbesserungsmafinahmen
Die Starke des vorgeschlagenen Spielablaufs liegt darin, dass die Spieler sich das Wissen selbstandig erarbeiten. Sie sind nicht langer Wissenskonsumenten
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sondem Wissensproduzenten. Dieses autonom erarbeitete Wissen wird glaubwlirdiger eingeschatzt und besser akzeptiert als frontal vorgetragene Leminhalte. Dadurch, dass die Planspielmodelle aufgrund ihrer Vereinfachung nicht alle Zusammenhange und alles Wissen vermitteln konnen, bietet sich ein Abwechseln von Theorie- und Planspielsequenzen wahrend eines Seminars an. Passive Wissensvermittlung wird somit sinnvoll durch aktive Wissensentwicklung erganzt.
Aktuelle Planspiele Zurzeit verwenden das Fraunhofer IFF und die Otto-von-Guericke-Universitat folgende Planspiele in der logistischen Aus- und Weiterbildung: SILKE - Steuerung integrierter Logistikketten •
Supply Chain Management - Pitfalls and Opportunities
•
Logistische Regelkreise in langen Lieferketten richtig einflihren
ULF - Untemehmen logistikgerecht fiihren •
Prozessorientierung: Potenziale und Wege zur Umsetzung
•
Von der funktional- zur prozessorientierten Untemehmung den Lemprozess der Mitarbeiter beschleunigen
TOP - Transponder optimieren Prozesse •
RFID - Methode, Anwendung, Nutzen
•
Dezentrale Regelkreise fiir ganzheitliches Prozessmanagement im Produktlebenszyklus
ELISE - Effiziente Logistik fiir individuelle Serienerzeugnisse •
Mass Customization - die strategische Alternative
•
Kundenbindung und inharente Produktvarianten logistikgerecht managen
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Innovative Lehrmethoden in der logistischen Aus- und Weiterbildung
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GINGER - Ganzheitliches Management von Instandhaltung und Ersatzteillogistik (Ziems et al. 2004) •
Zusammenhange und Abhangigkeiten zwischen Instandhaltung und Ersatzteillogistik erkennen und verstehen
•
Instandhaltungs- und Ersatzteillogistikstrategien richtig anwenden
KEPO - Kurier-, Express- und Paketdienste optimieren •
Typische Prozesse und Zusammenhange bei KEP-Dienstleistungen erkennen und verstehen
•
Verbessem der Logistikflusse durch eine ganzheitliche Betrachtung
8.2 Das LogMotionLab Mobile Computing Technologien werden in den kommenden Jahren fiir eine hohere Produktivitat der Logistikprozesse in den Untemehmen sorgen. Damit wird es zukunftig noch besser moglich sein, Logistikprozesse zu monitoren, zu analysieren und zu steuem, Bestande und Ressourcen kontinuierlicher zu managen und Zustande von Giitem, Werkzeugen und Einrichtungen zu tiberwachen (Jahn et al. 2004). Das LogMotionLab ist ein Test- und Entwicklungslabor fur RFID-Technologien (Radio Frequency Identification), welches der Industrie und Dienstleistem, aber auch fiir Forschung und Lehre eine optimale Testumgebung zur Verfiigung stellt. Es umfasst: •
neueste Technologien zur Identifikation und Ortung logistischer Objekte im Indoor- und Outdoorbereich,
•
Demonstratoren zur Veranschaulichung typischer RFID-Szenarien,
•
mobile Umgebungen fiir den Einsatz beim Kunden und
•
zahlreiche Webservices zur Integration extemer Zustandsdaten.
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Das LogMotionLab stellt die Infrastruktur flir Demonstratoren und IndividualLosungen bereit, mit der RFID-Vorhaben ohne groBe Investitionen unter Echtbedingungen entwickelt und pilotiert werden konnen. Das Fraunhofer IFF nahm am 23. Juni 2004 die erste von drei Ausbaustufen des LogMotionLab in Betrieb (siehe Abb. 8.7).
Abbildung 8.7: Technikum des Fraunhofer IFF in Magdeburg (Jahn et al 2004)
Mit dem LogMotionLab steht ein Test- und Entwicklungslabor fiir die RFIDTechnologie (Radio Frequency Identification) in Magdeburg bereit, welches der Industrie und Dienstleistem, aber auch flir Forschung und Lehre eine optimale Testumgebung zur Verfiigung stellt. Es steht eine Vielzahl unterschiedlichster aktiver und passiver RFID-Technologien zur zustandsabhangigen Erfassung, Bewertung und Steuerung logistischer Objekte (Gutereinheiten, Personen) bereit. Auf Wunsch kann der Interessent die RFID-Systeme ausleihen und bei sich testen (Jahn et al. 2004). Ziel des Labors ist es, innovative Technologien flir logistische Anwendungen zu strukturieren, zu testen und auf den Business Case anzupassen. Auf rund 1800 qm am Standort des Fraunhofer IFF fmdet der Besucher des LogMotionLab einen GroBteil dessen, was es derzeit auf dem Markt und in Entwicklung befmdlichen RFID-Technologien gibt (siehe Abb. 8.8).
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Innovative Lehrmethoden in der logistischen Aus- und Weiterbildung
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Abbildung 8.8: Die Struktur des LogMotionLab (John et al 2004) Auf zwei Materialflusssystemen konnen industrienahe Logistikprozesse abgebildet und untersucht werden (siehe Abb. 8.8). Das LogMotionLab spricht drei Interessengruppen an, die Forschung, die Lehre und die Wirtschaft. Im Mittelpunkt stehen KMU, die als Technikanbieter, Datenlieferanten und Servicedienstleister ffir das Themenfeld RFID-Logistik integrierte Losungen anbieten wollen und sich so am Markt breiter und flexibler aufstellen, oder Nutzer dieser Technologien. Fiir die Diskussion mit Partnem und Kunden werden verschiedenste Szenarien bereitgehalten.
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Michael Schenk, Tobias Reggelin und Katja Barfus
Abbildung 8.9: Materialflusssystem
(Expehmentelle
Fabrik)
Das Szenario »Einsatz von mobilen Techniken im Materialkreislauf zur Ersatzteilversorgung« fokussiert auf die • zustandsabhangige Steuerung von Teilen und Komponenten, •
Zielfuhrung einer Komponente in Abhangigkeit eines Zustandes und
•
objektintegrierte Dokumentation von Lebenslaufdaten (z. B. Anzahl der Einsatze).
Zu den Zielgruppen zahlen in diesem Fall Logistikdienstleister, Partner der Logistikkette zur Aufarbeitung von Komponenten sowie Service- und Wartungsuntemehmen. Die Angebote des LogMotionLab im Bereich der Forschung im Einzelnen sind die Entwicklung eines Kataloges von Anwendungsbedingungen fiir die Verknlipfung verschiedener Technologien (z. B. assisted GPS), die Entwicklung einer Testumgebung fur neuartige RF-Technologien (868 MHz), die Integration von Bewegungsdaten in VR-Umgebungen sowie die Integration einer Messbox. Fiir die Lehre bietet das LogMotionLab Einsatzmoglichkeiten im Rahmen von Vorlesungen und Seminaren zur Einfiihrung in die RFID-Technologie, fiir das Transponder-Planspiel TOP, in Ubungen zur Losung von Problemstellungen am praktischen Beispiel, fiir Praktika mit dem IGET (Institut fiir Grundlagen der Elektrotechnik) sowie im Laborpraktikum fiir mobile Services.
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8.3 Ausblick Die vorgestellten Lemmethoden sind zukiinftig fester Bestandteil fur kreativitatsforderliche, wandlungsfahige Arbeits-, Lem- und Lebenswelten. Der Bereich der Logistik ist dabei in einem herausragenden MaBe betroffen. Fiir die Entwicklungen in Magdeburg werden dabei folgende Probleme von besonderer Bedeutung sein: 1. 2.
3.
Technologietreiber luK wird neue Formen der proaktiven Steuerung fur die Logistik ermoglichen und fordem. Untemehmens- und brancheniibergreifende Kooperationen verlangen das Ineinandergreifen unterschiedlicher Systeme, Methoden und Werkzeuge. Interkulturelle Herausforderungen der Kommunikation werden die Logistik pragen und Einfluss auf die festzulegenden Standards besitzen.
Hierzu geeignete adaquate Lemmethoden bereitzustellen ist das Ziel der Forschungsarbeiten.
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Michael Schenk, Tobias Reggelin und Katja Barfiis
Literatur Graf J (1992) Planspiele: simulierte Realitaten fiir den Chef von morgen. ManagerSeminare Gerhard May Verlags KG, Bonn Haberfellner R, Nagel P, Becker M, Buchel A, von Massow H (1997) Systems Engineering: Methodik und Praxis. Verlag Industrielle Organisation, Zurich Hoegsdal B (1992) Die Entwicklung kundenspezifischer Planspiele. In: Graf J (Hrsg) Planspiele: simulierte Realitaten fiir den Chef von morgen. ManagerSeminare Gerhard May Verlags KG, Bonn Jahn C, Richter K, Frohlich S (2004) LogMotionLab Locate, Communicate, Accelerate. In: Logistik verbindet 2004 - Logistik-Intelligenz aus Magdeburg. IFF/IFSL, Magdeburg Ziems D, Lorenz P, Plate C, Reggelin T (2004) Planspiel zu Instandhaltung und Ersatzteillogistik unter Berticksichtigung der Spezifik asiatischer Untemehmen als Erganzung des E-Leaming Angebots des Fraunhofer IFF in Asien. In: Logistik verbindet 2004 - Logistik-Intelligenz aus Magdeburg, IFF/IFSL, Magdeburg Reggelin T (2003) Trainingssequenzen fur die Ersatzteillogistik unter Berticksichtigung der Spezifik asiatischer Untemehmen. Diplomarbeit Schenk M, Wojanowski R (2004) SILKE - SCM hautnah erleben und gestalten. In: Beckmann H (Hrsg) Supply Chain Management: Strategien und Entwicklungstendenzen in Spitzenuntemehmen. Springer, Berlin, S 123 ff Wirth S, Schenk M (2004) Fabrikplanung und Fabrikbetrieb: Methoden fur die wandlungsfahige und vemetzte Fabrik. Springer, Berlin Wojanowski R (2002) Planspiele helfen, die Welt zu begreifen. In: Festwochenschrift 2002 des Fraunhofer IFF Magdeburg Wojanowski R (1998) Flexibilisierung der Reorganisationspotentiale in einem planspielbasierenden Fabrikmodell. Diplomarbeit Wojanowski R, Schenk M (2003) Das maBgeschneiderte Planspiel (The taylored business game) - Erfahrungen und Empfehlungen bei der kundengerechten Entwicklung von Brettplanspielen zur Untemehmenslogistik. In: Blotz U (Hrsg) Planspiele in der beruflichen Bildung: Abriss zur Auswahl, Konzeptionierung und Anwendung von Planspielen. BIBB, Bonn
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Management von Speditionen „spielerisch" lernen Das Planspiel Speditionsmanagement Ingrid Gopfert undAxel Neher
9.1 Neue Anforderungen an die Logistikausbildung Die Entwicklung der Logistik in den letzten Jahren hat deutlich gemacht, dass neben der Realisierung von Logistikfunktionen wie Lagem, Transportieren und Umschlagen, die Umsetzung eines umfassenden Managementansatzes notwendig ist, um im Wettbewerb bestehen zu konnen. Diese Anforderung hat sich auch in der Logistikausbildung niederzuschlagen, wo es heute und zukiinftig zunehmend darauf ankommt, Managementfahigkeiten zu vermitteln. Dies umfasst zum einen die Fahigkeiten, Losungs- und Optimierungsansatze fiir ausgewahlte Teilprobleme erarbeiten zu konnen, zum anderen aber auch komplexe Sachverhalte in ihrer Gesamtheit analysieren und entsprechende Losung umsetzen zu konnen; und dies in einer Umgebung, die durch Teamarbeit und netzwerkartige Wettbewerbsstrukturen gepragt ist. Fur die Speditionsbranche trifft das im besonderen MaBe zu, da ihre Struktur traditionell durch kleine und mittelstandige Untemehmen gepragt wird. Durch kooperative Zusammenschltisse entstehen den Grofien der Branche vergleichbare Leistungspotentiale wie flachendeckende europaweite und weltweite Verkehrsnetze mit kurzen Laufzeiten. Das Management von Speditionsnetzwerken ist aber auch ein wichtiges Thema fiir die groBen Logistikkonzeme. Zwar verfligen diese bereits iiber ein ausgedehntes Filialnetz mit weltweitem Angebot von Verkehrsleistungen. Um jedoch zukunftsorientierte Kemkompetenzbereiche aufzubauen, sind Netzwerkarrangements, z. B. in Form der strategischen Allianz, von Vorteil. Das „Planspiel Speditionsmanagement" ist auf diese Anforderungen ausgelegt. Es ist ein computerunterstutztes Lehr- und Leminstrument, das spielerisch die Grundlagen des Managements einer modemen Spedition vermittelt. Im Sinne eines integrierten Managements sind dabei alle Managementebenen, von der normativen uber die strategische bis zur operativen Ebene mit einbezogen. Sowohl analytisches als auch vemetztes Denken ist gefordert.
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9.2 Der Spielablauf Die Spielteilnehmer werden in die Rolle eines Managers des Bereichs Sammelgutspedition eines Logistikdienstleisters versetzt, der in einem kooperativen Logistikservice-Netzwerk tatig ist (vgl. Abb. 9.1). In dieser Rolle sind sie sowohl mit der Entwicklung normativer Untemehmens- und Fiihrungsgrundsatzen betraut als auch mit der strategischen Planung und der operativen Umsetzung und Kontrolle. Dazu zahlen alle Aufgaben der Personalfiihrung, der Planung, Organisation und Kontrolle des Tagesgeschafts (Tourenplanung im Nah- und Femverkehr).
Abbildung 9.1: Spielbeginn
Insgesamt vier Spielgruppen stehen sich dabei auf einem virtuellen Speditionsmarkt gegenuber und haben sich im Wettbewerb zu behaupten. Im Unterschied zu vielen anderen Planspielen agieren die einzelnen Teams im Planspiel Speditionsmanagement nicht losgelost von einander, sondem die Aktivitaten der einzelnen Gruppen wirken sich tiber den virtuellen Markt direkt auf die anderen Spielgruppen aus. Die Spieler lemen so, nicht nur isolierte Teilbereiche zu optimieren, sondem auch die Reaktionen des Marktes mit zu beriicksichtigen.
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Das Spiel beginnt mit der Analyse der Wettbewerbssituation und der Entwicklung einer Untemehmensvision, einschlieBlich der Aufstellung untemehmenspolitischer und kultureller Leitlinien. Das unterscheidet dieses Planspiel von anderen Angeboten, die bislang auf das operative Speditionsgeschafl bzw. Management begrenzt sind. Damit wird im Spiel eine weitere Erkenntnis umgesetzt: Je dynamischer die Untemehmensumwelt, desto notwendiger wird eine aktive Zukunftsgestaltung. Solange sich Untemehmen in relativ stabiler Umwelt bewegten, was ftr Speditionen angesichts staatlicher Regulierungen und Wettbewerbsbeschrankungen besonders zutraf, batten Themen wie Untemehmensvision und Untemehmensstrategien langst nicht die Bedeutung, die ihnen heute zukommt. Durch die Vision erhalt ein Untemehmen seine „pers6nliche Identitat", womit es sich gmndlegend von aktuellen und potentiellen Wettbewerbem abheben kann. Zugleich schafft es Zeitvorteile im Wettbewerb. Die Spielgmppen tappen somit nicht in die haufig zitierte Wachstumsfalle, wenn Untemehmen zu stark den anderen Wettbewerbem nachahmen, statt mutig auf die eigenen Ideen und Starken zu setzen. Basierend auf der entwickelten Untemehmensvision sind mittels Umwelt- und Untemehmensanalysen geeignete Wettbewerbsstrategien und MaBnahmen zu planen und zu erreichende Meilensteine fur den weiteren Spielablauf zu formulieren. Die Spieler greifen dazu auf aktuelle Informationen aus Literatur oder Intemet zurtick. Dies hat den Effekt, dass zum einen die Teilnehmer sich eigenstandig uber die aktuellen Entwicklungen im Logistikmarkt informieren und zum anderen, dass das Spiel stets auf Basis aktueller Entwicklungen und Wahmehmungen in der Praxis ablauft. Die aufgestellten Plane sind neben dem Einsatz innerhalb der Gmppe auch in einer simulierten Pressekonferenz den anderen Spielteilnehmem in entsprechender Form zu prasentieren. Die Teilnehmer schulen so ihre didaktischen Fahigkeiten und lemen den Umgang mit modemen Gmppenarbeits- und Prasentationsmitteln, wie z. B. Metaplan oder Powerpoint-Prasentationen. Wie sich die einzelnen Spielgmppen organisieren, ist dabei den jeweiligen Spielgmppen uberlassen. Ob Alle an alien Entscheidungen partizipieren oder ob es eine funktionale Spezialisiemng gibt, haben die Spieler im Rahmen eines Selbstorganisationsprozesses festzulegen. Die Spieler lemen so, aktiv im Team zusammenzuarbeiten und gemeinsam zu Entscheidungen zu kommen. Eine in der Praxis alltagliche Situation, die jedoch aufgmnd interpersonaler Unterschiede oftmals nicht einfach zu handhaben ist. Sind die Spielgmppen zudem mit Spielem unterschiedlicher Nationalitaten besetzt, so gewinnt der gmppendynamische Prozess eine zusatzliche interkulturelle Dimension; ein Aspekt der im
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intemationalen Management hohe Relevanz besitzt. Die Forderung dieser gruppendynamischen Aspekte hangt dabei nicht zuletzt von der GruppengroBe ab. Als ideale GruppengroBe hat sich eine GroBe von 3 - 5 Personen bewahrt. Dies hangt aber auch mit den raumHchen Gegebenheiten zusammen. So ist jede Gruppe uber einen Computer an den virtuellen Markt angeschlossen, liber den die jeweihgen Entscheidungen eingegeben werden. Wird die GruppengroBe zu groB gewahh, konnen nicht alle Gruppenmitglieder an der Gruppenarbeit partizipieren, da sie nur eingeschrankte Sicht auf den Computer haben. Dies fiihrt zu Ausgrenzungen und Demotivation, was vermieden werden sollte. Sind Strategien, MaBnahmen und entsprechende Meilensteine formuliert, so gilt es diese nun im operativen Tagesgeschaft umzusetzen. Ausgangspunkt dazu bilden die vom virtuellen Markt generierten Transportauftrage. Fur acht feste Nahverkehrstouren und entsprechend geplante Femverkehrstouren sind eine optimale Tourenplanung durchzufiihren und die dazu notwendigen Personalressourcen zu disponieren (vgl. Abb. 9.2)
Abbildung 9.2: Operatives Tagesgeschaft
Damit ist der operative Teil der Spielperiode abgeschlossen. Eine Bilanz, GuV sowie relevante Kennzahlen werden berechnet und dienen den Spielgruppen als
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Grundlage fiir die Planung der nachsten Spielperioden. Es sind Entscheidungen iiber den Abschluss oder die Auflosung von Vertragen mit Fuhruntemehmen Oder Kooperationsspeditionen zu treffen, Personal einzustellen oder zu entlassen, preispolitische Entscheidungen zu fallen sowie die am Anfang des Spiels formulierte Gesamtstrategie durch Umsetzung geeigneter MaBnahmen (z. B. Angebot eines 24h-Services, Einfflhrung von Tracking und Tracing, Aufbau eines ControUingsystems, etc.) voranzutreiben (vgl. Abb. 9.3).
Abbildung 9.3: Managemententscheidungen
Die Gute der durchgefiihrten Tourenplanung sowie die getroffenen strategischen MaBnahmen sind entscheidend fiir die Auftragszuteilung der Transportauftrage auf die einzelnen Spielgruppen in der nachsten Spielperiode. Je besser die relative Attraktivitat (Service, Preis) der einzelnen Spielgruppen ist, um so mehr Auftrage bekommen sie im Verhaltnis zu den Konkurrenten zugeteilt. Um die Marktdynamik und -komplexitat im Spiel zu simulieren, sind verschiedene „Ereignisse" in den Spielablauf programmiert. Des weiteren ist ein bestimmter Nachfrageverlauf vorgesehen, so dass die Teilnehmer im Laufe der ca. 8-10 zu spielenden Perioden mit kritischen Situationen und unvorhergesehenen
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Ereignissen (wie z. B. der Ausfall eines Frachtfuhrers oder ein konjunkturell bedingter Nachfrageeinbruch) umzugehen lemen. Nach der vierten Spielperiode ist eine erste Oberprtifung der gesetzten Meilensteine durchzufiihren. Die bis dahin erbrachten Leistungen sind mit Hilfe von Soll/Ist-Vergleichen und Abweichungsanalysen kritisch zu durchleuchten. Es sind ggf. eine Anpassung der zu Anfang geplanten Strategien vorzunehmen und flir die weiteren Spielperioden Meilensteine zu formulieren. Vergleichbar der simulierten Pressekonferenz zu Beginn des Spiels sind auch diese Ergebnisse zu prasentieren. Das Spiel wird mit einer Analyse des Gesamtspielverlaufs aus Sicht der jeweiligen Gruppen abgeschlossen. Es werden dadurch die Zusammenhange zwischen den gewahlten Strategien und MaBnahmen mit den daraus resultierenden Ergebnissen auf dem virtuellen Markt noch einmal deutlich herausgearbeitet und so den Teilnehmem ein Erfahrungswissen mit auf den Weg gegeben, das sie sonst nur durch jahrelange Praxistatigkeit erwerben konnten.
9.3 Fazit Das Planspiel Speditionsmanagement ermoglicht es, die komplexen Zusammenhange des Managements einer Sammelgutspedition spielerisch zu vermitteln. Die Spieler konnen „folgenlos'' in die Welt eines Managers einer Spedition eintauchen und sich im Sinne eines learning by doing mit dessen Aufgabenbereich vertraut machen. Dabei wird sowohl analytisches und vemetztes Denken als auch Teamwork und soziale Kompetenz geschult. Die Spieler lemen relevante Finanz- und Leistungskennzahlen zu interpretieren und mit den von ihnen selbst durchgefiihrten Aktivitaten in Verbindung zu bringen. Das Planspiel stellt somit eine ideale Erganzung zu den klassischen Lehrmethoden wie Vorlesungen oder Seminare dar, ermoglicht es doch das eigenstandige Anwenden erworbenen Wissens in einer quasi-realen Situation. Dadurch wird ein hoherer Motivationsgrad bei den Lemenden erreicht, der im Falle des Planspiels Speditionsmanagement durch den Wettkampfcharakter aufgrund der direkten Wettbewerbssituation nochmals erhoht wird, was zu besseren Lemerfolgen fiihrt. Die bezieht sich dabei nicht nur auf das reine Fachwissen sondem auch auf soziale Kompetenzen, was im intemationalen kooperativen Zusammenarbeiten zunehmend an Bedeutung gewinnt.
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10 ROFA-Plus - Ein simulationsunterstiitztes Planspiel zur Reorganisation von Produktionssystemen Gert Zulch undSascha Stohwasser
10.1 Vermittlung von Organisationswissen durch Planspiele Die Reorganisation von Produktions- und Logistikprozessen erfordert bei alien Beteiligten ein erweitertes Wissen iiber neue Organisationskonzepte, deren Chancen und Risiken. Neben diesem fachlichen Wissen wird von den Beteiligten bei der Umsetzung eine Arbeitsweise gefordert, die durch interdisziplinare Teamarbeit gekennzeichnet ist. Die Schaffting neuer Organisationsstrukturen in Produktion und Logistik setzt damit Wissen und Arbeitsweisen voraus, die sich u. U. gravierend von bisher Gewohntem unterscheiden, fiir den Erfolg der MaBnahmen aber mitentscheidend sind. Dem Umgestaltungsprozess muss daher ein Lemprozess vorausgehen, in dem die Basis fur den Erfolg der Reorganisationsmal3nahmen gelegt wird. Die Reorganisation von Produktionsstrukturen erweist sich dabei als ein sehr komplexes Problem, da insbesondere die logistischen Auswirkungen von UmgestaltungsmaBnahmen in der Regel nur schwer vorher bestimmbar sind. Daher werden fur derartige Planungen nicht nur im Materialflussbereich, sondem auch bei der Umstrukturierung organisatorischer Ablaufe in zunehmendem Mafie Simulationsverfahren eingesetzt. Es liegt daher nahe, auch fiir die vorgeschaltete Vermittlung des zugehorigen Organisationswissens Simulationsverfahren einzusetzen. Vor diesem Hintergrund werden bereits in einigen Untemehmen simulationsunterstiitzte Planspiele eingesetzt, die sich allerdings nur auf Teilaspekte von ReorganisationsmaBnehmen konzentrieren. Beispielsweise wird im Hause Siemens seit vielen Jahren das Planspiel FASI-Plus (Fahrradfabrik-Simulation zur Produktionsplanung und -steuerung) zur Weiterbildung von Fachleuten in Fertigungssteuerung und Disposition sowie in Auftragszentren eingesetzt. Dieses Planspiel basiert auf dem Produktionssystem-Simulator PROSIM V (Mize 1971) und wurde zwischenzeitlich in einer Kooperation zwischen Siemens und dem Institut fiir Arbeitswissenschaft und Betriebsorganisation (ifab) der Universitat Karlsruhe verbessert (Siemens 1988). Ein weiteres simulationsunterstiitztes Planspiel des ifab behandelt die Reorganisation eines komplexen Montagesys-
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Gert Ziilch und Sascha Stohwasser
terns (siehe Abb. 1) bei dem unterschiedliche Formen der Arbeitsstrukturierung auf ihre logistischen Auswirkungen bin untersucht werden konnen (Ziilch, Brinkmeier 1995). Die vorliegenden Ansatze wurden zwischenzeitlich im Rahmen eines von der Europaischen Gemeinschaft unterstlitzten Forschungsprojektes zu einem integrierten Planspiel zusammengefiihrt. Dieses Planspiel zum "Simulation Aided Management Training" (SAM) beinhaltet die Reorganisation einer Fahrradfabrik und reicht von Fragen der Optimierung der Distributionslogistik bis hin zur Planung marktorientierter Montagestrukturen. Das Planspiel bzw. Komponenten hiervon wurde bereits mehrfach in Belgien, Danemark, Spanien und Deutschland durchgefiihrt. Teilnehmer waren dabei neben wissenschaftlichen Mitarbeitem der beteiligten Universitaten sowohl Studenten als auch Fachleute aus der Industrie. < ^
Vonmontage I
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Pausenraum
Legende:
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B J Zwischenpuffer
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|_TJ Transport
Abbildung 10.1: Layout fur unterschiedliche Organ isationsformen in einer Fahrradmontage
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ROFA-Plus
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10.2 Konzeption des Planspiels ROFA-Plus Zur Unterstiitzung des komplexen Lemprozesses im Bereich der Produktionslogistik wurde daraus das Planspiel ROFA-Plus entwickelt. Es behandelt die Reorganisation einer Fahrradproduktion (Planspiel unterstiitzt durch Simulation). Die Ausgangssituation bildet eine traditionell arbeitsteilige Organisationsform, die im Rahmen des Planspiels in eine neue Arbeitsstruktur umgeplant werden soil. Die Aufgabe der Teilnehmer besteht zunachst darin, Montage- und Bestellauftrage fur die herkommliche Fahrradmontage zu simulieren. Durch Anwendung neuer Steuerungsprinzipien sowie durch produktionslogistische Benchmarking- und Controlling-Ansatze wird anschliefiend versucht, die Situation dieser Fahrradmontage zu verbessem (siehe Abb. 2).
Abbildung 10.2: Analyse der Prozesskosten in der Fahrrad-Produktion
Im Ergebnis zeigt sich dann allerdings, dass nur eine gravierende Veranderung des Ablau^rinzips die Fahrradproduktion in die Lage versetzt, den Markterfordemissen gerecht zu werden. (siehe Abb. 3). Hierfiir werden neue Strukturen geplant (z. B. nach dem Outsourcing-Ansatz) und anhand eines reprasentativen Montageprogramms mit Hilfe des Simulationsverfahrens FEMOS (Ztilch, Grobel 1990; Ztilch 1993) simuliert und anhand bekannter Verfahren der Wirt-
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schaftlichkeitsrechnung und Nutzwertanalyse (Grob, Haffner 1982; Grob 1983) bewertet. Die daraus resultierende Reorganisationslosung wird anschlieBend iiber mehrere Perioden hinweg im Simulationsmodell betrieben, um daraus Rtickschliisse auf ihre Bewahrung in der konkreten Produktionssituation zu gewinnen. Dieses Planspiel deckt somit Aspekte der Produktionsplanung und -steuerung, des Produktionscontrollings und Benchmarkings sowie der Reorganisation von Arbeitsstrukturen ab. Im Vordergrund steht hierbei die Leitfrage: Wie kann ein Produktionsuntemehmen auch zukunftig noch wettbewerbsfahig sein? Lenkstange I Griffe r \ Klingelr Bremsgriffe \ Speichen ^ : Nabe f I Freilauf^ I FelgeH Reifen ^ Speichen ^ Nabe > i Felge Reifen '^
\ Rahmen is. ; Sattel ^ :Gabel Licht ^
I
I = Eigenfertigungsteil
Abbildung 10.3: Outsourcing von Fahrrad-Baugruppen
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10.3 Ablauf des Planspiels Das Planspiel enthalt im Wesentlichen vier Module: •
Steuerung der traditionell, arbeitsteilig organisierten Fabrik (2 bis 3 Simulationsperioden),
•
Controlling und Benchmarking (Entwicklung von Reorganisationsansatzen),
•
Reorganisation der Produktion (Umstrukturierung in ca. 2 Stufen),
•
Steuerung der reorganisierten Fabrik (tiber ca. 2 Simulationsperioden).
Das Planspiel erstreckt sich insgesamt tiber 5 Tage, wobei eine Blockveranstaltung Oder altemativ dazu 2 Veranstaltungen mit jeweils 3 Tagen moglich ist. Zur Durchfiihrung des Planspiels werden die Teilnehmer in Teams mit i. d. R. 5 Personen aufgeteilt. Jedes Team steuert und plant dabei seine eigene Fabrik. Als Obergrenze wird von 25 Teilnehmem ausgegangen. Innerhalb des Teams lassen sich Rollen fur die Teilnehmer defmieren. Die zu erledigenden Aufgaben beinhalten Probleme aus Vertrieb, Auftragszentrum, Beschaffung, Arbeitsplanung, Fertigungssteuerung, Produktionsleitung, Qualitatssicherung, Rechnungswesen/Controlling usw. Die Zielgruppe der Teilnehmer ist somit auch auf Fachverantwortliche aus diesem Bereich konzentriert.
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Literatur Grob, R., Erweiterte Wirtschaftlichkeits- und Nutzenrechnung, Koln, 1983 Grob, R. und Haffner H., Planungsleitlinien Arbeitsstrukturierung, Berlin, Munchen, 1982 Mize, J. H., PROSIM V Administrators Manual: Production System Simulator, NJ, 1971 Ziilch, G., Simulation aufbauorganisatorischer Veranderungen in Produktionsuntemehmen, in: Information Management, 8(1993)3, S. 24-29 Ziilch, G. und Brinkmeyer B., Simulation Aided Planning of Work Structures, in: Simulation Games and Learning in Production Management, Hrsg. RIIS. J.O., 1995, S. 91-104 Zulch, G. Grobel, T., Analyse von Produktionssystemen mit Hilfe der Simulation, in: VDI-Zeitschrift, 132(1990)10, S 176-182
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11 Einsatz von Simulationswerkzeugen in der Lehre am Beispiel von ARIS August-Wilhelm Scheer und Guido Grohmann
11.1 Einleitung Werkzeuge zur Simulation von Untemehmensablaufen werden heute nicht mehr ausschlieBlich als valide Moglichkeit flir Praxis und Forschung verstanden, im risikofreien Kontext betriebliche Situationen ex ante zu analysieren. Auch in der Lehre und Weiterbildung werden Simulationswerkzeuge als wesentlicher Bestandteil explorativer Lemprozesse gesehen, mit deren Hilfe es iiber die klassischen, frontal orientierten Lemmethoden hinaus gelingen kann, den Studierenden und Lemenden Problemlosungskompetenzen zu vermitteln, die im heutigen schwer vorhersagbaren und komplexen Umfeld unerlassliche Managementkompetenz sind. Vermehrt werden hierbei auch tatsachliche Anwendungen aus dem untemehmerischen Umfeld eingesetzt. Im Bereich des Geschaftsprozessmanagement halt das ARIS Toolset Werkzeuge zur Modellierung, Optimierung, aber auch zur Simulation von Geschaftsprozessen bereit. Ihr Einsatz in der Lehre wird im Rahmen dieses Artikels beschrieben.
11.2 Einsatz computergestutzter Simulation in der Lehre Der Begriff Simulation bezeichnet ein Modell eines (dynamischen) realen Systems [1]. Im Kontext des computeruntersttitzten Unterrichts sind Simulationen Soflwareanwendungen, bei denen die Hauptmerkmale eines Phanomens oder Systems am Bildschirm nachgestellt werden, damit der Lemende entdecken kann, wie jedes Merkmal das Verhalten des Phanomens oder Systems als Ganzes mitbestimmt [2]. Neben den bekannten Moglichkeiten, die Kontrolle iiber komplexe Systeme unter extremen Bedingungen zu erlemen und zu uben (z. B. Flugzeugsimulatoren) ist die Simulation von Experimenten insbesondere in Verbindung mit den neuen Moglichkeiten des elektronischen Lemens tiber Internet (ELeaming) interessant.
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Software-basierte Simulationen in der Lehre gehoren zu den Programmen des explorativen Lemens und haben den Vorteil, nicht fiir eine bestimmte Altersgruppe bestimmt zu sein, die liber bestimmte Vorkenntnisse verfiigen muss. Somit haben diese Arten von Programmen die Moglichkeit, nicht nur bestimmte Usergruppen (z. B. verschiedene Altersgruppen) anzusprechen. Programme wie LOGO Oder das Simulationsspiel SIMCITY konnen das Interesse sowohl der Kleinsten, als auch von Teenagem und sogar Hochschulstudenten weaken. Komplexe Zusammenhange werden in realistischer Form abgebildet. Entsprechende Demonstrationen bzw. Veranschaulichungen dienen der Einfiihrung in die Handhabung technischer Systeme. Aufgrund der ReaHtatsnahe und der unmittelbaren Reaktion des Systems auf die Aktionen der Lemenden, ist der motivierende Aspekt dieser Form der Lemumgebung sehr groB. Die interaktive Funktion dieses Systems besteht in der Unterstiitzung der Lemenden bei der Analyse des Lemstoffs und der Selbststeuerung des Lemwegs. Durch Anderung der Parameter oder durch Entscheidungen konnen Effekte ausgelost werden, die Aufschlusse tiber die Beziehungen und Funktionen der einzelnen Faktoren geben und somit einen Lemeffekt erzeugen[3, 4]. Zu jeder effizienten Gestaltung von Simulationen gehoren folgende Elemente [5]: •
•
•
Das Szenario der Simulation. Festzulegen ist, was passiert, wo es geschieht, welche Charaktere involviert sind, welche Gegenstande vorkommen und welche Rolle der Lemende einnimmt. Das zugrunde liegende Modell. Meist ist damit ein mathematisches Modell gemeint, das von Experten entwickelt wird und die grundlegenden Beziehungen und die manipulierten Parameter festlegt. Die instruktionale Strategic. Mit der Strategic wird bestimmt, wie die Adressaten lemen sollen [6].
Der Lemende kann in einer Simulation durch die Eingabe bzw. die Manipulation unterschiedlicher Parameter Wirkzusammenhange in einem System virtuell erkunden, auch in solchen Bereichen, in denen reale Experimente gar nicht oder nicht in der verfligbaren Zeit durchgefiihrt werden konnen [7]. Dabei konnen Simulationen in der Lehre in folgende Kategorien unterteilt werden [8]: • • •
Software-Simulationen (IT und Softwareanwendungen); Business-Simulationen zum Training von Management Skills und zur Untemehmensfiihmng, Verfahren zum Rechnungswesen; Situative Simulationen fiir zwischenmenschliche Skills, Softskills, Kommunikation;
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Einsatz von Simulationswerkzeugen in der Lehre am Beispiel von ARIS
• • •
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Technische Simulationen flir physikalische Systeme, Maschinen; Prozedurale Simulationen fiir das Training von Step-by-Step Verfahren; Virtuelle Welten zur Lehre durch den Nachbau einer realen Umgebung wie bspw. einem Arbeitsplatz.
Die Steuerung bzw. Regelung von Systemen ist ein Standardfall hoher Interaktivitat bei Simulationen und Lemspielen. Aus didaktischer Sicht sollte moglichst erkennbar werden, welche Wechselwirkungen von Bedingungen den entsprechenden Effekt bewirkt hat. Geeignet dazu sind insbesondere spezielle Diagramme, die den Einfluss der Eingabe erlautem [9]. Ein didaktisch weitergehender Ansatz besteht darin, die Lemenden selbst Simulationsmodelle erstellen zu lassen. Entsprechende Versuche untemahmen Hillen et al. [10]. Insbesondere in der akademischen Lehre und Weiterbildung im Bereich der Untemehmensfuhrung konnen beispielsweise explorative Simulationsszenarien zur Entscheidungsfmdung und Reaktion auf Geschaftsereignisse von Interesse sein. In der Managementlehre kommt Simulationssoftware vor allem bei nordamerikanischen Universitaten zum Einsatz. Hierbei wird auch auf kommerzielle Software wie beispielsweise das Simulationsspiel Capitalism der Firma Enlight zunickgegriffen [11], das in Wirtschaftsvorlesungen der Business Schools in Stanford und Harvard zum Einsatz kommt. Hier wird den Studenten auf spielerische Art und Weise der strenge Alltag bei der Vermarktung von Produkten naher gebracht.
11.3 Simulation von Geschaftsprozessen mit ARIS Wollen Untemehmen konkurrenzfahig sein, miissen sie vor dem Hintergrund zunehmender Globalisierung, wachsenden Konkurrenzdrucks und neuer Trends wie z. B. E-Business und E-Commerce ihre Geschaftsprozesse den sich wandelnden Rahmenbedingungen anpassen [12]. Die Sicherung der Produktqualitat, die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit sowie schnelles und flexibles Reagieren auf Marktveranderungen sind heute mehr denn je wesentliche Faktoren ftir den Erfolg eines Untemehmens. Die Umsetzung dieser Ziele setzt voraus, dass die vorhandenen Strukturen und Ablaufe erfasst, analysiert und optimiert werden. Der Einsatz von grafischen Geschaftsprozessmodellen und entsprechenden rechnergestutzten Werkzeugen ftir die Modellierung und Analyse erscheint zur Bewaltigung dieser Anforderungen besonders nutzlich [13]. Hier bieten Geschafts-
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prozessmodellierungswerkzeuge wie z. B. das ARIS Toolset eine wichtige Unterstlitzung, sowohl flir die Analyse von 1ST- als auch den Entwurf von SOLLProzessen. Um das dynamische Zusammenspiel von verschiedenen Prozessen besser beurteilen zu konnen, bietet die Komponente ARIS Simulation zahlreiche Analysemoglichkeiten (vgl. Abbildung 11.1). Mit ihrer Hilfe wird die wirklichkeitsgetreue Simulation von Geschaftsprozessen mit Hilfe simulierter Prozesskennzahlen ermoglicht, wodurch sich die E-Business-Prozesse eines Untemehmens in ihrem dynamischen Zusammenspiel schon vor ihrer Implementierung analysieren und optimieren lassen. Dies ermoglicht ein Benchmarking flir die schnelle Ermittlung von „best-practice-Losungen" [14]. ARIS Simulation ist dabei voll in das ARIS Toolset integriert, so dass die im ARIS Toolset erfassten Prozesse als Datengrundlage flir die Simulation von Geschaftsprozessen dienen. Die Simulation von Geschaftsprozessen liefert Informationen iiber die Ablauffahigkeit von Prozessen, iiber Prozessschwachstellen und Ressourcenengpasse. Auf Basis der simulierten Prozesskennzahlen konnen bereits im Vorfeld kostenintensiver Prozessanderungen innerhalb eines Untemehmens verschiedene Altemativen bewertet und ein realitatsgetreues Benchmarking durchgefuhrt werden.
Abbildung
11.1: ARIS Simulation
[15]
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Einsatz von Simulationswerkzeugen in der Lehre am Beispiel von ARIS
Modelle aus dem ARIS Toolset konnen auch in andere Softwareprogramme importiert werden, die eine Simulation von Geschaftsprozessen ermoglichen. Zu nennen sind hier beispielsweise eM-Plant und iGrafx Process. Mit Hilfe von Simulationsstudien werden planmaBig mehrere Ausfiihrungsalternativen generiert, bewertet und analysiert, um daraus einen moglichst optimalen Geschaftsprozess zu gestalten. Bei der What-If-Simulation werden einzelne Gestaltungsaltemativen definiert und bewertet. Hierzu sind keine besonderen methodischen Erweiterungen des Geschaftsprozessmodells erforderlich. Das bewertete, bereits bekannte Prozessmodell dient als Simulationsgrundlage. Bei der dynamischen Simulation werden dagegen die Prozessaltemativen in ihrem dynamischen Verhalten betrachtet. GemaB dem defmierten Prozessmodell werden einzelne Ablaufe von einem Simulationsgenerator erzeugt und in ihrer Bearbeitung verfolgt. Die Ablaufe werden also auf der Instanzenebene defmiert und in ihrem Zusammenwirken analysiert, um z. B. Wartesituationen vor Bearbeitungsstationen zu erkennen (vgl. Abbildung 11.2).
Jahres1 arbeitsplan 1
^^"^"""^ Zyklus Mo-Fr
1 Intervall 1 Samstag 1 9:00-15:00 |
1 Zyklus Ferlenzeit
1 1
1 Intervall 1 Mo-Fr: 1 8:00-12:00 |
Intervall 1 Mo - Fr: 1 13:00-17:00 1
1
1 1
^•"T^"^
Inten^all 1 Mo-Fr: 1 DienstbeginnJ
Abbildung 11.2: Prozessinstanziierungsmodell [16] Dabei konnen bei den zu analysierenden Prozessaltemativen unterschiedliche Prozessstrukturen, Prozesse mit unterschiedlichen Funktionszeiten und unterschiedliches Bearbeitungsverhalten der beteiligten Organisationseinheiten definiert werden. Die Altemativen werden anhand empirischer Untersuchungen einzeln vorgegeben oder iiber statistische Verteilungen tiber Zufallszahlengeneratoren automatisch generiert. Simulationsstudien uber die beste Gestaltung von Geschaftsprozessen sind seit langem bei Ablaufuntersuchungen in der Fertigung bekannt, z. B. zur Ermittlung glinstiger Prioritatsregeln zu heuristischen Ablaufsteuerung [17] oder zur Unter-
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stiitzung der Layout-Planung von Industriebetrieben. Bei Biiro-Prozessen sind dagegen umfassende dynamische Simulationsstudien noch weniger verbreitet. Durch die steigende Bedeutung der Optimierung der Verwaltungs- und Dienstleistungsprozesse wachst aber ihr Einsatz [18].
11.4 Beispiele zum Einsatz von ARIS Geschaftsprozesssimulationen in der Lehre Wie in Abschnitt 11.2 beschrieben, entwickeln sich viele Ansatze zum Lemen mit Modellierungsprogrammen und Simulationen aus dem explorativen Lernen[19], mit dessen Hilfe Lemenden Problemlosungskompetenzen vermittelt werden soUen, welche insbesondere in der Ausbildung von Fiihrungskraften mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Durch die Moglichkeit zum Einsatz von Simulationswerkzeugen im Rahmen von E-Leaming werden solche Anwendungen im akademischen und untemehmerischen Umfeld immer mehr in den Unterricht integriert. Seit 1995 befasst sich das Institut fiir Wirtschaftsinformatik (IWi) an der Universitat des Saarlandes mit der E-Leaming-basierten Aufbereitung von Lehrund Lemmaterialien zur zielgerichteten Untersttitzung von Prasenzveranstaltungen. Mit dem Projekt „Lehre 2000 - Lemen auf dem Information Highway" wurde erstmalig im Sommersemester 1996 ein virtuelles Studienangebot im World Wide Web platziert [20]. Die Ideen und Erkenntnisse aus Lehre 2000 nahmen direkten Einfluss auf das Forschungsprojekt „WINFOLine - Wirtschaftsinformatik-Online", das im Rahmen der BIG-Initiative in den Jahren 1997 bis 2000, sowie vom Bundesministerium fiir Bildung und Forschung in den Jahren 2001 bis 2003 gefordert wurde [21]. Die primare Zielsetzung von WINFOLine besteht in der Schaffung einer interuniversitaren und virtuell-organisierten Lemwelt fiir das Studienfach Wirtschaftsinformatik, die in Zusammenarbeit mit den Lehrstiihlen fiir Wirtschaftsinformatik der Universitaten Gottingen, Kassel und Leipzig realisiert und in die jeweilige Vor-Ort-Lehre integriert wird. Jeder Projektpartner entwickelt multimediale Bildungsprodukte - so genannte Web-based-Trainings (WBT) - mitsamt begleitender Services, wie Studienberatung und Studentenbetreuung zur Administration von virtuellen Lehr-/Lemprozessen. Der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie (luK-Technologie) ermoglicht hierbei die Kommunikation und Koordination der Aktivitaten zwischen den Kooperationspartnem, den Tutoren und/oder den Lemenden. Dariiber hinaus substituiert die
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luK-Technologie die typischen Attribute einer Prasenzuniversitat, wie Horsale Oder universitare Gremien. Mit Hilfe der WBTs des Instituts fur Wirtschaftsinformatik werden die Veranstaltungen „ARIS I" und „ARIS 11", die an der Universitat des Saarlandes in Prasenz unterrichtet werden zum Einen durch umfangreiche Zusatzmaterialien und Multimedia-Anwendungen unterstiitzt, zum Anderen erhalten Studenten der WINFOLine Partneruniversitaten die Moglichkeit, die Lehrveranstaltungen online zu studieren und in ihr Studium an den Partneruniversitaten priifungswirksam einzubringen. In beiden Fallen wird mit Hilfe des Einsatzes von Animationen und Simulationen die herkommliche, frontale Vermittlung des Lehrstoffes durch multimediale Elemente aufgewertet (vgl. Abbildung 11.3).
Abbildung 11.3: Animationen zur ARIS-Lehre in WINFOLine
Die weitestgehend trockene Vermittlung akademischer Lehre wird somit zum explorativen Erlebnis. Beispielsweise konnen durch die Integration des ARIS Webdesigners Modellierungsaufgaben zur Erstellung von Ereignisgesteuerten Prozessketten oder Entity-Relationship Modellen direkt am Rechner ausgefuhrt werden (vgl. Abbildung 11.4).
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Abbildung 11.4: ARIS Web-Designer in WINFOLine [22] In den Fallstudien zur Veranstaltung ARIS II bekommen die Studenten daruber hinaus die Chance, in Gruppen Fallstudien zur Modellierung und Simulation von ARIS-Geschaftsprozessmodellen mit dem ARIS Toolset durchzufuhren. Der Einsatz von ARIS in der Saarbriicker Lehre ist kein Einzelfall. Beispielsweise wird an der Technischen Universitat Harburg ein ARIS Testat vergeben, in dessen Rahmen die Studierenden die Notwendigkeit von Geschaftsprozessmodellierung kennen lemen, die ARIS-Software bedienen und in ihr navigieren sowie Simulationsauswertungen vomehmen [23].
11.5 Ausblick Zukunftsorientiertes Lemen erfordert Leminhalte die dem Arbeitskontext entsprechen und aktive Lemformen, welche nicht nur auf faktischem Wissen sondem auf anwendbaren Wissen aufbauen. Simulationen ermoglichen die Anwendung und tJberprufung theoretischen Wissens in praktischen Lemsituationen.
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Das aktive Arbeiten mit Gegenstanden und Problemlosen hilft den Lemem ein Anwendungswissen zu erwerben, dass in praktischen Situationen genutzt werden kann. Erste Ansatze sind hierzu bei Simulationswerkzeugen die auch im professionellen Arbeitsalltag zum Einsatz kommen zu erkennen. Die rasante technische Entwicklung in der Mobilkommunikation sowie im Gebiet der BreitbandDateniibertragung sorgen fur immer groBere Nutzungs- und Einsatzmoglichkeiten von komplexen, verteilten Anwendungen. Dadurch ist auch das Gebiet der Simulation in der Lehre fiir einen breiteren Adressatenkreis von Interesse, insbesondere als ein aktuelles Forschungsgebiet im Bereich des E-Leaming beziehungsweise des so genannten Technology Enhanced Learning. So beschaftigen sich beispielsweise in europaischen Forschungsprojekten wie dem Network of Excellence PROLEARN groBe Arbeitsgruppen mit Forschem aus aller Welt mit dem Einsatz von Simulationen und Online-Experimenten in der akademischen Lehre und in der untemehmerischen Weiterbildung [24].
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12 Wie Studierende Fiihrungseigenschaften trainieren konnen: Ausbildung mit dem FTMB® Ulrike Buchholz Erlangt man im seinem Berufsleben eine Fuhrungsposition, steht man haufig trotz bester akademischer Ausbildung vor einer Situation, die zu bewaltigen trotz aller erlemter theoretischer Modelle eine besonders groBe Herausforderung vor allem im Umgang mit anderen Menschen darstellt. Jede Fiihrungskraft wird wohl in ihrer Karriere Krisen erleben, die zum Teil sehr schmerzlich sind. Wie man mit solchen Krisen umgeht, welche Eigenschaften oder Fahigkeiten man zur Bewaltigung heranziehen kann, erfahrt man aber wahrend des Studiums in der Kegel in keinem Wirtschaflsseminar. Aus diesem Grund wurde an der Fachhochschule Hannover im Studiengang PR/Offentlichkeitsarbeit mit dem FTMB®^^ ein Trainingsmodell entwickelt, mit dessen Hilfe die Studierenden konkrete Fiihrungssituationen erleben, reflektieren und situativ bewaltigen lemen. Der vorliegende Artikel soil im weiteren Verlauf deutlich machen, dass das FTMB® leicht iibertragbar auf andere Disziplinen ist. Speziell in der Logistik sind es ja ebenfalls die Menschen, die Mitarbeiter und Fiihrungskrafte, auf die es bei der Bewaltigung der anstehenden Aufgaben ankommt.
Das FTMB® -Profit Um das FTMB® konkreter fassen zu konnen, soil im Folgenden exemplarisch die konkrete Umsetzung an der Fachhochschule Hannover herangezogen werden. Neben Themen wie Kommunikationsplanung und Kommunikationsproduktion miissen PR-Experten auch iiber grundlegende Kenntnisse der Kommunikationspsychologie bzw. Sozialpsychologie, Kommunikationswissenschaft, Soziologie, Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft (insbesondere Organisationsfuhrung und Marketing) verfligen. Daruber hinaus etabliert sich in den Untemehmen inzwischen aber auch eine weitere Aufgabe, die PR-Fachleute im Berufsalltag beherr-
47 FTMB© steht fur das Fiihrungstrainingsmodell nach Buchholz
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schen miissen, wollen sie Fiihrungspositionen wahmehmen konnen: Coachen Oder Beraten des Untemehmensmanagements. Auf der einen Seite ist es Aufgabe des PR-Verantwortlichen, den Arbeit- oder Auftraggeber in alltaglichen Kommunikationssituationen zu vertreten. Auf der anderen Seite wird es aber mehr und mehr Untemehmensleitungen bewusst, dass ihre Fiihrungskrafte in bestimmten Situationen selbst die Rolle von Kommunikatoren einnehmen miissen, will das Untemehmen im Wettbewerb bestehen konnen. Erfahrungen aus zahlreichen Change Management-Projekten zeigen jedoch, dass viele kostentreibend verzogert werden oder gar Gefahr laufen zu scheitem, wenn sich das Topmanagement nicht ausreichend einbringt, wenn das mittlere Management die Prozesse nicht wirklich unterstlitzt, wenn dadurch das Prozessmanagement und die Vorteile der Veranderung unverstandlich bleiben und wenn die betroffenen Mitarbeiter aufgrund all dieser unverkennbaren Signale „von oben" ihre eigene Teilnahme verweigem. Oft stellt sich heraus, dass auf alien genannten organisatorischen Ebenen die entscheidenden Impulse gefehlt haben, die durch den emsthaften und strategischen Einsatz von Kommunikation leicht hatten herbeigefuhrt werden konnen. Doch haufig wird das mittlere Management und werden die Mitarbeiter zu spat integriert, es herrscht zu wenig Transparenz, die Informationsvermittlung ist fehlerhaft und unvollstandig. Eine wesentliche Aufgabe der Kommunikationsexperten ist es mithin, zur Steigerung der Kommunikationsleistung des Managements beizutragen. Somit gehort es zu den Aufgaben von PR-Experten, Fuhrungskrafte in ihrem kommunikativen Verhalten zu beraten, zu coachen und gegebenenfalls auch zu trainieren. Ganz allgemein ist es aber auch der Anspruch des Studiengangs, Studierende fiir die Ubemahme von Fiihrungspositionen auszubilden. Flexibilitat ist dazu wichtig, also die Fahigkeit, sich standig neuen Situationen und Herausforderungen zu stellen, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Ebenso gehort Begeisterungsfahigkeit dazu, also Menschen auch in schwierigen Situationen dazu zu bringen sich zu motivieren. Das situationsgerechte Umgehen mit eigenen Gefiihlen und denen anderer Menschen kann ebenfalls zu den Fiihrungsfahigkeiten gerechnet werden.
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Wie Studierende Fuhrungseigenschaften trainieren konnen
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Die FTMB®'Rollen Das FTMB® arbeitet mit drei bzw. vier verschiedenen Rollen: 1.
2. 3.
rund 20 Studierende des 2. Semesters, die ein Semester lang eine konkrete komplexe und anspruchsvolle Aufgabe ergebnisorientiert zu erfullen haben, etwa 10 bis 15 Studierende des 6. Semesters, die ihre Kommilitonen dabei als Coaches unterstiitzen und anleiten, ein Dozent / eine Dozentin'^^ der / die als Supervisor fiir die Studierenden des 6. Semesters agiert, um ihre Effektivitat zu erhohen, sowie als fordemder „Auftraggeber" fur das 2. Semester auftritt. (Fiir das hier vorzustellende FTMB® ist die RoUe des Auftraggebers jedoch nicht unmittelbar relevant und wird deshalb nicht weiter beriicksichtigt. Man kann ihr allerdings eine pikante Note geben, indem sie im laufenden Prozess der Konzeptionserstellung wie in der realen Praxis als „Storfaktor" auftritt und vom ursprunglichen Auftrag abweichende Forderungen an das 2. Semester stellt. Dies erhoht den Druck und fiihrt beinahe automatisch zu neuen zu bewaltigenden Krisen, wie sie auch im alltaglichen Arbeitsleben auftreten. Dieses besondere Mittel sollte aber sehr vorsichtig angewandt werden, well es nur dann den Lemeffekt erhohen kann, wenn die Studierenden sich rasch als fachlich und im Team sozial gefestigt erweisen. Andemfalls droht das Seminarprojekt wegen Uberforderung zu scheitem.)
Die FTMB®-Struktur Das Seminar ist mit Projektcharakter als berufspraktische tJbung angelegt und umfasst zwei Semesterwochenstunden (SWS) Anwesenheit plus derselben Zeit an Vor- bzw. Nachbereitung. Diese Stunden miissen die Studierenden klug organisieren, denn das zu betreuende 2. Semester hat zur Bewaltigung seiner eigenen Aufgabe mehr als doppelt soviel Zeit (5 SWS plus). Bei der Stundenplanung ist darauf zu achten, die Veranstaltungen beider Semester zeitlich so miteinander zu koordinieren, dass die Studierenden auch tatsachlich miteinander arbeiten konnen.
48 Im weiteren Verlauf wird der Einfachheit halber die mannliche Form verwendet.
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Die zeitliche Diskrepanz von 2 SWS zu 5 SWS wird zu Beginn des Seminars aber auch leicht entscharft, indem die Studierenden nach Neigung in zwei nacheinander agierende Teams aufgeteilt werden. Die eine Halfte betreut die erste, mehr theoretisch gepragte Phase, in der das Problem defmiert und das Kommunikationskonzept entwickelt wird. Die andere Halfte kiimmert sich dann konzentriert in der zweiten Phase um eine erfolgreiche Umsetzung von im Konzept festgelegten MaBnahmen. Als Auftaktveranstaltung wird zunachst eine Plenarsitzung mit alien Studierenden des 6. Semesters durchgefiihrt, in der diese in das Thema und ihre konkrete Aufgabe eingefiihrt werden. Dabei werden die Lemziele erlautert, das Vorgehen in den kommenden Wochen sowie die Priiftangsleistungen. Danach fmdet das erste Treffen mit alien beteiligten Studierenden statt. Das 2. Semester wird vom Dozenten nun ebenfalls in die zu losende Aufgabe eingewiesen, erhalt eine Erlauterung zum Konzept des FTMB^ und macht sich schon ein wenig mit den zukunftigen Coaches vertraut. Auch die Prtiftingsleistungen und die daftir angewandten Kriterien werden zu diesem Zeitpunkt bereits verdeutlicht. Diese Reihenfolge der Einweisung in das Semester folgt der Uberlegung, dass die „Fuhrungskrafte" einen Wissensvorsprung erhalten sollen, um sich ftir eventuelle Fragen des 2. Semesters anlasslich der ersten Begegnung schon wappnen zu konnen. Von nun an organisieren die Studierenden ihre Arbeit selbstandig, wobei sie jederzeit tutorial die Unterstiitzung des Dozenten erhalten konnen. Gemeinsame Sitzungen werden nach Bedarf der Studierenden einberufen. Dies stellt ftir den Dozenten eine ziemliche Herausft)rderung dar, da es daftir aus Mangel an auch nur mittelfristige Planbarkeit im Stundenplan keine festen Zeiten gibt. Solche Sitzungen mussen in der Regel durch eine akut anstehende Fuhrungskrise - wie im „richtigen Leben" - kurzfi-istig in den laufenden Semesterbetrieb eingebaut werden. Zum Abschluss des Semesters gibt es dann wieder eine fest eingeplante Plenarsitzung mit alien Studierenden des 6. Semesters, in der das Gelemte reflektiert und im Hinblick auf die bald folgende miindliche Priifting noch einmal rekapituliert wird. Diese Vorgehensweise ist ein ganz bewusster und wichtiger Teil des FTMB®. Erst wenn die Studierenden in ihrer Arbeit mit den Studierenden des 2. Semes-
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ters mit ganz konkreten Fuhmngsproblemen konfrontiert werden, begreifen sie unmittelbar die Situation und konnen in der Supervision mit dem Dozenten L6sungswege erarbeiten und ebenso unmittelbar anwenden. Ob es funktioniert oder nicht, erfahren sie ebenfalls ohne Zeitverzogerung. Denn die nachste Sitzung mit dem 2. Semester steht bevor. Keine theoretische Veranstaltung kann diese Erfahrung auslosen oder ersetzen. Neben der situativen Supervision des 6. Semesters ist die - in Bezug auf Haufigkeit und Intensitat - sensible Prasenz und motivierende Riickmeldung des Dozenten wahrend des laufenden Projekts von nicht zu unterschatzender Bedeutung fur die Moral aller Studierenden. Denn wie im „richtigen Leben" benotigen sie immer wieder eine Orientierung am „Top-Management" mit konstruktiver Kritik bzw. einer kurzen Bestatigung.
Abbildungl2J:FTMB®
Die FTMBT -Lernziele Wenn die rund 20 Studierenden des 6. Semesters des hier exemplarisch vorgestellten Studiengangs PR/Offentlichkeitsarbeit ihre Aufgabe als Coaches aufnehmen, bringen sie umfangreiche Kenntnisse aus dem Gebiet ihres Faches mit: Sie konnen Konzepte entwickeln mit, haben in verschiedenen Seminaren bereits
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in Teams ergebnisorientiert gearbeitet, haben Formen der professionellen Kommunikation trainiert und konnen prasentieren. Vor allem aber haben sie ein berufsspezifisches Praxissemester absolviert. Nach dem Absolvieren der FTMB® -Veranstaltung sollen die folgenden Fahigkeiten und Kompetenzen hinzugekommen sein: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Teamentwicklung Gruppenleitungskompetenz Konfliktmanagement Vermittlungskompetenz, didaktische Kompetenz Methodenkompetenz Vertiefung der eigenen Teamfahigkeit Vertiefung der Fachkompetenz
7. Teamentwicklung Die Studierenden des 6. Semesters mussen ihre Aufgabe mit einem „Humankapital" in Form der rund 20 Studierenden des 2. Semesters losen, welches ein Basiswissen der Konzeptentwicklung mitbringt und wahrend eines vierwochigen Projektes zu Beginn des Studiums bereits erste Erfahrungen in der Teamarbeit gemacht hat. Nach dem Absolvieren des Seminars sollen mit Unterstiitzung des 6. Semesters die folgenden Fahigkeiten und Kompetenzen erarbeitet worden sein: Entwicklung und Teilumsetzung eines Konzeptes ergebnisorientiertes Arbeiten Prozess- bzw. Zeitmanagement (wechselnde) Zusammenarbeit im Team Prasentationstechniken und freies Reden Die Erfahrung zeigt, dass die gezielte Zusammenfiihrung der Studierenden in einer Auftaktsitzung, in der die zu losende Aufgabe und das Konzept der Veranstaltung erlautert wird, noch nicht reicht, um die Rollen tatsachlich zu manifestieren. Vor allem wird zunachst unglaubig zur Kenntnis genommen, dass sich der Dozent aus dem Geschehen zuriickzieht, den Studierenden das Feld komplett uberlasst und nur im Notfall eingreifen will. Wie soil so ein Seminar funktionieren?
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Auch die Rolle der Coaches wird zu diesem Zeitpunkt von alien Studierenden noch iiberaus skeptisch betrachtet. Das 2. Semester assoziiert mit Coach noch die Macher und erwartet vom 6.Semester - als die Erfahreneren - detaillierte inhaltliche Anweisungen, ohne die es erst gar nicht zu arbeiten anfangt. Demzufolge miissen die Studierenden des 6. Semesters zu Beginn des Teambildungsprozesses zunachst einmal Akzeptanzprobleme beseitigen. Im weiteren Verlauf des Seminars ergeben sich aus der komplexen Aufgabe der 2. Semesters (= Entwicklung und Umsetzung eines umfangreichen Konzepts) dann zahlreiche Gelegenheiten, kleine Teams mit anfangs haufiger wechselnden Mitgliedem (in der zweiten Phase wahrend der Umsetzung stabilisieren sich Gruppen, die fest zusammenarbeiten) zielorientiert anzuleiten. Und natiirlich bleibt jederzeit die Notwendigkeit bestehen, das groBe Team mit alien 20 Studierenden fur das tibergeordnete Endziel zusammen zu halten.
2. Gruppenleitungskompetenz Das 6. Semester soil nicht die Arbeit des 2. Semesters machen, sondem dieses dabei unterstutzen und coachen. Hier entsteht gleich der erste Lemeffekt fur die Coaches, die bis dato gewohnt sind, Aufgaben vollstandig zu prozessieren und zu erledigen. Ziele vorzugeben und im Prozess an den entscheidenden Stellen loslassen zu konnen, ohne aber dabei das Controlling zu vemachlassigen, gehort bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu ihrem Erfahrungsschatz. Schwierig ist es zunachst auch, eine Ftihrungsrolle unter „Gleichen" einnehmen zu miissen. Hier gilt es zu lemen, dass Ftihren und Anleiten nicht notwendigerweise etwas mit knallharter Dominanz zu tun hat, wobei es aber auch Momente gibt, in denen Durchsetzungsvermogen notwendig ist. Hier eine angemessenes Gleichgewicht zu fmden, gehort zu den groBten Lemeffekten des Seminars. Ein weiteres Lemziel in diesem Bereich ist, erkennen zu konnen, wie viel Stringenz im Prozess notwendig und wie viel Flexibilitat moglich ist, um das Projekt erfolgreich zum Ziel zu fuhren.
3. Konfliktmanagement Die Aufgabe der Lemagentur, die das 2. Semester losen muss, enthalt grundsatzlich ein nicht unbetrachtliches Konfliktpotenzial. Denn eine sogenannte GroBe Konzeption - im geschilderten Fall fiir eine PR-Strategie -, beschaftigt aufgrund
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ihrer hohen Komplexitat auch im „echten Leben" ganze Teams, die mit all ihrer Kreativitat und Organisationsfahigkeit aus vielen Einzelinformationen und unterschiedlichen gesellschaftsrelevanten Uberlegungen ein in sich stimmiges und rundes Ganzes erstellen miissen. Immer wieder miissen wahrend eines solchen Prozesses kleine und groBere „Taler der Tranen" durchschritten werden, Ideen verworfen, neue entwickelt und wieder verworfen werden, bis der Durchbruch geschafft ist und sich die Einzelteile nach und nach zusammenfiigen. Konflikte sind dabei vorprogrammiert und konnen, wenn man nicht richtig damit umgeht, viel Energie von dort abziehen, wo sie wirklich benotigt wird. Nutzt man Konflikte hingegen richtig, konnen sie fur die Gruppe durchaus konstruktiv sein. Wenn man sie aber das erste Mai managen muss, erscheinen sie einem oft als pure Zeitverschwendung und dazu schier uniiberwindbar. Das Lemziel in diesem Bereich ist, Konflikte bei der Zusammenarbeit rechtzeitig zu erkennen, die eigenen Angste zu uberwinden und geeignete Wege flir eine Losung zu fmden. Die Studierenden lemen, Meinungsverschiedenheiten zu meistem, bevor sie eskalieren und auBer Kontrolle geraten. Dazu gehort auch die Anwendung von Gesprachs- und Feedbackregeln.
4, Vermittlungskompetenz, didaktische Kompetenz Bei diesem Lemziel gibt es zwei besondere Aha-Momente fur die Studierenden. Zum Einen lemen sie, dass das Generieren von Wissen aus der Perspektive des Anleitenden etwas Anderes ist als aus der Perspektive, die sie als Studierende gewohnt sind. Dazu gehort auch, nicht einfach frontal Fakten zu formulieren und zu dozieren, sondem den Zuhorem Chancen zu eroffnen, Neues verstehen zu konnen (sie beispielsweise durch Fragen auf den Weg zu bringen). Zum Anderen wird ihnen im Umgang mit den Kommilitonen - oft schmerzlich bewusst, dass frei nach dem Verhaltensforscher Konrad Lorenz „gesagt" noch lange nicht „getan" ist. Es bedarf einigen didaktischen Nachdmcks und Geschicks, bis sich Lemstoff in den Kopfen festgesetzt hat und tatsachlich auch umgesetzt wird. Dazu gehort auch, Algorithmen zu fmden und anzuwenden. Daruber hinaus lemen die Coaches, Andere bei der Beschaffung von wichtigen Informationen, also bei der, in diesem Fall joumalistischen, Recherche anzuleiten.
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Des Weiteren vertiefen die Studierenden ihre Fahigkeit, Fakten, Themen, Prozesse etc. auf den Punkt zu bringen und bei der Vermittlung adaquat zu visualisieren, wodurch sie den Lemprozess des 2. Semesters fordem.
5. Methodenkompetenz Systematischer Know-how-Aufbau des 2. Semesters und das Koordinieren von Wissen mit dem Ziel, dieses schlieBlich in Handlung umzusetzen, steht hinter dem Lemziel der Methodenkompetenz. Zeitmanagement, Zielplanung und Problemlosungsansatze stehen im Mittelpunkt. Die Studierenden miissen selbstandig erkennen, wann das Arbeiten in kleinen Gruppen sinnvoll ist und wann eine Diskussion im Plenum. Rasch stellt sich auch heraus, dass das Fiihren von Arbeitsprotokollen, kurzen Berichten von Rechercheergebnissen und gemeinsame Zwischenprasentationen die Koordination der Teams und das Controlling erleichtem und alle auf dem Stand der Dinge halt. Dariiber hinaus fordert diese Vorgehensweise das Erlemen und Festigen von Prasentationstechniken. Als ein weiterer Effekt werden auch Grundlagen des Projektmanagements erlemt.
6. Vertiefung der eigenen TeamfUhigkeit Die Studierenden merken schnell, dass sie „mit einer Stimme" sprebhen miissen, um ihre Kompetenz glaubwtirdig vermitteln zu konnen. Jede Art von intemem Widerspruch wird bei den Mitgliedem des 2. Semesters umgehend kritisch vermerkt. Die eingangs erwahnten Akzeptanzprobleme wurden nicht behoben, wenn sich die Coaches nicht ebenfalls als Team darstellen konnen. Sie erfahren, dass der Prozess weiter ins stocken kommt und die Zielerreichung gefahrdet ist. Die Studierenden des 6. Semesters sind also gehalten, innerhalb ihres Teams (durchaus wechselnde) Rollen zu defmieren, die sich einander erganzen, etwa Moderation, Fachexpertise, Visualisierung, etc.
7. Vertiefung der Fachkompetenz Die standige Auseinandersetzung mit dem Erstellungsprozess und den Einzelergebnissen des 2. Semesters hilft den Studierenden des 6. Semesters, ihre eigenen
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Fahigkeiten im Erarbeiten von komplexen Kommunikationskonzepten zu reflektieren und dadurch zu verbessem.
DIE FTMB® - Evaluation Das Seminar wird mit einer dreiteiligen Priifung mit unterschiedlicher Gewichtung abgeschlossen. Dazu zahlt das Ergebnis, d. h. das konkrete, ausgearbeitete und in Teilen umgesetzte Kommunikationskonzept (das ja mit Untersttitzung des 6. Semesters an Qualitat gewonnen haben miisste), eine mit anonymem Fragebogen ermittelte Bewertung der Coachingleistung durch die Studierenden des 2. Semesters sowie eine mlindliche Priifung. Diese Vorgehensweise hat mehrere Griinde: 1.
2. 3.
4.
5.
Bei aller Teamleistung sollen die Studierenden auch eine individuelle Beurteilung erfahren, um besonders gute Leistungen honorieren zu konnen. Das Ergebnis alleine gibt noch keine abschlieBende Auskunft uber den Prozess der Erstellung. Die Studierenden sollen ihre Fuhrungsaufgaben, ihre Erfolge, Misserfolge und Lemschritte in der miindlichen Priifung reflektieren, um zu zeigen, inwieweit sie den Prozess wirklich verstanden haben. Hier kommt es darauf an, nicht nur zu berichten, sondem zu resiimieren. Das 2. Semester soil als Kunde der Coaches seine Zufriedenheit oder Unzufriedenheit im Fragebogen zum Ausdruck bringen konnen. Gleichzeitig wird dem 6. Semester dadurch die Bedeutung seiner Verantwortung, Menschen anzuleiten und zum Erfolg zu fuhren, von Anfang an deutlich gemacht. Denn die Priiflingsleistungen werden ja zu Beginn des Semesters bekannt gegeben. (Umgekehrt erhalten die Coaches zum Schluss die Gelegenheit, die Teamfahigkeit der Mitglieder des 2. Semesters zu bewerten, was wiederum in deren Gesamtbeurteilung einflieBt.) Da sich der Dozent aus dem eigentlichen Prozess heraushalt und nur aus der Feme begleitet, ist eine Beurteilung individueller Leistung ohne zusatzliche Erkenntnisse aus den Fragebogen nur schwer moglich.
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FTMB® - Effekte Befragt man die Studierenden nach dem groBten Lemeffekt aus der Veranstaltung, wird rasch die „andere Form der Verantwortung" genannt. Gemeint ist die Erfahrung, operative Aufgaben nicht selber eigenverantwortlich durchfiihren, sondem ihren Prozess steuem, d. h. andere Menschen erfolgreich anleiten zu mtissen. Das geht einher mit der Erkenntnis, dass man operative Verantwortung auch klar und deutlich wieder zuriick delegieren muss, wird eine entsprechende Erwartung vom jtingeren Semester - meistens indirekt durch Verhalten - formuliert. Das 6. Semester muss Inhalte vermitteln und ihre Kommilitonen auf den Weg bringen und sie dort halten, ohne zu demotivieren. Dass Kommunikation beim Coaching eine entscheidende Rolle spielt, wird in der konkreten Anwendung selbst PR-Studierenden noch einmal deutlich vor Augen gefiihrt. Klare, eindeutige Ziele und Anforderungen setzen, zuhoren konnen - mit dem Willen zu verstehen - und durch Fragen lenken und Erkenntnisse bzw. Ergebnisse schaffen, miissen auch fast fertig ausgebildete Kommunikationsspezialisten noch gezielt trainieren. Ein weiterer Lemeffekt ist eine vertiefle Erkenntnis iiber das Funktionieren von Zusammenarbeit in Teams. Als ein grundsatzliches Lemziel des Studiengangs PR/Offentlichkeitsarbeit haben die Studierenden des 6. Semesters bis zur hier beschriebenen Projektiibung haufig in kleineren und groBeren Gruppen gearbeitet und ihre Dynamik erlebt und gestaltet. Das Coachen von Teams macht aber auch ein bewusstes Reflektieren dieser Dynamik notwendig, was nicht nur den Umgang mit Menschen positiv beeinflusst, sondem auch dazu fuhrt, dass das eigene Gmppenverhalten noch einmal verbessert wird bis hin zur erhohten Fahigkeit zur Selbstorganisation von Teams.
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13 SCM-Kompetenz-Management Focus: Planungs- und Dispositionsprozesse Sabine Back und Gemot Gossler
Ahhildung 13.1: SCM-Kompetenz-Management
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Sabine Back und Gemot Gossler
13.1 Ausgangssituation Beim Riickblick auf viele Logistik-Optimierungs-Projekte der vergangenen Jahre fallt auf, dass trotz laufender Neuerungen, Prozess bezogener Innovationen und Leistungs-Steigerungen klassische Kemthemen der Logistik nach wie vor genauso aktuell und brennend sind, wie vor 20 Jahren, als dieses Denken in Logistik-Prozess-Ketten seinen Ausgang nahm. In dieser Abhandlung sind unter Kem-Aufgaben folgende sieben Logistik- und Supply Chain Schwerpunkte angesprochen: Die Lagerwirtschaft Das Materialmanagement des gesamten Netzwerkes Die Beschaffung und Versorgung in globaler Form Die Bedarfs- und Absatzplanungs-Prozesse Die Produktions- und Kapazitats-Planung Die tagliche Disposition und permanente Parameter-Pflege Die Auftragsabwicklung und der Versand (Distribution) Mit dieser Auswahl an Schwerpunkt-Aufgaben ist keine systematische Funktionsbeschreibung"^^ gemeint, sondem dies sind die immer wieder kehrenden Projektanforderungen, die fur diese Oberlegungen des Kompetenz-Managements in erster Linie im Fokus stehen. Integraler Bestandteil aller dieser genannten Optimierungsfelder ist das Training, die Weiterbildung, der gezielte Erfahrungsgewinn und dementsprechend auch der Wissensaufbau, sowohl fiir einzelne Leistungstrager als auch flir organisatorische Einheiten und Logistik-Prozess-Teams. Es werden sich in der Zukunft immer mehr Routine-Aufgaben in die Systeme verlagem. Diese online Transaktions-Systeme benotigen aber eine professionelle und regelmaBige Parameter-Pflege. Das Supply Chain Kompetenz-Management soil in diesem Sinne als Unterstiitzung dienen. Es ist ein aus vielen Praxis-Arbeiten resultierender Vorgehensplan, um sowohl eine schnelle Standort-Bestimmung zu machen, als auch ein kontinuierliches Coaching und Controlling zu gestalten, mit dem es gelingt, flachendeckend in der Organisation die logistische Performance transparent zu machen, aber auch Schritt fiir Schritt und somit nachhaltig zu steigem. Dazu notwendige Aufgaben werden mit Hilfe eines Monitoring-Zyklus (Coaching-Sequenzen) geschrieben.
49 vgl. Baumgarten (2002)
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SCM-Kompetenz-Management
13.1.1
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Die Entwicklung der Logistik-Kosten
AUe Kosten, die mit der Planung, Gestaltung und Steuerung von Supply ChainNetzwerken verbunden sind, werden allgemein gultig als so genannte LogistikKosten definiert. Das dabei Unterschiede in der Kostenarten und KostenstellenRechnung, aber auch in der Prozesskosten-Betrachtung existieren, liegt an der Vielfalt logistischer und untemehmerischer Auspragungen in den Untemehmungen. Aber unabhangig von diesen verschiedenen Sichtweisen und AbgrenzungsErfordemissen zeigen die Projekte der letzten Jahre und insbesondere die Budget-Berechnungen fur Folgejahre, das offensichtlich eine Trend-Anderung im Kostenbild der Logistik zu erwarten ist (siehe dazu auch^^). Wenn immer haufiger, immer kleinere Mengen mit kurzeren Vorlaufzeiten und Lieferzeiten, aber mit hoher Ptinktlichkeit an weltweit agierende Kunden zu liefem sind, ergeben sich daraus klare Kostenkonsequenzen. Bin hoheres Service-Niveau, ein breiteres Sortiment, eine flexible Zusammensetzung der Sendung und eine deutlich hohere Logistik-Qualitat lassen sich nicht allein durch ProzessSynergien kompensieren. In den aktuellen Projekten kalkulieren wir teilweise mit 4 - 6 % Logistik-Kostensteigerungen aus den genannten Grtinden^^ Eine aktuelle Studie mit dem Titel „Logistik Kosten steigen wieder / Globalisierung macht Supply Chain Management immer komplexer" unterstreicht diese Erfahrungen, wie die folgende Aussage zeigt: ^Aufgrund fortschreitender Globalisierung und wachsender ProzessKomplexitdt werden die Logistikkosten nach jahrzehntelangem Ruckgang bis 2008 um durchschnittlich acht Prozent ansteigen. " [aus A.T. Kearney : Logistik Kosten steigen wieder^^] Mogliche Ursachen fiir das Ansteigen der Logistik Kosten sehen die Autoren der oben genannten Studie, in den immer hoher werdenden Anforderungen an Servicegrade, wie beispielsweise der Quote fehlerfreier Ausliefemngen, aber auch in den steigenden Kundenanforderungen und den daraus resultierenden kurzeren Lieferzeiten und Nachschub-Intervallen. Es scheint so, als ob weitere Rationalisierungs- und Optimierungs-Vorteile nur mehr durch ganzheitliche Problemlosungen zu meistem sind. An alien Einfluss50
Netzeitung.de (M. Breitinger): Drehscheibe Logistik, aus: www.netzeitung.de/spezial/globalvillage/283199.html 51 Vgl.Pfohl(2001) 52 Aus : A.T Kearney (2004)
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GroBen muss gleichzeitig angesetzt werden. Damit ist ganz besonders die voile Kompetenz aller beteiligten Prozesspartner und Logistik-Teammitglieder angesprochen. Mehr Wissen, mehr Erfahrung, mehr Systematik, mehr Flexibilitat, mehr Training, mehr Verantwortungs-Fahigkeit, einfach mehr Souveranitat im logistischen Tagesgeschaft ist einer der Erfolgsfaktoren unserer Supply Chains und Demand-Chains der Zukunft. In der Folge werden nun systematische Schritte, aber auch innovative MaBnahmen angeftihrt, um diesen Kompetenzaufbau gezielter zu gestalten. Zusammengefasst wird dieser Fahrplan mit dem Konzept des Monitoring-Zykluses (Coaching-Sequenzen).
13.1.2
Das Tagesgeschaft in Logistik und Disposition
In den vergangenen Jahren ist gerade im Arbeitsbereich der operativen Disposition viel an Neuerungen erreicht oder eingefiihrt worden. Als ein methodisches Beispiel von vielen kann die Gliederung des Sortiments nach Dispo-Vektoren genannt werden, um differenzierte Leistungsniveaus bereit zu stellen (siehe dazu^^). Es gibt aber auch viele Prozess-bezogene Beispiele. So agieren manche Einheiten global, in dem ein Disponent gleichzeitig als operativer Einkaufer weltweit seine Werke betreut und versorgt. In anderen Fallen wurde das ehemalige Auftragszentrum mit seinen bisherigen operativen Abwicklungstatigkeiten um Bedarfs-Planung, Produkt-Management und Fertigungs-Grobplanung erweitert und als Supply Chain Center organisatorisch neu verankert. Aber auch ausgelagerte Funktionsbereiche in Form eines europaweiten, zentralen Wareneingangszentrums beweisen, dass je nach Situation noch viele OptimierungsSpielraume in der Gestaltung und im Betrieb von Supply Chain Netzwerken existieren. Wir stehen trotz vieler Prozess-Anderungen und neuer Untemehmens ubergreifender Lieferketten eigentlich erst am Anfang der Moglichkeiten, schneller, flexibler und kostengunstiger das globale Versorgen mit Materialien, Gtitem und Artikeln zu meistem. Begriffe wie virtuelle Untemehmen, eLogistic, elektronische Marktplatze und auch e-Commerce fassen immer mehr FuB in der Logistik (vgl. dazu-"^ und^^) und bieten eine Vielzahl von Moglichkeiten die neuen Herausforderungen zu meistem. Sie erfordem allerdings auch mehr Kompetenz.
53
Tiefenbrunner (2000)
54
Reindl und Obemiedermaier (2002)
55
Schuh(1998)
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Wahrend sich also das logistische Umfeld immer schneller verandert, bleibt eine der Kemaufgaben (Disposition) im operativen Materialmanagement beinahe unangetastet. Gemeint ist, die Aufgabe auf Auftrage, Bedarfe oder Prognosen mit einer entsprechenden Zugangsplanung, einer Reservierung, einer Einplanung in die Fertigung oder einer Bestellung beim Lieferanten zu reagieren. Wenn gleich sich die Inhalte in einer Planungsliste oder in einer Bestellvorschlagsliste andem konnen und Dispositionen in Routinefallen auch mehr oder weniger teil automatisiert oder automatisiert abgewickelt werden, bleibt fiir einen groBen Teil des Sortimentes nach wie vor der empirisch versierte Fachmann, der mit Marktkenntnis, Produktkenntnis und vertraut mit den Produktionsgegebenheiten die Machbarkeit pruft und eine Problemlosung sicherstellt. Die GroBe der Sortimente pro Disponent steigt dabei kontinuierlich. In den vergangenen 5 Jahren hat das zu bearbeitende Volumen pro Kopf, aus den Statistiken eigener LogistikProjekte, um bis zu 50 % zugenommen. Gleichzeitig zeigt sich auch, dass die groBen Wiinsche, automatische Hilfestellungen aus integrierten EDV-Systemen zu erhalten, davon abhangig sind, wie gut man diese komplexen Systemlandschaften zu gestalten, zu pflegen, anzupassen und zu aktualisieren in der Lage ist. Genau an dieser Stelle herrscht nach wie vor ein recht groBer Handlungsbedarf. Mit der knappen Zeit, die der operative Abwickler zur Verfugung hat, die Systemparameter und die DV-Features so zu organisieren und zu optimieren, dass alle wichtigen logistischen PerformanceAnforderungen erfullt werden, kann nur punktuell agiert werden. Im Vordergrund der weiteren Leistungsverbesserung geht es dabei nach wie vor um Kostenoptimierung (Working-Capital - Kapitalbindung) aber auch um Prozessbelastungen (Riistzeit und Haufigkeit) sowie Service-Niveaus (Piinktlichkeit, Flexibilitat, Lieferzeit). Diese Anforderungen ganzheitlich zu erfassen und zu realisieren erfordert eine „lembereite" Teamstruktur zu schaffen, aber auch Lemstile zu beriicksichtigen und passende Trainings-Methoden zu etablieren. Gelingt es Fiihrungskraflen und Prozess-Verantwortlichen ihren operativen Kollegen mehr Transparenz zu deren eigenen Tagesgeschaft zu bieten, Freiraume zu schaffen, um dispositive und einkauferische Kompetenzen aufzubauen und Verstandnis fur komplexe Ablaufe und den eigenen Beitrag im Netzwerk zu fi)rdem, gewinnen alle Prozess-Beteiligten und natiirlich auch der Kunde ^^. Kontinuierliches Team- und Kompetenz-Training sollte somit permanenter und konsequenter Bestandteil des operativen Tagesgeschafles sein oder werden. In der Form von Prozess-Meetings, Dispo-Konferenzen, Planungs-Workshops gibt es dazu schon recht wirksame Organisationsmittel. Ein weiterer bewahrter Schritt dazu kann
56 Vgl Pfohl (2000)
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das Logistik- und Dispo-Monitoring und damit verkniipft das authentische Original-Daten basierte Coaching und Training sein.
13.2 Das Logistik-Monitoring-Konzept 13.2.1
Der Monitoring-Zyklus und das Kompetenz-Management
Auftrage erfassen, Fertigungsschritte buchen, Versand-Meldungen erstellen, Waren ausliefem, Termine andem, Bestellungen an Lieferanten schicken, Waren vereinnahmen, Bestande fiihren und Plane aktualisieren, alle diese Arbeiten im operativen wie auch im planerischen Logistik-Tagesgeschaft hinterlassen in den DV-Systemen in zeitlich wieder kehrender Folge entsprechende Eintrage und damit Spuren. Alle diese operativen und statistischen Daten zu sammeln, zu systematisieren, zu periodisieren und zu Informationen zu verarbeiten und grafisch aufzubereiten, ist eines der groBen Arbeitsfelder im Monitoring. Das logistische Geschehen mit Kennzahlen und Diagrammen beschreiben, transparent darzustellen und AusreiBer, Trend-Anderungen sowie SoU-Ist-Abweichungen zu erkennen, ist dabei das erklarte Ziel. Welcher Ablauf und Fahrplan sich dabei aus den Praxisprojekten der vergangenen Jahre ergeben hat, wird in der Abbildung 13.2 zusammengefasst. Jedes der 6 Aufgaben-Pakete in diesem Monitoring-Lemprozess kann dabei als eigenstandiges Trainingselement verstanden werden, aber gleichzeitig auch als Stufe genutzt werden, die Schritt fiir Schritt einen Monitoring-Zyklus und dementsprechend einen Kompetenz-Steigerungsprozess beschreibt. Wird diese Sequenz wiederholt durchlaufen, verbessert sich das ProzessVerstandnis, wird die Performance in den Planungs- und Dispo-Aufgaben steigen aber auch der Bedarf nach weiteren, detaillierten Informationen wird zunehmen. Dieser zielgerichtete Vorgehensweg, der Bereitstellung von Kennzahlen und Auswertungen fiir die relevanten Handlungsfelder (Potentiale) und der Konzept umsetzungs-orientierte Ansatz sind die Erfolgsfaktoren dieses Monitoring- und Coaching-Zyklen.
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Abbildung 13.2: Monitoring Zyklus ah kontinuierliches Verbesserungsprogramm In den Entwicklungen der vergangenen Jahre sind Monitoring- und ControllingMethoden immer ausgereifter ausgearbeitet und realisiert worden, sodass vermehrt auch vom Monitoring-Lexikon oder von Monitoring-Bibliotheken gesprochen wird. Der besondere Nutzwert dieser Konzepte liegt darin, dass nicht so sehr die Werkzeuge (Tools, Software, Datenbanktechnik), als vielmehr die Problemlosung fiir Supply Chain Manager, Logistiker, Controller oder operativer Planer im Vordergrund steht. Bereits heute zeichnet sich eindeutig der Trend ab, dass der Logistiker in erster Linie einen fiindierten tJberblick iiber Lieferanten, Auftrage oder die Produktionsversorgung fordert, ohne dazu aufwendig mit irgendwelchen Methoden und Werkzeugen in Datenbanken agieren zu mtissen. Der operative Entscheider wtinscht sich also eine schnelle Transparenz, eine fundierte Situations-Beschreibung, einen Hinweis auf bevorstehende EngpassEreignisse und noch viel wichtiger einen moglichst guten Losungs- und MaBnahmen-Vorschlag, welche Schritte oder Aktionen zu setzen sind. Die Bedeutung der Informationsfltisse innerhalb der Prozesse wurde bereits in zahlreichen Publikationen erlautert (umfassende Hinweise ^^ A.W. Scheer ). Ein 57 Vgl. Scheer (2001)
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zuviel an Informationen ist bei immer kurzeren Auftragsabwicklungs-Zeiten und groBerer Flexibilitat aber genauso belastend wie fehlende SteuergroBen. On Demand erwartet der Logistiker die fiir ihn maBgeblichen Informationen. Die neuesten Entwicklungen im Supply Chain Monitoring orientieren sich deshalb auch an der Philosophie, ein Supply Chain KPI (Key Performance Indikator) und Grafik-Warehouse bereitzustellen, in dem flir den Logistik-Fachmann alle wichtigen Performance Felder mit vordefmierten Charts, Cockpits oder Dashboards wie in einem Lexikon schnell und einfach nachzuschlagen und bereitgestellt sind. Zum Unterschied der weit verbreiteten Data-Warehouses, die vordergriindig fur die Basisdaten-Sammlung und Verwaltung mit modemsten Technologien gebaut und ausgestattet sind, ist das Logistik-Monitoring-Konzept ein vom Datenumfang fokussiertes Vorgehen, dass aber hinsichtlich der Datenaufbereitung und der grafischen Report-Funktionalitat stark Empfanger- und Nutzen orientiert ausgelegt ist. Das Monitoring-Konzept lasst sich am einfachsten am konkreten Anwendungsfall eines Supply Chain iibergreifenden ProzessCoachings erlautem, bei dem genau die vorhin beschriebenen 6 Schritte oder Trainingselemente (Monitoring-Zyklus) genutzt werden. In den weiteren Ausflihrungen wird dieser Ablauf und Arbeitszyklus zusammenfassend beschrieben. Die ersten drei Themen umfassen dabei den Daten- und KPI-analytischen Teil, also alle Aufgaben, die die authentische Schulungs- und Trainingsplattform sicherstellen. Die Schritte 4 bis 6 entsprechen dem Coachingund Problemlosungs-Aspekt, bei dem es um die konkreten Realisierungen, Umsetzungen, nachhaltigen Verbesserungen fur das Tagesgeschaft und somit um den Kompetenz-Steigerungs-Prozess geht.
13.2.2
Volldaten basierte Coaching- Vorbereitung
Die ersten drei Schritte im Monitoring-Zyklus Flir alle Aufgaben der Logistik-Kostenverbesserung oder der LeistungsSteigerung im Supply Chain Netzwerk sind Basis-Daten, Kennzahlen mit Potential-Aussagen oder Trendhinweise, sowie Richtwerte und Soll-Ist-Vergleiche notwendig. Betrachtet man modeme integrierte ERP-Systeme fmdet man trotz vieler individueller Systemauspragungen viele Standards in den Funktionalitaten, den Einsatzgebieten aber auch den Daten- und Dateien-Strukturen. Das fiihrt dazu, dass man mit guter Naherung den Basis-Datenbedarf zur Abbildung und zum Monitoren der Supply Chain Leistungsfelder gut vordefinieren kann. Mit
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350 - 450 solcher primarer Datenfelder aus den komplexen Host-Systemen und Verfahren kann in der Kegel ein Monitoring-Grafik-Lexikon gefullt werden und die Abdeckung von 60 bis 75 % des Logistik- und SCM-Informationsbedarfes ermoglicht werden. Hierbei muss besonders darauf hingewiesen werden, dass die Berucksichtigung des individuellen Sonderfalles und auch die operative online steuemde Arbeit nicht im Mittelpunkt einer statistisch ausgerichteten Monitoring-Bibliothek^^ steht. AUerdings muss Sorge getragen werden, dass alle Haupt- und Nebenprozesse abgebildet und in der kennzahlenmaBigen Beurteilung behandelt werden. Mit dem Begriff Reverse Data Engineering wird das Aufgaben-Spektrum umschrieben, mit dem das Set an Logistik relevanten Basis-Datenfeldem einmalig Oder kontinuierlich aus den Transaktions-Systemen tibemommen oder extrahiert wird. Durch die Standardisierbarkeit dieser Arbeitsschritte lassen sich auch Massendaten nach diesem Schema extrahieren und bearbeiten. Fertigende Untemehmen mit beispielsweise 1000 aktiven Lieferanten-Nummem, 50.000 Materialstammen und 10.000 Kunden-Nummem generieren in 12 Monaten naherungsweise 2,5 Mio Material- und Artikel-Transaktionen, 500.000 Kundenbelieferungs-Einteilungen und 250.000 Bestellpositionen auf Lieferantenseite. Das ergibt fur das Monitoring und die Daten- und CockpitAufbereitung ein operativ zu bearbeitendes Datenvolumen von 4 - 7 GigaByte. Somit stellt ein solches Basis-Datenmaterial trotz dieser Menge ein gut handhabbares Gestaltungsvolumen dar, mit dem richtiggehend eine Empfanger und Entscheider orientierte Problem- und Losungs-Modellierung moglich ist. Bei wiederholtem Vorgehen und wieder kehrender Massendaten-Modellierung ergeben sich weitere Harmonisierungs- und Standardisierungs-Chancen. Bereitet man beispielsweise zur Analyse und Verbesserung der Kunden-Belieferung die entsprechenden Logistik-Basisdaten (Kundenauftrage, Auslieferungen, Fertigprodukte, Kundenstamme) auf, entstehen wiederkehrende Frage- und AntwortMuster. Das gilt sowohl fiir einzelne Kennzahlen-Felder, wie auch fur die jeweiligen operativen Primardaten aus der Auftragsabwicklung. Wie gut beliefem wir unsere A-Kunden mit den etablierten Katalog-Artikeln? Die entsprechende Antwort dazu kann wie folgt lauten: Unsere Top-Kunden (A = 80%) beliefem wir hinsichtlich der von uns bestatigten Liefertermine zu 96%. Berechnet nach der Anzahl Bestellpositionen, mit Berticksichtigung von Einteilungen, Werktagen und einer Toleranz von Minus 5 und Plus 1 Tag.
58 Vgl. Back (1993)
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Diese Antwort und Kennzahl bewahrt sich aber nur, wenn gleichzeitig der komplementare Anteil, also die nicht erreichten 4% entsprechend Handlungs- und MaBnahmen orientiert aufbereitet werden und dem jeweiligen operativ verantwortlichen Entscheider oder Bearbeiter zur Verfiigung gestellt werden. Welters steckt in dieser Antwort sofort die berechtigte Folgefrage Wie gut haben wir unsere Kunden aus deren Sicht, also auf Basis der Kundenwunsch-Termine (Eintreff-Termin) bedient. Dieses kleine Kennzahlen-Beispiel flir Lieferperformance zeigt bereits ein wichtiges Nutzenargument flir die besprochenen Monitoring- und CoachingKonzepte. Dabei geht es darum, einerseits LeistungsmaBe zu definieren und zu berechnen, aber gleichzeitig auch um die entscheidende Uberlegung, welche Zusatzauswertungen oder Detaillierungen sind dienlich, um eine konkrete Leistungs-Verbesserung zu erreichen und wie lasst sich dieses VerbesserungsVorgehen als „Lemsequenz" gestalten. Das wurde mit dem Begriff des komplementaren Anteils erlautert, der es dann erlaubt, diese untreuen Positionen genauer zu analysieren, zu bewerten und mit entsprechenden VerbesserungsmaBnahmen zu belegen. Bei einer Ubertragung dieser Form einer Handlungsorientierten und Nutzungsorientierten Datenaufbereitung als Grundlage fiir Trainings-, Schulungs- und Verbesserungs-Aufgaben auf das gesamte Prozessnetzwerk resultiert daraus eine Kennzahlen-Systematik, die sich seit vielen Jahren als KPI-Organigramm in Logistik und Supply Chain Projekten bewahrt und etabliert hat.
Das SCM-KPI Organigramm Wie in diesem Erklarungsbeispiel ersichtlich wird, soil Monitoring einerseits die Antworten on demand und aktualisiert bereitstellen (Schritte 1 bis 3), gleichzeitig eine DrillDown Funktionalitat zur Ursachenforschung bis auf die tiefe Belegebene ermoglichen, aber vor alien Dingen auch eine Kaskaden-Fahigkeit bieten, die es nun erlaubt, mangelnde Lieferleistung gegentiber den Kunden in der Logistik-Kette iiber die Fertigungs-Auftrage bis zu den Lieferanten-Anlieferungen zurlick zu verfolgen. In der betrieblichen Praxis und aus einer groBeren Zahl von Projekten hat sich daraus das KPI und Kennzahlen-Organigramm als konzeptive, aber auch pragmatisch schell anpassbare Problemlosung entwickelt. Die mit den 350 bis 450 Basis-Datenfeldem aus ERP-Systemen erzeugbaren Kennzahlen-Felder und
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Grafik-Cockpits sollten dabei in einem automatisierbaren Ablauf bearbeitet werden, um nur wenig Zeit fur diese ersten drei Schritte im Monitoring-Zyklus zu verbrauchen.
Abbildung 13.3: SCMKPI Organigramm als Grundlage einer Monitoring Bibliothek Wie aus der Abbildung 13.3 ersichtlich ist, besteht das KPI - Organigramm aus den groBeren horizontalen und kleineren vertikalen Kennzahlen-Feldem. Das betrifft beispielsweise die Lieferperformance zu den Kunden, die Gtite der Planung Oder die Anlieferleistung der Lieferanten. Je nach Trainings- oder Coaching-Aufgabe konnen hier weitere zusatzliche Kennzahlen-Felder eingearbeitet werden. Fiir manche Prozessketten ist eine Werks tibergreifende Durchlaufzeit gemessen tiber die Rezepturen oder Stucklisten von Bedeutung, in anderen Fallen ist der Distributions-Teil und der Lieferketten-Verbund fur die europaweit verteilten Betriebsstatten und Kunden relevant oder es konnen auch Kostenstellen und Kostenarten sowie Kosten- und Budget-Abweichungen fiir die Bereitstellung eines KPI-Organigramm im Vordergrund stehen. Wenn man sich nun vorstellt, dass per Mausklick die einzelnen Felder geoffnet und eine Verbindung zu den operativen Basisdaten, aber insbesondere zu den Kennzahlen-Karten und Grafiken, hergestellt wird, so trifft das die Monitoring basierte CoachingUntersttitzung recht gut.
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Um eine Nutzenorientierte Hilfestellung aufzubauen, hat es sich als hilfreich und schnell realisierbar erwiesen, unter diese horizontalen Hauptkennzahlen-Felder entsprechende Sub- und Detailkennzahlen, aber auch operative Arbeitsblatter einzubringen. Somit sind Kennzahlen, Benchmarks, aber auch die zur Verbesserung dieser KenngroBen erforderlichen Arbeitsblatter, Problemtreiber und Einzelelemente nach Handlungsfeldem organisiert und fiir den weiteren CoachingProzess verfugbar. Ein Training oder eine Weiterbildungs-MaBnahme fuhren im Tagesgeschaft meist dann schnell zu guten Lemergebnissen, wenn sich die operativen Fachkollegen mit den Leminhalten unmittelbar identifizieren konnen. Das Volldaten basierte Coaching als Element aus dem Monitoring Zyklus ist dazu ein tiber viele Projektanforderungen verfeinertes Konzept mit dem mehrere dieser Trainings-Aufgaben (die 6 Trainings- Elemente) gleichzeitig erflillt werden konnen. Folgende Fragesequenz kann dazu als Erlauterung dienen: Wie kann eine spezifische Logistik-Leistung gemessen werden (KennzahlenLexikon), wie sieht diese KenngroBe fiir den einzelnen operativ verantwortlichen Fachkollegen aus (Original-Daten als Lemgrundlage), was sind die vergleichbaren Benchmarks gegentiber den Teamkollegen (einheitliche StandardKennzahlen), wo ist das groBte Potential (Problemfeld-Analyse und Simulation) und welche MaBnahmen sind geeignet Verbesserungen zu erwirken (Umsetzungsorientierte Analyse) und wie gelingt es entsprechende Fortschritte (Fortschrittsreporting) zu realisieren und in einem operativen Trainingshandbuch zu publizieren.
13.2.3
Die konkrete Mafinahmenumsetzung
Die Schritte vier bis sechs im Monitoring-Zyklus Der Zwang schnell und unmittelbar Erfolge zu erzielen, Lemfortschritte in immer klirzeren Intervallen sicherzustellen, erfordert auch ein Umdenken beim Einsatz verschiedener Lemtechniken und Medien. So wie bisher die MonitoringGedanken dargestellt wurden, liegt der besondere Mehrwert fiir die Aufgabe der SCM-Kompetenz-Steigerung in der starken und beinahe ausschlieBlichen Ergebnisorientierung. Es wird empfohlen, moglichst mit vollstandigen Originaldaten aus dem jeweiligen Betriebsumfeld zu arbeiten, es wird eine MaBnahmenund Handlungsorientierung betont und es wird angestrebt, einen vollstandigen
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Lemprozess (nachhaltig, wiederholbar, messbar) zu gestalten. Aus diesem Blickwinkel gilt: Der Coaching- und Monitoringweg enthalt die entscheidende Komponente des Aufbaues einer Richtwerte-Kultur und einer quantitativen Argumentation im logistischen Tagesgeschaft. Gemeint ist dabei, die Verankerung von wenigen, aber fur den betrieblichen Prozess relevanten Kennzahlen, die dem operativen Fachkollegen ein unmittelbares Soil - Ist, Gut - Schlecht, Uber oder Unterschritten-Verstandnis liefem. Wenn der operative Produktmanager beispielsweise die Kennzahl der bestatigten Liefertreue das erste Mai ausrechnet oder nutzt, ist dieser Wert in seiner Gute noch nicht richtig zu beurteilen. Wird diese Zahl in wochentlichem Rhythmus prasentiert und bearbeitet, kommt die zeitliche Entwicklung und mit der Zeit auch das Soll-Ist-Abweichungs-Verstandnis dazu. Gelingt es dabei die untreuen Positionen kontinuierlich zu bearbeiten, die Hintergrunde zu verstehen, so wachst die Kompetenz in der Aufgabe der Liefertreue-Sichemng. Lemt man zusatzlich noch Muster bei den untreuen Positionen verstehen (wiederkehrende Probleme) und erarbeitet sich der Logistiker das entsprechende Umfeld Wissen und die Einflussfaktoren, so wird sogar eine fruhzeitige Problemevaluierung moglich werden. So verbleibt nur mehr die Frage, wie kann man Training, Schulung und Kompetenzaufbau weiterhin noch systematischer sicherstellen, und welche weiteren Hilfsmittel stehen zur Verfugung, um nahe am Tagesgeschaft das Problemlosungs-Verstandnis zu fordem. Kompetenzauft)au fiir Planungs- und Dispoprozesse sollte dabei verstanden werden als ganzheitliche personliche aber auch Team-Starke, um auftretende Logistik-Probleme umgehend in Losungen umzuformen.
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13.3 Die authentische Trainings-Aufstellung Mit den bisherigen Aussagen konnten theoretische und praktische Ansatzpunkte aber auch der Erfahrungshintergrund fur Logistik-Monitoring und Coaching kurz als einzelne Elemente beschrieben werden. Der Monitoring- Zyklus, die Volldaten-Diagnose, das Kennzahlen-Organigramm und das Erarbeiten von MaBnahmen-Katalogen sowie die Bereitstellung von Fortschrittsberichten und Performance-Cockpits bilden aber insgesamt eine langjahrig bewahrte Einheit des kontinuierlichen Verbesserungs-Prozesses. Mit den Erfahrungen aus zahlreichen Planspiel-Eigenentwicklungen der letzten Jahre und mit den nahe am Tagesgeschaft ausgerichteten Monitoring- und Controlling-Aspekten entstanden ganzheitliche Workshop- und Trainings-Pakete. Dabei bezieht sich der Begriff authentisch und ganzheitlich darauf, dass der Trainingsund Weiterbildungsfahrplan mit Hilfe der Monitoring-Erkenntnisse auf die jeweiHgen Planungs-, Dispositions- und Prozessgegebenheiten ausgerichtet werden kann. Der Kompetenzaufbau wird dabei durch die Arbeit mit den Original-Daten unterstiitzt, und die zusatzlichen simulativen Arbeitsschritte ermoglichen es auch, im Coaching und Training Schritt fiir Schritt erkannte OptimierungsChancen unmittelbar zu reaHsieren. Das Monitoring-Konzept, verstanden als umfassender Lem- und Trainingsprozess, kann fiir unterschiedliche Schwerpunkte zum Einsatz kommen. Die haufigsten Anforderungen und Coaching-Aufgaben sind Dispo-Prozesse und DispoParameter zu korrigieren, zu aktualisieren und zu optimieren. Bei diesen Aufgaben werden die Vorteile eines organisierten Lemens und eines regelmaBigen Kompetenzaufbaues besonders deutlich. Die Sortimente andem sich immer schneller, die Abwicklungsprozesse unterliegen Blindelungs-Anforderungen Oder Outsourcing-Bedingungen. Das heiBt fur die Steuer- und Dispo-Parameter, dass sich die Arbeitsinhahe der operativen Fachkollegen stark verandem. Es geht nicht alleine darum einzelne Artikel, Komponenten oder Baugruppen zu steuem, zu versorgen oder bereitzustellen, sondem die aktuellen Herausforderungen liegen darin, ein ganzes Teilsortiment von Artikeln mit maBgeschneiderten Planungs- und Dispo-Parametem zu versehen und durch geschickte Wahl der StellgroBen die gewiinschte Verfugbarkeit, Lieferzeit, ein angemessenes Working-Capital und einen akzeptablen Arbeitsaufwand durch die Zahl der Bestellvorschlage und Dispolaufe zu erreichen. Authentisches Training am Beispiel des eigenen Sortimentes ist dabei die zurzeit effizienteste Form der operativen Problemlosung und des nachhaltigen Kompetenzaufbaues.
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Ahnlich haufig gilt es auch globale Planungsprozesse fur die komplexen SCMNetzwerke zu gestalten, zu etablieren und natiirlich auch on the Job zu trainieren. Die Chancen einer Verbesserung der globalen Planungsgiite hangen unmittelbar mit der Kompetenzvermittlung flir alle Beteiligten in den oft weltweit ausgebreiteten Liefemetzwerken zusammen. Will man an zentraler Stelle zu bestimmten Terminen Redaktionstermine fiir Absatz- und Bedarfsplanung einhalten, ist sicherzustellen, dass die operativen Planungsschritte und vorbereitenden Arbeiten in den diversen Landesgesellschaften rechtzeitig und vor allem vollstandig erledigt werden. Gefragt ist auch in diesen Fallen ein hohes gemeinsames Verstandnis fiir Problemtreiber, Storungsfalle und Eskalationsregeln. Authentische Coaching, Controlling und Trainings-Aufstellungen schaffen auch hier gute Voraussetzungen fiir kontinuierlich verbesserte Planungsgiite und dementsprechende LogistikKosten und -Leistungsoptimierung.
13.3.1
Trainings- und Coaching-Tools im Monitoring-Zyklus
Um die verschiedenen Analyse-, Controlling- oder Reporting-Aufgaben schnell und geschickt zu meistem, besteht der Monitoring-Coaching-Ablauf aus einer Reihe von Werkzeugen, Tools, Instrumenten und Controllingsystemen. Je nach Lemsituation, Controlling-Anforderung, Trainings-Schwerpunkten oder operativen Realisierungs-Anforderungen gilt es, passende und abgestimmte Arbeitshilfen auszuwahlen, anzupassen und in den Coaching-Ablauf einzubetten. Dabei konnen mit Hilfe von Klassifikationen und Einsatzprofilen Anft)rderungs-Muster erarbeitet werden, fiir die dann abgestimmte Tools oder Systeme aufgebaut werden. Dies veranschaulicht die Abbildung 13.4:
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Abbildung 13.4: Klassifikation und Einsatzprofile fiir Coaching-Tools
Im Laufe der Jahre sind dabei zusatzlich auch Fragen der individuellen Lemstile, Komfortzonen und Motivations-Lagen sowie Personlichkeits-Faktoren und Teamkonstellationen in den Blickpunkt geruckt. Fur die Darstellungen zur SCM-Kompetenz-Steigerung betrachten wir hier aber in erster Linie fachliche Bildungskriterien. Wichtig erscheint es dazu, die Auspragungen der authentischen Trainingsaufstellungen kurz zu erlautem, die eine hilfreiche Klassifikation und Gliederung von Trainings-Systemen ermoglichen. Die Abbildung 13.4 liefert einen Vergleich unterschiedlicher Lem- und Trainingssysteme mit Hilfe eines solchen Einsatzprofiles. So sind das Monitoring-Konzept, ein Tier 1 - 4 Game, ein allgemeines Business-Planspiel und ein spezielles Dispo-Game beispielhaft in dieser Klassifikation eingetragen, um die spezifischen Auspragungen darzustellen und auszuweisen. So ist ein Hauptkriterium der MonitoringBibliothek die Nutzung originaler Massendaten, um moglichst authentische Aussagen und Problemlosungen zu entwickeln. Ein Dispo-Game wiederum ist besonders auf das wiederholte Uben von Parameter-Einstellungen und Fertigungs-Einplanungen ausgerichtet, was sich im hohen Profilwert des Wiederholungs-Trainingseffektes zeigt. Wie ist nun der Zusammenhang zwischen den sechs Schritten im MonitoringZyklus und den verschiedenen Instrumenten, Werkzeugen und Trainings-Hilfen zu sehen.
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Die Monitoring-Bibliothek, also das mit originalen Daten gefflllte KPIOrganigramm, stellt gewissermaBen die Basis und Arbeitsplattform fiir Coaching und Trainingsschritte fur Logistik und Supply Chain Optimierungen dar. In der Stufe 5, das ist der Block der operativen Problemlosung und der nachhaltigen kontinuierlichen Leistungsverbesserung, ist ein groBer Bedarf an die Monitoring-Bibliothek erganzenden Tools und Werkzeuge gegeben. Das beginnt bei einfachen Instmmenten zur Evidenzhaltung von Problemartikeln, Schwerpunktlieferanten, kritischen Kunden oder Durchlaufzeit treibenden Arbeitsplatzen. Welters gehort zu diesem Arbeitsschritt aber auch das Spektrum an Report- und Cockpit-Programmen, die dem Feld des Controllings und des regelmaBigen Logistik-Berichtswesens zuzurechnen sind. Spezielle Kalkulations- und Simulations-Hilfen runden dabei als Decision Support-Werkzeuge den InstrumentenKorb ab. Aber unabhangig von diesen Formen der unterschiedlichen Trainingsund Coaching-Werkzeuge gehoren auch operative Systeme zu diesem AufgabenBlock. Das sind Systeme der Absatzplanung (Demand planning, forecasting), Tools zur Systemdatenpflege und AusreiBer-Diagnose (Alert-Management) sowie Zusatzprogramme fur komplexe Dispositionen oder mehrstufige Versorgungs-Planung. Einige Beispiele (Abb. 13.5 - 13.8) solcher Logistik-Werkzeuge werden ausschnittweise mit ihren Hauptmasken oder Analyse-Ergebnissen in der folgenden kleinen Bildersequenz vorgestellt.
Abbildung 13.5: ABCD-XYZ Analyse In der Abb. 13.5 ist eine ABCD-XYZ Klassifizierung dargestellt (Die Einteilung erfolgt nach dem Abgangswert sowie nach der Verbrauchsschwankung XYZ). In hellgrau gehaltene Anteile stellen den Bodensatz dar. Diese Form eines Sortiments- und Dispo-Portfolios dient zur differenzierten Parameter-Zuteilung. Zu
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lemen und zu trainieren, welche Segmente mit welchen Planungs- und Dispoprozessen zu bedienen sind, ist eine wichtige Herausforderung.
Abbildung 13.6: ABC-XYZ Spektralanalyse
In der Sortiments-Lieferanten- oder Kunden Spektralanalyse werden die einzelnen Artikel in Abhangigkeit ihres Abgangswertes und des Variationskoeffizienten dargestellt. Auf diese Weise kann schnell ein Uberblick liber AusreiBer, aber auch liber regel- bzw. unregelmaBig laufende Artikel gewonnen und im Drill down die Bestellpolitik analysiert werden.
Abbildung 13.7: ZU/AB - Bestandsentwicklung
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In dieser Abbildung 13.7 ist ein ZU/AB-Dispo-Politik und Synchron Diagramm dargestellt, welches beispielsweise Daten der MB52 und MD04 aus einem ERPSystem wie SAP ausweist. Diese Darstellungsform ermoglicht einen Vergangenheits- und Zukunfts-Vergleich und eine Bewertung der Gute der Planungs- und Dispo-Parameter. Die Nutzung solcher Arbeitshilfen im Trainings- und Coaching-Ablauf bietet auch ein schnelles Feedback, wie sich Parameter- und Planungs-Anderungen auf das Planungs-Ergebnis auswirken. Die Abbildung 13.8 zeigt eine grafische Disposition mit Bestellvorschlagen, terminierten Lieferungen, Bestellungen, Forecast und Bedarfen sowie Ruckstande und Planlieferzeiten. Diese Form der Grafik und der Problem-Modellierung ist sowohl fiir Trainings- als auch fur operative Planungs- und Dispo-Aufgaben nutzbar.
Abbildung 13.8: Dispositionsfenster Basierend auf diesen Ausschnitten, Bildbeispielen und Prognosen-Macros aus der Monitoring-Bibliothek soil nun in der Folge erlautert werden, wie solche Bild- und Kennzahlen-Dokumente in problemspezifische Trainingshilfen umgearbeitet werden konnen. Der Focus dieser Uberlegungen ist, gezielt aus dem Gesamt-Daten- und Kennzahlenmaterial signifikante und relevante Ausschnitte (Artikel, Bestellungen, Parameter) auszuwahlen, die den Lem- und Trainingsbedarf passend abdecken.
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13.3.2
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Das Dispo-Power-Game
Um interaktiv und iterativ das Parameter-Verstandnis fiir Dispo-Prozesse zu erhohen, konnen gezielt fiir diese Aufgabe maBgeschneiderte Games und Tools eingesetzt werden. Der Begriff Power-Tools leitet sich dabei aus dem zusatzlichen Einsatzzweck der „Wettkampforientierten" Gestaltung ab. Um Teams und Arbeitsgruppen, die fur diese Art der Schulung oder Ausbildung Interesse haben, besonders anzuspomen, konnen vergleichende Spielablaufe eingestellt und durchgearbeitet werden und ein Benchmark ahnliches Spielergebnis bereitgestellt, publiziert und in ein Leistungsranking eingebracht werden. Die Schwerpunkte oder die Ziele, die mit dem jeweiligen Game erreicht werden sollen, konnen dabei, wie in der Abbildung 13.9 gezeigt modular kombiniert oder angepasst werden.
Abbildung 13.9: Beispiel der Kombination von Trainingselementen fur ein Trainingstool
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Bei diesem hier beschriebenen Projektfall orientiert sich der Spiel- und Trainingsablauf an den Hauptthemen Produktions-Einlastung (Einfluss auf Durchlaufzeit und Verfligbarkeit), Lieferbereitschaft flir Vertrieb und Markt (Ausfallkosten, Umsatzverlust) und Kapitalbindung (Bestandskosten). Der User hat darin die Aufgabe innerhalb dieser Untemehmens- und Sortimentsgrenzen moglichst hohe Gewinne durch geringe Lagerbestande, ideale Auslastung der Produktion aber trotzdem hoher Verfligbarkeit der Artikeln fur den Vertrieb zu erwirtschaften. Er bearbeitet im Spielablauf Ausschnitte seines eigenen Sortimentes mit den bisher im ERP-System eingestellten StellgroBen und Parametem und findet dabei neue Optionen. Die Wahl der richtigen Strategie, der Losgrofien sowie die richtige Reihung der Fertigungsauftrage stellen hier die Kemherausforderung dar. Diese Entscheidungen dienen dazu, dem Spieler die Zusammenhange zwischen LosgroBe und Produktionsdauer aufzuzeigen, ihm die Riistzeiten vor Augen zu fuhren und auch die Auswirkung seiner Lagerbestande, die in Reichweiten dargestellt werden, auf das Ergebnis deutlich zu machen, Der spielerische Umgang mit den eigenen Daten (Artikeln, Bestellungen, Bedarfsverlaufe) und die Chance der freien Gestaltung defmierter Rahmenbedingungen kann eine vollig neue Sichtweise und Perspektive fiir die operativen Fachkollegen bringen. Eine Reihe von Spiel-Optionen, Sonderereignissen oder Erganzungen geschickt in den Ablauf eingebracht, sorgt fur die notwendige Abwechslung aber auch den konsequentenTrainings-Fortschritt. So macht es Sinn, Werkzeuge, die auf hohe Wiederholfrequenz ausgerichtet sind, mit unterschiedlichen Spielleveln auszustatten, die Taktfrequenz flexibel zu gestalten und ein kontinuierliches Monitoring der aktuellen Kosten- und Leistungs-Situation zu liefem, sodass ein kurzfristiges schnelles Nachregeln bei den Parametem initiiert und umgesetzt werden kann. Empfehlenswert ist weiters Perioden zu definieren, damit die angesprochene Wettkampfmoglichkeit gewahrleistet ist und besonders hilfreich sind auch Simulations-Routinen, die dem User Chancen der iterativen Parameter-Verbesserung anzeigen, und somit Lemerfolge mit weiteren Dispo-Strategien liefem und parallel die Auswirkungen unterschiedlicher Parameter-Settings visualisieren. Das Arbeits-Cockpit dieser Dispo-Game-Variante (Abbildung 13.10) zeigt in den einzelnen Bild-Dokumenten je einen Artikel nach Moglichkeit aus dem eigenen Sortiment. Kostensatze, Rechenformeln, Annahmen zum Spiel- und Dispo-Ablauf werden vorher abgestimmt oder konnen jeweils dem Administra-
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Sabine Back und Gemot Gossler
tions-Teil dieser Trainingshilfen entnommen, sowie je nach Fortschritt angepasst werden. Die Aufgaben der Sortiments iibergreifenden Optimierung die mit DispoVektoren und Dispo-Kapazitaten realisierbar sind, konnen mit diesem TrainingsSystemen ebenfalls eingestellt und simuliert werden (siehe dazu die Details aus^^).
Abbildung
13.10: Oberfldche eines individuellen
Dispo-Games
Im Folgenden ist ein Auswertungsbeispiel dargestellt:
59 Martin Tiefenbrunner: Ein Sortimentsiibergreifendes Optimierungsmodell zur Verbesserung der logistischen Disposition, 2000
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Abbildung 13.11: Auswertung des Spielverlaufes des Dispo-Games
Wie die Abbildungen 13.10 und 13.11 zeigen, wird generell versucht, die Oberflache dieser Dispo-Games moglichst einfach zu gestalten, die Bedienung so einfach wie moglich zu gewahrleisten, damit sich die Spieler auf das Wesentliche, in diesem Fall die Disposition von relevanten ihrer Artikeln (sie sind nach ABC-Kriterien eingeteilt) konzentrieren konnen. Der Einsatz dieses Tools im Coaching hat gezeigt, das mit Hilfe solcher Dispo-Games, schnell ein besseres Verstandnis fiir die Wertigkeit des eigenen Sortiments gewonnen und in weiterer Folge auch eine Verbesserung der Dispositions-Strategie erzielt werden kann.
13.4 Resiimee Fiir die operativen Fachleute in den Untemehmen wird es notwendig sich in immer kiirzerer Zeit mit immer wieder anderen Prozessmodellen auseinanderzusetzen. Sowohl das Gestalten von Prozessnetzwerken, als auch das Betreiben der Prozessaufgaben erfordert also permanentes, aber auch hoch wirksames Training on the Job. Der Aufgabenbereich ist dabei eine sich laufend andemde GroBe. Aufierdem ist die Tendenz Routine] obs zu automatisieren, zu kompensieren oder zu eliminieren ungebrochen im Gange, womit auch dadurch ein zusatzlicher Bedarf an modemen Lem- und Arbeitsmodellen entsteht.
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Flir das Beispiel der Planungs- und Dispo-Prozesse der Zukunft gilt, dass die bisher noch weit verbreitete Einzelartikel-Planung und Disposition Schritt fiir Schritt abgelost werden wird durch eine Teilsortiments bezogene Parametrierungsarbeit. Das heiBt statt Einkaufen und Disponieren Parameter richtig optimieren, um so das tagliche Arbeitsvolumen, die Qualitat und Glite der Planung und Bestellvorschlage sowie die Sicherung der ZielgroBen wie Verfiigbarkeit und Kosten sicherzustellen. Die hier vorgestellten Moglichkeiten mit VoUdaten basierter Analyse, kontinuierlichen Fortschritts-Reports, aber auch authentischen Trainingswerkzeugen sollen dazu einen entsprechenden Beitrag liefem.
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Literatur A.T Kearney (2004): A.T Kearney, „Logistik Kosten steigen wieder / Globalisierung macht Supply Chain Management immer komplexer", http://www.atkeamev.de/content/presse/pressemitteilungen untemehme n detail.php/id/49206 Back (1993): Back, S., Monitoring eine Problemlosung fur das Controlling der Logistikkette, Verlag LogBuch, 1993 Baumgarten (2002): Baumgarten, H., Trends und Strategien in der Logistik : Supply Chains im Wandel, TU, Bereich Logistik, Berlin 2002 Pfohl (2000): Pfohl, H. C , Supply Chain Management Logistik Plus? Logistikkette - Marketingkette - Finanzkette, Berlin 2000; Supply Chain Management / Konzepte, Trends, Strategien Pfohl (2001): Pfohl, H. C , Jahrhundert der Logistik, Erich Schmidt Verlag, 2001: Wertsteigerung durch Innovation in der Logistik Reindl und Oberniedermaier (2002): Reindl, M. und Obemiedermaier G., eLogistics, Addison Weseley, 2002 Scheer (2001): Scheer, A. W., Angeli, R. und Hermann, K., Informations- und Kommunikationstechnologie als Treiber der Logistik in Pfohl, H. C. Jahrhundert der Logistik, Erich Schmidt Verlag, 2001 Wertsteigerung durch Innovation in der Logistik Schuh (1998): Schuh, G., et. al, Virtuelle Fabrik, Hanser, 1998 Tiefenbrunner (2000): Tiefenbrunner, M., Ein Sortimentsubergreifendes Optimierungsmodell zur Verbesserung der logistischen Disposition, 2000
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14 Das Planspiel logtime Focus: Planungs- und Dispositionsprozesse Siegfried Augustin und Robert Graf Das Konzipieren und Implementieren von Supply Chains erfordert bei alien Beteiligten die ausgepragte Fahigkeit, in Prozessen zu denken und zu handeln. Sie steht in scharfem Gegensatz zur herkommlichen Funktionsorientierung, die in vielen Untemehmen noch praktiziert und durch Kostenrechnungssysteme, Organisationsstrukturen, Zielvorgaben und Karrieremechanismen unterstutzt wird. Um die offensichtlichen Vorteile der Prozessorientierung nutzen zu konnen, bedarf es nicht nur einer Verhaltens-, sondem auch einer Bewusstseinsanderung. Diese schon vor Jahren erkannte Problematik fuhrte zur Entwicklung von Planspielen als geeignete Trainingsmethode. Das Planspiel logtime wurde in erster Linie zu dem Zweck entwickelt, in Logistikprojekten die Betroffenen im logistischen Denken und Handeln zu trainieren und die Unterschiede zwischen funktionalem Denken und Prozessorientierung deutlich zu machen. Es wurde dann alsbald in der betrieblichen Weiterbildung, zur Vorbereitung von Logistikprojekten und in der akademischen Lehre eingesetzt. Die Intention des Planspiels besteht darin, in drei Spielrunden jeweils 36 Uhren in 6 Varianten so zu produzieren, so dass die Anforderungen des Vertriebs, in einem bestimmten Zeitraster die Uhren ausliefem zu konnen, erfuUt werden. Die Versorgung der Kapazitatseinheiten erfolgt uber ein Rohmaterial-, Teileund Baugruppenlager durch die Mitarbeiter in der Fertigung. Fertiggestellte Telle, Baugruppen und Erzeugnisse werden aus der Fertigung dem Lager wieder zugefuhrt und dort verwaltet (Abb. 14.1). Auftrage werden vom Vertrieb als Vertreter des Marktes in einer vorgegebenen Reihenfolge und bestimmten Zeitintervallen abgerufen. Gefertigt wird im Ausgangszustand nach einem vorgegebenen Fertigungsprogramm.
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Abbildung
Siegfried Augustin und Robert Graf
14.1: Elemente in logtime
Die Ausgangsstruktur fur Spielrunde 1 mit Arbeitsplatzen, Fertigungslayout und Produktionsprogramm sind rein funktionsorientiert (Abb. 14.2). Es gibt zwei Vorfertigungs- und einen Montagearbeitsplatz, drei Arbeitsplatze zur Veredelung, zur Qualitatskontrolle und Nacharbeit sowie ein Lager mit Lagerverwalter, Je ein Mitarbeiter befasst sich mit Vertrieb und Produktionslogistik. Gemessen werden in alien Runden die Anzahl der gelieferten Uhren, der Fertigungsriickstand, Lieferfahigkeit, Fertigungsqualitat, Fertigungsdurchlaufzeit und Bestande sowie die Arbeitsproduktivitat.
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Das Planspiel logtime
lAbsatzmarkt
01.1 UhrwerkinrotemGehause(U4) 01.2 UhrwerkingebemGehause(U4) 01.3 Uhr\AerkvonU2 02.1 Zeit eingest. Uhrw. in rotem Geh. (U4) 02.2 Zet eingest. Uhrw. in gelbemGeh. (U4) 02.3 Zeit eingest. Uhrw. von U2 03.11 Zeit u. Datum 1 eing. Uhrw. in rotem Geh. (U4) 03.12 Zeit u. Datum 2eing.Uhrw. in rotemGeh. (U4) 03.21 ZeU u. Datum 1 eingest. Uhtw. in gelbem Geh. (U4) 03.22 Zet u. Datum2 eingest. Uhrw. in geltiem Geh. (U4) 03.31 Ze» und Datum 1 eingest. Uhrw. in Geh. von U2 03.32 Zeit und Datum 2eingest. Uhrw. in Geh. vonU2
04.1 roteFrontplatte (U4) 04.2 gelt)eFrontplatte(U4) 05.0 Fu(i(U4) 06.0 Rahman (U4) 07.0 Trageiplatte(U4) 08.3 Rontplatte (U2) 09.3 Tragergestel (U2) 12.11 U4tDtmitDatum1 12.12 U4rDtmitDatum2 12.21 U4geibmit Datum 1 12.22 U4gelbmit Datum 2 12.31 U2mit Datum 1 12.32 U2mit Datum 2
- > Materialflull H ^ AuftragsfluR.
Fertigungs- und MaterialfluBplan fur U4 und U2
Abhildung 14.2: Ausgangsstruktur fur Spielrunde 1
Die Ergebnisse der Spielrunde 1 fallen in der Regel sehr schlecht aus. Die Griinde dafflr liegen in der flinktionsorientierten Ausgangsstruktur, die kaum Moglichkeiten fur ein FlieBen in den Prozessen bietet, d. h., der Anteil der Wertschopfung in den Prozessen ist sehr gering. Nach der Auswertung von Spielrunde 1 wird fur die gemessenen Werte - bei mehreren Gruppen im Plenum - eine gemeinsame Zielplanung durchgefuhrt, deren Ergebnisse flir die nachfolgende Beratungsrunde als Vorgabe dienen. Es folgt eine 60 bis 90 mintitige Beratung in der Gruppe - bei mehreren Gruppen getrennt voneinander. Dabei wird iiberlegt, durch welche MaBnahmen die Ziele erreicht werden sollen. Es obliegt der Entscheidung des Spielleiters, ob er in den Beratungsrunden eingreift und gegebenenfalls Verbesserungshinweise gibt. Der Lemeffekt ist natiirlich groBer, wenn die Teilnehmer durch eigene Uberlegungen zu Losungen kommen. Diese Beratungsrunde sollte von einem der Teilnehmer, am besten von demjenigen, der die Produktionslogistik betreut, moderiert werden. Sie umfasst eine Schwachstellenanalyse und eine Neukonzeption der Produktionsprozesse, stellt also in der Regel ein typisches Business Process Reengineering (BPR) dar. Die Entscheidung sollte im Konsens aller Teilnehmer getroffen werden. Nachdem die entsprechenden Veranderungen von der Teilnehmergmppe vorgenommen worden sind, wird die Runde 2 durchgefuhrt, die erfahrungsgemaB wesentliche
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Verbesserungen zur Folge hat, die eindeutig auf die Abkehr von der Funktionsorientierung und die Zuwendung zur Prozessorientierung zurtickzufiihren sind. Oft wird jedoch die verbesserte Lieferfahigkeit durch vergleichsweise hohe Bestande erkauft. Nach Auswertung der Ergebnisse von Runde 2 werden eine weitere Zielplanung sowie eine zweite Beratungsrunde durchgeftihrt. Diese hat nunmehr MaBnahmen zur Folge, die den Charakter eines kontinuierhchen Verbesserungsprozesses (KVP) aufweisen und zu weiterer Verbesserung der Zielerreichung fuhren sollen. Nach Runde 3 werden wieder die Ergebnisse ermittelt, mit den Zielwerten verglichen und in einer Abschlussdiskussion auf ihre Relevanz fur die Logistikpraxis hin diskutiert. Dabei zeigen sich • • • • •
der Zusammenhang zwischen Prozessorientierung und logistischen GroBen wie Bestanden, Durchlaufzeiten und Lieferfahigkeit, der Zusammenhang zwischen Logistik und QuaHtatsmanagement, die wesentlichen Merkmale von BPR und KVP (Abb. 14.3), das sinnvolle Zusammenwirken von BPR und KVP, der Einfluss von Prozessorientierung auf Arbeitsproduktivitat.
Die Grundprinzipien der Logistik - FlieBprinzip, Ganzheitlichkeit und Markt/Kundenorientierung - sind flir die Teilnehmer unmittelbar zu erleben und nachzuvollziehen. Im Spiel konnen Konzepte wie Multiple Skills, Just-in-Time, Kanban, neue Organisationsformen, neue Formen der Informationsversorgung wie Visible Management etc. realisiert werden. Vor allem ist das sinnvolle Zusammenwirken von BPR und KVP in den Spielrunden 2 und 3 spiirbar. In der Spielrunde 2 werden meist die bisherigen Ablaufe grundlegend in Frage gestellt, geandert oder vollig neue Prozesse kreiert. Im Wesentlichen fuhren diese MaBnahmen zu deutlichen Verbesserungen, es ist aber - so wie in der betrieblichen Praxis - meist noch kein Idealzustand im Prozess erreicht. Es bedarf noch kleiner Verbesserungen in Form eines „Feintunings" der Prozesse, aber auch oft neuer Uberlegungen hinsichtlich der Beherrschung des Bestandsproblems.
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Das Planspiel logtime
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Ahhildung 14.3: Zusammenwirken von BPR undKVP Bei der Durchfuhrung von logtime werden folgende Spielphasen durchlaufen:
Ahhildung 14.4: Phasen des Spielahlaufs von logtime
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Ein Vorteil von logtime liegt darin, dass es unter verschiedenen Aspekten gespielt warden kann, wie sie auch in der betrieblichen Praxis fiir die Logistik maBgebend sind: Qualitatsmanagement (speziell Total-Quality-Management), Teamentwicklung, Kommunikation und Kapazitatsanpassung. Fiir die Vermittlung der methodischen Grundlagen des Prozesskosten-Managements und der Prozesskostenrechnung existiert eine modifizierte Version von logtime. Das Planspiel endet mit einer Abschlussdiskussion, in der entsprechend den Vorkenntnissen aus der Lehrveranstaltung, aus der Studienrichtung oder aus der beruflichen Praxis der Teilnehmer die Moglichkeiten der Umsetzung des erworbenen Prozessdenkens in der Realitat erortert werden. Die Erfahrung aus mehreren hundert Einsatzen an Universitaten, Fachhochschulen und Untemehmen verschiedenster Branchen zeigt, dass die Lemziele hinsichtlich Prozessverstandnis, Qualitatsdenken und der flankierenden Effekte im wahrsten Sinn spielerisch, also mit hoher Motivation und zum Teil tiefgreifenden Erkenntnissen erreicht werden.
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Das Planspiel logtime
Technische Daten des Planspiels „ logtime*^ Spieldauer:
ca. 1-2 Tag(e)
Teilnehmerzahl:
7 - 30 Personen (in Gruppen von 7 bis 10 Personen)
Einsatzgebiete:
- Projektbegleitung - Innerbetriebliche Aus- und Weiterbildung - Exteme Schulung - Studentische Ausbildung
Schwerpunkte:
- Reengineering - Prozessmanagement - Standige Verbesserung (KVP/KAIZEN) - six sigma - Just-in-Time Methoden - Logistik in der Produktion - Teambildung - Qualitatsmanagement - Zielfmdung - Untemehmenssteuerung (Balanced Score Card)
Raumlichkeiten:
MindestgroBe fur eine Gruppe 25-30 m^; bei ausreichendem Raumangebot ist eine Trennung der Spielgruppen moglich
Arbeitsmittel:
Overhead-Projektor, Flip Chart, 10-13 Spieltische je Gruppe , Spielunterlagen
Sprachversionen: Deutsch, Englisch, Franzosisch, Spanisch, Griechisch, Russisch, Chinesisch
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Teil III
Aspekte des Lernens und der Didaktik Expertenbeitrage
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15 Vom Lehren zum Lernen: Ein neues Paradigma fiir die HochschuUehre Pit Forster und Adi Winteler
15.1 Einleitung In diesem Beitrag pladieren wir fur ein neues Paradigma in der HochschuUehre, einen „shift from teaching to learning", von der dozentenzentrierten Wissensvermittlung zur studentenorientierten Erleichterung des Lemens. Hierzu gehen wir zunachst auf den hierfflr notwendigen Wechsel vom Lehrparadigma zum Lemparadigma ein. Danach analysieren wir die bestehenden Lehrkonzepte und Lemkonzepte in ihren Auswirkung auf die Qualitat des Lehrens und des studentischen Lemens. SchlieBlich werden einige Merkmale studentenorientierter Lemumgebungen herausgearbeitet. Zum Abschluss wird eine Lemmethode vorgestellt, deren Effektivitat fur die Forderung studentischen Lemens tiberzeugend nachgewiesen ist: das Problemorientierte Lemen.
15.2 Das Lehrparadigma Bis weit in die Anfange des 20. Jahrhunderts hinein war „Vorlesen" eine gangige Methode, um an Universitaten Wissen zu „vermitteln". Aus der damaligen Sicht war dies aus mehreren Grunden sinnvoll und notwendig: Bucher standen den Studierenden nur sehr begrenzt zur eigenen Nutzung und Einsichtnahme zur Verfugung. Der erschwerte (durch Preis und verftigbarer Menge hervorgemfene) Zugriff auf diese Datentragerform lieBen es sinnvoll erscheinen, daraus vorzulesen. Schnelles Kopieren der in wenigen StUckzahlen vorhandenen Originale war technisch nicht durchfuhrbar. Andere „Kanale", auf denen man zu Informationsbestanden hatte gelangen konnen, existierten noch nicht. Radio, Femsehen, Telefon, Computer und Intemet warteten noch darauf, erfunden und verbreitet zu werden. Wirft man zudem einen Blick auf die gmndsatzliche Verbreitungsgeschwindigkeit von Forschungsergebnissen, Theorien und neuen Befunden, so kann man sagen, dass sich der Postreiter erst mal auf den Weg machen musste, um die gute Nachricht zu verbreiten. Und das dauerte.
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Pit Forster und Adi Winteler
In einem weiteren, fiir die heutigen Didaktischen Konzepte und Begriindungszusammenhange so wichtigen Sektor, den Neurowissenschaften, fanden die ersten Gmndlegungen zwar statt, der Gesamtbereich „Him" stellte sich groBtenteils jedoch noch als „teiTa incognita" dar. Aus dieser Ecke konnte man noch keine Unterstutzung flir die Begrundungszusammenhange fiir ein „aktives, handlungsorientiertes Lemen" erwarten. Dass Padagoginnen und Padagogen seit geraumer Zeit schon ahnlich gelagerte Konzepte und Ideen vortrugen, (z. B. J. H. Pestalozzi oder M. Montessori, den Reformpadagogen in den Anfangen des 20. Jhdts., K. Hahn und die Erlebnispadagogik usw.), hatte nur begrenzt Einfluss auf die Didaktik in den Universitaten. Im Jahr 2005 ist das radikal anders: Biicher sind quasi iiberall frei verfiigbar, und der Zugang zum aktuellen Wissen dieser Welt ist zeitnah moglich und nahezu unbegrenzt. Uberail stehen Scanner, Drucker und Kopierer in den heiligen Hallen herum und mancherorts sind selbige im Dauereinsatz. Neurowissenschaftler fiillen Vortragshallen, indem sie berichten, dass der SpaB und das handelnde Begreifen im Lemprozess entscheidend sind. In den Universitaten allerdings hat sich im HinbHck auf die Lehrmethoden bis heute relativ wenig geandert. Die Hochschule ist auch im 21. Jahrhundert noch immer eine Institution, an der viele Informationen uber „Vorlesungen vermittelt" werden. Die Basisidee, die im Hintergrund wirksam ist: Wissen riiber bringen, Stoff durchbringen und Fachinhalte vermitteln. Der Studierende ist in dieser Konzeption meist nur ein passiver Rezipient. Den aktiven Part hat der Dozierende. Er / Sie ist jemand, der etwas hat (Wissen), was es zu verteilen gilt: Diese Verteilung (via Sprechen, Folien, Power Point) erfolgt in der Absicht / Hoffnung / Gewissheit, dass derjenige, der dieses etwas (Wissen) noch nicht hat, es nach der Verteilung haben wird. Je mehr der Wissende an „Stoff besitzt", desto mehr wird verteilt. Um die vorhandene und bestandig wachsende „Stoffmenge" an „die Frau / den Mann" bringen zu konnen, muss entsprechend schnell vermittelt / verteilt werden. Dieses Lehr- oder Instruktionsparadigma und die „Befiillungsmetapher" halt sich nach wie vor sehr gut in den meisten deutschsprachigen Horsalen. Dies erscheint auch deshalb besonders bemerkenswert, da die Himforscher in den letzten 20 Jahren eine Ftille von Belegen angesammelt haben (z. B. Spitzer, Roth, Maturana), die nahe legen, dass ein Him sich nicht von auBen „befiillen" lasst. Es besteht also diese vom Dozenten ausgehende und am Stoff orientierte Lehre insbesondere in den "harten" Fachem - zu wesentlichen Teilen darin, das Fachwissen und das Wissen des Dozenten wohlgeordnet, sachlich richtig und moglichst ziigig in 45- oder 90minutigen Lehrveranstaltungen an - dieses Wissen
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Vom Lehren zum Lemen: Ein neues Paradigma fixr die Hochschullehre
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zumeist passiv aufnehmende - Studenten zu vermitteln (vgl. z. B. Dunkin, 1983; Dunkin & Barnes, 1986; Handal, Lauvas & Lycke, 1990). Dabei wird iibersehen, dass mit dieser Vorgehensweise das Mittel (die Methode, d. i. die Lehre) mit dem Zweck der Institution (studentisches Lemen zu ermoglichen) verwechselt wird. Die Methode wird bereits fur das Ergebnis gehalten (s. a. Winteler, 2002a,b). In der Folge davon stellen sich einige Ungereimtheiten im universitaren LehrLem-Kontext ein, die wir nachstehend kurz skizzieren.
15.3 Lehren als Ubertragung von Wissen und die Folgen Im traditionellen Unterricht, wie etwa in einer klassischen Vorlesung, ist der Dozent die meiste Zeit aktiv, und die RoUe des Studierenden beschrankt sich auf das passive Zuhoren. Dahinter steht die Vorstellung, dass Wissen etwas ist, das von einem Wissenden an einen noch nicht Wissenden 1:1 iibermittelt werden kann, der oder die danach ebenfalls zur Wissenden wird. Die Folge ist, dass Lehrende im Durchschnitt etwa 90-95% der Veranstaltungszeit flir sich beanspruchen. In der weiteren Folge vergessen viele Studierende rasch das meiste von dem, was sie gelemt haben, und sie sind haufig unfahig, das, was sie gelemt haben, auf reale Situationen und Probleme anzuwenden (Winteler, 2004).
Studierende vergessen das meiste, was sie gelemt haben Die Vergessenskurve bei Studierenden, die nach einem Jahr Studium eines Fachs und in weiteren Abstanden danach auf ihr noch vorhandenes Wissen daruber getestet werden, ahnelt verbliiffend derjenigen Kurve, die auch der Psychologe Ebbinghaus bei seinen Gedachtnisversuchen mit sinnlosen Silben herausgeftinden hat: Nach wenigen Wochen bleibt kaum noch etwas vom Gelemten iibrig. Ein weiteres betriibliches Ergebnis weist darauf hin, dass Studierende sich nach dem Studium bei einer erheblichen Anzahl von Lehrveranstaltungen, die sie besucht haben, weder an deren Titel noch an den Inhalt erinnem konnen. Diese Ergebnisse allein liefem bereits eine hinreichende Begriindung far eine sorgfaltige Uberpriifung dessen, was wir lehren und wie wir es lehren.
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Studierende verfiigen iiber trdges Wissen Trages Wissen ist solches Wissen, dass zwar im Kopf bereit liegt, mit dem die Studierenden jedoch nicht umgehen konnen, auBer, sich daran zu erinnem. Benjamin Bloom, der durch die Entwicklung einer Taxonomie der padagogischen Lemziele bekannt geworden ist, hat das Wissen von Studierenden anhand dieser Taxonomie uberprlift. Er konnte zwei Gruppen von Studierenden unterscheiden, die beide iiber den gleichen Wissensbestand verfiigten. Die eine Gruppe konnte dieses Wissen nicht anwenden oder es flir die Analyse, Synthese oder Beurteilung von neuem Verstandnis verwenden. Die andere Gruppe zeigte ein hoheres Verstandnis des Gelemten und konnte es auf neue Situationen und Problemstellungen anwenden (s.a. Mandl & Grasel, 1996). Eine haufig beobachtete Reaktion von Lehrenden, die feststellen, dass Studierende das meiste vergessen haben, dass sie vieles nicht richtig verstanden haben und dass sie ihr Wissen nicht fur Problemlosungen anwenden konnen, ist die Lehrstrategie: „Noch mehr von dem Gleichen". Da sie anscheinend nicht genug Stoff „gebrachf' haben, mtissen sie noch mehr von diesem Stoff bringen, um sicher zu stellen, dass die Studierenden es auch wirklich und endlich alles verstehen. Das Ergebnis sind jedoch lediglich noch mehr Ungereimtheiten, wie sie oben beschrieben worden sind.
15.4 Der Wechsel zum Lernparadigma Erst in jiingster Zeit, etwa seit den 80er Jahren, beginnt sich ein Wandel im vorherrschenden Lehrparadigma abzuzeichnen (siehe z. B. Svinicki, 1990; Mandl, Gruber & Renkl, 1993; Barr & Tagg, 1995; Gerstenmaier & Mandl, 1995). Es handelt sich hier um den Ubergang von der analytisch orientierten Forschung "erster Ordnung", in der die Realitat des Lehrens und Lemens aus der Perspektive unabhangiger Beobachter oder Forscher zumeist quantitativ analysiert und beschrieben wird und das Ziel die Verbesserung der Lehrstrategien, der Lehrstile und Lehrmethoden ist, zur "Perspektive zweiter Ordnung". Marton (1981) hat flir diesen qualitativ orientierten Forschungsansatz den Terminus "phenomenography" gepragt. Er beschreibt ihn als "...a research specialisation to study the different understandings or conceptions of phenomena in the world around us." (Marton, 1988; Bowden, 1994; Marton & Booth, 1997;. s.a. die Kritik von Webb, 1997). Mit dieser systemischen Sichtweise wird die Perspektive des Lemenden eingenommen. Die Absicht der Analyse ist es, herauszufmden,
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welches Verstandnis oder welche Konzeption der Lemende von dem Phanomen hat, wortiber gerade nachgedacht wird. Dies bedeutet einen Figur- Grund- Wechsel, einen Wechsel vom Lehr- zum Lemparadigma . Die Aufgabe der Lehrenden in den Hochschulen wird nunmehr darin gesehen, Lemumgebungen zu schaffen, in denen studentisches Lemen ermoglicht und erleichtert wird. Gute Lehre ist eine Lehre, die studentisches Lemen bewirkt und die zu hoher Qualitat dieses Lemens flihrt. Die dem Lemparadigma zugmndeliegende konstmktivistische Sicht des Lemens geht davon aus, dass Wissen fur die Person erst dann Bedeutung gewinnt, wenn es aktiv durch individuelle Erfahmngen konstmiert, geschaffen und verandert wird. Lemen wird als das selbstgesteuerte Entstehen von Wissensstmkturen und als qualitative Entwicklung und Verandemng von Konzeptionen verstanden (vgl. Brookfield, 1985). Dieses Paradigma entspricht den Ergebnissen der modemen kognitiven Psychologic, die darauf hinweist, dass die wesentliche Aufgabe des Lehrenden darin bestehen sollte, den Lemenden zur aktiven Auseinandersetzung mit dem Gegenstand des Lemens zu veranlassen. Dies bedeutet, dass die Aktivitaten des Studenten wesentlich wichtiger dafur sind, was und wie gelemt wird, als die Aktivitaten des Dozenten (Shuell, 1986, 1993). Es entspricht auch modemen kognitiven Modellen des Lehrens und Lemens (z. B. Entwistle & Tait, 1990; Weinstein & Meyer, 1991; Ramsden, 1992; Prosser & Trigwell, 1999).
Die verdnderten Rollen der Lemenden und Lehrenden Wenn Lemen als aktiver und selbstgesteuerter Prozess der Wissenskonstmktion begriffen wird, dann verandem sich auch die Rollen, die Lemende und Lehrende in diesem Prozess spielen. Die Studentenrolle verandert sich vom passiven Informationsempfanger zum aktiven und unabhangigen Lemenden, die Rolle des Dozenten verandert sich vom "sage on the stage" zum "guide by the side", von der reinen Wissensvermittlung zur Unterstutzung und Begleitung selbstregulierter Wissenskonstmktion des Studenten. Hierbei stellt sich die Frage, ob die Dozenten und Studenten an unseren Hochschulen (und die Hochschulen selbst) auf diese Verandemng ihrer Rollen iiberhaupt vorbereitet sind. Denn eine wesentliche Voraussetzung fur die Ausbildung eines neuen Rollenverstandnisses, deren Akzeptanz und die Integration in die Person der Lehrenden und Lemenden ist die Entwicklung und Verandemng der bisher bestehenden Lehr- und Lemkonzeptionen, die vorrangig auf die Vermittlung und den Konsum von Wissensbestanden ausgerichtet sind. Diesen Aspekten wenden wir uns im Folgenden zu.
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15.5 Lehrkonzepte Die bisherigen Studien zu den Konzeptionen des Lehrens legen nahe, dass es verschiedene unterscheidbare Lehrkonzeptionen gibt, dass die verschiedenen Konzeptionen qualitative Unterschiede aufweisen und dass sie auf einem flieBenden Kontinuum angeordnet werden konnen, das Stufen und Phasen der Entwicklung umfasst. Daniber hinaus scheint es zwei generelle Lehrorientierungen zu geben: Dozentenzentrierte Informationsvermittlung sowie Studentenorientierte Erleichterung des Lemens. Damit Dozenten von der einen zur anderen Orientierung wechseln konnen, ist eine Obergangsphase notwendig ( Trigwell & Prosser, 1997; Winteler, 2002a,b). Wie entwickelt sich die Lehrkompetenz im Verlauf der individuellen Berufskarriere? Generell scheint die Entwicklung in verschiedenen Phasen oder Entwicklungsstadien vor sich zu gehen, in denen sich der Fokus der Aufmerksamkeit des Dozenten vom Selbst iiber die Fertigkeiten (Methoden) zum Studierenden und dessen Lemergebnissen verschiebt. Hier konnen insgesamt fiinf Stadien unterschieden werden: In den ersten drei Stadien verlauft die Entwicklung vom Fokus auf das Selbst (wie kann ich in der Lehre uberleben? Werde ich von den Studierenden akzeptiert?) iiber den Fokus auf den Inhalt, das Fach (beherrsche ich den Stoff? Habe ich auch wirklich alles berlicksichtigt?) zum Fokus auf den Studierenden. Dies ist die erste Phase der Entwicklung. Mit dem dritten Stadium vollzieht sich jedoch gleichzeitig ein genereller Wechsel vom Fokus auf die Lehre zum Fokus auf das Lemen. In dieser zweiten Phase besinnen sich die Dozenten auf den Zweck ihrer Lehre: studentisches Lemen zu ermoglichen. Nunmehr steht der lemende Student im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit. In Stadium drei wird der Student noch als ein rezeptiver Lemender angesehen (wie soil ich lehren? Wie erreiche ich, dass die Studierenden den Stoff in ihre Kopfe bekommen?), in Stadium vier bereits als ein aktiv sein individuelles Wissen konstruierender Lemender (wie kann ich es erreichen, dass sie es lemen?) und in Stadium fiinf schlieBlich als unabhangiger und selbstandiger Lemender (wie kann ich die Studierenden dazu bringen, konzeptionell zu lemen? Wie kann ich die Studierenden dabei unterstiitzen, unabhangig zu denken und zu lemen?).
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15.6 Lernkonzepte Wenn man Studierende danach befragt, was sie unter Lemen verstehen, dann ergeben ihre Antworten, wie bei den Dozenten, regelmaBig eine begrenzte Anzahl unterschiedlicher Auffassungen hieruber. Die verschiedenen Konzeptionen des Lemens weisen qualitative Unterschiede auf und konnen ebenfalls auf einem fliefienden Kontinuum angeordnet werden, das insgesamt sechs Stufen und Phasen der Entwicklung umfasst (Marton, Dall'Alba & Beaty, 1993): Lemen wird verstanden als 1. Wissen vemiehren 2. Auswendiglemen und reproduzieren 3. Anwenden 4. Verstehen 5. Etwas auf eine andere Weise sehen 6. Sich als Person verandem In alien sechs Konzeptionen wird Lemen verstanden als „durch Erfahmng fahig(er) zu werden, (etwas zu tun, zu wissen, zu denken)". Die zeitliche Erstreckung in eine Phase des Erwerbs und der anschlieBenden Anwendung des Erworbenen ist ein weiteres wesentliches Merkmal aller Lemkonzeptionen. Dariiber hinaus unterscheiden sich die Konzeptionen qualitativ. In den ersten drei Konzeptionen wird Wissen als etwas gesehen, was „da drauBen" gegeben ist und was vom Studierenden aufgenommen und anschlieBend abgelegt wird, um spater reproduziert werden zu konnen. Dagegen spielen in den drei letzten Lemkonzeptionen der Sinn und die Bedeutung des Wissens eine zentrale Rolle. Hier ist der Lemende jemand, der aktiv beeinflusst, wie sein individuelles Wissen schlieBlich gestaltet ist. Die individuellen Konzeptionen des Lemens beeinflussen wesentlich die Art und Weise, wie sich Studierende mit bestimmten Aufgaben im Studium beschaftigen. Die unterschiedlichen Herangehensweisen werden Oberflachenlemen (surface approach), Tiefenlemen (deep approach) und Leistungsorientiemng (achievement approach) genannt. Oberflachenlemen bezeichnet die Tendenz zum Auswendiglemen und Reproduzieren des Stoffes. Dies ist charakteristisch fur die ersten drei Konzeptionen des Lemens. Beim Tiefenlemen versucht der Student, dem Stoff Oder der Aufgabe Sinn und Bedeutung abzugewinnen, haufig, weil ein Interesse am Gegenstand des Studiums vorliegt. Fiir die Verbessemng der Qualitat des studentischen Lemens ist das Tiefenlemen (Lemkonzeptionen 4-6) Voraussetzung.
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Das Tiefen- und Bedeutungslemen ist die einzige Orientierung, die auf die Auseinandersetzung mit der Aufgabe gerichtet und damit der Aufgabe angemessen ist. Die anderen beiden Orientierungen sind, was die Aufgabe betrifft, „pathologisch". Dem Oberflachenlemen liegt das Motiv zugrunde, die investierten Anstrengungen zu minimieren und gleichzeitig die normalerweise zu erwartenden negativen Konsequenzen dieses geringen Aufwandes ebenfalls zu minimieren. Die Leistungsorientierung ist pathologisch, weil sie sich nicht an der Aufgabe orientiert, sondem vor allem am Ergebnis, d. i., gute Zensuren zu erhalten. Die Aufgabe ist daflir lediglich Mittel zum Zweck (Winteler, 2002 b). Es ware ideal, wenn sich die Lehr- und die Lemkompetenz von Dozenten und Studierenden im Verlauf der Berufserfahrung bzw. des Studiums von einfachen zu komplexen und fortschrittlichen Konzeptionen des Lehrens und des Lemens entwickeln wiirde. Bedauerlicherweise ist das weder fiir alle Lehrenden noch fiir alle Lemenden der Fall. Die meisten Lehrenden und die meisten Lemenden bleiben in ihrer Entwicklung auf halber Strecke stehen und bewaltigen damit den Wechsel von der quantitativen Auffassung des Lehrens und Lemens zur qualitativen Sichtweise nicht.
15.7 Lehrkonzepte und Lernqualitat Zur Frage, ob sich die unterschiedlichen Lehrorientierungen, Konzeptionen des Lehrens und die daraus resultierenden Lehrstrategien auch auf die Qualitat des studentischen Lemens auswirken, liegen bereits einige Ergebnisse vor, die zudem in die gleiche Richtung weisen (vgl. Trigwell, Prosser & Waterhouse, 1999; Winteler, 2000). Die Studien zeigen, dass die beiden unterschiedlichen Lehrorientiemngen in den verschiedenen Fakultaten sich in erheblichem MaBe auf die dort verwendeten Lehrmethoden der Dozenten, die gestellten Lemaufgaben, die Prufungsanfordemngen und die Arbeitsbelastung der Studenten auswirken. Die Folge sind entsprechende wiinschenswerte oder weniger wtinschenswerte studentische Lemorientiemngen. In Studentenorientierten Lemumgebungen, in denen die Dozenten liber entwickelte Lehrkonzeptionen verfiigen, entwickeln die Studenten Bedeutungs- und Tiefenlemen und behalten diese Orientiemng im Verlauf des Studiums bei. Auf der anderen Seite gehen diese zu Beginn des Studiums noch vorhandenen Orien-
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tierungen bei Dozentenzentrierter Wissensvermittlung im Verlauf des Studiums zurtick (s. a. Fuller, 1999). Die Ergebnisse einer international angelegten Studie (Gibbs & Coffey, 2000, 2002), an der sich 23 Universitaten aus acht Landem beteiligen, weisen ebenfalls auf die hohe Bedeutung und die Konsequenzen unterschiedlicher Lehrkonzeptionen flir die Lehrstrategien der Dozenten, die Lemstrategien der Studenten und die Qualitat der Lemergebnisse bin. Diese Ergebnisse belegen eindrucksvoll die Bedeutung fortgeschrittener studentenorientierter Lehrkonzeptionen flir die resultierende Qualitat des studentischen Lemens. Es scheint also eine Relation zu geben zwischen Konzeptionen des Lehrens und Lemens und dem Vorgehen beim Lehren sowie dem Vorgehen des Dozenten beim Lehren und des Studenten beim Lemen. Insgesamt weisen die Studien darauf hin, dass sich die Lehrkonzeptionen der Dozenten auf die Lemkonzeptionen der Studenten dergestalt auswirken konnen, dass die Studenten diesen Lehrkonzeptionen entsprechende Lemkonzeptionen und Lemstrategien entwickeln. Dies gilt sowohl auf Fakultatsebene als auch auf der Ebene einzelner Lehrveranstaltungen (Abb. 15.1).
Abbildung 15.1: Lehr- /Lernkonzepte und studentische Lemorientieningen
15.8 Studentenorientierte Lernumgebungen Wenn Lemen als etwas betrachtet wird, dass interaktiv und konstmktiv ist und am besten in Lemgemeinschaften geschieht, dann sind Lehrmethoden erforderlich, die das aktive Lemen und damit Aktivitat, Reflexivitat, Kooperation und Begeistemng unter den Lemenden in Lemgemeinschaften fordem. Damit wird
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auch der Erkenntnis Rechnung getragen, dass Lemende ihr Wissen aktiv konstruieren und dazu ihr Vorwissen, mentale Prozesse und ihre bisherigen Erfahrungen verwenden, um neue Informationen in ihre bereits bestehenden Wissensstrukturen zu integrieren. Das Prinzip des aktiven Lemens ist der Schliissel dazu. Aktives Lemen im Unterricht fiihrt dazu, dass die Denkprozesse der Studierenden sich auf einer hoheren Ebene bewegen. Studierende bevorzugen gut geplante Strategien, die das aktive Lemen fordem, gegenuber der traditionellen Vorlesung. Uber die Beherrschung des Inhalts hinaus fordem sie die Entwicklung der Denk- und Schreibfahigkeiten. Diese Lehrstrategien entsprechen auch eher den bevorzugten Lemstilen der meisten Studenten. Aktives Lemen bezeichnet alles, was die Studierenden wahrend des Unterrichts tun, auBer passiv zuzuhoren. Dies reicht vom Lemen, wie man aktiv zuhort, liber kurze schriftliche Ubungen, in denen die Studierenden auf Teile der Vorlesung reagieren, bis hin zu Gmppeniibungen, in denen sie das Gelemte auf reale Situationen anwenden oder neue Probleme zu losen lemen. Die Lehrstrategie „Studentenorientiertes Lehren" beinhaltet, dass die Studierenden den Hauptteil der Lemarbeit leisten miissen und der Dozent sie nach Kraften dabei untersttitzt. Dies kann auf verschiedene Weise geschehen und ist nicht nur in kleineren Gruppen, sondem auch in groBeren Lehrveranstaltungen einsetzbar. Dies entspricht auch den Fordemngen der „Abnehmer" der Hochschulabsolventen. Sie weisen schon seit langem darauf hin, dass im Studium „professionelle Expertise" entwickeh werden muss, da sie im Bemf eine wesentHche Voraussetzung fur den Erfolg darstellt. Professionelle Expertise bedeutet nicht nur, iiber Fachwissen zu verfiigen, sondem auch, mit Informationstechnologien umgehen zu konnen, Probleme losen zu konnen, zu analysieren, zu fiihren, zu coachen, in Teams oder Netzwerken zu arbeiten, zu prasentieren, zu evaluieren etc. Unglticklicherweise werden diese Forderungen im bisherigen Hochschulalltag nur ungenugend erflillt, in dem immer noch die klassischen Veranstaltungsarten wie Vorlesung und Ubung und die einseitige Wissensvermittlung dominieren. Die unbeabsichtigten Konsequenzen dieser dozentenzentrierten Wissensvermittlung zeigen sich in unglinstigen Einstellungen vieler Studenten gegenuber dem Each, in hohen Abbmchquoten und in Absolventen, die schlecht darauf vorbereitet sind, reale Probleme kompetent und auf kooperative Weise zu losen. Wenn Gruppenlemen eingefiihrt werden soil, dann sind bestimmte Prinzipien zu beachten, damit effizientes Lemen in Gmppen moglich wird. Denn einfach Gruppen zu bilden und ihnen Aufgaben zu ubertragen, fiihrt noch nicht dazu, dass die Gmppen diese Aufgaben auch effektiv losen konnen und dass dies tatsachlich in der Gmppe geschieht. Haufig fiihrt dies lediglich dazu, dass die Ar-
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belt in der Gruppe ungleich verteilt wird, dass interne Konflikte auftreten und Unzufriedenheit mit dieser Lehrstrategie entsteht. Diese Probleme treten besonders dann auf, wenn Gruppenaufgaben vergeben werden, die gelost werden konnen, indem die Arbeit auf einzelne Gruppenmitglieder aufgeteilt wird. Dies ist dann der Fall, wenn die Aufgabe einfach ist und zu ihrer Losung keine Interaktion in der Gruppe erforderlich ist. Dann erledigt zumeist ein Mitglied der Gruppe die Arbeit. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Bearbeitung der Aufgabe umfangreiche schriftliche Ausarbeitungen, also individuelle Aktivitaten erfordert. Die einzige Gruppentatigkeit besteht dann darin, zu entscheiden, wie die Arbeit unter den Mitgliedem aufgeteilt wird. Danach zerstreut sich die Gruppe in alle Winde, um erst zur endgultigen Erstellung des Berichts wieder zusammen zu kommen.
Elemente effizienten Gruppenlernens Welche Probleme in Lemgruppen auftreten konnen, ist jedoch sowohl vorhersagbar als auch vermeidbar. Anstatt zu versuchen, die auftretenden Symptome zu kurieren, indem zum Beispiel nur eine Note fur den Gruppenbericht vergeben wird, ist es besser, die Ursachen des Problems zu betrachten und entsprechend zu berucksichtigen; d. h., Bedingungen zu schaffen, unter denen die Studierenden effektiv in Gruppen arbeiten konnen. Diese Bedingungen sind gegeben, wenn Sie die wesentlichen Elemente, welche diese Methode erst erfolgreich werden lassen, sorgfaltig beachten und befolgen: 1. Positive Interdependenz: Hoch effektive Personen haben eine Entwicklung von der Phase der Abhangigkeit tiber die Phase der Unabhangigkeit zur Phase der wechselseitigen Abhangigkeit, der Interdependenz durchlaufen. Auch die Studierenden in Lemgruppen miissen erfahren, dass sie aufeinander angewiesen sind, um ihre Aufgabe zu erledigen (sink or swim together). Dies wird durch gemeinsame Bewertungen, wechselseitige Ziele, geteilte Ressourcen und die Zuweisung von Rollen gewahrleistet. 2. Individuelle Verantwortlichkeit: Die Leistung jedes einzelnen Studierenden wird tiberpruft, und die Ergebnisse werden dem Einzelnen und der Gruppe zuruckgemeldet. Dies kann durch individuelle Tests geschehen oder durch die Aufforderung an einzelne Gruppenmitglieder, das Gelemte zu demonstrieren oder Fragen zu beantworten. 3. Gruppeninteraktion: Die Studierenden unterstutzen sich wechselseitig in ihren Lembemiihungen. Sie erklaren, diskutieren und vermitteln, was sie gelemt haben, den anderen in der Gruppe weiter.
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Soziale Fertigkeiten: Diese mussen die Dozenten den Studierenden beibringen, damit die Gruppen effektiv arbeiten konnen. Dazu gehoren Fuhrung, Entscheidungsfindung, Aufbau von Vertrauen, Kommunikation und Konfliktmanagement. Gruppenprozess: Die Studierenden analysieren, wie gut sie ihre Ziele erreichen und ob die Arbeitsbeziehungen produktiv sind. Hierzu dienen Fragen wie: „Was war das zentrale zugrundeliegende Konzept der heutigen Stunde?'' oder „Sagen Sie Ihrem Nachbam, was er/sie heute dazu beigetragen hat, damit die Gruppe gute Arbeit leistet" (selbst dann, wenn die Antwort: „Nichts!" lauten sollte).
15.9 Problemorientiertes Lernen Wie kann effizientes Gruppenlemen durch die Gestaltung geeigneter Lemumgebungen entwickelt werden? Im Folgenden gehen wir exemplarisch auf eine der Moglichkeiten hierfiir ein, deren Effektivitat fiir die Forderung studentischen Lemens im Vergleich zu den traditionellen Lehrmethoden iiberzeugend nachgewiesen ist: Problemorientiertes Lernen (Albanese & Mitchell, 1993; Problembased Learning, 1997; Major & Palmer, 2001; Dochy et al., 2003; Hmelo-Silver, 2004; Winteler, 2004; Tan, 2005).
Problemorientiertes Lernen (POL) Im Vergleich zu den klassischen dozentenzentrierten Veranstaltungsarten fiihrt POLzu hoheren individuellen Leistungen besseren Lemergebnissen als in Vorlesungen hoherer intrinsischer Lemmotivation hoheren kognitiven Denkprozessen besserem Behalten des Gelemten geringeren Abbruchquoten positiven Beziehungen groBerer sozialer Unterstiitzung besserer psychischer Gesundheit hoherem Selbstvertrauen
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Problemorientiertes Lemen (POL) ist eine studentenorientierte Lehrmethode, in der den Studierenden VOR dem Lemen eine echte oder simulierte Problemsituation prasentiert wird und die auf der Theorie des Erfahmngslemens und des Kognitivismus basiert. Das Ziel bei dieser Methode besteht darin, die Problemlose- und Denkfahigkeiten zu schulen und die Studierenden dabei zu unterstutzen, unabhangig, autonom und selbstbestimmt zu lemen. Der Erwerb von Wissensstoff steht dabei nicht im Zentmm, sondem erfolgt eher „nebenbei". Das POL kreist um interessante und sinnvolle Probleme und Fragestellungen. Die Rolle der Studierenden ist aktiv und relativ autonom. Sie planen die Untersuchungen und fuhren sie weitgehend selbstandig aus, um die gesteliten Fragen und Probleme zu beantworten. POL erfordert Flexibilitat im Hinblick auf den Ort der Durchfuhmng, die Zeit bis zum Abschluss sowie das gestellte Thema, das die Studierenden u. U. selbst (mit-)bestimmen konnen. Die Rolle des Dozenten ist primar die eines „facilitator". Er oder sie erleichtert das Lemen der Studierenden, indem er sie durch die einzelnen Phasen des POL begleitet: • • •
•
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• •
Orientiemng auf das Problem: Ausgangspunkt ist eine Fragestellung oder ein Problem. Das gestellte Problem sollte wesentlich sein. Relevanz des Problems: Das gestellte Problem sollte von praktischer Relevanz und simuliert oder real sein. Organisation der Studiengmppen: Die Gmppen arbeiten bis zur endgtiltigen Losung des Problems zusammen und entwickeln dabei Kommunikations- und Kooperationsfahigkeiten. Untersuchungsrahmen: Der bereitgestellte Untersuchungsrahmen widerspiegelt, wie Experten das Problem untersuchen wiirden. Er hilft den Studierenden, das Problem systematisch zu explorieren und zu analysieren. Unterstiitzung des unabhangigen Lemens und der Gmppenarbeit: Die Studierenden entwickeln den Untersuchungsplan, sammeln die erforderlichen Daten, interpretieren die Ergebnisse und ziehen Schlussfolgemngen daraus. Entwicklung und Presentation der Ergebnisse: Diese werden vorgestellt in Form von Ausstellungen, Postem, Modellen, Videos etc. Analyse und Evaluation des Prozesses der Problemlosung: Der gesamte Prozess wird noch einmal reflektiert und Folgemngen flir das zukiinftige Lemen werden diskutiert.
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Damit das POL fiir Studierende und Dozenten erfolgreich verlaufen kann, sind einige kritische Punkte zu beachten, die sich beziehen auf die Qualitat des Problems, die Rolle von Studierenden und Dozenten sowie den Gruppenprozess (s. a. Foster & Gilbert, 1991). Die Qualitat des Problems Die Problemstellungen spielen eine entscheidende Rolle im POL. Sie dienen als Leitfaden fur das Selbststudium, da die Studierenden die Liicke zwischen dem vorhandenen Wissen und dem Wissen, das benotigt wird, um das Problem zu losen, selbst schlieBen miissen. Sie sind motivierend, da sie sich auf reale Probleme beziehen. Sie fordem die Arbeit in Gruppen, da nur so eine effiziente Losung des Problems erreicht werden kann. Sie umfassen sowohl theoretische als auch praktische Aspekte. Da Probleme eine zentrale Rolle im POL einnehmen, haben auch die Merkmale der Problemstellung einen entscheidenden Einfluss auf den nachfolgenden Lemprozess, den Prozess der Problembearbeitung (Gruppenarbeit, Selbststudium etc.) und das Ergebnis, die Problemlosung. Welche Merkmale kennzeichnen eine angemessene problemorientierte Aufgabenstellung? Das Problem sollte • • • • • • • •
ein normales alltagliches Problem sein, das von Absolventen des Fachs gelost werden kann. den Wissensstand der Studierenden beriicksichtigen. in seiner Komplexitat dem Stand des Vorwissens der Studierenden entsprechen. ein konkretes und aktuelles Problem sein, das in der realen Berufssituation auftreten wird. einen breiten Inhaltsbereich abdecken. offen genug sein, um verschiedene Losungen zu ermoglichen. adaquates Aufgabenmanagement erfordem. zu Diskussionen zwischen Lehrenden und Lemenden tiber mogliche Losungswege fuhren.
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Die Rolle von Studierenden undDozenten Eine erfolgreiche Problembearbeitung stellt neue Anforderungen an Studierende und Dozenten. Die Lehrenden haben die Aufgabe, den Lemprozess der Studierenden anzuregen, zu steuem und zu begleiten. Dies erfordert, dass sie in der Lage ein mussen, sich verstandlich auszudrucken und den Stoff so zu erklaren, dass die Studierenden ihn verstehen konnen (Prinzip der kognitiven Passung). Sie haben auch die Aufgabe, die Zusammenarbeit in den Kleingruppen zu unterstixtzen und daflir zu sorgen, dass alle Gruppenmitglieder gleichermaBen an der Problembearbeitung beteiligt sind. Sie diirfen dabei nicht der Versuchung unterliegen, zu direktiv vorzugehen, zu intervenieren und wieder in die Rolle des Dozenten zu verfallen, der das notwendige Wissen selbst vermittelt. Dies erfordert einen standigen Balanceakt zwischen extemer Regulation und Selbstregulation der Lemenden. Die Studierenden mussen eine groBere Verantwortung far ihren eigenen Lemprozess ubemehmen. Sie mussen eine aktive Lemhaltung entwickeln, d. h., sie mussen zu selbstandigem und unabhangigem Studium in der Lage sein. Sie miissen sich uber ihre eigenen Lemziele klar werden, daruber, wie sie diese Ziele erreichen konnen, was dafur zu tun ist und welche Anstrengungen dafur erforderlich sind. Dies beinhaltet z. B. die Suche nach der passenden Literatur, die Entscheidung, welche Quellen relevant flir das Problem sind, den Entwurf der Vorgehensweise zur Problemlosung, die Befragung von Experten oder Kommilitonen. Der Gruppenprozess Die Vorteile des Lemens in kleinen Gruppen sind hinreichend belegt. Die Studierenden erhalten Gelegenheit, aktiv und kooperativ zu lemen, sich wechselseitig zu unterstutzen und Ruckmeldungen iiber ihren Lemfortschritt zu erhalten und zu geben, ihre individuellen Starken einzusetzen, ihre Studienzeit produktiv zu nutzen, haufige Ruckmeldungen von den Dozenten zu erhalten und dabei Fahigkeiten der Problemlosung und Teamfahigkeiten zu entwickeln (vgl. Boud &Feletti, 1991). Was bedeuten alle diese Impulse und Ideen fiir den gemeinen Lehralltag? Als Dozentin oder Dozent haben Sie die Moglichkeit, iiber Ihre Lehrziele (hohere kognitive und affektive Lehrziele), iiber die Art der Prufung (Faktenwissen vs. tieferes Verstandnis) und uber Ihre Lehrstrategien (dozentenzentriert vs. studentenorientiert) die Qualitat des studentischen Lemens zu unterstiitzen.
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15.10 Ja, aber... Es kann gut sein, das Ihnen wahrend der Lektiire Gedanken durch den Kopf gegangen sind, die eine gewisse Skepsis gegeniiber der Moglichkeit des Einsatzes dieser Methoden in Ihrem Lehralltag ausdriicken. Wenn Sie sich selbst einmal fragen, was Sie daran hindem konnte (falls dies iiberhaupt zutreffen sollte), neue Lehrstrategien auszuprobieren, dann kommen Sie wahrscheinlich auf einige oder mehrere der im Folgenden genannten Griinde: Ihre Selbstwahmehmung und ihr Selbstverstandnis. Das Selbstverstandnis Ihrer Rolle als Dozent. Das Unbehagen und die Unsicherheit, die Veranderungen normalerweise hervorrufen. Der fehlende Anreiz fiir Veranderungen. Die begrenzte Veranstaltungszeit. Die erhohte Vorbereitungszeit. Die Schwierigkeit, aktives Lemen in groBen Veranstaltungen einzufxihren. Fehlende Materialien oder Ressourcen. Die fehlende Bereitschaft auf der Seite der Studierenden. Der vermutete geringere Lemertrag. Kritik der KoUeginnen und Kollegen an den „unorthodoxen" Methoden. • Etc., etc. Der Konzept- und Rollenwechsel zum „guide on the side" ist vermutlich kein einzelner, einfacher Schritt auf die andere StraBenseite (s. Winteler, 2003b; Winteler & KrauB, 2005a,b). Kontextbedingungen in der jewelligen Universitat / Fakultat / am jeweiligen Lehrstuhl konnen nutzbare Ressourcen darstellen und den Prozess des Paradigmenwandels unterstiitzen aber auch erschweren. Dem sukzessiven Auf- und Ausbau des eigenen methodischen Repertoires kommt sicherlich eine wesentliche Rolle zu. Lokal funktionsfahige Pragmatik uber kooperativ-kollegiale Netzwerke plus europaischer Blick erscheint fiir den Paradigmenwechsel gleichermaBen bedeutsam zu sein. Interdisziplinar und interkulturell konnte es zieldienlich sein, uber die vorhandenen Funktionen und Aufgaben der Universitat und der darin befindlichen Akteure in jeder Richtung einen intensiven Austausch zu praktizieren? Die Kunst des Lehrens und die Lust des Lemens steht - auch in einem universitar - europaisierenden Blick - (wieder einmal?) vor einem „Neuanfang"!
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16 Elemente des aktivierenden Lernens in der Hochschulausbildung OlafNowitzki Er war zu seinem Vorgesetzten gerufen warden. „In unserem letzten Gesprdch hatten Sie angedeutet'', sagte dieser. „Dass Sie gern neue Aufgaben in unserer Abteilung ilbernehmen wollen. Ich habe gestern ein neues Projekt vom Vorstand genehmigt bekommen und ich denke, dass Sie der richtige Mann fur dieses Projekt sind. Ich weifi, dass es nicht Ihrer Ausbildung entspricht, aber ich habe Sie bisher als engagierten und findigen Mitarbeiter erlebt. Bringen Sie das Projekt zum Laufen! Sie werden das schon machen!" Naturlich verlieji er freudig das Zimmer seines Vorgesetzten. „Endlich eine neue Herausforderung'\ dachte er. Doch im gleichen Augenblick traf ihn der Stachel des Zweifels. „ Wird es mir gelingen, das notige neue Wissen, die neuen Fertigkeiten zu erlernen?'' Trotzdem war er sich sicher auch diese Aufgabe zu meistern, kannte er doch seinen eigenen Lernstil und wusste genau, wie er den neuen Lernstoff effizient und effektivfur sich aufbereiten musste. Betrachten wir den Wandel und die Veranderungen in der heutigen Welt, so bleibt als zentrales Merkmal der immerwahrende Umbau. Wahrend vor noch nicht allzu langer Zeit das Verbleiben in einem Untemehmen von Beginn des Arbeitslebens bis zum Ausscheiden aus selbigem noch die Regel war, ist heute die Tatigkeit bei verschiedenen Arbeitgebem im Laufe des Arbeitslebens die Normalitat. Doch selbst in einem bestandigen Umfeld gewinnt das Lemen immer starker an Bedeutung. Dies wird durch die geforderten Kompetenzen noch verstarkt. Neben dem Fachwissen, das als notwendige Bedingung gesehen werden kann, sind es vor allem die Problemlosungsfahigkeiten, die heute das Zentrum bilden. Sollte Lemen diese nicht unterstiitzen, fordem und vielleicht sogar anleiten? Lemen bedeutet Weiterentwicklung, sei es nur, um mit der Erweitemng des Wissens fiir die ausgeiibte Tatigkeit Schritt zu halten, oder um sich die Komplexitat neuer Verfahren und Vorgehensweisen anzueignen. Der Wunsch, Karriere zu machen, einen neuen Bemf zu ergreifen, oder schlicht die Angst um den eigenen Arbeitsplatz, zwingt uns zu standiger Weiterentwicklung, zu standigem
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OlafNowitzki
Lemen. Dieser Zustand wird von einem alten chinesischen Sprichwort, das uns so wohl vertraut ist, so treffend beschrieben: „Lernen ist wie rudern gegen den Strom, sowie man damit aufhort, treibt man zuriick!"
16.1 Unser Lernmotor - das Gehirn und wie es Lernen fordert und fordert Lemen kann heute nicht mehr als rein intellektueller Prozess verstanden werden. Auf der Basis der bekannten Erkenntnisse iiber die Himstruktur werden bestimmte physiologische Lemprozesse bevorzugt. Lemen erfordert zunachst das Speichem und Erinnem. Beides wird vom Gedachtnis geleistet, das unsere Erfahmngen und Erlebnisse speichert und bei Bedarf erinnert. Es wird in drei unterschiedliche Bereiche gegliedert: \.
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3.
Sensorisches Gedachtnis, Ultrakurzgedachtnis: Es arbeitet fiir einige Sekunden und ermoglicht uns, vor wenigen Augenblicken Gehortes oder Gesehenes direkt wieder zu geben. Kurzzeitgedachtnis: Es ist zum Teil mit dem Arbeitsgedachtnis identisch, das den Teil des Wissens enthalt, den wir gerade bearbeiten. GleichermaBen wird es durch seine begrenzte Speicherkapazitat und Speicherdauer von etwa 20 min charakterisiert. Langzeitgedachtnis: Hier legen wir die „erinnemswerten" Erfahmngen, Begebenheiten, Inhalte usw. ab. Seine Speicherkapazitat ist sehr groB.
Lemen und Lehren sollten die Belange des Gedachtnisses beriicksichtigen. Neben der Stmktur des Gedachtnisses erleben wir standig, dass wir uns an bestimmte Dinge besser oder schlechter erinnem konnen. Wamm ist dies so? Zunachst hangt dies sicher von der Intensitat ab, mit der wir die Information aufgenommen haben. Die Intensitat einer Information lasst sich vor allem durch das Ansprechen mehrerer sensorischer Systeme (Augen, Ohren usw.) erhohen. GleichermaBen beeinflusst die Geflihlslage, in der die Information erlebt wird, die Intensitat. Starke Gefiihle unterstiitzen den Merkprozess. Situationen mit starken positiven oder negativen Gefiihlen brennen sich besonders in unser Gedachtnis ein. Dieser Umstand wird beim aktivierenden Lemen durch die Schaffung einer positiven Lematmosphare benicksichtigt.
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Elemente des aktivierenden Lemens in der Hochschulausbildung
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BekanntermaBen ist das Gehim aus zwei Hemispharen aufgebaut, die fur unterschiedliche Aufgaben und unterschiedliche Fahigkeiten verantwortlich und zustandig sind. Die rechte Gehirnhdlfte steuert den linken Teil des Korpers. Hier sind die „akademischen" Aspekte des Lemens lokalisiert. Sprache, Logik, das analytische und lineare Denken. Die linke Gehirnhdlfte steuert den rechten Teil des Korpers. Die „schopferischen" Aktivitaten fmden sich hier: Musik, Reime, Rhythmus, visuelle Eindrucke, aber auch die ganzheitliche Mustererkennung. Bestandteile des aktivierenden Lemens berticksichtigen auch diesen Aspekt der Himphysiologie, indem sie versuchen, beide Halften des Gehims in den Lemprozess einzubinden. Weiterhin wird das Gehim als aus drei Teilen aufgebaut betrachtet: Himstamm, limbisches System und Neocortex. Der Himstamm ist fiir die Steuemng der Gmndfunktionen wie Atmung oder Herzfrequenz verantwortlich. Auch werden hier viele Urinstinkte angesiedelt. Angst- oder Fluchtreaktionen werden hier ausgelost. Im limbischen System werden die Gefuhle und die Gmndbediirfnisse lokalisiert. Es sorgt fur das Gleichgewicht im Korper und kontrolliert Hunger und Durst, Sexualitat, Lustzentren, Hormonausschtittung und vieles mehr. Auch Telle des Langzeitgedachtnisses sind im limbischen System vorhanden. Daher beeinflussen Starke Gefuhle die Speichemng von Informationen so stark. Der Neocortex ist fur die „h6heren" Funktionen zustandig. Horen, Sehen, Sprechen, Tun fmdet hier statt, alle hoheren Intelligenzfunktionen.
16.2 Nehmt Euch die Acht! Die Frage nach der Intelligenz hat sich wohl jeder schon einmal gestellt. Ist ein Intelligenzquotient ein brauchbares MaB fiir die Intelligenz eines Menschen? Wie stark ist seine Aussagekraft? In Rahmen des vorliegenden Artikels werden wir diese Fragen nicht diskutieren. Treffen Sie Ihre eigene Entscheidung!
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Vollig unabhangig von der Messbarkeit von Intelligenz hat der Padagogikprofessor Howard Gardner aus Harvard acht unterschiedliche Intelligenzen definiert. Wir finden sie alle in uns, allerdings in unterschiediicher Auspragung. Welche Intelligenzen hat Gardner „entdeckt"?
Linguistische (sprachliche) Intelligenz: Reden Sie gem? Schreiben Sie gem? Die Fahigkeit sich mit Worten und Sprache auszudrlicken, die Fahigkeit des Redens und Schreibens beschreibt diese Intelligenz. Schriftsteller, Redner, Schauspieler, sie alle mussen liber diese verfligen.
Logisch-mathematische Intelligenz: Machen Sie sich lineare Stmkturen? Gehen Sie logisch und analytisch mit der Welt um? Dann besitzen Sie diese Intelligenz. Die Fahigkeit logische Schliisse zu Ziehen und zu rechnen, charakterisiert sie. Besonders stark ist sie bei Ingenieuren und Naturwissenschaftlem ausgepragt.
Visuell-rdumliche Intelligenz: Denken Sie in Bildem? Konnen Sie sich im Kopf etwas vorstellen? Dann bedienen Sie diese Intelligenz. Sie sehen das zukiinftige Ergebnis augenscheinlich. Auch fur die Navigation ist sie unentbehrlich. Seeleute, Architekten, aber auch strategische Planer haben hier meist ihre Starke.
Musikalische Intelligenz: Spielen Sie ein Musikinstmment? Horen Sie gem Musik? Auch die Fahigkeit, Musik zu „verstehen", sie zu genieBen oder den Rhythmus zu halten, sind Auspragungen dieser Intelligenz. Zwangslaufig haben Musiker und Komponisten hiervon einen starken Anteil. Allerdings besitzt jeder Mensch eine gewisse musikalische Gmndintelligenz.
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Korperlich-kindsthetische Intelligenz: Macht es Ihnen SpaB, Dinge durch Zerlegen zu erkunden, nutzen Sie Ihren Korper zur Problemlosung (nicht durch brachiale Gewalt!), sind Sie handwerklich geschickt? Dann besitzen Sie eine starke korperlich-kinasthetische Intelligenz. Beispielsweise Sportier besitzen diese in hohem MaBe. Auch die Fahigkeit Ideen und Gefuhle zu zeigen, ist hier angesiedelt. Geschickte Baumeister und Konstrukteure sind Paradebeispiele fur diese Intelligenz.
Interpersonale (soziale) Intelligenz: Schopfen Sie Kraft aus der Interaktion mit anderen Menschen, arbeiten Sie gem im Team? Menschen, die gut mit anderen zusammen arbeiten und leicht Beziehungen aufbauen, besitzen diese Intelligenz. Neben dem Einfuhlungsvermogen gehort dazu auch die Fahigkeit, die Wunsche, Ziele und Antriebsfaktoren anzuerkennen. Lehrer und Priester besitzen beispielsweise oft einen groBen Anteil an dieser Intelligenz.
Intrapersonale Intelligenz: Besitzen Sie die Moglichkeit zur Selbsterkenntnis und Reflexion? Konnen Sie Ihre eigenen Leistungen und inneren Gefuhle betrachten? Ziehen Sie sich manchmal aus dem Trubel des Alltags zuriick? So besitzen Sie eine starke intrapersonale Intelligenz. Beispielsweise Philosophen haben diese.
Naturalistische Intelligenz: Flora und Fauna begeistem Sie? Konnen Sie diese in produktiver Weise einsetzen? Dann besitzen Sie wie viele Biologen und Bauem diese Intelligenz. Auch die Fahigkeit Gesamtzusammenhange zu erkennen, wird dieser Intelligenz zugeordnet. Gleich welche der Intelligenzen in Ihnen besonders ausgepragt ist, sie sind in Ihnen und Ihren Mitmenschen ungleichmaBig verteilt. In der schulischen und universitaren Ausbildung werden klassisch die linguistische und logischmathematische Intelligenz bevorzugt. Dies ist sicher ein guter Ansatz, da viele Menschen diese Intelligenzen in sehr ausgepragter Form besitzen. Und die Ausbildung ist erfolgreich. Allerdings ist Lemen fur jeden Menschen ein individuel-
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ler Prozess. Jeder lemt auf eine andere Weise. Sollte dann nicht ein Lem- oder Lehrkonzept diese individuellen Bediirfnisse beriicksichtigen? Nattirlich! Dies ist das Credo des aktivierenden Lemens.
16.3 Lernen als Prozess - sechs Schritte zum Erfolg Colin Rose hat Lernen als Prozess beschrieben. Er gliedert den Prozess in sechs Schritte, die immer wieder durchlaufen werden.
Abbildung 16.1: Der M.A.S.T.E.R.-Lernprozess
Er nennt seine Methode „accelerated learning" oder M.A.S.T.E.R.-Leaming. Im deutschen Sprachraum hat sich statt der Ubersetzung „beschleunigtes Lernen" der Begriff „aktivierendes Lernen" eingeburgert. Was bedeutet dies in der Praxis? Aktivierendes Lernen versucht durch den Einsatz von Methodiken und deren standigen Wechsel, die individuellen Lemstile, die sich aus den Intelligenzen
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nach Gardner ableiten, gezielt anzusprechen. Betrachten wir die Schritte des Lemprozesses im Einzelnen.
Mentale Vorbereitung - Gute Gefuhle zu Beginn Geflihle beeinflussen unsere „Merkfahigkeit". Ziel muss daher die Erzeugung einer positiven Lematmosphare sein, in der die Teilnehmer einer Lehrveranstaltung gem lemen. Dies beginnt schon weit vor der Lehrveranstaltung in der Auswahl der Bedingungen, was die Raume, die Ausstattung und vieles mehr einschlieBen. Wichtig ist auch, die Einstimmung auf das Thema, die schon in der Vorbereitung durch die Vorinformation der Teilnehmer (z. B. Anschreiben, Ankiindigung) vermittelt werden sollte. Die Teilnehmer soUten von Anfang an in die Lehrveranstaltung eingebunden sein. Eine positive Einstellung zur Lehrveranstaltung und zum Thema wird auch durch die Beriicksichtigung der Bedurfnisse, Wunsche und Angste der Teilnehmer erreicht. Auch die Bediirfnisse des Dozenten dtirfen nicht vergessen werden. Dies schafft fur alle Teilnehmer eine Atmosphare der Sicherheit. Die M.-Phase wird nicht zu Beginn jeder Lemeinheit durchgeflihrt. Besonders wichtig ist sie natiirlich zu Beginn der Lehrveranstaltung und zu Beginn eventuell stattfmdender Folgeveranstaltungen.
Aufnehmen der Lerninhalte - Sehen, Horen, Fiihlen Menschen haben unterschiedlich sensorische Kanale, uber die sie Informationen bevorzugt aufnehmen. Vereinfacht gesagt tiber Augen, Ohren und Hande. Lerninhalte soUten moglichst viele verschiedene sensorische Inputs bei den Teilnehmem bedienen. Sie sollten daher nach der VAK-Methode diese Sinne ansprechen: Sehen (visuell), Horen (akustisch), Fiihlen (kinasthetisch). Methodisch wird der visuelle Kanal durch Bilder, Grafiken, Symbole, Mindmaps und Farben besonders bedient. Allerdings ist hier weniger mehr. Setzen Sie die Reize gezielt. Der akustische Kanal wird besonders durch Stimme und Gerausche aktiviert. Betonen Sie einzelne Informationen, sorgen Sie fiir einen Wechsel in der Stimmmodulation und sprechen Sie Zusammenfassungen aus. Wenn die Lemenden Bestandteile des Leminhalts zerlegen oder zusammensetzen konnen, wird der kinasthetische Kanal angesprochen. Allerdings nicht nur dadurch, sondem auch durch Bewegung, Anfertigen von Notizen oder schlichtes Abhaken der Ergebnisse.
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Suche nach Sinn und Bedeutung - Was bringt'sfiir mich? Wichtig ftir die „Merkwurdigkeit" eines Inhalts ist die Erkenntnis des Empfangers tiber den Sinn der Information, allerdings nicht im ubergeordneten Sinn, sondem ausschlieBlich in der Bedeutung fiir ihn. Nur wenn er erkennt, dass die Information fiir ihn von Nutzen sein kann, wird er sie sich auch merken. Die Suche nach dem Sinn kann durch die Methodik positiv beeinflusst werden. Aus den oben beschriebenen acht IntelHgenzen ergeben sich folgerichtig acht Lemstiltypen. Jeder Lemstiltyp wtinscht sich bestimmte Methoden, mit denen er den Sinn einer Information fiir sich am besten versehen kann. Lassen Sie uns die Intelligenz bzw. Lemstiltypen im Einzelnen untersuchen. •
Linguistischer (sprachlicher) Lernstil: Er sucht die Beschreibung der Information mit eigenen Worten, iibersetzt in die eigene Sprache. Zusammenfassungen der Informationen sind fiir ihn wichtig. Methodik: Teilnehmer Zusammenfassungen erstellen lassen, z. B. als Berichte, Zeitungsartikel, Marchen, Briefe. Teilnehmer Inhalte wiederholen lassen.
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Logisch-mathematischer Lernstil: Er versucht alle Informationen aufzulisten, zu nummerieren. Fiir ihn sind Tabellen und Diagramme wichtig. Danach sortiert er die Informationen in durch ihn defmierte Schemata. Line lineare Agenda mit einer genauen Abfolge spricht ihn am meisten an. Methodik: Diagramme erstellen lassen, Inhalte in defmierte Strukturen iiberfuhren, Abfolgen von Prozessen reihen.
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Visuell-raumlicher Lernstil: Er erstellt Skizzen des Gelemten. Auf einem groBen Plakat fiigt er die Leminhalte zusammen, aber auch fiir ihn sind Tabellen und Diagramme wertvoll. Zeigen Sie ihm den Inhalt der Lehrveranstaltung in Form eines groBen Mind-maps, ist er zufrieden. Methodik: Vermitteln Sie die Inhalte bildhaft, mit Beispielen angereichert. Plakate, Kollagen oder Werbeunterlagen anfertigen lassen, die Teilnehmer erstellen sich ihr eigenes Mind-map der Leminhalte. Fassen Sie den Inhalt der Lemeinheit in einer Phantasiereise zusammen.
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Musil^alischer Lernstil: Er lemt besser bei leiser Begleitmusik. Reime und rhythmisches Aufsagen vereinfachen fiir ihn den Merkerfolg. Methodik: Inhalte in Verse oder Reime fassen, Melodien mit neuen Texten versehen.
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Korperlich-kinasthetischer Lernstil: Er kann beim Lemen nicht still sitzen und lemt am besten beim auf und ab gehen. Er versetzt sich in die Rolle eines anderen. Er bastelt, baut und spielt herum. Er demonstriert Inhalte mit Hilfe seines Korpers. Methodik: Rollenspiele durchfuhren, Modelle einsetzen, Modelle bauen lassen, Prozessablaufe mit Korperbewegungen verkniipfen, Inhalte aufschreiben lassen.
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Interpersonaler Lernstil: Er lemt im Gesprach mit anderen, erklart und merkt an. Die Beantwortung von Fragen fiihrt fiir ihn zu einer eigenen Erkenntnis. Die Erfahrungen und Meinungen der anderen sind ihm wichtig. Methodik: Partner- und Gruppenarbeit
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Intrapersonaler Lernstil: Er denkt gem iiber die Inhalte nach und erschlieBt sich seine Bedeutung ganz allein. Er stellt sich vor, wie die Information ihn beeinflusst. Methodik: Einzelarbeit, Zeit zur Reflexion
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Naturalistischer Lernstil: Er erkennt die Gesamtbedeutung des Inhalts fflr Umwelt und Gesellschaft, denkt ganzheitlich und nachhaltig. Biologic, Tiere und Pflanzen, interessieren ihn schr. Methodik: Analogien fiir die Leminhalte in der Natur suchen, Auswirkung fiir andere erkunden lassen.
Keiner der Lemstile ist in den Teilnehmem in Reinform ausgepragt. Jeder von uns besitzt cine Mischung vielleicht auch, eine besondere Vorliebe fiir einen Teil der Lemstile. Analysieren Sic sich doch einmal selbst! Quintessenz aus der Betrachtung der Lemstile ist die Tatsache, dass die Vielfalt und die Abwechselung der Methoden die Lemstile der Teilnehmer untersttitzt. Die „Merkfahigkeit" der Informationen und der Erfolg der Lehrveranstaltung werden deutlich gesteigert.
Treibstofffur das Geddchtnis - Ziindung der Erinnerungsrakete Zunachst mochte ich Sic entmutigen. Sie werden 70 % dieses Artikels am morgigen Tag vergessen haben. Es sei denn, Sie wollen den Inhalt unbedingt lemen. Wie lasst sich also der Anteil an Gelemtem erhohen?
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Kleine Lemeinheiten, die nicht langer als zwanzig Minuten dauem, steigem das Merkvermogen. Nach dieser Lemeinheit soUte eine Wiederholung oder eine Aktivierung des Gelemten erfolgen. Welche Methoden flir eine Aktiviemng, fur den Treibstoff fiirs Gedachtnis sind denkbar? Bizarre Inhalte bleiben besser haften. Eine ungewohnliche Verkniipfung stellt dies sicher. GleichermaBen hilft auch die Assoziation des Leminhalts mit Vergleichbarem zur besseren Erinnerung. Auch das Kategorisieren, das Sortieren in eigene Schemata macht die Information merkwiirdiger. Die Nachbearbeitung der Leminhalte fiihrt durch das Erstellen von Bildem, Skizzen, Diagrammen und Tabellen zum Ziel. Mind-maps konnen flir einige Teilnehmer hilfreich sein. Jeder von uns kennt den Effekt, dass der Inhalt einer Geschichte ziemlich vollstandig wiedergegeben werden kann. Teilnehmer schreiben Marchen, Briefe oder Berichte, um den Leminhah zu verankem. Eselsbrticken helfen dem einen, Akronyme oder Reime dem anderen. Die Methoden, die Merkwurdigkeit zu erhohen, sind vielfaltig. Eines sollte allerdings immer bedacht werden. Nur der eigene, individuelle Weg bringt den richtigen „Treibstoff'. Was flir mich gilt, muss nicht zwangslaufig auch fur einen anderen Menschen gelten. Sicher haben Sie die Analogic zu den Intelligenzen und Lemstilen entdeckt. Auch der personliche Treibstoff fur das Gedachtnis wird von den bevorzugten Eigenschaften des Einzelnen bestimmt.
Einsatz des Gelemten - Ubung macht den Meister Nichts ist sinnloser als Wissen, das nicht zum Einsatz kommt. Stellen Sie sich vor, dass Sie etwas Neues und Interessantes gelemt haben, festgestellt haben, dass es fur Sie selbst Sinn macht, und ein tolles Mind-map dazu entworfen haben. Jetzt legen Sie allerdings diese neue Fahigkeit erst einmal auf Eis, weil Sie gerade keine Verwendung daflir haben. Nach drei Monaten woUen Sie die Fahigkeit zum Einsatz bringen. Was wird passieren? Ein weiteres Konzept des aktivierenden Lemens ist, das neue Wissen, die neue Fahigkeit sofort im Rahmen der Lehrveranstaltung erstmalig zum Einsatz zu bringen. Zwei wichtige Aspekte werden durch diesen Schritt bewirkt. Durch den
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Einsatz wird das Wissen noch starker gefestigt und der erste erfolgreiche Einsatz der neuen Fahigkeit gibt ein positives Gefiihl. SchlieBlich behalten wir 90 % des Gelemten, wenn wir es lesen, horen, sehen, sagen und tun. (Abbildung 16.2)
Abbildung 16.2: Soviel erinnern wir
Eine Reihe von Methoden sind in diesem Schritt denkbar: der Einsatz am Modell, die Simulation, eine praktische Ubung, das RoUenspiel und vieles mehr. Besonders wichtig! Fehler sind erlaubt, sofem sie als Feedback analysiert werden und einen KontroUkreis in Gang setzen.
Reflexion - der Blick in den RUckspiegel Im letzten Schritt des Lemprozesses fmdet eine Reflexion iiber das „Wie" des Lemens und das „Was" des Inhalts statt. Waren die Schritte, die ich im Lemprozess durchgefuhrt habe, fiir mich passend? Passen meine Lemschritte zu meinen Lemstilen und Intelligenzen? Was wiirde ich fur einen zukiinftigen Lemprozess verandem?
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Dies sind wichtige Fragen, um den eigenen Lemprozess immer wieder zu optimieren. Dies macht die Reflexion so entscheidend. Ziehen Sie Nutzen aus der Reflexion! Aber auch die Reflexion liber den Inhalt dieser Lemeinheit ist mit dieser Phase gemeint. Denken Sie liber die Lemeinheit nach. Was hat der Inhalt fiir mich fiir eine Bedeutung, wie wichtig ist er fiir mich? Welchen Einfluss hat der Leminhalt auf meine nachste Umsetzung im taglichen Leben? Nehmen Sie sich fur die Zukunft etwas aus dem Gelemten vor. Andem Sie Ihre Vorgehensweise oder Ihr Verhalten. Achten Sie aber darauf, dass Sie nur maximal zwei oder drei Veranderungen angehen wollen. Und, belohnen Sie sich selbst fiir den erfolgreichen Lemprozess und die erfolgreiche Umsetzung in die Praxis oder fiir die Verhaltensandemng! Sicher ist die Durchfiihrung einer Reflexion nicht nach jedem Lemschritt sinnvoll. Sie sollte aber immer am Ende einer groBeren Lemeinheit oder am Ende eines Tages stehen.
16.4 Aktiv Lernen - Aktiv Lehren Das Konzept des aktivierenden Lemens verlagert einen Teil der Lemverantwortung an den Teilnehmer. Allerdings sind die Dozenten, Lehrer und Trainer nicht aus der Pflicht genommen. Unzweifelhaft mlissen sie die Lemschritte und Methoden an die unterschiedlichen Lemstile und Intelligenzen anpassen. Der Methodenwechsel zwischen beispielsweise dem Vortrag und der Ubung sollte nicht die Ausnahme, sondem die Regel sein und in kurzen Abstanden erfolgen. Denken wir in diesem Zusammenhang an die zwanzig Minuten Kurzzeitgedachtnis. Es gilt der Gmndsatz: Erst das Lernziel und dann die Methode! Methodenwechsel als reiner Selbstzweck ist nicht das Ziel aktivierenden Lehrens! Der Auftrag an Dozenten und Trainer kann daher nur lauten, in den Lehrveranstaltungen dafiir zu sorgen, dass das Aufnehmen der Leminhalte liber alle sensorischen Kanale ermoglicht ist. Dass das Lemumfeld angenehm und moglichst stressfrei ist, und damit mit positiven Gefiihlen besetzt wird. Geeignete Metho-
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den beriicksichtigen die Lemstile der Teilnehmer, insbesondere in der S- und TPhase des Lemprozesses. Aber, was uns gefallt und auf welche Weise wie wir lemen, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit fiir einen Teil der Teilnehmer nicht optimal geeignet. Insofem ist eine Lehrveranstaltung immer ein Kompromiss, der versucht, die unterschiedlichen Lemer moglichst breit anzusprechen.
16.5 Aktivierend Lehren an der Hochschule Ein voUstandiger Prozess des aktivierenden Lemens nach der Methode von Colin Rose ist an der Hochschule sicher nicht in alien Lehrveranstaltungen zu etablieren, sind doch aufgrund der Rahmenbedingungen bestimmte Verfahrensweisen vorgeschrieben, andere aber aufgrund von Raumsituation oder Aussttattung nur eingeschrankt moglich. Trotzdem, fassen Sie doch die bis hierhin genannten Inhalte fiir sich in einem Mind-map oder fur sich in eigenen Worten zusammen, oder, oder, oder. Bedenken Sie Ihren eigenen Lemstil. Wo konnten Sie die Elemente des aktivierenden Lemens an der Hochschule einsetzen? Als erstes ist sicher das Seminar zu nennen, erfiillt es doch einige niitzliche Kriterien. So ist die GmppengroBe kleiner als in der Vorlesung, der Raum wirkt nicht so technisch wie ein Horsaal, der Kontakt zwischen den Dozenten und Studierenden ist naher und intensiver. In dieser Seminarathmosphare ist aktivierendes Lemen sicher leicht umsetzbar. Wenn die Seminarteilnehmer sich iiber eine langeren Zeitraum hinweg fiir das Seminar anmelden, ist auch eine geeignete mentale Vorbereitung durchzufuhren. Es lassen sich LFbungen einbauen, Gmppenarbeiten durchfuhren oder auch Rollenspiele durchspielen. In diesem Rahmen konnen Fahigkeiten und Kreativitat der Studierenden gut aktiviert werden. Welche Schritte M., A., S., T., E. und R. sind in einem Seminar denkbar? Zentrale Lehrveranstaltung an der Hochschule ist die Vorlesung. Und hier ist der Name Programm! Wissen wird transportiert (vorgelesen), vom Dozenten zum Studenten. Zumeist fmdet dieser Transfer frontal und in Form eines Vortrags statt. Sicher sind in dieser Unterrichtsform die Elemente aktivierenden Lemens schwieriger umzusetzen, da die Rahmenbedingungen festgelegt sind. Trotzdem, auch hier lohnt Nachdenken. So konnen Vorlesungen durch visuelle und akustische Elemente aufgewertet werden, und niemand hindert den Dozenten daran, mit Hilfe seines Korpers Inhalte zu demonstrieren. Ist es in einer Vorlesung undenkbar, eine Hausaufgabe zu stellen, vielleicht als Gmppenarbeit, damit sich die Studierenden untereinander mit der Materie inten-
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siv beschaftigen? Warum nicht einmal einen Studierenden bitten, den Leminhalt mit eigenen Worten zu wiederholen? Warum nicht Bilder, Plakate, Ubersichten erstellen lassen, die spater prasentiert und diskutiert werden? Konnte nicht der Inhalt einer Vorlesung am Ende durch eine Phantasiereise wiederholt werden? Ein weiterer Ansatzpunkt des aktivierenden Lemens an der Hochschule sind die Vorlesungsskripte. Auch hier lassen sich Erganzungen und Veranderungen durchflihren. Was spricht gegen das Einbauen von Wiederholungs- und Kontrollfragen am Ende einer groBeren Lemeinheit? Denkbar ist auch der Einbau von Arbeitsblattem in das Skript. Oder vielleicht bleibt eine Folic des Vorlesungsskripts leer, damit die Studierenden diese selbst ausfiillen konnen. Damit ergeben sich auch direkt aus der Vorlesung Wiederholungs- und Ubungsphasen. Betrachten wir die im heutigen Berufsumfeld geforderten Kompetenzen, so ist das Fachwissen nur die Basis fiir eine erfolgreiche Arbeit. Im hoheren MaBe sind heute Problemlosungskompetenzen gefordert. Aktivierendes Lemen fordert diese Kompetenz besonderes in der E.-Phase. Somit bereitet aktivierendes Lernen auch optimal auf Prufungen vor, da es durch haufige Wiederholungen und den Einsatz von Gelemtem dieses optimal verankert. Auch werden die Studierenden besser auf die Beantwortung von Transferfragen vorbereitet. Sicher lasst sich der komplette Prozess des aktivierenden Lemens nicht in jeden Bereich der Hochschulausbildung transferieren. Im Bereich der Seminare mit ihren kleinen Gruppen ist der Ansatz des aktivierenden Lemens aber sehr wohl umsetzbar. Vorlesungen und Skripte lassen sich allenfalls mit aktivierenden Ubungen und Reizen wlirzen.
16.6 Wenn wir schreiten Seit' an Seit' - Planspiel und aktivierendes Lernen Gmndsatzlich mtissen wir unterscheiden, ob das Planspiel als isolierte Veranstaltung Oder als Teil einer Lehrveranstaltung durchgefiihrt werden soil. Als allein stehende Unterrichtseinheit lasst sich sicherlich ein kompletter Lemprozess gemaB der M.A.S.T.E.R.-Methode von der Einladung bis zum Seminarende etablieren. Ist das Planspiel allerdings Teil einer langeren Lehrveranstaltung wird das Planspiel eher als Teil des Lemprozesses zu sehen sein. Hier wird es in der S.T.E.R.-Phase eingesetzt werden. Diese Phase wird mir der allein stehenden Variante nahezu identisch sein. Betrachten wir das Planspiel als Teil einer langeren Lehrveranstaltung.
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Im Lemprozess wird das Planspiel nach dem Aufnehmen des Leminhalts (A.Phase) platziert. Besonders in der S.-Phase, der Suche nach Sinn und Bedeutung, finden sich viele angesprochene Lemstile. Wird das Planspiel in der Gruppe durchgefflhrt, so werden stark der interpersonale sowie der sprachliche Lemstil gefordert. Zusammenarbeit und Absprache sind fur den Erfolg des Planspiels absolut notwendig. Allerdings kann ein Planspiel auch von jedem allein, beispielsweise als Computersimulation, durchgefflhrt werden. Klarerweise wird hier besonders der intrapersonale Lemstil unterstutzt. Der Teilnehmer erarbeitet sich allein die Problematik, sucht allein nach Losungen und testet allein verschiedene Szenarien. Unabhangig von der Durchfuhrung als Einzel- oder Gruppenarbeit wird in jedem Planspiel eine ganze Reihe von Lemstilen angesprochen, und das ist gut so. Offensichtlich ist der logisch-mathematische Lemstil, miissen doch logische Reihenfolgen, Analysen und lineare Vorgange durchgefuhrt werden. Auch Auswertungen mit Diagrammen und Tabellen fordem logisch-mathematische wie auch visuell raumliche Lemer. Wird das Planspiel mit Modellen gespielt, wird auch der korperlichkinasthetische Lemer seinen Lemstil wieder erkennen. Darf er doch mit den Handen etwas tun, etwas bauen. Er erlebt das Planspiel. Weniger stark werden meist der musikalische und der naturalistische Lemstil angesprochen. Besonders stark ist das Planspiel in den Prozessschritten „Treibstoff fur das Gedachtnis" und „Einsatz des Gelemten". Letzteres wird durch das Spiel und den Einsatz von vorgestellten und gelemten Losungsstrategien und Vorgehensweisen deutlich. Wo, wenn nicht im Spiel, konnten neue Inhalte besser erprobt werden? Und dadurch verankem sich die Inhalte der vorangegangen Lemeinheit wesentlich besser, als gingen die Teilnehmer ohne Aktiviemng aus dem Raum. Das tJben und Erleben ist der ideale Treibstoff fur das Gedachtnis, da die Teilnehmer direkt Erfolg und Misserfolg ihres Vorgehens erleben. Zumeist macht es den Teilnehmem SpaB ein Planspiel durchzufiihren. Dadurch wird das limbische System angesprochen. SpaB vermittelt positive Gefuhle, welche die Merkwtirdigkeit erhohen. Auch wird ein Verbessemngsregelkreis in Gang gesetzt. Die Teilnehmer reflektieren iiber ihre Vorgehensweise und ftihren gegebenenfalls Optimiemngen durch. Danach testen sie ihre Verandemng direkt im Planspiel und vertiefen das Gelemte weiter.
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Durch Lesen, Horen, Sehen, Sagen und Tun bleibt ein groBer Teil des neu Erlemten im Gedachtnis haften. Insgesamt zeigt sich so, dass das Planspiel eine ideale Methode des aktivierenden Lemens ist. Denkbar sind aber auch andere Settings: Am Anfang der Lehrveranstaltung steht eine erste Planspielphase: „Erlebtes Scheitem". Es folgt die - durch den Misserfolg in ihrer Relevanz verstarkte Vermittlung - der Inhalte. Eine sich anschlieBende nachste Planspielsequenz zeigt den Erfolg, der aus der Anwendung des „neuen" Wissens resukiert umittelbar (Erleben plus Reflexion).
16.7 Zusammenfassung Der vorliegende Beitrag hat einen kurzen Aufriss liber die Grundlagen des aktivierenden Lemens gezeigt. Vorgestellt wurden die verschiedenen Lemstile, die aus den basierenden InteUigenzen abgeleitet werden. In diesem Zusammenhang wurden zu den einzelnen Lemstilen geeignete Methodiken Im Uberblick angesprochen. Aus dem Ziel, Lemen und Lehren individuell und aktivierend zu gestalten, entwickelte CoHn Rose seinen Lemprozess, die M.A.S.T.E.R.-Methode. Grundlage dieses Prozesses ist die optimale Aufbereitung des Lemstoffs, die Methodenvielfalt und die standige Wiederholung sowie der Einsatz des neu Gelemten. Die vollstandige Etablierung dieses Lemprozesses an der Hochschule ist von der durchzufiihrenden Veranstaltung abhangig. Wahrend in der Vorlesung sicherlich nur einzelne Elemente aus dem aktivierenden Lemen in Form von geeigneten Methoden umgesetzt werden konnen, ist das Seminar der ideale Einsatzort fiir diese Elemente. Im Seminar lassen sich alle Schritte des Lemprozesses umsetzen. Sicher erfordert dies zunachst einen hoheren Aulwand bei der Konzeption und auch bei der Durchfuhrung des Seminars. Letztlich rentiert sich allerdings diese Investition. Durch die optimale Abstimmung der Methoden auf die Lemstile der Teilnehmer konnen in der gleichen Seminarzeit mehr Inhalte oder der gleiche Inhalt in kurzerer Zeit vermittelt und umgesetzt werden. Es ist jedoch wichtig im Gedachtnis zu behalten, dass zunachst das Lemziel defmiert werden muss und dann, im Anschluss, die Methode. Methodenwechsel als Selbstzweck fuhrt in die falsche Richtung. Das Planspiel spricht eine ganze Reihe von Lemstilen an und ist somit der ideale Partner fur die Festigung von neuen Leminhalten durch den direkten Einsatz des
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Gelemten. Durch diese Aktivierung ist es ein optimaler Treibstoff fur das Gedachtnis. Positive Gefiihle erhohen tiber das limbische System die Merkfahigkeit. Insgesamt zeigt der vorliegende Beitrag, dass es sich lohnt, Elemente des aktivierenden Lemens auch an der Hochschule umzusetzen. Sicher ist das Seminar das geeignete Umfeld, einen Lemprozess nach Colin Rose zu etablieren. Die Benicksichtigung der Lemstile der Seminarteilnehmer wird zu erfolgreicheren und effektiveren Seminaren in Inhalt und Zeit fuhren.
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Literatur Gerhard Roth, Fiihlen, Denken, Handeln - Wie das Gehim unser Verhalten steuert, Suhrkamp Verlag 2001. CoHn Rose, Malcolm J. Nicholl, M.A.S.T.E.R.-Leaming, 2. Auflage, mvg Verlag, 2002 Colin Rose, Mary Jane Gill, Claudia Monnet, TEP - Trainings- und Entwicklungsprogramm, Focus Marketing und mehr GmbH, 1999 Lemen im Turbo-Tempo, managerSeminare, Heft 77, 2004, S. 40 - 46
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17 Didaktische Aspekte des Einsatzes von Fallstudien und Planspielen Elisabeth von Hornstein
11.\ Ursachen fiir den verstarkten Einsatz von Fallstudien und Planspielen Gesteigerte Dynamik, Turbulenzen und mangelnde Vorhersehbarkeit stellen neue Anforderungen an Organisationen und deren Mitglieder. Konkret: Funktionsorientierte Sichtweisen, mechanistisch gepragte Organisationsbilder sowie starre Hierarchien miissen einer umfassenden prozessorientierten Betrachtungsweise weichen, die sowohl die Aufbau-, als auch die Ablauforganisation betreffen.
Abbildung 17.1: Funktionsorientierung versus Prozessorientierung
Die sich wandelnden Organisationsprinzipien erfordem eine grundlegende Veranderung im Denken und Handeln der Beteiligten, die tief greifender Personalund OrganisationsentwicklungsmaBnahmen bediirfen, damit ein langfristiger Umstellungsprozess gewahrleistet ist. Diese MaBnahmen wiederum unterliegen hierbei selbst einem Wandlungsprozess, der sich in den veranderten didaktischen Anforderungen zeigt. So lasst sich in den letzten Jahren eine Verschiebung von Fachseminaren mit iiberwiegenden „FrontaUnput-Anteilen" hin zu Workshops mit starkem interaktiven Charakter feststellen. Damit wird auch gmndlegenden
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didaktischen Uberlegungen Rechnung getragen. So weiB man, dass sich Lemerfolge auch abhangig von der Form der Wissensvermittlung einstellen. Durch „Horen" werden ca. 10-15 % abgespeichert, durch „Sehen" ca. 20-25 %, durch „Horen und Sehen" ca. 50-60 % durch „selbst erarbeiten" hingegen ca. 80-90 %. Die angegebenen Prozentwerte konnen je nach individueller Auspragung variieren. Fakt bleibt aber, dass der Lemerfolg beim „Leaming by doing" am nachhaltigsten ist. Fallstudien und Planspiele werden vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse konzipiert.
17.2 Lernpsychologische Aspekte: Probehandeln mit verminderten Risiko Kurt Lewin hat in einer vielzitierten Form immer wieder darauf hingewiesen, dass Verhalten nicht nur von der Person, ihrem Wollen und Konnen abhangig ist, sondem auch von der Situation, die hier aufgegliedert ist in soziales Diirfen und SoUen auf der einen Seite und situative Ermoglichung auf der anderen Seite.
Abbildung 17.2: Abhdngigkeit des Verhaltens von Person und Situation
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Didaktische Aspekte des Einsatzes von Fallstudien und Planspielen
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Der Mensch ist ein instinktarmes Wesen, dem von der Natur keine detaillierten Handlungsprogramme in die Gene gelegt wurden, die ihn in einer das Uberleben der eigenen Person und der eigenen Art sichemden Weise das Richtige tun lassen. Kein Instinkt sagt, dass die wohlriechenden Knollenblatterpilze todliches Gift enthalten. Weit mehr als andere Lebewesen ist der Mensch daher darauf angewiesen selbst zu lemen - etwa nach dem Prinzip „trial and error" - oder indirekt durch die Erfahrungen anderer, das Herausbilden von Traditionen und gesellschaftlichen Wissens. Versuch und Irrtum konnen ein todliches Prinzip sein, wenn es z. B. um das Sammeln von individuellen Erfahrungen mit dem Knollenblatterpilz geht; hier hilft tiberlieferte Erfahrung, die uns am Wissen friiherer Generationen teilhaben lasst. Diese aber beschrankt uns auf schon bestehendes Wissen und ermoglicht keine Innovation. Dieser Umstand lasst sich in zweierlei Hinsicht auch auf Organisationen und deren Mitglieder tibertragen. Zum einen konnen bzw. soUten auch hier wichtige Entscheidungen nicht nach dem „trial and error- Prinzip" getroffen werden. Zum anderen kann es keine innovativen Entwicklungen und Verandemngen geben, wenn ausschlieBlich auf Basis des iiberlieferten Wissen bzw. der bisherigen Erfahrungen gehandelt wird. Erst wenn diese Erfahrungen in Form interaktiver und reflektierter Dialoge erganzt und weiterentwickelt werden, entsteht daraus ein innovativer Nutzen. Dies setzt auf beiden Seiten Lembereitschaft und Lemfahigkeit voraus. Diese konnen durch entsprechende Methoden untersttitzt werden. Fallstudien und Planspiele bieten eine ideale Plattform, die, wenn sie entsprechend in flankierende MaBnahmen, wie interaktive Workshops, etc. integriert sind, zu Lemprozessen 3. Ordnung, dem sog. Deutero-Leaming ^° fuhren konnen. Beim Deutero-Leaming wechselt man auf eine Metaebene, von der aus man sich mit den praktizierten Lemprozessen dahingehend auseinandersetzt, indem reflektiert wird: wer, was, wie in welcher Zeit, mit welchen Mitteln und mit welchem Erfolg lemt. Dies wiedemm stellt die Voraussetzung flir organisationales Lemen und damit nachhaltige Verandemngen im Denken und Handeln der Organisationsmitglieder dar. Wir konnen also nicht nur aus eigener oder fremder Erfahmng lemen, sondem wir konnen als Menschen auch denken. Sigmund Freud hat das Denken als Probehandeln mit vermindertem Risiko beschrieben. In konzentrierter Vorstellung spielen wir eine Handlung durch, iiberlegen uns die denkbaren Konsequenzen, erfahren dabei, dass die eine Handlungsaltemative mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Misserfolg und die andere eher zum Erfolg fuhren wird. So konnen wir das, was misserfolgstrachtig erscheint, meiden und den Weg gehen, der wahrscheinlich den Erfolg nach sich ziehen. Fallstudien und Planspiele bieten hierbei eine 60 Argyris & Schon, zitiert nach Wahren, Das lemende Untemehmen, S. 56
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Moglichkeit, ohne Risiko, verschiedene Ideen und Handlungsaltemativen im wahrsten Sinne des Wortes „durchzuspielen" und die Konsequenzen „spielerisch zu erfahren". In den sich anschlieBenden Reflexionsmnden konnen auch die Erfahrungen der anderen Spielteilnehmer dazu beitragen, den eigenen Horizont zu erweitem. Fallstudien und Planspiele unterstutzen also das sog. „Probehandeln mit Him", da man durch sie lemen kann, systematisch zu planen, die Handlung in Gedanken durchzuspielen, Ziele anspruchsvoll und realistisch fur sich selbst zu setzen und dann konsequent in die Phase des aktiven Handelns iiberzuwechseln.
17.3 Lerneffekte durch Fallstudien und Planspiele Das individuelle Lemen ist noch keine Garantie dafiir, dass die Organisation etwas lemt, aber ohne individuelles Lemen gibt es keine lemende Organisation.^' Bine wesentliche Voraussetzung hierfiir ist das Teamlemen, das als Keimzelle des organisationalen Lemens betrachtet wird. Im Team besteht die Moglichkeit, dass die obengenannten Effekte des „Probehandelns mit vermindertem Risiko" nicht nur „Aha-Erlebnisse" bei einzelnen Teilnehmer auslosen, sondem organisational Lemprozesse initiiert werden. Daher werden Fallstudien und Planspiele in der Praxis haufig auch im Rahmen von inhouse-Schulungen eingesetzt und idealerweise vor dem spezifischen Hintergmnd dieser Organisationen konzipiert. Dabei konnen folgende Lemeffekte erzielt werden: •
es kommt zu einem besseren Verstandnis der Organisationsstmkturen und Organisationsprozesse
•
durch die Abbildung realer Systeme und Arbeitsprozesse kann ein ganzheitliches Systemverstandnis erzeugt werden
•
es konnen Systemanalysen gefordert, Analysefahigkeiten und Techniken trainiert werden
•
es kommt zu einer zielorientierten Entwicklung von Handlungsmustem durch das Ausprobieren verschiedener Rollen, Problemlosungsaltemativen und Perspektivenvielfalt
61 Peter M. Senge, zit. nach von Eiff, Wilfried: Fiihmng und Motivation in Krankenhausem. Perspektiven und Empfehlungen fur Personalmanagement und Organisation, Stuttgart; Berlin; Koln: Kohlhammer, 2000, S. 197
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Didaktische Aspekte des Einsatzes von Fallstudien und Planspielen
•
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Kommunikations- und Kooperationsmustem und dem Beziehungsgeflecht zwischen den Spielteilnehmem werden reflektiert. Damit konnen insbesondere sozial-kommunikative Kompetenzen verbessert werden^^
17.4 Durchfiihrung von Fallstudien und Planspielen Beim folgenden Beispiel handelt es sich um ein „social game", das ohne Rechnerunterstutzung arbeitet. Es konzentriert sich auf die Menschen und ihr Verhalten. Es geht darum, 36 Uhren in 6 Typen und Varianten so zu produzieren, dass nach einer Anlaufzeit von 10 Minuten alle 30 Sekunden der Vertriebs- bzw. Kundenwunsch nach einer speziellen Uhr sofort erfuUt werden kann. Das Spiel wird in drei Runden durchgefuhrt. Die Ausgangssituation der ersten Runde mit funktionsorientierter Organisationsstruktur, Arbeitsplatzbeschreibung und Fertigungsunterlagen ist genau vorgegeben und wird in der Spieleinfuhrung erlautert. Am Ende der ersten Spielrunde (Dauer max. 60 Minuten) werden Lieferfahigkeit, Fertigungsqualitat, Lieferzeit, Durchlaufzeit, Bestande und Produktivitat gemessen, die auch in den Folgerunden als ZielgroBen herangezogen werden. Die Werte fallen nach der ersten - funktionsorientierten - Runde meist sehr schlecht aus. In einer sich unmittelbar anschlieBenden Beratungsrunde haben die Teilnehmer die Moglichkeit, Zielfestlegungen fur die zweite Runde zu planen und zu vereinbaren, Schwachstellen der ersten Runde zu analysieren, Ideen zur Veranderung zu entwickeln, sie auf Machbarkeit und Wirkung zu prufen, zu verabschieden und zu realisieren. Die Abwicklung der Beratungsrunde - Vorgehen, Moderation, Entscheidungsprozess - bleibt den Teilnehmem iiberlassen. Das zeitliche Limit fur diese Spielphase betragt 60 bis 90 Minuten, je nach vorhandener Ausgangsqualifikation. An dieser Stelle entwickeln die Teilnehmer ein besseres Verstandnis fiir Organisationsstrukturen und -prozesse, da sie zum einen die Nachteile einer funktionsorientierten Ausrichtung erlebt haben, zum anderen bereits in der Diskussion viele MaBnahmen festlegen, die uberwiegend auf prozessorientierten Uberlegungen basieren. Nachdem die beschlossenen MaBnahmen praktisch umgesetzt wurden, wird die neue Spielrunde durchgefuhrt. Die zweite Runde und ihre Ergebnisse bringen 62 Kriz, Willy Christian: Lemziel: Systemkompetenz: Planspiele als Trainingsmethode, Gottingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2000, S. 99f
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meist einen verbluffenden „Aha-Effekt", durch den die Wirksamkeit des prozessorientierten Denkens und Handelns deutlich gemacht wird. Fur die dritte Runde wiederholt sich das Vorgehen in analoger Weise. Insbesondere im Anschluss an die letzte Spielrunde werden die Kommunikations- und Kooperationsmuster reflektiert. In der Regel erfolgt in der zweiten Spielrunde eine sowohl relativ als auch in absoluten Zahlenwerten drastische Verbesserung der beobachteten MessgroBen und Kennzahlen. Dies ist darauf zurlickzufuhren, dass die in der ersten Beratungsrunde erarbeiteten MaBnahmen den Charakter eines innovativen ProzessReengineerings haben. In der dritten Spielrunde verbessem sich die Werte im Allgemeinen zwar absolut gesehen nicht mehr so stark; relativ, d. h. bezogen auf die Ausgangswerte der zweiten Spielrunde, jedoch bisweilen sogar noch starker als in dieser. Damit wird die erhebliche Wirkung der kontinuierlichen Prozessverbesserung in kleinen Schritten verdeutlicht, der sich die in der zweiten Beratungsrunde erarbeiteten MaBnahmen schwerpunktmaBig zuordnen lassen. Das Spiel unterteilt sich in folgende Phasen:
Abbildung
17.3:
Planspielphasen
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Didaktische Aspekte des Einsatzes von Fallstudien und Planspielen
235
17.5 Konzeption von Fallstudien und Planspielen Fallstudien und Planspiele sind nur eine modellhafte Darstellung realer Organisationsprozesse. Komplexe Zusammenhange konnen nur in vereinfachter, d. h. iiberschaubarer Form abgebildet werden. In einer Fallstudie bzw. einem Planspiel muss es daher gelingen, real ablaufenden Organisations- und Arbeitsprozesse in einem fur den Menschen erfassbaren Komplexitatsrahmen, darzustellen bzw. nachzuahmen und ihm die Chance zu eroffnen, sich mit ihnen vertraut zu machen und in ihnen zu lemen und sich zu entwickeln. Bei der Konzeption ist daher folgendes zu beachten: •
Darstellung und Verbesserung der Kooperation und Kommunikation der verschiedenen Abteilungen und Berufsgruppen in einem Untemehmen
•
transparente Darstellung der Untemehmensablaufe
•
Aufdecken von Konfliktpotentialen und deren Veranderung
•
Abbildung der Kompetenzen, die zur Losung der Probleme notig sind
Abbildung 17.4: Kompetenzschema
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Elisabeth von Homstein
Im letzteren Fall empfiehlt es sich, die in frage kommenden Kompetenzen in Anlehnung an das Kompetenzschema von Erpenbeck und Rosenstiel auszuwahlen und zu definieren.
17.6 Beobachtungsebenen von Fallstudien und Planspielen Das Verhalten der einzelnen Beteiligten bei der Losung komplexer Problemstellungen lasst sich auf unterschiedlichen Ebenen beobachten, die auf die jeweilige Kompetenzperspektive fokussiert werden konnen. Beispielsweise konnen bei der aufgabenbezogenen Ebene, die Fach- und Methodenkompetenz, bei der beziehungsorientierten Ebene die sozial-kommunikative und bei der organisatorischen und steuerungsbezogenen Ebene die Aktivitats- und Handlungskompetenz besonders gut beobachtet werden. Riickschlusse auf die Auspragung der personalen Kompetenz lassen sich in alien drei Bereichen ableiten.
Abbildung
17.5:
Verhaltensebenen
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Didaktische Aspekte des Einsatzes von Fallstudien und Planspielen
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17.7 Ausblick: Integration in ein Development Center Assessment Center (AC) werden zur Verhaltenseinschatzung bzw. Beobachtung, beispielsweise zur Uberpriifiing von Managementqualitaten, gezielt eingesetzt. Hierbei werden die Potentiale der Kandidaten unter Hinzuziehung von Experten beobachtet, diskutiert und bewertet. In einem Assessment Center werden •
mehrere Kandidaten (meist sechs bis zwolf)
•
mehrere Tage (meist zwei bis drei)
•
mit mehreren Verfahren (Gruppenarbeit mit und ohne verteilte RoUen, Rollenspiele, etc.) untersucht und dabei von
•
mehreren Beobachtem (meist drei bis sechs) nach
•
mehreren Kriterien beurteilt
Mit einem AC wird also nicht nur ein einzelnes Konstrukt, wie z. B. die Intelligenz erfasst, sondem ein komplexes Verhaltensmuster durch eine Situation provoziert, die strukturell der kiinftigen Arbeitssituation unter bestimmten Perspektiven ahnlich sein soll^^ Wahrend das AC im Rahmen der Personalauswahl eingesetzt wird, erfolgt die Potenzialermittlung mehr und mehr in sog. Development Centem (DC). Diese sind ausschlieBlich mit Forder- und Kommunikationszielen verknupft, D. h., die Teilnehmer erhalten eine ausfiihrliche und differenzierte Riickmeldung, die zu einer gezielten Weiterentwicklung von Potenzialen flihren kann. Das setzt allerdings ein „ungezwungenes Verhalten" voraus, das im Kontext schwerwiegender personalpolitischer Konsequenzen, wie beispielsweise einer (Nicht-) Beforderung kaum zu erwarten ist. Der hochste Nutzen sowohl fiir das Individuum als auch fiir die Organisation wird dann erzielt, wenn bei der Konzeption von Fallstudien bzw. Planspielen die tatsachlichen Prozesse der Ablauf- und Aufbauorganisation simuliert werden. Im Kontext eines visionsgeleiteten und integrativen Personalmanagements mussen andererseits die zur Prozessverbesserung benotigten erforderlichen Kompetenzen der Mitarbeiter ermittelt werden. Es bietet sich im Rahmen von D C s daher an, nicht wie bisher, eher punktuelle Rollenspiele und Gruppenarbeiten durchzufuhren, sondem hierzu organisationsspezifische Fallstudien und Planspiele einzusetzen. Es bietet sich hierbei an, fallspezifisch zu entscheiden, welche Kompetenzen im Fokus der Riickmeldung stehen sollen und in welcher Phase dies geschehen soil. So eignet sich beispielsweise die Beratungsphase besonders gut
63 Homstein, E. von; Rosenstiel, L. von: Ziele vereinbaren - Leistung bewerten. 2000, Seite 135
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Elisabeth von Homstein
zur gezielten Beobachtung der Spieler im Rahmen der sozial-kommunikativen Kompetenz.
Abbildung 17.6: Planspieleimatz im Rahmen eines Development Centers
Fallstudien sowie Planspiele leisten einen wesentlichen Beitrag zu einer praxisorientierten Weiterentwicklung und Managementausbildung. Aber auch im universitaren und Fachhochschulbereich bildet diese Form des Lemens einen unverzichtbaren Beitrag zur Losung komplexer Problemstellungen. Dariiber hinaus bieten sie bei entsprechender Konzeption und Integration ein Forum flir individuelles und organisationales Lemen.
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Didaktische Aspekte des Einsatzes von Fallstudien und Planspielen
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Literatur Argyris & Schon, zitiert nach Wahren, Das lemende Untemehmen. Walter de Gruyter, Berlin, 1986 Homstein, E. von; Rosenstiel, L. von: Ziele vereinbaren - Leistung bewerten. Langen Mtiller Herbig, Landsberg/Lech, 2000 Homstein, E. v., Augustin S., Kern E.-M.: Management von Supply Chain Projekten - Einsatz von Planspielen zur Optimierung der Projektbesetzung. In: Tagungsband der 8. Magdeburger Logistiktagung Nov. 2002 Kriz, Willy Christian: Lemziel: Systemkompetenz: Planspiele als Trainingsmethode, Gottingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2000
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18 Didaktische Aspekte der Arbeit mit Case Studies Kurt Matzler, Sonja Bidmon und Alexander Schwarz-Musch
18.1 Einleitung Steigender Wettbewerbsdruck, schneller technologischer Wandel, kurzere Produktlebenszyklen und damit verbunden wechselnde Geschaftsprozesse verlangen eine schnelle Anpassungsfahigkeit der Arbeitskrafte (vgl. Kemelgor/Johnson/Srinivasan, 2000). Zugleich sind die Anforderungen an die RoUe des Lehrenden gestiegen (vgl. Smart/Kelley/Conant, 2003). Eine Vielzahl an Publikationen belegt, dass Managementlehrende zu viel Zeit aufwenden, um Informationen weiterzugeben und zu wenig Zeit in die Entwicklung der Fahigkeiten der Studierenden investiert wird (vgl. Bobbitt et al., 2000, S. 16). Zu stark wird der Fokus auf die Vermittlung von quantitativen und technischen Fahigkeiten gerichtet und zu wenig wird die Entwicklung von sogenannten „soft skills" gefordert (Gremler et al., 2000). Um den beschriebenen Entwicklungen Rechnung tragen zu konnen, mtissen jedoch vielmehr die Fahigkeiten entwickelt werden, Probleme zu erkennen, zu definieren, diese im Team zu losen und Verantwortung zu iibemehmen. Auf den Punkt gebracht: Studierende sollten die Fahigkeit zu managen erlangen und nicht nur iiber Managementkonzepte Bescheid wissen (Cunningham, 1995). Einen Ansatz, dieses Ziel zu erreichen, stellt das sogenannte „problem-based learning (PBL)" dar (Wee/Kek/Kelley 2003, S. 150 f.) „PBL is a method of instruction that uses problems to encourage students to learn to think, to acquire knowledge, and to frame and solve problems." Im Rahmen der Managementausbildung kommen dabei in erster Linie Fallstudien (Case Studies) und die Projektarbeit zum Einsatz. Die Fallstudienmethode weist dabei gegeniiber der Projektarbeit den Vorteil auf, leichter in bestehende Curricula integriert und in didaktischer Hinsicht mit dem besseren Aufwand-ZNutzenverhaltnis verwirklicht werden zu konnen. Die Grundlagen einer allgemeinen Fallstudiendidaktik fmden sich - neben den Entscheidungstheorien, der Reformpadagogik, dem situationstheoretischen Ansatz, der Didaktik, Kasuistik sowie der emanzipatorischen Padagogik (Kaiser, 1983) - auch im praxisorientierten Zugang der Harvard Business School. Dabei ist hervorzuheben, dass die Verwendung von Case Studies im wirtschaftswissen-
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Kurt Matzler, Sonja Bidmon und Alexander Schwarz-Musch
schaftlichen Kontext untrennbar mit der Harvard University verbunden ist (Barnes/Christensen/Hansen, 1994; Heath, 1998; Lynn, 1999). In der Uberzeugung, dass bestimmte Fahigkeiten und Kenntnisse optimal anhand von tatsachlichen Fallen vermittelt werden konnen, werden dort bereits seit liber hundert Jahren Fallstudien in den unterschiedlichsten Disziplinen eingesetzt. Vorreiter bei der Verwendung von Case Studies war dabei die Law School, an der urn 1870 die ersten „Cases" verwendet wurden. Die Harvard Business School folgte 1908 im Bereich des Wirtschaftsrechts (Roberts, 2004). Die Fallstudienmethode setzte sich dann relativ schnell durch, bereits im Jahre 1920 wurden alle Kurse an der Harvard Business School durch den Einsatz von Fallstudien untersttitzt, 1921 erschien dort auch das erste Fallstudienbuch. Erst viel spater, namlich in den 1940er Jahren, wurden an amerikanischen Hochschulen auch in den Geisteswissenschaften Fallstudien als Unterrichtsmethode eingesetzt. Abb. 18.1 zeigt die Entwicklung des Einsatzes von Fallstudien an Hochschulen auf. Ca. 22.500 Cases in ECCH-Datenbank
ECCH durch 22 europaische Hochschulen gegrundet/
Erste Cases an der Harvard Law School
1870 Abbildung
Cases in Alle Kurse an Politik, der HBS auf Geiwi, etc. CaseErste Cases Methode an der umgestellt Harvard Business School
1900 18.1: Die Entwicklung
1920 der
1940
1973
2004
Fallstudienmethode
Wahrend ihre Verwendung an amerikanischen Hochschulen detailliert nachvoUzogen werden kann, ist ihr erstmaliger Einsatz in Europa schwerer zu datieren. Festgehalten werden kann, dass in Frankreich 1929 das „Centre de Perfectionnement dans 1'Administration des Affairs von der Chambre de Commerce et d'Industrie" mit Unterstiitzung der Harvard Business School (HBS) gegrundet
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Didaktische Aspekte der v^rbeit mit Case Studies
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und die erste franzosische Fallstudie „Specialites Metallurgiques Marchal & Cie" im Jahr 1930 erstellt wurde (Roberts, 2004). Ein weiterer Meilenstein war die Griindung des European Case Clearing House (ECCH) durch 22 europaischen Hochschulen im Jahr 1973 (www.ecch.cranfield.ac.uk). Zielsetzung war es, den Einsatz von Case Studies in der Managementausbildung zu fordem. Das ECCH versteht sich als Plattform fur die Publikation von Fallstudienmaterialien und veranstaltet Workshops, bei denen der Einsatz und die Erstellung von Fallstudien thematisiert werden. Zurzeit finden sich ca. 22.500 Case Studies in der Datenbank, sie konnen tiber Internet direkt bezogen werden. Case Studies stellen heute ein Standardinstrument in der Lehre an Hochschulen und in der Managementausbildung dar. Dabei handelt es sich um reale, mehr Oder weniger komplexe Situationen, in denen ein Entscheidungstrager unter Abwagung aller ihm zuganglichen Informationen ein Problem losen muss. Case Studies sind in hohem Ma6e dazu geeignet, Theorie und Praxis zu verkniipfen und vermitteln Studierenden Fahigkeiten in unterschiedlichen Bereichen (vgl. Heath, 1989). Diese durchlaufen bei der Losung von Case Studies typischerweise alle Phasen des Problemlosungsprozesses, von der Problemformulierung uber die Altemativengenerierung und -bewertung bis hin zur Auswahl von Losungsansatzen und deren Implementierung. Dabei lemen die Studierenden nicht nur den Umgang mit Annahmen und das Ziehen von Schlussfolgerungen. Sie lemen auch das aktive Zuhoren und Verstehen anderer Sichtweisen, im Idealfall mtindet der Umfang mit Fallstudien in der Entwicklung von Fahigkeiten, die unter einem Begriff zusammengefasst werden konnen: kreative Problemlosungskompetenz (Easton, 1992). Ein zusatzlicher Lemeffekt liegt in der Verwendung von englischsprachigem Material. Dadurch wird zusatzlich die sprachliche Kompetenz der Studierenden geschult, ein Aspekt, dem in einer zunehmend globalisierten Wirtschaft steigende Bedeutung zukommt. Dieser Grundiiberlegung folgend wird im Rahmen des vorliegenden Beitrags tiberwiegend die englische Bezeichnung „Case Studies" verwendet, die jedoch mit dem deutschen Pendant „Fallstudie" gleichgesetzt wird. Um den Einsatz von Case Studies in der Lehre an Hochschulen bzw. postsekundaren Bildungseinrichtungen wurdigen zu konnen, werden in weiterer Folge zunachst die Grundlagen didaktischen Handelns skizziert.
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Kurt Matzler, Sonja Bidmon und Alexander Schwarz-Musch
18.2 Grundlagen didaktischen Handelns Die Verwendung von Case Studies stellt keinen Selbstzweck dar, sondem dient letztendlich dazu, die Erreichung der jeweiligen Lemziele zu unterstiitzen. Um Case Studies optimal zum Einsatz bringen zu konnen, sind sie vom Lehrenden daher in die Unterrichtsplanung und -organisation einzubeziehen. Dabei sind im Rahmen der Gestaltung der Lehre an Hochschulen und postsekundaren Bildungsinstitutionen - ebenso wie im schulischen Unterricht - die folgenden didaktischen Entscheidungsebenen zu berucksichtigen: •
Intention: Zielsetzung der Lehrauftrages, Formulierung von Lemzielen, die durch die Lehre erreicht werden sollen. Wozu soil gelemt werden?
•
Thematik: Lemanlasse, Gegenstande der Lehre. Was ist zu lemen?
•
Methodik: Gliederung, Organisation und Vollzugsformen des Lehrens und Lemens. Wie soil gelemt werden?
•
Medienwahl: Wahl der Lehrmittel. Mit welchen Mitteln soil gelehrt und gelemt werden?
Wahrend Intention und Thematik der Didaktik im engeren Sinn zuzuordnen sind, umfasst das methodologische Entscheidungsfeld (Didaktik im weiteren Sinn) dariiber hinaus die Entscheidungen liber Methodik und Medienwahl. Hier ist die Entscheidung, ob und in welcher Form Fallstudien eingesetzt werden sollen, einzuordnen.
18.2.1
Festlegung von Lemzielen
Geht man von der lemzielorientierten Didaktik aus (Gudjons, 2001a, S. 245, Moller 1999, S. 75 ff., flir weitere (konkurrierende) didaktische Theorien vgl. den Uberblicksband von Gudjons/Winkel, 1999), so beginnt die Lehr- und Lemplanung von Lehrenden - auf der in weiterer Folge die Lemorganisation und -kontrolle aufbauen - mit der Festlegung von Lemzielen. Diese konnen anhand der Dimensionen Fachbezogenheit (allgemeine und fachliche Lemziele), Lemzielebene (Reproduktion, Reorganisation, Transfer, problemlosendes Denken) und Lembereich (kognitiv, affektiv und psychomotorisch) kategorisiert werden (vgl. Bloom et al., 1956; Krathwohl/Bloom/Masia, 1964 und 1972; fiir einen Uberblick iiber Lemzielsysteme (Taxonomien) vgl. Aschersleben 1983, S. 106 ff., DeCorte et al., 1975, S. 53 ff.).
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Didaktische Aspekte der Arbeit mit Case Studies
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Kognitive Lernziele konnen einerseits den Fokus auf das Erinnem von Wissen Oder das Reproduzieren gelemter Inhalte, andererseits aber auch auf anspruchsvoUere kognitive Leistungen legen. Dazu zahlen z. B. vorgegebenes Material neu zu ordnen oder verschiedene Wissensinhalte miteinander zu kombinieren. Wahrend die Fahigkeit der Problemlosung in der Hierarchie der Lemprozesse auf der hochsten Lemzielebene steht (vgl. Gagne, 1970), steht das Erinnem von Wissen, welches bei den Studierenden die geringsten kognitiven Fahigkeiten verlangt, - auch an Hochschulen - bei Priifungen haufig an erster Stelle. Affektive Ziele reichen von Bewusstseinsbildung, uber das Wecken von Interessen, bis hin zu Bildung von Einstellungen, Werthaltungen und Wertschatzungen. Durch den Einsatz von Case Studies lemen Studierende - neben der Forderung von Teamfahigkeit -, nicht nur, eigene Standpunkte zu vertreten, sondem auch zuzuhoren und andere Sichtweisen zu verstehen. Psychomotorische Lernziele letztlich beziehen sich in der Regel auf das Erlernen motorischer Fertigkeiten wie Handschrift, Sprache, Gestik und Mimik, z. B. bei ihrem Einsatz im Rahmen der Presentation einer Fallstudienlosung.
18.2.1
Dimensionen von Unterrichtsmethoden
Aufgabe von Lehrenden ist es, aufbauend auf den jeweiligen Lemzielen die bestmogliche Unterrichtsmethode auszuwahlen. Beim Begriff der Unterrichtsmethode sind dabei unterschiedliche Dimensionen zu berticksichtigen (vgl. Abb. 18.2, Terhart, 2000, S. 27 ff.). Wahrend mit der Dimension „Zielerreichung" der Einsatz der Methode zur bestmoglichen Erreichung der gesetzten Lernziele verstanden wird, stellt diese Betrachtung die Methodik der Lehre als Reduktion auf technische Belange dar. Die Dimension „Sachbegegnung" versteht die Methode als vermittelnde Instanz zwischen den Lemenden und dem Gegenstand, wahrend mit der Dimension „Lemhilfe" lempsychologische Aspekte in den Vordergrund riicken. Schliefilich beriicksichtigt die Dimension „Rahmung" die Institution der Hochschule und damit abgesteckte Bedingungen des LehrLemprozesses.
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Kurt Matzler, Sonja Bidmon und Alexander Schwarz-Musch
Unterrichts-ZLernziel
Lemgegenstand/lnhalte Dimension „Sachbegegiung"
Dimension „Zielerreichung"
Dimension „Lernhilfe"
Bxei Studiefende/Lernende
Unterrichtsmethode
Dimension „Rahmung"
Institution Hochschule )chs
Abbildung 18.2: Dimemionen der Definition von Unterhchtsmethode (vgl. Terhart, 2000, S. 27, adaptiert)
Verschiedene Unterrichtsmethoden unterscheiden sich im Hinblick auf die mit ihnen erreichbaren Lemziele, die Erfiillung lempsychologischer Anforderungen, die durch sie an die Lemenden und Lehrenden gestellten Anforderungen sowie in der Art und Hohe des organisatorischen Aufwandes. Im Rahmen einer ZielMethoden-Matrix (Moller 1999, S. 87) kann die Eignung verschiedener Unterrichtsmethoden zur Erreichung der kognitiven, affektiven und psychomotorischen Lemziele uberprlift werden. Die Lemziele dienen dabei als wichtiges Kriterium zur Auswahl geeigneter Unterrichtsmethoden. Fiir bestimme Verhaltens- und Inhaltsbereiche kann damit in unterschiedlichem MaBe ein MethodenMix abgestimmt werden. Die Bedeutung eines vollstandigen Lemplanungsprozesses wird damit zusatzlich verdeutlicht. Betrachtet man unterschiedliche Klassifikationsschemata der Unterrichtsmethode, so ist fur die didaktische Einordnung der Fallstudienmethode insbesondere die Unterscheidung verschiedener Sozialformen im Rahmen der Klassifikation nach Schulz (1965) bedeutsam (Ploger, 1999, S. 122 ff., vgl. im Detail zu verschiedenen Sozialformen Hoof, 1992).
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Didaktische Aspekte der Arbeit mit Case Studies
18.2.3
Sozialformen: Fallstudienmethode vs. Frontalunterricht
Kategorisiert man Unterrichtsmethoden nach der Sozialform, so wird der Frontalunterricht verschiedenen anderen Differenzierungsformen gegeniibergestellt. Neben der Partnerarbeit im weiteren Sinn (Partnerarbeit, Gruppenarbeit und Team-Teaching) bieten sich auch Simulationen als alternative Unterrichtsmethoden zum Frontalunterricht an: Die Fallstudie zahlt dazu ebenso wie das Rollenspiel, welche in der komplexesten Kombination in Form eines Planspiels in den Unterricht Eingang fmden kann (vgl. Abb. 18.3). Vergleicht man nun z. B. den Lehrvortrag mit der Fallstudie, so lassen sich anhand einiger zentraler Beurteilungskriterien groBe Unterschiede feststellen.
Unterrichtsmethoden nach der Sozialform
Frontalunterricht (Lehrervortrag)
Differenzierungsformen des Unten-ichts
Partnerarbeit i. w. 8.
Partnerartieit
Gruppenarbeit
Teamteaching
Simulationen
Fallstudie
Rollenspiel
Planspiel
Abbildung 18.3: Einteilung der Unterrichtsmethoden nach der Sozialform
Die wesentlichen Charakteristika stellt Tabelle 1 im Uberblick dar. Im Frontalunterricht kommt dem/der Lehrenden die zentrale Rolle zu, fur Planung und Ausgestaltung des Unterrichts hauptverantwortlich zu sein und quasi als „Auffangstation fur die Schiilerreaktionen" zu fungieren. Die Lehrendenzentrierung schrankt die Moglichkeiten der Studierenden in hohem MaBe ein. Sie werden zu einem reaktiven, rezeptiven Lemverhalten angehalten, das dem nattirlichen Lemprozess nicht gerecht wird. Die hohe Sprachdominanz des/der Lehrenden fuhrt dazu, dass die Studierenden nicht in ausreichendem MaBe eigene Sprachkompetenz aufbauen konnen. Er fiihrt zudem zu einer Isolierung des Lemenden, indem die soziale Komponente nicht in ausreichendem MaBe gefordert wird. Der Individualitat des Einzelnen wird nur unzureichend Rechnung getragen, was zu einem Nivellierungseffekt beitragen kann.
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Kurt Matzler, Sonja Bidmon und Alexander Schwarz-Musch
Frontalunterrlcht Vortrag, Machtgefalle zwischen Dozent/in und Student/in Dozent/in wahit Thema, Stnjktur und Inhalte Linearer Wissenstransfer von Dozent/in zu Student/in Ziel ist das Lemen der Theorie und der Methoden Dozent/int im Mittelpunkt Student/inn/en sind eher passiv und Jemen" vom Dozenten/von der Dozentin den „one best way"
Fallstudienmethode Diskussion, Dozent/in und Student/in auf gleicher Ebene Thema, Staiktur und Inhalte entwickein sich wahrend der Falldiskussion Wissen flielit von Dozent/in zu Student/in, von Student/in zu Dozent/in und von Student/in zu Student/in Ziel ist Lemen von Problemlosungsfahigkeiten Student/inn/en m Mittelpunkt Student/inn/en sind aktiv und entv\/ickeln eigene Losungen, Dozent hat kaum „one best way"Losungen
Tabelle 1: Charaktehstika von Frontalunterhcht versus Fallstudienmethode (vgl. Lynn 1999, S. 43 f.)
Mangelnde Riickmeldung seitens der Studierenden kann auch dazu fiihren, dass die Lehrenden einer falschen Selbsteinschatzung unterliegen und annehmen, dass alle Lemziele von alien Studierenden erreicht worden sind. r\BeurteilungsN. kriterien Art \ ^ ^ der \^^ Lehrform \^ 1 Lehrervortrag
Fallstudienmethode
Erreichbare Lemziele in l
Kognitive Ebene: Verstehen, Analyse, Synthese, Bewertung Affektive Ebene: Wertordnung Soziale Ebene: Teamfahigkeit Konsensfahigkeit
1
ErfiJIIung lempsychologischer Anforderungen
Anforderungen an die Lernenden
Anforderungen an die Lehrenden
ArtundHohedes 1 organisatorischen Aufwandes
Keine beobachtbare Aktiviemng und Verstarkung Abstimmung auf individuelle Lemvoraussetzungen kaum moglich, Nivellienjng unterschiedlicher Leistungsniveaus Haufige Aktivierung und Verstarkung in der Gruppe, bei Einzelartieit seltenere Verstarkung Abstimmung auf individuelle Lemvoraussetzungen in der Gruppe durch die Verteilung der Aufgaben, bei Einzelart)eit durch relativ selbstandige Zeiteinteilung moglich
Lemende sind passiv, rezeptive Wissensaufnahme, Aufmerksamkeit nbtig
Prasentationsfahigkeit unter optimalem Einsatz didaktischer Hilfsmittel, Hauptverantwortung fiJr den Lernprozess
Geringer Aufwand an Vorbereitung, Raum und Zeit
Teamfahigkeit, Prasentationsfahigkeit, Ubernahme von Eigenverantwortung fijr den Lemprozess
Moderationsfahigkeit, psychologische und soziologische Kompetenzen notig
Grofler Aufwand an Vorbereitung, Raum und Zeit
Tabelle 2: Charakteristika von Frontalunterrlcht versus Fallstudienmethode (vgl. Lynn 1999, S. 43 f.)
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Didaktische Aspekte der Arbeit mit Case Studies
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Der Frontalunterricht bedarf daher viel mehr als andere Sozialformen einer Effektivitatskontrolle. Aus lempsychologischer und didaktischer Sicht unterscheiden sich die beiden Lehrformen insbesondere im Hinblick auf die Erreichbarkeit von Lemzielen. Die Anforderungen an Lemende und Lehrende, der organisatorische Aufwand und die Erfiillung lempsychologischer Anforderungen sind, wie bereits angesprochen, stark unterschiedlich (vgl. Tab. 2). Aus gutem Grund wird daher der Frontalunterricht den passiven Lemmethoden zugerechnet, die Fallstudienmethode hingegen den aktiven Lemmethoden. Obwohl passive Lemmethoden studentisches Lemen nur eingeschrankt und die Lemziele auf niedrigem Niveau angesetzt werden mtissen, weil sie Studierende nicht zu aktiver Informationsverarbeitung ermuntem, ist der Frontalunterricht nach wie vor die am weitesten verbreitete Unterrichtsmethode an Hochschulen (Shakarian, 1995, zit. nach Hamer, 2000, S. 26). Die Wahrscheinlichkeit nachhaltigen Lemens steigt jedoch mit der Tiefe der Informationsverarbeitung. Mangelnde studentische Beteiligung am Unterrichtsgeschehen konnte daher einen Mangel an Informationsverarbeitung und einen mangelhaften Lemerfolg anzeigen (Hamer, 2000). Bereits nach 10 bis 15 Minuten eines Lehrvortrages sinkt die Aufmerksamkeit der Studierenden, was ein weiteres Argument gegen die ausschlieBliche Verwendung des Lehrvortrages als Unterrichtsmethode darstellt. Aktive Lemmethoden zeichnen sich demgegeniiber durch Eigenverantwortung der Studierenden aus. Als „aktiv" werden sie deshalb bezeichnet, weil Leminhalte gemeinsam erarbeitet, entwickelt und umgesetzt werden (Brommer, 1992). Zu den aktiven Lemmethoden zahlen neben der Fallstudienmethode z. B. noch das Lehrgesprach, Rollenspiele, Planspiele und Gmppenarbeit. Sie alle haben gemeinsam, dass die Studierenden selbst Fragen stellen konnen, zur aktiven Mitarbeit angehalten sind, eigene Ansichten und Meinungen vertreten (konnen), die Moglichkeiten zur Kommunikation haben, gegenseitig Erfahmngen austauschen und Interessenlagen und Informationsbediirfnisse mitteilen konnen. Aktive Lemtechniken fordem das AusmaB der Informationsverarbeitung seitens der Studierenden, sogenannte „experiental techniques" wie z. B. die Fallstudienmethode sind folgendermaBen charakterisiert (Hamer, 2000): •
hohes studentisches Involvement in vielerlei Hinsicht (z. B. durch Diskussionen, Kritiken, Uberzeugungsversuche)
•
Nachdmck auf die Entwicklung von Fahigkeiten anstelle von Informationsweitergabe
•
Tiefere Informationsverarbeitung bei den Studierenden
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Kurt Matzler, Sonja Bidmon und Alexander Schwarz-Musch
Ein weiteres Fundament zur Begriindung der Sinnhaftigkeit aktiver Lemtechniken liegt in der Lem- und Motivationspsychologie fiir handlungsorientierten Unterricht (Gudjons, 2001, Gudjons, 1998). Altbekannt ist die Vorteilhaftigkeit des eigenen Handelns gegenliber den verschiedenen Formen reiner verbaler Kenntnisvermittlung. Fine Untersuchung der American Audiovisuell Society zufolge behalten wir 20 % von dem, was wir horen, 30 % von dem, was wir sehen 80 % von dem, was wir selbst formulieren und 90 % von dem, was wir selbst tun (Gudjons, 2001, S. 61). Entscheidet man sich bei der Lemplanung fiir Lemziele auf hohem kognitiven Niveau und berucksichtigt dabei auch affektive Lemziele, so erscheint die Fallstudienmethode als ideale Lehrform. Insbesondere Lemziele im Bereich der Analyse, Synthese und Bewertung lassen sich liber den Lehrvortrag nicht erreichen. Die Anwendung der Fallstudienmethode ist damit eine gezielte Entscheidung im Rahmen der methodisch-medialen Analyse, die nicht losgelost von der didaktischen Analyse (Stmktur der Leminhalte, Auswahl und Begrenzung der Leminhalte und Grobstrukturiemng der Lemziele unter Berucksichtigung der kognitiven, affektiven und psychomotorischen Lembereich, der Lemebenen und der allgemeinen Lemziele) zu betrachten ist.
18.2.4
Indiiktiver vs. deduktiver Einsatz von Case Studies
Beim Einsatz von Case Studies im Rahmen der universitaren Lehre sind unterschiedliche didaktische Vorgehensweisen denkbar. Der Einsatz kann nach induktivem oder deduktivem Unterrichtsverfahren erfolgen. Die induktive Methode konfrontiert die Studierenden mit einem konkreten Sachverhalt, dem Losungsmoglichkeiten mit allgemeiner Gultigkeit innewohnen. Die Wirksamkeit der induktiven Methode hangt dabei in hohem MaBe von der Beschaffenheit des Falles ab, der zum Einsatz kommt. Der Lemweg geht dabei vom Besonderen zum Allgemeinen: vor den Augen der Studierenden entsteht eine konkrete Situation, die Fragen aufwirft und Losungen herausfordert. Diese werden dann wiedemm vom Einzelfall abstrahiert und als allgemeingiiltige Erkenntnisse fur derartige Sachverhalte erkannt. Die Schwierigkeit liegt dabei, den Mittelweg zwischen Anschaulichkeit und Perfektionismus bei der Gestaltung des Falles zu fmden. Je hoher namlich die Anschaulichkeit, umso eher werden Probleme isoliert, was die Allgemeingiiltigkeit der Aussagen erschwert. Dabei muss festgehalten werden, dass sich nicht jeder Lehrstoff fiir eine Erarbeitung auf induktiver Weise eignet: Wahrend mangelnde Kundenorientiemng und damit einhergehende Probleme und Losungsmoglichkeiten sehr gut anhand von Einzel-
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Didaktische Aspekte der Arbeit mit Case Studies
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fallen von den Studierenden erkannt werden, konnen sogenannte „Merkstoffe" nicht auf induktive Weise von Studierenden erschlossen werden. Der Vorteil der induktiven Methode liegt in deren Nahe zum „naturlichen" Lemprozess, der einem Prozess fortschreitender Abstraktion gleicht. Zudem motiviert die induktive Methode die Studierenden starker flir den Lehrstoff, da auch die emotionale Komponente eine RoUe spielt. Der Nachteil der induktiven Methode liegt in der Vereinfachung. Soil das Wissen dann aber in die Praxis umgesetzt werden, so mtissen die Lemergebnisse aktualisiert und angewendet werden. Dieser Ansatz ist zusammenfassend dann geeignet, wenn •
Der/die Lehrveranstaltungsleiter/in komplexe Diskussionen bevorzugt und gut moderieren kann,
•
Studierende fur eine Theorie sensibilisiert werden sollen,
•
das Problem ohne theoretisches Vorwissen bewaltigbar ist,
•
aus einem einzelnen Fall generalisiert werden kann.
Die deduktive Methode hingegen fiihrt von einer allgemeinen Kegel zum besonderen Fall und wtirde bedeuten, dass den Studierenden ein Theoriegebaude zur Verfugung gestellt wird, dessen Nutzen im Einzelfall erkannt werden soil. Die kognitive Leistung der Studierenden besteht dann darin, den Informationsgehalt einer allgemeinen Kegel durch deduktive Uberlegungen zu erforschen. Beim induktiven Einsatz der Fallstudienmethode steht der Fall am Anfang, bei der deduktiven Vorgehensweise am Ende. Bei der deduktiven Methode, d. h. dem theoriegeleiteten Fallstudieneinsatz dient die Fallstudie als Erganzung zur Theorie, es geht hauptsachlich um die Frage, wie Theorie und Methoden anzuwenden sind und worin deren Grenzen liegen. Diese Vorgehensweise wird vor allem dann verwendet, wenn •
der/die Lehrveranstaltungsleiterin strukturierte, theoriegeleitete Diskussionen bevorzugt,
•
zu befiirchten ist, dass Studierende ohne theoretische Anleitung iiberfordert sind,
•
die Theorie ein „Schema F"-Vorgehen erlaubt, oder
•
die Grenzen einer Theorie aufgezeigt werden sollen.
Es kann fur den Einsatz keine allgemeingtiltige Empfehlung abgegeben werden. Letztlich bewirkt diejenige Methode die optimale Erreichung der Lemziele,
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deren Einsatzbedingungen in der Person der Studierenden, in der Beschaffenheit des Lehrstoffs und situativen Variablen am besten iibereinstimmen (vgl. Tab. 3). Theorie zuerst, Fallstudie nachher
Fallstudie zuerst, Theorie nachher
Wie lassen sich Theorien anwenden?
Was kann aus dem praktischen Problem gelernt werden?
Wo liegen die Grenzen der Anwendbarkeit der Theorie?
Kann das verallgemeinert werden?
Geeignet, wenn ...
LV-Leiter/in strukturierte, theoriegeleitete Diskussion vorzieht
LV-Leiter/in explorative, problemohentierte Diskussion vorzieht
Lemart...
Deduktives Lernen
Induktives Lernen
Kernfragen...
Tabelle 3: Eimatzmoglichkeitert
der
Fallstudie
SchlieBlich kann der Einsatz von Fallstudie und Theorie aber auch kombiniert werden. In diesem Fall startet man beispielsweise mit einer kurzen theoretischen Einleitung, beginnt dann mit der Fallstudie, kehrt zur Theorie zuriick usw. Diese Methode ist dann zu empfehlen, wenn die Fallstudie zu komplex ist, um ohne Theorie behandelt werden zu konnen oder wenn es Ziel ist, induktives mit deduktivem Lernen zu verbinden.
18.3 Einsatz von Case Studies in der Lehre an Hochschulen 18.3.1
Herausfordenmgen an Lehrende und Lernende
Einer Studie von Smart/Kelley/Conant (2003) zufolge zeichnen sich exzellente Lehrende durch folgende Charakteristika aus: hohe kommunikative Fahigkeiten, Realitatssinn, Empathie, Involvement, Orientierung, gute Organisation und Vorbereitung, die Verwendung neuer Technologien und die Verwendung eines interaktiven Unterrichtsstils. Dieser zeichnet sich auch darin aus, dass Lehrende viele Fragen stellen und dadurch die Studierenden starker involvieren und zur Diskussion anregen. Aufgabe des Lehrenden ist es, die intrinsische Motivation bei den Studierenden zu fordem. „Intrinsic motivation may be the most beneficial type of motivation with respect to student learning because it reflects learning for leamings's sake, which may be enduring" (Lilly/Tippins, 2002, S. 255). Die Lehrenden sollen Studierende auch zur Teilnahme an Diskussionen animieren, wobei eine hohe wahrgenommene psychologische Distanz zwischen Lehrenden und Lernen hinderlich wirkt. Beim Einsatz von Fallstudien andert sich in aller Regel die Rolle des Dozenten/der Dozentin. Er /Sie tibemimmt dabei nicht
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SO sehr die Rolle eines StoffVermittlers/einer StoffVermittlerin, sondem schltipft in die Rolle eines Lernmoderators/einer Lernmoderatorin (Gremler et al, 2000). Der Verlauf der in der Lehrveranstaltung angeregten Diskussionen kann dabei nicht zu 100% vom Dozenten/von der Dozentin bestimmt werden und deren Inhalte nur begrenzt im Voraus festlegen. Da Studierende selbst viel Wissen in die Fallstudiendiskussion einbringen, kann hier nicht von einem linearen Wissenstransfer von Dozent/in zu Student/in gesprochen werden, sondem vielmehr von einer gemeinsamen Wissensentwicklung. Es findet ein Wechsel vom sogenannten „instruction paradigm" zum „leaming paradigm" statt (Barr/Tagg, 1995; Saunders, 1997, zit. nach Bobbitt et al., 2000, S. 15). Dieser basiert auf der Erkenntnis, dass der Frontalunterricht gegen viele Lemprinzipien verstoBt (Bobbitt et al., 2000, S. 15). In der didaktischen Literatur fur den schulischen Bereich wird sie den schulerorientierten - im Gegensatz zu den lehrerorientierten - Lehr-Lemformen zugeordnet (Landolt, 1996, S. 46). Neben einer Erweiterung des fachlichen Wissenshorizontes zielt die Fallstudienmethode auch auf eine Verbesserung der Kompetenzen in den Bereichen Entscheidungsfmdung, Problemlosung, Planung, schriftlicher und mundlicher Kommunikation und Kreativitat ab (Bobbitt et al., 2000). Das neue Lemparadigma sieht Lehrende als Designer einer Lemumgebung, in der die Studierenden als aktive Teilnehmer/innen des Lemprozesses angesehen werden. Wissen wird dabei als Transformation von Erfahrungen konzipiert, in der das Entdecken und Involvement eine zentrale Rolle spielen. Studierende nehmen dabei eine aktive Rolle ein und stehen daher auch viel starker im Mittelpunkt. Sie sind gewissermaBen auch selbst fur den Lemprozess verantwortlich. Der Lemprozess verlangt eine Interaktion zwischen Studierenden, Lehrenden und Fallstudie. Im Rahmen von Teammanagement stellt die neue Rollenverteilung dabei eine Abkehr von autoritarer Top-down-Philosophie dar (Holter, 1994, zit. nach Bobbitt et al., 2000, S. 16). Laurence E. Lynn (1998, S. 45) bringt es auf den Punkt: „The discussion teacher is planner, host, moderator, devil's advocate, fellow student, and judge - a potentially confusing set of roles ... discussion teaching is the art of managing spontaneity." Gerade bei der erstmaligen Einfiihrung der Fallstudienmethode kann es sein, dass Studierende Probleme mit dem Ubergang haben. Typischerweise besteht Unsicherheit mit der Aufgabenstellung. Dadurch, dass die Studierenden das Problem selbst entdecken mussen, beschreiben diese ihre ersten Erfahrungen mit Fallstudien oftmals als „Stochem im Nebel" (Easton 1992, S. 10). Auch ist der Lemeffekt den Studierenden nicht immer unmittelbar einsichtig, „Case learning, however presented, tends to be holistic." (Gideonse 1999, S. 2.) Zudem fragen
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Studierende zuweilen, warum der/die Lehrende nicht seine/ihre eigentliche Rolle als „Dozent/in" ubemimmt.
18.3.2
Anforderungen bei der Gestaltung von Case Studies
Die Auswahl und Gestaltung geeigneter Case Studies kann zu Recht als ein wesentlicher Erfolgfaktor beim Arbeiten mit der Fallstudienmethode bezeichnet werden. Fallstudien sollten interessant, herausfordemd und spannend sein. „Gute" Fallstudien beriicksichtigen gleichzeitig die Anforderungen aus Sicht der Studierenden und aus Sicht der Vortragenden.
Anforderungen aus Sicht der Lehrenden Fur den/die Lehrende/n ist ein Bezug zu theoretischen Konzepten wichtig. Nur dann lasst sich die Fallstudie inhaltlich in das Lehrveranstaltungsprogramm gut einbauen und padagogisch sinnvoll verwenden. Wahrend nur etwa 25 % der 22.500 Fallstudien des European Case Clearing House sog. ..Teaching Notes'' anbieten, stellen sie die groBe Mehrheit jener Fallstudien dar, auf die Lehrende zuruckgreifen. Etwa 80 % der tatsachlich verwendeten Fallstudien weisen „Teaching Notes'' auf, die dem/der Lehrveranstaltungsleiter/in Tipps fiir den Einsatz der Fallstudie geben und als „Leitfaden fur den/die Lehrveranstaltungsleiter/in" verstanden werden konnen. Sie geben an, fiir welche Lehrveranstaltung die jeweilige Case Study ideal ist, enthalten Diskussionsfragen und Losungsansatze. Da es zumeist nicht eine einzige richtige Losung gibt, sollte flir den Lehrveranstaltungsleiter die tatsdchliche Entscheidung enthalten sein. Dadurch lasst sich eine Fallstudiendiskussion in der Lehrveranstaltung rund abschlieBen, der/die Student/in kann seinen Losungsvorschlag mit der tatsachlich getroffenen Entscheidung vergleichen.
Anforderungen aus der Sicht der Lernenden Bei der Fallstudie sollte es sich urn eine reale Situation handeln, d. h., die Untemehmen und Personen sollten existieren und reales Zahlenmaterial zum Einsatz kommen. Fiktive Fallstudien, die mit „In Firma XY" oder „Herr Mustermann" usw. beginnen, erwecken kein Interesse. Der Fall sollte zudem moglichst aktuell sein. Ein Zusatznutzen jeder Fallstudie ist das Kennen lemen von Branchen und Markten. Daher sollten Statistiken, Fakten usw. nicht zu alt sein. Es
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gibt nur wenige Fallstudien, die geme verwendet werden, wenn sie alter als etwa ftinf bis sieben Jahre sind. Wenn sich Studierende mit dem Entscheidungstrager identiflzieren konnen, steigen die Motivation und das Engagement. Erfolgreiche Fallstudien sind daher zumeist aus Sicht einer Person geschrieben, die haufig unter erheblichem Zeitdruck ein Problem losen muss. Erfolgreiche Fallstudien gleichen haufig einem Kriminalroman. Probleme, relevante Informationen usw, werden nicht zu offensichtlich dargestellt. Der/Die Studierende soil beim Lesen das Gefuhl haben, dass er laufend etwas Interessantes entdeckt. Dabei ist vor allem auch darauf zu achten, dass die Case Study keine Zahlenfriedhofe enthalt! Auch wenn es Aufgabe des/der Studierenden sein soil, relevante von irrelevanten Informationen zu unterscheiden, irritiert und frustriert eine iiberfrachtete Darstellung von Zahlenmaterial. Welters soUte die Fallstudie einen Bezug zu theoretischen Konzepten aufweisen, da ihr padagogischer Nutzen sonst als gering eingestuft werden muss. Zusammenfassend lassen sich verschiedene Erfolgsfaktoren an Case Studies darstellen (vgl. Tab. 4). Aus Sicht des/der Studenten/Studentin Reale Situation Al
Aus Sicht des/der Vortragenden Bezug zu theoretischen Konzepten Gute „Teaching Notes" Tatsachliche Entscheidung
Tabelle 4: Erfolgsfaktoren von Fallstudien
18.3.3
Arten von Case Studies
Je nach den defmierten Lemzielen erscheint die Anwendung unterschiedlicher Arten von Fallstudien sinnvoll. Im Gottinger Katalog Didaktischer Modelle (Flechsig, 1983) werden ganz allgemein sechs verschiedene Fallstudienarten unterschieden: Entscheidungsfalle zielen darauf ab, eine Informationsbasis zu liefem, anhand derer die Studierenden eine Entscheidung ableiten und diese begriinden sollen. Bei sogenannten Informationsfallen geht es um die Recherche und Darstellung der fiir eine Aufgabenstellung notigen Informationen. Bei Untersuchungsfallen ist die informatorische Ausgangsbasis etwas besser, es geht vielmehr um eine Aufgaben- oder Problemlosung. Problemfmdungsfalle fmden
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ihre Losung in der Identifikation eines vorhandenen Problems, wahrend Problemlosungsfalle auf die Methodik zur Losung einer gestellten Problems abzielen. Bei Beurteilungsfallen sollen Studierende letztendlich lemen, einen gegebenen Fall in einen allgemeineren Kontext einzuordnen. Als didaktische Anforderungen an den praxisbezogenen Fall werden in der Literatur genannt (Pilz, 1974): Ausrichtung des Falls auf die Lemziele, Lebens- und Wirklichkeitsnahe, Problemhaltigkeit in unterschiedlichem AusmaB, Losbarkeit bei Vorliegen individueller Voraussetzungen des Wissens und zeitlicher Voraussetzungen, Vorhandensein mehrerer Losungsvarianten. Fiir den wirtschaftswissenschaftlichen Kontext wurde eine weitere konkrete Einteilung z. B. von Heath (1998) getroffen (vgl. Tab. 5). Ein erster Typ von Fallstudien ist der .background Case'\ dessen Hauptziel es ist, ansonsten relativ trockene Information uber Markte, Branchen, Entwicklungen usw. in eine spannende Story zu verpacken. Beispiele dafiir sind „The Global Computer Industry" (HBS, No. 9-792-072) oder „Europe 1992" (HBS, No. 9-389-206). Diese Fallstudien dienen hauptsachlich der Diskussion, weniger der Entscheidungsfmdung. .Situation Cases'" (Fallbeispiel) haben das Ziel, theoretische Konzepte anhand eines konkreten Fallbeispiels darzustellen. Sie dienen mehr oder weniger nur der Illustration. Der Fall wird auf ca. 8-10 Seiten beschrieben. Im Anschluss gibt es Diskussions- und Verstandnisfragen (z. B. um welche Strategic, um welchen Organisationstyp, Fiihrungsstil usw. handelt es sich in diesem Fall?). ,,Ubungsfallstudien'' dienen dem Einsatz bestimmtcr Analyseinstrumente (z. B. Break-Even-Analyse, Portfolio-Analyse, etc.). Es handelt sich um relativ kurze, fiktive Beschreibungen von Situationen, Untemehmen, Produkten u. a. Das Entscheidungsproblem und der Losungsansatz sind klar vorgegeben. Damit die Ubung etwas interessanter wird, wird sie in eine kurze „Story" verpackt (Umfang: 3-5 Seiten). Der typische Harvard Business School (HBS) Case kann als ,J)ecision-Case" bezeichnet werden. Studierende erhalten die Beschreibung einer komplexen, realen Situation, ohne dass das Entscheidungsproblem klar herausgestellt wird. Die Studierenden haben die Aufgabe, das Problem zu identifizieren, Losungsaltemativen zu entwickeln, sie zu bewerten, eine davon auszuwahlen sowie Implementierungsvorschlage zu erarbeiten. Der Umfang betragt zumeist zwischen 15 und 25 Seiten.
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Didaktische Aspekte der Arbeit mit Case Studies Typ
Charakteristika
Beispiel
(1)„Background Case"
Informationen werden vermittelt, z.B. uber Branchen, Markte, Entwicklungen, etc.
Jhe Global Computer Industry" (HBS 9-792-072) „NAFTA: Free for Whom?" (HBS 9-792-049)
Theorie wird veranschaulicht anhand eines Fallbeispiels
Wagner/Reisinger: „Fallstudien aus der osterreichischen Marketingpraxis", WU Wien, 1994
Anwendung und Ubung von Methoden
Corsten/Reiss: „Ubungsbuch zur Betriebswirt-schaftslehre", Munchen, 2000
(2) Das „Fallbeispiel"
(3) Die „Ubungsfallstudie"
(4) „Decision Case" (HBS Case)
Reale Entscheidungen werden simuliert: Probleme identifizieren, Losungen entwickein, bewerten und umsetzen
DertypischeHBS-Case
Format Informationen verpackt in einer interessant geschriebenen „Geschichte" Ca. 15-25 Seiten Dient als Diskussionsgrundiage Beschreibung der Situation Max. 10 Seiten Im Anschluss Verstandnisfragen: z.B. „Beschreiben Sie die „Du darfst"Margarine anhand des Lebenszykluskonzeptes" -5 Seiten Fiktive Situation/Unternehmung/ Produkte Vorgabe des Entscheidungsproblems und Losungsansatzes Beschreibung einer realen Situation Problem nicht klar hervorgehoben 15-30 Seiten Teaching Notes fur den Vortragenden
Tabelle 5: Arten von Fallstudien fur den wirtschaftswissenschaftlichen Bereich
18.3.4
Merkmale komplexer Case Studies am Beispiel der HBS - Case Studies
Die komplexeste Art von Fallstudien ist, wie in Tab. 5 ersichtlich, die typische HBS-Case Study. Da Studierende den ganzen Problemlosungsprozess bearbeiten, eignet sie sich auch am besten dazu, die „Problem Solving Skills" zu trainieren. Problemlosungsaufgaben konnen dabei ganz allgemein algorithmisch oder heuristisch sein (vgl. Titus 2000): Wahrend algorithmische Probleme einen bestimmten Losungsweg nahe legen, verfiigen die heuristischen Probleme nicht uber einen klaren oder einfach identifizierbaren Losungsweg. Die Mehrheit der Marketingprobleme ist tendenziell eher schlecht defmiert und damit per defmitionem heuristisch. Dadurch spielt das Training von Kreativitat eine groBe Rolle. Die typischen HBS-Fallstudien beriicksichtigen diese Erkenntnis in hohem MaBe und ermoglichen es, Lemziele auf hohem hierarchischen Niveau zu erreichen. Komplexe Case Studies beschreiben reale, schwierige und komplexe Situationen haufig aus Sicht einer Person, die in das Geschehen eingebunden ist. Die Studierenden sollen sich mit der Person, fur die eine Entscheidung erarbeitet werden muss, identifizieren, wodurch die Motivation und das Engagement der Studierenden gefordert werden soil. Der Umstand, dass es sich um reale Markte, Untemehmen und Personen handelt, macht die Fallstudie spannend. Meist kann die
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Entscheidung der Studierenden mit tatsachlich erfolgten Entscheidungen verglichen werden. Die HBS-Fallstudie weist einige charakteristische Merkmale auf (vgl. Heath, 1998):
L Fdlle haben oft mehrere Problemstellungen Ein Charakteristikum von HBS-Fallstudien ist, dass Studierende das Kemproblem selbst identifizieren mtissen. Die Problemdefinition ist schlieBlich ein zentrales Element jedes Problemlosungsprozesses. Dass es bereits hier auBerst unterschiedliche Sichtweisen gibt, zeigt Hofstede (1991, S. 140ff). MBA-Studierende aus verschiedenen Landem identifizierten bei einer Fallstudie tiber Konflikte zwischen einzelnen Abteilungen einer Untemehmung voUig unterschiedliche Ursachen. Wahrend Studierende aus Deutschland das Problem in mangelnder formaler Struktur, unzureichend klarer Aufgabenteilung und Verantwortungszuordnung sahen, meinten britische Student/inn/en es handelte sich um ein Kommunikationsproblem. Die Franzosen wiederum fanden, das Problem sei, nach oben zu delegieren. Es zeigt sich also meist, dass gleiche Sachverhalte unterschiedlich wahrgenommen und beurteilt werden. Bei mehreren vorliegenden Problemen werden oft unterschiedliche Prioritaten gesehen. Dementsprechend verschieden fallen auch die Losungsansatze aus. Es ist bei HBS-Fallstudien beabsichtigt, dass gleichzeitig mehrere unterschiedliche Probleme vorliegen und nicht klar ersichtlich ist, was das Hauptproblem ist. Dies entspricht der realen Situation. Problemidentifikation und Prioritatenbildung konnen so trainiert werden.
2. Das zu losende Problem mrd nicht explizit vorgegeben HBS-Fallstudien gleichen einem Krimi. Der/die Leser/in begibt sich auf eine Entdeckungsreise. Er hat als erstes die Aufgabe, das Kemproblem zu identifizieren. Wie schwierig das sein kann, zeigt sich, wenn in einem Team jede/r Einzelne das Kemproblem in einem einzigen Satz formulieren muss.
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3. Meistgiht es nicht eine einzige richtige Antwort Man kann in den seltensten Fallen sagen, welche Losung die absolut richtige war. Dies wird von Studierenden an der Fallstudienmethode auch haufig kritisiert. AUerdings sind auch reale Situationen dadurch gekennzeichnet, dass keine Losung den Anspruch einer „absoluten Wahrheit" erheben kann. Es ist kaum moglich, mit Bestimmtheit zu sagen, was geschehen ware, wenn eine andere Alternative gewahlt worden ware. Bei der Fallstudienlosung kann der Vortragende aber die tatsachliche Entscheidung mit Argumenten und Konsequenzen prasentieren.
4, Informationen sind oft unvollstdndig, zweideutig und widerspriichlich Einer der Hauptkritikpunkte seitens der Studierenden bezieht sich haufig auf den Informationsstand. Informationen stellen sich meist unvollstandige dar, teilweise sind sie sogar zweideutig und widerspriichlich. Dies ist bei der HBS-Fallstudie jedoch beabsichtigt. Nur dadurch lassen sich reale Probleme simulieren. Bei kaum einer Entscheidung in Untemehmungen sind all jene Informationen vorhanden, uber die das Management geme verfiigen wiirde.
5. Informationen sind oft redundant oder irrelevant Studierende haben bei der Fallstudienbearbeitung auch die Aufgabe zu erkennen, welche Informationen fehlen und welche Informationen irrelevant sind, welche brauchbar und welche nicht brauchbar sind. Die Entscheidung bei Unsicherheit wird dadurch trainiert.
18.3.5
Bearbeitung komplexer Case Studies
Idealtypische Verlaufsstruktur Die Fallstudien-Methode folgt einer bestimmten Verlaufsstruktur, die in 6 Phasen gegliedert werden kann (vgl. Kaiser, 1985, Gasser,1999, S. 168 f):
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1. 2.
3. 4. 5. 6.
Konfrontation: die Problemsituation wird erfasst. Das Problem, die Ausgangssituation wird analysiert. Information: das dem Fall innewohnende Material an Informationen wird gewichtet, geordnet, es werden Prioritaten festgelegt, die Informationen werden analysiert und bewertet. Exploration: Altemativen, Losungen und Varianten werden entwickelt und deren Vor- und Nachteile abgewogen Resolution: Varianten werden verglichen und eine Entscheidung wird getroffen Disputation: die Losungen und MaBnahmen werden diskutiert, Konsequenzen werden erlautert und Widerstande und Friktionen offengelegt Kollation: zuletzt wird mit der Realitat verglichen und ev. noch theoretische Elemente hinzugefugt.
In der Lehrveranstaltung selbst bietet sich dem Lehrenden bei der Aufarbeitung die Moglichkeit, zu moderieren, die Studierenden prasentieren zu lassen oder ein Rollenspiel durchzufiihren. Im Folgenden soil der idealtypische Ablauf einer Bearbeitung von Case Studies dargestellt werden.
Phase 1: Vorbereitung durch die Studierenden Betrachtet man den idealtypischen Ablauf komplexer Case Studies so zeigt sich, dass diese auch von den Studierenden ausreichend Vorbereitungszeit erfordem. Die Fallstudie muss mehrmals gelesen werden, bevor Losungen entwickelt werden konnen. Wird die Fallstudie in Gruppen bearbeitet, empfiehlt sich ein mehrstufiges Vorgehen (vgl. Abb. 18.4).
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1. Lesen: Ziel: Uberblick
f 2. Lesen: Ziel: Kernprobleme identifizieren + relevante Informationen suchen \r 1. Gruppentreffen: Ziele: Gemeinsames Problemverstandnis und Alternativenfindung
Tipp: "Skimming", d.h. Lesen ohne Unterstreichen
Tipp: Kernprobleme identifizieren und erst jetzt relevante 1 nformationen markieren/herausschreiben
Tipp: Das Kernproblem in einem Satz formulieren
i Individuelle Arbeit: Ziel: Alternativenbewertung und -auswahl
Tipp: Erst damit starten, sobald alle ein gemeinsames Problemverstandnis haben
yr
2. Gruppentreffen: Ziel: Gemeinsame Losungsfindung
Tipp: Hier theoretisches Wissen einflieBen lassen
yr
Schriftliche Abfassung
Tipp: Einen Verantwortlichen fur den Gesamttext emennen
Abbildung 18.4: Der Vorhereitungsprozess bei den Studierenden
Das erste Lesen der Fallstudie dient lediglich dazu, einen tJberblick tiber den Fall zu gewinnen. Da es zu diesem Zeitpunkt relevante von irrelevanten Informationen noch nicht unterschieden werden konnen, sollte auf die Hervorhebung wichtig erscheinender Aspekte verzichtet werden. Unterstreichen oder Markie-
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ren verleitet dazu, Dinge hervorzuheben, die zwar interessant aber fiir das Problem Oder die Losungsaltemativen - die erst spater identifiziert werden - nicht von Bedeutung sind (vgl. Easton, 1992). Erst nach dem ersten Lesen sollte liberlegt werden, worin die Kemprobleme bestehen. Beim zweiten Lesen kann dann gezielt nach den - im Hinblick auf die identifizierten Kemprobleme - relevanten Informationen gesucht werden. Ein erstes Gruppentreffen ist erfahrungsgemaB erst dann sinnvoll, wenn jede/r Teilnehmer/in den Text mindestens zweimal durchgearbeitet. Jede/r Studierende sollte dann in der Lage sein, die Kemprobleme in einem Satz zu formulieren und mit Argumenten und Daten zu unterlegen. Das Ziel des ersten Gmppentreffens liegt darin, ein gemeinsames Problemverstandnis zu entwickeln und erste Losungsaltemativen zu formulieren. Im Anschluss an das erste Gmppentreffen sollten die Gruppenmitglieder in individueller Arbeit Altemativen systematisch bewerten und Losungsvorschlage ausarbeiten. Hier soil das theoretische Wissen der Student/inn/en einflieBen. Haufig sind zusatzliche Recherchen, Analysen, Berechnungen usw. notwendig, die in der Gmppe nicht effizient durchgefiihrt werden konnen. Aufgaben sollten verteilt und Verantwortlichkeiten festgelegt werden. Auf dieser Gmndlage kann dann in einem zweiten Gruppentreffen ein gemeinsamer Losungsvorschlag entwickelt werden. Fiir die schriftliche Abfassung der Gmppenlosung empfiehlt es sich, einen Verantwortlichen fiir den Gesamttext zu bestimmen. Haufig werden Textteile von einzelnen Teammitgliedem geschrieben und einfach zusammengefiigt. Als Resultat stellt sich der Gesamttext haufig zusammenhanglos, redundant und nicht aufeinander abgestimmt dar.
Phase 2: Aufarbeitung in der Lehreinheit Wie gezeigt wurde, identifizieren Studierende bei komplexen Case Studies in der Regel mehrere unterschiedliche Problemfelder, fiir die jeweils unterschiedliche Losungsansatze erarbeitet werden. Der/die Lehrveranstaltungsleiter/in steht demnach bei der Moderation der Diskussion vor der Herausfordemng, einerseits dafiir zu sorgen, dass alle Studierende - mit unterschiedlichsten Sichtweisen und Argumenten - in die Diskussion involviert werden und andererseits der rote Faden und die Fokussiemng auf einige zentrale Aspekte erhalten bleiben. Somit besteht die zentrale Aufgabe in der Balance zwischen Stmktur und Chaos, wobei der/die Lehrveranstaltungsleiter/in darauf achten sollte, den Studierenden - falls
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Didaktische Aspekte der Arbeit mit Case Studies
die Diskussion Gefahr lauft, abzugleiten - die eigene Sichtweise nicht bzw. nicht zu offensichtlich aufzuzwingen. Ware dies der Fall, kann es leicht passieren, dass sich Studierende mehr und mehr aus der Diskussion zuriickziehen und die Lehrveranstaltung zu einem Monolog wird. Die Fallstudienmoderation selbst lasst sich in drei Phasen (vgl. Abb. 18.5) gliedem, in denen unterschiedliche Aufgaben zu erflillen sind (vgl. Heath, 1998). Phase
Aufgabe
1. Einleitung
1. Interesse wecken 2. Identifikation herstellen 3. Teilnahme aller erreichen
2. Diskussion
1. Fall analysieren 2. Alle Studenten involvieren
3. Abschfuss
1. Zusammenfassen 2. Eventuell tatsachliche Entscheidung darstellen 3. Reflektieren
Abbildung 18.5: Ablauf der Moderation
In der Einleitungsphase kommt es darauf an, das Interesse der Studierenden zu wecken und die Teilnahme aller sicherzustellen. Tab. 6 gibt einen Uberblick iiber geeignete Eroffnungsfragen in der Einleitungsphase. Dies kann dadurch erreicht werden, dass sie sich mit der handelnden Person, der Untemehmung Oder der Situation identifizieren.
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Identifikation mit der Hauptperson herstellen Studierende emotional an die Fallstudie binden Alle Student/inn/en auffordern, eine Antwort zu suchen
Commitment herstellen „Cold calls" (namentlicher Aufmf) vermeiden
z. B. „Versetzen Sie sich in die Lage von ... Was wird in seinem Kopf vorgehen?" z. B. „Wurden Sie gerne fur diese Unternehmung arbeiten?" z. B. Lassen Sie jede/n Student/en/in die Antwort auf ein Blatt Papier schreiben: „Warum ist IKEA in dieser Situation? Notieren Sie die drei wichtigsten GriJnde!" oder /ormulieren Sie das Kernproblem in einem Satz" z. B. „Wer ist der Meinung, dass ...? Halten Sie die Hande hoch!" In der Einfuhrung sollten „cold calls" vermieden werden, sie konnen den Beigeschmack einer Pnjfungssituation hervorrufen, die offene Atmosphare storen und andere Student/inn/en von der Antwort abhalten.
Tabelle 6: Erdffmmgsfragen
Wesentlich ist es, so fruh wie moglich alle Studierenden in die Diskussion einzubinden. Denn generell gilt folgender Grundsatz: Je langer ein/e Student/in an der Diskussion nicht teilnimmt, umso hoher wird seine/ihre Barriere sich aktiv zu beteiligen! Es empfiehlt sich daher, mit allgemeinen Fragen zu beginnen, die jede/r Student/in beantworten kann. „Committen" sich Studierende „offentlich" fiir eine bestimmte Alternative, werden sie ihre Position auch in der Diskussion starker verteidigen. Wdhrend der Fallstudiendiskussion kommt es darauf an, den bereits angesprochenen Ausgleich zwischen Struktur und Chaos sicherzustellen. Ein gutes Beispiel fur eine strukturierte Vorgehensweise ist die in Abb. 18.6 dargestellte HBS-Methode der Fallstudiendiskussion (vgl. Lynn, 1998). Sie liefert einen allgemeinen Leitfaden fur den Aufbau einer Diskussion, der der jeweiligen Fallstudie angepasst werden kann. In jedem Fall ist es empfehlenswert, die Diskussionsfragen - wie in einem Interviewleitfaden - bereits vorher zu formulieren.
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1. Situation darstellen
^
2. Analyse
^ ^^
3. Herausforderung
^ ^^
4. Handlung
5. Hypothesen
^ ^
^
Wer? Was? Wann? Wie?
"Wie wijrden Sie die aktuelle Strategie/ Organlsation/Kulturvon IKEA beschreiben?"
Warum?
"Worin sehen Sie das * , «_ i-i o.. zentrale Problem?
.«, . J ^ X-. ^ Was bedeutet das?
"Was bedeuted das fiJr ,^_. _ , ,^-„ IKEAs Zukunft?
Was schlagen Sie vor? Warum?
"Welche Alternativen gibt es?"
Was, wenn...?
"Was, wen n die amerikanische Niederlassung mitlhrem Vorschlag nicht einverstanden ist?"
Wie wird sich Ihr 6. Konsequenzen
7. Reflexion
^ ^
^ ^^
Vorschlag auswirken? ,^, , Was kann man daraus lemen?
,„., ._j . . . . . . Wie wird sich Ihre strategie auswiiken?" ^ "Was kann man aus dieser situation lemen?", "Kennen « . . . . _ . . ^ « • • • o.. Sie ahnliche Beispiele?
Abbildung 18.6: Die HBS-Methode der Fallstudiendiskussion
Tab. 7 enthalt einige Grundregeln fur eine erfolgreiche Fallstudienmoderation. Grundsatzlich soUten die folgenden Punkte beriicksichtigt werden: Schaffung einer angenehmen Diskussionsatmosphare, Beteiligung moglichst aller Studierenden, eine gute Visualisierung der Analysen und Ergebnisse: neben Folien kann gerade zur Entwicklung von Losungen auch die Tafel als alte, aber trotzdem effektive Unterrichtstechnik eingesetzt werden. Gudjons beispielsweise unterstreicht deren Vorteile aus padagogischer Sicht indem er darauf hinweist, dass durch den Einsatz der „hardware" Tafel der rote Faden der Diskussion ersichtlich und eine ausreichende Reflexion der Ergebnisse sichergestellt wird (Gudjons, 2000).
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Die zehn Regein der Fallstudienmoderation 1) Kennen Sie die Student/inn/en beim Namen! Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn die Diskussion ins Stocken gerat oder von einigen Wenigen dominiert wird. In dieser Situation kommt es darauf an, den Ball an jene Student/inn/en zu spielen, die bisher kaum beteiligt waren. Eine namentliche Ansprache ist dafursehr hilfreich. 2) Schaffen Sie optimale raumliche Bedingungen fur eine lebhafte Diskussion! Seminarraume mit ^Schulbestuhlung" eignen sich kaum fiJr intensive Diskussionen. Student/inn/en sind nicht in Sichtkontakt untereinander und der Lehrveranstaltungsleiter kann sich kaum bewegen. 3) Schaffen Sie Abwechslung! Schaffen Sie Spannung, in dem Sie Unvorhergesehenes tun. Das Wichtigste ist Abwechslung. Organisieren Sie z.B. unangekijndigte Rollenspiele, Kurzprasentationen der Student/inn/en, usw. Die Fallstudienmethode wird langweilig, wenn jede Veranstaltung nach dem gleichen Schema ablauft. 4) Kontrollieren Sie die „Vielredner"! In jeder Gruppe gibt es Student/inn/en, die ununterbrochen reden wollen. Das kann die Diskussion stark beeintrachtigen. Oft gibt es keine Altemative, als sie zu ignorieren und bewusst andere Student/inn/en anzusprechen, die sich bisher kaum beteiligt haben. 5) Suchen Sie nach gegensatzlichen Meinungen! Diskussionen ohne Streitgesprache sind langweilig. Suchen Sie daher bewusst nach gegensatzlichen Meinungen und „heizen" Sie die Diskussion auf! Wenn es keine gegensatzlichen Meinungen gibt, spielen Sie den Advokat des Teufels! Lassen Sie aber nicht erkennen, ob das Ihre Meinung ist! 6) Lassen Sie die Student/inn/en Ihre Meinung nicht wissen! Sobald die Student/inn/en Ihren Standpunkt kennen, wird die Diskussion abflachen! 7) Beantworten Sie nicht selbst Ihre Fragen! Haben Sie Geduld, wenn auf Ihre Fragen Schweigen folgt. Der groftte Fehler ist, voreilig selbst die Antwort zu geben, da Student/inn/en so sehr schnell in die Rolle des Schulers und der Lehrveranstaltungsleiter in die Rolle des Lehrers zurijckfallen. Warten Sie lange genug, wiederholen Sie die Frage, formulieren Sie sie um, lassen Sie die Antworten zunachst auf ein Blatt aufschreiben bevor sie diskutiert werden, oder lassen Sie die Antwort in kleinen Teams erarbeiten! 8) Visualisieren Sie die zentralen Diskussionspunkte! Ohne Visualisierung konnen Student/inn/en oft nur sehr schwer folgen, sie erkennen keinen roten Faden und Sie konnen auch schwer in einer spateren Phase auf bereits Erarbeitetes zuruckgreifen. 9) Seien Sie perfekt vorbereitet! Student/inn/en zitieren ab und zu falsche Tatsachen oder interpretieren Tabellen u.a. falsch. Es ist unverzeihiich, wenn Sie das nicht erkennen. 10) Akzeptieren Sie nicht die Ausrede „Wir haben zu wenig Informationen"! Dies ist einer der haufigsten Einwande bei der Fallstudienmethode. Betonen Sie, dass das in der Realitat der Normalfall ist. Falls tatsachlich zu wenig Informationen da sind, verlegen Sie die Diskussion auf die Frage, welche Informationen benotigt sind, wie man sie bekommen konnte und lassen Sie dann vemunftige Annahmen treffen, mit denen Sie weiterarbeiten.
Tabelle 7: 10 Regein der
Fallstudienmoderation
Rollenspiele eignen sich fur die Aufarbeitung von Case Studies insbesondere dann, wenn Konfliktsituationen nachgespielt werden konnen oder wenn Altemativen vorliegen, die typischerweise von verschiedenen Personen - z. B. aus den einzelnen Funktionsbereichen oder Hierarchieebenen - unterschiedlich betrachtet werden (vgl. Tab. 8). Durch den Einsatz von Rollenspielen wird - neben den fachlichen Inhalten - auch das Argumentationsverhalten der Studierenden trainiert. Die Teilnehmer lemen unter anderem, sich in die verschiedenen Situationen zu versetzen, Standpunkte anderer besser aufzunehmen und darauf einzugehen und die eigene Meinung zu vertreten.
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Beispiel: - Situation: Entscheidung uber eine neue Strategie, wobei mehrere Alternativen mogiicii sind - Jede Student/inn/engruppe entsendet einen Vertreter in eine Vorstandssitzung - Jeder Vertreter hat die Aufgabe, den Vorschlag der Gruppe zu verteidigen - Die Gruppe liat 15 Minuten Zeit, Argumente und Argumentationsstrategie festzulegen - Die Sitzung wird vom Vorstand (evti. Lehrveranstaltungsleiter) moderiert.
Tabelle 8: Rollenspiel (Beispiel) Generell sollte beim Einsatz von Rollenspielen auf folgende Punkte geachtet werden (vgl. Knoll, 2001): •
Kurze Vorbereitungszeit, damit keine umfangreichen „theoretischen" Losungskonzepte erarbeitet werden konnen;
•
Rechtzeitiger Abbruch des RoUenspiels, damit im anschlieBenden Auswertungsgesprach ausreichend Diskussionsstoff vorhanden ist. Lasst man so lange spielen, bis keinem der Teilnehmer mehr etwas einfallt, wird das Rollenspiel erstens langweilig und zweitens konnen sich die anderen Teilnehmer nicht einbringen, da bereits im Rollenspiel das Thema ausgereizt wurde;
•
Rollenspiele sollten nicht am Anfang einer Veranstaltung gemacht werden, da sie gegenseitige Bekanntschaft und ein bestimmtes Vertrauensklima voraussetzen.
Das anschlieBende Auswertungsgesprach sollte sich sowohl auf den Ablauf als auch den Inhalt des RoUenspiels beziehen, einzelne Standpunkte und Argumente konnen visualisiert und bewertet werden. Dabei sollte zunachst den Spielem die Moglichkeit eroffnet werden, sich zum Spiel zu auBem (z. B. „Wie ist es Ihnen in Ihrer Rolle ergangen"), erst danach sollte die allgemeine Diskussion eroffnet werden, in die alle Studierenden miteinbezogen werden. Als dritte Variante zur Aufarbeitung von Fallstudien bieten sich Prdsentationen der Losungen durch die Studierenden an. Diese konnen entweder geplant oder spontan eingesetzt werden. Bei geplanten Prdsentationen steht den Studierenden ausreichend Vorbereitungszeit zur Verfiigung, so dass sie in der Lage sein sollten, ihre Argumente vorzubereiten und Losungen uberzeugend begrtinden zu konnen. Wenn die Fallstudie von alien Studierenden bearbeitet wurde, kann sich eine intensive Diskussion ergeben, bei der die Vortragenden vor der Herausforderung stehen, ihre eigene Losung quasi zu „verkaufen". Um sicherzustellen, dass sich alle Studie-
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renden mit der Fallstudie auseinandersetzen, kann beispielsweise festgelegt werden, dass alle Studierenden ihre Losungsvorschlage schriftlich abgeben. Durch spontane (Kurz)Prdsentationen kann in Fallen, in denen es nicht gelingt, eine spannende Diskussion zu initiieren, Abwechslung in die Veranstaltung zu bringen. In diesem Fall erhalten die einzelnen Gruppen Zeit, ihre Analysen, Bewertungen oder Losungen zu visualisieren und zu prasentieren. Wichtig ist es, ftir beide Arten der Prasentationen klare Zeitlimits vorzugeben.
Phase 3: Reflexion In der Abschlussphase muss den Studierenden ausreichend Moglichkeit zur Reflexion gegeben werden und der Bezug zu den theoretischen Grundlagen hergestellt werden. In dieser fiir den Lemeffekt kritischen Phase geht es darum herauszuarbeiten, was aus dieser Fallstudie gelemt und verallgemeinert werden kann.
18.4 Kritisches Resiimee Wahrend man an Hochschulen das Wort „docendi" lange Zeit allzu wortlich genommen und dabei den Nutzen des „leaming by doing" iibersehen hat, sind nun zunehmend auch Lehrende an Hochschulen bereit, innovative Lehrmethoden einzusetzen. Diese Bereitschaft resultiert aus der Einsicht, Studierenden auf eine Tatigkeit in einer sich schnell verandemden, wettbewerbsintensiven Arbeitswelt vorbereiten zu miissen (Gremler et al., 2000). Wahrend im vorliegenden Beitrag der Einsatz von Case Studies aus didaktischen Griinden gewiirdigt wurde, muss jedoch auch die Frage gestellt werden, warum zwar viele Lehrende vom Nutzen des „experiental learning" iiberzeugt sind, die zugehorigen Methoden in der Praxis jedoch haufig nicht angewandt werden. Einer der Ursachen dafiir liegt in der Schwierigkeit begriindet, Theorie und Anwendung in sinnvoller Weise - z. B. im Rahmen einer Fallstudienbearbeitung - miteinander zu kombinieren (Bobbitt et al., 2000). Zudem ist die zusatzliche Ubemahme von Verantwortung flir den eigenen Lemprozess durch die Studierenden nicht mit einem geringeren Aufwand flir den/die Lehrenden gleichzusetzen (Gremler et al., 2000). Tatsachlich erhoht sich der Vorbereitungsaufwand flir Lehrende durch den Einsatz von Fallstudien haufig erheblich.
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Die Entscheidung, ob und welche Art von Fallstudien im Rahmen der Lehre an Hochschulen oder postsekundaren Bildungseinrichtungen zum Einsatz kommen, hangt letztendlich von den Zielsetzungen der jeweiligen Veranstaltung ab, Tab. 9 fasst die wesentlichen Starken und Schwachen dieser Unterrichtsmethode nochmals uberblickmafiig zusammen. Letztendlich lasst sich jedoch feststellen: „However, it can result in some wonderful experiences as teachers and students share the excitement of acting as partners in the classroom." (Gremler et al., 2000, S. 36).
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Starken der Fallstudienmethode BriJcke zwischen Theorie und Praxis durch die Anwendung von theoretischen Konzepten auf praktische Probleme Training analytischen, kritischen und konstruktiven Denkens, geistiger Beweglichkeit und Kreativitat sowie die Fahigkeit, Probleme zu erkennen und richtig zu beurteilen Demokratische Unterrichtsmethode, die aktive Mitarbeit stimuliert: • Lernende/r nimmt aktiv am Lehr-Lern-Prozess teil, die Eigenverantwortlichkeit wird dadurch unterstutzt • Lemende/r ist nicht passiver Wissensempfanger, sondern Partner/in im Lehr-Lern-Prozess und fuhit dadurch eine Wertschatzung • Lehrende und Lemende haben die selben Ausgangsinformationen (ausgenommen z.B. HBS-Cases mit Teaching Notes) Gruppenmethode, in deren Mittelpunkt soziale Interaktionsprozesse und gemeinsame Entscheidungsprozesse stehen: • erfordert Kommunikationsprozesse zwischen den Lemenden und zwischen Lehrenden und Lemenden • trainiert die Fahigkeit der Kommunikation und der Kooperation • macht den Teilnehmer/innen deutlich, dass der einzelne unmoglich an alles denken kann, was in der Falldiskussion zur Sprache kommt und hebt damit die Bedeutung von Teamarbeit hervor •
konvergierendes Denken wird durch das hohe Wissenspotenzial aller ermoglicht
Lernmotivation wird erzeugt durch die praxisbezogene und problembezogene Aufbereitung des Lehrstoffs Bin effektives Behalten des Lernstoffes wird durch den Praxisbezug und eigenes Handein gefordert, die Lemsituation wird dadurch lockerer Die personliche Betroffenheit wird gefordert und eine hohe Identifikation mit dem Themenkreis unterstutzt
Mitarbeit der Teilnehmer/innen ist Voraussetzung fijr den Erfolg der Methode
Schwachen der Fallstudienmethode Starke Simplifizierung von Entscheidungsproblemen Prozess der Infomiationsgewinnung und -auswahl fehit z.T. in den Fallen Setzt die Kenntnis von Fachwissen und grundlegenden theoretischen Konzeptionen voraus Zur systematischen Wissensaneignung ungeeignet Uberbetonung von positiven Entscheidungen, d.h. der Zwang, selbst Entscheidungen dann zu treffen, wenn die Situation keine sinnvolle sofortige Losung zulasst
Uberbetonung des Individualfalls und fehlende Verallgemeinungsmoglichkeiten Hohe Anfordemngen an Studierende in kognitiver und zeitlicher Hinsicht und dadurch Benachteiligung schwacher Student/inn/en Hohe Anforderungen an Lehrende: • zusatzliche Wissenskompetenzen des Lehrenden gefordert: neben fachlichem und padagogischem Wissen zusatzlich psychologisches und soziologisches Wissen und Verstandnis notig • hoher Vorbereitungsaufwand fur Lehrende, sehr zeitintensive Form des Lehrens und Wissensvermittelns • Schwierigkeit einer planbaren Unterrichtsdisposition • Schwierigkeit der Auswahl einer geeigneten Fallstudie zur optimalen Erreichung der Lernziele • Vorteilhaftigkeit extrovertierter Personlichkeitsstruktur bei den Studierenden Gefahr, dass Studierende die Komplexitat von Problemen aufgrund der vereinfachten Struktur in Fallstudien unterschatzen Folgen einer Entscheidung konnen in der Praxis weitreichender sein als sich dies im Unterrichtsgeschehen abbilden lasst Probleme sind in der Realitat Jacherubergreifend" und erfordern in der Regel auch die Mitarbeit von Fachleuten unterschiedlicher Disziplinen und Positionen im Untemehmen Durch Gruppenprozesse kann Konkurrenzdenken verstarkt werden und Verliererpositionen auftreten, je nach Personlichkeitsstruktur konnen einzelne Teilnehmer/innen sehr dominant sein Schwierigkeit der individuellen Leistunqskontrolle Mitarbeit der Teilnehmer/innen ist Voraussetzung fiJr den Erfolg der Methode
Tabelle 9: Starken und Schwachen der Fallstudienmethode (z.T. nach Brommer, 1992)
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Die Autoren
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. mont. Siegfried Augustin
Selbstandiger Untemehmensberater und Dozent Munchen
Dipl.-Ing. Dr. mont. Sabine Back
FH JOANNEUM Kapfenberg
Dipl.-Wirtsch.-Math. Katja Barfus
Fraunhofer Institut fiir Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF Magdeburg
MMag. Dr. Sonja Bidmon
Abteilung fur Marketing und Internationales Management an der Alpen-Adria-Universitat Klagenfurt
Univ.-Prof (FH) Dr. Ulrike Buchholz
Fachhochschule Hannover Fachbereich Informations- und Kommunikationswesen
Univ.-Prof Dr. mont. Corinna Engelhardt-Nowitzki
Lehrstuhl Industrielogistik an der Montanuniversitat Leoben
Mag. artium. Pit Forster
selbstandiger Berater und Trainer forum momentum Glinzach
Alexandra Gmundtner
HTL Leoben
Univ.-Prof Dr. Ingrid Gopfert
Lehrstuhl fiir ABWL und Logistik an der Philipps-Universitat Marburg
Dipl.-Ing. Gemot Gossler
Logistik Management Systeme GmbH Trofaiach
Prof (FH) Dr. Robert Graf
Dr. Graf & Partner Gesellschaft fur Untemehmensorganisation Karlsruhe
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Die Autoren
Dipl.-Kfm. Guido Grohmann
Institut fur Wirtschaftsinformatik im Deutschen Forschungszentrum fiir Ktinstliche Intelligenz
Mag. Robert Hermann
AuBeninstitut an der Montanuniversitat Leoben
Dipl.-Ing. Solveig Hofer
Siemens AG Munchen
Univ.-Prof. Dr. Kurt Matzler
Institut flir Internationales Management an der Johannes Kepler Universitat Linz
Dr. Axel Neher
Lehrstuhl fiir ABWL und Logistik an der Philipps-Universitat Marburg
Dr. OlafNowitzki
selbstandiger Trainer
Dipl.-Wirtsch.-Ing., MSc Tobias Reggelin
Fraunhofer Institut fiir Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF Magdeburg
Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer
Institut flir Wirtschaftsinformatik im Deutschen Forschungszentrum flir Ktinstliche Intelligenz
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Schenk
Fraunhofer Institut fur Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF Magdeburg
Univ.-Ass. Mag. Dr. Alexander Schwarz-Musch
Abteilung fiir Marketing und Internationales Management an der Alpen-Adria-Universitat Klagenfiirt
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Die Autoren
Dr. Wolfgang Steyrleithner
Trainer Untemehmensplanspiel
Dr. Sascha Stohwasser
Bosch Rexroth AG Witten
Universitatslektorin Mag. Dr. phil Elisabeth von Homstein
Organisationsberatung Miinchen
Dipl.-Ing. Dr. Techn. Dr. Ing. Karl-Heinz Weigl
ESLA Solutions Wien
Dr. Adi Winteler
Institut fur Psychologie und Erziehungswissenschaften an der Universitat der Bundeswehr Munchen
Univ.-Prof Dr.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Gert Zulch
Institut fiir Arbeitswissenschaft und Betriebsorganisation an der Universitat Karlsruhe
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